Infrastruktur-Recht: Festschrift für Wilfried Erbguth zum 70. Geburtstag [1 ed.] 9783428552924, 9783428152926

Zum 70. Geburtstag von Wilfried Erbguth am 4. Mai 2019 widmen ihm Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen sowi

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German Pages 659 [661] Year 2019

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Infrastruktur-Recht: Festschrift für Wilfried Erbguth zum 70. Geburtstag [1 ed.]
 9783428552924, 9783428152926

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Infrastruktur-Recht Festschrift für Wilfried Erbguth zum 70. Geburtstag

Herausgegeben von Sabine Schlacke Guy Beaucamp Mathias Schubert

Duncker & Humblot . Berlin

Infrastruktur-Recht Festschrift für Wilfried Erbguth zum 70. Geburtstag

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1400

Infrastruktur-Recht Festschrift für Wilfried Erbguth zum 70. Geburtstag

Herausgegeben von Sabine Schlacke Guy Beaucamp Mathias Schubert

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: Druckteam, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15292-6 (Print) ISBN 978-3-428-55292-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85292-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Mit dieser Festschrift wollen wir Wilfried Erbguth herzlich zu seinem 70. Geburtstag am 4. Mai 2019 gratulieren. Unter Bezugnahme auf das InfrastrukturRecht behandeln die versammelten Beiträge allgemeine und spezielle Fragen aus den Gebieten des Europarechts, des Verfassungsrechts sowie des Verwaltungsrechts und hier insbesondere des Raumordnungs- und (sonstigen) Planungsrechts, des Umweltrechts sowie des maritimen Rechts und des Hafenrechts. Die Festschriftbeiträge spiegeln zugleich die beeindruckende Bandbreite des wissenschaftlichen Wirkens unseres akademischen Lehrers wider. Motiviert durch seine langjährige wissenschaftliche Tätigkeit am Münsteraner Zentralinstitut für Raumplanung, widmete sich Wilfried Erbguth zunächst dem Bau- und Raumordnungsrecht; bald kam das Umweltrecht hinzu, welches auch Gegenstand seiner Habilitationsschrift war. In seiner Rostocker Zeit seit 1992 führte er diese Bereiche fort und erweiterte zugleich sein wissenschaftliches Arbeitsfeld, etwa um das Seerecht, das Hafenrecht und das Infrastrukturrecht. Die wissenschaftliche Produktivität des Jubilars ist dabei beeindruckend. Erwähnt seien nur die regelmäßig neu aufgelegten Lehrbücher zum Allgemeinen Verwaltungsrecht, zum Baurecht und zum Umweltrecht sowie die Kommentierung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, ferner die Mitarbeit am Grundgesetz-Kommentar von Michael Sachs. Neben diesen beispielhaft genannten, übergreifend angelegten Werken hat sich Wilfried Erbguth mit vielen rechtswissenschaftlichen Detailfragen in über 200 Aufsätzen befasst. Als Jungwissenschaftlerin bzw. Jungwissenschaftler konnte man angesichts dieser Leistungen durchaus kalte Füße bekommen. Hervorheben möchten wir den großen Einsatz des Jubilars für den interdisziplinären Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Dies zeigt sich etwa durch die Gründung des Ostseeinstituts für Seerecht und Umweltrecht, die Mitarbeit im Wissenschaftsverbund Um-Welt, dessen Vorsitzender Wilfried Erbguth viele Jahre war, die kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Akademie für Raumforschung und Landesplanung sowie zahlreiche fachübergreifend angelegte Drittmittelprojekte. Die regelmäßigen wissenschaftlichen Veranstaltungen der genannten Institutionen gaben dem interdisziplinären Austausch ebenfalls ein Forum. Gleichzeitig boten sie die Möglichkeit des Dialoges zwischen universitärer Rechtswissenschaft und Verwaltungspraxis, die Wilfried Erbguth ebenfalls am Herzen lag. Auch deswegen hatten wir als Herausgeber keine Mühe, viele Praktiker des Verwaltungsrechts als Autoren für diese Festschrift zu gewinnen. Der Jubilar hat sich auch um den wissenschaftlichen Nachwuchs verdient gemacht, indem er fünf Habilitationen und 15 Doktorarbeiten erfolgreich betreut

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Vorwort

hat. Persönlich möchten sich die Herausgeber bei ihrem Habilitationsvater vor allem für die Ermutigung bedanken, sich der eigenen wissenschaftlichen Freiheit zu bedienen. Es war z. B. keineswegs erforderlich, wissenschaftliche Standpunkte des Betreuers zu übernehmen! Unser Dank gilt den Autorinnen und Autoren der Beiträge zur Festschrift, Frau Heike Frank vom Verlag Duncker & Humblot für die reibungslose und erfreuliche Zusammenarbeit und Herrn Dipl.-Jur. Simon Lammers für seine hilfreiche Unterstützung bei der redaktionellen Bearbeitung des Werkes. Schließlich gebührt dem Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung des Landes MecklenburgVorpommern sowie dem Förderverein des Ostseeinstituts für Seerecht und Umweltrecht e.V. großer Dank für die Übernahme der Druckkosten. Münster / Hamburg / Rostock im Januar 2019

Sabine Schlacke Guy Beaucamp Mathias Schubert

Inhaltsverzeichnis I. Allgemeine Fragestellungen Martin Kment Der Steuerungsansatz der Nachhaltigkeit im Umwelt- und Planungsrecht – Eine Betrachtung aus zwei Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hartmut Bauer Altes und Neues über Privatisierung und Publizisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bodo Wiegand-Hoffmeister Von der Akzeptanz des Rechts zum Recht der Akzeptanz? – Ein Diskussionsbeitrag mit Blick auf das Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Winfried Kluth Infrastrukturgenossenschaften als Instrument nachhaltiger kommunaler Bürgerpartizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Jan Ziekow Volksentscheide über planfeststellungspflichtige Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Europarecht Hans D. Jarass Verhältnismäßigkeit, gute Verwaltung, Bestimmtheit und Vertrauensschutz als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Jörg Berkemann Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) als Kontrollebene für das deutsche Raumordnungs- und Bauplanungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Wolfram Cremer EU-Beihilfenrecht und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse @ Zu den Grenzen der Altmark-Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Astrid Epiney Art. 6 Abs. 2 – 4 FFH-Richtlinie im Spiegel der neueren Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

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Inhaltsverzeichnis

III. Verfassungsrecht Michael Kloepfer Infrastrukturnetze und Grundrechte – Eine Strukturskizze . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Michael Sauthoff Baukunst und bauordnungsrechtliche Gestaltungsvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 177

IV. Verwaltungsrecht 1. Planungsrecht Sabine Schlacke Vorausschauende Planung als zulässige Vorratsplanung am Beispiel des Netzausbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Bernhard Stüer und Eva-Maria Stüer Planreparatur von Fehlern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . 225 Susan Grotefels Die Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung im deutschen Raumordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Peter Runkel Raumordnung für den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . 265 Boas Kümper Das raumordnerische Planungserfordernis – Zum Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung bei der Standortbestimmung für Großvorhaben . . . . . . . . . . . . 281 Wolfgang Durner Exekutivische Verwerfung rechtswidriger Raumordnungsziele? . . . . . . . . . . . . . 299 Reinhard Hendler Die Rechtsstellung der regionalen Planungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Holger Schmitz Die obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren . . . . 325 Guy Beaucamp Die Funktionslosigkeit von Bauleitplänen als rechtsmethodisches Problem . . . . 347 Wilhelm Söfker Steuerung von Außenbereichsvorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB durch Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Inhaltsverzeichnis

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Alexander Schink Auswirkungen des Hochwasserschutzgesetzes II auf die Bauleitplanung . . . . . . 381 Martin Dippel Entsorgungsinfrastruktur im Regelungssystem der §§ 36, 38 BauGB . . . . . . . . . 397 Frank Stollmann Grundstrukturen einer Planungsrechtsdogmatik im Gesundheitsrecht . . . . . . . . . 417

2. Umweltrecht Martin Beckmann Die „Modernisierung“ des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung – Ein gelungener Versuch zur Erhöhung der Vollzugstauglichkeit des UVPG? . . . . . . . . 441 Ulrich Ramsauer Vom Umweltrecht zu Eigenrechten der Natur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Klaus F. Gärditz Rechtsschutz im Standortauswahlverfahren für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Ulrich Smeddinck Feigenblatt oder Wachhund mit Konfliktradar? – Das Nationale Begleitgremium nach § 8 Standortauswahlgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

3. Maritimes Recht und Hafenrecht Peter Ehlers Ocean Governance für nachhaltige maritime Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Mathias Schubert Das deutsche Recht der Meeresraumordnung: Entwicklung – Stand – Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Felix Ekardt Ozeanversauerung und Infrastrukturrecht – Zugleich zur Reichweite des Pariser Klima-Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Rüdiger Breuer Der trimodale Umschlaghafen – Ein irregulärer Planungsfall? . . . . . . . . . . . . . . 587

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Inhaltsverzeichnis

Hans Martin Müller Die Einziehung von öffentlichen Binnenhäfen unter besonderer Berücksichtigung nordrhein-westfälischer Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Wilfried Erbguth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657

I. Allgemeine Fragestellungen

Der Steuerungsansatz der Nachhaltigkeit im Umwelt- und Planungsrecht – Eine Betrachtung aus zwei Perspektiven Von Martin Kment I. Facettenreichtum der Nachhaltigkeit 1. Widersprüche in der Wahrnehmung: Vision, Kritik und Fehlgebrauch Nachhaltigkeit ist einer der wohl schillerndsten Begriffe der juristischen Gegenwart. Er ist im Bereich des Öffentlichen Rechts in den Teilfeldern des Völker-, Europa-, Verfassungs- und Verwaltungsrechts nachweisbar und soll durch seine verbreitete Implementierung sogar „einen tiefgreifenden Umdenkensprozess einschließlich einer Überprüfung und partiellen Neujustierung der tradierten politischen Präferenzmodelle“ einfordern, die in einem Epochenwechsel münden sollen.1 Gleichzeitig ist der Nachhaltigkeitsbegriff inhaltlich derart flexibel bzw. kontextabhängig,2 dass seine bisweilen attestierte Inhaltsleere ihm bereits deutliche Kritik einbrachte: Zugespitzt ist von einem Modewort,3 einem semantischen Chamäleon,4 einem Gummiwort,5 junk-law6 oder gar einer Allzweck-Floskel für politisch korrekte Gutmenschen7 die Rede. Hinter der starken Rhetorik liegt im Kern der Vorwurf begründet, dass sich das Nachhaltigkeitsprinzip durch eine inhaltliche Beliebigkeit auszeichne, scheint Nachhaltigkeit doch „zu allem und nichts zu gebrauchen“ zu sein.8 Dieser kritischen Auffassung spielt sicherlich in die Karten, dass Nachhaltigkeit schon seit längerer Zeit die vielfältigsten Bereiche der Politik und des Alltags- und 1

W. Kahl, in: ders., Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 2008, S. 1 (32 ff.). K. Lange, in: ders. (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht, 2003, S. 109 (126 f.). 3 Vgl. R. Streinz, EuZW 1998, 137 (144). 4 F. Nuscheler, Entwicklungspolitik, 2006, S. 382. 5 F. Wullenweber, Politische Ökologie 63/64, Januar 2000, 23. 6 M. Reinhardt, UTR 1998, S. 73 (102). 7 M. Ronellenfitsch, NVwZ 2006, 385. 8 Siehe dazu ausführlich W. Kahl, in: ders. (o. Fn. 1), S. 1 (1 ff.); E. M. Frenzel, Nachhaltigkeit als Prinzip der Rechtsentwicklung?, 2005, S. 44 ff.; recht deutlich: C. Hagist/P. Moog/ B. Raffelhüschen, ZSE 2014, 529 (546): „typisches Wieselwort: Die Verpackung mag schön sein, der Begriff ist jedoch meist inhaltsleer“; ebenso C. Felber, in: I. Pufé, Nachhaltigkeit, 2014, S. 5: „gleichsam schillernder wie ungreifbarer Leitbegriff der Postmoderne“. 2

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Gesellschaftslebens überschwemmt. Deshalb wurde schon vor der Jahrtausendwende die Nachhaltigkeit durch den Jubilar als „ein vielfach – bewußt oder unbewußt – eingesetzter, gleichwohl überwiegend kaum ernst genommener, mithin durchaus auch belächelter Begriff“ qualifiziert.9 Und tatsächlich begegnet uns die Nachhaltigkeit alltäglich zumeist zum Adjektiv mutiert etwa als „nachhaltige Haushalts- und Sicherheitspolitik“, „nachhaltige Mode“, „nachhaltiger Warenkorb“, „nachhaltige Unternehmensführung“, „nachhaltige Innenarchitektur“, „nachhaltige Schulverpflegung“, „nachhaltige Geschenkidee“ bis hin zum „nachhaltigen Konsum“. 2. Auftrag an die Rechtswissenschaft Der Fehlgebrauch der Nachhaltigkeit sollte jedoch nicht voreilig mit dem Begriff bzw. dem Instrument der Nachhaltigkeit vermischt werden. Vielmehr liegt es in der Wiege der Rechtswissenschaft, den Umgang mit offeneren rechtlichen Gebilden aufzuzeigen, wie es letztlich auch die juristischen Alltagswerkzeuge „Abwägung“, „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“ oder „praktische Konkordanz“ sind.10 Überdies kann jede noch so pointiert vorgetragene Kritik am Nachhaltigkeitsprinzip nicht darüber hinweghelfen, dass der Gesetzgeber die Nachhaltigkeit ausgedehnt11 in die deutschen Gesetze hineingetragen hat. Auf der Ebene des deutschen Umwelt- und Planungsrechts finden sich Nachweise etwa in § 1 Abs. 5 S. 1, § 171a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 6 und 7, § 177 Abs. 5, § 193 Abs. 5 S. 2 Nr. 4 sowie Anlage 1 und 2 BauGB, § 1 S. 1, § 17 Abs. 2 S. 1 BBodSchG, § 37a Abs. 4 BImSchG i.V.m. § 14 Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung, § 37d Abs. 2 Nr. 1 lit. c) und 3, § 37g BImSchG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 4, § 5 Abs. 2 Nr. 1, 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 3, § 23 Abs. 2 S. 1, § 25 Abs. 2, § 26 Abs. 1 Nr. 1, § 62 BNatSchG, § 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1 Nr. 2, § 41 Abs. 2 S. 1 BWaldG, § 1 Abs. 1, § 3 Nr. 47, § 90 Nr. 1 lit. a), b) EEG, § 3 Nr. 33 EnWG, § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 3, 6, Anlage 2 ROG, Anlage 4 und Anlage 6 UVPG, § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1, § 28 Nr. 1 lit. f), § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 45a Abs. 2 Nr. 3, § 45b Abs. 2, § 45h Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 3 WHG. Mit der Aufnahme in den Gesetzestext entfaltet die Nachhaltigkeit einen Steuerungsanspruch, der juristisch zu ermitteln ist;12 dies gebietet bereits der Respekt vor dem demokratisch gewählten Gesetzgeber.13

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W. Erbguth, DVBl. 1999, 1082. Der Nachhaltigkeitsbegriff wird bereits jetzt mit der Verhältnismäßigkeit strukturell gleichgesetzt; vgl. dazu K. Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip, 2011, S. 184 ff., S. 252 ff.; M. Eifert, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, 2016, S. 371 (371 f.). 11 Allein auf Bundesebene lassen sich im Jahr 2018 mehr als 500 Fälle nachweisen. 12 W. Erbguth, DVBl. 1999, 1082 (1083). 13 A. Glaser, Nachhaltige Entwicklung und Demokratie, 2006, S. 53; M. Rehbinder, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 721 (738). 10

Der Steuerungsansatz der Nachhaltigkeit im Umwelt- und Planungsrecht

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II. Entwicklungsgeschichte der Nachhaltigkeit 1. Erste Nachhaltigkeitsansätze Blickt man zur Erfassung des Steuerungsansatzes der Nachhaltigkeit zurück in die Vergangenheit, fällt bereits die Determination ihrer historischen Wurzeln recht schwer. Belegt ist zumindest, dass der Grundgedanke der Nachhaltigkeit bis in die Antike zurückreicht.14 Schon das Rechtsinstitut des Nießbrauchs kannte im römischen Recht den Grundsatz, dass eine Sache, die einem anderen gehört, so zu nutzen und zu gebrauchen ist, dass deren Substanz erhalten bleibt.15 Und auch im Mittelalter erkannten die Bewohner Mitteleuropas, dass die fast vollständige Rodung der Wälder zwischen 1300 und 1350 schwerwiegende nachteilige Folgen haben würde. Deshalb entschlossen sie sich, ihren Umgang mit der Ressource Wald grundlegend zu ändern, um ein Nachwachsen der Bäume zu ermöglichen; mithin entschieden sie, nachhaltig zu agieren.16 2. Sprachwissenschaftlicher Hintergrund Flankiert man diese ersten historischen Ansätze mit einer sprachwissenschaftlichen Zeitreise, gelangt man zu Beginn zum kursächsischen Ökonom Hans-Carl von Carlowitz, der in seiner „Sylvicultura Oeconomica“ 1713 für die Baumzucht eine „continuierliche beständige und nachhaltige Nutzung“ forderte.17 Das Adjektiv „nachhaltig“ gewinnt von Carlowitz wohl aus dem deutlich älteren Verb „nachhalten“, dessen frühester Nachweis bis ins Jahr 1300 zurückweist.18 Auch wenn Nachhaltigkeit sprachlich bis ins 20. Jahrhundert hinein Einzug in andere Wissenschaften findet, etwa die Pädagogik19 oder das Konkursrecht,20 bleibt sie ein forstwissenschaftlicher Fachterminus.21 Hier findet auch der Brückenschlag zum angelsächsischen Recht statt, in dessen Einflussbereich ab Beginn des 20. Jahrhunderts von „sustained yield“ die Rede ist.22 Zu diesem Zeitpunkt ist die Definition der Nachhaltigkeit 14

J. Soentgen, Gaia 25/2, 2016, 117. „Usus fractus est ius alienis rebus utendi fruendi salva rerum substantia“ (Nießbrauch ist das Recht, die Sache eines anderen zu nutzen und zu gebrauchen, unter Wahrung der Substanz der Sache); siehe dazu P. Krüger/T. Mommsen, Corpus iuris civilis, 1889, S. 13. 16 W. Abel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters, 1976; K. Bosselmann, The Principle of Sustainability, 2017, S. 12. 17 H. C. von Carlowitz, Sylvicultura Oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht, 1713 (Zitat nach 2. Aufl., 1732, S. 105 f.). 18 D. Klippel/M. Otto, in: Kahl (o. Fn. 1), S. 39 (45). 19 J. Dolch, Nachhaltigkeit und Lebenswirksamkeit des Unterrichtserfolgs, Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik, 1953, S. 187 ff. 20 H. Krohn, Die Nachhaltigkeit der konkursmäßigen Feststellung, 1933. 21 D. Klippel/M. Otto, in: Kahl (o. Fn. 1), S. 39 (45). 22 U. Grober, Modewort mit tiefen Wurzeln – kleine Begriffsgeschichte von „sustainability“ und „Nachhaltigkeit“, Jahrbuch Ökologie 2003, S. 167. 15

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noch weitläufig, aber auch bestechend einfach:23 Eine (ökologische) Ressource soll nur so stark beansprucht werden, wie sie selbst nicht gefährdet wird.24 3. Völkerrechtlicher Durchbruch und inhaltliche Anreicherung Seine forstwirtschaftlichen Ketten legt der Nachhaltigkeitsterminus erst im Jahr 1972 ab. In dem vom Club of Rome beauftragten Report von Donella und Denis Meadows, Jorgen Randers und William W. Behrens III mit dem Titel „The Limits to Growth“25 wird die Nachhaltigkeit erstmals in einen größeren globalen Kontext der Weltwirtschaft gestellt. Die Autoren kommen zu folgendem Ergebnis: „It is possible to alter these growth trends and establish a condition of ecological and economical stability that is sustainable far into the future“26 und machen sich deshalb auf die Suche nach einem Weltsystem, „that is sustainable without sudden and uncontrollable collapse“.27 Nachhaltigkeit bewegt sich nunmehr in einem Beziehungsgefüge zur Ökonomie und weiteren weltpolitisch relevanten Faktoren. Nun entstehen Impulse zur ökologischen Zukunftsverantwortung der Staaten,28 die unter dem Bündelungsbegriff der Nachhaltigkeit auch Eingang in den Bericht der Weltkommission für die Umwelt und Entwicklung unter dem Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland finden.29 Der maßgebliche Durchbruch gelingt der Nachhaltigkeit in weltpolitischer Hinsicht im Jahr 1992. Die Nachhaltigkeit wird im Anschluss an die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in der Rio-Erklärung zum Leitprinzip der Völkerrechtsentwicklung erhoben.30 Mit seinem Auftrag, dass „die Staaten und Völker (…) bei der Weiterentwicklung des Völkerrechts auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten“ müssen, beinhaltet er noch kein verbindliches Völkerrecht,31 sondern lediglich eine politische Empfehlung, die thematisch vor allem in den ent23

A. Grunwald/J. Kopfmüller, Nachhaltigkeit, 2012, S. 18 ff.; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2008; E. Hofmann, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 299 (300); W. Kahl, in: ders. (o. Fn. 1), S. 1 (3 ff.). 24 A. Glaser (o. Fn. 13), S. 43. 25 D. Meadows/D. Meadows/J. Randers/W. W. Behrens, The Limits to Growth, 1972. 26 D. Meadows/D. Meadows/J. Randers/W. W. Behrens (o. Fn. 25), S. 23 (Hervorhebung nicht im Original). 27 D. Meadows/D. Meadows/J. Randers/W. W. Behrens (o. Fn. 25), S. 158 (Hervorhebung nicht im Original). 28 International Development Strategy for the Third United Nations Development Decade v. 5. 12. 1980, Rn. 41 (UN Doc. A/RES/35/56); Präambel, Art. I Abs. 4 World Charter for Nature (UN Doc. A/RES/37/7). 29 World Commission on Environment and Development, Our Common Future, 1987. 30 Rio Declaration on Environment and Development v. 12. 8. 1992 (UN Doc. A/CONF/ 151/26/Rev. 1). 31 D. Murswiek, „Nachhaltigkeit“, NuR 2002, 641 (644); M. Ruffert, Das Umweltvölkerrecht im Spiegel der Erklärung von Rio und der Agenda 21, ZUR 1993, 208 (214).

Der Steuerungsansatz der Nachhaltigkeit im Umwelt- und Planungsrecht

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wicklungspolitischen Kontext der Rio-Erklärung eingebunden ist.32 Mehr und mehr wird Nachhaltigkeit völkerrechtlich als Querschnittsprinzip verstanden. Dem ökozentrierten Ansatz werden holistisch eine soziale und ökonomische Komponente beigefügt, die das Nachhaltigkeitsgebot nunmehr mehrdimensional erscheinen lässt.33 Während sich also zunächst allein ökologische Belange im ressourcenschonenden (eindimensionalen) Konzept der Nachhaltigkeit als Beschränkung der ökonomischen Nutzenmaximierung gebärden, verlangt der später hinzugetretene dreidimensionale Ansatz eine Berücksichtigung und übergreifende Balancierung der im Einzelfall regelmäßig ebenfalls tangierten ökonomischen und sozialen Belange.34 Dieser Entwicklungsprozess – die Metamorphose der Nachhaltigkeit – setzt sich in der Folge fort: Im Zuge anschließender Umweltkonferenzen35 wird der zeitliche Horizont des ressourcenschonenden Ansatzes um eine generationenübergreifende und dynamische Perspektive erweitert (intertemporäre Gerechtigkeit) und der globale Aktionsraum des Prinzips deutlicher herausgearbeitet.36 So mutierte das Nachhaltigkeitsgebot auf der völkerrechtlichen Ebene zu einer rationalen Grundorientierung bzw. Anleitung, um in einer Tradition mit Ausgleichsprinzipien wie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die ubiquitären Interessenskonflikte moderner Gesellschaften auszutarieren und dabei weder das Interessenbündel gegenwärtiger und künftiger Generationen (intergenerationelle Gerechtigkeit), noch die Unterschiedlichkeit der Interessenlage in Industrie- und Entwicklungsstaaten aus den Augen zu verlieren.37 Heute findet sich das Nachhaltigkeitsgebot bzw. das Leitbild38 der nachhaltigen Entwicklung in vielen internationalen Verträgen und beeinflusst insbesondere das Umweltvölkerrecht. Es hat beispielsweise in der Biodiversitätskonvention,39 der Klimarahmenkonvention,40 der Konvention zum Schutz vor Wüstenbildung41 sowie zu32

K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 1), S. 137 (138). R. Sparwasser/R. Engel/A. Voßkuhle, Umweltrecht, 2003, § 2 Rn. 23; W. Erbguth, DVBl. 1999, 1082 (1083 f.); P. Sieben, NVwZ 2003, 1173 (1174 f.); K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 351 (351). 34 W. Kahl/A. Glaser, in: Lange (o. Fn. 2), S. 9 (9); J. Kersten, Das Anthropozän-Konzept, 2014, S. 45; für die Berücksichtigung einer vierten Säule kultureller Interessen votiert K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 1), S. 137 (140 f.). 35 Vgl. dazu A. Ingold, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 117 (125 ff.). 36 A. Ingold, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 117 (125); G. Michelsen/M. Adomßent, Nachhaltige Entwicklung: Hintergründe und Zusammenhänge, in: Heinrichs/Michelsen (Hrsg.), Nachhaltigkeitswissenschaften, 2014, S. 3 (13); U. Beyerlin/T. Marauhn, International Environmental Law, 2011, S. 83. 37 V. Eichener/R. G. Heinze/H. Voelzkow, in: Voigt (Hrsg.), Abschied vom Staat – Rückkehr zum Staat?, 1993, S. 393; I. Appel, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 83 (83); K. Bosselmann (o. Fn. 16), S. 54 ff.; T. Schomerus, Nachhaltigkeit aus rechtlicher Perspektive, in: Heinrichs/Michelsen (o. Fn. 36), S. 290 (293 ff.). 38 Zur Arbeit mit Leitbildern A. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2012, § 1 Rn. 42. 39 BGBl II, 1993 Nr. 32, S. 1742 ff. 40 Der Vertragstext ist unter http://unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf abrufbar (abgerufen am 9. 3. 2017). 33

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letzt im Pariser Abkommen zum Klimaschutz42 Eingang gefunden. Man darf es mit gutem Recht als einen allgemeinen völkerrechtlichen Rechtsgrundsatz im Werden beschreiben.43 III. Nachhaltigkeit im deutschen Verwaltungsrecht 1. Einbindung in einen europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Rahmen Die Inhalte des Nachhaltigkeitsgebots haben, ausgehend von der völkerrechtlichen Ebene, Eingang in das deutsche Verwaltungsrecht gefunden. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich das deutsche Verwaltungsrecht und das Völkerrecht nicht alleine gegenüberstehen. Der deutsche Rechtsraum ist auch durch eine erhebliche Einflussnahme europäischer Regelungen (Europäisierung des Rechts)44 gekennzeichnet. Überdies ist das nationale Verwaltungsrecht in einen verfassungsrechtlichen Rahmen eingebunden, den es zu respektieren hat und dessen Wertungen in das „einfache“ Gesetzesrecht hineinwirken.45 Europäisches Recht wie auch Verfassungsrecht können somit maßstabsprägend für das verwaltungsrechtliche Verständnis von Nachhaltigkeit sein. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben die Nachhaltigkeitsidee aufgegriffen und sich nach außen in Art. 3 Abs. 5 S. 2 EUV zu globaler, nachhaltiger Entwicklung verpflichtet. Zudem haben sie sich im Innenverhältnis gem. Art. 11 AEUV darauf geeinigt, die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und -maßnahmen, insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, einzubeziehen.46 Schließlich hat die Nachhaltigkeit mit Art. 37 in die Grundrechtecharta der Europäischen Union Eingang gefun-

41 Der Vertragstext ist unter http://www2.unccd.int/sites/default/files/relevant-links/ 2017 – 01/UNCCD_Convention_ENG_0.pdf abrufbar (abgerufen am 9. 3. 2017). 42 Der Vertragstext ist unter http://unfccc.int/resource/docs/2015/cop21/eng/l09r01.pdf abrufbar (abgerufen am 9. 3. 2017). Vgl. dazu C. Kreuter-Kirchhof, DVBl. 2017, 97. 43 Vgl. dazu J. Monien, Prinzipien als Wegbereiter eines globalen Umweltrechts?, 2014, S. 155 ff., S. 189 ff.; U. Beyerlin/T. Marauhn (o. Fn. 36), S. 73 ff.; W. Kahl, in: ders. (o. Fn. 10), S. 1 (4); weitergehender M. Schurmans, European Energy and Environmental Law Review 2015, 28 ff. 44 Vgl. dazu M. Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 16 f.; R. Wahl, in: Appel/Hermes (Hrsg.), Mensch – Staat – Umwelt, 2008, S. 135 (139); W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 104 ff. 45 BVerfG, Urt. v. 15. 11. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, S. 198; BVerfG, Urt. v. 25. 02. 1975 – 1 BvF 1/74, BVerfGE 39, S. 1 (41 f.). 46 G. Wagner, EurUP 2016, 121; A. Epiney, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 103 (104 ff.); T. Attendorn, NVwZ 2012, 1569 (1569).

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den47 und bildet sich auch in den Sekundärrechtsakten der Europäischen Union immer wieder ab.48 Im Gegensatz zu einzelnen ausländischen Verfassungen49 hat die Bundesrepublik Deutschland den Nachhaltigkeitsbegriff nicht explizit in das Grundgesetz inkorporiert. Allerdings beinhaltet Art. 20a GG eine Teilfunktion des Leitbilds der Nachhaltigkeit, nämlich den generationenübergreifenden Schutz der natürlichen Lebensgrundlage als Ausdrucksform einer Zukunfts- und Langzeitverantwortung.50 Außerdem verankert Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG mit der sogenannten „Schuldenbremse“ ein Teilelement der Nachhaltigkeit, die finanzielle Nachhaltigkeit, im Grundgesetz.51 Damit richtet sich das in Segmenten verfassungsrechtlich verbriefte Nachhaltigkeitsgebot im Schwerpunkt an den Gesetzgeber, der die, in die Form von Optimierungsaufträgen eingekleideten, Nachhaltigkeitsverpflichtungen umsetzen und dadurch einer wesentlichen Verschlechterung der Schutzobjekte entgegenwirken soll.52 Dem Gesetzgeber wird auf diese Weise die Organisation und Abstimmung der verschiedenen realen Entwicklungsstränge im Lichte des Nachhaltigkeitsgebots überantwortet. Er soll Ansätze und Instrumente, jedenfalls aber einen strukturierenden Rahmen gewährleisten, um trotz Ungewissheiten und Unkalkulierbarkeiten in einem Umfeld hoher Komplexitäten eine langfristig tragfähige und in ihren Folgen determinierbare positive Entwicklung der Lebenswirklichkeit zu ermöglichen.53 Hierauf hat der Gesetzgeber neben dem (moderaten) Normerlass insbesondere mit der Erarbeitung von Nachhaltigkeitsstrategien reagiert,54 die seine Zielvorstellungen transportieren und vermehrt als Soft-Law Steuerungsleistungen für die Rechtsanwendung bereithalten;55 teilweise stellt auch die Rechtsprechung auf die angebote-

47 Vgl. dazu H. D. Jarass, ZUR 2011, 563 (564 f.); H.-W. Rengeling, Festschrift Kloepfer, 2013, S. 161. 48 S. Schlacke, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 335 (338). 49 Siehe etwa Art. 6 der französischen Verfassung und Art. 2 Abs. 2 der Schweizer Verfassung; vgl. dazu A. Glaser (o. Fn. 13), S. 74 ff., S. 364 f. Siehe umfassend auch P. Häberle, in: Kahl (o. Fn. 1), S. 180. 50 W. Frenz, UTR 1999, S. 37 (40 f.); J. Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 332; C. F. Gethmann/M. Kloepfer/H. G. Nutzinger, Langzeitverantwortung im Umweltstaat, 1993; M. Kloepfer, DVBl. 1996, 73 (78); D. von Bubnoff, Der Schutz der künftigen Generationen im deutschen Umweltrecht, 2001, S. 62 ff. 51 P. Kirchhof, Deutschland im Schuldensog, 2012, S. 93 ff.; H. Kube, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 137 (146 f.); W. Kahl, in: ders. (Hrsg.), Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 2001, S. 1 (13 ff.). 52 M. Rehbinder, NVwZ 2002, 657 (660); S. Schlacke, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 335 (338). 53 I. Appel, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 83 (83 f.). 54 Bundesregierung, Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, BT-Drs. 14/8453; Bundesregierung, Nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Fortschrittsbericht 2012, BT-Drs. 17/8721; Bundesregierung, Eine Agenda für den Wandel zu nachhaltiger Entwicklung weltweit, BT-Drs. 18/3604. 55 Vgl. U. Volkmann, AöR 134 (2009), 157 (175).

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nen Leitbilder ab, um die gesetzgeberischen Zielvorstellungen komprimiert zu greifen.56 2. Normative Einbindung der Nachhaltigkeit in den deutschen Verwaltungsrechtsvorschriften, insbesondere im Umwelt- und Planungsrecht Die rechtliche Konstruktion der normativen Steuerungsebenen wie auch das Zusammenwirken der Steuerungsinstrumente zeichnet sich im Verwaltungsrecht durch eine bestechend ähnliche Mehrschichtigkeit und Verquickung aus. Ähnlich einer Dachkonstruktion findet sich dort zunächst ein allgemeines, gebietsneutrales Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), welches die Grundbausteine des Verwaltungsrechts bereithält und dann durch ausdifferenzierte Fachgesetze ergänzt wird. Zudem arbeiten die jeweiligen fachgesetzlichen Genehmigungen und Planfeststellungen nicht ohne eine Einbindung in vorauseilende und rahmengebende Planwerke. Umso mehr muss erstaunen, dass das deutsche Verwaltungsrecht im angesprochenen sachgebietsneutralen allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) die Konzeption der Nachhaltigkeit nicht aufgreift, sondern den besonderen Verwaltungsrechtsbereichen überlässt. So finden sich zumeist abstrakte programmatische Inhalte etwa im Energiewirtschaftsrecht, im Wald- und Jagdrecht, im Naturschutz- und Bodenschutzrecht sowie den Planungsrechtsbereichen des Raumordnungs- und Baurechts und vielerorts mehr.57 Regelmäßig zu Beginn des Normtextes verortet sollen sie als Zielbestimmungen bzw. Leitbilder die jeweiligen Teilgebiete des besonderen Verwaltungsrechts auf das Ziel der Nachhaltigkeit ausrichten.58 In der Zusammenschau der Normen wird erkennbar, dass die planungsrechtlichen Normen typischerweise eine dreidimensionale Ausrichtung des Nachhaltigkeitsprinzips in sich tragen und demgemäß – in der Tradition der Abwägungslehre stehend –59 einen Ausgleich zwischen den ökologischen und den übrigen, gegen sie streitenden relevanten Belangen suchen,60 während die genannten umweltrechtlichen und energiewirtschaftsrechtlichen Vorschriften einem zuvorderst ressourcenschonenden eindimensionalen Verständnis der Nachhaltigkeit verschrieben sind.61 Im letztgenannten Fall kann man eine Relativierung des ausschließlich ökologisch interpretierten Nachhaltigkeitsgebots (in Richtung eines dreidimensionalen Ansatzes) allenfalls darin erblicken, dass 56 A. Ingold, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 117 (122); ähnlich C. Franzius, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (o. Fn. 38), § 4 Rn. 24. 57 Siehe die ausführliche Darstellung unter I. 2. 58 G. Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, 2002, S. 241 ff. 59 Siehe dazu auch BVerwG, Urt. v. 20. 8. 1982 – 4 C 81/79, BVerwGE 66, S. 133 (135); M. Kment, ZUR 2016, 331; W. Erbguth/M. Schubert, Öffentliches Baurecht, 2014, § 5 Rn. 114. 60 W. Erbguth, DVBl. 1999, 1082 (1084). 61 S. Schlacke, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 335 (339).

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in einigen Gesetzeswerken neben der nachhaltigen Entwicklung noch andere, nicht immer homogen mit der Nachhaltigkeit verlaufende Zwecke genannt sind.62 3. Wirkungsdefizite im deutschen Umwelt- und Planungsrecht Die Erträge einer auf die Nachhaltigkeit ausgerichteten ganzheitlichen Überhöhung der Gesetzesziele und -zwecke, um in die verwaltungsrechtliche Entscheidungspraxis sowohl ökologische als auch soziale und ökonomische Entwicklungsaspekte einzubeziehen, sind in der Praxis mitunter nur schwer auszumachen.63 Es bleibt vor allem fraglich, ob die abstrakt ausgerufenen Nachhaltigkeitsanliegen den Vollzug der benannten Verwaltungsrechtsnormen64 tatsächlich nennenswert beeinflussen.65 Im Gegensatz zu den vor allem im Umweltrecht besonders prägenden (Umwelt-)Rechtsprinzipien, wie dem Vorsorge-, Kooperations- oder Verursacherprinzip,66 fehlt dem Nachhaltigkeitsgebot eine instrumentelle Verstetigung etwa in der Form von Ge- und Verboten; allenfalls wird es von diesen Instrumenten partikulär aufgegriffen.67 Überdies verdeutlichen aktuelle Arbeiten zur Nachhaltigkeit im Verwaltungsrecht übereinstimmend, in welcher starken Abhängigkeit sich das Nachhaltigkeitsprinzip von der gesetzlichen Ausgestaltung im Verwaltungsrecht befindet.68 Sehr deutlich stellt Gärditz fest: „Ohne normative Nachverdichtung in konkreten Kontexten bleibt Nachhaltigkeit (…) zu abstrakt, Entscheidungen rechtlich zu programmieren. Positiv gewendet ist Nachhaltigkeit gerade dort wirksam, wo sie nicht abstrakte Formen intertemporärer Gemeinwohlverantwortung überhöht, sondern durch konkrete Gesetzgebung vertatbestandlicht wird. Nachhaltigkeit wird durch Zuordnung von Tatbestand und Rechtsfolge in einem überschaubaren Regelungskontext operabel gemacht“.69 Vor dem Hintergrund dieser Feststellung muss allerdings erstaunen, dass Gärditz die selbst aufgestellte Anforderung im deutschen Naturschutz- und Baurecht erfüllt sieht,70 obschon dort ein hinreichender Grad gesetz62

Vgl. dazu etwa § 1 Abs. 1 EEG, § 1 BWaldG. W. Söfker/P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Stand 2018, § 1 Rn. 103. 64 Siehe oben II. 65 W. Durner, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 317 (318). 66 Siehe dazu C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 153 ff.; B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2015, Rn. 4607 ff.; M. Rehbinder, Festschrift Sendler, 1991, S. 269. 67 M. Rehbinder, NVwZ 2002, 657 (660 f.); S. Schlacke, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 335 (339). Von einem „Ergänzungsverhältnis“ spricht W. Erbguth, DVBl. 1999, 1082 (1085). Vgl. zur direkten und indirekten Verhaltenssteuerung etwa U. Ramsauer, in: Koch, Umweltrecht, 2014, § 3 Rn. 87 ff. 68 Siehe W. Durner, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 317 (319); S. Schlacke, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 335 (339 f.); K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 351 (352). Ähnlich schon P. Sieben, NVwZ 2003, 1173 (1176). 69 K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 351 (352). 70 K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 351 (352). 63

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licher Determination, der notwendig wäre, damit Nachhaltigkeit ihren Steuerungsauftrag im deutschen Verwaltungsrecht effektiv wahrnehmen kann, zu vermissen ist. Zuzustimmen ist deshalb Schlacke, die eine „Konturenlosigkeit des Nachhaltigkeitsgebots (…) im deutschen Umwelt- und Planungsrecht“71 feststellt, wie auch Durner, der zur Behandlung der Nachhaltigkeit im Verwaltungsrecht kritisiert, „dass sein gesetzgeberischer Einsatz oft zu schematisch erfolgt“.72 Betrachtet man das deutsche Verwaltungsrecht, muss man (leider) attestieren, dass sich die detaillierte Dogmatik zum Nachhaltigkeitsgebot, wie sie auf der internationalen, europäischen und teilweise auf der verfassungsrechtlichen Ebene zu finden ist,73 nicht bis in das deutsche Verwaltungsrecht fortsetzt. Sie verkümmert, indem Nachhaltigkeit – vor allem im Planungsrecht – indifferent als hehres Ziel in den Kanon der Leitbilder und Gesetzeszwecke aufgenommen wird, um dort im Getümmel der unzähligen abstrakten Planungsgrundsätze, Planungsleitlinien und generellen Planungsziele unterzugehen74 und in der konkreten, erbittert geführten Auseinandersetzung um den besten Interessenausgleich mit leichter Hand „weggewogen“ zu werden.75 Der frühere Präsident des Bundesverwaltungsgerichts Eckart Hien hat hierfür den Begriff der „nachhaltigen Trauerarbeit“ geprägt. Er soll verdeutlichen, dass mit der Einordnung eines überhöhten Gemeinwohlziels (wie der Nachhaltigkeit) in die Reihen der planerischen Ziel- und Grundsatznormen nicht viel gewonnen ist, sondern lediglich eine argumentative Auseinandersetzung eingeleitet wird, die in der Praxis prinzipiell darin mündet, zu begründen, weshalb die betroffenen Belange anderen fachlichen Präferenzen weichen müssen.76 Im Gegensatz zum Planungsrecht wird das Nachhaltigkeitsprinzip im klassischen Umweltrecht überwiegend auf seine ressourcenschonenden Komponenten reduziert und damit seiner Potenziale beschnitten. Es fehlt zumeist an der Zukunftssensibilität hinsichtlich der sozialen und ökonomischen Belange, die man eher als politische Themen versteht und der Gesetzgebung überlässt, nicht aber zum Maßstab der vorhabenbezogenen Verwaltungsentscheidungen erhebt.77 Hier liegt sicher ein Auslöser

71 S. Schlacke, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 335 (339 f.); ähnlich mit grundsätzlicher Tendenz M. Eifert, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 371 (371). 72 W. Durner, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 317 (328 f.). 73 Siehe unter II. 3. und unter III. 1. 74 Siehe allein die umfangreichen Vorgaben der § 1 Abs. 5, 6 und § 1a BauGB und § 1 Abs. 1 – 3, § 2 Abs. 2 ROG. Vgl. dazu H. D. Jarass/M. Kment, BauGB, 2017, § 1 Rn. 22 ff., Rn. 39 ff.; § 1a Rn. 1 ff.; W. Spannowsky, in: ders./Runkel/Goppel, ROG, 2018, § 2 Rn. 27 ff. 75 H. Johlen, WiVerw 2000, 35 (43, 49); G. Beaucamp (o. Fn. 58), S. 265 f.; E. SchmidtAßmann, NuR 1979, 1; W. Durner, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 317 (331). 76 Vgl. dazu B. Stüer/M. Krautzberger, DVBl. 2004, 914 (923 f.); W. Durner, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 317 (331). 77 U. Ramsauer, in: Koch (o. Fn. 67), § 3 Rn. 49; K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 351 (357); hinsichtlich finanzieller Aspekte in der Planfeststellung von Großprojekten G. Hermes, Festschrift Koch, 2014, S. 283 (288 f.).

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für die verbreitet anzutreffende Skepsis von Vorhabenträgern und Projektverantwortlichen gegenüber der Nachhaltigkeit, die man eher als Störfaktor versteht. Diesem Befund wird man vielleicht entgegenhalten wollen, dass das deutsche Verwaltungsrecht mit unterschiedlichsten Verträglichkeitsprüfungen (Umweltverträglichkeitsprüfung, Strategische Umweltprüfung, FFH-Verträglichkeitsprüfung; naturschutzrechtliche Eingriffsprüfung usw.), mehrphasigen Beteiligungsregelungen, Integrations- und Konzentrationsgeboten sowie ausgedehnten Rechtsschutzmöglichkeiten für Umweltverbände und breite Öffentlichkeit der Idee der Nachhaltigkeit in der Praxis zur Durchsetzung verhilft. Ein solcher Vortrag verschleiert jedoch, dass viele der angesprochenen verwaltungsrechtlichen Instrumente für sich sicherlich den Nachhaltigkeitsansatz fördern können, gleichwohl aber lediglich dem Nachhaltigkeitsprinzip (mitunter nachträglich) zugeordnet werden, ohne hierauf spezifisch angelegt zu sein. Auch verschenkt diese Sichtweise die Potenziale der Nachhaltigkeitskonzeption und verdeckt die Umsetzungsdefizite, die gerade auch im Hinblick auf den eigentlichen verwaltungsrechtlichen Entscheidungsprozess, der in einer Vorhabenzulassung, Planfeststellung oder Planung münden soll, sichtbar werden. Hier fällt es den verwaltungsrechtlich bereitgestellten Instrumenten weiterhin schwer, die in der Nachhaltigkeitsidee inhärente Zukunfts- und Weltperspektive aufzunehmen. Selbst planerische Abwägungsentscheidungen, die es durchaus gewohnt sind, mit Prognosen zu arbeiten,78 bieten bislang noch keine ausgereifte Entscheidungsplattform, um die zeitperspektivischen und globalen Nachhaltigkeitsimpulse effektiv aufzugreifen. Diese erforderlichen Nachhaltigkeitsmaßstäbe fehlen aktuell noch.79 Dies ist umso prekärer, als gerade größere umweltrelevante Infrastrukturprojekte und sonstige planfeststellungsbedürftige Großvorhaben durch planerische Rechtsakte, insbesondere Raumordnungspläne oder Bundesfachplanung, überfachlich gesteuert werden könnten.80 4. Auf dem Weg zur inhaltlichen Konkretisierung der Nachhaltigkeit a) Erfordernis gesetzlicher Ausgestaltung und festgeschriebener Prioritäten Der Diskurs der Rechtswissenschaft zur Implementierung der Nachhaltigkeit muss somit darauf gerichtet werden, ihr noch stärkeres Gehör im deutschen Umwelt78 BVerwG, Urt. v. 7. 7. 1978 – IV C 79/76, BVerwGE 56, S. 110 (121); BVerwG, Urt. v. 26. 3. 1981 – 3 C 134/79, BVerwGE 62, S. 86 (107 f.); BVerwG, Urt. v. 30. 5. 1984 – 4 C 58/81, BVerwGE 69, S. 256 (272); BVerwG, Urt. v. 16. 9. 2014 – 4 BN 11/14, juris, Rn. 6; vgl. auch W. Hoppe, in: Hoppe/Bo¨ nker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 2010, § 7 Rn. 107 ff.; K. Finkelnburg/K.-M. Ortloff/M. Kment, Öffentliches Baurecht, 2017, § 5 Rn. 53; G. N. Jochum, Amtshaftung für Abwägungs- und Prognosefehler in der Bauleitplanung, 1994, S. 121 ff. 79 K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 351 (360). 80 W. Durner, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 317 (323); M. Kment, Rechtsschutz im Hinblick auf Raumordnungspläne, 2002, S. 71 ff.

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und Planungsrecht zu verschaffen. Wie aber kann man den aufgezeigten Defiziten begegnen? Welche Anstrengungen kann man vom deutschen Gesetzgeber verlangen, um das Nachhaltigkeitsprinzip gerade im beschriebenen Kampf der Interessen spürbar zu stärken? Ein denkbarer Lösungsansatz könnte darin zu erblicken sein, die Konturen der Nachhaltigkeit deutlicher herauszuarbeiten, um den anderenfalls stark dehnbaren Nachhaltigkeitsbegriff stärker situationsbedingt zu positionieren. Abhängig von den konkreten Kontexten, in denen Nachhaltigkeit operieren soll (Wasserrecht, Immissionsschutz, Gesamtplanung usw.), müssten die „Ränder“ der Nachhaltigkeit benannt und durch politische Richtungsentscheidungen geschärft werden, um sie für den Rechtsanwender greifbar(er) zu machen. Im Wettstreit der Interessen81 scheint es vor allem der gesetzlichen und damit politischen Prioritätensetzung zu bedürften, um den Rang der Nachhaltigkeit eindeutig(er) zu verorten. „Die abstrakte Leitidee“, so auch der Vorschlag von Gärditz, „tritt dann hinter konkreten Maßstäben zurück, erlangt dafür aber reelle Durchsetzungschancen im demokratischen Rechtssetzungsprozess“.82 b) Der neuseeländische Resource Management Act als Referenzgröße In Deutschland gibt es zu diesem Ansatz noch keine praktischen Erfahrungswerte. Andere Nationalstaaten haben diesen Schritt unternommen,83 so auch Neuseeland. Im Resource Management Act 1991 (RMA) hat sich der neuseeländische Gesetzgeber schon früh dazu entschieden, das Prinzip der Nachhaltigkeit zu einem der zentralen Strukturprinzipien des gesamten Umwelt- und Planungsrechts zu erheben und die Verwaltungstätigkeit maßgeblich an diesem Prinzip auszurichten.84 Der RMA ist eingebunden in ein grundlegendes staatliches Reformprojekt und versteht sich überdies als Gegenmodell zur früher an Umweltschutzzielen wenig Interesse findenden zentralistisch geführten Infrastruktur- und Allokationsplanung des Landes, die ausschließlich auf die wirtschaftliche Entwicklung und Ausbeutung der natürlichen Umwelt ausgerichtet war.85 Zielpunkt des RMA ist seit 1991 eine integrierte Ressourcenbewirtschaftung (Land, Mineralien, Wasser, Energie etc.), die sich an ökologischen Rahmenbedingungen orientiert86 und den Nachhaltigkeitsgedanken

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Siehe unter III. 3. K. F. Gärditz, in: Kahl (o. Fn. 10), S. 351 (352). 83 Vgl. zur Implementierung der Nachhaltigkeit in anderen Rechtsordnungen auf Verfassungsebene P. Häberle, in: Kahl (o. Fn. 1), S. 180. 84 Kritisch aber U. Klein, NZ J. of Envtl. L. 2001, 1 (19), der die neuseeländische Umweltplanung nur als eingeschränkt ökologisch umfassend versteht. 85 Fisher, Envtl. & Plan. L. J. 1984, 387 (388 ff.); U. Klein, Integrierte Umweltplanung: Das Neuseeländische Modell, 2004, S. 86 ff. 86 Environmental Defence Society Inc v The New Zealand King Salmon Co Ldt [2014] 1 NZLR, 593 Rn. 24. 82

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aufgreift;87 daher auch die Wortwahl des RMA-Zentralbegriffs „sustainable management“.88 Unter diesem Zweigespann („sustainable management“) versteht der neuseeländische Gesetzgeber gemäß Section 5 (2) RMA „managing the use, development, and protection of natural and physical resources in a way, or at a rate, which enables people and communities to provide for their social, economic, and cultural well-being and for their health and safety while (a) sustaining the potential of natural and physical resources (excluding minerals) to meet the reasonably foreseeable needs of future generations; and (b) safeguarding the life-supporting capacity of air, water, soil, and ecosystems; and (c) avoiding, remedying, or mitigating any adverse effects of activities on the environment.“ Die Grundprämisse von Section 5 (2) RMA wird in Section 6 RMA durch acht Belange von nationaler Wichtigkeit, etwa Schutz des natürlichen Charakters der maritimen Küstenumgebung, der Feuchtgebiete, der Flüsse und Seen (lit. a) oder Schutz herausragender Naturdenkmäler und natürlicher Landschaften (lit. b), ergänzt. Schließlich sind nach Section 7 RMA weitere Belange besonders zu beachten („shall have particular regard to“), die von der Bewahrung und Verbesserung der natürlichen Ressourcen (lit. c) und der Qualität der Umwelt (lit. f), des Effekts des Klimawandels (lit. i) bis hin zum Schutz des Lebensraums von Forellen und Lachsen (lit. h) und der Beachtung der Maori-Ethik des Hütens und Verwaltens („kaitiakitanga“) reichen. Ergänzt man, dass der RMA den gesamten umwelt- bzw. ressourcenrelevanten Sektor Neuseelands einem dreigliedrigen integrierten Planungssystem unterwirft, das unmittelbar die Ressourcennutzung (zB. Land-, Boden- oder Wassernutzung) steuert bzw. direkt zur gegebenenfalls erforderlichen Genehmigung hinführt,89 erinnern Section 6 und 7 RMA stark an das dem deutschen Umwelt- und Planungsrecht inhärente Abwägen von abstrakt benannten Belangen, die den Entscheidungsträger bei seiner Aufgabe anleiten sollen, ihn jedoch allein wegen der Fülle und situationsbedingten Gegensätzlichkeit häufig nur gering auszurichten vermögen.90 Dieser erste Eindruck ist insofern korrekt, als die in Section 6 und 7 RMA aufgezählten Belange den Entscheidungsprozess in Neuseeland nicht verbindlich determinieren, sondern wie deutsche Planungsgrundsätze und Planungsleitlinien ebenfalls anleiten sollen und daher zu gewichten sind,91 er ist jedoch dahingehend zu korrigieren, dass die in Section 6 und 7 RMA aufgezählten Interessen – anders als in Deutschland – über-

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I. Carlman, 11 NZ J. Envtl. L. 2007, 181 (182). D. P. Grinlinton, in: Bosselmann/Grinlinton (Hrsg.), Environmental Law for a Sustainable Society, 2002, S. 19 (26). 89 Vgl. dazu G. Palmer, [2016] NZLJ, S. 46; D. P. Grinlinton, in: Mauerdorfer (Hrsg.), Legal Aspects of Sustainable Development, 2016, S. 423 (426 ff.). 90 Siehe § 1 Abs. 5, 6 und § 1a BauGB und § 1 Abs. 1 – 3, § 2 Abs. 2 ROG. Vgl. dazu H. D. Jarass/M. Kment, BauGB, 2017, § 1 Rn. 22 ff., Rn. 39 ff.; § 1a Rn. 1 ff.; W. Spannowsky, in: ders./Runkel/Goppel, ROG, 2018, § 2 Rn. 27 ff. 91 Marlborough District Council v Southern Ocean Seafoods Ltd [1995] NZRMA, S. 220 (228). 88

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wiegend Umweltbelange sind bzw. einen starken Bezug zum Ökosystem aufweisen.92 Dessen ungeachtet soll sich der Fokus der weiteren schemenhaften Analyse des neuseeländischen Rechts auf Section 5 (2) RMA richten, der die Zentralnorm des neuseeländischen Nachhaltigkeitsansatzes darstellt. Dem klaren Bekenntnis des neuseeländischen Gesetzgebers zu Nutzung, Entwicklung und Schutz der natürlichen und physikalischen Ressourcen, die dem sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wohlergehen der Bevölkerung dienen sollen (Managementaspekt), wird eine prägnante ökologische Funktion des RMA beigefügt: Aufrechterhaltung der Potentiale der natürlichen und physikalischen Ressourcen zur Befriedung der künftigen Generationen (lit. a), Bewahrung der lebenserhaltenden Funktionen von Luft, Wasser, Boden und Ökosystemen (lit. b) sowie Verhinderung, Ausgleich und Minderung aller negativen Umweltauswirkungen (lit. c). Diese gesetzgeberische Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsgedankens auf einer mittleren Abstraktionsebene hat die neuseeländische Rechtswissenschaft nicht davor bewahrt zu streiten, in welchem Verhältnis die einzelnen Mosaike des Nachhaltigkeitsprinzips in Neuseeland stehen. Tendiert Section 5 (2) RMA eher zu einem engeren, ökologisch ausgerichteten Verständnis, der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Anliegen einem ökologischen Vorbehalt unterwirft („bottom line“-Ansatz), oder sind die in Section 5 (2) lit. a-c RMA aufgegriffenen ökologischen wie auch auf Generationengerechtigkeit bezogenen Belange in einen breiteren Balancierungsprozess aller involvierten Interessen (auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Interessen) einzustellen und erfahren sie dadurch naturgemäß eine spürbare Relativierung („overall broad judgement approach“)?93 Ein Blick in die Entwicklungsgeschichte des Gesetzes zeigt, dass der Gesetzgeber gerade vor einer Antwort auf diese entscheidende Frage zurückgeschreckt ist und durch eine offene Wortwahl („while“) beide Interpretationsansätze ermöglicht hat.94 Hierdurch wurden Schwenkbewegungen ausgelöst. Zunächst wurden die ökologischen Vorbehalte in Section 5 (2) lit. a-c RMA strikter verstanden,95 dann jedoch spürbar aufgeweicht.96 Erst im Jahr 2014 konnte der Supreme Court Neuseelands dieser jahrelangen Rechtsunsicherheit begegnen, wählte aber wohl auch aus staatsrechtlichen Gesichtspunkten der Gewaltenteilung im King Salmon-Fall einen vermittelnden Ansatz,97 um den Gesetzgeber nicht aus der Verantwortung für eine deutlichere 92

D. P. Grinlinton, in: Mauerhofer (o. Fn. 89), S. 423 (433). S. Elias, Righting Environmental Justice, Salmon Lecture 2013, S. 11 ff.; G. Palmer, [2016] NZLJ, S. 2; D. P. Grinlinton, in: Bosselmann/Grinlinton (o. Fn. 88), S. 19 (27). 94 I. H. Williams, Otago L. Rev. 2000, 673 (678); McLean, Otago L Rev. 1992, 538 (545). 95 New Zealand Rail Ltd v Marlborough District Council [1993] 2 NZRMA, S. 449 (470); Foxley Engineering Ltd v Wellington City Council, Planning Tribunal – W 12/94, v. 16. 3. 1994, S. 40. 96 North Shore City Council v Auckland Regional Council [1997] NZRMA, S. 59 (93 f.); RFBPS of NZ Inc v Manuwatu-Wanganui Regional Council [1996] NZRMA, S. 241 (269). 97 Anders die Einschätzung von G. Palmer, [2016] NZLJ, S. 2 „matters were made as clear as it is possible to be“ (zugunsten einer bottom line). 93

Der Steuerungsansatz der Nachhaltigkeit im Umwelt- und Planungsrecht

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Richtungsweisung zu entlassen, die Exekutive in ihrer Entscheidungsverantwortung zu belassen und schließlich das Gewaltengefüge nicht unnötig durch gerichtlich eingeschlagene Pflöcke zu belasten.98 Nach Ansicht des Supreme Court enthält Section 5 (2) RMA für sich keine „environmental bottom line“.99 Gleichwohl können auf Grundlage dieser gesetzlichen Anordnung in ministeriellen und exekutiven Planwerken verbindliche Umweltstandards (bottom lines) entwickelt werden, die einem nachfolgenden weiten Austarierungsprozess (overall broad judgement approach) entzogen sind.100 IV. Schlussfolgerungen Versucht man aus dem Vergleich der Rechtssysteme Schlüsse zu ziehen, darf man zunächst feststellen, dass es möglich ist, gesetzgeberisch das nationale Verständnis der Nachhaltigkeit zu konkretisieren und über seine bloße Nennung und soft-law-Ergänzungen hinwegzukommen. Der Blick nach Neuseeland verdeutlicht aber auch, dass eine solche Konturierung auf mittlerer Abstraktionsebene mit großer Sorgfalt erfolgen muss und Einbruchsstellen für unerwünschte Relativierungen vermieden werden müssen. Letztlich – und dies belegen auch die Erfahrungswerte aus Neuseeland –101 liegt der Schlüssel zur Durchsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens aber wohl nicht allein in seiner gesetzlichen Präzisierung, sondern in der Beurteilung seiner Bedeutung durch den Rechtsanwender. Steht der Entscheidungsträger dem Nachhaltigkeitsprinzip abwehrend gegenüber, findet der Nachhaltigkeitsgedanke gerade bei großen Entscheidungsspielräumen nur geringen Widerhall in den exekutiven Steuerungsinstrumenten (insbesondere bei staatlichen Plänen); ist die Grundhaltung nachhaltigkeitsaufgeschlossen, nutzt der Rechtsanwender bereitwilliger seine Entscheidungsspielräume zugunsten des Gedankens der Nachhaltigkeit. Dies wirft den Blick zurück auf den Anfang dieses Beitrags. Nachhaltigkeit dürfte nicht nur einen tiefgreifenden Umdenkensprozess einschließlich einer Überprüfung und partiellen Neujustierung der tradierten politischen Präferenzmodelle einfordern, sondern zu seiner vollen Wirkungsentfaltung auch die Bereitschaft hierzu voraussetzen.

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S. Elias, Righting Environmental Justice, Salmon Lecture 2013, S. 12 ff. Environmental Defence Society Inc v The New Zealand King Salmon Co Ldt [2014] 1 NZLR, S. 593 Rn. 24c. 100 Environmental Defence Society Inc v The New Zealand King Salmon Co Ldt [2014] 1 NZLR, S. 593 Rn. 106 ff.; vgl. dazu auch D. P. Grinlinton, in: Mauerhofer (o. Fn. 89), S. 423 (432). 101 Ausführlich G. Palmer, [2016] NZLJ, S. 46. 99

Altes und Neues über Privatisierung und Publizisierung Von Hartmut Bauer I. Privatisierung contra Publizisierung: Konfrontation im „Richtungsstreit“? Spätestens seit der Wiedervereinigung ist die Privatisierung zu einem Dauerthema rechts- und verwaltungswissenschaftlicher Diskurse herangewachsen, mit dem sich auch Wilfried Erbguth wiederholt beschäftigt hat. In den anlaufenden Debatten hat er sich sehr frühzeitig bereits 1993 mit einem Beitrag über die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private zu Wort gemeldet.1 Der Beitrag beschäftigt sich mit den für und gegen die Aufgabenerledigung durch private Rechtssubjekte ins Feld geführten Argumenten, bewertet diese und gelangt zu dem Ergebnis, „daß die Wahl von derart situationsbezogenen Faktoren abhängt, die eine Präjudizierung der Wahl der Rechtsform ausschließen. Insbesondere zeigt sich, daß auch die öffentlich-rechtliche Organisationsform gegenüber privatrechtlichen Instrumentarien eine ernstzunehmende Alternative […] darstellt, die durchaus gewichtige Vorteile bietet.“2 Das sind klare Worte, die in einer Zeit verbreiteter Privatisierungssympathie zu Vorsicht mahnten, behutsam zu treffende Auswahlentscheidungen einforderten und unter den verfügbaren Organisationsformen öffentlich-rechtliche Institutionen und deren Vorteile besonders hervorhoben. Mit diesen Bemerkungen setzte Wilfried Erbguth einen deutlichen Gegenakzent zu dem sich damals abzeichnenden und, wie wir heute wissen, lang anhaltenden Privatisierungstrend. Der Jubilar nahm damit weitsichtig spätere Entwicklungen gleichsam vorweg. Inzwischen ist die frühere, zeitweilig fast ungebremste neoliberale Privatisierungseuphorie nämlich längst verflogen. In Deutschland hat spätestens die Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2007 das Vertrauen in die Marktkräfte erschüttert und bei vielen den Wunsch „nach einer Renaissance klassischer Staatlichkeit“3 geweckt. Alsbald konstatierte man eine „Krise der Privatisierung“ und hoffte auf eine

1 W. Erbguth/F. Stollmann, Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Rechtssubjekte? – Zu den Kriterien bei der Wahl der Rechtsform, DÖV 1993, 798 ff. 2 W. Erbguth/F. Stollmann, DÖV 1993, 798 (798). 3 R. Stober, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, NJW 2008, 2301 (2301).

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„Rückkehr des Öffentlichen“.4 Der Stimmungsumschwung leitete einen Trend „hin zum Öffentlichen“5 ein. Unter dem Stichwort „Rekommunalisierung“6 hat er zuerst auf der lokalen Ebene für Aufsehen gesorgt. Doch beschränkt sich die Trendwende längst nicht mehr nur auf die Kommunen. Eingehendere Analysen haben nämlich gezeigt, dass der neue Trend in der Mehrebenenordnung inzwischen auch die Länder, den Bund und sogar die Europäische Union erreicht hat.7 Der ebenenübergreifende Gesamtbefund lässt sich begrifflich mit dem Neologismus „Publizisierung“ erfassen.8 Solche Publizisierungstendenzen sind seit geraumer Zeit nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern auch in anderen europäischen Staaten und darüber hinaus.9 4 Besonders prägnant frühzeitig M. Candeias/R. Rilling/K. Weise, Krise der Privatisierung – Rückkehr des Öffentlichen, WSI Mitteilungen 10/2008, S. 563 ff.; M. Candeias u. a. (Hrsg.), Krise der Privatisierung – Rückkehr des Öffentlichen, 2009. 5 Zu dieser Kennzeichnung H. Bauer, Publizisierung, Begriff – Befunde – Perspektiven, JZ 2014, 1017 (1021). 6 Vgl. aus der umfangreichen Literatur etwa C. Brüning, (Re-)Kommunalisierung von Aufgaben aus privater Hand – Maßstäbe und Grenzen, VerwArch 100 (2009), 453 ff.; J. Libbe/ S. Hanke, Rekommunalisierung – neue alte Wege der öffentlichen Daseinsvorsorge, Der Gemeindehaushalt 2011, 108 ff.; M. Röber, Privatisierung adé?, Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen im Lichte des Public Managements, Verwaltung & Management 2009, 227 ff.; D. Hachfeld, Rekommunalisierung – Lehren aus Potsdam und Grenoble, in: Candeias u. a. (o. Fn. 4), S. 90 ff.; M. Scholle, Der Trend zur Rekommunalisierung – Chance oder Risiko?, in: Gernert u. a. (Hrsg.), Festschrift für Rüdiger Robert, 2010, S. 95 ff.; H. Bauer/C. Büchner/L. Hajasch (Hrsg.), Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, 2012; H. Bauer, Zukunftsthema „Rekommunalisierung“, DÖV 2012, 329 ff.; M. Burgi, Privatisierung und Rekommunalisierung aus rechtswissenschaftlicher Sicht, NdsVBl. 2012, 225 ff.; A. Guckelberger, Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland, VerwArch 104 (2013), 161 ff.; A. Leisner-Eggensperger, Rekommunalisierung und Grundgesetz, NVwZ 2013, 1110 ff.; D. Budäus/D. Hilgers, Mutatis Mutandis: Rekommunalisierung zwischen Euphorie und Staatsversagen, DÖV 2013, 701 ff.; H. Wollmann, Öffentliche Dienstleistungen zwischen munizipalem und privatem Sektor – „Comeback“ der Kommunen?, in: Kronauer/Siebel (Hrsg.), Polarisierte Städte. Soziale Ungleichheit als Herausforderung für die Stadtpolitik, 2013, S. 242 ff.; S. Schlacke/J. Kröger, Zur Unionsrechtskonformität des EEG bei zunehmender Rekommunalisierung und Verstaatlichung der Elektrizitätswirtschaft, DVBl. 2013, 401 ff.; T. Schmidt, Rechtliche Rahmenbedingungen und Perspektiven der Rekommunalisierung, DÖV 2014, 357 ff.; M. Knauff, Zurück zur kommunalen Daseinsvorsorge in der Energieversorgung, EnWZ 2015, 51 ff.; J. Klement, Auf der Suche nach dem öffentlichen Zweck, Die Verwaltung 48 (2015), 55 ff.; H. Bauer, Praxis und Programmatik der Publizisierung: Die Rückkehr des Öffentlichen, Newsletter Menschenrechte 2016, 3 ff. 7 Näheres dazu mit zahlreichen Beispielen bei H. Bauer, JZ 2014, 1017 (1018 ff.). 8 Siehe zu diesem Vorschlag H. Bauer, JZ 2014, 1017 (1021 f.); H. Bonk/ W. Neumann/ T. Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 54 Rn. 75. 9 Vgl. dazu vorerst nur die Beiträge in H. Wollmann/I. Kopric´/G. Marcou (Hrsg.), Public and Social Services in Europe, From Public and Municipal to Private Sector Provision, 2016, und in S. Kishimoto/O. Petitjean (Hrsg.), Reclaiming Public Services, How cities and citizens are turning back privatisation, 2017, sowie S. Kuhlmann/H. Wollmann, Verwaltung und Verwaltungsreformen in Europa, 2013, S. 198; H. Bauer, The City of Potsdam: Between Privatization and Remunicipalization – Local Experiences and General Aspects on the Road to

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Allerdings verlaufen die Entwicklungen weg von der Privatisierung und hin zum Öffentlichen in Deutschland alles andere als einheitlich, weil es noch immer auch gegenläufige Tendenzen10 gibt. Dementsprechend ist bereits von einem „Richtungsstreit“11 die Rede. Die Redeweise vom „Richtungsstreit“ legt eine eingehendere Beschäftigung mit Privatisierungsszenarien (II.) und Publizisierungsszenarien (III.) nahe, von der weiterführende Impulse für die Modernisierung des Gemeinwesens (IV.) ausgehen. II. Privatisierungsszenarien In Deutschland sind seit vielen Jahrzehnten Privatisierungsbestrebungen zu beobachten,12 die nach der Wiedervereinigung zu einem konjunkturellen Höhenflug angesetzt haben. Der Zeitpunkt für den enormen Bedeutungszuwachs ist leicht erklärbar. Schon allein die umfangreichen Privatisierungen der früheren Staatsbetriebe der DDR durch die Treuhandanstalt13 und die Einbindung Privater in die Erneuerung maPublicization, EPL 21 (2015), 723 (731 et seq.); zu Spanien J. Pardo, El Movimiento Remunicipalizador. Experiencias y Expectivas, El Chronista del Estado Social y Democrático de Derecho, No. 69 (2017); ferner im grenzüberschreitenden Gedankenaustausch mit Polen H. Bauer/M. Szewczyk/B. Popowska/M. Meier/A. Fuks (Hrsg.), Publizisierung öffentlicher Aufgaben, 2018. 10 Ein aktuell besonders umstrittenes Aktionsfeld ist die Beteiligung Privater an der Verwaltung der Bundesautobahnen. Dazu haben nach langen und intensiven Kontroversen Bundestag und Bundesrat eine Änderung von Art. 90 GG beschlossen, die im Juli 2017 in Kraft getreten ist (Gesetz vom 13. 7. 2017, BGBl. I S. 2347); vgl. dazu Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) vom 13. 2. 2017, BT-Drs. 18/11131; im Internet abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/111/1811131.pdf [26. 9. 2018]); BR-Drs. 430/17. Durch die Reform wird die Verwaltungszuständigkeit der bisher von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Bundesautobahnen vollständig auf den Bund übertragen. Der Bund kann sich bei der Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft des privaten Rechts, einer sog. „Infrastrukturgesellschaft“ bedienen, die „im unveräußerlichen Eigentum des Bundes“ steht. Kritiker äußern sich jedoch skeptisch gegenüber dieser Privatisierungsschranke. Dadurch sei nämlich nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschaft ihrerseits Öffentlich Private Partnerschaften gründet und etwa Konzessionen für bestimmte Abschnitte des Autobahnnetzes an Private vergibt. Befürchtet werden dabei u. a. vergleichbare Szenarien wie in Frankreich. Dort ließen sich die von privaten Konzessionsgesellschaften erhobenen Mautgebühren nur noch „ungenügend“ regulieren. Näheres dazu bei M. Meier, Beteiligung Privater im Fernstraßenbau – Infrastrukturgesellschaft und Öffentlich-Private Partnerschaften auf dem Prüfstand, DÖV 2018, 268 ff. 11 L. Breuer, Zersplitterung und Bedeutungsverlust des Gemeindewirtschaftsrechts, WiVerw 2015, 150: Richtungsstreit zwischen Privatisierung und Rekommunalisierung. 12 Vgl. allgemein zur Geschichte der Privatisierung, die älter ist als der Begriff, J. Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 61 ff., und speziell zur Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenda, S. 74 ff. 13 Bei der „Transformation der auf Volkseigentum und staatlicher Lenkung beruhenden Planwirtschaft in eine auf Privateigentum und Individualfreiheit beruhende Markwirtschaft“ (BVerfGE 95, 267 [308]) spielte die Treuhandanstalt eine herausragende Rolle. Ihr kam

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roder Infrastrukturen in Ostdeutschland unterstützten damals die Forderung nach einer „Privatisierung auch im Westen“.14 Vor allem aber setzten die als Folge der Wiedervereinigung sprunghaft angestiegenen Defizite der öffentlichen Haushalte15 ein klares finanzpolitisches Signal. Das „Diktat der leeren Kassen“ legte zur Rückführung des Schuldenstandes die Veräußerung von staatlichen Vermögenswerten nahe und zur Staatsentlastung den Rückzug der öffentlichen Hand aus bislang von ihr wahrgenommenen Aufgaben. Verstärkt wurde der Privatisierungstrend durch ordnungspolitische Überlegungen und ganz allgemein durch eine politische Grundströmung, in der Privatisierungsoptionen eine wichtige Rolle bei der Zukunftssicherung des Standortes Deutschland spielten.16 Später kam es zu gewissen Akzentverschiebungen, die vor allem auf kooperative, verantwortungsteilende Erledigung öffentlicher Aufgaben setzten. Zu den in diese Richtung weisenden Impulsen gehörten insbesondere die gesetzliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für Public Private Partnerships17 und eine geplante Novelle des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die Kooperationsverträge zwischen der Öffentlichen Hand und Privaten auf eine sichere gesetzliche Grundlage stellen sollte18. Damit verbindet sich ein verbreiteter „Grundkonsens, Public Private Partnerships zu fördern“.19 Dementsprechend sehen manche bis heute etwa in der privaten Finanzierung öffentlicher Infrastruktur und Öffentlich Privaten Finanzierungspartnerschaften eine wichtige Option für die Modernisierung des Gemeinwesens,20 auch wenn diese Option längst nicht mehr unangefochten ist.21

nämlich die Herkulesaufgabe zu, die früheren volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Vgl. dazu etwa F. Ossenbühl, Eigentumsfragen, in: HStR IX, 1997, § 212 Rn. 7 ff. 14 So programmatisch seinerzeit etwa Kronberger Kreis, Privatisierung auch im Westen, 1993. 15 Schon bald nach der Wiedervereinigung rechnete man mit einer Verdoppelung der Staatsverschuldung auf über zwei Billionen DM; siehe zu den damaligen finanzpolitischen Szenarien H. Bauer, Die finanzverfassungsrechtliche Integration der neuen Länder, in: HStR IX, 1997, § 206 Rn. 1 ff., 41 ff. 16 Näheres zur politischen Ambiance Anfang der 1990er Jahre bei F. Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVBl. 1994, 962 (965 ff.), und H. Bauer, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), 243 (245 ff.). 17 Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften vom 1. 9. 2005 (BGBl I S. 2676). 18 Dazu H. Schmitz, „Die Verträge sollen sicherer werden“ – Zur Novellierung der Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag, DVBl. 2005, 17 ff. 19 M. Uechtritz/O. Otting, Das „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“: Neuer Name, neuer Schwung für „öffentlich-private Partnerschaften“?, NVwZ 2005, 1105 (1105 [Zitat], 1111). 20 Vgl. dazu Bericht der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, mit Zusammenfassung sowie ergänzenden und abweichenden Positionen der in der Kommission vertretenen Gewerkschaften, 2015, S. 5, 13 ff.; vgl. ferner F. Kneuper/ M. v. Kaler, Die öffentlich-private Finanzierungspartnerschaft (ÖPF), NVwZ 2015, 1401 ff.;

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Die Akzentverschiebungen verdeutlichen, dass es sich bei „der“ Privatisierung um keine völlig gleichförmigen Entwicklungen handelt – weder dem Gegenstand noch der äußeren Form nach. Nach Zeit und Raum verfolgen die Umverteilungsprozesse „hin zum Privaten“22 nämlich nicht immer deckungsgleiche Anliegen. Auch vollziehen sie sich in typologisch teilweise voneinander abweichenden Handlungsund Organisationsmustern. Die facettenreichen Privatisierungsvorgänge sind hier nicht bis in die letzten Verästelungen hinein nachzuzeichnen.23 Stattdessen sind nach einer kurzen Vergewisserung der trendübergreifenden Privatisierungsmotive (1.) nur einige besonders signifikante Privatisierungstrends vorzustellen und zu analysieren (2.). 1. Privatisierungsmotive Die mit Privatisierungen verbundenen Erwartungen sind vielfältig. Sie wurden in der Vergangenheit wiederholt mit den dazugehörigen Befürchtungen zusammengefasst.24 In schlagwortartiger Verkürzung sind danach neben ordnungspolitischen Erwägungen als Privatisierungsmotive vor allem zu nennen: - die Entlastung der öffentlichen Haushalte namentlich durch die Erschließung privaten Kapitals und Einsparungen, - die Nutzung und Einbeziehung privaten Sachverstands, privater Initiative, privater Innovationskraft und privaten Verwaltungspotentials, - die Flexibilisierung der Personalstrukturen nicht zuletzt durch die Befreiung von haushalts- und besoldungsrechtlichen Bindungen, P. Reimer, Infrastruktur zwischen ÖPP und Nutzerprinzip: Reformansätze der Bundesfernstraßenfinanzierung und die neue „Pkw-Maut“, DVBl. 2015, 1405 ff. 21 Siehe dazu vorerst nur die in dem „abweichenden Sondervotum“ formulierten Vorbehalte der in der Expertenkommission vertretenen Gewerkschaften (o. Fn. 20), S. 13 ff. 22 Zur Terminologie und zur Deutung von „Privatisierung als Prozess“ H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (250 f., 254). 23 In den ausufernden Privatisierungsdebatten wurden immer wieder tatsächlich oder vermeintlich neue Typen zur Diskussion vorgestellt. So findet sich abweichend von der gängigen Unterscheidung zwischen Vermögens-, Organisations- und Aufgabenprivatisierung (mit Misch- und Zwischenformen) inzwischen auch die Abschichtung von neun und zehn Privatisierungstypen (vgl. M. Burgi, Privatisierung öffentlicher Aufgaben – Gestaltungsmöglichkeiten, Grenzen, Regelungsbedarf, Gutachten D für den 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. D 29 m.w.N.) bis hin zur Differenzierung zwischen nicht weniger als dreizehn Typen der Privatisierung (G. Kirchhof, Rechtsfolgen der Privatisierung, AöR 132 [2007], 215 [230 f.]). Die vorliegende Darstellung orientiert sich – in Anlehnung an eine in Deutschland verbreitete Typologie – an der Zusammenstellung bei H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 23 Rn. 67 ff., die allerdings mit der Erfüllungsprivatisierung (funktionale Privatisierung) eine Form der Aufgabenteilprivatisierung als eigenen Privatisierungstyp verselbstständigen. 24 Vgl. etwa W. Erbguth/F. Stollmann, DÖV 1993, 798 (801 ff.); M. Burgi (o. Fn. 23), S. D 24 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 89 Rn. 30 ff.; H. Maurer/C. Waldhoff (o. Fn. 23), § 23 Rn. 67 ff.

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- die Gewährleistung sicherer Leistungserbringung, - die Verbesserung der Servicequalität, - die Reduzierung von Kosten usw. Allerdings stehen diesen Privatisierungsmotiven seit jeher wichtige Befürchtungen gegenüber. Die Vorbehalte gegen die Veräußerung von staatlichen Vermögenswerten und die stärkere Orientierung an Handlungsmustern und Erfolgsstrategien der Privatwirtschaft reichen von der Gefahr der Vermögensverschleuderung mit finanziellen Einmaleffekten über schwindende Gesetzesbindung, reduzierte demokratische Kontrolle, befürchtete Schlecht- oder Nichterfüllung sowie höhere Kosten für die Leistungsempfänger als Kehrseite der privaten Gewinnorientierung bis hin zum befürchteten Entstehen oligo- oder monopolistischer Wirtschaftsstrukturen. In den verwaltungspolitischen Debatten ist deshalb zutreffend darauf hingewiesen worden, dass generalisierende Pauschalbewertungen im Grunde verfehlt sind. Vielmehr sind bei der Entscheidung über konkrete Privatisierungsprojekte jeweils aufgaben-, sach- und situationsbezogene Einzelfallanalysen geboten, auf deren Grundlage die zuständigen Akteure im bereichsspezifischen rechtlichen Ordnungsrahmen über die Durchführung der Privatisierungsvorhaben zu befinden haben.25 2. Privatisierungstrends Vor diesem Hintergrund sind für die Bewertung von Privatisierungsvorstößen früher gemachte Erfahrungen mit Privatisierungsvorgängen von besonderem Interesse. Solche Erfahrungen lassen sich einer unlängst erschienenen Studie über „Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe“26 entnehmen, die sich mit öffentlichen Infrastrukturen zwischen Daseinsvorsorge und Finanzmärkten beschäftigt. Die Studie enthält ein umfangreicheres Kapitel über „Privatisierung in Deutschland nach 1945“, das für diesen Zeitraum insgesamt sechs Privatisierungswellen unterscheidet.27 Obschon diese Privatisierungswellen nicht überschneidungsfrei sind und bisweilen etwas eingehendere Analysen wünschenswert gewesen wären, ermöglicht die Studie doch eine erste grobe Orientierung in der bundesdeutschen Privatisierungslandschaft. Danach lassen sich in den zurückliegenden Jahrzehnten folgende Privatisierungstrends unterscheiden:

25 In diese Richtung bereits frühzeitig W. Erbguth/F. Stollmann, DÖV 1993, 798 (798); F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (966 f.); H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (258). 26 J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth, Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe, Öffentliche Infrastrukturen zwischen Daseinsvorsorge und Finanzmärkten, herausgegeben von Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V., 2017, im Internet abrufbar unter https://www.boell.de/sites/default/files/gemeinwohl_als_zu kunftsaufgabe_-_oeffentliche_infrastrukturen_zwischen_daseinsvorsorge_und_finanzmaerkten. pdf (26. 9. 2018). 27 J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 39 ff.

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a) Die erste Privatisierungswelle – Verkauf von Anteilseigentum Die erste Privatisierungswelle setzte in den 1960er Jahren ein und erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte.28 In diesem Zeitraum ging es vor allem um den Verkauf von Unternehmensanteilen im Industrie- und Finanzsektor. Davon betroffen waren unter anderem staatliche Unternehmensanteile in der Automobilindustrie (Volkswagen), in der Energiegewinnung und der Stahlindustrie (VEBA, VIAG, Salzgitter AG) sowie im Luftverkehr (Lufthansa). Hauptgründe für die umfangreichen Vermögensprivatisierungen waren ordnungspolitische Überlegungen, weltweite Liberalisierungstendenzen und die gewünschte Erzielung kurzfristiger (Einmal-)Einnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte. Im Rahmen dieser Privatisierungsoffensive ging die Zahl der Unternehmen mit Bundesbeteiligung in Deutschland von 808 auf 132 zurück. b) Die zweite Privatisierungswelle – Europäische Liberalisierungsimpulse Die zweite Welle der Privatisierung begann in Deutschland Mitte der 1980erJahre und ging auf fortschreitende Impulse der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und später der Europäischen Union (EU) zurück.29 Die damalige Politik begünstigte Privatisierungen und Liberalisierungen und löste so eine Welle der Veräußerung öffentlicher Unternehmen und Infrastrukturen in Europa aus. In dieser zweiten Welle veränderten sich die Privatisierungsgegenstände. Privatisiert wurde jetzt vor allem in der Infrastruktur, also etwa in der Energie- und Wasserversorgung, bei Bahn, Post und Telekommunikation. Die Privatisierung vollzog sich oftmals in mehreren Phasen. In einer ersten Phase fand eine Umstellung auf privatrechtliche Organisationsformen statt. Sie war Voraussetzung und Grundlage für spätere Teilverkäufe, die mitunter bis hin zur vollständigen Vermögensprivatisierung reichte. Bei der Deutschen Bahn kam die Privatisierung ins Stocken. Dort scheiterte der ursprünglich im Anschluss an die (formelle) Organisationsprivatisierung geplante Verkauf von Anteilseigentum (vorerst) wegen der Erschütterungen der Finanzmärkte.30 Die Telekom ist seit 1996 börsennotiert. An ihr hält die öffentliche Hand zwar weiterhin Anteile; doch befindet sich der überwiegende Teil der Aktien in privatem Streubesitz. Ähnlich verhält es sich bei der Deutschen Post, während die Postbank vollständig in privater Hand ist. Auf der kommunalen Ebene bemühte man sich wegen oftmals prekärer Haushaltslagen um Privatisierungen in der Versorgungsund Entsorgungswirtschaft (Energie, Wasser, Abwasser, Stadtreinigung usw.); damit verband sich auch die Hoffnung auf eine Modernisierung und Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen. 28 Dazu und zum Folgenden J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 39 ff. m.w.N. 29 Dazu und zum Folgenden J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 41 ff. 30 Dazu etwa S. Stamm, Eisenbahnverfassung und Bahnprivatisierung, 2010, S. 234.

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Zu der zweiten Privatisierungswelle hält die Studie fest, dass Deutschland in dieser Phase „in großem Umfang reguläre Beschäftigungsverhältnisse“ verloren hat: „Allein die formell privatisierte Bahn baute als Aktiengesellschaft von 1994 bis 2012 im inländischen Bahnverkehr 130.000 Arbeitsplätze ab. Die Telekom reduzierte ihre Belegschaft deutschlandweit zwischen 1994 und 2007 um rund 77.000 Stellen, während ihre Wettbewerber im selben Zeitraum nur 14.000 neue Stellen schufen.“31 Auch auf der kommunalen Ebene war in privatisierten Segmenten ein deutlicher Personalabbau zu verzeichnen. c) Die dritte Privatisierungswelle – Veräußerung des Volkseigentums der DDR Die dritte Welle betrifft eine spezifisch deutsche Sonderkonstellation, nämlich die Privatisierungsmaßnahmen in den ersten rund zehn Jahren nach der Wiedervereinigung.32 Von diesem Privatisierungstrend waren die meisten Sektoren der DDRVolkswirtschaft betroffen – Finanzwirtschaft, Industrie, Landwirtschaft, Handel und Dienstleistungen. Dazu wurde in Deutschland die Treuhandanstalt gegründet, deren Hauptaufgabe es war, die früheren volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Mit anfangs „8.000 Unternehmen, 40.000 Betriebsstätten und 6 Millionen Beschäftigten galt sie […] als die größte Holding der Welt“33. Im Zeitraum von 1990 bis 1994 wurden Zigtausende Volkseigene Betriebe (VEB) und Geschäfte privatisiert; anschließend erfolgten weitere große Privatisierungen durch die Treuhand-Nachfolgeorganisation BFVS, die „Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“. Die noch im Einigungsvertrag enthaltene Erwartung, Verwertungserlöse aus dem Treuhandvermögen zur Schuldendeckung einsetzen zu können, hat sich schon bald als unzutreffend erwiesen.34 Aus einem anfänglich geschätzten Vermögen von etwas über 300 Milliarden Euro war nach vier Jahren ein Schuldenberg von rund 130 Milliarden Euro geworden.35 Die Treuhandanstalt hatte sich vom vermeintlichen Aktivzum Passivposten verwandelt. Die Nachlassschulden wurden zusammen mit anderen Verbindlichkeiten aus dem Vereinigungsprozess in den Erblastentilgungsfonds eingestellt, dessen Gesamtschulden langfristig aus Mitteln der öffentlichen Hand abgetragen werden.36 31

J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 43. Dazu und zum Folgenden J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 43 f. mit ergänzendem Hinweis darauf, dass international nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staatenwelt vergleichbare Entwicklungen zeitlich parallel in Mittel- und Osteuropa zu beobachten waren. 33 F. Ossenbühl (o. Fn. 13), § 212 Rn. 8. 34 Näheres bei H. Bauer, Die Verfassungsentwicklung des wiedervereinten Deutschland, in: HStR I, 3. Aufl. 2003, § 14 Rn. 25. 35 Zu den Zahlen siehe J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 44. 36 Dazu H. Bauer (o. Fn. 34), § 14 Rn. 25 mit Fn. 128. 32

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Im Zuge dieser Privatisierungen kam es zu einem extremen Vermögenstransfer von Ost nach West: „80 % des DDR-Produktionsvermögens gingen bis Mitte 1994 an Westdeutsche, 14 % an Ausländer/innen – und nur 6 % an einstige DDR-Bürger/innen“37. Nicht nur am Rande bemerkenswert ist die privatisierungsvertraglich versuchte Absicherung der ostdeutschen Betriebe und Arbeitsplätze, die sich zeitlich oftmals auf wenige Jahre beschränkte und anschließend „verpuffte“.38 Im praktischen Ergebnis wurde die industrielle Basis der ostdeutschen Wirtschaft auf Jahre hinaus erschüttert. Die Menschen wurden „in Arbeits- und Perspektivlosigkeit zurückgelassen“39 : Zwischen 1990 und 1994 verloren in den der Treuhand unterstellten Unternehmen nicht weniger als 2,6 Millionen Menschen ihre Arbeit.40 Die damaligen Weichenstellungen wirken noch heute nach. Dem im August 2017 vorgelegten Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit41 ist zu entnehmen, dass der durchschnittliche Abstand der Wirtschaftskraft zwischen Ost- und Westdeutschland 27 % beträgt – und sich ohne Berlin sogar auf 32 % beläuft.42 Auch bei der Arbeitslosenquote und dem verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner ist Deutschland noch immer ein geteiltes Land.43 Hinzu kommt, dass die Wirtschaftsstrukturen in Ostdeutschland eher kleinteilig sind und sich gravierend von denen Westdeutschlands unterscheiden: Kein einziges ostdeutsches Unternehmen ist im Börsenleitindex Dax-30 notiert, nur wenige Großunternehmen haben ihre Zentrale in Ostdeutschland, und „viele ostdeutsche Unternehmen sind […] Teil westdeutscher Konzerne und dadurch in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beschränkt“.44 Alles in allem ist Ostdeutschland auch nach mehr als einem Vierteljahrhundert, das seit der Wiedervereinigung verstrichen ist, ein strukturschwaches Land. Die angestrebte Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist nicht erreicht und die Deutsche Einheit unvollendet.45 37

J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 44. Vgl. allgemein zu der prekären Rolle, die die Treuhandanstalt in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung spielte, etwa K. Behling, Die Treuhand – Wie eine Behörde ein ganzes Land abschaffte, 2015. 39 J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 44. 40 Bundeszentrale für politische Bildung, Das Vermögen der DDR und die Privatisierung durch die Treuhand, Dossier: Zahlen und Fakten zur Deutschen Einheit vom 25. 8. 2015, im Internet abrufbar unter http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/zahlen-und-fakten-zurdeutschen-einheit/211280/das-vermoegen-der-ddr-und-die-privatisierung-durch-die-treuhand (26. 9. 2018). 41 Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2017, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hrsg.), im Internet abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikatio nen/Neue-Laender/jahresbericht-zum-stand-der-deutschen-einheit-2017.pdf?__blob=publica tionFile (26. 9. 2018). 42 Jahresbericht 2017 (o. Fn. 41), S. 12. 43 Siehe dazu die instruktive Abbildung 2 im Jahresbericht 2017 (o. Fn. 41), S. 11. 44 Jahresbericht 2017 (o. Fn. 41), S. 18. 45 Vgl. Jahresbericht 2017 (o. Fn. 41), S. 16. 38

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d) Die vierte Privatisierungswelle – Cross-Border-Leasing Als vierten übergreifenden Privatisierungstrend benennt die Studie das CrossBorder-Leasing.46 Damit sind etwa 150 Cross-Border-Leasing-Verträge mit einem Transaktionsvolumen von geschätzten 50 Milliarden US-Dollar angesprochen, die in Deutschland in dem Zeitraum von 1995 bis 2003 rund 50 Städte und Zweckverbände abgeschlossen haben.47 Der inhaltliche Schwerpunkt lag auf dem öffentlichen Personennahverkehr sowie im Wassersektor (Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung). Verleast wurden außerdem ein Flughafen, einige Müllverbrennungsanlagen, Messe- und Veranstaltungshallen, öffentliche Grundstücke und selbst die öffentliche Straßenbeleuchtung. In der Sache ging es beim Cross-Border-Leasing im Kern darum, dass eine deutsche Kommune Vermögensgegenstände, in Sonderheit Infrastruktureinrichtungen, langfristig an einen ausländischen Investor überträgt und anschließend gleichsam im selben Atemzug wieder zurück mietet. Daraus resultierten nach einem Steuerschlupfloch im US-amerikanischen Recht (zulasten der amerikanischen Steuerzahler generierte) Steuervorteile, die – mit der hier gebotenen Vereinfachung – Investor und Kommune unter sich aufteilten.48 Durch eine Änderung der einschlägigen Steuerregeln schloss der amerikanische Gesetzgeber 2004/2005 das Steuerschlupfloch und machte dadurch das Cross-Border-Leasing für Investoren uninteressant. Grundlage des Cross-Border-Leasings sind hochkomplexe Verträge. Sie haben regelmäßig einen Umfang von 1.400 bis 1.700 Seiten und eine Laufzeit von meist 99 Jahren, sind durchgängig in englischer Sprache abgefasst, vereinbaren US-amerikanisches Recht als Rechtsregime und für etwaige Konfliktfälle einen US-amerikanischen Gerichtsstand.49 Im Zuge der Finanzmarktkrise sind viele dieser Verträge, deren Inhalte die kommunalen Vertragsparteien oftmals nicht verstanden hatten, in eine Schieflage geraten, weil die darin enthaltenen finanziellen Vereinbarungen notleidend wurden und die beteiligten deutschen Kommunen mit dem Ausfallrisiko konfrontiert sind. 46

J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 44 f. Vgl. dazu auch J. Weber, Die Entwicklung des Leasingrechts von Mitte 2007 bis 2009, NJW 2009, 2927 (2932 f.), der ein noch höheres Investitionsvolumen vermutet und darauf hinweist, dass nach Expertenschätzungen zwischen 1995 bis 2003 in Deutschland rund 150 bis 200 Cross-Border-Leasing-Verträge mit einem Gesamtvolumen von bis zu 100 Milliarden Euro geschlossen wurden. 48 Vgl. allgemein zur Ausgestaltung und zu den Problemlagen des Cross-Border-Leasings sowie zu den davon erwarteten Vorteilen F. Laudenklos/C. Pegatzky, US-Leasingfinanzierungen – innovative Finanzierungsformen oder zweifelhafte Geschäfte?, NVwZ 2002, 1299 ff.; C. Böhm/C. Stepputat, Nachwirkungen des Cross-Border-Leasings: Die Wirtschaftskrise und der Ordre public des Kommunalrechts, DÖV 2009, 984 ff.; K.-H. Kästner, Privatisierung kommunaler Einrichtungen – eine rechtliche Bestandsaufnahme, in: Baumeister u. a. (Hrsg.), Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke, 2011, S. 863 (895 ff.) m.w.N.; H. Bauer, DÖV 2012, 329 (333). 49 F. Laudenklos/C. Pegatzky, NVwZ 2002, 1299 (1303); K.-H. Kästner (o. Fn. 48), S. 896. 47

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Ein anschauliches Beispiel für solche Schieflagen im Cross-Border-Leasing liefert die Stadt Leipzig, die sich Ende 2015 nur mit einem finanziellen Verlust von über 41 Millionen Euro aus einem im Jahr 2003 mit einem amerikanischen Telekommunikationskonzern über das Trinkwassernetz der Stadt abgeschlossenem Cross-BorderLeasing-Vertrag lösen konnte.50 Im Rahmen dieses Vertrages hatte Leipzig ihr heute mit 600 Millionen Euro bewertetes Trinkwassernetz für 99 Jahre an den Konzern veräußert und das Netz gleichzeitig wieder zurückgemietet. Während sich der Konzern durch den Deal Steuereinsparungen versprach, erhielt Leipzig einen Barwertvorteil von etwas mehr als 14 Millionen Euro ausbezahlt. Zur Finanzierung der Rückübertragungssumme erwarb Leipzig Anleihen im Wert von 61 Millionen Dollar bei einer amerikanischen Versicherung, die im Zuge der Finanzkrise bald nur noch als Ramsch gehandelt wurden. Zur Ausräumung des hohen finanziellen Risikos akzeptierte die Stadt Ende 2015 ein Angebot zur vorzeitigen Vertragsauflösung gegen Zahlung einer hohen Auflösungsprämie. Am Ende des gesamten Deals musste Leipzig den erwähnten Verlust von 41 Millionen Euro im Haushalt verbuchen. e) Die fünfte Privatisierungswelle – Europäischer Privatisierungsdruck Die fünfte Welle an Privatisierungen findet nach Einschätzung der Studie seit der Jahrtausendwende statt.51 Sie schließt an die zweite Welle an, weicht aber in zweierlei Hinsicht davon ab: Zum einen bezieht sie sich auf andere Gegenstände. Während die zweite Welle vor allem auf eine Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs zielte, stehen beim fünften Privatisierungsschub soziale Sicherungssysteme im Vordergrund: Soziales Wohnen, Gesundheits- und Pflegedienste, kommunale Krankenhäuser, aber auch Bildung und Wissenschaft sind jetzt betroffen. Auch die Diversifizierung der öffentlichen Rentenversicherung im Zuge der Förderung privater Altersvorsorge rechnet die Studie dazu. Zum anderen lässt sich bei den Privatisierungsmotiven eine Akzentverschiebung beobachten. Zwar wurde weiterhin die höhere Effizienz privater Anbieter als Privatisierungsargument vorgebracht. Doch erlangten jetzt haushaltspolitische Begrenzungen an Bedeutung, weil auch auf den Ebenen von Bund und Ländern die verfügbaren Mittel knapper wurden. Hinzu kamen fiskalische Vorgaben der Europäischen Union. Um die für die Einführung des Euro vorausgesetzten Beschränkungen des jährlichen Haushaltsdefizits auf 3 % des Bruttoinlandsprodukts und der öffentlichen Verschuldung auf 60 % des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts erfüllen zu können, 50 Dazu und zum Folgenden J. Rometsch, Ein Ende mit Schrecken – Leipzig büßt 41 Millionen Euro bei US-Leasing ein, in: Leipziger Volkszeitung (online) vom 18. 1. 2016, im Internet abrufbar unter http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Ein-Ende-mit-Schrecken-Leip zig-buesst-41-Millionen-Euro-bei-US-Leasing-ein (26. 9. 2018). 51 J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 45 f.

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setzten viele EU-Länder verstärkt auf Privatisierungsmaßnahmen, um Einmaleinnahmen zu erzielen. In Deutschland führten diese Privatisierungen zu Leistungskürzungen und Preissteigerungen: Das betraf etwa Renten- und Lohnkürzungen, einen Rückgang bei der Anzahl verfügbarer Sozialwohnungen und einen Mietanstieg bei den privatisierten Wohnungen.52 Ein anschauliches Beispiel bietet die sächsischen Landeshauptstadt Dresden.53 Die Stadt Dresden hatte 2006 ihren kommunalen Wohnungsbestand an einen amerikanischen Investor verkauft. Der Verkauf brachte Dresden zwar rund 982 Millionen Euro ein. Doch war es der Stadt nicht gelungen, den Schutz der Mieter durch eine in das Vertragswerk mit dem Privatinvestor aufgenommene „Sozialcharta“ effektiv abzusichern. Wegen der unklaren Vertragsgestaltung kam es 2011 zu einer milliardenschweren Klage gegen den Privatinvestor, die am Ende jedoch weitgehend im Sande eines Vergleichs verlief. f) Die sechste Privatisierungswelle – Public Private Partnerships Als sechste Privatisierungswelle identifiziert die Studie den Einsatz von Öffentlich Privaten Partnerschaften.54 Bei solchen Partnerschaften werden bekanntlich private Unternehmen von der öffentlichen Hand beauftragt, Finanzierung, Planung, Bau oder Sanierung sowie den anschließenden Betrieb und die Verwertung eines Objekts der öffentlichen Daseinsvorsorge für einen Zeitraum von 20, 30 oder noch mehr Jahren zu übernehmen. Im Gegenzug erhält der Private für seine Tätigkeit eine jährliche Rate für die Nutzung. Von Öffentlich Privaten Partnerschaften verspricht man sich eine günstigere Leistungserbringung. Außerdem haben sie eine gewisse haushaltsrechtliche Anziehungskraft, weil sie versteckte Kreditaufnahmen ermöglichen. Und schließlich sind sie für die zumal in Phasen der Niedrig- oder gar Nullzinspolitik nach Anlagemöglichkeiten suchende Privatwirtschaft attraktiv. Solche Public Private Partnerships hat es zwar schon früher gegeben. In Deutschland sind sie seit längerem namentlich in der Ver- und Entsorgungswirtschaft anzutreffen, also etwa in den Segmenten der Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Fernwärme sowie der Entsorgung von Abwasser, Abfall und Verschmutzungen von Straßen, Plätzen usw. Seit der Jahrtausendwende ist es aber zu einer deutlichen Erweiterung der Einsatzfelder gekommen, und für die Zukunft ist die Erstreckung auf weitere Sektoren, in Sonderheit auf die Verkehrsinfrastruktur angedacht. Beispiele aus der Vergangenheit sind Dienstleistungen für das Militär; dazu gehört Outsourcing bei der Bundeswehr unter anderem bei der Bekleidungsbeschaffung, der zivilen IT und der Verwaltung der nicht gepanzerten Fahrzeuge der Truppe durch den „Bw Fuhrpark Service“. Weitere Beispiele betreffen Anlagen für Sport, Freizeit und Kultur, Verwaltungs- und Justizgebäude und Schulen. In näherer Zukunft dürften vor 52

J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 46. Näheres dazu und zum Folgenden bei H. Bauer, DÖV 2012, 329 (331 f.). 54 J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 46 f. 53

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allem Infrastrukturgesellschaften im Fokus stehen, und zwar insbesondere bei der Erschließung der Verkehrsinfrastruktur für Public Private Partnerships, für die der neue Art. 90 GG bereits das Feld aufbereitet hat.55 Rechtsgrundlage der Public Private Partnerships sind, ähnlich wie bei Cross-Border-Leasing, hochkomplexe Verträge. Ein vitaler Klassiker ist der 2002 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem privaten Betreiberkonsortium Toll Collect abgeschlossene Maut-Konzessionsvertrag, auf dessen Grundlage Toll Collect in Deutschland die Mautgebühren für Lastkraftwagen „einsammelt“.56 Der Toll Collect-Vertrag hat 17.000 Seiten – das macht bei 400 Seiten pro Ordner über 40 Aktenordner Vertragstext. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das von Toll Collect entwickelte System der LKW-Maut nicht termingerecht in Betrieb genommen werden konnte, kam es zum Streit über den dadurch in Milliardenhöhe entstandenen staatlichen Einnahmeausfall. Der Konflikt wurde, wie vertraglich vorgesehen, vor einem Schiedsgericht ausgetragen, ohne dass sich jedoch im Schiedsverfahren eine Lösung abgezeichnet hätte.57 Nach vierzehn Jahren und „intensiven Verhandlungen“ zwischen „Politik und Wirtschaft“ beendeten die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich, wonach die Gesellschafter des Maut-Betreibers rund 3,2 Milliarden Euro an den Bund zahlen.58 Dem Umfang nach wird der Toll Collect-Vertrag Pressemitteilungen zufolge übrigens noch getoppt von den öffentlich-rechtlichen Verträgen zu einem PPP-Projekt auf der A1 mit 36.000 Seiten sowie zur 1999 erfolgten Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe mit 90.000 Blatt Papier in insgesamt 180 Aktenordnern.59 Solche Verträge sind nicht mehr wirklich beherrschbar, ganz abgesehen davon, dass die Rechnungshöfe von Bund und Ländern bei vielen Öffentlich Privaten Partnerschaften hohe Effizienzlücken und die Entstehung zusätzlicher Kosten rügen.60 55

Siehe dazu bereits o. Fn. 10; M. Meier, DÖV 2018, 268 ff. Vgl. dazu und zum Folgenden H. Bauer, Verwaltungsverträge, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 2012, § 36 Rn. 42 m.w.N. 57 J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 110 m.w.N. 58 Nachdem der Bund wegen des verspäteten Starts der Maut in zwei Schiedsverfahren ursprünglich Forderungen in Höhe von insgesamt rund 9,5 Milliarden Euro erhoben und die beklagten Unternehmen Forderungen von rund 4,9 Milliarden Euro geltend gemacht hatten; s. zu dem Vergleich lie/dpa, Toll Collect zahlt dem Bund 3,2 Milliarden Euro, spiegel online vom 16. 5. 2018, im Internet abrufbar unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkwmaut-streit-beendet-daimler-und-telekom-zahlen-3 - 2-milliarden-euro-a-1208168.html (25. 9. 2018). 59 Dazu J. Mattert/L. Valentukeviciute/C. Waßmuth (o. Fn. 26), S. 110 m.w.N. 60 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) als Beschaffungsvariante im Bundesfernstraßenbau (Gz.: V3 – 2013 – 5166) vom 4. 6. 2014, im Internet abrufbar unter https:// www.gemeingut.org/wp-content/uploads/2014/06/2014 - 06 - 04_Bericht_BRH_zu_PPP_an_Haus haltsausschuss.pdf (26. 9. 2018); Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Gemeinsamer Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten vom 14. 9. 2011, im Internet abrufbar unter http://www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/media/978/Gemeinsamer%20Erfahrungs bericht%20zur%20Wirtschaftlichkeit%20von%20 %D6PP-Projekten.pdf (26. 9. 2018). 56

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g) Zusammenfassende Zwischenbemerkungen Im zusammenfassenden Rückblick hinterlassen die Privatisierungstrends einen außerordentlich ambivalenten Gesamteindruck: Einerseits verfolgen sie ernstzunehmende Anliegen und jedenfalls im Prinzipiellen erwägenswerte Motive. Andererseits sind die erhofften positiven Privatisierungseffekte nicht selten ausgeblieben, Privatisierungen teilweise auch völlig missglückt. Vor allem aber verbinden sich mit Privatisierungen oftmals negative Begleiterscheinungen und beträchtliche Risiken, die sich in der Vergangenheit wiederholt realisiert haben. Privatisierungen sind demnach weder ein Königsweg noch ein Allheilmittel, sondern lediglich eine Option von mehreren, über deren Auswahl jeweils auf der Grundlage aufgaben-, sach- und situationsbezogener Einzelfallanalysen zu befinden ist.61 III. Publizisierungsszenarien Die Privatisierungsbefunde haben zunehmend bewusst gemacht, dass die Privatwirtschaft nicht zwangsläufig besser, effizienter und kostengünstiger arbeitet als die öffentliche Hand. Bei weitem nicht alle Privatisierungsmaßnahmen haben die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Daher zeichnet sich seit geraumer Zeit ein Umdenken ab: Rekommunalisierungs-, Renationalisierungs- und Publizisierungsszenarien sind zu einem vielbeachteten Thema geworden.62 Dazu liegt seit Juni 2017 eine instruktive Studie vor mit Titel „Rückforderung öffentlicher Dienste – Wie Städte und Bürger Privatisierungen rückgängig machen“63. An dieser Stelle sind nur zwei Aspekte kurz zu beleuchten, nämlich die Publizisierungsmotive (1.) und in der Rechtspraxis zu beobachtende Publizisierungstrends (2.). 1. Publizisierungsmotive Die Trendwende hin zu Publizisierung hat viele Gründe.64 Eine wichtige Ursache dürften die weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrisen sein, die auf ein Versagen privatwirtschaftlicher Mechanismen zurückgehen und für die beschränkte Leistungsfähigkeit nicht hinreichend begrenzter oder gar ungehemmter Marktwirtschaft sensi61

Vgl. bereits o. Fn. 25. Vgl. bereits o. bei Fn. 3 ff. 63 Im englischen Originaltext: „Reclaiming Public Services – How cities and citizens are turning back privatisation“ (S. Kishimoto/O. Petitjean [o. Fn. 9]). 64 Vgl. zunächst W. Erbguth/F. Stollmann, DÖV 1993, 798 (807 ff.), sowie aus der jüngeren Rekommunalisierungs- und Publizisierungsdebatte zu den Motiven etwa C. Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (453 f.); M. Röber, Verwaltung & Management 2009, 227 (230 ff.); J. Libbe/S. Hanke (o. Fn. 6), S. 109; D. Hachfeld (o. Fn. 6), S. 88 ff.; M. Scholle (o. Fn. 6), S. 95 ff.; M. Burgi, NdsVBl. 2012, 225 (226); A. Guckelberger, VerwArch 104 (2013), 161 (161 f., 163 ff.); A. Leisner-Eggensperger, NVwZ 2013, 1110 (1110 ff.); T. Schmidt, DÖV 2014, 357 (358); H. Bauer, DÖV 2012, 329 (334 f.); ders., JZ 2014, 1017 (1023). 62

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bilisiert haben. Neben der Reaktion auf missglückte Privatisierungen sind als weitere Motive zu nennen: – Ein neu erwachtes Selbstbewusstsein der öffentlichen Hand und insbesondere der Kommunen, – die Einbindung der Bürger in das Gemeinwesen durch Mitwirkungs- und Partizipationsoptionen, – die Rückgewinnung öffentlicher Kontrolle und öffentlicher Einflussmöglichkeiten auf die Aufgabenerledigung, – die Rückbesinnung auf Leitbilder öffentlicher Daseinsvorsorge (Gemeinwohlorientierung statt reiner Profitmaximierung, „citizen value“ statt „shareholder value“ etc.), – die Aufbrechung monopolartiger privater Leistungserbringung mit Gewinnerzielungsinteressen, – die Erhaltung von Arbeitsplätzen, – die Wahrung von Umwelt- und Sozialstandards, – Qualitätsverbesserungen bei der Leistungserbringung und im Service, – Kostensenkungen für die öffentliche Hand und auch für die Bürger usw. Die Motive für den aktuellen Publizisierungstrend sind demnach teilweise ähnlich gelagert wie die bereits erwähnten65 Privatisierungsmotive. Das trifft aber nicht für alle Aspekte zu. Ein besonders wichtiger Gesichtspunkt sind neben der besseren Kontrolle nämlich die – bei der Privatisierung zurücktretenden – Mitwirkungsund Partizipationsmöglichkeiten, für die in Deutschland viele Menschen demonstrieren und zu Publizisierungszwecken Elemente unmittelbarer Demokratie wie Volksbegehren und Volksabstimmungen einsetzen. 2. Publizisierungstrends Publizisierungstrends sind heute ein globales Phänomen. Die Studie „Reclaiming Public Services“ weist weltweit nicht weniger als 835 Publizisierungen und weitergehend sogar 1.600 Städte aus, die aktiv geworden sind, um öffentliche Dienste wieder (stärker) der öffentlichen Kontrolle zu unterstellen.66 Publizisierungssektoren 65

O. bei Fn. 24. S. Kishimoto/O. Petitjean (o. Fn. 9), S. 6. Die Zahlenangaben sind zum einen nicht abschließend, weil dort beispielsweise Publizisierungen in der Volksrepublik China (Shanghai, Shenyan – vgl. dazu E. Lobina/S. Kishimoto/O. Petitjean, Festgestellt: Globaler Trend der Rekommunalisierung des Wassers, Stand: Juli 2015 [veröffentlicht von Public Services International Research Unit [PSIRU], Transnational Institute [TNO] und Multinational Observatory in Zusammenarbeit mit Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V.], im Internet abrufbar unter https://www.tni.org/files/publication-downloads/heretostay-de_0.pdf [26. 9. 2018]) nicht ausgewiesen sind; zum anderen sind die Zahlen nur beschränkt aussagekräftig, 66

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sind danach unter anderem Wasser- und Energieversorgung, Abwasser und Abfallentsorgung, Transport und Verkehr, Ausbildung, medizinische Versorgung und Sozialarbeit, Öffentliche Sicherheit, soziales Wohnen, IT, Sport- und Kultureinrichtungen bis hin zu Beerdigungsinstituten.67 Die Fallzahlen sind nach 2008 fast sprunghaft angestiegen und haben aktuell weiterhin eine steigende Tendenz.68 Auch in der Europäischen Union liegen Publizisierungsvorgänge im Trend. Sie haben sich in der europäischen Mehr-Ebenen-Ordnung teilweise sogar in der Rechtsetzung niedergeschlagen und sind hier nur exemplarisch69 unter einem spezifisch deutschen Blickwinkel kurz anzusprechen: Auf der Ebene der Europäischen Union ist die Ausklammerung der Wasserwirtschaft vom Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie ein ebenso prominentes wie bemerkenswertes Beispiel.70 Die Ausklammerung war eine Reaktion auf den sich abzeichnenden Erfolg der Europäische Bürgerinitiative „right2water“. Nach Einschätzung der Initianten erkannte die Kommission im praktischen Ergebnis an, „dass die Bereitstellung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung generell in der Verantwortung der lokalen Autoritäten liegen sollte, die am dichtesten an den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort sind. Das bestätigt den Trend zu Rekommunalisierung in Europa“71. Über einzelne Sektoren hinweg bestätigt auf der Unionsebene das Bedürfnis nach mehr öffentlicher Präsenz auch das Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und der Europäischen Union, dessen Verhandlung bis zum Abschluss von massiven Protesten aus der Unionsbevölkerung begleitet war; die Proteste richteten sich gegen die durch das Abkommen entstehenden Einflussnahmemöglichkeiten kanadischer Großunternehmen auf den öffentlichen Dienstleistungssektor und erreichten manche zumindest klarstellende Nachbesserung.72 Auch die Nichtunterzeichnung des Abkommens

weil sich darunter neben Kommunen auch ganze Regionen und Länder wie Uruguay und Mali befinden. 67 S. Kishimoto/O. Petitjean (o. Fn. 9), S. 7. 68 S. Kishimoto/O. Petitjean (o. Fn. 9), S. 11; siehe dort auch Appendix 1, in dem auf 50 engbedruckten Seiten weltweit hunderte von Fällen an (re)municipalisations und (re)nationalisations zusammengestellt sind. 69 Näheres zur Praxis der Publizisierung mit zahlreichen Beispielen bei H. Bauer, DÖV 2012, 329 (330 ff.); ders., JZ 2014, 1017 (1022). 70 Vgl. dazu und zum Folgenden http://www.right2water.eu/de (26. 9. 2018). 71 Europäische Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“, Pressemitteilung „Antwort der Kommission auf die erste Europäische Bürgerinitiative ist wenig ambitioniert“ vom 19. 3. 2014; im Internet abrufbar unter http://www.right2water.eu/de/node/477 (26. 9. 2018). 72 Vgl. dazu etwa B. Weiz, Ceta und die öffentliche Daseinsvorsorge: Ringen um ein wertvolles Gut, in: Deutschlandfunk (online) vom 26. 10. 2016, im Internet abrufbar unter http://www.deutschlandfunk.de/ceta-und-die-oeffentliche-daseinsvorsorge-ringen-um-ein.724. de.html?dram:article_id=369681 (26. 9. 2018).

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über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) gehört hierher.73 Auf der Ebene des Bundes sind als normative Stellschrauben grundgesetzliche Vorschriften über die Gewährleistungsverantwortung bei Bahn, Post und Telekommunikation (Art. 87e Abs. 4, 87 f Abs. 1 GG) zu erwähnen. In diesen Zusammenhang gehört auch die jüngst hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur erfolgte Festschreibung des „unveräußerlichen Eigentum[s] des Bundes“ und der Ausschluss einer „Beteiligung Privater im Rahmen Öffentlich-Privater Partnerschaften“ bei im Einzelnen näher bezeichneten Aufgaben und Straßenstreckennetzen in dem neuen Art. 90 GG.74 Weitere Beispiele für einen Rückzug aus der Privatisierung und die Rückkehr des Öffentlichen auf der Bundesebene sind die Absage der ursprünglich geplanten materiellen (Teil-)Privatisierung der Deutsche Bahn AG75 und die Rettung insolvenzgefährdeter Banken während der Finanzkrise.76 Instruktives Anschauungsmaterial liefert auch die Bundeswehr,77 in deren Bereich die vor gut zehn Jahren auf Öffentlich Private Partnerschaften ausgelagerte Dienstleistungsbereiche (Bekleidungsbeschaffung, zivile IT, „Bw Fuhrpark Service“) wieder in die eigene Obhut übernommen werden.78 Nicht unerwähnt bleiben kann auf der Bundesebene schließlich die Kritik der Rechnungshöfe an Public Private Partnerships im Infrastrukturbereich,79 auch wenn diese Kritik wegen allerlei Vermeidungs- und Um73

Zu den Kontroversen über die Zulässigkeit der Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“, die wegen des nach den US-Präsidentschaftswahlen faktisch aufgegebenen TTIPVorhabens letztlich ihren Gegenstand „verloren“ hatte, vgl. J. Gundel, Möglichkeiten und Grenzen der Europäischen Bürgerinitiative, DÖV 2018, 585 (590 f. m.w.N.). 74 Vgl. dazu bereits o. bei und in Fn. 10 und vor allem M. Meier, DÖV 2018, 268 ff. 75 M. Knauff, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2015, S. 21; S. Stamm (o. Fn. 30), S. 234. 76 Vgl. dazu D. Bauer, Staatliches Handeln im systemrelevanten Markt am Beispiel des Rettungsübernahmegesetzes, DÖV 2010, 20 ff.; A. Peters, Art. 15 und die Notverstaatlichung der Banken, DÖV 2012, 64 ff. 77 Vgl. dazu und zum Folgenden G. Hegmann/T. Steinmann, Truppe dreht Privatisierung zurück, Financial Times Deutschland vom 15. 8. 2012, S. 1; J. Leithäuser, Die fast entblößte Bundeswehr, Süddeutsche Zeitung vom 5. 6. 2015, S. 4. 78 Die Gründe hierfür sind freilich komplex und beschränken sich nicht ausschließlich auf negative Erfahrungen mit Privatisierungsmaßnahmen. Als wichtigstes Beispiel sei hier das mit der Instandhaltung der Fahrzeugflotte des Heeres befasste Gemeinschaftsunternehmen von Bund und drei deutschen Rüstungsfirmen (HIL) erwähnt. Obschon diese Kooperation funktionierte, trat der Bund auch hier den Rückzug an. Hintergrund dafür war eine EU-Richtlinie, wonach Rüstungsaufträge künftig europaweit auszuschreiben sind. Folge davon wäre, dass bei den Ausschreibungen ausländische Unternehmen stärker zum Zug kommen könnten. Daran hat die Bundeswehr in sensiblen Sicherheitsbereichen aber kein Interesse. Vgl. zum Ganzen näher G. Hegmann/F. Steinmann (o. Fn. 77), S. 1; zur Diskussion speziell zur ÖPP bei dem ITProjekt Herkules H. Friedrichs/T. Staud, Teuer und schlecht, Die Zeit vom 5. 12. 2014, S. 28; ferner zu inzwischen erneut angestellten Privatisierungsüberlegungen bei der Heeresinstandsetzungslogistik (HIL) B. Müller, Erst die Wehrindustrie, dann die Truppe, FAZ, aktualisiert am 8. 6. 2018, im Internet abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/politik/bundeswehr-pro jekt-erst-die-wehrindustrie-dann-die-truppe-15627683.html (26. 9. 2018). 79 Bundesrechnungshof (o. Fn. 60); Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (o. Fn. 60).

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gehungsstrategien im Umfeld von Schuldenbremse und „Schwarzer Null “ nur ungern gehört wird.80 Auf der Ebene der Länder findet sich als normative Stellschraube insbesondere die 2013 neu in das bremische Landesverfassungsrecht aufgenommene81 „Privatisierungsbremse“82. Sie verschärft bei Verkehrsleistungen, Abfall- und Abwasserentsorgung, Energie- und Wasserversorgung, wirtschaftlicher und kultureller Infrastruktur, Wohnraumbereitstellung und Krankenhausversorgung die Anforderungen an die Veräußerung von Unternehmen des Landes durch einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Unter bestimmten Voraussetzungen wirkt sie außerdem durch das Erfordernis eines Volksentscheids übereilten Privatisierungsentscheidungen des Parlaments entgegen. Inzwischen entfaltet das Beispiel Bremen Vorbildwirkung: In der Bundeshauptstadt Berlin planen SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen nach ihrer Ende 2016 beschlossenen Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 2016 bis 2021 vergleichbare Ergänzungen der Landesverfassung.83 Besonders bekannte Beispiele für auf Landesebene bereits erfolgte Publizisierungen sind die Rückverstaatlichung der Berliner Wasserbetriebe für 1,2 Milliarden Euro84 und der Rückkauf der in früheren Jahren an einen französischen Staatskonzern veräußerten Unternehmensanteile an Deutschlands drittgrößtem Energieversorger durch das Land Baden-Württemberg85. Für die kommunale Ebene sind landesrechtliche Erleichterungen kommunalwirtschaftlicher Betätigung hervorzuheben.86 Besonders markant in diese Richtung weisen das nordrhein-westfälische „Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts“ von 2010 und das brandenburgische „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge“ von 2012, die schon durch ihre Überschrift klare Signale aussenden. Im Übrigen liefert die kommunale Praxis unter dem Stichwort (Re-)Kommunalisierung reichhaltiges Anschauungsmaterial für bereits durchgeführte und geplante Publizisierungen, die letztlich alle kommunalen Tätigkeitsfelder erfassen können.87

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Vgl. nur Bundesrechnungshof (o. Fn. 60), S. 7, 42. Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 3. 9. 2013, BremGBl S. 480. 82 Dazu V. Boehme-Neßler, Privatisierungsbremsen in den Landesverfassungen?, LKV 2013, 481 ff. 83 Die zwischen SPD, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen geschlossene Berliner Koalitionsvereinbarung für 2016 – 2021 ist im Internet abrufbar unter https://gruene.berlin/sites/ gruene.berlin/files/koavereinbarung_final_161208_0.pdf (26. 9. 2018). 84 Dazu http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article121668882/Abgeordnetenhaus-stim mt-Rueckkauf-der-Wasserbetriebe-zu.html (26. 9. 2018). 85 Vgl. S. Schlacke/J. Kröger, DVBl. 2013, 401 ff. 86 Überblick bei L. Breuer, WiVerw 2015, 150 ff. 87 Nachweise dazu o. in Fn. 6. 81

Altes und Neues über Privatisierung und Publizisierung

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IV. Privatisierung und Publizisierung: Impulse für die Modernisierung des Gemeinwesens Im unmittelbaren Vergleich zeigt sich in vielen Punkten eine auffallende Gleichgerichtetheit der Motive88 für Privatisierungen und Publizisierungen. In beiden Fällen geht es um Haushaltsentlastung, Kostensenkung, Gewährleistung optimaler und gesicherter Leistungserstellung, Verbesserung von Qualität und Service etc. Dies alles verweist letztlich auf ein gemeinsames Ziel, nämlich auf die zeitgemäße Modernisierung des Gemeinwesens. Unter diesem Blickwinkel sind Privatisierung und Publizisierung keine sich gegenseitig ausschließenden Prozesse. Sie stehen nicht in einem diametralen Gegensatz, sondern ergänzen sich wechselseitig als „komplementäre Gestaltungsprozesse“89, als komplementäre Strategien zur Modernisierung des Gemeinwesens.90 Eine Verknüpfung der beiden Ansätze ist nicht nur wegen der teilweisen Übereinstimmung in der prinzipiellen Zielsetzung veranlasst, sondern auch wegen der zahlreichen Überschneidungen bei der Modellierung und Umsetzung von konkreten Modernisierungsprojekten. Als nominalisierte Verben bezeichnen Privatisierung und Publizisierung entwicklungsoffene Prozesse, also auf prozedurale (Fort-)Entwicklung angelegte Vorgänge, die sich nicht in einem bipolaren Weltbild mit kategorialer Gegenüberstellung von Staat und Markt erfassen lassen, sondern viele Zwischenformen kennen und zudem über diese Denkkategorien hinausweisen.91 So können – wie an anderer Stelle eingehender dargelegt92 – sowohl Privatisierungen als auch Publizisierungen beispielsweise in Public Private Partnerships mit vergleichbaren Gestaltungs- und Durchführungsproblemen münden; auch können am Ende solcher Prozesse komplexe, mehrpolige Hybride namentlich des Dritten Sektors stehen.93 Aus rechtsdogmatischer Sicht öffnen solche Befunde das Tor zum Arbeitsfeld der Handlungs- und Organisationsformen und stellen die Verwaltungsrechtslehre vor die Aufgabe, das gesamte für die gemeinwohlorientierte Leistungserbringung verfügbare Formenarsenal sachkundig aufzubereiten, auf seine Eignung zu überprüfen und zu bewerten.94 Die Bereitstellung zeitgemäßer Organisations- und Handlungsformen 88

Oben II. 1. und III. 1. Vgl. P. Collin, Privatisierung und Etatisierung als komplementäre Gestaltungsprozesse, JZ 2011, 274 ff. 90 A. Guckelberger, VerwArch 104 (2013), 161 (187); H. Bauer, DÖV 2012, 329 (334 f.); ders., JZ 2014, 1017 (1023). 91 Aus verwaltungswissenschaftlicher Perspektive instruktiv und mit Recht kritisch zum „Verharren im bipolaren ordnungspolitischen Problemlösungsdenken“ D. Budäus/D. Hilgers, DÖV 2013, 701 (703). 92 Dazu und zum Folgenden H. Bauer, DÖV 2012, 329 (336 ff.); ders., JZ 2014, 1017 (1022 ff.). 93 Vgl. etwa F. Markmann, Hybrid Genossenschaft: Lokale Leistungserbringung im kommunalen Interesse auf einem Dritten Weg zwischen Staat und Privat, DÖV 2018, 864 ff. 94 Vgl. dazu bereits die Überlegungen von W. Erbguth/F. Stollmann, DÖV 1993, 798 (798 f., 801, 809). 89

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Hartmut Bauer

erleichtert den Akteuren im konkreten Einzelfall Auswahlentscheidungen und die Entwicklung eines passgenauen Designs für die Aufgabenerledigung im vorgegebenen rechtlichen Rahmen. Dass dabei jeweils aufgaben-, sach- und situationsbezogene Einzelfallanalysen geboten sind, versteht sich;95 schlichte, einheitliche Patentlösungen für alle Fälle gibt es nicht. Bei aller Gemeinsamkeit dürfen freilich die fortwährenden Unterschiede zwischen Privatisierungs- und Publizisierungsvorstößen nicht aus dem Blick geraten. Sie betreffen insbesondere die Mitwirkungs- und Partizipationsoptionen der Bürger, die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Öffentlichen Hand, die Intensität rechtlicher Bindungen namentlich durch Haushalts- und Besoldungsrecht, die effektive, auch großräumige Absicherung von wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Infrastrukturen sowie Abweichungen in den Leitbildern bis hin zu privaten Gewinnerzielungsinteressen. Blauäugige Modernisierungspolitik, einseitige Fokussierung und analytisch nicht hinreichend aufbereitete, zu undifferenzierte Lösungen bergen deshalb beträchtliche Risiken, die sich in der Vergangenheit immer wieder realisiert haben. Musterbeispiele für ganz gravierende Schieflagen sind die Privatisierung des DDR-Produktionsvermögens mit ihren bis heute nachwirkenden negativen Weichenstellungen für ganz Ostdeutschland96 und das für den unbefangenen Beobachter nicht nachvollziehbare kommunale Finanz-Engagement in den Arenen des Cross-Border-Leasing.97 Doch verbinden sich auch mit den schon in mehreren früheren Privatisierungswellen präsenten, aktuell in vielen Sektoren der Infrastruktur und namentlich in der Verkehrsinfrastruktur propagierten Öffentlich Privaten Partnerschaften nicht nur latente Gefahren.98 Nach den Feststellungen der Rechnungshöfe weisen Public Private Partnerships nämlich mitunter hohe Effizienzlücken auf. Vor allem aber hat die Kooperationspraxis hochkomplexe Vertragskonstrukte hervorgebracht, die selbst für Insider kaum noch verständlich und im Ergebnis nicht mehr überzeugend zu handhaben sind. Hier wird es künftig entscheidend auf die Bereitstellung eines ausgewogenen Verwaltungsvertragsrechts und einer ausgefeilten Vertragsgestaltungslehre ankommen. Dass im Übrigen auch eine stärker öffentlich ausgerichtete Leistungserstellung kein sicherer Erfolgsgarant ist, belegen Public Public Partnerships bei Großprojekten wie Stuttgart 21 und bei dem Flughafen Berlin-Brandenburg. V. Ausblick In der zusammenfassenden Würdigung setzen die in jüngerer Zeit zunehmend zu beobachtenden Publizisierungsszenarien einen notwendigen und längst überfälligen Kontrapunkt zu dem lange Zeit dominierenden Privatisierungstrend. Das Stichwort 95

O. Fn. 25. Oben II. 2. c). 97 Oben II. 2. d). 98 Oben II. 2. f).

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Altes und Neues über Privatisierung und Publizisierung

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„Publizisierung“ sensibilisiert für strukturelle Fehlentwicklungen und kostenträchtige Irrwege der Privatisierung. Es fordert eine Perspektivenerweiterung auf Reformen, in denen Privatisierungen und Publizisierungen als komplementäre Strategien zur Modernisierung des Gemeinwesens ihren festen Platz haben. Verwaltungsrechtsdogmatisch geht es dabei um die ideologiefreie Bereitstellung von Handlungs- und Organisationsformen, die jenseits einer zwar verbreiteten, aber viel zu unterkomplexen bipolaren Weltsicht insbesondere auch hybride Leistungserbringung und Akteure des Dritten Sektors einbezieht. Die eingangs erwähnte Redeweise vom „Richtungsstreit“ zwischen Befürwortern und Gegnern der Privatisierung, vom „Richtungsstreit“ zwischen Befürwortern und Gegnern der Publizisierung wird diesen Herausforderungen nicht gerecht. Denn sie polarisiert: Sie lenkt mit ihrer ideologischen Konfrontation von den Sachproblemen ab und erschwert deshalb sachadäquate Lösungen. Die Wahl der geeigneten Handlungs- und Organisationsform ist, um nochmals Wilfried Erbguth aufzugreifen, „von vielen Gesichtspunkten geprägt […]. Dabei kann sich das Schwergewicht in dem konkret zu bewertenden Fall durchaus in die eine oder andere Richtung verlagern“99 oder die kreative Generierung innovativer, neuer Formen oder eines Formen- und Instrumentenmix einfordern.

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W. Erbguth/F. Stollmann, DÖV 1993, 798 (809).

Von der Akzeptanz des Rechts zum Recht der Akzeptanz? – Ein Diskussionsbeitrag mit Blick auf das Bürgerund Gemeindebeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern1 Von Bodo Wiegand-Hoffmeister I. Einführung In unregelmäßigen Intervallen gerät im Zusammenhang mit rechtswissenschaftlichen Diskussionen das Thema der Akzeptanz des Rechts in den Mittelpunkt, wobei die grundsätzliche Thematik so alt sein dürfte wie rechtliche Ordnungssysteme selbst. Ursprünglicher Ausgangspunkt der Diskussion ist, ob eine notwendige, denklogische Verbindung zwischen dem mit Mitteln der Staatsgewalt durchsetzbaren Geltungsanspruch rechtlicher Normen und einer wie auch immer gearteten Zustimmung oder zumindest widerstandslosen Hinnahme der Normunterworfenen besteht. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob Akzeptanz seitens der Normunterworfenen – neben anderen – notwendige Bedingung für die Legitimität einer Rechtsordnung ist, verbunden mit der keineswegs trivialen Frage, ob fehlende Akzeptanz die Legitimität des Rechts zu erschüttern vermag. Ein klassischer Ansatz zur Lösung der Problematik, der bis in die Gegenwart diskutiert wird, ist etwa das Modell des Gesellschaftsvertrages, der Akzeptanz zur Begründung staatlicher Ordnungen und damit des Rechts voraussetzt.2 Ferner enthält die moderne Staatsvoraussetzung der verfassunggebenden Gewalt des Volkes gleichsam ein Akzeptanzmoment.3 In beiden Fällen bezieht sich „Akzeptanz“ als normativer Begriff auf die ursprüngliche Begründung legitimer staatlicher Ordnung – und erschöpft sich auch darin. Staatsphilosophisch ist eine derart „akzeptierte“ Ordnung im Sinne eines individuellen moralischen Impe-

1

Für wertvolle Diskussionen und Hinweise danke ich Prof. Dr. H. Franke von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes MecklenburgVorpommern. 2 Dazu W. Kersting, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrages, 1994; prononciert eintretend für eine Verfassungsordnung als Gegenseitigkeitsordnung G. Haverkate, Verfassungslehre, 1992, S. 48 ff. 3 Dazu M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 6. Aufl. 2003, S. 127 ff.; zum Teil stellt sich dann die Herausforderung, die „Akzeptanz“ zu konstruieren, etwa im Sinne konkludenter bzw. faktischer, gegebenenfalls auch nachträglicher Zustimmung, s. C. Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl. 1928, S. 87.

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Bodo Wiegand-Hoffmeister

rativs per se akzeptabel, wofür der Begriff der Akzeptabilität eingeführt wurde,4 was letztlich wiederum die Durchsetzung des Rechts mit Mitteln staatlicher Gewalt rechtfertigt. Dass jenseits normativer Ansätze zu allen Zeiten in der praktischen Politik die tatsächliche und akute Akzeptanz stets auch als empirisches Moment das Handlungskalkül der Staatsgewalt Ausübenden bestimmte – und bestimmen sollte –5 ist demgegenüber kein Widerspruch. Akzeptanz als durchaus schillernder Begriff6 in einem solchen Sinne wird dann, bezogen auf die tatsächliche Wirksamkeit des Rechts,7 als interdisziplinäres empirisches Phänomen seziert und unter der Federführung der Rechtssoziologie8 nebst der begleitenden Psychologie und Politikwissenschaft und anderer Wissenschaftsbereiche mehr neben das Phänomen der Rechtsgeltung gesetzt.9 Dass letztlich der normativ-staatsphilosophische wie der empirisch-rechtssoziologische Aspekt von Akzeptanz miteinander verknüpft sind, ist eine gängige Erkenntnis und beschreibt das Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis oder neudeutsch Faktizität und Geltung.10 Vor allem mit Blick auf den demokratischen Verfassungsstaat der Gegenwart ist zunehmend interessant, wie insbesondere von positiven Wählervoten abhängige Politik offenbar zunehmend auf das Spannungsfeld reagiert, indem der scheinbar einmal mehr zum Modebegriff gewordene Begriff der Akzeptanz in allerlei Spielarten in Rechtfertigungsabsicht zunehmend auch im Zusammenhang mit Rechtsetzung instrumentalisiert wird –11 was durchaus Fragen aufwirft. Dem soll nachfolgend nach einführenden Überlegungen vornehmlich am Beispiel des dem Infrastrukturrecht zuzuordnenden Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz 4 O. Weinberger, Akzeptanz, Akzeptabilität und Diskurs, in: Pichler (Hrsg.), Rechtsakzeptanz und Handlungsorientierung, 1998, S. 73 (76). 5 Insbesondere N. Machiavelli, Der Fürst, übersetzt und herausgegeben von R. Zorn, 6. Aufl. 1978, z. B. S. 41; zur Empirie: „Ich lasse also alles beiseite, was über Herrscher zusammenphantastiert wurde, und spreche nur über die Wirklichkeit“, a.a.O., S. 63. 6 Zur Begriffsklärung D. Lucke, Akzeptanz – Legitimität in der „Abstimmungsgesellschaft“, 1995, S. 33 ff. 7 M. Kriele (o. Fn. 3), S. 10; vgl. auch H. Hill, Akzeptanz des Rechts – Notwendigkeit eines besseren Politikmanagements, JZ 1988, 377 (377). 8 M. Rehbinder, Rechtssoziologie, 8. Aufl. 2014, S. 113 ff. 9 S. beispielsweise die Beiträge in J. W. Pichler (Hrsg.), Rechtsakzeptanz und Handlungsorientierung, 1998; ferner D. Lucke (o. Fn. 6), S. 54 ff. zum Verhältnis von Akzeptanz und Legitimität aus soziologischer Sicht. 10 S. nur J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1992. 11 Jüngstes Beispiel bildet der Vorschlag von A. Kramp-Karrenbauer, für Flüchtlinge ein Dienstjahr vorzusehen, weil dies die Akzeptanz (sic!) ihres Aufenthalts in Deutschland fördern würde, s. Zeit-Online vom 25. August 2018 – https://www.zeit.de/politik/deutschland/ 2018 – 08/cdu-annegret-kramp-karrenbauer-dienstpflicht-fluechtlinge, zuletzt aufgerufen am 30. August 2018.

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Mecklenburg-Vorpommern (BüGembeteilG M-V)12 näher nachgegangen werden, wobei zunächst Entwicklungslinien skizziert werden (II.), dann Akzeptanz als Phänomen (III.) und als mögliches Rechtsgebot (IV.) thematisiert werden soll, um letztlich anhand des angesprochenen Gesetzes die rechtsdogmatische Bedeutung von Akzeptanz zu beleuchten (V.). II. Jüngere Entwicklungslinien zur Akzeptanz von Recht Den skizzierten grundlegenden Fragestellungen noch am nächsten kommt die Befassung mit der Thematik vor dem Hintergrund der Proteste ab 1968 sowie dem Gegensatz der ideologischen Systeme, auch verbundenen mit einer (ersten) Konfrontation mit terroristischer Gewalt.13 Diese Debatte hat den Blick darauf geschärft, in welchem Maße denn ein pluralistischer freiheitlich-demokratischer Rechts- und Sozialstaat Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger überhaupt als notwendige Bedingung voraussetzen muss bzw. überhaupt darf, da ja gerade die Gewährleistung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Kern die Möglichkeit eröffnet, Nichtakzeptanz zu artikulieren; denn gerade für Demokratien ist ja kennzeichnend, dass die Nichtakzeptanz des status quo mit der Möglichkeit, Änderungen herbeiführen zu können, legitimitätsbegründend ist. Mittlerweile kann diese damals – sogar im wissenschaftlichen Kontext – emotional geführte Debatte als geordnet bezeichnet werden: Gradmesser für die Stabilität eines demokratischen Staates ist die breite (wie breit allerdings?) Zustimmung zum rechtlich durch Art. 79 Abs. 3 GG umrissenen sogenannten verfassungsrechtlichen Grundkonsens,14 die Friedlichkeit der Äußerung von Nichtakzeptanz nebst Eruierung der Grenzfragen (Sitzblockaden, Kirchenasyl etc.) und – auf der anderen Seite der Medaille – die konsequente Durchsetzung des Rechts mit rechtsstaatlichen Mitteln. All dies begleiteten die Sozialwissenschaften mit empirischen Erhebungen der grundlegenden Zustimmungswerte zum demokratischen System der west- bzw. europaintegrierten Bundesrepublik Deutschland, weiland eingehegt in einen ex post betrachtet bemerkenswert stabilen Ost-West-Gegensatz. Folgend aus der zunehmenden auch rechtswissenschaftlichen Befassung mit dem demokratischen System der Bundesrepublik Deutschland drang die Frage der Akzeptanz von Recht alsbald in spezielle Bereiche vor, ausgehend von der Erkenntnis, 12

Genau: Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung weiterer Gesetze, LT-Drs. 6/4568 und 6/5335; der Sache nach handelt es sich um ein Artikelgesetz u. a. mit Änderungen des Landesplanungsrechts zur raumordnerischen Konfliktbewältigung als Grundlage des Bürgerund Gemeindebeteiligungsgesetzes (BüGembeteilG M-V) im engeren Sinne. 13 Vgl. etwa M. Kriele, Recht und Ordnung, in: ders. (Hrsg.), Recht – Vernunft – Wirklichkeit, 1990, S. 361 ff. 14 Dabei kann offen bleiben, ob die Werte des Art. 79 Abs. 3 GG vorstaatlich begründet werden, oder rechtspositivistisch, dazu B. Wiegand(-Hoffmeister), Kein Grundrechtsschutz für Extremisten, NJ 1993, 396 (398).

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dass die Partizipation allein über Wahlen im Sinne repräsentativer Demokratie demokratische Teilhabe und damit auch Akzeptanz nur unzureichend und keinesfalls abschließend abbildet.15 Während die erste Phase der Diskussion den Staatswissenschaften zugeordnet werden kann, verlagert sich in der zweiten Phase der Schwerpunkt auf die Verwaltungswissenschaften,16 die sich der Herausforderung gegenübersahen, in immer komplexer werdenden Kontexten die Legitimität administrativer Entscheidungen in Frage gestellt zu sehen, durchaus auch als Folge einer emanzipierte(re)n Zivilgesellschaft. Bekanntlich entdeckte die zweite Phase die legitimationsstiftende Wirkung von Verfahren vor dem Hintergrund des Axioms, dass unter Voraussetzung der Geltung des demokratischen Grundkonsenses eine nach dem Grad der Betroffenheit abgestufte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Zustandekommen der Entscheidung, deren Akzeptanz mit der Folge der Rechtstreue auch dann zumindest fördert oder bestenfalls herbeiführt, wenn inhaltlich die Entscheidung nicht mitgetragen wird. Damit eröffnete sich unter dem Oberbegriff „Legitimation durch Verfahren“17 nebst begleitender Entwicklung des Topos „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ eine vielschichtige Diskussion, der sich unter der Prämisse der Förderung von Akzeptanz durch „frühzeitige“ Bürgerbzw. Öffentlichkeitsbeteiligung bis heute ausführlich gewidmet wird18 und deren rechtspolitischer Erfolg durchaus im Wechselspiel des Staatsverständnisses politischer Akteure pendelartig verläuft, von einer ersten (planungs-)euphorischen Welle19 hin zur (ersten) Beschleunigungsdiskussion neoliberaler Couleur einschließ-

15

Grundsätzlich zu plebiszitären Elementen am Beispiel der Kommunalverfassungen W. Erbguth, Verstärkung der Elemente unmittelbarer Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene. Praktische Erfahrungen mit der bisherigen Handhabung, DÖV 1995, 793 (796 ff. und 800 ff.); interessant zu direktdemokratischen Möglichkeiten im Zusammenhang mit Großvorhaben vornehmlich am Beispiel der Schweiz K. Waechter, Großvorhaben als Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat, VVDStRL 71 (2013), S. 499 (529 ff.). 16 Ausführlich T. Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, 2000, insbes. S. 61 ff.; andere, nicht weniger bedeutsame Bereiche, wie etwa die Diskussion um die Akzeptanz von Strafrechtsnormen, seien mit Blick auf den thematischen Schwerpunkt ausgeklammert. 17 N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969. 18 Näher T. Lühr, Die Öffentlichkeitsbeteiligung als Instrument zur Steigerung der Akzeptanz von Großvorhaben, 2017; S. Pahlke, Bürgerbeteiligung und die Stärkung der Akzeptanz für Projekte der Energiewende, 2017; ebenfalls explizit zur Energiewende O. Renn, Akzeptanz und Energiewende – Bürgerbeteiligung als Voraussetzung für gelingende Transformationsprozesse, JCSW 56 (2015), 133 (141 ff.); zu Recht beklagt O. Renn, a.a.O., dass die Öffentlichkeitsbeteiligung zwar (wohl juristisch gemeint) verfahrensmäßig fundiert erforscht ist, indes kaum, was die praktische Wirkung anbelangt – eine Mahnung an die Sozialwissenschaften. 19 Dazu prononciert U. Bröckling, Planung: Alle planen, auch die, die nicht planen. Niemand plant, auch die nicht, die planen, in: ders. (Hrsg.), Gute Hirten führen sanft – Über Menschenregierungskünste, 2018, S. 279 ff.

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lich ihrer kritischen Reflexion20 bzw. Bereinigung bis zur aktuell möglichen Wiederauferstehung,21 all dies rechtspolitisch im demokratisch eröffneten Rahmen der parteipolitischen Feinausrichtung zwischen neoliberaler Wirtschaftsordnung und stärkerer Gewichtung sozialstaatlicher Partizipation. Es mag sowohl aus staatswissenschaftlicher als auch verwaltungswissenschaftlicher Sicht darüber gestritten werden, ob die Erfahrungen mit „Stuttgart 21“22 eine Zäsur bilden bzw. erforderlich machen. Insbesondere dieses Verfahren hat den Blick darauf gelenkt, dass die vielfältigen und inzwischen hoch ausdifferenzierten Partizipationschancen, sei es im Rahmen des Raumordnungsrechts, sei es im Rahmen der Planfeststellung, keineswegs die konfliktbeendende, Rechtsfrieden herstellende Wirkung einer so zustande gekommenen Verwaltungsentscheidung zumindest in hinreichendem Maße sichern.23 Symptomatisch zeigen die Erfahrungen mit „Stuttgart 21“ auch, wie unbeholfen der Staat dem Phänomen begegnet, indem ein rechtsstaatlich entschiedener (!) Konflikt einer nachträglichen Mediation zugeführt wird – mit dem Risiko einer Verschärfung der Erosion des Rechtsbewusstseins bzw. der Rechtsakzeptanz –, während in unmittelbarem Zusammenhang andererseits unverhältnismäßig24 auf Proteste reagiert wird. Aktuell schließlich, man mag es als bislang letzte Stufe der Entwicklung betrachten, erprobt der Gesetzgeber Modelle einer Förderung der Akzeptanz von Infrastrukturentscheidungen25 jenseits einer prozeduralen Partizipation, indem Partizipation in ökonomischer Dimension ergänzend hinzutritt. Beispiel hierfür ist das BüGembeteilG M-V, welches im Zuge der Energiewende26 zwecks Förderung der Ausbeutung der Windenergie dem Investor eine Verpflichtung auferlegt, Bürgerinnen und Bürgern der Standortgemeinde(n) – das Gesetz sieht eine 5 km-Grenze vor, § 5 Abs. 1 BüGembeteilG M-V – bzw. den Gemeinden selbst – § 5 Abs. 2 BüGembeteilG M-V – entweder Anteile an der Gesellschaft anzubieten, sie über vergünstigte Angebote am Ertrag teilhaben zu lassen oder Ausgleichszahlungen zu leisten – mit 20

W. Erbguth/B. Wiegand-Hoffmeister, Umweltrecht im Gegenwind? Ein ethisch orientiertes Umweltrecht ist nötig, in: Böhler/Stitzel u. a. (Hrsg.), Zukunftsverantwortung in der Marktwirtschaft. In Memoriam Hans Jonas, 2000, S. 411. 21 Vgl. den am 18. Juli 2018 vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf eines Planungsbeschleunigungsgesetzes, https://www.uvp.de/_pdf/recht/GE-BMVI_20180607.pdf, zuletzt aufgerufen am 30. August 2018. 22 Dazu ausführlich F. Brettschneider, Stuttgart 21: Ein Großprojekt zwischen Protest und Akzeptanz, 2013; ferner W. Erbguth, Infrastrukturgroßprojekte: Akzeptanz durch Verfahren und Raumordnung, DÖV 2012, 821 (821 f.). 23 Konkrete weitere Vorschläge insbesondere mit Blick auf die Befriedungswirkung des Raumordnungsverfahrens bei W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (825). 24 VG Stuttgart, Urteil vom 18. November 2015 – 5 K 1264/14; dazu auch A. Knodel, Schwarzer Donnerstag in Stuttgart, JA 2016, 917 ff. 25 Ausführlich W. Erbguth, DÖV 2012, 821 ff. 26 Zu den damit zusammenhängenden Gestaltungsherausforderungen S. Schlacke/J.Kröger, Die Energiewende – Herausforderungen für den gestaltenden Staat, JCSW 56 (2015), S. 37 ff.

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der ausdrücklichen Begründung der Förderung der Akzeptanz von Projekten der Energiewende.27 Es liegt auf der Hand, dass damit die Diskussion eine neue Qualität erhält. War bislang die Frage, ob „Akzeptanz“ nicht lediglich rechtssoziologisches oder -philosophisches Phänomen ist,28 so rückt nun in den Mittelpunkt, ob „Akzeptanz“ nicht zugleich Rechtsbegriff in dem Sinne ist, Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe abbilden zu können, was tief in die staatsphilosophische Ausgangslage zurückführt. Ganz neu ist die Thematik freilich nicht; schon im Rahmen der Novellierung des § 25 Abs. 3 VwVfG gab es vereinzelt Stimmen, welche die Frage der Verfassungskonformität der Regelung aufwarfen,29 wobei dem als Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe durchaus aufgrund seiner faktischen Unschärfe hinterfragbaren Begriff der Stärkung von Akzeptanz die doch eher geringe Eingriffsintensität gegenüberstand und die Vorschrift zudem durch die fakultative Ausgestaltung entschärft wurde.30 Vom BüGembeteilG M-V kann das nicht gesagt werden, was zu näherer Betrachtung Anlass gibt. III. Akzeptanz als sozialpsychologisches Phänomen Um einer auch rechtlichen Erfassung des Akzeptanzbegriffs näher zu kommen, bedarf es zuvor einer begrifflichen Aufbereitung des sozialpsychologischen Phänomens der Akzeptanz. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass Akzeptanz zum einen einen subjektiven Vorgang bezeichnet, der das Handeln bestimmen kann, aber nicht muss, zum anderen sich immer reflexiv auf einen Gegenstand bezieht. Offenkundig ist dabei, dass je allgemeiner der Gegenstand, der „akzeptiert“ wird und je mehr „Akzeptanz“ als passive Hinnahme betrachtet wird, das Phänomen umso schwerer greifbar wird. Aus rechtspolitischer Sicht kommt erschwerend hinzu, dass „Akzeptanz“ ohne vorherige nähere Klärung in die Phraseologie der Parteien integriert31 und in 27 LT-Drs. 6/4568, S. 2 sowie S. 23, ferner S. 42 f.; zum Zusammenhang zwischen Akzeptanz und einer positiven Risiko-Nutzen-Bilanz O. Renn, JCSW 56 (2015), 133 (137); ausdrücklich werden a.a.O., S. 138, auch wirtschaftliche Beteiligungsformen zur Stärkung der emotionalen Identifizierung mit dem Projekt angesprochen; s. dazu auch weitere Beispiele für einen ökonomischen Lastenausgleich bei K. Waechter (o. Fn. 15), S. 499 (516 f.); zur Akzeptanzstärkung im Zuge der Energiewende auch S. Schlacke/J. Kröger, JCSW 56 (2015), 37 (45). 28 S. die – interdisziplinären – Beiträge in J. W. Pichler (Hrsg.), Rechtsakzeptanz und Handlungsorientierung, 1998. 29 Dazu T. Lühr (o. Fn. 18), S. 62 f. m.w.N. 30 BT-Drs. 17/9666, S. 15. 31 Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU für die 6. Wahlperiode des Landtages Mecklenburg-Vorpommern formuliert in der Präambel wie folgt: „Die Koalitionspartner wollen früh, ergebnisoffen und kontinuierlich über Veränderungen und neue Vorhaben informieren und so Beteiligung ermöglichen. Nur eine solche breite Bürgerbeteiligung schafft ausreichend Akzeptanz in der Bevölkerung […]“; Ziff. 73 wird dann konkreter: „Um eine höhere Akzeptanz für die Erneuerbaren Energien zu schaffen, wird die Koalition Modelle der

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prima facie anscheinend allgemein zustimmungsfähige Sätze, die üblicher Weise mit den Worten „Die Menschen im Land wollen…“ eingehegt wird. Die Lebenswirklichkeit freilich kontrastiert solche Topoi mit diffusen Stimmungslagen, ablehnenden oder kritischen Grundhaltungen gegenüber der gegenwärtigen Parteiendemokratie, Akzeptanz im Sinne von Zustimmung oder Ablehnung zum Handeln politischer Akteure bis zur Ablehnung von Personen jenseits demokratischer Auseinandersetzungsformen bis hin zur mehr oder weniger, aber immerhin noch sachlich kritischen Auseinandersetzung mit konkreten Vorhaben ein- oder ausschließlich des politischen Rahmens, in welchem sie stattfinden. Letzteres kann durchaus zu asymmetrischen Akzeptanzmustern führen: Etwa zu einer grundsätzlichen Zustimmung zur Energiewende32 mit der Einsicht in den Ausbau der Windenergie bei gleichzeitiger Nichtakzeptanz an sich logischer Konsequenzen (Windenergie im „küstennahen?“ Offshorebereich oder der süddeutschen Zustimmung zum Ausbau der Windenergie in Nordeutschland bei gleichzeitiger Ablehnung von Freilandleitungen). Dass Akzeptanz im Sinne passiver Zustimmung umso leichter fällt, je abstrakter ihr Gegenstand ist und umso schwerer, je sichtbarer eine eigene Betroffenheit im Sinne einer kausalen Einwirkung auf die eigene Lebenssituation ist, ist nicht neu und mit dem „NimbyPrinzip“ längst erfasst.33 Eher neu ist die inflationäre Infiltration der Akzeptanzproblematik in das zum Teil auch tagespolitische Agieren, was bekanntlich zu Erdkabeln (u. a.) in Bayern führt bzw. geführt hat.34 Allgemein fördert all das eine Entwicklungsspirale hin zu einer zumindest unterschwelligen Demokratiesicht, Entscheidungen stünden prinzipiell unter vorherigem, schlimmstenfalls auch nachträglichem Akzeptanzvorbehalt oder könnten jederzeit einem solchen unterworfen werden. Dazu passt die aktuell diskutierte Entdeckung möglichst softer Verhaltenssteuerung durch sogenanntes „Nudging“.35 Am Ende könnte die Überhöhung (wohlgemerkt: die Überhöhung) einer Konsensualdemokratie indes wechselwirkend zu einer Erosion der Rechtsstaatlichkeit und letztlich des Rechts36 führen und sich so als kontraproduktiv erweisen. Es wäre lohnenswert, aus Sicht der Sozial- bzw. Politikwissenschaft das Phänomen tiefgehend zu analysieren. Wie dem auch sei: Gute Voraussetzungen für eine rechtliche Erschließung des Akzeptanzphänomens sind das nicht;

wirtschaftlichen Teilhabe, wie bei Bürgerwindparks oder Bürgersolaranlagen, besonders befördern.“ 32 Vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (Hrsg.), Energiemonitor 2018, 2018, danach halten 93 % der Bevölkerung die Energiewende für wichtig; 64 % meinen indes, die Energiewende komme nicht gut voran. 33 NIMBY steht für „not in my own backyard“ und umschreibt das bekannte Phänomen zwischen abstrakter Akzeptanz und konkreter Ablehnung. 34 Zur Rechtsgenese U. Prall, Erdkabel nur für Offshore Windparks?, NordÖR 2007, 383 (384). 35 Dazu U. Bröckling, Nudging: Gesteigerte Tauglichkeit, vertiefte Unterwerfung, in: ders. (Hrsg.), Gute Hirten führen sanft – Über Menschenregierungskünste, 2018, S. 175 ff. 36 Näher und auch zum Folgenden K. F. Röhl, Auflösung des Rechts, in: FS Heldrich, 2005, S. 1161 ff.

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gleichwohl soll der Weg weiter beschritten werden, wobei zunächst ein Ansatz in Thesenform versucht werden soll: Akzeptanzprobleme als allgemein unterschwellige Nichtakzeptanz des demokratischen Rechts- und Sozialstaats können verschiedene Ursachen haben. Zum einen können ganz grundlegende gesellschaftliche Veränderungen auf das System des demokratischen Rechtsstaats zurückwirken.37 Weiterhin kommt eine stete Zunahme der Komplexität politischer Steuerung hinzu, die sich letztlich in einer zunehmend fachlich professionalisierten Rechtsetzung einer Administrationsexpertokratie abbildet, welche bei der Gesetzesabfassung die Bürgerinnen und Bürger als Normadressaten zunehmend aus dem Auge verliert – mit der Folge, dass Gesetzgebung kaum mehr nachvollzogen werden kann.38 Allgemeiner hinzu kommen mag eine Abnahme staatsbürgerlicher Kompetenzen, die über Bildungssysteme und/oder öffentliche Meinungsbildung nicht mehr hinreichend vermittelt werden, verstärkt durch eine scheinbare Reduktion von Komplexität durch das Veräußern populistisch simpler Wahrheiten bis hin zu fake news. Eingebettet in einen globalen Rahmen wird ein allgemeines Unsicherheitsempfinden verstärkt durch den Eindruck zunehmender Auflösungserscheinungen der tradierten westfälischen Staatenordnung39 mit der grundlegenden Anerkennung staatlicher Autonomie nach innen und außen mit umfassender Gestaltungsmacht. Im Ergebnis wird der immer weniger verstandene Rechtsstaat schlussendlich ohnehin als unter Vorbehalt einer Politik, deren Prozesse nicht als offen und hinreichend kommuniziert wahrgenommen werden, stehend verdächtigt. Im Ergebnis all dessen scheint von entscheidender Bedeutung zu sein, dass in solch größerem Zusammenhang die Erkennbarkeit der Verfassungsordnung des demokratischen Rechts- und Sozialsstaats als Gegenseitigkeitsordnung40 und damit auch die Akzeptabiltität seiner Rechtsordnung gestärkt wird. Dazu gehört im Konkreten durchaus eine Wahrnehmung von Partizipationsrechten, die ernsthaft41 eine wenn auch partikulare Einflussnahme auf den jeweiligen demokratischen Ebenen ermöglichen und sich, durchaus auch im Rahmen eines legitimen Nutzenkalküls der Betroffenen,42 auch manifestieren. Angesichts dessen ist es nachvollziehbar und wohl auch aus Staatsinteresse geboten, dass sich eine – verunsicherte – Politik der Thematik der Akzeptanz zunehmend zuwendet, indem Steuerungsmechanismen jenseits von oder ergänzend zur her37 Derzeit haben eher pessimistische Deutungen Konjunktur: C. Crouch, Postdemokratie, 13. Aufl. 2017, S. 7 ff., S. 123 ff. zum Bedeutungsverlust staatlicher Autorität; s. ferner A. Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, 2018. 38 Treffende Kritik an der Gesetzgebungspraxis bei H. Hill, JZ 1988, 377 (379 f.). 39 Dazu H. Kissinger, Weltordnung, 2. Aufl. 2014, S. 35 ff. 40 Im Anschluss an G. Haverkate (o. Fn. 2), insbes. S. 144 ff. 41 Zu Recht betont W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (825 f.) die Notwendigkeit von Vertrauen in Offenheit und Neutralität der Verfahren. 42 Dazu K. Waechter (o. Fn. 15), S. 515 f.

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kömmlichen Rechtsdurchsetzung mit Mitteln der Staatsgewalt gesucht, erprobt und implementiert werden – und zwar auch in besonderen Politikbereichen, in denen Akzeptanzdefizite ausgemacht werden,43 die nicht zwangsläufig mit der soeben skizzierten allgemeinen staatspolitischen Akzeptanz zusammenhängen (müssen). Gleichwohl bestimmen gerade sie die Motivationslage der Politik, die genau diesen Kausalzusammenhang herstellt, im Sinne allumfassender Kümmerkompetenz zu reagieren. Dabei wird die Frage der Akzeptanz etwa von Projekten rückgekoppelt an die nicht davon trennbare Frage der Akzeptanz des die Vorhaben betreffenden Zulassungsrechts, eben weil Recht das Handlungsinstrument der Politik ist – womit es thematisch auch um die Akzeptanz des Rechts selbst geht. Die Frage bei all dem ist, inwieweit Akzeptanzförderung auch rechtlich geboten ist oder in der Politikwissenschaft beheimatet bleiben sollte. IV. Förderung von Akzeptanz von Entscheidungen als Rechtsgebot? Im soeben angesprochenen Kontext ist durchaus von Bedeutung, ob sich politische Entscheidungen, die sich der Akzeptanzförderung etwa von Infrastrukturvorhaben widmen, auf entsprechende Rechtsgebote stützen können oder nicht,44 da einem rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Sollen verstärkende Wirkung gegenüber reinem politischen Wollen beigemessen werden muss. Ausgehend von der Metaebene der Rechtsphilosophie und/oder Rechtssoziologie bildet die grundlegende Funktion des Rechts als Friedensordnung einen ersten wichtigen Ansatz; im modernen Territorialstaat seit der Renaissance ist Recht bzw. Rechtsetzung grundlegende Form der Ausübung von Souveränität im Rahmen eines Gewaltmonopols, mit dem die Friedenspflicht der Bürger korrespondiert.45 Dabei ist Recht nicht lediglich Streitschlichtungsinstrumentarium, sondern zugleich prägende Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Reflexiv dazu muss einer Rechts- bzw. Verfassungsordnung die Befugnis im Sinne einer Art implied power inhärent sein, ihre Stabilität insoweit zu stärken, indem die Grundbedingungen bzw. die Ermöglichung der Erfüllung der Staatszwecke besonders gesichert werden, um innerhalb dieses Rahmens der rechtspolitischen Gestaltung unter sich verändernden Bedingungen Raum zu geben. 43 Im Falle des Aufstellens von Windenergieanlagen durchaus mit Berechtigung, s. die Analyse von O. Renn, JCSW 56 (2015), 133 (135 ff.); in der Praxis haben Politiker etwa konkret Fragen zu beantworten, warum der Preis für die als belästigend empfundene Windenergieanlage vor der Haustür auch noch eine höhere Stromrechnung sein muss. 44 Dazu T. Mann, Großvorhaben als Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat, VVDStRL 71 (2013), S. 544 (559) m.w.N. 45 Anschaulich dramatisiert durch H. v. Kleist, Michael Kohlhaas, 1810, Ausgabe 2003. Besonders drastisch zur Durchsetzung der Friedenspflicht etwa M. Luther, [Auch] Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der [andern] Bauern, in: Aland (Hrsg.), Die Werke Luthers in Auswahl, Bd. 7, 3. Aufl. 1983, S. 191 (195); die „Akzeptanz“ der weltlichen Ordnung stellte sich als christliche Pflicht dar.

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Typischerweise sehen Rechts- und Verfassungsordnungen das auch vor. Wenn dabei eher die Normen im Mittelpunkt stehen, die sich dem Krisenfall oder Angriffen jenseits der Friedenspflicht der Bürgerinnen und Bürger widmen, so kann gerade aus diesen Vorschriften abgeleitet werden, ohne das Metaebenen bemüht werden müssten, dass ihre Anwendung eine strikte Notwendigkeit im Sinne einer ultima ratio voraussetzt. Wenn dies so ist, begründet genau das a minus einen Verfassungsauftrag – insbesondere an die Politik, aber auch an jeden Einzelnen gerichtet – jedenfalls im Rahmen des verfassungsrechtlichen Grundkonsenses integrativ zu wirken. Die Förderung von Akzeptanz rechtlicher Regelungen und in der Folge der auf ihnen beruhenden administrativen Entscheidungen gehört dann dazu46 und kann durchaus, vermittelt über die Scharnierwirkung von Art. 79 Abs. 3 GG, an Staatsstrukturprinzipien angebunden werden. V. Akzeptanzförderung und Einschränkung grundrechtlicher Freiheiten? Aus verfassungsrechtlicher Sicht geht es mithin letztlich darum, ob Akzeptanz Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen vermag, was – wie oben erwähnt – zum BüGembeteilG M-V führt, welches mit seinen Verpflichtungen gegenüber den Investoren von Windparks deren Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und gegebenenfalls auch Art. 9 Abs. 1 GG betrifft.47 Grundrechtsdogmatischer Ausgangspunkt einer Prüfung der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen ist, durchaus in grundrechtsspezifischen Spielarten wie etwa der mehr oder weniger noch vertretenen Drei-Stufen-Lehre zu Art. 12 Abs. 1 GG, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. das Übermaßverbot. Nach üblichem Muster erfordert die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zwar in verschiedenen Nuancen, aber im Grundsätzlichen gemeinsam eine Abwägungsentscheidung. Deren überkommene Struktur verlangt den Nachweis eines legitimen öffentlichen Zwecks, der Eignung im Sinne einer Förderung des Zwecks, der nach Existenz eines gleicher46

Bislang stand eher die Fokussierung auf das Demokratieprinzip als Staatsziel im Mittelpunkt – mit der Folge überwiegender Ablehnung einer eigenständigen rechtlichen Bedeutung von Akzeptanzstärkung. Dazu T. Mann (o. Fn. 44), S. 544 (569); im Ergebnis wie hier W. Hoffmann-Riem, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts als Aufgabe, AöR 115 (1990), 400 (415). 47 Eine Einzelprüfung kann und soll hier nicht stattfinden; dazu M. Kment, Wirtschaftliche Teilhabe von Kommunen und Bürgern aus Mecklenburg-Vorpommern bei der Ausweisung von Flächen für die Windkraftnutzung, Gutachten im Auftrag der SPD-Landtagsfraktion M-V, 2013, S. 39 ff.; J. Bringewat, Kommentar zum Entwurf eines Gemeinde- und Bürgerbeteiligungsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern – „jedenfalls verfassungswidrig“, jurOP vom 4. Oktober 2014 – http://www.jurop.org/oeffbaurecht/kommentar-zum-entwurf-eines-gemein de-und-buergerbeteiligungsgesetzes-in-mecklenburg-vorpommern-jedenfalls-verfassungswid rig/, abgerufen am 30. August 2018; Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste, Vereinbarkeit des Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetzes M-V mit den Grundrechten der Vorhabenträger und Möglichkeiten zur Schaffung entsprechender Regelungen auf Bundesebene, Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 149/16.

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maßen geeigneten milderen Mittels fragenden Erforderlichkeit sowie der Angemessenheit, welche das Verhältnis zwischen Ziel und Eingriffsintensität hinterfragt und im Kern eine Güterabwägung darstellt. 1. Akzeptanzförderung als legitimer öffentlicher Zweck? Die erste Frage ist damit, ob Akzeptanz(förderung) der Kategorie legitimer öffentlicher Zweck zugeordnet werden kann. Sichtet man Literatur und Rechtsprechung allgemein, fällt eine nahezu großzügige Weite zulässiger Zielsetzungen auf; auch privatnützige Entscheidungen können legitim sein, sofern Gemeinwohlbelange reflexiv sichtbar werden.48 Prima facie scheint damit die Förderung von Akzeptanz unproblematisch zu sein, zumal durchaus, wie gezeigt, eine auch rechtliche Anknüpfung denkbar ist.49 Zu beachten ist allerdings der akzessorische bzw. Annexcharakter der Akzeptanzfrage, die sich auf den Gegenstand bezieht, dessen Akzeptanz erhöht werden soll. Der Sache nach geht es also (zunächst) um eine Stärkung des originären Zwecks durch Förderung seiner Akzeptanz. Folgerichtig muss der legitime öffentliche Zweck also erst mit Blick auf den eigentlichen Gegenstand nachgewiesen werden, etwa die Genehmigung zur Errichtung von Windenergienanlagen zwecks Förderung der Energiewende; das gelingt unter Rückgriff auf Art. 20a GG in der Tat unproblematisch.50 Misst man, bei dem üblicherweise der Politik bzw. dem Gesetzgeber zugewiesenen weiten Beurteilungsspielraum, der Erhöhung der Akzeptanz eine optimierende Wirkung hinsichtlich des Ausgangszieles bei, so wären Regelungen zur Akzeptanzerhöhung ebenso legitim, weil sie akzessorisch zum originären Ziel sind. Zu fordern ist bei einer Anerkennung der legitimierenden Wirkung von Akzeptanzförderung freilich, dass sie im Gesetzgebungsverfahren aus der zuweilen irrational aufgeladenen politischen Diskussion über politisches Behaupten hinaus auch als Rechtsbegriff aufbereitet wird. Das heißt, sofern man sich der zutreffenden Auffassung anschließt, der Gesetzgeber schulde nicht lediglich ein Ergebnis, sondern auch ein rationales Verfahren,51 dass die Frage der Akzeptanz präzisiert wird (um wessen Akzeptanz geht es – welches Maß an Akzeptanz wird angestrebt/gibt es überhaupt 48 W. Erbguth, Das Dilemma der Enteignung zugunsten privatnütziger Vorhaben – Anmerkungen zum Airbus-Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. August 2004, NordÖR 2005, S. 55 f. 49 Ohne Problematisierung seitens der o. Fn. 47 genannten Autoren. 50 Allgemein S. Westphal, Art. 20a GG – Staatsziel Umweltschutz, JuS 2000, 339 ff.; für das Landesverfassungsrecht W. Erbguth/B. Wiegand(-Hoffmeister), Umweltschutz im Landesverfassungsrecht – Dargestellt am Beispiel der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, DVBl. 1994, 1325 ff.; a.a.O. S. 1333 auch zur Ausstrahlungswirkung auf das Recht der Gesetzgebungskompetenzen. 51 W. Erbguth, Und der Gesetzgeber schuldet wirklich nichts als das Gesetz?, JZ 2008, 1038 (1041 f.), weist zutreffend darauf hin, dass der Gesetzgeber eine ordnungsgemäße Abwägung im Verfahren selbst schuldet.

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Akzeptanzdefizite, auf die jenseits üblicher Rechtdurchsetzung zu reagieren ist – auf welchen Regelungsgegenstand genau bezieht sich die Akzeptanzförderung, geht es um die Erhöhung der Wirksamkeit des Genehmigungsrechts) und dass im Gesetzgebungsverfahren diese Fragen rational, etwa in den Ausschüssen, wobei sich das Instrument der Sachverständigenanhörung gut eignen dürfte,52 aufbereitet werden. Zweifel sind angebracht, ob der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Bürgerbeteiligungsgesetz diesen Anforderungen in hinreichendem Maße nachgekommen ist.53 2. Akzeptanzförderung und Eignung Grundrechtseingriffe können nur gerechtfertigt werden, wenn sie geeignet sind, das – legitime – Ziel zu fördern. Zielerreichung ist nicht erforderlich, dem Gesetzgeber steht insoweit ein weit reichender Prognosespielraum zu. Damit scheint dieser Punkt keine Schwierigkeiten zu bereiten,54 da, wie oben dargelegt, die Möglichkeit, wirtschaftliche Vorteile aus dem Vorhaben zu ziehen, durchaus als akzeptanzfördernd angesehen werden kann. Bei genauem Hinsehen scheint das Gesetz indes zu floppen. Ausweislich einer am 7. August 2018 veröffentlichten kleinen Anfrage lag bislang noch kein einziger Anwendungsfall vor.55 Das ließe sich zumindest als Indiz dafür ansehen, die Tragfähigkeit der gesetzgeberischen Prognose näher zu hinterfragen, wenn auch kein Anlass besteht, so weit zu gehen, das Gesetz wegen Zweckverfehlung als verfassungswidrig anzusehen.56 So mag letztlich noch von einer Eignung ausgegangen werden, wobei das Maß der Zielförderung gewiss nicht zur Stärkung der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen beizutragen ver52 Die durchgeführte Sachverständigenanhörung dürfte den erforderlichen wissenschaftlichen Konkretisierungsgrad nicht erreicht haben, s. LT-Drs. 6/5335, S. 40 ff. 53 Die Schwierigkeiten einer neuartigen Gesetzgebung hat der Landtag durchaus gesehen. Interessant ist der mit dem Gesetzesbeschluss verbundene Entschließungsantrag, LT-Drs. 6/ 5335, S. 5: „Der Landtag stellt fest, dass […] b) diese Entwicklung auch aus wissenschaftlicher Sicht hochinteressant ist, wenn ausgewählte ökonomische und juristische Fragestellungen bezüglich der Beteiligung von Bürgern und Öffentlicher Hand an Erneuerbaren Energien unter Berücksichtigung von Zahlungsströmen und deren Verwendung untersucht werden […].“ Folgerichtig wird, a.a.O., S. 6, die Landesregierung aufgefordert, eine wissenschaftliche Begleitung der Evaluierung der Umsetzung des Gesetzes durchzuführen. 54 Auch diesbezüglich knapp Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste (o. Fn. 47), S. 7. 55 Ostseezeitung vom 7. August 2018, S. 7; zwischenzeitlich ist in einem Fall die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs aus Artenschutzgründen wiederhergestellt worden, siehe OVG M-V, Beschluss vom 27. 6. 2018, 3 M 286/15; erinnert sei an die treffenden Anmerkungen von H. Hill, JZ 1988, 377 (379) zur notwendigen Gesetzgebungstechnik, denen das Gesetz kaum gerecht wird. 56 So noch am Beispiel der – wirkungslosen – Standardöffnung B. Wiegand-Hoffmeister, Das Standardöffnungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Teil 2, NordÖR 2001, 152 ff.; dagegen überzeugend H. Biermann, Verwaltungsmodernisierung in MecklenburgVorpommern. Grundlagen, Entwicklungen, Perspektiven, 2011, S. 191 und 415 ff.

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mag. Verfassungsrechtlich dürfte das Pendel jedoch in Richtung Verfassungswidrigkeit umschlagen, wenn nachweislich ungenutzte Möglichkeiten des Gesetzes Akzeptanzprobleme noch verschärfen. Problematisch erscheint auch, dass aufgrund des akzessorischen Ausgangszwecks der Förderung von Windenergie die Akzeptanzförderung als solche im Rahmen einer Gesamtbewertung gerade nicht eine gegenteilige Wirkung mit Blick auf den akzessorischen Zweck zeigt, was einen Eignungsmangel indiziert. Angesichts all dessen drängt sich in den gegen das Gesetz anhängigen verfassungsgerichtlichen Verfahren die Frage auf, ob dem Gesetzgeber nicht zumindest ein strengeres Monitoring hinsichtlich der Zweckerreichung oder Zweckverfehlung nahe gelegt wird.57 3. Akzeptanzförderung und Erforderlichkeit Lohnenswert erscheint, besonderes Augenmerk der Prüfung der Erforderlichkeit zu widmen.58 Die eher harmlos nach Anfängerübung aussehende Frage verbirgt indes den gesamten staatsphilosophischen Hintergrund der Akzeptanzfrage. Denn grundrechtsdogmatisch ist es schief, zu urteilen, die Stärkung der Akzeptanz fördere die Umsetzungschancen und damit die Grundrechtsposition des Betroffenen – bei näherem Hinsehen ein Unterfall der Figur des Grundrechtsschutzes gegen sich selbst –, denn hinter der Entscheidung für den Grundrechtseingriff steht der Verzicht oder zumindest die Rücknahme der Durchsetzung der Grundrechtsposition durch staatliche Machtmittel, eine Zurücknahme des Rechtsstaates zu Gunsten einer stärkeren Akzentuierung des Demokratie- und Sozialstaatsprinzips, wenn man diesen, wie oben angesprochen, den Auftrag zur Förderung einer konsensualen Entscheidungsfindung entnehmen möchte – und zwar zu Lasten der Freiheiten Privater, aus deren Sicht wiederum die staatliche Rechtsdurchsetzung das „mildere“ Mittel ist. Verfassungsrechtlich lässt sich eine solche Konstruktion auch nicht durch Hinweis auf eine grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung rechtfertigen, weil dieser allein ein zweiseitiges Verhältnis zu Grunde liegt und dem Staat die Befugnis zuspricht, gegenüber denselben Adressaten anstelle eines ansonsten zulässigen Eingriffs auch Leistungen auszureichen, um das gesetzliche Lenkungsziel zu erreichen und Verhalten zu steuern59 – was auch im Rahmen des Umweltrechts als geklärt angesehen werden kann. Vorliegend geht es indessen um eine Dreieckskonstellation zwischen denen, deren Akzeptanz gefördert werden soll, dem Staat, und denen, auf deren Grundrechte zugegriffen wird, was der Konstellation „Schutz 57 Zu dieser Möglichkeit H. Lechner/R. Zuck, BVerfGG, 6. Aufl. 2011, § 78 Rn. 13 m.w.N.; aus der Praxis BVerfG, ZBR 2007, 128 (137). 58 S. auch Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste (o. Fn. 47), S. 7. Dort werden verschiedene mildere Mittel erwogen. 59 Siehe dazu die Disskussion zur Akzeptanzproblematik im Steuerrecht, um zu mehr Effektivität zu gelangen: R. de Alencar Araripe Carneiro, Fehlen der Steuerakzeptanz in Deutschland – Bürgerbeteiligung im Rahmen des Finanzrechts als Weg zu einer erhöhten Steuerakzeptanz, 2017; A. Klein, Steuermoral und Steuerrecht – Akzeptanz als Element einer steuerlichen Rechtfertigungslehre, 1997, insbes. S. 85 f. zur Notwendigkeit von Akzeptanz.

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durch Eingriff“ eher ähnelt und tatsächlich voraussetzt, dass die Akzeptanzförderung nicht nur politisch opportun, sondern auch tatsächlich rechtlich geboten ist. Das hätte zur Folge, dass zumindest bei abstrakter Betrachtung des ursprünglichen Zieles durchaus angenommen werden kann, die zwangsweise Rechtsdurchsetzung und der Verzicht auf eine begleitende Akzeptanzförderung sei im Rahmen der politischen Entscheidungsprärogative schlechter geeignet, den Zweck, um dessen Akzeptanz es geht, zu erfüllen. Konkret dürfte das den Gesetzgeber aber nicht davon entbinden, sich der Frage nach milderen Mitteln genau(er) zuzuwenden, etwa derjenigen, ob nicht eine Beschränkung auf Sparbriefe ohne Eingriffe in eigentumsrechtliche Positionen die Akzeptanz nicht gleichermaßen gefördert hätte. Weniger überzeugend – wenngleich auch praktisch – dürfte es sein, zu argumentieren, dass die mit der Inkaufnahme fehlender Akzeptanz einhergehende zwangsweise Rechtsdurchsetzung regelmäßig eine Befassung der dritten Gewalt mit dem Vorhaben nach sich zieht, was mit Rechtsunsicherheit und erheblichem Zeitverlust einhergeht, so dass eine durch Akzeptanzförderung erkaufte höhere Wahrscheinlichkeit rasch bestandskräftiger Verwaltungsentscheidungen mit Blick auf das Ziel das besser geeignete Mittel sei. Eine solche Argumentation übersieht, dass es materiell bei der Frage der Erforderlichkeit bzw. des Eignungsvergleichs nicht angeht, formal die Thematik, zumal hypothetisch, aus dem Blickwinkel verschiedener Gewalten zu betrachten und so das Gewaltenteilungsprinzip zu inhaltlichen Verschiebungen im Rahmen von Abwägungen (bezogen auf einen prognostischen Eignungsvergleich) zu instrumentalisieren. Denn mit Blick auf die Abwägung sind alle staatlichen Stellen, wenngleich funktional ineinandergreifend, als Einheit zu betrachten. 4. Akzeptanzförderung und Angemessenheit Die Prüfung der Angemessenheit einer auf Grundrechte zugreifenden staatlichen Maßnahme ist bekanntlich geprägt von einer Abwägung zwischen dem angestrebten legitimen Ziel und der beeinträchtigten Rechtsposition. Dabei müssen die widerstreitenden Güter gewichtet und auf ein angemessenes Verhältnis zueinander hinterfragt werden. Das führt vorliegend zu den beschriebenen originären Zielen im Rahmen der Förderung von Vorhaben der Energiewende vermittelt über private Investitionen, wobei die Förderung der (lokalen) Akzeptanz solcher Vorhaben im Rahmen einer Einbettung eines allgemeinen gesetzgeberischen Auftrags zur Förderung von Akzeptanz der sie ermöglichenden Rechtsnormen durchaus auch als seitens der Verfassungsordnung geboten angesehen werden kann. Neben dem bereits hohen Gewicht der Erreichung der Klimaziele,60 gepaart mit dem aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden Schutz vor den Risiken der Kernenergie (Atomausstieg) im großen Rahmen auch durch eine forcierte Energiewende auf lokaler Ebene, kann aufgrund des eigenständigen Gebots zur Förderung von Rechtsakzeptanz wegen ihrer Anknüpfung an die

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W. Erbguth/S. Schlacke, Umweltrecht, 5. Aufl. 2014, § 16, insbes. Rn. 2.

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Stärkung der integrierenden Wirkung des Rechts im demokratischen Sozialstaat dem öffentlichen Zweck noch verstärkende Wirkung zuerkannt werden. Während ein solcher Ansatz den Grundrechten der Investoren Akzeptanz als akzessorischen wie eigenwertigen Rechtsbegriff gegenüber zu stellen vermag, muss vice versa zunächst hinterfragt werden, worin denn die Grundrechtspositionen der Investoren eigentlich bestehen. Gewiss ist eine Verortung ihrer investiven Tätigkeit zu Gunsten der Energiewende – die damit auf beiden Seiten der Abwägung Wirkung zeigt – augenscheinlich im Bereich der Wirtschaftsfreiheiten zu verorten. Gleichwohl darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass dies unter raumrelevanter Nutzung von Umweltgütern geschieht, die (auch) der Allgemeinheit zuzuordnen sind,61 sei es die Inanspruchnahme von Landschaft durch Veränderung ihres Bildes oder auch die Nutzung des Windes an sich.62 Genau dort lässt sich ein Ansatz dafür finden, dass die Förderung von Akzeptanz die Zustimmung für eine gleichsam privatnützige Inanspruchnahme allgemeiner Umweltgüter erhöht, die reflexiv in einem pluralistisch-demokratischen Rechtsstaat notwendige Bedingung für die Investition schlechthin ist. Denn sie versetzt den Gesetzgeber erst in die Lage, der Nutzung der Umweltgüter durch Eröffnung der Raumnutzung zuzustimmen. Genaugenommen erfolgt dergestalt eine Ausdifferenzierung des Gemeinwohls und eine Auspendelung in dem Sinne, dass dort, wo auf der Kostenseite die sichtbaren Lasten kraft gesetzgeberischer Entscheidung getragen werden müssen – etwa in den Raum bereitstellenden Kommunen –, während die Habenseite bis zur Grenze der Erkennbarkeit diffundiert zwischen Wirtschaftsinteressen großer Konzerne, global wirksamen Effekten einer Energiewende mit weit in Richtung Zukunft prognostizierter Gemeinwohlrendite, ein Anteil an gegenwärtigem und lokalem ökonomischen Nutzen reserviert wird. Das dürfte an sich keine fehlerhafte gesetzgeberische Abwägung darstellen. Zugleich wird so nämlich die Akzeptanzförderung vor Ort angebunden an ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen in einem umfassenden Sinne als Beitrag zur Akzeptanz der staatlichen Ordnung durch Stärkung des Gegenseitigkeitsversprechens und seiner Ausprägung durch die Staatsstrukturprinzipien. 5. Exkurs: Zur Frage der Zuständigkeit zur Akzeptanzförderung Ein Sonderproblem des Bürgerbeteiligungsgesetzes ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich um Landesrecht handelt, während die grundrechtlich abgewogene Ausgestaltung der Zulassung entsprechender Vorhaben wesentlich auf Bundesrecht beruht. Stellt man die Überformung entsprechender bundesrechtlicher Abwägungen durch Landesrecht in den Fokus, wird deutlich, dass die Frage der Gesetzgebungs-

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Dazu W. Kluth, in: ders./Smeddinck (Hrsg.), Umweltrecht, 2013, § 1 Rn. 82 mit Fn. 107; ferner I. Appel, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 130 m.w.N. 62 Dazu, insbesondere auch aus öknomomischer Sicht, G. Schmidt-Eichstaedt, Wem gehört der Wind? – oder: Der Wind als Bodenschatz, LKV 2018, 1 ff.

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zuständigkeit die Achillesferse des Regelwerks darstellen könnte.63 Denn nur vordergründig geht es dabei um das Thema „formale“ Verfassungskonformität und Abgrenzung der einschlägigen Kompetenztitel. Materiell geht es schon bei der Entscheidung, welchem Kompetenztitel das Regelwerk zugeordnet wird, um die Beantwortung einer zentralen Vorfrage: Haben die Länder aufgrund eigener Staatsqualität die Befugnis, Regelungen zur Akzeptanzförderung durch Neuausrichtung der eben skizzierten Abwägungsentscheidung bundesrechtlicher Provenienz zu überformen? Das wird nicht der Fall sein, wenn das Bürgerbeteiligungsgesetz kompetenziell dem Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht zugeordnet werden müsste,64 da dieses den Ländern keinen eigenständigen Raum für die vorgenommene Neujustierung belässt. Genau deshalb stützt sich das Gesetzesprojekt auf die Kompetenz, die dem Ziel der Akzeptanzförderung am nächsten verwandt ist: die Kompetenz, Regelungen zur raumordnerischen Konfliktbewältigung zu erlassen. Für das in Rede stehende Raumordnungsrecht mit der Begründung eines Nebeneinanders von Bundes- und Landesrecht kann dann ein auch materieller Effekt in Abwägungen angenommen werden,65 wenn den Ländern Befugnisse zur Konfliktbewältigung zugewiesen werden, die sich auf Konflikte beziehen, die aus dem Vollzug von Bundesrecht resultieren. Gerade in dem Fall lässt sich die formelle Zuständigkeit nicht von einer inhaltlichen Wirkung trennen, weil ansonsten die Zuständigkeit sinnlos wäre. In der Sache werden zwei Fragen aufgeworfen. Zum einen, ob Akzeptanzförderung und mithin die Arbeit mit einem recht facettenreichen Begriff sich unter Konfliktbewältigung subsummieren lässt und zum anderen, ob die Zielsetzung des Gesetzes weit über das hinausgeht, was noch als raumordnerisch betrachtet werden kann, weil es eigentlich mit Blick auf die Anknüpfung des Akzeptanzbegriffs um weit mehr geht als die Lösung lokaler raumbezogener Konflikte. Nähert man sich der zweiten Frage, so fällt durchaus die sachlogische Verbindung von Akzeptanz und Konfliktbewältigung auf: denn das Herbeiführen von Akzeptanz beendet einen Konflikt oder vermeidet seine Entstehung oder Eskalation. Förderung lokaler Akzeptanz von Vorhaben kann damit durchaus als Unterfall der Konfliktbewältigung betrachtet werden. Bei genauem Hinsehen fällt indes eine zirkuläre Verwendung des Akzeptanzbegriffes auf, was abwägungstechnisch problematisch sein dürfte und davon abhängt, wie man Konfliktbewältigung versteht. Es ist nämlich ein Unterschied, ob die Förderung von Akzeptanz lediglich Folge der Konfliktbewältigung ist, ohne dass die Akzeptanzförderung bereits selbst als Wert in entsprechende Abwägungsprozesse Eingang findet, oder ob Akzeptanzförderung selbst als Wert begriffen wird, der bereits in die Abwägung mit eingeht. Auflösen lässt sich das, wenn man den akzessorischen Charakter der Akzeptanzförderung in den Vordergrund 63

Ablehnend zur Gesetzgebungskompetenz des Landes J. Bringewat (o. Fn. 47); offengelassen bei Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste (o. Fn. 47), S. 12 f. 64 So J. Bringewat (o. Fn. 47). 65 Allgemein zur Streitfrage einer materiellen Wirkung von Kompetenztiteln C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 70 Rn. 70 ff., insbes. 73.

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rückt. Akzeptanzförderung stellt sich dann dar als Annex zur Förderung des Vorhabens an sich bzw. der Zielsetzungen – hier vornehmlich des Bundesrechts, indem das Gewicht der originären Zwecksetzung optimiert wird. Es entspricht dann aber durchaus einer gesamtstaatlichen Verantwortung, wenn das Bundesrecht letztlich Gewichtsverschiebungen hinsichtlich der Wertigkeit von Belangen auf Ebenen zulässt, die vor Ort insgesamt betrachtet die Effizienz der bundesrechtlichen Zielsetzungen steigern. Sich insoweit auf die Zuständigkeit zu Regelungen zur Konfliktbewältigung zu stützen, liegt folglich nicht fern. Es bleibt damit die Frage offen, ob der Gesetzgeber des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Förderung von Akzeptanz qua ökonomischer Beteiligung auch auf den Gesichtspunkt einer spezifisch raumordnerischen Konfliktbewältigung stützen konnte, denn letztlich geht es bei der Raumordnung um eine von der Grundstruktur her abwägungsorientierte Vorabklärung raumbedeutsamer Vorhaben mit dem Ziel möglichst konfliktfreier Raumnutzung.66 Nun sind Windenergieanlagen zweifellos raumbedeutsam in einem solchen Sinne. Entscheidend ist damit, ob Anknüpfungspunkt im Sinne einer unmittelbaren Zuordnung der Konfliktgrund als solcher ist – eben die Beeinträchtigung raumbezogener Rechtsgüter wie Veränderung des Landschaftsbildes etc. – oder ob es um die Zuordnung des Konfliktlösungsmechanismus geht, der selbst unmittelbar dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen wäre. Auch hier kann der Akzeptanzbegriff im Rahmen der Auslegung hinzugezogen werden. Denn wenn es letztlich um die Förderung von Akzeptanz geht, dann wäre Ausgangspunkt der Konfliktbewältigung eben der Konfliktgrund, indem durch raumbezogene Nutzung von Umweltgütern ein Akzeptanzdefizit hervorgerufen wird, welchem letztlich, dann freilich asymmetrisch, durch ökonomische Beteiligung entgegengewirkt wird. VI. Fazit Festgehalten werden kann, dass die Förderung von Akzeptanz bei einer sachbezogenen Aufbereitung des Akzeptanzbegriffes zusammen mit einer lege artis erfolgenden Tatsachenanalyse durchaus als Rechtsbegriff nutzbar gemacht werden kann. Wenngleich das Thema am Beispiel grundrechtlicher Abwägungsprozesse diskutiert wurde, dürfte die Verortung von Akzeptanzförderung als rechtlich relevanter Belang bzw. der Rechtsgeltung inhärentes Prinzip als allgemeiner Grundsatz auch in anderen spezifischen Abwägungsprozessen bis hin zur Planfeststellung, wenn man sie als durch Abwägung geprägt ansehen will,67 Geltung erlangen. Zu beachten und abschließend anzumerken ist indes, dass es um mehr nicht geht, insbesondere kann das konkrete Ergebnis der Abwägung durchaus auch sein, abstrakt betrachtet den 66 S. bereits den Hinweis von W. Erbguth, Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen versus private oder staatliche Mediation: Warum wird das Raumordnungsverfahren übersehen?, NVwZ 1992, 551 (551 f.). 67 W. Erbguth, Anmerkungen zum administrativen Entscheidungsspielraum – Am Beispiel der Planfeststellung, DVBl. 1992, 398 (401 ff.).

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Staatsstrukturprinzipien Demokratie und Sozialstaatlichkeit gegenüber einer dann stringent verstandenen Rechtsstaatlichkeit den Nachrang einzuräumen. Nicht befreit, wie erwähnt, ist der für die Abwägung zuständige Gesetzgeber indes, gerade wenn es um Grundrechtsbeeinträchtigungen geht, von einer sorgfältigen Präzisierung des Akzeptanzphänomens im Sinne einer Aufbereitung, die eine rechtliche Verwertung erst ermöglicht. Mit Blick darauf scheint das Bürgerbeteiligungsgesetz jedoch an erheblichen Defiziten zu leiden.

Infrastrukturgenossenschaften als Instrument nachhaltiger kommunaler Bürgerpartizipation Von Winfried Kluth I. Prolegomena Bürgerpartizipation ist ein Konzept des öffentlichen Rechts,1 näherhin des im Kernbereich des Verfassungsrechts verorteten demokratischen Prinzips und seiner Entfaltung.2 Herkömmliche Erscheinungsformen sind Wahlen3 als Personalentscheidungen, Volks- oder Bürgerentscheide als Sachentscheidungen4 sowie weitere smarte Formen der informellen Steuerung wie etwa die Bürgerbefragung.5 Sie alle tragen in unterschiedlicher Intensität zur Legitimation staatlichen Handelns bei.6 Aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit7 sind die „Effekte“ der verschiedenen Partizipationsformen ganz unterschiedlich. Das gilt vor allem dann, wenn man neben der Entscheidungsbeteiligung als Ausdruck der Partizipation auch die weiteren Folgen sowie die Verantwortung für diese mit in die Betrachtung einbezieht. Wahlen kreieren Organe, die fortan formell unabhängig von den Wählern agieren. Dieser Akt der Emanzipation des Gewählten gegenüber dem Wähler kommt u. a. im freien Mandat zum Ausdruck.8 Verantwortung für die Amtsausübung wird bei der nächsten Wahl eingefordert. Bei Volks- und Bürgerentscheiden bleibt die Mitwirkung des Bürgers auf den Entscheidungsakt beschränkt. Folgenverantwortung kann wegen der Anonymität des Entscheidungsprozesses nicht eingefordert werden.9 1 W. Erbguth hat sich der Thematik immer wieder aus dem Blickwinkel des Planungsrechts und der Akzeptanz von Entscheidungen gewidmet, siehe etwa W. Erbguth, Infrastrukturgroßprojekte: Akzeptanz durch Verfahren und Raumordnung, DÖV 2012, 821 ff. 2 B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 84. Erg.-Lfg. 2018, Art. 20 Abs. 2 Rn. 61 ff. 3 Dazu näher W. Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Grundgesetz Kommentar, 14. Aufl. 2017, Art. 38 Rn. 10 ff. 4 P. Neumann, Sachunmittelbare Demokratie, 2009. 5 Zu dieser näher M. Martini, Die Bürger-/Volksbefragung als Baustein der Demokratie, DÖV 2015, 981 ff. 6 Siehe exemplarisch BVerfGE 107, 59 (86 ff.). 7 Zum Konzept W. Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 2008. 8 Zu diesem W. Kluth (o. Fn. 3), Art. 38 Rn. 72 ff. 9 Damit eignet sich die direkte Demokratie auch nicht, um das Modell der Vertrauensdemokratie umzusetzen, wie es P. Rosanvallon, Die gute Regierung, 2018, S. 267 ff. anschaulich skizziert.

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Will der Bürger über die punktuelle Entscheidungsbeteiligung hinaus an der Gestaltung staatlichen Handelns mitwirken und zugleich auch Verantwortung übernehmen, so steht ihm die eigene Kandidatur offen. In der Praxis bedeutet dies aber in den meisten Fällen, dass viel Zeit aufgewendet werden muss und dass auch die zu behandelnden Themenfelder breit gestreut sind. Oft ist der Einzelne aber nicht bereit oder in der Lage, sich derart umfangreich zu engagieren. Für diese Fälle soll im Folgenden die Infrastrukturgenossenschaft als ein Modell einer thematisch begrenzten nachhaltigen bürgerschaftlichen Partizipation vorgestellt und auf ihre Tauglichkeit hin untersucht werden. Dazu soll in einem ersten Schritt auf die Besonderheiten der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft und die Vielfalt ihrer Erscheinungsformen eingegangen werden, bevor aus der Perspektive des Kommunal- und des Verfassungsrechts der Frage nachgegangen wird, ob diese privatrechtliche Rechtsform geeignet ist, eine im öffentlichen Rechts wurzelnde Partizipation zu gestalten. II. Die Konzeption und Praxis der Infrastrukturgenossenschaft 1. Die Genossenschaft als taugliche Unternehmensrechtsform für die Kooperation mit Privaten Die eingetragene Genossenschaft (eG) ist eine Unternehmensrechtsform.10 Sie ist älter als die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG), steht im unternehmerischen Alltag aber in deren Schatten.11 Ein Grund dafür ist die demokratische Binnenstruktur (Stimmrecht nach Köpfen und nicht nach Kapitalanteilen), die den Interessen großer Geldgeber zuwiderläuft und den internen Entscheidungsprozess erschwert. Hinzu kommt die stärkere Zweckbindung und die Vorgabe, dass der Unternehmenszweck konkret den Mitgliedern dienen muss und zwar über das Ziel der Gewinnerzielung hinaus. Diese Nachteile können indes unter bestimmten Voraussetzungen auch Vorteile sein. Die geringe praktische Relevanz der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft lässt sich auch in Bezug auf die Nutzung dieser Rechtsform durch die Kommunalverwaltung feststellen, wenn es um die Zusammenarbeit mit Privaten geht. Dafür hat sich als Ordnungsrahmen das Konzept der Public-Private-Partnerships etabliert,12 das auch in den Kommunalgesetzen durch das sog. Beteiligungsrecht als Teil des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung13 abgebildet ist.

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Zu aktuellen Missverständnissen in Bezug auf diese Rechtsform siehe T. Theurl, in: Brazda/von Husen/Rößl (Hrsg.), Perspektiven für die Genossenschaftsidee, 2015, 305 ff. 11 Siehe auch W. Kluth, ZRP 2017, 108 ff. 12 Siehe nur R. Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 93. 13 Dazu näher K. Lange, Kommunalrecht, 2013, Kapitel 14, Rn. 194 ff.

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Public-Private-Partnerships haben sich in der Praxis vor allem im Zusammenhang mit dem Konzept des New Public Management14 entwickelt und ziel(t)en darauf ab, privates Kapital und unternehmerisches Know-how für Kommunalunternehmen zu erschließen.15 Die Eröffnung von Pfaden bürgerschaftlicher Partizipation stand dabei nicht im Vordergrund. Im Gegenteil musste dafür Sorge getragen werden, die Erfüllung kommunaler Aufgaben gegenüber privatem Gewinninteresse abzusichern. Zu diesem Zweck wurden die kommunalrechtlichen Vorgaben für die Beteiligungsverwaltung16 und die Steuerung dieser Unternehmen erweitert. Diese Problematik hat der Gesetzgeber zutreffend erkannt, doch gilt diese vor allem für die klassischen Kapitalgesellschaften, die in erster Linie an Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Im Falle der Realisierung einer Public-Private-Partnership in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaften sind die strukturellen Rahmenbedingungen anders. Denn die eG eröffnet mit ihrem Kopfstimmrecht die Möglichkeit, eine Vielzahl von Bürgern finanziell niederschwellig an einem Unternehmen zu beteiligen. Zudem wird durch die gesetzlich zwingende Orientierung an einem mitgliederbezogenen Förderzweck die Gewinnerzielungsabsicht zumindest relativiert und die auch kommunalrechtlich zentrale Zweckorientierung abgesichert. Umgekehrt wird aber auch für die Kommune der Einfluss auf die Gesellschaft begrenzt, weil auch sie grundsätzlich nur über eine Stimme verfügt. Die eG realisiert damit ein besonderes demokratisches Konzept, dessen Vereinbarkeit mit dem Kommunalund Verfassungsrecht einer genaueren Prüfung unterzogen werden soll. Zuvor soll aber das spezifische Konzept der Infrastrukturgenossenschaften vorgestellt werden. 2. Konzeption der Infrastrukturgenossenschaft Anders als bei den Kapitalgesellschaften wird bei den Genossenschaften (schon immer) zwischen verschiedenen Organisationstypen bzw. Erscheinungsformen unterschieden. Das hängt damit zusammen, dass die eG von Beginn an in bestimmte besonders geprägte wirtschaftliche und gesellschaftliche Handlungszwecke eingebunden war.17 Diese können mit dem Begriff der Selbsthilfeorganisation charakterisiert werden. Genossenschaften wurden und werden u. a. gegründet, um die Selbstständigkeit von kleineren und mittleren Unternehmen im Wettbewerb mit großen Unternehmen zu stützen. So sind Einkaufs- und sonstige Kooperationsgemeinschaften entstanden. Die Beispiele der Wohnungsgenossenschaften (klassisch) sowie der Energiegenossenschaften (modern) zeigen wiederum, dass auch in anderen Lebens14

Dazu W. Kluth (o. Fn. 12), § 79 Rn. 111 ff. Ähnlich ist die Perspektive im Zweckverbandsrecht, das ebenfalls eine Beteiligung privater Unternehmen ermöglicht, wenn dadurch der Zweck gefördert wird. Siehe näher W. Kluth (o. Fn. 12), § 98 Rn. 44 ff., 51. 16 Dazu näher H. Huffmann, in: Mann/Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 3. Aufl. 2011, § 51. 17 Zur Entwicklungsgeschichte näher E. Grünfeld/K. Hildebrand, Genossenschaftswesen, 1929 (Neudruck 2016), S. 15 ff. 15

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bereichen „Eigenständigkeit“ durch Kooperation ermöglicht und gesichert werden kann. Praktisch weniger bedeutsam ist dagegen die Sicherung von Beschäftigung durch die Fortführung von Betrieben durch die Arbeitnehmer in Form einer Genossenschaft, die in den Anfängen der Entwicklung des Genossenschaftsgedankens in England relevant war.18 Das Ziel der Begründung oder Bewahrung von Eigenständigkeit hat als gruppenbezogene und regionalpolitische Zielsetzung in den letzten Jahren in neuen Aufgabenfeldern an Bedeutung gewonnen, die traditionell Gegenstand kommunaler Daseinsvorsorge waren und in vielen Bereichen weiterhin sind. Eigenständigkeit bezieht sich dabei auf die wirtschaftlich-organisatorische Eigenständigkeit, die die gestalterische Eigenständigkeit einschließt. Es geht also darum, dass die an den jeweiligen Dienstleistungen und Infrastrukturen „interessierten“ bzw. auf sie angewiesenen Personen zugleich Einfluss auf das Ob und Wie der Leistung haben und insoweit nicht von den Entscheidungen und Präferenzen anderer staatlicher oder privater Akteure abhängig sind. Genossenschaftliches Engagement zielt also in diesen Fällen auf Selbstgestaltung in einem umfassenden Sinne. Es soll letztlich die eigene Lebensumwelt gestaltet werden, die durch die Infrastrukturleistungen wesentlich geprägt wird. Die Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten die damit zunächst einmal recht abstrakt umrissen sind, werden terminologisch als Sozial-,19 Bürger-20 und Infrastrukturgenossenschaften21 bezeichnet. Damit soll jeweils das Betätigungsfeld (soziale Dienstleistungen und Infrastrukturleistungen) bzw. der Status der Akteure hervorgehoben werden. 3. Praxisbeispiele Die meisten Neugründungen von Genossenschaften gab es in den letzten Jahren im Bereich der Energiegenossenschaften, die zur Errichtung und zum Betrieb von Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen gegründet wurden.22 Hinzu kommen in jüngerer Zeit auch Breitbandgenossenschaften, die unter kommunaler Beteiligung den Ausbau des Breitbandnetzes dort fördern, wo staatliche Initiativen nicht vorgesehen sind sowie Wassergenossenschaften. Anzutreffen sind auch Genossenschaften mit kombinierten Geschäftsfeldern, wenn etwa eine Energiegenossenschaft auch ein 18

Siehe im Überblick W. Kluth, in: ders. (Hrsg.), Infrastrukturgenossenschaften, 2017. I. Schmale/J. Blome-Drees, Genossenschaft innovativ. Genossenschaften als neue Organisationsform in der Sozialwirtschaft, 2016. 20 T. Klie, Zivilgesellschaft und Aktivierung, in: Hüther/Naegele (Hrsg.): Demografiepolitik. Herausforderungen und Handlungsfelder, 2013, S. 344 ff. 21 W. Kluth (o. Fn. 18); W. Kluth, Die Infrastrukturgesellschaft als Aktivierungs- und Gestaltungsinstrument, LKV 2017, 337 ff. 22 M. Marnich, in: Wurzel/Schraml/Becker (Hrsg.), Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, 3. Aufl. 2015, Abschnitt J, Ausgewählte Betätigungsfelder kommunaler Unternehmen. 19

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Elektro-Car-Sharing anbietet oder Wasser- und Energiebereich kombiniert werden. Diskutiert und punktuell praktiziert wird auch die genossenschaftliche Unterhaltung von Straßen, Brücken und anderen verkehrsbezogenen Einrichtungen.23 Zu einem wichtigen Wachstumsbereich der Genossenschaften gehören die gesundheitsbezogenen und sozialen Dienstleistungen.24 Dabei geht es einmal um intergenerationelle Formen der Selbsthilfe an beliebigen Orten, zum anderen um spezifische Maßnahmen in dünn besiedelten ländlichen Räumen. Seniorengenossenschaften und Mehrgenerationenprojekte in der Rechtsform der Genossenschaft sind ein Beispiel für überall realisierbare Projekte, die unter anderem auch das soziale Engagement der Kommunen ergänzen oder entlasten können. Im Gesundheitswesen sind Versorgungszentren für medizinische Versorgung und Pflege zu erwähnen, die als Genossenschaften organisiert werden können. Dabei können sich potenziell25 Kommunen, aber auch Kammern und Verbände beteiligen, soweit sie dadurch eigene Förderaufgaben erfüllen. Besonders interessant sind Genossenschaften für die Netzwerkbildung durch die betroffenen Berufe und Leistungserbringer, wenn dadurch zugleich die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen (Räume, Servicepersonal, IT usw.) ermöglicht wird. Traditionell ist der Betreuungs- und Bildungsbereich ein wichtiges Feld privaten und bürgerschaftlichen Engagements. Hier sind zunächst (zahlreiche) Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Schulen und Hochschulen zu erwähnen. An letzteren sind oft auch Kommunen, Wirtschaftskammern, Sparkassen und Genossenschaftsbanken beteiligt, wenn die Einrichtungen einem besonderen Interesse der Wirtschaft der Region dienen. Bei den Schulen in freier Trägerschaft steht bislang das sog. Trennungsprinzip, das auch eine „stille“ Beteiligung von Bund, Land und Kommunen (§ 118 Abs. 1 BbgSchulG) bzw. öffentlichen Schulträgern (§ 100 Abs. 7 SchulG NRW) ausschließt, entgegen. Hier müsste der Weg zur genossenschaftlichen Kooperation durch den Landesgesetzgeber zunächst freigegeben werden. Ein anderes Betätigungsfeld für genossenschaftliches Engagement sind Theater, Museen, Freibäder und vergleichbare kulturellen und sozialen Zwecken dienende Einrichtungen, wobei in vielen Fällen kommunale Einrichtungen fortgeführt werden, die aus öffentlichen Haushaltsmitteln nicht mehr finanziert werden können bzw. sollen. Insgesamt gibt es somit ein breites Feld an Aufgaben, die sowohl durch die Kommunen als auch durch die Bürger alleine oder in Kooperation „bedient“ werden kön23 O. Rottmann/A. Grüttner, Finanzielle Bürgerbeteiligung als Option zur Sicherung von Mindestangeboten in der kommunalen Leistungserbringung?, 2014. 24 Vgl. Fn. 19. 25 Derzeit gestattet das Gesetz nur die Beteiligung von Ärzten, doch könnte dies leicht geändert werden. Das Argument, es dürfe kein Fremdbesitz zugelassen werden, ist nur im Hinblick auf gewinnorientierte Gesellschafter tragfähig und vor dem Hintergrund der im Krankenhausbereich erfolgreich tätigen Unternehmen wenig überzeugend.

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nen. Welche Gründe es für oder gegen die verschiedenen Gestaltungsoptionen gibt, soll in einem weiteren Überlegungsschritt verdeutlicht werden. III. Rein bürgerschaftliche und gemischte Infrastrukturgenossenschaften 1. Reine Bürgergenossenschaften Wo die Kommunen oder private Unternehmen sich gänzlich zurückziehen, schließen immer häufiger engagierte Bürger die hinterlassenen Dienstleistungslücken. Neben den Privatpersonen im engeren und eigentlichen Sinne kommen auch Unternehmen, Vereine und Verbände als Akteure in Betracht, die Infrastrukturgenossenschaften gründen und unterhalten. In einigen Bereichen ist die staatliche Aufgabenwahrnehmung bestimmten Trägern zugewiesen, sodass auch die Trägerschaft durch andere Verwaltungseinheiten als formell privates Engagement qualifiziert wird. Das gilt etwa für die Gründung von Schulen und Hochschulen durch Unternehmen und Wirtschaftsverbänden ggf. unter Beteiligung von Kammern und Kommunen. Es handelt sich dann um Privatschulen und private Hochschulen.26 Es besteht eine enge Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen und dem Interesse an einem privaten Engagement. Es kann einmal darum gehen, dass eine bestimmte Einrichtung bzw. Dienstleistung überhaupt angeboten wird. In diesen Fällen kann man von einem Erhaltungs- oder Sicherungsinteresse sprechen. Es kann aber auch darum gehen, dass bestimmte Dienstleistungen in anderer Form oder mit einem stärkeren Gestaltungseinfluss der Bürger angeboten werden: Gestaltungsinteresse. In diesem Fall kommt dem Rechtsrahmen für private Gestaltung eine erhebliche Bedeutung zu. Diese Variante ist nicht nur in ländlichen Räumen, sondern auch in Ballungsräumen attraktiv. Schließlich kann von Genossenschaften ein zeitlich begrenzter Impuls ausgehen. So wurden an einigen Orten Breitbandgenossenschaften gegründet, um die Qualität der Datenübertragung zu verbessern, die dann später von etablierten Großanbietern übernommen wurden, weil sich für sie ein interessanter Markt erschlossen hat, der ohne das genossenschaftliche Engagement nicht entstanden oder wahrgenommen worden wäre. Das ist ein vielschichtiges Thema, das hier nicht entfaltet werden kann. Hinzuweisen ist aber auf die Frage, inwieweit eine kommunale / staatliche Förderung vor dem

26 W. Kluth, Neue Vielfalt der Hochschulträger: Bund und Länder, Kirchen und Private, in: Fehing/Kämmerer/Schmidt (Hrsg.), Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, 2005, S. 137 ff.

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Hintergrund der teilweisen Entlastung des Staates erfolgen kann oder gar muss. Hier liefert die Privatschulfinanzierung ein Muster.27 2. Infrastrukturgenossenschaften als PPP Die eingetragene Genossenschaft erfüllt grundsätzlich die gesetzlichen Voraussetzungen, die das kommunale Wirtschaftsrecht für die Beteiligung der kommunalen Unternehmen vorgibt, insbesondere die Beschränkung der Haftung sowie die Sicherung eines ausreichenden Einflusses auf die Tätigkeit des Unternehmens sowie die Zweckverfolgung.28 Die Zweckbindung ist sogar stärker abgesichert, als bei anderen rechtlichen Formen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit. Die Beschränkung des Stimmrechts bzw. die Lösung der Stimmmacht vom Kapitalanteil stellt kein grundsätzliches Problem dar, weil durch die genossenschaftsrechtliche Sicherung der Zweckbindung das eigentliche Ziel erreicht wird. Die Prüfung der Zweckverwirklichung im Rahmen der Pflichtprüfung durch die Prüfungsverbände ist zudem in der Praxis wirksamer als die gesetzlich vorgesehene Kontrolle durch den Rat bzw. Kreistag, die nicht mit der gleichen Sachkunde und Genauigkeit erfolgen kann, weil die in diesen Gremien ehrenamtlich Tätigen dafür nicht ausgebildet sind. Beteiligt sich eine Kommune an einer Genossenschaft, so wird deren Aktivität durch einen vergleichsweise starken und vor allem dauerhaft präsenten Akteur unterstützt. Vor allem im Bildungsbereich ist das Interesse und Engagement von Bürgern zeitlich auf bestimmte Lebensphasen beschränkt, sodass es zu einem stetigen Wechsel bei den Mitgliedern kommt. Das gilt auch im Bereich der Seniorengenossenschaften. Hier können Kommunen, aber auch Unternehmen und Kammern eine stabilisierende Wirkung erzeugen. Zudem erleichtert die Mitwirkung in der Genossenschaft die Abstimmung mit anderen Bereichen kommunaler Aktivitäten, die einen inhaltlichen Bezug zu den Betätigungsfeldern der Genossenschaft aufweisen. Darüber hinaus kann eine Kommune das Potenzial des privaten Engagements besser nutzen und sie wird finanziell teilweise entlastet. Obwohl das Kommunalrecht stärker als die Bundes- und Landesebene durch Elemente direktdemokratischer Entscheidungsformen geprägt ist, stellt das genossenschaftliche Engagement einen zusätzlichen Pfad der sachbezogenen und thematisch beschränkten Bürgerpartizipation dar, der auch kommunalpolitisch vorteilhaft ist. Da durch die Mitgliedschaft ein dauerhafter Einfluss auf die Aufgabenerfüllung er-

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Zu deren aktueller Entwicklung W. Kluth, Aktuelle Entwicklungen im Recht der Privatschulfinanzierung, LKV 2017, 433 ff. 28 Zu Einzelheiten O. Korte, in: Wurzel/Schraml/Becker (Hrsg.), Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, 3. Aufl. 2015, Abschnitt D VI, Genossenschaften.

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öffnet wird, ist dieses Modell wirksamer als das Bürgerbegehren, das auf eine punktuelle Mitwirkung zu einer Frage beschränkt ist. Hinzu kommt, dass auch mehr Bürger angesprochen werden, da es um einen begrenzten Sach- bzw. Lebensbereich geht. Dadurch werden auch Personen angesprochen, die sich nicht für den „allgemeinen Politikbetrieb“ interessieren, aber zu einem thematisch umgrenzten Engagement gerne bereit sind. IV. Vertiefung der kommunalrechtlichen Aspekte: Gefahr des Kontrollverlustes oder Eröffnung neuer Formen der Bürgerpartizipation 1. Anforderungen an die Reichweite des Einflusses Das kommunale Wirtschaftsrecht verlangt im Falle der Beteiligung an einem Unternehmen bzw. einer Gesellschaft einen im Hinblick auf den Umfang der kommunalen Beteiligung angemessenen Einfluss. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass in Fällen einer Minderheitenbeteiligung auch eine Kommune nicht verlangen kann, dass sie das letzte Wort hat und eigene Vorstellungen durchsetzen kann. Es kann aber geboten sein, besondere Mitspracherechte zu verankern, wenn es um Entscheidungen geht, die für das kommunale Engagement von besonderer Bedeutung sind. Es ist dann Aufgabe der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags bzw. des Statuts, dazu entsprechende Regelungen aufzunehmen. In Bezug auf die Beteiligung an Genossenschaften ist es der Satzungszweck, der besonders geeignet ist, die Gründe für die Beteiligung der Kommune aufzunehmen, indem dieser Zweck in Übereinstimmung mit der kommunalpolitischen Zielsetzung des Engagements übereinstimmt. Das ist in der Sache immer dann einfach, wenn die Genossenschaft Aufgaben übernimmt, die wie im Falle einer kommunalen öffentlichen Einrichtung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Versorgung der Einwohner dient. Ein Problemfeld kann sich aber eröffnen, wenn es um die Frage des angemessenen Einflusses der Kommune geht. Das kopfbezogene Stimmrecht aller Genossen kann nämlich dazu führen, dass eine Kommune auch dann nur eine Stimme hat und durch die ebenfalls beteiligten Bürger marginalisiert werden kann, wenn sie den weitaus größten Anteil des Genossenschaftsvermögens beisteuert. In diesen Fällen kann z. B. die Kommunalaufsicht der Ansicht sein, dass damit kein angemessener Einfluss besteht. Einen solchen Einwand kann man zum einen durch eine alternative Gestaltung und zum anderen auf argumentativer Ebene begegnen. Auf der Gestaltungsebene kann überlegt werden, ob der kommunale Beitrag nicht dadurch minimiert werden kann, dass die Genossenschaft sich nur auf die Organisation des Betriebs beschränkt und z. B. die für das Unternehmen benötigten Immobilien (im Falle eines Schwimmbads oder eines Wasserwerks) in kommunalem Eigentum verbleiben und die Genossenschaft diese nur bewirtschaftet. In diesem Fall ist

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die Mitgliedschaft der Kommune in der Genossenschaft finanziell nicht mehr übergewichtig und steht in angemessenem Verhältnis zur kommunalen Beteiligung. Es kann aber auch teleologisch argumentiert werden, wenn eine solche Aufspaltung nicht umsetzbar ist. Die kommunalgesetzlichen Vorgaben zielen darauf ab sicherzustellen, dass durch das Unternehmen, an dem die Kommune sich beteiligt, der öffentliche Zweck29 verwirklicht wird, der die kommunale Beteiligung erst ermöglicht. 2. Bedeutung der Zweckbindung der Pflichtprüfung Besondere Aufmerksamkeit verdient die für alle eingetragenen Genossenschaften verpflichtende Gründungs- und Begleitprüfung durch einen genossenschaftlichen Prüfverband und ihre Relevanz aus dem Blickwinkel des Kommunalrechts. Das kommunale Wirtschaftsrecht verlangt im Fallen einer Beteiligung an einem Unternehmen zunächst, dass diese im Rahmen der Leistungsfähigkeit erfolgt. Das setzt eine Abschätzung der finanziellen Belastungen und Risiken und damit eine Beurteilung des Geschäftsfeldes und des Geschäftsmodells voraus. Verlangt wird zudem ein Beteiligungsmanagement, bei dem die Vertretungskörperschaft regelmäßig über die Zweckverwirklichung und die wirtschaftliche Entwicklung informiert wird, um Kontrolle auszuüben und inhaltlich ggf. nachsteuern zu können.30 Der Sachverstand in den kommunalen Gremien, die diese Aufgabe wahrnehmen, wird zwar gesetzlich vorgeschrieben, ist in der Praxis aber eher schwach ausgebildet. Das Genossenschaftsrecht bietet an dieser Stelle eine bedeutsame professionelle Unterstützung. Denn sowohl die in § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 53 Abs. 1 GenG vorgeschriebene Gründungsprüfung, die eine Voraussetzung für die Errichtung der Genossenschaft darstellt, als auch die grundsätzlich zweijährige laufende Pflichtprüfung gem. § 53 Abs. 1 GenG werden durch einen spezialisierten Prüfungsverband (§ 54 GenG), in dem die Genossenschaft Pflichtmitglied ist,31 durchgeführt, der ausgebildete Wirtschaftsprüfer beschäftigt. Dadurch ist gewährleistet, dass nur tragfähige Geschäftsmodelle zu einer Gründung führen und dass der Zweck der Genossenschaft nachhaltig erfüllt wird, denn auch das ist Gegenstand der begleitenden Prüfung. Das hat zur Folge, dass auch die kommunalen Organe bei der Entscheidung über die Be29 Es geht in der Sache regelmäßig um eine Zwecksetzung zur Daseinsvorsorge, sodass sich hier das allgemeine Mandat der Kommunen, die erforderlichen öffentlichen Einrichtungen für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Versorgung der Einwohner sicherzustellen, konkretisiert. Da dieses aber nur im Rahmen der jeweiligen Leistungsfähigkeit besteht, kommt es in der Praxis zu den erheblichen Schwankungen bei der Wahrnehmung, solange der Gesetzgeber keine Pflichtaufgaben begründet, für die er dann auf Grund des Konnexitätsgrundsatzes (dazu W. Kluth, Das kommunale Konnexitätsprinzip der Landesverfassungen, LKV 2009, 337 ff.) auch eine Finanzierung sicherstellen muss. 30 G. Bissinger, in: Wurzel/Schraml/Becker (Hrsg.), Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, 3. Aufl. 2015, Abschnitt E, 1. Teil Rechnungs-, Berichts- und Prüfungswesen. 31 Zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG, NZG 2001, 461 ff.

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teiligung an einer Genossenschaft sowie bei der Überwachung ihrer Tätigkeit auf qualifizierte Berichte des Prüfungsverbandes zurückgreifen und damit die Qualität der eigenen Tätigkeit verbessern können. Die etwaigen finanziellen Risiken werden dadurch minimiert und die Zweckverwirklichung optimiert. Dies bedeutet zugleich, dass in der kommunalen Praxis aus diesem speziellen Blickwinkel über die stärkere Nutzung der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft nachgedacht werden sollte. 3. Bürgerbeteiligung als Ausdruck nachhaltiger Partizipation Dreht man die Betrachtungsperspektive um 180 Grad und nimmt die Beteiligung von Einwohnern, Bürgern und Unternehmen an einer solchen Genossenschaft in den Blick, so wird deutlich, dass man eine von Kommune und Bürgern getragene Genossenschaft, die Aufgaben der infrastrukturellen oder kulturellen Daseinsvorsorge wahrnimmt, auch als neue Form der Partizipation verstehen und deuten kann. Denn die einbezogenen Privaten sind als Empfänger der Leistungen in der gleichen funktionalen Rolle, wie sie durch das Kommunalrecht den Nutzern von kommunalen öffentlichen Einrichtungen zugewiesen sind: Sie haben ein Zugangs- und Nutzungsrecht und werden zur Finanzierung herangezogen.32 Der entscheidende Unterschied wird deutlich, wenn man nach den Mitgestaltungsrechten fragt. Im Falle einer kommunalen öffentlichen Einrichtung ist es im Normalfall Aufgabe der Vertretungskörperschaft (Rat, Kreistag), über deren Errichtung, Erweiterung, Beschränkung und Aufhebung zu befinden.33 Das gleiche Organ ist auch für den Erlass der Benutzungs- und Gebührenordnung in der Form einer Satzung zuständig. Die Entscheidungsbefugnisse der Vertretungskörperschaft können durch ein Bürgerbegehren und einen anschließenden Bürgerentscheid durch die Bürger selbst ausgeübt werden. Dieser mit erheblichen bürokratischen Hürden versehene Partizipationsakt ist jedoch punktueller Natur und jeweils auf eine binäre Entscheidung ja oder nein beschränkt. Im Falle der Gründung eine Genossenschaft wird den Bürgern eine dauerhafte und umfassende, d. h. auf alle Aspekte der Tätigkeit der Genossenschaft bezogene Partizipation eröffnet, die deshalb auch als nachhaltige Partizipation qualifiziert werden kann. Die in der Genossenschaft aktiven Einwohner und Unternehmer können bei der Zwecksetzung sowie der Zweckverwirklichung ihr Wissen und ihre Wünsche einbringen, wobei sie dabei jedoch an die Gewinnung von Mehrheiten angewiesen sind. Sie können zudem eigenes Engagement einbringen und durch eine unentgelt-

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Das näher K. Lange (o. Fn. 13), Kapitel 13, Rn. 42 ff. Das gilt natürlich auch, wenn die Einrichtung in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft errichtet werden soll. 33

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liche Tätigkeit die Kosten senken.34 Schließlich werden durch die breite Gestaltung der Mitwirkung auch die Nutzung sowie die Akzeptanz erhöht.35 V. Verfassungsrechtliche Aspekte: Gefahr der Privilegierung Da die Mitgliedschaft in einer Bürger- oder Infrastrukturgenossenschaft immer freiwillig ist und sein muss, kann aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts und hier des demokratischen Prinzips und des Sozialstaatsprinzips auch Kritik an diesem Modell formuliert werden. Diese setzt dort an, wo beide Prinzipien den Aspekt der Egalität, also der gleichen Teilhabe und des gleichen Zugangs betonen. Partizipation, so kann man den Einwand formulieren, darf nicht zum Privileg werden, darf nicht an Besitz und Reichtum geknüpft sein. Dieser Einwand ist natürlich rechtlich und politisch berechtigt. Er wird aber mit Blick auf das Genossenschaftsrecht einerseits und praktische Vorgaben für die Ausgestaltung der einzelnen Genossenschaft andererseits weitgehend entkräftet. Dem Einwand des Elitären steht zunächst der in § 1 Abs. 1 GenG formulierte Charakter der Genossenschaft als Gesellschaft von nicht geschlossener Mitgliederzahl entgegen. Dadurch ist der Zugang für Jedermann grundsätzlich gewährleistet. Genossenschaften können zudem die Mitgliedschaft auf ortsansässige Personen beschränken und damit den örtlichen Charakter absichern. Dem weiteren Einwand der wirtschaftlich hohen Zugangshürde kann durch zwei Vorkehrungen begegnet werden. Erstens indem die Höhe des Genossenschaftsanteils so moderat ausgestaltet wird, dass sich diese Jedermann leisten kann. Zweitens indem für Personen, für die selbst das ein Hindernis darstellt, ein Fördermodell etabliert wird, bei dem der geringe Betrag finanziert wird.36 Da in der Genossenschaft alle Mitglieder gleiche Stimmrechte besitzen, ist die Egalität in vollkommener Art und Weise gewahrt. Diese Überlegungen zeigen, dass das Genossenschaftsrecht seinen demokratischen Charakter nicht nur behauptet, sondern auch in der Praxis umsetzen kann. Die eingetragene Genossenschaft eröffnet damit als Rechtsrahmen für Public-Private-Partnerships eine im Vergleich zu den bislang bevorzugten Gestaltungsformen eine völlig neue Qualität der Kooperation, die man als nachhaltige Bürgerpartizipation37 bezeichnen kann. 34 Das ist auch bei anderen Rechtsformen möglich, doch ist dort der Anreiz geringer, weil die Identifikation mit einer Genossenschaft, deren Mitglied man ist, in der Regel höher ausfällt. 35 Das zeigt sich etwa bei genossenschaftlich betriebenen Schwimmbädern und kulturellen Einrichtungen. 36 So verfährt die Bocholter Bürgergenossenschaft, www.bocholter-bg.de. 37 Man kann auch von einer Form der Betätigungsdemokratie im Sinne von P. Rosanvallon (o. Fn. 9), 332 ff., sprechen.

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VI. Ausblick Die eingetragene Genossenschaft eröffnet im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge neue Möglichkeiten der Verwirklichung einer nachhaltigen Bürgerpartizipation. Aus einer historischen Perspektive finden die in ihrem gedanklichen Ursprung eng verbundenen Konzepte der kommunalen Selbstverwaltung und der Genossenschaft in neuer Form zusammen und eröffnen Gestaltungsoptionen, die bislang nur punktuell genutzt wurden. Die Gründung von Infrastruktur- und Bürgergenossenschaften sollte dabei aber nicht nur als Notlösung in Fällen einer mangelnden kommunalen Leistungsfähigkeit herangezogen und auf dünn besiedelte ländliche Räume begrenzt werden. Das Modell ist in der Lage, neue Formen der bürgerschaftlichen Partizipation in allen Bereichen zu eröffnen und damit die Attraktivität bürgerschaftlichen Engagements weiter zu erhöhen.

Volksentscheide über planfeststellungspflichtige Vorhaben Von Jan Ziekow Die rechtlichen Grundlagen der Planung, die Zulassung von Großprojekten und die Beteiligung der Öffentlichkeit gehören zu den prägenden Inhalten des wissenschaftlichen Werks Wilfried Erbguths. Die Frage, ob und wenn ja inwieweit die Zulassung bzw. der Betrieb von Vorhaben, insbesondere solchen mit infrastruktureller Bedeutung, einer Entscheidung durch die Bürger zugänglich ist, ist in den vergangenen Jahren des Öfteren diskutiert worden. Gleichwohl sind Fälle, in denen die Bürger über planfeststellungspflichtige Vorhaben der Verkehrsinfrastruktur abgestimmt haben, äußerst selten. Hierfür mag es viele Gründe geben, die im Einzelnen zu behandeln hier nicht der Raum ist. Vielmehr soll ein politisch besonders exponiertes Verfahren der jüngeren Vergangenheit herausgegriffen werden, nämlich der Volksentscheid über den Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel vom 24. 9. 2017. Im Folgenden sollen zunächst Vorgeschichte und Ergebnis des Volksentscheids kurz dargestellt werden (unten I.), bevor die Bindungswirkungen des Volksentscheids eingehender untersucht werden (unten II.). Dabei wird zwischen der äußeren Bindungswirkung (unten II. 1.) des Entscheids, den durch ihn erzeugten inhaltlichen Bindungen (unten II. 2.) sowie den konkreten Handlungspflichten der Berliner Landesregierung (unten II. 3.) zu unterscheiden sein. I. Vorgeschichte: Vom sog. Single Airport-Konzept zum Volksentscheid über den Flughafen Tegel § 19 Abs. 11 des Landesentwicklungsprogramms der Länder Berlin und Brandenburg aus dem Jahre 2003 (LEPro 2003) sieht als Grundsatz der Raumordnung vor, dass „der nationale und internationale Luftverkehrsanschluss für Berlin und Brandenburg möglichst auf einen Flughafen konzentriert werden“ soll. Der Gemeinsame Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) aus dem Jahre 2003, i. d. F. vom 30. 5. 2006, bestimmt als Ziel der Raumordnung Z 1: „Zur Deckung des nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarfes der Länder Berlin und Brandenburg ist der Flughafen Berlin-Schönefeld weiter zu entwickeln. Mit Inbetriebnahme der Kapazitätserweiterung am Standort Schönefeld sind die Flugplätze Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof zu schließen und ihre Flächen einer anderen Nutzung zuzuführen.“

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Die luftverkehrsrechtliche Grundlage für die Umsetzung dieses Single AirportKonzepts wurde durch den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld, heute Flughafen Berlin Brandenburg (BER), vom 13. 8. 2004 gelegt. Im Zuge der Planrechtfertigung der Zulassung dieses Vorhabens wird in dem Beschluss darauf hingewiesen, dass die Planfeststellung des Flughafens BER „unter dem Vorbehalt der endgültigen Schließung der Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof spätestens nach einer Übergangszeit von sechs Monaten nach Inbetriebnahme der ausgebauten Südbahn“ steht. Dem korrespondieren bzgl. des Flughafens Tegel die sog. Schließungsbescheide der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aus den Jahren 2004 und 2006: Der zunächst auf der Grundlage alliierten Rechts betriebene Flughafen Tegel war 1990 in das Regelungsregime des LuftVG durch die Fiktion einer erfolgten Genehmigung und Planfeststellung übergeleitet worden. Der Widerruf der (fingierten) Betriebsgenehmigung für den Flughafen Tegel wurde durch Bescheid vom 29. 7. 2004 ausgesprochen; er wird mit Ablauf von sechs Monaten wirksam, nachdem die Start- und Landebahnen des Flughafens BER funktionsfähig in Betrieb genommen worden sind. Die Aufhebung der (fingierten) Planfeststellung für den Flughafen Tegel erfolgte durch Bescheid vom 2. 2. 2006. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entlassung aus der luftverkehrsrechtlichen Zweckbestimmung ist entsprechend der des Widerrufs der Betriebsgenehmigung bestimmt. Am 24. 9. 2017 wurde gemeinsam mit der Wahl zum Deutschen Bundestag ein Volksentscheid über den Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel durchgeführt. Der zum Volksentscheid gestellte Beschlussentwurf lautete: „Der Flughafen Berlin-Tegel ,Otto Lilienthal‘ ergänzt und entlastet den geplanten Flughafen Berlin Brandenburg ,Willy Brandt‘. Der Berliner Senat wird aufgefordert, sofort die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern.“

Die Beteiligung an der Abstimmung lag bei rund 71 % der Stimmberechtigten. Von den Abstimmenden stimmten über 56 % und damit etwa 40 % der Stimmberechtigten für die Annahme des Beschlussentwurfs.1 Nach Art. 63 Abs. 1 S. 3 der Verfassung von Berlin (VvB) reicht zur Annahme eines Volksentscheids bereits ein Quorum von 25 % der Stimmberechtigten aus. Unabhängig vom konkreten Verhalten des Berliner Senats nach diesem Volksentscheid stellt sich die Frage, welche rechtlichen Wirkungen einem solchen Volksentscheid zukommen können.

II. Wirkungen des Volksentscheids vom 24. 9. 2017 Bei der am 24. 9. 2017 durchgeführten Abstimmung handelt es sich um einen Volksentscheid im Sinne von Art. 62, 63 VvB. Während Volksentscheide in den 1

Vgl. https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BU2017/afspraes/ve/index.html.

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meisten Bundesländern gegenständlich auf die Abstimmung über konkret bezeichnete Gesetzentwürfe beschränkt sind, eröffnet die Verfassung von Berlin einen Volksentscheid auch über einen Entwurf zu Berlin betreffenden Gegenständen der politischen Willensbildung, soweit sie sich im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses bewegen (Art. 62 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 VvB). Um einen solchen Beschluss handelte es sich bei dem Volksentscheid vom 24. Sept. 2017, dem kein Gesetzentwurf, sondern die Aufforderung an den Senat zugrunde lag, alle für einen unbefristeten Weiterbetrieb des Flughafens Tegel erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Zur Ermittlung der Wirkungen des Volksentscheids ist zwischen äußeren und materiellen Bindungen zu unterscheiden: - Die äußere Bindungswirkung eines Volksentscheids meint dessen Verbindlichkeit im Sinne einer Beachtenspflicht für die staatlichen Organe (dazu unten 1.). - Unter der inhaltlichen Bindung ist die Reichweite der Bindungswirkung des Volksentscheids einschließlich der dieser gesetzten rechtlichen Grenzen zu verstehen (dazu unten 2.).

1. (Äußere) Bindungswirkung des Volksentscheids a) Volksentscheid über Gesetze Erfolgt der Volksentscheid über einen Gesetzentwurf, so sieht der VerfGH Bln. die Volksgesetzgebung als gleichwertig neben der Gesetzgebung durch das Parlament stehend.2 Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte.3 Aus dieser Gleichrangigkeit des durch Volksentscheid beschlossenen Gesetzes mit dem durch das Parlament verabschiedeten folgt zum einen eine Bindungswirkung des per Volksentscheid beschlossenen Gesetzes in gleichem Umfang, wie ihn ein Parlamentsgesetz aufweist.4 Zum anderen ergibt sich aus dieser Gleichrangigkeit die Frage, ob das durch Volksentscheid beschlossene Gesetz in derselben Weise wie ein durch das Parlament beschlossenes Gesetz durch das Parlament geändert werden kann oder ob hierfür besondere Anforderungen gelten. Beispielsweise sehen viele Kommunalgesetze der Flächenländer vor, dass der Bürgerentscheid 2 VerfGH Bln, 6. 10. 2009 – 143/08, juris, Rn. 108; VerfGH Bln, 6. 10. 2009 – 63/08, juris, Rn. 94. 3 Für Bayern BayVerfGH, 31. 3. 2000 – Vf. 2-IX-00, juris, Rn. 176; für Hamburg HambVerfG, 22. 4. 2005 – 5/04, juris, Rn. 83; HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 50; HambVerfG, 13. 10. 2016 – 2/16, juris, Rn. 222. Ebenso aus der Literatur etwa M. Möllers/ R. van Ooyen, Parlamentsbeschluss gegen Volksentscheid, ZfP 2000, 458 (463); M. Rossi/ S.-C. Lenski, Treuepflichten im Nebeneinander von plebiszitärer und repräsentativer Demokratie, DVBl. 2008, 416 (417); J. Rux, Direkte Demokratie in Deutschland, 2008, S. 87 ff.; J. Tischer, Bürgerbeteiligung und demokratische Legitimation, 2017, S. 185. 4 BremStGH, 14. 2. 2000 – St 1/98, juris, Rn. 91; HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 51.

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zwar einem Beschluss des Rates als kommunalem Vertretungsorgan gleichsteht, jedoch erst nach Ablauf einer unterschiedlich bemessenen Frist durch Ratsbeschluss geändert werden kann5. Erhöhte Anforderungen formuliert auch Art. 73 Abs. 2 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, wonach ein durch Volksentscheid beschlossenes Gesetz innerhalb einer laufenden Wahlperiode innerhalb von zwei Jahren durch das Landesparlament nur mit einer für Verfassungsänderungen erforderlichen Mehrheit geändert oder aufgehoben werden kann. Eine vergleichbare „Sperrregelung“ enthält die VvB nicht. Die Frage, ob nicht dem unmittelbaren Beschluss des Volkes als Souverän über ein Gesetz ein höherer Rang und damit auch eine höhere Beständigkeit als dem Gesetzesbeschluss des Parlaments als nur durch Wahlen über eine abgeleitete Legitimation verfügender Träger von Staatsgewalt zukommen muss, ist negativ zu beantworten. Die unmittelbare Gesetzgebung durch das Volk kann in einem parlamentarisch-repräsentativen System keine ganzheitliche Gestaltungsfunktion leisten. Vielmehr können die zukunftsgerichtete Integration und der Ausgleich vielfältiger Interessen in allen komplexen Handlungsbereichen moderner Staatlichkeit nur dem Parlament als ständigem Organ gelingen.6 Die nur punktuell ansetzende und mit einem großen Vorbereitungsund Aktivierungsaufwand verbundene Gesetzgebung per Volksentscheid ist hierfür strukturell nicht geeignet.7 Sie hat vielmehr – in dieser Funktion allerdings elementare – ergänzende Funktion zu den Gesetzesentscheidungen des Parlaments,8 um Fragen, die aus Sicht der Mehrheit der Abstimmenden in der parlamentarischen Arbeit überhaupt nicht oder inhaltlich vom außerparlamentarischen Mehrheitswillen abweichend behandelt werden, in einem dem verfassungsrechtlichen Mehrheitsprinzip entsprechenden Verfahren entscheidbar zu machen und das Ergebnis dieses Verfahrens, das im Volksentscheid beschlossene Gesetz, mit derselben Verbindlichkeit wie ein Parlamentsgesetz auszustatten: „Den Verfahren der unmittelbaren Gesetzgebung bleibt im Wesentlichen nur die Funktion, Defizite der parlamentarischen Gesetzgebung zu mildern oder auszugleichen. Sie eröffnen die Chance der Eindämmung bürgerschaftlicher Entfremdung, indem sie die öffentliche Thematisierung von Problemen ermöglichen, die im parlamentarischen Bereich vernachlässigt worden sind“.9

In diesem Sinne stellen mithin die Instrumente Volksbegehren und Volksentscheid ein Minimum an „Waffengleichheit“ zwischen dem in der konkreten Sachfrage mit der parlamentarischen Arbeit nicht einverstandenen Volk als Souverän und dem Par-

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Vgl. etwa § 17a Abs. 3 GemO RLP: 3 Jahre. BremStGH, 14. 2. 2000 – St 1/98, juris, Rn. 90. 7 Vgl. HambVerfG, 13. 10. 2016 – 2/16, juris, Rn. 222. 8 BayVerfGH, 31. 3. 2000 – Vf. 2-IX-00, juris, Rn. 148; BremStGH, 14. 2. 2000 – St 1/98, juris, Rn. 90; HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 71; M. Rossi/S.-C. Lenski, DVBl. 2008, 416 (417). 9 BremStGH, 14. 2. 2000 – St 1/98, juris, Rn. 90. 6

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lament als „Regel-Gesetzgeber“ her.10 Vermittelt wird diese „Waffengleichheit“ durch die Eröffnung der Nutzung der spezifischen Form des förmlichen Gesetzes durch das abstimmende Volk, das bereits kraft Bundesverfassung mit einer besonderen Bindungswirkung ausgestattet ist (Art. 20 Abs. 3 GG –, zur Geltung für die Länder, vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG). Durch die Eröffnung dieser spezifischen Form wird das durch Volksentscheid beschlossene Gesetz den für diese Form geltenden rechtlichen Regeln unterstellt.11 Insoweit macht bereits Art. 20 Abs. 3 GG deutlich, dass zwar die vollziehende Gewalt sowie die Rechtsprechung an das Gesetz gebunden sind, die Gesetzgebung hingegen nur der Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung unterliegt. Daher ist es im Ergebnis zutreffend, wenn ganz überwiegend davon ausgegangen wird, dass ein durch Volksentscheid beschlossenes Gesetz durch das Parlament unter denselben Voraussetzungen geändert oder aufgehoben werden kann wie ein vom Parlament selbst beschlossenes Gesetz.12 Ein erhöhter Änderungsschutz eines durch Volksentscheid beschlossenen Gesetzes könnte nur in der Verfassung selbst verankert werden.13 Diese Änderbarkeit des volksbeschlossenen Gesetzes durch das Parlament ändert nichts daran, dass neben der Rechtsprechung auch die vollziehende Gewalt – einschließlich der Regierung – in vollem Umfang an dieses Gesetz gebunden ist, solange es nicht durch das Parlament geändert oder aufgehoben worden ist. b) (Andere) Gegenstände der politischen Willensbildung Während sich die Bindung der Exekutive an den Volksentscheid bei einem durch Volksentscheid beschlossenen Gesetz bereits aus der Wahl der Form des Gesetzes ergibt, ist dies bei einem Volksentscheid über einen sonstigen Beschluss zu Gegenständen der politischen Willensbildung, die im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit des Berliner Parlaments liegen (vgl. Art. 62 Abs. 1 S. 2 VvB), nicht der Fall. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs Berlin ist ein Volksentscheid über Gegenstände der politischen Willensbildung im Sinne von Art. 62 Abs. 1 S. 2 VvB einem schlichten Parlamentsbeschluss gleichzustellen, der für den Senat von Berlin 10

Vgl. BayVerfGH, 31. 3. 2000 – Vf. 2-IX-00, juris, Rn. 176: Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen repräsentativer und plebiszitärer Demokratie. 11 M. Martini, Wenn das Volk (mit)entscheidet … Wechselbeziehungen und Konfliktlinien zwischen direkter und indirekter Demokratie als Herausforderung für die Rechtsordnung, 2011, S. 82. 12 BayVerfGH, 19. 1. 1994 – Vf. 89-III-92 u. a., juris, Rn. 89, 93; 31. 3. 2000 – Vf. 2-IX-00, juris, Rn. 147; VerfGH Bln, 6. 10. 2009 – 143/08, juris, Rn. 108; VerfGH Bln, 6. 10. 2009 – 63/ 08, juris, Rn. 94; HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 71; VG Schleswig, NVwZ-RR 2000, 434; M. Borowski, Parlamentsgesetzliche Änderungen volksbeschlossener Gesetze, DÖV 2000, 481 (483 ff.); M. Möllers/R. van Ooyen, ZfP 2000, 458 (464); M. Rossi/S.-C. Lenski, DVBl. 2008, 416 (418 f.); Enger M. Jacobsen, Zur Verbindlichkeit der Volksgesetzgebung, DÖV 2007, 949 (959 f.): Möglichkeit der Änderung durch das Parlament nur bei wesentlicher Änderung der Sach- und Rechtslage. 13 VG Schleswig, NVwZ-RR 2000, 434; M. Martini (o. Fn. 11), S. 83.

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keinerlei Bindungswirkungen erzeuge.14 Zur Begründung weist der Gerichtshof darauf hin, dass sich aus der Gleichrangigkeit von Volkswillensbildung und parlamentarischer Willensbildung ergebe, dass ein solcher, durch Volksentscheid getroffener Beschluss nicht mehr Rechtswirkungen zu erzeugen vermöge als ein schlichter Parlamentsbeschluss. Da der Senat bei der Erfüllung seiner verfassungsmäßigen Aufgaben nicht durch Vorgaben seitens des Abgeordnetenhauses gebunden werden könne, und zwar nicht einmal dann, wenn es sich um grundlegende Entscheidungen des Senats handele, sei ein durch Volksentscheid getroffener (sonstiger) Beschluss allein von politischer Qualität.15 Akzeptiert man die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Prämissen des Verfassungsgerichtshofs, so wird man dieser Entscheidung zustimmen können. Allerdings sind diese Prämissen durchaus voraussetzungsreich und werden vom Verfassungsgerichtshof selbst nicht hinterfragt: - Ein Parlamentsbeschluss bindet die Regierung in keinem Fall. - Der durch Volksentscheid getroffene Beschluss ist gerade einem schlichten Parlamentsbeschluss ohne rechtliche Wirkungen gegenüber der Regierung gleichzustellen. aa) Bindungswirkung eines Parlamentsbeschlusses Das Grundgesetz kennt für bestimmte Konstellationen einen Parlamentsvorbehalt, der weder mit dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes vollständig identisch16 ist noch ausnahmslos eine Entscheidung des Parlaments gerade in der Form eines formellen Gesetzes fordert. Zwar ist es zutreffend, dass sich verfassungsrechtlich kein allgemeiner Parlamentsvorbehalt ableiten lässt, der alle für das Gemeinwesen wesentliche Entscheidungen dem Parlament vorbehalten würde.17 Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht es für die Zustimmung des Bundestags zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr anerkannt, dass hierfür ein nicht in der Form eines Gesetzes ergehender Parlamentsbeschluss getroffen werden kann, der für die Bundesregierung bindend ist.18 Dies belegt, dass eine Bindungswirkung von Parla-

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VerfGH Bln, 27. 10. 2008 – 86/08, juris, Rn. 79. VerfGH Bln, 27. 10. 2008 – 86/08, juris, Rn. 79. Zustimmend P. Michaelis-Merzbach, in: Driehaus (Hrsg.), Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2009, Art. 62 Rn. 3; im Ergebnis ebenso M. Kloepfer/F. Schärdel, Die Perspektiven der Volksgesetzgebung, DVBl. 2008, 1333 (1335); M. Müller, Bindungswirkungen von Volksentscheiden am Beispiel des Volksentscheides „Tempelhof muss Verkehrsflughafen bleiben!“, LKV 2008, 451 (452 ff.); M. Rossi/S.-C. Lenski, DVBl. 2008, 416 (419). 16 Vgl. M. Sester, Der Parlamentsbeschluß, 2007, S. 143 ff. 17 M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 88. 18 Grundlegend BVerfGE 90, 286 (381 ff.). 15

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mentsbeschlüssen gegenüber der Regierung nicht von vornherein ausgeschlossen ist, es vielmehr auf die spezifische verfassungsrechtliche Konstellation ankommt.19 bb) Bindungswirkung eines Volksentscheids Die weitere vom Verfassungsgerichtshof Berlin zugrunde gelegte Prämisse geht davon aus, dass der durch Volksentscheid getroffene Beschluss gerade einem schlichten Parlamentsbeschluss ohne rechtliche Wirkungen gegenüber der Regierung gleichzustellen sein soll. Zwar ist es zutreffend, dass Volksentscheid und Beschluss des Parlaments gleichrangig sind (dazu oben II.1.a)) und dass ein schlichter Parlamentsbeschluss keine Bindungswirkung für die Regierung erzeugt.20 Jedoch zwingt dies nicht zu dem Schluss, dass auch die Wirkungen des Volksentscheids über Gegenstände der politischen Willensbildung denen eines solchen schlichten Parlamentsbeschlusses gleichrangig und gleichzustellen sind. Vielmehr ist die Frage des Bestehens einer Bindungswirkung eines Volksentscheids über Gegenstände der politischen Willensbildung aus den hierfür geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben heraus zu bestimmen. Wie der Bayrische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21. 11. 2016 deutlich gemacht hat, beinhaltet eine verfassungsrechtliche Regelung, die eine Teilhabe der Bürger an der Ausübung der Staatsgewalt durch „Abstimmungen“ vorsieht, dass es sich dabei um die Erzeugung verbindlicher Ergebnisse durch das Volk selbst handelt.21 In exakt dieser Weise aber ist Art. 2 Abs. 1 S. 2 VvB gefasst, wonach die Ausübung des Volkswillens durch Wahl zur Volksvertretung und durch Abstimmung erfolgt. Dem entspricht das Instrument des Volksentscheids: Ein Entscheid, der nichts entscheidet, ist ein Widerspruch in sich. Dementsprechend sind Formen der Beteiligung des Volkes an der Staatswillensbildung, die nicht auf die Herbeiführung einer verbindlichen Entscheidung, sondern auf die Formulierung einer politischen Position gegenüber den staatlichen Organen gerichtet sind, gegenüber dem Volksentscheid ein Aliud, das einer gesonderten verfassungsrechtlichen Regelung bedarf.22 Diesen Anforderungen genügt beispielsweise Art. 61 VvB betreffend die keine Entscheidung des Volkes, sondern eine Befassung des Parlaments herbeiführende Volksinitiative.23 Für die auf kommunaler Ebene durchgeführten Bürgerentscheide ist es dementsprechend selbstverständlich, dass ihnen eine rechtliche Bindungswirkung inne-

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Hierauf weisen auch M. Kloepfer/F. Schärdel, DVBl. 2008, 1333 (1336) hin. ThürVerfGH, 2. 2. 2011 – 20/09, juris, Rn. 42; VerfGH Bln, 22. 11. 2005 – 217/04, juris, Rn. 48; M. Sester (o. Fn. 16), S. 27 ff. 21 BayVerfGH, 21. 11. 2016 – Vf. 15-VIII-14, Vf. 8-VIII-15, juris, Rn. 101. 22 BayVerfGH, 21. 11. 2016 – Vf. 15-VIII-14, Vf. 8-VIII-15, juris, Rn. 104; ebenso M. Martini, Die Bürger-/Volksbefragung als Baustein der Demokratie, DÖV 2015, 981 (984 f.); M. Möstl, Der Streit um Volksbefragungen in Bayern, BayVBl. 2015, 217 (219 ff.). 23 E. R. Zivier, Verfassung und Verwaltung von Berlin, 4. Aufl. 2008, Rn. 57.1.4. 20

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wohnt.24 Eine entsprechende Regelung für Volksentscheide enthält Art. 50 Abs. 4a S. 1 der Verf.Hamb. Nach dieser Bestimmung bindet ein Volksentscheid, der kein Gesetz, sondern bestimmte Gegenstände der politischen Willensbildung betrifft, sowohl das Parlament als auch die Landesregierung. Gestützt wird dieses Ergebnis, rekurriert man auf die durch Volksbegehren und Volksentscheid intendierte „Waffengleichheit“ zwischen dem in der konkreten Sachfrage mit der parlamentarischen Arbeit nicht einverstandenen Volk als Souverän und dem Parlament (oben II.1.a)). Wesentliches Element dieser Waffengleichheit ist gerade die durch den Volksentscheid dem Volk eröffnete Möglichkeit, Verbindlichkeit in einer Sachfrage herzustellen. Von – ohnehin lediglich temporärer – Herstellung von Waffengleichheit kann nur dann die Rede sein, wenn der in einem sehr aufwändigen Verfahren herbeigeführte und daher über dieselbe Sachfrage kaum wiederholbare Volksentscheid nicht durch einfaches Ignorieren des Volkswillens überspielt werden kann.25 Eine Bindung lediglich des Parlaments entspricht im Regelfall nicht der Systematik der verschiedenen Instrumente der Volkswillensbildung. Ein einem Parlamentsbeschluss gleichzustellender Volksentscheid über einen anderen Gegenstand als einen Gesetzentwurf kann für das Parlament keine höhere Verbindlichkeit im Sinne einer Unabänderlichkeit erzeugen als ein Volksentscheid über ein förmliches Gesetz. Da ein durch Volksentscheid beschlossenes Gesetz durch Gesetzesbeschluss des Parlaments geändert oder aufgehoben werden kann (oben II.1.a)), muss dementsprechend auch ein Volksentscheid über einen anderen Gegenstand durch Parlamentsbeschluss änder- und aufhebbar sein.26 Umgekehrt ist aber der Volksentscheid über einen anderen Gegenstand als einen Gesetzentwurf kein „Volksentscheid zweiter Klasse“, sondern ist verbindlich und erzeugt Bindungswirkung für die adressierten Staatsorgane.27 Würde nur das Parlament durch einen Volksentscheid gebunden, so wäre der Volksentscheid nicht mehr als ein Befassungsimpuls für das Parlament, sich mit dem betreffenden Gegenstand zu befassen. Zur Herbeiführung einer solchen Befassung steht jedoch das Instrument der Volksinitiative (Art. 61 VvB) zur Verfügung. Zutreffend ist allerdings, dass nicht jeder Volksentscheid über Gegenstände der politischen Willensbildung a priori die Regierung bindet.28 Noch vor Einfügung des bereits erwähnten Art. 50 Abs. 4a S. 1, der die Bindung des Senats an einen 24

Vgl. nur OVG Koblenz, 3. 3. 2017 – 10 D 10454/17, juris, Rn. 3. M. Martini (o. Fn. 11), S. 84 f.; vgl. auch A. Greifeld, Volksentscheid durch Parlamente, 1983, S. 67. 26 Ebenso H. P. Bull, Der Volksentscheid: unverbindlich und folgenlos?, NordÖR 2005, 99 (101), mit der weiteren Voraussetzung, dass eine Änderung der Sachlage oder ein anderer wichtiger Grund einen von dem Volksentscheid abweichenden Parlamentsbeschluss fordern müssen. Ebenso M. Kloepfer/F. Schärdel, DVBl. 2008, 1333 (1338): Gemeinwohl muss Handeln dringend erforderlich machen. 27 K. Engelken, Kann ein Volksbegehren Sperrwirkung für Gesetzgebung und Regierung haben?, DVBl. 2005, 415 (419 f.). 28 HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 60. 25

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Volksentscheid über eine andere Vorlage als eine Gesetzesvorlage zum Ausdruck bringt, in die Verfassung Hamburgs hat das Hamburger Verfassungsgericht hinsichtlich der Bindungswirkung danach unterschieden, ob es sich bei dem Volksentscheid lediglich um eine Aufforderung an den Senat oder um die inhaltliche Entscheidung einer Sachfrage handelt.29 Darüber hinaus muss der Verpflichtungsadressat ebenso erkennbar sein wie der Inhalt der Verpflichtung.30 Die in dem Volksentscheid am 24. 9. 2017 zur Abstimmung gestellte Formulierung (oben I.) benennt zunächst eindeutig das Staatsorgan, das durch den Volksentscheid gebunden werden soll, nämlich den Berliner Senat. Bei einer Wortlautbetrachtung im engeren Sinne würde es sich bei der zur Abstimmung gestellten Formulierung um eine bloße Aufforderung an den Berliner Senat handeln, tätig zu werden. Bei Zugrundelegung einer solchen Betrachtung könnte der Volksentscheid keine Bindungswirkung gegenüber dem Senat erzeugen. Allerdings ist die auf dem Abstimmzettel verwendete Formulierung in dem Sinne zugrunde zu legen, wie sie von der abstimmenden Bevölkerung verstanden werden musste. Insoweit ist eindeutig, dass kein Auftrag an den Senat formuliert wurde, Möglichkeiten zum Abrücken von der bisherigen Schließungsabsicht zu prüfen. Vielmehr formuliert der Abstimmungstext unmissverständlich die durch ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ zu beantwortende Frage, ob der Flughafen Berlin-Tegel als Verkehrsflughafen weiterbetrieben werden soll oder nicht. Ein „Ja“ bringt daher die Entscheidung für einen Weiterbetrieb zum Ausdruck. Hieraus ergibt sich erst auf einer zweiten Stufe die Aufforderung an den Senat, die diesbezüglich erforderlichen Schritte einzuleiten, also eine Handlungspflicht. Diese Zweistufigkeit liegt in der Natur der Sache, weil konkrete luftverkehrsrechtliche Entscheidungen, insbesondere mit Blick auf ein eventuelles Planfeststellungsverfahren, nur von der Exekutive, nicht aber durch das Parlament und deshalb auch nicht durch Volksentscheid getroffen werden können.31 Konkrete Verfahrensschritte können dem Senat daher durch Volksentscheid nicht vorgegeben werden. Dies ändert jedoch nichts an der Verbindlichkeit der Entscheidung, dass der Flughafen Tegel weiterbetrieben werden soll und der Senat alle diesbezüglichen Schritte unternehmen muss.32 cc) Hilfsweise Erwägung: Organtreue Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Volksentscheid auch dann nicht ohne Wirkungen für die Berliner Landesregierung bliebe, wenn man eine Bindungswirkung im vorgenannten Sinne verneinen würde. Ausgehend von dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten verfassungsrechtlichen Grund29

HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 59. K. Engelken, DVBl. 2005, 415 (419 f.). 31 Vgl. HessStGH, 14. 1. 1982 – P.St.947, juris, Rn. 117. 32 Zur „Vollzugspflicht“ im Sinne der Pflicht, ausführende Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Entscheid nur über das „Ob“ entschieden hat, F.-J. Peine/T. Starke, Rechtsprobleme beim Vollzug von Bürgerentscheiden, DÖV 2007, 740 (741). 30

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satz der Organtreue33 sind die durch einen Volksentscheid adressierten staatlichen Organe verpflichtet, bei ihren eigenen Entscheidungen im Bereich der zum Volksentscheid gestellten Sachfrage nicht leichtfertig über den im Volksentscheid zum Ausdruck gekommenen Willen des Volkes hinwegzugehen, sondern müssen diesen würdigen und danach ihre Abwägung über die eigene Entscheidung vornehmen.34 Dies gilt nicht nur bei Volksentscheiden über Gesetze, sondern auch bei Volksentscheiden über andere Gegenstände der politischen Willensbildung,35 und ergibt sich notwendig aus dem Grundsatz der Gleichrangigkeit von Volkswillensbildung und parlamentarischer Willensbildung: Kann von den Bürgern erwartet werden, sich „sowohl im Vorfeld einer Abstimmung als auch in der öffentlichen Diskussion um den Vollzug beziehungsweise die Änderung oder Aufhebung eines Volksgesetzes mit den Argumenten von Senat und/oder Abgeordnetenhaus auseinanderzusetzen“,36 so muss Entsprechendes umgekehrt auch für Senat bzw. Abgeordnetenhaus gelten. Wird diese Würdigung und Abwägung sachgerecht und willkürfrei vorgenommen, so ist das Prinzip der Organtreue nicht verletzt, wenn das betreffende Verfassungsorgan von einer von der im Volksentscheid zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Volkes abweicht.37 Hieraus folgt zunächst zweierlei: - Erstens ergibt sich aus dem Grundsatz der Organtreue keine eigentliche Bindungswirkung für Parlament und Regierung, sondern lediglich eine Pflicht zur Auseinandersetzung mit dem im Volksentscheid zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes und der Berücksichtigung bei der eigenen Entscheidungsfindung. - Insbesondere dann, wenn der Volksentscheid einen Auftrag zum Tätigwerden für andere Verfassungsorgane enthält, zeitigt das Prinzip der Organtreue zweitens die Konsequenz, dass eine Auseinandersetzung mit dem Willen des Volkes und den Folgen für die eigene Entscheidungsfindung des Verfassungsorgans auch tatsächlich in der gebotenen Tiefe erfolgen muss. Eine bloße „Erledigung durch Liegenlassen“ genügt diesen Anforderungen nicht. Allerdings erschöpft sich das Prinzip der Organtreue hierin noch nicht. Die Rücksichtnahmepflicht als Kern der Organtreue würde sinnentleert, wenn nicht die unterschiedlichen Ausgangs- und Funktionsbedingungen der durch die Organtreue Verpflichteten im Sinne einer Waffengleichheit berücksichtigt würden. Da das Volk zu einer Wiederholung eines Volksentscheids über dieselbe Sachfrage nur sehr selten in der Lage sein wird, entspricht es zumindest einer Annäherung an einen gleichrangigen öffentlichen Diskurs, dass das Volk die Gründe, aus denen Parlament und/oder 33

Vgl. nur BVerfGE 45, 1 (39); BVerfGE 89, 155 (191); BVerfGE 90, 286 (337). HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 76; HambVerfG, 27. 4. 2007 – 4/06, juris, Rn. 95 ff.; VerfGH Bln, 27. 10. 2008 – 86/08, juris, Rn. 80; P. M. Huber, Parlamentarische und plebiszitäre Gesetzgebung im Widerstreit, ZG 2009, 311 (320 ff.); M. Kloepfer/F. Schärdel, DVBl. 2008, 1333 (1338). 35 M. Rossi/S.-C. Lenski, DVBl. 2008, 416 (424). 36 VerfGH Bln, 6. 10. 2009 – 143/08, juris, Rn. 108. 37 HambVerfG, 15. 12. 2004 – 6/04, juris, Rn. 80. 34

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Regierung ggf. von dem Volksentscheid abweichen, kennt und würdigen kann. Daher obliegt den von dem im Volksentscheid zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes abweichenden Verfassungsorganen unter dem Gesichtspunkt der Organtreue eine gesteigerte Begründungspflicht des Inhalts, dass im Einzelnen eine „Auseinandersetzung mit den Realisierungsinteressen des im erfolgreichen Volksentscheid zum Ausdruck kommenden Volkswillens“ erfolgen muss.38 2. Inhaltliche Bindungen Wie dargelegt betrifft die Frage der inhaltlichen Bindung eines Volksentscheids die Reichweite der Bindungswirkung des Volksentscheids einschließlich der dieser gesetzten Grenzen (oben II.). Die Reichweite der inhaltlichen Bindungswirkung bestimmt sich in erster Linie nach Inhalt und Fassung des Volksentscheids. Ergeben sich hieraus Handlungspflichten für ein Verfassungsorgan, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und inwieweit der Erfüllung dieser Handlungspflicht Grenzen gesetzt sind. Explizite Grenzen ergeben sich bereits unmittelbar aus Art. 62 Abs. 2 VvB: Soweit entgegen der dortigen Beschränkung ein Volksbegehren und im Anschluss ein Volksentscheid durchgeführt werden würden, die den Senat zu Landeshaushalt, Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben, Tarifen öffentlicher Unternehmen oder Personalentscheidungen in dem von dieser Norm gemeinten Sinne betreffenden Maßnahmen veranlassen sollen, wäre der Senat an einer Erfüllung der Handlungspflicht rechtlich gehindert. Entsprechendes gilt, wenn die Umsetzung eines Volksentscheids zu Verstößen gegen die Bestimmungen der (Landes-)Verfassung39 oder des Grundgesetzes, soweit sie von der Landesgesetzgebung zu beachten sind,40 führen würden. Zu letzteren zählen u. a. die Vorschriften über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern41 und über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen.42 Darüber hinaus ist auch die Volksgesetzgebung mittels Volksentscheids an den Vorrang des Bundesrechts vor Landesrecht nach Art. 31 GG sowie an die durch das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch für das Landesverfassungsrecht vorgegebenen, identitätsstiftenden und daher auch durch eine Verfassungsänderung

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M. Martini (o. Fn. 11), S. 84 f. Im Ergebnis wohl ebenso P. M. Huber, ZG 2009, 311 (330). 39 HessStGH, 14. 1. 1982 – P.St.947, juris, Rn. 93; BayVerfGH, 17. 11. 1994 – Vf. 96-IX-94 u. a., juris, Rn. 399 ff.; VerfG Brb, 15. 9. 1994 – 2/93, juris, Rn. 11; ThürVerfGH, 19. 9. 2001 – 4/01, juris, Rn. 123; HambVerfG, 13. 10. 2016 – 2/16, juris, Rn. 210. 40 HessStGH, 14. 1. 1982 – P.St.947, juris, Rn. 94. 41 HessStGH, 14. 1. 1982 – P.St.947, juris, Rn. 94; VerfGH NRW, 13. 2. 1987 – 18/86, juris, Rn. 25; VerfG Brb, 15. 9. 1994 – 2/93, juris, Rn. 11; VerfGH Bln, 6. 10. 2009 – 63/08, juris, Rn. 59 ff. 42 HessStGH, 14. 1. 1982 – P.St.947, juris, Rn. 95.

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nicht änderbaren Grundsätze43 eines republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats gebunden.44 Soweit nicht diese nicht zur Disposition des Landes stehenden bundesverfassungsrechtlichen oder unverrückbare Regelungen des Landesverfassungsrechts45 berührt sind, ist allerdings zu beachten, dass die Notwendigkeit, bei Erfüllung einer durch einen Volksentscheid formulierten Handlungspflicht die Landesverfassung zu ändern, jedenfalls in Berlin der Reichweite der Bindungswirkung keine Grenzen setzt. Denn seit der Änderung der Verfassung von Berlin im Jahre 2006 kann durch Volksentscheid auch eine Verfassungsänderung erfolgen (Art. 63 Abs. 2 VvB).46 Des Weiteren kommt es nicht auf die Frage an, ob die nach dem Volksentscheid seitens der Landesregierung zu ergreifenden Maßnahmen die Änderung von Landesgesetzen erfordern würden oder nicht. Dass die Befolgung eines nicht auf den Erlass eines Gesetzes gerichteten Volksentscheids die Konsequenz des Erlasses bzw. der Änderung von Gesetzen zeitigt, ändert nichts an der Zulässigkeit des zugrundeliegenden Volksbegehrens noch an den Wirkungen des Volksentscheids.47 Ungeklärt ist die Frage, ob es weitere Grenzen der Reichweite der Bindungswirkung eines Handlungspflichten statuierenden Volksentscheids geben kann. Zu denken ist insoweit an eine Unmöglichkeit der Erfüllung der Handlungspflicht. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Handlungspflicht handelt und kein Erfolg geschuldet ist. Die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit der Erreichung des Erfolgs, d. h. des durch den Volksentscheid formulierten Ziels (hier: des Weiterbetriebs des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen), kann grundsätzlich kein Maßstab für die Erfüllung der Handlungspflicht sein. Eine Ausnahme hiervon muss jedoch dann gelten, wenn die Erreichung des Ziels, dessen Verwirklichung die Handlungen dienen soll, schlechterdings, d. h. objektiv, unmöglich ist. Die Vornahme von vornherein sinnlosen Handlungen kann nicht gefordert sein. Eine solche objektive Unmöglichkeit liegt zunächst dann vor, wenn die Verwirklichung des mit dem Volksentscheid verfolgten Ziels aus Rechtsgründen unmöglich ist. Die diesbezüglich geltenden Grundsätze sind bereits dargestellt worden. Nicht zur rechtlichen Unmöglichkeit führt daher die Notwendigkeit, dass zur Zielerrei43

HambVerfG, 13. 10. 2016 – 2/16, juris, Rn. 211. BremStGH, 14. 2. 2000 – St 1/98, juris, Rn. 5; ThürVerfGH, 19. 9. 2001 – 4/01, juris, Rn. 123; VerfGH Bln, 6. 10. 2009 – 143/08, juris, Rn. 102; HambVerfG, 13. 10. 2016 – 2/16, juris, Rn. 223 f. Zur Bindung an die Grundsätze der demokratischen Ordnung BayVerfGH, 31. 3. 2000 – Vf. 2-IX-00, juris, Rn. 143. Zur Bindung an das Rechtsstaatsprinzip BayVerfGH, 13. 4. 2000 – Vf. 4-IX-00, juris, Rn. 145; HambVerfG, 13. 10. 2016 – 2/16, juris, Rn. 216. 45 ThürVerfGH, 19. 9. 2001 – 4/01, juris, Rn. 127. 46 Entsprechend für die Rechtslage in Bayern C. Schultes, Die verfassungsändernde Volksgesetzgebung in Bayern, 2006, S. 59 ff., in Hamburg HambVerfG, 13. 10. 2016 – 2/16, juris, Rn. 154, und in Thüringen ThürVerfGH, 19. 9. 2001 – 4/01, juris, Rn. 125. 47 Zur ähnlichen Rechtslage nach Art. 50 Verf. Hamb. vgl. HambVerfG, 22. 4. 2005 – 5/04, juris, Rn. 75. Zur Diskussion unter der anders gefassten Bayerischen Verfassung vgl. BayVerfGH, 21. 11. 2016 – Vf. 15-VIII-14 u. a., juris, Rn. 79. 44

Volksentscheide über planfeststellungspflichtige Vorhaben

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chung die Änderung von Landesgesetzen einschließlich der Verfassung erforderlich wäre. Die Frage, ob es eine objektive Unmöglichkeit auch aus anderen als rechtlichen Erwägungen heraus geben kann, bezieht sich auf tatsächliche Hindernisse für eine Erreichung des mit dem Volksentscheid verfolgten Ziels. Insoweit denkbar wären insbesondere politische Gründe oder finanzielle Restriktionen, welche die Erreichung jenes Ziels faktisch ausschließen. Auch derartigen tatsächlichen Hindernissen kann eine Relevanz im Sinne einer objektiven Unmöglichkeit nicht von vornherein abgesprochen werden. Ein Beispiel könnten möglicherweise finanzielle Folgen sein, die sämtliche sonstige staatliche Aufgabenerfüllung über lange Zeit vollständig zum Erliegen bringen würden. Gegenbeispiel sind finanzielle Folgen eines Volksentscheids, die zu bloßen politischen Präferenzverschiebungen führen würden. Denn in diesem Fall läge keine objektive, sondern allenfalls eine subjektive Unmöglichkeit für die derzeitige Regierung vor, welche jedoch – wie ausgeführt – für die Erfüllung einer Handlungspflicht irrelevant ist. Entsprechendes gilt für angenommene politische Hindernisse auf dem Weg zur Erreichung des Ziels. Ernsthaft auszuloten, ob diese tatsächlich unüberwindbar sein werden oder ob politische Kompromisse denkbar sind, ist gerade Inhalt der Handlungspflicht. 3. Handlungspflichten des Berliner Senats aus dem Volksentscheid vom 24. 9. 2017 Nach den vorstehend erarbeiteten Ergebnissen (oben II. 1.) muss der Senat von Berlin alles ihm Mögliche unternehmen, damit der Flughafen Berlin-Tegel offen gehalten werden kann, und zwar auch dann, wenn dies weder der politischen Bewertung noch den planerischen Vorstellungen der Landesregierung entsprechen sollte. Der Senat ist deshalb gehalten, nicht allein Risiken aufzuzeigen, die bei einem Weiterbetrieb des Flughafens drohen könnten und auch nicht ergebnisoffen die Möglichkeiten und notwendigen Schritte eines Weiterbetriebs zu prüfen. Vielmehr zeitigt der Volksentscheid die Konsequenz, dass der Senat diese Prüfung mit positiven Vorzeichen, d. h. mit einem Willen zur Verwirklichung durchführen muss. Inwieweit politische, finanzielle oder rechtliche Hindernisse für die Verwirklichung des durch den Volksentscheid vorgegebenen Ziels reichen und durch welche Maßnahmen sie überwindbar sind, ist Ergebnis dieser eingehenden, verwirklichungsorientierten Prüfung. Diesbezügliche, nach sehr kursorischer Prüfung formulierte Annahmen können dementsprechend nicht bereits die Prüfung als solche verhindern. Wie dargelegt ist die Grenze der Handlungspflicht des Senats dort erreicht, wo Gründe vorliegen, die die Verwirklichung des durch den Volksentscheid vorgegebenen Ziels, den Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel, objektiv unmöglich machen. Derzeit könnten es nur rechtliche Gesichtspunkte sein, die einen Weiterbetrieb des Flughafens objektiv unmöglich machen und hierauf gerichtete Handlungspflichten des Senats ausschließen.

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Dabei mag allein der Umstand, dass seitens verschiedener Senatsverwaltungen binnen mehrerer Monate drei (!) Rechtsgutachten48 zu immer den gleichen Rechtsfragen eingeholt worden sind – was als sehr ungewöhnlicher Vorgang bezeichnet werden darf –, darauf hindeuten, dass auch aus Sicht des Senats die sich stellenden Rechtsfragen nicht eindeutig beantwortet werden können. Sowohl diese drei Rechtsgutachten als auch zwei wissenschaftliche Veröffentlichungen49 als auch ein von einer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus beauftragtes Rechtsgutachten50 kamen – mit unterschiedlichen Begründungen – zu dem Ergebnis, dass von einer objektiven Unmöglichkeit des Weiterbetriebs nicht ausgegangen werden könne. Das gleiche Ergebnis zeitigte eine vom Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses am 9. 5. 2018 durchgeführte Sachverständigenanhörung. III. Das Ende vom Lied: Wen interessiert schon ein Volksentscheid? Es mag vom politischen Standpunkt abhängen, ob man die Weigerung des Berliner Senats, dem Willen des Volkes zu folgen, als konsequente Folge der grundsätzlichen Entscheidung für ein parlamentarisches Demokratiesystem oder als einen der Gründe für die dramatisch zunehmende Politikverdrossenheit ansieht. Aus wissenschaftlicher Sicht bleibt zu konstatieren, dass auch die Partizipationsdiskussion der letzten Jahre wie schon frühere ähnliche Debatten im zyklischen Themental der Politik zu verschwinden droht. Umso wichtiger ist es, dass die Rechtswissenschaft über Säulen verfügt, die wie Wilfried Erbguth uneitel und unaufgeregt Grundlagen gelegt haben und sicher weiter legen werden.

48 R. Geulen, Planungs- und immissionsschutzrechtliche Fragestellungen bei einem Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel – Kurzgutachten, Sept. 2017, https://www.berlin.de/sen/just va/_assets/gutachten-tegel.pdf; J. Kipp, Stellungnahme zu den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Risiken einer über die bisherige Festsetzung hinausgehenden Offenhaltung des Verkehrsflughafens Berlin Tegel, Sept. 2017, https://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/pressemittei lungen/pressemitteilung.630224.php; S. Paetow, Rechtsgutachten zum Umgang des Senats von Berlin mit dem Ergebnis des Volksentscheids „Berlin braucht Tegel“, Jan. 2018, https://www.ber lin.de/rbmskzl/_…/paetow-rechtsgutachten-volksentscheid-tegel.pdf. 49 S. Kluckert, Rechtliche Perspektiven für den Weiterbetrieb des Verkehrsflughafens Berlin-Tegel, DÖV 2013, 874 ff.; B. Schirmer, Die Offenhaltung des Flughafens Berlin-Tegel – Eine rechtliche Herausforderung, DVBl. 2018, 17 ff. 50 J. Ziekow, Rechtsgutachten zu den Fragen, welche Wirkungen der Volksentscheid vom 24. Sept. 2017 betr. Weiterbetrieb des Flughafens Tegel zeitigt und welche Möglichkeiten zur Änderung des landesplanerisch festgelegten Single Airport-Konzepts bestehen, 19. 2. 2018, http://www.fdp-fraktion.berlin/wp-content/uploads/2018/04/Ziekow_Rechtsgutachten_Tegel. pdf.

II. Europarecht

Verhältnismäßigkeit, gute Verwaltung, Bestimmtheit und Vertrauensschutz als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts Von Hans D. Jarass Das Infrastrukturrecht befasst sich mit den für jedes Gemeinwesen so essentiellen Infrastruktureinrichtungen der Bereiche Energie, Wasser, Kommunikation, Verkehr und Entsorgung. Dabei spielt auch das Recht der Europäischen Union eine bedeutsame Rolle, mag die Rolle auch in den verschiedenen Teilbereichen unterschiedlich ausfallen. Folglich ist es für das Infrastrukturrecht (wie für viele andere Rechtsgebiete) von bedeutsamer Relevanz, wie weit das Unionsrecht grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen wie der Verhältnismäßigkeit und der guten Verwaltung, der Bestimmtheit von Normen und dem Vertrauensschutz Rechnung trägt, auch soweit die Grundrechte-Charta nicht zur Anwendung kommt, etwa weil sich die betreffenden Einrichtungen nicht auf Grundrechte berufen können. Dem soll im Folgenden, gestützt auf die Rechtsprechung des EuGH, nachgegangen werden. I. Grundlagen 1. Das Unionsrecht beruht nicht allein auf geschriebenen Rechtsquellen; vielmehr gibt es auch ungeschriebene Rechtsquellen. Insoweit sind vor allem die „allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts“ bedeutsam, die vom EuGH entfaltet wurden und werden.1 So hat der Gerichtshof eine Vielzahl von Grundrechten als allgemeine Rechtsgrundsätze entwickelt, die auch nach Erlass der Grundrechte-Charta fortgelten, wie Art. 6 Abs. 3 EUV zu entnehmen ist.2 Darüber hinaus hat er ebenfalls seit vielen Jahren – und das soll im Folgenden interessieren – Rechtsgrundsätze herausgearbeitet, die nicht als Grundrechte bezeichnet und eingestuft werden, gleichwohl aber (wie die Grundrechte) dem Betroffenen ein subjektives Recht gegen die Union bzw. die Mitgliedstaaten vermitteln.3

1 K. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 6. Aufl. 2015, § 3 Rn. 96 ff.; T. Oppermann/C. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl. 2016, § 9 Rn. 31 ff. In Art. 340 Abs. 2 AEUV werden sie in Bezug genommen. 2 Dazu H. Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Einl. Rn. 27 ff. 3 Unten I. 2.

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Eine Reihe dieser Grundsätze weisen enge Bezüge zu der in Art. 2 S. 1 EUV festgehaltenen Rechtsstaatlichkeit auf, weshalb man sie als rechtsstaatliche Grundsätze des Unionsrechts bezeichnen kann.4 Dabei geht es insbesondere um den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, um den Schutz der guten Verwaltung, einschließlich des Schutzes der Verteidigungsrechte in Verwaltungsverfahren und um die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Bestimmtheit von Rechtsvorschriften. Die rechtsstaatlichen Rechtsgrundsätze gehören wie die grundrechtlichen Rechtsgrundsätze dem Primärrecht an und haben daher Vorrang vor dem Sekundärrecht.5 Insbesondere ist das Sekundärrecht im Lichte der Grundsätze, also grundsatzkonform auszulegen. Zudem sind Regelungen des Sekundärrechts wie des zur Durchführung ergangenen nationalen Rechts unwirksam bzw. nicht anwendbar, wenn sie gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze verstoßen. Bedeutsam ist schließlich, worauf noch einzugehen sein wird, dass die rechtsstaatlichen Grundsätze auch und gerade dann zum Tragen kommen, wenn die Grundrechte nicht anwendbar sind. 2. Die rechtsstaatlichen Rechte, die allgemeine Grundsätze des Unionsrechts bilden, dürfen nicht mit den im Rahmen der Grundrechte-Charta bedeutsamen Grundsätzen im Sinne des Art. 52 Abs. 5 GRCh verwechselt werden, wie das generell für die von dem EuGH entwickelten Grundsätze des Unionsrechts gilt. Der Unterschied besteht nicht nur darin, dass die Grundsätze des Art. 52 Abs. 5 GRCh in der Charta niedergelegt sind und daher geschriebenes Recht bilden, während die Grundsätze des Unionsrechts den ungeschriebenen Rechtsquellen zuzuordnen sind. Wichtiger ist, dass bei den Grundsätzen des Unionsrechts mit dem Begriff des Grundsatzes die Regelung „als grundlegend“ gekennzeichnet wird, ohne die unmittelbare Wirkung zu beseitigen und den subjektiv-rechtlichen Gehalt zu beschränken.6 In Art. 52 Abs. 5 GRCh sind dagegen Grundsätze gemeint, die der Umsetzung bedürfen und keine subjektiven Rechte auf den Erlass von Maßnahmen enthalten.7 Wenig behandelt ist die Frage, wem das aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen folgende subjektive Recht zusteht, wer es also einklagen kann. Das dürften v. a. Privatpersonen sein, die durch Maßnahmen der Union oder (bei der Durchführung von Unionsrecht) durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten belastet werden. Beim Schutz der guten Verwaltung und beim Schutz der Verteidigungsrechte hat der EuGH selbst den Mitgliedstaaten ein entsprechendes Recht zugestanden.8 Ob und wieweit das auch für andere rechtsstaatliche Grundrechte gilt, ist offen. 4 Vgl. E. Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, 2017, Art. 6 EUV Rn. 58; R. Geiger, in: ders./Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 6. Aufl. 2017, Art. 6 EUV Rn. 59 ff.; R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 6 EUV Rn. 31. 5 Vgl. M. Herdegen, Europarecht, 19. Aufl. 2017, § 8 Rn. 16. 6 EuGH, Rs. C-43/75 – Defrenne, Slg. 1976, 455, Rn. 28 f.; H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 52 Rn. 71. 7 H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 52 Rn. 73 ff. 8 Unten III. 1., 2.

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3. Damit kommen wir zu der Frage, wer durch die rechtsstaatlichen Grundsätze verpflichtet wird. Zunächst verpflichten sie die Organe, Einrichtungen und Stellen der Union. Darüber hinaus binden sie die Mitgliedstaaten (und deren Organe, Einrichtungen und Stellen). Speziell für den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat der EuGH eine nationale Regelung, „die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt oder dieses durchführt“, dem Grundsatz unterworfen.9 Und zu den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit hat der EuGH festgehalten, dass sie dann – und nur dann – zum Tragen kommen, soweit es um die Ausübung von Befugnissen geht, die das Unionsrecht den Mitgliedstaaten einräumt.10 Gleiches muss gelten, wenn die Mitgliedstaaten Pflichten wahrnehmen, die sich aus dem Unionsrecht ergeben. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten und ihrer Stellen wird etwa bedeutsam, wenn nationale Behörden das EU-Kartellrecht oder das EU-Umsatzsteuerrecht anwenden. Für die genaue Reichweite der Verpflichtung der Mitgliedstaaten durch Grundsätze des Unionsrechts dürfte ganz Ähnliches wie für die Grundrechte der Charta gelten, die die Mitgliedstaaten gem. Art. 51 Abs. 1 GRCh verpflichten, soweit es um die „Durchführung von Unionsrecht“ geht. Nun hat sich um das genaue Verständnis dieser Vorgabe ein heftiger Streit entwickelt, auf den hier nicht eingegangen werden soll, zumal er sich in jüngerer Zeit deutlich beruhigt hat, nicht zuletzt deshalb, weil der EuGH insoweit restriktive Vorgaben entwickelt hat. Voraussetzung ist, dass die fragliche Aktivität der Mitgliedstaaten einen „hinreichenden Zusammenhang von einem gewissen Grad“ mit einer Regelung des Unionsrechts aufweist, „der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann“.11 Erforderlich ist ein ausreichend spezifischer Bezug („sufficiently specific link“) zwischen der nationalen Maßnahme und der einschlägigen EU-Norm.12 Insbesondere muss die einschlägige Regelung des Unionsrechts „in dem betreffenden Sachbereich […] Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den im Ausgangsverfahren festgestellten Zusammenhang schaffen“.13 Das muss auch für die hier interessierenden

9 EuGH, Rs. C-206/13 – Siragusa, 6. 3. 2014, Rn. 34; ebenso EuGH, Rs. C-534/06 – Lavorazione Carne, Slg. 2008, I-4129, Rn. 25; EuGH, Rs. C-425/09 – Oordegem, Slg. 2010, I12411, Rn. 65. 10 EuGH, Rs. C-332/14 – Rey, 9. 6. 2016, Rn. 49; ebenso zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit EuGH, Rs. C-418/14 – ROZ-S´WIT, 2. 6. 2016, Rn. 20. 11 EuGH, Rs. C-206/13 – Siragusa, 6. 3. 2014, Rn. 24; EuGH, Rs. C-198/13 – Hernandez, 10. 7. 2014, Rn. 34. 12 C. Ladenburger, in: Laffranque (Hrsg.), Fundamental Rights Post-Lisbon, 2012, S. 163; M. Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte, 4. Aufl. 2014, Art. 51 Rn. 30 b; F. Wollenschläger, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht, 2014, § 8 Rn. 31; T. v. Danwitz, in: Grabenwarter (Hrsg.), Europäischer Grundrechteschutz, 2014, § 6 Rn. 40. 13 EuGH, Rs. C-206/13 – Siragusa, 6. 3. 2014, Rn. 26; EuGH, Rs. C-198/13 – Hernandez, 10. 7. 2014, Rn. 35.

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Grundsätze rechtsstaatlichen Charakters gelten, die allgemeine Grundsätze des Unionsrechts bilden. 4. Die rechtsstaatlichen Grundsätze stehen in einen engen Zusammenhang mit den Grundrechten der Charta der Grundrechte.14 Daher stellt sich die Frage, wie sich das Verhältnis des Näheren gestaltet. Die Regelung des Art. 52 Abs. 2 GRCh ist nicht anwendbar, da die hier interessierenden Grundsätze nicht in den Verträgen enthalten, sondern richterrechtlicher Natur sind. Daher dürften die rechtstaatlichen Grundsätze und die daraus folgenden Rechte neben den Grundrechten der Charta stehen und das jeweils weitergehende Recht zum Einsatz kommen, wie das Art. 53 GRCh nahelegt.15 Im Überschneidungsfall spricht allerdings vieles dafür, die Charta als der geschriebenen Regelung vorrangig anzuwenden, wie das auch für die den allgemeinen Rechtsgrundsätzen entnommenen Grundrechte gilt.16 Beim Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfte der EuGH allerdings eher zu einer Parallelanwendung neigen.17 Anders stellt sich die Situation beim Grundsatz des Vertrauensschutzes dar. Den Vertrauensschutz stützt der EuGH durchweg auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz. Eine Berufung auf Grundrechte findet nicht statt, möglicherweise deshalb, weil die Grundrechte-Charta nur punktuellen Schutz bieten könnte. Ein Konkurrenzproblem stellt sich damit nicht. II. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sonstiger Eingriffsschutz 1. Der erste hier zu behandelnde rechtsstaatliche Grundsatz ist der der Verhältnismäßigkeit. Diesem kommt im Unionsrecht eine vielfältige Bedeutung zu. Wie in Art. 5 Abs. 4 EUV vorgesehen, beeinflusst er die Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten. Und gem. Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRCh ist eine Einschränkung von Grundrechten nur zulässig, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Große Bedeutung hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei den im AEU-Vertrag verankerten Grundfreiheiten des Binnenmarkts erlangt, also bei der Warenverkehrsfreiheit, der Freizügigkeit für Arbeitnehmer, der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit. Bei diesen Gewährleistungen bildet er die entscheidende Grenze für die Rechtfertigung von Beschränkungen. Neben den spezielleren Verankerungen findet sich in der Rechtspre14

EuGH, Rs. C-98/14 – Berlington, 11. 6. 2015, Rn. 74 f. H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 53 Rn. 3 f. 16 V. Skouris, Dir Unione Eur 2013, 236 f. („primauté“); F. Wollenschläger (o. Fn. 12), § 8 Rn. 100; D. Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn. 11; C. Schubert, in: Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 6 EUV Rn. 25; F. Schorkopf, in: Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Stand 2017, Art. 6 EUV Rn. 56. 17 EuGH, Rs. C-453/03 – Fratelli, Slg. 2005, I-10423, Rn. 88; EuGH, Rs. C-59/11 – Kokopelli, 12. 7. 2012, Rn. 79. 15

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chung des EuGH ein ungeschriebener allgemeiner Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts,18 der jedenfalls dann zum Tragen kommt, wenn die vorgenannten Regelungen nicht anwendbar sind. Die als Grundsatz des Unionsrechts verstandene Verhältnismäßigkeit spielt in der Praxis eine gewichtige Rolle. Er bindet den Gesetzgeber wie die Verwaltung und ist von den Gerichten bei der Rechtsanwendung zu beachten. Der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, ganz ähnlich wie der des Art. 52 Abs. 1 GRCh, dass die eingesetzten Mittel geeignet sind, die mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele zu erreichen.19 Weiter muss die Maßnahme zur Verfolgung des angestrebten Ziels erforderlich sein. Die Maßnahmen dürfen „nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen“.20 Wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, ist die am wenigsten belastende zu wählen.21 Zudem setzt der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voraus, dass die Beschränkungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten berechtigten Zweck stehen.22 Die durch die Maßnahme „bedingten Nachteile [müssen] in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“.23 Dabei ist der Gesetzgeber verpflichtet, „seine Entscheidung auf objektive Kriterien zu stützen und zu untersuchen, ob die mit der gewählten Maßnahme verfolgten Ziele nachteilige wirtschaftliche Folgen […] rechtfertigen können“.24 Für Folgen anderer Art kann nichts anderes gelten. Schließlich ist eine Regelung nur dann im Sinne der Verhältnismäßigkeit geeignet, wenn sie das fragliche Anliegen „in kohärenter und systematischer Weise“ zu erreichen sucht.25 Man könnte diese Vorgabe auch der Angemessenheit zuordnen. Jedenfalls steht sie in engstem Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit und enthält ein Element der Missbrauchskontrolle. Die Verpflichtung zu kohärentem und systematischen Verhalten verlangt, die ergriffenen Maßnahmen insgesamt konsequent an

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EuGH, Rs. C-355/14 – Polihim, 2. 6. 2016, Rn. 59; EuGH, Rs. C-151/16 – Vakaru˛ , 13. 7. 2017, Rn. 45; EuGH, Rs. C-246/16 – Di Maura, 23. 11. 2017, Rn. 25. 19 EuGH, Rs. C-11/12 – Maatschap, 13. 12. 2012, Rn. 39; EuGH, Rs. C-508/13 – Estland/ Parlament und Rat, 18. 6. 2015, Rn. 28. 20 EuGH, Rs. C-504/16 – Deister, 20. 12. 2017, Rn. 56. 21 EuGH, Rs. C-187/12 – SFIR, 14. 11. 2013, Rn. 42; EuGH, Rs. C-528/13 – Leger, 29. 4. 2015, Rn. 58; EuGH, Rs. C-422/16 – TofuTown, 14. 6. 2017, Rn. 45. 22 EuGH, Rs. C-534/06 – Lavorazione Carne, Slg. 2008, I-4129, Rn. 25; EuGH, Rs. C-379/ 08 – ERG, Slg. 2010, I-2007, Rn. 86; EuGH, Rs. C-343/09 – Afton, Slg. 2010, I-7027, Rn. 45. 23 EuGH, Rs. C-477/14 – Pillbox, 4. 5. 2016, Rn. 48; EuGH, Rs. C-62/14 – Gauweiler, 16. 6. 2015, Rn. 67, 91. 24 EuGH, Rs. C-358/14 – Polen/Parlament und Rat, 4. 5. 2016, Rn. 97; EuGH, Rs. C-176/ 09 – Luxemburg/Parlament und Rat, Slg. 2011, I-3727, Rn. 63. 25 EuGH, Rs. C-476/11 – HK Danmark, 26. 9. 2013, Rn. 67; EuGH, Rs. C-98/14 – Berlington, 11. 6. 2015, Rn. 64; ebenso zu Art. 52 Abs. 1 GRCh etwa EuGH, Rs. C-190/16 – Fries, 5. 7. 2017, Rn. 48.

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den unionsrechtlich zulässigen Zielen auszurichten; sie müssen aufeinander abgestimmt und konsistent sein, dürfen einander nicht widersprechen. 2. Als einen weiteren allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts hat der EuGH den „Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person“ eingestuft.26 Man könnte diesen Grundsatz, der in der Rechtsprechung des EuGH lange nicht mehr zur Anwendung kam, jüngst aber wiederbelebt wurde, auch als allgemeine Freiheitsverbürgung deuten, ähnlich wie die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG.27 Da die Charta keine derart allgemeine Verbürgung enthält,28 wäre das durchaus bedeutsam. Der seltene Einsatz des Grundsatzes spricht aber gegen ein solches Verständnis. Gleichwohl ist er aber nicht ohne Bedeutung. III. Der Grundsatz der guten Verwaltung sowie der Verteidigungsrechte 1. Wichtige rechtstaatliche Gehalte weist auch das Recht auf gute Verwaltung auf. Es hat in Art. 41 Abs. 1, 2 GRCh seine grundrechtliche Verankerung gefunden. Im deutschen Recht ist es begrifflich nicht bekannt, wohl aber in der Sache als Gewährleistung eines fairen Verwaltungsverfahrens. Die Gewährleistung des Art. 41 GRCh greift allerdings nur, wenn es um Verfahren der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union geht. Dagegen kann die Vorschrift, wie der EuGH zu Recht festgehalten hat, auf Verfahren der Mitgliedstaaten nicht angewandt werden, auch wenn sie Unionsrecht durchführen.29 Der sachliche Schutzbereich dieses Grundrechts wird kraft ausdrücklicher Aussage und zum Schutz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten auf Unionsstellen beschränkt, woran auch Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh nichts ändert. Gleichwohl sind die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts nicht frei. Vielmehr ergeben sich, auch das hat der EuGH festgehalten, ganz ähnliche Pflichten aus dem Umstand, dass Art. 41 GRCh „einen allgemeinen Grundsatz 26 EuGH, Rs. C-94/00 – Roquette, Slg. 2002, I-9011, Rn. 27; EuGH, Rs. C-682/15 – Berlioz, 16. 5. 2016, Rn. 51; ebenso EuG, Rs. T-402/13 – Orange, 25. 11. 2014, Rn. 83. 27 Vgl. A. Haratsch, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Handbuch der europäischen Grundrechte, 2006, § 18 Rn. 7 ff.; E. Stieglitz, Allgemeine Lehren im Grundrechtsverständnis nach der EMRK und der Grundrechtsjudikatur des EuGH, 2002, S. 121; a.A. R. Winkler, Die Grundrechte der Europäischen Union, 2006, S. 47. 28 K. Gärditz, in: Grabenwarter (o. Fn. 12), § 4 Rn. 16. Wenn das EuG den Grundsatz nunmehr in Art. 7 GRCh verankert sieht (EuG, Rs. T-135/09 – Nexans, 14. 11. 2012, Rn. 40), dürfte das nur für den Schutzbereich dieses Grundrechts gelten. 29 EuGH, Rs. C-419/14 – WebMindLicenses, 17. 12. 2015, Rn. 83; C-141/12 – YS, 17. 7. 2014, Rn. 67; B. Grzeszick/D. Galetta, in: Stern/Sachs (Hrsg.), Charta der Grundrechte, 2016, Art. 41 Rn. 17; EuGH, Rs. C-166/13 – Mukarubega, 5. 11. 2014, Rn. 44; S. Magiera, in: Meyer (o. Fn. 12), Art. 41 Rn. 9; a.A. M. Klatt, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), EU-/ EG-Vertrag, 7. Aufl. 2015, Art. 41 Rn. 6; für analoge Anwendung GA Kokott, C-392/08, Slg. 2010, I-2537, Nr. 16.

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des Unionsrechts widerspiegelt“ und dieser Grundsatz auch für Verfahren nationaler Behörden gilt, soweit Unionsrecht ausgeführt wird.30 Das Recht auf gute Verwaltung, wie es in Art. 41 GRCh geregelt ist, bildet einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts.31 Auch wenn daher Art. 41 GRCh nicht zum Tragen kommt, der sachliche Gehalt dieser Regelung ist, jedenfalls im Wesentlichen, in mitgliedstaatlichen Verfahren bei der Durchführung von Unionsrecht ebenfalls zu beachten.32 Praktische Bedeutung kann der allgemeine Rechtsgrundsatz guter Verwaltung darüber hinaus selbst in Verwaltungsverfahren der Europäischen Union erlangen. So hat der EuGH offen gelassen, ob sich auch ein Mitgliedstaat im Hinblick auf Verwaltungsaktivitäten der Union auf das Grundrecht des Art. 41 GRCh berufen kann. Stattdessen hat der Gerichtshof das Recht auf gute Verwaltung als allgemeinen Rechtsgrundsatz angewandt.33 Gleiches muss in anderen Fällen gelten, in denen sich staatliche Einrichtungen nicht auf Grundrechte berufen können. 2. Der im Recht auf gute Verwaltung enthaltene Teilbereich des Schutzes der Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren ist seit langem als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannt. Die Figur des Schutzes der Verteidigungsrechte stammt aus dem französischen Recht und kommt zunächst im gerichtlichen Verfahren zum Tragen, wie Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh („faires Verfahren“) und Art. 48 Abs. 2 GRCh verdeutlichen. Für die Verwaltungsverfahren der Union hat der Schutz der Verteidigungsrechte seinen Niederschlag in Art. 41 Abs. 2 lit. a, b GRCh gefunden, wo das Recht auf Gehör und das Recht auf Akteneinsicht verankert sind. Doch greift diese Regelung, wie dargelegt, nicht in Verwaltungsverfahren der Mitgliedstaaten. Gerade in diesem Bereich ist daher der allgemeine Grundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte bedeutsam. Er kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn die Mitgliedstaaten Unionsrecht direkt oder indirekt anwenden.34 Schließlich kommt der allgemeine Rechtsgrundsatz in Verwaltungsverfahren der Union zum Tragen, wenn gegen einen Mitgliedstaat das Verfahren eingeleitet wurde.35 3. Wieweit die Rechte aus dem (ungeschriebenen) allgemeinen Grundsatz der guten Verwaltung im Einzelnen gehen, ist mit Unsicherheiten behaftet. Im Zweifel dürften die Anforderungen ganz ähnlich wie bei Art. 41 Abs. 1, 2 GRCh ausfallen, wie der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen ist. So folgt aus dem Rechtsgrund30 EuGH, Rs. C-604/12 – H. N., 8. 5. 2014, Rn. 49 ff.; EuGH, Rs. C-277/11 – M. M., 22. 11. 2012, Rn. 83 ff.; EuGH, Rs. C-419/14 – WebMindLicenses, 17. 12. 2015, Rn. 84; S. Magiera (o. Fn. 29), Art. 41 Rn. 9; P. Voet v. Vormizeele, in: Schwarze u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 41 Rn. 5; a.A. M. Klatt (o. Fn. 29), Art. 41 Rn. 6. 31 EuGH, Rs. C-46/16 – Valsts, 9. 11. 2017, Rn. 39; EuGH, Rs. C-521/15 – Spanien/Rat, 20. 12. 2017, Rn. 89. 32 Vgl. P. Sander, in: Holoubek/Lienbacher (Hrsg.), Charta der Grundrechte, 2014, Art. 41 Rn. 12. 33 EuGH, Rs. C-521/15 – Spanien/Rat, 20. 12. 2017, Rn. 89 f. 34 EuGH, Rs. C-276/12 – Sabou, 22. 10. 2013, Rn. 38; EuGH, Rs. C-419/14 – WebMindLicenses, 17. 12. 2015, Rn. 84. 35 EuGH, Rs. C-521/15 – Spanien/Rat, 20. 12. 2017, Rn. 61.

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satz der guten Verwaltung (wie aus Art. 41 Abs. 2 lit. a GRCh) ein Recht auf Gehör in Verwaltungsverfahren, die zu nachteiligen Entscheidungen führen können.36 Weiter enthält der Rechtsgrundsatz der guten Verwaltung (ebenso wie Art. 41 Abs. 2 lit. b GRCh) ein Recht auf Akteneinsicht zu den Einzelnen betreffenden Akten.37 Schließlich folgt aus dem Rechtsgrundsatz (wie aus Art. 41 Abs. 2 lit. c GRCh) die Verpflichtung, Verwaltungsentscheidungen zu begründen.38 Über diese Verteidigungsrechte hinaus verlangt Art. 41 Abs. 1 GRCh eine unparteiische Behandlung und eine Entscheidung in angemessener Frist.39 Dementsprechend hat der EuGH auch aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der guten Verwaltung ein Recht auf unparteiische Behandlung abgeleitet40 sowie die Pflicht, das Verwaltungsverfahren in angemessener Frist durchzuführen.41 IV. Der Grundsatz der Bestimmtheit von Rechtsvorschriften Zu den tragenden Grundsätzen der Union gehört nach der Rechtsprechung des EuGH des Weiteren der Grundsatz der Rechtssicherheit und als dessen Konkretisierung der Grundsatz der Bestimmtheit von Rechtsvorschriften. Der allgemeine Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass „Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen“.42 Die Betroffenen müssen den Umfang der ihnen auferlegten Verpflichtungen genau erkennen, ihre Rechte eindeutig feststellen und sich darauf einstellen können.43 Bei Grundrechtsbeschränkungen folgt die Notwendigkeit der Bestimmtheit von Rechtsvorschriften auch aus dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage in Art. 52 Abs. 1 S. 1 GRCh.44

36 EuGH, Rs. C-277/11 – M. M., 22. 11. 2012, Rn. 81 f.; EuGH, Rs. C-166/13 – Mukarubega, 5. 11. 2014, Rn. 43; vgl. dazu H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 41 Rn. 21 ff. Entsprechendes ergibt sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte. 37 EuGH, Rs. C-141/12 – Y. S., 14. 7. 2014, Rn. 66, 68; vgl. dazu H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 41 Rn. 24 ff. 38 EuGH, Rs. C-46/16 – Valsts, 9. 11. 2017, Rn. 39; vgl. zu diesem H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 41 Rn. 28 ff. 39 Dazu H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 41 Rn. 13, 16. 40 EuGH, Rs. C-521/15 – Spanien/Rat, 20. 12. 2017, Rn. 91. 41 EuGH, Rs. C-477/13 – Nencini, 13. 11. 2014, Rn. 38. 42 EuGH, Rs. C-322/16 – Global Starnet, 20. 12. 2017, Rn. 46; EuGH, Rs. C-573/12 – Alands, 1. 7. 2014, Rn. 127; EuGH, Rs. C-49/16 – Unibet, 22. 6. 2017, Rn. 43. 43 EuGH, Rs. C-573/12 – Alands, 1. 7. 2014, Rn. 128; EuGH, Rs. C-516/16 – Tiefkühlgemüse, 20. 12. 2017, Rn. 98. 44 Vgl. H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 52 Rn. 27. Für Strafen ist Art. 49 Abs. 1 GRCh einschlägig.

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V. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes 1. Schließlich bildet nach der Rechtsprechung des EuGH der Grundsatz des Vertrauensschutzes einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, als eine Konkretisierung des Grundsatzes der Rechtssicherheit.45 Der Schutz des Vertrauens kommt zum Tragen, wenn die Union bzw. eines ihrer Organe etc. „zuvor selbst eine Situation geschaffen hat, die ein berechtigtes Vertrauen erwecken könnte“.46 Gleiches gilt für die Mitgliedstaaten bei der Ausführung von Unionsrecht.47 Die praktische Bedeutung des Grundsatzes ergibt sich insbesondere aus dem angesprochenen Umstand, dass der EuGH den Vertrauensschutz generell auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz und nicht etwa auf einzelne Grundrechte stützt. Voraussetzung ist, dass das fragliche Verhalten rechtmäßig war, weshalb eine rechtswidrige Verwaltungspraxis keine Grundlage für einen Vertrauensschutz bildet.48 Weiter darf niemand auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, „die die Unionsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können“, insbesondere auf einem Gebiet wie dem der staatlichen Beihilfen, „deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt“.49 Generell scheidet ein Vertrauensschutz aus, wenn ein „umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer“ den Erlass der belastenden Maßnahme voraussehen bzw. damit rechnen konnte.50 Wer etwa freiwillig die Erzeugung für eine bestimmte Zeit einstellt, darf nicht darauf vertrauen, die Erzeugung unter denselben Bedingungen wieder aufnehmen zu können, sofern nicht die Einstellung durch eine Handlung der Union veranlasst wurde.51 2. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist zunächst für den Gesetzgeber bedeutsam. Für ihn folgt aus dem Grundsatz ein allgemeines Rückwirkungsverbot:52 Der Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsaktes darf grundsätzlich nicht auf einen Zeit-

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EuGH, Rs. C-201/08 – Plantanol, Slg. 2009, I-8343, Rn. 43; EuGH, Rs. C-427/14 – Valst, 10. 12. 2015, Rn. 30; EuGH, Rs. C-526/14 – Kotnik, 19. 7. 2016, Rn. 66. 46 EuGH, Rs. C-606/10 – ANAFE, 14. 6. 2012, Rn. 78; EuGH, Rs. C-14/01 – Wagenfeld, Slg. 2003, I-2279, Rn. 56; EuGH, Rs. C-335/09 – Polen/Kommission, 26. 6. 2012, Rn. 180; GA Trstenjak, EuGH, Rs. C-606/10, 29. 11. 2011, Rn. 56. 47 EuGH, Rs. C-332/14 – Rey, 9. 6. 2016, Rn. 49; ähnlich EuGH, Rs. C-427/14 – Veloserviss, 10. 12. 2015, Rn. 39. 48 EuGH, Rs. C-516/16 – Tiefkühlgemüse, 20. 12. 2017, Rn. 69. 49 EuGH, Rs. C-526/14 – Kotnik, 19. 7. 2016, Rn. 66; EuGH, Rs. C-189/02 – Rorindustri, Slg. 2005, I-5495, Rn. 171; EuGH, Rs. C-335/09 – Polen/Kommission, 26. 6. 2012, Rn. 180. 50 EuGH, Rs. C-545/11 – Neuzelle, 14. 3. 2013, Rn. 26; EuGH, Rs. C-585/13 – EuropäischIranische Handelsbank, 5. 3. 2015, Rn. 95; EuGH, Rs. C-427/14 – Veloserviss, 10. 12. 2015, Rn. 39; M. Bungenberg, in: Heselhaus/Nowak (o. Fn. 27), § 33 Rn. 23. 51 EuGH, Rs. C-44/89 – Deetzen, Slg. 1991, I-5119, Rn. 20. 52 Zum Rückwirkungsverbot bei Straf- und Sanktionsvorschriften H. Jarass (o. Fn. 2), Art. 49 Rn. 14.

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punkt vor dessen Veröffentlichung im Amtsblatt gelegt werden.53 Ausnahmsweise muss der Vertrauensschutz zurücktreten, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen des Betroffenen gebührend beachtet ist.54 Des Weiteren wird die Rückwirkung als zulässig angesehen, wenn sie sich eindeutig aus Wortlaut, Zweck und Aufbau einer Vorschrift ergibt.55 Die Gründe für eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot müssen allerdings in der Begründung des Rechtsakts aufgeführt sein.56 Bei bloßen Gesetzesänderungen für die Zukunft bildet der Vertrauensschutz regelmäßig kein Hindernis.57 Der Betroffene kann „nicht auf das völlige Ausbleiben von Gesetzesänderungen vertrauen“.58 Andererseits ist es unzulässig, dass durch die Änderung einer Regelung „rückwirkend ein auf der Grundlage der früheren Regelung erworbenes Recht genommen wird“.59 So kann dem Vertrauensschutz der Vorrang zukommen,60 wenn Waren aus Drittstaaten bereits in der Union sind und strengeren Anforderungen unterworfen werden sollen.61 Schließlich besitzt der Grundsatz des Vertrauensschutzes für den Gesetzgeber eine spezielle Bedeutung, wenn er eine Übergangsregelung notwendig macht, um dem Vertrauen der Gesetzesunterworfenen Rechnung zu tragen.62 Insoweit kommt es zu Überschneidungen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 3. Des Weiteren spielt der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Bereich der Verwaltung bei Zusicherungen eine bedeutsame Rolle. Auf den Grundsatz kann sich jeder berufen, dem die Unionsverwaltung bestimmte Zusicherungen gegeben und bei dem dadurch begründete Erwartungen geweckt wurden.63 Gleiches gilt, wenn 53 EuGH, Rs. C-376/02 – Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445, Rn. 33; EuGH, Rs. C-107/10 – Iztok 3, Slg. 2011, I-3873, Rn. 39; EuGH, Rs. C-522/10 – Reichel-Albert, 19. 7. 2012, Rn. 25; F. Schorkopf, in: Heselhaus/Nowak (o. Fn. 27), § 59 Rn. 16 ff. 54 EuGH, Rs. C-487/01 – Leusden, Slg. 2004, I-5337, Rn. 59; EuGH, Rs. C-256/07 – Mitsui, Slg. 2009, I-1951, Rn. 32; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Band IV: Europäische Grundrechte, 2009, Rn. 3071. 55 EuGH, Rs. C-293/04 – Beemsterboer, Slg. 2006, I-2263, Rn. 21; EuGH, Rs. C-256/07 – Mitsui, Slg. 2009, I-1951, Rn. 32. 56 EuGH, Rs. C-260/91 – Diversinte, Slg. 1993, I-1885, Rn. 10. 57 EuGH, Rs. C-226/08 – Papenburg, Slg. 2010, I-131, Rn. 46; M. Bungenberg (o. Fn. 50), § 33 Rn. 49. 58 EuGH, Rs. C-322/16 – Global Starnet, 20. 12. 2017, Rn. 47. 59 EuGH, Rs. C-62/00 – Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325, Rn. 44 f.; EuGH, Rs. C-107/ 10 – Iztok 3, Slg. 2011, I-3873, Rn. 39. 60 F. Schorkopf (o. Fn. 53), § 59 Rn. 30 ff. 61 EuGH, Rs. C-183/95 – Affish, Slg. 1997, I-4315, Rn. 57; EuG, Rs. T-94/00 – Rica, Slg. 2002, II-4677, Rn. 222; M. Bungenberg (o. Fn. 50), § 33 Rn. 47. 62 EuGH, Rs. C-17/03 – VEMW, Slg. 2005, I-4983, Rn. 81; EuGH, Rs. C-201/08 – Plantanol, Slg. 2009, I-8343, Rn. 49; EuGH, Rs. C-98/14 – Berlington, 11. 6. 2015, Rn. 79 ff.; EuGH, Rs. C-332/14 – Rey, 9. 6. 2016, Rn. 57 f. 63 EuGH, Rs. C-630/11 – HGA, 13. 6. 2013, Rn. 132; EuGH, Rs. C-183/14 – Salomie, 9. 7. 2015, Rn. 44; EuGH, Rs. C-611/13 – Hansa, 26. 11. 2017, Rn. 41; M. Bungenberg (o. Fn. 50), § 33 Rn. 15.

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die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts Zusicherungen abgeben.64 Voraussetzung ist die Erfüllung der mit der Zusicherung verbundenen Bedingungen.65 Zudem muss die Zusicherung rechtmäßig sein.66 Eine jahrelange monatliche Zuwendung von Geldleistungen allein erzeugt keine ausreichende Vertrauensgrundlage.67 Zu den Zusicherungen zählen auch klare und unbedingte Auskünfte.68 Des Weiteren kann die Verwaltung durch den Erlass von Leitlinien einen Vertrauenstatbestand schaffen, von dem sie ohne ausreichende Gründe nicht abweichen kann, auch wenn die Leitlinien keinen Rechtscharakter haben.69 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes beeinflusst zudem die Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten. Eine Rücknahme rechtswidriger Entscheidungen bzw. Verwaltungsakte ist zwar grundsätzlich zulässig, unterliegt aber erheblichen Restriktionen: Sie muss innerhalb angemessener Frist erfolgen und das berechtigte Vertrauen des Betroffenen ausreichend berücksichtigen.70 Andererseits kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes auch im Hinblick auf die Rücknahme von Verwaltungsakten „nicht gegen eine klare unionsrechtliche Bestimmung angeführt werden“, unabhängig vom „unionsrechtswidrigen Verhalten einer für die Anwendung des Unionsrechts zuständigen nationalen Behörde“.71 VI. Resümee Insgesamt ergeben sich aus den als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts anerkannten rechtstaatlichen Geboten bedeutsame Vorgaben für die Anwendung des Unionsrechts, sei es durch Stellen der Union, sei es durch Stellen der Mitgliedstaaten, die von den Betroffenen geltend gemacht werden können. Die rechtsstaatlichen Grundsätze verdienen daher mehr Aufmerksamkeit, auch und gerade im Bereich des Infrastrukturrechts, da bei den staatlichen und staatsnahen Akteuren, die für die Schaffung und Unterhaltung der Infrastruktur verantwortlich sind, manche Unsicherheit besteht, ob und wieweit sie sich auf die Grundrechte der Union berufen können.

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EuGH, Rs. C-560/15 – Europa Way, 26. 7. 2017, Rn. 79 ff. EuGH, Rs. C-47/07 – Masdar, Slg. 2008, I-9761, Rn. 84. 66 EuGH, Rs. C-369/09 – ISD, Slg. 2011, I-2011, Rn. 123. 67 EuGöD, Rs. F-45/07 – Mandt, 1. 7. 2010, Rn. 125. 68 EuGH, Rs. C-630/11 – HGA, 13. 6. 2013, Rn. 137; EuGH, Rs. C-526/14 – Kotnik, 19. 7. 2016, Rn. 62; EuGH, Rs. C-560/15 – Europa Way, 26. 7. 2017, Rn. 80. 69 EuGH, Rs. C-439/11 – Ziegler, 11. 7. 2013, Rn. 60. 70 EuGH, Rs. C-402/11 – Jager, 18. 10. 2012, Rn. 59. Zur Aufhebung von Verwaltungsakten T. Oppermann/C. Classen/M. Nettesheim (o. Fn. 1), § 12 Rn. 14 ff.; M. Bungenberg (o. Fn. 50), § 33 Rn. 49 ff. 71 EuGH, Rs. C-153/10 – Sony, Slg. 2011, I-2775, Rn. 47; EuGH, Rs. C-568/11 – Agroferm, 20. 6. 2013, Rn. 52. 65

Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) als Kontrollebene für das deutsche Raumordnungs- und Bauplanungsrecht Von Jörg Berkemann I. Problemaufriss Die Steuerung der in einem bestimmten Gebiet zuzulassenden Einzelhandelsflächen ist ein verständliches politisches Anliegen. Nicht selten gilt es, eine Angebotsund Nachfragesituation planerisch zu erfassen. Vielfach handelt es sich auch um die Frage, bereits bestehende Einzelhandelsstrukturen zu konservieren. Faktisch erschwert dies neuen Wettbewerbern den Zugang. Ähnliches gilt für andere gewerbliche Tätigkeiten. Welche rechtlichen Instrumente der Steuerung gegeben sind, ist in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich, soweit überhaupt zielgerichtete Regelungen vorhanden sind. Das deutsche Raumordnungs- und Bauplanungsrecht besitzt derartige Instrumente. Standortbeschränkungen in einem Bebauungsplan gelten nach deutschem Recht als zulässig. Der § 1 Abs. 6 Nr. 8 a) BauGB erkennt den Belang „der mittelständischen Struktur im Interesse der verbrauchernahen Versorgungssicherheit“ an. Eine Feinsteuerung nach Nutzungsarten ist möglich, etwa nach Maßgabe der BauNVO. In unbeplanten Bereichen gilt ein stark fallbezogenes Recht (vgl. § 34 BauGB). Die Steuerung ist nicht auf die kommunale Bauleitplanung beschränkt. Das Raumordnungsgesetz und Landesentwicklungspläne können Standorte regulieren.1 Sie bestimmen raumordnungsrechtlich zentrale Orte und normieren Verflechtungsbereiche. Dabei wird regelmäßig betont, der Staat oder die Gemeinde dürfe keine Wettbewerbspolitik betreiben. Auch seine Eingriffe in die Raumplanung müssten wettbewerbsneutral sein.2 In § 34 Abs. 3 BauGB hat der Gesetzgeber dem Schutz vorhandener zentraler Versorgungbereiche einen Vorrang gegenüber Wettbewerbern eingeräumt, wenn „schädliche Wirkungen“ zu befürchten sind. Ob eine derartige, weitgehend unscharfe Bestimmung unionsrechtlichen Anforderungen genügt, steht dahin. Dass hier faktisch ein ökonomisch wirksamer Bestandsschutz entsteht, kann kaum zweifelhaft sein.

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Vgl. J. Wahlhäuser, Steuerung des Einzelhandels durch die Raumordnung, in: Jarass (Hrsg.), Einzelhandel und Planungsrecht, 2011, S. 77 – 89. 2 Vgl. BVerwGE 136, 18, Rn. 10 (Aldi/München); BVerwG, NVwZ 1997, 683, Rn. 6; BVerwG, DVBl. 1994, 701.

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Das deutsche Bauplanungsrecht führte jahrzehntelang gegenüber den unionsrechtlichen Grundfreiheiten der heutigen Art. 28 ff. AEUV (zuvor Art. 23 ff. EG [Amsterdam]; Art. 9 ff. EUV [Maastricht]) ein Eigenleben, eher einen Dornröschenschlaf. Das änderte sich 2007. Die Kommission der EU begann, sich das deutsche Bauplanungsrecht näher anzusehen. Sie hielt Teile des Stuttgarter Regionalplans (2002) und § 24a des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Landesentwicklung (LEPro [1989]) für unionswidrig und begann 2008 ein Vertragsverletzungsverfahren nach Maßgabe des Art. 258 AEUV (Nr. 2008/4946).3 Kurze Zeit danach verdeutlichten zwei Judikate des EuGH, dass die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUVauch siedlungsrechtlich ernst zu nehmen sei. So entschied der Gerichtshof 2011, dass Teile der katalonischen Regionalplanung unionswidrig seien.4 Im Jahre 2013 scheiterte die planungsrechtlich angelegte Sozialwohnungspolitik einer flämischen Gemeinde vor dem EuGH.5 Im selben Jahr schrieb die Kommission eine Rechtsstudie aus, in deren Rahmen die Beschränkungen der gewerblichen Niederlassung in den Mitgliedstaaten untersucht werden sollten (MARKT/2013/104/E). Erstmals 2010 befasste sich das BVerwG mit der Frage, in welchem rechtlichen Verhältnis das deutsche Bauplanungs- und Raumordnungsrecht und die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) zueinander stehen.6 Problembereiche sah das Gericht nicht. Die Kommission beurteilt die deutsche Rechtslage unverändert kritisch.7 Der Marktzugang werde in unangemessener Weise eingeschränkt, heißt es. Deutschland solle seine Anstrengungen zur Beseitigung bestehender Planungsvorschriften, die Markteintritte im Einzelhandel behindern, verstärken. Das vorhandene Schrifttum erschöpft sich bislang weitgehend in Anmerkungen zu einschlägigen Gerichtsentscheidungen. Eine monografische Abhandlung gibt es nicht. Immerhin steht man am Beginn einer Europäisierung des Bauplanungsrechts. Zwar sieht weder EUV noch AEUV als Primärrecht ein eigenes Bauplanungs- oder Raumordnungsrecht vor. Eine „Europäisierung“ ist also nur mittelbar möglich. Indes ist der EuGH er3 Das erste (2007) von der Kommission betriebene Vertragsverletzungsverfahren betraf die Gemeinde Selkant (NRW), vgl. J. Busse, KommJur 2009, 241. Durchaus unangemessen O. Bischopink, Götterdämmerung oder Sturm im Wasserglas – Einzelhandelssteuerung kontra Niederlassungsfreiheit, BauR 2009, 1688 zum Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/4946. Vgl. auch O. Dziallas, Großflächige Einzelhandelsbetriebe: Das deutsche Planungsrecht auf dem europäischen Prüfstand, NZBau 2010, 618. 4 EuGH, Rs. C-400/08 (Agenda [Katalonien]), Slg. 2011, I-1915, Rn. 61. Vgl. dazu C. Wiggers, Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben und EU-Niederlassungsfreiheit, NJWSpezial 2011, 556; A. Bunzel/H. Janning, Grenzenloser Einzelhandel und nachhaltige Raumund Stadtentwicklung, ZfBR 2017, 425; T. Schröer/C. Kullick, Schutz des Einzelhandelsbestandes versus Niederlassungsfreiheit, NZBau 2011, 349. Vgl. ferner W. Spannowsky, Allgemeine Anforderungen der Raumordnungsplanung im Lichte der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV, EurUP 2012, 216; G. Hager, Das IKEA Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und seine europarechtliche Einordnung, BauR 2011, 1093. 5 EuGH, Rs. C-197/11 (Libert), DVBl. 2013, 1041. 6 BVerwGE 138, 301, Rn. 22 (IKEA). 7 Vgl. Kommission COM(2013) 355 final vom 29. 5. 2013; COM(2014) 406 final vom 2. 6. 2014.

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kennbar entschlossen, zwar stark fallbezogen, dennoch im Grundsatz, seine prüfende Kompetenz auf das Boden- und Siedlungsrecht auszudehnen. Das geschieht alles noch sehr moderat. Die sich abzeichnende Entwicklung bietet Anlass, das Verhältnis beider Rechtsbereiche systematisch zu betrachten. Das geschieht hier in zwei Teilen. In einem ersten werden die Grundzüge der Niederlassungsfreiheit dargestellt, wie sie die Judikatur des EuGH interpretiert. Das hat den Charakter „pädagogischer“ Prolegomena. Im Kern handelt es sich darum, die Norm- und Anwendungskontrolle des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht systematisch zu erfassen. Die nachfolgende Gliederung orientiert sich dazu im Grundsatz an einer grundgesetzlichen Grundrechtsprüfung. Ein zweiter Teil widmet sich bereichsspezifischen Problemen im deutschen Recht, wie sie bislang aufgetreten sind. II. Das Grundmuster: Auslegung und Anwendung des Art. 49 AEUV Ähnlich einer grundgesetzlichen Grundrechtsprüfung ist die Prüfung auch bei den vier Grundfreiheiten des Wirtschaftsmarktes dreistufig.8 Verletzt ein Mitgliedstaat die sich aus Art. 49 AEUVergebenden Rechtspositionen, hat dies zwei Rechtsfolgen. Nach dem Vorrang des Unionsrechts kann das nationale Recht nicht angewandt oder muss unionsrechtskonform verstanden werden. Des Weiteren besteht eine außervertragliche Haftung des Mitgliedstaates für Schäden, die dem Einzelnen durch den Verstoß gegen das Unionsrecht entstanden sind. 1. Zielsetzung des Art. 49 AEUV Die individualrechtlichen Grundfreiheiten der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV), der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 63 AEUV) konstituieren zusammen mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) den Grundsatz der offenen Marktwirtschaft (vgl. Art. 26 Abs. 2 AEUV). Die genannten Grundfreiheiten verbieten alle nationalen Maßnahmen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.9 Niederlassungsfreiheit sichert die „Inländerbehandlung“ der Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats. Art. 49 AEUV zielt damit im Wesentlichen darauf ab, den Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeiten umzusetzen.

8 Vgl. W. Cremer/A. Bothe, Die Dreistufenprüfung der warenverkehrsrechtlichen Dogmatik, EuZW 2015, 413; deutlich etwa EuGH, Rs. C-369/96 (Arblade), Slg. 1999, I-8453, Rn. 39. 9 EuGH, Rs. C-31/16 (Appingedam), NVwZ 2018, 307, Rn. 23; EuGH, Rs. C-573/12 (Ålands Vindkraft), NVwZ 2014, 1073, Rn. 66; ebenso BVerwGE 138, 301, Rn. 22 (IKEA).

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Die Diskriminierungsverbote sorgen für die grundsätzlich personale Gleichstellung der am Wirtschaftsprozess beteiligten Marktbürger. Ziel ist es, damit auch die Voraussetzungen für einen freien und fairen Wettbewerb zu schaffen. Endziel ist die integrierende Verwirklichung eines freien Binnenmarktes.10 Hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit soll also allen Unionsangehörigen die Möglichkeit eröffnet werden, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsmitgliedstaats teilzunehmen. Sie sollen aus dieser Teilhabe ökonomischen Nutzen ziehen können. Dadurch soll die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der EU im Bereich der selbständigen Tätigkeiten insgesamt integrativ gefördert werden.11 Art. 49 AEUV liegt zugleich die ökonomische Theorie der komparativen Kostenvorteile zugrunde. Diese verspricht ihrerseits Wachstumsvorteile. Die Niederlassungsfreiheit ist damit eine der grundlegenden Vorschriften des Unionsrechts. Jeder konkrete oder planerische Eingriff in dieses Marktmodell kann die gewollte Integration durch Verflechtung verzögern. Im Regelungsbereich der Grundfreiheiten liegt es zudem im wirtschaftspolitischen Interesse der EU, dass so ein möglichst umfassender Wettbewerb ermöglicht wird. Dieser Freiheit des „freien“ Binnenmarktes steht das Bestreben der Mitgliedstaaten entgegen, Interessen nicht wirtschaftlicher Natur selbst zu regeln oder eigene wirtschaftspolitische Ziele zu verfolgen. Jede Berücksichtigung lokaler Besonderheiten ist – cum grano salis – ein Verlust an Integrationskraft. 2. Schutzbereich des Art. 49 AEUV Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst die Ansiedlung von Betrieben. Art. 49 AEUV ist im systematischen Aufbau etwas missglückt. Schutzgut und Berechtigte sind miteinander verwoben. Art. 49 AEUV ist unmittelbar anwendbar. Einer Umsetzung durch Sekundärrecht bedarf es nicht. Berechtigt ist nach Art. 49 Abs. 1 AEUV der Staatsangehörige des anderen Mitgliedstaates. Die Textfassung ist eindeutig. Art. 49 AEUV sichert jedem Unionsbürger „grenzüberschreitend“ die Niederlassungsfreiheit zu. Ob Familienangehörige, auch bei fehlender Unionsbürgerschaft, berechtigt sind, richtet sich inzwischen weitgehend nach Sekundärrecht. a) Inhalt der Niederlassungsfreiheit – Diskriminierungsverbot Nach Art. 49 Abs. 2 AEUV umfasst Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, und zwar unter den gleichen Bedingungen wie den im Recht des Niederlassungsstaats für dessen eigene Angehörige festgelegten. Mit anderen Worten: Art. 49 EG verbietet jedem Mitgliedstaat, in 10 11

Vgl. EuGH, Rs. C-411/03 (SEVIC Systems), Slg. 2005, I-10805, Rn. 19. Vgl. EuGH, Rs. C-201/15 (AGET Iraklis), EuZW 2017, 229, Rn. 50.

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seinen Rechtsvorschriften in Bezug auf Personen, die von der Freiheit, sich in diesem Staat niederzulassen, Gebrauch machen, für die Ausübung ihrer Tätigkeit andere als die für seine eigenen Staatsangehörigen festgelegten Bedingungen vorzusehen. Die Tätigkeit in dem anderen Mitgliedstaat muss grundsätzlich auf unbestimmte Zeit ausgeübt werden, also von gewisser Dauer sein. Eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat muss sichergestellt sein.12 Gleichsam spiegelbildlich zu seiner „Freiheit“, also der Standortwahl, trägt der Berechtigte also eine höhere Integrationslast. Elemente der Selbständigkeit und der Kontinuität (Dauerhaftigkeit) dienen dem EuGH zur Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit.13 Allerdings ist die Judikatur des EuGH hier etwas schwankend. Der Begriff der Niederlassung ist nach der Judikatur des EuGH sehr weit gefasst.14 Maßgebend ist der wirtschaftliche Charakter der projektierten Tätigkeit (arg. e Art. 54 Abs. 2 AEUV). Als solche gilt jede Betätigung, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Auf der Grundlage einer tatsächlichen Nachfrage werden gegen Entgelt Güter übertragen. Die Tätigkeit muss grundsätzlich mit finanziellen Risiken verbunden sein. In aller Regel muss der Leistungserbringer mit Gewinnerzielungsabsicht handeln. Werden die sich aus der Tätigkeit ergebenden Gewinne zur Finanzierung sozialer, karitativer oder kultureller Tätigkeiten oder Werke verwendet, ist dies für die Tatbestandsmäßigkeit des Art. 49 Abs. 1 S. 1 AEUVunerheblich. Ein Verkaufsladen, der sich etwa ohne Eigengewinne der Dachorganisation Fairtrade Labelling Organizations International zurechnet und von einem ausländischen Unionsbürger betrieben wird, genießt mithin den Schutz der Niederlassungsfreiheit. Ob ein Nonprofit-Unternehmen unter Art. 49 AEUV fällt, kann also Tatfrage sein. b) Erweiterungen des Schutzbereiches aa) „Primäre“ Niederlassungsfreiheit Art. 49 Abs. 1 S. 1 AEUV schützt die primäre Niederlassungsfreiheit. Diese erfasst alle Fälle, in denen in einem anderen Mitgliedstaat ein Unternehmen neu gegründet werden soll (neue Hauptniederlassung). Nach Art. 49 Abs. 2 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 AEUV sind auch Gesellschaften Rechtsträger der Niederlassungsfreiheit. Sie sind den natürlichen Personen gleichgestellt. Die Gesellschaft muss ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, sog. Sitztheorie. Art. 54 Abs. 1 AEUV erfasst auch Personengesellschaften, wie Art. 54 Abs. 2 AEUV normiert. Dies hat erhebliche Bedeutung, 12 EuGH, Rs. C-386/04 (Centro di Musicologia Walter Stauffer), Slg. 2006, I-8203, Rn. 19; EuGH, Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, 631, Rn. 21; ebenso VGH Kassel, NVwZ-RR 2014, 698, Rn. 18. 13 EuGH, Rs. C-384/08 (Attanasio Group), Slg. 2010, I-2055, Rn. 36; EuGH, Rs C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995, Rn. 53. 14 EuGH, Rs. C-221/89 (Factortame II), Slg. 1991, I-3905, Rn. 20; EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 25.

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wenn ausländisches Anlagekapital von einem Mitgliedstaat in einen anderen wegen höherer wirtschaftlicher Rendite „wandert“. bb) „Sekundäre“ Niederlassungsfreiheit Eine bereits gegründete Gesellschaft kann vom Niederlassungsrecht auch durch Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im anderen Mitgliedstaat Gebrauch machen (vgl. Art 49 Abs. 1 S. 2 AEUV). Das betrifft auch Gesellschaften (vgl. Art. 54 Abs. 1 AEUV). Der EuGH betrachtet dies als „sekundäre“ Niederlassungsfreiheit.15 Die damit möglichen Verflechtungen können recht unterschiedlich sein und nicht selten zum Missbrauch einladen. Das gilt namentlich hinsichtlich Steuern oder sonstigen Abgaben. Der EuGH hat zugestanden, dass die Gesellschaft im Sitzland der EU keine tatsächliche Geschäftstätigkeit entfalten muss, um in einem anderen Mitgliedstaat eine „Niederlassung“ unter dem Schutz des Art. 49 AEUV aufzubauen.16 Diese Auffassung hat die Gefahr des Missbrauches erhöht. Die sekundäre Niederlassungsfreiheit setzt sowohl die Niederlassungsfreiheit des Unionsbürgers als auch die der unionsverknüpften Gesellschaft, zudem die Ansässigkeit in der Union voraus, d. h. die tatsächliche und dauerhafte Integration in die Wirtschaft des Mitgliedstaats, in dem sich die Hauptniederlassung befindet. Die Tätigkeit der Tochter muss gegenüber dem ausländischen Unternehmen weisungsgebunden sein.17 Dies hat erhebliche Bedeutung für die Einordnung eines Vertriebsstellennetzes (vgl. auch Art. 50 Abs. 2 lit. f) AEUV). Das BVerfG hat aus der Verknüpfung des Art. 54 AEVU i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG die Beschwerdefähigkeit der deutschen Tochter des schwedischen Unternehmens Vattenfall abgeleitet.18 c) Verpflichtungsadressat aa) Bund, Länder und Gemeinden Adressat der Unterlassungsverpflichtung des Art. 49 Abs. 1 S. 1 AEUV ist aus der Sicht der EU der Mitgliedstaat und dort grundsätzlich die öffentliche Hand. Auf die interne Staatsorganisation oder Handlungsformen kommt es nicht an. Es ist also unerheblich, wie die Normierungs- und Entscheidungskompetenzen in Deutschland zwischen Bund, Land und Gemeinde „verteilt“ sind. Es ist nicht zweifelhaft, dass die Gemeinde im Rahmen ihrer Bauleitplanung Adressat des Art. 49 Abs. 1 AEUV ist, auch für die Ermessenausübung etwa nach § 31 BauGB. 15 EuGH, Rs. C-553/16 (TTL), juris, Rn. 37; EuGH, Rs. C-48/13 (Nordea Bank Danmark), EuZW 2014, 787, Rn. 17; EuGH, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. 2005, I-10837, Rn. 30. 16 EuGH, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Rn. 17, 21; EuGH, Rs. 79/85 (Segers), Slg. 1986, 2375, Rn. 16. 17 Vgl. EuGH, Rs. C-201/15 (AGET Iraklis), EuZW 2017, 229, Rn. 46. 18 BVerfGE 143, 246, Rn. 197 ff.

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bb) Bereichsausnahme: Öffentliche Gewalt (Art. 51 AEUV) Auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, sind Art. 49 ff. AEUV in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht anzuwenden. Der Begriff der öffentlichen Gewalt (official authority) ist sehr eng auszulegen. Gemeint ist die Ausübung hoheitlicher Befugnisse selbst.19 d) Abgrenzungen zu anderen Grundfreiheiten Der Anwendungsbereich der unionsrechtlich gewährleisteten Niederlassungsfreiheit bedarf der Abgrenzung gegenüber der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und der Freiheit des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV). Die Dogmatik fordert an sich, dass entschieden wird, welche Grundfreiheit den Sachverhalt „regiert“. Ähnlich der Judikatur des BVerfG zur Grundrechtskonkurrenz, ist nur eine Grundfreiheit berufen. Gerade die Grenze der Niederlassungsfreiheit zur Dienstleistungsfreiheit und zur Freiheit des freien Kapitalverkehrs ist vielfach verschwommen und weist Überlappungen auf.20 So ordnet der EuGH nationale Maßnahmen, die Investitionen in Immobilien regeln, grundsätzlich der Freiheit des Kapitalverkehrs zu (vgl. Art. 63 AEUV). Wird auf dem Grundstück keine materielle (wirtschaftliche) Tätigkeit ausgeübt, scheidet der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ohnedies aus. Es handelt sich dann möglicherweise um eine Direktinvestition. Dazu scheint der EuGH danach unterscheiden zu wollen, ob das Grundeigentum, das Gegenstand des Erwerbs ist, zu privaten oder geschäftlichen Zwecken genutzt wird. Ein Vorgang soll auch dann unter die Freiheit des Kapitalverkehrs fallen, wenn der Erwerb erklärtermaßen dazu bestimmt ist, die Ausübung des Rechts auf Niederlassung im betreffenden Mitgliedstaat erst zu ermöglichen. Der EuGH neigt dazu, Fälle mit Bezug zum Einzelhandel auch unter dem Aspekt des freien Warenverkehrs zu erörtern. Eine nationale Regelung über den ambulanten Verkauf, die beim Vertrieb einer bestimmten Art von Waren einzuhalten ist, betrachtet der EuGH als eine Frage des freien Warenverkehrs.21 Es fällt dem Gerichtshof erkennbar schwer, ein einheitliches Konzept der europäischen Grundfreiheiten zu entwickeln. Das beruht auch auf prozessualen Gegebenheiten. Im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist der EuGH im Zugriff auf die ihm gestellte Vorlagefrage limitiert. Ob die nationale Rechtsvorschrift unter die eine oder die andere Grundfreiheit fällt, muss nach seiner Ansicht nach dem tatsächlichen Gegenstand der nationalen Vorschrift entschieden werden.22 So wird etwa die Vermietung von Fahrzeugen vom EuGH als Dienstleistung im Sinne von Art. 57 AEUVein19

EuGH, Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, 631, Rn. 42 ff. Vgl. EuGH, Rs. C-42/07 (Liga Portuguesa de Futebol), Slg. 2009, I-7633, Rn. 47; J. F. Bron, Verletzung der Dienstleistungsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit?, EWS 2009, 49. 21 EuGH, Rs. C-360/15 (Appingedam), NVwZ 2018, 307, Rn. 85. 22 Vgl. EuGH, Rs. C-168/11 (Beker), EuZW 2013, 631, Rn. 24. 20

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geordnet.23 Die BauNVO kennt dagegen den einheitlichen Begriff des „Gewerbebetriebes“. Das Interesse des Gerichtshofes zentriert sich zumeist auf die Frage, ob es unionsrechtlich eine hinreichende Grundlage für den zu beurteilenden Eingriff gibt. Vielleicht ist auch die Weisheit des Gerichtshofes zu erkennen, dass man die vier Freiheiten vielleicht analytisch, aber nicht funktional voneinander trennen kann. Deutsche Juristen, geschult an der dogmatischen Präzision des BVerfG, mag das irritieren. e) Missbrauch Das Zusammenspiel von primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit kann missbräuchlich genutzt werden, etwa durch die Gründung von Scheinniederlassungen, mit deren Hilfe günstigere Bedingungen im Zielstaat erreicht werden sollen. Ein Mitgliedstaat ist berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die den Missbrauch verhindern sollen. Das Bestreben, in einem grenznahen Gebiet ein Regelungsgefälle auszunutzen, ist naheliegend. Die Beweislage ist schwierig. Denn Art. 49 AEUV schützt gerade die freie Standortwahl.24 Eine allgemeine Vermutung für missbräuchliche Praktiken besteht nicht. Das deutsche Landesbauordnungsrecht sieht keine Kontrollregelungen gegen Missbrauch vor. 3. Grenzüberschreitende Betätigung? Der Schutzbereich des Art. 49 AEUV begründet keine binnenmarktweit homogenen Verhältnisse.25 Art. 49 AEUV erfasst nach ständiger Judikatur des EuGH auch keine rein innerstaatlichen Sachverhalte. Bei der Prüfung der Grundfreiheiten kommt es daher nur auf solche Belastungen an, nach denen ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegenüber dem inländischen Sachverhalt nachteilig behandelt wird. Art. 49 AEUV nimmt insoweit eine „Inländerdiskriminierung“ hin.26 Maßgebend kann dann Art. 18 AEUV sein. Besitzt ein Sachverhalt lokalen Charakter und enthält er kein Element, das über die Grenzen des Mitgliedstaats hinausweist, sind grenzüberschreitende Wirkungen nicht zu vermuten. Bei grenzüberschreitendem Bezug kann das bedeuten, dass § 34 Abs. 3 BauGB oder § 11 Abs. 3 BauNVO nicht anwendbar ist, wenn die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 1 S. 1 AEUV vorliegen. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt besteht, wenn der Einzelhandelsbetrieb 23

Vgl. EuGH, Rs. C-451/99 (Cura Anlagen), Slg. 2002, I-3193, Rn. 19; EuGH, Rs. C-330/ 07 (Jobra), Slg. 2008, I-9099, Rn. 22; vgl. dazu die Dienstleistungsrichtlinie RL 2006/123/EG. 24 Vgl. EuGH, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Rn. 26 f. 25 Vgl. S. Korte, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, AEUV Art. 49 Rn. 3, 19; A. Lippert, Der grenzüberschreitende Sachverhalt – Der Yeti des Europarechts, ZEuS 2014, 273; V. Papadileris, Das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs im Recht der Marktfreiheiten, JuS 2011, 123. 26 Vgl. J. A. Kämmerer, Inländer im Europarecht – Obsoleszenz oder Renaissance eines Rechtsbegriffs?, EuR 2008, 45.

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von einem anderen Mitgliedsland geführt wird. Die Kommentarliteratur schweigt dazu.27 Der EuGH hat bislang klare Konturen nicht schaffen können.28 Hier besteht wohl eine Grauzone auch für das deutsche Bauplanungsrecht. Wann ein Sachverhalt über die Grenzen des Mitgliedstaats „hinausweist“, ist Tatfrage. Der EuGH ist großzügig, bis an den Rand des Spekulativen. Der EuGH hat die hier skizzierte Judikatur Anfang 2018 für die auf Art. 53 Abs. 1 und Art. 62 AEUV gestützte Richtlinie 2006/123/EG fast beiläufig aufgegeben.29 Hier ist also ein Wandel der Spruchpraxis des EuGH eingetreten. Noch lässt sich nicht abschätzen, ob der Gerichtshof diese Auffassung allgemein auf Art. 56 AEUV bezogen wissen will. Das würde vermutlich auf Dauer dann auch für Art. 49 AEUV gelten. Der Gerichtshof würde damit die „Inländerdiskriminierung“ aufbrechen. Entsprechende Ansätze sind in seiner Judikatur jedenfalls bereits vorhanden. 4. Beschränkung (Eingriff) a) Beschränkung als Eingriff – Begriffliches Die Niederlassungsfreiheit darf nicht behindert werden. Das ist sie, wenn sie in Wahrnehmung oder Ausübung beschränkt wird. Als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit versteht der EuGH alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung dieser Freiheit zu unterbinden, zu behindern oder jedenfalls weniger attraktiv zu machen.30 Das ist ein sehr weiter Begriff. Eine abstrakte Regelung oder eine konkrete Maßnahme muss geeignet sein, einen Unionsbürger oder eine ausländische Gesellschaft mit Sitz in der EU davon abzuhalten, eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer Betriebsstätte in dem anderen Mitgliedstaat der EU auszuüben. Der EuGH steht hierbei in der Gefahr einer Motivationserforschung. Zur Annahme einer Beschränkung muss die Situation einer gebietsansässigen und einer gebietsfremden Person oder Gesellschaft miteinander verglichen werden. Es muss sich um Situationen handeln, die objektiv vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit eines grenzüber27 Vgl. z. B. W. Rieger, in: Schrödter (Hrsg.), BauGB, 8. Aufl. 2014, § 34 BauGB, Rn. 81 ff.; O. Bischopink, in: Bönker/Bischopink (Hrsg.), BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 11; vgl. dagegen M. Kment, Unionsrechtliche Fesseln für die planerische Koordination des Einzelhandels? – Eine Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit, EuR 2011, 269. 28 Vgl. dazu EuGH, Rs. C-204/87 (Bekaert), Slg. 1988, 2029, Rn. 12; EuGH, Rs. C-464/15 (Admiral Casinos), NVwZ-RR 2016, 624, Rn. 21; EuGH, Rs. C-384/08 (Attanasio Group), Slg. 2010, I-2055, Rn. 23 (lokale Straßentankstellenanlage). 29 EuGH, Rs. C-31/16 (Appingedam), NVwZ 2018, 307, Rn. 107; vgl. dazu A. O. Vogel, IBR 2018, 272; V. Schaumburger, EuZW 2018, 250 (Anmerkung); J. Kühling/S. Drechsler, Die Geltung der Dienstleistungsrichtlinie im Telekommunikations- und Baurecht, NVwZ 2018, 379. 30 EuGH, Rs. C-14/16 (Euro Park Service), EuZW 2017, 429, Rn. 59; EuGH, Rs. C-201/15 (AGET Iraklis), EuZW 2017, 229, Rn. 48; EuGH, Rs. C-371/10 (National Grid Indus), Slg. 2011, I-12273, Rn. 36.

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schreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt ist unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu untersuchen. Damit öffnet der EuGH die Möglichkeit, das nationale Regelwerk immanent zu bewerten. Die deutsche Trennung von unmittelbarem oder nur mittelbarem Eingriff oder Rechtsreflex kennt das Unionsrecht für Art. 49 AEUV nicht. Daher führt es aus der Sicht des Unionsrechtes nicht weiter, dem Raumordnungsrecht nur eine „mittelbare“ Rechtswirkung hinsichtlich einer Standortbestimmung zuzuweisen.31 Für die Ziele der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG 2017) trifft dies ohnedies nicht zu. Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt. Besteht nach deutschem Recht eine Bindung an die Ziele der Raumordnung, sind diese gegenüber Art. 49 AEUV der materielle Prüfungsgegenstand. Dass – wie im Schrifttum zu lesen ist – ein „großer Beurteilungsspielraum“ besteht, hat mit der Eingriffslage nichts zu tun. Jede Regelung über die Genehmigungsbedürftigkeit stellt eine Beschränkung im vorstehenden Sinne dar. Das gilt etwa für das Bauordnungsrecht. Auch eine Bedürfnisprüfung ist eine Beschränkung, selbst die Abgrenzung von Baugebieten oder die Festlegung der „näheren Umgebung“ im unbeplanten Innenbereich. Hier ist es die Vagheit der eingesetzten Begrifflichkeit, welche ein unionsrechtliches Verständnis erschwert. Ein tragendes Element sind unterschiedliche Belastungsstrukturen, wie es § 15 Abs. 1 BauNVO verdeutlicht. In § 8 BauNVO wird ein Plangebiet „für nicht erheblich belästigende“ Gewerbetriebe vorgesehen. Andere gewerbliche Tätigkeiten sind in der BauNVO in den Plangebieten gleichsam „verstreut“, so etwa auch für den Einzelhandel. b) Offene Diskriminierung Die Niederlassungsfreiheit ist ein binnenmarktbezogener Spezialfall des allgemeinen Diskriminierungsverbots. Es besteht also kein Anlass, daneben auch Art. 18 AEUV zu prüfen. Art. 49 AEUV erfasst jede (offene) Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ergibt. Die Diskriminierung im Sinne einer Ungleichbehandlung muss also in der ausländischen Staatangehörigkeit wurzeln. Daher verbietet die Niederlassungsfreiheit auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer im Einklang mit seinen Rechtsvorschriften errichteten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert. Fälle der offenen Diskriminierung mögen inzwischen sehr selten geworden sein. Würde z. B. die Genehmigung eines Vorhabens des großflächigen Einzelhan31

So aber W. Spannowsky, EurUP 2012, 216. Spannowsky verwechselt formellen und materiellen Prüfungsgegenstand. Ferner vermengt er die Eingriffslage mit der Rechtfertigung der Beschränkung. Wie hier S. Korte (o. Fn. 25), Rn. 53; ferner EuGH, Rs. C-400/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2011, I-1915, Rn. 64; ebenso EuGH, Rs. C-58/98 (Corsten), Slg. 2000, I-7919, Rn. 33.

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dels für den ausländischen Betreiber an die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH gebunden sein, wäre dies offene Diskriminierung. Ob sich eine derartige Beschränkung etwa durch Erwägungen des Gläubigerschutzes rechtfertigen lässt, ist eine andere – mutmaßlich zu verneinende – Frage. c) Mittelbare Diskriminierung Die nationalen Anforderungen können indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes enthalten. Die mittelbare („versteckte“) Diskriminierung umfasst die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten betreffen und somit den innergemeinschaftlichen Handel behindern können. Eine mittelbare Diskriminierung festzustellen, ist nicht ganz einfach. Das Vorliegen einer solchen Diskriminierung ist in aller Regel anhand eines Vergleichs vorzunehmen zwischen dem Anteil betroffener Personen unter den Staatsangehörigen des regelnden Mitgliedstaates und dem Anteil betroffener Personen unter den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten einerseits und deren jeweiliger Betroffenheit andererseits. Das erfordert nicht selten subtile Erwägungen. Eine mittelbare Diskriminierung kann vorliegen, wenn eine von nationalen Vorschriften verlangte Voraussetzung, obwohl sie formell nicht nach der Herkunft unterscheidet, indes leichter von den Staatsangehörigen des „eigenen“ Mitgliedstaats erfüllt werden kann als von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten. Auf absolute Zahlen kommt es nicht an. Gleichwohl bedingt der Nachweis einer mittelbaren Diskriminierung vielfach statistisches Wissen. In dem eingangs erörterten Fall der flämischen Gemeinde hatte es der EuGH nicht schwer, die behauptete Sozialwohnungspolitik zugunsten einkommensschwacher Personen als vorgeschoben zu entlarven.32 In Wahrheit sollte eine „ausreichende Bindung“ an die Gemeinde erreicht werden. Die Gefahr der versteckten Diskriminierung besteht fast stets, wenn sich das Kriterium des Wohnsitzes hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt, da Gebietsfremde meist Ausländer sind. d) Beschränkung ohne Diskriminierung Die Heterogenität der Rechtsordnungen in der Union macht es nicht leicht, eine tatsächliche und individuelle von einer allgemeinen rechtlichen Beschränkung zu unterscheiden. Art. 49 AEUV verbietet ohnedies auch geringfügige oder unbedeutende Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Etwa seit 1993 hat der EuGH den Tatbestand einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch ohne Diskriminierung

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EuGH, Rs. C-197/11 (Libert), DVBl. 2013, 1041, Rn. 55.

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als relevant angenommen.33 Die Beschränkung muss geeignet sein, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, durch die Unionsbürger „einschließlich der Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, der die Regelung erlassen hat, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“. Damit fällt der Begriff der Beschränkung als eingrenzendes Kriterium weitgehend aus. Es liegt auf der Hand, dass damit die Möglichkeit, sachgerechte Lösungen zu finden, auf die Ebene der Rechtfertigung verlagert wird. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass jede gewerbliche Tätigkeit Gegenstand der Niederlassungsfreiheit sein und demgemäß jede Beschränkung unionsrechtlich unter Rechtfertigungsdruck geraten kann. 5. Schrankenprüfung (Rechtfertigung) Jede Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bedarf der Rechtfertigung. Die hierfür maßgebenden unionsrechtlichen Gründe sind entweder ausdrücklich im Primärrecht oder im Sekundärrecht normiert oder ungeschriebenes Recht. Es ist also zwischen dem Befund einer relevanten Beschränkung und deren unionsrechtlicher Rechtfertigung zu unterscheiden. Das nationale Recht selbst kann keine unionsrechtliche Rechtfertigung für eine Beschränkung sein. Dieses ist ja gerade Objekt der unionsrechtlichen Rechtsprüfung. Bei der Lektüre seiner Judikate sollte man unterscheiden, ob der EuGH Primärrecht oder Sekundärrecht als Rechtfertigungsebene erörtert. Das Sekundärrecht löst eine Sperrwirkung aus. Für das Raum- und Bauplanungsrecht besteht kein gesondertes Sekundärrecht. Demgemäß ist insoweit das nationale Recht unmittelbar am Maßstab der Art. 49 ff. AEUV zu erörtern. Dabei ist es in aller Regel zweckmäßig, die „Qualität“ der Beschränkung nach offener oder versteckter Diskriminierung oder nicht diskriminierenden Beschränkungen zu unterscheiden. a) Rechtfertigung nach Maßgabe des Art. 52 AEUV Das Diskriminierungsverbot des Art. 49 Abs. 1 AEUV kann der Mitgliedstaat unbeachtet lassen, wenn die Voraussetzungen des Art. 52 Abs. 1 AEUV gegeben sind. Das gilt auch für andere Beschränkungen. Die Sonderregelung für Ausländer kann gerechtfertigt sein, wenn Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegen. Der Begriff der öffentlichen Ordnung setzt eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.34 Ob Art. 52 Abs. 1 AEUV einen allgemeinen „ordre-public“-Vorbehalt enthält, lässt sich der etwas schwankenden Judikatur des EuGH nicht entnehmen. Art. 52 Abs. 1 AEUV ist jedenfalls so auszulegen, dass sich seine Tragweite auf 33

EuGH, Rs. C-19/92 (Kraus), Slg. 1993, I-1663, Rn. 32; EuGH, Rs. C-234/03 (Contse SA), Slg. 2005, I-9315, Rn. 25; EuGH, Rs. C-330/03 (Colegio de Ingenieros), Slg. 2006, I-801, Rn. 30; EuGH, Rs. C-518/06 (Kommission/Ungarn), Slg. 2009, I-3491, Rn. 62, 64; EuGH, Rs. C-292/16 (A), EuZW 2018, 80, Rn. 25; ebenso BVerwGE 138, 301, Rn. 22 (IKEA). 34 EuGH, Rs. C-355/98 (Kommission/Belgien), Slg. 2000, I-1221, Rn. 28.

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das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist. Der EuGH will durch diese Auslegungsmaxime verhindern, dass über eine extensive Anwendung des Art. 52 Abs. 1 AEUV der Grundsatz der ökomischen Niederlassungsfreiheit faktisch relativiert wird. b) Zielsetzung: Allgemeininteresse aa) Dogmatische Grundlagen Es ist längst ein Erosionsprozess im Hinblick auf das Bewertungsniveau des Art. 52 Abs. 1 AEUV eingetreten.35 Der EuGH hat für unterschiedslos anwendbare Maßnahmen und Regelungen ungeschriebene Rechtfertigungsgründe anerkannt. Immer deutlicher entsteht so außerhalb des Diskriminierungsverbotes ein allgemeines Beschränkungsverbot. 1993 löste sich der EuGH, wie erwähnt, insoweit endgültig vom Text des Art. 49 AEUV.36 Dies ist bewusst gesetztes Richterrecht des EuGH. Dieser Ausdehnung des Schutzbereiches steht kompensatorisch die Ausweitung der rechtfertigenden Gründe gegenüber, ergänzt durch die Kontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Die materiell-rechtliche Ausdehnung ist notwendig verbunden mit der erweiterten Kontrollkompetenz des EuGH und der Vorlagepflicht der nationalen Gerichte. Beides sollte man nicht übersehen. bb) „Zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist zulässig, wenn sie durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt ist. Einen festen Kanon gibt es nicht, nachdem der EuGH den Gedanken der Exklusivität des Art. 52 AEUV aufgegeben hatte. Jeder Belang von einigem Gewicht, welcher die Grundinteressen der Gesellschaft betrifft, kann „zwingender Grund des Allgemeininteresses“ sein. Voraussetzung ist allerdings, dass das Unionsrecht selbst diesen Grund anerkennt.37 Die inzwischen entstandene Spruchpraxis des EuGH zeigt auf, dass der Gerichtshof vielen Konstellationen das Prädikat „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ zuerkannt hat. Beruft sich ein Mitgliedstaat für seine nationale Regelung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses, so sind diese an den unionsrechtlichen Grundrechten zu messen.

35 Vgl. A. Bunzel/H. Janning, ZfBR 2017, 425; krit. bereits D. Ehlers/K. Lackhoff, Enthält die Garantie der Niederlassungsfreiheit in EGVtr Art. 52 neben dem Diskriminierungsverbot auch ein Verbot, die durch EGVtr Art. 52 garantierte Grundfreiheit zu beschränken (Beschränkungsverbot)?, JZ 1996, 467. 36 Vgl. o. Fn. 33. 37 Vgl. EuGH, Rs. C-382/16 (Hornbach-Baumarkt), DStR 2018, 1221, Rn. 36; EuGH, Rs. C-327/16 (Jacob), HFR 2018, 583, Rn. 77; Nationale Quellen genügen nicht, a.A. W. Spannowsky, EurUP 2012, 216 (219).

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An oberster Stelle steht der Schutz der Gesundheit. Art. 52 Abs. 1 AEUV legt dies nahe. Es ist allerdings Sache des Mitgliedstaates, zu bestimmen, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll. So ist es zulässig, um eine Gesundheitsversorgung mit Apotheken zu gewährleisten, im gesamten Hoheitsgebiet geografisch isolierte oder in sonstiger Weise benachteiligte Regionen planerisch zu berücksichtigen, wenn dies den Bedürfnissen der Bevölkerung dient. Der EuGH hält es auch für zulässig. wenn eine nationale Regelung auf den Bedarf verweist.38 Der Umweltschutz besitzt den Status eines „zwingenden Grundes des Allgemeininteresses“. Hier ist der unionsrechtliche Bezugspunkt Art. 191 AEUV. Inzwischen hat der EuGH eine Fülle von anderen Zielen als gemeinwohlgebunden gebilligt. Für das BVerwG ist die Vermeidung von Sozial- und Umweltlasten mit den Mitteln des Raumordnungsrechts ein zwingender Grund des Allgemeininteresses.39 Die Wahrung der Belange der nationalen Wirtschaft kann an sich ein Ziel des Gemeinwohls sein, die als „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen vermögen. Das gilt jedoch nicht für „rein wirtschaftliche Gründe“. Dazu gehört etwa die Förderung der nationalen Wirtschaft oder deren gutes Funktionieren. Allerdings hat die EU nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale Zielrichtung (vgl. Art. 3 Abs. 3 EUV). Daher sind die sich aus den Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit ergebenden Rechte gegen die mit der Sozialpolitik verfolgten Ziele abzuwägen. Hier geraten die sorgfältige Unterscheidung zwischen verfolgter Zielanalyse und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Schwierigkeiten. Für den EuGH besteht das prozessuale Hindernis, dass im Verfahren nach Art. 267 AEUV nur ein eingeschränkter Zugriff auf den maßgebenden Sachverhalt besteht. c) Verhältnismäßigkeit der Beschränkung Die Beschränkung muss neben einem „zwingenden“ Ziel geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten. Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (sog. „Gebhard“-Formel [1995]).40 Das hat Ähnlichkeit mit der sog. Cassis-Formel des EuGH (1979).41 Im Ergebnis ist dies nichts anderes als der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Beweislast trägt der eingreifende Mitgliedstaat.42

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EuGH, Rs. C-367/12 (Sokoll-Seebacher), EuZW 2014, 307, Rn. 28 ff. BVerwGE 138, 301, Rn. 23 (IKEA). 40 EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 22 ff. 41 EuGH, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rn. 8. 42 EuGH, Rs. C-110/05 (Kommission/Italien), Slg. 2009, I-519, Rn. 62, 66; das kann zum „Prozessverlust“ führen, vgl. deutlich EuGH, Rs. C-400/08 (Kommission/Spanien), Slg. 2011, I-1915, Rn. 84. 39

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Eine nationale Regelung ist nur dann geeignet, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Die Beschränkung darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des legitimen Ziels erforderlich ist. Eine Beschränkung im Sinne einer Ungleichbehandlung muss in ihrer Intensität in einem angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen. Dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer, bedeutet noch nicht, dass dessen Vorschriften unverhältnismäßig sind. Es scheint so, dass der EuGH nur die vom Mitgliedstaat selbst angegebenen Gründe auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit immanent prüft. Darin mag ein Unterschied zur Vorgehensweise des BVerfG liegen. Im Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH kommt es dann nur darauf an, was der beklagte Mitgliedstaat zur Verteidigung vorgetragen hat. Die Erforderlichkeit der Maßnahmen beurteilt sich für das BVerwG allerdings allein danach, ob das (nationale) Raumordnungsrecht mildere Alternativen zur Verfügung stellt.43 Das ist leider eine klassische petitio principii. Es geht gerade darum, ob das konkrete nationale Raumordnungsrecht dem Unionsrecht genügt. Dieser Prüfung hat sich auch die Berufung auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu beugen. III. Bereichsspezifische Probleme im deutschen Recht Objektive (absolute) Zugangssperren lassen sich instrumentell leicht durch eine Regulierung des Standortes erreichen. Beschränkungen können mittelbar auch durch Bedarfsprüfung, Quotenzuweisungen oder subjektive Zulassungsvoraussetzungen erreicht werden. Typisch sind Regelungen, deren Voraussetzungen vorzugsweise die eigenen Staatsangehörigen erfüllen können und deren Ziel es ist, faktisch einen „fremden“ Einfluss abzuwehren. Hier ist mit vorgeschobenen Gründen im Sinne einer Politik der Abschottung zu rechnen. 1. Raumordnungsrecht – Bauplanungsrecht Das Primärrecht der EU enthält sich jeder inhaltlichen Aussage über Raumordnungsrecht oder über Siedlungspolitik. Demgemäß fehlt es im Primärrecht an Regelungen über eine gezielte Ansiedlungspolitik. Das gilt für Wohnungspolitik oder gewerbliche Tätigkeiten gleichermaßen. Es gibt auch keine primärrechtlichen Vorgaben darüber, wie eine Planung für die Ausweisung der Gebiete, in denen etwa Einzelhandelseinrichtungen eröffnet werden sollen, unionsrechtskonform zu sein hat. Die RL 2001/42/EG (Plan-UP) hat in Teilbereichen ein eigenes planerisches Instrumentarium entwickelt, das allerdings umweltpolitisch zentriert ist.44 Von der Möglichkeit der Abrundungskompetenz (Art. 352 AEUV) ist für das Raumordnungsrecht 43

BVerwGE 138, 301, Rn. 24 (IKEA) zu VGH Mannheim, VBlBW 2010, 357. Vgl. EuGH, Rs. C-177/11 (Syllogos Ellinon Poleodomon), NVwZ 2012, 1100; EuGH, Rs. C-41/11 (Inter Environnement Wallonie), NVwZ 2012, 553. 44

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bislang kein Gebrauch gemacht worden. Eine nachhaltige Politik der europäischen Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung gibt es nur in Ansätzen. Hier sollte es um urbane Qualitäten der Siedlungsentwicklung, um Steuerung städtischer Verdichtungsräume und um „naturhafte“ Freihaltungsbelange gehen. Eine ausgebaute europäische Raumordnungspolitik, die normative Verbindlichkeit erreicht hätte, gibt es nicht (vgl. dazu seinerzeit das Europäische Raumentwicklungskonzept [EUREK – 1999]; CEMAT-Leitlinien [2002]). Die Mitgliedstaaten haben die Freiheit, Ziele einer Raumordnung nach Maßgabe innerstaatlicher Ermächtigungen festzulegen, deren Umsetzung dann den zuständigen Behörden obliegt. Nur über fremde Kompetenzgrundlagen des Primärrechts lässt sich also ein raumordnungsrechtlicher Bezug herstellen.45 Mit den Mitteln der Raumordnung kann eine gegenüber Ansiedlungen von Einzelhandelsvorhaben großzügigere oder im Hinblick auf legitime raumordnerische Ziele auch strengere Linie verfolgt werden. Demgemäß ist es folgerichtig, wenn der EuGH nationale Ziele der Raumordnung im Grundsatz als geeignet betrachtet, rechtfertigende „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ zu sein.46 Maßgebend bleibt indes der materielle Gehalt der Planaussage. Das Raumordnungsrecht der Mitgliedstaaten fungiert dann als Rechtfertigungsebene. Dies sieht äußerlich nach vollkommener unionsrechtlicher Freiheit aus. So ist es indes nicht. Die Raumordnungsziele müssen nämlich im Regelungssystem der Niederlassungsfreiheit ihrerseits unionsrechtlich als zulässig nachgewiesen werden. Dazu ist es mit allgemeinen Behauptungen nicht getan. Hinweise auf Arbeitspapiere der Kommission ersetzen – für sich genommen – den unionsrechtlich gebotenen Nachweis nicht, dass eine Beschränkung unionskonform ist.47 Es genügt auch nicht, auf Wertungsspielräume der Mitgliedstaaten hinzuweisen.48 Man muss sich vielmehr vom nationalen Recht lösen. Das fällt offenbar schwer. Verbreitet ist die Vorstellung, Raumordnungspläne seien nicht an Art. 49 AEUV zu messen. Die Eingriffslage realisiere sich erst in der kommunalen Planung. Das ist in seiner pauscha45

Vgl. W. Erbguth/M. Schubert, Europäisches Raumordnungsrecht: Neue Regelungskompetenzen der EU im Gefolge des Vertrages von Lissabon, AöR 137, 72 – 91 (2012); vgl. auch W. Erbguth, Europarechtliche Vorgaben für eine maritime Raumordnung: Empfehlungen, NuR 2012, 85. 46 EuGH, Rs. C-567/07 (Woningstichting Sint Servatius), Slg. 2009, I-9021, Rn. 29. 47 Vgl. etwa COM(2004) 60 zur „Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt“; COM(2010) 355 „Towards more efficient and fairer retail services in the internal market for 2020“; COM(2011) 571; a.A. wohl W. Spannowsky, EurUP 2012, 216 (220). 48 W. Spannowsky, EurUP 2012, 216 (218) will aus den von ihm zitierten Judikaten EuGH, Rs. C-36/10 und C-53/11 die „Berücksichtigung sozio-ökonomischer Faktoren!“ (sic) ableiten. Das geben die Entscheidungen nicht her. Außerdem: Spannowsky übersieht, dass die Judikate RL 96/82/EG betreffen, nicht die Auslegung des Art. 49 AEUV. Wenn Spannowsky dem Judikat C-53/11 eine Ansicht des EuGH zur Niederlassungsfreiheit unterlegt (S. 219), dann hat er prozessual übersehen, dass der EuGH gemäß Art. 267 AEUV nur die ihm gestellte Vorlagefrage beantwortet. Das vorlegende Gericht (BVerwG) hatte keine Frage zur Niederlassungsfreiheit gestellt.

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len Aussage unzutreffend. Das deutsche Mehrebenensystem ist kein materiales Separationsmodell.49 Auch Planvorschriften, welche das Raumordnungsrecht betreffen, können die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen, legt man den Begriff des EuGH zur „Beschränkung“ zugrunde. Dafür bietet der erwähnte Fall der katalonischen Regionalplanung ein gutes Beispiel. Die Politik der Autonomen Gemeinschaft Katalonien war darauf gerichtet, die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben tunlichst zum Schutz heimischer Wirtschaftsstrukturen zu begrenzen. Dem lag ein tatsächlicher Befund zugrunde. Dieser ergab, dass ausländische Investoren größere Einzelhandelseinrichtungen bevorzugten, um damit Größenvorteile zu erzielen. Diese wiederum galten als zur Durchdringung des katalonischen Marktes erforderlich. Der EuGH verneinte, dass es für die Politik der katalonischen Regionalplanung unionsrechtstaugliche Rechtfertigungsgründe gebe.50 Allerdings liegt nicht bereits ein unionsrechtlich relevanter Systemfehler vor, wenn sich das deutsche Recht am Zentrale-Orte-Prinzip (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 4 ROG 2017) ausrichtet.51 Die korrekte Rechtsanalyse verlangt mithin Ziel- und Ergebniskontrollen am Maßstab des unionsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. An dieser Vorgehensweis lässt die Judikatur des EuGH keinen Zweifel. Als ein Raumordnungsziel kann etwa die Erhaltung einer beständigen Bevölkerung in ländlichen Gebieten gelten.52 Die Vermeidung von Sozial- und Umweltlasten mit den Mitteln des Raumordnungsrechts kann einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen.53 Raumplanerische Absichten, die eine Beschränkung rechtfertigen, können im Zusammenhang mit gezielter Sozialwohnungspolitik auch darin bestehen, ein ausreichendes Wohnangebot für einkommensschwache Personen oder andere benachteiligte Gruppen der örtlichen Bevölkerung sicherzustellen. Als ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel hat der EuGH anerkannt, sicherzustellen, dass das Land denjenigen gehört, die es bewirtschaften, die Bodenspekulation bekämpfen, eine Verteilung des Grundeigentums sicherstellen, welche die Entwicklung lebensfähiger Betriebe ermöglicht, oder die vernünftige Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt fördern.54 Der Gerichtshof weist das vorlegende Gericht folgerichtig darauf hin, es habe noch zu prüfen, ob die weiteren Ele49 Vgl. BVerwGE 141, 144, Rn. 5 f.; überzeugend M. Kment, Ebenenspezifische Planung – Konfliktbewältigung – Erforderlichkeit der Planung: Die Raumordnung im Spannungsfeld planerischer Gebote, BauR 2012, 1867; auch K. Füßer, Steuerung durch die Raumplanung und ihre Grenzen am Beispiel der Einzelhandelssteuerung in Sachsen, SächsVBl. 2013, 1. 50 Vgl. EuGH, Rs. C-400/08 (Agenda), Slg. 2011, I-1915, Rn. 61. 51 H.-J. Koch, Erhaltung und Entwicklung „Zentraler Versorgungsbereiche“ in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Verw 2012, 233 (241 f.). 52 So etwa EuGH, Rs. C-302/97 (Konle), Slg. 1999, I-3099, Rn. 40 = NVwZ 2000, 303 (Tiroler Grundverkehrsgesetz); EuGH, Rs. C-515/99 (Reisch), Slg. 2002, I-2157, Rn. 34 = NVwZ 2002, 707 (Grundstückserwerb); EuGH, Rs. C-370/05 (Festersen), Slg. 2007, I-1129, Rn. 27 und 28 = EuZW 2007, 215 (mit dem Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks verbundene Wohnsitzpflicht). 53 VGH Kassel, KommJur 2016, 426, Rn. 60 f. 54 Vgl. EuGH, Rs. C-370/05 (Festersen), Slg. 2007, I-1129, Rn. 27 und 28.

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mente des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeben seien.55 Bezweckt die Grundstücks- und Immobilienregelung tatsächlich, den Wohnungsbau der weniger kapitalkräftigen einheimischen Bevölkerung lokal zu fördern, kann dies als ein mit der Raumordnungspolitik im Zusammenhang stehendes gesellschaftliches Ziel angesehen werden. Aber bei sehr allgemein formulierten Zielen bleibt Skepsis. Für sich genommen ist das (deutsche) Zentrale-Orte-Prinzip – wie erwähnt – nicht hinreichend, um eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bereits als solches zu legitimieren. Das Prinzip ist eben nur „Prinzip“, muss also nach Maßgabe der gegebenen Umstände konkretisiert werden.56 Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV zur Klärung, wie das deutsche Kongruenzgebot im Lichte der Niederlassungsfreiheit zu verstehen sei, hat das BVerwG als nicht erforderlich angesehen.57 2. Bauplanungsrechtlicher Nutzungsausschluss: Einzelhandel a) Beispiel: Planerische Regulierung der lokalen Warensortimente Der bauplanerische Ausschluss des Einzelhandels ist nach nationalem Recht weitestgehend zulässig. Die Gemeinde kann nach § 1 Abs. 5 BauNVO den Einzelhandel aus dem Baugebiet insgesamt ausschließen. Sie kann dies mit erwünschter städtischer Konzentration des Einzelhandels oder mit der Stärkung des produzierenden Gewerbes begründen. Es kommt nur darauf an, ob der festgesetzte Einzelhandelsausschluss geeignet ist, das von der Gemeinde ins Auge gefasste städtebauliche Ziel zu fördern. Ein Ausschluss ist nach § 1 Abs. 9 BauNVO zulässig, etwa für zentrumsrelevante Waren oder hinsichtlich zentrenrelevanter Randsortimente. Das soll dann einer Feinsteuerung dienen. So einfach ist es unionsrechtlich allerdings nicht.58 Die nach der BauNVO erforderlichen „städtebaulichen Gründe“ müssen material nicht gleichbedeutend mit den Anforderungen sein, welche Art. 49 AEUV stellt.59 Die planungsrechtlich bewirkten Standortbeschränkungen dürfen in keiner Hinsicht einer Marktregulierung etwa im Sinne eines ökomischen Bestandsschutzes dienen. Das BVerwG (2013) hat bislang, und zwar zutreffend, entschieden, dass Gründe der Stadtentwicklung, des Verbraucherschutzes oder des Schutzes der städtischen Umwelt zwingende Gründe des All-

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EuGH, Rs. C-31/16 (Appingedam), NVwZ 2018, 307, Rn. 132. Vgl. auch M. Uechtritz, Neues zur raumordnerischen Einzelhandelssteuerung: Zulässigkeit von Kongruenzgeboten als Soll-Ziele, ZfBR 2011, 648; ähnlich VGH Mannheim, BauR 2013, 425, Rn. 47. 57 BVerwG, Beschl. v. 02. 05. 2013 – 4 B 59/12, juris, Rn. 23. 58 Vgl. M. Kment, EuR 2011, 269. 59 So wohl aber BVerwG, ZfBR 2014, 147, Rn. 6. 56

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gemeininteresses im Sinne des Art. 49 AEUV sein können.60 Eine weitere Prüfung nach Maßgabe des unionsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat das Gericht aus prozessualen Gründen nicht erörtert. Daran ist indes zu erinnern. Es ist kurzschlüssig, aus dem unionsrechtlich gerechtfertigten Ziel auf die Zulässigkeit auch im Übrigen zu schließen. Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man kommunalrechtliche Literatur liest. Ob Standortbeschränkungen von Einzelhandelsbetrieben in einem Bebauungsplan an der Dienstleistungsrichtlinie RL 2006/123/EG bzw. an Art. 57 AEUV statt unmittelbar an Art. 49 AEV zu messen sind, wie der EuGH jüngst meinte, erscheint allerdings zweifelhaft. Der EuGH (2018) hatte einen Bauleitplan einer Gemeinde unionsrechtlich zu prüfen, der die Tätigkeit des Einzelhandels mit Waren „ohne großen Platzbedarf“ in Gebieten außerhalb des Stadtzentrums der Gemeinde verbot. Kontrollmaßstab ist für den Gerichtshof Art. 15 Abs. 3 RL 2006/123/EG. Das sollte man nicht übersehen.61 Der EuGH sieht den Bauleitplan unionsrechtlich als rechtmäßig an, „vorausgesetzt, dass sämtliche in Art. 15 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Bedingungen erfüllt sind“. Dazu zählt er, dass die „Bedingungen der Nicht-Diskriminierung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit erfüllt sind“. Das Ziel, „die Lebensqualität im Stadtzentrum der Gemeinde zu erhalten und Leerstand im Stadtgebiet zu vermeiden“, hält er für richtlinienkonform.62 Im Jahre 2000 führte die Autonome Gemeinschaft Katalonien eine besondere Abgabe für große Einzelhandelseinrichtungen ein. Der EuGH hat dies im Hinblick auf Art. 49 AEUV geprüft und fallbezogen eine versteckte Diskriminierung ausländischer Unternehmen verneint.63 Im Ausgangsfall setzte die Abgabe mit einer Verkaufsfläche oberhalb von 4.000 qm progressiv ein. Zweifel bleiben. Kritisch ist die Zulässigkeit einer Beschränkung stets im Graubereich einer eher wirtschaftlich motivierten Zielsetzung. b) Beispiel: Zentrale Versorgungsbereiche (§ 34 Abs. 3 BauGB) Nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Das Vorhaben ist allerdings nach § 34 Abs. 3 BauGB unzulässig, wenn von ihm schädliche Auswirkungen auf „zentrale Versorgungsbereiche“ in der Gemeinde oder in anderen Ge60 BVerwG, NVwZ 2013, 1085, Rn. 4 zu VGH Mannheim, BauR 2013, 425, betr. § 8 BauNVO; ebenso BVerwG, ZfBR 2014, 147, Rn. 6; VGH München, KommunalPraxis BY 2014, 419 (L) = juris, Rn. 23. 61 EuGH, Rs. C-31/16 (Appingedam), NVwZ 2018, 307, Rn. 132. 62 Vgl. EuGH, Rs. C-360/15 (Appingedam), NVwZ 2018, 307 mit Anm. B. Kümper, NVwZ 2018, 314. Zur Steuerung näher O. Reidt, Rechtsfragen zur Steuerung des Einzelhandels, DVBl. 2016, 1364. 63 EuGH, Rs. C-233/16 (ANGED), EWS 2018, 149, Rn. 35.

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meinden zu erwarten sind.64 In der Mehrzahl handelt es sich bei den zentralen Versorgungsbereichen um Einzelhandel. Das Raumordnungsrecht verwendet den Begriff als Grundsatz im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 S. 3 ROG. Das Landesrecht kennt ihn etwa in § 24a Abs. 1 LEPro NRW. Er bleibt jeweils gesetzlich undefiniert. Ob § 24a Abs. 1 LEPro NRW überhaupt strikt oder eher als Konzeptvorschlag zu verstehen ist, steht dahin. Einen ausgesprochenen Bezug auf Art. 49 AEUV gibt es jedenfalls nicht. § 34 Abs. 3 BauGB stellt der Sache nach eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Er wirkt als Konkurrenz- und Wettbewerbsschutz. Manche halten § 34 Abs. 3BauGB für eine legislatorische Fehlkonstruktion.65 Dafür spricht, dass die Judikatur die Vorschrift bislang nicht wirklich präzisieren konnte. Man kann also durchaus fragen, ob § 34 Abs. 3 BauGB gegen Art. 49 AEUV verstößt.66 § 34 Abs. 3 BauGB beschränkt den Marktzutritt im Einzelhandel in ganz erheblichem Maße. Man hat den Eindruck, dass Deutschland bislang diese unionsrechtliche Fragestellung nicht hinreichend erkannt hat. Dem Vernehmen nach hatte die Kommission gegen § 34 Abs. 3 BauGB intern frühzeitig einen „Anfangsverdacht“.67 Das gilt jedenfalls, wenn eine grenzüberschreitende Betätigung gegeben sein kann. Das „Dogma der Wettbewerbsneutralität“ des Bauplanungsrechts verschleiert – man kann es drehen und wenden wie man will – einen gebotenen, offenen Abwägungsprozess.68 Ziel ist die Erhaltung gewachsener städtebaulicher Strukturen und die Entwicklung integrierter Lagen auch im Interesse der verbrauchernahen Versorgung. Das BVerwG votiert dafür, dass es für § 34 Abs. 3 BauGB – bei abstrakter Betrachtung – zwingende Gründe des allgemeinen Interesses gebe.69 Dem mag man im Einzelfall folgen. Damit ist indes noch nicht belegt, dass auch die weiteren Elemente des unionsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeben sind. Man muss auch daran zweifeln, ob § 34 Abs. 3 BauGB dem unionsrechtlichen Grundsatz der Normbestimmtheit genügt. Seiner unionsrechtlich gebotenen Interpretationsarbeit dürfte das BVerwG noch nicht genügt haben. Nach Unionsrecht muss ein Normadressat seine Rechte und Pflichten eindeutig erkennen können. Koch kritisiert zu-

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Zu Begrifflichkeiten vgl. BVerwGE 129, 307, Rn. 11; BVerwGE 136, 10, Rn. 7. Vgl. A. Bunzel, Bebauungspläne für die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, KommJur 2009, 449 (450); krit. U. Battis, Zentrale Versorgungsbereiche, DVBl. 2011, 196 (199). 66 Vgl. H.-J. Koch, Verw 2012, 233 (241 f.); U. Battis, DVBl. 2011, 196 (200); J. Krumb/ A. Stapelfeldt, Ist § 34 Abs. 3 BauGB europarechtskonform?, BauR 2011, 64. 67 Vgl. auch Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/4946 (IP/09/1002 v. 25. 6. 2009); vgl. auch A. Bunzel/H. Janning, ZfBR 2017, 425 (425 f.); C. Wiggers, NJW-Spezial 2011, 556. 68 Vgl. U. Battis, Raumplanungsrecht und Wettbewerb, ZRP 2016, 107; G. Hager, Wettbewerbssteuerung durch Raumplanung, ZRP 2016, 211; ders., Wettbewerbsneutralität – Dogma oder Mantra des Raumplanungsrechts?, BauR 2017, 194; krit. auch T. Weck, Die Bauleitplanung bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben: Planung im Marktzusammenhang, BauR 2015, 1261; dagegen A. Bunzel/H. Janning, ZfBR 2017, 425 (428). 69 BVerwGE 136, 18, Rn. 10 (Aldi/München). 65

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treffend, das Gericht trenne nicht hinreichend zwischen Gesetzesauslegung und Subsumtion.70 3. Versteckte (diskriminierende) Abwehr von „Fremden“ a) Beschränkung: Grundstückserwerb Ein flämisches Dekret hinderte Personen ohne „ausreichende Bindung“ zu einer (flämischen) Zielgemeinde daran, Grundstücke oder darauf errichtete Bauten zu erwerben, für mehr als neun Jahre zu mieten oder ein Erbpacht- oder Erbbaurecht daran zu vereinbaren. Aus der Sicht des EuGH ist es für die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit erforderlich, dass das Unternehmen eine Immobilie zur Ausübung ihrer Tätigkeiten besitzt oder jedenfalls über gesicherte Pacht- oder Mietverträge verfügt.71 Damit soll die gebotene Dauerhaftigkeit der Tätigkeit gesichert sein. Macht das nationale Recht den Kauf oder die Miete/Pacht eines Grundstücks von einer „ausreichenden Bindung“ an die Ortsgemeinde abhängig, wird dies regelmäßig unzulässig sein.72 Denn damit wird verhindert, dass eine Voraussetzung der Niederlassungsfreiheit erfüllt werden kann. Auch ein Wohnsitzerfordernis gerade im grenznahen Siedlungsbereich kann aus denselben Gründen der Zielsetzung des Art. 49 AEUV deutlich entgegenstehen.73 b) Beschränkung: Wohnsitzerfordernis – „Einheimische“ Das BVerwG billigte 1993 die bundesrechtliche Zulässigkeit des Weilheimer Modells.74 Mit dem Vertragsmodell sollte eine Überfremdung des Gemeindegebiets durch „auswärtige“ Grundstückserwerber und ein durch deren Finanzkraft bewirkter übermäßiger Anstieg der Grundstückspreise mit der Folge einer Abwanderung vermieden werden. Fragen des Unionsrechtes stellten sich seinerzeit nicht. Das liegt heute anders, wenn eine gewerbliche Tätigkeit aus unterschiedlichen Gründen möglichst „Einheimischen“ vorbehalten bleiben soll. Jede staatliche Maßnahme kann eine Beschränkung im Sinne des Art. 49 AEUV sein. Eine bauplanungsrechtliche Möglichkeit der Festsetzung Wohnen oder gewerbliche Tätigkeit „nur für Einheimische“ nach Maßgabe des § 9 BauGB und der BauNVO besteht nicht.75 Dem steht das Diskriminierungsverbot entgegen. Daran hat die Neufassung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB (2017) nichts geändert. Es hat gleich70

H.-J. Koch, Verw 2012, 233 (246). Vgl. EuGH, Rs. C-386/04 (Centro di Musicologia Walter Stauffer), Slg. 2006, I-8203, Rn. 19; EuGH, Rs. C-451/05 (ELISA), Slg. 2007, I-8251, Rn. 64. 72 EuGH, Rs. C-197/11 (Libert), DVBl. 2013, 1041. 73 EuGH, Rs. C-73/08 (Bressol), Slg. 2010, I-2735, Rn. 45; EuGH, Rs. C-212/05 (Hartmann), Slg. 2007, I-6303, Rn. 71. 74 BVerwGE 92, 56. 75 Vgl. bereits BVerwGE 92, 56, Rn. 30; VGH München, DVBl. 2017, 1499 Rn. 21. 71

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wohl nicht an Versuchen gefehlt, durch geeignete vertragliche Modelle zu entsprechenden Ergebnissen der Abwehr zu gelangen. Die Kommission hat jedoch staatliche Maßnahmen, welche dem „Geist“ der Freizügigkeit des Art. 49 AEUV widersprechen, sehr misstrauisch betrachtet. Eine wie auch immer geartete lokale Bindung an eine Gemeinde ist ohne Frage eine „Beschränkung“. Eine allgemeine Privilegierung der einheimischen Bevölkerung gibt es gerade nicht. Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses besteht nicht. Der EuGH bejaht zwar, dass die Sozialwohnungspolitik eines Mitgliedstaats zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen könne, fordert aber „dass diese Regelung für die Erreichung des Ziels, ein ausreichendes Wohnangebot für einkommensschwache Personen oder andere benachteiligte Gruppen der örtlichen Bevölkerung sicherzustellen, erforderlich und angemessen ist“.76 Diese Feststellung trifft der Gerichtshof nicht selbst, sondern hält dafür das nationale Gericht für zuständig. Die sehr klare Sichtweise des EuGH ist in der kommunalrechtlichen Literatur vielfach als eine Bestätigung der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines „Einheimischenmodells“ beurteilt worden.77 Davon kann indes keine Rede sein. Im Anschluss an das vorerwähnte Judikat des EuGH haben die Kommission, das Bundesumwelt- und -bauministerium und die Bayerische Staatsregierung am 22. 2. 2017 eine Vereinbarung getroffen, die eine Grundlage dafür bieten soll, das Vertragsverletzungsverfahren (DE 2006/4271) hinsichtlich der in Bayern praktizierten Einheimischenmodelle zu beenden. Außerdem novellierte der Bundesgesetzgeber § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 2017. Das ist insgesamt ein erstaunlicher Vorgang. Der bayerische Innenminister Herrmann wird zu der Vereinbarung amtlich mit dem Satz zitiert: „Die Ortsgebundenheit ist ein wesentlicher Eckpfeiler bei der Verteilung von Grundstücken im Rahmen von Einheimischenmodellen“. Es bedarf kaum einer Erwägung, dass der erzielte Konsens an der sachgerechten Auslegung und Anwendung des Art. 49 AEUV, etwa durch den EuGH, nichts ändert. Die Kommission kann in Rechtsfragen keine Absolution erteilen. IV. Resümee Das Gemeinschaftsrecht der EWG und der EG und das Unionsrecht der EU haben der Frage nach strukturierten Siedlungssystemen zunächst keine Beachtung ge76

EuGH, Rs. C-197/11 (Libert), DVBl. 2013, 1041, Rn. 53 ff., 69 zu RL 2014/52/EU. Vgl. beispielhaft N. Portz, mit dem irreführenden Anmerkungstitel „EuGH erklärt Einheimischen-Modelle für grundsätzlich rechtmäßig“, StuG 2013, 29 = KommJur 2013, 201 = BWGZ 2013, 1136, der nicht erkennt, dass es nach der Judikatur des EuGH auf eine Diskriminierung eines Ausländern nicht ankommt; ferner C. Jenner/S. Ludwig, EinheimischenModelle im Fokus des Europäischen Gerichtshofes, BWGZ 2013, 1140; S. Klein, Deutsche Einheimischenmodelle – Europäische Kommission gibt „grünes Licht“ zu neuen Leitlinien, in: KommunalPraxis BY 2017, 170; zurückhaltend T. Landsmann, Deutsche Einheimischenmodelle im Visier der Europäischen Kommission – Einführung und aktueller Verfahrensstand, KommunalPraxis BY 2014, 333. 77

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schenkt. Der EuGH hat – wie so häufig – nach einiger Zeit diese „Leerstelle“ genutzt, um integrierende Rechtsregeln zu entwickeln. Diese besitzen der Sache nach planungsrechtliche Qualität. Die Judikatur steht im Spannungsfeld der unionsrechtlichen Grundfreiheiten im Sinne eines offenen Binnenmarktes einerseits und den greifbaren öffentlichen Belangen und der politischen Autonomie der Mitgliedstaten andererseits. Noch ist wenig deutlich, wie dies ausgewogen geschehen kann. Der Gerichtshof ist wenig präzise, stark fallbezogen, gleichwohl in der Tendenz deutlich. Der „kapitalistisch“ strukturierte Binnenmarkt besitzt die zentrale Aufgabe allseitiger Integration. Daran lassen die Art. 26 ff. AEUV keine Zweifel aufkommen. Ein mitgliedstaatliches Eigenleben muss die Ausnahme bleiben. Das sind die gewollten politischen Kosten der EU. Sollte man hinzufügen: Das gilt auch für bayerische Gemeinden?

EU-Beihilfenrecht und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse @ Zu den Grenzen der Altmark-Konzeption Von Wolfram Cremer I. Rechtfertigungslösung – Tatbestandslösung – Altmark-Konzeption Die beihilfenrechtliche Beurteilung staatlicher (Gegen-)Leistungen oder (Ausgleichs-)Zahlungen für die Erbringung von „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ wurde seit der zweiten Hälfte der 1990er bis zu dem Grundsatzurteil des EuGH in der Rs. Altmark (Juli 2003) sehr grundsätzlich und kontrovers diskutiert.1 Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand die Interpretation des Tatbestandsmerkmals der Begünstigung i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV. Das EuG und die Kommission vertraten zunächst die Auffassung, dass in einer Ausgleichsgewährung auch dann eine Begünstigung i. S. v. Art. 107 Abs. 1 AEUV liege, wenn die Zahlung lediglich besondere Lasten aus der Betrauung mit „Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ kompensiere.2 Demgemäß bedürften solche Ausgleichszahlungen der Notifizierung (Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV) und einer Rechtfertigung gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV (sog. Rechtfertigungslösung). Der EuGH, dessen CELF-Urteil (Juni 2000) noch Übereinstimmung mit EuG und Kommission signa1

Grundlegend zum Verhältnis der mitgliedstaatlichen Daseinsvorsorge zum europäischen Recht J. Harms, Daseinsvorsorge im Wettbewerb, in: Brede (Hrsg.), Wettbewerb in Europa und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 2001, S. 25 ff.; J. A. Kämmerer, Daseinsvorsorge als Gemeinschaftsziel oder: Europas „soziales Gewissen“, NVwZ 2002, 1041 ff.; C. Scharpf, Der Einfluss des Europarechts auf die Daseinsvorsorge, EuZW 2005, 295 ff. sowie die Beiträge in: Hrbek/Nettesheim (Hrsg.), Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, 2002; und in: Schwarze (Hrsg.), Daseinsvorsorge im Lichte des Wettbewerbsrechts, 2001. S. auch Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu häufig gestellten Fragen im Zusammenhang mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vom 20. 11. 2007, SEK (2007) 1516 endg. Ferner Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vom 11. Januar 2012, ABl. 2012 Nr. C 8/4. 2 Vgl. zur entsprechenden Kommissionspraxis insbesondere die Entscheidung 1999/133/ EG vom 10. 6. 1998 (CELF), ABl. 1999 Nr. L 44/37. Zum EuG insbesondere Rs. T-106/95 (FFSA/Kommission), Slg. 1997, II-229, Rn. 167 ff. und 199; Rs. T-46/97 (SIC), Slg. 2000, II-2125. Vgl. auch GA Léger, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-280/00 (Altmark), Slg. 2003, I-7747, Ziff. 77 ff., bestätigt in den Schlussanträgen vom 14. 1. 2003 nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

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lisierte,3 ist dieser Position von EuG und Kommission freilich im Ferring-Urteil (November 2001)4 entgegengetreten.5 Danach sollte der staatliche Ausgleich von Lasten aus der Erfüllung von gemeinwirtschaftlichen Pflichten nicht unter den Beihilfetatbestand fallen, wenn der Ausgleich die tatsächlich entstehenden Kosten nicht übersteigt, weil es dann an einem (beihilferechtlich relevanten) wirtschaftlichen Vorteil fehle (sog. Tatbestandslösung).6 Die Tatbestandslösung hat der EuGH indes knapp zwei Jahre später im AltmarkUrteil7 modifiziert8 bzw. aufgegeben. Nicht zuletzt zur Kontrastierung mit den den 3

EuGH, Rs. C-332/98 (Frankreich/Kommission), Slg. 2000, I-4833, Rn. 31 f.; vgl. zur Erläuterung J. Gundel, Staatliche Ausgleichszahlungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse: Zum Verhältnis zwischen Art. 86 II EGV und dem EG-Beihilfenrecht, RIW 2002, 222 (227). 4 EuGH, Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, I-9067. 5 Der EuGH hatte schon 1985 entschieden, dass Zuschüsse an Unternehmen, die vom französischen Staat mit der Abholung und Beseitigung von Altöl beauftragt wurden, nicht als Beihilfen i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen seien, sondern es sich bei diesen Zahlungen um eine Gegenleistung für die durch die Unternehmen erbrachte Entsorgungsleistung handele, EuGH, Rs. C-240/83 (ADBHU), Slg. 1985, 531, Rn. 16 ff., 18. In der Entscheidung Rs. C-174/97 (FFSA), Slg. 1998, I-1303 ist er von dieser Position aber wohl wieder abgerückt. 6 EuGH, Rs. C-53/00 (Ferring), Slg. 2001, I-9067, Rn. 32 f. Kritisch zum Ferring-Urteil J. Gundel, RIW 2002, 222 (225 ff.); C. Koenig/J. Kühling, Infrastrukturförderung im Ausschreibungsverfahren, DVBl. 2003, 289 (295 f.); M. Nettesheim, EWS 2002, 253 (261 ff.). 7 EuGH, Rs. C-280/00 (Altmark), Slg. 2003, I-7747; dazu G. Britz, Finanzielle Direkthilfen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse: Handelt der Staat wie ein „privater Wirtschaftsteilnehmer“? – Eine Kritik der konzeptionellen Grundlagen der neueren Beihilfenrechtsdogmatik, ZHR 169 (2005), 370; A. Bartosch, Die Kommissionspraxis nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Altmark – Worin liegt das Neue?, EuZW 2004, 295; C. Franzius, Auf dem Weg zu mehr Wettbewerb im ÖPNV – Zum „Altmark Trans“ Urteil des EuGH, NJW 2003, 3029; C. Jennert, Finanzierung und Wettbewerb in der Daseinsvorsorge nach Altmark Trans, NVwZ 2004, 425; C. Koenig, Die neuen EG-beihilfenrechtlichen Kompensationsmaßstäbe in der Daseinsvorsorge – das Altmark Trans-Urteil in der Praxis, BB 2003, 2185; C. Koenig/A. Haratsch, Die Rundfunkgebühren auf dem Prüfstand des Altmark Trans-Urteils des Europäischen Gerichtshofs, ZUM 2003, 804; J. Kühling/L. Wachinger, Das Altmark Trans-Urteil des EuGH – Weichenstellung für oder Bremse gegen mehr Wettbewerb im ÖPNV?, NVwZ 2003, 1202; M. Ronellenfitsch, Das Altmark-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, VerwArch 2004, 425; J. Kämmerer, Strategien zur Daseinsvorsorge – Dienste im allgemeinen Interesse nach der „Altmark“-Entscheidung des EuGH, NVwZ 2004, 28; J. Pielow, EuGH, Urt. v. 24. 07. 2003 – Rs. C-280/00 – Altmark Trans GmbH / NVG Altmark GmbH, RdE 2004, 44; S. Santamato/J. G. Westerhof, Is funding of infrastructure State aid?, EuZW 2003, 645; L. Wachinger, Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen und Europäisches Wettbewerbsrecht – Der beihilfenrechtliche Prüfmaßstab nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „Altmark Trans“, ZöGU 2004, 56. Aus jüngerer Zeit W. Frenz, Beratung für Handwerker als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, GewArch 2017, 279; M. Kahles/N. Grabmayr, Ausschreibungen im EEG 2014 und „Altmark Trans“ – Beihilfefreie Ausgestaltung des EEG durch Einführung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung und wettbewerblicher Ermittlung der Förderhöhe?, ZUR 2016, 138. 8 Jedenfalls wird dieser Ansatz des EuGH auch als „modifizierte Tatbestandslösung“ bezeichnet, C. Jennert, NVwZ 2004, 425 (425). Eine vielbeachtete vermittelnde Auffassung, die

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Urteilen BUPA und CBI zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen sei in aller Kürze der dem Altmark-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt geschildert. Das Regierungspräsidium Magdeburg erteilte der Altmark Trans GmbH Genehmigungen für Liniendienste im Landkreis Stendal für den Zeitraum vom 25. 09. 1990 bis 19. 09. 1994 und vom 27. 10. 1994 bis 31. 10. 1996 und gewährte öffentliche Zuschüsse zu diesem Linienbetrieb. Gleichzeitig lehnte das Regierungspräsidium die Anträge der Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH auf Erteilung von Genehmigungen zur Bedienung dieser Linien ab. Letztendlich begehrte das BVerwG eine Vorabentscheidung beim EuGH gem. Art. 267 AEUV und stellte im Wesentlichen die Frage, ob Zuschüsse zum Defizitausgleich im öffentlichen Personennahverkehr überhaupt dem Beihilfeverbot des Art. 92 Abs. 1 EG (heute Art. 107 Abs. 1 AEUV) unterfielen oder ob ihnen wegen ihrer regionalen Bedeutung von vornherein die Eignung fehle, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Der EuGH führte dazu zunächst aus, dass das Vorliegen einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht vom örtlichen oder regionalen Charakter der erbrachten Verkehrsdienste oder der Größe des betreffenden Tätigkeitsgebiets abhänge,9 um dann hinzuzufügen, dass die öffentlichen Zuschüsse nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fielen, „soweit sie als Ausgleich anzusehen sind, der die Gegenleistung für Leistungen darstellt, die von den begünstigten Unternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden.“ Dafür müssten vier Voraussetzungen kumulativ10 erfüllt sein.11 Erstens muss das begünstigte Unternehmen durch den Mitgliedstaat tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden sein.12 Und nicht selten wird im Zusammenhang mit dem ersten Altmark-Kriterium ein Marktversagen als zwingende Voraussetzung einer Zuwendung postuliert.13 Zweitens sind die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und trans-

eine Kombination aus Tatbestands- und Ausgleichsansatz darstellt, entwickelte zudem GA Jacobs, Schlussantr. zu EuGH Rs. C-126/01 (GEMO/Ministère de l’Économie), Slg. 2003, I13769, Ziff. 87 ff.; ihm folgend GA Stix-Hackl, Schlussantr. zu EuGH, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01 (Enirisorse/Kommission), Slg. 2003, I-14 243, Ziff. 153 ff. 9 EuGH, Rs. C-280/00 (Altmark), Slg. 2003, I-7747, Rn. 82. 10 Jüngst ausdrücklich bestätigt durch EuG, Rs. T-219/14 (Regione autonoma della Sardegna), ECLI:EU:T:2017:266, Rn. 122. 11 EuGH, Rs. C-280/00 (Altmark), Slg. 2003, I-7747, Rn. 89 – 93. 12 EuGH, Rs. C-280/00 (Altmark), Slg. 2003, I-7747, Rn. 89. 13 EuG, Rs. T-454/13 (SNCM), ECLI:EU:T:2017:134, Rn. 172; Rs. T-366/13 (Frankreich/ Kommission), ECLI:EU:T:2017:135; J. Kühling, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 107 AEUV Rn. 43; S. Heise, Krankenhausfinanzierung und Beihilferecht @ Das Krankenhauswesen zwischen Gemeinwohlverpflichtung und Wettbewerb, EuZW 2015, 739 (743); S. Bulla, Der Defizitausgleich bei Krankenhäusern der öffentlichen Hand bleibt beihilfekonform – Zu den Voraussetzungen und Grenzen der Krankenhausversorgung als DAWI, KommJur 2015, 245 (248); U. Soltész, Wichtige Entwicklungen im Europäischen Beihilferecht im Jahre 2017, EuZW 2018, 60 (63). Anders EuG, Rs. T-92/11 RENV (Andersen), ECLI:EU:T:2017:14, Rn. 69.

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parent aufzustellen.14 Drittens darf der geleistete finanzielle Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung zu decken. Dabei sind die durch die Tätigkeit erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtung zu berücksichtigen (Nettomehrkosten-Prinzip).15 Viertens ist die Höhe des Ausgleichs – sofern die Auswahl des Unternehmens nicht im Rahmen einer Ausschreibung erfolgt – auf Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, welches so ausgestattet ist, dass es den an die Dienstleistung gestellten Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtung hätte (Effizienzkriterium/Benchmarking).16 Vor allem dieses vierte Altmark-Kriterium markiert die Differenz zum Ferring-Urteil, wird doch nicht mehr allein auf die bei dem leistenden Unternehmen tatsächlich angefallenen Nettomehrkosten als Maßstab der Marktangemessenheit abgestellt, sondern die Höhe der Kompensationsleistung nach Maßgabe eines Vergleichs mit den hypothetischen Kosten eines „durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens“ begrenzt.17 Das Altmark-Urteil hat die Diskussion über den beihilfenrechtlichen Umgang mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf der Ebene des EUPrimärrechts sukzessive beruhigt. Die Altmark-Rechtsprechung18 erfährt Zustimmung oder wird „als gesetzt“ behandelt; sie ist in der Literatur jedenfalls weitgehend unangefochten.19 Schaut man indes genauer hin – und eben dies soll in diesem Bei14

EuGH, Rs. C-280/00 (Altmark), Slg. 2003, I-7747, Rn. 90. Als „Paradebeispiel“ für die objektive und transparente Festlegung von Ausgleichsparametern kann das Verfahren zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angeführt werden, hierzu C. Koenig/A. Haratsch, ZUM 2003, 804 ff. 15 EuGH, Rs. C-280/00 (Altmark), Slg. 2003, I-7747, Rn. 92. Insofern sollten nicht nur die Einnahmen, die durch das Anbieten der Daseinsvorsorgeleistung erzielt werden, sondern sämtliche Vorteile (z. B. positive Brandingeffekte, geringere Substanzerhaltungskosten durch erhöhte Auslastung der Unternehmenskapazitäten, etc.) berücksichtigt werden. Vertiefend zur Berechnung der Nettomehrkosten F. Montag/C. Leibenath, § 30, in: Heidenhain (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, 2003, Rn. 103 ff. 16 Kritisch zur dogmatischen Herleitung dieses sog. Benchmark-Kriteriums C. Jennert, NVwZ 2004, 425 (427). 17 Entgegen in der Literatur geäußerter Bedenken (C. Jennert, NVwZ 2004, 425 [427 f.]) ist dieser hypothetische Nettomehrkostenansatz beihilfensystemgerecht, da auch bei „normalen“ Austauschgeschäften der öffentlichen Hand mit Privaten auf den marktüblichen Preis, der ebenfalls über einen (Markt-)Vergleich ermittelt wird, abzustellen ist. Dem deutschen Regulierungsrecht ist dieser Maßstab der „objektiv geringsten Kosten“ nicht fremd, vgl. z. B. das im Telekommunikationsrecht herrschende Effizienzprinzip, insb. §§ 30, 31 Abs. 1, 2 TKG, bzw. das Vergleichsmarktkonzept, das § 82 TKG zugrunde liegt. 18 Die Altmark Trans-Kriterien wurden etwa bestätigt durch EuGH, verb. Rs. C-34/01 und C-38/01 (Enirisorse), Slg. 2003, I-14 243, Rn. 31; EuG, Rs. T-274/01 (Valmont/Kommission), Slg. 2004, II-1, Rn. 129 f. 19 Vgl. aus jüngerer Zeit exemplarisch den Abschnitt über die „Altmark-Kriterien“ im Bericht von U. Soltész zu wichtigen Entwicklungen im Europäischen Beihilfenrecht im Jahre 2017, EuZW 2018, 60 (63). Vgl. aber zu den Auswirkungen der BUPA-Entscheidung auf die Altmark-Kriterien M. Klasse, § 28 Services of General Economic Interest, in: Heidenhain

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trag geschehen – illustrieren namentlich das BUPA-Urteil des EuG aus dem Jahre 2008 und das CBI-Urteil aus dem Jahre 2012 sowie das daran anschließende Kliniken Calw-Urteil des BGH aus dem Jahre 2016 die Grenzen der Altmark-Konzeption und seiner vier Kriterien. Insoweit steht nicht „nur“ eine einzelfallspezifische Anpassung der Altmark-Kriterien in Rede; vielmehr wird gezeigt, dass das Altmark-Modell nach seiner Grundkonzeption mit bestimmten (legitimen) Ausgestaltungen und Organisationsformen von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse strukturell nicht harmoniert oder besser: diese nicht adäquat verarbeitet. Und das gilt nicht zuletzt, soweit die staatliche Verantwortung für eine nachhaltige, flächendeckende sowie quantitativ und qualitativ angemessene Versorgung mit (bestimmten) Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in einem Modell komplexer Planung und Organisation seine Realisierung erfährt. Das Gewinnen dieser Einsicht wiederum verdanke ich nicht zuletzt der Sensibilisierung für planungsrechtliche Zusammenhänge und Problemlagen durch den Jubilar; insbesondere in unseren gemeinsamen Rostocker Jahren hat er mich an seiner planungsrechtlichen Expertise reichlich teilhaben lassen. II. BUPA-Urteil Das BUPA-Urteil20 hatte im Kern die beihilfenrechtliche Beurteilung eines sog. Risikoausgleichs im Kontext des irischen privaten Krankenversicherungssystems zum Gegenstand. Danach haben die auf dem irischen Markt für private Krankenversicherungen tätigen und dem Risikoausgleichssystem unterfallenden Versicherer (PK), welche im Grundsatz einem Kontrahierungszwang bzgl. eines einheitlich allen Interessierten offen stehenden Versicherungsschutzes zu einem Einheitstarif unterliegen, die Pflicht, der irischen Krankenversicherungsbehörde Health Insurance Authority (HIA) im Halbjahresrhythmus Berichte vorzulegen, aus welchen sich das sog. Risikoprofil der bei der jeweiligen PK versicherten Personen ergibt. Das Risikoausgleichssystem sieht sodann vor, dass die Privatversicherer, die ein günstigeres als das durchschnittliche Risikoprofil des Marktes aufweisen, an die Krankenversicherungsbehörde HIA eine Abgabe zahlen und die Krankenversicherungsbehörde HIA ihrerseits eine entsprechende Zahlung an diejenigen privaten Versicherungsträger leistet, die ein schlechteres als das durchschnittliche Risikoprofil des Marktes aufweisen. Die Zahlungen erfolgen über einen speziell hierfür eingerichteten und von der Krankenversicherungsbehörde HIA verwalteten Fonds. Bis zu einem Risikounterschied von 2 % zwischen den Marktteilnehmern findet allerdings noch kein Risikoausgleich statt. Bei einem Risikounterschied von 2 % bis 10 % steht die Entscheidung zur Auslösung des Risikoausgleichs im Ermessen des Gesundheitsministers, soweit die Krankenversicherungsbehörde HIA eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat. Übersteigt der Risikounterschied 10 % zwischen den Wirtschaftsteil(Hrsg.), European State Aid Law, 2010, Rn. 55 ff.; J. Kühling (o. Fn. 13), Rn. 52; J. Gundel, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 20. Edition 2018, Art. 107 AEUV Rn. 23. 20 EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81.

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nehmern, ist der Gesundheitsminister grundsätzlich verpflichtet, den Risikoausgleich auszulösen, soweit es nicht „gute Gründe“ gibt, dies zu unterlassen. Während die Entscheidung über die Auslösung des Risikoausgleichs also jenseits eines Risikounterschieds von mehr als 2 % im Ermessen bzw. intendierten Ermessen des Gesundheitsministers liegt, ist die Art der Berechnung der Zahlungen im Rahmen des Risikoausgleichssystems, soweit das System einmal aktiviert ist, detailliert und spielraumfrei geregelt. Der irische Gesundheitsminister beschloss im Jahre 2005 bei einer Risikodiskrepanz von 4,7 % auf Empfehlung der Krankenversicherungsbehörde, den Risikoausgleichsmechanismus auszulösen. Gegen diesen Beschluss (und die Empfehlung der Krankenversicherungsbehörde) richtete sich die Klage der von dem Beschluss negativ betroffenen BUPA Ireland.21 Denn bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung war erkennbar, dass die Anwendung des Risikoausgleichssystems im Wesentlichen dazu führen würde, dass Mittel der BUPA auf ihren Hauptkonkurrenten VHI (Voluntary Health Insurance Board) übertragen werden. Die Klage blieb vor dem High Court indes ohne Erfolg. Das daraufhin klageweise befasste EuG behandelte in seinem Urteil vor allem die Frage, ob die Ausgleichszahlungen nach Maßgabe der Altmark-Rechtsprechung überhaupt dem Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV unterfallen. 1. Erstes Altmark-Kriterium Im Hinblick auf das erste Altmark-Kriterium war zunächst problematisch, ob überhaupt eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse bzw. eine gemeinwirtschaftliche Aufgabe vorliegt. Denn anders als in der Altmark-Konstellation wird der nachgelagerte Risikoausgleich nicht für eine bestimmte Leistung (als Gegenleistung) gewährt, sondern es erfolgt ein Ausgleich für eine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Leistungserbringung gänzlich unbekannte Größe. Zudem erfolgten die Vertragsabschlüsse und Leistungserbringung durch die Klägerin und ihre Hauptkonkurrenten teils bereits vor der Verabschiedung des Risikoausgleichssystems. Weiter ist im Vorhinein respektive bei Vertragsschluss und Leistungserbringung unbekannt, wie der Gesundheitsminister und die Krankenversicherungsbehörde HIA ihr Ermessen ausüben werden. Das EuG unterstrich in widerspruchsfreier Konkretisierung des Altmark-Urteils im BUPA-Urteil zunächst, dass der Begriff der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung dem der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.d. Art. 106 Abs. 2 AEUV entspreche.22 Zudem stehe den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was eine gemeinwirtschaftliche Aufgabe ist, grundsätzlich ein weites Ermessen zu – welches von der

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Geklagt hatte zudem BUPA Insurance Ltd. EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81 Rn. 162; A. Bartosch, Öffentliche Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht – Zehn Jahre später @, EuZW 2009, 684 (686). 22

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Kommission nur auf das Vorliegen offenkundiger Fehler überprüft werden dürfe.23 Des Weiteren hält es das EuG für die Anerkennung einer Aufgabe als gemeinwirtschaftliche nicht für erforderlich, dass dem mit der Aufgabe betrauten Wirtschaftsteilnehmer ein ausschließliches oder besonderes Recht zur Aufgabenerfüllung verliehen werde. Vielmehr könne die Übertragung einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe auch in einer Verpflichtung bestehen, die der Gesamtheit der auf demselben Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer auferlegt werde.24 Obschon diese Aussage im Grundsätzlichen durchaus Zustimmung verdient, führt sie im Kontext der BUPA-Entscheidung eher ins Dunkle. Denn es geht eben dort nicht um die Frage, ob allen mit einer besonderen Aufgabe betrauten Wirtschaftsteilnehmern eine Kompensation zukommen darf, sondern darum, dass ein Unternehmen gegenüber einem anderen Unternehmen, welches mit derselben Aufgabe betraut bzw. mit denselben rechtlichen Anforderungen belastet ist, durch eine Umverteilungsentscheidung finanziell belastet wird. Die Legitimation für diese Entscheidung liegt ausweislich des Vorbringens Irlands in der Absicht, all diejenigen Marktteilnehmer, welche einen Mindestkrankenversicherungsschutz prinzipiell allen Interessierten zu einem Einheitstarif zur Verfügung stellen, insoweit finanziell (weitestgehend) gleichzustellen, als die unterschiedlichen Risiken der jeweils Versicherten neutralisiert und eben im Wege des Risikoausgleichs kompensiert werden. Das hat mit dem ersten Altmark-Kriterium wenig gemein, was indes auch dem EuG nicht verborgen geblieben ist.25 Ohne dies hier im Einzelnen entfalten zu können, betont das EuG die Notwendigkeit eines obligatorischen Charakters der betreffenden Dienstleistung als Voraussetzung für das Vorliegen einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe, akzeptiert aber insoweit nicht nur die Einräumung eines Spielraums bezüglich Inhalt und Höhe des Preises für die Dienstleistung, sondern verlangt letztlich nicht mehr, als dass der Dienstleister einem Kontrahierungszwang zu gleichbleibenden Bedingungen unterliegt. All dies ändert nichts daran, dass der im Ermessen stehende Risikoausgleich nicht nur offenbar nicht notwendig war, um die Dienstleistung zu initiieren, sondern der Ausgleich mit der Leistungserbringung in keinem Konnexitätsverhältnis steht. Damit soll keineswegs zum Ausdruck gebracht werden, dass das mit dem Risikoausgleich verfolgte Anliegen, Unternehmen „nicht auf ihren schlechten Risiken sitzen zu lassen“, kein legitimes sei; es hat nur mit dem Betrauungsansatz des ersten Altmark-Kriteriums, dessen Erfüllung im Übrigen ein Marktversagen voraussetzt,26 wenig gemein. Denn offenbar bedurfte die Erreichung des Ziels, für alle in Irland lebenden Personen ein 23

EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 166. Vgl. zudem EuG, Rs. T-17/02 (Olsen/Kommission), Slg. 2005, II-2031. Vgl. dazu, dass es auch der Unionsgerichtsbarkeit selbst (wie der Kommission) untersagt ist, ihre Beurteilungen an die Stelle (wirtschaftlich komplexer) Beurteilungen der Mitgliedstaaten zu setzen, EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), insbesondere Rn. 220 – 222, 266 – 270, 299 – 301. 24 EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 179. 25 Vgl. zum Nachfolgenden EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 188 – 190. 26 Dazu oben Fn. 13.

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Mindestniveau von PK-Leistungen zu einem erschwinglichen Preis und in vergleichbarer Qualität sicherzustellen, keines Risikoausgleichsystems. 2. Zweites Altmark-Kriterium Bzgl. des zweiten Altmark-Kriteriums, welches im Vorhinein feststehende und klar definierte Ausgleichsparameter verlangt, hat die Klägerin eingewandt, dass dieses angesichts des dem Gesundheitsminister bzw. der Krankenversicherungsbehörde eingeräumten Ermessens nicht erfüllt sei. Dem hat das EuG entgegengehalten, dass die Berechnungsparameter, soweit die Ermessensentscheidung einmal getroffen sei, detailliert und spielraumfrei seien.27 Nun handelt es sich insoweit in der Tat zweifellos um ein zentrales Kriterium zur Bejahung der Erfüllung des zweiten Altmark-Kriteriums; dennoch wird man bezweifeln müssen, dass das zweite Altmark-Kriterium nach dem Sinn und Zweck erfüllt ist, wenn die Parameter für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs im Vorhinein zwar klar und präzise bestimmt sind, aber unklar bleibt, ob der Ausgleichmechanismus überhaupt zum Tragen kommt. Mit dem ursprünglichen Verständnis der Altmark-Konzeption ist dies evidenterweise inkompatibel. Um es zu pointieren: Nach dem zweiten Altmark-Kriterium sind die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen. Dabei wurde (zunächst) verbreitet angenommen, dass zwischen Zuwendung und Leistung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen muss, typischerweise ein Gegenseitigkeitsverhältnis.28 Wie anders soll man sich auch die Durchführung eines „Ausgleichs“, der zudem nach objektiven Parametern erfolgen soll, auch vorstellen? Das BUPA-Urteil hat die Anforderungen an die Konnexität von Zuwendung und gemeinwirtschaftlicher Leistung aber nicht nur im Hinblick auf die Unmittelbarkeit gelockert, sondern das Konnexitätserfordernis selbst strenggenommen aufgegeben, wird der Ausgleich doch nicht leistungsbezogen gewährt. Und es kann auch nicht die Rede davon sein, dass der Ausgleich und seine Parameter von vornherein feststehen, wenn die Ausgleichsgewährung eine Ermessensentscheidung ist, die auf der zweiten Stufe im Übrigen jenseits der notwendigen Empfehlung der Krankenversicherungsbehörde HIA an keinerlei einengende Voraussetzungen gebunden ist. 3. Drittes und viertes Altmark-Kriterium Bzgl. des dritten Altmark-Kriteriums räumt das EuG selbst ein, dass es zur Konstellation der BUPA-Entscheidung nicht passt.29 Dessen unbeschadet sieht das Gericht eingedenk einer sich selbst auferlegten lediglich beschränkten Kontrollkompe27

EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 214. Vgl. etwa C. Koenig/A. Haratsch, ZUM 2003, 804 (805); implizit S. Bauer, Rechtssicherheit bei der Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Leistungen? Zum Verhältnis zwischen Art. 87 I EG und Art. 86 II EG nach der Altmark-Entscheidung des EuGH, EuZW 2007, 7 (8 f.). 29 EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 235, 237. 28

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tenz30 und einer grundlegend anderen Funktionsweise des in Rede stehenden Ausgleichssystems als in den Urteilen Altmark und Ferring31 keinen Anlass, das Vorliegen des dritten Kriteriums und mithin die Einschlägigkeit des Sonderregimes für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu verneinen. Vielmehr heißt es, dass die dritte Altmark-Voraussetzung „nicht exakt“ erfüllt werden könne, wohl aber dem Sinn und Zweck dieses Kriteriums entsprochen werden könne, wenn nur die Berechnung des Ausgleichs auf objektiven, konkreten, klar bestimmbaren und überprüfbaren Elementen beruhe.32 Dem ist entschieden zu widersprechen. Die Bestimmbarkeit der Ausgleichsparameter ist Gegenstand des zweiten Altmark-Kriteriums. Die Kosten der Unternehmen für die Erbringung der Dienstleistungen im Rahmen des privaten Krankenversicherungssystems in Irland finden im Rahmen der Höhe der Kompensationsleistung keinerlei Berücksichtigung. Das dritte Altmark-Kriterium findet im Kontext des Risikoausgleichs des irischen privaten Krankenversicherungssystems nach allem keinerlei Berücksichtigung. Es bleibt das vierte Altmark-Kriterium. Das Gericht hat es in seinem Urteil vorgezogen, das dritte mit dem vierten Altmark-Kriterium zu vermengen. Diesbezüglich heißt es: „In Anbetracht der Neutralität des Ausgleichssystems des RES gegenüber Einnahmen und Gewinnen der PK-Träger (= Versicherer) und der Besonderheit der sich aus einem negativen Risikoprofil der genannten Versicherer ergebenden Mehrkosten lässt sich die im Urteil Altmark genannte Voraussetzung, soweit sie einen Vergleich der Kosten und Einnahmen verlangt, die unmittelbar mit der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verbunden sind, nicht genau auf den vorliegenden Fall anwenden.“33 Dies hängt damit zusammen, dass „das RES nicht bestimmte Kosten ausgleichen soll, die durch die Erbringung einer PK-Dienstleistung entstanden sind“.34 „Daher konnte die Kommission mit gutem Grund die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine staatliche Beihilfe i.S.v. Art. 87 Abs. 1 EG vorliegt, ein Vergleich zwischen den potenziell durch die RES-Zahlungen Begünstigten und einem effizienten Wirtschaftsteilnehmer nicht erforderlich sei. Selbst wenn es zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung wahrscheinlich war, dass zunächst der VHI der Hauptbegünstigte der RES-Zahlungen sein würde, ist das RES von den irischen Behörden jedenfalls erst später aufgrund der Entwicklung der Risikoprofile auf dem irischen PK-Markt ausgelöst worden. Da die zukünftige Lage der verschiedenen PK-Träger auf dem irischen PK-Markt unbekannt war, war es daher für die Kommission unmöglich, die potenziellen Begünstigten von RES-Zahlungen namhaft zu machen und ihre Lage mit der eines effizienten Wirtschaftsteilnehmers konkret zu ver-

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EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 220 – 222. EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 237. 32 EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 237. 33 EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 246. 34 EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 246.

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gleichen.“35 Anstelle eines solchen Vergleichs verlangt das EuG entsprechend dem Zweck der vierten Altmark-Voraussetzung eine Prüfung darüber, dass „der im RES vorgesehene Ausgleich nicht die Möglichkeit einer Entschädigung für Kosten einschließt, die durch fehlende Effizienz der dem RES unterliegenden PK-Träger verursacht sein könnten“. Dies wird unter Begutachtung der vorliegenden Rechtslage als (weitestgehend) ausgeschlossen angesehen,36 sodass im Ergebnis auch das vierte Altmark-Kriterium als erfüllt angesehen und das Vorliegen einer Beihilfe verneint wird. Diese Aussagen vermögen nicht zu verdecken, dass Effizienz im Rahmen des Risikoausgleichs in keiner Weise Berücksichtigung findet. Zwar macht der Risikoausgleich den „Durchschnitt“ zur Grundlage der Ausgleichsberechnung und vermag mithin zumindest begrifflich an das vierte Altmark-Kriterium anzuknüpfen; aber das ist nicht mehr als Sprachmalerei. Das schlecht wirtschaftende Unternehmen wird Teil dieses Durchschnitts und seine ökonomische Performance findet entgegen dem Sinn und Zweck des vierten Altmark-Kriteriums keinerlei Berücksichtigung. III. CBI-Urteil des EuG und Kliniken Calw-Urteil des BGH 1. Streitgegenstand und Urteilsgründe Eingedenk des Anliegens dieses Beitrages reicht es bezogen auf die Schilderung des dem CBI-Urteil des EuG37 zugrunde liegenden Sachverhalts aus, sich auf eine Facette zu konzentrieren, die in der Sache auch verschiedenen jüngeren Entscheidungen der deutschen Zivilgerichtsbarkeit,38 und namentlich des BGH39, zugrunde lag. Streitgegenständlich war u. a. ein nach belgischem Recht gewährter sog. Defizitausgleich für (öffentliche) Krankenhäuser, welcher schlechterdings gewährt wurde, wenn bei einem Krankenhaus nach Abschluss eines Wirtschaftsjahres ein Defizit aufgelaufen war. Ich werde im Folgenden angesichts des mutmaßlichen Leserkreises dieses Beitrags die dem belgischen Recht mutatis mutandis sachlich vergleichbare und der BGH-Entscheidung zugrundeliegende deutsche Rechtsgrundlage als Referenz zugrunde legen und diese in aller Kürze schildern. Die Aufgabe der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen erfüllen gem. den Landeskrankenhausgesetzen (etwa § 1 Abs. 2 Satz LKHG BW) öffentliche, private und gemeinnützige Krankenhäuser gemeinsam und zumindest prima facie in gleicher Weise. Dabei werden die Leistungen der stationären Krankenversorgung ausweislich der Vorgaben des Krankenhausfinanzierungsgesetzes des Bundes (KHG) aus zwei „Töpfen“ finanziert, ohne dass zwischen Krankenhäusern in öffentlicher, privater und freigemeinnütziger Trägerschaft differenziert würde. Im Rahmen dieses 35

EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 248. EuG, Rs. T-289/03 (BUPA/Kommission), Slg. 2008, II-81, Rn. 249. 37 EuG, Rs. T-137/10 (CBI/Kommission), ECLI:EU:T:2012:584. 38 LG Tübingen, Urt. v. 23. 12. 2013 – 5 O 72/13; OLG Stuttgart, Urt. v. 20. 11. 2014 – 2 U 11/14; sowie OLG Stuttgart, Urt. v. 23. 03. 2017 – 2 U 11/14. 39 BGH, Urt. v. 24. 03. 2016 – I ZR 263/14. 36

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dualen Systems entfällt die Finanzierung der laufenden Kosten des Krankenhausbetriebs (Betriebs- und Behandlungskosten) auf die von den Krankenkassen zu zahlenden Pflegesätze, während die Investitionskosten gem. § 4 Nr. 1 KGH im Wege öffentlicher Förderung übernommen werden. Dagegen findet der in Deutschland verbreitete Defizitausgleich nicht nur keine gesetzliche Rückanbindung; gravierender ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die allein von den Defizitausgleichen profitierenden öffentlichen Krankenhäuser keine Aufgaben wahrnehmen (müssen), welche nicht auch von privaten und freigemeinnützigen Krankenhäusern wahrgenommen werden (müssen). Damit ist erkennbar die Frage aufgeworfen, ob öffentliche Krankenhäuser mit einem (hinreichend spezifischen, selektiven) Gemeinwohlauftrag i.S.d. ersten Altmark-Kriteriums betraut sind bzw. allgemeiner gefasst, welche Anforderungen an das Vorliegen dieser Voraussetzung zu stellen sind. Oder anders formuliert: Lässt sich die im Altmark-Urteil verlangte tatsächliche Betrauung mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen der öffentlichen Krankenhäuser trotz des Fehlens einer sog. Krankenhaussonderaufgabe bejahen? Der BGH hat eben das getan und zwar aus Gründen, welche eine bemerkenswerte „Kreativität“ im Umgang mit den Anforderungen an eine besondere Aufgabe i.S.d. ersten Altmark-Kriteriums dokumentieren. So heißt es zunächst: „Sollen aber (…) – wie im Streitfall – öffentliche Mittel selektiv nur bestimmten, insbesondere öffentlichen Krankenhäusern zugewendet werden, kann die für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse bestehende Ausnahme von der Notifizierungspflicht nur in Anspruch genommen werden, wenn diesen Krankenhäusern eine über die Tätigkeit der anderen Krankenhäuser hinausgehende besondere Aufgabe übertragen worden ist, die ohne die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs nicht erfüllt würde (vgl. Kommission, Mitteilung vom 25. August 2010 – CP 6/2003 Rn. 78 – Deutschland (…)). Diese besondere Aufgabe, deren Übertragung schon der Wortlaut des Art. 106 Abs. 2 AEUV voraussetzt, muss sich von der Tätigkeit der ohne diese Unterstützung am Markt tätigen Unternehmen unterscheiden (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, ABl. vom 11. Januar 2012 C 8/4 Rn. 47 (…)). Auch im Hinblick auf den in Art. 21 EU-Grundrechtecharta und Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung kann eine ausgleichsfähige Dienstleistung der öffentlichen Krankenhäuser von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nur angenommen werden, wenn ihnen im Verhältnis zu den anderen Krankenhäusern eine spezifische Gemeinwohlverpflichtung auferlegt wird, die über die für alle Krankenhäuser treffende Gemeinwohlaufgabe der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen hinausgeht (vgl. EuG, Urteil vom 7. November 2012 – T-137/10 Rn. 94 f. und 121 f. – CBI, juris).“40 Diese Ausführungen legen mehr als nahe, dass eine Tätigkeit i.S.d. ersten Altmark-Kriteriums voraussetzt, dass den durch 40

BGH, Urt. v. 24. 03. 2016 – I ZR 263/14, Rn. 41.

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den Defizitausgleich begünstigten öffentlichen Krankenhäusern eine besondere Gemeinwohlaufgabe i.S.e. Krankenhaussonderaufgabe auferlegt worden ist. Diese Lesart der zitierten Urteilspassage weist der BGH indes unmittelbar anschließend als unzutreffend zurück. Denn dort heißt es: „Anders als die Revision meint, setzt eine ausgleichsfähige Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse indes keine konkrete Krankenhaussonderaufgabe eines öffentlichen Krankenhauses in der Form voraus, dass sich die von diesem erbrachten Versorgungsleistungen von denjenigen anderer Krankenhäuser unterscheiden müssen. Bei öffentlichen Krankenhäusern kann sich ein Defizitausgleich nicht nur aus der Übertragung von Sonderaufgaben, sondern auch aus anderen Gründen als notwendig erweisen, wie insbesondere der Sicherstellung des Fortbestands und der Lebensfähigkeit des Krankenhaussystems (vgl. EuG, Urteil vom 7. November 2012 – T-137/10 Rn. 161 f. – CBI, juris). Eine Übereinstimmung der den öffentlichen Krankenhäusern übertragenen ,Gemeinwohlsonderaufgaben‘ mit den ihnen übertragenen ,allgemeinen‘ Krankenhausaufgaben schließt mithin das Vorliegen einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht ohne weiteres aus.“41 Nach diesen Ausführungen setzt eine Tätigkeit i.S.d. ersten Altmark-Kriteriums also ausdrücklich nicht zwingend eine (konkrete) Krankenhaussonderaufgabe voraus; vielmehr dürften den öffentlichen Krankenhäusern übertragene „Gemeinwohlsonderaufgaben“ den ihnen übertragenen „allgemeinen“ Krankenhausaufgaben entsprechen, soweit ein Defizitausgleich sich aus anderen Gründen als notwendig erweist. Fragt man nach der Überzeugungskraft dieser Ausführungen, wird man – jedenfalls bei wörtlicher Auslegung @ kaum umhinkommen, schlicht einen Widerspruch zwischen den beiden Passagen zu diagnostizieren. Indes rekurriert der BGH – wie in obigem Zitat ausgewiesen @ nicht zuletzt auf das EuG-Urteil in der Rs. CBI. In der Tat untersuchte das EuG in diesem Urteil zunächst ausführlich und akribisch42 das Vorliegen einer spezifischen Krankenhaussonderaufgabe der durch den Defizitausgleich begünstigten öffentlichen Krankenhäuser. Anknüpfungspunkt für diese Untersuchung war freilich die konkret angegriffene Kommissionsentscheidung, in welcher das Vorliegen einer spezifischen Krankenhaussonderaufgabe als gegeben qualifiziert worden war. Weil die Kommissionsentscheidung die Betrauung mit einer Sonderaufgabe aber nach Auffassung des EuG nicht belegt hatte, wurde sie für nichtig erklärt. Die Kommission hatte ihre Entscheidung also nach dem EuG jedenfalls falsch bzw. unzureichend begründet.43 Indes – und darauf kommt es vorliegend an – judizierte das EuG in der Art eines schwachen obiter dictum44, dass die Kommission die Zulässigkeit des Defizitausgleichs möglicherweise auch unabhän41

BGH, Urt. v. 24. 03. 2016 – I ZR 263/14, Rn. 42. EuG, Rs. T-137/10 (CBI/Kommission), ECLI:EU:T:2012:584, Rn. 119 ff. 43 Vgl. zur falschen Begründung und ihrer Konsequenz, nämlich ihrer Nichtigerklärung insbes. EuG, Rs. T-137/10 (CBI/Kommission), ECLI:EU:T:2012:584, Rn. 163 f. 44 Für ein „echtes“ obiter dictum fehlt es (wohl) daran, dass das EuG sich rechtlich nicht festlegt. Es referiert „lediglich“ eine denkbare Rechtsauffassung. 42

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gig von der Übertragung einer Sonderaufgabe unter Rekurs darauf hätte begründen können, dass die Sonderfinanzierungsmaßnahme zur Sicherstellung des Fortbestands und der Lebensfähigkeit des Krankenhaussystems notwendig sei. Diese vom EuG als denkbar ausgewiesene Rechtsposition hat sich der BGH letztlich zu Eigen gemacht.45 2. Würdigung Wie sind die skizzierten Positionen von BGH und EuG nun in die Altmark-Rechtsprechung einzuordnen und zu würdigen? Der Verzicht auf eine Sonderaufgabe des Zuwendungsbegünstigten bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die schlichte Aufgabe des ersten Altmark-Kriteriums. Und es ist anzunehmen, dass diese Rechtsprechung zumindest auf sämtliche (Dienstleistungs)Bereiche übertragbar ist, für welche gesetzlich oder gar verfassungsrechtlich fundierte langfristig angelegte staatliche bzw. kommunale Sicherstellungsaufträge bzw. eine hoheitliche Gewährleistungsverantwortung bestehen und der Markt gleichzeitig durch eine pluralistische Struktur von öffentlichen und privaten (und/oder freigemeinnützigen) Anbietern geprägt ist oder diesen jedenfalls offensteht. Defizitausgleiche oder anderweitige finanzielle Unterstützungen der öffentlichen Anbieter werden regelmäßig auf Grundlage dieser Rechtsprechung gerechtfertigt sein, solange nur deutlich ist, dass die Unterstützung notwendig ist, um die Bevölkerung umfassend, in angemessener Qualität und @ das gilt es hervorzuheben @ nachhaltig mit der jeweils in Rede stehenden Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse versorgen zu können. Eine entsprechende Rechtfertigung beruht indes nicht mehr auf dem marktbezogenen Gegenseitigkeitsdenken bzw. der marktbezogenen Leistungs-/Gegenleistungsbewertung des Altmark-Urteils, sondern transportiert das auf Grund und Gegengrund basierende Abwägungsmodell bereits auf die tatbestandliche Ebene des beihilferechtlichen Wettbewerbsrechts. In der Sache rechtfertigt die Sicherung eines funktionierenden Krankenhaussystems den ob seiner Marktnonkonformität „eigentlich“ vorliegenden Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsgleichheit. Insofern ähnelt diese Rechtsprechung in der Sache, wenn auch nicht in der Struktur @ weil eben die Tatbestands- und nicht die Rechtfertigungsebene adressiert ist @ derjenigen des EuGH zum Anspruch auf Krankenhausbehandlung in anderen Mitgliedstaaten. Das sei hier in aller Kürze und grober Vereinfachung erläutert. Anders als 45

Ungeachtet der oben einleitend zitierten Passage (BGH, Urt. v. 24. 03. 2016 – I ZR 263/ 14, Rn. 41) wird man dies annehmen müssen, weil der BGH an der (obschon im Indikativ gefassten) Position von der Notwendigkeit einer (Krankenhaus-)Sonderaufgabe letztlich nicht festhält. In diesem Sinne setzt der BGH auch fort (ebenda, Rn. 43 ff.), wenn er „eine beihilferechtlich ausgleichsfähige besondere Pflicht“ darin sieht, dass der Beklagte nach dem Landeskrankenhausrecht im Fall einer Versorgungslücke zum Betrieb der durch Bescheid in den Krankenhausplan aufgenommenen Kreiskrankenhäuser verpflichtet sei. Und da die zur Verhinderung einer Versorgungslücke erforderlichen Kapazitäten permanent vorgehalten werden müssten, erlaube der Sicherstellungsauftrag einen Verlustausgleich nicht erst bei Eintritt des Sicherungsfalls.

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beim Anspruch auf ambulante medizinische Behandlung in anderen Mitgliedstaaten räumt die Unionsgerichtsbarkeit den Mitgliedstaaten die grundsätzliche Möglichkeit ein, eine Krankenhausbehandlung in anderen Mitgliedstaaten bzw. eine Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung unter Berufung darauf zu verhindern, dass andernfalls die Krankenhausplanung und damit die Funktionsfähigkeit des Krankenhaussystems beeinträchtigt werden könnte.46 IV. Abschließende Würdigung und Ausblick Ungeachtet der Überzeugungskraft der skizzierten Entscheidungen von EuG47 und BGH ist die Altmark-Rechtsprechung mit seiner Sonderbereichsdogmatik für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch diese Rechtsprechung nachhaltig – und keineswegs nur einzelfall- resp. bereichsspezifisch – infrage gestellt. So kann schon am (ersten) Kriterium einer durch einen Hoheitsakt klar definierten, besonderen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung nicht für alle Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse festgehalten werden – regelmäßig mit Konsequenzen für die drei weiteren Altmark-Kriterien. Dies zu zeigen, war das Anliegen dieses Beitrags. Die Diskussion ist damit freilich nur eröffnet. So wird nunmehr der Frage nachzugehen sein, ob es in irgendeiner Weise typische oder spezifische Dienstleistungsbereiche sind, in welchen die Altmark-Konzeption an ihre Grenzen stößt.48 Die hier näher untersuchten Judikate legen nahe, dass es weniger von der Art und Weise der Dienstleistung, als vielmehr von der Art und Weise der Organisation eines Dienstleistungsbereichs abhängt, ob die Altmark-Konzeption einen in beihilfenrechtlicher Perspektive geeigneten Prüfungsmaßstab darstellt. Vieles spricht dafür, dass insbesondere in Bereichen komplexer Planung von Dienstleistungs- bzw. Daseinsvorsorgebereichen eine Revision der Altmark-Konzeption unausweichlich ist. Inwieweit sie einer wie auch immer abstrakt zu konfigurierenden Modifikation (unter Einschluss von Bereichsdogmatiken) zugänglich ist oder ob eine grundlegende Neukonzeption angezeigt ist, gilt es anschließend an diesen primär analytischen Beitrag zukünftig vertieft zu untersuchen. Vieles spricht aus meiner Sicht dafür, dass diese Untersuchung einer monographischen Bearbeitung bedarf.

46 Näher dazu W. Cremer, § 3 Europarechtliche Vorgaben für das Krankenhausrecht, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2017, Rn. 6 ff. 47 Kritsch zum CBI-Urteil S. Heise, Defizitfinanzierung zu Gunsten öffentlicher Krankenhäuser auf dem beihilferechtlichen Prüfstand, EuZW 2013, 769. 48 Siehe schon M. Klasse (o. Fn. 19), Rn. 60, der fragt, ob der Maßstab des BUPA-Urteils auch außerhalb des Bereichs der Sozialleistungen Anwendung finden wird.

Art. 6 Abs. 2 – 4 FFH-Richtlinie im Spiegel der neueren Rechtsprechung des EuGH Von Astrid Epiney I. Einleitung Wird ein Gebiet in das Netz „Natura 2000“ aufgenommen bzw. als besonderes Schutzgebiet ausgewiesen, sind nach Art. 6 Abs. 1 RL 92/431 die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen festzulegen, die den ökologischen Erfordernissen in den betreffenden Gebieten Rechnung tragen, womit die Festlegung von Erhaltungszielen verbunden ist. Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 sehen spezifische Verpflichtungen der Mitgliedstaaten vor, dies mit dem Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand dieser Gebiete zu gewährleisten (vgl. insoweit auch Art. 2 Abs. 2 RL 92/43). So treffen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für welche die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie erheblich auswirken könnten, und gemäß Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 sind Pläne und Projekte (mit Ausnahme solcher, die direkt mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind) in den Schutzgebieten und ggf. auch deren Umgebung einer Verträglichkeitsprüfung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den festgelegten Erhaltungszielen zu unterwerfen, wenn sie ein solches Gebiet einzeln oder zusammen mit anderen Projekten oder Plänen erheblich beeinträchtigen könnten. Ergibt diese Prüfung, dass der Plan oder das Projekt nicht mit den Erhaltungszielen vereinbar ist, so ist die Verwirklichung nur unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 (insbesondere das Vorliegen zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses) zulässig.2 Zur genauen Tragweite dieser Vorgaben gibt es mittlerweile eine sehr ausdifferenzierte und facettenreiche Rechtsprechung des EuGH, der sich mit diversen Fragen ihrer Auslegung zu befassen hatte. Grundlegend für die Auslegung der Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 sind dabei die Zielsetzungen und das Verhältnis der verschiedenen in dieser Bestimmung enthaltenen Verpflichtungen, wobei insbesondere die Abgrenzung der zu treffenden (Schutz-)Maßnahmen von Bedeutung ist, eine Problema1

RL 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. 1992 L 206, 7. 2 Vgl. zum Ganzen, m.w.N., A. Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2013 (4. Aufl. im Erscheinen), 9. Kap. Rn. 61 ff.

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tik, die gerade in jüngerer Zeit Gegenstand verschiedener Urteile des Gerichtshofs war. Dies soll zum Anlass genommen werden, diesen für die Tragweite des Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 zentralen Fragen im Folgenden nachzugehen, wobei an die Rechtsprechung des EuGH angeknüpft werden soll (II.), um auf ihrer Grundlage die Systematik der Bestimmung zu skizzieren (III.). Der Beitrag endet mit einem kurzen Fazit (IV.). Dabei geht es letztlich (auch) um eine Gesamtschau der jüngeren Rechtsprechung des EuGH (seit 2013), die einerseits aufgearbeitet, andererseits synthetisiert wird, um darauf aufbauend die Vorgaben der Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 herauszuarbeiten (immer ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH).3 Deutlich wird damit auch, dass es nicht um eine erschöpfende Erörterung aller Facetten dieser Bestimmungen geht, sondern der Akzent auf den grundlegenden Konturen ihrer Vorgaben liegt. II. Zur Rechtsprechung des EuGH Der Gerichtshof hatte sich zu verschiedenen Aspekten der Auslegung des Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 zu äußern, wobei – im Hinblick auf die im vorliegenden Beitrag im Zentrum stehende Fragestellung – die Bedeutung ergänzender Maßnahmen im Zusammenhang mit der Durchführung eines Plans oder Projekts von besonderem Interesses ist (3.), dieser Problemkreis aber auch vor dem Hintergrund der Tragweite des Verschlechterungsverbots gemäß Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 (1.) und der grundsätzlichen Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 sowie des Zusammenhangs zwischen Art. 6 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 (2.) zu sehen ist. 1. Zum Verschlechterungsverbot (Art. 6 Abs. 2 RL 92/43) a) Rs. C-461/14 (Kommission/Spanien) In der Rs. C-461/144 stellte der Gerichtshof einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 sowie gegen Art. 4 Abs. 4 RL 2009/147 (wobei er beide Bestimmungen parallel auslegt) fest, dies im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Baus einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke. Denn den genannten Verpflichtungen werde (schon) dann nicht entsprochen, wenn die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass ein Projekt die Habitate der geschützten Vogelarten verschlechtert oder für diese Arten erhebliche Störungen verursacht. Diese Voraussetzungen seien in Bezug auf die Arbeiten im Hinblick auf den Bau

3 Die Zusammenfassung und auch die Würdigung der Rechtsprechung greift dabei teilweise auf die Darstellung der Rechtsprechung des EuGH zum Umweltrecht zurück, welche die Verfasserin regelmäßig in der EurUP veröffentlicht. Vgl. zuletzt A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2017, EurUP 2018, 204 ff. 4 EuGH, Rs. C-461/14 (Kommission/Spanien), ECLI:EU:C:2016:895.

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der in Frage stehenden Hochgeschwindigkeitsstrecke gegeben, und Spanien habe auch keine Maßnahmen ergriffen, um diese Auswirkungen zu vermeiden.5 b) Rs. C-399/14 (Grüne Liga Sachsen) In der Rs. C-399/146 ging es um den Anwendungsbereich und die Tragweite des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 in Bezug auf Pläne oder Projekte, die vor der Aufnahme des Gebiets in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung genehmigt worden waren, dies im Zusammenhang mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden. Der Gerichtshof hielt dreierlei fest: - Das Verschlechterungs- und Störungsverbot impliziere, dass auch ein bereits vor der Aufnahme des fraglichen Gebiets in die Liste der Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung genehmigtes Projekt (oder Plan) dann einer nachträglichen Prüfung der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen zu unterziehen ist, wenn dies die einzige geeignete Maßnahme darstellt, um zu verhindern, dass die Ausführung des Plans oder Projekts zu einer Verschlechterung oder zu Störungen führt, die sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie erheblich auswirken können. - Falls eine solche Verträglichkeitsprüfung notwendig ist, müsse diese den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 entsprechen (so wie sie in der Rechtsprechung konkretisiert wurden),7 und es seien alle zum Zeitpunkt der Listung vorliegenden Umstände und alle danach durch die teilweise oder vollständig Ausführung des Plans oder Projekts eingetretenen oder möglicherweise eintretenden Auswirkungen auf das Gebiet zu berücksichtigen (dies vor dem Hintergrund, dass Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 ab dem Zeitpunkt der Aufnahme eines Gebiets in die gemeinschaftliche Liste zu beachten sei). Zwar enthalte Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 keine Präzisierungen in Bezug auf die Anforderungen an die Verträglichkeitsprüfung, jedoch stünden Art. 6 Abs. 2, 3 RL 92/43 in engem Zusammenhang, und letztlich strebten sie die Sicherstellung des gleichen Schutzniveaus an. Hinzu komme, dass die Geltendmachung der Ausnahme des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 die vorherige Durchführung einer den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 entsprechenden Prüfung verlange. - Die Anforderungen an eine solche (nachträgliche) Prüfung dürften nicht deshalb verändert werden, weil die Genehmigung des Plans oder Projekts sofort vollziehbar und ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unanfechtbar geblieben war 5

Hingegen verneinte der EuGH einen Verstoß gegen die RL 2011/92 (UVP-Richtlinie). EuGH, Rs. C-399/14 (Grüne Liga Sachsen), ECLI:EU:C:2016:10. Ausführlich zu diesem Urteil C. Mayer, Systemkohärente Konturierung des unionsrechtlichen Habitatschutzes nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, EurUP 2016, 151 ff.; M. Lau, Konfliktfeld Elbe – Die Urteile des BVerwG vom 9. 2. 2017 und des EuGH vom 26. 4. 2017, NuR 2017, 517 ff. (beide Autoren gehen auch auf die hier nicht behandelte Frage des Bestandsschutzes von Verwaltungsakten ein). 7 S. insoweit insbesondere EuGH, Rs. C-258/11 (Sweetman), ECLI:EU:C:2013:220. Zu diesem Urteil noch unten II. 2. 6

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und das Projekt oder der Plan bereits (teilweise) realisiert worden ist. Zu berücksichtigen sei dabei jedenfalls, ob sich durch die Ausführung des Plans oder Projekts Risiken einer Verschlechterung oder von Störungen, die sich im Sinne des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 erheblich auswirken könnten, realisiert haben. Ebensowenig dürften die Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 aufgrund der bereits erfolgten Ausführung des Plans oder Projekts relativiert werden. Der Gerichtshof begründet diesen Ansatz im Wesentlichen mit der Effektivität der Richtlinie, könnte deren praktische Wirksamkeit doch beeinträchtigt werden, wenn interne Verfahrensregeln als Begründung dafür herangezogen werden könnten, dass gewisse Anforderungen nicht (mehr) einzuhalten seien. Dieser Ansatz impliziert auch, dass sich ein bereits durchgeführtes Projekt im Nachhinein als unzulässig erweisen kann (da die Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 nicht erfüllt sind) und daher möglicherweise abzureißen ist; allerdings stellt auch ein solcher Abriss ein Projekt im Sinne des Art. 6 Abs. 2-4 RL 92/43 dar und ist nach dieser Bestimmung zu prüfen, wobei der Gerichtshof auch festhält, die mit einem Abriss verbundenen wirtschaftlichen Kosten dürften keinesfalls allein ausschlaggebend sein. c) Rs. C-141/14 (Kommission/Bulgarien) In der Rs. C-141/148 ging es um verschiedene, sich in Bezug auf (potentielle) Vogelschutzgebiete aus der RL 2009/147, der RL 92/43 sowie der RL 2011/92 ergebende Verpflichtungen, dies im Zusammenhang mit dem (möglicherweise ungenügenden) Umfang der Ausweisung eines Vogelschutzgebiets in der Region Kaliakra an der Schwarzmeerküste sowie den möglichen negativen Auswirkungen verschiedener wirtschaftlicher Projekte und Tätigkeiten auf die natürlichen Lebensräume sowie auf die Habitate von Vogelarten. Der Gerichtshof stellte zunächst eine Verletzung der Ausweisungspflicht fest und wandte sodann Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 auf die Durchführung einerseits von Windkraftanlagen, andererseits eines Tourismusprojekts an. Dabei hielt er fest, diese Tätigkeiten bzw. Projekte dürften – obwohl ihre Genehmigung vor dem Beitritt Bulgariens zur Union und damit vor dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem die RL 2009/147 und die RL 92/43 auf die Genehmigungen Anwendung fanden – nur in einer Weise durchgeführt werden, dass sie keine Störungen verursachen, welche die Ziele der Richtlinie, insbesondere deren Erhaltungsziele, erheblich beeinträchtigen (können). Diese Voraussetzungen seien vorliegend bei einigen der in Frage stehenden Projekte (wobei der Gerichtshof auch solche Projekte einbezieht, die in einem Gebiet durchgeführt wurden, das nicht als Schutzgebiet ausgewiesen worden war, obwohl dies hätte geschehen müssen) nicht gegeben gewesen, da die Kommission dargelegt habe, dass die Wahrscheinlichkeit bzw. die Gefahr solcher Störungen durch die in Frage stehenden Aktivitäten bestehe (was ausreiche, da ein ursächlicher Zusammenhang nicht nachgewiesen werden müsse). 8

EuGH, Rs. C-141/14 (Kommission/Bulgarien), ECLI:EU:C:2016:8.

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2. Zur Systematik der Art. 6 Abs. 2 – 4 und zur Tragweite des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 In verschiedenen Urteilen entwickelte der Gerichtshof in den letzten Jahren seine Rechtsprechung zur Systematik des Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 und zur genauen Tragweite des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 fort, wobei der Rs. C-258/119 eine besondere Bedeutung zukommen dürfte. Hier ging es zunächst um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Plan oder ein Projekt die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung eines Schutzgebiets im Sinne des Art. 6 Abs. 3 S. 1 RL 92/43 mit sich bringt (mit der Folge, dass eine Verträglichkeitsprüfung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den festgelegten Erhaltungszielen vorzunehmen ist und eine Genehmigung nach Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 nur erfolgen darf, wenn das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird). Der Gerichtshof hielt insbesondere fest, eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinn des Art. 6 Abs. 3 S. 1 RL 92/43 sei dann anzunehmen, wenn der Plan oder das Projekt eine Gefahr für die festgelegten Erhaltungsziele des geschützten Gebiets darstellen, wobei die Beurteilung der Gefahr im Licht der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des betroffenen Gebiets zu erfolgen habe. Eine Beeinträchtigung des Gebiets als solches im Sinn des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/ 43 sei angesichts der Zielsetzung der RL 92/43, die besonders geschützten Arten und Lebensräume zu erhalten, jedenfalls dann anzunehmen, wenn die nach Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 erfassten Gebietsbestandteile gefährdet sind, so dass es darauf ankomme, ob die grundlegenden Eigenschaften, die mit dem Vorkommen eines natürlichen Lebensraumtyps zusammenhängen, dauerhaft erhalten werden können. Offenbar soll es dabei gerade nicht auf die Intensität der Beeinträchtigung ankommen. Weiter sei – so der Gerichtshof – in Anbetracht des Vorsorgeprinzips bereits bei Zweifeln über eine solche Beeinträchtigung des Gebiets die Durchführung des Plans oder Projekts zu unterlassen. Der Gerichtshof betont im Übrigen, dass mit Art. 6 Abs. 2, 3 RL 92/43 das gleiche Schutzniveau für natürliche Lebensräume und Habitate von Arten gewährleistet werden solle, während Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 nur eine Ausnahmevorschrift zu Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 darstelle. In Anknüpfung an das sich auch aus Art. 2 Abs. 2 RL 92/43 ergebende Ziel der Richtlinie gehe es letztlich darum, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume, insbesondere der besonderen Schutzgebiete zu bewahren oder ggf. wiederherzustellen; bei dieser Beurteilung seien das natürliche Verbreitungsgebiet des Lebensraums sowie die Flächen, die er einnimmt, zu berücksichtigen; weiter sei danach zu fragen, ob die für seinen langfristigen Fortbestand notwendige Struktur und spezifischen Funktionen auch in absehbarer Zukunft gewährleistet sind. Letztlich gehe es um die Erhaltung der ökologischen Merkmale der Gebiete, in denen natürliche Lebensraumtypen vorkommen, so dass eine Beeinträchtigung eines Gebiets als solches im Sinne des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 immer schon dann vorliege, wenn sein günstiger Erhaltungs9 EuGH, Rs. C-258/11 (Sweetman), ECLI:EU:C:2013:220. Zu diesem Urteil z. B. A. Beier, Die Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets als solches, DVBl. 2013, 1497 ff.

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zustand beeinträchtigt wird, insbesondere weil seine grundlegenden Eigenschaften, die mit dem Vorkommen eines natürlichen Lebensraumtyps zusammenhängen, zu dessen Erhaltung das Gebiet als Schutzgebiet ausgewiesen wurde, nicht dauerhaft erhalten werden können. Jedenfalls sei eine Beeinträchtigung des Gebiets als solches anzunehmen, wenn ein Plan oder Projekt zu einem dauerhaften und nicht mehr rückgängig zu machenden vollständigen oder teilweisen Verlust eines prioritären natürlichen Lebensraumtyps führte. 3. Zur Bedeutung „ergänzender Maßnahmen“ In verschiedenen jüngeren Urteilen äußerte sich der Gerichtshof zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit einem Plan oder Projekt stehen, im Rahmen der Anwendung des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 relevant sind bzw. sein können. a) Rs. C-521/12 (Briels) Ausgehend von der in Anknüpfung an die Rs. C-258/11 getroffene Feststellung, dass im Falle der Beeinträchtigung eines geschützten Lebensraumtyps in einem Natura 2000-Gebiet grundsätzlich eine Beeinträchtigung des Gebiets als solches im Sinne des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 vorliege, hatte sich der EuGH in der Rs. C521/1210 zur Relevanz von Schutz- bzw. Ausgleichsmaßnahmen zu äußern. Er betonte insbesondere, die Annahme einer Beeinträchtigung eines Gebiets als solches könne grundsätzlich nicht durch gleichzeitig vorgesehene Schutzmaßnahmen, die ein gleich großes oder größeres Areal dieses Lebensraumtyps in dem Gebiet vorsehen, in Frage gestellt werden. Denn bei der Anwendung des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 sei der Vorsorgegrundsatz zu beachten, so dass die Verträglichkeitsprüfung so durchzuführen sei, dass jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen des Plans oder Projekts in dem betreffenden Schutzgebiet ausgeräumt wird. Daher habe die zuständige Behörde bei der Prüfung dieser Auswirkungen zwar Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen, die die etwaigen unmittelbar verursachten schädlichen Auswirkungen auf das Gebiet verhindern oder verringern sollen, dies im Hinblick darauf, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird. Hingegen dürften Schutzmaßnahmen, mit denen schädliche Auswirkungen eines Plans oder Projekts auf ein Natura 2000-Gebiet (lediglich) ausgeglichen werden sollen, im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 nicht berücksichtigt 10 EuGH, Rs. C-521/12 (Briels), ECLI:EU:C:2014:330. Zu diesem Urteil K. Füßer/ M. Lau, Maßnahmenpools im europäischen Gebietsschutzrecht, NuR 2014, 453 ff.; A. Korbmacher, Neuere Entwicklungen im Habitatschutzrecht, UPR 2018, 1 (4 f.); V. Mauerhofer, Vorhabensprüfung und Maßnahmen für Besondere Schutzgebiete (Natura 2000) (Teil 1 und Teil 2). Zugleich eine Besprechung von EuGH, 15. 5. 2014, C-521/12, RdU 2015, 151 ff., 186 ff.; P. Schütte/E. Wittrock/J. Flamme, Schadensminderungs- und Ausgleichsmaßnahmen zur Kohärenzsicherung nach „Briels u. a.“, NuR 2015, 145 ff.

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werden. Solche Maßnahmen sollten die schädlichen Implikationen nämlich nicht verhindern, sondern eben nur ausgleichen, und die etwaigen positiven Auswirkungen solcher Ausgleichsmaßnahmen seien im Allgemeinen nur schwer vorherzusehen und im Übrigen häufig erst nach Jahren erkennbar. Solche Ausgleichsmaßnahmen könnten aber im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 relevant sein, wobei diese Vorschrift nur unter den dort genannten Voraussetzungen (insbesondere das Vorliegen überwiegender öffentlicher Interessen) zum Zuge kommen könne. b) Verb. Rs. C-387/15, C-388/15 (Orleans) Unter Bezugnahme auf die Rs. C-399/14 weist der Gerichtshof in den verb. Rs. C 387/15, C-388/1511 zunächst darauf hin, dass die verschiedenen Absätze des Art. 6 RL 92/43 einen zusammenhängenden Normkomplex darstellten und entsprechend auszulegen seien: Art. 6 Abs. 2, 3 RL 92/43 sollten das gleiche Schutzniveau für natürliche Lebensräume und Habitate von Arten gewährleisten, während Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 lediglich eine Ausnahme von Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 (wonach der Plan oder das Projekt zu untersagen ist, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Gebiet als solches beeinträchtigt werden könnte) darstelle. Somit unterteile Art. 6 RL 92/43 die Maßnahmen in drei Kategorien: Erhaltungsmaßnahmen, Vorbeugungsmaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen (entsprechend Art. 6 Abs. 1, 2, 4 RL 92/43). Der Gerichtshof wandte sodann diese allgemeinen Grundsätze auf die im Vorabentscheidungsersuchen und im nationalen Verfahren zur Debatte stehende Entwicklung eines (zusätzlichen) Hafenareals in Antwerpen an: Hier könne es jedenfalls nicht um Erhaltungsmaßnahmen gehen, da es sich nicht um Schutzmaßnahmen, um die ökologischen Merkmale des in Frage stehenden Gebiets zu erhalten, handeln könne, führe das Projekt doch dazu, dass das betroffene Natura-2000-Gebiet um 20 Hektare verkleinert würde. Somit seien Art. 6 Abs. 1, 2 RL 92/43 nicht anwendbar, und das Vorhaben sei anhand des Art. 6 Abs. 3, 4 RL 92/43 zu prüfen. In Anknüpfung an seine Rechtsprechung12 stellt der Gerichtshof zunächst fest, Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 sehe zwei Phasen vor: In der ersten gehe es um die Verträglichkeitsprüfung (bei Plänen oder Projekten, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gebiet erheblich beeinträchtigt wird, wofür die Gefährdung der für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele ausschlaggebend sei). In der zweiten Phase stehe die Genehmigung des Projekts in Frage, die nur erteilt werden dürfe, wenn das betreffende Gebiet nicht als solches beeinträchtigt wird, was voraussetze, dass seine grundlegenden Eigenschaften dauerhaft erhalten werden.

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EuGH, verb. Rs. C-387/15, C-388/15 (Orleans und Gewest), ECLI:EU:C:2016:583. Zu diesem Urteil C. Franzius, Entwicklung eines Hafenareals in einem geschützten Gebiet, NVwZ 2016, 1548 ff. 12 S. insbesondere EuGH, Rs. C-521/12 (Briels), ECLI:EU:C:2014:330.

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Werden im Rahmen der Planung eines Projekts Schutzmaßnahmen vorgesehen, so dürften diese im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 nicht berücksichtigt werden. Dies gelte nicht nur – wie der Gerichtshof bereits in der Rs. C-521/1213 festgestellt hat – für Maßnahmen, die nach, sondern auch für solche, die vor (möglichen) Beeinträchtigungen durchgeführt werden. Denn die Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 dürfe nicht lückenhaft sein und müsse vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der in dem betreffenden Schutzgebiet geplanten Arbeiten auszuräumen. Hierzu seien alle relevanten Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ermitteln. Dabei sei zu beachten, dass sich die etwaigen positiven Auswirkungen der künftigen Schaffung eines neuen Lebensraums, der den Verlust an Fläche und Qualität desselben Lebensraumtyps in einem Schutzgebiet ausgleichen soll, im Allgemeinen nur schwer vorhersehen lassen und jedenfalls erst nach einigen Jahren erkennbar sein werden. Im Übrigen sei das Vorsorgeprinzip zu beachten, so dass (nur) die im Projekt aufgenommenen Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden könnten, mit denen die etwaigen unmittelbar verursachten schädlichen Auswirkungen auf das Gebiet verhindert oder verringert werden sollen, um dafür zu sorgen, dass das Gebiet nicht als solches beeinträchtigt wird. Hingegen werde die praktische Wirksamkeit des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 beeinträchtigt, wenn sonstige „abmildernde“ Maßnahmen, die letztlich Ausgleichsmaßnahmen entsprechen, bereits bei der Verträglichkeitsprüfung selbst berücksichtigt werden könnten, würden damit doch die in der Vorschrift festgelegten spezifischen Verfahren umgangen. Somit seien solche Maßnahmen im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 relevant (als „Ausgleichsmaßnahmen“), wobei die Zulässigkeit des Projekts sich auf der Grundlage der Auswirkungen der für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele bestimme (gehe es doch um eine Abwägung). c) Rs. C-142/16 (Kommission/Deutschland) Die genauen Anforderungen an die nach Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 durchzuführende Verträglichkeitsprüfung standen auch im Zentrum der Rs. C-142/1614, dies im Zusammenhang mit der Errichtung eines Kohlekraftwerks (das Kraftwerk Moorburg bei Hamburg). Im konkreten Fall hatte die Verträglichkeitsprüfung ergeben, dass die durch das Kraftwerk vorgesehene Kühlwasserentnahme gewisse Fischarten spürbar beeinträchtigen könnte (in Bezug auf ihre Reproduktion und ihren Wanderkorridor). Angesichts dieser Implikationen mussten die Behörden Gewissheit darüber erlangen, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird bzw. sich das (immerhin rund 600 km entfernte) Kraftwerk nicht nachteilig auf dieses auswirkt. Hierbei hätten sie auch ggf. in das Projekt einbezogene Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen, durch welche etwaige schädliche Auswirkungen des Projekts verhindert oder 13 14

EuGH, Rs. C-521/12 (Briels), ECLI:EU:C:2014:330. EuGH, Rs. C-142/16 (Kommission/Deutschland), ECLI:EU:C:2017:301.

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verringert werden sollten. Allerdings enthalte die Verträglichkeitsprüfung keine endgültigen Erkenntnisse zur Wirksamkeit der vorgesehenen Maßnahmen (insbesondere eine Fischaufstiegsanlage), so dass nicht gewährleistet gewesen sei, dass zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung kein vernünftiger Zweifel daran bestand, dass das Gebiet als solches durch das Kraftwerk nicht im Sinne des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 beeinträchtigt werde. Insbesondere sei es nicht ausreichend, wenn die (positiven) Wirkungen einer Schutzmaßnahme erst nach einem mehrjährigen Monitoring verlässlich evaluiert werden könnten. Zudem habe Deutschland gegen Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 verstoßen, weil das Zusammenwirken des neu zu errichtenden Kohlekraftwerks mit einem bereits bestehenden Pumpspeicherkraftwerk nicht geprüft worden sei. d) Rs. C-323/17 (Wind) In der Rs. C-323/1715 nimmt der der Gerichtshof ausführlich Bezug auf die bereits in den Rs. C-258/11, verb. Rs. C-387, 388/15 und Rs. C-399/14 entwickelten Grundsätze und betont insbesondere, Art. 6 RL 92/43 sei in Anbetracht der mit der RL 92/ 43 verfolgten Erhaltungsziele als ein zusammenhängender Normenkomplex auszulegen; Art. 6 Abs. 2, 3 RL 92/43 sollten das gleiche Schutzniveau für natürliche Lebensräume und Habitate von Arten gewährleisten, während Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 lediglich eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 darstelle. So unterteile Art. 6 RL 92/43 die Maßnahmen in drei Kategorien (Erhaltungsmaßnahmen, Vorbeugungsmaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen) gemäß Art. 6 Abs. 1, 2, 4 RL 92/43. Sonstige Maßnahmen (etwa „Maßnahmen zur Schadensbegrenzung“) kenne der Artikel nicht (so dass mitgliedstaatliche Maßnahmen offenbar einer der genannten Kategorien zugeordnet werden müssen). Maßnahmen, die die nachteiligen Auswirkungen eines Plans oder Projekts auf das betroffene Gebiet vermeiden oder vermindern sollen, dürften nicht bereits im Stadium der Vorprüfung (bei der es darum geht, ob eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich ist) berücksichtigt werden. Denn Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 sehe vor, dass die Pflicht zur Durchführung einer solchen Verträglichkeitsprüfung von zwei kumulativen Voraussetzungen abhänge: Der Plan oder das Projekt dürfe nicht mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sein, und er müsse das Gebiet erheblich beeinträchtigen können. In Bezug auf die in der vorliegenden Konstellation allein entscheidende zweite Voraussetzung sei maßgeblich, dass anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden könne, dass der jeweilige Plan oder das jeweilige Projekt das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigt, wobei bei der Beurteilung einer solchen Gefahr insbesondere die besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des betroffenen Gebiets zu berücksichtigen seien. Ein Einbezug von Schadensminderungsmaßnahmen bei der Vorprüfung impliziere, dass bereits eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebiets wahrscheinlich ist, zumal eine vollständige 15

EuGH, Rs. C-323/17 (Wind), ECLI:EU:C:2018:244.

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und genaue Analyse aller Maßnahmen, die mögliche erhebliche Auswirkungen auf das betroffene Gebiet vermeiden oder vermindern sollen, nicht schon in der Vorprüfungsphase, sondern erst bei der Verträglichkeitsprüfung selbst vorgenommen werden soll. Eine andere Sicht hebelte das in Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 vorgesehenen zweistufige Vorgehen (Vorprüfung und Verträglichkeitsprüfung) aus und beeinträchtigte daher die praktische Wirksamkeit der Richtlinie, zumal die Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten müsse, die geeignet seien, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der in dem Schutzgebiet geplanten Arbeiten auszuräumen. III. Synthese: Zur Systematik des Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 Versucht man ausgehend von der skizzierten Rechtsprechung eine Synthese der Systematik des Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43, dies unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach der Relevanz von mit einem Plan oder Projekt im Zusammenhang stehender Maßnahmen, so erscheinen vier Gesichtspunkte von zentraler Bedeutung: Art. 6 RL 92/43 als einheitlicher Normkomplex (1.), die große Rolle des Vorsorgeprinzips (2.), die zwei Stufen in Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 (3.) sowie die Relevanz planoder projektbezogener sonstiger Maßnahmen (4.). 1. Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 als einheitlicher Normkomplex Hervorzuheben ist zunächst, dass der Gerichtshof Art. 6 RL 92/43 als einheitlichen Normkomplex auffasst, der vor dem Hintergrund der Zielsetzungen der Richtlinie auszulegen ist. Auf dieser Grundlage geht es bei Art. 6 Abs. 2, 3 RL 92/43 nicht nur um die gleiche Zielsetzung, sondern Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 und Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 sollen auch dasselbe Schutzniveau gewährleisten (ein in verschiedenen Urteilen16 betonter Ansatz, der durch die Vorgehensweise des Gerichtshofs in der Rs. C399/1417, in der der Gerichtshof Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 analog heranzieht, besonders deutlich illustriert wird), und Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 ist vor diesem Hintergrund als Ausnahme zu Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/ 43 aufzufassen. Dieser Ansatz überzeugt in jeder Beziehung. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch auf folgende Aspekte hingewiesen: - Die gleiche Schutzrichtung der Art. 6 Abs. 2, 3 RL 92/43 ändert nichts daran, dass es in beiden Absätzen um unterschiedliche Verpflichtungen geht: So findet Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 lediglich auf Pläne und Projekte Anwendung, während 16 S. insbesondere EuGH, verb. Rs. C-387/15, C-388/15 (Orleans und Gewest), ECLI:EU:C:2016:583 (zu diesem Urteil oben II. 3. b)); EuGH, Rs. C-323/17 (Wind), ECLI:EU:C:2018:244 (zu diesem Urteil oben II. 3. d)). 17 EuGH, Rs. C-399/14 (Grüne Liga Sachsen), ECLI:EU:C:2016:10. Zu diesem Urteil oben II. 1. b).

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Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 (darüber hinaus) ein allgemeines Verschlechterungs- und Störungsverbot verankert, welches die Mitgliedstaaten umfassend verpflichtet, alle Maßnahmen (neben Abwehrmaßnahmen auch positive und präventive Maßnahmen) zu ergreifen, die sich im Hinblick auf die Verwirklichung dieses Ziels als notwendig erweisen,18 unabhängig davon, ob ein Plan oder ein Projekt in Frage stehen. - Bemerkenswert ist sodann, dass die Ausnahme des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 lediglich für Pläne und Projekte zum Zuge kommen kann (und dies erst nach der korrekten Durchführung der Verträglichkeitsprüfung des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43), während das Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 grundsätzlich „absolut“ gilt.19 M.a.W. vermag Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 nicht die Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 zu relativieren, dies allerdings nur, soweit Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 nicht zum Zuge kommt, also kein Plan oder Projekt in Frage steht. - Sodann kann im Falle des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 3, 4 RL 92/43 auch gleichzeitig ein solcher gegen Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 vorliegen.20 Auf der anderen Seite geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine gleichzeitige Anwendung des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 im Falle der Genehmigung eines Projekts nach dem Verfahren des Art. 6 Abs. 3, 4 RL 92/43 grundsätzlich „überflüssig“ ist, wobei Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 aber dann heranzuziehen sei, wenn der Betrieb vor der Erteilung einer Genehmigung erfolgt.21 - Daraus erschließt sich, dass Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 insofern und insoweit (also im Falle der Genehmigung eines Plans oder Projekts im Einklang mit Art. 6 Abs. 3, 4 RL 92/43) eine lex specialis zu Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 darstellt: Ergibt die korrekt durchgeführte Verträglichkeitsprüfung, dass das Gebiet als solches nicht im Sinn des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 beeinträchtigt ist, kann auch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 vorliegen (wird diese Bestimmung doch nicht herangezogen), und mit einer Genehmigung auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 kann auch eine Verschlechterung des Gebiets im Sinne des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 einhergehen.

18 Vgl. aus der Rechtsprechung z. B. EuGH, Rs. 418/04 (Kommission/Irland), ECLI:EU:C:2007:780; EuGH, Rs. C-308/08 (Kommission/Spanien), ECLI:EU:C:2010:281. 19 S. aus der Rechtsprechung EuGH, Rs. C-388/05 (Kommission/Italien), ECLI: EU:C:2007:533, Rn. 27, wo der Gerichtshof in Bezug auf die Verwirklichung einer Industrieansiedlung in einem besonderen Schutzgebiet aufgrund der teilweisen Zerstörung des Gebiets ohne nähere Prüfung der Frage einer „Rechtfertigung“ aufgrund überwiegender wirtschaftlicher Interessen von einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 ausging. Allerdings ist auch nur eine Verschlechterung zu vermeiden, so dass möglicherweise bereits vorhandene Vorbelastungen eines Gebiets, die sich ungünstig auf die Lebensräume auswirken, nicht vom Verschlechterungsverbot, das an den status quo des Gebiets anknüpft, erfasst werden; diese fallen möglicherweise unter Art. 6 Abs. 1 RL 92/43. 20 EuGH, Rs. C-304/05 (Kommission/Italien), ECLI:EU:C:2007:532, Rn. 94 ff. 21 EuGH, Rs. C-404/09 (Kommission/Spanien), ECLI:EU:C:2011:768, Rn. 122.

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Deutlich wird damit auch, dass letztlich für Pläne und Projekte zwar besondere Verfahrensvorschriften zum Zuge kommen, sie jedoch grundsätzlich insofern „privilegiert“ werden, als sie in Anwendung des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 ausnahmsweise genehmigt werden können, während das Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 ansonsten „absolut“ zu verstehen ist (wobei jedoch eine dem Primärrecht inhärente Ausnahme im Hinblick auf die Wahrung besonders wichtiger Allgemeinwohlinteressen – worunter im Wesentlichen der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen zu verstehen ist – anzuerkennen ist).22 Im Übrigen ist die große Reichweite des Verschlechterungsverbots hervorzuheben: Es führt letztlich dazu, dass bei der Durchführung von Arbeiten in (faktischen) Schutzgebieten umfassende Vorkehrungen zu treffen sind und gewisse Arbeiten aufgrund der Unmöglichkeit der Vermeidung einer Verschlechterung bzw. einer Störung unzulässig sind. Auf den ersten Blick mag dies sehr weitgehend erscheinen; zu erinnern ist aber daran, dass über die (ausnahmsweise) Möglichkeit der Genehmigung von Plänen und Projekten berechtigten Anliegen durchaus Rechnung getragen werden kann, dies im Rahmen eines geordneten Verfahrens. 2. Vorsorgeprinzip als Leitmotiv Das Vorsorgeprinzip stellt ein Leitmotiv für die Anwendung des Art. 6 Abs. 2 – 4 RL 92/43 dar. Von Bedeutung ist dies insbesondere für die Frage nach dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen. So geht der Gerichtshof in verschiedenen Urteilen23 davon aus, bereits bei Vorliegen der Gefahr einer erheblichen Störung der Arten oder einer Verschlechterung der Lebensräume seien geeignete Maßnahmen zu ihrer Verhinderung zu treffen, so dass die Mitgliedstaaten bereits dafür sorgen müssen, dass schon die Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder einer Störung der Arten zu vermeiden ist (und ansonsten eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 anzunehmen ist). Im Rahmen der Anwendung des Art. 6 Abs. 3 S. 1 RL 92/43 muss – wie sich auch schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt – die erhebliche Beeinträchtigung des betreffenden Gebiets nicht sicher sein, sondern die entsprechende Möglichkeit ist ausreichend, was letztlich einen Ausfluss des Vorsorgeprinzips darstellt. Dies impliziert auch, dass bei Zweifeln über solche Auswirkungen eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist,24 so dass von einer Verträglichkeitsprüfung grundsätzlich 22

Zum zuletzt genannten Aspekt, m.w.N., A. Epiney (o. Fn. 2), 9. Kap. Rn. 65. S. EuGH, Rs. C-399/14 (Grüne Liga Sachsen), ECLI:EU:C:2016:10; EuGH, Rs. C-461/ 14 (Kommission/Spanien), ECLI:EU:C:2016:895; EuGH, Rs. C-141/14 (Kommission/Bulgarien), ECLI:EU:C:2016:8 (zu diesen Urteilen oben II.1.); aus der früheren Rechtsprechung schon z. B. EuGH, Rs. C-404/09 (Kommission/Spanien), ECLI:EU:C:2011:768. 24 EuGH, Rs. C-258/11 (Sweetman), ECLI:EU:C:2013:220, Rn. 40 f. (zu diesem Urteil oben II.2.). S. auch schon EuGH, Rs. C-127/02 (Waddenvereniging), ECLI:EU:C:2004:482, Rn. 44; EuGH, Rs. C-6/04 (Kommission/Vereinigtes Königreich), ECLI:EU:C:2005:626, 23

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nur abgesehen werden darf, wenn eine Gebietsbeeinträchtigung praktisch ausgeschlossen werden kann. Dabei dürfte bei der geforderten „Beeinträchtigungswahrscheinlichkeit“ die Schwelle wohl umso niedriger anzusiedeln sein, je größer der drohende bzw. mögliche Schaden ist. Schließlich darf ein Plan oder ein Projekt nur dann gemäß Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 genehmigt werden, wenn auf der Grundlage der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Gewissheit etabliert ist, dass der Plan oder das Projekt zu keiner relevanten Gebietsbeeinträchtigung im Sinne der Vorschrift führt.25 Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung, so dass eine sich später nicht realisierende Beeinträchtigung nichts daran ändert, dass das Projekt oder der Plan nicht hätte genehmigt werden dürfen.26 Sind Vorbeugungs- oder Schutzmaßnahmen vorgesehen, muss die Verträglichkeitsprüfung klar die Wirksamkeit dieser Maßnahmen eruieren (können); andernfalls dürfen sie nicht berücksichtigt werden,27 ebenfalls ein Ausfluss des Vorsorgeprinzips, das somit auch im Zusammenhang mit möglichen „Vorhersagen“ betreffend die positiven Auswirkungen von Schutzmaßnahmen zum Zuge kommt. 3. Verträglichkeitsprüfung und (Nicht-) Genehmigung nach Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 unterscheidet zwischen der Verträglichkeitsprüfung (der eine Vorprüfung vorausgeht) sowie der Frage nach der (zulässigen) Genehmigung eines Plans oder Projekts. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Formulierungen hier leicht voneinander abweichen: Während Art. 6 Abs. 3 S. 1 RL 92/43 darauf abstellt, dass ein Plan oder ein Projekt ein Gebiet erheblich beeinträchtigen kann und vorsieht, dass im Falle der Bejahung dieser Voraussetzung eine Prüfung der Verträglichkeit im Hinblick auf die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen zu erfolgen hat, spricht Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 von einer BeeinRn. 54; EuGH, Rs. C-418/04 (Kommission/Irland), ECLI:EU:C:2007:780, Rn. 254; EuGH, Rs. C-182/10 (Solvay), ECLI:EU:C:2012:82. 25 EuGH, Rs. C-258/11 (Sweetman), ECLI:EU:C:2013:220 (zu diesem Urteil oben II. 2.); EuGH, Rs. C-142/16 (Kommission/Deutschland), ECLI:EU:C:2017:301, zu diesem Urteil oben B. III. 3. S. auch schon EuGH, Rs. C-127/02 (Waddenvereniging), ECLI: EU:C:2004:482, Rn. 56 ff., wo der Gerichtshof festhält, eine Genehmigung dürfe nur erfolgen, wenn die zuständigen nationalen Behörden Gewissheit darüber erlangt haben, dass sich der Plan oder das Projekt nicht nachteilig auf das betreffende Gebiet als solches auswirkt; bei diesbezüglichen Unsicherheiten sei die Genehmigung zu untersagen. Ebenso EuGH, Rs. C-418/04 (Kommission/Irland), ECLI:EU:C:2007:780, Rn. 258; EuGH, Rs. C-304/05 (Kommission/Italien), ECLI:EU:C:2007:532, Rn. 58 f.; EuGH, Rs. C-239/04 (Kommission/Portugal), ECLI:EU:C:2006:665, Rn. 19 ff.; EuGH; Rs. C-209/02 (Kommission/Österreich), ECLI:EU:C:2004:61, Rn. 26 f. 26 EuGH, Rs. C-239/04 (Kommission/Portugal), ECLI:EU:C:2006:665. 27 EuGH, Rs. C-142/16 (Kommission/Deutschland), ECLI:EU:C:2017:301 (zu diesem Urteil oben II. 3. c)).

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trächtigung des Gebiets als solches. Aufgeworfen wird damit die Frage, ob hier jeweils derselbe Maßstab gemeint ist oder ob es hier um unterschiedliche Schwellen bzw. Beeinträchtigungen des Gebiets geht. Weiter ist nicht ganz klar, ob und in welchen Konstellationen die Intensität der Beeinträchtigung eine Rolle spielen kann. In der Rs. C-258/1128 geht der Gerichtshof bei der Frage nach der Beeinträchtigung des Gebiets als solches offenbar davon aus, dass auf die Erhaltungsziele abzustellen ist, so dass die Intensität der Beeinträchtigung als solche wohl nicht relevant sein soll. Dieser Ansatz erscheint überzeugend: Wenn nämlich für diese Gebietsbestandteile bereits nach Art. 6 Abs. 2 RL 92/43 ein „absolut“ zu verstehendes Verschlechterungsverbot zum Zuge kommt, erschiene es widersprüchlich, im Zusammenhang mit Plänen oder Projekten eine darüber hinausgehende „erhebliche“ Beeinträchtigung dieser Gebietsbestandteile zu fordern. Jede andere Sichtweise zöge schwer nachvollziehbare Wertungswidersprüche nach sich, würden auf diese Weise doch Projekte und Pläne gegenüber anderen Maßnahmen bzw. Beeinträchtigungen der Gebiete schon bei der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Genehmigung (und damit unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmeklausel des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43) privilegiert. Im Übrigen ist im Fall der Beeinträchtigung eines geschützten Lebensraumtyps in einem Schutzgebiet jedenfalls eine Beeinträchtigung des Gebiets als solches im Sinn des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 anzunehmen.29 Damit könnte es in Art. 6 Abs. 3 S. 1 und Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 um zwei unterschiedliche Schwellen gehen: Während es für die Frage nach der Pflicht zur Durchführung einer FFH-Prüfung auf die erhebliche Gebietsbeeinträchtigung ankommen könnte, für welche die Gefährdung der für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele ausschlaggebend ist, könnte es für die Beeinträchtigung des „Gebiets als solches“ im Sinne Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 nicht auf die (festgelegten) Erhaltungsziele ankommen, sondern es ginge um die dauerhafte Erhaltung der grundlegenden Eigenschaften des betreffenden natürlichen Lebensraumtyps.30 Eine solche Differenzierung erschiene jedoch wenig stimmig: Denn wenn – wie der Gerichtshof immer wieder betont31 – Art. 6 Abs. 2, 3 RL 92/43 einen einheitlichen Schutzstandard gewährleisten wollen und die Verträglichkeitsprüfung des Art. 6 Abs. 3 S. 1 RL 92/43 ja im Hinblick auf die Frage erfolgt, ob ein Plan oder ein Projekt genehmigt werden kann, müssen die Schwellen grundsätzlich parallel ausgestaltet sein, geht es doch jeweils um dasselbe Anliegen bzw. Schutzziel im Hinblick auf das geschützte Gebiet. Eine Differenzierung wäre im Übrigen wohl auch eher theoretisch, da in aller Regel bei einer „erheblichen Beeinträchtigung“ und damit einer Gefährdung der Er28

EuGH, Rs. C-258/11 (Sweetman), ECLI:EU:C:2013:220 (zu diesem Urteil oben II. 2.). EuGH, Rs. C-521/12 (Briels), ECLI:EU:C:2014:330 (zu diesem Urteil oben II. 3. a)). 30 Vgl. in diese Richtung noch A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2013, EurUP 2014, 53 (62), wobei jedoch auch hervorgehoben wird, dass, selbst wenn man von unterschiedlichen Schwellen ausgeht, in aller Regel ähnliche Rechtsfolgen resultieren dürften. 31 S. insoweit oben III. 1. 29

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haltungsziele auch eine Beeinträchtigung des Gebiets als solches anzunehmen sein wird. Damit dürften in Anknüpfung an die Rs. C-258/1132 folgende Kriterien für das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung bzw. einer Beeinträchtigung des Gebiets als solches ausschlaggebend sein (wobei jeweils eine naturfachliche Betrachtung anzulegen ist): - Gefährdung der festgelegten Erhaltungsziele; - Gefährdung der dauerhaften Erhaltung der grundlegenden Eigenschaften, die mit dem Vorkommen eines natürlichen Lebensraumtyps zusammenhängen; - Gefährdung bzw. Beeinträchtigung des natürlichen Verbreitungsgebiets des Lebensraums, dies unter Berücksichtigung der Flächen, die er einnimmt; - Gefährdung der für den langfristigen Fortbestand des Lebensraums notwendigen Struktur und spezifischen Funktionen; - Behinderung der Reproduktion einer der im Habitat geschützten Arten, die zu einem spürbaren Rückgang der Art führt; - Verlust eines prioritären natürlichen Lebensraumtyps. 4. Zur Relevanz ergänzender Maßnahmen In mehreren Urteilen33 betonte der Gerichtshof, Art. 6 RL 92/43 unterteile von den Mitgliedstaaten ergriffene oder vorgesehene Maßnahmen in drei Kategorien: Erhaltungsmaßnahmen, Vorbeugungsmaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen (entsprechend Art. 6 Abs. 1, 2, 4 RL 92/43). Weitere Maßnahmen(kategorien) können auf dieser Grundlage im Rahmen der Anwendung des Art. 6 RL 92/43 nicht berücksichtigt werden. Der Gerichtshof unterscheidet damit zwischen Vorbeugungsmaßnahmen, die die Auswirkungen eines Plans oder Projekts selbst betreffen, also diese (direkt) mildern sollen, und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, die jedoch darauf abzielen, durch „Ersatzmaßnahmen“ die (in Kauf genommenen und zu erwartenden) Auswirkungen eines Plans oder Projekts auf irgendeine Weise auszugleichen. Nur erstere können bei der Frage, ob ein Gebiet als solches im Sinn des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 beeinträchtigt ist, berücksichtigt werden.34 Dieser Ansatz erscheint zwingend: Neben den vom Gerichtshof angefügten (überzeugenden) Gründen kann noch darauf hingewiesen werden, dass jeder andere Ansatz die Systematik der Art. 6 Abs. 3, 4 RL 92/43 aushebelte: Denn nach Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 ist ein Plan oder Projekt, 32

EuGH, Rs. C-258/11 (Sweetman), ECLI:EU:C:2013:220 (zu diesem Urteil oben II. 2.). EuGH, Rs. C-521/12 (Briels), ECLI:EU:C:2014:330; EuGH, verb. Rs. C-387/15, C-388/ 15 (Orleans und Gewest), ECLI:EU:C:2016:583; EuGH, Rs. C-323/17 (Wind), ECLI:EU:C:2018:244 (zu diesen Urteilen oben II. 3.). 34 EuGH, Rs. C-521/12 (Briels), ECLI:EU:C:2014:330 (zu diesem Urteil oben II. 3. a)). 33

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das ein Gebiet als solches beeinträchtigt, zwingend zu untersagen, es sei denn, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 (der als Ausnahmevorschrift konzipiert ist) lägen vor. Berücksichtigte man nun „echte“ Ausgleichsmaßnahmen bereits bei der Frage, ob ein Gebiet als solches beeinträchtigt ist, würde dieser spezifische Mechanismus umgangen und letztlich bereits eine Beeinträchtigung verneint, obwohl diese gegeben ist bzw. wäre, jedoch (möglicherweise) ausgeglichen werden kann bzw. könnte, dies mit der Folge, dass das betreffende Projekt auch genehmigt werden dürfte, wenn die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 nicht vorliegen. Deutlich wird damit die große Bedeutung der Abgrenzung der verschiedenen Maßnahmenkategorien: Während Vorbeugungs- oder Schutzmaßnahmen dazu führen (können), dass etwaige schädliche Auswirkungen eines Plans oder Projekts verhindert oder verringert werden und somit auch einen Einfluss auf die Frage entfalten, ob ein Gebiet als solches im Sinne des Art. 6 Abs. 3 S. 2 RL 92/43 beeinträchtigt ist und daher bei dieser Prüfung (nicht aber bei der Vorprüfung)35 zu berücksichtigen sind, können die Ausgleichsmaßnahmen erst im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 RL 92/ 43 relevant werden. In Anknüpfung und in Verallgemeinerung der durch die Rechtsprechung entwickelten Ansätze müssen für das Vorliegen einer Schutzmaßnahme (wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind) folgende (kumulativ zu verstehende) Voraussetzungen vorliegen: - Es geht um eine Maßnahme, die im Zusammenhang mit einem spezifischen Plan oder Projekt steht, wobei nicht nur dann ein solcher Zusammenhang bestehen kann, wenn die Maßnahme eigentlicher Teil des Plans oder Projekts ist, sondern auch, wenn sie in sonstiger Weise eine Verbindung zu dem Plan oder Projekt aufweist. - Sie muss in direkter Weise als Schutzmaßnahme wirken, indem sie ihre Wirkung mit der Realisierung des Plans oder Projekts entfaltet, so dass die durch sie eingeleiteten Entwicklungen abgeschlossen sind und die Maßnahme in ihren Auswirkungen in jeder Beziehung „etabliert“ ist bzw. sein wird. Allein ein „Monitoring“, das bestimmte Auswirkungen erst eruieren soll, ist somit keinesfalls ausreichend. - Sie bezieht sich bereits auf die Verhinderung oder Verringerung der durch das Projekt oder den Plan verursachten schädlichen Auswirkungen auf das Schutzgebiet. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, handelt es sich um eine Ausgleichsmaßnahme, die bei der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 außer Betracht bleiben muss. Die entscheidenden Abgrenzungskriterien zwischen Ausgleichsmaßnahmen nach Art. 6 Abs. 4 RL 92/43 und im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 RL 92/43 relevanten Schutzmaßnahmen dürften somit einerseits zeitlicher Art sein (die Schutzmaßnahmen müssen in ihren Auswirkungen klar vorhersehbar sein), andererseits aber auch den Bezug zum Projekt oder Plan betreffen (Schutzmaßnahmen müssen die 35 Vgl. EuGH, Rs. C-323/17 (Wind), ECLI:EU:C:2018:244 (zu diesem Urteil oben II. 3. d)).

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schädlichen Auswirkungen eines Projekts als solche verhindern oder verringern, nicht hingegen einen „Ersatz“ für die schädlichen Auswirkungen schaffen). Insgesamt dürfte die Rechtsprechung im Übrigen den Schluss nahelegen, dass der Begriff der Schutzmaßnahme eher restriktiv gefasst wird. Dies führt dazu, dass sich die Frage nach der Zulässigkeit eines Plans oder Projekts auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Ausnahmevorschrift (hier Art. 6 Abs. 4 RL 92/ 43), die eine Interessen- und Güterabwägung impliziert, verschiebt. IV. Fazit Insgesamt zeigt eine Gesamtschau der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zu Art. 6 RL 92/43, dass der Gerichtshof eine kohärente Linie in Bezug auf die Tragweite der Bestimmung verfolgt und wichtige Fragen der Struktur und Systematik der Bestimmung geklärt werden konnten. Bemerkenswert ist auch die große Rolle des Vorsorgegrundsatzes. Art. 6 RL 92/43 – wobei der vorliegende Beitrag lediglich einige ausgewählte Aspekte berücksichtigen konnte – erlaubt und verlangt auf dieser Grundlage im Ergebnis einen sehr weitgehenden Schutz der natürlichen Lebensräume. Das zentrale Problem des Biodiversitätsschutzes in der Europäischen Union dürfte daher heute wohl weniger in den gesetzlichen Anforderungen bestehen (wobei diese jedoch keinesfalls abgeschwächt werden sollten),36 sondern in Umsetzung und Vollzug in den Mitgliedstaaten. Die mit der Aarhus-Konvention einhergehende Stärkung der Rechte der Einzelnen, gerade auch soweit der gerichtliche Zugang betroffen ist, könnte hier ein durchaus vielversprechendes (wenn auch nicht ausreichendes) Instrument sein.37

36 Die Kommission unterzieht die Naturschutzgesetzgebung derzeit im Rahmen ihres REFIT-Programms einer Überprüfung; es ist zu befürchten, dass dies zu einer Tendenz der Abschwächung der unionsrechtlichen Vorgaben führen könnte, was in Bezug auf den Zustand der Biodiversität sehr negative Konsequenzen entfaltete. Vgl. so auch die Einschätzung von C. Mayr/R. Weyland, Die Naturschutzrichtlinien: Bewährt und doch auf dem Prüfstand, NuR 2016, 96 ff.; sehr kritisch auch J. Schumacher/T. Bunge, REFIT und das europäische Naturschutzrecht, Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2017, 2017, 151 ff.; T. Bunge/J. Schumacher, Europäische Naturschutz-Richtlinien: taugliche Objekte für REFIT?, NuR 2016, 307 ff. (letztere weisen auch auf den aufgrund völkerrechtlicher Vorgaben beschränkten Handlungsspielraum hin). 37 So ist bemerkenswert, dass einige im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Urteile des Gerichtshofs betreffend den gerichtlichen Zugang von Einzelnen oder Verbänden in Umweltangelegenheiten gerade den Bereich des Habitatschutzes betreffen und der Gerichtshof hier relativ weitgehende Vorgaben entwickelte, vgl. EuGH, Rs. C-240/09 (Lesoochranarske), ECLI:EU:C:2011:125; EuGH, Rs. C-243/15 (Lesoochranarske), ECLI:EU:C:2016:838.

III. Verfassungsrecht

Infrastrukturnetze und Grundrechte – Eine Strukturskizze Von Michael Kloepfer I. Grundsätzliches Grundrechte sind vor allem verfassungsrechtliche Individualrechte, die dem Einzelnen insbesondere die Entfaltung seiner Individualität, seine Selbstverwirklichung gegenüber dem Staat sichern sollen. Gleichwohl haben sich seit längerer Zeit diesen individuellen, „subjektiven“ Schutzgehalten überindividuelle, „objektive“ Grundrechtsgehalte zur Seite gestellt, wie schon früh insbesondere die sogenannten institutionellen Garantien und Institutsgarantien gezeigt haben.1 Bei näherer Betrachtung haben diese objektiven Garantien allerdings nur eine dienende Funktion gegenüber den subjektiv-rechtlichen Schutzgehalten der Grundrechte.2 Überdies ist zunehmend in das Bewusstsein der Rechtsgemeinschaft gerückt, dass sich Grundrechte trotz ihres individualrechtlichen Kerns überwiegend nicht in individueller Isolierung, sondern vornehmlich innerhalb des menschlichen Zusammenlebens entfalten und bewähren müssen.3 Ein Leben in Isolation ist zwar eine mögliche, aber gewiss nicht die typische Form der Freiheitsverwirklichung. Hiermit verbunden ist die Einsicht, dass die stetig zunehmende Vernetzung des menschlichen Zusammenlebens auch für die Grundrechtsverwirklichung nicht folgenlos bleiben kann. Die Grundrechtsverwirklichung innerhalb des menschlichen Zusammenlebens sowie die erwähnte Grundtendenz zur Einbeziehung objektiver, überindividueller Aspekte in die Grundrechtsinhalte bieten die Möglichkeit einer prinzipiellen grundrechtlichen Einordnung des – vom Jubilar über viele Jahre erfolgreich gepflegten – Infrastrukturrechts, zu welcher die folgenden Ausführungen einige skizzenhafte strukturelle Überlegungen beitragen wollen. II. Infrastrukturnetze Trotz des relativ neuartigen – und derzeit sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehenden – Internets mit seinen dynamischen Entwicklungen ist die Vorstellung von 1

Siehe M. Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2010, § 48 Rn. 46 ff. Vgl. P. Badura, Staatsrecht, 6. Aufl. 2015, C Rn. 20; M. Kloepfer (o. Fn. 1), § 48 Rn. 54. 3 Siehe M. Kloepfer, in: Sachs/Siekmann, Festschrift Stern, 2012, S. 405, 415 ff.

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Michael Kloepfer

Netzen, insbesondere von Infrastrukturnetzen4, weder terminologisch noch inhaltlich wirklich neu.5 Die Verkehrsnetze, speziell die Straßennetze und die Schifffahrtsnetze (mit Häfen, Anlegestellen, Fahrrinnen etc.) begleiten die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Weitere entsprechende Entwicklungen geschahen in der Vergangenheit im Wesentlichen im Takt technischer Entwicklungen und Tendenzen: Die Schienenverkehrsnetze erfuhren ihren entscheidenden Ausbau schon im 19. Jahrhundert, nachdem die Dampflokomotive entwickelt wurde. Im 20. Jahrhundert entstanden – mit dem Bau leistungsfähiger Flugzeuge – sodann Luftverkehrsnetze. Weitere wichtige Beispiele für Infrastrukturnetze sind etwa die technischen Energienetze (Strom- und Gasnetze) sowie die Wasserleitungsnetze, die es – in begrenzter Form – bekanntlich schon im Römischen Reich gegeben hat. Mit dem Entstehen des überregionalen Handels bildeten sich zudem erst überregionale und später dann auch globale Vertriebsnetze des Handels heraus. In den grundrechtlich besonders interessanten Kommunikationsnetzen als Teil der Infrastrukturnetze sind zunächst die Postdienstnetze entstanden, später wurden unter anderem Fernschreib-, Telegrafie- und Telefonnetze geschaffen. Hier erfolgten zwischenzeitlich weitere erhebliche technische Veränderungen (z. B. Wandel von Kuperkabel- zu Glasfaserkabelnetzen). Das – nicht technische – Vertriebsnetz des Presse-Grosso6 entstand im vorherigen Jahrhundert. Relativ neu ist hingegen das auf technischen Netzen und massenhaftem Kommunikationsverhalten beruhende Internet – auch geprägt durch das rasante Wachstum der sozialen Netzwerke –, das als Grundlage der schnell voranschreitenden Digitalisierung fungiert. In ökonomischer Hinsicht zeichnen sich Infrastrukturnetze zumeist durch eine begrenzte Zahl an Netzeigentümern und -betreibern aus. Hiermit einher geht oftmals ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen potenziellen Nachteilen monopolartiger Strukturen und der kostendegressiven Wirkung großer Netze, da Größen- und Verbundvorteile regelmäßig zu günstigeren Kostenstrukturen führen.7

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Vgl. zu den vielseitigen Anhaltspunkten zur Konkretisierung des Begriffs Infrastruktur und dessen Merkmalen G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998, S. 164 ff., 309 ff. 5 Der Beitrag beschränkt sich im Wesentlichen auf Infrastrukturnetze und somit auf Netze, die sich sowohl durch ihren Technikbezug, als auch durch ihren mobilitätssteigernden Zweck (bezogen auf Personen, Güter, Informationen) auszeichnen. Netze in rein sozialem Sinne (z. B. Beziehungsnetze) werden nicht behandelt. 6 Siehe dazu M. Kloepfer, Presse-Grosso unter dem Schutz von Verfassungsrecht und Europarecht, 2000, S. 13. Als Vertriebsnetz dient das Presse-Grosso der Distribution von Presseerzeugnissen, wobei die sogenannten Grossisten, die als Pressegroßhändler fungieren, verpflichtet sind, eine gleichmäßige, proportionale Distribution der Presseerzeugnisse bei den Endvertreibern sicherzustellen. 7 Vgl. G. Hermes (o. Fn. 4), S. 310, 312; G. Kutzschbach, Grundrechtsnetze, 2004, S. 28 ff., 149.

Infrastrukturnetze und Grundrechte – Eine Strukturskizze

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Wichtige, ehemals staatliche Infrastrukturnetze (insbesondere Post, Bahn) sind in Deutschland mittlerweile privatisiert worden. Die damit verbundenen Verheißungen der Privatisierung haben sich allerdings bisher nicht immer erfüllt. Bei anderen Netzen (bspw. Straßen) konnte sich dieser Privatisierungstrend in Deutschland bisher kaum durchsetzen.8 Bei privat entstandenen Netzen (Warenvertriebsnetze – z. B. Großhandel) spielt der Privatisierungstrend ohnehin keine Rolle. Dies gilt auch für das weitestgehend privat organisierte Internet.9 Hier ist nach verschiedenen Datenschutz-, hate speech-, sowie Missbrauchs- bzw. Pornografieskandalen und des allgemeinen Zuwachses von Internetkriminalität derzeit der Trend zu mehr Regulierung unverkennbar. Erste Forderungen nach einer Verstaatlichung der großen US-amerikanischen sozialen Netzwerke10 oder doch wenigstens nach der Gründung von europäischen Suchmaschinen als Gegengewicht zu Google und Co. sind in diesem Zusammenhang schon erhoben worden.11 III. (Inter-)Dependenzen als neue Herausforderungen von Infrastrukturnetzen Insgesamt wirft die stetige Weiterentwicklung der Netze immer neue Rechtsfragen auf. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen in diesem Zusammenhang die zunehmenden Interdependenzen zwischen den unterschiedlichen Netzen,12 insbesondere durch deren funktionale Verknüpfung. Auch hier spielt das Internet als conditio sine qua non der Digitalisierung eine entscheidende Rolle.13 Die Navigationssysteme in Kraftfahrzeugen verbinden etwa Straßennetze mit elektronischen Kommunikationsnetzen; beim autonomen Fahren von Kraftfahrzeugen werden diese Vernetzungen von Netzen noch intensiviert werden. Netze dürfen insofern nicht mehr (nur) isoliert, sondern müssen (auch) im Lichte dieser Verbindungen zwischen Netzen gese-

8 Zur Illustration der hiermit einhergehenden politischen und ökonomischen Schwierigkeiten kann exemplarisch auf den Rechtsstreit zwischen Bund und der privaten Betreiberin der Bundesautobahn A1, der A1 mobil GmbH & Co. KG, verwiesen werden, vgl. hierzu http:// www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/a1-was-hinter-der-klage-privater-betreiber-steckt-a1164251.html. 9 Die Entwicklung des Internets ging allerdings auf das US-Verteidigungsministerium zurück, vgl. M. Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 1 Rn. 9. 10 So beispielsweise im Tagesspiegel vom 24. März 2018 (Kommentar von Christopher Lauer „Warum Facebook verstaatlicht werden muss“), abrufbar unter https://www.tagesspie gel.de/politik/christopher-lauer-warum-facebook-verstaatlicht-werden-muss/21111108.html. 11 Vgl. u. a. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Juni 2011 (Frank Schirrmacher „Wir brauchen eine europäische Suchmaschine“), abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/feuille ton/debatten/digitales-denken/digitales-gedaechtnis-wir-brauchen-eine-europaeische-suchma schine-11104800.html. 12 Siehe U. di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56, 1997, S. 235 (255). 13 Vgl. U. di Fabio, Grundrechtsgeltung in digitalen Systemen, 2016, S. 30 f.

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hen werden. Dies macht die staatliche Kontrolle und gegebenenfalls Steuerung der Netze nicht eben leichter. Gerade die Interaktion und Interdependenz zwischen den Netzen steigert ihre soziale Bedeutung für das alltägliche Leben. Infrastrukturnetze haben neben der raumübergreifenden schließlich auch eine gesellschaftsprägende Wirkung. Insbesondere das Internet dient nicht nur der persönlichen Entfaltung, sondern zunehmend auch der Partizipation an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Es ermöglicht einen gesellschaftsübergreifenden Austausch und hat eine über die beteiligten Einzelpersonen hinausgehende übergreifende Funktion.14 Die im Internet existenten Netzwerke heißen deshalb nicht ohne Grund: soziale Netzwerke. Folge ist nicht nur eine zunehmende Einbindung in Infrastrukturnetze und – damit verbunden – eine wachsende Abhängigkeit von diesen. Nahezu zwangsläufig kommt es dabei auch zum Aufeinandertreffen von Interessen verschiedener Netzbeteiligter aus unterschiedlichen Netzen.15 In einer zunehmend vernetzten und digitalisierten Welt hat die wachsende Interaktion innerhalb und zwischen den Netzen gleichfalls Einfluss auf die Möglichkeit der Netzbeteiligten, ihre grundrechtlichen Freiheiten auszuüben. Dabei bietet das grundrechtliche Wertesystem den prinzipiellen rechtlichen Ausgangspunkt für die Bewältigung der beschriebenen Herausforderungen.16 IV. Grundrechtliche Aspekte von Infrastrukturnetzen Die grundrechtlichen Aspekte der Infrastrukturnetze sind außerordentlich vielfältig. Netze ermöglichen eine Vielzahl verschiedener, auch staatlich zu respektierender und gegebenenfalls auch zu schützender Grundrechtsbetätigungen.17 Zunächst stellen die privat entstandenen Netze das Ergebnis von Grundrechtsbetätigungen der Netzbetreiber dar.18 Der Ertrag von Grundrechtsbetätigungen, d. h. der Grundrechtsertrag als solcher, wird dabei grundrechtlich geschützt, vor allem durch Art. 14 GG und – bei Kommunikationsnetzen – durch Art. 5 Abs. 1 GG. Im Gegensatz dazu sind bei der Privatisierung regulierungsrechtlich auferlegte Pflichten der Netzeigentümer als ehemalige Monopolisten, bereits bestehende Netze auch durch neue Konkurrenten nutzen zu lassen und somit ihre bisherige Vormachtstellung aufzugeben, Eingriffe in diesen Grundrechtsbestand.19 Diese Eingriffe 14 Siehe M. Kloepfer, in: ders., Netzneutralität in der Informationsgesellschaft, 2011, Einführung, S. 9 (10). 15 Siehe G. Kutzschbach (o. Fn. 7), S. 149 f. 16 Vgl. U. di Fabio (o. Fn. 13), S. 42. 17 Siehe zur staatlichen Schutzaufgabe für (Kommunikations-)Netze W. Hoffmann-Riem, Grundrechts- und Funktionsschutz für elektronisch vernetzte Kommunikation, AöR 2009, 513 (533 ff.). 18 Vgl. M. Kloepfer, Presse-Grosso in der Informationsgesellschaft, AfP 2010, 120 (122). 19 Dazu G. Kutzschbach (o. Fn. 7), S. 129 ff. Dies gilt freilich nur, sofern es sich nicht um staatliche und somit prinzipiell nicht grundrechtsfähige Netzeigentümer handelt.

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sind in der Regel durch die entstehenssichernde Öffnung für die newcomer gerechtfertigt, sofern diese an den Kosten für die Netzerrichtung und Netzerhaltung, z. B. durch Entgeltzahlungen für die Nutzung, beteiligt werden.20 Infrastrukturnetze haben vor allem eine grundrechtsermöglichende Funktion. Sie sichern wesentliche Grundrechtsvoraussetzungen (z. B. Wasserversorgung, Energieversorgung und Fernheizung als Sicherung des Überlebens) und sie ermöglichen vielfältige Grundrechtsbetätigungen (etwa durch Reisen oder durch den Vertrieb von Waren).21 Kommunikationsnetze ermöglichen vor allem die Entfaltung der Kommunikationsfreiheiten, aber auch anderer Grundrechte.22 Die Sicherung der Netzneutralität, also der diskriminierungsfreien Übermittlung der zur Grundrechtsverwirklichung erforderlichen Kommunikationsdaten, ist daher essenziell.23 Der Schutz der Netze erweist sich somit als Grundrechtsvoraussetzungsschutz24, der letztlich ein Gebot der ausübungssichernden Grundrechtseffektivität ist.25 Das Internet mit seinen vielfältigen Funktionen ermöglicht neben den interpersonalen Kommunikationsmöglichkeiten vor allem auch die Persönlichkeitsentfaltung, die Berufsausübung sowie die Berufsausbildung und zum Beispiel auch künstlerische und wissenschaftliche Tätigkeiten. Im Internet können als Netzbeteiligte unterschieden werden: Eigentümer sowie Betreiber der Netzinfrastruktur, sonstige Verfügungsberechtigte, Zugangs- und Diensteanbieter sowie Netzbenutzer (als mengenmäßig größte Gruppe).26 Dies gilt grundsätzlich – allerdings in variierter Form – für alle Netze, z. B. für das Schienennetz, bei dem Schienennetzeigentümer von Bahnunternehmen und beide wiederum von Bahnkunden unterschieden werden müssen. Alle Netzbeteiligte üben bei ihren netzbezogenen Aktivitäten verschiedenartige

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Siehe zum Netzzugang M. Ruffert, in: Fehling/ders., Regulierungsrecht, 2010, § 7 Rn. 49 und zur Entstehenssicherung als grundrechtliche Dimension neben dem grundrechtlichen Bestandsschutz M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandschutz, 1970, S. 24. Die Kontroverse um Netzzugangsrechte für Konkurrenten ähnelt der aus dem Chemikalienrecht bekannten Zweitanmelderproblematik, vgl. M. Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, § 19 Rn. 153. 21 Siehe zu Grundrechtsvoraussetzungen J. Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR IX, 3. Aufl. 2011, § 190 Rn. 49 ff.; M. Kloepfer (o. Fn. 20), passim, besonders S. 16 ff., 28 ff. 22 Siehe zur Infrastruktursicherung im Bereich der Kommunikation, M. Schuler-Harms, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 12 Rn. 13 f.; G. Kutzschbach (o. Fn. 7), passim, besonders S. 127 f. 23 So C. Degenhart, Netzneutralität – die Position von Presse und Rundfunk, in: Kloepfer, Netzneutralität in der Informationsgesellschaft, 2011, S. 67 ff. 24 Siehe hierzu M. Kloepfer (o. Fn. 20), S. 16 – 21. 25 Vgl. M. Kloepfer (o. Fn. 20), S. 28 ff. 26 Zu den einzelnen Netzbeteiligten siehe L. Determann, Kommunikationsfreiheit im Internet, 1999, S. 64 ff.; M. Kloepfer (o. Fn. 6), S. 57; G. Kutzschbach (o. Fn. 7), S. 130 ff.

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Grundrechte aus. Insofern sind Netze vor allem auch Grundrechtsverwirklichungsnetze.27 In der funktionellen Zusammenfassung aller Netzbeteiligten in einem Netz kommt es typischerweise zu mannigfaltigen Beziehungen zwischen den Netzbeteiligten. Alle ihre unterschiedlichen Netzaktivitäten sind grundrechtlich geschützte Verhaltensformen. Insofern können die Grundrechtsaktivitäten der Netzbeteiligten einerseits gleichläufig und konfliktfrei, andererseits aber auch widerläufig und konfliktträchtig sein. Grundrechtsrelevante Konflikte zwischen Netzbeteiligten können in Kommunikationsnetzen insbesondere wegen der netzübertragenden Inhalte auftreten. Ruf- bzw. geschäftsschädigende Äußerungen im Internet sind klassische Erscheinungsfälle für nutzerinterne Konflikte. Auch Konflikte zwischen Diensteanbietern und Nutzern sind möglich, wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz28 zeigt. Ob es sich dabei um unmittelbare Grundrechtskonflikte handelt, ist allerdings zweifelhaft, solange man am Konzept fehlender unmittelbarer Drittwirkung von Grundrechten festhält. Wenn zum Beispiel Facebook einen von ihm als hate speech kategorisierten Beitrag löscht, greift es nicht in das Grundrecht des Beitragverfassers ein, weil gegenüber Facebook die Grundrechte des Verfassers nicht unmittelbar gelten.29 Insofern handelt es sich auf staatlicher Ebene eher um Grundrechtskollisionen30, das heißt um konfligierende Grundrechtsanforderungen an den Staat: Der staatliche Eingriff in Netze zum Schutz eines Netzbeteiligten kann daher ein Eingriff in Rechte anderer Netzbeteiligter sein. Die Gewährleistung der Meinungsfreiheit des Verfassers steht zusammen mit der Gewährleistung der Berufs- und Handlungsfreiheit von Facebook in einem natürlichen Spannungsverhältnis zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen.

27 Dazu M. Kloepfer/G. Kutzschbach, Presse-Grosso zwischen Kartell- und Verfassungsrecht, AfP 1999, 1 (4); M. Kloepfer (o. Fn. 6), S. 58; ders., AfP 2010, 120 (122); G. Kutzschbach (o. Fn. 7), passim, besonders S. 4. 28 Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) v. 1. 9. 2017, BGBl. I S. 3352. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz werden Betreibern sozialer Netzwerke Monitoring- und Korrekturpflichten im Umgang mit veröffentlichten „rechtswidrigen Inhalten“ ihrer Nutzer auferlegt, vgl. hierzu M. Liesching, in: Spindler/Schmitz, Telemediengesetz mit Netzwerkdurchsetzungsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 1 NetzDG Rn. 2 ff.; zur allgemeinen Kritik an diesem Ansatz siehe u. a. F. Ferreau, Die Vermessung des „Neulandes“, abrufbar unter https://www.juwiss.de/36 - 2017. 29 Vgl. W. Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 3. Aufl. 2011, § 197 Rn. 88 ff.; M. Kloepfer (o. Fn. 1), § 50 Rn. 47 ff. In Betracht kommt allenfalls eine mittelbare Drittwirkung, vgl. ders. (o. Fn. 1), § 50 Rn. 57 ff.; B. Holznagel/P. Schumacher, Kommunikationsfreiheiten und Netzneutralität, in: Kloepfer, Netzneutralität in der Informationsgesellschaft, 2011, S. 47 (65). 30 Siehe H.-J. Papier, in: Merten/ders., HGR II, 2006, § 55 Rn. 13; M. Kloepfer (o. Fn. 1), § 52 Rn. 8 ff.

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V. Netzbedingtes Zusammenwirken von Grundrechten Überwiegend wird es aber nicht um widerläufige oder konflikthaltige Aktivitäten im Netz, sondern vielmehr um gleichläufige und konfliktfreie Aktivitäten verschiedener Netzbeteiligter gehen. Wer das Internet als Kommunikationsforum nutzt, wie z. B. Netzeigentümer, Netzbetreiber, sonstige Verfügungsberechtigte über Daten, Zugangs- und Diensteanbieter, hat ein grundsätzlich vergleichbares Grundinteresse an der Benutzung bzw. Benutzbarkeit des Internets, auch wenn jeder für sich dabei eigene, unterschiedliche Interessen verfolgt. Typischer als Konfliktsituationen bei der Grundrechtsausübung in Netzen sind daher nicht konfligierende Grundrechtsbeziehungen, bei denen Grundrechtsberechtigte bei der Nutzung ihrer grundrechtlich verbürgten Rechte notwendigerweise zusammenwirken: Der interpersonale Bezug, der auf dem gemeinsamen Anliegen beruht, bedingt die Nutzung und Verwirklichung miteinander korrespondierender Grundrechtsgehalte.31 Typisch ist dabei, dass die Realisierungen der jeweiligen Grundrechtsgehalte in gegenseitigem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen (können). Diese Form der interdependenten Verknüpfung von Grundrechten in Netzen kann verfassungskonstruktiv als Zusammenwirken von Grundrechten im Sinne von Grundrechtskonzertierungen gedeutet werden.32 Bei Grundrechtskonzertierungen handelt es sich um gleichgerichtete Grundrechtsausübungen, wobei zwei Arten solcher Grundrechtskonzertierungen zu unterscheiden sind: die gemeinsame Ausübung der gleichen Grundrechte einerseits und die gleichgerichtete Ausübung verschiedener Grundrechte (in entsprechungsrechtlicher Verknüpfung) andererseits. Beispiel für die erste Fallgruppe ist das aus dem Internet bekannte Phänomen des Shitstorms33 als eine bestimmte Form der Meinungsäußerung. Eines seiner konstitutiven Merkmale ist die große Anzahl an Meinungskundgaben. Da jede dieser Meinungsäußerungen für sich genommen jedoch individuell ist, handelt es sich beim Shitstorm nicht um einen Fall der kollektiven Meinungsäußerung (als klassisches Beispiel hierfür sei die digitale „Versammlung“ genannt). Vielmehr dient der Shitstorm allein der Ausübung des gleichen, nicht aber des gemeinsamen Grundrechts einer Vielzahl von Personen. In diesem Fall der verbundenen Verwirklichung inhaltsgleicher Grundrechte kann von paralleler Grundrechtsausübung gesprochen werden.34 Daneben korrespon31 Siehe zur Korrespondenz von Grundrechten H. Bethge, in: Merten/Papier, HGR III, 2009, § 72 Rn. 33; M. Kloepfer (o. Fn. 3), S. 415 ff. Der Begriff der Entsprechungsrechte in Grundrechtsbeziehungen ist auf M. Kloepfer (o. Fn. 20), S. 46 ff., 51 f., 91 zurückzuführen und danach weiterentwickelt worden, vgl. ders. (o. Fn. 6), S. 58; ders./G. Kutzschbach, AfP 1999, 1 (4). 32 Dazu M. Kloepfer (o. Fn. 1), § 52 Rn. 7; ders. (o. Fn. 3), S. 405 f. 33 Im Duden ist Shitstorm definiert als „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“, https://www. duden.de/rechtschreibung/Shitstorm. 34 Vgl. M. Kloepfer (o. Fn. 3), S. 416.

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diert (entspricht) beispielsweise die von der Pressefreiheit geschützte Internetpräsenz eines Nachrichtenportals mit der Informationsfreiheit der Nachrichtenempfänger, so dass eine Blockade bestimmter Internetdienste letztlich auch einen Eingriff in die Informationsfreiheit des Empfängers darstellt.35 In diesem Fall „entspricht“ inhaltlich die Informationsfreiheit des Nachrichtenempfängers der Pressefreiheit des Nachrichtenportals. Oder ein anderes Beispiel: Bei einem Verbot des Online-Vertriebs von Medikamenten wird nicht nur die grundrechtlich geschützte Verkaufsfreiheit des Verkäufers, sondern auch die Kauffreiheit des Käufers beschränkt. Bei dieser Konstellation, bei der verschiedenartige Rechtspositionen interdependent sind, handelt es sich um – wie erwähnt – entsprechungsrechtliche Grundrechtsbeziehungen.36 Auch wenn Käufer und Verkäufer beide von ihrer Privatautonomie Gebrauch machen, geht es hier nicht um einen parallelen Grundrechtsgebrauch, sondern um funktionsverschränkte, entsprechungsrechtliche Grundrechtsbetätigungen. In der Regel handelt es sich bei der Internetkommunikation überwiegend aber nicht um parallele Grundrechtsausübungen und schon gar nicht um Grundrechtsausübungen durch Kollektive.37 Eine kollektive Netzfreiheit gibt es nach geltendem Recht für sie nicht. Selbst wenn viele einen gleichartigen Grundrechtsgebrauch vornehmen (z. B. nutzen sehr viele Menschen Google), geschieht dies typischerweise nicht zu einem gemeinsamen Zweck, geschweige denn interdependent. VI. Grundrechtsverwirklichung und Grundrechtsgefährdung durch Netze Die Infrastrukturnetze sind Strukturen vielfältiger Grundrechtsbeziehungen gleichgerichteter, aber auch gegenläufiger Tendenzen. Es wäre dabei zu kurz gegriffen, wollte man ein Netz grundrechtlich lediglich als Addition einer unüberschaubaren Vielzahl von Grundrechtsbeziehungen verschiedener Menschen verstehen.38 Vielmehr gewinnen die Netze als solche eigene grundrechtliche Funktionen und Positionen. In diesem Zusammenhang spielen auch die zunehmende Verzahnung der Netze sowie die zunehmende soziale Abhängigkeit der jeweils Netzbeteiligten eine maßgebliche Rolle. Netzen wächst die Funktion des schon erwähnten Grundrechtsvoraussetzungsschutzes zu. Durch sie werden Grundrechte heute häufig faktisch, d. h. technisch, organisatorisch und ökonomisch überhaupt erst ausübbar. Das führt letztlich dazu, die Netze selbst als grundrechtsrelevante Einrichtungen zu verstehen. Sie sind – wie er-

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Siehe B. Holznagel/P. Schumacher (o. Fn. 29), S. 54. Siehe M. Kloepfer (o. Fn. 20), passim, S. 46 ff. 37 Siehe G. Kutzschbach (o. Fn. 7), S. 149 f.; M. Kloepfer/G. Kutzschbach, AfP 1999, 1 (4); M. Kloepfer (o. Fn. 6), S. 58. 38 Hierzu und zum Folgenden M. Kloepfer (o. Fn. 6), S. 58; M. Kloepfer/G. Kutzschbach, AfP 1999, 1 (4). 36

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wähnt – Grundrechtsverwirklichungsnetze39, haben als solche grundrechtliche Relevanz und sind objektiv-rechtlich grundrechtsgeschützt. Grundrechtsermöglichende und grundrechtsdienende Netze unterliegen einem eigenen Grundrechtsregime mit verstärkter Eingriffsfestigkeit, aber eben auch erhöhter Grundrechtspflichtigkeit.40 Es wäre nun allerdings eine sehr einseitige Sicht, wollte man unter grundrechtlichen Aspekten Netze allein positiv im Sinne verstärkter Grundrechtsermöglichung und Grundrechtseffektivierung sehen. Von Infrastrukturnetzen können eben auch erhebliche Grundrechtsbelastungen und Grundrechtsgefährdungen ausgehen. Als Beispiele für derartige Belastungen und Gefährdungen seien etwa Enteignungen für die Errichtung von Verkehrs- bzw. Energienetzen oder die von derartigen Netzen ausgehenden Emissionen genannt. Bei den Kommunikationsnetzen sind oben bereits (mittelbare) Grundrechtsbelastungen durch ehrenrührige oder geschäftsschädigende Kommunikationsinhalte angesprochen worden. Gerade in letzter Zeit sind auch datenschutzrechtliche Probleme im Internet, die sich nachteilig für die Betroffenen auswirken können, in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt.41 Bisher hat sich das nationale, das supernationale und das internationale Datenschutzrecht für die Gefährdungen aus dem weltweiten Internet allenfalls nur als begrenzt wirksamer Schutz erwiesen. Möglicherweise wird sich dies mit der neuen europarechtlichen Datenschutzgrundverordnung nicht unerheblich ändern.42 Weitere Grundrechtsgefährdungen können sich aus vielfältigen Überwachungspotentialen ergeben, die sich dem Staat, aber auch Privaten durch das Internet bieten können. Und schließlich ist auf Ausspähungs- und Hacker-, bzw. Sabotageaktivitäten Dritter als Grundrechtsgefährdungen hinzuweisen. Soweit es um Grundrechtsaktivitäten Dritter geht, kommt auf den Staat eine entsprechende Schutz- und Gewährleistungsaufgabe zu. Der Staat muss sicherstellen, dass es in den Netzen nicht zu verfassungs- bzw. grundrechtswidrigen Zuständen kommt. Er darf diese Aufgabe nicht allein den Netzbetreibern überlassen. Dies hat auch das Konzept des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zu beachten. Insgesamt gibt es also im Verhältnis vom Grundrechten und Infrastrukturnetzen sowohl Licht als auch Schatten.43 Deshalb ist unter grundrechtlichen Aspekten ein einseitiger und naiver Netzoptimismus einerseits ebenso fehl am Platze wie ein einseitiger Netzpessimismus andererseits. Es kann bei der Netzpolitik unter grundrecht39 Vgl. M. Kloepfer/G. Kutzschbach, AfP 1999, 1 (4); M. Kloepfer (o. Fn. 6), S. 58; ders., AfP 2010, 120 (122); G. Kutzschbach (o. Fn. 7), passim, besonders S. 4. 40 Siehe M. Kloepfer (o. Fn. 6), S. 58 f. 41 Jüngstes Beispiel ist die Kontroverse um die (nunmehr beendete) Weitergabe von Daten durch Facebook an Cambridge Analytica und die mögliche Beeinflussung des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2016 mittels dieser Daten. 42 Siehe zu den Erwartungen, die an die Datenschutzgrundverordnung gestellt werden, A. Roßnagel, in: ders., Das neue Datenschutzrecht, 2018, § 1 Rn. 3 ff. 43 Vgl. U. di Fabio (o. Fn. 13), S. 14 ff.

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lichen Aspekten im Ergebnis nur darum gehen, auf der einen Seite die grundrechtlichen Risiken durch Netze zu verringern und besser noch zu vermeiden sowie auf der anderen Seite die grundrechtlichen Chancen von Netzen zu nutzen und – wenn möglich – zu erweitern.

Baukunst und bauordnungsrechtliche Gestaltungsvorgaben Von Michael Sauthoff I. Anliegen Will der Bauherr ein Baukunstwerk verwirklichen oder sich ein Nachbar gegen die Beeinträchtigung seines Baukunstwerks wenden, können neben bauplanungsrechtlichen auch bauordnungsrechtliche Vorgaben relevant werden. Hier sollen v. a. die Normen betrachtet werden, die unmittelbar auf die Gestaltung eines Bauwerks Einfluss nehmen1 und geklärt werden, wann das Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eingreift und welche Auswirkung dies auf die baurechtliche Beurteilung hat. II. Begriffsklärungen 1. Kunstbegriff Der Begriff der Kunst ist zunächst ein außerrechtlicher.2 Sofern er aber als Rechtsbegriff eingesetzt wird, muss er ein umrissenes Verständnis haben.3 a) Einfachrechtlicher Rechtsbegriff Der Begriff Kunst tritt als Rechtsbegriff im Baurecht zunächst in § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB auf; danach sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne insbesondere auch die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künst1 W. Erbguth/M. Schubert, Öffentliches Baurecht, 6. Aufl. 2014, § 12 Rn. 21 ff., 26; W. Erbguth/M. Schubert, in: Erbguth/Mann/Schubert (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2015, § 30 Rn. 1238 ff., 1241. 2 Dazu nur J. Zimmer, in: Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, 2010, Band 2, S. 1359 ff.; J. Ritter/K. Gründer (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, 1976, Band 4, S. 1357 ff. Er kann auch über Gegenbegriffe bestimmt werden; dazu H. P. Haack, Annäherung an eine Kunstdefinition, https://de.wikiversity.org/wiki/Ann%C3 %A4herung_an_ eine_Kunstdefinition (Stand: 26. 8. 2018). 3 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/1: Die einzelnen Grundrechte, 2006, § 117 III S. 621 ff.; siehe auch N. Kapell, Das Recht selbstbestimmter Baugestaltung, 2001, S. 144 f.

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lerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zu berücksichtigen (siehe auch §§ 164a, 172 BauGB).4 Im Bauordnungsrecht wird dieser Begriff im Zusammenhang mit dem Erlass von gemeindlichen Gestaltungsregelungen erwähnt: Zur Durchführung baugestalterischer Absichten, zur Erhaltung schützenswerter Bauteile, zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie zum Schutz von Kultur- und Naturdenkmalen können die Gemeinden im Rahmen der Bauordnung örtliche Bauvorschriften erlassen.5 Der Begriff des Künstlerischen wird auch in den Umschreibungen denkmalwürdiger Gegenstände verwandt: Das Denkmalschutzrecht stellt auch solche Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen unter Schutz, an deren Erhaltung aus künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse besteht.6 b) Verfassungsrechtliche Definition Allgemein wird angenommen, dass es unmöglich sei, einen Rechtsbegriff der Kunst i.S.v. Art. 5 Abs. 3 GG zu definieren. Dies mag für das Vorhaben einer Definition im eigentlichen Sinne gelten. In rechtlichen Zusammenhängen kann aber nicht unentschieden bleiben, ob ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmter Gegenstand „Kunst“ ist.7 Um klären zu können, ob überhaupt der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG berührt ist, muss zumindest ein Verständnis von Kunst in dem Umfang festgelegt werden, der geeignet ist, diese Frage zu beantworten. Damit scheidet von vornherein die Annahme aus, es obliege allein dem „Künstler“ zu bestimmen, ob er seine Betätigung oder sein Werk als Kunst ansieht.8 Es werden mehrere Begriffe von Kunst in Erwägung gezogen:9 Formaler Kunstbegriff: Kunst liegt vor, wenn sich das Ergebnis des Bemühens einer anerkannten Kunstform zuordnen lässt – Malen, Bildhauen, Dichten, Theater, Musik. Materieller Kunstbegriff: Kunst liegt vor, wenn in freier schöpferischer Gestaltung Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten For4 Zur Überschneidung des Bauplanungs- mit dem Bauordnungsrecht in diesem Bereich W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 1), § 12 Rn. 21. 5 Vgl. § 74 LBO B-W; Art. 81 Abs. 1 BayBO; § 81 BbgBO; § 85 Abs. 1 BremLBO; § 81 Abs. 1 Nr. 2 HBauO; § 81 Abs. 1 HBO; § 86 Abs. 1 LBauO M-V; § 84 Abs. 3 NBauO; § 89 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW; § 88 Abs. 1 LBauO Rh.-Pf.; § 85 Abs. 1 LBO Saarl.; § 89 Abs. 1 SächsBO; § 85 Abs. 1 BauO LSA; § 84 Abs. 1 LBO S-H; § 88 Abs. 1 ThürBO. 6 D. Davydov, in: Martin/Krautzberger/Davydov/Spennemann (Hrsg.), Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Auf. 2017, Teil C Rn. 28 ff. 7 BVerfGE 67, 240 (257); H. J. Papier, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band III, 2009, § 64 Rn. 50. 8 A. v. Arnauld, in: Isensee/Kirchof, Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 3. Aufl. 2009, § 167 Rn. 12; U. Karpen/K. Hofer, Die Kunstfreiheit des Art 5 III 1 GG in der Rechtsprechung seit 1985 – Teil 1, JZ 1992, 951 (952). 9 Ausführlich A. v. Arnauld (o. Fn. 8), § 167 Rn. 13 ff.

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mensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden. Prinzip der Selbstanerkennung/Drittanerkennung: Für Kunst spricht, wenn der Handelnde sich als Künstler versteht oder wenn ein kompetenter Dritter (Sachverständiger) Kunst annimmt. Zeichentheoretischer Ansatz/offener Kunstbegriff: Kunst liegt vor, wenn ein Werk im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer neuen Deutungen zugänglich ist. Das Bundesverfassungsgericht legt sich nicht auf einen dieser Definitionsversuche fest. Es sagt nur: Erlaubt und notwendig ist lediglich die Unterscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst; eine Niveaukontrolle, also eine Differenzierung zwischen „höherer“ und „niederer“, „guter „und „schlechter“ (und deshalb nicht oder weniger schutzwürdiger) Kunst liefe demgegenüber auf eine verfassungsrechtlich unstatthafte Inhaltskontrolle hinaus.10 Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der Lebensbereich „Kunst“ durch das vom Wesen der Kunst geprägte, ihr allein eigenes Strukturmerkmal zu bestimmen ist. Den bisherigen Versuchen der Kunsttheorie (einschließlich der Reflexionen ausübender Künstler über ihr Tun), sich über ihren Gegenstand klar zu werden, lasse sich keine zureichende Bestimmung entnehmen. Dass in der Kunsttheorie jeglicher Konsens über objektive Maßstäbe fehlt, hänge damit zusammen, dass die „Avantgarde“ gerade darauf abziele, die Grenzen der Kunst zu erweitern. Nur ein weiter Kunstbegriff könne zu angemessenen Lösungen führen. Versuche einer in der Literatur angestrebten verfassungsrechtlichen Begriffsbestimmung würden soweit ersichtlich, nur Teilaspekte treffen; sie können jeweils nur für einzelne Sparten künstlerischer Betätigung Geltung beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht betont als wesentlich für die künstlerische Betätigung „die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“.11 Alle künstlerische Tätigkeit sei ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen seien. Beim künstlerischen Schaffen wirkten Intuition, Fantasie und Kunstverstand zusammen; es sei primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.12 Das Bundesverfassungsgericht hält es auch für möglich, das Wesentliche eines Kunstwerkes darin zu sehen, dass bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt sind, man also einen eher formalen Kunstbegriff zugrunde legt, der nur an die Tätigkeit und die Ergebnisse etwa des Malens, Bildhauens, Dichtens anknüpft. Schließlich erwägt es auch, als kennzeichnendes Merkmal einer künstlerischen Äußerung zu sehen, dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch un10

BVerfGE 75, 369 (377). Zuletzt BVerfG, NJW 2018, 1744. 12 BVerfGE 30, 173 (189). 11

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erschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt. Jedenfalls dann, wenn alle – oder mehrere – dieser Umschreibungen auf das in Rede stehende Ereignis oder Werk anwendbar sind, ist von Kunst auszugehen.13 Das Bundesverfassungsgericht dürfte daher von einem kombinierten materialen und formalen, öffentlichkeitsbezogenen Kunstverständnis ausgehen.14 Im Zweifelsfall sollte den materialen Kriterien ein gewisser Vorrang eingeräumt werden.15 Die Kunstfreiheitsgarantie darf nicht durch wertende Einengung des Kunstbegriffs eingeschränkt werden.16 Es darf keine Niveaukontrolle geben.17 Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft in gleicher Weise den „Werkbereich“ und den „Wirkbereich“ des künstlerischen Schaffens. Bei dem „Wirkbereich“ geht um die Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum.18 Auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks sind sachnotwendig für die Begegnung mit dem Werk als eines ebenfalls kunstspezifischen Vorganges; dieser „Wirkbereich“, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird, ist der Boden, auf dem die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG vor allem erwachsen ist.19 Er gewinnt gerade für Baukunstwerke eine wesentliche Bedeutung.20 2. Schutzbereich der Kunstfreiheit im Baurecht a) Baukunst Hier ist zunächst die Frage zu beantworten, wann eine bauliche Anlage zugleich ein Kunstwerk darstellt. Man könnte insoweit von einem Baukunstwerk sprechen.21 Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Boden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht.22 Das gilt etwa für eine Skulptur auf 13

BVerfGE 67, 213 = NJW 1985, 261 – anachronistischer Zug. K. Stern (o. Fn. 3), § 117 III 2 S. 626. 15 R. Wendt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 90. 16 BVerfGE 67, 213 (224). 17 BVerfGE 75, 369 (377); BVerfG, NJW 2008, 2568. 18 BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, BVerfGK 6, 92 = NJW 2006, 596. 19 BVerfGE 30, 173 (189). 20 A. Ingold/S.-C. Lenski, Umgebungsschutz als Schutz vor der Umgebung, DÖV 2010, 797 (804). 21 C. König/C. Zeiss, Baukunst und Kunst am Bau im Spannungsfeld zwischen Bauplanungsrecht und Kunstfreiheit, JURA 1997, 225, die „angesichts ihrer greifbaren Bodenrechtsund Sozialrelevanz“ auf eine Definition für Baukunst verzichten wollen, jedenfalls soweit es um den planungsrechtlichen Zusammenhang geht (§ 29 BauGB). Dass Baukunst unter Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG fällt, setzt das OVG Münster zu Recht als selbstverständlich voraus (OVG Münster, BauR 2004, 62). 22 Vgl. § 2 bzw. Art. 2 Abs. 1 S. 1 der Bauordnungen (Ausnahmen: § 2 Abs. 1 S. 2 BauO Bln; § 2 Abs. 1 S. 2 BauO LSA); H. v. Nicolai, in: Koch/Hendler (Hrsg.), Baurecht, Raum14

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einem Betonsockel.23 Eine – auch als Werbeanlage anzusehende – Skulptur kann ein Kunstwerk darstellen.24 Als Baukunst im Sinne erhaltenswerter Anlagen können Objekte angesehen werden, die in gestalterischer, funktionaler, technischer, historischer, sozialer, wirtschaftlicher oder energetischer Hinsicht bemerkenswert sind.25 Baukunst ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, der darin besteht, eine lebenswerte, langfristig attraktive und funktional gestaltete gebaute Umwelt zu schaffen.26 Diese Begriffsverständnisse sind aber zu weit, da sie auch andere als künstlerische Bedeutung enthalten. Sie machen aber deutlich, dass Baukunst i.w.S. eine wesentliche Funktion für eine lebenswerte Umwelt hat. Es muss hier aber ein Begriff geprägt werden, der enger gefasst ist, d. h. die bauliche Anlage als Kunstwerk definiert. Man wird man nicht sagen können, dass jeder architektonische Entwurf und seine Indizierung zugleich Bauen als Kunst darstellt.27 Vielmehr kann dort nicht von Kunst gesprochen werden, wo es sich um reines Bauhandwerk handelt.28 Dabei hat Voßkuhle zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht notwendig jeder Bau, der wesentlich oder sogar in erster Linie einer bestimmten Zweckbindung unterliegt, als Kunstwerk ausscheidet.29 Das zeigen gerade berühmte Beispiele wie der in die Kunstgeschichte eingegangene Fabrikbau des Fagus-Werks von Gropius in Alfeld. Nach dem oben wiedergegebenen Verständnis eines vielschichtigen Kunstbegriffs kann die Frage daher nur im Einzelfall unter Anwendung verschiedener Kriterien beantwortet werden. In Betracht kommen sonach die Zuordnung des architektonischen Entwurfs zu einer anerkannten künstlerischen Baugestaltung (formaler Kunstbegriff), die Anwendung bestimmter, für den Architekt typischer Formenspraordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 24 Rn. 3 ff.; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 1), § 12 Rn. 1; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 1), Rn. 1221 ff. 23 BVerwG, NJW 1995, 2648; dazu P. Schütz, Artemis und Aurora vor den Schranken des Bauplanungsrechts, JuS 1996, 498; T. Vesting, § 35 Abs. 3 BauGB zwischen Umweltschutz und Kunstfreiheit, NJW 1996, 1111; A. Uhle, Das Staatsziel „Umweltschutz“ und das Bundesverwaltungsgericht, UPR 1996, 55. 24 Offen gelassen in OVG Greifswald, NordÖR 2007, 458. 25 Internetführer zu Architektur und Ingenieurbaukunst in Nordrhein-Westfalen, http:// www.baukunst-Nr.w.de/inhalte/Ueber-baukunst-Nr.w.php (Stand: 26. 9. 2018). 26 H. Miksch, Einführung in Architektenkammer NRW, Mythos Baukunst? Zwischen kultureller Verpflichtung und Markt 2011, S. 18, https://www.aknw.de/fileadmin/user_upload/Pu blikationen-Broschueren/kongress_sylt__2011.pdf (26. 8. 2018). 27 Zweifelhaft erscheint daher, einem Architekten seine künstlerische Ausbildung als eine Art Vorschuss auf die künstlerische Gestaltung eine Bauwerks zu geben (so wohl G. Manssen, Der Spezialist für Rundbauten, JuS Lernbogen 8/92 L 60, 61). Auch ein bauvorlagenberechtigter Ingenieur kann ein Baukunstwerk planen. 28 Vgl. zur Abgrenzung von Kunst und Gewerbe U. Karpen/K. Hofer, Die Kunstfreiheit des Art 5 III 1 GG in der Rechtsprechung seit 1985 – Teil 2, JZ 1992, 952 und U. Karpen/B. Noke, Die Kunstfreiheit in der Rechtsprechung seit 1992, JZ 2001, 801 f. 29 A. Voßkuhle, Bauordnungsrechtliches Verunstaltungsverbot und Bau-Kunst, BayVBl. 1995, 613 (615).

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che, durch die er erkennbar eine eigene schöpferische Gestaltung verfolgt und durch die das Vorhaben eine Originalität gewinnt (materieller Kunstbegriff), das Selbstverständnis des Architekten, dass auch durch die Präsentation im Rahmen von Ausstellungen und Fachliteratur zum Ausdruck kommen kann, sowie das Urteil kompetenter Dritter (Kunst gemäß Sach- oder Drittanerkennung) und schließlich die Vermittlung einer Interpretationsbotschaft (offener Kunstbegriff).30 Insofern gewinnen viele Kriterien, die oben im Zusammenhang mit dem Begriff „Kunst“ erwähnt worden sind, Bedeutung. Das Bauwerk muss aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens herausragen. Planungslösungen, die üblich und gängig sind, stellen keine persönlichen geistigen Schöpfungsleistungen dar.31 Dies kann beispielsweise durch die Verwendung besonderer gestalterischer Elemente geschehen, die dem Bauwerk oder den Planungen ein schöpferisches Gepräge geben, wie eine vom Üblichen abweichende Außenflächen und Fassadengestaltung,32 die Art der Aufgliederung mehrerer Baukörper33 oder die Art der Gestaltung eines Innenraums.34 Baukunst können auch die Planung einer Halle mit gekrümmter Form, die Ausgestaltung mit den bogenförmigen Stahlträgern im Innern und einem Oberlichtband wegen ihres Grads an Individualität35 oder eine Glaspyramide auf dem Dach, ein hochgezogener Wintergarten, markante Gaubenformen sowie die auffällige Gestaltung der Traufen und Gesimse sein.36 Die Individualität kann auch in der Einfügung oder Anpassung des Bauwerks in seine Umgebung oder in die Landschaft zum Ausdruck kommen.37 Auch eine WC-Anlage, die eine völlig aus dem Rahmen fallende, sich von den sonstigen Einheitsbauten abhebende äußere Gestaltung aufweist, kann Baukunst sein.38 An einem dafür erforderlichen eigenschöpferischen Gesamteindruck fehlt es, wenn das Bauwerk aus einer eklektizistischen Zusammenfügung allgemein bekannter Elemente etwa der norddeutschen Baukunst auf dem Gerüst der seit Jahrhunderten bekannten Prinzipien des Friesenhauses und des Kreuzgiebels unter Hinzufügung zeitgeistentsprechender erkerförmiger Anbauten besteht, und der Entwurf die geringe Detaildurchdringung der Bauteile erahnen lässt.39 30

Vgl. A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (615). Diese Anforderung, die an sich aus § 1 UrhG hergeleitet wird, ist auch an ein Kunstwerk zu stellen, da es in jedem Fall eine freie schöpferische Gestaltung sein muss, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (o. Fn. 11). 32 BGH, GRUR 1973, 663 (664) – Wahlamt. 33 BGHZ 24, 55 (67 f.) – Ledigenheim. 34 BGH, NJW 1982, 639 – Kirchen-Innenraumgestaltung. 35 OLG Celle, BauR 2011, 1187. 36 OLG Hamm, BauR 1999, 1198. 37 BGH, NZBau 2011, 43 – Lärmschutzwand an Autobahn. 38 LG Leipzig, BauR 2002, 818. 39 So OLG Celle, OLGR Celle 1994, 199. 31

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Auch im Grenzbereich zwischen Kunst und Gewerbe schließt der gewerbliche Verwendungszweck und die bestimmungsgemäße Verwendung als Gebrauchsgegenstand die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit nicht aus, wenn die Arbeiten nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Denn der eigenschöpferische Charakter und die künstlerische Gestaltungshöhe einer Arbeit kann beispielsweise gerade in der Wahl der Materialien, der Farbgebung oder der Raumwirkung liegen, die bei Betrachtung der Konstruktionszeichnung naturgemäß allenfalls mittelbar erkennbar sind.40 Der Annahme eines Kunstwerks steht nicht entgegen, dass es zugleich kommerziellen Zwecken dient. Daher kann auch eine Werbeanlage ein Kunstwerk sein.41 Sie muss dann auch die Erfordernisse, die an Werbeanlagen geknüpft sind, erfüllen.42 Auch Teile eines Gebäudes können Kunstqualität haben, sofern sie als solche den genannten Voraussetzungen genügen, wie dies z. B. bei der Fassadengestaltung eines Bauwerks der Fall sein kann.43 Dies kann auch für die Gestaltung des Erdgeschossgrundrisses gelten, vorausgesetzt, sie lässt die Raumform des Bauwerks erkennen, z. B. die Baukörperform, die Raumzuordnung, die Tür- und Fensteranordnung sowie die Lichtführung und die Blickrichtungen.44 Eine durch Spraytechnik hergestellte Graffiti-Malerei an einer Hauswand kann eine – moderne – Form bildender Kunst darstellen. Dies gilt etwa dann, wenn sie den „materialen” Kunstbegriffs erfüllt, weil sie Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers ist und seiner Auffassung, dass Kunst ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens, und zwar auch des Alltagslebens.45 Eine besondere Kategorie ist die „Kunst am Bau“, die hier nicht behandelt werden soll.46

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BFHE 162, 68; zur Abgrenzung von Kunst und Gewerbe siehe o. Fn. 28. VGH München, Beschl. v. 9. 6. 2004 – 2 CS 04.1309. 42 OVG Greifswald, NordÖR 2007, 458. 43 BGHZ 61, 88 (94) – Wahlamt; RGZ 82, 333 (336) – Fassadengestaltung. 44 BGH, NJW-RR 1989, 618. 45 OVG Koblenz, NJW 1998, 1422: Dies zeigt das Nebeneinander von Blumen, Tieren, Porträts bestimmter Personen, Comicfiguren ebenso wie die in Schreibschrift wiedergegebenen Ansichten über das Wesen der Kunst, die im Kontrast stehen zu dem in Graffitimanier plakativ angebrachten Ausspruch “We want it .?.?.”. 46 Dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Leitfaden Kunst am Bau, 2. Aufl. 2007, http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/32992/publicationFile/845/ leitfaden-kunst-am-bau.pdf (Stand: 20. 5. 2012); C. König/C. Zeiss, JURA 1997, 225 f. 41

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b) Einschränkung des Schutzbereichs, Grundrechtskonkurrenz aa) Einschränkung des Schutzbereichs Es wird die Auffassung vertreten, bei einem Bauwerk trete in der Regel die Kunsteigenschaft gegenüber der Eigenschaft als bauliche Anlage, die auf die Umwelt wirke und damit Spannungen auslösen könne, in den Hintergrund. Dies sei insbesondere der Fall, wenn ihre Ausübung in der konkreten Betrachtung schwerpunktmäßig in einem Handlungsraum stattfindet, der generell nicht in ihrem Kernbestand anzusiedeln ist. Erst dann, wenn keine solche Spannungen zu erwarten seien, könne sich das Bauwerk auf die vorbehaltlos gewährleistete Kunstfreiheit berufen.47 Die Erforderlichkeit der Schrankenziehung kann indes nicht bereits den Schutzbereich einschränken.48 Damit werden nämlich in der Sache die Schranken aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG auf ein schrankenloses Grundrecht übertragen und die Annahme der Baukunst zur Ausnahme gemacht. Außerdem gerät der Schutz des Künstlers, der nicht zugleich Eigentümer des Bauwerks ist (Architekt, Entwurfsverfasser), aus dem Blick.49 bb) Vorrang der Inhalts- und Schrankenregelung des Eigentums Die Realisierung eines Bauvorhabens bedeutet in aller Regel zugleich die Verwirklichung der Baufreiheit nach Art. 14 GG.50 Sofern der Bauherr nicht Eigentümer des Grundstücks ist, macht er von seinem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG Gebrauch. Die Realisierung eines Bauvorhabens kann zudem die Ausübung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellen. Es stellt sich daher die Frage der Konkurrenz zwischen diesen Grundrechten und dem Grundrecht auf Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG. Das Bundesverwaltungsgericht hat die These vertreten: Soweit die Ausübung der Kunstfreiheit als Eigentumsausübung geschieht, erwächst aus der Kunstfreiheit nicht die Befugnis, sich über die dem Eigentum zulässigerweise gezogenen Schranken hinwegzusetzen.51 Daran hat das Gericht aber nicht festgehalten – allerdings ohne dies offen zu legen. Es hat später im Zusammenhang mit der Errichtung eines Skulpturenparks im Außenbereich allein auf Art. 5 Abs. 3 GG abgestellt, ohne Art. 14 47

Ohne Autor: Baukunst und Verunstaltungsgebot – verfassungsimmanente Schranken als Allheilmittel?, https://arttrado.de/news/baukunst-und-verunstaltungsgebot/ (Stand: 26. 8. 2018) unter Berufung auf F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, Berlin 1969. 48 K. Stern (o. Fn. 3), § 117 VII S. 686. 49 S. Kamp, Die Problematik des Verunstaltungsschutzes im Rahmen von § 12 BauO NRW, Diss. Köln, 2005, S. 87. 50 W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 1), § 2 Rn. 24 ff.; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 1), Rn. 816 ff.; zum Problem J. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 50. Zur Grundrechtskumulation von Art. 5 Abs. 3 und Art. 14 GG J. Würkner, Effektivierung des Grundrechtsschutzes durch Grundrechtskumulation?, DÖV 1991, 983. 51 BVerwGE 21, 251 (257); BVerwG, BRS 35 Nr. 133.

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GG zu erwähnen. Es hat ausgeführt, das künstlerisches Bauen nicht anhand des Art. 14 GG, sondern anhand des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu beurteilen ist.52 Dieser Ansatz ist auch zutreffend. Die abweichende Ansicht überspielt zunächst, dass Art. 5 Abs. 3 GG schrankenlos gewährleistet ist. Die Anwendung von Art. 14 GG würde dieses Grundrecht im Ergebnis eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Maßgabe des Artikels 14 Abs. 1 S. 2 GG öffnen.53 Zugleich wird hieraus deutlich, dass umgekehrt die Inhalts- und Schrankenbestimmung, die baurechtliche Vorschriften rechtfertigt, sich auch an der Bedeutung des Grundrechtes aus Art. 5 Abs. 3 GG messen lassen muss. cc) Wirkung auf fremdes Eigentum Soweit es sich umgekehrt um die Fallgestaltung handelt, dass die Errichtung einer baulichen Anlage zwar als Kunstwerk anzusehen ist, zugleich aber in die Rechte eines Dritten (Nachbarn) einzugreifen geeignet ist, stellt sich die Frage, ob insoweit es bereits an der Verletzung des Schutzbereiches nach Art. 5 Abs. 3 GG fehlt. Diese Überlegung stützt sich auf die These des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Kunstfreiheit von vornherein nicht einen Eingriff in fremdes Eigentum rechtfertigt. Es hat ausgeführt: „Ihre (d. h. die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) Reichweite erstreckt sich aber von vorneherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung (sei es im Werk- oder Wirkbereich der Kunst).“54 Aus dieser Formulierung lässt sich von vornherein keine Einschränkung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit für alle Fälle herleiten, in denen zugleich das Eigentumsrecht Dritter mittelbar betroffen ist oder gar eine Schrankenleihe aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG rechtfertigen.55 Es kann allenfalls um die Fälle gehen, in denen sich der Künstler zur Ausübung seiner Kunstfreiheit die notwendigen materiellen Güter ohne Zustimmung des jeweiligen Eigentümers beschafft bzw. in Anspruch nimmt.56 Die hier in Rede stehende Problematik ist von diesem Ansatz nicht betroffen.57 Die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums an einem Baugrundstück, die die Vorschriften des öffentlichen Baurechts bedeuten, können daher nicht in der Weise als Schrankenleihe auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG übertragen werden, dass sie letztlich maßgebend dafür sind, ob ein Baukunstwerk realisierbar ist.58 52

BVerwG, NJW 1995, 2648. Vgl. A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (615 f.). Zu den Anforderungen an eine verfassungsgemäße Inhalts- und Schrankenbestimmung siehe zuletzt BVerfGE 143, 246, Rn. 267 ff. 54 BVerfG, NJW 1984, 1293 – Vorprüfungsausschuß. 55 A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (618); generell H. J. Papier (o. Fn. 7), § 64 Rn. 13 ff. 56 D. Murswiek, Grundrechtsdogmatik am Wendepunkt?, Der Staat 45, 473 (496 ff.); H. J. Papier (o. Fn. 7), § 64 Rn. 51; A. v. Arnauld (o. Fn. 8), § 167 Rn. 64. 57 N. Kapell (o. Fn. 3), S. 168 ff. 58 A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (616 f.). 53

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dd) Andere grundsätzliche Einschränkungen Die Kunstfreiheit kann nicht auf das Erlaubte beschränkt werden, weil dies auf einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt hinausliefe.59 Das allgemeine Baurecht kann daher nicht von vornherein Baukunst beschränken. Es kann als Einschränkung der Kunstfreiheit bei Bauten auch nicht auf eine besondere Sachgesetzlichkeit abgestellt werden, wonach die notwendig eintretenden Auswirkungen auf die Umgebung (Natur, Landschaft, Ortsbild) eine Gemeinschaftsgebundenheit begründen, die Beschränkungen des Schutzgegenstandes des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG hier bedingen. Dagegen ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass Kunst generell auf Kommunikation angewiesen ist und deshalb eine solche Beschränkung des Schutzbereichs nicht gerechtfertigt ist.60 Ebenso wenig kann darauf abgestellt werden, ob die Kunstfreiheit nur als Vorwand genutzt wird, in Wirklichkeit aber andere Ziele verfolgt werden.61 Es kommt ausschließlich darauf an, ob Kunst vorliegt. Im Übrigen bestehen ohnehin prinzipielle Bedenken dahin, dass grundsätzlich schrankenlose Grundrecht auf der Ebene des Schutzbereichs einzuschränken oder unter einem Gemeinschaftsvorbehalt zu stellen.62 3. Abwägungsmodell a) Ausgangspunkt Die Garantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG findet ihre Grenzen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den Grundrechten Dritter oder Verfassungsbestimmungen aller Art, mit denen sie kollidieren kann.63 In allen Fällen, in denen andere Verfassungsgüter mit der Ausübung der Kunstfreiheit in Widerstreit geraten, muss ein verhältnismäßiger Ausgleich der gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen mit dem Ziele ihrer Optimierung gefunden werden;64 der Konflikt zwischen der Kunstfreiheit und anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern ist also im Wege fallbezogener Abwägung zu lösen.65 Dabei müssen zunächst anhand einzelner GG-Bestimmungen diejenigen verfassungsrechtlich geschützten Güter konkret herausgearbeitet werden, die bei realisti59

M. Kloepfer, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2010, § 62 Rn. 13. A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 618; A. Ingold/S.-C. Lenski, DÖV 2010, 797 (804). 61 H. J. Papier (o. Fn. 7), § 64 Rn. 51 unter unzutreffender Berufung auf BVerfGE 77, 240. 62 G. Manssen, Regelung der Baugestaltung und gemeindliche Selbstverwaltung, Verw 24 (1991), 33 (45); H. J. Papier (o. Fn. 7), § 64 Rn. 8 ff. 63 Vgl. BVerfGE 30, 173 (193); 67, 213 (228); kritisch zur Einschränkbarkeit von Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt C. Hillgruber, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IX, 2011, § 201 Rn. 13 ff. 64 Vgl. BVerfGE 77, 240 (253). 65 Zuletzt BVerfG, BayVBl. 2014, 240. 60

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scher Einschätzung der Tatumstände mit der Wahrnehmung des Rechts aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG kollidieren.66 Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu grundlegend ausgeführt:67 „Da die Kunstfreiheit um des künstlerischen Schaffens willen gewährleistet wird, demgegenüber die Vermittlung des Kunstwerks dienende Funktion hat, entspricht es allerdings den Wertvorstellungen des Verfassungsgebers, den Werkbereich, die eigentliche Kunstschöpfung, grundsätzlich für weniger einschränkbar zu halten als die ebenfalls notwendige Kommunikation zwischen dem Künstler und der Außenwelt. Die eigentliche Kunstschöpfung ist zudem von der Natur der Sache her regelmäßig weniger geeignet, die Rechte Dritter oder andere bedeutende Rechtsgüter zu beeinträchtigen als die Vermittlung des Kunstwerks, die zwangsläufig Außenwirkung beansprucht. Daraus lässt sich allerdings nicht eine nach Werk- und Wirkbereich trennende Stufentheorie für die Einschränkung der Kunstfreiheit in dem Sinne entwickeln, dass für den Werkbereich ausschließlich die verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter als Schranken heranzuziehen sind, für den Wirkbereich dagegen die allgemeine Rechtsordnung maßgeblich ist, die nicht auf grundgesetzlich geschützte Rechtsgüter zurückgeführt werden muss, sondern sich mit der Privilegienfeindlichkeit der demokratischen Rechtsordnung begründen lässt. Gegen eine solche Abstufung spricht nicht nur, dass bei bestimmten Kunstäußerungen Werk- und Wirkbereich zusammenfallen, die Übergänge zwischen beiden Bereichen vielfach fließend sind, dem Wirkbereich eine je nach Art der Kunstgattung höchst unterschiedliche Bedeutung zukommt und die kunstvermittelnden Handlungen selbst mehr oder weniger Bezug zum Kunstwerk haben können. (…) Daraus folgt indessen nicht, dass alle Handlungen, die Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG abdeckt, desselben Schutzes bedürfen. Sie können durchaus unterschiedliche „Außenwirkung“ haben; deshalb sind staatliche Eingriffe umso weniger zuzulassen, je näher die umstrittene Handlung dem Kern der Kunstfreiheit zuzuordnen ist und je mehr sie sich im Bereich des Schaffens abspielt. Daraus ergibt sich jedoch nur eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Kunstfreiheit im Werkbereich eher Vorrang genießt als im Wirkbereich. Erforderlich bleibt es immer, im Einzelfall festzustellen, ob die jeweilige konkrete Tätigkeit unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze in der geschehenen Weise eingeschränkt werden darf. Der Prüfungsmaßstab bleibt also in jedem Fall derselbe, gleichgültig ob die Handlung in den Werk- oder Wirkbereich fällt. Die tatsächlichen Umstände, der Grad der Außenwirkung und die Stärke des Kunstbezuges, beeinflussen lediglich die Gewichtung der verfassungsrechtlich geschützten Belange und damit das Abwägungsergebnis.“

Diese Vorgaben sind gerade für das Baurecht wesentlich. Dabei hat die Gemeinschaftsbezogenheit von Grundrechten angesichts der Ausstrahlungswirkung von Baukunst eine besondere Bedeutung.68 Daraus kann aber nicht gefolgert werden, die Eigentumsbefugnisse müssten deswegen weitgehend festgelegt werden und deswegen gingen die Vorgaben des einfachrechtlichen Baurechts vor.69 Die einem ver66

Vgl. BVerfGE 81, 278 (292 f. m.w.N.). BVerfGE 77, 24 – Herrnburger Bericht, Plakataktion. 68 BayVerfGH, VerfGH 2, 1 (7). 69 So aber wohl C. Starck/A. Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 469. 67

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fassungsrechtlich legitimierten Schutz dienenden einfachgesetzlichen Vorschriften, mit denen der Gesetzgeber den ihm erteilten verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrag in erster Linie als Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nachgekommen ist, müssen vielmehr ihrerseits im Lichte des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ausgelegt werden, damit ein den Wertvorstellungen des GG entsprechender Ausgleich der widerstreitenden, verfassungsrechtlich geschützten Interessen gefunden werden kann. Es sind daher zwei Schritte zu vollziehen:70 1. Klärung, ob die Kollision mit einem verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgut eintritt 2. Abwägung nach Maßgabe der praktischen Konkordanz. b) Maßgebende Belange in der fachgerichtlichen Rechtsprechung Die Rechtsprechung der Fachgerichte hat vielfach zur Rechtfertigung von Beschränkungen, die von baurechtlichen Vorschriften ausgehen, Belange benannt, die diese rechtfertigen sollen. Belange der für die soziale Gemeinschaft unverzichtbaren Wertordnung können Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs oder gar eine Verkehrsgefährdung darstellen, indem etwa eine ablenkende Wirkung von dem Kunstwerk ausgeht und damit Leben oder Gesundheit der übrigen Verkehrsteilnehmer gefährdet wird.71 Auch das allseitige psychische Wohlbefinden der Bürger (Art. 2 Abs. 2 GG) und der soziale Frieden sollen als Belang in Betracht kommen.72 Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch auf das Staatsziel des Art. 20a GG zurückgegriffen werden. Die Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen beanspruche als objektiv-rechtlicher Verfassungssatz unmittelbare Geltung. Durch die ausdrückliche Einordnung der Staatszielbestimmung in die verfassungsmäßige Ordnung wurde insoweit klargestellt, dass der Umweltschutz keinen absoluten Vorrang genieße, sondern in Ausgleich mit anderen Verfassungsprinzipien und -rechtsgütern zu bringen ist.73 Herangezogen werden auch Verfassungsrechte Dritter, v. a. der Nachbarn.74 So kann beispielsweise der Denkmalwert – hier kann Art. 14 GG tangiert werden75 – oder die Eigenschaft als Baukunstwerk des Nachbargebäudes beeinträchtigt werden.

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Vgl. K. Stern (o. Fn. 3), § 117 VII S. 696. OVG Koblenz, NJW 1998, 1422. 72 OVG Koblenz, NJW 1998, 1422. 73 BVerwG, NJW 1995, 2648. 74 OVG Koblenz, NJW 1998, 1422. 75 Dazu sogleich.

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Auch eine Kollision mit dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG kann als entgegenstehender Belang in Betracht kommen.76 III. Kunst und Bauordnungsrecht 1. Konstellationen Im öffentlichen Baurecht kann sich auf vielfältige Weise ein Konflikt zwischen dem Grundrecht auf Kunstfreiheit und gegenläufigen anderen Interessen ergeben. (1) Denkbar ist zunächst die Fallgestaltung, dass ein Bauherr eine bauliche Anlage errichten will, der er selbst wegen ihrer Gestaltung die Eigenschaft eines Kunstwerks zuschreibt. Gleichwohl könnte sich aus einfachrechtlichen baurechtlichen Vorschriften ergeben, dass dieses Vorhaben unzulässig ist. Diese Vorschriften können sich auch unmittelbar auf die Gestaltung der baulichen Anlage beziehen und insoweit Vorgaben machen, die mit den Vorstellungen des Bauherrn nicht vereinbar sind. (2) Möglicherweise kann der Nachbar aber seinerseits geltend machen, dass durch die Errichtung oder die Gestaltung der baulichen Anlage seine eigene bauliche Anlage, die er als Kunstwerk wertet, beeinträchtigt wird. 2. Gestaltungsvorgaben a) Verunstaltungsverbot Verunstaltung77 ist nicht jede Störung der architektonischen Harmonie, sondern ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand. Es ist in erster Linie Aufgabe dieses Verbots, Auswüchse zu unterbinden, nicht aber bestimmte ästhetische Wertvorstellungen zur Stadtbildgestaltung zu verwirklichen. Maßgebend ist, ob der Anblick bei einem in durchschnittlichem Maße für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenem Betrachter Protest auslöst.78 Das Bundesverwaltungsgericht formuliert auch, es komme darauf an, Unlustgefühle hervorrufende krasse Gegensätzlichkeiten und Widersprüche im Erscheinungsbild bebauter Gebiete abzuwehren, die bei einem nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für gestalterische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Betrachter anhaltenden Protest auslösen würden.79 76

OVG Koblenz, NJW 1998, 1422. Vgl. § 11 LBO B-W; Art. 8 BayBO; § 9 Berl BauO; § 8 BbgBO; § 8 BremLBO; § 12 HBauO; § 9 HBO; § 9 LBauO M-V; § 9 NBauO; § 9 BauO NRW; § 5 LBauO Rh.-Pf.; § 4 LBO Saarl.; § 9 SächsBO; § 9 BauO LSA; § 10 LBO S-H; § 9 ThürBO. 78 BVerwG, NJW 1995, 2648; OVG Münster, BauR 1998, 113; vgl. auch BVerfG, NVwZ 1985, 819; VGH München, NVwZ 1993, 90; OVG Berlin-Brandenburg, LKV 2008, 564 – Baugerüst; VGH Kassel, BRS 73 Nr. 138 – Gebäudetorso. 79 BVerwG, NVwZ 1991, 983. 77

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Die Annahme einer Verunstaltung setzt keine zusätzliche Prüfung voraus, ob bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der Betrachter „lang anhaltender Protest“ ausgelöst wird. Nicht erforderlich ist auch die Feststellung einer polizeirechtlich relevanten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Seit den Kreuzberg-Urteilen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts aus den Jahren 1880 und 1882 steht im Gegenteil fest, dass die bauordnungsrechtlichen Vorschriften gegen Verunstaltungen nicht zu dem Gebiet des klassischen Polizeirechts, sondern zu dem darüber hinausgehenden, auch das Baugestaltungsrecht umfassenden Bauordnungsrecht gehören.80 Die Rechtsprechung stellt dabei nicht unter Ausschluss weiterer Erwägungen und Gesichtspunkte allein auf das ästhetische Empfinden des sogenannten gebildeten Durchschnittsbetrachters ab, vielmehr dient dieses Kriterium vor allem zur Abgrenzung anderer Bewertungsmaßstäbe wie etwa der Sicht des Großstadtbewohners oder ästhetisch besonders sensible Betrachters.81 Die Entscheidung, wann eine Verunstaltung vorliegt, wird auch geprägt von ihrem bauordnungsrechtlichen Schutzzweck, der von der anderweitig geregelten positiven Gestaltungspflege abzugrenzen ist, sowie von einer typisierenden Betrachtungsweise, die auch auf die Funktion und den Charakter des jeweils betroffenen Baugebietes einerseits und die Art der Werbeanlage andererseits eingeht.82 Für den Fall eines Gebäudes mit dunkler Farbgebung und teilweise aggressiven Mustern, die durchaus bedrohlich empfunden werden können, die Psyche der Bewohner beeinflussen und den Wohnwert ihrer Wohnhäuser mindern, wurde von folgenden Erwägungen ausgegangen:83 Geht man von den Schutzgütern des allseitigen psychischen Wohlbefindens der Bürger und des sozialen Friedens aus, kann bei der Abwägung maßgebend sein, ob das Anwesen am Ortsrand gelegen und von einer losen Bebauung umgeben ist, die weder in der Bauweise noch in der Außengestaltung einheitlich ist oder Besonderheiten aufweist, oder ob sie im Ortsmittelpunkt oder in der Nachbarschaft ortsbildprägender Bauwerke oder in einer Gemeinde liegt, die ein spezifisches Ortsbild aufweist. In erstem Fall sind die Einwirkungen auf das Ortsbild der Gemeinde sowie das Wohlbefinden der Bürger vergleichsweise gering84 und ist es nicht geeignet, das Wohlbefinden von Passanten ernsthaft herabzusetzen. Maßgebend kann auch sein, ob die Bewohner benachbarter Gebäude gezwungen sind, das betroffene Anwesen zu sehen.

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Vgl. BVerwG, NVwZ 2008, 311. Vgl. dazu insbesondere auch BVerwGE 2, 172; BVerwGE 17, 322. 82 Vgl. BVerfG, NVwZ 1985, 819. 83 OVG Koblenz, NJW 1998, 1422. 84 Vgl. BVerwGE 77, 134 (138).

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b) Ortsrechtliche Gestaltungsvorgaben Diese Regelungen85 beruhen nicht auf dem Gebrauchmachen delegierter Rechtsrechtssetzungsgewalt, weil es sich bei ihnen nicht lediglich um Vorschriften der Gefahrenabwehr (Bauordnungsrecht im engeren Sinne), sondern vielmehr der positiven Ortsbildpflege86 handelt, die dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden zuzurechnen sind.87 Die Gemeinde darf aber keine städtebauliche Planung betreiben.88 Aus dem Wortlaut, wonach die Gemeinden Vorschriften über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen „zur Durchführung gestalterischer Absichten in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets“ erlassen können (vgl. § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO RP) folgt, dass die Gemeinde mit ihren Festsetzungen eine gebietsspezifische Gestaltungsabsicht verfolgen muss.89 Die Zielrichtung solcher Regelungen kann es sein, in ein Baugebiet eine gewisse optische Ruhe zu bringen und „krampfhafte Originalität“ zu verhindern.90 Die Gestaltungsabsicht muss grundsätzlich an die Besonderheiten des zu schützenden Gebiets anknüpfen91 und inhaltlich bestimmt sein.92 Sie muss auf sachgerechten Erwägungen beruhen, die sich hinreichend erkennen lassen bzw. aus den Satzungsunterlagen deutlich ergeben.93 Es muss entweder aus der Regelung selbst oder der Begründung ein Konzept erkennbar sein.94 Die jeweilige Vorgabe muss eine angemessene Abwägung der privaten Interessen der Grundstückseigentümer und der Belange der Allgemeinheit erkennen lassen, da auch die Ordnung der Baugestaltung Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bestimmt.95 Durch die Festsetzungen müssen die Gestaltungsziele erreicht werden können.96 Das Übermaßverbot muss beachtet werden: Es muss eine Proportionalität zwischen der Schutzwürdigkeit und dem Aus85

O. Fn. 5. OVG Lüneburg, NJW 1982, 2012. 87 OVG Koblenz, LKRZ 2010, 107. 88 VGH München, BayVBl. 2004, 369; VGH München, NVwZ-RR 2005, 785, bestätigt durch BVerwG, BauR 2005, 1768 und NVwZ 2000, 1169; VGH Kassel, NVwZ-RR 2005, 228; „bodenrechtliche Regelungen im Gewande bauordnungsrechtlicher Vorschriften“ sind unzulässig, BVerwG, BRS 69 Nr. 148 = BauR 2005, 1768; B. Haaß, Bauplanungsrechtliche Regelungen im Gewande bauordnungsrechtlicher Vorschriften, NVwZ 2008, 252. Siehe bereits o. Fn. 4. 89 OVG Koblenz, BauR 1989, 68. 90 G. Manssen, Verw 24 (1991), 33 (41). 91 OVG Lüneburg, BRS 47 Nr. 122, und BRS 47 Nr. 13 = BauR 1988, 307; es kommt auf die gebietsspezifische Regelungsabsicht an, OVG Koblenz, BRS 48 Nr. 111 = BauR 1989, 68; DVBl. 2009, 56; OVG Lüneburg, ZfBR 2003, 54. 92 VGH Mannheim, BRS 57 Nr. 171 = NVwZ-RR 1996, 491; VGH München, NVwZ-RR 2015, 195. 93 OVG Münster, BauR 2000, 92; OVG Koblenz, DVBl. 2009, 56. 94 OVG Schleswig, NordÖR 2017, 68 (Leitsatz). 95 OVG Koblenz, DVBl. 2009, 56 – einheitliche Dachformen. 96 VGH Kassel, NVwZ-RR 2007, 746 – verneinter Einzelfall. 86

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maß der Beschränkung der Eigentümerbefugnisse gegeben sein muss: Je schutzwürdiger ein Gebiet ist, desto strenger darf reguliert werden, umgekehrt dürfen in einem weniger schutzwürdigen Gebiet auch nur weniger strenge Anforderungen gestellt werden.97 In der Rechtsprechung wurden etwa folgende Gestaltungsregelungen als zulässig angesehen: - Gestaltung von Außenwänden nach Material und Farbe;98 dabei soll es sich es sich um eine zulässige Eigentumsbindung ohne Kollision mit der Kunstfreiheit handeln;99 - Begrenzung von Windschutz- und Verbindungsmauern;100 - Einsetzen von Holzfenstern;101 - Gestalterische Vorgaben hinsichtlich Dachform,102 Wechsel von Flachdächern zu geneigten (Sattel-)Dächern,103 Festlegung auf Satteldach,104 „harmonische Integration“ ausnahmsweise zugelassener Dachaufbauten,105 rote Dachziegel statt Betondachsteinen,106 Vorgaben für die Platzierung von Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen auf Dächern,107 Dachneigung und Dachdeckung einheitlich bei Doppelhäusern und Hausgruppen,108 Verbot „spiegelnder bzw. hochglänzender Materialien“ für die Dacheindeckung; es schließt auch das Anbringen von Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern nicht aus, weil auch dabei die Verwendung reflexionsfreier Module möglich ist;109 - künftiges Erscheinungsbild der Bebauung allein mit giebelständigen Häusern;110 - Beschränkung der Anzahl der Stellplätze je Grundstück im Gemeindegebiet aus gestalterischen Gründen.111 97

OVG Schleswig, Urt. v. 8. 6. 1994 – 1 K 10/92 – Werbeanlagen. OVG Lüneburg, BRS 35 Nr. 132 = BauR 1980, 160. 99 BVerwG in der Sache des OVG Lüneburg a.a.O., BVerwG, BRS 35 Nr. 133. 100 OVG Lüneburg, NJW 1982, 2012. 101 OVG Bautzen, LKV 2006, 477. 102 VGH München, NVwZ-RR 2009, 668; OVG Koblenz, DVBl. 2009, 56. 103 VGH Kassel, BauR 1988, 312 und VGH Mannheim, BRS 47 Nr. 11. 104 VGH Mannheim, BauR 2009, 1012 (Leitsatz). 105 VGH München, NVwZ-RR 2015, 195. 106 OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1994, 136 = BRS 55 Nr. 129. 107 VGH München, NVwZ-RR 2015, 193. 108 VGH Mannheim, BauR 1998, 1229. 109 OVG Koblenz, ZfBR 2008, 63 (67); LKRZ 2010, 107. 110 OVG Münster, BauR 2000, 92; OVG Koblenz, BRS 73 Nr. 139; VGH Mannheim, BauR 2009, 1712. 111 OVG Koblenz, Urt. v. 3. 11. 2011 – 1 A 10417/11; zur Frage, ob hier nicht eher eine planungsrechtliche Beschränkung vorliegt, vgl. BVerwG, BauR 2005, 1768: dazu B. Haaß, NVwZ 2008, 252; H. Jäde, Wie verfassungswidrig ist das Bauordnungsrecht?, ZfBR 2006, 9. 98

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Dagegen werden als unzulässig angesehen: - Verbot von Außenantennen im historischen Stadtbild;112 - Verbot anderen Dachdeckmaterials außer Tonziegeln;113 - Beschränkung auf rechteckige Gebäudegrundrisse;114 - allgemeine Flachdachfestsetzung ohne konkrete Anforderungen.115 c) Art. 5 Abs. 3 GG entgegenstehende Belange aa) Ausgangspunkt des BVerwG Das BVerwG116 geht davon aus, dass Werke der Baukunst nicht von Anforderungen an die gestalterische Anpassung an benachbarte Bauwerke und von der Notwendigkeit des Einfügens in die Umgebung allein im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG von Verfassungs wegen vollkommen freigestellt werden müssen. Die Voraussetzungen, unter denen bei einem Werk der Baukunst – wie auch immer dies vom Baugeschehen im Allgemeinen abzugrenzen sein möge – davon gesprochen werden darf, es füge sich gestalterisch nicht in die Bebauung der näheren Umgebung ein und wann ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von Baugestaltungsvorschriften besteht, ließen sich nicht rechtsgrundsätzlich klären. Soweit der Staat durch Vorschriften über materielle Anforderungen an die Gestaltung baulicher Anlagen zugleich auch die durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierte künstlerische Freiheit eingrenzt, darf dies nicht ohne Bezug zu Rechtsgütern geschehen, die ihrerseits unter dem Schutz der Verfassung stehen. Der Staat kann zum einen den Wirkbereich vorhandener baulicher Anlagen mit besonders erhaltenswerter äußerer Gestalt vor störenden Einwirkungen durch andere hinzutretende bauliche Anlagen durch Baugestaltungsvorschriften schützen, damit ihre ebenfalls von Art. 5 Abs. 3 GG umfasste künstlerische Aussage weiterhin möglichst wirkungsvoll zur Geltung kommen kann. Soweit es darüber hinaus allgemein um die Abwehr von Verunstaltungen durch bauliche Anlagen geht, darf es sich zum anderen von Verfassungs wegen auch angelegen sein lassen, Unlustgefühle hervorrufende krasse Gegensätzlichkeiten und Widersprüche im Erscheinungsbild bebauter Gebiete abzuwehren, die bei einem nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für gestalterische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Betrachter anhaltenden Protest auslösen würden. Damit leistet der Staat letztlich einen Beitrag zum allseitigen psychischen Wohlbe112

BayVerfGH, NJW 1986, 833. VGH München, BRS 48 Nr. 110. 114 VGH München, BRS 50 Nr. 133. 115 OVG Lüneburg, BRS 54 Nr. 88 = NVwZ 1993, 1216. 116 BVerwG, NVwZ 1991, 983. Dazu J. Würkner, Effektivierung des Grundrechtsschutzes durch Grundrechtskumulation?, DÖV 1992, 150; C. Zeiss, Baukunst versus Bauordnungsrecht, ZfBR 1997, 286. 113

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finden seiner Bürger (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG) sowie zum sozialen Frieden in der Gemeinschaft. Das Gericht behandelt dabei den Verunstaltungsschutz und die Regelungen in gemeindlichen Gestaltungssatzungen zusammenfassend und mit der gleichen Argumentation. Bei der Frage der Berechtigung, die Kunstfreiheit zu beschränken, muss aber zwischen dem Verbot der Verunstaltung und Gestaltungsvorgaben unterschieden werden. bb) Psychische Gesundheit Ist einfachrechtlich maßgebend für das Verunstaltungsverbot der Maßstab des Unlustgefühls, wird man kaum davon ausgehen können, dass hier in der Regel bereits die körperliche Unversehrtheit des Betrachters gefährdet sein könnte.117 Zwar fällt auch die psychische Gesundheit in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG. Gemeint ist damit aber nicht der „Stand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“, wie die Präambel der Satzung der Weltgesundheitsorganisation Gesundheit definiert.118 Bei diesem Verständnis könnte man in der Tat möglicherweise das Verunstaltungsverbot oder sogar einen Verstoß gegen auf Harmonie zielende Gestaltungsvorschriften bereits als Belang im Sinne von Art. 2 Abs. 2 GG ansehen. Eine solche Bestimmung des Schutzbereichs ist jedoch zu weit.119 Nichtkörperliche Einwirkungen werden von Art. 2 Abs. 2 GG erfasst, wenn sie ihrer Wirkung nach körperlichen Eingriffen gleichzusetzen sind.120 Das sind jedenfalls solche, die das Befinden einer Person in einer Weise verändern, die der Zufügung von Schmerzen entspricht.121 Würden bloße Unlustgefühle genügen, stünde dies auch im Wertungswiderspruch dagegen, dass die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze bei Lärmbeeinträchtigung erst ab 70 dB(A) gesehen wird,122 während nach TA Lärm für Wohnnutzung einfachrechtlich schon Werte von 35/50 dB(A) nachts/tags relevant sein können. Derartige vergleichbare Auswirkungen wird eine Verunstaltung daher in der Regel nicht erreichen.123 Hier scheint vielmehr das Bild, das in der definitorischen Umschreibung des unbestimmten Rechtsbegriffs gewählt worden ist, in eine Naturgegebenheit umgemünzt zu werden.

117 Zur Schutzpflicht des Staates BVerfG, Beschl. v. 2. 7. 2018 – 1 BvR 612/12, juris, Rn. 38 ff.; BVerfGK 16, 68 Rn. 9. 118 C. Schlipfenbacher/F. Jacobi, Psychische Gesundheit: Definition und Relevanz, Public Health Forum 2014, 22 (1), S. 2.e1 – 2.e5 – https://psy2.psych.tu-dresden.de/i2/klinische/mitar beiter/publikationen/jacobi-p/schlipfenbacher_psyges-ph_2014.pdf (26. 8. 2018). 119 T. Vesting, NJW 1996, 1111 (1113); S. Kamp (o. Fn. 49), S. 88 f. 120 U. Fink in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band IV, 2011, § 88 Rn. 33 f. 121 BVerfGE 65, 54 (57) = NJW 1981, 1655. 122 BVerfGK 16, 68 Rn. 9 unter Bezugnahme auf BVerwGE 125, 116, juris, Rn. 376. 123 N. Kapell (o. Fn. 3), S. 207 ff.; A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (619).

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cc) Eigentumsbindung/Gemeinwohlvorbehalt Auf die Gemeinwohlbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 3 GG lässt sich dieser Belang nicht stützen, da – wie gezeigt – diese Grundrechtsnorm nicht zu Nivellierung des schrankenlosen Grundrechts nach Art. 5 Abs. 3 GG dienen kann.124 Das gleiche gilt für einen allgemeinen Gemeinwohlvorbehalt.125 Der soziale Bezug des Eigentums ist bei baulichen Anlagen besonders ausgeprägt. Dies rechtfertigt es aber nicht, Inhalt und Schranken der Eigentümerbefugnisse detailliert und weitgehend festzulegen auch durch Regelungen, die Verunstaltungen der Umgebung durch bauliche Anlagen abwehren sollen, die Ausübung der Kunstfreiheit als Eigentumsausübung anzusehen und einzuschränken.126 dd) Sozialer Frieden/Sozialstaatsprinzip Der soziale Frieden ist zwar ein verfassungsrechtlich geschützter Belang. Indes kann er nicht mit so kleiner Münze ausgezahlt werden, dass darunter bereits ein ästhetisches Unlustgefühl gerechnet werden kann.127 Das gilt zunächst dann, wenn er aus Art. 2 Abs. 2 GG hergeleitet wird.128 Die schöne Formulierung, durch Kunststauübung dürfe „niemand aus der Diskursordnung vertrieben werden“, kann als immanentes Staatsziel verstanden werden, wenn damit gemeint ist, dass kein Klima der Furcht geschaffen oder einem anderen das Existenzrecht abgesprochen werden darf.129 Soweit der soziale Frieden einfachrechtlich verankert ist, wie etwa in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften,130 ist dies verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gerechtfertigt.131 Der soziale Friede als Art. 5 Abs. 3 GG einschränkender Belang kann als verfassungsrechtlicher Belang nur aus dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG hergeleitet werden. Das Sozialstaatsprinzip bestimmt zwar das Ziel einer gerechten Sozialordnung, gibt aber einen verbindlichen Weg dorthin oder auch nur eine Ermächtigung, dahin führende Wege zu beschreiten, nicht vor. Maßnahmen zur Verwirklichung der Staatszielbestimmung des Sozialstaats müssen daher den besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die in den jeweiligen Regelungsbereichen gelten, entsprechen.132 Dem Sozialstaatsprinzip kann Bedeutung für die Auslegung von Grundrechten sowie für die Auslegung und verfassungsrechtliche Beurteilung von 124

N. Kapell (o. Fn. 3), S. 225 ff. K. Stern (o. Fn. 3), § 117 VII S. 690. 126 So aber BVerwG, NJW 1992, 128. 127 Ähnlich A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (620). 128 So BVerwG, NVwZ 1991, 983. 129 A. v. Arnauld (o. Fn. 8), § 167 Rn. 72. 130 OVG Münster, Urt. v. 19. 04. 2012 – 10 A 2310/10; OVG Weimar, ThürVBl. 2011, 243. 131 Vgl. auch BFH, BFH/NV 2011, 1142. 132 BVerfGE 119, 247. 125

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– nach Maßgabe eines Gesetzesvorbehalts – grundrechtseinschränkenden Gesetzen zukommen. Es ist jedoch nicht geeignet, Grundrechte ohne nähere Konkretisierung durch den Gesetzgeber, also unmittelbar, zu beschränken.133 Eine Begrenzung durch das Sozialstaatsprinzip setzt voraus, dass das Prinzip zu der Frage, inwieweit bauliche Anlagen den sozialen Frieden stören, einen konkreten und verbindlichen Auftrag enthielte. 134 Gleiches gilt für die Frage, inwieweit eine Verpflichtung des Staates bestehen könnte, für ein positives architektonisch-landschaftliches Gesamtbild zu sorgen.135 Dieser Aufgabe stellen sich die Vorschriften über die Verunstaltung. Sie können verstanden werden als ein Teilaspekt der öffentlichen Ordnung. Öffentliche Ordnung ist die die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird.136 Zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist eine erhebliche Intensität des Widerspruchs zu den allgemein akzeptierten Verhaltensregelungen erforderlich.137 Eine solche Lage zu verhindern, ist ein Anliegen des Sozialstaatsprinzips und rechtfertigt mit diesem Verständnis eine Einschränkung der Kunstfreiheit.138 Es kommt hier darauf an, ob Anforderungen an die Gestaltung gestellt werden, die in der Öffentlichkeit nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten Zusammenlebens in der baulichen Umgebung betrachtet werden.139 Diese Formel muss im Lichte der betroffenen Grundrechte ausgelegt werden.140 Denn die Kollision, die zwischen dem Grundrecht der Kunstfreiheit und dem Sozialstaatsprinzip auftritt, muss so gelöst werden, dass jedes der beiden Verfassungsprinzipien seine größtmögliche Wirksamkeit behält und ein nach beiden Seiten hin möglichst schonender Ausgleich gefunden wird.141 ee) Staatsziel Umweltschutz Im Ergebnis kommt das Staatsziel aus Art. 20a GG in Betracht.142 Es geht um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen. Art. 20a 133

H. J. Papier (o. Fn. 7), § 64 Rn. 21 ff. und 28. Zu diesen Anforderungen BVerfGE 59, 231 = NJW 1982, 1447; vgl. auch S. Kamp (o. Fn. 49), S. 90. 135 G. Manssen, Verw 24 (1991), 33 (45). 136 BVerfGE 69, 315 (352). 137 OVG Greifswald, NordÖR 2010, 116. 138 Vgl. C. Enders, Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Band 64, S. 47 Fn. 151 a.E. Es geht um legitime und bewährte Verhaltensregeln mit Rücksicht auf ein erträgliches Zusammenleben. 139 § 3 Nr. 2 SOG LSA. 140 T. Mann, in: Erbguth/Schubert (o. Fn. 1), § 13 Rn. 452 ff. 141 BVerwGE 62, 55. 142 H. J. Papier (o. Fn. 7), § 64 Rn. 71. 134

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GG stellt hinsichtlich der Gesundheit keine weiter gehenden Anforderungen an die staatlichen Schutzpflichten als Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG.143 Umwelt meint hier nicht alles, was den Menschen umgibt. Hierzu würden auch die geschaffene Kultur, Denkmäler und die Ästhetik der Umgebung zählen. Gemeint sind alle natürlichen – also nicht vom Menschen geschaffenen – Grundlagen des menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens, also Luft, Wasser, Boden einschließlich der Bodenschätze, sowie lebende Organismen (Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen) einschließlich der jeweiligen Wechselbeziehungen.144 Zu dieser Grundlage gehören auch der Schutz von Natur und Landschaft.145 Insofern kann auch die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes die Beschränkung der Kunstfreiheit rechtfertigen.146 Der durch Art. 20 a GG gewonnene hohe Ranges des Naturund Landschaftsschutzes147 kann indes einer künstlerischen Betätigung entgegengesetzt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass damit jeder Verstoß gegen einfachrechtliche Vorgaben des Umweltschutzes zugleich die Kraft hat, dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG entgegen gesetzt zu werden. Rein ästhetische Gesichtspunkte gehören aber nicht zu den „natürlichen“ Grundlagen und sind daher hier nicht gemeint.148 Art. 20 a GG meint dem klaren Wortlaut nach aber nicht die kulturelle Umwelt, wie sie etwa § 2 Abs. 1 Nr. 3 UVPG auch umfasst. Schutzwürdige Sachgüter wie Bauweise und Kulturdenkmäler oder das „kulturelle Erbe“, die auch auf europäischer Rechtsebene in den Umweltschutz (vgl. Art. 167 AEUV) einbezogen sind, müssten in ihrem bundesverfassungsrechtlichen Rang als kulturellen Umwelt anders begründet werden.149 Allerdings haben einige Landesverfassungen das Staatsziel Kultur aufgenommen.150 Diese Staatsziele können zwar nicht bundesrechtlichen Vorgaben entgegen gesetzt werden,151 wohl aber landesrechtlichen, wie sie sich etwa aus dem Bauordnungsrecht ergeben. 143

BVerwGE 104, 36 (54). S. Huster/J. Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 20a Rn. 12. 145 OVG Schleswig, NordÖR 2010, 79 146 BVerwG, NJW 1995, 2648; zur Gewichtung des Klimaschutzes gegenüber denkmalschutzrechtlichen Belangen VGH Mannheim, NVwZ-RR 2012, 222; m. krit. Anm. D. Davydov, REE 2011, 245. 147 BVerfG, 1. Senat 1. Kammer, NJW 1998, 367. 148 T. Vesting, NJW 1996, 1111 (1113). 149 Siehe den gescheiterten Antrag der SPD-Fraktion im Bundestag, BT-Drs. 17/10644; G. Beaucamp, Sollten Kultur- und Sportförderung als Staatsziele in das Grundgesetz aufgenommen werden?, NordÖR 2009, 492. 150 F. Hammer, Der Denkmal- und Kulturgutschutz in Verfassungen der Gegenwart, DÖV 1999, 1037. Zu Art. 30 ThürVerf. E. Heßelmann, in: Linck u. a. (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaats Thüringen, Kommentar, 2013, Art. 30 Rn. 4 ff. 151 K. Kruis/A. Didovic, Das bayerische Staatsziel des Natur- und Kulturgüterschutzes und der Gleichheitssatz im Spiegel bayerischer Gesetzgebung und aktueller Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, BayVBl. 2009, 353. 144

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ff) Eigentumsgrundrecht des Nachbarn Das Eigentumsgrundrecht des Nachbarn kommt als entgegenstehender verfassungsrechtlicher Belang in Betracht. Hier kann aber nicht mit der alten Dogmatik zu Art. 14 GG darauf abgestellt werden, ob ein schwerer oder unerträglicher Eingriff auf das Eigentum ausgeht.152 Der Inhalt des Eigentumsgrundrechts muss insoweit an der einfachen Rechtsordnung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geklärt werden. Ausgangspunkt können hier die Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachbarschutz denkmalschutzrechtlicher Vorgaben geben. Danach sind die Pflichten, die das Denkmalschutzrecht dem Eigentümer eines Denkmals auferlegt, Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Der Gesetzgeber muss hier die Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Er muss sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Einzelnen aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient.153 Der zur Erhaltung verpflichtete Eigentümer hat daher ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Belastungen, die ihm infolge der allein öffentlichen Interesse dienenden Erhaltungspflicht zum Schutz des Denkmals auferlegt werden, den mit der Unterschutzstellung angestrebten Zweck auch tatsächlich und auf Dauer erreichen können. Der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals muss daher jedenfalls dann berechtigt sein, die denkmalrechtliche Genehmigung eines benachbarten Vorhabens anzufechten, wenn das Vorhaben die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens möglicherweise erheblich beeinträchtigt.154 Daraus folgt zunächst, dass die Beeinträchtigung des Denkmalwerts des Schutzbereichs des Art. 14 GG berühren kann. Die genannte Verpflichtung hat indes der Eigentümer eines Baukunstwerks nicht, es sei denn es ist ein Denkmal. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG durch den Nachbarbau ist im Übrigen nur dann anzunehmen, wenn das Kunstwerk eines Umgebungsschutzes bedarf, damit es seine spezifische Aussage entfalten kann, und dies nachhaltig gestört wird.155 Die Entscheidung des VG Berlin hat hier zu Recht für die Kunstfreiheit den Gedanken des (nachbarschützenden) Umgebungsschutzes entwickelt, der nun auch für das Denkmalschutzrecht anerkannt ist.156 152

So noch A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (620 f.). Hinweis auf BVerfGE 100, 226 (240 f.); BVerfGE 102, 1 (16 f.). 154 BVerwGE 133, 347. 155 VG Berlin, NJW 1995, 2650. 156 Das VG Berlin erwähnt selbst noch die seinerzeit herrschende Ansicht, wonach denkmalschutzrechtliche Vorschriften keine drittschützende Wirkung entfalten (Hinweis auf OVG Berlin, LKV 1992, 26). 153

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gg) Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde kommt als verfassungsrechtlicher Belang in Betracht, soweit es sich aus Art. 28 Abs. 2 GG ergibt. Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gewährleistet den Gemeinden die eigenverantwortliche Wahrnehmung aller örtlichen Aufgaben.157 Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln; diese Garantie bedarf allerdings der gesetzlichen Ausgestaltung und Formung, welche auch die Aufgabenzuteilung einschließen können.158 In diesem Sinne kommt der Gemeinde die Befugnis zur örtlichen Gestaltung der Umgebung zu. Sie ist allerdings dem Bauplanungsrecht nach dem BauGB vorbehalten, soweit es die städtebauliche Planung geht.159 Insoweit kann die Gemeinde sich auf Art. 28 Abs. 2 GG berufen, wenn sie in einem Bauleitplan Vorgaben macht, die den Schutzbereich der Kunstfreiheit berührt. Die Gemeinde kann aber auch gebietsspezifische Gestaltungsabsichten verfolgen, indem sie bauordnungsrechtliche Gestaltungsregelungen trifft, zu denen die Landesbauordnungen ermächtigen. Auch sie fußen auf dem Selbstverwaltungsrecht. Diese Regelungen beruhen nicht auf dem Gebrauchmachen delegierter Rechtsrechtssetzungsgewalt, weil es sich bei diesen Regelungen nicht lediglich um Vorschriften der Gefahrenabwehr (Bauordnungsrecht im engeren Sinne), sondern vielmehr der positiven Ortsbildpflege handelt, die dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden zuzurechnen sind.160 Als wesentlicher verfassungsrechtlicher Belang, an den anzuknüpfen ist, ist daher Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG zu wählen. Insoweit ist die Selbstverwaltungsgarantie in diesem Bereich gesetzlich ausgefüllt.161 d) Praktische Konkordanz aa) Allgemeine Vorgaben Lässt sich ein verfassungsrechtlich der Kunstfreiheit entgegenstehender Belang benennen, ist zwischen ihm und der Kunstfreiheit ein Ausgleich nach Maßgabe der praktischen Konkordanz herzustellen.162 Allein der Kunstcharakter des Baus steht somit einer Beschränkung oder Untersagung noch nicht entgegen. Vielmehr sind die entgegenstehenden Belange einer157

BVerwG, Beschl. v. 26. 02. 2010 – 8 B 91/09. BVerfGE 79, 127 (141 ff.). 159 VGH München, BayVBl. 2004, 369; VGH München, NVwZ-RR 2005, 785, bestätigt durch BVerwG, BauR 2005, 1768 und NVwZ 2000, 1169; VGH Kassel, NVwZ-RR 2005, 228; „bodenrechtliche Regelungen im Gewande bauordnungsrechtlicher Vorschriften“ sind unzulässig, BVerwG, BRS 69 Nr. 148 = BauR 2005, 1768; B. Haaß, NVwZ 2008, 252. 160 OVG Koblenz, LKRZ 2010, 107. 161 G. Manssen, Verw 24 (1991), 33 (37 ff.). 162 K. Stern (o. Fn. 3), § 117 VII S. 698 ff. 158

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seits und die Kunstfreiheit andererseits im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Soweit auf einer oder beiden Seiten mehrere verfassungsrechtlich geschützte Güter betroffen sind, ist der Kreis der einzustellenden Belange zu erweitern; es tritt aber keine „Verstärkung“ ein.163 Eine fehlerfreie Abwägung setzt dabei eine umfassende Ermittlung der beiden widerstreitenden Belange voraus. Dabei reicht es im Allgemeinen aus, wenn die Gewichtung der widerstreitenden Belange soweit eingegrenzt wird, dass – jedenfalls – das im Einzelfall gebotene Mindestmaß an Differenzierung erreicht wird, das erforderlich ist, um eine dem Ergebnis angemessene Abwägung der beiderseits in die Waagschale zu legenden Gesichtspunkte vorzunehmen. Daher hängt der Umfang der durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gebotenen Ermittlungen wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab: Je mehr sich die Waagschalen dem Gleichgewicht nähern, desto intensiver muss versucht werden, die beiderseitigen Wertungen abzusichern und auch Einzelgesichtspunkte exakt zu wägen, die möglicherweise den Ausschlag geben; ist dagegen ein Belang stark ausgeprägt und eine Diskrepanz zu den auf der anderen Seite betroffenen Belangen von vornherein offenkundig, dann ist es nicht notwendig, die Gewichtung der beiderseitigen Belange weiter zu betreiben, als es zur Feststellung eines eindeutigen Übergewichts einer Seite geboten ist.164 Daher muss zunächst ermittelt werden, was genau den künstlerischen Charakter ausmacht. Ist es die äußere Gestalt des Bauwerks oder die innere Gestaltung? Es müssen die Strukturmerkmale des jeweiligen Kunstwerks ermittelt werden und bestimmt werden, ob sie tangiert werden.165 Wesentlich erscheint es daher zu prüfen, ob das Umfeld Teil des Kunstwerks ist (land art), d. h. verliert das Werk seine wesentliche Aussage, wenn es an einem anderen Ort errichtet wird,166 oder kann es als autonome Gestaltung auch an einem anderen Ort errichtet werden (Skulptur). Da Letzteres bei vielen Baukunstwerken der Fall sein wird, sind gewichtige entgegenstehende Belange, etwa aus Art. 20a GG geeignet, die Errichtung zu verhindern. Ebenso können wesentliche planerische Entscheidungen der Gemeinde Vorrang erhalten, wenn sie massiv beeinträchtigt werden.167 Dabei darf dem Umstand angemessen Rechnung getragen werden, dass die Baukunst in weit stärkerem Maße als sonstige Kunstformen durch einen Gemeinschaftsbezug gekennzeichnet ist.168 Werke der Baukunst werden stets in eine gegebene Um163

A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (617). Vgl. VG Köln, MMR 2010, 578 unter Hinweis auf BVerwG, NJW 1997, 602; NJW 1999, 75. 165 R. Wendt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 98. 166 Dieser Gesichtspunkt kann aber nicht von vornherein zur Beschränkung des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG genutzt werden, vgl. A. Voßkuhle, BayVBl. 1995, 613 (619). 167 A. v. Arnauld (o. Fn. 8), § 167 Rn. 78. 168 Die Sätze: „Im Gegensatz zu sonstigen künstlerischen Tätigkeiten wird die Baukunst maßgeblich durch die Sozialbindung des Eigentums mitgeprägt. Ihre Ausübung setzt Grundeigentum voraus, dessen Nutzung an strengere rechtliche Vorgaben geknüpft ist als das bewegliche Eigentum.“, sind allerdings ein Rückfall auf den Rückgriff auf Art. 14 GG. 164

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gebung, etwa ein Orts- oder Landschaftsbild eingefügt. Sie üben schon deshalb eine erhebliche Wirkung auf die Umwelt aus, weil sich ihrem Eindruck keiner, der mit ihnen konfrontiert wird, entziehen kann. Welche Schranken sich der Einzelne gefallen lassen muss, verleiht im Konflikt zwischen der Kunstfreiheit und den durch baurechtliche Vorschriften verkörperten Gemeinschaftsbelangen in der Abwägung ein Gewicht, das nicht gering zu veranschlagen ist.169 bb) Verunstaltungsverbot Die Selbstverwaltungsgarantie als entgegenstehender verfassungsrechtlicher Belang scheidet aus, da Bundes- oder Landesgesetze selbst Vorgaben für bauliche Anlagen geben, die nicht auf einer Entscheidung der Gemeinde beruhen. Als wesentliche entgegenstehende Belange kommen hier die Aspekte der sozialen Verträglichkeit und der Belange des Nachbarn in Betracht. Bei einem Kunstwerk müssen zunächst die Anforderungen an die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen170 die Bedeutung des Art. 5 Abs. 3 GG berücksichtigen. Ein Kunstwerk hat einen größeren Anspruch darauf, von den gängigen ästhetischen Vorstellungen abzuweichen als ein übliches Bauwerk. Dies kennzeichnet gerade ein Baukunstwerk. Der durchschnittliche orientierte Beobachter muss erkennen können, dass das Bauwerk ein Kunstwerk darstellt und deshalb beanspruchen kann, sich nicht in dem Sinne an die Verunstaltungsvorgaben halten zu müssen wie ein gewöhnliches Bauwerk. Mehr noch als die einfachrechtlichen Vorgaben des Verunstaltungsverbots vorgeben, kann ein Baukunstwerk nur dann scheitern, wenn es um die unerlässlichen Voraussetzungen eines geordneten Zusammenlebens in der baulichen Umgebung geht, d. h. es in grober, für die Umgebung nahezu schikanöser Weise aus dem ästhetischen Rahmen fällt.171 cc) Gestaltungsregelung (1) Erarbeitung der Vorgaben einer Gestaltungsregelung Schon der Gestaltungsregelung selbst muss eine ordnungsgemäße Abwägung zu Grunde liegen.172 Die Gestaltungsabsicht muss auf sachgerechten Erwägungen beruhen, die sich hinreichend erkennen lassen bzw. aus den Satzungsunterlagen deutlich ergeben.173 Das Gestaltungskonzept muss sich nicht zwangsläufig aus der örtlichen Bauvorschrift selbst ergeben. Ähnlich wie dies § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB für die Bauleitplanung vorsieht, ist die Inbezugnahme einer von der Gemeinde anderweitig beschlossenen Gestaltungsplanung zulässig und ausreichend, wenn sich dieser die Ge169

BVerwG, NJW 1995, 2648. O. Fn. 77. 171 Vgl. auch S. Kamp (o. Fn. 49), S. 90. 172 B. Schneider, Das öffentliche Baurecht als Instrument von Stadtbaukunst, BauR 2009, 1680. 173 OVG Münster, BauR 2000, 92; OVG Koblenz, DVBl. 2009, 56. 170

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staltungsidee der Gemeinde für das in Rede stehende Gebiet hinreichend zuverlässig entnehmen lässt.174 Es muss auch eine angemessene Abwägung der privaten Interessen der Grundstückseigentümer und der Belange der Allgemeinheit erkennbar sein, da auch die Ordnung der Baugestaltung Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bestimmt.175 Durch die Festsetzungen müssen die Gestaltungsziele erreicht werden können.176 Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, gestalterische Vorstellungen aufzugeben, weil eine Fehlentwicklung bereits eingetreten ist. Vielmehr kann sie Fehlentwicklungen anhalten, begrenzen und – soweit möglich – umkehren.177 Örtliche Baugestaltungsvorschriften unterliegen bundesrechtlich dem bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB allerdings auch dann nicht, wenn sie gemäß § 9 Abs. 4 BauGB als Festsetzungen in den Bebauungsplan aufgenommen worden sind178, sofern das Landesrecht nicht etwas anderes bestimmt.179 Je nach Landesrecht ist danach unterschiedlich zu beantworten, ob die Gemeinde eine reine Ermessensentscheidung trifft oder die Grundsätze des planerischen Abwägungsgebots zu beachten hat.180 (2) Anwendung der Vorgaben Wesentlicher Belang sind hier die Gestaltungsbefugnis der Gemeinde, aber auch je nach Zielrichtung der Festlegung, Belange der sozialen Verträglichkeit oder der Nachbarn. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass jede Gestaltungsbestimmung der Gemeinde verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Vielmehr muss auch die Gemeinde im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsbefugnis das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG grundsätzlich berücksichtigen und in ihre Abwägung einstellen und dazu im Rahmen ihres Konzepts Spielräume lassen.181 In der Regel wird der Gesichtspunkt des Baus möglicher Baukunstwerke aber nicht einzustellen sein. Die Gemeinde kann, wenn nicht gegenteilige Anhaltspunkte erkennbar sind, von der Realisierung der Vorgaben durch „normale“ bauliche Anlagen ausgehen. Unter dem Aspekt der Möglichkeit, auch Baukunst – im weiteren Sinne – zu errichten, sollten die Gemeinde aber sowohl bei den bauplanungs- als auch bei ortsgestalterischen Festsetzungen erkennbare Spielräume lassen, um solche Vorhaben – ggf. auch ohne Abweichungsentscheidung – realisieren zu können. Wenn erst Abweichungen ein solches Vorhaben ermöglichen, müssen sie zwar (auf Antrag) erwogen werden, wirken vielfach gerade 174

OVG Lüneburg, Urt. v. 18. 9. 2014 – 1 KN 123/12. OVG Koblenz, DVBl. 2009, 56 – einheitliche Dachformen. 176 VGH Kassel, NVwZ-RR 2007, 746 – verneinter Einzelfall. 177 OVG Koblenz, Urt. v. 3. 11. 2011 – 1 A 10417/11. 178 Zu Gestaltungsfestsetzungen in Bebauungsplänen C. M. Jeromin, Gestaltungsfestsetzungen in Bebauungsplänen, LKRZ 2010, 87. 179 BVerwG, BauR 2005, 1752. 180 Vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 2007, 746. 181 S. Kamp (o. Fn. 49), S. 91. 175

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störend und führen zu den geltend gemachten Unlustgefühlen. Eine (städteplanerische) Konzeption kann gerade auch solche Ziele der Baukunst anstreben. dd) Abweichungsentscheidung Wenn sich ergibt, dass ein Verstoß gegen des Verunstaltungsverbot oder die Gestaltungsregelung gleichwohl vorliegt, ist eine Abweichung zu prüfen.182 Nach den Abweichungsregelungen sind die Belange der Umgebung und insbesondere der Nachbarn zu berücksichtigen.183 Erforderlich ist eine Würdigung der Interessen des Bauherrn an der Erteilung der Abweichung und der Interessen des betroffenen Nachbarn an der Einhaltung der prinzipiellen Vorschrift des Bauordnungsrechts und damit an einer Verhinderung von Beeinträchtigungen oder Nachteilen durch eine Abweichung. Der Nachbar kann umso mehr Rücksichtnahme verlangen, umso empfindlicher seine Stellung durch eine abweichende Gestaltung berührt werden kann. Umgekehrt braucht derjenige, der die Abweichung in Anspruch nehmen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, umso verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Die Interessen der Beteiligten haben ein unterschiedliches Gewicht, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das (an sich) den gesetzlichen Regelungen entspricht, also nur ausnahmsweise unzulässig sein kann, oder ob es um ein Vorhaben geht, das von den Bestimmungen abweicht, also nur ausnahmsweise über eine Abweichung zulässig sein kann. Wer sich auf die gesetzliche Lage berufen kann, hat bei der Interessenabwägung grundsätzlich einen gewissen Vorrang.184 3. Nachbarrechtliche Aspekte Gestaltungsrechtliche Vorschriften entfalten grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung.185 Eine Ausnahme wird gemacht, wenn das Erscheinungsbild des Nachbargebäudes qualifiziert gestört wird,186 z. B. schwarzer Anstrich einer Grenzmauer.187 Er könnte aber erwogen werden, baugestalterischen Festlegungen der Gemeinde generell dann nachbarschützende Wirkung zuzusprechen, wenn sie – in Analogie zur Bauleitplanung – nach dem Willen der Gemeinde einen nachbarlichen Interessenausgleich und damit den Schutz von Nachbarn bewirken sollen. Eine solche ausnahmsweise drittschützende Zielrichtung muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den Unterlagen der Gemeinde (Gemeinderatsprotokolle etc.) ergeben. Günstige Auswir182

Je nach Landesbauordnung setzt dies aber einen Antrag des Bauherrn voraus. A. Ingold/S.-C. Lenski, DÖV 2010, 797 (804). 184 OVG Greifswald, Beschl. v. 10. 7. 2018 – 3 M 39/18; vgl. BVerwGE 82, 343. 185 VGH Mannheim, BRS 36 Nr. 191; OVG Saar, BRS 44 Nr. 162; OVG Münster, DVBl. 1966, 279; OVG Lüneburg, BRS 44 Nr. 44 und 118. 186 D. Mampel, Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht, 1994, Rn. 1627 f. m.w.N. 187 VGH Kassel, HessVGRspr. 1985, 49. 183

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kungen einer Festsetzung auf die Nachbargrundstücke reichen zur Annahme eines Nachbarschutzes nicht aus.188 Zum Schutz der Nachbarn ist das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend,189 das auch bei bauordnungsrechtlichen Abweichungsentscheidungen zu beachten ist.190 In ihnen kommt Art. 5 Abs. 3 GG dann wesentlich zum Tragen. Nachbarschutz besteht aber auch dann, wenn ein Vorhaben, das gegen die Vorgaben der Gestaltungsregelung oder das Verunstaltungsverbot verstößt, gleichwohl genehmigt wird, soweit diese Entscheidung unter Berücksichtigung der Nachbarbelange auch bei einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung über die Abweichung nicht hätte erteilt werden können. Das ist dann der Fall, wenn eine besondere Rücksichtslosigkeit vorliegt, durch die das nachbarliche Austauschverhältnis nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten evident gestört wird.191 IV. Zusammenfassung Ein Baukunstwerk ist nur dann als verunstaltend unzulässig, wenn seine Gestaltung die als unerlässliche Voraussetzung für ein geordnetes Zusammenlebens in der baulichen Umgebung zu wertenden Ansprüche verletzt. Bei der Festsetzung gestalterischer Vorgaben sollte die Gemeinde Freiräume für kreative Gestaltungen und damit auch Baukunstwerke bedenken. Die Entscheidung über Abweichungen von den Gestaltungsvorgaben müssen die Kunstfreiheit und die Belange der Nachbarn, insbesondere wenn es um deren Baukunstwerke geht, berücksichtigen. Nachbarschutz besteht dann, wenn ein Vorhaben, das gegen die Vorgaben der Gestaltungsregelung oder das Verunstaltungsverbot verstößt, ohne Abweichungsentscheidung genehmigt wird, soweit diese Entscheidung unter Berücksichtigung der Nachbarbelange auch bei einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung über die Abweichung nicht hätte erteilt werden können.

188 Zusammenfassend VGH München, Beschl. v. 30. 6. 2009 – 1 ZB 7.3058. Vgl. BVerwG, Buchholz, 406.19 Nachbarschutz Nr. 66; BVerwG, NVwZ 1996, 170; OVG Münster, NVwZ 1997, 277. In diesem Sinne auch S. Kamp (o. Fn. 49), S. 150. 189 BVerwG, NVwZ 1996, 170 zu § 31 Abs. 2 BauGB. 190 Es ist unter „Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange“ zu entscheiden. 191 OVG Bremen, NVwZ-RR 2002, 488.

IV. Verwaltungsrecht 1. Planungsrecht

Vorausschauende Planung als zulässige Vorratsplanung am Beispiel des Netzausbaus Von Sabine Schlacke I. Einführung Die Klimaschutzziele der Bundesregierung1 und der Ausstieg aus der Kernenergieerzeugung bis 2022 fordern den Stromleitungsnetzausbau, insbesondere den Ausbau von Übertragungsnetzen, kontinuierlich heraus. Bereits das Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 sah vor, dass bis 2020 der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 35 % betragen sollte.2 Das EEG 20173 normiert in § 1 Abs. 2 S. 1, dass die erneuerbaren Energieträger 40 bis 45 % der Stromerzeugung im Jahr 2025, 55 bis 60 % bis zum Jahr 2035 und bis 2050 mindestens 80 % übernehmen sollen. Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag 2018 noch ambitioniertere Ziele formuliert: Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor auf etwa 65 % am Bruttostromverbrauch gesteigert werden.4 Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 EEG wäre eine Steigerung auf 60 % erst 2035 notwendig gewesen und kann nur erreicht werden, wenn binnen 13 Jahren der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch – ausgehend von ca. 36 % im Jahr 2017 – verdoppelt wird.5 Dieses neue 65 %-Ziel bis 2030 hat Konsequenzen für den Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten der erneuerba-

1 Die vom Kabinett beschlossenen Klimaschutzziele des Klimaschutzplans 2050 sehen eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland um 80 bis 95 % bis 2050 und um 55 % bis 2030 im Vergleich zum Basisjahr 1990 vor. Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Klimaschutzplan 2050, 2016, S. 6 f. 2 Vgl. Bundesregierung, abrufbar unter: https://archiv.bundesregierung.de/resource/blob/ 656922/779770/794fdOc40425acd7f46afacbe62600f6/energiekonzept-final-data.pdf?down load=1 (Stand: 23. 01. 2019). 3 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1066), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2549). 4 Koalitionsvertrag „Ein neuer Aufbruch für Europa, Eine neue Dynamik für Deutschland, Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode“ vom 12. März 2018, S. 71, abrufbar unter: www.cdu.de/system/tdf/me dia/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1 (Stand: 26. 08. 2018). 5 Agora Energiewende, Stromnetze für 65 Prozent Erneuerbare bis 2030. Zwölf Maßnahmen für den synchronen Ausbau von Netzen und Erneuerbaren Energien, 2018, S. 6, abrufbar unter: www.energate-messenger.de/news/184453/agora-zwoelf-punkte-plan-fuer-65-prozent-ziel (Stand: 23. 01. 2019).

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ren Energien:6 Zu seiner Erreichung ist eine Steigerung der installierten Nettokapazität der Erneuerbare-Energien-Anlagen von heute 113 Gigawatt auf 230 Gigawatt erforderlich.7 Hierzu müssten vor allem die Offshore-Windkraftanlagen ihre Leistung von 5,5 Gigawatt auf 19,9 Gigawatt und die Onshore-Windkraftanlagen ihre Leistung von bisher 50,5 Gigawatt auf 85,7 Gigawatt erhöhen. Nach der Studie der Agora Energiewende (2018) bedarf es für diese Zielerreichung vor allem einer Modernisierung des bestehenden Übertragungsnetzes: Nicht indem neue Trassengroßprojekte über die bereits geplanten hinaus gefordert, sondern die bereits bestehenden Trassen und Planungen flexibilisiert werden.8 Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie am 14. August 2018 veröffentlichte „Aktionsplan Stromnetz“9 schlägt neben technischen Maßnahmen und ökonomischen Anreizen vor allem gesetzliche Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus vor, wie etwa - die Einführung von Anzeige- statt Genehmigungsverfahren, - die Verschlankung von Planungsverfahren beim Neubau auf einer bestehenden Trasse, - die Beschränkung des Vorschlagsrechts der Länder für zeitintensive Alternativplanungen, - die Ermöglichung eines vorzeitigen Baubeginns und - die Ermöglichung einer vorausschauenden Planung (z. B. „Leerrohre“), sodass höherer Transportbedarf in laufenden Planungsverfahren noch berücksichtigt werden kann. Zur Umsetzung dieses „Aktionsplans Stromnetz“ hat das Bundeskabinett am 12. Dezember 2018 den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus beschlossen.10 Wesentliches Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, dem steigenden Stromtransportbedarf im deutschen Stromnetz, der wiederum auf den dynamischen Ausbau erneuerbarer Energien, den parallelen Umbau konventioneller Kraftwerkparks und steigenden grenzüberschreitenden Stromhandel im europäischen Binnenmarkt zurückzuführen ist, durch einen beschleunigten und flexibilisierten Höchstspannungsnetzausbau zu begegnen.11 Dazu sollen Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Neubau, Verstärkung und Optimierung von Stromleitungen dienen. Wichtigster Hebel ist eine bessere Verzahnung 6

Agora Energiewende (o. Fn. 5), S. 14 ff. Agora Energiewende (o. Fn. 5), S. 17. 8 Agora Energiewende (o. Fn. 5), S. 9. 9 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Aktionsplan Stromnetz vom 14. August 2018, abrufbar unter: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/A/aktionsplan-stromnetz.pdf?__ blob=publicationFile (Stand: 23. 01. 2019). 10 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019. 11 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 1; vgl. auch Agora Energiewende (o. Fn. 5). 7

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der verschiedenen Planungsstufen (Bedarfsermittlung, Planfeststellung, Bau) und -ebenen (z. B. Bundesfachplanung, Raumordnung der Länder, kommunale Bauleitplanung). Der Gesetzentwurf sieht vor, einzelne Verfahrensschritte zeitlich überlappend oder vereinfacht durchzuführen oder auf bestimmte Verfahrensschritte zu verzichten. Die Netzbetreiber sollen bei der Umsetzung ihrer Bedarfsplanung stärker als bisher in die Lage versetzt werden, vorausschauend planen zu können, um frühzeitig volkswirtschaftlich sinnvolle Gesamtlösungen zu entwickeln.12 Ein Kernelement des Artikel-Gesetzentwurfs ist die Ermöglichung einer „vorausschauenden Planung“ durch Verlegung von Leerrohren bei Erdkabelvorhaben, sodass ein höherer Transportbedarf in laufenden Planungsverfahren noch berücksichtigt werden kann. Die rechtspolitischen Bestrebungen der Flexibilisierung des Stromleitungsausbaus durch vorausschauende Planung betreffen zum einen Offshore-Anbindungsleitungen, deren Zulassung in der Zuständigkeit der Länderbehörden liegt (vgl. § 43 S. 1 Nr. 3 und 4 i.V.m. § 43j EnWG-E)13 und zum anderen Leitungen, die als Erdkabel verlegt werden (§ 18 Abs. 3 NABEG-E).14 Vorliegend wird sich auf die Erörterung des Rechtsrahmens für die Verlegung von Erdkabelleitungen beschränkt, die dem Anwendungsbereich des NABEG15 unterfallen (vgl. § 2 NABEG). Im Zentrum dieses Beitrags steht die Frage, was Zweck und Inhalt einer solchen, für das Planungsrecht bislang weitgehend vorbildlosen vorausschauenden Planung (de lege ferenda) im Energie- und Netzausbaurecht ist (III.). Zuvor wird hierfür der rechtliche Rahmen des Übertragungsnetzausbaus (de lege lata) vorgestellt (II.). Für eine Einordnung und Bewertung der vorausschauenden Planung soll des Weiteren eine Abgrenzung zur Vorratsplanung (IV.) dienen: Der Gesetzentwurf behauptet in seiner Begründung, dass die vorgeschlagenen Regelungen zur vorausschauenden Planung keine „rechtswidrige ,Vorratsplanung‘“ seien,16 so dass sich neben einer begrifflichen Klärung die Frage stellt, ob diese Aussage zutrifft (V.). Ein Fazit schließt diesen Beitrag ab (VI.).

12

BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 1 f., 39. Vgl. Art. 1 Nr. 13 und Nr. 15 des Gesetzentwurfs; vgl. BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 67 f., 71. 14 Vgl. Art. 2 Nr. 18 des Gesetzentwurfs; vgl. BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 22. 15 Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz vom 28. Juli 2011 (BGBl. I S. 1690), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 13 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808). 16 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 71, 89: „Eine rechtswidrige „Vorratsplanung“, die unnötige Kosten verursacht, wird durch die Vorschrift nicht gestattet (…).“ 13

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II. Rechtlicher Rahmen des Übertragungsnetzausbaus de lege lata Das Planungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb von grenz- oder länderüberschreitenden Höchstspannungsleitungen i.S.v. § 2 Abs. 1 NABEG kann grob in drei Stufen unterteilt werden: Die erste Stufe markiert die Bundesbedarfsplanung. Sie ist in drei Schritte untergliedert: Die Entwicklung eines Szenariorahmens (§ 12a EnWG)17, eines Netzentwicklungsplans (§ 12b EnWG) und eines Bundesbedarfsplans (§ 12e EnWG). Der Szenariorahmen wird von den Übertragungsnetzbetreibern entwickelt, alle zwei Jahre fortgeschrieben und von der Bundesnetzagentur genehmigt (§ 12a Abs. 3 EnWG). Er dient als Grundlage für die unter der Aufsicht der Bundesnetzagentur (BNetzA) stehende Erarbeitung des Netzentwicklungsplans (§ 12b EnWG) und des Offshore-Netzentwicklungsplans.18 Der alle zwei Jahre fortzuschreibende Netzentwicklungsplan bereitet den Bundesbedarfsplan vor, der alle vier Jahre durch den Gesetzgeber neu erlassen wird (§ 12e Abs. 4 EnWG). Auf der zweiten Stufe wird von der Bundesnetzagentur eine Entscheidung über die Bundesfachplanung (§ 12 NABEG) getroffen, indem sie einen 500 bis 1000 Meter19 breiten Korridor für die mittels Endpunkten skizzierte Stromtrasse festlegt (sog. Grobtrassierung). Die endgültige Entscheidung über ein Leitungsvorhaben wird nach Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens auf der dritten Stufe des Planungsprozesses getroffen (§ 24 NABEG).20 Durch Verweis in § 18 Abs. 3 S. 2 NABEG finden auf die Planfeststellung §§ 43 ff. EnWG und gemäß § 43 S. 5 EnWG die §§ 72 ff. VwVfG Anwendung. Ein Landesraumordnungsverfahren nach § 15 ROG entfällt gemäß § 28 NABEG.21 Das Planfeststellungsverfahren wird gemäß § 1 PlfZV von der BNetzA – und damit auf Bundesebene – durchgeführt.

17

Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, 3621), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2549). 18 Auf Grundlage des am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (WindSeeG) wird der Offshore-Netzentwicklungsplan durch den sog. Flächenentwicklungsplan des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie sowie durch Angaben im Netzentwicklungsplan abgelöst. Insofern wird es im Jahr 2019 keine gesonderte Version des Offshore-Netzentwicklungsplans 2030 mehr geben (s. § 17b Abs. 5 EnWG). Der O-NEP 2030, Version 2017; abrufbar unter: www.netzentwicklungsplan.de/de/net zentwicklungsplaene/netzentwicklungsplaene-2030 - 2017 (Stand: 08. 10. 2018) ist der letzte durch die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) erstellte Offshore-Netzentwicklungsplan. 19 Vgl. BT-Drs. 17/6073, S. 19. 20 Vgl. § 43 EnWG, §§ 18 ff. NABEG. 21 Zur Bindung der Bundesfachplanung an landesplanerische Ziele der Raumordnung: M. Appel, Bundesfachplanung versus landesplanerische Ziele der Raumordnung, NVwZ 2013, 457 ff.

Vorausschauende Planung als zulässige Vorratsplanung

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III. Vorausschauende Planung im Energie- und Netzausbaurecht de lege ferenda Der Begriff der „vorausschauenden Planung“ findet sich weder im EnWG noch im NABEG oder in anderen fachplanungsrechtlichen Gesetzen. Im Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus wird er mehrfach in der Begründung verwendet,22 ohne aber im Gesetzentwurf selbst Erwähnung zu finden. Es handelt sich bislang nicht um einen Rechtsbegriff. Ausgehend vom Begriff der Planung ist zu konstatieren, dass dieser bis heute keiner abschließenden Klärung zugeführt wurde. Es handelt sich hierbei um das „vorausschauende Setzen von Zielen und gedankliches Vorwegnehmen der zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Verhaltensweisen“.23 Insoweit ist der Begriff der „vorausschauenden Planung“ tautologisch, denn eine Planung setzt grundsätzlich voraus, dass sie vorausschauend ist. Planung beinhaltet einen gewissen autonomen Spielraum zum Setzen von Zielen und der Festlegung von Mitteln, um diese Ziele zu erreichen. Der Plan ist das Ergebnis der Planung.24 Aufgrund der unterschiedlichen Phänomene der Planungen und Pläne ist eine einheitliche Typisierung kaum möglich25 und lässt jedenfalls keine allgemeingültigen rechtlichen Schlüsse zu.26 Trotz seiner Tautologie und Unbestimmtheit wird der Begriff „vorausschauende Planung“ zunehmend – etwa im Unternehmens- und Technikbereich – verwendet.27 Im planungsrechtlichen Schrifttum28 dient er zur Konkretisierung des Begriffs der Bedarfsplanung. Sie ist gekennzeichnet durch die Planung und Realisierung raumbedeutsamer Infrastrukturen, die in einem gestuften Planungsverfahren, dessen Schlusspunkt regelmäßig ein Planfeststellungsverfahren darstellt, zugelassen werden. Den Beginn bilden eine auf einem Ist-Soll-Vergleich beruhende Infrastrukturanalyse und eine Bedarfsprognose, die zu einer – oftmals gesetzgeberischen – Bedarfsfeststellung führen.29 Vorausschauende Planung meint in diesem Zusammen22

BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 3, 37, 40, 66, 69, 87, 89. H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. I, 13. Aufl. 2017, § 56 Rn. 2; so auch H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 16 Rn. 14. 24 H. Maurer/C. Waldhoff (o. Fn. 23), § 16 Rn. 14. 25 T. Schmitt, Die Bedarfsplanung von Infrastrukturen als Regulierungsinstrument, 2015, S. 70 ff., entwickelt Typisierungskriterien (Planungsträger, Planungsart, Wirkungsweise und Planadressaten). 26 W. Hoppe, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 77 Rn. 8; vgl. auch W. Köck, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2012, § 37 Rn. 38. 27 Z.B. Agora Energiewende, Smart-Market-Design in deutschen Verteilnetzen, Studie 2017, S. 35, abrufbar unter: www.agora-energiewende.de/fileadmin2/Projekte/2016/Smart_ Markets/Agora_Smart-Market-Design_WEB.pdf (Stand: 05. 10. 2018). 28 T. Schmitt (o. Fn. 25), S. 80; T. Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, 2009, S. 74. 29 T. Schmitt (o. Fn. 25), S. 80 ff. 23

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hang eine frühzeitige Planung, die die Infrastruktur so gestaltet, dass in der Zukunft Engpässe möglichst vermieden werden.30 Der Bundeswirtschaftsminister verwendet in seinem „Aktionsplan Stromnetz“31 den Begriff der vorausschauenden Planung in einem ähnlichen Sinn: Durch vorausschauende Planung soll ein erhöhter Transportbedarf von Strom in laufenden Planungsverfahren noch berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung einer Erhöhung von (Übertragungs-)Kapazitäten soll durch Verlegung von Leerrohren erfolgen, in die zu einem späteren Zeitpunkt zusätzliche Kabel bedarfsgerecht eingezogen werden können.32 In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus wird unter einer vorausschauenden Planung verstanden, dass eine Bedarfsfeststellung und konkrete Genehmigungsverfahren nicht mehr konsekutiv, sondern teilweise parallel durchgeführt werden können.33 Beispielsweise wird bei Erdkabeln die Genehmigung von Leerrohren im Planfeststellungsverfahren schon dann ermöglicht, wenn die Genehmigungsbehörde von einem entsprechenden Bedarf im Geltungszeitraum des Planfeststellungsbeschlusses ausgehen kann (§ 2 Abs. 3 S. 3 NABEG-E i.V.m. § 18 Abs. 3 NABEG-E34).35 Begründet wird diese vorausschauende Mitverlegung von Leerrohren damit, dass die Projektkosten lediglich um 10 % erhöht würden und sich eine Kostenersparnis von bis zu 40 % im Vergleich zu erneuten Tiefbauarbeiten ergeben kann.36 Ferner sei eine Verlegung von Leerrohren umweltverträglicher, da die geringe Wahrscheinlichkeit nicht benötigter Leerrohre hinzunehmen besser sei, als die umfänglichen Prüfungen und Tiefbauarbeiten zweimal vorzunehmen.37 Zugleich sollen hierdurch die Netzinfrastruktur modernisiert und ihr Ausbau beschleunigt werden.38 Entgegen des recht weiten Begriffsverständnisses im planungsrechtlichen Schrifttum begrenzt der dem Energierecht zuzuordnende vorliegende Gesetzentwurf den Begriff der vorausschauenden Planung auf eine Berücksichtigung der Erhöhung von Transportbedarfen durch Verlegung von Leerrohren. Eine vergleichbare Regelung, die möglicherweise eine Vorbildfunktion inne hatte,39 findet sich – soweit ersichtlich – bislang nur in § 77i Abs. 6 und 7 TKG, in denen die bedarfsgerechte Mitverlegung von passiven Netzinfrastrukturen im Rahmen von Bauarbeiten für zukünf30

T. Schmitt (o. Fn. 25), S. 80; T. Höppner (o. Fn. 28), S. 74. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (o. Fn. 9). 32 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (o. Fn. 9), S. 4. 33 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 3. 34 Vgl. Art. 2 Nr. 3 lit. a) und Nr. 18 lit. a) des Gesetzentwurfs. 35 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 1, 3, 39, 89. 36 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 5, 43. 37 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 37. 38 BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 40. 39 Dies lässt sich nicht aus der Gesetzesbegründung ableiten. 31

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tig einzuziehende Glasfaserkabel geregelt wird, um den Betrieb eines digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzes zu ermöglichen. IV. Vorausschauende Planung als Vorratsplanung? Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich bei der vorausschauenden Planung nicht um eine „rechtswidrige ,Vorratsplanung‘“.40 Insofern könnte eine Begriffsschärfung der vorausschauenden Planung gelingen, indem der Begriff der Vorratsplanung geklärt und abgegrenzt wird. Der Begriff der Vorratsplanung findet sich ebenfalls weder im EnWG noch im NABEG oder anderen fachplanungsrechtlichen Gesetzen. In Abhandlungen zum Fachplanungsrecht wird der Begriff der unzulässigen Vorratsplanung verwendet, ohne indes eine klare Definition oder Bestimmung des Inhalts einer unzulässigen Vorratsplanung zu geben.41 Die Rechtsprechung entwickelte den Begriff der Vorratsplanung, um eine unzulässige Planung zu charakterisieren, die gewissermaßen auf Vorrat beantragt wird, für die aber kein Bedarf und mithin auch keine Planrechtfertigung besteht.42 In seiner Grundsatzentscheidung43 zur Vorratsplanung hat das Bundesverwaltungsgericht den gestuften Bau einer zweibahnigen („vierstreifigen“)44 Bundesautobahn als zulässiges Planungsmodell in Abgrenzung zur unzulässigen Vorratsplanung bewertet. Es ging in diesem Fall nicht um eine abschnittsweise Verwirklichung einer Längstrasse. Eine solche liegt bei Aufteilung einer Gesamtstrecke in mehrere Teilstrecken (sog. Abschnittsbildung) vor.45 Sie ist im Fachplanungsrecht oftmals erforderlich, um die Planung effektiv und praktikabel zu verwirklichen und zudem häufig gesetzlich vorgesehen.46 Beim Stromleitungsausbau kann etwa auf Antrag gemäß § 19 S. 2 NABEG für Vorhaben nach § 2 Abs. 1 NABEG die Planfeststellung auf einzelne angemessene Abschnitte der Trasse beschränkt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte vielmehr eine zeitlich gestreckte, stufenweise Verwirklichung einer Bundesautobahn zu beurteilen. Es handelte sich mit anderen Worten um eine vollständige Planung einer Gesamttrasse; der Bau sollte indes zweiphasig, zunächst beschränkt auf zwei Streifen und später dann erweitert um weitere zwei Streifen erfolgen. Dieser Sachverhalt weist keine strukturellen Unterschiede zu 40

BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 39, 89. B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 4014; R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller, Fachplanung, 4. Aufl. 2012, § 3 Rn. 93. 42 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861); BVerwG, Urt. v. 24. 09. 2003 – 9 A 69/02, juris, Rn. 41; OVG Münster, Urt. v. 04. 09. 2017 – 11 D 14/14.AK, juris, Rn. 111; BayVGH, Urt. v. 25. 10. 2005 – 25 N 04.642, juris, Rn. 24. 43 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 44 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 45 R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 41), § 3 Rn. 88. 46 R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 41), § 3 Rn. 88. 41

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der vorliegend zu beurteilenden vorausschauenden Planung i.S.d. Gesetzentwurfs zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus auf. Denn hierzu soll auf einen zukünftigen Bedarf an höherer Transportkapazität durch Verlegung von Leerrohren, in die bei Eintritt des Bedarfsfalls ein Stromkabel eingezogen wird, flexibel reagiert werden können. Bei der im Netzausbau intendierten vorausschauenden Planung in der Form der Verlegung zusätzlicher Leerrohre handelt es sich um Vorratsplanung i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. V. Vorausschauende Planung: keine „rechtswidrige Vorratsplanung“? Wurde soeben festgestellt, dass die vorausschauende Planung begrifflich eine Art Vorratsplanung ist, drängt sich die Frage auf, ob es sich – wie es die Gesetzesbegründung behauptet – nicht um eine „rechtswidrige ,Vorratsplanung‘“ handelt.47 1. Rechtswidrige Vorratsplanung: eine Rechtsprechungsanalyse Das BVerwG48 hat die rechtlichen Anforderungen an eine zulässige Vorratsplanung aus dem Gebot der Planrechtfertigung49 am Beispiel der Bedarfsplanung im Fernstraßenrecht entwickelt. Das Gericht konnte aus dem einschlägigen Fachplanungsrecht kein Verbot eines zeitlich gestreckten Ausbaus des Verkehrswegs (erst zwei Streifen, später vier Streifen) ableiten. Erforderlich für die Zulässigkeit dieser zeitlich gestreckten Verwirklichung der beantragten Fernstraße sei, dass die „Voraussetzungen für eine umfassende einheitliche Planungsentscheidung vorliegen“,50 das heißt, das Projekt muss mit allen gestuft zu verwirklichenden Teilen umfassend bewertet und schließlich auch zugelassen werden: „Eine fernstraßenrechtliche Planung, die zu verwirklichen nicht beabsichtigt oder die nicht objektiv realisierungsfähig ist, ist rechtswidrig.“51 Das Bundesverwaltungsgericht stellt somit klar: Da es sich nicht um eine Angebots-, sondern um eine Objektplanung handelt, darf im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht ausgeschlossen sein, dass das Vorhaben tatsächlich und rechtlich – falls vorhanden, innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen zeitlichen Rahmens – realisierbar ist.52 Voraussetzungen für die Planrechtfertigung sind also zum einen der Bedarf des Gesamt- und nicht nur des Teilvorhabens und zum anderen die Realisierbarkeit des Vorhabens innerhalb eines angemessenen Zeitraums.

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BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 39, 89. BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 49 Vgl. jüngst J. Ziekow, Die Berücksichtigung späterer Erweiterungsmöglichkeiten als Option in der straßenrechtlichen Planfeststellung, VerwArch 106 (2015), 528 (529). 50 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 51 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 52 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 48

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a) Anforderungen an die Bedarfsfeststellung Mit dem Fehlen eines Bedarfs mangelt es dem Gesamtvorhaben an der Planrechtfertigung; es ist mithin rechtlich unzulässig.53 Die Rechtsprechung differenziert danach, ob der Bedarf gesetzlich oder mittels Planfeststellungsbeschluss festgestellt wird. Traditionell wird im Verkehrsbereich der Bedarf an bundesweiten Verkehrsträgern gesetzlich festgelegt.54 Die Bedarfspläne für die Bundesschienenwege, Bundeswasserstraßen und Bundesfernstraßen werden als Anlagen zu § 1 BSWAG, zu § 1 Abs. 1 WaStrAbG und zu § 1 Abs. 2 S. 2 FStrAbG vom Gesetzgeber bestätigt und damit rechtsverbindlich. Handelt es sich um einen derartigen gesetzgeberisch festgelegten Bedarf, so sieht die Rechtsprechung eine hierdurch entstehende, faktische Unsicherheit für gegebenenfalls in ihrem Eigentumsrecht Betroffene grundsätzlich als verhältnismäßig an, solange eine gesetzliche Regelung für die zeitliche Vorhabenverwirklichung besteht und sie damit abschätzbar für die Betroffenen ist.55 b) Anforderungen an die Bedarfsprognose Unabhängig davon, ob es sich um eine Bedarfsfeststellung des Gesetzgebers oder einer Planfeststellungsbehörde handelt, ist eine Prognose erforderlich, ob ein Bedarf des Vorhabens in der Zukunft besteht. Denn es fehlt an einer Rechtfertigung für ein gestreckt zu verwirklichendes Vorhaben, wenn objektiv aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das Vorhaben insgesamt nicht innerhalb eines absehbaren Zeitraums realisierungsfähig ist.56 Allein der Umstand, dass der Planung ein nachvollziehbares planerisches Konzept zugrunde liegt, schließt für sich genommen noch nicht eine unzulässige Vorratsplanung aus.57 Nach ständiger Rechtsprechung nimmt die Dringlichkeit, mit anderen Worten der Bedarf, einer Planung in dem Maße ab, in dem die Bedarfsprognose weiter in die Zukunft greift und es zunehmend unsicherer wird, ob und wann der Bedarf realisiert werden kann, soll oder gar muss.58 Hierbei differenziert die Rechtsprechung danach, ob eine gesetzlich festgelegte Frist für die Realisierung des planfestgestellten Vorhabens besteht oder nicht.

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R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 23), § 3 Rn. 93. R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 23), § 7 Rn. 85. 55 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 56 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861); OVG Münster, Urt. v. 04. 09. 2017 – 11 D 14/14.AK, juris, Rn. 111. 57 BayVGH, Urt. v. 25. 10. 2005 – 25 N 04.642, juris, Rn. 24; BayVGH, Urt. v. 30. 06. 2009 – 9 N 07.541, juris, Rn. 15. 58 BVerwG, Urt. v. 20. 04. 2005 – 4 C 18/03, juris, Rn. 29. 54

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aa) Gesetzlich normierte zeitliche Grenze für die Realisierung des Vorhabens Die Rechtsprechung verlangt zu prognostizieren, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, also eine positive Prognose für die Realisierbarkeit des Gesamtvorhabens innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Zeitraums besteht: „Eine Planung, die nicht mit ihrer Realisierung innerhalb des Zeitrahmens des § 18b Abs. 2 FStrG (Anm.: fünf Jahre) rechnen kann, ist verfrüht und damit unzulässig. Eine Planfeststellung ist nicht in der Lage, die Fristen des § 18b Abs. 2 FStrG ausdrücklich oder stillschweigend zu erweitern. Das gilt auch für die Planung eines gestuften Ausbaus. Ist mithin eine Realisierung der zweiten Ausbaustufe innerhalb des durch § 18b Absatz 2 FStrG bestimmten Zeithorizontes ausgeschlossen, so darf ein derartiges Planungsmodell nicht gewählt werden.“59 Das BVerwG zieht für die Bestimmung des zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen der Vorhabenträger mit dem Projekt begonnen haben muss, somit die Fristen für das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses heran. Derartige Befristungen der Geltungswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses tragen zum einen der Tatsache Rechnung, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der planerischen Entscheidung deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen stetig zweifelhafter werden können. Das wirft im Hinblick auf die enteignungsrechtliche Vorwirkung gemäß § 19 FStrG gesonderte Probleme auf. Zum anderen wächst die Unsicherheit der planbetroffenen Grundeigentümer, ob ihre Grundstücke zur Verwirklichung des Vorhabens benötigt werden.60 Neben der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten – durch § 18b Abs. 2 FStrG a.F. erfüllten – Voraussetzung einer gesetzlichen Regelung, die den betroffenen Grundeigentümern die (zeitliche) Abschätzbarkeit der Vorhabenverwirklichung ermöglicht,61 ist jedoch des Weiteren eine positive Prognose dahingehend erforderlich, ob das Gesamtvorhaben innerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen für den Beginn der Planverwirklichung auch tatsächlich und rechtlich verwirklicht werden kann. Diese Prognose zum Realisierungsgrad des Vorhabens innerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen für die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses im Zeitpunkt der Planfeststellung obliegt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts der zuständigen Planfeststellungsbehörde: „Um die planerischen Vorstellungen nicht unnötig einzuschränken, ist der Planfeststellungsbehörde hierbei eine optimistische Einschätzungsprärogative zuzubilligen.“62 Welche Anhaltspunkte oder Indizien vorliegen müssen, damit die Planfeststellungsbehörde im Zeitpunkt der Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses damit rechnen kann, dass auch der zweite (gestreckte) Teil eines Vorhabens innerhalb 59

BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 61 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 62 BVerwG, NVwZ 1990, 860 (861). 60

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des gesetzlichen Zeitrahmens verwirklicht wird, kann der Rechtsprechung indes nicht eindeutig entnommen werden. Jedenfalls reicht die noch nicht gewährleistete Finanzierung eines Vorhabens zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses nicht aus, die tatsächliche Realisierbarkeit des gestreckten Vorhabens zu verneinen.63 bb) Keine gesetzlich normierte zeitliche Grenze für die Realisierung des Vorhabens Bei Nichtvorliegen einer derartigen gesetzlichen Befristung der Geltungswirkung der Zulassungsentscheidung für das beantragte Vorhaben hat das Bundesverwaltungsgericht64 – etwa für das Flugverkehrsrecht – eine Art „Je-Desto-Formel“ bezüglich der Anforderungen an eine hinreichende Prognose in Abhängigkeit von Eingriffen in die Rechte Einzelner formuliert: Danach nehme die Dringlichkeit eines erweiterten „Nachtflugangebots“ (also der Bedarf) in dem Maße ab, in dem die Bedarfsprognose weiter in die Zukunft greift und es zunehmend unsicherer wird, ob und wann das zulässige Lärmvolumen erreicht wird. Vorkehrungen zur Deckung eines ungesicherten Bedarfs sind nicht dringlich. „Eine Nachtflugregelung, die im Vorgriff auf einen noch nicht absehbaren Bedarf erlassen wird, kann als reine „Vorratsplanung“ abwägungsfehlerhaft sein. Im Fall einer vorzeitigen Planungsentscheidung erlangen die Lärmschutzbelange der Flughafenanwohner aus Rechtsschutzgründen ein besonderes Gewicht.“65 2. Bedeutung für die vorausschauende Planung i.S.d. Gesetzentwurfs zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus Fraglich ist, welche Konsequenzen diese Voraussetzungen einer (un)zulässigen Vorratsplanung für eine vorausschauende, gestufte Planung (Stichwort: Verlegung von Leerrohren während des Planfeststellungsverfahrens) i.S.d. vorliegenden Gesetzentwurfs zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus entfalten. a) Regelungen des Gesetzentwurfs zur vorausschauenden Planung Die vorausschauende Planung findet ihren Niederschlag in einem neuen § 43j EnWG-E66 und in einem neuen, fast gleichlautenden § 18 Abs. 3 NABEG-E, auf den sich die nachfolgende Untersuchung konzentriert: „(3) 1Bei Vorhaben im Sinne von § 2 Absatz 3, 5 und 6 des Bundesbedarfsplangesetzes ist Absatz 2 auch für Leerrohre anzuwenden, wenn 63

BVerwG, NVwZ 1990, 860 (862). BVerwG, Urt. v. 20. 04. 2005 – 4 C 18/03, juris, Rn. 29. 65 Dazu J. Sanden/N. Vick, Die Angebotsplanung in der Planfeststellung unter besonderer Berücksichtigung der Flugplätze, UPR 2006, 252 (255 f.). 66 Vgl. BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 11. 64

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1. die Leerrohre im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Baumaßnahme eines Erdkabels verlegt werden und 2. die zuständige Behörde anhand der Umstände des Einzelfalls davon ausgehen kann, dass die Leerrohre innerhalb von 15 Jahren nach der Planfeststellung zur Durchführung einer Stromleitung genutzt werden. 2

Bei Vorhaben, die im Bundesbedarfsplangesetz entsprechend gekennzeichnet sind, steht die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf für Leerrohre, die im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Baumaßnahme des gekennzeichneten Vorhabens verlegt werden, fest. 3Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens und des Planfeststellungsbeschlusses im Fall der Sätze 1 und 2 ist die Verlegung der Leerrohre, die spätere Durchführung der Stromleitung und deren anschließender Betrieb. 4Für die Nutzung der Leerrohre zur Durchführung einer Stromleitung und zu deren anschließendem Betrieb bedarf es keines weiteren Genehmigungsverfahrens, wenn mit der Durchführung der Stromleitung innerhalb der Frist des § 43c Nummer 1 des Energiewirtschaftsgesetzes begonnen wird und sich die im Planfeststellungsverfahren zugrunde gelegten Merkmale des Vorhabens nicht geändert haben.“67

Nach Satz 1 des § 18 Abs. 3 NABEG-E, der auf Abs. 2 des § 18 NABEG verweist, ist es möglich, für die Errichtung und den Betrieb eines Stromleitungsvorhabens, das in den Anwendungsbereich des NABEG fällt, zusätzlich zum Antrag auf Planfeststellung der konkreten Übertragungsnetztrasse integriert einen Antrag auf die Verlegung von Leerrohren zu stellen. Hierfür bedarf es keiner Ausweisung einer erhöhten Übertragungsnetzkapazität im Netzentwicklungsplan. Voraussetzungen sind lediglich, dass ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Baumaßnahme der Verlegung des Erdkabels besteht und die planfeststellende Behörde davon ausgehen kann, dass die Leerrohre innerhalb von 15 Jahren für ein Erdkabel genutzt werden. Mit der Planfeststellung werden für die Leerrohre die Verlegung, Durchführung und der Betrieb zugelassen, sodass es später keiner erneuten Zulassung bedarf, wenn innerhalb von 15 Jahren mit der Durchführung begonnen wurde (Sätze 3 und 4). Um zu beurteilen, ob es sich um eine zulässige Vorrats- bzw. vorausschauende Planung handelt, bedarf es zunächst der Herausarbeitung der diesbezüglichen Voraussetzungen. b) Bedarfsfeststellung und -prognose Rechtlich ist eine Vorhabenerweiterung dann nicht zulässig, wenn kein Bedarf besteht; es gilt insoweit der Maßstab des „vernünftigerweise Gebotenseins“.68 § 18 Abs. 3 S. 1 NABEG-E setzt nicht voraus, dass ein erhöhter Transportbedarf bereits behördlich, etwa im Netzentwicklungsplan, oder gesetzlich, etwa im Bundesbedarfsplan, festgestellt wurde. Gemäß § 18 Abs. 3 S. 2 NABEG-E kann eine gesetzliche Feststellung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit und des vordringlichen Bedarfs für Leerrohre, die im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Bau67 68

BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 19. BVerfG-K, NVwZ 1998, 1060 (1061); BVerwGE 56, 110 (118 f.).

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maßnahme des gekennzeichneten Vorhabens verlegt werden, für bestimmte Vorhaben durch den Gesetzgeber im BBPlG erfolgen.69 Nach § 18 Abs. 3 S. 1 NABEG-E erfolgt die diesbezügliche Prognose und Abwägung hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit und des vordringlichen Bedarfs indes lediglich durch die zuständige Behörde. Zweck der Vorschrift ist, bei einem Anstieg des künftigen Bedarfs an Übertragungskapazitäten nicht jedes Mal den Leitungsgraben, in dem das Erdkabel verläuft, öffnen zu müssen. Deshalb ermöglicht die Vorschrift die Mitverlegung von Leerrohren, durch die Kabel im Nachhinein ohne größere Eingriffe hindurchgezogen werden können.70 Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen nach § 18 Abs. 3 S. 1 NABEG-E ein Bedarf seitens der zuständigen Behörde für Leerrohre angenommen werden kann. Im Fall der Thüringer Strombrücke reichte dem Bundesverwaltungsgericht für die sachliche Rechtfertigung eines Stromleitungsvorhabens, das noch nicht im Bedarfsplan aufgenommen war, aus, dass die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Vorhabens von durch die Deutsche Energie-Agentur in Auftrag gegebene Studien bestätigt, das Vorhaben als Teil des deutschen und europäischen Verbundnetzes konzipiert und das Vorhaben in den TEN-E-Leitlinien aufgenommen worden war.71 Für eine positive Bedarfsprognose einer Gashochdruckleitung genügte es dem OVG Münster jedenfalls, dass eine bevorstehende Aufnahme des Vorhabens in den Netzentwicklungsplan durch die BNetzA als wahrscheinlich erschien. Für die Begründung der wahrscheinlichen Aufnahme des Vorhabens in den Netzentwicklungsplan ließ es das Gericht ausreichen, dass sich diese Prognose aus den Gründen einer Entscheidung der BNetzA ableiten ließ, obwohl das Vorhaben explizit noch nicht bestätigt, sondern als derzeit nicht abschließend genehmigungsfähig bewertet worden war.72 Das OVG Münster hat auf dieser Grundlage eine Verwirklichung des Vorhabens innerhalb von zehn Jahren nicht ausgeschlossen. Das Gericht sah die Errichtung der Hochdruckleitung, gemessen an den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG, eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Versorgung der Allgemeinheit mit Gas zu gewährleisten, als vernünftigerweise geboten an.73 Das OVG Münster verneinte mithin eine unzulässige Vorratsplanung.74 Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass einem im Entwurf vorliegenden oder behördlich genehmigten Szenariorahmen oder einem im Entwurf vorliegenden

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So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, vgl. BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 88. BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 89. 71 BVerwG, Urt. v. 18. 07. 2013 – 7 A 4/12, juris, Rn. 37 – Thüringer Strombrücke; R. Ruge/ B. Schirmer, Die Entscheidungen des BVerwG zum EnLAG und BBPlG: Leitplanken für die Planfeststellung im Netzausbau, ZUR 2018, 399 (401 ff.). 72 OVG Münster, Urt. v. 04. 09. 2017 – 11 D 14/14.AK, juris, Rn. 107. 73 OVG Münster, Urt. v. 04. 09. 2017 – 11 D 14/14.AK, juris, Rn. 106. 74 OVG Münster, Urt. v. 04. 09. 2017 – 11 D 14/14.AK, juris, Rn. 111. 70

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oder bestätigten Netzentwicklungsplan eine Indizwirkung für eine Erhöhung der Kapazitäten eines Vorhabens zukommen kann. Auch die Gesetzesbegründung sieht eine Erhöhung der Transportkapazitäten, die sich in Netzentwicklungsplänen (§§ 12b und 12c EnWG) niederschlagen, als Indiz für den Bedarf der Verlegung von Leerrohren an.75 Ob allerdings ein im Koalitionsvertrag verankerter Bedarf für den Ausbau erneuerbarer Energien für eine Prognose der Erforderlichkeit einer Erweiterung von Vorhaben durch die Verlegung von Leerrohren ausreichend ist, ohne dass sich dieser erhöhte Bedarf in Netzentwicklungsplänen niedergeschlagen hat, ist fraglich. Möglicherweise ließe sich der Bedarf aus § 12a Abs. 1 S. 2 EnWG ableiten. Diese Vorschrift normiert, dass die drei Entwicklungspfade des Szenariorahmens „für die mindestens nächsten zehn und höchstens 15 Jahre die Bandbreite wahrscheinlicher Entwicklungen im Rahmen der mittel- und langfristigen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung abdecken“. Energiepolitische Ziele der Koalitionsparteien sind grundsätzlich keine Ziele der Bundesregierung. Allerdings dient der Koalitionsvertrag faktisch als Auftrag für die Bundesregierung, die darin enthaltenen Zielsetzungen zu verwirklichen. Diese faktische Wirkung des Koalitionsvertrags könnte ausreichen, um sozusagen eine Verfestigung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung zu begründen.76 Wenn absehbar und begründbar ist, dass sich die Bundesregierung die Ziele des Koalitionsvertrags zu eigen macht und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Szenarien der Netzentwicklungspläne diesen Zielen zukünftig sehr wahrscheinlich angepasst werden, kann das die Prognose des rechtlich zulässigen Ausbaubedarfs jedenfalls unterstützen. Schließlich streitet auch das sog. NOVA-Prinzip (Netzoptimierung vor Netzverstärkung vor Netzausbau)77 dafür, keine zu hohen Anforderungen an eine Bedarfsprognose und damit an die Planrechtfertigung für ein Vorhaben gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 NABEG-E zu stellen. Nach § 12b Abs. 1 S. 2 EnWG muss der gemeinsame nationale Netzentwicklungsplan alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau des Netzes enthalten, die spätestens zum Ende eines Berichtszeitraums für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Normiert wird eine Art Erforderlichkeitskriterium, das mit einem sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb als Zielsetzung verknüpft wird. Nach dem NOVA-Prinzip werden die ÜNB verpflichtet, zunächst Optimierungsmaßnahmen des bereits bestehenden Netzes zu ergreifen, z. B. ältere Leiterseile gegen neue, leistungsstärkere auszutauschen. Erst wenn das Optimierungspotential erschöpft ist, sollen netzverstärkende Maßnahmen ergriffen werden, beispielsweise durch den Austausch einer 220-kV- gegen eine 380-kV-Beseilung. Wenn auch dieses Verstärkungspotential ausgeschöpft ist, sind Netzausbaumaßnahmen im engeren 75

BR-Drs. 11/19 v. 04. 01. 2019, S. 88. H. Posser, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2015, § 12a Rn. 27. 77 H. Posser, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2015, § 12b Rn. 20.

76

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Sinne zulässig, also insbesondere der Neubau von Hochspannungstrassen.78 Dieses Rangverhältnis an Maßnahmen kann dem Gesetzeswortlaut zwar nicht unmittelbar entnommen werden. Allerdings legt die Reihenfolge der Nennung der Maßnahmen ein derartiges Rangverhältnis nahe.79 Wenn also die Erweiterung eines Vorhabens, etwa durch Verlegung von Leerrohren während des Planfeststellungsverfahrens angestrebt wird, dann entspricht diese stufenweise Optimierung und Verstärkung dem im Gesetz angelegten NOVA-Prinzip und kann – jedenfalls auch – gestützt auf § 12b Abs. 1 S. 2 EnWG gerechtfertigt werden. c) Zeitliche Realisierbarkeit des Vorhabens Die konkrete Grenze zwischen zulässiger vorausschauender (Vorrats-)Planung und unzulässiger Vorratsplanung zieht die Rechtsprechung regelmäßig anhand der Prognose der zeitlichen Realisierbarkeit des Gesamtvorhabens: Wenn hierfür gesetzliche Fristen bestehen, dann darf im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über das Vorhaben nicht ausgeschlossen sein, dass das Vorhaben tatsächlich und rechtlich – falls vorhanden, innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen zeitlichen Rahmens – realisierbar ist. § 18 Abs. 3 S. 1 NABEG-E sieht vor, dass die zuständige Behörde anhand der Umstände des Einzelfalls davon ausgehen kann, dass die Leerrohre innerhalb von 15 Jahren nach der Planfeststellung zur Durchführung einer Stromleitung genutzt werden. § 18 Abs. 3 S. 4 NABEG-E legt darüber hinaus fest, dass es keines weiteren Genehmigungsverfahrens bedarf, wenn innerhalb der Frist des § 43c Nr. 1 EnWG begonnen wurde und sich die Merkmale des Vorhabens nicht wesentlich geändert haben. Ansonsten wären eine neue Abwägung und damit auch ein neuer Planfeststellungsbeschluss erforderlich.80 Nach § 43c Nr. 1 EnWG müssen planfestgestellte Energieleitungsvorhaben innerhalb von zehn Jahren nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden, wenn keine Verlängerung von weiteren fünf Jahren gewährt wurde. Für die Geltungsdauer der Entscheidung der Planfeststellungsbehörde besteht also eine maximale Frist von 15 Jahren, sodass dieser Verweis mit dem Zeitrahmen für die Prognose gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 NABEG-E korrespondiert. Diese explizite Festlegung eines Zeitrahmens, der grenzziehend für die Bedarfsprognose und für den Beginn des Vorhabens ist, entspricht dem geltenden Rechtsrahmen. Die maximal mögliche Geltungsdauer des Planfeststellungsbeschlusses von 15 Jahren sollte dem Rückstau an planfestgestellten und baureifen Vorhaben Rechnung tragen.81 Solange ein Vorhaben innerhalb dieses Zeitraums rea78 U. Heimann, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl. 2016, Kap. 101 Rn. 37. 79 H. Posser, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2015, § 12b Rn. 20. 80 S. de Witt, in: ders./Scheuten (Hrsg.), NABEG, 2013, § 15 Rn. 40. 81 BT-Drs. 16/3158, S. 39.

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lisierbar ist – selbst wenn es zeitlich gestaffelt errichtet wird – handelt es sich nicht um einen unzulässigen „Vorratsplan“.82 Eine Realisierung des Gesamtvorhabens muss innerhalb des soeben genannten gesetzlich festgeschriebenen Zeitraums im Zeitpunkt der Planfeststellung tatsächlich und rechtlich möglich sein. Für eine positive Prognose in diesem Sinne dürfen keine rechtlichen oder tatsächlichen unüberwindbaren Hindernisse zum Zeitpunkt der Planfeststellung bestehen. Sind bereits zum Zeitpunkt der Planfeststellung unüberwindbare Raumwiderstände oder rechtliche Hindernisse, etwa artenschutzrechtliche Verbote (§ 44 Abs. 1 BNatSchG83), erkennbar, so ist eine Erweiterung einer Trasse in Form von Leerrohren unzulässig. Grundlage für die Beurteilung der rechtlichen und tatsächlichen Realisierbarkeit von Erweiterungen einer Trasse während des Planfeststellungsverfahrens sind zum einen die gemäß § 1 Abs. 1 UVPG84 i.V.m. der Ziff. 19.1.1 der Anlage 1 zum UVPG erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 NABEG und zum anderen die Anhörung der Träger öffentlicher Belange, der Vereinigungen und der Öffentlichkeit gemäß § 22 NABEG. Für diese Verfahrensschritte muss das Vorhaben in seiner Gesamtheit vorliegen, sodass die Auswirkungen auf die Umwelt durch zusätzlich zu verlegende Erdkabel oder Leerrohre nur ermittelt und bewertet werden können, wenn der Umfang des Vorhabens vollständig zugrunde liegt, das heißt auch die stufenweise zu verwirklichenden Erweiterungen der Planung erfasst werden. Gegebenenfalls müssen Verfahrensschritte wieder- bzw. nachgeholt werden, wenn Erweiterungen des Vorhabens erst nach Durchführung der einzelnen Verfahrensschritte, etwa der Öffentlichkeitsbeteiligung oder der Umweltverträglichkeitsprüfung, erforderlich werden. Die hierdurch gesammelten Informationen dienen der Planfeststellungsbehörde als Grundlage für die Beurteilung, ob das Vorhaben nach § 2 Abs. 1 NABEG in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht realisierbar ist. d) Verfassungsrechtliche Überlegungen Die Rechtsprechung zieht die gesetzlich festgelegten Fristen für die zeitlich gestreckte Durchführung eines Plans bzw. Verwirklichung eines Vorhabens verfassungsrechtlich bislang nicht in Zweifel. Solche Fristen enthält für planfestzustellende Vorhaben generell § 75 Abs. 4 S. 1 VwVfG, der bestimmt, dass ein Planfeststellungsbeschluss außer Kraft tritt, wenn nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses mit der Durchführung des

82

BVerwGE 84, 123 (128). Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434). 84 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. September 2017 (BGBl. I S. 3370). 83

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Plans begonnen wurde.85 Speziell für NABEG-Vorhaben sieht § 18 Abs. 3 S. 2 NABEG i.V.m. § 43c Nr. 1 EnWG und der Entwurf (s. o.) eine Frist von zehn Jahren mit Verlängerung um weitere fünf Jahre auf maximal 15 Jahre vor.86 Im Schrifttum werden indes bezüglich der auf 15 Jahre verlängerbaren Verwirklichungsfristen für Energieleitungsvorhaben (§ 43c Nr. 1 EnWG) verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Einem Grundstückseigentümer soll es mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht zumutbar sein, für einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren in einem Unsicherheits- und Schwebezustand darüber gelassen zu werden, ob sein Grundstück von der Realisierung des Energieleitungsvorhabens auch tatsächlich betroffen ist.87 Die sehr lange „Platzhalter- und Blockadefunktion“ der Planungsentscheidung wird im Hinblick auf anderweitige Vorhaben oder Investitionen als bedenklich eingestuft.88 Zutreffend an dieser Auffassung ist, dass auch der Gesetzgeber bei der Festlegung dieser Fristen den grundrechtlichen Anforderungen, insbesondere jener des Art. 14 Abs. 1 GG, unterworfen ist und die gesetzliche Fristenregelung hieran zu messen ist. Bei Leitungstrassen dürfte indes anderes gelten als bei sonstigen Infrastrukturvorhaben wie etwa dem Straßenbau. Der Eingriff in das Eigentum ist räumlich deutlich begrenzter. Ferner ist die Intensität geringer. Das Grundstück kann – insbesondere bei einer Erdverkabelung – nachträglich wieder genutzt werden, wenn auch nicht hinsichtlich aller denkbaren Nutzungen. Außerdem werden die Eingriffe in Natur und Landschaft minimiert. Insoweit spricht einiges dafür, dass die 15Jahresfrist des § 18 Abs. 3 S. 4 NABEG-E i.V.m. § 43c Nr. 1 EnWG eine noch verhältnismäßige und damit verfassungsmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstellt. VI. Fazit Der Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Energieleitungsvorhaben sieht eine neuartige Flexibilisierung und Beschleunigung der Zulassung von Erdkabelvorhaben durch eine sogenannte vorausschauende Planung vor. Diese beinhaltet im Kern die Verlegung zusätzlicher Leerrohre, in die erst zu einem späteren Zeitpunkt ein Kabel verlegt werden soll (sog. vorausschauende Planung), um Anpassungen an erhöhte Übertragungsbedarfe während laufender Planfeststellungsverfahren zu ermöglichen. Hierbei handelt es sich um eine Variante der Vorratsplanung. Der vorlie85 Nach § 75 Abs. 4 S. 2 VwVfG gilt als Beginn der Durchführung des Plans jede erstmals nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens; eine spätere Unterbrechung der Verwirklichung des Vorhabens berührt den Beginn der Durchführung nicht. 86 M. Naujoks, in: Säcker (Hrsg.), BerlKommEnR, Bd. 1 (Teil 2), 3. Aufl. 2014, NABEG, § 18 Rn. 75; D. Greinacher, in: Elspas/Graßmann/Rasbach (Hrsg.), EnWG, 2018, § 43c Rn. 2, 3. 87 P. Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 76 Rn. 61; S. Missling, in: Danner/Theobald, Energierecht, 86. Erg.-Lfg. September 2015, § 43c EnWG Rn. 10. 88 S. Missling (ebenda).

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gend untersuchte § 18 Abs. 3 NABEG-E berücksichtigt sämtliche durch die Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an eine zeitlich gestreckte Verwirklichung eines Vorhabens (Bedarfsfeststellung und -prognose, zeitlicher Rahmen für die Geltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses). Gerechtfertigt werden kann diese Form der vorausschauenden Planung vor allem durch die geringeren Eingriffe in Natur und Landschaft sowie die Kostenersparnis, indem umfängliche Prüfungen und Tiefbauarbeiten nicht zweimal vorgenommen werden müssen. Verfassungsrechtliche Zweifel gegenüber den vorgeschlagenen Regelungen bestehen insoweit nicht. Ob Grundrechte Enteignungsbetroffener entgegenstehen, ist eine Frage des Einzelfalls.89

89 Zur planerischen Abwägung im Einzelfall, insbesondere bei Inanspruchnahme von Grundeigentum vgl. J. Ziekow, VerwArch 106 (2015), 528 (535 ff.).

Planreparatur von Fehlern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung Von Bernhard Stüer und Eva-Maria Stüer Das Bau- und Fachplanungsrecht befindet sich zwar alles in allem hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen in einem guten Fahrwasser. Die Grundlagen sind durch die Bau-, Fachplanungs- und Umweltgesetze sowie die Verfahrensregelungen alles in allem auskömmlich gelegt. Die Rechtsprechung hat verschiedentlich sogar einzelne Nischen und Winkel geradezu mit einem juristischen Brenngas ausgeleuchtet. Gelegentlich schlagen allerdings vor allem aus dem Bereich des europäischen Umweltrechts einige Wellen über Bord, die das Schiff etwas aus dem Gleichgewicht bringen können. Von einem solchen Vorgang ist hier zu berichten. Für den in Rostock geborenen und in Münster aufgewachsenen Wilfried Erbguth kein unbekanntes Phänomen. Ist er doch nicht zuletzt als Schüler des unvergessenen Werner Hoppe seit vielen Jahren auf das Umwelt- und Planungsrecht1 und seine europäischen Vorgaben sowie auf das nationale und internationale Seerecht spezialisiert. Dabei ergeben sich auch im Bereich der Planreparatur im Recht der Bauleitplanung und dem der Fachplanung übergreifende Gemeinsamkeiten – aber vielleicht auch einige Besonderheiten. Denn während die Bauleitplanung der planenden Gemeinden im Gewande der Satzung erscheint, steht im Fachplanungsrecht traditionell der als Verwaltungsakt erlassene Planfeststellungsbeschluss im Mittelpunkt des Interesses. Die Satzung ist Rechtsnorm, bei der lediglich deren Ungültigkeit nach § 47 Abs. 5 VwGO, nicht aber deren Gültigkeit vom Oberverwaltungsgericht/Verfassungsgerichtshof mit verbindlicher Wirkung gegenüber jedermann festgestellt werden kann. Der Planfeststellungsbeschluss kann in Bestandskraft erwachsen und gibt dann eine verbindliche Grundlage für die Rechtsbetroffenen. Das Europarecht kennt allerdings diese Unterschiede nicht. So kann es geschehen, dass europäische Umweltvorgaben durchaus unterschiedliche Auswirkungen haben, ob sie für das Bau- oder das Fachplanungsrecht gelten. Die UVP-RL mit der danach gebotenen Öffentlichkeitsbeteiligung könnte dafür ein gutes Bespiel sein.

1

W. Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, Habilitationsschrift 1987; ders., Zum rechtlichen Geltungsanspruch eines Berücksichtigungsgebots hinsichtlich des Ergebnisses von Raumordnungsverfahren (mit Umweltverträglichkeitsprüfung) und zu etwaigen Konsequenzen für die Verfahrensstufung und die (Öffentlichkeits-) Beteiligung vor dem Hintergrund der EG-UVP-Richtlinie, DVBl. 1987, 827.

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I. Stellenwert der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungs- und Zulassungsentscheidungen In seinem Beitrag UPR 2018, 121 hat sich Wilfried Erbguth im vorigen Jahr sehr eingehend mit der Fortentwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung im räumlichen Planungs- und Zulassungsrecht befasst. Er setzt sich darin für eine Akzeptanzgewinnung durch höherrangiges Recht ein, die die Durchsetzungskraft der Öffentlichkeitsbeteiligung stärken würde. Anschließend befasst sich der Autor mit den höherrangigen Absicherungen des Beteiligungsrechts der Öffentlichkeit. Das schließt eine verfassungsrechtliche Absicherung ein. Erbguth beschreibt verschiedene Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Neben die vertikale Öffentlichkeitsbeteiligung tritt die horizontale Öffentlichkeitsbeteiligung, wie sie vor allem bei Planungsverfahren und Genehmigungsentscheidungen kennzeichnend ist. Bei der vertikal gestuften Entscheidungsfindung unterscheidet Erbguth zwischen der Öffentlichkeitsbeteiligung auf planerischer Ebene, die bereits höherstufig beginnt, der Öffentlichkeitsbeteiligung auf mittlerer Ebene sowie auf Zulassungsebene, die ebenfalls nicht vernachlässigt werden darf. Zu den weiteren Rahmenbedingungen für die Akzeptanz zählt der Planungs- und Umweltrechtler eine mögliche Verbesserung der Kommunikation und die Zeitgerechtigkeit der Öffentlichkeitsbeteiligung und spricht sich für eine ergänzende Gesetzgebung aus, die zur Akzeptanzverbesserung beitragen kann. Der Schwerpunkt liegt dabei insbesondere auf der Mediation.2 Von den Rahmenbedingungen her ist das Feld der Öffentlichkeitsbeteiligung also recht gut bestellt. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich vor diesem Hintergrund auf die Frage, welche Folgen eine fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung hat, wie dieselben repariert werden können und wer sich auf solche Fehler berufen kann. II. Europarechtliche Vorgaben zur UVP und zu den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Öffentlichkeit und der anerkannten Verbände Aber zunächst zum europarechtlichen Rahmen. Die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVPRichtlinie) ist in ihrer Ursprungsfassung im Jahre 1985 erlassen worden und wurde durch die UVP-Änderungs-Richtlinie im Jahre 1997, die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie 2003/35/EG und die Richtlinie 2014/52/EU vom 14. 4. 2014 inzwischen wiederholt geändert.3 Die UVP-Richtlinie schreibt in Art. 4 Abs. 1 den 2 Dazu bereits W. Erbguth, Beschleunigung von Infrastrukturplanungen versus privater oder staatlicher Mediation: Warum wird das Raumordnungsverfahren übersehen?, NVwZ 1992, 551. 3 V. 27. 6. 1985 (85/337/EWG), geändert durch die Richtlinie des Rates v. 3. 3. 1997 (97/11/ EG) – ABl. Nr. L 73, 5 – (UVP-Änderungs-Richtlinie) sowie die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26. 5. 2003 (2003/35/EG); W. Erbguth/A. Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996.

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Mitgliedstaaten für bestimmte Projekte, die in ihrem Anhang I aufgeführt sind, die Durchführung einer UVP vor.4 Dabei werden die allgemeine Öffentlichkeit und die betroffene Öffentlichkeit unterschieden. Die allgemeine Öffentlichkeit besteht aus natürlichen oder juristischen Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen. Der 4 W. Erbguth, Ziel, Konzeption und Entwicklungslinien der Umweltverträglichkeitsprüfung, ZUR 2014, 515; grundlegend bereits W. Hoppe, VVDStRL 38 (1980), 211; R. Bartlsperger, Leitlinien zur Regelung der gemeinschaftsrechtlichen Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Straßenplanung, DVBl. 1987, 1; U. Battis, Neuerungen des Baugesetzbuches für Landwirtschaft und Umweltschutz, NuR 1988, 57; ders., Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, NuR 1995, 448; W. Blümel, Die Standortvorsorgeplanung für Kernkraftwerke und andere umweltrelevante Großvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland, DVBl. 1977, 301; R. Breuer, FS H. Sendler 1991, 357; ders., Umweltrecht 1995, 433; M. Burgi, Die Planfeststellung umweltrelevanter Vorhaben im Schnittpunkt von Planung und Verhaltenssteuerung, JZ 1994, 654; U. Di Fabio, Umweltschutz durch Bauproduktnormung: Handlungsmöglichkeiten der Bundesländer im europäischen Normungs- und Konformitätssystem, DVBl. 1994, 1269; W. Erbguth, Umweltverträglichkeitsprüfungen im Rechtssystem – ein kritischer Überblick, BayVBl. 1983, 129; ders., Raumbedeutsames Umweltrecht, 1986; ders., Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, 1987; ders., Zum Einsatzbereich der Landschaftsplanung: Baugesetzbuch, Umweltverträglichkeitsprüfung, UPR 1987, 409; ders., Umweltverträglichkeitsprüfung – Bauleitplanung – Eingriffsregelung. Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Rechtslage, VerwArch 81 (1990), 327; ders., Rechtliche Grundlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung und Verkehrswegeplanung, VR 1990, 293; ders., Das UVP-Gesetz des Bundes: Regelungsgehalt und Rechtsfragen, Die Verwaltung 1991, 283; ders., Die materielle Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung nach Erlaß des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes, NVwZ 1993, 956; W. Erbguth/A. Schink, Das Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung: Allgemeine Konsequenzen für die Zulassung von Vorhaben, EuZW 1990, 531; W. Erbguth/J. Schoeneberg, Die Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem Hintergrund rechtssystematischer Grundlagen der raumbezogenen Zulassungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, WiVerw 1985, 102; W. Erbguth/ F. Stollmann, Zur Zulässigkeit von Regelungen über die Bauleitplanung in einer UVP-Verwaltungsvorschrift, NuR 1993, 249; dies., Zum Entwurf eines Umweltinformationsgesetzes, UPR 1994, 81; W. Hoppe, FS Scupin 1983, 737; W. Hoppe/W. Appold, Umweltverträglichkeitsprüfung – Bewertung und Standards aus rechtlicher Sicht, DVBl. 1991, 1221; W. Hoppe/ G. Püchel, Zur Anwendung der Art. 3 und 8 EG-Richtlinie zur UVP, DVBl. 1988, 1; M. Krautzberger, Die Berücksichtigung der Forderungen nach Umweltverträglichkeitsprüfung im Raumordnung- und Städtebaurecht, UPR 1992, 1; ders., StuGB 1989, 111; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Stellungnahme des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung in das nationale Recht, DVBl. 1988, 21; A. Schink, Die Bedeutung des UVP-Gesetzes des Bundes für die Kommunen, NVwZ 1991, 935; E. Schmidt-Aßmann, Umweltschutz in der Raumplanung, DÖV 1979, 1; ders., in: Umweltschutz im Recht der Raumplanung, 1982, 117; ders., Der Umweltschutz im Spannungsfeld zwischen Staat und Selbstverwaltung, NVwZ 1987, 265; ders., Struktur und Gestaltungselemente eines Umweltplanungsrechts, DÖV 1990, 169; B. Stüer, Elfte Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht in Berlin, DVBl. 1988, 181; ders., Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht in Berlin, NuR 1988, 182; ders., Bericht über das Symposium des Zentralinstituts in Münster, DVBl. 1990, 197; ders., Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht in Berlin, DVBl. 1996, 93.

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Begriff der allgemeinen Öffentlichkeit hat vor allem für die erstmalige Verfahrensbeteiligung Bedeutung. Davon unterscheidet Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie die betroffene Öffentlichkeit. Es handelt sich dabei um die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gem. Art. 2 Abs. 2 UVP-Richtlinie betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die (allgemeine) Öffentlichkeit mit einem Interesse daran. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse. Ist also die betroffene Öffentlichkeit zu beteiligen, so sind dies in ihren abwägungserheblichen Belangen betroffene Bürger5 sowie die anerkannten Naturschutzvereinigungen.6 Zudem sind in der Tendenz die Klagerechte der Öffentlichkeit und der Naturschutzvereinigungen erweitert worden. Nach Art. 11 UVP-Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Die Mitgliedstaaten haben hier einen gewissen Entscheidungsspielraum. Sie legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können. Auch können sie in einem gewissen Rahmen bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. Allerdings sind die Mitgliedstaaten zugleich auf das Ziel eines weiten Zugangs der Öffentlichkeit zu Gericht verpflichtet. Das Interesse der anerkannten Naturschutzvereinigungen gilt dabei als ausreichendes Interesse, das zur einer gerichtlichen Prüfung berechtigt.7 Die Verfahren müssen fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt werden. Die Mitgliedstaaten müssen der Öffentlichkeit im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung stellen. Zur für Projekte geltenden UVP-RL8 und zur für Pläne und Programme geltenden SUP-RL9 hat der EuGH inzwischen eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt. 5

BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301; BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1975 – IV C 21.74 – BVerwGE 48, 56 – B 42; BVerwG, Beschl. v. 9. 11. 1979 – 4 N 1.78 – BVerwGE 59, 87; B. Stüer, DVBl. 1985, 466. 6 Zur Abwägungsfehlerlehre W. Erbguth, Neue Aspekte zur planerischen Abwägungsfehlerlehre?, DVBl. 1986, 1230. 7 S. Schlacke, Schwerpunkt: UmwRG und UVPG – Die jüngste Novellierung des UmwRG zur Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 127. 8 Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 27. 6. 1985 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – 85/337/EWG – ABl. L 175, S. 40; Richtli-

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Die Begriffe der „Projekte“ oder „Pläne und Programme“, die eine UVP- bzw. SUPPflicht auslösen, sind sehr weit10 und erfassen auch Änderungen von Vorhaben.11 Bei Plänen für kleinräumige Gebiete auf nationaler Ebene hat der Gesetzgeber zwar einen Spielraum.12 Art. 3 Abs. 5 i.V. mit Art. 3 Abs. 3 SUP-RL steht nationalen Regelungen allerdings entgegen, die allgemein und ohne Einzelfallprüfung vorsehen, dass eine Prüfung nach der SUP-RL dann nicht durchgeführt werden muss, wenn sich die Pläne, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen, nur auf einen Gegenstand wirtschaftlicher Betätigung beziehen. Auch eine nach der UVP-RL für bestimmte öffentliche und private Projekte durchgeführte UVP entbindet nicht von der Verpflichtung, eine nach der SUP-RL für Pläne und Programme erforderliche Umweltprüfung durchzuführen.13 Die Prüfung der unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen eines Projektes muss dabei in vollem Umfang vor der Genehmigung durchgeführt werden. Der Mitgliedstaat kann die Verwirklichung der Ziele der UVP-RL zwar zwei verschiedenen Behörden übertragen, muss aber gewährleisten, dass die jeweiligen Befugnisse dieser Behörden eine vollständige und rechtzeitige Prüfung vor Erteilung der Genehmigung durchführen.14 Den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit nach Art. 11 der UVP-RL muss ein ausreichender Rechtsschutz eröffnet sein – gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnten. Diese Beteiligung hat daher keine Auswirkungen auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Anfechtungsrechts.15 Auch muss die Möglichkeit eines Eilrechtsschutzes bestehen.16 Die Präklusionsregelungen des deutschen Rechts (§ 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG) sind mit nie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 12. 2011 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – 2011/92/EU, ABl. v. 28. 1. 2012, L 26, S. 1; W. Erbguth, Entwicklungslinien im Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung: UVP-RL – UVPÄndRL – UVPG – SUP, UPR 2003, 321. 9 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 27. 6. 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl. v. 21. 7. 2001, Nr. L 197, S. 30: W. Erbguth/M. Schubert, Strategische Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung: Neue Herausforderungen für die Kommunen? – EG-rechtliche Vorgaben und deren Umsetzung in Bundes- und Landesrecht, Letzteres am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns, DÖV 2005, 533; dies., Das Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG), ZUR 2005, 524. 10 EuGH, Urt. v. 15. 10. 2009 – Rs. C-263/08, NVwZ 2009, 1553 – Stromleitungstunnel. 11 EuGH, Urt. v. 28. 2. 2008 – Rs. C-2/07, NuR 2008, 255 – Flughafen Lüttich-Bierset. 12 EuGH, Urt. v. 18. 4. 2013 – Rs. C-463/11, DVBl. 2013, 777 mit Anm. B. Stüer/B. Garbrock. 13 EuGH, Urt. v. 22. 9. 2011 – Rs. C-295/10, NVwZ 2012, 291 – Intensivtierhaltung von Schweinen. 14 EuGH, Urt. v. 3. 3. 2011 – Rs. C-50/09, NVwZ 2011, 929. 15 EuGH, Urt. v. 15. 10. 2009 – Rs. C-263/08, NVwZ 2009, 1553 – Stromleitungstunnel. 16 EuGH, Urt. v. 15. 1. 2013 – Rs. C-416/10, NVwZ 2013, 347 – Abfalldeponie zur IVU-RL 96/61/EG.

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Hinweis auf diese Vorschrift inzwischen vom Europäischen Gerichtshof für nicht anwendbar erklärt worden.17 Auch Verbände müssen einen ausreichenden Rechtsschutz haben. Art. 11 UVPRL steht daher Rechtsvorschriften entgegen, die anerkannten Umweltverbänden nicht die Möglichkeit zuerkennt, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der Projekte mit möglicherweise erheblichen Umweltauswirkungen genehmigt werden, vor Gericht die Verletzung einer Vorschrift geltend zu machen, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen ist und den Umweltschutz bezweckt, weil diese Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützt.18 Die Öffentlichkeitsbeteiligung und der Zugang zu Gerichten muss auch gewährleistet werden, wenn das Projekt durch einen Gesetzgebungsakt genehmigt worden ist. Falls gegen eine solche Maßnahme kein Rechtsbehelf von der Art und dem Umfang der Vorgaben der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie möglich ist, obliegt es jedem Gericht, die vorgenannte Prüfung durchzuführen und ggf. daraus die Konsequenz zu ziehen, indem es diesen Gesetzgebungsakt unangewendet lässt.19 Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Delena Wells20 zur Ursprungsfassung der UVP-Richtlinie 1985 kann sich der Einzelne unter Umständen auf Bestimmungen der UVP-Richtlinie berufen. Ferner sind die zuständigen Behörden verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der UVP eines Projektes im Sinne der UVP-Richtlinie abzuhelfen. Die Einzelheiten des in diesem Zusammenhang anwendbaren Verfahrens sind nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der nationalen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaates. Sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die vergleichbare Sachverhalte interner Art regeln (Äquivalenzprinzip) und die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip).

17

EuGH, Urt. v. 15. 10. 2015 – Rs. C-137/14, DVBl. 2015, 1514; B. Stüer/D. Buchsteiner, DVBl. 2015, 1522. 18 EuGH, Urt. v. 12. 5. 2011 – Rs. C-115/09, DVBl. 2011, 757 – Lünen-Trianel. 19 EuGH, Urt. v. 18. 10. 2011 – Rs. C-128/09, NVwZ 2011, 1506; EuGH, Urt. v. 16. 2. 2012 – Rs. C-182/10, NVwZ 2012, 617 – Flughäfen Lüttich-Bierset und Charleroi-Brüssel Süd und Eisenbahnstrecke Brüssel-Carleroi; zu den Heilungsmöglichkeiten einer unterlassenen Öffentlichkeitsbeteiligung EuGH, Urt. v. 11. 9. 2012 – Rs. C-43/10, NVwZ-RR 2013, 18 – Umleitung des Flusses Acheloos in den Fluss Pineios. 20 EuGH, Urt. v. 7. 1. 2004 – Rs. C-201/02, DVBl. 2004, 370 – Delena Wells; B. Stüer/ D. Hönig, Umweltrecht: Wasserrecht, Naturschutzrecht, Atomrecht und Gentechnikrecht – Rechtsprechungsbericht 2001 – 2003, DVBl. 2004, 481.

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III. EU-Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung Die UVP-RL, die SUP-RL und die Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL enthalten allerdings nach ihrem Wortlaut keine detaillierten Anforderungen an die Bekanntmachungserfordernisse. Die nationale Vorschrift bestimmt dazu: (§ 19 Abs. 1 UVPG) Bei der Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens unterrichtet die zuständige Behörde die Öffentlichkeit (1) über den Antrag auf Zulassungsentscheidung oder über eine sonstige Handlung des Vorhabenträgers zur Einleitung eines Verfahrens, in dem die Umweltverträglichkeit geprüft wird, (2) über die Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens nach § 5 sowie, falls erforderlich, über die Durchführung einer grenzüberschreitenden Beteiligung nach den §§ 54 bis 56, (3) über die für das Verfahren und für die Zulassungsentscheidung jeweils zuständigen Behörden, bei denen weitere relevante Informationen erhältlich sind und bei denen Äußerungen oder Fragen eingereicht werden können, sowie über die festgelegten Fristen zur Übermittlung dieser Äußerungen oder Fragen, (4) über die Art einer möglichen Zulassungsentscheidung, (5) darüber, dass ein UVP-Bericht vorgelegt wurde, (6) über die Bezeichnung der das Vorhaben betreffenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorliegen, (7) darüber, wo und in welchem Zeitraum die Unterlagen nach den Nummern 5 und 6 zur Einsicht ausgelegt werden sowie (8) über weitere Einzelheiten des Verfahrens der Beteiligung der Öffentlichkeit. (§ 19 Abs. 2 UVPG) Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens legt die zuständige Behörde zumindest folgende Unterlagen zur Einsicht für die Öffentlichkeit aus: (1) den UVP-Bericht, (2) die das Vorhaben betreffenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben. Für Pläne und Programme, zu denen die Bauleitplanung gehört, ist nicht die UVPRL, sondern die SUP-RL anwendbar. Diese enthält keine Regelungen über die Informationen der Öffentlichkeit bei der Auslegungsbekanntmachung, sondern (lediglich) über den Umweltbericht (Art. 5 SUP-RL) und die Konsultationen (Art. 6 SUP-RL). Nach Art. 6 SUP-RL werden der Entwurf des Plans oder Programms und der Umweltbericht den Behörden sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und es wird der Öffentlichkeit innerhalb ausreichend bemessener Frist frühzeitig und effektiv Gelegenheit gegeben, vor der Annahme des Plans oder Programms Stellung zu nehmen. An die Auslegungsbekanntmachung werden in der SUP-RL keine Anforderungen gestellt. Zwar wird in Art. 6 Abs. 2 und 3 der UVP-RL verlangt, dass die Öffentlichkeit durch öffentliche Bekanntmachung „frühzeitig im Rahmen umweltbezogener Entscheidungsverfahren“ über „die Angaben über die Verfügbarkeit der Informationen, die gemäß Art. 5 eingeholt wurden“, informiert wird. Diese Vorschrift gilt aber nur für UVP-pflichtige Vorhaben, nicht jedoch für Pläne und Programme, welche die

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Nutzung kleinerer Gebiete auf lokaler Ebene festlegen und die der Mitgliedstaat in die Umweltprüfung einbeziehen kann (Art. 3 Abs. 3 SUP-RL), worum es in aller Regel in der Bauleitplanung geht.21 Auch die Århus-Konvention enthält einen entsprechenden Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten (Art. 6 Abs. 1 b) Århus-Konvention).22 IV. Bauleitplanung Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings für die Offenlagebekanntmachung zur förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung recht strenge Anforderungen aufgestellt und diese aus einer Kombination der europarechtlichen Vorgaben und dem deutschen Recht der Bauleitplanung abgeleitet. § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB verpflichtet die Gemeinden, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich auch auf solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, die die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt. Die Hinweisverpflichtungen beziehen sich vielmehr auf alle Unterlagen, die der Gemeinde verfügbar sind. Denn nach der vorgenannten Vorschrift sind Ort und Dauer der Auslegung sowie „Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind“, mindestens eine Woche vor der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs ortsüblich bekannt zu machen. Das verlange – so das Bundesverwaltungsgericht – zwar keine Auflistung sämtlicher Stellungnahmen oder gar deren inhaltliche Wiedergabe. Da nur Angaben zu den Arten umweltbezogener Informationen gefordert würden, reiche es aus, die vorhandenen (umweltbezogenen) Unterlagen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in einer schlagwortartigen Kurzcharakterisierung zu bezeichnen. Das Bekanntmachungserfordernis des § 3 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BauGB wurde durch das EAG Bau23 auf „Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen 21 Zu den Gestaltungsspielräumen des nationalen Gesetzgebers B. Stüer/B. Garbrock zu EuGH, Urt. v. 18. 4. 2013 – Rs. C-463/11, DVBl. 2013, 777. 22 S. Schlacke, Aarhus-Konvention – Quo-vadis?, ZUR 2004, 129; dies., Rechtsschutz durch Verbandsklage – Zum Fortentwicklungsbedarf des umweltbezogenen Rechtsschutzsystems, NuR 2004, 629. 23 Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau) v. 24. 6. 2004 (BGBl. I S. 1359, in Kraft getreten am 20. 7. 2004); W. Erbguth, Die Rechtmäßigkeit von Bauleitplänen: Neuregelungen durch das EAG Bau, Jura 2006, 9. Zum BauROG 1998 und dem dort neu gefassten Städtebaurecht im Verhältnis zum Umweltrecht, ders., Grundfragen des neugefaßten Städtebaurechts im Verhältnis zum Umweltrecht, in: Verwaltungsrundschau, VR 1999, 119; zum Investitions- und Er-

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verfügbar sind“, erweitert. Der Gesetzgeber wollte damit die Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 der Århus-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. 06. 1998 (Zustimmungsgesetz vom 09. 12. 2006, BGBl II S. 1251) sowie des Art. 3 Nr. 4 der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL24 umsetzen.25 Andererseits ist das Bekanntmachungserfordernis nach § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB auf die Angabe der „Arten“ verfügbarer Umweltinformationen beschränkt. Wie dieser Begriff nahelegt, ist es nicht erforderlich, den Inhalt der Umweltinformationen im Detail wiederzugeben. Es genügt die Angabe von Gattungsbegriffen. Geschieht dies allerdings nicht, ist der Bebauungsplan unwirksam. Formalrechtlich leitet sich diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus den Regeln zur Offenlage und zu den Wirksamkeitsanforderungen in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB ab. 1. Sinn der Auslegungsbekanntmachung Hinweise in Bekanntmachungen auf den beabsichtigten Regelungsgegenstand haben durchaus ihren Sinn. So ist es unverzichtbar, durch eine entsprechende Kennzeichnung der Thematik bei den Planbetroffenen eine Anstoßwirkung zu erzeugen. Die Bekanntmachung der Offenlage eines Bebauungsplans darf diesen nicht lediglich etwa nur mit einer Nummer bezeichnen. Vielmehr ist die ungefähre Lage des Plangebietes etwa durch eine Kurzbezeichnung oder einen Lageplan zu kennzeichnen. Ansonsten wird der Öffentlichkeit nicht klar, um welches Plangebiet es sich handelt.26 § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB will dabei sicherstellen, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung sich auch auf die wesentlichen umweltbezogenen Stellungnahmen bezieht. Zudem soll auf die Arten der umweltbezogenen Stellungnahmen bereits bei der vorherigen Bekanntmachung hingewiesen werden. 2. Funktion der Auslegungsbekanntmachung Die Bekanntmachung hat nach der gesetzlichen Zielrichtung (lediglich) die Funktion, auf die erfolgende Offenlage hinzuweisen und die Beurteilung zu ermöglichen, ob durch die Planung Belange der allgemeinen und betroffenen Öffentlichkeit berührt werden. Dazu können auch Umweltbelange gehören. Aber letztlich geht es leichterungs- und Wohnbaulandgesetz ders., Die materielle Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung nach Erlaß des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes, NVwZ 1993, 956. 24 RL 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26. 5. 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme, ABl. EU Nr. L 156 S. 17. 25 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2250, S. 44. 26 BVerwG, Urt. v. 26. 5. 1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369 – Harmonieurteil.

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nicht abstrakt um Umweltinformationen, auf die in der Auslegungsbekanntmachung hingewiesen wird. Gegenstand der Bekanntmachung sind vielmehr die Planung, das Projekt und deren Inhalte, zu der die Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet. Solange sich der Inhalt der Planung auch nicht in Umrissen aus der Bekanntmachung entnehmen lässt, nutzen auch mehr oder weniger detaillierte Hinweise auf zur Verfügung stehende Umweltinformationen nichts. Die allgemeine oder betroffene Öffentlichkeit würde auch durch noch so detaillierte Hinweise zu vorliegenden einzelnen Umweltinformationen keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn auf (eigene) betroffene Belange oder die Wechselwirkungen zwischen Planung oder Vorhaben und Umweltbelangen erhalten. Für die Öffentlichkeitsbeteiligung führen daher detaillierte Hinweise auf ausliegende Unterlagen nicht daran vorbei, die offenliegende Planung und die ausliegenden Unterlagen zu Umweltinformationen selbst einzusehen. Das gilt vor allem für den Umweltbericht, der als gesonderter Bestandteil der Begründung dem Planwerk beizufügen ist und der entsprechende Darlegungen nach Maßgabe der Anlage 1 zum BauGB ermittelt, darstellt und bewertet (§ 2 a BauGB). Die in dem Umweltbericht darzustellenden Themen sind dabei regelmäßig nach dem Konzept der Anlage 1 zum BauGB aufbereitet. Eine Wiederholung dieser Themen in der Bekanntmachung zur Öffentlichkeitsbeteiligung wird daher regelmäßig keine weitergehende Klärung und keine weiteren Informationen bringen, als sie ohnehin den gesetzlichen Anforderungen entnommen werden kann – vor allem, solange über das Projekt und den Plan selbst keine (detailreichen) Informationen bekannt gemacht werden.27 3. Begrenzter Erkenntnisgewinn Die Öffentlichkeit weiß zwar durch die Auslegungsbekanntmachung so gut wie nichts über den Inhalt der Planung oder das Projekt, kann sich aber ein vergleichsweise verlässliches Bild über die betroffenen Umweltbelange erstellen – so wie wenn ein Seminarteilnehmer von einer Fortbildungsreise aus den USA zurückkehrt und auf die Frage nach seinen Erkenntnissen zur Antwort gibt: „I’m still confused, but on a much higher level“ („Ich verstehe zwar immer noch überhaupt nichts von der Sache, aber auf einem wesentlich höheren Niveau“). Zudem dürfen an die Ermittlung der Umweltbelange keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Die Prüfung ist auf Angemessenheit, Zumutbarkeit und 27 Zur vorhergehenden Rechtsprechung der Instanzgerichte VGH Kassel, Urt. v. 21. 2. 2013 – 4 C 1431/12.N, juris; OVG Bautzen, Urt. v. 9. 3. 2012 – 1 C 13/10, LKV, 2012, 411; abweichend von OVG Münster, Urt. v. 13. 3. 2008 – 7 D 34/07.NE, NWVBl. 2008, 467; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 1. 7. 2008 – 4 BN 17.08, BauR 2008, 1850; VGH Mannheim, Urt. v. 20. 9. 2010 – 8 S 2801/08, DÖV 2011, 245; Urt. v. 13. 12. 2012 – 3 S 261/10, juris; VGH München, Urt. v. 13. 12. 2012 – 15 N 08.1561, DVBl. 2013, 314; weniger strenge Voraussetzungen OVG Koblenz, Urt. v. 17. 4. 2013 – 8 C 11067/12, juris; zu den notwendigen Angaben über die Arten umweltbezogener Informationen in der Auslegungsbekanntmachung OVG Lüneburg, Beschl. v. 2. 7. 2013 – 1 MN 90/13, juris.

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Verhältnismäßigkeit zu begrenzen. Zur UVP nach der UVP-RL hat das Bundesverwaltungsgericht – und damit übertragbar auf die Umweltprüfung – festgestellt: „Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist kein allgemeines Suchverfahren, in dem alle nur erdenklichen Auswirkungen eines Vorhabens auf Umweltgüter und deren Wertigkeit bis in alle Einzelheiten und feinste Verästelungen zu untersuchen wären und gar Antworten auf in der Wissenschaft bisher noch ungeklärte Fragen gefunden werden müssten“.28 „Die UVP-RL gibt keinerlei Aufschlüsse über Untersuchungsverfahren und Bewertungskriterien. Die Umweltprüfung ersetzt auch nicht fehlende Umweltstandards. Die Tatsache, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Pflicht und den rechtlichen Rahmen für die Durchführung der Umweltprüfung geschaffen hat, legt nicht schon den Grundstein für eine verbesserte Methodik der Ermittlung und der Bewertung von Umweltauswirkungen. Was auf diesem Felde die Wissenschaft (noch) nicht hergibt, vermag auch eine UVP nicht zu leisten. Von der Behörde kann nicht mehr verlangt werden, als dass sie die Annahmen zugrunde legt, die dem allgemeinen Kenntnisstand und den allgemein anerkannten Prüfmethoden entsprechen. Die Umweltprüfung ist nicht als Suchverfahren konzipiert, das dem Zweck dient, Umweltauswirkungen aufzudecken, die sich der Erfassung mit den herkömmlichen Erkenntnismitteln entziehen“.29 Eine zu detaillierte Information kann sogar eher zur Verwirrung als zur Klärung beitragen. Das gilt natürlich besonders für Großprojekte. Bei einer Kraftwerksplanung oder der Planung von Verkehrsprojekten etwa kann nicht der Inhalt aller zur Offenlage vorgesehenen Unterlagen in konzentrierten Zusammenfassungen bereits in der Auslegungsbekanntmachung wiedergegeben werden. Vielfach sind es zigtausende von Umweltinformationen, die gelegentlich schon einmal gut 100 Leitz-Ordner füllen. Auch eine noch so konzentrierte Zusammenfassung kann die Einsichtnahme in diese Unterlagen nicht ersetzen. Eine zu starke Überfrachtung der Auslegungsbekanntmachung nach englischer Gutsherrenart „If the turkey doesn’t fly, make him bigger“ („Wenn der Truthahn nicht so richtig fliegen will, mach ihn fetter“) kann nicht sinnvoll sein und mündet am Ende in reiner Bürokratie und in das Gegenteil dessen, was sich nicht nur die Planungsrechtler, aber vor allem auch die Politik mit der bereits geradezu sprichwörtlichen Forderung nach „unbürokratischem Handeln“ auf ihre Fahnen geschrieben haben. Die Hinweise auf umweltrelevante Stellungnahmen und Unterlagen in der Bekanntmachung müssen sich auf die Benennung der vorliegenden Unterlagen begrenzen. Ansonsten ist das System kommunaler Bauleitplanung30 wohl nicht nur bei Großvorhaben nicht mehr handhabbar und geht an den Möglichkeiten der Praxis vorbei. Das gilt für Bau- und Fachplanung sowie den Immissionsschutz gleichermaßen. 28

BVerwG, Urt. v. 21. 3. 1996 – 4 C 19.94 – BVerwGE 100, 370 – Münchener Ring. BVerwG, Urt. v. 25. 1. 1996 – 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 – Eifelautobahn A 60; für den Bebauungsplan sinngemäß auch BVerwG, Urt. v. 18. 11. 2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 122, 207 – Diez. 30 W. Erbguth, Verstärkung der Elemente unmittelbarer Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene. Praktische Erfahrungen mit der bisherigen Handhabung, DÖV 1995, 793. 29

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4. Fehlerunbeachtlichkeit Fehler in der Beteiligung der Öffentlichkeit sind allerdings nicht unbegrenzt von Bedeutung. Das gilt zunächst in der Reichweite der Bekanntmachung. Nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 Alt. 2 BauGB ist ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB unbeachtlich, wenn bei Anwendung dieser Vorschrift einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben.31 Ist überhaupt auf das Vorliegen von Umweltinformationen etwa im Umweltbericht hingewiesen worden, dann müssen fehlende weitergehende Angaben zu den jeweiligen Arten von umweltbezogenen Informationen unbeachtlich sein. Anderenfalls würde gefordert, dass die Angaben über die vorliegenden Arten von umweltbezogenen Informationen weitgehend vollständig sein müssten. Die Fehler in der Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung können auch insgesamt bedeutungslos werden. Da es sich um Verfahrensanforderungen handelt, sind Mängel, die nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans geltend gemacht worden sind, nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich. Danach werden eine nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Für Bebauungspläne, deren Bekanntmachung länger als ein Jahr zurückliegt, ist der vorgenannte Fehler einer unzureichenden Offenlagebekanntmachung daher unbeachtlich, wenn er nicht fristgerecht geltend gemacht worden ist. Dies dürfte auch europarechtlich halten, da es gegenteilige Vorschriften in den erwähnten EG-Richtlinien nicht gibt. Insbesondere existiert keine europarechtliche Regelung, wonach nach Ablauf entsprechender Fristen Bekanntmachungsfehler zur förmlichen Offenlage gleichwohl weiterhin zu beachten sind, also sozusagen zu „Ewigkeitsfehlern“ führen. Die betroffene Öffentlichkeit muss nach dem europarechtlichen Richtlinienrecht Rechtsschutzmöglichkeiten gegen UVP-pflichtige Planungen und Zulassungsentscheidungen haben. Diese Rechtsschutzmöglichkeiten können aber zeitlich begrenzt sein, sodass nach Ablauf der Fristen der Rechtsakt sozusagen „Bestandskraft“ erlangen kann und nicht „ewig“ beklagt werden kann und sozusagen „in der Luft“ hängt. Das BVerwG hatte zwar einen Vorlagebeschluss gefasst, um die Europarechtskonformität des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vor dem EuGH klären zu lassen.32 Das Verfahren hat sich jedoch ohne Klärung der Rechtsfrage erledigt.

31 W. Erbguth, Rechtsschutzfragen und Fragen der §§ 214 und 215 BauGB im neuen Städtebaurecht, DVBl. 2004, 802. 32 BVerwG, Beschl. v. 14. 3. 2017 – 4 CN 3.16, DVBl. 2019, 767 m. Anm. B. Stüer.

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Auch muss ein sich abzeichnendes Bröckeln der Kausalitätsanforderungen, wonach Verfahrensfehler nur erheblich sind, wenn sie sich auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt haben (können)33, verhindert werden. Und die aus der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL abgeleiteten Überlegungen zu einer Popularklage34 könnte am Ende einschneidende Wirkungen haben und nicht nur die Planung von Großprojekten vor größere Schwierigkeiten stellen. V. Anforderungen des UVPG, des BImSchG und des VwVfG Folgerichtig werden bei der Zulassung von UVP-pflichtigen Vorhaben, im Planfeststellungs- und im Immissionsschutzrecht derartige Anforderungen an die Auslegungsbekanntmachung vom Gesetzgeber auch nicht gestellt. Bei der Beteiligung der Öffentlichkeit sind vom Träger eines UVP-pflichtigen Vorhabens die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens vorzulegen (§ 16 UVPG). Bei der öffentlichen Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens nach § 9 Abs. 1 UVPG hat die zuständige Behörde über die Antragsunterlagen, die Feststellung der UVP-Pflicht, die zuständigen Behörden, die Art einer möglichen Entscheidung, die Angabe der Unterlagen nach § 16 UVPG, den Zeitraum der Offenlage und über weitere Einzelheiten zum Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung zu unterrichten (§ 19 UVPG). Die Offenlage selbst bezieht sich auf die Unterlagen nach § 16 UVPG (UVP-Bericht) sowie die der Behörde vorliegenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen betreffend das Vorhaben. Nachträglich eingehende entscheidungserhebliche Informationen sind der Öffentlichkeit nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen (§ 19 Abs. 3 UVPG). In der Planfeststellung haben die Gemeinden den Plan für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen (§ 73 Abs. 3 VwVfG). Der Plan besteht aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen (§ 73 Abs. 2 S. 2 VwVfG). Die Auslegung ist vorher ortsüblich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo und in welchem Zeitraum der Plan zur Einsicht ausliegt, dass Einwendungen fristgemäß vorgebracht werden müssen, beim Ausbleiben eines Beteiligten im Erörterungstermin auch ohne ihn verhandelt werden kann und die Benachrichtigung über den Erörterungstermin ggf. auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen kann (§ 73 Abs. 5 VwVfG).35

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Dazu bereits grundlegend die Nachw. in Fn. 29. B. Stüer/B. Garbrock, Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a BauGB (nur) bei Wahrung der Umweltprüfungspflichten europarechtskonform, zu EuGH, Urt. v. 18. 4. 2013 – C-463/11, DVBl. 2013, 777. 35 W. Erbguth, Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Deregulierung im Planfeststellungsverfahren, UPR 1999, 41. 34

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Im Immissionsschutzrecht ist für genehmigungsbedürftige Anlagen das Vorhaben nach Vollständigkeit der Unterlagen öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen sowie die der Behörde vorliegenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen (§ 10 Abs. 3 BImSchG). In der Bekanntgabe ist auf Ort und Zeitraum der Auslegung, die bestehende Einwendungsmöglichkeit und deren Ausschlusswirkung bei nicht rechtzeitig erhobenen Einwirkungen, den Erörterungstermin und die Bekanntmachung der Entscheidungen über Einwendungen hinzuweisen (§ 10 Abs. 4 BImSchV).36 Keine dieser Vorschriften verlangt allerdings, dass „die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammengefasst und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig charakterisiert“ werden, wie es das Bundesverwaltungsgericht für die Auslegungsbekanntmachung bei der Öffentlichkeitsbeteiligung in der Bauleitplanung für erforderlich hält, und auch nicht, dass die Umweltinformationen „in Schubladen gepresst“ oder „auf Flaschen gezogen“ werden, wie es der unvergessene ehemalige Präsident des Bundesverwaltungsgericht Horst Sendler einmal zum Umgang einiger Planungsrechtler mit dem Abwägungsgebot bewundernd ausgedrückt hat.37 VI. Fachplanungsrecht Ob die Schutznormtheorie nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. 10. 2015 wirklich aus dem Schneider ist oder doch noch einige Blessuren zu erwarten sind, ist wohl noch nicht abschließend geklärt.38 Das alles soll nun durch einen Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts39 vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu u. a. Vorlagefragen formuliert: 1. Ist Art. 11 Abs. 1 Buchst. b) der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 12. 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – im Folgenden: UVP-RL – dahin auszulegen, dass mit ihm eine Vorschrift des nationalen Rechts vereinbar ist, nach der ein Kläger, der keine anerkannte Umweltvereinigung ist, die Aufhebung einer Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers nur verlangen kann, wenn der Verfahrens36

W. Erbguth, Die Verzahnung der integrativen Elemente von IVU- und UVP-ÄnderungsRichtlinie, ZUR 2000, 379. 37 H. Sendler, Die Entwicklung des Umweltschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, UPR 1991, 241; H.-W. Rengeling/B. Stüer, Werner Hoppe 70 Jahre – Geleitwort für das DVBl.-Sonderheft 2000, 837. 38 EuGH, Urt. v. 15. 10. 2015 – C -137/14, DVBl. 2015, 1514, m. Anm. B. Stüer, 1522. 39 BVerwG, EuGH-Vorlagebeschluss und Hinweisbeschluss v. 25. 4. 2018 – 9 A 16.16 – (Zubringer A 33/B 61 – Bielefeld-Ummeln), Rs. C-535/18, DVBl. 2018, 1418, m. Anm. B. Stüer/E.-M. Stüer, DVBl. 2018, 1432.

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fehler ihm selbst die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat? 2. a) Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) Ziff. i – iii der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2014/101/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 10. 2014 (ABl. Nr. L 311 S. 32) – im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) – dahin auszulegen, dass er nicht nur einen materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab, sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das behördliche Zulassungsverfahren beinhaltet? b) Falls die Frage a) zu bejahen ist: Muss sich die Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 UVP-RL stets zwingend auf die Unterlagen zur wasserrechtlichen Prüfung im vorgenannten Sinne beziehen oder ist eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage und deren Komplexität zulässig? 3. Ist der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Grundwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. i WRRL dahin auszulegen, dass eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers vorliegt, sobald mindestens eine Umweltqualitätsnorm für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird, und dass unabhängig davon dann, wenn für einen Schadstoff der maßgebliche Schwellenwert bereits überschritten ist, jede weitere (messbare) Erhöhung der Konzentration eine Verschlechterung darstellt? 4. a) Ist Art. 4 WRRL – unter Berücksichtigung seiner verbindlichen Wirkung (Art. 288 AEUV) und der Garantie wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 EUV) – dahin auszulegen, dass alle Mitglieder der von einem Vorhaben betroffenen Öffentlichkeit, die geltend machen, von der Genehmigung des Vorhabens in ihren Rechten verletzt zu sein, auch befugt sind, Verstöße gegen das wasserrechtliche Veungsverbot und das Verbesserungsgebot gerichtlich geltend zu machen? Falls die Frage a) zu verneinen ist: Ist Art. 4 WRRL – unter Berücksichtigung seiner Zielsetzung – dahin auszulegen, dass jedenfalls solche Kläger, die in räumlicher Nähe zur geplanten Straßentrasse Hausbrunnen zur privaten Wasserversorgung unterhalten, befugt sind, Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot gerichtlich geltend zu machen? Die Vorlagefragen gehen deutlich über die Frage der notwendigen Reichweite der Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus und erfassen vor allem auch rechtsgrundsätzliche Fragestellungen des Europarechts, die am Luxemburger Kirchberg zu klären sein werden. Das wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Ein wichtiger Teilbereich ist dabei allerdings auch die Frage, welche Bedeutung die Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren der Planaufstellung hat und von welchen Gruppen derartige Fehler gerügt werden können.

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1. Rechtsschutzpyramide Eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist nach deutschem Prozessrecht nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eine Anfechtungsklage ist nur begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht bei Spruchreife die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Schutznormtheorie begrenzt die Zulässigkeit auf mögliche eigene Rechtsbetroffenheiten und die Begründetheit auf tatsächliche eigene Rechtsverletzungen des Klägers. Auch die Beschränkung der Begründetheitsprüfung auf die eigenen Rechte der betroffenen Öffentlichkeit ist europarechtskonform. 2. Keine Popularklage Die Schutznormtheorie des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes40 hat es im Anschluss an das Altrip-Urteil41 doch noch einmal geschafft, sollte man meinen. Aber ist das wirklich so oder kann sich die betroffene Öffentlichkeit ganz allgemein auf Verfahrensfehler berufen, die etwa in der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung anderer Teile der Öffentlichkeit liegen? Das Bundesverwaltungsgericht hat dies bisher stets verneint42 und es bleibt auch jetzt bei dieser Ansicht. Aus dem Bereich der privaten Kläger können sich nur die von enteignungsrechtlichen Vorwirkungen betroffenen Eigentümer auch auf die Verletzung von öffentlichen Belangen berufen, soweit die Auswirkungen des Vorhabens sie betreffen.43 Die nur mittelbar betroffene Öffentlichkeit kann sich demgegenüber nur in der Reichweite der eigenen Rechtsverletzung auf Fehler der Planfeststellung berufen.44 Das Bundesverwaltungsgericht stellt überzeugend dar, dass diese grundlegenden Strukturelemente des deutschen Verwaltungsprozessrechts auch europafest sind. Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil zum Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland45 die Schutznormtheorie als europarechtskonform bezeichnet hat, dann muss die Begrenzung auf die jeweils eigene Rechtsverletzung auch dann gelten, wenn nicht Beteili40

B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 5973. EuGH, Urt. v. 7. 11. 2013 – C-72/12, DVBl. 2013, 1597, m. Anm. B. Stüer/E.-M. Stüer, DVBl. 2013, 1601. 42 BVerwG, Urt. v. 31. 7. 2012 – 4 A 5000.11 u. a. – BVerwGE 144, 1 – Flugroutenplanung BBI; S. Gatz, jurisPR-BVerwG 1/2013 Anm. 3 Flugroutenplanung BBI; BVerwG, Urt. v. 12. 11. 2014 – 4 C 34.13 – BVerwGE 150, 294 – Wannsee-Route; BVerwG, Urt. v. 21. 11. 2013 – 7 A 28.12 – (Eisenbahnstrecke Oldenburg/Wilhelmshaven PFA 2 und 3) m. Anm. E.-M. Stüer, DVBl. 2013, 1108. 43 BVerwG, Urt. v. 18. 3. 1983 – 4 C 80.79 – BVerwGE 67, 74. 44 BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1975 – IV C 21.74 – BVerwGE 48, 56 – B 42. 45 EuGH, Urt. v. 15. 10. 2015 – C 137/14, DVBl. 2015, 1514. 41

Planreparatur von Fehlern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung

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gungsrechte des betroffenen Klägers, sondern andere Teile der Öffentlichkeit verletzt sind. Anderenfalls würde aus dem Erfordernis einer eigenen Rechtsverletzung eine nahezu grenzenlose Popularklage, die das Europarecht gerade nicht vorschreibt. 3. Bestandskraft beendet Klagemöglichkeiten Planfeststellungsbeschlüsse wachsen in Bestandskraft, soweit sie von den Planbetroffenen nicht rechtzeitig oder im Ergebnis erfolglos angefochten worden sind.46 Rechtsverletzungen des Verfahrensrechts aber auch des materiellen Rechts können von den derart Planbetroffenen nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden. Selbst Verbände, denen gegenüber der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig geworden ist, können auf den Zug eines gerichtlichen Rechtsschutzes nicht wieder aufspringen. Auch ein Urteil, mit dem feststellt wird, dass ein Planfeststellungsbeschluss wegen eines behebbaren Mangels (§ 75 Abs. 1a Abs. 2 VwVfG) rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf, wirkt nur zwischen den Beteiligten. Im Verhältnis zu anderen Planbetroffenen erweist sich der feststellende Ausspruch grundsätzlich als bloßer Rechtsreflex, der die ihnen gegenüber eingetretene Bestandskraft unberührt lässt.47 4. Allgemeiner Neustart der Öffentlichkeitsbeteiligung ohne anschließende Klagerechte? Könnte sich der lediglich mittelbar Betroffene auch auf die Verletzung etwa der Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit berufen, obwohl er selbst ordnungsgemäß beteiligt worden ist, hätte das zur Folge, dass der Beteiligungsfehler ggf. erst durch eine Wiederholung der gesamten Öffentlichkeitsbeteiligung geheilt werden könnte. Solche Auswirkungen könnten sich bereits jetzt für eine erfolgreiche Rüge der Verbände ergeben (§ 4 UmwRG).48 Die betroffene Öffentlichkeit hätte jedoch keine erneuten Klagerechte, soweit ihr gegenüber der Planfeststellungsbeschluss bereits bestandskräftig geworden ist. Es müsste also eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden, ohne dass dies für die Öffentlichkeit mit sich darauf beziehenden Rechtsschutzmöglichkeiten verbunden wäre. Auch eine nach einer erneuten Offenlage ggf. erforderlich werdende Planreparatur könnte nur von den

46 Zum System der Fachplanungen W. Erbguth, in: ders./Oebbecke/Rengeling/Schulte (Hrsg.), FS W. Hoppe, 2000, 631. 47 BVerwG, Beschl. v. 4. 7. 2012 – 9 VR 6.12, DVBl. 2012, 1163, m. Anm. B. Stüer, Urteil zur Nichtvollziehbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses wirkt nur zwischen den Parteien, DVBl. 2012, 1164 – A 44 Ratingen/Velbert, im Anschluss an Beschl. v. 22. 9. 2005 – 9 B 13.05, DVBl. 2005, 1599. 48 S. Schlacke, Bedeutung von Verfahrensfehlern im Umwelt- und Planungsrecht – unter besonderer Berücksichtigung des Gesetzesentwurfs zum UmwRG vom 5. 9. 2016, UPR 2016, 478; dies., Die Novelle des UmwRG 2017, NVwZ 2017, 905.

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erfolgreich geklagt habenden Verbänden auf den gerichtlichen Prüfstand gestellt werden. Wollte man den Klageweg für die betroffene Öffentlichkeit insgesamt erneut eröffnen, würde wohl die gesamte, auf die Verletzung eigener Rechte zugeschnittene Rechtsschutzpyramide zum Einsturz gebracht. Dann könnte wohl nur dadurch gegengesteuert werden, dass die gerichtliche Kontrolle bei der inhaltlichen Überprüfung der Behördenentscheidungen besonders im Bereich der doch recht verästelten Abwägungsfehlerlehre zurückgenommen würde und größere behördliche Entscheidungsspielräume eingeräumt würden.49 VII. Mängel der Öffentlichkeitsbeteiligung sind keine „Ewigkeitsfehler“ Ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung fehlerhaft, so kann diese durch die Fortsetzung des Planungs- oder Zulassungsverfahrens beginnend mit dem Verfahrensschritt, bei dem der Fehler aufgetreten ist, wiederholt werden. Dabei ist – um es mit einem Bilde auszudrücken – die Weste bis zu dem Knopf wieder aufzuknöpfen, an dem der Fehler aufgetreten ist.50 War die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung fehlerhaft, so wäre an dieser Stelle das ergänzende Verfahren anzusetzen und die Öffentlichkeitsbeteiligung zu wiederholen. Dieser Grundsatz wird allerdings im Sinne einer stärkeren Verbindlichkeit der Planung sowohl in der Bauleit- als auch in der Fachplanung eingeschränkt: In der Bauleitplanung ist der Fehler in der Öffentlichkeitsbeteiligung unbeachtlich, wenn er nicht innerhalb von einem Jahr seit Bekanntmachung des Bauleitplans schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt worden ist (§ 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB). In der Planfeststellung kann der Fehler nur von den Verbänden, die eine zulässige Klage erhoben haben, oder denjenigen gerügt werden, die durch die Entscheidung in ihren eigenen Rechten betroffen sind. Andere Teile der Öffentlichkeit, die nicht rechtzeitig einen Rechtsschutz gesucht haben, verfügen über solche Möglichkeiten nicht, weil ihnen gegenüber der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig geworden ist. Auch können die Betroffenen jeweils nur die eigene fehlerhafte Beteiligung rügen, nicht aber verlangen, dass andere Teile der betroffenen oder gar der allgemeinen Öffentlichkeit ordnungsgemäß beteiligt werden. Die europarechtlichen Vorgaben gewähren der betroffenen Öffentlichkeit zwar Rechtsschutzmöglichkeiten, sichern dieselben aber nicht, wenn der Rechtsweg nicht beschritten worden ist oder es sich um Betroffenheiten handelt, die nicht zu den eigenen Rechten der Rechtsschutzsuchenden gehören. Vielleicht kann man mit einer solchen moderaten, Umweltbelange einbeziehenden Methode durchaus gewagte Moorspaziergänge51, vor denen der Jubilar ja ebenso 49

Überzeugend E. Hien, Quo vadis, Umweltrechtsschutz?, DVBl. 2018, 1029. B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 1422. 51 W. Erbguth, Moor als Biotop – Moor als Waldbestandteil, NuR 2016, 801. 50

Planreparatur von Fehlern bei der Öffentlichkeitsbeteiligung

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wie vor Höchstspannungsleitungen52, dem Bauen auf dem Wasser53, einem integrierten Küstenzonenmanagement54 oder Ratschlägen zu einer maritimen55 oder gar unterirdischen Raumordnung56, zu kontextsensitiven Registerfunktion sowie Reisen durch die Lüfte57 selbst bei umweltrechtlichem Gegenwind58, dem Transrapid59, einem Ausflug mit dem juristischen Geländewagen durch die nordrhein-westfälischen Braunkohlenreviere60 oder vor sich auftürmendem Hausmüll61 bekanntlich nicht zurückschreckt, einigermaßen unbeschadet überstehen.

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W. Erbguth, Trassensicherung für Höchstspannungsleitungen, DVBl. 2012, 325. W. Erbguth, Bauen auf dem Wasser – Zulässigkeitsanforderungen an die Errichtung von schwimmenden und pfahlgestützten Häusern, BauR 2006, 454; W. Erbguth/M. Schubert, Gesamtplanerische Steuerung von Bauvorhaben auf dem Wasser – am Beispiel schwimmender Ferien- und Wochenendhäuser in Küsten- und Binnengewässern –, UPR 2006, 51. 54 W. Erbguth, Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) und deutsche Küstenbundländer – rechtlicher Untersuchungsbedarf, NuR 2005, 757. 55 W. Erbguth, Maritime Raumordnung – Entwicklung der internationalen, supranationalen und nationalen Rechtsgrundlagen, DÖV 2011, 373; ders., Europarechtliche Vorgaben für eine maritime Raumordnung: Empfehlungen, NuR 2012, 85. 56 W. Erbguth, Zulassungsverfahren des Bergrechts und Raumordnung – am Beispiel der Aufsuchung und Gewinnung von Kies und Sand in den neuen Bundesländern, VerwArch. 87 (1996), 258; ders., Unterirdische Raumordnung – zur raumordnungsrechtlichen Steuerung untertägiger Vorhaben, ZUR 2011, 121. 57 W. Erbguth, Luftverkehr und Raumordnung – am Beispiel der Flughafenplanung, NVwZ 2003, 144. 58 W. Erbguth, Umweltrecht im Gegenwind: die Beschleunigungsgesetze, JZ 1994, 477. 59 W. Erbguth, Der Transrapid: Planungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfung, NVwZ 1997, 116. 60 W. Erbguth, Die nordrhein-westfälische Braunkohlenplanung und der Parlamentsvorbehalt, VerwArch. 86 (1995), 327. 61 W. Erbguth, Informale Standortsuche für eine Hausmülldeponie und Abwägungsgebot – anhand eines praktischen Beispiels, NuR 1992, 262. 53

Die Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung im deutschen Raumordnungsrecht Von Susan Grotefels I. Das Erfordernis einer Staatsgrenzen überschreitenden Raumordnung Deutschland grenzt auf 3700 km an 9 Nachbarstaaten an. Das bedeutet, dass 10 der 16 Bundesländer Außengrenzen haben, sechs davon haben sogar zwei Außengrenzen. Fast 30 % der deutschen Bevölkerung leben in einer Entfernung von bis zu 50 km zu einer Staatsgrenze.1 Grenzen bedeuten oft auch Sprachbarrieren,2 unterschiedliche Kulturen oder Verwaltungs- und Planungssysteme,3 die eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Nachbarstaaten erschweren. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland war es dennoch insbesondere der Wirtschaftsverkehr mit den anderen europäischen Ländern, der eine engere Zusammenarbeit mit den angrenzenden Staaten erforderte. Das Schengener Abkommen mit der Abschaffung von Grenzkontrollen, die vier Grundfreiheiten nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),4 die Währungsunion, aber auch viele bilaterale Abkommen, wie z. B. das Anholter Abkommen,5 haben zur europäischen In1 A. Hartz/G.-R. Damm/S. Köhler, Großräumige grenzüberschreitende Verflechtungsräume, RuR 2010, 499 (500); D. Gebhardt/R. Kawka, Grenzen unwirksamer machen, IzR 2018, 143 (144). 2 Dazu u. a. M. Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 360 f.; BBSR, Raumordnungsbericht 2017, Daseinsvorsorge sichern, S. 55. 3 B. Caesar/K. Pallagst, Entwicklungspfade der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Status quo, in: Pallagst/Hartz/Caesar (Hrsg.), Arbeitsberichte der ARL, Bd. 20, 2018, S. 12 (23). 4 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in der konsolidierten Fassung des Vertrags von Lissabon v. 13. 12. 2007 (ABl. 2010 Nr. C 83 S. 47; BGBl. 2008 II S. 1038; BGBl. 2009 II S. 1223; BGBl. 2013 II S. 291; ber. BGBl. 2014 II S. 864; EZ-Dok.-Nr. I 1957 E, zul. geänd. durch Art. 2 ÄndB 2012/419/EU v. 11. 7. 2012, ABl. Nr. I 204 S. 131). 5 Abkommen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, dem Land Niedersachsen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und anderen Stellen v. 23. Mai 1991, BGBl. II 1993, S. 842; D. Storbeck, Grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit, 2016, S. 145 ff.; M. Kotzur, Grenznachbarschaftliche Zusammenarbeit in Europa, 2004, S. 184 ff.; S. Grotefels, Gemeinsame grenzüberschreitende Regionalplanung zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen, 1992, S. 31 ff.; T. Spiegels, Grenzüberschreitende Regionalplanung zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden, Rechtsvergleich und Realisierungsmöglichkeiten, 2000, S. 122 ff.

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tegration und zum Abbau der Grenzwirkungen beigetragen.6 Wenn auch durch Flüchtlingskrise oder Brexit plötzlich die staatliche Souveränität wieder betont wird, so lösen trotzdem die über viele Jahre entstandenen Verflechtungsräume über die Grenzen hinweg7 weiterhin ein Bedürfnis nach engerer Kooperation gerade auch im Bereich der grenzüberschreitenden Raumordnung aus.8 Ging es in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu ihren Nachbarstaaten bei der Raumplanung in den Grenzregionen noch vorwiegend um die Schaffung transnationaler Verkehrswege oder die Abwehr emitierender Anlagen,9 so sind heute alle allgemeinen Herausforderungen, wie z. B. die Daseinsvorsorge, Klimaschutz und Klimaanpassung, die Energiewende, der zu hohe Flächenverbrauch, auch grenzüberschreitend von der Raumordnung zu bewältigen.10 Dafür reicht es nicht immer aus, die grenzüberschreitenden Auswirkungen der nationalen Raumordnung in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen, sondern es bedarf einer engeren Kooperation mit den angrenzenden Staaten. So besteht auch eine größere Chance, die Lebensqualität und die Entwicklungsmöglichkeiten in den Grenzregionen zu beeinflussen.11 Eine Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung kann sowohl in einer gemeinsamen Planung mehrerer Staaten als auch in einer unterschiedlich ausgestalteten Beteiligung der Nachbarstaaten bei der Aufstellung nationaler sich grenzübergreifend auswirkender Raumordnungspläne zum Ausdruck kommen.12 Spätestens seit Erlass des ersten Raumordnungsgesetzes 196513 gibt es immer mal wieder Bestrebungen, gemeinsame Raumordnungspläne mit den Nachbarstaaten aufzustellen oder zumindest die Beteiligungsmöglichkeiten zu intensivieren. So sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung mehrfach Gegen-

6 B. Caesar/K. Pallagst (o. Fn. 3), S. 12 f.; Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Raumbeobachtung Deutschland und angrenzende Regionen. MORO Praxis Heft 11, 2017, S. 18. 7 MKRO, Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland v. 9. 3. 2016, S. 5; BMVBS, Initiativkreis deutscher Regionen in grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen, Abschlussbericht (MORO), 2013; A. Hartz/G.-R. Damm/S. Köhler, RuR 2010, 499 ff.; vgl. z. B. zum deutsch-polnischen Verflechtungsraum: D. Gebhardt/R. Kawka, IzR 2018, 143 (149). 8 W. Moersch, Stand und Perspektiven grenzüberschreitender Raumordnung, BayVBl. 2004, 40 f.; S. Grotefels (o. Fn. 5), S. 1. 9 M. Bothe, Rechtsprobleme grenzüberschreitender Planung, AöR 102 (1977), 68 ff.; J. Martinez, Die grenzüberschreitende Raumordnung unter europäischem Integrationsdruck, ZUR 2005, 337 (338); W. Moersch, BayVBl. 2004, 40 (41). 10 B. Caesar/K. Pallagst (o. Fn. 3), S. 12 (13); T. Pleiner, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 24 Rn. 49; zur Daseinsvorsorge BBSR, Raumordnungsbericht 2017 – Daseinsvorsorge sichern, S. 55. 11 D. Gebhardt/R. Kawka, IzR 2018, 143 (144). 12 T. Pleiner, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 24 Rn. 44 m.w.N.; zum Begriff der Grenze Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (o. Fn. 6), 12 ff. 13 Gesetz v. 8. 4. 1965, BGBl. I S. 306.

Die Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung

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stand der Forschung im Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster14 gewesen, in dem Professor Dr. Wilfried Erbguth die Grundsteine seiner umfangreichen Forschungsarbeit gelegt15 und die Arbeit des Instituts unter der damaligen Leitung von Professor Dr. Werner Hoppe über mehrere Jahre wesentlich geprägt hat. Im geltenden Raumordnungsgesetz16 ist für die Raumordnungspläne zumindest das Erfordernis einer grenzüberschreitenden Beteiligung mittlerweile umfänglich geregelt (§ 9 Abs. 4, § 10 Abs. 4, § 17 und § 25 ROG).17 Der Jubilar hat sich an den aktuelleren Diskussionen im Bereich der Staatsgrenzen überschreitenden Raumordnung insbesondere mit Blick auf die maritime Raumordnung mehrfach, auch kritisch, zu Wort gemeldet.18 Zunächst gilt es, die Staatsgrenzen überschreitende Raumordnungsplanung von der Ländergrenzen überschreitenden Regionalplanung im Sinne des § 13 Abs. 3 ROG abzugrenzen. Nach dieser Vorschrift soll eine gemeinsame Regionalplanung im gegenseitigen Einvernehmen erwogen werden, wenn eine Planung angesichts bestehender Verflechtungen, insbesondere in einem verdichteten Raum, über die Grenzen eines Landes hinaus erforderlich ist. Diese Regelung betrifft dementsprechend im Gegensatz zur Staatsgrenzen überschreitenden Beteiligung von Nachbarstaaten, die sich auf alle Arten von Raumordnungsplänen bezieht, explizit nur die Regionalplanung und diese ausschließlich über die Grenzen der Bundesländer hinweg. Allerdings ermächtigt die Regelung, wenn auch seit der letzten Novellierung des Raum-

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R. Bleicher, Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung und Landesplanung, 1981; S. Grotefels (o. Fn. 5); W. Hoppe/W. Appold (Hrsg.), Juristische Möglichkeiten für eine gemeinsame grenzüberschreitende Regionalplanung, Wissenschaftliche Beiträge zum 25jährigen Bestehen der Deutsch-Niederländischen Raumordnungskommission, 1993; T. Spiegels (o. Fn. 5). 15 Genannt seien hier nur W. Erbguth, Immissionsschutz und Landesplanung. Aktuelle Fragen im Verhältnis beider Rechtsgebiete, 1982; ders., Raumbedeutsames Umweltrecht. Systematisierung, Harmonisierung und sonstige Weiterentwicklung, 1986. W. Erbguth ist noch heute beratendes Vorstandsmitglied des ZIR. 16 Raumordnungsgesetz (ROG) v. 22. 12. 2008, BGBl. I S. 2986, zul. geänd. durch Art. 2 Abs. 15 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung v. 20. 7. 2017, BGBl. I S. 2808. 17 Vgl. auch zur grenzüberschreitenden Beteiligung bei Raumordnungsverfahren § 15 Abs. 3 S. 6 ROG, der im Gegensatz zu den Beteiligungsregelungen für die Planaufstellung das „Ob“ der Beteiligung der Nachbarstaaten noch heute auf die völkerrechtlichen Grundsätze der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit beruft. Der Grundsatz der Gegenseitigkeit fordert, dass beiderseits der Grenze ein ähnliches Verfahren stattfindet. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit verlangt auch eine inhaltliche Vergleichbarkeit. Näher dazu M. Kment, Grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben und Planungen – eine Analyse, NuR 2012, 321 (323, Fn. 22 m.w.N.); A. Dietz, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 15 Rn. 77 f. m.w.N. Vgl. zur raumordnerischen Zusammenarbeit im Hinblick auf grenzübergreifende Belange T. Pleiner, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 14 Rn. 6, 22. 18 W. Erbguth u. a. in ARL, Maritime Raumordnung, Forschungsberichte, Bd. 1, 2013, S. 47 ff.; ders., Perspektiven der Raumordnung in Europa, RuR 2011, 359 ff.; ders., Europarechtliche Vorgaben für eine maritime Raumordnung, NuR 2012, 85 (90).

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ordnungsgesetzes in abgeschwächter Form,19 ebenfalls zu einer verbindlichen gemeinsamen Ländergrenzen überschreitenden Regionalplanung und nicht nur zur verfahrensrechtlichen Beteiligung der anderen Bundesländer.20 Im Folgenden wird aufgezeigt, dass das geltende deutsche Recht heute mit Blick auf die Staatsgrenzen überschreitende Zusammenarbeit bei der Raumordnung diesund jenseits der Grenzen zwar unterschiedliche Beteiligungsformen vorgibt, die Idee der verbindlichen gemeinsamen grenzübergreifenden Planung trotz der verbesserten Fördermaßnahmen auf europäischer Ebene,21 z. B. durch die INTERREG -Programme für die europäische territoriale Zusammenarbeit, jedoch in weite Ferne gerückt ist. II. Die Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung im geltenden Recht Die geltenden Regelungen zur Staatsgrenzen überschreitenden Beteiligung bei der Raumordnung sind zunächst in den Kontext der allgemeinen Vorschriften des Raumordnungsgesetzes zu stellen. 1. Anwendungsbereich des Raumordnungsgesetzes Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ROG sind die Aufgaben der Raumordnung auf den „Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume“ und damit auf den Anwendungsbereich des Grundgesetzes beschränkt. Seit der Änderung des Raumordnungsgesetzes durch das EAG Bau 200422 ist allerdings die Regelung des heutigen § 1 Abs. 4 ROG23 eingeführt worden, die klarstellt, dass Raumordnung auch in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone stattfindet. Die Außenwirtschaftszone (AWZ) ist das Gebiet zwischen der 12-Meilen-Seezone (Küstenmeer) und der 200-Seemeilen-Grenze (Art. 55, 57 SRÜ)24 und liegt somit außerhalb des Gesamtraums der Bundesrepublik Deutschland. Mit den Verordnungen vom 21. 9. 200925 für die Nordsee und vom 10. 12. 200926 für die Ostsee hat der Bund auf der Grundlage des § 18 a ROG 2004 (jetzt § 17 Abs. 1 ROG) für die deutsche AWZ 19 S. Grotefels, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 13 Rn. 76; P. Runkel, in: Bielenberg/ Runkel/Spannowsky, Bd. 2, Kommentar, J 690, Stand: 1/17, S. 11. 20 S. Grotefels, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 13 Rn. 86. 21 J. Martinez, ZUR 2005, 337 (340 ff.); A. Hartz/G.-R. Damm/S. Köhler, RuR 2010, 499 (501 f.); W. Spannowsky, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 158 f.; R. Knippschild, Kooperation, grenzüberschreitende, in: ARL (Hrsg.), Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung, 2018, Anm. 5. 22 Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) v. 24. 6. 2004, BGBl. I S. 1359. 23 § 1 Abs. 1 S. 3 ROG 2004. 24 E. Hofmann, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 1 Rn. 37 m.w.N. 25 BGBl. I S. 3107. 26 BGBl. I S. 3861.

Die Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung

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Raumordnungspläne erlassen, denen eine umfangreiche internationale Zusammenarbeit vorausgegangen war.27 2. Grundsatz zum europäischen Zusammenhalt und zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 ROG, der mit dem gleichlautenden Wortlaut in das Raumordnungsgesetz 200828 eingeführt wurde, sind die räumlichen Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Europäischen Union und im größeren europäischen Raum sowie für den Ausbau und die Gestaltung der transeuropäischen Netze zu gewährleisten. Raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Europäischen Union und der europäischen Staaten ist Rechnung zu tragen (Satz 2). Nach Satz 3 sind die Zusammenarbeit der Staaten und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Städte und Regionen zu unterstützen. Dieser Grundsatz der Raumordnung i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG war mit dem Raumordnungsgesetz 2008, anknüpfend an die Leitbilder der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 30. 6. 2006,29 erweitert worden in Bezug auf die transeuropäischen Netze (Satz 1) sowie um Satz 2 und insbesondere um Satz 3 zur Staatsgrenzen überschreitenden Zusammenarbeit.30 In § 24 Abs. 3 ROG wird klargestellt, dass diese Aufgabe von Bund und Ländern gemeinsam wahrzunehmen ist.31 Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die europäische Dimension bereits im ersten Raumordnungsgesetz 1965 eine ähnlich bedeutende Stellung einnahm. So lautete die Leitvorstellung des § 1 Abs. 3 ROG 1965: „Die Raumordnung im Bundesgebiet hat die räumlichen Voraussetzungen für die Zusammenarbeit im europäischen Raum zu schaffen und sie zu fördern.“ Diese damals einzige raumordnungsrechtliche Regelung zur europäischen Zusammenarbeit wurde in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 8 ROG 1998 und in § 18 ROG 1998 für die Raumordnung des Bundes dahingehend geändert, dass sie den Zusammenhalt in der Europäischen Ge27 E. Hofmann, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 1 Rn. 37 m.w.N. Vgl. zur maritimen Raumordnung: W. Erbguth, Raumordnungspläne für die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone – Inhalte und rechtliche Beurteilung, UPR 2011, 207; ders., Maritime Raumordnung, DÖV 2011, 373 ff.; ders./C. Müller, Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone?, DVBl. 2003, 625; ARL, Maritime Raumordnung (o. Fn. 18); M. Schubert, Maritimes Infrastrukturrecht, 2015, S. 128 ff.; S. Schiedermaier, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, Einleitung D, Rn. 41; siehe unten III. 28 Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) v. 22. 12. 2008, BGBl. I S. 2986. 29 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland, 2006, S. 9 ff. 30 B. Kümper, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 2 Rn. 26; W. Spannowsky, in: Spannowsky/ Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 154 ff. 31 T. Pleiner, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 24 Rn. 43 ff.; A. Milstein, Territorialer Zusammenhalt und Daseinsvorsorge – Grundlagen des europäischen Raumentwicklungsrechts, 2016, S. 385.

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meinschaft und im größeren europäischen Raum ansprach, also nicht mehr nur auf die EU-Staaten begrenzt war. Im Gesetzgebungsverfahren für das ROG 2008 wurde allerdings betont, dass der Europäischen Union keine eigene Raumordnungskompetenz zukomme. Diese liege allein bei den Mitgliedstaaten.32 Die Leitvorstellung, die damals z. B. § 3 LEPro NRW33 konkretisierte, wurde aber schon früh als eine Verpflichtung ausgelegt zur grenzüberschreitenden Abstimmung aller planerischen Maßnahmen über die Staatsgrenze hinweg, wenn nicht gar zu einer grenzüberschreitenden Entwicklungskonzeption oder Planung.34 3. Regelungen der grenzüberschreitenden Beteiligung Das Raumordnungsgesetz enthält derzeit im Wesentlichen Regelungen zur grenzüberschreitenden Beteiligung einerseits der Nachbarstaaten bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen in Deutschland (§ 9 Abs. 4, § 10 Abs. 4, § 17 ROG) und andererseits der deutschen zuständigen Stellen und der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen der Nachbarstaaten (§ 25 ROG). Daran wird deutlich, dass die Umsetzung von Raumordnungsplänen an den Staatsgrenzen nicht endet, sondern ebenfalls in die Nachbarstaaten hineinwirken kann, sodass die Koordinierungs- und Konfliktbewältigungsfunktion der Raumordnung über die Grenzen hinaus von Bedeutung ist.35 a) Beteiligung der Nachbarstaaten bei der Aufstellung deutscher Raumordnungspläne Für den Umfang der Beteiligung der Nachbarstaaten bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen differenziert § 9 Abs. 4 ROG36 zwischen erheblichen Auswirkungen der Durchführung eines Plans auf das Gebiet eines Nachbarstaats (Satz 1 – 3) und ihren erheblichen Umweltauswirkungen auf einen Nachbarstaat (Satz 4). Es ist immer nur eines der Beteiligungsverfahren, im Zweifel das des § 9 Abs. 4 S. 4 ROG, durchzuführen.37 § 10 Abs. 4 ROG ergänzt dann § 9 Abs. 4 ROG um die Verpflich32

BT-Drs. 16/10292, S. 22. Gesetz zur Landesentwicklung – Landesentwicklungsprogramm v. 19. 3. 1974, GV. NW S. 96. 34 F. Halstenberg, Probleme grenzüberschreitender Regionalpolitik, 1971, S. 11, 14; W. Kenneweg/J. van Aerssen, Planungsrecht NRW, 1977, § 3 LEPro, Anm. 3; kritisch dazu: S. Grotefels (o. Fn. 5), S. 19, 22; vgl. zum aktuellen grenzüberschreitenden Entwicklungskonzept Oberes Moseltal https://www.saarland.de/224233.htm. 35 K. F. Gärditz, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), UVPG, § 14 Rn. 1; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 85. 36 §§ 9, 10 ROG gelten nach der Stadtstaatenklausel auch für Flächennutzungspläne, die die Funktion eines landesweiten Raumordnungsplans übernehmen, allerdings wird hier in den seltensten Fällen davon auszugehen sein, dass diese Pläne Staatsgrenzen überschreitende Auswirkungen haben werden. 37 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 70, 73. 33

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tung zur Information der zuständigen nachbarstaatlichen Behörden nach Aufstellung des Raumordnungsplans. Die Regelung des § 9 Abs. 4 ROG geht inhaltlich auf § 10 Abs. 2 ROG 2008 zurück, der die Beteiligung „eines anderen Staates“ noch explizit an den völkerrechtlichen „Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit“38 ausrichtete. Vorgängerregelungen des § 10 Abs. 2 ROG 2008 waren wiederum die §§ 7 Abs. 6 S. 2, 16 ROG 2004. Systematisch gehört § 9 ROG nun zu den allgemeinen Vorschriften über Raumordnungspläne und nicht, wie noch § 10 Abs. 2 ROG 2008, zu denen über die Raumordnung in den Ländern. Folglich gelten die §§ 9, 10 ROG für alle Raumordnungspläne des Bundes und der Länder.39 Die Sätze 1 – 3 des § 9 Abs. 4 ROG sollen die Artikel 11 und 12 der MRO-Richtlinie40 umsetzen, wonach u. a. bei der Planaufstellung mit den Anrainerstaaten zusammenzuarbeiten ist bzw. Raumordnungspläne aufeinander abzustimmen sind. Ebenfalls wird nicht nur durch die ersten drei Absätze des § 9 ROG Art. 6 der SUP-Richtlinie41 zur Konsultation, sondern speziell durch Satz 4 des § 9 Abs. 4 ROG ferner Artikel 7 der SUP-Richtlinie zur grenzüberschreitenden Konsultation umgesetzt.42 Erfreulich ist, dass zwar Grund für die Änderungen in §§ 9 f. ROG die Verpflichtung zur Umsetzung der MRO-Richtlinie war, der Gesetzgeber aber dennoch im Sinne der „Rechtsklarheit und Praktikabilität für den Anwender“43 einheitliche Regelungen zur Beteiligung für die maritime und terrestrische Raumordnung gefunden hat.44 aa) Voraussetzungen einer grenzüberschreitenden Beteiligung Die Staatsgrenzen überschreitende Beteiligung gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 – 3 ROG setzt voraus, dass die Durchführung eines deutschen Raumordnungsplans voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf das Gebiet des Nachbarstaats haben wird. § 9 Abs. 4 S. 4 ROG verlangt, dass sie erhebliche Umweltauswirkungen auf den Nachbarstaat haben kann. Der Begriff des Nachbarstaats ist durch das Raumordnungsgesetz 2017 neu in die Beteiligungsregelung eingeführt worden. Dennoch be38

R. Bäumler, in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz (Hrsg.), Raumordnung in Bund und Ländern, Bd. 1, Stand: Dezember 2009, § 15 Rn. 46; zur Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit siehe oben Fn. 17. 39 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 6 f. 40 RL 2014/89/EU v. 23. Juli 2014 zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung; Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 18/10883, S. 30; kritisch M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 87. 41 Richtlinie 2001/42/EG v. 27. 6. 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-RL), ABl. EG Nr. L 197/30. 42 BR-Drs. 656/16, S. 41; siehe zur grenzüberschreitenden Konsultation C. Uebbing, Umweltprüfung bei Raumordnungsplänen, 2004, S. 241 ff.; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 15. 43 BR-Drs. 656/16, S. 39 f. 44 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 8.

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deutet dies nicht unbedingt, dass der Nachbarstaat, auf den sich die Planung auswirkt, direkt an Deutschland angrenzen muss.45 Zudem ist entsprechend § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG keine EU-Mitgliedschaft des Nachbarstaats erforderlich, sodass auch z. B. die Schweiz vom Begriff des Nachbarstaats erfasst ist. Allerdings kommen als Nachbarstaaten nicht die anderen Bundesländer in Betracht.46 Der Raumordnungsplan wird durchgeführt, wenn seine planerischen Festlegungen, z. B. Standortentscheidungen insbesondere für grenznahe Infrastrukturprojekte wie Häfen, Flughäfen, großflächige Gewerbe- und Industrieansiedlungen, Einkaufszentren oder auch Freizeiteinrichtungen, realisiert werden.47 Die Auswirkungen im Sinne des § 9 Abs. 4 S. 1 ROG müssen nicht gegenständlich begrenzt sein, sondern es kann sich durchaus auch um wirtschaftliche oder soziale Auswirkungen, also häufig um Raumnutzungs- oder Schutzkonflikte handeln.48 Die Beteiligungsverpflichtung wird ausgelöst, wenn die Möglichkeit des Eintritts erheblicher Auswirkungen voraussichtlich besteht.49 Diese Formulierung ist enger als die in § 9 Abs. 1 S. 1 ROG „in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen“. Bei der Bestimmung der voraussichtlichen Auswirkungen kann die Prognose, die auch auf fachbehördlichem Rat basieren kann, eine bedeutende Rolle spielen.50 § 9 Abs. 4 S. 4 ROG51 enthält dann eine spezielle Regelung für Raumordnungspläne, deren Durchführung erhebliche Umweltauswirkungen auf einen Nachbarstaat haben kann. Die Beschränkung auf die Umweltauswirkungen entspricht der SUPRichtlinie, die sich ebenfalls allein den Umweltbelangen widmet.52 Wirtschaftliche oder soziale Auswirkungen eines Plans sind hier also nicht erfasst. Der Begriff der Erheblichkeit in § 9 Abs. 4 S. 1 und 4 ROG ist unbestimmt und bedarf daher ebenfalls einer Auslegung. Es geht um eine unmittelbare Auswirkung gewichtiger Art oder von längerer Dauer.53 Letztendlich sollte die Voraussetzung der (voraussichtlich) erheblichen (Umwelt)Auswirkungen der Plandurchführung aber 45 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 70; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 86. 46 Siehe oben unter A.; W. Spannowsky, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Bd. 2, ROG, Kommentar, Stand: 3/2013, § 10 Rn. 29. 47 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 88. 48 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 89. 49 M. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand: Mai 2018, § 4a Rn. 41; P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 71. 50 R. Hendler, in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz (Hrsg.), Raumordnung in Bund und Ländern, Bd. 1, Stand: Mai 2012, § 10 Rn. 64. 51 Vgl. zu einer ähnlichen Regelung in § 10 Abs. 2 S. 2 ROG 2008 i.V.m. § 14j UVPG P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 1. Aufl. 2010, § 10 Rn. 54 ff. 52 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 15; M. Kment (o. Fn. 2), S. 317. 53 Vgl. zu § 4a BauGB: M. Kment (o. Fn. 2), S. 317 m.w.N.; U. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 13. Aufl. 2016, § 4a Rn. 9; R. Hendler, in: Cholewa/ Dyong/von der Heide/Arenz (Hrsg.), Raumordnung in Bund und Ländern, Bd. 1, Stand: Mai 2012, § 10 Rn. 63.

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möglichst weit ausgelegt werden, sodass im Zweifel eine Beteiligung des Nachbarstaats nach § 9 Abs. 4 ROG gerade mit Blick auf ihre Informations- und Akzeptanzfunktion stattfinden kann.54 bb) Grenzüberschreitende Beteiligung gemäß § 9 Abs. 4 ROG Gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 ROG wird die als zuständig benannte Behörde des Nachbarstaats, im Zweifel die oberste für Raumordnung zuständige Behörde, unter Übermittlung eines Planentwurfs unterrichtet. Für die Gelegenheit zur Stellungnahme wird ihr nach Satz 2 des § 9 Abs. 4 ROG eine angemessene Frist gesetzt. Bei der Festsetzung der angemessenen Zeitspanne sind die eventuell bei den Materialien auftretenden Übersetzungsschwierigkeiten, aber auch die unterschiedlichen Planungs- und Rechtskulturen zu berücksichtigen.55 Ein genauer Zeitpunkt für die Beteiligung im Aufstellungsverfahren wird daher durch § 9 Abs. 4 ROG nicht bestimmt.56 Auf die Präklusionsvorschrift des § 9 Abs. 2 S. 4 ROG wird infolgedessen wohl auch bewusst nicht verwiesen.57 Gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 ROG ist der Behörde ein Exemplar des Planentwurfs zu übermitteln. Die Regelung ordnet im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 ROG nicht an, dass dem Entwurf eine Begründung beizufügen ist. Zu seiner Verständlichkeit ist eine Begründung aber eigentlich von Nöten.58 Eine Übersetzung in die Sprache des Nachbarstaats ist hingegen nicht gesetzlich gefordert. Aufgrund der Verweise in § 9 Abs. 4 S. 3 ROG sollen59 elektronische Informationstechnologien60 unter Verwendung der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen61 bei der Unterrichtung ergänzend, also neben der bisher üblichen Unterrichtungsform, eingesetzt werden (§ 9 Abs. 2 S. 5 und 6 ROG), was gerade die grenzübergreifende Beteiligung wesentlich erleichtern kann. Außerdem ist nach dieser Regelung bei der Änderung des Planentwurfs unter den in § 9 Abs. 3 ROG genannten Voraussetzungen eine erneute Beteiligung erforderlich, die allerdings hinsichtlich des Kreises der zu Beteiligenden und der Fristen beschränkt werden kann.

54 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 89; zur Akzeptanzfunktion: W. Erbguth, Zur Fortentwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung im räumlichen Planungs- und Zulassungsrecht, UPR 2018, 121 (122 ff.). 55 K. F. Gärditz, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, 85. EL Stand: Dezember 2017, § 14j Rn. 5; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 92. 56 Aus dem Regelungszusammenhang kann entnommen werden, dass die Unterrichtung nicht vor Existenz des Planentwurfs stattfinden muss, so M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 90, der eine frühere Unterrichtung aber dennoch für sinnvoll erachtet. 57 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 72. 58 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 91. 59 Zur Auslegung der Soll-Vorschrift M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 75. 60 Näher dazu M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 72 ff. 61 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 47.

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Für die Beteiligung gemäß § 9 Abs. 4 S. 4 ROG, wenn also die Durchführung des Plans erhebliche Umweltauswirkungen haben kann, wird auf die §§ 60, 61 UVPG62 zur Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit im Nachbarstaat bei der strategischen Umweltprüfung verwiesen, die ihrerseits auf detaillierte Regelungen über die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (§§ 54 ff. UVPG) Bezug nehmen.63 Die Einleitung des § 9 Abs. 4 S. 4 ROG mit „soweit“ macht deutlich, dass die genannten Vorschriften zur Umweltprüfung nur eingreifen, wenn die Plandurchführung zu erheblichen Umweltauswirkungen führen kann. Mit Blick auf andere Auswirkungen gelten daher nur die Beteiligungsregelungen gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 – 3 ROG. Die Absätze 1 – 3 des § 9 ROG finden bei der Möglichkeit erheblicher Umweltauswirkungen keine direkte Anwendung, wenn es sich um eine grenzüberschreitende Beteiligung handelt. Insbesondere wird durch die Anwendung der UVPG-Vorschriften deutlich, welche zusätzlichen Unterlagen, z. B. der Umweltbericht, und in welcher Sprache sie zu übermitteln sind. Gerade die weitgehende Verwendung der Amtssprache des Nachbarstaats stellt eine wesentliche Erweiterung gegenüber der grenzübergreifenden Beteiligung gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 ROG dar. Noch bedeutender ist allerdings, wenn die Plandurchführung Umweltauswirkungen auf den Nachbarstaat haben kann, dass über die Verweisungskette in § 9 Abs. 4 S. 4 ROG eine Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß §§ 61, 56 UVPG im Nachbarstaat stattfindet.64 Damit ist eine Jedermann-Beteiligung gemeint, die auch die Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) einschließt.65 Da § 48 UVPG bei der strategischen Umweltprüfung von Raumordnungsplänen das Raumordnungsgesetz für anwendbar erklärt, sind dann wiederum hinsichtlich der einzelnen Verfahrensschritte vorrangig die raumordnungsrechtlichen Regelungen, also insbesondere die der §§ 8 ff. ROG, anwendbar.66 Problematisch ist, dass die Raumordnungspläne mit (zusätzlichen) Umweltauswirkungen kaum zu trennen sind von denen mit ausschließlich z. B. sozialen oder wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Nachbarstaat, sodass der Öffentlichkeit im Nachbarstaat kaum verständlich zu machen ist, wenn sie nur zu Umweltauswirkungen beteiligt wird. Daher sollte das Beteiligungsverfahren einheitlich gemäß § 9 Abs. 4 S. 4 ROG mit Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden.67 Dies entspräche auch der einheitlichen Beteiligung von der Öffentlichkeit und den in ihren Belangen berührten Stellen nach § 9 Abs. 1 – 3 ROG, wonach die 62 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung i. d. F. der Bek. v. 24. 2. 2010, BGBl. I S. 94, zul. geänd. durch Art. 2 d. G. v. 8.9. 2017, BGBl. I S. 3370. 63 Vgl. zu der Verweisungskette M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 97. 64 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 95. 65 S. Grotefels/C. Uebbing, Öffentlichkeitsbeteiligung in der Raumordnung, NuR 2003, 460 (464 f.); P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 58. 66 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 73. 67 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 70, geht davon aus, dass die Beteiligung nach § 9 Abs. 4 S. 1 ROG daher bedeutungslos wird; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 96.

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inländische Öffentlichkeitsbeteiligung eben nicht mehr davon abhängig gemacht wird, ob die Planaufstellung mit oder ohne Umweltprüfung stattfindet68. So könnte dann die reine Behördenbeteiligung nach § 9 Abs. 4 S. 1 ROG höchstens noch in Betracht kommen, wenn der Planentwurf i. S. des § 9 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 9 Abs. 3 ROG geändert wird, danach eine erneute Behördenbeteiligung stattfinden muss und von dieser Änderung keine Umweltauswirkungen ausgehen. b) Beteiligung der angrenzenden Staaten bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen des Bundes Neben § 9 Abs. 4 und § 10 Abs. 4 ROG, die für die Raumordnungspläne im Bund und in den Ländern gelten, enthält § 17 ROG, der Regelungen über Raumordnungspläne trifft, für die das für die Raumordnung zuständige Bundesministerium zuständig ist, zusätzliche unterschiedliche Regelungen zur Beteiligung oder Mitwirkung angrenzender Staaten. aa) Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone Gemäß § 17 Abs. 1 S. 4 ROG arbeitet das für die Raumordnung zuständige Ministerium, zurzeit also das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, u. a. mit den angrenzenden Staaten zusammen, „um die Abstimmung und Kohärenz des Raumordnungsplans“ für die deutsche AWZ, zu dessen Aufstellung der Bund verpflichtet ist,69 „mit den Raumplanungen der angrenzenden Staaten (…) sicherzustellen“. Das Bundesministerium bedient sich gemäß § 17 Abs. 1 S. 3 ROG bei den vorbereitenden Verfahrensschritten zur Aufstellung des AWZ-Plans des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH),70 das auch die verfahrensrechtliche Beteiligung in Form von Unterrichtung und Gelegenheit zur Stellungnahme (Konsultation) gemäß § 9 Abs. 4 ROG durchführt. Die Abstimmung gemäß § 17 Abs. 1 S. 4 ROG, für die das Bundesministerium als Planungsträger selbst zuständig ist, kann hier im Sinne des Art. 11 der MRO-Richtlinie, der ebenfalls von „kohärent und aufeinander abgestimmt“ spricht, entgegen der Begründung des Gesetzentwurfs71 nur so verstanden werden, dass sie hinsichtlich ihrer Intensität über die verfahrensrechtliche 68

M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 21. P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 3. 70 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 27; K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 17 Rn. 49 f. 71 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 18/10883, S. 59, wonach es sich um einzelne Verfahrensmodalitäten handelt, die der bisherigen Gesetzesfassung entsprechen. § 17 Abs. 3 S. 4 ROG a.F. regelte allerdings die Verpflichtung des Bundesministeriums, „bei der Planaufstellung das Benehmen mit den angrenzenden Staaten“ herzustellen. Die Herstellung des Benehmens ist eher eine verfahrensrechtliche Beteiligungsform, die auf eine Mitentscheidung ausgerichtet ist (S. Wickrath, Bürgerbeteiligung im Recht der Raumordnung und Landesplanung, 1992, S. 25 f. m.w.N.) als die Abstimmung. 69

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Beteiligung hinausgeht und eine zusätzliche materielle Komponente aufweist, die auf einen weitgehenden Ausgleich der Interessen der angrenzenden Staaten ausgerichtet ist.72 So hebt sich die Abstimmung auch gegenüber dem Einvernehmen ab, das mit den fachlich betroffenen Bundesministerien nach § 17 Abs. 1 S. 1 ROG zu erzielen ist und eher verfahrensrechtlich ausgerichtet, dennoch ein wesentliches Koordinierungsinstrument ist.73 bb) Raumordnungsplan für den Hochwasserschutz und zu Standortkonzepten für Häfen und Flughäfen Dann stellt das Bundesministerium bei den fakultativen länderübergreifenden Raumordnungsplänen für den Hochwasserschutz oder für Standortkonzepte für Häfen und Flughäfen im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 ROG74 gemäß § 17 Abs. 2 S. 5 ROG das Benehmen mit den angrenzenden Staaten her. Für die vorbereitenden Verfahrensschritte zur Aufstellung der Raumordnungspläne ist nach § 17 Abs. 2 S. 4 ROG das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) zuständig. Die Herstellung des Benehmens geht bereits vom Wortlaut her über die in § 9 Abs. 4 ROG geregelten Beteiligungsformen hinaus.75 Sie ist zumindest eine intensivere Beteiligungsform, die ähnlich wie das Einvernehmen, das auch nach § 17 Abs. 2 S. 1 ROG mit den fachlich betroffenen Bundesministerien zu erzielen ist, als zwingendes verfahrensrechtliches Zustimmungserfordernis zu verstehen ist.76 Durchaus zukunftsweisend mit Blick auf eine Staatsgrenzen überschreitende Raumordnung mit stärkerer Bindungswirkung erscheint in diesem Zusammenhang, dass § 17 Abs. 4 ROG für den Träger der Bundesraumordnung die Möglichkeit vorsieht, auch mit Nachbarstaaten77 zur Vorbereitung und Verwirklichung von Raumordnungsplänen nach § 17 Abs. 1 und 2 ROG, also für die AWZ-Pläne, Hochwasserschutzpläne und Standortkonzepte, entsprechend § 14 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 72 M. Schubert (o. Fn. 27), S. 144; ARL, Maritime Raumordnung (o. Fn. 18), S. 48; P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 28 spricht zurückhaltend davon, dass die grenzüberschreitende Beteiligung bei der AWZ-Planung nach § 9 durchgeführt wird „und das Bundesministerium sich bei verbleibenden Dissenspunkten nach Satz 4 einschaltet“; ebenfalls unklar zu § 17 Abs. 3 S. 4 ROG 2008 ders., in: Spannowsky/ Runkel/Goppel, ROG, 1. Aufl. 2010, § 17 Rn. 50. 73 K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 17 Rn. 48, 57, 66, 71 und besonders 80; differenzierend, aber als Verfahrensrecht einordnend: P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/ Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 56 f. 74 Vgl. zu den möglichen Inhalten P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 31 ff.; K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 17 Rn. 56 ff. 75 So wohl auch K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 17 Rn. 66; P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 46 spricht hingegen nur von einer Überschneidung mit der Beteiligung nach § 9 Abs. 4 ROG. 76 Siehe zum Einvernehmen oben II. 3. b) aa); zum Einvernehmen nach § 36 BauGB: O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 36 Rn. 5. 77 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 62; K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 17 Rn. 73.

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ROG vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Das setzt allerdings auch voraus, dass die angrenzenden Staaten nach ihrem nationalen Recht ebenfalls die Kompetenz zum Abschluss solcher Verträge innehaben. cc) Raumordnungsplan zur Konkretisierung von Grundsätzen Schließlich ist ebenfalls ein Benehmen mit den angrenzenden Staaten nach § 17 Abs. 3 S. 4 ROG bei einem Raumordnungsplan herzustellen, der für die räumliche Entwicklung des Bundesgebietes einzelne Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 ROG durch Grundsätze konkretisieren kann.78 Hier kann das Erfordernis der Herstellung des Benehmens mit den angrenzenden Staaten wie das in § 17 Abs. 2 S. 5 ROG ausgelegt werden. Da § 17 Abs. 5 ROG die Anwendung des § 9 ROG und damit auch seines Absatzes 4 nicht ausschließt, kann dies ebenfalls als systematisches Indiz dafür gewertet werden, dass die Herstellung des Benehmens mit den angrenzenden Staaten jedenfalls neben der in § 9 Abs. 4 ROG vorgesehenen Beteiligung steht. Letztendlich bleibt in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob man zur Vereinheitlichung im Raumordnungsgesetz in § 17 ROG nicht auch von „Nachbarstaaten“ sprechen sollte, zumal auch bei der Auslegung der unterschiedlichen Normen zur Staatsgrenzen überschreitenden Raumordnung nicht eindeutig zwischen anderen Staaten, Nachbarstaaten oder angrenzenden Staaten unterschieden wird und im Regelfall ohnehin nur die angrenzenden Staaten in Betracht gezogen werden.79 c) Beteiligung Deutschlands bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen in Nachbarstaaten Mit dem Raumordnungsgesetz 2017 wurde zur Umsetzung der MRO-Richtlinie (Art. 11, 12, 13 Abs.1)80 § 25 ROG über die Beteiligung deutscher Stellen und gegebenenfalls auch der deutschen Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen der Nachbarstaaten in das Gesetz eingeführt. Die Vorschrift basiert ebenso auf Art. 7 SUP-RL zur grenzüberschreitenden Konsultation bei der Umweltprüfung, die letztlich auch von einer gegenseitigen Beteiligung über die Staatsgrenzen hinweg und von einer gemeinsamen Planungsverantwortung ausgeht.81 Auch wenn die Vorschrift, die in vergleichbarer Form bisher nur in Bezug auf Umweltauswirkungen in den §§ 9 b, 14 j Abs. 3 UVPG a.F. existierte, erst spät ins Raumordnungsgesetz aufgenommen wurde, so soll sie nach der Begründung des Gesetzent78 Vgl. zum näheren Verständnis dieses Raumordnungsplans, der bisher vom Bund noch nicht wahrgenommen wurde: P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 11 f., 50 ff.; K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 17 Rn. 77 ff. 79 Siehe oben unter II. 3. a) aa) zur Einführung des Begriffs in §§ 9 und 10 ROG. 80 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 10. 81 C. Uebbing (o. Fn. 42), S. 240; S. Grotefels/C. Uebbing, NuR 2003, 460 (463); M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 8 f. m.w.N.

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wurfs eigentlich nur die gängige Praxis wiedergeben.82 Sie erfasst wie § 9 Abs. 4 ROG sowohl die terrestrische als auch die maritime Raumordnung.83 § 25 ROG gilt für Träger von Raumordnungsplänen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Dies macht nicht nur der Inhalt der Regelung, sondern auch ihre Stellung im Gesetz im letzten für Bund und Länder geltenden Abschnitt unter den ergänzenden Vorschriften und Schlussvorschriften deutlich. Mit der Regelung soll die Berücksichtigung inländischer Interessen bei der Aufstellung eines nachbarstaatlichen Raumordnungsplans unterstützt werden. Außerdem ist sie Ausdruck des völker- und unionsrechtlich verankerten Kooperationsprinzips und drückt eine kooperative Haltung der deutschen Stellen gegenüber denen des Nachbarstaats aus.84 Die Vorschrift bildet das Pendant zumindest zu den Beteiligungsregelungen des § 9 Abs. 4 S. 1 – 3 ROG.85 Das wird daran deutlich, dass ebenfalls „voraussichtlich erhebliche Auswirkungen“, hier eben spiegelbildlich auf ein deutsches Plangebiet, vorausgesetzt werden. § 9 Abs. 4 S. 4 ROG zur Beteiligung von Nachbarstaaten bei erheblichen Umweltauswirkungen erhält allerdings keine gesonderte „Spiegelbildvorschrift“ in § 25 ROG. Hier hätte es einer klärenden Regelung in § 25 ROG bedurft, entweder in Form einer mit § 9 Abs. 4 S. 4 ROG vergleichbaren Vorschrift oder einer Klarstellung wenigstens in der Gesetzesbegründung, dass anders als bei § 9 Abs. 4 ROG zu den Auswirkungen im Sinne des § 25 ROG auch Umweltauswirkungen gerechnet werden. So werden nun einerseits die Regelungen der §§ 62 und 63 UVPG über die grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Umweltauswirkungen ausländischer Pläne und Programme für direkt anwendbar erklärt.86 Als Argument wird allein angeführt, dass § 48 UVPG, der die vorrangige Anwendung des Raumordnungsgesetzes regelt, nur in Bezug auf deutsche und nicht auf ausländische Raumordnungspläne gelte.87 Andererseits88 wird der Standpunkt vertreten, dass der Begriff der Auswirkungen in § 25 ROG auch die Umweltauswirkungen mitumfasst, da der Gesetzgeber ansonsten eine differenzierende Regelung wie bei 82

Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 18/10883, S. 62; kritisch dazu M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 1 f. 83 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 12; siehe oben unter II. 3. a). 84 A. Rietzler, Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben im Lichte der Espoo-Konvention, NVwZ 2015, 483 (488); M. Kment, NuR 2012, 321 (324); M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 5 f. 85 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 25 Rn. 1; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 2; vgl. noch zu § 9b UVPG a.F. M. Kment, NuR 2012, 321 (323); F.-J. Feldmann, Die Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie in deutsches Recht, DVBl. 2001, 589 (598); A. Rietzler, NVwZ 2015, 483 (488). 86 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 25 Rn. 2, sieht dementsprechend auch kaum einen Anwendungsbereich des § 25 ROG neben den Regelungen des UVPG. 87 Hinsichtlich der Nichtgeltung des § 48 UVPG ebenso M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 13. 88 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 2, 13 f.

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§ 9 Abs. 4 S. 4 ROG hätte treffen können. Die umfangreicheren und detaillierteren Regelungen des UVPG dürfen danach bei der Auslegung der Beteiligungserfordernisse ergänzend herangezogen werden. Dafür könnte sprechen, dass § 25 Abs. 2 ROG auch eine Einbeziehung der Öffentlichkeit beinhaltet, die nach § 9 Abs. 4 S. 4 ROG nur bei Umweltauswirkungen in Betracht kommt. aa) Raumordnungsplan im Nachbarstaat Ob es sich beim nachbarstaatlichen Raumordnungsplan tatsächlich um einen Raumordnungsplan im Sinne der §§ 13 Abs. 1, 17 ROG handelt, wird schwer feststellbar sein, da die Planungssysteme in Europa vollkommen unterschiedlich sind. Hierfür soll es neben einer gewissen Verbindlichkeit der Planung89 entscheidend sein, dass im Wesentlichen gesamtplanerische, überörtliche Elemente deutscher Raumordnungspläne beim ausländischen Raumordnungsplan vorliegen, dieser also keinen fachplanerischen Charakter hat oder auf örtlicher Ebene angesiedelt ist.90 Vorgesehen im Sinne des § 25 Abs. 1 ROG ist die Planung, wenn wie bei § 9 Abs. 1 S. 2 ROG („beabsichtigten“) „ein gewisses Maß an substanziellen Vorüberlegungen und -untersuchungen sowie ein bestimmter Grad an Willensbildung“91 beim Planungsträger im Nachbarstaat besteht. Folgt man nun der Ansicht, dass die §§ 62, 63 UVPG, die wiederum auf §§ 58, 59 Abs. 1 – 3, 5 UVPG92 verweisen, bei SUP-pflichtigen Raumordnungsplänen direkt anwendbar sind, muss das voraussichtliche Vorliegen von Umweltauswirkungen im Rahmen des § 25 Abs. 1 ROG gar nicht gesondert geprüft werden. Er gilt dann nur als Auffangtatbestand93 für diejenigen Pläne, die zwar voraussichtlich erhebliche Auswirkungen, aber eben keine erheblichen Umweltauswirkungen auf angrenzende deutsche Plangebiete haben werden. Folgt man hingegen der weiteren Auslegung des Begriffs der Auswirkungen, so kommen sowohl ökonomische und soziale als auch ökologische in Betracht.94 Vom Einzelfall hängt ab, welches angrenzende Plangebiet in der Bundesrepublik Deutschland als Bezugsraum für die Auswirkungen in Betracht kommt. bb) Zuständigkeit deutscher Stellen Es fällt auf, wenn es auch nur ein theoretisches Problem sein dürfte, dass sich aus der Formulierung „diejenigen deutschen Stellen, an deren Plangebiet der ausländische Raumordnungsplan angrenzt“ in § 25 Abs. 1 S. 1 ROG ergibt, dass im Gegen-

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Informelle Planungen, wie z. B. Konzepte, lösen keine Pflichten nach § 25 ROG aus. P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 25 Rn. 3; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 21. 91 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 22. 92 Vgl. dazu M. Kment, NuR 2012, 321 ff.; A. Rietzler, NVwZ 2015, 483 ff. 93 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 25 Rn. 4. 94 Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu § 9 Abs. 4 verwiesen werden; siehe oben unter II. 3. a) aa). 90

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satz zur weiten Auslegung des Begriffs „Nachbarstaat“ in § 9 Abs. 4 ROG95 nur Planungen in direkt angrenzende Staaten in Betracht kommen, obwohl die Vorschrift des § 25 ROG mit „…der Nachbarstaaten“ überschrieben ist. Ausgeschlossen von der Beteiligung sind auf deutscher Seite die Stellen der Plangebiete, die keine gemeinsame Grenze mit dem planenden Nachbarstaat haben. Für die gemeinsame Grenze mit dem Plangebiet des ausländischen Raumordnungsplans kommen auf deutscher Seite sowohl ein Raumordnungsplan des Bundes als auch auf Landesebene der landesweite Raumordnungsplan und der Regionalplan in Betracht. Für die Frage, welche deutsche Stelle zuständig ist, muss die Gleichartigkeit der Pläne diesseits und jenseits der Grenze näher bestimmt werden. Sollten mehrere landesweite Raumordnungspläne und/oder Regionalpläne als gleichartige Pläne oder gar zusätzlich ein Bundesraumordnungsplan in Betracht kommen, so sollte auf deutscher Seite entsprechend § 58 Abs. 5 S. 3 UVPG eine federführende Stelle zur Wahrnehmung der sich aus § 25 ROG ergebenden Pflichten benannt werden.96 § 25 Abs. 1 und 2 ROG stellt Handlungspflichten für deutsche Stellen auf, „an deren Plangebiet der ausländische Raumordnungsplan angrenzt und die für einen gleichartigen Raumordnungsplan in Deutschland zuständig“ wären, hingegen nicht für die Raumordnungsstelle im Nachbarstaat.97 Allerdings ist die deutsche Stelle auf eine „unterstützende Verfahrensbegleitung“ durch die Behörde im Nachbarstaat angewiesen.98 cc) Beteiligungspflichten der deutschen Stellen Für das Handeln der deutschen Stelle ist es unbedeutend, wie sie von dem im Nachbarstaat vorgesehenen Raumordnungsplan erfahren hat, ob durch eine offizielle Benachrichtigung oder etwa durch die Presse.99 Ihr kommen Pflichten sowohl gegenüber der zuständigen Behörde des Nachbarstaats als auch gegenüber den in ihren Belangen berührten Stellen und der Öffentlichkeit auf deutscher Seite zu.100 Zunächst beinhaltet gemäß § 25 Abs. 1 ROG die Beteiligung der deutschen Stelle ein Ersuchen um Unterlagen über den Raumordnungsplan, insbesondere zum Inhalt des Plans und zu seinen grenzüberschreitenden Auswirkungen. Allein die Verwendung des Begriffs des Ersuchens macht deutlich, dass es sich dabei um eine förmliche Bitte, aber nicht um die Geltendmachung eines Anspruchs handelt.101 § 25 Abs. 1 ROG 95

Siehe oben unter II. 3. a) aa). M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 19. 97 Ausführlicher dazu M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 5 m.w.N. 98 M. Kment (o. Fn. 2), S. 364; ders., NuR 2012, 321 (324); A. Rietzler, NVwZ 2015, 483 (488); M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 5. 99 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 25 Rn. 5; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 24.; J. Wagner, in: Hoppe/Beckmann (Hrsg.), UVPG, Kommentar, 4. Aufl. 2012, § 9b Rn. 10. 100 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 4, spricht von einer Mittlerrolle. 101 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 25 mit Verweis auf M. Kment (o. Fn. 2), S. 365 ff.; ders., NuR 2012, 321 (324). 96

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macht keine weiteren Angaben über die Art des ersuchten Dokuments oder die Sprache, in der dieses oder die Anfrage verfasst werden soll. Auch dafür sind die Grundsätze der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit anzuwenden.102 Wenn die deutsche Stelle eine weitere Beteiligung für erforderlich hält, teilt sie dies nach § 25 Abs. 2 S. 1 ROG der zuständigen Behörde des Nachbarstaats mit und ersucht gegebenenfalls um weitere Angaben.103 Sodann unterrichtet sie die in ihren Belangen berührten Stellen sowie die Öffentlichkeit auf deutscher Seite und gibt ihnen Gelegenheit, an einer einheitlichen Stellungnahme104 mitzuwirken, oder informiert über die Möglichkeiten einer Stellungnahme gegenüber einer Behörde des Nachbarstaats (§ 25 Abs. 2 S. 2 ROG). Zudem ist sie verpflichtet, ihr vorliegende Informationen an die zuständige Behörde des Nachbarstaats zu geben (§ 25 Abs. 2 S. 3 ROG). Hier sollte auch ohne explizite Verpflichtung an eine Übersetzung in die Sprache des Nachbarsstaats gedacht werden.105 § 25 Abs. 3 ROG erklärt für die Beteiligung bei ausländischen AWZ das zuständige Bundesministerium für zuständig. Auswirkungen können ausgehen seitens der AWZ von Dänemark, den Niederlanden, Polen, Schweden und dem Vereinigten Königreich.106 III. Die Weiterentwicklung der Staatsgrenzen überschreitenden Raumordnung Die Ausführungen zeigen, dass die grenzüberschreitende Beteiligung mittlerweile auch im Sinne der europa- und völkerrechtlichen Vorgaben weitgehend umfassend und effektiv geregelt ist. Es überrascht hingegen schon, dass der Gesetzgeber ohne jegliche Begründung seit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes 2008 auf eine Norm mit dem Inhalt des § 16 ROG 2004,107 der auf § 4 Abs. 6 ROG 1989 zurückging und im Raumordnungsgesetz 1998 unverändert blieb, verzichtet und offensichtlich davon ausgeht, dass diese Vorschrift voll und ganz in den Beteiligungsnormen, wie

102 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 25 Rn. 7; zur ergänzenden Heranziehung der §§ 62, 63 UVPG für die Auslegung des §§ 25 Abs. 1, 2 ROG: M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 13 f., zur Anwendung der §§ 62, 58 UVPG bei der Auslegung § 25 Rn. 26 f.; zu den Grundsätzen siehe oben Fn. 17. 103 J. Wagner, in: Hoppe/Beckmann (Hrsg.), UVPG, Kommentar, 4. Aufl. 2012, § 9b Rn. 11 f. 104 Näher dazu und zur Bekanntmachung der Planentscheidung P. Runkel, in: Spannowsky/ Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 25 Rn. 11, 17, wonach die einheitliche Stellungnahme den Vorteil hat, dass ihre Zusammenfassung in der Amtssprache des Nachbarstaats verfasst werden kann; M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 35 ff. 105 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 32. 106 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 25 Rn. 39 ff. m.w.N., der auch zu Recht darauf hinweist, dass die Einschränkung auf angrenzende AWZ nicht sachgerecht ist. 107 W. Moersch, BayVBl. 2004, 40 (43).

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sie im Raumordnungsgesetz 2008108 bzw. im Raumordnungsgesetz 2017 formuliert sind, aufgeht. § 16 ROG 2004 lautete: „Raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbarstaaten haben können, sind mit den betroffenen Nachbarstaaten nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit abzustimmen.“ War also im Raumordnungsgesetz 2004 noch neben den Regelungen zur Beteiligung von dem Erfordernis der Abstimmung die Rede, so wurde die Beteiligung i. S. des § 10 Abs. 2 ROG 2008 bereits entsprechend der jetzigen Formulierung des § 9 Abs. 4 ROG lediglich noch verstanden als Unterrichtung und Gelegenheit zur Stellungnahme. In § 4 Abs. 6 ROG 1989 hieß es noch: „Bei Planungen und Maßnahmen, die Auswirkungen auf Nachbarstaaten haben, soll für eine gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung der geplanten Maßnahmen Sorge getragen werden.“ Der Begriff des Abstimmens konnte bereits damals aus dem Regelungszusammenhang heraus ausgelegt werden. Danach standen neben dem Abstimmen zwar ein Unterrichten und die Gelegenheit zur Stellungnahme, die Abstimmung ging aber noch darüber hinaus. Ziel der Abstimmung ist es noch heute, auch inhaltlich einen weitgehenden Ausgleich oder eine gegenseitige Anpassung der Interessen zu erreichen und zu einem einvernehmlichen Ergebnis über die anstehenden Planungen und Maßnahmen zu kommen,109 wenn auch die Abstimmung nicht unbedingt mit einem für alle Beteiligten bindenden Ergebnis enden muss.110 Gärditz111 unterscheidet daher klar zwischen einer prozeduralen bzw. organisatorischen und einer materiellen Planungskoordination, die auf einer „inhaltlichen Kohärenz, sprich materiellen Abstimmung“ beruht. So spricht auch die MRO-Richtlinie, die originär Raumplanungspflichten für Meeresgewässer begründet und nicht nur wie die SUP-Richtlinie auf Instrumente für den Umweltschutz ausgerichtet ist,112 in ihrem Art. 11 von „kohärent und aufeinander abgestimmt“ (in der englischen Fassung „coordinated“), was ein Mehr ist gegenüber der Beteiligungsform des Unterrichtens und der Möglichkeit zur Stellungnahme, die wiederum eher der in Art. 7 SUP-Richtlinie vorgeschriebenen Form der Konsultation (in der englischen Fassung „consultations“)113 108 Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG), BT-Drs. 16/10292, S. 25. 109 S. Grotefels/C. Uebbing, NuR 2003, 460 (467); S. Grotefels (o. Fn. 5), S. 21 m.w.N.; T. Spiegels (o. Fn. 5), S. 100; S. Wickrath (o. Fn. 71), S. 24; P. G. Jansen/R. Meyer, Räumliche Probleme im Grenzgebiet der Deutsch-Niederländischen Raumordnungskommission, 1993, S. 11. 110 Auch das Abstimmen von Bauleitplänen benachbarter Gemeinden gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB hat eine inhaltliche Komponente und ist eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots gemäß § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB; vgl. U. Battis, in: Battis/Krautzberger/ Löhr, BauGB, Kommentar, 13. Aufl. 2016, § 2 Rn. 22. 111 K. F. Gärditz, Europäisches Planungsrecht, 2009, S. 111 ff. 112 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), ROG, 2019, § 9 Rn. 17 m.w.N. 113 Art. 7 SUP-RL geht auf die Espoo-Konvention (Convention on Environmental Impact Assessment in a Transboundary Context) zurück, die 1991 in Espoo, Finnland, abgeschlossen wurde (ABl. EG 1992 C 104/7), am 10. 9. 1996 in Kraft trat und von Deutschland 2002

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gerecht wird. Eine entsprechende Abstimmungspflicht lässt sich im geltenden Raumordnungsrecht aber nur noch § 17 Abs. 1 S. 4 ROG für die AWZ-Grenzregionen entnehmen. Die allgemeine Abstimmungsverpflichtung, die der Verwirklichung des Grundsatzes des § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG dienen sollte, ist demnach als Mindeststandard der Staatsgrenzen übergreifenden Raumordnung einfach unmerklich entfallen, obwohl landesrechtliche Regelungen, wie z. B. die Zuständigkeitsnorm des § 3 Nr. 3 LPlG NRW114 („Hinwirken auf Abstimmung“) weiterhin darauf abstellen. Damit entspricht das Raumordnungsrecht auch nicht mehr dem Verständnis der Kooperation mit den Nachbarstaaten, das sich in einigen Grenzregionen seit Jahrzehnten herausgebildet hat. So wurde z. B. bereits 1967 die Deutsch-Niederländische Raumordnungskommission (DNRK)115 gebildet, die mit ihrer Hauptkommission und ihren Unterkommissionen Nord und Süd die Zusammenarbeit bei der Raumordnung im Grenzraum von der Nordsee bis nach Aachen vereinheitlichen sollte. Nach Art. 1 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs der Niederlande über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumordnung vom 30. März 1976116 sollte im Grenzraum eine gegenseitige Konsultation stattfinden, damit raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden konnten. Auch seitens der Bundesregierung wurde dies nicht nur als eine Absichtserklärung, sondern durchaus bereits als ein „Abstimmungsgebot“ betrachtet, das trotz der rein beratenden Funktion der DNRK schon auf gemeinsame Planungsergebnisse abzielen sollte.117 Zur weiteren Ausgestaltung fasste die DNRK 1979 noch einen konkretisierenden Beschluss über das Verfahren zur grenzüberschreitenden Information und Abstimmung der Raumordnung und Landesplanung im deutsch-niederländischen Grenzgebiet.118 Die Abstimmung im Sinne des Beschlusses konnte zumindest als das gemeinsame Bemühen definiert werden, grenzüberschreitende raumordnerische Probleme durch gemeinsame Beratung einvernehmlich zu lösen.119 ratifiziert wurde (BGBl. II 2002, 1406). Vgl. dazu M. Dippel, in: Schink/Reidt/Mitschang, UVPG, 2018, § 56 Rn. 4 ff., A. Rietzler, NVwZ, 2015, 483 ff. 114 Landesplanungsgesetz Nordrhein-Westfalen v. 3. 5. 2005 (GV. NRW. S. 430), zul. geänd. durch Artikel 10 des Gesetzes vom 15. 11. 2016 (GV. NRW. S. 934); vgl. auch S. Grotefels (o. Fn. 5) 22; C. von Kraak, in: Keller/von Kraak/Garrelmann, LPlG NRW, Kommentar, 2011, § 3 Anm. 2.3. 115 Vgl. zu weiteren Staatsgrenzen übergreifenden Raumordnungskommissionen oder Vereinbarungen P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Bd. 2, ROG, Kommentar, Stand: VII/2015, § 26 Rn. 29; W. Moersch, BayVBl. 2004, 40 (43). 116 Bekanntmachung v. 17. 1. 1977, BGBl. II S. 35; vgl. auch Geschäftsordnung v. 18. 5. 1977, abgedr. in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz (Hrsg.), Raumordnung in Bund und Ländern, Stand: September 2017, Bd. 2 IV 1.1.3. 117 Bundesregierung, Raumordnungsbericht 1978, BT-Drs. 8/2378, S. 48; R. Bleicher (o. Fn. 14), S. 26, 60. 118 Beschluss v. 26. 4. 1979, abgedr. in: Nds. MBl. Nr. 7/1981 S. 204; Grenzgebiet: 20 km beiderseits der Grenze. 119 S. Grotefels (o. Fn. 5), S. 20, 28.

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Über die bisher angelegte Abstimmung hinaus ist auch eine verbindlichere Form der Abstimmung oder gar ein grenzüberschreitender Raumordnungsplan in unterschiedlichen Abstufungen120 weiterhin in Erwägung zu ziehen. Gegen völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen Nachbarstaaten, die eine grenzüberschreitende Raumordnung zum Inhalt haben, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. So können auch die Länder gemäß Art. 32 Abs. 3 GG mit Zustimmung der Bundesregierung Verträge mit auswärtigen Staaten abschließen.121 Sie haben zudem die Möglichkeit, gemäß Art. 24 Abs. 1 a GG durch einen völkerrechtlichen Vertrag Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen zu übertragen.122 In diesem Zusammenhang gilt es, die Möglichkeit eines Staatsgrenzen überschreitenden räumlichen oder sachlichen Teilplans im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 3 ROG123 zu prüfen, um einzelnen oder räumlich abgrenzbaren Auswirkungen auf den Nachbarstaat zu begegnen. Eine inhaltlich und zeitlich konkretisierte Abstimmungsverpflichtung oder eine gemeinsame Raumordnungsplanung über Staatsgrenzen hinweg würde auch dem Auftrag für Bund und Länder, mit den Nachbarstaaten im Bereich der Raumordnung eng zusammenarbeiten (§ 24 Abs. 3 S. 2 ROG), eher gerecht. Diese Überlegungen bleiben aber Utopie, wenn selbst eine allgemeine Staatsgrenzen überschreitende Abstimmungspflicht neben der grenzübergreifenden Beteiligung keinen Niederschlag mehr im Raumordnungsgesetz findet.

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Ausführlich dazu, insbesondere für die Ebene der Regionalplanung, R. Bleicher (o. Fn. 14), S. 310 ff.; S. Grotefels (o. Fn. 5), S. 60 ff.; T. Spiegels (o. Fn. 5), S. 124 ff., 160 ff.; vgl. auch V. von Malchus, in: ARL (Hrsg.), Grenzübergreifende Raumplanung, Forschungsund Sitzungsberichte Bd. 188, 1992, S. 45 (49, 220 f.). 121 S. Grotefels (o. Fn. 5), S. 43; T. Spiegels (o. Fn. 5), S. 138 ff.; W. Moersch, BayVBl. 2004, 40 (42). 122 T. Spiegels (o. Fn. 5), S. 144 ff.; J. Martinez, ZUR 2005, 337 (338 f.); zu Art. 24 Abs. 1a GG S. Grotefels, Die Novellierung des Art. 24 GG, DVBl. 1994, 785 ff.; M. Kotzur (o. Fn. 5); H. Jarass, in: GG. Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 24 Rn. 15 ff. Hier ist auch an eine raumordnerische Zusammenarbeit i. S. der § 14 ROG zu denken. Vgl. dazu Verweis auf T. Pleiner in Fn. 17. 123 § 5 Abs. 1 S. 2 NROG (in der Fassung v. 6. 12. 2017, Nds. GVBl. S. 456) enthält aber z. B., abweichend vom ROG, ein Teilplanverbot. Die Möglichkeit eines Teilplans muss auch nach dem Raumordnungsrecht des Nachbarstaates gegeben sein.

Raumordnung für den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland Von Peter Runkel I. Die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit des Bundes für eine Raumordnung im Gesamtraum Der Jubilar hat sich seit seiner rechtswissenschaftlichen Dissertation von 1975 wiederholt mit Fragen des Raumordnungsrechts befasst.1 Sein wissenschaftliches Interesse galt dabei vornehmlich der Landesplanung, später der maritimen Raumordnung, der unterirdischen Raumordnung2 oder den Auswirkungen der ebenenspezifischen Abwägung bei Raumordnungsplänen auf die qualifizierten Raumordnungsklauseln des Baugesetzbuchs und weniger der Bundesraumordnung.3 Im Zweifel hat er länderfreundliche Positionen eingenommen, wie bei der Planungszuständigkeit in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone.4 1. Die Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Nr. 4 GG a.F. und das sog. Baurechtsgutachten des BVerfG Dabei hatte es 1954 für die Bundesraumordnung mit dem rechtlich nicht bindenden, aber die allgemeine Rechtsauffassung – zumindest zwischen Bund und Ländern – prägenden Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass eines Baugesetzes so vielversprechend begonnen.5 Ungefragt (gefragt war der Umfang des vom Bund zu regelnden Baurechts) hatte das Gericht aus dem Umstand, dass der größte zu ordnende und zu gestaltende Raum das gesamte Staatsgebiet sei, eine ausschließliche und vollständige gesetzge1

W. Erbguth, Probleme des geltenden Landesplanungsrechts. Ein Rechtsvergleich, 1975, Beiträge SWR Bd. 19. 2 W. Erbguth, Unterirdische Raumordnung, ZUR 2011, 121. 3 W. Erbguth, Europarechtliche Vorgaben für eine maritime Raumordnung: Empfehlungen, NuR 2012, 85; ders., Maritime Raumordnung – Entwicklung der internationalen, supranationalen und nationalen Rechtsgrundlagen, DÖV 2011, 373; ders., Private Belange in der raumordnerischen Abwägung: Eigentumsschutz versus Typisierung, NVwZ 2017, 683. 4 W. Erbguth/C. Müller, Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, DVBl. 2003, 625; W. Erbguth, Nationales Infrastrukturrecht zur See, DVBl. 2009, 265; ders., Raumordnungspläne für die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone – Inhalte und rechtliche Beurteilung, UPR 2011, 207. 5 BVerfGE 3, 407.

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berische Zuständigkeit des Bundes für eine Raumplanung im Gesamtstaat gefolgert. Diese stehe neben der konkurrierenden Rahmenkompetenz des Bundes für die Raumordnung der Länder in ihren Grundzügen nach Art. 75 Nr. 4 GG a.F. und neben der konkurrierenden Vollkompetenz für die städtebauliche Planung nach Art. 74 Nr. 18 GG. Raumordnung nach Art. 75 Nr. 4 GG a.F. betreffe somit nur die Landesplanung. Der Bund könne diese in den Grundzügen regeln im Gegensatz zur Bundesplanung, die er vollständig regeln könne. Mittelbar wurde dem Raumordnungsrecht damit zugleich der bodenrechtliche Durchgriff im Sinne von Rechtswirkungen seiner Erfordernisse auf raumbedeutsame Vorhaben Privater verwehrt, da diese dem Städtebaurecht als Bodenrecht vorbehalten sei.6 Eine ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Raumplanung in ihren über die Länder hinausgreifenden Zusammenhängen wurde später vom BVerfG bestätigt.7 Zugleich hat das Gutachten eine Legaldefinition der Raumordnung erbracht, indem es die überörtliche Planung der Raumordnung zuordnet und diese als zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raums beschreibt.8 Sie sei übergeordnet, weil sie überörtliche Planung sei und weil sie vielfältige Fachplanungen zusammenfasse und aufeinander abstimme. Dabei wird die Planung des Raums als die zentrale Aufgabe der Raumordnung begriffen. Landesplanung und Raumordnungsplanung im Bundesgebiet unterscheiden sich danach zunächst durch den zu planenden Raum. In der Sprache des § 1 Abs. 1 ROG sind dies die Teilräume bzw. der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland.9 Die gesamträumliche Planung ist danach dreistufig angelegt: der örtlichen Bauleitplanung mit dem gemeindeweiten Flächennutzungsplan und den kleinteiligeren Bebauungsplänen der Gemeinden, der überörtlichen Planung der jeweiligen Länder durch den landesweiten Raumordnungsplan und die Regionalpläne sowie der nationalen Raumordnungsplanung für den Gesamtraum. Diese drei Planungsebenen unterscheiden sich ferner durch die Aufgabenstellung, die sich mit den Begriffen örtliche, überörtliche und nationale Bedeutung einer Planung oder Maßnahme umschreiben lassen. Dabei wird die nationale Bedeutung einer Aufgabe zunehmend durch ihren europäischen Bezug bestimmt. Die drei Planungsebenen haben also nicht die Befugnis, inhaltlich das Gleiche zu regeln, sondern unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich 6 Diese wurde erst durch qualifizierte Raumordnungsklauseln in Fachgesetzen ermöglicht, wie für raumbedeutsame Vorhaben im Außenbereich in § 35 Abs. 3 S. 2 und 3 BauGB; dazu kritisch W. Erbguth, NVwZ 2017, 683; ders., § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB als Raumordnungsklausel? Zu Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 16. 04. 2015 – 4 CN 4/14, DVBl. 2017, 817. 7 BVerfGE 15, 1 (15 f.). 8 BVerfGE 3, 407 (425). 9 Entsprechend den Thesen zur Fortentwicklung des Raumplanungsrechts des Forums Planungsrecht der ARL (dessen Vorsitzender der Jubilar ist), ZUR 2018, 346, wird nachfolgend „Raumplanung“ – in Fortentwicklung des Baurechtsgutachtens – als Oberbegriff für Gesamtplanungen einerseits und Fachplanungen andererseits verstanden. Gesamtplanungen sind die Raumordnungsplanung und die gemeindliche Bauleitplanung.

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des Planungsraums, sondern auch hinsichtlich des Planungsauftrags. Was im Bereich der raumwirksamen Fachplanungen mit der Unterscheidung z. B. zwischen Bundesfernstraßen, Landesstraßen und Kreis-/Gemeindestrassen gelebte Verfassungswirklichkeit ist, soll auch für die Gesamtplanung gelten: drei Ebenen mit unterschiedlicher Aufgabenstellung, die in erster Linie auf Ergänzung und nicht auf Konkurrenz angelegt sind. Wenn es nach dem Baurechtsgutachten des BVerfG die Aufgabe der überörtlichen Planung ist, auf Landesebene die vielfältigen Fachplanungen zusammen zu fassen und aufeinander abzustimmen, wäre es Aufgabe der gesamtstaatlichen Raumordnungsplanung, diese Abstimmung bezogen auf die vielfältigen Fachplanungen auf Bundesebene herbeizuführen. 2. Die „Machtfrage“ und die Verwaltungszuständigkeit für eine Raumordnungsplanung im Gesamtraum Über ein halbes Jahrhundert nach dem Baurechtsgutachten stellt sich die Frage, warum sich die Raumordnungsplanung für den Gesamtraum trotz zuerkannter Gesetzgebungskompetenz nicht stärker hat etablieren können. Seit dem Gutachten von 1954 hat die Bundesraumordnung in den 60er und 70er Jahren vielfältige Versuche unternommen, dieser ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz aus der Natur der Sache für eine Raumordnungsplanung im Gesamtraum Inhalt und Form zu verleihen. Erinnert sei an gescheiterte Versuche, zentrale raumordnerische Begriffe wie zurückgebliebene Gebiete oder überlastete Verdichtungsräume durch Rechtsverordnung des Bundes einer bundeseinheitlichen Konkretisierung zuzuführen oder die raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen des Bundes mit Hilfe eines Bundesraumordnungsprogramms (BROP) zu steuern.10 Maßgebend für das Scheitern war zunächst die „Machtfrage“ zwischen einerseits den mit erheblichen Finanzmitteln ausgestatteten Fachplanungen und andererseits der mittellosen Gesamtplanung sowie zwischen Bund und Ländern, wer wen mit welchen Instrumenten räumlich koordinieren darf. Als hätte es das BVerfG damals bereits geahnt, hatte es seine Schlussfolgerung einer Gesetzgebungskompetenz für die Raumplanung im Gesamtraum aus der Natur der Sache an die Voraussetzung geknüpft, dass Raumordnung als eine notwendige Aufgabe des modernen Staates angesehen werde.11 An dieser als selbstverständlich unterstellten Voraussetzung hat es aber offenbar gefehlt. Wenn schon Koordinierung, so wurde argumentiert, dann bitte nicht auf gesetzlicher Grundlage. Verwaltungsverfahren seien ausreichend, was auf Bundesebene zur Einsetzung eines (bedeutungslosen und inzwischen aufgelösten) Interministeriellen Ausschusses für Raumordnung (IMARO) und eines Bund-Länder

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Vgl. W. Bielenberg/P. Runkel/W. Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, 2018, J 620 Rn. 6, 11, 12 ff.; W. Ernst/W. Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, 2. Aufl. 1981, Rn. 90. 11 BVerfGE 3, 407 (427).

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Gremiums, der späteren Ministerkonferenz für Raumordnung, führte, in der der Bund nicht nur Gast, sondern Mitglied ist.12 Entscheidend für das weitgehende Scheitern einer raumordnerischen Gesamtplanung für das Bundesgebiet war aber auch, dass das Gutachten des BVerfG dem Bund zwar eine Gesetzgebungsbefugnis Kraft Natur der Sache für die Raumplanung im Gesamtstaat zugesprochen, zugleich aber darauf hingewiesen hatte, dass allein nach der Zuständigkeit zur Gesetzgebung gefragt worden sei und nicht nach der Verwaltungs- und Planungskompetenz.13 Ein Rückschluss von einer ungeschriebenen Gesetzgebungszuständigkeit auf eine in ihrem Gefolge notwendig anzunehmende Verwaltungszuständigkeit ist aber nicht zulässig.14 Zwar ist es grundsätzlich möglich, einen Plan in Gesetzesform zu beschließen oder als Rechtsverordnung auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung aufzustellen, wie es § 17 Abs. 1 u. 2 ROG für die dort genannten Raumordnungspläne des Bundes vorsieht. Gleichwohl ist es aber nicht angängig, die von der Verfassung für Gesetzgebung und Verwaltung unterschiedlichen Zuständigkeitszuweisungen zwischen Bund und Ländern durch die Wahl der Rechtsform des Plans zu umgehen.15 Planung ist traditionell eine Verwaltungsaufgabe, die, sofern sie vom Bund wahrgenommen werden soll, der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation bedarf.16 Raumordnungspläne des Bundes in der Form einer Rechtsverordnung auf der Grundlage des ROG werfen daher stets die Frage nach der Gesetzgebungs- und nach der Verwaltungskompetenz auf. Nur wenn dem Bund insoweit auch die Verwaltungskompetenz zusteht, kann er einen Raumordnungsplan als Rechtsverordnung auf der Grundlage des ROG erlassen. 3. Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes für eine Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Die deutsche AWZ liegt unverbunden sowohl in der Nordsee als auch in der Ostsee. Sie umfasst den Bereich des Meeres jenseits des Küstenmeeres (12 Meilenzone) bis zur 200-Seemeilengrenze. Nach dem Seerechtsübereinkommen der UN ist der Kompetenzbereich des jeweiligen Staates auf einzelne Funktionen wie der wirtschaftlichen Nutzung beschränkt.17 Ein umfassendes, alle Belange betreffendes

12

W. Bielenberg/P. Runkel/W. Spannowsky (o. Fn. 10), J 620 Rn. 4, 11. BVerfGE 3, 407 (412). 14 E. Schmidt-Aßmann, FS für F. Weyreuther, 1993, S. 73 (78 m.w.N.). 15 E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 14), S. 73 (81). 16 Vgl. Art. 83 ff. GG. 17 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von Montego Bay vom 10. Dezember 1982 in der amtlichen deutschen Übersetzung des Vertragsgesetzes; Seerechtsübereinkommen vom 2. 9. 1994 (BGBl. II S. 1798). 13

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Rechtsregime ist in der AWZ nicht zulässig.18 Ein raumordnerischer Regelungsbedarf hatte sich dadurch ergeben, dass die deutsche AWZ zunehmend von unterschiedlichen, zumeist wirtschaftlichen Nutzungen in Anspruch genommen wurde, wie Offshore-Windenergieanlagen, die eine integrierende räumliche Ordnung und Entwicklung erforderlich machten und zugleich die Freiheit der Schifffahrt wahrte. Der Gesetzgeber hat daher mit dem EAG Bau 2004 den Geltungsbereich des ROG auf die AWZ ausgedehnt, weil diese nicht zum Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und damit im Gegensatz zur 12 Seemeilenzone, nicht zu den Gebieten der angrenzenden Länder zählt.19 Zugleich wurde die Aufgabe der Raumordnungsplanung in diesen Gebieten festgelegt und diese Planung dem Bund übertragen.20 Sowohl die Gesetzgebungs- als auch die Verwaltungszuständigkeit des Bundes wurden aus der Natur der Sache begründet. Für eine Gesetzgebungszuständigkeit aus der Natur der Sache spricht, dass es sich bei der Raumordnung in der AWZ nicht um eine Aufgabe handelt, die sich unter den Begriff der Raumordnung in den Ländern i.S.d. Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG a.F. subsumieren lässt, weil die AWZ gerade nicht zum Gebiet der angrenzenden Länder gehört. Die Übertragung der Verwaltungszuständigkeit auf den Bund aus der Natur der Sache erfolgte im Konsens mit den Ländern (das Gesetz erging mit Zustimmung des Bundesrates).21 Dies war in der Wissenschaft nicht unumstritten. Insbesondere der Jubilar hätte eine Übertragung der Aufgabe an die jeweiligen Küstenländer favorisiert.22 Für die Entscheidung des Gesetzgebers waren rechtliche, aber auch tatsächliche Gründe maßgebend. Rechtlich spricht für die gesetzgeberische Lösung, dass die deutsche AWZ nicht zum Gebiet der einzelnen Bundesländer gehört und bei einer Übertragung der Verwaltungszuständigkeit auf die angrenzenden Länder die schon getrennten und nicht allzu großen Zonen in der Nord- und Ostsee nochmals hätten unterteilt werden müssen. Im Tatsächlichen war maßgebend, dass Raumordnung auf dem Meer sich vielfältig von der Raumordnung auf dem Lande unterscheidet und der Bund mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie über eine Behörde verfügte, in der das notwendige Fachwissen vorhanden war und die im Rahmen der damals geltenden Seeanlagenverordnung als bundesunmittelbare Verwaltung auch Genehmigungen für einzelne Nutzungen in der AWZ erteilte.23 Nach § 18a ROG 2004 wurde diesem Bundesamt daher auch die Vorbereitung des Raum18 M. Dannecker/Y. Kerth, Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Offshore-Windenergieanlagen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), DVBl. 2009, 748. 19 Art. 2 des EAGBau vom 24. 6. 2004 (BGBl. I S. 1359). 20 § 18a ROG 2004. 21 EAG Bau vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359). 22 W. Erbguth/C. Müller, DVBl. 2003, 625; W. Erbguth, DVBl. 2009, 265. 23 J. Fischer/O. Lorenzen, Neue Konstruktionstypen für Offshore-Windenergieanlagen im Genehmigungsverfahren nach der SeeAnIV, NuR 2004, 764; C. Palme/J. Schumacher, Zulässigkeit von Klagen gegen Offshore-Windparks in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, NuR 2004, 773.

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ordnungsplans übertragen.24 Nach § 17a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) stellt das Bundesamt künftig auch den Bundesfachplan Offshore und nach § 5 Windenergieauf-See-Gesetz ab 2026 einen Flächenentwicklungsplan für die AWZ auf.25 4. Hat sich für die Bundesraumordnung durch die Föderalismusreform I von 2006 Grundlegendes geändert? Die Zuständigkeit für die Gesetzgebung der Raumordnung ist 2006 durch die Föderalismusreform I grundlegend geändert worden.26 Die Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG a.F. wurde aufgehoben und die ihr unterfallenden Materien weitgehend in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung mach Art. 72, 74 GG überführt, aber ohne die Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 72 Abs. 2 GG, dafür mit einem neu geschaffenen Abweichungsrecht der Länder nach Art. 72 Abs. 3 GG.27 Umstritten ist dabei bis heute, was nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG unter Raumordnung zu verstehen ist. Die eine Auslegungsmöglichkeit geht dahin, den Begriff entsprechend dem Baurechtsgutachten des BVerfG weiterhin eng auf die Raumordnung in den Ländern zu beziehen. Die andere Auffassung sieht die für die Rahmengesetzgebung geltenden Schranken iSv Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder als entfallen an mit der Folge, dass Raumordnung nunmehr die Raumordnungsplanung im Gesamtraum und seinen Teilräumen umfasst.28 Zur Klärung dieser Frage kann nicht auf den Willen des Gesetzgebers abgestellt werden. Für diesen war die weitgehende Überführung der verschiedenen Kompetenzen für die Rahmengesetzgebung in die konkurrierende Gesetzgebung mit Abweichungsrecht der Länder eine Gesamtentscheidung, bei der es im Endstadium der parlamentarischen Beratung im Wesentlichen um Art und Inhalt der sog. abweichungsresistenten Bereiche ging. Entscheidend ist daher auf den objektiven Erklärungsgehalt der alten wie der neuen Kompetenznorm abzustellen. Das BVerfG sah sich im Baurechtsgutachten aus dem Umstand, dass Art. 75 GG a.F. nur Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder in ihren Grundzügen erlaubte, genötigt, daneben eine ausschließliche Kompetenz zur vollständigen Regelung der Bundesplanung anzuerkennen. Diese Unterscheidung zwischen Vollregelung und Grundzügeregelung ist durch die Föderalismusreform I auch formal aufgehoben worden, nachdem sie schon

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Jetzt § 17 Abs. 1 ROG. P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 4 Rn. 203. 26 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I 2034). 27 P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky (o. Fn. 10), M vor §§ 1 – 27 Rn 3 ff. 28 Einerseits W. Spannowsky, Die Grenzen der Länderabweichungsbefugnis gem. Art. 72 Abs. 3 Nr. 4 GG im Bereich der Raumordnung, UPR 2007, 41; andererseits U. Battis/J. Kersten, Die Raumordnung nach der Föderalismusreform, DVBl. 2007, 152; P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky (o. Fn. 10), M vor §§ 1 – 27 Rn. 18 m.w. N. 25

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zuvor trotz Einfügung das Art. 75 Abs. 2 GG im Jahr 1994 von der Staatspraxis in vielen Bereichen aufgeweicht war.29 Wenn aber durch Abschaffung der Rahmengesetzgebung die Unterscheidung zwischen Vollregelung und Grundzügeregelung entfallen ist, dann gibt es keinen Grund mehr, die Gesetzgebungszuständigkeit für die Raumordnung in eine solche geschriebener und ungeschriebener Art aufzuteilen. Raumordnung i.S.d Art 74 Abs. 1 Nr. 31 GG meint daher historisch gewachsen im Schwerpunkt Raumordnung in den Ländern unter Einschluss der über die Länder hinausgreifenden Zusammenhänge im Gesamtraum, zumal wenn sich diese Zusammenhänge aus der europäischen Dimension der Aufgabenstellung ergeben. Hinzu kommen kraft Sachzusammenhangs Planungsnotwendigkeiten außerhalb des Gesamtraums auf der Grundlage internationaler Abkommen wie für die deutsche AWZ. Hinsichtlich einer möglichen Verwaltungskompetenz des Bundes im Bereich der Raumordnung hat sich durch die Föderalismusreform I dagegen nichts Grundlegendes geändert. Sie bleibt die Ausnahme und ist im Einzelfall sorgfältig zu begründen. II. Bundesraumordnung im Raumordnungsgesetz (ROG) 1. Die Gewichtung der Raumordnung in den Ländern und im Bund durch den Gesetzgeber Das ROG 2008 ist auch nach der Novelle 2017 in vier Abschnitte aufgeteilt – Allgemeine Vorschriften, Raumordnung in den Ländern, Raumordnung im Bund sowie Ergänzende Vorschriften und Schlussvorschriften.30 Auf den ersten Blick verwundert, dass angesichts der oben dargestellten Kompetenzlage der Abschnitt über die Raumordnung in den Ländern mit vier Paragraphen schlanker ausgefallen ist, als der Abschnitt über die Raumordnung im Bund mit sieben Paragraphen. Nur aus der gewählten Reihenfolge – erst die Länder, dann der Bund – ergeben sich die auch vom Gesetzgeber anerkannten kompetenzrechtlichen Schwerpunkte. Zustande gekommen ist dieser Eindruck dadurch, dass viele sowohl für die Raumordnung in den Ländern als auch im Bund geltende Regelungen nun den allgemeinen Vorschriften zugeordnet wurden und hinsichtlich der Raumordnung in den Ländern im Übrigen gesetzgeberische Zurückhaltung geübt wurde, um die Abweichungsgesetzgebung der Länder nach Art. 72 Abs. 3 GG in Grenzen zu halten. Schließlich finden sich im Abschnitt über die Raumordnung im Bund manche bisher nicht genutzte Ermächtigungen.31

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U. Battis/J. Kersten, DVBl. 2007, 152. Gesetz v. 22. 12. 2008 (BGBl. I S. 2986), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 15 des Gesetzes v. 20. 7. 2017 (BGBl. I S. 2808). 31 So zu § 17 Abs. 2, 3 und § 21 Abs. 2 ROG. 30

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2. Raumordnung im Gesamtraum in den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes Die Anklänge im geltenden Abschnitt 1 des ROG an eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Raumordnungsplanung im Gesamtraum bzw. in Gebieten außerhalb des Gesamtraums aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen sind zwar vielfältig, aber in ihrer Wirkung als unvollständig einzustufen. Zu nennen ist insbesondere die Aufgabenbeschreibung in § 1 Abs. 1 S. 1 ROG, wonach neben den Teilräumen auch der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland durch Raumordnungspläne, raumordnerische Zusammenarbeit und Koordinierung zu entwickeln ist, ohne allerdings im weiteren Verlauf des Gesetzes zu klären, wie und durch wen dies geschehen soll. Das Aneinanderlegen der landesweiten Raumordnungspläne nach § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ROG ergibt aber noch keinen Raumordnungsplan für den Gesamtraum, zumal darin nur die überörtlichen und nicht die gesamträumlichen Erfordernisse der Raumordnung erfasst sind. Ferner gelten die Bindungswirkungen der einzelnen Festlegungen nur im jeweiligen Planungsraum, auch wenn sie über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung haben. Aber selbst wenn die Länder in Abstimmung mit den jeweiligen Nachbarländern auch die gesamträumlichen Erfordernisse festlegen würden, würde dies nicht zu einer räumlichen Koordinierung der raumwirksamen Fachplanungen des Bundes führen. So erfolgt z. B. auf Bundesebene die Fernstraßenbedarfsplanung, die Bedarfsplanung für den Schienenwegebau der Eisenbahnen des Bundes und neuerdings auch der Bundeswasserstraßen durch Gesetz.32 In diesen Fällen folgt bereits aus der Normenhierarchie und Art. 31 GG, dass eine Bedarfsfeststellung oder -verneinung in einem Raumordnungsplan der Länder nicht an die Stelle der Feststellung in einem Bundesgesetz treten kann. Daher sind Festlegungen mit Zielqualität in einem Raumordnungsplan der Länder kompetenzrechtlich unzulässig, die den Bedarf für eine Bundesfernstraße von A nach B feststellen oder verneinen.33 Auch beim Gegenstromprinzip des § 1 Abs. 3 ROG wird zwar bestimmt, dass sich die Teilräume in die Erfordernisse des Gesamtraums einfügen sollen. Dabei wird aber offengelassen, wer und in welchem Verfahren die Erfordernisse des Gesamtraums ermittelt und bestimmt werden. Die von der Ministerkonferenz für Raumordnung nach § 24 Abs. 2 ROG aufgestellten Leitbilder für die räumliche Entwicklung des Bundesgebiets oder von über die Länder hinausgreifenden Zusammenhängen können diese Lücke nicht schließen, weil sie keine Erfordernisse der Raumordnung 32

Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz i. d. F. der Bekanntmachung v. 20. 1. 2005 (BGBl. I. S. 201), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 23. 12. 2016 (BGBl. I S. 3354); Anlage zum Bundesschienenwegeausbaugesetz v. 15. 11. 1993 (BGBl. I S. 1874), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 23. 12. 2016 (BGBl. I. S. 3221); Anlage zum Bundeswasserstraßenausbaugesetz v. 23. 12. 2016 (BGBl. I S. 3224). 33 W. Spannowsky, Grenzen landes- und regionalplanerischer Festlegungen gegenüber Verkehrswegplanungen des Bundes, UPR 2000, 418; a.A. K. Goppel, Zum grundsätzlichen Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung vor dem Hintergrund projektbezogener Ziele der Raumordnung zu Verkehrsvorhaben des Bundes, UPR 2000, 431.

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i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ROG darstellen und von ihnen somit keine Bindungswirkungen nach § 4 ROG ausgehen. § 1 Abs. 4 ROG erweitert die Aufgabe der Raumordnung unter den Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der UN auf die deutsche AWZ. Zusammen mit der Spezialnorm des § 17 Abs. 1 ROG handelt es sich um den einzigen der Bundesraumordnungsplanung zuzurechnenden Regelungsbereich, der auch verwaltungsmäßig durch entsprechende Raumordnungspläne für die AWZ in der Nordsee und der Ostsee umgesetzt worden ist.34 Zu nennen sind ferner die bundesweit geltenden Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 ROG, die aber eher einem Belangekatalog im Sinne konkretisierter Abwägungsdirektiven, denn einem klaren räumlichen Konzept für die Entwicklung des Gesamtraumes entsprechen.35 Diese in acht Nummern und 44 Sätzen zusammengefassten gesetzlichen Grundsätze ergeben zusammen keinen „Grundsätze-Plan“ für den Gesamtraum. Sie sind zwar strikt formuliert, in sich aber widersprüchlich und bedürfen der Abwägung im Einzelfall. Die Regelung über die Bindungswirkung der Erfordernisse der Raumordnung in § 4 ROG, die damit im Zusammenhang stehenden Begriffsbestimmungen in § 3 ROG und die Beschränkung der Bindungswirkung in § 5 ROG gründen sich auf der Aussage aus dem Baurechtsgutachten des BVerfG, dass die Einpassung der Pläne ineinander zum allgemeinen Rahmen der Raumordnung gehöre und daher die Fragen der Rechtswirkung der Pläne verschiedener Stufen oder verschiedenen Inhalts durchgehend von dem Bundesgesetzgeber geregelt werden könnten.36 Inwieweit diese Regelungen heute dem Abweichungsrecht der Länder nach Art. 72 Abs. 3 GG unterfallen und welche Wirkung eine solche Abweichung auf Landes- oder Bundesrecht hätte, wird kontrovers diskutiert.37 Der Bundesgesetzgeber hat entsprechenden Befürchtungen im Zusammenhang mit der Diskussion um sog. Soll-Ziele dadurch entgegen zu wirken versucht, dass er in § 3 Abs. 2 ROG die zentralen Begriffe der Erfordernisse der Raumordnung i.S.d ROG zur Auslegungsregel für andere Bundesgesetze macht.38 Das Widerspruchsrecht der Fachplanungsträger des Bundes gegen (in Aufstellung befindliche) Ziele der Landesplanung nach § 5 Abs. 1 bis 3 ROG ist nicht an Erfordernissen der Bundesraumordnung, sondern an denen des widersprechenden Fachplanungsträgers ausgerichtet. Es ist an zeitliche und materielle Anforderungen geknüpft. Materiell darf das Ziel nicht auf einer fehlerhaften Abwägung beruhen, 34 Raumordnungsplan in der AWZ der Nordsee v. 21. 9. 2009 (BGBl. I S. 3107; Raumordnungsplan in der AWZ der Ostsee v. 10. 12. 2009 (BGBl. I S. 3861). 35 W. Spannowsky, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 9. 36 BVerfGE 3, 407. 37 P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky (o. Fn. 10), M vor §§ 1 – 27 Rn. 40 ff. 38 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 3 Rn. 134 f.

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was dem Grundsatz entspricht, dass nur von rechtmäßigen Zielen der Raumordnung Bindungswirkungen ausgehen.39 Ist das (in Aufstellung befindliche) Ziel der Raumordnung rechtmäßig, kommt es auf eine Standortalternativenprüfung mit der Frage an, ob die konkrete Planung oder Maßnahme des Fachplanungsträgers des Bundes nicht auf anderen geeigneten Flächen durchgeführt werden kann als auf denen, für die ein entgegenstehendes Ziel der Raumordnung festgelegt wurde. Bei der Beteiligungsvorschrift des § 9 ROG fällt auf, dass inzwischen in dessen Absatz vier zwar eine Beteiligungspflicht von angrenzenden Nachbarregionen – insbesondere deren Öffentlichkeit – normiert ist, wenn die Durchführung eines Raumordnungsplans voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf das Gebiet eines Nachbarstaates haben wird, es aber an einer entsprechenden Regelung bei vergleichbaren Auswirkungen auf ein benachbartes Land fehlt. Diese Länder übergreifenden Zusammenhänge hätten den Bundesgesetzgeber veranlassen sollen, mögliche Konflikte, wenn nicht materiell, so doch verfahrensrechtlich durch länderübergreifende Vorschriften auch zur Öffentlichkeitsbeteiligung (und nicht nur zur Beteiligung öffentlicher Stellen) zu regeln. Stattdessen wurde die Verpflichtung zur gemeinsamen Regionalplanung insbesondere in verdichteten Räumen nach § 13 Abs. 3 ROG mit verpflichtender Öffentlichkeitsbeteiligung im gesamten Verdichtungsraum gelockert; sie soll künftig nur noch erwogen werden. 3. Die Raumordnungspläne des Bundes § 17 ROG ist überschrieben mit „Raumordnungspläne für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone und für den Gesamtraum“. Geregelt werden drei unterschiedliche Arten von Plänen. Diese unterscheiden sich grob hinsichtlich ihres räumlichen Geltungsbereichs, hinsichtlich der Verpflichtung zur Planung, ihres möglichen Inhalts und hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Bindungswirkungen. a) Raumordnungsplan für die AWZ Der Raumordnungsplan für die AWZ nach § 17 Abs. 1 ROG ist verpflichtend aufzustellen, seine Festlegungen sind vom Gesetzgeber zumindest hinsichtlich der Regelungsbereiche bestimmt. Er entspricht damit unter den Einschränkungen des UN Seeerechtsübereinkommens weitgehend einem raumordnerischen Gesamtplan für ein Meeresgebiet. Seine Bindungswirkungen bestimmen sich wie bei allen Raumordnungsplänen nach § 4 ROG. b) Standortkonzepte für Häfen und Flughäfen Die zweite Gruppe von Raumordnungsplänen des Bundes betrifft einmal – eingeführt durch das ROG 2008 – Standortkonzepte für Häfen und Flughäfen als Grund39

BVerwGE 119, 25.

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lage für deren verkehrliche Anbindung im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung.40 Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass die Planung von Flughäfen und Häfen Angelegenheit der Länder ist, in seine Zuständigkeit dagegen deren Anbindung mit Bundesinfrastruktur – Straße, Schiene, Wasserstraße – fällt.41 Im Rahmen einer integrierten Verkehrsplanung sollte durch die Standortkonzepte für den Bund die Möglichkeit geschaffen werden, die jeweiligen Anbindungsentscheidungen nach bundeseinheitlichen Maßstäben auf eine gesamträumliche Grundlage zu stellen. § 17 Abs. 2 ROG 2008 bestimmte daher noch, dass solche Konzepte für das Bundesgebiet aufzustellen seien.42 Inhaltlich handelt es sich um sachliche Teilpläne nach § 7 Abs. 1 S. 3 ROG. Durch diese als Rechtsverordnung aufzustellenden Standortkonzepte im Vorfeld des Bundesverkehrswegeplans sollte der integrierte Ansatz der Verkehrswegeplanung gestärkt werde43. Die Bindungswirkungen richteten sich ausschließlich an den Bund, auch wenn dieser Hinweis im ROG 2008 durch die ROG Novelle 2017 entfallen ist. Der Bund hat von dieser Kompetenz bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2030 keinen Gebrauch gemacht, die entsprechende Ermächtigung in der ROG Novelle 2017 aber beibehalten.44 c) Länderübergreifende Raumordnungspläne für den Hochwasserschutz Durch die ROG-Novelle 2017 eingefügt wurde die Ermächtigung an den Bund zu länderübergreifenden Raumordnungsplänen für den Hochwasserschutz. Es handelt sich dabei nicht um einen Gesamtplan, sondern um einen sowohl räumlichen als auch sachlichen Teilplan i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 3 ROG, weil er nur länderübergreifend angelegt sein darf und sich auf den Hochwasserschutz beschränkt. Welche Festlegungen in einem solchen Plan zulässig sein sollen, bleibt zunächst offen. Man wird diese Ermächtigung aber im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Grundsatz nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 S. 5 ROG zu sehen haben.45 Danach ist für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland zu sorgen, im Binnenland vor allem durch die Sicherung und Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen. Daraus folgt, dass sich die Pläne auf den vorbeugenden Hochwasserschutz be40 Gesetz v. 22. 12. 2008 (BGBl. I S. 2986); der Bundesverkehrswegeplan ist ein Plan der Bundesregierung, der nach entsprechenden Anmeldungen der Länder, Durchführung einer strategischen Umweltprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung vom Bundeskabinett rechtsformlos beschlossen wird. 41 W. Erbguth, Häfen zwischen Bund und Ländern: infrastruktureller Befund und Fortentwicklung, DÖV 2017, 187. 42 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 1. Aufl. 2010, § 17 Rn. 28. 43 Das Grundgesetz regelt diese Aufgabe in Art. 87d, 87e, 89 und 90 GG getrennt nach Trägern. 44 Der Bundesverkehrswegeplan wurde vom Bundeskabinett am 3. 8. 2016 beschlossen. 45 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 37.

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schränken müssen, dass sie die Küsten von Nord- und Ostsee und Flusssysteme im Binnenland betreffen können, dass sie räumlich länderübergreifend angelegt sein und ihre Festlegungen der Umsetzung des gesetzlichen Grundsatzes aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 S. 5 ROG dienen müssen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass sie sich vom aktiven Hochwasserschutz nach §§ 72 ff. WHG unterscheiden. Die Bindungswirkungen ergeben sich aus § 4 ROG, wobei den Ländern in § 5 Abs. 4 ROG ein gesondertes Widerspruchsrecht eingeräumt wurde, das bei Vorliegen der verfahrensrechtlichen und materiellen Voraussetzungen die Bindungen gegenüber der widersprechenden Stelle des Landes bezogen auf deren konkrete Planung oder Maßnahme erst gar nicht entstehen oder entfallen lassen.46 Der Regierungsentwurf zur ROG-Änderungsnovelle 2017 enthält keine Begründung, woraus der Bund eine Verwaltungskompetenz für einen solchen räumlichen und fachlichen Teilplan für den länderübergreifenden Hochwasserschutz herleitet.47 Der Bundesrat hat daher in seiner Stellungnahme bemängelt, dass in der Begründung nicht einmal der Versuch unternommen werde, nachvollziehbare Gründe für die Regelung und ihre Vorteile anzugeben.48 In ihrer Gegenäußerung führt die Bundesregierung dazu aus, dass die verheerenden Hochwasserschadensereignisse gezeigt hätten, dass der Hochwasserschutz optimiert werden müsse. Da ein Flussgebiet nicht an den Ländergrenzen halt mache, sei ein länderübergreifender Raumordnungsplan des Bundes erforderlich. Die Rechte und Interessen der Länder seien in der Regelung umfassend gewahrt, zudem erhielten die Länder in § 5 Abs. 4 ROG ein Widerspruchsrecht, dessen berechtigte Ausübung die Bindungswirkung der jeweiligen Festlegung ihnen gegenüber entfallen lasse.49 Die Zulässigkeit eines solchen Plans zum vorbeugenden Hochwasserschutz ist nach § 17 Abs. 2 S. 2 ROG daran geknüpft, dass er für die räumliche Entwicklung und Ordnung des Bundesgebiets unter nationalen oder europäischen Gesichtspunkten erforderlich ist. Ein solcher Plan muss also eine hohe Rechtfertigungshürde in dem Sinne nehmen, dass er zum vorbeugenden Katastrophenschutz aus nationaler oder europäischer Sicht nicht nur beiträgt, sondern erforderlich sei. Dies ist durch die Gerichte zumindest hinsichtlich der Plausibilität überprüfbar. Eine solche Erforderlichkeit kann insbesondere dann gegeben sein, wenn durch Unterlassungen beim vorbeugenden Hochwasserschutz an einem der großen europäischen Flusssysteme in Deutschland – wie Rhein, Donau bzw. Oder – Nachbarstaaten als Unterlieger wesent-

46 Den von den Festlegungen eines Hochwasserschutzplans des Bundes betroffenen Gemeinden steht dagegen kein Widerspruchsrecht zu; sie sind keine öffentlichen Stellen der Länder i.S.d. Vorschrift, da anderenfalls die Nennung der (kommunal verfassten) Träger der Regionalplanung keinen Sinn machen würde; andererseits sind die raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Gemeinden i. d. R. keine solche öffentlicher Stellen der Länder. 47 BT-Drs. 18/10883 Anlage 1 zu Nr. 22. 48 BT-Drs. 18/10883 Anlage 2 Nr. 8. 49 BT-Drs. 18/10883 Anlage 3 Nr. 8.

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lich in Mitleidenschaft gezogen werden.50 Auch muss die berechtigte Aussicht bestehen, dass ein solcher Plan von den Fachplanungsträgern aktiv umgesetzt wird, diese insbesondere über die für eine Umsetzung erforderlichen Mittel verfügen werden. Der Hinweis auf die Verfahrensbeteiligung der Länder, die Behandlung des Plans in der Ministerkonferenz für Raumordnung sowie das Widerspruchsrecht der Länder gegen einzelne Ziele nach § 5 Abs. 4 ROG reichen zur Rechtfertigung einer Planungskompetenz des Bundes dagegen nicht aus. Insbesondere das diesbezügliche Widerspruchsrecht der Länder nach § 5 Abs. 4 ROG ist an enge materielle Voraussetzungen gebunden, wie an die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Festlegung mit Zielqualität im Bundesplan oder eine mangelnde Standortalternative für die konkrete Planung oder Maßnahme des Landes. d) Planerische Grundsätze Die durch das ROG 2008 eröffnete Möglichkeit des Bundes, einzelne gesetzliche Grundsätze des § 2 Abs. 2 ROG in einem Raumordnungsplan konkretisieren zu können, intendiert eine Serviceleistung des Bundes gegenüber den Ländern in einzelnen komplexen Handlungsfeldern, indem deren Bedeutung für alle oder mehrere Teilräume nach bundeseinheitlichen Maßstäben planerisch aufbereitet wird.51 Vergleichbar dem Informationssystem zur räumlichen Entwicklung im Bundesgebiet, das das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung nach § 22 Abs. 1 ROG führt und deren Ergebnisse in Form regionalisierter Bevölkerungs-, Haushalts- und Wohnungsprognosen das zuständige Ministerium den Ländern zur Verfügung stellt.52 Die planerischen Grundsätze bleiben trotz höherer Konkretisierung zu berücksichtigende Grundsätze der Raumordnung. Um den Charakter als Serviceleistung gegenüber den Ländern zu wahren, und nicht zur Ersatz- oder Alternativplanung zu werden, sind für die Erforderlichkeit dieser Pläne nach § 2 Abs. 1 ROG Grenzen zu beachten. Diese sind sowohl formeller als auch materieller Art. Die wichtigsten Grenzen nennt das Gesetz selbst. Verfahrensrechtlich ist erforderlich, dass das für den gesetzlichen Grundsatz im Sinne eines öffentlichen Belangs zuständige Bundesministerium zustimmt, damit raumordnerische und fachliche Konkretisierung des öffentlichen Belangs nicht auseinanderfallen. Ferner ist die Beratungs- und Unterrichtungspflicht nach § 24 Abs. 1 ROG zu beachten, was eine vorherige Befassung der Ministerkonferenz für Raumordnung bedingt. Materiell dürfen nur einzelne gesetzliche Grundsätze konkretisiert werden. Es wird sich daher stets um einen fachlichen Teilplan und nie um einen Gesamtplan han-

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P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 10. 51 Jetzt § 17 Abs. 3 ROG. 52 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 22 Rn. 18.

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deln. Die Pläne müssen ferner für die räumliche Entwicklung des Bundesgebietes nach § 2 Abs. 1 ROG erforderlich sein. Der Bund hat von dieser 2008 eingeführten Kompetenz bisher keinen Gebrauch gemacht.53 Die Ermächtigung wurde durch die ROG-Novelle 2017 zwar in ihrem Standort verlagert, dennoch aber beibehalten. Dies belegt, dass der fachliche Bedarf für solche planerischen Grundsätze des Bundes z. B. zur Flächenvorsorge für erneuerbare Energien wie Windenergie zwar gegeben ist, es jedoch bisher am politischen Gestaltungswillen gefehlt hat, Flächenvorsorge nach bundeseinheitlichen Kriterien durchzuführen. Dies belegt auch die „Groteske“ des § 249 Abs. 3 BauGB, dessen Umsetzung in Bayern der Windenergie durch zu große Abstandsflächen zu Wohnnutzungen faktisch die Privilegierung im Außenbereich nimmt und damit den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland insgesamt erschwert.54

III. Schlussbemerkung Die Raumordnungsplanung für den Gesamtraum hat sich trotz des weiten Tores, das ihr durch das sog. Baurechtsgutachten des BVerfG eröffnet wurde, nicht recht entfalten können. Gründe waren die ungeklärte Verwaltungszuständigkeit des Bundes für einen solchen Plan und der mangelnde Wille der Fachplanungen des Bundes, sich räumlich koordinieren zu lassen. Stattdessen hat die Bundesraumordnung außerhalb des ROG, aber in Abstimmung mit den Ländern durchaus erfolgreich auf die faktische Wirkung guter Beispiele durch Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) und auf die Teilhabe deutscher Stellen an einer Politik der europäischen territorialen Zusammenarbeit (Interreg B) gesetzt.55 Wer allerdings gehofft hatte, dass sich dadurch die Raumordnung in den Ländern umso wirkungsvoller entfalten würde, hat sich getäuscht. Schwache Partner auf Bundesebene garantieren kein Aufblühen eines Politikbereichs in den Ländern. Die 2006 erfolgte Aufgabe der Rahmengesetzgebung für eine Raumordnung in den Ländern und ihre Überführung (einschließlich der sich darum rankenden Zuständigkeiten des Bundes aus der Natur der Sache) in die konkurrierende Gesetzgebung ohne Erforderlichkeitsprüfung, 53 W. Spannowsky, Aufgabe und Kompetenz des Bundes zur Konkretisierung der bundesgesetzlichen Grundsätze der Raumordnung durch einen Raumordnungsplan nach § 17 Abs. 1 ROG, UPR 2013, 54. 54 M. Raschke, Privilegierter Föderalismus – Länderöffnungsklausel im BauGB?, NVwZ 2014, 414; P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Kommentar zum Raumordnungsgesetz (ROG), 2. Aufl. 2018, § 17 Rn. 55; W. Erbguth, Abstandsflächen nach Eigenart der näheren Umgebung oder: Wen schert schon die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, NordÖR 2016, 351. 55 www.bbsr.bund.de, zuletzt abgerufen am 29. 01. 2019, Stichwort: Modellvorhaben der Raumordnung; Stichwort: Interreg B; Stichwort Raumordnungsprognose. Die Modellvorhaben sind Teil der Ressortforschung des für Raumordnung zuständigen Ministeriums als ressortzugehörige Funktion i.S.d. Entwurfs eines Flurbereinigungsabkommens zwischen Bund und Ländern von 1971; das Mitwirken an den Interreg-Projekten gründet sich auf § 24 Abs. 3 ROG und die Raumordnungsprognose auf § 22 Abs. 1 ROG.

Raumordnung für den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland

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aber mit unbegrenztem Abweichungsrecht der Länder durch die Föderalismusreform I hat die Gesetzgebungsbefugnisse der Bundesraumordnung insgesamt gestärkt. Sie sollte nun die ihr zustehenden gesetzgeberischen und (eingeschränkten) planerischen Zuständigkeiten nutzen – nicht gegen die Länder oder einzelne Fachplanungen, sondern im Zusammenwirken mit ihnen. Sie sollte dabei Gesamtplanung bleiben und nicht vermeintliche Lücken im Fachplanungsrecht zu schließen suchen.

Das raumordnerische Planungserfordernis – Zum Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung bei der Standortbestimmung für Großvorhaben Von Boas Kümper I. Einleitung Das Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung sowie die zwischen sektoraler und überfachlicher räumlicher Planung auftretenden Konflikte sind erst in den vergangenen beiden Jahrzehnten in den Fokus der breiten Fachöffentlichkeit gelangt. So konnte etwa noch im Jahre 1985 Bundesverwaltungsrichter Gaentzsch beobachten, dass Konflikte zwischen Raumordnung und Fachplanung „selten sind oder selten manifest werden“.1 Dieser Befund lässt sich heute nicht mehr aufrecht erhalten.2 So haben Rechtsfragen des Verhältnisses von Raumordnung und Fachplanung mittlerweile wiederholt das Bundesverwaltungsgericht erreicht, wobei speziell die Flughafenplanung eine hervorgehobene Rolle spielte.3 Wenngleich es sich nicht um ein „Massenphänomen“4 handelt, die Konflikte sich vielmehr an vergleichsweise wenigen, dafür jedoch umso komplexeren Vorhaben und Verfahren entzünden, betreffen sie doch die Grundlagen des deutschen Raumplanungsrechts. Deshalb haben sie im Schrifttum nicht zu Unrecht eine intensive Diskussion um das Verhältnis von Raum1

G. Gaentzsch, Bauleitplanung, Fachplanung, Landesplanung – Zur „Konfliktbewältigung“ zwischen verschiedenen Planungsträgern, WiVerw 1985, 231 (248). Demgegenüber wurde das Verhältnis von Raumordnung und Bauleitplanung bereits seit den 1960er Jahren intensiv diskutiert und wurde auch das Verhältnis von Fachplanung und Bauleitplanung frühzeitig als konfliktträchtig wahrgenommen. 2 Namentlich vermehrte Konflikte zwischen Raumordnung und Fachplanung waren ein Anlass für die grundlegende Untersuchung von W. Durner, Konflikte räumlicher Planungen. Verfassungs-, verwaltungs- und gemeinschaftsrechtliche Regeln für das Zusammentreffen konkurrierender planerischer Raumansprüche, 2005; vgl. in diesem Zusammenhang auch W. Spannowsky, Grenzen landes- und regionalplanerischer Festlegungen gegenüber Verkehrswegeplanungen des Bundes, UPR 2000, 418 ff.; K. Goppel, Zum grundsätzlichen Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung vor dem Hintergrund projektbezogener Ziele der Raumordnung zu Verkehrsvorhaben des Bundes, UPR 2000, 431 ff. 3 Vor allem BVerwGE 125, 116 – Flughafen Berlin-Schönefeld; BVerwGE 142, 234 – Flughafen Frankfurt a. M.; ferner BVerwGE 130, 83 – Militärflughafen Memmingen; BVerwGE 117, 351 – Regionalplanung und Schutzgebietsfestsetzung nach Naturschutzrecht. 4 Zur Qualifizierung der Windkraftnutzung als „Massenphänomen“, welches sich in einer unüberschaubaren Fülle einschlägiger Gerichtsentscheidungen widerspiegelt, nur BVerwGE 117, 287 (293).

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ordnung und Fachplanung ausgelöst,5 welche in den letzten Jahren mit der Einführung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) im Hinblick auf die Planung von Höchstspannungsleitungen zusätzlichen Auftrieb erhalten hat.6 Der Jubilar hat bereits sehr frühzeitig auf Grundprobleme des Zusammenwirkens von Raumordnung und Fachplanung hingewiesen7 und seither die Diskussion bis in die Gegenwart maßgeblich geprägt.8 Dabei hat er mit Recht immer wieder die Notwendigkeit einer 5

Etwa W. Durner, Raumplanerische Koordination aus rechtlicher Sicht, RuR 2010, 271 ff.; M. Deutsch, Raumordnung als Auffangkompetenz? Zur Regelungsbefugnis der Raumordnungspläne, NVwZ 2010, 1520 ff.; ders., Luftrechtliche Fachplanung und Gesamtplanung – Einbindung in Raumordnung und Bauleitplanung, EurUP 2016, 90 ff.; R. Steinberg, Landesplanerische Standortplanung und Planfeststellung – unter besonderer Berücksichtigung von Verkehrsflughäfen, DVBl. 2010, 137 ff.; M. Kment, Standortfestlegungen und Streckenverläufe – Neues zum Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung, NuR 2010, 392 ff.; O. Rojahn, Umweltschutz in der raumordnerischen Standortplanung von Infrastrukturvorhaben, NVwZ 2011, 654 ff.; T. Lieber, Aufgaben und Kompetenzgrenzen der Raumordnung – eine Erwiderung, NVwZ 2011, 910 ff.; A. Schink, Verhältnis der Planfeststellung zur Raumordnung, DÖV 2011, 905 ff.; K. F. Gärditz, Möglichkeiten und Grenzen raumordnungsrechtlicher Einwirkung auf die Entwicklung von Binnenhäfen, ZUR 2013, 651 ff.; R. Hendler, Zum Verhältnis von räumlicher Gesamtplanung und räumlicher Fachplanung, in: Knopp/Wolff (Hrsg.), Umwelt – Hochschule – Staat. Festschrift für Franz-Josef Peine zum 70. Geburtstag, 2016, S. 103 ff.; T. Potschies, Raumplanung, Fachplanung und kommunale Planung, 2017, S. 36 ff.; 151 ff. 6 Aus dem umfangreichen Schrifttum etwa M. Appel, Bundesfachplanung versus landesplanerische Ziele der Raumordnung. Was hat Vorrang?, NVwZ 2013, 457 ff.; B. Kümper, Das Verhältnis der Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG zur Raumordnung der Länder, NVwZ 2014, 1409 ff.; H.-J. Koch, Energie-Infrastrukturrecht zwischen Raumordnung und Fachplanung – das Beispiel der Bundesfachplanung ,Trassenkorridore‘, in: Schlacke/Schubert (Hrsg.), Energie-Infrastrukturrecht. Kolloquium anlässlich der Verabschiedung von Prof. Dr. Willfried Erbguth am 11. September 2014, 2015, S. 65 (70 ff.); M. Kment, Bundesfachplanung von Trassenkorridoren für Höchstspannungsleitungen, NVwZ 2015, 616 (619 f.); S. Schlacke, Bundesfachplanung für Höchstspannungsleitungen, NVwZ 2015, 626 (629 f.); A. Eding, Bundesfachplanung und Landesplanung. Das Spannungsverhältnis zwischen Bund und Ländern beim Übertragungsnetzausbau nach §§ 4 ff. NABEG, 2016, S. 119 ff., 203 ff.; M. Schmidtchen, Die Bedeutung der Landesraumordnung für den Ausbau der Übertragungsnetze, BayVBl. 2017, 361 ff. 7 W. Erbguth, Die Koordination raumbedeutsamer Fachplanungen – zum aktuellen Diskussionsstand, BayVBl. 1981, 577 (579 ff.). 8 Aus Raumgründen sei hier nur eine Auswahl aufgeführt: W. Erbguth, Luftverkehr und Raumordnung – am Beispiel der Flughafenplanung, NVwZ 2003, 144 ff.; ders., Energiewende: großräumige Steuerung der Elektrizitätsversorgung zwischen Bund und Ländern, NVwZ 2012, 326 ff.; ders., Trassensicherung für Höchstspannungsleitungen: Systemgerechtigkeit und Rechtsschutz, DVBl. 2012, 325 ff.; ders., Kraftwerkssteuerung durch räumliche Gesamtplanung, NVwZ-Extra 15/2013; ders., Raumordnung und Fachplanung: ein Dauerthema – Grundsätzliches und Aktuelles, DVBl. 2013, 274 ff.; ders., Planerische Rechtsfragen des Netzausbaus: EnWG und NABEG im Zusammenspiel mit der Gesamtplanung, in: Kment (Hrsg.), Netzausbau zugunsten erneuerbarer Energien, 2013, S. 17 ff.; ders., Planung und Zulassung von Stromautobahnen, in: Hebeler u. a. (Hrsg.), Energiewende in der Industriegesellschaft, 2014, S. 185 ff.; ders., Raumbezogenes Infrastrukturrecht: Entwicklungslinien und Problemlagen, in: Kment (Hrsg.), Das Zusammenwirken von deutschem und europäischem öffentlichen Recht. Festschrift für Hans D. Jarass zum 70. Geburtstag, 2015, S. 413 ff.; ders.,

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fachübergreifenden Koordinierung der verschiedenen Raumansprüche betont.9 Hieran knüpfen auch die folgenden Überlegungen an. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass sie sich auf das Verhältnis der Raumordnung zur Planfeststellung, also zur Ebene der fachplanerischen Vorhabenzulassung, nicht auf die Fachplanung insgesamt beziehen.10 Die erste rechtliche Grundfrage des Verhältnisses von Raumordnung und Fachplanung betrifft die Zuordnung der Regelungsbefugnisse: Ist die Raumordnung oder die Fachplanung zuständig? Oder besteht gar ein echtes Konkurrenzverhältnis dergestalt, dass sowohl Raumordnung als auch Fachplanung grundsätzlich entscheidungsbefugt wären? Diese Abgrenzungsschwierigkeiten werden besonders deutlich bei der Bestimmung von Standorten für große Infrastrukturvorhaben, wird doch insofern verbreitet auch die Planfeststellung als „Raumnutzungsentscheidung“ qualifiziert.11 Dementsprechend hat „Die Standortfrage“12 in der Diskussion um das Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung die längste Tradition. Während jedoch bislang vor allem darum gestritten wurde, inwieweit die Raumordnung zu Standortentscheidungen befugt sei, möchte dieser Beitrag der weit seltener erörterten Frage nachgehen, ob in bestimmten Fallgestaltungen die fachplanerische Vorhabenzulassung von einer vorangegangenen raumordnerischen Standortfestlegung abhängig sein kann, die Entscheidungsbefugnisse der Fachplanung mithin durch ein raumordnerisches Planungserfordernis13 bzw. einen „Raumordnungsvorbehalt“14 begrenzt Neues zur Steuerung der Energieerzeugung: Erzeugungsentwicklungsplanung, Europarecht, städtebaulicher Planvorbehalt, in: Knopp/Wolff (Hrsg.), Umwelt – Hochschule – Staat. Festschrift für Franz-Josef Peine zum 70. Geburtstag, 2016, S. 55 ff. 9 Dieses Anliegen hat auch Eingang in die unter seinem Vorsitz erarbeiteten Thesen des Arbeitskreises „Forum Planungsrecht“ der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) gefunden; vgl. Forum Planungsrecht, Vereinheitlichung und Fortentwicklung des räumlichen Planungsrechts: Thesen, EurUP 2017, 308 ff.; dies., Fortentwicklung des Raumplanungsrechts: Aufgaben, Koordination, Effektivität, ZUR 2018, 346 ff. 10 Der Kreis der Fachplanungen ist mit den sog. Nutzungsregelungen und den sog. sonstigen Fachplanungen sehr viel weiter zu ziehen; grundlegende Analyse dieses materiellen Fachplanungsbegriffs bei R. Wahl, Entwicklung des Fachplanungsrechts, NVwZ 1990, 426 (427 ff.); zur Systematisierung W. Erbguth, Zum System der Fachplanungen, in: Erbguth u. a. (Hrsg.), Planung. Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, S. 631 ff. 11 So – in Abgrenzung zur Anlagengenehmigung z. B. nach Immissionsschutzrecht – BVerwGE 128, 358 Rn. 47; vgl. auch bereits BVerwGE 97, 143 (148); BVerwGE 127, 208 Rn. 36; sowie R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller, Fachplanung, 4. Aufl. 2012, § 1 Rn. 9. 12 Eingehend W. Durner (o. Fn. 2), S. 257 ff. m.w.N. auch zu älteren Stellungnahmen; vgl. aus jüngerer Zeit ferner – unter Einbeziehung der vergleichbaren Fragestellung bei der Festlegung von Trassenverläufen – M. Kment, NuR 2010, 392 ff.; A. Eding (o. Fn. 6), S. 55 ff. 13 Bereits frühzeitig hat allerdings E. Schmidt-Aßmann, Das bebauungsrechtliche Planungserfordernis bei §§ 34, 35 BBauG, 1982, S. 56 ff. auch auf die raumordnerische Dimension des Planungserfordernisses hingewiesen; vgl. ferner dens., Zur Kritik eines Bebauungsplan-Erfordernisses bei privilegierten industriellen Großanlagen im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 BBauG), ET 1982, 762 (765). 14 Diesen Begriff verwendet auch bereits K. F. Gärditz, ZUR 2013, 651 (652); vgl. ferner Forum Planungsrecht, ZUR 2018, 346 (349) – These Nr. 22: „raumordnerische(r) Planungs-

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sind. Die die Diskussion dominierende, als solche auch nicht etwa unberechtigte Warnung vor einer Entgrenzung der Raumordnung15 soll damit ergänzt werden um eine Perspektive, die nach den Grenzen der Fachplanung – genauer: der fachplanerischen Vorhabenzulassung – fragt.16 II. Die Diskussion um die raumordnerische Befugnis zur Standortbestimmung und um das Schönefeld-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Weil die Frage nach einem raumordnerischen Planungserfordernis an Argumentationslinien im Streit um die Planungsbefugnis der Raumordnung anknüpft und ihre Beantwortung Rückwirkungen auf die Wahrnehmung jener Planungsbefugnis entfaltet, ist zunächst kurz die Entwicklung der Diskussion zu skizzieren. In dieser wurde die Befugnis der Raumordnung zur Standortbestimmung als solche kaum in Frage gestellt.17 Dies wäre auch kaum überzeugend begründbar, zählt doch § 13 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG Standortfestlegungen ausdrücklich zum regelmäßigen Inhalt der Raumordnungspläne („sollen“).18 Längere Zeit schien jedoch die Auffassung vorzuherrschen, die Raumordnung sei darauf beschränkt, Standorte für Flughäfen, Kraftwerke und andere Großprojekte lediglich zu sichern, d. h. vor konfligierenden Raumansprüchen zu schützen, um die Verwirklichung jener Vorhaben zu ermöglichen. Hierbei sollte es sich um eine bloße Freihalte- und Angebotsplanung handeln, welche mit der Standortausweisung die Verwirklichung des Vorhabens an einem anderen Standort jedoch gerade nicht ausschließen sollte. Eine derart abschließende Standortvorbehalt“; begrifflich ähnlich im Hinblick auf Abgrabungsvorhaben R. Wahl, Erscheinungsformen und Probleme einer projektorientierten Raumordnung, in: Dolde u. a. (Hrsg.), Verfassung – Umwelt – Wirtschaft. Festschrift für Dieter Sellner zum 75. Geburtstag, 2010, S. 155 (162): „Planungsvorbehalt zugunsten der Regionalplanung“. 15 Ein „Missbrauchspotenzial“ identifiziert insofern M. Kment, in: Kment (Hrsg.), ROG mit Landesplanungsrecht, 2018, Grundlagen B Rn. 53; vgl. ferner etwa die Kritik von H. Schulte, Ziele der Raumordnung, NVwZ 1999, 942 (943); W. Hoppe, Kritik an der textlichen Fassung und inhaltlichen Gestaltung von Zielen der Raumordnung in der Planungspraxis, DVBl. 2001, 81 (82 ff.); eine kompetenzüberschreitende, „im Gewand der Raumordnung“ betriebene „eigenständige Fachplanungspolitik“ beobachtet auch W. Durner (o. Fn. 2), S. 260 f. 16 Zu Recht weist bereits T. Lieber, NVwZ 2011, 910 (913) darauf hin, dass für die Kompetenzabgrenzung auch der Grund für die Kompetenz der Fachplanung angegeben werden muss. 17 Als „gesichert“ bezeichnet die raumordnerische Befugnis zur Standortbestimmung sogar Zentralinstitut für Raumplanung, Das Raumordnungsrecht: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, DVBl. 2005, 1149 (1156 f.); vgl. aber auch W. Durner (o. Fn. 2), S. 257 f. m.w.N. zu älteren Stellungnahmen. 18 Auf die entsprechende Vorgängerbestimmung des § 7 ROG a.F. verweisend auch W. Erbguth, NVwZ 2003, 144 (146); Zentralinstitut für Raumplanung, DVBl. 2005, 1149 (1157); ebenso die sogleich näher zu erörternde Entscheidung zum Flughafen Berlin-Schönefeld: BVerwGE 125, 116 Rn. 65.

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bestimmung sollte vielmehr der fachplanerischen Vorhabenzulassung, insbesondere dem Planfeststellungsverfahren, vorbehalten sein; der Raumordnung dagegen fehle hierfür die Regelungsbefugnis.19 Für diese rein sichernde raumordnerische Standortplanung ist das in § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ROG definierte Vorranggebiet die typische Festlegung: Innerhalb des Vorranggebiets sind die mit dem Gebietszweck unvereinbaren raumbedeutsamen Funktionen und Nutzungen ausgeschlossen; doch beschränkt sich die Festlegung auf diese rein innergebietliche Wirkung, insbesondere schließt sie die Wahl eines abweichenden Standortes außerhalb des Vorranggebiets nicht aus.20 Die Sicherungsfunktion der raumordnerischen Standortplanung spricht auch § 13 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG an („zu sichernde Standorte“). Doch folgt hieraus nicht, dass die Raumordnung auf die bloße Standortsicherung oder eine bloße Freihalteplanung beschränkt wäre. Denn § 7 Abs. 3 und § 13 Abs. 5 ROG benennen lediglich regelmäßige bzw. typische raumordnerische Festlegungen, ohne die Raumordnung einem numerus clausus der Festlegungsmöglichkeiten zu unterwerfen, wie er die verbindliche Bauleitplanung begrenzt (vgl. § 9 Abs. 1 BauGB).21 Dementsprechend ist eine Befugnis der Raumordnung zur abschließenden Standortbestimmung nicht von vornherein ausgeschlossen. Es wäre zudem kaum überzeugend, den Kompetenzbereich der Raumordnung zwar grundsätzlich als eröffnet anzusehen, diesen aber speziell im Hinblick auf die Standortplanung auf einen bloßen Ausschnitt des raumordnerischen Instrumentariums beschränken zu wollen.22 Vielmehr ist in einem solchen Fall das „Ob“ und das „Wie“ einer raumordnerischen Festlegung nicht mehr eine Frage des Aufgabenbereichs, sondern eine solche der Aufgaben19 So etwa U. Büdenbender, Energierecht, 1982, Rn. 995 f.; H.-U. Evers, Recht der Energieversorgung, 2. Aufl. 1983, S. 247; G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung. Rechtliche Grundstrukturen netzgebundener Transport- und Übertragungssysteme zwischen Daseinsvorsorge und Wettbewerbsregulierung am Beispiel der leitungsgebundenen Energieversorgung in Europa, 1998, S. 412 f.; W. Durner (o. Fn. 2), S. 258, 260; die raumordnerische Regelungsbefugnis offen lassend BVerwG, NVwZ-RR 1997, 523 (523). Hiervon zu unterscheiden ist die fehlende Bindung der Fachplanung an die Standortalternativenprüfung eines Raumordnungsverfahrens gem. § 15 ROG; vgl. hierzu U. Steiner, Zur Standortfindung bei Verkehrsflughäfen, in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag, 1999, S. 549 (556 ff.). 20 Zuletzt BVerwG, NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 105 im Hinblick auf die Führung der Trasse für eine Höchstspannungsleitung außerhalb eines Vorranggebiets „Leitungstrasse“ im landesweiten Raumordnungsplan; anders jedoch für die Bindung der Bauleitplanung an einen als Vorranggebiet ausgewiesenen Kraftwerksstandort OVG NRW, DVBl. 2009, 1385 (1386 f.). 21 Siehe auch P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2. Aufl. 2018, § 7 Rn. 13; K. Goppel, ebda, § 13 Rn. 63, 65; S. Grotefels, in: Kment (Hrsg.), ROG mit Landesplanungsrecht, 2018, § 7 Rn. 41 und § 13 Rn. 110. 22 So zu Recht im Hinblick auf die Frage, ob Betriebsregelungen vonseiten der Raumordnung allein in Form eines Grundsatzes, nicht aber in Form eines Ziels getroffen werden dürfen, P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Loseblattwerk, Stand November 2017, L § 3 ROG 2008 Rn. 174; R. Hendler, Raumordnerische Standortplanung zur Erweiterung des Flughafens Frankfurt am Main in der Rechtsprechung des HessVGH, LKRZ 2010, 281 (284).

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wahrnehmung, für welche die Gebote raumordnerischer Erforderlichkeit und Konfliktbewältigung sowie der Verhältnismäßigkeit maßgeblich sind. Dies zeigt einmal mehr, dass die Überfachlichkeit der Raumordnung,23 auf welche man regelmäßig im Sinne einer Begrenzung raumordnerischer Regelungsbefugnisse rekurriert,24 nicht bereits dadurch in Frage gestellt ist, dass raumordnerische Festlegungen einen fachlichen Anknüpfungspunkt aufweisen.25 Eine echte Zäsur in der Diskussion um die raumordnerische Standortplanung stellt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Flughafen Berlin-Schönefeld vom 16. 03. 2006 dar. Zwar hebt der erkennende Senat in ihm die (bloße) Sicherung von Standorten als eine klassische Aufgabe der Raumordnung hervor,26 doch reduziert er die Kompetenzen der überörtlichen Gesamtplanung nicht hierauf, sondern spricht dieser gerade auch die Befugnis zu, abschließend und mit für die Vorhabenzulassung verbindlicher Wirkung über den Standort für den Flughafen zu entscheiden: Die Planfeststellungsbehörde habe „das Ergebnis des landesplanerischen Standortvergleichs als solches hinzunehmen“. Dies begründet der Senat mit der Erwägung, die Standortwahl für einen internationalen Verkehrsflughafen stelle wegen ihrer weiträumigen Auswirkungen und der von ihr ausgehenden Nutzungskonflikte „vorrangig eine raumordnerische Entscheidung“ dar. Dieser Planungsaufgabe komme unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen, die durch das Fehlen einer rechtsverbindlichen Flughafennetz- und Bedarfsplanung gekennzeichnet seien, besondere Bedeutung zu. Eine erneute Prüfung von Standortalternativen auf der Ebene der Fachplanung wäre „mit dem gesamträumlichen Gestaltungsanspruch der Landesplanung nicht vereinbar“.27 Damit hat das Bundesverwaltungsgericht eine Befugnis der Raumordnung zur verbindlichen Standortfestlegung jedenfalls für ein Größtprojekt anerkannt. Es hat in der Folgezeit jedoch auch im Zusammenhang mit einem ungleich kleineren Vorhaben auf die im Schönefeld-Urteil getroffenen Aussagen 23 Angedeutet bereits im Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfGE 3, 407 (425): „zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes“, die „vielfältige Fachplanungen zusammenfaßt und aufeinander abstimmt“. 24 Siehe etwa Zentralinstitut für Raumplanung, DVBl. 2005, 1149 (1156); W. Durner (o. Fn. 2), S. 254 ff.; M. Kment, NuR 2010, 392 (394); dens., Landesplanerischer Ausschluss von Fracking-Vorhaben – Kompetenzrechtliche Grenzen, NWVBl. 2017, 1 (6); T. Potschies (o. Fn. 5), S. 10 f. 25 Darauf weist namentlich W. Erbguth, DVBl. 2013, 274 (277) hin; hieran anschließend auch M. Schubert, Maritimes Infrastrukturrecht, 2015, S. 307 m.w.N.; zu Recht die Konturenlosigkeit der Überfachlichkeit betonend auch M. Deutsch, NVwZ 2010, 1520 (1520). Dazu, dass die Überfachlichkeit nicht allein ein kompetenzbegrenzendes Merkmal darstellt, sondern der überfachliche Steuerungsbedarf die Zuständigkeit der Raumordnung gerade auch begründet, T. Lieber, NVwZ 2011, 910 (913); S. Wagner, Klimaschutz durch Raumordnungsrecht, 2018 – i. E. 26 BVerwGE 125, 116 Rn. 65: „Es gehört zu den herkömmlichen Mitteln überörtlicher Koordination und Entwicklung, Raumfunktionen zu sichern, die an besondere Lagevorteile und Standortbedingungen geknüpft sind.“ 27 BVerwGE 125, 116 Rn. 72.

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Bezug genommen und diese somit stärker verallgemeinert.28 Im Schrifttum hat man sich den Aussagen des Schönefeld-Urteils im Wesentlichen angeschlossen und seither die verbindliche raumordnerische Standortplanung kaum mehr in Frage gestellt.29 Kontrovers diskutiert wurde im Anschluss an das Schönefeld-Urteil nur noch, ob es sich bei der raumordnerischen Befugnis zur abschließenden Standortfestlegung um eine bloß subsidiäre, eine fehlende Fachplanung substituierende Kompetenz der Raumordnung handelt, wie sie etwa auch bei der raumordnerischen Steuerung der Rohstoffgewinnung angenommen wird.30 Einen Ansatz für diese Überlegung bietet die Bezugnahme des Schönefeld-Urteils auf die „gegenwärtigen Rahmenbedigungen“ einer fehlenden Flughafennetz- und Bedarfsplanung.31 Dies wurde mitunter im Sinne einer lediglich kompensatorischen und somit bloß subsidiären raumordnerischen Befugnis verstanden, was zur Folge hätte, dass diese bei Etablierung einer entsprechenden Fachplanung entfiele.32 Doch überzeugt diese Interpretation der Entscheidung nicht, denn das Bundesverwaltungsgericht qualifiziert dort die Standortfestlegung für den Flughafen als „vorrangig“ raumordnerische Entscheidung, was bereits begrifflich einer Subsidiarität der Raumordnung entgegensteht. Der Senat verweist ferner darauf, die Standortauswahl habe weiträumige Auswirkungen auf die Siedlungs- und Freiraumstruktur des Planungsraumes und schaffe Nutzungskonflikte, die „in der Regel bereits auf der übergeordneten Ebene der Landesplanung ein öffentliches Planungsbedürfnis auslösen“.33 Mit einem solchen spezifisch raumord28 BVerwGE 130, 83 Rn. 66 – Änderungsgenehmigung für den Militärflughafen Memmingen: „Die Wahl eines Flughafenstandorts stellt vorrangig eine raumordnerische Entscheidung dar; dies gilt nicht nur für einen internationalen […], sondern auch für einen regionalen Verkehrsflughafen.“ Auf das Schönefeld-Urteil insofern ebenfalls Bezug nehmend BVerwGE 142, 234 Rn. 305 – Flughafen Frankfurt a. M. 29 Vgl. etwa M. Deutsch, Aktuelle Fragen beim Flughafenausbau, NVwZ 2006, 878 (878 f.); dens., NVwZ 2010, 1520 (1522); R. Steinberg, DVBl. 2010, 137 (138 f.); M. Kment, NuR 2010, 392 (394); A. Schink, DÖV 2011, 905 (911); O. Rojahn, NVwZ 2011, 654 (655 ff.); T. Lieber, NVwZ 2011, 910 (912); K. F. Gärditz, ZUR 2013, 651 (652); T. Potschies (o. Fn. 5), S. 57 ff., 151 ff. 30 Zur raumordnerischen „Ersatzvornahme“ bei der Rohstoffgewinnung P. Runkel (o. Fn. 22), L § 1 ROG 2008 Rn. 48, 71; W. Erbguth, DVBl. 2013, 274 (277); diese Überlegung auf die Standortbestimmung für Binnenhäfen übertragend K. F. Gärditz, ZUR 2013, 651 (652); kritisch M. Schubert (o. Fn. 25), S. 308 f., demzufolge die Raumordnung aufgrund ihrer überfachlichen Perspektive den Ausfall einer Fachplanung nicht kompensieren kann. 31 BVerwGE 125, 116 Rn. 72; eingehend zu diesen Rahmenbedingungen A. Jannasch, Raumordnung und Flughafenplanung, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts, 2008, S. 127 (130 ff.). 32 Vor allem W. Durner, RuR 2010, 271 (274); dagegen W. Erbguth, DVBl. 2013, 274 (277); M. Kment, NuR 2010, 392 (394); sowie A. Schink, DÖV 2011, 905 (910), der aber auch von einem „Recht des ersten Zugriffs“ spricht. 33 BVerwGE 125, 116 Rn. 72; ebenso später BVerwGE 130, 83 Rn. 66 – Militärflughafen Memmingen; BVerwGE 142, 234 Rn. 305 – Flughafen Frankfurt a. M.; hierauf Bezug nehmend auch BVerwG, Beschl. v. 31. 03. 2011 – 4 BN 19.10, juris, Rn. 14 – Flughafen Frankfurt a. M.

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nerischen Planungsbedürfnis ist aber die Annahme eines lediglich subsidiären raumordnerischen Zugriffsrechts nicht vereinbar; die Standortfestlegung für ein derart konfliktträchtiges Vorhaben ist auf der Grundlage des Schönefeld-Urteils vielmehr eine genuin raumordnerische Aufgabe, die nicht vom Fehlen einer entsprechenden Fachplanung abhängt. III. Das raumordnerische Planungserfordernis als Grenze der fachplanerischen Vorhabenzulassung Das erstmals im Schönefeld-Urteil angesprochene und in Folgeentscheidungen zur Flughafenplanung bestätigte „öffentliche Planungsbedürfnis“34 ist auch Ansatzpunkt für die Überlegungen zur Existenz eines raumordnerischen Planungserfordernisses bzw. eines raumordnerischen Planvorbehalts. Denn die vom erkennenden Senat gewählte Formulierung deutet darauf hin, dass die durch die Standortwahl ausgelösten Nutzungskonflikte der spezifischen Bewältigung gerade durch eine raumordnerische Entscheidung bedürfen.35 Zwar spricht das Schönefeld-Urteil das „öffentliche Planungsbedürfnis“ im Zusammenhang mit der Frage nach der Regelungsbefugnis der Raumordnung an – schließlich lag in jenem Verfahren eine raumordnerische Standortentscheidung vor, deren Rechtmäßigkeit allein zu begründen war.36 Doch spricht Vieles dafür, dass in diesem Zusammenhang verallgemeinerungsfähige Aussagen über die Regelungsbefugnisse von Raumordnung und Planfeststellung getroffen werden sollten, hätte es doch zur Begründung der bloßen Planungsbefugnis nicht zwingend einer Rechtfertigung mit Erwägungen zur Notwendigkeit gerade raumordnerischer Konfliktbewältigung bedurft und wäre es doch aus Sicht allein des zu beurteilenden Planungsverfahrens unnötig gewesen, der bereits positiv getroffenen raumordnerischen Entscheidung einen „Vorrang“ auch im Hinblick auf die Frage der Entscheidungszuständigkeit einzuräumen.37 Der wiederholte Rekurs auf das „Planungsbedürfnis“ in Folgeentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts deutet ebenfalls auf seine allgemeine Bedeutung für das Kompetenzgefüge von Raumordnung und Fachplanung hin. Erfordert die Konfliktbewältigung danach in bestimmten Fallgestaltungen gerade eine raumordnerische Standortentscheidung, so lässt sich hieraus nicht allein auf die (genuin) raumordnerische Planungsbefugnis schließen, sondern beinhaltet dies zugleich eine Aussage über die Befugnisse der Fachplanung bzw. deren Grenzen: Lassen sich die durch ein Fachplanungsvorhaben ausgelösten Konflikte allein auf der 34

Vgl. vorstehend Fn. 33. So auch A. Schink, DÖV 2011, 905 (910). 36 Vgl. auch BVerwGE 125, 116 Rn. 72: „Hat ein Träger der Landesplanung seine Planungsbefugnisse in diesem Sinne wahrgenommen […].“ 37 Die Frage einer „vorrangigen“ Entscheidungszuständigkeit der Raumordnung hätte allein Bedeutung für die über den Fall hinausreichende Frage gehabt, ob die Kompetenz der Raumordnung lediglich eine subsidiäre, d. h. vom Ausfall der Fachplanung abhängige sei; hierzu vorstehend II. a.E. 35

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Ebene der Raumordnung bewältigen, so darf die Zulassung im Weg der Planfeststellung nicht ohne eine solche vorangehende gesamtplanerische Standortbestimmung erfolgen.38 Eine entsprechende Schranke der Vorhabenzulassung wird im Bereich des Bodenrechts, insbesondere für die Zulassung von Außenbereichsvorhaben, bereits seit längerem unter dem Begriff des sog. bebauungsrechtlichen Planungserfordernisses diskutiert.39 Dieses soll als sog. unbenannter öffentlicher Belang i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB einem Außenbereichsvorhaben entgegenstehen können, wenn die durch das Vorhaben ausgelösten Konflikte sich allein durch eine förmliche (verbindliche) Bauleitplanung bewältigen lassen und die Ebene des Zulassungsrechts daher überfordert ist.40 Während das Bundesverwaltungsgericht das Planungserfordernis zunächst auf die Notwendigkeit der sog. Binnenkoordination – die Bewältigung der innerhalb des Vorhabens und auf dem Baugrundstück auftretenden Probleme – stützte und begrenzte,41 hat es in seinem Urteil zum „Designer Outlet Zweibrücken“ anerkannt, dass die Planungsbedürftigkeit gerade auch durch die Notwendigkeit der sog. Außenkoordination, d. h. durch die Probleme ausgelöst werden kann, welche die Einordnung des Vorhabens in seine Umgebung aufwirft.42 Zuletzt hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Mücksch-Urteil vom 20. 12. 2012 für den störfallrechtlichen Kontext des Art. 12 Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie 96/82/EG ein Planungserfordernis auch für den unbeplanten Innenbereich angenommen, wo das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot dem durch das Vorhaben ausgelösten Koordinierungsbedarf nicht hinreichend Rechnung tragen 38

Deutlich auch Forum Planungsrecht, ZUR 2018, 346 (349) – These Nr. 22: fachliche Zulassungen könnten in derartigen Fällen nur nach der gebotenen vorherigen raumordnerischen Planung erfolgen. 39 Auf diese Parallele hinweisend auch Forum Planungsrecht, ZUR 2018, 346 (349) – These Nr. 22. Aus der baurechtlichen Diskussion vgl. etwa W. Hoppe, Zur planungsrechtlichen Zulässigkeit von Kraftwerken und sonstigen Großvorhaben im „Außenbereich“, NJW 1978, 1229 ff.; ders., Ungewißheiten beim bebauungsrechtlichen Planungserfordernis (§ 35 Abs. 1 BBauG) für industrielle Großvorhaben, DVBl. 1982, 913 ff.; E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 8 ff., 20 ff.; F.-J. Peine, Umgehung der Bauleitplanungspflicht bei Großvorhaben, DÖV 1983, 909 ff.; D. Karlin, Das bebauungsrechtliche Planungserfordernis bei § 35 Bundesbaugesetz, 1986; J. Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung gegenüber Bauvorhaben nach § 34 BBauG – Zugleich zum bebauungsrechtlichen Planungserfordernis als Instrument der Zielverwirklichung in §§ 34 und 35 BBauG, 1985; ders., Das bebauungsrechtliche Planungserfordernis – Bestandsaufnahme und dogmatische Absicherung, UPR 1986, 251 ff.; P. Schröter, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben im Außenbereich, 2013, S. 656 ff.; L. Münkler, Ansiedlungssteuerung im Außenbereich, VerwArch 106 (2015), 475 (490 ff.); zuletzt umfassend J. Brukwicki, Das bebauungsrechtliche Planungserfordernis, 2017. 40 Prägnant BVerwGE 117, 25 (30) – Designer Outlet Zweibrücken: Die durch das Vorhaben ausgelöste Konfliktlage übersteige „die in § 35 BauGB vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens“. 41 Siehe etwa BVerwG, Urt. v. 22. 06. 1990 – 4 C 6.87, BRS 50 Nr. 84; relativierend aber BVerwGE 96, 95 (108), wonach dies (lediglich) für den Regelfall gelten soll. 42 BVerwGE 117, 25 (31); zur Entwicklung eingehend J. Brukwicki (o. Fn. 39), S. 39 ff., 79 ff., 89 ff.

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kann.43 Für das Baurecht wurde auch bereits frühzeitig der grundlegende Unterschied zwischen dem Planungserfordernis einerseits und der Erforderlichkeit der Planung andererseits (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) herausgearbeitet: Als Größe der Zulassungs-, nicht der Planungsebene, betrifft das Planungserfordernis nicht die bauplanungsrechtliche Frage, ob die Aufstellung eines Bebauungsplans für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist, sondern die zulassungsrechtliche Frage, ob ein bestimmtes Vorhaben angesichts der von ihm ausgehenden Konflikte zugelassen werden darf.44 Das Planungserfordernis markiert somit eine immanente Grenze des Zulassungsrechts und soll die Überforderung der auf das einzelne Vorhaben fokussierten Betrachtung anzeigen. Die in der geschichtlichen Ausdifferenzierung des öffentlichen Bau- und Planungsrechts zum Ausdruck kommende und auch dem Planungserfordernis als Institut des Zulassungsrechts zugrunde liegende Erkenntnis, dass bestimmte Konfliktlagen nicht isolierten Einzelentscheidungen überlassen bleiben dürfen, sondern der vorausschauenden – mithin: einer planerischen – Koordinierung bedürfen,45 ist nicht auf das Verhältnis von Baugenehmigungsrecht und Bebauungsplanung beschränkt, sondern lässt sich – in Entsprechung zum Ausmaß der zu bewältigenden Konflikte – grundsätzlich auch auf das Verhältnis von fachplanerischer Vorhabenzulassung und überörtlicher Gesamtplanung übertragen. Ein raumordnerisches Planungserfordernis ist damit letztlich Konsequenz einer Ausdifferenzierung nicht nur von Genehmigungs- und Planungsebene, sondern auch eines „mehrstufigen Systems“ räumlicher Planung, in dem verschiedenen Planungsebenen jeweils spezifische Aufgaben zugedacht sind.46 Vor diesem Hintergrund hat Schmidt-Aßmann in seinen Arbeiten zum bebauungsrechtlichen Planungserfordernis bereits frühzeitig überzeugend darauf hingewiesen, dass das Planungserfordernis nicht auf das „Erfordernis eines Standortbebauungsplans“47 verengt werden darf, sondern das Instrumentarium des gesamten Raumplanungssystems in den Blick zu nehmen ist. Begreift 43 BVerwGE 145, 290 Rn. 35; hierzu auch J. Brukwicki (o. Fn. 39), S. 153 ff.; vgl. ferner allgemein zum unbeplanten Innenbereich aus jüngerer Zeit J. Grooterhorst, Bestehende Planungspflichten als negatives Tatbestandsmerkmal in § 34 BauGB?, BauR 2017, 188 ff. 44 Hierzu F. Weyreuther, Über die Erforderlichkeit von Bebauungsplänen, DVBl. 1981, 369 (371 f.); E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 37 ff., 43 ff.; ders., ET 1982, 762 (762), der anschaulich „aktivierende“ und „hindernde“ Planungserfordernisse unterscheidet; D. Karlin (o. Fn. 39), S. 31 ff.; zuletzt J. Brukwicki (o. Fn. 39), S. 35 ff. 45 Zur geschichtlichen Entwicklung E. Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 7 ff.; zu den entsprechenden Erwägungen mit Blick auf das Planungserfordernis E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 3; J. Brukwicki (o. Fn. 39), S. 21. 46 Auf das „gestufte System der räumlichen Gesamtplanung“ nimmt regelmäßig auch das Bundesverwaltungsgericht Bezug; siehe etwa BVerwGE 90, 239 (333 f.); BVerwGE 119, 25 (39 f.); BVerwGE 125, 116 Rn. 68 f.; von einem „System einer arbeitsteilig gestuften Raumverantwortung“ spricht auch bereits E. Schmidt-Aßmann, Die Stellung der Gemeinden in der Raumplanung – Systematik und Entwicklungstendenzen, VerwArch 71 (1980), 117 (118, 138). 47 Zu dieser begrifflichen Präzisierung der vorherrschenden Lehre vom Planungserfordernis E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 4, 53; ders., ET 1982, 762 (763).

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man mit Schmidt-Aßmann das Planungserfordernis als „Erfordernis systemgerechter planerischer Klärung“48, so lässt sich diese Rechtsfigur nämlich nicht auf die Ebene des Baugenehmigungsverfahrens und auf den Bebauungsplan beschränken, sondern muss für sämtliche Ebenen der Planung gelten, auf denen die „staatliche Raumverantwortung“ ihren Ausdruck findet.49 Das Planungserfordernis fordert dementsprechend „die raumrelevanten Wirkungen eines Vorhabens an eben jenem Punkt zur staatlichen (Mit-)Verantwortung zu stellen, an der sie im Raumplanungssystem strukturadäquat entschieden werden können“.50 Hieran anschließend lassen sich die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts zur Flughafenplanung im Sinne eines raumordnerischen Planungserfordernisses weiterdenken: Lösen bestimmte Projekte „in der Regel bereits auf der übergeordneten Ebene der Landesplanung ein öffentliches Planungsbedürfnis“ aus,51 so ist in diesen Fällen allein eine raumordnerische Entscheidung „systemgerecht“. Als Hindernis für die Vorhabenzulassung kann ein raumordnerisches Planungserfordernis jedenfalls dann fungieren, soweit das einschlägige Zulassungsrecht seine Berücksichtigung zulässt,52 wie dies etwa im Falle des § 35 BauGB die unbenannten öffentlichen Belange erlauben.53 Für die fachplanerische Vorhabenzulassung im Wege der Planfeststellung oder Plangenehmigung eröffnet das Abwägungsgebot die Möglichkeit, die Zulassung abzulehnen, weil die gebotene Konfliktbewältigung allein auf der Ebene der Raumordnung zu leisten ist. Betrachtet man die an das erstmals im Schönefeld-Urteil formulierte raumordnerische „Planungsbedürfnis“ anschließenden Folgeentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, so hat in diesen ein raumordnerisches Planungserfordernis im vorbezeichneten Sinne keinen Niederschlag gefunden. Im Urteil zur Umnutzung des Militärflughafens Memmingen ergänzte der Senat die im Schönefeld-Urteil aufgestellten Grundsätze zwar dahingehend, dass die Wahl eines Flughafenstandorts 48

E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 52 f.; ders., ET 1982, 762 (765). Zum Topos der „staatlichen Raumverantwortung“ E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 52; ders., ET 1982, 762 (765); ders., VerwArch 71 (1980), 117 (117 f.); vgl. ferner W. Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30 (1972), S. 245 (253 ff.); R. Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und Landesentwicklung, 1978, Bd. I, S. 45 ff.; M. Burgi, Die Planfeststellung umweltrelevanter Vorhaben im Schnittpunkt von Planung und Verhaltenssteuerung, JZ 1994, 654 (656). 50 E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 53, dort auch weiter: „Für die Verortung der staatlichen Raumverantwortung gibt es folglich nicht nur eine einzige Stelle und nicht nur ein einziges Instrument.“ Auf Schmidt-Aßmann Bezug nehmend auch L. Münkler, VerwArch 106 (2015), 475 (491 f.), die jedoch die Grenzen planerischer Koordination durch höherstufige Pläne betont. 51 Vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 33. 52 Vgl. in diesem Zusammenhang wiederum E. Schmidt-Aßmann, ET 1982, 762 (763), der zu Recht betont, ein Planungserfordernis dürfe nicht mit „allgemeinen Zweckmäßigkeits- und Sinnfälligkeitsargumenten“, sondern müsse „nach Maßgabe des jeweiligen Gesetzestatbestandes“ aufgezeigt werden. 53 Hierzu BVerwGE 117, 25 (30); vgl. ferner J. Brukwicki (o. Fn. 39), S. 231 ff., dort auch zur Einordnung des Planungserfordernisses im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB. 49

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nicht nur für einen internationalen, sondern auch für einen regionalen Verkehrsflughafen „vorrangig eine raumordnerische Entscheidung“ sei und ein „öffentliches Planungsbedürfnis“ auf raumordnerischer Ebene auch hier ausgelöst werde. Doch setze die Erteilung der luftverkehrsrechtlichen Änderungsgenehmigung nicht eine positive raumordnerische Standortentscheidung voraus.54 Diese Entscheidung muss nicht notwendig als Absage an ein raumordnerisches Planungserfordernis verstanden werden, betraf sie doch ein ungleich kleineres und weit weniger raumwirksames Projekt als das Schönefeld-Urteil. Allerdings stellte das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss zur Erweiterung des Flughafens Frankfurt am Main ausdrücklich klar, dass die Raumordnung auch im Falle eines internationalen Verkehrsflughafens nicht zur verbindlichen Standortfestlegung verpflichtet sei.55 Auch diese Entscheidung spricht jedoch nicht gegen die Anerkennung eines raumordnerischen Planungserfordernisses: Erstens verhielt sie sich nicht zur Zulassungsfähigkeit des Projekts im Falle fehlender Raumordnungsplanung, sondern lediglich zu den Anforderungen an die getroffene raumordnerische Entscheidung.56 Und zweitens ist, wie bereits die baurechtliche Diskussion aufgezeigt hat,57 das Planungserfordernis als Grenze der Vorhabenzulassung deutlich von der Frage einer evtl. Planungspflicht unter dem Gesichtspunkt der planerischen Erforderlichkeit zu unterscheiden. Jedenfalls lässt sich aus dem Verbot, bestimmte Vorhaben ohne vorangehende Planungsentscheidung zuzulassen, nicht auf eine Pflicht zur planerischen Standortausweisung für jene Vorhaben schließen, zumal andernfalls der Gestaltungsspielraum, welchen das Erforderlichkeitsgebot hinsichtlich der Planungsinitiative eröffnet, durch das Zulassungsrecht begrenzt und insofern das Verhältnis von Planungs- und Zulassungsebene in sein Gegenteil verkehrt würde.58 Es ist jedoch einem zentralen Einwand nachzugehen, der gegen ein raumordnerisches Planungserfordernis als Grenze der fachplanerischen Vorhabenzulassung erhoben werden könnte.59 Für das Bundesverwaltungsgericht nämlich war für die An54 BVerwGE 130, 83 Rn. 66; vgl. hierzu auch R. Steinberg, DVBl. 2010, 137 (145), der Zweifel andeutet, ob dies der im Schönefeld-Urteil erkannten „inhaltlichen und kompetenziellen Eigenart der raumplanerischen Entscheidung […] gerecht wird“. 55 BVerwG, Beschl. v. 31. 03. 2011 – 4 BN 19.10, juris, Rn. 10 ff.: „Eine bundesrechtliche Vorschrift, die den Träger der Landesplanung verpflichtet, den Standort der Erweiterung eines internationalen Verkehrsflughafens mit bindender Wirkung für die Fachplanung zielförmig festzulegen, existiert nicht.“ 56 Diese war als Festlegung eines Vorranggebiets (§ 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ROG) ergangen, entfaltete somit lediglich eine innergebietliche, nicht aber eine außergebietliche Ausschlusswirkung. 57 Vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 44. 58 Eine Einschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit enthält das Erforderlichkeitsgebot lediglich in seiner Ausprägung als Verbot der nicht erforderlichen, namentlich der nicht vollzugsfähigen Planung; vgl. zu diesem nur H.-G. Gierke, in: Brügelmann (Begr.), BauGB, Loseblattwerk, 74. Erg.-Lfg. März 2010, § 1 Rn. 121, 167 ff. m.w.N. 59 Verschiedene in der baurechtlichen Diskussion vorgetragene Bedenken greifen dagegen im Hinblick auf ein raumordnerisches Planungserfordernis von vornherein nicht, so etwa die

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erkennung des bebauungsrechtlichen Planungserfordernisses die Erwägung leitend, dass das Konditionalprogramm der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbestände nach §§ 34, 35 BauGB dem Bedürfnis nach einem planerischen Ausgleich der durch das Vorhaben berührten Belange nicht Rechnung tragen könne.60 Der fachplanerischen Vorhabenzulassung im Wege der Planfeststellung aber ist – im Unterschied zur Entscheidung im Baugenehmigungsverfahren – ein Abwägungsspielraum eröffnet, durch das fachplanerische Abwägungsgebot sogar aufgegeben.61 Deshalb ist zu erwägen, ob nicht bereits die Planfeststellung dem durch die räumlichen Auswirkungen des Fachplanungsvorhabens begründeten Bedürfnis nach planerischer Abwägung Rechnung tragen kann. So weist auch Schmidt-Aßmann darauf hin, dass ein Verständis des Planungserfordernisses als „Erfordernis systemgerechter planerischer Klärung“62 im ausdifferenzierten System räumlicher Planungen nicht notwendig bedeutet, dass allein die gesamtplanerische Entscheidung „systemgerecht“ ist.63 Die Frage nach den Möglichkeiten der Planfeststellung zur planerischen Abwägung droht freilich auf die Grundsatzdebatte über den Planungscharakter der Planfeststellung, den Inhaber der planerischen Gestaltungsfreiheit (Vorhabenträger oder Planfeststellungsbehörde?) und das Verhältnis der fachplanerischen Abwägung zu anderen Erscheinungsformen administrativer Gestaltungsspielräume zu weisen. Zu dieser intensiv geführten Diskussion kann an dieser Stelle kein eigenständiger Beitrag geleistet werden,64 doch erscheint dies auf der Grundlage der praktisch konsentierten Kritik, das Planungserfordernis stelle als Zulassungshindernis das gesetzgeberisch intendierte Gefüge des § 35 BauGB als Planersatznorm in Frage; hierzu F. Weyreuther, Bauen im Außenbereich, 1979, S. 353; H. Jochum, Die Genehmigung von Großvorhaben im Außenbereich: Von der Planungshoheit zur Planungsobliegenheit der Gemeinden, BauR 2003, 31 (37). 60 Deutlich BVerwGE 117, 25 (30): Der öffentliche Belang des Erfordernisses einer förmlichen Planung bringe „zum Ausdruck, dass die in § 35 BauGB selbst enthaltenen Vorgaben nicht ausreichen, um im Sinne des erwähnten Konditionalprogramms eine Entscheidung über die Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens treffen zu können“. Gleichsinnig im Hinblick auf § 34 Abs. 1 BauGB BVerwGE 145, 290 Rn. 35; ferner zu § 31 Abs. 1 BauGB BVerwGE 142, 1 Rn. 21 ff. 61 Zur Geltung des Abwägungsgebots für die Planfeststellung grundlegend BVerwGE 48, 56 (59); BVerwGE 56, 110 (123); weiterführend auch W. Durner (o. Fn. 2), S. 274 ff.; R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 11), § 3 Rn. 107 ff. Entsprechendes gilt für die Plangenehmigung; hierzu nur U. Ramsauer/P. Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 74 Rn. 204. 62 Hierzu oben, III., bei und mit Fn. 48 ff. 63 E. Schmidt-Aßmann, ET 1982, 762 (765): Es müsse nicht notwendig ein Plan der integralen Raumplanung eingesetzt werden. 64 Vgl. zu diesem Fragenkreis aus der umfangreichen Literatur R. Wahl, Genehmigung und Planungsentscheidung. Überlegungen zu zwei Grundmodellen des Verwaltungsrechts und zu ihrer Kombination, DVBl. 1982, 51 ff.; R. Rubel, Planungsermessen. Norm- und Begründungsstruktur, 1982, S. 48 ff., 60 ff., 147 ff.; M. Ibler, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit im Planfeststellungsrecht, 1988, S. 36 ff.; W. Erbguth, Anmerkungen zum administrativen Entscheidungsspielraum – Am Beispiel der Planfeststellung, DVBl. 1992, 398 ff.; M. Burgi, JZ 1994, 654 ff.; E. Schmidt-Aßmann, Planung als administrative Handlungsform und Rechtsinstitut, in: Berkemann u. a. (Hrsg.), Planung und Plankontrolle. Fest-

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Ausgangspunkte auch nicht notwendig. So wenig sich nämlich bestreiten lässt, dass der Planfeststellung durch die meisten Fachplanungsgesetze ein expliziter Abwägungsauftrag erteilt wurde,65 so anerkannt ist es andererseits, dass diese fachplanerische Abwägung bestimmten Einschränkungen unterliegt: So ist die Planfeststellungsbehörde im Rahmen ihrer Abwägung zwar zur Berücksichtigung vom Vorhabenträger noch nicht eingebrachter Belange und Projektalternativen berechtigt und verpflichtet, darf jedoch das beantragte Vorhaben nicht grundlegend abändern, sondern darf lediglich die Zulassung am beantragten Standort aus Gründen überwiegender öffentlicher oder privater Belange ablehnen.66 Damit aber bleibt die Planfeststellung als „Raumnutzungsentscheidung“67 qualitativ jedenfalls insoweit hinter der raumordnerischen Abwägung zurück, als ihr eine positive Eingliederung des Vorhabens in das Raumgefüge nicht möglich ist. Weil dies eine integrative Betrachtung erfordert,68 hat das Bundesverwaltungsgericht für die Flughafenplanung das „öffentliche Planungsbedürfnis“ auf der Ebene der Raumordnung identifiziert;69 die raumordnerische Standortentscheidung ist vor diesem Hintergrund das „systemgerechte“ Instrument „planerischer Klärung“.70 Dann aber erscheint es nur folgerichtig, der Raumordnung diese Entscheidung im Sinne eines Planungserfordernisses vorzubehalten. Damit begründet der überfachliche Koordinierungsbedarf in diesen Fällen schrift für Otto Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995, S. 3 (11 ff.); W. Hoppe/J.-D. Just, Zur Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Planfeststellung und Plangenehmigung, DVBl. 1997, 789 ff.; H. Schoen, Die Planfeststellung zwischen Kontrollerlaubnis und Planungsentscheidung. Zur Dogmatik eines janusköpfigen Rechtsinstituts, 2000, insb. S. 268 ff., 319 ff.; W. Durner (o. Fn. 2), S. 56 ff.; M. Beckmann, Planfeststellung zwischen Zulassung und Planung. Steht die Zukunft der Planfeststellung auf dem Spiel?, in: Erbguth/ Kluth (Hrsg.), Planungsrecht in der gerichtlichen Kontrolle. Kolloquium zum Gedenken an Werner Hoppe, 2012, S. 123 ff. 65 Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge gilt das Abwägungsgebot zudem auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung kraft Verfassungsrechts; siehe hierzu BVerwGE 55, 220 (227); W. Durner (o. Fn. 2), S. 277 m.w.N. 66 Zusammenfassend und m.w.N. hierzu R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 11), § 3 Rn. 178 ff.; J. Ziekow, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 43 ff.; W. Neumann/Ch. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 74 Rn. 125 f. 67 Siehe zu dieser Charakterisierung die Nachweise in Fn. 11. Das Bundesverwaltungsgericht scheint sie lediglich auf den Unterschied zur gebundenen Anlagengenehmigung, z. B. nach BImSchG, zurückzuführen, also darauf, dass die Vorhabenzulassung auf der Grundlage einer Abwägungsentscheidung abgelehnt werden kann. 68 Dies hervorhebend auch W. Erbguth, Raumbezogenes Infrastrukturrecht (o. Fn. 8), S. 414 f.; ders., NVwZ-Extra 15/2013, 1 (2 ff.); ders., DVBl. 2013, 274 (278). 69 Siehe oben, II., bei und mit Fn. 33. Vgl. auch U. Ramsauer, Umweltprobleme der Flughafenplanung – Verfahrensrechtliche Fragen, NVwZ 2004, 1041 (1042, 1043): Im Hinblick auf Flughäfen sei die Raumordnung „im Regelfall das allein geeignete Instrument zur Prüfung und vergleichenden Bewertung von Standorten […]“; gleichwohl sei eine der Planfeststellung vorangehende raumordnerische Entscheidung nicht erforderlich. 70 So bereits im Hinblick auf die „Eingliederung in das Raum- und Siedlungsgefüge“ E. Schmidt-Aßmann, ET 1982, 762 (765); vgl. auch dens. (o. Fn. 13), S. 56 ff.

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nicht lediglich die Entscheidungsbefugnis der Raumordnung,71 sondern begrenzt zugleich diejenige der Fachplanung, der die Vorhabenzulassung ohne vorangegangene raumordnerische Festlegung versagt ist. IV. Zur Wahrnehmung der raumordnerischen Planungsbefugnis und zur Reichweite des raumordnerischen Planungserfordernisses Können danach die Entscheidungsbefugnisse der fachplanerischen Vorhabenzulassung durch ein raumordnerisches Planungserfordernis begrenzt werden, so wirkt dies insoweit auf die Kompetenzen der Raumordnung zurück, als die im SchönefeldUrteil und in den Folgeentscheidungen gewählte Bezeichnung der Standortbestimmung als „vorrangig“ raumordnerische Entscheidung noch zu schwach ist. Vielmehr handelt es sich um eine ausschließliche Befugnis der Raumordnung.72 Ob und wie diese Befugnis wahrgenommen wird, ist eine Frage der – vom Planungserfordernis auf Zulassungsebene zu unterscheidenden73 – raumordnerischen Erforderlichkeit.74 Im Hinblick auf das „Ob“ raumordnerischer Standortentscheidungen lässt sich eine Verpflichtung zur Ausweisung von Standorten für bestimmte Projekte, gar in bestimmter Zahl, weder dem ROG noch allgemeinen „Infrastrukturschaffungspflichten“ entnehmen.75 Hinsichtlich des „Wie“ hat das Bundesverwaltungsgericht für eine Erweiterung des Flughafens Fankfurt a.M. sich gegen die Notwendigkeit einer raumordnerischen Standortausweisung mit Ausschlusswirkung an anderer Stelle ausgesprochen; es genüge etwa auch die Ausweisung eines reinen Vorranggebiets (§ 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ROG).76 Dies erscheint zutreffend, weil die Eingliederung des Vorhabens in seine Umgebung hierdurch hinreichend gewährleistet, das Konfliktpotenztial, welches durch eine Zulassung des Vorhabens an anderer Stelle drohte, jedoch durch das Institut des Planungserfordernisses gebannt ist. Die Reichweite des raumordnerischen Planungserfordernisses für Standortentscheidungen richtet sich im Anschluss an die Erkenntnisse des Schönefeld-Urteils nach dem Bestehen eines spezifisch raumordnerischen Planungs- und Abwägungsbedürfnisses. Die vorliegenden Entscheidungen zur Flughafenplanung verdeutlichen insofern, dass es nicht allein auf den Flächenbedarf, sondern primär auf die räumli71 Zur verbreiteten Verengung des Überfachlichkeitskriteriums auf eine Begrenzung raumordnerischer Kompetenzen siehe oben, II., bei und mit Fn. 24 f. 72 Nicht lediglich um ein „Recht des ersten Zugriffs“ – so aber M. Kment, NuR 2010, 392 (394); A. Schink, DÖV 2011, 905 (910). 73 Zu dieser Unterscheidung oben, III., bei und mit Fn. 44. 74 Zum Gebot raumordnerischer Erforderlichkeit, das mitunter § 2 Abs. 1 ROG zugeordnet wird, weiterführend P. Runkel (o. Fn. 22), L § 2 ROG 2008 Rn. 48 ff.; B. Kümper, in: Kment (Hrsg.), ROG mit Landesplanungsrecht, 2019, § 2 Rn. 40 ff. 75 Eingehend und weiterführend zur Frage staatlicher Infrastrukturschaffungspflichten H. Wißmann, Die Anforderungen an ein zukunftsfähiges Infrastrukturrecht, VVDStRL 73 (2013), 369 (387 ff.). 76 BVerwG, Beschl. v. 31. 03. 2011 – 4 BN 19.10, juris, Rn. 10 ff.

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chen Auswirkungen eines Vorhabens ankommt,77 denn sie begründen das „öffentliche Planungsbedürfnis“ mit ebenjenen Wirkungen auf die Siedlungs- und Freiraumstruktur.78 Dies entspricht der allgemeinen raumordnerischen Perspektive, die als raumbedeutsam nicht nur die Flächeninanspruchnahme, sondern ebenso die Raumbeeinflussung bewertet (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG). Dementsprechend wird ein spezifisch raumordnerischer Koordinierungsbedarf bei „infrastrukturellen Megaprojekten“79 bestehen und ein raumordnerisches Planungserfordernis auslösen; denn diese Vorhaben nehmen nicht nur eine bestimmte (umfangreiche) Fläche in Anspruch, sondern wirken sich weit darüber hinaus auf Siedlungs- und Freiraumstrukturen, Verkehr und andere Infrastrukturen aus und beeinflussen somit letztlich das raumordnerische Handeln im gesamten Planungsraum, wie der Fall des Schönefeld-Flughafens veranschaulicht. Zu verneinen ist ein raumordnerisches Planungserfordernis dagegen z. B. für Abgrabungsvorhaben,80 die vornehmlich durch ihre Flächeninanspruchnahme wirken und bei denen bereits die verbreitete Praxis der sachlichen Teilplanung indiziert, dass es sich nicht um Vorhaben handelt, welche raumordnerische Relevanz für den gesamten Planungsraum aufweisen. V. Zusammenfassung Im Verhältnis von Raumordnung und fachplanerischer Vorhabenzulassung ist für bestimmte Großprojekte ein raumordnerisches Planungserfordernis anzuerkennen, welches als Grenze fachplanerischer Entscheidungsbefugnisse wirkt: Die Vorhabenzulassung darf danach nicht ohne vorangegangene raumordnerische Standortentscheidung erfolgen. Dieser Vorbehalt zugunsten der Raumordnung knüpft an die Diskussion um das sog. bebauungsrechtliche Planungserfordernis an, begreift das Planungserfordernis jedoch mit Schmidt-Aßmann als über das Baurecht hinausreichendes „Erfordernis systemgerechter planerischer Klärung“ und erstreckt diese Rechtsfigur dementsprechend auf das Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung. Gibt es, wie das Bundesverwaltungsgericht erstmals für den Flughafen Berlin-Schönefeld erkannt hat, Vorhaben, welche bereits auf raumordnerischer Ebene ein „öffentliches Planungsbedürfnis“ auslösen, so ist die zielförmige raumordnerische Standortentscheidung das „systemgerechte“ Planungsinstrument; die begrenzte fachplanerische Abwägung auf der Ebene der Planfeststellung wird dem Koordinierungsbedarf solcher Vorhaben nicht gerecht und vermag daher die Vorhabenzulassung nicht zu tragen. Das raumordnerische Planungserfordernis beschränkt sich al77 Das Abstellen auf einen besonderen Umfang der vom Planungserfordernis erfassten Vorhaben kritisiert von der Warte eines Erfordernisses „systemgerechter planerischer Klärung“ aus bereits E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 13), S. 63 f. 78 Vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 33. 79 So die Bezeichnung von K. F. Gärditz, ZUR 2013, 651 (652), der einen „Raumordnungsvorbehalt“ für große Hafenstandorte bejaht. 80 In diese Richtung sehr weitgehend A. Schink, DÖV 2011, 905 (911), der auch für Abgrabungsstandorte ein Planungsbedürfnis auf Raumordnungsebene annimmt.

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lerdings auf außerordentliche „Größtvorhaben“, deren Raumwirkungen auf den gesamten raumordnerischen Planungsraum ausstrahlen. Es wird daher lediglich in wenigen, dafür umso komplexeren Planungsverfahren praktische Bedeutung erlangen.

Exekutivische Verwerfung rechtswidriger Raumordnungsziele?* Von Wolfgang Durner Wilfried Erbguth war stets ein überzeugter Verfechter der überfachlichen raumordnerischen Steuerung der Errichtung von Infrastrukturen und der Koordination der unterschiedlichen fachlichen Planungsansprüche an den Raum durch eine überfachliche, im Ausgangspunkt neutrale schlichtende Instanz. Als „Planung der Planungen“ soll die Raumordnung nach diesem Ideal durch eine räumliche Gesamtabwägung die konkurrierenden fachlichen Raumansprüche harmonisieren, koordinieren, zum Ausgleich bringen und – falls nötig – einzelnen räumlichen Nutzungen den Vorrang vor anderen geben.1 Diesen Steuerungsanspruch verwirklicht die Gesamtplanung in erster Linie durch Aufstellung bindender Raumordnungsziele. Zugleich war sich Erbguth allerdings auch stets der Grenzen dieses Modells bewusst, die unter anderem darauf beruhen, dass auch die Träger der Gesamtplanung oft eigene politische Raumpräferenzen entwickeln und raumordnerisch durchzusetzen versuchen,2 wie die in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts unternommenen Versuche Bayerns zeigten, den Bund durch Raumordnungsziele zu einem Ausbau des süddeutschen Eisenbahnnetzes zu verpflichten.3 Der folgende Beitrag geht der erst in jüngster Zeit vertieft diskutierten4 Frage nach, ob und wann der Adressat

* Der Verfasser dankt seinem Mitarbeiter Lukas Knappe für Kritik und weiterführende Hinweise. 1 W. Erbguth, Luftverkehr und Raumordnung – am Beispiel der Flughafenplanung, NVwZ 2003, 144. 2 Vgl. F. J. Hennecke, Die Bedeutung der Fachplanung und der Raumordnung für die Bauleitplanung, 1994, S. 15. 3 Näher hierzu aus der damaligen Debatte affirmativ im Sinne der bayerischen Position K. Goppel, Projektbezogene Ziele der Raumordnung zu Verkehrsvorhaben des Bundes und deren Bindungswirkung, DVBl. 2000, 86 ff.; ders., Zum grundsätzlichen Verhältnis von Raumordnung und Fachplanung vor dem Hintergrund projektbezogener Ziele der Raumordnung zu Verkehrsvorhaben des Bundes, UPR 2000, 431 ff.; ablehnend hingegen W. Spannowsky, Grenzen landes- und regionalplanerischer Festlegungen gegenüber Verkehrswegeplanungen des Bundes, UPR 2000, 418 ff. sowie W. Durner, Konflikte räumlicher Planungen, 2005, S. 261 ff. 4 Vgl. jüngst besonders B. Kümper, „Verwerfung“ und „Überwindung“ von Raumordnungszielen durch die Träger der Fachplanung und der Bauleitplanung?, DVBl. 2017, 1216 ff.; ders., Raumordnung und Fachplanung, EurUP 2017, 295 (303), wo die Frage als „selten diskutiert“ angesehen wird; vgl. aber auch bereits W. Durner (o. Fn. 3), S. 460 f.

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eines derartigen Ziels jenes unbeachtet lassen kann, wenn es an rechtlichen Mängeln leidet. I. Die raumordnerische Zielbindung nach § 4 Abs. 1 ROG § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG schreibt vor, dass bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen bestimmter öffentlicher Planungsträger die Ziele der Raumordnung zu beachten sind. Diese Pflicht zur „Beachtung“ der Ziele der Raumordnung und Landesplanung untersagt nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte jede Abwägung des Ziels durch den Adressaten,5 sodass Ziele in der Bauleitplanung zwar konkretisiert, nicht aber abwägend überwunden werden können.6 Die Beachtenspflicht steht folglich gerade nicht unter einem Abwägungs- oder „Fachplanungsvorbehalt“.7 Ist also beispielsweise der Standort eines Infrastrukturvorhabens zielförmig festgelegt, so ist die Genehmigungs- und Planfeststellungsbehörde an das Ergebnis des landesplanerischen Standortvergleichs gebunden; sie unterliegt zwar keiner Realisierungspflicht, hat jedoch keinerlei Spielräume mehr für einen eigenen Standortvergleich.8 Erfolgt dieselbe landesplanerische Festlegung des Standorts hingegen lediglich in Form eines Grundsatzes, so muss die Behörde die Standortentscheidung selbst treffen – allerdings unter abwägender Berücksichtigung der raumordnerischen Vorgaben.9 In diesem Sinne hat namentlich Erbguths Lehrer Werner Hoppe die unterschiedliche Wirkungsweise von Zielen einerseits und Grundsätzen andererseits mit der un5 Vgl. nur J. Busse, Neue Vorgaben für die Regionalplanung – ein trojanisches Pferd für die örtliche Bauleitplanung?, BayVBl. 1998, 293 (298); K. Goppel, Ziele der Raumordnung, BayVBl. 1998, 289 (290); U. Höhnberg, Verhältnis von Landes- und Regionalplanung zur Bauleitplanung, insbesondere zu Umfang und Intensität der Bindungswirkung, ZfBR 1986, 214 (215); W. Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts: Ausgewählte Veröffentlichungen, 1998, S. 372 f.; W. Schroeder, Die Wirkung von Raumordnungszielen, UPR 2000, 52 ff.; H. A. Wolff, Die raumordnungsrechtliche Qualifizierung der Vorbehaltsgebiete in bayerischen Raumordnungsplänen, BayVBl. 2001, 737; jeweils m.w.N. 6 BVerwG, NVwZ-RR 1996, 67; H. Dyong, in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, ROG, Bd. 1, 2010, § 4 Rn. 6 („absolute Verbindlichkeit“); vgl. auch W. Schroeder, UPR 2000, 52 (58), der diese Unterscheidung als „rechtlichen Spagat“ charakterisiert. 7 BVerwGE 125, 116 (142). 8 BVerwGE 125, 116 (130 ff.); vgl. dazu aus Sicht des Immissionsschutzrechts zuletzt A. Schink, Vier Jahrzehnte Immissionsschutzrecht, NVwZ 2017, 337 (343) m.w.N. Auch die Passage des BVerwG auf S. 140 zu der Möglichkeit, die raumordnerische Standortentscheidung „zugunsten höher gewichteter gegenläufiger Belange zurückzustellen“, soll wohl gerade keine Möglichkeit einer Realisierung an einem abweichenden Standort ermöglichen, sondern lediglich verdeutlichen, dass keine Realisierungspflicht besteht. Anders deutet diese Aussage aber K. F. Gärditz, Möglichkeiten und Grenzen raumordnungsrechtlicher Einwirkung auf die Entwicklung von Binnenhäfen, ZUR 2013, 651 (655), der insoweit ein richterlich geschaffenes „apokryphes Normverwerfungsrecht der Zulassungsbehörde“ kritisiert. Vgl. zu diesem Punkt auch nachfolgend unter III. 9 VGH Kassel, Urt. v. 17. 6. 2008 – 11 C 1975/07.T und insoweit nicht in ZUR 2009, 93 ff.

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terschiedlichen normativen Verbindlichkeit von Regeln und Prinzipien verglichen.10 Für die Parallelnorm des § 1 Abs. 4 BauGB erläutert die Rechtsprechung, dass „… die Ziele der Raumordnung in der Bauleitplanung je nach dem Grad ihrer Aussageschärfe zwar konkretisierungsfähig sind, nicht aber im Wege der Abwägung überwunden werden können. Die relative Offenheit einer zielförmigen Vorgabe ändert nichts daran, dass die Gemeinde an die Zielvorgabe strikt gebunden ist“.11 Die in dem Ziel verkörperte planerische Letztentscheidung der zuständigen Raumordnungsbehörde ist vom Adressaten „als verbindliche Vorgabe hinzunehmen“.12 Die konkrete Reichweite der Anpassungspflicht ist allerdings zunächst stets eine Frage der Auslegung der entsprechenden Festsetzung.13 Es steht der kategorialen Unterscheidung14 einer strikten Bindung an Raumordnungsziele und der bloßen Berücksichtigung der Grundsätze nicht entgegen, dass angesichts der Abstraktheit und des Rahmencharakters der meisten Ziele der Raumordnung im Ergebnis oft weite Konkretisierungsspielräume bestehen, die dem Adressaten Raum für eigene planerische Entscheidungen eröffnen15 und in ihrer Tragweite letztlich einer gestalterischen Abwägung nahekommen mögen.16 Daher sind durch den Adressaten Inhalt und Reichweite der als maßgeblich identifizierten Ziele der Raumordnung jeweils durch Auslegung zu ermitteln und ihre Bedeutung für die zielgebundene Maßnahme jeweils anhand des Einzelfalles zu bewerten. Dennoch bildet die in § 4 ROG angeordnete Zielbindung potentiell ein scharfes Schwert, da sie der planenden Raumordnungsbehörde erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Tätigkeitsbereiche zahlreicher anderer Ressorts ermöglicht. Umso mehr gilt es zu beachten, dass dieser raumordnerische Koordinationsanspruch gegenständlich nicht unbegrenzt ist und § 4 ROG selbst keine eigenständigen Planungs10 W. Hoppe, Ziele der Raumordnung und Landesplanung und Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung in normtheoretischer Sicht, DVBl. 1993, 681 ff.; allgemeiner zu dieser auf Ronald Dworkin zurückgehenden Unterscheidung R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 75 ff. sowie zahlreiche weitere Beiträge des Letztgenannten. 11 BVerwGE 125, 116 (136 Rn. 68); ebenso bereits BVerwGE 90, 329 (333 f.); vgl. auch U. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn. 39; F. Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger, BauGB, 8. Aufl. 2016, § 1 Rn. 668; P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, 2017, § 1 Rn. 63. 12 BVerwGE 90, 329 (333). 13 Näher dazu H. Paßlick, Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung, 1986, S. 29 ff. 14 BVerwG, ZUR 2012, 618 (626). 15 BVerwGE 72, 1 (19) m.w.N., wo in diesem Zusammenhang sogar von „Planungsspielräumen“ gesprochen wird. 16 So C.-H. David, Zum Verhältnis zwischen Raumordnungsbindung und Abwägungsgebot, in: Westermann u. a. (Hrsg.), FS Ernst, 1980, S. 73 (77 f.), der den Zielen auf S. 84 letztlich nur die Funktion eines Gewichtungsprivilegs zugesteht; ähnlich auch P. Kamphausen, Rechtsprobleme der Braunkohlepläne, DÖV 1984, 146 (152); R. Wahl, Aktuelle Probleme im Verhältnis der Landesplanung zu den Gemeinden. Steuerung der Siedlungsentwicklung und Standortplanung, DÖV 1981, 597 (602 ff.). Anders indes M. Snowadsky, Ziele und Grundsätze der Raumordnung, 2016, S. 189 ff., der grundsätzliche Zweifel an der Abgrenzbarkeit beider Modalitäten und überhaupt von Zielen und Grundsätzen entwickelt.

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kompetenzen eröffnet,17 sondern – zumindest aus der gerichtlichen Kontrollperspektive betrachtet – lediglich die Wirkungen ordnungs- und kompetenzgemäß erlassener Raumordnungspläne festlegt. Insofern stellt sich die Frage, welche Wirkungen für die Verwaltung von einem Ziel der Raumordnung ausgehen können, das an rechtlichen Mängeln leidet. II. Die zentrale Voraussetzung der Bindung: Das Vorliegen eines Raumordnungsziels 1. Nur echte Ziele entfalten auch Zielbindungen Unabdingbare Voraussetzung für die Anpassungspflicht gem. § 4 Abs. 1 ROG ist stets, dass es sich bei der entsprechenden planerischen Festsetzung überhaupt um ein „Ziel der Raumordnung“ im rechtsbegrifflichen Sinne handelt.18 Die Bezeichnung in dem jeweiligen Raumordnungsplan selbst liefert dabei nach ganz vorherrschender Rechtsauffassung lediglich indizielle Hinweise für die Auslegung des Plans; ausschlaggebend ist vielmehr stets der materielle Gehalt der jeweiligen Festsetzung.19 Aus diesen Weichenstellungen folgt – in den Worten des Jubilars – ein „Gebot einer materiellen Abgrenzung zwischen Grundsätzen und Zielen der Raumordnung“,20 das die materielle Definition des „Ziels“ zu einem Schlüsselbegriff des Raumplanungsrechts macht.21 17

W. Spannowsky, Grenzen landes- und regionalplanerischer Festlegungen gegenüber Verkehrswegeplanungen des Bundes, UPR 2000, 418 (428). 18 Dazu und zur Abgrenzung von den Rechtmäßigkeitsanforderungen eingehend G. Bartram, Die Ziele der Raumordnung: ein Planungsinstrument im Spannungsfeld zwischen gewachsenem Steuerungsanspruch und verfassungsrechtlichen Anforderungen, 2012, S. 43 ff.; A. Scheipers, Ziele der Raumordnung und Landesplanung aus Sicht der Gemeinden, 1995, S. 27 ff. 19 BVerwG, NVwZ 2002, 869 (870). Zielqualität hat nach diesen Maßstäben beispielsweise die Ausweisung von Vorranggebieten nach § 7 Abs. 7 Nr. 1 ROG, während die Festsetzung eines Vorbehaltsgebiets nach § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 ROG, selbst wenn sie im Plan als Ziel deklariert wird, lediglich einen Grundsatz darstellt, vgl. etwa BVerwGE 90, 329 (330); BVerwGE 119, 54 (58 f.); A. Lehners, Raumordnungsgebiete nach dem Raumordnungsgesetz 1998, 1998, S. 26 ff. und S. 52 ff.; P. Runkel, Das neue Raumordnungsgesetz und das Umweltrecht, NuR 1998, 449 (452); W. Schroeder, UPR 2000, 52 (53 ff.). 20 W. Erbguth, Das Gebot einer materiellen Abgrenzung zwischen Grundsätzen und Zielen der Raumordnung, LKV, 1994, 89 ff. 21 Vgl. statt vieler W. Hoppe, Zur Abgrenzung der Ziele der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG) von Grundsätzen der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG) durch § 7 Abs. 1 Satz 3 ROG, DVBl. 1999, 1457 ff.; ders./A. Scheipers, Entsprechen die Ziele der Raumordnung und Landesplanung im Landesentwicklungsplan NRW 1995 der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für das Land NRW?, in: Burmeister u. a. (Hrsg.), FS Stern, 1997, S. 1117 (1118 f.); anders noch H.-D. Schultze, Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung als Rechtsbegriff. Zur Rechtskontrolle von Raumordnungsplänen, 1973, S. 28 ff., 94 f., der den Charakter eines Rechtsbegriffes oder das Vorliegen inhaltlicher Maßstäbe ganz ablehnte.

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Der somit als Teil des Tatbestandes in § 4 Abs. 1 ROG anzusehende § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG definiert „Ziele der Raumordnung“ als verbindliche Vorgaben „in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums“. Demgegenüber beschreibt § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG die Grundsätze der Raumordnung als „allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums […] als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen“. Diese Definitionen stellen zentrale tatbestandliche Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ziels der Raumordnung auf und damit zugleich für den Bindungsanspruch einer raumordnerischen Festlegung gegenüber anderen Planungen dar.22 Obwohl die entsprechenden Merkmale teilweise ineinander übergehen, müssen diese begrifflichen Anforderungen an das Vorliegen eines Raumordnungsziels – so lautet eine zentrale These dieses Beitrags – grundsätzlich von den weitergehenden Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Ziele der Raumordnung unterschieden werden. 2. Die umfassende Abgewogenheit als begriffliche Existenzvoraussetzung des Ziels Raumordnungsziele sind nach der Definition in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG als raumplanerische Letztentscheidungen das Ergebnis einer abschließenden, auch untereinander konfliktbereinigten gesamträumlichen Abwägung. Es handelt sich also schon begrifflich23 um Festsetzungen, die bereits durch das Nadelöhr der abschließenden Abwägung aller berührten Raumansprüche gegangen sind.24 Nach diesen Kriterien lassen sich Ziele der Raumordnung von anderen Planinhalten abgrenzen, die – wie beispielsweise bloße Abwägungsdirektiven, nachrichtlich übernommene Fachplanungen,25 bloße Wiedergaben politischer Absichtserklärungen26 oder zeichnerische 22 Vgl. zum folgenden P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 2017, § 1 Rn. 47 ff.; M. Spiecker, Raumordnung und Private, 1999, S. 66 ff. 23 Plastisch OVG Münster, Urt. v. 3. 12. 2015 – 20 D 78/14.AK, juris: „per definitionem“. 24 BVerwGE 90, 329 (333 ff.); BVerwG, NVwZ-RR 1996, 67; OVG Lüneburg, NVwZ 1996, 271; W. Erbguth, LKV 1994, 89 (91); J. Grooterhorst, Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung, NuR 1986, 276 (277 f.); W. Hoppe, Ziele der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG 1998) in Soll-Formulierungen als durchgängiges Prinzip der Raumordnung in Bayern, BayVBl. 2002, 129 f.; ders., Grundfragen des Planungsrechts, S. 370 ff. m.w.N.; ders./A. Scheipers (o. Fn. 21), S. 1120 ff.; H. F. Funke, Bund-Länder-Abstimmung am Beispiel der Raumordnung und Landesplanung, 1987, S. 11 ff.; A. Lehners (o. Fn. 19), S. 7 f., 35; E. SchmidtAßmann, Rechtsstaatliche Anforderungen an Regionalpläne, DÖV 1981, 237 (239 f.); J. Wagner, Die Harmonisierung der Raumordnungsklauseln in den Gesetzen der Fachplanung, 1990, S. 9; J. Ziekow, Bindungen der planerischen Gestaltungsfreiheit, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 4 Rn. 23 ff.; anders indes wohl R. Hendler, Raumordnungsziele als landesplanerische Letztentscheidungen, UPR 2003, 256 ff. 25 W. Erbguth, Die Koordination raumbedeutsamer Fachplanungen, BayVBl. 1981, 577 (581); H.-J. Papier, Möglichkeiten und Grenzen der rechtsverbindlichen Festlegung und

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Wiedergaben tatsächlicher Gegebenheiten – nicht abschließend gesamträumlich abgewogen sind und daher von vornherein keine strikte Bindungswirkung entfalten.27 Festsetzungen, die lediglich unverbindliche Empfehlungen, Hinweise, Abwägungsaufträge bzw. -direktiven oder Berücksichtigungspflichten enthalten, verlieren allein schon dadurch den Charakter einer landesplanerischen Letztentscheidung. Am Fehlen einer gesamträumlichen Abwägung scheitern in der Praxis viele als Ziel bezeichnete Festlegungen,28 sodass in vielen Fällen bereits begrifflich kein bindendes Ziel der Raumordnung vorliegt.29 Diesem Urteil unterfallen immer wieder Festsetzungen, die aus unverbindlichen Fachplänen ohne weitere Abwägung in Raumordnungspläne übernommen und dabei ggf. sogar als Ziele gekennzeichnet werden.30 Auch Festlegungen, die lediglich normative Vorgaben ohne Raumbezug oder fachgesetzliche Anforderungen aufstellen oder gar modifizieren, stellen keine bindenden Ziele der Raumordnung dar. Dem entspricht die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, Ziele der Raumordnung könnten „nicht wie Rechtssätze gehandhabt werden“ und stellten vor allem eine „Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten“ dar.31 Von diesen Maßstäben hat sich die Verwaltungspraxis indes oft weit entfernt.32 3. Die hinreichende Bestimmtheit als Existenzvoraussetzung des Ziels Neben dem Erfordernis einer gesamträumlichen Abwägung müssen Ziele der Raumordnung nach dem Gebot der Normenklarheit zudem dergestalt räumlich und sachlich bestimmt sein, dass für die Adressaten der Gegenstand sowie die Reichweite der Beachtenspflicht erkennbar sind.33 Inhaltlich setzt das Vorliegen eines Ziels Freihaltung von Leitungstrassen durch die Regionalplanung, 1981, S. 31; H. Paßlick (o. Fn. 13) S. 63 ff.; A. Scheipers (o. Fn. 18), S. 38 ff. 26 Vgl. OVG Greifswald, NVwZ-RR 2013, 712 ff. 27 So statt vieler J. Christ, Raumordnungsziele und Zulässigkeit privater Vorhaben, 1990, S. 16 ff. 28 Vgl. W. Erbguth, BayVBl. 1981, 577 (580) m.w.N. 29 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 3. 12. 2015 – 20 D 78/14.AK, juris. 30 Vgl. dazu M. Pfeifer/J. Wagner, Landschaftsplanung – Gesamtplanung – Fachplanung, DVBl. 1989, 789 (796); P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 2017, § 1 Rn. 51c; ders., Das neue Raumordnungsgesetz und das Umweltrecht, NuR 1998, 449 (452). 31 BVerwGE 68, 311 (313 f.); VGH Kassel, NuR 2003, 115 (117). 32 Zahlreiche aussagekräftige Beispiele für diesen Befund finden sich bei H. Schulte, Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, 1996, S. 208 ff. 33 BVerwG, NVwZ 2011, 821 ff.; VGH Kassel, NVwZ 2003, 229 (230 f.); H.-U. Evers, Das Recht der Raumordnung, 1973, S. 144 f.; K. Goppel, BayVBl. 1998, 289; J. Grooterhorst, NuR 1986, 276 (282 f.); A. Lehners (o. Fn 19), S. 11 f.; P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-

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also eine hinreichend klare Festlegung des Geforderten voraus. Eine Festsetzung wie jene im früheren Landesentwicklungsplan NRW, die die Adressaten dazu verpflichtete „… anzustreben, dass insbesondere einheimische und regenerative Energieträger eingesetzt werden“, kann nach diesen Maßstäben nur schwerlich ein Ziel der Raumordnung darstellen.34 Zudem müssen sich die Ziele geographisch auf einen bestimmten Raum beziehen und für diesen eine konkrete raumordnerische Entscheidung treffen.35 Landesweit angeordnete Vorgaben ohne konkreten Raumbezug wie die mittlerweile aufgehobenen landesweiten „Einwanderungsziele“ in Bayern („Bayern ist kein Einwanderungsland“)36 oder das raumordnerisch als Ziel eingekleidete landesweit geltende Verbot des Fracking in Nordrhein-Westfalen, die beide letztlich verkappte gesetzliche Bestimmungen ohne Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers darstellen und daher wohl verfassungswidrig sind,37 dürften bereits mangels räumlicher Bestimmtheit und unabhängig von ihrer gerichtlichen Überprüfung keine Zielbindung auslösen. III. Zielbindung, Rechtmäßigkeit des Ziels und Normverwerfungsrechte der Adressaten Die bislang behandelten Anforderungen an das Vorliegen eines Raumordnungsziels waren allein begrifflicher Art. Oft wird indes auch weitergehend formuliert, Voraussetzung der Bindung sei die „Rechtswirksamkeit“38 oder gar Rechtmäßigkeit des Ziels,39 die ordnungsgemäße Beteiligung des Adressaten im Verfahren der Ziel-

berg/Krautzberger, BauGB, 2009, § 1 Rn. 50a ff.; H. Schlarmann, Privilegierte Fachplanung als Ziel der Raumordnung und Landesplanung und ihre Umsetzung in die Bauleitplanung nach § 1 Abs. 4 BbauG, DVBl. 1980, 275 (279 f.); E. Schmidt-Aßmann, DÖV 1981, 237 (239) m.w.N.; H.-D. Schultze (o. Fn 21), S. 20 ff. 34 Offengelassen in OVG Münster, NuR 2009, 801 (805); vgl. zu diesem Punkt auch M. Schmidtchen, Klimagerechte Energieversorgung im Raumordnungsrecht, 2014, S. 205 f. 35 A. Scheipers (o. Fn 18), S. 49 m.w.N. 36 Vgl. W. Durner (o. Fn 3), S. 261 ff. m.w.N.; zur (Un-)Wirksamkeit der letztgenannten projektbezogenen Ziele vgl. auch BayVerfGH, DÖV 2003, 78 (80 f.). 37 Als verfassungswidrig erachten dieses Ziel u. a. M. Kment, Landesplanerischer Ausschluss von Fracking-Vorhaben – Kompetenzrechtliche Grenzen, NWVBl. 2017, 1 ff.; W. Frenz, Fracking-Verbot, NVwZ 2016, 1042; a.A. S. Schlacke/D. Schnittker, Fracking und Raumordnung – Steuerungspotenziale der Landesentwicklungsplanung, ZUR 2016, 259 ff.; A. Schink, Verbot des Fracking als Ziel der Raumordnung?, NWVBl. 2016, 177 ff., dort mit anderen Akzenten als zuvor bei A. Schink, Verhältnis der Planfeststellung zur Raumordnung, DÖV 2011, S. 905 (906 ff.). 38 So K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 1. Aufl. 2010, § 4 Rn. 32. 39 B. Kümper, EurUP 2017, 295 (302 f.); wohl auch P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/ Goppel, ROG, 1. Aufl. 2010, § 4 Rn. 137.

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aufstellung40 oder die Einhaltung des sachlichen Zuständigkeitsbereichs der Landesplanung.41 1. Normverwerfungsrechte der Gerichte und der Verwaltung Erzeugt also ein Raumordnungsziel überhaupt nur dann Bindungen, wenn es rechtmäßig ist? Hier ist grundsätzlich zwischen den Perspektiven der handelnden Verwaltung und der zur Kontrolle aufgerufenen Verwaltungsgerichte zu differenzieren: a) Gerichtliche Kontrollperspektive Aus einer gerichtlichen Kontrollperspektive sind die eben wiedergegebenen Aussagen im Regelfall allesamt zutreffend, da ein unwirksames Raumordnungsziel nach dem herrschenden Nichtigkeitsdogma42 keine Bindungen zu entfalten vermag.43 Eine wichtige Ausnahme gilt hier nur für Raumordnungsziele in Gesetzesform, hinsichtlich derer den Verwaltungsgerichten wie bei jedem förmlichen Gesetz lediglich ein Prüfungs-, aber kein eigenes Verwerfungsrecht zusteht.44 Zumindest die Verwerfung förmlichen Gesetzesrechts als verfassungswidrig ist selbst Gerichten grundsätzlich auch im Gewand einer vorgeblichen Auslegung verwehrt.45 In solchen Fällen ist allein eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG möglich. b) Die Perspektive des zielgebundenen Verwaltungsträgers Aus der Vollzugsperspektive des zielgebundenen Verwaltungsträgers hingegen ist die Frage, ob und wieweit sich auch aus rechtswidrigen Zielen der Raumordnung Anpassungspflichten ergeben können, aufgrund divergierender Aussagen der Rechtsprechung noch ungeklärt und letztlich wohl differenziert zu beantworten. Sie führt aus Sicht des zielgebundenen Planungsträgers – angesichts der vorherrschenden Rechtsform der Verordnung bzw. des Plangesetzes sowie des durch die herrschende Rechtsauffassung bejahten materiellen Rechtsnormcharakters aller Raumordnungsziele46 – regelmäßig zu der seit langem hochumstrittenen Frage einer Normverwerfungskompetenz der Verwaltung.47 40

Vgl. etwa HessStGH, DVBl. 1982, 491 (494). BVerwGE 125, 116 (144 Rn. 87). 42 Zu diesem statt vieler H. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 35, 2014, Rn. 35 ff. m.w.N. 43 Vgl. statt vieler P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, 2013, § 5 Rn. 17. 44 Dazu statt vieler H.-G. Dederer, in: Maunz/Dürig u. a., GG, 2013, Art. 100 Rn. 9 ff. 45 Vgl. nur C. Hillgruber, in: Maunz/Dürig u. a., GG, 2008, Art. 97 Rn. 72 ff. 46 Vgl. dazu nachfolgend in und bei Fn. 73. 41

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Der Jubilar hat sich zu dieser Frage im Rahmen seines verwaltungsrechtlichen Lehrbuchs eingehend geäußert und ein Normverwerfungsrecht sowohl gegenüber formellen als auch materiellen Gesetzen verneint.48 Eine eindeutig vorherrschende Rechtsauffassung ist insoweit jedoch kaum zu ermitteln. Exemplarisch hat die auf beiden Seiten vorgetragenen Argumente – für ein solches Normverwerfungsrecht sprechen unter anderem das traditionelle Nichtigkeitsdogma und die Gesetzesbindung des Verordnungsgebers, dagegen die gerichtlichen Normenkontrollinstrumente, die beamtenrechtlichen Gehorsamspflichten sowie die Gefahr von Rechtsunsicherheiten – Jost Pietzcker untersucht, der die Nichtanwendung untergesetzlicher Normen durch die Verwaltung zunächst aus kompetenzrechtlichen Gründen für unzulässig erklärt,49 in einer späteren Stellungnahme dann aber doch für rechtmäßig befunden hat.50 Auch die obergerichtliche Rechtsprechung ist insoweit seit Jahrzehnten wenig einheitlich,51 steht jedoch jedenfalls einer eigenmächtigen Normverwerfung durch staatliche Behörden52 und Gemeinden53 grundsätzlich ebenfalls ablehnend gegenüber. Allerdings hält das Bundesverwaltungsgericht die Nichtbeachtung eines Bebauungsplans durch einen staatlichen Planungsträger „jedenfalls“ dann für zulässig, wenn die Gemeinde behördlichen Hinweisen auf rechtserhebliche Mängel des Bebauungsplans nicht Rechnung trägt und die Nichtigkeit des Plans bereits von einem Gericht inzident festgestellt wurde.54 Nach diesem auch im Schrifttum mittlerweile vordringenden Ansatz dürfte die behördliche Normverwerfung zumindest bei untergesetzlicher Einkleidung überall dort zulässig sein, wo die Rechtswidrigkeit einer verbindlichen Festsetzung nach objektiver Betrachtung offensichtlich ist.55 47

Vgl. dazu O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 2017, § 10 Rn. 10 ff.; für ein solches Prüfungsrecht u. a. F. O. Kopp, Das Gesetz- und Verordnungsprüfungsrecht der Behörden, DVBl. 1983, 821 ff.; L. Renck, Anmerkung zu BayVGH, Urt. v. 1. 4. 1982 – Nr. 15 N 81 A.1679, BayVBl. 1983, 86 f.; dagegen jedoch J. Schmidt, Inzidente Prüfung und Verwerfung von Normen im Range unter dem Gesetz durch die Exekutive?, BayVBl. 1976, 1 ff.; wohl auch P. Baumeister/W. Ruthig, Staatshaftung wegen Vollzugs nichtiger Normen, JZ 1999, 117 (118); F. Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 1996, § 80 Rn. 202. 48 W. Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2016, § 7 Rn. 19 ff. 49 J. Pietzcker, Zur Inzidentverwerfung untergesetzlicher Rechtsnormen durch die vollziehende Gewalt, AöR 1976, 374 (389 ff.). 50 J. Pietzcker, Inzidentverwerfung rechtswidriger untergesetzlicher Rechtsnormen durch die Verwaltung, DVBl. 1986, 806 (808), dort unter Aufgabe seiner älteren Stellungnahme. 51 Vgl. dazu die Nachweise bei D. R. Anders, Behördliche Inzidentverwerfung unwirksamer Ziele der Raumordnung in Regionalplänen, NuR 2007, 657 (660 f.). 52 Dazu etwa BVerwGE 75, 142 ff. und BVerwG, UPR 1987, 188 f.; OVG Saarlouis, NVwZ 1993, 396 ff.; BayVGH, BayVBl. 1982, 654 ff.; zuletzt VG Arnsberg, Beschl. v. 7. 11. 2016 – 4 L 1082/16, juris; weitere Nachweise bei G. Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2005, § 10 Rn. 36. 53 Vgl. OVG Saarlouis, NVwZ 1990, 172 ff. 54 BVerwGE 112, 373 (380 ff.). 55 So D. R. Anders, NuR 2007, 657 ff. m.w.N.; VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, 691 (für Bebauungspläne); ähnlich OVG Münster, NuR 2006, 191 (192 f.); offengelassen in OVG

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Diese vermittelnde Lösung überzeugt, da sie im Gleichklang zu den allgemeinen Wertungen des heutigen § 44 VwVfG56 einen Ausgleich zwischen den Grundsätzen der Gesetzes- und Verfassungsbindung der Verwaltung und jener des Gesetzgebers herstellt. 2. Anwendbarkeit dieser Maßstäbe auf Raumordnungsziele Diese Maßstäbe sind auf Raumordnungsziele grundsätzlich übertragbar.57 Zumindest evident rechtswidrige Ziele kann eine öffentliche Stelle also unangewendet lassen. Fehlt es an einer solchen Offensichtlichkeit, so werden anpassungspflichtige Planungsträger maßgebliche Ziele der Raumordnung hingegen grundsätzlich selbst dann zu beachten haben, wenn sie Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit hegen. Die Behörde ist also an entsprechende Festsetzungen zunächst gebunden. Im Falle einer Anfechtung unterliegen solche Zielbindungen jedoch ggf. einer inzidenten Kontrolle durch das Verwaltungsgericht.58 Dabei ist die Zahl der inzidenten Verwerfungen hoch; die Aufstellung von Raumordnungszielen stellt nämlich eine ausgesprochen fehleranfällige Form der Planung dar.59 Die gerichtliche Inzidentprüfung führt dann vielfach zu der problematischen Folge, dass Fehler bei der Zielfestlegung wie etwa Abwägungsmängel auf die nachfolgende zielgebundene Planung wie etwa eine Planfeststellung ggf. „durchschlagen“ können.60 Zwar hat die Unwirksamkeit eines Raumordnungsplans nicht automatisch die Unwirksamkeit einer nachfolgenden Planung zur Folge, weil Defizite der Raumordnung jedenfalls in manchen Fallkonstellationen durch eigene vorsorgliche oder hilfsweise Abwägungen nachfolgender Bau- oder Fachplanungsbehörden

Saarlouis, NVwZ 1990, 172 (174); vgl. auch E. Schmidt-Aßmann, Aufgaben und Perspektiven verwaltungsrechtlicher Forschung: Aufsätze 1975 – 2005, 2006, S. 64 („Evidenzfälle“); a.A. P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, 2013, § 5 Rn. 71, der – freilich ohne Berücksichtigung der grundsätzlichen Diskussion – erklärt, der Gesetzgeber habe es „offenbar als ausgeschlossen angesehen“, den Zieladressaten selbst gegenüber schweren und offenbaren Fehlern ein Normverwerfungsrecht zuzugestehen. 56 Vgl. zu den hinter dem heutigen § 44 VwVfG stehenden Wertungen – Rechtssicherheit und Rechtsbindung sind in Ausgleich zu bringen – etwa E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1973, S. 224 ff. 57 So übereinstimmend D. R. Anders, NuR 2007, 657 (662); A. Schink, Vorranggebiete für die Windenergienutzung in Regionalplänen, ZfBR 2015, 232 (236); W. Schrödter/J. Wahlhäuser, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 1 Rn. 150; P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/ Spannowsky; ROG, 2013, § 5 Rn. 70 (wohl aber anders in Rn. 17); a.A. indes zuletzt B. Kümper, DVBl. 2017, 1216 (1219). 58 BVerwGE 144, 1 (16 Rn. 49 und 22 Rn. 64). 59 Vgl. nur die Nachweise bei D. R. Anders, NuR 2007, 657. 60 BVerwGE 125, 116 (142 Rn. 83); plastisch auch OVG Magdeburg, NVwZ-RR 2016, 656: Ein an den Raumordnungsplan angepasster Flächennutzungsplan werde von dessen Fehlerhaftigkeit „infiziert“.

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kompensiert werden können.61 Dennoch begründet ein rechtswidriges Ziel für den zielgebundenen Planungsträger erhebliche Risiken. 3. Zulässigkeit der Umdeutung eines Raumordnungsziels in einen politischen Appell? Demgegenüber hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2002 in einer Entscheidung über eines der berüchtigten projektbezogenen Ziele des Freistaats Bayern62 die beanstandete Überschreitung des Zuständigkeitsbereichs der Raumordnung nicht durch die Aufhebung der entsprechenden Festsetzung, sondern bereits durch eine die Bedeutung und Aussagekraft der Festsetzung vollständig relativierende Auslegung sanktioniert: Zur Vermeidung „kompetenzrechtlicher Zweifel“ könnten unzulässige Ziele so ausgelegt werden, dass sie gegenüber der Fachplanung keine Bindungen beanspruchten, sondern lediglich „eine dem legitimen Interesse eines Landes entsprechende appellative Mitteilung der raumordnerischen Vorstellungen des Landes gegenüber dem Bund“ darstellten.63 Diese nicht weiter begründeten Aussagen werden in der Gesetzesbegründung zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes64 und in der Kommentarliteratur zu § 4 ROG zustimmend zitiert65 und führen im Ergebnis dazu, dass – ggf. auch durch den Zieladressaten – ein nach seiner Rechtsauffassung kompetenzwidriger Planinhalt im Wege der Auslegung eliminiert werden kann. Auch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat scheinbare Ziele im Wege der Auslegung auf die bloße Wiedergabe einer politischen Absichtserklärung reduziert.66 Zwar wirft die „Auslegung“ eines Ziels der Raumordnung, die dessen Festsetzungen entgegen dem Wortlaut sowie der erklärten gesetzgeberischen Vorstellungen auf eine unverbindliche „Mitteilung“ reduziert67 und damit praktisch einer verbotenen Verwerfung gleichkommt, die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Gesetzesinterpretation auf.68 Man wird jedoch eine derartige Aus61

Vgl. A. Ingold, Auswirkungen von Planungsdefiziten höherstufiger Planungsebenen auf nachgeordnete Pläne, NVwZ 2010, 1399 (1401); W. Durner, Raumplanerische Koordination aus rechtlicher Sicht, RuR 2010, 271 (278 f.). 62 Vgl. bereits oben in und bei Fn. 3. 63 BayVerfGH, DÖV 2003, 78 (80 f.). 64 BT-Drs. 16/10292, S. 23. 65 P. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, ROG, 2013, L § 5 Rn. 16; W. Spannowsky, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 1. Aufl. 2010, § 5 Rn. 41. 66 So namentlich OVG Greifswald, NVwZ-RR 2013, 712 (714), wonach eine beanstandete Planaussage, welche immerhin Gegenstand mehrerer Widersprüche nach § 5 ROG gewesen war, „(…) bei objektiver Würdigung ihres rechtlichen Gehaltes anhand ihrer Entstehungsgeschichte und ihres systematischen Zusammenhangs im Lichte der Vorgaben des bundes- und landesrechtlichen Raumordnungsrechts weder als Ziel noch als Grundsatz des Raumordnungsrechts“, sondern lediglich als politische Absichtserklärung gewertet werden könne. 67 Dies konzediert auch BayVerfGH, DÖV 2003, 78 (81). 68 Vgl. die Ausführungen oben in und bei Fn. 45.

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legung des Raumordnungsziels als unbeachtlich erneut jedenfalls überall dort bejahen können, wo – wie im Falle der projektbezogenen Ziele in Bayern – die Rechtswidrigkeit einer verbindlichen Festsetzung offensichtlich ist und daher auch eine behördliche Normverwerfung zulässig wäre. Es handelt sich damit letztlich um eine geltungserhaltende Reduktion eines an sich rechtswidrigen Planinhalts. 4. Der „überschießende Erklärungsgehalt“ als geltungserhaltende Reduktion Eine entsprechende Funktion erfüllt auch die durch das Bundesverwaltungsgericht entwickelte Figur vom überschießenden Erklärungsgehalt. Unter diesem Schlagwort wird Raumordnungszielen, die nach Art und Intensität über die Aufgabenstellung einer überörtlichen und überfachlichen Planung hinausgehen, im Wege der Auslegung eine entsprechende Verbindlichkeit versagt. Regelmäßig handelt es sich um Fälle, in denen sich eine Parzellenschärfe nur mittelbar durch die Bezugnahme auf Straßen, Flüsse oder auf naturschutzrechtlich festgesetzte Gebiete ergibt.69 Diese faktische Parzellenschärfe ändert jedoch nichts an dem Grundsatz, dass die Raumordnung kompetenzrechtlich grundsätzlich auf die Angabe der ungefähren Lage beschränkt ist70 und der darüber hinausgehende, technisch bedingte Schärfegrad zu einem rechtlich unzulässigen „überschießenden Erklärungsgehalt“ führt. Solche Festlegungen können insoweit als rechtlich unverbindlich angesehen werden, sodass für die nachfolgenden Planungen im Parzellenbereich Abweichungen von den vorgegebenen Festsetzungen möglich bleiben.71 Der Sache nach handelt es sich auch hier um eine durch Auslegung bewirkte geltungserhaltende Reduktion von Planungen unter Elimination solcher Festlegungen, die von dem Aufgabenbereich der Raumordnung nicht mehr abgedeckt sind.72

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Vgl. dazu K. Goppel, Die Rechtswirkungen des Regionalplans, BayVBl. 1984, 229 (231); E. Schmidt-Aßmann, DÖV 1981, 237 (244). 70 Nach der Rechtsprechung sind allerdings gebiets- oder gar parzellenscharfe Darstellungen in Ausnahmefällen zulässig, bedürfen aber einer besonderen planerischen Rechtfertigung, vgl. BVerwG, UPR 2003, 358 ff.; A. Schink, Bauleitplanung – Landesplanung – Fachplanung, in: Kormann (Hrsg.), Das neue Bundesbaurecht, 1994, S. 103 (115) jeweils m.w.N. 71 Vgl. VGH Mannheim, NuR 2001, 399 ff. m.w.N., wo festgestellt wird, die Ausweisung eines „schutzbedürftigen Bereichs für Naturschutz und Landschaftspflege“ im Maßstab 1:100.000 sei auch bei ausreichender Genauigkeit des Plans regelmäßig nicht parzellenscharf verbindlich, sofern nicht klar ein entsprechender Wille des Plangebers zum Ausdruck komme; näher zu der Figur auch J. Christ, Raumordnungsziele und Zulässigkeit privater Vorhaben, 1990, S. 20; E. Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung des Rechts im Grenzbereich zwischen Raumordnung und Städtebau, 1977, S. 62; terminologisch anders („Richtlinien-Charakter“) aber der Sache nach ähnlich auch W. Brohm, Verwirklichung überörtlicher Planungsziele durch Bauleitplanung, DVBl. 1980, 653 (659). 72 Näher zu dieser Einordnung W. Durner (o. Fn 3), S. 266 ff.

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5. Verweis des Zieladressaten auf den Verwaltungsrechtsschutz Soweit eine entsprechende Relativierung des Ziels aber nach den Grundsätzen juristischer Auslegung nicht möglich ist, muss der zielgebundene Planungsträger jedoch ggf. Rechtsschutz gegen ein Ziel suchen, das er für rechtswidrig hält, dessen Fehlerhaftigkeit jedoch nicht offensichtlich ist. Da Ziele der Raumordnung nach Auffassung der Rechtsprechung bereits von ihrem Inhalt her Rechtsvorschriften i.S.d. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO darstellen, können sie – sofern das Landesrecht die Überprüfung solcher Rechtsvorschriften zulässt – vom Zieladressaten selbst dann zum Gegenstand einer Normenkontrolle gemacht werden, wenn der Landesgesetzgeber für den Regionalplan keine Rechtssatzform vorsieht.73 Dabei kommen je nach Fallgestaltung ganz unterschiedliche verwaltungsgerichtliche Klage- und Antragsarten in Betracht.74 IV. Das Wiedersehen vor Gericht und die Relativierung der grundsätzlichen Streitfrage Wenn der zielgebundene Planungsträger sich entgegen den hier entwickelten Maßstäben ein entsprechendes Normverwerfungsrecht anmaßt und somit ein (möglicherweise objektiv, nicht aber offensichtlich rechtswidriges) Ziel ignoriert, handelt er nach den bisherigen Überlegungen rechtswidrig. In diesem Fall kann er durch die Aufsichtsbehörde zur Beachtung des Ziels angehalten werden und verletzt ggf. gegenüber durch das Ziel begünstigten Personen die im Rahmen der Haftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bestehende Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten, die jeden Amtswalter dazu verpflichtet, seine Aufgaben und Befugnisse dem objektiven Recht entsprechend auszuüben.75 Ebenso mag in diesem Fall eine raumordnerische Untersagung in Betracht kommen. Kommt es allerdings zu einer gerichtlichen Kontrolle der raumbedeutsamen Entscheidung des zielgebundenen Planungsträgers oder auch der raumordnerischen Untersagung dieses Vorhabens, so spielt das fehlende Normverwerfungsrecht des Planungsträgers im Ergebnis keine Rolle, weil das angerufene Gericht dann selbst das inzident zu überprüfende rechtswidrige Raumordnungsziel verwirft und den Fall auf 73 BVerwG, NVwZ 2002, 869 (870 f.); BVerwGE 119, 217 (223); BVerwGE 119, 217 ff. Entsprechende Anträge können sich jedoch nur auf die Überprüfung, nicht hingegen auf die Ergänzung des Plans richten, vgl. BVerwG, NVwZ 2015, 984 ff. 74 Vertiefend zu dem gesamten Komplex M. Kment, Rechtsschutz im Hinblick auf Raumordnungspläne, 2002. 75 Vgl. OVG Münster, NuR 2006, 191 (192 f.) m.w.N., wo allerdings zutreffend auf die Rechtsprechung des BGH verwiesen wird, die eine Amtspflichtverletzung gerade dann bejaht, wenn eine Behörde eine Vorschrift anwendet, deren Nichtigkeit ihr bekannt ist, vgl. BGH, NVwZ 1987, 168 (169); zur Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten weiter BGHZ 76, 16 (29, 30); BGHZ 84, 285 (287); F. Ossenbühl/M. Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 46 f.; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 839 BGB, Rn. 193 ff. m.w.N.

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dieser Grundlage entscheidet.76 Sollte es sich allerdings um einen Plan in Form eines förmlichen Landesgesetzes handeln, ist die gerichtliche Inzidentkontrolle auf verfassungsrechtliche Maßstäbe zu beschränken und die Frage ggf. nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen; in diesem Fall erfolgt eine Überprüfung anhand des rechtsstaatlichen Abwägungsgebots.77 Selbst wenn eine zielgebundene Behörde sich gegenüber einem rechtswidrigen Raumordnungsziel zu Unrecht eine Verwerfungsbefugnis angemaßt haben sollte, wird ein Verwaltungsgericht also die Verwerfung des Ziels im Ergebnis bestätigen. Diese Einsicht relativiert zumindest für den Bereich der Raumordnung die tatsächliche Bedeutung der Debatte um eine Normverwerfungskompetenz der Verwaltung. Kommt es zum prozessualen Konflikt und damit zu einer gerichtlichen Kontrolle des Verwaltungshandelns, dann kann sich aus dieser letztlich ausschlaggebenden Perspektive aus einem rechtswidrigen Ziel keinerlei Bindung ergeben.

76 Deutlich VGH München, NuR 2001, 402 (408): Aus dem fehlenden Verwerfungsrecht resultierten „keine Rechtsfolgen“, wenn sich die Unwirksamkeit der Norm im gerichtlichen Verfahren als zutreffend erweise; VGH München, NVwZ-RR 2004, 95 (96): „In dieser Auffassung drückt sich ein Normpositivismus aus, der mit dem Problem zusammenhängen mag, ob der Verwaltung ein Normverwerfungsrecht zusteht, der aber jedenfalls von den Gerichten nicht nachvollzogen werden kann. Denn die Gerichte sind berechtigt und verpflichtet, Normen auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, und zwar im Falle untergesetzlicher Normen ohne die Beschränkungen des Art. 100 Abs. 1 GG“. 77 Näher dazu BVerfGE 76, 107 (121 f.); BVerfGE 95, 1 (22 f.) zu Plänen in Gesetzesform; vgl. weiter auch BVerfGE 56, 298 (319); BVerfG, NJW 1998, 367 (368).

Die Rechtsstellung der regionalen Planungsgemeinschaften Von Reinhard Hendler I. Einleitung Aus § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ROG ergibt sich eine gliedstaatliche Pflicht zur Regionalplanung, das heißt zur Aufstellung von Raumordnungsplänen für die Teilräume der Länder (Regionalpläne). Nach der erweiterten Stadtstaatenklausel des § 13 Abs. 1 S. 3 ROG sind von dieser Pflicht die Länder Berlin, Bremen und Hamburg sowie zusätzlich das Saarland ausgenommen, das auch von der ihm bundesrechtlich eröffneten Möglichkeit, auf eine Regionalplanung zu verzichten, Gebrauch gemacht hat. Soweit die Länder ihrer bundesgesetzlichen Pflicht nachgekommen sind und eine Regionalplanung eingeführt haben, obliegt diese vielfach regionalen Planungsgemeinschaften. Das gilt für die acht Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Häufig tragen diese Organisationen in den Landesplanungsgesetzen allerdings andere Bezeichnungen. Sie heißen dort Regionalverbände (Baden-Württemberg), regionale Planungsverbände (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen) oder auch schlicht Planungsgemeinschaften (Rheinland-Pfalz). Im Raumordnungsgesetz werden die hier in Rede stehenden Organisationen als regionale Planungsgemeinschaften bezeichnet (§ 13 Abs. 4 S. 1 ROG). Diese Bezeichnung wird auch in den folgenden Ausführungen durchgehend verwandt, wobei angemerkt sei, dass sondergesetzlich oder staatsvertraglich geregelte Planungsverbände nicht behandelt werden. In den übrigen vier Ländern, die eine Regionalplanung normiert haben, sind keine regionalen Planungsgemeinschaften vorgesehen. Vielmehr ist diese Planung teils den Kreisen übertragen (Niedersachsen), teils bei den staatlichen Mittelinstanzen angesiedelt (Hessen, Nordrhein-Westfalen) und teils der Regierungsebene zugeordnet worden (Schleswig-Holstein). Insgesamt bietet die landesrechtliche Ausgestaltung der Wahrnehmung der regionalplanerischen Aufgabe ein Bild föderaler Vielfalt.1

1 Ein Gesamtüberblick zur Regionalplanung in den einzelnen Bundesländern findet sich bei R. Hendler, in: Koch/Hendler (Hrsg.), Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 5.

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II. Körperschaften des öffentlichen Rechts Bei den regionalen Planungsgemeinschaften handelt es sich ausnahmslos um rechtsfähige Hoheitssubjekte. Zumeist ist landesgesetzlich ausdrücklich normiert worden, dass sie Körperschaften des öffentlichen Rechts darstellen. Soweit eine diesbezügliche ausdrückliche Normierung nicht besteht (Bayern, Sachsen-Anhalt), lässt sich der öffentlich-rechtliche Körperschaftstatus aus den gesetzlichen Regelungen herleiten. So heißt es beispielsweise in § 2 Abs. 4 S. 2 LEntwG LSA,2 dass die regionalen Planungsgemeinschaften die ihnen obliegende Planungsaufgabe als Zweckverbände erledigen. III. Mitglieder der regionalen Planungsgemeinschaften Zu den Mitgliedern der regionalen Planungsgemeinschaften gehören durchweg die Landkreise und kreisfreien Städte beziehungsweise – in baden-württembergischer Terminologie – die Stadtkreise der jeweiligen Region. In vier Ländern (Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt) beschränkt sich die Mitgliedschaft auf diese kommunalen Gebietskörperschaften.3 Teilweise ist die Mitgliedschaft auf große kreisangehörige Städte und Mittelzentren (Mecklenburg-Vorpommern) oder auch nur auf die im landesweiten Raumordnungsplan ausgewiesenen Mittelzentren (Thüringen) ausgedehnt worden. In Rheinland-Pfalz besteht die Besonderheit, dass auf Antrag gesetzlich abschließend aufgeführte öffentlich-rechtliche Körperschaften und privatrechtliche Organisationen als Mitglieder in die regionale Planungsgemeinschaft aufgenommen werden können. Die diesbezügliche Antragsbefugnis steht den großen kreisangehörigen Städten, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern, den Landwirtschaftskammern sowie den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zu.4 Nach bayerischem Landesrecht erstreckt sich die Mitgliedschaft in den regionalen Planungsgemeinschaften auf alle Gemeinden.

2

Landesentwicklungsgesetz Sachsen-Anhalt. Die Auffassung von G. Hager, in: ders. (Hrsg.), Kommentar zum Landesplanungsrecht in Baden-Württemberg, 2015, § 32 Rn. 2, wonach die baden-württembergischen regionalen Planungsgemeinschaften keine „echten Mitglieder“ besitzen, beruht auf einem engen Verständnis des Begriffs der Körperschaft des öffentlichen Rechts. 4 Kritisch zur Mitgliedschaft von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden R. Bäumler, Landesplanungsgesetz Rheinland-Pfalz, Loseblattkommentar (Stand: Okt. 2013), § 14 Erl. 1. 3

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IV. Binnenorganisation der regionalen Planungsgemeinschaften 1. Organe Jede regionale Planungsgemeinschaft verfügt zumindest über ein zentrales Beschlussorgan sowie ein Vollzugsorgan. a) Zentrales Beschlussorgan Beim zentralen Beschlussorgan, das überwiegend als Verbandsversammlung (Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen), teilweise auch als Regionalversammlung (Brandenburg, Sachsen-Anhalt), Regionalvertretung (Rheinland-Pfalz) oder Planungsversammlung (Thüringen) bezeichnet wird, handelt es sich um das Hauptorgan.5 Dieses ist – grob charakterisiert – für die Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung zuständig. Es setzt sich aus Personen zusammen, die von den Mitgliedern der regionalen Planungsgemeinschaft bestimmt (gewählt, entsandt) werden. Hinzu kommen in den meisten Ländern (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) gesetzlich aufgeführte Amtsträger (Landräte, Oberbürgermeister, häufig auch Bürgermeister). In Brandenburg kann ferner in der von der Braunkohlen- und Sanierungsplanung betroffenen Region aus dem Braunkohlenausschuss (§ 14 RegBkPlG6) ein Vertreter mit Stimmrecht in das zentrale Beschlussorgan entsandt werden (§ 6 Abs. 1 letzter Satz RegBkPlG). Vertreter mit lediglich beratender Stimme sind – wie aus § 6 Abs. 3 RegBkPlG hervorgeht – von der regionalen Planungsgemeinschaft auf Antrag gesetzlich bestimmter, in der betreffenden Region tätiger Organisationen zu berufen. Antragsbefugt sind die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, die vom Land anerkannten, landesweit tätigen Naturschutzvereinigungen, die Bauernverbände e. V. sowie die anerkannten Dachverbände der Sorben/Wenden nach dem Sorben/Wenden-Gesetz in der Region „Lausitz-Spreewald“. Diese Organisationen können jeweils einen Vertreter vorschlagen. Aus folgenden „Bereichen“ kann ebenfalls ein Personalvorschlag erfolgen: Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Berufsverbände der Stadt- und Regionalplanenden, Kirchen, Religionsgemeinschaften. Eine Regelung zu beratenden Mitgliedern des zentralen Beschlussorgans besteht auch in Sachsen. Nach § 10 Abs. 5 SächsLPlG „soll“ die Verbandsversammlung „insbesondere“ Vertreter der im Verbandsgebiet tätigen Organisationen der Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, der Arbeitgeber und Gewerkschaften, des Umweltschutzes sowie der Kirchen berufen. Für die regionale Planungsgemeinschaft 5 So die ausdrückliche Kennzeichnung in § 35 Abs. 1 S. 1 BaWüLPLG und § 10 Abs. 1 S. 1 SächsLPlG. 6 Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung.

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Oberlausitz-Niederschlesien gilt dies auch im Hinblick auf einen Vertreter der Interessenvertretung der Sorben nach § 5 SächsSorbG. b) Vollzugsorgan Das Vollzugsorgan besteht in vier Ländern lediglich aus einer Person, dem Verbandsvorsitzenden (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen) beziehungsweise dem Verbandsgeschäftsführer, welcher die Bezeichnung Vorsitzender führt (Sachsen-Anhalt). Die übrigen vier Länder haben sich für ein Kollektivorgan entschieden, das in den Gesetzen als Regionalvorstand (Brandenburg, Rheinland-Pfalz), Verbandsvorstand (Mecklenburg-Vorpommern) oder Präsidium (Thüringen) bezeichnet wird. Was die personelle Zusammensetzung sowie die Anzahl der Mitglieder des Kollektivorgans anbelangt, so bestehen in den Ländern unterschiedliche gesetzliche Vorgaben. Einheitlich geregelt ist demgegenüber in allen Ländern, dass das Vollzugsorgan vom zentralen Beschlussorgan gewählt wird. c) Weitere Organe Ein weiteres (drittes) Organ ist lediglich in Bayern vorgesehen. Es handelt sich um den Planungsausschuss (Art. 10 Abs. 1, 4 und 5 BayLPlG), dem neben dem Verbandsvorsitzenden weitere Vertreter der Verbandsmitglieder angehören. Die Aufgaben dieses Ausschusses beziehen sich auf die Ausarbeitung und Teilfortschreibungen des Regionalplans sowie die Stellungnahmen in Verfahren, an denen der Regionale Planungsverband beteiligt wird. 2. Ausschüsse Die Bildung von Ausschüssen, die nicht zu den Organen zählen, ist in fünf Ländern ausdrücklich vorgesehen (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), wobei die Ausschussbildung – von einer Ausnahme abgesehen – fakultativ ist. Die Ausnahme betrifft den in § 38 BaWüLPlG geregelten Planungsausschuss, der von der Verbandsversammlung zu bestellen ist. 3. Planungsbeiräte Zwei Länder (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern) ermöglichen der regionalen Planungsgemeinschaft, einen Planungsbeirat zu bilden, ohne eine diesbezügliche Pflicht zu normieren. Es bestehen auch keine besonderen Regelungen zur personellen Zusammensetzung dieses Gremiums. In Thüringen ist dagegen die Bildung eines Planungsbeirats nach § 16 Abs. 2 ThürLPlG obligatorisch, wobei zudem nähere Vorgaben zu den Beiratsmitgliedern normiert worden sind (§ 16 Abs. 3 ThürLPlG).

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V. Finanzierung Die Finanzierung der regionalen Planungsgemeinschaften erfolgt zumeist über Zuwendungen des Landes. Teilweise sind diese Gemeinschaften befugt, Umlagen von ihren Mitgliedern zu erheben. VI. Rechtliche Eigenständigkeit gegenüber dem Staat 1. Grundlagen Wie bereits (oben bei II.) dargelegt, handelt es sich bei den regionalen Planungsgemeinschaften ausnahmslos um Körperschaften des öffentlichen Rechts. Im Allgemeinen sind derartige Körperschaften zugleich Selbstverwaltungskörperschaften. Doch ist dies keineswegs stets der Fall. Es besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, die von ihm geschaffenen Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Selbstverwaltungsrecht auszustatten, das heißt mit dem Recht, die ihnen anvertrauten Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen. Eine Aufgabenwahrnehmung erfolgt dann eigenverantwortlich, wenn sie nicht der Fachaufsicht, sondern lediglich der Rechtsaufsicht des Staates unterliegt. Die Fachaufsicht ist dadurch gekennzeichnet, dass sie neben der Rechtsaufsicht, die sich auf die Kontrolle der Einhaltung von Rechtsvorschriften beschränkt, auch eine Zweckmäßigkeitsaufsicht (einschließlich eines Weisungsrechts gegenüber der beaufsichtigten Körperschaft) umfasst. Insofern handelt es sich um eine redundante Formulierung, wenn in Gesetzestexten bisweilen von einer Rechts- und Fachaufsicht die Rede ist.7 Da Körperschaften des öffentlichen Rechts grundsätzlich Selbstverwaltungskörperschaften sind, ist davon auszugehen, dass lediglich eine Rechtsaufsicht besteht, soweit der Gesetzgeber keine anderweitige Regelung getroffen hat. Wie sich aus dem Dargelegten ergibt, hängt das Maß der rechtlichen Eigenständigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts von Art und Umfang der staatlichen Aufsicht ab. Bei den regionalen Planungsgemeinschaften ist dieses Maß in den Ländern unterschiedlich ausgeprägt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hierbei die Befugnisse der staatlichen Behörden zur Einwirkung auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regionalpläne. Denn die Aufstellung dieser Pläne stellt die mit Abstand wichtigste Aufgabe der regionalen Planungsgemeinschaften dar. Sie begründet deren Existenzsinn. Folglich sind die Befugnisse der staatlichen Behörden zur Einwirkung auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regionalpläne ein entscheidendes Kriterium für die Beurteilung des Maßes der rechtlichen Eigenständigkeit, das den regionalen Planungsgemeinschaften durch den jeweiligen Landesgesetzgeber eingeräumt worden ist. Je weiter diese staatsbe7

Vgl. z. B. § 3 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 LEntwG LSA, § 13 Abs. 4 S. 1 ThürLPlG.

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hördlichen Befugnisse reichen, umso geringer ist die Plangestaltungsfreiheit der regionalen Planungsgemeinschaften und damit deren rechtliche Eigenständigkeit. 2. Betrachtung der Ländergesetze In Baden-Württemberg besteht die allgemeine Vorschrift, dass die regionalen Planungsgemeinschaften („Regionalverbände“) ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung verwalten (§ 32 S. 2 BaWüLPlG). Diese Aussage wird durch die Vorschriften des § 44 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BaWüLPlG konkretisiert. Danach unterliegen die regionalen Planungsgemeinschaften in weisungsfreien Angelegenheiten der Rechtsaufsicht des Landes sowie nach Maßgabe des § 11 Abs. 9 BaWüLPlG der Fachaufsicht der obersten Landesplanungsbehörde. Diese Behörde wird durch § 11 Abs. 9 BaWüLPlG ermächtigt, über den Planungszeitraum und über die Form der Regionalpläne Weisungen zu erteilen. Da das Weisungsrecht nicht die Planinhalte betrifft, stellt es keine wesentliche Beschränkung der rechtlichen Eigenständigkeit der regionalen Planungsgemeinschaften dar. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Ziele und Grundsätze und damit die Hauptinhalte des Regionalplans von der obersten Landesplanungsbehörde lediglich unter bestimmten Voraussetzungen genehmigt und für verbindlich erklärt werden (§ 13 Abs. 1 BaWüLPlG). Zu diesen Voraussetzungen gehört nicht nur, dass der Plan mit allen Rechtsvorschriften in Einklang steht, sondern auch, dass sich die vorgesehene räumliche Entwicklung der Region in die angestrebte räumliche Entwicklung des Landes einfügt, wie sie sich unter anderem aus den (nicht zu den Rechtsvorschriften zählenden) Entscheidungen des Landtags, der Landesregierung und der obersten Landesbehörden ergibt. Die hierdurch entstehende indirekte Bindung der regionalen Planungsgemeinschaften an Vorgaben, die keine Rechtsvorschriften darstellen, ermöglicht dem Staat erhebliche Einwirkungen auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regionalpläne. Bei der staatsbehördlichen Genehmigung und Verbindlicherklärung der Regionalpläne handelt es sich demnach nicht um reine Rechtsaufsicht.8 Denn eine reine Rechtsaufsicht zeichnet sich dadurch aus, dass ausschließlich die Einhaltung von Rechtsvorschriften kontrolliert wird und diese auch nicht auf Vorgaben verweisen, die nicht als Rechtsvorschriften zu qualifizieren sind. In der Fachliteratur wird im hier behandelten Zusammenhang darauf hingewiesen, dass eine gewichtige Ausnahme vom Selbstverwaltungsrecht vorliegt, das den regionalen Planungsgemeinschaften in § 32 S. 2 BaWüLPlG eingeräumt worden ist.9 Ähnlich wie in Baden-Württemberg verhält es sich in Sachsen. Der allgemeinen Vorschrift des § 12 Abs. 1 S. 1 SächsLPlG ist zu entnehmen, dass die regionalen Planungsgemeinschaften („Regionalen Planungsverbände“) einer Rechtsaufsicht unterliegen. Bestätigt wird das durch die Vorschriften des § 7 Abs. 2 S. 2 SächsLPlG zur 8 Ebenso K. Schlotterbeck, in: Hager (Hrsg.), Kommentar zum Landesplanungsrecht in Baden-Württemberg, 2015, § 13 Rn. 3 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 9 G. Hager (o. Fn. 3), § 32 Rn. 5 m.w.N. aus der Rechtsprechung.

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Genehmigung der Regionalpläne sowie des § 9 Abs. 3 letzter Satz SächsLPlG zur Genehmigung der Verbandssatzung. In beiden Fällen ist die Genehmigung jeweils zu erteilen, wenn der Plan beziehungsweise die Verbandssatzung mit den Rechtsvorschriften in Einklang steht. Allerdings besteht in Sachsen eine dem – zuvor erörterten – § 13 Abs. 1 BaWüLPlG entsprechende Regelung, welche die rechtliche Eigenständigkeit der regionalen Planungsgemeinschaften deutlich schwächt, da sie diese Gemeinschaften an Vorgaben bindet, die nicht zu den Rechtsvorschriften gehören (§ 4 Abs. 1 S. 3 SächsLPlG). Eine derartige Regelung hat das Land Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls eingeführt (§ 9 Abs. 5 S. 1 MeVoLPlG). In diesem Land kommen weitere, die rechtliche Eigenständigkeit der regionalen Planungsgemeinschaften schwächende Regelungen hinzu. Wie aus § 12 Abs. 3 S. 2 MeVoLPlG hervorgeht, unterliegen die regionalen Planungsgemeinschaften der Rechtsaufsicht und nach Maßgabe des § 12 Abs. 4 MeVoLPlG der Fachaufsicht des Landes. Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 MeVoLPlG enthält die Befugnis der obersten Landesplanungsbehörde, Weisungen über den Planungszeitraum, über die Form der Regionalpläne (regionalen Raumentwicklungsprogramme) sowie hinsichtlich der Beachtung der Richtlinien nach § 9 Abs. 2 MeVoLPlG zu erteilen. In § 9 Abs. 2 MeVoLPlG ist vorgesehen, dass die oberste Landesplanungsbehörde Richtlinien zur Ausarbeitung von regionalen Raumentwicklungsprogrammen erlassen kann. Noch restriktivere Regelungen hinsichtlich der rechtlichen Eigenständigkeit der regionalen Planungsgemeinschaften weisen die Länder Bayern und Thüringen auf. Nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 BayLPlG erfüllen die regionalen Planungsgemeinschaften („Regionalen Planungsverbände“) die ihnen als Träger der Regionalplanung obliegenden Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis. Dies bedeutet, dass sie hierbei unter Fachaufsicht stehen. Immerhin unterliegen sie beim Erlass der Verbandssatzung einer bloßen Rechtsaufsicht (Art. 9 Abs. 2 BayLPlG). In Thüringen besteht demgegenüber durchgehend eine – wie es heißt – „Fach- und Rechtsaufsicht“ (§ 13 Abs. 4 S. 1 ThürLPlG), die sich auch auf den Erlass der Verbandssatzung (§ 15 Abs. 5 ThürLPlG) erstreckt. Durch § 5 Abs. 5 ThürLPlG wird der obersten Landesplanungsbehörde im Rahmen der Genehmigung des Regionalplans sogar die Befugnis eingeräumt, den Plan im Fall der Abweichung von übergeordneten Zielen der Raumordnung zu ändern. Diese Befugnis besteht uneingeschränkt. Die oberste Landesplanungsbehörde ist nicht verpflichtet, zunächst der regionalen Planungsgemeinschaft Gelegenheit zu geben, den Plan (gegebenenfalls innerhalb einer festgesetzten Frist) mit den übergeordneten Zielen der Raumordnung selbst in Einklang zu bringen. Es ist auch nicht vorgesehen, dass der von der obersten Landesplanungsbehörde geänderte Plan der Zustimmung der regionalen Planungsgemeinschaft (sog. Beitrittsbeschluss) bedarf. Der Gesetzgeber des Landes Brandenburg hat keine allgemeine Regelung zur Art der Aufsicht (Rechts- oder Fachaufsicht) über die regionalen Planungsgemeinschaften getroffen. Doch hat er diese Gemeinschaften bei der Wahrnehmung ihrer wich-

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tigsten Aufgabe, der inhaltlichen Ausgestaltung der Regionalpläne, deutlichen Restriktionen unterworfen. Denn nach §§ 2 Abs. 7, 4 Abs. 3 S. 3 RegBkPlG ist die Landesplanungsbehörde (§ 2 Abs. 4 S. 2 RegBkPlG) befugt, in Abstimmung mit den zuständigen obersten Landesbehörden Richtlinien mit einheitlichen Kriterien (auch) über die Inhalte der Regionalpläne zu erlassen und den regionalen Planungsgemeinschaften zur Beachtung dieser Richtlinien Weisungen zu erteilen. Bei der staatsbehördlichen Genehmigung der Hauptsatzung (§ 8 S. 2 RegBkPlG) besteht allerdings lediglich eine Rechtsaufsicht. Dies ergibt sich bereits aus dem oben (bei VI. 1.) Dargelegten, wonach Körperschaften des öffentlichen Rechts gewöhnlich Selbstverwaltungskörperschaften sind und daher ihre Aufgaben insoweit, als keine anderweitige Regelung besteht, eigenverantwortlich wahrnehmen. Zum gleichen Ergebnis gelangt man beim Rückgriff auf die Regelungen zu den Zweckverbänden im Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKGBbg), das – wie § 4 Abs. 4 RegBkPlG bestimmt – entsprechend anzuwenden ist, soweit das Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung oder aufgrund dieses Gesetzes erlassene Rechtsvorschriften keine andere Regelung treffen. Nach § 10 Abs. 2 S. 2 GKGBbg verwaltet ein Zweckverband seine Angelegenheiten unter eigener Verantwortung. Er gibt sich eine Verbandssatzung (§ 13 GKGBbg). Was die Aufsicht anbelangt, so verweist § 42 GKGBbg auf die entsprechende Anwendung von Vorschriften der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) zur Kommunalaufsicht, die sich als typische Rechtsaufsicht erweist. In Rheinland-Pfalz unterliegen die regionalen Planungsgemeinschaften bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Regionalpläne ebenfalls erheblichen Beschränkungen. Zwar bestimmt § 14 Abs. 3 S. 1 RhPfLPlG, dass diesen Gemeinschaften die Regionalplanung als „Pflichtaufgabe der kommunalen Selbstverwaltung“ obliegt, was darauf hindeutet, dass lediglich eine Rechtsaufsicht besteht. Doch ist die staatsbehördliche Genehmigung des Regionalplans nach § 10 Abs. 2 S. 2 RhPfLPlG auch dann zu versagen, wenn die in § 2 Abs. 2 ROG normierten Grundsätze der Raumordnung „nicht zweckmäßig angewendet oder abgewogen“ worden sind. Da die Inhalte der Regionalplanung hiernach auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bewertet und kontrolliert werden, liegt insoweit eine Fachaufsicht vor. Zu beachten ist ferner, dass sich der Katalog der in § 2 Abs. 2 ROG enthaltenen Grundsätze der Raumordnung als außerordentlich umfangreich erweist und zudem wenig stringent gefasst ist. All dies bedeutet, dass der zuständigen Staatsbehörde eine weitreichende Einwirkung auf die regionalplanerischen Inhalte ermöglicht wird. Hieraus folgt, dass die planerische Gestaltungsfreiheit der regionalen Planungsgemeinschaften rechtlich entsprechend schwach ausgeprägt ist. Bei der staatsbehördlichen Genehmigung der von der regionalen Planungsgemeinschaft beschlossenen Satzung (§ 15 Abs. 5 RhPfLPlG) besteht eine reine Rechtsaufsicht. Dies lässt sich – wie zuvor zum Land Brandenburg ausgeführt – bereits daraus herleiten, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts gewöhnlich

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Selbstverwaltungskörperschaften sind und dem zufolge ihre Aufgaben insoweit, als keine anderweitige Regelung besteht, eigenverantwortlich wahrnehmen. Es ergibt sich zudem aus der in § 15 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 RhPfLPlG vorgesehenen entsprechenden Anwendung der Bestimmungen des Zweckverbandsgesetzes über Zweckverbände, soweit das Landesplanungsgesetz oder aufgrund dieses Gesetzes erlassene Rechtsvorschriften keine Regelung treffen. Wie aus § 2 Abs. 1 S. 2 KomZG10 hervorgeht, besitzt ein Zweckverband das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze. Er gibt sich eine Verbandsordnung (§ 6 KomZG), die der Satzung der regionalen Planungsgemeinschaft entspricht. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 KomZG gelten für die Staatsaufsicht die Vorschriften der §§ 117 bis 128 GemO entsprechend. Diese Vorschriften beschränken sich auf eine reine Rechtsaufsicht. Eine vergleichsweise starke Rechtsstellung besitzen die regionalen Planungsgemeinschaften im Land Sachsen-Anhalt. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 LEntwG LSA unterliegen sie – von einer Ausnahme abgesehen – der Rechtsaufsicht. Die Ausnahme ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 LEntwG LSA. Sie betrifft den Fall, dass eine regionale Planungsgemeinschaft von ihrer Befugnis Gebrauch macht, die ihren Plänen entgegenstehenden raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen Dritter nach § 14 ROG (= § 12 ROG n. F.) zu untersagen. Diese Befugnis ist den regionalen Planungsgemeinschaften ohnehin nur im Land Sachsen-Anhalt eingeräumt worden. In den anderen Ländern steht sie den Staatsbehörden zu. Besonders bedeutsam ist, dass die staatsbehördliche Genehmigung des Regionalplans nur unter der Voraussetzung versagt werden darf, dass der Plan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder dem Raumordnungsgesetz, dem Landesentwicklungsgesetz, den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen oder sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht (§ 9 Abs. 3 S. 2 LEntwG LSA). Die regionalen Planungsgemeinschaften sind demnach bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Regionalpläne weder direkt noch indirekt an Richtlinien oder sonstige Entscheidungen von Staatsorganen gebunden, die keine Rechtsvorschriften darstellen. Sie verfügen damit über ein substanzielles Maß an rechtlicher Eigenständigkeit, sodass sie uneingeschränkt als Selbstverwaltungskörperschaften qualifiziert werden können. VII. Ergebnis und Ausblick Vergleicht man die Regelungen der Länder untereinander so zeigt sich, dass die rechtliche Eigenständigkeit der regionalen Planungsgemeinschaften in Sachsen-Anhalt am stärksten ausgeprägt ist. Nur in diesem Land besteht eine staatsbehördliche Aufsicht, die bei der Kontrolle der inhaltlichen Ausgestaltung der Regionalpläne frei ist von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und nicht auch indirekt (das heißt aufgrund entsprechender Verweisungen in Rechtsvorschriften) die Einhaltung von Vorgaben 10

Landesgesetz über die kommunale Zusammenarbeit.

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prüft, die keine Rechtsvorschriften darstellen. Das Land Sachsen-Anhalt verfügt damit gewissermaßen über ein Alleinstellungsmerkmal. Es weist die „liberalste“ Regelung zu den regionalen Planungsgemeinschaften auf. Die geringste rechtliche Eigenständigkeit besitzen die regionalen Planungsgemeinschaften demgegenüber im Land Thüringen, da sie dort komplett, und zwar auch beim Erlass der Verbandssatzung, unter Fachaufsicht stehen und zudem der obersten Landesplanungsbehörde im Rahmen der Genehmigung des Regionalplans die uneingeschränkte Befugnis zusteht, den Plan zu ändern, wenn er von übergeordneten Zielen der Raumordnung abweicht. Auch in Bayern verfügen die regionalen Planungsgemeinschaften lediglich über ein geringes Maß an rechtlicher Eigenständigkeit. Denn die Erfüllung der ihnen als Träger der Regionalplanung obliegenden Aufgabe erfolgt im übertragenen Wirkungskreis, mithin unter Fachaufsicht. Immerhin unterliegen sie beim Erlass ihrer Verbandssatzung nicht fachaufsichtlicher, sondern lediglich rechtsaufsichtlicher Kontrolle. Insoweit besteht ein Unterschied zwischen der Rechtslage in Bayern und der in Thüringen. Die übrigen Länder haben die regionalen Planungsgemeinschaften bei der Wahrnehmung ihrer vornehmsten Aufgabe, der inhaltliche Ausgestaltung der Regionalpläne, zwar nicht explizit der Fachaufsicht unterstellt, aber die staatsbehördliche Kontrolle über diese Aufgabenwahrnehmung nach fachaufsichtlichen Grundsätzen geregelt oder jedenfalls in einer Weise rechtlich ausgeformt, dass in den praktischen Auswirkungen kein, zumindest kein wesentlicher Unterschied mehr zur Fachaufsicht besteht. Eine Gruppe von Sachverständigen hat unlängst unter Mitwirkung des Jubilars angeregt, „an eine Stärkung der Träger der Regionalplanung bei gleichzeitiger Rücknahme der Fachaufsicht gegenüber ihrem Handeln zugunsten bloßer Rechtsaufsicht zu denken, und zwar in entsprechender Heranziehung europarechtlicher Vorgaben im Regulierungsrecht (,Raumordnung als Regulierungsrecht‘)“.11 Es ist in der Tat nicht recht einzusehen, dass die meisten Länder aufsichtsrechtliche Regelungen geschaffen haben, die es den Staatsbehörden ermöglichen, auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regionalpläne in erheblichem Umfang einzuwirken und die Plangestaltungsfreiheit der regionalen Planungsgemeinschaften entsprechend einzuengen. Denn die staatlichen Organe der Länder sind in der Lage, die Regionalplanung über Ziele und Grundsätze der Raumordnung im landesweiten Raumordnungsplan inhaltlich wirksam zu steuern. Zusätzliche Vorgaben hinsichtlich der regionalplanerischen Inhalte können die Staatsorgane in Gesetzen und Rechtsverord11

Forum Planungsrecht, Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Vereinheitlichung und Fortentwicklung des räumlichen Planungsrechts: Thesen, EurUP 2017, 308 (310, These 19 am Ende). Die Mitglieder des Forums werden in einer Fußnote der Publikation (S. 308) namentlich aufgeführt. Aufgrund eines technischen Versehens wird der Jubilar nicht genannt, obwohl er an der Erarbeitung der Thesen maßgeblich beteiligt war.

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nungen normieren. Dass diese Steuerungsmöglichkeiten bei durchdachter Handhabung unzureichend sein könnten, ist nicht ersichtlich. Für eine Fachaufsicht über die regionalen Planungsgemeinschaften besteht demnach kein Bedarf. Nichts anderes gilt für eine Rechtsaufsicht, die in der Weise rechtlich ausgestaltet ist, dass sie in ihren praktischen Auswirkungen einer Fachaufsicht letztlich gleichkommt.

Die obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren Von Holger Schmitz Mit der ROG-Novelle 2017 findet die in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche politische, mediale und juristische Debatte der letzten Jahre um die gesellschaftliche Akzeptanz von größeren Infrastrukturvorhaben einen weiteren Kulminationspunkt: Nach Einführung u. a. der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren hat der Gesetzgeber nun die Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren grundlegend neu gefasst. Nicht nur ist die bis dato im Bundes-ROG lediglich fakultativ ausgestaltete Öffentlichkeitsbeteiligung neuerdings verpflichtend vorgesehen. Der Gesetzgeber hat auch grundlegende Aspekte des Beteiligungsverfahrens bundesgesetzlich festgeschrieben und wichtige, mit dem Verfahrensinstitut der Öffentlichkeitsbeteiligung zusammenhängende Modifikationen an der im Raumordnungsverfahren vorgesehenen Alternativenprüfung vorgenommen. Hinter den Neuerungen steht der Topos einer Akzeptanzsteigerung durch Beteiligung – der Gesetzgeber möchte durch eine intensivierte bzw. umfassender als zuvor normativ abgesicherte Öffentlichkeitsbeteiligung zu einem frühzeitigen Zeitpunkt, nämlich auf Ebene des Raumordnungsverfahrens, Rückhalt in der Bevölkerung für größere Infrastrukturvorhaben und Bauprojekte schaffen. Dabei geht es ihm unmittelbar um die Beseitigung von nach Stuttgart 21 & co. vielfach konstatierten Defiziten in diesem Bereich.1 Mit den genannten Neuerungen ist der Gesetzgeber in der Sache jedenfalls zum Teil den bereits 2012 in einem pointierten Beitrag für die DÖV – „Infrastrukturgroßprojekte: Akzeptanz durch Verfahren und Raumordnung“ 2 – vorgebrachten Argumenten Wilfried Erbguths gefolgt. Überzeugend hatte dieser de lege ferenda für „einen qualitativ verbesserten Einsatz der Einbeziehung von Öffentlichkeit“ plädiert und als Effektivitätsmarker u. a. den richtigen „Standort“ einer erweiterten Öffentlichkeitsbeteiligung im gesamthaften, ebenenübergreifenden Vorhabenplanungsprozess definiert. Demnach böte sich eine Fokussierung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf die „Vorentscheidungsebene“, i. e. insbesondere auf das Raumordnungsverfahren an, da hier das Vorhaben für eine öffentliche Auseinandersetzung bereits ausreichend konkret gefasst sei, gleichzeitig jedoch signifikante Anpassungsspielräume verblie1

Siehe die Verweise auf „Stuttgart 21“ in der Debatte im Bundestag, BT-Plenarprotokoll 18/221, S. 22249 f. m. Anl. 16, S. 22324 ff., hierzu auch unter Punkt II. 2 W. Erbguth, Infrastrukturgroßprojekte: Akzeptanz durch Verfahren und Raumordnung, DÖV 2012, 821 ff.

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ben.3 Auch hob Erbguth die Wichtigkeit der Absicherung einer neutralen Entscheidungsfindung bei der Planung von Großvorhaben hervor, für die sich das auf räumliche Gesamtkoordination gerichtete Raumordnungsrecht bzw. seine Instrumente und Verfahren besser als das Fachplanungsrecht eigneten. Auch dieser Umstand spreche für das Raumordnungsverfahren als maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung; zudem solle der Einfluss der Raumordnung auf die Fachplanung ausgebaut werden.4 Anknüpfend an die wichtigen wissenschaftlichen Vorarbeiten des Jubilars – ante legem 2017 – widmet sich der vorliegende Beitrag der Gesetzesänderung und unterzieht die neuen Vorschriften einer ersten Analyse und kritischen Würdigung. Dabei erfolgt nach einer einleitenden Darstellung der Neuerungen (unter I.) zunächst eine rekapitulierende entwicklungsgeschichtliche Einordnung (unter II.). Hier soll auch betont werden, dass sich die Aufwertung der Öffentlichkeitsbeteiligung im ROG 2017 jenseits der unmittelbaren Reaktion auf die Debatten um Stuttgart 21, etc. allgemeineren, übergeordneten Rechtsentwicklungen zuordnen lässt. Im Weiteren wird auf die für die ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung zentralen Themen der ROG-Novelle 2017 eingegangen: Dies betrifft zunächst die obligatorische Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung selbst (§ 15 Abs. 3 Satz 1 ROG n.F.) und die damit verbundenen Implikationen für das System der ebenenübergreifenden Planung (unter III.). Anschließend (unter Punkt IV.) stehen die neuen Verfahrensbestimmungen (§ 15 Abs. 3 Satz 2 – 5 ROG n.F.) im Fokus. Hier werden u. a. auch dogmatische Fallstricke in Bezug auf die neuen Vorschriften selbst sowie in ihrem Ineinandergreifen mit dem Beteiligungsverfahrensrecht der Länder erörtert. Im vorletzten Abschnitt (unter V.) soll auf die Bedeutung der novellierten Alternativenprüfung (§ 15 Abs. 1 Satz 3 ROG) als potentielle materiellrechtliche Kehrseite der neuen Öffentlichkeitsbeteiligung hingewiesen werden. Der Beitrag schließt mit einem wertenden Fazit (unter VI.). I. Die Neuerungen im Überblick Dass die Öffentlichkeit im Raumordnungsverfahren nunmehr (auch aus raumordnungsrechtlicher Sicht) obligatorisch zu beteiligen ist, ergibt sich unmittelbar aus § 15 Abs. 3 Satz 1 ROG. Die Bestimmung führt dazu, dass landesrechtliche Regelungen, die ein Ermessen der Raumordnungsbehörden vorsehen oder die Öffentlichkeitsbeteiligung an eine Bedingung knüpfen, nichtig sind,5 sofern sie nicht als Abweichungsgesetz zum ROG 2017 ergehen.6 Die obligatorische Öffentlichkeitsbetei3

W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (824). W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (825 f.). 5 Dies ergibt sich aus der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG. Zu den verfassungsrechtlichen Grundfragen beim Raumordnungsverfahren siehe im Detail H. Schmitz, in: Bielenberg/ Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Loseblattsammlung, Stand: Lfg. 1/2018, L § 15 ROG Rn. 67 ff. 6 Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG. 4

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ligung gilt auch im beschleunigten Raumordnungsverfahren,7 wie sich im Umkehrschluss aus § 16 Abs. 1 ROG n.F. ergibt.8 Der Grundsatz der obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung wird bundesrechtlich nur durch die nach § 15 Abs. 3 Satz 7 ROG vorgesehene Entscheidung der Raumordnungsbehörde im Einvernehmen mit den Stellen nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ROG durchbrochen, sofern es sich um Planungen im Bereich der Verteidigung oder des Zivilschutzes handelt. Der Begriff der Öffentlichkeit hat sich in seiner Reichweite durch die nunmehr obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung nicht verändert;9 insbesondere findet keine Begrenzung auf „in ihren Belangen berührte“ Mitglieder der Öffentlichkeit statt, auch wenn sich dies wohl nicht ganz so deutlich aus der Satzstruktur ergibt wie bei § 9 Abs. 2 Satz 1 ROG. Als zweite wichtige Neuerung hat das ROG 2017 erstmals Regelungen zum Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung in § 15 Abs. 3 Satz 2 – 5 ROG eingeführt. Die Bestimmungen legen wesentliche Grundaspekte des Verfahrens (Instrumente der Beteiligung, i. e. Auslegung der Unterlagen und Stellungnahmemöglichkeit sowie Bekanntmachungspflicht, einzuhaltende Fristen, etc.) fest und enthalten Vorgaben zur „Informatisierung“ der Beteiligung im Raumordnungsverfahren. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 ROG schließlich sollen auch ernsthaft in Betracht kommende Standort- oder Trassenalternativen Gegenstand der Raumverträglichkeitsprüfung sein. Die Bestimmung normiert damit einen wichtigen Teilaspekt des materiellen Prüfungsprogramms im Rahmen der Raumverträglichkeitsprüfung. Entgegen § 15 Abs. 1 Satz 3 ROG a.F. beschränkt sich die Prüfung nach der ROG-Novelle 2017 einerseits nicht mehr zwingend auf solche Standort- und Trassenalternativen, die bereits vom Träger der Planung oder Maßnahme in Betracht gezogen und in das Verfahren eingeführt wurden.10 Dies stellt für die Raumordnungsbehörden u. U. eine Erweiterung des Prüfungsprogramms dar. Andererseits reduziert die ROG-Novelle 2017 die Prüfung auf ernsthaft in Betracht kommende Varianten.

II. Zum entwicklungsgeschichtlichen Kontext der novellierten Verfahrensregelungen Die Novellierung der Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren stellt sich entwicklungsgeschichtlich als vorläufiger Kulminationspunkt einer Reihe von Maßnahmen dar, mit denen Bund und Länder in den letzten Jahren auf Akzeptanzkrisen bei größeren Infrastrukturvorhaben in Deutschland reagiert haben. Auch wenn richtigerweise darauf hingewiesen wird, dass Widerstand 7

Früher: „Vereinfachtes Raumordnungsverfahren“, § 16 ROG a.F. Dazu auch unten, Punkt III. 1. a.E. 9 Siehe zum Begriff der „Öffentlichkeit“ bei § 15 Abs. 3 Satz 3 ROG a.F. H. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, a.a.O. (o. Fn. 5), L § 15 Rn. 251. 10 § 15 Abs. 1 Satz 3 ROG a.F. lautete: „Gegenstand der Prüfung nach Satz 2 sind auch die vom Träger der Planung oder Maßnahme eingeführten Standort- oder Trassenalternativen“. 8

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gegen Großprojekte weder zeitlich noch geographisch ein singuläres Phänomen ist,11 kam es doch u. a. im Zuge der Stuttgart 21-Debatte zu einer für Deutschland außergewöhnlichen Protestverdichtung. Ein nicht unwesentlicher Teil des Protestes richtete sich dabei nicht nur gegen die Sache selbst, sondern auch gegen das als illegitim empfundene Planungsverfahren.12 Die Vehemenz der Ereignisse katalysierte entscheidend auch den juristischen Diskurs zur Verbesserung der Beteiligungsverfahren in der Vorhabenplanung13 und ermutigte den Gesetzgeber, den Schwerpunkt eines mittels Referentenentwurfes vom 06. 12. 2010 auf den Weg gebrachten, zunächst vor allem auf Planungsbeschleunigung gerichteten Planungsvereinheitlichungsgesetzes in Richtung einer Verbesserung der auf das Planfeststellungsverfahren bezogenen frühen Öffentlichkeitsbeteiligung (Einführung des § 25 Abs. 3 VwVfG) zu verlagern.14 Parallel fokussierten sich die Diskussionen auf das Raumordnungsverfahren als Ansatzpunkt für eine (gestärkte) Öffentlichkeitsbeteiligung. Einen wichtigen Impuls setzte die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) mit ihrem Beschluss vom 24. 10. 2011 zur Bürgerbeteiligung im Raumordnungsverfahren.15 Die MKRO sprach sich für eine verbindliche Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf Bundesund Landesebene aus und schlug zusätzliche Behördenbefugnisse gegenüber den Vorhabenträgern zur Einbeziehung von Planungsalternativen vor.16 In ähnlicher Weise äußerte sich die Arbeitsgruppe „Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungsund Zulassungsverfahren großer Infrastrukturvorhaben“ des beim für Raumordnung zuständigen Ministerium angesiedelten Beirats für Raumentwicklung im Juni 2012. 11 W. Erbguth, DÖV 2012, 821 m. Verw. a. W. Durner, Möglichkeit der Verbesserung förmlicher Verwaltungsverfahren am Beispiel der Planfeststellung, ZUR 2011, 354 (355). 12 In empirischen Erhebungen zu den Hauptmotiven der Protestierenden gegen Stuttgart 21 rangierte der Vorwurf von „Demokratiedefizite[n] bei der Planung des Projektes“ auf Platz vier der Rangliste, siehe B. Baumgartner/D. Rucht, in: Brettschneider/Schuster (Hrsg.), Stuttgart 21 – Ein Großprojekt zwischen Protest und Akzeptanz, Wiesbaden 2013, S. 98 (109). 13 W. Durner, ZUR 2011, 354 (356 f). Siehe zur Debatte u. a. R. Wulfhorst, Konsequenzen aus „Stuttgart 21“ – Vorschläge zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung, DÖV 2011, 581 ff.; J. Ziekow, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentarischen Demokratie, NJW-Beil. 2012, 91 ff.; W. Hertel/C.-D. Munding, Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Planung von Großvorhaben, NJW 2012, 2622 ff.; dies., Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung und andere Neuerungen durch das Planfeststellungsvereinheitlichungsgesetz, NJW 2013, 2150 ff.; J. Stender-Vorwachs, Neue Formen der Bürgerbeteiligung?, NVwZ 2012, 1061 ff.; K.-P. Dolde, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentarischen Demokratie NVwZ 2013, 769 ff. 14 B. Stüer, Das Planungsvereinheitlichungsgesetz, DVBl. 2013, 700 (701); H. Schmitz/ L. Prell, NVwZ 2013, Planungsvereinheitlichungsgesetz – Neue Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz, 745 f. („zusätzlicher Schwerpunkt“). 15 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung – Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor, Berlin 2014, abrufbar unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/handbuch-buergerbeteiligung. html, S. 44. 16 Ebd.

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Der Beirat hielt die Verfahren und Instrumente der Raumordnung (Raumordnungsplan, Raumordnungsverfahren) für besonders geeignet für eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung; diese müssten „aber entsprechend neu ausgerichtet werden und benötig[t]en insbesondere geeignetere Kommunikationsformen“.17 Auch solle eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung „nach dem Vorbild des § 3 BauGB“ eingeführt werden und die Beteiligung müsse eine „Diskussion von Varianten, auch der Nullvariante“ ermöglichen.18 Bereits 2011/2012 kristallisierten sich somit die beiden zentralen Reformthemen in Bezug auf das Raumordnungsverfahren, nämlich die obligatorische Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung einerseits und die Modifizierung des Rechtsrahmens zur Einbeziehung von Planungsalternativen andererseits, heraus.19 2013 nahmen CDU, CSU und SPD den Topos einer obligatorischen Bürgerbeteiligung „in der Vorphase der Planfeststellung“ sodann in ihren Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode auf,20 auf den sich die Gesetzesbegründung für das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften ausdrücklich beruft.21 Unterdessen beschäftigte das Thema der Öffentlichkeitsbeteiligung auf Ebene des Raumordnungsverfahrens verstärkt auch die Länder. 2012 führte etwa Bayern mit Verweis auf gesteigerte Transparenzerwartungen in Bezug auf Großprojekte eine obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren ein.22 2014 erließ die Landesregierung Baden-Württembergs die ambitionierte „Verwaltungsvorschrift Öffentlichkeitsbeteiligung“23 mittels derer wichtige Neuerungen insbesondere im Bereich der frühzeitigen und informellen Öffentlichkeitsbeteiligung auch in Bezug auf das Raumordnungsverfahren positiviert wurden.24 Die VwVÖffBet [BW] stipuliert dabei insbesondere auch Pflichten zur Öffentlichkeitsbeteiligung durch das Land, wenn dieses selbst als Vorhabenträger agiert. Damit soll auch eine Vorbildwirkung für private Projektträger zur Durchführung eigener früher 17 Abrufbar unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/Raumentwicklung/beiratfuer-raumentwicklung-stellungnahmen-17-lp.html. 18 Ebd. 19 Auch die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) hob in einem 2014 veröffentlichten Positionspapier das Potential des „Raumordnungsverfahrens als Instrument der Öffentlichkeitsbeteiligung“ hervor, plädierte de lege ferenda für eine verbindlichere Ausgestaltung der Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren und kritisierte den auf Vorschläge des Planungsträgers verengten Rahmen der in die Verträglichkeitsprüfung einzustellenden Planungsvarianten; ARL, Raumordnungsverfahren – Chance für eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Planung von Infrastrukturprojekten, Positionspapier, Hannover 2014, S. 9 f. 20 Abrufbar unter https://m.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013 – 12 – 17koalitionsvertrag.pdf, zuletzt abgerufen am 21. 08. 2018. 21 BT-Drs. 18/10883, S. 1, 30. 22 Bayerischer Landtag, LT-Drs. 16/10945, S. 25. 23 Verwaltungsvorschrift der Landesregierung zur Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Zulassungsverfahren vom 17. 12. 2013, GABl. 2014/2, S. 22 ff. 24 Siehe zur Übersicht über die für das Raumordnungsverfahren relevanten Bestimmungen D. Herrmann, in: Hager, Kommentar zum Landesplanungsrecht in Baden-Württemberg, Stuttgart 2015, § 19 LPlG [BW] Rn. 32 ff.

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und informeller Beteiligungsmaßnahmen bei privaten Projekten erreicht werden.25 2015 führte Sachsen-Anhalt mit seinem neuen Landesentwicklungsgesetz (§ 14 Abs. 1 n.F.) eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung beim Raumordnungsverfahren zur Transparenzsteigerung ein. Diese Neuerung geschah laut Gesetzesbegründung ausdrücklich „[v]or dem Hintergrund bundesweiter Erfahrungen der letzten Zeit“.26 Eine neue verpflichtende Regelung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren traf 2016 – noch ausdrücklich in Abweichung zu § 15 Abs. 3 Satz 3 ROG a.F. – auch Nordrhein-Westfalen,27 ohne allerdings Verfahrensdetails zu regeln. Der Bund „zog“ 2016 „nach“, indem die Bundesregierung in ihrem Entwurf für ein Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 04. 11. 2016 den Topos der Akzeptanzsteigerung durch eine verpflichtende Öffentlichkeitsbeteiligung u. a. im Raumordnungsverfahren zu einem der vier Hauptziele des Reformvorhabens machte.28 Die Änderungsvorschläge erzeugten wenig Gegenwind. Möglicherweise angesichts der besonderen öffentlichen Stimmung zugunsten der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie entsprechenden gesetzgeberischen Initiativen z. T. auf Landesebene blieb der bei früheren Gesetzesvorhaben betreffend Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung z. T. geübte Widerstand von Seiten des Bundesrates29 von vornherein aus.30 In der Debatte im Bundestag zum Gesetzesentwurf31 unterstrichen die Abgeordneten in ihren Reden u. a. die Bedeutung einer „maximalen“ und frühzeitigen Planungstransparenz. Verweise der Abgeordneten auf öffentliche Kritik an Großprojektplanungen und ausdrücklich auch auf Stuttgart 21 belegen dabei aus entstehungsgeschichtlicher Perspektive, wie stark auch das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften ganz konkret unter dem Eindruck der ab 2010 rasant verlaufenden Debatte um die „Lehren“ aus Stuttgart 21, etc. entstand. Kritik am gesetzgeberischen Ziel einer „Akzeptanzsteigerung“ äußerte die Rednerin der Partei Die Linke, da es „nicht nur um die Akzeptanz, also das Durchsetzen von Großprojekten [geht], sondern eben auch darum, ob eine solche Maßnahme überhaupt nötig ist“.32 25 Siehe Nr. 1.1 VwVÖffBet [BW] und den zu der VwVÖffBet [BW] entwickelten Leitfaden (abrufbar unter https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/informieren/wie-be teilige-ich-mich/land/neue-planungskultur/vwv-und-planungsleitfaden, zuletzt abgerufen am 21. 08. 2018). 26 Landtag von Sachsen-Anhalt, LT-Drs. 6/2923, S. 4. 27 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neufassung des Landesplanungsgesetzes vom 24. Mai 2016, GV. NRW. S. 259; siehe hierzu Landtag NRW, LT-Drs. 16/9809, S. 2, 46. 28 BR-Drs. 656/16, S. 1, 24, 30, 47 f. 29 R. Wulfhorst, DÖV 2011, 581. 30 In seiner Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG äußerte sich der Bundesrat gar nicht zu den vorgeschlagenen Modifikationen bei § 15 ROG, siehe BR-Plenarprotokoll 952, S. 547; BR-Drs. 656/16(B). 31 BT-Plenarprotokoll 18/221, S. 22249 f. m. Anl. 16, S. 22324 ff. 32 BT-Plenarprotokoll 18/221, Anl. 16, S. 22326.

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Der besonders plastische Zusammenhang der neuen Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Debatte um Stuttgart 21 & Co. dürfte eine dominierende Rolle bei der entwicklungsgeschichtlichen Deutung der ROG-Novelle 2017 spielen. Indes sollte nicht verkannt werden, dass sich die Aufwertung der Öffentlichkeitsbeteiligung im ROG 2017 jenseits dieser „entwicklungsgeschichtlichen Mikroperspektive“ auch als Teil übergreifender und langfristigerer struktureller Rechtsentwicklungen ansehen lässt. Dies betrifft in erster Linie den etwa seit den 1990er Jahren vernehmbaren Bedeutungswandel des Raumordnungsrechts insgesamt von einem im Wesentlichen auf freiwilligem Ausgleich basierenden Ordnungsrahmen zu einem Regelungssystem, das Themen wie Klimaschutz oder Einzelhandelsentwicklung einer überregionalen Steuerung unterzog.33 Diese Entwicklung sowie die Einsicht, dass in Bezug auf bestimmte Vorhaben (etwa großflächige Einzelhandelsbetriebe) „eine effektive, langfristige und umfassende Koordination bereits auf höherer Stufe ansetzen muss“ bereiteten den Weg für eine zunehmende Indienstnahme des Raumordnungsrechts für die Ansiedlungssteuerung von Großprojekten.34 Der „gestiegene[…] Steuerungsanspruch der Raum- und Landesplanung seit den 80er Jahren und [die] damit einhergehende[…] Bedeutungszunahme der Raumordnung“35 bedeutete letztendlich eine partielle Erosion der auf das Bebauungsplanverfahren beschränkten Beteiligungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit an der Gesamtplanung, die mittels neuer Beteiligungsformen bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen aufgefangen wurde.36 Das Raumordnungsverfahren trägt als wichtiges Sicherungsmittel der Raumplanung zur „neuen Steuerungskraft“ des Raumordnungsrechts bei. Der Ausbau der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren nach dem ROG n.F. reagiert daher auch auf den allgemeinen Bedeutungsgewinn und Funktionswandel des Raumordnungsrechts im Allgemeinen und des Raumordnungsverfahrens im Besonderen und stellt eine konsequente Fortsetzung der genannten Entwicklungen dar. Darüber manifestiert sich in der Verstärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren nach dem ROG n.F. aber auch der allgemeine Trend zu mehr Transparenz und Partizipation in Verwaltungsverfahren und hinsichtlich staatlicher Tätigkeit im Allgemeinen.

33 H. Schmitz/C. Federwisch, Einzelhandelsbetriebe in der Raum- und Bauleitplanung, 2. Auflage, München 2019, Rn. 18 (im Erscheinen). 34 Ebd., Rn. 17 f. 35 M. Uechtritz, Phasenspezifischer oder konzentrierter Rechtsschutz: Das Beispiel Raumordnungs- und Baurecht, ZUR 2017, 479 (481). 36 M. Uechtritz, ZUR 2017, 479 (481); im Kontext der Beteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen auch P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Raumordnungsgesetz, Kommentar, 2. Auflage, München 2018, § 9 ROG Rn. 1: „In kaum einer anderen Vorschrift des ROG wird der Wandel, den die Raumordnungsplanung in den letzten 20 Jahren durchlaufen hat, so deutlich wie in der Beteiligungsvorschrift“.

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III. Zur systemischen Bedeutung der neuen obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren Der Gesetzgeber hat grundsätzlich zutreffend dargelegt, dass die obligatorische Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem ROG n.F. lediglich die bei Inkrafttreten des ROG n.F. bereits existierende Rechtslage in vielen Bundesländern widerspiegelt.37 Zudem sind Vorhaben, für die ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wird, meist vom Anwendungsbereich des UVPG erfasst. Über § 49 Abs. 1 UVPG sind die Länder daher ohnehin in den meisten Fällen im Rahmen ihrer raumordnerischen UVP an die §§ 18 ff. UVPG gebunden, die eine verpflichtende Öffentlichkeitsbeteiligung hinsichtlich der Umweltauswirkungen vorsehen. Dennoch handelt es sich bei der obligatorischen Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung keinesfalls um eine bloß redundante „Symbolgesetzgebung“. Die Neufassung des § 15 Abs. 3 ROG ist vielmehr auch neben den existierenden Bestimmungen des UVPG in systematischer Hinsicht und auch praktisch relevant (dazu unter 1.). Sie impliziert darüber hinaus eine Aufwertung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren und damit auch des Raumordnungsverfahrens selbst innerhalb des Systems der gestuften, ebenenübergreifenden Vorhabenplanung. Bezogen auf das Raumordnungsverfahren selbst dürfte dies zunächst mit einer gewissen Perspektivveränderung hinsichtlich dessen Funktionen und Bedeutung einhergehen (unter 2.). Gleichzeitig bleibt die Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren jedoch in einer systemisch-funktionalen „Doppelrolle“ gefangen, da sie inhaltlich auf das Raumordnungsverfahren als solches bezogen bleibt. Dies kann dem Ziel der Akzeptanzsteigerung u. U. zuwiderlaufen (unter 3.). 1. Die obligatorische ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung im Verhältnis zur UVPG-Beteiligungspflicht Dem „Neuerungswert“ und dem Bedeutungsgewinn der obligatorischen ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem ROG 2017 steht nicht entgegen, dass diese bereits im Hinblick auf die auch im Raumordnungsverfahren grundsätzlich erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 49 Abs. 1 UVPG (§ 16 Abs. 1 UVPG a.F.) i.V.m. §§ 18 ff. UVPG (§ 9 UVPG a.F.) bundesrechtlich verpflichtend vorgesehen war und ist. Grundsätzlich sind die UVP und das Rahmen- oder „Trägerverfahren“ und damit auch die nach dem UVPG und dem ROG im Raumordnungsverfahren jeweils erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren nämlich konzeptionell zu trennen (auch wenn praktisch beide Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren parallel erfolgen dürften). Dies bedeutet etwa, dass der Gegenstand der UVPG-Beteiligung auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens bezogen ist während die ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung – weitergehend – alle Aspekte des Vorhabens betrifft.38 Freilich 37

BT-Drs. 18/10883, S. 55. Siehe R. Wulfhorst, in: Landmann/Rohmer/Beckmann, Umweltrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Dezember 2017, § 9 UVPG Rn. 13 f. 38

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folgt aus den Bestimmungen zur UVP-Öffentlichkeitsbeteiligung auch, dass bestimmte Informationen bzw. Dokumente zu dem Vorhaben als solches bzw. zu dem Rahmenverfahren, in das die UVP eingebettet ist, bekannt gemacht werden müssen (siehe etwa § 19 Abs. 1 Nr. 1, 2 S. 1 Nr. 2 UVPG). Die UVPG-Öffentlichkeitsbeteiligung greift also hinsichtlich des Gegenstands der Öffentlichkeitsbeteiligung jedenfalls teilweise auf nicht unmittelbar die Umweltauswirkungen betreffende Aspekte und Belange des Rahmenverfahrens „über“, um dem Beteiligungswilligen eine kontextuale Einordnung der im Rahmen der UVP behandelten Umweltbelange zu ermöglichen. Insgesamt gesehen bleiben dennoch die Umweltauswirkungen Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung, etwa auch was die Stellungnahmemöglichkeit betrifft. Schon aus diesem Grund lag eine separate Regelung im ROG nahe: Die Öffentlichkeitsbeteiligung war im Raumordnungsverfahren inhaltlich umfassend, d. h. auch hinsichtlich sämtlicher raumordnerisch relevanter Belange rechtlich abzusichern. Auch ratione personae reicht die neue verpflichtende Öffentlichkeitsbeteiligung weiter als die UVPG-Öffentlichkeitsbeteiligung: Während § 49 Abs. 1 i.V.m. § 18 f. UVPG auf die „betroffene Öffentlichkeit“ als Beteiligungssubjekt abhebt,39 liegt § 15 Abs. 3 Satz 1 ROG eine entsprechende Differenzierung fern.40 Infolge der Neuregelung der obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung kommt es auch nicht zu verdoppelten Rechtsbefehlen: Soweit nämlich die im ROG geregelte Öffentlichkeitsbeteiligung nicht hinter den im UVPG geregelten Mindeststandards zurückbleibt, gehen die ROG-Vorschriften vor (siehe § 1 Abs. 4 UVPG). Eine gänzliche Neuerung stellt die obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 ROG aus bundesrechtlicher Sicht zudem für solche Fälle dar, in denen eine UVP (und damit auch eine UVP-Öffentlichkeitsbeteiligung) im Raumordnungsverfahren (ausnahmsweise) nicht verpflichtend ist. Dies betrifft (1) zunächst den Fall, dass ein Land gemäß § 49 Abs. 1 UVPG a.E. „etwas anderes bestimmt“ und eine Ausnahme von der UVP-Pflicht vorgesehen hat. Diese Fallkategorie dürfte jedoch wegen europarechtlicher Bedenken kaum noch relevant sein.41 Zudem ist es denkbar, dass (2) ein Vorhaben, für das ein Raumordnungsverfahren vorgesehen ist, nicht in den Anwendungsbereich des UVPG fällt, z. B. weil es nicht in Anlage I zum UVPG genannt ist. Auch diese Fallgruppe dürfte faktisch jedoch lediglich Einzelfälle betreffen, da die meisten raumordnerisch relevanten Vorhaben auch in den Anwendungsbereich des UVPG fallen dürften.42 (3) Ein praktisch wichtiger Fall betrifft aber das beschleunigte Raumordnungsverfahren: Dessen Anwendungsbereich und der Anwendungsbereich der raumordnerischen UVP schlie39

R. Wulfhorst, in: Landmann/Rohmer/Beckmann, a.a.O. (o. Fn. 38), § 9 UVPG Rn. 10. Siehe zum Begriff der „Öffentlichkeit“ bei § 15 Abs. 1 Satz 1 ROG auch oben, unter I. mit Fn. 9. Zu weiteren, ratione personae weitergehenden Regelungen in Fachgesetzen R. Wulfhorst, in: Landmann/Rohmer/Beckmann, a.a.O. (o. Fn. 38), § 9 UVPG Rn. 10. 41 J. Wagner, in: Hoppe/Beckmann, UVPG – Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Kommentar, 4. Auflage 2012, § 16 UVPG Rn. 30, 71; R. Wulfhorst, in: Landmann/ Rohmer/Beckmann, a.a.O. (o. Fn. 38), § 16 UVPG Rn. 24 f. 42 J. Wagner, in: Hoppe/Beckmann, a.a.O. (o. Fn. 41), § 16 UVPG Rn. 73 f. 40

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ßen einander de facto aus.43 War somit nach alter Rechtslage der Anwendungsbereich des UVPG nicht eröffnet, sodass – vorbehaltlich der Vorschriften des § 16 S. 1 ROG a.F. – ein „vereinfachtes“ Raumordnungsverfahren stattfinden konnte, folgte weder aus dem (nicht anwendbaren) UVPG noch aus dem ROG eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung, da das ROG a.F. in § 15 Abs. 1 Satz 3 eben nur eine fakultative Öffentlichkeitsbeteiligung vorsah. Letzteres ist nun aber grundsätzlich nicht mehr der Fall; zudem sieht § 16 Abs. 1 Satz 1 ROG n.F. keine Möglichkeit zur Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung (sondern nur der Beteiligung der öffentlichen Stellen) vor. Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des ROG 2017 den Umfang der in § 16 Abs. 1 ROG enthaltenen Verfahrenslockerungen trotz Einführung der obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht auf die Öffentlichkeitsbeteiligung erstreckt. Im beschleunigten Raumordnungsverfahren nach dem ROG n.F. ist mithin nun erstmals eine raumordnungsrechtliche Öffentlichkeitsbeteiligung obligatorisch, auch wenn sich die Verpflichtung hierzu (weiterhin) nicht aus dem UVPG ergibt. Dieser kurze Überblick zeigt, dass die neue obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung in bundesrechtlicher Hinsicht keinesfalls lediglich einen bestehenden Rechtszustand „verdoppelt“. Vielmehr „schließt“ sie in beteiligungsrechtlicher Hinsicht die „Lücken“, die die verpflichtende UVPG-Öffentlichkeitsbeteiligung aufgrund ihres i.E. beschränkten Anwendungs- und Wirkungsbereiches im Raumordnungsverfahren nicht „abdecken“ kann. 2. Bedeutung der obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung für das teleologische Verständnis des Raumordnungsverfahrens als Teilelement der ebenenübergreifenden Gesamtplanung Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung im ROV nach dem ROG 2017 ist nach dem Willen des Gesetzgebers zuvörderst die Akzeptanzsteigerung in der Bevölkerung für Großprojekte. Die auf den gesamthaften Vorhabenplanungsprozess bezogene gesetzgeberische Zweckzuschreibung der Akzeptanzsteigerung hat zunächst Auswirkungen für das teleologische Verständnis des Raumordnungsverfahrens selbst: Die Öffentlichkeitsbeteiligung im ROG n.F. dient nämlich nicht (mehr) nur einer erfolgreichen (und gemeinhin akzeptierten) Durchführung des Raumordnungsverfahrens als solchem. Das Raumordnungsverfahren selbst dient vielmehr auch – als Anlass und Bezugspunkt für die Öffentlichkeitsbeteiligung – einer frühzeitigen Diskursinduzierung und Bürgereinbindung im Rahmen eines über mehrere Beteiligungsstufen verlaufenden Planungsprozesses. Für ein solches Verständnis spricht die Formulierung in der Gesetzesbegründung zur ROG-Novelle 2017, die Raumordnung könne (über die Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren) zur Akzeptanzsteigerung von Großprojekten beitragen44 – und nicht etwa die Öffentlichkeits43 J. Wagner, in: Hoppe/Beckmann, a.a.O. (o. Fn. 41), § 16 Rn. 18.1, 19, u. a. auch m. Verw. auf K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O. (o. Fn. 36), § 16 Rn. 15. 44 BT-Drs. 18/10883, S. 1.

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beteiligung trage zu einem Gelingen der Raumordnungsprüfung (als solcher) bei. Sinn und Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren ist es damit u. a., Akzeptanz für das Projekt insgesamt zu schaffen. Mit dem ROG n.F. stellt das Institut der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht mehr lediglich ein (fakultatives) „Verfahrensattribut“ des Raumordnungsverfahrens dar, sondern ist zu einem wesentlichen Zweck des Raumordnungsverfahrens selbst avanciert.45 Diese nunmehr auch gesetzgeberisch ausdrücklich intendierte, besondere Indienstnahme des Raumordnungsverfahrens für die partizipative Teilhabe an der Gesamtvorhabenplanung ist nicht nur theoretisch von Bedeutung: So könnte der (neue) Sinn und Zweck des Raumordnungsverfahrens, als Bezugsverfahren für die obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung im Interesse der gesamthaften Vorhabenplanung zu dienen, eine Rolle in Fällen spielen, in denen sich die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens (als bloßes Sicherungsinstrument) nicht unmittelbar aufdrängt. Insoweit empfahl die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) bereits 2014 (also noch vor Inkrafttreten der ROG-Novelle), die unbestimmten Rechtsbegriffe der „Raumbedeutsamkeit“ im Sinne des § 1 RoV und des § Art. 24, Satz 1 BayLPlG sowie der „überörtliche Bedeutung“ im Sinne des § 1 RoV im Lichte der besonderen Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung zugunsten der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens auszulegen.46 Dieser Ansatz war indes nach alter Rechtslage nur schwer mit dem Umstand zu vereinbaren, dass der Bundesgesetzgeber der Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren nur eine untergeordnete Rolle beimaß, indem er die Entscheidung zu deren Durchführung den Landesgesetzgebern bzw. den Raumordnungsbehörden überließ. Nach neuer Rechtslage wird man nun zugunsten einer teleologischen Argumentation auf die Gesetzesbegründung zum ROG 2017 verweisen können. Allerdings erscheint es auch nach neuer Rechtslage nicht unproblematisch, die u. a. auch von der Rechtsprechung näher konturierten, freilich für sich genommen unbestimmten Rechtsbegriffe der „Raumbedeutsamkeit“ und der „überörtlichen Bedeutung“ ohne weiteres im Wege der Auslegung mit neuen, ggf. nicht unmittelbar begriffsbezogenen Bedeutungskomponenten „aufzuladen“. Jedenfalls aber sollte eine Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 1 ROG nur nach vorheriger, genauer Prüfung der Konfliktträchtigkeit eines Vorhabens und dem davon abhängenden Grad der faktischen Beteiligungsindikation erfolgen. Insbesondere einer – nach der Vorschrift grundsätzlich denkbaren – Verlagerung der Raumverträglichkeitsprüfung auf die Zulassungsebene dürfte entgegenzusetzen sein, dass damit die gesetzgeberisch intendierte frühzeitige und umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung faktisch „abgeschnitten“ würde.

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Siehe zu dieser Perspektive ante legem 2017 auch schon ARL, Positionspapier, a.a.O. (o. Fn. 19), S. 4, die von einer „[…] Nutzung des Raumordnungsverfahrens als Instrument der Öffentlichkeitsbeteiligung“ (Herv. d. Verf.) spricht; vgl. zum ROG n.F. auch G. Hager, Die ROG-Novelle 2017, BauR 2018, 188 (189), dem gemäß das Raumordnungsverfahren „nun die Rolle eines partizipativen Hoffnungsträgers“ zukomme. 46 ARL, Positionspapier, a.a.O. (o. Fn. 19), S. 4 f.

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3. Systemisch-funktionale Doppelrolle der ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung Jenseits der Auswirkungen der Neuregelung auf das Raumordnungsverfahren selbst stellt sich gleichwohl die Frage, ob die „Aufwertung“ der Öffentlichkeitsbeteiligung im ROG n.F. der gesetzlichen Konstruktion nach die an sie gestellten Erwartungen erfüllen kann. Problematisch kann sich u. a. erweisen, dass die ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung in einer Doppelrolle verhaftet bleibt; sie weist nach der ihr vom Gesetzgeber ausdrücklich zugedachten Rolle funktional über das konkrete Raumordnungsverfahren und damit die raumordnerische Ebene, hinaus, indem sie möglichst frühzeitig auf das Vorhaben (als Ganzes) bezogene Konflikte mitigieren und Akzeptanz schaffen soll. Gleichzeitig bleibt sie inhaltlich auf das Raumordnungsverfahren als solches beschränkt: Verfahrensgegenstand und damit auch Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung ist die Raumverträglichkeit des Vorhabens – hieran dürfte sich auch im ROG n.F. nichts ändern:47 § 15 Abs. 3 Satz 2 ROG ist ausdrücklich auf die „Verfahrensunterlagen“, also insbesondere jene Unterlagen, die gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ROG „notwendig sind, um eine Bewertung der raumbedeutsamen Auswirkungen des Vorhabens zu ermöglichen“ beschränkt. Ggf. bereits vorliegende Gutachten, Stellungnahmen, Prognosen, o. ä. zu zeitlich nachfolgenden Entscheidungsebenen betreffenden Aspekten sind von der Auslegungspflicht nicht erfasst. Auch sieht § 15 Abs. 3 Satz 3 ROG keine Pflicht zur Bekanntmachung weitergehender Informationen über das gesamte Vorhaben vor. Entsprechend dürfte auch fortan gelten, dass bei der Auswertung nur Stellungnahmen berücksichtigt werden, die sich auf raumordnerisch relevante Belange beziehen.48 Diese „Doppelrolle“ des Raumordnungsverfahrens ist geeignet, die praktische Inanspruchnahme der Beteiligungsrechte zu erschweren: Der Gesetzgeber verlangt dem Bürger ab, die Schritte der stufenweise konkretisierend erfolgenden Vorhabenplanung auch im Bereich der Beteiligung „mitzugehen“ und entsprechend ebenenspezifisch Stellung zu nehmen. In der Praxis dürfte dies häufig angesichts der oftmals nicht trennscharf zu unterscheidenden Ebenenzugehörigkeit bestimmter, das Vorhaben betreffender Belange nicht immer ohne weiteres zu bewältigen sein.49 Ggf. hätte es daher in der Tat nicht nur einer „Aufstockung“50 der Öffentlichkeitsbeteiligung in Form der obligatorischen Ausgestaltung auf ROV-Ebene, sondern weiterer Regelungen und Prozesse zur Stärkung der Interdependenzen zwischen den Beteiligungsverfahren auf unterschiedlichen Vorhabenplanungsebenen bedurft, etwa in Form einer Verpflichtung zur vorläufigen bzw. vorbereitenden Auswertung, zur Archivierung und Weitergabe auch von bereits bei der ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung eingegan47

Vgl. K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O. (o. Fn. 36), § 15 Rn. 69 f. K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O. (o. Fn. 36), § 15 Rn. 69 f. 49 W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (823). 50 Siehe de lege ferenda W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (823), dem gemäß eine rein quantitative Erweiterung oder Verstärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf den verschiedenen Entscheidungsebenen nicht ausreicht, um Akzeptanz für Großprojekte zu schaffen. 48

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genen, jedoch erst auf späterer Entscheidungsebene relevanten Stellungnahmen.51 Eine derartige Regelung hätte keinen Bruch mit dem im deutschen Recht typischerweise vorherrschenden „Konstruktionsprinzip“ einer akzessorischen Koppelung von Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren an ein Verwaltungsverfahren (Entscheidungsoder Planungsverfahren) und nicht an ein Vorhaben als solches bedeutet, da die Akzessorietät zum Raumordnungsverfahren als „Trägerverfahren“ der auf das gesamte Vorhaben bezogenen Öffentlichkeitsbeteiligung lediglich „gelockert“ wäre. Regelungen zu einem „ebenenübergreifenden Beteiligungstransfer“ im obigen Sinne können gleichwohl noch die Länder im Rahmen ihrer ergänzenden Regelungsbefugnisse erlassen – die in vielen Ländern im Interesse der Rechtsklarheit angezeigten Anpassungen an das ROG 2017 könnten hier einen Anlass darstellen, das Recht der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Planung größerer Infrastrukturvorhaben noch innovativer weiterzuentwickeln, als es der Bundesgesetzgeber mit dem ROG 2017 getan hat. IV. Zu den neuen Beteiligungsverfahrensbestimmungen im ROG 2017 Jenseits der entwicklungsgeschichtlichen und systemischen Implikationen der neuen Öffentlichkeitsbeteiligung werfen die neuen Bestimmungen zum Beteiligungsverfahren Fragen auf. Die i.E. (lediglich) eine „Verfahrensvorstrukturierung“ bewirkenden neuen Sätze 2 – 5 des § 15 Abs. 3 ROG stellen grundsätzlich eine positive länderübergreifende Homogenisierung der Beteiligungsverfahren bei Wahrung landesgesetzgeberischer bzw. -behördlicher Gestaltungsspielräume dar (unter IV. 1.). Unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten und mit Blick auf die praktische Handhabung weisen die neuen Vorschriften jedoch wegen z. T. kleinerer dogmatischer Unklarheiten im Detail (unter IV. 2.) sowie einem komplexen und schwer überschaubaren Ineinandergreifen bundes- und landesrechtlicher Regelungen (unter IV. 3.) Defizite auf. 1. Grundsätzliche Charakterisierung der neuen Verfahrensbestimmungen Die Neueinführung von Bestimmungen zum Beteiligungsverfahren stellt grundsätzlich eine sinnvolle Ergänzung zur nunmehr obligatorischen Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung dar – u. a. schon deshalb, weil der Begriff der Öffentlichkeitsbeteiligung im ROG nicht legaldefiniert ist und somit Bedarf für eine Klärung

51 Vgl. die Idee eines ebenenübergreifenden Beteiligungsmanagements durch einen Privaten bei R. Steinberg, Die Bewältigung von Infrastrukturvorhaben durch Verwaltungsverfahren – eine Bilanz, ZUR 2011, 340 (345; s. auch 350: „Es ist vorzusehen, dass Verfahrensschritte und Erkenntnisse aus früheren Verfahrensstufen […] im förmlichen Verfahren genutzt werden können.“); anders (in Bezug auf den Aspekt eines privaten Beteiligungsmittlers) W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (826).

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der grundsätzlichen Inhalte bzw. Verfahrenselemente der Beteiligung bestand.52 Auch die Existenz einer Vielzahl unterschiedlicher landesrechtlicher Verfahrensbestimmungen, die im Lichte der zuvor den Ländern fakultativ anheimgestellten Öffentlichkeitsbeteiligung entstanden waren, dürfte für eine bundeseinheitliche Regelung wenigstens der Verfahrensgrundkomponenten gesprochen haben. Davon abgesehen geht es dem Gesetzgeber inhaltlich um die verfahrensrechtliche Absicherung einer sinnvollen und im Grundsatz einheitlichen Öffentlichkeitsbeteiligung in den Ländern; die Gesetzesbegründung verweist auch hinsichtlich der neuen Verfahrensregelungen ausdrücklich auf die Ziele der Verfahrenstransparenz und Steigerung der Akzeptanz von Großprojekten.53 Die bundesgesetzliche Vorgabe von Mindestregelungen zum Ablauf der Beteiligung, insb. zu den Fristen und zu Hinweis- bzw. Bekanntmachungspflichten sowie zur „Karenzphase“ zwischen Bekanntmachung und Beginn der Auslegungsphase, ist geeignet, einheitliche „Qualitätsstandards“ hinsichtlich des Beteiligungsverfahrens aufzustellen. Auch wird vermieden, dass die Landesgesetzgeber bzw. Raumordnungsbehörden lediglich eine „scheinbare“ Beteiligung vorsehen, indem sie beispielsweise lediglich über ein Projekt informieren, ohne indes Stellungnahmen entgegen zu nehmen. Defizite im Beteiligungsverfahren selbst können schnell die Akzeptanz eines Projektes in Frage stellen; zudem kann ein grundlegend unterschiedliches Niveau der Bürgereinbindung in den Ländern dazu führen, dass diese im öffentlichen Diskurs gegeneinander ausgespielt werden. Aber auch für die Behörden und Vorhabenträger kann eine Vereinheitlichung des Beteiligungsverfahrensrechts positive Wirkungen haben: Einheitliche Standards zwischen den Ländern können die Handhabung des Beteiligungsverfahrensrechts durch den Rechtsanwender erleichtern, da zur Lösung von Einzelfragen Bezugnahmen auf die Regelungen und die Verwaltungspraxis anderer Länder bei einem in den Grundkomponenten gleichen Rechtsrahmen leichter und ggf. rechtssicherer möglich sind als zuvor. Darüber hinaus können in den Grundsätzen einheitliche Verfahren zu einer größeren, länderübergreifenden Routine im Umgang mit und im Management von Beteiligungsverfahren führen oder gar eine homogenisierte „Beteiligungskultur“54 befördern. Das Beteiligungsverfahren wird durch das Bundes-ROG lediglich hinsichtlich der Grundkomponenten vorstrukturiert. Wie jedenfalls in Bezug auf die Ausgestaltung der Nutzung von Informationstechnologien in der Gesetzesbegründung ausdrücklich vermerkt, geht der Gesetzgeber von ergänzenden Regelungen der Länder aus;55 auch 52

Als Beispiel für eine unklare Regelung in diesem Zusammenhang sei auf § 14 Abs. 1 LEntwG [LSA] hingewiesen, der das Beteiligungsverfahren um die Durchführung von frühen Ortsterminen erweitert, die laut dem Wortlaut lediglich der „Unterrichtung“ bzw. der „Auskunftgabe“ dient. Erst aus der Gesetzesbegründung ergibt sich eindeutig, dass auch eine aktive Partizipationskomponente („Vorschläge […] machen und Bedenken […] äußern“) vorgesehen ist (LT-Drs. 6/2923, S. 40 f.). 53 BT-Drs. 18/10883, S. 55. 54 BMVI, a.a.O. (o. Fn. 15), S. 8, siehe auch Nr. 1.1 VwVÖffBet [BW]. 55 BT-Drs. 18/10883, S. 55.

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im Übrigen dürfte es sich bei den neuen Vorgaben zum Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung überwiegend nicht um inhaltlich abschließende bundesrechtliche Vollregelungen handeln. Entsprechend ist die Regelungsdichte – jedenfalls im Vergleich zu anderen Öffentlichkeitsbeteiligungsbestimmungen wie etwa §§ 3, 4a BauGB aber auch § 9 ROG – tendenziell gering: Wichtige Fragen, etwa zum Zeitpunkt für die Durchführung der Beteiligungsmaßnahmen, zur Form der nach § 15 Abs. 3 Satz 2 ROG vorgeschriebenen Bekanntmachung, zu den Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern, zur Präklusion, etc. sind nicht geregelt. Die insgesamt detailarme Ausgestaltung der Neuerungen sowie der allgemeine Hinweis des Gesetzgebers, mit der Einführung der obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung werde (lediglich) der überwiegende Rechtszustand auf Landesebene bundesrechtlich kodifiziert,56 zeigen, dass der Gesetzgeber Zurückhaltung gegenüber dem landesrechtlichen „Acquis“ von Bestimmungen zum Raumordnungsverfahren üben wollte. Hierin kann ein „Nachwirken“ der rahmengesetzlichen Vorgeschichte des Raumordnungsrechts gesehen werden;57 eine sparsame Regulierung dürfte aber auch die Wahrscheinlichkeit abweichender Landesregelungen reduzieren. In inhaltlicher Hinsicht verbleiben den Ländern Gestaltungsspielräume, die im Detail signifikant über die operationellen Details der bundesrechtlich vorgegebenen Verfahrenselemente hinausgehen. So können die Länder ihre Öffentlichkeitsbeteiligung mit weitergehenden Verfahrenskomponenten wie etwa Erörterungsterminen58 oder Veröffentlichungspflichten in Bezug auf das Resultat der Raumverträglichkeitsprüfung59 „anreichern“. Ein wichtiger Grund für die relative Detailarmut der Verfahrensregelungen dürfte auch in Erwägungen zur Kompatibilität der Regelungen mit den detailreicher ausgestalteten Regelungen des UVPG zu sehen sein: Bei Anwendbarkeit auch des UVPG (dies dürfte der Regelfall sein)60 können Anforderungen an das Verfahren der ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung nun aus dem UVPG und aus dem ROG folgen; jeweils ist zu prüfen, ob das ROG hinter den UVPG-Bestimmungen zurückbleibt. Je detailreicher das ROV-Beteiligungsverfahren bundesrechtlich ausgestaltet ist, desto komplizierter fällt die „Kompatibilitätsprüfung“ hinsichtlich der Verfahrenselemente aus. 2. Dogmatische Fallstricke in den neuen Bundesregelungen Dennoch geht das „minimalistische“ Regelungskonzept des Gesetzgebers bisweilen zumindest teilweise zulasten der Anwendungssicherheit der Bestimmungen zur ROV-Öffentlichkeitsbeteiligung. Dies betrifft etwa die Regelung zur Stellungnahmefrist. § 15 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 ROG legt eine dynamische Mindestdauer der Stellungnahmefrist fest, indem er deren Dauer an die Dauer der Auslegungsfrist koppelt. 56

Ebd. H. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, a.a.O. (o. Fn. 5), L § 15 Rn. 1. 58 Siehe § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 LEntwG [LSA]; Nr. 7.1 VwVÖffBet; § 10 Abs. 7 NROG; § 17 Abs. 7 Satz 5 RLPlG; § 5 Abs. 4 GROVerfV Berlin/Brandenburg. 59 Siehe z. B. § 19 Abs. 5 Satz 8 LPlG [BW]. 60 Siehe hierzu unter Punkt III. 1. mit den entsprechenden Nachweisen. 57

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Diese – und somit auch die Stellungnahmefrist – beträgt mindestens einen Monat (§ 15 Abs. 3 Satz 2 ROG). Die Entscheidung zugunsten einer längeren Auslegungsfrist verlängert auch automatisch die Stellungnahmefrist; dies gilt jedoch nicht umgekehrt. Somit ist das Verhältnis zwischen Auslegungs- und Stellungnahmefrist hinsichtlich der Dauer klar; dies lässt sich jedoch nicht hinsichtlich der konkreten Terminierung der beiden Verfahrensphasen behaupten. Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 3 ROG ist insoweit (anders in der Sache etwa als bei der insoweit „geglückteren“ Bestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BauGB) uneindeutig.61 Denkbar erscheinen im Wesentlichen drei Auslegungsmöglichkeiten: Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 („[…] Frist, die zumindest der Auslegungsfrist entspricht […]“) könnte sich nur auf die Dauer der Frist und nicht auch auf deren genaue Terminierung beziehen. In diesem Fall würde § 15 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 ROG keine zwingende Simultaneität bzw. kein zeitliches Überschneiden der Auslegungs- und der Stellungnahmefrist anordnen. Damit wäre die (i.E. absurde) Situation möglich, dass die Stellungnahmefrist vor Beginn der Auslegungsfrist beginnt und vor deren Ablauf endet oder dass die Stellungnahmefrist sogar gänzlich vor Beginn und Ende der Auslegungsfrist liegt. Dies dürfte der Gesetzgeber kaum bezweckt haben, da eine sinnvolle Stellungnahme nur nach Einsichtnahme in die Verfahrensunterlagen möglich ist und bei einem Ende der Stellungnahmefrist vor Ablauf der Auslegungsfrist die effektive Wahrnehmbarkeit der Stellungnahmeoption verkürzt wäre. Daher müsste § 15 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 ROG mindestens so ausgelegt werden, dass die Stellungnahmefrist nicht vor Ablauf der Auslegungsfrist endet. Sie kann demnach freilich vor der Auslegungsfrist beginnen, sofern ihre Dauer die Dauer der Auslegungsphase überschreitet und mit dieser endet; dies gilt auch dann, wenn die einwöchige „Karenzphase“ zwischen Bekanntmachung und Auslegung nicht erweitert wird – die entsprechende Bestimmung in § 15 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 ROG bezieht sich nämlich nur auf die Auslegungsfrist und nicht auf die Stellungnahmefrist. Sie kann auch (ggf. deutlich) nach Ablauf der Auslegungsfrist enden, sofern sie insgesamt nicht kürzer als die Auslegungsfrist ausfällt. Denkbar wären bei dieser Auslegungsvariante daher auch ein konsekutives Verhältnis von Auslegungs- und Stellungnahmefrist, bei dem die Stellungnahmefrist während der Auslegungsfrist oder sogar nach deren Ablauf beginnt (und endet). Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 ROG („[…] Frist, die zumindest der Auslegungsfrist entspricht […]“) könnte sich nicht nur auf die Dauer der Frist sondern auch auf deren genaue Terminierung beziehen. Die Terminierung der Auslegungsfrist wäre dann als „Schnittmenge“ der Stellungnahmefrist anzusehen. Dies bedeutete, dass die Stellungnahmefrist vor oder mit der Auslegungsfrist beginnen und mit oder nach deren Ablauf enden könnte. Die denkbaren Varianten einer konsekutiven Terminierung – d. h. (Beginn und) Ende der Stellungnahmefrist vor Ablauf der 61 § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BauGB stellt klar, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können und enthält damit eine Aussage dazu, das Auslegungsund Stellungnahmephase parallel laufen.

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Auslegungsfrist aber auch Beginn und Ende der Stellungnahmefrist nach Beginn der Auslegungsfrist – wären damit unzulässig. Für diese Auslegungsvariante spricht, dass es in vielen Fällen wenig sinnvoll erscheint, die Auslegungsphase anlaufen zu lassen, ohne bereits Stellungnahmen entgegen zu nehmen bzw. Beteiligungswillige auf einen späteren Zeitraum der Einreichung von Stellungnahmen zu verweisen. I. E. ist die dritte Auslegungsvariante im Hinblick auf das Ziel, bürgerfreundliche Beteiligungsverfahren anzubieten wohl vorzugswürdig. In der Praxis wird es sich anbieten, den Beginn der Auslegungs- und Stellungnahmephase simultan zu terminieren und abhängig von den Umständen des konkreten Raumordnungsverfahrens die Stellungnahmephase über das Ende der Auslegungsphase hinaus verlängert laufen zu lassen. Unklarheiten ergeben sich auch bei den Bestimmungen zum Einsatz elektronischer Informationstechnologie (§ 15 Abs. 3 Satz 4 – 5 ROG). Hier ist nicht eindeutig, auf welche Verfahrensschritte sich die „Soll-Bestimmung“ zur informatisierten Beteiligung genau bezieht; explizite Rückverweise wie bei § 9 Abs. 2 Satz 5 ROG62 oder § 4a Abs. 4 BauGB63 sind in § 15 Abs. 3 Satz 4 ROG nicht enthalten. Demnach könnte die Pflicht zum ergänzenden Einsatz von Informationstechnologie (theoretisch) (1) alle von einer Raumordnungsbehörde getroffenen Maßnahmen der Beteiligung, lediglich die bundesgesetzlich vorgeschriebenen, (2) die mindestens durchzuführenden Verfahrensschritte (Bekanntgabe, Auslegung, Entgegennahme von Stellungnahmen) bzw. (3) einzelne davon (z. B. die Auslegung) oder aber (4) jedenfalls irgendwelche Verfahrensschritte (welche genau unterfiele dem Ausgestaltungsspielraum der Landesgesetzgeber oder dem Ermessen der Raumordnungsbehörden) erfassen. Allerdings soll die „nähere Ausgestaltung“ der informatisierten Beteiligung ausdrücklich den Ländern vorbehalten bleiben,64 insoweit bleibt jedoch unklar, ob sich dies auf die Art und Weise (Form) der Nutzung von Informationstechnologie oder aber auch den Anwendungsbereich der „Soll-Bestimmung“ zur Informatisierung betrifft. Wäre letzteres der Fall, dürfte die zuvor genannte vierte Auslegungsvariante zutreffend sein. Demgegenüber deutet der Verweis auf die durch den Träger der Planung oder Maßnahme dargebrachten Unterlagen („soweit der Träger der raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme die Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1 elektronisch vorgelegt hat“) in § 15 Abs. 3 Satz 4 ROG darauf hin, dass die „Soll-Bestimmung“ mindestens den Verfahrensschritt der Auslegung der Verfahrensunterlagen erfassen soll. Nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung, eine „gute Bürgerbeteiligung“ und weitreichende Transparenz und Beteiligungsoptionen abzusichern, sollte § 15 Abs. 3 Satz 4 ROG jedoch dahingehend verstanden werden, dass im Sinne der 62 Die Norm lautet: „Bei der Beteiligung nach den Sätzen 1 bis 3 sollen elektronische Informationstechnologien ergänzend genutzt werden“ (Herf. d. Verf.). 63 Demnach sind explizit „[d]er Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung nach § 3 Absatz 2 Satz 2 [BauGB] und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 [BauGB] auszulegenden Unterlagen […] zusätzlich in das Internet einzustellen […]“. 64 BT-Drs. 18/10883, S. 55.

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zweiten Auslegungsoption jedenfalls die bundesrechtlich verpflichtend durchzuführenden Verfahrensschritte der Beteiligung unter ergänzender Zuhilfenahme digitaler Technologien erfolgen sollten. Dies bedeutet prinzipiell, dass die Raumordnungsbehörde in einem konkreten Raumordnungsverfahren hinsichtlich jedes bundesrechtlich verpflichtend vorgesehenen Verfahrensschrittes, der nicht ergänzend informatisiert erfolgt, über einen besonderen Grund verfügen bzw. einen atypischen Fall konstatieren muss. Die genannten Beispiele zeigen, dass die den Landesgesetzgebern bzw. Raumordnungsbehörden eingeräumten Gestaltungsspielräume bisweilen – auch unter Zuhilfenahme der Gesetzesbegründung – nicht konturenscharf von den verpflichtenden bundesrechtlichen Vorgaben abgegrenzt sind. Zwar dürften sich die meisten Zweifelsfragen mittels der gängigen Auslegungsmethoden lösen lassen. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Landesgesetzgeber bzw. Raumordnungsbehörden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Die Unsicherheiten bergen die Gefahr von Verfahrensfehlern, deren gerichtliche Klärung – wenn überhaupt – wohl meist nur mit deutlicher zeitlicher Verzögerung und inzident, i. e. auf der Ebene eines gerichtlichen Vorgehens gegen die Entscheidung im Planfeststellungsverfahren, erfolgt. 3. Geltungsstatus landesrechtlicher Normen zur Öffentlichkeitsbeteiligung Rechtsunsicherheiten ergeben sich jedoch nicht nur im Hinblick auf teilweise Kohärenzlücken der Bundesregelungen selbst. Insbesondere die „Überformung“ des existierenden Landesrechts zum Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung durch die neuen bundesrechtlichen Verfahrensregelungen dürfte im Einzelfall die Rechtsanwendung erschweren. Generell gilt – in aller Kürze:65 Bei den Bundesregelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung im ROG 2017 hat der Gesetzgeber von seiner Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG bzw. Art. 84 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GG Gebrauch gemacht. Damit unterfallen dem Bundesrecht widersprechende bzw. gleichlautende landesrechtliche Regelungen der Sperrwirkung der Art. 72 Abs. 1 GG und sind somit nichtig. Da der Gesetzgeber die Öffentlichkeitsbeteiligung im ROV nicht abschließend geregelt hat, sind davon jedoch nicht ergänzende Regelungen betroffen. Diese bleiben gemäß § 27 Abs. 3 ROG auch durch das ROG 2017 unberührt. Landesgesetzliche Regelungen mit teilweise dem Bundesrecht widersprechendem bzw. dieses wiederholendem, teilweise aber auch ergänzendem Inhalt unterfallen nicht der Sperrwirkung, sofern sie insoweit ihren Regelungsgehalt behält, rechtmäßig ist und sprachlich weiterhin verständlich bleibt. Davon abgesehen können die Länder vom Bundesrecht abweichende Regelungen gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz GG treffen. 65 Siehe hierzu im Detail H. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, a.a.O. (o. Fn. 5), L § 15 Rn. 67 ff.

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In den meisten Fällen dürfte aufgrund der genannten Grundsätze unmittelbar auf das Geltungsschicksal der betreffenden Landesnorm zu schließen sein. So sind z. B. landesrechtliche Normen, die eine Unterschreitung der bundesrechtlich angeordneten Auslegungsfrist von einem Monat ermöglichen66 ohne weiteres als nichtig anzusehen; Bestimmungen die die Auslegungsfrist auf einen Monat fixieren67 haben hingegen als ergänzende Regelungen gemäß § 27 Abs. 3 ROG Bestand, da sie lediglich den bundesrechtlich eingeräumten Spielraum („mindestens ein Monat“) ausfüllen. Der Status anderer Normen bzw. Normbestandteile ist jedoch nicht so eindeutig – auch hier sei, pars pro toto, ein konkretes Beispiel genannt: Einige landesrechtliche Bestimmungen nennen die (naturschutzrechtlich) anerkannten Naturschutzverbände als zu beteiligende Institutionen neben den öffentlichen Stellen, soweit sie in ihren Aufgaben berührt sind.68 Die Einbeziehung beruht bundesrechtlich auf § 63 Abs. 2 Nr. 7 BNatSchG, der die fakultative Beteiligung je nach Landesrecht vorsieht, dabei jedoch inhaltsgleich oder weiter gehende Formen der Mitwirkung unberührt lässt (§ 63 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG). Naturschutzvereinigungen unterfallen jedoch auch dem Begriff der Öffentlichkeit in § 15 Abs. 3 Satz 1 ROG, die nach dem ROG 2017 nun obligatorisch einzubeziehen ist; die Einschränkung der Beteiligungsrechte einzelner Teile der Öffentlichkeit nach dem Betroffenheitskriterium ist demnach nicht zulässig. Dies könnte auf den ersten Blick für die Nichtigkeit entsprechender Regelungen aufgrund der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 ROG ausgelösten Sperrwirkung sprechen. Indes dürfte es den neuen Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung nicht entgegenstehen, wenn die Landesgesetzgeber einzelne Teile der Öffentlichkeit „herausgreifen“ und diese beteiligungsverfahrensrechtlich gesondert (etwa wie öffentliche Stellen) behandeln. Dies stellt im Grundsatz jedenfalls dann kein Problem dar, wenn den betreffenden, mit der Wahrnehmung von Gemeinwohlaufgaben betrauten Einrichtungen damit zusätzliche oder verbesserte Beteiligungsmöglichkeiten (z. B. individuelle Benachrichtigung über die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens) eingeräumt und die bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten über das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht eingeschränkt werden (etwa indem Stellungnahmen entsprechender Einrichtungen ausschließlich innerhalb einer verkürzten Frist angenommen werden, o. ä.). Sofern sich landesrechtliche Regelungen in diesem Sinne interpretieren lassen, stellen sie lediglich ergänzende Verfahrensbestimmungen auf und dürften somit Bestand haben. Das Beispiel zeigt, dass sich der Geltungsstatus bestimmter (auch verbreiteter) landesrechtlicher Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung angesichts der Überformung durch das neue Bundesrecht nicht stets sofort klar offenbart. Vielmehr bedarf 66 S. z. B. § 14 Abs. 2 Halbsatz 2 Nr. 2 LEntwG LSA, der lediglich die Einsichtnahmemöglichkeit „während eines angemessenen Zeitraums“ vorsieht. 67 Siehe § 19 Abs. 5 Satz 2 LPlG [BW]; § 5 Abs. 3 Satz 2 GROVerfV Berlin/Brandenburg; § 10 Abs. 5 Satz 1 NROG; § 17 Abs. 7 Satz 3 RLPlG; § 6 Abs. 7 Satz 4 SLPG; § 15 Abs. 4 Satz 1 SächsLPlG; § 15 Abs. 3 Satz 2 LPlG [SH]. 68 Siehe z. B. § 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 ThürLPlG.

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es z. T. einer weitergehenden Prüfung und Auslegungsarbeit im Detail, bevor eine Landesbestimmung rechtssicher angewandt werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass im Falle einer dem Bundesrecht widersprechenden Landesnorm stets auch die Möglichkeit eines Abweichungsgesetztes in Betracht zu ziehen ist. Die Unübersichtlichkeit, die sich i.E. aus solchen bundes- und landesrechtlicher Normverwebungen ergibt, dürfte mit erheblichen „Transaktionskosten“ für die rechtsanwendenden Raumordnungsbehörden und die Beteiligungswilligen einhergehen. V. Die Öffnung der Alternativenprüfung gegenüber vorhabenträgerfremden Standort- und Trassenvorschlägen als materiellrechtliches Korrelat der obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung? Schließlich ist kurz auf die Novellierung des § 15 Abs. 1 Satz 3 ROG einzugehen, soweit dies für die Öffentlichkeitsbeteiligung von Relevanz ist. Mit der Novellierung der Alternativenprüfung hat der Gesetzgeber das zuvor beim Vorhabenträger angesiedelte „Vorschlagsmonopol“ hinsichtlich der in der Prüfung zu beachtenden Standort- und Trassenalternativen aufgegeben.69 Diese beruht auf der gesetzgeberischen Identifizierung des Fehlens von Alternativendiskussionen als ein (weiteres) akzeptanzhemmendes Manko größerer Vorhabenplanungsprozesse.70 Im Zusammenwirken mit der obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung kann die Alternativenprüfung neuer Prägung auf besondere Weise akzeptanzfördernd wirken:71 Der Umstand, dass Alternativen im Raumordnungsverfahren förmlich geprüft werden, kann – soweit die Öffentlichkeit hierüber informiert wird – als Anlass paralleler gesellschaftlicher Alternativendiskurse dienen. Diese können insbesondere auch durch Elemente der organisierten Öffentlichkeit, etwa Vereine und Verbände, Interessengruppen, etc. moderiert und kanalisiert werden. Nach alter Rechtslage hatten Mitglieder der (organisierten) Öffentlichkeit jedoch nur die Chance, von ihnen favorisierte Standort- und Trassenalternativen durch informelles Einwirken auf den Vorhabenträger indirekt in das Verfahren einzubringen. Da diesem allein die verfahrensrechtliche Dispositionsbefugnis hinsichtlich der einzubringenden Alternativen zukam,72 liefen entsprechende Vorschläge auch gegenüber der Raumordnungsbehörde leer, wenn der Vorhabenträger sie nicht aufnahm. Dem Vorhabenträger kam somit eine uneingeschränkte „Türwächterrolle“ zu, er war „Herr der Alternativenprüfung“.73 Mit der Aufgabe des Vorschlagsmonopols des Vorhabenträgers können nun u. a. auch Mitglieder 69

Siehe oben, unter Punkt I. BT-Drs. 18/10883, S. 54; zust. K. Goppel, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes (ROG-E 2016), DVBl. 2016, 1306 (1307). 71 Siehe generell zur akzeptanzsteigernden Funktion der Alternativenprüfung R. Bäumler, in: Cholewa/Dyong, Raumordnung in Bund und Ländern, Stand: 2017, § 15 Rn. 38; K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O. (o. Fn. 36), § 15 Rn. 25, 40, 42. 72 K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O. (o. Fn. 36), 1. Auflage, § 15 ROG Rn. 35 ff. 73 H. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, a.a.O. (o. Fn. 5), L § 15 Rn. 173. 70

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der Öffentlichkeit Standort- und Trassenalternativen zur Berücksichtigung in der Raumverträglichkeitsprüfung vorschlagen.74 Dies bedeutet eine Ausweitung der Einflussmöglichkeiten der Öffentlichkeit von einer wenig realistischen, lediglich informellen Einwirkungsmöglichkeit zu einem gesetzgeberisch prinzipiell anerkannten Vorschlagsweg. Selbst wenn in einem konkreten Verfahren die Option der Öffentlichkeit, Alternativen vorzuschlagen, nicht wahrgenommen wird, dürfte das Bestehen der Möglichkeit hierzu eine vertrauensstiftende Wirkung haben. In materieller Hinsicht kann das Vorliegen einer Mehrzahl von Alternativvorschlägen unterschiedlicher „Autoren“ im Einzelfall zu einer umfassenderen Berücksichtigung der widerstreitenden raumordnerischen Belange führen, was – im Sinne Wilfried Erbguths – die tatsächliche und wahrgenommene Ergebnisoffenheit, Objektivität und Neutralität der Raumverträglichkeitsprüfung75 steigern kann. Die Aufwertung der Öffentlichkeitsbeteiligung zum obligatorischen Verfahrenselement kann somit in der inhaltlich vom Einfluss des Vorhabenträgers gelockerten Alternativenprüfung teilweise ihre materiellrechtliche Entsprechung finden. Gleichzeitig wird der (organisierten) Öffentlichkeit auch eine politische (d. h. nicht über Präklusionsvorschriften rechtlich verfestigte) Verantwortung zu aktiv-gestalterischen Beiträgen und zu einem positiv-kontributivem und nicht lediglich auf Projektnegation gerichteten Partizipationsverhalten auferlegt. In einem späteren Planungsstadium unzufriedene Mitglieder der Öffentlichkeit werden sich erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt sehen, mit bestimmten Kontraargumenten durchzudringen wenn sie zuvor bestehende Optionen zur Einbringung von Alternativvorschlägen ungenutzt haben verstreichen lassen. Die in der „Vorschlagsmöglichkeit für alle“ liegenden Chance einer konkreten materiellen Beeinflussung des Raumordnungsverfahrens durch die Öffentlichkeit ist somit prinzipiell geeignet, die Attraktivität aber auch die Konstruktivität von Bürgerengagements im Beteiligungsverfahren insgesamt zu steigern und somit die Effektivität der Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne einer deliberativen Planungskultur zu verbessern. Allerdings wird mit prinzipiell beachtlichen Argumenten eingewandt, die Möglichkeit Dritter zur Einbringung von Alternativen laufe leer, da die Behörde kein aufwändiges Verfahren für ein Projekt betreiben könne, für das kein Träger existiere.76 Diese Argumentation dürfte zumindest in denjenigen Fällen durchgreifen, in denen der Vorhabenträger über ein bestimmtes Grundstück verfügt und die „Alternativvorschläge“ eben dieser Standortauswahl andere Standorte gegenüberstellen. Es sind aber durchaus Fallkonstellationen denkbar, in denen auch die Prüfung einer zunächst vom Vorhabenträger abgelehnten Alternative Sinn macht: Z. B. kann es Situationen geben, in denen die „Mitprüfung“ einer zunächst vom Vorhabenträger nicht beachteten Variante und ein ggf. erfolgendes Ergebnis, dass diese als raumverträglicher als die vom Vorhabenträger favorisierte Variante anzusehen ist, diesen nach Abschluss 74

Vgl. BT-Drs. 18/10883, S. 54. W. Erbguth, DÖV 2012, 821 (825). 76 K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a.a.O. (o. Fn. 36), § 15 Rn. 46 ff. 75

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des Raumordnungsverfahrens zu einem „Umschwenken“ bewegen, ohne dass dann ein gänzlich neues Raumordnungsverfahren durchgeführt werden muss. Aber auch dann, wenn die Öffentlichkeit eine andere Variante bevorzugt als der Vorhabenträger und dieser nicht im Laufe des Verfahrens oder danach seine Meinung ändert, kann deren Mitprüfung – zumal wenn sich die vom Vorhabenträger favorisierte Variante als raumverträglicher herausstellt – eine befriedende Funktion erfüllen: Durch die Mitprüfung der von der Öffentlichkeit favorisierten Alternative im Rahmen der staatlichen Raumordnungsprüfung wird vermittelt, dass Vorschläge aus der Öffentlichkeit grundsätzlich ernst genommen werden. I.Ü. kann das Merkmal der „ernsthaft in Betracht kommenden“ Alternativen als Korrektiv wirken; völlig unrealisierbare Alternativen sind schon von vornherein „auszusortieren.“ Allerdings dürfen die an die Raumordnungsbehörde mit diesem Wechsel von einem bloßen „Standortsicherungsverfahren“ in ein „Standortsuchverfahren“ verbundenen Herausforderungen nicht unterschätzt werden. VI. Fazit Insgesamt dürfte die Neufassung der Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung trotz der dargestellten dogmatischen und systemischen Implikationen keinen Paradigmenwechsel im deutschen Raumordnungsrecht und Verfahrensrecht der Vorhabenplanung darstellen. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die Öffentlichkeitsbeteiligung an früher Stelle im Gesamtplanungsprozess rechtlich weitergehend abzusichern und auszuweiten. Dies ist prinzipiell – genauso wie die klärende Einführung bestimmter grundlegender Verfahrensregelungen – zu begrüßen, auch wenn die Gemengelage von raumordnungsrechtlichen Bundesregelungen, Landesregelungen sowie ggf. UVPG-Regelungen die Gestaltung von ROV-Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren in der Praxis weiter erschweren dürfte. Abzuwarten bleibt, ob die gewünschte Akzeptanzsteigerung bei Großprojekten im Gefolge des § 15 Abs. 3 ROG n.F. erreicht wird. Wie die Erfahrung zeigt, sind Infrastrukturgroßprojekte aufgrund ihrer Komplexität besonders häufig Gegenstand von Kontroversen, aber auch generell Anlass für (durchaus legitime) Prozesse der Rückvergewisserung bürgerlicher Einflussnahmefähigkeit im demokratischen Rechtsstaat. Ob die „Aufwertung“ der Öffentlichkeitsbeteiligung im ROV in Form der obligatorischen Ausgestaltung für sich genommen geeignet ist, das im Zuge der Stuttgart 21-Debatten konstatierte planungsdemokratische „Vakuum“ zu füllen, bleibt fraglich. Ein positiver Schritt ist sie jedoch allemal.

Die Funktionslosigkeit von Bauleitplänen als rechtsmethodisches Problem Von Guy Beaucamp I. Das Phänomen Seit über 50 Jahren nimmt die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte an, dass Bauleitpläne funktionslos werden können und damit automatisch außer Kraft treten, also unwirksam werden.1 Diese gefestigte Rechtsprechung erstreckt sich heute auf Bebauungspläne, Flächennutzungspläne2 sowie einzelne Festsetzungen in solchen Plänen.3 Sie wird auch auf Landschaftsschutzverordnungen angewandt4 und für Regionalpläne zumindest diskutiert.5 Die Geltungsbeendigung der genannten Pläne bzw. der einzelnen funktionslos gewordenen Festsetzung ist an zwei Bedingungen geknüpft: Zum einen darf der (Plan) Zweck auf unabsehbare Zeit sicher nicht mehr erreicht werden können, zum anderen 1

Leitentscheidungen BVerwGE 26, 282 (284 f.) (1967) u. 54, 5 (11) (1977); s.a. 108, 71 (74); 122, 207 (214); BVerwG, NJW 1984, 138; BVerwG, NVwZ 2016, 1481 (1482); OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447 (450); OVG Münster, BauR 2015, 1953; OVG Lüneburg, NordÖR 2005, 72 (73); J. Bringewat, Geltungsverlust von Normen und Verfügungen des öffentlichen Baurechts im Spannungsverhältnis von Recht und Wirklichkeit, 2012, S. 28, 31 u. 224; A. Scheidler, Der funktionslos gewordene Bebauungsplan, UPR 2017, 201 (202); M. Hamer, Zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplanfestsetzungen als Gemeinbedarfsflächen für Postzwecke, BauR 2016, 608 (613); D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997, S. 429 ff. m.w.N. 2 BVerwG, NVwZ 1997, 899 (900); VGH München, Urt. v. 20. 07. 2010, 1 B 09/983, juris, Rn. 32; OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851); W. Kalb/C. Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Loseblattsammlung, Stand 8/2017, § 10 Rn. 426; B. Stüer, Der Bebauungsplan, 5. Aufl. 2015, Rn. 756; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 36. 3 BVerwGE 54, 5 (11); BVerwG, NVwZ-RR 1997, 512; BVerwG, BauR 2004, 1128 f.; OVG Münster, GewArch 2010, 325 (326); OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851); OVG Münster, Urt. v. 27. 09. 2016, 2 D 8/15.NE, juris, Rn. 106; OVG Lüneburg, NordÖR 2005, 72 (73); VGH Mannheim, VBlBW 2007, 385 (386); VGH Mannheim, Urt. v. 26. 04. 2016, 8 S 205/14, juris, Rn. 27 f.; O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, 13. Aufl. 2016, § 10 Rn. 8; M. Hamer, BauR 2016, 608 (609); W. Erbguth/M. Schubert, Öffentliches Baurecht, 6. Aufl. 2015, § 5 Rn. 175; W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 409; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 31; A. Scheidler, UPR 2017, 201; C. Partsch/K. Bär, Die Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen im Falle widersprüchlichen Verhaltens der Gemeinde, DÖV 2014, 965 (966); B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 754 u. 1657. 4 VGH Mannheim, Beschl. v. 18. 05. 2000, 3 S 687/00, juris, Rn. 2. 5 OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (850); W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 429.

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muss dieser Mangel so offenkundig sein, dass ein Vertrauen auf die Einhaltung des Plans und seiner Festsetzungen nicht mehr schutzwürdig ist.6 Ein besonders anschauliches Beispiel dafür, dass ein Plan diese Bedingungen erfüllt, also keine Steuerungs- und Ordnungsfunktion (§ 1 Abs. 1 und 3 BauGB) mehr hat,7 ist ein Bebauungsplan der Stadt Bonn, der Festsetzungen zur Unterbringung von Medieneinrichtungen enthielt, die aus der früheren Hauptstadt direkt über die Aktivitäten von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat berichten sollten. Mit dem Umzug der genannten Institutionen in die neue Bundeshauptstadt Berlin8 im Jahr 1999 bzw. 2000 (Bundesrat) wurde allen Beteiligten klar vor Augen geführt, dass Nachrichtenmedien bei Hauptstadteinrichtungen in Bonn keine baulichen Anlagen mehr brauchen.9 Weitere Beispiele bilden ein Bebauungsplan für den Bau einer Stadtautobahn, wenn der Straßenbau endgültig aufgegeben wurde10 oder ein sehr alter Bebauungsplan, von dem so oft Befreiungen erteilt wurden, dass die ursprünglichen Festsetzungen aufgrund der tatsächlich erfolgten und genehmigten Bebauung nicht mehr verwirklicht werden können.11 Als Beispiel für eine funktionslos gewordene einzelne Festsetzung kann § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB herangezogen werden. Die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche Post tritt außer Kraft, wenn die Deutsche Post AG die Nutzung einer Innenstadtfiliale endgültig aufgibt und kein anderer Postdienstleister das Gebäude übernehmen möchte.12 Die ganz überwiegende Meinung in der Literatur akzeptiert die dargestellte Rechtsprechung ohne große Diskussion,13 es gibt allerdings auch Kritik,14 bis hin 6 BVerwGE 54, 5 (11) u. Leitsatz; 85, 273 (282); 108, 71 (76); 133, 377 (380); BVerwG, BauR 2004, 1128; BVerwG, NVwZ 2016, 1481 (1482); OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2017, 273 (274); OVG Berlin, UPR 1986, 395; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. 05. 2017, 2 S 5.17, juris, Rn. 5; OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447 (450); OVG Münster, GewArch 2010, 325 (326); OVG Münster, BauR 2015, 1953; OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851); VGH München, Urt. v. 20. 07. 2010, 1 B 09/983, juris, Rn. 32; VGH Mannheim, VBlBW 2007, 385; VGH Mannheim, Urt. v. 26. 04. 2016, 8 S 205/14, juris, Rn. 28. 7 BVerwGE 108, 71 (76); BVerwG, NVwZ-RR 1997, 512; OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (850); OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. 05. 2017, 2 S 5.17, juris, Rn. 5; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2001, 716 (718); VGH Mannheim, Urt. v. 26. 04. 2016, 8 S 205/14, juris, Rn. 28; VGH Mannheim, VBlBW 2007, 385; C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (966); A. Scheidler, UPR 2017, 201; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 47. 8 S.a. Art. 22 Abs. 1 S. 1 GG. 9 OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447 (451 f.). 10 OVG Münster, GewArch 2010, 325 (326). 11 C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (967). 12 Einzelheiten insoweit bei M. Hamer, BauR 2016, 608 (609 ff.). 13 W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 407 ff.; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 175; O. Reidt (o. Fn. 3), § 10 Rn. 8; B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 753; A. Scheidler, UPR 2017, 201 f.; F. Stollmann/G. Beaucamp, Öffentliches Baurecht, 11. Aufl. 2017, § 5 Rn. 38; C. Bönker, in: Hoppe/ders./Grotefels (Hrsg.), Öffentliches Baurecht, 4. Aufl. 2010, § 5 Rn. 278; T. Troidl, Der funktionslose Bebauungsplan in der Normenkontrolle: Führt die einjährige

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zur Ablehnung der Rechtsfigur.15 Im Folgenden soll die Plausibilität der möglichen rechtsmethodischen Begründungen der Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit von Bauleitplänen genauer betrachtet werden. II. Die rechtsmethodischen Begründungsversuche Um die richterliche Rechtsfortbildung hinsichtlich des Funktionsloswerdens von Bauleitplänen zu rechtfertigen, sind verschiedene Ansätze vertretbar. Zunächst könnte ein Bauleitplan durch entgegenstehendes Gewohnheitsrecht außer Kraft gesetzt werden (I.), sodann könnten verschiedene rechtsfortbildende Instrumente auf die Situation passen (II.). 1. Gewohnheitsrechtliche Geltungsbeendigung? In älteren Entscheidungen hatte das Bundesverwaltungsgericht es für möglich gehalten, dass ein Bebauungsplan auch durch ein sich entwickelndes entgegenstehendes Gewohnheitsrecht außer Kraft gesetzt werden könnte.16 Gewohnheitsrecht entsteht durch eine langandauernde allgemeine Übung, von der alle Beteiligten annehmen, dass die Übung rechtlich verpflichtend ist.17 Zwar mögen Festsetzungen eines Bebauungsplans lange Zeit unbeachtet bleiben, obwohl die erforderliche Dauer für

Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO) zur Funktionslosigkeit der Prinzipalkontrolle?, BauR 2010, 1511 ff.; S. Erhard, Außer-Kraft-Treten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit nur bei „legaler“ oder behördlich geduldeter planabweichender Entwicklung?, NVwZ 2006, 1362; M. Hamer, BauR 2016, 608 (609); H. Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, Rn. 563; H.-J. Koch, in: ders./Hendler (Hrsg.), Baurecht, Raumordnung- und Landesplanungsrecht, § 18 Rn. 43; U. Steiner, Der sog. funktionslose Bebauungsplan im Rechtsschutzkonzept des § 47 VwGO, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Festschrift für T. Würtenberger, 2013, S. 911. 14 D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 431 ff., 466 u. 436 m.w.N. aus dem älteren Schrifttum; W. Krebs, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, Kapitel 4 Rn. 126; J. Hoffmann, Recht und Zeit – Zur Endlichkeit der Geltungsdauer und „Überlagerung“ von Gesetzen, Jura 2012, 11 (15). 15 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 80 ff., 117, 139, 172, 226 u. 229. 16 BVerwGE 26, 282 (284 f.); 54, 5 (7 ff.); auch noch BVerwG, NVwZ-RR 1997, 512 (513); BGH, BauR 1983, 231 (232); s.a. W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 175; J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (13). 17 BVerfGE 22, 114 (121); OVG Münster, OVGE 14, 276 (285 f.); G. Beaucamp/L. Treder, Methoden und Technik der Rechtsanwendung, 3. Aufl. 2015, Rn. 360; B. Rüthers/C. Fischer/ A. Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, Rn. 232; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 10. Aufl. 2005, S. 46; E. Kohler-Gehrig, Einführung in das Recht, 2. Aufl. 2017, S. 20; W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 402; W. Erbguth/A. Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, § 7 Rn. 9; H. Sodan/J. Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, § 65 Rn. 2; J. Hoffmann, Jura 2012, 11; T. Möllers, Juristische Methodik, 2017, § 3 Rn. 23; D. Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, 4. Aufl. 1998, Rn. 44.

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eine Gewohnheit schwer zu bestimmen ist.18 Unter der Geltung des Art. 20 Abs. 3 GG ist es jedoch nicht haltbar anzunehmen, dass eine rechtliche Überzeugung dahingehend entsteht, geschriebenes Recht sei zu missachten. Bebauungspläne sind nach § 10 Abs. 1 BauGB Satzungen und damit Rechtsnormen. Eine bloße (rechtswidrige) Gewohnheit kann nicht stärker sein als eine Rechtsnorm. Überdies kann sich schon aus Rechtssicherheitsgründen Gewohnheitsrecht als ungeschriebene Rechtsquelle nicht gegen geschriebenes Recht durchsetzen.19 Dass Gewohnheitsrecht als Begründung für die Nichtgeltung eines Bebauungsplans ausscheiden muss, lässt sich auch daraus folgern, dass der umgekehrte Weg ebenfalls nicht funktioniert. Bebauungspläne können nicht durch Gewohnheitsrecht entstehen.20 Selbst ein unerkannt nichtiger Bebauungsplan erstarkt durch langjährige Anwendung nicht zu Gewohnheitsrecht.21 2. Zulässige Rechtsfortbildung? Jede richterliche Rechtsfortbildung setzt voraus, dass das geschriebene Recht eine planwidrige Regelungslücke aufweist, die gefüllt werden muss.22 Diese Bedingung soll zunächst erläutert werden (a)). Im Anschluss daran werden verschiedene anerkannte Instrumente der Rechtsfortbildung angesprochen, die das Problem erfassen könnten. Im Einzelnen sind dies ein Analogieschluss zu §§ 313 BGB und 60 VwVfG (Wegfall der Geschäftsgrundlage) (b)), eine Rechtsanalogie zu Unmöglichkeitsregeln (c)) und eine Anlehnung an den Satz vom Normwegfall beim Wegfall des Normzwecks (cessante ratione legis, cessat lex ipsa) (d)). Abschließend soll die Notwendigkeit einer relativ freihändigen Rechtsergänzung angesprochen werden (e)). Generell gilt hierbei: Je plausibler die rechtsmethodische Begründung ausfällt, desto eher kann man die Rechtsfortbildung, die in der Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit von Bauleitplänen zu sehen ist, akzeptieren und desto weiter kann man ihren Anwendungsbereich ziehen.

18 Offen gelassen, ob 14 Jahre für eine Gewohnheit ausreichen BVerwGE 26, 282 (285); generell skeptisch BVerwGE 54, 5 (9) u. H.-J. Koch (o. Fn. 13), § 18 Rn. 41. 19 E. Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Aufl. 2016, S. 232; kritisch auch W. Krebs (o. Fn. 14), Kapitel 4 Rn. 126; s.a. BVerfGE 22, 114 (121); J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (15); a.A. K. Engisch (o. Fn. 17), S. 123; R. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 4. Aufl. 2015, S. 147. 20 BVerwGE 55, 369 (377) u. Leitsatz 4; O. Reidt (o. Fn. 3), § 10 Rn. 8; W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 403; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 38. 21 O. Reidt (o. Fn. 3), § 10 Rn. 8; S. Erhard, NVwZ 2006, 1362 (1365). 22 E. Kramer (o. Fn. 19), S. 199 ff.; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 832 ff.; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 81; K. Engisch (o. Fn. 17), S. 181 f.; C. Gusy, Richterrecht und Grundgesetz, DÖV 1992, 461; E. Kohler-Gehrig (o. Fn. 17), S. 90; T. Möllers (o. Fn. 17), § 6 Rn. 81 ff.; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 274 für den Analogieschluss.

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a) Das Problem der Regelungslücke Es wird bestritten, dass die Rechtsfigur des funktionslos gewordenen Bebauungsplans zur Füllung einer Regelungslücke notwendig sei.23 Mit § 1 Abs. 8, § 13 und § 13a BauGB existierten nämlich Vorschriften, die sich mit der Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen beschäftigten. Zwei Aspekte sprechen indes dafür, dass diese Regeln das Problem des funktionslos gewordenen Bebauungsplans nicht völlig erfassen. Zum einen dauert ein Aufhebungs- oder Änderungsverfahren relativ lange. Zum anderen kann es von interessierten Bürgern nicht erzwungen werden, weil § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB solche Ansprüche ausdrücklich ausschließt.24 Wenn also die Gemeinde nicht willens oder nicht in der Lage ist, einen überholten Bebauungsplan zu ändern oder aufzuheben, bleibt dieser vorerst gültig. Vertreten wird ferner, dass die Lücke, die mit der Rechtsfigur des funktionslos gewordenen Bebauungsplans gefüllt wird, angesichts der Möglichkeiten des § 9 Abs. 2 BauGB25, befristete und bedingte Festsetzungen in Bebauungspläne aufzunehmen, entfalle.26 Diese These vermag jedoch ebenfalls nicht zu überzeugen. Zunächst lässt der Wortlaut der Norm mit der Formulierung „in besonderen Fällen“ erkennen, dass befristete und bedingte Festsetzungen rechtfertigungsbedürftige Ausnahmen sind und Festsetzungen regelmäßig unbefristet gelten sollen.27 Zum anderen gibt es diese Möglichkeit erst seit 2004,28 so dass sie für viele ältere Bebauungspläne überhaupt nicht zur Verfügung stand und aus Bestandsschutzgründen auch nicht in diese eingeführt werden kann.29 Die Hauptschwierigkeit bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 BauGB bei Neuplanungen liegt indes darin, dass die planende Gemeinde typischerweise nicht mit einer späteren Funktionslosigkeit rechnet und ihr deshalb der prophylaktische Einsatz von befristeten und bedingten Festsetzungen nicht in den Sinn kommt. Man könnte noch in Erwägung ziehen, ob die Vorschriften über die Planerhaltung (§§ 214, 215 BauGB) abschließend gemeint sind und deshalb die Lückenfüllung 23

J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 82 f. u. 174. BVerwG, DVBl. 1982, 1096; U. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn. 31; B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 594; W. Söfker/P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Loseblattsammlung, Stand 8/2017, § 1 Rn. 42a; F. Stollmann/G. Beaucamp (o. Fn. 13), § 7 Rn. 7. 25 Vertiefend hierzu B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 265 ff. 26 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 59 ff., 183 f. u. 230. 27 B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 272; W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Loseblattsammlung, Stand 8/2017, § 9 Rn. 240b f.; S. Mitschang/O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, 13. Aufl. 2016, § 9 Rn. 165 f.; W. Erbguth/ M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 103. 28 B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 272. 29 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 183. 24

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durch die Rechtsfigur der Funktionslosigkeit von Bauleitplänen ausschließen.30 Den genannten Normen geht es allerdings um formelle und materielle Fehler im Aufstellungsverfahren.31 Sie haben das völlige Auseinanderfallen von Plan und Wirklichkeit nicht im Blick, so dass insoweit eine Regelungslücke bleibt. Schließlich wird vorgetragen, dass in bestimmten Konstellationen die Rechtsfigur der Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans nicht gebraucht werde, sondern durch eine ständige Verwaltungspraxis in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ersetzt werden könne.32 Gemeint sind Situationen, in denen Behörden eine planabweichende Entwicklung sehr lange dulden33 oder dauerhaft und häufig Befreiungen von bauplanerischen Festsetzungen erteilen und eine Festsetzung des Bebauungsplans dadurch leerlaufen lassen.34 Zur Duldung ist einschränkend anzumerken, dass es sich nicht um ein bloßes passives Hinnehmen einer tatsächlichen Entwicklung handeln darf, sondern planabweichende Entwicklungen aktiv geduldet werden müssen,35 d. h. dass den Bauherren schriftlich oder mündlich eindeutig mitgeteilt wurde, dass sie keine Beseitigung ihrer Anlagen zu befürchten haben.36 Schaut man genauer hin, so macht Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. einer ständigen Verwaltungspraxis die Rechtsfigur der Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans allerdings nicht überflüssig. Denn Behörden dürfen eine Verwaltungspraxis jederzeit ändern, wenn sie dies plausibel begründen können.37 Eine Genehmigungspraxis, die sich in Widerspruch zu einem Bebauungsplan setzt, ist zudem rechtswidrig. Es besteht jedoch dann kein Anspruch auf Fehlerwiederholung, es gibt keine Gleichheit im Unrecht.38 Gehäufte planwidrige Befreiungen müssen ferner auf Nachbarklagen hin aufgehoben werden. Denn Befreiungen dürfen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB die Grundzüge der Planung nicht berühren, also eine Planänderung nicht ersetzen, indem sie die planerische Regel zur Ausnahme werden lassen.39 30

In diese Richtung argumentiert J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 35. U. Steiner, Urteilsanmerkung, NVwZ 2015, 1543 (1544); U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (918). 32 S. Erhard, NVwZ 2006, 1362 (1365 f.). 33 C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (969). 34 C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (967). 35 OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (852). 36 Vertiefend m.w.N. F. Stollmann/G. Beaucamp (o. Fn. 13), § 19 Rn. 38 f. 37 BVerwGE 46, 89 (90); 104, 220 (223); 126, 33 (51); H. Jarass/B. Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 3 Rn. 35a. 38 BVerfGE 50, 142 (166); BVerwGE 5, 1 (8 f.); 92, 153 (157); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 129; H. Sodan/J. Ziekow (o. Fn. 17), § 30 Rn. 6; H. Jarass/B. Pieroth (o. Fn. 37), Art. 3 Rn. 36; W. Erbguth/A. Guckelberger (o. Fn. 17), § 27 Rn. 7. 39 BVerwGE 56, 71 (74 f.); BVerwG, NVwZ 1990, 556; BVerwG, NVwZ 2012, 825 (827 f.); VGH Mannheim, Urt. v. 26. 04. 2016, 8 S 205/14, juris, Rn. 43; W. Söfker (o. Fn. 27), § 31 Rn. 35 ff.; O. Reidt (o. Fn. 3), § 31, Rn. 29; F. Stollmann/G. Beaucamp (o. Fn. 13), § 14 Rn. 52; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 8 Rn. 23. 31

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Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass das geschriebene Baurecht das Problem des funktionslos gewordenen Bebauungsplans nicht vollständig erfasst, sondern lückenhaft ist. Diese Lücke ist auch planwidrig, d. h. sie ist vom Normgeber nicht willentlich ungeregelt geblieben.40 Denn ebenso wie Gesetze41 sind Planungen und einzelne Festsetzungen typischerweise nicht kontrafaktisch, koppeln sich also nicht von der Realität ab, sondern wollen diese berücksichtigen. Dass dies bisweilen misslingt, vor allem wenn Pläne sehr alt sind, hat der Normgeber nicht berücksichtigt. b) Analogieschluss zu § 313 BGB und § 60 VwVfG (Wegfall der Geschäftsgrundlage)? Ändern sich die tatsächlichen Rahmenbedingungen, die bei Vertragsschluss vorlagen, stark, so kann nach § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn der Vertrag so nicht mehr abgeschlossen worden und ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre. Dies ist etwa bei einer unerwarteten Hyperinflation der Fall.42 Ist eine Vertragsanpassung nicht möglich oder ebenfalls unzumutbar, sieht die Norm einen Rücktritt bzw. bei Dauerschuldverhältnissen eine Kündigung vor (§ 313 Abs. 3 BGB). § 60 Abs. 1 VwVfG enthält eine vergleichbare Regelung für öffentlich-rechtliche Verträge. Der bisweilen zu findenden Ausdruck „Wegfall der Normgrundlage“43 für die Situation des funktionslosen Bebauungsplans suggeriert eine analoge Anwendung der geschilderten Regeln. Eine analoge Anwendung § 313 BGB und § 60 VwVfG setzt voraus, dass eine wesentliche Ähnlichkeit zwischen dem Wegfall der Geschäftsgrundlage im Vertragsrecht und der Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen besteht. § 313 BGB und § 60 VwVfG sind in erster Linie für Zweipersonenverhältnisse gedacht und stellen eine seltene Ausnahme zu dem ansonsten das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatzes des pacta sunt servanda dar.44 Die Durchbrechung der Rechtssicherheit, die der Vertrag geboten hat, betrifft in der Regel nur die Vertragsparteien. Bebauungspläne bieten dagegen Rechtssicherheit für viele Beteiligte.45 Zudem verhandeln die Vertragsparteien direkt miteinander um eine Anpassung des Vertrages oder streiten miteinander vor Gericht um eine solche. Werden Verträge angepasst oder aufgehoben, können so die wesentlichen relevanten Interessen be40 BVerfGE 116, 69 (83); BGHZ 125, 218 (223); 155, 380 (389); T. Möllers (o. Fn. 17), § 6 Rn. 86 u. 92; E. Kramer (o. Fn. 19), S. 191 ff.; D. Schmalz (o. Fn. 17), Rn. 385 f.; C. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, Einleitung, Rn. 55 m.w.N.; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 245 ff. 41 T. Möllers (o. Fn. 17), § 5 Rn. 53; E. Kramer (o. Fn. 19), S. 109. 42 Dieses und weitere Beispiele bei C. Grüneberg (o. Fn. 40), § 313 Rn. 25 ff.; A. Stadler, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, 16. Aufl. 2015, § 313 Rn. 16 ff. 43 BVerwGE 54, 5 (7); H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 559. 44 T. Möllers (o. Fn. 17), § 11 Rn. 31 f. u. 37. 45 VGH München, NVwZ-RR 2005, 776 (779).

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rücksichtigt werden. Beim Wegfall der Normgrundlage liegt die Sache anders. Hier streiten z. B. Bürger und Bauaufsicht um eine Baugenehmigung, wohingegen die Gemeinde, die den Plan aufgestellt hat, nicht beteiligt wird. Im Unterschied zum Aufstellungsverfahren des Plans werden außerdem weder die Öffentlichkeit, noch die Behörden oder sonstige Träger öffentliche Belange einbezogen. Ferner sind Bauleitpläne als Rechtsnormen im Vergleich zu Verträgen stärker zukunftsorientiert und darauf ausgerichtet die Realität zu verändern.46 Deshalb ist es – anders als bei Verträgen – schwieriger festzustellen, ob ein Bauleitplan unrealisierbar und damit unzumutbar geworden ist.47 Wegen der fehlenden Ähnlichkeit kann deshalb die Rechtsfortbildung, die in der Figur des funktionslosen Bebauungsplans zu sehen ist, nicht auf einen Analogieschluss zu den §§ 313 BGB und 60 VwVfG gestützt werden. c) Rechtsanalogie zu Unmöglichkeitsregeln? Sowohl im Bürgerlichen Recht (§ 275 Abs. 1 BGB) als auch für Verwaltungsakte (§ 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) ist anerkannt, dass man nichts Unmögliches von seinem Schuldner bzw. dem Adressaten des Verwaltungsaktes verlangen darf. Fraglich erscheint, ob man den Rechtsgedanken dieser Vorschriften im Wege einer Rechtsoder Gesamtanalogie48 für funktionslos gewordene Bebauungspläne fruchtbar machen kann. Der Grundgedanke, dass Recht generell – und damit wären auch Bauleitpläne und einzelne Festsetzungen in diesen gemeint – nicht etwas Unmögliches fordern darf, wird bei der Diskussion um die Funktionslosigkeit von Bauleitplänen häufig erwähnt.49 § 275 Abs. 1 BGB und § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG verhindern, dass Schuldner bzw. Bürger sich einer konkreten Anforderung gegenübersehen, die für jedermann oder für sie persönlich unerfüllbar ist. Festsetzungen in Bebauungsplänen oder Bebauungspläne selbst erreichen diese konkrete Ebene indes gerade nicht. Sie bereiten die Grundstücksnutzung nur vor und leiten sie (§ 1 Abs. 1 BauGB) auf einer abstrak-

46 BVerwG, NVwZ-RR 1997, 512; BVerwG, NVwZ 1997, 899 (900); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2001, 716 (718); A. Scheidler, UPR 2017, 201; B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 755. 47 So generell für die Beurteilung der tatsächlichen baulichen Entwicklung OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (852); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 90. 48 Zu diesem Rechtsfortbildungsinstrument s. K. Engisch (o. Fn. 17), S. 194 ff.; E. KohlerGehrig (o. Fn. 17), S. 93; E. Kramer (o. Fn. 19), S. 217; D. Schmalz (o. Fn. 17), Rn. 397; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 287 f.; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 892; T. Möllers (o. Fn. 17), § 6 Rn. 130 ff. 49 BVerwGE 54, 5 (8); 85, 273 (281); BVerwG, NVwZ-RR 1997, 512; BVerwG, BauR 2004, 1128; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. 05. 2017, 2 S 5.17, juris, Rn. 5; OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851); OVG Münster, Urt. v. 27. 09. 2016, 2 D 8/15 NE, juris, Rn. 106; A. Scheidler, UPR 2017, 201 (202); T. Troidl, BauR 2010, 1511 (1513); C. Partsch/ K. Bär, DÖV 2014, 965 (968).

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teren Ebene.50 Sie räumen den Bürgern Nutzungs- und Bebauungschancen ein, die erst im Wege der Baugenehmigung konkretisiert werden müssen. Die Pläne selbst fordern von Bürgerinnen und Bürgern nichts. Deshalb können sie auch nichts Unmögliches fordern. Auf der konkreten Ebene der Baugenehmigung sorgen wiederum die Ausnahmemöglichkeiten des § 31 Abs. 1 BauGB und die Befreiungsmöglichkeiten des § 31 Abs. 2 BauGB dafür, dass im Einzelfall nichts Unmögliches oder Unzumutbares verlangt wird. Es geht also letztlich nicht darum, den Bürger vor unrealisierbaren Anforderungen zu schützen, sondern um die Frage, ob an Plänen festzuhalten ist, deren Realisierung kaum noch oder gar nicht mehr möglich erscheint. Letztlich geht es also um das Verhältnis der Verwaltung zum Satzungsgeber. Bedenklich an der analogen Anwendung von Unmöglichkeitsregeln erscheint zunächst, dass es im Unterschied zum einzelnen Schuldverhältnis oder zum einzelnen Verwaltungsakt sehr viel schwieriger festzustellen ist, ob und in welchem Zeitpunkt ein Plan oder eine Festsetzung unmöglich zu realisieren ist.51 Dass lange Zeit – sogar über 10 Jahre – nichts zur Realisierung unternommen wurde, reicht nicht aus, solange eine Realisierungschance noch besteht.52 Auch einzelne Ausreißer in einem Plangebiet führen nicht dazu, dass die Planverwirklichung unmöglich wird, solange sie im Großteil des Plangebiets möglich bleibt.53 Selbst wenn ein Baugebiet mehrheitlich anders als geplant bebaut wurde, nämlich zu 60 %, soll eine Planungsverwirklichung nicht ausgeschlossen sein.54 Es kommt hinzu, dass sich die tatsächliche Situation erneut ändern kann, etwa insofern als planwidrige Nutzungen aufgegeben oder entsprechende Anlagen entfernt werden.55 Wenn etwa in einem als Hochwasserschutzzone von Bebauung freizuhaltenden Gebiet (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB) dennoch Gebäude errichtet wurden, ein

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Ebenso J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 177. J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 40; U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (917); so auch BVerwG, NVwZ 2016, 1481 (1482 f.); OVG Lüneburg, NordÖR 2005, 72; VGH München, NVwZ-RR 2005, 776 (777). 52 OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447 (450); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2001, 716 (719); OVG Berlin, UPR 1986, 395; C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (967); B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 755; W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 416. 53 BVerwGE 26, 282 (285); 54, 5 (11); 85, 273 (282); 108, 71 (76); BVerwG, NVwZ-RR 1997, 512; BVerwG, NVwZ-RR 2000, 411; BVerwG, BauR 2004, 1128; OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851); OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447 (450); OVG Berlin, UPR 1986, 395; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2001, 716 (718); VGH Mannheim, Urt. v. 26. 04. 2016, 8 S 205/14, juris, Rn. 28; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. 05. 2017, 2 S 5.17, juris, Rn. 7 ff.; VGH Mannheim, VBlBW 2007, 385; W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 421; A. Scheidler, UPR 2017, 201 (202); T. Troidl, BauR 2010, 1511 (1513); U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (912); O. Reidt (o. Fn. 3), § 10 Rn. 8; C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (966); B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 754. 54 OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851). 55 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 113; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 433 f. u. 466. 51

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Hochwasser diese aber völlig zerstört, kann die ursprüngliche Festsetzung wieder umgesetzt werden. Eine rechtlich oder faktisch ausweglose Situation besteht außerdem weder für die Gemeinde noch für die Baubehörden. Die Gemeinden können über § 1 Abs. 8 BauGB den problematischen Bebauungsplan oder die problematische Festsetzung stets ändern oder aufheben. Die Baubehörden haben wiederum die Möglichkeit, über die Kommunalaufsicht Gemeinden dazu zu bewegen, Pläne aufzustellen;56 a maiore ad minus sind so auch dringend erforderliche Planänderungen anzustoßen. Denn ein funktionslos gewordener Bebauungsplan ist nicht mehr erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB57 und löst eine Umplanungspflicht der Gemeinde aus. Im Ergebnis scheidet die analoge Anwendung von Unmöglichkeitsregeln auf das Problem funktionslos gewordener Bebauungspläne aus. d) Rechtsfortbildung auf der Basis eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes? Allgemeine Rechtsgrundsätze drücken grundlegende Rechtsgedanken und Wertvorstellungen einer Rechtsordnung oder eines Rechtsgebietes aus;58 gesprochen wird auch von einem „inneren System“ einer Rechtsordnung bzw. eines Rechtsgebietes.59 Fraglich erscheint, ob sich die Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz in Gestalt der Regel cessante ratione legis, cessat lex ipsa stützen kann.60 Dieses Rechtssprichwort ist seit dem Mittelalter nachgewiesen61 und wird auch heute noch von manchen als grundlegende rechtsmethodische Regel angeführt.62 Allerdings galt die Gleichung, dass Zweckfortfall zum Normfortfall führe, historisch gesehen keineswegs durchgängig.63 So er56 BVerwGE 119, 25 (28 ff.); W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 75 f.; U. Battis (o. Fn. 24), § 1 Rn. 27; F. Stollmann/G. Beaucamp (o. Fn. 13), § 7 Rn. 7. 57 BVerwGE 108, 71 (76); 109, 246 (249 f.); 116, 144 (146 f.); 122, 207 (214); BVerwG, ZfBR 2017, 261; VGH Mannheim, VBlBW 2007, 385 f.; OVG Münster, BauR 2017, 833 (837); U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (915); W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 74. 58 EuGH, EuZW 2009, 894 (896); BVerwGE 42, 222 (227); T. Möllers (o. Fn. 17), § 11 Rn. 11 ff.; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 311; K. Engisch (o. Fn. 17), S. 203 ff.; M. Moser, Allgemeine Rechtsgrundsätze in der Rechtsprechung des EuGH als Katalysatoren einer europäischen Wertegemeinschaft, ZfRV 2012, 4, 7 m.w.N. aus der EuGH-Rspr. 59 E. Kramer (o. Fn. 19), S. 273 f.; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 311; B. Rüthers/ C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 757. 60 So W. Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex, 1989, S. 33. 61 Ausführliche Nachweise insoweit bei W. Löwer (o. Fn. 60), S. 5; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 422; s.a. J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 69; K. Engisch (o. Fn. 17), S. 236 mit Fn. 134; H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 559 mit Fn. 45; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 955. 62 D. Schmalz (o. Fn. 17), Rn. 434; K. Engisch (o. Fn. 17), S. 102, 236 u. 256. 63 So auch D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 423 f.

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teilen z. B. §§ 59, 60 EinlPrALR (1794)64 oder § 9 des Österreichisches ABGB (1811),65 der cessante-Regel eine klare Absage. Die letztgenannten historischen Aussagen entsprechen den Regeln, die heute zur Aufhebung von Vorschriften generell vertreten werden. Anerkannte Normbeendigungsgründe sind: - die Aufhebung des alten Gesetzes,66 hier wäre für Bauleitpläne § 1 Abs. 8 BauGB einschlägig; - der Erlass eines neuen Gesetzes, welches das alte verdrängt (lex-posteriorRegel),67 also der Erlass eines neuen Bebauungsplans;68 - der Fristablauf bei einem zeitlich befristeten Gesetz,69 im Baurecht wäre hier etwa an die gesetzlich befristete Satzung über eine Veränderungssperre zu denken (§ 17 Abs.1, 2 BauGB). Im Unterschied etwa zur lex-posterior-Regel verfügt die cessante-Regel nicht über die weite Verbreitung und unumstrittene Anerkennung, die für einen allgemeinen Rechtsgrundsatz notwendig wären. Sie wird als teleologische Reduktion auf Null in Teilen des Schrifttums sogar ausdrücklich abgelehnt.70 Sie stellt jedenfalls keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar.71 Im Gegenteil lässt sich aus Gründen der Rechtssicherheit72 eher ein Grundsatz behaupten, dass unbefristete Rechtsnormen solange in Kraft bleiben, bis sie in einem bestimmten Verfahren aufgehoben oder durch jüngeres Recht verdrängt werden. § 1 Abs. 8 BauGB dient insoweit der Rechtssicherheit

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Die Normen lauten: „§ 59 Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie vom Gesetzgeber ausdrücklich wieder aufgehoben werden. § 60 So wenig durch Gewohnheiten, Meinungen der Rechtslehrer, Erkenntnisse der Richter, oder durch die in einzelnen Fällen ergangenen Verordnungen neue Gesetze eingeführt werden können; ebenso wenig können schon vorhandene Gesetze auf dergleichen Art wieder aufgehoben werden“. 65 Die Norm lautet: „Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden“. 66 E. Kramer (o. Fn. 19), S. 122; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 773; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 58; J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (12 f.); H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 553. 67 OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447; E. Kramer (o. Fn. 19), S. 122; T. Möllers (o. Fn. 17), § 4 Rn. 132; H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 553; J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (12); B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 773; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 58. 68 O. Reidt (o. Fn. 3), § 10 Rn. 9; W. Söfker/P. Runkel (o. Fn. 24), § 1 Rn. 254 b. 69 H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 550 ff.; J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (12); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 58. 70 E. Kramer (o. Fn. 19), S. 241 f.; T. Möllers (o. Fn. 17), § 5 Rn. 53; ähnlich: H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 559 ff. für Gesetze und Verordnungen. 71 W. Löwer (o. Fn. 60), S. 6; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 472; J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (15); H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 559; ablehnend auch E. Kramer (o. Fn. 19), S. 241 f. 72 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 57; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 475 f.; H. Schneider (o. Fn. 13), Rn. 550 u. 559; J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (15); s.a. BVerwGE 75, 142 (146).

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und der Bürger- bzw. Behördenbeteiligung bei einer Planaufhebung oder -änderung.73 Diese Norm sollte deshalb nicht umgangen werden.74 e) Rechtsergänzung Die bislang behandelten rechtsmethodischen Begründungsversuche für die Rechtsfigur des funktionslosen Bauleitplans, die Ähnlichkeiten zu vorhandenen Regeln suchten oder sich auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz stützten, konnten nicht überzeugen. Deshalb ist nun zu untersuchen, ob die unter a) festgestellte Regelungslücke im Wege einer Rechtsergänzung gefüllt werden kann. Rechtsergänzungen werden akzeptiert, wenn sie mit verfassungsrechtlichen Wertmaßstäben vereinbar sind75 und die für sie sprechenden Argumente in Abwägung mit den Gegengründen überwiegen.76 Etwas mehr Spielraum wird Richterinnen und Richtern bei der Rechtsfortbildung dann eingeräumt, wenn sie Grundrechte fördern, etwas weniger, wenn sie Grundrechte verkürzen.77 aa) Argumente für den Geltungsverlust aufgrund Funktionslosigkeit Für die Rechtsfigur des funktionslos gewordenen Bauleitplans lässt sich sagen, dass sie seit über 50 Jahren etabliert ist78 und offenbar ein praktisches Bedürfnis für ihren Einsatz besteht. Wenn ein Plan eindeutig unrealisierbar geworden ist, kann er außerdem die generelle Ordnungsfunktion die er nach § 1 Abs. 1, Abs. 3 BauGB erfüllen sollte, nicht mehr erreichen. Hält man an solchen Plänen fest, wird auch die grundsätzliche Aufgabe von Rechtsnormen, das Sozialleben gerecht zu ordnen, verfehlt.79 M.a.W. werden Normen auch an ihrer Leistung für die Wirklichkeit gemessen;80 sie sollten zumindest eine Wirksamkeitschance haben.81 Insbesondere Bauwillige, deren Anträge unter Berufung auf einen nicht mehr realisierba73

BVerwGE 75, 142 (144 f.); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 105. J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 62 u. 117. 75 S. hierzu auch BVerfGE 126, 286 (305 f.); BGHZ 108, 305 (309 f.); BVerwGE 101, 51 (54 f.); B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 910 f.; D. Schmalz (o. Fn. 17), Rn. 424; T. Möllers (o. Fn. 17), § 13 Rn. 66 ff.; E. Kramer (o. Fn. 19), S. 249 f. u. 261 ff.; E. KohlerGehrig (o. Fn. 17), S. 101; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 315; C. Grüneberg (o. Fn. 40), Einl. Rn. 57. 76 B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 961; T. Möllers (o. Fn. 17), § 13 Rn. 113 ff.; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 315; D. Schmalz (o. Fn. 17), Rn. 424 f. 77 BVerfG, NVwZ 2017, 617 (618) m.w.N.; W. Erbguth/A. Guckelberger (o. Fn. 17), § 7 Rn. 10. 78 S. o. Rechtsprechungsnachweise in Fn. 1. 79 BVerwGE 54, 5 (8); 85, 273 (281); OVG Münster, OVGE 14, 276 (284); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 17; D. Schmalz (o. Fn. 17), Rn. 1; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 168 m.w.N. 80 BVerwGE 54, 5 (8); OVG Münster, OVGE 14, 276 (283 f.); W. Löwer (o. Fn. 60), S. 35; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 469. 81 R. Alexy (o. Fn. 19), S. 147, 201, 203. 74

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ren Plan abgelehnt werden, dürften dies kaum akzeptieren und sich unverhältnismäßig in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 GG oder zumindest aus Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt sehen. Denn ein Gesetz oder auch ein Plan, das bzw. der offenkundig nicht mehr verwirklicht werden kann, verfolgt keinen legitimen Zweck mehr.82 Zudem soll die Rechtsfigur der Funktionslosigkeit nur äußerst selten vorkommen, da sie an strenge Voraussetzungen83 geknüpft ist. Die Durchsicht der hier – zufällig – herangezogenen obergerichtlichen Entscheidungen scheint dies zu bestätigen: In den 30 Entscheidungen wurde die Funktionslosigkeit von Plänen 24 Mal verneint und nur in sechs Fällen bejaht.84 bb) Argumente gegen den Geltungsverlust aufgrund Funktionslosigkeit Auf der anderen Seite steht die Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit von Bauleitplänen in Widerspruch zu Art. 20 Abs. 3 GG.85 Der Bebauungsplan ist als Satzung eine Rechtsnorm (§ 10 Abs. 1 BauGB) und fordert Beachtung. Von manchen wird eine solche, gegen Wortlaut und Sinn gerichtete Rechtsfortbildung (contra legem) generell abgelehnt.86 Auch die Vorschriften über Zuständigkeit, Verfahren und Form der Änderung bzw. Aufhebung von Bauleitplänen (§ 1 Abs. 8 BauGB) werden ignoriert. Hinter diesen baurechtlichen Regeln stehen gewichtige Verfassungswerte: Die gemeindliche Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 GG87 und die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gemeindeparlaments.88 Es wird versucht, diesen Verstoß gegen den Vorrang des Gesetzes mit folgenden Überlegungen zu relativieren: Baurechtliche Pläne seien mehr auf konkrete Realisierung und weniger auf abstrakte Geltung angelegt,89 sie seien in besonderem Maß an82

W. Löwer (o. Fn. 60), S. 12 f. u. 35; ähnlich D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 469. So BVerwGE 85, 273 (281); 108, 71 (76); BVerwG, NVwZ 2016, 1481 (1482); OVG Berlin, UPR 1986, 395; OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2017, 273 (274); OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447 (450); OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851); OVG Lüneburg, NordÖR 2005, 72 (73); VGH Mannheim, VBlBW 2007, 385; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 434; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 175; U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (913); S. Erhard, NVwZ 2006, 1362. 84 Die Entscheidungen, die Funktionslosigkeit im Ergebnis annehmen, sind: BVerwGE 54, 5 (10); 133, 370 (380); VGH Mannheim, Urt. v. 26. 04. 2016, 8 S 205/14, juris, Rn. 29; OVG Münster, BRS 63, Nr. 88, 447 (450); OVG Münster, BauR 2015, 1953; BGH, BauR 1983, 231 (232). 85 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 108 u. 137 f.; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 470; angesprochen auch in BVerwGE 26, 282 (284); generell C. Gusy, DÖV 1992, 461 (464 ff.). 86 C. Gusy, DÖV 1992, 461 (466); B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk (o. Fn. 17), Rn. 769 u. 912; s.a. T. Möllers (o. Fn. 17), § 13 Rn. 22 u. 119; a.A. E. Kohler-Gehrig (o. Fn. 17), S. 102 ff.; W. Löwer (o. Fn. 60), S. 21; K. Engisch (o. Fn. 17), S. 177. 87 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 118 ff., 127 f. u. 227. 88 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 87; generell D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 471. 89 BVerwGE 26, 282 (285); BVerwGE 54, 5 (9); BGH, BauR 1983, 231 (232); C. Partsch/ K. Bär, DÖV 2014, 965 (968); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 174. 83

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fällig für tatsächliche Veränderungen90 und stärker wirklichkeitsbezogen91 als andere Rechtsnormen. Diese Rechtfertigungsversuche sind nicht überzeugend. Jede Rechtsnorm muss wirklichkeitsbezogen und auf Erfüllung angelegt sein.92 Nimmt man die Anfälligkeit für tatsächliche Veränderungen zum Maßstab, dann müssten auch Regeln des Steuerrechts oder des Sozialrechts weniger verbindlich sein, weil diese fast im Jahresrhythmus anzupassen sind. Man kann im Gegenteil sogar vertreten, dass Bauleitpläne besonders dauerhaftes Recht darstellen; sie beschäftigen sich nämlich mit Strukturen und Gebäuden, die die Lebenszeit ihrer Nutzer deutlich übersteigen können.93 Im Vorfeld einer Entscheidung über die Funktionslosigkeit eines Plans fehlt es ferner an Rechtssicherheit, weil es häufig schwer einzuschätzen ist, ob ein Plan tatsächlich funktionslos geworden ist.94 Nachdem ein Plan für funktionslos erklärt wurde, entsteht zwar kein rechtliches Vakuum, weil jetzt die §§ 34, 35 BauGB gelten.95 Dennoch bietet ein Bebauungsplan mehr Rechtssicherheit. Denn er wurde veröffentlicht, schafft Vertrauen und vermittelt zumindest den Rechtsschein seiner Geltung.96 Selbst ein als ungültiger erkannter Bebauungsplan muss ausdrücklich aufgehoben werden.97 Dass die Offenkundigkeit der Funktionslosigkeit gefordert wird, kann ein geregeltes Aufhebungsverfahren nicht ersetzen.98 Denn jeder interpretiert die tatsächlichen Verhältnisse anders – die Offenkundigkeit der baulichen Situation ist eine diffizile Bewertungsfrage.99 Generell führt die Einführung der Rechtsfigur des funktionslos gewordenen Plans zu einem Verlust an Rechtssicherheit, weil es einen weiteren unkalkulierbaren Geltungsbeendigungsgrund gibt und man sich tendenziell weniger auf die Geltung von Bauleitplänen verlassen kann.100 Wenn Gerichte Rechtsnormen an gesetzlich fixierten Aufhebungsnormen vorbei außer Kraft setzen, greifen sie in den Kernbereich der Rechtssetzung ein, was schwer 90 BVerwGE 26, 282 (285); 54, 5 (9); BGH, BauR 1983, 231 (232); A. Scheidler, UPR 2017, 201; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 18. 91 BVerwGE 26, 282 (285); BVerwGE 54, 5 (9); BGH, BauR 1983, 231 (232); S. Erhard, NVwZ 2006, 1362. 92 D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 432 f. 93 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 222. 94 OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (852); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 40, 90 u. 139; generell R. Alexy (o. Fn. 19), S. 148 zur Einschätzung der sozialen Wirksamkeiten von Normen u. W. Löwer (o. Fn. 60), S. 30 ff. am Beispiel des mittlerweile abgeschafften § 1300 BGB. 95 BVerwGE 55, 369 (378); BVerwG, NJW 1984, 138; BGH, BauR 1983, 231 (232); A. Scheidler, UPR 2017, 201 (203) u. (207); D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 434; J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 31 u. 136; T. Troidl, BauR 2010, 1511 (1514). 96 BVerwGE 75, 142 (145). 97 BVerwGE 75, 142 (144 f.). 98 So aber A. Scheidler, UPR 2017, 201 (202). 99 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 106 u. 227; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 472. 100 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 38 u. 81 f.; s.a. D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 471; a.A. U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (914).

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mit der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) zu vereinbaren ist.101 Auch im Verhältnis von Verwaltung und Rechtssetzung sind Verstöße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung denkbar. Schlimmstenfalls kann die Baubehörde im Wege der gehäuften Duldung planwidriger Bebauung erreichen, dass ein Plan unrealisierbar wird, die Entscheidungen der Gemeinde auf diese Weise umgehen und so mittelbar Einfluss auf die Rechtslage gewinnen, an die sie eigentlich gebunden ist.102 Dass Gerichte nur sehr selten annehmen, ein Bebauungsplan sei funktionslos geworden, scheint zwar zuzutreffen103, doch kann man seit 1967 eine ständige Erweiterung des qualitativen Anwendungsbereichs der Rechtsfigur beobachten. Neben tatsächlichen werden auch rechtliche Gründe für die Funktionslosigkeit anerkannt,104 neben der nachträglichen auch die anfängliche Funktionslosigkeit akzeptiert.105 Neben Bebauungsplänen und einzelnen Festsetzungen wird der Anwendungsbereich der Rechtsfigur der Funktionslosigkeit auch auf Flächennutzungspläne,106 Landschaftsschutzverordnungen107 und Regionalpläne108 ausgedehnt sowie für Verordnungen im Umweltbereich zumindest in Betracht gezogen.109 cc) Bewertung Die eben dargestellten Gegenargumente zur Rechtsfigur der Funktionslosigkeit, nämlich der Verstoß gegen den Vorrang des Gesetzes sowie die Gefährdung der Rechtssicherheit und der Gewaltenteilung wiegen schwer. Die praktischen Bedürfnisse und die grundsätzliche Ordnungsfunktion jeder Rechtsnorm, die für eine Beibehaltung der Rechtsfigur des funktionslos gewordenen Plans bzw. der funktionslos gewordenen Festsetzung sprechen, erscheinen weniger gewichtig. Generell ist es indes so, dass die besseren Argumente für eine Rechtsergänzung streiten müssten, diese ist – im Vergleich zum Festhalten am geschriebenen Recht – grundsätzlich

101 J. Hoffmann, Jura 2012, 11 (15); D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 471; generell hierzu E. Kohler-Gehrig (o. Fn. 17), S. 103; W. Löwer (o. Fn. 60), S. 11 u. 18; T. Möllers (o. Fn. 17), § 13 Rn. 82 ff.; G. Beaucamp/L. Treder (o. Fn. 17), Rn. 315 m.w.N. 102 Ein ähnliches Szenario bei J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 87 f. u. BVerwGE 26, 282 (284); s.a. D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 475. 103 S. o. bei Fn. 84. 104 BVerwGE 122, 207 (214); VGH Mannheim, VBlBW 2007, 385; B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 753; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 175; H.-J. Koch (o. Fn. 13), § 18 Rn. 43. 105 BVerwGE 54, 5 (8); 85, 273 (281); 122, 207 (214); 133, 377 (380); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2001, 716 (718); H.-J. Koch (o. Fn. 13), § 18 Rn. 44 f.; W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 175; S. Erhard, NVwZ 2006, 1362 (1364); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 34. 106 Nachweise s. o. Fn. 2. 107 Nachweise s. o. Fn. 4. 108 Nachweise s. o. Fn. 5. 109 BVerwG, NVwZ 2013, 1547 (Gartenabfallverordnung); BVerwG, NVwZ 2015, 1542 f. (Baumschutzverordnung).

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rechtfertigungsbedürftig.110 Dieser Argumentationslast genügen die Gründe, die für die Funktionslosigkeit von Plänen bzw. Festsetzungen sprechen, nicht.111 Dies wird besonders an der Konstellation deutlich, dass die Verwaltung die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Begründung ablehnt, ein vorhandener Plan bzw. eine vorhandene Festsetzung sei funktionslos geworden. Denn so werden Grundrechte des bauwilligen Bürgers verkürzt, ohne dass eine wirksame Ermächtigungsgrundlage hierfür vorliegt. Im Gegenteil: Zumindest formell ist das Anliegen des Bürgers, ein planentsprechendes Vorhaben zu realisieren, rechtmäßig, die Reaktion der Behörde, gemessen an Art. 20 Abs. 3 GG, rechtswidrig.112 Die zumindest in formeller Hinsicht berechtigte Erwartung, ein Bebauungsplan bzw. eine Festsetzung sei bis zu ihrer Aufhebung gültig, wird enttäuscht. Es kommt hinzu, dass die rechtzeitige Aufhebung oder Änderung eines Plans, der nicht mehr realisiert werden kann, in den Händen der Verwaltung liegt, die – zwar eventuell auf dem Umweg über die Kommunalaufsicht – die Gemeinde zu einer Umplanung bewegen kann. Dieser Weg ist den Bürgern wegen § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB verschlossen. Parallel hierzu gilt, dass die Behörde einem Nachbarwiderspruch nicht deshalb stattgeben kann, weil sie sich dem Vortrag des Nachbarn anschließt, der die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans annimmt. Auch in dieser Konstellation sprechen die genannten besseren Argumente dafür, dass sich ein dem Plan entsprechendes Vorhaben durchsetzen muss, bis der Plan aufgehoben oder geändert wurde. Ein weiterer Parallelfall, indem die Rechtsfortbildung mangels ausreichender Begründung unzulässig erscheint, liegt in der Konstellation, dass sich ein Dritter auf nachbarschützende Festsetzungen eines vorhandenen Plans beruft. Diesem kann nicht entgegenhalten werden, der Plan sei funktionslos. Es gibt m. E. nur eine Fallgruppe, in der stärkere Argumente für eine Nichtbeachtung eines Plans oder einer Festsetzung sprechen. Will eine Behörde eine Baugenehmigung erteilen, sieht sich daran aber durch einen Plan oder eine Festsetzung gehindert, dessen bzw. deren Realisierung aber mit hoher Sicherheit nicht mehr zu erwarten ist und der bzw. die deshalb auch kein Vertrauen mehr verdient, so sprechen insbesondere die Grundrechte des Bauwilligen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stark dafür, in dieser Konstellation über den Plan hinweggehen zu dürfen,113 vorausgesetzt durch den Plan begründete Nachbarrechte werden nicht beeinträchtigt. Man kann sich insoweit auch an den Rechtsgedanken des § 33 BauGB anlehnen, der bei einem in Aufstellung befindlichen Plan ebenfalls im Vorfeld die Genehmigung ermöglicht. Die Parallele besteht darin, dass bei einem funktionslos gewordenen Plan die Aufhebung in absehbarer Zeit erfolgen sollte.

110

T. Möllers (o. Fn. 17), § 13 Rn. 10 f. Ebenso J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 117, 139, 172 u. 229. 112 So auch BVerwGE 26, 282 (284); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 138. 113 VGH München, NVwZ-RR 2005, 776 (778). 111

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III. Fazit und Schlussfolgerungen Die Durchsicht der rechtsmethodischen Begründungsmöglichkeiten für die Rechtsfortbildung des funktionslos gewordenen Plans hat ergeben, dass diese Rechtsfigur methodisch auf tönernen Füßen steht. Nur für eine Fallkonstellation, nämlich die Nichtbeachtung des Plans bzw. der einzelnen Festsetzung zugunsten eines Bauwilligen, dem Nachbarrechte aus planerischen Regeln nicht entgegengehalten werden können, ergibt sich ein Argumentationsübergewicht für die Rechtsfortbildung. Aus diesem rechtsmethodischen Ergebnis folgt, dass hie und da vorgeschlagene Erweiterungen der Rechtsfigur des funktionslos gewordenen Plans abzulehnen sind. So können Schwarzbauten, von denen die Gemeinde bzw. Bauaufsichtsbehörde nichts weiß und die auch nicht aktiv geduldet werden, entgegen einer Stellungnahme aus der Literatur114 nicht als Basis für die Funktionslosigkeit eines Plans herangezogen werden.115 Es ist zwar zutreffend, dass nur die tatsächliche Entwicklung erkennbar ist, wohingegen Baugenehmigungen und Duldungen nicht direkt sichtbar sind,116 doch ist der Schluss von der tatsächlichen baulichen Entwicklung auf die Rechtslage unzulässig.117 Belastbares Vertrauen kann nur durch behördlichen Handeln entstehen und nicht aus der Realität abgeleitet werden.118 Akzeptierte man diese Erweiterung, gäbe man die Steuerungsfunktion des Plans auf119 und ersetzte sie durch die normative Kraft des Faktischen. Begünstigt würden diejenigen, die – ohne sich um eine Baugenehmigung zu bemühen – planwidrig und damit rechtswidrig handeln. Ebenfalls nicht zu folgen ist der Auffassung, die Funktionslosigkeit eines Plans sei bereits dann gegeben, wenn eine Gemeinde eine gute Realisierungschance für den Plan nicht ausnutzt und sich damit in Widerspruch zu ihren eigenen Planzielen setzt.120 Dies soll etwa dann gelten, wenn die Gemeinde, die für ihren Plan private Grundstücksteile braucht, bei einem Verkauf nicht mitbietet bzw. keinen Gebrauch von ihrem Vorkaufsrecht macht.121 Es erscheint in dieser Situation zum einen nämlich noch nicht ausgeschlossen, dass der Plan – es ging um einen öffentlichen Weg entlang eines Seeufers – durch freiwilligen Verkauf oder eine teilweise Enteignung

114

S. Erhard, NVwZ 2006, 1362 (1363 ff. u. 1366). Ebenso OVG Münster, DVBl. 2015, 849 (851 f.); W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 3), § 5 Rn. 175. 116 S. Erhard, NVwZ 2006, 1362 (1365). 117 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 227. 118 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 107. 119 J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 106 u. 227; grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Schlusses vom Sein auf das Sollen T. Möllers (o. Fn. 17), § 5 Rn. 100. 120 C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (967 f. u. 969). 121 C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (968). 115

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doch noch realisiert werden kann. Zum anderen ist anerkannt, dass die bloße Änderung planerischer Absichten für die Funktionslosigkeit eines Plans nicht ausreicht.122 Im Streit um die Frage schließlich, ob die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO für die Geltendmachung der Funktionslosigkeit eines Plans laufen soll oder nicht,123 ist wegen des Wortlauts der Vorschrift, der größeren Rechtssicherheit und wegen der ohnehin rechtmethodisch schwachen Begründung der Rechtsfigur anzunehmen, dass Betroffene nur ein Jahr Zeit haben, um die Funktionslosigkeit geltend zu machen.124 Zwar wird sich die Funktionslosigkeit sehr selten innerhalb dieser Frist einstellen,125 doch ist dies nicht als schwerwiegender Verlust an Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG einzuschätzen. Betroffene haben nämlich immer noch die Möglichkeit, etwa mit Hilfe einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung inzident die Funktionslosigkeit des zugrundeliegenden Plans überprüfen zu lassen.126

122 BVerwG, NVwZ-RR 1997, 513; O. Reidt (o. Fn. 3), § 10 Rn. 8; W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 417; B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 753; D. Heckmann (o. Fn. 1), S. 435; U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (912); C. Partsch/K. Bär, DÖV 2014, 965 (966). 123 So etwa VGH Mannheim, NVwZ-RR 2010, 960 (961); VGH München, NVwZ-RR 2005, 776 (777); VGH München, BRS 79, Nr. 57, 342 (343); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 48 ff.; B. Stüer (o. Fn. 2), Rn. 758 mit Fn. 280; U. Steiner, NVwZ 2015, 1543 (1544); T. Troidl, BauR 2010, 1511 (1518 ff.); U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (918); offen gelassen in BVerwGE 108, 71 (75). 124 BVerwG, NVwZ 2016, 1481 (1482); VGH München, NVwZ-RR 2015, 11 f.; OVG Lüneburg, NordÖR 2005, 72; O. Reidt (o. Fn. 3), § 10 Rn. 19; W. Erbguth/A. Guckelberger (o. Fn. 17), § 28 Rn. 11; W. Kalb/C. Külpmann (o. Fn. 2), § 10 Rn. 425; A. Scheidler, UPR 2017, 201 (206); s. zu § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auch BVerwG, NVwZ 2013, 1547 (1548) u. BVerwG, NVwZ 2015, 1542 f. 125 BVerwGE 108, 71 (75); OVG Lüneburg, NordÖR 2005, 72; VGH München, NVwZ-RR 2005, 776 (777); U. Steiner (o. Fn. 13), S. 911 (917). 126 So auch BVerwG, NVwZ 2013, 1547 (1548); OVG Lüneburg, NordÖR 2005, 72; VGH München, NVwZ-RR 2015, 11 (13); J. Bringewat (o. Fn. 1), S. 49 m.w.N.; T. Troidl, BauR 2010, 1511 (1516).

Steuerung von Außenbereichsvorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB durch Bauleitplanung Von Wilhelm Söfker Der Beitrag befasst sich mit den Möglichkeiten der Bauleitplanung zur Steuerung von Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB. Hierzu sollen zunächst als zu berücksichtigende Ausgangslage die Funktion des § 35 BauGB und sodann die verschiedenen Möglichkeiten der Bauleitplanung behandelt werden.

I. Zur Ausgangslage Auszugehen ist von den Vorschriften des § 35 BauGB über das Bauen im Außenbereich und dem Grundsatz des BauGB, nach dem sich die bauliche Entwicklung auf der Grundlage von Bebauungsplänen (§ 30 BauGB) und der Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) vollzieht. Soll daher eine Fläche im Außenbereich für die bauliche Nutzung vorgesehen werden, bedarf es der Aufstellung eines Bebauungsplans. Dem entspricht die Aufgabe der Bauleitplanung, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke vorzubereiten und zu leiten und eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten (s. z. B. § 1 Abs. 1 und 5 BauGB). Dies sicherzustellen entspricht – neben dem sog. Schutz des Außenbereichs vor Bebauung – der Zweckbestimmung des § 35 BauGB.1 § 35 BauGB hat daher, insbesondere im Vergleich zu den beiden anderen Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 30 und 34 BauGB), als bauplanungsrechtliche Grundlage für die Zulässigkeit von Vorhaben nur eine deutlich eingeschränkte Funktion. Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB sind schon unzulässig, wenn sie öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB) beeinträchtigen (was nach aller Erfahrung zu allermeist der Fall ist). Anders als diese sog. sonstigen Vorhaben sind die nach § 35 Abs. 1 BauGB enumerativ benannten sog. privilegierten Vorhaben zulässig, wenn ihnen (in bestimmter gewichtiger Weise) öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Auch wenn § 35 BauGB bezüglich der privilegierten Vorhaben – insofern in Abgrenzung zu den nach §§ 30 und 34 BauGB zu beurteilenden Gebieten – den Grundstücken keine Baulandqualität vermittelt, weil sie nur unter dem Vorbehalt des Nicht1 Vgl. insgesamt W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 13.

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entgegenstehens von öffentlichen Belangen zulässig sind, hat § 35 Abs. 1 BauGB für die privilegierten Vorhaben in der Genehmigungspraxis eine erhebliche Bedeutung für die Inanspruchnahme des Außenbereichs für bauliche Zwecke erlangt.2 Gründe sind insbesondere die Ausweitung der Privilegierungstatbestände durch mehrere gesetzgeberische Maßnahmen in mehreren Einzelschritten3 ebenso wie die tatsächliche und umfangreiche Nutzung dieser Privilegierungstatbestände. Dazu gehören strukturellen Veränderungen im Bereich der Landwirtschaft, die zusätzliche bauliche Maßnahmen zur Folge haben, die sich nicht nur auf den hierfür maßgeblichen zentralen Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB („Vorhaben, die einem landwirtschaftlicher Betrieb dienen“) sondern auch auf andere, gesondert in §§ 35 Abs. 1 BauGB geregelte Privilegierungstatbestände stützen, nämlich auf Nr. 2 – Betriebe der gartenbaulichen Erzeugung, auf Nr. 4 – nichtlandwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen und auf Nr. 6 – Vorhaben für die energetische Nutzung von Biomasse. Eine erhebliche Inanspruchnahme des Außenbereichs hat die privilegierte Zulässigkeit von Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zur Folge gehabt.4 Von weiteren Vorhaben mit verbreiteter Anwendung ihrer privilegierten Zulässigkeit seien nur genannt: UMTS – Antennen, oberflächennaher Rohstoffabbau, Nutzung solarer Strahlungsenergie an Gebäuden. An diese erheblichen baulichen Entwicklungen im Außenbereich knüpfen die Überlegungen zur Nutzung der Bauleitplanung an. Wenn § 35 BauGB nur begrenzt geeignet ist, seine städtebaurechtliche Funktion zu erfüllen, den Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freizuhalten und dafür zu sorgen, dass sich die bauliche Entwicklung auf der Grundlage von Bebauungsplänen vollzieht, ist die Frage aufgeworfen, wie diese Aufgabe durch Bauleitplanung in bestimmten städtebaulichen Situationen und ggf. auch nur ergänzend zu § 35 BauGB erfüllt werden kann. Hinzu kommen weitere Aspekte: Die Zulässigkeit von privilegierten Vorhaben steht zwar unter dem Vorbehalt, dass ihr nicht öffentliche Belange – gewichtige oder in gewichtiger Weise – entgegenstehen. Damit werden zwar manche städtebaulichen Anliegen erfasst. Die Bauleitplanung ist aber hierauf, wie die Aufgaben und Grundsätze der Bauleitplanung nach §§ 1 und 1a BauGB bestimmen, nicht beschränkt. Sie kann auch städtebaulich begründete Belange aufgreifen, die unterhalb der Erheblichkeit der die Zulässigkeit von Vorhaben hindernden öffentlichen Belange im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB einzuordnen sind oder die die städtebauliche Entwicklung insgesamt betreffen. Dazu gehören z. B. Gesichtspunkte des Gebots der Rücksichtnahme auf benachbarte Nutzungen und eines vorsorgenden Umweltschutzes sowie die Abstimmung mit der vorhandenen oder angestrebten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets.

2

Vgl. W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 13 m.w.N. Vgl. W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 6 ff. 4 Der weitaus größte Teil der inzwischen errichteten mehr als 30.000 Windenergieanlagen hat ihre planungsrechtliche Grundlage in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. 3

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Schließlich können durch Aufstellung von Bebauungsplänen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von im Außenbereich sonst nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert zulässigen Vorhaben geschaffen werden. Diese bauplanungsrechtlichen Grundlagen sind weitreichender und rechtssicherer anwendbar als die Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 BauGB, die von der jeweiligen Reichweite des in Betracht kommenden Privilegierungstatbestands und davon abhängen, dass an dem vorgesehenen Standort nicht öffentliche Belange entgegenstehen. In diesen Fällen tritt an die Stelle des § 35 BauGB die Zulässig nach § 30 BauGB. Die Bauleitplanung kann sich also auf unterschiedliche Weise auf die Zulässigkeit von Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB auswirken und in einer Weise praktiziert werden, die sich als „Steuerung“ dieser Vorhaben im Außenbereich darstellt. Damit werden grundsätzliche Fragen der Innenentwicklung anstelle der Außenentwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 S. 3 BauGB) nicht aufgeworfen. Nachfolgend werden die möglichen Instrumente der Bauleitplanung behandelt, die hierfür gezielt eingesetzt werden können. II. Überblick zu den möglichen Instrumenten der Bauleitplanung zur Steuerung von Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB Zu unterscheiden sind die Möglichkeiten von Flächennutzungs- und Bebauungsplanung. Die Bedeutung des Flächennutzungsplans für die Zulässigkeit ergibt sich zum einen aus § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB. Danach dürfen Vorhaben im Außenbereich zwar den Darstellungen des Flächennutzungsplans nicht widersprechen. Dieser „öffentliche Belang“ kann aber privilegierten Vorhaben nur eingeschränkt entgegengehalten werden.5 Anerkannt sind Nutzungsbeschränkungen und Grenzwerte für Geruchsimmissionen durch Darstellungen im Flächennutzungsplan nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauGB, die die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB – hier von Tierhaltungsanlagen – begrenzen.6 Ebenso anerkannt sind Höhenbegrenzungen im Flächennutzungsplan nach § 16 Abs. 1 BauNVO, die von Windenergieanlagen einzuhalten sind.7 Eine eigenständig geregelte Bedeutung des Flächennutzungsplans enthält § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB für privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 BauGB.8 Nach den dort geregelten Voraussetzungen verbleibt es bei der Anwendung der Zulässigkeitsreglungen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB, jedoch räumlich be5 W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 64 f., 79 ff. m.w.N. 6 Nach BVerwG, NVwZ 2006, 87 = ZfBR 2006, 44 („Wangerland“). 7 Vgl. z. B. OVG Münster, UPR 2012, 452; nachfolgend BVerwG, ZfBR 2013, 571. 8 Danach „stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist“.

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schränkt auf die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Flächen. Im Ergebnis ermöglichen solche Darstellungen im Flächennutzungsplan eine räumliche Konzentration der benannten Vorhaben auf bestimmte Standorte, also ihre räumliche Steuerung. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB wurde erstmals 1996 zeitgleich mit der Aufnahme des Privilegierungstatbestands für Windenergieanlagen eingeführt und später (2014) auf die weiteren und teils neuen Privilegierungstatbestände der Nummern 2 bis 6 des § 35 Abs. 1 BauGB erstreckt.9 Zu § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB siehe unten zu III. Die gesetzliche Ausweitung der Privilegierungstatbestände in § 35 Abs. 1 BauGB seit 1996 ging also einher mit der Erstreckung des Planvorbehalts des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auf die danach neu aufgenommenen Privilegierungstatbestände für die Nutzung erneuerbarer Energien (Nr. 5 und 6), d. h. die Gemeinde hat im Flächennutzungsplan von vornherein schon mit der Aufnahme der neuen Privilegierungstatbestände die Möglichkeit ihrer räumlichen Begrenzung. Damit und mit der Erstreckung der Anwendbarkeit des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auch auf die seinerzeit schon vorhandenen Privilegierungstatbestände steht die Zulässigkeit der privilegierten Vorhaben unter dem Vorbehalt, dass für sie nicht „eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist“. Ausgenommen sind Vorhaben land- und forstwirtschaftlicher Betriebe im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wegen ihrer spezifischen Bodennutzung und der mit den nach § 5 Abs. 2 Nr. 9 a und b BauGB weitreichend erfolgenden Darstellungen von Flächen für die Landwirtschaft und von Wald in den Flächennutzungsplänen. Die Einbeziehung des 2011 eingeführten Privilegierungstatbestands des § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB in den Planvorbehalt war entbehrlich, weil die davon erfassten Anlagen für die Nutzung solarer Strahlungsenergie an Gebäuden von deren privilegierten Zulässigkeit, die wiederum dem Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB unterliegen können, abhängt. Im Übrigen kann dieser Privilegierungstatbestand als eine Regelung des erweiterten Bestandsschutzes betrachtet werden. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ist eine eigenständige, auf bestimmte Sachverhalte des Außenbereichs ausgerichtete Sonderregelung für die Bauleitplanung.10 Sie ist eine zusätzliche Befugnis, von der die Gemeinde Gebrauch machen kann oder auch nicht.11 Sie berührt die allgemeinen Vorschriften über die Aufstellung der Bauleitpläne nicht. Dies hat bei der Beurteilung von Darstellungen im Einzelnen (z. B. sind Rechtsgrundlagen für die Darstellung von Höhenbegrenzungen für Windenergieanlagen in ausgewiesenen „Windparks“ § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB und § 16 BauNVO und nicht § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB) wie im Verhältnis zu anderen planerischen Vorgehenswesen nach den allgemeinen Vorschriften über die Aufstellung der Bauleitpläne Bedeutung, so namentlich zur Aufstellung von Bebauungsplänen zur Steuerung von Vorhaben im Außenbereich. 9 Zur Entstehungsgeschichte W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 123 m.w.N. 10 Ebenso für die Raumordnungsplanung. 11 BVerwG, Urt. v. 31. 01. 2013 – 4 CN 1.12, BVerwGE 146, 40.

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Möglich ist eine Steuerung der von § 35 Abs. 1 BauGB erfassten Vorhaben durch Aufstellung von Bebauungsplänen, indem durch Festsetzungen die Zulässigkeit der Vorhaben für einzelne oder auch weite Teile des Außenbereichs einer Gemeinde abweichend von § 35 BauGB im Sinne des § 30 BauGB geregelt wird.12 Durch bestimmte Festsetzungen,13 so z. B. nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB („von Bebauung freizuhaltende Festsetzungen und ihre Nutzung“), können Teile des Außenbereichs von baulichen Anlagen ganz oder teilweise freigehalten werden. Zugleich kann die bauplanungsrechtliche Absicherungen von Vorhaben im Sinne § 35 Abs. 1 BauGB geschehen, indem es für bestimmte Bereiche (Standorte) des Außenbereichs bei der Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 BauGB verbleibt oder indem für solche Bereiche (Standorte) gezielt Festsetzungen getroffen werden, die die Vorhaben auf bauplanungsrechtliche Grundlagen im Sinne des § 30 BauGB stellen, z. B. durch Festsetzung von Sondergebieten für landwirtschaftliche Betriebe nach § 11 Abs. 2 BauNVO. Diese Bebauungsplanung erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften über die Aufstellung von Bebauungsplänen. Dem Flächennutzungsplan kommt keine über seine allgemeine Bedeutung nach § 5 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 BauGB hinausgehende Funktion zu. Dazu näher unten zu 4. III. Zum Flächennutzungsplan im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB 1. Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ist auf die in §§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB genannten privilegierten Vorhaben bezogen. Hauptanwendungsfall – auch wegen der Geltung schon seit 1996 – ist in der Praxis die Steuerung von Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Zu berücksichtigen ist, dass sich Darstellungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nicht auf Windenergieanlagen beziehen können, die als landwirtschaftlichen Betrieben dienende Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu beurteilen sind.14 § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB hat auch praktische Bedeutung erlangt für die Steuerung von Vorhaben für den oberflächennahen Rohstoffabbau wie den Kiesabbau und einen Porphyrsteinbruch im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB, für die Steuerung von gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB und für die Steuerung von Anlagen für die energetische Nutzung von Biomasse im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB.15 Der räumliche Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB bezieht sich grundsätzlich auf den Außenbereich der jeweiligen Gemeinde. Davon geht das Bun12

Vgl. dazu im Einzelnen W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 13a m.w.N. 13 Näher dazu unten zu IV. 14 BVerwG, ZfBR 2009, 149. 15 Vgl. W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 124g m.w.N; z. B. auch VGH München, Urt. v. 23. 02. 2017 – 2 N 15.279, juris, zum Kiesabbau.

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desverwaltungsgericht ersichtlich aus, indem es für die Darstellungen des Flächennutzungsplans im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ein „Plankonzept für den Außenbereich“ verlangt.16 Diese Auffassung knüpft daran an, dass der Flächennutzungsplan für das gesamte Gemeindegebiet aufgestellt wird (§ 5 Abs. 1 S. 1 BauGB) und dass hierfür ein Plankonzept „für den Außenbereich“ erforderlich ist (s. unten). Der Zweck des Flächennutzungsplans im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB verlangt dies aber nicht zwingend. Für den Teilflächennutzungsplan (§ 5 Abs. 2b BauGB) – diese können für die Zwecke des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB aufgestellt werden – ist ausdrücklich geregelt, dass sie auch nur für Teile des Gemeindegebiets aufgestellt werden können. 2. Zu den Anforderungen an Darstellungen des Flächennutzungsplans im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Die Rechtsprechung hat sich schon früh mit den Anforderungen befasst, die an eine Flächennutzungsplanung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB bei Steuerung der Windenergie im Außenbereich zu stellen sind und die seitdem maßgebliche Grundlagen hierfür sind.17 Die Anforderungen wurden in mehreren Entscheidungen konkretisiert; sie sind heute Maßstab für die Anwendung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB.18 Danach wird ein „Plankonzept für den Außenbereich“ verlangt. Damit kann die Gemeinde Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positiven Standortzuweisungen getragen werden, und deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von solchen Vorhaben freizuhalten. Das Plankonzept für den Außenbereich vollzieht sich abschnittsweise mit den folgenden Elementen und Schritten:19 Zunächst sind die sog. harten Tabuzonen zu ermitteln. In ihnen sind die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen schlechthin ausgeschlossen. Daran schließt sich die Ermittlung (Bestimmung) der sog. weichen Tabuzonen an. In ihnen ist zwar die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen möglich, in ihnen sollen aber nach den Vorstellungen der Gemeinde keine Windenergieanlagen aufgestellt werden. In den danach verbleibenden Flächen, den sog. Potentialflächen, wählt die Gemeinde nach Abwägungsgrundsätzen Standorte für Windenergieanlagen aus. Im Ergebnis muss der Windenergie in substanzieller Weise Raum verschafft werden, die der gesetzgeberischen Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB Rechnung trägt. 16

Näher dazu unten III. 2. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 2002 – 4 C 15.01, BVerwGE 117, 295. 18 Die für die Flächennutzungsplanung entwickelten Anforderungen des BVerwG werden entsprechend auf die Ziele der Raumordnung in Raumordnungsplänen übertragen. 19 Vgl. dazu die Zusammenfassung in BVerwG, ZfBR 2010, 65. 17

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Diese Grundsätze gelten auch für die Steuerung der anderen in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und 6 BauGB geregelten privilegierten Vorhaben, wenn auch mit Modifizierungen unter Berücksichtigung von Besonderheiten der jeweiligen Privilegierungstatbestände.20 So muss eine Steuerung von Biomasse-Anlagen berücksichtigen, dass der Privilegierungstatbestand des 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB jeweils auf Einzelanlagen in räumlich-funktionalem Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Betrieben abstellt, so dass nicht wie bei der Steuerung von Windenergieanlagen üblich die Ausweisung von Flächen für mehrere Windenergieanlagen („Windparks“) möglich ist. 3. Die Schwierigkeiten bei Ermittlung der harten Tabuzonen Wie die obergerichtliche Rechtsprechung – vor allem seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. 12. 2012 und diese übernehmend – bestätigt, bereitet die verlangte Unterscheidung von harten und weichen Tabuzonen erhebliche Schwierigkeiten. Infolgedessen wurde wegen fehlender oder nicht genauer Unterscheidung der harten von den weichen Tabuzonen21 in zahlreichen Normenkontrollverfahren ein zur Unwirksamkeit des Plans führender Mangel angenommen.22 Angesichts der Tragweite dieser Anforderung und ihrer Fehleranfälligkeit und der Frage nach möglichen Lösungen bedarf es zunächst der Einordnung und Unterscheidung der hier aufgeworfenen Fragen: Nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ist Grundvoraussetzung, dass für das jeweils zu beurteilende privilegierte Vorhaben (der Art im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB nach) eine „Ausweisung an anderer Stelle“, d. h. im Außenbereich (im Planungsraum), erfolgt ist. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Bauleitplanung kommt es bei der Ausweisung von Flächen für bestimmte bauliche Nutzungen darauf an, dass diese Flächen auch rechtlich geeignet sind (u. a. erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB) und die berührten Belange (insbesondere nach §§ 1 und 1a BauGB und § 50 BImSchG) berücksichtigt und nach den Abwägungsgrundsätzen (§ 1 Abs. 7 BauGB) zutreffend behandelt werden. Dabei kommt es auch bei Planungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auf Ebenen-spezifische Prüfungen an, also auch mit Unterschieden der Prüfungen auf den beiden Planungsebenen Flächennutzungsplan und Bebauungsplan und im Blick auf nachfolgende Genehmigungsverfahren. Es können also bei Ausweisung bestimmte Fragen den nachfolgenden Verfahren (Bebauungsplan, Genehmigung) überlassen bleiben.23 Es bedarf insoweit also nicht auf der Ebene des Flächennutzungsplans der endgültigen Klärung der Zulässig20 Vgl. W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 124g m.w.N. 21 BVerwG, Urt. v. 13. 12. 2012 – 4 CN 1.11, BVerwGE 145, 231 = juris, Rn. 11 ff. 22 Vgl. ausführlich dazu Verf. im Hintergrundpapier der Fachagentur Windenergie an Land „20 Jahre Erfahrung mit der privilegierten Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Außenbereich“, Febr. 2018, www.fachagentur-windenergie.de, m.w.N. zur Rechtsprechung. 23 Allgemein zum „Konflikttransfer“ W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 1 Rn. 215 ff.

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keit von Vorhaben in den verschiedenen Bereichen. Dabei sind je nach Situation auch die Auswirkungen auf die Umgebung und ggf. auch Planalternativen zu prüfen.24 Diese den allgemeinen Regeln zur Aufstellung der Bauleitpläne entsprechende Vorgehensweise verlangt – an dieser Stelle – aber nicht ein Plankonzept für einen größeren Bereich, wie etwa für den gesamten Außenbereich. Eine Modifizierung dieser allgemeinen Regeln besteht aufgrund der Funktion des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB insofern, als mit der Ausweisung von Flächen für die betreffenden Nutzungen deren gesetzlich bestimmte privilegierte Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB Rechnung tragen muss. Denn § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB bedeutet nicht die Beseitigung der privilegierten Zulässigkeit der jeweiligen privilegierten Nutzung im Außenbereich, sondern allein ihre räumliche Beschränkung auf bestimmte Standorte. Insofern ist es zutreffend, dass das Bundesverwaltungsgericht verlangt, es müsse der jeweiligen Nutzung „in substanzieller Weise Raum verschafft werden“, die der privilegierten Zulässigkeit Rechnung trägt. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht einige Grundsätze aufgestellt,25 die eine situationsgemäße Beurteilung ermöglichen und soweit ersichtlich von der Praxis auch in der erforderlichen Weise genutzt werden. Insofern bedarf es auch eines Blicks auf die Möglichkeiten der Aufnahme der in Betracht kommenden Vorhaben im Außenbereich der jeweiligen Gemeinde. Diese Frage kann ohne Ermittlung der harten Tabuzonen im Sinne der Planung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB beantwortet werden.26 Im Übrigen weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass es die Entscheidung, anhand welcher Kriterien sich die Frage beantworten lässt, ob die Konzentrationsflächenplanung der Nutzung der Windenergie substanziell Raum verschafft, den Tatsachengerichten vorbehalten hat27. Zu diesen Aspekten tritt die vom Bundesverwaltungsgericht gestellte und aus Anlass der Flächennutzungsplanung zur Windenergie entwickelte Anforderung hinzu, dass im gesamten Außenbereich und unabhängig von den für eine Ausweisung vorgesehenen Flächen die harten Tabuzonen in Abgrenzung zu den weichen Tabuzonen zu ermitteln sind. Dies – so das Bundesverwaltungsgericht – hat den Zweck, herauszustellen, aus welchen Gründen für bestimmte Flächen eine Ausweisung für die Windenergie nicht vorgenommen wird, und sicherzustellen, dass der Gemeindevertretung beim Beschluss über den Flächennutzungsplan bewusst ist, für welche Flächen sie aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen im Flächennutzungsplan keine Flächen für die Windenergie ausweisen kann. Bei den zu ermittelnden harten Tabu24

Vgl. W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 1 Rn. 210, 224 ff. Vgl. insbesondere BVerwG, Urt. v. 20. 05. 2010 – 4 C 7.09, BVerwGE 137, 72. 26 Nach dem BVerwG, Urt. v. 13. 12. 2012 – 4 CN 1.11 (o. Fn. 21), beantwortet sich die Frage nach „substanziell Raum verschafft“ nicht ausschließlich nach dem Verhältnis der ausgewiesenen Flächen zu den Potenzialflächen. 27 Das BVerwG hat daran mit dem Zusatz festgehalten, dass die von den Tatsachengerichten entwickelten Kriterien revisionsgerichtlich hinzunehmen sind, wenn sie nicht von einem Rechtsirrtum infiziert sind, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder ansonsten für die Beurteilung des Sachverhalts schlechthin ungeeignet sind. 25

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zonen handelt es sich somit um Flächen, deren Aufnahme in die Darstellungen des Flächennutzungsplans an § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB scheitern würde.28 Diese Zonen sind nach dem Bundesverwaltungsgericht auch zu ermitteln, wenn hierfür nach den planerischen Überlegungen eine Ausweisung nicht erfolgen soll. Eine in vielerlei Hinsicht praktikable Zusammenfassung von harten mit weichen Tabuzonen, die zu planerisch positiv zu beurteilenden Ergebnissen führen kann, ist nach dem Bundesverwaltungsgericht seit dem 13. 12. 2012 nicht möglich.29 Die Ermittlung der harten Tabuzonen wirft weitreichende (die berührten rechtlichen Themenbereiche sind vielfältig) und in einer für eine rechtssichere Handhabung in der Planungspraxis erforderlichen Weise nicht geklärte Fragen auf. Sie lassen sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen, und die obergerichtliche Rechtsprechung, die das Bundesverwaltungsgericht umsetzt, weist Unterschiede auf. An anderer Stelle ist die sich hieraus ergebende Rechtslage dargestellt worden.30 Seitdem sind weitere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen bekannt geworden, anhand derer die Problematik ergänzend erläutert werden kann. Bei Ermittlung der harten Tabuzonen sind die für die Bauleitplanung unterschiedlich wirkenden Rechtsbereichen sowohl im Bundes- wie im Landesrecht zu berücksichtigen. Die in der Praxis auftretenden Fälle sind vielfältig. Bedeutende Beispiele ergeben sich z. B. aus dem Immissionsschutzrecht, dem Bundes- und Landesnaturschutzrecht und -waldrecht und dem Raumordnungsrecht. Diese können sich wiederum ändern, oder es erfolgen endgültige Klärungen oder Fortentwicklungen von Bundes- und Landesrecht durch die Rechtsprechung.31 Dies machen die Rechtsprechungsnachweise in der oben zitierten Veröffentlichung des Verfassers deutlich, ebenso wie die nachfolgend zitierte obergerichtliche Rechtsprechung. Die Prüfung dieser Rechtsbereiche danach, ob sie im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB der Ausweisung einer Fläche z. B. für die Windenergie der Planung entgegensteht, kann auch rechtlich „anspruchsvoll“ sein; die Prüfung bleibt aber überschaubar und vertretbar, weil sie auf die Fläche bezogen ist, für die eine Darstellung für das jeweilige Vorhaben vorgesehen ist. Anders ist dies bezüglich der Ermittlung von harten Tabuzonen im gesamten Außenbereich, für die Darstellungen für bestimmte Nutzungen nicht vorgesehen werden sollen. Dies wirft auch die Struktur der Bauleitplanung berührende Fragen auf. Dies sei an einigen Beispielen deutlich gemacht: Ein Beispiel ist die Ermittlung harter Tabuzonen in Bezug auf die Berücksichtigung von Geräuschen, die von Windenergieanlagen ausgehen und die immissionsschutzrechtlich insbesondere nach der TA Lärm zu beurteilen sind, wodurch sich 28

So z. B. ausdrücklich OVG Lüneburg, ZfBR 2018, 471 (474). Nach dem BVerwG, Urt. v. 20. 05. 2010 – 4 C 7.09 (o. Fn. 25), konnte wohl noch von einer zulässigen Zusammenfassung von harten und weichen Tabuzonen ausgegangen werden. 30 W. Söfker, im Hintergrundpapier der Fachagentur Windenergie an Land vom Stand Febr. 2018 (o. Fn. 22). 31 Beispiele finden sich in der zu Flugsicherungseinrichtungen, Wetterradaranlagen u. ä. in den letzten Jahren ergangenen Rechtsprechung. 29

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die Notwendigkeit der Einhaltung von Abständen ergeben kann, z. B. von Windenergieanlagen zu Wohnorten. Die Berechnung der Größe der Abstände hängt von mehreren Faktoren ab, die sich aus der jeweils konkret vorgesehenen Anlage ergeben (z. B. Standorte, Höhe, lärmrelevante Technik und Laufzeiten der Anlagen sowie die Umgebung der Anlagen, relevant für die Ausbreitung des von den Anlagen ausgehenden Lärms je nach Höhe der Anlagen und der sog. Bodendämpfung durch Bewuchs und bauliche Anlagen)32. Diese können wiederum durch Bauleitplanung beeinflusst werden. Im Rahmen der Flächennutzungsplanung geschieht dies bei Festlegung der Flächen aus Anlass der Bauleitplanung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB und durch Höhenbegrenzungen; ggf. erfolgt eine Ergänzung durch Festsetzungen in Bebauungsplänen z. B. nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB (Vorkehrungen an den Anlagen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen) und ggf. zur Festlegung der Standorte für die einzelnen Anlagen nach § 23 BauNVO. Es können auch die in nachfolgenden Genehmigungsverfahren möglichen Maßnahmen berücksichtigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hält es auch für möglich, durch Änderung eines für einen benachbarten Wohnort geltenden Bebauungsplans die Voraussetzungen für die Einhaltung der Richtwerte durch Windenergieanlagen an bestimmten Standorten zu schaffen.33 Angesichts der Komplexität dieser sich aus der Anwendung der TA Lärm ergebenden jeweils erforderlichen Abstände erscheint die Ermittlung von harten Tabuzonen bei Flächennutzungsplanungen im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB rechtssicher nur handhabbar, wenn die Gemeinde allgemein anwendbare Annahmen zugrunde legen kann. Angesichts unterschiedlicher obergerichtlicher Rechtsprechung ist eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht angezeigt.34 Als weiteres Beispiel kann die Frage der Behandlung von förmlich festgelegten Landschaftsschutzgebieten als harte Tabuzonen benannt werden. Diese Gebietsfestlegungen enthalten weitgehende Bauverbote mit Ausnahmemöglichkeiten für bestimmte bauliche Anlagen, etwa solchen, die landwirtschaftlichen Betrieben dienen. Da die Gebietsfestlegungen zumeist aus einer Zeit stammen, als die Errichtung von Windenergieanlagen noch keine Bedeutung hatte, stellt sich die Frage der Erteilung von Befreiungen. Die Befreiungspraxis ist soweit ersichtlich unterschiedlich, und dies auch mit Bedeutung für die Planungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB.35 So könnte die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster, das von einer grund32

Vgl. dazu zur Rechtsprechung auch mit ihren Unterschieden im Rundbrief Windenergie und Recht, Heft 1/2018, www.fachagentur-windenergie.de. 33 Vgl. BVerwG, Urt. v. 04. 08. 2009 – 4 CN 4.08, BVerwGE 134, 264; im zugrunde liegenden Fall konnte durch die Änderung der Festsetzung eines benachbarten reinen Wohngebiets in ein allgemeines Wohngebiet bei gleichen Abständen zwischen Windenergieanlagen und Wohnort die Einhaltung der Richtwerte der TA Lärm erreicht werden. 34 Das BVerwG, Beschl. v. 11. 06. 2018 – 4 BN 38.17, juris, hat die Revision zum Urt. des OVG Münster, Urt. v. 05. 07. 2017 – 7 D 105/14.NE, juris, zugelassen. 35 OVG Lüneburg, Beschl. v. 16. 09. 2016 – 12 LA 145.15, juris, grundsätzlich verneinend; OVG Münster, Beschl. v. 09. 06. 2017 – 8 B 1264.16, juris, grundsätzlich bejahend, im Beschl. v. 08. 11. 2017 – 8 A 2454/14, juris, wiederum verneinend.

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sätzlich möglichen Befreiung ausgeht, sie aber auch in begründeten Fällen verneint, Veranlassung sein, aus Anlass einer Flächennutzungsplanung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB für den gesamten Außenbereich zu klären, für welche Teile des Außenbereichs und des Landschaftsschutzgebiets eine Befreiung erteilt wird oder – abgeschwächt – eine „Befreiungslage“ besteht, und damit die Annahme von harten Tabuzonen verneint werden kann. Eine bundeseinheitliche Rechtsprechung müsste wiederum an dem revisionsgerichtlichen Klärungen zugänglichen § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ansetzen. Ähnlich wie in Fällen der TA Lärm und der Landschaftsschutzgebiete kann es sich hinsichtlich des naturschutzrechtlich geregelten Artenschutzes und der Natura-2000Gebiete verhalten. Daran anknüpfend können auch die Ziele der Raumordnung für die Ermittlung von harten Tabuzonen Bedeutung haben. Wegen der Anpassungspflicht auch der Flächennutzungsplanung an die Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB) kann sich die Frage stellen, inwieweit etwa festgelegte Vorrangflächen für andere Zwecke als z. B. für die Windenergie nicht nur einem Vorhaben nach § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB entgegenstehen,36 sondern auch als harte Tabuzonen für die Errichtung von Windenergieanlagen zu behandeln sind. Nach dem Oberverwaltungsgericht Münster37 hat hier die Gemeinde als Trägerin der Planung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eine Prüfpflicht. Bisher hat sich das Bundesverwaltungsgericht bezüglich der Klärung, welche Annahmen bei der Ermittlung der harten Tabuzonen in den verschiedenen Themenbereichen zu Grunde gelegt werden könnten, zurückgehalten. Es ist daher die Frage aufgeworfen, ob es gelingt, die Anforderungen an die Ermittlung der harten Tabuzonen auf ein sachangemessenes und rechtssicher anwendbares Maß zu bringen.38 Diese Fragen sind für die Anwendung des § 35 Abs. 3 S. 3 zentral. Zu bedenken ist, dass die Einführung der privilegierten Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Jahr 1996 zugleich damit verbunden war, dass im Rahmen der Flächennutzungsplanung (und der Raumordnungsplanung) eine Steuerung erfolgen kann (s. oben zu I.). Sie muss auch rechtssicher handhabbar sein.

36 Vgl. dazu weitreichende Bindungen annehmend BVerwG, Urt. v. 16. 04. 2015 – 4 CN 6.14, BVerwGE 152, 49; Änderungen im ROG 2017 müssen ggf. zu berücksichtigen sein. 37 OVG Münster, Urt. v. 06. 03. 2018 – 2 D 96/15.NE, juris; zugleich zu weiteren komplexen Abgrenzungsfragen, ebenso wie auch in OVG Lüneburg, Urt. v. 05. 03. 2018 – 12 KN 144.17, juris, zu Abständen zu „Siedlungsflächen“. 38 Gelegenheit könnte gegeben sein im laufenden Revisionsverfahren (o. Fn. 34).

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IV. Aufstellung von Bebauungsplänen für den Außenbereich Die nachfolgend behandelten Merkmale einer Bebauungsplanung, mit der Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB gesteuert werden können (s. oben II.), lassen sich weitgehend auf die obergerichtliche Rechtsprechung stützen.39 1. Ziele und Zwecke der Planung Die planerischen Ziele sind darauf gerichtet, die bauliche Entwicklung im Außenbereich abweichend oder in Ergänzung zu dem für privilegierte Vorhaben im Außenbereich geltenden Zulässigkeitsrecht des § 35 BauGB durch Festsetzungen in Bebauungsplänen zu bestimmen. Dabei kommt es darauf an, wie die oben zu I. dargelegten Anliegen verfolgt werden können. Dazu gehören insbesondere die weitgehende Freihaltung bestimmter Teile des Außenbereichs von Bebauung zum Schutz und zur Entwicklung des Außenbereichs sowie die Abstimmung mit vorhandenen oder geplanten Ortsteilen und Baugebieten. Die hierbei in Betracht zu ziehenden Festsetzungen werden auf der Grundlage der allgemeinen Vorschriften über die Aufstellung von Bebauungsplänen getroffen. Dies gilt für die auf der Grundlage des § 9 BauGB sowie der BauNVO möglichen Festsetzungen sowie für die insbesondere nach § 1 und § 1a BauGB zu beachtenden Grundsätze der Bauleitplanung, namentlich des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB). Daraus kann sich, wie zu zeigen sein wird, ein bestimmtes Vorgehen, so zur Berücksichtigung verschiedener von der Planung berührter Belange ergeben; ein „Plankonzept für den Außenbereich“, wie es die Rechtsprechung für die Flächennutzungsplanung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB (s. oben III. 2.) verlangt, ist – dies schon vorausgeschickt – hier nicht Voraussetzung. 2. Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich einer solchen Bebauungsplanung ist nicht auf bestimmte, nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert zulässige Vorhaben beschränkt. So 39 Vgl. zur Rechtsprechung: OVG Lüneburg, Urt. v. 08. 12. 2009 – 1 KN 355/07, BauR 2010, 1181 = ZfBR 2010, 474; Urt. v. 13. 09. 2011 – 1 KN 56/08, ZfBR 2011, 780 = RdL 2011, 337; Urt. v. 26. 10. 2011 – 1 KN 254/10, AUR 2012, 103 = NuR 2012, 339; Urt. v. 26. 10. 2011 – 1 KN 161/08, juris; Beschl. v. 14. 11. 2011 – ME 181/11, ZfBR 2012, 42 = RdL 2012, 6; Urt. v. 13. 08.2013 – 1 KN 69/11, juris; Urt. v. 10. 02. 2015 – 1 KN 119/13, AUR 2015, 152; Urt. v. 30. 07. 2015 – 12 KN 265/13, DVBl. 2015, 1400 = NuR 2015, 710 = NordÖR 2015, 545 = BauR 2016, 63; Urt. v. 20. 08. 2015 – 1 KN 142/13, ZfBR 2015, 786 = RdL 2015, 328 = BauR 2015, 1949; Urt. v. 13. 10. 2015 – 1 KN 66/14, ZfBR 2016, 380; VGH Mannheim, Urt. v. 26. 06. 2014 – 5 S 203/13, juris; Urt. v. 25. 03. 2015 – 5 S 1047/14, juris, Rn. 39, nachgehend BVerwG, Beschl. v. 05. 10. 2015 – 4 BN 31.15, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 25. 02. 2015 – 8 A 10945/14, LKRZ 2015, 254; Urt. v. 20. 01. 2016 – 8 C 10885/15, ZfBR 2016, 488; VGH München, Urt. v. 27. 12. 2001 – 26 N 01.1327, juris, Rn. 25 f.; Urt. v. 30. 07. 2013 – 1 N 11.821, juris, Rn. 24; Urt. v. 07. 02. 2013 – 1 N 11.1854, juris, Rn. 34 f.: Urt. v. 17. 03. 2015 – 15 N 13.972, juris, Rn. 16 f.

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können sich – anders als bei Darstellungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB – die Festsetzungen gleichermaßen auf landwirtschaftliche und nicht-landwirtschaftliche (gewerbliche) Tierhaltungsanlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BauGB beziehen oder auf sie auswirken und nicht wie in Fällen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nur auf gewerbliche Tierhaltungsanlagen. Die Festsetzung solcher Bebauungspläne können sich auch auf bestimmte, einzelne oder mehrere Vorhabenarten im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB beziehen; maßgeblich hierfür ist das jeweilige planerische Konzept der Gemeinde und die sich aus der Behandlung der berührten öffentlichen und privaten Belange in der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgenden Ergebnisse. Auch insofern besteht ein Unterschied zu den Darstellungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB; dort ist wegen der Eigenarten der jeweiligen privilegierten Vorhaben auf diese bezogen das „Plankonzept für den Außenbereich“ (s. oben III. 2.) zu entwickeln. Nicht zuletzt ist von praktischer Bedeutung, dass mit der hier behandelten Bebauungsplanung wegen der im Bebauungsplan nach § 9 BauGB und der BauNVO möglichen Festsetzungen eine weiterreichende Regelungstiefe erreichbar ist als mit Darstellungen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, deren einzige Rechtsfolge grundsätzlich nur die in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB benannten Wirkungen der Darstellungen als öffentlicher Belang ist. Der räumliche Anwendungsbereich der Bebauungsplanung kann den gesamten Außenbereich der jeweiligen Gemeinde oder größere Teile wie auch nur begrenzte Teile des Außenbereichs umfassen. So ist z. B. denkbar, dass sich der mit einer solchen Bebauungsplanung bezweckte Ausschluss von Vorhaben nur auf einen bestimmten Umkreis von Orten beschränkt, in denen bestimmte Vorhaben zur Berücksichtigung bestimmter städtebaulicher Anliegen ausgeschlossen werden. Beispiele hierfür sind der Ausschluss von Tierhaltungsanlagen oder von Windenergieanlagen im Nahbereich von Orten im Sinne des § 30 und § 34 BauGB. Dies wirkt sich in verschiedener Weise aus, so z. B. im Hinblick auf die Notwendigkeit der städtebaulichen Begründung des Ausschlusses baulicher Anlagen und die sich daraus ergebende Behandlung der Grundsätze der Bauleitplanung (§§ 1 und 1a BauGB). In jedem Fall setzt der Bebauungsplan seine Grenzen und damit seinen räumlichen Geltungsbereich fest (§ 9 Abs. 7 BauGB). 3. Festsetzungen Zu unterscheiden sind die Festsetzungen zum Freihalten von Bebauung von solchen Festsetzungen, die der zielgerichteten bauplanungsrechtlichen Absicherung von Vorhaben dienen. In Anlehnung an die Rechtsprechung40 können in Betracht kommen: Für die Festsetzung von Flächen, die das Freihalten des Außenbereichs von Bebauung zum Gegenstand haben, sind – auch kombiniert – insbesondere möglich und 40 Vgl. die diesbezügliche und die Bebauungsplanungen insgesamt bestätigende Rechtsprechung (o. Fn. 39).

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von der Rechtsprechung anerkannt: Flächen für die Landwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 18 a BauGB) mit der Folge des Ausschlusses nicht-landwirtschaftlicher Vorhaben; Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB) als weitreichender Ausschluss; Grünflächen, Flächen für Wald sowie für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 15, 18 b, 20 BauGB); von Bebauung freizuhaltende Schutzflächen und ihre Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB); Flächen für Straßen und Wege (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB). Zu Gunsten von Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB sind – in Abstimmung mit den Zielen der Freihaltung von Flächen des Außenbereichs von Bebauung – grundsätzlich zwei Wege möglich: Es werden bestimmte Fläche von den Festsetzungen für das Freihalten des Außenbereichs ausgenommen mit der Folge, dass für diese Flächen das Zulässigkeitsrecht des § 35 BauGB anwendbar bleibt. Dies kann sich in verschiedenen städtebaulichen Situationen anbieten, z. B. für Vorhaben im Zusammenhang mit vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieben („Hofstellen“). Dies bedeutet aber auch, dass eventuelle spätere Änderungen des § 35 BauGB auch für diese von der Freihaltung ausgenommenen Teile des Außenbereichs gelten. Beispiel aus der Vergangenheit: Wenn ein Bebauungsplan der hier behandelten Art aus dem Jahre 2010 Flächen von den Festsetzungen über die Freihaltung von baulicher Nutzung ausgenommen hat, wurde für die Flächen auch die Änderung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, die zu Einschränkungen des gewerbliche Tierhaltungsanlagen geführt hat, wirksam. Diese Folge kann nur vermieden werden, wenn die folgende zweite Möglichkeit genutzt wird. Die bauplanungsrechtliche Absicherung von Vorhaben kann auch durch hierfür gezielte Festsetzungen erfolgen. Beispiele sind Festsetzungen von Sondergebieten nach § 11 Abs. 2 BauNVO, z. B. für landwirtschaftliche Betriebe insgesamt oder für landwirtschaftliche und gewerbliche Tierhaltungsanlagen oder für Biomasse-Anlagen. Möglich sind auch Festsetzungen von Sondergebieten für Windenergieanlagen („Windparks“). 4. Zu den städtebaulichen Zielen und zur Berücksichtigung der Investitionsinteressen Die von den Festsetzungen berührten öffentlichen und privaten Belangen sind nach den allgemeinen Grundsätzen über die Aufstellung von Bebauungsplänen zu behandeln, also insbesondere Berücksichtigung der in § 1 Abs. 6 und § 1a BauGB benannten Belange und Abwägungsdirektiven, die ja nach Fallgestaltung nach § 2 Abs. 3 und 4 BauGB zu ermitteln und in die Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) einzubeziehen sind. Dies sind die von den Festsetzungen im Plangebiet unmittelbar betroffenen Belange und ggf. auch die Auswirkungen auf die Umgebung des Plangebiets. Eines „Plankonzepts für den Außenbereich“ wie in Fällen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB bedarf es aber nicht.

Steuerung von Außenbereichsvorhaben

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Der Rechtsprechung41 lassen sich – in Stichworten – folgende städtebaulichen Gründe entnehmen: Schutz des Außenbereichs; Abstimmung mit der städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde; Abstimmung mit dem öffentlichen Straßennetz, bedeutsam wegen des oftmals intensiven An- und Abfahrtverkehrs, und Erhaltung und Entwicklung des Wege- und Straßensystems; Sicherung der landwirtschaftlichen Bodennutzung; vorsorgender Immissionsschutz, wie Vermeidung von Geruchsbelästigungen und Lärmbelastungen durch den Zu- und Abgangsverkehr; Naturschutz und Landschaftspflege; Landschaft und Tourismus. Entsprechend diesen Zielen müssen die einzelnen Festsetzungen (s. oben) jeweils städtebaulich begründet werden. Die (privaten) Belange und Interessen der Grundstückseigentümer und betroffenen Betriebe sind ebenfalls zu ermitteln und die Abwägung einzubeziehen. Dazu gehören auch die sich aus der Anwendung des § 35 BauGB ergebenden Möglichkeiten der Zulässigkeit von Vorhaben. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Grundstücke des Außenbereichs keine Baulandqualität haben. Gleichwohl ist grundsätzlich abwägungserheblich z. B. das Interesse eines landwirtschaftlicher Betriebs, an einer Hofstelle die ihm dienenden Vorhaben errichten zu können. Die Beteiligung der Grundstückseigentümer und Betriebe (§§ 3 ff. BauGB) hat insofern Bedeutung. 5. Rechtsfolgen Für die Zulässigkeit der betreffenden Vorhaben sind die Festsetzungen des Bebauungsplans maßgeblich (§ 30 BauGB). Auf den von der Bebauung frei zu haltenden Flächen sind bauliche Anlagen und damit auch die verschiedenen Vorhaben, die sonst ggf. nach § 35 Abs. 1 BauGB zulässig sind, in Bezug auf die Festsetzungen, die der Freihaltung von Bebauung dienen, nicht zulässig. Zulässig sind dagegen Vorhaben entweder auf den nicht erfassten Flächen, auf denen weiterhin § 35 BauGB gilt, oder entsprechend den Festsetzungen zulässig, die der bauplanungsrechtlichen Absicherung von Vorhaben dienen (nach § 30 BauGB).

41 Vgl. die in Fn. 39 genannten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen; näher auch W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 13a.

Auswirkungen des Hochwasserschutzgesetzes II auf die Bauleitplanung Von Alexander Schink I. Einleitung Durch das Hochwasserschutzgesetz II1 sind die Regelungen des WHG zum Hochwasserschutz mit Wirkung zum 05. 01. 2018 geändert worden. Ziel des Artikelgesetzes, das auch Änderungen des BauGB, des BNatSchG und der VwGO umfasst, ist es, - die Verfahren für die Planung, Genehmigung und den Bau von Hochwasserschutzanlagen soweit wie möglich und sinnvoll zu erleichtern und zu beschleunigen, ohne die Beteiligung der Öffentlichkeit zu beschneiden, - gerichtliche Verfahren gegen geplante und genehmigte Hochwasserschutzmaßnahmen – soweit möglich und sinnvoll – zu beschleunigen, - durch zusätzliche Regelungen dazu beizutragen, dass die Entstehung von Hochwasser eingedämmt wird und - Regelungslücken zu schließen, um Schäden durch Hochwasser zu verhindern oder zu vermindern.2 Die durch das Hochwasserschutzgesetz II vorgenommenen Regelungen betreffen auch die Gemeinden. Das gilt insbesondere für die gemeindliche Bauleitplanung, für die durch die Neuregelung weitere Bestimmungen getroffen wurden, die die bisherigen Regelungen des § 78 WHG und des BauGB ergänzen und modifizieren. In die1

Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) vom 30. 06. 2017, BGBl. I S. 2193. Dazu: M. Reinhardt, Trial and Error: Die WHG-Novelle 2017 zum Hochwasserschutz, NVwZ 2017, 1585 ff.; F. Hofmann, Das Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) – Ziele, Inhalte und Hintergründe, ZfW 2018, 1 ff.; J. Wagner/J. Wahlhäuser, Hochwasserschutz und Bauleitplanung, DVBl. 2018, 473 ff.; S. Mitschang, Belange des Wassers und des Hochwasserschutzes in der Bauleitplanung, ZfBR 2018, 329 ff.; M. Fischer/B. Heyn, Die BauGB-Novelle(n) 2017 zur Stärkung des Zusammenlebens in der Stadt und zur Umsetzung diverser fachrechtlicher Vorgaben, I+E 2017, 154 (162 f.); zum Entwurf: S. Wienhues, Hochwasserschutz, Baurecht und Drittschutz: Neue Antworten auf alte Fragen?, NordÖR 2016, 437. 2 Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II), BTDrs. 18/10879, S. 1 f.; zu den gesetzgeberischen Zielsetzungen auch J. Wagner/J. Wahlhäuser, DVBl. 2018, 474 f.

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sem Zusammenhang sind vor allem die Neukonturierungen der Grenzen der Zulässigkeit der Aufstellung von Bauleitplänen in Überschwemmungsgebieten in § 78 WHG zu erwähnen, die durch Änderungen des BauGB sowie Klarstellungen zum Drittschutz ergänzt werden. Darüber hinaus ist auf Beschränkungen der Bauleitplanung und der baulichen Nutzung in Hochwasserrisikogebieten (§ 78b WHG) und Hochwasserentstehungsgebieten (§ 78d WHG) hinzuweisen. II. Bauleitplanung in festgesetzten Überschwemmungsgebieten Die gemeindliche Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten unterlag bereits in der Vergangenheit gemäß § 78 WHG erheblichen Beschränkungen.3 Die bisherigen baulichen Schutzvorschriften in Überschwemmungsgebieten des § 78 WHG, die sowohl die Bauleitplanung als auch die Zulassung von Vorhaben erfassten, wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit in zwei Regelungen aufgeteilt und teilweise neu gefasst. § 78 WHG enthält unter der Überschrift „Bauliche Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete“ jetzt die Bestimmungen für die Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten, die bisher in § 78 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG geregelt waren, sowie die Ausnahmen hiervon der bisherigen Absätze 2 und 3 des § 78 WHG; darüber hinaus wird die Zulassung der Errichtung oder Änderung von Bauvorhaben und von Anlagen der Verkehrsinfrastruktur in Überschwemmungsgebieten geregelt (§ 78 Abs. 4 – 7 WHG). Ergänzt werden diese Regelungen, die gegenüber dem bisherigen Recht einige Neuregelungen und gesetzliche Klarstellungen enthalten, durch Änderungen des BauGB, die zum einen die Bedeutung des Hochwasserschutzes in der bauleitplanerischen Abwägung stärken und zum anderen den Gemeinden neue Festsetzungsmöglichkeiten in Bebauungsplänen eröffnen (§ 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB neu). In § 78a WHG wurden die sonstigen Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete zusammengefasst, die bislang in § 78 Abs. 1 Nr. 3 – 9, Abs. 4 WHG enthalten waren. 1. Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten a) Das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG Nach § 78 Abs. 1 S. 1 WHG ist die Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem BauGB grundsätzlich untersagt. Die bisher in § 78 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 2 WHG enthaltene Regelung wurde bei der Neufassung des § 78 WHG durch das Hochwasserschutzgesetz II übernom-

3 Vgl. dazu z. B. W. Köck, Hochwasserschutzbelange in der Bauleitplanung, ZUR 2015, 515 ff.; P. Sachsinger/W. Schrödter, Hochwasserschutz und Städtebaurecht, Teil 1, ZfBR 2015, 534 ff., Teil 2, ZfBR 2015, 655 ff.; T. Schmitt, Zum Verhältnis kommunaler Bauleitplanung und vorbeugendem Hochwasserschutz, ZfW 2016, 21 ff.

Auswirkungen des Hochwasserschutzgesetzes II auf die Bauleitplanung

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men. In enger Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG4 zu § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG a.F. gilt das Verbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG nur für im Außenbereich gelegene Flächen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten, die erstmals einer baulichen Nutzung zugeführt werden sollen. Verboten nach der Neufassung des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG ist nur die Erstplanung im Außenbereich in Überschwemmungsgebieten. Ergänzt wird diese Regelung durch § 78 Abs. 3 WHG. Dort finden sich jetzt die Regelungen zur Bebauungsplanung im Innenbereich. Nach wie vor besteht dort kein Planungsverbot.5 Die Neuregelung zielt zwar darauf ab, den Hochwasserschutz bei der Bauleitplanung im Innenbereich zu stärken, indem sie Vorgaben für die Berücksichtigung von Hochwasserschutzbelangen in der planerischen Abwägung bei der Überplanung von Innenbereichslagen macht.6 Im Grundsatz normiert sie aber lediglich die bisherige Rechtsprechung des BVerwG zur Reichweite des Planungsverbotes des § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG a.F. Nach dieser Rechtsprechung fielen bloße Umplanungen, wie die Änderung der Gebietsart in bestehenden qualifizierten Bebauungsplänen ebenso wenig unter das Planungsverbot wie die Überplanung faktischer Baugebiete und damit des unbeplanten Innenbereichs. Die lediglich deklaratorische Überplanung bereits festgesetzter oder faktischer Baugebiete war nicht erfasst.7 Faktische Baugebiete sind bebaubare Gebiete nach § 34 Abs. 1 BauGB.8 Bei dieser Einschränkung des Planungsverbots ist es geblieben.9 Es gilt auch zukünftig nur bei der Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich. Die Erweiterung bestehender Baugebiete in den Außenbereich hinein ist hiervon allerdings ebenfalls erfasst.10 Für Ergänzungen der baulichen Nutzbarkeit bei der Änderung bestehender Baugebiete oder die Überplanung des unbeplanten Innenbereichs ohne Ausgriff in den bisherigen Außenbereich gilt das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG hingegen nach wie vor nicht. 4 BVerwG, Urt. v. 03. 06. 2014 – 4 CN 6/12, BVerwGE 149, 373, Rn. 12 bis 15 mit Anm. C. Külpmann, juris PR-BVerwG 19/2014, Anm. 4. Dazu: A. Kerkmann, Das Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten, UPR 2014, 328 ff.; M. Oerder/ M. Nettekoven, Die Ausweisung neuer Baugebiete in festgesetzten Überschwemmungsgebieten nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG, BauR 2014, 635 ff.; W. Köck, ZUR 2015, 518; P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 536 f. 5 F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (10). 6 M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1586). 7 BVerwG, Urt. v. 03. 06. 2014 – 4 CN 6/12, BVerwGE 149, 373, Rn. 12 bis 15 mit Anm. C. Külpmann, juris PR-BVerwG 19/2014, Anm. 4; OVG Bautzen, Urt. v. 30. 05. 2013 – 1 C 4/ 13, BauR 2014, 661 mit Anm. K. Reiners, juris PR-UmweltR 1/2014, Anm. 3; M. Oerder/ M. Nettekoven, BauR 2014, 635; G. Hünnekens, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, 84. EL Juli 2017, § 78 WHG Rn. 7; F. Hornfischer/B. Reith, Hochwasserschutz nach dem neuen Wassergesetz – Herausforderung für den Städtebau, VBlBW 2014, 401 (406 f.); M. Rossi, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp (Hrsg.), WHG, 51. EL Februar 2017, § 78 Rn. 11 ff. 8 F. Hornfischer/B. Reith, VBlBW 2014, 406 f.; M. Rossi, in: SZDK (o. Fn. 7), § 78 Rn. 11. 9 Zu den Gründen: F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (10). 10 P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (536 f.).

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Weiter ist zu beachten, dass dieses Planungsverbot nur für neue „Baugebiete“ gilt, sodass Bebauungspläne, die Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB treffen, die kein Baugebiet ausweisen, wie dies bei Gemeinbedarfsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB), Grünflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB), Wasserflächen oder Sport- oder Verkehrsanlagen der Fall ist, nicht erfasst werden.11 Für Verkehrsanlagen ist freilich § 78 Abs. 7 WHG zu beachten. Danach dürfen bauliche Anlagen der Verkehrsinfrastruktur, die nicht unter § 78 Abs. 4 WHG fallen, nur hochwasserangepasst errichtet oder erweitert werden. Diese Regelung ist auch in der Bauleitplanung zu beachten und hat zur Folge, dass die planerischen Festsetzungen für Verkehrsanlagen zwingend hochwasserangepasst geplant werden müssen, denn anderenfalls ist ihre Errichtung nicht zulässig. Es handelt sich um eine zwingende rechtliche Vorgabe, die nicht der planerischen Abwägung unterliegt. § 78 Abs. 1 S. 1 WHG gilt nur für Bebauungspläne, Vorhaben- und Erschließungspläne nach § 12 BauGB sowie einfache Bebauungspläne nach § 30 Abs. 3 BauGB, soweit diese Baugebiete festsetzen.12 Ob das Planungsverbot auch für Flächennutzungspläne gilt, wird unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird angenommen, dass aus der Gleichstellung der Ausweisung von Baugebieten im Außenbereich mit städtebaulichen Satzungen folge, dass nur Bebauungspläne erfasst sind, denn nur hierbei handle es sich um städtebauliche Satzungen (vgl. § 10 Abs. 1 BauGB).13 Das ist unzutreffend.14 Denn ein Flächennutzungsplan, der eine Baufläche im Außenbereich im Überschwemmungsgebiet darstellt, die aus hochwasserschutzrechtlichen Gründen nicht durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes realisiert werden kann, ist vollzugsunfähig und damit nicht erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB und nichtig.15 Da die Ausweisung von Konzentrationszonen nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ähnliche Wirkungen wie die Festsetzung eines Baugebietes hat, erstreckt sich das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG auch hierauf.16

11 G. Hünnekens, in: LR (o. Fn. 7), § 78 WHG Rn. 8; P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (536). 12 P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (537). 13 M. Kotulla, in: ders., WHG, 2. Aufl. 2011, § 78 Rn. 7. 14 Wie hier: P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (537); G. Hünnekens, in: LR (o. Fn. 7), § 78 WHG Rn. 6; S. Mitschang, ZfBR 2018, 329 (337); W. Söfker/P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, 127. EL Oktober 2017, § 1 Rn. 178. 15 Zu dieser Rechtsfolge: BVerwG, Urt. v. 09. 02. 2014 – 4 BN 28/03, ZfBR 2004, 380; W. Schrödter/J. Wahlhäuser, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 1 Rn. 45 ff.; S. Mitschang, ZfBR 2018, 329 (337); W. Söfker/P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB (o. Fn. 14), § 1 Rn. 178. 16 M. Rossi, in: SZDK (o. Fn. 7), § 78 Rn. 19; P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (537).

Auswirkungen des Hochwasserschutzgesetzes II auf die Bauleitplanung

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b) Überplanung bestehender Baugebiete, § 78 Abs. 3 WHG Die vom BVerwG zu § 78 Abs. 1 S. 1 WHG a.F. vertretene Auffassung, dass bloße Umplanungen wie die Änderung einer Gebietsart eines bereits bestehenden Baugebietes nicht unter das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG a.F. fielen, so dass insbesondere die Überplanung von Innenbereichslagen, für die kein qualifizierter Bebaubauungsplan existiert, ebenso wenig vom Planungsverbot erfasst war, wie bloße Umplanungen, wird durch § 78 Abs. 3 WHG relativiert: Auch zukünftig beschränkt sich das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG zwar auf die Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich. In § 78 Abs. 3 WHG wurde für die Gemeinden jedoch eine Verpflichtung eingeführt, bei der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von qualifizierten Bauleitplänen oder der Überplanung des unbeplanten Innenbereichs in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB insbesondere zu berücksichtigen 1. die Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf Oberliger und Unterliger, 2. die Vermeidung einer Beeinträchtigung des bestehenden Hochwasserschutzes und 3. die hochwasserangepasste Errichtung von Bauvorhaben. Diese Regelung gilt gemäß § 78 Abs. 3 S. 2 WHG auch für Satzungen nach § 34 Abs. 4 und § 35 Abs. 6 BauGB. Weiter bestimmt § 78 Abs. 3 S. 3 WHG, dass die zuständige Behörde der Gemeinde die hierfür erforderlichen Informationen nach § 4 Abs. 2 S. 4 BauGB zur Verfügung zu stellen hat. Ob diese Regelung wirklich eine Verbesserung des Hochwasserschutzes bewirkt,17 mag man mit Recht bezweifeln.18 Denn eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der genannten Belange dürfte auch bereits bisher schon auf der Grundlage des planerischen Abwägungsgebotes des § 1 Abs. 7 BauGB bestanden haben.19 Aus dem Rechtsgedanken des bisherigen § 78 Abs. 2 Nr. 4 WHG konnten diese Anforderungen an die planerische Abwägung auch bislang bereits abgeleitet werden. Der Neuregelung kommt deshalb vor allem eine Klarstellungsfunktion zu. Dies mag bei der Überplanung vorhandener Baugebiete sowie des unbeplanten Innenbereichs zu einer Verbesserung der Berücksichtigung der Hochwasserschutzbelange in der planerischen Abwägung beitragen. Eine wirkliche Innovation stellt diese Regelung jedoch schon wegen des in der Bauleitplanung geltenden Gebots planerischer Konfliktbewältigung und damit zur Berücksichtigung aller durch die Bauleitplanung berührter Belange und Lösung der durch sie aufgeworfenen oder vorgefundenen Konflikte20 17

In diesem Sinne F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (10). Skeptisch wie hier: M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1586). 19 Ausführlich zum Hochwasserschutz als Abwägungsbelang in der Bauleitplanung: W. Köck, ZUR 2015, 515 (521 ff.); P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (539 ff.); T. Schmitt, ZfW 2016, 21 ff. 20 Zum Gebot der Konfliktbewältigung: BVerwG, NVwZ-RR 1995, 130; U. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn. 115; W. Hoppe, in: Hoppe/Bönker/ 18

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wohl kaum da. Denn hiernach müssen die Belange des Hochwasserschutzes in der planerischen Abwägung umfassend berücksichtigt werden. § 78 Abs. 3 S. 1 WHG enthält rechtlich deshalb nicht mehr als eine Konkretisierung der nach § 1 Abs. 6 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigenden Belange des Hochwasserschutzes. Die Bedeutung des § 78 Abs. 3 S. 1 WHG ist auch deshalb nicht besonders weitreichend, weil diese Belange gegenüber anderen Belangen für die bauleitplanerische Abwägung durch § 1 Abs. 3 S. 1 WHG nicht mit einem besonderen Gewicht versehen werden. Geboten ist nach dem Wortlaut des § 78 Abs. 3 S. 1 WHG lediglich eine Berücksichtigung in der bauleitplanerischen Abwägung. Den Stellenwert eines strikt zu beachtenden sog. Planungsleitsatzes21 oder einer mit Vorrang zu berücksichtigenden Abwägungsdirektive (Optimierungsgebot)22 haben die in § 78 Abs. 3 S. 1 WHG genannten Belange nicht. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Regelung, wo lediglich eine Berücksichtigung der in § 78 Abs. 3 S. 1 WHG benannten Belange des Hochwasserschutzes verlangt wird, diese jedoch nicht mit einem besonderen rechtlichen Stellenwert ausstattet werden. Hierfür kann auch die amtliche Begründung angeführt werden, in der zur Erläuterung ausgeführt wird, dass die jetzt in § 78 Abs. 3 S. 1 WHG genannten Belange „insbesondere“ neben anderen Belangen des Hochwasserschutzes, wie den in § 78 Abs. 2 Nr. 3–5 und 9 WHG genannten zu berücksichtigen sind.23 Anders als der Trennungsgrundsatz des § 50 WHG enthält § 78 Abs. 3 S. 1 WHG deshalb keine Abwägungsdirektive (Optimierungsgebot) und keinen strikt zu beachtenden Planungsleitsatz.24

Grotefels, Öffentliches Baurecht, 4. Aufl. 2010, § 7 Rn. 133; F. Stollmann/G. Beaucamp, Öffentliches Baurecht, 11. Aufl. 2017, § 7 Rn. 57 ff.; W. Erbguth/M. Schubert, Öffentliches Baurecht, 6. Aufl. 2015, § 5 Rn. 161; B. Stüer, Der Bebauungsplan, 5. Aufl. 2015, Rn. 1067 ff. 21 Dazu: BVerwG, Urt. v. 22. 03. 1985 – 4 C 73.82, BVerwGE 71, 163; DVBl. 1993, 1100; B. Stüer, Bebauungsplan (o. Fn. 20), Rn. 838; W. Schrödter, in: ders. (Hrsg.), BauGB (o. Fn. 15), § 1 Rn. 189; F. Stollmann/G. Beaucamp, Öffentliches Baurecht (o. Fn. 20), § 7 Rn. 35. 22 W. Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht (o. Fn. 20), § 7 Rn. 29 ff.; F. Stollmann/G. Beaucamp, Öffentliches Baurecht (o. Fn. 20), § 7 Rn. 34; B. Stüer, Bebauungsplan (o. Fn. 20), Rn. 839. 23 Amtl. Begründung, BT-Drs. 18/10879, S. 27 f. 24 In dieser Richtung aber wohl F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (10). Wie hier: S. Mitschang, ZfBR 2018, 329 (338): „erweiterte Abwägungsanforderungen“; W. Söfker/P. Runkel, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB (o. Fn. 14), § 1 Rn. 178: „nach Abwägungsgrundsätzen zu behandeln“. Zur rechtlichen Qualität des § 50 BImSchG vgl. BVerwG, Urt. v. 05. 07. 1974 – 4 C 50/72, BVerwGE 45, 309; Urt. v. 22. 03. 1985 – 4 C 73.82, BVerwGE 163; Urt. v. 28. 01. 1999 – 4 CN 5/98, BVerwGE 108, 248; Urt. v. 16. 03. 2006 – 4 A 1075/04, BVerwGE 125, 116; Urt. v. 19. 04. 2012 – 4 CN 3/11, NVwZ 2012, 1338; B. Stüer, Bebauungsplan (o. Fn. 20), Rn. 840; H. Schoen, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, § 50 BImSchG, Rn. 29 ff.; H. Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 50 Rn. 2; J. Grüner, Einschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit durch Optimierungsgebote und Abwägungsdirektiven, UPR 2011, 50 (53); A. Schink, Urbane Gebiete – Das Ende des hinter der Baugebietstypisierung stehenden Trennungsgrundsatzes?, UPR 2018, 167 (171).

Auswirkungen des Hochwasserschutzgesetzes II auf die Bauleitplanung

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2. Konkretisierungen des bauleitplanerischen Abwägungsgebotes im BauGB Das gilt auch für die im Rahmen des Hochwasserschutzgesetzes II in Bezug auf den Hochwasserschutz in § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB erfolgte Konkretisierung des bauleitplanerischen Abwägungsgebotes.25 Nach der Neufassung des § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB sind bei der Abwägung zu berücksichtigen die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden. Nach der Neufassung wird jetzt ausdrücklich auf die Vermeidung und die Verringerung von Hochwasserschäden und die Hochwasservorsorge hingewiesen.26 Auch diese Anforderungen sind nicht wirklich neu, sondern galten auf Grund des Gebots der planerischen Konfliktbewältigung auch bereits bislang für die bauleitplanerische Abwägung bei der Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten. Eine inhaltliche Verschärfung ist mit der Neuregelung deshalb nicht verbunden.27 Wirklich neu ist neben der Verpflichtung, die neuen Schutzkategorien der Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Abs. 1 WHG sowie der Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Abs. 1 WHG nachrichtlich in den Flächennutzungsplan zu übernehmen (§ 5 Abs. 4a S. 1 BauGB – neu), vor allem die Neufassung des § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB. Die bisherige Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB ist durch das Hochwasserschutzgesetz II neu gefasst und erweitert worden. Sie wurde auf § 9 Abs. 1 Nr. 16 lit. a) und lit. b) BauGB aufgeteilt. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 lit. a) können Wasserflächen und Flächen für die Wasserwirtschaft, nach lit. b) der Vorschrift Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses festgesetzt werden. Dies dient der Übersichtlichkeit, enthält jedoch keine neuen Festsetzungsmöglichkeiten, die über die bisherige Regelung hinausgehen. Neu sind die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 lit. c) und d) BauGB. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 lit. c) können die Gemeinden jetzt Gebiete festlegen, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich von Schäden durch Starkregen dienen; auch kann die Art dieser Maßnahmen im Bebauungsplan festgesetzt werden. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 lit. d) BauGB können weiter im Bebauungsplan jetzt Flächen festgesetzt werden, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen. Diese Regelungen ermöglichen es den Gemeinden, eine hochwasserangepasste Nutzung von Grundstücken im Bebauungsplan festzusetzen. Sie können jetzt bereits im Bebauungsplan, der in einem 25

Wie hier: S. Mitschang, ZfBR 2018, 329 (338). Amtl. Begründung, BT-Drs. 18/10879, S. 33; F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (17); F. Dirnberger, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BauGB, 3. Aufl. 2018, § 1 Rn. 130. 27 So mit Recht: F. Dirnberger, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BauGB (o. Fn. 26), § 1 Rn. 130. 26

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Überschwemmungsgebiet liegt, festsetzen, dass Vorhaben hochwassersicher errichtet werden müssen.28 Auch können Festsetzungen über die Verwendung bestimmter Bauteile oder Baustoffe getroffen werden, die größere Schäden bei Hochwasser vermeiden oder verringern sollen.29 Lit. b) des § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB kann insbesondere dann Anwendung finden, wenn größere Flächen als Parkplätze oder Abstellflächen genutzt werden sollen. Im Bebauungsplan kann dann eine Versiegelung dieser Flächen ausgeschlossen werden.30 Eine Verpflichtung dazu, solche Festsetzungen zu treffen, lässt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB freilich nicht ableiten. Maßgebend dafür, ob solche Festsetzungen getroffen werden, ist das Ergebnis der planerischen Abwägung. Auch hier zeigt sich, dass die in die Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten geschaffenen neuen Festsetzungsmöglichkeiten als solche keine Verbesserung des Hochwasserschutzes in der Bauleitplanung bewirken können. Denn der Hochwasserschutz insgesamt stellt außerhalb des Planungsverbotes aus § 78 Abs. 1 S. 1 WHG nach wie vor lediglich einen abwägungserheblichen Belang dar. Ein Gewichtungsvorrang besteht nicht. 3. Ausnahmen vom Planungsverbot Wie bisher gilt das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG nicht unbeschränkt. Vielmehr sind hiervon nach § 78 in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 WHG Ausnahmen zulässig. Die bislang in § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG enthaltene gesetzliche Ausnahme vom Planungsverbot für Werften und Häfen ist jetzt in § 78 Abs. 1 S. 2 WHG geregelt. Neu hinzugekommen ist eine Ausnahme für solche Bauleitpläne, die ausschließlich der Verbesserung des Hochwasserschutzes dienen. Nicht genügt hingegen, dass der Hochwasserschutz lediglich in sachlichem Zusammenhang mit einer Bauleitplanung Berücksichtigung findet. Ein überschwemmungsbezogener zusätzlicher Planinhalt macht eine Bauleitplanung deshalb nicht nach § 78 Abs. 1 S. 2 WHG zulässig.31 Die Regelung bezieht sich vielmehr in erster Linie auf vorhabenbezogene Bebauungspläne nach § 12 BauGB für Hochwasserschutzanlagen wie Deiche und Dämme.32 Die übrigen bisherigen Ausnahmen des § 78 Abs. 2 WHG vom Planungsverbot sind jetzt in § 78 Abs. 2 WHG zusammengefasst. Bei den bisherigen Zulassungsvoraussetzungen für die Abweichung ist es geblieben. Die Schwierigkeiten, die für die Gemeinden bestehen, nachzuweisen, dass keine anderen Möglichkeiten der Sied28

Amtl. Begründung, BT-Drs. 18/10879, S. 18; H. Jarass/M. Kment, BauGB, 2. Aufl. 2017, § 9 Rn. 67; vgl. auch W. Spannowsky, in: ders./Uechtritz (Hrsg.), BauGB (o. Fn. 26), § 9 Rn. 69.2. 29 Amtl. Begründung, BT-Drs. 18/10879, S. 33. 30 BT-Drs. 18/10879, S. 33; F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (18). 31 So mit Recht M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585. 32 F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (9).

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lungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können, § 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WHG, die Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt und der Verlust von verlorengehendem Rückhalteraum umfangs- und funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird33 (§ 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 WHG),34 sind durch die gesetzliche Neuregelung nur unwesentlich abgemildert worden. Eine Erleichterung ist nur insoweit geschaffen worden, als § 77 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 WHG jetzt auch eine Bevorratung von Rückhalteflächen ermöglicht und damit die Kommunen in die Lage versetzt, den etwa bei der künftigen Ausweisung von Baugebieten in Überschwemmungsgebieten zu erwartenden erforderlichen Ausgleich von hierdurch verlorengehenden Retentionsraum frühzeitig durch vorgezogene Maßnahmen sicherzustellen.35 Nach wie vor ist eine Ausnahme vom Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 WHG kumulativ erfüllt werden.36 Insbesondere muss der Ausgleich von durch die Bauleitplanung verlorengehendem Rückhalteraum zeitgleich erfolgen (§ 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WHG). Dies setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Realisierung von im Bauleitplan ausgewiesenen Bauvorhaben die Kompensation insoweit wirksam wird, wie hierdurch Rückhalteraum verloren geht.37 Der neue Rückhalteraum muss mindestens das gleiche Speichervolumen wie der durch die Bebauung zerstörte haben.38 Für den Zeitpunkt kommt es nicht auf das Inkrafttreten des Bauleitplans,39 sondern den der Realisierung des Vorhabens an.40 Die jetzt nach § 77 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 WHG mögliche Anrechnung bevorrateter Rückhalteflächen auf den nach § 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 WHG erforderlichen umfangund funktionsgleichen Ausgleich verlorengegangenen Retentionsraums erleichtert es den Gemeinden, die Anforderungen an den Ausgleich des Verlustes von Retentionsraum mit der Bauleitplanung zu synchronisieren. Es wird ein Anreiz für sie geschaffen, möglichst frühzeitig Maßnahmen für absehbar erforderliche Ausgleiche zu schaffen.41 Hiermit soll eine größere Planungsflexibilität erreicht werden.42 Es han33

Dazu: P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 334 (339). Zu diesen Voraussetzungen: M. Czychowsky/M. Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2016, § 78 Rn. 28 ff.; G. Hünnekens, in: LR (o. Fn. 7), § 78 Rn. 24 ff.; M. Rossi, in: SZDK (o. Fn. 7), § 78 Rn. 45 ff.; T. Schmitt, in: BeckOK Umweltrecht, 45. Ed 5. 1. 2018, § 78 Rn. 27 ff.; T. Schmitt, ZfW 2016, 21 (26 ff.); W. Köck, ZUR 2015, 515 (519 f.); P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (539 ff.). 35 Dazu F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (8). 36 G. Hünnekens, in: LR (o. Fn. 7), § 78 Rn. 23; P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534; S. Mitschang, ZfBR 2018, 329 (338); W. Söfker/P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger (Hrsg.), BauGB (o. Fn. 14), § 1 Rn. 178. 37 Dazu: M. Rossi, in: SZDK (o. Fn. 7), § 78 Rn. 50; P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (540). 38 P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (540). 39 So missverständlich F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (8). 40 P. Sachsinger/W. Schrödter, ZfBR 2015, 534 (540). 41 F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (8); M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1588). 34

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delt sich freilich nicht um eine wirklich neue, sondern eher um eine klarstellende Regelung,43 denn nach verbreiteter Auffassung war auch bereits auf der Grundlage des bisherigen Rechts eine Bevorratung von Retentionsflächen in Anlehnung an die Ökokontoregelung in § 16 BNatSchG zulässig.44 Voraussetzung für die Nutzung bevorrateter Kompensationsflächen ist gemäß § 77 Abs. 1 S. 3 WHG, dass es sich um vorgezogene Maßnahmen mit dem Ziel des Küstenschutzes oder des Schutzes vor Hochwasser handelt, die zum Zweck des Ausgleichs künftiger Verluste an Rückhalteflächen getroffen worden sind. Das setzt voraus, dass Flächen mit dem Ziel geschaffen wurden, diese später als Ausgleichsmaßnahme für verlorengegangenen Retentionsraums zu nutzen. Besteht eine rechtliche Verpflichtung zur Schaffung dieser Flächen, liegen diese Voraussetzungen nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn die Flächen als Retentionsraum geeignet sind. Auch Brachflächen, auf denen keine Maßnahmen zur Schaffung neuen oder Erweiterung vorhandenen Retentionsraumes durchgeführt werden, erfüllen die Voraussetzungen nach § 78 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 WHG nicht.45 § 77 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 WHG stellt darüber hinaus ausdrücklich klar, dass ein Ausgleich nach § 77 Abs. 1 S. 2 WHG auch dann vorliegt, wenn eine naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme nach § 16 Abs. 1 BNatSchG zugleich auch den erforderlichen Ausgleich des verlorenen Retentionsraumes bewirkt.46 Doppelfunktionale Maßnahmen, die einerseits eine naturschutzrechtliche Kompensationsfunktion und andererseits die Funktion des Ausgleichs von verlorengegangenem Retentionsraum verwirklichen, sind danach ausdrücklich zulässig. Den Gemeinden wird dadurch die Umsetzung des Ausgleicherfordernisses § 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 WHG erleichtert. Ausgeschlossen ist es jedoch, in der Vergangenheit ohne Bezug zum Hochwasserschutz durchgeführte Maßnahmen zu instrumentalisieren und auf diese Weise Eingriffe in einen Retentionsraum zu ermöglichen.47 Erfasst von § 77 Abs. 1 S. 2 WHG werden z. B. Maßnahmen zur Reaktivierung von Altarmen und ehemaligen Überschwemmungsgebieten oder Gewässerrenaturierungen, soweit sie zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft durchgeführt werden und zugleich zusätzlichen Retentionsraum schaffen.48 Von Bedeutung im vorliegenden Zusammenhang ist auch die durch das Hochwasserschutzgesetz II erfolgte Änderung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. 42

M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1588). So auch die amtliche Begründung, BT- Drs. 18/10879, S. 26. 44 In diesem Sinne: W. Köck, ZUR 2015, 515 (520); W. Schrödter, in: ders., BauGB (o. Fn. 15), § 1 Rn. 530; A. Schink, Ausgleich von Beeinträchtigungen von Überschwemmungsgebieten durch vorgezogene Herstellung von Retentionsräumen?, UPR 2015, 288 (292); vgl. auch J. Wagner/J. Wahlhäuser, DVBl. 2018, 473 (475). 45 A. Schink, in: ders./Fellenberg (Hrsg.), WHG, 2019 (i. E.), § 77 Rn. 17. 46 Dazu, F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (8). 47 BR-Drs. 655/1/16, S. 5; M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1588). 48 M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1588). 43

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Nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F. konnten bevorratete Kompensationsmaßnahmen u. a. nur dann als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen i.S.d. § 15 Abs. 1 BNatSchG anerkannt werden, wenn dafür keine öffentlichen Fördermittel in Anspruch genommen wurden. In der Vergangenheit hat dies häufig die Bevorratung von Retentionsmaßnahmen im Hochwasserschutz verhindert, da solche Maßnahmen in der Regel öffentlich gefördert worden sind.49 Hiervon wird jetzt durch § 16 Abs. 1 S. 2 BNatSchG eine Ausnahme für vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen gemacht, die zugleich der Kompensation von zu erwartenden Eingriffen durch Maßnahmen des Hochwasserschutzes dienen und durch Träger von Hochwasserschutzvorhaben durchgeführt werden oder durchgeführt worden sind. Diese Ausnahmemöglichkeit ist freilich nicht besonders weitreichend. Insbesondere ist sie nicht auf die gemeindliche Bauleitplanung insgesamt anwendbar, sondern nur auf solche Bauleitpläne, durch die Maßnahmen des Hochwasserschutzes festgesetzt werden; damit betrifft sie insbesondere die ohnehin vom Planungsverbot des § 78 Abs. 1 S. 1 WHG nach Satz 2 dieser Regelung freigestellten Bebauungspläne, die ausschließlich der Verbesserung des Hochwasserschutzes dienen. Für die gemeindliche Planungspraxis von nicht unerheblicher Bedeutung ist weiter die Ergänzung des § 78 Abs. 2 WHG um einen Satz 2. Danach sind bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 3–8 WHG auch die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat damit auf die bislang unterschiedlich beurteilte Frage reagiert, ob dem Planungsverbot Drittwirkung zukommt.50 Die drittschützende Wirkung der Vorschrift wird durch die Anfügung des Satzes 2 an § 78 Abs. 2 WHG eindeutig klargestellt. Die drittschützende Wirkung erstreckt sich dabei auf die Nachbarschaft. Dazu gehören nicht nur die unmittelbaren Grundstücksnachbarn, sondern alle, deren geschützte Rechtsgüter durch die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung mehr als nur geringfügig beeinträchtigt werden können.51 Für den Rechtsschutz ist die Neuregelung von erheblicher Bedeutung. Aus § 78 Abs. 2 S. 2 WHG folgt, dass alle, die durch eine nach § 78 Abs. 2 WHG für eine Bauleitplanung zugelassene Ausnahme vom Planungsverbot in Hochwasser49

Vgl. F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (18 f.). Für eine drittschützende Wirkung: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 02. 03. 2010 – 1 A 10176/09, juris, Rn. 42; BayVGH, Beschl. v. 16. 09. 2009 – 15 CS 09.1924, juris, Rn. 12; M. Rossi, in: SZDK (o. Fn. 7), § 78 Rn. 80; M. Czychowski/M. Reinhardt, WHG (o. Fn. 34), § 78 Rn. 46; B. Zloch, in: Berendes/Frenz/Müggenborg (Hrsg.), WHG, 2. Aufl. 2017, § 78 Rn. 50; K. Faßbender/A. Gläß, Drittschutz im Hochwasserrecht, NVwZ 2011, 1049 (1097); gegen den Drittschutz: OVG Sachsen, Urt. v. 09. 06. 2011 – 1 A 504/09, juris, Rn. 53 ff.; M. Jeromin/ R. Praml, Hochwasserschutz und wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot, NVwZ 2009, 1079 (1082); M. Reese, Das neue Recht des Hochwasserschutzes vor den Herausforderungen des Klimawandels, NuR 2011, 19 (25); G. Hünnekens, in: LR (o. Fn. 7), vor § 72 WHG Rn. 34 ff. 51 Vgl. F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (9); K. Faßbender, Rechtsschutzfragen im Hochwasserschutzrecht, DÖV 2016, 965 (969). 50

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schutzgebieten in ihren Rechten nachteilig betroffen sein können, in Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO antragsbefugt sind. Dasselbe gilt wegen der Bestimmung des § 78 Abs. 4 S. 2 WHG auch für Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen, durch die abweichend vom Verbot des § 78 Abs. 4 WHG die Errichtung baulicher Anlagen zugelassen wird.52 III. Bauleitplanung in Hochwasserrisikogebieten In § 78b WHG wird mit Hochwasserrisikogebieten eine neue Gebietskategorie außerhalb von Überschwemmungsgebieten eingeführt. Diese Kategorie ähnelt den in § 31c WHG a.F. bis 2009 geregelten überschwemmungsgefährdeten Gebieten. Risikogebiete sind gemäß § 78b S. 1 WHG Gebiete, für die nach § 74 Abs. 2 WHG Gefahrenkarten zu erstellen sind und die nicht nach § 76 Abs. 2 oder Abs. 3 WHG als Überschwemmungsgebiete festgesetzt oder vorläufig gesichert sind. Ausgenommen sind Gebiete, die überwiegend von Gezeiten beeinflusst sind, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist.53 Ein Planungsverbot für die Bauleitplanung besteht in Risikogebieten im Sinne des § 78b Abs. 1 S. 2 WHG nicht.54 Vielmehr gelten hier folgende Beschränkungen: Bei der Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich oder bei der Überplanung des unbeplanten Innenbereichs sowie der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung bestehender qualifizierter Bebauungspläne ist nach § 78b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WHG insbesondere der Schutz von Leben und Gesundheit und die Vermeidung erheblicher Sachschäden in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen; entsprechend gilt diese Regelung für Satzungen nach § 34 Abs. 4 und § 35 Abs. 6 BauGB. Damit wird eigentlich etwas Selbstverständliches zum Ausdruck gebracht. Denn die in § 78b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WHG genannten Belange dürften auch schon nach dem in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltenen Abwägungsgebot zu beachten sein. Wesentliche Fortschritte in Richtung auf den Hochwasserschutz werden deshalb durch die Neuregelung wohl kaum erzielt. Allerdings lenkt § 78b Abs. 1 S. 2 WHG den Blick darauf, dass die Gemeinden in der bauleitplanerischen Abwägung darüber zu entscheiden haben, welche Hochwasserschutzmaßnahmen sie zum Schutz von Leben und Gesundheit und von Sachverwerten von Hochwassergefahren festsetzen.55 52 Allgemein zum Rechtsschutz gegen die Bauleitplanung und Zulassung von Vorhaben in Hochwasserschutzgebieten: M. Rossi, in: SZDK (o. Fn. 7), § 78 Rn. 75 ff. Vgl. auch K. Faßbender, DÖV 2016, 965 ff. 53 Zum Gebietscharakter von Hochwasserrisikogebieten: M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1587); F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (13); zum Gesetzentwurf: S. Wienhues, NordÖR 2016, 437 (441). 54 F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (13); S. Wienhues, NordÖR 2016, 437 (441). 55 So F. Hofmann, ZfW 2018, 1 (14); vgl. auch M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585: lediglich klarstellende Bedeutung, und S. Mitschang, ZfBR 2018, 329 (338 f.); M. Fischer/B. Heyn, I+E 2017, 154 (163).

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Werden außerhalb von Bebauungsplänen bauliche Anlagen in Hochwasserrisikogebieten errichtet, müssen sie in einer dem jeweiligen Hochwasserrisiko angepassten Bauweise nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet bzw. erweitert werden, soweit eine solche Bauweise nach Art und Funktion der Anlage technisch möglich ist; bei den Anforderungen an die Bauweise sollen auch die Lage des betroffenen Grundstücks und die Höhe des möglichen Schadens angemessen berücksichtigt werden. Die Regelung enthält keine unbedingte Verpflichtung, sondern ist als Sollvorschrift ausgestaltet, so dass in begründeten Einzelfällen von den Anforderungen abgewichen werden kann.56 Ein Bauverbot besteht nicht. Im Übrigen sind die Anforderungen zwar einerseits hinreichend flexibel, um das Bauvorhaben den jeweiligen Erfordernissen des Hochwasserschutzes unter Berücksichtigung der Hochwassergefahr und der Funktion des Gebäudes anpassen zu können. Andererseits ist die Regelung aber so pauschal, dass Zweifel daran bestehen, ob sie wirklich einen Beitrag zum vorbeugenden Hochwasserschutz leisten kann.57 Dazu trägt im Übrigen auch bei, dass die Pflichten aus § 78b S. 2 Nr. 2 WHG durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt werden. IV. Hochwasserentstehungsgebiete, § 78d WHG Ein Planungsverbot für die Bauleitplanung besteht auch nicht in Hochwasserentstehungsgebieten. Das sind gemäß § 78d Abs. 1 WHG solche Gebiete, in denen bei Starkniederschlägen oder Schneeschmelze in kurzer Zeit starke oberirdische Abflüsse entstehen können, die zu einer Hochwassergefahr an oberirdischen Gewässern und damit zu einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können. Die Länder sind ermächtigt, Kriterien für das Vorliegen von Hochwasserentstehungsgebieten festzulegen; dabei haben sie die Anforderungen des § 78d Abs. 2 S. 2 WHG zu beachten. Durch Rechtsverordnung können sie Hochwasserentstehungsgebiete festsetzen (§ 78d Abs. 2 S. 3 WHG). Für die Bauleitplanung bestimmt § 78d Abs. 6 WHG, dass bei der Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB insbesondere zu berücksichtigen sind: - die Vermeidung einer Beeinträchtigung des Wasserversickerungs- oder Wasserrückhaltevermögens des Bodens und - der Ausgleich einer Beeinträchtigung durch Maßnahmen wie das Anlegen von Wald- oder die Schaffung von Rückhalteräumen im Hochwasserentstehungsgebiet.

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Zu dieser Wirkung von „Soll“-Vorschriften: H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 7 Rn. 11 ff.; W. Erbguth/A. Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, § 14 Rn. 37. 57 So mit Recht M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 (1587).

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Diese Regelung soll die Bauleitplanung inhaltlich in einer Weise lenken, dass sie den Erfordernissen des Schutzes von Hochwasserentstehungsgebieten gerecht wird. Bauleitpläne müssen hiernach darauf abzielen, insbesondere die Anforderungen des § 78d Abs. 3 WHG zu beachten und das natürliche Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltevermögen des Bodens zu erhalten oder zu verbessern, Böden nach Möglichkeit zu entsiegeln oder durch nachhaltige Aufforstung geeigneter Gebiete das Wasserrückhaltevermögen zu verbessern. Eine unbedingte Rechtspflicht enthält § 78d Abs. 4 WHG dabei nicht. Vielmehr sind die genannten Anforderungen lediglich im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, können also hinter anderen im Einzelfall gewichtigeren Belangen zurückgestellt werden.58 Der Schutz von Hochwasserentstehungsgebieten hat nach § 78d Abs. 6 WHG auch keine herausgehobene Bedeutung gegenüber anderen Belangen; ein Abwägungsvorrang ist § 78d Abs. 6 WHG nicht zu entnehmen. Für die Gemeinden und die gemeindliche Bauleitplanung von Bedeutung ist im Übrigen § 78d Abs. 4 WHG. Hiernach besteht eine Genehmigungspflicht für den Bau neuer Straßen (§ 78d Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WHG). Werden in Wasserentstehungsgebieten im Sinne des § 78d Abs. 1 WHG neue Gemeindestraßen angelegt, kann dies deshalb nur mit einer Genehmigung durch die zuständige Behörde erfolgen. Die Regelung des § 78d Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WHG ist auch für die Bauleitplanung von Bedeutung. Erfolgt eine Straßenplanung durch einen Bebauungsplan, ist § 78d Abs. 4 S. 4 WHG zu beachten. Danach bedarf es hierfür zwar keiner Genehmigung der zuständigen Behörde; die Gemeinde muss jedoch die Genehmigungsvoraussetzungen des § 78d Abs. 5 WHG in der Bauleitplanung beachten und hierüber im Benehmen mit der zuständigen Wasserbehörde entscheiden. Die Genehmigungsvoraussetzungen des § 78d Abs. 5 WHG sind bei der Planung von Straßen durch Bebauungsplan strikt zu beachten. Zulässig ist die Anlegung von Straßen hiernach nur, wenn das Wasserversickerungs- oder Wasserrückhaltevermögen des Bodens hierdurch nicht beeinträchtigt oder durch Maßnahmen wie das Anlagen von Wald oder die Schaffung von Rückhalteräumen im Hochwasserentstehungsgebiet angemessen ausgeglichen wird. V. Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Hochwasserschutzgesetz II zwar für die gemeindliche Bauleitplanung von Bedeutung ist. Weitreichende neue Anforderungen ergeben sich hieraus indessen nicht. Auch kann der Hochwasserschutz hierdurch nicht wesentlich gestärkt werden. Denn die Neuregelung in § 78 WHG, die Ergänzungen in § 1 Abs. 6 Nr. 12 und § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB sowie die Beachtenspflichten in Hochwasserrisikogebieten und Hochwasserentstehungsgebieten modifizieren die bisher geltenden Anforderungen an die Bauleitplanung nur unwe58 S. Mitschang, ZfBR 2018, 329 (339); M. Fischer/B. Heyn, I+E 2017, 154 (163); W. Söfker/P. Runkel, in: EZBK (o. Fn. 14), § 1 Rn. 178d.

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sentlich. Sie stellen vor allem eine Reaktion auf erkannte Defizite und im Wesentlichen nicht mehr als Erinnerungsposten dazu dar, welche Belange bei der Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten, Hochwasserrisikogebieten und Hochwasserentstehungsgebieten beachtet werden müssen. Den Hochwasserschutz mögen sie wegen dieser Hinweisfunktion verbessern können. Sicher ist dies wegen der Abwägungsüberwindbarkeit der im Einzelnen neu eingeführten Regelungen indessen keineswegs.

Entsorgungsinfrastruktur im Regelungssystem der §§ 36, 38 BauGB Von Martin Dippel I. Einführung und Problemaufriss „Die Kreislauf- und Rohstoffwirtschaft ist eine tragende Säule einer nachhaltigen Industriegesellschaft“. Dieser Satz aus dem Vorwort eines Praxishandbuchs der Kreislaufwirtschaft1 klingt banal. Er ist aber auch richtig. In Deutschland gibt es ca. 15.000 Abfallentsorgungsanlagen, die die „Kehrseite“ unseres Wirtschaftens, nämlich jährlich mehr als 400 Mio. t Abfälle, bewältigen.2 Die Bandbreite reicht von Deponien verschiedener Klassen über Verbrennungsanlagen, Kompostwerke, Sortier- und sonstige Behandlungsanlagen bis hin zu Umschlagstationen und Zwischenlagern für Abfälle. Auch viele Industrieanlagen tragen zur Abfallentsorgung bei, wenn z. B. in Asphaltmischanlagen Straßenaufbruch oder wenn in Holzwerkstoffwerken Gebrauchtholz zu neuen Produkten verarbeitet wird, wenn in Glashütten Altglas oder in Stahlwerken Schrott verarbeitet wird, wenn in Papierfabriken aus Altpapier ein „Neupapier“ wird oder wenn in Zementwerken Abfälle mitverbrannt werden.3 Jedoch sind es schwere Zeiten für die Vorhabenträger. Denn zunehmend formiert sich in solchen Verfahren Widerstand, der sich durchaus weit von der Wahrnehmung nachbarlicher Interessen lösen kann. Dies äußert sich dann nach den Beobachtungen des Verfassers in der Verfahrenspraxis nicht nur im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung, beispielsweise in zum Teil hunderte Seiten starken Eingaben ohne direkten Verfahrensbezug an die Genehmigungsbehörde oder in Rechts- oder Fachdiskussionen mit zum Teil weltanschaulichem Charakter innerhalb der Erörterungstermine.4 Verstärkt festzustellen ist auch, dass die Einschätzungen der Fachbehörden, erst recht aber die Gutachten, die der Vorhabenträger in ein solches Genehmigungsverfahren zum Nachweis der Genehmigungsvoraussetzungen einzubringen hat, pauschal in 1

P. Kurth/A. Oexle/M. Faulstich (Hrsg.), Praxishandbuch der Kreislauf- und Rohstoffwirtschaft, 2018, S. V. 2 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Umwelt/Umweltstatis tische Erhebungen/Abfallwirtschaft/Abfallwirtschaft.html (Abruf am 07. 08. 2018). 3 Vgl. dazu den Teil II, Stoffströme und Ressourcenwirtschaft, in: P. Kurth/A. Oexle/ M. Faulstich (o. Fn. 1), S. 297 ff. 4 Siehe M. Dippel, Praxisfragen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG, NVwZ 2010, 145 ff.; vgl. auch M. Plog/J. Tepperwien, Der Erörterungstermin im Verwaltungsverfahren, NdsVBl. 2010, 95 ff.

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Zweifel gezogen werden. Letztere werden etwas despektierlich als bloße „Privatgutachten“ bezeichnet, was sie formal in der Regel auch sind, was aber nichts daran ändert, dass die Gutachten zum Nachweis der Genehmigungsvoraussetzungen „mitgeliefert“ werden müssen (vgl. z. B. die §§ 4 ff., 13 der 9. BImSchV) und dann Gegenstand fachbehördlicher Prüfungen sind. Vielfach werden in diesem Zusammenhang Forderungen nach „neutralen“ Gutachten erhoben und die vom Vorhabenträger beauftragten Gutachter für „befangen“ erklärt.5 Dazu wird häufig eine (kommunal-)politische Begleitmusik gespielt. Einige Beispiele: So wird von einem Fall berichtet, in dem das Genehmigungsverfahren für eine simple Abfall-Umladestation in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft im Kreis Viersen nach kommunalpolitischem Wunsch durch einen Mediator begleitet werden soll.6 In einem Fall in Mecklenburg-Vorpommern richtet sich der Widerstand gegen die Ansiedlung von Betrieben der Abfallwirtschaft in einem dafür planungsrechtlich geeigneten Gebiet unmittelbar neben einer Großdeponie, also an einer Stelle, an der man eher geringe planungs- oder umweltrechtliche Probleme erwarten würde. Dennoch heißt es ohne Rückkopplung an genehmigungsrechtliche Standards: „Es würden mehr Emissionen kommen“.7 Widerstand löst auch der beantragte Ausbau einer thermischen Bodenreinigungsanlage in NRW aus. Die dagegen tätige Bürgerinitiative „Dicke Luft“ plädiert im Hinblick auf das Vorhaben – vielleicht etwas unbestimmt – „für mehr Umweltgerechtigkeit“. Eine inhaltliche Diskussion mit dem Vorhabenträger oder der Genehmigungsbehörde wird nicht geführt; stattdessen wird gleich der NRW-Ministerpräsident angeschrieben. Es schaltet sich auch der evangelische Kirchenkreis ein: die Kreissynode verabschiedet eine Resolution, in der sie sich ihrem „Leitbild zur Bewahrung der Schöpfung entsprechend“ – theologisch überhöht, als gebe es keine schutz- und vorsorgeorientierten umwelttechnischen Standards – gegen die beantragte Anlagenerweiterung ausspricht.8 Auch eine Bioabfall-Umladestation im Industriehafengebiet Bremen löst erheblichen Widerstand aus. Ein Kommunalpolitiker lässt sich zu der Äußerung hinreißen, auch wenn die Ansiedlung dieser Anlage „nach der aktuellen Gesetzeslage möglich“ sei, so sei es doch „die Aufgabe der Politik, die Bürger zu schützen“ (sic!). Ein weiterer Kommunalpolitiker sekundiert, wenn die Anlage komme, so sei definitiv mit „zivilem Ungehorsam“ zu rechnen: „Hier leben viele Ältere, die auch vormittags Zeit haben, um Straßen zu blockieren“.9 Aus Brandenburg wird von dem Fall der geplanten Erweiterung einer Abfallverbrennungsanlage berichtet, gegen die sich – neben einer Bürgerinitiative – der BUND mit dem Argument wendet, dies sei eine „Technik von gestern“, und 5 Siehe zu dieser Diskussion in umweltrechtlichem Kontext nur BVerwG, Urteil vom 11. 10. 2017 – 9 A 14/16, juris, Rn. 141; BVerwG, ZfBR 2011, 575 (577); OVG Bautzen, Beschluss vom 08. 01. 2018 – 4 B 102/17, juris, Rn. 21. 6 Rheinische Post vom 19. 03. 2018, S. 16. 7 Ostsee-Zeitung.de vom 13. 06. 2018. 8 Westdeutsche Allgemeine Zeitung WAZ vom 13. 06. 2018, S. 10; Westdeutsche Allgemeine Zeitung WAZ vom 12. 07. 2018, S. 10. 9 Weserkurier.de vom 10. 04. 2018 und vom 15. 04. 2018.

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es sei besser, den Restmüll zu sortieren und die damit vorhandenen Wertstoffe herauszuholen.10 Insofern wird abseits der Genehmigungsvoraussetzungen (§ 6 BImSchG) gleich eine ganze Anlagenart „am Fall“ in Frage gestellt. Diese Beispiele aus der Presse über ca. ein Vierteljahr, die sich mit den Erfahrungen des Verfassers aus 30-jähriger anwaltlicher Tätigkeit decken, machen deutlich, dass oftmals nicht einmal mehr „einfache“ Entsorgungsanlagen zur Genehmigung gestellt werden können, ohne dass sich Widerstand bildet. Das beeinflusst oft auch das Verhalten der kommunalen Körperschaft, in deren Gebiet eine Entsorgungsanlage zur Genehmigung gestellt wird. Seit jeher bildet die kommunale Mitwirkung in Genehmigungsverfahren über § 36 BauGB potenziell ein „Einfallstor für eine angemaßte allgemeine Wohlgefallensprüfung diverser Vorhaben auf dem Gemeindegebiet“.11 Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, speziell mit Blick auf die Entsorgungsinfrastruktur das Regelungssystem der §§ 36, 38 BauGB näher zu beleuchten. II. Das Regelungssystem der §§ 36, 38 BauGB Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB entscheidet die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde (§ 36 Abs. 1 S. 1 BauGB). Auch im Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG ist das gemeindliche Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 BauGB grundsätzlich erforderlich.12 Dieses Einvernehmen darf die Gemeinde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen (§ 36 Abs. 2 S. 1 BauGB). Hat sie das Einvernehmen rechtswidrig versagt, so kann die nach Landesrecht zuständige Behörde das Einvernehmen ersetzen (§ 36 Abs. 2 S. 3 BauGB). Das alles gilt auch für Entsorgungsanlagen, die zumeist dem Genehmigungserfordernis nach dem BImSchG unterliegen (vgl. Anhang 1 der 4. BImSchV, Abschnitt 8). Bei Vorhaben von überörtlicher Bedeutung und der Errichtung und dem Betrieb „öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen“ ist das Einvernehmen der Gemeinde allerdings nicht erforderlich (§ 38 S. 1 BauGB). Diese Vorhaben werden insofern privilegiert, als auf sie die §§ 29 bis 37 BauGB nicht anzuwenden sind. Damit findet auch die Einvernehmensregelung des § 36 BauGB keine Anwendung.

10

Märkische Allgemeine – Brandenburger Kurier vom 25. 07. 2018, S. 15. Sehr anschaulich T. Klindt, Zwischenruf: Rechtsanwendung als Zumutung?, BauR 2002, 1646 ff., zum Fall einer immissionsschutzrechtlich gänzlich unproblematischen Bauschuttrecyclinganlage und den hierdurch ausgelösten Wirren um das gemeindliche Einvernehmen. 12 Vgl. A. Hofmeister, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BeckOK BauGB, Stand 01. 01. 2018, § 36 Rn. 6. 11

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1. Das gemeindliche Einvernehmen Das gemeindliche Einvernehmen dient dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit.13 Sie umfasst das Recht der Gemeinden, die städtebauliche Entwicklung ihres Gebiets selbst zu gestalten und die insoweit zentralen Entscheidungen selbst zu treffen.14 Das Einvernehmenserfordernis betrifft Vorhaben, die sich entweder auf einen nicht (abschließend) beplanten Bereich beziehen oder eine Abweichung vom Plan erforderlich machen. In diesen Fällen lässt sich nicht eindeutig feststellen, ob das Vorhaben mit dem planerischen Willen der Gemeinde vereinbar ist. In den Fällen der §§ 33 bis 35 BauGB ist dies darauf zurückzuführen, dass die Gemeinde (noch) gar keine endgültige planerische Entscheidung in Form eines qualifizierten Bebauungsplans getroffen hat.15 Durch das Einvernehmenserfordernis wird die planerische Entscheidungsfreiheit der Gemeinde auf zwei Ebenen geschützt, der vorhabenbezogenen und der planbezogenen Ebene.16 a) Das Prüfungsrecht der Gemeinden Auf der vorhabenbezogenen Ebene wird der Gemeinde das Recht eingeräumt, die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens selbst zu prüfen. Sie soll aus einem gemeinde-spezifischen Blickwinkel prüfen können, ob das Vorhaben den Anforderungen der §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB genügt. Dieses Prüfungsrecht ist nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht besonders schutzintensiv. Während des Genehmigungsverfahrens z. B. nach dem BImSchG gewährt es der Gemeinde insofern maximalen Schutz, als es in seiner Eigenschaft als absolutes Verfahrensrecht bewirkt,17 dass die Gemeinde bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Beteiligung die Aufhebung einer erteilten Genehmigung verlangen kann, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Rechtslage ankäme.18 Versagt die Gemeinde demgegenüber in einem ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren ihr Einvernehmen, darf die Genehmigungsbehörde die Genehmigung grundsätzlich nicht erteilen, auch wenn sie der Auffassung ist, das Vorhaben sei nach Maßgabe der §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig und das Einver13

BVerwG, NVwZ 2008, 1347 (1348). V. Mehde, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Stand: Januar 2018, Art. 28 Rn. 59; O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, 13. Auflage 2016, § 36 Rn. 1; W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Stand: Mai 2018, § 36 Rn. 9. 15 M. Dippel, Das gemeindliche Einvernehmen gem. § 36 BauGB in der jüngeren Rechtsprechung – alle Fragen schon geklärt?, NVwZ 2011, 769 (769). 16 Vgl. BVerwG, NVwZ 2004, 858 (860). 17 M. Dippel, NVwZ 2011, 769 (770); F. Schoch, Schutz der gemeindlichen Planungshoheit durch das Einvernehmen nach § 36 BauGB, NVwZ 2012, 777 (780). 18 BVerwG, NVwZ 2008, 1347 (1348); OVG Saarlouis, Beschluss vom 18. 06. 2018 – 2 B 104/18, juris, Rn. 10. 14

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nehmen deshalb rechtswidrig versagt worden.19 Etwas anderes gilt nur, wenn ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB ersetzt wurde. Insofern hat die Einschätzung der Gemeinde für die Erteilung der Genehmigung entscheidende Bedeutung. Lange Zeit war umstritten, wie weit das Prüfungsrecht der Gemeinde reicht. Das ist eine auch für die Genehmigungspraxis von Entsorgungsanlagen ausgesprochen wichtige Fragestellung, wenn es z. B. darum geht, ob ein im Außenbereich geplantes Kompostwerk „schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann“ (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB) oder ob sich eine im unbeplanten Innenbereich geplante Umladestation für Abfälle unter dem Aspekt des Immissionsschutzes „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“ (§ 34 Abs. 1 S. 1 BauGB). In der Praxis passiert es nicht selten, dass die Fachbehörde(n) und die Gemeinde bei ihrer Prüfung nicht zum selben Ergebnis kommen. Entscheidend ist, ob § 36 Abs. 2 S. 1 BauGB – die Gemeinde darf ihr Einvernehmen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen – so zu verstehen ist, dass die Gemeinde die genannten Vorschriften umfassend oder nur so weit prüfen darf, wie sie dem Schutz des gemeindlichen Planungsrechts dienen. Mit Urteil vom 20. 05. 2010 schloss sich das BVerwG nochmals ausdrücklich der erstgenannten Auffassung an20 und führte aus, in einem anschließenden Rechtsmittelverfahren seien die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang (und eben nicht nur soweit sie dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit dienen) nachzuprüfen.21 Die Gemeinde treffe im Falle eines versagten Einvernehmens auch keine Begründungspflicht derart, dass sie Gründe, die sie bei Versagung des Einvernehmens nicht angegeben hatte, in einem späteren gerichtlichen Verfahren nicht mehr vorbringen könne.22 Gelangt die Gemeinde zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, so muss sie das Einvernehmen erteilen. Versagt sie ihr Einvernehmen nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens, wird es gemäß § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB fingiert. Eine Verlängerung der Zweimonatsfrist – auch mit Einverständnis des Vorhabenträgers – kommt nicht in Betracht.23 Versagt die Gemeinde ihr Einvernehmen rechtswidrig, so ist darin – jedenfalls nach Auffassung des BGH – keine Verletzung einer den Vorhabenträger schützenden Amtspflicht zu sehen, wenn die Genehmigungsbehörde das Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB i.V.m. landesrechtlichen Vorschriften ersetzen kann.24 Denn der maßgebliche Grund für die Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht der Gemein19

BVerwG, KommJur 2015, 314 (316) m.w.N. aus der Rechtsprechung. BVerwG, NVwZ 2010, 1561 (1565) unter Bezugnahme auf BVerwG, NVwZ 1991, 1076 und BVerwG, NVwZ 2000, 1048 (1049). 21 BVerwG, NVwZ 2010, 1561 (1565). 22 BVerwG, NVwZ 2010, 1561 (1565). 23 BVerwG, NVwZ 1997, 900 (901); OVG Magdeburg, Beschluss vom 21. 01. 2005 – 2 M 477/04, juris, Rn. 5. 24 BGH, NVwZ 2011, 249; BGH, NVwZ 2013, 167 (168). 20

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de bei der Entscheidung über das Einvernehmen und damit ihrer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit zum Vorhabenträger liege in der Bindungswirkung ihrer Versagung für die Genehmigungsbehörde.25 Habe diese jedoch die Befugnis, das versagte gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen, sei diese Bindungswirkung aufgehoben und damit der Grund für die Haftungsverantwortlichkeit entfallen.26 Angesichts der haftungsrechtlichen Folgenlosigkeit einer rechtswidrigen Versagung des gemeindlichen Einvernehmens im Fall einer Ersetzungspflicht27 setzt sich in der Praxis bei „ungeliebten“ Vorhaben der Entsorgungsinfrastruktur in vielen Fällen eher eine politische Sichtweise bei der Kommune durch: aus Gründen, die den oben zu A. dargestellten oft ähneln dürften, versagt sie schlichtweg das Einvernehmen und wartet ab, wie die für die Ersetzung zuständige Behörde damit umgeht. b) Recht zur Änderung der planungsrechtlichen Voraussetzungen Entspricht das zulässige Vorhaben nicht den planerischen Vorstellungen der Gemeinde, so hat sie auf der zweiten (der planbezogenen) Ebene die Möglichkeit, die planungsrechtlichen Voraussetzungen durch die Änderung oder Aufstellung eines Bebauungsplans zu ändern und dadurch das Vorhaben unzulässig werden zu lassen. Wie schon erwähnt, kommt es nicht selten vor, dass sich gegen umstrittene Vorhaben in der Bevölkerung Widerstand formiert. Das trifft eben auch Vorhaben der Entsorgungsinfrastruktur, wie oben zu A. exemplarisch dargestellt. In diesen Fällen lässt sich mit einiger Regelmäßigkeit beobachten, wie sich die gemeindlichen Entscheidungsträger gesellschaftlichem Druck beugen und entgegen ihrer bisherigen Position planungsrechtliche Maßnahmen gerade mit dem Effekt ergreifen, die Unzulässigkeit dieses einen Vorhabens herbeizuführen. Für gewöhnlich geschieht dies dadurch, dass die Gemeinderäte zunächst die Aufstellung bzw. die Änderung eines Bebauungsplans und anschließend eine Veränderungssperre beschließen, mit der Folge, dass gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB nicht mehr durchgeführt werden dürfen. Exemplarisch für diese gemeindliche Praxis steht ein Fall, über den jüngst das VG Augsburg zu entscheiden hatte.28 Ausgangspunkt dieser Entscheidung war der Antrag eines Entsorgungsfachbetriebs auf Erteilung einer Genehmigung nach §§ 4, 6 BImSchG i.V.m. der Nummer 8.12.2. des Anhangs der 4. BImSchV für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen in einer geschlossenen Lagerhalle. Die Gemeinde hatte das erforderliche Einvernehmen zunächst erteilt. Etwa zwei Monate später ging beim 25

BGH, NVwZ 2011, 249 (250). BGH, NVwZ 2011, 249 (250); BGH, NVwZ 2013, 167 (168). 27 Vgl. W. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 36 Rn. 49, 49a. 28 Siehe dazu VG Augsburg, Urteil vom 26. 04. 2017 – Au 4 K 16.1015, juris. 26

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Landratsamt ein Schreiben einer Anwohnerinitiative ein, in dem die Anwohner ihre Sorgen bezüglich des geplanten Vorhabens zum Ausdruck brachten. Sie befürchteten, mit dem Vorhaben gehe eine Geruchsbelastung bzw. eine Entwertung ihrer Immobilien29 einher. Wenige Tage später beschloss die Gemeinde die Aufstellung eines Bebauungsplans und zur Sicherung dieser Planung eine Veränderungssperre. Ziel des Bebauungsplans sei es insbesondere, das Plangebiet von gewerblichen Nutzungen freizuhalten, die mit der Lagerung von Müll verbunden seien, um eine Sicherung der vorhandenen, lebensmittelbezogenen gewerblichen Nutzungen zu gewährleisten. Das später beklagte Landratsamt lehnte den Antrag auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ab: dem antragsgegenständlichen Vorhaben stünden nun bauplanungsrechtliche Gründe entgegen. Hier lag es nahe, einen Verstoß gegen das Verbot einer Verhinderungsplanung anzunehmen – und davon ist auch das VG Augsburg ausgegangen. Ausweislich des § 14 Abs. 1 BauGB muss die Veränderungssperre der Sicherung der Planung dienen, was vor allem auch angesichts der mit der Veränderungssperre verbundenen Einschränkung der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Baurechte dahingehend verstanden wird, dass die Veränderungssperre zur Sicherung der Planung erforderlich sein muss.30 Dieses Sicherungsbedürfnis setzt voraus, dass die Planung im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre im Mindestmaß konkretisiert und absehbar ist.31 „Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus.“32 Denn einer Planung, die auf die Verhinderung eines bestimmten Vorhabens gerichtet ist, fehlt die Erforderlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BauGB). Gewöhnlich sind die (Ober-)Verwaltungsgerichte in diesen Fällen aber recht großzügig mit den in diesem Stadium zwangsläufig noch nicht sehr konkreten Planungsabsichten der Gemeinden und greifen der weiteren planerischen Konkretisierung nicht vor.33 Dasjenige, was man allein angesichts der Chronologie der Ereignisse vielleicht als eine typische „Verhinderungsplanung“ bezeichnen würde, genügt in vielen Fällen noch den Anforderungen, die das BVerwG an eine zulässige Verände29

Zur rechtlichen Irrelevanz einer behaupteten Wertminderung des eigenen Grundstücks bei Veränderungen in der Umgebung vgl. nur BVerwG, NVwZ-RR 1998, 540; OVG Münster, Beschluss vom 16. 03. 2017 – 7 B 24/17, juris, Rn. 6 f. 30 H.-P. Lemmel, in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow (Hrsg.), BauGB, Stand: Juni 2018, § 14 Rn. 9. 31 BVerwG, NVwZ 2004, 858 (860) m.w.N. aus der Rechtsprechung; siehe auch H.-P. Lemmel, in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow (Hrsg.), BauGB, § 14 Rn. 9; J. Stock, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 14 Rn. 43. 32 BVerwG, NVwZ 2004, 858 (860). 33 Siehe zu Veränderungssperren im Fall geplanter Abfallentsorgungsanlagen z. B. OVG Münster, Urteil vom 27. 03. 2009 – 7 D 103/08.NE, juris (Abfallverbrennungsanlage); OVG Bremen, Beschluss vom 09. 01. 2013 – 1 B 258/12, juris (Zwischenlager für Abfälle und Abfallbehandlungsanlage); VGH Mannheim, Urteil vom 18. 03. 2015 – 3 S 601/14, juris (Chemisch-physikalische Abfallbehandlungsanlage); OVG Münster, Urteil vom 08. 05. 2018 – 2 D 44/17.NE, juris (Zwischenlagerung und Behandlung inerter Abfälle – Wertstoffzentrum).

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rungssperre stellt.34 Dieser zurückhaltende Ansatz lässt sich wohl vor allem damit erklären, dass sich eine Negativplanung, die nur ein bestimmtes Vorhaben verhindern soll, in erster Linie nach der subjektiven Zielsetzung der Gemeinde bestimmt. Was aber die Gemeinde wirklich mit der Planung bezweckt, ist im konkreten Sachverhalt schwierig festzustellen. Dies gilt umso mehr, wenn Gemeinden – und das ist nach Beobachtung des Verfassers kein Einzelfall – versuchen, ihre eigentliche Absicht durch vorgeschobene Planungsziele zu verschleiern. Insofern bleibt den Gerichten nichts anderes übrig, als von objektiv feststellbaren Anhaltspunkten auf eine subjektiv beabsichtigte Negativplanung zu schließen.35 In diesen Fällen sollten die Gerichte ganz genau hinsehen: Den äußeren Umständen, die aus der Sicht eines objektiven Betrachters die Gemeinde zur Änderung der Planung veranlasst haben, muss eine besonders starke Indizwirkung beigemessen, und die erkennbar gemachten positiven Planungsziele müssen einer besonderen Kontrolle unterzogen werden, durch die sie vor dem Hintergrund der Einzelfallumstände auf ihre Ernsthaftigkeit überprüft werden. Nur wenn die Gemeinde tatsächlich positive Planungsvorstellungen hat, die sie auch ernsthaft zu realisieren beabsichtigt, und wenn diese planerischen Vorstellungen die Gemeinde ausschlaggebend zur Planung bewegt haben, liegt keine Negativplanung vor. Für die Vorhabenträger ist die geschilderte Vorgehensweise einer Gemeinde insofern äußerst unbefriedigend, als dass ihre Vorhaben in solchen Fällen nach Antragstellung bis zur Erteilung der Genehmigung doch noch unzulässig werden. Zum Teil können zwar die mit dieser Unsicherheit verbundenen finanziellen Einbußen durch Entschädigungsansprüche nach § 39 BauGB kompensiert werden.36 Viel schwerer wiegt allerdings, dass durch diese Maßnahmen die unternehmerische Handlungsfreiheit – und im Fall von Entsorgungsanlagen nicht selten auch die Entsorgungssicherheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder der gewerblichen Wirtschaft – enorm eingeschränkt wird. Im Übrigen soll § 36 BauGB zwar verhindern, dass nicht mit dem Planungswillen der Gemeinde vereinbare Vorhaben realisiert werden. Er soll aber nicht bewirken, dass die Gemeinde aufgrund eines „Akzeptanzdefizits“37 in der Bevölkerung ihren Planungswillen ändert. Insofern gehen die in Rede stehenden planerischen Maßnahmen der Gemeinden an der Zielsetzung des § 36 BauGB vorbei. In solchen Fällen lässt sich auch nicht darauf vertrauen, die Genehmigungsbehörde werde sich über eine von ihr ebenfalls als rechtswidrig eingeschätzte Veränderungssperre schon hinwegsetzen. Zwar geht es hierbei genau genommen nicht um 34 Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 08. 09. 2016 – 4 BN 22/16, juris, Rn. 5 m.w.N.; siehe auch G. Hornmann, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BeckOK BauGB, § 14 Rn. 40 f. 35 Siehe dazu beispielhaft VG Augsburg, Urteil vom 26. 04. 2017 – Au 4 K 16.1015, juris, Rn. 51 ff. 36 Das gilt nach h.M. nicht in Gebieten, die nach § 34 BauGB zu beurteilen sind, vgl. K. Hoffmann, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BeckOK BauGB, § 39 Rn. 10 m.w.N. 37 Vgl. A. Versteyl, Zur Anwendbarkeit des § 38 BauGB bei der Errichtung/Änderung von Müllverbrennungsanlagen und EBS-Kraftwerken, AbfallR 2007, 120 (120).

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das Vorliegen (oder besser: Nichtvorliegen) einer behördlichen Normverwerfungskompetenz, jedoch sind die Voraussetzungen dafür, eine von der Genehmigungsbehörde als unwirksam eingeschätzte Veränderungssperre behördlicherseits im Einzelfall unangewendet zu lassen, nicht völlig geklärt.38 2. Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB Ausweislich des § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB kann die nach Landesrecht zuständige Behörde ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen ersetzen. In diesem Zusammenhang wird vor allem diskutiert, ob diese Regelung als Ermessens- oder Befugnisvorschrift zu verstehen ist.39 Eine höchstrichterliche Antwort auf diese Frage steht noch aus, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass sie angesichts zahlreicher Regelungen zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens in den Bauordnungen der Länder40 an Bedeutung verloren hat. In den Ländern, in denen keine entsprechenden Regelungen existieren,41 ist es aber weiterhin von großer praktischer Bedeutung, ob eine Ersetzungspflicht oder ein Ersetzungsermessen der zuständigen Behörde besteht. Denn stände der zuständigen Behörde ein Ersetzungsermessen zu, wäre dieses auch nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar (vgl. § 114 S. 1 VwGO). Der Wortlaut des § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB gibt keinen Aufschluss darüber, ob die Ersetzungsregelung im Sinne einer Ermessens- oder Befugnisvorschrift zu verstehen ist. Wenngleich das Wort „kann“ vielfach auf eine Ermessensvorschrift hindeutet, wäre dieser Schluss keinesfalls zwingend. So ist das BVerwG z. B. der Auffassung, dass § 48 Abs. 2 S. 1 BBergG, nach welchem die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde in bestimmten Fällen eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen kann, keine Ermessens-, sondern eine Befugnisnorm ist.42 Systematische und teleologische Erwägungen sprechen demgegenüber eindeutig für eine Auslegung als Befugnisnorm. Bauwillige haben nach Maßgabe der jeweils 38 Siehe BVerwG, NVwZ 2001, 1035 (1037); OVG Lüneburg, NVwZ 2000, 1061 (1062); vgl. aus amtshaftungsrechtlicher Sicht auch BGH, NVwZ 2013, 167 (168) m.w.N. zum Diskussionsstand. 39 Für eine Auslegung des § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB als Befugnisnorm ausdrücklich VG Würzburg, Urteil vom 05. 12. 2017 – W 4 K 15.530, juris, Rn. 94 ff. So wohl auch OVG Saarlouis, Beschluss vom 18. 06. 2018 – 2 B 104/18, juris, Rn. 10; VG Arnsberg, Urteil vom 05. 12. 2017 – 4 K 4632/16, juris, Rn. 21, die von der Befugnis zur Ersetzung sprechen. 40 Siehe z. B. § 73 Abs. 1 BauO NRW, § 54 Abs. 4 LBO BaWü., § 71 Abs. 1 LBauO MV, § 71 Abs. 1 LBauO Rh.-Pf. 41 Siehe z. B. § 70 ThürBO („soll … ersetzen“). 42 BVerwG, NJW 1987, 1713 (1715); BVerwG, NVwZ 2005, 954 (955); vgl. zur Auslegung von „Kann-Vorschriften“ als Ermessens- oder Befugnisnormen auch M. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Auflage 2018, § 40 Rn. 21 ff.; M. Aschke, in: Bader/ Ronellenfitsch (Hrsg.), BeckOK VwVfG, Stand: 01. 04. 2017, § 40 Rn. 7.

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einschlägigen Landesbauordnung einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (so z. B. § 75 Abs. 1 S. 1 BauO NRW). Nichts anderes gilt im Immissionsschutzrecht, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 6 Abs. 1 BImSchG). In dem Fall, in dem das Vorhaben mit bauplanungsrechtlichen und sonstigen öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar ist und die Gemeinde daher rechtswidrig ihr Einvernehmen versagt, würde der Anspruch des Vorhabenträgers letztlich doch abgewertet werden, wenn die zuständige Behörde (§ 36 Abs. 2 S. 3 BauGB) nach Ermessen über die Ersetzung des rechtswidrig versagten Einvernehmens entscheiden könnte. Dem Bundesgesetzgeber wird man nicht unterstellen können, er habe die Entscheidung für das Bestehen eines Genehmigungsanspruchs durch eine rechtswidrige Handlung der Gemeinde in Frage stellen wollen. Im Übrigen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eine entsprechende Auslegung zwingend. Denn wenn die Genehmigungsbehörde die Ersetzung des versagten Einvernehmens verweigert, greift sie in die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit des Vorhabenträgers ein. Angesichts der Rechtswidrigkeit des versagten Einvernehmens kann eine Verweigerung der Ersetzung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden.43 Ob auch in der verzögerten Ersetzung eines rechtswidrig versagten gemeindlichen Einvernehmens eine Amtspflichtverletzung zu sehen ist, hatte das OLG Schleswig zu entscheiden.44 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Kommunalaufsicht das gemeindliche Einvernehmen zu einem Einzelhandelsvorhaben nicht sofort ersetzt, sondern zunächst (und sogar mit Erfolg) versucht, die Gemeinde dazu zu bewegen, doch noch ihr Einvernehmen zu erteilen. Das OLG Schleswig entschied, dass die Kommunalaufsicht dadurch keine Amtspflicht verletzt habe. Die Ersetzung des Einvernehmens sei vielmehr ultima ratio. Die Kommunalaufsicht habe zunächst versuchen dürfen, das Einvernehmen herbeizuführen, weil dadurch weniger intensiv in das Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) eingegriffen werde. Auch sei dieses Vorgehen für den Bauwilligen vorteilhafter, weil die Ersetzung des Einvernehmens von der Gemeinde noch hätte angefochten werden können.45 Diese Überlegungen mögen fallbezogen richtig sein, haben aber für die Zulassung von Entsorgungsanlagen kaum praktische Bedeutung, zumal wenn sich die Positionen schon verhärtet haben. Hier wird es eher um möglichst zügige Ersetzungsentscheidungen gehen.

43 So argumentiert auch der BGH, NVwZ 2011, 249 (250). Ob eine Baugenehmigungsbehörde in Art. 14 Abs. 1 GG eingreift, wenn sie ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen nicht ersetzt, wurde vom VGH Mannheim in Kenntnis dieser BGH-Rechtsprechung offen gelassen, NVwZ-RR 2012, 58 (59). 44 OLG Schleswig, Urteil vom 10. 09. 2015 – 11 U 19/14, juris. 45 OLG Schleswig, Urteil vom 10. 09. 2015 – 11 U 19/14, juris, Rn. 31.

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3. Die privilegierten Vorhaben nach § 38 BauGB Nach § 38 S. 1 BauGB sind auf Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung sowie auf die auf Grund des BImSchG für die Errichtung und den Betrieb öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen geltenden Verfahren die §§ 29 bis 37 BauGB nicht anzuwenden, wenn die Gemeinde beteiligt wird. Dadurch wird für die genannten Vorhaben das Verhältnis zwischen Bauleitplanung und Fachplanung geregelt.46 Diese Regelung ist erforderlich, weil die Gemeinden, Bauaufsichtsbehörden und Fachplanungsträger regelmäßig unterschiedliche planerische Ziele verfolgen, die ohne eine entsprechende Regelung miteinander in Konflikt geraten würden.47 Indem § 38 S. 1 BauGB die bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 bis 27 BauGB für nicht anwendbar erklärt, räumt er dem Fachplanungsrecht unter Einschränkung der gemeindlichen Planungshoheit den Vorrang ein.48 Das von der Gemeinde beeinflussbare Planungsrecht verliert gemäß § 38 S. 1 BauGB bei der Entscheidung über die Zulässigkeit überörtlich bedeutsamer Vorhaben – oft eben Anlagen der Entsorgungsinfrastruktur – an Bedeutung, und es kommt auch auf das Einvernehmen nach Maßgabe des § 36 BauGB nicht an. Dadurch soll vor allem verhindert werden, dass die Gemeinden mit der Durchführung des Vorhabens rechtlich und politisch überfordert werden.49 Es soll aber auch sichergestellt werden, dass Vorhaben von überörtlicher Bedeutung nicht durch Entscheidungen der Gemeinden blockiert werden, die der überörtlichen Bedeutung dieser Vorhaben nicht gerecht werden.50 a) Vorhaben von überörtlicher Bedeutung § 38 S. 1 Alt. 1. BauGB bezieht sich auf Vorhaben von überörtlicher Bedeutung. Deshalb bedarf es stets einer Abgrenzung zu nur örtlich bedeutsamen Vorhaben. Bei dieser Abgrenzung ist zu berücksichtigen, dass § 38 S. 1 BauGB die Vorhabenplanung vom Bauleitplanungs- in das Fachplanungsrecht überführt. Es kommt daher

46

O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 2; P. Runkel, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 1. Zum Verhältnis von Bauleitplanung und Fachplanung siehe W. Erbguth, Bauleitplanung und Fachplanung: Thesen, NVwZ 1995, 243 ff. sowie W. Erbguth, Kollision zwischen Bauleitplanung und hafenbezogener Fachplanung: Rechtsfragen, ZUR 2013, 643 ff. 47 I. Kraft, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BeckOK BauGB, § 38 Rn. 4. 48 O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 7; P. Runkel, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 38 Rn. 2. 49 Siehe dazu BVerwG, NJW 1989, 242 (242); O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 9; P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 1. 50 Vgl. O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 9.

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entscheidend auf die Frage an, ob das Vorhaben einen überörtlichen Koordinierungsbedarf auslöst.51 Dieser überörtliche Koordinierungsbedarf, der auch für planfeststellungs- oder plangenehmigungspflichtige Entsorgungsanlagen (Deponien, vgl. § 35 Abs. 2, 3 KrWG) bestehen kann, ist z. B. durch eine flächenmäßige Betroffenheit mehrerer Gemeinden indiziert. In diesem Fall ist eine vorhabenbezogene Planung sinnvoll, weil durch eine gemeindegebietsbezogene Planung nicht in gleicher Weise sichergestellt werden könnte, dass das Vorhaben als Einheit behandelt wird und planerische Zusammenhänge nicht verkannt werden. Bereits zu § 38 S. 2 BauGB a.F., dessen Wortlaut noch auf Planfeststellungsverfahren für überörtliche Planungen auf den Gebieten des Verkehrs-, Wege- und Wasserrechts nach landesrechtlichen Vorschriften abstellte, nahm das BVerwG diese „überörtliche Planung“ jedenfalls dann an, wenn das Vorhaben das Gebiet von mindestens zwei Gemeinden berührte.52 Diese Rechtsprechung war aber nicht in dem Sinne zu verstehen, dass dies zwingende Voraussetzung für die Annahme einer „überörtlichen Planung“ sei.53 Mit der Änderung des Gesetzeswortlauts von „überörtlichen Planungen“ zu „Vorhaben von überörtlicher Bedeutung“ lässt sich nun aber auch dem Wortlaut entnehmen, dass es bei § 38 S. 1 BauGB auf eine rein flächenmäßige Betrachtungsweise nicht ankommt. Denkbar wäre z. B. auch, dass ein überörtlicher Koordinierungsbedarf durch eine infrastrukturelle Betroffenheit mehrerer Gemeinden hervorgerufen wird, etwa wenn das Vorhaben der Erschließung und Ver-/Entsorgung nicht nur einer Gemeinde dient.54 Die überörtliche Bedeutung eines Vorhabens ist auch dann anzunehmen, wenn das Vorhaben in eine überörtliche Planung – etwa in die Raumordnungs- oder Regionalplanung (vgl. für Entsorgungsinfrastruktur § 13 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 lit. b ROG) oder in die Abfallwirtschaftsplanung (vgl. für Deponien § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 S. 4 KrWG) – eingebettet werden muss. Nach Auffassung des BVerwG soll jedenfalls die Einbettung in ein „überregionales Planungsprojekt“ geeignet sein, einem Vorhaben trotz Begrenzung der plangenehmigten Arbeiten auf das Gebiet einer Gemeinde überörtliche Bedeutung zu verleihen.55 Des Weiteren indiziert eine vom jeweils einschlägigen Fachplanungsgesetz angeordnete überörtliche Planungszuständigkeit einen überörtlichen Koordinierungsbe-

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Vgl. BVerwG, NJW 1989, 242 (242). Dazu siehe auch J.-F. Kirchberg, Das „Vorhaben von überörtlicher Bedeutung“ im Sinne des § 38 Satz 1 BauGB n.F., UPR 2001, 12 (14 f.). 52 BVerwG, NJW 1989, 242 (242). 53 M. Dippel, Alte und neue Anwendungsprobleme der §§ 36, 38 BauGB, NVwZ 1999, 921 (926). 54 So P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 32. 55 BVerwG, Beschluss vom 07. 02. 2005 – 9 VR 15/04, juris, Rn. 10.

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darf.56 Wenn der Gesetzgeber eine solche übergeordnete Planungszuständigkeit normiert hat, ist davon auszugehen, dass er die davon betroffenen Vorhaben grundsätzlich nicht nur als Sache der Gemeinde angesehen hat. Nicht von Bedeutung ist dagegen – wie seit einiger Zeit auch das BVerwG unter Abkehr von seiner vorherigen Rechtsprechung annimmt57 – die überörtliche Zuständigkeit der für die Zulassungsentscheidung zuständigen Behörde. Nach allem ist bei Deponien regelmäßig von deren überörtlicher Bedeutung und damit von der Anwendbarkeit des § 38 BauGB auszugehen.58 b) Die Berücksichtigung städtebaulicher Belange § 38 S. 1 Hs. 2 BauGB bestimmt, dass bei den dort genannten Verfahren – gleichsam als Kompensation dafür, dass die §§ 29 bis 37 BauGB nicht anzuwenden sind – städtebauliche Belange zumindest berücksichtigt werden müssen. Ohne diese ausdrückliche Normierung hätte eine entsprechende Pflicht unmittelbar aus dem Verfassungsrecht hergeleitet werden können, denn die gänzliche Außerachtlassung städtebaulicher Belange würde einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Art. 28 Abs. 2 GG bedeuten. Dabei impliziert das Wort „berücksichtigen“ im Vergleich zu „beachten“ aber eine weniger strenge Bindung.59 Gemeint ist, dass städtebauliche Belange als öffentliche Belange in die fachplanerische Abwägung einbezogen werden müssen.60 Eine Abwägung hat auch in den Fällen zu erfolgen, in denen die fachplanerische Zulassungsentscheidung im Rahmen einer gebundenen Entscheidung getroffen wird, der eine Abwägung grundsätzlich fremd ist.61 Deshalb muss auch die Zulassungsentscheidung bei öffentlich zugänglichen Abfallbeseitigungsanlagen nach dem BImSchG um eine Abwägung angereichert werden.62 In diese Abwägung sind aber nicht sämtliche Belange einzustellen, die in irgendeiner Weise relevant sein können,

56 W. Rieger, in: Schrödter (Hrsg.), BauGB, 8. Auflage 2015, § 38 Rn. 14; G. Gaentzsch, Rechtliche Fragen des Abbaus von Kies und Sand, NVwZ 1998, 889 (896); M. Dippel, NVwZ 1999, 921 (926). 57 BVerwG, NJW 1989, 242 (242). 58 Siehe aber auch OVG Münster, Urteil vom 24. 09. 2014 – 20 A 2013/12, juris, Rn. 37, wo die Anwendung des § 38 BauGB auf ein Vorhaben daran scheiterte, dass es sich nicht um eine Beseitigung von Abfällen (Deponie), sondern um eine Verwertung von Bodenmaterialien im Zuge einer Tagebaurekultivierung handelte. 59 M. Dippel, NVwZ 1999, 921 (928). 60 M. Dippel, NVwZ 1999, 921 (928); P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 85; OVG Weimar, Beschluss vom 22. 02. 2006 – 1 EO 707/05, juris, Rn. 101. 61 M. Dippel, NVwZ 1999, 921 (928); siehe auch OVG Weimar, Beschluss vom 22. 02. 2006 – 1 EO 707/05, juris. 62 BVerwG, Beschluss vom 28. 06. 2007 – 7 B 4/07, juris, Rn. 9; OVG Lüneburg, Urteil vom 22. 01. 2009 – 12 KS 288/07, juris, Rn. 34.

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sondern nur solche mit städtebaulichem Bezug.63 Dabei dienen die §§ 29 ff. BauGB insoweit als Leitlinie, als ihnen städtebauliche Grundprinzipien entnommen werden können. Mehr als eine Orientierungshilfe können sie aber schon deshalb nicht bieten, weil § 38 S. 1 BauGB ja gerade ihre Nichtanwendung anordnet.64 In der Breite geht der Begriff der städtebaulichen Belange über die Vorschriften der §§ 29 ff. BauGB hinaus. Zu berücksichtigen sind daher neben allgemeinen städtebaulichen Erwägungen (wie etwa der möglichen Beeinträchtigung kommunaler Einrichtungen oder des Interesses der Gemeinde an der Gestaltung ihres Ortsbildes)65 auch Planungsabsichten der Gemeinde, wenn sie schon hinreichend konkret und verfestigt sind.66 Eine Verletzung der von § 38 S. 1 Hs. 2 BauGB geschützten gemeindlichen Planungshoheit kann nur dann vorliegen, wenn die gemeindliche Bauleitplanung so weit fortgeschritten ist, dass auf ihrer Grundlage auch substantiiert geprüft werden kann, ob und inwiefern die beabsichtigte Fachplanung mit ihr in Konflikt gerät. Insofern gilt im Verhältnis von Bauleit- und Fachplanung, dass die zeitlich nachfolgende Planung auf die bereits konkretisierte Planung Rücksicht zu nehmen, letztere also Priorität hat.67 Gegebenenfalls ist die Gemeinde hinsichtlich ihrer Planungsvorstellungen und des Konkretisierungsstadiums darlegungspflichtig.68 In welchem Planungsstadium sich ein Bebauungsplan befinden muss, damit von einer hinreichend konkretisierten und verfestigten Planung gesprochen werden kann, wurde – soweit ersichtlich – vom BVerwG noch nicht ausdrücklich geklärt. Zu denken wäre insoweit an das Stadium der Planreife (§ 33 Abs. 1 BauGB).69 Es darf sich dabei nach Maßgabe der bereits erläuterten Voraussetzungen70 jedoch nicht um eine unzulässige Verhinderungsplanung handeln.71 Immerhin ist nach allem ein kommunalplanerischer Einfluss auch auf Vorhaben der Entsorgungsinfrastruktur, die dem Fachplanungsprivileg nach § 38 BauGB unterliegen, nicht völlig auszuschließen.

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VGH München, ZUR 2014, 116 (117). P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 84. 65 P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 90 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 66 BVerwG, NVwZ 1997, 169 (170) m.w.N.; P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 38 Rn. 86; a.A. OVG Weimar, Beschluss vom 22. 02. 2006 – 1 EO 707/05, juris, wonach auch noch nicht hinreichend verfestigte Planungsabsichten in der nach § 38 S. 1 Hs. 2 BauGB gebotenen Abwägung zu berücksichtigen sind, ihnen aber ein relativ geringes Gewicht beizumessen ist. 67 BVerwG, NVwZ 2003, 207 (Ls.); NVwZ 1997, 169 (170). Siehe dazu auch eingehend I. Kraft, Kommunale Verhinderungsplanung gegen Fachplanung?, UPR 2001, 294 ff. 68 BVerwG, KommJur 2008, 429 (429). 69 Siehe dazu den Praxishinweis von T. Schiffer, KommJur 2008, 431 f. 70 Zu den Anforderungen an eine unzulässige Verhinderungsplanung siehe oben unter B. I. 2. 71 A. Versteyl, AbfallR 2007, 120 (129 f.); OVG Weimar, Beschluss vom 22. 02. 2006 – 1 EO 707/05, juris, Rn. 101 ff. 64

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III. Die Privilegierung öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen nach § 38 BauGB Neben den Planfeststellungsverfahren und sonstigen Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung werden gemäß § 38 S. 1 Alt. 2 BauGB auch die Verfahren privilegiert, die auf Grund des BImSchG für öffentlich zugängliche Abfallbeseitigungsanlagen geführt werden. 1. Abfallbeseitigungsanlagen Während sich die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage nach dem Immissionsschutzrecht richtet (§ 35 Abs. 1 KrWG i.V.m. §§ 4, 6 BImSchG i.V.m. § 1 der 4. BImSchV und den Nrn. 8.1 ff. des Anhangs der 4. BImSchV), bestimmt sich der Begriff der Abfallbeseitigungsanlage, der regelmäßig eine Abgrenzung zu dem der Abfallverwertungsanlage erforderlich macht, nach den Vorschriften des Abfallrechts.72 Ausweislich der Legaldefinition in § 28 Abs. 1 S. 1 KrWG sind Abfallbeseitigungsanlagen solche Anlagen oder Einrichtungen, in denen Abfälle zum Zweck der Beseitigung behandelt, gelagert oder abgelagert werden. Dabei kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht auf die Zweckbestimmung des Abfalls, sondern auf die der Entsorgungshandlung an.73 Insofern ergibt sich aus § 28 Abs. 1 S. 1 KrWG i.V.m. § 3 Abs. 26 S. 1 KrWG i.V.m. § 3 Abs. 23 S. 1 KrWG, dass eine Abfallbeseitigungsanlage eine Anlage oder Einrichtung ist, in der ein Behandeln, Lagern oder Ablagern von Abfällen zum Zweck der Beseitigung, d. h. nicht mit dem Hauptergebnis bzw. dem Hauptzweck74 erfolgt, sie innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zuzuführen. In der bis zum 31. 12. 1997 geltenden Fassung sprach § 38 S. 1 BauGB noch von „Abfallentsorgungsanlagen“ – ein Begriff, der nach heutigem Verständnis sowohl Abfallverwertungs- als auch Abfallbeseitigungsanlagen erfasst. Diese Differenzierung innerhalb des Oberbegriffs „Abfallentsorgung“ wurde durch das 1996 in Kraft getretene KrW-/AbfG in das Abfallrecht implementiert.75 Die neue Termino72

P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 42. W. Spoerr, in: Jarass/Petersen (Hrsg.), KrWG, 2014, § 28 Rn. 37. So wohl im Ergebnis auch OVG Schleswig, Urteil vom 02. 02. 2010 – 1 KS 3/07, juris, das zwar zunächst abstrakt ausführt, dass es sich bei einer Anlage, in der überwiegend Abfall zur Beseitigung verbrannt wird, um eine Abfallbeseitigungsanlage handele (Rn. 42), dann aber bei der Prüfung des Einzelfalls doch auf den Zweck des Entsorgungsvorgangs abstellt (Rn. 47 ff.). 74 Das Kriterium des Hauptergebnisses und das des Hauptzwecks, auf welches der EuGH bei der Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung abgestellt hatte (Rs. C-6/00 [ASA], Slg. 2002, I-1961), sind im Wesentlichen deckungsgleich, M. Reese, in: Jarass/Petersen (Hrsg.), KrWG, § 3 Rn. 314. 75 Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. 09. 1994, BGBl. I S. 2705; vgl. zuvor noch § 1 Abs. 2 AbfG 1986, der dieses Begriffspaar so noch nicht kannte. 73

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logie des KrW-/AbfG war der Auslöser dafür, dass durch das Bau- und Raumordnungsgesetz (BauROG) vom 18. 08. 199776 der Begriff der Abfallentsorgungsanlagen in § 38 S. 1 BauGB durch den der Abfallbeseitigungsanlagen ersetzt wurde.77 Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass dadurch verhindert werden sollte, „dass […] das Privileg des § 38 BauGB über die ,klassischen‘ Abfallbeseitigungsanlagen (z. B. Müllverbrennungsanlagen) hinaus auch für alle immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen gilt, in denen mit ,Abfällen zur Verwertung‘ […] umgegangen wird“.78 Mittlerweile zwanzig Jahre später stellt sich die Frage, ob es angesichts des geänderten Verständnis von einer „typischen Abfallbeseitigungsanlage“ noch zeitgemäß ist, die Privilegierung des § 38 BauGB nur den Abfallbeseitigungsanlagen, wie wir sie heute definieren, zuteil werden zu lassen. Die vom Gesetzgeber des BauROG im Jahr 1996 noch als „klassische Abfallbeseitigungsanlage“ bezeichnete Müllverbrennungsanlage ist dies heutzutage keineswegs mehr. Eine Festlegung des Anlagenzwecks (Verwertung/Beseitigung) in der Anlagengenehmigung nach dem BImSchG ist nicht vorgesehen, wie sich aus der Beschreibung des Anlagentyps in Anhang 1 der 4. BImSchV, Nr. 8.1 ergibt. Keine Müllverbrennungsanlage wird heute noch mit dem Hauptzweck betrieben, Abfälle zu beseitigen. Im Vordergrund steht vielmehr die Funktion als (Heiz-)Kraftwerk. Die 69 „klassischen“ Müllverbrennungsanlagen in Deutschland dienen dem Zweck, aus dem Abfall elektrische und/ oder thermische Energie zu erzeugen79 (das gilt erst recht für industrielle Feuerungsanlagen zur Erzeugung von Prozessdampf und Strom unter Einsatz auch von Abfällen aus der öffentlichen Entsorgung als Brennstoff). Diese Einschätzung bestätigt auch das OVG Schleswig in zwei Entscheidungen aus 2010.80 Das OVG hatte sich mit der Abgrenzung von Abfallverwertungs- und Abfallbeseitigungsanlagen auseinanderzusetzen. Es entschied, dass die streitgegenständliche Müllverbrennungsanlage, in der die durch Abfallverbrennung erzeugte Energie als Verbrennungswärme und Elektrizität genutzt wird, als Abfallverwertungsanlage zu qualifizieren – und § 38 BauGB deshalb nicht anwendbar – sei.81 Dass sich das Verständnis von Abfallbeseitigungsanlagen im Laufe der Zeit gewandelt hat, ist wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass die Verwertung immer mehr in den Fokus der Abfallentsorgung gerückt ist. Mit zunehmender Optimierung der technischen Verwertungsmöglichkeiten wurden auch die rechtlichen 76 Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung vom 18. 08. 1997, BGBl. I S. 2081. 77 BT-Drs. 13/6392, S. 113. 78 BT-Drs. 13/6392, S. 113. 79 50 Anlagen laufen im Kraft-Wärme-Kopplungsbetrieb (KWK), 10 Anlagen erzeugen nur Strom, 9 Anlagen erzeugen nur Fernwärme oder Prozessdampf, vgl. https://www.itad.de/ ITAD/klimaenergie/327…html (Abruf am 07. 08. 2018). 80 Urteile vom 02. 02. 2010 – 1 KS 3/07, 4/07, juris. 81 OVG Schleswig, Urteile vom 02. 02. 2010 – 1 KS 3/07, Rn. 47 ff. und – 1 KS 4/07, juris, Rn. 16 ff.

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Vorgaben zur Verwertung konkretisiert bzw. verschärft. Diese in den letzten Jahren insbesondere durch das Unionsrecht forcierte Entwicklung, die im nationalen Recht – etwa durch die mittlerweile drei Verwertungsstufen umfassende Abfallhierarchie in § 6 Abs. 2 KrWG – ihren Niederschlag gefunden hat, war im Jahr 1998 jedenfalls in der Weise noch nicht absehbar. Ob aber die damit einhergehende Verkürzung des Anwendungsbereichs von § 38 BauGB dessen eigentlicher Zielsetzung heute noch gerecht wird, begegnet erheblichen Zweifeln. Durch § 38 BauGB sollen öffentlich zugängliche Abfallbeseitigungsanlagen vom gemeindlichen Bauplanungsrecht und Einvernehmen dispensiert werden, weil deren geplante Errichtung und Betrieb typischerweise auf Widerstand – auch bei Kommunen – stößt. Für die Akzeptanz der Anlage ist es aber in der Regel nicht von Bedeutung, ob in ihr Abfälle vornehmlich verwertet oder beseitigt werden, zumal der Entsorgungsvorgang (etwa die Verbrennung) derselbe ist. Auch vor dem Hintergrund umweltpolitischer Erwägungen kann die Privilegierung nur eines mittlerweile kaum noch erkennbaren Kreises von Abfallbeseitigungsanlagen nicht überzeugen. So sind es doch die Abfallverwertungsanlagen, die einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft eher Rechnung tragen als die Abfallbeseitigungsanlagen. Dasjenige, was insofern für Abfallverbrennungsanlagen gilt, gilt in gleicher Weise auch für andere Abfallverwertungsanlagen wie z. B. Kompostwerke oder Sortieranlagen. Die durch technische und rechtliche Entwicklungen überholte Begrifflichkeit der „Abfallbeseitigungsanlagen“ ist also als Voraussetzung für die Privilegierung nach § 38 BauGB nicht mehr zeitgemäß. Maßgebliches Abgrenzungskriterium sollte vielmehr sein, ob die fragliche Entsorgungsanlage – jenseits der Abgrenzung zwischen Beseitigung und Verwertung – öffentlich zugänglich ist oder nicht. 2. Öffentliche Zugänglichkeit § 38 S. 1 BauGB beschränkt den Kreis der privilegierten Abfallbeseitigungsanlagen auf solche, die öffentlich zugänglich sind. Aus den Gesetzesunterlagen ergibt sich, dass dieses Merkmal sicherstellen soll, dass nicht „sämtliche Abfallanlagen der Wirtschaft, d. h. auch betriebseigene Anlagen, die der Eigenentsorgung dienen“, durch § 38 S. 1 BauGB privilegiert werden sollen.82 In diesem Zusammenhang kommt es entscheidend darauf an, dass der Benutzerkreis nicht von vornherein begrenzt ist, sondern vielmehr privaten Einzelpersonen ebenso wie Unternehmen zugänglich ist.83 Dabei ist es für die öffentliche Zugänglichkeit weder von Bedeutung, 82

BT-Drs. 12/4208, S. 21. M. Dippel, NVwZ 1999, 921 (927); P. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 43; O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 17; F. Hölscher, Die planungsrechtliche Einbindung von immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Abfallbeseitigungsanlagen nach dem BauROG, NVwZ 1998, 1134 ff. Siehe dazu aus der Rechtsprechung VGH München, NVwZ-RR 2014, 36 (36); OVG Weimar, Beschluss vom 22. 02. 2006 – 1 EO 707/05, juris, Rn. 100; OVG Lüneburg, NVwZRR 2006, 25 (25). 83

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welcher Rechtsform sich der Betreiber bedient hat, noch wie der Betrieb der Anlage ausgestaltet ist. Beides kann sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur sein.84 Sofern die Anlage durch einen privaten Anlagenbetreiber betrieben wird, dürfte es aber erforderlich sein, dass dieser zumindest als beauftragter Dritter i.S.d. § 22 KrWG in die öffentliche Abfallentsorgung eingebunden ist.85 Umstritten ist, ob auch öffentlich zugängliche „Abfallbeseitigungsanlagen“ die Voraussetzung der überörtlichen Bedeutung erfüllen müssen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sich das Merkmal der überörtlichen Bedeutung nur auf Vorhaben, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens oder sonstigen Verfahrens mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung zugelassen werden. Gleichwohl wird aus teleologischen, systematischen und entstehungsgeschichtlichen Gründen eine einschränkende Auslegung des § 38 S. 1 BauGB gefordert.86 IV. Ausblick Deutschland braucht seine Entsorgungsinfrastruktur. Entsorgungssicherheit ist für den Wirtschaftsstandort und für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gleichermaßen bedeutsam. Allerdings stoßen Entsorgungsanlagen in der Zulassungspraxis zunehmend auf Schwierigkeiten. Ohne eine Gesetzesänderung lässt sich aus der Sicht des Praktikers bereits viel erreichen, wenn die Regelung über das gemeindliche Einvernehmen und dessen Ersetzung bei rechtswidriger Versagung durch die zuständigen Behörden konsequent (ohne vermeintlich bestehendes Ermessen) und ohne unnötige Zeitverluste gehandhabt wird. Der aus der ermessensgeleiteten Kommunalaufsicht bekannte Satz „Kommunale Aufsicht ist kommunale Nachsicht“ sollte hier nicht gelten. In diesem Sinne wäre angesichts der unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen auch eine höchstrichterliche Klarstellung hilfreich, dass es sich bei § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB nicht um eine Ermessens-, sondern um eine Befugnisnorm handelt. Geht die Gemeinde nach dem Bekanntwerden eines Entsorgungsvorhabens den Weg in die Bauleitplanung und beschließt dazu eine Veränderungssperre, so sollten die Normenkontrollgerichte sehr genau hinsehen, ob nicht in Wirklichkeit eine Negativ- oder Verhinderungsplanung vorliegt, die nicht sicherungsfähig ist. Den äußeren Umständen, die eine Gemeinde zur Planung und Veränderungssperre veranlassen, muss eine besonders starke Indizwirkung im Hinblick auf das Vorliegen einer Negativplanung beigemessen werden. 84

O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 17. Im Schrifttum wird dies allerdings nicht einheitlich beantwortet. Zum Streitstand siehe I. Kraft, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BeckOK BauGB, § 38 Rn. 17 m.w.N. 86 Siehe dazu F. Kuchler, Keine Privilegierung von Abfallbeseitigungsanlagen ohne überörtliche Bedeutung gem. § 38 BauGB, NuR 1999, 259 ff.; dem folgend P. Runkel, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 45a; O. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, § 38 Rn. 17. 85

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Eine Gesetzesänderung wäre bei § 38 BauGB ratsam. Denn der in der geltenden Fassung enthaltene Begriff der „Abfallbeseitigungsanlage“ hat praktisch keinen Anwendungsbereich mehr. Er wäre durch den Begriff der „Abfallentsorgungsanlage“ zu ersetzen, der auch Anlagen erfasst, in denen Abfälle verwertet werden, und zwar nicht nur Verbrennungsanlagen, sondern z. B. auch Kompostwerke, Sortieranlagen oder Umschlagstationen. Beizubehalten wäre die gesetzliche Voraussetzung der „öffentlichen Zugänglichkeit“. Ob man Anlagen der Entsorgungsinfrastruktur „mag“ oder nicht, wird wohl auch durch gesellschaftspolitische Entwicklungen beeinflusst. Wie durchsetzungsstark das (gerade auch öffentliche) Interesse an der Entsorgungsinfrastruktur im Einzelfall aber ist, hängt von der Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens ab. Hier besteht Verbesserungspotenzial.

Grundstrukturen einer Planungsrechtsdogmatik im Gesundheitsrecht Von Frank Stollmann I. Einführung Das Gesundheitswesen und seine rechtsdogmatische Fundierung sind differenziert aufgestellt. So existieren neben eher präventiven Ansätzen – beispielsweise im Nichtraucherschutz- oder Sozialversicherungsrecht – vor allem auch dirigistische Instrumente in Fortentwicklung des klassischen Polizei- und Ordnungsrechts. Etwa im Arzneimittel- und Medizinprodukterecht, im Infektionsschutzrecht, der Hygieneaufsicht u. ä. Daneben gibt es in vielen Bereichen des Gesundheitswesens planerische Elemente, angefangen vom Krankenhausrecht über das Bedarfsplanungsrecht in der Sozialen Krankenversicherung bis hin zum Rettungswesen. Vergleichsweise differenziert stellt sich auch der Befund hinsichtlich der Rechtsquellen dar. Neben bundesrechtlichen Normen gibt es ergänzende oder ausschließliche Landesregelungen, teilweise werden die förmlichen Gesetze noch durch normative Bestimmungen der gemeinsamen Selbstverwaltung ergänzt. Im Folgenden sollen die Grundstrukturen einer Planungsrechtsdogmatik im Gesundheitsrecht skizziert werden, um im Anschluss Parallelitäten bzw. Divergenzen zu den Entwicklungen im Bereich der Umweltplanungen aufzuzeigen. II. Krankenhausplanung 1. Grundlagen Die Krankenhausplanung ist eine Bedarfsfeststellungs- und Versorgungsplanung, bei der die Krankenhauspläne die für eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser nach Standort, Bettenzahl, Behandlungsplätzen, Fachrichtungen sowie ggf. weiteren Kriterien ausweisen. Den Ausgangspunkt bildet das Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes (KHG),1 in welchem die §§ 6 bis 8 KHG die Planung der Krankenhauslandschaft durch Krankenhauspläne der Länder festlegen und entsprechende Vorgaben für Verfahren und Inhalt machen. Die Krankenhausplanung ist zugleich das zentrale Steuerungsinstrument zur Verwirklichung 1 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581).

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des in § 1 KHG genannten Zieles, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern sicherzustellen. Durch das Krankenhausstrukturgesetz2 ist dieser Zielkatalog um zwei neue Aspekte erweitert worden: Qualität und Patientengerechtigkeit gehören nunmehr ebenfalls kraft normativer Anordnung zu den gesetzlichen Anforderungen an alle Beteiligten im Planungsprozess.3 Der bundesrechtliche Rahmen wird von jedem Land durch ein eigenes Landeskrankenhausgesetz ergänzt. Sämtlichen Ländern gemeinsam – weil bundesrechtlich (vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 KHG) vorgegeben – ist jedoch, dass die Aufnahme des jeweiligen Krankenhauses/der Krankenhausabteilung durch Bescheid festzustellen ist (Feststellungsbescheid). Damit vollzieht sich die Krankenhausplanung auf zwei Handlungs- und Entscheidungsebenen, dem Krankenhaus(rahmen)plan und dem Feststellungsbescheid.4 2. Krankenhaus(rahmen)plan a) Rechtsnatur Der Krankenhausplan ist nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte lediglich eine verwaltungsinterne Maßnahme ohne unmittelbare Rechtswirkung gegenüber den Betroffenen (Krankenhäusern, Kostenträgern).5 Entsprechend den Gepflogenheiten staatlicher Planung handelt es sich nicht um eine statische Festschreibung, sondern um einen kontinuierlichen Prozess der Fortschreibung. Bei jeder Auswahlentscheidung steht die in der Vergangenheit bereits erfolgte und fortbestehende Aufnahme anderer Krankenhäuser grundsätzlich wieder zur Disposition. Nur auf diese Weise wird ermöglicht, dass den Zielen des § 1 KHG gemäß auch neue Krankenhäuser eine Chance auf Aufnahme in den Krankenhausplan erhalten und damit einer „Versteinerung der Krankenhauslandschaft“ vorgebeugt wird.6

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Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung – KHSG – vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2229). 3 Dazu etwa T. Bohle, GesR 2016, 605 (607 f.); T. Clemens, in: Düsseldorfer Krankenhausrechtstag 2015, S. 19 (20 f.); R. Pitschas, GuP 2016, 161; ders., VSSR 2017, 343; O. Ricken, KrV 2018, 89; F. Stollmann, NZS 2016, 201 (202 f.); R. Ternick, NZS 2017, 770; F. Wollenschläger/A. Schmidl, GesR 2016, 542 ff. 4 Zu dieser Regelungssystematik näher F. Stollmann, in: Huster/Kaltenborn, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 10 ff. m.w.N. 5 BVerwGE 62, 86 (95 f.); 72, 38 (44 f.); 132, 64; 139, 309; VGH Mannheim Urt. v. 12. 02. 2013 – 9 S 1968/11; BVerfGE 82, 209 ( 228); OVG Lüneburg, MedR 2000, 93 (94); OVG Münster, MedR 2012, 470; MedR 2011, 674; GesR 2009, 320; dazu auch M. Kaltenborn/F. Stollmann, NWVBl. 2008, 449 (451); O. Ricken, KrV 2018, 89 (94). 6 BVerfG, GesR 2004, 296; OVG Münster, NZS 2016, 23; OVG Berlin-Brandenburg, KHE 2015/96; OVG Lüneburg, BeckRS 2011, 47326; VGH Mannheim, Urt. v. 16. 04. 2015 – 10 S 96/13, juris.

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Der Krankenhausplan hat damit im Sinne eines influenzierenden Planes eine gesetzlich vorgesehene Konkretisierungsfunktion. Er ergeht nicht in der Form einer Rechtsverordnung, auch wenn regelmäßig die Veröffentlichung im landesspezifischen amtlichen Mitteilungsorgan vorgeschrieben ist (vgl. § 4 Abs. 3 LKHG-BW, Art. 5 Abs. 5 BayKrG).7 Es handelt sich auch nicht um eine Allgemeinverfügung im Sinne einer Zusammenfassung einer Vielzahl von Verwaltungsakten (in Gestalt der einzelnen Feststellungsbescheide). Vielmehr hat der Krankenhausplan wie eine binnenorganisatorische Weisung die Anordnung zum Inhalt, dem Plan entsprechende positive oder negative Einzelentscheidungen vorzubereiten.8 Die nachgeordnete Behörde muss sich an die im Plan enthaltenen Vorgaben – regelmäßig die Planungsziele und -grundsätze – halten, wenn sie ihrerseits rechtmäßig sind, sofern nicht Einzelfallerwägungen eine Abweichung erlauben oder sogar fordern.9 Diese Funktion des Krankenhausplans erfordert aber nicht, dass er zwischen dem KHG und den Landeskrankenhausgesetzen einerseits und den in § 8 Abs. 1 KHG vorgesehenen, den einzelnen Krankenhäusern zugehenden Bescheiden andererseits eine Rechtsaktebene mit eigenständiger normativer Außenwirkung bildet.10 Nach der Konzeption des KHG ist der Krankenhausplan als räumliche, fachliche, qualitative und quantitative Konkretisierung der in § 1 KHG verankerten Zielvorstellungen eines bedarfsgerechten und leistungsfähigen Krankenhauswesens anzusehen.11 Der Plan steuert die Entscheidungen nachgeordneter Behörden nach landesweit einheitlichen Gesichtspunkten und beeinflusst dergestalt den Entscheidungsspielraum dieser Behörden; er erübrigt ihre Entscheidung jedoch nicht. Im Gegenteil: Die rechtsverbindliche Planung eines Landes ergibt sich erst aus der Summe der getroffenen Planaufnahmeentscheidungen der nachgeordneten Behörden. Soweit diese von den ursprünglichen Planvorgaben abweichen, muss der Plan angepasst werden. Nur so gewinnt die Krankenhausplanung – gleichsam im Sinne eines Gegenstromprinzips – die nötige Flexibilität.12 Das BVerwG13 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit der Detailgenauigkeit und Aktualität des Plans dessen steu-

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Dementsprechend ist auch für das Wettbewerbsrecht entschieden worden, dass einem Krankenhausplan kein Rechtsnormcharakter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG zukommt. Zuwiderhandlungen gegen die Festlegungen eines Krankenhausplans und des auf dieser Grundlage ergangenen Feststellungsbescheides stellen daher keinen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel dar (OLG Saarbrücken, GesR 2013, 754). 8 Grdl. BVerwG, NJW 1995, 1628 (1629); vgl. auch BVerwG, GesR 2009, 27; OVG Münster, GesR 2009, 417 (419); Beschl. v. 17. 01. 2013 – 13 A 1196/12. 9 Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 12. 02. 2013 – 9 S 1968/11 m.w.N. 10 So ausdrücklich BVerwGE 139, 309; K. Rennert, DVBl. 2010, 936 (943). 11 BVerwGE 139, 309; VGH Mannheim, MedR 2014, 39; Urt. v. 16. 04. 2015 – 10 S 96/13, juris; OVG Bautzen, DÖV 2013, 860. 12 Vgl. so mit Bezug auf die Rechtsprechung F. Stollmann (o. Fn. 4), § 4 Rn. 15; zum Gegenstromprinzip im Raumordnungsrecht vgl. § 1 Abs. 3 ROG; dazu W. Erbguth/M. Schubert, Öffentliches Baurecht, 6. Aufl. 2015, § 3 Rn. 6 m.w.N. 13 BVerwGE 139, 309 = DVBl. 2011, 895.

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ernde Wirkung einhergehe; bei gröberen oder veralteten Plänen sei die Wirkung geringer, bei fehlerhafter Planung fehle sie ggfls. vollständig.14 b) Verfahrensaspekte aa) Letztentscheidungsrecht des Landes Im Hinblick auf das Planaufstellungsverfahren verpflichtet § 7 Abs. 1 S. 2 KHG die Länder, bei der Krankenhausplanung einvernehmliche Regelungen mit den unmittelbar Beteiligten anzustreben. Zwar ist die Zustimmung der Beteiligten damit für die formale Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidungen nicht zwingend, aber das „Einvernehmen anzustreben“ meint eine sehr weitgehende Form der Mitwirkung, mehr als bloßes Anhören und mehr als Benehmen; es ist das ernsthafte Bemühen, sich mit den Beteiligten zu einigen.15 Allerdings gibt es kein Vetorecht einzelner Beteiligter. Das Land hat das Letztentscheidungsrecht, soweit Einvernehmen über die Bestimmung von Krankenhäusern zur Leistungserbringung nicht erzielt wird.16 bb) Beteiligte Gemäß § 7 Abs. 2 KHG sind die unmittelbar Beteiligten im Landesrecht zu bestimmen und nähere Regelungen über ihre Mitwirkung zu treffen. Dementsprechend ist die Bestimmung der Beteiligten in den einzelnen Ländern vielfältig und unterschiedlich.17 Die meisten Länder haben zur Wahrung der Mitwirkungsrechte der unmittelbar Beteiligten Krankenhaus(Planungs-)Ausschüsse institutionalisiert.18 So bestimmt etwa § 15 Abs. 3 S. 1 KHGG NRW, dass der Landesausschuss insbesondere die Empfehlungen, die zur Neuaufstellung, Fortschreibung und Umsetzung der Rahmenvorgaben notwendig sind, erarbeitet. Im Landesausschuss mit Stimmrechten unmittelbar beteiligt sind Vertreter der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, der Verbände der Krankenkassen, der kommunalen Spitzenverbände, der Katholischen Kirche und der Evangelischen Landeskirchen, der Landesbeauftragten für die Patientenbelange, der Ärzte- und ggfls. Psychotherapeutenkammer, des Verbandes der privaten Krankenversicherung und – soweit psychiatrische Einrichtungen betroffen sind – der Landschaftsverbände (vgl. § 15 Abs. 1 KHGG 14 So auch VGH Mannheim, Urt. v. 12. 02. 2013 – 9 S 1968/11; Urt. v. 16. 04. 2015 – 10 S 96/13, juris; OVG Bautzen, DÖV 2013, 860. 15 BT-Drs. 10/2565, S. 28; vgl. auch H. Thomae, Krankenhausplanungsrecht, 2006, S. 89. 16 VG Osnabrück, KRS 95.056; vgl. auch C. Lenz, in: Lenz/Dettling/Kieser, Krankenhausrecht, 2007, S. 40 f. 17 Etwa H. Thomae (o. Fn. 15), S. 163 ff. und C. Lenz (o. Fn. 16), S. 41; F. Stollmann, in: Pitschas (Hrsg.), Versorgungsstrukturen im Umbruch, 2012, S. 55 (65); F. Stollmann/ A. Wollschläger, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2018, § 81 Rn. 59 f. 18 Vgl. etwa Art. 7 Abs. 1 LKHG Bayern, § 9 LKHG BW, § 9 Abs. 1 LKHG Nds.; zur Situation nach dem HKHG 2011 vgl. F. Stollmann, GuP 2011, 48 (51 f.).

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NRW).19 Die lediglich mittelbar (im schriftlichen Verfahren und ohne Stimmrecht) zu beteiligenden Verbände sind in § 15 Abs. 2 KHGG NRW aufgeführt. cc) Einzelheiten des Verfahrens Die Einzelheiten der Krankenhausplanung unterscheiden sich in den einzelnen Ländern teilweise ganz beträchtlich.20 Vorliegend soll daher das Verfahren der Krankenhausplanung in NRW exemplarisch dargestellt werden.21 Nach § 12 Abs. 2 S. 1 KHGG NRW weist der Krankenhausplan den Stand und die vorgesehene Entwicklung der für eine ortsnahe, bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser und Ausbildungsstätten gemäß § 2 Nr. 1a KHG aus. Er berücksichtigt die Versorgungsangebote benachbarter Länder, die Vielfalt der Krankenhausträger nach § 1 Abs. 2 S. 1 KHG und besteht aus den Rahmenvorgaben und den regionalen Planungskonzepten (vgl. § 12 Abs. 2 S. 2 KHGG NRW). Die Fortschreibung des Krankenhausplans erfolgt gemäß § 12 Abs. 2 S. 3 KHGG NRW durch Änderung der Rahmenvorgaben und der regionalen Planungskonzepte. Auf der Grundlage dieser Rahmenvorgaben legt das zuständige Ministerium insbesondere Gebiete, Gesamtplanbettenzahlen und Gesamtbehandlungsplatzkapazitäten oder vergleichbare quantitativ oder qualitativ bestimmte Behandlungskapazitäten abschließend fest (§ 14 Abs. 1 S. 1 KHGG NRW). Hierzu erarbeiten die Krankenhausträger und die Verbände der Krankenkassen gemeinsam und gleichberechtigt ein regionales Planungskonzept (vgl. § 14 Abs. 1 S. 2 KHGG NRW). Zu Verhandlungen über ein regionales Planungskonzept können nach § 14 Abs. 2 S. 1 KHGG NRW die Krankenhausträger, die Verbände der Krankenkassen und die zuständige Planungsbehörde auffordern. Diese Verhandlungen sind innerhalb von einem Monat nach Aufforderung einzuleiten. Die Aufnahme der Verhandlungen ist der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. Die Verhandlungen sind spätestens sechs Monate nach ihrer Aufnahme abzuschließen.22 Der weitere Verfahrensfortgang einschließlich der erforderlichen Formerfordernisse, Beteiligungen, Anhörungen usw. ist sodann in § 14 Abs. 3, 4 KHGG NRW näher beschrieben. Durch Feststellungsbescheid nach § 16 werden die regionalen Planungskonzepte Bestandteil des Krankenhausplans (vgl. § 14 Abs. 5 KHGG NRW).

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Vgl. M. Kaltenborn/F. Stollmann, NWVBl. 2008, 449 (450 f.). Eine Darstellung der Planungsverfahren in den einzelnen Ländern etwa bei H. Thomae (o. Fn. 15), S. 163 f. 21 Vertiefend J. Lafontaine/F. Stollmann, in: Becker/Bertram/Heitzig/Klöck/Lafontaine/ Stollmann, KHGG NRW, 2. Lfg. Juni 2018, § 12 Erl. 2 und § 14 Erl. 3 bis 6. 22 Vgl. M. Kaltenborn/F. Stollmann, NWVBl. 2008, 449 (451); P. Roth, KH 2008, 704 (706 f.); zu den Rechtsfolgen von Verfahrensverstößen vgl. K. Schillhorn, in: Düsseldorfer Krankenhausrechtstag 2005, S. 79 (83 f.); zu den Änderungen im Jahr 2018 vgl. F. Stollmann, PKR 2018, 119 (121 f.). 20

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c) Inhalt Der Inhalt eines Krankenhausplans ist hinsichtlich seines Gegenstandes und seiner Einzelaussagen bundesrechtlich nicht näher bestimmt. Jedoch beschreibt die Verpflichtung, den Plan zur Verwirklichung der in § 1 KHG genannten Ziele aufzustellen (vgl. § 6 Abs. 1, 1. Hs. KHG), nicht nur den Planungszweck, sondern beeinflusst auch maßgeblich dessen Inhalt. Durch das Krankenhausstrukturgesetz23 ist der Gesetzeszweck in § 1 Abs. 1 KHG um das Ziel der qualitativ hochwertigen Versorgung erweitert worden. Damit soll bundesrechtlich „Qualität“ als Parameter für staatliche Entscheidungen im Rahmen des Krankenhauswesens eingeführt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll damit insbesondere für die Krankenhausplanung als Steuerungsinstrument für eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern ein zusätzliches gesetzliches Zielkriterium zur Gewährleistung einer qualitätsgesicherten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern aufgenommen werden. Mit der Verankerung des neuen Zielkriteriums der patientengerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung werden die Planungsinhalte erweitert und damit die Anforderungen an leistungsfähige Krankenhäuser erhöht.24 Der Krankenhausplan muss die materiellen Planungskriterien des KHG erfüllen, d. h. eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherstellen, die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser ermöglichen und durch das System bedarfsgerecht und leistungsfähiger Krankenhäuser zu einem sozial tragbaren Pflegesatz beitragen. Die Anforderungen an Krankenhauspläne sind seit der grundlegenden Entscheidung des BVerwG vom 25. Juli 198525 höchstrichterlich beschrieben und in der Verwaltungspraxis anerkannt. Krankenhauspläne müssen im Wesentlichen folgenden Inhalt haben: - Eine Krankenhauszielplanung, die im Rahmen des durch die KHG-Vorschriften begrenzten Gestaltungsspielraumes die Ziele festlegt, auf deren Verwirklichung der Plan ausgerichtet ist.26 - Eine Bedarfsanalyse, die eine Beschreibung des zu versorgenden Bedarfs der Bevölkerung enthält.27 - Eine Krankenhausanalyse (Ist-Analyse), die eine Beschreibung der Versorgungsbedingungen bei den in den Plan aufgenommenen Krankenhäusern enthält.28 23

Vgl. oben Fn. 2. Dazu im Einzelnen T. Bohle, GesR 2016, 605 (607 f.); T. Clemens (o. Fn. 3), S. 19 (20 f.); R. Pitschas, GuP 2016, 161; ders., VSSR 2017, 343; O. Ricken, KrV 2018, 89; F. Stollmann, NZS 2016, 201 (202 f.); ders., in: Katzenmeier/Ratzel (Hrsg.), Festschrift Dahm, 2017, S. 485 (488 f.); R. Ternick, NZS 2017, 770; F. Wollenschläger/A. Schmidl, GesR 2016, 542 ff. 25 BVerwGE 72, 38 = NJW 1986, 796; zuletzt BVerwGE 139, 309. 26 Vgl. BVerfG, GesR 2004, 296 (299); OVG Berlin-Brandenburg, GesR 2007, 32 (34). 27 BVerwGE 72, 38 (47 f.); VGH Mannheim, MedR 2014, 39; OVG Münster, GesR 2012, 111 (113). 28 Grundlegend BVerwGE 72, 38 (49). 24

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- Die Festlegung der durch die späteren Feststellungsbescheide zu treffenden (eigentlichen) Versorgungsentscheidung darüber, mit welchen Krankenhäusern der festgestellte Bedarf der Bevölkerung versorgt werden soll.29 Im Landesrecht wird all dies in der Regel näher ausgestaltet. So enthalten – auch hier beispielhaft im nordrhein-westfälischen Landesrecht – die Rahmenvorgaben gemäß § 13 Abs. 1 KHGG NRW die Planungsgrundsätze und Vorgaben für die notwendigen aufeinander abzustimmenden Versorgungsangebote nach ihrer regionalen Verteilung, Art, Zahl und Qualität.30 Sie sind ihrerseits Grundlage für die Festlegungen nach § 14 KHGG NRW (Regionale Planungskonzepte).31 Planungsdeterminanten im Sinne des § 13 KHGG NRW können z. B. die Krankenhaushäufigkeit, die Verweildauer und Bettennutzung, gegebenenfalls auch Bettenmessziffern, Leistungsmengen oder Aussagen zur gestuften (örtlichen, regionalen oder überregionalen) Versorgung sein; ebenso können die Rahmenvorgaben die jeweilige Wohnortnähe definieren, die Abstimmung benachbarter Versorgungsangebote regeln oder Verfahrensabläufe (z. B. in Bezug auf die Entwicklung der regionalen Planungskonzepte) festlegen. In fachlicher Hinsicht lehnen sich die Krankenhauspläne i. d. R. an die Fachgebiete an, die etwa in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern aufgeführt sind;32 rechtlich zwingend ist dies freilich nicht.33 Eine vollständige und ausnahmslose Übernahme der Fachgebiete der ärztlichen Weiterbildungsordnung im Krankenhausplan ist nicht in jedem Fall zwingend geboten; es ist einem Land grundsätzlich nicht verwehrt, im Krankenhausplan unter fachlichen Gesichtspunkten eine von der Weiterbildungsordnung in Teilbereichen abweichende Strukturierung vorzunehmen.34 In den meisten Ländern wird überdies durch Landesrecht angeordnet, dass im Land verschiedene (regionale) Versorgungsgebiete gebildet werden. Diese bilden dann den räumlichen Bezugsrahmen, in dem Bedarfs- und Krankenhausanalysen sowie konkrete Versorgungsentscheidungen erfolgen. Relativ weit verbreitet ist zudem die Bildung verschiedener Leistungsstufen unter den Krankenhäusern, also 29

Vgl. BVerwGE 62, 86. Zu den Rahmenvorgaben vgl. M. Kaltenborn/F. Stollmann, NWVBl. 2008, 449 (450); D. Prütting, KHGG NRW, 4. Aufl. 2017, § 13 Rn. 2 f.; P. Roth, KH 2008, 704 (705); J. Lafontaine/F. Stollmann (o. Fn. 21), § 13 Erl. 2. 31 Zu den regionalen Planungskonzepten nach dem nordrhein-westfälischen Landesrecht umfassend K. Schillhorn (o. Fn. 22), S. 79 f.; J. Lafontaine/F. Stollmann (o. Fn. 21), Erl. zu § 14; dazu auch VG Minden, Urt. v. 30. 03. 2012 – 6 K 2584/10; D. Prütting (o. Fn. 30), § 14 Rn. 1 ff.; H. Thomae (o. Fn. 15), S. 165. 32 Vgl. BVerwG, NZS 2012, 464; VGH Mannheim, MedR 2003, 107; VG Karlsruhe, GesR 2005, 210. 33 OVG Münster, Urt. v. 20. 06. 2016 – 13 A 1377/15, juris. 34 OVG Münster, Beschl. v. 19. 10. 2015 – 13 A 733/15; VG Minden, Urt. v. 20. 02. 2015 – 6 K 912/14 und 913/14; VG Meiningen, ThürVBl 2014, 97; VG Saarlouis, Urt. v. 09. 03. 2010 – 3 K 737/08; dazu auch M. Schildwächter, NZS 2016, 207 (213). 30

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ein so genanntes gegliedertes Versorgungssystem. Dabei reichen unterschiedliche Leistungs- oder Versorgungsstufen von Allgemeinkrankenhäusern mit örtlich ausgerichteten Einrichtungen der Grund- oder Regelversorgung über durchaus überörtlich ausgerichtete Krankenhäuser der Schwerpunktversorgung, die weitere Fachrichtungen umfassen, bis hin zu Krankenhäusern der Maximalversorgung, die entsprechend hochdifferenzierte medizinisch-technische Systeme vorhalten.35 Mit der Aufnahme in den Krankenhausplan durch den Feststellungsbescheid sind die sog. Plankrankenhäuser als zugelassene Krankenhäuser (§ 108 SGB V) auf Grund eines fingierten Versorgungsvertrages (§ 109 Abs. 1 S. 2 SGB V) zur Leistungserbringung zugelassen und haben einen Rechtsanspruch auf Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung mit leistungsgerechten Pflegesätzen (§ 109 Abs. 4 S. 3 SGB V). Das Plankrankenhaus hat damit Anspruch auf leistungsgerechte Erlöse und eine gewisse Garantie wirtschaftlicher Sicherheit. Zudem sind die Krankenhauspläne Grundlage für staatliche Steuerungsmaßnahmen insbesondere im investiven Bereich. Die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausbedarfsplan hat für den einzelnen Träger also eine existenzentscheidende Bedeutung.36 III. Bedarfsplanung nach SGB V 1. Grundlagen Ihre gesetzliche Grundlage findet die Bedarfsplanung im Kassenarztrecht im 4. Kapitel, 2. Abschnitt, 8. Titel des SGB V und hier im Wesentlichen in § 99 SGB V. Demnach haben die Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen nach Maßgabe der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien37 auf Landesebene einen Bedarfsplan zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung aufzustellen und jeweils der Entwicklung anzupassen (§ 99 Abs. 1 S. 1 SGB V). Die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung sowie der Krankenhausplanung sind gemäß § 99 Abs. 1 S. 2 SGB V zu beachten. Soweit es zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten, insbesondere der regionalen Demografie und Morbidität, für eine bedarfsgerechte Versorgung erforderlich ist, kann von den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses abgewichen werden (§ 99 Abs. 1 S. 3 SGB V). Die normativen Grundlagen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Bedarfsplanungsrichtlinie-Ärzte (BPLR-Ä)38 und der Bedarfsplanungsrichtlinie35

Dazu näher M. Quaas, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 3. Aufl. 2014, § 25 Rd. 86 m.w.N. Zu diesen Aspekten auch F. Stollmann (o. Fn. 4), § 4 Rn. 4 m.w.N. 37 Die Bedarfsplanungsrichtlinien des GBA geben allgemeine Kriterien für die Bedarfsplanung vor, die der Bedarfsplan auf Landesebene bzw. Bezirksebene einer Kassenärztlichen Vereinigung (§ 12 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV) konkret umsetzt. 38 Fassung vom 20. 12. 2012 BAnz AT 31. 12. 2012 B7; letzte Änderung 15. 02. 2018 BAnz AT 11. 05. 2018 B3; in Kraft getreten am 12. 05. 2018 (abrufbar unter: https://www.g-ba.de/ informationen/richtlinien/4/). 36

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Zahnärzte (BPLR-ZÄ)39 nach den Maßgaben der §§ 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 9, 101 Abs. 1 SGB V untergesetzlich präzisiert. Weitere Vorgaben für die Bedarfsplanung finden sich in §§ 12 bis 14 Ärzte-ZV40 bzw. Zahnärzte-ZV.41 Die Bedarfsplanung ist eng mit dem Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung verbunden, der im Wesentlichen den Kassenärztlichen Vereinigungen übertragen ist (§ 75 Abs. 1 S. 1 SGB V). Der Bedarfsplan soll eine vorausschauende Planung für den Ärztebedarf ermöglichen, mit Hilfe des Bedarfsplans wird der Bedarf an vertragsärztlicher Versorgung im Planungsgebiet ermittelt und überwacht. Insoweit dient der Bedarfsplan der gleichmäßigen und ausreichenden regionalen Versorgung, auf seiner Grundlage können Maßnahmen bei Unterversorgung (§§ 100, 104 Abs. 1, 105 S. 1 S. 1 Hs. 2 SGB V) getroffen werden und er ist Basis für weitere Sicherstellungsmaßnahmen (§ 105 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB V). Die bedarfsplanerischen Festlegungen können auch eine Hilfe bei der Bedarfsprüfung für Ermächtigungen (§ 116 SGB V, §§ 31, 31a Ärzte-ZV) sein.42 2. Bedarfsplan a) Rechtsnatur Der Bedarfsplan hat vornehmlich verwaltungsinterne Bedeutung. Die gesetzlichen Bestimmungen verlangen keine bestimmte Rechtsform, auch wenn der Plan gemäß § 99 Abs. 1 S. 7 SGB V in geeigneter Weise zu veröffentlichen ist.43 Er ist ohne Außenwirkung, also gegenüber Dritten weder Rechtsnorm noch Verwaltungsakt.44 Es handelt sich um eine Bedarfsanalyse und Versorgungsplanung mit tatbestandlichen Feststellungen (vgl. § 12 Abs. 1 Ärzte-ZV), also um einen indikativen Plan, der in allgemeiner Form über die Zusammenstellung und Aufbereitung von

39 Fassung vom 14. 08. 2007 BAnz Nr. 185 (S. 7673) vom 02. 10. 2007; letzte Änderung 16. 06. 2016 BAnz AT 06. 09. 2016 B2; in Kraft getreten am 07. 09. 2016 (abrufbar unter: https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/30/). 40 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) in der im BGBl. Teil III, Gliederungsnr. 8230 – 25, veröffentlichten bereinigten Fassung; zul. geänd. durch Art. 6 der VO v. 07. 07. 2017 (BGBl. I S. 2842). 41 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) in der im BGBl. Teil III, Gliederungsnr. 8230 – 26, veröffentlichten bereinigten Fassung; zul. geänd. durch Art. 7 der VO v. 07. 07. 2017 (BGBl. I S. 2842). 42 Zu alldem vgl. T. Clemens, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 3. Aufl. 2014, § 20 Rn. 23 ff.; umfassend zur Bedarfsplanung H. Frehse, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, § 5 C. Rn. 1 ff. 43 Dazu M. A. Ossege, in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl. 2018, § 99 Rn. 20; V. Wahrendorf, in: Peters, KV (SGB V), 19. Aufl. (Stand: Nov. 2017), § 99 Rn. 23. 44 So explizit M. Kaltenborn, in: Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 99 Rn. 9; K.-P. Murawski, in: Hänlein/Schuler, SGB V, 5. Aufl. 2016, § 99 Rn. 4; M. A. Ossege (o. Fn. 43), § 99 SGB V Rn. 25.

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Daten steuert.45 Er bildet die Grundlage z. B. für die Beratung der Ärzte (§ 12 Abs. 4 Ärzte-ZV) und weitere allgemeine Sicherstellungsvorkehrungen (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGB V), die Ausschreibung von Vertragsarztsitzen zur Abwendung einer drohenden Unterversorgung (§ 15 Ärzte-ZV) und für die Feststellung einer Unterversorgung (§ 16 Abs. 1 Ärzte-ZV) mit der Konsequenz von Zulassungsbeschränkungen (§ 16 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV). Auf seiner Grundlage überprüft der Landesausschuss den Stand der Versorgung (§ 10 S. 1 BedarfsplRL). Im Verhältnis zu den Beteiligten, also den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, wird der Bedarfsplan demgegenüber vielfach als Verwaltungsakt qualifiziert, der dem beschwerten Beteiligten nach einer Nichteinigung die Anrufung des Sozialgerichts gestattet.46 b) Verfahrensaspekte aa) Initiativrecht Das SGB V beinhaltet bereits die wesentlichen Verfahrensaspekte für die Planaufstellung. Aus § 99 Abs. 1 S. 1 SGB Vergibt sich zwingend das Initiativrecht der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung, die auch Trägerin der Planung ist. Nach § 99 Abs. 1 S. 4 SGB V ist den zuständigen Landesbehörden und den auf Landesebene für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.47 Der aufgestellte oder angepasste Bedarfsplan ist zudem der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörde vorzulegen, die den Bedarfsplan innerhalb einer Frist von zwei Monaten beanstanden kann (vgl. § 99 Abs. 1 S. 5 und 6 SGB V). bb) Einvernehmenserfordernis Kommt das nach § 99 Abs. 1 S. 1 SGB V erforderliche Einvernehmen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen nicht zustande,48 kann jeder der Beteiligten nach § 99 Abs. 2 S. 1 SGB V den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anrufen. Dies gilt auch für den Fall, dass kein Einvernehmen darüber besteht, wie einer Beanstandung des Bedarfsplans abzuhelfen ist (vgl. § 99 Abs. 2 S. 2 SGB V). Der Begriff des Einvernehmens erfordert – anders als der des Benehmens – die Zustimmung des anderen Teils. Das Einvernehmen muss – anders als etwa im Krankenhausplanungsrecht

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H. Frehse (o. Fn. 42), § 5 C. Rn. 9; V. Wahrendorf, VSSR 2015, S. 241 (251 f.). So etwa V. Wahrendorf (o. Fn. 43), § 99 Rn. 18; vgl. auch T. Clemens (o. Fn. 42), § 20 Rn. 29. 47 Vgl. M. Kaltenborn (o. Fn. 44), § 99 Rn. 79; K.-P. Murawski (o. Fn. 44), § 99 Rn. 5 f. 48 Zum Einvernehmen vgl. V. Wahrendorf (o. Fn. 43), § 99 Rn. 10. 46

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(vgl. oben II. 2. b) aa)) oder z. B. gemäß § 111 Abs. 4 S. 3 SGB V – auch vorliegen und ist nicht lediglich anzustreben.49 c) Inhalt In der kassenärztlichen Bedarfsplanung werden vor allem die räumlichen Bezüge der Planung und die Zahl der Ärzte festgelegt, die für die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung benötigt werden50. Grundlage der Bedarfsplanung sind die vom GBA erlassenen Bedarfsplanungs-Richtlinien (vgl. oben C. I. sowie Fn. 37 bis 39), hier exemplarisch am Beispiel der vertragsärztlichen Versorgung dargestellt. Das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG)51 hatte dem G-BA eine Reihe an Aufgaben übertragen, die eine Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie zum 1. Januar 2013 erforderlich machte52. Das Ergebnis ist eine deutliche Differenzierung nach Arztgruppen. Es wird zwischen einer hausärztlichen, einer allgemeinen fachärztlichen und einer spezialisierten fachärztlichen Versorgung unterschieden. Zusätzlich werden sogenannte „geson49

Zu Einvernehmenserfordernissen im Krankenhausrecht vgl. auch F. Stollmann, in: Dietz/ Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, 62. Lfg. Mai 2018, § 13 KHG Erl. II. 2. 50 Dies erfolgt über die Festlegung eines Verhältnisses von Einwohnern je Arzt (Verhältniszahlen). Aus dem Vergleich der Ist- und Sollzahlen berechnet sich der Versorgungsgrad. Ein Versorgungsgrad von 100 v.H. bedeutet, dass genau so viele Ärzte zugelassen sind, wie auch benötigt werden. Bei einem Versorgungsgrad von mehr als 110 v.H. ist Überversorgung anzunehmen. Ob eine Überversorgung besteht, wird vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellt. Ist dies der Fall ordnet der Landesausschuss Zulassungsbeschränkungen an und der betreffende Planungsbereich wird für Neuzulassungen gesperrt (§ 103 SGB V). Im Fall von Unterversorgung haben die Kassenärztlichen Vereinigungen „alle geeigneten finanziellen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern“ (§ 105 Abs. 1 SGB V). Unterversorgung liegt vor, wenn der tatsächliche Versorgungsgrad in der hausärztlichen beziehungsweise allgemeinen fachärztlichen Versorgung um mehr als 25 v.H. und in der spezialisierten fachärztlichen Versorgung um mehr als 50 v.H. unter dem ausgewiesenen Bedarf liegt. 51 Vom 22. 12. 2011 (BGBl. I S. 2983); dazu etwa S. Bäune/F.-J. Dahm/R. Flasbarth, MedR 2012, 77; M. Kaufmann/J. Grühn, MedR 2012, 297; R. Ratzel/T. Szabados, GesR 2012, 210; G. Steinhilper, MedR 2012, 441; F. Stollmann/A. Wollschläger (o. Fn. 17), § 79 Rn. 31; J.-M. von Stackelberg, GesR 2012, 321. 52 Insgesamt zielt die Reform der Bedarfsplanung auf eine Aufwertung der ländlichen Räume im Gegensatz zu Ballungsgebieten, die bereits heute aufgrund ihrer hohen Standortattraktivität eine überdurchschnittliche Versorgung aufweisen. Besondere Aufwertung erfahren zudem die Hausärzte. Darüber hinaus wurde der bisherige Demographiefaktor modifiziert. Er wird nicht mehr nur bei einer überdurchschnittlichen Fallzahl zum Einsatz kommen. Vielmehr werden die Einflüsse demographiebedingter Morbiditätsveränderungen in allen Planungsbereichen berücksichtigt, so dass der zunehmende Leistungsbedarf der über 65-Jährigen auch durch eine zunehmende Anzahl niedergelassener Ärzte gedeckt wird. Für die Landesebene wurden Abweichungsmöglichkeiten geschaffen, die eine Anpassung der Bedarfsplanung an regionale Besonderheiten erlaubt.

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derte Arztgruppen“ in die Planung aufgenommen (Pathologen, Transfusionsmediziner, Humangenetiker etc.), die bislang kein Bestandteil der Bedarfsplanung waren. Je nach Bedarf in den einzelnen Gruppen finden verschiedene Raumgrößen Einsatz. Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG)53 hat den G-BA überdies beauftragt, mit Wirkung vom 1. Januar 2017 die Verhältniszahlen für eine bedarfsgerechte Versorgung unter besonderer Berücksichtigung kleinteiliger Räume anzupassen und dabei die psychotherapeutische Versorgung zu berücksichtigen. Als Grundstruktur der Bedarfsplanung definiert die Bedarfsplanungs-Richtlinie folgende vier Versorgungsebenen (vgl. dazu § 5 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie):54 - die hausärztliche Versorgung (vgl. § 11 Bedarfsplanungs-Richtlinie), - die allgemeine fachärztliche Versorgung (vgl. § 12 Bedarfsplanungs-Richtlinie), - die spezialisierte fachärztliche Versorgung (vgl. § 13 Bedarfsplanungs-Richtlinie) sowie - die gesonderte fachärztliche Versorgung (vgl. § 14 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Jeder Versorgungsebene sind Arztgruppen (einschließlich der Psychotherapeuten), ein Planungsbereich (Mittelbereiche, Kreise bzw. kreisfreie Städte, Raumordnungsregion, KV-Gebiet) und Verhältniszahlen (ein Arzt je Anzahl der Einwohner) für die Versorgungsgradfeststellung zugeordnet. Ein Vergleich der so definierten Versorgungsebenen macht deutlich, dass die Versorgung mit Hausärzten möglichst wohnortnah erfolgen soll, während Fachärzte mit zunehmendem Spezialisierungsgrad in proportional größeren Einzugsgebieten tätig sind. aa) Hausärztliche Versorgung Dieser Versorgungsebene ist ausschließlich die Arztgruppe der Hausärzte, zu der beispielsweise Fachärzte für Allgemeinmedizin oder Praktische Ärzte gehören, zugeordnet. Räumlicher Planungsbereich ist der sogenannte Mittelbereich entsprechend den Festlegungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Bundesweit werden dadurch 883 Planungsbereiche definiert – diese sind sehr viel differenzierter gegliedert als die früheren Planungsräume Kreis und kreisfreie Stadt. Es gilt die bundeseinheitliche Verhältniszahl von einem Hausarzt auf 1671 Einwohner. bb) Allgemeine fachärztliche Versorgung Zu den Arztgruppen der allgemeinen fachärztlichen Versorgung gehören unter anderem Augenärzte, Frauenärzte, Orthopäden, Psychotherapeuten und Kinderärzte. 53

Vom 16. 07. 2015 (BGBl. I S. 1211); dazu etwa O. Ricken, GesR 2016, 265; J. Schroeder-Printzen, ZMGR 2015, 377; N. Orlowski, f & w 2015, 343; C. Pawlita, NZS 2015, 727; F. Stollmann/A. Wollschläger (o. Fn. 17), § 79 Rn. 33; S. Stupp, KrV 2016, 11. 54 Dazu bereits F. Stollmann (o. Fn. 17), S. 55 (63).

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Für diese Arztgruppen wurden die bisherigen Kreise beziehungsweise die Kreisregionen als Planungsbereiche grundsätzlich beibehalten. Um den Unterschiedlichkeiten von Kreisen und kreisfreien Städten Rechnung zu tragen, wurde für neun Kreistypen ein neues Konzept erarbeitet, das prinzipiell fünf Kreistypen unterscheidet. Die Differenzierung erfolgt nach dem Ausmaß der Mitversorgung in unterschiedlichen Kreistypen: Großstädten wird zum Beispiel eine höhere Arztdichte zugebilligt als umliegenden Gebieten. Für jede einzelne Arztgruppe wird je Kreistyp eine Verhältniszahl festgelegt. cc) Spezialisierte fachärztliche Versorgung Zu dieser Versorgungsebene gehören die Arztgruppen der Anästhesisten, Radiologen, fachärztlich tätigen Internisten sowie der Kinder- und Jugendpsychiater. Planungsbereich ist die Raumordnungsregion in der Zuordnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Diese Versorgungsebene gliedert sich bundesweit in 96 große, flächige Gebiete. Für jede Arztgruppe wurde eine Verhältniszahl festgelegt, die sich an den Sollzahlen der bisherigen Bedarfsplanung orientiert. dd) Gesonderte fachärztliche Versorgung Die Arztgruppen dieser Versorgungsebene waren bislang nicht von der Bedarfsplanung erfasst. Hierzu gehören beispielsweise Humangenetiker, Laborärzte, Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten. Diese Arztgruppen weisen Besonderheiten auf, wie beispielsweise eine zum Teil deutschlandweite Tätigkeit, einen geringen bis überhaupt keinen Patientenkontakt oder die Besonderheit der ärztlichen Leistungen. Angesichts dieser Voraussetzungen ist hier der Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigungen als Planungsbereich definiert. Für jede Arztgruppe wurde eine Verhältniszahl festgelegt. IV. Rettungsdienstbedarfsplanung 1. Grundlagen Normative Vorgaben für planerische Elemente im Bereich des Rettungswesens enthält allein das jeweilige Landesrecht, da die Gesetzgebungskompetenz für diesen Regelungsbereich bei den Ländern liegt.55 Das Rettungswesen/der Rettungsdienst umfasst primär die Notfallrettung56 und den (qualifizierten)57 Krankentransport58 55 Vgl. nur D. Prütting/J. Prütting, Medizin- und Gesundheitsrecht, 2018, § 7 Rn. 12; T. Clemens (o. Fn. 42), § 19 Rn. 96; C. Niehues, Notfallversorgung in Deutschland, 2012, S. 37. 56 Die Notfallrettung hat die Aufgabe, bei Notfallpatienten lebensrettende Maßnahmen am Notfallort durchzuführen, deren Transportfähigkeit herzustellen und sie unter Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Vermeidung weiterer Schäden mit Notarzt- oder Rettungswagen oder Luftfahrzeugen in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus zu

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(vgl. § 2 Abs. 1 RettG NRW). Für das Rettungswesen ist in nahezu allen Ländergesetzen vorgesehen, dass Bedarfspläne aufzustellen sind. Diese Rettungsdienstbedarfspläne werden als Grundlage für alle organisatorischen, personellen und finanziellen rettungsdienstlichen Maßnahmen im Rettungsdienstbereich angesehen,59 sie sind Basis der Sicherstellung einer flächendeckenden Notfallversorgung.60 2. Bedarfsplan a) Rechtsnatur Der Rettungsdienstbedarfsplan wird ebenfalls lediglich als eine verwaltungsinterne Maßnahme ohne unmittelbare Rechtswirkung eingestuft.61 Dem Krankenhausplan vergleichbar hat der Bedarfsplan im Sinne eines influenzierenden Planes eine gesetzlich vorgesehene Konkretisierungsfunktion. Er ergeht nicht in der Form einer Rechtsverordnung, zumal auch die Veröffentlichung in einem amtlichen Mitteilungsorgan nicht vorgeschrieben ist. Es handelt sich überdies nicht um eine Allgemeinverfügung im Sinne einer Zusammenfassung einer Vielzahl von Verwaltungsakten (in Gestalt einzelner Genehmigungen z. B. nach § 17 RettG NRW oder Beauftragungen etwa nach § 13 RettG NRW). Vielmehr hat der Bedarfsplan wie eine binnenorganisatorische Weisung die Anordnung zum Inhalt, dem Plan entsprechende positive oder negative Einzelentscheidungen vorzubereiten. Nach der Konzeption des Rettungswesens ist der Bedarfsplan als räumliche, fachliche, qualitative und quantitative Konkretisierung der Zielvorstellungen eines bedarfsgerechten und leistungsfähigen Rettungswesens62 anzusehen. Der Plan steuert die behördlichen Entscheidungen nach einheitlichen Gesichtspunkten und beeinflusst dergestalt den Entscheidungsspielraum der Behörde; er erübrigt ihre Entscheidung jedoch nicht.

befördern. Hierzu zählt auch die Beförderung von erstversorgten Notfallpatienten zu Diagnose- und geeigneten Behandlungseinrichtungen. Notfallpatienten sind Personen, die sich infolge Verletzung, Krankheit oder sonstiger Umstände entweder in Lebensgefahr befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht unverzüglich medizinische Hilfe erhalten (vgl. z. B. § 2 Abs. 2 RettG NRW). 57 In Abgrenzung zum einfachen Krankentransport nach § 1 PBefG (vgl. ausdrücklich § 1 Abs. 2 Nr. 4 RettG NRW; dazu auch D. Prütting, Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 33, § 2 Rn. 49). 58 Der Krankentransport hat die Aufgabe, Kranken oder Verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, fachgerechte Hilfe zu leisten und sie unter Betreuung durch qualifiziertes Personal mit Krankenkraftwagen oder mit Luftfahrzeugen zu befördern (vgl. z. B. § 2 Abs. 3 RettG NRW). 59 Vgl. D. Prütting (o. Fn. 57), § 12 Rn. 3. 60 C. Niehues (o. Fn. 55), S. 130. 61 D. Prütting (o. Fn. 57), § 12 Rn. 6a. 62 Solche Zielvorstellungen sind etwa in §§ 2, 2a, 6 Abs. 1 RettG NRW verankert.

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b) Verfahrensaspekte Die Ländergesetze enthalten regelmäßig mehr oder weniger detaillierte Vorgaben betreffend die Ausgestaltung der konkreten Verfahrensabläufe. Auch hierbei sei exemplarisch auf das Rettungsgesetz in Nordrhein-Westfalen Bezug genommen. Nach § 12 Abs. 2 S. 1 RettG NRW ist der Entwurf des Bedarfsplanes mit den vollständigen Anlagen den Trägern der Rettungswachen, den anerkannten Hilfsorganisationen, den sonstigen Anbietern von rettungsdienstlichen Leistungen, den Verbänden der Krankenkassen und der gesetzlichen Unfallversicherung sowie der örtlichen Gesundheitskonferenz zur Stellungnahme zuzuleiten. Dabei sind diese aufzufordern, zu allen Inhalten des Entwurfs schriftlich Stellung zu nehmen und Änderungs- und Ergänzungsvorschläge einzureichen (vgl. § 12 Abs. 2 S. 2 RettG NRW). Soll den Vorschlägen der Verbände der Krankenkassen und der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gefolgt werden, ist mit diesen eine Erörterung vorzunehmen. Hinsichtlich der kostenbildenden Qualitätsmerkmale des Bedarfsplanes ist Einvernehmen anzustreben. Kommt eine Einigung nicht zustande, trifft die Bezirksregierung die notwendigen Festlegungen (vgl. § 12 Abs. 4 RettG NRW).63 Darüber hinaus wird den Krankenkassen das Aufforderungsrecht gegenüber den Kommunen eingeräumt, welches eine Änderung des Bedarfsplans durch die Rettungsdienstträger zur Folge haben kann, soweit sich in zwei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren Anhaltspunkte für eine Veränderung der Bedarfssituation ergeben haben (vgl. § 12 Abs. 5 S. 2 RettG NRW). Um die Bewertung der Bedarfspläne für die Kostenträger zu erleichtern, stellen die Träger des Rettungsdienstes diesen die Betriebsabrechnungsbögen sowie die Einsatzzahlen des Beurteilungszeitraumes zur Verfügung (§ 12 Abs. 5 S. 3 RettG NRW). Bei einer fehlenden Einigung zwischen den Beteiligten hat die zuständige Bezirksregierung die Ermächtigung, die notwendigen Festlegungen zu treffen (§ 12 Abs. 3 S. 3 sowie Abs. 4 S. 3 RettG NRW).64 Im Rahmen dieser Verfahren sind den Bezirksregierungen gemäß § 12 Abs. 6 RettG NRW detaillierte Unterlagen vorzulegen. Vor diesem Hintergrund sind alle Nachweise vorzulegen, die insbesondere die Bedarfsermittlung mit den daraus folgenden Kosten erkennen lassen. Die zuständige Bezirksregierung überprüft dabei vor allem den Bedarf an Personal und Rettungsmitteln. Im Rahmen dieser Überprüfung kommt insbesondere der Regelung des § 2a RettG NRW (Wirtschaftlichkeitsgebot) hervorgehobene Bedeutung zu.65 c) Inhalt Im einschlägigen Landesrecht wird vielfach der Inhalt der Bedarfspläne – zumindest dem Grunde nach – vorgegeben. Beispielhaft sei auch hier auf Nordrhein- West63

D. Prütting (o. Fn. 57), § 12 Rn. 54 f.; F. Stollmann, NWVBl. 2016, 89 (98). D. Prütting (o. Fn. 57), § 12 Rn. 54 f.; F. Stollmann, NWVBl. 2016, 89 (98). 65 D. Prütting (o. Fn. 57), § 2a Rn. 1 f.; F. Stollmann, NWVBl. 2016, 89 (95).

64

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falen verwiesen. So sind nach § 12 Abs. 1 S. 2 RettG NRW in den Bedarfsplänen insbesondere Zahl und Standorte der Rettungswachen, weitere Qualitätsanforderungen sowie die Zahl der erforderlichen Krankenkraftwagen und Notarzt-Einsatzfahrzeuge sowie die Maßnahmen und Planungen für Vorkehrungen bei Schadensereignissen mit einer größeren Anzahl Verletzter oder Kranker festzulegen.66 Die Aufzählung ist nicht abschließend, weitere Anforderungen können etwa vor Ort von den Trägern rettungsdienstlicher Aufgaben mit den Kostenträgern ausgehandelt werden.67 Im Zuge der Planung werden die Träger des Rettungsdienstes zudem verpflichtet, im Rahmen ihrer Bedarfsplanung die Bewältigung von außergewöhnlichen Schadensereignissen mit einer größeren Anzahl Verletzter oder Kranker miteinzubeziehen. Dies ergänzt in Konsequenz des § 2 Abs. 1 RettG NRW die Pflicht, organisatorische Vorbereitungen zur Sicherstellung der für die Bewältigung von Schadensereignissen mit einer Vielzahl Verletzter oder Kranker erforderlichen Aufwuchsfähigkeit zu treffen.68 § 12 Abs. 1 S. 3 RettG NRW sieht überdies vor, dass bei der Ermittlung der Zahl der von den Trägern des öffentlichen Rettungsdienstes vorzuhaltenden Fahrzeuge auch Fahrzeuge von Unternehmen mit einer Genehmigung nach § 17 RettG NRW rechnerisch berücksichtigt werden können. Die mögliche Berücksichtigung der Unternehmen mit Genehmigungen nach §§ 17 f. RettG NRW bei der Ermittlung der Zahl der von den Trägern des öffentlichen Rettungsdienstes vorzuhaltenden Fahrzeuge ist im Sinne des gemeinsamen Planungsinteresses der Träger des Rettungsdienstes, der Kostenträger, der freiwilligen Hilfsorganisationen und der anderen Leistungsanbieter. Ziel des Gesetzgebers war es, es den Trägern des Rettungsdienstes zu ermöglichen, die Zahl derjenigen Fahrzeuge zu reduzieren, die sie bisher aufgrund des Sicherstellungsauftrags vorhalten mussten, obwohl dies unter Berücksichtigung der im Planungsbereich vorhandenen und einsatzbereiten Fahrzeuge von Unternehmen mit einer rettungsdienstlichen Genehmigung nicht erforderlich gewesen wäre (doppelte Vorhaltung).69 Zudem fällt auf, dass auch in die Rettungsdienstbedarfsplanung zunehmend Qualitätsaspekte Einzug halten.70 Ein aktuelles Beispiel liefert auch in diesem Zusam66 Auch die anderen Länder enthalten ähnliche oder zumindest vergleichbare Regelungen, so etwa § 3 Gesetz über den Rettungsdienst BW (Rettungsdienstgesetz – RDG) in der Fassung vom 8. Februar 2010 (GBl. 2010, S. 285), zul. geänd. durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2015 (GVBl. 2015, S. 1182); § 15 Hessisches Rettungsdienstgesetz (HRDG) vom 16. Dezember 2010 (GVBl. I 2010, S. 646), zul. geänd. durch Art. 69 des Gesetzes vom 13. Dezember 2012 (GVBl. 2012, S. 622); § 4 Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz (NRettDG) in der Fassung vom 2. Oktober 2007 (Nds. GVBl. 2007, S. 473) zul. geänd. durch Art. 7 des Gesetzes vom 16. 05. 2018 (Nds. GVBl. 2018, S. 66). 67 D. Prütting (o. Fn. 57), § 12 Rn. 8 f. 68 Vgl. D. Prütting (o. Fn. 57), § 12 Rn. 29b, § 2 Rn. 5; F. Stollmann, NWVBl. 2016, 89 (96). 69 Vgl. dazu F. Stollmann, NWVBl. 2016, 89 (97). 70 C. Niehues (o. Fn. 55), S. 131 f.; D. Prütting (o. Fn. 57), § 12 Rn. 9.

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menhang Nordrhein-Westfalen. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Rettungsgesetzes NRW vom 25. März 201571 wurden die Träger des Rettungsdienstes verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass geeignete Qualitätsmanagementstrukturen geschaffen werden. Diese sollen unter Mitwirkung aller Beteiligten anhand einer differenzierten Datenerfassung und -auswertung eine regelmäßige Analyse der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität72 des Rettungsdienstes ermöglichen, um daraus etwaige Verbesserungen zu ermitteln und deren Umsetzung zu realisieren. Zudem wurde dem Gesundheitsministerium gemeinsam mit den in der präklinischen Versorgung tätigen Verbänden und Institutionen ein Entwicklungsauftrag zugewiesen, der offene Fragen in Bezug auf das Qualitätsmanagement aufgreifen soll (vgl. § 7a Abs. 2 RettG NRW).73 V. Dogmatische Grundlinien Bei einer zusammenfassenden Bewertung von planungsrechtlichen Aspekten im Gesundheitswesen sind – ungeachtet der durchgehend sektoralen Planung, Organisation und Finanzierung (vgl. dazu sogleich unter VI.) – zahlreiche dogmatische Übereinstimmungen zu konstatieren: Im Hinblick auf die Verfahrensausgestaltung fällt auf, dass sich die Beteiligungsformen weitestgehend ähneln. Geboten der Transparenz und der Zusammenarbeit folgend sind die Beteiligten eng eingebunden und es ist bei allen hier untersuchten Fachgesetzen das Einvernehmen anzustreben oder sogar zu erzielen. Der jeweilige Gesetzgeber bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass die möglichst konsensuale Entscheidungsfindung ein ganz wesentliches Element der Zielerreichung darstellt – nicht zuletzt auch wegen der damit einhergehenden Akzeptanzgewinne. Zugleich soll damit gewährleistet werden, dass der vorhandene Sachverstand umfassend in die Abwägungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen wird. Besonders ausgeprägt ist dies in der Bedarfsplanung im Kassenarztrecht, bei der sogar die Verfahrensträgerschaft auf die Organe der Selbstverwaltung übertragen wurde. Allen hier behandelten Rechtsmaterien gemein ist überdies die Bindungswirkung für den nachgeordneten und damit verwaltungsinternen Bereich. Egal ob Krankenhausplanung, Rettungsdienstbedarfsplanung oder ambulante Bedarfsplanung – die Planvorgaben binden im Rahmen ihrer Feststellungen die Entscheidungsspielräume der Vollzugsbehörden und wirken damit auf die Erteilung der Feststellungsbescheide (im Krankenhausrecht), die Genehmigungspraxis (im Rettungsdienstwesen) und die 71

GV. NRW. 2015, S. 305. Zur Definition von Qualität und der Konkretisierung der Begriffe Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität vgl. N. Pütter, in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, vor § 137 SGB V Rn. 3 f.; U. Becker, in: Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 113 Rn. 3, § 137 Rn. 6 f. 73 Weiterführend D. Prütting (o. Fn. 57), § 7a Rn. 15 f.; F. Stollmann, NWVBl. 2016, 89 (97). 72

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Zulassungsentscheidungen (im Kassenarztrecht) ein. Damit unmittelbar verbunden ist auch die Zweistufigkeit des Verfahrens: Den Rahmenvorgaben in der jeweiligen Fachplanung folgen unmittelbar die Vollzugsentscheidungen. In allen Rechtsmaterien bereiten die Planvorgaben positive wie auch negative Einzelentscheidungen der nachgeordneten Behörden vor. Dogmatisch zwingend sind dementsprechend auch die Folgen für die gerichtliche Kontrolle. Für den Krankenhausbereich ist anerkannt, dass – da der Krankenhausplan selbst keine äußere Verbindlichkeit erlangt und weder Rechtsnorm noch Verwaltungsakt, sondern bloßes Verwaltungsinternum darstellt74 – sowohl eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner Festsetzungen des Krankenhausplans nach § 43 VwGO als auch ein Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO ausscheiden.75 Ein gerichtliches Vorgehen unmittelbar gegen den Krankenhausplan wird daher als unzulässig angesehen. Die fehlende Unmittelbarkeit gegenüber Externen ist aber auch für den Bedarfsplan in der Sozialen Krankenversicherung wie auch im Rettungsdienstrecht zu konstatieren, so dass es insoweit letztlich für alle hier untersuchten Fachpläne bei einer Inzidentkontrolle im Falle einer gerichtlichen Überprüfung bleibt.76 Auffällig ist schließlich auch die Zunahme differenzierter und qualitätsorientierter Inhalte in den einzelnen Fachplanungen. Egal ob es um die Aufnahme planungsrelevanter Qualitätsindikatoren in die Krankenhausplanung (vgl. oben II. 1., II. 2. c)), die gesetzliche Verankerung von Qualitätsmanagementindikatoren in die Rettungsdienstbedarfsplanung (oben IV. 2. c)) oder die stärkere Differenzierung nach Facharztgruppen und kleinteilige(re) räumliche Bezüge in der kassenärztlichen Bedarfsplanung (oben III. 2. c)) geht – schon seit einigen Jahren ist die Tendenz der Gesetzgeber zu erkennen, Planungsinstrumente und –ziele detaillierter auszugestalten und vor allem auch Qualitätskriterien umfassender zur Geltung kommen zu lassen. VI. Vergleichsbetrachtungen: Parallelitäten und Unterschiede zu den Umweltplanungen Abschließend sollen anhand konkreter Beispiele sowohl Parallelitäten als auch Unterschiede zwischen Umwelt- und Gesundheitsbereich herausgearbeitet werden: Dem Gesundheits(planungs)recht vergleichbar wird in verfahrensmäßiger Hinsicht auch im Umweltrecht der Beachtung des Kooperationsprinzips breiter Raum

74

BVerwGE 62, 86 (95 f.); 72, 38 (44 f.); OVG Lüneburg, MedR 2000, 93 (94); vgl. auch ausdrücklich § 6 Abs. 1 S. 2 LKG RhPf. 75 Vgl. H. Thomae (o. Fn. 15), S. 139. 76 Vgl. H. Frehse (o. Fn. 42), § 5 C. Rn. 9 am Beispiel der Bedarfsplanung nach § 99 SGB V.

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gewidmet.77 Die Beteiligung und Einbindung der Akteure im Sinne der Zusammenarbeit der staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte in den sachrelevanten Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen finden sich im Umweltrecht in nahezu allen Fachgesetzen78 und letztlich auch in den planungsrechtlichen Bezügen. Auf diese Weise wird in Gestalt umfänglicher Beteiligungs-, Anhörungs- sowie schließlich Einvernehmenserfordernisse zum einen der externe Fachverstand in den staatlichen Meinungsbildungsprozess eingebunden und zum anderen ein signifikant höheres Maß an Akzeptanz erzielt.79 Eine weitere Gemeinsamkeit besteht überdies darin, dass sich die inhaltlichen Parameter der Planungen sowohl im Umwelt- als auch im Gesundheitsbereich in den letzten Jahren teilweise massiv verändert haben. Bei den Umweltplanungen hat ein Wandel von einem primär verbrauchs- und nutzungsorientierten Ansatz hin zu einer stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten stattgefunden. Dies zum einen eindimensional als Ressourcen- und Zukunftsvorsorge, konkretisiert durch die Bindung der Inanspruchnahme nachwachsender Umweltgüter an deren Regenerationsfähigkeit, bei nicht erneuerbaren Gütern durch Kompensationspflichten; und zum anderen mehrdimensional durch gleichzeitige und gleichberechtigte Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange bei administrativen Entscheidungen.80 Dies entspricht durchaus auch der Entwicklung bei den Gesundheitsplanungen – wie dies oben unter II. c. c), III. 2. c), IV. 2. c) eingehend dargelegt wurde –, bei denen der vormalig ausschließliche Bedarfsansatz einer stärkeren Differenzierung und Qualitätsorientierung im Sinne eines integrativen Ansatzes gewichen ist. Gleichwohl sind durchaus auch Unterschiede zu konstatieren: Die vorstehenden Ausführungen unter II. bis IV. haben deutlich gemacht, dass – ungeachtet zahlreicher gesetzgeberischer Initiativen und Maßnahmen zur sektorenübergreifenden Versorgung – das Gesundheitswesen im Grundsatz sektoral orientiert ist.81 Die entsprechende sektorale Trennung ist in den Vorschriften des medizinischen Leistungsrechts angelegt, nach denen Krankenbehandlung u. a. die ärztliche sowie zahnärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung umfasst (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 SGB V), der zuletzt genannte Behandlungsbereich jedoch zugelassenen Krankenhäusern vorbehalten bleibt (§ 39 Abs. 1 SGB V). Neben der gesetzlich angelegten Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung ist gleichsam als weiterer Leistungs77

Zum Kooperationsprinzip im Umweltrecht vgl. W. Erbguth/S. Schlacke, Umweltrecht, 6. Aufl. 2016, § 3 Rn. 17 f.; U. Ramsauer, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 40 f. 78 Beispiele bei W. Erbguth/S. Schlacke (o. Fn. 77), § 3 Rn. 18 f. 79 Kritisch zu den damit verbundenen Auswirkungen vgl. M. Kloepfer, Umweltschutzrecht, 2. Aufl. 2011, § 3 Rn. 29 f.; G. Lübbe-Wolff, NuR 1989, 295. 80 Vgl. W. Erbguth/S. Schlacke (o. Fn. 77), § 3 Rn. 2, § 10 Rn. 20; U. Ramsauer (o. Fn. 77), § 3 Rn. 44. 81 Vgl. etwa T. Bohle, in: Huster/Kaltenborn (o. Fn. 4), § 9 Rn. 1; F.-J. Dahm, MedR 2010, 597; C. Niehues (o. Fn. 55), S. 94 f.; D. Prütting/J. Prütting (o. Fn. 55), § 2.

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bereich der prästationäre Rettungsdienst anzusehen. Eine weitgehend strikte sektorale Trennung der Planung, Organisation und Finanzierung erstreckt sich damit in Deutschland auf alle Bereiche des Gesundheitswesens, die legislativen Bestrebungen zur Verzahnung der Sektoren haben insoweit zwar zu einer zunehmenden Verkomplizierung, nicht aber zu einer Bereinigung dieser Schnittstellen geführt.82 Insbesondere auch Forderungen nach einer Überwindung der sektoralen Trennung durch eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung konnten sich bislang nicht durchsetzen.83 Das Umweltrecht hat sich in diesem Punkt deutlich weiter entwickelt: zwar waren die Bemühungen um ein Umweltgesetzbuch mit einer weitgehenden Vereinheitlichung und Harmonisierung der verschiedenen Rechtsmaterien nicht erfolgreich.84 Zunehmend im Umwelt(planungs)recht implementiert wurde aber das Integrationsprinzip im Sinne der Abkehr vom sektoralen zum gesamtheitlichen, insbesondere die Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien erfassenden Umweltschutz.85 Symptomatisch steht dafür die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) als rechtlich geordnetes, mehrphasiges Verfahren zur frühzeitigen Ermittlung, Beschreibung und Bewertung aller unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf bestimmte Umweltfaktoren, und zwar einschließlich der ökologischen Wechselwirkungen.86 In dieser Abkehr vom ein-medialen bzw. additiv-medialen Umweltschutz und der Hinwendung zum integrativen Schutz der Umweltfaktoren liegt – im Unterschied zum vornehmlich sektoralen Gesundheitsrecht – der Ansatz der UVP. Zu guter Letzt gilt es den Blick auf die dogmatischen Entwicklungen im Prozessrecht zu lenken. So lässt die neuere Rechtsprechung des BVerwG im Bauplanungsrecht vorsichtige Tendenzen erkennen, künftig den unmittelbaren Rechtsschutz gegen Flächennutzungspläne in weitergehendem Umfang gerade auch über § 47 VwGO anzuerkennen.87 Auf das Krankenhausplanungsrecht ist dies vor dem Hintergrund der unterschiedlichen normativen Vorgaben sowie mangels des imperativen Charakters des Krankenhausplans bislang nicht übertragbar.88 Angesichts der Implementation von planungsrelevanten Qualitätsindikatoren des G-BA in den Krankenhausplan wird zwar teilweise die Frage aufgeworfen, ob sich an der rechtlichen Einordnung des Krankenhausplans als Verwaltungsinternum etwas ändern muss.89 An82

Beispiele bei T. Bohle (o. Fn. 81), § 9 Rn. 1; F. Stollmann (o. Fn. 17), S. 55 (58); M. Quaas (o. Fn. 35), § 11 Rn. 65 ff. 83 Vgl. C. Niehues (o. Fn. 55), S. 96; F. Stollmann (o. Fn. 17), S. 55 (60 f.). 84 Siehe die Darstellung der Entwicklung bei W. Erbguth/S. Schlacke (o. Fn. 77), § 2 Rn. 11 f. 85 Dazu umfassend W. Erbguth/S. Schlacke (o. Fn. 77), § 5 Rn. 61 ff. m.w.N. 86 W. Erbguth/S. Schlacke (o. Fn. 77), § 3 Rn. 2; U. Ramsauer (o. Fn. 77), § 3 Rn. 51. 87 BVerwG, NVwZ 2013, 1011; BauR 2009, 156; E 128, 382; dazu M. Kment, NVwZ 2004, 314; F. Fellenberg/U. Karpenstein, NVwZ 2006, 1133; W.-R. Schenke, NVwZ 2007, 134 f.; umfassend W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 12), § 15 Rn. 15. 88 Vgl. F. Stollmann (o. Fn. 4), § 4 Rn. 111. 89 F. Stollmann (o. Fn. 24), S. 485, 492; S. Huster/A. Harney, in: Huster/Kaltenborn (o. Fn. 4), § 7 Rn. 9.

Grundstrukturen einer Planungsrechtsdogmatik im Gesundheitsrecht

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satzpunkt ist, dass nach der Konzeption des KHG die Qualitätsindikatoren des G-BA durchaus Auswirkungen erlangen können, wenn es etwa um die Frage der Planaufnahme bei Krankenhäusern oder Krankenhausabteilungen geht, die unter Berücksichtigung der Qualitätsindikatoren erheblich unterdurchschnittliche Qualität liefern. Für die Frage der Außenwirkung der Qualitätsindikatoren muss jedoch unterschieden werden zwischen Qualitätsindikatoren, die aufgrund von Beschlüssen der Selbstverwaltung unmittelbar wirken, und solchen Qualitätsindikatoren, die Rechtswirkung nach außen allein aus ihrer Einbeziehung in den Krankenhausplan herleiten. Da es für letztere insoweit einer Umsetzungsentscheidung durch einen Feststellungsbescheid bedarf, besteht allein durch die Aufnahme der Qualitätskriterien in die Krankenhausplanung kein Erfordernis, etwas an der rechtlichen Einordnung des Krankenhausplans als Verwaltungsinternum zu ändern.90 VII. Fazit Im Gesundheitsplanungsrecht ist nach dem Vorstehenden – ungeachtet der vielschichtigen Rechtsquellen – eine hohe Übereinstimmung in der rechtsdogmatischen Ausgestaltung zu konstatieren, insbesondere was die Rechtsnatur der Fachpläne, die Verfahrensausgestaltung und die Tendenz zu differenzierten inhaltlichen Festlegungen anbelangt. Dies alles vor dem Hintergrund einer intensiven Einbeziehung der Beteiligten (gerade auch in Form einer umfassend ausgebildeten Selbstverwaltung) und damit der Berücksichtigung subjektiver Rechte und vor allem auch Interessen. Vergleicht man dies mit der Situation im Umweltplanungsrecht, so gibt es einen relativ hohen Grad an Übereinstimmung. Ungeachtet der eher sektoralen Orientierung und diesbezüglicher Spezifika im Gesundheitswesen gilt dies sowohl in den Grundzügen als auch in der Ausgestaltung sowie in der Fortentwicklung materiellrechtlicher Parameter. Allein in der Ausgestaltung von Mitwirkungsrechten bleibt das Umweltrecht zurück91 und sind die verbandlichen Beteiligungsrechte im Gesundheitsrecht deutlich stärker ausgestaltet.

90 91

Vgl. O. Ricken, KrV 2018, 89 (95). W. Erbguth/S. Schlacke (o. Fn. 77), § 10 Rn. 62 ff. m.w.N.

2. Umweltrecht

Die „Modernisierung“ des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung – Ein gelungener Versuch zur Erhöhung der Vollzugstauglichkeit des UVPG? Von Martin Beckmann I. Einführung Wilfried Erbguth hat sich immer wieder grundlegend und auch schon in den Jahren 1985 – 1989, in denen der Autor dieses Beitrags mit Wilfried Erbguth im Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster zusammenarbeiten durfte, mit dem Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung befasst.1 Er hat schon im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des UVPG im Jahre 1990 die nach seiner Einschätzung eher minimalistische Umsetzung der UVP-Richtlinie in das deutsche Recht kritisiert, die Untauglichkeit des gebundenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungstatbestands für eine medienübergreifende und integrative Umweltverträglichkeitsprüfung gerügt und eine Bewertung der Umweltauswirkungen anhand ausschließlich ökologischer Maßstäbe gefordert.2 Nicht zuletzt hat Wilfried Erbguth beanstandet, dass das BVerwG die Umweltverträglichkeitsprüfung als ein reines Verfahrensin1

Siehe z. B. W. Erbguth, Rechtsschutz gegen Raumordnungspläne – unter besonderer Berücksichtigung des § 48 UVPG, DVBl. 2018, 897; ders., Ziel, Konzeption und Entwicklungslinien der Umweltverträglichkeitsprüfung, ZUR 2014, 515; ders., Strategische Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung: Neue Herausforderungen für die Kommunen?, DÖV 2005, 533; ders., Entwicklungslinien im Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung: UVP-RL – UVPÄndRL – UVPG – SUP, UPR 2003, 321; ders., Das Bundesverwaltungsgericht und die Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 1997, 261; ders., Die materielle Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung nach Erlass des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes, NVwZ 1993, 956; ders., Zur Zulässigkeit von Regelungen über die Bauleitplanung in einer UVP-Verwaltungsvorschrift, NuR 1993, 249; ders./A. Schink, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren, DVBl. 1991, 413; ders., Die Notwendigkeit von Untersuchungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBl. 1983, 258; ders., Environmental Impact Assessment – Umweltverträglichkeitsprüfung: quo vadis?, NVwZ 1983, 461; ders., Zum rechtlichen Geltungsanspruch eines Berücksichtigungsgebots hinsichtlich des Ergebnisses von Raumordnungsverfahren (mit Umweltverträglichkeitsprüfung – UVP –) und zu etwaigen Konsequenzen für die Verfahrensstufung und die (Öffentlichkeits-) Beteiligung vor dem Hintergrund der EG-UVP-Richtlinie, DVBl. 1987, 827; ders./A. Schink, UVPG, 2. Aufl., München 1996. 2 W. Erbguth/A. Schink, DVBl. 1991, 413; W. Erbguth, ZUR 2014, 515 (518); H.-J. Peters, Rechtliche Maßstäbe des Bewertens in der gesetzlichen UVP unter Berücksichtigung in der Entscheidung, NuR 1990, 103 (105).

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strument eingeordnet hat, was im Verein mit der Kausalitätsrechtsprechung zu § 46 VwVfG dazu geführt habe, dass Mängel der UVP in gerichtlichen Verfahren weitgehend folgenlos blieben. Schließlich hat Wilfried Erbguth schon früh die Auffassung vertreten, dass die materiellen Zulassungstatbestände des jeweiligen Fachrechts über § 12 UVPG a.F. (heute § 25 UVPG) für UVP-pflichtige Vorhaben erweitert worden seien.3 Es bietet sich deshalb an, in einer Wilfried Erbguth gewidmeten Festschrift auch über die Entwicklung des UVP-Rechts zu reflektieren und die aktuellen Bemühungen des Gesetzgebers zu hinterfragen, mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung die Vollzugstauglichkeit des UVPG zu erhöhen.4 Das im Jahre 2017 verabschiedete Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung dient in erster Linie zwar der Anpassung des Bundesrechts an die Vorgaben der Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 04. 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. Für die Anpassung waren Änderungen im UVPG, im BBergG sowie in weiteren Vorschriften erforderlich. Änderungen waren u. a. notwendig bei den Bestimmungen über die Durchführung der UVP-Vorprüfung und der Umweltverträglichkeitsprüfung, insbesondere im Hinblick auf eine Berücksichtigung des Flächenschutzes, des Klimaschutzes und der Klimaanpassung, der Energieeffizienz und von Unfallund Katastrophenrisiken. Neue und detailliertere Vorgaben, die der Umsetzung in das deutsche Recht bedurften, enthält die UVP-Änderungsrichtlinie außerdem für den UVP-Bericht und für die Öffentlichkeitsbeteiligung. Zur Information der Öffentlichkeit sollen verstärkt elektronische Instrumente eingesetzt und zentrale Internetportale eingerichtet werden. Der Gesetzgeber wollte mit einer Modernisierung des UVP-Rechts aber außerdem und ohne unionsrechtliche Veranlassung die Transparenz der UVP und damit auch der Verwaltungsverfahren erhöhen, deren integraler Bestandteil die UVP ist. Die europarechtlich veranlasste Novelle sollte insoweit auch das UVP-Recht insgesamt vereinfachen, harmonisieren und anwenderfreundlicher ausgestalten, ohne dabei allerdings qualitative Abstriche von den Anforderungen des UVP-Rechts in Kauf zu nehmen. Diese Bemühungen galten insbesondere den Vorschriften, nach denen sich die UVP-Pflicht bestimmt. Die sehr offen gefassten Bestimmungen dazu sollten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung klarere Konturen erhalten. Damit wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung einem dringenden Bedürfnis der Praxis nachkommen.5

3

W. Erbguth/A. Schink, DVBl. 1991, 413 (418). Zum UVP-Modernisierungsgesetz siehe W. Schenk, Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach Inkrafttreten des Modernisierungsgesetzes vom 20. Juli 2017, EurUP 2018, 174; A. Schink, Entwicklungen und Stand der UVP, NuR 2018, 21. 5 Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drs. 18/11499, S. 1. 4

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In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach § 4 UmwRG das Unterbleiben einer erforderlichen UVP Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens sein und zur Aufhebung der Zulassungsentscheidung führen kann. Auch Verfahrensfehler bei der Durchführung einer UVP seien justiziabel. Entsprechende Klagen beschäftigten zunehmend die Verwaltungsgerichte. Der Grund liege nicht zuletzt darin, dass sich Inhalt und Reichweite zentraler UVP-Vorschriften in ihrer bisherigen Fassung zum Teil nur schwer erschließen ließen. Die daraus folgenden Rechtsunsicherheiten erschwerten und verzögerten die Genehmigungsverfahren und belasteten Vorhabenträger ebenso wie Behörden und Gerichte. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, bedürfe es einer grundlegenden Überarbeitung und Neufassung intransparenter, missverständlicher oder nicht vollzugsgerechter Bestimmungen.6 Diese Begründung des UVP-Modernisierungsgesetzes enthält ein bemerkenswertes Eingeständnis gesetzgeberischer Mängel. Die (späte) Einsicht in die mangelnde Vollzugstauglichkeit von Bestimmungen des UVPG steht im Zusammenhang mit der unionsrechtlichen Veranlassung, das UmwRG im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes für Umweltverbände und Individualkläger bereits mehrfach zu novellieren.7 Erst seitdem die deutschen Verwaltungsgerichte durch den EuGH gezwungen werden, Mängeln des UVP-Verfahrens nachzugehen, sie nicht ohne weiteres und vollständig als nicht drittschützend oder unbeachtlich unberücksichtigt zu lassen, sondern verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Zulassungen aufzuheben oder zumindest ihre Rechtswidrigkeit festzustellen, wächst die Einsicht, dass zahlreiche Bestimmungen des UVPG intransparent, missverständlich oder nicht vollzugsgerecht waren oder noch sind oder sogar jüngst mit der letzten Novelle erst noch geworden sind.8 Es stellt sich angesichts der Novellierungsabsicht die Frage, ob es mit dem UVPModernisierungsgesetz tatsächlich gelungen ist, das UVPG anwendungsfreundlicher und den Vollzug dieses Gesetzes weniger rechtsmittelanfällig zu machen und ob dementsprechend die Einschätzung, nach wie vor sei das UVPG „ein recht kompliziertes, nicht sehr anwenderfreundliches Gesetz“, gerechtfertigt ist.9

6

Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drs. 18/11499, S. 2. Dazu S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), Kommentar zur VwGO mit Nebengesetzen, 2. Aufl. 2018, Vorbemerkungen zu §§ 1 – 8 UmwRG Rn. 50 ff.; M. Kment, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UmwRG, § 2 Rn. 4 ff.; F. Fellenberg/G. Schiller, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Vorbemerkungen zu §§ 1 – 6 UmwRG, 65. EL 2012, Rn. 49 ff.; C. Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UmwRG, vor § 1 Rn. 1 ff. 8 Zum Bedeutungszuwachs der Umweltverträglichkeitsprüfung infolge des UmweltRechtsbehelfsgesetzes siehe W. Schenk, EurUP 2018, 174 (175); A. Schink, NuR 2018, 21 f. 9 In diesem Sinne W. Schenk, EurUP 2018, 174. 7

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II. Ursprüngliche Prämissen der Implementation der UVP in das deutsche Recht Bei der ursprünglichen Implementation der Umweltverträglichkeitsprüfung in das deutsche Recht ging der Gesetzgeber von verschiedenen Prämissen aus. Er nahm an, dass das deutsche Zulassungsrecht ohne grundlegende Systembrüche tauglich war, eine unionsrechtskonforme Umweltverträglichkeitsprüfung zur ermöglichen. Auf die Einführung eines eigenständigen Zulassungsverfahrens für die Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen waren, sollte und konnte verzichtet werden. Stattdessen sollte die Umweltverträglichkeitsprüfung in die bestehenden Zulassungsverfahren integriert werden, die für eine verfahrenstechnische Aufnahme der Umweltverträglichkeitsprüfung als geeignet angesehen wurden. Eine grundsätzliche Veränderung des materiellen Zulassungsrechts wurde vom Gesetzgeber genauso wenig für notwendig gehalten. 1. Umsetzungstauglichkeit des deutschen Rechts Das UVPG, mit dem die UVP in das deutsche Recht eingeführt wurde, trat erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren am 01. 08. 1990 in Kraft. Für die atomrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Verfahren kam es zu weiteren Verzögerungen, weil nach Art. 14 Abs. 2 und 3 des Umsetzungsartikelgesetzes das UVPG für diese Verfahren erst dann in Kraft treten sollte, wenn die entsprechenden Verfahrensverordnungen an die Erfordernisse der Umweltverträglichkeitsprüfung angepasst worden waren. Schwierigkeiten bei der Umsetzung der UVP-Richtlinie ergaben sich insbesondere aus dem schon erwähnten Wunsch, Änderungen des deutschen Zulassungsrechts bei der Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung möglichst zu vermeiden, jedenfalls keine dogmatischen Systembrüche herbeizuführen. Die Bedenken betrafen insbesondere die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, die einen sehr bedeutenden Anteil der UVP-pflichtigen Vorhaben ausmachen. Es wurde befürchtet, dass der Anlagenbegriff des Immissionsschutzrechts zu Berücksichtigungslücken führen würde, weil er hinter dem Projektbegriff der UVPRichtlinie zurückbleibe. Außerdem wurde bemängelt, dass die Schutzrichtung des deutschen Immissionsschutzrechts einmedial auf die Reinhaltung der Luft ausgerichtet sei und deshalb Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Umweltmedien nicht hinreichend berücksichtigen könne. Beanstandet wurden zudem noch die nur eingeschränkte Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG und fehlende Möglichkeiten einer hinreichenden Alternativenprüfung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren.10 Trotz dieser und weiterer Bedenken blieb der Gesetzgeber bei seiner Strategie einer möglichst schlanken, systemkonformen Umsetzung der UVP-Richtlinie in das deutsche Recht. Er blieb bei seinem verfahrensbezogenen Ansatz der Umwelt10

Siehe dazu A. Schink/W. Erbguth, DVBl. 1991, 413.

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verträglichkeitsprüfung, der sich durch eine Integration der UVP in die bestehenden Genehmigungsverfahren umsetzen lassen sollte. Eine Verschärfung des materiellen Zulassungsrechts für UVP-pflichtige Vorhaben im Sinne strengerer Grenzwerte oder erweiterter Verbotstatbestände wurde nicht für erforderlich gehalten;11 die materiellrechtlichen Zulassungstatbestände wurden allerdings in der Folge partiell zur Ermöglichung eines integrativen und medienübergreifenden Prüfungsansatzes angepasst bzw. geöffnet. 2. Der verfahrensbezogene Prüfungsansatz der Umweltverträglichkeitsprüfung Sinn und Zweck der Umweltprüfung bestehen darin, dass besonders umweltrelevante Zulassungsentscheidungen erst dann getroffen werden dürfen, wenn vorhersehbare Umweltfolgen solcher Projekte zuvor unter ordnungsgemäßer Beteiligung der Öffentlichkeit und der Fachbehörden hinreichend genau ermittelt und bewertet worden sind und bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Kerngedanke der UVP ist es, vor Zulassung eines potenziell umweltbelastenden Vorhabens dessen Umweltfolgen in einem rechtlich geordneten und transparenten Verfahren möglichst genau zu prüfen und bei der anschließenden Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens zu berücksichtigen.12 Das ist eigentlich eine nicht besonders revolutionäre Idee, denn auch unabhängig von einer UVP-Pflicht müssen vor der Zulassung umweltrelevanter Vorhaben deren erhebliche Umweltfolgen in einem Zulassungsverfahren, gegebenenfalls mit Öffentlichkeitsbeteiligung, umfassend geprüft werden. Mit Hilfe der Umweltverträglichkeitsprüfung sollte letztlich der Rechtfertigungsdruck erhöht werden, der sich für die Genehmigungsbehörde daraus ergibt, dass die Umweltfolgen eines Projekts in einem streng formalisierten Verfahren umfassend ermittelt, behördlich zusammenfassend dargestellt und bewertet worden sind. Das verschafft den Umweltbelangen zwar keinen formalen Vorrang vor anderen Belangen und ändert auch an den materiell-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen nichts; faktisch sorgt jedoch die besonders sorgfältige Aufbereitung der Umweltfolgen, ihre zusammenfassende Darstellung und noch nicht mit gegenläufigen Interessen und Belangen abgewogene Bewertung zumeist dafür, dass den Umweltbelangen bei der Zulassungsentscheidung ein größeres Gewicht beigemessen oder eine zumindest größere Aufmerksamkeit gewidmet wird als anderen, etwa wirtschaftlichen oder sozialen Belangen.13 Der Erfolg der UVP als Verfahrensinstrument bemisst sich dabei weniger an der Zahl der wegen der festgestellten Umweltfolgen versagten Genehmigungen, sondern eher an den Nebenbestimmungen und Schutzvorkehrun11 Kritisch dazu W. Erbguth, Rechtliche Grundlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung und Verkehrswegplanung – dargestellt anhand des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, VR 1990, 293. 12 W. Appold, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 4 Rn. 2. 13 W. Schenk, EurUP 2018, 174 (175); A. Schink, NuR 2018, 21 (22).

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gen, die zum Wohl der Umwelt den Zulassungsentscheidungen beigefügt bzw. mit ihnen oder nachträglich angeordnet worden sind.14 Die Zweifel, ob das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung das vorhandene Schutzniveau bei der Zulassung von Vorhaben verbessern kann, sind insoweit nicht berechtigt.15 Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung zählen zu den wichtigsten Instrumenten des integrativen Umweltschutzes.16 Mit Hilfe der Umweltverträglichkeitsprüfung soll allerdings kein ansonsten zulassungsfähiges Vorhaben verhindert werden. Die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens setzt nicht voraus, dass dem Vorhaben eine Umweltverträglichkeit bescheinigt werden kann. Es handelt sich um eine Umweltfolgenuntersuchung und nicht – wie der Begriff der Umweltverträglichkeitsprüfung suggeriert – um die Prüfung, ob eine Genehmigung für das Vorhaben wegen einer Umweltunverträglichkeit zu versagen ist. Dementsprechend verschärft das UVP-Recht die materiellen Zulassungsvoraussetzungen auch nicht, was allerdings nicht bedeutet, dass die UVP-Vorschriften keinen materiellen-rechtlichen Gehalt haben. Nach § 3 S. 1 UVPG umfassen Umweltprüfungen die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der erheblichen Auswirkungen eines Vorhabens oder eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter des UVPG, namentlich Menschen, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkungen zwischen den vorgenannten Schutzgütern (§ 2 Abs. 1 UVPG). Umweltprüfungen dienen einer wirksamen Umweltvorsorge nach Maßgabe der geltenden Gesetze und werden nach einheitlichen Grundsätzen sowie unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt (§ 3 S. 2 UVPG). Die Umweltprüfung beschreibt insoweit Verfahrensanforderungen, welche in fachgesetzliche Zulassungs- oder Planungsverfahren zu integrieren sind (vgl. § 4 UVPG). Der Schutz der Umwelt soll demnach auf prozeduralem Wege befördert werden. Dabei meint prozedural allerdings nicht nur die Anforderungen an das Zulassungsverfahren im eigentlichen Sinne, sondern auch verfahrenstechnische Anforderungen an die Entscheidungsfindung unmittelbar, die sich insbesondere aus der Verpflichtung zur Erarbeitung einer zusammenfassenden Darstellung und der Bewertung und der Berücksichtigung der Umweltfolgen auf der Grundlage dieser zusammenfassenden Darstellung bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens oder die Versagung der Zulassung ergeben. Es lässt sich insoweit zwischen Verfahrensanforderungen, die die äußere Ordnung des Verfahrens, d. h. den Verfahrensablauf als solchen betreffen, und materiell-rechtlichen Vorgaben differenzieren, die den Prozess 14 M. Beckmann, Umweltverträglichkeitsprüfung in der praktischen Anwendung, ZUR 2014, 541. 15 Siehe zu diesen Zweifeln M. Schmidt-Preuß, Der verfahrensrechtliche Charakter der Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBl. 1995, 485; A. Schink, NuR 2018, 21. 16 So zu Recht A. Schink, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UVPG, Einleitung Rn. 1.

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der Willens- und Entscheidungsbildung selbst steuern.17 Zu den Verfahrensbestimmungen im engeren Sinne gehören Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte, wie etwa die Durchführung einer Vorprüfung. Nicht zum äußeren Verfahrensgang in diesem Sinne gehört dagegen der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Prozess der Entscheidungsfindung. Die obligatorische Beteiligung der Öffentlichkeit im UVP-Verfahren dient einem doppelten Zweck: Sie soll Informationen, Meinungen und Bedenken zum Vorhaben sammeln und ihre Berücksichtigung ermöglichen; die Öffentlichkeitsbeteiligung soll außerdem den Entscheidungsprozess „nachvollziehbarer und transparenter“ machen und hierdurch das öffentliche Bewusstsein für Umweltbelange und die öffentliche Unterstützung und damit auch die Akzeptanz des Vorhabens stärken.18 Darin liegt ein Kern des prozeduralen Legitimationskonzepts,19 das die Umweltprüfung z. B. von der FFH-Verträglichkeitsprüfung unterscheidet, die nicht allein verfahrensrechtlicher Natur ist, sondern bei der spezielle materielle Zulassungsvoraussetzungen geprüft werden müssen, die häufig genug zu einer Versagung der Zulassung führen. Während dieser prozedurale Ansatz auf europäischer Ebene durch die Vorstellung legitimiert wird, dass eine Entscheidungsrichtigkeit sich zumeist nicht materiell-inhaltlich im Sinne einer bei der Gesetzesauslegung stets ableitbaren, einzig richtigen Entscheidung begründen lässt, sondern das Ergebnis eines ordnungsgemäß durchgeführten Entscheidungsverfahrens ist, stieß dieser Verfahrensbezug auf deutscher Ebene weitgehend auch deshalb auf große Sympathie, weil sich unter Verweis auf die dienende Funktion des Verwaltungsverfahrens und die sich daraus ableitende Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern auch eine reduzierte Durchschlagskraft etwaiger Verstöße gegen UVP-Bestimmungen auf den Bestand der Genehmigungen erreichen ließ.20 3. Verzicht auf ein eigenständiges Verfahren Das Unionsrecht ist, was die verfahrensrechtliche Implementation der Umweltprüfung in bestehende Verwaltungsverfahren angeht, offen. Es überlässt den Mitgliedstaaten, Umweltverträglichkeitsprüfungen im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchzuführen oder eigenständige Prüfverfahren

17

Siehe zur Systematik von Verfahrensfehlern im Sinne von § 4 UmwRG BVerwG, Urt. v. 19. 12. 2017 – 7 A 9/17, 7 A 12/12, juris, Rn. 22. 18 16. Erwägungsgrund der UVP-Richtlinie 2011/92/EU. 19 D. Winkler, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, Vorbemerkung Rn. 3. 20 Kritisch dazu W. Erbguth, ZUR 2014, 515 (520).

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einzuführen. Entscheidend ist allein, dass die Verfahren geeignet sind, eine unionsrechtskonforme Umweltprüfung sicherzustellen.21 Nach § 4 UVPG ist die Umweltverträglichkeitsprüfung ein unselbstständiger Teil der vorhandenen verwaltungsbehördlichen Verfahren.22 Dem UVPG liegt mit dieser Bestimmung ein Konzept zugrunde, das auf die Einführung zusätzlicher bürokratischer Verfahren sowie auf die Schaffung neuer Behörden verzichtet und die UVP deshalb in die bereits bestehenden fachgesetzlichen Verfahren integriert.23 Der Ablauf der umweltrechtlichen Verfahren und die Behördenzuständigkeit richten sich deshalb auch in Ansehung des UVPG grundsätzlich nach den einschlägigen fachgesetzlichen Regelungen.24 § 4 UVPG stellt klar, dass die UVP ein Verfahrensbestandteil ist. Die UVP ist nicht nur ein Gutachten, eine Umweltverträglichkeitsstudie oder ein Umweltbericht. Andererseits ist UVP auch kein eigenständiges Verfahren, wohl aber ist sie ein der Entscheidung vorgeschalteter Zwischenschritt.25 Sie ist in den Ablauf eines anderen Verwaltungsverfahrens, des Trägerverfahrens, eingebunden, das der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens dient, und hat dort die Aufgabe, zur Ermittlung, Beschreibung und Bewertung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beizutragen.26 4. Zum materiell-rechtlichen Gehalt der Umweltprüfung § 25 UVPG zählt zu den Bestimmungen des UVPG, die einen materiell-rechtlichen Gehalt haben, weil die Vorschrift die Maßstäbe anspricht, die für die materielle Bewertung der Umweltfolgen und auch für deren Berücksichtigung bei der Zulassungsentscheidung anzulegen sind.27 Durch das UVPG und die UVP-RL werden die materiell-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für UVP-pflichtige Vorhaben jedoch nicht verändert. Materiell-rechtlicher Gehalt bedeutet insoweit nicht eine Ver-

21

W. Appold, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 4 Rn. 1. 22 Siehe dazu die Begründung des Regierungsentwurfs zum UVPG 1990, BT-Drs. 11/3919, S. 20; vgl. auch BVerwG Urt. v. 19. 05. 1998 – 4 C 11/96, NVwZ 1999, 528 (531); A. Weber/ U. Hellmann, Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NJW 1990, 1625 (1627). 23 Dazu bereits Begr. des Regierungsentwurfs zum UVPG 1990, BT-Drs. 11/3919, S. 15; R. Dohle, Anwendungsprobleme eines Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NVwZ 1989, 697 (698); W. Erbguth/A. Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996, § 2 Rn. 2; H. Jarass, Grundstrukturen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 1991, 201 (202). 24 E. Bohne, Die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben, ZfB 1989, 93 (99); K. Dienes, Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, ET 1990, 727 (728). 25 W. Neumann/C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 74 Rn. 119 m.w.N. 26 So bereits Begründung des Regierungsentwurfs zum UVPG 1990, BT-Drs. 11/3919, S. 21. 27 R. Breuer/K. Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 1224; R. Schmidt/W. Kahl/K. Gärditz, Umweltrecht, 10. Aufl. 2017, § 4 Rn. 82.

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schärfung oder Veränderung von Zulassungsvoraussetzungen.28 Daran hat sich durch das UVP-Modernisierungsgesetz – wie ausdrücklich in der Gesetzesbegründung bestätigt wird – im Jahre 2017 nichts geändert. Von einem materiell-rechtlichen Gehalt lässt sich insoweit sprechen, als § 25 UVPG nicht nur Anforderungen an das Verwaltungsverfahren, sondern an die Zulassungsentscheidung selbst stellt, indem auf die Entscheidungsmaßstäbe der geltenden Gesetze im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge hingewiesen und in § 25 Abs. 2 UVPG eine Berücksichtigung der begründeten Bewertung nach dem Entscheidungsmaßstab des § 25 Abs. 1 UVPG verlangt wird. Die Diskussion um den sogenannten materiell-rechtlichen Gehalt des UVPG erinnert an die in etwa vergleichbare Frage, ob es sich bei den Anforderungen an den Abwägungsvorgang einer planerischen Entscheidung um Verfahrensanforderungen oder um materiell-rechtliche Anforderungen handelt. Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis betreffen die materielle Planungsentscheidung, nicht das Planungsverfahren, das dieser Entscheidung vorangeht, dessen Ergebnis die Planungsentscheidung ist. Dementsprechend ist es rechtsdogmatisch verfehlt, Mängel des Abwägungsvorgangs als Verfahrensfehler einzuordnen.29 Und lediglich in diesem Sinne hat auch das UVPG einen materiell-rechtlichen Gehalt, weil es über die Regelungen zum Verfahren hinaus auch Anforderungen an die eigentliche Entscheidungsfindung formuliert. Dementsprechend liegt beispielsweise auch kein Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 a UmwRG, sondern ein materieller Fehler vor, wenn sich die Behörde unzureichend mit einem Gesundheitsrisiko durch von der Tierhaltungsanlage ausgehende Bioaerosole für die im Umfeld der Anlage wohnenden Menschen befasst hat und deshalb fraglich ist, ob die von ihr vorgenommene Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens zutrifft.30 Neben § 25 UVPG finden sich weitere materiell-rechtliche Ansätze im vorgenannten Sinne auch in § 2 Abs. 1 und 2 UVPG (Definition der Schutzgüter, auf die sich die Beschreibung der Umweltauswirkungen bezieht, und der Umweltauswirkungen), § 3 UVPG (Grundsätze für Umweltprüfungen), § 15 UVPG (Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen), § 16 UVPG (Inhalt und Umfang des UVP-Berichts) und § 24 UVPG (zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen). Das BVerwG31 führt in diesem Zusammenhang aus, die UVP umfasse die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der erheblichen Auswirkungen eines Vorhabens oder eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter (§ 3 S. 1 UVPG). Sie strukturiere das Verfahren im Vorfeld der Sachentscheidung durch die Phasen der Informationsgewinnung und der Informationsverarbeitung und vollziehe sich in verschiedenen Verfahrensschritten (z. B. Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen, Betei28

Siehe dazu A. Schink, NuR 2018, 21 (22). M. Beckmann, Abwägung als Verfahren – Abwägung als materielles Recht – Zur Dogmatik des Abwägungsgebots, BauR 2016, 1417 (1420). 30 OVG SA, Urt. v. 06. 07. 2016 – 2 L 84/14, juris, Rn. 187. 31 BVerwG, Urt. v. 28. 11. 2017 – 7 A 17/12, juris, Rn. 28. 29

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ligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit, zusammenfassende Darstellung, begründete Bewertung, Bekanntmachung), die ordnungsgemäß durchgeführt werden müssten. Dazu gehöre mit Blick auf das zentrale gesetzgeberische Anliegen einer frühzeitigen und effektiven Öffentlichkeitsbeteiligung, dass die ausgelegten Unterlagen die nach § 16 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 UVPG erforderliche Anstoßwirkung entfalteten. Von den einzelnen Verfahrensschritten und ihrer Durchführung zu unterscheiden seien die Anforderungen an ihre inhaltliche Ausgestaltung, die vor allem in den §§ 16, 24 Abs. 1 UVPG und § 25 Abs. 3 UVPG ihren Niederschlag fänden. Sie würden von den materiell-rechtlichen Maßstäben der im jeweiligen Einzelfall einschlägigen Fachgesetze geprägt, für deren Prüfung die UVP durch Zusammenstellung und Aufbereitung des umweltbezogenen Tatsachenmaterials den Rahmen und die Grundlage bilde. Diese besondere Funktion der UVP finde auch in § 3 Abs. 1 S. 2 UVPG ihren Ausdruck. Danach diene die UVP einer wirksamen Umweltvorsorge nach Maßgabe der geltenden Gesetze. Daran, dass das UVPG – ebenso wie die UVPRichtlinie – keine eigenständigen materiellen Prüf- und Bewertungsmaßstäbe dafür liefere, welcher Rang den Umweltbelangen im Rahmen der Zulassungsentscheidung zukomme,32 habe auch das UVP-Modernisierungsgesetz nichts geändert. Die Entscheidungsstruktur der maßgeblichen fachrechtlichen Vorschriften bleibe von der Novelle unangetastet. Das bestätige auch die Regelung zur Berücksichtigungspflicht in § 25 Abs. 1 und 2 UVPG, die – wie bereits die Vorgängerregelung in § 12 UVPG a.F. mit dem Verweis auf die geltenden Gesetze ebenfalls klarstelle, dass es mangels eigenständiger materiell-rechtlicher Vorgaben im UVPG auf die fachrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen ankomme.33 III. Gesteigerte Verfahrensanforderungen – Ausufernde Verfahrensschritte Die ursprüngliche Vorstellung, dass sich durch die Einführung der UVP für die Vorhaben, die auf der Grundlage eines Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu genehmigen sind, keine wesentlichen Änderungen ergeben würden, hat sich mittlerweile als Illusion erwiesen. Die Verfahrensanforderungen werden zunehmend höher; einzelne Verfahrensanforderungen wachsen sich zu veritablen, eigenständigen Verfahrensschritten oder sogar Zwischenverfahren aus. Schon die Feststellung, ob überhaupt eine UVP-Pflicht besteht, ist in Einzelfällen kompliziert. Gestiegen sind die Verfahrensanforderungen an die UVP-Vorprüfung, an die Erstellung des Umweltberichts sowie an die Formulierung des Zulassungsbescheids. Nicht zuletzt werden die Mitgliedstaaten durch Art. 8a Abs. 4 UVP-Änderungsrichtlinie 2014 verpflichtet, Verfahren zur Überwachung erheblich nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt festzulegen. Ein solches Monitoring war für die Um32

Vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.06 – 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238 (243); BT-Drs. 18/11499 S. 76. 33 Vgl. BVerwG, Urt. v. 28. 11. 2017 – 7 A 17/12, juris, Rn. 28 unter Verweis auf BTDrs. 18/11499, S. 94.

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weltverträglichkeitsprüfung in der Vergangenheit nicht vorgesehen. § 28 UVPG schreibt deshalb behördliche bzw. betriebliche Überwachungsmaßnahmen vor, wobei allerdings der Vorrang fachgesetzlicher Überwachungsvorschriften zu beachten ist.34 Von einer Vereinfachung des Verfahrens und einer Erhöhung der Anwendungsfreundlichkeit der UVP-Vorschriften kann man insoweit nur bedingt sprechen. 1. Feststellung der UVP-Pflicht Schon die Feststellung der zuständigen Behörde, ob ein Vorhaben UVP-pflichtig ist, kann im Einzelfall sehr schwierig werden. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UVPG stellt die Behörde auf der Grundlage geeigneter Angaben des Vorhabenträgers sowie eigener Informationen unverzüglich fest, ob nach den §§ 6 – 14 UVPG für das Vorhaben eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht oder nicht. Diese Feststellung trifft die Behörde nach § 5 Abs. 1 S. 2 UVPG auf Antrag des Vorhabenträgers oder bei einem Antrag nach § 15 UVPG (Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen) oder von Amts wegen nach Beginn des Verfahrens, das der Zulassungsentscheidung dient. Die Feststellung ist nach § 5 Abs. 2 S. 1 UVPG nicht selbstständig anfechtbar. Die weiteren Bestimmungen über die Feststellung der UVP-Pflicht sind kompliziert geraten; es sind eine ganze Reihe unterschiedlicher Fallgestaltungen zu berücksichtigen. Hinzu kommen formalisierte Anforderungen an die Angaben des Vorhabenträgers zur Vorbereitung der Vorprüfung, die in Anlage 2 des Gesetzes aufgelistet sind, sowie Kriterien für die Vorprüfung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung, die sich aus Anlage 3 des Gesetzes ergeben. Dass sich die Feststellung der UVP-Pflicht zu einem eigenständigen Verfahrensschritt, wenn nicht gar zu einem eigenen (Vor-)Verfahren entwickelt hat, verdeutlicht u. a. die Fristregelung des § 7 Abs. 6 UVPG. Nach § 7 Abs. 6 S. 1 UVPG trifft die zuständige Behörde die Feststellung der UVP-Pflicht zügig und spätestens sechs Wochen nach Erhalt der nach § 7 Abs. 4 UVPG erforderlichen Angaben. In Ausnahmefällen kann sie gem. § 7 Abs. 6 S. 2 UVPG die Frist für die Frist bis zu drei Wochen oder, wenn dies wegen der besonderen Schwierigkeiten der Prüfung nicht ausreicht, um bis zu sechs Wochen verlängern. Nimmt man die Zeit hinzu, die der Vorhabenträger benötigt, um die für die Vorprüfung erforderlichen Unterlagen zusammenzustellen und bei der zuständigen Behörde einzureichen, dann kann allein das Vorprüfungsverfahren zur Klärung der Frage, ob überhaupt eine UVP-Pflicht besteht, Zeiträume in Anspruch nehmen, die anderenorts für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren mit drei Monaten vorgesehen sind (§ 10 Abs. 6a S. 1 BImSchG). Unionsrechtlich wäre sogar die Ein-

34 Siehe dazu M. Beckmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 28 Rn. 3.

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führung einer gesetzlichen Frist von bis zu 90 Tage bis zur Feststellung mit unbegrenzter Verlängerungsmöglichkeit zulässig gewesen.35 a) Unbedingte UVP-Pflicht bei Neubauvorhaben Hinsichtlich der Feststellung der UVP-Pflicht ist zwischen einer unbedingten UVP-Pflicht für bestimmte Vorhaben und den Vorhaben zu unterscheiden, über deren UVP-Pflichtigkeit erst im Rahmen einer Vorprüfung entschieden werden kann. Für entsprechend in der Anlage 1 gekennzeichnete Neuvorhaben muss eine UVP nach § 6 S. 1 UVPG durchgeführt werden, wenn die zur Bestimmung der Art des Vorhabens genannten Merkmale vorliegen. Sofern Größen- oder Leistungswerte angegeben sind, besteht die UVP-Pflicht nach § 6 S. 2 UVPG, wenn die Werte erreicht oder überschritten werden. b) Vorprüfung Nicht unerhebliche Erleichterungen für die zuständigen Behörden erwartet die Bundesregierung von klareren und detaillierteren Vorschriften für das Verfahren der UVP-Vorprüfung.36 In der Mehrzahl der Fälle soll sich der Zeitaufwand für die Prüfung der Vorprüfungsunterlagen nach § 7 UVPG verringern, auch wenn im Einzelfall der höhere Detaillierungsgrad der Anforderungen dazu führen könne, dass die Vorprüfungsunterlagen umfangreicher ausfallen müssten als nach bisherigem Recht.37 Ob diese Erwartung der Bundesregierung realistisch ist, mag man bezweifeln. § 7 UVPG enthält eine Reihe von eher klarstellenden Regelungen, die eine schon bislang übliche Verfahrenspraxis bei der Durchführung der Vorprüfung gesetzgeberisch nachvollziehen.38 Das ändert aber nichts daran, dass die Systematik unübersichtlich bleibt und dass die Anforderungen an die vom Vorhabenträger beizubringenden Angaben für die Vorprüfung gestiegen sind. aa) Unterschiedliche Arten der Vorprüfung Zu unterscheiden ist zwischen einer allgemeinen Vorprüfung (§ 7 Abs. 1 UVPG) und einer standortbezogenen Vorprüfung (§ 7 Abs. 2 UVPG). Stellt sich bei der allgemeinen Vorprüfung heraus, dass ein Störfallrisiko besteht, muss noch die Sonderregelung des § 8 UVPG berücksichtigt werden. Außerdem differenziert der Gesetz35

Siehe dazu J. Tepperwien, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UVPG, § 7 Rn. 12. 36 BR-Drs. 164/17, S. 78; zur Vorprüfung siehe F. Pauli/M. Hagemann, Die UVP-Vorprüfung und deren Heilung, UPR 2018, 8; S. Balla, Die UVP-Vorprüfung – im Einzelfall schwierig, NuR 2017, 239. 37 BR-Drs. 164/17, S. 78. 38 Siehe dazu K. Dienes, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 7 Rn. 1; Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BRDrs. 164/17, S. 84.

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geber zwischen der Vorprüfung bei Neuvorhaben (§ 7 UVPG) und bei Änderungsvorhaben (§ 9 UVPG). Bei den Änderungsvorhaben muss weiter danach unterschieden werden, ob für das Vorhaben in der Vergangenheit bereits eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist (§ 9 Abs. 1 UVPG) oder ob für das Vorhaben noch keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde (§ 9 Abs. 2, Abs. 3 UVPG). Bei den Änderungsvorhaben müssen außerdem wiederum unbedingt UVP-pflichtige und lediglich vorprüfungspflichtige Vorhaben unterschieden werden. Besonders übersichtlich oder gar anwendungsfreundlich ist diese komplexe Systematik sicher nicht.39 bb) Gerichtliche Nachprüfung Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung der UVP-Pflichtigkeit unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die Einschätzung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich ist, ist im gerichtlichen Verfahren gegen die Zulassungsentscheidung nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis der Vorprüfung nachvollziehbar ist. Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben und das Ergebnis darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat. Diese Beschränkung verdeutlicht, dass der zuständigen Behörde für ihre prognostische Beurteilung ein Einschätzungsspielraum zusteht. Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist. Dies bedeutet zugleich, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können.40 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei einer Vorprüfung nur überschlägig zu prüfen ist.41 Die Behörde darf nicht bereits im Rahmen der Vorprüfung mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Dichte prüfen und damit die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für die UVP obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen. Andererseits darf sich die Vorprüfung aber auch nicht mit einer lediglich oberflächlichen Abschätzung begnügen; sie muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen stattfinden.42 39

Siehe dazu im Einzelnen auch F. Pauli/M. Hagemann, UPR 2018, 8 ff. BVerwG, Urt. v. 17. 12. 2013 – 4 A 1.13, BVerwGE 148 (353) und v. 18. 12. 2014 – 4 C 36.13, BVerwGE 151 (138); OVG NRW, Urt. v. 18. 05. 2017 – 8 A 870/15, juris, Rn. 107. 41 Siehe dazu VGH BW, Beschl. v. 07. 07. 2016 – 3 S 942/16, juris, Rn. 35; W. Schenk, EurUP 2018, 174 (178). 42 BVerwG, Urt. v. 25. 06. 2014 – 9 A 1.13, UPR 2014, 444; OVG NRW, Urt. v. 18. 05. 2017 – 8 A 870/15, juris, Rn. 103. 40

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Auch wenn der Gesetzgeber die gerichtliche Nachprüfbarkeit der Einschätzung der zuständigen Behörde im Rahmen der Vorprüfung durch § 7 Abs. 3 S. 2 UVPG eingeschränkt hat, bleiben die Risiken eines gerichtlichen Verfahrens in diesem Zusammenhang hoch. Denn der Kriterienkatalog der Anlage 3 des Gesetzes für die Vorprüfung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ist sehr weit gefasst, so dass es hinreichende Möglichkeiten gibt, im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine Missachtung der Vorgaben des § 7 UVPG bzw. eine nicht hinreichende Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses der Vorprüfung zu beanstanden. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass nach § 7 Abs. 7 UVPG die Durchführung und das Ergebnis der allgemeinen und der standortbezogenen Vorprüfung zu dokumentieren sind. Die Entscheidung muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alle Angaben enthalten oder als Anlage umfassen, die erforderlich sind, um kontrollieren zu können, dass sie auf eine angemessene, den Anforderungen der UVP-Richtlinie entsprechende Vorprüfung gestützt ist.43 Hinzu kommt, dass die Entscheidungskriterien für die allgemeine Vorprüfung keine konkreten Grenz- oder Schwellenwerte enthalten, bei deren Überschreitung eine UVP-Pflicht feststehen würde. Vielmehr handelt es sich eher um Merkposten oder Leitgedanken, anhand derer eine Bewertung vorgenommen werden kann.44 Der Vorhabenträger ist deshalb im Zweifel gut beraten, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Neuvorhaben zu beantragen.45 In diesem Fall entfällt nach § 7 Abs. 3 S. 1 UVPG die Vorprüfung, wenn die zuständige Behörde das Entfallen der Vorprüfung als zweckmäßig erachtet. Für diese Neuvorhaben besteht dann nach § 7 Abs. 3 S. 3 UVPG die UVP-Pflicht. Die Entscheidung der zuständigen Behörde ist nach § 7 Abs. 3 S. 4 UVPG nicht anfechtbar. Die Zeiten, in denen Vorhabenträger sich mit Hilfe ihrer Gutachter und Berater darum bemühten, einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung durch den Nachweis im Rahmen einer Vorprüfung, das von dem Vorhaben keine relevanten Umweltauswirkungen ausgehen, auszuweichen, ist angesichts der damit verbundenen Risiken weitgehend vorüber.46 Immerhin kann eine Vorprüfung nachgeholt werden; kommt sie allerdings zu dem Ergebnis einer UVP-Pflicht, muss auch diese, soweit dies noch zulässig ist, nachgeholt werden. Das kann üble Zeitverzögerungen zur Folge haben.

43

BVerwG, Urt. v. 14. 06. 2017 – 4 A 11.16, NVwZ 2018, 264; siehe dazu W. Schenk, EurUP 2018, 174 (179). 44 So schon M. Beckmann, Die allgemeine Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen, DVBl. 2004, 791 (797). 45 M. Beckmann, DVBl. 2004, 791 (795). 46 W. Schenk, EurUP 2018, 174 (182), empfiehlt, die Vorgaben des UVPG nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch der Versuchung zu widerstehen, letztlich zur Vermeidung des aufwendigen Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Vorprüfung zu tief in die Sache einzusteigen. Das könne sich als Bumerang erweisen.

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cc) Kumulierende Vorhaben Nachdem der EuGH gemahnt hatte, die Mitgliedstaaten hätten sich zu vergewissern, dass das Regelungsziel der UVP-Richtlinie nicht durch die Aufsplitterung von Vorhaben umgangen werden kann,47 hat der deutsche Gesetzgeber versucht, eine solche Umgehung durch eine Kumulationsregelung zu verhindern, die allerdings zu erheblichen Anwendungsproblemen führte.48 Deshalb hat der Gesetzgeber sich mit dem UVP-Modernisierungsgesetz darum bemüht, die Kumulationsfälle in den §§ 10 – 13 UVPG verständlicher und rechtssicherer zu formulieren. So begrüßenswert die Neuregelung ist, weil die Kumulationsrechtsprechung zur bisherigen Regelung kaum noch im Gesetz selbst nachvollzogen werden konnte, so deutlich wird jedoch auch mit ihr, welche erheblichen Schwierigkeiten allein die Feststellung der UVP-Pflicht auslöst.49 Immerhin wird man sagen können, dass derjenige, der sich mit der auf den ersten Blick verwirrenden Systematik der Neuregelungen vertraut gemacht hat, einen durchaus bedeutenden Fortschritt bei der Vollzugstauglichkeit der Regelungen zur Kumulationsproblematik erkennt. 2. Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen Ein weiterer Verfahrensschritt, der sich nach dem Vorprüfungsverfahren zu einem nahezu eigenständigen Zwischenverfahren entwickelt hat, ist die Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen gem. § 15 UVPG. Auch dieser Verfahrensschritt findet auf Antrag des Vorhabenträgers – oder wenn die zuständige Behörde dies für zweckmäßig hält – statt. Auch für diesen zweiten Verfahrensschritt muss der Vorhabenträger nach § 15 Abs. 2 UVPG geeignete Unterlagen vorlegen. Insgesamt legt der Vorhabenträger demnach in einem ersten Schritt geeignete Unterlagen zur Feststellung der UVP-Pflicht, in einem zweiten Schritt geeignete Unterlagen für die Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen und in einem dritten Schritt dann den UVP-Bericht mit den eigentlichen Angaben für die Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Natürlich lassen sich die jeweils vorgelegten Angaben für den jeweils kommenden Schritt ausbauen; das ändert aber nichts daran, dass der Verfahrensaufwand durch diese schrittweise Vorbereitung und Einreichung von Unterlagen erheblich ist. Die zuständige Behörde kann zur Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen Sachverständige, Fachbehörden, Umweltverbände und sonstige Dritte beteiligen. Sie

47 EuGH, Urt. v. 21. 09. 1999 – C-392/96, juris, Rn. 73; Urt. v. 25.07.08 – C-142/07, juris, Rn. 44. 48 M. Arnold, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 10 Rn. 1; BT-Drs. 18/11499, S. 81. 49 Dazu J. Tepperwien, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UVPG, § 10 Rn. 1 ff.; M. Arnold, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 10 Rn. 1 ff.; W. Schenk, EurUP 2018, 174 (177), Fn. 32, hält insbesondere die §§ 11, 12 UVPG für nicht sehr rechtsanwenderfreundlich.

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kann Gelegenheit zu einer Besprechung geben; das Ergebnis der Besprechung muss nach § 15 Abs. 3 S. 4 UVPG dokumentiert werden. Auch die verschiedenen Dokumentationspflichten der Behörde verstärken den Trend zur Bürokratisierung des Verfahrens; auch sie kosten wertvolle Zeit der Behördenmitarbeiter. Der Verfahrensschritt einer Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen ist insoweit ein weiteres Beispiel für die Formalisierung an sich informaler Abstimmungen und für die zunehmende Bürokratisierung einer im Grundsatz selbstverständlich zu begrüßenden und im Regelfall auch unbedingt erforderlichen Antragsberatung durch die Genehmigungsbehörde. Die Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen dient der frühzeitigen Abstimmung der Pflicht des Vorhabenträgers nach § 16 UVPG, einen UVP-Bericht vorzulegen. Eine Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen ist letztlich nichts anderes als ein spezifischer Fall der Beratung und Auskunft, die nach § 25 Abs. 2 S. 1 VwVfG ohnehin in den Verwaltungsverfahren von der Behörde zu leisten ist. Schon nach dieser Vorschrift erörtert die Behörde, soweit erforderlich, bereits vor Stellung eines Antrags mit dem zukünftigen Antragsteller, welche Nachweise und Unterlagen von ihm zu erbringen sind und in welcher Weise das Verfahren beschleunigt werden kann. § 15 UVPG trägt dem praktischen Bedürfnis nach einer Abstimmung zwischen dem Vorhabenträger und der Genehmigungsbehörde Rechnung, allerdings unter Preisgabe dieses im Ausgangspunkt eher informellen Dialogs zugunsten eines durchreglementierten, formalisierten Vorverfahrens mit Dokumentationspflichten und Beteiligungsmöglichkeiten, so dass man mit Erbguth und Schink von einer „(Teil-) Formalisierung ansonsten informalen Verwaltungshandelns“ sprechen kann.50 Das, was eigentlich als Hilfestellung für den Vorhabenträger gedacht ist, gerät zu einem eigenständigen Verfahrensschritt mit erheblichem Verfahrensaufwand ohne allerdings einen entsprechenden Vertrauensschutz darauf zu bewirken, in späteren Phasen des Zulassungsverfahrens nicht mit Nachforderungen zur Ergänzung von Antragsunterlagen konfrontiert zu werden.51 Noch erheblich weiter formalisieren und bürokratisieren würde sich dieser Verfahrensschritt, wenn der Empfehlung gefolgt würde, eine Abstimmung über den Untersuchungsrahmen stets verpflichtend vorzusehen und hierbei auch noch ausnahmslos zur Beteiligung der Öffentlichkeit zu verpflichten.52 3. UVP-Bericht § 16 UVPG verpflichtet den Vorhabenträger, der zuständigen Behörde einen UVP-Bericht über die voraussichtlichen Umweltauswirkungen seines Vorhabens 50 W. Erbguth/A. Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996, § 5 Rn. 24; M. Kment, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 15 Rn. 1. 51 Siehe dazu M. Beckmann, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht I, § 5 UVPG a.F., 56. EL 2009, Rn. 23; M. Kment, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 15 Rn. 23. 52 Zu dieser Forderung A. Schink, NuR 2018, 21 (27).

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mit bestimmten Mindestangaben vorzulegen. Mit dieser Vorschrift wurde ein für die Durchführung der UVP zentraler Verfahrensschritt – die Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Vorlage qualifizierter Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens – umfassend neu geregelt. Wie schon nach den bisherigen Bestimmungen sind die Angaben des Vorhabenträgers Grundlage für nachfolgenden Verfahrensschritte, insbesondere für die Beteiligung anderer Behörden (§ 17 UVPG) und der Öffentlichkeit (§ 18 UVPG) sowie für die zusammenfassende Darstellung (§ 24 UVPG) und die begründete Bewertung (§ 25 Abs. 1 UVPG) der Umweltauswirkungen durch die zuständige Behörde. Die Anforderungen an die beizubringenden Angaben werden mit der neu gefassten Vorschrift neu gegliedert und klarer gefasst. Das ist zu begrüßen. Problematisch sind allerdings die sich aus dieser Vorschrift ergebenden, zum Teil ausufernden Anforderungen an die von dem Vorhabenträger vorzulegenden Unterlagen. Zwar enthält § 16 Abs. 5 S. 2 UVPG die Maßgabe, dass der UVP-Bericht nur die Angaben enthalten muss, die der Vorhabenträger mit zumutbarem Aufwand ermitteln kann. Was aber ist ein noch zumutbarer Aufwand? Welcher Vorhabenträger oder welcher zuarbeitende Gutachter oder Rechtsberater wird sich noch trauen, die Vorlage an sich entscheidungserheblicher Angaben mit dem Hinweis auf einen unzumutbaren Aufwand der Erarbeitung bzw. Beschaffung solcher Angaben zu verweigern? Zwar ist der Vorhabenträger nicht verpflichtet, der Unterrichtung über Inhalt, Umfang und Detailtiefe der Angaben durch die zuständige Behörde zu folgen.53 Er riskiert allerdings eine Ablehnung seines Antrags, wenn er die von der Behörde verlangten Angaben verweigert;54 verzichtet hingegen die zuständige Behörde unter Verweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 16 Abs. 5 S. 2 UVPG auf bestimmte Angaben, besteht das Risiko, dass ein Gericht die Vorlage dieser Angaben doch für angemessen hält und damit die Umweltverträglichkeitsprüfung als unzureichend ansieht. Hinzu kommt, dass das Merkmal der Zumutbarkeit anhand eines objektivierten Maßstabs gemessen wird. Der für den UVP-Bericht maßgebliche Ermittlungsund Detaillierungsgrad soll aus nachvollziehbaren Gründen nicht von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Vorhabenträgers abhängen.55 Das bedeutet allerdings auch, dass Vorhabenträger, für die die Beschaffung der geforderten Angaben aus Gründen ihrer eigenen, individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unzumutbar ist, auf die Genehmigung und damit auch die Realisierung ihres Vorhabens verzichten müssen. 53

M. Kment, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 15 Rn. 28. 54 Zum Rechtsschutz des Vorhabenträgers gegen die zu weit reichende Forderung nach ergänzenden Unterlagen siehe O. Reidt/J. Augustin, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UVPG, § 15 Rn. 32 f.; ein solcher Rechtsschutz kommt allerdings schon aus Zeitgründen zumeist nicht ernstlich in Betracht. 55 O. Reidt/J. Augustin, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UVPG, § 16 Rn. 45; Gesetzesbegründung, BT-Drs. 11/3919, S. 24; siehe auch M. Kment, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 16 Rn. 15; W. Erbguth/A. Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996, § 6 Rn. 7.

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4. Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung Das in § 17 UVPG geregelte Verfahren zur Beteiligung anderer Behörden und die in §§ 18 ff. UVPG geregelte Öffentlichkeitsbeteiligung sind durch das UVP-Modernisierungsgesetz im Wesentlichen unverändert geblieben. Neu geordnet wurde in einem eigenen Abschnitt allerdings das Verfahren der grenzüberschreitenden Umweltprüfung.56 § 17 UVPG enthält eine Vorschrift zu Beteiligung anderer Behörden, die sich allerdings nur auf solche Behörden bezieht, deren umweltbezogene Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Eine in diesem Sinne auf die Beteiligung von Umweltbehörden beschränkte Regelung ist neben der allgemeinen Regelung zur Behördenbeteiligung aus dem jeweiligen Zulassungsverfahren wenig hilfreich. Neuerungen bei der Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung betreffen die verstärkte Nutzung elektronischer Medien und die Einführung von zentralen Internetportalen. Von erheblich praktischer Bedeutung ist die Frage nach der erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit bei Änderungen im Laufe des Verfahrens. Sie wird in § 22 UVPG geregelt. Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen es einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung bei Änderungen der Antragsunterlagen bedarf. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 UVPG ist im Falle der Änderung von Unterlagen, die nach § 19 Abs. 2 UVPG auszulegen sind, die Öffentlichkeit grundsätzlich erneut zu beteiligen. Die Änderung des Vorhabens ist keine Voraussetzung für die Pflicht zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung. Ausreichend ist vielmehr, dass die zuvor ausgelegten Unterlagen einen wesentlichen Fehler oder erhebliche Lücken bei Darstellung der Umweltauswirkungen aufweisen und daher in einem wesentlichen Teil ergänzt oder korrigiert werden müssen. Dies ist nach der Gesetzesbegründung z. B. dann der Fall, wenn eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten stattfindet, die ihren Niederschlag in einer neuen entscheidungserheblichen Unterlage über die Umweltauswirkungen des Vorhabens findet.57 Nach § 22 Abs. 1 S. 2 UVPG beschränkt sich der Gegenstand der erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung auf die vorgesehenen Änderungen. Das ist im Sinne einer Vermeidung von Verfahrensverzögerungen zu begrüßen, wenngleich sich in der Praxis hierzu durchaus Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben.58 Für die von der Änderung nicht berührten Teile des Vorhabens eröffnet die Vorschrift daher keine erneute Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen, was aber angesichts der fehlenden materiellen Präklusion letztlich bedeutungslos ist und lediglich bedeutet, dass darüber nicht mehr 56 R. Grandjot, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 54 Rn. 1 ff.; R. Grandjot, Grenzüberschreitende Umweltprüfungen – Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBl. 2018, 164. 57 Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/11499, S. 92 unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 28. 04. 2016 – 9 A 9/15, juris, Rn. 32 ff. 58 M. Dippel, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UVPG, § 22 Rn. 6.

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zwingend im Verwaltungsverfahren zu erörtern ist. Nach § 22 Abs. 2 UVPG kann von einer weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung abgesehen werden, wenn aufgrund der Änderung keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Die Regelung entspricht dem § 9 Abs. 1 S. 4 UVPG a.F. und § 8 Abs. 2 S. 3 der 9. BImSchV. Allerdings bleiben fachrechtliche Regelungen, wonach eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung auch dann erforderlich ist, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen auf Dritte zu erwarten sind (vgl. z. B. § 8 Abs. 2 S. 1 der 9. BImSchV), unberührt. Die Abgrenzung zwischen Verfahrensvorgaben des UVPG und denen des Fachrechts ergibt sich aus § 1 Abs. 4 UVPG. Danach findet das UVPG grundsätzlich nur dann Anwendung, wenn Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht näher bestimmen oder die wesentlichen Anforderungen des UVPG nicht beachten. Rechtsvorschriften mit weitergehenden Anforderungen bleiben hingegen unberührt. Das UVPG ist also insoweit subsidiär.59 § 1 Abs. 4 UVPG sieht allerdings vor, dass die Bestimmungen des UVPG nur dann zur Anwendung kommen, wenn fachrechtliche Vorgaben wesentliche Anforderung des UVPG nicht beachten. Damit sollen kleinere Abweichungen von den Anforderungen toleriert werden. Aber auch hier gilt, dass im Zweifel zur Vermeidung von Verfahrensrisiken die strengeren Anforderungen beachtet werden sollten. Hält die zuständige Behörde die Erheblichkeit der Umweltauswirkungen für möglich, muss sie im Zweifel ein neues Beteiligungsverfahren durchführen. Das liegt auch im Interesse des Vorhabenträgers. Denn die Frage, ob erhebliche Umweltauswirkungen möglich sind, unterliegt der umfassenden gerichtlichen Überprüfung, so dass bei einem Verzicht auf ein erneutes Beteiligungsverfahren das Risiko einer gerichtlichen Beanstandung besteht. Ähnliches gilt für die nicht abschließend geklärte Frage, ob ein erneuter Erörterungstermin durchgeführt werden muss.60 5. Zusammenfassende Darstellung Nach § 24 Abs. 1 S. 1 UVPG erarbeitet die zuständige Behörde eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens. Die zusammenfassende Darstellung hat sich neben den Umweltauswirkungen des Vorhabens auf die Merkmale des Vorhabens und des Standorts zu erstrecken, mit denen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen ausgeschlossen, vermindert oder ausgeglichen werden sollen. Außerdem müssen die Maßnahmen dargestellt werden, mit denen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen ausgeschlossen, vermindert oder ausgeglichen werden sollen. Nicht zuletzt müssen auch Ersatzmaßnahmen bei Eingriffen und in Natur und Landschaft dargestellt werden. Die Erarbeitung der zusammenfas59 Siehe dazu J. Hagmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 18 Rn. 15. 60 Bejahend J. Hagmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 18 Rn. 16; siehe auch BVerwG, Urt. v. 16. 06. 2016 – 9 A 4/15, juris, Rn. 17; Urt. v. 20. 03. 2015 – 9 A 1/14, juris, Rn. 18.

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senden Darstellung erfolgt nach § 24 Abs. 1 S. 2 UVPG auf der Grundlage des UVPBerichts, der behördlichen Stellungnahmen sowie der Äußerungen der betroffenen Öffentlichkeit und auf Basis der Ergebnisse eigener Ermittlungen der Behörde. Gem. § 26 Abs. 1 Nr. 3 b UVPG ist die zusammenfassende Darstellung obligatorischer Teil der Begründung der Zulassungsentscheidung. Die zusammenfassende Darstellung wird dementsprechend mit der Bekanntmachung der Entscheidung nach § 27 S. 1 UVPG veröffentlicht. Die Erarbeitung der zusammenfassenden Darstellung soll nach § 24 Abs. 2 UVPG möglichst innerhalb eines Monats nach Abschluss der Erörterung im Beteiligungsverfahren erarbeitet sein. Die Frist ist für größere Vorhaben – die typischerweise der UVP-Pflicht unterliegen – kurz. Das ist im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung zwar erfreulich, aber gerade für Vorhaben, deren Verfahren sich aufgrund ihrer Komplexität hinzieht, zumeist unrealistisch. Es handelt sich allerdings auch nicht um eine zwingende, d. h. nicht ausnahmefähige Vorgabe, wie sich aus der Sollformulierung ergibt. Jedoch bedarf es für eine Überschreitung der Frist im Ausnahmefall einer Rechtfertigung. Für den Regelfall jedenfalls muss die zusammenfassende Darstellung innerhalb eines Monats erarbeitet sein. Besonders problematisch dürfte die Einhaltung der Monatsfrist sein, wenn im Falle der Erforderlichkeit paralleler Zulassungen eine gemeinsame zusammenfassende Darstellung notwendig ist (§ 31 Abs. 4 S. 1 UVPG). In einem solchen Fall soll nach § 31 Abs. 4 S. 3 UVPG die federführende Behörde allein die zusammenfassende Darstellung erarbeiten (§ 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UVPG) und auf der Grundlage dieser zusammenfassenden Darstellung gemeinsam mit den parallel zuständigen Zulassungsbehörden eine Gesamtbewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens vornehmen und diese Gesamtbewertung dann bei der Zulassungsentscheidung berücksichtigen, wobei die federführende Behörde das Zusammenwirken der Zulassungsbehörden sicherstellen soll. Eine solche gemeinsame zusammenfassende Darstellung innerhalb eines Monats nach dem Abschluss der Erörterung des Beteiligungsverfahrens zu erarbeiten, dürfte schwierig werden. In zahlreichen Fällen dürfte der Monat schon verstrichen sein, bevor ein Wort- oder Ergebnisprotokoll des Erörterungstermins vorliegt. Damit die Monatsfrist jedenfalls im Regelfall eingehalten werden kann, muss bereits vor dem Erörterungstermin eine intensive Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen und Einwendungen, Gutachten und Antragsunterlagen stattfinden, so dass nicht nur eine sachgerechte Erörterung, sondern auch nach der Erörterung eine unverzügliche Erarbeitung der zusammenfassenden Darstellung möglich wird. Dass die zusammenfassende Darstellung Teil der Entscheidungsbegründung sein muss (§ 26 Abs. 1 Nr. 3b UVPG), bedeutet nicht, dass innerhalb der Monatsfrist des § 24 Abs. 2 UVPG bereits der Bescheid über die Zulassung oder Ablehnung des Vorhabens vorliegen muss. Vielmehr muss in Vorbereitung auf den Erlass des Bescheids dieser Teil der Entscheidungsbegründung im Regelfall bereits innerhalb eines Monats nach dem Abschluss der Erörterung im Beteiligungsverfahren erarbeitet worden sein. Es handelt sich insoweit bei der zusammenfassenden Darstellung, die innerhalb der Monatsfrist erarbeitet worden ist, regelmäßig um ein zunächst noch behördenin-

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ternes Dokument, das in die spätere Entscheidungsbegründung einzubeziehen ist. Es ist allerdings gemäß § 25 Abs. 3 UVPG darauf zu achten, dass bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens die zusammenfassende Darstellung und die begründete Bewertung nach Einschätzung der zuständigen Behörde hinreichend aktuell sind. 6. Inhalt des Bescheids über die Zulassung oder Ablehnung des Vorhabens § 26 UVPG enthält Vorgaben für den Mindestinhalt des Bescheids über die Zulassung oder die Ablehnung des Vorhabens. Die UVP-Änderungsrichtlinie 2014 bestimmt erstmalig inhaltliche Anforderungen an diese Entscheidung, überlässt diese damit nicht mehr den Mitgliedstaaten. Das führt im deutschen Recht zwar nicht zu fundamentalen Veränderungen, weil sich bereits aus § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG ergibt, dass in die Begründung eines solchen Bescheids die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gründe der Behördenentscheidung mitzuteilen sind.61 Allerdings stellt sich schon die Frage, warum der Gesetzgeber es für notwendig gehalten hat, ausdrücklich vorzuschreiben, dass in dem Bescheid die umweltbezogenen Nebenbestimmungen aufzunehmen sind, sofern sie mit der Zulassungsentscheidung verbunden sind. Denn es dürfte auch unabhängig von einer solchen Regelung im deutschen Recht unzweifelhaft sein, dass sämtliche Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt, seien sie umweltbezogen oder nicht, in dem Genehmigungsbescheid aufgenommen werden müssen. Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts sind Bestandteile dieses Verwaltungsakts, die von dessen Hauptregelung abhängen und mit dieser Hauptregelung aufgrund einer einheitlichen Behördenentscheidung erlassen werden. Dementsprechend ist eine solche Regelung im UVPG überflüssig; sie dient offenbar lediglich dem Beleg, dass die UVP-Änderungsrichtlinie vollständig umgesetzt worden ist. § 26 Abs. 3 UVPG verweist im Übrigen für den Inhalt des Bescheids auf die einschlägigen fachrechtlichen Vorschriften. Es muss also auch in diesem Zusammenhang immer auch das Verfahrensrecht des Fachrechts beachtet werden. Diese ständige Doppelgleisigkeit der Verfahrensanforderungen ist für den Adressaten dieser Regelungen unpraktikabel. IV. Fazit Mit der Neufassung des Gesetzes, der neuen Durchnummerierung unter Verzicht auf zahllose a/b-Paragrafen und der Bildung eines eigenen Teils für die grenzüberschreitende Umweltprüfung ist das Gesetz insgesamt übersichtlicher und durchaus anwendungsfreundlicher geworden. Dass sich die Anzahl der Bestimmungen erhöht hat, dass manches erheblich ausführlicher geregelt worden ist (z. B. zur Kumulation) 61 B. Kümper, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 2018, UVPG, § 26 Rn. 3; M. Beckmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 26 Rn. 10.

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und dass die Zahl der Anlagen zum Gesetz von 4 auf 6 erhöht worden ist, mag man auf den ersten Blick bedauern, ist aber bestimmt kein Nachteil. Mehr und längere Regelungen sind zwar regelmäßig keine Deregulierung, sie können aber gleichwohl das UVPG anwendungsfreundlicher gestalten und insoweit auch weniger rechtsmittelanfällig machen. Sie reagieren im Übrigen nicht nur auf ergänzende Anforderungen des Unionsrechts, sondern außerdem auf eine Rechtsprechung, deren Gesetzesauslegung für den nicht mit juristischen Recherchediensten und Kommentaren ausgestatteten Rechtsanwender anhand des Wortlauts des Gesetzes kaum nachvollzogen werden kann. Die gesetzgeberische Übernahme oder Nachzeichnung der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG befördert das Ziel einer möglichst hohen Praktikabilität und Anwendungsfreundlichkeit. Die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Anforderungen erhöhen allerdings auch den Verfahrensaufwand für die Umweltverträglichkeitsprüfung erheblich. Insbesondere die Berichts- und Dokumentationspflichten der zuständigen Behörde sind mittlerweile sehr hoch; das bindet wertvolle Arbeitszeit. Die Dokumentationspflichten der Behörde beginnen bei der Feststellung der UVP-Pflicht. Sofern eine Vorprüfung stattgefunden hat, gibt die zuständige Behörde die Feststellung der Öffentlichkeit nach § 5 Abs. 2 S. 1 UVPG bekannt. Dabei muss sie die wesentlichen Gründe für das Bestehen oder Nichtbestehen der UVP-Pflicht unter Hinweis auf die Kriterien nach Anlage 3 des Gesetzes nennen. Gelangt sie zu dem Ergebnis, dass keine UVP-Pflicht besteht, muss sie auch darauf eingehen, welche Merkmale des Vorhabens oder des Standorts oder welche Vorkehrungen für diese Einschätzung maßgebend sind. Dokumentationsaufwand entsteht auch bei der Unterrichtung über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen. Die Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen ist zwar nicht an eine besondere Form gebunden. Allerdings dürfte im Regelfall die Schriftform geboten sein.62 Findet vor der Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen eine Besprechung statt, an der gegebenenfalls auch Sachverständige, andere Behörden, Umweltvereinigungen und sonstige Dritte beteiligt worden sind, muss das Ergebnis der Besprechung gem. § 15 Abs. 3 S. 4 UVPG dokumentiert werden. Aufwändig sind auch die Dokumentationspflichten der Behörde bei der Zulassungsentscheidung selbst. Nach § 24 Abs. 2 UVPG muss die zuständige Behörde möglichst innerhalb eines Monats nach dem Abschluss der Erörterung im Beteiligungsverfahren die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen erarbeiten. Auf der Basis dieser zusammenfassenden Darstellung der Umweltauswirkungen muss sie dann die Umweltauswirkungen bewerten. Diese Bewertung muss nach § 24 Abs. 1 S. 2 UVPG wiederum schriftlich begründet werden. Die begründete Bewertung muss sodann bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 25 Abs. 2 UVPG berücksichtigt werden. Im Zulassungsbescheid muss dann die zusammenfassende Darstellung gem. § 24 UVPG, die begründete Bewertung gemäß § 25 Abs. 1 UVPG und schließlich auch noch eine Erläuterung, wie die begründete 62 M. Kment, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Kommentar zum UVPG und UmwRG, 5. Aufl. 2018, UVPG, § 15 Rn. 27; M. Beckmann, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht I, § 5 UVPG a.F., 56. EL 2009, Rn. 25 unter Verweis auf UVPVwV 0.4.7.

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Bewertung in der Zulassungsentscheidung berücksichtigt worden ist, aufgenommen werden. Es handelt sich insgesamt um einen Begründungs- und Dokumentationsmarathon, der einen an sich eher schlichten Vorgang der Ermittlung eines Sachverhalts (Umweltfolgen des geplanten Vorhabens) und dessen Berücksichtigung in der Zulassungsentscheidung formal zergliedert und mit Verfahrensanforderungen konfrontiert. Das Verfahren insgesamt ist damit eher komplizierter geworden. Das ursprüngliche Konzept des Gesetzgebers, die vorhandenen Verfahren seien im Wesentlichen bereits UVP-tauglich, Änderungen des materiellen Zulassungsrechts seien ohnehin nicht erforderlich, es reiche insoweit aus, im Wege einer möglichst minimalen Umsetzung das deutsche Verfahrensrecht in seinem Bestand möglichst weitgehend zu bewahren und die vorhandenen Zulassungsverfahren weitgehend unverändert auch für die UVP-pflichtigen Vorhaben fortzusetzen,63 ist nicht aufgegangen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung setzt sich mittlerweile aus einer Folge von Verfahrensschritten zusammen, die bereits vor Beginn des eigentlichen Zulassungsverfahrens, das mit der Einreichung des Antrags eingeleitet wird, mit der Feststellung der UVPPflicht und der Abstimmung des Untersuchungsrahmens einsetzen. Verkompliziert wird das Verfahren dadurch, dass die Verfahrensanforderungen sich teilweise aus dem UVPG und teilweise aus den Verfahrensanforderungen des jeweiligen Zulassungsverfahrens ergeben. Es bedarf also stets eine Vergewisserung, ob und inwieweit neben dem UVPG auch fachgesetzliche Verfahrensanforderungen gelten und umgekehrt. Nicht zuletzt werden gestiegene Verfahrensanforderungen für Vorhabenträger und Genehmigungsbehörden zum Anlass zu verstärkter Sorge, weil sie durch die Änderungen des UmwRG häufig nicht mehr folgenlos bleiben können. Umso wichtiger wird deshalb die Frage, ob und inwieweit Verfahrensfehler der UVP auch nachträglich, d. h. nach der Zulassungsentscheidung noch geheilt werden können. § 4 Abs. 1 S. 1 UmwRG bestimmt, dass eine Aufhebung der Zulassungsentscheidung nur verlangt werden kann, wenn der maßgebliche Verfahrensmangel nicht geheilt worden ist. Nach § 4 Abs. 1b S. 1 UmwRG führt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Zu hinterfragen ist allerdings, ob und gegebenenfalls wann das Unionsrecht einer nachträglichen Fehlerheilung entgegensteht. Grundsätzlich ist die UVP vor Erteilung der Genehmigung durchzuführen. Nur dann kann sie ihren eigentlichen Sinn erfüllen, der Genehmigungsbehörde vor ihrer Entscheidung die Umweltfolgen des beabsichtigten Vorhabens umfassend ermittelt vor Augen zu führen. Eine nachträgliche Behebung von Fehlern ist aber auch europarechtlich nicht ausgeschlossen, sofern eine solche Möglichkeit dem Betroffenen keine Gelegenheit bietet, das Europarecht zu umgehen oder es nicht anzuwenden und die Ausnahme bleibt. Die Heilung von Fehlern der UVPVorprüfung ist unbedenklich, da sie keine Umgehung des Unionsrechts bewirkt. Kritischer ist die Heilung von Fehlern der UVP selbst, weil hier eher das Risiko einer 63

Siehe dazu W. Erbguth, ZUR 2014, 515 (517).

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Umgehung der UVP-Anforderungen des Unionsrechts besteht. Wird eine UVP erst nach Genehmigung eines Vorhabens nachgeholt, widerspricht dies – wie erwähnt – dem eigentlichen Zweck der UVP, die Umweltauswirkungen vor Erteilung der Zulassung zu berücksichtigen. Das BVerwG hat dazu in der Vergangenheit die Ansicht vertreten, die UVP könne „in der Regel“ nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden.64 Anerkannt ist aber, dass eine bereits erteilte Genehmigung ausgesetzt werden kann, um ein Projekt nachträglich noch einer UVP zu unterziehen. Das OVG Münster hält die Nachbesserung einer UVP während des gerichtlichen Verfahrens jedenfalls bei „weniger schweren Fehlern“ für zulässig. Der EuGH akzeptiert eine Nachholung der UVP sogar dann noch, wenn die betroffenen Anlagen bereits gebaut und in Betrieb genommen worden sind.65 In dem Maße, in dem eine Fehlerheilung zulässig ist, wird die Umweltverträglichkeitsprüfung zu einem Instrument, das für eine hinreichende Aufarbeitung der Umweltfolgen eines Vorhabens vor dessen Zulassung und für eine angemessene Reaktion darauf durch die Beifügung von umweltschützenden Nebenbestimmungen und die Anordnung von Schutzvorkehrungen sorgt. Verfahrensmängel der UVP können zu erheblichen Verzögerungen des Verfahrens und der Vorhabenrealisierung führen. Eine vollständige Versagung der beantragten Genehmigung kommt in der Regel aber nur dann in Betracht, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Das ergibt sich aber nicht aus dem UVPG. Immerhin kann sich mit Hilfe einer ordnungsgemäß durchgeführten UVP das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen und bei Abwägungsentscheidungen auch das maßgebliche Abwägungsmaterial besser beurteilen lassen. Wilfried Erbguth wird sich durch die aktuellen Entwicklungen des Umweltrechtsschutzes und der damit verbundenen Korrektur der Verwaltungsrechtsprechung zur Folgenlosigkeit von UVP-Mängeln in seinen Einschätzungen zur Funktion und Bedeutung der Umweltverträglichkeitsprüfung bestätigt sehen. An der rechtswissenschaftlichen Durchdringung und Systematisierung des Umweltrechts und insbesondere des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung in den letzten Jahrzehnten hatte Wilfried Erbguth einen bedeutenden Anteil. Darauf kann er zu seinem Jubiläum mit Freude und Stolz zurückblicken.

64

BVerwG, Urt. v. 20. 08. 2008 – 4 C 11/07, juris. OVG NRW, Beschl. v. 08. 02. 2018 – 8 B 1639/17, juris; EuGH, Urt. v. 26. 07. 2017 – C196/16, C-197/16, juris; VGH München, Beschl. v. 28. 06. 2018 – 8 B 18.413, juris. Rn. 3. 65

Vom Umweltrecht zu Eigenrechten der Natur?* Von Ulrich Ramsauer I. Die Tierrechtsbewegung und die Forderung nach Rechten der Natur Die Forderung, die Natur als Ganzes oder auch Teile der Natur mit eigenen Rechten auszustatten, ist nicht neu.1 Sie hat aber in den letzten Jahren einigen Auftrieb erhalten.2 Zum einen deshalb, weil sich der Schutz der Umwelt in einem ausschließlich oder jedenfalls vorrangig auf den Menschen bezogenen Umweltrecht als strukturell defizitär erwiesen hat, zum anderen deshalb, weil das seit der Aufklärung in der westlichen Welt vorherrschende Weltbild mit dem Menschen als Mittelpunkt mehr und mehr Risse bekommen hat. Die Beschränkung der Rechtsinhaberschaft auf Personen, also auf den Menschen und von ihm geschaffene Einrichtungen, lässt sich ethisch immer schlechter rechtfertigen. Die jüngeren wissenschaftlichen Erkenntnisse, etwa über die Fähigkeit von Tieren zur intelligenten Problemverarbeitung, über ihr Sozialverhalten und ihre Leidensfähigkeit, lassen die bisherigen Bemühungen um eine Rechtfertigung des Ausschlusses von Tieren als Rechtsträger zweifelhaft erscheinen.3 Aber auch darüber hinaus mehren sich teilweise sehr unterschiedlich begründete Forderungen, der Natur in ihrer Gesamtheit oder in ihren einzelnen Erscheinungsformen Eigenrechte zuzuerkennen. Zuerkennung, Ausgestaltung und Begrenzung von Eigenrechten der Natur ebenso wie die Anerkennung oder Zuerkennung von Rechten bestimmter Tiergattungen wären Sache der dazu legitimierten Gesetzgeber, vielleicht sogar der Verfassungsgesetzgeber. Derzeit erscheint es zweifelhaft, dass sich für derartige Ansinnen in den gesetzgebenden Organen Deutschlands und Europas die erforderlichen Mehrheiten finden.4 Gleichwohl erscheint es sinnvoll, der Frage nachzugehen, wie derartige Rechte aussehen würden, ob sich an dem Umgang mit der Natur und der Umwelt * Dem Beitrag liegt ein Vortrag zugrunde, den der Verf. auf der 4. Jahrestagung „Rechte der Natur – Menschenrechte – Biokratie“ 2017 in Ottensoos gehalten hat. 1 S. nur z. B. C. Stone, Should Trees have a Standing?, 1972; H. v. Lersner, Gibt es Eigenrechte der Natur?, NVwZ 1988, 988; J. Leimbacher, Die Rechte der Natur, 1989. 2 Zuletzt M. Schröter/K. Bosselmann, Die Robbenklage im Lichte der Nachhaltigkeit, ZUR 2018, 195; A. Fischer-Lescano, Natur als Rechtsperson, ZUR 2018, 205 m.w.N. 3 J. Caspar, Tierschutz unter rechtsphilosophischem Aspekt, ARSP 1995, 378; populärwissenschaftlich der Bestseller von R. D. Precht, Tiere denken, 2016. 4 Anders als etwa in Südamerika, wo einige Staaten der Natur Rechtssubjektivität zuerkannt haben; s. hierzu auch A. Fischer-Lescano, ZUR 2018, 205 (206).

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allgemein dadurch etwas ändern würde und ob die Bemühungen um die Einführung derartiger Rechte ein rechtspolitisch sinnhaftes Unterfangen wären. Hierzu sollen nachfolgend einige Überlegungen angestellt werden.

II. Verschlechterung der Situation von Natur und Umwelt in Deutschland Die Situation von Natur und Landschaft, also der Naturräume und des Naturhaushalts mit seinen Elementen Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) hat sich in der Welt, aber auch in Deutschland, in den vergangenen Jahrzehnten deutlich, teilweise dramatisch verschlechtert. Viele Parameter zur Beschreibung des Zustands von Natur und Landschaft haben sich negativ verändert. Folgende Entwicklungen sind dabei hervorzuheben: - Landverbrauch insbesondere durch Versiegelung von Flächen durch Siedlungsbau, den Bau und die Erweiterung von Infrastrukturanlagen, Logistikzentren und durch Industrie- und Gewerbeanlagen,5 - Verlust von Lebensräumen durch Zerschneidung von Natur- und Landschaftsräumen insbesondere durch Infrastruktureinrichtungen,6 - Verlust von Lebensräumen und Biodiversität durch landwirtschaftliche Monokulturen und den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden,7 - andauerndes Artensterben; Zunahme der Zahl von bedrohten Arten, zuletzt insbesondere im Bereich der Insekten,8 - Belastung der Atmosphäre durch Treibhausgase, dadurch gravierende Veränderungen der natürlichen Umwelt. Im Bereich des Tierschutzes, der sich – anders als der herkömmliche Naturschutz in Deutschland – auch auf solche Tiere bezieht, die nicht in freier Wildbahn leben, sieht die Situation noch düsterer aus: Gerade in den hochentwickelten Ländern wie Deutschland hat die Nutztierhaltung ein Maß an Industrialisierung und Automatisierung angenommen, das der Einordnung der Tiere als „Mitgeschöpfe“ (so die amtliche Begründung zu § 90a BGB) Hohn spricht. Massentierhaltung, Fließbandschlachtung, industrielle Zucht- und Haltungsmethoden sowie Ferntransporte von lebendem 5

Trotz leicht abnehmendem Trend lag der Flächenverbrauch von 2012 bis 2015 bei durchschnittlich 66 ha/Tag: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/Land Forst wirtschaftFischerei/Flaechennutzung/FlaechennutzungAktuell.html, zuletzt aufgerufen am 11. 9. 2018; ausführlich zum Flächenverbrauch SRU, Umweltgutachten 2016, S. 241 ff. 6 SRU, Umweltgutachten 2016, S. 249 ff. 7 Insb. zu den Folgen der Verwendung von Pestiziden SRU, Umweltgutachten 2016, S. 276 ff. 8 Zum Zustand der Artenvielfalt BfN, Artenschutz-Report 2015, S. 16 ff.; C. Maaß/ P. Schütte, Naturschutzrecht, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 2014, § 7 Rn. 1.

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Vieh haben ein kaum erträgliches Maß angenommen, selbst wenn sie sich im Rahmen des geltenden Rechts halten.9 Verbesserungen der Umweltsituation wurden praktisch nur in den Bereichen erzielt, die unmittelbar die Lebensgrundlagen des Menschen betreffen, also vor allem in den Bereichen der Umweltmedien Luft, Wasser und Boden.10 Trotz mancher drängender Probleme etwa im Bereich der Nitratbelastung des Grundwassers und der Feinstaubbelastungen in den Innenstädten hat es jedenfalls in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten bei der Luftreinhaltung, bei der Verbesserung der Gewässerqualität und auch bei den Altlasten im Boden sowie bei der Abfallentsorgung auch deutliche Fortschritte gegeben. Davon hat die Natur als solche aber nur wenig profitiert. Ein gleichsam gemeinsames Problem von Mensch und Natur ist die Klimaproblematik: Die zunehmende Erwärmung der Atmosphäre macht nicht nur dem Menschen zu schaffen, sondern wird auch dramatische Veränderungen der lokalen und regionalen Flora und Fauna zur Folge haben, wiederum mit Rückwirkungen auf den Menschen.11 Wie in der Welt, insbesondere außerhalb der Europäischen Union, Raubbau an der Natur und den natürlichen Ressourcen getrieben wird, kann hier schon aus Platzgründen nicht dargestellt werden, würde aber auch nicht in einen Festschriftbeitrag passen, der ja Erfreulicherem gewidmet ist. Deshalb beschränken sich die nachfolgenden Überlegungen im Wesentlichen auf die deutschen Verhältnisse. III. Gründe für die Verschlechterung trotz verbesserter Umweltgesetzgebung 1. Anstrengungen zur Verbesserung der Umweltgesetzgebung Die geschilderten Verschlechterungen der Situation in Natur und Umwelt sind eingetreten, obwohl es jedenfalls in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten erhebliche Bemühungen um Verbesserungen in der Umwelt- und Naturschutzgesetzgebung gegeben hat. Allerdings muss hier kritisch angemerkt werden, dass praktisch sämtliche Verbesserungen im Bereich des Umweltrechts auf Vorgaben der Europäischen Union zurückgehen. Es ist hier nicht der Platz, um die Umwelt- und Naturschutzgesetzgebung der vergangenen Jahrzehnte zu analysieren. Deshalb seien nur einige wichtige Bereiche genannt, in denen die EU wesentliche Vorgaben gesetzt hat. 9 Im Bereich der Tierhaltung und der Tiertransporte sind die Implementationsdefizite besonders ausgeprägt. Vgl. nur zuletzt den Freispruch des LG Magdeburg, Urt. v. 11. 10. 2017 – 28 Ns 182 Js 32201/14 (74/17), juris, bestätigt durch OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22. 02. 2018 – 2 Rv 157/17, juris. 10 SRU, Umweltgutachten 2016, S. 25. 11 Zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Pflanzen und Tiere EEA-Report No. 12/ 2012, S. 127 ff.

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Zu nennen sind die - Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im Naturschutzrecht, insbesondere im BNatSchG, - Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im deutschen Wasserrecht, insbesondere im WHG, - Umsetzung der UVP-Richtlinie im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und im Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG), - Umsetzung von Richtlinien gegen Luftverschmutzung (z. B. Luftqualitäts-RL).

2. Wirtschaftlich-gesellschaftliche Ursachen der verschlechterten Umweltsituation Für die Verschlechterung der Situation von Natur und Umwelt lassen sich diverse Ursachen aus dem wirtschaftlich-gesellschaftlichen Bereich identifizieren. Global an erster Stelle zu nennen ist das Wirtschaftswachstum in vielen Ländern der Erde, das mit einer Zunahme der Inanspruchnahme von Umweltressourcen und von Naturräumen einhergeht, die dem Naturbereich entzogen und dem Produktionsund Reproduktionsbereich des Menschen einverleibt werden. Als wesentliche Phänomene sind zu nennen: - Wachsender materieller Lebensstandard (mehr Wohnraum, Intensivierung aller Freizeitaktivitäten, wachsender Konsum auf nahezu allen Gebieten), - ständige Weiterentwicklung von raumgreifenden Infrastruktureinrichtungen insbesondere auf den Gebieten des Verkehrs, - Globalisierung und Internationalisierung wirtschaftlicher Produktion und der Warenströme; Beschleunigung globaler Transporte von Personen und Waren, Aufstieg des wirtschaftlichen Distributionssektors (Logistik), - Globalisierung und Internationalisierung des Wettbewerbs; Zunahme des Konkurrenzdrucks; wirtschaftlicher Zwang zu kurzfristigen Investitions- und Kalkulationsentscheidungen und zur Ausbeutung der heimischen Naturressourcen, - geringes Umweltbewusstsein, vermutlich infolge einer Konzentration der Bevölkerung in den Ballungsräumen und wegen andauernder Überforderung durch die immer komplexer werdenden Lebensverhältnisse und die Digitalisierung der Welt.

3. Steuerungs- und Implementationsdefizite Die Ursachen für die oben skizzierte Verschlechterung der Situation in Natur und Landschaft sowie im Umweltrecht allgemein lassen sich in zwei Kategorien einteilen, die sich freilich nicht strikt voneinander trennen lassen. Es geht zum einen um

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Defizite bei der Überwachung und Durchsetzung des geltenden Rechts (Implementationsdefizite), zum anderen um Regelungsschwächen des geltenden Natur- und Umweltrechts (Steuerungsdefizite), das entweder wegen seiner Anforderungen an Tatbestandsermittlungen und Nachweise wenig umsetzungsgeeignet ist oder dessen Regelungen über Ausnahme- und Befreiungsnormen sowie in Abwägungsprozessen überwunden werden können. Besonders gravierend sind die Implementations- und Steuerungsdefizite im Bereich der Landwirtschaft (Landwirtschaftsblindheit). a) Implementationsdefizite im geltenden Umweltrecht Implementationsdefizite im Bereich des Umweltrechts werden seit vielen Jahren beklagt.12 Sie beruhen teilweise darauf, dass Vorschriften erlassen werden, die sich in der Praxis nur schwer umsetzen lassen, weil sie auf der Tatbestandsebene Kontrollen, Feststellungen und Nachweise erfordern, die sich nur mit erheblichem Aufwand erbringen bzw. durchführen lassen und deshalb wenig umsetzungsgeeignet sind, teilweise auf einer hohen Komplexität der Regelungen, die für die Betroffenen nicht verständlich, nicht durchschaubar und auch deshalb schwer umsetzbar sind. b) Regelungsdefizite im geltenden Umweltrecht Das Umweltrecht enthält in großem Umfang Abwägungsnormen, die einen Vorrang der Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft vor dem Schutz von Natur und Umwelt zulassen. Die einschlägigen Regelungen enthalten zumeist strenge Regelanforderungen, ermöglichen aber Ausnahmen und Befreiungen, die von einer Güterund Interessenabwägung abhängig sind. Von diesen Ausnahme- und Befreiungsmöglichkeiten wird in der Praxis nicht selten ein extensiver Gebrauch gemacht. Beispiele sind neben den allgemeinen Befreiungsvorschriften (z. B. § 67 BNatSchG) - Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 15 Abs. 5 BNatSchG) - Ausnahmen vom Schutz in FFH-Gebieten (§ 34 Abs. 3, 4 BNatSchG) - Ausnahmen im besonderen Artenschutz (z. B. § 45 Abs. 7 BNatSchG) - Ausnahmen von wasserrechtlichen Ge- und Verboten (§ 31 Abs. 2 WHG) Das Umweltrecht enthält darüber hinaus in erheblichem Umfang Regelungen über Schutzinstrumente, die sich entweder als nicht vollzugsgeeignet erweisen oder sich jedenfalls in einer Weise handhaben lassen, die den Schutzzielen der Regelungen nicht entspricht. Derartige Regelungen entfalten deshalb in der Praxis keine oder nur eine sehr begrenzte Regelungswirkung. Beispiele sind der Emissions-

12 Dazu U. Ramsauer, Allg. Umweltverwaltungsrecht, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 5. Aufl. 2018, § 3 Rn. 57 f. m.w.N.; ausführlich auch schon SRU, Umweltgutachten 1978, BTDrs. 8/1938, S. 472 ff.

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zertifikate-Handel zur Immissionsvorsorge im Bereich emittierender Anlagen13 und die schlagbezogenen Messungs- und Dokumentationspflichten des Nährstoffeintrags in der Landwirtschaft nach dem Düngerecht.14 c) Die Landwirtschaftsblindheit des geltenden Naturschutzrechts Ein besonderes Problem stellt die sog. Landwirtschaftsblindheit des Naturschutzrechts dar. Der Gesetzgeber hatte sich ursprünglich den Landwirt als geborenen Pfleger und Hüter der Natur vorgestellt. Dies kommt noch in der sog. Landwirtschaftsklausel des § 1 Abs. 3 des BNatSchG 197615 zum Ausdruck. Darin hieß es: „Die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft […] dient in der Regel den Zielen dieses Gesetzes.“ Die Klausel war von Anfang an stark umstritten, gab sie doch schon seinerzeit die Wirklichkeit nicht mehr angemessen wieder. Inzwischen ist die Regelung entfallen und in § 5 BNatSchG durch eine differenziertere und distanziertere Einordnung der Landwirtschaft ersetzt worden, an die nunmehr aus naturschutzrechtlicher Sicht Anforderungen gestellt werden. Auch dieses gewandelte Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz vermag indes nichts an dem Befund zu ändern, wonach die Landwirtschaft mit ihren industrialisierten Produktionsmethoden (Einsatz von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat, Monokulturen) heute zu einem erheblichen Teil für das Artensterben in Deutschland (und anderswo) verantwortlich ist. Insbesondere ist festzustellen: - Das Naturschutzrecht schützt nicht (allenfalls in besonderen Schutzgebieten) gegen landwirtschaftliche Monokulturen, obwohl diese eine erhebliche Gefahr für Tiere und Pflanzen und einen wesentlichen Grund für die Verarmung der Natur darstellen. - Das Naturschutzrecht schützt zwar die natürlich entstandenen Biotope (§ 30 BNatSchG), setzt damit aber zugleich Anreize für die Landwirte, deren Entstehung zu verhindern. - Das Naturschutzrecht schützt nur die wild lebenden Pflanzen und Tiere; gezüchtete Tiere werden lediglich durch das TierschutzG und das TierzuchtG geschützt. - Das Naturschutzrecht enthält praktisch kaum Instrumente, eine naturnahe Landwirtschaft auf geeignete Weise zu fördern. Die diversen Fördermöglichkeiten privilegieren umgekehrt die industriellen Formen der Landwirtschaft. Im Bereich des Agrarumweltrechts und des Tierschutzrechts sind besonders gravierende Umsetzungsdefizite zu beklagen, wo sie jedenfalls teilweise systemischen 13 Näher zum Emissionszertifikate-Handel und zur Immissionsvorsorge im Bereich emittierender Anlagen U. Ramsauer (o. Fn. 12), Rn. 168. 14 Schlagbezogene Messungs- und Dokumentationspflichten des Nährstoffeintrags in der Landwirtschaft nach dem Düngerecht nach § 3 Abs. 2 der Düngeverordnung v. 26. 05. 2017 (BGBl. I S. 1305). 15 BNatSchG a.F., BGBl. 1976 I S. 3574.

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Charakter haben, also entweder schon in den Vorschriften selbst angelegt sind oder auf stillschweigender Duldung der Aufsichtsbehörden beruhen. Im Bereich des Agrarumweltrechts werden Verstöße häufig nur durch sog. Umweltaktivisten aufgedeckt, die sich mit erheblichem Risiko für die eigene Person um die Aufklärung rechtswidriger Verhaltensweisen auf Ackerflächen, in den Massentierställen und bei Tiertransporten bemühen.16 Im Wesentlichen geht es dabei um Implementationsdefizite bei der Einhaltung der Regelungen zur Vermeidung der Überdüngung, bei der Kontrolle des Einsatzes von sog. Pflanzenschutzmitteln, bei der Einhaltung naturschutzrechtlicher Bewirtschaftungsgrenzen und bei der Kontrolle der Massentierhaltung und von Tiertransporten. IV. Rechtskonstruktive Probleme der Schaffung von Eigenrechten der Natur Die oben skizzierten Probleme und Defizite des geltenden Umweltrechts sind schon vielfach beschrieben worden. Ob die Schaffung von Eigenrechten der Natur oder von Teilen der Natur hier Abhilfe schaffen könnte, erscheint zweifelhaft. Sie stünde rechtskonstruktiv zunächst vor drei grundlegenden Problemen. Erstens geht es um die Qualität des Rechtsstatus: Der Mensch allein verfügt bisher als Person über absolut geschützte Rechte und Rechtsgüter, dieser Schutz ist grundsätzlich umfassend. Er hat – jedenfalls im Anwendungsbereich der Grundrechte – Verfassungsrang und kann sich auch gegen den Gesetzgeber richten. Die Einführung vergleichbarer absoluter Rechte der Natur oder ihrer Ausprägungen würde vermutlich jedenfalls einen partiellen Verlust dieser Vorrangstellung des Menschen zur Folge haben. Es würde sich das Problem einer auf die Rechtsträger bezogenen Abstufung von absoluten Rechten und Rechtsgütern ergeben, das auf Verfassungsebene zu lösen wäre. Die Schaffung von Eigenrechten der Natur könnte sich aber auch auf die Einräumung von relativen Rechten beschränken. Dabei handelt es sich um subjektive Rechte auf Einhaltung bestimmter Vorschriften, die eine auf den jeweiligen Rechtsträger bezogene Schutzrichtung aufweisen. Derartige subjektive Rechte würden allerdings für das Ziel einer Verbesserung des Schutzes der Umwelt vergleichsweise wenig austragen. Zweitens – letztlich auch damit zusammenhängend – geht es um die Frage nach dem Subjekt dieser Rechtsträgerschaft: Soll die Natur in ihrer Gesamtheit als Rechtsträger eingesetzt werden oder sollen einzelne zur Natur gehörige Lebewesen (Tiere, Pflanzen) oder einzelne Erscheinungsformen der Natur (z. B. Berge, Flüsse, Seen oder andere Landschaftserscheinungen) Rechtsträgerstatus erhalten? Beide Möglichkeiten werfen Fragen auf und erfordern Abgrenzungen, die vom Gesetzgeber zu leisten wären. Drittens schließlich stellt sich das Problem der Wahrnehmungszuständigkeit: Hier geht es um die Frage, welche (menschlichen) Institutionen die Rechte für die Natur oder ihre Erscheinungsformen verfahrens- und prozessrechtlich wahrnehmen sollen. 16

Vgl. LG Magdeburg, Urt. v. 11. 10. 2017 – 28 Ns 182 Js 32201/14 (74/17), juris.

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1. Absolute oder relative subjektive Rechte? Wenn von Eigenrechten der Natur die Rede ist, wird zumeist nicht auf die Frage nach der Qualität dieser Rechte eingegangen, obwohl sie für das Problem insgesamt essentiell ist: Soll es sich bei den neu zu schaffenden Rechtspositionen um absolute Rechte bzw. Rechtsgüter handeln, vergleichbar etwa dem Recht auf Leben und Gesundheit des Menschen, oder geht es um relative Rechtsstatus, die lediglich die Möglichkeit eröffnen, die Einhaltung bestimmter Normen des einfachen Rechts zu verlangen? Ohne Zweifel wäre die zuletzt genannte Möglichkeit rechtskonstruktiv wesentlich leichter zu verwirklichen. Sie würde einerseits deutlich weniger rechtstheoretische Probleme und rechtspolitische Bedenken auslösen, andererseits aber auch deutlich weniger Verbesserungen für die Natur mit sich bringen: Wenn es bei der Schaffung von Rechten der Natur (lediglich) darum ginge, dem geltenden Recht eine subjektive Schutzrichtung zuzuweisen, dann würde sich der damit bewirkte Schutz auf die Einhaltung des geltenden objektiven Rechts beschränken. Hinzu kommt, dass eine entsprechende Schutzrichtung nur bei Vorschriften des öffentlichen Rechts naheläge. Absolute Rechte bzw. Rechtspositionen vermitteln ihren Rechtsträgern einen Rechtsstatus, der dem einfachen Recht regelmäßig vorgelagert ist und deshalb verfassungsrechtlicher Absicherung bedarf. Die derzeit geltende Regelung in Art. 20a GG vermöchte das nicht zu leisten; die Vorschrift könnte als Ansatzpunkt für die Schaffung eines Rechtsstatus dienen und müsste entsprechend weiterentwickelt werden. Welche Auswirkungen die Schaffung absoluter Eigenrechte der Natur hätte, wird dann von dem Stellenwert abhängen, den die Gesetzgeber diesen Rechten normativ zuweisen würden. Ihre weitere Konkretisierung – Einschränkungen wie Ausgestaltungen – wäre wiederum Sache des einfachen Rechts, das sich am objektiven Wertgehalt dieser Rechte ausrichten und zu orientieren hätte. Eine entsprechende Verfassungsdogmatik müsste hierfür erst noch entwickelt werden. 2. Das Problem der Rechtsträgerschaft Anders als der Begriff der Umwelt, der sich immerhin über die Schutzgüter in § 2 Abs. 1 UVPG bestimmen lässt, ist der Naturbegriff bisher rechtlich nicht näher definiert. In § 1 BNatSchG finden sich Regelungen über die Ziele des Naturschutzes, die Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, der Naturlandschaften und der historisch gewachsenen Kulturlandschaften, von Landschaftsund Freiräumen. Diese Regelungen lassen Konturen eines Naturbegriffs zwar erkennen, eine Diskussion über die Begriffsbildung aber nicht entbehrlich werden. Die damit aufgeworfenen Fragen können hier nur angerissen werden. Zunächst würde sich die Frage des Verhältnisses der Natur zum Menschen und seinen Siedlungs- und Nutzungsräumen stellen. In Deutschland ist die Landschaft im wesentlichen Kulturlandschaft, d. h. sie ist nicht ursprünglich und unberührt, sondern durch die menschliche Zivilisation geprägt. Unberührte Naturflächen gibt es

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kaum noch.17 Würden alle Flächen und Landschaftselemente Deutschlands einschließlich aller Lebewesen, auch der Menschen, in den Naturbegriff einbezogen, so wäre die Natur als Rechtsträger gleichsam ubiquitär; jedenfalls jede öffentlichrechtliche Maßnahme, die eine Veränderung der Umwelt herbeiführte, wäre dann geeignet, eine Beeinträchtigung von Rechten der Natur auszulösen. Eine solche Konstruktion dürfte letztlich auf die Schaffung relativer Rechte der Natur hinauslaufen, weil sich die Regelungskonflikte innerhalb einer einzigen absolut geschützten Rechtsposition der Natur abspielen müssten. Ein Schutz einer absolut geschützten Rechtsposition „Natur“, die sich auf den gesamten Bereich der Umwelt unter Einbeziehung aller Lebewesen, Umweltmedien und Umwelträume bezöge, würde die Frage des Verhältnisses zu den auf die Menschen bezogenen Grundrechten aufwerfen und wäre auch sonst dogmatisch kaum zu handhaben. Da sich der Mensch für seine Nutzungsansprüche auch auf diese Rechtsposition berufen könnte, müssten Konflikte innerhalb dieser sehr weit gezogenen Position ausgetragen werden. Soweit die Natur als relativer Rechtsträger konstruiert würde, könnte dies nur zu einer Art allgemeinem Gesetzesvollziehungsanspruch der für die Natur wahrnehmungsberechtigten Instanz führen. Dies legt es nahe, einen eingeschränkten Naturbegriff in Betracht zu ziehen, der insbesondere den Menschen ausschlösse und vermutlich auch Einschränkungen in Bezug auf Siedlungsbereiche enthalten müsste. Die hierbei vorzunehmende Abgrenzung dürfte indes schwierig sein und viele Fragen aufwerfen. In der Praxis würde diese Lösung wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass der Gesetzgeber durch entsprechende Zuweisung von Schutzansprüchen selbst die Bereiche definiert, auf die sich der Schutz durch eine Art Gesetzesvollziehungsanspruch beziehen soll. Wenn einzelne Tiere, Pflanzen oder Naturerscheinungen spezifische eigene Rechte erhalten sollen, dann bedürfte es nicht nur der gesetzgeberischen Entscheidung, welche Arten bzw. Gattungen von ihnen in den Genuss von Rechten kommen sollen, sondern auch der Entscheidung über die jeweilige Qualität der Rechte. Mit der Anerkennung von spezifischen Eigenrechten müssen ja auch Konflikte zwischen diesen Rechtsträgern in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn es um Nutzungsansprüche des Menschen in Bezug auf diese Rechtsträger geht. Soweit es um relative Rechte geht, müsste entschieden werden, auf welche Vorschriften sich für jeden einzelnen Rechtsträger der Gesetzesvollziehungsanspruch beziehen soll. Der Gesetzgeber wäre aufgerufen, zunächst den oder die Rechtsträger zu konstituieren und sodann zu regeln, wogegen der jeweilige Rechtsträger geschützt werden soll bzw. auf die Einhaltung welcher Vorschriften der Rechtsträger einen Anspruch haben soll. Soweit es um absolut geschützte Rechte gehen soll, müssten den einzelnen Rechtsträgern notwendigerweise nach Art und Umfang unterschiedliche Rechte zugewiesen werden. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die den einzelnen Rechtsträgern gleichermaßen zugewiesenen Rechte allgemein unter einen Abwägungsvorbehalt gestellt würden. Ob dies allerdings der Natur im Ergebnis nützen 17

S. OVG Lüneburg zum Nationalpark Elbtalauen, Urt. v. 22. 2. 1999 – 3 K 2630/98, juris.

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würde, erscheint fraglich. Wenn die Rechte sich nicht nach dem Muster einer Generalklausel auf Berücksichtigung im Rahmen einer Abwägung mit anderen Rechten beschränken sollen, stellen sich ähnliche Probleme wie derzeit im Naturschutzrecht allgemein, wenn über den Schutz der Natur in objektiv-rechtlicher Hinsicht entschieden wird. Vermutlich müsste im Hinblick auf die Qualität der Rechte vom Status quo des derzeitigen objektiven Rechtsschutzes ausgegangen werden. In diesem Fall würde sich ein Mehrwert für die Natur nur ergeben, wenn die Schaffung einer Rechtsträgerschaft dazu führen würde, dass diese Rechte in den einschlägigen Verfahren stärker beachtet würden als die objektiv-rechtlichen Bestimmungen derzeit. 3. Das Problem der Wahrnehmungszuständigkeit Als für die Effektivität des Schutzes der Natur im Falle der Schaffung von Eigenrechten entscheidende Frage stellt sich die Regelung der Wahrnehmungszuständigkeit dar. Da weder die Natur als Inbegriff aller geschützten Lebewesen und Elemente noch die einzelnen Erscheinungsformen der Natur die ihnen ggfs. eingeräumten Rechte selbst wahrnehmen und durchsetzen könnten, muss zusammen mit der Schaffung solcher Rechte zugleich auch über die Wahrnehmungszuständigkeit durch menschliche Institutionen entschieden werden.18 Die Zuständigkeit für das objektive Naturschutzrecht liegt derzeit bei den Naturschutzbehörden, diejenige für den Tierschutz bei den hierfür zuständigen Fachbehörden. Diese Behörden sind dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet. Die bei dem Gesetzesvollzug auftretenden Implementationsdefizite sind oben näher dargestellt worden. Daraus ergibt sich, dass es offensichtlich nicht ausreichend wäre, die Wahrnehmungszuständigkeit für die Eigenrechte der Natur auf die schon bisher zuständigen Behörden zu übertragen. Von der Schaffung weiterer Wahrnehmungszuständigkeiten kann durchaus eine Verringerung von Implementationsdefiziten und damit eine Verbesserung der Situation von Natur und Landschaft erwartet werden. Die Frage ist allerdings, wie derartige weitere Wahrnehmungszuständigkeiten aussehen könnten. Zur Bekämpfung des Implementationsdefizits steht in Deutschland das Instrument der Verbandsklage zur Verfügung. Die Verbandsklage wurde zunächst nur sehr zögerlich und nur für wenige Maßnahmen eingeführt.19 Inzwischen ist sie im UmwRG relativ umfassend geregelt.20 Es fehlt allerdings die Verbandsklage im Tierschutzrecht, die nur sehr rudimentär und lückenhaft in einigen wenigen Bundeslän18 Ob diese Wahrnehmungszuständigkeit über das Rechtsinstitut der Stellvertretung konstruiert werden könnte, wie A. Fischer-Lescano, ZUR 2018, 205 wohl meint, erscheint zweifelhaft. Es dürfte sich dabei wohl eher um eine Form der Prozessstandschaft bzw. der Verfahrensstandschaft handeln. 19 Vgl. § 61 des BNatSchG 2002 v. 23. 03. 2002, BGBl. 2002 I S. 1193 und § 1 Abs. 1 der Urfassung des UmwRG v. 07. 12. 2006, BGBl. I S. 2816. 20 Vgl. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 UmwRG.

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dern eingeführt wurde.21 Hier wäre mit einer Ausweitung der Wahrnehmungszuständigkeit der Verbände für den Bereich des Tierschutzes zweifellos bereits viel gewonnen. Ob sich die Naturschutzverbände als Wahrnehmungsberechtigte für Eigenrechte der Natur eignen, erscheint wegen ihrer fehlenden demokratischen Legitimation und Kontrolle nicht unzweifelhaft. Die Erfahrungen mit der Verbandsklage werden in der Literatur zwar überwiegend positiv gesehen.22 Auch der Gesetzgeber sieht in den Verbänden inzwischen Unterstützer beim Bemühen um die ordnungsgemäße Anwendung des Rechts. Ob sie sich aber auch als reguläre Einrichtungen für eine Wahrnehmungszuständigkeit von Eigenrechten der Natur eignen, erscheint doch fraglich. Einerseits erreichen die Verbände mit der Verbandsklage im Einzelfall eine nahezu umfassende gerichtliche Kontrolle und verbessern auf diese Weise die Aussicht auf eine ordnungsgemäße Anwendung der dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Verbände ihre Aktivitäten an spezifischen Interessen und Präferenzen ihrer Mitglieder orientieren und sich hierfür instrumentalisieren lassen. Da sich die Verbände schon aus finanziellen und kapazitären Gründen keine umfassende Kontrolle leisten können und sich auf bestimmte ausgewählte Verfahren beschränken müssen, können sie autonom entscheiden, in welchen Fällen sie sich für den Schutz der Umwelt oder bestimmter Umweltgüter einsetzen wollen und in welchen nicht. Näher dürfte es liegen, öffentlich-rechtliche, aber organisatorisch weitgehend unabhängige Instanzen zu schaffen und mit der Wahrnehmungszuständigkeit zu betrauen. Diese Instanzen müssten das Recht haben, sich an Verwaltungsverfahren zu beteiligen und eine gerichtliche Kontrolle zu veranlassen. Einzelne Vorbilder für ein solches Modell gibt es in anderen Staaten bereits.23 Die sich hier stellenden organisationstheoretischen und organisationsrechtlichen Fragen können hier nicht näher behandelt werden. Fest steht aber, dass jede staatliche Lösung mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand und entsprechenden Kosten für die Allgemeinheit verbunden wäre. Allerdings würden Kosten auch bei einer Verbandslösung anfallen, weil die Aufgabe den Verbänden übertragen werden müsste und hierfür auch finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten.

21

Näher H. Gieseler, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage, NVwZ 2016, 1462. Dazu S. Schlacke, in: dies. (Hrsg.), GK-BNatSchG, § 64 Rn. 1 ff. 23 Zu denken ist an die Institution des Ombudsmanns, die vor allem in skandinavischen Ländern verbreitet ist. 22

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V. Fortschritte im Umweltschutz durch die Schaffung von Eigenrechten der Natur? 1. Realistische und unrealistische Erwartungen Ist die Forderung der Schaffung von Eigenrechten der Natur oder ihrer Emanationen realistisch? Was dürfte man von der Einführung erwarten? Auch wenn die Zahl derjenigen, die Eigenrechte der Natur, einzelner Teile oder – insbesondere – Eigenrechte von bestimmten Tierarten befürworten, in den letzten Jahren stark gestiegen ist, dürfte es derzeit schwerfallen, in demokratisch verfassten Staaten hierfür Mehrheiten zu organisieren. Noch schwieriger dürfte es sein, wenn hierfür Verfassungsänderungen in Betracht gezogen werden müssten. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen bei der Einführung des Schutzes der Tiere in Art. 20a GG.24 Der in der christlich-jüdischen Tradition stehenden neuzeitlichen mitteleuropäischen Rechtskultur sind subjektive Rechte, die nicht einer natürlichen Person oder einer durch natürliche Personen gegründeten juristischen Person zustehen, eher fremd.25 Die Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert hat die moderne Weltsicht einer strikten Trennung von Personen und Sachen weiter vertieft, wobei die Natur mit allen ihren Elementen einschließlich aller Tiere im Grundsatz zu den Sachen zählt.26 Hierbei ist es bis heute geblieben, auch wenn es in der 1990 eingeführten Regelung in § 90a BGB ausdrücklich heißt: „Tiere sind keine Sachen.“ Sie werden in der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift zwar als „Mitgeschöpfe“ bezeichnet;27 viel mehr als begriffliche Kosmetik ist damit indes nicht verbunden, weil auf die Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften grundsätzlich entsprechend anzuwenden sind und in der Praxis auf die Differenzierung praktisch keine Rücksicht genommen wird. Ernsthaft in Betracht käme aus heutiger Sicht lediglich die Schaffung relativer subjektiver öffentlicher Rechte für die Natur und ihre Bestandteile. Der rechtspraktische Fortschritt einer derartigen Subjektivierung des objektiven Rechts läge in der Notwendigkeit der Schaffung von Wahrnehmungszuständigkeiten. Insoweit haben die jüngsten Änderungen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes bereits wesentliche Fortschritte gebracht, weil sie anerkannten Umweltverbänden sehr weitgehende Klagerechte zuerkennen, mit denen die Einhaltung des objektiven Umweltrechts, teilweise sogar darüber hinaus, verlangt werden kann.28 Derartige Rechte zur Einhaltung etwa des Tierschutzrechts stehen bisher allerdings noch aus; Tierschutzverbandsklagen sind derzeit nur sehr begrenzt und lückenhaft geschaffen worden. Die Schaffung einer umfassenden Tierschutzverbandsklage erscheint überfällig, setzt aber die Einführung subjektiver Eigenrechte der Natur nicht voraus. 24

Näher J. Caspar/M. Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003. Anders ist dies in anderen Rechtskulturen, in denen es etwa heilige Kühe, heilige Berge, heilige Flüsse oder heilige Ameisen gab oder noch gibt. 26 Plastisch F. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. II, 1840, S. 1 ff. 27 BT-Drs. 11/5463, S. 1 u. 5. 28 S. hierzu §§ 1, 2 UmwRG mit den Änderungen v. 20. 07. 2017. 25

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2. Weiterentwicklung des allgemeinen Rechtsbewusstseins Sollte der Gedanke einer Einführung von Eigenrechten der Natur trotz des oben skizzierten Befundes weiterverfolgt werden? Hierfür könnte sprechen, dass die Schaffung subjektiver Rechte der Natur eine starke Symbolwirkung haben dürfte und rechtspolitisch als Ausdruck eines gewandelten Verhältnisses von Mensch und Natur verstanden werden müsste. Ob diese Symbolik die Praxis des Umgangs des Menschen mit der Natur positiv beeinflusst, ist schwer zu sagen. Kurzfristige Effekte sind davon allein wohl nicht zu erwarten. Allerdings erscheint es auch nicht sinnvoll, damit zu warten, bis sich diese Praxis von selbst günstig weiterentwickelt. Das Anwachsen der in den nächsten Jahren zu erwartenden Umweltkatastrophen könnte immerhin dazu beitragen, Natur und Umwelt als eine Macht wahrzunehmen, die zurückschlägt.

Rechtsschutz im Standortauswahlverfahren für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle Von Klaus F. Gärditz Wird administrativer Stoff über mehrere Entscheidungsebenen abgeschichtet,1 bis es zu einer verbindlichen Entscheidung kommt, fordert dies den effektiven Rechtsschutz heraus.2 Besondere Probleme entstehen, wenn der parlamentarische Gesetzgeber selbst in den Entscheidungsprozess eingebunden wird und insoweit Teilentscheidungen mit der qualifizierten Stabilität des formellen Gesetzes (vgl. Art. 100 Abs. 1 GG) armiert. Dies ist bei dem komplex gestuften Verfahren zur Auswahl eines Standorts für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle der Fall. Eine grundlegende Novelle des 2013 erlassenen3 StandAG4 im Jahr 2017,5 die als Reaktion auf die Empfehlungen der Endlager-Kommission6 erfolgte,7 hat die ursprünglich bestehenden Rechtsschutzhindernisse abgebaut. I. Das Standortauswahlverfahren Das StandAG hat ein mehrstufiges anspruchsvolles Verfahren etabliert, um für die im Inland verursachten hochradioaktiven Abfälle einen Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Abs. 3 S. 1 AtG zu ermitteln (§ 1 Abs. 1 S. 1 StandAG). Das Gesetz versucht einerseits über eine Einbindung der beteiligten Öffentlichkeit (§§ 6 ff. StandAG) und der parlamentarischen

1 Zu horizontalen Schichtungen M. Kment, Verwirklichung von Infrastrukturprojekten in Abschnitten im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, AöR 2017, 247 ff. 2 W. Erbguth, Konzentrierter oder phasenspezifischer Rechtsschutz im Infrastrukturrecht, ZUR 2017, 449 f. 3 Standortauswahlgesetz v. 23. 7. 2013 (BGBl. I S. 2553). 4 Standortauswahlgesetz v. 5. 5. 2017 (BGBl. I S. 1074), das zuletzt durch Art. 2 Abs. 16 des G. v. 20. 7. 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist. 5 Hierzu eingehend M. Fillbrandt, Die Sicherung von Endlagerstandorten nach dem novellierten Standortauswahlgesetz – ein Paradigmenwechsel?!, NVwZ 2017, 855 ff.; U. Smeddinck, Die Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes (StandAG), EurUP 2017, 195 ff. 6 Abschlussbericht der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe, Verantwortung für die Zukunft: Ein faires und transparentes Verfahren für die Auswahl eines nationalen Endlagerstandortes, BT-Drs. 18/9100, S. 55 f., 378 ff. 7 BT-Drs. 18/11398, S. 1 f., 64.

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Gesetzgebung zusätzliche Mechaniken der Legitimationssicherung8 für die weitreichende Entscheidung zu integrieren.9 Andererseits soll aber auch über die wissenschaftliche Begleitung (namentlich durch die Endlager-Kommission nach § 4 Abs. 4 StandAG10 und das Nationale Begleitgremium nach § 8 StandAG) iterativ Wissen generiert11 und die – absehbar immer politisch konfliktbeladene sowie rationalitätsmindernd emotionalisierte12 – Auswahlentscheidung versachlicht, zugleich aber auch – in Anerkennung des begrenzten Erfahrungshorizonts von Exekutive und Legislative13 – der Auswahlprozess responsiv-lernfähig (s. § 2 Nr. 5 StandAG: Reversibilität) gehalten werden (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 StandAG).14 Der Verfahrensablauf, der hier angesichts der Komplexität nur grob skizziert werden kann, ist auf eine sukzessive Einengung möglicher Standortkandidaten ausgerichtet.15 Antragstellend und ermittelnd wird jeweils der Vorhabenträger (§ 3 StandAG i. V. mit § 9a Abs. 3 S. 2 Hs. 2 AtG) tätig, eine Gesellschaft des Privatrechts, deren alleiniger Gesellschafter der Bund ist (konkret: die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH [BGE]). Verfahrensführende Behörde ist das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) nach § 4 StandAG. In einem ersten Schritt erfolgt eine Auswahl der Standortregionen, die aus geologischer Sicht16 für ein End8 Vgl. bereits R. Wahl, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, VVDStRL 1983, 151 (182 f.). 9 M. Kment, Das Planungsrecht der Energiewende, Die Verwaltung 2014, 377 (401 f.); kritisch K. F. Gärditz, Die Entwicklung des Umweltrechts in den Jahren 2013 – 2014: Umweltschutz im Zeichen von Verfahren und Planung, ZfU 2015, 343 (361 ff.). 10 Zu deren Arbeit U. Smeddinck, Zwischen „weißer Landkarte“ und „schwarzem Loch“ – Endlager-Kommission am Ende ihrer Laufzeit, ZRP 2016, 181 ff.; ders./S. Willmann, Die Kommissionsempfehlung nach § 4 Abs. 5 Standortauswahlgesetz – Politikberatung oder Selbstentmündigung des Parlamentes?, EurUP 2014, 102 ff. 11 Hierzu H. P. Bull, Wissenschaft und Öffentlichkeit als Legitimationsbeschaffer, DÖV 2014, 897 ff. 12 Hierzu U. Smeddinck, Recht, Atommüll und Emotionen, in: ders. (Hrsg.), Emotionen bei der Realisierung eines Endlagers, 2018, S. 199 (137 ff., 142 f.). 13 S. a. U. Smeddinck, Umgang mit Ungewissheit bei der Realisierung eines Endlagers für Atommüll – resilient reguliert?, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, 2016, S. 147 ff. 14 Zu den Ambivalenzen P. Hocke/U. Smeddinck, Robust-parlamentarisch oder informellpartizipativ? Die Tücken der Entscheidungsfindung in komplexen Verfahren, GAIA 2017, 125 ff. 15 Zum Problem vorgelagerter Standortauswahl in der (insoweit unzureichenden) Planfeststellung frühzeitig W. Erbguth, Rechtliche Anforderungen an Alternativprüfungen in (abfallrechtlichen) Planfeststellungsverfahren und vorgelagerten Verfahren, NVwZ 1992, 209 ff. Eine „unterirdische Raumordnung“ als Allokationselement – s. W. Erbguth, Unterirdische Raumordnung, ZUR 2011, 121 ff. – scheidet vorliegend aus, vgl. §§ 12 Abs. 2, 20 Abs. 4 StandAG. 16 Hierzu M. Lersow, Endlagerung aller Arten von radioaktiven Abfällen und Rückständen, 2018; S. Chaudry/V. Mintzlaff/J. Stahlmann, Der Beitrag der Geologie zur Tiefenlagerung hochradioaktiver Reststoffe, in: Smeddinck/Kuppler/Chaudry (Hrsg.), Inter- und Transdisziplinarität bei der Entsorgung radioaktiver Reststoffe, 2016, S. 37 ff.

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lager potentiell geeignet sind (§ 13 StandAG). Hieraus werden dann Standorte für eine übertägige Erkundung ermittelt (§ 14 StandAG). Nach Maßgabe des § 15 StandAG prüft das BfE den diesbezüglichen Vorschlag des Vorhabenträgers und übermittelt dem zuständigen Bundesministerium eine Empfehlung. Hier kommt nun erstmals der parlamentarische Gesetzgeber ins Spiel: Die Standorte zur übertägigen Erkundung werden durch Bundesgesetz bestimmt (§ 15 Abs. 3 StandAG). Letztlich handelt es sich hierbei um eine nachvollziehende Legislativplanung. Im Rahmen der übertägigen Erkundung werden nun die Standorte ermittelt, die untertägig erkundet werden sollen (§ 16 StandAG). In diesem Rahmen hat nun das BfE nach § 17 Abs. 3 S. 1 StandAG den Vorschlag des Vorhabenträgers, aber auch die Rechtmäßigkeit des bisherigen Verfahrens zu prüfen. Letztlich werden auch die Standorte zur untertägigen Erkundung durch Bundesgesetz aus der Palette der übertägig erkundeten Standorte unter Zugrundlegung der Empfehlung des BfE ausgewählt (§ 18 Abs. 1 StandAG). Der Vorhabenträger übermittelt als Ergebnis der Erkundungen dann einen Vorschlag für ein Endlager, der in dem Verfahren nach § 19 StandAG geprüft wird. Auch hier hat das BfE wieder die Rechtmäßigkeit des bisherigen Verfahrens festzustellen (§ 19 Abs. 2 S. 3 StandAG). Die endgültige Standortentscheidung erfolgt durch Bundesgesetz auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung nach § 20 StandAG. An diesem Standort ist dann ein besonderes – vom regulären Planfeststellungsverfahren abweichendes – Genehmigungsverfahren für ein Endlager nach § 9b Abs. 1a AtG durchzuführen,17 für das wiederum das BfE zuständig ist (§ 23b S. 1 – 2 AtG). II. Verwaltungsrechtsschutz der betroffenen Öffentlichkeit Es ist offensichtlich, dass ein langjähriges und komplex gestuftes Verwaltungsverfahren mit drei legislativen Zwischenentscheidungen den Rechtsschutz verkompliziert. Hinzu kommen die Ambivalenzen zwischen zukunftsoffener, responsiver Gestaltungsfreiheit bei der Endlagersuche einerseits und Rechtssicherheit durch effektiven Rechtsschutz andererseits.18 Schon die gewollte Absicherung umwelt- und gesellschaftspolitischer Grundsatzentscheidungen durch legislative Begleitung führt dazu, dass bestimmte Festlegungen jedenfalls der üblichen Verwaltungskontrolle entzogen sind. Während sich (beständig ausgebaute19) Legalplanungen insbesondere von Vorhabenstandorten früher primär als Probleme der Gewaltengliederung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) sowie der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG darstellten,20 überlagern heute unionsrechtliche Rechtsschutzanforderungen (Art. 11 17

Im Überblick J. Pape, Politik und Recht der Endlagerung radioaktiver Abfälle, 2016, S. 90 ff. 18 Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 347. 19 W. Blümel, Fachplanung durch Bundesgesetz (Legalplanung), DVBl. 1997, 205 ff. 20 BVerfGE 95, 1 (15 ff.); S. Eisenmenger, Realisierungsgesetze zur Durchsetzung von Infrastrukturprojekten, NVwZ 2013, 621 ff.; F. Ossenbühl, Der Gesetzgeber als Exekutive, in:

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UVP-RL21, Art. 25 IE-RL22) das nationale Recht, die die Differenzierungen zwischen Legislativ- und Administrativplanungen in den Rechtsfolgen partiell nivellieren. 1. Anfechtung der Feststellungsbescheide des BfE Das BfE prüft den Vorschlag des Vorhabenträgers für Stätten zur untertägigen Erkundung (§ 17 Abs. 1 S. 1 StandAG) und übermittelt diesen nebst der dazugehörigen Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens dem zuständigen Bundesministerium (§ 17 Abs. 2 StandAG). Vor der Übermittlung stellt das BfE allerdings zunächst durch Bescheid fest, ob das bisherige Standortauswahlverfahren nach den Regelungen dieses Gesetzes durchgeführt wurde und der Auswahlvorschlag diesen entspricht (§ 17 Abs. 3 StandAG). Hierbei handelt es sich um einen bekannt zu machenden feststellenden Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG)23, was unmittelbar aus § 17 Abs. 3 S. 2 StandAG folgt. Die Übermittlung des Vorschlags an das zuständige Bundesministerium darf erst erfolgen, wenn gegen den Bescheid keine Rechtsbehelfe mehr eingelegt werden können oder das BVerwG über den Bescheid rechtskräftig entschieden hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 StandAG). Auf der Grundlage dieser planerischen Vorbereitung wird an den ausgewählten Standorten eine untertägige Erkundung durchgeführt (§ 18 StandAG), die die Vorschläge auf einen konkreten Standort verdichten soll (§ 18 Abs. 3 S. 1 StandAG). Das BfE hat im Anschluss wiederum dem zuständigen Bundesministerium den begründeten Standortvorschlag für ein Endlager zu übermitteln (§ 19 Abs. 2 S. 1 StandAG). Zuvor stellt es erneut durch Bescheid fest, ob das bisherige Standortauswahlverfahren nach den Regelungen dieses Gesetzes durchgeführt wurde und der Standortvorschlag diesen entspricht (§ 19 Abs. 2 S. 3 StandAG), wobei die Behörde nach § 19 Abs. 2 S. 4 StandAG in ihrer Beurteilung an die in einem unanfechtbaren Bescheid nach § 17 Abs. 3 S. 1 enthaltene Feststellung zur Rechtmäßigkeit des Verfahrens gebunden ist. Die Übermittlung des auf einen Endlagerstandort konkretisierten Vorschlags an das Ministerium darf nach § 19 Abs. 2 S. 2 StandAG erneut erst erfolgen, wenn der Bescheid unanfechtbar geworden ist.

FS Werner Hoppe, 2000, S. 183 ff.; C. Schneller, Gewaltenteilung und Rechtsschutz in der objektbezogenen Legalplanung, ZG 1998, 179 ff. 21 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 12. 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26, S. 1). 22 Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24. 11. 2010 über Industrieemissionen (ABl. L 334, S. 17). 23 BT-Drs. 18/11398, S. 63.

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a) Prozessrechtliches Statthafter Rechtsbehelf gegen die vom BfE erlassenen feststellenden Verwaltungsakte ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO). Das Rechtsschutzziel ist darauf gerichtet, die Feststellungswirkung zu beseitigen. Eine unanfechtbare Feststellung ist jeweils zwingende gesetzliche Voraussetzung, dem zuständigen Bundesministerium die Verfahrensergebnisse förmlich zu übermitteln (§§ 17 Abs. 2 S. 2, 19 Abs. 2 S. 2 StandAG). Eine erfolgreiche Anfechtung blockiert also den weiteren Verfahrensgang der Standortauswahl. Hierbei kommt es auf die aufschiebende Wirkung einer erhobenen Klage nicht an, weil die Übermittlung gerade die Unanfechtbarkeit und nicht lediglich die Vollziehbarkeit der Feststellung voraussetzt (§§ 17 Abs. 2 S. 2, 19 Abs. 2 S. 2 StandAG). Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO wäre also funktionslos. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens bei Anfechtung des Bescheides nach § 19 Abs. 2 StandAG ist der Kontrollumfang aufgrund der Bindung an den vorausgehenden Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 S. 4 StandAG auf das nachfolgende Verfahren und ggf. nachträgliche Erkenntnisse betreffend die abwägungsrelevanten Belange (§§ 22 – 26 StandAG) beschränkt. aa) Zuständigkeit Nach §§ 17 Abs. 3 Satz 6, 19 Abs. 2 Satz 7 StandAG ist für Klagen gegen feststellende Verwaltungsakte des BfE erst- und letztinstanzlich das BVerwG zuständig. Auch wenn Art. 95 Abs. 1 GG vom Leitbild der obersten Bundesgerichte als Rechtsmittelgerichte ausgeht, hat die Rechtsprechung anerkannt, dass dem BVerwG ausnahmsweise in Fallgruppen von grundsätzlicher Bedeutung auch verfassungskonform erstinstanzliche Zuständigkeiten zugewiesen werden können.24 Die Zuständigkeit des BVerwG für Klagen nach dem StandAG wurde dementsprechend damit (letztlich plausibel) gerechtfertigt, dass es sich bei der Standortfeststellung um eine einmalige Entscheidung handle, die von großer politischer Tragweite sei und an der ein herausragendes öffentliches Interesse bestehe.25 bb) Anwendbarkeit des UmwRG Für Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung nach § 17 Abs. 3 S. 3 StandAG findet das UmwRG mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die kommunalen Gebietskörperschaften, in deren Gebiet ein zur untertägigen Erkundung vorgeschlagener Standort liegt, und deren Einwohnerinnen und Einwohner sowie Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer den nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigungen gleichstehen. Entsprechendes gilt nach dem inhaltlich im Wesentli24

BVerfGE 92, 365 (410); BVerwGE 120, 87 (93); 131, 274 (280). Zur Diskussion K. F. Gärditz, in: ders., VwGO, 2018, § 50 Rn. 2 – 6; A. Scheidler, Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, DVBl. 2011, 466 ff.; D. Sellner, Das Bundesverwaltungsgericht als erstinstanzliches Gericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, in: FS Hans-Joachim Driehaus, 2005, S. 396 ff. 25 BT-Drs. 18/11398, S. 64.

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chen gleichen § 19 Abs. 2 S. 5 StandAG.26 Die nicht näher spezifizierte Verweisung auf das UmwRG bezieht sich nicht auf eine bestimmte, sondern dynamisch auf die jeweils geltende Fassung.27 b) Kompensationsfunktion Rechtsschutz gegen den vorausgegangen Bescheid nach § 19 Abs. 2 S. 5 StandAG, durch den die Festlegung eines Endlagers vorbereitet wird, kompensiert unionsrechtlich relevante Rechtsschutzdefizite, die bestehen würden, wenn es bei einer isolierten Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers geblieben wäre. Art. 11 Abs. 1 UVP-RL gewährleistet, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren haben, um umweltrelevante Bestimmungen im Sinne der Richtlinie anzufechten. Nach Nr. 3 lit. b Nr. III, IV des Anhanges I zur UVP-RL (entspricht Nr. 11.3. der Anlage 1 zum UVPG) fallen auch Anlagen mit dem Zweck der endgültigen Beseitigung bestrahlter Kernbrennstoffe oder radioaktiver Abfälle in den Anwendungsbereich der Richtlinie. § 18 Abs. 1 S. 2 StandAG trägt dem Rechnung. Nun fällt zwar die gesetzliche Standortauswahl nicht in den Anwendungsbereich der UVP-RL, weil insoweit noch kein konkretes Vorhaben zugelassen wird. Allerdings gewährleistet Art. 11 Abs. 1 UVP-RL eine vollständige Kontrolle der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit einer vorhabenzulassenden Verwaltungsentscheidung. Diese Vollkontrolle könnte aber nicht erfolgen, weil etwaige Verfahrensdefizite – insbesondere nach UVPG – im Genehmigungsverfahren nach § 9b Abs. 1a AtG nicht mehr geprüft werden können. Denn die umweltbezogenen Verfahrensergebnisse werden auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 S. 2 StandAG abschließend im Gesetzgebungsverfahren zur endgültigen Standortauswahl verarbeitet,28 woran die Zulassungsbehörde gebunden ist (§ 20 Abs. 3 StandAG). Die gesetzliche Standortauswahlentscheidung wäre allenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar gewesen. Diese hätte aber in ihrer begrenzten Rechts26

Soweit dort von „betroffenen“ kommunalen Gebietskörperschaften die Rede ist, meint dies das Gleiche wie § 17 Abs. 3 S. 3 StandAG; zutr. E. Rehbinder, Endlagerung hochradioaktiver Abfälle und Rechtsschutz – ein Königsweg zur Lösung eines „verzwickten“ Umweltproblems?, EurUP 2018, 61 (64). 27 So i. E. auch F. Semper, in: Smeddinck, StandAG, 2017, § 17 Rn. 32. 28 Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 381; O. Däuper/A. von Bernstroff, Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für die Endlagerung radioaktiver Abfälle, ZUR 2014, 24 (28); B. Keienburg, Verfassungs- und europarechtliche Fragen hinsichtlich der Standortauswahl eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle, NVwZ 2014, 1133 (1138); M. Kment, Die Umweltverfassungsbeschwerde – Unionsrechtlich erzwungener Rechtsschutz von Umweltverbänden gegen die gesetzliche Standortwahl eines atomaren Endlagers, in: FS Hans D. Jarass, 2015, S. 301 (306); M. A. Wiegand, Konsens durch Verfahren? Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz nach dem Standortauswahlgesetz im Verhältnis zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, NVwZ 2014, 830 (834); vgl. auch J. Hofmann, in: Smeddinck, StandAG, 2017, § 20 Rn. 53 ff.

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schutzintensität, die namentlich eine Überprüfung des einfachgesetzlichen Umweltrechts nicht einschließt, nicht den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL entsprochen.29 Mit der Verfassungsbeschwerde kann nämlich nur eine Verletzung von Grundrechten bzw. grundrechtsgleichen Rechten geltend gemacht werden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). Selbst wenn man bereits die vorgelagerte Standortentscheidung als Grundrechtseingriff qualifizieren könnte, was schon für sich – hier nicht zu vertiefende – Probleme aufwirft, würde das BVerfG nach allgemeinen Grundsätzen30 jedenfalls nur eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts prüfen.31 Art. 11 Abs. 1 UVP-RL verlangt aber die Möglichkeit zur vollständigen Kontrolle des formellen und materiellen Umweltrechts, jedenfalls sofern dieses auf Unionsrecht gründet. Eine bloße Willkürkontrolle am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG, die auch im Rahmen der Verfassungsbeschwerde in Bezug auf die Auslegung und Anwendung von Nichtverfassungsrecht möglich ist,32 würde dem nicht genügen. aa) Keine Bereichsausnahme für Legislativakte Eine generelle Ausnahme von der gerichtlichen Kontrolle einer Vorhabenzulassung, die maßgeblich auf einem Legislativakt beruht, kennt die UVP-RL nicht. Die 2014 novellierte Richtlinie33 sieht in Art. 2 Abs. 5 UVP-RL vor, dass die Mitgliedstaaten ein Projekt, das durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt zugelassen wird, von den Bestimmungen dieser Richtlinie, die sich auf die Beteiligung der Öffentlichkeit beziehen, ausnehmen können, „jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ziele dieser Richtlinie verwirklicht werden“. Dies gilt erst recht, wenn – wie hier mit Blick auf § 20 Abs. 3 StandAG, § 9b Abs. 1a AtG – der Legislativakt nur einen Teil der Zulassungsentscheidung betrifft. Eine wirksame Zielverwirklichung der Richtlinie setzt aber effektiven Umweltrechtsschutz im Sinne des Art. 11 UVP-RL voraus,34 weil anderenfalls die Bindungen an das geltende Umweltrecht praktisch leer liefen und die unionsrechtlich zu sichernde Rechtlichkeit des Zulassungsaktes in wesentlichen Teilelementen (hier der vorgreiflichen Standortauswahl) durch einen kontrollfreien legislativen Voluntarismus ersetzt würde, was aber die formalen Rationalisierungsmechaniken der UVP-RL unterläuft. Dies hatte auf der Grundlage der früheren – insoweit großzügiger gefassten (Art. 1 Abs. 4 UVP-RL a. F.) – Bereichsausnahme für Legislativakte der EuGH bereits in 29 Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 55, 381; E. Rehbinder, EurUP 2018, 61 (64); B. Keienburg, NVwZ 2014, 1133 (1138). 30 St. Rspr., etwa BVerfGE 40, 352 (356); 97, 391 (401); 126, 248 (284 f.); BVerfGK 4, 243 (253); 9, 174 (198). 31 Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 382; J. Hofmann, in: Smeddinck, StandAG, 2017, § 20 Rn. 25; M. Kment (o. Fn. 28), S. 308. 32 St. Rspr., etwa BVerfGE 126, 248 (285); w. Nachw. bei H. Lechner/R. Zuck, BVerfGG, 7. Aufl. 2015, § 90 Rn. 101 ff. 33 Richtlinie 2014/52/EU (ABl. L S. 124). 34 M. Kment (o. Fn. 28), S. 313; E. Rehbinder, EurUP 2018, 61 (64).

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der Rechtssache Boxus festgestellt;35 erst recht muss dies für die strengere Neufassung (Art. 2 Abs. 5 UVP-RL) gelten. Hätte der Gesetzgeber keinen besonderen Rechtsschutz vorgesehen, der ein gemessen an Art. 11 Abs. 1 UVP-RL hinreichendes Kontrollniveau sicherstellt, wäre ein nationales Gericht ggf. verpflichtet gewesen, den Legislativakt selbst zu kontrollieren und bei einer Unvereinbarkeit des vorgelagerten Verfahrens mit UVP-Standards zu verwerfen.36 Das frühere Recht ließ eine unionsrechtskonforme Rechtsschutzkompensation nicht zu. Der damalige Vorschlag, Rechtsschutz durch unmittelbare Anwendung des Art. 11 UVP-RL zu eröffnen,37 überzeugt nicht. Dies scheitert schon daran, dass sich die untrennbar ins nationale Recht eingebetteten Rechtsfolgen – welches Gericht ist aufgrund welchen Prozessrechts mit welchem Kontrollmaßstab zuständig? – nicht unmittelbar der Richtlinie entnehmen lassen. bb) Gleichwertiger Rechtsschutz gegen vorgreifliche Feststellungsbescheide Der Gesetzgeber hat 2017 – maßgeblich auf Betreiben der Endlager-Kommission38 – hierauf reagiert und die Rechtsschutzlücke dadurch beseitigt, dass er zwar nicht das Auswahlgesetz, aber die dieses vorbereitenden feststellenden Verwaltungsakte für isoliert anfechtbar erklärt hat. Die Bereichsausnahme für Legislativakte nach Art. 2 Abs. 5 UVP-RL verlangt keine identischen Prüf- und Kontrollstrukturen (sprich: Anfechtung des Gesetzes wie einen Genehmigungsbescheid), sondern lediglich eine gleichwertige Zielverwirklichung. Diese ist vorliegend aber gewährleistet: Erstens erfolgt die konkret verbindliche Zulassung des Endlagers nicht durch Gesetz, sondern durch Genehmigung nach § 9b Abs. 1a AtG, gegen die Rechtsschutz mit der Möglichkeit einer Inzidentkontrolle eröffnet ist. Soweit die gesetzesbegleitete Problemabschichtung den späteren Kontrollzugriff begrenzt, greift der Zwischenrechtsschutz nach § 17 Abs. 2 S. 3 bzw. § 19 Abs. 2 S. 5 StandAG ein, der jeweils eine gerichtliche Vollkontrolle der Entscheidung über den bis dahin abgearbeiteten Problemstoff bietet. Inzwischen wird also durch das StandAG „das gesamte Standortauswahlverfahren bis hin zur Standortentscheidung einer verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeit zugänglich“.39 Mehr verlangt auch Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 5 UVP-RL nicht. Nicht die Funktion, einen unionsrechtskonformen Rechtsschutz sicherzustellen, erfüllt hingegen der Rechtsschutz nach § 17 Abs. 3 StandAG. Gegenstand des feststellenden Verwaltungsakts nach § 17 Abs. 3 S. 1 StandAG ist nicht die UVP-pflichtige Zulassungsentscheidung, sondern lediglich eine noch zulassungsferne vorbereitende Planung. Konsequenterweise ist hier lediglich eine Strategische Umweltprü35 EuGH, Rs. C-128/09 u. a. (Boxus), Slg 2011, I-9711 Rn. 51 ff.; ferner EuGH, Rs. C-182/ 10 (Solvay), ZUR 2012, 489 Rn. 45 ff. 36 EuGH, C-128/09 (o. Fn. 35), Rn. 55; C-182/10 (o. Fn. 35), Rn. 50. 37 M. Kment (o. Fn. 28), S. 316 f. 38 Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 55 f., 380 ff. 39 S. Schlacke, Konzentrierter oder phasenspezifischer Rechtsschutz, ZUR 2017, 456 (461).

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fung (SUP) erforderlich (§ 35 Abs. 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.16 der Anlage 5 zum UVPG). Da das Unionsrecht für eine SUP indes keinen zwingenden Rechtsschutz vorsieht,40 ist hier die Sicherung der Klagbarkeit unionsrechtlich nicht geboten.41 Die Rechtsschutzergänzung folgt allerdings der Ratio des Art. 9 Abs. 3 Århus-Konvention, zu dessen Umsetzung inzwischen auch der erweiterte Rechtsschutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 – 6 UmwRG sowie der Auffangrechtsbehelf nach § 7 Abs. 2 UmwRG geschaffen wurden,42 um gerichtskontrollfreie Inseln im Umweltrecht zu vermeiden. c) Ergänzender Rechtsschutz Der ergänzende Rechtsschutz stellt in §§ 17 Abs. 2 S. 3, 19 Abs. 2 S. 5 StandAG kommunale Gebietskörperschaften und deren Einwohnerinnen und Einwohner43 Umweltverbänden nach § 3 UmwRG gleich, was eine jedenfalls ungewöhnliche Regelungstechnik ist. Rechtsfolge ist jeweils, dass der genannte Personenkreis keine Verletzung subjektiver Rechte geltend machen muss.44 Dies entlastet von der – nur schwer zu plausibilisierenden – Darlegung, dass schon die schlichte Standortauswahl eigene Rechte berührt.45 Der Verweis auf das UmwRG dient der Gleichstellung Betroffener mit anerkannten Umweltvereinigungen, soll also den Rechtsschutz erweitern. Traditioneller Individualrechtsschutz ist damit zwar nicht ausgeschlossen. Allerdings stellt § 1 Abs. 1 S. 3 UmwRG, insoweit auch mit Wirkung für nicht privilegierte Individualkläger, die ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen (vgl. nur § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UmwRG), klar, dass § 44a VwGO unberührt bleibt. Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nach § 44a S. 1 VwGO nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Sachentscheidung ist hier die Anfechtung der Genehmigung (§ 9b Abs. 1a AtG), mag diese auch nach § 20 Abs. 3 AtG Bindungen an vorgelagerte Entscheidungen unterliegen. Dass in diesem Rahmen der Umfang des Rechtsschutzes durch die gesetzliche Zwischenabschichtung des Problemstoffes eingeschränkt wird, ist ein Problem des anwendbaren Fachrechts und der angemessenen 40 K. F. Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Vor § 14a UVPG Rn. 22; R. Schmidt/W. Kahl/K. F. Gärditz, Umweltrecht, 2017, § 5 Rn. 11; B. Stevens, Klagen gegen Braunkohlenpläne, DVBl. 2014, 349 (353). 41 E. Rehbinder, EurUP 2018, 61 (64). 42 Hierzu W. Durner, SUP-pflichtige Fachpläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, EurUP 2018, 142 ff.; C. Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UVPG/UmwRG, 2018, § 1 UmwRG Rn. 22; K. F. Gärditz, Die verwaltungsprozessualen „Begleitregelungen“ des UmwRG, EurUP 2018, 158 (167 ff.); S. Schlacke, Die jüngste Novellierung des UmwRG zur Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 127 (133 ff.). 43 Der Begriff der Einwohner verweist – in impliziter Anleihe beim Kommunalrecht – auf einen Wohnsitz im Gemeindegebiet, wobei – akzessorisch zur qualifizierten Betroffenheit von der Standortauswahl – auch ein Zweitwohnsitz genügt. 44 F. Semper, in: Smeddinck, StandAG, 2017, § 17 Rn. 31. 45 In den Bereich des überindividuellen Rechtsschutzes einordnend daher S. Schlacke, in: Gärditz, VwGO, 2018, Nach § 42 VwGO Rn. 13.

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Kontrolldichte, hat aber für sich keine Auswirkungen auf den phasenspezifischen Zeitpunkt des Gerichtszuganges. Daher würden Individualklagen, sollte bereits die Vorauswahl ausnahmsweise subjektive Rechte berühren (§ 42 Abs. 2 VwGO), jedenfalls an § 44a VwGO scheitern. Unionsrechtlich ist eine Nichtanwendung des § 44a VwGO vorliegend schon deshalb nicht erforderlich, weil der nach §§ 17 Abs. 2 S. 3, 18 Abs. 2 S. 5 StandAG eröffnete Rechtsschutz eine umfassende Kontrolle im Sinne des Art. 11 Abs. 1 UVP-RL auch für Individualkläger eröffnet, sofern diese unter die Einwohnergruppe fallen. Insoweit wurde zutreffend festgestellt, dass der Gesetzgeber hier phasenspezifischen Individual- und Verbandsrechtsschutz kombiniert hat.46 aa) Gleichstellung kommunaler Gebietskörperschaften Bislang war es eine legitimationstheoretische (obgleich nicht verfassungsrechtliche) Schwachstelle des UmwRG, dass Klagerechte zur Durchsetzung von umweltbezogenen Gemeinwohlbelangen zwar privilegierten Vereinigungen zugesprochen wurde, die als Private keiner demokratischen Verantwortlichkeit unterliegen, demgegenüber die kommunalen Gebietskörperschaften, die lokale Willensbildung demokratisch organisieren, von den Rechtsschutzprivilegierungen systematisch ausgeschlossen blieben.47 Das StandAG bezieht nunmehr ausdrücklich die betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften in den Kreis der Klageberechtigten ein (§§ 17 Abs. 2 S. 3, 19 Abs. 2 S. 5 StandAG), was zu begrüßen ist. Kommunale Gebietskörperschaften erfassen neben den Gemeinden auch die betroffenen Landkreise.48 Klagerechte erhalten diejenigen kommunalen Gebietskörperschaften, „in deren Gebiet ein zur untertägigen Erkundung vorgeschlagener Standort liegt“, und die in diesen Gemeinden lebenden Einwohnerinnen und Einwohner. Das Gesetz nimmt damit eine territoriale Eingrenzung vor. Dieser Bodenbezug meint, dass jedenfalls ein Grundstück im katasterrechtlichen Sinne, unter dem sich ein Teil der untertägigen Stätte befindet, Bestandteil des Gebiets der Gemeinde oder des Kreises ist. Die räumliche Dimension der untertägigen Stätte für ein Endlager bestimmt sich danach, welche horizontale Ausdehnungen die Stollen eines fertiggestellten genehmigten Endlagers (§ 9a Abs. 3 AtG) voraussichtlich haben werden. Da die konkrete Gestalt des Endlagers vor einem Antrag auf Genehmigung nach § 9b Abs. 1a AtG noch nicht präzise feststeht, muss die Ausdehnung prognostisch danach bestimmt werden, was der konkreten Standortplanung zugrunde gelegt wurde (auch diese braucht zur Risikobewertung ein fiktives Grobszenario) und nach der Beurteilung des BfE trag46

S. Schlacke, ZUR 2017, 456 (461). Kritisch R. Breuer, Entwicklungen des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: FS Michael Kloepfer, 2013, S. 315 (329); K. F. Gärditz, Die Entwicklung des Umweltrechts im Jahr 2012: Zwischen institutioneller Prozeduralisierung, justizieller Europäisierung und energiewirtschaftlicher Transformation, ZfU 2013, 381 (389); ders., Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (9); R. Schmidt/W. Kahl/K. F. Gärditz (o. Fn. 40), § 5 Rn. 58. 48 BT-Drs. 18/11398, S. 63; E. Rehbinder, EurUP 2018, 61 (64). 47

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fähig wäre. Insoweit ist also fiktiv mit einer realistischen Maximalausdehnung zu operieren. Ob das konkrete Vorhaben später kleiner dimensioniert wird, ist für die Klagerechte in der Phase der Zwischenfeststellungsentscheidung irrelevant. In der Sache können standortbezogen auch mehrere Gemeinden und Kreise privilegiert sein, wenn sich die avisierte Lagerstätte über das Gebiet mehrerer Gemeinden erstreckt. Der grundstücksbezogene Zugriff führt allerdings im Rahmen des § 17 Abs. 2 S. 3 StandAG dazu, dass Gemeinden, Kreise oder Einwohner, die plausibel geltend machen, von den Auswirkungen (z. B. von vermeintlichen Grundwasserrisiken oder seismischen Instabilitäten) eines Endlagers betroffen zu sein, das nicht unmittelbar unter dem Hoheitsgebiet liegt, nicht in den Genuss der Privilegierungen des § 3 UmwRG kommen. Sie können allenfalls – und kaum mit Aussicht auf Erfolg49 – eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) oder eigener Grundrechte geltend machen (§ 42 Abs. 2 VwGO),50 scheitern insoweit aber an § 44a VwGO. bb) Gleichstellung Betroffener mit Umweltvereinigungen Obgleich es einem Mitgliedstaat nach Art. 11 Abs. 1 UVP-RL freisteht, Klagerechte von einer geltend gemachten Rechtsverletzung abhängig zu machen, stellt sich die Frage, ob nicht die Zugehörigkeit zur „betroffenen“ Öffentlichkeit die Einräumung von Klagerechten im Ergebnis verlangt. Die von Art. 11 Abs. 1 UVP-RL angebotenen Alternativen – Verletzten- oder Interessentenklage – beziehen sich nämlich auf die Modalität der Umsetzung, um Klagerechte zu eröffnen, belassen aber nicht die Option, über eine dysfunktional ausgestaltete Klagebefugnis den Gerichtszugang generell zu versagen. So hat der EuGH in seiner Trianel-Entscheidung klargestellt, dass eine Regelung, die Klagerechte von Vereinigungen, die nach Art. 11 Abs. 3 S. 3 UVPR-RL automatisch als Träger von Rechten gelten, von einer weiteren – in der Regel nicht gegebenen – Verletzung subjektiver Rechte abhängig macht, mit Unionsrecht unvereinbar ist.51 Diese Privilegierung erfolgt aber, wie sich aus Art. 1 Abs. 2 lit. e UVP-RL ergibt (auf den wiederum Art. 11 Abs. 3 UVP-RL verweist), weil anerkannte Vereinigungen als Bestandteil der betroffenen Öffentlichkeit gelten. Dies spricht dafür, dass die Richtlinie dazu verpflichtet, auch anderen – sprich: nicht als anerkannte Vereinigungen organisierten – Teilen der betroffenen Öffentlichkeit – auch im Lichte des Gebots, weiten Gerichtszugang 49 Vgl. ernüchternd zum Braunkohletagebau VerfGH Nordrhein-Westfalen, LKV 2006, 169 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, ZfB 1998, 160 ff.; OVG NRW, NuR 2006, 320 ff.; VG Leipzig, ZfB 2017, 188 ff.; A. Gern, Bergbaubedingte Gemeindeauflösungen in Brandenburg, LKV 1997, 433 ff. 50 Vgl. zur Differenz unmittelbar grundstücksbezogener und mittelbar-folgenbezogener Betroffenheit auch W. Erbguth, Private Belange in der raumordnerischen Abwägung, NVwZ 2017, 683 ff. 51 EuGH, Rs. C-115/09 (BUND/Bezirksregierung Arnsberg), Slg. 2011, I-3673 Rn. 42 ff.

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zu gewähren (Art. 11 Abs. 3 S. 1 UVP-RL) – Klagerechte einzuräumen.52 Bei der Umsetzung haben dann die Mitgliedstaaten gewiss einen Spielraum, den Radius der Betroffenheit (Art. 1 Abs. 2 lit. e S. 1 UVP-RL) zu definieren. Die Bestimmung des Kreises Betroffener ist aber das allgemeine Kernproblem des Rechtsschutzes gegen Vorentscheidungen.53 In der Regel wird jedenfalls auch Art. 11 Abs. 1 UVP-RL für Individualkläger keinen weitergehenden Rechtsschutz fordern als den qualifiziert Betroffener, deren Möglichkeit von Nachbarklagen schon bislang nach der faktischen Auswirkung eines Vorhabens umgrenzt wurde.54 Im Ergebnis wird dann aber durch die § 19 Abs. 2 S. 5 StandAG (anders wiederum bei § 17 Abs. 3 StandAG) gemessen an Art. 11 UVP-RL lediglich eine problematische Lücke im UmwRG geschlossen, nämlich die bislang fehlende systematische Einbeziehung der betroffenen Öffentlichkeit in den Rechtsschutz gegen UVP-pflichtige Vorhaben. Da Einwohnerinnen und Einwohner nach der Verweisung wie anerkannte Vereinigungen behandelt werden, gelten die Regeln für eine altruistische Verbandsklage, die auch Betroffene günstiger stellen als Individualkläger (vgl. vor allem §§ 2 Abs. 4, 4 Abs. 3 UmwRG). d) Rechtsstatus der Länder? Nicht erfasst sind die Länder, die allenfalls die gesetzliche Standortentscheidung durch abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) oder ergänzend Mitwirkungsakte der Exekutive, namentlich bei behaupteten Verletzungen der Bundestreue, im verfassungsgerichtlichen Bund-Länder-Streit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG) angreifen können. Das Abwägungsgebot des § 19 Abs. 1 Satz 2 StandAG55 dient nicht nur öffentlichen Interessen der Entsorgungssicherheit, sondern auch – im Sinne eines die Bundestreue ausformenden Rücksichtnahmegebots – abgrenzbaren spezifischen Länderinteressen; es vermittelt daher richtigerweise als Konsequenz eines abwägungsbasierten gesetzlichen Gerechtigkeitskonzepts56 den Ländern auch klagbare Rechte (§ 42 Abs. 2 VwGO). Da der Anspruch auf eine gerechte Abwägung nicht auf die Abwehr eines unzulässigen Endlagers nach § 9b Abs. 1a AtG beschränkt ist, sondern mit Blick auf die qualifizierten und kontradiktorischen Länderinteressen ein Recht 52 Vgl. K. F. Gärditz, Klagerechte der Umweltöffentlichkeit im Umweltrechtsbehelfsgesetz, EurUP 2010, 210 (218 f.). 53 W. Erbguth, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 2002, 221 (246). 54 Z. B. BVerwG, NVwZ 1991, 566 f.; OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ 2005, 1208; eingehend W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 2017, Rn. 518 ff.; A. Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, 2000, Rn. 55 ff. 55 Vgl. hierzu ergänzend die §§ 22 – 26 StandAG. 56 Vgl. M. Schulte/K. Michalk, Umwelt und Gerechtigkeit aus rechtswissenschaftlicher Sicht, in: Ott/Smeddinck (Hrsg.), Umwelt, Gerechtigkeit, Freiwilligkeit – insbesondere bei der Realisierung eines Endlagers, 2018, S. 21 (34 f.).

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auf eine positive Endlagerentscheidung nach Maßgabe einer föderal fairen Lastenverteilung vermittelt, handelt es sich für die Länder – anders als für Individualkläger – auch nicht um eine bloße prozedurale Zwischenentscheidung (§ 44a VwGO), sondern um eine materiale Allokationsgrundentscheidung. Eine Anfechtung der Feststellung des BfE durch das standortbetroffene Land kommt insoweit in Betracht. Zuständig für diesen verwaltungsrechtlichen Bund-Länder-Streit wäre das BVerwG nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Zwar erfordert diese Ausnahmebestimmung eine geltend gemachte Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten mit spezifisch föderativem Einschlag;57 die unzureichende Berücksichtigung abwägungsrelevanter Länderinteressen ist hierfür nicht ausreichend.58 Vorliegend geht es jedoch nicht um eine gewöhnliche planerische Abwägung, sondern um Kernfragen der intraföderalen Solidarität und Gerechtigkeit im Umgang mit „Ewigkeitslasten“ der atomaren Entsorgung, was unmittelbar die Bund-Länder-Beziehungen im bundesstaatlichen Gesamtgefüge tangiert. 2. Rechtsschutz gegen Genehmigungen nach § 9b Abs. 1a AtG Über die Annahme des Standortvorschlags wird nach § 20 Abs. 2 StandAG durch Bundesgesetz entschieden. Die Standortentscheidung ist dann nach § 20 Abs. 3 S. 1 StandAG für das anschließende Genehmigungsverfahren nach § 9b Abs. 1a AtG betreffend die Errichtung, den Betrieb und die Stilllegung des Endlagers verbindlich. Auf der Grundlage dieser Entscheidung ist – einem Vorschlag der Endlager-Kommission folgend59 – nach § 20 Abs. 3 S. 2 StandAG die Eignung des Vorhabens im Genehmigungsverfahren vollumfänglich zu prüfen. Rechtsschutz gegen die Genehmigungsentscheidung richtet sich dann wieder nach den allgemeinen Bestimmungen der VwGO und des UmwRG,60 dessen Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG hier eröffnet ist. Die vorhabenbezogenen Anforderungen nach § 9b Abs. 1a AtG an die Genehmigung sind hierbei gerichtlich nach allgemeinen Grundsätzen – ggf. unter Anerkennung behördlicher Beurteilungsspielräume61 – überprüfbar.62

57 Vgl. BVerwGE 102, 119 (122); 107, 275 (278); K. F. Gärditz, in: ders., VwGO, 2018, § 50 Rn. 8 f. 58 BVerwG, NVwZ 2004, 484 (485); A. Eding, Bundesfachplanung und Landesplanung, 2016, S. 302; K. F. Gärditz, in: ders., VwGO, 2018, § 50 Rn. 10. 59 Vgl. Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 380. 60 Vgl. Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 379. 61 Vgl. entsprechend BVerfGK 16, 370 (386 ff.); BVerwG, ZUR 2015, 287. S. menschenrechtlich (Art. 8 EMRK) auch EGMR, Nr. 28711/10 („Traube gegen Bundesrepublik Deutschland“), EuGRZ 2015, 467 ff. 62 Erstinstanzliche Zuständigkeit des OVG nach § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 2 VwGO.

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In diesem Rahmen ist die gesetzliche Standortentscheidung zugleich relevanter Maßstab der Genehmigung nach § 9b Abs. 1a AtG, sodass ggf. eine Inzidentkontrolle der gesetzlichen Festlegung nach § 20 Abs. 2 StandAG im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens erfolgen kann.63 Auch wenn die standortauswahlbezogenen Erwägungen nach § 20 Abs. 3 StandAG nicht mehr Gegenstand der Genehmigungsentscheidung sind,64 ließe sich immer noch geltend machen, dass das Gesetz, mit dem der konkrete Standort festgelegt wurde, verfassungswidrig ist und daher die Bindungswirkung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 StandAG nicht auslöst sowie der akzessorische Tatbestand des erleichterten Genehmigungsverfahrens nach § 9b Abs. 1a AtG nicht erfüllt ist. Sollte das zuständige OVG oder das BVerwG zur Überzeugung gelangen, dass die Auswahlentscheidung verfassungswidrig ist, müsste es das Verfahren aussetzen und das Gesetz, das den Endlagerstandort festlegt, nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorlegen.65 3. Verwaltungsrechtsschutz gegen die gesetzliche Standortauswahl? Die parlamentsgesetzliche Standortentscheidungen als solche ist hingegen vor Verwaltungsgerichten nicht unmittelbar angreifbar (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UmwRG).66 Einer prinzipalen verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle parlamentarischer Gesetze am Maßstab des Grundgesetzes steht richtigerweise bereits Art. 100 Abs. 1 GG entgegen; der Streitgegenstand wäre anderenfalls vollständig identisch mit einem Entscheidungsgegenstand, der durch das Verwerfungsmonopol des BVerfG den Verwaltungsgerichten entzogen ist. Die Option, auf Feststellung zu klagen, dass sich aus dem maßgeblichen Gesetz keine Rechtspflichten ergeben, um indirekt eine Normenkontrolle zu erreichen,67 ist schon deshalb verschlossen, weil die schlichte legislative Standortauswahl kein feststellungsfähiges Außenrechtsverhältnis erzeugt. Einer – bei plan- oder einzelaktsvertretenden Gesetzen grundsätzlich nicht auszuschließenden – Kontrolle des formellen Gesetzes am Maßstab des Unionsrechts, dessen Anwendung kraft Vorranges von Amts wegen keine nationalen Verwerfungsmonopole entgegengehalten werden können,68 steht insoweit § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UmwRG entgegen. 63

Ungenau daher J. Hofmann, in: Smeddinck, StandAG, 2017, § 20 Rn. 46. B. Keienburg, NVwZ 2014, 1133 (1138); M. Kment (o. Fn. 28), S. 306; U. Wollenteit, Standortplanung für ein atomares Endlager ohne Klagerechte?, ZNER 2013, 132 (134). 65 K. F. Gärditz, ZfU 2015, 343 (361). Angedeutet auch im Abschlussbericht (o. Fn. 6), S. 379. 66 S. Schlacke, in: Gärditz, VwGO, 2018, § 1 UmwRG Rn. 46. 67 BVerfG-K, NVwZ 2004, 977 (979); C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 2015, Rn. 219 f.; für Rechtsverordnungen BVerfGE 115, 81 (91 ff.). 68 EuGH, Rs. C-555/07 (Kücükdeveci), Slg. 2010, I-365 Rn. 52 ff.; Rs. C-188 und 189/10 (Aziz Melki und Sélim Abdeli), Slg. 2010, I-5667 Rn. 53 f.; H. D. Jarass/S. Beljin, Die Bedeutung von Vorrang und Durchführung des EG-Rechts für die nationale Rechtsetzung und Rechtsanwendung, NVwZ 2004, 1 (4); K. F. Gärditz, Verhältnis des Unionsrechts zum Recht 64

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III. Verfassungsrechtsschutz Unabhängig von dem einfachgesetzlich eröffneten Verwaltungsrechtsschutz stellt sich daher die Frage, ob verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann, um die Standortentscheidung anzugreifen. 1. Zulässigkeit Eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz, mit dem der Standort festgelegt wird, scheitert zwar nicht an der Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG), weil es gegen das Gesetz selbst keinen Rechtsweg gibt.69 Gleichwohl wäre eine solche Verfassungsbeschwerde unzulässig. Richtigerweise ist schon niemand i. S. von § 90 Abs. 1 BVerfGG durch die bloße Standortentscheidung unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen, weil es zur Aktualisierung der möglichen Belastungen durch ein Endlager noch der atomrechtlichen Vorhabengenehmigung bedarf. Insoweit ist es möglich, die von der Standortauswahl ausgehende Beschwer im Rechtsschutz gegen die endgültige Zulassungsentscheidung nach § 9b Abs. 1a AtG wirksam abzuwehren. Folglich wäre eine Verfassungsbeschwerde zudem aufgrund ihrer Subsidiarität unzulässig.70 Von dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung könnte das BVerfG allenfalls wegen der kaum zu bestreitenden allgemeinen Bedeutung der Standortauswahl nach § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG im gerichtlichen Ermessen71 absehen, was aber angesichts der Abhängigkeit der Auswahlentscheidung von einer naturwissenschaftlich-technischen Sachverhaltsaufklärung schlicht nicht praktikabel ist. Im Übrigen verbleibt nur der Weg, entweder eine Entscheidung des BVerwG, mit der eine Klage gegen einen feststellenden Verwaltungsakt des BfE im Rahmen der §§ 17 Abs. 3, 19 Abs. 2 StandAG abgewiesen wurde, oder eine letztinstanzliche Entscheidung im Rechtsschutz gegen die Genehmigung nach § 9b Abs. 1a AtG mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen. Eine inzidente Grundrechtskontrolle der vorgreiflichen Planungsstufen kann im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gegen die Feststellung nach § 19 Abs. 2 StandAG bzw. die Genehmigung nach § 9b Abs. 1a AtG freilich nicht mehr stattfinden; soweit von diesen eine eigenständige Beschwer ausgehen sollte, müssten diese im Rahmen der §§ 17 Abs. 3 S. 3, 19 Abs. 2 S. 5 StandAG angefochten werden (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG).

der Mitgliedstaaten, in: Rengeling/Middeke/Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2014, § 35 Rn. 11. 69 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 2012, Rn. 252 ff. Im vorliegenden Kontext M. Kment (o. Fn. 28), S. 308. 70 Abweichend F. Semper, in: Smeddinck, StandAG, 2017, Vor §§ 13 – 18 Rn. 32. 71 V. Hellmann, in: Barczak, BVerfGG, 2018, § 90 Rn. 399; A. Henke, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 90 Rn. 194 ff.

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2. Begründetheit Praktisch kommen als verfassungsrechtliche Maßstäbe für eine Überprüfung der gesetzlichen Auswahlentscheidung im Wesentlichen nur das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und (im Rahmen betroffener Grundrechte etwa aus Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 GG72) das Verhältnismäßigkeitsgebot in Betracht. a) Willkürkontrolle? Eine willkürliche Auswahl ist – selbst wenn man gegenstandbezogen mit dem Jubilar dem Gesetzgeber auch verfassungsrechtliche Begründungspflichten auferlegen wollte73 – angesichts des gestuften, langjährigen und institutionell balancierten Auswahlverfahrens kaum vorstellbar. Letztlich trifft der Gesetzgeber nur eine Standortentscheidung, die vom BfE umfassend vorbereitet wurde. Zwar kann der Deutsche Bundestag mit dem StandAG nicht künftige Gesetzgeber binden. Vielmehr könnte der Bundestag durch ein jüngeres Gesetz die Regeln für die Standortauswahl jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft ändern oder – unter Derogation des § 20 StandAG – eine andere Standortauswahlentscheidung treffen, die nicht durch das Auswahlverfahren vorgezeichnet ist (lex posterior derogat legi priori). Eine solche Entscheidung müsste dann in der Tat einer Willkürkontrolle standhalten, weil eine Abweichung von den Ergebnissen des aufwändigen und komplexen Standortauswahlverfahrens jedenfalls sachwidrige Gründe nicht fernliegend erscheinen ließe. Freilich wird die Abweichungsmöglichkeit des Gesetzgebers unionsrechtlich weitgehend durch Art. 11 Abs. 1 UVP-RL beschränkt. Unionsrechtlich gebotener effektiver Rechtsschutz ist nämlich nur möglich, wenn der Bundestag den Vorschlag des BfE unverändert übernimmt.74 Auch mögliche Fehler im Rahmen des Auswahlverfahrens bei der Anwendung des Umweltrechts müssen nach Art. 11 Abs. 1 UVPRL einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein. Eine gerichtliche Kontrolle des Umweltrechts ist aufgrund des begrenzten Kontrollmaßstabs des BVerfG nur im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen feststellenden Bescheid des BfE möglich. Eine Klage hiergegen bleibt aber von vornherein fruchtlos, wenn der Gesetzgeber seine Standortauswahl nicht mehr auf den zuvor „festgestellten“ Vorschlag der Behörde stützt. Weicht der Gesetzgeber daher von dem Vorschlag des BfE inhaltlich ab, gehen letztlich sämtliche Ergebnisse der vorangegangenen Umweltprüfungen (sprich: die SUP, die für den Kognitionshorizont des Gesetzgebers letztlich unver-

72 Insbesondere zur enteignungsrechtlichen Vorwirkung H. Posser, Zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland, in: FS Klaus Peter Dolde, 2014, S. 251 (274 ff.); F. Semper, in: Smeddinck, StandAG, 2017, § 19 Rn. 21. 73 W. Erbguth, Und der Gesetzgeber schuldet wirklich nichts als das Gesetz?, JZ 2008, 1038 ff. 74 E. Rehbinder, EurUP 2018, 61 (64).

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zichtbare75 UVP nach § 18 Abs. 1 S. 2 StandAG, ggf. auch eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nach §§ 36 S. 1 Nr. 2, 34 Abs. 1 BNatSchG) „verloren“. b) Unverhältnismäßigkeit Eine unverhältnismäßige planerische Standortauswahl ist ebenfalls sehr unwahrscheinlich. Erachtet man das planerische Abwägungsgebot mit dem Jubilar76 als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG),77 wäre hieran zwar auch der Gesetzgeber gebunden.78 Zum einen ist aber die verfassungsrechtliche Determination des legislativen Abwägungsgebots geringer, weil die meisten Abwägungsbelange, die eine Planungsbehörde berücksichtigen müsste, erst durch den Gesetzgeber generiert werden, hingegen auf Verfassungsebene noch nicht in einer operablen Konkretisierung vorliegen. Zum anderen müsste bereits die Standortauswahl als solche Grundrechte unverhältnismäßig beschränken, was aber praktisch kaum denkbar ist, müsste doch hierfür eine Errichtung an dem jeweiligen Standort von vornherein und unabhängig von den im Rahmen der Zulassung nach § 9b Abs. 1a AtG zu berücksichtigen Vorsorgeanforderungen, die grundsätzlich auch nachbarschützend sind, unzumutbare Freiheitseinbußen nach sich ziehen. c) Tatsachenkontrolle Zusätzlichen praktischen Problemen sieht sich eine wirksame Kontrolle der Standortauswahl zudem insoweit ausgesetzt, als die Auswahlentscheidung letztlich im Kern auf einer vorrationalisierten Wertentscheidung des Gesetzgebers gründet, deren Rationalitätskriterien verfassungsrechtlich nur äußerst schwach determiniert werden. Aussichten verspräche ein Angriff auf die Auswahl allenfalls dann, wenn die zugrunde gelegten Tatsachen fehlerhaft sind. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert zwar eine wirksame Tatsachenkontrolle.79 Diese erfasst aber richtigerweise nur 75

Vgl. EuGH, Rs. C-182/10 (Solvay), ZUR 2012, 489 Rn. 37. W. Erbguth, Abwägung als Wesensmerkmal rechtsstaatlicher Planung – die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips, UPR 2010, 281 ff. 77 BVerwGE 41, 67 (68); 48, 56 (63); 64, 33 (35); M. Bertrams, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Planung, in: FS Werner Hoppe, 2000, S. 975 (992); H. Blumenberg, Neuere Entwicklungen zu Struktur und Inhalt des Abwägungsgebots im Bauplanungsrecht, DVBl. 1989, 86 (87); W. Durner, Konflikte räumlicher Planungen, 2005, S. 301 ff.; H. Papier, Eigentum in der Planung, in: FS Werner Hoppe, 2000, S. 213 (220); E. Schmidt-Aßmann, Rechtsstaatliche Anforderungen an Regionalpläne, DÖV 1981, 237 (240); B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2015, Rn. 1443; F. Weyreuther, Die Bedeutung des Eigentums als abwägungsrechtlicher Belang bei der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz, DÖV 1977, 419; zurückhaltend, im Ergebnis aber bejahend K. F. Gärditz, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 2018, Art. 20 Abs. 3 Rn. 197 f. 78 So in der Tat M. Kment (o. Fn. 28), S. 309. 79 BVerfGE 129, 1 (20); BVerfGK 9, 390 (395 f.); 9, 460 (463 ff.); BVerfG-K, NStZ 1999, 428 (429); P. Huber, in: ders./Voßkuhle, GG, 2018, Art. 19 Rn. 508, 512; H. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VIII, 2010, 76

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die Falltatsachen, die für die Anwendung einer Norm auf einen konkreten Sachverhalt relevant sind. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet aber grundsätzlich nicht die Kontrolle von abstrakten Legislativtatsachen80, die der Gesetzgeber der anzuwendenden Norm im Rahmen einer Einschätzungsprärogative der Legislative vertretbar zugrunde gelegt hat. Sofern tatsächlich angreifbare Tatsachenannahmen des Gesetzgebers die Verfassungskonformität der relevanten Norm in Frage stellen, bemisst sich dies an den materiell-grundrechtlichen sowie objektiv-verfassungsrechtlichen Grenzen der Gesetzgebung, an die das BVerfG aus Gründen der funktionalen Gewaltengliederung zurückhaltende Kontrollmaßstäbe anlegt,81 aber nicht an der Rechtsschutzgarantie. IV. Rechtsschutz des Vorhabenträgers Bislang – soweit ersichtlich – nicht diskutiert wurde der Rechtsschutz des Vorhabenträgers. Die BGE ist als Gesellschaft des Privatrechts Beteiligter des Standortauswahlverfahrens und kann etwaige subjektive Rechte einklagen. Unproblematisch ist hierbei, dass die BGE sich mit einer Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage) gegen eine Ablehnung der Genehmigung nach § 9b Abs. 1a AtG wehren kann. Richtigerweise vermittelt § 9b Abs. 1a AtG – schon mit Blick auf das entsprechend geltende strikte Prüfprogramm des § 9b Abs. 4 AtG – einen gebundenen Genehmigungsanspruch für ein Endlager an dem gesetzlich ausgewählten Standort.82 Undeutlich geblieben ist allerdings, ob bereits das vorbereitende Auswahlverfahren dem Vorhabenträger einklagbare (§ 42 Abs. 2 VwGO) subjektive Rechte vermittelt. Ein Anspruch auf eine bestimmte gesetzliche Standortauswahl besteht schon deshalb nicht, weil die abstrakt-generelle Gesetzgebung, auch wenn das Parlament als Planungsgesetzgeber tätig wird, allein Interessen der Allgemeinheit dient; im Übrigen können die offenen Gewichtungskriterien nach den §§ 22 ff. StandAG ohnehin nicht zu einer Verdichtung auf einen rechtlich zwingenden Standort führen. Bloße Vorschläge des BfE an das zuständige Bundesministerium oder der Bundesregierung an den Bundestag sind – aus der Perspektive einer Beteiligten im Verwaltungsverfahren – zudem lediglich vorbereitende Verfahrenshandlungen, die richtigerweise schon keine Außenwirkung entfalten, jedenfalls nach § 44a VwGO nicht selbstständig angegriffen werden können.

§ 177 Rn. 68, 90; F. Schoch, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2013, § 50 Rn. 242; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, 2013, Art. 19 IV Rn. 116. 80 Zu diesen BVerfGE 77, 360 (362); BSG, NZS 2005, 557 (559); O. Lepsius, Sozialwissenschaften im Verfassungsrecht – Amerika als Vorbild?, JZ 2005, 1. 81 Hierzu K. F. Gärditz, Gerichtliche Feststellung genereller Tatsachen (legislative facts) im Öffentlichen Recht, in: FS Ingeborg Puppe, 2011, S. 1557 ff. 82 So schon zur Planfeststellung BVerwG, NVwZ 2007, 833 Rn. 27; NVwZ 2007, 841 Rn. 21.

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Möglicherweise könnte die BGE aber feststellende Verwaltungsakte des BfE im Rahmen der §§ 17 Abs. 3, 19 Abs. 2 StandAG anfechten. Immerhin können verbindliche Feststellungen dazu führen, dass ein vom Vorhabenträger präferierter Standort endgültig aus der Entscheidungsfindung ausscheidet. Bei der Bewertung, ob das BfE bei seinen Empfehlungen auch im individuellen Interesse des Vorhabenträgers handelt, ist zu berücksichtigen, dass zuvörderst der Vorhabenträger den jeweiligen Standortvorschlag ausarbeitet und die erforderlichen Prüfungen vornimmt (§§ 16 Abs. 3 – 4, 18 Abs. 2 – 3 StandAG). Das BfE prüft den Vorschlag und hat diesem im Abweichungsfall Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 17 Abs. 1 StandAG). § 19 Abs. 1 S. 2 StandAG verlangt vom BfE eine „unter Abwägung sämtlicher privater und öffentlicher Belange“; das sind auch die Belange des Vorhabenträgers. Das Gesetz räumt dem Vorhabenträger also eine eigenständige Verfahrensposition gerade auch deshalb ein, um eine interessengerechte (kostengünstige, verantwortbare) Endlagerung zu gewährleisten. Dies spricht dafür, dass das Gesetz insoweit auch eine Berücksichtigung der (insbesondere ökonomischen) Interessen des Vorhabenträgers verlangt, der dann korrespondierend einen (gerichtlich durchsetzbaren) Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den jeweiligen Vorschlag erlangt. Dieser Anspruch kann verletzt sein, wenn das BfE fehlerhaft die Rechtskonformität des bisherigen Verfahrens feststellt. V. Probleme phasenspezifischen Rechtsschutzes gegen gestufte Entscheidungen Grundsätzlich kennt das geltende Recht keinen – nach der Terminologie des Jubilars83 – phasenspezifischen Rechtsschutz (vgl. § 44a S. 1 VwGO, § 1 Abs. 1 S. 3 UmwRG),84 obgleich es in Teilen des Fachrechts schon lange Tendenzen gibt, dieses Paradigma aufzuweichen.85 Bereits die – von Art. 19 Abs. 4 GG nicht zwingend verlangte86 – prinzipale Normenkontrolle nach § 47 VwGO ist eine gesetzliche Entscheidung für einen punktuell vorgelagerten Rechtsschutz. Gemessen hieran markieren die §§ 17 Abs. 2 S. 3, 19 Abs. 2 S. 5 StandAG also keinen grundsätzlichen Bruch mit dem bisherigen Rechtsschutzsystem; gleichwohl sind diese Fachregelungen in ihrer engen Verzahnung mit dem komplexen Verfahrensrecht des StandAG experimentelle Ausnahmen, die sich erst noch bewähren müssen. Nach Jahren des Rechts-

83

W. Erbguth, ZUR 2017, 449 f. S. Schlacke, in: Gärditz, VwGO, 2018, § 1 UmwRG Rn. 66. 85 S. B. Dammert/G. Brückner, Phasenspezifischer Rechtsschutz: Ansätze am Beispiel des Bergrechts, ZUR 2017, 469 ff.; M. Uechtritz, Phasenspezifischer oder konzentrierter Rechtsschutz: Das Beispiel Raumordnungs- und Baurecht, ZUR 2017, 479 ff. 86 Heute weitgehend unbestritten, etwa BVerfGE 31, 364 (368); W.-R. Schenke, in: Kopp/ ders., VwGO, 23. Aufl. 2017, § 47 Rn. 8. Anders noch R. Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 1976, 145 (191 ff.). 84

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schutzabbaus im Infrastrukturrecht87 hat das Unionsrecht eine Trendwende zum Ausbau der Kontrolle erzwungen. Im Kern sind die Besonderheiten des StandAG allerdings weniger einer allgemeinen „Rechtsschutzphilosophie“ als vielmehr schlicht den in das Standortauswahlverfahren integrierten – inhärent rechtsschutzhindernden – Legislativfeststellungen geschuldet. Phasenspezifisch differenzierter Rechtsschutz ist nicht zwingend auch der effektivere Rechtsschutz.88 Effektivitätsfragen lassen sich nicht allgemein, sondern nur anhand der spezifischen Strukturen des jeweiligen Fachrechts beantworten,89 auf das bezogen die Kontrollstrukturen auszubalancieren sind. Effektiver phasenweiser Rechtsschutz kann aber – als Spiegelbild der Institutionenabhängigkeit von Öffentlichkeit90 und insoweit unabhängig von seiner Effektivität – bei komplex gestuften Infrastrukturentscheidungen – wie der vorliegenden – das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger91 in die Rechtmäßigkeit der Problemabschichtung stärken.92 Das StandAG kennt letztlich – wie dargelegt – drei Schnittstellen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle: die beiden Feststellungsentscheidungen des BfE sowie die Vorhabengenehmigung. Jedenfalls noch mehr Rechtsschutz wäre offensichtlich dysfunktional, ist doch auf jeder Stufe angesichts der Entscheidungskomplexität mit aufwändigen sowie langwierigen Verwaltungsprozessen zu rechnen. Man kann freilich auch nicht plausibel eine planerische Langzeitentscheidung anstreben, deren Planungsphase bei einem 2013 verabschiedeten Gesetz bis 2031 reicht (§ 1 Abs. 5 S. 2 StandAG) und die Standortsicherheit für eine Millionen Jahre gewährleisten soll (§ 1 Abs. 2 S. 2 StandAG), zugleich aber den Rechtsschutz aus Gründen der Beschleunigung verkürzen.93 Das eigentliche Strukturproblem des Rechtsschutzmodells des StandAG besteht nicht (mehr) in einem defizitären Rechtsschutz, sondern ist dem Rechtsschutz vorgelagert: Die parlamentsgesetzliche Absicherung von Zwischenentscheidungen soll das Legitimationsniveau der Standortauswahl anreichern. Die Eignung hierfür ist aber fraglich. Man muss nicht in einen Gesetzesbegriff des Konstitutionalismus zurückfallen, um zu erkennen, dass einzelfallbezogene Infrastrukturplanungen die epistemische Leistungsfähigkeit eines parlamentarischen Gesetzgebungsverfah87 W. Erbguth, Zum Gehalt und zur verfassungs- wie europarechtlichen Vereinbarkeit der verwaltungsprozessual ausgerichteten Beschleunigungsgesetzgebung, UPR 2000, 81 ff.; ders., Abbau des Verwaltungsrechtsschutzes, DÖV 2009, 921 ff. 88 P. Franke/M. A. Wabnitz, Konzentrierter Rechtsschutz: Das Spannungsfeld zwischen Beschleunigung, Transparenz und Rechtssicherheit am Beispiel des NABEG, ZUR 2017, 463 (467 f.). 89 Vgl. schon R. Wahl, VVDStRL 1983, 151 (173 f.). 90 V. Gerhardt, Öffentlichkeit – Die politische Form des Bewusstseins, 2012, S. 507 f. 91 Vgl. auch W. Erbguth, Infrastrukturgroßprojekte: Akzeptanz durch Verfahren und Raumordnung, DÖV 2012, 821 ff. 92 BT-Drs. 18/11398, S. 63; S. Schlacke, ZUR 2017, 456 (461). 93 Vgl. U. Smeddinck, Elemente des Standortauswahlgesetzes zur Entsorgung radioaktiver Abfälle – Vorgeschichte, Zuschnitt und Regelungskomplexe, DVBl. 2014, 408 (414).

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rens94 überfordern. Das StandAG will die Standortauswahl gerade graduell entpolitisieren und verfachlichen. Man mag dieses technokratische Modell kritisieren, weil es die eigentlichen politischen Konflikte hinter Fachfragen invisibilisiert. Ungeachtet dessen sind die im Wege der Gesamtabwägung zu lösenden95 relevanten Konflikte, die das gesetzliche Regelungsmodell auslöst, im Kern ingenieurs- und naturwissenschaftlicher Provenienz, hochkomplex und an technische Details der Entsorgung gebunden; es geht mithin um sachtypische Expertise, die in der Hand der Exekutive sinnvoll verortet ist.96 Wesentliche zusätzliche Beiträge zur Konfliktbewältigung kann der Deutsche Bundestag mit den Erkenntnis- und Entscheidungsfunktionen eines Parlaments hier nicht leisten.

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O. Lepsius, Die erkenntnistheoretische Notwendigkeit des Parlamentarismus, in: Bertschi u. a. (Hrsg.), Demokratie und Freiheit, 1999, S. 123 ff. 95 Vgl. BVerfG-K, NVwZ 2017, 399 Rn. 34. 96 Vgl. K. F. Gärditz, Wissenschaftlicher Dissens als Rechtsproblem, DÖV 2017, 41 (51 f.).

Feigenblatt oder Wachhund mit Konfliktradar? – Das Nationale Begleitgremium nach § 8 Standortauswahlgesetz Von Ulrich Smeddinck I. Einleitung „Deutschland sucht das Super-Endlager“ – so lautet der Titel eines Artikels über das Standortauswahlverfahren für die dauerhafte Verwahrung des hochradioaktiven Abfalls.1 Die Suche wird angeleitet durch das noch neue, aber schon mehrfach novellierte Standortauswahlgesetz (StandAG) von 2013.2 Es wird als Beleg für den Neustart, für ein verändertes staatliches Herangehen auf dem Weg zur Realisierung dieses Infrastrukturprojekts charakterisiert.3 Besonders markant ist das Nationale Begleitgremium (NBG) nach § 8 StandAG,4 das als gänzlich neuer Akteur kreiert und in das herkömmliche (administrative) Kräfteparallelogramm – die EndlagerGovernance – hineinimplementiert wurde. Wie so oft, wenn ein neuer Player auftritt, mit dem es noch keine oder kaum gemeinsame Erfahrungen gibt, überschlagen sich die Zuschreibungen: Erste Kennzeichnungen des NBG reichen von der Ablehnung als systemfremder Wächterrat nach iranischem Vorbild5 bis zur Verdammung als Feigenblatt im Kontext der „Pseudo-Einbeziehung“ von Bürgerinnen und Bürgern.6 Bereits 2016 wurde sein Nutzen prognostisch in Frage gestellt, ehe die Arbeit des NBG überhaupt begonnen hatte.7

1

A. Dolle, Braunschweiger Zeitung v. 17. 04. 2018, S. 3. Vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1074), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808); Paragrafen im Text ohne Gesetzeskürzel sind solche des StandAG. Vgl. U. Smeddinck, Die Fortentwicklung des StandAG, EurUP 2017, 195 ff. 3 Generalverriss bei V. Haug/M. Zeccola, Neue Wege des Partizipationsrechts, ZUR 2018, 75 (83 f.). 4 Vgl. U. Smeddinck, in: ders. (Hrsg.), StandAG-Kommentar, 2017, § 8. 5 H. Bull, Vorsicht vor Wächtern, Süddeutsche Zeitung v. 19. 04. 2016, http://www.sueddeut sche.de/politik/aussenansicht-vorsicht-vor-waechtern-1.2956090 [10. 5. 2018]; kritisch auch K. F. Gärditz, Die Entwicklung des Umweltrechts im Jahr 2015, ZfU 2016, 343 (356); J. Kersten, Eine Million Jahre?, in: ders. (Hrsg.), Inwastement – Abfall in Umwelt und Gesellschaft, 2016, S. 269, 280. 6 So J. Stay, zitiert nach A. Dolle, Braunschweiger Zeitung v. 17. 04. 2018, S. 3. 7 U. Feldmann, Die gemeinwohlorientierte Begleitung auf dem langen Weg zur Standortauswahl, atw 2016, 589. 2

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Wieder andere ordnen Einrichtungen wie das NBG als Ausdruck zeitgemäßer Formen von Governance ein.8 Der Beitrag nutzt die Gelegenheit, kursorisch die Aufgaben des NBG zu erläutern und einzuordnen, einige konkretere Frage zu vertiefen sowie Entwicklungsperspektiven für die Zukunft anzusprechen. II. Das NBG im Regelungsgeflecht des StandAG Das NBG ist einerseits einer der neuen Akteure, die das StandAG 2013 und 2016 kreiert hat. Andererseits ist es in den Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung mitgeregelt. 1. Neue Akteure? Die Endlager-Governance im StandAG wird ganz wesentlich von drei Akteuren geprägt: dem Vorhabenträger (§ 3), dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) (§ 4) und dem NBG (§ 8). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 ist der Vorhabenträger der Dritte nach § 9a Abs. 3 S. 2 2. Hs. Atomgesetz9. Danach hat der Bund die Wahrnehmung seiner Aufgaben einem Dritten zu übertragen, der in privater Rechtsform zu organisieren und dessen alleiniger Gesellschafter der Bund ist. In der Umsetzung wurde die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) gegründet, in der andere Organisationen und Organisationseinheiten (Bundesamt für Strahlenschutz [BfS], Asse-GmbH, Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH [DBE]) aufgegangen sind.10 Der Vorhabenträger hat nach § 3 Abs. 1 S. 1 die Aufgabe, das Standortauswahlverfahren durchzuführen, insbesondere: Teilgebiete nach § 13 zu ermitteln, Vorschläge für die Auswahl der Standortregionen und der zu erkundenden Standorte nach § 14 Abs. 2 und § 16 Abs. 3 zu erarbeiten, Erkundungsprogramme nach § 14 Abs. 1 und § 16 Abs. 2 sowie Prüfkriterien nach § 16 Abs. 2 zu erarbeiten, die übertägige und untertägige Erkundung nach den §§ 16 und 18 durchzuführen, die jeweiligen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen nach § 14 Abs. 1, § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 1 und § 26 zu erstellen, dem BfE den Standort für ein Endlager nach § 18 Abs. 3 vorzuschlagen. Dem BfE obliegen gem. § 4 Abs. 1 im Standortauswahlverfahren insbesondere die Aufgaben: Erkundungsprogramme nach § 15 Abs. 4 und § 17 Abs. 4 sowie Prüf8

M. Haus, Transformation des Regierens und Herausforderungen der Institutionenpolitik, 2010, S. 120. 9 Vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808). 10 Vgl. https://www.bge.de/de/bge/ [10. 5. 2018].

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kriterien nach § 17 Abs. 4 festzulegen, die Vorschläge des Vorhabenträgers nach § 14 Abs. 2, § 16 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 zu prüfen und hierzu begründete Empfehlungen zu erarbeiten, den Vollzug des Standortauswahlverfahrens entsprechend § 19 Abs. 1 bis 4 des Atomgesetzes zu überwachen. Die Aufgabe des pluralistisch zusammengesetzten NBG soll an dieser Stelle nur knapp benannt werden: die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit dem Ziel, so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen (§ 8 Abs. 1 S. 1). 2. Die Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem StandAG Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist im StandAG11 im Wesentlichen im Teil 2 „Beteiligungsverfahren“ (§§ 5 - 11) geregelt. Allerdings finden sich schon zuvor wichtige weichenstellende Regelungen. Laut § 3 Abs. 2 informiert der Vorhabenträger die Öffentlichkeit über die im Rahmen des Standortauswahlverfahrens von ihm vorgenommenen Maßnahmen. Das BfE ist nach § 4 Abs. 2 Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren.12 Es informiert die Öffentlichkeit umfassend und systematisch über das Standortauswahlverfahren. Es veröffentlicht die Vorschläge jeweils unmittelbar nach Übermittlung durch den Vorhabenträger. Die Regelungen zum Beteiligungsverfahren starten mit einer ungewöhnlichen Ausprägung von Grundsätzen zur Öffentlichkeitsbeteiligung in § 5: Ziel der Öffentlichkeitsbeteiligung ist, eine Lösung zu finden, die in einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird und damit auch von den Betroffenen toleriert werden kann. Hierzu sind Bürgerinnen und Bürger als Mitgestalter des Verfahrens einzubeziehen (Abs. 1). Das BfE hat nach diesem Gesetz dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit frühzeitig und während der Dauer des Standortauswahlverfahrens umfassend und systematisch über die Ziele des Vorhabens, die Mittel und den Stand seiner Verwirklichung sowie seine voraussichtlichen Auswirkungen unterrichtet und über die vorgesehenen Beteiligungsformen beteiligt wird. Dies soll in einem dialogorientierten Prozess erfolgen. Hierzu soll es sich des Internets und anderer geeigneter Medien bedienen (Abs. 2). Das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit wird entsprechend fortentwickelt. Hierzu können sich die Beteiligten über die gesetzlich geregelten Mindestanforderungen hinaus weiterer Beteiligungsformen bedienen. Die Geeignetheit der Beteiligungsformen ist in angemessenen zeitlichen Abständen zu prüfen (Abs. 3).13 Zur umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit errichtet das BfE eine Internetplattform mit einem Informationsangebot. Darin werden fortlaufend die das Stand11 Eingehend U. Smeddinck, Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren, in: Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Bürgerpartizipation neu gedacht (i. E.). 12 Dazu eingehend unten unter IV. 13 Vertiefend: U. Smeddinck (o. Fn. 4), § 9 Rn. 62 ff.

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ortauswahlverfahren betreffenden wesentlichen Unterlagen14 des BfE und des Vorhabenträgers nach § 10 des Umweltinformationsgesetzes15 zur Verfügung gestellt (§ 6 S. 1). Klassische Ausprägungen der Öffentlichkeitsbeteiligung sind das Stellungnahmeverfahren und Erörterungstermine, die beide in § 7 geregelt sind: Das BfE gibt der Öffentlichkeit und den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch einen Vorschlag des Vorhabenträgers nach Absatz 2 berührt wird, nach Übermittlung des jeweiligen Vorschlags sowie im Fall einer Nachprüfung nach abgeschlossenem Nachprüfverfahren nach § 10 Abs. 5 Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorschlägen sowie den dazu jeweils vorliegenden Berichten und Unterlagen. Die Stellungnahmen sind innerhalb einer Frist von drei Monaten abzugeben. Die Stellungnahmen sind bei den weiteren Verfahrensschritten zu berücksichtigen. Das BfE und der Vorhabenträger werten die Stellungnahmen aus (Abs. 1). Nach Abschluss des jeweiligen Stellungnahmeverfahrens führt das BfE in den betroffenen Gebieten einen Erörterungstermin zu den Vorschlägen nach Absatz 2 sowie den dazu jeweils vorliegenden Berichten und Unterlagen auf Grundlage der ausgewerteten Stellungnahmen durch (Abs. 3). § 8 regelt das NBG. Im Weiteren werden drei neue Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung geregelt (§ 9: Fachkonferenz Teilgebiete, § 10: Regionalkonferenzen, § 11: Rat der Regionen), auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird.16 Seine eigentliche Bedeutung gewinnt das System der Öffentlichkeitsbeteiligung im StandAG als Ergänzung bzw. Kompensation zum (eingeschränkten) Rechtsschutz.17 Eckard Rehbinder kritisiert, dass konventionelle und neuartige, aber vorstrukturierte Elemente der Öffentlichkeitsbeteiligung kombiniert wurden, ohne deren mutmaßlich konfliktträchtiges Verhältnis zueinander en detail zu regeln.18 III. Aufgabe des NBG Aufgabe des pluralistisch zusammengesetzten NBG ist also die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit dem Ziel, so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu 14

Eingehend: U. Smeddinck, EurUP 2017, 199 f. Vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808). 16 Vgl. Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager-Kommission), Verantwortung für die Zukunft, Abschlussbericht, 2016, S. 42 ff.; V. Haug/M. Zeccola, ZUR 2018, 75 (80 ff.). 17 U. Smeddinck/F. Semper, Zur Kritik am Standortauswahlgesetz, in: Brunnengräber (Hrsg.), Problemfalle Endlager, 2016, S. 235 (243 ff.); vgl. auch K. Gärditz, Nachhaltigkeit durch Partizipation der Öffentlichkeit, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, 2016, S. 351 (355). 18 E. Rehbinder, Endlagerung hochradioaktiver Abfälle und Rechtsschutz, EurUP 2018, 61 (62). 15

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ermöglichen. Zentral ist die global zugewiesene Aufgabe, den Prozess der Standortauswahl zu begleiten. Der Weg ist langwierig und dürfte von vielen Unwägbarkeiten geprägt sein. Insofern ist von einem weiten Verständnis der Begleitung auszugehen. Daran ändert die konkretisierende Aufzählung nach § 8 S. 2 und 3 wenig, wonach sich das NBG unabhängig und wissenschaftlich mit sämtlichen Fragestellungen das Standortauswahlverfahren betreffend befassen, die zuständigen Institutionen jederzeit befragen und Stellungnahmen abgeben und dem Bundestag weitere Empfehlungen zum Standortauswahlverfahren geben kann. Satz 2 eröffnet – innerhalb der genannten Leitplanken – ein weit gefasstes Selbstbefassungsrecht, das nach Inhalten sowie Art und Weise des Herangehens einem weiten Ermessen unterliegt.19 So hat das NBG bereits verschiedene Veranstaltungen ausgerichtet und Gutachten in Auftrag gegeben und aktuell Empfehlungen an den Bundestag gerichtet20 : Zur Förderung der Transparenz sollten BGE und BfE alle Daten und Unterlagen, die für die Abfrage und Bewertung der Ausschlusskriterien existieren, veröffentlichen. Weiter wird die umgehende Verabschiedung eines Geowissenschaftsdatengesetzes angeregt, um so BGE und BfE zu ermöglichen, ihre gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen, Datensammlungen zu veröffentlichen. Dem BfE wurde auch empfohlen, Ergebnisse der Anwendung der Ausschlusskriterien mit Bürgerinnen und Bürgern in öffentlichen Dialogveranstaltungen zu diskutieren.21 Die Maßgabe, vermittelnd zu agieren, trägt dem Anspruch eines Neustartes in den Bemühungen um die Realisierung eines Endlagers22 Rechnung und reagiert auf die historische Erfahrung, dass in dem zunächst aufgeheizten und später eingefahrenen Konflikt um die friedliche Nutzung der Kernenergie in Deutschland23 und die Frage der dauerhaften Unterbringung des Atommülls der erste Versuch, ein Endlager zu bauen und zu nutzen, scheiterte. In der traditionellen Konstellation aus Behörde, Vorhabenträger und Kritikern kann und muss ein neutraler Dritter die Aufgabe übernehmen, vermittelnd zu wirken, und auf diese Weise Konflikte zu reduzieren oder zu vermeiden.24 Obwohl das NBG vom BMUB eingerichtet wurde, ist es weisungsunabhängig. Es unterliegt also nicht den (fachlichen) Weisungen des Ministeriums und es ist auch 19

U. Smeddinck (o. Fn. 4), § 8 Rn. 25 ff. Vgl. eingehend: NBG, Erster Bericht zum Auswahlverfahren für einen Endlagerstandort, http://www.nationales-begleitgremium.de/SharedDocs/Downloads/DE/1.Tätigkeitsbericht_ NBG.pdf;jsessionid=C8ECA232C86 A5 A5CA4F40D02F8F36B50.2_cid292?__blob=pu blicationFile&v=6 [17. 5. 2018]. 21 Vgl. http://www.nationales-begleitgremium.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/NBG_ Bericht_01.html?nn=8556040 [17. 5. 2018]. 22 U. Smeddinck/U. Roßegger, Partizipation bei der Entsorgung radioaktiver Reststoffe, NuR 2013, 548 f. 23 J. Roose, Der endlose Streit um die Atomenergie, in: Feindt/Saretzki (Hrsg.), Umweltund Technikkonflikte, 2010, S. 79 ff. 24 D. Häfner, Kontinuitäten?!, in: Brunnengräber (Hrsg.), Problemfalle Endlager, 2016, S. 170 (184 f.). 20

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nicht in die Behördenhierarchie eingebunden. Denn das würde gerade der Grundfunktion des Gremiums, Erweiterung der Sichtweisen und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Sichtweisen im pluralistischen gesellschaftlichen Diskurs zu ermöglichen, diametral widersprechen. Ohne diese Freiheit und Kompetenz wäre aber die Einrichtung des NBG widersinnig. Der Zweck des institutionellen Designs wäre so nicht erreichbar. Eine bloße Variante zur weisungsgebundenen, hierarchiegesteuerten Verwaltungsbehörde wäre nicht geeignet, um kontrastierende Sichtweisen zu formulieren.25 Die Arbeit des NBG zielt darauf, Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen (§ 8 Abs. 1 S. 2. Hs.). Damit erkennt der Gesetzgeber an, dass in der Vergangenheit durch die aufgeladenen und kontroversen Auseinandersetzungen um Kernenergie und Endlager durch Ausschreitungen und Exzesse auf staatlicher wie gesellschaftlicher Seite26 die vertiefte Aufarbeitung ein wünschenswertes Ziel ist, um als Gelingensbedingung die Realisierungschancen für ein Endlager zu verbessern. Misstrauische Regungen sind eher in einem Umfeld der Offenheit und Zugänglichkeit zu bezähmen.27 Das öffentliche Bekenntnis des ehemaligen Bundesumweltministers und jetzigen Co-Vorsitzenden des NBG, Klaus Toepfer, „Gorleben hat Vertrauen zerstört“28 ist ein erster Schritt. Der Verweis im Normtext auf das Ermöglichen reflektiert die Unterscheidung zwischen Akzeptanz und Akzeptabilität: Die fortgeschrittene Partizipationswissenschaft hat – anders als noch häufig in rechtswissenschaftlichen Zusammenhängen29 – Akzeptanz als Zielwert verworfen. Es wird ein Handeln präferiert, das an (auch ethischen) Standards ausgerichtet ist und darum auf Anerkennung hoffen darf, ohne Akzeptanz erzwingen zu wollen oder sich mit Resignation als Form der Akzeptanz zufrieden zu geben.30 Dieser demütigen Position folgt auch der Gesetzgeber im StandAG. Die Mitglieder erhalten nach § 8 Abs. 3 Einsicht in alle Akten und Unterlagen des Standortauswahlverfahrens des BfE, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie der geologischen Dienste. Auffällig ist, dass in dieser Relation die Einschränkungen etwa des Umweltinformationsgesetzes nach dessen §§ 8 und 9 (Ausnahmen für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Schutz von innerbe25

U. Smeddinck (o. Fn. 4), § 8 Rn. 24. A. Doering-Manteuffel, Fortschrittsglaube und sozialer Wandel, in: Doering-Manteuffel/ u. a. (Hrsg.), Der Brokdorf-Beschluss, 2015, S. 83 ff. 27 U. Frevert, Vertrauensfragen, München 2013, S. 16. 28 C. Link, Stuttgarter Nachrichten v. 10. 07. 2017, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/in halt.klaus-toepfer-im-interview-gorleben-hat-massiv-vertrauen-zerstoert.633e2ca3-aac3 49b6 - 9b6a-8fc12eb33ae5.html [10. 5. 2018]. 29 Z. B. A. Schink, Bürgerakzeptanz durch Öffentlichkeitsbeteiligung, ZG 2011, 226 ff. 30 A. Grunwald, Zur Rolle von Akzeptanz und Akzeptabilität von Technik bei der Bewältigung von Technikkonflikten, TATuP 2005, 54; U. Smeddinck/U. Roßegger, NuR 2013, 548 (553). 26

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hördlichen Beratungsprozessen) nicht gelten.31 Sachliche Grenzen werden nicht gezogen. Damit wird auch eine Eingrenzung zum Beispiel auf wesentliche Unterlagen vermieden, die in anderen Fällen Anlass für Kritik und Misstrauen waren.32 Formal bleiben also keine blinden Flecken, die nicht kontrolliert werden können. Anders könnte das NBG seine wachsame Kontrolle auch nicht auf vertrauenerweckende Art und Weise wahrnehmen. Auffällig ist gegenüber der Gesetzesfassung von 2013, dass das Akteneinsichtsrecht beim Vorhabenträger zugunsten des Einsichtsrechts bei der BGR und den geologischen Diensten ersetzt wurde. Die Arbeit des NBG bleibt auf keinen Fall folgenlos. Das Mindeste ist, dass die Beratungsergebnisse veröffentlicht werden (§ 8 Abs. 2 S. 2). Abweichende Voten sind bei der Veröffentlichung von Empfehlungen und Stellungnahmen zu dokumentieren (§ 8 Abs. 2 S. 3).33 Auch aus dieser Regelung wird deutlich, dass Rede und Gegenrede die Grundlage für Meinungsbildung und Transparenz sind. Transparenz bedeutet nicht ein einziges unangreifbares Ergebnis, sondern auch die Verdeutlichung, dass ein und der gleiche Gegenstand oder Sachverhalt schon von Expert(inn)en, aber auch von anderen sehr unterschiedlich bewertet werden kann.34 Vielfach gibt es eben nicht nur eine „Wahrheit“.35 „Wissenschaftliches Wissen (…) hat nach modernem Verständnis einen grundsätzlich hypothetischen Charakter.“36 Aus Widerspruch können sich eben auch neue Einsichten ergeben. IV. Stellung des NBG im Verhältnis zum Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung Im Frühjahr 2018 ergab sich eine Kontroverse um die Frage, welche Stellung das NBG im Institutionengefüge des StandAG einnimmt bzw. einzunehmen hat. Den Anstoß gaben Formulierungen im Zuge der Rollenklärung, zu der das BfE ein Positionspapier vorgelegt hat: „Das BfE ist der Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung und damit für die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit verantwortlich. Es stellt die für die Standortauswahl wesentlichen Informationen für alle Verfahrensbeteiligten frühzeitig, umfassend, systematisch und dauerhaft zur Verfügung. Es organisiert die gesetzlich festgelegten Beteiligungsformate und evaluiert die Instrumente und Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung. Um dieser Aufgabe im Sinne des gemeinsamen gesetzlichen Auftrages gerecht zu werden, ist das BfE auf eine 31

W. Erbguth/S. Schlacke, Umweltrecht, 6. Aufl. 2016, § 5 Rn. 130. U. Smeddinck/U. Roßegger, NuR 2013, 548 (554). 33 Eingehend: U. Smeddinck (o. Fn. 4), § 8 Rn. 30 ff. 34 A. Grunwald, Technik und Politikberatung, 2008, S. 367; H. Rossen-Stadtfeld, Beteiligung, Partizipation und Öffentlichkeit, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 106. 35 G. Gigerenzer, Risiko, 3. Aufl. 2013, S. 41; W. Steffani, Pluralistische Demokratie, 1980, S. 89. 36 T. Saretzki, Welches Wissen – wessen Entscheidung?, in: Bogner/Torgersen (Hrsg.), Wozu Experten?, 2005, S. 345 (350). 32

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dauerhafte und konstruktive Zusammenarbeit mit der Vorhabenträgerin BGE und dem (…) (NBG) als vermittelnder Instanz angewiesen.“37

Und weiter wird die Rolle des NBG beschrieben: „Das NBG hat die Aufgabe, die Standortsuche und den Beteiligungsprozess konstruktiv zu begleiten und somit zusätzlich Vertrauen in das Auswahlverfahren zu erreichen. Es kann Fragen stellen und Stellungnahmen abgeben. Deshalb müssen die Mitglieder des Gremiums frühzeitig, umfassend und kontinuierlich mit allen relevanten Informationen versorgt sowie stets über nächste Schritte, konkrete Maßnahmen und neue Erkenntnisse informiert werden. Das ist Aufgabe und Pflicht von BfE und BGE.“38

Fragen stellen und Stellungnahmen abgeben: Die Positionierung wurde als relativ hierarchisch im Anspruch – und die Position des NBG einengend – wahrgenommen. Das gibt Anlass die Funktion als Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 4 Abs. 2 S. 1 auszudeuten. Einschlägige Begriffsfacetten sind: „Körperschaft, Ein richtung, die [offiziell] für etwas verantwortlich ist und dafür aufkommen muss“ bzw. „jemand, der etwas stützt, der die treibende Kraft von etwas ist“. Über die bloße Aufgabenbenennung hinaus muss das BfE all diejenigen Aufgaben angehen und ausfüllen, die ihm das StandAG aufgibt: neben der frühzeitigen, umfassenden und systematischen Unterrichtung der Öffentlichkeit (§ 5 Abs. 2) sind das die Einrichtung einer darauf bezogenen Informationsplattform (§ 6), die Durchführung von Stellungnahmeverfahren und Erörterungsterminen (§ 7) sowie die Einrichtung der neuen Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung wie die Fachkonferenz Teilgebiete (§ 9), Regionalkonferenzen (§ 10) sowie die Fachkonferenz Rat der Regionen (§ 11). Über die Zuständigkeitsregelung wird ein Mindeststandard an gesetzlich geregelter Öffentlichkeitsbeteiligung gewährleistet. Weiter regt das Gesetz geradezu an, dass sich die Beteiligten über die gesetzlich geregelten Mindestanforderungen hinaus weiterer Beteiligungsformen bedienen können (§ 5 Abs. 3 S. 2). Das kommt Forderungen und Erwartungen seitens der Partizipations- und Sozialwissenschaften entgegen, die Räume für die informelle Begegnung und Verständigung einfordern.39 Auch wenn das NBG nach § 8 Abs. 1 S. 1 auf Begleitung verpflichtet ist, ist es Kraft seiner systematischen Stellung im Teil 2 des StandAG auch Beteiligter im Beteiligungsverfahren. Die Formulierung, wonach es sich unabhängig und wissenschaftlich mit sämtlichen Fragestellungen das Standortauswahlverfahren betreffend befassen kann, eröffnet Generalklausel-artig ein Selbstbefassungsrecht, an dessen Ausübung keine weiteren Anforderungen gestellt werden, als diejenigen, die sich aus § 8 ergeben.40 Insofern verbleiben informelle Spielräume, die es dem NBG

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BfE, Unterschiedliche Rollen – ein Ziel, 2018, S. 16. BfE (o. Fn. 37), S. 19. 39 P. Hocke/U. Smeddinck, Robust-parlamentarisch oder informell-partizipativ?, GAIA 2017, 125 ff. 40 Dazu oben unter III. 38

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etwa ermöglichen, eigene Veranstaltungen unter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern anzubieten. Aus den Lernprozessen des Umweltrechts der vergangenen Jahrzehnte kann gefolgert werden, dass ein zu enges und hierarchisches Grundverhältnis im Umgang und Miteinander mit der Gesellschaft kontraproduktiv wirkt. Generell wird der Trend zu einer horizontalen Autorität beobachtet, die sich durch eine enge Zusammenarbeit auszeichnet.41 Ein Gesetzgeber, der einen Neustart beansprucht, wird sich von einem zu starken autoritär-hierarchischen Verständnis absetzen müssen, will er gerade mit Rücksicht auf bessere Lösungen keinen Rückfall in die Steinzeit des Umweltrechts riskieren. Insofern liegt es nahe, als Bild hinter den Buchstaben des Gesetzes von einem Verständnis füreinander auszugehen, dass gemeinsam, arbeitsteilig und in wechselseitiger Kontrolle in einem Kommunikationsgeflecht das Standortauswahlverfahren durchzuführen ist.42 Das BfE als Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung ist hier ein Player unter anderen, der sich dadurch auszeichnet, dass er der Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung ist. Dafür trägt es nicht nur die Auffangverantwortung gegenüber anderen Akteuren, die vorrangig und aktuell mit diesen Aufgaben betraut sind,43 sondern es trägt die Vollverantwortung als zuständiger Akteur. Allerdings gilt das primär für den gesetzlich geregelten Mindeststandard der Öffentlichkeitsbeteiligung. Daneben läßt das StandAG Raum, ja fordert geradezu dazu auf, Formate und Möglichkeiten der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung zu nutzen: Nach § 5 Abs. 3 S. 1 wird das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit entsprechend der voranstehenden Grundsätze fortentwickelt. Das öffnet im Anschluss an § 5 Abs. 3 S. 2 den Raum für Beiträge anderer Akteure, z. B. des NBG. Eine zu starke Ziel- und Ergebnisorientierung könnte kontraproduktiv sein.44 Daran hat es bei den bisherigen Anläufen, ein Endlager zu realisieren nicht gefehlt. Wenn das BfE in seinem Positionspapier zur Öffentlichkeitsbeteiligung diese Gesichtspunkte akzentuiert – das betont, was ohnehin selbstverständlich ist – droht das aus dem Blick zu geraten, was dem Gesetzgeber wichtig war, weil es in der Vergangenheit daran gemangelt hat: die Dialogorientierung.45 V. Rekrutierung der Mitglieder Hinsichtlich der Besetzung schreibt § 8 Abs. 3 vor: Die Mitglieder dürfen weder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch der Bundes41

P. Verhaeghe, Autorität und Verantwortung, 2016, S. 79 und S. 108 f. U. Smeddinck, Synergien oder Reibungsverluste?, in: Müller (Hrsg.), Endlagersuche, Loccumer Protokolle 60/14, S. 69, 79; bereits J. Ziekow, Neue Formen der Bürgerbeteiligung?, 2012, S. 137 f. 43 H. Schulze-Fielitz, Grundmodi der Aufgabenwahrnehmung, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts II, 2. Aufl. 2012, § 12 Rn. 166. 44 Vgl. J. Habermas, Im Sog der Technokratie, 2013, S. 34. 45 Eingehend: U. Smeddinck (o. Fn. 4), § 8 Rn. 37 ff. 42

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oder einer Landesregierung angehören; sie dürfen keine wirtschaftlichen Interessen in Bezug auf die Standortauswahl oder die Endlagerung im weitesten Sinne haben.46 Die Amtszeit eines Mitgliedes beträgt drei Jahre. Eine Wiederberufung ist zweimal möglich. Weiter heißt es, das NBG soll aus 18 Mitgliedern bestehen. Zwölf Mitglieder sollen anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sein. Sie werden vom Bundestag und vom Bundesrat auf der Grundlage eines gleichlautenden Wahlvorschlages gewählt. Daneben werden sechs Bürgerinnen oder Bürger, darunter zwei Vertreterinnen oder Vertreter der jungen Generation, die zuvor in einem dafür geeigneten Verfahren der Bürgerbeteiligung nominiert worden sind, von der Bundesumweltministerin ernannt. Eine delikate Frage ist in Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs geeignetes Verfahren die Art und Weise der Auswahl der Mitglieder des NBG. Hier ist das BMUB neue Wege gegangen: Der Auswahlprozess fand im Herbst 2016 statt. Bundestag und Bundesrat schlugen je zur Hälfte sechs anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor. Die drei Bürgervertreter wurden durch ein Bürgerbeteiligungsverfahren ermittelt und sind von der Bundesumweltministerin ernannt worden. Nach der anerkannten sozialwissenschaftlichen Zufallsauswahl-Methode wurden Bürgerinnen und Bürger gefragt, ob sie bereit wären, an einem „Bürgerforum“ teilzunehmen. Bei Interesse bestand die Möglichkeit zur Anmeldung bis die maximale Anzahl an Teilnehmenden pro Alters- und Geschlechtergruppe erreicht war. Ein spezielles Wissen war keine Teilnahmevoraussetzung. In fünf Bürgerforen arbeiteten sich die Teilnehmenden in die Endlager-Thematik ein. Die Bürger erhielten Einblicke in die Rolle des NBG. Unter anderem formulierten sie Empfehlungen für die Bürgervertreter, die später ins NBG entsendet wurden. Außerdem wählten sie aus den Foren auch Vertreterinnen und Vertreter für ein Beratungsnetzwerk von 30 Mitgliedern. Das Beratungsnetzwerk bündelte die Empfehlungen aus den regionalen Bürgerforen sowie dem Forum der jungen Generation und bewertete diese. Dort wurden die drei Bürgervertreter (darunter eine Vertreterin der jüngeren Generation) für das NBG gewählt.47 Das Vorgehen untermauert den Anspruch, im Sinne eines Neustarts Aufgaben anders als bisher anzugehen. Das entspricht Forderungen, generell andere Rekrutierungsmechanismen als die bisher gebräuchlichen einzusetzen oder zumindest auszuprobieren.48 Bezogen auf das NBG wurde auch zugespitzt die Besetzung mit Stake46 Turbulenzen ergaben sich im Zusammenhang mit der Berufung eines neuen Mitglieds im Sommer 2018, vgl. M. Bauchmüller, Die Endlagersuche wird politisch, Süddeutsche Zeitung v. 22. 06. 2018, http://www.sueddeutsche.de/politik/atommuell-die-endlagersuche-wird-po litisch-1.4025630 [29. 06. 2018]. 47 BMU, Der Auswahlprozess für die Bürgervertreterinnen und -vertreter, http://www.bmu. de/service/buergerbeteiligung/nationales-begleitgremium/auswahlprozess/ [15. 05. 2018]. 48 Vgl. D. van den Reybrouck, Gegen Wahlen, 2016, S. 113 ff.; M. Schalekamp, Lust oder Amtspflicht, Der Tagesspiegel v. 06. 04. 2018, S. 12.

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holdern oder Honoratioren thematisiert.49 Welche Besetzung kann die Aufgaben des NBG wirksam zur Geltung bringen? Damit verknüpft ist die Frage, nach Potential und Wirksamwerden des Gremiums. Ganz generell stellt sich für solche Gremien die Frage: „Verfügen die Kommissionäre über genügend strategische Kräfte, um sich der Kommission und all dessen, was in der erteilten Mission stillschweigend impliziert war, zu bedienen, um den Schlußfolgerungen ihrer Kommission Geltung zu verschaffen? Haben sie dazu die Absicht und die Fähigkeit?“50 Auffällig ist, dass das neu erprobte Auswahlverfahren keineswegs zu einem Querschnitt durch die Bevölkerungsmilieus geführt hat, sondern letztlich Zufallsbürger mit Stärken in wissenschaftlicher Ausbildung und Kommunikation zum Zuge kamen (Professor, Kommunikationsberaterin, Jurastudentin). Mit Mitgliedern, die die Funktion des NBG nicht mitausfüllen können, wäre dem Gesetzeszweck allerdings auch kaum gedient. Möglichweise muss das Rekrutierungsraster aber überdacht werden,51 wenn man den Vorwurf von Elite-Projekten52 abfangen möchte. Zunächst ist in 2018 ein modus vivendi von Newcomern und Alteingesessenen unter den Mitgliedern im NBG zu finden: Die Erstbesetzung wird um noch einmal die gleiche Anzahl neuer Mitglieder ergänzt. Erste Abläufe und Strukturen wurden vorgeprägt. Die Neuen fädeln sich ein oder hinterfragen die bisherigen Routinen. Bisher ist das NBG aktiv und engagiert aufgetreten und hat seine Rolle initiativ und selbstbewusst wahrgenommen. Das entspricht genau seinem Auftrag. Falls das Gremium als zu aufmüpfig wahrgenommen werden sollte, könnte das BMU versucht sein, künftig über die Auswahl der neuen Mitglieder Stimmung und Kampfgeist im Gremium zu modulieren oder gar zu dimmen. Ein weitergehender Schritt in die Unabhängigkeit wäre, dass das NBG das Kooptationsrecht53 erhält – also die Möglichkeit, sich nachrückende Mitglieder selbst auszusuchen. Das wäre eine Chance, die Glaubwürdigkeit und Anerkennung des Gremiums noch zu erhöhen.54 Eine Selbstkontrolle würde dadurch erfolgen, dass alle bisherigen Mitglieder oder ein hohes Quorum von ihnen für die Neuaufnahme stimmen müssten. Nachteilig wäre der zusätzliche bürokratische Aufwand. Die Legitimation wäre gewahrt, wenn der Gesetzgeber dem NBG das Kooptationsrecht im StandAG zugestehen würde. Allerdings könnte er aus Sorge, Kontrollmöglichkeiten abzugeben,55 vor diesem Schritt zurück49

U. Smeddinck, EurUP 2017, 197. P. Bourdieu, Über den Staat, 2017, S. 59. 51 W. Thaa, Das ungelöste Inklusionsproblem in den partizipatorischen Neubewertungen politischer Repräsentation, in: Linden/Thaa (Hrsg.), Die politische Repräsentation von Fremden und Armen, 2009, S. 61 ff. 52 Vgl. H. Hagedorn, Die alte Konfliktschablone taugt nicht mehr, 27. 03. 2017, S. 2, http:// www.bipar.de/die-alte-konfliktschablone-taugt-nicht-mehr/ [15. 5. 2018]. 53 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kooptation [15. 5. 2018]. 54 Vgl. V. Haug/M. Zeccola, ZUR 2018, 75 (83). 55 Vgl. N. Josipovic, Sachverständige Beratung des Staates im Rahmen der Endlagersuche am Beispiel der Entsorgungskommission, in: Driftmann/Josipovic, Beratung und Wissensmanagement bei der Entsorgung radioaktiver Reststoffe, 2015, S. 11, 36 f. 50

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schrecken. Die Überlegung zur Kooptation korrespondiert mit möglichen Entwicklungsperspektiven im Sinne von long-term Governance.56 VI. Partizipationsbeauftragter und Konfliktradar Zu den weiteren Innovationen des StandAG gehört ein Partizipationsbeauftragter, der beim NBG angesiedelt wird und mit dem die Idee eines Konfliktradars eng verknüpft ist. Nach § 8 Abs. 5 beruft das NBG einen Partizipationsbeauftragten, der als Angehöriger der Geschäftsstelle die Aufgabe der frühzeitigen Identifikation möglicher Konflikte und der Entwicklung von Vorschlägen zu deren Auflösung im Standortauswahlverfahren übernimmt. Das BfE, der Vorhabenträger und die Konferenzen nach den §§ 9 bis 11 können den Partizipationsbeauftragten bei Fragen zum Beteiligungsverfahren hinzuziehen. Dieser berichtet dem NBG über seine Tätigkeit. Auch wenn keine weiteren Ausführungen im Gesetz gemacht werden, kann auf konzeptionelle Vorarbeiten zurückgegriffen werden, die aus der Arbeit der Endlager-Kommission heraus entstanden sind. Konflikte werden nun von vornherein nicht als ungeliebte Störung, sondern als Treiber des Verfahrens aufgefasst.57 Idealerweise unterstützt der Partizipationsbeauftragte die Konfliktbeteiligten dabei, aus dem strittigen Sachverhalt heraus eine bessere Lösung zu erarbeiten und so dem Gesamtziel der bestmöglichen Sicherheit noch näher zu kommen.58 Die Aktivitäten des Partizipationsbeauftragten sollen sich am Leitbild der stufenweisen Deeskalation ausrichten, wie es von der Endlager-Kommission entwickelt wurde.59 Der Partizipationsbeauftragte soll anstehende Konflikte in das nachfolgende Stufenmodell einordnen und die Beteiligten mit geeigneten Maßnahmen unterstützen, die Rückführung auf die jeweils niedrigere Eskalationsstufe zu ermöglichen.60 1. Inhaltlicher Diskurs: Die Bearbeitung der Themen des partizipativen Suchprozesses in Diskursformaten – in einer wertschätzenden Atmosphäre – ist die angestrebte Arbeitsweise. 2. Fokusgruppen: Die Arbeitsweise ist immer dann aussichtsreich, wenn es gelingt, alle zentralen Akteure des konkreten Konfliktes an einen Tisch zu holen. 3. Mediation: Im Idealfall werden die meisten Konflikte, deren Bearbeitung sich als notwendig erweist, auf dieser Eskalationsebene durch Mediation bearbeitet.

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Vgl. unten unter VIII. 2. Endlager-Kommission (o. Fn. 16), S. 25; vertiefend: U. Smeddinck (Hrsg.), Emotionen bei der Realisierung eines Endlagers, 2018. 58 J. Sommer, Der Partizipationsbeauftragte kommt, 24. 03. 2017, S. 2, http://www.bipar.de/ der-partizipationsbeauftragte-kommt/ [15. 05. 2018]. 59 Endlager-Kommission (o. Fn. 16), S. 126 f. 60 J. Sommer (o. Fn. 58), S. 3. 57

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4. Externe Schlichtung: Lösungserarbeitung durch eine gemeinsam als neutral anerkannte Institution/Person, deren Schlichterspruch anschließend auch anerkannt wird. 5. Beschluss eines legitimierten Gremiums: Bei Konflikten von zentraler Bedeutung, die anders nicht aufgelöst werden können, kann es angezeigt sein, eine Blockade durch Beschluss eines legitimierten Gremiums auf der Verfahrensebene zu entscheiden. 6. Juristische Klärung: Als ultima ratio verbleibt die externe delegierte Entscheidung durch Gerichte. Interessant ist weitergehend noch das als Monitoring-Instrument gedachte sogenannte Konfliktradar.61 Es soll latente Spannungen sichtbar machen und auf diesem Wege zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen.62 Dessen Bedeutung wird aus der Einsicht heraus betont, dass Geschichte sich nicht einfach wiederholt, sondern dass von neuen Konfliktszenarien ausgegangen werden muss.63 Gegebenenfalls unterstützt der Beauftragte die Beteiligten mit Vorschlägen zum Umgang mit dem Konflikt. Die konkrete Aufgabe des Partizipationsbeauftragten besteht zunächst darin, die Verbindungen zwischen allen Akteuren des Standortauswahlverfahrens zu beschreiben. So sollen die vergangenen, gegenwärtigen und potenziellen zukünftigen Konflikte erkennbar werden. Dieses „Soziogramm“ soll der Partizipationsbeauftragte regelmäßig mit dem NBG besprechen und aktualisieren.64 Eine Abgrenzung der Aufgaben von NBG und Partizipationsbeauftragtem wird von Jörg Sommer in dem Sinne vorgeschlagen, dass der Beauftragte dem NBG als neutrale Instanz berichtet. Das NBG dagegen soll in stärkerem Maße inhaltliche Positionen vertreten.65 Besonders hervorgehoben wird die Funktion des Partizipationsbeauftragten als Scharnier: Indem er mit allen Akteuren des Standortauswahlverfahrens zusammenarbeitet, fördert er die Einsicht, dass alle Schritte zur Beteiligung in einem jahrzehntelangen Prozess aufeinander aufbauen. Nur wenn das als gemeinsame Aufgabe begriffen wird, steigen die Chancen für eine gesellschaftliche Einigung.66 Ein hohes Maß an Transparenz soll durch einen regelmäßigen Partizipationsindex erreicht werden: Darin ist anhand fachlicher Kriterien jährlich nachzuweisen, dass das Verfahren den Anforderungen an eine gute Beteiligung genügt.67 Es wird interessant sein, wie sich Partizipationsbeauftragter und Konfliktradar im Alltag bewähren.

61

Vgl. auch Endlager-Kommission (o. Fn. 16), S. 126. H. Hagedorn (o. Fn. 52), S. 1. 63 H. Hagedorn (o. Fn. 52), S. 2. 64 J. Sommer (o. Fn. 58), S. 4. 65 J. Sommer (o. Fn. 58), S. 6. 66 J. Sommer (o. Fn. 58), S. 4. 67 J. Sommer (o. Fn. 58), S. 6.

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VII. Die auf Dauer-gestellte Kommission: Systemwidrig oder innovative Governance? Mit dem Bild vom Wächterrat wurde versucht, negative Assoziationen hervorzurufen, die an das Mullah-Regime im Iran, Turbanträger und undemokratische politische Systeme gemahnen. Der Wächterrat steht über allem und lenkt das Gemeinwesen gemäß seiner religiösen Doktrin. Natürlich passt eine solche Einrichtung nicht in unsere parlamentarisch-repräsentative Demokratie. Dennoch verrichten seit Jahr und Tag eine wachsende Vielzahl von Gremien und Beauftragten in der Bundesrepublik Deutschland ihre Dienste. Die neue schwarz-rote Koalition hat sogar im Frühjahr 2018 diverse neue Kommissionen in unterschiedlichen Politikbereichen eingesetzt oder verabredet (u. a. Datenethik, Kohle, Renten, Nationaler Bildungsrat) sowie einen Antisemitismusbeauftragten installiert.68 Die Einsetzung von Kommissionen hatte schon unter dem Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Blüte erlebt.69 Das prominenteste Beispiel war die Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme unter der Leitung des ehemaligen VWArbeitsdirektors Peter Hartz. In der darauf bezogenen Diskussion gab es auch abwehrende Stimmen. Vor allem wurde die fehlende rechtliche Grundlage dieser Kommissionen problematisiert.70 In den Jahren zuvor hatten diverse Enquete-Kommissionen von sich Reden gemacht (z. B. Zukünftige Kernenergie-Politik 1979 – 1983). Sie können seit 1969 vom Bundestag zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe eingesetzt werden.71 Aufgabe von Enquete-Kommissionen ist es, Bestandaufnahmen über Auswirkungen technischer und ökonomischer Entwicklungen sowie rechtlicher und politischer Maßnahmen vorzunehmen, künftige Regelungs- und Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Empfehlungen für politische Entscheidungen zu erarbeiten (§ 56 GOBT). Hinter der Kritik und den historischen Reminiszenzen wird aber leicht übersehen, dass Kommissionen zum Traditionsinventar des politischen Systems aufgeklärter Monarchien und westlicher Demokratien gehören: „Ursprünglich nannte sie sich royal commission: eine Gruppe von Leuten, die vom König beauftragt, bevollmächtigt, kommissioniert waren, eine gesellschaftlich anerkannte, bedeutende Mission zu erfüllen, gewöhnlich zu einem Problem, das ebenfalls als bedeutend galt.“72 Zur Kategorisierung der Aufgabe wird von Pierre Bourdieu präzisierend festgehalten: „Ein öffentliches Problem ist ein Problem, das öffentlich, offiziell behandelt zu werden verdient.“73 Neben der eigentlichen inhaltlichen Arbeit der Kommission gibt es 68

A. Funk, Merkels Kommissionspolitik, Der Tagesspiegel v. 17. 7. 2018, S. 13. S. Siefken, Expertenkommissionen im politischen Prozess, 2007. 70 H. Papier, Steuerungs- und Reformfähigkeit des Staates, in: Mellinghoff u. a. (Hrsg.), Die Erneuerung des Verfassungsstaates, FS Kirchhof, 2003, S. 103 (108 f., 117 f.). 71 W. Ismayr, Der Deutsche Bundestag, 2. Aufl. 2001, S. 413. 72 P. Bourdieu (o. Fn. 50), S. 55. 73 P. Bourdieu (o. Fn. 50), S. 55. 69

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eine Schauseite: „Öffentliche Kommissionen sind also Inszenierungen, Operationen, die darin bestehen, ein Ensemble von Leuten auf die Bühne zu stellen, die eine Art öffentliches Drama spielen sollen, das Drama der Reflexion über die öffentlichen Probleme.“74 Das NBG ist eine auf Dauer gestellte Kommission. Der Vorwurf, nur ein Feigenblatt zu sein,75 kann ebenso richtig wie falsch sein. Eine Kommission „erzeugt symbolische Effekte (…)“, indem durch die Einrichtung und Tätigkeit ein bestehendes Problem eingeräumt wird und am Ende ein offizieller Bericht überreicht wird. Auftraggeber und Erstatter sind in einem autorisierten Diskurs verbunden, der daraus resultiert, dass der Auftraggeber ihn angefordert und damit vorab eine Vollmacht verliehen hat. Welche Wirkung davon ausgeht, hängt vom jeweiligen Kräfteverhältnis zwischen Mandant und Mandatar – und damit gerade auch von der Besetzung der Kommission ab.“76 Diesseits solcher soziologischer Betrachtungen ordnen Politikwissenschaft und Rechtswissenschaft derartige Funktionsträger – wie das NBG – als zeitgemäße und angemessene Formen des Regierens ein: Erkennbar ist an die Funktion eines „Watchdogs“ gedacht, wie er in der Debatte um verantwortungsvolle Regierungsführung und die Korrektivfunktion einer vitalen Zivilgesellschaft verstanden wird.77 Wir erleben einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der nicht ohne Auswirkungen auf Politik und Governance geblieben ist.78 Neue Formen von Institutionen und zur Beteiligung treten hinzu.79 Diese Angebote sind sinnvolle und dem Wandel angemessene Ergänzungen der traditionellen parlamentarisch-repräsentativen Demokratie. Das NBG als mehr oder weniger repräsentatives Organ einer mehr oder minder interessierten Öffentlichkeit nimmt eine wichtige Stellvertreterfunktion wahr. Denn hiermit wird ein Organ „neutraler gesellschaftlicher Drittbeobachtung“ (Rossen-Stadtfeld) geschaffen, das geeignet ist, Vermachtungstendenzen im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung entgegenzuwirken. Gleiche Teilhabechancen können vor dem Hintergrund unterschiedlicher subjektiver Befähigung und objektiver Möglichkeiten zur wirkungsvollen Kommunikation leicht und schnell in die Ungleichheit der Einflussmöglichkeiten umschlagen.80 74

P. Bourdieu (o. Fn. 50), S. 56. Vgl. nochmals J. Stay (o. Fn. 6). 76 P. Bourdieu (o. Fn. 50), S. 58 f.; vgl. oben unter V. 77 Nochmals M. Haus (o. Fn. 8), S. 120; vgl. auch K. Wegrich, Expertengremien und Reputation, in: Kropp/Kuhlmann (Hrsg.), Wissen und Expertise in Politik und Verwaltung, 2014, S. 285 ff.; A. Scherzberg, Öffentlichkeitskontrolle, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts III, 2. Aufl. 2012, § 49 Rn. 72 ff.; K. Gärditz (o. Fn. 17), S. 360. 78 A. Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, 3. Aufl. 2017, S. 44 (103 ff., 153). 79 Vgl. I. Blühdorn, Simulative Demokratie, 2013, S. 90; D. Michelsen/F. Walter, Unpolitische Demokratie, 2013; kritisch: H. Posser, Zur Endlagerung radioaktiven Abfalls in Deutschland, in: Kirchhof u. a. (Hrsg.), Umwelt und Planung, FS Dolde, 2014, S. 251 (265). 80 H. Rossen-Stadtfeld (o. Fn. 34), § 29 Rn. 30. 75

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Klaus Toepfer schließlich charakterisiert – ganz im Sinne einer modernen Endlager-Governance – die Tätigkeit: „Wir stehen als Ombudsstelle dem Bürger zur Verfügung, wir sorgen für Transparenz und sind in jeder Hinsicht als neutrale, die Bürgerschaft einbindende Institution zu sehen.“81 VIII. Künftige Institutionen-Entwicklung des NBG? Auffällig ist, dass bereits im Gesetzgebungsverfahren die Idee, ein zusätzliches gesellschaftliches bzw. sachverständiges Gremium in das Standortauswahlverfahren zu integrieren, einen mehrfachen Formenwandel durchmachte.82 Später hat gleichsam das NBG die Endlager-Kommission abgelöst.83 Angesichts der langfristigen Aufgabenstellung und Perspektive für eine Endlager-Governance regt das zu weitergehenden Überlegungen zur Fortentwicklung des NBG an. Die Co-Vorsitzende, Miranda Schreurs, verweist darauf, dass sich das Gremium am Beginn seiner Arbeit befindet und sich weiterentwickeln wird.84 Perspektivisch sind drei Aufgaben in Erweiterung oder Veränderung der bisherigen Aufgaben denkbar, die langfristig auch einen stärkeren institutionellen Wandel erfordern würden. 1. Zukunftsrat Anknüpfend an den Leitgedanken der intergenerationellen Gerechtigkeit in Art. 20a GG könnte das NBG, das ja ohnehin stellvertretend gesellschaftliche Interessen vertritt, auch mit der Wahrnehmung der Interessen künftiger Generationen beauftragt werden.85 Sie sind bisher kaum vertreten. Das Beispiel des Radionuklids Plutonium 239 mit einer Halbwertszeit von ca. 24.000 Jahren verdeutlicht, dass bei der Endlagerung von hoch radioaktiven Reststoffen unabhängig von der jeweiligen Entsorgungsoption zukünftige Generationen unmittelbar betroffen sind. Das Prinzip des normativen Individualismus besagt, dass „Pflichten und Werte in letzter Instanz nur durch Rekurs auf alle betroffenen Individuen und ihre Eigenschaften gerechtfertigt werden können“.86 Damit bildet der Ansatz die ethische Grundlage der Einbeziehung zukünftiger Generationen. Bezugspunkt ist nicht das Kollektiv einer Generation, sondern das Individuum.87 Die letzte Rechtfertigung von Normen 81

C. Link, Stuttgarter Nachrichten v. 10. 07. 2017. E. Brandt/U. Roßegger, Materialien zur Endlagersuchgesetzgebung II, RATUBS 5/2012, S. 36. 83 U. Smeddinck, Elemente des Standortauswahlgesetzes, DVBl. 2014, 413. 84 M. Schreurs, Was macht das Nationale Begleitgremium? Umwelt aktuell 8 – 9/2017, 6 (7). 85 W. Kluth, Kommentierung zu Art. 20a, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 2016, Rn. 89. 86 D. von der Pfordten, Normativer Individualismus, Information Philosophie 3/2014, 5. 87 A. Strack, Intergenerationelle Gerechtigkeit, 2015, S. 250. 82

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und Handlungen muss sich auf alle betroffenen Individuen stützen.88 Daraus folgt, dass bei einer jeweiligen Betroffenheit von Zukünftigen diese mit einbezogen werden müssen. Es bedarf89 einer Rechtsträgerschaft, die zwingend an eine natürliche oder juristische Person gebunden ist. Aufgrund der Nichtexistenz können künftigen Generationen keine Rechte zugeschrieben werden. Sprachlich präziser sei es, dass künftige Generationen Rechte haben werden, sobald sie geboren sind.90 Es fehlt bisher an der Person, die sich Gehör verschafft und gleichzeitig für ihre Rechte einsteht. Erst wenn die zukünftige Generation zur gegenwärtigen Generation wird, kann sie ihre Rechte im juristischen Sinne geltend machen. Aus diesem Grund kann die heutige Generation nur vermuten, welchen Willen oder Interessen die zukünftigen Generationen verfolgen werden.91 2. Umbau zur Langzeit-Institution Die Arbeit des NBG endet nach jetzigem Stand mit Ablauf des Standortauswahlverfahrens. Dennoch könnte ein Interesse bestehen, die Einrichtung fortzuführen. Anlass ist weniger der Punkt, dass auch in der Einlagerungsphase ein neutraler Drittbeobachter die Aktivitäten und aufkommenden Fragestellungen begleitet. Stärker zu gewichten, ist die Notwendigkeit einer Institution, die auch nach Einlagerung oder gar nach Verschluss verbleibende Aufgaben wahrnimmt gegebenenfalls an den Verwahrort und seine Risiken erinnert. Zeitgeschichtlich kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass die gegenwärtige staatliche Ordnung für immer besteht. Auch Institutionen, die für Daueraufgaben zuständig sind, brechen gelegentlich zusammen, verschwinden mitunter scheinbar, erstehen aber sehr bald wieder – eher identisch oder stark verändert – weil sie gebraucht werden.92 Angesichts der Langzeitperspektive der Aufgabe der sicheren Verwahrung der (hoch)radioaktiven Abfälle sind frühzeitig Überlegungen anzustellen. Die Einsetzung oder Transformation einer zuständigen Einrichtung zu einer Einrichtung auf lange Zeit kann planmäßig vollzogen werden.93 Die Langzeit-Aufgabe legt etwa die Überführung in eine Stiftung nahe. Eine Aufgabenübertagung oder der Wandel der Rechtsform sollte erfolgen, bevor eine staat88

A. Strack (o. Fn. 87), S. 251. U. Smeddinck/F. Semper, Long-term Governance zur Begleitung eines Endlagers aus rechtswissenschaftlicher Sicht, in: Hocke u. a. (Hrsg.), Technical Monitoring and Long-Term Governance (i. E.). 90 J. Tremmel, Eine Theorie der Generationengerechtigkeit, 2012, S. 354. 91 Kritisch K. Gärditz, Zeitprobleme des Umweltrechts, EurUP 2013, 2 (11 f.). 92 W. Kromp/R. Lahodynsky, Die Suche nach dem Endlager, in: Hocke/Grunwald (Hrsg.), Wohin mit dem radioaktiven Abfall?, 2006, S. 63 (72 f.). 93 Vgl. bezogen auf einen anderen Kontext: F. Reimer, Nachhaltigkeit und „Good Governance“, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, 2016, S. 43 (44 f.). 89

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liche Ordnung in die Krise gerät. Die Stiftung erscheint nach den bisherigen historischen Erfahrungen als eine besonders dauerhafte und über die Zeiten handlungsfähige Organisationsform.94 Stiftungszweck ist typischerweise die Unterhaltung von Einrichtungen, die der Allgemeinheit zu Gute kommen.95 3. Wissenszentrum Denkbar wäre es auch, dass das NBG als neutraler Vertreter der Öffentlichkeit neue Aufgaben im Bereich der wissenschaftlichen Aufarbeitung, Dokumentation und Vermittlung des Wissens um und des Bewusstseins für die historischen Konflikte um die friedliche Nutzung der Kernenergie und die Realisierung eines Endlagers übernimmt, natürlich mit der Zielrichtung zukunftsgerichtet zur Vermeidung oder Reduzierung gesellschaftlicher Auseinandersetzungen beizutragen. Der Endlager-Kommission war aus der Öffentlichkeit die Empfehlung mit auf den Weg gegeben worden, „Maßnahmen zu ergreifen, um die Vergangenheit aufzuarbeiten, Misstrauen abzubauen und eine konstruktive Kommunikationskultur zu etablieren. Nur so können alle relevanten Akteure zukünftig ins Boot geholt werden, was für den Erfolg des Gesamtprozesses ,Endlagersuche‘ unabdingbar ist.“96 Um umfassend den Eindruck eines Neustartes zu vermitteln, sollte die Geschichte des „schwersten Technikkonfliktes“97 (Ausbau der Kernenergie einschließlich Endlagerung) in Deutschland nachhaltiger aufgearbeitet werden. Denkbar wäre es, diese Aufgabe in ein neues Dokumentations-, Forschungs- und Bildungszentrum zu integrieren.98 Zentral sind die fachgerechte wissenschaftliche Aufarbeitung der historischen Entwicklung sowie der Wissenstransfer in die Gesellschaft und in nachfolgende Generationen. Themen und Aufgaben sollten in einem neuen „Wissenszentrum“ gebündelt werden, das die oben genannten Aufgaben länger- bis langfristig übernimmt und koordiniert.99 Dieses Wissenszentrum könnte beim NBG angesiedelt werden.

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J. Martin, Die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung, 2005, S. 2. U. Smeddinck/F. Semper (o. Fn. 89). 96 BT-Drs. 18/9100, S. 355. 97 So K. Ott, Handeln auf Probe für alle Ewigkeit?, in: Karafyllis (Hrsg.), Das Leben führen?, 2014, S. 239 (240). 98 Vgl. U. Smeddinck, Zwischen „weißer Landkarte“ und „schwarzem Loch“, ZRP 2016, 181 (183). 99 Vorüberlegungen von U. Donat/D. Möller/A. von Oppen/U. Smeddinck, Konzeptpapier 2015 (unveröffentlicht). 95

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IX. Fazit und Ausblick Das NBG hat das Potential, auf institutionelle Missstände und gesellschaftliche Schwierigkeiten zu reagieren und so das Standortauswahlverfahren auf eine vertrauenerweckende Art und Weise zu fördern. Der Anthropologe David Graeber spricht von einer „Kultur der Komplizenschaft“ in bürokratischen Systemen, die die Bereitschaft mit sich bringt, Verstöße zu verleugnen oder zu vertuschen.100 Dass das StandAG einen „Governance-Wachhund“ in Gestalt des NBG einführt, dürfte solchen Reflexen entgegenwirken. Abweichende Ansichten wertzuschätzen, ist Ausweis einer entwickelten Sicherheitskultur.101 Der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung wird attestiert, dass sie sich immer stärker differenziert, spezialisiert, temporalisiert und in ganz unterschiedliche Sphären von Kompetenz und Expertise auseinanderdriftet. Hier kann das NBG als ein „Mechanismus“ fungieren, um „die verteilte Intelligenz der Personen und Organisationen einer Gesellschaft zu nutzen“.102 Daran anschließend wird das NBG dem Akteursgeflecht und dem Standortauswahlverfahren positive und nützliche Impulse geben können. Die Unabhängigkeit des Gremiums soll zu Vertrauensbildung in der Öffentlichkeit beitragen. Neben der Wächterfunktion kann die Wirkung darin liegen, dass Ergebnisse oder Fehlentwicklungen im öffentlichen Diskurs kritisiert oder skandalisiert werden.103 Wächter und Wachhunde sollen bei Bedarf alarmieren und warnen! Für die Weiterentwicklung des NBG tun sich verschiedene Perspektiven auf. Für die übergreifende Aufgabe, dass „durch Koordination und proaktive Kooperation die zentralen Akteure ein spezifisches Maß an sozialer Phantasie entwickeln, wie Interessen in dieser lästigen ,Entsorgungsfrage‘ zur Kenntnis genommen und gleichzeitig als nationale Aufgabe integrativ“ zu bearbeiten wäre, wird das NBG für grundsätzlich geeignet gehalten. Allerdings müsste dafür die Aufgabenbeschreibung im Kern angepasst werden.104

100 D. Graeber, Bürokratie, 2016, S. 34; illustrativ: A. Dernbach, Ex-Chef Weise: Bamf war überfordert, Der Tagesspiegel v. 24. 05. 2018, S. 4. 101 A. Eckhardt/K. Rippe, Risiko und Ungewissheit – bei der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle, 2016, S. 92. 102 D. Willke, Welche Expertise braucht die Politik?, in: Bogner/Torgersen (Hrsg.), Wozu Experten?, 2005, S. 45 (48). 103 U. Smeddinck, DVBl. 2014, 413. 104 A. Brunnengräber/P. Hocke, Bewegung Pro-Endlager?, FJ SB 4/2014, 59 ff.

3. Maritimes Recht und Hafenrecht

Ocean Governance für nachhaltige maritime Entwicklung Von Peter Ehlers I. Einleitung Die Meere gewinnen in der globalen Agenda an Bedeutung. Wichtige Meilensteine sind die Rio-Konferenz 19921 und die Nachfolgekonferenzen2 sowie die jährlichen UN-Resolutionen „The Oceans and the Law of the Sea“,3 wenngleich sie Gefahr laufen, zu einem bloßen Ritual zu werden. Ein erstes World Ocean Assessment, veranlasst durch die UN, führte 2014 zu dem Ergebnis, dass die Aufnahmefähigkeit der Meere an ihre Grenzen gelangt und dringender Handlungsbedarf besteht.4 Im Jahr darauf legte die UN-Vollversammlung in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung als Ziel 14 ausdrücklich die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Meere und ihrer Ressourcen fest.5 Als wichtigen Umsetzungsschritt veranstalteten die UN 2017 eine erste Welt-Ozean-Konferenz,6 mit der ein globaler Prozess zum Schutz der Meere im Rahmen einer nachhaltigen maritimen Entwicklung angestoßen wurde. II. Bedeutung und Bedrohung der Meere Die Meere sind ein ganz wesentliches Element im System Erde.7 Mehr als zwei Drittel der Erde sind von den Meeren bedeckt. Sie spielen eine ausschlaggebende 1 S. Report of the United Nations Conference on Environment and Development, Chapter 17, UNGA A/CONF.151/26 (Vol. II); D. Hassan, Land-Based Sources of Marine Pollution – The Global Framework for Control, AILJ 2003, S. 61 (87 f.). 2 Rio+5 – 19th special session of the United Nations General Assembly, 1997; World Summit on Sustainable Development, WSSD, Johannesburg, Südafrika, 2002; United Nations Conference on Sustainable Development (UNCSD), 2012; vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Welt im Wandel – Menschheitserbe Meer, 2013, S. 90. 3 Zuletzt UNGA A/RES/72/73. 4 S. im Einzelnen First Global Integrated Marine Assessment (First World Ocean Assessment), abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/los/global_reporting/WOA_RegProcess.htm (letzter Besuch 12. 6. 2018). 5 Vgl. UNGA A/RES/70/1. 6 Vgl. UNGA A/RES/71/312. 7 S. wegen näherer Einzelheiten World Ocean Review (WOR 1), 2010, S. 10 ff.; WBGU (o. Fn. 2), S. 71.

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Rolle im Wasserkreislauf; 97 Prozent der weltweiten Wasservorräte sind Meerwasser. Die Meere sind ein maßgeblicher Klimafaktor; sie produzieren die Hälfte des atmosphärischen Sauerstoffs, beeinflussen nicht zuletzt als CO2-Speicher das Klima und können Veränderungen abpuffern. Andererseits wirken sich Klimaveränderungen auf die Meere aus; der Anstieg des Meeresspiegels bedroht große Regionen weltweit. Mit einer einzigartigen Artenvielfalt sind die Meere und Küsten Lebensräume, die sehr sensibel auf Veränderungen reagieren, so auch auf die Erwärmung und Versauerung der Meere. Zugleich ist der Mensch in vielfältiger Weise auf die Nutzung der Meere angewiesen. Die „blue economy“ nimmt an Bedeutung zu und eröffnet neue Chancen für ein „blaues Wachstum“.8 1. Wirtschaftliche Nutzung der Meere Seit alters her sind die Meere äußerst wichtige Transportwege. Mehr als 90 Prozent des interkontinentalen Güteraustausches erfolgt über See. Ohne Schifffahrt, Schiffbau und Hafenwirtschaft gäbe es keinen globalen Handel.9 Genauso wenig kommt der Mensch ohne die lebenden Ressourcen der Meere aus. Fischfang ist unerlässlich, um die proteinhaltige Nahrungsversorgung zu sichern.10 Die Fischerei wird zunehmend ergänzt durch die Aquakultur,11 den weltweit am stärksten wachsenden Bereich der Nahrungsmittelproduktion. Vielfach handelt es sich noch um Teichkulturen, aber die Aquakultur greift mehr und mehr auf die Meere über. Noch in der Entwicklung befindet sich die maritime Biotechnologie, bei der marine Organismen zur Gewinnung neuer Wirkstoffe für Arzneimittel, Kosmetika, Nahrungsergänzung, Futtermittel und die chemische Industrie genutzt werden.12 Trotz aller Bemühungen, sich von fossilen Energiequellen zu befreien, wird die wirtschaftliche Bedeutung der Öl- und Gasförderung auf See eher noch zunehmen.13 Manche sehen in Gashydraten, einer eisähnlichen Mischung von Methan und Wasser, die künftige fossile Energiequelle.14 Die Meere selbst stellen eine unerschöpfliche Quelle an erneuerbarer Energie dar. Zur „blauen“ Energie gehören nicht nur die Windkraftanlagen auf See, die in weiter wachsendem Maße zur Stromversorgung beitragen und mehr und mehr die fossile Energie ersetzen werden.15 Längerfristig wird man auch die Energie aus dem Meer nutzen. Mit Strömungs-, Gezeiten- und 8

S. dazu European Commission, COM (2012) 494 final; vgl. im Einzelnen WBGU (o. Fn. 2), S. 29 ff., 53 ff. 9 Vgl. WOR 1 (o. Fn. 7), S. 164 ff. 10 Vgl. World Ocean Review 2 (WOR 2), 2013, S. 34 ff. 11 Zu näheren Einzelheiten s. WBGU (o. Fn. 2), S. 164 ff.; WOR 2 (o. Fn. 10), S. 84 ff.; s. auch http://www.fao.org/fishery/aquaculture/en (letzter Besuch 30. 5. 2018). 12 S. im Einzelnen European Science Foundation, Marine Biotechnology: A New Vision and Strategy for Europe, Position Paper 15, 2010, S. 9; WOR 1 (o. Fn. 7), S. 180 ff. 13 Vgl. WOR 1 (o. Fn. 7), S. 142 ff. 14 Vgl. WOR 1 (o. Fn. 7), S. 152 ff.; World Ocean Review 3 (WOR 3), 2014, S. 96 ff. 15 Vgl. WOR 1 (o. Fn. 7), S. 156.

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Wellenkraftwerken wird genauso experimentiert wie mit Thermal- und Osmoseanlagen,16 wenngleich noch weitere technologische Durchbrüche erforderlich sind. Neben Öl und Gas dient der küstennahe Meeresbergbau der Gewinnung von Sand und Kies, Edelmetallen und Diamanten.17 Angesichts des wachsenden Bedarfs an Rohstoffen kommt auch der Tiefseebergbau in Gang. Es geht dabei um Manganknollen, Massivsulfide und kobaltreiche Krusten.18 Deutschland hat sich insgesamt drei Explorationslizenzen bei der ISA19 gesichert. Als nächster Schritt wird ein „pilot mining test“ erforderlich, um in der Praxis zu klären, unter welchen Bedingungen ein Abbau von marinen Rohstoffen möglich ist. Ein weiterer Bereich mit wachsender Bedeutung für die Küstenregionen ist der „blaue“ Tourismus, der die Kreuzfahrtindustrie, die Sportschifffahrt und vor allem den Tourismus an den Küsten umfasst.20 Schließlich werden die Meere auch für die Gewinnung von Süßwasser genutzt. Als Folge der Klimaerwärmung wird der Mangel an sauberem Wasser in vielen Teilen der Erde weiter dramatisch zunehmen. Die bereits in 150 Ländern für mehr als 300 Millionen Menschen bestehenden Entsalzungsanlagen21 sind erst ein Anfang. Zumindest indirekt werden die Meere nach wie vor als „Müllkippe“ missbraucht. Während die Beseitigung von an Land angefallenen Abfällen auf See weitestgehend eingestellt worden ist, werden vom Lande aus immer noch Unmengen von Stoffen über die Flüsse, die Atmosphäre oder direkt ins Meer eingeleitet. Offenkundig wird dies gegenwärtig vor allem durch Plastikmüll; aber auch viele andere, „unsichtbare“ Stoffe wie Pestizide, Medikamentenrückstände und unzählige organische Schadstoffverbindungen gelangen auf unterschiedlichen Pfaden ins Meer.22 2. Bedrohung der Meeresumwelt Die Nutzung der Meere ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Zusätzlich zu den weitreichenden Auswirkungen der Klimaveränderung, die zur Erwärmung und in Folge des CO2-Eintrags zur Versauerung der Meere führt,23 und den nach wie vor viel zu wenig beachteten Einträgen vom Lande aus, der mit Abstand größten Ver-

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Vgl. WOR 1 (o. Fn. 7), S. 157; WBGU (o. Fn. 2), S. 221 ff. Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 37. 18 Vgl. WOR 1 (o. Fn. 7), S. 146; WBGU (o. Fn. 2), S. 53 ff. 19 Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority). 20 S. ECORYS, Study in support of policy measures for coastal and maritime tourism at EU level, 2013, S. 21. 21 http://idadesal.org/desalination-101/desalination-by-the-numbers (letzter Besuch 13. 6. 2018). 22 Vgl. World Ocean Review 5 (WOR 5), 2017, S. 90. 23 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 190 f.; WOR 5 (o. Fn. 22), S. 100 ff. 17

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schmutzungsquelle,24 bedrohen die Nutzungsaktivitäten auf See zunehmend die Meeresumwelt. Dazu gehören Schiffsunfälle mit weitreichenden Umweltauswirkungen, die Einführung von fremden Arten im Ballastwasser und Schiffsemissionen. Gleichwohl ist die Schifffahrt entgegen manch landläufiger Ansicht nicht der größte „Umweltschurke“. Andere Verschmutzungsursachen fallen ungleich stärker ins Gewicht. Der Fischfang wird einerseits durch Umweltbelastungen der Meere beeinträchtigt, andererseits aber haben Überfischung25 und schädliche Fangmethoden weitreichende Folgen für marine Ökosysteme. Auch die Aquakultur kann sich durch den Einsatz von Antibiotika, Verschmutzung, Parasitenbefall und Krankheitsübertragung nachteilig auf die Meere auswirken.26 Biotechnologische Vorhaben können z. B. die Biodiversität von Korallenriffen und Hydrothermalquellen bedrohen.27 Die Gefahren beim Meeresbergbau, insbesondere der Öl- und Gasförderung steigen, je mehr sich die Aktivitäten auf größere Wassertiefen und entlegene Gebiete einschließlich der eisbedeckten Regionen ausweiten.28 Der Abbau von Gashydraten führt möglicherweise zu unterseeischen Hangrutschungen und Methanaustritten am Meeresgrund.29 Durch den Tiefseebergbau wird in bisher weitestgehend unberührte, unbekannte und verletzliche Ökosysteme eingegriffen; Bodengemeinschaften und die Fauna der Tiefsee können dadurch geschädigt werden.30 Bei der Gewinnung von Energie auf und aus dem Meer können Kollisionen und nachteilige Auswirkungen auf Meeressäuger, Fische und Seevögel z. B. durch Unterwasserschall nicht ausgeschlossen werden.31 Gerade der „blaue“ Tourismus hängt davon ab, dass die Meere sauber und gesund sind. Umso schwerer wiegen die Gefährdung durch Verschmutzung, Zerstörung von Habitaten und Beeinträchtigung von Meereslebewesen, Emissionen von Kreuzfahrtschiffen und die gravierenden Auswirkungen der touristischen Infrastruktur auf die

24 80 % der Meeresverschmutzungen beruhen auf Einträgen vom Lande aus, vgl. http:// www.unesco.org/new/en/natural-sciences/ioc-oceans/priority-areas/rio-20-ocean/blueprint-forthe-future-we-want/marine-pollution/facts-and-figures-on-marine-pollution/ (letzter Besuch 4. 6. 2018). 25 Vgl. WOR 2 (o. Fn. 10), S. 44 ff. 26 Vgl. WOR 2 (o. Fn. 10), S. 88; WBGU (o. Fn. 2), S. 169. 27 WBGU (o. Fn. 2), S. 58; vgl. auch J. C. Friedland, Der Schutz der biologischen Vielfalt der Tiefseehydrothermalquellen, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 41, 2007, S. 45 ff. 28 WBGU (o. Fn. 2), S. 210 f. 29 Vgl. C. Giavarini/K. Hester, Gas Hydrates: Immense Energy Potential and Environmental Challenges, S. 166 f.; WOR 3 (o. Fn. 14), S. 112 ff. 30 Vgl. WOR 3 (o. Fn. 14), S. 71 ff., 80 f., 92. 31 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 229 ff.; Köller u. a. (Hrsg.), Offshore Wind Energy: Research on Environmental Impacts, 2006.

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Umwelt der Küstenregionen.32 Die bei der Meerwasserentsalzung anfallenden aufkonzentrierten, wieder ins Meer geleiteten Abwasser können schädliche Stoffe enthalten und Meeresorganismen auch durch den extremen Salzgehalt schädigen.33 III. Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung Notwendig ist es, unter Beachtung des Grundsatzes einer nachhaltigen Entwicklung, der von den Vereinten Nationen zu einem Leitprinzip für das 21. Jahrhundert gemacht worden ist, zwischen den unterschiedlichen Aktivitäten und dem Schutz der Meere abzuwägen. Zwischen den ökonomischen und sozialen Bedürfnissen und Interessen einschließlich der Sicherung bestehender und Schaffung neuer Arbeitsplätze und dem Schutz und der Bewahrung der Meeresumwelt muss eine Balance gefunden werden, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht und dabei die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht einschränkt.34 Ungeachtet der besonderen Bedeutung des Meeresumweltschutzes sind auch andere Ziele einzubeziehen, wie dies der Agenda 2030 entspricht, zu denen die Beendigung von Armut und Hunger, die Förderung von Gesundheit und Wohlergehen, bezahlbare und saubere Energie, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum sowie der Klimaschutz gehören.35 1. Rechtsrahmen Der für eine nachhaltige maritime Entwicklung erforderliche Rechtsrahmen wird durch das SRÜ als Verfassung der Meere begründet. Es soll „die Nutzung der Meere und Ozeane zu friedlichen Zwecken, die ausgewogene und wirkungsvolle Nutzung ihrer Ressourcen, die Erhaltung ihrer lebenden Ressourcen und die Untersuchung, den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt fördern“.36 In Verfolgung dieses Zieles schafft und bestätigt das Übereinkommen, abhängig von den jeweiligen Meereszonen, souveräne Nutzungsrechte der Staaten37 und legt zugleich korrespondierende Verpflichtungen fest, zu denen insbesondere der Schutz der Meeresumwelt zählt.38 Die, wenngleich für die einzelnen Nutzungsarten unterschiedlich stark aus32

S. J. Swarbrooke, Sustainable Tourism Management, 1999, S. 155 ff.; vgl. auch ECORYS (o. Fn. 20), S. 94; WOR 5 (o. Fn. 22), S. 95 f. 33 Vgl. H. Cooley u. a., Key Issues in Seawater Desalination in California – Marine impacts, 2013. 34 Vgl. statt vieler Lexikon der Nachhaltigkeit, Schlagwort „Nachhaltige Entwicklung“, https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/definitionen_1382.htm?sid=usmb20t5em87nsl29jq2b1 si55 (letzter Besuch 4. 6. 2018); im Einzelnen World Ocean Report 4 (WOR 4), 2015, S. 10 ff. 35 Ziele 1, 2, 3, 7, 8, 13 der Agenda 2030 (o. Fn. 5). 36 So der vierte Erwägungsgrund der Präambel des SRÜ (Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen); vgl. im Einzelnen WBGU (o. Fn. 2), S. 76 ff. 37 So insbes. Art. 2, 56, 58, 77, 88 SRÜ. 38 Art. 192 SRÜ.

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geprägte Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit39 hat zu einer inhaltlichen Ergänzung durch zahlreiche internationale Übereinkommen geführt, die vorwiegend dem Schutz der Meeresumwelt dienen. Allerdings spiegelt das SRÜ den Sach- und Meinungsstand Anfang der 1980er Jahre wider; modernere Erkenntnisse und Entwicklungen sind noch nicht berücksichtigt. Daher weisen das SRÜ und das damit zusammenhängende Regelwerk aus heutiger Sicht Lücken und Defizite sowie inhaltliche Schwächen und Unklarheiten auf. 2. Ocean Governance Die für eine nachhaltige maritime Entwicklung notwendigen Maßnahmen werden als „Ocean Governance“ plakatiert.40 Unter diesem eher unklaren und vieldeutigen Begriff41 lassen sich die Maßnahmen verstehen, die der Ordnung und Steuerung der meeresbezogenen Aktivitäten mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung dienen. Die Anforderungen an eine wirksame und nachhaltige Ocean Governance sind in zunehmendem Maße Gegenstand einer intensiven Diskussion.42 Dabei wird immer deutlicher, dass eine Vielzahl von äußerst unterschiedlichen Maßnahmen erforderlich ist, die sich nur in Einzelschritten realisieren lassen. Auch wenn die Diskussion längst noch nicht zu einem Abschluss gelangt ist, zeichnen sich doch wesentliche Grundbedingungen und Lösungsansätze ab, die nachfolgend in der gebotenen Kürze und daher ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit skizziert werden sollen. a) Verantwortlichkeit Notwendig erscheint vor allem ein Grundkonzept oder eine Gesamtstrategie, aus der sich die einzelnen Maßnahmen ableiten. Das beginnt bei der Verantwortlichkeit für Ocean Governance. Das internationale Seerecht, wie es insbesondere durch das SRÜ kodifiziert ist, geht im Grundsatz von der Freiheit der Hohen See aus mit der Folge, dass alle Staaten die Meere ausgewogen nutzen können, zugleich aber auch zu deren Schutz verpflichtet sind. Im Bereich des Festlandsockels, in der ausschließlichen Wirtschaftszone und im Küstenmeer wird diese Freiheit durch küstenstaatliche

39 Während Art. 208 und 211 SRÜ eine eindeutige Verpflichtung begründen, enthalten Art. 207, 210 und 212 SRÜ nur eine Bemühensklausel. 40 Bezeichnenderweise gibt es keine adäquate deutsche Übersetzung; vgl. auch WOR 4 (o. Fn. 34), S. 76; der vom WBGU (o. Fn. 2) verwendete Begriff „Meeres-Governance“ schafft auch keine größere Klarheit. 41 F. Moretti/D. Pestre, Bankspeak – The Language of World Bank Reports 1946 – 2014, Literary Lab, Pamphlet 9, März 2015, S. 7, kategorisieren den Begriff „Governance“ als „Abracadabra“. 42 S. dazu z. B. die umfassenden Anstöße des WBGU (o. Fn. 2), S. 263 ff.; s. auch Europäische Kommission, International Ocean Governance: an agenda for the future of our oceans, https://ec. europa.eu/maritimeaffairs/sites/maritimeaffairs/files/list-of-actions_en.pdf (letzter Besuch 13. 6. 2018).

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Rechte und Souveränität eingeschränkt.43 Die mineralischen Ressourcen der Tiefsee hingegen werden als gemeinsames Erbe der Menschheit ausgewiesen, über deren Nutzung die ISA als Treuhänder entscheidet. Es gibt Stimmen, die dieses Prinzip für die Meere insgesamt zur Anwendung bringen wollen.44 Bisher spricht jedoch wenig dafür, dass ein solcher Ansatz durchsetzbar wäre. Vielmehr ist die gegenläufige Tendenz einer „Aquitorialisierung“ zu erkennen, dass die Küstenstaaten ihre Hoheitsbefugnisse nach See hin ausweiten, um AWZ und Festlandsockel nutzen zu können.45 Umso mehr ist für eine effektive Ocean Governance die enge internationale Zusammenarbeit unabdingbar.46 b) Gesamtstrategie An einer übergreifenden Gesamtstrategie als wichtiger Aktionsgrundlage fehlt es bisher. Zwar legt die Agenda 2030 den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Meere als Ziel fest, lässt aber offen, wie es erreicht werden soll. Auch der von der Welt-Ozean-Konferenz 2017 beschlossene Aktionsplan47 stellt kein ausreichendes Grundkonzept dar, sondern letztlich nur einen Handlungsaufruf, in dem zahlreiche für notwendig erachtete Aktionen katalogisiert werden. Das gilt auch für die gleichzeitig von unterschiedlichsten Beteiligten erklärten 1400 Selbstverpflichtungen,48 wenngleich sie durch die große Zahl beeindrucken mögen. Nach wie vor bedarf es einer integrierten, sektorenübergreifenden und auf allseits akzeptierten Leitprinzipien49 fußenden Strategie. Sie darf sich nicht einseitig nur auf bestimmte Meeresaspekte beschränken, sondern muss den Meeresinteressen insgesamt, also sowohl unterschiedlichen sozio-ökonomischen Nutzungs- als auch Schutzinteressen Rechnung tragen und neben inhaltlichen strukturelle und Finanzierungsthemen einschließen.50

43 Zu den unterschiedlichen räumlichen und sektoralen Herangehensweisen vgl. A. Mondré/A. Kuhn, Ocean Governance, APuZ 51-52/2017, 4 f. 44 So WBGU (o. Fn. 2), S. 265, 269, 274. 45 S. P. Ehlers, Meeresfreiheit und aquitoriale Ordnung, in: Erbguth (Hrsg.), Stand und Entwicklung im Seerecht, Umweltrecht, Städtebaurecht, Raumordnungs- und Fachplanungsrecht, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 51, 2013, S. 15 (19 ff.). 46 Eine entsprechende Pflicht ergibt sich aus Teil XII SRÜ und allgemeinem Völkerrecht, so ITLOS, MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Provisional Measures, Order of 3 December 2001, ITLOS Reports 2001, Rn. 82. 47 S. o. Fn. 6. 48 S. dazu die Auflistung in https://oceanconference.un.org/commitments (letzter Besuch 7. 6. 2018). 49 Zu Vorschlägen zu Leitprinzipien s. WBGU (o. Fn. 2), S. 264 ff.; WOR 4 (o. Fn. 34), S. 91 ff. 50 S. dazu auch WBGU (o. Fn. 2), S. 278 f.

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c) Institutionelle Organisation der Zusammenarbeit Da eine intensive Zusammenarbeit der Staaten unerlässliche Voraussetzung für Ocean Governance ist, stellt sich die Frage, wie diese Zusammenarbeit am besten organisiert wird. Gegenwärtig werden einschlägige maritime Themen von einer Vielzahl internationaler Organisationen behandelt,51 die in ihrer Zielsetzung verschiedentlich nicht ausschließlich auf die Meere ausgerichtet sind, sondern räumlich und funktional neben anderen Bereichen auch die Meere betreffen. Das beginnt bei den UN mit der dafür zuständigen Abteilung DOALOS52 sowie der durch das SRÜ gegründeten Festlandsockelkommission, der ISA und dem ISGH53 und setzt sich fort bei den UN-Sonderorganisationen und UN-Programmen, zu denen insbesondere IMO,54 IOC-UNESCO,55 UNEP,56 FAO,57 WMO,58 IAEA,59 ILO60 und UNDP61 zählen. Hinzu kommen nicht den UN zuzuordnende zwischenstaatliche Organisationen wie IHO,62 WTO63 und ICES.64 Auf regionaler Ebene werden Meeresumwelt-Kommissionen,65 unterstützt durch das Regional Seas Programme der UNEP,66 und regionale Fischereimanagement-Organisationen tätig,67 die von der FAO unterstützt werden. Schließlich dürfen auch die für einzelne Übereinkommen bestehenden Vertragsstaatenkonferenzen nicht außer Acht gelassen werden, wenn sie sich durch Bildung permanenter Sekretariate mehr und mehr zu institutionalisierten Organisationsformen verfestigen.68

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Vgl. im Einzelnen WBGU (o. Fn. 2), S. 89 ff.; WOR 4 (o. Fn. 34), S. 79 ff. Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea. 53 Internationaler Seegerichtshof (International Tribunal for the Law of the Sea). 54 International Maritime Organization. 55 Intergovernmental Commission for Oceanography of the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization. 56 United Nations Environment Programme. 57 Food and Agriculture Organization of the United Nations. 58 World Meteorological Organization. 59 International Atomic Energy Agency. 60 International Labour Organization. 61 United Nations Development Programme. 62 International Hydrographic Organization. 63 World Trade Organization. 64 International Council for the Exploration of the Sea. 65 So z. B. die Helsinki-Kommission (Ostsee) und OSPAR-Kommission (Nordostatlantik). 66 S. im Einzelnen http://drustage.unep.org/regionalseas/unep-administered-programmes (letzter Besuch 7. 6. 2018); vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 95 f. 67 S. im Einzelnen http://www.fao.org/fishery/rfb/en (letzter Besuch 7. 6. 2018); vgl. auch WBGU (o. Fn. 2), S. 149 ff. 68 So z. B. die institutionalisierten Vertragsstaatenkonferenzen gem. Art. 23 des Internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt, s. auch https://www.cbd.int/conven tion/bodies/intro.shtml (letzter Besuch 7. 6. 2018). 52

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Das führt unweigerlich zu der Frage, ob diese institutionelle Fragmentierung durch Bündelung aller maritimen Aufgaben in einer überwölbenden Welt-Ozean-Organisation beseitigt werden könnte.69 Auf den ersten Blick mag das durchaus reizvoll sein, wirft aber eine Unzahl neuer Fragen auf. Angesichts der Aufgabenfülle müsste eine solche Organisation nach einzelnen Funktionen und Meeresregionen untergliedert werden. Eine nicht minder komplizierte Organisationshierarchie könnte die Folge sein. Überdies würden viele neue Schnittstellen zu anderen Fachorganisationen entstehen, die einerseits wegen ihres nicht-maritimen Aufgabenteils nicht in Gänze in eine Ozean-Organisation überführt werden, andererseits diese Aufgaben aber nicht ohne Berücksichtigung maritimer Aspekte erfüllen könnten. Näher liegend und auch realistischer erscheint daher, die Zusammenarbeit der bestehenden Organisationen zu intensivieren und einer kohärenten Zielsetzung zu unterwerfen. Gerade dafür ist eine übergreifende Gesamtstrategie unerlässlich. Als Scharnier für eine organisationsübergreifende Zusammenarbeit dient gegenwärtig UN-Oceans, ein von DOALOS betreutes Gremium, in dem die zum UN-System gehörenden Organisationen und die ISA vertreten sind, um die Koordination, Geschlossenheit und Effektivität der Wahrnehmung maritimer Aufgaben zu gewährleisten.70 Es könnte daran gedacht werden, dieses Gremium weiteren Organisationen zugänglich zu machen. Auch die Zusammenarbeit der jeweils in einer Meeresregion tätigen Organisationen sollte intensiviert werden, genauso wie die Zusammenarbeit zwischen benachbarten Regionen. Das alles könnte dazu beitragen, durch ein möglichst enges Netzwerk ein sektorenübergreifendes Zusammenwirken, eine einheitliche Zielsetzung und die inhaltliche Abstimmung zwischen den vorhandenen Institutionen auf allen Ebenen zu verbessern.71 Wenngleich die abschließenden Entscheidungen in zwischenstaatlichen Organisationen den Vertretern der Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, so spielt doch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft eine immer größere Rolle, wie sich an der ständig wachsenden Beteiligung von Nicht-Regierungsorganisationen an internationalen Konferenzen und Sitzungen zeigt. Dazu gehören Wissenschaftsvereinigungen, Umweltorganisationen, aber auch der Wirtschaft nahe stehende Gruppen, nur beispielhaft seien hier ICSU,72 IUCN73 und WOC74 genannt. Das sollte im Interesse der notwendigen gesellschaftlichen Akzeptanz weiter gefördert werden. Daneben sollten private Initiativen wie Marine Stewardship Council, Friend of the Sea und Aquacul69 WBGU (o. Fn. 2), S. 269, schlägt als Ergänzung die Einrichtung einer Welt-Ozean-Organisation vor; s. auch F. Biermann, Internationale Meeresumweltpolitik, Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXI, Bd. 248, S. 269 f. 70 Zu Einzelheiten s. http://www.unoceans.org (letzter Besuch 7. 6. 2018); vgl. UNGA A/RES/68/70/Annex; A/RES/72/70/Add.1, Nr. 73 ff., 92, s. auch WBGU (o. Fn. 2), S. 91. 71 Vgl. UNGA A/72/70/Add.1, Nr. 72; zur regionalen Zusammenarbeit vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 272, 284. 72 International Council for Science. 73 International Union for Conservation of Nature. 74 World Ocean Council.

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ture Stewardship Council75 unterstützt werden, die das Ziel verfolgen, insbesondere bei Nutzung der lebenden Ressourcen ausreichende Qualitätsstandards zu sichern. d) Fortentwicklung des Seerechts Eine ganz wesentliche Voraussetzung ist, dass noch bestehende Lücken und Unklarheiten im normierten Seerecht beseitigt werden. Dabei kann der ISGH durch eine progressive Auslegung des SRÜ eine wichtige Rolle spielen, insbesondere wenn es gelänge, die nach dem SRÜ noch bestehenden Einschränkungen einer obligatorischen Streitbeilegung durch den ISGH76 zu reduzieren und seine Möglichkeiten zur Erstattung von Rechtsgutachten77 zu erweitern. Erforderlich ist jedoch auch eine Weiterentwicklung und Ergänzung des geltenden Seerechts, und zwar vorrangig durch ohnehin anstehende Änderungen bestehender und Erarbeitung weiterer Durchführungsübereinkommen zum SRÜ. aa) Allgemeine Grundsätze Vor allem die folgenden allgemeinen Grundsätze sollten eindeutig im internationalen Seerecht verankert werden: (1) Nachhaltige Entwicklung Ungeachtet der Frage, ob der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung bereits zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist, sollte er unter besonderer Hervorhebung des damit verbundenen ökosystemaren Ansatzes als grundlegendes Handlungsprinzip verbindlich festgelegt werden.78 Das würde der Bedeutung der Agenda 2030 gerecht und den für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Meere erforderlichen Handlungsschritten Nachdruck verleihen. (2) Vorsorgeprinzip Moderne umweltpolitische Grundsätze und Prinzipien, die in neueren regionalen Meeresumweltübereinkommen teilweise bereits berücksichtigt werden, sollten weltweit Geltung erlangen. Dazu gehört vorrangig das Vorsorgeprinzip. Zwar lassen ei75 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 91, 101 ff., 290 f.; WOR 1 (o. Fn. 7), S. 139; R. R. Churchill/ A. V. Lowe, The law of the sea, 3. Aufl., 8. Nachdruck 2010, S. 323; die Bedeutung privaten Engagements spiegelt sich auch in vielen der mehr als 1400 eingegangenen Selbstverpflichtungen anlässlich der World Ocean Conference 2017 wider, s. https://oceanconference.un.org/ commitments (letzter Besuch 13. 6. 2018). 76 R. Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, Kapitel 6, Rn. 28 ff. 77 Im Wesentlichen nur nach Art. 191 SRÜ; s. R. Wolfrum (o. Fn. 76), Rn. 81, 89; für eine Erweiterung plädiert auch WBGU (o. Fn. 2), S. 267, 273. 78 Eine ausdrückliche Verpflichtung zu Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung enthalten Art. 6 ff. des Internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD, BGBl. 1993 II S. 1741).

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nige Vorschriften des SRÜ dieses Prinzip zumindest mittelbar erkennen, so z. B. in der Definition des Verschmutzungsbegriffes.79 Auch mehren sich die Anzeichen, dass es sich allmählich als Völkergewohnheitsrecht verfestigt.80 Allerdings ist nach wie vor nicht eindeutig, was darunter zu verstehen ist.81 Auf globaler Ebene ist durch die Rio-Deklaration der Vorsorge„ansatz“ mit der Festlegung eingeführt worden, dass das Fehlen umfassender wissenschaftlicher Sicherheit nicht als Grund dienen darf, um Maßnahmen zur Verhütung von Verschlechterungen der Umwelt aufzuschieben, wenn schwerwiegende Schädigungen drohen.82 Dieser Ansatz ist auch in den Regelungen der ISA für die Aufsuchung von Mineralien83 sowie im FSA84 verankert. Es bleibt offen, ob dieser Begriff mit dem Vorsorge„prinzip“, wie es in der europäischen Rechtsetzung und den regionalen Meeresumweltübereinkommen verwendet wird,85 übereinstimmt. (3) Verursacherprinzip, beste Umweltpraxis In gleicher Weise sollte die weltweite Einführung des Verursacherprinzips angestrebt werden, wie es sich wiederum im europäischen Recht und regionalen Meeres-

79 Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ; vgl. Y. Tanaka, in: Proelss (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea, 2017, Art. 1 Rn. 13. 80 ITLOS/Case No. 17, Rn. 135; vgl. J. Harrison/E. Morgera, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 61 Rn. 22; WBGU (o. Fn. 2), S. 85. 81 S. J. L. Kateka, Protection and Preservation of the Marine Environment in the Area under UNCLOS, in: Hestermeyer u. a. (Hrsg.), Coexistence, Cooperation and Solidarity, 2012, S. 919 (926 f.). 82 Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (1992), Grundsatz 15, s. http://www.un. org/depts/german/conf/agenda21/rio.pdf (letzter Besuch 11. 6. 2018). 83 Reg. 33 Abs. 2, 5 Regulations on Prospecting and Exploration for Polymetallic Sulphides in the Area (ISBA/16/A/12/Rev. 1, Annex); Reg. 31 Abs. 1, 5 Regulations on Prospecting and Exploration for Polymetallic Nodules in the Area (ISBA/19/C/17, Annex, ISBA/ 20/A/9); Reg. 33 Abs. 2, 5 Regulations on Prospecting and Exploration for Cobalt-rich Ferromanganese Crusts in the Area (ISBA/18/A/11, Annex); vgl. M. Starre, Der Meeresboden – Haftungsregime des Tiefseebergbaus, Studies in International Law of the Sea and Maritime Law, Bd. 10, 2016, S. 185. 84 Art. 5 Buchst. c, Art. 6 Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische (BGBl. 2000 II S. 1023). 85 Vgl. Art. 191 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 83, 30. 3. 2010, S. 47); Art. 3 Abs. 2 Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (Helsinki-Übereinkommen, BGBl. 1994 II S. 1397); Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkommen, BGBl. 1994 II S. 1360); Y. Tanaka, Regulation of Land-Based Marine Pollution in International Law: A Comparative Analysis between Global and Regional Legal Frameworks, ZaöRV 66 (2006), 535 (559 f.); R. R. Churchill/A. V. Lowe (o. Fn. 75), S. 336; A. Proelß, Meeresschutz im Völker- und Europarecht, Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, Bd. 71, 2004, S. 106.

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umweltübereinkommen findet.86 Die eindeutige Verantwortlichkeit der Nutzer für von ihnen verursachte Schädigungen der Meeresumwelt hätte zur Folge, dass ihnen auch Kosten zur vorbeugenden Vermeidung von nachteiligen Umweltauswirkungen angelastet werden könnten. Zugleich sollte die Anwendung der besten Umweltpraxis und der besten verfügbaren Technologie für sämtliche Nutzungen der Meere weltweit verbindlich gemacht werden.87 (4) Meeresüberwachung Art. 204 SRÜ sieht zwar vor, dass die Gefahren und Auswirkungen der Verschmutzung der Meeresumwelt mit anerkannten wissenschaftlichen Methoden von den Staaten zu beobachten und zu messen sind. Dabei handelt es sich jedoch letztlich um eine Bemühensklausel, die nur für solche Tätigkeiten zu einer verbindlichen Verpflichtung wird, die der jeweilige Staat genehmigt oder selbst durchführt und die dann inhaltlich auf das Monitoring dieser Tätigkeiten beschränkt ist.88 Gerade im Hinblick auf die Ergebnisse des ersten World Ocean Assessment,89 die deutlich machen, dass sehr viel bessere Kenntnisse über die Meere erforderlich sind,90 erscheint eine eindeutige Verpflichtung zum umfassenden Monitoring der Meeresumwelt geboten. Monitoringprogramme wie sie z. B. für die Ostsee und den Nordostatlantik bestehen,91 müssen weltweit zwingend durchgeführt werden. Sie dürfen sich nicht auf bestimmte Verschmutzungsaspekte beschränken, sondern müssen zu einem auf Dauer angelegten Ozeanbeobachtungssystem erweitert werden, das alle wichtigen Variablen einschließt. Zumindest in Teilen ist ein solches System von IOC-UNESCO und der WMO unter der Bezeichnung GOOS92 eingeführt worden. Bisher ist jedoch die Bereitschaft, sich langfristig und verlässlich an dem System zu beteiligen, bei vielen Staaten noch nicht sonderlich ausgeprägt.

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Vgl. Art. 191 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (o. Fn. 85); Art. 3 Abs. 4 Helsinki-Übereinkommen (o. Fn. 85); Art. 2 Abs. 2 Buchst. b OSPAR-Übereinkommen (o. Fn. 85). 87 Vgl. Art. 3 Abs. 3 Helsinki-Übereinkommen (o. Fn. 85), Art. 2 Abs. 3 OSPAR-Übereinkommen (o. Fn. 85); Y. Tanaka (o. Fn. 85), S. 563 f. 88 E. Blitza, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 204 Rn. 12, 20 f. 89 S. o. Fn. 4. 90 Vgl. UNGA A/RES/71/312 Annex, Nr. 13 f.; WBGU (o. Fn. 2), S. 276; vgl auch P. Ehlers, The Work of the UNESCO-IOC in Respect of Global Ocean Governance, in: Attard u. a. (Hrsg.), The IMLI Treaties on Global Ocean Governance, Volume II: UN Specialised Agencies and Global Governance, 2018, S. 28 ff. 91 So z. B. die HELCOM Monitoring and Assessment Strategy 2013 und die für verschiedene Stoffe erarbeiteten OSPAR Monitoring Guidelines. 92 Gobal Ocean Observing System; für Details s. http://www.goosocean.org (letzter Besuch 11. 6. 2018); vgl. im Einzelnen P. Ehlers, The Governance of the Global Ocean Observing System (GOOS), in: Hestermeyer u. a. (Hrsg.), Coexistence, Cooperation and Solidarity, 2012, S. 1413 ff.

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(5) Umweltverträglichkeitsprüfung Aus Art. 206 SRÜ lässt sich zwar im Grundsatz eine Verpflichtung zu Umweltverträglichkeitsprüfungen herleiten; gleichwohl fehlt es an jeder näheren inhaltlichen Festlegung, so dass Art und Umfang letztlich der Entscheidung des jeweiligen Staates überlassen bleiben.93 Eine weitere Konkretisierung der betroffenen Vorhaben, inhaltlichen Anforderungen und Ausgestaltung des Verfahrens94 erscheint notwendig. Dabei könnten das ESPOO-Übereinkommen95 und die europäische Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung96 als Vorlage herangezogen werden. (6) Managementinstrumente Hilfreich für Ocean Governance sind raumbezogene Managementinstrumente, die es erleichtern, zu einer ausgewogenen Balance zwischen verschiedenen maritimen Nutzungen und dem Schutz der Meere zu gelangen.97 Dazu zählen die Einrichtung von Meeresschutzgebieten und andere sektorenübergreifende Ansätze, insbesondere eine maritime Raumplanung und ein integriertes Küstenzonenmanagement.98 Bisher stößt die Einrichtung von Meeresschutzgebieten, soweit sie mit Befahrens- und Nutzungsverboten verknüpft wird, außerhalb der Hoheitsgewässer in der AWZ zumindest im Hinblick auf die Schifffahrt schnell an völkerrechtliche Grenzen und ist auf der Hohen See unzulässig.99 Um unterschiedliche raumbezogene Interessen gegen einander abzuwägen, gewinnt die maritime Raumordnung an Bedeutung. Wenn sich auch inzwischen die Ansicht durchgesetzt hat, dass in der AWZ eine Raumordnung rechtlich zulässig ist, soweit sie in Ausübung der dem Küstenstaat zustehenden souveränen Rechte und Hoheitsbefugnisse erfolgt,100 so erscheint eine nähere rechtliche Festlegung der Voraussetzungen und der Gestaltung des Verfahrens

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Vgl. E. Blitza, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 206 Rn. 1. Zu Regelungen in regionalen Umweltübereinkommen s. Y. Tanaka (o. Fn. 85), S. 566 f.; vgl. auch WBGU (o. Fn. 2), S. 275. 95 Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (BGBl. 2002 II S. 1407). 96 Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26, 28. 1. 2012, S. 1); zu Einzelheiten s. M. Schubert, Maritimes Infrastrukturrecht, Jus Publicum, Bd. 243, 2015, S. 120 f. 97 Vgl. UNGA A/RES/71/312, Annex, Nr. 13 j. 98 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 117 f., 291 ff.; zur Raumordnung in der ausschließlichen Wirtschaftszone erstmals W. Erbguth, Raumplanung im Meer, NuR 1999, 491; s. auch W. Erbguth, Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, in: Ehlers/Erbguth (Hrsg.), Nutzungs- und Schutzkonflikte in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 31, 2005, S. 61 (62 f.). 99 Vgl. D. Czybulka, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 194 Rn. 34 f.; R. Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, in: Ehlers/Erbguth (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im Seerecht II, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 25, 2003, S. 29 (38). 100 Vgl. A. Proelss, in: ders. (o. Fn. 79), Art. 56 Rn. 27; M. Schubert (o. Fn. 96), S. 59 f. 94

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sowie der Zusammenarbeit der Staaten bei gebietsübergreifenden Planungen geboten.101 bb) Anforderungen an die Nutzungen Neben der erforderlichen Konkretisierung allgemeiner Grundsätze bestehen noch erhebliche Regelungsdefizite im Hinblick auf einzelne Nutzungsarten und deren Auswirkungen. Als Rahmenübereinkommen legt das SRÜ selbst keine inhaltlichen Anforderungen fest, sondern fordert die Staaten auf, die notwendigen internationalen Regeln zu erarbeiten.102 Für die Seeschifffahrt ist ein umfassendes internationales Rechtsregime geschaffen worden, das Sicherheit, Umweltschutz und angemessene Arbeitsbedingungen einschließt und auch die Beseitigung von Stoffen auf See einbezieht.103 Es wird im Lichte neuer Erkenntnisse ständig weiterentwickelt und erfordert insbesondere im Hinblick auf den Klimaschutz zusätzliche Anstrengungen.104 An vergleichbaren Regelungssystemen für andere meeresbezogene Aktivitäten fehlt es hingegen weitgehend. (1) Meeresbergbau Für Tätigkeiten auf dem Meeresboden verpflichtet Art. 208 Abs. 5 SRÜ die Staaten zwar, weltweite und regionale Regelungen zum Schutz vor Meeresverschmutzungen aufzustellen. Dennoch bestehen für die Bereiche nationaler Hoheitsbefugnisse einschließlich AWZ und Festlandsockel bisher keine globalen Regelungen. Sie bleiben weitgehend der nationalen Rechtsetzung der Küstenstaaten überlassen.105 Einige regionale Meeresumweltübereinkommen sehen gemeinsame Standards vor, die jedoch auf die Förderung von Öl und Gas beschränkt sind und keine anderen mineralischen Ressourcen, z. B. Sand und Kies, erfassen.106 Das gilt auch für die europäische Richtlinie über die Sicherheit von Offshore-Öl- und Erdgasaktivitäten.107 In den Seebereichen außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse, dem sog. Gebiet, hat die dafür zuständige ISA108 für die Erkundung und Aufsuchung mineralischer Rohstoffe bereits Regelungen erlassen109 und erarbeitet gegenwärtig Vorschriften für die Gewin101 Die Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (ABl. L 257, 28. 8. 2014, S. 135) könnte als Anhalt dienen; zu Einzelheiten s. M. Schubert (o. Fn. 96), S. 140 f. 102 Vgl. D. Czybulka, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 192 Rn. 8 f.; Y. Tanaka (o. Fn. 85), S. 543. 103 Vgl. P. Ehlers, Übersicht über die die Meeresverschmutzung betreffenden Vorschriften, in: Das Deutsche Bundesrecht, I L 60, 1283. Lieferung, 2018, Rn. 43 ff. 104 S. dazu die IMO-Strategie 2018 – 2023 (IMO/A 30/Res. 1110). 105 Vgl. R. R. Churchill/A.V. Lowe (o. Fn. 75), S. 371; WOR 3 (o. Fn. 14), S. 132 f. 106 Vgl. R. R. Churchill/A.V. Lowe (o. Fn. 75), S. 372 f.; einen Überblick über den Meeresbergbau vermittelt WBGU (o. Fn. 2), S. 34 f. 107 RL 2013/30/EU (ABl. L 178, 28. 6. 2013, S. 66). 108 Art. 209, 145 SRÜ; vgl. M. Starre (o. Fn. 83), S. 107 f. 109 Reg. 33 Abs. 2, 5 Regulations on Prospecting and Exploration for Polymetallic Sulphides in the Area, Reg. 31 Abs. 1, 5 Regulations on Prospecting and Exploration for Poly-

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nung von Mineralien.110 Es sollte gewährleistet werden, dass diese Regeln nicht nur für das Gebiet Anwendung finden, sondern von den Küstenstaaten als Minimumstandards auch bei Aktivitäten in ihren Bereichen zugrunde gelegt werden. (2) Andere Aktivitäten auf See Unterwasserkabel und Rohrleitungen werden zwar vom SRÜ erfasst,111 sind bisher aber nicht näher geregelt. Genauso fehlt es für andere Offshore-Aktivitäten, zu denen insbesondere der Betrieb von Windkraftanlagen auf See, aber auch Gezeiten-, Strömungs-, Wellen- und Thermalkraftwerke zählen, an internationalen Vorschriften, wenngleich die Staatenverpflichtung nach Art. 208 Abs. 5 SRÜ sich auch auf derartige Anlagen bezieht.112 Das trifft ebenfalls für die Aquakultur und futuristische Einzelprojekte zu, die von Hotels und Wohnsiedlungen bis zu Flughäfen, Fabriken auf künstlichen Inseln und Unterwasserrechenzentren113 reichen. Eine wirksame Ocean Governance erfordert generell Anforderungen zur Sicherung einer umweltverträglichen Nutzung, darf jedoch auch andere Aspekte wie z. B. Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen nicht vernachlässigen. (3) Biotechnologische Vorhaben und biologische Diversität Vorhaben zur biotechnologischen Nutzung mariner Organismen, insbesondere im Bereich unterseeischer Hydrothermalquellen werden nicht von den SRÜ-Vorschriften über die Nutzung der Tiefsee erfasst, die auf mineralische Ressourcen beschränkt sind.114 Auch das CBD115 reicht als Regelungsgrundlage nicht aus, zumal es auf der Hohen See nur äußerst eingeschränkt angewendet werden kann.116 Umso bedeutender sind die Entscheidungen der UN-Vollversammlung, eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der marinen biologischen Vielfalt auf der Hohen See zu erarbeiten und eine Konferenz zur Verabschiedung eines entsprechenden Übereinkommens durchzuführen.117 Dabei wird die Nutzung mariner genetischer Ressourcen einen wichtigen Regelungsbereich darstellen,

metallic Nodules in the Area, Reg. 33 Abs. 2, 5 Regulations on Prospecting and Exploration for Cobalt-rich Ferromanganese Crusts in the Area (o. Fn. 83); vgl. M. Starre (o. Fn. 83), S. 185. 110 S. Draft Regulations on Exploitation of Mineral Resources in the Area (ISBA/23/LTC/ CRP.3*). 111 Art. 79, 112 ff., 208 SRÜ. 112 Zum Anlagenbegriff s. A. Proelss, in: ders. (o. Fn. 79), Art. 60 Rn. 9 ff.; vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 248 ff. 113 S. http://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/project-natick-microsoft-will-rechenzentren-ver senken-a-1074999.html (letzter Besuch 19. 6. 2018). 114 S. im Einzelnen J. C. Friedland (o. Fn. 27), S. 137 ff. 115 S. o. Fn. 78. 116 S. J. C. Friedland (o. Fn. 27), S. 159 f. 117 UNGA A/RES/69/262, A/RES/72/249; vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 92 f., 280.

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um zum einen die biologische Vielfalt zu schützen,118 zum anderen aber auch Grundsatzfragen zu Nutzungs- und Zugangsrechten, Vorteilsausgleich sowie zum Recht am geistigen Eigentum zu klären.119 Darüber hinaus bietet das Übereinkommen die Gelegenheit, einige der aufgezeigten Schwächen und Regelungslücken des SRÜ ganz generell zu beheben.120 (4) Seefischerei Für die Seefischerei wird durch das SRÜ und verschiedene Fachübereinkommen zwar ein Rechtsregime vorgehalten,121 dennoch erscheint eine Verfestigung und Erweiterung der Regelungen für eine wirksame Ocean Governance geboten. Die Verpflichtungen nach Art. 61 und 117 SRÜ erstrecken sich vor allem auf Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Erhaltung eines größtmöglichen Dauerertrages, weniger jedoch auf den Schutz der Meeresumwelt.122 Eine stärkere Ausrichtung auf den Umweltschutz wäre wünschenswert,123 wie sie partiell durch das FSA124 erfolgt ist.125 Das Übereinkommen verpflichtet ausdrücklich zur Anwendung des Vorsorgeansatzes und zielt auch auf den Schutz der Meeresumwelt einschließlich der Erhaltung der biologischen Vielfalt.126 Allerdings regelt dieses Übereinkommen nur gebietsübergreifende Fischbestände und weit wandernde Fische und ist auf die Hohe See begrenzt. Es sollte auf andere Fischarten und sonstige lebende marine Ressourcen erweitert werden127 und zumindest in seinen Grundsätzen auch in der AWZ gelten. Zugleich muss die globale Durchsetzung der Regelungen im Hinblick auf nicht gemel-

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Dieses Schutzziel wird vom SRÜ allenfalls am Rande durch Art. 194 Abs. 5 einbezogen; vgl. D. Czybulka, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 194 Rn. 30 ff.; A. Proelß (o. Fn. 85), S. 105 f. 119 S. Chair’s streamlined non-paper on elements of a draft text of an international legallybinding instrument under the United Nations Convention on the Law of the Sea on the conservation and sustainable use of marine biological diversity of areas beyond national jurisdiction; zu weiteren Informationen über die vorbereitenden Arbeiten s. http://www.un.org/ depts/los/biodiversity/prepcom.htm (letzter Besuch 11. 6. 2018). 120 Zu den im non-paper aufgelisteten allgemeinen Prinzipien gehören ökosystemarer Ansatz, Vorsorge- und Verursacherprinzip, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Meeresschutzgebiete. 121 Zur Entwicklung des Seefischereirechts s. im Einzelnen R. R. Churchill/A. V. Lowe (o. Fn. 75), S. 287 ff.; V. J. Schatz, Combating Illegal Fishing in the Exclusive Economic Zone, GoJIL, Bd. 7, Nr. 2 (2016), S. 383 (396). 122 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 78, 131 et seq.; A. Proelß (o. Fn. 85), S. 108. 123 Zu Bedeutung und Auswirkungen der Seefischerei s. im Einzelnen WBGU (o. Fn. 2), S. 122 ff. 124 S. o. Fn. 84. 125 S. WBGU (o. Fn. 2), S. 146 ff.; A. Proelß (o. Fn. 85), S. 149 ff. 126 Art. 5 Buchst. c, f, g, Art. 6 (o. Fn. 84). 127 WBGU (o. Fn. 2), S. 280 ff., 295 ff.

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dete, illegale und nicht geregelte Fischereitätigkeiten128 verbessert werden. Ein wichtiges Durchsetzungsinstrument ist die Hafenstaatkontrolle auf der Grundlage eines FAO-Übereinkommens, das 2016 in Kraft getreten ist.129 Weitere Verbesserungen wären durch Einführung eines verbindlichen Lizensierungs- und Registrierungssystem für alle Fischereifahrzeuge denkbar.130 (5) Landseitige Meeresverschmutzung Nachhaltige Ocean Governance kann nicht nur bei Aktivitäten auf See ansetzen. Unabdingbar ist die Reduzierung der Einträge vom Lande aus, der bei weitem größten Verschmutzungsquelle.131 Entsprechende Regelungen in regionalen Meeresschutzübereinkommen132 sind im Wesentlichen auf allgemeine Grundsätze beschränkt und bedürfen der Ausfüllung durch konkrete Beschlüsse der jeweiligen Meeresumweltkommissionen, die in den meisten Fällen nur soft law darstellen. Globale Regelungsansätze gehen letztlich nicht über das nicht verbindliche Global Programme of Action133 hinaus, auch wenn die UNEP es als Grundlage für fortdauernde, weit reichende Tätigkeiten nutzt und fortentwickelt.134 Nicht zuletzt das gegenwärtig die Schlagzeilen bestimmende Problem von Plastik im Meer135 macht die Dringlichkeit weltweit verbindlicher Regelungen deutlich. (6) Haftung Die Haftung bei Schäden durch maritime Aktivitäten ist bisher nur für Teilbereiche geregelt, auch wenn Art. 235 SRÜ die Staaten im Grundsatz zu entsprechenden

128 Vgl. UNGA A/RES/71/312 Annex, Nr. 13 l ff.; UNGA A/RES/72/72, Teil IV; WBGU (o. Fn. 2), S. 152 ff., 298 f.; vgl. R. R. Churchill/A. V. Lowe (o. Fn. 75), S. 323; WOR 2 (o. Fn. 10), S. 74 ff. 129 Übereinkommen über Hafenstaatsmaßnahmen zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, ungemeldeten und unregulierten Fischerei (ABl. L 191, 22. 7. 2011, S. 3); s. V. J. Schatz (o. Fn. 121), S. 400 f. 130 WBGU (o. Fn. 2), S. 281; eine besondere Rolle spielen dabei das Agreement to Promote Compliance with International Conservation and Management Measures by Fishing Vessels on the High Seas, http://www.fao.org/docrep/MEETING/003/X3130 m/X3130E00.HTM (letzter Besuch 12. 6. 2018) sowie der Code of Conduct for Responsible Fisheries, http://www. fao.org/docrep/005/v9878e/v9878e00.HTM (letzter Besuch 12. 6. 2018); vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 145 f. 131 S. F. Wacht, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 207 Rn. 2. 132 S. im Einzelnen Y. Tanaka (o. Fn. 85), S. 550 f. 133 Verabschiedet mit der Washington Declaration on Protection of the Marine Environment from Land-Based Activities, 1995; s. auch Y. Tanaka (o. Fn. 85), S. 544; D. Hassan (o. Fn. 1), S. 61 (83, 89 f.). 134 Vgl. F. Wacht, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 207 Rn. 17; R. R. Churchill/A. V. Lowe (o. Fn. 75), S. 380 ff.; im Einzelnen auch Y. Tanaka (o. Fn. 85), S. 547 ff., 572 f. 135 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 35.

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Maßnahmen bei Verschmutzungsschäden verpflichtet.136 Bei Aktivitäten im Gebiet begründet Art. 22 Annex III zum SRÜ die Haftung des Vertragsnehmers für Schäden, die durch rechtswidrige Handlungen im Verlauf der Arbeiten verursacht worden sind. Die ISA-Regelungen137 stellen klar, dass davon auch Umweltschäden erfasst werden. Regelungen werden auch in dem neuen Übereinkommen zur biologischen Vielfalt138 geplant.139 Zu erwägen wäre, ob eine weitergehende Gefährdungshaftung in Anlehnung an die Haftungsübereinkommen in der Seeschifffahrt vorzuziehen wäre.140 e) Umsetzung des geltenden Rechts Nicht minder wichtig als die Fortentwicklung des Seerechts ist, dass das bereits geltende Recht von den Staaten wirksam um- und durchgesetzt wird.141 Daran fehlt es verschiedentlich. Das gilt auch für sekundäres Ausführungsrecht, das häufig in der Form von Codes und Richtlinien, denen nicht ohne Weiteres völkerrechtliche Verbindlichkeit zukommt, von den jeweils zuständigen Organisationen beschlossen wird. Für die Schifffahrt verpflichtet das SRÜ mit einer wegweisenden Regelung die Staaten, die allgemein anerkannten internationalen Vorschriften, Verfahren und Gebräuche zu beachten.142 Es wäre ein großer Fortschritt, wenn entsprechende Grundsätze auch für andere maritime Aktivitäten gelten würden und sich zugleich die progressive Auslegung143 durchsetzen würde, dass von der zuständigen internationalen Organisation in Ausfüllung von Übereinkommen einvernehmlich beschlossene Standards als allgemein anerkannt zu bewerten sind.

136 S. R. Wolfrum, Maritime Pollution – Compensation or Enforcement, in: Basedow/Magnus (Hrsg.), Pollution of the Sea – Prevention and Compensation, Hamburg Studies on Maritime Affairs, Bd. 10, 2007, S. 129, 130; R. Lagoni, Völkerrechtliche Vorgaben für die Anwendung des Umweltschadensgesetzes in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 40, 2007, S. 26 ff.; vgl. allgemein zur Ausweitung der Haftung WBGU (o. Fn. 2), S. 111 f., 293. 137 Reg. 32 Regulations on Polymetallic Sulphides (o. Fn. 83), Reg. 32 Regulations on Crusts, Annex 10 (o. Fn. 83), Section 8 Draft Regulations on the Exploitation of Mineral Resources in the Area (o. Fn. 110). 138 S. o. Abschnitt III. 2. d) bb) (3). 139 Vgl. Abschnitt X des non-papers (o. Fn. 119). 140 Vgl. dazu P. Ehlers (o. Fn. 103), Rn. 89. 141 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 267. 142 Art. 94 Abs. 5, 211 Abs. 2. 143 Zu den unterschiedlichen Auslegungsansätzen s. D. Guilfoyle, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 91 Rn. 11; K. Bartenstein, in: Proelss (o. Fn. 79), Art. 211 Rn. 33 et seq.; M. Höltmann, Schiffssicherheit und Meeresumweltschutz in der EU nach Erika und Prestige, Studies in International Law of the Sea and Maritime Law, Bd. 4, 2012, S. 30 ff.; W. Graf Vitzthum (o. Fn. 76), Kapitel 2 Rn. 91, 175; J. A. Witt, Obligations and Control of Flag States, Schriften zum See- und Hafenrecht, Bd. 14, 2007, S. 59 ff.

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Auch wenn Übereinkommen die Staaten verpflichten, über die zur Umsetzung ergriffenen Maßnahmen zu berichten,144 ist häufig schwer nachzuvollziehen, ob und wie die Umsetzung in der Praxis erfolgt. Wichtig ist es daher, dass die zuständige Organisation eigene Möglichkeiten zur Überprüfung hat. Bemerkenswerte Schritte sind hierzu von der IMO getan worden. Schon 1995 hat sie ein zunächst freiwilliges Auditverfahren eingeführt,145 das seit 2017 verbindlich ist.146 Um die Beachtung der IMO-Übereinkommen zu überprüfen, Defizite zu identifizieren und Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen werden die Mitgliedstaaten regelmäßig von IMO-Sachverständigen auf der Grundlage spezieller Richtlinien auditiert.147 Unter Wahrung der Anonymität werden die Ergebnisse in der IMO im Hinblick auf Wirksamkeit und Eignung der Übereinkommen erörtert.148 Ein entsprechendes System könnte auch für andere maritime Übereinkommen eingeführt und in modifizierter Form zusätzlich für noch nicht ausreichend geregelte Bereiche genutzt werden. Zumindest indirekt wird mit dem Audit-Verfahren Druck auf die Staaten erzeugt, ihre Umsetzungspflichten zu erfüllen. In einem weiteren Schritt käme in Betracht, die Staaten bei ungenügenden Ergebnissen und mangelnder Abhilfe namentlich zu benennen. Als letzter Schritt könnte bei nicht ausreichender Erfüllung der Verpflichtungen ein Sanktionssystem erwogen werden,149 wie es z. B. im europäischen Unionsrecht besteht.150 f) Finanzierung Unerlässliche Voraussetzung für eine intensive internationale Zusammenarbeit ist, dass ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen. Sie werden zum einen benötigt, um die Arbeitsfähigkeit der internationalen Gremien zu gewährleisten, zum anderen, um einzelne Akteure zu unterstützen und konkrete Programme für nachhaltige Ocean Governance zu fördern. Für konkrete Projekte könnten zwar bestehende Finanzierungseinrichtungen wie der GEF151 verstärkt genutzt werden. Vorteilhafter wäre die Einrichtung eines eigenständigen Ocean Governance Fonds.152 Er könnte aus Abgaben gespeist werden, die in Anlehnung an die für den Tiefseebergbau gel144 So z. B. Art. 11 Internationales Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe idF des Protokolls von 1978 (MARPOL), Art. 16 HelsinkiÜbereinkommen (Fn. 85), Art. 23 OSPAR-Übereinkommen (Fn. 85); vgl. R. Churchill, Compliance Mechanisms in the International Law of the Sea: from the Individual to the Collective, in: Hestermeyer (o. Fn. 92), S. 777 (803). 145 Vgl. R. Churchill (o. Fn. 144), S. 796 f. 146 So z. B. Reg. 44 ff. der Anlage I MARPOL. 147 Framework and Procedures for the IMO Member States Audit Scheme (IMO Res. A. 1067(28)), IMO Instruments Implementation Code (IMO Res. A.1070(28)). 148 Zu Einzelheiten s. Nr. 5 Framework and Procedures (o. Fn. 147). 149 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 112. 150 S. Art. 260 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (o. Fn. 85). 151 Global Environment Facility, s. im Einzelnen https://www.thegef.org (letzter Besuch 12. 6. 2018); vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 91. 152 Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 286 ff.; F. Biermann (o. Fn. 69), S. 267.

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tenden Regelungen und in Übereinstimmung mit dem Verursacherprinzip, für Meeresnutzungen zu erheben wären,153 zusätzlich durch Straf- und Ausgleichsgelder bei Beeinträchtigung der Meeresumwelt.154 Gegenwärtig ist allerdings nicht zu erkennen, dass die internationale Gemeinschaft sich zu einem derartigen Fonds durchringen könnte. g) Ausgewogene Staatenpartizipation Das SRÜ verpflichtet nicht nur zum Schutz der Meere, sondern sieht vor, dass alle Staaten in ausgewogener Weise auch an der Nutzung partizipieren können, und will dadurch zu einer gerechten und ausgewogenen internationalen Wirtschaftsordnung beitragen.155 Dementsprechend erfordert eine nachhaltige Ocean Governance, dass sich alle betroffenen Staaten daran beteiligen. Das wiederum setzt voraus, dass die Staaten über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um zum einen an der internationalen Zusammenarbeit aktiv teilzunehmen, zum anderen überhaupt zur nachhaltigen Nutzung der Meere in der Lage sind. Viele Langküsten- und kleine Inselstaaten sind noch Entwicklungsländer, die der Hilfe hochentwickelter anderer Staaten beim Aufbau einer leistungsfähigen maritimen Infrastruktur bedürfen.156 Die Unterstützung muss gezielt auf die Entwicklung und Umsetzung einer ausbalancierten Meerespolitik ausgerichtet sein157 und neben dem Aufbau einer leistungsfähigen maritimen Verwaltung und der Förderung umweltverträglicher Wirtschaftsaktivitäten158 auch meereswissenschaftliche Programme und den Technologietransfer umfassen.159 Nur auf diese Weise lässt sich die unverzichtbare Einbeziehung weniger entwickelter und benachteiligter Staaten als Voraussetzung für nachhaltige Ocean Governance erreichen. IV. Schlussbemerkungen Ein im Umfang begrenzter Überblick muss sich notgedrungen darauf beschränken, in die Thematik einzuführen, einige wichtige Punkte kurz anzureißen und im besten Fall Anstöße für weiterführende Untersuchungen und Erörterungen zu 153

Vgl. WBGU (o. Fn. 2), S. 114. L. De La Fayette, The Concept of Environmental Damage in International Liability Regimes, in: Bowman/Boyle (Hrsg.), Environmental Damage in International and Comparative Law, 2002, S. 149 (186 f.); Y. Huang, Compensation of Damage to the Marine Environment, in: Ehlers/Lagoni (Hrsg.), Responsibility and Liability in the Maritime Context, Schriften zum See- und Hafenrecht, Bd.16, 2009, S. 11 (42 f.). 155 So die Erwägungsgründe 4 und 5 der Präambel des SRÜ. 156 Vgl. dazu z. B. den Aufruf der UN zur Unterstützung einer nachhaltigen Seefischerei, UNGA A/RES/72/72, Nr. 47. 157 Vgl. UNGA A/RES/71/257, 10 f.; R. R. Churchill/A. V. Lowe (o. Fn. 75), S. 396. 158 Vgl. UNGA A/RES/71/312, Anlage, Nr. 13 q ff. 159 Vgl. UNGA A/RES/71/312, Anlage, Nr. 15. 154

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geben. Ganz gewiss ist die Balance zwischen Nutzung und Schutz der Meere ein Kernelement für nachhaltige Ocean Governance. Daneben müssen aber auch ganz andere, hier nicht behandelte Fragen berücksichtigt werden, z. B. wie den Auswirkungen des Klimawandels auf die Meere begegnet werden kann oder wie ausgewogene Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten für weniger entwickelte und benachteiligte Staaten gewährleistet werden können. Hinzu kommen viele weitere Aspekte der Ordnung der Meere; das reicht von der Festlegung von Seegrenzen über die Bekämpfung der Piraterie bis hin zum Schutz des Unterwasserkulturerbes. Insgesamt setzt eine erfolgreiche Ocean Governance voraus, dass sich die Menschen noch stärker der Bedeutung der Meere für ihr Leben und Überleben bewusst werden und dies zu der Bereitschaft führt, den Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung zu entsprechen.

Das deutsche Recht der Meeresraumordnung: Entwicklung – Stand – Perspektiven Von Mathias Schubert I. Einleitung Das Meeresinfrastrukturrecht im Allgemeinen und das Recht der maritimen Raumordnung im Besonderen waren dem Jubilar stets Herzensangelegenheit. Davon zeugt nicht nur die beeindruckende Fülle an Veröffentlichungen zu jenem Themenkreis;1 auch darüber hinaus entfaltete der Jubilar, insbesondere in seiner Funktion als langjähriger Geschäftsführender Direktor des Ostseeinstituts für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht an der Universität Rostock, vielfältige wissenschaftliche Aktivitäten mit thematisch einschlägigem Bezug.2 In der Sache 1

Zu Fragen des Meeresinfrastrukturrechts W. Erbguth/F. Stollmann, Planungs- und genehmigungsrechtliche Aspekte der Aufstellung von Offshore-Windenergieanlagen, DVBl. 1995, 1270; W. Erbguth, Offshore-Windenergieanlagen – Rechtsfragen, RdE 1996, 85; ders., Rechtsfragen der Planung und Genehmigung von Offshore-Windenergieanlagen, in: Koch/ Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, Zum Zusammenspiel von Völkerrecht und nationalem Umweltrecht, 1996, S. 281; ders., Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) und deutsche Küstenbundesländer – rechtlicher Untersuchungsbedarf, NuR 2005, 757; W. Erbguth/M. Schubert, Zur Geltung des § 35 BauGB für Bauvorhaben in Küstengewässern, LKV 2005, 384; dies., Rechtsfragen der Zulassung und planerischen Steuerung schwimmender und pfahlgestützter Häuser in Küsten- und Binnengewässern, 2006; W. Erbguth, Nationales Infrastrukturrecht zur See, DVBl. 2009, 265; W. Erbguth/M. Schubert, Rechtsfragen der Errichtung und Erweiterung von Binnenhäfen. Unter Berücksichtigung städtebaulicher Nutzungsinteressen an Hafenflächen, 2011; speziell zum Recht der maritimen Raumordnung W. Erbguth, Raumplanung im Meer – unter besonderer Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzrechts, NuR 1999, 491; W. Erbguth/S. Mahlburg, Steuerung von Offshore-Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone – Raumordnerische Handlungsmöglichkeiten des Bundes und der Länder, DÖV 2003, 665; W. Erbguth/C. Müller, Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, DVBl. 2003, 625; W. Erbguth, Zum Planungsrecht für Küsten und Meere, in: Ennuschat u. a. (Hrsg.), Wirtschaft und Gesellschaft im Staat der Gegenwart: Gedächtnisschrift für Peter J. Tettinger, 2007, S. 397; ders., Gesamtplanerische Abstimmung zu Wasser – Rechtslage und Rechtsentwicklungen, DV 42 (2009), 179; ders., Maritime Raumordnung – Entwicklung der internationalen, supranationalen und nationalen Rechtsgrundlagen, DÖV 2011, 373; ders., Raumordnungspläne für die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone – Inhalte und rechtliche Beurteilung, UPR 2011, 207; ders., Europarechtliche Vorgaben für eine maritime Raumordnung: Empfehlungen, NuR 2012, 85; W. Erbguth/M. Schubert, Europäisches Raumordnungsrecht: Neue Regelungskompetenzen der EU im Gefolge des Vertrages von Lissabon?, AöR 137 (2012), 72. 2 Genannt sei etwa die Leitung des Arbeitskreises „Maritime Raumordnung“ der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (2010 – 2012), dessen Ergebnisse sich doku-

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ist hervorzuheben, dass Wilfried Erbguth das Potential ebenso wie die Notwendigkeit, die infrastrukturelle Entwicklung zu Wasser rechtlich zu steuern, frühzeitig erkannt, rechtswissenschaftlich aufgegriffen und in Breite und Tiefe umfassend ausgelotet hat. Dass der Raumordnung hierbei eine Schlüsselrolle zukommen muss, war stets ein wesentliches Desiderat des Jubilars.3 Die Rechtsentwicklung der vergangenen Jahre hat ihm Recht gegeben: So haben das Meeresinfrastrukturecht und das Recht der Meeresraumordnung einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren, nicht zuletzt befeuert durch europäische Entwicklungsschübe, die das nationale Recht inzwischen aufgenommen hat. Angesichts dessen erscheint es im vorliegenden Rahmen berechtigt, das Thema erneut aufzugreifen, um nach einem chronologischen Abriss seiner Genese (II.) den gegenwärtigen Stand des nationalen Rechts zu beleuchten (III.) und einen Ausblick in die Zukunft zu wagen (IV.). II. Entwicklung des Meeresraumordnungsrechts in Deutschland und in der Europäischen Union Geht man systematisch von der Unterscheidung spezifischen und unspezifischen Meeresraumordnungsrechts aus und versteht unter ersterem nur solche Rechtsnormen, die exklusiv auf die Raumordnung im maritimen Bereich gerichtet sind,4 so lassen sich derartige Bestimmungen im Raumordnungsgesetz des Bundes erstmals im mentiert finden in Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Maritime Raumordnung. Interessenlage, Rechtslage, Praxis, Fortentwicklung, Forschungsberichte der ARL 1, 2013, abrufbar unter https://shop.arl-net.de/media/direct/pdf/fb/fb_001/fb_001_gesamt.pdf. Hinzu kommen die Veranstaltung und wissenschaftliche Leitung zahlreicher Tagungen zum Themenkreis, s. nur P. Ehlers/W. Erbguth (Hrsg.), Nutzungs- und Schutzkonflikte in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – rechtliche Steuerungsmöglichkeiten, 2005; dies. (Hrsg.), Infrastrukturrecht zur See: Neue Wege der Meeresordnung, Dokumentation des Rostocker Gesprächs zum Seerecht 2008, 2009; W. Erbguth/M. Breuch-Moritz (Hrsg.), Landes- und Wirtschaftsentwicklung zu Wasser, Raumordnungspläne für die Nord- und Ostsee, 18. Rostocker Gespräch zum Seerecht und Infrastrukturrecht 2010, 2011; dies. (Hrsg.), Anlage und Erweiterung von Häfen: Rechtsfragen, Rostocker Infrastrukturrechtstag 2011, 2012; ferner die Betreuung einschlägiger Drittmittelprojekte und Qualifikationsschriften, s. nur die Dissertation von M. Keller, Das Planungs- und Zulassungsregime für Offshore-Windenergieanlagen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – anhand völkerrechtlicher, gemeinschaftsrechtlicher und innerstaatlicher Vorgaben, 2007, sowie die Habilitationsschrift von M. Schubert, Maritimes Infrastrukturrecht, 2015. Neben politikberatender Tätigkeit auf Bundes- wie Länderebene ist nicht zuletzt auf das erfolgreiche Bemühen des Jubilars hinzuweisen, auch im Rahmen der Lehre Interesse für das maritime Infrastrukturrecht zu wecken; hervorgehoben sei die Leitung der Arbeitsgruppe „Entwicklung des maritimen Infrastrukturrechts am Beispiel der Ostsee“ im Rahmen der „Expedition Akademie“ der Studienstiftung des Deutschen Volkes, die vom 17. bis zum 24. August 2014 unter dem Thema „Globalisierung und Meer“ in Mariehamn (Finnland) stattfand. 3 S. etwa W. Erbguth, DÖV 2011, 373 (373): Raumordnung als „Speerspitze der dringlichen Entfaltung eines Infrastrukturrechts zur See“. 4 Vgl. anhand der Unterscheidung spezifischen und unspezifischen maritimen Infrastrukturrechts M. Schubert (o. Fn. 2), S. 8 f.

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Jahr 2004 nachweisen: Mit dem sog. EAG Bau5 wurden seinerzeit Regelungen über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in das Gesetz eingeführt.6 Das betraf einerseits eine Ergänzung des § 1 Abs. 1 ROG a.F. um die Ermächtigung, in der AWZ einzelne Funktionen im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) durch die Raumordnung zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern, vor allem aber die Einfügung des § 18a ROG 2004,7 der eine entsprechende Planungspflicht in Trägerschaft des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen begründete und dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie die Durchführung der „vorbereitenden Verfahrensschritte“ übertrug. Erstere Regelung bewirkte die notwendige Geltungserstreckung des Raumordnungsgesetzes in den Bereich der AWZ,8 freilich in den Grenzen, die das SRÜ den Küstenstaaten für die Nutzung jenes exterritorialen Raumes setzt.9 Nur wenig später setzten erste Bemühungen auf europäischer Ebene ein, die maritime Raumordnung in der Union10 zu fördern und zu entwickeln; diese blieben indes zunächst auf politische Initiativen im Rahmen der integrierten Meerespolitik der EU beschränkt.11 Den Anfang jenes in der Rückschau beinahe acht Jahre währenden Entwicklungsprozesses markierte das sog. Grünbuch der Kommission „Die künftige Meerespolitik der EU: Eine europäische Vision für Ozeane und Meere“ aus dem Jahr 2006, in welchem sich die maritime Raumordnung ausdrücklich als eines der Instrumente aufgeführt fand, mittels deren die integrierte Meerespolitik vorangetrieben werden sollte.12 Fortgeschrieben wurde die meerespolitische Agenda der EU alsbald im sog. Blaubuch „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“ (2007), gleichfalls mit ausdrücklicher Betonung der instrumentell grundlegenden Bedeutung der maritimen Raumplanung für die nachhaltige Entwicklung der 5 Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau) v. 24. 06. 2004, BGBl. I S. 1359. 6 Dazu W. Erbguth, NuR 2004, 91 (95 ff.). 7 Jene Vorschrift sollte „als Ausnahmevorschrift im Rahmen von Artikel 75 Abs. 2 Grundgesetz abschließend und unmittelbar Geltung entfalten“, s. Entwurfsbegründung BTDrs. 15/2250, S. 71. 8 Dazu jüngst zusammenfassend A. Maurer, Die Ordnung der Meere – zur Integration von maritimer Raumplanung und Meeresumweltschutz, 2017, S. 117 ff. 9 Vgl. die Entwurfsbegründung BT-Drs. 15/2250, S. 69; näher zur völkerrechtlich bestimmten Reichweite und den Beschränkungen infrastrukturrelevanter Regelungsbefugnisse in der AWZ M. Schubert (o. Fn. 2), S. 36 ff. m.w.N. 10 Dazu aus jüngerer Zeit S. Schiedermair, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, Einleitung D., Rn. 41 ff.; A. Maurer (o. Fn. 8), S. 57 ff. 11 Dazu W. Erbguth, DÖV 2011, 373 (376); bereits ders., DV 42 (2009), 179 (187); W. Erbguth/M. Schubert, AöR 137 (2012), 72 (74); M. Wickel, in: Ehlers/Erbguth (Hrsg.), Infrastrukturrecht zur See: Neue Wege der Meeresordnung, 2009, S. 27 (42); M. Schubert, Rechtsfragen der maritimen Raumplanung – unter besonderer Berücksichtigung der Fischerei, NuR 2009, 834. 12 KOM (2006) 275 endg., S. 37 f. und passim.

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Meeresgebiete und Küstenregionen.13 In logischer Konsequenz dieser Entwicklung folgte schon im Jahr 2008 der sog. Fahrplan für die maritime Raumordnung,14 mit dem die Kommission gemeinsame Grundsätze für eine künftige Meeresraumordnung in der EU vorlegte. Im selben wie im darauf folgenden Jahr nahm unterdessen die Rechtsentwicklung im deutschen Raumordnungsrecht ihren Fortgang: Zunächst kam es im Zuge der ROG-Novelle 200815 zu Änderungen der der AWZ geltenden Bestimmungen. Nach § 17 Abs. 3 ROG 2008 war nun für die deutsche AWZ ein Raumordnungsplan als Rechtsverordnung aufzustellen (Satz 1); dieser sollte Festlegungen zur wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzung, zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie zum Schutz der Meeresumwelt treffen. Für diese Nutzungen und Funktionen konnten auch Gebiete festgelegt werden, § 8 Abs. 7 ROG 2008 galt entsprechend (gemäß § 8 Abs. 7 S. 2). Spezifische Regelungen für die Raumordnung im Küstenmeer in Trägerschaft der Länder wurden indes auch durch diese Novelle nicht geschaffen; vielmehr fanden insoweit nach wie vor die allgemeinen Vorgaben für die landesweite Raumordnungs- und die Regionalplanung Anwendung, dies freilich unter dem Vorbehalt der Übertragbarkeit jener auf den terrestrischen Bereich zugeschnittenen Regelungen auf das Meer.16 Im Jahr 2009 kam der Bund dem Planungsauftrag für die deutsche AWZ schließlich nach; für die Nord- und Ostsee wurden jeweils eigenständige Raumordnungspläne erlassen,17 deren Fortschreibung im Jahr 2019 in Angriff genommen werden soll.18 In den folgenden fünf Jahren geriet die Meeresraumordnung sowohl auf Unionsebene als auch hierzulande in ruhigeres Fahrwasser; gleichwohl zeichnete sich – trotz prekärer Kompetenzlage19 – ab, dass der europäische Prozess über kurz oder lang in den Erlass eines diesbezüglichen Rechtsaktes münden würde.20 Hierfür 13

KOM (2007) 575 endg., S. 7. KOM (2008) 791 endg. 15 Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) v. 22. 12. 2008, BGBl. I S. 2986. 16 S. W. Erbguth, DÖV 2011, 373 (378); M. Schubert (o. Fn. 2), S. 189 ff. 17 Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee (AWZ Nordsee-ROV) v. 21. 09. 2009, BGBl. I S. 3107, und die Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Ostsee (AWZ Ostsee-ROV) v. 10. 12. 2009, BGBl. I S. 3861; zu deren Aufstellung durch das BSH N. Nolte, Nutzungsansprüche und Raumordnung auf dem Meer, HANSA 2010, 79; eingehend zum Inhalt und zur rechtlichen Beurteilung der Pläne W. Erbguth, UPR 2011, 207; jüngst auch A. Maurer (o. Fn. 8), S. 193 ff. 18 S. den Hinweis unter https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Offshore/Meeresraumplanung/ Nationale_Raum-planung/nationale-raumplanung_node.html. 19 S. W. Erbguth/M. Schubert, AöR 137 (2012), 72 (75 ff.); M. Schubert (o. Fn. 2), S. 92 ff. m.w.N.; zustimmend R. Hendler, in: Koch/Hendler (Hrsg.), Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 10 Rn. 6; A. Maurer (o. Fn. 8), S. 67 ff. 20 S. Fortschrittsbericht der Kommission zur maritimen Raumordnung v. 17. 12. 2010, KOM (2010) 771 endg., S. 10; dazu W. Erbguth/M. Schubert, AöR 137 (2012), 72 (74). 14

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nahm sich der Unionsgesetzgeber Zeit: Erst im Juli 2014 kam es zum Erlass der Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (sog. MRO-Richtlinie).21 Deren legislative Umsetzung war den Küstenmitgliedstaaten22 bis zum 18. 9. 2016 aufgetragen.23 Die Umsetzung der MRO-RL in das deutsche Recht erfolgte erst mit der ROGNovelle 2017, die am 29. 11. 2017, insoweit also mit mehr als einjähriger Verspätung, in Kraft getreten ist.24 Auf den mit diesem Gesetz erreichten Rechtsstand ist im Folgenden näher einzugehen. III. Das nationale Recht der Meeresraumordnung nach Umsetzung der MRO-Richtlinie der EU Das meeresbezogene Raumordnungsrecht in Bund und Ländern ist nach wie vor nicht für den gesamten Meeresraum in Nord- und Ostsee einheitlich verfasst, sondern dem Grundsätzlichen nach25 zweigleisig ausgeprägt: Es unterfällt in jeweils eigenständige Rechtsnormen für die AWZ einerseits und solche für die Küstenmeere andererseits. Dem korrespondieren die inzwischen wohl zementierten getrennten Verbandszuständigkeiten, nämlich die des Bundes für die AWZ-Raumordnung und jene der Küstenbundesländer für die Raumordnung in ihrem jeweiligen Küstenmeer.26 Dergestalt findet (nicht nur) im Meeresraumordnungsrecht eine Divergenz der rechtlichen Bedingungen dies- und jenseits der 12-Seemeilen-Grenze ihren Ausdruck, welche maßgeblich zum Befund der Zerrissenheit des nationalen Meeresinfrastrukturrechts insgesamt beiträgt.27 Durchmustert man das ROG nach der Umsetzung der MRO-RL, so fällt auf, dass ausdrücklich auf den Meeresbereich bezogene Regelungen nach wie vor rar gesät sind. Solche Bestimmungen finden sich lediglich in §§ 2 Abs. 2 Nr. 6 S. 9, 7 21

Richtlinie v. 23. 07. 2014, Abl. EU L 257/135; näher zum Regelungsgehalt M. Schubert, Meeresraumordnung und Europarecht: Die Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung, in: Hebeler u. a. (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2015 (UTR 129), 2015, S. 199; s. auch dens., Marine Spatial Planning, in: Salomon/Markus (Hrsg.), Handbook on Marine Environment Protection, 2018, S. 1013 (1021 f.); S. Schiedermair, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, Einleitung D., Rn. 44 f.; A. Maurer (o. Fn. 8), S. 93 ff. 22 Vgl. Art. 15 Abs. 4 MRO-RL. 23 Art. 15 Abs. 1 S. 1 MRO-RL. 24 S. Art. 5 des Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften v. 23. 05. 2017, BGBl. I S. 1245. 25 So hält das ROG in seinem ersten Abschnitt allgemeine Regelungen vor, die für die AWZ und die Küstengewässer gleichermaßen gelten (dazu nachfolgend unter I.); dies ändert am grundsätzlichen Befund indes nichts. 26 Krit. dazu M. Schubert (o. Fn. 2), S. 278 ff. 27 Näher M. Schubert (o. Fn. 2), S. 277 ff., mit Vorschlägen zur Fortentwicklung de lege ferenda, ebd., S. 291 ff.

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Abs. 3 S. 2 Nr. 4, 13 Abs. 6 S. 1, 17 Abs. 1 S. 2 ROG; hinzu kommen die Vorschriften, die explizit auf den Geltungsbereich der AWZ abstellen, namentlich §§ 1 Abs. 1, 17 Abs. 1, 25 Abs. 3 ROG. Dies ist indes freilich kein Indiz für eine lückenhafte Implementierung der MRO-RL, sondern vielmehr Ausdruck des grundsätzlich zu begrüßenden Konzepts des Gesetzgebers, die Richtlinienvorgaben möglichst durch einheitliche Regelungen umzusetzen, die im Dienst der Praktikabilität und Rechtsklarheit für alle – maritimen wie terrestrischen – Raumordnungspläne des Bundes und der Länder gleichermaßen Geltung beanspruchen.28 Entsprechend der Struktur des novellierten ROG lassen sich im Hinblick auf die Umsetzung der MRO-RL drei Kategorien von Vorschriften unterscheiden, nämlich solche allgemeiner Art im ersten Abschnitt des ROG (1.), ferner Bestimmungen betreffend die Raumordnung in den Küstengewässern der Länder, die sich in Abschnitt 2 des ROG finden (2.), und schließlich Regelungen des Abschnitts 3 zur dem Bund zugewiesenen Raumordnung in der AWZ (3.). 1. Allgemeine Regelungen im ROG a) Ökosystemansatz Art. 5 Abs. 1 MRO-RL gibt den Mitgliedstaaten vor, bei der Ausarbeitung und Umsetzung der maritimen Raumplanung einen „Ökosystem-Ansatz“29 anzuwenden. Welche inhaltlichen Maßgaben sich hiermit verbinden, verdeutlicht der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie: „Im Interesse der Förderung des nachhaltigen Wachstums der Meereswirtschaft, der nachhaltigen Entwicklung der Meeresgebiete und der nachhaltigen Nutzung der Meeresressourcen sollte die maritime Raumplanung auf einem Ökosystem-Ansatz gemäß Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 2008/56/EG beruhen, um sicherzustellen, dass die Gesamtbelastung durch alle Tätigkeiten auf ein Maß beschränkt bleibt, das mit der Erreichung eines guten Umweltzustands vereinbar ist, und dass die Fähigkeit der Meeresökosysteme, auf vom Menschen verursachte Veränderungen zu reagieren, nicht beeinträchtigt wird und gleichzeitig zur nachhaltigen Nutzung von Gütern und Dienstleistungen des Meeres durch heutige wie künftige Generationen beigetragen wird.“ Damit findet sich der Ökosystemansatz der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL)30 – also der „Umweltsäule“ der integrierten Meerespolitik der EU31 – 28

S. etwa Entwurfsbegründung BT-Drs. 15/2250, S. 45 f., 49. Englische Sprachfassung: „ecosystem-based approach“. 30 Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. 06. 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt, ABl. EG L 164/19; näher zur MSRL T. Markus/S. Schlacke, Die MeeresstrategieRahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft, ZUR 2009, 464; s. auch K. Täufer, Der Ökosystemansatz in der Meeresumweltpolitik der Europäischen Union (EU), EurUP 2009, 225. 29

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auch der MRO-RL zugrunde gelegt und die mitgliedstaatliche maritime Raumordnung auf die Einhaltung dieses Ansatzes verpflichtet.32 Der Umsetzung dieses materiellen Gebots ist § 2 Abs. 2 Nr. 6 S. 9 ROG zu dienen bestimmt:33 In Gestalt eines Grundsatzes der Raumordnung findet sich darin die Vorgabe, „die nachhaltige Entwicklung im Meeresbereich […] unter Anwendung eines Ökosystemansatzes gemäß der Richtlinie 2014/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (ABl. L 257 vom 28. 8. 2014, S. 135) zu unterstützen“. Diese Art der Umsetzung vermag in mehrerlei Hinsicht nicht zu überzeugen: Zunächst trägt der Verweis auf die MRO-RL im Normtext nicht, weil diese Richtlinie zum materiellen Gehalt des Ökosystemansatzes selbst nichts sagt, sondern insoweit – wie bedeutet – auf die MSRL verweist. Dementsprechend hätte es sich empfohlen, im ROG entweder auf die einschlägige Bestimmung der MSRL zu verweisen oder aber auf einen ausdrücklichen Verweis in das Unionsrecht ganz zu verzichten.34 Europarechtlichen Bedenken begegnet ferner die Ausgestaltung der Umsetzungsnorm als gesetzlicher Raumordnungsgrundsatz. Die Bindungswirkung des Gebots erschöpft sich damit gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 S. 1 ROG in einer Berücksichtigungspflicht im Rahmen der raumordnungsplanerischen Abwägung.35 Die Anwendung eines Ökosystemansatzes an sich ist indes unionsrechtlich zwingend vorgegeben und darf folglich nicht als bloßer Abwägungsbelang normiert werden. Drittens: An anderer Stelle ist bereits dargelegt worden, dass, bei richtigem Verständnis, der Ökosystemansatz mit dem raumordnerischen Abstimmungsauftrag im Dienste nachhaltiger (Raum-)Entwicklung (§ 1 Abs. 2 ROG), insbesondere mit der a priori bestehenden, rechtsstaatlich fundierten Gleichrangigkeit ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Belange, durchaus vereinbar ist.36 Gleichwohl birgt natürlich die Einführung eines Ökosystemansatzes in das Raumordnungsrecht die Gefahr einer einseitigen Vereinnahmung der maritimen Raumordnung von ökologischer Seite. Dem ließe sich durch eine entsprechende Klarstellung im Gesetz, zumindest aber in der Begründung begegnen; hieran fehlt es indes bedauerlicherweise.37

31

Ausdrücklich 2. Erwägungsgrund der MRO-RL. S. bereits W. Erbguth, DÖV 2011, 373 (376); dens., NuR 2012, 85 (88); M. Schubert, UTR 129 (2015), 199 (208 ff.); dens., Maritimes Infrastrukturrecht, S. 135 ff. 33 S. BT-Drs. 18/10883, S. 39. 34 Ebenso die (insoweit unter Beteiligung des Verfassers erarbeitete) Stellungnahme des Beirats für Raumentwicklung zu einem Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes, 2015, S. 2. 35 Allgemein dazu B. Kümper, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 3 Rn. 76 ff.; W. Durner, ebd., § 4 Rn. 82 ff. 36 W. Erbguth, DÖV 2011, 373 (376); M. Schubert, UTR 129 (2015), 199 (209 ff.). 37 S. bereits die Empfehlung in der Stellungnahme des Beirats für Raumentwicklung zu einem Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes, 2015, S. 2. 32

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Schließlich fragt sich, weshalb der Ökosystemansatz, der keineswegs ein spezifisch meeresbezogenes ökologisches Konzept ist,38 nach dem ROG auf die Entwicklung des Meeresraums beschränkt bleibt und nicht zugleich vereinheitlichend auf die Raumordnung zu Lande erstreckt worden ist. Während, wie erwähnt, der Gesetzgeber der ROG-Novelle 2017 in anderen Zusammenhängen, etwa solchen verfahrensrechtlicher Art, die Umsetzung der MRO-RL gerade nicht auf den maritimen Bereich beschränkt hat,39 hat er es hier mit einer „1:1-Umsetzung“ sein Bewenden gelassen. Angesichts der engen Verknüpfung des Ökosystemansatzes mit dem allgemeinen Prinzip resp. der Leitvorstellung nachhaltiger Raumentwicklung spricht freilich einiges für eine (künftige) Erstreckung des Ökosystemansatzes auch auf die terrestrische Raumordnung – bei gleichzeitiger Herauslösung aus dem Grundsätzekatalog des § 2 Abs. 2 ROG.40 b) Eignungsgebiete für den Meeresbereich Nicht unmittelbar unionsrechtlich geprägt ist die neue Vorschrift in § 7 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ROG, der zufolge in Raumordnungsplänen (des Bundes wie der Länder) nunmehr spezifische „Eignungsgebiete für den Meeresbereich“ festgelegt werden können.41 Diese Areale sind legal definiert als Gebiete, die im Meeresbereich liegen, und in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Funktionen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind.42 Die Formulierung „an anderer Stelle im Planungsraum“ soll nach dem Willen des Normgebers deutlich machen, dass für den Fall, dass der Raumordnungsplan sowohl Bereiche des Festlands als auch des Meeres umfasst, das gesamträumliche Planungskonzept das vollständige Plangebiet erfassen muss und nicht nur den jeweiligen Teilbereich Festland oder Meer in den Blick nehmen darf.43 38 Eingehend D. Waltner-Toews/J. Kay/N.-M. Lister (Hrsg.), The Ecosystem Approach, 2008. 39 S. vorstehend bei Fn. 28. 40 Für eine systematische Zuordnung zur raumordnerischen Leitvorstellung spricht sich auch die Stellungnahme der ARL zur Novelle des ROG, 2015, S. 2, aus, diese ist abrufbar unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/Gesetze/061 - 1-gesetzesentwurf-zur-aen derung-des-raumordnungsgesetzes-stellungnahme.pdf. 41 Dazu auch G. Janssen, Meeresraumordnung nach dem novellierten ROG 2017 und weiteren raumplanungsrechtlichen Vorschriften, EurUP 2018, 220 (221 f.), der zugleich kritisiert, dass die Kategorie „Ausschlussgebiete“ nicht in das ROG aufgenommen wurde. 42 Ausweislich der Entwurfsbegründung soll jene Neuregelung § 17 Abs. 3 S. 2 letzter Hs. ROG a.F. ersetzen, wonach Eignungsgebiete auch im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands ausgewiesen werden können, BT-Drs. 18/10883, S. 43; jene Vorschrift verwies indes allein für die AWZ-Raumordnung allgemein, d. h. ohne Beschränkung auf Eignungsgebiete auf § 8 Abs. 7 ROG a.F., s. E. Hofmann, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 7 Rn. 76. 43 BT-Drs. 18/10883, S. 44.

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Von den Eignungsgebieten zu Lande unterscheiden sich diejenigen im Meer lediglich durch die fehlende Bezugnahme auf den bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB; im Übrigen ist die inner- wie außergebietliche Rechtswirkung beider Kategorien als Ziele der Raumordnung44 identisch.45 Selbstredend schließt die Einführung der Eignungsgebiete für den Meeresbereich nicht die dortige Ausweisung von Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten im Sinne der Nr. 1 und 2 des § 7 Abs. 3 S. 2 ROG aus; Gleiches gilt für die „Kombinationsgebiete“ nach Satz 3 der Vorschrift, die nunmehr – kraft der Verweisung auch auf Nr. 4 des Satzes 246 – ausdrücklich auch kombinierte Vorranggebiete mit der Wirkung von Eignungsgebieten für den Meeresbereich sein können. Die Schaffung meeresspezifischer, von § 35 BauGB entkoppelter Eignungs- bzw. Kombinationsgebiete ist zu begrüßen, denn sie trägt der Notwendigkeit Rechnung, bestimmte Nutzungen auch im Meeresbereich, in dem § 35 BauGB regelmäßig mangels Gemeindezugehörigkeit (Küstengewässer) bzw. generell aufgrund der fehlenden Geltungserstreckung des BauGB (AWZ) nicht anwendbar ist,47 räumlich zu bündeln. c) Umsetzung der MRO-RL durch nicht meeresspezifische Vorschriften Über die vorstehend behandelten Neuregelungen hinaus finden sich im ersten Abschnitt des novellierten ROG weitere neue48 Vorschriften, die zwar nicht spezifisch auf die Meeresraumordnung zugeschnitten sind, in denen sich aber doch die influenzierende Wirkung der MRO-RL für das ROG in Gänze, also auch gegenüber der Raumordnung zu Lande, niederschlägt. Das betrifft zum einen § 7 Abs. 1 S. 2 ROG, der planerische Festlegungen erlaubt, denen zufolge bestimmte Nutzungen und Funktionen des Raums nur für einen bestimmten Zeitraum oder ab oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände vorgesehen sind; zudem kann eine Folge- oder Zwischennutzung festgelegt werden. Die Neuregelung soll jedenfalls auch Art. 8 Abs. 1 MRO-RL umsetzen, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Rahmen ihrer maritimen Raumplanung nicht nur die räumliche, son44

S. K. Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 7 Rn. 85 f. 45 E. Hofmann, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 7 Rn. 77. 46 Diese geht auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück, s. BT-Drs. 18/10883, S. 67. 47 Dazu näher M. Schubert (o. Fn. 2), S. 159 ff., 198 f., 230, jeweils m.w.N.; unzutreffend ist freilich der Hinweis in der Entwurfsbegründung zu § 7 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ROG 2017 (Eignungsgebiete), wonach die Bezugnahme in dieser Vorschrift auf § 35 BauGB „wie bisher […] auch die Anwendbarkeit von Nummer 3 […] auf gemeindefreie Gebiete einschließen [soll]“. 48 Jenseits dessen finden sich im ROG 2017 selbstredend zahlreiche allgemeine Vorschriften, die bereits im ROG 2008 enthalten waren und die nunmehr ebenfalls der Umsetzung der MRO-RL zu dienen bestimmt sind; dies gilt etwa für das Abwägungsgebot in § 7 Abs. 2 S. 1 ROG 2017, welches u. a. Art. 7 und 10 MRO-RL umsetzt, s. BT-Drs. 18/10883, S. 42.

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dern auch die „zeitliche Verteilung der einschlägigen bestehenden und künftigen Tätigkeiten und Nutzungen in ihren Meeresgewässern“ darzulegen.49 § 7 Abs. 8 ROG zufolge sind nunmehr Raumordnungspläne nach § 13 Abs. 6 ROG und solche nach § 17 ROG mindestens alle zehn Jahre zu überprüfen. Mit der Überprüfungspflicht soll, soweit es die maritimen Pläne angeht, die entsprechende Vorgabe in Art. 6 Abs. 3 MRO-RL umgesetzt werden.50 Während der Bundesgesetzgeber „aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtsklarheit für den Anwender“51 die Überprüfungspflicht für alle bundeseigenen Raumordnungspläne, gleichviel, ob maritimer oder terrestrischer Art, angeordnet hat, hat ihn im Hinblick auf die terrestrischen Raumordnungspläne der Länder offenbar der Mut verlassen, auch insoweit vereinheitlichend für Anwenderfreundlichkeit zu sorgen – möglicherweise (einmal mehr) aus Angst vor länderseitigen Abweichungen nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG.52 Auch die novellierten Beteiligungsvorschriften in § 9 ROG dienen zu einem Gutteil der Implementierung verschiedener prozeduraler Anforderungen der MRO-RL und sind zugleich Ausdruck des den Gesetzgeber überwiegend leitenden Harmonisierungsgedankens, gelten also unterschiedslos für sämtliche maritimen wie terrestrischen Raumordnungspläne des Bundes53 und der Länder. Auch insoweit sorgt also der Verzicht auf unnötig differenzierende Regelungen für eine übersichtliche und praxisfreundliche Regelungsstruktur.54 Mangels maritimer Spezifika braucht hier auf die einzelnen Regelungen in § 9 ROG nicht näher eingegangen zu werden. Beachtung verdient aber insoweit § 9 Abs. 4 S. 1 – 3 ROG: § 9 Abs. 4 ROG betrifft die grenzüberschreitende Beteiligung im Rahmen der Aufstellung eines Raumordnungsplans. Während die Sätze 1 – 3 dem allgemeinen Fall erheblicher Auswirkungen auf das Gebiet eines Nachbarstaats gelten, erfasst Satz 4 die spezielle Konstellation erheblicher Umweltauswirkungen auf einen Nachbarstaat.55 Weil Abs. 4 S. 1 – 3 ausweislich der Entwurfsbegründung56 zugleich der Umsetzung von Art. 11 und 12 MRO-RL57 dient und die letztgenannte Vorschrift die Zusammenarbeit mit Drittländern, also Nicht-EU-Mitgliedstaaten, zum Gegenstand hat, richtet sich die Vorschrift auch auf eine Beteiligung derjenigen Staaten, die an die Nord- und Ostsee angrenzen, soweit es um etwaige Auswirkungen deutscher maritimer Raumordnungspläne auf 49

BT-Drs. 18/10883, S. 41. BT-Drs. 18/10883, S. 44. 51 BT-Drs. 18/10883, S. 45. 52 Dazu anhand des ROG 2008 W. Durner, Das neue Raumordnungsgesetz, NuR 2009, 373 (375). 53 Für die Bundespläne gilt aber ergänzend § 28 ROG, dazu M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 28 Rn. 1 ff. 54 M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 9 Rn. 21. 55 Näher M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 9 Rn. 85 ff.; s. auch S. Grotefels in diesem Band. 56 BT-Drs. 18/10883, S. 48. 57 Dazu M. Schubert, UTR 129 (2015), 199 (216 f.). 50

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die Meeresraumordnung jener Staaten geht. Neben den EU-Mitgliedstaaten sind dies auch Russland und – nach dem voraussichtlichen „Brexit“ – das Vereinigte Königreich. Insoweit ist allerdings die Einschränkung in § 9 Abs. 4 S. 1 ROG auf „das Gebiet eines Nachbarstaates“ aus unionsrechtlicher Sicht verfehlt, weil damit die Meeresraumordnung im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszonen, die nicht zum Staatsgebiet gehören, ausgegrenzt wird. In unionsrechtskonformer Weise müssen daher auch Auswirkungen deutscher maritimer Raumordnungspläne auf die AWZ eines anderen Anrainerstaates zu dessen Beteiligung führen.58 Fraglich bleibt indessen, ob dem Gesetzgeber mit den dargelegten Bestimmungen eine vollständige Umsetzung des der mitgliedstaatlichen Kooperation geltenden Art. 11 MRO-RL gelungen ist. Zutreffend ist darauf hingewiesen worden, dass das grenzüberschreitende Beteiligungsrecht in § 9 Abs. 4 ROG insoweit nicht als ausreichend angesehen werden kann.59 Art. 11 Abs. 1 MRO-RL enthält zwar eine prozedurale Pflicht zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, darüber hinaus aber auch ein materiell-rechtliches Gebot der Kohärenz und der Abstimmung maritimer Raumordnungspläne „in der betreffenden Meeresregion“.60 Das scheint auch der Gesetzgeber des ROG 2017 so zu sehen und verweist insoweit auf das nunmehr in § 7 Abs. 2 S. 3 ROG61 enthaltene Gebot, Raumordnungspläne benachbarter Planungsräume aufeinander abzustimmen. Die Entwurfsbegründung enthält hierzu den Hinweis, die Bestimmung finde „nach wie vor auf benachbarte Planungsräume sowohl im inländischen als auch im grenzüberschreitenden Bereich Anwendung“ und solle damit auch Art. 11 MRO-RL umsetzen.62 Das überzeugt nicht: Soweit es § 7 Abs. 3 ROG 2008 anbelangt, wurde jene Bestimmung im Schrifttum bislang als interregionale Abstimmungspflicht in einem nationalen Kontext gehandelt, nicht hingegen im Sinne eines mitgliedstaatenübergreifenden Abstimmungsgebots interpretiert.63 Zudem fragt sich, weshalb für die Raumordnungsplanung in der AWZ § 17 Abs. 1 S. 4 ROG das zuständige Bundesministerium explizit verpflichtet, mit den angrenzenden Staaten und Ländern zusammen zu arbeiten, um die Abstimmung und Kohärenz des Raumordnungsplans mit deren Raumplanungen sicherzustellen, wenn nach dem Verständnis des Gesetzgebers bereits die allgemeine Vorschrift

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S. bereits M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 9 Rn. 87. K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 178. 60 M. Schubert, UTR 129 (2015), 199 (213 f.). 61 Vordem: § 7 Abs. 3 ROG 2008. 62 BT-Drs. 18/10883, S. 42. 63 S. etwa P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 1. Aufl. 2010, § 7 Rn. 43; auch in der Neuauflage zum ROG 2017 hält Runkel weiterhin an dem Verständnis als „interregionale Abstimmungspflicht“ fest, ohne allerdings auf die Frage einer nunmehr europarechtlich bedingten staatenübergreifenden Wirkung der Vorschrift einzugehen, s. P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 7 Rn. 56 ff. 59

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des § 7 Abs. 2 S. 3 ROG eine derartige Abstimmungspflicht begründen soll.64 Nun mag man zwar gleichwohl § 7 Abs. 2 S. 3 ROG 2017 unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens und in unionsrechtskonformer Weise einen entsprechend erweiterten Regelungsgehalt beilegen können; aus Gründen der unionsrechtlich gebotenen Rechtsklarheit und Bestimmtheit bei der Richtlinienumsetzung hätte es sich indes durchaus angeboten, eine gesetzliche Klarstellung in § 7 Abs. 2 S. 3 ROG – oder besser: in § 13 Abs. 6 ROG (als Pendant zu § 17 Abs. 1 S. 4 ROG) – aufzunehmen. 2. Raumordnung in den Küstengewässern a) Regelungen im ROG des Bundes Vor der Novelle 2017 fanden sich im ROG, wie bedeutet,65 keine meeresspezifischen Regelungen betreffend die Raumordnung in den (Küsten-)Ländern.66 Indes erstreckte sich der Anwendungsbereich des Gesetzes gleichwohl auf die Meeresflächen diesseits der 12-Seemeilen-Grenze, und auch in der Sache richtete sich der gesetzliche Auftrag zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes insbesondere durch Raumordnungspläne auch auf den marinen Teil des Staatsgebiets. Es bestanden somit weder rechtliche noch faktische Hindernisse, im Küstenmeer, etwa zur Steuerung der infrastrukturellen Entwicklung, Festlegungen zur Raumstruktur zu treffen, insbesondere solche, die sich auf die zu sichernden Standorte und Trassen für Infrastrukturvorhaben richten.67 Vom Rechtlichen her waren damit die Grundlagen einer maritimen Raumordnung im Küstenmeer wenn auch nicht explizit, so doch der Sache nach vorhanden.68 Im Gefolge des ROG 2017 finden sich nunmehr in § 13 Abs. 6 ROG69 erstmals meeresspezifische Bestimmungen zur Raumordnung im marinen Teil des deutschen Staatsgebietes. Die Vorschrift knüpft an die Planungspflichten nach § 13 Abs. 1 S. 1 ROG an, wonach in den Ländern jeweils ein landesweiter Raumordnungsplan und Regionalpläne für die Teilräume der Länder aufzustellen sind. Dieses Gebot zur zweistufigen Raumordnungsplanung70 erstreckt sich ohne weiteres auf die Küstengewässer.71 64 Eine entsprechende Regelung fehlt übrigens für die maritime Raumordnungsplanung der Küstenbundesländer, K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 178. 65 S. oben vor Fn. 16. 66 Näher zum damaligen Rechtszustand M. Schubert (o. Fn. 2), S. 189 ff. 67 Vgl. § 8 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 ROG 2008. 68 Bereits W. Erbguth, DÖV 2011, 373 (378). 69 Eingehend dazu K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 149 ff. 70 Dazu eingehend S. Grotefels, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 6 ff.

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Soweit ein Plan nach jener Bestimmung Regelungen für ein Gebiet der deutschen Küstengewässer nach § 3 Nr. 2 WHG72 trifft, soll er unter Berücksichtigung etwaiger Wechselwirkungen zwischen Land und Meer sowie unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten bestimmte Festlegungen treffen, die in Nr. 1 bis 4 des § 13 Abs. 6 S. 1 ROG aufgeführt sind. Hierbei handelt es sich um Festlegungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs, zu weiteren wirtschaftlichen Nutzungen, zu wissenschaftlichen Nutzungen sowie zum Schutz und zur Verbesserung der Meeresumwelt. Die Normierung dieses Katalogs soll weitere Festlegungen nicht ausschließen („insbesondere“).73 Ferner bestimmt § 13 Abs. 6 S. 2 ROG, dass die Absätze 2 bis 5 des § 13 ROG „insoweit keine Anwendung“ finden. Von dieser Exemtion erfasst sind damit u. a. das Gebot der Entwicklung der Regionalpläne aus dem landesweiten Raumordnungsplan nach Abs. 2 sowie die in Abs. 5 aufgeführten Festlegungen zur Raumstruktur. Ausweislich der Entwurfsbegründung dienen die in § 13 Abs. 6 ROG getroffenen Regelungen der Umsetzung von Art. 4 bis 8 MRO-RL.74 Aus unionsrechtlicher Sicht ist gegen die Mindestvorgaben hinsichtlich der Planinhalte nichts zu erinnern. Der Katalog in Art. 8 Abs. 2 S. 2 MRO-RL ist zwar umfangreicher, enthält jedoch nur fakultative Plangehalte („[…] können die möglichen Tätigkeiten und Nutzungen sowie Interessen Folgendes umfassen […]“).75 Ob die Novellierung mehr Klarheit hinsichtlich dessen mit sich gebracht hat, was maritime Raumordnung in den Ländern leisten kann und soll, steht auf einem anderen Blatt. Vor allem die Vorgabe, es sollen Festlegungen „zu weiteren wirtschaftlichen Nutzungen“ getroffen werden (§ 13 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 ROG) zeichnet sich nicht eben durch besondere Konturenschärfe aus,76 dies vor allem im Kontrast (etwa) zum vormals auch zu Wasser geltenden § 13 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 ROG, der für die Landes- und Regionalplanung die Ausweisung der zu sichernden Standorte und Trassen für Infrastruktur eröffnet und näher auffächert, nunmehr aber gemäß § 13 Abs. 6 S. 2 ROG im maritimen Bereich keine Anwendung (mehr) findet. Der minimalistische Ansatz hinter § 13 Abs. 6 ROG entspricht zwar demjenigen der Parallelvorschrift für die Raumordnung in der AWZ (§ 17 Abs. 1 S. 2 ROG)77 und sorgt somit für gleichgelagerte Regelungsstrukturen;78 71 K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 160; zur grundsätzlichen Zulässigkeit – und damit Erforderlichkeit – der Regionalplanung im Küstenmeer auch bei kommunaler Organisationsform i.S. des § 8 Abs. 4 S. 1 ROG 2008 (§ 13 Abs. 4 S. 1 ROG 2017) W. Erbguth, Verw 42 (2009), S. 179 (191); ders., DVBl. 2009, 265 (269). 72 Dazu näher K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 150 ff. 73 K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 161. 74 BT-Drs. 18/10883, S. 51. 75 M. Schubert, UTR 129 (2015), 199 (212). 76 In der Entwurfsbegründung findet sich insoweit nur der exemplarische Hinweis, dass hiervon auch die Fischerei sowie die vorsorgende Sicherung und geordnete Aufsuchung und Gewinnung von Rohstoffen umfasst seien, BT-Drs. 18/10883, S. 52. 77 S. unten III.

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es lässt sich aber mit Blick auf eine künftige Novelle darüber nachdenken, für alle maritimen Raumordnungspläne detailliertere und damit aussagekräftigere Kataloge möglicher Planinhalte zu entwickeln. Die weitreichende Ausschlussklausel des § 13 Abs. 6 S. 2 ROG wirft indes auch über das vorstehend Gesagte hinaus Probleme auf: Vor allem erscheint die damit bewirkte Entbindung von dem Entwicklungsgebot des § 13 Abs. 2 S. 1 ROG79 fragwürdig. Wenn und weil § 13 Abs. 1 S. 1 ROG auch zu Wasser zwingend eine zweistufig ausgeprägte Raumordnungsplanung anordnet,80 ist es nicht nur inkonsistent, sondern geradezu widersinnig, die Träger der Regionalplanung insoweit von der Pflicht zu befreien, ihre Pläne aus den landesweiten Raumordnungsplänen zu entwickeln.81 Daneben erscheinen auch die gegen den pauschalen Ausschluss der Kooperationsregelungen in § 13 Abs. 3 und 4 ROG vorgebrachten Bedenken nicht unberechtigt.82 b) Regelungen im Landesrecht Neben den nur knappen bundesrechtlichen Regelungen zur Raumordnung in den Küstengewässern in Trägerschaft der Küstenbundesländer ist Raum für ergänzendes Landesrecht nach Art. 72 Abs. 1 GG; jenseits dessen steht den Ländern die Abweichungskompetenz nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG zu.83 Durchmustert man daraufhin die einschlägigen Landesplanungsgesetze,84 so ergibt sich folgender Befund: Das Landesplanungsgesetz Mecklenburg-Vorpommerns85 zeigt sich in Sachen maritimer Raumordnung zurückhaltend: In § 6 (Inhalt des Landesraumentwicklungsprogramms) findet sich in Abs. 1 die Klarstellung, dass der Planungsraum der hochstufigen Landesplanung auch das Küstenmeer umfasst; überdies ordnet § 6 Abs. 3 LPlG M-V an, dass im Landesraumentwicklungsprogramm u. a. „die abschließende Planung und Festlegung im Küstenmeer vorgenommen“ wird. Konsequenterweise finden sich in den Vorschriften über die Regionalplanung86 keine weiteren das Küstenmeer betreffenden Regelungen, mehr noch: Das Küstenmeer gehört 78 Dies begrüßend K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 161. 79 Dazu eingehend S. Grotefels, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 63 ff. 80 S. vorstehend bei Fn. 70 f. 81 Zum Landesrecht insoweit sogleich unter 2. 82 K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 13 Rn. 180. 83 Eingehend zur Kompetenzverteilung M. Kment, in: ders. (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, Einleitung B. 84 S. zur Planungspraxis in den Ländern A. Maurer (o. Fn. 8), S. 185 ff. 85 Gesetz über die Raumordnung und Landesplanung des Landes Mecklenburg-Vorpommern – Landesplanungsgesetz (LPlG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 05. 05. 1998, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05. 07. 2018, GVOBl. M-V S. 221, 228. 86 S. §§ 8, 9 LPlG M-V zu Inhalt bzw. Aufstellung der regionalen Raumentwicklungsprogramme.

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gar nicht erst zum Planungsraum der Regionalplanung (vgl. § 12 LPlG M-V).87 Nach dieser gesetzlichen Konzeption ist de lege lata also das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung als oberste Landesplanungsbehörde für die maritime Raumordnung ausschließlich zuständig. Damit steht freilich das Landesrecht in inhaltlichem Widerspruch zu § 13 Abs. 1 S. 1 ROG, der – wie dargelegt – auch für den Meeresraum der Küstenländer die zweistufige Raumordnungsplanung anordnet. Durch die ROG-Novelle 2017 ist allerdings die Anordnung abschließender Planung und Festlegung im Küstenmeer durch die landesweite Planung in § 6 Abs. 3 LPlG MV unanwendbar geworden; § 13 Abs. 1 S. 1 ROG geht gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG als lex posterior vor.88 Im niedersächsischen Landesrecht89 finden sich keine meeresspezifischen Vorgaben zur Raumordnungsplanung, in § 2 Nr. 4 S. 1 NROG aber immerhin ein Raumordnungsgrundsatz mit maritimem Bezug; danach soll das Küstenmeer als Teil der Küstenzone durch ein integriertes Küstenzonenmanagement entwickelt werden, bei dem eine intensive Zusammenarbeit der Träger öffentlicher Belange, die Einbeziehung der Betroffenen und eine grenzüberschreitende integrierte Planung sowie die nachhaltige Entwicklung ökologischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Belange sichergestellt wird. Auch in Niedersachsen findet im Übrigen keine zweistufige Raumordnungsplanung für die Küstenmeere statt, denn „Träger der Regionalplanung sind die Landkreise und kreisfreien Städte für ihr Gebiet“ (§ 20 Abs. 1 S. 1 NROG). Mangels Kreiszugehörigkeit der Meeresflächen sind diese somit nicht Planungsraum der Regionalplanung. Das jüngst novellierte Schleswig-Holsteinische Landesplanungsgesetz90 nimmt an keiner Stelle ausdrücklich Bezug auf den Meeresraum; das Wort „Meer“ findet in dem gesamten Gesetz nicht einmal Erwähnung. Aus dem Regelungszusammenhang im Übrigen ergibt sich indes auch hier der Befund, dass die Regionalplanung von der maritimen Raumordnung ausgeschlossen ist: Die drei in § 3 LaplaG S-H aufgeführten regionalen Planungsräume umfassen lediglich Landkreise und kreisfreie Städte, nicht aber den Meeresraum.

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H. Schmitz/A.-K. Edler, Gutachten zur Raumordnerischen Steuerung von OffshoreWindparks im Küstenmeer für das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung Landesentwicklung, 2016, S. 26, 36, abrufbar unter https://www.regierung-mv.de/serviceassistent/down-load?id=1578082. 88 S. allgemein C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 72 Rn. 40. 89 Niedersächsisches Raumordnungsgesetz (NROG) in der Fassung v. 06. 12. 2017, Nds. GVBl. 2017, S. 456. 90 Gesetz über die Landesplanung (Landesplanungsgesetz – LaplaG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 10. 02. 1996, zuletzt geändert durch Gesetz v. 15. 06. 2018, GVOBl. S-H, S. 292.

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3. Raumordnung in der ausschließlichen Wirtschaftszone Die spezifischen Maßgaben für die Raumordnung in der AWZ, zuvor geregelt in § 17 Abs. 3 ROG 2008, finden sich nunmehr im neugefassten § 17 Abs. 1 ROG 2017, sind also gleichsam an die Spitze der die Raumordnungsplanung des Bundes abschließenden normierenden Vorschrift gerückt, nach der Entwurfsbegründung deshalb, weil die AWZ-Raumordnungspläne obligatorischer, die anderen Bundespläne hingegen nur fakultativer Natur sind.91 Die exponierte Stellung der AWZ-Raumordnungspläne schlägt sich zugleich in der neuen Normüberschrift nieder. § 17 Abs. 1 S. 1 ROG legt die Zuständigkeit für die Planaufstellung nach wie vor in die Hände des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur; allerdings ist es nach der Bundestagswahl 2017 zu einem Zuständigkeitswechsel gekommen: Per Organisationserlass vom 14. 03. 2018 hat die Bundeskanzlerin u. a. die Zuständigkeit für die Raumordnung dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat übertragen.92 Auffällig an der Neufassung ist zunächst das in § 17 Abs. 1 S. 1 ROG nunmehr normierte Erfordernis, den AWZ-Raumordnungsplan im Einvernehmen mit den fachlich betroffenen Bundesministerien aufzustellen.93 Deren somit gestärkte Verfahrensposition findet sich relativ nichtssagend damit begründet, die Regelungen der Raumordnungspläne sollten „auf eine breitere Basis gestellt werden, nämlich sowohl auf die der Raumordnung als auch auf die der jeweils betroffenen Fachpolitiken wie insbesondere Seeverkehr, Fischerei, Meeresbergbau, Energiewirtschaft, Militär und Umweltschutz“.94 Im Schrifttum wird das Einvernehmenserfordernis mit der eher pragmatischen Erwägung begrüßt, es biete die Gewähr dafür, dass sich verbindliche raumordnerische Festsetzungen letztlich auch durchsetzen ließen.95 Es steht freilich zu befürchten, dass der so bewirkte Machtzuwachs der sektoralen Fachpolitiken (und -planungen) eine Schwächung des raumordnerischen, auf Koordinierung und Ausgleich fachlicher Agenden gerichteten Steuerungsanspruchs nach sich zieht: Der Raumordnung kommt allgemein auch der Auftrag zum ebenenspezifischen Konfliktausgleich zu (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Hs. 2 ROG). Dieser richtet sich zwar in erster Linie darauf, Konflikte so aufzulösen, dass – etwa im Fall zwei einander widerstreitender Nutzungen – möglichst beiden zur Durchsetzung verholfen wird.96 Ist Derartiges ausgeschlossen, kann und muss die Raumordnung ihrem Ausgleichsauftrag

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BT-Drs. 18/10883, S. 57. BGBl. I S. 374. 93 Auch für die fakultativen Bundespläne nach § 17 Abs. 2, 3 ROG findet sich jeweils ein entsprechendes Einvernehmenserfordernis normiert. 94 BT-Drs. 18/10883, S. 57. 95 K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 17 Rn. 48. 96 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 1 Rn. 89. 92

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indes auch durch Priorisierungsentscheidungen nachkommen.97 Das Einvernehmenserfordernis erschwert solche Entscheidungen oder macht sie gar unmöglich, wenn die ministerialen Träger fachlicher Belange, denen im Planungsprozess gegenüber konkurrierenden Interessen das Nachsehen droht, mit dem Druckmittel der Einvernehmensverweigerung operieren können. Wo also die Fachpolitiken nicht mehr nur darauf beschränkt sind, sich im Planungsverfahren zu beteiligen, um vor allem ihre Belange und ihr Wissen in den Abwägungsprozess einzubringen,98 droht letztlich die Raumordnungsplanung im Konkurrenzkampf unterschiedlicher sektoraler Interessen um die begrenzten Meeresflächen ihre Steuerungs-, genauer: Entscheidungskraft99 einzubüßen. Geblieben ist es bei der Zuständigkeit des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie für die Durchführung der vorbereitenden Verfahrensschritte zur Aufstellung des Raumordnungsplans (§ 17 Abs. 1 S. 3 ROG). Das zuvor geregelte Erfordernis, bei der Planaufstellung das Benehmen mit den angrenzenden Staaten und Bundesländern herzustellen,100 ist aus den bereits erwähnten europarechtlichen Gründen101 der Anforderung gewichen, mit jenen Staaten und Ländern zusammen zu arbeiten, um die Abstimmung und Kohärenz des Raumordnungsplans mit den Raumplanungen der angrenzenden Staaten und Länder sicherzustellen (§ 17 Abs. 1 S. 4 ROG). An die Stelle einer bloßen Verfahrensbeteiligung ist damit eine vom konkreten Planungsfall entkoppelte institutionalisierte Kooperationsverpflichtung getreten, die der Herstellung materieller Kohärenz sich wechselseitig beeinflussender Raumordnungspläne dienen soll.102 Soweit es die Inhalte der AWZ-Raumordnungspläne angeht, ist es gegenüber dem ROG 2008 zu keinen substanziellen Änderungen an den diesbezüglichen Vorgaben gekommen. § 17 Abs. 1 S. 2 ROG enthält neben den Geboten der Berücksichtigung etwaiger Wechselwirkungen zwischen Land und Meer und von Sicherheitsaspekten den gleichen Katalog an Festsetzungen, den § 13 Abs. 6 S. 1 ROG für die Überplanung der Küstengewässer durch die Länder vorhält, freilich mit dem Unterschied,

97 P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 1 Rn. 89; s. auch anhand der unterirdischen Raumordnung M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), Unterirdische Nutzungen, 2015, S. 175 (179 f.). 98 Zu den Funktionen der Behördenbeteiligung im raumordnungsrechtlichen Planungsverfahren M. Schubert, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 9 Rn. 27; P. Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 9 Rn. 8; vgl. auch K. F. Gärditz, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, UVPG, Stand: 2011, § 14h Rn. 1. 99 S. aber K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2018, § 17 Rn. 55, der von vornherein von einer begrenzten Steuerungskraft des AWZ-Raumordnungsplans ausgeht. 100 § 17 Abs. 3 S. 4 ROG 2008. 101 S. oben vor Fn. 60. 102 Vgl. K. J. Grigoleit, in: Kment (Hrsg.), Raumordnungsgesetz, 2019, § 17 Rn. 52; dazu auch BT-Drs. 18/10883, S. 58.

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dass derjenige für die AWZ-Planung als abschließend zu verstehen ist.103 Dies trägt den völkerrechtlich begründeten Grenzen der Nutzung jenes küstenstaatlichen Funktionshoheitsraums Rechnung.104 4. Bewertung Schon vor der Umsetzung der MRO-RL ließ sich dem meeresbezogenen Raumordnungsrecht, gemessen an der Aufgabe und der Leitvorstellung der (auch maritimen) Raumordnung (§ 1 Abs. 1, 2 ROG), ein nicht unerhebliches Steuerungspotenzial attestieren, dies insbesondere mit Blick auf die infrastrukturelle Nutzung.105 Diese Einschätzung gründete vor allem auf der weitgehend bruchlosen Übertragbarkeit des terrestrischen Raumordnungsrechts auf den Meeresraum und die dadurch eröffneten vielfältigen Möglichkeiten zur planerischen Standort- und Trassensteuerung, dies vor dem Hintergrund der dem Grunde nach – trotz gewisser faktischer Unterschiede in der Beschaffenheit der Räume – wesensmäßigen Gleichartigkeit maritimer und terrestrischer Raumordnung.106 Überdies ergab die Analyse der unionsrechtlichen Vorgaben der MRO-RL, dass von deren eher zurückhaltenden (Rahmen-)Vorgaben weder in materieller noch in formeller Hinsicht tiefgreifende Auswirkungen auf das deutsche Raumordnungsrecht und erst recht keine wesentlichen Impulse für dessen Fortentwicklung ausgehen.107 Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass das Ergebnis der Richtlinienumsetzung ein überschaubares Ausmaß hat. Zu begrüßen ist zunächst – wie bereits erwähnt – die weitgehend erfolgte „überschießende“, die terrestrische Raumordnung einbeziehende Umsetzung im Dienste einheitlicher Regelungsstrukturen. In der Tat bedarf es nur dort meeresspezifischer Sonderregelungen, wo maritime Sachgesetzlichkeiten dies unausweichlich machen.108 Dass der Gesetzgeber aber von diesem Leitgedanken (gerade) bei der – ohnehin nicht sonderlich geglückten – Implementierung des Ökosystemansatzes,109 ferner der Überprüfungspflicht,110 abgegangen ist, ist zu bedauern. Insgesamt kritisch zu würdigen ist die gesetzliche Konzeption der Raumordnungsplanung für die Küstengewässer, die den Eindruck einer eher stiefmütterlichen Behandlung im Verhältnis zu ihrer terrestrischen Schwester hinterlässt. So wird die nunmehr durch § 13 Abs. 6 S. 2 ROG verfügte Nichtanwendbarkeit des § 13 103

BT-Drs. 18/10883, S. 58. M. Schubert (o. Fn. 2), S. 23 ff., 36 ff., jeweils m.w.N. 105 M. Schubert (o. Fn. 2), S. 201. 106 Dazu anhand von Barrierefreiheit, fehlender Besiedlung und Dreidimensionalität W. Erbguth, DÖV 2011, 373 (379 f.); M. Schubert (o. Fn. 2), S. 190 ff. m.w.N. 107 M. Schubert (o. Fn. 2), S. 146 f. 108 Näher M. Schubert (o. Fn. 2), S. 292 f. 109 S. oben III. 1. a). 110 Dazu oben III. 1. c). 104

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Abs. 2 – 5 ROG durch die knappen Vorgaben des § 13 Abs. 6 S. 1 ROG kaum hinreichend kompensiert. Konnte vormals der ausdifferenzierte Katalog an Festlegungsmöglichkeiten,111 vorbehaltlich seiner sachlich-gegenständlichen Anwendbarkeit zu Wasser, herangezogen werden, greift nunmehr ausschließlich die meeresspezifische, indessen stark verkürzte und abstrahierte Enumeration in § 13 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 – 4 ROG. Und dort, wo vormals auch die Meeresraumordnung an den Wirkungen des allgemeinen Entwicklungsgebots teilhatte, tut sich jetzt eine systemwidrige Lücke auf, mit welcher nun auch der Bundesgesetzgeber zu der bislang schon in der Praxis zu beobachtenden Marginalisierung der maritimen Regionalplanung einen Beitrag leistet. Man kann mit guten Gründen der Auffassung sein, es bedürfe im Küstenmeer ebenso wenig wie in der AWZ einer nachgeordneten Planungsstufe für die jeweiligen Teilräume.112 Dann aber sollte der Bundesgesetzgeber dies ausdrücklich und konsistent regeln und nicht die gesetzliche Pflicht zur maritimen Regionalplanung (§ 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ROG) durch die Entbindung vom Entwicklungsgebot des § 13 Abs. 2 S. 1 ROG relativieren. Im Übrigen schätzen auch die Gesetzgeber der Küstenbundesländer die maritime Regionalplanung offenkundig nicht. Ohnehin muss man leider feststellen, dass von ihnen so gut wie keine eigenständigen Impulse für die Meeresraumordnung in den Küstengewässern ausgehen, obwohl das Bundesrecht hier durchaus Raum für ergänzende Regelungen lässt. IV. Ausblick Wagt man einen Blick in die nähere Zukunft des Meeresraumordnungsrechts, so fragt sich zunächst, welchen Fortgang dessen Entwicklung auf europäischer Ebene voraussichtlich nehmen wird. In den kommenden Jahren ist mit einer Phase der Konsolidierung zu rechnen und ein weiterer Rechtsakt, etwa in Gestalt einer „MRO-Änderungsrichtlinie“, kaum zu erwarten. So wird sich die EU-Kommission darauf konzentrieren, die auf der Grundlage der wohl nunmehr unionsweit umgesetzten MRORL stattfindenden Planungsprozesse in den Küstenmitgliedstaaten zu beobachten und unterstützend zu begleiten. Nach Art. 15 Abs. 3 MRO-RL müssen die maritimen Raumordnungspläne bis zum 31. 03. 2021 vorliegen; Art. 14 Abs. 1 MRO-RL verpflichtet zudem die Mitgliedstaaten, der Kommission und allen betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung Kopien jener Pläne, einschließlich der vorliegenden einschlägigen Materialien zur Umsetzung der MRO-RL, und alle späteren aktualisierten Fassungen zu übermitteln. Spätestens am 31. 03. 2022 und anschließend im Vierjahrestakt hat die Kommission dem EUParlament und dem Rat Fortschrittsberichte vorzulegen (Art. 14 Abs. 2 MRO-RL). In der Zwischenzeit fördert die Kommission die Küstenmitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in administrativer, technischer und finanzieller Hinsicht.113 111

Nunmehr § 13 Abs. 5 S. 1 ROG. So etwa M. Schubert (o. Fn. 2), S. 323; anders W. Erbguth, NuR 2012, 85 (89). 113 Dazu näher https://ec.europa.eu/maritimeaffairs/policy/maritime_spatial_planning_en.

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Erst eine eingehende Analyse besagter Fortschrittsberichte wird erweisen, ob der normative Rahmen, den die MRO-RL bereitstellt, auch künftig ausreichen wird oder der unionsrechtlichen Konkretisierung bedarf. Auch im deutschen Recht sind in den nächsten Jahren wohl keine substanziellen Änderungen im Recht der maritimen Raumordnung zu erwarten. Die Planungspraxis ist inzwischen eingespielt; ab dem kommenden Jahr richtet sich das Augenmerk auf die Fortschreibung der Raumordnungspläne für die AWZ in der Nord- und Ostsee. Es bleibt indes zu hoffen, dass die maritime Raumordnungsplanung insgesamt effektiver als bisher die ihr innewohnenden Potenziale zur großräumigen Bedarfs- sowie (Grob-)Trassen- und Standortplanung114 nutzen wird, um auf diese Weise insbesondere einen entscheidenden Beitrag zu einer geordneten und nachhaltigen infrastrukturellen Entwicklung des Meeresraums, nicht zuletzt zur Sicherung der Energieversorgung, zu leisten.

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S. dazu die Fortentwicklungsvorschläge bei M. Schubert (o. Fn. 2), S. 291 ff.

Ozeanversauerung und Infrastrukturrecht – Zugleich zur Reichweite des Pariser Klima-Abkommens Von Felix Ekardt I. Ozeanversauerung und Infrastrukturplanungen Fossile Brennstoffe sind die Hauptquelle für Treibhausgasemissionen und viele Luftschadstoffe. Und beide sind Treiber nicht nur für den Klimawandel und weitere Probleme wie Atemwegserkrankungen, Biodiversitätsverluste und gestörte Stickstoffkreisläufe, sondern für ein weiteres globales Umweltproblem, das bisher kaum wahrgenommen und debattiert wird. Gemeint ist die Ozeanversauerung, also der sinkende pH-Wert der Weltmeere infolge des Eintrags von Kohlendioxid und teilweise weiterer fossil basierter Luftschadstoffe. Treibhausgase1 verursachen also nicht nur in der Atmosphäre Schäden: Auch Ozeane versauern durch die zunehmende Karbonisierung. In der Öffentlichkeit, in der Politik, aber auch im juristischen Schrifttum ist das Thema bislang weitgehend inexistent.2 Der vorliegende Beitrag widmet sich diesem Fragenkreis in der Schnittmenge von Umweltrecht, Seerecht und Infrastrukturrecht und damit der Gebiete, die dem von Wilfried Erbguth langjährig geleiteten Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht den Namen gaben (und auch sonst sein Wirken stark prägten3). Treibhausgasemissionen sind auch die Folge diverser Infrastrukturhaben in einem weiten Wortsinne. Straßen-, Flughafen- oder fossil basierte Energieerzeugungsvor1 Ausführlicher zu Klimapolitik, Klimaschutzrecht, Instrumenten, Governance und Menschenrechten (aber weitgehend ohne Bezug zur Ozeanversauerung) F. Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit. Ethische, rechtliche, politische und transformative Zugänge – am Beispiel von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Welthandel, 3. Aufl. (= 2. Aufl. der Neuausgabe) 2016; knapper und etwas aktualisiert nun F. Ekardt, Sustainability: Transformation, Governance, Ethics, Law, 2018. 2 Bezeichnenderweise fehlt in einem rund 2000-seitigen Kommentar bereits in dessen 64seitigem Index das Stichwort Versauerung oder Ozeanversauerung ganz; siehe Proelss (Hrsg.), UN Convention on the Law of the Sea. A Commentary, 2017. Ebenfalls ohne klaren Hinweis auf die Ozeanversauerung: E. Techera, Marine Environmental Governance, 2011; K. Scott, International Environmental Governance: Managing Fragmentation through Institutional Connection, Melbourne Journal of International Law 2011, 1 ff.; Y. Chang, Ocean Governance. A Way Forward, 2012. 3 Besonders zur Schnittmenge von Umwelt- und Infrastrukturrecht schon W. Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, 1987; zur Gesamtmaterie zuletzt etwa W. Erbguth/S. Schlacke, Umweltrecht, 6. Aufl. 2016; W. Erbguth/M. Schubert, Öffentliches Baurecht, 6. Aufl. 2015.

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haben führen, wenn sie genehmigt und errichtet werden, im Verlauf ihrer Benutzung zu solchen Emissionen. Damit entsteht für die Projektzulassung (sei es in Form einer Planfeststellung oder einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung) nicht nur die bereits bekannte Frage, inwieweit der Klimawandel zu materiellrechtlichen Anforderungen respektive Hindernissen für solche Projekte werden kann. Die gleiche Frage entsteht vielmehr auch für die Ozeanversauerung. Vor diesem Hintergrund betrachtet der vorliegende Beitrag zwei Fragen. Zum einen betrachtet er die Frage, ob jene Problematik genehmigungsrechtlich für die Infrastrukturvorhaben relevant ist, und wenn ja, bei welcher Zulassungsanforderung sich dies auswirkt. Zum anderen – dem vorgeschaltet – klärt der Beitrag, inwieweit überhaupt irgendwelche materiellrechtlichen Maßstäbe zur Ozeanversauerung bestehen. Bestehen sie nämlich von vornherein nicht, können sie auch projektzulassungsrechtlich für Infrastrukturvorhaben nicht relevant sein. Vorab müssen die naturwissenschaftlichen Grundlagen dieses wenig bekannten Phänomens etwas näher dargelegt werden. Durch menschliche Aktivitäten wie insbesondere das Verbrennen von fossilen Energieträgern werden mehr CO2 und andere Treibhausgase4 freigesetzt, als natürlich kompensiert werden können. Verstärkt durch heutige Formen der Landnutzung, die zunehmend weniger Treibhausgase in Pflanzen und Böden binden5, führt dies zum anthropogen verursachten Klimawandel.6 Neben der Atmosphäre nehmen aber eben auch Meere und Ozeane CO2 auf. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 30 % des anthropogen verursachten CO2 von Ozeanen gespeichert werden, womit diese bedeutende Senken7 darstellen8 (die nachstehenden Erörterungen folgen weitgehend den naturwissenschaftlichen Befunden aus dem langjährig vom BMBF geförderten Drittmittelprojekt Bioacid, das eine Vielzahl naturwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen einschließt). Doch das CO2 wird nicht einfach nur von den Ozeanen aufgenommen. Es löst sich im Wasser, wodurch Kohlensäure entsteht. Dadurch sinkt der pH-Wert der Ozeane.9 In absehbarer Zeit werden die Ozeane dadurch nicht tatsächlich sauer, wie der Begriff „Ozeanversauerung“ vermuten lässt, sondern eher durch den Zusatz von CO2 4 Methan, Distickstoffoxid und Halogenkohlenwasserstoffe zählen unter anderem zu den Treibhausgasen. CO2 stellt jedoch den größten Anteil unter den Treibhausgasen und ist von besonderer Relevanz für den pH-Wert der Meere. 5 Damit ist vor allem die Abholzung durch Rodung von Wäldern zugunsten von landwirtschaftlichen Nutzflächen gemeint. Dadurch wird nicht nur CO2 freigesetzt, sondern auch die CO2-Speicherkapazität reduziert und die Reflexion der Oberfläche verändert, siehe IPCC, Climate Change 2013. The Physical Science Basis, 2013, S. 127. 6 Vgl. IPCC (o. Fn. 5), S. 121. 7 Als Senke gelten laut IPCC „any process, activity or mechanism that removes a greenhouse gas, an aerosol or a precursor of a greenhouse gas or aerosol of the atmosphere“; vgl. IPCC (o. Fn. 5), S. 1462. 8 Vgl. ebd., S. 291 f.; M. Gehlen, in: Gattuso/Hannson (Hrsg.), Ocean Acidification, 2011, S. 230 f. 9 Vgl. CBD, An Updated Synthesis of the Impacts of Ocean Acidification on Marine Biodiversity. Technical Series 75, 2014, S. 13.

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„karbonisiert“; Ozeanversauerung wird also definiert als „a reduction in the pH of the ocean over an extended period, typically decades or longer, caused primarily by the uptake of CO2 from the atmosphere“.10 Seit Beginn des industriellen Zeitalters ist der durchschnittliche pH-Wert der obersten Meeresschicht um 0,1 Einheiten von 8,2 auf 8,1 gefallen, womit der Säuregehalt um 26 % angestiegen ist. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird der pH-Wert der obersten Meeresschicht nach bisherigen Prognosen niedriger sein als die letzten 50 Millionen Jahre.11 Dieser Wandel geschieht so schnell wie zu keinem anderen Zeitpunkt in den letzten 300 Millionen Jahren.12 Ozeanversauerung ist überall zu beobachten, wirkt aber regional unterschiedlich, abhängig von beispielsweise der Wassertemperatur und den dort vorkommenden Ökosystemen: „Colder surface waters in high latitudes are expected to be the first impacted areas, because cold water takes up more CO2 and ice melting increases the problem, causing changes in currents and stratification“.13 So wird der höchste pH-Wert-Wandel im Arktischen Ozean vermutet. Das Sinken des pH-Wertes der Ozeane geschieht nicht für sich alleine in einem abgeschlossenen Raum. Verschmutzung, Erwärmung und Überfischung sind bei der Betrachtung von marinen Ökosystemen immer mitzudenken. Vor allem die Erhöhung der oberflächennahen Meerestemperatur in allen Regionen verringert die CO2-Aufnahme-Kapazität, wodurch die Funktion der Ozeane als Senken schwächer wird.14 Der veränderte Säuregehalt der Ozeane hat vor allem Konsequenzen für Arten, die abhängig von Kalk sind. Dazu gehören unter anderem Schalentiere, Seesterne und Korallen, die dadurch Schwierigkeiten beim Aufbau ihrer Schalen und Skelette bekommen können. Besonders empfindlich sind außerdem Weichtiere und deren Larven (Muscheln, Austern, Flügelschnecken), aber auch kalkabhängige Mikroorganismen.15 So ergab eine Untersuchung, dass sich die tägliche Sterberate von Dorschlarven im Vergleich zu heute verdoppelt, wenn man sie einem Säuregehalt aussetzt, der

10 CBD (o. Fn. 9), S. 9. Der Prozess der Versauerung kann auch durch andere chemische Zusätze ablaufen. Das wird meist nur im kleineren, lokalen Maßstab wirksam – im Gegensatz zur Ozeanversauerung durch CO2, die global wirkt; siehe auch J. Gattuso/L. Hannson, Ocean acidification, 2011, S. 2. 11 Vgl. IPCC (o. Fn. 5), S. 295. 12 Vgl. IGBP u. a., Ocean Acidification Summary for Policymakers – Third Symposium on the Ocean in a High-CO2 World, 2013, S. 2. 13 S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann, Ocean acidification and warming in the Norwegian and Barents Seas: impacts on marine ecosystems and human uses, 2014, S. 2. 14 Vgl. S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), S. 2. 15 Vgl. L. Brander u. a., Handbook on the Economics of Ecosystem Services and Biodiversity, 2014, S. 2; IPCC, Climate Change 2014, Impacts, Adaption, and Vulnerability, 2014, S. 226.

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am Ende des Jahrhunderts im Nordatlantik zu erwarten ist.16 Allgemein scheinen sesshafte Organismen anfälliger für Versauerung zu sein als Fische. Dennoch sind Verhaltensänderungen bei beispielsweise Clownfischen zu beobachten, deren Geruchssinn, Gehör und optische Wahrnehmung beeinträchtigt werden.17 Vor allem die Kombination aus Erwärmung und Versauerung schädigt bestimmte Organismen mehr als jeder Stressfaktor einzeln für sich. Allerdings profitieren Seegras und Phytoplankton-Arten von der stimulierten Fotosynthese in versauerten Gewässern.18 Wie bei allen Veränderungen der Umwelt stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich Arten daran anpassen können.19 Für einige (kurzlebige) Organismen, wie beispielsweise bestimmte Mikroalgen, konnte experimentell eine Anpassung an Versauerung nachgewiesen werden. Geologisch kann jedoch belegt werden, dass in Zeiten von Ozeanversauerung einige Tiefseeorganismen ausstarben.20 Dieser Fakt lässt vermuten, dass sich viele Arten nicht schnell genug an den sinkenden pH-Wert anpassen können. Die einschlägige Forschung legt unter Berücksichtigung der verschiedenen Meeres-Ökosystemleistungen dar, in welchen Bereichen Veränderungen der marinen Ökosysteme durch Ozeanversauerung den Menschen beeinflussen können.21 Gemeint sind konkret die Nahrungsbereitstellung (durch Fischerei), kulturelle Dienstleistungen (wie Tourismus), Kohlenstoffaufnahme aus der Atmosphäre und Biodiversität22 einschließlich der Korallenriffe (die zugleich dem Küstenschutz dienen), welche im Folgenden näher betrachtet werden.23 Der weltweite jährliche Fischkonsum pro Kopf ist von 9,9 kg in den 1960er Jahren auf schätzungsweise 20 kg 2014/15 16 Vgl. M. Stiasny u. a., Ocean Acidification Effects on Atlantic Cod Larval Survival and Recruitment to the Fished Population, 2016. 17 Vgl. IGBP (o. Fn. 12), S. 18. 18 Vgl. IGBP (o. Fn. 12), S. 18. 19 „Akklimatisation ist die Fähigkeit eines einzelnen Lebewesens, sich an Umweltveränderungen anzupassen. Sie kann über das Leben des Organismus hinweg verteilt zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden. Die Reaktionen, die normalerweise reversibel sind, erlauben es dem Organismus, unter einer Bandbreite von Umweltbedingungen zu existieren“, IGBP (o. Fn. 12), S. 19. 20 Vgl. CBD (o. Fn. 9), S. 36. 21 Siehe S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), passim. 22 Das UNEP definiert Biodiversität als „a contraction of biological diversity. Diversity is a concept which refers to the range of variation or differences among some set of entities; biological diversity thus refers to variety within the living world“. UNEP, What is Biodiversity?, 2017, http://old.unep-wcmc.org/what-is-biodiversity_50.html; S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13) sehen Biodiversität als grundlegende Eigenschaft von Ökosystemen und weniger als Ökosystemleistung. 23 Zur Debatte über die vielen Fragen rund um Ökosystemleistungen (oder Ökosystemdienstleistungen/ecosystem services) m.w.N. auch F. Ekardt/B. Hennig, Ökonomische Instrumente und Bewertungen der Biodiversität. Lehren für den Naturschutz aus dem Klimaschutz?, 2015; ferner F. Ekardt, Natural Capital Accounting and the Mobilization of Financial Resources for Biodiversity, 2015, http://felix-ekardt.eu/files/texts/Biodiv-Evaluation-Instru ments.pdf.

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angestiegen.24 Ursächlich dafür sind vor allem steigende Einkommen, Urbanisierung und die Internationalisierung des Handels. Während der Ertrag der Fischfangindustrie seit den 1980er Jahren etwa konstant blieb, stieg der Anteil der Aquakulturerzeugnisse stark an und deckt mittlerweile etwa 40 % der weltweiten Nachfrage ab. Dabei stellt Fisch für viele Menschen eine wichtige Proteinquelle dar: „In 2013, fish accounted for about 17 percent of the global population’s intake of animal protein and 6.7 percent of all protein consumed“.25 Mit über 55 Millionen Beschäftigten im Bereich Fischfang und Aquakultur im Jahr 2014 stellt dieser Wirtschaftsbereich auch ansonsten eine wichtige Lebensgrundlage für viele Menschen dar. Dabei nimmt der Anteil der Beschäftigten im Aquafarming zu, während der Anteil im Fischfang rückläufig ist.26 Jedoch setzen Klimawandel27 und Ozeanversauerung Fischschwärme unter Stress. Die konkreten Auswirkungen der Versauerung auf einzelne Fischarten und Schwärme sind noch nicht genau erforscht. Bekannt ist allerdings, dass zum Beispiel der wirtschaftlich wichtige Dorsch im Larvenstadium unter erhöhter Sterblichkeit leiden wird (siehe oben). Außerdem werden Schalen- und Krebstiere angegriffen.28 Als regional betroffen gelten vor allem die Fischereigebiete im Nordatlantik, die besonders der Versauerung und Erwärmung unterliegen. Noch ungewiss ist, welche Auswirkungen der sinkende pH-Wert auf die Futtergrundlage kommerziell wichtiger Fischarten hat.29 Zu den kulturellen Leistungen der marinen Ökosysteme zählt auch der Tourismus. So gilt zum Beispiel in Norwegen das Sportfischen zu einer beliebten Freizeit- und Tourismusaktivität, während auch kulturelle Gewohnheiten, wie die Produktion von Stockfisch, von marinen Ökosystemen abhängig sind. Vor allem kleine, traditionell produzierende Fischereibetriebe und Bootsvermietungen sind betroffen von der erwärmungsbedingten Migration und dem versauerungsbedingten Schrumpfen der Dorschschwärme.30 Weitere maritime Tourismusaktivitäten, wie beispielsweise 24 Vgl. FAO, The State of World Fisheries and Aquaculture 2016. Contributing to food security and nutrition for all, 2016, S. 2. 25 FAO (o. Fn. 24), S. 4. 26 Vgl. FAO (o. Fn. 24), S. 5. 27 Die Auswirkungen der Erwärmung auf Fischschwärme sind schon heute spürbar. So bewegen sich Schwärme in Richtung der Pole. Es wird erwartet, dass die Anzahl der Spezies in den Tropen abnimmt und manche polare Arten ganz verschwinden. Mit zunehmender Temperatur sinkt außerdem die Schwarmgröße. Diese Effekte sind immer mit der Versauerung mitzudenken, vgl. S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), S. 4 f. 28 Vgl. S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), S. 5. Auch Weichtiere sind von Ozeanversauerung betroffen. Europa gehört zu einer wichtigen Produzentin mariner Weichtiere und hat in Folge des Klimawandels mit Verlusten in diesem Bereich zu rechnen; vgl. D. Narita/K. Rehdanz, Economic impact of ocean acidification on shellfish production in Europe, 2017. 29 Vgl. S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), S. 6. 30 Vgl. S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), S. 9.

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das Tauchen bei Korallenriffen, können von Ozeanversauerung betroffen sein (siehe unten). Ein weiterer für Menschen und Umwelt relevanter Aspekt ist die Kohlenstoffaufnahme- respektive Klimasenken-Kapazität der Ozeane. Wie bereits anklang, fungieren die Meere als Senken für CO2 und mildern so die Auswirkungen des Klimawandels. Doch Versauerung in Kombination mit Erwärmung reduziert die Aufnahmefähigkeit des Wassers für CO2. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird diese Senke jedoch laut IPCC mit einer sehr hohen Gewissheit ihre Aufnahmefähigkeit verlieren.31 Folglich gelangt mehr CO2 in die Atmosphäre, was den Klimawandel wiederum beschleunigt und mitunter fatale Konsequenzen für Umwelt und Menschen mit sich bringt.32 Eine zunehmende Versauerung des Meerwassers führt im Allgemeinen zu einer schrumpfenden Biodiversität.33 Besonders in den polaren Regionen haben sich viele Organismen an bestimmte Nischen angepasst, womit sie anfällig für Veränderungen der Wasserchemie werden. „Shifts in marine plankton community structure in the Arctic Ocean due to ocean warming and acidification are one of the major tipping points in the earth system, where biodiversity loss can potentially pass an irreversible threshold“.34 Ein Verlust an Biodiversität hat direkte Auswirkungen auf Ökosysteme und somit auch auf die Vorteile und Leistungen, die der Mensch von ihnen in Anspruch nimmt. Korallenriffe haben nicht nur große Bedeutung für Ökosystemleistungen wie Tourismus oder auch den Küstenschutz. Sie dienen ebenso als Lebensraum für viele Arten und somit auch der Biodiversität. Korallenriffe im tropischen Flachwasser beispielsweise machen nur etwa 0,09 bis 0,2 % der globalen Meeresfläche aus, bieten jedoch etwa einem Drittel der bisher beschriebenen Spezies im Meer einen Lebensraum.35 Vor allem kleine Inselstaaten sind wirtschaftlich auf Korallenriffe angewiesen.36 Der sinkende pH-Wert der Meere wirkt sich nachteilig auf den Aufbau der kalkabhängigen Skelette der Korallen aus. Geologisch kann nachgewiesen werden, dass vier der bisherigen Massenaussterben von Riffen in den letzten 500 Millionen Jahren mit Ozeanversauerung und Erwärmung einhergingen.37 So sehen Stimmen aus der Korallenforschung Erwärmung und Versauerung der Ozeane als größte Bedrohung für Korallenriffe, da sie noch in diesem Jahrhundert durch den sinkenden

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Vgl. IPCC (o. Fn. 5), S. 26. Vgl. S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), S. 11. 33 Vgl. CAFF, Arctic Biodiversity Assessment, Status and trends in Arctic biodiversity, 2013, S. 358. 34 S. Koenigstein/S. Goessling-Reisemann (o. Fn. 13), S. 12. 35 Vgl. H. Schumacher/G. Reinicke, in: Lozán u. a. (Hrsg.), Warnsignal Klima: Die Meere – Änderungen und Risiken, 2011, S. 214. 36 Vgl. IGBP (o. Fn. 12), S. 11. 37 Vgl. CBD (o. Fn. 9), S. 38 f. 32

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pH-Wert der Meere schneller erodieren als wachsen.38 Kaltwasserkorallen gelten als bedroht und sind möglicherweise nicht mehr zu erhalten.39 Dies hat einen unmittelbaren Einfluss auf die marine Biodiversität, da somit der Lebensraum vieler Spezies verloren geht. Im Zusammenspiel mit Erwärmung, Verschmutzung und Überfischung führt Ozeanversauerung im Bereich der Fischerei zum Verlust weltweit stark gefragter Nahrungsmittel und wichtiger Proteinquellen. Kulturell sind durch die Migration und Verkleinerung von Schwärmen vor allem für den Tourismus, das Sportfischen, aber auch traditionelle Zubereitungsarten, die auf bestimmten marinen Ökosystemen beruhen, nachteilige Veränderungen zu erwarten. Zudem verringern Versauerung und Erwärmung die Aufnahmekapazität von CO2, was den Klimawandel verstärken kann. Außerdem werden sowohl die marine Biodiversität als auch Korallenriffe und damit wichtige Lebensräume für viele Arten durch den sinkenden pH-Wert angegriffen. Für das Eintreten dieser Erscheinungen wird eine mittlere bis sehr hohe Gewissheit angenommen.40 Zwischen Biodiversität und bestimmten Leistungen von Ökosystemen wie etwa der Kohlenstoffspeicherkapazität kann dabei durchaus ein Spannungsverhältnis bestehen.41 Einerseits fungieren Ozeane als CO2-Senken, die klimaschädliches CO2 aufnehmen und somit das Klima regulieren; andererseits hat dies vorwiegend negative Konsequenzen für Biodiversität und letztlich auch für den Menschen. Hier wird deutlich, dass ein bloßes Vertrauen auf die Regulierungsfunktion von Senken an Grenzen stößt, da Treibhausgase (hier: CO2) auch innerhalb einer Senke schädliche Auswirkungen haben können. II. Materielles Recht der Ozeanversauerung Im Recht wie auch in Debatten über wirksame politische Steuerung im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens (der Wilfried Erbguth schon vor 20 Jahren wiederholt beschäftigt hat42) ist das Thema Ozeanversauerung auch in den stark wahrgenommenen IPCC-Berichten bislang nur sehr bedingt angekommen – trotz dieser durchaus umfassenden Befunde und ihrer Verankerung. Ein direkter Regelungsgegenstand ist die 38

Vgl. H. Schumacher/G. Reinicke (o. Fn. 35), S. 218. Vgl. IGBP (o. Fn. 12), S. 17; eine andere Studie zeigt hingegen, dass sich bei der Kaltwasserkoralle Lophelia pertusa die Wachstumseinschränkungen durch Ozeanversauerung und die Wachstumsbegünstigungen durch Erwärmung etwa ausgleichen werden, siehe J. Büscher u. a., Interactive Effects of Ocean Acidification and Warming on Growth, Fitness and Survival of the Cold-Water Coral Lophelia pertusa under diffrent food availabilities, 2017. 40 Vgl. IGBP (o. Fn. 12), S. 10 ff. 41 Siehe dazu F. Ekardt/B. Hennig (o. Fn. 23), S. 20. 42 Pars pro toto W. Erbguth, Konsequenzen der neueren Rechtsentwicklung im Zeichen nachhaltiger Raumentwicklung, DVBl. 1999, 1082 ff.; W. Erbguth, Verkehrsvermeidung durch Raumordnung – zugleich zur nachhaltigkeitsbedingten „Wegwägsperre“, NVwZ 2000, 28 ff. 39

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Ozeanversauerung im Völkerrecht (wie wir sehen werden), aber bislang kaum im EU-Recht oder im nationalen Recht. Ob in der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), der EU-Meeresstrategierichtlinie oder im deutschen Wasserrecht, ob in den EU-Luftreinhalterichtlinien oder dem deutschen Immissionsschutzrecht oder gar im europäischen und deutschen Klimaschutzrecht, die Ozeanversauerung ist kein expliziter Regelungsgegenstand im Industrieanlagenrecht. Zudem eröffnen §§ 56, 57 BNatSchG n.F. zwar die Einrichtung von geschützten Meeresgebieten im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels. Diese bieten jedoch keine probate Handhabe gegen diffuse Einträge durch Kohlendioxid und Luftschadstoffe auf globaler Basis aus diversen Quellen. 1. Seerecht Auch im Umweltvölkerrecht, wo man bei einem so evident globalen Problem wie der Ozeanversauerung mit einer Regulierung rechnen kann, sticht bereits ins Auge, dass die vorhandenen Umweltvölkerrechtsverträge die Ozeanversauerung nicht einmal klar definieren. Das heißt nicht, dass sich keine rechtlichen Aussagen gewinnen lassen. Doch bleiben diese begrenzt, wie sich nachstehend näher zeigen wird, wobei sich die Analyse wie angekündigt primär auf den völkerrechtlichen Bereich konzentrieren wird.43 Der Blick richtet sich zunächst auf das seit rund 40 Jahren etablierte Grundgesetzes des Rechts der Weltmeere, das Seerechtsübereinkommen (SRÜ). Direkte Erwähnung findet die Ozeanversauerung dort nicht. Dafür finden sich jedoch allgemeine Bestimmungen zum Meeresumweltschutz. Art. 192, 194, 195 SRÜ verpflichten in allgemeiner Form die Staaten auf den Meeresumweltschutz. Worin dieser besteht, wird freilich trotz einer Vielzahl nachfolgender Vorschriften nicht stark konkretisiert, und speziell die Ozeanversauerung bleibt eben unerwähnt. Zudem betont Art. 193 SRÜ das souveräne Recht der Staaten zur Ausbeutung der Ressourcen. Auch die getroffenen inhaltlichen Aussagen etwa dazu, dass Schadstoffeinträge minimiert werden sollen, werden durch Formeln wie „so weit wie möglich“ (Art. 194 Abs. 3 SRÜ) weitgehend einer praktischen Handhabung entzogen. Immerhin verpflichtet Art. 207 SRÜ die Staaten ohne Relativierung darauf, Gesetze gegen Gefahren „vom Land aus“ zu erlassen, wenngleich auch hier das Ausmaß der Handlungspflicht wenig konturiert bleibt. Dazu kann man fragen, ob Treibhausgase überhaupt als Schadstoffe zu gelten haben, die hier mit Gefahren vom Land aus offenbar gemeint sind. Indes gilt jedenfalls die allgemeine Umweltschutzverpflichtung aus Art. 192 SRÜ definitiv. Auch insoweit ist aber fraglich, wie weit dies trägt. Denn Art. 213 SRÜ macht deutlich, dass spezifische Verpflichtungen der Staaten unter der SRÜ weitere 43

Juristische Literatur dazu existiert kaum; vgl. aber immerhin T. Stephens, in: Rayfuse (Hrsg.), Research Handbook on International Marine Environmental Law, 2017, S. 451 ff.; Y. Downing, Ocean Acidification and Protection under International Law from Negative Effects: A Burning Issue amongst a Sea of Regimes?, Cambridge Journal of International and Comparative Law 2013, 242 ff.

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Konkretisierungen voraussetzen können, und bei der Ozeanversauerung ist nach der SRÜ bislang wie gesagt nicht einmal klar, ob diese als „Problem“ im Sinne dieses Völkerrechtsvertrags gesehen wird. Dementsprechend läuft auch die allgemeine Haftungsnorm des Art. 235 SRÜ für die Ozeanversauerung leer, zumal globale Probleme, zu denen letztlich alle Menschen beitragen, weit weniger als etwa kollabierende Ölplattformen für Haftungsdebatten taugen (dazu näher unten). Beruhigend ist immerhin, dass Art. 237 SRÜ ausdrücklich klarstellt, dass relevante Bestimmungen zum Meeresumweltschutz in anderen Übereinkommen unberührt bleiben. Kandidaten dafür werden im Folgenden betrachtet. Konkret im Meeresumweltrecht könnte man noch an das 1996 Protocol to the Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and other Matters denken. Es regelt die Umweltverschmutzung von Schiffen aus. In seinem Art. 6 wird Geo-Engineering, also Eingriffe ins Meer mit dem Ziel stärkerer Treibhausgasbindung um den Preis steigender Ozeanversauerung, von einer Erlaubnis abhängig gemacht. Dies kann relevant werden, wenn die aus vielerlei Gründen in den Nebenwirkungen (empirisch und normativ) hinterfragungswürdige Option, Klimaschutz statt über erneuerbare Energien und Energieeffizienz eben über kostspielige, riskante (etwa für die Ozeanversauerung) und vielleicht nicht einmal wirksame Geo-Engineering zu betreiben.44 Dies ist aktuell allein schon mangels technischer Ausgereiftheit solcher Optionen indes nicht der Fall. Eine klare Aussage zur Ozeanversauerung findet sich in den UN Sustainable Development Goals von 2015. Konkret gibt Ziel 14.3 die Direktive aus, die Versauerung der Ozeane auf ein Mindestmaß zu reduzieren und ihre Auswirkungen zu bekämpfen. Dies lässt an Klarheit wenig zu wünschen übrig, nur sind die UN-SDGs unstreitig nicht rechtsverbindlich. Sie stellen vielmehr eine Art allgemeines Nachhaltigkeitsprogramm der UN dar, die folgerichtig teils auch recht vage und widersprüchliche Direktiven ausgeben. Politisch wird das Problem Ozeanversauerung damit gleichwohl sichtbar wie nie zuvor in der internationalen Arena platziert. Im Juni 2017 gab es sogar eine offizielle UN-Ozeankonferenz. Auch diese ging jedoch ohne konkrete Ergebnisse zu Ende. Rechtliche Vorgaben direkt im Wasserrecht zur Ozeanversauerung bleiben damit ein Desiderat. 2. Biodiversitätsvölkerrecht Nun ist die Ozeanversauerung wie berichtet eine zentrale Herausforderung auch für den Biodiversitätsschutz. Das führt zu der Frage, ob vielleicht das Naturschutzvölkerrecht (respektive das internationale Biodiversitätsschutzrecht) zur Ozeanversauerung Aussagen trifft, die anders als die SDGs rechtsverbindlich sind. Die bisherige Diskussion über den Biodiversitätsschutz im Meer geht zwar an der Ozeanver-

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Kurz zur Debatte m.w.N. F. Ekardt (o. Fn. 1), § 1 B. III.

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sauerung vorbei.45 Dennoch finden sich hier relevante Anknüpfungspunkte. Grundlage der Betrachtung ist insoweit die völkerrechtliche Biodiversitätskonvention (CBD) von 1992, deren Rechtsverbindlichkeit unbestritten ist. Es lassen sich insoweit Aussagen in vier Hinsichten treffen, die insgesamt bemerkenswert erscheinen: - In Art. 1 CBD wird der übergreifende normative Maßstab des globalen Biodiversitätsschutzes formuliert. Dort wird u. a. der Schutz und Erhalt der Biodiversität als Ziel normiert. Da die Ozeanversauerung den marinen Biodiversitätsschutz wie berichtet gefährdet, liest sich Art. 1 CBD als rechtsverbindliche, wenn auch nicht sehr konkrete Aufforderung, der Ozeanversauerung entgegenzuwirken. - Unter der Geltung der CBD wird es sogar noch konkreter. Ähnlich wie bei den internationalen Klimaverträgen (zu diesen sogleich) wird die CBD durch sogenannte Entscheidungen (Decisions) der Konferenz der Vertragsparteien regelmäßig weiter konkretisiert. Ziel 10 der sogenannte Aichi Targets, die in Umsetzung der CBD 2010 im Rahmen einer CBD-Konferenz beschlossen wurden, zielt explizit darauf ab, die Ozeanversauerung zu stoppen, genauer: zur Minimierung des Drucks auf vulnerable Ökosysteme wie Korallenriffe durch Klimawandel und Ozeanversauerung.46 Wörtlich heißt es dort: „By 2015, the multiple anthropogenic pressures on coral reefs, and other vulnerable ecosystems impacted by climate change or ocean acidification are minimized, so as to maintain their integrity and functioning.“ Aichi Target 5 normiert ferner: „By 2020, the rate of loss of all natural habitats, including forests, is at least halved and where feasible brought close to zero, and degradation and fragmentation is significantly reduced.“ Noch weitergehend ist Aichi Target 14, wo es heißt: „By 2020, ecosystems that provide essential services, including services related to water, and contribute to health, livelihoods and well-being, are restored and safeguarded.“ Kurz gesagt wird damit nicht nur ein Stopp des gravierenden und anhaltenden Biodiversitätsverlusts vorgeschrieben, sondern sogar eine Stabilisierung, also letztlich Verbesserung des Zustands der Ökosysteme. Die entsprechenden Vorgaben sind auch keine bloße Programmatik, denn die Decisions sind als Konkretisierungen der ihrerseits unbestritten rechtsverbindlichen CBD ebenfalls rechtsverbindlich.47

45 Siehe z. B. A. Proelss/K. Houghton, in: Rayfuse (o. Fn. 43), S. 229 ff.; D. Tladi, in: Rayfuse (o. Fn. 43), S. 259 ff. 46 COP 10 Decision X/2 The Strategic Plan for Biodiversity 2011 – 2020 and the Aichi Biodiversity Targets, 2010. 47 Diskutieren lässt sich indes, ob der Beschluss selbst der Ratifikation bedarf, weil die im Wort „Decision“ liegende Suggestion, insoweit liege lediglich eine Konkretisierung der KRK vor, nicht maßgeblich sein kann (umgekehrt könnte man überlegen, ob nicht auch das ParisAbkommen selbst eben doch selbst eine reine Durchführungsbestimmung ohne Ratifikationspflicht durch die Parlamente ist). Generell ist rechtlich die reine Bezeichnung nicht entscheidend, weil sich die verpflichteten öffentlichen Gewalten sonst durch einen Federstrich ihrer Bindungen entziehen könnten. Dazu schon F. Ekardt/J. Wieding, Rechtlicher Aussagehalt des Paris-Abkommen – eine Analyse der einzelnen Artikel, ZfU 2016 (Sonderheft), 36 ff.

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- Diese Vorgaben haben nicht nur direkt für die Ozeanversauerung insoweit Bedeutung, als die marine Biodiversität hier einen Schutz erfährt. Vielmehr führt der Umstand, dass der Klimawandel die Situation bei der Biodiversität ungünstig beeinflusst, dazu, dass bereits ohne Erwähnung der Ozeanversauerung ganz allgemein durch die Gesamtvorgaben zum Biodiversitätsschutz auch ein stärkerer Klimaschutz geschuldet ist. Dieser erfordert nur eben erneut eine Absenkung der Treibhausgasemissionen und damit zugleich implizit ein Vorgehen gegen die Ozeanversauerung (auch wenn eine geringe Unschärfe insoweit deshalb besteht, weil Kohlendioxid als Treiber der Ozeanversauerung nicht das einzige Treibhausgas ist). - Der Biodiversitätsschutz der CBD ist, da er nicht schwerpunktmäßig auf unmittelbar drohende Gefahren, sondern auf den langfristigen Erhalt und damit auf die Abwehr auch langfristiger und kumulativer Schädigungszusammenhänge gerichtet ist, dem Vorsorgeprinzip verpflichtet (was im Meeresumweltschutz weniger klar erkennbar ist).48 Dieses Vorsorgeprinzip kann jedoch auch als allgemeiner Völkerrechtsgrundsatz betrachtet werden, was der Herleitung eine weitere Stütze verleiht.49 Insofern ergeben sich international im Naturschutzrecht beachtliche Implikationen für die Ozeanversauerung.50 Im weiteren Verlauf ist zu prüfen, wie es mit einem weiteren wesentlichen Bestandteil des Umweltvölkerrechts diesbezüglich aussieht: dem internationalen Klimaschutzrecht. 3. Klimavölkerrecht Das Klimavölkerrecht basiert zunächst einmal auf der Klimarahmenkonvention (KRK bzw. UNFCCC) von 1992.51 Zwar findet sich dort bezüglich der Ozeane kein ausdrücklicher Schutzauftrag in Art. 1, 2 UNFCCC, aber die Integrität der Ozeane wird in Präambel als eine Intention des Abkommens erwähnt. Darüber hin48

Zu diesem erstaunlich häufig missverstandenen Inhalt des Vorsorgeprinzips näher m.w.N. F. Ekardt (o. Fn. 1), § 5 C. II. 2. 49 Vgl. dahingehend D. Maurmann, Rechtsgrundsätze des Völkerrechts – am Beispiel des Vorsorgeprinzips, 2008; das Vorsorgeprinzip (auch) im Völkerrecht menschenrechtlich fundierend und zudem die Konzeption allgemeiner Rechtsgrundsätze vernunftrechtlich reinterpretierend F. Ekardt (o. Fn. 1), § 5 C. II. 2. und § 4 E. III. 50 Bei T. Stephens (o. Fn. 43), S. 451 ff. findet sich ferner der Hinweis darauf, dass im Arktischen Rat 2013 eine Erklärung angenommen wurde, die zur Bekämpfung der Ozeanversauerung auffordert. Weitere (ebenfalls nicht konkret verpflichtende) regionale Initiativen werden dort ebenfalls kurz aufgezählt. 51 Die Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change/ UNFCCC) ist das internationale Klimaschutzabkommen der Vereinten Nationen. Diese wurde 1992 in Rio de Janeiro beschlossen und soll gemäß Art. 2 UNFCCC gefährliche, anthropogen verursachte Störungen des Klimasystems verhindern; dazu auch F. Ekardt (o. Fn. 1), §§ 6 C., 7 C.; zum Bezug zur Ozeanversauerung auch Y. Downing, Cambridge Journal of International and Comparative Law 2013, 242 ff.

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aus ist ein grundlegendes Klimaschutzabkommen – wie dargestellt – auch ohne expliziten Schutzauftrag für die Ozeane grundsätzlich dem Meeresschutz vor Versauerung sehr zuträglich. Noch deutlicher verpflichtet Art. 4 Abs. 1d UNFCCC die Staaten zu einer Verbesserung ihrer Senken einschließlich der Ozeane. Allerdings besteht, wenn es bei dieser Aussage bliebe, die Gefahr, dass die Ozeane zur Kohlendioxid-Deponie verkommen, das u. U. den Klimawandel aufhalten könnte, jedoch die Ozeanversauerung verstärken würde. Im Dezember 2015 haben sich die Staaten freilich inzwischen auf ein neues globales Klimaschutzabkommen geeinigt. Allseits wird das Paris-Abkommen (Paris Agreement / nachstehend häufig PA) enthusiastisch begrüßt, besonders weil schon das Zustandekommen irgendeiner Vereinbarung im Vorfeld deutlich bezweifelt worden war. Nun wird ab 2020 allen Staaten weltweit aufgegeben, die Bemühungen um den Klimaschutz zu intensivieren und auch Maßnahmen der Anpassung an einen teilweise nicht mehr zu verhindernden Klimawandel (Adaptation) und finanzielle Hilfen für vom Klimawandel geschädigte Staaten (Loss and Damage) verstärkt in den Blick zu nehmen. Die größere Verantwortung, aber nicht mehr die alleinige Verantwortung, sollen die Industriestaaten tragen. Die wesentliche klimapolitische Zielstellung des Abkommens schreibt Art. 2 Abs. 1 PA vor. Dazu gehört neben der Ermöglichung von Adaptation und Klimafinanzierung im Kern, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, wobei – angesichts der drohenden Folgeschäden konsequent – sogar Anstrengungen zur Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius vorgegeben werden.52 Deutlich unter (oder: weit unter) bedarf einer juristischen Auslegung, legt, da es eben „deutlich“ weniger als 2 Grad, gleichzeitig aber mehr als 1,5 Grad sein muss, etwa 1,7 oder 1,8 Grad als Temperaturgrenze nahe. Dass „Anstrengungen“ in Richtung der 1,5Grad-Grenze unternommen werden müssen, kann ferner bei grammatischer Interpretation nicht heißen, dass dieses Ziel einfach abgeschenkt werden darf. Vielmehr müssen tatsächlich Maßnahmen ergriffen werden, die weitere Reduktionen im Vergleich zu einer Grenze von 1,7 oder 1,8 Grad versprechen. Inhaltlich wird mit Art. 2 PA eine Aussage getroffen, die sich von der bisher in den Verhandlungen und in der Öffentlichkeit meist diskutierten Zwei-Grad-Grenze unterscheidet. Dies wird bislang noch relativ wenig bemerkt, hat jedoch potenziell dras52 Gesamteinschätzungen (mit ähnlicher Tendenz wie vorliegend) bieten F. Ekardt/J. Wieding, ZfU 2016 (Sonderheft), 36 ff.; F. Luhr/L. Schalatek u. a., COP 21 and the Paris Agreement. A Force Awakened, 2016, http://www.boell.de/en/2015/12/15/cop-21-and-paris-agreement-force-awakened; W. Obergassel/H. Ott u. a., Phoenix from the Ashes. An Analysis of the Paris Agreement to the United Nations Framework Convention on Climate Change, 2016; R. Clémencon, The two sides of the Paris Agreement, Journal of Environment and Development, 2016, 3 ff.; zu den Herausforderungen für den IPCC: M. Hulme, 1,5 8C and climate research after the Paris Agreement, Nature 2016, S. 222 ff.; weitere Nachweise zum gesamten Diskurs F. Ekardt (o. Fn. 1), i.E., sowie in kritischer Auseinandersetzung mit dem 1,5-GradSonderbericht des IPCC F. Ekardt/J. Wieding/A. Zorn, Paris Agreement, Precautionary Principle and Human Rights: Zero Emissions in Two Decades?, Sustainability 2018, 2812.

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tische Folgen – nämlich kurzfristig nötige drastische Emissionsreduktionen im globalen Maßstab. Denn es hieße bereits das Ziel einer Temperaturbegrenzung auf deutlich unter 2 Grad globale Erwärmung aus Art. 2 Abs. 1 PA, wenn man die Daten des Weltklimarates über die dafür noch maximal möglichen globalen Emissionen und gleiche Pro-Kopf-Emissionsrechte weltweit zugrunde legt, bis Ende der 2030er Jahre Nullemissionen.53 Das in Art. 2 Abs. 1 PA zusätzlich genannte Ziel von Anstrengungen, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, verschärft diese ohnehin schon markante Aussage dahingehend, dass eher Ende der 2020er Jahre dies erreicht werden müsste (wäre man bei genau 2 Grad im Sinne der Cancun-Beschlüsse geblieben, wäre etwa 2050 der zeitliche Rahmen).54 Ferner „beabsichtigen“ es die Vertragsstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1 PA, den Höhepunkt der Emissionen „möglichst“ bald zu erreichen und es in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts zu schaffen, ihre Emissionen vollständig zu neutralisieren. Doch ist wie gesehen der damit eröffnete Zeithorizont der „zweiten Hälfte“ des 21. Jahrhunderts absehbar nicht ausreichend für die o.g. Temperaturgrenzen. Angesichts dieses Regelungswiderspruchs zwischen Art. 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 PA ist rechtsinterpretativ die Vorrangigkeit zu ermitteln. Für die Vorrangigkeit des Art. 2 Abs. 1 PA spricht, dass es sich um die übergreifende Zielnorm des Paris-Abkommens handelt. Art. 4 PA widmet sich, dem nachgeordnet, stattdessen den konkreten Strategien zur Umsetzung dieses Ziels. Dass dieses 53 Vorgerechnet mit den Daten des 5. Sachstandsberichts des IPCC von 2014 unter Auswertung diverser seit 2015 dazu erstellter naturwissenschaftlicher Studien von F. Ekardt/ A. Zorn/J. Wieding, In 10 Jahren Nullemissionen? Widersprüche im Paris-Abkommen und ihre Auflösung, Momentum Quarterly, 2018, 73 ff.; weiter vertieft in F. Ekardt (o. Fn. 1), i.E. – Nebenbei bemerkt: Wenn man zwischen den Staaten ferner die meistens diskutierten Verteilungsmaßstäbe (primär Leistungsfähigkeit und historische Verantwortung im Sinne bisher erfolgter Emissionen seit 1990) in puncto Klimafinanzierung annimmt, muss Deutschland eigentlich mehr Emissionen reduzieren, als es aktuell überhaupt ausstößt. Dies würde dann zweistellige jährliche Milliarden-Zahlungspflichten zur Unterstützung der Emissionsreduktion im globalen Süden bedeuten (möglicherweise noch begleitet von ebenfalls hohen Zahlungen für Adaptation und Klimawandelfolgeschäden). Unter Verwendung der Daten aus IPCC, Fünfter Sachstandsbericht, 2014 und H. Schellnhuber, Selbstverbrennung, 2015 vorgerechnet bei F. Ekardt u. a., Climate Justice 2015, S. 6 ff.: Dort ergeben sich bereits für eine Zwei-GradGrenze plus eine eher geringe Erreichungswahrscheinlichkeit einer 1,5-Grad-Grenze und ein Zieljahr 2050 minus 162 % Emissionsreduktionsverpflichtungen. Dies ergibt dann übersetzt z. B. minus 95 % Emissionsreduktion plus zweistellige jährliche Milliarden-Zahlungspflichten allein schon für die Mitigation im globalen Süden. Geht man nach dem Paris-Abkommen nunmehr von „deutlich unter 2 Grad“ oder sogar 1,5 Grad aus, verschärft das die Zahlen deutlich. Dass so oder so mit alledem (neben technischen Ansätzen wie erneuerbaren Energien und Energieeffizienz) auch Suffizienz und (vielleicht nicht Geo-Engineering, siehe Fließtext, wohl aber) in gewissem Umfang negative Emissionen aus unproblematischen Bereichen wie moderate Aufforstungen und Moormaßnahmen zu zentralen Strategien werden, wird diskutiert m.w.N. bei F. Ekardt (o. Fn. 1), i.E. §§ 1 B. III., 6 E. V. 2.–3. (wo stärker als beim IPCC die Grenzen negativer Emissionstechnologien betont werden); B. Hennig, Nachhaltige Landnutzung und Bioenergie: Ambivalenzen, Governance, Rechtsfragen, 2017. 54 Siehe ebd.

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Umsetzungsverhältnis besteht, wird in Art. 3 und 4 Abs. 1 PA zweimal ganz ausdrücklich angesprochen. Der Orientierungspunkt und damit die höherrangige Norm ist ergo Art. 2 PA. Die Formulierung „deutlich unter zwei Grad gehalten“ in Art. 2 PA unterstreicht auch, dass die Emissionen nicht erst beliebig steigen und sodann wieder auf jenes Temperaturmaß zurückgeführt werden dürfen (etwa durch Geo-Engineering). Art. 3 PA macht auch deutlich, dass die Nationalstaaten dem Ziel aus Art. 2 PA eben durch eine sukzessive Steigerung ihres Ambitionsniveaus (zum bisherigen Niveau der Anstrengungen sogleich) gerecht werden müssen. Es heißt dort: „Zur Verwirklichung des in Artikel 2 genannten Zieles dieses Übereinkommens sind von allen Vertragsparteien als national festgelegte Beiträge zu der weltweiten Reaktion auf Klimaänderungen ehrgeizige Anstrengungen im Sinne der Artikel 4, 7, 9, 10, 11 und 13 zu unternehmen und zu übermitteln. Die Anstrengungen aller Vertragsparteien werden im Laufe der Zeit eine Steigerung darstellen.“ Spätestens dies macht zudem den verbindlichen Charakter der Zielstellung aus Art. 2 Abs. 1 PA deutlich. Dazu kommt: Interpretiert man hier zugunsten des Art. 4, wird Art. 2 verletzt. Interpretiert man dagegen zugunsten des Art. 2, wird Art. 4 nicht verletzt – er wird dann eher überboten, denn Art. 4 PA fundiert kein Verbot, schneller zu sein als dort vorgegeben. Für das Primat von Art. 2 PA gegenüber Art. 4 PA spricht auch, dass das Paris-Abkommen rechtssystematisch als Konkretisierung der Klimarahmenkonvention auftritt. Insbesondere Art. 2 UNFCCC verpflichtet die Staaten bereits zur Vermeidung gefährlicher anthropogener Störungen des globalen Klimas. Gemäß Art. 31 Abs. 1 Wiener Vertragsrechts-Konvention (WVRK) ist eine solche systematische Interpretation des Paris-Abkommens im Lichte eines anderen völkerrechtlichen Vertrags wie der KRK in der Tat möglich.55 Bereits damit wird insgesamt auch ein wirkungsvolles Vorgehen gegen die Ozeanversauerung indirekt eingefordert. Direkt zu den Ozeanen heißt es außerdem in Art. 5 Abs. 1 PA: „Die Vertragsparteien sollen Maßnahmen zur Erhaltung und gegebenenfalls Verbesserung von Senken und Speichern von Treibhausgasen … ergreifen“. Der Artikel zielt dabei vor allem auf Wälder ab, die in Art. 5 Abs. 2 PA explizit ausgeführt werden. Ozeane gelten aber auch als Senken und werden damit ebenfalls adressiert, wenn auch nur implizit. Diese ausschließlich als Senken für CO2 zu betrachten, würde allerdings die Ozeanversauerung wiederum befeuern; diese Ambivalenz ist bereits von den obigen Ausführungen zur UNFCCC geläufig. Das Zielniveau des Paris-Abkommens ist das eine, das Herunterbrechen jener allgemeinen Ziele auf die Nationalstaaten steht dazu freilich in einem starken Kontrast.56 Seit der gescheiterten Kopenhagener Klimakonferenz hatte sich der Verhand55 Dazu m.w.N. F. Ekardt (o. Fn. 1), §§ 4 E. III., 7 C.; F. Ekardt, Menschenrechte und Umweltschutz – deutsche und internationale Debatte im Vergleich, ZUR 2015, 579 ff. 56 Vgl. F. Ekardt/J. Wieding, ZfU 2016 (Sonderheft), 36 ff.; A. Averchenkova/S. Bassi, Beyond the targets. Assessing the political credibility of pledges for the Paris Agreement, 2016.

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lungsprozess insoweit stärker in Richtung Freiwilligkeit bewegt, da nur so der völkerrechtlich nötige Konsens zwischen sehr unterschiedlichen Tendenzen bei den beteiligten Staaten überbrückbar erschien. Das Ergebnis und damit die operative Kernaussage des Vertrags findet sich in Art. 4 Abs. 2 – 19 PA. Jeder Vertragsstaat muss seine eigenen Emissionsziele frei festlegen (NDCs), ohne dass daran – trotz der beachtlichen Länge des Artikels – wirklich näher konkretisierte Anforderungen gestellt werden. Folgerichtig bestand bereits während der Konferenz kein Zweifel daran, dass die vorliegenden Emissionsminderungspläne der Staaten bei weitem nicht ausreichen werden, um die genannten ambitionierten Begrenzungen der globalen Erwärmung in die Tat umzusetzen. Und selbst ob diese zu schwachen nationalen Pläne adäquat in der Praxis umgesetzt werden, ist aus einer Reihe von Gründen, die die Verbindlichkeit selbst jener Vorgaben rechtlich relativieren, zweifelhaft – solange man nicht zentral wieder auf Art. 2 Abs. 1 PA schaut (und auf die Verpflichtung aus Art. 3 PA, dem Art. 2 PA durch ein steigendes Ambitionsniveau sukzessive gerecht zu werden): - Viele nationale Beiträge sind – bislang – so formuliert, dass sie von einer angemessenen finanziellen Unterstützung durch andere Länder abhängen, die bisher jedoch kaum in Sicht ist, oder aus sonstigen Gründen kaum so umgesetzt werden dürften.57 - Auch sieht das Abkommen an keiner Stelle konkrete Sanktionen für den Fall vor, dass die nationalen Emissionsminderungspläne nicht vollständig umgesetzt werden. Das gilt auch dann noch, wenn künftig das nationale Ambitionsniveau wirklich auf dem Papier angehoben werden sollte. - Zwar sieht Art. 4 Abs. 3 PA vor, dass jeder künftige nationale Plan einen Fortschritt gegenüber dem vorliegenden Plan repräsentieren „wird“, doch kann dieser Fortschritt mangels näherer Konturierung minimal sein – allerdings widerspräche dies dann klar dem Art. 2 Abs. 1 PA. - Auch die in Art. 14 Abs. 2 PA vorgesehenen fünfjährlichen Überprüfungen der Pläne ab 2023 (vor dem Inkrafttreten des Paris-Abkommens zudem bereits 2018) sind unbefriedigend formuliert, weil keine expliziten Maßstäbe formuliert werden, deren Einhaltung man leicht überprüfen könnte. - Dies wird noch verschärft, wenn Art. 13 PA nicht nur die Anforderungen, sondern auch die Messung der Emissionen weitgehend unscharf zu machen droht, indem zwar ein Transparenzmechanismus hinsichtlich der national willkürlich gesetzten Emissionen etabliert werden soll, dieser jedoch gegenüber den Staaten und ihrer Souveränität „respektvoll“, „nicht bestrafend“ und „nicht aufdringlich“ sein und über dies die spezifischen Bedingungen der Länder achten soll. Mit Transparenz im herkömmlichen Sinne hat dies eher wenig zu tun. - Die nationalen Beiträge sind auch sonst von diversen weiteren Maßgaben umrahmt, die ihre Verbindlichkeit weiter zu untergraben drohen. So wird allgemein 57

Ausführlich dazu A. Averchenkova/S. Bassi (o. Fn. 56), passim.

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in Art. 4 Abs. 4 – 5, 9 Abs. 1 PA darauf verwiesen, dass die Industriestaaten eine Führungsrolle übernehmen „soll(t)en“. Generell steht sehr oft „should“ und „shall“ im Abkommen (und ob dies tatsächlich sollen und werden bedeutet, wie in der rechtlich unverbindlichen Übersetzung zu lesen ist, oder ob vielmehr schwächere Formen wie sollte gemeint sind, ergibt sich insoweit mangels klarer Parallelität zum Deutschen nicht zwingend). Noch weitergehend relativiert wird die Pflicht zum Tätigwerden in diversen Wendungen hinsichtlich der Einbeziehung der Schwellenländer wie China, Südafrika, Indien oder Brasilien. Auch hier bleibt allerdings der Befund bestehen, dass die Staatengemeinschaft als Ganzes auf den Art. 2 Abs. 1 PA und die Verstärkung ihrer Anstrengungen via Art. 3 PA verpflichtet bleibt. - Wie um dies noch weiter zu steigern, hat auch noch jeder Staat – wenn es denn überhaupt erst einmal allseits ratifiziert werden sollte – die Möglichkeit, aus dem Abkommen ohne Angabe von Gründen später wieder auszusteigen (Art. 28 PA). - Von vornherein von Emissionsreduktionspflichten ausgenommen – und damit nicht bloß relativiert – wurden in Paris bestimmte Arten von Emissionen, namentlich der sprunghaft wachsende internationale Luft- und Schiffsverkehr. Auch die Rolle der quantitativ noch wichtigeren, aber schwer exakt zu erfassenden landnutzungsbezogenen Emissionen und Senken (Art. 5 Abs. 1 PA), sei es aus der Landwirtschaft, sei es aus sonstigen Landnutzungsänderungen und Entwaldung, steht anhaltend in der Gefahr, durch Rechentricks eher ein Schlupfloch für zusätzliche Emissionen zu sein.58 Somit kontrastieren die Einzelvorgaben des Paris-Abkommens in ihrer Vagheit mit der klaren und rechtsverbindlichen globalen Temperaturgrenze aus Art. 2 Abs. 1 PA. Rechtliche Detailregelungen können indes wie gesehen im Lichte von Zielbestimmungen ausgelegt werden (systematische Auslegung). Art. 2 Abs. 1 PA legt also insbesondere nahe, dass die Überprüfungen der nationalen Reduktionspläne inhaltlich eben doch als konturiert anzusehen sind – anhand jener globalen Temperaturgrenze. Die damit gebotenen drastischen Nachschärfungen drohen freilich wohl von den allermeisten Staaten (EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland eingeschlossen) souverän ignoriert zu werden, inklusive aller damit verknüpften Folgen – die nicht nur Klimawandelfolgen sind, sondern auch Folgen für die Ozeanversauerung darstellen.

58 Ausführlich dazu F. Ekardt u. a., Landnutzungs- und düngungsbezogener Klimaschutz in europa- und völkerrechtlicher Perspektive, ZUR 2018, 143 ff.; B. Hennig (o. Fn. 53), passim; zu weiteren aktuellen Fragen der Landnutzungs-Governance und ihrer naturwissenschaftlichen Basis J. Stubenrauch/B. Garske/F. Ekardt, Sustainable Land Use, Soil Protection and Phosphorus Management from a Cross-National-Perspective, Sustainability 2018 (Special Issue), 1988 ff.; B. Garske/J. Stubenrauch/F. Ekardt, Ordnungsrechtliche Instrumente der Phosphor-Governance, NuR 2018, 73 ff.

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III. Ozeanversauerung als Belang in Projektzulassungsverfahren des Infrastrukturrechts? Wenn Infrastrukturprojekte wie Straßen-, Luftverkehrs- oder EnergieanlagenPlanungen zu Treibhausgasausstößen (im Betrieb, aber auch schon bei der Errichtung) führen, folgt dann aus den bisherigen Hinweisen zum materiellen Recht, dass Fragen der Ozeanversauerung sich zu Zulassungshindernissen planfeststellungsrechtlicher oder immissionsschutzrechtlicher (oder auch bauplanungsrechtlicher) Art verdichten? Abwägungsrelevante Belange (ein Wilfried Erbguth langjährig begleitender Fragenkreis59) oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften (im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) oder – für sämtliche Großprojekte einschlägig (vgl. §§ 3 ff. UVPG) Umweltauswirkungen (im Sinne des §§ 11, 12 UVPG60) ist man bezüglich der Ozeanversauerung intuitiv zu bejahen geneigt. Damit hätten einschlägige Infrastrukturprojekte die dargelegten materiellrechtlichen Aussagen zur Ozeanversauerung zu berücksichtigen oder sogar zu beachten. Bei näherem Besehen liegen die Dinge freilich etwas komplizierter. Dies wird schon deutlich, wenn man sich vorzustellen versucht, was eine angemessene Berücksichtigung der Ozeanversauerung im Rahmen eines konkreten Zulassungsverfahrens denn bedeuten könnte – in welchem Ausmaß könnte etwa eine Straßenplanung der Ozeanversauerung Rechnung tragen? Konkret geholfen wäre den Ozeanen hauptsächlich dann, wenn die Straßenplanung einfach unterbleibt. Für die Ozeanversauerung wurden die nachstehenden Fragen im deutschen oder auch im transnationalen Recht bislang, soweit ersichtlich, noch nicht diskutiert. Für den Klimawandel wird dagegen immer wieder die Frage aufgeworfen, ob dieser z. B. einer Kohlekraftwerksplanung, einer Straßenplanung oder einer Luftverkehrsplanung rechtswirksam in die Quere kommen kann. Die deutsche Rechtsprechung (aber z. B. auch die österreichische) verneint dies tendenziell. Dies ist geprägt von der Vorstellung, dass konkrete Projekte einen konkreten Projektbezug (oder im Rahmen des Bauplanungsrechts: einen städtebaulichen Bezug) aufweisen müssten und dies für ein globales Problem wie den Klimawandel nicht bejaht werden kann. Zudem wird (was im Bauplanungsrecht angesichts des § 1 Abs. 5 BauGB so allerdings kaum mehr vertreten werden kann) ggf. noch die gesetzliche Grundlage für eine Berücksichtigung des Klimaschutzes angezweifelt. Bei genauer Betrachtung liegen hier freilich mehrere Fragenkreise vor, zu denen jeweils etwas gesagt werden sollte: Nicht überzeugend erscheint zunächst der Versuch, über einen Begriff wie Projektbezug (oder städtebaulicher Bezug im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB) Phänomene wie den Klimawandel oder die Ozeanversauerung für 59

Pars pro toto W. Erbguth, Abwägung als Wesensmerkmal rechtsstaatlicher Planung – die Anforderungen an das Rechtsstaatsprinzip, UPR 2010, 281 ff.; W. Erbguth, Das BVerwG und die Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 1997, 261 ff.; W. Erbguth, Abwägung auf Abwegen? – Allgemeines und Aktuelles, JZ 2006, 484 ff. 60 Eine klassische Verteidigung der UVP-Gehalte gegen deren Deflationierung in der Rechtsprechung findet sich bei W. Erbguth, NuR 1997, 261 ff.

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irrelevant zu erklären. Denn diese Phänomene werden durch die Projekte eben mit ausgelöst.61 Insofern wäre es fiktiv zu behaupten, dass ein diesbezüglicher Zusammenhang pauschal nicht besteht. Sehr wohl gefragt werden muss dagegen nach einer gesetzlichen Grundlage für die Berücksichtigung von Vorgaben bezüglich Klimawandel und Ozeanversauerung. Die Schwierigkeiten mit solchen Belangen – anders als etwa mit dem Schutz von Luftschadstoffen – rühren eben auch daher, dass das nationale Recht für den Klimawandel eine eher lückenhafte und für die Ozeanversauerung letztlich gar keine Regulierung offeriert. Zwar gibt es gesetzliche Anforderungen verschiedenster Art an Infrastrukturplanungen. Konkret die Ozeanversauerung wird dabei (auch im deutschen Wasserrecht) aber nicht einmal erwähnt, und der Klimawandel kennt (jenseits politischer Programmatik) eher Einzelregelungen. Völkerrechtlich bestehen zwar Regelungen, wie wir gesehen haben, und die jeweiligen Rechtsakte verfügen auch über Umsetzungsgesetze ins nationale Recht (wie dies in einem dualistischen Verständnis der Rechtsebenen stets erforderlich wäre). Allerdings könnte man bezweifeln, ob die CBD oder Art. 2 Abs. 1 PA oder weitere aufgeführte Ansatzpunkte so konkretisiert sind, dass sich einzelne Beteiligte eines Projektzulassungs-Rechtsstreits darauf berufen können. Im EU-Recht wird es demnächst zwar neue – gesetzliche – Zielfestlegungen übergreifender Art zur Treibhausgasreduktion für sämtliche Mitgliedstaaten geben. Auch dort könnte man aber fragen, ob diese wirklich als Aussage über einzelne Projekte zu interpretieren sind. Zudem werden die Festlegungen absehbar weit hinter z. B. Art. 2 Abs. 1 PA zurückbleiben. Dennoch wäre eine gesetzliche Grundlage aber wohl gegeben. Im juristischen Diskurs speziell in Deutschland wird nämlich übergangen, dass der Schutz vor Klimawandel und Ozeanversauerung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene auch einen Menschenrechtsschutz hinter sich hat. Wie wiederholt in Auseinandersetzung mit einigen sich dabei stellenden Fragen dargelegt (zu Grundrechtsfunktionen, Freiheitsvoraussetzungen, Abwägungsregeln,62 Gewaltenteilung usw.) und hier daher nicht ausführlich zu wiederholen,63 verlangen die Menschenrechte ein wirksames politisches Einschreiten gegen globale Umweltgefahren wie den Klimawandel. Denn die Menschenrechte schützen auch die elementaren Freiheitsvoraussetzungen wie das Vorhandensein von Nahrung, Wasser oder eines stabilen Kli61 Zur baurechtlichen Diskussion näher P. Schmidtke, Kommunaler Klimaschutz – eine Untersuchung in bau- und vergaberechtlicher Hinsicht, 2013. 62 Hier verstanden im verfassungsrechtlichen und nicht im verwaltungs-/planungsrechtlichen Sinne wie etwa bei W. Erbguth, UPR 2010, 281 ff.; W. Erbguth, NuR 1997, 261 ff.; W. Erbguth, JZ 2006, 484 ff. 63 Vgl. m.w.N. F. Ekardt (o. Fn. 1), §§ 4, 5 C. IV.; F. Ekardt, ZUR 2015, 579 ff.; F. Ekardt, JbUTR 2016, 41 ff.; nicht auf Klimawandel oder Ozeanversauerung bezogen, aber generell ebenfalls für eine interpretativ gestärkte Schutzfunktion der Grundrechte z. B. J. Schwabe, Über Grundrechtsmythen, Abstraktionitis und Überproduktion in der Grundrechtsdogmatik, JZ 2007, 135 ff.; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001; T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000; U. Vosgerau, Zur Kollision von Grundrechtsfunktionen, AöR 2008, 346 ff.

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mas. Das betrifft die Bekämpfung der Ozeanversauerung nicht nur indirekt (über die Vermeidung des Klimawandels), sondern auch ganz direkt: Der Schutz mariner Ökosysteme fällt darunter zumindest teilweise. Denn Ökosystemleistungen sind beispielsweise das Bereitstellen von Nahrung, das Binden von Treibhausgasen oder die Biodiversität. Sie sind alle für die Menschheit ab einem bestimmten Punkt überlebenswichtig, und sie sind durch einen Fortgang von Ozeanversauerung und Klimawandel bedroht: Die Ökosysteme und die Biodiversität als Ganzes müssen jedenfalls einigermaßen intakt sein, soll es menschliche Freiheit geben. Ob dies wegen einer besonders hervorgehobenen Rolle einzelner Ökosysteme dazu führt, dass auch diese einzelnen bereits dem elementaren Freiheitsvoraussetzungsschutz unterfallen, hängt an der empirischen Rolle des jeweiligen Ökosystems für die Gesamtheit der Ökosysteme. Spiegelbildlich bedeutet dies, dass die Ozeanversauerung genau dann menschenrechtlich relevant ist. Wenn eine weitere notwendige Überlegung angestellt wird, ergibt sich jedoch ein zwiespältiger Befund. Grundsätzlich müssen Belange der Ozeanversauerung nach dem Gesagten durchaus in konkreten Zulassungsverfahren eingestellt werden. Allerdings erwächst daraus wenig an inhaltlichen Vorgaben für das Ergebnis der Prüfung der jeweiligen Genehmigung oder Planfeststellung (oder Bauleitplanung). Denn es lässt sich kaum sagen, was jeweils rechtlich geschuldet ist, jenseits eines nicht sonderlich stark konturierten planerischen Berücksichtigungsgebotes. Dass generell sämtliche Infrastrukturprojekte unterbleiben müssen, kann man kaum sagen. Die globalen Umweltprobleme sind vielmehr Mengenprobleme.64 So lassen sich weder Ozeanversauerung noch Klimawandel sinnvoll in ein Genehmigungshindernis eines einzelnen umweltbeeinträchtigenden Vorhabens wie etwa eines Kohlekraftwerkes übersetzen. Die Infrastrukturprojekte tragen kumulativ zu Klimawandel und Ozeanversauerung bei, doch wie man dieser Probleme Herr wird, lässt sich ohne genaue gesetzliche Vorgabe gerade für die einzelnen Projekte nicht sinnvoll auf ebenjene Einzelprojekte herunterdeklinieren. Dies bedeutet dann freilich nicht, dass die rechtliche Behandlung der Probleme ad acta gelegt werden kann. Vielmehr zeigt sich hier eine grundsätzliche Untauglichkeit konkret des Ordnungs- und Projektplanungsrechts – aber nicht des Rechts an sich – als zentrales (!) Steuerungsinstrument für Mengenprobleme. Wenn aber menschenrechtlich ein Aktivwerden geboten ist, muss folgerichtig nach anderen, geeigneteren Instrumentarien de lege ferenda Ausschau gehalten werden (dazu sogleich im letzten Abschnitt). Ein eher noch weniger weiterführender Ansatzpunkt bei globalen Umweltproblemen wie Ozeanversauerung und Klimawandel wäre das Haftungsrecht. Dessen Komplexität auf nationaler, teils aber auch europa- und völkerrechtlicher Ebene kann hier nicht in wenigen Bemerkungen eingeholt werden, doch besteht in jedem Falle ein grundlegendes Problem. Zwar können konkrete Schäden entstehen, etwa wenn Fischer geringe Fänge in versauerten Meeren erzielen. Jedoch können solche Folgen nicht sinnvoll einzelnen Schädigern so zugeordnet werden, dass daraus monetär be64

B. Hennig (o. Fn. 53), passim; F. Ekardt (o. Fn. 1), § 6 E. IV.–V.

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zifferbare Schadensersatzforderungen werden könnten. Denn Treibhausgase stoßen wir letztlich alle aus. Auch sonst kann man globale Umweltprobleme nicht allein auf Einzelvorgänge herunterbrechen. Auch hier gilt wieder: Die globalen Umweltprobleme sind vielmehr Mengenprobleme. IV. Alternativen effektiver Adressierung der Ozeanversauerung jenseits des Genehmigungsrechts der Infrastrukturvorhaben Doch wenn allenfalls über Umwege genehmigungsrechtlich, wie kann man dann die Ozeanversauerung wirksamer rechtlich adressieren, und sei es de lege ferenda? Fossile Brennstoffe sind wie gesehen die Hauptquelle für Treibhausgasemissionen und Luftschadstoffe, und beide sind Treiber nicht nur für den Klimawandel, sondern auch für die Ozeanversauerung. Gleichwohl kommt – selbst angesichts auch aus anderen (z. B. wie gesehen wasserrechtlichen) Richtungen kommenden Phasing-OutVerpflichtungen, erst recht aber trotz Art. 2 Abs. 1 PA – ein fossiles Phasing-Out bislang nicht recht in Gang. Wirklich verwunderlich ist das indes nicht, wenn man verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse in die Betrachtung einbezieht.65 Naturwissenschaftliches Faktenwissen über Meere und Klima und selbst ethisch oder rechtlich artikulierte Werthaltungen motivieren Menschen in Gesellschaft, Unternehmen und Politik allein (!) meist nur begrenzt zum Handeln. Oft steht kurzfristiges Eigennutzendenken im Wege; relevant sind auch Normalitätsvorstellungen (etwa das tägliche Stück Fleisch und die tägliche Autofahrt zur Arbeit) und emotionale Faktoren wie Bequemlichkeit, Gewohnheit und die Schwierigkeit, komplexe und nicht im Alltag fühlbare Vorgänge wie Klimawandel und Ozeanversauerung als dringende Probleme zu erleben. Ein gesellschaftlicher Wandel hin zu einem Leben und Wirtschaften gelingt nur in einem Wechselspiel aller Akteure, die in ihren – jeweils den eben beschriebenen Faktoren folgenden – Motivationslagen wechselseitig voneinander abhängen. Ozeanversauerung und Klimawandel sind damit das Paradigma eines wirklich globalen Problems: Rein nationale Strategien sind definitiv nicht ausreichend. Eine Problemverlagerung nach andernorts ist definitiv nicht problemlösend. Die Ozeanversauerungs-Governance verlangt wegen deren erwähnter entscheidender Rolle einen raschen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Der wirksamste Mechanismus dafür ist, die Menge fossiler Brennstoffe bei Strom, Wärme, Treibstoff oder Dünger in klar festgelegten Schritten durch ein Mengensteuerungssystem aus dem Markt zu nehmen. Anders als der bisherige EU-Emissionshandel müssten darin alle Sektoren erfasst sein, Schlupflöcher wie der CDM müssten wohl geschlossen

65 Ausführlich zum vorliegenden Abschnitt m.w.N. F. Ekardt, Wir können uns ändern: Gesellschaftlicher Wandel jenseits von Kapitalismuskritik und Revolution, 2017; F. Ekardt (o. Fn. 1), §§ 2, 6 E.

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werden66 und die Mengenbegrenzung müsste anders als bisher so festgelegt sein, dass man der Temperaturgrenze aus Art. 2 Abs. 1 PA gerecht wird. Festzulegen wäre also (s. o.) ein Cap null in 10 – 20 Jahren (was auch eine Streichung sämtlicher der bisher zahlreich vorhandenen Altzertifikate einschließen müsste). Ginge man so vor, adressiert man mit Ozeanversauerung, Klimawandel, aber auch Schadstoffbelastungen von Luft, Wasser und Böden und dem Schwinden der Biodiversität mehrere fossil basierte zentrale Umweltprobleme.

66 Vgl. dazu A. Exner, Clean Development Mechanism und alternative Klimaschutzansätze: Rechts- und Governancefragen, 2016; F. Ekardt/A. Exner, The Clean Development Mechanism as a Governance Problem, CCLR 2012, 396 ff.

Der trimodale Umschlaghafen – Ein irregulärer Planungsfall? Von Rüdiger Breuer I. Problemstellung Wilfried Erbguth hat sich wiederholt und nachdrücklich für das planerische Konzept trimodaler Umschlaghäfen ausgesprochen und deren Zulassung im Wege einer einheitlichen Planfeststellung befürwortet.1 Als trimodaler Umschlag wird der Güterumschlag vom Binnenschiff zum Weitertransport auf Straße oder Schiene sowie in umgekehrter Richtung von der Straße oder Schiene auf ein Binnenschiff verstanden.2 Für die Zulassungsform einer einheitlichen Planfeststellung spricht zum einen die funktionale Einheit des trimodalen Umschlaghafens. Zum anderen bietet sich das Rechtsinstitut der Planfeststellung hierfür auch deshalb an, weil es von Gesetzes wegen dazu bestimmt ist, eine einheitliche, umfassende und konzentrierte Gesamtentscheidung über ein raumbedeutsames Großvorhaben herbeizuführen, das typischerweise vielfältige öffentliche und private Belange berührt.3 Das Planfeststellungsverfahren zielt demgemäß darauf ab, diese Belange umfassend zu ermitteln, zu bewerten und zu gewichten, damit sie insgesamt – gegeneinander wie untereinander – abgewogen werden können. Die Rechtsgrundlage der solchermaßen tradierten und bewährten Planfeststellung findet sich in der allgemeinen Regelung der §§ 72 ff. VwVfG sowie in der Kette der fachgesetzlichen Planfeststellungsvorbehalte für Gewässer (§ 68 Abs. 1 WHG), Wasserstraßen (§ 14 WaStrG), Eisenbahnen

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W. Erbguth/M. Schubert, Hafenerweiterung durch einheitliche Planfeststellung, VerwArch. 101 (2010), 437 ff.; dies., Hafenerweiterung: Planfeststellungsfähigkeit im Gefolge gesetzlicher Zuständigkeits- und Verfahrenskonzentration, DVBl. 2010, 1521 ff.; W. Erbguth, DVBl. 2015, 840 ff. 2 Vgl. dazu Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen – MWEBWV NRW (Hrsg.), Binnenhäfen im Spannungsfeld konkurrierender Nutzungsinteressen, Untersuchung der PLANCO Consulting GmbH in Zusammenarbeit mit ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH und unter Zugrundelegung eines Gutachtens des Lehrstuhls für Öffentliches Recht der Universität Rostock (Wilfried Erbguth, Mathias Schubert) zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, 2010, S. 14 ff. 3 Vgl. statt vieler: W. Blümel, Die Bauplanfeststellung I, 1961 (zur historischen Entwicklung); ders., in: FS für Werner Hoppe, 2000, S. 3 ff.; R. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 61 f.; R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller, Fachplanung, 4. Aufl. 2012, § 1 Rn. 1 ff., § 2 Rn. 1 ff.; R. Breuer/K. F. Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 1208 ff.

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(§ 18 AEG) und Straßen der Bundes- und Landesebene (§ 17 FStrG sowie z. B. §§ 38 ff. StrWG NRW). Die Rechtsprechung ist dem von Erbguth befürworteten Verfahrensweg der einheitlichen Planfeststellung für trimodale Umschlaghäfen gleichwohl nicht gefolgt. Im Fall des Köln-Godorfer Rheinhafens hat in erster Instanz das Verwaltungsgericht Köln den Drittanfechtungsklagen von Eigentümern nahegelegener Grundstücke stattgegeben. Durch Urteile vom 11. 08. 2009 hat das Verwaltungsgericht die einheitliche, von der oberen Wasserbehörde (Bezirksregierung Köln) beschlossene Planfeststellung aufgehoben, welche die Änderung des bestehenden Umschlaghafens durch Erweiterung um ein Hafenbecken mit vier Anlegestellen, Container- und Schüttgutterminal sowie der erforderlichen Hafeninfrastruktur zum Umschlag und zur Zwischenlagerung von Gütern zugelassen hatte.4 Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat die gegen die erstinstanzlichen Urteile gerichtete Berufung durch Urteile vom 15. 03. 2011 zurückgewiesen.5 Auch die hiergegen gerichtete Revision ist erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei parallelen Urteilen vom 19. 02. 2015 die vorinstanzlichen Gerichtsentscheidungen bestätigt und ausgesprochen, dass § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F. keine Rechtsgrundlage für die Planfeststellung eines trimodalen Umschlaghafens als „Gesamtheit der erforderlichen gewässerseitigen und landseitigen Teilanlagen“ biete.6 Da der geltende, inhaltsgleich gefasste Planfeststellungsvorbehalt in § 68 Abs. 1 WHG 2010 ebenso wie § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F. ausgelegt werden muss, wird die Kontroverse um das rechtliche Zulassungsregime trimodaler Umschlaghäfen durch die Neufassung des WHG nicht ausgeräumt. Sie besteht vielmehr im geltenden Recht unverändert fort. Die Rechtspraxis wird sich bis auf Weiteres nach den übereinstimmenden Judikaten des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Verwaltungsgerichts Köln richten müssen. Bei rechtswissenschaftlicher Betrachtung erscheint die Frage nach der richtigen und sachangemessenen Zulassungsform für trimodale Umschlaghäfen indessen unbewältigt und nach wie vor klärungsbedürftig.7 Selbst das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 19. 02. 2015 angemerkt, es möge „aus Sicht des Vorhabenträgers wünschenswert sein und eine umfassende Problembewältigung erleichtern, im Hinblick auf einen Hafenausbau nur ein Planfeststellungsverfahren durchzufüh-

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VG Köln, Urt. v. 11. 8. 2009 – 14 K 4719/06, juris; Urt. v. 11. 8. 2009 – 14 K 4720/06, juris; zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 14 K 4719/06 gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Hafens Köln-Godorf um ein weiteres Hafenbecken: VG Köln, Beschl. v. 11. 8. 2009 – 14 L 764/09, juris; nachgehend OVG NRW, Beschl. v. 29. 7. 2010 – 20 B 1320/09, juris. 5 OVG NRW, Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/09, DVBl. 2011, 767. 6 BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 16 ff., 21 = DVBl. 2015, 492; dazu R. Breuer/K. F. Gärditz (o. Fn. 3), Rn. 1190 f. 7 So auch W. Erbguth, DVBl. 2015, 840 ff.

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ren“.8 Ein derartiges Verständnis finde jedoch – so meint das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht für das Land NordrheinWestfalen – keine Grundlage in § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F.9 Sinngemäß gilt dies auch für den geltenden wasserwirtschaftsrechtlichen Planfeststellungsvorbehalt in § 68 Abs. 1 WHG 2010. Nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts wie auch der genannten Vorinstanzen ist das wasserwirtschaftsrechtliche Planfeststellungsverfahren auf den Ausbau des Hafenbeckens und seiner Ufer beschränkt.10 Der wasserwirtschaftsrechtliche Planfeststellungsvorbehalt erfasst nach diesem Verständnis nicht einen trimodalen Umschlaghafen als „Gesamtheit der dafür funktional erforderlichen gewässerseitigen und landseitigen Teilanlagen“.11 Die funktionale Einheit aus der neu geschaffenen oder veränderten Gestalt des Gewässers, d. h. des Hafenbeckens, und der jenseits der Uferlinie liegenden Hafenflächen reicht danach für die Durchführung eines einheitlichen, die Gesamtheit der Anlagen eines trimodalen Umschlaghafens erfassenden Planfeststellungsverfahrens nicht aus. Für Teile des Gesamtvorhabens, die hiernach nicht dem wasserwirtschaftsrechtlichen Planfeststellungsvorbehalt unterliegen, sind demzufolge die gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, dem Baurecht (namentlich nach den §§ 30, 34, 35 und 38 BauGB), dem Eisenbahnrecht (namentlich in der Form einer Planfeststellung nach § 18 AEG) und dem Straßenrecht (nach § 17 FStrG oder entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften) durchzuführen.12 Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat ergänzend ausgesprochen, dass im Kontext trimodaler Umschlaghäfen auch § 18 AEG keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für eine umfassende eisenbahnrechtliche Planfeststellung bei „Mischnutzungen“ von Bahngelände darstellt.13 Auf das allgemeine Planfeststellungsrecht rekurrierend, sind das Bundesverwaltungsgericht sowie die genannten Vorinstanzen überdies der Ansicht, dass weder das Konzentrationsgebot des § 75 Abs. 1 VwVfG im Hinblick auf die einzubeziehenden Folgen an anderen Anlagen noch die Regelung über das Zusammentreffen mehrerer Planfeststellungsanlagen in § 78 VwVfG eine einheitliche Planfeststellung für die

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BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 26. BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 26 unter Bezugnahme auf R. Schenk, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 68 Rn. 7 ff. 10 BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 20, 22; ebenso OVG NRW, Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/09, DVBl. 2011, 767 (768); VG Köln, Urt. v. 11. 8. 2009 – 14 K 4719/06, juris, Rn. 61. 11 BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 21; ebenso NdsOVG, Urt. v. 10. 3. 2015 – 1 KN 42/13, juris, Rn. 54 (Inselversorgungshafen Norden-Norddeich). 12 BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 40. 13 OVG NRW, Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/09, DVBl. 2011, 767 (770 f.). 9

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Gesamtheit der Anlagen eines trimodalen Umschlaghafens rechtfertigen könne.14 Damit scheint das von Erbguth befürwortete Konzept einer einheitlichen, umfassenden und konzentrierten Planfeststellung zur Zulassung trimodaler Umschlaghäfen juristisch gescheitert zu sein. Die Rechtsprechung erweckt – anders ausgedrückt – den Eindruck, dass die Anwendung des planfeststellungstypischen, in den §§ 72 ff. VwVfG übergreifend geregelten Konzentrationsprinzips in der Fallkonstellation des trimodalen Umschlaghafens einer Segmentierung in verschiedene Teilzulassungen weichen müsse. Das Ergebnis wird dem vorhabenbedingten Koordinationsbedarf nicht gerecht. Es ist, wie das Bundesverwaltungsgericht offenbar nicht verkannt hat, aus rechtspraktischer wie auch aus systematischer Sicht unbefriedigend. Da die Errichtung oder Erweiterung eines trimodalen Umschlaghafens in gegenständlicher und funktionaler Hinsicht ein einheitliches, nicht trennbares Vorhaben darstellt und in seiner Gesamtheit einer sachlichen Koordination sowie einer umfassenden Abwägung bedarf, ist empfohlen worden, die verschiedenen, von der Rechtsprechung für erforderlich erachteten Verfahren nebeneinander, aber „parallel und abgestimmt aufeinander“ durchzuführen.15 Ob dies ausreichend und hinreichend praktikabel ist, wird man als offene und zweifelhafte Frage bezeichnen müssen. Wenn man insofern Skepsis hegt, drängt sich der Ruf nach dem Gesetzgeber auf. So meinte Erbguth nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. 02. 2015, es sei nicht auszuschließen, dass „absehbar der Gesetzgeber Sorge für einen umfassenden Planfeststellungstatbestand in Fällen des Hafenausbaus tragen wird“.16 Diese Hoffnung auf ein gesetzgeberisches Eingreifen hat sich indessen bisher nicht erfüllt. Umso mehr erscheint es geboten, de lege lata die Frage wieder aufzugreifen, ob der trimodale Umschlaghafen wirklich – der gerichtlichen Deutung entsprechend – einen irregulären, nämlich gesetzlich nur unvollkommen erfassten Planungsfall darstellt oder – entgegen den Annahmen der vorgenannten Judikate – doch einer einheitlichen und umfassenden Planfeststellung zugänglich ist. II. Aufschlüsselung der komplexen Problemstellung Wenn man die komplexe Problemstellung des gebotenen Zulassungsregimes für trimodale Umschlaghäfen aufzuschlüsseln sucht, empfiehlt es sich, von der Frage auszugehen, mit der Erbguth den Kern des dargelegten Streits umreißt: „Wie vieler Planfeststellungen und sonstiger Verfahren bedarf es für die Zulassung der Errichtung oder […] der Erweiterung eines Hafens: nur eines Planfeststellungsverfahrens

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BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 30 ff.; ebenso OVG NRW, Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/09, DVBl. 2011, 767 (769 f.); VG Köln, Urt. v. 11. 8. 2009 – 14 K 4719/06, juris, Rn. 81 ff.; Urt. v. 11. 8. 2009 – 14 K 4720/06, juris, Rn. 69 ff. 15 So B. Stüer, DVBl. 2015, 492 (494). 16 W. Erbguth, DVBl. 2015, 840 (843).

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oder mehrerer davon und noch weiterer Zulassungs- oder Planungsverfahren?“17 An diese Ausgangsfrage knüpft Erbguth den Hinweis, dass es sich bei dem trimodalen Hafen um eine „Schnittstelle der Verkehrsträger Wasserstraße, Straße und Schiene“ und damit um Einrichtungen der „Superinfrastruktur“ handelt, „die über die Kaimauer und das Hafenbecken hinaus der Lagerung, Verarbeitung von Waren und sozialen Zwecken dienen“.18 Die so gestellte Ausgangsfrage beruht auf der positivrechtlichen Vorgabe, dass es kein spezielles und hafenspezifisches Ausbau- und Zulassungsregime gibt.19 In tatsächlicher wie in rechtsbegrifflicher Hinsicht ist des Weiteren davon auszugehen, dass Häfen die Eigenschaft von Gewässern haben. Als Binnenhäfen stellen sie entweder einen unselbstständigen Bestandteil eines oberirdischen Gewässers, in der Regel eines natürlichen oder künstlichen Wasserlaufs, oder ein gesondertes und selbstständiges Gewässer dar. Ersteres ist der Fall, wenn der Hafen am Ufer eines natürlichen oder künstlichen Wasserlaufs liegt und mit diesem eine natürliche Einheit bildet. Letzteres setzt voraus, dass die Wasserflächen des Hafens von dem Wasserlauf deutlich abgetrennt sind und als solche bei natürlicher Betrachtung ein in sich geschlossenes selbstständiges Ganzes bilden.20 1. Ausgangsfrage: Abgrenzung zwischen wasserwirtschaftsund wasserstraßenrechtlichen Gewässerausbauten Eine bisher vernachlässigte, aber vorentscheidende Abgrenzungsfrage drängt sich im Kontext des Bundeswasserstraßenrechts auf, sofern ein Binnenhafen entweder an einer Bundeswasserstraße liegt, mit dieser also eine natürliche, d. h. gegenständliche Einheit bildet, oder – als gesondertes und selbstständiges Gewässer – mit der Bundeswasserstraße durch die zweckbestimmte Klammer des Schiffsverkehrs und des Güterumschlags funktional verbunden ist. Im Streitfall des Köln-Godorfer Rheinhafens handelte es sich um einen derartigen Sachverhalt mit prägendem Wasserstraßenbezug, nämlich um die Konstellation eines von der Bundeswasserstraße Rhein abgetrennten und somit selbstständigen, aber verkehrstechnisch und funktional mit der Bundeswasserstraße verbundenen Gewässers.21 In solchen Fallkonstellationen bedarf es im Hinblick auf das anwendbare Gesetzesrecht sowie die behördlichen Kom17

So W. Erbguth, DVBl. 2015, 840. W. Erbguth, DVBl. 2015, 840. 19 So schon W. Erbguth/M. Schubert, Rechtsfragen der Errichtung und Erweiterung von Binnenhäfen, 2011, S. 24; M. Schubert, Maritimes Infrastrukturrecht, 2015, S. 170. 20 BGH, Urt. v. 28. 5. 1976 – III ZR 186/72, BGHZ 67, 152 (153 f.) = NJW 1977, 31 (32); Urt. v. 29. 9. 1977 – III ZR 64/75, BGHZ 69, 284 (289 f.) = NJW 1978, 39 (LS); Urt. v. 6. 12. 1984 – III ZR 147/83, BGHZ 93, 113 (121) = NJW 1987, 496 (498); Urt. v. 20. 6. 1996 – III ZR 116/94, NVwZ 1997, 99 (102); A. Friesecke, WaStrG, 6. Aufl. 2009, § 45 Rn. 5 m.w.N. 21 So deutlich B. Stüer, DVBl. 2015, 492 f.; im Tatbestand der erstinstanzlichen Urteile wird insoweit auf die Antragsunterlagen Bezug genommen; so VG Köln, Urt. v. 11. 8. 2009 – 14 K 4719/06, juris, Rn. 2; Urt. v. 11. 8. 2009 – 14 K 4720/06, juris, Rn. 2. 18

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petenzen und Befugnisse der Abgrenzung zwischen wasserwirtschaftsrechtlichen und wasserstraßenrechtlichen Maßnahmen des Gewässerausbaus. Der grundsätzliche Ansatz dieser sachgebietsbezogenen Abgrenzung ist durch die verfassungsrechtlichen Kompetenzen für das Wasserstraßen- und das Wasserwirtschaftsrecht (Wasserhaushaltsrecht) vorgezeichnet. Der Ausbau einer Bundeswasserstraße als Verkehrsweg ist eine Hoheitsaufgabe des Bundes (§ 12 Abs. 1 WaStrG). Wasserstraßenrechtliche Planfeststellungen und Plangenehmigungen zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, eine Bundeswasserstraße in ihrer Verkehrsfunktion als Schifffahrtsweg, d. h. zur Ermöglichung, Aufrechterhaltung oder Förderung der Schifffahrt, zu verbessern oder zu erweitern, unterliegen demgemäß der Kompetenz der Bundeswasserstraßenverwaltung (und zwar nach geltendem Recht der Kompetenz der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, § 14 Abs. 1 Satz 3 WaStrG). Dagegen unterliegt der Ausbau einer Bundeswasserstraße, der ausschließlich oder überwiegend zu wasserwirtschaftlichen Zwecken erfolgt, indem er etwa der Verbesserung der Abflussverhältnisse, des vorbeugenden Hochwasserschutzes oder der Deich- und Ufersicherheit dient, den Vorschriften des Wasserwirtschaftsrechts, also des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und des jeweiligen Landeswassergesetzes.22 Dienen Maßnahmen zur Umgestaltung einer Bundeswasserstraße sowohl Interessen der Schifffahrt als auch sonstigen Zwecken, so richtet sich die Rechtsnatur dieser Maßnahmen und somit auch das hierauf anwendbare Recht danach, aus welchen Gründen sie überwiegend vorgenommen werden.23 Wenn man sich in dem signifikanten, durchaus typischen Fall des Köln-Godorfer Rheinhafens sowie in vergleichbaren Fallkonstellationen an die wiedergegebenen sachgebiets- und zweckbezogenen Abgrenzungskriterien hält, spricht schon bei erster und unbefangener Betrachtung vieles dafür, unter den dargelegten Umständen vom Ausbau einer Wasserstraße, d. h. eines dem Gütertransport und -umschlag dienenden Schifffahrtsweges, auszugehen. Zwar stellt jeder Hafen zugleich ein oberirdisches Gewässer oder einen Teil eines solchen Gewässers i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und des § 3 Nr. 1 WHG dar. Demgemäß ist die Anlegung eines neuen Hafenbeckens als Herstellung eines neuen Gewässers oder Gewässerteils zu qualifizieren. Im Rechtssinne handelt es sich mithin um einen Gewässerausbau. Richtig ist auch, dass bei der Herstellung eines neuen Hafens oder Hafenbeckens auch dessen wasserwirtschaftliche Relevanz ermittelt und bewertet werden muss. Dies gilt insbesondere für die ausbaubedingten Auswirkungen auf den Wasserabfluss und die Wasserstände in Normalsituationen des Zu- und Abflusses wie in Hochwasserfällen.

22 Vgl. zu dieser Abgrenzung BVerwG, Urt. v. 5. 12. 2001 – 9 A 13.01, BVerwGE 115, 294 (298 f.); OVG Hamburg, Beschl. v. 21. 9. 2000 – 5 E 24/00. P, DVBl. 2001, 406 (LS); A. Guckelberger, in: Ziekow (Hrsg.), Fachplanungsrecht, 2. Aufl. 2014, § 17 Rn. 51; W. Hoppe/ H. Schlarmann/R. Buchner/M. Deutsch, Rechtsschutz bei der Planung von Verkehrsanlagen und anderen Infrastrukturvorhaben, 4. Aufl. 2011, Rn. 160; M. Czychowski/M. Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 70 Rn. 75; R. Breuer/K. F. Gärditz (o. Fn. 3), Rn. 1189. 23 OVG Hamburg, Beschl. v. 21. 9. 2000 – 5 E 24/00. P, DVBl. 2001, 406 (LS).

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All dies ändert jedoch nichts daran, dass die Herstellung oder Erweiterung eines Hafens, an den sachgebiets- und zweckbezogenen Abgrenzungskriterien gemessen, in aller Regel primär und funktional dazu bestimmt ist, den Wasserstraßen- und Schifffahrtszwecken zu dienen. Der typische Hafenausbau erfolgt eben nicht zur Förderung wasserwirtschaftlicher Belange, sondern im Interesse der Wasserstraßen- und Schifffahrtsentwicklung. Diese schließt die Erweiterung und Verbesserung der Hafenanlagen sowie des hafengebundenen Güterumschlags ein, was gerade in den Fällen eines trimodalen Umschlaghafens evident ist. Die Ermittlung und Bewertung der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen eines Hafenausbaus dient lediglich der Klärung der wasserwirtschaftlichen und wasserrechtlichen Rahmenbedingungen gemäß § 12 Abs. 7 WaStrG i.V.m. den Bewirtschaftungszielen nach den §§ 27 – 31 WHG 2010. Der typische Hafenausbau präsentiert sich mithin aus funktionaler Sicht als Maßnahme der wasserstraßenrechtlichen Aufgabenwahrnehmung. Die hierfür zuständige Bundesdirektion Wasserstraßen und Schifffahrt muss allerdings bei einer Planfeststellung oder Plangenehmigung für einen Hafenausbau – neben den wasserstraßenrechtlichen Vorgaben – die wasserwirtschaftsrechtlichen Anforderungen als normativen Rahmen beachten. Im Fall des Köln-Godorfer Rheinhafens hat demgegenüber die Bezirksregierung Köln als obere Wasserbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen die Planfeststellung für den Hafenausbau durchgeführt und den später angefochtenen, verwaltungsgerichtlich aufgehobenen Planfeststellungsbeschluss erlassen.24 Schon dieser Regelungszugriff erscheint funktionsinadäquat. Geht man von dieser Erkenntnis aus, so war für den streitgegenständlichen Gewässerausbau im Fall des Köln-Godorfer Rheinhafens nach dem Maßstab der allgemein anerkannten, sachgebiets- und zweckbezogenen Kriterien nicht die wasserwirtschaftsrechtliche Planfeststellung nach § 68 WHG 2010 (§ 31 Abs. 2 WHG a.F.), sondern die wasserstraßenrechtliche Planfeststellung nach den §§ 14 ff. WaStrG indiziert. Mit der verwaltungsseitigen Festlegung auf die wasserwirtschaftsrechtliche Planfeststellung war, wie im Folgenden zu zeigen ist, die Anwendung des funktionsadäquaten Verfahrensmodus einer einheitlichen, umfassenden und konzentrierten Planfeststellung von vornherein einer prekären Begründungsnot ausgeliefert. Ersichtlich fällt es schwer, den einheitlichen und vorhabenspezifischen Sachzusammenhang des trimodalen Umschlaghafens von einem wasserwirtschaftlichen Ansatz her zu begründen. Unter diesem Vorzeichen gilt es, die rechtlichen Weichen in die Richtung einer notwendigen Korrektur zu stellen. 2. Gegenständliche Begrenzung der wasserwirtschaftsrechtlichen Planfeststellung Wie zuvor dargelegt, hat das Bundesverwaltungsgericht – ebenso wie das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen und das Verwaltungsgericht 24

W. Erbguth, VerwArch. 101 (2010), 437 (438 f.).

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Köln – entschieden, dass die wasserwirtschaftsrechtliche Planfeststellung für einen Hafenausbau auf das Hafenbecken und dessen Ufer beschränkt sei.25 Aufgrund dieser gegenständlichen Begrenzung steht für die Rechtspraxis bis auf Weiteres fest, dass eine einheitliche, umfassende und konzentrierte Gesamtentscheidung der Verwaltung über einen trimodalen Umschlaghafen nicht in das Gewand einer wasserwirtschaftsrechtlichen Planfeststellung gekleidet werden kann. Diesen Negativbefund mag man bedauern.26 Er gibt jedoch weder aus faktenorientierter und funktionaler Sicht noch unter kompetenz- und materiell-rechtlichen Gesichtspunkten Anlass zu Einwänden. Es lässt sich nicht bestreiten, dass hafentypische Umschlaganlagen wie die für den Güterumschlag erforderlichen Festmacheeinrichtungen und Kräne ebenso wie hafenaffine Anlagen, z. B. Lager- und Kontorgebäude von Speditionsund Lagerhaltungsunternehmen, keine wasserwirtschaftliche Funktion erfüllen. Hafentypische und hafenaffine Anlagen dieser Art können aus wasserwirtschaftlicher Perspektive weder als Bestandteil noch als Annex eines oberirdischen Gewässers qualifiziert werden. Gleiches gilt für die an das Hafenbecken heranführenden Eisenbahn- und Straßenstrecken. Hierfür ist maßgebend, dass das Sachgebiet der Wasserwirtschaft im Sinne des Wasserhaushalts gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GG a.F.) zu verstehen ist. Es hat „die haushälterische Bewirtschaftung des in der Natur vorhandenen Wassers nach Menge und Güte“ zum Gegenstand.27 Die genannten hafentypischen und hafenaffinen Anlagen, die dem Gütertransport und -umschlag dienen, liegen außerhalb des wasserwirtschaftlichen, d. h. wasserhaushälterischen Sach- und Regelungsbereichs. Gleiches gilt für die an die Hafenbecken heranführenden Eisenbahnstrecken und Straßen, die gerade für einen trimodalen Umschlaghafen im Interesse des Gütertransports und -umschlags funktionsnotwendig sind. Diese gegenständliche Begrenzung schließt es auch aus der rückschauenden Distanz aus, eine einheitliche, umfassende und konzentrierte Gesamtentscheidung über einen trimodalen Umschlaghafen im Wege einer wasserwirtschaftsrechtlichen Planfeststellung nach § 68 WHG (§ 31 Abs. 2 WHG a.F.) zu treffen. Insoweit erweist sich die wiedergegebene Rechtsprechung zum Köln-Godorfer Rheinhafen als zutreffend. 3. Gegenständliche Begrenzung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung Entsprechendes gilt – aus der verkehrstechnischen Perspektive – für die gegenständliche Begrenzung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung. Die Aussage des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, dass – auch unter 25

Vgl. die Nachw. in Fn. 4, 5 und 6. So W. Erbguth, DVBl. 2015, 840 ff. 27 BVerfG, Urt. v. 30. 10. 1962 – 2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61, BVerfGE 15, 1 (15); R. Breuer/K. F. Gärditz (o. Fn. 3), Rn. 5. 26

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dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs – keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Anerkennung einer aus § 18 AEG hergeleiteten Ermächtigung zu einer umfassenden eisenbahnrechtlichen Planfeststellung bei „Mischnutzungen“ von Bahngelände bestehe,28 ist vom Bundesverwaltungsgericht in der Revisionsinstanz gebilligt worden.29 Sie hält auch den im Schrifttum erhobenen Einwänden30 stand. Der Planfeststellungsvorbehalt des § 18 AEG bezieht sich auf Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen. Er ist somit durch die Eisenbahnbezogenheit, d. h. die Verkehrsfunktion und den räumlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb, gegenständlich begrenzt.31 Soweit die Nutzung des Hafengeländes bahnfremden Zwecken dient, weist sie keine eisenbahnbetriebsbezogene Verkehrsfunktion auf. Soll eine Anlage – wie hier das jeweilige Hafenbecken und die anliegenden hafentypischen und hafenaffinen, dem Schiffs- und Straßenverkehr dienenden Umschlaganlagen – in nicht unwesentlichem Umfang für bahnfremde Zwecke genutzt werden, fehlt es an der erforderlichen Eisenbahnbetriebsbezogenheit. Daher kann die Errichtung wie auch die Nutzung dieser Anlagen nicht von einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung umfasst werden. Demzufolge kann die Gesamtheit der erforderlichen wasserseitigen und landseitigen Teilanlagen eines trimodalen Umschlaghafens auch nicht im Wege einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zugelassen werden.32 Die gegen die dahingehende Rechtsprechung erhobene Kritik33 vermag unter gegenständlichen und funktionalen wie auch unter kompetenz- und materiell-rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu überzeugen. 4. Begrenzter Anwendungsbereich und gegenständliche Begrenzung der straßenrechtlichen Planfeststellung Eine bundesfernstraßenrechtliche Planfeststellung scheidet als Zulassungsmodus für einen trimodalen Umschlaghafen praktisch schon deshalb aus, weil nicht damit zu rechnen ist, dass planfeststellungspflichtige Bundesstraßen (gemäß § 17 FStrG) auf dem Hafengelände angelegt und an ein Hafenbecken herangeführt werden. Als planfeststellungspflichtige Straßen kommen im Hafenbereich allenfalls Landesund Kreisstraßen in Betracht (vgl. z. B. § 38 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LStrG NRW). Im Übrigen ist in aller Regel davon auszugehen, dass die Um28

OVG NRW, Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/09, DVBl. 2011, 767 (770 f.). BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 35 ff. 30 So C. Scherer-Leydecker, UPR 2015, 161 ff. 31 BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 37 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 28. 5. 2014 – 6 C 14.13, juris, Rn. 10. 32 So übereinstimmend OVG NRW, Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/09, DVBl. 2011, 767 (LS 3), 770 f., und BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 38 f. 33 So C. Scherer-Leydecker, UPR 2015, 161 ff. 29

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schlaghäfen durch sonstige Straßen erschlossen werden, die allein dem hafentypischen Gütertransport dienen und mit dem öffentlichen Straßennetz verbunden sind.34 Aus dem begrenzten Anwendungsbereich der straßenrechtlichen Planfeststellung und aus ihrer gegenständlichen, durch die Praxis des Hafenbaus bedingten Begrenzung folgt, dass die Zufahrtsstraßen auf dem Hafengelände meist keine planfeststellungspflichtigen Straßen sein dürften. Schon deshalb kommen straßenrechtliche Planfeststellungen im Bereich von Hafenbauten wohl nur selten in Betracht. Hinzu kommt, dass straßenrechtliche ebenso wie eisenbahnrechtliche Planfeststellungen unter gegenständlichen und funktionalen sowie unter kompetenz- und materiell-rechtlichen Gesichtspunkten nicht geeignet sind, räumlich und sachlich über die Verkehrswege hinauszugreifen und den rechtlichen Modus einer einheitlichen, umfassenden und konzentrierten Gesamtentscheidung über sämtliche Bestandteile eines trimodalen Umschlaghafens zu bilden. Auch eine straßenrechtliche Planfeststellung vermag daher den komplexen baulichen und technischen Funktionszusammenhang eines trimodalen Umschlaghafens nicht in einheitlicher und umfassender Weise zu umspannen. 5. Fehlende Eignung der Bauleitplanung als Modus einer umfassenden und planfeststellungsgleichen Zulassung trimodaler Umschlaghäfen Angesichts der gegenständlichen Begrenzung der wasserwirtschaftsrechtlichen, im Fall des Köln-Godorfer Rheinhafens angewandten, aber vor den Gerichten gescheiterten Planfeststellung sowie der korrespondierenden gegenständlichen Begrenzung der eisenbahn- und straßenrechtlichen Planfeststellung ist die Frage zu stellen, ob eine umfassende und planfeststellungsgleiche Zulassung trimodaler Umschlaghäfen im Wege der Bauleitplanung möglich ist. Diese Frage ließe sich nur bejahen, wenn die Bauleitplanung, insbesondere der außenverbindliche Bebauungsplan (§§ 8 – 10 BauGB) eine einheitliche, umfassende und konzentrierte Gesamtentscheidung über die Errichtung und Ausstattung eines trimodalen Umschlaghafens enthalten könnte. Die so gestellte Frage muss indessen verneint werden. a) Ausweisungen von Häfen in der Bauleitplanung Allerdings kann ein Bauleitplan, insbesondere ein Bebauungsplan, durchaus Flächen für Häfen einschließlich der Zonen für hafentypische und hafenaffine Anlagen ausweisen. Die Flächen bestehender Häfen und Werften stellen überdies keinen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB, sondern einen beplanten oder unbeplanten Innenbe-

34 Vgl. zum Fall des Köln-Godorfer Rheinhafens OVG NRW, Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/09, DVBl. 2011, 767 (770).

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reich i.S.d. § 30 oder des § 34 BauGB dar.35 Sie unterfallen deshalb von vornherein nicht dem gesetzlichen Bauplanungsverbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG, demzufolge in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich in Bauleitplänen oder in anderen Satzungen nach dem Baugesetzbuch untersagt ist. Diese Gesetzesfassung geht auf das Hochwasserschutzgesetz II vom 30. 06. 201736 zurück. Danach unterliegt die Überplanung eines vorgefundenen Hafengebiets nicht dem grundsätzlichen, dem Hochwasserschutz dienenden Bauplanungsverbot. Folglich ist eine Hafenumgestaltung im Wege der Bauleitplanung zulässig und weder auf die Legalausnahme nach § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG noch auf eine ausnahmsweise behördliche Zulassung nach § 78 Abs. 2 WHG angewiesen. Soweit neue Häfen im Außenbereich durch Bauleitpläne oder sonstige Satzungen nach dem Baugesetzbuch ausgewiesen werden, liegt hingegen eine Ausweisung eines neuen Baugebiets i.S.d. Verbotstatbestandes des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG vor. Zugleich unterfällt eine solche Hafenausweisung indessen der Legalausnahme für „Bauleitpläne für Häfen und Werften“ nach § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG.37 Auch die Ausweisung eines neuen Hafens im Außenbereich bedarf deshalb keiner ausnahmsweisen, von den fallbezogenen Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 WHG abhängigen Zulassung. Erweiterungen eines bestehenden Hafens, die das Hafengebiet in den bisherigen Außenbereich hinein ausdehnen, müssen ebenso wie neue Häfen behandelt werden. Daher stellt die bauleitplanerische Ausweisung einer derartigen Hafenerweiterung, bezogen auf die betroffenen Erweiterungsflächen, ebenfalls die Ausweisung eines „neuen Baugebiets im Außenbereich“ dar. Auch sie fällt mithin – ebenso wie die Ausweisung eines neuen Hafens im Außenbereich – unter den Tatbestand des grundsätzlichen Bauplanungsverbots nach § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG, zugleich jedoch unter die Legalausnahme nach § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG.38 Folglich unterliegt auch die bauleitplanerische Ausweisung einer Hafenerweiterung im Außenbereich nicht dem Erfordernis einer ausnahmsweisen, von den fallbezogenen Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 WHG abhängigen Zulassung. b) Rechtsbegriff der planungsrechtlich privilegierten Häfen Der Rechtsbegriff der hiernach privilegierten Häfen ist gesetzlich nicht definiert. Er muss deshalb nach seinem Sinn und Zweck sowie nach dem gesetzlichen Zusammenhang bestimmt werden. Die Legalausnahme des § 78 Abs.1 Satz 2 WHG beruht auf dem Umstand, dass Häfen wie auch Werften de facto auf die Lage an einem Ge-

35 R. Breuer/A. Oexle, Vorbeugender Hochwasserschutz in Häfen und Werften – Spielräume der Hafenentwicklung, 2018, S. 29, 34. 36 BGBl. I S. 2585; dazu M. Reinhardt, NVwZ 2017, 1585 ff.; F. Hofmann, ZfW 2018, 1 ff. 37 R. Breuer/A. Oexle (o. Fn. 35), S. 29, 34. 38 R. Breuer/A. Oexle (o. Fn. 35), S. 29, 34 f.

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wässer und auf dem Gewässerniveau angewiesen sind.39 Die gesetzliche Privilegierung verfolgt den Zweck, die Existenz sowie die wirtschaftliche und infrastrukturelle Funktionsfähigkeit von Häfen und Werften zu erhalten und dauerhaft zu sichern. Demgemäß muss der Rechtsbegriff der Häfen und Werften in § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG im Sinne einer funktionalen Einheit verstanden werden, die aus verschiedenen, einander ergänzenden und aufeinander angewiesenen Bestandteilen zusammengesetzt ist. Hiernach bestimmt sich bei systematischer und teleologischer Gesetzesauslegung die gegenständliche Reichweite der Legalausnahme, derzufolge das grundsätzliche Bauplanungsverbot für die bauleitplanerische Ausweisung von neuen Häfen und Werften sowie von Hafenerweiterungen im Außenbereich nicht gilt. Diese Ausnahme umfasst, funktional verstanden, jedenfalls die Häfen im engeren und technischen Sinne als „künstliche Wasserbecken für Schiffe, das Entladen und den Güterumschlag, einschließlich zugehöriger Vorrichtungen, sowie Anlagen zum Laden und Löschen […], auch die Verlängerung der Kaimauer“.40 Nach ihrem Sinn und Zweck bezieht sich die Legalausnahme des § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG darüber hinaus auch auf alle weiteren Bestandteile der funktionalen Einheit. Ihre gegenständliche Reichweite umfasst daher nicht nur die Hafenbecken und Kaianlagen, sondern aufgrund des funktionalen Zusammenhangs auch die Errichtung und Nutzung hafentypischer und hafenaffiner Gebäude und Anlagen, da diese bei funktionaler Betrachtung ebenfalls für den Bestand und Betrieb des jeweiligen Hafens notwendig sind. Dies gilt z. B. für die Errichtung und Nutzung von Lager- und Kontorgebäuden der hafengebundenen Speditions- und Lagerhaltungsunternehmen sowie für Gleisanlagen und Zufahrtsstraßen, die für den Güterumschlag im Hafen erforderlich sind.41 Für diese Auslegung des Komplexbegriffs „Bauleitpläne für Häfen und Werften“ (§ 78 Abs. 1 Satz 2 WHG) spricht auch, dass die Bauleitplanung als Gesamtplanung fungiert. Sie ist mithin definitionsgemäß nicht anlagenbezogen, d. h. auf einzelne Vorhaben beschränkt. Vielmehr hat sie die Aufgabe, eine flächenbezogene städtebauliche Gesamtordnung baulicher und sonstiger Nutzungen zu gewährleisten.42 Andererseits gilt die Legalausnahme des § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG, sinngerecht und funktional verstanden, nicht zu Gunsten der bauleitplanerischen Ausweisung anderweitiger Baugebiete, deren Nutzung außerhalb der Funktionseinheit „Häfen und Werften“ liegt. Dies trifft etwa für Gebäude mit einer Wohn- oder Dienstleistungsnutzung zu, die lediglich durch die attraktive Lage am Wasser angezogen werden, nicht aber dazu bestimmt sind, die hafentypischen Funktionen des Gütertransports und -umschlags sowie der hiermit verbundenen Lagerung, Veredelung und Distribu39

R. Breuer/K. F. Gärditz (o. Fn. 3), Rn. 1333. So M. Rossi, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 78 Rn. 21. 41 So auch W. Schrödter/J. Wahlhäuser, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 1 Rn. 515; R. Breuer/K. F. Gärditz (o. Fn. 3), Rn. 1333; R. Breuer/A. Oexle (o. Fn. 35), S. 35 ff. 42 Grundlegend zur Unterscheidung zwischen Gesamt- und Fachplanung E. Forsthoff/ W. Blümel, Raumordnungsrecht und Fachplanungsrecht 1970, S. 18 ff.; ferner W. Durner, Konflikte räumlicher Planungen, 2005, S. 33 f., 40 ff. 40

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tion von Gütern zu realisieren. Derartige bauliche Nutzungen sind weder hafentypisch noch hafenaffin. Ihre planerische Ausweisung fällt daher unter das grundsätzliche Bauplanungsverbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG. Solche Nutzungen können mithin nur ausnahmsweise unter den fallbezogenen Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 WHG zugelassen werden.43 c) Keine planfeststellungsgleiche Zulassung von Häfen im Wege der Bauleitplanung Obwohl die Bauleitplanung Flächen für Häfen einschließlich der Zonen für hafentypische und hafenaffine Anlagen ausweisen kann, also als planungsrechtliche Grundlage der Hafenentwicklung einsetzbar ist, und der außenverbindliche Bebauungsplan sich vor allem für die Festsetzung der nicht der Planfeststellung zugänglichen Nutzungen anbietet, ist eine planfeststellungsgleiche Zulassung von Häfen aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Dies gilt auch für trimodale Umschlaghäfen. Der Bebauungsplan ist im Baugesetzbuch als Grundlage für den einzelfallbezogenen Vollzug und in diesem Sinne als Rechtsinstitut der sog. Angebotsplanung ausgestaltet.44 Dieser normative Befund trifft selbst für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan gemäß § 12 BauGB zu, der als solcher im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben kann; denn auch der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist auf den Vollzug durch Baugenehmigungen und sonstige Genehmigungen gerichtet.45 Keinesfalls spricht ein Bebauungsplan eine Baugenehmigung oder eine sonstige Genehmigung eines konkreten Vorhabens aus. Mangels eines einzelfallbezogenen Genehmigungscharakters stellt der Bebauungsplan erst recht keine einheitliche, umfassende und konzentrierte Gesamtentscheidung dar, die darauf gerichtet sein könnte, planfeststellungsgleich, also als hoheitliche, unmittelbar nach außen wirkende Regelung, bestimmte Hafenanlagen oder hafenaffine Baulichkeiten zuzulassen. Allein im Straßenrecht (§ 17 b Abs. 2 FStrG, § 38 Abs. 4 LStrG NRW) sowie in der hier nicht relevanten Vorschrift des § 28 Abs. 3 PBefG ist gesetzlich bestimmt, dass die Planfeststellung durch einen Bebauungsplan ersetzt werden kann; dabei sei nur am Rande erwähnt, dass die zulässigen Inhalte, die Rechtswirkungen und die Rechtsschutzmöglichkeiten der beiderseitigen Planungsakte keineswegs identisch sind.46 Jedenfalls ist gesetzlich nicht vorgesehen, dass wasserwirtschafts-, wasserstraßen- oder eisenbahnrechtliche Planfeststellungen durch einen Bebauungsplan ersetzt werden könnten. Auch daraus ergibt sich, dass die gegenständliche Begren43 W. Schrödter/J. Wahlhäuser, in: Schrödter (o. Fn. 41), § 1 Rn. 514; R. Breuer/K. F. Gärditz (o. Fn. 3), Rn. 1334; M. Rossi, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 78 Rn. 21; R. Breuer, in: Stadt Köln (Hrsg.), Zukünftige Nutzung des Deutzer Hafens, Dokumentation des Symposiums am 27./28. 4. 2009, August 2009, S. 24 (27 ff.). 44 W. Schrödter/A. Möller, in: Schrödter (o. Fn. 41), § 8 Rn. 10 ff. 45 A. Kukk, in: Schrödter (o. Fn. 41), § 12 Rn. 3, 7; W. Rieger, ebda., § 30 Rn. 28 f. 46 Vgl. zum Ganzen R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 3), § 5 Rn. 94 ff.

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zung dieser Planfeststellungen nicht im Wege der Bauleitplanung überwunden werden kann. 6. Verkehrstechnisches und funktionales Erfassungspotenzial der wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung Am Ende bleibt die bereits angeschnittene Frage zu klären, ob die wasserstraßenrechtliche Planfeststellung einen geeigneten und sachadäquaten Modus darstellt, in dessen Bahnen eine einheitliche, umfassende und konzentrierte Gesamtentscheidung über die Errichtung oder Erweiterung eines trimodalen Umschlaghafens möglich ist.47 Die Beantwortung dieser Rechtsfrage setzt voraus, dass man sich Klarheit über das verkehrstechnische und funktionale Erfassungspotenzial der wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung verschafft. a) Sach- und Zweckadäquanz sowie korrespondierende Anwendbarkeit der wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung mit Blick auf trimodale Umschlaghäfen In Anbetracht der gewässerbezogenen Alternative zwischen wasserwirtschaftsrechtlicher und wasserstraßenrechtlicher Planfeststellung spricht, wie bereits festgestellt, in Fällen trimodaler Umschlaghäfen an Bundeswasserstraßen die Sach- und Zweckadäquanz für die Anwendbarkeit der wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung gemäß den §§ 14 ff. WaStrG.48 Eben diese – und nicht etwa die wasserwirtschaftsrechtliche Planfeststellung nach § 68 WHG – bietet sich daher als Trägerverfahren für die administrative Zulassung und Gesamtregelung der Errichtung oder Erweiterung trimodaler Umschlaghäfen an. Da – wie zuvor dargelegt – die eisenbahnrechtliche und die straßenrechtliche Planfeststellung wegen ihrer gegenständlichen Begrenzung erst recht nicht geeignet sind, als Trägerverfahren für die administrative Zulassung und Gesamtregelung trimodaler Umschlaghäfen zu fungieren,49 und die Bauleitplanung von vornherein als Modus einer umfassenden und planfeststellungsgleichen Zulassung trimodaler Umschlaghäfen ausscheidet,50 bleibt festzuhalten, dass dem Grunde nach allein die wasserstraßenrechtliche Planfeststellung als derartiges Trägerverfahren dienen kann. Alleine sie ist mithin aufgrund ihrer Sach- und Zweckadäquanz geeignet, die Errichtung oder Erweiterung eines trimodalen Umschlaghafens an einer Bundeswasserstraße verwaltungsrechtlich zu gestatten und rechtsgestaltend in die Umgebung einzufügen.

47

Vgl. oben Abschnitt II. 1. mit den Nachw. in Fn. 22, 23. Vgl. oben Abschnitt II. 1. und 2. 49 Vgl. oben Abschnitt II. 3. und 4. 50 Vgl. oben Abschnitt II. 5. 48

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b) Gegenständlicher und räumlicher Umfang der wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung Zu beantworten bleibt die Frage nach dem gegenständlichen und räumlichen Umfang der wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung. Deren originärer Gegenstand ist das Hafenbecken einschließlich seiner Ufer, insbesondere auch der Kaimauern, wobei der Wasserkörper des Hafens entweder einen unselbstständigen Teil einer natürlichen oder künstlichen Bundeswasserstraße bilden oder als gesondertes und selbstständiges Gewässer mit der Bundeswasserstraße funktional verbunden sein kann.51 Mithin ist der originäre Gegenstand der wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung nicht anders zu bestimmen als der Gegenstand der wasserwirtschaftsrechtlichen Planfeststellung.52 Ein Unterschied besteht jedoch insofern, als die wasserwirtschaftsrechtliche Planfeststellung für einen Hafenausbau auf das Hafenbecken und dessen Ufer beschränkt bleiben muss, weil sie – anders als die wasserstraßenrechtliche Planfeststellung – auf einer wasserwirtschaftlichen Zwecksetzung beruht. Weder die hafentypischen Umschlaganlagen wie Festmacheeinrichtungen und Kräne noch die hafenaffinen Anlagen wie Lager- und Kontorgebäude erfüllen eine wasserwirtschaftliche Funktion. Gleiches trifft für die an das Hafenbecken heranführenden Eisenbahn- und Straßenstrecken zu. Alle diese Anlagen liegen außerhalb jeglicher wasserwirtschaftlichen Zwecksetzung. Insoweit fehlt es an einer zweckbestimmten Verklammerung mit dem wasserwirtschaftlichen Ausbauvorhaben. Dagegen setzt die wasserstraßenrechtliche Planfeststellung für einen Hafenausbau voraus, dass dieser ausschließlich oder überwiegend dem Zweck dient, eine Bundeswasserstraße in ihrer Verkehrsfunktion zu verbessern oder zu erweitern, d. h. die Schifffahrt zu ermöglichen, aufrechtzuerhalten oder zu fördern.53 Diesem Zweck dienen im Falle eines Hafenausbaus im Interesse der Schifffahrt und des Güterumschlags auch die genannten hafentypischen und hafenaffinen Anlagen sowie die an das Hafenbecken heranführenden Eisenbahn- und Straßenstrecken. Infolgedessen ist hier die Errichtung oder Erweiterung des Hafenbeckens durch die zweckbestimmte Klammer des Schiffsverkehrs und des Güterumschlags mit den umliegenden hafentypischen und hafenaffinen Anlagen sowie den an das Hafenbecken heranführenden Eisenbahn- und Straßenstrecken verbunden. Insoweit besteht mithin eine zweckbestimmte Verklammerung der Errichtung oder Erweiterung des Hafenbeckens mit der Herstellung der umliegenden hafentypischen und hafenaffinen Anlagen sowie mit den zugehörigen Eisenbahn- und Straßenstrecken. Für die Bestimmung des maßgeblichen Zulassungsregimes eines Hafenausbaus im Interesse des Schiffsverkehrs und des Güterumschlags ist somit entscheidend, wie die zweckbestimmte Verklammerung planfeststellungsrechtlich beachtet und 51

Vgl. die obigen Nachw. in Fn. 20. Vgl. die obigen Nachw. in Fn. 4, 5, 6 und 25. 53 Vgl. oben Abschnitt II. 1. mit den Nachw. in Fn. 22, 23.

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bewältigt werden muss. Hierfür kommen nach § 14 Abs. 1 Satz 4 WaStrG i.V.m. den §§ 72 – 78 VwVfG zwei Ansätze in Betracht: zum einen das Konzentrationsprinzip nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und zum anderen die Verfahrensbündelung beim Zusammentreffen mehrerer Planfeststellungsvorhaben nach § 78 VwVfG. aa) Konzentrationsprinzip nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird im Falle eines alleinigen Planfeststellungsvorhabens durch die Planfeststellung die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Das hierdurch normierte Konzentrationsprinzip betrifft den Fall, dass das veranlassende und planfeststellungspflichtige Vorhaben andere (unselbstständige) Folgemaßnahmen auslöst, die ohne das veranlassende Vorhaben nicht erforderlich gewesen wären.54 In einem solchen Fall findet aufgrund des Konzentrationsprinzips allein die Planfeststellung statt, die für das veranlassende Vorhaben vorgeschrieben ist. Die Zulassung der Folgemaßnahmen wird von der Planfeststellung umfasst. Dabei ist unerheblich, ob für die Folgemaßnahmen sonst ein eigenes Planfeststellungsverfahren durchzuführen gewesen wäre.55 Stützt man die Planfeststellung für die Errichtung oder Erweiterung eines trimodalen Umschlaghafens an einer Bundeswasserstraße, den dargelegten Gründen der Sach- und Zweckadäquanz entsprechend, auf den wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsvorbehalt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG), so stellt die Rahmung der Hafenbecken durch hafentypische Umschlaganlagen (wie Festmacheeinrichtungen und Kräne) und hafenaffine Anlagen (wie Lager- und Kontorgebäude) eine Realisierung hafenabhängiger Folgemaßnahmen dar, die für den Hafenbetrieb notwendig sind, aber ohne das veranlassende Vorhaben (nämlich den Hafenbau) nicht erforderlich geworden wären. Das Gleiche gilt für die Herstellung und Gestaltung der nicht planfeststellungspflichtigen, an die Hafenbecken heranführenden Zufahrtsstraßen. Als Folgemaßnahmen des veranlassenden Hafenbaus unterliegen diese Rahmungen und Anbindungen dem Konzentrationsprinzip nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Ihre Gestattung gehört daher zum gesetzlich intendierten Inhalt der einheitlichen und umfassenden Planfeststellung nach den §§ 14 ff. WaStrG i.V.m. den §§ 72 ff. VwVfG.

54

BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2006 – 7 C 1.06, BVerwGE 127, 259 (269) Rn. 43; Beschl. v. 13. 7. 2010 – 9 B 103.09, NVwZ 2010, 1244; Urt. v. 6. 10. 2010 – 9 A 12.09, NVwZ 2011, 626 (628); W. Neumann/C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 75 Rn. 8 ff., § 78 Rn. 4; U. Raumsauer/P. Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 78 Rn. 2; R. Steinberg/M. Wickel/H. Müller (o. Fn. 3), § 1 Rn. 197 ff. 55 W. Neumann/C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (o. Fn. 54), § 78 Rn. 4.

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Etwas anderes gilt allerdings für die administrative Gestattung und rechtsgestaltende Regelung der planfeststellungspflichtigen Eisenbahnen und Straßen in dem komplexen Gefüge eines trimodalen Umschlaghafens. Denn hierbei handelt es sich nicht um unselbstständige und annexartige Folgemaßnahmen des Hafenbaus, sondern um selbstständige und gleichgeordnete Planfeststellungsvorhaben, die mit dem gewässerbezogenen Hafenbau zusammentreffen. Hierfür ist ausschlaggebend, dass in einem trimodalen Umschlaghafen an einer Bundeswasserstraße die drei Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasser in gleichgeordneter Weise aufeinanderstoßen und miteinander verbunden werden, damit das Konzept des Güterumschlags zwischen diesen gleichrangigen Verkehrsträgern verwirklicht werden kann.56 Dieses Zusammentreffen mehrerer Planfeststellungsvorhaben ist nicht über das Konzentrationsgebot nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, sondern – wie im Folgenden zu zeigen ist – nur über das Prinzip der Bündelung in einem der gesetzlich vorbehaltenen Planfeststellungsverfahren lösbar. bb) Verfahrensbündelung beim Zusammentreffen mehrerer Planfeststellungsvorhaben § 78 VwVfG regelt die Fallkonstellation, dass mehrere selbstständige Vorhaben zusammentreffen, die jeweils für sich einer Planfeststellung bedürfen und zusammenhängend in Angriff genommen werden sollen.57 Nach zutreffender Ansicht gilt dies nicht nur beim Zusammentreffen mehrerer selbstständiger Vorhaben verschiedener Planungsträger, sondern auch, wenn mehrere selbstständige Vorhaben eines Planungsträgers zusammentreffen. Unter systematischen und teleologischen Gesichtspunkten wäre es inkonsequent, wenn das Bündelungsgebot des § 78 Abs. 1 VwVfG nur beim Zusammentreffen mehrerer selbstständiger Vorhaben verschiedener Planungsträger gelten würde. Vielmehr greift das Bündelungsgebot des § 78 Abs. 1 VwVfG nach seinem Sinn und Zweck erst recht ein, wenn mehrere selbstständige, jeweils planfeststellungspflichtige und gesondert geregelte Vorhaben desselben Planungsträgers derart zusammentreffen, dass sie einer sachlichen Koordination und einer einheitlichen Entscheidung bedürfen.58 Das Bündelungsgebot des § 78 Abs. 1 VwVfG wird zu Recht als Instrument der Konfliktbewältigung bezeichnet.59 Mit ihm sollen kollidierende oder unabgestimmte Planfeststellungen verhindert werden. Die vorgeschriebene Bündelung soll die wegen des Sach- und Planungszusammenhangs notwendige Gesamtabwägung der 56

Vgl. oben Abschnitt I. mit den Nachw. in Fn. 1 und 2. BVerwG, Urt. v. 26. 5. 1994 – 7 A 21.93, NVwZ 1994, 1002 (1003 f.); Beschl. v. 28. 11. 1995 – 11 VR 38.95, NVwZ 1996, 389 (390 f.); Urt. v. 18. 4. 1996 – 11 A 86.95, NVwZ 1996, 901 (903); W. Neumann/C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (o. Fn. 54), § 78 Rn. 4; U. Ramsauer/P. Wysk, in: Kopp/Ramsauer (o. Fn. 54), § 78 Rn. 4; R. Steinberg/M. Wickel/ H. Müller (o. Fn. 3), § 1 Rn. 208 ff. 58 J. Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 78 Rn. 3. 59 BVerwG, Beschl. v. 28. 11. 1995 – 11 VR 38.95, NVwZ 1996, 389 (390 f.); Urt. v. 18. 4. 1996 – 11 A 86.95, NVwZ 1996, 901 (903). 57

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relevanten Belange sicherstellen und eine abgewogene Gesamtentscheidung in einem einzigen Planfeststellungsverfahren gewährleisten. Das Tatbestandsmerkmal des Zusammentreffens mehrerer Vorhaben umschreibt die Voraussetzung, dass ein untrennbarer zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen den betreffenden Vorhaben besteht. Die Pläne müssen nicht notwendigerweise zeitgleich bei der zuständigen Behörde eingereicht sein. Es genügt, wenn die sachlich zusammenhängenden Planungsvorgänge sich zeitlich überlagern, d. h. zeitweise parallel geführt werden. In sachlicher Hinsicht reicht es allerdings nicht aus, wenn die Gleichzeitigkeit (zeitliche Parallelführung) sich nur mehr oder weniger zufällig ergibt oder von dritter Seite veranlasst wird. Vielmehr setzt das Zusammentreffen voraus, dass die selbstständigen und planfeststellungspflichtigen Vorhaben in einen engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen.60 Indessen brauchen die zusammentreffenden Vorhaben keine physisch-mechanistische Überschneidung aufzuweisen, wie sie für Kreuzungs- und Verflechtungsbauwerke charakteristisch ist.61 Das Bündelungsgebot des § 78 Abs. 1 VwVfG setzt des Weiteren voraus, dass für die zusammentreffenden Vorhaben oder Teile von ihnen eine einheitliche Entscheidung notwendig ist. Gründe bloßer Zweckmäßigkeit oder ein bloßes Interesse an einer planerischen Koordinierung sich berührender Vorhaben reichen nicht aus, um die Pflicht zur Bündelung in einem einzigen Planfeststellungsverfahren auszulösen.62 Erforderlich ist, dass die zusammentreffenden Vorhaben einen gesteigerten planerischen Koordinierungsbedarf mit sich bringen, der über den Normalfall deutlich hinausgeht und nur durch eine einheitliche Entscheidung bewältigt werden kann. Der jeweilige Vorhabenträger muss zur sachgerechten Verwirklichung seines Planungskonzepts darauf angewiesen sein, dass über die Zulassung der zusammentreffenden Vorhaben eine einheitliche Entscheidung in einem einzigen Verfahren sowie unter Berücksichtigung und Abwägung aller fallrelevanten Umstände und Belange getroffen wird.63 Soweit in der Fallkonstellation eines trimodalen Umschlaghafens an einer Bundeswasserstraße das wasserstraßenrechtlich einzuordnende Vorhaben des Hafenbaus (bezogen auf das Hafenbecken und seine Ufer sowie die hafenabhängigen Folgemaßnahmen), das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsvorhaben (bezogen auf die zuge60

W. Neumann/C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (o. Fn. 54), § 78 Rn. 7. BVerwG, Urt. v. 26. 4. 2007 – 4 C 12.05, NVwZ 2007, 1074; zuvor bereits BVerwG, Urt. v. 28. 11. 1995 – 11 VR 38.95, NVwZ 1996, 389 (390); W. Neumann/C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (o. Fn. 54), § 78 Rn. 7; U. Ramsauer/P. Wysk, in: Kopp/Ramsauer (o. Fn. 54), § 78 Rn. 6b. 62 BVerwG, Beschl. v. 28. 11. 1995 – 11 VR 38.95, NVwZ 1996, 389 (390); Urt. v. 18. 4. 1996 – 11 A 86.95, NVwZ 1996, 901 (903); VGH BW, Beschl. v. 14. 2. 2000 – 8 S 2852/99, NVwZ 2000, 1188 (1189); W. Neumann/C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (o. Fn. 54), § 78 Rn. 10 ff.; U. Raumsauer/P. Wysk, in: Kopp/Ramsauer (o. Fn. 54), § 78 Rn. 7. 63 BVerwG, Beschl. v. 4. 8. 2004 – 9 VR 13.04, NVwZ 2004, 1500 (1501); W. Neumann/ C. Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (o. Fn. 54), § 78 Rn. 10. 61

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hörigen Eisenbahnanlagen) und eventuell auch ein straßenrechtliches Planfeststellungsvorhaben (bezogen auf einzelne Straßenstrecken) zusammentreffen, wird man die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bündelungsgebots nach § 78 VwVfG regelmäßig als erfüllt ansehen müssen. Dies gilt für das Vorliegen selbstständiger und gleichgeordneter Planfeststellungsvorhaben, den untrennbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang der zusammentreffenden Vorhaben und die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung im Interesse des planerischen Gesamtkonzepts trimodaler Umschlaghäfen.64 Demgemäß greift das Bündelungsgebot des § 78 Abs. 1 VwVfG ein. Danach findet nur ein Planfeststellungsverfahren statt. Im Zweifel wird dies wegen des verkehrs- und schifffahrtsorientierten Schwerpunktes des komplexen Gesamtvorhabens das wasserstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren sein. III. Ergebnis Entgegen der scheinbar fest gegründeten Judikatur ist eine einheitliche, umfassende und konzentrierte Gesamtentscheidung über das komplexe Vorhaben eines trimodalen Umschlaghafens an einer Bundeswasserstraße im Interesse der Problembewältigung nicht nur wünschenswert,65 sondern rechtlich möglich und geboten. Dafür ist als Trägerverfahren aufgrund der Sach- und Zweckadäquanz nicht die wasserwirtschaftsrechtliche, sondern die wasserstraßenrechtliche Planfeststellung einsetzbar. Ausschlaggebend ist hierbei zum einen hinsichtlich der hafentypischen Umschlaganlagen (wie Festmacheeinrichtungen und Kräne) und der hafenaffinen Anlagen (wie Lager- und Kontorgebäuden) sowie der nicht planfeststellungspflichtigen, an die Hafenbecken heranführenden Straßen das Konzentrationsprinzip nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und zum anderen hinsichtlich der eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsvorhaben sowie eventuell einbezogener straßenrechtlicher Planfeststellungsvorhaben das Bündelungsgebot nach § 78 VwVfG. Damit wird, wie von Erbguth angemahnt,66 den Grundprinzipien des Planfeststellungsrechts entsprochen und eine umfassende, sachangemessene Problembewältigung ermöglicht. Hierdurch erweist sich zugleich, dass der trimodale Umschlaghafen kein irregulärer Planungsfall ist, sondern mit dem gesetzlichen Instrumentarium des Planfeststellungsrechts einer einheitlichen und abgestimmten Gesamtregelung zugeführt werden kann.

64

63.

Vgl. zu diesen Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 VwVfG die obigen Nachw. in Fn. 57 –

65 So BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12, BVerwGE 151, 213 Rn. 26; dazu oben Abschnitt I. mit Fn. 8. 66 Nachw. in Fn. 1, 7.

Die Einziehung von öffentlichen Binnenhäfen unter besonderer Berücksichtigung nordrhein-westfälischer Verhältnisse Von Hans Martin Müller* I. Ausgangslage Angesichts der Flächenknappheit1 in den meisten öffentlichen Binnenhäfen2 – vor allem an der Rheinschiene – mag es verwundern, dass sich in jüngster Zeit wieder (Landes)Verwaltungen3 und Gerichte4 mit der Einziehung von Häfen befassen müssen. Eher hätte man erwarten können, dass die Errichtung neuer Hafeninfrastrukturen, vor allem Neubau- und Erweiterungsvorhaben, Gegenstand von Verfahren bzw. Streitigkeiten sein würden.5 Einziehungen von Häfen, unabhängig davon, welchem Zweck sie dienen, führen zum Verlust von originär für Hafenaktivitäten genutzten Flächen, die oft sogar Auswirkungen auf das „Gesamtsystem Wasser“ zur Folge * Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder. Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Norbert Kämper danke ich für fruchtbare Diskussionen über zentrale Problemkreise dieser Abhandlung. 1 S. dazu eingehend Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept des Landes Nordrhein-Westfalen 2016, S. 3 (Handlungsoptionen 1 u. 2), 11 ff.; s. bereits H.-M. Müller, Sicherung bedarfsgerechter Infrastruktur durch Einsatz juristischer Instrumente am Beispiel des „Systems Wasser“, UPR 2015, 453. 2 Zur (schwierigen) Klärung der Begriffe „öffentlich“ und „Häfen“ s. eingehend H.-M. Müller, UPR 2015, 453 (464). 3 Z. B. Hafenbereiche Köln-Deutz, Rheinauhafen Köln. Letzterer hat bereits vor Jahren eine Umnutzung in Büro- und hochwertige Wohnnutzung erfahren (sog. Kranhäuser). Frühere Beispiele sind der Düsseldorfer Medienhafen, der Duisburger Innenhafen und der sog. Kreativkai in Münster. 4 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 23/15; OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15 (Friedrichkoog); s. auch BVerwG, Beschl. v. 6. 4. 2017 – 7 B 10/16 (Nichtzulassungsbeschwerde); Vorinstanz VG SH, Urt. v. 19. 5. 2015 – 3 A 165/14. 5 Z. B. Ausbauvorhaben des Hafens Godorf: VG Köln, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C11.12 u. a.; OVG Münster, Beschl. v. 29. 7. 2010 – B 1320/09 und Urt. v. 15. 3. 2011 – 20 A 2148/08; BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12; kritisch zu dieser Rspr. W. Erbguth/M. Schubert, Zuständigkeitsfragen bei der Erweiterung von Binnenhäfen – Anmerkung zum Beschl. des OVG NRW vom 29. 7. 2010 – 20 B 1320/09, NWVBl. 2011, 47; dies., Hafenerweiterung: Planfeststellungsfähigkeit im Gefolge gesetzlicher Zuständigkeits- und Verfahrenskonzentration, DVBl. 2010, 1521; dies., Hafenerweiterung durch einheitliche Planfeststellung, VerwArch 101 (2010), 437; s. auch gegenwärtiger Widerstand gegen den Ausbau des Hafens Düsseldorf-Reisholz.

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haben. Ausreichende Flächen in Hafenbereichen sind für eine funktionstüchtige, bedarfsgerechte Wasserstraßenverkehrsinfrastruktur essenziell. Denn viele Häfen haben sich mittlerweile zu bedeutenden Logistikknoten entwickelt und sind ein entscheidender Faktor zur Sicherung nachhaltiger Mobilität bzw. für just-in-time-Lieferungen geworden, ohne die sich ein attraktives logistisches Dienstleistungsangebot nicht dauerhaft etablieren und Arbeitsplätze schaffen kann.6 Gerade für NordrheinWestfalen als das Land der Binnenschifffahrt und als führender Logistikstandort hat die Logistik als Grundpfeiler große Bedeutung, nicht zuletzt weil sie die Auswirkungen des Strukturwandels im Ruhrgebiet deutlich abgefedert hat.7 Hier hat sich die Logistikwirtschaft mittlerweile zur führenden Wachstumsbranche8 entwickelt. Prognosen9 gehen mit Blick auf enorm ansteigende Gütertransporte von weiterem Wachstumspotenzial aus, das es zu heben gilt. In der Folge entsteht zusätzlicher Flächenbedarf für Umschlag und Logistik in den Häfen, insbesondere an der Rheinschiene, und in deren Umfeld. Um den Logistikstandort Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft zu sichern, muss neben der Verfügbarkeit solcher Flächen aber auch10 die sonstige Infrastruktur im „System Wasser“ den Anforderungen entsprechen sowie bedarfsgerecht erhalten und ausgebaut werden. Um ein klares Bild von der Flächensituation in Nordrhein-Westfalen zu erhalten, wurden für das nordrhein-westfälische Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept aus dem Jahre 201611 Untersuchungen12 beauftragt, die Aufschluss über verfügbare Umschlag- und Logistikflächen – vor allem in Hafenbereichen – geben und Grund6

Näheres hierzu im sog. 2. NRW-Hafenkonzept „Wasserstraßenverkehr, Binnenhäfen und Logistik in Nordrhein-Westfalen – Fortschreibung des Wasserstraßenverkehrs- und Hafenkonzeptes Nordrhein-Westfalen“, 2008, 3.1, S. 17 f. 7 Bedeutendes Beispiel ist das Logportgelände in Duisburg, das sich von einer Industriebrache, die nach Schließung des von heftigen Protesten der Arbeiter begleiteten Kruppstahlwerks in Duisburg-Rheinhausen im Jahre 1993 entstand, seit 1999 zu einem der führenden Logistikstandorte in Europa entwickelt hat. Die Entwicklung von Logport I bis nun Logport VI hat sich durch Ansiedlung international agierender Logistikdienstleister zu einer Erfolgsgeschichte und zum Aushängeschild Nordrhein-Westfalens entwickelt. 8 28.000 Unternehmen in der Kernbranche Logistik erwirtschaften in Nordrhein-Westfalen ca. 70 Mrd. Euro Umsatz und schaffen 317.000 Arbeitsplätze, vgl. Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (o. Fn. 1), S. 1. 9 Vgl. etwa die Seeverkehrsprognose 2030 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, FE Nr. 96.980 – 2011. 10 Neben der Behebung der Infrastrukturdefizite an und entlang der Wasserstraßen (Schleusen, Düker, Sohlenstabilisierung bzw. Abladeverbesserung etc.) sind weitere Maßnahmen erforderlich, etwa deren weiterer Ausbau, die bessere Vernetzung der Verkehrsträger etc. 11 Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept des Landes Nordrhein-Westfalen 2016 des (damaligen) Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (o. Fn. 1). Vorläufer erschienen in den Jahren 2004 (Wasserstraßenverkehrs- und Hafenkonzept des Landes Nordrhein-Westfalen) und 2008 (Wasserstraßenverkehr, Binnenhäfen und Logistik in Nordrhein-Westfalen). 12 Da derartige Untersuchungen nur einen Erkenntniswert haben, wenn sie aktuell sind, erwägt die Landesregierung, diese zu aktualisieren und laufend fortzuschreiben.

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lagen für gezielte Handlungsoptionen liefern. Belegt wurde ein zunehmender Flächenbedarf für Umschlag und Logistik in nordrhein-westfälischen Rheinhäfen. In einzelnen Häfen fehlen bereits jetzt Umschlagflächen, in anderen werden, wenn sich die Entwicklung fortsetzt, in spätestens drei Jahren keine ausreichenden Grundstücke für den Umschlag zur Verfügung stehen. Logistikflächen sind schon heute so knapp, dass auf geeignete Grundstücke in trockenen, hafenfernen, allerdings gut an den Hafenkern angebundenen Standorten ausgewichen werden muss.13 Der allgemein erwartete enorme Anstieg allein der Containertransporte – es wird mit einer Verdopplung bis zum Jahr 2025 gerechnet14 – könnte die Situation weiter verschärfen. Auch eine Flächeninanspruchnahme in Hafenbereichen für Hochwassermaßnahmen15 und ausufernde städtebauliche Begehrlichkeiten16 zur Inanspruchnahme von für Hafenaktivitäten genutzten oder zu nutzenden Hafenflächen tragen dazu bei, dass der Prozess katalysiert wird. Dennoch ist dem Versuch entgegenzutreten, diese Feststellungen zu einer vorschnellen Verurteilung von Maßnahmen zu veranlassen, die zu Verlusten von Flächen für Hafenaktivitäten führen. Denn es kann für die Aufgabe originär bzw. hafenaffin genutzter Flächen gute Gründe geben. So können erdrückende Kosten, insbesondere solche für notwendige Unterhaltungsmaßnahmen,17 für die Aufgabe des Hafens oder von Teilbereichen dessen maßgebend sein.18 Ferner können in besonders gelagerten Fällen Flächeninanspruchnahmen für hafenfremde Zwecke unkritisch 13

Für Näheres vgl. Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (o. Fn. 1), Handlungsoptionen 1 und 2, S. 3, ferner S. 11 f. 14 So noch Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (o. Fn. 1), S. 44. Wegen der nachwirkenden Finanzkrise aus dem Jahre 2007 wird die prognostizierte Entwicklung wohl etwas später eintreten (sog. Delle). Zur Güterverkehrsentwicklung in Nordrhein-Westfalen im Einzelnen s. Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (o. Fn. 1), S. 28. Vgl. auch Seeverkehrsprognose 2030 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, FE-Nr. 96.980 – 2011 und das Nationale Hafenkonzept 2015, insb. S. 15 ff. 15 Aktuell wird diesem Aspekt von den Interessenvertretern wieder verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt. Mit der Problematik ist nicht mehr allein die Fachebene befasst. Mittlerweile wurde sie in verschiedener Weise an die Politik herangetragen. Lösungsansätze zeichnen sich noch nicht ab. Vgl. dazu auch Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (o. Fn. 1), Handlungsoption 28, S. 24. S. zur Thematik bereits S. Schlacke, Hochwasser- und Naturschutz bei der Umnutzung von Hafenflächen, ZUR 2013, 666 ff. und W. Erbguth/M. Schubert, Rechtsfragen der Errichtung der Erweiterung von Binnenhäfen. Unter Berücksichtigung städtebaulicher Nutzungsinteressen an Hafenflächen, 2001, S. 142 ff. 16 S. hierzu die Orientierungshilfe des (damaligen) Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (MWEBMV) „Binnenhäfen im Spannungsfeld konkurrierender Nutzungsinteressen“, 2001, eine Untersuchung der Planco GmbH, des ILS unter Zugrundelegung des Gutachtens von W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 15). 17 Z. B. Kosten zur Beseitigung einer Versandung. 18 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 23/15; OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15 (Friedrichkoog).

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sein. So kommt im exponiert den Flächenschutz thematisierenden nordrhein-westfälischen Hafenkonzept 2016 gleichzeitig zum Ausdruck, dass Flächen aus der Nutzung für spezifische Hafenaktivitäten ausscheiden können, wenn Grundstücke innerhalb des Hafens nicht mehr der ursprünglich bestimmten Nutzung dienen und eine Hafennutzung auch in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist.19 In die gleiche Richtung weist der im Jahre 2016 neugefasste Landesentwicklungsplan (LEP) des Landes, in dem sich ein als Ziel festgesetzter, gesteigerter Flächenschutz für Hafenbereiche findet, der nicht um seiner selbst willen in jedem Falle Anspruch erhebt.20 In Nordrhein-Westfalen geht die Einziehung der in kommunaler Trägerschaft stehenden Häfen häufig auf das Bemühen der Entscheider in den Kommunen zurück, zur Lösung des gegenwärtig herrschenden Wohnraumproblems geeignete Flächen für den Wohnungsbau zu erhalten; auch die Gewinnung weiteren Gewerbe- bzw. Büroraums ist oft handlungsleitend.21 Wenn auch die derzeitig angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt für die Entscheidungsträger im Vordergrund steht und die Situation zusätzlich befeuert, zeichnen sich noch andere Motive für die – zunehmende – Inanspruchnahme von Hafenflächen ab, die nicht lediglich temporären, streng bedarfsmotivierten Charakter aufweisen. Denn es erhärtet sich der Eindruck, dass sich Verantwortliche in den Kommunen eher mit städtebaulichen (Leuchtturm) 19 Angelegt ist dieser Aspekt bereits in der Orientierungshilfe des MWEBWV (o. Fn. 16), insb. S. 9. Im Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept des Landes Nordrhein-Westfalen 2016 (o. Fn. 1) ergibt sich dies daraus, dass Flächensicherungsmaßnahmen, wie sie in den Handlungsoptionen 1 bis 4 konturiert sind, nur in den auch dort beschriebenen Bedarfsfällen erfolgen sollen. Ausdrücklich kommt in der in Option 4 umrissenen Situation herannahender Wohn- und Gewerbeentwicklung die Abweichung vom genannten Grundsatz durch Aufnahme einer Ausnahmesituation zum Ausdruck (wenn auch mit einer Kompensationsvorgabe). 20 S. dort Ziel 8.1 – 9. Es ist beabsichtigt, die derzeitige Differenzierung zwischen landesbedeutsamen und nicht landesbedeutsamen Häfen faktisch aufzuheben, dass Letztere den gleichen Schutzstatus dadurch erhalten, indem die Regionalplanung und kommunale Bauleitplanung dort, wo es erforderlich ist, auch weitere Häfen „vor heranrückenden Nutzungen schützen“ kann (Erläuterungen zu Ziel 8.1 – 9). Das Verfahren, das auch andere Änderungen zum Gegenstand hat, ist noch nicht abgeschlossen. 21 Nach vorliegendem Kenntnisstand ist dies ein entscheidendes Motiv für die beabsichtigte Aufgabe des Hafengeländes in Köln-Deutz. Ab 2021 soll eine „Städtebauliche Neuordnung“ erfolgen. Der Bereich soll in ein Wohn- und Büroquartier umgestaltet werden. Auch in Düsseldorf zeichnen sich in bestimmten Bereichen des Hafens derartige Vorstellungen ab. Dort bestehen Planungen zur Ansiedlung von Gewerbe sowie zu Geschäfts- und Wohnnutzungen. Vornehmlich Bürogebäude, Hotels und Wohnungen sollen das Stadtbild im ehemaligen, durch Hafenaktivitäten gekennzeichneten Gelände künftig prägen. Wenn diese Vorhaben von Seiten der Stadt als „Neubelebung“ bezeichnet werden, kann dies nur aus städtebaulicher Sicht gemeint sein. Eine „Belebung“ durch unterstützte Ansiedlung oder Entwicklung von hafenaffinem Gewerbe scheint nicht im Blick zu sein. Hafenansässige Unternehmen fürchten daher Einschränkungen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Um eine Art Interessenausgleich zwischen allen Betroffenen zu erzielen, wurden „Hafenvereinbarungen“ geschlossen, deren rechtliche Bindungs- und damit Wirkkraft – jedenfalls mit Blick auf die verfahrensführenden bzw. beteiligten staatlichen Stellen – äußerst begrenzt, doch deren politische Bedeutung unverkennbar ist. Dem kann hier aus Raumgründen nicht weiter nachgegangen werden.

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Projekten schmücken,22 als Industrie- und Gewerbeaktivitäten sowie Logistik auf dem Hafengelände unterstützen zu wollen, zumal die von Letzteren regelmäßig ausgehenden Emissionen und Verkehre oft auf Widerstand in der betroffenen Bevölkerung stoßen. Mehr oder weniger streben Großstädte im Wettbewerb der Metropolen „Premiumansiedlungen“ mit attraktiven Bürogebäuden am Wasser an.23 Viele Kommunen wollen auf ihren wertvollen Flächen aber auch deshalb keine Logistikansiedlungen, da sie die Logistik mit hohem Flächenverbrauch und vergleichsweise geringen Arbeitsplatzeffekten in Verbindung bringen.24 Es ergibt sich ein problematisches, hier nicht zu vertiefendes Spannungsfeld,25 in dessen Auflösung am Ende meist der Hafen verliert.

II. Einziehung von Hafenbereichen 1. Jüngere Judikatur Dass speziell die Einziehung von Häfen oder Hafenbereichen mit der zuvor skizzierten Problemlage auch in rechtlicher Hinsicht einen Bedeutungszuwachs erfährt, zeigen jüngere – richtungsweisende – Entscheidungen der schleswig-holsteinischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Landeshafen Friedrichskoog26 und die diese aufgreifenden Schrifttumsbeiträge.27 Anlass zur rechtswissenschaftlichen Befassung mit Teilaspekten der mit der Entwidmung aufgeworfenen Fragen gaben aber bereits die Anfang 2013 politisch28 heftig umstrittenen, in Bremen einfachgesetzlich umgesetzten Vorgaben zum Transport 22

Prägnant und treffend zum Nutzungskonflikt zwischen Hafenwirtschaft und städtebaulichen Begehrlichkeiten S. Schlacke, ZUR 2013, 666 unter A. und W. Erbguth/M. Schubert (o. Fn. 15), S. 19. 23 S. auch W. Erbguth im Vorwort der in der ZUR 2013, 641 ff. veröffentlichten schriftlichen Fassungen der Vorträge der Referenten auf dem am 19. 9. 2013 veranstalteten Düsseldorfer Hafenrechtstag. Die Autoren hatten sich unter verschiedenen rechtlichen Blickwinkeln der Vielzahl noch ungeklärter Problemlagen gewidmet. 24 In einigen Kommunen scheint sich hier aber ein Umdenken abzuzeichnen. Es wurde erkannt, dass die Logistikbranche eine wichtige Funktion als Teil der Wertschöpfungskette für Industrie und Handel hat, sodass eine pauschale Einschätzung bei einer Neuansiedlung einer exakten Analyse der Verhältnisse vor Ort weichen sollte, vgl. dazu jüngst auch den Hauptgeschäftsführer der IHK Mittler Niederrhein J. Steinmetz, NGZ v. 5. 10. 2018, Extra-Beilage. 25 S. eingehend MWEBWV (o. Fn. 16), insb. S. 6 ff. 26 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 23/15; OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15; s. auch BVerwG, Beschl. v. 6. 4. 2017 – 7 B 10/16 (Nichtzulassungsbeschwerde); Vorinstanz VG SH, Urt. v. 19. 5. 2015 – 3 A 165/14. 27 B. Kümper, Neues vom Recht der öffentlichen Sachen?, DÖV 2017, 179 ff. und B. Jüdes/ T. Mohr, Entwidmung und Umwidmung von Deichen, NordÖR 2018, 319 f. 28 Vgl. Ausschussbericht Bremische Bürgerschaft, LT-Drs. 18/197 zu LT-Drs. 18/96 und LT-Drs. 187108 v. 16. 1. 2012; zuvor LT-Drs. 18/96 v. 2. 11. 2011. In NRW wurde die Diskussion deshalb nicht virulent, da nach belastbaren Auskünften der öffentlichen Häfen keine Atomtransporte bzw. -umschläge stattfanden.

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bzw. Umschlag von Kernbrennstoffen in Häfen.29 Das Verwaltungsgericht Bremen30 hat das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob die streitbefangene Regelung mit Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 14 GG und dem Grundsatz der Bundestreue vereinbar ist. Belastbaren Informationen zufolge ist in nächster Zeit nicht mit einer Entscheidung zu rechnen. Wichtige Fragestellungen werden daher – wenn überhaupt – in Kürze keine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht erfahren. Gefestigte höchstrichterliche Judikatur oder eine als herrschend zu bezeichnende Literaturauffassung findet sich zu den hier zu behandelnden Themenfeldern (noch) nicht. Dies ist schon deshalb problematisch, da die Thematik keineswegs nur von akademischem Interesse ist, sondern die fortbestehende Rechtsunsicherheit bisweilen viele Akteure betrifft und oft weit über lokale oder regionale Aspekte hinausgreifende Auswirkungen hat. In der Praxis lässt dies eine gewisse Hilflosigkeit zurück.31 Nachfolgend soll daher versucht werden, die relevanten Problemkreise anhand eines aktuellen Falles herauszustellen, das Bewusstsein für die Thematik zu schärfen und überzeugende Lösungen zu entwickeln. 2. Beispielsfall In einer nordrhein-westfälischen Großstadt mit mehreren räumlich getrennten Hafenbereichen hat ein Hochwasserereignis in einem 1898 errichteten Hafenteil die Festmacheinrichtungen auf der Kaimauer herausgerissen. Seitdem steht der in einem städtebaulich attraktiven Umfeld gelegene Liegestandort nicht mit seinen früheren Möglichkeiten zur Verfügung. Die – in kommunaler Anteilseignerschaft stehende – Hafengesellschaft hat (zunächst) ein Festmachverbot verhängt und die Anlegepoller entfernt. Die ursprüngliche Ausgestaltung der Liegestelle ist aus technischen Gründen nicht mehr herstellbar. Ein Festmachen unmittelbar an der Kaimauer, dort an Ringen und Poller, wird daher nicht mehr angestrebt, sondern nur eine sog. Dalbenlösung. Dazu werden Stahlrohre im Abstand von ca. 35 m in das Flussbett getrieben, an denen festgemacht werden kann. Um den Landgang zu ermöglichen, soll zudem ein Übergang mit Treppenabgang geschaffen werden. Die Dalben würden 29 BremerStGH, Urt. v. 12. 4. 2013 – St 1/12 mit abweichender Meinung, BeckRS 2013, 53208; VG Bremen, Beschl. v. 9. 7. 2015 – 5 K 171/13; R. Lagoni, Atomtransporte im Hafen, Stellungnahme zum Thema: „Hamburger Hafen für Atomtransporte sperren!“, NordÖR 2012, 335 ff.; R. Kuhlenkampff/S. Ripke, Gutachten zu der Frage, ob die Durchführung von Atomtransporten auf dem Gebiet des Landes Bremen in rechtlich zulässiger Weise unterbunden werden kann, Gutachten Göhmann v. 22. 2. 2011; H. Gaßner/K.-M. Groth/A. Sander, Rechtliche Handlungsoptionen zur partiellen Sperrung der Bremischen Häfen für den Umschlag von Kernbrennstoffen, Gutachten v. 27. 10. 2011. 30 VG Bremen, Beschl. v. 9. 7. 2015 – 5 K 171/13. 31 Verwaltungsgespräche mit Vertretern der Bezirksregierungen vermitteln diesen Eindruck, wenn sie bei sich als komplex erweisenden Teilentwidmungen Zurückhaltung zeigen, die sich bei Folgeänderungen der Hafenverordnung fortsetzt.

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über die Höhe der bisherigen Kaimauer hinausragen. Um wieder einen sicheren Landgang zu ermöglichen, müsste an jeder zweiten Dalbe ein Steg angebracht werden, der wiederum auf der Kaimauer aufliegt (1. Variante). Pro Steg würde dabei eine Auflagefläche von ca. 1 m2 benötigt. Mittlerweile wird eine andere (Dauer)Lösung (2. Variante) favorisiert: Die Liegestelle soll von einem Amt der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) betrieben werden. Der Landgangsteg soll 20 cm vor der Kaimauer enden und nicht auf ihr aufliegen. Er ist statisch so konstruiert, dass er ohne Auflage stabil ist. Die Distanz zum Land müsste dann mit einem sog. Schleppblech überbrückt werden. Diese Varianten werden zwischen den Beteiligten, der Hafengesellschaft, der WSV und der Stadt verhandelt. In einer Vereinbarung soll u. a. festgelegt werden, wer die Maßnahme durchführt und wie sie finanzieren wird. Auch die langfristigen Zugangsrechte zur Liegestelle sollen dort geregelt werden. Grundsätzlich besteht für die Binnenschiffer auch weiterhin die Möglichkeit, im Bereich des Hafens vor Anker zu gehen, jedoch entfällt der sichere Landgang. Auch die Stromtankstellen können nicht mehr genutzt werden. Die Liegestelle ist von wesentlicher überregionaler Bedeutung, da sie das Einhalten von Lenk- und Ruhezeiten optimal ermöglicht. Die Situation und die sich dahinziehende Lösung haben bei den Binnenschiffern bereits erhebliche Proteste bis hin zu wiederholten „Hupkonzerten“ vor dem Landtag ausgelöst. Auch wegen der unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse im Hafen wird eine Vereinbarung für erforderlich gehalten. Eigentümerin der Kaimauer ist die Hafengesellschaft. Eine bis ins Jahr 2015 zwischen der WSV und der Hafengesellschaft bestehende Vereinbarung über ein Nutzungsrecht der Wasserfläche („Pachtvertrag“) wurde nicht mehr verlängert. Zudem wurde im Rahmen der Umgestaltung des Hafens ein „Erschließungsvertrag“ geschlossen, in dem sich die Hafengesellschaft verpflichtet, die Kaimauer zeitnah an die Stadt zu veräußern und zu übertragen. Den landseitigen Bereich hatte die Bezirksregierung im Jahre 2001 als Hafenbereich und damit aus den in der Hafenverordnung beschriebenen Umgrenzungen herausgenommen. Seitdem ist dort nur noch die Wasserfläche als Hafenbereich miteinbezogen. Nunmehr beabsichtigt die Bezirksregierung, auch die Wasserfläche aus der Hafenverordnung herauszunehmen, weil seit 2015 kein „Pachtvertrag“ für die Wasserfläche mehr bestehe. Für die dies ablehnende Hafengesellschaft hingegen scheint maßgeblich zu sein, dass mit Herausnahme aus der Hafenverordnung auch die Möglichkeit entfällt, Hafengelder einzunehmen. Zudem scheint bei ihr die Vorstellung zu bestehen, dass die vorgesehene Herstellung einer attraktiven Liegestelle eher möglich ist, wenn die Wasserfläche als Hafenbereich gewidmet bleibt.

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III. Problemkreise 1. Untersuchungsrahmen/Eingrenzungen Aus der Vielzahl der sich aus diesem – bewusst zur Verdeutlichung der Komplexität ausführlich geschilderten – Fall ergebenden Fragenkreise konzentrieren sich die nachstehenden Darstellungen allein auf die, die sich um die rechtlichen Anforderungen für die Einziehung von Hafenbereichen ranken. Jedoch muss auch hierbei eine Schwerpunktsetzung dahin erfolgen, dass eine komplette Falllösung nicht beabsichtigt ist; sie würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Einzelne im Zuge von Einziehungen relevante Aspekte werden daher in bewusster Abwandlung des Ausgangsfalles32 behandelt. Der Bezug zum Fall wird aber wieder durch stichwortartige Hinweise auf dortige Problemlagen hergestellt. Die nachfolgenden Ausführungen sind somit nur als an den Beispielsfall angelehnt zu verstehen. Auszugrenzen sind von Vornherein zivilrechtliche Problemfelder;33 andere die Thematik berührende Aspekte werden vereinzelt und nur schlagschlichtartig behandelt. Damit ist nur am Rande der Frage nachzugehen, ob und ggf. unter Beachtung welcher Vorgaben die Bezirksregierung den zuerst aus der Hafenverordnung ausgenommenen Hafenbereich einziehen durfte. Im Mittelpunkt des Interesses steht hingegen, wie bei der nun beabsichtigten Einziehung der Wasserfläche vorzugehen bzw. was in ähnlich gelagerten Fällen zu beachten ist. Entsprechend sind die Sachverhaltskomplexe aufzufächern. a) Rechtskreise Voranzustellen ist zunächst, dass der im Straßenrecht34 gebrauchte und bereits im Titel des Beitrags verwandte Begriff der „Einziehung“ inhaltlich dem der „Entwidmung“ entspricht.35 Damit ist die im Folgenden zu behandelnde Thematik dem Recht der öffentlichen Sachen zuzuordnen, ein Rechtsgebiet, das trotz beachtlicher Ab32 Um keinen Anlass zur Erörterung weiterer, komplexer Problemkreise zu geben, die etwa aus der besonderen Konstellation allein des Hafengebildes folgen können, soll z. B. zur Vereinfachung und Konzentration der Darstellung hier angenommen werden, dass es sich nicht um einen Strom- oder Längs- bzw. Parallelhafen handelt, sondern um einen Hafen, der von der Wasserstraße klar getrennt ist, mit dem Strom also keine Einheit bildet. Vgl. zu den relevanten Kompetenzfragen und das Land betreffende Differenzierungen über das öffentliche Sachenrecht hinaus etwa R. Sußner, Das Verwaltungsrecht der Binnenhäfen in der Bundesrepublik Deutschland, Schriften zum Recht der öffentlichen Einrichtungen, Bd. 281, 1975, S. 33 ff.; S. Petersen, Küstenrecht, 1. Aufl. 1998, Rn. 343; S. Kreuter, Die Befugnisse des Bundes zur Verwaltung der Wasserstraßen in Deutschland, 2014, S. 119 f. 33 Politische Aspekte, zu denen der Fall Anlass gab, können ohnehin nicht Gegenstand der Abhandlung sein. 34 Vgl. etwa § 7 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG). 35 Vgl. nur H.-J. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 55 f. m.w.N. und W. Erbguth, Ausgewählte Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VR 1981, 152 (157).

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handlungen36 weiterer wissenschaftlicher Durchdringung bedarf und wegen seiner praktischen Relevanz größere Aufmerksamkeit als bisher verdient.37 Gleiches gilt für das Hafenrecht,38 aus dessen Blickwinkel man sich auch der Entwidmung als wichtigem Teilaspekt dieses Bereichs hätte nähern können.

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E. Pappermann/R.-P. Löhr/W. Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987; H.-J. Papier (o. Fn. 35); H.-J. Papier/W. Durner, Recht der öffentlichen Sachen, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, §§ 38 – 40, S. 816 – 850; P. Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen, 1994; U. Stelkens, Das Recht der Öffentlichen Sachen: Allgemeines Verwaltungsrecht, Besonderes Verwaltungsrecht, Trümmerhaufen – oder was?, Die Verwaltung 46 (2013), 493 ff.; M. Kment/N. Weber, Recht der öffentlichen Sachen, JA 2013, 119 ff.; W. Erbguth, Ausgewählte Probleme des öffentlichen Sachenrechts, VR 1981, 110 ff., 152 ff., 191 ff., 253 ff., 300 ff., 339 ff.; ders., VR 1982, 14 ff., 42 ff. (Fortsetzungsreihe mit 8 Beiträgen); W. Erbguth/J. Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht, Teil 2, 2. Aufl. 1987 (Schriftenreihe Verwaltungsrecht in Praxis und Wissenschaft, Bd. 2); W. Erbguth/A. Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, §§ 30 – 35 (Recht der öffentlichen Sachen); H.-J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., 8. Teil, §§ 74 – 78. 37 S. bereits W. Erbguth, VR 1981, 110: „[…] fehlt immer noch eine klare systematische Abgrenzung seines Inhalts. Die weiter bestehenden Unsicherheiten […]“. An diesem Befund hat sich bis heute nichts Entscheidendes geändert, s. dazu etwa B. Kümper, DÖV 2017, 179: „Schattendasein“, das „vergleichsweise geringe publizistische Interesse steht in eigentümlichen Kontrast zu der überregionalen Bedeutung, welche die öffentlichen Sachen […] für ein Gemeinwesen haben.“ Allgemein halten H.-J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 74 Rn. 3 fest, dass das Recht der öffentlichen Sachen sich aufgrund der Vielfalt der zu regelnden Sachverhalte aus allgemeinen Grundsätzen und Spezialregelungen zusammensetzt, „so dass die Systematik des Rechtsgebiets in Frage gestellt werden kann.“ D. Ehlers, Das öffentliche Sachenrecht – Ein Trümmerhaufen, NWVBl. 1993, 327 ff. spricht bereits im Titel von einem „Trümmerhaufen“. 38 Vgl. S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 526: „[…] fehlt bis heute jegliche umfassende Darstellung des Hafenrechts als Teil des Öffentlichen Sachenrechts.“ Eine mangelnde Befassung mit dem Hafenrecht beklagt auch K. F. Gärditz, NVwZ 2014, 1503 in einer Besprechung eines Werks zum Besonderen Verwaltungsrecht (Bd. 1 Öffentliches Wirtschaftsrecht): „[…] wobei das Wasserstraßen- und Hafenrecht trotz seiner gewaltigen ökonomischen Bedeutung leider ausgeklammert wird.“ Im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Verkehrsträgers Wasser in den multimodalen Güterumschlag stellt denn auch St. Gerstner, Der Zugang zu Hafenbahnen und Umschlageinrichtungen in Häfen, NuR 2014, 215, 216 fest, „dass die regulatorische Diskussion bisher an den Häfen und den dort befindlichen Schnittstellen zum Verkehrsträger Wasser weitgehend vorbeilief“. Einen Überblick über die (spärliche) Literatur speziell zum Binnenhafenrecht findet sich bei H.-M. Müller, UPR 2015, 453. Ob die Bezeichnung „Hafenrecht“ überhaupt tunlich ist, scheint bereits deshalb fraglich, weil damit assoziiert werden könnte, dass es ein einheitlich, in einer zentralen Kodifikation geregeltes Recht in Nordrhein-Westfalen gibt, dies trotz Anlagenvielfalt (Hafenbecken, Kaimauer, Umschlaganlagen, Hallen, Container-, Wechselbrücken, Verwaltungs-Aufenthaltsräume, Serviceeinrichtungen, Lager- und Gefahrgutflächen), Schienenwegen und Hafenstraßen. Das für einen Hafen geltende Recht, eben im Wesentlichen eigenständiges Sonderrecht (wie z. B. die AHVO, HaSiG), findet sich nur in wenigen Regelwerken. Daneben gilt eine Vielzahl von nicht speziell für Häfen erlassenen Vorschriften, inkl. der ohnehin geltenden allgemeinen Gesetze. Auch hafenbezogenes EU-Recht und transformiertes Völkerrecht als im Hafen geltendes Recht hat, auch wenn es begrifflich nicht zum Hafenrecht gehört, für den Gesamtkomplex „Hafen“ große Bedeutung, vgl. R. Lagoni, Hafen-

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An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass sich der Jubilar, dem die Festschrift zugedacht ist, mit beiden Rechtskreisen intensiv befasst und sich durch seine grundlegenden Schriften auch hier einen Namen als ausgewiesener Fachmann gemacht hat. Als geschäftsführender Direktor des Ostseeinstituts für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht beschäftigte er sich – als einer der wenigen Wissenschaftler – verdienstvoll viele Jahre mit dem Wasser-, Hafen- und Seerecht sowie der Fortentwicklung dieser Rechtsbereiche. Allein die als Nachweise in diesem Beitrag herangezogenen Abhandlungen Prof. Dr. Erbguths geben beredtes Zeugnis dafür ab. Seine von der Praxis geschätzte Expertise wird durch deren vielfältige Bitten um Rat eindrucksvoll attestiert. Obwohl wegen fortbestehender Unschärfen, Unstimmigkeiten, ungelöster oder bereits im Grundsatz kontrovers beurteilter Aspekte und einem „Defizit an theoretischer und dogmatischer Erschließung“39 immer noch die Feststellung Axers aus dem Jahre 1993 ihre Berechtigung hat, dass der „deutschen Wissenschaft und Praxis die Lösung konkreter Probleme auf der Grundlage der für die rechtliche Behandlung öffentlicher Sachen entwickelten Theorien erhebliche Schwierigkeiten“ bereitet,40 soll sich dem gestellt und Lösungsansätze vorgestellt bzw. zur Diskussion gestellt werden. Nicht Gegenstand dieser Abhandlung sind schließlich die sog. Privat-,41 Bundesund Seehäfen. Die dort zu beachtenden Besonderheiten verdienen gesondert beleuchtet zu werden. Geboten ist hier eine nähere Auseinandersetzung mit öffentlichen, in kommunaler Trägerschaft stehenden Häfen, freilich mit einzelnen Hinweisen auf sich daraus ergebende Erkenntnisse für sog. Landeshäfen. b) Fragenkreise Im solchermaßen beschränkten Beitrag ist die zuvor aufgeworfene, allgemeine Fallfrage nach der rechtmäßigen Vorgehensweise der Bezirksregierung weiter zu untergliedern, um sich der Problematik systematisch zu nähern. Vorausgesetzt, man folgt dem Ausgangspunkt, dass die Erörterung des Sachverhalts auf der Ebene des Rechts der öffentlichen Sachen erfolgt, genauer sich auf Fragen der (Ent)Widmung

recht, in: Hoffmann-Riem/Koch (Hrsg.), Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2006, S. 445, 447. 39 P. Axer (o. Fn. 36), Einleitung unter Hinweis auf L. K. Adamowitsch/B.-C. Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1987, S. 224. 40 P. Axer (o. Fn. 36), Einleitung, S. 17. 41 Zum Begriffsinhalt s. nur S. Stein, Logistikpark Binnenhafen: Eine Variante zur Optimierung der Zukunftsfähigkeit von binnenländischen Hafenstandorten?, in: Juchelka (Hrsg.), Geographie in der Praxis, Bd. 5. Zwar sind 95 der insgesamt 118 Binnenhäfen in NordrheinWestfalen sog. Privathäfen bzw. „nichtöffentliche“ Umschlagstellen. Doch erfolgt in den 23 öffentlichen Häfen etwa die Hälfte des Binnenschifffahrtumschlags, vgl. Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept 2016, S. 40.

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fokussieren muss,42 ist im Zuge der Untersuchung der dort verorteten Vorgaben u. a. zu klären, welche besonderen verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu beachten sind, ob für die Entwidmung eine gesonderte Rechtsgrundlage besteht, ggf. worauf sie sonst gestützt wird, wer dazu berechtigt ist, ob und wann sie ausgeschlossen wird bzw. die Aufrechterhaltung der Hafenbestimmung geboten ist. So wird sich ein – wenn auch nicht kompletter – Prüfkanon entwickeln lassen, der vor allem den mit den Problemen zunehmend befassten Stellen in der Praxis mindestens eine Orientierungshilfe für die in Rede stehenden komplexen Fälle bietet. 2. Actus contrarius Soweit die Entwidmung lediglich einen bestimmten Hafenbereich betrifft, liegt eine Teilentwidmung43 vor. So wäre auch im Beispielsfall eine Einziehung des – von anderen Hafenbereichen räumlich getrennten – Hafenteils als Teilentwidmung zu qualifizieren. Fraglich ist allerdings, ob allein durch die Herausnahme des Hafenbereichs aus der Hafenverordnung ein solcher Entwidmungsakt gesehen werden kann. Damit befindet man sich bereits in schwierigem Fahrwasser. Denn anders als im Straßenrecht44 enthält das hier z. B. in Betracht zu nehmende nordrhein-westfälische Landeswassergesetz45 keine Regelung mit Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen über die Einziehung von Häfen oder deren Teilbereiche. Eine analoge Anwendung der Einziehungsvorschriften aus dem Straßenrecht wird überwiegend, jüngst explizit auch von der angeführten Rechtsprechung,46 zutreffend abgelehnt. Es bestehe keine planwidrige „Unvollständigkeit des Gesetzes“.47 Eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Einziehung des Hafens ergäbe sich aus der öffentlichen Sachherrschaft. Die Entwidmung könne nach den allgemeinen, gewohnheitsrechtlich begründeten Grundsätzen des Rechts der öffentlichen Sachen erfolgen, nach denen der „Widmungsumfang einer Sache verändert, erweitert oder reduziert und auch beseitigt werden“ könne. Die öffentliche Zweckbestimmung durch Widmung könne durch 42 Evtl. aufzuwerfende Fragenkreise auf anderen Ebenen, etwa des Planungsrechts, bleiben bis auf einen Ansatz außer Betracht. Vgl. dazu A. Hofmeister, Bauleitplanung auf Flächen für privilegierte Vorhaben der Fachplanung, Schriftenreihe zum Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Bd. 3, 2004, S. 125 ff. Einer vertieften Untersuchung sollte zudem die hier nicht (weiter) hinterfragte Frage vorbehalten bleiben, ob das öffentliche Sachenrecht überhaupt den richtigen Weg zur Lösung weisen kann bzw. ob die Widmungslage bei der Anlagenvielfalt und evtl. unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen vor allem hinsichtlich (noch) nicht (hafenbezogen) genutzten Grundstücken in Häfen nicht differenzierter gesehen werden müsste, vgl. hierzu auch OVG Münster, Beschl. v. 29. 2. 2012 – 14 B 117/12, BeckRS 2012, 48668. 43 Der Rechtsstatus des Gesamthafens wird dabei nicht völlig aufgehoben, vielmehr wird der öffentlich-rechtliche Charakter des Hafens bzw. dessen durch Widmung zuvor festgelegte Zweckbestimmung nur teilweise beendet, vgl. W. Erbguth, VR 1981, 152 (157). 44 S. etwa § 7 StrWG NRW, § 8 StrWG SchH. 45 Wie andere Landeswassergesetze auch. 46 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 77 (Friedrichskoog); H.-J. Papier (o. Fn. 35), S. 56. 47 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 77.

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einen entsprechenden Rechtsakt wieder aufgehoben werden (actus contrarius).48 Erfolgt der Rechtsakt, endet damit der öffentlich-rechtliche Sonderstatus.49 Diese Rechtsauffassung ist nicht unwidersprochen geblieben, und es ist versucht worden, „die spezialgesetzlich nicht geregelte Hafeneinziehung ins Verhältnis der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Dogmatik zu setzen“.50 Das OVG SchleswigHolstein (Friedrichskoog) hat sich mit einigen der auch im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts51 vorgebrachten Argumente auseinandergesetzt, die vorgeschlagenen Regelungen jedoch als Rechtsgrundlage für die Entwidmung verworfen.52 An dieser Stelle sollen die durchaus diskussionswürdigen Aspekte53 nicht im Einzelnen nachvollzogen und bewertet,54 sondern lediglich auf die Aufhebungsvorschriften (§§ 48 ff. VwVfG) hingewiesen werden,55 deren Anwendung das Oberverwaltungsgericht im Fall Friedrichskoog insbesondere deshalb verneint, weil sie auf die Entwidmung nicht zugeschnitten seien.56 Da – so das Gericht – die Notwendigkeit einer Widmung auf ungeschriebene Grundsätze des Rechts der öffentlichen Sachen zu stützen sei, müsse in denselben gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen auch die Grundlage für die Entwidmung gesehen werden.57 Wenn damit die Entwidmung einer Hafenfläche nicht daran scheitert, weil sie nicht auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden könnte, so ist nunmehr mit Blick auf das (beabsichtigte) Vorgehen der Bezirksregierung der Frage nachzugehen, wie bzw. in welcher Rechtsform der actus contrarius rechtmäßig zu ergehen hat. Denn die öffentliche Zweckbestimmung des Hafenbereichs – noch offen, ob alles 48 So OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 75 m.w.N. und Rn. 81. In diesem Sinne bereits H.-J. Papier (o. Fn. 35), S. 56; H.-J. Papier/W. Durner (o. Fn. 36), § 40 Rn. 28, S. 845; s. auch E. Pappermann/R.-P. Löhr/W. Andriske (o. Fn. 36), S. 42 speziell zu Straßen. 49 S. nur W. Erbguth/A. Guckelberger (o. Fn. 36), § 30 Rn. 14, S. 523; W. Erbguth, VR 1981, 152 (157). 50 So von B. Kümper, DÖV 2017, 179 (180). 51 Urt. v. 19. 5. 2015 – 3 A 165/14, juris. 52 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 75 ff. 53 Dazu zählt auch die Frage, ob die Hafeneinziehung als Planungsentscheidung zu qualifizieren ist, ungeachtet eines fehlenden Planfeststellungsvorbehalts. B. Kümper, DÖV 2017, 179 (184 ff.) hält entgegen dem OVG das Entwidmungsermessen für Planungsermessen und führt aus, dass er mit dieser Auffassung damit auf der Linie des Bundesverwaltungsgerichts liege, das in den letzten Jahren immer mehr raumwirksame Entscheidungen als Planungsakte qualifiziert habe. Das Gericht habe Mindestanforderungen entwickelt, denen jede staatliche Entscheidung genügen müsse. Unter Rückgriff auf das Rechtsstaatsprinzip und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müsse jede Planung das Gebot gerechter Abwägung öffentlicher und privater Belange beachten, was unabhängig von einer fachgesetzlichen Regelung gelte. 54 Eine eingehende Auseinandersetzung findet sich bei B. Kümper, DÖV 2017, 179 ff. 55 Vgl. auch P. Axer (o. Fn. 36), S. 87. 56 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 80. 57 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 80; a. A. B. Kümper, DÖV 2017, 179 (insb. 184), der die Entwidmung auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG stützt.

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oder nur einzelne Anlagen – sollte durch Widmung erfolgt sein, die „durch einen entsprechenden Rechtsakt wieder aufgehoben werden kann“.58 Der actus contrarius als aufhebender Akt hat dieselbe Rechtsnatur wie der ursprüngliche Rechtsakt und muss sich mindestens auf derselben Normhöhe bewegen.59 Da somit mit Rücksicht auf die von der Bezirksregierung zur Bereichsfestlegung gewählte (ordnungsbehördliche) Verordnung geklärt werden muss, welcher „Gegenakt“ rechtmäßig die Aufhebung bewirken kann, ist zunächst der Widmungsakt zu identifizieren. Denn die Entwidmung bildet den actus contrarius zur Widmung. 3. Widmung Konkret will die Bezirksregierung zum Zwecke der Entwidmung auf die Hafenverordnung60 zurückgreifen und aus den dort festgelegten Hafenumgrenzungen (§ 1 Abs. 2 i.V.m. der darauf verweisenden Anlage) die betreffende Hafenfläche ausnehmen. Mit der Hafenverordnung soll offenbar der actus contrarius, also die Aufhebung der Widmung, erfolgen, was wiederum bei streng formaler Betrachtung voraussetzen könnte, dass mit dieser Verordnung auch die Widmung des jeweiligen Hafenbereichs erfolgt oder sogar seinerzeit tatsächlich erfolgt ist. Widmungen können in verschiedener Weise, auch schlüssig, vorgenommen werden und sind z. T. in den einzelnen Rechtsbereichen auch entsprechend unterschiedlich geregelt.61 Sie können damit auch durch (ordnungsbehördliche) Verordnung ergehen.62 Allerdings kann heute – trotz intensiver Recherchen im Archiv – nicht mehr nachvollzogen werden, ob und wie bzw. in welcher Form seinerzeit der Widmungsakt in dem in Rede stehenden Hafenbereich vorgenommen wurde, vermutlich aber nicht durch eine Hafenverordnung, deren Erlass erst in jüngerer Zeit üblich ist. Auch wenn sich die damalige Widmungshandlung zum Zeitpunkt der Einziehung nicht mehr nachweisen lässt, ist eine solche zu vermuten. Allein die (nach Indienststellung) unbestrittene tatsächliche und unwidersprochene Nutzung des Hafenbereichs zu spezifischen Hafenzwecken lässt jedenfalls einen Widmungsakt annehmen, wenn auch offenbleibt, in welcher Weise bzw. Form er erfolgt ist.63 Somit wird sich 58

OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 80. F. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 83. EL April 2018, Art. 84 Rn. 75. 60 Vgl. z. B. die „Ordnungsbehördliche Verordnung über das Verhalten in den Häfen im Regierungsbezirk Köln – Hafenverordnung (HVO)“ vom 29. 10. 2001, Amtsblatt für den Regierungsbezirk Köln, 181. Jahrgang, Nr. 45 v. 5. 11. 2001 – G 1294 B. Diese Verordnung erging aufgrund § 37 Abs. 3 Landeswassergesetz NRW (jetzt § 118 Abs. 2 Nr. 2), § 29 Allgemeine Hafenverordnung und § 27 i.V.m. § 35 OBG. 61 Allgemeine Meinung, s. nur OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 74 m.w.N.; W. Erbguth, VR 1981, 110 (113). 62 S. nur H.-J. Papier (o. Fn. 35), S. 39 f. Offen bleiben mag hier, ob Widmungen Gegenstand einer ordnungsbehördlichen Verordnung sein sollten. 63 S. H.-J. Papier (o. Fn. 35), S. 39 f. für den Bereich der Straßen. 59

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auch die damalige räumlich gegenständliche Reichweite der durch Widmung bewirkten Zweckbestimmung bis auf den Hafenkern heute so leicht nicht mehr bestimmen lassen. Im Übrigen enthalten selbst die heute geltenden Hafenverordnungen in Nordrhein-Westfalen nicht alle an sich für einen Widmungsinhalt vorauszusetzenden Regelungsgehalte, etwa keine (ausdrückliche)64 Bestimmung des Zwecks bzw. der Sachnutzung, wiewohl die Widmung auch und gerade den Zweck des öffentlichen Hafens festlegen soll. Da die Hafenteile bzw. Anlagen ursprünglich – in ihrer Gesamtheit – dem Umschlag dienten und auch Liegemöglichkeiten boten, ist von einer Gesamtwidmung ohne Beschränkungen (Universalhafen?) auszugehen. Der für die Entwidmung geforderte actus contrarius, hier dessen Gestalt bzw. Rechtsform, kann sich in Ansehung der häufig vorkommenden Unauffindbarkeit jedoch nicht auf den früheren Rechtsakt beziehen. Vielmehr ist darauf abzustellen, wie zum Zeitpunkt der Einziehung rechtmäßig gewidmet und damit entsprechend entwidmet wird, mithin ist die jeweils im geltenden Recht vorgesehene Art und Weise der Widmung und damit die Rechtsform bzw. der Rechtsakt entscheidend.65 Ob im vorliegenden Fall aber die Bezirksregierung die Entwidmung von Hafenbereichen durch die als Widmungsinstrument angesehenen Hafenverordnung bewirken kann, ist aber von der im Folgenden versuchten Antwort auf die – vorgängige – Frage abhängig, wer hätte widmen dürfen (Widmungsberechtigung) und darauf ggf. mit welchem Instrument. 4. Berechtigung a) Befugnis der Gemeinde bei Kommunalhäfen? Die Hafenverordnung wird in Nordrhein-Westfalen von der jeweils zuständigen Bezirksregierung erlassen. Ob diese Landesbehörde zu der mittels Verordnung bewirkten Widmung bzw. Entwidmung berechtigt ist, müsste einer Überprüfung standhalten. Erkenntnisleitend könnte dabei der Umstand sein, dass es sich bei dem im Ausgangsfall beschriebenen Hafenbereich um einen solchen handelt, der in kommunaler Trägerschaft steht; die Anteilseigner der in Form einer Aktiengesellschaft wirkenden Hafengesellschaft sind sämtlich kommunale Gebietskörperschaften oder deren Stadtwerke („Kommunalhafen“ als gemischt-öffentliches Unternehmen).66 Es handelt sich also nicht um einen vom Land oder Bund „getragenen“ Hafen. Dies legt die – im Folgenden zu überprüfende, dogmatisch einzuordnende – Annahme nahe, dass es für die Widmungsberechtigung maßgebend auf die öffentlich-recht64 Aus einigen Regelungen mancher Hafenverordnung oder einer Gesamtschau der Regelungen ließen sich jedoch Schlüsse auf den Widmungszweck (Minimalbestimmung: „Betrieb eines Hafens“) selbst ziehen. 65 Vgl. W. Erbguth, VR 1981, 110 (113) allgemein zu den Widmungsarten. 66 Näher zu den gängigen, nach der Gesellschafterstruktur differenzierten Bezeichnungen der in Privatrechtsform agierenden öffentlichen Unternehmen bzw. öffentlichen Häfen H.-M. Müller, UPR 2015, 453 (464) unter cc).

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liche Sachherrschaft hinsichtlich des zu widmenden Objekts „Hafen“ ankommt. Auf die öffentliche Sachherrschaft stellt denn auch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht ab, aus der das Gericht die Befugnis zum Erlass des actus contrarius ableitet.67 aa) Sachherrschaft und Einwirkungsmöglichkeit Die Rechtsmacht des „Sachherrn“ muss beinhalten, eine organisatorische Einheit für die einen Hafen ausmachenden Aktivitäten mit allen sich aus dem Recht der öffentlichen Sachen ergebenden Vorgaben schaffen zu können. Dieser Ansatz ist damit auf das auf die Hafengesellschaft bezogene „Machtverhältnis“ sowie die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten gerichtet. Überzeugungskraft kann dieser Ausgangspunkt also nur gewinnen, wenn der öffentliche (Hafen)Zweck und dessen räumliche Reichweite von einem Hoheitsträger bestimmt werden kann, der dies zu bewirken rechtlich in der Lage ist. Damit ist ein Akteur zu identifizieren, der über ein derartiges Sachherrschafts- und Einwirkungspotenzial verfügt, und sodann in eine rechtliche Grundlinie und möglichst in den bestehenden regulatorischen Rahmen einzupassen. Dabei ist aufgrund der Vielgestaltigkeit der öffentlichen Häfen mit unterschiedlichen Anteilseignern aus dem kommunalen oder staatlichen Sektor und den verschiedenen Wirkungskreisen – eher regional oder überregional68 – oder unterschiedlichen Binnenstrukturen – etwa Landlord mit Infrastruktureigentum bei der Hafengesellschaft und Nutzungsrechtsvergabe an Anlieger69 – zu erwarten, dass eine Differenzierung nach den Gegebenheiten indiziert ist, die jeweils andere Inhaber der Widmungsbefugnis hervorbringen kann. Die ohnehin nicht reichhaltige Rechtsprechung hat sich bisher nur vereinzelt und eher am Rande70 mit dieser Thematik befasst. Erhellende Begründungen fehlen. 67

OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 75. Große öffentliche Häfen haben einen Funktionswandel durchlaufen und sich von einem reinen Infrastrukturvorhalter zu einem Logistikakteur oder einem in verschiedener Weise auf wertschöpfende Logistik ausgerichteten Unternehmen entwickelt, was die Frage aufwirft (vgl. S. 630 f.), ob dessen Geschäftsgebaren noch eine örtliche Radizierung aufweist. Manche Häfen sind landesweit bedeutende Logistikstandorte mit weit über den Standort greifenden Aktivitäten geworden. Die gewandelten Verhältnisse müssen in den bestehenden oder geänderten Rechtsrahmen eingepasst werden, vgl. näher H.-M. Müller, UPR 2015, 453 (464) unter cc). Die damit weiter aufgeworfenen Problemkreise aus dem Gemeindewirtschaftsrecht, §§ 107 ff. GO NRW, bzw. damit ohne Friktionen in Einklang zu bringende Aussagen können und sollen in diesem Beitrag nicht erörtert werden, vgl. dazu H.-M. Müller, UPR 2015, 453 (465 ff.). 69 Es findet sich eine Vielzahl von Modellen, die sich bereits mit Blick auf die Eigentumsverhältnisse kategorisieren lassen (Eigentum der Infrastruktur bei der Kommune, bei der Hafengesellschaft oder einem privaten sog. Anlieger bzw. einem nicht in den Hafenbetrieb integrierten Dritten pp.). Früher wurden die Konstellationen unter Begriffe wie etwa das „Heilbronner Modell“ gefasst, vgl. näher Fn. 150. S. auch R. Sußner (o. Fn. 32), S. 57. 70 Im Vordergrund standen die Gesetzgebungsverhältnisse zwischen Bund und Land. 68

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Nach dem VG Bremen71 obliegt es „dem jeweiligen Hafenträger und übergeordnet dem Landesgesetzgeber den Widmungsumfang eines Hafens festzulegen. Das Recht zur Widmung eines öffentlichen Hafens beruht auf der Hoheitsgewalt desjenigen Bundeslandes, in dem sich der Hafen befindet.“ Diese Auffassung wird von der abweichenden Meinung im Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen72 geteilt. Dort heißt es, „dass Häfen öffentliche Sachen sind und es dem jeweiligen Hafenträger bzw. gegebenenfalls auch dem Landesgesetzgeber obliegt, den Widmungsumfang eines Hafens festzulegen.“ Nach beiden Judikaten kommt es grundsätzlich auf den „jeweiligen Hafenträger“73 an, der im Lichte der zuvor skizzierten Ausführungen nur der sein kann, in dessen Aufgaben-, Kompetenz- und auch Einflussbereich die Errichtung der öffentlichen Sache „Hafen“74 fällt und der ggf. öffentlich-rechtlich gründende (Ingerenz) Rechte zur Sicherung der Zweckbestimmung gegenüber der Hafengesellschaft innehat. Dies ist bei einer Hafengesellschaft mit kommunalen Gesellschaftern bzw. Anteilseignern die jeweilige Kommune. Sie und nicht die den Hafen betreibende Privatrechtsgesellschaft kann die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft ausüben und die Widmung verfügen.75 Dem steht richtiger Auffassung nach jedenfalls nicht das Fehlen einer gesetzlichen Rechtsgrundlage entgegen.76 Da mit der Widmung (auch Entwidmung) weder Rechte oder rechtlich erhebliche Vorteile zu- oder abgesprochen werden, greift die Entscheidung über das „Ob“ eines öffentlichen Hafens77 nicht unmittelbar

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Beschl. v. 9. 7. 2015 – 5 K 171/13, juris, Rn. 97. BremStGH, Urt. v. 12. 4. 2013 – St 1/12, D. Ii. 3 b). 73 Auch H.-J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 75 Rn. 13 stellen auf den Hafenträger ab: „Die Widmung kann nur vor einem Träger öffentlicher Verwaltung, dem Sachherrn, vorgenommen werden. 74 Häfen werden allgemein zu den öffentlichen Sachen gezählt, vgl. W. Erbguth, VR 1981, 110; D. Schefold/V. Specht, Rechtsprobleme eines Landeshafengesetzes, 1. Aufl. 1997, S. 34 f. m.w.N. in Fn. 105; H.-J. Papier (o. Fn. 35), S. 1 und BremStGH, Urt. v. 12. 4. 2013 – St 1/12 (abweichende Meinungen Meyer, Alexy, Schlacke unter D. II. 3.); OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 77; bereits R. Sußner (o. Fn. 32), S. 116 m.w.N. Hafenflächen will W. Erbguth, ZUR 2013, 643 (648) wohl nicht (immer) zu den öffentlichen Sachen rechnen. Die dogmatischen Hintergründe können hier aus Raumgründen nicht ausgeleuchtet werden. 75 Str., wie hier F. Ossenbühl, Rechtliche Probleme der Zulassung zu öffentlichen Stadthallen – Zur Dogmatik der Gewährung öffentlicher Leistungen, DVBl. 1973, 289 (294); vgl. zum Streitstand P. Axer (o. Fn. 36), S. 152. 76 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 85. Anders für kommunale Einrichtungen, zu denen nach überwiegender Auffassung auch die Häfen zählen, H.-J. Wolff/ O. Bachof/R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 75 Rn. 2; A. Hofreiter, Bauleitplanung auf Flächen für privilegierte Vorhaben der Fachplanung, 2004, S. 127; H.-J. Papier (o. Fn. 35), S. 13, 15; vgl. eingehend P. Axer (o. Fn. 36), S.147 ff. 77 Anders im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Hafens, s. eingehend dazu OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 85. 72

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in Grundrechte ein und ist keine wesentliche Entscheidung, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst zu treffen hätte. bb) Verfassungsrechtlicher Schutz? Die so umrissenen Handlungsbefugnisse der Kommune lassen sich auch den verfassungsrechtlich gesicherten Aufgaben und Befugnissen der Gemeinden zuordnen. So gilt als Ausschnitt aus der von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten kommunalen Selbstverwaltung auch die Organisationshoheit, die – mit anderen Hoheiten – eine Verdeutlichung der kommunalen Aufgabenwahrnehmung und Gestaltungskompetenzen darstellt.78 Die der Kommune gewährte Organisationshoheit umfasst auch die Errichtung und Aufhebung öffentlicher Einrichtungen,79 zu denen auch die öffentlichen Häfen gezählt werden.80 Denn die Häfen stellen eine Zusammenfassung personeller und sächlicher Mittel der Gemeinde dar.81 Selbst Hafenanlagen und Umschlagseinrichtungen, die gerade nicht für jedermann zugänglich sind, gehören zum Bestand der Sachgesamtheit „öffentliche Häfen“, die dazu bestimmt ist, öffentlichen Zwecken zu dienen.82 Die Einordnung als öffentliche Einrichtung hindert ferner einen allgemeinen bzw. grundsätzlichen Zugang auch von gemeindefremden Personen nicht.83 Die von der Kommune vorgehaltene Einrichtung „Hafen“ unterfällt somit dem gemeindlichen Aufgabenbestand.84 Dem, der diese Aufgaben wahrzunehmen berechtigt ist, obliegt denn auch der Erlass der (hafenrechtlichen) Widmung.85 78 So H.-G. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 14. Aufl. 2017, Art. 28 Rn. 100. 79 BVerfGE 119, 331 (362); B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 15. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 25, 29; H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 103; U. Cronauge, Kommunale Unternehmen, 6. Aufl. 2016, Rn. 23; M. Burgi, Kommunalrecht, 5. Aufl. 2015, § 17 Rn. 73 hebt hervor, dass die Befugnis, eigenverantwortlich über die Organisationsform zu entscheiden, Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie ist als Ausfluss der Eigenverantwortlichkeitsgarantie, dem zweiten Gewährleitungsgehalt des Selbstverwaltungsrechts. 80 VG Bremen, Urt. v. 9. 7. 2015 – 5 K 171/13, juris, Rn. 96 m.w.N.; s. bereits VGH BadenWürttemberg, Urt. v. 28. 4. 1997, juris, Rn. 57 ff.; jüngst OVG Lüneburg, Beschl. v. 14. 3. 2017 – 7 ME 7/17, juris, insb. Rn. 5, 9; offen gelassen vom OVG Münster, Beschl. v. 29. 9. 2012 – 14 B 117/12, BeckRS 2012, 48668; vgl. ferner R. Lagoni (o. Fn. 38), S. 445, 448; S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 533, 543 jeweils m.w.N.; R. Sußner (o. Fn. 32), S. 30. 81 Vgl. allgemein zu diesen Merkmalen für eine öffentliche Einrichtung nur M. Burgi (o. Fn. 79), § 16 Rn. 10; speziell für Häfen VG Bremen, Urt. v. 9. 7. 2015 – 5 K 171/1, juris, Rn. 96 und OVG MV, Urt. v. 26. 11. 2007 – 1 L 362/05, juris, Rn. 30. 82 Zutreffend VG Bremen, Urt. v. 9. 7. 2015 – 5 K 171/13, juris, Rn. 96. 83 OVG MV, Urt. v. 26. 11. 2007 – 1 L 362/05, juris, Rn. 30 m.w.N.; VGH Mannheim, Urt. v. 28. 4. 1997 – 1 S 2007/96, juris, Rn. 58. 84 Explizit U. Cronauge (o. Fn. 79), Rn. 1; vgl. auch P. Axer (o. Fn. 36), S. 147: freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe. 85 So S. Petersen (o. Fn. 32), in Fn. 27 zu Rn. 530; M. Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts, 1985, S. 140 ff. sieht in der Selbstverwaltungsgarantie sogar eine gesetzliche Grundlage für die Widmung.

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Die Errichtung und der Betrieb eines Hafens – als in den Wirkungskreis der Kommune fallende Aufgabe86 – lässt sich als Ermöglichung des spezifischen öffentlichen Verkehrs (Verkehrsfunktion)87 bzw. als den für Versorgung und Entsorgung (auch) der Einwohner mit Gütern notwendigen Umschlags (Versorgungsfunktion) konkretisieren.88 Bereits nach diesen Erwägungen unterfällt der solcherart beschriebene Aufgabenbereich dem Schutzbereich des Art. 28 Abs.2 Satz 1 GG. Zur Organisationshoheit der Kommunen zählt zudem die Entscheidung, ob die Aufgaben durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Formen erledigt werden sollen.89 Die Gemeinde hat sich auch im Beispielsfall von den vielfältigen Organisationsformen zur Aufgabenerledigung des Privatrechts bedient und die Aufgabenerfüllung einem dazu gegründeten oder bestehenden und von ihr beherrschten Privatrechtssubjekt, hier einer AG, übertragen, ohne dass dies grundsätzlich die Einordnung als öffentliche Einrichtung tangiert hätte.90 Diese Vorgehensweise wird als formelle Privatisierung oder Organisationsprivatisierung bezeichnet.91 Viele Kommunen haben von dieser Möglichkeit durch Gründung von Hafengesellschaften in Privatrechtsform Gebrauch gemacht, um so eine maßvolle „Entbürokratisierung“ zu erzielen.92 Damit spricht auch unter diesem Aspekt nichts gegen eine Zuordnung der Aufgabe zur Kommune; im Gegenteil: Sie ist von der Selbstverwaltungsgarantie umfasst. 86

OVG MV, Urt. v. 26. 11. 2007 – 1 L 362/05, juris, Rn. 30, 32; S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 543; von § 8 Abs. 2 GO NRW wird das gesamte Leistungsspektrum der Gemeinde umfasst, vgl. U. Cronauge (o. Fn. 79), Rn. 29. 87 So OVG MV, Urt. v. 26. 11. 2007 – 1 L 362/05, juris, Rn. 32; eingehend S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 531. 88 Auf die Verkehrs- und Umschlagfunktion stellt auch das VG Bremen, Urt. v. 9. 7. 2015 – 5 K 171/13, juris, Rn. 98, ab; eingehend zu den Zweckbestimmungen eines öffentlichen Hafens H.-M. Müller, UPR 2015, 453 (464 ff.). Dem sich aufdrängenden Problemkreis, wie sich eine eindeutig landesübergreifende Geschäftstätigkeit des Hafens – Fragen aus dem Gemeindewirtschaftsrecht, §§ 107 ff. GO NRW, ausklammernd – auswirkt, muss an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. 89 Allgemeine Meinung, s. etwa V. Mehde, in: Grundgesetz-Kommentar, 82. EL., Januar 2018, Art. 28 Rn. 65 m.w.N.; wohl auch B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 25. 90 So R. Wansleben, Praxis der Kommunalverwaltung, Landesausgabe Nordrhein-Westfalen, Loseblatt, Stand Sept. 2013, § 8 GO, 2.1.; U. Cronauge (o. Fn. 79), Rn. 2, 24, 144 m.w.N.; vgl. allgemein zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Rechtssubjekte W. Erbguth/ F. Stollmann, Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Rechtssubjekte? – Zu den Kriterien bei der Wahl der Rechtsform, DÖV 1993, 798 ff. 91 M. Burgi, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2015, § 10 Rn. 11 ff., S. 311 f. Instruktiv zur Aufgabenerfüllung in Privatrechtsformen bzw. Organisationsprivatisierung und zu den Einwirkungsrechten jüngst BVerfG, Urt. v. 7. 11. 2017 – 2 BvE 2/ 11, Rn. 219 ff. = NVwZ 2018, 51 mit Anm. v. Th. Poschmann. Vgl. dazu auch M. Burgi, Die deutsche Bahn zwischen Staat und Wirtschaft, NVwZ 2018, 601 ff.; M. Sachs, Staatsorganisationsrecht: Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs, Jus 2018, 308 ff. 92 S. dazu etwa R. Sußner (o. Fn. 32), S. 58; Häfen, die als Eigen- bzw. Regiebetriebe organisiert sind, finden sich in Nordrhein-Westfalen kaum noch, meist sind es kleinere kommunale Hafenbetriebe. Vgl. auch U. Cronauge (o. Fn. 79), Rn. 135 ff.

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Die Befugnis zur wirtschaftlichen Betätigung wird ebenfalls durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährt und gehört zur Eigenverantwortlichkeitsgarantie.93 Auch die Aufgabe, die auf einen verselbständigten Träger, ein Privatrechtssubjekt (AG), verlagert wurde, ist der kommunalen Wirtschaftsbetätigung zuzurechnen. Regelmäßig erfolgt heute die wirtschaftliche Betätigung auch nicht mehr durch die unmittelbare Gemeindeverwaltung, sondern durch eigens dazu gegründete Einheiten,94 eben auch durch eine solche, die hier in Rede steht. Diese Einheiten werden unabhängig von der Rechtsform unter das Begriffspaar „öffentliche Unternehmen“ gefasst.95 Danach kommt es – im Zusammenhang mit der Frage der Widmungsbefugnis – nach dem hier dargelegten Verständnis grundsätzlich nicht auf die Eigentumslage der zur Nutzung vertraglich überlassenen Grundstücke an.96 cc) Zwischenergebnis Entscheidend ist nach allen aufgezeigten Gesichtspunkten die der Kommune als Träger eines Kommunalhafens97 zugewiesene Sachherrschaft98 mit Einwirkungs-

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M. Burgi (o. Fn. 79), § 17 Rn. 6; St. Storr/J. Ruthig, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 689. 94 M. Burgi (o. Fn. 79), § 17 Rn. 4. 95 Statt vieler M. Burgi (o. Fn. 79), § 17 Rn. 4 und 72, der in § 17 Rn. 14 zum Verhältnis zwischen öffentlichen Einrichtungen und der kommunalen Wirtschaftsbetätigung darauf hinweist, „dass der Modus des Wirtschaftlichen typischerweise, nicht aber zwingend, beim Einsatz des Instruments „öffentliche Einrichtung“ Verwendung findet. Es gibt aber auch Einrichtungen, deren Betrieb nicht zugleich eine wirtschaftliche Betätigung im Sinne der jeweiligen Gemeindeordnung darstellt […]“; s. hierzu auch H.-M. Müller, UPR 2015, 453, (464) unter cc). 96 Missverständlich insoweit S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 266, ihm zufolge die Widmungsbefugnis als statusbegründenden Akt, von ihm als Verfügungsbefugnis bezeichnet, sich regelmäßig aus der Eigentümerstellung des widmenden öffentlichen Rechtssubjekts ergeben soll, z. B. bei Häfen aus dem Eigentum des Hafenträgers an den Hafenzwecken dienenden Grundstücken. Richtig und dem hier verfolgten Ansatz entsprechend dann wieder für Kommunalhäfen Rn. 528: „Die Zweckbestimmung des Hafens und/oder einzelner seiner Teile und seine Unterstellung unter das zwecksichernde Regime des öffentlichen Rechts kann nur durch Rechtsakt des Sachherrn erfolgen. Für die kommunalen Häfen kommt es daher auf die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden, Kreise, Ämter und Zweckverbände als mögliche Träger und damit Herren der öffentlichen Sache Hafen an.“ S. zur Verfügungsmacht des Widmenden und den Dritten gehörenden zu widmenden Sachen H.-J. Wolff/O. Bachof/ R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 75 Rn. 23 ff., insb. Rn. 29, die hervorheben, dass die Verfügungsmacht nicht Tatbestandsmerkmal, sondern Voraussetzung der Widmung ist. Eine Widmung ohne Einverständnis des Eigentümers ist zwar wirksam, aber nicht rechtmäßig. 97 Ist die Organisationseinheit, hier die Hafengesellschaft, ausschließlich in staatlicher oder kommunaler Hand, wird sie zumeist als „Eigengesellschaft“ bezeichnet, vgl. etwa M. Burgi (o. Fn. 91), § 10 Rn. 14 m.w.N. aus dem Schrifttum. Wenn in einer Eigengesellschaft mehrere öffentlich-rechtliche Träger – ggf. mit unterschiedlichen Anteilen – beteiligt sind, wird wohl, wenn keine Vereinbarungen getroffen wurden, die Willensbildung und damit die Ausübung der zuvor beschriebenen Rechte von den Anteilsmehrheiten abhängen.

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möglichkeiten, so dass die Gemeinde Widmungszweck und -umfang – verfassungsrechtlich geschützt – bestimmen darf. Die Befugnis zur räumlich gegenständlichen Zweckbestimmung des Hafens und damit dessen Grenzen wäre danach der Kommune zuzugestehen. Anders – unter Bezug auf den Beispielsfall – gewendet: Das Land ist nicht originär dazu berufen, im Wege eines Erlasses einer Hafenverordnung Widmungshandlungen bei „kommunalen“ Häfen vorzunehmen und dadurch den Widmungsumfang zu verändern, zu erweitern, zu reduzieren oder zu beseitigen. b) Auch oder nur der Landesgesetzgeber? Nach der oben angeführten99 Rechtsprechung kann auch „übergeordnet“ der Landesgesetzgeber den Widmungsumfang bestimmen100 bzw. kann es „gegebenenfalls auch dem Landesgesetzgeber (obliegen), den Widmungsumfang eines Hafens festzulegen“.101Auch eine gewichtige Stimme in der Literatur102 hält die Widmung oder Entwidmung eines Hafens – auch bzw. allein – für eine landesrechtliche Maßnahme. Dazu führt Lagoni aus: „Öffentliche Häfen fallen verfassungsrechtlich in die Verbandskompetenz der Länder. Das Recht zur Widmung bzw. Entwidmung eines öffentlichen Hafens beruht auf der Hoheitsgewalt desjenigen Bundeslandes, in dem sich der Hafen befindet.“Aus dem Kontext dieser Ausführungen könnte sich die Aussage allerdings nur auf das Kompetenzverhältnis Bund-Land beziehen. Trotz des zuvor im Einzelnen hergeleiteten Befundes einer gemeindlichen Aufgabenzuweisung ist dem weiter nachzugehen und herauszuarbeiten, ob die zitierte Rechtsmeinung, dass auch oder gegebenenfalls nur der Landesgesetzgeber den Widmungsumfang, mithin (auch) den Hafenbereich, bestimmen könne,103 einer Überprüfung standhält. So hatte die Bezirksregierung 2001 die Landfläche aus der Hafenver98 Grundsätzlich zustimmend auch H.-J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 75 Rn. 13, die jedoch in § 75 Rn. 2 annehmen, dass die Widmung aufgrund fehlender gesetzlicher Normierung hingegen „im Bereich der kommunalen öffentlichen Einrichtungen keine das privatrechtliche Eigentum verdrängende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft begründen“ kann. Dies wird auch für eine Rechtsgrundlage gelten müssen, die den Anforderungen nicht genügt und daher als rechtswidrig angesehen werden muss. P. Axer (o. Fn. 36), S. 147 ff., insb. 151 ff. setzt sich mit dieser von der h. M. (Nachweise bei P. Axer in Fn. 71), nach der die Widmung der Einrichtung wie im Straßen- und Wegerecht eine öffentlichrechtliche Sachherrschaft in Form einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde begründet, nicht geteilten Auffassung, insbesondere mit den einzelnen Begründungsansätzen, dezidiert auseinander. 99 Oben III. 4. a). 100 VG Bremen, Beschl. vom 9. 7. 2015 – 5 K 171/13, juris, Rn. 97. 101 BremStGH, Urt. v. 12. 4. 2013 – St 1/12, D. II. 3 b). 102 R. Lagoni, NordÖR 2012, 335 (336). 103 Der (unterlegene) Beklagte in dem vom OVG MV, Urt. v. 26. 11. 2007 – 1 L 362/05, juris, Rn. 13 entschiedenen Fall argumentiert, dass die Widmung eines Hafens allein eine staatliche Aufgabe sei, mithin keine Angelegenheit des örtlichen Wirkungskreises, insbesondere auch keine öffentlichen Einrichtungen im Sinne des Kommunalrechts vorlägen. Die Aufgabe falle in den Kompetenzbereich der Länder.

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ordnung herausgenommen, indem sie dort die Fläche nicht mehr als Bereich innerhalb der beschriebenen Umgrenzungen des Hafenteils aufgeführt hat. Wie erinnerlich, beabsichtigt sie nun, auch die Wasserfläche aus den in der Verordnung niedergelegten Hafenumgrenzungen auszunehmen. Die Hafenverordnung war seinerzeit auf § 37 Abs. 3 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeswassergesetz – LWG)104 in Verbindung mit § 29 der Allgemeinen Hafenverordnung (AHVO)105 und §§ 27, 35 Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG) gestützt worden.106 Maßgebend für die beabsichtigte Entwidmung der Wasserfläche ist der nach der Neufassung des Landeswassergesetzes zum Erlass der Hafenverordnung ermächtigende § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG (i.V.m. der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz).

104 Nach der jüngsten Novellierung des Landeswassergesetzes NRW 2016 (Gesetz zur Änderung wasser- und wasserverbandrechtlicher Vorschriften v. 8. 7. 2016, GV. NRW. 2016, S. 539 – 624) wurde der wesentliche Regelungsinhalt des § 37 Abs. 3 LWG a.F. auch im neuen § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG übernommen. Für die vorliegende Abhandlung sind folgende zwei Änderungen gegenüber der früheren Fassung relevant: In § 118 Abs. 2 wurde im Eingangssatz – ohne sachliche Änderung – nicht mehr der Verordnungsgeber genannt. Dennoch bleiben weiter die jeweiligen Bezirksregierungen für den Erlass der Verordnung zuständig, dies nunmehr nach einer gesonderten Zuständigkeitsregelung, nämlich § 4 der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz v. 3. 2. 2015, der auf den Anhang II dieser Verordnung verweist. Dort heißt es in Ziffer 22.1.67 zu § 118 LWG: „Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung zur Ausübung der Schifffahrt und zum Verhalten in Häfen und an Umschlagstellen (Abs. 2 Satz 1) zuständig: BezReg.“ Für die nachfolgenden Überlegungen – und die anvisierte Entziehung der Wasserfläche im Ausgangsfall – wichtiger erscheint aber die gegenüber § 37 LWG a.F. in § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG eingeflossene Ergänzung um „die Bereiche der Häfen“. Motiv scheint gewesen zu sein, mit diesem Zusatz nunmehr eine den Anforderungen entsprechende Ermächtigungsgrundlage für die bereits seit Langem von den Bezirksregierungen ausgeübte räumliche Zweckfestlegung, mithin die Hafenumgrenzungen, zu schaffen. Auch die Neuregelung des Rechtsgehalts einer Hafenverordnung scheint von dem Gedanken geleitet zu sein, dass weiterhin (nur) das Land derartige (Widmungs-)Regelungen treffen darf oder sollte. An dieser Einschätzung ändert auch die Beibehaltung der Kann- bzw. Können-Regelung nichts. Das damit eröffnete Ermessen kann hier nur so verstanden werden, dass die Bereichsfestlegung selbst in dem Sinne in das Ermessen der Bezirksregierung gestellt ist, dass diese festlegen kann oder eben auch nicht. Nicht gemeint ist, dass damit auch die Möglichkeit eröffnet wird, die Gemeinde als Verordnungsgeber zuzulassen. Rechtspolitisch mag auch diese Neufassung unter dem Gesichtspunkt nachvollziehbar sein, dass das Land (auch) Häfen erfassen will, die eine über die Gemeinde hinausgehende regionale oder landesweite Bedeutung haben und daher dem Einfluss des Landes nicht entzogen sein dürfen. 105 V. 8. 1. 2000 (GV. NRW. S. 34). 106 Da lediglich die Herausnahme der Wasserfläche und nicht mehr die 2001 aus der Hafenverordnung herausgenommene Landfläche für diesen Beitrag beleuchtet werden soll, kann die Frage vernachlässigt werden, ob die Einziehung der Landfläche durch Herausnahme aus der Hafenverordnung bzw. die Verordnung selbst auf eine auch zu Hafenumgrenzungen ermächtigenden Vorschrift gestützt werden kann, da sich in § 37 LWG a.F. keine entsprechenden Merkmale finden.

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aa) Entgegenstehende Selbstverwaltungsgarantie? Die „Hochzonung“107 der Regelung der Widmungsbefugnisse auf den Landesgesetzgeber, der deren Ausübung wiederum durch eine Landesbehörde zulässt, könnte rechtmäßig sein, weil die Kommunen zu den Ländern gehören108 und keine dies hindernden Bundeskompetenzen in Betracht zu ziehen sind. Doch darf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG mit der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung nicht entgegenstehen. Der Schutzgehalt dieser verfassungsrechtlichen Garantie beinhaltet die Gewährleistung eines bestimmten Aufgabenbestandes und die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerledigung. Gewährleistet wird die kommunale Selbstverwaltung nur „im Rahmen der Gesetze“. Die Formel „im Rahmen der Gesetze“109 in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wird als Gesetzesvorbehalt verstanden, der Eingriffe des Landes in die Selbstverwaltungsgarantie zunächst einmal rechtfertigt.110 Der Gesetzesvorbehalt umfasst auch die gemeindlichen Zuständigkeiten für die örtlichen Angelegenheiten111 und damit die bereits zuvor112 dargelegten, hier relevanten Aufgabenbereiche. In der Praxis finden sich so vielfältige Einwirkungen des Gesetzgebers auf die Kommunalverwaltung, die seinen Einfluss auf die Erledigung gemeindlicher Aufgaben gewährleisten sollen.113 Allerdings darf der Kernbereich der Selbstverwaltung dadurch nicht verletzt werden.114 Dieser muss bei gesetzlichen Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie unangetastet bleiben.115 bb) Besonderheiten bei Häfen: Örtliche Bezüge bei überörtlichem Aktionsradius Ob die Widmungsbefugnis (bzw. die zur Entwidmung), also die Befugnis zur Begründung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, zur Zweckbestimmung und deren räumlich gegenständlichem Bereich sowie die Bestimmung des Umfangs der möglichen Nutzung116 durch entsprechende Rechtsakte zum geschützten Kernbereich gehören und ob überhaupt ein Eingriff in diesen Bereich vorliegt, ist fraglich. Die nachfolgenden Erwägungen werden zeigen, dass gerade Aufgaben wie die Er107 Der Begriff soll hier nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Aufgaben und Befugnisse ursprünglich bei der Kommune lagen bzw. ihr an sich originär zuzuweisen waren, dieser dann aber entzogen und auf eine andere Ebene verlagert werden. Gemeint ist hier, dass diese von Vornherein auf einer „höheren“ Ebene zu verorten sind. 108 B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 18. 109 Unter Gesetzen im Sinne der Vorschrift werden auch Rechtsverordnungen und andere untergesetzliche Normen gefasst, vgl. B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 38 m.w.N. 110 B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 38 m.w.N. aus der Rspr. 111 BVerfG 79, 127 (143); B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 38. 112 S. III. 4. a) bb). 113 V. Mehde, in: Maunz/Dürig (o. Fn. 89), Art. 28 Rn. 67. 114 Eine freiwillige Aufgabenübertragung verletzt das Selbstverwaltungsrecht nicht, vgl. B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 35 m.w.N. Sie bleibt hier außer Betracht. 115 S. nur H.-G. Henneke (o. Fn.78), Art. 28 Rn. 77. 116 Vgl. H.-J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 75 Rn. 1.

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richtung, Änderung, Aufhebung eines Hafens bzw. die dazu erforderlichen Rechtsakte bereits wegen der notwendigerweise über den unmittelbaren räumlichen Bereich der Gemeinde hinausreichenden Aktivitäten117 sowie die Vielzahl sich in letzter Zeit zeigenden Entwicklungen im Funktions- und Aufgabenverständnis des Hafenbetreibers eine sichere Beurteilung der einzelnen Schritte des zuvor umrissenen Prüfprogramms erschweren. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nach dem Bundesverfassungsgericht118 solche sind, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder zu ihr einen spezifischen Bezug aufweisen und den Gemeindeeinwohnern gerade als solches gemeinsam sind, indem sie deren Zusammenleben und -wohnen in der Gemeinde betreffen, wird man zuverlässig bei im Wesentlichen lokal ausgerichteten, kleineren Häfen finden. Bei einer typisierenden Betrachtung überzeugt hier eine kommunale Trägerschaft als eine sachangemessene, für die spezifischen Interessen der Kommune erforderliche Einrichtung.119 Bei diesem Hafentypus ist die Versorgungs- und Verkehrsfunktion des Hafens (auch) für die Einwohner bzw. die regionale Wirtschaft evident, die Hafenaktivitäten kommen der Gesamtheit der Einwohner zugute. In vielen dieser Häfen dominiert sogar die „Verwaltungsleistung Hafen“ gegenüber anderen Aufgaben im Hafenstandort.120 Bisweilen ist ein solcher öffentlicher Hafen sogar existenzielle Basis der Kommune.121 Da es zudem für einen Hafen charakteristisch ist, dass seine Aktivitäten auch über die örtliche Verkehrs- und Versorgungsleistung hinausgehen, der öffentliche Hafen also regelmäßig bereits begrifflich Aktivitäten voraussetzt, die über das Gemeindegebiet reichen,122 können keine übersteigerten Anforderungen an das Vorliegen einer örtlich radizierten Aufgabe gestellt werden. Große Häfen mit landesweiter Bedeutung hingegen, die oft als Hubs ausgelegt sind, werden die örtlichen Bezüge im beschriebenen Sinne mit Blick auf die Gemeindeeinwohner nicht so leicht aufweisen. Sie sind als Hinterlandhäfen oft Teil eines Geflechts von See- und Binnenhäfen, einem Zusammenwirken, das als win-win-Situation bezeichnet werden kann, in der ein öffentlicher Binnenhafen im Rahmen 117

Öffentliche Binnenhäfen in kommunaler Trägerschaft haben regelmäßig einen Verkehrszweck, der häufig auf die Ermöglichung des „optimierten“ Verkehrs, ggf. unter Einbindung aller Verkehrsträger, bis zu entfernten Seehäfen beinhaltet. Sie sind oft Glied von global angelegten Transportketten und werden – auf der Rheinschiene etwa – als „verlängerte Kaimauern der Seehäfen“ verstanden, wohingegen sich die Hinterlandhäfen zunehmend als eigenständige Logistikstandorte sehen, die auf „Augenhöhe“ mit den Seehäfen agieren. Auch in der ihnen zuzuschreibenden Versorgungsfunktion sind sie über die Örtlichkeit ausgerichtet, was aber nicht zugleich heißt, dass diese Häfen nicht mehr Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unterfallen, was die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden. 118 Jüngst wieder BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16 = NVwZ 2018, 140 m.w.N aus der Rspr. des BVerfG; BVerfGE 79, 127 (151 f.). Zahlreiche Nachweise zur Rspr. auch bei B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 23. 119 S. hierzu H.-G. Henneke (o. Fn.78), Art. 28 Rn. 92. 120 S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 534. 121 S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 534. 122 Ähnlich S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 545.

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einer zwischen See- und Binnenhäfen gebildeten „strategischen Partnerschaft“ ein integrierter Teil einer global ausgerichteten Logistikkette mit spezifischen Funktionen ist. Vereinfacht dargestellt123 findet in den Seehäfen, den Toren zur Welt, der Güterumschlag von Überseewaren statt, die zügig in die Hinterlandhäfen transportiert und dort verteilt, verpackt oder aufgearbeitet werden. Betrachtet man weiter den sich gerade in jüngerer Vergangenheit vollziehenden Funktionswandel der größeren Häfen an der Rheinschiene mit überwiegendem Containerumschlag, weg vom bloßen Infrastrukturvorhalter hin zum Akteur in den Logistikketten und Anbieter von Leistungen, die bis zu Beratungsleistungen reichen, so ist ein solcherart agierender Hafen nur erfolgreich, wenn er weit über die Örtlichkeit wirkt.124 Die so skizzierte Überörtlichkeit der Aufgabenstellung bei großen öffentlichen Binnenhäfen lässt bereits die Annahme zu, dass durch den überörtlichen Bezug oder überörtlichen Charakter der Aufgaben diese der belegenen Kommune „abhandenkommen“ können.125 Das kann nicht nur für die „Hochzonung“126 im Sinne bereits auf der Ebene der Kommune vorhandener Aufgaben gelten, sondern auch für die originäre Aufgabenzuordnung. Wenn man den örtlichen Aufgabenbezug, den auch diese Häfen aufweisen, stärker gewichten und entsprechend für die hier zu entscheidende Frage werten will, muss man jedenfalls annehmen, dass nur ein Teil der Aufgaben als solche der örtlichen Gemeinschaft anzusehen sind, im Übrigen aber überörtlicher Natur sind.127 Dies hindert jedoch nicht, derartige Aufgaben mit hybridem Charakter vom Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG auszunehmen; sie unterfallen ihm mit ihren örtlichen Teilbereichen.128 Der Gesetzgeber hat bei der Zuordnung die Aufgaben mit örtlichen und überörtlichen Aspekten bei der Ausgestaltung der

123 In dieser Reinform ist das Geschehen nicht vorzufinden. Denn in Seehäfen finden sich in den für Umschlag (noch) nicht benötigten Flächen auch wertschöpfende Logistik, die sich ansonsten im Umfeld trimodal ausgestatteter Binnenhäfen entwickelt. 124 Ausführlich zur neuen Ausrichtung und dem Wandel des Funktionsverständnisses der Binnenhäfen H.-M. Müller, UPR 2015, 453 (465). Dort heißt es weiter: „Auf kommunaler Ebene haben einige Landesgesetzgeber bereits auf die veränderte Situation für die in kommunaler Trägerschaft stehenden Unternehmen reagiert und die Vorschriften des kommunalen Wirtschaftsrechts novelliert, insbesondere die Zulässigkeit von Geschäftstätigkeiten wirtschaftlich tätiger Unternehmen außerhalb des Gemeindegebietes ausgeweitet.“ Das solchermaßen erweiterte Geschäftsfeld mit deutlich überörtlichem Charakter ist unter gemeindewirtschaftsrechtlichen Maßgaben dennoch nicht unproblematisch. Zum Wandel s. auch S. Kreuter (o. Fn. 32), S. 119. 125 Vgl. H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 92 unter Hinweis auf H. Dreier, in: Dreier (Hrsg), Grundgesetzkommentar, 3. Aufl. 2015, Bd. 2, Art. 28 Rn. 111 und als sog. Hochzonung bezeichnete Situation. 126 S. dazu jüngst BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, Rn. 84 = NVwZ 2018, 140. 127 Vgl. dazu H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 93a m.w.N.; B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 24. 128 H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 93a.

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Selbstverwaltungsgarantie angemessen zu berücksichtigen.129 Wenn er eine solche Aufgabe mit einem örtlich/überörtlichen Substanzgemisch zuweist, dürfte er dabei – wie bei der Zuweisung auf der Gemeinde- oder Kreisebene – allerdings über einen Gestaltungsspielraum verfügen.130 Dem ist hier nicht weiter nachzugehen. Denn alle zuvor betrachteten Häfen, auch die mit überörtlichem Aktionsradius, haben weiter einen mehr oder weniger engen örtlichen Bezug und sind auch mit Blick auf die skizzierten Entwicklungen nicht aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG „herausgewachsen“. Eine strenge Abschottung nach „außen“ ist nach den vorigen Ausführungen ohnehin nicht zu fordern. Bei den großen öffentlichen Binnenhäfen kann es aber dennoch zu „Grauzonen“ kommen. Nur wenn der örtliche Bezug nicht mehr erkennbar wäre, wäre der Landesgesetzgeber in der Zuordnung der Aufgabe frei.131 Das ist aber hier gerade nicht der Fall. Gerade bei großen Häfen des beschriebenen Zuschnitts hat die Lage des Standorts (z. B. am Rhein), also der Lagevorteil der den Hafen beheimatenden Kommune, auch im Hinblick auf die Anbindung eine große Bedeutung. Vor allem entsteht in der Gemeinde durch die vom dortigen Hafen ausgehende Wirtschaftstätigkeit Wertschöpfung, die der örtlichen Gemeinschaft zugutekommt. Der Hafen erweist sich so als wirksames Instrument der heimischen Wirtschaftsförderung.132 Da die Aufgabe zudem mit zu berücksichtigendem Blick „auf die geschichtliche Entwicklung und die Erscheinungsformen“133 nach wie vor noch einen relevanten örtlichen Charakter bzw. Bezug aufweist, damit an sich der gemeindlichen Ebene zuzuordnen ist und vom Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG erfasst wird, darf der Gesetzgeber sie nur entziehen, wenn der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung nicht angetastet wird.134

129 Jüngst wieder BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16 Rn. 72 = NVwZ 2018, 140; BVerfG 138, 1, 17. 130 So H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 14, 93a, 98, der allerdings die Gestaltungsbefugnis nur auf das Verhältnis Gemeinde- und Kreisebene bezieht. Ob dies auch für die Zuweisung zwischen Land und Kommune gilt, ist fraglich, weist aber Parallelen auf. 131 S. eingehend H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 98 m.w.N. 132 so jüngst hervorgehoben im Hafenentwicklungskonzept der Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig mbH. S. auch den Bericht zur Umsetzung der Maßnahmen des Nationalen Hafenkonzepts 2015 vom 5. 7. 2018, S. 17. 133 BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, Rn. 71 m.w.N. aus der Rspr. In Nordrhein-Westfalen waren und sind bis auf den Duisburger Hafen fast alle öffentlichen Häfen in kommunaler Hand bzw. wurden bzw. werden kommunal beherrscht. Vor zwei Jahrzehnten waren diese Häfen überwiegend Eigen- bzw. Regiebetriebe, was heute nur noch sehr vereinzelt der Fall ist. Von den Einwohnern wurden sie daher auch als „Verwaltungsbereich“ wahrgenommen und werden auch heute wegen der kommunalen Beherrschungsverhältnisse weiter der Gemeinde zugeordnet. 134 Vgl. BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, Rn. 82 = NVwZ 2018, 140; H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 77, 98 m.w.N.

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cc) Verletzung des Kernbereichs? Die Bestimmung des Kernbereichs ist allerdings schwer; er ist nicht exakt fixierbar.135 Als ein Element des Kernbereichsschutzes hat sich herausgebildet, dass die eigenständige Gestaltungsfreiheit der Kommune nicht erstickt werden darf.136 Ihr muss ein hinreichender Spielraum bei der Aufgabenwahrnehmung verbleiben.137 Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass eine Reglementierung kommunaler Aufgaben mit relevantem örtlichem Charakter höheren Hürden unterliegt, die der Gesetzgeber nur aus Gemeinwohlgründen entziehen darf, so dass inhaltliche Vorgaben „eines gemeinwohlorientierten rechtfertigenden Grundes“ bedürfen.138 Effizienzgründe reichen allein nicht aus.139 Vielmehr sind nur Extremfälle gemeint, etwa wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht sicherzustellen wäre.140 Diese Voraussetzungen liegen im Beispielsfall nicht vor. Nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG141 i.V.m. einer Zuständigkeitsregelung kann die Bezirksregierung durch Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung Hafenbereiche regeln. Sie kann danach mangels vom Landesgesetzgeber vorgenommener Differenzierung mithin auch die Hafengrenzen eines kommunalen Hafens festlegen. Die (nur zum Teil ausdrückliche) Zuweisung dieser als Widmungs- bzw. Entwidmungsrechte zu qualifizierenden Befugnisse durch den Landesgesetzgeber ist aber zunächst einmal adressatenlos. Zwar wird die handelnde Stelle in § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG durch die passive Formulierung offengelassen und nur das Rechtsinstrument bestimmt, mit dem der Hafenbereich „geregelt“ werden soll; doch aufgrund einer Zuständigkeits-

135

H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 77 m.w.N. BVerfG 91, 228, 239; 138, 1, 21 f.; H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 78; V. Mehde, in: (o. Fn. 89), Art. 28 Abs. 2 Rn. 66 m.w.N. 137 V. Mehde, in: (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 66. 138 BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, BVerfGE 119, 331, Rn. 148; H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 80 m.w.N. 139 H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 80. 140 H.-G. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 77, 80 m.w.N.; K.-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 203. Das Bundesverfassungsgericht hat dies im Urteil v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, Rn. 84 = NVwZ 2018, 140 wie folgt formuliert: „Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG konstituiert ein Regel-Ausnahmeverhältnis, wonach der Gesetzgeber den Gemeinden örtliche Aufgaben nur aus Gründen des Gemeinwohls entziehen darf, vor allem wenn die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung anders nicht sicherzustellen wäre. Das bloße Ziel der Verwaltungsvereinfachung oder der Zuständigkeitskonzentration – etwa ein Interesse an der Übersichtlichkeit der öffentlichen Verwaltung – scheidet als Rechtfertigung eines Aufgabenentzugs aus; denn dies zielte auf die Beseitigung eines Umstands, der gerade durch die vom Grundgesetz gewollte dezentrale Aufgabenansiedlung bedingt ist“. S. auch BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, BVerfGE 119, 331, Rn. 148. 141 Anders noch unter der Geltung des alten § 37 Abs. 3 LWG, s. Fn. 104. Jetzt heißt es in § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG: „Durch ordnungsbehördliche Verordnung können geregelt werden…2. Die Bereiche der Häfen und Umschlaganlagen…(Hafenverordnung)“. 136

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633

regelung142 der Landesadministration wurde eine Landesbehörde, nämlich die (jeweilige) Bezirksregierung, als zuständig erklärt. Vorbild war die frühere Regelung in § 37 Abs. 3 LWG, der die Bezirksregierung als Verordnungsgeber ausdrücklich vorsah. Danach wäre die Bezirksregierung zur Widmung bzw. Entwidmung berechtigt. Durch Entzug oder in der Negierung143 der Widmungsbefugnis der als Hafenträger anzusehenden Kommune144 könnte aber der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie unter dem Gesichtspunkt der der Gemeinde gewährten Organisationshoheit und eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung angetastet worden sein. Denn Gemeinden können grundsätzlich nach eigenem Ermessen Einrichtungen errichten ändern oder aufheben.145 Wenn diese Maßnahmen aber nur durch einen bestimmten Rechtsakt – hier die Entwidmung – rechtlich möglich sind, der nur von einer von der Kommune verschiedenen Stelle des Landes als dem per Regelungen bestimmten Widmungsberechtigten rechtmäßig bewirkt werden kann, dann wird der Gemeinde dieses Ermessen genommen. Dies gilt im Ausgangsfall jedenfalls dann, wenn die in § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG vorgesehene Ermächtigung zur Bereichsfestlegung als konstitutiver Akt qualifiziert werden muss.146 Zwar bilden die in den Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie fallenden Aufgaben als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft „keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenbereich“,147 und Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert nicht den Status quo im Sinne eines einmal erreichten Aufgabenbestands, weil sich die örtlichen Bezüge einer Angelegenheit mit ihren sozialen, wirtschaftlichen oder

142 Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) v. 3. 2. 2015, dort § 4, Anhang II zu Nr. 22.1.67. 143 Welche der Varianten hier vorliegt, hängt von der hier nicht klärungsnotwendigen Frage ab, ob die Bezirksregierungen unter Anwendung des früheren § 37 Abs. 3 LWG eine lediglich deklaratorische oder konstitutive Festlegung der Hafengrenzen getroffen haben. Falls mit § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG eine Neuregelung zu einer – hier wohl anzunehmenden – konstitutiven Hafenbereichsbestimmung erfolgt ist, dann handelt es sich um eine Hochzonung im eigentlichen Sinne, mithin um einen Aufgabenentzug. 144 S. oben Fn. 104. 145 BVerfG, Urt. v. 20. 12. 2007 – 2 BvR 2433/04, BVerfGE 119, 331, Rn. 146; H.-J. Henneke (o. Fn. 78), Art. 28 Rn. 103 m.w.N.; B. Pieroth (o. Fn. 79), Art. 28 Rn. 25. 146 Nach dem früheren § 37 Abs. 3 LWG war es gängige Praxis, dass die Bezirksregierungen erst Vorschläge zu den Grenzziehungen der Hafenbetreiber einholten. Dies wurde auch unter der Geltung des § 118 LWG fortgesetzt. Berichten zufolge hat es keine Kontroversen über die Grenzziehungen zwischen den Beteiligten gegeben. Die Frage, ob die Grenzziehung evtl. lediglich deklaratorisch war, was mit guten Gründen unter Geltung des § 37 LWG hätte angenommen werden können, stellte sich in der Praxis deshalb nicht. Nach Erlass des neuen § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG ist diese Frage bedeutsamer, da die ausdrückliche Erwähnung der Bereichsfestlegung und entsprechende gesetzliche Grundlage für die Hafenverordnung wohl die Grenzziehungen allein durch die Bezirksregierungen verbindlich festgelegt werden. 147 BVerfGE 79,127 (152); 110, 370, 401; jüngst wieder BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2007 – BvR 2177/16, Rn. 70a, 72 = NVwZ 2018, 140.

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technischen Rahmenbedingungen ändern.148 Im vorliegenden Falle, der den Regelfall darstellt, ist trotz des umrissenen Wandels in vielen Häfen149 eine den Aufgabenbereich berührende Änderung der Rahmenbedingungen nicht festzustellen. Die neuen Entwicklungen, die vor allem Containerumschlagshäfen betreffen, und die daraus ableitbaren Erfordernisse können ungeachtet des Umstands bewältigt werden, wem die Widmungsbefugnisse zur Errichtung eines Hafens zustehen. Ein kommunaler öffentlicher Hafen unterscheidet sich in dieser Hinsicht grundsätzlich nicht von einem vom Land beherrschten; es kommt auf die Leistungsfähigkeit des Hafens, dessen Infra- und Suprastruktur und die Standortlage an. Eine effektivere Erledigung der Aufgabe „Hafen“ durch Widmungsbefugnisse des Landes ist grundsätzlich nicht zu erwarten. Es besteht auch sonst keine Notwendigkeit, dem Land mit der Bereichsbestimmung und den dazu vorgesehenen Rechtsakten den im Einzelnen bereits dargetanen Einfluss einzuräumen und somit von dem Regel-Ausnahme-Verhältnis der Aufgabenverteilung zugunsten der Gemeinde abzuweichen. Das ist nur in den dargelegten Ausnahmesituationen zu rechtfertigen, die eben hier und auch regelmäßig sonst nicht vorliegen. Insbesondere Gemeinwohlgründe mit dem diesen innewohnenden Gewicht lassen sich ebenso wenig wie die sonst nicht sicherzustellende Aufgabenerfüllung im vorliegenden Beispiel anführen. Auch stammen in aller Regel150 die sächlichen Mittel, mit denen der Hafenbetreiber seinen Geschäftsbetrieb durchführt, von den Kommunen, in deren Gebiet sich der Hafen befindet. Damit korrespondiert, dass die Kommune als (mittelbarer) Teilnehmer am Wettbewerb auch Gewinne erzielen will. Die mit dieser Absicht verfolgte wirtschaftliche Betätigung des von ihr getragenen Hafenunternehmens kann durch die Ausübung der Widmungsbefugnisse auf der staatlichen Ebene erheblich behindert werden, wenn dieses bei der Bereitstellung bedarfsgerechter, hafenaffin zu nutzender Infrastruktur von dem nicht immer im Gleichklang handelnden Land abhängt. So trifft das Land nicht nur die Entscheidung über den Zweck und damit die Ausrichtung des Hafens (Universalhafen, 148

BVerfG, Urt. v. 21. 11. 2017 – 2 BvR 2177/16, Rn. 72 = NVwZ 2018, 140. S. III. 4. b) aa) (1). 150 Es existieren verschiedene Modelle. Die bekanntesten sind die Landlord-Modelle bzw. das Heilbronner Modell, die jeweils auch nicht konsequent „gelebt“ werden. Dem Landlordhafenbetreiber eines „Kommunalhafens“ wurden die Grundstücke und Anlagen meist von der Kommune übereignet, so auch im Ausgangsfall. Diese werden Anlieger, auch Ansiedler genannt, die im Hafen wirken, zur Nutzung überlassen und dazu meist Miet-, Pacht- oder Erbbaurechtsverträge abgeschlossen. Selten erfolgen heute vor dem Hintergrund der Flächenknappheit Veräußerungen von Grundstücken an die Anlieger. Widmungsfragen stellen sich in der Variante, die dadurch gekennzeichnet ist, dass allein die Hafenbetreibergesellschaft Eigentümerin der Grundstücke und Anlagen ist, vgl. allgemein zu diesem Fragenkreis P. Axer (o. Fn. 36), S. 151 ff. Aber auch beim Heilbronner bzw. Landlordmodell können sich widmungsrechtliche Probleme ergeben, wenn ein Grundstück nie durch einen Widmungsakt der öffentlichen Sache „Hafen“ zugewiesen wurde, dennoch tatsächlich wie eine öffentliche Sache hafenspezifisch genutzt wurde. Schließlich ist in dieser Konstellation immer sorgfältig die Verfügungsmacht der widmenden Kommune zu prüfen (Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, s. o. Fn. 96), weil hier der Träger öffentlicher Verwaltung nicht selbst Eigentümer der Grundstücke pp. ist oder eine dingliche Nutzungsberechtigung hat, vgl. H.-J. Wolff/O. Bachof/ R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 75 Rn. 24 ff. 149

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Liegehafen pp.), sondern legt auch die Hafenbereiche fest, die für die Standortsicherung und Entwicklungsmöglichkeiten ortsansässiger Unternehmen, sogar für die gesamte regionale Wirtschaft essenziell sind. Nur die Zuweisung der Widmungsbefugnisse auf der kommunalen Ebene verhindert eine solcherart schleichende Aushöhlung der zugunsten der Gemeide bestehenden Aufgabenverteilung. Zudem harmonisieren widmungsrechtliche Kompetenzen regelmäßig nur schwer mit den gesellschaftsrechtlichen Befugnissen, die der Kommune als Anteilseigner zustehen. c) Zwischenergebnis: Kommune widmungsberechtigt Damit kann das Land nicht bestimmen, dass durch ordnungsbehördliche (Hafen) Verordnung der Bezirksregierung eine Regelung der „Bereiche der Häfen“ erfolgt und die öffentlichen kommunalen Häfen nicht vorsehen bzw. offenbar davon ausnehmen.151 Genau dies ist aber Regelungsinhalt der dargestellten Regelungen im Land. Ein anderes Verständnis des geltenden einschlägigen Landesgesetzes, des § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG, erscheint unter Einbeziehung der Motive für die Neufassung ausgeschlossen, obwohl dieses Gesetz selbst keine ausdrückliche Zuweisung an die Bezirksregierung und zudem eine „Können“-Regelung enthält. Das eröffnete Ermessen bezieht sich nicht auf die Handelnden im Sinne der Vorschrift, sondern auf den Erlass oder Nichterlass einer Hafenverordnung. Demzufolge hat das Land auch eine Zuständigkeitsverordnung erlassen können, die die besagte Aufgabe der Bezirksregierung zuweist.152 Damit entsprach das Land der in der Vergangenheit geübten Praxis, die Hafenbereiche (allein) durch die Bezirksregierungen verbindlich festzulegen, obwohl sich dieses Vorgehen nur bedingt aus dem damals geltenden Gesetz (§ 37 Abs. 3 LWG a.F.) herleiten und darauf stützen ließ, nämlich auch nur dann, wenn der Bestimmungsakt – wie von einigen Bezirksregierungen – nicht lediglich deklaratorisch verstanden wurde. Aus rechtspolitischen Erwägungen ist indes bei den großen öffentlichen Häfen in kommunaler Trägerschaft mit deutlich überregionalem Aktionsradius und bisweilen sogar globalen Aktivitäten wegen der Landesbedeutsamkeit dieser Standorte – über 151 In diesem Sinne auch OVG MV, Urt. v. 26. 11. 2007 – 1 L 362/05, juris, Rn. 43. Dort heißt es: „Da die öffentliche Einrichtung Hafen – was auch mit der Regelung „Hafengebiet“ bezweckt sein dürfte – vom Ortsgesetzgeber definiert werden muss, kann nicht die Hafenbehörde gemäß Hafenverordnung […] aus eigener Kompetenz die Kennzeichnung und Bekanntmachung der Hafengrenzen bestimmen. Die Hafenbehörde ist ihrerseits vielmehr gerade darauf angewiesen, dass der Hafen- bzw. Einrichtungsträger diese Grenzen zuvor festgelegt hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Hafenbehörde aus irgendeinem Rechtsgrund berechtigt wäre, die Hafengrenzen abweichend von einer solchen Festlegung der öffentlichen Einrichtung selbst zu bestimmen“. 152 S. zur Problematik im Einzelnen bereits die Hinweise in Fn. 104. Auch nach der Neuregelung in § 118 Abs. 2 Nr. 2 LWG soll weiterhin (nur) das Land derartige (Widmungs-) Regelungen treffen und den Rechtsakt bewirken. Wenn das Ermessen hier nur so verstanden werden kann, dass die Bereichsfestlegung selbst derart in das Ermessen der Bezirksregierung gestellt ist, dass diese festlegen kann oder eben auch nicht, wird damit zugleich nicht die Möglichkeit eröffnet, die Gemeinde als Verordnungsgeber zuzulassen.

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die kommunalaufsichtlichen Möglichkeiten hinaus – eine Einbindung mit Einflussnahmen des Landes in so wesentliche Maßnahmen, wie es auch die (Teil)Entwidmung regelmäßig ist, sinnvoll. Auf welche Weise sich die Einbeziehung des Landes in derartige Maßnahmen erreichen lässt, ist gesondert im Zusammenhang mit dem von der nordrhein-westfälischen Landesregierung geplanten Landeshafengesetz zu prüfen. Nach den vorstehenden Überlegungen dürfte sich auch bei den großen Häfen eine Beteiligung des Landes, etwa in Form einer Einvernehmensherstellung, als schwierig erweisen; ggf. ist eine Benehmensherstellung eher zu erreichen. Eine bloße nachrichtliche Unterrichtung wird jedenfalls nicht ausreichen, zumal dem Land damit keine Einwirkungs- oder Hinderungsmöglichkeiten gewährt werden. d) Verfahren und materielle Anforderungen (Ausriss) In welcher Form die Entwidmung vonstattengehen muss, ist nicht geregelt.153 Form und Verfahren bestimmen sich grundsätzlich nach den für den jeweiligen Rechtsakt geltenden Vorschriften.154 Dies kann im Ausgangsfall nach den vorstehenden Befunden nicht eine von der Bezirksregierung erlassene Hafenverordnung sein, obwohl sie nach geltendem Recht für die Maßnahme vorgesehen ist; vielmehr muss die Entwidmung hier durch einen anderen Rechtsakt, etwa durch Allgemeinverfügung, ggf. auch durch Satzung der Gemeinde erfolgen.155 Allgemein unterliegt das Verfahren mindestens Publizitätsanforderungen.156 Dies setzt voraus, dass die Entwidmungserklärung in einer gegenüber Jedermann geeigneten Weise bekanntgemacht wird.157 Inwieweit darüberhinausgehende, an das Straßenrecht angelehnte Verfahrensvorgaben bestehen, wird hier nicht mehr dargelegt werden können. Bei der Frage einer Entwidmung hat der Berechtigte einen großen Entscheidungsspielraum, weil kein Regelwerk eine Verpflichtung beinhaltet, einen Hafen zu betreiben und sich keine ausdrücklich bestimmten Grenzen für die Einziehung finden.158 Der Handlungsspielraum des Widmenden wird bei seiner Entscheidung daher nur durch die Beachtung der allgemeinen Bindungen jedes Verwaltungshandelns begrenzt.159 Die Grundrechte sowie das Rechtsstaatsprinzip und der aus ihm hergeleitete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie das daraus folgende Verbot willkürlichen 153 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 83; jüngst auch OVG Thüringen, Urt. v. 24. 8. 2017 – 4 KO 392/14, juris, Rn. 60, 62 für eine Entwässerungsleitung. 154 S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 264. 155 Wohl auch S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 543. 156 Vgl. OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, m.w.N., juris, Rn. 83; OVG Magdeburg, Beschl. v. 14. 3. 2012 – 1 L 123/11, NVwZ-RR 2012, 511 (512); S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 262, 530. 157 OVG Magdeburg, Beschl. v. 14. 3. 2012 – 1 L 123/11, NVwZ-RR 2012, 511 (512) m.w.N. aus der Rspr. 158 OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, m.w.N., juris, Rn. 85. 159 S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 530 m.w.N. in Fn. 27.

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Handelns sind zu beachten.160 Dies wiederum gebietet, „über die Entwidmung ausschließlich nach sachlichen Erwägungen und in ermessensgerechter Weise zu entscheiden“.161 Nach den Erfordernissen des Einzelfalls muss der Entwidmungsakt auch zweckgerecht erfolgen.162 Wenn auch nach der hier vertretenen Meinung keine Abwägungsentscheidung im Sinne planerischen Ermessens getroffen werden muss, so empfiehlt es sich doch, das Vorgehen zur Entscheidungsfindung daran auszurichten. Wenn die Gründe für die Einziehung tragfähig sein sollen, müssen alle diese Maßnahme berührenden oder betreffenden Belange vollständig erfasst, richtig gewichtet und gewürdigt werden. Dazu sollten Einwendungen aufgenommen und bewertet werden. Eine Beteiligung anderer betroffener Rechtsträger, meist Fachbehörden, ist zwar ebenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen und nicht formell zu fordern,163 jedoch tunlich, um auch dadurch sämtliche von der Einziehung tangierten Belange zu erfassen und die Entscheidungsbasis zu verbessern. Im vorliegenden Fall wäre hier auch das Interesse der Hafengesellschaft zu verorten, den zur Einziehung vorgesehenen Hafenbereich schon deshalb nicht aufzugeben, um die Entscheidung für die genannten Varianten im Interesse einer optimalen Lösung offen zu halten.164 Auch mögliche andere Lösungen bzw. Alternativen müssen bei der Entscheidungsfindung angemessen berücksichtigt werden. Zudem können die Einnahme von Hafengeldern und die Absicht, ggf. zur Landstromnutzung durch Einsatz eines hafenspezifischen Instrumentariums anzuhalten, berücksichtigungsfähig sein. Als mögliche Gründe und damit korrespondierende Belange für die Aufgabe eines Hafens sind etwa zu nennen: Rückläufige Umschlagentwicklung, Aufgabe des Umschlagbetriebs, hohe Unterhaltskosten, etwa für die Beseitigung einer Versandung, keine annähernde Kostendeckung durch Hafen- und Ufergebühren und andere Entgelte, auch keine ausreichenden Einnahmen durch Nutzerverträge mit den Anliegern.165 Wie etwa im Straßenrecht ausdrücklich geregelt,166 dürften auch hier die verlorengegangene Verkehrsbedeutung oder überwiegende Gründe des Gemeinwohls als weitere Aspekte in Betracht kommen.167 Letztlich wird eine sachgerechte 160

OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 85; S. Petersen (o. Fn.32), Rn. 530. OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 85. 162 S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 530. 163 Zutreffend S. Petersen (o. Fn. 32), Rn. 530 m.w.N. in Fn. 27. 164 Allerdings bedarf es dazu wohl nicht nach allen denkbaren Varianten einer Hafenbereichsfestlegung. Wenn es bei einer bloßen Liegestelle bleiben soll, die keine Verbindung mehr zu anderen Hafenteilen hat, ist ein Hafenbereich nicht zwingend erforderlich. 165 Vgl. OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 85 ff. 166 Vgl. § 2 Abs. 4 FStrG; s. auch H.-J. Papier (o. Fn. 35), S. 56. 167 Naheliegend ist hierbei, eine Ermessensreduzierung auf Null zu erwägen. Nach der hier vertretenen Auffassung muss, wenn die verkehrliche Funktion und damit der gewidmete Zweck entfällt, ggf. dem Eigentümer die volle Rechtsmacht durch Wegfall der dessen Ei161

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Entscheidung in der Praxis das Ergebnis einer wertenden Gegenüberstellung einer langfristigen Aufrechterhaltung der Hafenaktivitäten (mit allen daraus folgenden Konsequenzen) bzw. der Versorgungs- und Verkehrsleistung mit dem Aufwand sein. Es erfolgt damit eine an sachlichen Kriterien orientierte Neubewertung des öffentlichen Interesses.168 IV. Ausblick Angesichts der aufgezeigten regulatorischen Defizite im Recht der öffentlichen Sachen sowie dem Hafenrecht und vielen unzureichend durchdrungenen, mithin künftig aufzuarbeitenden Themenkreisen169 stellen Entwidmungen von Hafenarealen rechtlich eine große Herausforderung dar. Die Praxis muss wegen zunehmend an sie herangetragenen Einziehungsmaßnahmen jetzt, nicht erst zukünftig, unangreifbar handeln. Sie kann sich dabei nicht an einer Vielzahl von Judikaten orientieren. Auch das Schrifttum, soweit es sich mit der Thematik überhaupt eingehender beschäftigt, ist bei wenig Einigkeit bereits im Grundsätzlichen vor allem durch Unterschiede im Detail zu kennzeichnen. Daher bietet die angeführte Rechtsprechung zum Hafen Friedrichkoog eine gute Orientierung. Den dortigen Ausführungen ist grundsätzlich zuzustimmen. Das Verkehrsministerium Nordrhein-Westfalen beabsichtigt – einem Handlungsauftrag aus dem aktuellen Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept entsprechend170 –, einen Referentenentwurf für ein Landeshafengesetz vorzulegen. Im Entwurf sind auch widmungsrechtliche Gehalte als Regelungsgegenstände vorgesehen. Zu den aufzunehmenden Vorschriften sollen auch und besonders Bestimmungen gehören, die den Entwidmungsakt näher regeln. Ob sich allerdings die Hoffnungen der Branche bzw. deren Interessenvertreter erfüllen, dass mit einem neuen Instrumentarium aus dem Rechtskreis der öffentlichen Sachen städtebaulichen Begehrlichkeiten zur Inanspruchnahme von Hafenflächen bzw. „hafenfremden“ Nutzungen auch juristisch entgegengewirkt werden kann, bleibt abzuwarten.

gentum überlagernde öffentlichen Sachherrschaft in Form der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit wieder verschafft werden. 168 So OVG SH, Urt. v. 28. 4. 2016 – 4 LB 9/15, juris, Rn. 85. 169 In diesem Beitrag konnten – bezogen auf den Ausgangsfall – einige relevante Fragenkreise nicht behandelt werden, z. B.: Kann wegen eventuell fehlender gesetzlicher Grundlage im Bereich der kommunalen Einrichtung „Hafen“ die Widmung eine das privatrechtliche Eigentum verdrängende öffentliche Sachherrschaft begründet werden bzw. was bewirkt die Widmung? Vgl. dazu H.-J. Wolff/O.Bachof/R. Stober/W. Kluth (o. Fn. 36), § 75 Rn. 2 und H.J. Papier (o. Fn. 35), S. 13, 50. Was genau wird bei der Errichtung einer öffentlichen Einrichtung zu (ent)widmen sein? Bezieht sich die Widmung auf die Einrichtung oder auf die Sachen selbst? S. hierzu etwa P. Axer (o. Fn. 36), S. 148 f. Welche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen bestehen im Einzelnen? Welche Rolle kann der „Pachtvertrag“ im Hinblick auf die Verfügungsgewalt über die Wasserfläche spielen? 170 Handlungsfeld 31, S. 9.

Schriftenverzeichnis von Prof. Dr. Wilfried Erbguth I. Monographien 1.

Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht und Staatshaftungsrecht, 9. Aufl., Baden-Baden 2018, 665 S., zusammen mit Annette Guckelberger.

2.

Umweltrecht, 6. Aufl., Baden-Baden 2016, 534 S., zusammen mit Sabine Schlacke.

3.

Besonderes Verwaltungsrecht, 12. Aufl., Heidelberg 2015, 669 S., zusammen mit Thomas Mann/Mathias Schubert.

4.

Öffentliches Baurecht (mit Bezügen zum Umwelt- und Raumplanungsrecht), 6. Aufl., Berlin 2015, 536 S., zusammen mit Mathias Schubert.

5.

W. Erbguth et. al., Maritime Raumordnung. Interessenlage, Rechtslage, Praxis, Fortentwicklung. Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 1, Hannover 2013, 89 S.

6.

Planungsrecht in der gerichtlichen Kontrolle – Kolloquium zum Gedenken an Werner Hoppe, Berlin 2012, 192 S., zusammen mit Winfried Kluth.

7.

Rechtsfragen der Errichtung und Erweiterung von Binnenhäfen – unter Berücksichtigung städtebaulicher Nutzungsinteressen an Hafenflächen, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Baden-Baden 2011, 195 S., zusammen mit Mathias Schubert.

8.

Rechtsfragen der Zulassung und planerischen Steuerung schwimmender und pfahlgestützter Häuser in Küsten- und Binnengewässern – anhand des Bundesrechts und des Landesrechts Mecklenburg-Vorpommerns, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 34, Baden-Baden 2006, 103 S., zusammen mit Mathias Schubert.

9.

Notebook-University Rostock: Urheber-, Datenschutz- und haftungsrechtliche Fragestellungen, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 30, Baden-Baden 2005, 107 S., zusammen mit Peter Volle/Ulrike Streufert/Anja Vandrey.

10. Die Abfallwirtschaftsplanung, 2. Aufl., Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 27, Baden-Baden 2004, 103 S. 11. Bodenschutzrecht, Schriftenreihe Recht und Praxis, Baden-Baden 2001, 208 S., zusammen mit Frank Stollmann. 12. Handbuch Sport und Umwelt, 2. Aufl., Aachen 2000, 405 S., zusammen mit Hans-Joachim Schemel. 13. Zur Vereinbarkeit der jüngeren Deregulierungsgesetzgebung im Umweltrecht mit dem Verfassungs- und Europarecht – am Beispiel des Planfeststellungsrechts, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 8, Baden-Baden 1999, 109 S. 14. Die Abfallwirtschaftsplanung, Rostocker Schriften zum Seerecht und Umweltrecht, Bd. 5, Baden-Baden 1997, 104 S. 15. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Kommentar, 2. Aufl., München 1996, 1140 S., zusammen mit Alexander Schink.

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Schriftenverzeichnis

16. Die Zweitregisterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts – Hintergrund, Würdigung und Konsequenzen für die Schifffahrt, Schriften des deutschen Vereins für internationales Seerecht, Bd. 87, Hamburg 1995, 20 S. 17. Landschaftsplanung als Umweltleitplanung, Schriften zum Umweltrecht, Bd. 39, Berlin 1994, 177 S., zusammen mit Bodo Wiegand. 18. Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder. Ergänzbarer Kommentar und systematische Sammlung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Loseblatt, Berlin 1979 ff., 1690 S. (bis 1996), zusammen mit Walter Bielenberg/Wilhelm Söfker. 19. Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 2. Aufl., Köln u. a. 1992, 288 S., zusammen mit Jörg Schoeneberg. 20. Staats- und Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung, 8. Aufl., Witten 1992, 480 S., zusammen mit Walter Alfert/Herrmann Kühlkamp/Helmut Stegemann. 21. Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, Schriften zum Umweltrecht, Bd. 7, Berlin 1987, 452 S. (aktualisierte Zweitauflage der Habilitationsschrift). 22. Allgemeines Verwaltungsrecht, Teil 2, 2. Aufl., Köln u. a. 1987, 184 S. (Schriftenreihe Verwaltung in Praxis und Wissenschaft, Bd. 2), zusammen mit Joachim Becker. 23. Umweltverträgliche Freizeitanlagen, Rechtsfragen, Berlin 1987, 220 S., zusammen mit Hans-Jürgen Richard/Annette Zachey. 24. Raumbedeutsames Umweltrecht, Systematisierung, Harmonisierung und sonstige Weiterentwicklung, Münster 1986, 480 S. (Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 102). Zugleich Münster, Rechtswissenschaftliche Habilitationsschrift. 25. Denkmalschutzgesetze der Länder. Rechtsvergleichende Darstellung unter besonderer Berücksichtigung Nordrhein-Westfalens, Münster 1984, 94 S. (Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 97), zusammen mit Hermann Paßlick/Gerald Püchel. 26. Weiterentwicklung raumbezogener Umweltplanungen. Vorschläge aus rechts- und verwaltungswissenschaftlicher Sicht, Münster 1984, 206 S. (Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 95), zusammen mit Arthur Benz/Gerald Püchel. 27. Immissionsschutz und Landesplanung. Aktuelle Fragen im Verhältnis beider Rechtsgebiete, Münster 1982, 109 S. (Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 77). 28. Zur Durchsetzung von Umweltbelangen im Bereich der räumlichen Planung. Eine Untersuchung zum rechtlichen und administrativen Instrumentarium, Münster 1982, 412 S. (Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 76), zusammen mit Hans Schlarmann. 29. Probleme des geltenden Landesplanungsrechts. Ein Rechtsvergleich, Münster 1975, 224 S. (Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 19). Zugleich Münster, Rechtswissenschaftliche Dissertation.

II. Beiträge in Sammelwerken 1.

Bauleitplanung und Fachplanung: Altes und Neues, in: Hans. D. Jarass (Hrsg.), Zum Verhältnis von Fachplanung, Raumordnung und Bauleitplanung, Berlin 2018, S. 47 – 81.

2.

Kommentierung zu §§ 2, 3 BBodSchG, in: Ludger Giesberts/Michael Reinhardt (Hrsg.), Umweltrecht, 2. Aufl., München 2018, zusammen mit Mathias Schubert.

Schriftenverzeichnis

641

3.

Kommentierungen zu Art. 27, 30, 35, 37, 118, 118a GG, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl., München 2018, zusammen mit Mathias Schubert.

4.

Urteilsbesprechungen Nr. 59 und 82, in: Armin Steinbach (Hrsg.), Verwaltungsrechtsprechung, Tübingen 2017, zusammen mit Mathias Schubert.

5.

Neues zur Steuerung der Energieerzeugung: Erzeugungsentwicklungsplanung, Europarecht, städtebaulicher Planvorbehalt, in: Lothar Knopp/Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.), Umwelt – Hochschule – Staat, Festschrift für Franz-Joseph Peine zum 70. Geburtstag, Berlin 2016, S. 55 – 67.

6.

Flughäfen: Planfeststellung – Flugroutenbestimmung – Umweltschutz, in: Timo Hebeler (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2016, Berlin 2016, S. 115 – 140.

7.

Raumbezogenes Infrastrukturrecht: Entwicklungslinien und Problemlagen, in: Martin Kment (Hrsg.), Das Zusammenwirken von deutschem und europäischem öffentlichen Recht, Festschrift für Hans D. Jarass zum 70. Geburtstag, 2015, S. 413 – 427.

8.

Unzulängliche Rechtsgrundlagen für die räumliche Steuerung in der Energiewende: rechtspolitische Anmerkungen, in: Timo Hebeler/Reinhard Hendler/Alexander Proelß/ Peter Reiff (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2014, Berlin 2014, S. 7 – 20.

9.

Kraftwerkssteuerung durch räumliche Gesamtplanung, in: Kurt Faßbender/Wolfgang Köck (Hrsg.), Versorgungssicherheit in der Energiewende – Anforderungen des Energie-, Umwelt- und Planungsrechts, Baden-Baden 2014, S. 93 – 112.

10. Kommentierung zu §§ 30, 31 KrWG, in: Hans D. Jarass/Frank Petersen (Hrsg.), Kreislaufwirtschaftsgesetz, München 2014, 103 S. 11. Planung und Zulassung von Stromautobahnen, in: Timo Hebeler/Reinhard Hendler/Alexander Proelß/Peter Reiff (Hrsg.), Energiewende in der Industriegesellschaft, Berlin 2014, S. 185 – 214. 12. Planerische Rechtsfragen des Netzausbaus: EnWG und NABEG im Zusammenspiel mit der Gesamtplanung, in: Martin Kment (Hrsg.), Netzausbau zugunsten erneuerbarer Energien, Tübingen 2013, S. 17 – 57. 13. Katastrophenschutzrecht und maritime Sicherheit, in: Claudio Franzius/Stefanie Lejeune et al., Beharren. Bewegen., Festschrift für Michael Kloepfer zum 70. Geburtstag, 2013, S. 361 – 376. 14. Rechtsregime für Energienetze im Zeichen des NABEG: ergänzende Anmerkungen, in: Michael Krautzberger/Hans-Werner Rengeling/Klaus Saerbeck, Bau- und Fachplanungsrecht, Festschrift für Bernhard Stüer zum 65. Geburtstag, München 2013, S. 403 – 411. 15. Kommentierung zu Art. 27, 29, 30, 35, 37, 118, 118a GG, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2011. 16. Zum Scheitern des Umweltgesetzbuches – Ursachen und Folgen für das nationale Umweltrecht, in: Reinhard Hendler/Peter Marburger/Peter Reiff/Meinhard Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2010, S. 7 – 28, zusammen mit Mathias Schubert. 17. Die SUP im Wasserrecht, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Umwelt im Wandel – Herausforderungen für die Umweltprüfungen (SUP/UVP), Berlin 2009, S. 57 – 65. 18. Terrorismusabwehr in Häfen: rechtliche Entwicklungen, in: Rolf Stober (Hrsg.), Jahrbuch des Sicherheitsgewerberechts 2007, Hamburg 2008, S. 41 – 75. 19. Schließung von Fakultäten: Organisationsakt unter Grundrechtsvorbehalt, in: Hermann Butzer/Markus Kaltenborn/Wolfgang Meyer, Organisation und Verfahren im sozialen Rechtsstaat, Festschrift für Friedrich E. Schnapp zum 70. Geburtstag, Berlin 2008, S. 83 – 102.

642

Schriftenverzeichnis

20. Die Föderalismusreform im Bereich Umwelt, insbesondere Raumordnung, in: Jörn Ipsen/ Bernhard Stüer (Hrsg.), Europa im Wandel, Festschrift für Hans-Werner Rengeling, Köln 2008, S. 35 – 56. 21. Zum Planungsrecht für Küsten und Meere, in: Jörg Ennuschat/Jörg Geerlings/Thomas Mann/Johann-Christian Pielow (Hrsg.), Wirtschaft und Gesellschaft im Staat der Gegenwart, Gedächtnisschrift für Peter J. Tettinger, Köln 2007, S. 397 – 415. 22. Kommentierung zu §§ 2, 3 BBodSchG, in: Ludger Giesberts/Michael Reinhardt (Hrsg.), Umweltrecht, Beck’scher Online-Kommentar, München 2007 ff. 23. Zur Zulässigkeit raumordnerischer Gebietskategorien im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, in: Max-Emanuel Geis/Dieter C. Umbach (Hrsg.), Planung – Steuerung – Kontrolle, Festschrift für Richard Bartlsperger zum 70. Geburtstag, Berlin 2006, S. 279 – 292. 24. Umweltrechtliche Instrumente und bauleitplanerische Abwägung im neuen Städtebaurecht, in: Reinhard Hendler/Peter Marburger/Michael Reinhardt/Meinhard Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2005, S. 63 – 89, zusammen mit Mathias Schubert. 25. Zeichen der Nachhaltigkeit, in: Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. (Hrsg.), Perspektiven der Regionalentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin 2004, S. 41 – 47. 26. § 88 Umweltschutz und Tourismus, Sport und Freizeit, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. 2 – Besonderes Umweltrecht, 2. Aufl., Köln 2004, zusammen mit Frank Stollmann. 27. Bearbeitung der Stichworte Umweltrecht, Umweltstrafrecht, in: Udo E. Simonis (Hrsg.), Öko-Lexikon, München 2003. 28. Flughafenplanung in der Raumordnung, in: Hans-Joachim Koch (Hrsg.), Umweltprobleme des Luftverkehrs, 2003, S. 81 – 96. 29. Nachhaltigkeit als Kategorie des öffentlichen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts – Eine Annäherung, in: Walter Bückmann/Yeong Heui Lee/Hanns-Uwe Schwedler (Hrsg.), Das Nachhaltigkeitsgebot der Agenda 21 – Die Umsetzung ins Umwelt und Planungsrecht, Berlin 2002, S. 105 – 110. 30. Bundesrecht, in: Wolfgang Riedel/Horst Lange (Hrsg.), Landschaftsplanung, 2. Aufl., Heidelberg 2002, S. 40 – 57, zusammen mit Frank Stollmann. 31. Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Bd. 61, Berlin 2002, S. 221 – 259. 32. Bearbeitung der Stichworte Umweltrecht, Wasserrecht, Immissionsschutzrecht, Umweltvölkerrecht, Gefahrstoffrecht, Bodenschutzrecht, in: Horst Tilch/Frank Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechtslexikon, Bd. 1 – 3, 3. Aufl., München 2001. 33. Aspekte einer umweltgerechten Verkehrssteuerung durch Planungs- und Ordnungsrecht, in: Jan Ziekow (Hrsg.), Planung 2000 – Herausforderungen für das Fachplanungsrecht, Berlin, S. 131 – 146. 34. Bundesrecht, in: Wolfgang Riedel/Horst Lange (Hrsg.), Landschaftsplanung, Heidelberg 2001, S. 40 – 57, zusammen mit Frank Stollmann. 35. Umweltrecht im Gegenwind? Ein ethisch orientiertes Umweltrecht ist nötig, in: Dietrich Böhler/Michael Stitzel u. a. (Hrsg.), Zukunftsverantwortung in der Marktwirtschaft, Münster 2000, S. 411 – 430, zusammen mit Bodo Wiegand-Hoffmeister. 36. Bauplanungsrecht, in: Norbert Achterberg/Günter Püttner/Thomas Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Heidelberg 2000, S. 627 – 747.

Schriftenverzeichnis

643

37. Zum System der Fachplanungen, in: Wilfried Erbguth/Janbernd Oebbecke/Hans-Werner Rengeling/Martin Schulte (Hrsg.), Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, München 2000, S. 631 – 648. 38. Verkehrsvermeidung in der Raumordnung, Landes- und Regionalplanung, in: Hans-Joachim Koch (Hrsg.), Rechtliche Instrumente einer dauerhaft umweltgerechten Verkehrspolitik, Baden-Baden 2000, S. 55 – 75. 39. Zur verfassungsrechtlichen (Un-)Zulässigkeit der materiellen Einwenderpräklusion im Planfeststellungsrecht, in: Wilfried Erbguth/Friedrich Müller/Volker Neumann (Hrsg.), Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch, Gedächtnisschrift für Bernd Jeand’Heur, Berlin 1999, S. 391 – 402. 40. Novellierte Heilungs- und Unbeachtlichkeitsvorschriften im deutschen Allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht: Vom fairen Verfahren zur sogenannten Ergebnisrichtigkeit, in: Barbara Adamiak/Jan Boc/Marcin Miemieç/Konrad Nowacki (Hrsg.), Acta Universitates Wratislaviensis, Breslau 1999, S. 71 – 82. 41. Konsequenzen der neueren Rechtsentwicklung im Zeichen nachhaltiger Raumentwicklung, in: Ulrike Wieland (Hrsg.), Perspektiven der Raum- und Umweltplanung, Festschrift für Karl-Hermann Hübler, Berlin 1999, S. 143 – 157. 42. Verfassungs- und europarechtliche Grenzen der jüngeren Deregulierungsgesetzgebung im deutschen Umweltrecht, in: Alexander Ruch/Gérard Hertig/Urs Ch. Nef (Hrsg.), Das Recht in Raum und Zeit, Festschrift für Martin Lendi, Zürich 1998, S. 83 – 103. 43. Die Umweltverträglichkeitsprüfung als Rhetorik? Vom fairen Verfahren zur sogenannten Ergebnisrichtigkeit, in: Hans-Joachim Koch (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, Baden-Baden 1998, S. 257 – 266. 44. § 89 Umweltschutz und Tourismus, Sport und Freizeit, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. 2 – Besonderes Umweltrecht, Köln 1998, S. 1379 – 1407, zusammen mit Frank Stollmann. 45. Landes- und Kommunalverfassung, in: Nikolaus Werz/Jochen Schmidt (Hrsg.), Mecklenburg-Vorpommern im Wandel: Bilanz und Ausblick, München 1998, S. 67 – 84. 46. Rechtliche Aspekte zu den Begriffen Verklappung, Meeresverschmutzung, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Lexikon der Bioethik, Gütersloh 1998, S. 668 – 669, 727 – 728. 47. Kommentierung zu § 29 KrW-/AbfG, in: Edmund Brandt/Dietrich Ruchay/Clemens Weidemann (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Loseblatt, München 1996/97, S. 70. 48. Abfallwirtschaftsplanung und ihre Auswirkungen auf die Zulassung von Abfallanlagen, in: Werner Hoppe/Joachim Bauer/Angela Faber/Alexander Schink (Hrsg.), Auswirkungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes auf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, Köln 1996, S. 96 – 142. 49. Rechtsfragen der Altlastenfreistellung: der „gedeckelte” Freistellungsbescheid, in: Udo Di Fabio/Peter Marburger/Meinhard Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1996, S. 269 – 287. 50. Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen durch den Finanzausgleich, in: Ferdinand Kirchhof/Hubert Meyer (Hrsg.), Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, Baden-Baden 1996, S. 62 – 70. 51. Rechtsfragen der Planung und Genehmigung von Offshore-Windenergieanlagen, in: Hans-Joachim Koch/Rainer Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, 1996, S. 281.

644

Schriftenverzeichnis

52. Erosion der Ländereigenständigkeit, in: Festschrift zum 180-jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 549 – 569. 53. Stichwort Umweltrecht, in: Handwörterbuch der Raumordnung, 1995, S. 996 – 1000. 54. Retreat from Environmental Protection in German Procedural Law, in: Erkki J. Hollo/Kari Marttinen (ed.), North European Environmental Law, Helsinki 1995, S. 299 – 307. 55. German Environmental Law Concepts, in: Erkki J. Hollo/Kari Marttinen (ed.), North European Environmental Law, Helsinki 1995, S. 289 – 298. 56. Ansätze eines Haftungsregimes für die Verschmutzung der Meere im deutschen Recht, in: Schriften des deutschen Vereins für internationales Seerecht, Berichte und Vorträge, Hamburg 1994, S. 68 – 84. 57. Gesetzliche Grundlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung – unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Öffentlichkeitsbeteiligung, in: Jozef Filipek/Jan Jendroska/ Peter J. Tettinger (Hrsg.), Energieversorgung und Umweltschutz – umweltrechtlich relevante Fragestellungen im Allgemeinen Verwaltungsrecht, Berg- und Energierecht – Beiträge des zweiten deutsch-polnischen Symposions am 9. und 10. September 1991 in Bochum, Bochum 1992, S. 137 – 159. 58. Bauplanungsrecht, in: Norbert Achterberg/Hermann Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, Heidelberg 1990, S. 350 – 431. 59. Anforderungen der EG-Richtlinie zur UVP am Beispiel der Bauleitplanung, in: Karl-Herrmann Hübler/Konrad Otto-Zimmermann (Hrsg.), UVP – Umweltverträglichkeitsprüfung – Gesetzgebung – Sachstand – Positionen – Lösungsansätze, Taunusstein 1989, S. 60 – 73. 60. Stichwort Raumordnungsverfahren, in: Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. 2, Berlin 1988, Spalte 244 – 255. 61. Stichwort Umweltplanung, in: Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. 2, a.a.O., Spalte 658 – 664. 62. Der Prüfungsumfang bei der Entscheidung über öffentlich-rechtliche Kontrollerlaubnisse als allgemeine verwaltungs- und verfassungsrechtliche Problematik, in: Rüdiger Breuer u. a. (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1987, S. 49 – 63. 63. Stichwort Duldungspflicht, in: Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. 1, Berlin 1986, Spalte 366 – 370. 64. Stichwort Abgrabungsrecht, in: Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. 1, a.a.O., Spalte 35 – 39. 65. Umweltverträglichkeitsprüfung in der Raumplanung, in: Dokumentation Umweltverträglichkeitsprüfung – Chance und Herausforderung für die europäische Umweltpolitik, Bonn 1983, S. 76 – 89 (Beiträge zum Natur-und Umweltschutz, Heft 8). 66. Nachbarschutz im unbeplanten Innenbereich. Gedanken zur Novellierung des § 34 Bundesbaugesetz, in: Harry Westermann u. a. (Hrsg.), Raumplanung und Eigentumsordnung, Festschrift für Werner Ernst zum 70. Geburtstag, München 1980, S. 89 – 106.

III. Zeitschriftenaufsätze 1.

Rechtsschutz gegen Raumordnungspläne – unter besonderer Berücksichtigung des § 48 UVPG, in: DVBl. 2018, S. 897 – 906.

2.

Zur Fortentwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung im räumlichen Planungs- und Zulassungsrecht, in: UPR 2018, S. 121 – 127.

Schriftenverzeichnis

645

3.

Bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung von Windenergieanlagen: zur Regelungskompetenz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: NordÖR 2018, S. 102 – 104.

4.

Zum Spannungsverhältnis zwischen Integrationsprinzip und Ressortprinzip – eine Skizze, in: NuR 2018, S. 17 – 20.

5.

Private Belange in der raumordnerischen Abwägung: Eigentumsschutz versus Typisierung, in: NVwZ 2017, S. 683 – 685.

6.

§ 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB als Raumordnungsklausel? Zu Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 16. 04. 2015 – 4 CN 4/14, in: DVBl. 2017, S. 817 – 823.

7.

Häfen zwischen Bund und Ländern: Infrastruktureller Befund und Fortentwicklung, in: DÖV 2017, S. 187 – 192.

8.

Behördliche Kooperationsverhältnisse im räumlichen Infrastrukturrecht? – Anhand der Rechtsprechung zur Flughafenplanung und zum städtebaulichen Planungsvorbehalt, in: UPR 2016, S. 326 – 328.

9.

Anmerkung zu OVG Greifswald, Beschl. v. 6. 1. 2016 – 3 M 72/15, NordÖR 2016, S. 308, in: NordÖR 2016, S. 352 – 353.

10.

Abstandsfläche nach Eigenart der näheren Umgebung oder: Wen schert schon die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, in: NordÖR 2016, S. 35 – 352.

11.

Bindung und Abwägung bei der Planung von Konzentrationszonen: zum Verständnis des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, in: DVBl. 2015, S. 1346 – 1352.

12.

Anmerkung zu BVerwG, Urt. v. 19. 2. 2015 – 7 C 11.12 – u. a., in: DVBl. 2015, S. 839 – 842.

13.

Ziel, Konzeption und Entwicklungslinien der Umweltverträglichkeitsprüfung, in: ZUR 2014, S. 515 – 526.

14.

Immer Ärger mit dem Kinderlärm, in: Ad Legendum 2014, S. 203 – 211, zusammen mit Caroline Wegener.

15.

Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur – Kompetenzfragen und Auswirkungen auf das nationale Recht des Netzausbaus, in: EurUP 2014, S. 70 – 84, zusammen mit Mathias Schubert.

16.

Kollision zwischen Bauleitplanung und hafenbezogener Fachplanung: Rechtsfragen, in: ZUR 2013, S. 643 – 651.

17.

Zur Rechtmäßigkeit der Regelung über die Schülerbeförderung in § 113 SchulG M-V, in: NordÖR 2013, S. 353 – 356, zusammen mit Mathias Schubert.

18.

Kraftwerkssteuerung durch räumliche Gesamtplanung, in: NVwZ 2013, S. 979 – 980, Langfassung: NVwZ-Extra 2013, S. 1 – 9.

19.

Raumordnung und Fachplanung: ein Dauerthema – Grundsätzliches und Aktuelles, in: DVBl. 2013, S. 274 – 280.

20.

Infrastrukturgroßprojekte: Akzeptanz durch Verfahren und Raumordnung, in: DÖV 2012, S. 821 – 827.

21.

Ausblick auf die Baugesetzbuch-Novelle 2012, in: UVP-report 2/2012, S. 65 – 68.

22.

Europäisches Raumordnungsrecht: Neue Regelungskompetenzen der EU im Gefolge des Vertrages von Lissabon?, in: AöR 2012, S. 72 – 91, zusammen mit Mathias Schubert.

23.

Energiewende: großräumige Steuerung der Elektrizitätsversorgung zwischen Bund und Ländern, in: NVwZ 2012, S. 326 – 332.

646

Schriftenverzeichnis

24.

Trassensicherung für Höchstspannungsleitungen: Systemgerechtigkeit und Rechtsschutz, in: DVBl. 2012, S. 325 – 329.

25.

Europarechtliche Vorgaben für eine maritime Raumordnung: Empfehlungen, in: NuR 2012, S. 85 – 91.

26.

Kooperationen der Bundesländer im Lichte des Art. 29 GG: Ein Überblick, in: NordÖR 2012, S. 1 – 9, zusammen mit Friedrich Gebert.

27.

Perspektiven der Raumordnung in Europa, in: RuR 2011, S. 359 – 365.

28.

Anmerkung zu EuGH v. 03. 03. 2011 – C 50/09, in: NVwZ 2011, S. 935.

29.

Raumordnungspläne für die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone – Inhalte und rechtliche Beurteilung, in: UPR 2011, S. 207 – 211.

30.

Maritime Raumordnung – Entwicklung der internationalen, supranationalen und nationalen Rechtsgrundlagen, in: DÖV 2011, S. 373 – 382.

31.

Die Neugliederung des Bundesgebiets: eine Standortbestimmung, in: JZ 2011, S. 433 – 438.

32.

Privatrechtliches Handeln der Verwaltung und Privatisierung, in: StudZR 2011, S. 17 – 32.

33.

Unterirdische Raumordnung – zur raumordnungsrechtlichen Steuerung untertägiger Vorhaben, in: ZUR 2011, S. 121 – 126.

34.

Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten, in: apf (Ausbildung Prüfung Fachpraxis) 2011, S. 40 – 49.

35.

Zuständigkeitsfragen bei der Erweiterung von Binnenhäfen – Anmerkung zum Beschluss des OVG NRW vom 29. 07. 2010, 20 B 1320/09, in: NWVBl. 2011, S. 47 – 50, zusammen mit Mathias Schubert.

36.

Hafenerweiterung: Planfeststellungsfähigkeit im Gefolge gesetzlicher Zuständigkeitsund Verfahrenskonzentration, in: DVBl. 2010, S. 1521 – 1528, zusammen mit Mathias Schubert.

37.

Wirksame Bauleitplanung trotz Verletzung raumordnungsrechtlicher Planungspflichten, in: NordÖR 2010, S. 434 – 436.

38.

Hafenerweiterung durch einheitliche Planfeststellung, in: VerwArch 2010, S. 437 – 454, zusammen mit Mathias Schubert.

39.

Abwägung als Wesensmerkmal rechtsstaatlicher Planung – die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips, in: UPR 2010, S. 281 – 287.

40.

Abbau des Verwaltungsrechtsschutzes – Eine Bestandsaufnahme anhand des Fachplanungs- und Immissionsschutzrechts, in: DÖV 2009, S. 921 – 931.

41.

Gesamtplanerische Abstimmung zu Wasser – Rechtslage und Rechtsentwicklung, in: Die Verwaltung 2009, S. 179 – 213.

42.

Entschädigungsansprüche bei Eigentumseingriffen, in: Ad Legendum 2009, S. 199 – 207.

43.

Umweltverfassungsrecht – Eine Einführung, in: JURA 2009, S. 431 – 438, zusammen mit Sabine Schlacke.

44.

Anmerkung zum Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. 1. 2009, LVerfG 5/08, in: NordÖR 2009, S. 209 – 210, zusammen mit Mathias Schubert.

45.

Nationales Infrastrukturrecht zur See, in: DVBl. 2009, S. 265 – 274.

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46.

Schwerpunktbereichsklausur – Öffentliches Recht: Verhinderung eines Windparks, in: JuS 2008, S. 992 – 998, zusammen mit Johannes Goldbecher.

47.

Und der Gesetzgeber schuldet wirklich nichts als das Gesetz?, in: JZ 2008, S. 1038 – 1042.

48.

Umwelteuroparecht, in: Ausbildung Prüfung Fachpraxis 2008, S. 289 – 294, zusammen mit Sabine Schlacke.

49.

UGB 09: die integrierte Vorhabengenehmigung im Referentenentwurf eines Umweltgesetzbuches, in: NuR 2008, S. 474 – 479, zusammen mit Mathias Schubert.

50.

Der praktische Fall: Umweltvölkerrecht, in: Verwaltungsrundschau 2008, S. 164 – 170, zusammen mit Sabine Schlacke.

51.

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte, in: JA 2008, S. 357 – 365.

52.

Vollstreckung von Verwaltungsakten, in: apf (Ausbildung Prüfung Fachpraxis) 2008, S. 106 – 112.

53.

Recht der öffentlichen Sachen, in: JURA 2008, S. 193 – 200.

54.

Zur gescheiterten Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern – Anmerkungen zum Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Juni 2007 (LVerfG 9/06 – 17/06), in: DÖV 2008, S. 152 – 155.

55.

Gefahrenabwehr in Häfen: Indiepflichtnahme der Hafenbetreiber, Begriff des Hafens und des Hafenbetreibers im neuen Hafensicherheitsrecht, in: LKV 2007, S. 533 – 537.

56.

Der praktische Fall: Haftung für die Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Verwaltungsrundschau 2007, S. 419 – 424.

57.

Städtebaurecht und Raumordnungsrecht im Wandel: Ökologisierung durch Europäisierung, Rechtsschutz, Föderalismusreform, in: NVwZ 2007, S. 985 – 991.

58.

Neues Hafensicherheitsrecht: Erstellung der Risikobewertung und des Gefahrenabwehrplans, in: DVBl. 2007, S. 1202 – 1211.

59.

Entwicklung im Bauordnungsrecht, in: JZ 2007, S. 868 – 878, zusammen mit Frank Stollmann.

60.

Möglichkeiten einer harmonisierten Umsetzung von Wasserrahmenrichtlinie und Integriertem Küstenzonenmanagement, in: EurUP 2006, S. 183 – 190, zusammen mit Anja Vandrey.

61.

Zur Vereinbarkeit bestehender öffentlicher Anlagen in (potenziellen) FFH-Gebieten mit europäischem Habitatschutzrecht @ am Beispiel eines gemeindeeigenen Parkplatzes, in: DVBl. 2006, S. 591 – 598, zusammen mit Mathias Schubert.

62.

Abwägung auf Abwegen? – Allgemeines und Aktuelles, in: JZ 2006, S. 484 – 492.

63.

Bauen auf dem Wasser – Zulässigkeitsanforderungen an die Errichtung von schwimmenden und pfahlgestützten Häusern, in: BauR 2006, S. 454 – 465, zusammen mit Mathias Schubert.

64.

Gesamtplanerische Steuerung von Bauvorhaben auf dem Wasser – am Beispiel schwimmender Ferien- und Wochenendhäuser in Küsten- und Binnengewässern, in: UPR 2006, S. 51 – 56, zusammen mit Mathias Schubert.

65.

Die Rechtmäßigkeit von Bauleitplänen: Neuregelungen durch das EAG Bau, in: Jura 2006, S. 9 – 15.

66.

Die strategische Umweltprüfung im Abfallrecht, in: LKV 2006, S. 1 – 5.

648

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67.

Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) und deutsche Küstenbundesländer – rechtlicher Untersuchungsbedarf, in: NuR 2005, S. 757 – 762.

68.

Das Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG), in: ZUR 2005, S. 524 – 530, zusammen mit Mathias Schubert.

69.

EU-Beihilferecht und Förderung des Gütertransports auf der Schiene durch die Bundesländer, in: VerwArch 2005, S. 439 – 463.

70.

Anmerkung zum Urteil des BGH vom 03. 03. 2005 – I ZR 133/02, „Atlanta“, KUR 2005, S. 153 – 156, zusammen mit Anja Vandrey.

71.

Anmerkung zum Urteil des BGH vom 25. 11. 2004 – I ZR 145/02, „Götterdämmerung“, in: KUR 2005, S. 147 – 153, zusammen mit Anja Vandrey.

72.

Zur Geltung des § 35 BauGB für Bauvorhaben in Küstengewässern, in: LKV 2005, S. 384 – 387, zusammen mit Mathias Schubert.

73.

Fischereirechte der Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns in den Küstengewässern, in: NordÖR 2005, S. 229 – 234, zusammen mit Annette Erbguth.

74.

Auswirkungen des Umweltrechts auf eine nachhaltige Regionalentwicklung, in: NuR 2005, S. 211 – 215.

75.

Strategische Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung: Neue Herausforderungen für die Kommunen? – EG-rechtliche Vorgaben und deren Umsetzung in Bundesund Landesrecht, Letzteres am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns, in: DÖV 2005, S. 533 – 541, zusammen mit Mathias Schubert.

76.

Das Dilemma der Enteignung zugunsten privatnütziger Vorhaben – Anmerkungen zum Airbus-Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. August 2004, in: NordÖR 2005, S. 55 – 56.

77.

Phasenspezifischer oder konzentrierter Rechtsschutz? Anhand des Umwelt- und Planungsrechts, Art. 14 GG, § 35 III 3 BauGB, in: NVwZ 2005, S. 241 – 247.

78.

Schiffsabfallentsorgung – Europarechtliches Sekundärrecht, völkerrechtlicher Hintergrund, nationale Umsetzung, in: DVBl. 2005, S. 333 – 340.

79.

Referendarexamensklausur – Öffentliches Recht: Windenergieanlagen im Außenbereich, in: JuS 2004, S. 985 – 989, zusammen mit Sabine Schlacke.

80.

Auf dem Weg zur virtuellen Universität: Urheberrechtliche Fragen und solche der Haftung im Rahmen einer Notebook-University, in: KuR 2004, S. 129 – 136, zusammen mit Ulrike Streufert.

81.

Rechtsschutzfragen und Fragen der §§ 214 und 215 BauGB im neuen Städtebaurecht, in: DVBl. 2004, S. 802 – 810.

82.

FFH-Gebietsmeldung und „Mannheimer Akte“ (Revidierte Rheinschifffahrtsakte): Europarecht und Völkerrecht im Widerstreit?, in: NWVBl. 2004, S. 137 – 141.

83.

EAG BauE: Änderungen des Raumordnungsrechts, in: NuR 2004, S. 91 – 97.

84.

Modellvorhaben Verwaltungsreform Mecklenburg-Vorpommern? Anmerkungen aus rechtlicher Sicht, in: LKV 2004, S. 1 – 6.

85.

Die Neuregelungen zur Seesicherheitsuntersuchung im System des Öffentlichen Rechts, in: NordÖR 2003, S. 273 – 276.

86.

Entwicklungslinien im Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung: UVP-RL – UVPÄndRL – UVPG – SUP, in: UPR 2003, S. 321 – 326.

Schriftenverzeichnis

649

87.

Steuerung von Offshore-Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone – Raumordnerische Handlungsmöglichkeiten des Bundes und der Länder, in: DÖV 2003, S. 665 – 672, zusammen mit Stefan Mahlburg.

88.

Luftverkehr und Raumordnung @ am Beispiel der Flughafenplanung, in: NVwZ 2003, S. 144 – 148.

89.

Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, in: DVBl. 2003, S. 625 – 684, zusammen mit Chris Müller.

90.

Das Umweltmedium „Boden“ im Spannungsfeld des Bauplanungs- und Naturschutzrechts, in: UPR 2002, S. 411 – 419, zusammen mit Frank Stollmann.

91.

Das neue Bundesnaturschutzgesetz – Alter Wein in neuem Schlauch?, in: Neue Justiz 2002, S. 519 – 523, zusammen mit Frank Stollmann.

92.

Zur gemeindewirtschaftlichen Zulässigkeit kommunaler Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen, in: NWVBl. 2002, S. 258 – 264, zusammen mit Sabine Schlacke.

93.

Rücknahmefrist und „intendiertes“ Ermessen: Vertrauensschutz im (bayerischen) Abwind – VGH München, NVwZ 2001, 931, in: JuS 2002, S. 333 – 334.

94.

Sport, Tourismus und Umwelt: Europarechtliche Vorgaben, in: SpuRt 2001, S. 138 – 142, zusammen mit Frank Stollmann.

95.

Zum Anwendungsbereich des Bundes-Bodenschutzrechts, in: NuR 2001, S. 241 – 245, zusammen mit Frank Stollmann.

96.

Verzahnung der integrativen Elemente von IVU- und UVP-Änderungs-Richtlinie, in: ZUR 2000, S. 379 – 383, zusammen mit Frank Stollmann.

97.

Factory-Outlet-Center: Landesplanungs- und städtebaurechtliche Fragen, verfassungswie verwaltungsrechtliche Aspekte, in: NVwZ 2000, S. 969 – 1088.

98.

Aspekte einer umweltgerechten Verkehrssteuerung durch Planungs- und Ordnungsrecht, in: DÖV 2000, S. 769 – 775, zusammen mit Guy Beaucamp.

99.

Ausgewiesene und potentielle Schutzgebiete nach FFH- bzw. Vogelschutz-Richtlinie: (Rechts-)Wirkungen auf die räumliche Gesamtplanung @ am Beispiel der Raumordnung, in: NuR 2000, S. 130 – 138.

100. Vom Folgenbeseitigungsanspruch zum Folgenentschädigungsanspruch? – VGH München, NVwZ 1999, 1237, in: JuS 2000, S. 336 – 338. 101. Zum Gehalt und zur verfassungs- wie europarechtlichen Vereinbarkeit der verwaltungsprozessual ausgerichteten Beschleunigungsgesetzgebung – am Beispiel des Planfeststellungsrechts, in: UPR 2000, S. 81 – 92. 102. Verkehrsvermeidung durch Raumordnung – zugleich zur nachhaltigkeitsbedingten „Wegwägsperre”, in: NVwZ 2000, S. 28 – 36. 103. Rechtsfragen der Naturhaushaltswirtschaft, in: DÖV 1999, S. 929 – 937, zusammen mit Frank Stollmann. 104. Der Streit um die Einführung des Euro, in: NordÖR 1999, S. 39 – 46, zusammen mit Simone Westphal. 105. Raumplanung im Meer – unter besonderer Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzrechts, in: NuR 1999, S. 491 – 497. 106. Die Ressortierung der Justiz und der Gesetzesvorbehalt – Anmerkungen zu VerfGH NRW, Urt. v. 9. 2. 1999, NWVBl. 1999, 176 und zur Entscheidungskritik, in: NWVBl. 1999, S. 365 – 369.

650

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107. Sport und Umwelt: Europarechtliche Vorgaben, in: NuR 1999, S. 426 – 430, zusammen mit Frank Stollmann. 108. Konsequenzen der neueren Rechtsentwicklung im Zeichen nachhaltiger Raumentwicklung, in: DVBl. 1999, S. 1082 – 1091. 109. The Challenge of Environmental Law as a Tool for Balancing Environmental and Economic Interests, in the Search for Sustainable Development, in: Limnologica, 1999, S. 362 – 365, zusammen mit Cindy L. Halbert. 110. Das neue Bodenschutzrecht des Bundes, in: GewArch 1999, S. 223 – 231, 283 – 288, zusammen mit Frank Stollmann. 111. Grundfragen des neugefassten Städtebaurechts im Verhältnis zum Umweltrecht, in: Verwaltungsrundschau 1999, S. 119 – 126. 112. Biete Planung, suche Grundstück – Möglichkeiten und Grenzen städtebaulicher Verträge, in: DVBl. 1999, S. 435 – 442, zusammen mit Markus Witte. 113. Einzelfragen der Sanierung und des Altlastenmanagements im Bundes-Bodenschutzgesetz, in: NuR 1999, S. 127 – 134, zusammen mit Frank Stollmann. 114. Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Deregulierungen im Planfeststellungsverfahren, in: UPR 1999, S. 41 – 50. 115. Konzeptionelle und rechtliche Konsequenzen des Gebots nachhaltiger Raumentwicklung, in: DÖV 1998, S. 673 – 680. 116. Bauleitplanung und private Investitionen – Städtebauliche Verträge, Vorhaben- und Erschließungsplan, BauROG 1998, in: VerwArch 1998, S. 189 – 218. 117. Erkundungsmaßnahmen nach dem Landesabfallgesetz – VGH Mannheim, NVwZ 1996, 1036, in: JuS 1998, S. 314 – 315. 118. Eignungsgebiete als Ziele der Raumordnung? – Planungspraxis, ROG ’98, § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ’98, in: DVBl. 1998, S. 209 – 214. 119. Regionalplanung und Bauleitplanung – Rechtsfragen und Rechtsprechung zur Anpassungspflicht der Gemeinde, § 5 Abs. 4 ROG 93 (§ 4 Abs. 1 ROG-E), § 1 Abs. 4 BauGB, in: Raumforschung und Raumordnung 1997, S. 270 – 278. 120. Bebauungsplanung und wasserrechtliche Planfeststellung: Die Bewältigung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung – unter Berücksichtigung des BauROG-Entwurfs, in: BauR 1997, S. 568 – 575, zusammen mit Chris Müller. 121. Zur Kartierungspflicht von privaten Projektträgern im Zusammenhang mit dem Artenschutz, in: LKV 1997, S. 233 – 237. 122. Das Bundesverwaltungsgericht und die Umweltverträglichkeitsprüfung, in: NuR 1997, S. 261 – 267. 123. Alternativen zur Müllverbrennung? – Rechtliche Anforderungen an Ausnahmen nach Ziffer 2.4 TA Siedlungsabfall, in: UPR 1997, S. 224 – 229, zusammen mit Stefan Mahlburg. 124. Die Bindung der Verwaltung an die FFH-Richtlinie, in: DVBl. 1997, S. 453 – 458, zusammen mit Frank Stollmann. 125. Der Transrapid: Planungsverfahren NVwZ 1997, S. 116 – 122.

und

Umweltverträglichkeitsprüfung,

in:

126. Aspekte der Abfallwirtschaftsplanung und ihre Auswirkungen auf die Zulassung von Abfallanlagen, in: UPR 1997, S. 60 – 67.

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127. Seerecht und Umweltschutz in der internationalen Zusammenarbeit – unter besonderer Berücksichtigung der Helsinki-Konvention 1992 und der Konsequenzen für Naturschutz und Raumordnung, in: Zeitschrift für Angewandte Umweltforschung 1996, S. 483 – 496. 128. Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen durch den kommunalen Finanzausgleich – am Beispiel des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: DÖV 1996, S. 906 – 911. 129. Die Bodenschutz- und Altlastengesetze der Länder vor dem Hintergrund des Entwurfs eines Bundes-Bodenschutzgesetzes, in: UPR 1996, S. 281 – 294, zusammen mit Frank Stollmann. 130. Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern und Altlastenverantwortlichkeit, in: ThürVBl. 1996, S. 97 – 105. 131. Offshore-Windenergieanlagen – Rechtsfragen, in: RdE 1996, S. 85 – 124. 132. Zulassungsverfahren des Bergrechts und Raumordnung – am Beispiel der Aufsuchung und Gewinnung von Kies und Sand in den neuen Bundesländern, in: VerwArch 1996, S. 258 – 287. 133. Zur Bedeutung des Landesverfassungsrechts bei der Rechtsanwendung – am Beispiel des Staatszieles Umweltschutz der Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern, in: Die Verwaltung 1996, S. 159 – 179, zusammen mit Bodo Wiegand. 134. Das bauordnungsrechtliche Genehmigungsfreistellungsverfahren, in: BayVBl. 1996, S. 65 – 71, zusammen mit Frank Stollmann. 135. Die Zweitregisterentscheidung des BVerfG – BVerfGE, NJW 1995, 2339, in: JuS 1996, S. 18 – 23. 136. Aktuelle Rechtsentwicklungen im Bauordnungsrecht, in: JZ 1995, S. 1141 – 1150, zusammen mit Frank Stollmann. 137. Stärkung der Umweltvorsorge in der Flächennutzungsplanung, in: NuR 1995, S. 444 – 448. 138. Planungs- und genehmigungsrechtliche Aspekte der Aufstellung von Windenergieanlagen, in: DVBl. 1995, S. 1270 – 1278, zusammen mit Frank Stollmann. 139. Verstärkung der Elemente unmittelbarer Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene. Praktische Erfahrungen mit der bisherigen Handhabung, in: DÖV 1995, S. 793 – 802. 140. Die Zulässigkeit der funktionalen Privatisierung im Genehmigungsrecht, in: UPR 1995, S. 369 – 378. 141. Die nordrhein-westfälische Braunkohlenplanung und der Parlamentsvorbehalt, in: VerwArch 1995, S. 327 – 358. 142. Das sächsische Bodenschutzrecht, in: SächsVBl. 1995, S. 49 – 54, zusammen mit Frank Stollmann. 143. Bauleitplanung und Fachplanung: Thesen, in: NVwZ 1995, S. 243 – 244. 144. Umweltschutz im Landesverfassungsrecht – dargestellt am Beispiel der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: DVBl. 1994, 1325 – 1334, zusammen mit Bodo Wiegand. 145. Entwicklungen der Umwelthaftung: Ansätze eines Haftungsregimes für die Verschmutzung der Meere im deutschen Recht, in: NuR 1994, 377 – 381. 146. Zum Stand des Bodenschutzrechts – dargestellt unter Berücksichtigung der Altlastenproblematik, in: NuR 1994, S. 319 – 330, zusammen mit Frank Stollmann. 147. Umweltrecht im Gegenwind: die Beschleunigungsgesetze, in: JZ 1994, S. 477 – 532.

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148. Zur Rechtsformwahl bei der kommunalen Aufgabenerfüllung, in: Stadt und Gemeinde, 1994, S. 127 – 135, zusammen mit Frank Stollmann. 149. Das Gebot einer materiellen Abgrenzung zwischen Grundsätzen und Zielen der Raumordnung, in: LKV 1994, S. 89 – 93. 150. Zum Entwurf eines Umweltinformationsgesetzes, in: UPR 1994, S. 81 – 88, zusammen mit Frank Stollmann. 151. Rückbau des Umweltrechts – unter besonderer Berücksichtigung des Verfahrensrechts, in: ZAU 1993, S. 549 – 556. 152. Die materielle Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung nach Erlass des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes, in: NVwZ 1993, S. 956 – 958. 153. Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Rechtssubjekte? – Zu den Kriterien bei der Wahl der Rechtsform, in: DÖV 1993, S. 798 – 809, zusammen mit Frank Stollmann. 154. Zur Zulässigkeit von Regelungen über die Bauleitplanung in einer UVP-Verwaltungsvorschrift, in: NuR 1993, S. 249 – 252, zusammen mit Frank Stollmann. 155. Anmerkung zum Urteil des VerfGH NRW vom 09. 02. 1993 – Zulässigkeit eines regionalplanerischen Eingriffs in die gemeindliche Bauleitplanung, in: DVBl. 1993, S. 649 – 651. 156. Der praktische Fall – Öffentliches Recht: Anfrage mit Nebenwirkungen, in: JuS 1993, S. 488 – 493, zusammen mit Frank Stollmann. 157. Rechtliche Grundlagen für Raumordnungsverfahren in den neuen Bundesländern, in: LKV 1993, S. 145 – 151. 158. Zum Bodenschutz anhand der neugefassten Vorschriften über die Luftreinhalteplanung, in: BayVBl. 1993, S. 97 – 101. 159. Anmerkung zu BVerwG, Urteil v. 14. 08. 1992 – 8 C 19.90 (VGH Mannheim), in: JZ 1993, S. 150 – 152. 160. Der öffentlich-rechtliche Vertrag in der Praxis: Rechtliche Einordnung und Rechtsfragen von Erschließungsabreden, in: DÖV 1992, S. 45–53, zusammen mit Arnulf Rapsch. 161. Der praktische Fall: Staatsorganisationsrecht, in: Verwaltungsrundschau 1992, S. 401 – 405, zusammen mit Frank Stollmann. 162. Über Möglichkeiten und Grenzen von Landesverfassungen im Bundesstaat – Der Entwurf einer Verfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, in: DÖV 1992, S. 770 – 779, zusammen mit Bodo Wiegand. 163. Die Umweltleitplanung im Entwurf eines Umweltgesetzbuchs – Allgemeiner Teil, in: DVBl. 1992, S. 1122 – 1132. 164. Beschleunigung von Infrastrukturplanungen versus privater oder staatlicher Mediation: Warum wird das Raumordnungsverfahren übersehen?, in: NVwZ 1992, S. 551 – 552. 165. Die Regelung des Raumordnungsverfahrens im Bund und in den neuen Bundesländern, in: UPR 1992, S. 287 – 294. 166. Anmerkungen zum administrativen Entscheidungsspielraum – Am Beispiel der Planfeststellung, in: DVBl. 1992, S. 398 – 404. 167. Informale Standortsuche für eine Hausmülldeponie und Abwägungsgebot – anhand eines praktischen Beispiels, in: NuR 1992, S. 262 – 268. 168. Rechtliche Anforderungen an Alternativprüfungen im (abfallrechtlichen) Planfeststellungsverfahren und vorgelagerten Verfahren, in: NVwZ 1992, S. 209 – 219.

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169. Die Umweltverträglichkeitsprüfung im immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren, in: DVBl. 1991, S. 413 – 420, zusammen mit Alexander Schink. 170. Sitzungsöffentlichkeit und Besetzung von gesetzlich nicht vorgesehenen kommunalen (Unter-)Gremien – Rechtsfragen, in: NWVBl. 1991, S. 37 – 45, zusammen mit Herrmann Paßlick. 171. Steuerung von großräumig bedeutsamen Investitionen in den neuen Bundesländern durch Raumordnungsverfahren?, in: VIZ 1991, S. 95 – 97. 172. Gesetzgebungskompetenzen und Bodenschutz – am Beispiel der Grünvolumen- und Bodenfunktionszahl, in: NuR 1990, S. 433 – 439, zusammen mit Arnulf Rapsch. 173. Das Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung: Allgemeine Konsequenzen für die Zulassung von Vorhaben, in: EuZW 1990, S. 531 – 536, zusammen mit Alexander Schink. 174. Rechtliche Grundlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung und Verkehrswegeplanung, in: Verwaltungsrundschau 1990, S. 293 – 297. 175. Umweltverträglichkeitsprüfung – Bauleitplanung – Eingriffsregelung. Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Rechtslage, in: VerwArch 1990, S. 327 – 348. 176. Landesplanung: Aufgabenverständnis und Forschungsbedarf, in: Raumforschung und Raumordnung 1990, S. 28 – 31. 177. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Rechtsdogmatische Grundlagen einer originären Rechtserzeugung durch die Exekutive, in: DVBl. 1989, S. 473 – 487. 178. Auswirkungen des Planfeststellungsverfahrens auf die Bauleitplanung, in: NVwZ 1989, S. 608 – 615. 179. Sicherung des kommunalen Beitragsaufkommens durch Nacherhebungspflicht und schlichte Rechtsanwendung?, in: NVwZ 1989, S. 531 – 534. 180. Rechtsstaatsprinzip und kommunales Selbstverwaltungsrecht – aktuelle Probleme, in: Jura 1988, S. 561 – 567. 181. Zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie – anhand eines praktischen Beispiels, in: JuS 1988, S. 699 – 706. 182. Der Entwurf eines Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung: Musterfall querschnittsorientierter Gesetzgebung aufgrund EG-Rechts?, in: NVwZ 1988, S. 969 – 977. 183. Gemeinschaftsrechtliche Impulse zur Weiterentwicklung des nationalen Verwaltungsrechts, in: DÖV 1988, S. 481 – 488. 184. Bundesstaatliche Kompetenzverteilung im Bereich der Gesetzgebung. Aktuelle Entwicklungen und allgemeine Grundlagen, in: DVBl. 1988, S. 317 – 327. 185. Das Baugesetzbuch und seine Auswirkung auf die Landes- und Regionalplanung, in: NVwZ 1988, S. 289 – 297. 186. Vorgaben der EG-Richtlinie für die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in das deutsche Recht, in: Verwaltungsrundschau 1988, S. 5 – 9. 187. Rechtsfragen der Umweltverträglichkeit von Freizeitanlagen, in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 1988, S. 355 – 368, zusammen mit Hans-Jürgen Richard. 188. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Landschaftspläne, in: Verwaltungsrundschau 1988, S. 292 – 294. 189. Thesen zur Systematisierung des (raumbedeutsamen öffentlichen) Umweltrechts, in: UPR 1987, S. 51 – 55.

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190. Zum Einsatzbereich der Landschaftsplanung: Baugesetzbuch, Umweltverträglichkeitsprüfung, in: UPR 1987, S. 409 – 413. 191. Zum rechtlichen Geltungsanspruch eines Berücksichtigungsgebots hinsichtlich des Ergebnisses von Raumordnungsverfahren (mit Umweltverträglichkeitsprüfung) und zu etwaigen Konsequenzen für die Verfahrensstufung und die (Öffentlichkeits-) Beteiligung vor dem Hintergrund der EG-UVP-Richtlinie, in: DVBl. 1987, S. 827 – 829. 192. Golfplätze als privilegierte Außenbereichsvorhaben?, in: NuR 1987, S. 214 – 217, zusammen mit Hans-Jürgen Richard. 193. Neue Aspekte zur planerischen Abwägungsfehlerlehre?, in: DVBl. 1986, S. 1230 – 1235. 194. Weiterentwicklungsbedarf im Bodenschutzrecht?, in: NuR 1986, S. 137 – 141. 195. Rechtliche Abgrenzungsfragen bei der Stadterhaltung – dargestellt am Beispiel des (Bau-) Denkmalschutzes und der städtebaulichen Planung, in: DVBl. 1985, S. 1352 – 1359 (Habilitationsvortrag). 196. Integrierter Umweltschutz. Verfassungsrechtliche Fragen eines umfassenden Planungsmodells, in: DÖV 1984, S. 699 – 706. 197. Das Denkmalrecht der Länder. Ein Rechtsvergleich unter besonderer Berücksichtigung Nordrhein-Westfalens, in: DVBl. 1984, S. 603 – 611, zusammen mit Herrmann Paßlick. 198. Rechtsfragen des Bodenschutzes, in: UPR 1984, S. 241 – 249. 199. Materiellrechtliche Bedeutung des Umweltschutzes in der Fachplanung. Dargestellt am Beispiel der Planung von Bundesfernstraßen, in: NuR 1984, S. 209 – 217, zusammen mit Gerald Püchel. 200. Möglichkeiten und Aufgaben des Bundes im Bereich der Raumordnung zur Durchsetzung von Umwelterfordernissen, in: DVBl. 1983, S. 1213 – 1222, zusammen mit Werner Hoppe. 201. Environmental Impact Assessment – Umweltverträglichkeitsprüfung: quo vadis?, in: NVwZ 1983, S. 461 – 462. 202. Zu trägerschaftlichen und beteiligungsrechtlichen Fragen nach § 9 Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, in: Verwaltungsrundschau 1983, S. 312 – 314, zusammen mit Gerald Püchel. 203. Maßnahmen nach dem Denkmalschutzgesetz und ihre Auswirkung auf die Gemeinden, in: Städte- und Gemeinderat 1983, S. 215 – 219, zusammen mit Gerald Püchel. 204. Zu Rechtsfragen regionaler Energieversorgungskonzepte, in: DVBl. 1983, S. 305 – 312. 205. Die Notwendigkeit von Untersuchungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Anmerkungen zu einer Studie von Jürgen Salzwedel, in: DVBl. 1983, S. 258 – 261. 206. Das rechtssystematische Verhältnis von überörtlicher Landschaftsplanung und Landesplanung. Zur Verknüpfung beider Planarten, in: UPR 1983, S. 137 – 142. 207. Umweltverträglichkeitsprüfungen im Rechtssystem – ein kritischer Überblick, in: BayVBl. 1983, S. 129 – 136. 208. Raumordnungsverfahren, Umweltschutz und Vereinheitlichung des Landesplanungsrechts. Anregungen zu einer Novellierung in Nordrhein-Westfalen, in: DVBl. 1982, S. 1172 – 1175, zusammen mit Gerhard Zoubek. 209. Die Luftreinhaltepläne im Abwägungsvorgang der Bauleit- und Landesplanung, in: NVwZ 1982, S. 649 – 656, zusammen mit Gerald Püchel.

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210. Verbesserter Umweltschutz durch Koordinierung mit der räumlichen Planung – Gedanken und Thesen zum planerischen Umweltschutz, in: UPR 1982, S. 345 – 353, zusammen mit Hans Schlarmann. 211. Umweltverträglichkeitsprüfung und Raumordnungsverfahren. Gedanken zur rechtssystematischen Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung, in: NuR 1982, S. 161 – 165. 212. Verfassungsrechtliche Fragen im Verhältnis Landesplanung und Braunkohleplanung, in: DVBl. 1982, S. 1 – 13. 213. Die Koordination raumbedeutsamer Fachplanungen. Zum aktuellen Diskussionsstand, in: BayVBl. 1981, S. 577 – 584. 214. Ausgewählte Probleme des öffentlichen Sachenrechts. Acht Aufsätze, in: Verwaltungsrundschau 1981, S. 110 – 113, S. 152 – 157, S. 191 – 195, S. 253 – 256, S. 300 – 303, S. 339 – 343 und Verwaltungsrundschau 1982, S. 14 – 19, S. 41 – 44. 215. Zur Rechtsnatur von Programmen und Plänen der Raumordnung und Landesplanung, in: DVBl. 1981, S. 557 – 564. 216. Einführung in das Recht der Raumordnung und Landesplanung, in: Verwaltungsrundschau 1980, S. 181 – 191, S. 209 – 212. 217. Die Ressortierung der Raumordnung und Landesplanung – ein ungelöstes Problem? Anmerkungen anläßlich der Neuordnung in Nordrhein-Westfalen, in: Raumforschung und Raumordnung 1980, S. 143 – 157, zusammen mit Reinhard Timmer. 218. Neues schweizerisches Raumplanungsgesetz. Ansätze für die bundesdeutsche Raumordnung, in: Innere Kolonisation 1980, S. 107 – 110, zusammen mit Reinhard Timmer.

IV. Herausgeberschaften (Auszug) 1.

Stand und Entwicklung im Seerecht, Umweltrecht, Städtebaurecht, Raumordnungs- und Fachplanungsrecht – 20 Jahre Ostseeinstitut – 20 Jahre Infrastrukturrecht, Baden-Baden 2013, 81 S.

2.

Planungsrecht in der gerichtlichen Kontrolle – Kolloquium zum Gedenken an Werner Hoppe, Berlin 2012, 192 S., zusammen mit Winfried Kluth.

3.

Anlage und Erweiterung von Häfen – Rechtsfragen, Baden-Baden 2012, 103 S., zusammen mit Monika Breuch-Moritz.

4.

Landes- und Wirtschaftsentwicklung zu Wasser – Raumordnungspläne für die Nord- und Ostsee, Baden-Baden 2011, 73 S., zusammen mit Monika Breuch-Moritz.

5.

Kontrolle des Verwaltungshandelns, Stuttgart 2010, 218 S., zusammen mit Johannes Masing.

6.

Verwaltungsrechtsschutz in der Krise: vom Rechtsschutz zum Schutz der Verwaltung?, Baden-Baden 2010, 153 S.

7.

Infrastrukturrecht zur See: Neue Wege der Meeresordnung, Baden-Baden 2009, 65 S., zusammen mit Peter Ehlers.

8.

Sicherheit im Seeverkehr und Fragen der Schifffahrtsabgaben, Baden-Baden 2008, 87 S., zusammen mit Peter Ehlers.

9.

Neues Städtebau- und Raumordnungsrecht – rechtliche Bewertung, Bedeutung für die Praxis. Rostocker Umweltrechtstag 2007, Baden-Baden 2007, 122 S.

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Schriftenverzeichnis

10. Hafenrecht und Schutz der Meere: neue Entwicklungen, Baden-Baden 2006, 93 S., zusammen mit Peter Ehlers. 11. Strategische Umweltprüfung (SUP) – Stand, Rechtsfragen, Perspektiven. Rostocker Umweltrechtstag 2005, Baden-Baden 2006, 153 S. 12. Verwaltung unter dem Einfluss des Europarechts, Stuttgart 2006, 232 S., zusammen mit Johannes Masing. 13. Effektiver Rechtsschutz im Umweltrecht? – Stand, aktuelle Entwicklungen, Perspektiven, Baden-Baden 2005, 137 S. 14. Nutzungs- und Schutzkonflikte in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – rechtliche Steuerungsmöglichkeiten, Baden-Baden 2005, 81 S., zusammen mit Peter Ehlers. 15. Die Bedeutung der Rechtsprechung im System der Rechtsquellen: Europarecht und nationales Recht, Stuttgart 2005, 224 S., zusammen mit Johannes Masing. 16. Die Umweltverträglichkeitsprüfung: Neuregelungen, Entwicklungstendenzen, BadenBaden 2004, 155 S. 17. Aktuelle Entwicklungen im Seerecht II, Baden-Baden 2003, 145 S., zusammen mit Peter Ehlers. 18. Änderungsbedarf im Wasserrecht – zur Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, BadenBaden 2003, 79 S. 19. Europäisierung des nationalen Umweltrechts: Stand und Perspektiven, Baden-Baden 2001, 157 S. 20. Aktuelle Entwicklungen im Seerecht, Baden-Baden 2000, 171 S., zusammen mit Peter Ehlers. 21. Neuregelungen im Bundesnaturschutzgesetz: Rechtsfragen, Baden-Baden 2000, 125 S. 22. Aktuelle Fragen des Altlasten- und Bodenschutzrechts, Baden-Baden 1997, 168 S. 23. 50 Jahre Vereinte Nationen – Tätigkeit und Wirken der Internationalen SeeschiffahrtsOrganisation (IMO), Baden-Baden 1997, 88 S., zusammen mit Peter Ehlers.

Autorenverzeichnis Prof. Dr. Hartmut Bauer, Lehrstuhl für Europäisches und Deutsches Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam Prof. Dr. Guy Beaucamp, Lehrender am Department Public Management an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Prof. Dr. Martin Beckmann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei Baumeister Rechtsanwälte in Münster, ehem. Geschäftsführer des Zentralinstituts für Raumplanung an der Universität Münster, Honorarprofessor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Jörg Berkemann, Richter am Bundesverwaltungsgericht a. D., Honorarprofessor für Öffentliches Recht und Staatsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg, Lehrbeauftragter an der Bucerius Law School, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Breuer, ehem. Direktor des Instituts für das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Köhler & Klett in Köln und Berlin Prof. Dr. Wolfram Cremer, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. Martin Dippel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei Brandi Rechtsanwälte in Paderborn, Honorarprofessor für Öffentliches Recht an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner, LL.M., Lehrstuhl für Öffentliches Recht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Direktor des Instituts für das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft Dr. Eva-Maria Ehebrecht-Stüer, Fachanwältin für Verwaltungsrecht in Münster Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Ehlers, Präsident des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie a. D., Honorarprofessor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A., Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin, apl. Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock Prof. Dr. Astrid Epiney, Lehrstuhl für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Lehrstuhl für Öffentliches Recht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Prof. Dr. Susan Grotefels, Geschäftsführerin des Zentralinstituts für Raumplanung an der Universität Münster

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Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Reinhard Hendler, ehem. Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier, Rechtsanwalt in der Kanzlei Jeromin Kerkmann in Andernach Prof. Dr. Hans Dieter Jarass, LL.M., Geschäftsführender Direktor des Zentralinstituts für Raumplanung an der Universität Münster, Of Counsel bei Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte in Bonn Prof. Dr. Michael Kloepfer, ehem. Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Umweltrecht, Finanz- und Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Leiter der Forschungsplattform Recht, Of Counsel bei der Kanzlei Köhler & Klett in Köln und Berlin Prof. Dr. Winfried Kluth, Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Richter am Landesverfassungsgericht SachsenAnhalt a. D. Prof. Dr. Martin Kment, LL.M., Geschäftsführender Direktor des Instituts für Umweltrecht der Universität Augsburg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Umweltrecht und Planungsrecht an der Juristischen Fakultät Dr. Boas Kümper, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster Hans Martin Müller, Ministerialrat und Leiter des Referats Intermodaler Güterverkehr und Häfen, Schifffahrt, Logistik im Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. Ulrich Ramsauer, Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hamburg a. D., ehem. Direktor des Seminars für Verwaltungslehre an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg, Of Counsel bei Görg Rechtsanwälte in Hamburg Dr. Peter Runkel, Ministerialdirektor a. D. im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Prof. Dr. Michael Sauthoff, Präsident des Oberverwaltungsgerichts und des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern, Honorarprofessor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald Prof. Dr. Alexander Schink, Senior Counsel bei Redeker Sellner Dahs (Rechtsanwälte) in Bonn, Staatssekretär a. D., Honorarprofessor an der Technischen Universität Berlin und Lehrbeauftragter an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Prof. Dr. Sabine Schlacke, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Dr. Holger Schmitz, Rechtsanwalt und Dipl. Geograph, Partner der Kanzlei Noerr LLP in Berlin und Düsseldorf PD Dr. Mathias Schubert, Privatdozent an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock und Referent im Wissenschaftlichen Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages Prof. Dr. Ulrich Smeddinck, apl. Professor an der Universität Halle-Wittenberg und Projektleiter an der Technischen Universität Braunschweig, Institut für Rechtswissenschaft Prof. Dr. Wilhelm Söfker, Ministerialdirigent a. D., Honorarprofessor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Autorenverzeichnis

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Dr. Frank Stollmann, Leitender Ministerialrat, Leiter der Gruppe „Öffentliches Gesundheitswesen“ im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Prof. Dr. Bernhard Stüer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Notar in Münster, Honorarprofessor an der Universität Osnabrück Prof. Dr. Bodo Wiegand-Hoffmeister, Rektor der Hochschule Wismar Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Ziekow, Direktor des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer