Festschrift für Hans-Joachim Priester: Zum 70. Geburtstag 9783504380618

Mehr als 50 namhafte Autoren aus Wissenschaft und Praxis haben sich in dieser Festschrift versammelt, um anlässlich sein

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German Pages 922 Year 2007

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Festschrift für Hans-Joachim Priester: Zum 70. Geburtstag
 9783504380618

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Festschrift für Hans-Joachim Priester

FESTSCH Rl FT FÜR HANS-JOACHIM

PRIESTER ZUM 70. GEBURTSTAG herausgegeben von

Peter Hammelhoff Peter Rawert Karsten Sch midt

2007

oUs

Verlag

Dr.OttoSchmidt Köln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/937 38-01, Fax 0221/937 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-0603 6-7 ©2007 by Verlag Dr. Otto Scbmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere fiir Vervielfiiltigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Textformatierung: A. Quednau, Haan Druck und Verarbeitung: Bercker, Kevelaer Printed in Germany

Vorwort Diese Festschrift ist einem Praktiker und Wissenschaftler des Rechts gewidmet, dessen selbst verfasster Lebenslauf, abgerufen von der dienstlichen Homepage, sich nach hanseatischer Art lakonisch und nüchtern ausnimmt. Was Hans-Joachim Priester von sich selbst berichtet, liest sich da so: „Geboren 1937 in Hamburg. Ab 1955 Studium der Rechtswissenschaft und der Betriebswissenschaft in Hamburg, Heidelberg und wieder in Hamburg. Referendarexamen 1960, Dipl.-Kaufmann 1962; Promotion zum Dr. jur. 1964 in Hamburg. Nach Referendarstationen in Hamburg, Berlin und Brüssel (EWG) Assessorenexamen 1966. Ab 1967 Rechtsanwalt, Mitarbeiter in einer Hamburger Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfersozietät. 1972 Wirtschaftsprüfer; 1974 Notar in Hamburg; 1988 Honorarprofessor an der Universität Hamburg. 2000 Mitglied der Gründungskommission der Bucerius Law School in Hamburg. Vizepräsident der Hamburgischen Notarkammer, Mitglied des Ausschusses für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Bundesnotarkammer.“ Nicht zu bestreiten: Ein erfolgreiches Berufsleben spricht aus diesen wenigen Daten, die leicht um weitere Ämter in Wirtschaft und Gesellschaft hätten ergänzt werden können. Doch wie farbenreich das Leben des Jubilars ist und war, vor allem aber wie farbig der Jubilar selbst vor uns steht, das verschweigt dieses dürre Register. Sein Portrait, das er uns so augenfällig vorenthält, auch nur als Umrissskizze zu entwerfen, ist denn auch schwierig. Doch sei dies versucht. Da ist zunächst der Praktiker. Hans-Joachim Priester liebt die juristische Arbeit, und er ist – oder war doch bis zum Erreichen der Altersgrenze – besonders gerne Notar. Er lässt uns begreifen, dass dieser Beruf ganz gegen die landläufige Einschätzung Inspirationsquelle sein kann, und ahnen lässt er, dass dessen meisterliche Beherrschung Inspiration geradezu voraussetzt. Diese schöpft Hans-Joachim Priester aus kluger Einsicht in Lebenswirklichkeiten, in die Psyche von Menschen und in die Belange von Wirtschaft und Recht. Gewiss kommt ihm nach seinen glanzvollen Examens- und Promotionsleistungen hierbei die Vielseitigkeit seiner Ausbildung – nicht zuletzt auch die Wirtschaftsprüfertätigkeit – zugute. Dies sollte selbst hartgesottene Verfechter früher Spezialisierung in der Juristenausbildung nachdenklich stimmen. Gern lässt er sich zwar darüber aus, dass einzelne Rechtsgebiete ihm fremd und befremdlich sind (das Sozialrecht etwa, die Kriminologie – und, bei einem Notar schon erstaunlich, ein wenig wohl selbst das Wohnungseigentumsrecht), doch soll solche Koketterie wohl eher die imponierende Breite des vorhandenen Fachwissens demonstrieren.

V

Vorwort

Sodann steht vor uns der Rechtswissenschaftler und hier vor allem der Meister des Kapital- und Personengesellschaftsrechts. Hans-Joachim Priester ist Herausgeber eines gewichtigen Handbuchs (Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht, Band 3, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1. und 2. Auflage, herausgegeben gemeinsam mit Dieter Mayer) und maßgeblicher Autor in einflussreichen Großkommentaren (Scholz, GmbH-Gesetz, 6.–10. Auflage; Münchener Kommentar im HGB, Band 2, 1. und 2. Auflage). Mit gleicher Vernehmlichkeit hat er seine Stimme in, wie man es nennen will, zahllosen oder zahlreichen Aufsätzen und Entscheidungsanmerkungen, nicht zuletzt auch durch wissenschaftliche Vorträge unüberhörbar gemacht, hat mehrfach bedeutsame Meinungsumschwünge initiiert oder befördert und immer ein lebhaftes Echo in Rechtsprechung und Literatur gefunden. Seit Jahrzehnten wird er als Autor zu wissenschaftlichen Festschriften sowie als Referent oder Teilnehmer zu gesellschaftsrechtlichen Symposien eingeladen. Und er ist von diesen als prägender Diskutant nicht fortzudenken. Hans-Joachim Priesters Ernennung zum Honorarprofessor der Universität Hamburg vor fast 20 Jahren war ein natürliches Resultat dieser Leistungen. Seither steht „Professor Priester“ vor uns auch als Hochschullehrer, bringt – selbst nach Erreichen der akademischen Altersgrenze – Fragen der realen Rechtsanwendung in den akademischen Unterricht ein und nimmt durch Promotionsbetreuungen uneigennützig an der akademischen Nachwuchsförderung teil. Noch mehr sind vielleicht Praktikertagungen, Praktikerseminare und Vorträge vor Praktikern sichtbarer Teil dieses Juristenlebens. Mit einer schon legendär gewordenen Meisterschaft hat sich Hans-Joachim Priester bei der anspruchsvollen Fortbildung von Fachkollegen und Steuerberatern ein begeistertes und treues Publikum geschaffen. Wer ihn bei solchen Gelegenheiten erlebt, wird leicht auf die Frage gebracht, wer von dieser Kunst wohl den größten Vorteil hat: die Teilnehmer, die Tagungsveranstalter oder die Mitreferenten. Die Lösung ist kein Geheimnis: Vor allem steht die eigene Freude an Präsentation und Diskussion, dieses Geben und Nehmen lässt alle an dem Gewinn teilhaben. All dies ist nur zu begreifen, wenn man den ganzen Hans-Joachim Priester erlebt: den Mittelpunkt eines großen Freundeskreises, den lebensklugen Freund, den unterhaltsamen und vielseitigen Gesprächspartner, mit dem sich noch niemand gelangweilt hat. Hans-Joachim Priester ist auf unkonventionelle Weise konservativ, spontan und gedankenreich, selbstbewusst selbstironisch, eigenwillig und feinfühlig, natürlich und mit nimmermüdem Humor dem Ernst des Lebens auf der Spur. Vor allem aber ist er ein Hamburger Patriot, Hamburger nach Mundart und Kleidung („no brown after six!“), Hamburger auch im gelebten Bewusstsein hanseatischer Tugenden.

VI

Vorwort

Glück im Leben und im Beruf gehören zu Hans-Joachim Priester wie das Siegel zum Notar. Die Herausgeber und Verfasser wünschen, dass die Übergabe dieser „Schrift“ ein rechtes „Fest“ wird. Eine freilich wird dabei fehlen: Karin Priester, die dieses Freundestreffen mit heiterem und nachdenklichem Vers und Sang noch verschönt hätte und deren Fehlen begreiflich macht, dass auch dem Glücklichen schwere Tage beschieden sein können. Die Herausgeber und Autoren der Festschrift und mit ihnen viele, die das Fest miterleben dürfen, wünschen dem Jubilar alles Gute und dem Buch zufriedene Leser, darunter hoffentlich Hans-Joachim Priester. Heidelberg und Hamburg im April 2007 Peter Hommelhoff, Peter Rawert, Karsten Schmidt

VII

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Inhalt Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Verzeichnis der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Holger Altmeppen Zur immer noch geheimnisvollen Regelung der faktisch abhängigen AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Gerold Bezzenberger Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher Angelegenheiten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Carsten P. Claussen Corporate Governance – eine Standortbeschreibung . . . . . . . . . . . . . .

41

Georg Crezelius Gesellschaftsrecht und § 17 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

Holger Fleischer Von „bubble laws“ und „quack regulation“ – Zur Kritik kriseninduzierter Reformgesetze im Aktien- und Kapitalmarktrecht . . . . . .

75

Wulf Goette Zur Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhung bei der GmbH . . . .

95

Manfred Groh Die Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Barbara Grunewald Wer kann ohne besonderen Anlass seine Gesellschafterstellung verlieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Franz-Josef Haas und Klaus-Dieter Drüen Die Bruchteilsgemeinschaft als steuerliche Mitunternehmerschaft? . . 133 Mathias Habersack Dienst- und Werkleistungen des Gesellschafters und das Verbot der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens . . . . . . . . . . 157 Wilhelm Happ Anwaltlicher Beratungsvertrag und Aufsichtsratsmandat . . . . . . . . . . 175 Hartwig Henze Die Kontrolle des Bezugsrechtsausschlusses im Rahmen des genehmigten Kapitals in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 IX

Inhalt Seite

Heribert Hirte Die Limited zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht – Gestaltungsspielräume oder der Platz zwischen zwei Stühlen? . . . . . . 221 Michael Hoffmann-Becking Kombinierte Beschlussfassung in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Peter Hommelhoff Die Gesetzgebungsinitiative des Europäischen Parlaments zur Europäischen Privatgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Ulrich Huber Finanzierungsfolgenverantwortung de lege lata und de lege ferenda . . 259 Uwe Hüffer Festausgleich und Abfindung als alternative Instrumente zur Sicherung außenstehender Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Rainer Hüttemann Stichtagsprinzip und Wertaufhellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Detlev Joost Das Kapital in Bedrängnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Susanne Kalss Grenzüberschreitendes zur Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Detlef Kleindiek Mantelverwendung und Mindestkapitalerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . 369 Gerd Krieger Unbeantwortete Aktionärsfragen im notariellen Hauptversammlungsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Bruno Kropff Zur Nützlichkeit einer notariellen Beurkundung von Kabinettsbeschlüssen – nicht ganz ernsthafte Gedanken zum Kabinettsbeschluss über den Referentenentwurf AktG 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Marcus Lutter Verhaltenspflichten von Organmitgliedern bei Interessenkonflikten . 417 Klaus-Peter Martens Die Nachgründungskontrolle bei Einheit von Aktienerwerb und Verkehrsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Dieter Mayer Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH im Rahmen eines sog. Cash-Pooling und Heilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 X

Inhalt Seite

Hanno Merkt Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Peter O. Mülbert Sacheinlagepflicht, Sacheinlagevereinbarung und Sacheinlagefestsetzungen im Aktien- und GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Welf Müller Die Kapitalmarktrechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Alexander Naraschewski Die (vorsorgliche) Heilung von fehlerhaften Kapitalaufbringungsvorgängen bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Hans-Werner Neye Die Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts im Spiegel der Brüsseler Konsultationsverfahren und Parlamentsentschließungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Wolfgang Oehler Gesundheitswesen ohne Wettbewerb – Zum Verlust einer rechtlichen Ordnungsidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Martin Peltzer Reparaturbedarf des Kodex – Kritische Anmerkungen zu kontraproduktiven und änderungsbedürftigen Aussagen des DCGK . . . . . . . 573 Andreas Pentz Auskunftsverlangen des Großaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Thomas Raiser Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts . . . . . . . . . . . 619 Arndt Raupach Das Steuerrecht – eine unerwünschte Quelle des Konzernrechts? . . . . 633 Peter Rawert Die Stiftung als GmbH? oder: Der willenlose Stifter . . . . . . . . . . . . . . 647 Bodo Riegger Die Bedeutung des Ausgleichsanspruchs in einem Unternehmensvertrag für die im Rahmen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährende Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 Holger Schmidt Kostenrecht ist Folgerecht des materiellen Rechts – Kostenrechtliche Betrachtungen zum Gesellschaftsrecht anhand von Fällen, an denen der Jubilar beteiligt war . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 XI

Inhalt Seite

Karsten Schmidt Zehn Jahre GmbH & Co. KGaA – Zurechnungs- und Durchgriffsprobleme nach BGHZ 134, 392 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 Uwe H. Schneider und Tobias Brouwer Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter bei Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713 Wolfgang Schön Niederlassungsfreiheit als Gründungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 Joachim Schulze-Osterloh Ausweis der Sachdividende im Jahresabschluß und im Gewinnverwendungsbeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 Ulrich Seibert UMAG – Zu den Begriffen „Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung„ in § 148 AktG und zu den Zusammenhängen zwischen §§ 93 und 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 763 Peter Ulmer Nochmals: Zum Wirksamkeitszeitpunkt der Zwangseinziehung von GmbH-Anteilen – Auf der Suche nach einem interessengerechten Lösungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 Rüdiger Veil Rechtsprinzipien und Regelungskonzepte im europäischen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799 Roland Wacker Notizen zur Realteilung nach dem BMF-Schreiben vom 28. Februar 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819 Harm Peter Westermann Wohin steuert die GmbH? – Benutzerkreis und Verwendungszwecke der Rechtsform im künftigen deutschen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . 835 Herbert Wiedemann Zum gesellschaftsrechtlichen Anlegerschutz in PublikumsPersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 Martin Winter Die Rechtsfolgen der „verdeckten“ Sacheinlage – Versuch einer Neubestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 Wolfgang Zöllner Satzungsdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879 Schriftenverzeichnis Prof. Dr. Hans-Joachim Priester . . . . . . . . . . . . . . . 895 XII

Verzeichnis der Autoren Altmeppen, Holger Dr., Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handelsund Wirtschaftsrecht I, Universität Passau Bezzenberger, Gerold Dr., Rechtsanwalt in Berlin, Notar a. D. Brouwer, Tobias Assessor, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Darmstadt Claussen, Carsten Peter Dr. Dr. h. c., Rechtsanwalt in der Kanzlei Hoffmann, Liebs, Fritsch & Partner in Düsseldorf, Honorarprofessor an der Universität Hamburg Crezelius, Georg Dr., Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Steuerrecht, Universität Bamberg Drüen, Klaus-Dieter Dr., Privatdozent, Ruhr-Universität Bochum Fleischer, Holger Dr., LL.M. (Ann Arbor), Dipl.-Kfm., Universitätsprofessor, Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht, Universität Bonn Goette, Wulf Dr., Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Honorarprofessor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Ettlingen Groh, Manfred Dr., Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof a. D., Honorarprofessor der Georg-August-Universität Göttingen, Burgdorf bei Hannover Grunewald, Barbara Dr., Universitätsprofessorin, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsund Anwaltsrecht, Universität zu Köln Haas, Franz Josef Rechtsanwalt und Notar a. D., Fachanwalt für Steuerrecht, Bochum, Ehrenvorsitzender des Deutschen Anwaltsinstituts e.V. Bochum und Ehrenvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V. Bochum XIII

Verzeichnis der Autoren

Habersack, Mathias Dr., Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handelsund Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Happ, Wilhelm Dr., Rechtsanwalt, Happ Luther & Partner, Hamburg Henze, Hartwig Dr., Richter am Bundesgerichtshof a. D., Honorarprofessor an der Universität Konstanz Hirte, Heribert Dr., LL.M. (Berkeley), Universitätsprofessor, Geschäftsführender Direktor des Seminars für Handels-, Schiffahrts- und Wirtschaftsrecht, Universität Hamburg Hoffmann-Becking, Michael Dr., Rechtsanwalt, Hengeler Mueller, Düsseldorf, Honorarprofessor an der Universität Bonn Hommelhoff, Peter Dr. Dres. h. c., Universitätsprofessor, Rektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, vormals Direktor ihres Instituts für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, vormals Richter am OLG Hamm und OLG Karlsruhe Huber, Ulrich Dr., Universitätsprofessor (em.), Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht und Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Bonn Hüffer, Uwe Dr., Rechtsanwalt in Mannheim, Universitätsprofessor (em.), Ruhr-Universität Bochum, Richter am OLG Hamm a. D. Hüttemann, Rainer Dr. iur., Dipl.-Volksw., Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für Steuerrecht der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Joost, Detlev Dr., Universitätsprofessor, Direktor des Seminars für Arbeitsrecht der Universität Hamburg Kalss, Susanne Dr., Universitätsprofessor, Institut für Bürgerliches und Handelsrecht, Wirtschaftsuniversität Wien XIV

Verzeichnis der Autoren

Kleindiek, Detlef Dr., Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht, Universität Bielefeld Krieger, Gerd Dr., Rechtsanwalt, Hengeler Mueller, Düsseldorf, Honorarprofessor an der Universität Düsseldorf Kropff, Bruno Dr., Ministerialdirigent a. D., Honorarprofessor an der Universität Bonn Lutter, Marcus Dr. Dres. h. c., Universitätsprofessor (em.), Sprecher des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Bonn, Rechtsanwalt in Berlin Martens, Klaus-Peter Dr., Universitätsprofessor (em), Universität Hamburg, Richter am OLG Hamburg a. D. Mayer, Dieter Dr., Notar in München, Honorarprofessor an der Ludwig-MaximiliansUniversität München Merkt, Hanno Dr., LL.M. (University of Chicago), Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht der AlbertLudwigs-Universität Freiburg Mülbert, Peter O. Dr., Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handelsund Wirtschaftsrecht, Bankrecht, Universität Mainz, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Universität Mainz Müller, Welf Dr., Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Linklaters, Frankfurt am Main Naraschewski, Alexander Dr., LL.M. (Northwestern University, Chicago), Rechtsanwalt, Wilhelmshaven Neye, Hans-Werner Dr., Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz, Leiter des Referats für Europäisches Gesellschaftsrecht, Berlin XV

Verzeichnis der Autoren

Oehler, Wolfgang Dr., M.C.L. (Illinois), Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtsvergleichung, Universität Bielefeld Peltzer, Martin Dr., Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle, Frankfurt am Main Pentz, Andreas Dr., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Rowedder Zimmermann Hass, Mannheim Raiser, Thomas Dr., Universitätsprofessor (em.), Lehrstuhl für deutsches und europäisches Unternehmens- und Wirtschaftsrecht, Rechtssoziologie und Bürgerliches Recht der Humboldt-Universität Berlin, Richter am Kartellsenat des OLG Frankfurt a. D. Raupach, Arndt Dr., Rechtsanwalt McDermott Will & Emery, München, Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Rawert, Peter Dr., LL.M. (Exeter), Notar in Hamburg, Honorarprofessor an der Universität Kiel Riegger, Bodo Dr., Rechtsanwalt, Gleiss Lutz, Stuttgart Schmidt, Holger Dr., Notar, Viersen Schmidt, Karsten Dr. Dres. h. c., Universitätsprofessor (em.), Universität Bonn, Präsident der Bucerius Law School, Hamburg Schneider, Uwe H. Dr., Universitätsprofessor, Technische Universität Darmstadt, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz Schön, Wolfgang Dr., Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, Honorarprofessor an der Ludwig-MaximiliansUniversität München XVI

Verzeichnis der Autoren

Schulze-Osterloh, Joachim Dr., Universitätsprofessor (em.), Freie Universität Berlin Seibert, Ulrich Dr., Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz, Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Universität Düsseldorf Ulmer, Peter Dr. Dr. h. c. mult., Universitätsprofessor (em.), Institut für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg Veil, Rüdiger Dr., Universitätsprofessor, Inhaber des Alfried Krupp-Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Internationales Unternehmens- und Wirtschaftsrecht, Bucerius Law School, Hamburg Wacker, Roland Dr., Richter am Bundesfinanzhof, München Westermann, Harm Peter Dr., Universitätsprofessor (em.), Eberhard-Karls-Universität Tübingen Wiedemann, Herbert Dr., Universitätsprofessor (em.), Universität zu Köln, Richter am OLG Düsseldorf a. D. Winter, Martin Dr., Rechtsanwalt, Shearman & Sterling LLP, Mannheim Zöllner, Wolfgang Dr. Dr. h.c., Universitätsprofessor (em.), Eberhard-Karls-Universität Tübingen

XVII

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Holger Altmeppen

Zur immer noch geheimnisvollen Regelung der faktisch abhängigen AG Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Die dogmatische Einordnung der Konzernhaftung nach § 317 AktG 1. Meinungsstand a) Veranlasserhaftung b) Verschuldenshaftung 2. Stellungnahme a) Das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung b) Die Haftungsausschlussregelung des § 317 Abs. 2 AktG als subjektives Haftungskriterium c) Historisch bedingte Missverständlichkeit des Haftungskonzepts der §§ 311, 317 AktG d) Lösung

III. Konsequenzen der richtigen dogmatischen Einordnung 1. Die schädigende Handlung 2. Zur Bestimmung des Nachteilsausgleichs 3. Zum Umfang des Schadensersatzanspruchs 4. Zur Bedeutung der Haftung nach § 318 AktG IV. Der Fall Telekom V. Ergebnisse

I. Einleitung Gut 40 Jahre nach dem Inkrafttreten der §§ 311 ff. AktG sind die Voraussetzungen und die dogmatische Einordnung der Haftung im faktischen AGKonzern (§§ 311, 317 AktG) nach wie vor unklar und umstritten. Während man in den ersten 25 Jahren ihrer Geltung noch behauptet hatte, die §§ 311 ff. AktG von 1965 seien untauglich, die Konzerngefahr zu erfassen und zu bändigen und damit praktisch bedeutungslos1, hat sich seit Beginn der 90er Jahre die Vorstellung etabliert, die Grundkonzeption der §§ 311 ff. AktG sei gelungen, zumal es in der Praxis offenbar keine Probleme gebe2. In

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1 Siehe statt vieler Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 218 f.; Kronstein in FS Geßler, 1971, S. 219 (220 ff.); Neuhaus, DB 1970, 1913 (1919); Immenga, ZGR 1978, 269 ff.; ders. in FS Böhm, 1975, S. 253 (258 ff.); Würdinger in Großkomm.AktG, 3. Aufl. 1971, Vorbem. §§ 311 ff. AktG Ziff. 2; ders., DB 1973, 75; Kellmann, ZGR 1974, 220; Schilling, ZGR 1978, 415 (420); Reuter, ZHR 146 (1982), 1 (13 ff.); Emmerich, AG 1987, 1 (3); so auch heute noch Koppensteiner in KölnKomm.AktG, 3. Aufl. 2004, § 311 AktG Rz. 90 ff. jew. m. w. N. 2 Hommelhoff in Verhandlungen des 59. DJT, 1992, Bd. I, Gutachten G S. 11 ff., 19 ff., 24, 48; ders., ZHR 156 (1992), 295 (312 ff.); Habersack in Emmerich/Habersack,

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Holger Altmeppen

der Tat handeln nur drei BGH-Entscheidungen vom faktischen Konzern der AG3, und aus diesen folgt nicht ansatzweise, dass die Praxis mit §§ 311 ff. AktG nicht zurecht käme. Eine neue Entscheidung des BGH zu den §§ 311 ff. AktG erwartet die Praxis gegenwärtig in dem Rechtsstreit von Aktionären der Telekom AG gegen die Bundesrepublik wegen Beteiligung der Telekom AG an der UMTS-Versteigerung4. Die daraus resultierende Aktualität des Themas erlaubt die Hoffnung, dass der Jubilar, einer der großen Praktiker des Gesellschafts- und Konzernrechts, sich für eine Bestandsaufnahme und Durchdringung des Regelungsmodells der §§ 311 ff. AktG interessieren könnte. Es wird sich zeigen, dass diese Bestimmungen in das klassische System einer culpa-Haftung für negotiorum gestio einzuordnen sind.

II. Die dogmatische Einordnung der Konzernhaftung nach § 317 AktG 1. Meinungsstand a) Veranlasserhaftung Nach § 317 Abs. 1 AktG haftet das herrschende Unternehmen der abhängigen AG auf Schadensersatz, wenn es ein nachteiliges Rechtsgeschäft oder eine nachteilige Maßnahme „veranlasst“ hat, ohne dass die Benachteiligung bei der abhängigen AG nach Maßgabe des § 311 AktG ausgeglichen wurde. Der Wortlaut spricht dafür, dass sich diese Konzernhaftung als eine verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung darstellt. Dies entspricht auch der ganz h. M.5 Allein maßgeblich sei die objektive Veranlassung der nachtei-

__________ Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2006, § 311 AktG Rz. 12; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 311 AktG Rz. 9; Kropff in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 311 AktG Rz. 28 f.; ders. in FS Kastner, 1992, S. 279 (283 f.); K. Schmidt, JZ 1992, 856 (859); Lutter, ZHR 151 (1987), 444 (460); ders., DB 1992, 2429; ders. in FS Volhard, 1996, S. 105 (108); ders./Trölitzsch in Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 7 Rz. 52; Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 60 f.; ders., ZIP 1996, 693; Flume, BGB AT I/2, Die juristische Person, 1983, S. 125 Fn. 111; Timm, NJW 1992, 2185 (2193 f.); Neye, DB 1996, 1521; Gätsch, Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, 1997, S. 144 f.; Papagiannis, Der faktische Aktienkonzern, 1993, S. 131; Rittner, ZGR 1990, 203 (211 ff.). 3 BGH, BGHZ 124, 111 (118 ff.) = NJW 1994, 520 (522) – Vereinigte Krankenversicherung; BGHZ 141, 79 (84 ff.) = NJW 1999, 1706 (1707 ff.); BGH, ZIP 2006, 1218 = NZG 2006, 545. 4 Vgl. dazu LG Bonn, AG 2005, 542 = NZG 2005, 856; OLG Köln, NZG 2006, 547 = ZIP 2006, 997. Die Revision ist beim BGH anhängig unter Az. II ZR 124/06. 5 Siehe zuletzt OLG Köln, NZG 2006, 547 (550) = ZIP 2006, 997 (1001); wohl auch BGH, BGHZ 141, 79 (84, 88 f.) = NJW 1999, 1706 (1707 f.); Hüffer (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 5; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 25 f.; Koppen-

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Zur Regelung der faktisch abhängigen AG

ligen Maßnahme. In § 317 Abs. 2 AktG, der die Haftung ausschließt, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte, erkennt die h. M. – konsequent – nicht etwa eine Exkulpationsmöglichkeit. Unter den Voraussetzungen des § 317 Abs. 2 AktG fehle es schon an einem Nachteil und damit am objektiven Tatbestand des § 317 Abs. 1 AktG6. Die Bezugnahme auf einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft definiere letztlich nur den grundsätzlich anzuerkennenden Ermessensspielraum eines jeden Geschäftsleiters, innerhalb dessen auch schädliche Konzerngeschäftsleitung keine Haftung zur Folge haben könne7. Unklar und umstritten ist, ob die für das herrschende Unternehmen handelnde Person zumindest ein „Veranlassungsbewusstsein“ des Inhalts gehabt haben muss, sie fordere die abhängige Gesellschaft zu einem bestimmten Verhalten auf. Die dies befürwortende Ansicht argumentiert, sowohl im Vertragskonzern als auch im faktischen Konzern müsse das herrschende Unternehmen dazu befugt sein, unverbindliche Ratschläge zu erteilen. Wenn die für das herrschende Unternehmen handelnde Person bei pflichtgemäßer Sorgfalt nicht habe damit rechnen müssen, ihre Äußerung werde als Aufforderung zu einem Verhalten verstanden, fehle es an der auch für die Veranlasserhaftung i. S. d. §§ 311, 317 AktG erforderlichen Rechtswidrigkeit, wenn

__________ steiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Rz. 14; Habersack (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 5, 7; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 311 AktG Rz. 82; Joost in Küting/Weber (Hrsg.), Hdb. der Konzernrechnungslegung, Bd. II, 2. Aufl. 1998, Kap. II, Rz. 458; Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, 2004, § 14 Rz. 86; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 53 Rz. 42 (S. 761); Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 317 AktG Rz. 6; Geßler, DB 1965, 1729 (1730); Mielert, Grenzen der Leitungsbefugnis des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern, 1969, S. 28 ff. (34 f.); Vogel, Die Haftung der Muttergesellschaft als materielles, faktisches oder kundgebendes Organ der Tochtergesellschaft, 1997, S. 116; Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, 1989, S. 178 f.; Kellmann, BB 1969, 1509 (1513 f.). 6 Siehe OLG Köln, NZG 2006, 547 (550) = ZIP 2006, 997; Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 39 f., § 317 AktG Rz. 7; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 139 f., § 317 AktG Rz. 6, 26, 73; ders., DB 1967, 2151 Fn. 34; Hüffer (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 27 (widersprüchlich hierzu aber § 317 AktG Rz. 5, 11); Adler/ Düring/Schmaltz (Fn. 5), § 311 AktG Rz. 38; Krieger in MünchHdb. AG, 2. Aufl. 1999, § 69 Rz. 68; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 118 f.; Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, 1977, S. 72 ff. (75); Vetter, Erwägungen zur Haftung der Konzernobergesellschaft nach dem Aktienrecht von 1937 und 1965, 1970, S. 155; tendenziell anders Koppensteiner in KölnKomm. AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 36 ff., § 317 AktG Rz. 14, der immerhin von einem „Verschuldensmaßstab“ spricht. 7 Vgl. die Nachw. o. Fn. 6.

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nicht schon an einer Veranlassung8. Manche argumentieren sogar, zum Wesen der Veranlassung gehöre ihre Vorsätzlichkeit, zumal da der Begriff der Veranlassung ein zielgerichtetes Handeln voraussetze9. Ein Bewusstsein von der Nachteiligkeit des veranlassten Verhaltens sei demgegenüber nicht erforderlich10. Nach der Gegenansicht ist überhaupt kein „Veranlassungsbewusstsein“ zu verlangen11. Zur Begründung wird angeführt, nach dem Schutzzweck der §§ 311, 317 AktG müsse eine „objektive“ Veranlassung genügen, da es nicht um eine Willenserklärung gehe. Entscheidend sei, ob sich die abhängige Gesellschaft aus ihrer Sicht veranlasst habe sehen dürfen. Eine Veranlassung fehle nur, wenn die Äußerung seitens des herrschenden Unternehmens von den Repräsentanten der abhängigen AG als „Diskussionsbeitrag ohne Konsequenzen für ihren Handlungsspielraum“ verstanden werde, während umgekehrt die Haftung begründet sei, wenn man die Äußerung so auffassen dürfe, dass vom herrschenden Unternehmen eine bestimmte Verhaltensweise für „wünschenswert“ gehalten werde12. b) Verschuldenshaftung Bis auf den heutigen Tag wird die Haftung nach § 317 AktG von einer Minorität als Verschuldenshaftung verstanden13. Eine „Kausalhaftung“ im Sinne einer drakonischen Strafe für Veranlassung habe der Gesetzgeber nämlich –

__________ 8 Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 75, § 317 AktG Rz. 25; Brüggemeier, AG 1988, 93 (100); Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung, 1995, S. 180; Brachvogel, Leitungsmacht und Verantwortlichkeit im Konzern, 1967, S. 94 f.; Leo, AG 1995, 352 (358); Neuhaus, DB 1970, 1913 (1915 f.); Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Anm. 4; einschränkend Adler/Düring/Schmaltz (Fn. 5), § 311 AktG Rz. 22. 9 Leo, AG 1995, 352 (358); Brüggemeier, AG 1988, 93 (100); Reiner (Fn. 8), S. 180; früher auch Kropff in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1975, § 317 AktG Rz. 29. 10 Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 75, § 317 AktG Rz. 25; Reiner (Fn. 8), S. 180. 11 Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 24, § 317 AktG Rz. 7; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 5, § 317 AktG Rz. 11; Hüffer (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 16, § 317 AktG Rz. 5; Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 64. 12 S. statt aller Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 2 f. 13 Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Anm. 5, § 311 AktG Anm. 11, 5 f.; ders., Aktienrecht, 4. Aufl. 1981, § 72 I 2 b (S. 343); Brachvogel (Fn. 8), S. 95; K. Müller, ZGR 1977, 1 (14); Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004, S. 342 ff.; Schatz, Die Sicherung des Gesellschaftsvermögens und der Gläubigerinteressen im deutschen Konzernrecht, 1980, S. 36 f.; Bollmann, Schadensersatzanspruch bei Schädigung der Eine-Person-AG, 1995, S. 82; Möhring in FS Schilling, 1973, S. 253 (265); Brüggemeier, AG 1988, 93 (100 f.); unklar Godin/ Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 311 AktG Anm. 3, § 317 AktG Anm. 4.

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in bewusster Abkehr von § 284 des Referentenentwurfs von 195814 – gerade nicht mehr statuieren wollen15. § 317 Abs. 2 AktG regele eine echte Exkulpationsmöglichkeit für das herrschende Unternehmen, gerichtet auf mangelndes Verschulden bei der Fehlentscheidung16. Bei vorsätzlicher Schädigung komme konkurrierend die Haftung aus § 117 AktG hinzu17. Teilweise wird darüber hinaus mindestens Eventualvorsatz hinsichtlich der Schädigung verlangt18, das Verschulden habe sich endlich auch auf die Veranlassung zu beziehen19. Nach einer differenzierenden Ansicht soll § 317 AktG zwar als Verschuldenshaftung zu verstehen sein, soweit es um Schadensersatz gehe, jedoch in Weiterbildung des § 62 AktG als reine Erfolgshaftung, soweit das herrschende Unternehmen etwa erlangte Vorteile zurückzugewähren habe, die sich aus der Veranlassung ergeben20. 2. Stellungnahme a) Das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung Die Frage, ob sich die Konzernhaftung nach §§ 311, 317 AktG als „Veranlasserhaftung“ darstellt, kann keineswegs mit dem Wortlaut des § 311 Abs. 1 AktG bejaht werden. Die weitere Frage, ob der „Täter“ zumindest ein „Veranlassungsbewusstsein“ gehabt oder aufgrund von Fahrlässigkeit nicht gehabt haben muss, dringt zur eigentlichen Problematik ebenfalls nicht vor:

__________ 14 Siehe dazu eingehend Flume, Der Referentenentwurf eines AktG, 1958, S. 20 ff.; vgl. auch die gemeinsame Denkschrift zum Referentenentwurf eines AktG, Bundesverband der deutschen Industrie, Bundesverband des privaten Bankgewerbes, Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, Deutscher Industrie- und Handelstag, Gesamtverband der Versicherungswirtschaft, 1959, S. 78 f.; siehe auch die von denselben Verbänden herausgegebene ergänzende Stellungnahme zu konzernrechtlichen Bestimmungen im Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, 1959, S. 35 ff.; Hengeler/Kreifels, Absicht und Wirklichkeit im Referentenentwurf eines AktG, Beiträge zur Aktienrechtsreform, 1959, S. 11 ff., 39 ff.; Würdinger, DB 1958, 1447 ff. jew. m. w. N. 15 Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Anm. 11, 6. 16 K. Müller, ZGR 1977, 1 (14); Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Anm. 6, § 317 AktG Anm. 5, 8. Vgl. auch die Stellungnahme der Spitzenverbände (vgl. Fn. 14) zu den Vorschriften über das Recht der verbundenen Unternehmen im Regierungsentwurf eines Aktiengesetzes und im Einführungsgesetz zum Aktiengesetz, 1960, S. 44 (noch zu § 306 AktG RegE 1960; näher dazu unter c). 17 Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Anm. 5, § 317 AkG Anm. 18 f.; ders., Aktienrecht (Fn. 13), § 72 I 2 b (S. 343); vgl. auch Wälde, DB 1972, 2289. S. zum Meinungsstand bezüglich des Verhältnisses von § 117 AktG zu den §§ 311, 317 AktG statt aller Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 88. 18 Brüggemeier, AG 1988, 93 (100 f.). 19 Brüggemeier, AG 1988, 93 (100 f.); Brachvogel (Fn. 8), S. 94. 20 So Bälz in FS L. Raiser, 1974, S. 287 (308 f.); ders., AG 1992, 277 (292, 297).

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Die Veranlassung der nachteiligen Maßnahme (damit sind im Folgenden auch Rechtsgeschäfte gemeint) ist eine selbstverständliche Haftungsvoraussetzung, weil es anderenfalls schon an der haftungsbegründenden Kausalität fehlen würde. Bei gewöhnlichen Haftungstatbeständen, die an eigenes Verhalten des Schädigers anknüpfen, ergibt sich aus der Kausalität seiner Handlung die relevante „Veranlassung“. Die Besonderheit der Konzernhaftung im Sinne der §§ 311, 317 AktG besteht aber gerade darin, dass der Schaden notwendig durch mindestens zwei Personen verursacht wird, nämlich durch den Vorstand der abhängigen AG als „Haupttäter“, der die Schädigung selbst vornimmt, und durch den verantwortlichen Konzerngeschäftsleiter auf der Ebene des herrschenden Unternehmens. Das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung beschreibt also nur die in den hier interessierenden Fällen allein psychisch vermittelte Kausalität zwischen einem Verhalten des Konzerngeschäftsleiters und einer Schädigung der abhängigen AG. Die Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens und ihres Konzerngeschäftsleiters kann nur unter der Voraussetzung in Betracht kommen, dass irgendein Verhalten des Konzerngeschäftsleiters für die Schädigung der Tochter-AG ursächlich geworden ist, und dieses Verhalten wird mit „Veranlassung“ treffend beschrieben. Nach allgemeinen Regeln der Schadensdogmatik ist entscheidend, ob das Verhalten des herrschenden Unternehmens für den Schaden der AG – der sich jedenfalls auch als eine Selbstschädigung durch ihren Vorstand darstellt – ursächlich geworden ist. Es spielt keine Rolle, welches konkrete Verhalten man insoweit zu suchen hat, weil die Veranlassung vom Gesetzgeber ohnehin – zu Recht – vermutet wird (§§ 18 Abs. 1 Satz 3, 17 Abs. 2, 16 AktG)21. Das herrschende Unternehmen und seine Geschäftsleiter müssen, wenn sie eine objektive Zurechnung des Schadens der Tochter-AG bestreiten, ihrerseits beweisen, dass und warum der Vorstand der Tochter-AG ohne jede denkbare Beeinflussung durch das Mutterunternehmen gehandelt hat. Entgegen der insoweit gleichermaßen unzutreffenden Ansichten kommt es dabei weder darauf an, ob auf der Ebene des herrschenden Unternehmens ein „Veranlassungsbewusstsein“ besteht oder ob man anzunehmen hat, die Manager der Muttergesellschaft dürften zumindest „unverbindliche Ratschläge“ erteilen: Etwas anderes könnten sie ohnehin gar nicht (§ 76 AktG!). Die „Veranlassung“, die der Gesetzgeber im faktischen Konzern gerade ver-

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21 Ebenso Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 66; Hüffer (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 21; Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Anm. 9, § 312 AktG Anm. 3 Ziff. 3; Paehler, Die Zulässigkeit des faktischen Konzerns, 1972, S. 35; Kronstein, BB 1967, 637 (640); Altmeppen, ZIP 1996, 693 (694); ders. (Fn. 2), S. 56 f.; tendenziell so auch Strohn (Fn. 6), S. 49 ff. Differenzierungen hinsichtlich der Voraussetzungen einer Veranlassungsvermutung bzw. eines Anscheinsbeweises bei Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 84 ff.; Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 33 f.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 10 f.; Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, 1993, S. 165.

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mutet (§§ 18 Abs. 1 Satz 3, 17 Abs. 2, 16 AktG), findet aus Rechtsgründen immer im „rechtlichen Halbdunkel“, also bei „Kamingesprächen“ etc. statt, „Ratschläge“ und „Diskussionsbeiträge“ der Konzerngeschäftsleiter sind immer nur „unverbindliche Meinungsäußerungen“, auch wenn bekundet wird, man „wünsche sich“, dass der Vorstand der Tochter-AG die Meinungsäußerung teile22. Darauf kommt es für die Haftung gewiss nicht an. Das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung ist nach allem eine – aufgrund der besonderen Situation der Selbstschädigung der abhängigen AG erforderliche – Präzisierung dessen, was die haftungsbegründende Kausalität sein kann. Der Gesetzgeber vermutet dazu irgendein Verhalten auf der Ebene des herrschenden Unternehmens, welches den Vorstand der abhängigen AG motiviert haben könnte, seine eigene AG zu schädigen. Die Vermutung der Veranlassung (§§ 18 Abs. 1 Satz 3, 17 Abs. 2, 16 AktG) kann vor allem dadurch entkräftet werden, dass der Vorstand der abhängigen AG erklärt, er habe die schädigende Maßnahme ganz ohne Anregung und Beteiligung des herrschenden Unternehmens getroffen. Da auch solche Maßnahmen jedenfalls im Abhängigkeitsbericht (§ 312 AktG) zu erwähnen sind23, ergibt sich schon aus ihm, ob es an einer Veranlassung fehlt. In aller Regel werden die Vorstandsmitglieder der Tochter-AG freilich nicht in den Abhängigkeitsbericht hineinschreiben, sie hätten ihre AG im Zusammenhang mit dem Unternehmensverbund geschädigt, ohne dazu irgendwie „veranlasst“ worden zu sein. Und so wird es in der Praxis bei der gesetzlichen Vermutung bleiben, dass solche Maßnahmen tatsächlich veranlasst worden sind. Ein „Veranlassungsbewusstsein“ auf der Ebene des herrschenden Unternehmens ist nicht zu verlangen, ebenso wenig wie man bei der haftungsbegründenden Kausalität – wenn es nicht um ein Vorsatzdelikt geht – danach zu fragen hat, ob dem Täter bewusst war, dass sein Verhalten den Erfolg bewirken würde. b) Die Haftungsausschlussregelung des § 317 Abs. 2 AktG als subjektives Haftungskriterium Der Gesetzgeber hat nicht eindeutig zu erkennen gegeben, ob der Haftungsausschluss im Sinne des § 317 Abs. 2 AktG zum objektiven Tatbestand der Haftung gehören oder als Exkulpationsmöglichkeit zu verstehen sein soll. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es nur24: „Diese Einschränkung der Haftung belässt für den nicht auf einem Beherrschungsvertrag beruhenden faktischen Konzern Raum, in dem die Konzernleitung ausgeübt wer-

__________ 22 Siehe Altmeppen (Fn. 2), S. 56 f. 23 Siehe Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 312 AktG Rz. 78, 98; Hüffer (Fn. 2), § 312 AktG Rz. 12; Habersack (Fn. 2), § 312 AktG Rz. 21; Altmeppen (Fn. 2), S. 59; ders., ZIP 1996, 693 (695) m. w. N. 24 Siehe BegrRegE Kropff, AktG 1965, S. 419.

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Holger Altmeppen den kann, ohne eine Haftung für fehl geschlagene Geschäfte oder Maßnahmen auszulösen.“

Die Annahme, es fehle schon an einem objektiven Nachteil, wenn die Voraussetzungen des § 317 Abs. 2 AktG erfüllt seien25, ist dem Bedenken ausgesetzt, dass die Ausnahmeregelung an den Sorgfaltsstandard anknüpft, den ein Geschäftsleiter generell einzuhalten hat. Sorgfalt und Ermessensspielraum des Geschäftsleiters spielen aber nach allgemeinen Grundsätzen jeder Schadensersatzhaftung aus negotiorum gestio dann und nur dann eine Rolle, wenn die Geschäftsführung zu einem Schaden im Sinne eines unerwünschten Erfolges geführt hat. Selbstverständlich und in keiner Hinsicht hervorzuheben ist, dass § 317 Abs. 2 AktG – nicht anders als die Exkulpationsregelung für alle Geschäftsleiter (vgl. § 93 Abs. 2 AktG) – insofern objektiv zu verstehen ist, als es nicht auf individuelle Erkenntnismöglichkeiten und Fähigkeiten des konkreten Konzerngeschäftsleiters, sondern allein darauf ankommt, ob sich sein Verhalten im Rahmen dessen gehalten hat, was man von einem sorgfältigen Konzerngeschäftsleiter erwarten darf26. Erkennt man weiter, dass §§ 311, 317 AktG gesetzestechnisch und rechtssystematisch besser in einer Bestimmung zusammengefasst worden wären27, ergibt sich der die Haftung ausschließende Sorgfaltsstandard nur aus dem Kontext zwischen Benachteiligung einerseits und Ausgleich andererseits: Wenn die Benachteiligung nicht oder nicht angemessen ausgeglichen wird, stellt sich dies objektiv als Schädigung der Konzerntochter dar. Diese muss der Konzerngeschäftsleiter (selbstverständlich) veranlasst haben, weil es anderenfalls schon an der haftungsbegründenden Kausalität fehlen würde. Weil der Konzerngeschäftsleiter die Geschäfte der AG durch „Veranlassung“ leitet, schuldet er dabei die Sorgfalt eines Geschäftsleiters dieser AG und haftet entsprechend (§ 317 Abs. 3 AktG). Dies gilt auch für seine Gesellschaft (§ 317 Abs. 1 AktG), weil sie sich schuldhafte Pflichtverletzungen ihres Konzerngeschäftsleiters zurechnen lassen muss (§ 31 BGB). Zumindest „schief“ ist es insoweit, anzunehmen, der Nachteil stelle sich unter der Voraussetzung des § 317 Abs. 2 AktG „nicht als Abhängigkeitsfolge“ dar28. Auch unter dieser Voraussetzung ist der Erfolg der Maßnahme

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25 Siehe o. Fn. 6. 26 Vgl. insofern auch Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 26; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Rz. 14. Unzutreffend daher Hommelhoff (Fn. 6), S. 119 Fn. 41. 27 Dafür insbesondere Hoffmann/Becking in Verhandlungen des 59. DJT, 1992, Bd. II, Sitzungsbericht R S. 15 ff., 100; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 45, § 317 AktG Rz. 6 f. 28 So aber BGH, BGHZ 141, 79 (84, 88 f.) = NZG 1999, 658 (660) m. zust. Anm. Maul; Hüffer (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 11; vgl. auch Brüggemeier, AG 1988, 93 (99); Joost (Fn. 5), Rz. 461 f.; Fischer, Haftung der Verwaltung der Aktiengesellschaft im Subordinationskonzern, 1968, S. 150; Linsmann, Der Ausgleichsanspruch nach § 311 Abs. 2 des Aktiengesetzes, 1969, S. 44 ff.; Kellmann, BB 1969, 1509 (1514); Baumbach/Hueck (Fn. 5), § 311 AktG Rz. 8.

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selbstverständlich eine Abhängigkeitsfolge, weil die betreffende Maßnahme – aufgrund der Beherrschungssituation (§§ 18 Abs. 1 Satz 3, 17 Abs. 2, 16 AktG) – veranlasst wurde. Aber eine unter dem Gesichtspunkt unternehmerischer Sorgfalt ermessensfehlerfreie Geschäftsleitungsmaßnahme führt niemals zur Haftung, gleich, aus welchen Gründen der Geschäftsleiter sich zu ihr entschlossen hat. So – und nur so – ist § 317 Abs. 2 AktG sinnvoll zu interpretieren: Die Bestimmung gibt dem herrschenden Unternehmen und seinem Geschäftsleiter – der Geschäftsleitung bei der abhängigen AG in Gestalt von „Veranlassung“ betrieben hat – die Möglichkeit, den Entlastungsnachweis zu erbringen, der an sich nach Maßgabe des § 93 Abs. 2 AktG vom Vorstand der abhängigen AG zu führen wäre, um dessen Haftung es hier aber nicht geht. Es versteht sich, dass auch der Vorstand der abhängigen AG den Nachweis erbringen muss, um seiner eigenen Haftung nach § 93 AktG zu entgehen29. Als Zwischenergebnis ist festzustellen, dass § 317 Abs. 2 AktG – ganz im Sinne der allgemeinen Beweislastumkehr bei der Geschäftsleiterhaftung (§ 93 Abs. 2 AktG; § 666 BGB) – dem Konzerngeschäftsleiter die Beweislast dafür auferlegt, dass ein von ihm verursachter Misserfolg nicht auf einer Überschreitung des ohnehin relativ weiten Geschäftsleiterermessens beruht30. Der missverständliche Wortlaut des § 317 Abs. 2 AktG knüpft dabei nur deshalb an den gedachten Geschäftsleiter einer unabhängigen AG an, weil man zu unterstellen hat, der handelnde Geschäftsleiter sei nicht vom herrschenden Unternehmen dazu „veranlasst“ worden: Wie würde man sein Geschäftsleiterverhalten dann beurteilen? c) Historisch bedingte Missverständlichkeit des Haftungskonzepts der §§ 311, 317 AktG Die Unsicherheiten hinsichtlich der Bedeutung des § 317 Abs. 2 AktG und des relevanten Vorwurfs gegen den Konzerngeschäftsleiter kulminieren in dem Streit darüber, ob es sich bei der Haftung nach § 317 AktG um eine solche aus unerlaubter Handlung31 oder um eine gewöhnliche Organhaf-

__________ 29 Siehe dazu eingehend Altmeppen, ZIP 1996, 693 (695 ff.). Die Haftung nach § 318 AktG spielt daneben kaum eine Rolle (näher hierzu unter III. 4). 30 Vgl. insofern auch Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 73; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 36; J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 232, 243; ders., Kapitalgesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2005, Rz. 1215; Hommelhoff (Fn. 6), S. 119 Fn. 41; Bommert (Fn. 5), S. 173 ff. 31 So Habersack (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 11; Reiner (Fn. 8), S. 163 f.; Würdinger, Aktienrecht (Fn. 13), § 72 I 2 b (S. 342 f.); differenzierend Bälz (Fn. 20), S. 287 (308 f.); ders., AG 1992, 277 (292).

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tung32 handelt. Der Streit ist im Ansatz unergiebig, weil der Konzerngeschäftsleiter einerseits nicht „Organ“ der abhängigen AG, seine Einflussnahme aber andererseits nicht „unerlaubt“ ist, weil der Gesetzgeber einheitliche Leitung im faktischen Konzern gestattet – ja geradezu als selbstverständlich unterstellt (§§ 18 Abs. 1 Satz 3, 17 Abs. 2, 16 AktG) – hat. Bei genauer Betrachtung ist die Einordnung nur deswegen so unsicher, weil der in § 311 Abs. 2 AktG geregelte Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Ausgleich bis auf den heutigen Tag im Dunkeln geblieben ist. Betrachtet man die Historie, wird erkennbar, dass der Gesetzgeber nur ein Schädigungsverbot regeln wollte, und das gibt Aufschluss über die Verhaltenspflichten der Geschäftsleiter. Im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging man hierzulande noch von einem „Vorrang des Konzerninteresses“ aus. Die Rechtsprechung gestattete es dem Mehrheitsaktionär im Grundsatz, seine Machtfülle auch zum Nachteil der Minderheitsaktionäre einzusetzen, soweit nicht die Grenzen der Sittenwidrigkeit (§§ 138, 826 BGB) erreicht wurden33. Namhafte Gesellschaftsrechtler forderten, die Einzelgesellschaft müsse zu Gunsten der Gesamtheit Opfer bringen, weil dies „... aus dem Wesen des Zusammenschlusses“ folge34, die Minderheitsgesellschafter müssten sich nun einmal „... damit abfinden, dass der Zweck des Ganzen dem Zweck des Teilbetriebs vorgehen“ müsse35. Zwar stand dem schon damals eine Auffassung gegenüber, die eine Schädigung von abhängigen Gesellschaften im Konzerninteresse zumindest von Abfindungsleistungen abhängig machen wollte36. Doch auch der Gesetzgeber des AktG von 1937 hat in der Regierungsbegründung zu § 101 (heute § 117 AktG) immerhin ein Bekenntnis zum „Vorrang des Konzerninteresses“ abgelegt, ohne es ausdrücklich zu regeln37.

__________ 32 Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 8; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Rz. 5; Möhring (Fn. 13), S. 253 (263); Vogel (Fn. 5), S. 116 f.; Voigt (Fn. 13), S. 344 ff., 357 f.; wohl auch Beuthien, DB 1969, 1781 (1783); offen lassend Bollmann (Fn. 13), S. 58. 33 RG, RGZ 68, 235 (245 f.); RGZ 115, 296 (303); vorsichtiger RG, RGZ 132, 149 (163); vgl. aber auch RG, RGZ 80, 182 (187 f.). 34 Hachenburg, Die Beziehung zwischen dem geltenden Aktienrecht und der heutigen Wirtschaft, in Enquete-Ausschuss, Materialband 1928, S. 44 ff. (50). 35 Haußmann, Grundlegung des Rechts der Unternehmenszusammenfassung, 1926, S. 152 f.; vgl. auch Geiler, Die wirtschaftlichen Strukturwandlungen und die Reform des Aktienrechts, in Enquete-Ausschuss (Fn. 34), S. 52 ff. (82). 36 Flechtheim, Die Strukturwandlung der Wirtschaft und das Aktienrecht, in Enquete-Ausschuss (Fn. 34), S. 5 ff. (33); Buchwald, Die wirtschaftlichen Strukturwandlungen und die Reform des Aktienrechts, in Enquete-Ausschuss (Fn. 34), S. 89 ff. (102); Brodmann, ZHR 94 (1929), 31 ff. (68 f.) jew. m. w. N. 37 Siehe die amtliche Begründung zu § 101 AktG 1937 bei Clausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien nebst Einführungsgesetz und „amtlicher Begründung“, 1937, S. 87; dazu auch Schlegelberger/ Quassowski, AktG 1937, 3. Aufl. 1939, § 101 AktG Rz. 10.

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In der Nachkriegszeit gab es einen deutlichen Stimmungswandel, ausgelöst durch die ordoliberale Freiburger Schule38. Nachdem der 42. DJT im Jahre 1957 einstimmig die Erforderlichkeit gesetzgeberischer Maßnahmen auf dem Gebiete des Konzernrechts befürwortet hatte, kam es zum Referentenentwurf eines AktG von 1958. Unter der Ägide des Ministerialrats Ernst Geßler hatte er das Ziel, Einflussnahmen im faktischen Konzern praktisch zu unterbinden. Drakonische Haftungsbestimmungen (§ 284 RefE 1958)39 sollten herrschende Unternehmen letztlich in einen vertraglich legitimierten Konzern hineinzwingen. Das bedeutete eine fundamentale Änderung der bis dahin bestehenden Rechtslage. Die massive Kritik gegen diesen volkswirtschaftlich nicht sinnvollen und unpraktikablen Weg40 führte zu der Ausgleichsregelung in §§ 300, 306 des Regierungsentwurfs von 1960. Danach sollte eine Haftung des herrschenden Unternehmens wegen einer Veranlassung zu nachteiligen Maßnahmen und Rechtsgeschäften entfallen, wenn die Nachteile durch entsprechende Vorteile ausgeglichen würden. Man erkannte darin nur die Konkretisierung eines allgemeinen Prinzips des Schadensersatzrechts bzw. eine bloße Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben41. Der Entwurf verlangte einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Ausgleich in der Weise, dass die Vorteile auf vertraglicher Grundlage zu gewähren und mit dem nachteiligen Rechtsgeschäft oder der nachteiligen Maßnahme so eng zusammenhängen mussten, dass sie wirtschaftlich als ein „einheitliches Geschäft“ anzusehen seien. Ein weiterer als dieser Maßstab führe nämlich dazu, dass eine Nachprüfbarkeit von Vor- und Nachteilen nicht mehr effektiv sei. Eine zeitliche Streckung des Ausgleichs wurde in der RegBegr. zu §§ 300, 306 RegE noch ausdrücklich abgelehnt. Ein herrschendes Unternehmen, welches diese Einengung nicht hinnehmen wolle, sei auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu verweisen42. Dieses Konzept war einfach und eindeutig zu handhaben: Jeder Benachteiligung im Konzerninteresse mussten zeitgleich und in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Benachteiligung entsprechende Vorteile für die abhängige Gesellschaft gegenüberstehen. Damit war klar, worauf die Geschäftsleiter des herrschenden und des abhängigen Unternehmens zu achten hatten: Die zeitgleiche Bewertung von Vor- und Nachteilen im Rahmen eines einheitlich zu beurteilenden Vorgangs musste mit der Sorgfalt eines

__________ 38 Siehe dazu reiche Nachw. bei Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts im AktG von 1965, 1997, S. 96 ff. 39 Siehe dazu bereits Fn. 14. 40 Vgl. Flume, Referentenentwurf (Fn. 14), S. 20 ff.; vgl. auch die gemeinsame Denkschrift der Spitzenverbände zum Referentenentwurf eines AktG (Fn. 14), S. 78 f.; weitere Kritik bei Hengeler/Kreifels (Fn. 14), S. 11 ff., 39 ff.; Würdinger, DB 1958, 1447 ff. jew. m. w. N. 41 Siehe BegrRegE AktG 1960, BT-Drucks. III/1915, S. 229. 42 BegrRegE AktG 1960, BT-Drucks. III/1915, S. 229 f.

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ordentlichen und unabhängigen Geschäftsleiters erfolgen und ergeben, dass eine Benachteiligung ausgeschlossen ist, anderenfalls hatte die Benachteiligung zu unterbleiben. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft reagierten auf den Regierungsentwurf von 1960 sehr kritisch. Im hier interessierenden Zusammenhang wurde vor allem gerügt, dass die Regelung in §§ 300, 306 RegE praktisch jegliche Einflussnahme und jegliche einheitliche Leitung im faktischen Konzern verhindere43. Am Ende kam der Kompromiss heraus, nach welchem ein Ausgleich von Vor- und Nachteilen innerhalb der Rechnungsperiode von einem Jahr erfolgen kann und der Ausgleich mit der Benachteiligung nicht im sachlichen Zusammenhang stehen muss (§ 311 Abs. 2 AktG 1965)44. Die Folge dieser „Kompromisslösung“ musste freilich eine Verunsicherung darüber sein, zu welchen konkreten Zeitpunkten die Geschäftsleiter des herrschenden und des abhängigen Unternehmens welche konkreten Pflichten zu erfüllen haben. Darf der Vorstand der abhängigen AG eine Schädigung auch dann vornehmen, wenn über Art und Höhe des Ausgleichs noch Unklarheit herrscht? Wer entscheidet über Art und Höhe des Ausgleichs? Was begründet die Haftung, wenn der Ausgleich sich am Ende als nicht ausreichend erweist? Auf welchen Zeitpunkt kommt es insoweit wiederum an? d) Lösung Es hat sich gezeigt, dass das Konzept des Regierungsentwurfs von 1960 die Managerhaftung im faktischen Konzern der AG an pflichtwidrige Fehleinschätzung des Verhältnisses von Benachteiligung und Ausgleich geknüpft hat. Die Bestimmung in § 306 Abs. 2 RegE 1960 (heute: § 317 Abs. 2 AktG) war also darauf gerichtet, dass die Haftung ausgeschlossen sei, wenn im Zeitpunkt der schädigenden Maßnahme das Geschäftsleiterermessen insoweit korrekt ausgeübt worden ist, was zu beweisen Sache des Konzerngeschäftsleiters sein sollte. Die Möglichkeit der zeitlichen Verschiebung des Nachteilsausgleichs und seine Abkoppelung von der schädigenden Maßnahme zwingen dazu, die Geschäftsleiterpflichten entsprechend zu interpretieren: Die Bestimmungen der §§ 311, 317 AktG haben ausschließlich den Sinn, eine Schädigung der abhängigen AG im Interesse ihrer außenstehenden Aktionäre und Gläubiger zu verhindern45. Schon in § 306 RegE 1960 ist dieses gesetzgeberische Ziel nicht

__________ 43 Siehe die Stellungnahme der Spitzenverbände zum RegE 1960 (Fn. 16), S. 46 ff. (48, 52 f.). 44 Siehe dazu den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. IV/171, S. 48 f. 45 Vgl. nur Kropff (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 3 mit Verweis auf die BegrRegE Kropff (Fn. 24), S. 373 ff., 406 ff., 408.

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ideal zum Ausdruck gekommen46. Aufgrund des gesetzgeberischen Konzeptes der §§ 300, 306 RegE aus dem Jahre 1960 war aber klar, welcher Pflichtenverstoß die Haftung der Konzerngeschäftsleiter begründen sollte. Auf der Grundlage der §§ 311 Abs. 2, 317 AktG von 1965 ist das richtige Pflichtenverständnis darauf zu richten, jedenfalls innerhalb der Fristen und Spielräume, die der Gesetzgeber gewährt hat, eine Schädigung der AG auszuschließen. Ungeachtet der Konzessionen und Kompromisse, die der Gesetzgeber in der geltenden Regelung gemacht hat, muss spätestens am Ende der Periode feststehen, dass die abhängige AG keinen Nachteil i. S. d. §§ 311, 317 AktG erlitten hat. Wenn darüber Meinungsverschiedenheiten zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Unternehmen entstehen, muss der Vorstand der abhängigen AG die Schädigung ablehnen47. Hat er sich – was nach § 311 Abs. 2 AktG zulässig ist – auf eine Schädigung schon vorher eingelassen, deren Ausgleich erst später erfolgen soll, so muss der Vorstand der abhängigen AG den von ihm korrekt bewerteten Ausgleich fordern und im Falle der Ablehnung des herrschenden Unternehmens die Benachteiligung im Abhängigkeitsbericht (§ 312 AktG) festhalten, das herrschende Unternehmen anschließend nach § 317 AktG in Anspruch nehmen. Erfüllt er diese Pflichten im Interesse der abhängigen AG nicht, so haftet der Vorstand der Tochter-AG nach allgemeinen Grundsätzen (§ 93 AktG) bzw. ggf. nach § 318 AktG (näher hierzu unter III. 4)48. Die Haftung des herrschenden Unternehmens und seines Geschäftsleiters knüpft an den Pflichtenstandard des ordentlichen Geschäftsleiters an. Trotz der Möglichkeit zeitlicher Verschiebung und relativ willkürlicher Bestimmung des Ausgleichs muss sorgfältig geprüft sein, dass der Ausgleich angemessen ist. Im Zweifelsfall muss die schädigende Maßnahme unterbleiben bzw. die ursprünglich vereinbarte oder abgestimmte Ausgleichsleistung entsprechend erhöht werden, soweit sie im Zeitpunkt der Gewährung die Benachteiligung nicht kompensiert. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn das Geschäftsleiterermessen im relevanten Zeitpunkt korrekt ausgeübt wurde. Stellt sich später – zu welchem Zeitpunkt auch immer – heraus, dass die veranlasste Maßnahme sich wider Erwarten doch nachteilig ausgewirkt hat, scheidet eine Konzernhaftung aus, wenn und weil im relevanten Zeitpunkt das Geschäftsleiterermessen nicht verletzt wurde. Die Haftung nach § 317 AktG ist nach allem keineswegs eine bloße Veranlassungs- oder Gefährdungshaftung. Es kann keine Rede davon sein, dass die Veranlassung die Haftung begründe, in ihr ein relevantes Verschulden zu se-

__________ 46 Treffend Flume, Grundfragen der Aktienrechtsreform = Flume, Gesammelte Schriften, Bd. II, 1988, S. 121 (149). 47 Eingehend Altmeppen, ZIP 1996, 693 ff. (696 ff.) m. w. N. 48 Altmeppen, ZIP 1996, 693 ff. (696 ff.).

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hen sei etc. Entscheidend ist, ob Benachteiligung und Ausgleich im maßgebenden Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters so bewertet wurden, dass man eine Schädigung der abhängigen AG für ausgeschlossen halten durfte. § 317 AktG entpuppt sich damit als konzernrechtliche Ausprägung einer culpa-Haftung für negotiorum gestio49. Soweit Maßnahmen „veranlasst“ werden, schuldet der Konzerngeschäftsleiter dieselbe Sorgfalt wie derjenige der abhängigen AG. Dieser wiederum muss bei der Bewertung beiseite lassen, dass seine AG beherrscht wird50, weil die Beherrschung gerade keine Rechtfertigung dafür ist, die abhängige AG zu schädigen.

III. Konsequenzen der richtigen dogmatischen Einordnung 1. Die schädigende Handlung Die Unsicherheit, ob bereits die Veranlassung der nachteiligen Maßnahme51 oder aber erst das Unterlassen des gesetzmäßigen Ausgleichs im letzten zulässigen Zeitpunkt (§ 311 Abs. 2 AktG) die Haftung begründet52, ob in der Phase zwischen der Veranlassung bis zum letzten denkmöglichen Zeitpunkt des gesetzmäßigen Ausgleichs womöglich von einer „schwebenden Rechtswidrigkeit“ der Veranlassung auszugehen ist53, erledigt sich wie folgt: Da der Gesetzgeber einen gestreckten Nachteilsausgleich bewusst für zulässig gehalten hat, kommt eine Pflichtwidrigkeit nur in den Varianten in Frage, dass eine gar nicht ausgleichsfähige oder eine nicht im Konzerninteresse liegende Benachteiligung vorgenommen oder der angemessene Ausgleich innerhalb der Periode nicht gewährt wurde. Die Erkennbarkeit der mangelnden Ausgleichsfähigkeit bzw. der Unangemessenheit des Ausgleichs wird dabei so-

__________ 49 Treffend Flume, BGB AT I/2 (Fn. 2), S. 88 ff.; ausführlich J. Wilhelm, Rechtsform (Fn. 30), S. 227 ff.; ders., Kapitalgesellschaftsrecht (Fn. 30), Rz. 1208, 1215. 50 Vgl. insofern auch Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 151. 51 So Brüggemeier, AG 1988, 93 (100); ders./Damm, Kommunale Einwirkung auf gemischtwirtschaftliche Energieversorgungsunternehmen, 1988, S. 78; Geßler in FS Westermann, 1974, S. 145 (160 ff., 165); Immenga, ZGR 1978, 269 (273 ff.); Joost (Fn. 5), Rz. 457; Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Anm. 2 ff., § 311 AktG Anm. 5 f.; ders., Aktienrecht (Fn. 13), § 72 I (S. 340 ff.); in diesem Sinne auch Voigt (Fn. 13), S. 309 ff. Offen lassend Kellmann, BB 1969, 1509 (1512 ff.); K. Müller, ZGR 1977, 1 (12 ff.). 52 So zumindest im Grundsatz Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 17 ff.; Habersack (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 9; Hüffer (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 6; Bollmann (Fn. 13), S. 81 f.; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 54; wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 31 IV (S. 960 ff., 963); Paehler (Fn. 21), S. 63 f. 53 So Beuthien, DB 1969, 1781 (1783); Nirk in Nirk/Ziemons/Binnewies, Hdb. der AG, Teil I, Loseblatt, Rz. 2502; Schatz (Fn. 13), S. 36 f.; Ihde, Der faktische GmbHKonzern, 1974, S. 72 f.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Rz. 8; Möhring (Fn. 13), S. 253 (261); Strohn (Fn. 6), S. 13; Raiser/Veil (Fn. 5), § 53 Rz. 42 (S. 761); wohl auch Bälz (Fn. 20), S. 287 (302 f., 308 ff.).

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wohl zulasten des herrschenden Unternehmens und seines Geschäftsleiters (§ 317 Abs. 2 AktG) als auch zulasten des Vorstands der abhängigen AG (§ 93 Abs. 2 AktG) vermutet. 2. Zur Bestimmung des Nachteilsausgleichs Überwiegend wird behauptet, das herrschende Unternehmen könne den Nachteilsausgleich nach seinem Ermessen bestimmen54. Die Gegenansicht erkennt immerhin, dass man sich auf Inhalt und Höhe des Ausgleichs zu verständigen habe55, und verweist insofern unter anderem auf den Rechtsgedanken der §§ 315, 316 BGB56. Einigkeit besteht aber offenbar darüber, dass die abhängige AG keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Durchführung des Nachteilsausgleichs haben soll57. Begreift man die Konzernhaftung nach §§ 311, 317 AktG richtig als besondere Ausprägung der culpa-Haftung für negotiorum gestio, ist allein danach zu fragen, ob es noch vom Geschäftsleiterermessen gedeckt ist, den Nachteilsausgleich im Zeitpunkt der Schädigung noch nicht endgültig zu vereinbaren. Wenn Letzteres ohne weiteres möglich ist, dürfte schon der Mangel einer entsprechenden Vereinbarung pflichtwidrig sein58. Insoweit ist das Missverständnis der h. M. zu korrigieren, nach welchem das herrschende Unternehmen den Nachteilsausgleich „einseitig“ festlegen dürfe59: Das kann allenfalls für den Zeitpunkt richtig sein, in welchem die Schädigung bereits erfolgt ist und man sich nicht auf einen Ausgleich einigen kann. Unter keinen Umständen kann das herrschende Unternehmen

__________ 54 Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 71; Hüffer (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 41; Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 77; Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Anm. 10; Beuthien, DB 1969, 1781 (1783); Kellmann, BB 1969, 1509 (1512); Möhring (Fn. 13), S. 253 (265). 55 Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 55, 250 ff.; ders. in FS Kastner (Fn. 2), S. 279 (287); Geßler (Fn. 51), S. 145 (161); Adler/Düring/Schmaltz (Fn. 5), § 311 AktG Rz. 69; s. auch Altmeppen, ZIP 1996, 693 (696); differenzierend Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 123 ff., 125: Einvernehmen nur über die Art des Ausgleichs, nicht über die Höhe. 56 Kropff in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff (Fn. 9), § 311 AktG Rz. 151; vgl. auch Altmeppen, ZIP 1996, 693 (696). Dagegen namentlich Hüffer (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 41. 57 BGH, BGHZ 124, 111 (119) = NJW 1994, 520 (522); Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 263; Hüffer (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 38 ff.; Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 61, 75; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 122; Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 74 ff., 77; Nirk (Fn. 53), Rz. 2505; Adler/Düring/ Schmaltz (Fn. 5), § 311 AktG Rz. 64; Paehler (Fn. 21), S. 49; Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Anm. 10 jew. m. w. N. 58 Vgl. bereits Altmeppen (Fn. 2), S. 69; zurückhaltender Kropff (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 336 ff.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 145; Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 78. 59 Vgl. die Nachweise in Fn. 54.

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verlangen, dass eine Schädigung erst einmal erfolgen müsse, weil das herrschende Unternehmen später einen Ausgleich leisten werde. Einer solchen Handhabung muss ein sorgfältiger Geschäftsleiter dann und deswegen widersprechen, wenn und weil man im Zeitpunkt der Schädigung den Ausgleich bereits festlegen kann60. Das herrschende Unternehmen hat keinerlei Anspruch darauf, dass der Vorstand der abhängigen AG irgendwelche Maßnahmen im Konzerninteresse tätigt. Umso weniger kann das herrschende Unternehmen eine mögliche und verbindliche Einigung auf den Nachteilsausgleich vor Durchführung der schädigenden Maßnahme mit rechtlichen Argumenten ablehnen. Die zeitliche Verschiebung zwischen Benachteiligung und Ausgleich, die der Gesetzgeber der Wirtschaft konzediert hat, soll nur Fälle erfassen, in denen man im Zeitpunkt einer Benachteiligung den Ausgleich noch nicht festlegen kann, etwa weil das Ausmaß der Benachteiligung bzw. die Angemessenheit des Ausgleichs sich erst in der Folgezeit herausstellen wird. Auch in dieser Situation sollte außer Frage stehen, dass die Beteiligten verpflichtet sind, sich in dem Umfang zu verständigen, wie dies möglich ist. Die Vorstellung, man dürfe schädigen und dabei vollständig offen lassen, ob, wann und wie welcher Ausgleich erfolgen werde, bewegt sich nicht mehr im Schutzbereich des § 311 Abs. 2 AktG: Es hat sich gezeigt, dass diese Norm die Zusammenarbeit im Konzern erleichtern soll, weil – das war die Hauptkritik der Wirtschaft – der zwingend schon im Moment der Schädigung zeitgleich zu leistende Ausgleich, der noch dazu in innerem Zusammenhang mit der Schädigung stehen muss, die Leitung eines Konzerns in der Praxis unangemessen beschränken würde61. Daraus folgt keineswegs, dass das herrschende Unternehmen – und daraus resultierend auch der Vorstand der Tochter-AG – einen „Freibrief“ hätten, den Nachteilsausgleich nach Gutdünken zunächst einmal gar nicht zu regeln oder zu präzisieren, auch wenn dies möglich wäre. Ein solches Verhalten ist vielmehr in der Regel als ermessensfehlerhaft zu bewerten und kann die spätere Haftung begründen. Die Pflichtwidrigkeit, deren Verschulden vermutet wird, ist also spätestens (!) im Zeitpunkt der letzten Ausgleichsmöglichkeit innerhalb der Rechnungsperiode erfüllt. In zahlreichen Fällen ist aber schon auf den Zeitpunkt der schädigenden Maßnahme abzustellen, wenn die mangelnde Ausgleichsfähigkeit nicht erkannt oder der angemessene Ausgleich – obgleich möglich – nicht sichergestellt wurde. Eine Pflichtverletzung kann bisweilen auch darin bestehen, dass man im Zeitpunkt der Vorteilsgewährung, spätestens also am Schluss der Periode, den ursprünglich vereinbarten oder abgestimmten Nachteilsausgleich nicht „angehoben“ hat, wenn und weil sich erst nachträglich

__________ 60 Siehe dazu eingehend Altmeppen (Fn. 2), S. 61 f., 68 ff.; ders., ZIP 1996, 693 ff. (696). 61 Vgl. den Nachw. o. Fn. 43.

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herausstellt, dass Angemessenheit die Anhebung gebietet62. Indem der Gesetzgeber die Streckungsmöglichkeit geschaffen hat, muss diese nämlich auch ausgeschöpft werden, um den gesetzlich geforderten Ausgleich zu gewährleisten. Kurzum: Die schuldhafte Pflichtwidrigkeit der Konzerngeschäftsleiter besteht darin, dass sie jeweils nicht unverzüglich (!) dafür gesorgt haben, von der abhängigen AG Schaden abzuwenden, der sich aus veranlassten Maßnahmen ergibt. Insofern wird abermals erkennbar, dass die Konzernhaftung nach §§ 311, 317 AktG sich ohne weiteres in die allgemeine culpa-Haftung für negotiorum gestio einordnen lässt. Die Variabilität des relevanten Vorwurfs und Zeitpunktes hängt damit zusammen, dass der Gesetzgeber den Konzerngeschäftsleitern gerade einen großen Spielraum zur Verfügung stellen wollte, indem er einen zeitlich gestreckten und nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Benachteiligung stehenden Ausgleich für zulässig hält. 3. Zum Umfang des Schadensersatzanspruchs Erhebliche Unsicherheit besteht auch darüber, ob sich der Ersatzanspruch auf den Schaden bezieht, der adäquat kausal durch die nachteilige Veranlassung verursacht wurde63, oder ob umgekehrt auf das Unterlassen des Ausgleichs64 abzustellen ist, ob die Höhe des entstandenen Nachteils die Obergrenze des Anspruchs beschreibt65 oder umgekehrt den Mindestschaden bestimmt66, oder ob schließlich der jeweils höhere Schaden zu ersetzen ist, sei es der durch die Veranlassung oder der durch den Nichtausgleich verursachte67. Die bezeichneten Unsicherheiten erledigen sich ebenfalls, wenn man die Konzernhaftung nach §§ 311, 317 AktG im hier vertretenen Sinne in das klassische System der culpa-Haftung einordnet: Es bedarf zunächst der Feststellung einer Handlung, die – weil im dargelegten Sinne pflichtwidrig und schuldhaft – den relevanten Vorwurf begründet. Nur der durch eine solche

__________ 62 Vgl. Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 229 ff.; Habersack (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 68; Hüffer (Fn. 2), § 311 AktG Rz. 40; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Rz. 106 f.; Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 75 jew. m. w. N. 63 So Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Anm. 2; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 317 AktG Rz. 15 ff.; Raiser/Veil (Fn. 5), § 53 Rz. 43 (S. 761); Kellmann, BB 1969, 1509 (1516); wohl auch Geßler (Fn. 51), S. 145 (160). 64 So offenbar Leo, AG 1965, 352 (357). 65 Möhring (Fn. 13), S. 253 (265); ebenso Nirk (Fn. 53), Rz. 2506. Anders Würdinger in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 311 AktG Anm. 5 f., 11, § 317 AktG Anm. 2, 4; K. Müller, ZGR 1977, 1 (17); Kellmann, BB 1969, 1509 (1512 f.): Nachteil und Schaden entsprechen sich stets. 66 Hüffer (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 7; Habersack (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 17; Raiser/Veil (Fn. 5), § 53 Rz. 43 (S. 761). 67 Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 32 ff.; Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 104; Papagiannis (Fn. 2), S. 139; ungenau Beuthien, DB 1969, 1781 (1783 f.); Bollmann (Fn. 13), S. 128: beides zu ersetzen.

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Handlung adäquat kausal verursachte Schaden ist ersatzfähig, immer vorausgesetzt, er verwirklicht sich noch im Schutzbereich der §§ 311, 317 AktG. Danach soll Schaden abgewendet werden, der aus schuldhafter Fehlbeurteilung bei der Konzerngeschäftsleitung resultiert. War die Entscheidung für eine bestimmte Konzerngeschäftsleitungsmaßnahme betriebswirtschaftlich auch aus Sicht der abhängigen AG vertretbar – z. B. weil man sie auch im Zusammenhang mit einem unbeteiligten dritten Unternehmen getroffen hätte – scheidet eine Haftung im Ansatz aus (§ 317 Abs. 2 AktG). Durfte man im relevanten Zeitpunkt zumindest annehmen, Benachteiligung und Ausgleich seien angemessen, gilt Entsprechendes. Hätte man die Maßnahme aber so nicht treffen dürfen, liegt darin die relevante schuldhafte Pflichtverletzung, deren Folgen den Schädigern nach allgemeinen Grundsätzen der Schadensdogmatik zugerechnet werden (id quod inter est, §§ 249 ff. BGB). Die unzureichende Ausgleichsleistung kann den Schaden dann nur reduzieren. Sie eignet sich nicht zu einer eigenständigen Kausalitätsbeurteilung, weil sie den Schaden nicht herbeigeführt hat: Nur die schädigende Handlung ist untersagt, während der angemessene Ausgleich sie allenfalls erlaubt, und was noch erlaubt ist, ergibt sich aus den Grenzen des Geschäftsleiterermessens im Zeitpunkt der Bewertung. Eine nicht vorhersehbare Entwicklung zugunsten des herrschenden Unternehmens ist entgegen verbreiteter Ansicht68 sehr wohl zu berücksichtigen, der Betrag der Bewertung des Nachteils ist also keineswegs immer die „Mindesthöhe“ des Schadens. Die Situation verhält sich nicht anders als bei der gewöhnlichen Geschäftsleiterhaftung (§ 93 AktG; § 43 GmbHG): Tätigt der Geschäftsleiter ein viel zu riskantes Investment, das sich zunächst als verlustträchtig erweist, kann die Haftung reduziert oder ausgeschlossen sein, wenn aufgrund unvorhersehbarer günstiger Umstände gerade dieses Investment zu unerwartetem Ertrag führt, etwa weil sich die Verhältnisse nachträglich wesentlich ändern oder das Investment gewinnträchtig veräußert werden kann. Die Berücksichtigung solcher „günstiger Zufälle“ ist nach den Regeln der Vorteilsausgleichung geboten, diese sind ihrerseits nur eine Fallgruppe der allgemeinen Kausalitätslehre69. 4. Zur Bedeutung der Haftung nach § 318 AktG Viel Unsicherheit besteht auch zur Frage, in welchem Verhältnis die Haftungstatbestände des § 93 AktG und des § 318 AktG hinsichtlich der Ver-

__________ 68 Hüffer (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 7; Habersack (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 17; vgl. auch Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 317 AktG Rz. 32 ff., § 311 AktG Rz. 229 ff., 230. Im Ergebnis wie hier dagegen Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 69; Raiser/Veil (Fn. 5), § 53 Rz. 24 (S. 756). 69 Siehe nur Schiemann in Staudinger, BGB, Neubearb. 2005, § 249 BGB Rz. 132 ff., 137 ff.; Oetker in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2003, § 249 BGB Rz. 222 ff., 227 ff.

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antwortlichkeit des Vorstands der abhängigen AG stehen. Verdrängt § 318 die allgemeine Organhaftung nach § 93 AktG70? Wird sie nur im Anwendungsbereich der Norm verdrängt71? Welcher ist der konkrete Anwendungsbereich dieser Norm? Warum wird er nicht schon von § 93 AktG erfasst72? Bedenkt man, dass § 317 AktG eine culpa-Haftung des Konzerngeschäftsleiters (§ 317 Abs. 3 AktG) und zugleich eine kumulative Mithaftung des herrschenden Unternehmens (§ 317 Abs. 1 AktG) anordnet, die sich bei richtigem Verständnis dieser Norm eigentlich schon aus § 31 BGB ergäbe, muss in aller Regel auch – wenn nicht sogar in erster Linie – der unmittelbar handelnde Geschäftsleiter der abhängigen AG den Schaden pflichtwidrig verursacht haben. Er selbst muss die mangelnde Ausgleichsfähigkeit oder den unzureichenden Ausgleich rechtzeitig erkennen und so den Schaden abwenden73. Doch es gibt Fälle, in denen der Vorstand der abhängigen AG sich schuldlos auf eine Schädigung einlässt, etwa weil der angemessene Ausgleich versprochen, jedoch am Ende nicht geleistet wird. Jedenfalls bei zulässiger Ausnutzung des zeitlich gestreckten Nachteilsausgleichs kann dies praktisch werden. Der Pflichtenstandard des Vorstandes der abhängigen AG besteht dann darin, auf angemessenem Ausgleich zu bestehen und bei Ablehnung i. S. d. § 312 AktG zu dokumentieren. Die Verletzung dieser Pflicht ist Gegenstand des § 318 Abs. 1 AktG. Die Bestimmung macht vor allem dann einen Sinn, wenn die aktive Beteiligung des Vorstandes der abhängigen AG an deren Schädigung gerade nicht pflichtwidrig war, weil sich der Vorstand auf die Schädigung und das Versprechen des späteren Nachteilsausgleichs einlassen durfte. Seine Geschäftsleitung bleibt dann, wenn er sich entlasten kann (§ 93 Abs. 2 AktG), insofern sanktionslos74. Die Pflichtverletzung hinsichtlich der Dokumentation hat der Gesetzgeber für solche Fälle der Klarheit halber gesondert geregelt, was auch unter dem Aspekt Sinn macht, dass der Auf-

__________ 70 So in der Tat zunächst Luchterhandt, ZHR 133 (1970), 1 (42 ff.), der seine Ansicht aber kurz darauf i. S. d. h. M. (vgl. die Nachweise in Fn. 71) präzisiert hat, siehe dens., Deutsches Konzernrecht bei grenzüberschreitenden Konzernverbindungen, 1971, S. 119. 71 So die mittlerweile ganz h. M., siehe OLG Hamm, ZIP 1995, 1263 (1271) = AG 1995, 512 (516); Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 318 AktG Rz. 3; Habersack (Fn. 2), § 318 AktG Rz. 10 f.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 318 AktG Rz. 10; Krieger (Fn. 6), § 69 Rz. 112; Hüffer (Fn. 2), § 318 AktG Rz. 9; Altmeppen (Fn. 2), S. 68; Geßler (Fn. 51), S. 145 (158 ff.) jew. m. w. N. 72 Dies meint in der Tat die ganz h. M. und folgert daraus, § 318 AktG sei eigentlich überflüssig bzw. habe allenfalls eine eigenständige Bedeutung, soweit einzelne Modalitäten der Haftung abweichend von den §§ 93, 116 AktG ausgestaltet seien, vgl. Habersack (Fn. 2), § 318 AktG Rz. 2; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 318 AktG Rz. 1 f., 5; Hüffer (Fn. 2), § 318 AktG Rz. 1. 73 Altmeppen (Fn. 2), S. 68 ff.; ders., ZIP 1996, 693 ff. (696 ff.). 74 Vgl. auch Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 2), § 318 AktG Rz. 5; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 318 AktG Rz. 2.

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Holger Altmeppen

sichtsrat, der ebenfalls wegen Verletzung der Dokumentationspflicht haften soll (§ 318 Abs. 2 AktG), für die schädliche Konzerngeschäftsleitung ohnehin in aller Regel nicht verantwortlich gemacht werden kann. Die Sonderregelung des § 318 AktG stellt damit klar, dass Schuldlosigkeit der Organwalter hinsichtlich der Schädigung nicht von der Haftung wegen Verletzung der Dokumentationspflicht entbindet.

IV. Der Fall Telekom75 Zurückkommend auf den in der Einleitung erwähnten aktuellsten Fall ergibt sich dazu aus der hier entwickelten Einordnung der Konzernhaftung: Entgegen entsprechender Zweifel der Instanzgerichte hat die Bundesrepublik Deutschland als herrschendes Unternehmen die Telekom AG allerdings dazu veranlasst, sich an der Versteigerung der UMTS-Lizenzen zu beteiligen und ein irrsinnig (!) hohes Gebot abzugeben. Die Veranlassung wird vermutet, wenn und weil die Bundesrepublik Deutschland ein die Telekom AG beherrschendes Unternehmen ist76. Allein maßgebend ist, ob die Ersteigerung der Lizenzen zu einem Irrsinnspreis (!) noch vom Geschäftsleiterermessen gedeckt war (§ 317 Abs. 2 AktG). Davon ist schon deshalb auszugehen, weil sich die Geschäftsleiter der Konkurrenzunternehmen – die sich in der gleichen Zwangslage befanden – nach reiflicher Überlegung genauso entschieden hatten. Für manchen kleineren Wettbewerber der Telekom AG sollte dies in der Folgezeit beinahe zur Insolvenz führen. Gleichwohl war die damalige Entscheidung der Geschäftsleiter der Telekommunikationsunternehmen, die für das langfristige Überleben angeblich unerlässliche UMTS-Lizenz zu erwerben, vom Leitungsermessen gedeckt. Die klagenden Aktionäre der Telekom AG haben übersehen, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht etwa in ihrer Eigenschaft als Aktionärin der Telekom AG, sondern als einziger Anbieter von UMTS-Lizenzen das Recht gebrochen hat: Die Art und Weise der Versteigerung, die auch dann noch fortgesetzt wurde, als die Gebote ohne jeden Zweifel eine völlig unangemessene Höhe erreicht hatten, war blanker Missbrauch einer Monopolstellung. Die Bundesrepublik Deutschland wäre allen Bietern aus Gründen des Kartellrechts zum Schadensersatz verpflichtet gewesen77. Insbesondere galten

__________ 75 Zum Verfahrensgang siehe die Nachweise in Fn. 4. 76 Dazu II. 2. a): Siehe zu Gebietskörperschaften als herrschende Unternehmen BGH, BGHZ 69, 334 (335 ff.) = NJW 1978, 104 ff. – Veba/Gelsenberg; BGHZ 105, 168 (177) = NJW 1988, 3143 (3145); BGHZ 135, 107 (113 ff.) = NJW 1997, 1855 (1856 f.) – VW. 77 Dazu eingehend Altmeppen/Bunte, Kartellrechtliche Probleme des deutschen UMTS-Versteigerungsverfahrens, in Piepenbrock/Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 443 ff.

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Zur Regelung der faktisch abhängigen AG

hier die Wettbewerbsregeln, weil die Versteigerung nicht etwa „öffentlichem Recht“ unterlag: Sie ist ein Aktstyp des Privatrechts (§ 156 BGB), und als solcher die aggressivste Form (!) des Wettbewerbs.

V. Ergebnisse 1. Die Haftung i. S. d. §§ 311, 317 AktG ist nur die besondere Ausprägung einer klassischen culpa-Haftung für negotiorum gestio. 2. Die „Veranlassung“ nachteiliger Maßnahmen ist ein unproblematisches Merkmal der Kausalität, sie wird vom Gesetz – so gut wie immer zu Recht – vermutet (§§ 18 Abs. 1 Satz 3, 17 Abs. 2, 16 AktG). Ein „Veranlassungsbewusstsein“ ist ebenso wenig erforderlich wie ein „Kausalitätsbewusstsein“, weil es nicht um ein Vorsatzdelikt geht. 3. Die zu vermutende (§ 317 Abs. 2 AktG) Pflichtwidrigkeit der Konzerngeschäftsleiter bezieht sich auf eine Verkennung der schädlichen Auswirkungen der veranlassten Maßnahme oder der Angemessenheit des Ausgleichs. Die Entlastung hat dahin zu erfolgen, dass die Insuffizienz des Ausgleichs im relevanten Bewertungszeitpunkt nicht erkennbar, die Entscheidung für die Maßnahme also vom Geschäftsleiterermessen gedeckt war.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher Angelegenheiten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Geschichtliche Entwicklung der aktienrechtlichen FG-Verfahren 1. Erste Regelungen im ADHGB vom 18.7.1884 2. Fortschreibungen im HGB von 1897 3. Besondere Vorschriften in der Notverordnung von 1931 4. Ergänzungen im AktG 1937 5. Die gegenwärtige Regelung im AktG 1965 III. Rechtsfürsorge und aktienrechtliche Streitverfahren 1. Rechtsfürsorgende Angelegenheiten

2. Streitverfahren IV. Verfahrensgrundsätze der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1. Offizialmaxime – Dispositionsmaxime 2. Amtsermittlungsgrundsatz V. Die Verfahrensgrundsätze in aktienrechtlichen FG-Angelegenheiten 1. Rechtsfürsorgeverfahren 2. Streitverfahren VI. Ausblick

I. Einleitung Das in seinen Grundsätzen seit dem Inkrafttreten am 1.1.1900 im Wesentlichen unverändert gebliebene Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG)1 enthält im Siebenten Abschnitt (§§ 125–158 FGG) unter der Überschrift „Handelssachen“ besondere verfahrensrechtliche Vorschriften für die dort bezeichneten sowie diejenigen Angelegenheiten, die durch andere Gesetze den Regeln des FGG über Handelssachen unterstellt sind2. Hierzu gehören die nach den Vorschriften des HGB und des AktG vom Gericht zu entscheidenden Angelegenheiten, für die nach § 145 Abs. 1 FGG das Amtsgericht und nach einigen Vorschriften des AktG das Landgericht als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausschließlich zuständig sind. Diese Angelegenheiten erfordern nicht nur rechtsfürsorgende Tätigkeiten des Gerichts, sondern auch Entscheidungen von Streitigkeiten zwischen Aktionären, Organmitgliedern oder Prüfern und der AG. In einigen Fällen handelt es

__________ 1 Reichsgesetz v. 17.5.1898 in der Bekanntmachung der Fassung v. 20.5.1898, RGBl. I, S. 771. 2 Vgl. OLG Frankfurt, FGPrax 2001, 85; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, vor § 125 Rz. 1; Keidel/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, Vorbem. §§ 125–158 Rz. 1 f.; Steder in Jansen, FGG, 3. Aufl. 2006, vor §§ 125–158 Rz. 2 f.

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sich dabei um so genannte „echte Streitverfahren“, für deren Durchführung sich die Verfahrensvorschriften des FGG als unzulänglich erwiesen haben und stattdessen analog auf Verfahrensvorschriften der ZPO zurückgegriffen wird. Ob und in welchem Umfang aktienrechtliche Angelegenheiten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit besonderen Verfahrensvorschriften unterliegen, wird in einigen Angelegenheiten unterschiedlich beurteilt. Mit den nachfolgenden Ausführungen soll der Versuch einer Zusammenstellung der gegenwärtig vorgesehenen aktienrechtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der hierbei anzuwendenden Verfahrensgrundsätze unternommen werden3.

II. Geschichtliche Entwicklung der aktienrechtlichen FG-Verfahren 1. Erste Regelungen im ADHGB vom 18.7.1884 Bereits das ADHGB in der Fassung des Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18.7.18844 enthielt, wie zuvor in der Fassung vom 11.6.18705, eine Reihe von Vorschriften, die Funktionen des Gerichts (Handelsgerichts) außerhalb der Führung des Handelsregisters in aktienrechtlichen Angelegenheiten vorsahen6. So hatte das Handelsgericht bei einer Stufengründung eine Generalversammlung einzuberufen und zu leiten, um eine Beschlussfassung über die Errichtung der Gesellschaft herbeizuführen (Art. 210a ADHGB), sowie Minderheiten auf deren Antrag zur Berufung einer Generalversammlung oder zur Ankündigung eines Gegenstandes für eine Generalversammlung zu ermächtigen, wenn der Vorstand einem solchen Verlangen nicht entsprochen hatte (Art. 237 ADHGB). Auf Antrag einer Aktionärsminderheit hatte das Landgericht Revisoren zur Prüfung eines Herganges bei der Gründung oder bei der Geschäftsführung zu ernennen, sofern die Generalversammlung einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte und dem Gericht glaubhaft gemacht wurde, dass bei dem Gründungshergang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages stattgefunden haben (Art. 222a ADHGB). Das Gericht hatte gleichfalls auf Antrag einer Aktionärsminderheit Bevollmächtigte der Gesellschaft zur Führung eines Prozesses gegen Gründungsbeteiligte und Organmitglieder zu ernennen, wenn auch dies zuvor von der Generalversammlung abgelehnt worden war (Art. 223 ADHGB). Eine Aktionärsminderheit war auch berechtigt, die Ernennung von Liquida-

__________ 3 Hierzu der noch heute beachtenswerte Aufsatz von v. Falkenhausen mit dem ähnlichem Titel „Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Aktienrecht“, AG 1967, 309. 4 RGBl., S. 123, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 560 ff. 5 Abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Fn. 4), S. 107 ff. 6 Nachfolgend werden nur die Vorschriften zur Aktiengesellschaft behandelt.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

toren oder deren Abberufung durch das Gericht herbeizuführen (Art. 244 ADHGB) und nach Beendigung der Liquidation hatte das Handelsgericht einen sicheren Ort zur Aufbewahrung der Handelsbücher der aufgelösten Gesellschaft zu bestimmen (Art. 246 ADHGB). 2. Fortschreibungen im HGB von 1897 Das HGB von 1897 übernahm diese Vorschriften weitgehend. Neben der Führung des Handelsregisters sah das Gesetz in einer Reihe besonderer Angelegenheiten die Mitwirkung des Amtsrichters vor, der als „ein schnell funktionierendes Vertrauensorgan für die Beteiligten anstelle des Prozessrichters“ tätig werden sollte7. Das Gericht hatte nunmehr, wenn erforderlich, einen Revisor (Gründungsprüfer) zur Prüfung des Gründungsvorganges zu bestellen, wenn dies nicht durch ein für die Vertretung des Handelsstandes berufenes Organ geschehen konnte (§ 192 Abs. 3 HGB), über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den vom Gericht benannten Revisoren zu entscheiden (§ 194 Abs. 1 HGB) und gegebenenfalls die Auslagen und die Vergütung der Gründungsprüfer festzusetzen. Weiterhin konnte das Gericht eine Aktionärsminderheit ermächtigen, eine Generalversammlung einzuberufen oder zu verlangen, dass bestimmte Gegenstände zur Beschlussfassung einer Generalversammlung angekündigt werden, sowie auch über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung eine Bestimmung treffen (§ 254 Abs. 1–3 HGB). Die Bestellung von Revisoren (Sonderprüfern) war nicht nur zur Prüfung eines Vorganges bei der Gründung oder der Geschäftsführung, sondern auch zur Prüfung der Bilanz zulässig (§ 266 Abs. 1 HGB). Auch konnte das Gericht zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft den von einer Aktionärsminderheit benannten besonderen Vertreter zur Führung des Rechtsstreits bestellen, wenn einem entsprechenden Antrag in der Generalversammlung nicht stattgegeben worden war (§ 268 Abs. 2 HGB). Erhalten blieb auch die Zuständigkeit des Gerichts zur Ernennung und Abberufung von Liquidatoren (§ 295 Abs. 2 und 3 HGB) sowie die Bestimmung eines sicheren Ortes zur Aufbewahrung der Bücher und Papiere der Gesellschaft nach Beendigung der Abwicklung (§ 302 Abs. 2 HGB). In allen diesen Angelegenheiten hatte das Amtsgericht als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den Vorschriften des fast gleichzeitig mit dem HGB entstandenen FGG zu entscheiden. 3. Besondere Vorschriften in der Notverordnung von 1931 Mit der Einführung der Pflichtprüfung für Jahresabschlüsse von Aktiengesellschaften durch §§ 262a ff. HGB i. d. F. der NotVO 19318 wurden weitere

__________ 7 Lehmann/Ring, Das HGB, 1902, § 8 Anm. 7. 8 Verordnung über Aktienrecht v. 19.9.1931, RGBl. I, S. 493.

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Mitwirkungen des Gerichts vorgesehen. Es hatte auf Antrag die Bilanzprüfer zu bestellen, wenn die Generalversammlung solche nicht gewählt oder der Bilanzprüfer die Annahme des Prüfungsauftrages abgelehnt hatte oder weggefallen oder an dem rechtzeitigen Abschluss der Prüfung verhindert war, und die Generalversammlung einen anderen Prüfer nicht wählte (§ 262b Abs. 4 HGB). Hatte eine Aktionärsminderheit Widerspruch gegen die Auswahl der Bilanzprüfer erhoben, so musste hierüber das Gericht entscheiden (§ 262b Abs. 3 HGB). Andererseits machte die Pflichtprüfung des Jahresabschlusses eine eventuelle Bestellung von Sonderprüfern auch zur Prüfung der Bilanz überflüssig, so dass Sonderprüfer unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen nur zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung zu bestellen oder auf Antrag einer Minderheit auszutauschen waren (§ 266 Abs. 2 und 3 HGB). 4. Ergänzungen im AktG 1937 Das AktG 1937 sah über die zuvor schon im HGB geregelten Fälle hinaus weitergehend vor, dass das Gericht die Kraftloserklärung von Aktien unter bestimmten Voraussetzungen genehmigen musste (§ 67 Abs. 1 AktG 1937) sowie in dringenden Fällen fehlende Vorstandsmitglieder zu bestellen oder den Aufsichtsrat zu ergänzen hatte (§§ 76, 89 AktG 1937). Außerdem konnte das Gericht aus wichtigem Grund die Prüfung eines während der Abwicklung aufgestellten Jahresabschlusses anordnen (§ 211 Abs. 3 AktG 1937). Die erste DVO zum AktG 19379 schrieb in §§ 8 ff. ein Spruchstellenverfahren vor, in dem auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Landgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden hatte, ob Gewinnbeteiligungen für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufwendungen der Gesellschaft zugunsten der Gefolgschaft standen, die dem gemeinen Wohl dienten. Nach §§ 27–32 dieser DVO sollte ein Spruchverfahren auch auf Antrag des Abschlussprüfers oder des Vorstands bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen über die Auslegung der Vorschriften über den Jahresabschluss und den Geschäftsbericht stattfinden. 5. Die gegenwärtige Regelung im AktG 1965 Auch im AktG 1965 wurden die bereits bisher eine Mitwirkung des Gerichts erfordernden Angelegenheiten, teilweise mit sachlichen Erweiterungen, fortgeführt. Neu aufgenommen wurde im Hinblick auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer das gerichtliche Verfahren für eine Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§§ 98, 99 AktG). Hinzu kamen Regeln über die Zuständigkeit des Gerichts zur Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 103 AktG), die gericht-

__________ 9 Erste Durchführungsverordnung zum Aktiengesetz v. 29.9.1937, RGBl. I, S. 1026.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

liche Entscheidung über das Auskunftsrecht (§ 132 AktG), die Bestellung von Sonderprüfern bei der bilanzrechtlichen Sonderprüfung und über die abschließenden Feststellungen dieser Sonderprüfer (§§ 258, 260 AktG) sowie über die Bestellung von Sonderprüfern für eine konzernrechtliche Sonderprüfung (§ 315 AktG). Neu geregelt wurde auch ein Verfahren zur gerichtlichen Entscheidung über Ausgleichs- und Abfindungsansprüche zur Sicherung außenstehender Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304, 305 AktG) und bei einer Eingliederung (§ 320 Abs. 5 a. F., jetzt § 320b AktG), für die das Landgericht zuständig wurde, das im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden hatte (§§ 306, 320 Abs. 6 Satz 2 AktG a. F.). Für dieses Verfahren gelten inzwischen die besonderen, hier nicht zu erörternden Verfahrensvorschriften des Spruchverfahrensgesetzes10. Aus dem AktG herausgenommen wurde die Mitwirkung des Gerichts bei der Bestellung von Abschlussprüfern, da mit Einführung der Pflichtprüfung für die Jahresabschlüsse aller nicht kleinen Kapitalgesellschaften durch das BiRiLiG in §§ 316 ff. HGB eine neue Regelung erfolgte. Neu aufgenommen wurde durch das UMAG11 ein besonderes gerichtliches Verfahren, in dem gestattet werden konnte, bestimmte Tatsachen nicht in den Prüfungsbericht über Sonderprüfungen nach §§ 142 und 258 AktG aufzunehmen. Nicht zu den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört demgegenüber das durch das UMAG eingeführte Klagezulassungsverfahren (§ 148 AktG). Soweit für die gegenwärtig vorgesehenen aktienrechtlichen Angelegenheiten das Amtsgericht zuständig ist, sind diese in § 145 Abs. 1 FGG aufgeführt12; auf diese Verfahren sind gemäß § 1 FGG die allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden. Das AktG 1965 schreibt für die Verfahren nach §§ 99, 132 und 260 AktG die Zuständigkeit des Landgerichts und die Anwendung der Vorschriften des FGG vor; Gleiches gilt aufgrund der Änderung der §§ 142 Abs. 2 und 4, 145 Abs. 4 und 315 AktG durch das UMAG für die dort vorgesehenen Verfahren.

III. Rechtsfürsorge und aktienrechtliche Streitverfahren 1. Rechtsfürsorgende Angelegenheiten Die Mitwirkung der Gerichte in den vorstehend bezeichneten Angelegenheiten diente und dient unterschiedlichen Zwecken. Im Vordergrund stand zunächst die weitgehend verwaltungsmäßige Führung des Handelsregisters

__________ 10 Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz – SpruchG) v. 12.6.2003, BGBl. I, S. 838. 11 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl. I, S. 2802. 12 Vgl. die zusammenfassenden Darstellungen bei Keidel/Winkler (Fn. 2), § 145 FGG Rz. 10–42 und Ries in Jansen (Fn. 2), § 145 FGG Rz. 14–56.

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durch das Amtsgericht. Hinzu kamen Rechtsfürsorgeverfahren13, wie beispielsweise die Bestellung von Gründungsprüfern und von Liquidatoren oder deren Abberufung. Aus der Bestellung von Gründungsprüfern ergab sich dann aber auch die Notwendigkeit, über Meinungsverschiedenheiten, also über einen Streit zwischen diesen und den Gründern zu entscheiden. Der Rechtsfürsorge diente auch die Mitwirkung des Gerichts bei der Einberufung einer Hauptversammlung und der Bestimmung ihres Gegenstandes, also Maßnahmen, die das Interesse der Aktionäre an der Durchführung von Hauptversammlungen berücksichtigten, aber die Berechtigung zur Einberufung nicht dem einzelnen Aktionär, sondern einer Aktionärsminderheit zuwiesen. 2. Streitverfahren Der Gesetzgeber übertrug den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aber nicht nur eine Mitwirkung in organisationsrechtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft, sondern auch Entscheidungen bei Streitigkeiten zwischen Aktionären oder Aktionärsgruppen und der Gesellschaft, die der Vorbereitung privatrechtlicher Ansprüche dienen, wie die Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung der Geschäftsführung und von Bevollmächtigten zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder der Organe oder andere verpflichtete Personen. Noch weitergehend wurden dem Gericht Entscheidungen übertragen, die der Durchsetzung subjektiver Rechte von Aktionären gegen die Gesellschaft dienen, wie über Auskunftsrechte und Ausgleichs- und Abfindungsansprüche bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, also in Streitigkeiten zivilrechtlicher Art, die üblicherweise nach der ZPO zu führen sind14. Die Zuweisung dieser Streitverfahren an die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgte häufig aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen, so wegen eines Zusammenhangs mit einer bereits im Rechtsfürsorgeverfahren bestehenden Befassung des Gerichts oder um die Vorteile des FG-Verfahrens, seine Flexibilität, Schnelligkeit und die geringen Kosten zu nutzen15. Streitigkeiten über subjektive Rechte, bei denen sich Aktionäre oder Aktionärsgruppen und die Gesellschaft als Verfahrens-

__________ 13 Zur Entstehung dieses Begriffs und seiner Bedeutung vgl. Bosch, Zivilprozeß und freiwillige Gerichtsbarkeit, AcP 149 (1944), 32 (40). 14 Zur Entwicklung der Zuständigkeit der Gerichte im FG-Verfahren von einer Tätigkeit verwaltender und rechtsfürsorgender Art zur Zuständigkeit in Streitverfahren vgl. Münzel, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Zivilprozeß in der neueren Entwicklung, ZZP 66 (1953), 334 (335 ff.). 15 Hierzu BGH, BGHZ 6, 248 (254); Lehmann/Ring, Das HGB, 1902, § 8 Anm. 7; Schlegelberger, FGG, 5. Aufl. 1937, § 12 Rz. 7; Bosch (Fn. 13), S. 41; Jansen, FGG, 2. Aufl. 1969, Vorbem. § 8–18 Rz. 55; Habscheid, Zum Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, JZ 1954, 689 ff.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

beteiligte wie im Zivilprozess mit widerstreitenden Interessen gegenüberstehen, werden als „echte Streitsachen“ bezeichnet16.

IV. Verfahrensgrundsätze der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1. Offizialmaxime – Dispositionsmaxime Bei seinem Inkrafttreten betraf das FGG überwiegend Angelegenheiten, an deren Regelung ein öffentliches Interesse bestand, wie Vormundschafts-, Kindschafts-, Personenstands- und Nachlasssachen. Für diese Verfahren galt, ihrem Zweck entsprechend, die Offizialmaxime, die dem Gericht die Entscheidung übertrug, von Amts wegen ein Verfahren einzuleiten sowie seinen Gegenstand und die Art seiner Durchführung zu bestimmen17. Lediglich in den Angelegenheiten, für die das Gesetz wegen eines überwiegenden Privatinteresses das Antragsverfahren angeordnet hatte18, sollte der Antragsteller nach der Dispositionsmaxime allein bestimmen, „ob“ und „worüber“ ein Verfahren stattfinden sollte19. Bei dieser Regelung ist es bis heute geblieben. Da sämtliche aktienrechtliche FG-Verfahren – mit Ausnahme der gerichtlichen Bestimmung des Aufbewahrungsortes für die Bücher und Schriften der Gesellschaft nach Abschluss der Abwicklung (§ 273 Abs. 2 AktG) – Antragsverfahren sind, findet auf sie die Dispositions- und nicht die Offizialmaxime Anwendung. Dieser Verfahrensgrundsatz gilt erst recht für echte Streitverfahren. Der Rechtsmacht, über die Ausübung eines subjektiven Rechts zu entscheiden und, soweit dies nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, hierüber zu verfügen, entspricht das Recht zur Entscheidung darüber, ob, wann und wie die sich aus dem Recht ergebenden Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Da das FGG in seinen allgemeinen Verfahrensvorschriften (§§ 1–34 FGG) nur vereinzelt Bestimmungen zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens enthält, stellte sich alsbald die Frage, ob in echten Streitverfahren wegen einer vergleichbaren Prozesslage Vorschriften der ZPO entsprechend anzu-

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16 BGH, BGHZ 6, 248 (254, 257); BGHZ 19, 196 (199); BGHZ 85, 180 (188); BayObLG, BayObLGZ 1989, 75 (77); Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notarrecht, 1968, § 4 II (S. 22 ff.); Bosch (Fn. 13) S. 35 (48 f.); Bumiller/Winkler (Fn. 2), § 1 FGG Rz. 4; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 3. Aufl. 2002, Rz. 56–60; Habscheid, FGG, 7. Aufl. 1983, § 7 I (S. 36–38); Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 54– 58; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 226–231. 17 Vgl. hierzu und zur Offizialmaxime im Verfahren der FG Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 2, 4–7; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 2; Lindacher, Verfahrensgrundsätze in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, JuS 1978, 577, 578. 18 Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 4; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 7. 19 Zum Dispositionsgrundsatz in der ZPO vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl. 2004, § 76; zum entsprechenden Verfahrensgrundsatz im FGG-Verfahren Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 8; Lindacher, JuS 1978, 478.

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wenden seien. Dies wurde beim Bestehen einer Regelungslücke grundsätzlich bejaht, es sei denn, dass andere, für das Verfahren maßgebliche Grundsätze, insbesondere der Grundsatz der Amtsermittlung (siehe hierzu nachfolgend zu 2.), dem entgegenstehen. Die Rechtsprechung hat hierzu insbesondere in folgenden Einzelfällen entschieden20. Dem Recht, ein Verfahren aufgrund eigener Entschließung einzuleiten, entspricht die Berechtigung, das Verfahren durch Antragsrücknahme zu beenden21. Hat sich allerdings ein Antragsgegner im Verfahren bereits auf den Antrag eingelassen, so ist entsprechend § 269 Abs. 1 ZPO seine Zustimmung zur Antragsrücknahme erforderlich, wenn er ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung hat22. War für den Antrag eine kürzere Frist vorgesehen, wie beispielsweise für einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern wegen unzulässiger Unterbewertung gemäß § 258 AktG, so wird diese Frist bei Rücknahme des Antrags in der Regel verstrichen sein, so dass eine erneute Antragstellung nicht droht und der Antragsgegner die Rücknahme des Antrags hinnehmen muss. War jedoch für den Antrag eine Frist nicht vorgeschrieben, wie beispielsweise bei einem Antrag auf Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 103 Abs. 3 AktG oder einem Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern zur Geschäftsführung der Gesellschaft nach § 142 Abs. 2 FGG, so können die Antragsgegner ein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung haben. Tritt nach Einleitung des Verfahrens ein Ereignis ein, das einen Wegfall des Verfahrensgegenstandes herbeiführt, so kann eine Sachentscheidung wegen einer Erledigung der Hauptsache nicht mehr ergehen. Nach einseitiger Erledigungserklärung hat das Gericht somit lediglich festzustellen, ob ein Ereignis eingetreten ist, das eine Sachentscheidung ausschließt. Wird die Erledigungserklärung von beiden Parteien abgegeben, so kommt es in echten Streitsachen nicht mehr darauf an, ob die Hauptsache wirklich erledigt ist; das Gericht ist an die Erklärung der Parteien gebunden. In rechtsfürsorgenden Sachen muss das Gericht nach dem Grundsatz der Amtsermittlung prüfen, ob die Erledigung tatsächlich eingetreten ist23.

__________ 20 Vgl. die Auflistung der in Betracht kommenden Vorschriften der ZPO bei Keidel/ Meyer-Holz (Fn. 2), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 4. 21 KG, OLGZ 1972, 64 (67); Bassenge, FGG, 10. Aufl. 2004, Einl. Rz. 112; Bumiller/ Winkler (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 17; Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 18; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 39. 22 OLG Düsseldorf, NJW 1980, 349; BayObLG, FamRZ 1999, 1588; Bassenge (Fn. 21), Einl. FGG Rz. 113; Brehm (Fn. 16), Rz. 312; Habscheid (Fn. 16), § 22 II 1 (S. 166); Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 40; Lindacher, JuS1978, 579; a. A.: Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 20. Die jeweils auf besondere Verfahren bezogene Rechtsprechung ist nicht eindeutig, vgl. BayObLG, NJW-RR 1993, 205; KG, WE 1988, 62; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 349; OLG Hamm, RdL 1961, 205 f. 23 BayObLG, BayObLZG 1979, 117 (121); BayObLGZ 1989, 75 (77); OLG Hamm, FGPrax 1999, 48 (49); Jansen (Fn. 15), § 19 FGG Rz. 36; Keidel/Kahl (Fn. 2), § 19 FGG Rz. 91; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 2.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

Eine Sachentscheidung durch das Gericht ohne eigene Sachprüfung widerspricht den Grundsätzen des FG-Verfahrens. Daher führt ein Anerkenntnis oder eine Säumnis nicht, wie nach §§ 307, 331 ZPO, aufgrund der damit verbundenen Fiktionswirkung ohne weiteres zu einer Beendigung des Verfahrens durch ein vom Gericht zu erlassendes Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil. Derartige Erklärungen mögen eine Entscheidung des Gerichts beeinflussen, entbinden es aber nicht von der Verpflichtung, die Richtigkeit auch zugestandener Behauptungen zu überprüfen. Die gegenteiligen Vorschriften der ZPO finden keine Anwendung. Dies gilt auch für echte Streitsachen24. Können Verfahrensbeteiligte materiell-rechtlich über den Verfahrensgegenstand verfügen, so können sie hierüber auch einen Vergleich nach § 779 BGB abschließen. Auf der FG-Verfahrensebene hat eine solche materiell-rechtliche Vereinbarung allerdings grundsätzlich nur Einfluss, wenn zur Durchführung des Vergleichs eine Antragsrücknahme erklärt wird. Anderenfalls hat das Gericht über den Streit sachlich zu entscheiden, muss hierbei aber natürlich die materielle Rechtslage und die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten würdigen25. Für bestimmte Angelegenheiten der HausratsVO, des WEG und des LwVO lässt das FGG darüber hinaus auch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs zu, durch den das Verfahren unmittelbar beendet wird26. Solche gerichtlichen Vergleiche mit der Folge einer Verfahrensbeendigung werden außerdem auch in echten Streitsachen zugelassen, soweit die Beteiligten über den Gegenstand des Streits verfügen können27. Der Vergleich ist zu richterlichem Protokoll zu nehmen; für die Protokollaufnahme gelten analog §§ 159 ff. ZPO. Sieht das FGG für einen abgeschlossenen Vergleich nicht ausdrücklich die Anwendung der Zwangsvollstreckungsvorschriften der ZPO vor, so ist der Vergleich kein Vollstreckungstitel, aus dem nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann28. Für Rechtsverhältnisse, die Gegenstand eines echten Streitverfahrens nach dem FGG sein können, können die Vertragspartner auch eine Schiedsgerichtsvereinbarung treffen, wenn sie berechtigt sind, materiell-rechtlich über den Gegenstand eines solchen Streits zu verfügen und die staatlichen Ge-

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24 BayObLG, WuM 1996, 661 (662); Jansen (Fn. 15), § 12 FGG Rz. 31; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 229. 25 Bumiller/Winkler (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 22; Keidel/Meyer-Holz (Fn. 2), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 23, 24. 26 Vgl. Bumiller/Winkler und Keidel/Meyer-Holz, jew. a. a. O. (Fn. 25). 27 Hierzu OLG Stuttgart, OLGZ 1984, 131 (132); BayObLG, BayOblGZ 1997, 217 (219 f.) = FGPrax 1997, 229; Habersack in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2004, § 779 Rz. 5; Keidel, Der gerichtliche Vergleich in Landwirtschaftssachen und die Beurkundungsbefugnis der Notare, DNotZ 1954, 342 ff.; Bärmann (Fn. 16), § 18 III (S. 132 f.); Bumiller/Winkler (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 23; Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 80–85; Keidel/Meyer-Holz (Fn. 2), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 24. 28 BayObLG, BayObLGZ 1997, 217 (221) = FGPrax 1997, 229; Keidel/Meyer-Holz (Fn. 2), Vorbem. § 8–18 FGG Rz. 27.

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richte sich kein Rechtsprechungsmonopol vorbehalten haben29. Analog § 1032 Abs. 1 ZPO kann somit auch im FG-Verfahren die Einrede der Schiedsvereinbarung erhoben werden. 2. Amtsermittlungsgrundsatz Im FG-Verfahren hat das Gericht „von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten“ (§ 12 FGG)30. Dabei ist das Gericht an das tatsächliche Vorbringen der Verfahrensbeteiligten nicht gebunden. Auch zunächst als unstreitig erscheinende Tatsachen sowie tatsächliche Zugeständnisse, ein Geständnis nach § 288 Abs. 1 ZPO oder ein Anerkenntnis nach § 307 ZPO, muss das Gericht auf seine Richtigkeit überprüfen. Bei der tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts bleibt es dem Gericht aber überlassen, aus derartigen Erklärungen Schlüsse für seine Entscheidung zu ziehen. Je nach den Umständen hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Auch hierbei sind für das Gericht Beweisanträge der Verfahrensbeteiligten oder deren Ansicht über die Beweisbedürftigkeit ohne Bedeutung; die Verwertung von Beweismitteln hat unabhängig davon zu erfolgen, ob die Parteien damit einverstanden sind31. Ermittlungen des Gerichts oder Beweiserhebungen sind insbesondere erforderlich, wenn Zweifel an der Richtigkeit bestimmter Tatsachen bestehen32. Dieser Amtsermittlungsgrundsatz (die Untersuchungsmaxime) gilt sowohl für Fürsorgeverfahren wie für echte Streitsachen33; er tritt an die Stelle des im Zivilprozess geltenden Verhandlungsgrundsatzes, der die Beibringung der Tatsachen und die Beschaffung der Beweise den Parteien überträgt.

__________ 29 BGH, BGHZ 6, 248 (253 ff.); BGHZ 132, 278 (283); BayObLG, BayObLGZ 1978, 294 (300); BayObLGZ 1999, 255 (268); BayObLGZ 2000, 279 (284); OLG Koblenz, NJWRR 1990, 1374; Bärmann (Fn. 16), § 13 II 4 b und § 18 III 4; Habscheid, Schiedsverfahren und freiwillige Gerichtsbarkeit, ZZP 66 (1953), 188 (203); Jansen (Fn. 15), Vorbem. zu §§ 3–7 FGG Rz. 42; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 1 FGG Rz. 9. 30 Zum Amtsermittlungsgrundsatz vgl. allgemein Rosenberg/Schwab/Gottwald (Fn. 19), § 77 Rz. 41–44; zu diesem Grundsatz im FG-Verfahren: Bassenge (Fn. 21), Einl. FGG Rz. 53 ff.; Brehm (Fn. 16), Rz. 251 ff.; Bumiller/Winkler (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 1–3 und 41–47; Jansen (Fn. 15), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 21 und § 12 Rz. 30–49 ff.; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 53–62 und 79–83; Lindacher, JuS 1978, 580 f. 31 Brehm (Fn. 16), Rz. 251. 32 Vgl. OLG Düsseldorf, AG 2004, 324 (325); BayObLG, NJW-RR 1997, 971 (972); BayObLG, NJW-RR 1992, 1225; BayObLGZ 1979, 232 (237 f.); KG, FamRZ 1979, 69; Bassenge, Brehm, Bumiller/Winkler, Habscheid, Jansen, Keidel/Schmidt jew. a. a. O. 33 Vgl. nur Habscheid (Fn. 16), § 19 II 1; Jansen (Fn. 15), § 12 FGG Rz. 2; Keidel/ Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 4, 55.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

Die Amtsermittlungspflicht des Gerichts entbindet die Verfahrensbeteiligten indessen nicht von ihrer Verpflichtung, sich an der erforderlichen Sachaufklärung zu beteiligen und, soweit sie hierzu in der Lage sind, entscheidungserhebliche Tatsachen vorzutragen. Dies gilt besonders in Antragsverfahren, an denen sie durch eingehende Tatsachendarstellung und Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken haben34. In echten Streitsachen verstärkt sich diese Mitwirkungspflicht zu einer Darlegungslast. In diesen Verfahren kann das Gericht davon ausgehen, dass jeder Beteiligte für ihn vorteilhafte Umstände vorbringt, so dass eine eigene Amtsermittlungspflicht nur besteht, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen für das Gericht und die Parteien nicht ersichtlich sind oder das Vorbringen allgemeinen Erfahrungen widerspricht, Zweifel an der Richtigkeit des Vortrages bestehen oder sonst ein begründeter Anlass gegeben ist, weitere Ermittlungen durchzuführen35. Unterlässt ein Verfahrensbeteiligter einen ihm günstigen Vortrag, so muss er grundsätzlich in Kauf nehmen, dass das Gericht auf der Grundlage der bisher vorgetragenen Tatsachen entscheidet. Das Gericht hat auf die Mitwirkungspflicht der Vertragsbeteiligten und die sich aus einer Verletzung dieser Verpflichtung möglicherweise ergebenden Folgen hinzuweisen, so wie es auch verpflichtet ist, auf rechtliche Gesichtspunkte hinzuweisen, die für die Entscheidung erheblich sind und ein Verfahrensbeteiligter möglicherweise übersehen oder für unerheblich gehalten hat. § 139 ZPO findet im FG-Verfahren Anwendung36. Der Umfang der gerichtlichen Amtsermittlungstätigkeit wird sich im Einzelfall sowohl in Rechtsfürsorgeangelegenheiten wie in echten Streitsachen danach richten, inwieweit das Gericht davon ausgehen kann, dass die Verfahrensbeteiligten Kenntnis von den rechtserheblichen Tatsachen haben oder sich diese beschaffen können. Das Gericht wird ferner berücksichtigen, inwieweit ein Verfahrensbeteiligter in Angelegenheiten ohne besonderes öffentliches Interesse der Rechtsfürsorge bedarf oder diese verdient37. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird dem Richter in der Ausgestaltung des Verfahrens und der Handhabung der Verfahrensregeln weitgehend freie Hand gegeben. Jeder überflüssige Formalismus soll vermieden werden. Soweit dem nicht ausdrückliche Vorschriften entgegenstehen, kann das Gericht die sachgemäße Gestaltung des Verfahrens dem Einzelfall anpassen38.

__________ 34 BayObLG, NJW-RR 1993, 459 (460); OLG Köln, NJW-RR 1994, 396 (397); Brehm (Fn. 16), Rz. 252; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 56 und 122. 35 BGH, BGHZ 146, 241 (249 f.); NJW 1994, 580 (581); Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 229. 36 BVerfG, NJW 2002, 1334 f.; OLG Köln, OLGZ 1992, 395 (396); BayObLG, BayObLGZ 1988, 422 (424 f.); BayObLGZ 1985, 82 (85); ausführlich hierzu bereits Jansen (Fn. 15), § 12 FGG Rz. 7, 8; vgl. auch Bumiller/Winkler (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 67; Keidel/Schmidt (Fn. 2), § 12 FGG Rz. 185 und 229. 37 Vgl. Lindacher, JuS 1978, 581. 38 BGH, BGHZ 30, 220 (225); Keidel/Meyer-Holz (Fn. 2), Vorbem. §§ 8–18 FGG Rz. 1.

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V. Die Verfahrensgrundsätze in aktienrechtlichen FG-Angelegenheiten 1. Rechtsfürsorgeverfahren Von den in § 145 Abs. 1 FGG und im AktG aufgeführten aktienrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrifft der überwiegende Teil Verfahren, in denen das Gericht nicht über Streitfragen zu entscheiden, sondern rein rechtsfürsorgend an der rechtlichen Ordnung der Aktiengesellschaft mitzuwirken hat39. Hierzu gehören die Bestellung von Prüfern im Zusammenhang mit organisatorischen Maßnahmen, die mit besonderen Risiken verbunden sein können, so bei der Gründung, Nachgründung, dem Abschluss von Unternehmensverträgen und der Eingliederung (§§ 33 Abs. 3, 52 Abs. 4, 293c, 320 Abs. 3 AktG) sowie bei Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen (§§ 183 Abs. 3, 194 Abs. 4, 205 Abs. 3 AktG). Das Gericht hat auch bei Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Aufklärungen und Nachweise, die den Prüfern bei der Gründung, Nachgründung und bei Kapitalerhöhungen zu gewähren sind, zu entscheiden und den Prüfern damit die Durchführung dieser Prüfung zu ermöglichen (§§ 35 Abs. 2, 52 Abs. 4 Satz 2, 183 Abs. 3 Satz 2, 194 Abs. 4 Satz 2, 205 Abs. 3 Satz 2 AktG); insoweit ist zwar auch über einen Streit zu entscheiden, aber dies ist nicht Hauptzweck dieses Verfahrens. Zur Wahrung der Unabhängigkeit der Prüfer sind ihre Auslagen und ihre Vergütung vom Gericht festzusetzen; eine Vereinbarung hierüber zwischen den Prüfern und den Gründern bzw. der Gesellschaft ist unzulässig40 (§§ 35 Abs. 3, 52 Abs. 4 Satz 2, 183 Abs. 3 Satz 2, 194 Abs. 4 Satz 2, 205 Abs. 3 Satz 2 AktG sowie §§ 293 Abs. 1 Satz 5 und 320 Abs. 3 Satz 3 AktG i. V. m. § 318 Abs. 5 HGB). Zu den Fürsorgeangelegenheiten des FGG gehören auch die Bestellung fehlender Mitglieder des Vorstands zur Sicherung der Vertretung der Gesellschaft und der Durchführung von Geschäftsführungsmaßnahmen (§ 85 Abs. 1 AktG), die Ergänzung des Aufsichtsrats zur Wiederherstellung seiner Beschlussfähigkeit (§ 104 Abs. 1 AktG) oder Vervollständigung auf die nach Gesetz oder Satzung vorgeschriebene Zahl seiner Mitglieder (§ 104 Abs. 2 AktG) sowie die Bestellung von Abwicklern auf Antrag des Aufsichtsrats oder einer Aktionärsminderheit beim Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 265 Abs. 3 AktG). Bei der Bestellung von Mitgliedern des Vorstands, des Aufsichtsrats und von Abwicklern hat das Amtsgericht die hierfür geeigneten Personen auszuwählen, wird hierbei aber grundsätzlich Anregungen und Vorschläge der Antragsteller berücksichtigen; bei der Bestellung von Auf-

__________ 39 Vgl. v. Falkenhausen, AG 1967, 309 mit dem Zitat aus Unger, Die Rechtsmittel der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Reichsrecht, ZZP 34, 233 (276). 40 Röhricht in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2004, § 35 Rz. 21 m. w. N.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

sichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer soll es solchen Vorschlägen sogar in der Regel entsprechen (§ 104 Abs. 4 AktG)41. Zur Rechtsfürsorge gehört ferner die Festsetzung der den vom Gericht bestellten Mitgliedern des Vorstands, des Aufsichtsrats oder Abwicklern zustehenden Vergütung, wenn bei Mitgliedern des Vorstands oder Abwicklern eine Vereinbarung zwischen ihnen und der Gesellschaft nicht zustande kommt oder die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern sich nicht aus der Satzung ergibt (§§ 85 Abs. 3, 104 Abs. 6, 265 Abs. 4 AktG). Rechtsfürsorgend sind auch die Kontrolle der Geschäftsführung bei der Genehmigung der Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft (§ 73 Abs. 1 AktG), die Befreiung von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer nach Beginn der Abwicklung (§ 270 Abs. 3 AktG), sowie die Bestimmung des Aufbewahrungsortes für die Bücher und Schriften der Gesellschaft nach Schluss der Abwicklung (§ 273 Abs. 2 AktG). 2. Streitverfahren Nicht alle aktienrechtlichen Angelegenheiten, die in einem Streitverfahren zwischen mehreren Verfahrensbeteiligten mit gegensätzlichen Interessen ausgetragen werden, sind auch echte Streitsachen im Sinne des FGG. In einigen dieser Streitverfahren hat das Gericht nicht oder nicht nur über subjektive Rechte, sondern auch über Rechtsverhältnisse zu entscheiden, auf die Grundsätze des öffentlichen Rechts Anwendung finden, und die daher nicht zur Disposition der Streitparteien stehen. Und auch in vermeintlich privatrechtlichen Streitigkeiten muss das Gericht berücksichtigen, ob die Parteien über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können oder ob eine Entscheidung hierüber nur bei einem staatlichen Gericht liegen kann. Ein Streitverfahren, nicht jedoch eine echte Streitsache, ist das Statusverfahren nach §§ 98, 99 AktG. Ist der Vorstand der Ansicht, dass der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist, so hat er dies gemäß § 97 Abs. 1 AktG bekanntzumachen. Wird daraufhin von den in § 98 Abs. 2 AktG bezeichneten Antragsberechtigten ein Antrag auf gerichtliche Feststellung der richtigen Zusammensetzung des Aufsichtsrats gestellt und ist streitig oder ungewiss, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so entscheidet hierüber das Landgericht im FG-Verfahren (§§ 98 Abs. 1, 99 Abs. 1 AktG). Kommt das Gericht zu der Ansicht, dass der amtierende Aufsichtsrat richtig zusammengesetzt ist, so weist es den Antrag ab.

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41 Vgl. zu § 104 AktG BayObLG, NJW-RR 1998, 330 f. und Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2006, § 104 Rz. 83–87; zu § 85 AktG Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 85 Rz. 12; Vetter, Abberufung eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds ohne wichtigen Grund?, DB 2005, 875 f.

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Anderenfalls hat es in seiner Entscheidung anzugeben, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zu bilden ist (§ 98 Abs. 4 Satz 1 AktG)42. Die Entscheidung des Gerichts betrifft nicht nur gesellschaftsrechtliche Bestimmungen über Wahl und Zusammensetzung des Aufsichtsrats, sondern auch über die Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte der Arbeitnehmer, also über sozialordnungsrechtliche Verhältnisse, die in den Mitbestimmungsgesetzen geregelt sind43. Nach überwiegender Rechtsansicht kann wegen des zwingenden Rechtscharakters des § 96 AktG und der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) ein Mitbestimmungsmodell nicht durch eine einvernehmliche Regelung geändert werden44. Als zulässig werden nur in eingeschränktem Umfang Vereinbarungen zur Lösung oder Klärung zweifelhafter Rechts- und Sachfragen, also zur Streitbereinigung gehalten, soweit dadurch das jeweils anzuwendende Mitbestimmungsmodell nicht verändert wird45; in diesem Rahmen können hierüber auch Vergleiche i. S. v. § 279 BGB in einem Verfahren nach §§ 98, 99 AktG geschlossen werden46. Die Verfahrensbeteiligten sind auch nur in beschränktem Umfange berechtigt, den Gang des Verfahrens zu bestimmen. Eine Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags ist zwar zulässig, bedarf jedoch nach streitiger Einlassung der Gesellschaft grundsätzlich deren Zustimmung, es sei denn, die Rücknahme erfolgt auf der Grundlage eines feststehenden Sachverhalts und einer sich hieraus ergebenden Rechtslage47. Wird durch eine Antragsrücknahme zwar der Streit, aber nicht die Ungewissheit über die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats befriedigend geklärt, so hat die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse daran, das Verfahren zur Durchführung zu bringen und eine gerichtliche Entscheidung über die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats

__________ 42 Hopt/Roth/Peddinghaus in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 98 Rz. 48 f.; Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 98 Rz. 58 f. 43 Vgl. BVerfG, BVerfGE 25, 371 (404), BVerfGE 50, 290 (339 ff., 342). 44 Vgl. zu statusändernden Mitbestimmungsvereinbarungen: Hoffmann-Becking in MünchHdb.AktG, 2. Aufl. 1999, § 28 Rz. 40 f.; Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 96 Rz. 22 ff.; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 96 Rz. 3; Mertens in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1996, §§ 97–99 Rz. 14; Oetker in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1999, Mitbestimmung Vorbem. Rz. 101; Raiser, MitbestG, 4. Aufl. 2002, § 1 Rz. 49; Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 96 Rz. 50 ff.; Ulmer in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, Einl. Rz. 38; jew. mit Nachweis der vertretenen Gegenansichten; hierzu die Meinungsübersicht bei Hanau, Sicherung unternehmerischer Mitbestimmung insbesondere durch Vereinbarung, ZGR 2001, 75 ff. 45 Hoffmann-Becking in MünchHdb.AktG (Fn. 44), § 28 Rz. 48; Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 96 Rz. 45 ff.; Hüffer (Fn. 44), § 96 AktG Rz. 3; Oetker in Großkomm.AktG (Fn. 44), Mitbestimmung Vorbem. Rz. 107; Raiser (Fn. 44), § 1 MitbestG Rz. 49; Ulmer (Fn. 44), Einl. Rz. 47 f. 46 Hoffmann-Becking (Fn. 44), § 28 Rz. 46; Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 96 Rz. 55; Ulmer (Fn. 44), Einl. Rz. 47. 47 Zustimmend Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 99 Rz. 21 f.; a. A. Hopt/ Roth/Peddinghaus in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 99 Rz. 12; Hüffer (Fn. 44), § 99 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 44), §§ 97–99 Rz. 42.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

herbeizuführen. Wegen der umfassenden rechtlichen Bedeutung seiner Entscheidung kann das Gericht im Verfahren auch nicht davon ausgehen, dass jeder Beteiligte für ihn vorteilhafte Umstände vorbringt, weshalb die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nicht beschränkt ist48. Die gleichen Verfahrensgrundsätze gelten für entsprechende Statusverfahren, die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 AktG bei der Bestellung des ersten Aufsichtsrats bei Sachgründungen, gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 AktG bei der Bestellung eines zweiten Aufsichtsrats oder bei Umwandlungen durchzuführen sind, auf die § 31 Abs. 3 AktG entsprechende Anwendung findet. Dagegen sind folgende aktienrechtliche Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit echte Streitsachen: die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 103 Abs. 3 AktG49 und von Liquidatoren gemäß § 265 Abs. 3 AktG, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, Verfahren über ein Einberufungsverlangen nach § 122 AktG50 sowie über einen Auskunftsanspruch gemäß § 132 AktG51. In allen diesen Angelegenheiten stehen sich die Parteien mit widerstreitenden Interessen bei der Geltendmachung subjektiver Rechte wie in einem Zivilprozess gegenüber, und sie können vor allem auch über den streitigen Verfahrensgegenstand verfügen. Nicht ganz echte Streitsachen sind die Verfahren zur Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung gemäß § 142 Abs. 2 und 4 AktG sowie zur Bestellung anderer als der von der Hauptversammlung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 Abs. 1 AktG bestellten Vertreter (§ 147 Abs. 2 Satz 2 AktG)52 und zur Bestellung von Sonderprüfern für eine konzernrechtliche Sonderprüfung nach § 315 AktG53. In allen diesen Verfahren besteht zwar ein eingeschränkter Amtsermittlungsgrundsatz, weil das Gericht darauf vertrauen kann, dass die Parteien den ihnen günstigen Sachverhalt von sich aus vortragen werden. Die Verfahrensbeteiligten können aber über den Gegenstand des Verfahrens nicht verfügen und deshalb weder eine Schiedsgerichtsvereinbarung noch einen Prozessvergleich abschließen. Die Entscheidung, welche Sonderprüfer nach § 142 und § 315 AktG oder welcher besondere Vertreter anstelle des

__________ 48 Begr. RegE bei Kropff, AktG 1965, S. 133. 49 BayObLG, BayObLGZ 2003, 89 (92). 50 Hierzu KG, NZG 2003, 441 (444 f.), das die für den Umfang der Amtsermittlung des Gerichts in echten Streitsachen geltenden Grundsätze anführt. 51 BayObLG, NZG 2001, 608 (609); Decher in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2001, § 132 Rz. 30, 33 f.; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 132 Rz. 29–31; Werner, Fehlentwicklungen in aktienrechtlichen Auskunftsstreitigkeiten, in FS Heinsius, 1991, S. 911 (921, 923 f.); zum eingeschränkten Amtsermittlungsgrundsatz im Auskunftserzwingungsverfahren KG, AG 1996, 131 (134), sowie Semler in MünchHdb. AktG (Fn. 44), § 37 Rz. 54. 52 Vgl. G. Bezzenberger in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1999, § 142 Rz. 64 und § 147 Rz. 47. 53 Zur Rechtsposition eines Aktionärs im Antragsverfahren nach § 315 AktG vgl. BGH, BGHZ 135, 107 (109).

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von der Hauptversammlung ausgewählten Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Gesellschaft bestellt werden sollen, liegt ausschließlich bei dem Gericht, das unabhängig von dem Vorbringen der Parteien ermitteln muss, wer als Prüfer oder Vertreter hierfür geeignet ist54. Nur das Gericht kann den Sonderprüfern die ihnen zustehenden Befugnisse (§ 145 Abs. 1–3 AktG) oder die dem besonderen Vertreter bei seiner Bestellung eingeräumte gesetzliche Vertretungsmacht55 gewähren. Demgegenüber ist das Verfahren nach § 145 Abs. 4 AktG, in dem das Gericht auf Antrag des Vorstands zu gestatten hat, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Prüfungsbericht der Sonderprüfer aufgenommen werden, wenn überwiegende Belange der Gesellschaft dies gebieten und diese Tatsachen zur Darlegung des Ergebnisses der Sonderprüfung nicht unerlässlich sind, eine echte Streitsache. Hierdurch soll vermieden werden, dass Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft in einem dem Handelsregister einzureichenden Prüfungsbericht (§§ 145 Abs. 6 Satz 3, 259 Abs. 1 Satz 3 AktG) dargelegt und von jedermann eingesehen werden können (§ 9 Abs. 1 HGB)56. Da die Einsichts- und Prüfungsrechte der Sonderprüfer (§ 145 Abs. 1) und ihre Aufklärungs- und Nachweisrechte (§ 145 Abs. 2)57 durch § 145 Abs. 4 nicht eingeschränkt werden58, müssten Sonderprüfer die ihnen mitzuteilenden Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft in ihrem Prüfungsbericht darlegen, wenn dies zur Berichterstattung erforderlich ist59. Weist der Vorstand bei der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen die Sonderprüfer auf eine Geheimhaltungspflicht und auf seine Absicht hin, hierüber gegebenenfalls eine Entscheidung des Gerichts nach § 145 Abs. 4 herbeizuführen, so sind die Sonderprüfer verpflichtet, dem Vorstand vor Veröffentlichung des Prüfungsberichts mitzuteilen, welche Geschäftsgeheimnisse hierin enthalten sein sollen, um ihm Gelegenheit zu geben, nunmehr die Entscheidung des Gerichts zu beantragen60. Antragsgegner des Verfahrens sind die Sonderprüfer; materiell Beteiligte sind die Aktionäre, die durch ihren Antrag die Sonderprüfung veranlasst haben und in deren Rechte eine Entscheidung des Gerichts ein-

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54 Hüffer (Fn. 44), § 142 AktG Rz. 32 und § 147 AktG Rz. 8. 55 Vgl. G. Bezzenberger in Großkomm.AktG (Fn. 52), § 147 Rz. 52; Schroer in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 147 Rz. 43. 56 Zu den Einsichtsrechten vgl. Bokelmann, Der Einblick in das Handelsregister, DStR 1991, 945 (946) und Melchior/Schulte, HandelsregisterVO, 2003, § 8 Rz. 3 und 4; hierzu auch G. Bezzenberger in Großkomm.AktG (Fn. 52), § 145 Rz. 41. 57 Vgl. zu diesen Rechten G. Bezzenberger in Großkomm.AktG (Fn. 52), § 145 Rz. 11–25; Hüffer (Fn. 44), § 145 AktG Rz. 2–5; Schroer in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 145 Rz. 6–21. 58 RegE UMAG v. 14.3.2005, BT-Drucks. 15/5092, Besonderer Teil zu Nr. 12, S. 19. 59 Vgl. G. Bezzenberger in Großkomm.AktG (Fn. 52), § 145 Rz. 33. 60 Zur Zulässigkeit einer solchen eingeschränkten und begründeten Vorweginformation vgl. Schroer in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 145 Rz. 33; einschränkend hierzu vor der Neuregelung in § 145 Abs. 4 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1996, §§ 142–146 AktG Rz. 39 und G. Bezzenberger in Großkomm.AktG (Fn. 52), § 145 Rz. 35.

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Verfahrensgrundsätze aktienrechtlicher FG-Angelegenheiten

greifen kann. Ähnlich wie im Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG hat das Gericht zu entscheiden, ob bestimmte Tatsachen der Geheimhaltungspflicht unterliegen (§ 131 Abs. 3 Satz 1 AktG). Der Vorstand braucht in dem Verfahren nach § 145 Abs. 5 nicht die geheimzuhaltenden Tatsachen zu offenbaren, muss aber plausibel darlegen, welche überwiegenden Belange der Gesellschaft es rechtfertigen, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Prüfungsbericht aufzunehmen sind61. Es wird dann den Sonderprüfern obliegen, plausibel darzulegen, warum eine Aufnahme der bestimmten Tatsachen in den Bericht zur Darlegung des Prüfungsergebnisses unerlässlich ist. Von typischen echten Streitsachen sind die gerichtlichen Verfahren zur Bestellung von Sonderprüfern für eine bilanzrechtliche Sonderprüfung nach § 258 AktG sowie über die Richtigkeit der abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer zu einer Unterbewertung nach § 260 Abs. 1 AktG abzugrenzen. Im Verfahren über die Bestellung bilanzrechtlicher Sonderprüfer nach § 258 AktG stehen sich Aktionäre und die Gesellschaft als Verfahrensbeteiligte zwar bei der Geltendmachung subjektiver Rechte wie die Parteien eines Zivilprozesses mit widerstreitenden Interessen gegenüber. Eine Prüfung nach § 258 Abs. 1 AktG soll aber nicht nur feststellen, ob in einem Jahresabschluss bestimmte Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind (§ 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG) oder ob der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthält (§ 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG), sondern der Sonderprüfer soll mit seinen nach § 259 Abs. 2 und 4 AktG zu erklärenden abschließenden Feststellungen eine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses veranlassen bzw. einen unzulänglichen Anhang unmittelbar ergänzen. Bleibt die abschließende Feststellung zur Unterbewertung bestehen, so sind die beanstandeten Posten im nächsten Jahresabschluss mit diesen Werten anzusetzen (§ 261 Abs. 1 und 2 AktG). Hat der Sonderprüfer eine unvollständige oder falsche Berichterstattung im Anhang ermittelt, so ersetzt seine abschließende Feststellung diese Unrichtigkeit (§ 259 Abs. 4 Satz 1 AktG). Bei der Bestellung bilanzrechtlicher Sonderprüfer nach § 258 AktG hat das Gericht also die Bedeutung und die Auswirkungen einer solchen Bestellung zu berücksichtigen, die sich nicht nur auf das Rechtsverhältnis der antragstellenden Aktionäre zur Aktiengesellschaft erstreckt, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung dient. Da die Sonderprüfer anstelle der hierzu berufenen Organe notwendige Berichtigungen des Jahresabschlusses veranlassen oder selbst vornehmen müssen, werden sie auch im öffentlichen Interesse eingesetzt. Für das Verfahren gilt zwar weitgehend der eingeschränkte Amtsermittlungsgrundsatz62, jedoch muss das Gericht berücksichtigen, dass die antragstel-

__________ 61 Vgl. KG, AG 1996, 131 (134); LG München, AG 1987, 185 (187); Decher in Großkomm.AktG (Fn. 51), § 131 Rz. 301; Hüffer (Fn. 44), § 131 AktG Rz. 24 ff.; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 131 Rz. 99 f. 62 Vgl. auch Hüffer in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2003, § 258 Rz. 19.

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lenden Aktionäre über Einzelheiten des Jahresabschlusses der Gesellschaft nicht informiert sein können, so dass das Gericht verpflichtet ist, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen63. Die gleichen Erwägungen gelten für die gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach § 260 Abs. 1 AktG64.

VI. Ausblick Der Gesetzgeber hat die hier erörterten aktienrechtlichen Angelegenheiten den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen, um ihre Entscheidung in einem Verfahren herbeizuführen, das nicht auf bestimmte Verfahrensgrundsätze festgelegt ist, sondern den Besonderheiten der jeweiligen Angelegenheiten angepasst werden kann. Man kann die verschiedenen aktienrechtlichen Verfahren zwar nach bestimmten Merkmalen unterscheiden. Aber eine starre, wechselseitig abschließende Einteilung ist nicht möglich. Eine rechtsfürsorgende richterliche Entscheidung ist auch in echten Streitverfahren erforderlich, so wie auch in Rechtsfürsorgeverfahren streitige Auseinandersetzungen zu berücksichtigen sind.

__________ 63 Ausschussbericht zum RegE bei Kropff, AktG 1965, S. 349. 64 Hüffer (Fn. 44), § 260 AktG Rz. 1; ders. in MünchKomm.AktG (Fn. 62), § 260 Rz. 16.

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Corporate Governance – eine Standortbeschreibung Inhaltsübersicht I. Einstimmung II. Was ist der Grund für die weltweite Corporate Governance-Debatte III. Schwerpunkte des Deutschen Corporate Governance Kodex 1. Zur rechtlichen Einordnung

2. Die Hauptversammlung 3. Der Aufsichtsrat im Fokus des Deutschen Corporate Governance Kodex IV. Schlusssatz

I. Einstimmung Wer bei Hans-Joachim Priester Interesse wecken, ihm sogar eine Freude machen will, muss eine Hamburgensie zu Papier bringen. Die „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V.“ ist eine solche Hamburgensie, die im frühen 16. Jahrhundert in Hamburg gegründet wurde, und zwar in geistiger Nähe zur Börse, die 1558 gegründet wurde. Die Bezeichnung lässt Rückschlüsse auf das Selbstbewusstsein zu, das die Hamburger Kaufmannschaft schon damals und über alle Zeiten hinweg auszeichnete: Der „Ehrbare Kaufmann“, wie sich der Verein nannte, wurde dem „Ehrbaren Rat“ der Stadt, wie sich die Regierung der Freie Stadt nannte, gegenübergestellt. Zielsetzung dieses Vereins war es, „den freien Handel zu verteidigen“, für die „Ordnung in den eigenen Reihen zu sorgen“, Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten in der Kaufmannschaft zu regeln und möglichst zu schlichten. 1665 wurde aus der „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns“ die Commerz-Deputation, die Vorläuferin der heutigen Handelskammer, aber der Verein „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V.“ bestand weiter1. Zweck dieses Vereins nach fort geltender Satzung ist die Verpflichtung zu geschäftlich einwandfreiem Verhalten, mit den Worten der Satzung „im Geschäftsverkehr Treu und Glauben zu beachten und Handlungen zu unterlassen, die mit der Ehre und dem Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen nicht zu vereinbaren sind“2. Die Mitgliedschaft erlischt bei Zahlungsunfähigkeit. Hierüber entscheidet der Vorstand durch einstimmigen Beschluss, im Fall des Widerspruchs eines Vorstandsmitglieds das Präsidium des Vereins, es gibt also ein geordnetes Verfahren.

__________ 1 Zum Ganzen Ernst Baasch, Die Handelskammer, 2 Bände, bis 1915, Hamburg. 2 Satzung der „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V.“ v. 16. Februar 2004.

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Zielsetzung dieses Vereins ist es, das zu ahnden oder noch besser zu verhindern, „was man als ein ehrbarer Kaufmann nicht tut“. Genau dies sind die Gebote, die von dem Deutschen Corporate Governance Kodex ausgesandt werden. Warum also diese Wiederholung einer seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Botschaft? Dies mag sich mancher Zeitgenosse fragen, ob er nun den Abbau der Bürokratisierung auf seine Fahnen geschrieben hat oder nicht. Ein ähnliches geschäftsethisches Grundverständnis ist den älteren Wirtschaftsbürgern in der Erinnerung. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik gab es auch außerhalb von Hamburg ein klares Bewusstsein über das, was man in verantwortlicher Stellung in der Wirtschaft tut und was man nicht tut. Semler3 hat dies an damals in der Wirtschaft und im Staat Verantwortung tragenden Persönlichkeiten festgemacht, an Hermann Josef Abs, Carl Wurster, Karl Blessing, seine Liste wäre zu ergänzen etwa um Nordhof, grenzüberschreitend um die Brüder Jakob und Marcus Wallenberg. Diese und viele andere unvergessene Persönlichkeiten repräsentierten ein klares Bewusstsein über das „what to do“ und das „what should not be done in this circles“. Damals herrschte eine weit verbreitete Kenntnis in Wirtschaftskreisen über die ungeschriebenen und nicht formulierbaren Grundgebote soliden und ehrbaren Kaufmannsverhaltens, ebenso wie ein deutliches Bedürfnis, dieses Wissen in die nächste Generation weiter zu tragen. Was will ein Kodex diesen Herren und ihren Nachfolgern lehren: Wie man ein Unternehmen in gehöriger Form führt? Diese Frage stellt sich jedem, auch dem, der mit gehöriger Reserve vor jeder Form von Vergangenheitsverklärung zurückweicht. Auch hier stellt sich wie bei dem ehrbaren Kaufmann die Frage, warum man diese stets wechselnden Gebote ehrbarer Unternehmensführung aufschreibt und mit erheblichem administrativen Aufwand à jour hält in einer Zeit, die unter Überregulierung der Wirtschaft leidet. Die Frage steht also im Raum nach dem Ursprung und dem Sinn der Corporate Governance-Bewegung. Die Frage lautet: Cui-bono Corporate Governance? Eine Antwort auf diese Frage lautet, dass die hier gelieferten Beispiele für die Unnötigkeit des Deutschen Corporate Governance Kodexes aus Perioden stammen, in denen ein gleichförmiges Sozialbewusstsein, ein einheitliches Erziehungs- und Bildungswesen für spätere Vorstandstätigkeiten qualifizierte, das ein ähnliches Verständnis der Behandlung von allen kaufmännischen Grundfragen erzeugte. Dieses gleichmäßige Sozialverhalten sei heute nicht mehr anzutreffen, deshalb sei ein Kodex unerlässlich. Diese Behauptung ist nicht beweisbar. Vielmehr galt auch in früheren Zeiten für eine Vorstandstätigkeit der Leistungs- und der Erfolgsgedanke. Denn von dem Wirken des Vorstandes hängt der Erfolg der Aktiengesellschaft ab, was damals wie heute gilt. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG – der dies regelt – gilt seit langem bis

__________ 3 Semler, „Adresse“ zum 80. Geburtstag von Kropff, 2005, als Manuskript vorliegend.

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1937 als § 241 Abs. 1 HGB. Hinzu kommt, dass man Vorstand oder Aufsichtsrat nicht nach dem Abschluss einer Schulbildung oder einer Kaufmannslehre wird. Vorstand wird man vielmehr erst, nach dem man eine die Persönlichkeit formende, die Charakter- und Herzensbildung prägende Lehrund Wanderzeit durchschritten hat, die die familiären Herkommens- und Bildungsunterschiede nivelliert, wie in sonst keinem beruflichen Milieu. Diese Begründung des Deutschen Corporate Governance Kodex mit den unterschiedlichen Sozialmilieus, aus dem die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder herstammen, ist letztlich nicht überzeugend.

II. Was ist der Grund für die weltweite Corporate GovernanceDebatte Was also ist der Grund für die weltweite Corporate Governance-Bewegung? Die Antwort von Hopt4 lautet, die Corporate Governance-Grundsätze wären landauf landab „der letzte Schrei der internationalen juristischen Mode“. Moden sind nicht rational erklärbar, sie kommen und gehen und haben ihr Vorbild eher im stets wechselnden Wetter. Aber Hopt spricht zugleich den wichtigsten Entstehungsgrund an: Die Corporate Governance-Bewegung wurde zu einem internationalen, alle wirtschaftsnahen Institutionen erfassenden Trend5. Dieser Trend war diesseits und jenseits des Ozeans anzutreffen, in der gewerblichen Wirtschaft und deren Organisationen, aber auch bei souveränen Staaten6. So bleibt als reale Quelle für das Entstehen der Corporate Governance-Bewegung die internationale Ausrichtung, vor allem auf die USA. Die Corporate Governance-Entwicklung begann in den USA und ist in den USA am weitesten fortgeschritten. So verpflichtet die New Yorker Börse seit 2003 alle die ihrer Legislatur unterfallenden Unternehmen zur Einführung und Veröffentlichung eines „Code of Business Conduct and Ethics“. Daneben gibt es bei jeder einzelnen Gesellschaft einen aufzustellenden Code, der sich nicht nur wie in Deutschland an Führungskräfte – Vorstand und Aufsichtsrat – richtet, sondern auch alle sonstigen Mitarbeiter erfasst. Alle diese Kodizes müssen Regeln über die Verhinderung von Interessenkonflikten, zu lauterem Geschäftsgebaren, zum Schutz von Unternehmenseigentum und vieles mehr enthalten. Bei Hewlett-Packard umfassen diese Grundsätze, die neben den „Codes of Good Governance“ der Organisation erlassen werden, alleine 37 Seiten.

__________ 4 Hopt, Dritte Hachenburg-Gedächtnisvorlesung 1998, 2000, S. 10; ebenfalls kritisch Hüffer, 7. Aufl. 2006, § 76 AktG Rz. 15a ff. 5 Claussen/Bröcker, AG 2000, 481, 485. 6 Zusammenstellungen der vielfältigen Aktivitäten in „Bericht der Beratergruppe an die OECD vom April 1998“; Weltbank, International Corporate Governance-Care Principles and best practice, Pirate Lester 1999.

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Die großen Investment- und Pensionsgesellschaften wie Fidelty oder Calpers haben eigene Corporate Governance-Grundsätze, die auch für ihre Investitionsobjekte gelten. Bei Nichteinhaltung der Grundsätze erfolgt die „Bestrafung“ durch einen Investitionsstopp. Vor dieser rechtsgestaltenden Kraft gab und gibt es in Deutschland keinen Widerstand7, sondern es galt die Anpassung an angelsächsische Grundsätze und Rechtsmethoden als erste Bürgerpflicht zu begreifen. Unterschiedliche Rechts- und Wirtschaftssysteme und Traditionen diesseits und jenseits des Ozeans konnten diese Entwicklung nicht stoppen, nicht mal verlangsamen. Auf dieser Basis entstand der Deutsche Corporate Governance Kodex, der 2005 fortgeschrieben wurde. Seit Mai 2003 gibt es den Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts8. In diesem Aktionsplan ist Corporate Governance einer der Schwerpunkte der gesellschaftsrechtlichen Bemühungen der EU-Kommission, der seine Schatten voraus wirft. Da konnte die deutsche Wirtschaft nicht abseits stehen, sondern musste sich diesem Trend anpassen. Dies war auch wohlgetan, denn der Trend – die Mode – zur Kodices ist ungebrochen. Dieser internationale Trend wurde nicht zuletzt bei Persönlichkeiten, die in kaufmännischen Fragen stets nach dem „cui bono“ fragen, durchgesetzt mit dem Argument, dass sich die Unterstellung unter dieses Regelwerk für die einzelnen Aktiengesellschaften in höheren Kursen auszahle, mindestens in einem Minus für den Kurs für diejenigen Gesellschaften, die sich der internationalen Corporate Governance nicht anschließen. Ein Beweis für diese Begründung blieb indessen aus.

III. Schwerpunkte des Deutschen Corporate Governance Kodex Diese Einstimmung war notwendig, um zu überzeugenden Ergebnissen in einigen Einzelfragen zu kommen, die der Kodex aufwirft, und die hier im folgenden behandelt werden. Diese Einstimmung ist auch dann erforderlich, wenn man auf weitere Regelungsgegenstände, deren Behandlung durch den Kodex erwünscht wäre, aufmerksam machen will. Denn ohne eine Grundposition sind Einzelfragen nicht zu beantworten. Nach dieser Einstimmung also wenden wir uns nun dem deutschen Kodex zu und fragen uns, welche Einzelpositionen dort vertreten werden, welche Problembereiche ausgespart werden, obgleich sie der ordnenden Hand bedürfen. Zum Aufbau des Kodex: Zunächst wiederholt der Kodex deutsche Rechtsgrundsätze des Aktiengesetzes mit anderen Worten, ohne die rechtliche Wir-

__________

7 Die gleiche Entwicklung der vorwärts drängenden angelsächsischen Ausrichtung treffen wir auch im deutschen Rechnungslegungsrecht, im Kapitalmarktrecht, teilweise auch im konventionellen Bankrecht an. 8 Vgl. Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament KOM(2003) 284; auch NZG 2003, Beil. Heft 13; Hopt in FS Röhricht, 2005, S. 235.

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kung dieser gesetzlichen Vorschriften herabzumindern oder überhöhen zu wollen. Dann gibt es im Kodex Kann-Vorschriften. Dies sind Anregungen, von deren Einhaltung die Verfasser des Kodex sich positive gesamtwirtschaftliche Wirkungen insbesondere im Ausland – und dort speziell bei ausländischen Kapitalanlagegesellschaften – versprechen. Aber die Gesellschaften sind nicht verpflichtet, diese Anregungen einzuhalten. Wenn sie von diesen Anregungen abweichen wollen, brauchen sie dies nicht zu publizieren9. Beispiel: Nach Art. 2.3.4. des Kodex ist es erwünscht, den Aktionären die Verfolgung der Hauptversammlung über moderne Kommunikationsmedien zu ermöglichen. Wenn der Vorstand dies nicht tut, bleiben die Rechtsfolgen des § 161 AktG aus. Es handelt sich also um Grundsätze, die in der Tendenz bekannte oder neue Anstöße bieten, aber in der Rechtsfolge keine Kraft der Durchsetzung entfalten. Nur soweit der Kodex Empfehlungen bringt, betritt er Neuland. Der Kodex verwendet dafür den Ausdruck „Sollvorschriften“ oder „Empfehlungen“. Beispiel: Nach Art. 3.4. Abs. 3 Satz 1 soll der Aufsichtsrat die Informationsund Berichtspflichten des Vorstands näher festlegen. Wenn eine Gesellschaft von dieser Sollvorschrift abweicht, muss sie dies in der Erklärung nach § 161 AktG, der sog. „Comply or Explain“-Klausel offen legen, aber nach Ziff. 3.10 des Kodex muss die Abweichung erläutert werden. Die meisten Kodex-Regeln sind solche mit Empfehlungscharakter. Bekanntes abweichendes Beispiel: Quartalszahlen zu liefern ist nicht vorgeschrieben. Porsche will das nicht, sondern hält Quartalszahlen für fehlleitend – also gibt es von Porsche keine Quartalszahlen. Kodexkonsequenzen hat dies nicht, aber börsenrechtlich sind die Konsequenzen bemerkenswert, aber hier nicht zu diskutieren. 1. Zur rechtlichen Einordnung Der Kodex ist weder Gesetz noch RechtsVO noch sonst eine verfassungsrechtlich vorgegebene Form der Rechtsgestaltung. Das ist unstrittig10. Um dem Kodex dennoch Durchschlagskraft zu verleihen, wurde mit Ziff. 3.10 das Comply or Explain-System vom Kodex vorgegeben, der auf § 161 AktG basiert. Hierbei handelt es sich um eine komplexe Regelung wie folgt: Mit Gesetzeskraft schreibt § 161 AktG vor, dass einmal jährlich von Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten AG erklärt werden muss, dass den Empfehlungen des Corporate Governance Kodex entsprochen wurde oder wenn nicht, in welchen Passagen vom Kodex abgewichen wurde oder ob der Kodex überhaupt nicht angewandt wurde. Diese Erklärung ist auf der Website zu publizieren und über das ganze Jahr den Aktionären zugänglich

__________ 9 Hüffer, 7. Aufl. 2006, § 161 AktG Rz. 8. 10 Ulmer, ZHR 166 (2002), 158 ff.; Seibert, ZIP 2001, 2192; Claussen/Bröcker, AG 2000, 483.

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zu machen. Frühere entsprechende Erklärungen sollen – auch wenn sie überholt sind – fünf Jahre den Aktionären zugänglich sein. Durch diese Erwähnung in § 161 AktG, also in einem geltenden Bundesgesetz, wird der Kodex insgesamt aufgewertet und aus dem Niveau einer privaten Veranstaltung herausgehoben. Dass dies verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft, weil es sich um Rechtsgestaltung ohne verfassungsrechtliche Grundlage handele, liegt auf der Hand, trifft aber den Kodex als solchen und nicht § 161 AktG, der im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen ist. Jedenfalls gab es in der Rechtsdurchsetzung keine gravierenden Probleme. § 161 AktG konnte seine Funktion, den Kodex durchzusetzen, erfüllen. § 161 AktG konnte auch über den Sachinhalt des Kodex Publizität herstellen. Auch die wissenschaftliche Behandlung der Vorschrift ist umfangreich11, ohne dass auf gravierende praktische Probleme in der Literatur hingewiesen wurde. So nimmt es nicht Wunder, dass die Verfasser und Mitwirkenden des Kodexes mit Zufriedenheit Jahr um Jahr über die steigende Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance-Kodex berichten können12. 2. Die Hauptversammlung Das nächste Thema sind die Organe der AG und ihre Gewichtung, die das deutsche Gesellschaftsrecht den verschiedenen Organen der Aktiengesellschaft zumisst. So beginnt der Kodex mit der Hauptversammlung und den dort versammelten Aktionären. Denn die HV ist „das oberste Organ der Aktiengesellschaft“, so jedenfalls lautet der Titel einer gesellschaftsrechtlichen Arbeit13. Die Vorschriften hierzu im Kodex sind kurz gefasst und werden in ihrer Intensität von den Vorschriften über den Vorstand und vor allen Dingen über den Aufsichtsrat überlagert. Diese Zurückhaltung in der Ausformulierung der Hauptversammlungsrechte ist verständlich, denn Aktionärsrechte kann der Deutsche Corporate Governance Kodex nicht verteilen, weil die Regierungskommission „DCGK“ kein Gesetzgeber, nicht Verordnungsgeber, nicht mal Handelsbrauchgestalter ist. Dies bedauern jene Gelehrten, die Mitglieder in der Kodex-Kommission sind und seit langem für eine Erweiterung der Befugnisse der Hauptversammlung sich engagiert haben14.

__________ 11 Hüffer (Fn. 9), § 161 AktG, bringt eine ganze Seite Literatur. 12 v. Werder/Talaulicar, DB 2006, 849. 13 v. Rechenberg, Die Hauptversammlung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft, 1986; ähnlich für „oberstes Willensorgan“ Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1973, § 119 AktG Rz. 2; a. A. Hüffer (Fn. 9), § 118 AktG Rz. 4. 14 Lutter, Die Rechte der Gesellschafter beim Abschluss fusionsähnlicher Unternehmensverbänden, 1974; ders. in FS Quack, Die entschlussschwache Hauptversammlung, 1991; vgl. auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, S. 218.

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Hinter dieser Zurückhaltung, hinter dieser Diskussion steckt vordergründig die These, dass sich Corporate Governance nur mit Führungsfragen in der AG befasst, wozu die Hauptversammlung nicht gehört15. Hierin steckt aber darüber hinausgehend die Jahrhundertfrage, ob die Aktionäre die Eigentümer der Aktiengesellschaft sind und wenn ja, wie weit ihre Rechte und ihre Kompetenz zur Ausübung der Eigentumsrechte reichen sollen oder ob die Aktionäre freiwillig – nämlich durch die Akzeptanz des Mediums der Aktie – auf wesentliche Eigentums- und daraus folgenden Mitwirkungsrechte zu Gunsten des Managements verzichtet haben, weil dies so in der „modern corporation“ systemimmanent angelegt sei16. Diese Debatte ist bald 100 Jahre alt, sie wurde de facto in den USA und vielleicht auch hier dahin entschieden, dass das moderne Management sich die Eigentumsrechte selbst zugeteilt hat, die Macht in der AG ausübt und die Aktionäre über die ihnen vom Gesetz und der Rechtsprechung17 zugeteilten Mitwirkungsrechte keine weiteren Eigentumsrechte innehaben. So spricht das BVerfG von einem „gesellschaftsrechtlich vermittelten Eigentum“, das „mitgliedschaftsrechtliche und vermögensrechtliche Elemente“ ausweist18. Zu derart zentralen Fragen kann ein deutscher, aber international ausgerichteter Kodex, der die Aufgabe hat, im Ausland Verständnis für das deutsche Aktienwesen zu fördern, vernünftigerweise keine neuen Anstöße bringen. Von kleinerer Münze, aber für die Praxis wichtig und mit erheblichem Bedarf für neue Anstöße, ist die durchschnittliche Präsenz in der deutschen Hauptversammlung. Diese Präsenz verbessert sich nicht, sondern verharrt auf niedrigem Niveau. In Deutschland üben inländische Aktionäre ihre Stimmrechte verhalten aus, obgleich sie dies könnten und das UMAG durch Verzicht auf Hinterlegung als Bedingung für die Ausübung der Stimmrechte dies erleichtert. Ausländische Aktionäre haben mangels Kenntnis von der HV oftmals keine Möglichkeit, ihr Stimmrecht wahrzunehmen. Jedenfalls liegt die Präsenz in den Hauptversammlungen im gewogenen Mittel nicht viel über 40 %, nämlich nach Handelsblatt bei 45,87 %19. Es sind kaum Anstöße oder Maßnahmen erkennbar oder gar in der Umsetzung, die nachhaltige Verbesserung versprechen. Deshalb ist diese Frage offen und mit Dringlichkeit zu lösen. Denn im Zeitalter, in dem M&A-Transaktionen und Privat-Equity-Beteiligungsgesellschaften beginnen das Kapitalmarktgeschehen zu dominieren, ist dieses Spiel mit dem Zufall einer HV-Majorität bedroh-

__________ 15 Hüffer (Fn. 9), § 161 AktG Rz. 2, sagt, der Kodex vermittelt insoweit „ein schiefes Bild“. 16 Dies ist die These von Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932. 17 Z. B. der „Holzmüllerfall“, BGHZ 83, 122; aber auch Hüffer in FS Ulmer, 2003, S. 286 f. 18 BVerfG v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 90 ff.; hierzu auch Zöllner, GesRZ 2005, 6 ff.; a. A. Mülbert, ZGR 1997, 129 f. 19 Benders/Drost, Handelsblatt v. 24. Februar 2006, S. 23.

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lich und müsste Aktienrechtler beunruhigen. Lösungsvorschläge gibt es zuhauf: Elektronische Stimmrechtsabgabe durch den einzelnen Aktionär über Internet, also von zu Hause aus; Briefstimmabgabe durch Bestellung eines Stimmrechtsvertreters; Dividendenbonus für HV-Teilnehmer; Stimmenabgabezwang vor allem für institutionelle Anleger mit nachfolgender Publizität, wie die Fondsgesellschaft oder Versicherung für ihre Aktieninhaber abgestimmt haben; Übergang zur virtuellen HV und/oder zum amerikanischen Proxysystem20. Weitergehende Ideen, nämlich zu Mindeststandards für die Organisation von Hauptversammlungen, kommen aus Brüssel, die noch der Ausformung bedürfen21. Hiermit beschäftigt sich auch ein Konsultationspapier der Europäischen Union Generaldirektion Binnenmarkt und bereitet bei Abfassung dieser Arbeit eine dies regelnde Richtlinie vor. Der Kodex gab auf diesem Feld der Rechte der Hauptversammlung an den Gesetzgeber Einfluss ab. Der Gesetzgeber hat nämlich in den Jahren 2004 und 2005 die Aktionärsrechte durch gesetzgeberische Aktivitäten reformiert, etwa durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)22. Dort werden durch Neufassung von § 122 Abs. 1 Satz 3 AktG die Anforderungen an die Besitzzeit der Aktien der Aktionäre verlängert. Auf diesem Wege wird die Befugnis der Hauptversammlung auf Anfechtung von HV-Beschlüssen wegen Informationsmängeln in der Neufassung von § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG erschwert, um nur ein Beispiel für die relevanten Rechtsänderungen zu den Hauptversammlungsrechten zu nennen. Das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz23 misst der Hauptversammlung zwar keinen neuen Stellenwert zu – die HV bleibt ohne Einfluss auf die Fixierung der Vorstandsgehälter, die Publizität der Gehälter geht direkt an die Aktionäre. Die HV kann aber beschließen, dass eine individualisierte Offenlegung der Vorstandsgehälter unterbleiben soll. Dann tritt Ziff. 4.2.4 des Kodex in Aktion, der die Individualisierung empfiehlt. Schließlich ist das Anlegerschutzverbesserungsgesetz24 zu erwähnen und die Mitte 2006 in den Kodex eingearbeitete Ziff. 2.2.4 Satz 2, wonach der HV-Leiter bei der Abwicklung der HV sich davon leiten lassen sollte, dass eine ordentliche HV spätestens nach 4–6 Stunden beendet ist. Dieser Hinweis befindet sich schon in der amtlichen Begründung zum UMAG. In allen Fällen hat der Gesetzgeber Vorarbeiten des Kodex aufgegriffen und auf seiner Ebene verarbeitet.

__________ 20 Zum Ganzen Noack: Online-Hauptversammlung, NZG 2001, 1057; ders., Neuerungen im Recht der Hauptversammlung, DB 2002, 620; Claussen, Hauptversammlung und Internet, AG 2001, 161. 21 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung des Stimmrechts durch Aktionäre von Gesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, KOM/2005/0685; hierzu Wand/Tillmann, AG 2006, 943 ff. 22 Gesetz v. 22.9.2005 (BGBl. I, S. 2802). 23 Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen v. 3.8.2005 (BGBl. I, S. 2267). 24 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes v. 28.10.2004 (BGBl. I, S. 2630).

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3. Der Aufsichtsrat im Fokus des Deutschen Corporate Governance Kodex Nach der Hauptversammlung behandelt der Kodex den Aufsichtsrat und den Vorstand und deren Verhältnis zueinander. Vorstand und Aufsichtsrat, so lautet der Text des deutschen Kodex, „arbeiten zum Wohl des Unternehmens eng zusammen“. Bedeutsam ist, dass das Hauptinteresse des deutschen Kodex sich an den Aufsichtsrat der AG richtet. Seine Aufgabe ist es, den Vorstand bei der Leitung des Unternehmens zu überwachen und zu beraten, sagt der Kodex. Da es die Aufgabe des Kodex ist, Grundsätze für die „Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften (Unternehmensführung)“ festzulegen, ist die Behandlung des Aufsichtsrats unter dem Rubrum „Unternehmensführung“ bemerkenswert, offenbar stellt der Kodex hiermit auf die wichtige Einzelaufgabe des Aufsichtsrats, nämlich daß er die Mitglieder des Vorstands bestellt und entlässt (Kodex 5.1.2), ab. Diese Personalkompetenz über den Vorstand kann man als bedeutsame Aufgabe der Unternehmensführung ansehen. Bei der Festlegung der Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratvorsitzenden wird deutlich, dass der Deutsche Corporate Governance-Kodex vom Bild der Aktiengesellschaft, wie es die DAX-30-Gesellschaften bieten, ausgeht und nicht von den 90 % der Aktiengesellschaften, die klein oder mittelgroß sind und im Freiverkehr, im geregelten Markt und auch im Tec-DAX, jedenfalls nicht im DAX30, gehandelt werden. Bei diesen Großunternehmen ist die Position des AR-Vorsitzenden dominierend, es gibt die Achse AR-Vorsitzender zu Vorstands-Vorsitzendem, die belastbar und vom Vertrauen getragen sein muss. Für ein gutes Zusammenwirken mit dem Vorstandsvorsitzenden gibt der Kodex deutliche Anregungen. Bei kleinen Gesellschaften gibt es keinen Vorsitzenden des Vorstandes, mitunter einen Sprecher. Es entscheidet das Kollegialorgan aller Vorstandsmitglieder, das aus 2 oder 3 Personen besteht, die Dominanz eines Vorstandsmitglieds ist weniger im Programm. Das gleiche gilt für den 3-er oder 6-er Aufsichtsrat, auch hier gibt es keine Zwangsläufigkeit zur Konzentration auf eine Leitfigur im Aufsichtsrat, wie dies in einem 20-er Aufsichtsrat unerlässlich ist. Deswegen ist das Kapitel 5.2 des Kodex, der sich mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates befasst, für kleine und mittlere AGen nicht bedeutsam. Aber es bleibt dabei, dass der Aufsichtsratvorsitzende den Aufsichtsrat nach außen vertritt, und zwar er alleine. Er leitet die Sitzung des AR, er soll auch dem Präsidialausschuss vorstehen und die Aufsichtsratsitzungen vorbereiten. Im Auditkommittee sollte er den Vorsitz nicht innehaben25. Ein Zauberwort für die richtige Auswahl von Aufsichtsratmitgliedern ist deren Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit wird in allen Industrieländern als Heilmittel für bessere Aufsichtsräte vorgeschlagen, so im Aktionsplan

__________ 25 Einzelheiten in § 100 AktG und Kodex Ziff. 5.4. und 5.5. Jüngste Zusammenschau der vom AR verlangten Qualitäten Hüffer, ZIP 2006, 638 ff.

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von 2003 zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der EU26. Auch im Kodex in der Fassung von 2005 fand die Unabhängigkeit ihren Niederschlag. Das Gesetz fordert zwar keine „Unabhängigkeit“ sondern andere, und zwar ausschließlich negative Qualitäten von Aufsichtsräten in §§ 100 und 105 AktG. Dort sind die vom Gesetz geforderten Negativqualitäten aufgelistet. „Mitglied im Aufsichtsrat kann nicht sein …“ sagt § 100 Abs. 2 AktG. „Unabhängigkeit“ wird vom Gesetz nicht expressis verbis verlangt. Eine gesetzliche Pflicht ist die Unabhängigkeit auch an anderen Stellen von Gesetzen nicht27, kann es auch nicht sein, weil der Gesetzgeber keine lex imperfecta erlässt. Aber ihrem inneren Gehalt nach lassen sich die Fülle der geforderten Negativqualitäten mit einigem guten Willen in die Positivqualität der Unabhängigkeit ausweiten28. Dies tut wohl auch der Kodex, der in den Kapiteln 5.4. und 5.5. das Wort „Unabhängigkeit“ als Substantiv nicht verwendet, allerdings als Adjektiv kommt „unabhängig“ in Ziff. 5.4.2 vor. Danach ist ein Aufsichtsrat als „unabhängig“ anzusehen, wenn er „in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründet“. Die in diesem Nachsatz gegebene Einschränkung – „die einen Interessenkonflikt begründen“29 – ist die eigentliche Sinngebung der Norm, weil es nur hierauf ankommt, nämlich Aufsichtsräte vor Interessenkonflikten zu bewahren, und wenn sie unerlässlich eintreten, deren Abarbeitung zum Wohl der Gesellschaft zu ermöglichen. Der Kodex trifft also eine weise Einschränkung, die vielleicht imstande ist, die Institution des AR zu retten. Diese Einschränkung ist aber in der öffentlichen Diskussion nicht gebührlich herausgestellt und in Brüssel nicht geläufig. In der Praxis ist in kaum einem Gespräch mit AR-Kandidaten diese Einschränkung auf zu gewärtigende Interessenkonflikte, die alleine und nur zur Inhabilität führen, bekannt. Diese Relativierung des Begriffs der Unabhängigkeit wird selten angeführt, vor allem wenn der AR-Kandidat von dritter Seite Rechtsrat erhält. Vielmehr ist vielfach von der „Unabhängigkeit“ als einer absoluten Qualität die Rede, was in der Praxis zur Folge hat, dass viele Berufsgruppen als Kandidaten für potentielle Aufsichtsratmitgliedschaften ausfallen: Rechtsanwälte30, Wirtschaftsprüfer, Banker, Unternehmensberater. Frühere Vorstände sind heutzutage schwer zu überreden, in einen Aufsichtsrat einer kleinen und mittleren AG einzutreten, weil die Fülle der vom Gesetz und

__________ 26 Abgedruckt in NZG 2003, Beil. zu Heft 13; vgl. auch Hopt, ZIP 2005, 461; vgl. auch High Level Group, ZIP 2003, 869; Druey in FS Doralt, 2004, S. 151; Roth/ Wörle, ZGR 2004, 565. 27 Hüffer, ZIP 2006, 638 m. w. N. 28 Was Lutter in Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrat, 4. Aufl. 2002, § 1 Rz. 20 f. veranlasst, die Unabhängigkeit zur normativen Pflicht zu erheben. 29 So schon Empfehlung der Europäischen Kommission, ABl.EG L 52 v. 25.2.2005; siehe hierzu Spindler, ZIP 2005, 2033. 30 Empfehlung der Europäischen Kommission, oben Fn. 29, Katalog-Buchstabe e; hierzu Hüffer, ZIP 2006, 643.

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dem Kodex geforderten Negativqualitäten um die unpräzise Anforderung nach „Unabhängigkeit“ erweitert ist. Das hat negative Folgen. Zunächst wirft es ein Mengenproblem auf, weil der Bedarf an Aufsichtsräten oder Beiräten wächst31, aber das Interesse an solchen Positionen abnimmt. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber und der Kodexgeber gemeinsam ein negatives Aufsichtsrat-Marketing betreiben, das diesen Trend fördert. Der Kodex sieht dies Problem deshalb nicht, weil er die 30 DAX-Gesellschaften im Blick hat und dort nach wie vor ein erhebliches Interesse an diesen wohldotierten und haftungssicheren Positionen besteht. Hier ist jedoch nicht von den 30 DAX-Gesellschaften die Rede, sondern von den 17 000 Aktiengesellschaften, die kleiner sind als die DAX-Gesellschaften, von den mehr als 900 000 GmbHs, von den etwa 500 Sparkassen und den 1400 Volks- und Raiffeisenbanken, die einen Aufsichtsrat/Beirat nach Gesetzes- oder Satzungslage haben. Diese Firmen haben es aus mancherlei Gründen schwer, geeignete Aufsichtsräte zu gewinnen, nicht zuletzt wegen des Gebotes der Unabhängigkeit, das zwar aktienrechtlich nur für einen Teil des Aufsichtsrates nach Ziff. 5.4.2 DCGK verlangt wird – nämlich etwa von einem Drittel der Kapitalvertreter32. Aber auch diese Begrenzung auf ein Drittel trägt in sich das Gespenst in die Welt, dass im Umkehrschluss die anderen zwei Drittel der Kapitalvertreter als „abhängig“ gekennzeichnet sind, was dahin zu deuten ist, dass ihnen unterstellt wird, sie würden eigene Interessen verfolgen. Ein weiteres Handicap in dem Aufsichtsratsrecruitment ist die Verabschiedung von den früheren Vorständen: Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat jüngst die Einführung einer 2-jährigen Sperrfrist für das heimatliche Unternehmen vorgeschlagen. Das heißt, dass das Europäische Parlament keine Altvorstände in Aufsichtsgremien sehen will. Dies ergibt sich zwangsläufig aus der Altersstruktur und aus der cooling period von 2 Jahren, die in einer schnelllebigen Wirtschaftswelt den Wiedereinstieg in die heimatliche Branche nach 2 Jahren der Sperre mehr oder weniger unmöglich macht. Hinzu kommt die persönliche Interessenlage, die ein früheres Vorstandsmitglied fragen lässt, warum man ihn nicht früher um seine Mitwirkung im Aufsichtsrat gebeten hat, jetzt sei er anderwärts voll beschäftigt. Neben dieser vornehmlich Praktiker belastenden Frage nach dem Aufsichtsratnachwuchs steht die nächste Frage nach der Sachqualifikation. Diese Forderung nach der Sachqualifikation kann sich zu einem Widerstreit mit der Unabhängigkeit und damit zu einem zweiten Problembereich entwickeln.

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31 Schon heute gibt es Mengengerüste, die von 300 000 Positionen in der deutschen Wirtschaft sprechen, die derartige Aufsichtspflichten auszuüben haben und sich strukturell am aktienrechtlichen Aufsichtsrat orientieren. 32 Nach Hüffer, ZIP 2006, 641, sollen in einem AR mit 12, 16 oder 20 Mitgliedern jeweils zwei, drei oder vier Mitglieder „unabhängig“ sein. Bei dem „kleinen AR“ empfiehlt Hüffer, ZIP 2006, 643, ein AR-Mitglied als „unabhängig“. Für einen AR mit 9, 6 oder 3 Mitgliedern gibt es keine weiteren speziellen Vorgaben.

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Nach Ziff 5.4.1 des DCGK sollen die Aufsichtsräte über „die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachliche Erfahrung“ verfügen. Diese Anforderungen muss ein AR-Mitglied irgendwie erlangt haben, und zwar in der Regel durch mehrjährige Verbindung zu dem Geschäft, das die AG betreibt. Ein Beispiel mag das angesprochene Problem verdeutlichen: Ein deutscher multinationaler Konzern ist in 300 Ländern der Welt vertreten, teils mit eigener Produktion, jedenfalls mit eigenem Verkauf. Die Produktpalette reicht weit, bei der BASF vom Kunstdünger bis zum komplizierten pharmazeutischen Produkt, beim Haus Siemens von der Glühbirne bis zu Großkraftwerken. Die Mitarbeiterzahl ist sechsstellig. Der Vorstand ist vielköpfig. Wie will ein Aufsichtsrat – und zwar alle Mitglieder – dort wirksam Aufsicht führen, wenn er als vornehmliche Qualität die Unabhängigkeit im Sinne von Ziff. 5.4.2 zweiter Satz mitbringt, nämlich „in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand“ steht oder gestanden hat. Nach dem Kommissionspapier gehört zu den Mindestanforderungen, daß ein AR-Kandidat nicht Vorstandsmitglied der AG in den letzten 5 Jahren gewesen sein darf33, was bedeuten würde, dass der in jahrelanger Zugehörigkeit zur AG gesammelte Kenntnisstand früherer Leitungskräfte auf die lange Zeit von 5 Jahren vom Aufsichtsrat ferngehalten wird. Der gleiche Gedanke, was Unabhängigkeit bedeuten soll, kehrt in dem Zeitlimit wieder: Zeitlich soll nach oben die Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat auf 12 Jahre begrenzt sein. Auch hier eine Aussperrung des Sachverstandes in Teilen des Aufsichtsrates und dies in Kenntnis der Tatsache, dass der Sachverstand heutzutage die wichtigste Qualität eines Aufsichtsrates ist, weil die technischen und ökonomischen Prozesse so komplex geworden sind, dass nur allgemeines kaufmännisches Grundverständnis für die Aufsichtsratstätigkeit nicht mehr ausreicht. Drittes Problem der Aufsichtsratsbesetzung ist die Vertretung von Groß- oder sonstwie qualifizierten Aktionären, die in den AR wollen. Dieses Bestreben ist legitim, weil der Aufsichtsrat Vertretungsorgan der Aktionäre ist, denn die Hauptversammlung wählt die Hälfte der AR-Mitglieder, § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG. Mehrheitsaktionäre können sachkundig sein, gelten aber nicht als unabhängig34, also wird ihnen von der Kommission unterstellt, sie verfolgten eigene Interessen. Zu diesen drei Problemkreisen rund um die Unabhängigkeit wird es keine überzeugenden rechtlichen Lösungen geben, weil die Rechtsordnung nicht geeignet ist, solche im Menschlichen, im Charakterlichen angesiedelten Qualitäten wie geistige und moralische Unabhängigkeit an Einzeltatbeständen festzumachen. Unabhängigkeit ist eine geistige Qualität und keine von

__________ 33 Empfehlung der Europäischen Kommission v. 15.2.2005, oben Fn. 29, Anhang II, Mindestanforderungen Ziff. a, Ziff. b. Inzwischen auf 2 Jahre reduziert, siehe oben, aber immer noch contraproduktiv. 34 Empfehlung der Europäischen Kommission v. 15.2.2005, oben Fn. 29, Ziff. h.

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einem Regelsetzer vorschreibefähige Qualität, nämlich die Fähigkeit zum Hintanstellen von Eigeninteressen und das alleinige Verfolgen von Unternehmensinteressen35. Fakt ist überdies, dass Personen ohne in der unternehmerischen Praxis erlangte „Kenntnisse, Fähigkeiten und fachliche Erfahrung“ für das Amt eines Aufsichtsrats ungeeignet sind, ebenso wie Personen, die in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand stehen, also über ein Netzwerk verfügen. Ohne ein solches Netzwerk kann es kaum erfolgreiche Aufsichtsräte geben, wobei es erst in zweiter Linie darauf ankommt, ob das Netzwerk in die Wissenschaft führt, die die AG anwendet, in die Märkte oder die Techniken, in das Finanzierungsumfeld der AG oder in andere Kreise, die für die AG relevant sind. Die Zugehörigkeit zu einem dieser Netzwerke begründet aber objektiv einen Interessenkonflikt. Der allein entscheidende Punkt ist, wie der Aufsichtsrat mit diesem Interessenkonflikt umgeht, wie er ihn im konkreten Fall auflöst, nämlich ob er sich orientiert am Unternehmensinteresse und/oder an seiner anderweitigen Interessenlage. Das meint auch der Kodex, formuliert aber eher missverständlich. Denn sprachlich ist der Gegensatz von Unabhängigkeit die Abhängigkeit. Abhängig ist jedermann und niemand – ein für die Regelung komplexer Beziehungen in einem komplexen Umfeld ungeeigneter Begriff, der einen diskriminierenden Beigeschmack vermittelt. Deshalb erscheinen beide Begriffe – also „Unabhängigkeit“ wie „Abhängigkeit“ – für ein Regelwerk wie den Kodex wenig geeignet. Vielleicht wäre es eine Verbesserung, wenn man die Ziff. 5.4.1 DCGK und 5.4.2 DCGK zusammenzieht, für Anforderungen an die Aufsichtsräte nur eine Ziffer im Kodex vorsieht, die fachlichen und charakterlichen Qualitäten gemeinsam anspricht und die Anzahl der Negativpostulate verringert. Man könnte denken an eine Ziff. 5 des DCGK wie folgt: „Bei Vorschlägen zur Wahl von Aufsichtsratmitgliedern soll darauf geachtet werden, dass dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten, fachlichen Erfahrungen verfügen. Zudem sollen sie die Gewähr dafür bieten, bei sich möglicherweise ergebenden Interessenkonflikten im Sinne des Unternehmensinteresses zu entscheiden. Diesen und etwaigen weiteren Qualitätsvorgaben, die dieser Kodex oder der Aufsichtsrat beschließen, sollen mindestens ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrates entsprechen“.

__________ 35 Ähnlich Zöllner in Hachenburg, Gedächtnisvorlesung 2004, nicht veröffentlicht, nach der Erinnerung zitiert; in der Tendenz ähnlich Roth/Wörle, ZGR 2004, 624; auch Bernhardt, ZHR 159 (1995), 315.

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IV. Schlusssatz Es drängt mich, die in diesen Kontext gehörenden Fragen des Vorstandsrecht zu erörtern. Aber dies ist bereits von anderen getan worden36, und wir müssen im juristischen Schrifttum sehr darauf achten, dass wir nicht über das gleiche Thema die gleichen Thesen wiederholen, sondern auch schweigen können. Sonst laufen wir Gefahr, von Hans-Joachim Priester gerügt zu werden. So schließen wir hier diesen Beitrag mit der Erinnerung an die „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns“ in Hamburg, eine Vereinigung, die davon lebte, dass sie wusste, dass Kaufmann sein neben einer Rechtsstellung auch eine ethische Aufgabenstellung ist.

__________ 36 Abschließend Lutter, Aktienrechtliche Aspekte der angemessenen Vorstandsvergütung, ZIP 2006, 733.

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Gesellschaftsrecht und § 17 EStG Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Systematische Grundlagen III. Anteile an Kapitalgesellschaften IV. Nominelle Kapitalbeteiligung

VI. Anwartschaften auf Beteiligungen VII. Kapitalersatz VIII. Kapitalerhöhung IX. Schlussbemerkung

V. Ähnliche Beteiligungen

I. Einleitung Nach § 54 EStDV haben (inländische) Notare dem für die Besteuerung zuständigen Finanzamt eine beglaubigte Abschrift aller von ihnen aufgrund gesetzlicher Vorschriften aufgenommenen oder beglaubigten Urkunden zu übersenden, die einen Vorgang zum Gegenstand haben, der in den Anwendungsbereich des § 17 EStG – Veräußerung kapitalgesellschaftsrechtlicher Beteiligungen – fällt bzw. fallen kann1. § 54 EStDV nimmt den Notar in die steuerrechtliche Pflicht, um die Besteuerung aufgrund § 17 EStG sicherzustellen. Da der Jubilar vermutlich nicht ganz selten Beurkundungen nach § 15 Abs. 3, 4 GmbHG vorgenommen hat, liegt es schon vor diesem Hintergrund nahe, sich mit den gesellschaftsrechtlichen Implikationen des § 17 EStG auseinanderzusetzen. Dies gilt umso mehr deshalb, weil Hans-Joachim Priester auch aufgrund seines beruflichen Werdegangs nicht nur am Zivilrecht/Gesellschaftsrecht, vielmehr auch am Steuerrecht außerordentlich interessiert ist. In der Sache ist § 17 EStG einer der drei Fälle des Steuerrechts, in denen nach derzeitiger Rechtslage Veräußerungsgeschäfte im privaten Bereich steuerrechtlich erheblich sind. Während im Bereich der Gewinneinkünfte das zur Einkunftserzielung eingesetzte Vermögen durchgängig steuerverstrickt ist, liegt es im Bereich des Privatvermögens so, dass allein unter den Voraussetzungen der §§ 17, 23 EStG, 22, 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG Veräußerungsgewinne und/oder Veräußerungsverluste steuerrechtlich bedeutsam sind. Dies ist auch der Hintergrund des eingangs erwähnten § 54 EStDV, der ver-

__________ 1 Zu § 54 EStDV Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Loseblatt, Stand: Juli 2006, § 17 EStG Rz. 63; Frotscher, EStG, Loseblatt, Stand: Juni 2006, § 17 EStG Rz. 120.

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hindern will, dass die vom Fiskus schwer nachzuvollziehenden privaten Veräußerungsgeschäfte nicht zur Kenntnis der Finanzbehörden gelangen2. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 v. H. beteiligt war. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind Aktien, Anteile an einer GmbH, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Schon in der Wortlautformulierung des Gesetzes zeigt sich die unmittelbare Bezugnahme auf das Gesellschaftsrecht, so dass grundsätzlich die gesellschaftsrechtliche Grundsituation vorgreiflich für die Anwendung des § 17 EStG ist. Steuerrechtlich geht es – wenn nicht §§ 23 EStG, 22, 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG anzuwenden sind – darum, ob privat eingesetztes Vermögen im Zusammenhang mit einer Kapitalgesellschaft zu besteuern ist. Dabei ergeben sich die Besteuerungsfolgen bezüglich der Gewinnseite aus § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. c EStG, bezüglich der Ausgabenseite (Anschaffungskosten) aus § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG. Anders formuliert: Soweit ein Lebenssachverhalt § 17 EStG subsumiert werden kann, greift das Halbeinkünfteverfahren kombiniert mit dem Halbabzugsverfahren.

II. Systematische Grundlagen Ist eine natürliche Person an einer Personengesellschaft beteiligt und vermittelt diese Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte, dann ist die personengesellschaftsrechtliche/mitunternehmerische Beteiligung aufgrund des Dualismus der Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2 EStG) stets steuerverstrickt. In einer Veräußerungssituation zeigen §§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, dass – ebenso wie bei § 17 EStG – auf die gesellschaftsrechtliche Situation rekurriert wird3. Wenn § 17 EStG im Wege einer Fiktion auch die Veräußerungsgewinne mit einer privaten kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung als solche aus Gewerbebetrieb deklariert, dann stellt sich die Frage, wie es steuersystematisch zu rechtfertigen ist, dass der in vielen Fällen wirtschaftlich vergleichbare Personengesellschafter, insbesondere der Kommanditist, mit seiner Beteiligung immer steuerverstrickt ist, demgegenüber bei einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung eine bestimmte Beteiligungsquote (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) erreicht werden muss. In älteren Entscheidungen wird als gesetzgeberischer Grund für die ausnahmsweise Besteuerung privater Veräußerungsgewinne mit kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligungen der systematische Zusammenhang mit § 16 EStG

__________ 2 Deutlich Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer (Fn. 1), § 17 EStG Rz. 63. 3 Zur verdeckten Mitunternehmerschaft statt aller Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl. 2006, § 15 EStG Rz. 280 ff. m. w. N.; auch Priester in FS L. Schmidt, 1993, S. 331.

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gesehen4. Das hing mit der früheren Aufgriffsschwelle des § 17 EStG zusammen, die bei einer Beteiligung von mehr als 25 v. H. lag, so dass vor dem Hintergrund beispielsweise des § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine Parallele zur Personengesellschaftsbesteuerung möglich war, weil die mehr als 25 v. H. betragene Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft einen relativ starken gesellschaftsrechtlichen Einfluss vermittelt. Mittlerweile5 ist die Veräußerung einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung schon dann steuerrechtlich von Bedeutung, wenn eine mindestens 1 v. H. betragende Beteiligung gegeben ist. Eine wirtschaftliche Ähnlichkeit mit der Veräußerung einer personengesellschaftsrechtlichen Beteiligung ist jedenfalls dann nicht mehr zu bejahen, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass das Personengesellschaftsrecht vom Einstimmigkeitsprinzip beherrscht wird, demgegenüber bei den Kapitalgesellschaften grundsätzlich einfache Mehrheiten maßgebend sind. Gleichwohl ist die Entscheidung des Steuergesetzgebers erstaunlich, bei einer Personengesellschaft, bei der in der kautelarjuristischen Praxis regelmäßig der Mehrheit unterliegende Beschlussgegenstände formuliert werden, eine durchgängige Steuerverstrickung anzunehmen, demgegenüber bei den Kapitalgesellschaften die Schwelle des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erreicht werden muss. Letztlich kann der Sinn des § 17 EStG wohl nur darin gesehen werden, dass die niedrige Beteiligungsgrenze der Norm ein Schritt auf dem Weg zu einer allgemeinen Veräußerungsgewinnbesteuerung darstellt. Das ist auch deshalb einsichtig, weil die Einkommensteuer den Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfassen will6. Im Übrigen passt sich die derzeitige Fassung des § 17 EStG auch in die Idee des Halbeinkünfteverfahrens ein. Wenn von einer Kapitalgesellschaft gezahlte Dividenden dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, dann ist es folgerichtig, auch Veräußerungsgewinne mit dividendenvermittelnden Beteiligungen dem Halbeinkünfteverfahren zu unterstellen, weil nämlich Veräußerungsgewinne ihre Ursache grundsätzlich in offenen oder stillen Reserven bzw. im Geschäftswert der Kapitalgesellschaft haben, die ihrerseits zukünftige Dividenden repräsentieren. Letztlich braucht auf diese steuersystematischen Grundfragen hier nicht weiter eingegangen zu werden, weil davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber in § 17 EStG von einer unmittelbaren Bezugnahme auf das Kapitalgesellschaftsrecht ausgeht.

III. Anteile an Kapitalgesellschaften Aus § 17 Abs. 1 Satz 1, 3 EStG ergibt sich, dass der Grundtatbestand der Norm eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist, an einer AG oder an einer

__________ 4 Vgl. BFH v. 28.6.1978, BStBl. II 1978, S. 590; BFH v. 21.12.1993, BStBl. II 1994, S. 649. 5 Zur Entwicklung z. B. Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 1. 6 Vgl. zu § 17 EStG BFH v. 16.5.1995, BStBl. II 1995, S. 870.

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GmbH. Nach ganz herrschender Auffassung7 zählen zu den Aktien Anteile am Grundkapital einer dem deutschen AktG unterliegenden AG (§§ 1 Abs. 2, 6, 8 AktG) oder einer KGaA (§ 278 Abs. 1 AktG). Auf die Gattung der Aktien kommt es nicht an, so dass unter § 17 EStG auch Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§§ 11, 12 Abs. 1 AktG) fallen. Und GmbH-Beteiligungen sind Geschäftsanteile an einer dem deutschen GmbHG unterliegenden GmbH (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5, 14 GmbHG). Unbeachtlich ist es, ob der Geschäftsanteil ein Stimmrecht oder sogar Mehrstimmrechte vermittelt. Im Ergebnis stellt § 17 EStG auf das feste Kapital der Kapitalgesellschaft ab. Das entspricht der gesellschaftsrechtlichen Systematik. Für die praktisch wichtige GmbH ist darauf hinzuweisen, dass die Funktion des Stammkapitals darin besteht, als Garantieziffer eine Summe festzulegen, die mindestens als Reinvermögen zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung zu stehen hat8. Davon zu unterscheiden ist der Geschäftsanteil des Gesellschafters nach § 14 GmbHG9. Der GmbH-Geschäftsanteil ist der umfassendere Begriff, der die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Gesellschafters umfasst, demgegenüber die Stammeinlage des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG die an einem Bruchteil des Stammkapitals ausgedrückte Einlageverpflichtung des Gesellschafters bezeichnet. Wenn das Steuerrecht formal an den Geschäftsanteil anknüpft, und zwar unabhängig davon, wie sich die bei der GmbH kraft Privatautonomie möglichen Stimmrechte10 gestalten, dann wird deutlich, dass eine rein formale Betrachtungsweise angestellt wird. Der Wert eines Geschäftsanteils muss nämlich nicht mit dem Nennwertbetrag identisch sein, sondern er kann u. a. durch mit dem Geschäftsanteil verbundene Sonderrechte beeinflusst sein. Wenn die Dogmatik zu § 17 EStG dem keine Bedeutung beimisst, dann kommt es (überraschenderweise) zu der eher seltenen Situation, dass das Steuerrecht einer formalen, an das Gesellschaftsrecht angebundenen Rechtslage folgt, also nicht einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Im Übrigen ist die grundsätzliche Bezugnahme auf Aktien und GmbH-Geschäftsanteile handelsrechtlich und steuersystematisch stimmig. Sowohl die AG als auch die GmbH sind Kaufmann kraft Rechtsform11 und werden damit dem Handelsrecht unterworfen. Damit stimmt es überein, dass nach § 8 Abs. 2 KStG Kapitalgesellschaften zwingend gewerbliche Einkünfte haben. Von daher gesehen ist es einsichtig, dass § 17 Abs. 1 Satz 1, 3 EStG prinzipiell auf Kapitalgesellschaften abstellt. Denn wenn der Steuergesetzgeber § 17 EStG in den Kontext der §§ 15, 16 EStG einordnet, dann will er ganz offensichtlich diejenigen Steuersubjekte, die an einer Kapitalgesellschaft mit

__________ 7 Z. B. Ernst & Young/Schulte, KStG, Loseblatt, Stand: Juni 2006, § 17 EStG Rz. 27 f.; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 21. 8 Z. B. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 3 GmbHG Rz. 14. 9 Scholz/Emmerich, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 3 GmbHG Rz. 54. 10 Dazu Baumbach/Hueck/Zöllner (Fn. 8), § 47 GmbHG Rz. 71 ff. 11 Näher K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 10 II.

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einer bestimmten Quote beteiligt sind, den an einer Personenhandelsgesellschaft beteiligten Personen gleichstellen. Sowohl gesellschaftsrechtlich als auch steuerrechtlich können Probleme entstehen, wenn sich ein ausländisches Rechtsgebilde in den Anwendungsbereich deutschen Rechts begibt. Für das Zivilrecht geht es darum, ob eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft im Inland als rechtsfähig anzuerkennen ist. Richtet sich das Personalstatut einer Gesellschaft nach ausländischem Recht, dann ist weiterhin über dessen Reichweite zu entscheiden12. Das Steuerrecht macht es sich hier relativ leicht. Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG werden nicht nur Anteile an einer AG oder an einer GmbH erfasst, vielmehr auch „ähnliche Beteiligungen“. Damit werden von der Veräußerungsgewinnbesteuerung des § 17 EStG auch Anteile an ausländischen Gesellschaften erfasst, soweit es sich um ein Rechtsgebilde handelt, welches nach seinem Typus einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht13. Ein derartiger Typenvergleich rekurriert allerdings wieder auf die (ausländische) gesellschaftsrechtliche Situation: Es muss sich bei dem Gebilde um ein selbständiges Rechtssubjekt handeln; das Gesellschaftsvermögen muss dinglich der Gesellschaft zugeordnet werden; die Beteiligung muss verkehrsfähig und die Gesellschaft als solche vom Mitgliederwechsel unabhängig sein. Die über den Typenvergleich bei ausländischen Rechtsgebilden gegebene mittelbare Abhängigkeit der Subsumtion unter § 17 EStG vom Gesellschaftsrecht wird von der Rechtsprechung des BFH immer wieder betont14. Im Ergebnis transponiert das deutsche Steuerrecht für die Anwendung des § 17 EStG die ausländische Gesellschaftsrechtsituation in den „Typenvergleich“, um auf diese Weise zu prüfen, ob eine Vergleichbarkeit mit einer (deutschen) AG oder GmbH besteht. Auf dieser Rechtsanwendungsstufe wird dann die Abgrenzung zu §§ 15, 16 EStG betr. Personengesellschaft einerseits und zum nicht steuerbaren Bereich im Bereich der Privatvermögenseinkünfte andererseits vorgenommen. Nicht um eine echte Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, vielmehr um eine „ähnliche Beteiligung“ soll es sich auch bei Beteiligungen an einer werdenden AG oder an einer werdenden GmbH handeln15. Eine gegründete Kapitalgesellschaft, eine sog. Vorgesellschaft, wird im steuerrechtlichen Schrifttum durchgängig von der Vorgründungsgesellschaft abgegrenzt. Dann wird regelmäßig formuliert, dass es sich um eine „ähnliche“ Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG handle, wenn die Vorgesellschaft körperschaftsteuer-

__________ 12 Ausführlich und m. w. N. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 58. 13 BFH v. 21.10.1999, BStBl. II 2000, S. 424; Blümich/Ebling, EStG, Loseblatt, Stand: Mai 2006, § 17 EStG Rz. 61; Kirchhof/Gosch, EStG, 6. Aufl. 2006, § 17 EStG Rz. 42; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 24. 14 Deutlich BFH v. 21.10.1999, BStBl. II 2000, S. 424, 426 f. 15 Ernst & Young/Schulte (Fn. 7), § 17 EStG Rz. 31; Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 42; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 24.

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rechtlich als Kapitalgesellschaft zu beurteilen sei16. Angesichts des Wortlauts des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG und vor dem Hintergrund der gesellschaftsrechtlichen Dogmatik ist dies nicht ganz überzeugend: Zutreffend ist sicherlich die Abgrenzung zur Vorgründungsgesellschaft, mithin zu einer ins Auge gefassten AG oder GmbH, bei der die notarielle Beurkundung nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1 AktG, 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG noch nicht erfolgt ist. Eine derartige Vorgründungsgesellschaft ist zivilrechtlich entweder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder als OHG zu qualifizieren17. Die Vorgründungsgesellschaft ist steuerrechtlich eine Mitunternehmerschaft, wenn denn ein Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 EStG vorliegt. Ist die werdende Kapitalgesellschaft demgegenüber gegründet, dann handelt es sich um eine Vorgesellschaft. Zivilrechtlich wird die Vorgesellschaft wie folgt behandelt18: Im Innenverhältnis, im Recht der Binnenorganisation der gegründeten Gesellschaft, gilt GmbH-Recht19. Zwischen der gegründeten Gesellschaft, der werdenden Kapitalgesellschaft, und der später eingetragenen „fertigen“ AG oder GmbH besteht Rechtsidentität20. Bezüglich der Haftung schulden die Gründer die Differenz zwischen dem tatsächlichen Reinvermögen im Zeitpunkt der Eintragung und dem aufgrund der Einlageverpflichtung geschuldeten Kapitalbetrag. Von dieser an die Eintragung anknüpfenden Differenzhaftung ist die Frage der persönlichen Haftung der Gründer für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft zu unterscheiden. Nach Auffassung des BGH21 haften die Gesellschafter einer Vorgesellschaft (GmbH) für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt. An diese zivilrechtlichen Entscheidungen knüpft grundsätzlich auch das Steuerrecht an, indem es die Vorgesellschaft jedenfalls dann als Körperschaftsteuersubjekt behandelt, wenn die Eintragung in das Handelsregister tatsächlich nachfolgt22. Die werdende Kapitalgesellschaft sei als Vorgesellschaft ein auf die künftige juristische Person angelegtes Gebilde, schon körperschaftlich strukturiert und gehe mit der Eintragung ins Handelsregister in dieser auf. Aus allem folgt nach Auffassung der BFH-Rechtsprechung zur Körperschaftsteuer, dass das KStG der zivilrechtlichen Beurteilung zu entsprechen habe. Von daher gesehen ist es wenig einsichtig, dass im Rahmen des § 17 EStG, also für Zwecke der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf Anteilseignerebene, allein eine „ähnliche Beteiligung“ angenommen wird. Man mag einwenden, dass das im Ergebnis nur eine akademische Frage sei, doch besteht kei-

__________ 16 Z. B. Ernst & Young/Schulte (Fn. 7), § 17 EStG Rz. 31. 17 BGHZ 91, 148; Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 1 Rz. 32 ff. 18 Näher Goette (Fn. 17), § 1 Rz. 37 ff.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, § 2 Rz. 2.7 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, §§ 27 II, 34 III 3. 19 BGHZ 45, 338; BGHZ 80, 212. 20 BGHZ 80, 129. 21 BGHZ 134, 333. 22 BFH v. 11.4.1973, BStBl. II 1973, S. 568; BFH v. 20.10.1982, BStBl. II 1983, S. 247; BFH v. 8.11.1989, BStBl. II 1990, S. 91; BFH v. 14.10.1992, BStBl. II 1993, S. 352.

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ne Notwendigkeit die unmittelbare Subsumtion unter eine AG oder unter eine GmbH im Rahmen des § 17 EStG zu verneinen. Im Übrigen könnte die Frage im Rahmen der Problematik eine Rolle spielen, wie eine gescheiterte Vorgesellschaft steuerrechtlich behandelt wird, eine gegründete Kapitalgesellschaft, bei der es letztlich nicht zur Eintragung ins Handelsregister kommt23. Bei der gescheiterten Vorgesellschaft ist nämlich zu entscheiden, ob von Anfang an eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bestanden hat oder ob die Grundsätze der Liquidation einer Kapitalgesellschaft, also §§ 11 KStG, 17 Abs. 4 EStG angewendet werden. Wenn man in diesem Zusammenhang ohne weiteres für die Vorgesellschaft von einer „ähnlichen Beteiligung“ ausgeht, dann besteht die Gefahr, dass man sich in den Anwendungsbereich des § 17 EStG begibt und damit insbesondere auch in das Regime des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, so dass in der Verlustsituation nur der halbe Verlust geltend gemacht werden könnte. Ob ein Steuersubjekt Inhaber einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung ist, wird schließlich problematisch in Situationen, in denen die Beteiligung über eine Personengesellschaft erfolgt, die vermögensverwaltend tätig ist, die also keinen Gewerbebetrieb des § 15 Abs. 2 EStG unterhält, so dass der einzelne Personengesellschafter nur vermögensverwaltende Einkünfte (§§ 20, 21 EStG) bezieht. Die ganz überwiegende Meinung24 meint, eine Besteuerung nach § 17 EStG lasse sich nicht dadurch vermeiden, dass Aktien oder GmbH-Geschäftsanteile in einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gehalten werden und der einzelne Gesellschafter seine personengesellschaftsrechtliche Beteiligung, unmittelbar also nicht die kapitalgesellschaftsrechtliche Beteiligung veräußert. Der Durchgriff durch die Personengesellschaft wird mit der sog. Bruchteilsbetrachtung über § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO begründet. Nach Systematik und Zielsetzung der Veräußerungsgewinnbesteuerung des § 17 EStG müsse die Veräußerung steuerverhafteter Beteiligungen durch einen mittelbar über eine Personengesellschaft Beteiligten ebenso steuerbar sein wie die Veräußerung durch einen unmittelbar beteiligten Gesellschafter. Im Ergebnis ist also der Anteil an einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung, die im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft liegt, direkt dem Gesellschafter entsprechend seiner Beteiligungsquote zuzurechnen. Das ist aus zivilrechtlicher Sicht ein überraschendes Ergebnis, insbesondere vor dem Hintergrund der Verselbständigung (auch) der Gesellschaft bürgerlichen Rechts25. Wenn die steuerrechtliche Betrachtungsweise den Umstand negiert, dass eine kapitalgesellschaftsrechtliche Beteiligung im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft liegt und damit auch den gesamthänderischen Bindungen unterliegt, dann kann

__________

23 Dazu näher Crezelius in FS Wassermeyer, 2005, S. 15. 24 BFH v. 13.7.1999, BStBl. II 1999, S. 820; BFH v. 9.5.2000, BStBl. II 2000, S. 686; Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer (Fn. 1), § 17 EStG Rz. 75; Schmidt/ Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 55. 25 BGHZ 146, 341; BGH, NJW 2002, 1207.

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dies weder mit Wertungsprinzipien noch mit dem Belastungsgedanken des § 17 EStG gerechtfertigt werden, insbesondere dann, wenn man sich vor Augen hält, dass die gesamte Konzeption des § 17 EStG auf eine Anbindung an das Gesellschaftsrecht angelegt ist. Das Argument der „Bruchteilsbetrachtung“ mit Hilfe des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist letztlich eine Betrachtungsweise, die die Mängel der steuergesetzlichen Konzeption der Veräußerungsgewinnbesteuerung überspielen möchte. Eine Personengesellschaft mit Gesamthandsvermögen ist eben keine Bruchteilsgemeinschaft.

IV. Nominelle Kapitalbeteiligung Ob ein Gewinn oder ein Verlust aus einer privat gehaltenen kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung steuerrechtlich erheblich ist, hängt nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG davon ab, ob der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital zu mindest 1 v. H. beteiligt war; bis Ende 1998 lag die Aufgriffsgrenze bei mehr als 25 v. H., in den Jahren 1999 und 2000 wurde die Beteiligungsgrenze erst ab 10 v. H. erreicht. Im Prinzip besteht Einigkeit darüber, dass sich die Höhe der Beteiligung am Grundkapital der AG (§§ 6, 7 AktG) bzw. am Stammkapital einer GmbH (§§ 5, 14 GmbHG) orientiert26. Allerdings sollen eigene Anteile einer Kapitalgesellschaft oder eingezogene Geschäftsanteile nicht in die Berechnung einbezogen werden27. Im Ergebnis wird also der Nennwert eigener Anteile vom Grundkapital oder Stammkapital abgezogen, so dass sich das maßgebliche Kapital bei der Berechnung der Beteiligungsquote der anderen Gesellschafter verringert. Dies entspricht einer wirtschaftlich zutreffenden Betrachtung, aber auch der gesellschaftsrechtlichen Situation. Im GmbH-Recht liegt es beispielsweise so, dass bei Vorhandensein eigener Geschäftsanteile diese vom Gewinnbezug ausgeschlossen sind und im Rahmen der Liquidation bei der Vermögensverteilung nicht mehr berücksichtigt werden; sie erhöhen daher die auf die übrigen Geschäftsanteile entfallenden Anteile28. Kommt es somit auf die mit den verbleibenden Anteilen verbundenen materiellen Gesellschafterrechte an, dann besteht eine gewisse Unstimmigkeit der oben29 dargestellten Auffassung, dass es bei § 17 EStG auf Stimmrechte usf. nicht ankommt. Rechtfertigen lässt sich eine derartige Differenzierung allein mit der Überlegung, dass es bei § 17 EStG um eine Leistungsfähigkeitsbesteuerung geht, die unabhängig

__________ 26 Z. B. BFH v. 25.11.1997, BStBl. II 1998, S. 257; BFH v. 14.6.2005, BStBl. II 2005, S. 861; Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 48; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 38. 27 Vgl. BFH v. 16.5.1995, BStBl. II 1995, S. 870; BFH v. 25.11.1997, BStBl. II 1998, S. 257; Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 49. 28 Baumbach/Hueck/Fastrich (Fn. 8), § 29 GmbHG Rz. 54, Baumbach/Hueck/SchulzeOsterloh/Noack (Fn. 8), § 42 GmbHG Rz. 5; Scholz/H. P. Westermann (Fn. 9), § 33 GmbHG Rz. 33; vgl. auch BGH, NJW 1995, 1027. 29 Unter III.

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davon besteuerungswürdig ist, ob der Anteilseigner Einfluss auf die Geschäfte der Kapitalgesellschaft nehmen kann. Entscheidend für die Besteuerung ist somit allein der Anspruch des Gesellschafters auf den Gewinn und den Liquidationserlös. Hinzuweisen ist aber darauf, dass die einschlägige Rechtsprechung des BFH30 der Auffassung ist, dass Satzungsregelungen einer GmbH, mit welchen die Stimmrechte, die Gewinnverteilung oder die Beteiligung am Liquidationserlös abweichend von §§ 29, 72 GmbHG geregelt werden, für die Berechnung der Quote des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG irrelevant sein sollen. Es kommt daher zu dem überraschenden Ergebnis, dass bei Vorhandensein eigener Anteile aus dem Umstand, dass die materiellen Gesellschafterrechte bei den anderen Gesellschaftern verbleiben, Konsequenzen für die Beteiligungsquote gezogen werden können, demgegenüber im Normalfall – ohne Vorhandensein eigener Anteile – diese materiellen Gesichtspunkte keine Rolle spielen. Letztlich wird man das hinnehmen können, weil § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in typisierender Form an die Höhe der nominellen Beteiligung anknüpft und die Existenz eigener Anteile einen Sonderfall darstellt31. Wenn es darauf ankommt, dass die Beteiligungsquote des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG danach zu beurteilen ist, welcher Anteil an der Vermögenssubstanz der Kapitalgesellschaft dem Steuerpflichtigen repräsentiert durch die nominelle Beteiligung am Kapital zusteht, dann ist es folgerichtig (eigenkapitalersetzende) Gesellschafterdarlehen bei einer GmbH nicht einzubeziehen32. Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen sind also insbesondere nicht in der Lage, das maßgebliche Kapital der Gesellschaft im Wege einer „Gesamtbetrachtung“ zu berechnen, um auf diese Art und Weise eine Verlustgeltendmachung nach §§ 17 Abs. 2, 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zu ermöglichen. Das ist zutreffend, weil die Existenz eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens nichts daran ändert, dass es formal als Fremdkapital zu qualifizieren ist und weder Vermögensrechte noch Stimmrechte an der betreffenden Gesellschaft vermittelt.

V. Ähnliche Beteiligungen Schon im Zusammenhang mit der Qualifizierung der Vorgesellschaft33 ist auf § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG hingewiesen worden, wonach von der privaten Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht nur (echte) Aktien und GmbH-Ge-

__________ 30 V. 25.11.1997, BStBl. II 1998, S. 257. 31 Im Rahmen des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG, dessen Voraussetzungen § 17 EStG nachgebildet sind, will das Hess. FG (v. 16.2.2006, ErbStB 2006,246) aus dem Vorhandensein eigener Anteile keine Folgen für die Quote der verbleibenden Gesellschafter ziehen. 32 BFH v. 19.5.1992, BStBl. II 1992, S. 902; Ernst & Young/Schulte (Fn. 7), § 17 EStG Rz. 38; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), EStG, § 17 EStG Rz. 63. 33 Oben III.

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schäftsanteile, vielmehr auch „ähnliche Beteiligungen“ erfasst werden. Über § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG werden also nicht nur die jeweils gesellschaftstypischen Mitgliedsrechte vermittelnden Anteile erfasst. Einigkeit besteht zunächst darüber, dass sich die „ähnlichen Beteiligungen“ allein auf in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG aufgezählten Anteilsrechte beziehen; „ähnliche Beteiligungen“ sind also Rechtspositionen, die Aktien und GmbH-Geschäftsanteilen vergleichbar sind34. Das umstrittene Grundsatzproblem besteht darin, ob und in welchem Umfang „ähnliche Beteiligungen“ in die Ermittlung des Umfangs der jeweiligen Beteiligung einzubeziehen sind35. Diese Frage hat ihre Ursache darin, dass § 17 Abs. 1 Satz 1, 3 EStG einerseits auf die nominelle Beteiligung des Steuersubjekts am Festkapital abstellt, also die gesellschaftsrechtliche Position für maßgebend hält, demgegenüber durch die Erwähnung der „ähnlichen Beteiligung“ ein Steuersubjekt erfasst wird, welches eben nicht per Gesellschaftsrecht, vielmehr allein schuldrechtlich mit der Kapitalgesellschaft verbunden ist. Nach hier vertretener Ansicht sind die „ähnlichen Beteiligungen“ bei der Berechnung der Beteiligungsquote des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG stets einzubeziehen. Auszugehen ist davon, dass die „ähnlichen Beteiligungen“ vom Gesetzgeber als Erscheinungsform einer Beteiligung nach § 17 EStG qualifiziert werden. Daher besteht kein Grund zu einer differenzierten Behandlung bei der Ermittlung der Beteiligungsquote. Ausschlaggebend ist daher die Gesamtheit der Beteiligungen an der Substanz der Kapitalgesellschaft36. Das hat für die Steuerrechtsanwendung den Vorteil, dass die Steuerbarkeit von Veräußerungsvorgängen nach § 17 EStG einerseits und die Bestimmung der maßgeblichen Quote andererseits konform bestimmt werden. Es kommt dann allerdings zu dem möglicherweise überraschenden Ergebnis, dass nicht mehr ausschließlich das Nennkapital der Kapitalgesellschaft für die Frage maßgebend ist, ob der Veräußerer eine Beteiligung nach § 17 EStG hält. Vielmehr muss das (feste) Nennkapital um das Kapital der „ähnlichen Beteiligung“ erhöht werden. Das muss jedoch hingenommen werden, denn wenn sich der Steuergesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG mit einer letztlich wirtschaftlichen Betrachtungsweise von der technischen Gesellschafterposition löst, dann muss diese wirtschaftliche Betrachtungsweise konsequenterweise auch auf die Berechnung der Beteiligungsquote des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG durchschlagen.

__________ 34 Für viele Frotscher (Fn. 1), § 17 EStG Rz. 23; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 23 ff. 35 Zum Problem Blümich/Ebling (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 88; Ernst & Young/Schulte (Fn. 7), § 17 EStG Rz. 42; Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 52 f.; Schmidt/ Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 45; jetzt auch BFH v. 14.3.2006, BFH/NV 2006, 1908, dazu unten VIII. 36 Zutreffend Ernst & Young/Schulte (Fn. 7), § 17 EStG Rz. 43; Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 52.

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Praktisch wichtig im Rahmen der „ähnlichen Beteiligungen“ sind stille Beteiligungen. Handelsrechtlich liegt es zweifelsfrei so, dass ein Rechtssubjekt mit einer Kapitalgesellschaft ein stilles Gesellschaftsverhältnis (§ 230 HGB) eingehen kann. Hier ist zu entscheiden, ob das stille Gesellschaftsverhältnis mit der Kapitalgesellschaft als Beteiligung nach § 17 EStG eingeordnet werden kann. Auszugehen ist zunächst davon, dass sowohl das Zivilrecht37 als auch das Steuerrecht38 den Typus des typischen und des atypischen stillen Gesellschafters kennen. Zivilrechtlich und steuerrechtlich können die Begriffe deckungsgleich sein, sie müssen es aber nicht. Handelt es sich um eine typisch stille Beteiligung, dann unterliegt der stille Gesellschafter dem Regelstatut der §§ 230 ff. HGB und hat steuerrechtlich laufende Einkünfte aus § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, ist aber Inhaber steuerrechtlichen Privatvermögens. Da die typisch stille Beteiligung lediglich ein Gläubigerrecht gewährt (§ 236 HGB), handelt es sich nicht um eine der kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung ähnliche Position39. Ob eine atypisch stille Gesellschaft, bei der beispielsweise der stille Gesellschafter am Ergebnis des Inhabers des Handelsgewerbes beteiligt ist und/oder an den stillen Reserven und am Liquidationserlös, ein Fall des § 17 EStG ist, soll nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung vom Umfang der gesellschaftsvertraglich eingeräumten „Mitgliedsschaftsrechte“ abhängen40. Dem ist nicht zu folgen, weil die Abgrenzung der typisch stillen Beteiligung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG von der atypisch stillen Beteiligung eine Frage der Qualifizierung als Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist. Liegt es also im Einzelfall so, dass die Position des stillen Gesellschafters Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko vermittelt, dann liegt zwischen der Kapitalgesellschaft und dem stillen Gesellschafter eine Mitunternehmerschaft vor, mithin ein Fall betrieblicher Einkünfte, so dass es auf die spezifischen Voraussetzungen der privaten Veräußerungsgewinnbesteuerung in § 17 EStG nicht mehr ankommt. Das gilt selbst dann, wenn die stille Beteiligung (an einer GmbH) zivilrechtlich eigenkapitalersetzenden Charakter hat41. Auch wenn ein stiller Gesellschafter Einfluss auf die Geschäfte der GmbH nimmt, so bleibt es dabei, dass er eine durch §§ 230 ff. HGB spezialgesetzlich geregelte Position einnimmt. Zwar mag man hier einwenden, dass der zivilrechtlich atypisch stille Gesellschafter auch am Vermögen und Ertrag der GmbH beteiligt sein kann, so dass insofern eine Vergleichbarkeit mit dem „echten Kapitalgesellschafter“ besteht, doch ist zu berücksichtigen, dass schon eigenkapitalersetzende Leistungen eines GmbH-Anteilseigners die Quotenberech-

__________ 37 38 39 40

Z. B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 62 II 2. Z. B. Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 20 EStG Rz. 131. BFH v. 28.5.1997, BStBl. II 1997, S. 724. Blümich/Ebling (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 74; a. A. Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 42; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 25. 41 Dazu BGHZ 106, 7; Baumbach/Hueck/Fastrich (Fn. 8), § 32a GmbHG Rz. 9, 22.

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nung für § 17 EStG unerheblich sind42, so dass dies erst recht für die allein schuldrechtlich vermittelte Position des stillen Gesellschafters zu gelten hat. In Abgrenzung zum stillen Gesellschaftsverhältnis ist die Unterbeteiligung zu sehen. Sie unterscheidet sich von der stillen Gesellschaft nach § 230 HGB dadurch, dass der stille Gesellschafter in einem Gesellschaftsverhältnis (ohne Gesamthandsvermögen) zum Inhaber des Handelsgewerbes steht, demgegenüber der Unterbeteiligte eine Innengesellschaft bezüglich der Beteiligung des Hauptbeteiligten eingeht43. Der an einem Gesellschaftsanteil beteiligte Unterbeteiligte hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Ertrag und/ oder an der Substanz der Beteiligung. Im Kontext des § 17 EStG ist zu klären, ob derjenige Unterbeteiligte, der an einem Kapitalgesellschaftsanteil schuldrechtlich teilnehmen soll, auch als Anteilsinhaber im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG angesehen werden kann. Der VIII. Senat des BFH hat das bejaht44. Könne der an einem Kapitalgesellschaftsanteil beteiligte Unterbeteiligte als „wirtschaftlicher Inhaber“ qualifiziert werden, dann soll er sowohl Einkünfte aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als auch solche nach § 17 EStG beziehen können. Die „wirtschaftliche Inhaberschaft“ an einem Kapitalgesellschaftsanteil wird einem Unterbeteiligten nach Auffassung des BFH aber nur dann vermittelt, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abreden alle mit der Hauptbeteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Im gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die BFH-Entscheidung bezüglich der Zurechnung einer Beteiligung nach § 17 EStG auf die Grundsätze des wirtschaftlichen Eigentums nach § 39 AO zurückgreift, obschon der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1, 3 EStG eine unmittelbare Anbindung an die gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsposition nahe legt45. Zwar ist zuzugeben, dass es im Rahmen des § 17 EStG der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass die Veräußerung dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen ist, wenn rechtliches und wirtschaftliches Eigentum aufeinanderfallen46, doch ist zu fragen, ob dies auch für die Unterbeteiligung gilt. Führt man sich nochmals vor Augen, dass es im Rahmen des § 17 EStG im Grundsatz auf die nominelle gesellschaftsrechtliche Beteiligung ankommt47, dann ist es nicht ganz überzeugend, bei der Unterbeteiligung ohne weiteres auf das wirtschaftliche Eigentum des § 39 AO zurückzugreifen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Unterbeteiligung der stillen Beteiligung vergleichbar ist. Ist aber das stille Gesellschaftsverhältnis selbst bei einer atypisch stillen Betei-

__________ 42 Oben IV. 43 Vgl. RG, LZ 1915, 1011; BGH, WM 1966, 188; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 63 I 2; Scholz/H.Winter/Seibt (Fn. 9), § 15 GmbHG Rz. 224 ff. 44 BFH v. 18.5.2005, BStBl. II 2005, S. 857; dazu ausführlich Pupeter, GmbHR 2006, 910. 45 BFH v. 18.5.2005, BStBl. II 2005, S. 857, 859. 46 BFH v. 17.2.2004, BStBl. II 2005, S. 46. 47 Oben IV.

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ligung keine Konstellation des § 17 EStG48, dann ist es erstaunlich, dass der Unterbeteiligte als „ähnlich Beteiligter“ eingeordnet werden soll. Eine Qualifizierung der Unterbeteiligung als Fall des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG kann sich mit Hilfe des § 39 AO überzeugend nur begründen lassen, wenn das Unterbeteiligungsverhältnis (auch) als Treuhand beurteilt werden kann. Unterbeteiligung und Treuhand sind ähnliche Rechtsinstrumente und nach der wohl noch herrschenden Auffassung als unterscheidbare Institute zu sehen49. Nach anderer Auffassung schließen sich Treuhand und Unterbeteiligung einander nicht aus, so dass in einem Lebenssachverhalt beide Rechtsinstitute zusammentreffen können50. Zu berücksichtigen ist aber, dass der BGH in den beiden zitierten Urteilen das jeweils streitige Rechtsverhältnis als Innengesellschaft qualifiziert und von daher die Rechtsfolgen abgeleitet hat. Insofern kam es auf die Begrifflichkeit von Treuhand bzw. Unterbeteiligung nicht an. Für die Vertragspraxis sollte aber darauf abgestellt werden, dass ein Treuhandverhältnis üblicherweise dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesellschaftsanteil bei Beendigung des Rechtsverhältnisses herauszugeben ist, demgegenüber die Unterbeteiligung an ihrem Ende einen Geldanspruch des Unterbeteiligten vermittelt51. Ist Letzteres – wie bei „Unterbeteiligungsverträgen“ regelmäßig – der Fall, dann bleibt es bei den hier vertretenen Bedenken, einen an einer Kapitalgesellschaft Unterbeteiligten im Gegensatz zum still Beteiligten als Inhaber einer Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu betrachten.

VI. Anwartschaften auf Beteiligungen Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG auch „Anwartschaften auf Beteiligungen“. Dabei ist der Begriff der Anwartschaft offensichtlich der zivilrechtlichen Dogmatik entlehnt. Zivilrechtlich sind Anwartschaftskonstellationen Vorstufen zu einem Vollerwerb eines Rechts. Man geht davon aus, dass mit dem Fortschreiten eines gestreckten Erwerbsvorgangs die Position des Erwerbers immer sicherer wird. Wenn ein gewisser Grad rechtlicher Sicherung erreicht ist, insbesondere bei einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts die Rechtsposition des Erwerbers nicht mehr durch einseitige Erklärung des Veräußerers zerstört werden kann, handelt es sich um eine (sachenrechtliche) Anwartschaft52. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1975 hat der BFH Zweifel geäußert, ob diese zivilrechtliche Definition unverändert in das Steuerrecht übernommen werden kann53.

__________ 48 Oben V. am Anfang. 49 So Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 6. Aufl. 2003, Rz. 30.08. 50 BGH, NJW 1994, 2886; BGH, GmbHR 1995, 57; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 63 I 2 b. 51 Pupeter, GmbHR 2006, 910, 911 f. 52 BGH, NJW 1955, 544; Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl. 2007, § 925 BGB Rz. 23 ff. 53 BGH v. 20.2.1975, BStBl. II 1975, S. 505.

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Zumindest unscharf ist es, wenn im Schrifttum54 formuliert wird, dass die in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG erwähnte Anwartschaft nicht voraussetze, dass das Rechtssubjekt rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer sei. Entweder handelt es sich um rechtliches Eigentum oder die mit dem (zivilrechtlichen) Anwartschaftsrecht getroffenen Wertungen führen zu einer Zurechnung, die die Figur des wirtschaftlichen Eigentums entbehrlich machen. Von diesem Einwand abgesehen besteht in Parallele zur zivilrechtlichen Dogmatik Einigkeit darüber, dass eine Anwartschaft erst dann gegeben ist, wenn sie im Rechtsverkehr als bereits gegenwärtige Vermögensposition angesehen wird, wobei allerdings unklar bleibt, wie sich der dem Zivilrecht entlehnte Begriff des Anwartschaftsrechts auf den Erwerb von kapitalgesellschaftsrechtlichen Anteilen übertragen lässt55. Sicher ist nur, dass in erster Linie Bezugsrechte (§ 186 AktG) betroffen sind. Dies gilt auch für GmbHGeschäftsanteile, wenn durch Satzung oder Kapitalerhöhungsbeschluss ein entsprechendes Recht begründet wird56. Problematisch ist aber, ob es sich um Anwartschaften des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG handelt, wenn rein schuldrechtliche Positionen aus Kauf- oder Verkaufsoptionen, Vorkaufsrechten usf. bestehen. Zum Teil wird ganz allgemein formuliert, dass schuldrechtliche Ansprüche gegen einen Kapitalgesellschafter auf Übertragung einer Beteiligung als Anwartschaft zu betrachten sind57. Die überwiegende Ansicht stellt darauf ab, dass derartige Rechte eine noch zu schwache Position des potentiellen Erwerbers vermitteln, um sie dem Besteuerungstatbestand des § 17 EStG unterfallen zu lassen58. Dies ist sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich überzeugend. Anders als Anwartschaften richten sich nämlich Vorkaufsrechte usf. grundsätzlich nicht gegen die Gesellschaft selbst, und ein rein schuldrechtlicher Anspruch gegen einen bisherigen Gesellschafter auf Anteilsübertragung kann der relativ starken Position eines Anwartschaftsberechtigten nicht entsprechen, so dass der Tatbestand des § 17 EStG nicht einschlägig sein kann. Im Übrigen ist bei Anwartschaften des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG immer zu berücksichtigen, dass die Gefahr besteht, dass dieselbe Beteiligung zugleich mehreren Anteilseignern zugerechnet wird. Letztlich hat die Unklarheit über den Begriff der Anwartschaft des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG ihre Ursache in der offenbar vom Gesetzgeber – in Anlehnung an eine zivilrechtliche Terminologie – gewollten wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Da der Grundtatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1, 3 EStG auf die formale und nominelle Kapitalbeteiligung des Vollrechtinhabers abstellt,

__________ 54 Ernst & Young/Schulte (Fn. 7), § 17 EStG Rz. 33. 55 Vgl. Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer (Fn. 1), § 17 EStG Rz. 90. 56 Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 43; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 27. 57 Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 28. 58 Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer (Fn. 1), § 17 EStG Rz. 90; Ernst & Young/Schulte (Fn. 7), § 17 EStG Rz. 34; Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 47.

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sollten die systematisch subsidiären „Ersatztatbestände“ in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG restriktiv verstanden werden, um Rechtsklarheit zu gewährleisten.

VII. Kapitalersatz Liegt eine Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, dann kann im Falle eines Verlustes mit der Beteiligung im Zuge einer Veräußerung oder der Liquidation der Kapitalgesellschaft der Anteilseigner seinen Verlust, und zwar hälftig nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, geltend machen. Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu entscheiden, ob eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung nach §§ 32a, b GmbHG in der Lage ist, unter Einrechnung in das nominelle Kapital eine qualifizierte Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu begründen59. Dies wird von der herrschenden Meinung verneint60 und ist im Ergebnis überzeugend, weil eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung eben keine Gesellschaftsrechte vermittelt. Im Übrigen geht die heutige Dogmatik in der Rechtsprechung des BGH vom Grundsatz einer Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters aus, formuliert aber dann eine Finanzierungsfolgenverantwortung, mit welcher die Eigenkapitalersatzregeln den Gesellschafter allein an den Folgen einer tatsächlichen Finanzierungsentscheidung festhalten wollen61. Das Eigenkapitalersatzrecht hat letztlich den Zweck, dass der Gesellschafter das von ihm übernommene Finanzierungsrisiko nicht durch den gewählten Rechtstypus, die Finanzierungstechnik, auf die Gläubiger der Gesellschaft verlagern kann. Damit geht es also um Gläubigerschutz, nicht aber um die Frage, mit welcher „Beteiligungsstärke“ ein GmbH-Anteilseigner an der Gesellschaft beteiligt ist. Damit ist nach Auffassung der einschlägigen Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH aber noch nichts darüber gesagt, ob der Gesellschafter im Falle eines Verlustes die eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung als nachträgliche Anschaffungskosten geltend machen kann, um sie auf diese Art und Weise in das Verlustausgleichspotential nach § 17 EStG mit einzubeziehen. Im Ergebnis existiert hier ein Sonderrecht aufgrund des sog. normspezifischen Anschaffungskostenbegriffs zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG62. Aufgrund dieses normspezifischen Anschaffungskostenbegriffs können zu den Anschaffungskosten einer privaten kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung auch nachträgliche Aufwendungen gehören, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften

__________ 59 Die Frage spielte früher – Aufgriffsschwelle des § 17 EStG mehr als 25 v. H. bzw. 10 v. H. und mehr – eine größere Rolle. 60 Dazu schon oben IV. 61 BGHZ 127, 17; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, §§ 32a/b GmbHG Rz. 4; Scholz/K. Schmidt (Fn. 9), §§ 32a, 32b GmbHG Rz. 4. 62 BFH v. 24.4.1997, BStBl. II 1999, S. 339; BFH v. 4.11.1997, BStBl. II 1999, S. 344; BFH v. 10.11.1998, BStBl. II 1999, S. 348; auch BMF, BStBl. I 1999, S. 545; Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 220 ff.

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aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH und an die Normierung in §§ 32a, b GmbHG wird diese gesellschaftsrechtliche Veranlassung bejaht und mit nachträglichen Anschaffungskosten kurzgeschlossen63. Wenn die BFH-Rechtsprechung an das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht anknüpft, um auf diese Art und Weise den nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG beteiligten Gesellschaftern „zu helfen“, so ist das sicherlich für die Steuerpflichtigen sympathisch. Trotzdem ist die Bemühung des steuerrechtlichen Nettoprinzips in der Rechtsprechung eher wenig überzeugend, weil es den „Kunstgriff“ überdeckt, dass ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen des GmbH-Gesellschafters, welches eben kein Mitgliedschaftsrecht verkörpert, mit dem Argument der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts in die Beteiligung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG einbezogen wird. Im Schrifttum ist schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich die Geltendmachung von Anschaffungskosten bei § 17 EStG und das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen64. Der BFH wird sich aufgrund der nicht rechtskräftigen Entscheidung des FG Düsseldorf65 demnächst dieser Grundsatzfrage stellen müssen. In der Entscheidung geht es um die umstrittene Problematik, ob es zu Anschaffungskosten nach § 17 EStG auch dann kommt, wenn die Eigenkapitalersatzregeln, beispielsweise aufgrund § 32 Abs. 3 Satz 2, 3 GmbHG, nicht anwendbar sind. Das wird von der Finanzverwaltung verneint66. Demgegenüber meint das FG Düsseldorf, dass das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG nichts am Charakter der gewährten, aber gesellschaftsrechtlich privilegierten Darlehen als Eigenkapitalersatz ändere. Mithin liege eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vor. Die Auffassung des FG Düsseldorf ist materiell gesellschaftsrechtlich überzeugend. Hinzuweisen ist bezüglich § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG auf den Meinungsstreit, ob der in Rede stehende Kredit vor Inkrafttreten der Norm gewährt sein kann67 sowie auf die weitere Frage, wie es sich mit der Dauer des Sanierungsprivilegs des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG verhält. Hier ist zu entscheiden, ob nach einer Sanierung das zuvor privilegierte Darlehen als normale Verbindlichkeit qualifiziert wird, welches dann aber wieder nach den Regeln für stehengelassene Gesellschafterdarlehen behandelt werden könnte68. Durch § 32a Abs. 3 Satz 2, 3 GmbHG sollen ganz offensichtlich die

__________ 63 Zu den Fallgruppen und zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten z. B. Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 222 m. w. N. 64 Z. B. Kirchhof/Gosch (Fn. 13), § 17 EStG Rz. 220, 222; Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 3), § 17 EStG Rz. 173. 65 V. 17.10.2005, DStRE 2006, 914. 66 OFD Düsseldorf, GmbHR 2002, 1262. 67 Baumbach/Hueck/Fastrich (Fn. 8), § 32a GmbHG Rz. 17; Scholz/K. Schmidt (Fn. 9), §§ 32a, 32b GmbHG Rz. 209. 68 Lutter/Hommelhoff (Fn. 61), §§ 32a, b GmbHG Rz. 87.

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Regeln über den Eigenkapitalersatz ausgeschaltet werden, was aber nichts daran ändert, dass beispielsweise nach dem Ende einer Sanierung die üblichen Kapitalersatzgrundsätze wieder angewendet werden können. Anders formuliert: Die privilegierten Darlehen sind aus den Eigenkapitalersatzregeln herausgenommen, unterliegen aber latent wieder diesen Grundsätzen. Insofern ist es zutreffend, dass die gesellschaftsrechtlichen Privilegien nichts am materiellen Eigenkapitalersatz ändern. Eine ganz andere und grundsätzliche Frage ist es aber, ob das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht tatsächlich geeignet ist, zu steuerrechtlichen Anschaffungskosten zu führen. Die Funktionen des steuerrechtlichen Anschaffungskostenabzugs einerseits und des zivilrechtlichen, gläubigerschützenden Kapitalersatzrechts andererseits sind nämlich grundverschieden, so dass es steuerrechtlich bei der Grundentscheidung des Anteilseigners bleiben muss, Fremdkapital zu geben, welches dann auch nicht in die Anschaffungskosten eingerechnet werden kann.

VIII. Kapitalerhöhung Wie kompliziert sich die vordergründig einfache Anbindung des § 17 EStG an das Gesellschaftsrecht darstellen kann, zeigt schließlich die Fallgruppe der Kapitalerhöhung. Wird das Kapital einer Beteiligungsgesellschaft erhöht, so kann die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG bislang steuerrelevante Beteiligung eines Steuerpflichtigen zu einer nicht mehr erheblichen werden, wenn sich dieses Steuersubjekt an der Kapitalerhöhung nicht beteiligt und keine neuen Anteile zeichnet. Wird aus einer qualifizierten eine nicht qualifizierte Beteiligung, dann kann der betreffende Steuerpflichtige diesen Anteil nach fünf Jahren nicht steuerbar veräußern. Die sich aus Kapitalerhöhungen ergebenden Probleme hängen damit zusammen, dass die (effektive) Kapitalerhöhung in einem mehrstufigen Verfahren vonstatten geht69. Im Sachverhalt der Entscheidung des BFH vom 14.3. 200670 war im Zuge einer Kapitalerhöhung aus einer nominell steuerverstrickten Beteiligung nach § 17 EStG eine nominell nicht steuerverstrickte Beteiligung geworden, doch lagen zwischen der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister und der Veräußerung durch den betreffenden Steuerpflichtigen weniger als fünf Jahre. Nach Auffassung des Steuerpflichtigen war § 17 EStG nicht anzuwenden, weil die Fünf-Jahresfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG schon mit Entstehen des Übernahmerechts eines anderen Subjekts aufgrund des früheren Gesellschafterbeschlusses begonnen hatte. Im Übrigen meinte der Steuerpflichtige, der zur Kapitalerhöhung

__________ 69 Näher Baumbach/Hueck/Zöllner (Fn. 8), § 56 GmbHG Rz. 8; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, Rz. 6.13 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 20 Rz. 1 ff., § 39 Rz. 3 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, §§ 29 III, 37 V. 70 BFH/NV 2006, 1908.

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Zugelassene habe ein Anwartschaftsrecht nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG schon vor der Eintragung in das Handelsregister erworben, so dass sich schon zu diesem Zeitpunkt die Beteiligungsquote des nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafters geändert habe. Der BFH erteilt dieser Betrachtung eine Absage und meint, die Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG beginne erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister zu laufen. Der BFH misst auch der Besonderheit des Sachverhalts keine Bedeutung bei, dass sich der nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmende Gesellschafter gegenüber dem Mitgesellschafter verpflichtet hatte, sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung schon vor dem Wirksamwerden des Kapitalerhöhungsbeschlusses so auszuüben, als habe sich seine Beteiligung bereits unter die Aufgriffsgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vermindert. Die skizzierte BFH-Entscheidung macht mehrere Grundprobleme des § 17 EStG deutlich: Der BFH bestätigt seine Auffassung, dass sich die Beteiligungsquote des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls nach § 14 GmbHG, nach dem Betrag der übernommenen Stammeinlage richtet. Das folge insbesondere aus der zivilrechtlichen Anbindung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Aus dieser Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts folge auch, dass eine Kapitalerhöhung wie jede Satzungsänderung (§ 54 GmbHG) erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam werde. Das ist zutreffend, weil erst in diesem Zeitpunkt das neue Mitgliedschaftsrecht entsteht71. Erst in diesem Zeitpunkt ist der aus dem Kapitalerhöhungsbeschluss und der Übernahme bestehende Erwerbstatbestand erfüllt, weil die Handelsregistereintragung gleichzeitig Wirksamkeitsvoraussetzung für den Erhöhungsbeschluss als auch Bedingung für den Übernahmevertrag darstellt. Von grundsätzlichem Interesse sind dann die weiteren Ausführungen der Entscheidung, die sich mit der schon oben72 erörterten Frage auseinandersetzen, ob die Einbeziehung von Anwartschaftsrechten auf eine Beteiligung und „ähnlichen Beteiligungen“ bei der Ermittlung der Beteiligungsquote gerechtfertigt ist. Nach Auffassung des Steuerpflichtigen sollte das einer anderen Person eingeräumte Bezugsrecht die Beteiligungsquote des Ursprungsgesellschafters mindern. Der BFH73 ist im Ergebnis der Auffassung, dass Anwartschaften zwar wie eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu behandeln sind, dass sie aber nicht in die Kapitalberechnung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG einzurechnen sind. Das führt dann zwar zu einer Diskrepanz zwischen § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, ist aber für den Fall einer Kapitalerhöhung zu tolerieren, weil nämlich die Entstehung des Bezugsrechts (Anwartschaftsrechts) noch nicht

__________ 71 Z. B. BGHZ 68, 196; Scholz/Priester, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 55 GmbHG Rz. 117, § 57 GmbHG Rz. 33. 72 Unter V. 73 V. 14.3.2006, BFH/NV 2006, 1908, 1911.

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zu einer Veränderung des Stammkapitals und der Beteiligungsquoten führt. Hier zeigt sich schließlich prototypisch die Gefahr einer vom Steuergesetzgeber gewählten wirtschaftlichen Betrachtungsweise. In § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG wird in strikter Anbindung an das Gesellschaftsrecht auf die nominelle Beteiligungsquote abgestellt, demgegenüber § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG auch Positionen erfasst, die technisch nicht gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaften vermitteln. Indem der BFH – insofern strikt dem Gesellschaftsrecht folgend – die Entstehung des Bezugsrechts noch nicht mit der Beteiligung am Stammkapital und der Beteiligungsquote gleichsetzt, wird er damit zwar der Idee des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gerecht, muss dann aber das überraschende Ergebnis hinnehmen, dass es im konkreten Sachverhalt zu einer Doppelerfassung über § 17 EStG kommen kann. Der nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmende Gesellschafter bleibt zunächst steuerverstrickt, und die FünfJahres-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG läuft mit Eintragung ins Handelsregister. Der Bezugsberechtigte ist von vornherein Inhaber einer Anwartschaft nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG74! Ihm wird ein Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts des bisherigen Gesellschafters75 als eigene (steuerverstrickte) Position zugerechnet.

IX. Schlussbemerkung Damit soll der Streifzug durch die gesellschaftsrechtlichen Fragen des § 17 EStG, die hier nicht alle aufgegriffen werden konnten, beendet werden. Es hat sich gezeigt, dass die von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG nahegelegte Maßgeblichkeit der gesellschaftsrechtlichen Situation von der steuerrechtlichen Dogmatik prinzipiell umgesetzt wird. Einige Ungereimtheiten ergeben sich durch die in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG formulierten „ähnlichen Beteiligungen“. Indem der Steuergesetzgeber auch wirtschaftlich vergleichbare Konstellationen erfassen will, gerät er in Konflikt mit den Grundtatbeständen echter kapitalgesellschaftsrechtlicher Beteiligungen.

__________ 74 BFH v. 19.4.2005, BStBl. II 2005, S. 762; BFH v. 14.3.2006, BFH/NV 2006, 1908, 1910 m. w. N. 75 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 20 Rz. 12 f.; Scholz/ Priester (Fn. 71), § 55 GmbHG Rz. 45.

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Von „bubble laws“ und „quack regulation“ – Zur Kritik kriseninduzierter Reformgesetze im Aktien- und Kapitalmarktrecht Inhaltsübersicht I. Kriseninduzierte Reformgesetze in der Geschichte des Aktien- und Kapitalmarktrechts 1. Deutschland a) Aktienrechtsreform von 1884 b) Börsengesetz von 1896 c) Notverordnung von 1931 2. Vereinigte Staaten a) Blue Sky Laws der Einzelstaaten ab 1909 b) Securities Act 1933 und Securities Exchange Act 1934 II. Kriseninduzierte Reformgesetze in der Gegenwart des Aktien- und Kapitalmarktrechts 1. Deutschland a) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich von 1998 b) Viertes Finanzmarktförderungsgesetz von 2002 c) Abschlussprüfer-Richtlinie und Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz von 2006

2. Vereinigte Staaten a) SEC-Rule und Börsenzulassungsbedingungen von 1999 b) Sarbanes Oxley-Act von 2002 III. Entstehungsbedingungen und Gefahren kriseninduzierter Reformgesetze 1. „Bubble laws“ als besondere Gesetzeskategorie 2. Entstehungsbedingungen kriseninduzierter Reformgesetze a) Verzerrte Wahrnehmung b) Übermäßiger Zeitdruck 3. Gefahren kriseninduzierter Reformgesetze a) Überregulierung b) Symbolgesetzgebung IV. Institutionelle Vorkehrungen für kriseninduzierte Reformgesetze 1. Hinausschieben der Reformgesetze? 2. Zeit- oder Experimentiergesetze? 3. Gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung der Reformmaßnahmen 4. Verstetigung des Reformprozesses?

Hans-Joachim Priester, dem dieser Beitrag in herzlicher Verbundenheit als Mitherausgeber der ZGR gewidmet ist, hat über alltäglichen Auslegungsfragen die großen rechtspolitischen Linien des Gesellschaftsrechts nie aus dem Auge verloren. So verwundert es nicht, dass er seine Stimme in der Gegenwartsdebatte über die GmbH-Reform wiederholt erhoben und vor allzu voreiligen Reformschritten gewarnt hat1. Das ermuntert den Verfasser, einige Gedanken zu einem ähnlichen Grundproblem im Aktien- und Kapital-

__________ 1 Vgl. etwa Priester, Die deutsche GmbH nach Inspire Art – brauchen wir eine neue?, DB 2005, 1315; ders., „GmbH light“ – ein Holzweg!, ZIP 2005, 921.

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marktrecht vorzutragen, das bisher nicht genügend Beachtung gefunden hat: den Gefahren kriseninduzierter Reformgesetze und den Möglichkeiten, ihnen durch vorbeugende oder begleitende Maßnahmen zu begegnen.

I. Kriseninduzierte Reformgesetze in der Geschichte des Aktienund Kapitalmarktrechts 1. Deutschland Die Geschichte des deutschen Aktien- und Kapitalmarktrechts ist über weite Strecken eine solche kriseninduzierter Legislativakte2. Zahlreiche Reformgesetze, große und kleine, bedeutende und weniger bedeutende, gingen hierzulande auf handfeste Skandale und spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche zurück. Einige von ihnen folgten dem Platzen einer Spekulationsblase auf dem Fuße. All dies ist rechtshistorisch so gut abgesichert, dass hier eine gedrängte Zusammenstellung genügen mag. a) Aktienrechtsreform von 1884 Eine Chronik kriseninduzierter Reformgesetze in Deutschland hat mit der Aktienrechtsreform von 1884 zu beginnen. Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber hatte durch die Aktienrechtsnovelle von 1870 das Konzessionssystem und damit die Kontrollfunktion der Staatsaufsicht abgeschafft3. Es folgte ein unvergleichlicher Gründungsboom, der allein in den Jahren 1871 bis 1873 in Preußen 843 neu gegründete Aktiengesellschaften hervorbrachte4. Nicht minder spektakulär fiel der Niedergang dieser sog. Gründerzeit aus, der sich mit dem Wiener Börsenkrach vom Mai 18735 und dem Ende der Quistorpschen Bank im Oktober desselben Jahres ankündigte. Die Verluste, welche die Anleger dabei erlitten, dürften sich auf mehr als eine halbe Milliarde Mark summiert haben. In der Amtlichen Begründung zur Aktienrechtsreform von 1884 sprach man von einem „düsteren Bild“ des „schwindelhaften Emporschießens der Aktienunternehmungen und ihrem unaufhaltsamen Zusammensturz“6. Der wortmächtige Rudolph von Ihering wählte in

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2 Vgl. für das Kapitalmarktrecht Fleischer, Gutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 2004, F 14; Zimmer in Schwintowski (Hrsg.), Entwicklungen im deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht, 2001, S. 39 ff.; für das Aktienrecht Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 26 II 2, S. 761. 3 Zu den Reformimpulsen aus zeitgenössischer Sicht Goldschmidt, ZHR 30 (1885), 69; rückblickend Schubert, ZGR 1981, 285. 4 Statistisches Material in der Allgemeinen Begründung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 7.3.1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 387, 408 ff. 5 Eingehend Kalss/Burger/Eckert, Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts, 2003, S. 130 ff. mit zahlreichen zeitgeschichtlichen Nachweisen. 6 Amtliche Begründung (Fn. 4), S. 411.

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seinem 1877 erschienenen Spätwerk noch drastischere Worte: „Das vernichtende Urteil, welches eine Kursliste aus der Zeit seit der letzten Katastrophe (1873), verglichen mit einer aus der Periode der Gründungen, über unser ganzes Aktienwesen ausspricht, lässt sich durch nichts beschönigen. Sie führt uns das Bild eines Schlachtfeldes oder eines Kirchhofes vor Augen – Blutlachen, Leichen, Gräber – Marodeure, Totengräber – nur letztere sind wohlauf, denn nur sie allein haben gewonnen!“7 Bei solchen Schädigungen konnte es nicht ausbleiben, dass an den Gesetzgeber ein „Nothruf nach Abhülfe“8 erging. Die Ministerialbürokratie leitete noch 1873 einen umfangreichen Reformprozess ein9 und beauftragte unter anderem das Reichsoberhandelsgericht mit der Erstattung eines Gutachtens über die verschiedenen Spielarten des Gründungsschwindels und gesetzliche Möglichkeiten ihrer Bekämpfung10. Die im Jahre 1884 verabschiedete Aktienrechtsnovelle war ungeachtet der inzwischen verstrichenen Zeit so von den Ereignissen und Krisenerscheinungen der Gründerjahre geprägt11, dass ein Beobachter gar von einem „Gelegenheitsgesetz“12 sprach. Die Normativbestimmungen für die Gründung wurden ebenso verschärft wie die Gründerhaftung; die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats erfuhr eine wichtige Präzisierung, indem die gleichzeitige Zugehörigkeit einer Person zu Vorstand und Aufsichtsrat verboten wurde13. b) Börsengesetz von 1896 Als ein Lehrstück kriseninduzierten Handelns darf auch der Entstehungsprozess des Börsengesetzes von 1896 gelten. Frühere Anläufe, die verstreuten Quellen des Börsenrechts in einer geschlossenen Kodifikation zusammenzuführen, waren über Reichstagspetitionen nie hinausgelangt14. Das Fenster für rechtspolitische Reformen öffnete sich erst, als im Jahre 1891 verschiedene Skandale den ohnehin angekratzten Ruf des Börsenwesens15 endgültig ruinierten: Causa impulsiva war der Konkurs der Londoner Baring Bank, der

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7 v. Ihering, Der Zweck im Recht, Erster Band, hier zitiert nach einem reprographischen Nachdruck der 4. Auflage von 1904, herausgegeben von Helfer, 1970, S. 173. 8 Amtliche Begründung (Fn. 4), S. 411. 9 Dazu im einzelnen Assmann in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1992, Einl. B Rz. 105 ff. 10 Das umfangreiche, mehr als 400 Seiten dicke Gutachten vom 31.3.1877 ist auszugsweise abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Fn. 4), S. 157 ff. 11 So auch der Befund bei Assmann in Großkomm.AktG (Fn. 9), Einl. B Rz. 89. 12 K. Lehmann, Das Recht der Aktiengesellschaften, Bd. I, 1898, S. 81. 13 Für eine eingehende Analyse Hommelhoff in Schubert/Hommelhoff (Fn. 4), S. 53, 64 ff., 91 ff. 14 Dazu die Nachweise bei Nußbaum, Kommentar zum Börsengesetz, 1910, Einl. Kap. I b, S. XVI f. 15 Repräsentativ die Parlamentsrede des preußischen Eisenbahnministers Albert Maybach mit dem später vielzitierten Bild von der Börse als dem „Giftbaum [...], der auf das Leben der Nation seinen verderblichen Schatten wirft.“, vgl. Stenographische Berichte des Preußischen Abgeordnetenhauses, Session 1879/80, 109.

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die Zusammenbrüche der Privatbank Hirschfeld & Wolff sowie des Bankhauses Friedländer und Sonnenfeld nach sich zog: Beide Banken hatten Kundengelder für verbotene Terminspekulationen verwendet und konnten die Einlagen infolge sinkender Kurse nicht mehr zurückzahlen16. Hinzu kamen Depotveruntreuungen kleinerer Bankhäuser17. Spektakuläre Strafprozesse führten der Bevölkerung anschließend das Ausmaß der Schäden und die Skrupellosigkeit der Schädiger vor Augen18. Vor diesem Hintergrund wurden Forderungen nach einer stärkeren Kontrolle des Börsengeschäftsverkehrs lauter. Reichskanzler Caprivi setzte daraufhin im Februar 1892 eine Börsen-Enquête-Kommission mit dem Auftrag ein, die Missstände zu ergründen und Vorschläge für eine Reform des Börsenwesens zu erarbeiten. Die Kommission erstattete nach 19 Monaten Beratung im November 1893 einen umfangreichen Abschlussbericht19, der dem sodann erarbeiteten Gesetzesentwurf als wesentliche Grundlage diente. In seiner endgültigen Fassung wurde das Börsengesetz am 24. Juni 1896 veröffentlicht und trat am 1. Januar 1897 in Kraft20. c) Notverordnung von 1931 Die 1929 heraufziehende Weltwirtschaftskrise hinterließ im Banken- und Finanzwesen der Weimarer Republik schon bald tiefe Spuren: Beginnend mit dem Zusammenbruch der traditionsreichen Frankfurter Allgemeinen Versicherung AG (Favag) im August 192921 und der Zahlungseinstellung der altangesehenen Norddeutschen Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei (Nordwolle) im Frühjahr 1930, folgten im Krisenjahr 1931 zahlreiche weitere Unternehmenszusammenbrüche. Kaum ein Monat verging, in dem nicht neue Aktienskandale aufgedeckt wurden22. Max Hachenburg resümierte in der Einleitung seines einflussreichen HGB-Kommentars: „Das Vertrauen des Publikums zu den AG war verloren. Die Kurse, soweit überhaupt solche trotz Schließens der Börse bekannt waren, wirkten deprimierend.“23 Der Reichspräsident sah sich durch diese Vertrauenserosion zu raschem Handeln

__________ 16 Näher Merkt, Beiträge zur Börsen- und Unternehmensgeschichte, 2001, S. 213 f. 17 Dazu Gömmel in Pohl (Hrsg.), Deutsche Börsengeschichte, 1992, S. 133 (170); Schulz, AG 1996, 260. 18 Vgl. Göppert in Elster u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl. 1924, Stichwort Börsenwesen, S. 999 (1000). 19 Vgl. Bericht und Beschlüsse der Börsen-Enquête-Commission (1894) mit Verhandlungsprotokollen von (erdrückenden) 3622 Seiten. 20 RGBl. 1896, S. 157. 21 Dazu Spier, Zentralblatt für Handelsrecht 1929, 209. 22 Aufschlußreich Gottschalk, Die Lehren aus den Aktienskandalen der Nachkriegszeit, 1934, S. 11 ff. mit einem kurzen Abriss der wichtigsten Fälle und S. 27 ff. mit einer fallübergreifenden Analyse. 23 Hachenburg, Die Aktiengesellschaft im Leben der Wirtschaft, in Düringer/ Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1934, III. Band, 1. Teil, Einleitung, Rz. 31.

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gezwungen und reagierte noch im September 1931 mit einer Notverordnung24. Zu ihren Kernelementen zählten eine Ausweitung der Berichts- und Rechnungslegungspflichten des Vorstands, die Einführung einer Pflichtprüfung des Jahresabschlusses von Aktiengesellschaften durch sachverständige Prüfer, restriktivere Vorschriften über den Rückerwerb eigener Aktien und strengere Vorschriften über Kreditgeschäfte der Gesellschaft mit ihren Verwaltungsmitgliedern25. 2. Vereinigte Staaten Auch die Geschichte des U.S.-amerikanischen Aktien- und Kapitalmarktrechts wird gesäumt von kriseninduzierten Reformgesetzen der Einzelstaaten und des Bundes. Schon der erste bedeutende Legislativakt auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts überhaupt, der New Yorker „Act to prevent the pernicious practice of stock jobbing, and for regulating sales at public auctions“ vom April 179226, erging unmittelbar nach dem großen Marktzusammenbruch desselben Jahres27. a) Blue Sky Laws der Einzelstaaten ab 1909 Einen geeigneten Ausgangspunkt für die hiesige Betrachtung bieten die ersten einzelstaatlichen Gesetze zur allgemeinen Regulierung des Wertpapierhandels vom Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Sie verdankten ihr Entstehen Missbräuchen und Betrügereien zulasten der lokalen Anlegerschaft im Mittleren Westen28. Diese sollte – nach der inzwischen klassisch gewordenen Wendung – geschützt werden vor „promotor[s] who would sell building lots in the blue sky in fee simple“29. Zu diesem Zweck machten zunächst Nevada (1909) und Kansas (1911), später sämtliche Einzelstaaten, die Zulassung eines Wertpapiers zum öffentlichen Handel von einer behörd-

__________ 24 Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19.9.1931, RGBl. I, S. 493. 25 Zusammenfassend Assmann in Großkomm.AktG (Fn. 9), Einl. B Rz. 105; speziell zu den Vorstands- und Aufsichtsratskrediten Sintenis, Bank-Archiv 1930, 461, 465: „Wir haben es hier sicherlich mit einer Auswirkung des Zusammenbruchs der Frankfurter Versicherungs-Gesellschaft zu tun.“; ferner Fleischer, WM 2004, 1057. 26 Zu ihm Banner, Anglo-American Securities Regulation, 1998, S. 172 ff.; rezensiert von Maloney, 66 U. Chi. L. Rev. 1373 (1999), der insgesamt stärker auf das rent seeking von Interessengruppen abstellt. 27 Dazu Banner, 75 Wash. U.L.Q. 849, 850 (1997): „The first significant American securities regulation, passed in 1792 in New York, followed the big crash of that year.“ 28 Vgl. Loss/Cowett, Blue Sky Laws, 1958, S. 7 f.; Seligman, The Transformation of Wall Street, 1982, S. 44 f.; für ein differenziertes Bild Macey/Miller, 70 Tex. L. Rev. 347 (1991), die den Einfluss gut organisierter Interessengruppen betonen, ohne die weit verbreiteten Betrügereien zu leugnen. 29 Mulvey, Blue Sky Law, 36 Can. L. Times 37 (1916).

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lichen Genehmigung abhängig30. Die Prüfung der Aufsichtsbehörden bezog sich anhand strenger inhaltlicher Kriterien auf die Qualität der Wertpapiere (sog. merit approach). b) Securities Act 1933 und Securities Exchange Act 1934 Weitaus dramatischere Schockwellen als die Betrügereien zu Jahrhundertbeginn löste der Börsenkrach vom Oktober 1929 aus. Zuvor war der Börsenindex von 106 Punkten im Mai 1924 unaufhörlich bis auf 449 Punkte im August 1929 gestiegen, was den Ökonomen Irving Fisher zu der berühmt gewordenen Bemerkung veranlasste, dass „stock prices have reached what looks like a permanently high plateau“31. Am 29. Oktober 1929 platzte die Blase, und das optimistische Bild verkehrte sich binnen kürzester Frist in sein Gegenteil. Rückblickend notiert John Kenneth Galbraith über die Grundstimmung jener Tage: „Within a few days [after the crash], something close to universal trust turned into something akin to universal suspicion.“32 In dieser Situation konnte der Gesetzgeber nicht länger untätig bleiben. An der Frage der richtigen Regelungsphilosophie schieden sich freilich die Geister: Eine starke Fraktion favorisierte auch auf Bundesebene einen merit approach nach dem Vorbild der einzelstaatlichen Blue Sky Laws; die nicht minder gewichtige Gegenauffassung trat für die Einführung umfassender Offenlegungspflichten ein33. Die disclosure-Philosophie trug bekanntlich den Sieg davon, und der Bundesgesetzgeber verabschiedete mit dem Securities Act 1933 und dem Securities Exchange Act 1934 umfassende Reformgesetze, die auf die Urteilskraft des wohlinformierten, mündigen Anlegers vertrauten34.

II. Kriseninduzierte Reformgesetze in der Gegenwart des Aktienund Kapitalmarktrechts 1. Deutschland a) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich von 1998 Die aktien- und kapitalmarktrechtliche chronique scandaleuse lässt sich auch in der Gegenwart fortschreiben. Zu Beginn der neunziger Jahre ereigneten sich zahlreiche Unternehmenszusammenbrüche, die durch greifbares

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30 Vgl. Hazen, The Law of Securities Regulation, 5th ed. 2005, § 1.2[2], S. 20 f.; Loss/ Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, 5th ed. 2004, S. 9 ff. 31 Wiedergegeben bei Galbraith, The Great Crash 1929, 1954 (hier zitiert nach der Taschenbuchausgabe von 1961), S. 95. 32 Galbraith (Fn. 31), S. 153. 33 Näher zur „battle of the philosophies“ Loss/Seligman (Fn. 30), S. 32 ff. 34 Vgl. Hazen (Fn. 30), § 1.2[3], S. 21 ff.

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Fehlverhalten von Organmitgliedern und Abschlussprüfern ausgelöst oder begünstigt wurden. Dazu gehörten die riskanten Öltermingeschäfte der Frankfurter Metallgesellschaft AG (1993) und die vorgetäuschten FactoringGeschäfte der Balsam AG (1994) ebenso wie die beträchtlichen Wertberichtigungen bei der Philipp Holzmann AG (1995), die Bilanzmanipulationen bei der Klöckner-Humboldt-Deutz-AG (1996) und die zweckwidrige Verwendung von Subventionen durch die Bremer Vulkan Verbund AG (1996)35. Der Gesetzgeber reagierte auf die sichtbar gewordenen „Schwächen und Verhaltensfehlsteuerungen“36 im System des deutschen Aktienrechts mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)37 aus dem Jahre 1998. Zu dessen wesentlichen Neuerungen gehört die in § 91 Abs. 2 AktG festgeschriebene Vorstandspflicht, geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden38. Gefährdende Entwicklungen sind ausweislich der Regierungsbegründung insbesondere risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften39. An anderer Stelle nennen die Gesetzesmaterialien Geschäfte mit Derivaten40 und nehmen damit kaum verhohlen auf den Fall der Frankfurter Metallgesellschaft Bezug41. b) Viertes Finanzmarktförderungsgesetz von 2002 Im März 1997 richtete die Frankfurter Wertpapierbörse den Neuen Markt als Handelsplattform für junge Technologieunternehmen ein und löste damit einen wahren Going Public-Boom aus: 131 der 167 Frankfurter Neuemissionen des Jahres 1999 fanden dort statt; der Index seiner fünfzig umsatzstärksten Werte stieg von 1997 bis zur Jahresmitte 2000 um etwa 500 % auf über 9.000 Punkte42. Dann platzte die Spekulationsblase, und zurück blieben zahlreiche Anleger, die durch falsche Ad-hoc-Mitteilungen von Gesellschaften wie Infomatec, Comroad und EM.TV irregeführt worden waren43. Der

__________ 35 Umfangreiche Fallstudien mit Belegen von Gerichtsentscheiden und Zeitschriftenberichten bei Lohse, Unternehmerisches Ermessen (2005), S. 10 ff. 36 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11. 37 Gesetz v. 27.4.1998, BGBl. I, S. 786. 38 Eingehend Fleischer in Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 2007, § 91 Rz. 29 ff.; monographisch Hillebrand, Das Früherkennungs- und Überwachungssystem von Kapitalgesellschaften, 2005. 39 Vgl. Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15 l. Sp. 40 Vgl. Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15 r. Sp. 41 Dazu auch Seibert in FS Bezzenberger, 2000, S. 427; monographisch Graf v. Westphalen, Derivategeschäft, Risikomanagement und Aufsichtsratshaftung, 2000, S. 62 ff. und passim. 42 Zahlen nach Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 2002, Rz. 3.65. 43 Umfassende Aufarbeitung des Fallmaterials bei Fleischer in ders. (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 14 Rz. 20 ff.

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Gesetzgeber hat auf diese Serie kapitalmarktbezogener Falschinformationen durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz von 200244 reagiert. Seither gewähren die neu eingeführten §§ 37b, c WpHG Anlegern, die durch unterlassene unverzügliche oder unwahre Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen geschädigt wurden, eine eigene Anspruchsgrundlage. c) Abschlussprüfer-Richtlinie und Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz von 2006 Der Zusammenbruch der US-amerikanischen Firma Enron45, dem in Europa die Fälle Parmalat (Italien) und Ahold (Niederlande) folgten, stürzte Abschlussprüfung, Corporate Governance und die Wertpapiermärkte insgesamt in eine tiefe Vertrauenskrise46. Die Europäische Kommission reagierte auf das verlorene Anlegervertrauen zunächst mit Mitteilungen über geplante Gegenmaßnahmen, die inzwischen zum Teil in der Abschlussprüfer-Richtlinie vom Juni 200647 Gestalt angenommen haben. Nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie hat jedes Unternehmen „von öffentlichem Interesse“ einen Prüfungsausschuss (Audit Committee) einzurichten; außerdem muss mindestens ein Mitglied dieses Prüfungsausschusses unabhängig sein und über Sachverstand in Rechnungslegung und/oder Abschlussprüfung verfügen48. Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind bis zum Juni 2008 in nationales Recht umzusetzen. In eine ganz ähnliche Richtung zielt Art. 4 Abs. 2 lit. c der TransparenzRichtlinie49 mit dem sog. Bilanzeid. Seine Überführung in nationales Recht ist kürzlich durch § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB i. d. F des TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetzes50 erfolgt. Danach sind die gesetzlichen Vertreter einer börsennotierten Kapitalgesellschaft verpflichtet, die Einhaltung der für den Jahresabschluss geltenden Vorgaben des § 264 Abs. 2 HGB bei der Unterzeichnung des Jahresabschlusses schriftlich zu bestätigen. Im einzelnen müssen sie versichern, dass nach bestem Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt oder, wenn dies aufgrund besonderer Umstände nicht der Fall ist, dass im Anhang zusätzliche Angaben gemacht werden51.

__________ 44 BGBl. I, S. 2010; dazu Fleischer, NJW 2002, 2977. 45 Näher unter II 2 b. 46 Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament. Stärkung der Abschlußprüfung in der EU, KOM (2003) 286 endg. vom 21.4.2003, unter 1. „Hintergrund und Einführung“. 47 Richtlinie 2006/43/EG, ABl.EU v. 9.6.2006, L 157/87. 48 Vgl. Langenbucher/Maul, DB 2006, 1505. 49 Richtlinie 2004/109/EG, ABl.EU v. 31.12.2004, L 390/38. 50 BGBl. 2007 I, S. 10. 51 Näher Fleischer, ZIP 2007, 97 ff.

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2. Vereinigte Staaten In den Vereinigten Staaten lässt sich die moderne kriseninduzierte Reformgesetzgebung ebenfalls gut an den Regelungen zum Audit Committee52 und zum internen Kontrollsystem veranschaulichen. Die Parallelen beruhen nicht auf bloßer Koinzidenz, sondern belegen, dass spekulative Übertreibungen auf den Kapitalmärkten häufig globale Züge tragen53. Auch die gesetzgeberischen Reaktionen hierauf zeigen nicht selten ein hohes Maß an Übereinstimmung54. a) SEC-Rule und Börsenzulassungsbedingungen von 1999 Als in den neunziger Jahren unlautere Rechnungslegungspraktiken ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerieten und mit Nachrichten über schlecht besetzte Audit Committees zusammentrafen, beauftragte der damalige SECChairman Levitt eine auch von NYSE und NASD unterstützte Kommission, innerhalb von 90 Tagen Empfehlungen zur stärkeren Einbindung des Audit Committee in die Rechnungslegungskontrolle zu erarbeiten. Deren Abschlussbericht setzte sich für eine gewisse Größe und bestimmte Aufgaben des Audit Committee sowie für die Unabhängigkeit der Ausschussmitglieder ein55. Die SEC setzte die betreffenden Vorschläge noch im Jahre 1999 in einer rule um56, und auch die Zulassungsbedingungen der NASDAQ, der NYSE und der AMEX wurden entsprechend angepasst. b) Sarbanes Oxley-Act von 2002 Eine neue Dimension erreichte der Rechnungslegungsbetrug mit den im Jahre 2001 aufgedeckten Fällen Enron und WorldCom, den größten Insolvenzen in der Geschichte der Vereinigten Staaten57. Vorangegangen war ein gewaltiger Boom, befeuert durch die scheinbar grenzenlosen Wachstumsmöglichkeiten des Internet und die Deregulierung der Telekommunikationsmärkte, in dessen Folge der NASDAQ-Index am 10. März 2000 den Spitzenwert von 5048 Punkten erreichte. Nach dem Platzen der Spekulationsblase traten rasch die betrügerischen Begleiterscheinungen des zunächst verschleierten Niedergangs ans Licht und riefen den Bundesgesetzgeber auf den Plan. Dieser verabschiedete in Rekordzeit umfangreiche Reformmaßnah-

__________

52 Eingehend Maushake, Audit Committees – Prüfungsausschüsse im US-amerikanischen und deutschen Recht, Diss. Bonn 2007, 2. Teil, A. I. 53 Vgl. den Aufsatztitel von Hill, 23 Wis. Int’l L.J. 367 (2005): „Regulatory Responses To Global Corporate Scandals“. 54 Zum Phänomen der „legal transplants“ Fleischer, NZG 2004, 1129. 55 Vgl. Blue Ribbon Committee on Improving the Effectiveness of Corporate Audit Committees, Report and Recommendations, 1999, S. 10 ff. 56 Vgl. die „Final Rule: Audit Committee Disclosure“, SEC, Release No. 34-42266 (Dec. 22, 1999), [64 FR 73389]. 57 Statistisches Material bei Mitchell, 152 U. Pa. L. Rev. 1517, 1518 n. 3 (2004); vgl. auch BankruptcyData.com., The Largest Bankruptcies 1980 – Present.

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men, die nicht nur von Präsident Bush als „the most far-reaching reforms of American business practices since the time of Franklin Delano Roosevelt“58 angesehen werden59. Wichtige Einzelregelungen dieses sog. Sarbanes OxleyAct (SOA) aus dem Jahre 200260 betreffen die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung eines Audit Committee mit genau vorgegebenen Verantwortlichkeiten (sec. 301 SOA)61, die obligatorische Unterzeichnung der bei der SEC einzureichenden Finanzberichte durch CEO und CFO (sec. 302 SOA)62 und die zwingende Einführung eines internen Kontrollsystems (sec. 404 SOA): Danach muss die Unternehmensleitung ein auf die Finanzberichterstattung ausgerichtetes Kontrollsystem einrichten, seine Funktionsfähigkeit regelmäßig prüfen, die Kontrollen dokumentieren und im Jahresabschluss über die Wirksamkeit des Systems berichten. Die Wirtschaftsprüfer müssen diese Erklärungen überprüfen und in ihrem Testat zur Zuverlässigkeit des internen Kontrollsystems Stellung nehmen63.

III. Entstehungsbedingungen und Gefahren kriseninduzierter Reformgesetze 1. „Bubble laws“ als besondere Gesetzeskategorie Vor einer gründlicheren Reflexion ist als empirisch erhärteter Zwischenbefund festzuhalten: Im in- und ausländischen Aktien- und Kapitalmarktrecht neigen Gesetzgeber in Vergangenheit und Gegenwart unmittelbar nach spektakulären Unternehmens- und Börsenzusammenbrüchen zu einschneidenden Reformen64. Ein amerikanischer Kollege hat dafür den anschaulichen Be-

__________ 58 So die Bemerkungen von Präsident Bush bei der Unterzeichnung des Sarbanes Oxley-Act, 38 Weekly Comp. Pres. Doc. 1284 (July 30, 2002). 59 Für ähnliche Vergleiche Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 229, 231 (2003); Ribstein, 40 Hous. L. Rev. 77, 90 (2003). 60 Sarbanes-Oxley-Act of 2002, Pub. L. No. 107-204, 2002 U.S.C.C.A.N. (116 Sta.) 745. 61 Näher etwa Guillory, 94 Ky L.J. 585 (2005); rechtsvergleichend Maushake (Fn. 52), 2. Teil. 62 Dazu Fairfax, 55 Rutgers L. Rev. 1 (2002); Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1540 ff. (2005). 63 Ausführlich Langevoort, 93 Geo. L.J. 285 (2004). 64 Vgl. für das britische Recht Rider, 1 Int. & Comp. Corp. L.J. 271, 296 (2000): „The history of financial service regulation in Britain records that, in the main, reform is scandal driven.“; zum britischen und US-amerikanischen Recht Charkham, Keeping Better Company: Corporate Governance Ten Years On, 2005, S. 5; für das US-amerikanische Recht Grundfest, 8 Stan. J.L. Bus. & Fin. 1 (2002): „From the aftermath of the stock market crash in 1929 that effectively acted as the ‚big bang’ creating the universe of federal securities regulation, through the disclosure of the Enron and WorldCom frauds, every dramatic change in the structure of our securities laws has been provoked by a perceived failure in the capital markets that stimulated a regulatory response.“; Choi, 10 Lewis & Clark L. Rev. 85, 123 (2006): „[O]nly after a scandal arises does the SEC (Congress) typically move forward with new, comprehensive sets of regulation.“

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griff „bubble laws“65 geprägt, der sprachlich und sachlich an die größte Spekulationsblase in der Geschichte des Aktienwesens erinnert: den South Sea Bubble von 1720, in dessen Folge das englische Parlament am 11. Juni 1720 den heute sog. Bubble Act verabschiedete66 – das Urbild kriseninduzierter Reformgesetze. Gemeinsam ist all diesen Reformgesetzen, dass sie unter großem öffentlichem Druck zustande kommen und in kurzer Zeit erarbeitet werden. Zuweilen ist daher auch von „panic regulation“67 oder „emergency legislation“68 die Rede. Bei uns ist der Begriff Notstandsgesetzgebung schon anderweitig besetzt. 2. Entstehungsbedingungen kriseninduzierter Reformgesetze Dass man aus Schaden klug wird und Reformgesetze häufig nichts anderes als geronnene Lebenserfahrung sind, gehört zu den juristischen Grundweisheiten. Nun handelt dieser Beitrag nicht von den unbestreitbaren Lerneffekten unternehmerischer Skandale und börslicher Zusammenbrüche, sondern von allfälligen Gefahren, denen ein übereifriger Reformgesetzgeber ausgesetzt ist. Sie sind national und international noch wenig erforscht69. a) Verzerrte Wahrnehmung Eine erste Gefahr kriseninduzierter Reformakte liegt in der verzerrten Wahrnehmung der Verhältnisse durch den Gesetzgeber. Unter dem Eindruck krisenhafter Zuspitzung sind auch politische Entscheidungsträger nicht davor gefeit, das Ausmaß und die Verbreitung von Missständen im Aktien- und Börsenwesen zu überschätzen70. Die psychologische Verhaltensforschung hat dafür den Begriff der Verfügbarkeitsheuristik (availability heuristic) geprägt71: Danach neigen Menschen dazu, die Wahrscheinlichkeiten jener Er-

__________ 65 So der Titel des Zeitschriftenbeitrages von Ribstein, 40 Hous. L. Rev. 77 (2003). 66 Eingehend Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 6th ed. 1997, S. 24 ff. (in der aktuellen Auflage ist diese Passage nicht mehr enthalten); ausführlich auch Banner (Fn. 26), S. 41 ff. mit umfassenden zeitgeschichtlichen Belegen. 67 Ribstein, 40 Hous. L. Rev. 77, 79 (2003). 68 Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1528 (2005); für eine positivere Einschätzung Prentice/Spence, Sarbanes-Oxley as Quack Corporate Governance: How Wise is the Received Wisdom?, http://accounting.uwaterloo.ca/seminars/Prenticesoxquack2.pdf, S. 60: „Emergency situations demand emergency legislation.“ 69 Erste Ansätze jeweils am Beispiel des US-amerikanischen Sarbanes Oxley-Act bei Clark, 22 Ga. St. U.L. Rev. 251 (2005); und Romano, 114 Yale L.J. 1521 (2005); kritisch demgegenüber Prentice/Spence (Fn. 68), S. 14 ff., 60 f. 70 In diese Richtung auch Ribstein, 2004 Mich. St. L. Rev. 279, 293: „In the regulatory panic that follows a stock market bubble, politicians fail adequately to balance the costs and benefits of regulation.“ 71 Grundlegend Twersky/Kahnemann, 5 Cog. Psychol. 207 (1973); dies., 185 Science 1124, 1127 (1974); aus jüngerer Zeit Sunstein, 97 Nw. U. L. Rev. 1295 (2003) unter dem Titel „What’s Available? Social Influences and Behavioral Economics“.

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eignisse höher einzuschätzen, die sich gerade erst ereignet haben. Hinzu kommt, dass hervorstechende (salient) und bildhafte (vivid) Informationen einen nachhaltigeren Eindruck auf Menschen hinterlassen als unscheinbare Nachrichten72, und dass negative Ereignisse mehr Aufmerksamkeit erfahren als positive73. Es liegt auf der Hand, dass das Platzen einer Spekulationsblase ebenso wie betrügerische Machenschaften börsennotierter Unternehmen als salient evidence anzusehen sind und zu den geschilderten Wahrnehmungsverzerrungen führen können. Die den Unternehmens- und Börsenskandalen in den Medien gewidmete Aufmerksamkeit löst überdies Informationskaskaden aus74, die eine noch zügigere Nachrichtenverbreitung zur Folge haben. Hinzu kommt ein weiteres: Politiker wie Rechtswissenschaftler neigen mitunter dazu, Fallstudien zum Angelpunkt ihrer rechtspolitischen Handlungsempfehlungen zu erheben75. Sie untersuchen etwa, wie es zum Beinahezusammenbruch der Metallgesellschaft oder zum endgültigen Kollaps von Enron kommen konnte76, und bauen darauf ihre politische oder juristische Reformagenda auf77. Ihre Fallanalysen klingen zumeist überzeugend78, doch drängen sich methodologische Einwände geradezu auf: Einzelne Fälle lassen sich nur schwer verallgemeinern; es bedarf vielmehr zusätzlicher Belege, um von einer Einzelfallanalyse zu einer statistisch oder empirisch gehaltvollen Gesamtaussage zu gelangen79. Fehlt es daran, bleiben alle Schlussfolgerungen Pseudo-Diagnostik80.

__________ 72 Näher zum Begriff der „salience“ statt vieler Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1519 (1998); zum Begriff der „vividness“ etwa Schwarz, Zeitschrift für Sozialpsychologie 1982, 343 (344). 73 Näher Baumeister et al., Bad Is Stronger Than Good, 5 Rev. Gen. Psychol. 323 f. (2001): „In general, and apart from a few carefully drafted exceptions, negative information receives more processing and contributes more strongly to the final impression than does positive information.“ 74 Allgemein zu solchen Kaskadeneffekten durch tägliche Wiederholung in den Medien Kuran/Sunstein, 51 Stan. L. Rev. 683 (1999). 75 Allgemein etwa Farber/Sherry, Telling Stories Out of School: An Essay on Legal Narratives, 45 Stan. L. Rev. 807, 808 (1993): „Reliance on case studies and other narratives is hardly new to legal scholarship.“ 76 Für eine Zusammenstellung einschlägiger Beiträge Mitchell, 152 U. Pa. L. Rev. 1517, 1526 ff. (2004) unter der Zwischenüberschrift „Telling Enron Stories“. 77 Allgemein dazu Stone, Causal Stories and the Formation of Policy Agendas, 104 Pol. Sci. Q. 281 (1989); ferner Kingdon, Agendas, Alternatives, and Public Policies, 1984, S. 170 ff., 206 ff. und passim. 78 In allgemeinerem Zusammenhang Rhode, 115 Harv. L. Rev. 1327, 1345 f. (2002): „Narratives often provide a level of eloquence, passion, and immediacy that conventional forms of scholarship rarely duplicate.“ 79 Eingehend Mitchell, 152 U. Pa. L. Rev. 1517, 1583 ff. (2004). 80 Begriff: Dawes in Gilbert et al. (eds.), 1 The Handbook of Social Psychology, 4th ed. 1998, S. 497, 533: „Pseudodiagnosticity“.

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b) Übermäßiger Zeitdruck Neben allfälligen Wahrnehmungsverzerrungen ist großer Zeitdruck der zweite Wegbegleiter kriseninduzierter Reformgesetze. Zwar entscheidet der Gesetzgeber regelmäßig unter zeitlichen Restriktionen81, doch gewinnt der Zeitfaktor bei „bubble laws“ häufig eine übermächtige Rolle. Dass hierunter die Informationsgewinnung leidet und eine prospektive Gesetzesfolgenabschätzung82 in aller Regel ausscheidet, bedarf keiner Vertiefung83. Gesetzestechnische Mängel treten hinzu. Ein Beispiel bilden die eilig verabschiedeten §§ 37b, c WpHG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz84, die nicht nur legistisch misslungen sind, sondern auch durch ihre kaum durchdachte Schadensersatzkonzeption erhebliche Auslegungsschwierigkeiten bereiten85. 3. Gefahren kriseninduzierter Reformgesetze Die geschilderten Entstehungsbedingungen bergen beträchtliche Risiken für die Qualität von „bubble laws“. a) Überregulierung Eine vielfach zu beobachtende Tendenz kriseninduzierter Reformgesetze ist die zur Überregulierung: Der Gesetzgeber tritt den erkannten Missständen durch ein umfangreiches Reformpaket entgegen, ohne sich hinreichend Rechenschaft über die damit verbundenen Folgen abzulegen86. Dies kann leicht zu überschießenden Reformmaßnahmen führen, deren Kosten ihren Nutzen überwiegen87. Ganz in diesem Sinne hat man hierzulande etwa bemängelt, dass die Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems gemäß § 91

__________ 81 Vgl. Schulze-Fielitz, ZG 2000, 295, 299. 82 Zu ihr allgemein Böhret/Konzendorff, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung (GFA), 2001, S. 5 ff. 83 Plastisch Perino, 76 St John’s L. Rev. 671, 672 (2002): „In fact, the first is simply that haste makes waste.“ 84 Vgl. oben II 1 b. 85 Näher Fleischer in Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 7 Rz. 54 ff. 86 Dazu auch Choi, 88 Cal. L. Rev. 279, 318 (2000): „[R]egulators may also suffer from cognitive biases, imposing higher levels of securities regulation when markets drop in value, to protect investors, while ignoring the benefits to investors when the market increases in value.“; ferner Clark, 22 Ga. St. L. Rev. 251, 308 (2005): „Bandwagon-generated reforms may be grossly suboptimal for society and may even be perverse, at least in some respects.“; sowie Schwarcz 70 U. Cin. L. Rev. 1309, 1318 (2002): „Ultimately, the greatest danger of the Enron debacle is our possible overreaction, and consequent over-regulation.“; gleichsinnig Strine, 57 Bus. Law. 1371, 1401 (2002). 87 Vgl. auch Ribstein, 40 Hous. L. Rev. 77, 79 (2003); ferner Clark, 22 Ga. St. L. Rev. 251, 311 (2005): „[T]here is a tendency for people with aroused emotions to prefer bright-line solutions.“

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Abs. 2 AktG nicht auf börsennotierte Gesellschaften begrenzt wurde88. In den Vereinigten Staaten hat sich eine ähnliche Diskussion an den Vorgaben von sec. 404 SOA entzündet, die manchen als Synonym für den Sarbanes Oxley-Act gelten89 und von vielen Unternehmen als bürokratisch empfunden werden. Im Mittelpunkt stehen die von der SEC weit unterschätzten Compliance-Kosten: Waren diese von ihr ursprünglich auf 182000 $ im ersten Jahr veranschlagt worden90, so ergaben spätere Untersuchungen von Financial Executives International durchschnittliche Kosten in Höhe von 4,36 Mio. $ und von Charles River Associates sogar solche von 7,8 Mio. $91. Deutsche Unternehmen, deren Aktien an der NYSE oder der NASDAQ notiert sind, wenden für die Einhaltung von sec. 404 SOA nach seriösen Schätzungen Kosten zwischen 366000 Euro und 8,4 Mio. Euro auf92. Neben den Vorschriften über das interne Kontrollsystem sehen sich auch diejenigen für das Audit Committee zunehmender Kritik ausgesetzt93. Die hitzige Debatte hat inzwischen den Vorhof der Politik erreicht: Der amerikanische Finanzminister Henry Paulson hat im September 2006 einen hochkarätig besetzten Ausschuss einberufen, der Vorschläge für eine Reform des Sarbanes OxleyAct unterbreiten soll94. b) Symbolgesetzgebung Weniger kostenträchtig, aber nicht minder kritikwürdig ist die Neigung kriseninduzierter Reformakte zur Symbolgesetzgebung95: Unter dem Erwartungsdruck der Öffentlichkeit wollen Parlament und Regierung ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und greifen bisweilen auf ebenso symbolträchtige wie wirkungsarme Regelungen zurück. Ein Beispiel bildet der schon erwähnte Bilanzeid96: Blickt man nur auf seine zivilrecht-

__________ 88 Vgl. Hüffer, 7. Aufl. 2006, § 91 AktG Rz. 5; Merkt, AG 2003, 126 (131); referierend Marsch-Barner/Schäfer in dies. (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 1 Rz. 9. 89 Dazu Langevoort, 31 Iowa J. Corp. L. 949 (2006). 90 Vgl. SEC, Final Rule, Release Nos. 33-8238, sub V. 91 Einzelbelege und weitere Nachweise bei Clark, 22 Ga. St. U.L. Rev. 251, 292 (2005). 92 Vgl. Glaum/Thomaschewski/Weber, Auswirkungen des Sarbanes Oxley Acts auf deutsche Unternehmen: Kosten, Nutzen, Folgen für US-Börsennotierungen, 2006, S. 68 ff.; dies., FinanzBetrieb 2006, 182 (188). 93 Vgl. etwa Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1529 ff. (2005); dagegen aber Prentice/ Spence (Fn. 68), S. 28 ff. 94 Vgl. FAZ Nr. 213 v. 13.9.2006, S. 13: „Weniger Marktregulierung in Amerika geplant“. 95 Von „symbolic politics“ und „window dressing“ spricht Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1585 (2005); für eine andere Akzentsetzung Cunningham, 35 Conn. L. Rev. 915, 942 (2003): „The changes are more likely to have psychological than substantive effects – and these may be significant.“ 96 Vgl. oben II 1 c und II 2 b.

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lichen97 Folgen, so geht mit ihnen keine Haftungsverschärfung einher: In den Vereinigten Staaten waren die Verwaltungsmitglieder schon immer für fehlerhafte Veröffentlichungen nach sec. 13(a) und 18 SEA 1934 verantwortlich98 und konnten bei Erfüllung des scienter-Erfordernisses nach sec. 10(b) SEA 1934 und Rule 10(b)(5) auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden99. In Deutschland begründet § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB keine eigenständige Einstandspflicht der Vorstandsmitglieder für die Richtigkeit des Jahresabschlusses100, so dass es bei den bisherigen Anspruchsgrundlagen bleibt101. Gesondert zu untersuchen ist freilich, ob der Bilanzeid auf anderer Ebene Wirkung entfaltet102, indem er etwa zur Wiederherstellung des Anlegervertrauens beiträgt103 oder durch seinen Appellcharakter die Aufmerksamkeit der Verwaltungsmitglieder erhöht104.

IV. Institutionelle Vorkehrungen für kriseninduzierte Reformgesetze Welche Schlüsse sind aus dem bisherigen Befund zu ziehen? Wie können sich Gesetzgeber und Wissenschaft gegen die geschilderten Gefahren kriseninduzierter Reformgesetze wappnen? Die Gesetzgebungslehre, in Deutschland traditionell wenig entwickelt105, nimmt das in Rede stehende Problem

__________ 97 Zur korrespondierenden Strafvorschrift die unterschiedlichen Einschätzungen von Brickey, 81 Wash. U.L.Q. 357, 359 (2003) einerseits, wonach „the Act’s criminal provisions make significant strides toward piercing the veil of corporate silence“; andererseits Perino, 76 St. John’s L. Rev. 671, 685 (2002): „These penalty enhancements seem unlikely to deter corporate crime to any greater degree that current provisions.“ 98 Eingehend zur vorherigen Unterzeichnungspflicht von Finanzberichten nach sec. 13(a) SEA Fairfax, 55 Rutgers L. Rev. 1, 20–42 (2002); ferner Cunningham, 35 Conn. L. Rev. 915, 955 (2003). 99 Vgl. Howard v. Everex Systems, Inc., 228 F.3d 1057, 1061–1063 (2000). 100 Näher Fleischer, ZIP 2007, 97 (104 f.). 101 Zu ihnen Fleischer in Assmann/Schütze (Fn. 85), § 7 Rz. 62. 102 Vgl. Painter, zitiert bei Hamilton, 40 Hous. L. Rev. 1, 51 (2003), der mit Blick auf den Sarbanes Oxley-Act von einem „expressive value in law apart from actual penalties and sanctions“ und einem „signaling effect in terms of the corporate culture“ spricht. 103 Ketzerisch Clark, 22 Ga. St. U. L. Rev. 251, 255 (2005): „After all, even placebos can really alleviate illness.“; für eine empirische Bestätigung des „assurance value“ der Zertifizierungspflicht Chang/Chen/Liao/Mishra, 81 Accounting Review 1 (2006). 104 Für eine Zusammenstellung empirischer Studien Prentice/Spence (Fn. 68), S. 52 ff. 105 Beachtlich aber Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung – sachverständige Beratung, Begründung, Folgeabschätzung und Wirkungskontrolle, Gutachten I für den 65. Deutschen Juristentag, 2004; ferner Karpen in ders. (Hrsg.), Zum gegenwärtigen Stand der Gesetzgebungslehre in der Bundesrepublik Deutschland, 1998, S. 371 ff.

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bisher nur am Rande zur Kenntnis106. Auf gedrängtem Raum müssen einige vorläufige Gedanken genügen. 1. Hinausschieben der Reformgesetze? Weil überschäumende Aufwallung auch in der Rechtspolitik ein schlechter Ratgeber ist, liegt es nahe, dem Gesetzgeber eine nüchterne Bestandsaufnahme der Krisenerscheinungen zu empfehlen. Mit einem im Verbraucherschutz verbreiteten Begriff könnte man von einer „cooling off“-Periode für Reformgesetzgeber sprechen. Einen solchen Ratschlag hat man früher mit Erfolg beherzigt: So begründete der Aktiengesetzgeber von 1884 seine Ablehnung gegenüber einer sofortigen Reform damit, dass „die öffentliche Meinung noch lange Zeit unter dem Drucke der weitgreifenden Folgen einer allgemeinen wirthschaftlichen Kalamität stand und in oft leidenschaftlichen Stimmungen [...] befangen war“107. Ebenso sprach er sich gegen den „Erlaß eines Zwischen- oder Nothgesetzes“ aus, das nur darauf abzielt, „einzelne durch die Erfahrung offen gelegte Lücken und Mängel, deren sich die Gewinnsucht in der Vergangenheit bedient hat“108 zu beseitigen. Statt dessen befürwortete er eine gründlich vorbereitete und umfassender angelegte Reform, die erst mit beträchtlichem zeitlichen Abstand – der Gründerkrach lag bereits zehn Jahre zurück – in Kraft trat. Ähnlich verfuhr der Gesetzgeber des Börsengesetzes von 1896: Die von der Exekutive im Jahre 1892 eingesetzte Enquête-Kommission tagte 19 Monate, bevor sie ihren Abschlussbericht vorlegte, und die sich hieran anschließende Phase der Gesetzesausarbeitung nahm weitere drei Jahre in Anspruch109. In den Vereinigten Staaten kann man darauf verweisen, dass zwischen dem „Black Tuesday“ vom 29. Oktober 1929 und dem Inkrafttreten des Securities Exchange Act 1933 mehr als drei Jahre vergingen110. Heutzutage ist ein gänzliches Verschieben kriseninduzierter Reformmaßnahmen nur schwer möglich: Erstens erzeugen die Massenmedien durch die von ihnen ausgelösten Informationskaskaden einen ungleich größeren Handlungsdruck als früher. Zweitens steigt mit dem öffentlich geschürten Druck die Popularitätsprämie für Politiker, sich als entschlossene Reformer zu pro-

__________ 106 Andeutungen bei Wagner, ZRP 1999, 480 (481): „Die Gesetzesfolgenabschätzung kann und muß ein Instrument rationaler Gegensteuerung gegen eine zu emotionale und zugleich hektische ‚Zeitgeist-Gesetzgebung’ sein.“ 107 Amtliche Begründung (Fn. 4), S. 407. 108 Amtliche Begründung (Fn. 4), S. 408. 109 Näher zum BörsG 1896 oben I 1 b. 110 Vgl. Hamilton, 40 Hous. L. Rev. 1, 5 (2003); Prentice/Spence (Fn. 68), S. 14 n. 49; Ribstein, 40 Hous. L. Rev. 77, 93 (2003); monographisch Ellenberger/Mahar, Legislative History of the Securities Act of 1933 and Securities Exchange Act of 1934, 1973.

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filieren111. Drittens eröffnet das allgemeine Krisenbewusstsein rechtspolitische Handlungsspielräume, die gewöhnlich nicht bestehen. Die Public Choice-Theorie spricht von dem „republican moment“112 oder dem „issueattention-cycle“113. Lässt die öffentliche Aufmerksamkeit nach, schließt sich das rechtspolitische Reformfenster114, und die vielfältigen Beharrungskräfte gewinnen wieder die Oberhand115. 2. Zeit- oder Experimentiergesetze? Erweisen sich kriseninduzierte Reformmaßnahmen demnach in gewisser Hinsicht als unausweichlich, kann man über verschiedene Varianten ihrer Befristung nachdenken. Zur Wahl stehen das sog. Zeitgesetz, welches nach einer bestimmten Zeit automatisch außer Kraft tritt, wenn es nicht erneut beschlossen wird, und das sog. Experimentiergesetz, welches darauf abzielt, mit bestimmten Reformmaßnahmen zunächst Erfahrungen zu sammeln, diese zu bewerten und nach gründlicher Prüfung eine Dauerregelung einzuführen116. Derartige sunset provisions werden in der amerikanischen Diskussion als eine Möglichkeit besonnener Krisengesetzgebung117 erwogen118. Hierzulande enthält das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren119 eine entsprechende Klausel120. Der Automatismus des Unwirksamwerdens hat neben manchen Vorzügen freilich auch unübersehbare Schwächen: Er kann zu einer Überlastung der Parlamente121 und auf Seiten

__________ 111 Allgemein zur schnellen Themenbesetzung zulasten des politischen Gegners Blum (Fn. 105), I 17 f.; von „policy entrepeneurs“ spricht Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1568 (2005); empirische Belege bei Jones/Baumgartner, 32 Pol’y Stud. J. 1, 3 (2004). 112 Vgl. den Aufsatztitel von Schroeder, 9 Duke Envtl. L. & Pol’y F. 29 (1998): „Rational Choice versus Republican Moments“. 113 So der Aufsatztitel von Downs, 28 Pub. Int. 38 (1972). 114 Dazu auch Clark, 22 Ga. St. U.L. Rev. 251, 310 (2005); sowie Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1524 (2005): „[…] open policy windows for political entrepreneurs to link their proposed solutions to a problem.“ 115 Pointiert Prentice/Spence (Fn. 68), S. 4: „We shall suggest that in the absence of the periodic emergency situation, media frenzy, investor outcry, and political pressure that lead to eruptions of refom such as the initial federal securities laws passed in the 1930s and SOX more recently, business interests would likely exert excessive influence over the political process in a manner that would prevent capital markets from realizing their full potential.“ 116 Begriffsbildung bei H.-P. Schneider, ZRP 1998, 323 (324). 117 Von einer „humble regulation“ spricht Ribstein, 2004 Mich. St. L. Rev. 279, 296; ausdrücklich zustimmend Clark, 22 Ga St. U.L. Rev. 251, 308 n. 173 (2005). 118 Vgl. Ribstein, 2004 Mich. St. L. Rev. 279, 297; Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1600 (2005). 119 BGBl. I 2005, S. 2473. 120 Vgl. Art. 9 Abs. 2 KapMuG: „Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (Artikel 1 dieses Gesetzes) tritt am 1. November 2010 außer Kraft“. 121 Dazu Blum (Fn. 105), I 58; H.-P. Schneider, ZRP 1998, 323 (324).

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der Rechtsanwender zu erheblicher Rechtsunsicherheit122 führen. Außerdem nimmt er dem Evaluationsprozess durch sein festes „Verfallsdatum“ die wünschenswerte zeitliche Flexibilität. Kritiker sprechen daher eher von einem „praktischen Holzweg“123. 3. Gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung der Reformmaßnahmen Eine geschmeidigere Form vollzugsbegleitender Evaluation liegt darin, in dem betreffenden Gesetz selbst periodische Prüfaufträge festzuschreiben124. So könnten kriseninduzierte Reformgesetze etwa eine Aufsichtsbehörde oder eine Sachverständigenkommission beauftragen, auf breiter empirischer Basis über den Erfolg oder Misserfolg einzelner Reformmaßnahmen zu berichten125. Auch wenn quantifizierte Kosten-Nutzen-Vergleiche an Sachgrenzen stoßen126, darf man beim gegenwärtigen Stand der empirischen Kapitalmarktforschung127 von derartigen Erhebungen zumindest aufschlussreiche Tendenzaussagen erwarten. Das gilt beispielsweise für das hier angesprochene Institutionendesign von Audit Committees und deren Besetzung durch unabhängige Mitglieder128. Neben einer Verfeinerung der ökonomischen Methoden129 ist das juristische, politologische und soziologische Instrumentarium der begleitenden Gesetzesfolgenabschätzung130 fortzuentwickeln131 und speziell für kriseninduzierte Reformgesetze fruchtbar zu machen. Hierbei wird sich zeigen, dass gerade das Aktien- und Kapitalmarktrecht mit seiner leicht zugänglichen Datenfülle hervorragende Perspektiven für eine Wirkungsforschung (regulatory impact assessment) bietet132.

__________ 122 Vgl. Blum (Fn. 105), I 58 f. 123 Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der Gesetzgebung – besonders des 9. Deutschen Bundestages, 1988, S. 513. 124 Allgemein zu dieser Möglichkeit H.-P. Schneider, ZRP 1999, 323 (325). 125 Übereinstimmend Clark, 22 Ga. St. U. L. Rev. 251, 310 f. (2005); Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1601 (2005). 126 Dazu aus öffentlich-rechtlicher Sicht Köck, VerwA 2002, 1 (10 f.). 127 Zusammenfassend jüngst Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 2006, S. 14 f. m. w. N. 128 Für eine Zusammenstellung der bisherigen Untersuchungen Prentice/Spence (Fn. 68), S. 28 ff. 129 Zur Technik der Ereignisstudien etwa MacKinlay, 35 J. Econ. Literature 13 (1997) m. w. N. 130 Vgl. etwa Bizer/Führ/Hüttig, Responsive Regulierung. Beiträge zur interdisziplinären Institutionenanalyse und Gesetzesfolgenabschätzung, 2002. 131 Zur soziologischen Perspektive Schulze-Fielitz, ZG 2000, 295. 132 Allgemein zu den Perspektiven der Rechtswirkungsforschung Strempel, ZG 1998, 116 m. w. N.; vielversprechend auf auropäischer Ebene die Initiative einer besseren Rechtssetzung (Better Regulation).

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4. Verstetigung des Reformprozesses? Will man die boshaft als „spasmodic reaction to scandal and incompetence“133 charakterisierte Krisengesetzgebung in Zukunft vermeiden, könnte man schließlich an eine stärkere Verstetigung des Reformprozesses denken. Vorschläge zur Einrichtung einer ständigen Kommission zur Beobachtung und Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts sind anderwärts bereits unterbreitet worden134. Ihr Für und Wider kann in diesem Rahmen nicht gewürdigt werden, doch verdient die „Reform des Reformprozesses“135 durchaus weitere Vertiefung.

__________ 133 Charkham (Fn. 64), S. 149. 134 Vgl. für das britische Gesellschaftsrecht Department of Trade and Industry, The Strategic Framework (Oktober 1999), Tz. 8.11 unter Hinweis auf Vorbilder in Australien, Schweden, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten; für ein „permanent forum on company law“ auf europäischer Ebene Wouters, CMLR 2000, 257, 300. 135 Bachmann, ZGR 2000, 351 (368).

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Zur Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhung bei der GmbH Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Präventiver Kapitalschutz – Kapitalerhöhungsbeschluss und Übernahmeerklärung als Zäsur III. Durchbrechung der Reihenfolge der bei der Kapitalerhöhung einzuhaltenden Schritte? 1. Problembeschreibung 2. Bedürfnis für die Anerkennung einer Ausnahme? 3. Folgerungen: Voraussetzungen und Durchführung einer wirksamen

Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhung im Einzelnen a) Sanierungssituation, -wille, -fähigkeit und -eignung b) Förmliche Voreinzahlungsvereinbarung und Rangrücktritt? c) Angabe und Offenlegung des Zahlungszwecks d) Durchführung der nachfolgenden Kapitalmaßnahme in engem zeitlichen Zusammenhang IV. Zusammenfassung

I. Einleitung In der vor fast zwanzig Jahren publizierten, Hans Joachim Fleck, dem unvergessenen Mitglied des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, aus Anlass von dessen 70. Geburtstag gewidmeten Festschrift findet sich ein Beitrag des Jubilars zur „Voreinzahlung auf Stammeinlagen bei sanierender Kapitalerhöhung“1. Die Wahl dieses „neuen“ Themas2 nicht weniger als die Behandlung des Gegenstandes sind typisch für Hans-Joachim Priesters Wirken an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Rechtsgestaltung und Rechtsanwendung in den Jahren seines aktiven beruflichen Wirkens; und die Befreiung von den Alltagslasten eines Hamburger Notars berechtigt zu der Hoffnung, dass in Zukunft in noch weit größerem Maße Grundlegendes3, Förderndes und Kritisches aus seiner Feder die gesellschaftsrechtliche Diskussion im allgemeinen und die höchstrichterliche Rechtsprechung im besonderen befruchtet, wie dies auch durch den genannten Beitrag – wenn-

__________ 1 FS Fleck, 1988, S. 231 ff.; ferner Priester, ZIP 1994, 599 (603); ders. in Scholz, GmbH, 9. Aufl. 2002, § 56a GmbHG Rz. 19 ff. 2 Soweit ersichtlich wurde die Problematik im Zusammenhang erstmals im Anschluss an das BuM-Verfahren von Lutter, Hommelhoff und Timm, BB 1980, 732 (745 ff.), erörtert. 3 Vgl. hierzu die für die Arbeitsweise des Jubilars paradigmatischen Bemerkungen bei Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 4 Fn. 273.

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gleich mit Spätwirkung – erst jüngst geschehen ist4. Die Tatsache, dass sich der II. Zivilsenat nach einer längeren Pause5 abermals mit dem Fragenkomplex der Voreinzahlung auf eine künftige, also noch nicht beschlossene Kapitalerhöhung bei der GmbH hat befassen müssen, zeigt nicht nur die Aktualität der Überlegungen des Jubilars, sondern mag es auch rechtfertigen, das Thema für diesen Festschriftbeitrag zu wählen.

II. Präventiver Kapitalschutz – Kapitalerhöhungsbeschluss und Übernahmeerklärung als Zäsur Das GmbH-Recht beruht – auch nach dem vorliegenden Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)“6 soll sich daran im Prinzip nichts ändern – auf dem Grundgedanken des präventiven Kapitalschutzes7. Das bedeutet nicht

__________ 4 Vgl. BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214. 5 Vgl. BGHZ 118, 83; BGHZ 145, 150 („Voreinbringung“ bei einer Sacheinlage); BGH v. 7.11.1994 – II ZR 248/93, ZIP 1995, 28; BGH, Beschl. v. 20.2.1995 – II ZB 19/94, DStR 1995, 945 m. Anm. Goette.; BGH, Beschl. v. 6.4.1995 – II ZR 135/94, DStR 1995, 894 m. Anm. Goette.; BGH v. 10.6.1996 – II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466; vgl. ferner BGHZ 158, 283; BGH v. 8.11.2004 – II ZR 362/02, ZIP 2005, 121; zu den regressrechtlichen Folgen bei fehlerhafter notarieller Belehrung vgl. BGH v. 16.11. 1995 – IX ZR 14/95, NJW 1996, 524. 6 Im Internet abrufbar unter www.bmj.bund.de/media/archive/1236.pdf. 7 Im Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, heißt es mit Geltungsanspruch auch für die Gegenwart (S. 38): „Was die Behandlung des Gesellschaftsvermögens und die hinsichtlich der Aufbringung und Erhaltung desselben den Gesellschaftern aufzuerlegenden Verbindlichkeiten betrifft, so hat in diesen Beziehungen die Rücksicht auf die Sicherheit der Gesellschaftsgläubiger in erster Linie zu entscheiden. Daraus ergeben sich zugleich die Schranken, welche innegehalten werden müssen, insofern es sich darum handelt, dem Gesellschaftsvermögen eine größere Beweglichkeit als demjenigen der Aktiengesellschaft zu verleihen.“ und (S. 39): „Hier wird vielmehr die notwendige Unterlage der Gesellschaft nicht anders als durch die Aufbringung eines bestimmten, jedermann kenntlichen Gesellschaftskapitals zu beschaffen sein, welches den dauernden Grundstock des Unternehmens und zugleich ein bestimmtes Befriedigungsobjekt für die Gesellschaftsgläubiger bildet. Ohne Sicherung eines solchen Stammkapitals darf die Gesellschaft nicht als errichtet gelten, und zur Verhütung ungenügend fundierter Unternehmungen ist im Gesetz ein Mindestbetrag sowohl für das Stammkapital selbst, als für die auf dasselbe zu leistende Einlage jedes Gesellschafters festzusetzen. Es ist zwar nicht notwendig, daß wie bei der Aktiengesellschaft alle Beiträge, welche von den Gesellschaftern für die Zwecke der Gesellschaft zu leisten sind, zur Bildung dieses dauernd zu konservierenden Kapitals verwendet werden; soweit dies aber mit Rücksicht auf die im Gesellschaftsvertrage festzusetzende Höhe des Kapitals zu geschehen hat, werden in Bezug auf die Haftung der Gesellschafter für die Einlagen und in Bezug auf die dauernde Erhaltung des Kapitals im Wesentlichen die gleichen Grundsätze Anwendung finden müssen, welche hinsichtlich der Aufbringung und Konservierung des Grundkapitals der Aktiengesellschaften gelten.“; vgl. auch Pentz in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 27 AktG Rz. 6.

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nur, dass die juristische Person „nur mit einem garantierten Mindestkapital als der unerlässlichen Betriebs- und Haftungsgrundlage ins Leben treten“ darf8, sondern auch, dass bei der späteren Aufstockung des haftenden Kapitals die Kapitalaufbringungsregeln zu beachten sind9. Nach geltendem Recht10 ist dabei im Interesse der mit der Gesellschaft in Rechtsbeziehungen tretenden Gläubiger zwischen Bar- und Sacheinlagen zu unterscheiden. Die deutlich verschärften Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufbringung der Sacheinlage – Publizität des Einbringungsvorgangs, Werthaltigkeitskontrolle und Differenzhaftung stehen hier im Mittelpunkt – sind der zweifelsfreie Ausdruck der den Gesetzgeber leitenden Vorstellung, dass die Kapitalaufbringung auf dem Wege der Sacheinlage aus der Sicht des auf die ordnungsgemäße Erfüllung der versprochenen Einlagepflichten vertrauenden Rechtsverkehrs deutlich gefährlicher ist als die Vereinbarung einer Bareinlagezahlung und deswegen zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erfordert. Mit Recht hat der Jubilar, der als einer der engagiertesten und standhaftesten Verteidiger des deutschen Kapitalschutzsystems zu gelten hat11, auf die Gefährdung eines effektiven Kapitalschutzes hingewiesen, wenn zwar bei der Gründung der Gesellschaft auf die strenge Durchsetzung der Regeln geachtet wird, man aber bei der Kapitalerhöhung großzügiger ist12. Deswegen kann es nicht Wunder nehmen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung – oftmals darob wegen ihrer angeblichen Strenge aus dem Blickwinkel von Autoren kritisiert, die die in der Gerichtspraxis typischen pathologischen Fälle nie zu Gesicht bekommen – genau darauf achtet, ob auch im Rahmen der Kapitalerhöhung die Einlagepflichten ordnungsgemäß erfüllt werden13.

__________ 8 BGHZ 80, 129 (136 f.). 9 Exemplarisch Priester in Scholz (Fn. 1), § 56 GmbHG Rz. 1. 10 Vgl. aber aus der Reformdiskussion die auf dem Gutachten und den Referaten aufbauenden Erörterungen der Wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 66. DJT in Stuttgart und deren Beschlüsse unter Nr. II. 8. Kritisch zur Leistungsfähigkeit des geltenden Rechts aber z. B. Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695; Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (157 f.); exemplarisch und die Diskussion über die Tragfähigkeit des traditionellen Konzepts in Deutschland anstoßend Kübler, ZHR 159 (1995), 550 ff. (558 ff.) und WM 1990, 1853 ff.; weitere Nachweise bei Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 5.25 ff. 11 Paradigmatisch seine Ausführungen in R. Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich, 2005, S. 161, 166 ff. und 184: „Vorneverteidigung ist besser“. 12 Priester in Scholz (Fn. 1), § 56 GmbHG Rz. 1. 13 Die im MoMiG vorgesehene Herabsetzung des gesetzlichen Mindeststammkapitals wird vor dem Hintergrund des Zwecks der Kapitalschutzvorschriften schwerlich dazu beitragen, dass die Gerichte weniger strenge Maßstäbe anlegen: Wer nicht einmal dieses betriebswirtschaftlich praktisch nie ausreichende Mindestkapital ordnungsgemäß leisten will, kann nicht erwarten, ohne nochmalige Zahlung die Vorteile einer haftungsprivilegierten Teilnahme am Rechtsverkehr für sich in Anspruch nehmen zu dürfen.

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Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass der II. Zivilsenat vor wenigen Jahren erneut Voreinzahlungen auf eine künftige, d. h. noch nicht in der gebotenen Form beschlossene Kapitalerhöhung als regelmäßig nicht schuldtilgend angesehen hat14. Bei dem nachfolgenden Kapitalerhöhungsbeschluss ist es nämlich ausgeschlossen zu vereinbaren, die Einlagepflicht solle auf dem Wege einer Barzahlung erbracht werden, wenn in Wahrheit die vorher geleistete Voreinzahlung die Erfüllung der neu eingegangenen Bareinlagepflicht sein soll. Dann werden nämlich die beiden wechselseitigen Forderungen, diejenige der Gesellschaft aus dem später gefassten Kapitalerhöhungsbeschluss und dem Übernahmevertrag gegen den Gesellschafter einerseits und die des letzteren gegen die Gesellschaft auf Rückgewähr des darlehensweise oder ohne besonderen Rechtsgrund vorab geleisteten Betrages andererseits miteinander verrechnet, ein Vorgang, der nach der ständigen Rechtsprechung als Einbringung einer Forderung, also als offenzulegende und der Werthaltigkeitsprüfung zu unterwerfende Sacheinlage15 einzuordnen ist16. Wollte man in dieser Fallgestaltung eine Verrechnung zulassen, wäre der Umgehung der effektiven Kapitalaufbringung17, deren Sicherstellung der Gesetzgeber mit der Errichtung formeller Hürden bezweckt hat, zum Schaden der Gesellschaftsgläubiger Tür und Tor geöffnet. Dafür, dass die Gesellschafter durch ihr Verhalten – sei es, dass es auf Unkenntnis oder Nachlässigkeit beruht, sei es, dass bewusst die als belastend empfundenen Regeln unterlaufen werden sollen – diese Gefahr der Umgehung heraufbeschwören, legen die bis in die dritte Instanz gelangenden, regelmäßig von den Insolvenzverwaltern der Gesellschaften betriebenen Prozesse nachdrücklich Zeugnis ab18. Ohne die Beachtung der in der Kapitalmaßnahme – Erhöhungsbeschluss und Zulassung zur Übernahme – liegenden Zäsur kann nach der gefestigten Rechtsprechung der Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhung nur dann schuldtilgende Wirkung beikommen, wenn der gezahlte Betrag als solcher –

__________ 14 BGHZ 158, 283 ff.; vgl. ferner BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214. 15 Anders der damalige Generalanwalt Thesauro, ZIP 1992, 1036 (1040 ff.), der gemeint hat, die Verrechnung einer Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft mit deren Einlageforderung sei ohne weiteres als Bareinlage einzuordnen, vgl. dazu näher die Darstellung bei Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 27 AktG Rz. 13. Der II. Zivilsenat hält im Anschluss an BGHZ 110, 47 (68 ff.) die Europarechtskonformität seiner Judikatur zur Sacheinlage für „nicht zweifelhaft“, weshalb es „einer Vorlage an den EuGH“ nicht bedürfe, vgl. Beschl. v. 4.12.2006 – II ZR 305/05, DStR 2006, 2326; das gilt natürlich auch für das GmbH-Recht, auch wenn die Zweite Richtlinie insofern nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – anwendbar ist. 16 Vgl. für die auch im Schrifttum ganz h. M. Ulmer, GmbHG, 2005, § 19 GmbHG Rz. 110 f. und 127 f. 17 BGHZ 113, 335 (340). 18 Vgl. z. B. die Zusammenstellung bei Uwe H. Schneider/H. P.Westermann in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 19 GmbHG Rz. 120; Goette (Fn. 3), § 2 Rz. 43 ff.

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also nicht nur wertmäßig – im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist19. Denn dann könnte der Gesellschafter den eingezahlten Betrag in Erfüllung seines Rückforderungsanspruchs an sich auszahlen lassen und mit seiner Hilfe seine Einlageschuld gegenüber der Gesellschaft nach den hierzu bestehenden Regeln erfüllen.

III. Durchbrechung der Reihenfolge der bei der Kapitalerhöhung einzuhaltenden Schritte? 1. Problembeschreibung Es ist nicht zu verkennen, dass die vorstehend skizzierte Rechtsprechung – wie die Regeln über die Kapitalaufbringung auf dem Wege einer Sacheinlage generell, so auch in den Fällen einer Voreinzahlung auf eine künftig zu beschließende und durchzuführende Kapitalerhöhung – die betroffenen Gesellschafter hart treffen kann, haben doch ihre Leistungen an die Gesellschaft keine Tilgungswirkung. Gerade in den in der gerichtlichen Praxis sehr häufig auftretenden Fällen, in denen die Gesellschaft insolvent geworden ist und der Insolvenzverwalter die offenen Einlageansprüche verfolgt, scheidet eine „Reparatur“20 des fehlgeschlagenen Einbringungsvorgangs aus, so dass der Inferent noch einmal zahlen muss und – da ihm die Aufrechnung verwehrt ist – seine Rückzahlungsforderung aus der Voreinzahlung nur mit der regelmäßig extrem niedrig liegenden Insolvenzquote bedient sieht – wahrhaftig eine katastrophale21 Folge. Seit der umfangreichen Untersuchung von Lutter/Hommelhoff/Timm22 wird deswegen erörtert23, ob – bei Aufrechterhaltung des Ausgangspunkts – unter bestimmten Voraussetzungen eine Durchbrechung des Prinzips anerkannt und einer Voreinzahlung ausnahmsweise doch Tilgungswirkung zuerkannt werden kann. Auch der II. Zivilsenat hat in mehreren – Bar- und Sacheinla-

__________ 19 BGHZ 158, 283 (285) – dies kann immer dann erreicht werden, wenn auf ein im Haben geführtes Gesellschaftskonto eingezahlt wird, bei dem auch sichergestellt ist, dass es nicht dem bankrechtlichen AGB-Pfandrecht wegen anderer Kredite der Gesellschaft unterliegt; st. Rspr., vgl. schon BGHZ 51, 157 (161 f.); BGH v. 7.11. 1966 – II ZR 136/64, NJW 1967, 44; BGH v. 10.6.1996 – II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466 = DStR 1996, 1416 m. Anm. Goette. 20 Vgl. zur Heilung einer verdeckten Sacheinlage BGHZ 132, 141 ff. und BGHZ 155, 329 ff. 21 So das berühmte dictum von Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 5 GmbHG Rz. 47. 22 BB 1980, 732 (745 ff.). 23 Vgl. Priester in FS Fleck, 1988; ders. in Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 19 ff.; Ehlke, ZGR 1995, 426 ff.; Groß, GmbHR 1995, 845 ff.; Kanzleiter, DNotZ 1994, 695 (700); Karollus, DStR 1995, 1065 ff.; Klaft/Maxem, GmbHR 1997, 586 ff.; Kort, DStR 2002, 1223 ff.; Wegmann, DStR 1992, 1620 ff.; Werner, GmbHR 2002, 530 ff.; monographisch Lamb, Die „Vorfinanzierung“ von Kapitalerhöhungen durch Voreinzahlung auf eine künftige Einlageverpflichtung, 1991.

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gen betreffenden – Entscheidungen24 zu dieser Ausnahme Stellung genommen und im Grundsatz anerkannt, dass eine solche Ausnahme in Betracht zu ziehen ist, in sämtlichen Fällen jedoch diese Lehre nicht zur Grundlage des Revisionsurteils machen müssen; folgerichtig hat er in der Vergangenheit auch nicht die einzelnen Kriterien festgelegt, die erfüllt sein müssen, um die Ausnahme durchgreifen lassen zu können. Vielmehr hat er allein die seinerzeit allgemein – und zwar kumulativ – für erforderlich erachteten Mindestvoraussetzungen seiner Prüfung mit dem Ergebnis zugrundegelegt, dass sie in sämtlichen Fällen nicht vorgelegen haben: Entweder fehlte es an dem Erfordernis einer Voreinzahlung zur Krisenbewältigung25 oder an dem engen zeitlichen Zusammenhang26 zwischen der Voreinzahlung und der nachfolgenden Kapitalmaßnahme oder die Gesellschafter waren sich über das künftige Vorgehen noch nicht klar geworden, haben aber schon einmal Zahlungen an die Gesellschaft geleistet27. Bereits die wenigen Fälle, in denen die Frage einer Durchbrechung des üblichen Procedere bei der Kapitalaufbringung eine Rolle gespielt hat, werfen ein bezeichnendes Bild auf den Ausnahmecharakter dieser Rechtsfigur. So wie nach der Einführung des sog. Sanierungsprivilegs (§ 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG) die Gesellschafter oftmals bestrebt waren, sich der Haftung nach den Eigenkapitalersatzregeln mit dem Hinweis darauf zu entziehen, ihre Gesellschafterleistung sei doch nur aus Sanierungsgründen stehen gelassen worden, so wird in der gerichtlichen Praxis versucht, nachträglich bestimmte Zahlungsvorgänge als zulässige Voreinzahlungen auf eine künftige Kapitalerhöhung qualifizieren zu lassen. Derartigen Versuchen ist jedoch entschieden entgegenzutreten, will man nicht nachträgliche Umwidmungen, wie sie bei später offenbar werdender Krise der Gesellschaft gern vorgenommen werden, zulassen oder einer Kapitalerhöhung „auf Vorrat“ die Türen öffnen und damit das Kapitalschutzsystem unterlaufen28. 2. Bedürfnis für die Anerkennung einer Ausnahme? Sind nach den vorstehenden Erörterungen die strengen und genau zu beachtenden Kapitalaufbringungsregeln nicht Selbstzweck, sondern das probate

__________ 24 Oben Fn. 5. 25 BGH v. 10.6.1996 – II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466 = DStR 2996, 1416 m. Anm. Goette; BGHZ 145, 150 („Voreinbringung“). 26 BGH v. 10.6.1996 – II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466 = DStR 2996, 1416 m. Anm. Goette; BGH Beschl. v. 20.2.1995 – II ZB 19/94, DStR 1995, 945; BGH, Beschl. v. 6.4.1995 – II ZR 135/94, DStR 1995, 894; BGHZ 145, 150 („Voreinbringung“). 27 BGH v. 10.6.1996 – II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466 = DStR 2996, 1416 m. Anm. Goette. 28 Zutreffend Priester in FS Fleck, 1988, S. 239. Eine solche Leistung auf Vorrat besteht aber auch dann, wenn mit der Zweckbestimmung „künftige Kapitalerhöhung“ gezahlt wird, weil mangels eines zugehörigen Erhöhungsbeschlusses eine Verbindlichkeit nicht entsteht, s. dazu etwas anders akzentuierend Priester in FS Fleck, 1988, S. 240 f.

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Mittel, die Gesellschafter zu zwingen, die von ihnen versprochene Einlagepflicht ordnungsgemäß zu erfüllen und damit den in der Satzung festgelegten Haftungsfonds effektiv für die Geschäftsführung der Gesellschaft bereitzustellen, kann Raum für eine Durchbrechung der üblicherweise zu befolgenden Regeln allein dann gegeben sein, wenn und soweit das mit der Kapitalerhöhung verfolgte, rechtlich zu billigende Ziel nur noch auf diesem Wege einer Voreinzahlung erreicht werden kann. Nur dann nämlich ist sowohl aus der Sicht der Gesellschaft wie derjenigen ihrer Gläubiger ein rechtfertigender Grund dafür gegeben, vorab erbrachte und im Zeitpunkt der Begründung der neuen Einlageschuld als solche nicht mehr vorhandene Zahlungen nicht wegen Missachtung der Kapitalschutzregeln als Leistung ohne Erfüllungswirkung anzusehen. Demgemäß fehlt immer dann, wenn die Kapitalmaßnahme auch ohne eine Voreinzahlung ebenso schnell beschlossen und umgesetzt werden kann, die Rechtfertigung dafür, von der üblichen Verfahrensweise abzuweichen und einer schon vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss und vor der damit regelmäßig zeitlich zusammenfallenden Übernahme der neuen Geschäftsanteile bewirkten Einzahlung Tilgungswirkung beizumessen. Ebensowenig ist eine Voreinzahlung privilegiert zu behandeln, wenn es an einer konkreten Absicht fehlt, das Kapital der Gesellschaft zu erhöhen. Soweit schließlich eine Absicht zur Durchführung einer Kapitalerhöhung besteht, die Maßnahme aber schlechthin ungeeignet ist, das mit ihr angestrebte Ziel zu erreichen, muss sich das in den Kapitalaufbringungsregeln verankerte, zwischen Barund Sacheinlagen unterscheidende Prinzip durchsetzen; eine Vorleistung kann dann keine Erfüllungswirkung haben. 3. Folgerungen: Voraussetzungen und Durchführung einer wirksamen Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhung im Einzelnen a) Sanierungssituation, -wille, -fähigkeit und -eignung Seit der grundlegenden Arbeit von Lutter/Hommelhoff/Timm29 entspricht es überwiegender Auffassung30, dass nur in einer Situation, in der sich die Gesellschaft in einer schweren Krise befindet und zur Sanierung frisches haf-

__________ 29 Fn. 2. 30 Priester in FS Fleck, 1988; ders. in Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 19 ff.; Ehlke, ZGR 1995, 426 ff.; Groß, GmbHR 1995, 845 ff.; Kanzleiter, DNotZ 1994, 695 (700); Karollus, DStR 1995, 1065 ff.; Klaft/Maxem, GmbHR 1997, 586 ff.; Kort, DStR 2002, 1223 ff.; Werner, GmbHR 2002, 530 ff.; anders Lamb, Vorfinanzierung (Fn. 23), zusammenfassend S. 140; ihm nun folgend Priester, ZIP 1994 (Fn. 1) und ders. in Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 23; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 56a GmbHG Rz. 23; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 56a GmbHG Rz. 9 ff.; Wegmann, DStR 1992, 1620 (1625), wobei auch diese Vertreter der Mindermeinung einräumen, dass sich die Problematik regelmäßig – wann sonst, wird nicht gesagt – in einer Unternehmenskrise stellt.

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tendes Kapital benötigt, ausnahmsweise von den im Interesse der effektiven Kapitalaufbringung vorgeschriebenen Förmlichkeiten einer Kapitalerhöhung abgewichen und eine Voreinzahlung als erfüllungswirksam anerkannt werden kann. Dieser, auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung31 seit jeher übernommenen Ansicht ist zuzustimmen. Sie trägt in der gebotenen Weise dem Gesichtspunkt Rechnung, dass eine Abkehr von der – das präventive Kapitalschutzsystem sichernden – „normalen“ Abfolge einer Kapitalerhöhung nur in Ausnahmefällen, nämlich dann gerechtfertigt werden kann, wenn keine andere Möglichkeit besteht, das angestrebte Ziel auf dem gesetzlich vorgeschriebenen, sich als zu langwierig erweisenden Weg zu erreichen. Ein solcher besonderer Zeitdruck besteht indessen nur in der – schlagwortartig – als Sanierungssituation bezeichneten Lage der Gesellschaft, weil die knappe Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG, die ja nicht generell, sondern nur „längstens“ drei Wochen beträgt32, zu unverzüglichem Handeln zwingt und deren Missachtung die Geschäftsführer schweren zivilrechtlichen33 und strafrechtlichen34 Sanktionen aussetzt. Demgegenüber ist es nicht überzeugend, wenn die Gegenmeinung dieses besondere Kriterium verwirft, weil es nicht geeignet sei, „zur Abgrenzung zwischen wirksamen Voreinzahlungen und verdeckten Sacheinlagen beizutragen“35, denn es geht nicht um die beschriebene Abgrenzung, sondern darum, die Durchbrechung der gesetzlichen Regeln zu rechtfertigen, welche die effektive Kapitalaufbringung sicherstellen sollen. Im übrigen ist die Anknüpfung an die akute Sanierungslage der Gesellschaft unerlässlich, weil allein sie den Maßstab dafür gibt, dass und aus welchem Grund Voreinzahlungen nur in engem zeitlichen Zusammenhang36 mit einer nachfolgenden Kapitalerhöhung Tilgungswirkung haben sollen37. Ferner ist die Voreinzahlung zum Zweck der beabsichtigten Rettung der Gesellschaft auch die Grundlage dafür, einem Rückzahlungsbegehren des Gesellschafters vor Durchführung der Maßnahme zu begegnen38. Wie sonst, so reicht es auch in dem hier behandelten Problemkreis nicht aus, dass die Gesellschafter mit dem Willen handeln, die Gesellschaft zu sanieren, sie müssen vielmehr dabei auch ein Konzept verfolgen, welches geeignet ist, das erstrebte Ziel, die Gesellschaft durch Zufuhr frischen haftenden Kapitals zu retten, herbeizuführen. In der Entscheidungspraxis des

__________ 31 Vgl. BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214. 32 Vgl. dazu z. B. BGH, Beschl. v. 2.10.2000 – II ZR 164/99, DStR 2001, 1537. 33 Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG und Erstattungspflicht für Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG. 34 Vgl. § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. 35 So paradigmatisch Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 56a GmbHG Rz. 23; sympathisierend Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 30), § 56a GmbHG Rz. 13 mit etwas anderer Akzentuierung. 36 Siehe dazu unten zu lit. d). 37 Hier hält der Jubilar auch nach seiner jüngeren Ansicht den Gedanken der „Vorneverteidigung“ für offensichtlich durchschlagend. 38 Siehe BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214 Tz 19.

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II. Zivilsenats begegnen immer wieder Fälle, in denen die Geschäftsführer, alarmiert durch den die Buchführung des Unternehmens führenden Steuerberater, die Gesellschafter zu einer der Abwehr eines notwendigen Insolvenzantrags dienenden Gesellschafterversammlung einberufen, und dieselbe die Rettung darin sieht, dass einer der Gesellschafter den Geschäftsführer mit einem Scheck ausstattet, den dieser sofort bei der Hausbank der Gesellschaft zur Einlösung einreicht. Dass auf diesem Wege allenfalls eine bestehende Zahlungsunfähigkeit, aber – bei Fortführung der Gesellschaft – eine Überschuldung ohne gleichzeitige Kapitalherabsetzung nicht beseitigt werden kann, weil sich Gutschrift und Passivierung der Gesellschafterforderung bilanziell neutralisieren, wird hierbei nicht realisiert; und nicht selten wird auf der Grundlage des bestehenden Fehlverständnisses nicht nur versäumt, sogleich die Kapitalmaßnahme zu beschließen und umzusetzen, sondern es wird nicht einmal die ordnungsgemäße Verbuchung sichergestellt, sondern die Zuordnung den Jahresabschlussarbeiten vorbehalten. Demgegenüber fordert der II. Zivilsenat39, dass der Voreinzahlung ein in sich geschlossenes und tragfähiges Konzept zugrunde liegt, in welchem die mit einer Voreinzahlung verbundene Kapitalerhöhung ein wesentlicher Baustein ist. Großzügiger zu sein, ist deswegen unangebracht, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Gesellschafter, befreit von den Restriktionen des Kapitalschutzsystems, den „Todeskampf“ der Gesellschaft auf dem Rücken von deren Gläubigern verlängern könnten. b) Förmliche Voreinzahlungsvereinbarung und Rangrücktritt? Im Schrifttum wird, damit Umgehungen vorgebeugt werden kann, ferner gefordert, es müsse eine besondere Voreinzahlungsvereinbarung40 getroffen werden, die nach einer u. a. von einem „Amtsbruder“41 des Jubilars vertretenen Ansicht sogar der notariellen Beurkundung bedürfen soll. Dem folgt die überwiegende Ansicht42 mit Recht ebensowenig, wie sie es ablehnt, von dem voreinzahlenden Gesellschafter die Abgabe einer Rangrücktrittserklärung43 zu fordern. Für eine besondere Voreinzahlungsabrede besteht schon des-

__________ 39 Vgl. BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214 Tz 17. 40 So z. B. Lutter/Hommelhoff (Fn. 21), § 56 GmbHG Rz. 21; Groß, GmbHR 1995, 845 ff. (852). 41 Wegmann, DStR 1992, 1620 ff. (1625); ebenso Lutter/Hommelhoff (Fn. 21), § 56 GmbHG Rz. 21. 42 Priester in Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 23; Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 56a GmbHG Rz. 23; Ehlke ZGR 1995, 426 ff. (441 f.); Kanzleiter, DNotZ 1994, 695 (700 f.); Karollus, DStR 1995, 1065 (1068); BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214 Tz 19. 43 Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 56a GmbHG Rz. 23; Priester in Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 23; Lutter/Hommelhoff (Fn. 21), § 56a GmbHG Rz. 22; Ehlke, ZGR 1995, 426 ff. (451 f.); Kort (Fn. 30) S. 1226 f.; Werner, GmbHR 2002, 530 ff. (533); Karollus, DStR 1995, 1065 (1069b).

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wegen kein Bedürfnis, weil durch die notwendige Publizierung des Voreinzahlungsvorgangs44 den berechtigten Interessen des Rechtsverkehrs ausreichend Rechnung getragen ist und eine Gefahr von nachträglichen Manipulationen nicht besteht; die Anforderungen noch dadurch zu verschärfen, dass diese – unnötige – Abrede auch noch notarieller Beglaubigung bedürfen soll, erscheint erst recht nicht angebracht, zumal dann, wenn in der Krise die Zeit für die Einschaltung eines Notars bleibt, auch sogleich die Kapitalmaßnahme selbst beschlossen und beurkundet werden kann. Da die Voreinzahlung nur in der Krisensituation in Betracht kommt, bedarf es auch keines ausdrücklichen Rangrücktritts, die – offenzulegende – Zahlung zum Zweck der Sanierung trägt diese Rücktrittserklärung schon in sich. c) Angabe und Offenlegung des Zahlungszwecks Unerlässlich zum Schutz des Rechtsverkehrs ist dagegen die Offenlegung45 des Charakters der Zahlung als Vorleistung auf eine noch zu beschließende Kapitalerhöhung46 und des Zeitpunkts der Leistung47. Durch sie werden Zahlungen „auf Vorrat“, die später beliebig zugeordnet werden können, verhindert und zugleich wird der Boden für eine wirksame Registerkontrolle bereitet. Diese ist, obwohl es sich um eine Barkapitalerhöhung handelt, erforderlich, um den naheliegenden Manipulationen der Beteiligten zu begegnen48. d) Durchführung der nachfolgenden Kapitalmaßnahme in engem zeitlichen Zusammenhang Unerlässlich, will man eine Voreinzahlung ausnahmsweise als Erfüllung der von dem Inferenten im Zuge der später beschlossenen Kapitalmaßnahme übernommenen Einlagepflicht anerkennen, ist nach allgemeiner49, auch von dem II. Zivilsenat50 übernommener Auffassung, dass die Kapitalerhöhung in engem zeitlichen Zusammenhang der genannten Zahlung nachfolgen muss. Denn nur dann, wenn auf dem nach dem Gesetz normalerweise zu beschreitenden Weg die Rettung der GmbH nicht erreicht werden kann, vielmehr

__________

44 Dazu sogleich unter lit. c). 45 Allg.M. vgl. nur Priester in FS Fleck, 1988, S. 239 ff.; ders. in Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 22; Lamb, Vorfinanzierung (Fn. 23), S. 91 f., 111 ff.; Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 56a GmbHG Rz. 23. 46 Formulierungsbeispiel bei Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 30), § 56a GmbHG Rz. 15. 47 Vgl. BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214 Tz 21. 48 Zu Unrecht, weil die Umgehungsgefahr vernachlässigend, a. A. Ehlke, ZGR 1995, 426 ff. (452 ff.). 49 Vgl. nur Priester in FS Fleck, 1988, S. 237 ff.; ders. in Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 22; Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 56a GmbHG Rz. 20, 23; Lamb, Vorfinanzierung (Fn. 23), S. 66. 50 Siehe zuletzt BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214 Tz. 20; ferner Nachweise in Fn. 5.

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Insolvenzantrag gestellt werden müsste, kann es gerechtfertigt werden, dass der künftige Inferent erfüllungswirksam voreinzahlt. Darüber hinausgehende Verzögerungen sind von dem mit der Voreinzahlung verfolgten Ziel nicht gedeckt. Deswegen ist zu fordern, dass die Gesellschafter – nach Abwendung der unmittelbaren Gefahr, den Gang zum Insolvenzgericht gehen zu müssen – mit aller gebotenen Beschleunigung51 die Kapitalmaßnahme in die Wege leiten, beschließen und umsetzen. Die Zeit, die sich die Gesellschafter hierfür einräumen können, lässt sich nicht generell abstrakt festlegen, sondern ist von den Gegebenheiten der konkreten Gesellschaft abhängig. Jedenfalls sind sämtliche Möglichkeiten, Ladungsfristen abzukürzen, zu nutzen; den untereinander über die Kapitalerhöhung einigen Gesellschaftern ist darüber hinaus zuzumuten, zu einer Universalversammlung zusammenzutreten. Erst Recht hat dies für einen Alleingesellschafter zu gelten: Er kann jederzeit mit sich Entschließungen treffen und darf deswegen keinerlei einladungsbedingte Verzögerungen für sich in Anspruch nehmen52. Sind dagegen nicht alle Gesellschafter am Sitz der Gesellschaft anwesend und müssen diese erst eingeladen werden und anreisen, sind die dadurch eintretenden unvermeidbaren Verzögerungen zu tolerieren. Dass die angebliche Unerreichbarkeit des „Hausnotars“ ein Hinausschieben der Vollendung der mit der Voreinzahlung eingeleiteten Kapitalerhöhung nicht rechtfertigen kann, versteht sich angesichts der hohen Zahl zur Verfügung stehender Amtsträger von selbst. Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt der im konkreten Fall erforderlichen Beratung, die ja der Voreinzahlung nachfolgt und nicht mehr das Ob53 einer Leistung, sondern nur noch die Frage betreffen kann, ob auf dem eingeschlagenen Weg einer Kapitalerhöhung fortgefahren werden oder ob die erbrachte Leistung als in die Kapitalrücklage gezahlt oder als in der Krise gewährte und damit als funktionales Eigenkapital zu behandelnde Gesellschafterhilfe gelten soll54.

__________ 51 Vgl. BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214 Tz. 20 m. w. N. 52 Zutreffend schon Ehlke, ZGR 1995, 426 ff. (446); jetzt BGH v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214 Tz 20. 53 Das ist die eigentliche Frage, nämlich ob ein tragfähiges Sanierungskonzept entwickelt werden kann und Aussicht besteht, die Krise zu meistern. Diese Prüfung, bei der auch Beratungsbedarf – nicht nur auf der juristischen Ebene – besteht, geht indessen der Beratung durch den beurkundenden Notar voraus. 54 Dass in dieser Phase eine Einzahlung auf Sonderkonto, auf dem der Betrag verbleibt, bis die Kapitalmaßnahme beschlossen und durchgeführt ist, nicht zielführend sein kann, hat der Jubilar in unnachahmlicher, die Diskussion abschließender Weise zum Ausdruck gebracht, wenn es bei Scholz (Fn. 1), § 56a GmbHG Rz. 23 heißt: „Schließlich ist auch nicht erforderlich, daß die eingezahlten Barmittel im Zeitpunkt des Erhöhungsbeschlusses noch unverbraucht bei der Gesellschaft vorhanden sind. Wer das verlangt, zeigt, daß er den Sinn der Aktion nicht begriffen hat“.

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IV. Zusammenfassung Voreinzahlungen auf eine künftig zu beschließende und durchzuführende Kapitalerhöhung haben nicht schlechthin keine Erfüllungswirkung für die anschließend eingegangene Einlageverpflichtung. Das gilt nicht nur für die ohnehin nicht problematischen Fälle der Thesaurierung des Einlagebetrages bis zur Kapitalerhöhung und Übernahme des neuen Geschäftsanteils, sondern gerade auch für die Fallgestaltungen, in denen der gezahlte Betrag zu dem genannten späteren Zeitpunkt bereits verbraucht ist. Als Ausnahmetatbestand von den normalen Kapitalschutzregeln hat ein solcher Zahlungsvorgang aber nur dann Erfüllungswirkung, wenn und soweit das mit der Kapitalerhöhung verfolgte, rechtlich zu billigende Ziel nur noch auf diesem Wege einer Voreinzahlung erreicht werden kann. Das kommt nicht schon bei jeder Unternehmenskrise, sondern nur in einer Sanierungssituation von der Art in Betracht, in der den Gesellschaftern im Hinblick auf die enge Frist für die Insolvenzantragstellung (§ 64 Abs. 1 GmbHG) nicht die Zeit bleibt, das übliche Verfahren zu durchlaufen, also zunächst die für die Rettung der Gesellschaft objektiv geeignete Kapitalerhöhung zu beschließen und nach der Übernahme die Einlagen einzuzahlen. Bei Einpersonengesellschaften ist ein solcher Fall praktisch ausgeschlossen; für kleinere Gesellschaften, bei denen alle Gesellschafter anwesend oder kurzfristig erreichbar sind, wird wegen der Möglichkeit, jederzeit zu einer Universalversammlung ohne Wahrung irgendwelcher Fristen zusammenzutreten, regelmäßig dasselbe gelten. Anders ist die Lage allein dann, wenn wegen der notwendigen Ladung und der Anreise der Gesellschafter zum Versammlungsort unvermeidbare Verzögerungen eintreten und die Krise der Gesellschaft ein vorheriges Handeln erfordert. Darüber hinaus können unvermeidbare Verzögerungen auch dann eintreten, wenn zwar ein Kapitalerhöhungsbeschluss problemlos herbeigeführt werden kann, sich aber – anders als im Regelfall – die Abgabe und/oder die Annahme der Übernahmeerklärung verzögert, weil besondere Bezugsrechte oder Zustimmungsvorbehalte im Zusammenhang mit der Übernahme der neuen Geschäftsanteile bestehen. Der Anwendungsbereich für eine Voreinzahlung auf künftige Kapitalerhöhung ist nach alledem schmal, aber nicht ohne praktische Relevanz. Unerlässlich, soll die Durchbrechung der normalen Abfolge der Kapitalmaßnahme rechtlich anerkannt werden können, ist, dass der Beschluss und die Umsetzung der Kapitalerhöhung mit aller gebotenen Beschleunigung nachgeholt werden und die Tatsache der Voreinzahlung dokumentiert und gegenüber dem Registergericht offengelegt wird. Einer förmlichen Voreinzahlungsvereinbarung oder eines ausdrücklich erklärten Rangrücktritts bedarf es dagegen nicht.

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Die Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft Inhaltsübersicht I. Vorbild stille Gesellschaft? II. Typische und atypische Unterbeteiligung an Personengesellschaften III. Die Bilanz der atypischen Unterbeteiligungsgesellschaft 1. Zum Bilanzinhalt 2. Gesellschaftsvermögen 3. Gesellschaftskapital

IV. Gründung und Beendigung der atypischen Unterbeteiligungsgesellschaft 1. Gründung der Gesellschaft 2. Beendigung der Gesellschaft V. Die Bilanz der typischen Unterbeteiligungsgesellschaft

I. Vorbild stille Gesellschaft? Bei der Unterbeteiligungsgesellschaft handelt es sich bekanntlich um eine Innengesellschaft, die auf die gemeinsame Nutzung eines Gesellschaftsanteils durch dessen Inhaber, den Hauptbeteiligten, und den Unterbeteiligten gerichtet ist1. An ihrer Stelle könnten beide Beteiligten auch eine Gesamthandsgesellschaft gründen, die den Gesellschaftsanteil in ihr Vermögen übernimmt. Im Vergleich bietet die Unterbeteiligung aber die geschmeidigere Gesellschaftsform, mit der sich dieselben Ergebnisse wie mit der Gesamthandsgesellschaft erreichen lassen. Sie ist allerdings anders strukturiert. Es besteht kein gemeinsames Vermögen, der Hauptgesellschafter bleibt Inhaber des Gesellschaftsanteils. Er hält den Anteil ähnlich einem Treuhänder oder wie einen quoad sortem in eine Gesamthand eingebrachten Vermögensgegenstand für gemeinsame Rechnung mit dem Unterbeteiligten. Ungeachtet der nur obligatorischen Bindung handelt es sich um ein Gesellschaftsverhältnis2 unter gemeinsamer Beteiligung an Vermögenszuwachs und Vermögensminderung der Hauptbeteiligung, eine Innengesellschaft, die in Forderungen zwischen den Gesellschaftern resultiert. Der Unterbeteiligte ist am Gewinnanteil des Hauptgesellschafters, häufig auch an der Wertentwicklung des Gesellschaftsanteils beteiligt, nimmt vielfach an Verlusten teil, muss gelegentlich auch Nachschüsse erbringen, vor allem aber an den Hauptbeteiligten einen Preis für die Einräumung der Unterbeteiligung zahlen, den er bei Beendigung seiner Beteiligung zurückerlangen kann. Die Ansprüche zwischen den Beteiligten können also durch zahlreiche Faktoren beeinflusst

__________ 1 Vgl. K. Schmidt in MünchKomm.HGB, 2001, § 234 HGB Rz. 192. 2 Blaurock, Handbuch der Stillen Gesellschaft, 6. Aufl. 2003, Rz. 30.8.

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werden. Hierfür müssen im Rahmen der Unterbeteiligungsgesellschaft Berechnungen angestellt werden. Wies dies zu geschehen hat, ist allerdings offen. Die Unterbeteiligungsgesellschaft ist gesetzlich nicht gesondert geregelt, es fehlen daher auch Vorschriften über die Rechnungslegung. In dieser Verlegenheit fällt der Blick auf die stille Gesellschaft des § 230 HGB, auch sie eine Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen, die zu Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Gesellschaftern führt. Auch diese Ansprüche wollen berechnet werden. § 232 HGB fordert den Geschäftsinhaber zu einer derartigen Berechnung auf. Nach § 140 AO hat er diese Pflicht auch im steuerlichen Interesse zu erfüllen. Wie dies zu geschehen hat, lässt sich dem HGB allerdings nicht entnehmen. Die stille Gesellschaft ist kein Kaufmann und deshalb nicht zu Buchführung und Bilanzierung nach den §§ 238 ff. HGB verpflichtet; sie verfügt nicht über eigenes Vermögen und ist nicht selbst Subjekt von Rechten und Pflichten. Orientiert am Zivilrecht, hat es das Steuerrecht daher lange abgelehnt, der stillen Gesellschaft eine eigenen Steuerbilanz zuzubilligen und sie als „Subjekt der Gewinnerzielung“ anzuerkennen3. Diese Bedenken sind heute überwunden. Eine geordnete Abrechnung lässt sich nur erreichen, wenn der stillen Gesellschaft eine eigene Buchführung und damit auch eine eigene Bilanz zugebilligt wird. Aus diesem Bedürfnis wird die stille Gesellschaft, obwohl Innengesellschaft, nunmehr als „Subjekt der Gewinnerzielung und Gewinnermittlung“ anerkannt4. Nach diesen Grundsätzen muss der Geschäftsinhaber auch nach Gesellschaftsrecht verfahren, wenn er entsprechend § 232 HGB für die stille Gesellschaft Rechnung legt. Diese Rechnungslegung orientiert sich am Vorbild der KG, deren vermögensrechtlicher Typus auf die §§ 230 ff. HGB eingewirkt hat5, mit der Folge, dass die stille Gesellschaft vermögensmäßig intern einer KG gleichgestellt werden kann und sie dann als „Innen-KG“6 oder als „fiktive Gesamthand“7 anzusprechen ist. Für diesen Fall wird auch im Gesellschaftsrecht eine Bilanz der stillen Gesellschaft verlangt8 Es liegt nahe, an diese Ergebnisse im Falle der Unterbeteiligung anzuknüpfen und vom Hauptbeteiligten eine Abrechnung mit Hilfe einer eigenen Buchführung und einer eigenen Bilanz zu verlangen. Selbstverständlich ist das allerdings nicht, weil zwischen stiller Gesellschaft und Unterbeteiligungsge-

__________ 3 BFH v. 2.5.1984 – VIII R 276/81, BStBl. II 1984, 820; BFH v. 12.11.1985 – VIII R 364/83, BStBl. II 1986, 311; Döllerer, DStR 1985, 296. 4 BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328; BFH v. 15.10.1998 – IV 18/98, BStBl. II 1999, 286. 5 Vgl. Groh in FS Kruse, 2001, S. 417. 6 K.Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 230 HGB Rz. 81; K.Schmidt, JuS 2003, 228 (229). 7 Groh in FS Kruse, 2001, S. 420. 8 K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 232 HGB Rz. 39 ff.; weitergehend noch K. Schmidt in Schlegelberger, HGB, 1982, § 337 HGB (§ 232 n. F.) Rz. 10 ff.; v. Gerkan in Röhricht/v. Westphalen, HGB, 2. Aufl. 2001, § 232 HGB Rz. 6.

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sellschaft unverkennbar Unterschiede bestehen. So ist im Falle der stillen Gesellschaft der Hauptbeteiligte ein Unternehmensträger, der als Geschäftsinhaber auch über die für die Buchführung der stillen Gesellschaft erforderlichen Daten verfügt. Anders bei der Unterbeteiligung. Hier ist der Hauptbeteiligte nur Gesellschafter des Unternehmensträgers und verfügt als solcher über Kontrollrechte, nicht aber über die Fülle der Unternehmensdaten; an eine Buchführung der Unterbeteiligungsgesellschaft können deshalb nur geringere Anforderungen gestellt werden. Strukturell ist der Unternehmensinhaber im Falle der stillen Gesellschaft Vollhafter, der Hauptbeteiligte im Falle der Unterbeteiligung nur ausnahmsweise, nämlich als voll haftender Personengesellschafter. Andererseits lässt sich nicht verkennen, dass eine stille Beteiligung an einer Personengesellschaft durch eine Unterbeteiligung an den Anteilen der Gesellschafter ersetzt werden kann. Der Rückgriff auf das Bilanzrecht der stillen Gesellschaft wird überdies durch die immer wieder anzutreffende Aussage bestärkt, dass die Unterbeteiligungsgesellschaft zwar als BGB-Gesellschaft anzusprechen sei, dass auf ihre Verhältnisse aber ergänzend die Vorschriften zur stillen Gesellschaft heranzuziehen seien9, ja dass sogar die Anwendung von Vorschriften für die KG in Betracht komme10. Auch der BGH hat sich für eine ergänzende Heranziehung der Vorschriften zur stillen Gesellschaft ausgesprochen und in diesem Zusammenhang schon im Jahre 1968 den entscheidenden Hinweis für die hier interessierende Bilanzierungsfrage gegeben. Er hat dem Unterbeteiligten die Informationsbefugnisse des stillen Gesellschafters aus § 338 HGB und damit das Recht eingeräumt, vom Hauptgesellschafter eine jährliche Bilanz über dessen Gesellschaftsanteil zu verlangen, aus der er insbesondere auch die auf diesen Anteil entfallenden Erträgnisse und deren Zusammensetzung (Gewinnanteil, Kapitalzinsen, Geschäftsführergehalt usw.) sowie die Entwicklung des Kapitalkontos und seines Anteils ersehen könne11. Der Sache nach wird damit eine Bilanz für die Unterbeteiligungsgesellschaft verlangt12. Im Falle der stillen Gesellschaft hat sich der BFH, wie gezeigt, dazu erst viel später durchgerungen. Mit der Entscheidung des BGH ist aber auch im Steuerrecht der Weg frei für die Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft; diese ist rechnerisch ebenfalls Subjekt der Gewinnerzielung und Gewinnermittlung13 und bedarf einer Bilanz.

__________ 9 S. nur Ulmer in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2002, vor § 705 BGB Rz. 92; Blaurock (Fn. 2), Rz. 30.31 m. w. N. 10 K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 230 HGB Rz. 215. 11 BGH v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316 (323). 12 In diesem Sinne auch K. Schmidt in Schlegelberger (Fn. 8), § 338 HGB (§ 233 n. F.) Rz. 21; K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 233 HGB Rz. 47 für atypische Unterbeteiligung. 13 Für Gleichstellung mit stiller Gesellschaft BFH v. 2.10.1997 – IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137.

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II. Typische und atypische Unterbeteiligung an Personengesellschaften Unterbeteiligungen werden vorwiegend an Personengesellschaften mit eigenem Unternehmen eingeräumt. Der Unterbeteiligte partizipiert hierbei am Ergebnis des Hauptgesellschafters; das kann in unterschiedlichem Umfang geschehen. Nach dem Vorbild der stillen Gesellschaft wird insoweit zwischen einer typischen und einer atypischen Unterbeteiligung unterschieden. Im ersten Fall ist der Unterbeteiligte nur an den laufenden Erträgen des Gesellschaftsanteils beteiligt, im zweiten Fall partizipiert er an allen Erträgen und grundsätzlich auch an der Wertänderung des Gesellschaftsanteils. Unerwartet kann gerade die Ergebnisermittlung für den typisch Unterbeteiligten Schwierigkeiten bereiten. Für den typisch stillen Gesellschafter wird im Handelsrecht vertreten, dass er zwar am laufenden Gewinn, nicht aber an Gewinn und Verlust aus der Veräußerung von Anlagevermögen, nicht an der Bildung und Auflösung stiller Reserven und nicht am Ergebnis außergewöhnlicher Geschäfte beteiligt sei14. Die Grenze zwischen typischer und atypischer Beteiligung wird damit im Handelsrecht anders gezogen als im Steuerrecht; hier wird für den atypischen Stillen nicht nur die Beteiligung am laufenden Gewinn und Verlust ohne Unterschied der Geschäfte verlangt, sondern zusätzlich bei Auflösung der stillen Gesellschaft auch die Beteiligung an Wertsteigerungen des Gesellschaftsvermögens einschließlich eines Geschäftswerts15. Macht man mit der Unterscheidung des Handelsrechts Ernst, muss der zwischen Geschäftsinhaber und Stillem aufzuteilende Gewinn gesondert und abweichend von der Jahresbilanz des Geschäftsinhabers ermittelt werden. Dieser kann die umständliche Berechnung immerhin noch durchführen, weil er über das Buchungsmaterial verfügt. Anders der Gesellschafter einer Personengesellschaft. Seinem Gewinnanteil lässt sich nicht ansehen, auf welchen Geschäftsvorfällen er beruht. Als Mitglied einer OHG kann er sich die erforderlichen Informationen entsprechend § 118 HGB zwar selbst beschaffen, sie aber nicht ohne weiteres an den Unterbeteiligten weitergeben; als Kommanditist ist er nach § 166 HGB auf die Nachprüfung des Jahresabschlusses beschränkt. Wegen dieser Gegebenheiten soll sich die typische Unterbeteiligung auf den gesamten Gewinnanteil des Gesellschafters, unabhängig von seinen Quellen erstrecken16. Der typische Unterbeteiligte wird damit allerdings besser gestellt als der typische stille Gesellschafter. Von einem vermögensmäßig atypisch Unterbeteiligten kann damit handelsrecht-

__________ 14 Blaurock (Fn. 2), Rz. 14.40, 14.42 ff.; K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 232 HGB Rz. 7 ff., § 235 Rz. 22 ff. 15 BFH v. 27.5.1993 – IV R 1/92, BStBl. II 1994, 700. 16 Ulbrich, Die Unterbeteiligung an Personengesellschaftsanteilen, 1982, S. 133; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 2000, S. 281; K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 233 HGB Rz. 43.

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lich erst gesprochen werden, wenn er auch an der Wertentwicklung des Gesellschaftsanteils teilnimmt. Das entspricht der steuerlichen Abgrenzung. Danach muss der atypisch Unterbeteiligte mittelbar auch am Geschäftswert und den stillen Reserven der Hauptgesellschaft und damit an der darauf beruhenden Wertveränderung der Hauptbeteiligung beteiligt sein17. Unterbeteiligungen an Personengesellschaften werden überwiegend in atypischer Form, also unter Einbeziehung der Wertentwicklung der Beteiligung vereinbart18. Hierfür sprechen auch steuerliche Gesichtspunkte. Als Mitunternehmer erzielt der Unterbeteiligte alsdann Einkünfte aus Gewerbetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG und bleibt entsprechend § 32c EStG damit von der „Reichensteuer“ des § 32a Abs. 1 Nr. 5 EStG i. d. F. des StÄndG 200719 verschont; außerdem können bei Schenkung und Vererbung der Unterbeteiligung die Vergünstigungen des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG in Anspruch genommen werden20. Dem typischen Unterbeteiligten ist das versagt. Er erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, weil seine Situation mit der eines dort erwähnten stillen Gesellschafters vergleichbar ist21. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Eigenschaft des atypisch Unterbeteiligten als Mitunternehmer umstritten ist. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG müsste er Mitunternehmer eines Gewerbetriebs der Unterbeteiligungsgesellschaft sein und wäre, wenn diese Mitunternehmerin der Hauptgesellschaft ist, nach dem Modell der doppelstöckigen Personengesellschaft gleichzeitig auch Mitunternehmer dieser Gesellschaft. Für die atypische Unterbeteiligungsgesellschaft ist beides bestätigt worden22. Problematisch ist hieran, ob das Halten der Hauptbeteiligung schon einen Gewerbebetrieb der Unterbeteiligungsgesellschaft begründet. Dies war bisher zu bejahen, weil auch eine im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehaltene mitunternehmerische Beteiligung einen Betrieb dieser Personengesellschaft begründete23. Eine mit Überraschung aufgenommene Entscheidung des IX. Senats des BFH24 hat dies in Abrede gestellt. Auf ihre Konsequenzen25 ist hier nicht einzugehen, weil die Finanzverwaltung das Urteil nicht anwendet und die gesetzliche Bestätigung der bisherigen Rechtsauffassung in Aussicht

__________ 17 Vgl. BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269; BFH v. 9.10.2001 – VIII R 77/98, BStBl. II 2002, 460. 18 So auch im Falle des BGH-Urteils v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316. 19 BGBl. I 2006, 1652; BStBl. I 2006, 432. 20 Vgl. Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 749 (753), auch zu Einschränkungen der Finanzverwaltung. 21 BFH v. 28.11.1990 – I R 111/88, BStBl. II 1991, 313. 22 BFH v. 2.10.1997 – IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137. 23 BFH v. 8.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. II 1996, 264; BFH v. 13.11.1997 – IV R 97/96, BStBl. II 1998, 254; BFH v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, BStBl. II 2001, 359. 24 BFH v. 6.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. II 2005, 383. 25 Dazu Wacker in StbJb 2005/06, S. 67, 92 ff.; Groh, DB 2005, 2430.

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gestellt hat26. Sie ist inzwischen durch Änderung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG vollzogen.

III. Die Bilanz der atypischen Unterbeteiligungsgesellschaft 1. Zum Bilanzinhalt Bedarf es nach allem einer Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft, so ist über ihren Inhalt nachzudenken. Dabei bietet sich der Rückgriff auf das Bilanzbild einer Gesamthandsgesellschaft an. Das liegt schon deshalb nahe, weil die Gesellschafter der Unterbeteiligungsgesellschaft, wie gesagt, alternativ auch eine gesamthänderische BGB-Gesellschaft gründen könnten, in deren Vermögen die Beteiligung an der Hauptgesellschaft eingeht; wenn sie sich stattdessen mit einer Innengesellschaft begnügen, sollte sich für sie dasselbe Ergebnis errechnen. Das entspricht offenbar auch den Vorstellungen des BGH27, der für die Unterbeteiligungsgesellschaft eine Bilanz und darin die Einrichtung von Kapitalkonten verlangt, wie sie auch in der Bilanz der Gesamthandsgesellschaft vorkommen würden. In Unterbeteiligungsverträgen werden demgemäß in der Tat Absprachen über die Einrichtung und Gestaltung einer Bilanz getroffen28. Auch für das Steuerrecht ist die Gesamthandsgesellschaft vorbildlich. Hier herrscht das Axiom, dass der Gewinn aller Mitunternehmerschaften, seien sie als Gesamthands- oder Innengesellschaften organisiert, im Kern nach gleichen Grundsätzen ermittelt wird29. Deshalb ist für die mitunternehmerische atypische stille Gesellschaft eine Steuerbilanz zu verlangen, mit der Gewinn und Verlust der Gesellschaft und die Anteile der Gesellschafter nicht anders als bei einer Gesamthandsgesellschaft ermittelt werden30. In gleicher Weise ist bei der atypischen Unterbeteiligungsgesellschaft zu verfahren. Das Bilanzbild einer Innengesellschaft entspricht deswegen demjenigen einer Gesamthandsgesellschaft. Demgemäß wird in der Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft das für gemeinsame Rechnung gehaltene Vermögen ausgewiesen, das alsdann mittels Kapital- und Nebenkonten auf die Gesellschafter aufgeteilt wird31.

__________ 26 BMF-Schreiben v. 18.5.2005, BStBl. I 2005, 698. 27 Vgl. BGH v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316. 28 Vgl. die Vertragsmuster bei Volhardt in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zu Handels-, Gesellschafts-, Bahn- und Transportrecht, 2. Aufl. 2006, Bd. 1 F 6 und bei von der Heydt in Heidenhain/Meister, MünchVertragshdb., 6. Aufl. 2005, Bd.1 IX 8 und 9. 29 Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl. 2006, § 15 EStG Rz. 174 m. w. N. 30 Groh in FS Kruse, 2001, S. 417; Schmidt/Wacker (Fn. 29), § 15 EStG Rz. 347 m. w. N. 31 Zu Einzelheiten Volhardt und von der Heydt (Fn. 28).

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2. Gesellschaftsvermögen Wichtigster Vermögensbestandteil ist natürlich der Anteil des Hauptbeteiligten an der Hauptgesellschaft. Es fragt sich jedoch, wie dieser Anteil bewertet werden soll. Handels- und Steuerrecht kommen hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen. Anteile an Personengesellschaften werden heute in der Handelsbilanz des Gesellschafters als selbständige Vermögensgegenstände und damit nicht anders behandelt als Anteile an Kapitalgesellschaften. Sie werden mit ihren Anschaffungskosten, meist der Einlage des Gesellschafters, bewertet, unabhängig von Gewinn und Verlust der Gesellschaft; Gewinne wirken sich erst aus, wenn daraus aktivierbare Auszahlungsansprüche entstehen, Verluste, wenn die Abschreibung der Beteiligung notwendig wird32. Früher wurde die Beteiligung an einer Personengesellschaft dagegen als Spiegelbild des Kapitalkontos des Gesellschafters unter Einbeziehung von Gewinnen und Verlusten, von Einlagen und Entnahmen des Gesellschafters bilanziert33; Gewinne und Verluste der Personengesellschaft wurden dadurch sogleich beim Gesellschafter wirksam. In dieser Weise ist noch heute in der Steuerbilanz des Gesellschafters zu bilanzieren. Nach dem steuerlichen Transparenzprinzip gilt die Gesellschaftsbeteiligung nicht als selbständiges Wirtschaftsgut, vielmehr wird jedem Gesellschafter sein Anteil am Vermögen der Gesellschaft zugerechnet, den das Kapitalkonto repräsentiert; sein Umfang hängt davon ab, welcher Anteil am Gewinn und Verlust dem Gesellschafter in der Gewinnfeststellung für die Gesellschaft zugeteilt wird34. Das Ergebnis entspricht demjenigen der Spiegelbildmethode35. So ist auch in der Steuerbilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft vorzugehen. Da die Unterbeteiligungsgesellschaft keine Handelsbilanz erstellt, können die Gesellschafter auch untereinander nach dieser Methode abrechnen, also die Hauptbeteiligung spiegelbildlich mit der Kapitalseite der Hauptgesellschaft bilanzieren36. Dies ist zu empfehlen. Erst damit wird dem Unterbeteiligten der vom BGH37 verlangte Aufschluss über den Gesellschaftsanteil des Hauptbeteiligten, seinen Gewinnanteil und die Entwicklung seines Kapitalkontos vermittelt. Die Gesellschafter können individuell auch weitere Aktivitäten im Interesse der Unterbeteiligungsgesellschaft entwickeln. Häufig handelt es sich um Geschäfte mit der Hauptgesellschaft. Der Hauptbeteiligte aber auch der Unter-

__________ 32 Vgl. Winnefeld, Bilanzhandbuch, 4. Aufl. 2006, Rz. M 828 ff.; HFA-Stellungnahme 1/1991, Wpg 1991, 334; Entwurf IdW, Bilanzierung von Anteilen an Personenhandelsgesellschaften, FN IdW 2005, 738. 33 Winnefeld (Fn. 32), Rz. M 826 ff.; HFA-Stellungnahme 3/1976, Wpg 1976, 591. 34 BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804; BFH v. 6.7.1995 – IV R 30/93, BStBl. II 1995, 83 m. w. N.; Nickel/Bodden, FR 2003, 391 (395). 35 Ley, DStR 2004,1498 f. 36 Anders möglicherweise, wenn der Unterbeteiligte seinen Anteil in einer Handelsbilanz ausweisen muss. 37 Vgl. BGH v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316.

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beteiligte kann der Hauptgesellschaft Dienste leisten, ihr ein Grundstück vermieten, ein Darlehen gewähren. Steuerlich werden Erträge und Aufwendungen des Gesellschafters aus solchen Geschäften mit seiner Gesellschaft seinen Beteiligungseinkünften zugeordnet und als Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben, das zugehörige Vermögen und die zugehörigen Schulden als aktives und negatives Sonderbetriebsvermögen behandelt. Dies geschieht auch, wenn bei einer zweistöckigen Personengesellschaft der Gesellschafter der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft tätig wird oder sich sonst engagiert; wie erörtert, gilt der Obergesellschafter nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG auch als Mitunternehmer der Untergesellschaft38. Es liegt nahe, diese für Gesamthandspersonengesellschaften erarbeiteten Grundsätze auch im Falle der Unterbeteiligungsgesellschaft anzuwenden, gerade auch dann, wenn der Unterbeteiligte bei der Hauptgesellschaft tätig wird; die Rechtsprechung hat dies in der Tat gebilligt39. Andererseits können die Gesellschafter auch gemeinschaftliche Aktivitäten im Interesse der Unterbeteiligungsgesellschaft entwickeln, die dann Auswirkungen auf ihre Bilanz haben. Man denke an die Beschäftigung eines Steuerberaters für Fragen der Unterbeteiligung, einen Prozess, der die Hauptbeteiligung betrifft. Darüber hinaus können die Gesellschafter neben der Hauptbeteiligung auch anderes Vermögen obligatorisch vergemeinschaften. In Betracht kommt etwa ein Bankkonto, das einer der Gesellschafter zur Aufnahme der Gewinnausschüttungen der Hauptgesellschaft unterhält, oder auch ein Darlehen, das er zur Finanzierung einer Kapitalerhöhung der Hauptgesellschaft anderweitig aufgenommen hat. Es steht auch nichts entgegen, dass einer der Gesellschafter der Hauptgesellschaft für gemeinsame Rechnung ein Darlehen gewährt, so dass auch dieses in die Bilanz eingeht, ja dass in dieser Weise der Hauptgesellschaft auch ein Grundstück für gemeinsame Rechnung der Unterbeteiligungsgesellschaft zur Verfügung gestellt wird; es gehört nach dem Vorbild der Einlage quoad sortem dann ebenfalls in die Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft. Das Ergebnis muss wieder so sein, als würde die Hauptbeteiligung von einer Gesamthandspersonengesellschaft gehalten, die dann noch anderes Vermögen aufnimmt. Schließlich spricht nichts dagegen, dass die Gesellschafter – wie bei einer Gesamthandsgesellschaft- auch eine zweite Beteiligung in die Unterbeteiligungsgesellschaft einbeziehen, mag diese dem bisherigen Hauptbeteiligten oder dem Unterbeteiligten zugestanden haben oder neu erworben sein. Diese Möglichkeiten der Vermögenserweiterung stehen der stillen Gesellschaft nicht offen, womit sich bestätigt, dass die Unterbeteiligungsgesellschaft kein Ableger der stillen Gesellschaft ist. Bedenklich kann an der obligatorischen Anhäufung von Vermögen bei der Gesellschaft allerdings sein, dass es bei der Unterbeteiligungsgesellschaft an einer Dokumentation der Verhältnisse fehlt, wie

__________ 38 Vgl. Schmidt/Wacker (Fn. 29), § 15 EStG Rz. 610 ff. 39 Vgl. BFH v. 2.10.1997 – IV R 75/96, BStBl. II 1998, 137.

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sie durch den Rechtswechsel im Falle der Gesamthandsgesellschaft gegeben ist. Steuerlich wird man verlangen müssen, dass der Unterbeteiligungsgesellschaft zugeordnetes Vermögen dem Gesellschaftszweck dienlich ist. Im Falle der Gesamthandsgesellschaft wird Vermögen der Gesellschaft allerdings durchweg als Betriebsvermögen anerkannt. Das beruht aber darauf, dass Vermögen der Gesellschaft in ihre Handelsbilanz eingeht und dies nach § 5 Abs. 1 EStG für die Steuerbilanz maßgeblich ist40. Im Falle der Unterbeteiligungsgesellschaft besteht mangels Handelsbilanz eine solche Abhängigkeit nicht. 3. Gesellschaftskapital Wie in einer Gesamthandsbilanz ist auch das in der Unterbeteiligungsbilanz ausgewiesene Nettovermögen als Eigenkapital auf die Gesellschafter aufzuteilen. In der Gesamthandsbilanz wird in der Regel für jeden Gesellschafter ein festes Kapitalkonto als Maßstab seiner Gesellschafterrechte und mindestens ein variables Kapitalkonto geführt, auf dem sein Anteil an Gewinn und Verlust, sowie seine Einlagen und Entnahmen verbucht werden. Dieses Konto wird jedoch häufig in Unterkonten mit unterschiedlichen Bezeichnungen aufgeteilt41. So ist auch bei der Unterbeteiligungsgesellschaft zu verfahren42. Ihren Anteil am Gewinn und Verlust der Unterbeteiligungsgesellschaft können die Gesellschafter frei vereinbaren43; bei der Unterbeteiligung von Familienangehörigen wird steuerlich allerdings auf eine angemessene Gewinnverteilung geachtet44. Für die Geschäftsführung in der Unterbeteiligungsgesellschaft kann dem Hauptbeteiligten dabei ein Gewinnvorab zugestanden werden. Ist er auch in der Hauptgesellschaft tätig und erhält er dafür eine Tätigkeitsvergütung, geht diese nicht in das Ergebnis der Unterbeteiligungsgesellschaft ein; wird seine Tätigkeit im Gewinnanteil der Hauptgesellschaft abgegolten, sollte ihm bei der Gewinnverteilung ein angemessener Betrag vorweg zugewiesen werden45. Gleiches gilt für eine Haftungsvergütung der Hauptgesellschaft46. Insbesondere durch Verluste aus der Hauptbeteiligung können die Kapitalkonten der Gesellschafter einschließlich der Unterkonten auch negativ wer-

__________ 40 Zu Einzelheiten Schmidt/Wacker (Fn. 29), § 15 EStG Rz. 481 ff. 41 Vgl. Huber, ZGR 1988, 1 (47 ff.); Ley, DStR 2003, 957; dies. in StbJb 2003/04, S. 135 ff.; Carlé/Bauschatz, DStR 2003, 957; Winnefeld (Fn. 32), Rz. L 545 ff.; BFH v. 27.6.1996 – IV R 80/95, BStBl. II 1997, 36; BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344. 42 Vgl. die Vertragsmuster bei Volhardt und von der Heydt (Fn. 28). 43 Zu den Maßstäben Ulbrich (Fn. 16), S. 137 ff. 44 BFH v. 24.7.1986 – IV R 103/85, BStBl. II 1987, 54; BFH v. 27.4.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635; BFH v. 9.10.2001 – VIII R 77/98, BStBl. II 2002, 460. 45 Vgl. Vertragsmuster von der Heydt (Fn. 28). 46 Blaurock (Fn. 2), Rz. 30.51.

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den. Steuerlich greifen dann in einer KG für den Kommanditisten die Abzugsbeschränkungen des § 15a EStG ein; er kann die Verlustanteile nur mit künftigen Gewinnanteilen verrechnen, nicht aber in seiner Einkommensteuerveranlagung mit anderen positiven Einkünften ausgleichen. Es besteht Einigkeit, dass diese Regelung auch im Falle der Unterbeteiligungsgesellschaft Anwendung findet, wenn sie sich auf eine KG-Beteiligung bezieht47. Handelt es sich um eine oHG-Beteiligung, ist der unbeschränkt haftende Hauptgesellschafter nicht betroffen. Dagegen soll § 15a EStG auf den Unterbeteiligten auch dann anwendbar sein, wenn er am Verlust des Hauptgesellschafters voll teilnimmt und ggf. zu Nachschüssen verpflichtet ist, weil diese Nachschusspflicht nur im Innenverhältnis bestehe48. Einige Schwierigkeiten ergeben sich, weil § 15a sowohl auf der Ebene der Hauptgesellschaft als auch auf der Ebene der Unterbeteiligungsgesellschaft beachtet sein will. Dies wird aber auch im Falle einer doppelstöckigen Gesamthandsgesellschaft erforderlich49; an die hier gefundenen Ergebnisse ist anzuknüpfen. Das für die Unterbeteiligung ausgewiesene Eigenkapital wird wie bei einer Gesamthandsgesellschaft durch Entnahmen der Gesellschafter der Unterbeteiligungsgesellschaft gemindert. Der Umfang der hier zulässigen Entnahmen ist gesetzlich nicht geregelt und muss vertraglich festgelegt werden; dabei ist auf die verfügbare Liquidität Rücksicht zu nehmen. Im Allgemeinen wird deswegen an die Entnahmemöglichkeiten des Hauptbeteiligten angeknüpft50. Äußerstenfalls muss die Entnahme mit Hilfe eines für Rechnung der Unterbeteiligungsgesellschaft aufgenommenen Darlehens finanziert werden.

IV. Gründung und Beendigung der atypischen Unterbeteiligungsgesellschaft 1. Gründung der Gesellschaft Bei der vertraglichen Gründung wird die Unterbeteiligungsgesellschaft, mit Vermögen versehen. Bei Neugründung einer Gesamthandsgesellschaft wird dieser Vorgang sehr deutlich: das Vermögen muss auf die Gesellschaft übertragen werden, bei der es zu gemeinsamem Wohl und Wehe der Gesellschafter verbleibt, die aber auch über die erlangten Vermögensgegenstände verfügen kann. Letzteres scheidet für die Unterbeteiligungsgesellschaft aus, auch wird bei ihrer Gründung die Rechtszuständigkeit der Hauptbeteiligung und des sonst verstrickten Vermögens nicht verändert. Doch bedeutet diese Verstrickung, dass die Gesellschafter der Unterbeteiligungsgesellschaft an

__________

47 Vgl. Schmidt/Wacker (Fn. 29), § 15a EStG Rz. 206; Kempermann, FR 1998, 248 f.; BFH v. 10.7.2001 – VIII R 45/98, BStBl. II 2002, 339. 48 Vgl. BFH v. 10.7.2001 – VIII R 45/98, BStBl. II 2002, 339, jedoch fraglich. 49 Schmidt/Wacker (Fn. 29), § 15a EStG Rz. 61. 50 Vgl. von der Heydt (Fn. 28), Vertragsmuster IX.8 § 7 und Rz. 16.

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der Wertentwicklung des Vermögens in derselben Weise teilnehmen wie die Gesellschafter einer Gesamthandsgesellschaft. Selbst in eine solche Gesellschaft können bekanntlich Vermögensgegenstände quoad sortem, also ohne explizite Vermögensübertragung eingelegt werden. Um ebendies handelt es sich bei der Unterbeteiligungsgesellschaft. Deshalb lässt sich durchaus von der Einlage der Hauptbeteiligung in die Unterbeteiligungsgesellschaft sprechen51. Dem damit verbundenen Vermögensabgang steht beim Gesellschafter die Erlangung von Gesellschaftsrechten gegenüber, so dass sich die Einbringung in eine Innengesellschaft und damit auch in die Unterbeteiligungsgesellschaft für den Hauptbeteiligten als tauschähnlicher Vorgang darstellt. Steuerrechtlich werden hierdurch entsprechend § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG grundsätzlich die stillen Reserven des eingelegten Wirtschaftsguts realisiert. Dies wird jedoch durch § 24 UmwStG abgewendet, der der aufnehmenden Personengesellschaft gestattet, einen eingebrachten Mitunternehmeranteil mit dem Buchwert des Gesellschafters fortzuführen; da der Wertansatz bei der Gesellschaft als Veräußerungspreis des Gesellschafters gilt, wird dadurch die Gewinnrealisierung vermieden. Sicherlich hat der Gesetzestext die Gesamthandsgesellschaft im Auge. Inzwischen ist aber anerkannt, dass es sich bei der aufnehmenden Personengesellschaft auch um eine Unterbeteiligungsgesellschaft handeln kann52. Auch hier bestätigt sich die Gleichstellung von Gesamthands- und Innengesellschaft. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Unterbeteiligungsgesellschaft einer Bilanz bedarf, in der das Wahlrecht ausgeübt wird. In der Regel muss der Unterbeteiligte dem Hauptbeteiligten ein Entgelt für die Einräumung der Unterbeteiligung entrichten. Würden beide eine Gesamthandsgesellschaft errichten, könnte der Vorgang so abgewickelt werden, dass der Anteilseigner einen Bruchteil seines Gesellschaftsanteils an den Mitgesellschafter veräußert und beide ihre Anteile in die Gesamthandsgesellschaft einbringen. Es kann aber auch so sein, dass der Anteilseigner den ungeteilten Gesellschaftsanteil einbringt und der Mitgesellschafter hieran als Gesamthänder beteiligt wird. In der Vergangenheit war anzunehmen, dass der Anteilseigner seinen Gesellschaftsanteil alsdann auch für Rechnung des Mitgesellschafters, d. h. zur Aufbringung der von diesem versprochenen Einlage gegen Entgelt einbringt und damit teilweise an den Mitgesellschafter veräußert53. Nach neuerer Auffassung würde der Anteilseigner den Gesellschaftsanteil zunächst für eigene Rechnung einbringen, während der Mitgesellschafter zunächst nur nominal und ohne Einlage beteiligt ist; nach einer

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51 Anders K.Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 230 HGB Rz. 16. 52 Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Loseblatt, § 24 UmwStG Rz. 87; Haritz/ Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 UmwStG Rz. 44. 53 Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts,1970, S. 201 f.; BFH v. 23.6.1981 – VIII R 138/80, BStBl. II 1982, 622; BFH v. 8.12.1994 – IV R 82/92, BStBl. II 1995, 599.

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logischen Sekunde soll der Einbringende dann einen Teil seines neuen Anteils an der aufnehmenden Gesellschafter entgeltlich abtreten54. Beide Vorstellungen lassen sich auf die Gründung der Unterbeteiligungsgesellschaft übertragen. Das vom Unterbeteiligten gewährte Entgelt bildet in beiden Fällen keine Einlage des Unterbeteiligten, sondern den Kaufpreis seiner Unterbeteiligung; es wird nicht zu gemeinsamem Vermögen, sondern steht ausschließlich dem Hauptbeteiligten zu. Da das Kapitalkonto des Unterbeteiligten in der Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft nach dem vom Hauptbeteiligten übernommenen Buchwert der Hauptbeteiligung bemessen wird, muss der Unterbeteiligte die Differenz zum höheren Kaufpreis in einer positiven Ergänzungsbilanz unterbringen. Hierin ist der Mehrbetrag auf den mittelbaren Anteil des Unterbeteiligten an den stillen Reserven der Hauptgesellschaft aufzuteilen. Dessen bedarf es nicht, wenn die Unterbeteiligung unentgeltlich eingeräumt wird. Die unentgeltliche Aufnahme in ein Einzelunternehmen ist jetzt in § 6 Abs. 3 Satz 1 2. HS EStG geregelt und wird dort der unentgeltlichen Teilübertragung eines Mitunternehmeranteils gleichgestellt. Dies ist auf die unentgeltliche Einräumung der Unterbeteiligung zu übertragen; sie ist nicht anders zu behandeln als die unentgeltliche Teilübertragung des vom Hauptbeteiligten durch die Einbringung erlangten Mitunternehmeranteils an der Unterbeteiligungsgesellschaft55. Gewinne werden dadurch nicht realisiert, die in der Gesellschaftsbilanz angesetzten Werte bleiben unverändert56. Im Rahmen der Erbschaftsteuer wird die schenkweise Einräumung der Unterbeteiligung wie ihre schenkweise Weiterübertragung durch § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG begünstigt. Wie gezeigt, können die Gesellschafter neben dem Anteil an der Hauptgesellschaft auch weiteres Vermögen ohne Änderung der Rechtszuständigkeit dem Werte nach in die Unterbeteiligungsgesellschaft einbringen. Gehörten die Wirtschaftsgüter schon bisher zu einem Betriebsvermögen des Einbringenden, bleibt der Vorgang gewinnneutral und ist nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG bei der aufnehmenden Gesellschaft der Buchwert des Einbringenden fortzuführen; Abweichungen ergeben sich nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG nur, wenn das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist entnommen oder veräußert wird. Dies alles gilt auch für eine Übertragung von Wirtschaftsgütern der Gesellschaft auf den Gesellschafter. Die Vorschrift ist für Übertragungen in das und aus dem Gesamthandsvermögen konzipiert, gilt aber auch für mitunternehmerische Innengesellschaften57 und damit auch für die Unterbeteiligung.

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54 BFH v. 21.9.2000 – IV R 54/99, BStBl. II 2001, 178; Offerhaus in FS Widmann, 2000, S. 441 (446 ff.); ähnlich schon BFH v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123. 55 Vgl. auch Carlé/Fuhrmann, FR 2006, 753. 56 Vgl. Schmidt/Wacker (Fn. 29), § 16 EStG Rz. 408 und 430. 57 Vgl. Schmidt/Glanegger (Fn. 29), § 6 EStG Rz. 537 und Schmidt/Wacker (Fn. 29), § 15 EStG Rz. 684 zur atypischen stillen Gesellschaft.

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2. Beendigung der Gesellschaft Die Unterbeteiligungsgesellschaft kann aus unterschiedlichen Gründen beendet werden: durch Vereinbarung der Gesellschafter, durch Ablauf der vorgesehenen Zeit, durch Kündigung eines der Gesellschafter, durch Fortfall der Hauptbeteiligung wegen Ausscheidens des Hauptgesellschafters aus der Hauptgesellschaft oder wegen Beendigung der Hauptgesellschaft, möglicherweise durch Tod des Hauptgesellschafters und noch aus anderen Gründen58. Die Beendigung hat zur Folge, dass das bisher der Gesellschaft gewidmete Vermögen dem „dinglich“ berechtigten Gesellschafter verbleibt, dass aber die obligatorische Verstrickung seines Vermögens entfällt und er nunmehr zur eigennützigen Verfügung über sein Vermögen berechtigt ist. Damit schwindet auch die Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft; die den Gesellschaftern verbleibenden Vermögensgegenstände werden zu Lasten ihres Kapitalkontos ausgebucht. Im Rahmen dieser Abwicklung kann sich für den einen Gesellschafter schließlich ein positives, für den anderen ein entsprechend negatives Kapitalkonto ergeben; die Differenz ist geldlich auszugleichen. Ein negatives Kapitalkonto wird sich wegen des Rückfalls der Hauptbeteiligung vor allem für den Hauptbeteiligten ergeben. Die aus der Bilanz abgehenden Vermögensgegenstände sind zu bewerten. Ist ihr Buchwert maßgeblich, sind keine weiteren Schritte erforderlich. Ist für sie ein höherer oder niedrigerer Wert anzusetzen, wird eine Auseinandersetzungsbilanz erforderlich, in der die Vermögensgegenstände mit ihren neuen Werten erscheinen; die Differenz wird als fiktiver Gewinn oder Verlust zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt und auf ihre Kapitalkonten übertragen. Alsdann sind die Vermögensgegenstände, wie beschrieben, zu Lasten der Kapitalkonten auszubuchen. Diese Art der Auseinandersetzung, natürlich ohne Liquidation59, folgt weder § 733 noch § 738 BGB und auch nicht § 235 HGB60. Sie ergibt sich aber aus den besonderen Verhältnissen der Unterbeteiligungsgesellschaft und ähnelt einer Auseinandersetzung der Gesamthandsgesellschaft im Wege der Naturalteilung. Das vorgestellte Modell ist auch brauchbar, wenn der Unterbeteiligte in Geld abgefunden werden soll; wenn er nichts aus dem Gesellschaftsvermögen erhält, besteht für ihn lediglich der Ausgleichsanspruch nach Maßgabe seines Kapitalkontos gegen den Hauptbeteiligten. Die Ausgleichszahlung stellt für den Leistenden, insbesondere also den Hauptbeteiligten, nachträgliche Anschaffungskosten dar, weil er dadurch die obligatorische Mitberechtigung des Mitgesellschafters ablöst und sein Vermögen vergrößert; für

__________ 58 K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 234 HGB Rz. 63 ff.; Ulbrich (Fn. 16), S. 146 ff.; Tebben (Fn. 16), S. 325 ff. 59 BFH v. 26.6.1985 – IV R 22/83, BFH/NV 1987, 24. 60 Vgl. dazu K. Schmidt in Schlegelberger, HGB (Fn. 8), § 340 HGB (§ 235 n. F.) Rz. 64; K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 235 HGB Rz. 68 ff.; Tebben (Fn. 16), S. 343 ff.; Ulbrich (Fn. 16), S. 161 ff.

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den Zahlungsempfänger ergibt sich ein Veräußerungserlös und ggf. ein Veräußerungsgewinn. Für die Art der Auseinandersetzung, für die Bewertung des Vermögens und die Berechnung der Abfindung des Unterbeteiligten, d. h. seiner Ausgleichsforderung können Vereinbarungen getroffen werden61. Endet die Unterbeteiligungsgesellschaft wegen Veräußerung der Hauptbeteiligung oder Auflösung der Hauptgesellschaft, steht der Erlös „dinglich“ dem Hauptbeteiligten zu; in der Auseinandersetzung der Unterbeteiligungsgesellschaft gilt die Hauptbeteiligung als dem Hauptgesellschafter zugeteilt. Im Ertragsteuerrecht kann an die Ergebnisse zur Auflösung und Beendigung einer atypischen stillen Gesellschaft angeknüpft werden, auch sie eine Innengesellschaft mit lediglich obligatorischen Bindungen62. Erhält einer der Gesellschafter lediglich eine Ausgleichszahlung, ist dies wie der Erwerb seines Mitunternehmeranteils durch den Zahlenden zu werten. Der Empfänger versteuert den Veräußerungsgewinn entsprechend § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, der Zahlende hat Anschaffungskosten für das zusätzlich erlangte Vermögen, so auch der Hauptbeteiligte für die bisher dem Unterbeteiligten zukommenden Anteile an seinem Gesellschaftsanteil; Zahlender und Erwerber kann aber durchaus auch der Unterbeteiligte sein. Ist die Unterbeteilungsgesellschaft zusätzlich zur Hauptbeteiligung noch mit weiterem Vermögen ausgestattet, kann die Auseinandersetzung möglicherweise allein durch Zuweisung von Gesellschaftsvermögen bewerkstelligt werden. Gelangen die zugewiesenen Wirtschaftsgüter jeweils in ein Betriebsvermögen der Gesellschafter, sind die Grundsätze der Realteilung maßgebend; die Wirtschaftsgüter sind mit ihrem bisherigen Buchwert anzusetzen, sofern die Sperrfrist eingehalten wird (§ 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG). Erbringt einer der Gesellschafter zusätzlich eine Ausgleichszahlung, sind die Grundsätze zur Realteilung mit Wertausgleich anwendbar63. Im Prinzip sollen die Gesellschafter der Unterbeteiligungsgesellschaft so behandelt werden, als hätten sie Hauptbeteiligung und weitere Wirtschaftsgüter in eine gemeinsame Gesamthandsgesellschaft gegeben; es ist dann nur folgerichtig, dass auch die steuerlichen Grundsätze zur Auflösung der Gesamthandsgesellschaft Anwendung finden.

V. Die Bilanz der typischen Unterbeteiligungsgesellschaft Typische Unterbeteiligungsgesellschaften sind selten. Mit ihnen ist schwer umzugehen, wenn sie nach dem Vorbild der typischen stillen Gesellschaft nur den betrieblichen Gewinn der Hauptgesellschaft erfassen sollen. Er ist, wie schon erörtert, für die stille Gesellschaft nur schwer, für die Unterbeteiligung überhaupt nicht zu ermitteln, weil es dazu einer Sonderberech-

__________ 61 Vgl. Volhard (Fn. 28) Vertragsmuster F 7; von der Heydt (Fn. 28) Vertragsmuster IX 9. 62 Vgl. dazu Schmidt/Wacker in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 16 EStG Rz. 420 ff.; Groh (Fn. 5), S. 427 ff. 63 Hierzu Schmidt/Wacker in MünchKomm.HGB (Fn. 1), § 16 EStG Rz. 548 ff.

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Die Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft

nung bedarf, die nur die Hauptgesellschaft durchführen kann; anders als der Geschäftsinhaber im Falle der typischen stillen Gesellschaft ist die Hauptgesellschaft dazu aber nicht verpflichtet. Zu Recht wird daher vertreten, dass sich die typische Unterbeteiligungsgesellschaft auf den gesamten laufenden Gewinn der Hauptgesellschaft erstreckt; das kann jedenfalls vereinbart werden. Sie kann andererseits auch auf den an den Hauptbeteiligten verteilten Gewinn beschränkt werden; doch ist nicht gesagt, dass die Ausschüttung den Gewinn der Gesellschaft richtig wiedergibt, er kann darüber, aber auch darunter liegen. Nach alledem besteht wenig Anreiz, sich eine typische Unterbeteiligung gegen Entgelt zu verschaffen. Erst die Partizipation an der gesamten Unternehmensentwicklung, wie sie die atypische Unterbeteiligung vermittelt, macht die Investition sinnvoll; nur hier kann es auch zur Einbeziehung weiteren Vermögens kommen. Typische Unterbeteiligungen werden deshalb vorwiegend mit Angehörigen, oft auch im Wege der Schenkung vereinbart. Soll der Unterbeteiligte nicht lediglich am ausgeschütteten Gewinn partizipieren, empfiehlt sich für die Abrechnung zwischen den Gesellschaftern der Unterbeteiligungsgesellschaft auch in diesem Fall die Aufstellung einer Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft64. Sie unterscheidet sich von der Bilanz der atypischen Unterbeteiligungsgesellschaft nur hinsichtlich der Gewinnverteilung. Es ist darum angezeigt, dass die Unterbeteiligungsgesellschaft auch in diesem Falle nach der Spiegelbildmethode bilanziert, also die Beteiligung mit dem Kapitalkonto des Hauptbeteiligten bei der Hauptgesellschaft bewertet wird. Kommt es zur Beendigung der Unterbeteiligungsgesellschaft, übernimmt der Hauptgesellschafter die Hauptbeteiligung mit dem Buchwert und muss an diesen nach Maßgabe seines Kapitalkontos einen Ausgleich zahlen. Steuerlich liegen die Dinge völlig anders. Der typisch Unterbeteiligte erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen, der Hauptbeteiligte aus Gewerbetrieb, die Gesellschafter sind damit nicht Mitunternehmer. Die Bilanz der Unterbeteiligungsgesellschaft ist für die Ermittlung ihrer Einkünfte nicht brauchbar. Der Unterbeteiligte errechnet die seinen als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, der Hauptbeteiligte behält seinen Gewinnanteil aus der Hauptgesellschaft, der sich allerdings um die als Sonderbetriebsausgaben abzusetzenden Leistungen an den Unterbeteiligten vermindert.

__________ 64 So auch die Vertragsmuster bei Volhardt und von der Heydt a. a. O. (Fn. 28).

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Wer kann ohne besonderen Anlass seine Gesellschafterstellung verlieren? Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Die maßgeblichen Entscheidungen 1. Der Gesellschafter auf Probe 2. Der Kooperationspartner 3. Der Manager-Gesellschafter 4. Der Mitarbeiter-Gesellschafter III. Die Grundprinzipien der neuen Judikatur 1. Das nebenher laufende Vertragsverhältnis

2. Die Erbringung von anderen Leistungen als Geldzahlungen aufgrund des Gesellschaftsvertrages IV. Abfindungsregeln V. Empfehlungen für die Praxis VI. Ausblick

I. Einleitung In den letzten Jahren ist die Judikatur bei der Beurteilung von Klauseln, nach denen Gesellschafter ohne wichtigen Grund die Gesellschaft zu verlassen haben, großzügiger geworden. Mehrere Urteile betonen, dass in Sondersituationen der Ausschluss ohne besonderen Grund zulässig ist und bejahen das Vorliegen solcher besonderen Umstände im zur Entscheidung stehenden Fall. Für die Einschätzung zukünftiger Fallgestaltungen muss festgestellt werden, was die maßgeblichen Gesichtspunkte für diese Sonderbehandlung sind. Im Folgenden soll versucht werden, diese Kriterien zu ermitteln. Nicht zur Debatte stehen soll die schon vielfach behandelte Frage, ob die Grundaussage der Judikatur, wonach ein Ausschluss ohne besonderen Grund nur in Sonderfällen zulässig ist, überzeugt1.Vielmehr wird unter Zugrundelegung der bisherigen Aussagen der Rechtsprechung der Frage nachgegangen, in welchen weiteren Fallgestaltungen ein Ausschluss ohne besonderen Anlass von der Judikatur voraussichtlich akzeptiert werden wird.

__________ 1 Dazu aus jüngster Zeit Grunewald, DStR 2004, 1750 (1751); Habersack/Verse, ZGR 2005, 451 (456); Henssler in FS Konzen, 2006, S. 267; Hey, Die freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004, S. 214 ff.

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II. Die maßgeblichen Entscheidungen 1. Der Gesellschafter auf Probe Die geschilderten Liberalisierungstendenzen beginnen mit einem Urteil aus dem Jahr 20042. In der Entscheidung ging es um den Ausschluss eines vor 10 Jahren in die Gemeinschaftspraxis der Beklagten aufgenommenen Arztes. Als dieser einer für ihn ungünstigen Vertragsänderung nicht zustimmen wollte, schlossen die Beklagten ihn unter Berufung auf eine entsprechende Vertragsklausel aus. In dem Urteil wird betont, dass für die bisherigen Gesellschafter, die einen ihnen u. U. weitgehend unbekannten Partner aufnehmen müssen, erhebliche Gefahren entstehen, weil sich im Allgemeinen erst nach einer gewissen Zeit der Zusammenarbeit herausstellen wird, ob zwischen den Gesellschaftern das notwendige Vertrauen besteht. Unter diesem Gesichtspunkt könne es nicht von vorneherein als sittenwidrig angesehen werden, wenn den Altgesellschaftern – zumal wenn sie allein Träger des Gesellschaftsvermögens sind und der neue Partner ohne Leistung einer Einlage aufgenommen wird, – für eine angemessene Prüfungszeit das Recht eingeräumt wird, den Neugesellschafter auszuschließen, auch wenn keine Gründe vorliegen, die es den Altgesellschaftern unzumutbar machen, das Gesellschaftsverhältnis fortzusetzen. Allerdings dürfe diese „Probezeit“ den hier gegebenen Zeitraum von 10 Jahren bei weitem nicht erreichen. 2. Der Kooperationspartner In einer Entscheidung aus dem Jahr 20053 war Gegenstand der beklagten GmbH die Errichtung, Organisation und der Betrieb einer internationalen Kooperation nationaler Paketdienste. Die Gesellschafter waren die jeweils in ihren Ländern exklusiv als Partner des Systems tätigen „Nationalpartner“. Zwischen der Beklagten und den nationalen Partnern bestanden Kooperationsverträge, die mit einer Frist von 12 Monaten zum Monatsende gekündigt werden konnten. In der Satzung der Beklagten war vorgesehen, dass der Beklagten eine Call-Option zusteht, wenn ein Gesellschafter nicht mehr in das von ihr organisierte Paketsystem als nationaler Partner eingegliedert ist. Auch diese Satzungsklausel hat der BGH für akzeptabel gehalten. In den Gründen wird darauf hingewiesen, dass der Kooperationsvertrag von entscheidender Bedeutung für die Beziehung der Gesellschafter zu der Beklagten sei. Er regele im Einzelnen die wechselseitigen Rechte und Pflichten und bestimme vor allem den wirtschaftlichen Ertrag für den einzelnen Partner. Die Mitgliedschaft in der Beklagten stelle sich gegenüber dem Kooperationsvertrag als ein bloßer Annex dar; sie verschaffe dem einzelnen Gesellschafter

__________ 2 Urteil v. 8.3.2004 – 2 ZR 165/02, NZG 2004, 569 = WM 2004, 802 = ZIP 2004, 903. 3 Urteil v. 14.3.2005 – 2 ZR 153/03, ZIP 2005, 706 = WM 2005, 802 = DB 2005, 938 mit Anm. Hohaus.

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keine Chancen, die nicht bereits aufgrund des Kooperationsvertrages bestehen würden. Nur ein zugleich mit der Beklagten durch den Kooperationsvertrag verbundener Gesellschafter könne seine Mitgliedschaftsrechte in der GmbH sinnvoll ausüben. 3. Der Manager-Gesellschafter In einer Entscheidung vom September 20054 betrieb die beklagte GmbH eine Vielzahl von M-Märkten, die jeweils in der Rechtsform einer GmbH organisiert waren. Für das operative Geschäft war ein Vor-Ort-Geschäftsführer zuständig. Entsprechend ihrem einheitlichen Unternehmenskonzept beteiligte die Beklagte den jeweiligen Vor-Ort-Geschäftsführer mit einem Geschäftsanteil von bis zu 10 % an der von ihm geleiteten GmbH. Das restliche Stammkapital hielt die Beklagte. Der Geschäftsführer hatte für den Erwerb seines Anteils in der Regel nur den Nominalwert zu zahlen und war am Gewinn, nicht aber am Verlust der Gesellschaft beteiligt. Zugleich vereinbarte die Beklagte mit dem Geschäftsführer, dass seine Gesellschafterstellung enden solle, wenn er als Geschäftsführer abberufen oder sein GeschäftsführerAnstellungsvertrag beendet werde. Auch diese Vertragsgestaltung hat der BGH gebilligt. In den Gründen wird darauf hingewiesen, dass bei dieser Sachlage der das Kündigungsverbot tragende Gedanke, den Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Gesellschafterrechte nicht unter unangemessenen Druck zu setzen, nicht berührt werde. Im Vordergrund stehe vielmehr die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, den Geschäftsführer ohne Grund aus seiner Organstellung abzuberufen. Die weitere Folge, dass dann auch die Gesellschafterstellung ende, falle demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht, weil die von vornherein auf Zeit eingeräumte Beteiligung in dem Manager-Modell nur einen Annex zu der Geschäftsführerstellung darstelle. 4. Der Mitarbeiter-Gesellschafter Nicht mehr ganz in die geschilderte Reihe passt ein weiteres Urteil vom selben Tag5. Hier war die Beklagte Arbeitnehmerin der klagenden GmbH. Der Mehrheitsgesellschafter und Unternehmensgründer hatte die Mitarbeiter des Unternehmens als Gesellschafter an der GmbH beteiligt. Dazu übertrug er u. a. auch der Beklagten einen Geschäftsanteil im Nominalwert von 2000 DM gegen Zahlung eines gleich hohen Betrages. Nach einer Kapitalerhöhung überließ er der Beklagten einen weiteren Geschäftsanteil im Nominalwert von 2 000 DM, diesmal unentgeltlich. Die Beklagte erklärte sich in beiden Fällen zur Rückübertragung der Anteile im Falle eines Ausscheidens aus den

__________ 4 Urteil v. 19.9.2005 – 2 ZR 173/04, NZG 1005, 968 = WM 2005, 2043. 5 BGH, Urteil v. 19.9.2005 – 2 ZR 352/03, NZG 2005, 971.

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Diensten der GmbH bereit und gab dazu aufschiebend bedingte Rückabtretungsangebote ab. Auch diese Vertragsgestaltung hat der BGH akzeptiert. In den Gründen wird darauf hingewiesen, dass hier eigentlich keine freie Hinauskündigungsmöglichkeit bestanden habe. Der Mehrheitsgesellschafter könne nämlich die Gesellschafterstellung der Mitarbeitergesellschafter nicht ohne sachlichen Grund beenden. Denn der Verlust der Gesellschafterstellung war an eine objektive Voraussetzung gebunden, nämlich an den Verlust des Arbeitsplatzes, und insoweit bestand keine Möglichkeit zu einem willkürlichen Handeln6. Immerhin zeigt das Urteil aber, dass der BGH sachliche, auf das Gesellschaftsverhältnis gestützte Gründe für die Kündigung der Gesellschafterstellung nicht verlangt. Vielmehr reicht es aus, wenn die Beendigung des nebenher laufenden Vertragsverhältnisses nicht willkürlich erfolgt und die Gesellschafterstellung an diese Beendigung geknüpft ist.

III. Die Grundprinzipien der neuen Judikatur 1. Das nebenher laufende Vertragsverhältnis Bei der Betrachtung der einschlägigen Entscheidungen fällt auf, dass es mehrfach darum ging, dass der Gesellschafter noch durch ein weiteres Vertragsverhältnis mit seiner Gesellschaft verbunden war. Dies gilt sowohl für das Kooperationsmodell wie auch für die Mitarbeiter- und Managerbeteiligungen. Gleich lag ein schon früher entschiedener Fall, in dem in einem Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft, deren Gesellschaftszweck der Betrieb einer Ferienanlage war, vorgesehen war, dass derjenige auszuscheiden hatte, der nicht mehr Eigentümer einer Wohnung in diesem Park war7. In all diesen Entscheidungen wurde akzeptiert, dass die Beendigung des nebenher laufenden Vertragsverhältnisses auch zur Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses führt. Dabei stellt die Kooperationspartner-Entscheidung klar, dass es allein auf die rechtmäßige Auflösung des nebenher laufenden Vertrages ankommt. Es ist also nicht erforderlich, dass – wie es bei dem Mitarbeitermodell aufgrund arbeitsrechtlicher Bestimmungen der Fall war – eine Vertragsauflösung nicht ohne weiteres möglich ist. Damit stellt sich die Frage, wann von einem solchen nebenher laufenden Vertrag, dessen Beendigung auch die Beendigung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen rechtfertigt, die Rede sein kann. Denn nicht jedem Vertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschafter kann eine solche Bedeutung zukommen. So würde etwa die Kündigung eines Bierlieferungsvertrages, den eine Brauerei-KG mit ihrem Kommanditisten zur Deckung seines häuslichen Be-

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6 Auf die Grenzen des arbeitsrechtlichen Schutzes weist Gehrlein, BB 2005, 2433 (2434) hin. 7 BGH, DStR 2003, 792.

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darfs abgeschlossen hat, nicht zur Folge haben, dass auch die Gesellschafterstellung zur Disposition steht. Auch wer als Kommanditist mit maßgeblicher Haft- oder Pflichteinlage auch einen Halbtagsjob in der KG übernimmt, verliert seine KG-Beteiligung selbst bei entsprechender Vertragsgestaltung wohl kaum einfach deshalb, weil der Arbeitsvertrag ordnungsgemäß beendet wurde. Ein Indiz für das Vorliegen eines auf die Gesellschafterstellung durchschlagenden nebenher laufenden Vertrages ist gegeben, wenn die maßgebliche Leistung des Gesellschafters/der Gesellschaft weniger in der Erbringung der Einlage bzw. in der Auszahlung einer Dividende als in der Erfüllung der Verpflichtung aus dem nebenher laufendem Vertrag liegt8. Im Manager-, Mitarbeiter- und Kooperationspartnerfall lag der Schwerpunkt der Leistung der genannten Personen nicht in der Erbringung ihrer Einlage sondern in der Leistung der versprochenen Dienste. Im Ferienparkfall lag der Schwerpunkt der Leistung der Kommanditgesellschaft auf der Erbringung der Service-Leistungen für die Wohnanlage, nicht in der Auszahlung von Gewinnen. Denn der Wert dieser Leistungen lag über der aus dem Gesellschaftsvertrag geschuldeten Summe. Nicht entscheidend ist demgegenüber, aufgrund welchen Vertragsverhältnisses die Gegenleistung in Geld im Wesentlichen erbracht wird. Im Manager-Fall war der aufgrund der Gesellschafterstellung erzielte Gewinn höher als das vereinbarte Gehalt. Gleichwohl hat der BGH die Beendigung der Gesellschafterstellung infolge der Beendigung der Geschäftsführerstellung für zulässig gehalten. Das leuchtet auch ein: Da es letztlich darum geht, den Schwerpunkt der Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien festzulegen, muss es in erster Linie auf die Leistung ankommen, die der erbringt, der nicht nur Geld schuldet. Demgegenüber ist es in bezug auf den Vertragspartner, der aufgrund von zwei Verträgen jeweils Geld zu zahlen hat, gleichgültig, auf welches Rechtsverhältnis geleistet wird. Denn schließlich sind die beiden Rechtsverhältnisse eng miteinander verbunden. Dem gemäß muss man, um festzustellen, wo der Schwerpunkt der Rechtsverhältnisse liegt, ganz maßgeblich auf die wertmäßige Gewichtung der Leistungen desjenigen abstellen, der nicht nur Geld schuldet. Doch kann dies m. E. nicht allein entscheidend sein. Auch für Manager, die bei Abschluss ihres Anstellungsvertrages eine erhebliche Einlage auf das Gesellschaftsverhältnis leisten, dürfte die geschilderte Judikatur des BGH gelten.

__________ 8 Gehrlein, BB 2005, 2433 (2434): Gesellschafterstellung werde aus einem übergeordneten Rechtsverhältnis hergeleitet; Goette, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 1 (19): Die Gesellschafterstellung sei nur Annex; Henssler (Fn. 1), S. 267 (274): Es komme darauf an, ob sich der Gesellschafter einkaufen musste; Kilian, WM 2006, 1567 (1573): Ohne das Bestehen des der Gesellschafterstellung zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses habe die Ausübung der Gesellschafterrechte keinen Sinn.

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Denn auch dann steht auf Grund der großen Bedeutung, die Managerleistungen zugesprochen wird, und der zeitlichen Verknüpfung der Begründung der Gesellschafterstellung mit dem Abschluss des Dienstvertrages normalerweise das dienst- und nicht das gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnis im Vordergrund. Allerdings muss der Wert der Beteiligung an der Gesellschaft bei der Festlegung des Abfindungsguthabens berücksichtigt werden. Aber das ist eine andere Frage9. 2. Die Erbringung von anderen Leistungen als Geldzahlungen aufgrund des Gesellschaftsvertrages Die geschilderten Leistungen können nicht nur aufgrund eines neben dem Gesellschaftsvertrag herlaufenden Vertrages, sondern auch aufgrund des Gesellschaftsvertrages selbst geschuldet sein. So ist etwa unstreitig, dass ein Komplementär Manageraufgaben auch als Einlage schulden und ein Kommanditist aufgrund des Gesellschaftsvertrages zur Mitarbeit verpflichtet sein kann10. Für die hier zur Diskussion stehende Frage kann es keinen Unterschied machen, ob neben dem Gesellschaftsvertrag noch separate Vertragsverhältnisse bestehen. Zwar weist eine solche Zweispurigkeit der Vertragsgestaltung auf das besondere Gewicht der „untypischen“ Gesellschafterleistung hin. Aber maßgeblich für die Gewichtung der Interessen kann dieses formale Auseinanderziehen der Rechtsverhältnisse nicht sein. Andernfalls ergäbe sich auch ein nicht zu rechtfertigender Unterschied zwischen GmbH und Personengesellschaft. Denn bei der GmbH kommen Vertragsgestaltungen, nach denen Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsvertrages andere Leistungen als Geld oder Sacheinlagen schulden, obwohl möglich (§ 3 Abs. 2 GmbHG), selten vor. Gewählt wird stattdessen die Begründung eines weiteren Vertragsverhältnisses. Bei den Personengesellschaften sieht dies anders aus. Hier sind Gesellschaften, in denen die Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsvertrages andere Leistungen als Geld oder Sacheinlagen (Mitarbeit) schulden, alles andere als selten. Daraus folgt für Gesellschaften, in denen der Beitrag des Gesellschafters nicht maßgeblich in einer Geldzahlung sondern in einer anderen Leistung (etwas persönliche Mitarbeit bei Freiberuflern und Managern) liegt, auch eine sachgerechte Lösung: Der Ausschluss ist in diesen Gesellschaften – entwickelt man die Judikatur des BGH konsequent fort – im Grundsatz ohne weiteres möglich11. Ob auch der BGH Vertragsgestaltungen mit und ohne neben dem Gesellschaftsverhältnis herlaufenden weiteren Vertrag einheitlich behandeln wird,

__________ 9 Siehe dazu unten IV. 10 Statt aller Grunewald in MünchKomm.HGB, 2. Aufl., § 168 HGB Rz. 8. 11 So auch Henssler (Fn. 1), S. 267 (283) für Freiberuflergesellschaften: Wenn harmonische Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist, bestehe ein berechtigtes Interesse am Ausschluss.

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kann allerdings nicht zweifelsfrei gesagt werden. In einem Urteil von 1985 wird jedenfalls der Ausschluss eines mit nur 5 % an der KG beteiligten Komplementärs, der ursprünglich als Angestellter in dem Unternehmen gearbeitet und auch weiterhin seine gesamte Arbeitskraft für die KG einzusetzen hatte, für unzulässig erklärt, sofern nicht ein wichtiger Grund in der Person des Komplementärs vorliegt12. Dieses Urteil wertet anders als die Managerentscheidung. Denn der ausgeschlossene Komplementär war nichts weiter als ein an der Gesellschaft beteiligter Manager. Allerdings handelte es sich um eine Familiengesellschaft, während es in der Managerentscheidung um Konzernstrukturen ging, in denen eine Vielzahl von Managerverträgen in der gleichen Art geschlossen worden waren. Doch kann dies eigentlich keinen Unterschied machen, da gerade in kleinen Gesellschaften das Bedürfnis, sich problemlos wieder voneinander trennen zu können, besonders groß ist. Doch liegt das den Manager-Komplementär betreffende Urteil schon eine Weile zurück und man könnte daher der Ansicht sein, dass der BGH schlicht eine Kehrtwende vollzogen hat. Dieser Einschätzung steht aber in gewisser Weise das Urteil zum Gesellschafter auf Probe entgegen. Denn in dieser Entscheidung wird nicht etwa gesagt, dass der nur minimal beteiligte Gesellschafter, dessen Einlage ersichtlich in erster Linie in der zur Verfügungstellung seiner Arbeitskraft als Arzt lag, ohne besonderen Anlass ausgeschlossen werden könnte. Vielmehr wird diese Möglichkeit auf eine Zeit von ca. 2 bis 3 Jahren nach Gründung oder Beitritt beschränkt13. Soll das freie Ausschlussrecht nur Gesellschafter treffen, die als Manager tätig sind? Oder soll es doch darauf ankommen, ob zwei separate Vertragsverhältnisse geschlossen wurden? Sinnvoll wäre weder die eine noch die andere Abgrenzung. Wegen der wenig klaren Linie der Judikatur wird auch gesagt, es müssten zahlreiche Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden14. Hierzu soll etwa die Frage zählen, unter welchen Bedingungen der Gesellschafter beigetreten ist, wie lange er schon Gesellschafter ist, welche Mitwirkungsrechte er in der Gesellschaft hat, welche Verdienste die Altgesellschafter sich um die Gesellschaft erworben haben, welche Folgen ein weiteres Verbleiben des Junggesellschafters für die Gesellschaft hätte und dergl. mehr. Wegen der geschilderten Unklarheiten ist natürlich nicht auszuschließen, dass die Judikatur derartiges im Auge hat. Konsequenz davon wäre allerdings, dass kaum absehbar wäre, was in einer konkreten Fallgestaltung nun gilt. Denn das Ergebnis einer Abwägung zahlreicher Aspekte gegeneinander ist nicht mehr

__________ 12 BGH, NJW 1985, 2421. 13 Zu dieser Zeitspanne siehe auch OLG Frankfurt, NJW-RR 2006, 405; Grunewald, DStR 2004, 1750 (1751); siehe auch den Hinweis von Kilian, WM 2006, 1567 (1572), wonach diese Probezeit kürzer ist, wenn der neue Gesellschafter schon vorher mit den anderen Gesellschaftern zusammen gearbeitet hat. 14 Hierzu im Rahmen der sog. Ausübungskontrolle Benecke, ZIP 2005, 1437 (1441); Henssler (Fn. 1), S. 267, 283; Kilian, WM 2006, 1567 (1574).

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vorhersehbar. Auch fragt sich, ob es wirklich verwerflich ist, wenn die Gesellschafter ohne besonderen Grund, also nur wegen persönlicher Animositäten wieder auseinandergehen wollen15. Denn nur wenn man dies bejaht, muss eine Abwägung überhaupt stattfinden.

IV. Abfindungsregeln In dem Mitarbeiterfall hat der BGH entschieden, dass als Abfindung nur das bezahlt werden muss, was der Betroffene für die Gesellschafterstellung selbst aufgewandt hat. Dass dies keine nur die Mitarbeiterfälle betreffende Aussage sein soll, zeigt die Managerentscheidung, in der auf diese Ausführung Bezug genommen wird. Hierin liegt m. E. eine ganz erhebliche Einschränkung der Gesellschafterrechte. Der Managerfall, in dem in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen war, dass die Abfindung im wesentlichen dem wahren Wert der Beteiligung entsprechen sollte, zeigt, dass eine Reduktion der Abfindung auf den eingelegten Betrag dem Gerechtigkeitsempfinden der betroffenen Verkehrskreise nicht unbedingt entspricht. Schließlich beruht die Wertsteigerung der Beteiligung vielfach auch auf der Tätigkeit des ausgeschiedenen Gesellschafters. Auch mag es sein, dass thesaurierte Gewinne maßgeblich zu diesem Wertzuwachs beigetragen haben. Diese wären aber, so sie denn ausgeschüttet worden wären, auch dem Gesellschafter auf Zeit zugeflossen, so dass die Gewinnverwendung, hält man eine Reduktion der Abfindung auf den geleisteten Einlagebetrag für rechtmäßig, auch darüber entscheiden würde, wem diese Werte endgültig zustehen. Der Hinweis darauf, dass auch Tantiemen nur gezahlt werden, solange der Geschäftsführer eben Geschäftsführer ist16, rechtfertigt den Abfindungsausschluss – bzw. die Reduktion der Abfindung auf den eingelegten Betrag – wohl eher nicht. Denn wer nicht Gesellschafter ist, muss auch nicht vor einem willkürlichen Entzug der Gesellschafterstellung geschützt werden17.

V. Empfehlungen für die Praxis Solange eine einheitliche Linie der Judikatur noch nicht erkennbar ist, empfiehlt es sich, bei der Vertragsgestaltung auf Nummer sicher zu gehen. Wenn ein freies Ausschlussrecht gewünscht wird, sollten daher zwei separate Verträge geschlossen werden. Wer also beispielsweise eine Sozietät von Rechtsanwälten gründet, kann die Rechtsform der GmbH wählen und ist nach Beendigung eines nebenher laufenden Anstellungsvertrags auf der relativ siche-

__________ 15 Insoweit anderer Ansicht Benecke, ZIP 2005, 1437 (1441); Gehrlein, NJW 2005, 1969 (1973). 16 So Böttcher, NZG 2005, 992 (994); Habersack/Verse, ZGR 2005, 451 (478). 17 Im Ergebnis so auch Römermann, GmbHR 2003, 1430 (1431).

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ren Seite18. Für Sozietäten in der Rechtsform der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts empfiehlt sich ebenfalls der Abschluss von zwei Verträgen, mag dies auch ungewöhnlich sein. Auf diese Weise wird betont, wo der Schwerpunkt der Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter liegen soll. Zugleich sollte in einer gesonderten Vertragsbestimmung betont werden, dass die Stellung als Gesellschafter nur für die Zeit besteht, für die auch das nebenher laufende Vertragsverhältnis aufrecht erhalten wird. Eine Reduktion der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters auf den eingelegten Betrag scheint nach der Judikatur des BGH möglich zu sein. Sie kann daher vereinbart werden, zumal eine insoweit unwirksame Klausel nicht die Gesamtnichtigkeit der Ausschlussregelung zur Folge hätte und daher eine solche Vertragsgestaltung nur wenige Risiken birgt19. Interessengerecht erscheint eine solche Regelung in vielen Fällen aber nicht. Denn warum sollte ein Gesellschafter allein deshalb, weil noch ein zweites Vertragsverhältnis mit der Gesellschaft neben seiner Stellung als Gesellschafter herläuft, in bezug auf eine Abfindung weniger schutzwürdig sein, als ein Gesellschafter, den kein weiteres Vertragsverhältnis mit der Gesellschaft verbindet?

VI. Ausblick Wie die Judikatur auf die aufgezeigten Unstimmigkeiten reagieren wird, bleibt abzuwarten. Eine klare Linie lässt sich erreichen, wenn man gegenüber allen Gesellschaftern, gleich was sie der Gesellschaft aufgrund welchen Vertragsverhältnisses schulden, ein freies Ausschlussrecht anerkennt. Wer die Sachverhalte von Ausschlussprozessen mit den endlosen gegenseitigen Vorwürfen zur Darlegung des wichtigen Ausschlussgrundes in der Person des jeweils anderen Gesellschafters liest, wird dafür Verständnis haben. Eine wesentliche, vollwertige Abfindung sollte allerdings stets geschuldet sein. Denn hierin liegt eine ganz wesentliche Absicherung gegenüber Willkürentscheidungen20.

__________ 18 Sofern der Auszuschließende seine Zulassung verliert, hat er schon deshalb aus der GmbH auszuscheiden, weil an ihr im Wesentlichen nur Rechtsanwälte beteiligt werden dürfen: Dazu Kilian, WM 2006, 1567, 1574. 19 Immerhin ist bei Unwirksamkeit aber eine angemessene Abfindung geschuldet. 20 Ähnlich OLG Hamm, MedR 2005, 234, wo ein freies Ausschlussrecht dann akzeptiert wird, wenn der Gesellschafter infolge seines Ausschlusses nicht wesentlich schlechter steht, als er bei einer Liquidation gestanden hätte; im Ergebnis auch Henssler (Fn. 1), S. 267 (283); Grunewald, DStR 2004, 1750; offen Westermann, AnwBl 2007, 103 (109 f.).

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Franz Josef Haas und Klaus-Dieter Drüen

Die Bruchteilsgemeinschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft? Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Bruchteilsgemeinschaft als konkludente Gesellschaft? 1. Die neuere Rechtsprechung zur Bruchteilsgemeinschaft als Besitzunternehmen 2. Gemeinschaft und Gesellschaft im Zivilrecht 3. Konsequenzen für konkludente Besitzgesellschaften bei Bruchteilsgemeinschaften III. Gesellschaftsverhältnis und steuerrechtliche Mitunternehmerschaft 1. Gesellschaftsverhältnis als hinreichende Bedingung einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft?

2. Gesellschaftsverhältnis als notwendige Bedingung der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft? 3. Orientierung am Gesellschaftsverhältnis oder eigenständiger steuerrechtlicher Mitunternehmerbegriff? IV. Folgen für die steuerrechtliche Qualifikation von Bruchteilsgemeinschaften 1. Bruchteilsgemeinschaft mit (konkludentem) Gesellschaftsverhältnis 2. „Reine“ Bruchteilsgemeinschaft als Mitunternehmerschaft V. Resümee

I. Einleitung Die einkommensteuerrechtliche Zentralnorm für die subjektive Zurechnung von mehreren Personen erwirtschafteter Einkünfte ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG1. Der dort normierte Begriff der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft knüpft an die Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft an. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs ist in seinem bis heute wegweisenden Beschluss zur Aufgabe der sog. Geprägerechtsprechung aus dem Jahre 1984 aber dabei bekanntlich nicht stehen geblieben. „Sinn und Zweck“ der Vorschrift, Einkünfte beim gemeinschaftlichen Bezug von Einkünften aus einem gewerblichen Unternehmen zu bestimmen, erlauben es nach höchstrichterlicher Ansicht, „als Mitunternehmer auch solche Personen anzusehen, die nicht in einem zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnis einer Außen- oder Innengesellschaft, sondern in einem wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschafts-

__________ 1 Vielen gilt die Norm als „verbal recht dürftig“, „skizzenhaft“ oder „rudimentär“ (vgl. die Nachweise bei N. Schneider, Sonderbetriebsvermögen – Rechtsgrundlage und Umfang, 2000, S. 7 mit Fn. 26).

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Franz Josef Haas und Klaus-Dieter Drüen

verhältnis zueinander stehen“2. Das ist inzwischen ständige Rechtsprechung3. Als Beispiel für wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse hat der Große Senat seinerzeit Gesamthandsgemeinschaften in der Form von Erben- oder Gütergemeinschaften sowie Bruchteilsgemeinschaften genannt4. Dem folgt die herrschende Ansicht5, betont aber den Ausnahmecharakter der „gesellschaftsähnlichen Gemeinschaftsverhältnisse“6. Der Jubilar sah sich als Gesellschaftsrechtler herausgefordert, die beispielhafte „Sammelladung“ der Rechtsprechung zu sortieren und klarzustellen, dass bei einer Bruchteilsgemeinschaft gerade kein Gesellschaftsverhältnis vorliegt und erteilte der Kategorie gesellschaftsähnlicher Rechtsverhältnisse eine Absage7. Hans-Joachim Priester hat in seinem vielzitierten Beitrag8 in der Festschrift für Ludwig Schmidt den Standpunkt vertreten, dass ein Gesellschaftsverhältnis Tatbestandsmerkmal einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sei9. Ob die von der Rechtsprechung praktizierte Unterstellung der Bruchteilsgemeinschaft eine tatbestandsüberschreitende Interpretation der Norm sei10, hat er seinerzeit ausdrücklich offen gelassen11. Diese Frage im Schnittfeld von Zivilrecht und Steuerrecht greifen wir zu Ehren des Jubilars auf, um in seine Gedankenwelt einzutreten und zugleich seine Verdienste um den Dialog zwischen Gesellschaftsrecht und Steuerrecht zu würdigen. Mit seiner unnachahmlich-

__________ 2 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768). 3 So BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 (597 f.) = DStR 2006, 912 (913). 4 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768) unter Hinweis auf die Rspr. des IV. Senats. 5 Z. B. Birk, Steuerrecht, 9. Aufl. 2006, Rz. 1010. 6 So z. B. Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl. 2006, § 15 EStG Rz. 171, 257. Am Rande sei angemerkt, dass die Rspr. auch nicht „bei der Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnissen“ stehen bleibt, sondern bei „Landwirtsehegatten“ ein Sonderrecht für die steuerrechtliche Mitunternehmerschaft wegen der „besonderen Funktion des Grund und Bodens in der Landwirtschaft“ etabliert hat (zuletzt BFH v. 22.1.2004 – IV R 44/02, BStBl. II 2004, 500 [501] m. w. N.). 7 Priester, Die faktische Mitunternehmerschaft – ein gesellschaftsrechtliches Problem, in FS L. Schmidt, 1993, S. 331 (337, 339). 8 Vgl. nur die Rezeption durch P. Fischer, „Faktisches“, „Verdecktes“ und die subjektive Zurechnung von Einkünften, FR 1998, 813 ff. und in der Kommentierung von Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 15 EStG Anm. 333, 335, 340, 342 et passim (Stand: Aug. 2003); ablehnend indes Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, 2001, S. 155 f. 9 Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (334 ff.). 10 So bereits Meßmer, Die Gesellschafter und der Mitunternehmer des § 15 Absatz 1 Nr. 2 EStG, in FS Döllerer, 1988, S. 429 (442) und wieder P. Fischer, FR 1998, 813 (817). 11 Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (337) mit dem Hinweis, dass jedenfalls der Rekurs auf ein Gemeinschaftsverhältnis als Ausweg bzw. Ersatzlösung für ein fehlendes Gesellschaftsverhältnis ausscheide.

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Die Bruchteilsgemeinschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft?

hanseatischen Art ist Hans-Joachim Priester seit Jahrzehnten geschätzter Referent und Podiumsdiskutant bei Tagungen des Deutschen Anwaltsinstituts. Als langjähriger Konterpart von Karsten Schmidt hat er dem vielköpfigen Publikum im Kurhaus in Wiesbaden bei den Jahresarbeitstagungen der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht die neuesten Entwicklungen des Gesellschaftsrechts im vierten Generalthema unter Leitung des jeweiligen Vorsitzenden des II. Senats des Bundesgerichtshofs plastisch und zugleich unterhaltsam nahe gebracht. Dieser Beitrag ist Zeichen des Dankes der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht für die jahrzehntelange, stets fruchtbare Zusammenarbeit.

II. Bruchteilsgemeinschaft als konkludente Gesellschaft? 1. Die neuere Rechtsprechung zur Bruchteilsgemeinschaft als Besitzunternehmen Die Frage, ob eine Bruchteilsgemeinschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft anzusehen sein kann, knüpft nicht nur an Überlegungen des Jubilars an, sie stellt sich vielmehr auch aktuell in der Besteuerungspraxis. Traditionell taucht diese Frage beim Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung auf12. In der Literatur sind die Ansichten geteilt, ob eine Bruchteilsgemeinschaft taugliches Besitzunternehmen bei einer Betriebsaufspaltung sein kann13. Die Finanzverwaltung bejaht dies ohne weiteres14. Nachdem der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs im Jahre 2001 davon ausgegangen war, dass zwischen den Miteigentümern einer Bruchteilsgemeinschaft, die ein Grundstück erworben haben, um es einer von ihnen beherrschten Betriebsgesellschaft als wesentliche Grundlage zur Nutzung zu überlassen, in der Regel eine konkludent vereinbarte Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestehen wird15, musste sich der IV. Senat in zwei neueren Entscheidungen erneut mit dieser Frage beschäftigen16. In seinem ersten Urteil vom 18.8.2005 hat sich der IV. Senat der zitierten Rechtsprechung „jedenfalls für den Fall an(geschlossen), dass die Miteigentümer das Grundstück an die Betriebsgesellschaft gegen ein ausreichendes Entgelt – und somit mit Gewinnerzielungsabsicht – vermie-

__________ 12 Vgl. bereits Groh, Die Kriterien der Mitunternehmerschaft, BB 1982, 1229 (1234) mit Nachweis älterer Rspr. 13 Zum Meinungsstand Schmidt/Wacker (Fn. 6), § 15 EStG Rz. 858, 861; positiv Wendt, Anmerkung, FR 2006, 25 f. 14 OFD München v. 10.6.1999, DB 1999, 1878, wonach bei der sog. mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung auch eine Bruchteilsgemeinschaft an die Stelle einer Personengesellschaft treten kann. 15 BFH v. 29.8.2001 – VIII R 34/00, BFH/NV 2002, 185. 16 Eingehende Rechtsprechungsanalyse bei K. Weber, Die Bruchteilsgemeinschaft als Besitzunternehmer im Rahmen einer mitunternehmerischen Besitzaufspaltung, FR 2006, 572 ff.

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ten“17. In diesem Fall geht der IV. Senat von einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung aus. Diese hat zur Folge, dass die Miteigentumsanteile Sonderbetriebsvermögen I der Bruchteilseigentümer bei der konkludent vereinbarten (Besitz-)GbR sind. Im zweiten Urteil vom 10.11.2005 hat derselbe Senat abstrakt diese Rechtsprechungslinie bekräftigt, im konkreten Fall aber Zweifel bekundet, ob „vom Bestehen einer auch nur konkludent vereinbarten Besitz-GbR … gesprochen werden kann, wenn die Miteigentümer des Wirtschaftsguts sich offenbar nicht dessen bewusst sind, dass sie die Nutzungsüberlassung im Rahmen eines neben der „Betriebsgesellschaft“ bestehenden Unternehmens gewähren“18. Dies musste der Bundesfinanzhof nicht abschließend beantworten, weil die Revision selbst dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn diese Bedenken hintangestellt würden. Aus rein steuerrechtlicher Perspektive geht es bei den Judikaten um die systematische Abgrenzung der konkurrierenden Rechtsinstitute von sog. mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung und Sonderbetriebsvermögen. Nachdem die Zuordnung zunächst wechselvoll war19, erscheinen die Grundsätze der Rechtsprechung zu dieser Bilanzierungskonkurrenz seit der „Kehrtwende“ vor zehn Jahren inzwischen gefestigt20. Trotz Bestehens einer Bruchteilsgemeinschaft sind im Falle einer zumindest konkludent vereinbarten (Besitz-)GbR die überlassenen Grundstücke als Betriebsvermögen der überlassenden Personengesellschaft und nicht als Sonderbetriebsvermögen der Betriebs-Personengesellschaft zu bilanzieren. Die Gestaltungsberatung hat die jeweiligen Vorteile der Zuordnung zur Betriebsgesellschaft oder zu einer Besitzgesellschaft analysiert21 und geht von einem „de-facto-Wahlrecht“ der Zuordnung bei einer Bruchteilsgemeinschaft aus22. Da indes in der Beratungspraxis durch die neueren Urteile des Bundesfinanzhofs die Rechtsunsicherheit, unter welchen näheren Umständen Miteigentümer konkludent eine GbR vereinbart haben, nicht ausgeräumt ist23, soll der Blick zunächst auf die zivilrechtlichen Grundlagen gerichtet werden.

__________ 17 BFH v. 18.8.2005 – IV R 59/04, BStBl. II 2005, 830 (832) = FR 2006, 23. 18 BFH v. 10.11.2005 – IV R 29/04, BStBl. II 2006, 173 (174) = FR 2006, 276. 19 Zur Entwicklung der Rspr. näher Poll, Die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung, DStR 1999, 477 (478 ff.) und Kloster/Kloster, Zurechnung von Wirtschaftsgütern bei mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung, GmbHR 2000, 111 (113 ff.). 20 Überblick über die Grundsätze der Rspr. bei Schmidt/Wacker (Fn. 6), § 15 EStG Rz. 858 f. 21 Zuerst Th. Carlé, Sonderbetriebsvermögen bei mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung, BeSt 2006, 1 f. 22 Umfassend K. Weber, FR 2006, 572 (582 f.). 23 Explizit auch K. Weber, FR 2006, 572 (580 f.) nach näherer Unterscheidung praxisrelevanter Fallgruppen.

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2. Gemeinschaft und Gesellschaft im Zivilrecht Gesellschaft und Gemeinschaft schließen sich nach verbreiteter zivilrechtlicher Ansicht aus24. Träfe dies zu, so wäre die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dem Vorwurf ausgesetzt, freihändig mit dem Zivilrecht umzugehen, ein Vorwurf dem sich der Bundesfinanzhof hin und wieder ausgesetzt sieht25. Dieser ist indes in concreto nicht berechtigt. Denn zu Recht formuliert Karsten Schmidt, der Gegensatz laute nicht: Gemeinschaft oder Gesellschaft, sondern vielmehr Gemeinschaft oder Gesellschaftsvermögen26. Hierin liegt der elementare Unterschied27. Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthand sind unvereinbare Gegensätze, weil derselbe Gegenstand entweder mehreren zu Bruchteilen oder einer Gesamthand zustehen kann28. Beides zugleich ist dagegen nicht möglich. Gesamthand oder „Freihand“29 schließen sich aus. Allerdings können Gesellschafter zur Förderung des gemeinsamen Zwecks auch Bruchteilsvermögen bilden30. Nach herrschender Ansicht ist es sogar möglich, dass das Gesellschaftsvermögen seitens der Gesellschafter als Bruchteilseigentum gehalten wird, weil § 718 BGB nachgiebiges Recht ist31. Indes sind beide Vermögenssphären getrennt. Jede Überführung von Bruchteilsvermögen in Gesamthandsvermögen oder umgekehrt setzt – selbst bei absoluter Personenidentität – rechtsgeschäftliche Übertragungsakte voraus32. Diese Exklusivität der Vermögenszuständigkeit steht aber einer Parallelität von Gemeinschaft und Gesellschaft nicht entgegen33. Die Bruchteilsgemeinschaft als Innehabung eines Rechts durch mehrere Rechtsträger zu ideellen

__________ 24 So Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2004, § 741 BGB Rz. 4, der selbst die Gegenansicht vertritt. Nachweise zum dogmatischen Streit bei Aderhold in Erman, BGB, 11. Aufl. 2004, § 741 BGB Rz. 2. 25 Vgl. das Zitat von Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (334). 26 Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 4; ebenso Aderhold in Erman (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 2; insoweit gl. A. Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 24), Vor § 705 BGB Rz. 124. 27 Ebenso Gehrlein in Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 741 BGB Rz. 2. 28 Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 4, 6. 29 Zu dieser plastischen Charakterisierung des Bruchteilseigentums im Gegensatz zur Gesamthand vgl. Langhein in Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1996, § 741 BGB Rz. 9, 12; zustimmend Gehrlein in Bamberger/Roth (Fn. 27), § 741 BGB Rz. 2. 30 So selbst Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 4, der Gesamthandsvermögen als notwendiges Merkmal einer (Außen-)Gesellschaft versteht (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2003, § 58 II 2 S. 1696). Nach der wohl überwiegenden Ansicht ist dagegen eine GbR auch ohne Gesellschaftsvermögen denkbar (vgl. nur Langhein in Staudinger [Fn. 29], § 741 BGB Rz. 9). 31 Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 705 BGB Rz. 266 ff. m. w. N.; ebenso Timm/Schöne in Bamberger/Roth (Fn. 27), § 705 BGB Rz. 35 f. 32 Aderhold in Erman (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 2; Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 10; Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 7. 33 So trotz Betonung struktureller Unterschiede bereits Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Die Personengesellschaft, 1977, § 8, insbesondere S. 116.

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Bruchteilen schließt nicht das gleichzeitige Vorliegen einer Gesellschaft im Sinne des § 705 BGB aus34. Miteigentümer können über die bloß gemeinsame Rechtsinhaberschaft hinaus ein Gesellschaftsverhältnis eingehen, um den gemeinschaftlichen Gegenstand dauerhaft im Interesse aller zu nutzen, so dass Gesellschaft und Bruchteilseigentum nebeneinander treten35. Nach überwiegender Ansicht kann auch das „Halten und Verwalten“ von einzelnen beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen als zulässiger Gesellschaftszweck vereinbart werden36 und dieser Gegenstand kann Gesamthandsvermögen sein37. Dem steht nicht entgegen, dass es sich beim Halten und Verwalten um die Aufgaben handelt, die regelmäßig mit der Eigentümerstellung einhergehen. Umgekehrt setzt aber der gemeinschaftliche Erwerb und die Nutzung eines Gegenstandes nicht zwingend den Zusammenschluss zu einer Gesellschaft voraus38. Vielmehr haben die Beteiligten ein Wahlrecht: Bruchteilseigentümer können es auch auf Dauer bei einer Gemeinschaft bewenden lassen und Verwaltungs- und Nutzungsregeln im Rahmen der Gemeinschaft treffen. Sie können aber stattdessen für eine Gesellschaft optieren, indem sie einen Vertrag im Sinne von § 705 BGB abschließen, Gesellschafterbeiträge vereinbaren und Gesamthandsvermögen begründen. Sie können aber auch Gesellschaft mit Bruchteilseigentum kombinieren, so dass sie eine Gesellschaft mit dem gemeinsamen Zweck des Haltens und Verwaltens eines Gegenstandes bilden und den Gegenstand in der Form der Bruchteilsgemeinschaft39 halten, verwalten und nutzen40. Dabei entscheidet nicht das Gesetz, sondern der Parteiwille darüber, ob Bruchteilsberechtigung oder Gesamthandsvermögen vorliegt41. Was die Beteiligten wollen, gilt, ohne dass der Grundbuchrichter sie bevormunden darf42. Die Bildung einer (Außen-) Gesellschaft muss gewollt und erklärt sein43. Der gemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands begründet in der Regel selbst dann nur Miteigentum,

__________ 34 So schon v. Gamm in RGRK, BGB, 1978, § 741 BGB Rz. 6; aus der aktuellen Kommentarliteratur vgl. nur von Ditfurth in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2006, § 705 BGB Rz. 4; Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl. 2007, § 705 BGB Rz. 3. 35 Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 4. 36 Aderhold in Erman (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 2; Gehrlein in Bamberger/Roth (Fn. 27), § 741 BGB Rz. 1; Jauernig/Stürner, BGB, 11. Aufl. 2004, § 741 BGB Rz. 2; Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 24), Vor § 705 BGB Rz. 126; § 705 Rz. 145; eingehend Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 214 ff. m. w. N. 37 Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 5. 38 Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 212. 39 So auch BFH v. 29.8.2001 – VIII R 34/00, BFH/NV 2002, 185 (186) m. w. N. 40 Explizit Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 216, 219; ebenso Gehrlein in Bamberger/Roth (Fn. 27), § 741 BGB Rz. 1. 41 Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 5; zustimmend Aderhold in Erman (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 2. 42 Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 219. 43 Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 5.

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wenn Verwaltungs- und Nutzungsregelungen getroffen worden sind44. Mit der Anerkennung des Haltens und Verwaltens eines Gegenstandes als gemeinsamer Zweck im Sinne des § 705 BGB verlagert sich zivilrechtlich die Abgrenzung von Gemeinschaft und Gesellschaft hin zu Auslegungs- und Beweisfragen. 3. Konsequenzen für konkludente Besitzgesellschaften bei Bruchteilsgemeinschaften Verprobt man die zitierte Rechtsprechung zu konkludent vereinbarten Besitzgesellschaften bei Bestehen einer Bruchteilsgemeinschaft mit dem Zivilrecht, so ergibt sich Folgendes: Der Bundesfinanzhof achtet die zivilrechtliche Vorgabe der Alternativität von Bruchteils- und Gesamthandszuständigkeit. Auch im Falle einer konkludent vereinbarten (Besitz-)GbR weist der IV. Senat das überlassene Grundstück nicht der Gesamthandsbilanz des Besitzunternehmens zu, sondern qualifiziert die Miteigentumsanteile als Sonderbetriebsvermögen I der Bruchteilseigentümer bei der Besitz-GbR45. Faktisches Gesamthandsvermögen gibt es nicht. Zudem geht der IV. Senat zutreffend von einer möglichen Kombination von Bruchteilsgemeinschaft und Gesellschaft aus. Dabei unterstellt er, wie das jüngste Urteil vom 10. November 2005 zeigt46, nicht ohne weiteres eine konkludent vereinbarte Gesellschaft neben der Bruchteilsgemeinschaft. Im Ausgangspunkt deckt sich das mit dem Zivilrecht, wonach allein der Parteiwille entscheidet. Allerdings kann dem vom IV. Senat entwickelten Merkmal der Überlassung mit Gewinnerzielungsabsicht nur Indizwirkung zukommen, weil eine Vermietung gegen angemessenes Entgelt nicht ipso iure den Rahmen einer Gemeinschaft sprengt. Denn die Vermietung und Verpachtung an Fremde oder Teilhaber ist eine typische Verwaltungsentscheidung im Sinne des § 744 BGB47. Bedenklich erscheint auch die Formulierung der Rechtsprechung, wonach in der Regel eine konkludent vereinbarte Gesellschaft bestehe48. Bereits Priester hat die Gefahr angesprochen, den Lebenssachverhalt zivilrechtlich „zu verbiegen“ und des steuerrechtlichen Ergebnisses wegen ein Gesellschaftsverhältnis zu konstruieren49. Auch im Zivilrecht gibt es ernstzunehmende Mahnungen, bei gemeinsamer Rechtsinnehabung nicht vorschnell

__________ 44 Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 224; Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 741 BGB Rz. 5 m. w. N. 45 Ausdrücklich BFH v. 18.8.2005 – IV R 59/04, BStBl. II 2005, 830 (832). 46 BFH v. 10.11.2005 – IV R 29/04, BStBl. II 2006, 173 (174). 47 Aderhold in Erman (Fn. 24), § 744 BGB Rz. 2 f.; Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 745 BGB Rz. 5 m. w. N. 48 BFH v. 29.8.2001 – VIII R 34/00, BFH/NV 2002, 185, wobei Leitsatz und Urteilsgründe deutlich zeigen, dass im konkreten Fall die Annahme eines konkludenten Gesellschaftsvertrages speziell auf die „bewusst gewählte Doppelkonstruktion“ der Betriebsaufspaltung gestützt wurde (a. a. O, 186). 49 Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (335).

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eine (konkludent vereinbarte) gesamthänderisch gebundene Zweckförderungsgemeinschaft anzunehmen50. Über das Zusammenwirken der Beteiligten als Bruchteilsgemeinschaft hinaus fordert die Literatur für den konkludenten Vertragsschluss besondere Umstände, die für die Gründung einer Gesellschaft charakteristisch sind51. Diese Mahnungen sind berechtigt, weil die Entscheidung über eine Zweckgemeinschaft oder eine ideelle Bruchteilsberechtigung – wie bereits erwähnt – ausschließlich in der privatautonomen Entscheidung der Beteiligten liegt. Da es keine gesetzliche oder auch nur tatsächliche Vermutung gegen die Anwendung der Regeln der Bruchteilsgemeinschaft gibt, wenn ähnliche oder gar gemeinsame Zwecke verfolgt werden, kommt es allein auf die Auslegung des einzelnen Rechtsgeschäftes an52. Denn die Regeln über die Bruchteilsgemeinschaft sind nicht etwa nachrangig53, vielmehr haben sie als „Minimalregelung“ eine Auffangfunktion54. Entscheidend ist mithin allein, was die Beteiligten wollen. Das wirft die Frage auf, ob das zivilrechtliche Wahlrecht zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft für das Steuerrecht überhaupt maßgeblich ist oder ob nicht ein vom Gesellschaftsbegriff unabhängiger steuerrechtlicher Mitunternehmerbegriff zu favorisieren ist55. Damit ist zugleich die auch vom Jubilar behandelte Grundfrage nach dem Verhältnis der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft zum Gesellschaftsverhältnis angesprochen.

III. Gesellschaftsverhältnis und steuerrechtliche Mitunternehmerschaft Ist der Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG umstritten56, so erstaunen Auslegungszweifel im Grundsatz und in Grenzbereichen kaum. Brigitte Knobbe-Keuk sah im subjektiven Anwendungsbereich dieser Norm „eines der dunkelsten Kapitel der Besteuerung von Personengesellschaften“, was sie angesichts der weitreichenden Konsequenzen und der bestehenden Rechtsunsicherheit als „kaum erträglich“ empfand57. Ob ein Gesellschaftsverhältnis Voraussetzung für eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft ist, wo-

__________ 50 51 52 53 54 55 56 57

Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 11. Habermeier in Staudinger, BGB, 13. Bearb. 2003, § 705 BGB Rz. 5. Überzeugend Langhein in Staudinger (Fn. 29), § 741 BGB Rz. 11. Auch wenn die §§ 741 ff. BGB hinter den Sonderegelungen (insbesondere) der §§ 705 ff. BGB zurücktreten (so Palandt/Sprau [Fn. 34], § 741 BGB Rz. 1). Treffend Jauernig/Stürner (Fn. 36), § 705 BGB Rz. 5. Dafür allgemein Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl. 2005, § 18 Rz. 18 unter Hinweis auf die eigenständige steuerrechtliche Teleologie des Mitunternehmerbegriffs; eingehend Pinkernell (Fn. 8), S. 137 ff., 152 f., 161 f. Vgl. nur die neueren Nachweise bei Schmidt/Wacker (Fn. 6), § 15 EStG Rz. 161 sowie zuletzt zusammenfassend Rätke in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 262 (Sept. 2006). Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 9 II S. 369 f., 386 ff.

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für der Jubilar unter Hinweis auf den „klar erscheinenden“ bzw. „unmissverständlichen Gesetzeswortlaut“ plädiert hat58, bleibt bis heute umstritten59. Dabei verwendet das Einkommensteuergesetz in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mehrfach die Worte „Gesellschafter“ und „Gesellschaft“. Dadurch wird der zivilrechtlich geprägte Begriff der Gesellschaft zumindest zum Ausgangspunkt für die Definition der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft. Es besteht keine Eintracht, ob das Gesetz damit zugleich das Gesellschaftsverhältnis zur Tatbestandsvoraussetzung60 des als Klammerzusatz eingeführten Begriffs der Mitunternehmerschaft erhebt61 oder an den statusbegründenden Rechtsakt nach den Vorschriften des Zivil- und Gesellschaftsrechts anknüpft62. Der Auslegungsstreit beginnt dabei bekanntlich bereits bei der richtigen Lektüre des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die Reichweite der sachlichen Bezugnahme des Relativsatzes „bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist“, lässt mehrere Deutungen zu63, wobei diese vermeintlich rein grammatikalische Frage immense praktische Bedeutung hat64. 1. Gesellschaftsverhältnis als hinreichende Bedingung einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft? Wenngleich allein die Existenz des Relativsatzes des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zeigt, dass zwischen Gesellschaftsverhältnis und steuerrechtlicher Mitunternehmerschaft keine absolute Kongruenz bestehen kann, lässt der Gesetzeswortlaut offen, ob die Gesellschafterstellung bei einer Personenhandelsgesellschaft zugleich eine hinreichende Bedingung einer steuerrechtliche Mitunternehmerschaft ist. Einzelne Autoren nehmen an, dass sich dieser Relativsatz nur auf die „andere Gesellschaft“ beziehe. Als Folge dieser Lesart wären die Gesellschafter einer OHG oder KG stets mitunternehmerische Einkünfte erzielen, ohne dass ihre Mitunternehmereigenschaft beson-

__________ 58 Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (336). 59 Zum Meinungsstand vgl. Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 335 (Aug. 2003); Stuhrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, Loseblatt, § 15 EStG Rz. 234 (Okt. 2004). 60 Siehe bereits Fn. 9. Auch BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768) spricht von dem „Tatbestandsmerkmal, dass der Mitunternehmer Gesellschafter ist“. 61 Vgl. nur Mössner, Grundfälle zur Besteuerung von Mitunternehmerschaften, JuS 1990, 638 (639), der sich gegen Versuche wendet, die Existenz einer Gesellschaft als „Tatbestandvoraussetzung hinweg zu interpretieren“. Zur Gegenansicht vgl. stellvertretend Pinkernell (Fn. 8), S. 152 ff., 161 f. 62 So P. Kirchhof, Der Vertrag – ein Instrument zur Begründung steuerlicher Ungleichheit?, in FS Röhricht, 2005, S. 919 (926). 63 Zutreffend Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 300 (Aug. 2003) gegen Meßmer in FS Döllerer, 1988, S. 429 (441). 64 Dazu Knobbe-Keuk (Fn. 57), § 9 II 3 S. 381, 383, 389; Schmidt/Wacker (Fn. 6), § 15 EStG Rz. 260.

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ders zu prüfen ist65. Der Wortlaut gibt diese Deutung zweifellos her und eine historische Rückschau liefert hierfür Argumente. Der Gesetzgeber sah die Funktion der Einführung des Mitunternehmerbegriffs belegbar darin, die gewerblich tätigen von anderen Personengesellschaften abzugrenzen66, so dass nach diesem historischen Verständnis der Relativsatz nur bei „anderen Gesellschaften“ Sinn machte, hinsichtlich der Personenhandelsgesellschaften hingegen überflüssig war. Brigitte Knobbe-Keuk hat eine historische Rückbesinnung gefordert, die zur „Wiedergewinnung von Rechtssicherheit“ bei Personenhandelsgesellschaften an die privatautonome Gestaltung der Beteiligten anknüpfen soll67. Indes geht der Schluss von der Personenhandelsgesellschaft auf das Vorliegen gewerblicher Einkünfte der Gesellschafter fehl. Erstens hat der Gesetzgeber seit der Handelsrechtsreform im Jahre 1998 auch vermögensverwaltenden Gesellschaften die Rechtsform einer OHG oder KG (§ 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB) und damit den legalen Einzug ins Handelsregister eröffnet. Schon zuvor gab es freiberufliche Personenzusammenschlüsse in der Rechtsform der OHG oder KG (vgl. § 49 Abs. 1, 2 StBerG)68. Überdies sind die handelsrechtlichen Kriterien des Gewerbebetriebs trotz greifbarer Überschneidungen nicht mit den steuerrechtlichen Kriterien im Sinne des § 15 Abs. 2 HGB deckungsgleich69. Entscheidend ist aber die systematische Funktion der Mitunternehmerschaft. Es geht bei dem Mitunternehmerbegriff nicht allein um gewerbliche Einkünfte. Die Verweise auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 7 EStG) und bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 4 Satz 2 EStG) zeigen, dass mit Hilfe des Mitunternehmerbegriffs übergreifende Kriterien der Zurechnung gemeinschaftlich erzielter Einkünfte etabliert werden70. Darum überzeugt die voraussetzungslose Gleichsetzung einer Gesellschafterstellung bei einer Personenhandelsgesellschaft mit einer steuerrechtlichen (gewerblichen) Mitunternehmerschaft nicht. Auch die Rechtsprechung sieht nicht jeden, der nach Zivilrecht Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft ist, zugleich als steuerrechtlichen Mit-

__________ 65 Meßmer in FS Döllerer, 1988, S. 429 (432); Hallerbach, Die Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht, 1999, S. 154 f. 66 Hallerbach (Fn. 65), S. 146 (152 f.). 67 Knobbe-Keuk (Fn. 57), § 9 II 3c S. 390-392; ablehnend Hey in Tipke/Lang (Fn. 55), § 18 Rz. 18. 68 Zu Steuerberatungsgesellschaften als OHG oder KG vgl. Gehre/v. Borstel, Steuerberatungsgesetz, 5. Aufl. 2005, § 49 StBerG Rz. 5, 8; zur freiberuflichen Qualifikation der Einkünfte der Gesellschafter vgl. Schmidt/Wacker (Fn. 6), § 15 EStG Rz. 181, § 18 EStG Rz. 41 sub (3). 69 Schön, Die vermögensverwaltende Personengesellschaft, DB 1998, 1169 (1170 ff.); Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl. 2006, § 15 EStG Rz. 9 m. w. N. 70 Vgl. nur Rätke in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 289, 293 (Sept. 2006).

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unternehmer an71. Demnach erscheint die Nennung von OHG und KG in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich als Verweis auf Regelbeispiele72. Zudem stützt sich der Große Senat auf die Zusammenschau mit § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wonach bei jeder Veräußerung eines Gesellschaftsanteils ohne eine im Gesetzestext angelegte Differenzierung zwischen OHG, KG und „anderen Gesellschaften“ zu prüfen sei, ob der Veräußernde steuerrechtlicher Mitunternehmer ist73. Schließlich weist die Rechtsprechung zu Recht daraufhin, dass auch die Stellung eines Gesellschafters einer OHG und KG vertraglich der eines Kapitalgebers angenähert sein könne, der nach der Wertung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG wie ein typisch stiller Gesellschafter74 Einkünfte aus Kapitalvermögen und nicht solche im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG beziehe. Ein Beispiel aus der Praxis illustriert die fließenden Grenzen75: Laut Gesellschaftsvertrag steht der Gewinn und Verlust einer KG allein der Komplementärin zu, während der Kommanditist auch in Verlustjahren Anspruch auf einen Gewinnanteil von 8 % seiner Kommanditeinlage hat und im Falle seines Ausscheidens aus der Gesellschaft oder der Liquidation lediglich seine Kommanditeinlage zurückerhält. Bei außergewöhnlichen Maßnahmen der Geschäftsführung ist er berechtigt, entsprechend seinem Kapitalanteil mitzuwirken, ohne dass ihm weitere Befugnisse zustehen.

Der Kommanditist ist bei dieser Vertragsgestaltung kein gewerblicher Mitunternehmer, sondern bloßer Kapitalgeber76. Der Bundesfinanzhof verlangt in diesem wie in anderen Fällen77 auch bei gewerblich tätigen Personenhandelsgesellschaften, dass der Gesellschafter Mitunternehmerinitiative ausüben kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Über die positiven wie negativen Steuerfolgen einer Mitunternehmerschaft können die Parteien nicht allein durch den Abschluss eines Vertrages über eine Personenhandelsgesellschaft disponieren78. Die Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch die Rechtsprechung lässt nicht nur der Wortlaut zu, sie ist auch geboten79. Stellen wir die Präzisierung von Anlass und Ablauf der Prüfung der genannten Mitunternehmerkriterien zunächst zurück (dazu III.3), so verdient insge-

__________ 71 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769); BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 (621); zuletzt BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 (596). 72 So Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 300 (Aug. 2003). 73 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769). 74 Zur Abgrenzung statt aller Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 20 EStG Anm. 603 (Jan. 1998). 75 Nach BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66-70/97, BStBl. II 2000, 183. 76 So BFH v. 28.10.1999 – VIII R 66-70/97, BStBl. II 2000, 183 (184 f.). 77 Zuletzt BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595. 78 Ähnlich Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 300 (Aug. 2003) für die Wahl zwischen verschiedenen Formen der Personengesellschaft. 79 Ebenso Kirchhof/Reiß, EStG-Kompaktkommentar, 6. Aufl. 2006, § 15 EStG Rz. 214.

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samt die Position Zustimmung, wonach die Gesellschafterstellung bei einer Personenhandelsgesellschaft nicht als hinreichende Bedingung einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft zu verstehen ist. 2. Gesellschaftsverhältnis als notwendige Bedingung der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft? Die umgekehrte Fragestellung, ob ein Gesellschaftsverhältnis notwendige Bedingung einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft ist, hat der Jubilar bejaht und darum die sog. faktische Mitunternehmerschaft abgelehnt80. Unter diesem Schlagwort wurde die ältere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zusammengefasst, nach der steuerrechtlicher Mitunternehmer auch sein konnte, wer „nicht Gesellschafter im zivilrechtlichen Sinn“ war, aber die Merkmale des Mitunternehmers erfüllte81. Die Figur der faktischen Mitunternehmerschaft ist laut Priester bei der Finanzverwaltung „wegen ihrer zumeist steuersteigernden Wirkung82 auf eine positive Reaktion gestoßen“83 und wird von ihr auch heute bisweilen noch als „Geheimwaffe“ gezogen84, nachdem mehrere Autoren nach dem Beschluss des Großen Senats aus dem Jahre 1984 bereits ihr „Aus“ verkündet hatten85. Denn dort hatte der Große Senat – wie eingangs erwähnt – die Aussage ins Zentrum gerückt, dass Mitunternehmer nur sein könne, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder – in Ausnahmefällen – eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat. Diese Formulierung spricht dafür, jedenfalls im Grundsatz ein Gesellschaftsverhältnis als notwendige Bedingung einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft zu begreifen. Allerdings heißt es im zitierten Beschluss sodann, das Personen, die nicht Gesellschafter einer Personengesellschaft sind, gleichwohl Mitunternehmer sein könnten86. Für das Erfordernis des Gesellschaftsverhältnisses komme es nicht auf die formale Bezeichnung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten, sondern auf deren „wirklichen Inhalt“ an. In dieser Aussage liegt die Wurzel für die Anerkennung einer sog. verdeckten Mitunternehmerschaft, die auf einer vermeintlich anderen Rechtsbeziehung wie Miete, Pacht, Darlehen, Bürg-

__________ 80 Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 330 (334 ff., 353). 81 Wörtlich BFH v. 28.11.1974 – I R 232/72, BStBl. II 1975, 498 (499) m. w. N. 82 Praktische Bedeutung hat diese Figur vor allem im Rahmen potentieller Betriebsaufspaltungen. 83 Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 330 (332). 84 So Braun, Entscheidungsanmerkung, EFG 2003, 459. 85 Hennerkes/Binz, Das Ende der Faktischen Mitunternehmerschaft, DB 1985, 1307 ff.; Lucas, Das „Aus“ der sogenannten faktischen Gesellschaft (Mitunternehmerschaft), FR 1986, 633 ff.; kritisch zu dieser Einschätzung aber Lindner, Abschied von der faktischen Mitunternehmerschaft?, DStR 1986, 63 (66). 86 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl II 1984, 751 (768).

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schaft oder Dienstleistung gründet87. Bereits der Große Senat hat betont, dass Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesellschaft nach § 705 BGB nur sei, dass sich mehrere Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks vertraglich verbinden und sich verpflichten, diesen zu fördern. Diese Voraussetzungen seien bei einem Mitunternehmer regelmäßig erfüllt88. Damit schließt die Rechtsprechung aus dem Vorliegen der Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft auf das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses zurück89. Dadurch soll sich die separate Prüfung des Vorliegens eines Gesellschaftsverhältnisses erübrigen90, dessen Erfordernis der Große Senat im Grundsatz betont. Zudem relativiert der Große Senat für die „Ausnahmefälle“ der einem Gesellschaftsverhältnis wirtschaftlich vergleichbaren Stellung. Festzuhalten bleibt, dass der Bundesfinanzhof in den genannten Fällen der verdeckten Mitunternehmerschaft und der vergleichbaren Gemeinschaft Ausnahmen von der prinzipiellen Orientierung am zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnis zulassen muss91. Nach der Rechtsprechung ist ein Gesellschaftsverhältnis demnach – anders als der durch das postulierte GrundsatzAusnahme-Verhältnis vermittelte Eindruck – keine notwendige Bedingung einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft. 3. Orientierung am Gesellschaftsverhältnis oder eigenständiger steuerrechtlicher Mitunternehmerbegriff? Erweist sich das Gesellschaftsverhältnis nach der Rechtsprechung weder als hinreichende noch als notwendige Bedingung einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft, so könnte mit der älteren Judikatur die Entscheidung, ob Mitunternehmerschaft vorliegt, „unabhängig davon zu treffen (sein), ob die Beteiligten im zivilrechtlichen Sinne Gesellschafter geworden sind“92. Unter einen verselbständigten steuerrechtlichen Mitunternehmerbegriff ließen sich die Fälle der verdeckten Mitunternehmerschaft und der vergleichbaren Gemeinschaft „mühelos“ subsumieren und auch die richterliche „Hilfskonstruktion“ eines konkludent vereinbarten Gesellschaftsverhältnisses würde obsolet93. Allerdings leidet dadurch die Rechtssicherheit, weil für den

__________ 87 Für eine begriffliche Trennung von verdeckter und faktischer Mitunternehmerschaft Stuhrmann in Blümich (Fn. 59), § 15 EStG Rz. 235 (Okt. 2004) sowie Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 340 (Aug. 2003) mit Systematisierung von sechs verschiedenen Anwendungsfällen der verdeckten Mitunternehmerschaft in Anm. 345–361. 88 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768). 89 Dagegen dezidiert Knobbe-Keuk (Fn. 57), S. 385. 90 Explizit BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768): „In der Regel kann bei Bejahung der Mitunternehmereigenschaft auf eine besondere Prüfung des Gesellschaftsverhältnisses verzichtet werden.“ 91 Ebenso Hey in Tipke/Lang (Fn. 55), § 18 Rz. 18; Pinkernell (Fn. 8), S. 152. 92 So BFH v. 28.11.1974 – I R 232/72, BStBl. II 1975, 498 (499). 93 Hey in Tipke/Lang (Fn. 55), § 18 Rz. 18.

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Steuerpflichtigen die Lage zum „Thema Gesellschaft, Mitunternehmerschaft, verdeckte Gesellschaft immer noch unberechenbar ist“94. Sie bleibt es auch, sofern die Rechtsprechung nicht nur in Ausnahmefällen, sondern regelmäßig einzelfallbezogen auf den Typusbegriff95 der Mitunternehmerschaft rekurriert96. Denn Typusbegriffe als besondere Erscheinungsform unbestimmter Gesetzesbegriffe eröffnen zwar eine flexible und dynamische Rechtsanwendung97, sind aber zugleich eine besondere Herausforderung für die Gebote der Normenklarheit und Justitiabilität freiheitsverkürzender Eingriffsnormen98. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diese Gebote nicht per se durch die „Rechtsform des Typus“ als verletzt ansieht99, mahnt gerade die Gefahr des Missbrauchs typologischen Denkens100 zur Vorsicht. Typusbegriffe erlauben keine freie Intuition des Rechtsanwenders, sondern legen ihm umgekehrt eine besondere Begründungsbürde auf: Denn je schwächer die Steuerungskraft des Gesetzes ist, um so stärker ist der Zwang zur Begründung101. Die Berufung auf den Typus ersetzt nicht die Entscheidung des Gesetzgebers über die Steuerpflicht102. Allein die Deutung des Mitunternehmerbegriffs als Typusbegriff enthebt den Rechtsanwender nicht davon, intersubjektive Überzeugungskraft seiner Entscheidung anzustreben. Denn das Schwergewicht der Argumentationslast liegt nicht in der Qualifikation als Typusbegriff, sondern vielmehr in den Fragen, ob und aus welchen Gründen ein (Unter-)Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verzichtbar ist oder kompensiert werden kann oder umgekehrt ergänzt werden muss103. Überdies setzt typologische Rechtsfindung einen Ähnlichkeitsvergleich voraus, weil die Zuordnung zum Typus stets der Wertung bedarf. Für diese Wertung bedarf es eines Maßstabes, den man mit Karl Larenz als „leitenden Wertungs-

__________ 94 Knobbe-Keuk (Fn. 57), S. 386. 95 Zuletzt bekräftigt explizit wieder BFH v. v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl II 2006, 595 (597) das Verständnis des Mitunternehmerbegriffs des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Typusbegriff. 96 Zu Recht kritisch Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 305 a. E. (Aug. 2003); zuvor bereits Knobbe-Keuk (Fn. 57), S. 381 ff. und Crezelius, Der Mitunternehmerbegriff – ein Chamäleon?, in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 355 (367 ff.). 97 Näher Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht, 1996, S. 188 ff. 98 Vgl. nur Weber-Grellet, Der Typus des Typus, in FS Beisse, 1997, S. 551 (568). 99 BVerfG v. 20.5.1996 – 1 BvR 21/96, NJW 1996, 2644; zustimmend P. Fischer, Steuerrechtlicher Typus und rechtsstaatliche Bestimmtheit des Steuergesetzes, DStZ 2000, 885 (893). 100 Zum Missbrauch typologischer Rechtsfindung während des Nationalsozialismus bereits näher Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 307 ff. 101 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt, § 4 AO Rz. 397 (Nov. 2006). 102 Mössner, Typusbegriffe im Steuerrecht, in FS Kruse, 2001, S. 161 (173). 103 Eingehend bereits Drüen, Typus und Typisierung im Steuerrecht, StuW 1997, 261 (264 ff., 267).

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gesichtspunkt“ bezeichnen kann104. Der wertende Gesichtspunkt ist aber kein vom Gesetz unabhängiger Maßstab, denn typologisches Denken verlangt, auf den Wertungsgesichtspunkt abzustellen, „der den Gesetzgeber dazu bewogen hat, an diesen Typus gerade diese Rechtsfolgen zu knüpfen“105. Diese methodischen Einsichten gelten auch und gerade für den steuerrechtlichen Mitunternehmerbegriff. Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Begriffe „Gesellschafter“ und „Mitunternehmer“ sachlich miteinander verknüpft106 und dadurch einen Konnex von Steuerrecht und Zivilrecht hergestellt, den der Rechtsanwender nicht ohne zureichenden Grund aufgeben darf. Das Gesetz nennt an vorderster Stelle die Personenhandelsgesellschaften und erhebt sie damit zum gesetzlichen Wertungsmaßstab. Wenngleich nicht jeder Gesellschafter einer OHG oder KG ipso iure steuerrechtlicher Mitunternehmer ist, weil das Gesellschaftsverhältnis selbst bei Personenhandelsgesellschaften keine hinreichende Bedingung ist (siehe bereits III.1.), muss es Ausgangspunkt der steuerrechtlichen Beurteilung sein. Mit den Personenhandelsgesellschaften hat der Gesetzgeber das Maß für die Mitunternehmerkriterien festgelegt. Davon geht auch die Rechtsprechung aus, wenngleich sie sich seit dem Beschluss des Großen Senats aus dem Jahre 1984 in zirkulären Bahnen bewegt. Das belegt die jüngste zusammenfassende Entscheidung aus dem Jahre 2006107. Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet Mitunternehmerrisiko gesellschaftsrechtliche (oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare) Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Der Bundesfinanzhof resümiert wörtlich: „Ein solches Risiko wird beispielsweise von einem Kommanditisten getragen, indem er einerseits am laufenden Gewinn, im Falle seines Ausscheidens und der Liquidation auch an den stillen Reserven, andererseits nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB am Verlust beteiligt ist“108. Mitunternehmerinitiative bedeutet nach der Rechtsprechung vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist „schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigsten den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen“109.

__________ 104 Larenz, Methoden der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 221; ähnlich Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, S. 43 f.; Strache, Das Denken in Standards, 1968, S. 46. 105 Larenz (Fn. 104), S. 221. 106 Ebenso Stuhrmann in Blümich (Fn. 59), § 15 EStG Rz. 234 (Okt. 2004). 107 BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 (596 f.) m. w. N. 108 BStBl. II 2006, 595 (596). 109 BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 (597).

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Der Bundesfinanzhof greift demnach zur Konkretisierung der beiden bedingt kompensierbaren Merkmale des Typusbegriffs der Mitunternehmerschaft110 als Untergrenze auf den (dispositiven) Regelstatus des Kommanditisten nach HGB zurück. Indem er dessen Stellung quasi als Nulllinie für die Mitunternehmerkriterien begreift111, erkennt er den gesetzlichen Wertungsmaßstab des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an und schließt vom Gesellschaftsverhältnis einer OHG oder KG auf die steuerrechtliche Mitunternehmerschaft. Darin liegt gerade keine „Loslösung des steuerrechtlichen Mitunternehmerbegriffs vom Gesellschaftsverhältnis“112, sondern die Ausrichtung des Typusbegriffs am leitenden Wertungsmaßstab des Gesellschaftsverhältnisses der Personenhandelsgesellschaft. Insoweit verdient die Rechtsprechung Zustimmung. Sie koppelt den steuerrechtlichen Begriff der Mitunternehmerschaft nicht vom Zivilrecht ab, sondern gerade daran an. Die besonders benannten Gesellschaftsverhältnisse tragen den Schluss auf eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die vertraglichen Beziehungen nicht atypisch ausgestaltet sind. Darum kommt den handelsrechtlichen Vorschriften zur OHG und KG eine Leitbildfunktion zu113. Umgekehrt – und hierin liegt ein wesentlicher Vorzug des typologischen Verständnisses – zeichnen die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Gesellschaftsformen der OHG und KG auch für die Herleitung der Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft in den „unbenannten“ Fällen anderer Gesellschaften ein Leitbild vor114. Vom Gesellschaftsverhältnis der OHG und KG lässt sich folglich bei regelstatutsgetreuer Vertragsgestaltung auf das Bestehen einer Mitunternehmerschaft schließen. Abzulehnen ist indes die inverse Schlussrichtung. Die Rechtsprechung stellt mit dem Rückschluss von Mitunternehmerrisiko und -initiative auf ein Gesellschaftsverhältnis115

__________ 110 Explizit BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 (597): Beide Merkmale müssen zwar zusammen vorliegen, können aber im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Ein geringeres mitunternehmerisches Risiko könne deshalb durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden und umgekehrt. Nur dürfe kein Merkmal völlig entfallen. 111 Freilich kann man darüber streiten, ob diese Nulllinie mit dem Kommanditisten nach Regelstatut nicht sehr niedrig veranschlagt ist und dieser nicht als Kapitalgeber anzusehen ist. Man mag auch einwenden, dass die Rechtsprechung das Widerspruchsrecht des Kommanditisten nach § 164 BGB oder sogar nur das Kontrollrecht nach § 716 BGB für die Unternehmerinitiative ausreichen lässt, bei Lichte besehen allenfalls die „Behinderung der Unternehmerinitiative der Geschäftsführung“ fordere (so Knobbe-Keuk, Gesellschaft und Mitunternehmerschaft, StuW 1986, 106 [114]; Schön, Der Große Senat des Bundesfinanzhofs und die Personengesellschaft, StuW 1996, 275 [286]). 112 Vgl. Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (333). 113 Überzeugend Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 302 (Aug. 2003). 114 Treffend Birk (Fn. 5), Rz. 1009. 115 So bereits BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768).

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die Dinge auf den Kopf116. Dadurch wird der gesetzliche Ausgangspunkt verlassen und mitunter das Zivilrecht des steuerrechtlichen Ergebnisses wegen verbogen (siehe bereits II.3.). Die privatautonome Gestaltung der Beteiligten, an der sie sich auch untereinander festhalten lassen müssen, ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Ausgangspunkt, wegen des Gebots der gesetzesgebundenen Ausfüllung des Typusbegriffs mehr als nur ein Anhaltspunkt117, aber nicht der Endpunkt der Qualifikation der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft. Denn die Vertragsgestaltung, die trotz aller Vorherigkeit des Zivilrechts vielfach gerade mit Blick auf die steuerrechtlichen Folgen getroffen wird, eröffnet nur in den vom Steuertatbestand eröffneten Grenzen die Wahl der Steuerfolgen. Das Steuerrecht kann darum nicht schematisch dem Ergebnis der (interessengeleiteten) Vertragsfreiheit folgen, die keine Beliebigkeit und Belastungsunterschiede rechtfertigt118. Darum bedarf es bei atypischen Vertragsgestaltungen auch bei der OHG und KG einer besonderen steuerrechtlichen Würdigung (siehe bereits III.1.) mittels typologischen Denkens. Dieses Bedürfnis einer Negativausgrenzung „in atypischen Fällen“119 rechtfertigt aber nicht, per se freischwebend oder bestenfalls typologisch geleitet auf nicht kodifizierte Mitunternehmerkriterien abzuheben und das gesetzlich vorausgesetzte Gesellschaftsverhältnis zu ignorieren. Im Steuerrecht als klassischem Eingriffsrecht und Massenfallrecht lässt sich das Gebot einer administrativ praktikablen und für die Betroffenen vorhersehbaren, rechtssicheren Qualifikation der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft verfassungsrechtlich fundieren. Insgesamt ist darum dem – freilich nicht ganz eindeutigen120 – Gesetzeswortlaut folgend am Grundsatz des Erfordernisses eines Gesellschaftsverhältnisses festzuhalten und ein völlig autonomer steuerrechtlicher Mitunternehmerbegriff abzulehnen. Von diesem Grundsatz ist eine Abkehr nur im Ausnahmefall zulässig, wobei die Korrektivfunktion der steuerrechtlichen Mitunternehmerkriterien bei bestehenden Gesellschaften zugleich die Argumentationslast verteilt. Es bedarf gerade unter dem Etikett des Typusbegriffs überzeugender Gründe, warum Personen, die zivilrechtlich nicht Gesellschafter sind als Mitunternehmer angesehen werden121 et vice versa. Nochmals auf einen Nenner gebracht: Das Gesellschaftsverhältnis ist

__________ 116 Zutreffend Knobbe-Keuk (Fn. 57), S. 385; ebenso Pinkernell (Fn. 8), S. 155: „offensichtlicher Zirkelschluss“. 117 A. A. insoweit Hey in Tipke/Lang (Fn. 55), § 18 Rz. 18, wonach die Gesellschafterstellung (nur) Anhaltspunkte dafür liefere, ob der Steuerpflichtige Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfallen kann. 118 Ähnlich zum Verhältnis von Vertragsfreiheit zu den gesetzlichen Steuerrechtsfolgen auch P. Kirchhof in FS Röhricht (Fn. 62), S. 919 (922 ff., 925, 927 f.), anders aber wohl in concreto zu § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (siehe Fn. 62). 119 Vgl. bereits BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768). 120 Anders aber der Jubilar, siehe Fn. 58. 121 Ebenso Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 336 (Aug. 2003).

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Ausgangspunkt, mehr als Anhaltspunkt, aber nicht Endpunkt der steuerrechtlichen Mitunternehmerqualifikation.

IV. Folgen für die steuerrechtliche Qualifikation von Bruchteilsgemeinschaften Nach den vorstehenden Überlegungen zum Verhältnis von steuerrechtlicher Mitunternehmerschaft und Gesellschaftsverhältnis kann nunmehr die steuerrechtliche Qualifikation von Bruchteilsgemeinschaften in Angriff genommen werden. Anknüpfend an die zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit (siehe II.3.) ist dabei zu differenzieren. 1. Bruchteilsgemeinschaft mit (konkludentem) Gesellschaftsverhältnis Die Frage, ob die Rechtsprechung den gesetzlichen Tatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG überschreitet, wenn sie eine Bruchteilsgemeinschaft als wirtschaftlich vergleichbare Personenmehrheit begreift und dem Mitunternehmerbegriff zuordnet122, verliert an Schärfe, sofern die Beteiligten der Bruchteilsgemeinschaft neben dieser eine Gesellschaft vereinbart haben. Das erklärt zugleich, warum die Rechtsprechung sich auf die „Suche nach dem (konkludenten) Gesellschaftsverhältnis“ begibt123 und manchmal geneigt ist, dieses zu unterstellen. Denn der Normalfall stößt auf weniger Widerstände als der „Ausnahmefall“ eines wirtschaftlich dem Gesellschaftsverhältnis vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses124. Auch kritische Stimmen zweifeln nicht an der Rechtsgrundlage für die Annahme einer Mitunternehmerschaft, soweit ein konkludenter Gesellschaftsvertrag anzunehmen ist125. Freilich darf ein konkludenter Gesellschaftsvertrag – wie bereits ausgeführt (siehe II.3.) – nicht einfach unterstellt werden. Zu Recht betont der Bundesfinanzhof unter dem Schlagwort der „verdeckten Mitunternehmerschaft“, dass ein auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gerichteter Rechtsbindungswille nicht lediglich fiktiv unterstellt werden darf126. Das gilt gleichermaßen für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages unter Teilhabern einer Bruchteilsgemeinschaft. Ob sie einen Gesellschaftsvertrag abschließen wollen, entscheiden die Beteiligten allein aufgrund ihrer privatautonomen Gestaltung (siehe II.). Steuerliche Kriterien sind an diese Entscheidung nicht anzulegen, wenngleich die Entscheidung selbst steuerrechtlichen Motiven

__________ 122 Siehe Nachweise in Fn. 10. 123 Formulierung nach P. Fischer, FR 1998, 813 (816). 124 Den Ausnahmecharakter betont wieder BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 (482). 125 Explizit Mössner, JuS 1990, 638 (639). 126 Wörtlich BFH v. 1.7.2003 – VIII R 2/03, BFH/NV 2000, 1564 (1566) m. w. N.

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Die Bruchteilsgemeinschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft?

entspringen kann127. Wie sich die Beteiligten entschieden haben, müssen Finanzverwaltung und ggfs. Finanzgericht im Wege der Beweiswürdigung an Hand der gesamten äußeren Umstände aufklären128. Der Bundesfinanzhof als Revisionsinstanz ist an die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Steht nach diesen Maßstäben der Abschluss eines konkludent vereinbarten Gesellschaftsvertrages fest, der dem Leitbild des gesetzlichen Regelstatuts der OHG oder KG entspricht, so ist auch bei der durch ein Gesellschaftsverhältnis „überlagerten“ Bruchteilsgemeinschaft der Schluss auf eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft gerechtfertigt. Auch hier besteht nur bei einer atypischen Vertragsgestaltung Anlass zur eigenständigen Prüfung der Mitunternehmerkriterien im Einzelfall (siehe III.3.). 2. „Reine“ Bruchteilsgemeinschaft als Mitunternehmerschaft Sofern kein konkludenter Gesellschaftsvertrag parallel zur Bruchteilsgemeinschaft feststellbar ist, kommt es zum Schwur, ob und wann eine „reine“ Bruchteilsgemeinschaft in den Regelungsbereich des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG einbezogen werden darf. Die Rechtsprechung versteht die Bruchteilsgemeinschaft als der Personengesellschaft „wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis“ (siehe I.). Der Große Senat begreift in seinem Beschluss zum gewerblichen Grundstückshandel bei Personenmehrheiten die Bruchteilsgemeinschaft als derartig „wirtschaftlich vergleichbare Rechtsgemeinschaft“, für die die Rechtsprechungsgrundsätze zur Personengesellschaft als Steuerrechtssubjekt grundsätzlich gelten129. Zuvor hatte Manfred Groh für diese Gleichstellung im Wege teleologischer Extension plädiert, weil die Personengesellschaft nur eine „Erscheinungsform der Gemeinschaftsverhältnisse sei“130. Letztere Formulierung verwischt die Zivilrechtslage (siehe bereits II.2.) und suggeriert eine „Gesellschaftsähnlichkeit“ als quasi allerkleinstem gemeinsamen Nenner131, ohne dass eine Vergleichbarkeit der zivilrechtlichen Binnenstruktur feststeht132. Die Rechtsprechung schließt mit Hilfe des Typusbegriffs vom Regelstatut des HGB für OHG und KG auf das Vorliegen der Mitunternehmerkriterien und daraus auf ein Gesellschafts-

__________

127 Das sind theoretisch zwei klar zu trennenden Fragen. BFH v. 29.8.2001 – VIII R 34/00, BFH/NV 2002, 185 (186 f.) verbindet diese gezielt und schließt aus den Kriterien der personellen Verflechtung auf den konkludenten Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, weil die Beteiligten „zur Verfolgung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen bewusst die Doppelkonstruktion einer Betriebs- und Besitzgesellschaftaufspaltung“ mit spiegelverkehrten Beteiligungsquoten „geplant und durchgeführt“ haben. 128 Näher BFH v. 16.12.1997 – VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480 (483). 129 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (619, 621). Dabei bleibt offen, ob im Streitfall eine GbR oder eine Bruchteilsgemeinschaft vorlag (aus diesem Grunde kritisch Hallerbach [Fn. 65], S. 135 mit Note 93). 130 Groh, BB 1982, 1229 (1234). 131 Dagegen bereits Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (339). 132 Näher P. Fischer, FR 1998, 813 (818).

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verhältnis (siehe III.3.) und verlängert diese Schlusskette für wirtschaftlich vergleichbare Rechtsgemeinschaften. Da letztere Bezeichnung vielfach eine Leerformel ist, deren steuerrechtlicher Inhalt und Determinationskraft auch fragwürdig ist133, muss auch die Rechtsprechung bei Bruchteilsgemeinschaften prüfen, ob die Beteiligten Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten, so dass das unpräzisierte Kriterium der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit einer Gesellschaft134 letztlich leer läuft135. Es sollte aufgegeben werden136. Bei anderen „Gesellschaften“ ist der Relativsatz des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ernst zunehmen und direkt zu prüfen, ob die Betroffenen „als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen“ sind. Es bedarf gerade bei einer Bruchteilsgemeinschaft eingehender Rechtfertigung, warum die Beteiligten, obgleich kein Gesellschaftsverhältnis besteht, dem Typusbegriff des Mitunternehmers zuzuordnen sind, dessen leitender Wertungsmaßstab gerade das Gesellschaftsverhältnis einer Personenhandelsgesellschaft ist (siehe III.3.). Dabei ist die vertragliche Ausgestaltung oder in Ermangelung dieser die dispositive Regelung der Verwaltungsund Nutzungsregeln in §§ 743 ff. BGB zu würdigen, die dem Teilhaber einen Nettoanspruch auf den Reinertrag (§ 743 Abs. 1 BGB)137 sowie die gemeinschaftliche Verwaltung (§ 744 BGB)138 zuweist und vom Grundgedanke getragen ist, dass Lasten und Kosten jeden Bruchteil belasten (§ 748 BGB)139. Danach ist für jede einzelne Bruchteilsgemeinschaft positiv zu bestimmen, ob die Beteiligten Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten. Die Rechtsbehelfsbefugnis des § 352 AO gibt hierfür nichts her140. Der oft formelhafte Hinweis auf eine „wirtschaftlich vergleichbare Rechtsgemeinschaft“ offenbart nur Begründungsdefizite. Freilich ist auch unser Ansatz, bei fehlendem Gesellschaftsverhältnis allein und unmittelbar auf die steuerrechtlichen Mitunternehmerkriterien abzustellen, dem Einwand der gesetzesübersteigenden Tatbestandserweiterung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgesetzt141. Denn in diesen Fällen werden die gesetzlichen Begriffe „Gesellschaft“ und „Gesellschafter“ – milde

__________ 133 Ähnlich auch P. Fischer, FR 1998, 813 (817 f.) unter Aufgabe seiner früheren Ansicht. 134 Kritisch auch Kirchhof/Reiß (Fn. 79), § 15 EStG Rz. 212. 135 Insoweit gl. A. Pinkernell (Fn. 8), S. 153 f., der indes weitergehend für einen autonomen steuerrechtlichen Mitunternehmerbegriffs plädiert (siehe Fn. 55; dazu bereits III. 3.). 136 Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 336 (Aug. 2003); ebenso schon Lindner, DStR 1986, 63 (66). 137 Aderhold in Erman (Fn. 24), § 743 BGB Rz. 4. 138 Auch bei der Mehrheitsentscheidung nach § 745 Abs. 1 BGB hat jeder Teilhaber ein Recht auf angemessene Teilnahme an der Willensbildung (Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB [Fn. 24], § 745 BGB Rz. 16). 139 Karsten Schmidt in MünchKomm.BGB (Fn. 24), § 748 BGB Rz. 1. 140 Anders aber BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (768). 141 Siehe Nachweise in Fn. 10.

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formuliert – „nach steuerrechtlichen Kriterien ausgelegt“142 oder – deutlich gesprochen – ignoriert. Das bedarf einer tragfähigen Begründung. Der Grund hierfür liegt – und das ist der zutreffende Kern der Formel von der „wirtschaftlich vergleichbaren Rechtsgemeinschaft“ – darin, dass die zivilrechtliche Vertragsfreiheit den Beteiligten zwar ein Wahlrecht zwischen einer Gemeinschaft und einer Gesellschaft (siehe II.2.), nicht aber zugleich eine freie Wahl der Steuerrechtsfolgen eröffnet (siehe III.3.). Fraglich ist aber, ob der Rechtsanwender nicht durch die Gleichstellung von Bruchteilsgemeinschaften die verfassungsrechtliche Verbürgung der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung143 verletzt. Allerdings wiegt der Vorwurf einer Tatbestandserweiterung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG in missbrauchsgeneigten Feldern weniger schwer, wie § 42 AO zeigt, der selbst verfassungskonform ist144. Erhellend ist auch der Blick auf die von der Kritik vorgeschlagenen Konsequenzen eines vermeintlich strikten Verständnisses des Gesetzmäßigkeitsgebots. So betonte Kurt Meßmer zwar den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit, sah indes kein Bedürfnis einer Analogie für Bruchteilsgemeinschaften, weil diese unter § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG falle. Der Rekurs auf die Grundform gewerblicher Tätigkeit hat freilich den Nachteil, keine Kriterien oder Leitlinien für die Zurechnung gemeinschaftlich erwirtschafteter Einkünfte zu liefern. Zudem versagt die Schutzfunktion der Tatbestandsmäßigkeit hinsichtlich der Gewerbesteuerpflicht, weil diese nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG an den Voraustatbestand des § 15 EStG anknüpft. Daraus folgt indes nicht, dass bei Bruchteilsgemeinschaften der Anwendungsbereich des für gemeinschaftliche Einkünfteerzielung sachnäheren § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eröffnet ist. Denn diese Vorschrift umfasst zwei verschiedene Einkunftskomponenten: Die erste ist der gesellschaftsbezogene Gewinnanteil, die zweite sind die gesellschafterbezogenen Sondervergütungen145. Die erste Komponente liefert allgemein Kriterien für die Einkünfteerzielung und -zurechnung von Personenmehrheiten. Für sie stellt sich mangels Alternativen die Frage der Tatbestandsmäßigkeit nicht ernsthaft. Allein fragwürdig ist bei Bruchteilsgemeinschaften die zweite Einkunftskomponente der Sondervergütungen146. Es ist durchaus zweifelhaft, ob insoweit auch für Bruchteilsgemeinschaften die Rechtsprechungsgrundsätze zur Personengesellschaft gelten147, oder aber nicht die fehlende gesellschaftsrechtliche Verbindung

__________ 142 So Haep in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Anm. 336 (Aug. 2003). 143 Dazu allgemein Drüen in Tipke/Kruse (Fn. 101), § 3 AO Rz. 33 f. (März 2003) m. w. N. 144 Vgl. nur Kruse/Drüen in Tipke/Kruse (Fn. 101), § 42 AO Rz. 15 m. w. N. 145 N. Schneider (Fn. 1), S. 142. 146 Zu Recht differenzierend bereits P. Fischer, FR 1998, 813 (817), der keine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sieht und die Norm für nicht analogiefähig einstuft, so dass die Einbeziehung von Sondervergütungen zu verfassungswidrigem Richterrecht führe. 147 Dafür unter dem Vorbehalt „grundsätzlich“ BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621).

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nur zu einer Mitunternehmerschaft auf der 1. Stufe ohne Sondervergütungen führen kann. Wenn der Zweck des Sondervergütungstatbestands als „typisierter Manipulationsverhinderungsnorm“ darin bestehen soll, unmittelbare Leistungen des Gesellschafters, die wirtschaftlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, unabhängig von der Gestaltung als Gesellschafterbeitrag oder schuldrechtlicher Vertrag den gewerblichen Einkünften des Mitunternehmers zuzuordnen148, so scheidet der direkte teleologische Rekurs hierauf bei einer Bruchteilsgemeinschaft aus. Denn bei der Bruchteilsgemeinschaft fehlt – diesen tragenden Unterschied zur Gesellschaft hat der Jubilar zutreffend betont – die Pflicht, den gemeinsamen Zweck zu fördern149. Lässt sich die Gleichstellung einer „reinen“ Bruchteilsgemeinschaft mit einer Gesellschaft im Einzelfall hinsichtlich der gemeinschaftlichen Einkünfteerzielung rechtfertigen, so bleibt sie hinsichtlich der Sondervergütungen und des Sonderbetriebsvermögens fragwürdig.

V. Resümee Das Problem der Bruchteilsgemeinschaft als steuerrechtlicher Mitunternehmerschaft ist ein Ausschnitt aus dem klassischen Thema des Verhältnisses von Zivilrecht zum Steuerrecht im allgemeinen und von Gesellschaftsverhältnis und Mitunternehmerschaft im speziellen. Der Emanzipation des Steuerrechts150 ist bisweilen seine Ignoranz gegenüber dem Zivilrecht gefolgt. Dabei stehen beide Teilrechtsgebiete mit unterschiedlichen Aufgaben nebeneinander. Ein Primat eines Gebietes gibt es nicht. Aus der Vorherigkeit der zivilrechtlichen Gestaltung folgt kein Vorrang vor dem Steuerrecht151. Die privatautonome Gestaltung ist Ausgangspunkt, aber nicht der Endpunkt der steuerrechtlichen Qualifikation152. Bei der steuerrechtlichen Rechtsanwendung ist im Einzelfall anhand der Regelungszwecke zu überprüfen, wie der dem Zivilrecht entlehnte Begriff im Steuerrecht zu verstehen ist153. Das gilt auch für den Begriff der Mitunternehmerschaft des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG154, der grundsätzlich ein Gesellschaftsverhältnis voraussetzt, aber nicht darauf beschränkt ist. Ein Gesellschaftsverhältnis, das dem Leitbild des HGB für OHG und KG entspricht, trägt den Schluss auf eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft, ohne dass es einer positiven Vergewisserung der Mitunternehmerkriterien bedarf. Nur wenn ein Gesellschaftsver-

__________ 148 Zusammenfassend N. Schneider in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 8), § 15 EStG Rz. 715 (März 2005) m. w. N. 149 Priester in FS L. Schmidt (Fn. 7), S. 331 (340). 150 Lesenswert Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, 1991, § 1 II S. 18 ff. 151 Zuletzt P. Kirchhof in FS Röhricht (Fn. 62), S. 919 (925); Schön, Die zivilrechtlichen Voraussetzungen steuerlicher Leistungsfähigkeit, StuW 2005, 247 (248 f.). 152 Schön, StuW 2005, 247 (253). 153 Drüen in Tipke/Kruse (Fn. 101), § 4 AO Rz. 324 (Okt. 2006) m. w. N. 154 Ähnlich Schön, StuW 2005, 247 (254 f.).

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Die Bruchteilsgemeinschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft?

hältnis fehlt oder es atypisch vom gesetzlichen Regelstatut ausgestaltet ist, bedarf es der Prüfung, ob die Beteiligten Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten. Das gilt auch für Bruchteilsgemeinschaften. Sie können durch ein (konkludentes) Gesellschaftsverhältnis überlagert sein, wobei vor der vorschnellen Annahme eines gesellschaftsrechtlichen Bandes zu warnen ist. Zu Recht hat der Jubilar betont, dass bei der steuerrechtlichen Rechtsanwendung das Zivilrecht nicht verbogen und mit Blick auf das Ergebnis ein Gesellschaftsverhältnis konstruiert werden dürfe155. Bei einer „reinen“ Bruchteilsgemeinschaft bedarf es besonderer Rechtfertigung, warum die Beteiligten auch ohne Gesellschaftsverhältnis Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten. Dafür sind die zivilrechtlichen Beziehungen entscheidend. Die Behauptung einer „wirtschaftlich vergleichbaren Rechtsgemeinschaft“ reicht nicht aus. Schließlich ist auch die begründungslose Einbeziehung von Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen fragwürdig156.

__________ 155 Siehe bereits Fn. 49. 156 Kommt es auf der 1. Stufe der Mitunternehmerschaft bei gemeinschaftlicher Einkunftserzielung „auf das Fehlen eines gemeinsamen Zwecks im verbandsrechtlichen Sinne … für die Besteuerung nicht an“ (so auch Schön, StuW 2005, 247 [255]), so gilt dies nicht automatisch auch für die 2. Stufe der Mitunternehmerschaft.

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Dienst- und Werkleistungen des Gesellschafters und das Verbot der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens Inhaltsübersicht I. Einführung II. Grundlagen 1. Die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage im Überblick 2. Ergänzung durch die Grundsätze über das Hin- und Herzahlen III. Dienst- und Werkleistungen und das Verbot der verdeckten Sacheinlage 1. Präzisierung und Hintergrund der Fragestellung 2. Stand der Diskussion a) Rechtsprechung des BGH b) Schrifttum 3. Unanwendbarkeit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage a) Kein Umgehungsschutz bei Unmöglichkeit regelkonformen Verhaltens b) Abgrenzung zur Einbringung der Vergütungsforderung c) Versagen der den Inferenten begünstigenden Folgen einer verdeckten Sacheinlage

4. Zwischenergebnis IV. Dienst- und Werkleistungen und das Verbot des Hin- und Herzahlens 1. Präzisierung der Fragestellung 2. Anforderungen an ein verbotenes Hin- und Herzahlen im Allgemeinen 3. Kein unzulässiges Hin- und Herzahlen bei der Vergütung von Dienst- oder Werkleistungen a) Kein Hin- und Herzahlen bei bloßem Abrufrecht der Gesellschaft b) Keine Vermutung einer Vorabsprache c) Anforderungen an eine Verknüpfungsabrede d) Rechtsfolgen eines unzulässigen Hin- und Herzahlens 4. Zwischenergebnis V. Fazit

I. Einführung Zu den „großen“ und von Hans-Joachim Priester seit jeher besonders gepflegten1 Themen des GmbH-Rechts gehört die Lehre von der verdeckten Sacheinlage. Sie darf ungeachtet kritischer Stimmen2 zu dem etablierten

__________

1 Vgl. neben der Kommentierung des § 56 GmbHG im „Scholz“ (zuletzt 9. Aufl. 2002) insbesondere Priester, ZIP 2006, 1557 ff.; ders., in VGR (Hrsg.), Die GmbHReform in der Diskussion, 2006, S. 1 (13 ff.); ders. in FS Bezzenberger, 2000, S. 309; ders., GmbHR 1998, 861 ff.; ders., ZIP 1996, 1025 ff.; ders. in FS Brandner, 1996, S. 97 ff.; ders., ZIP 1991, 345 ff.; ders., DB 1990, 1753 ff.; ders., ZIP 1976, 1801. 2 Vgl. die Nachw. bei Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2006, § 19 GmbHG Rz. 118 ff., und Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 27 AktG Rz. 12.

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Bestand des „gelebten“ Rechts der GmbH und der AG gerechnet werden. Ihre Existenzberechtigung folgt, worauf der Jubilar erst jüngst noch einmal sehr zu Recht hingewiesen hat3, schlicht daraus, dass die Befolgung von Schutzvorschriften nach Art derjenigen über Sacheinlagen ganz entscheidend davon abhängt, dass dem Normadressaten Anreize zu regelkonformem Verhalten gegeben werden: Ein homo oeconomicus – und als einen solchen wird man den GmbH-Gesellschafter regelmäßig ansehen dürfen – bezieht die Sanktionen in sein Kalkül ein und dürfte geneigt sein, die Schutzvorschriften zunächst nicht einzuhalten, wenn ihm schlimmstenfalls droht, dass er im nachhinein so gestellt wird, als hätte er sich sogleich gesetzeskonform verhalten. Schon diese Überlegung spricht für die h. M., der zufolge bei verdeckter Sacheinlage die auf Leistung der Bareinlage gerichtete Forderung der Gesellschaft fortbesteht, der Gesellschafter also anders als bei offener Sacheinlage nicht nur die Differenz schuldet4. Auch auf Seiten der h. M. dürfte freilich Einvernehmen darüber bestehen, dass der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage möglichst präzise gefasst sein sollte, um so den Gesellschaftern die Einhaltung der besonderen Vorschriften über die Sacheinlage zu ermöglichen und an sich gesetzestreue Gesellschafter vor bösen Überraschungen zu bewahren. Diesem Anliegen fühlen sich die nachstehenden Überlegungen zu „gründungs- oder kapitalerhöhungsnahen“ Dienst- und Werkleistungen des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft verpflichtet. Derlei Leistungen begegnen in der Praxis allenthalben. Unter dem besonderen Blickwinkel der Vorschriften über die Sacheinlage und der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage sind sie vor allem deshalb brisant, weil Dienst- und Werkleistungen nach heute ganz h. M. überhaupt nicht sacheinlagefähig sind. Sie berühren damit auf das Engste die grundsätzliche Frage nach Grund und Grenzen der Lehre von der verdeckten Sacheinlage.

II. Grundlagen 1. Die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage im Überblick Die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage sind vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen Bar- und Sacheinlagen5 in §§ 5, 55, 56 GmbHG und §§ 27, 183 AktG zu sehen: Während sich die Kontrollfunktion des Registergerichts im Falle der Bareinlage auf die Prüfung beschränkt, ob

__________ 3 Priester in VGR (Fn. 1), S. 21. 4 Zu den Rechtsfolgen vgl. BGHZ 113, 335 (340 f.); BGHZ 125, 141 (143 f.); BGHZ 152, 37 (42 f.); BGHZ 153, 107 (109 f.); BGHZ 155, 329 (334 ff.); Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 2 Rz. 50 ff.; Priester in Scholz (Fn. 1), § 56 GmbHG Rz. 33 ff.; Ulmer (Fn. 2), § 19 GmbHG Rz. 132 ff. 5 Zur gemischten Sacheinlage und zu Sachübernahmen im Aktien- und GmbH-Recht siehe Habersack in FS Konzen, 2006, S. 179 ff.

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die Formalia der Gründung oder Kapitalerhöhung eingehalten, die Mindesteinlagen geleistet und die Anforderungen an die Handelsregisteranmeldung erfüllt sind, kennt das Gesetz zum Zwecke der Sicherstellung der Gleichwertigkeit von Bar- und Sachgründung bzw. -kapitalerhöhung eine Reihe von Sondervorschriften6. Hierzu zählen namentlich §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 56 Abs. 1 GmbHG und §§ 27 Abs. 1, 183 Abs. 1 AktG betreffend die Aufnahme der Gegenstände der Sacheinlage in den Gesellschaftsvertrag oder den Erhöhungsbeschluss, § 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG, §§ 33 Abs. 2, 183 Abs. 3 AktG betreffend die Notwendigkeit eines Sachgründungsberichts bzw. einer Gründungsprüfung, §§ 9c Abs. 1 Satz 2, 57a GmbHG und § 38 Abs. 1 AktG betreffend die Wertdeckungskontrolle durch das Registergericht7 und §§ 9 Abs. 1, 56 Abs. 2 GmbHG sowie die entsprechenden Grundsätze des Aktienrechts8 betreffend die Differenzhaftung des Inferenten. Die Problematik der verdeckten Sacheinlage hat es nun mit Fallgestaltungen zu tun, in denen die Beteiligten den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage dadurch zu erreichen suchen, dass sie auf Bareinlagen mit anschließender Leistung der für die Gesellschaft bestimmten Gegenstände an diese unter Rückzahlung oder Verrechnung der Bareinlagen ausweichen. Die h. M. reagiert, wie schon einleitend erwähnt, auf derlei Praktiken mit der Annahme, dass die Einlageschuld in Ermangelung einer Festsetzung der Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag oder Kapitalerhöhungsbeschluss nicht wirksam erbracht und der Inferent deshalb zur (erneuten) Leistung der Bareinlage verpflichtet sei. Sie stützt sich hierbei für die AG auf §§ 27 Abs. 3 Satz 3, 183 Abs. 2 Satz 3 AktG, wonach der Aktionär bei Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Sacheinlage und damit insbesondere bei fehlender Festsetzung in der Satzung oder im Erhöhungsbeschluss zur Einzahlung des Ausgabebetrags verpflichtet ist. Für die GmbH ist auf §§ 5 Abs. 4, 19 Abs. 5, 56 Abs. 1 und 2 GmbHG zurückzugreifen, wonach die Sacheinlage in der Satzung oder im Erhöhungsbeschluss offenzulegen ist und eine Leistung auf die Stammeinlage, welche nicht in Geld besteht oder welche durch Aufrechnung einer für die Überlassung von Vermögensgegenständen zu gewährenden Vergütung bewirkt wird, den Gesellschafter nur dann von seiner Verpflichtung befreit, soweit sie in Ausführung einer im Gesellschaftsvertrag oder im Kapitalerhöhungsbeschluss getroffenen Bestimmung erfolgt. Hiernach „verboten“ sind an sich nur die Erbringung einer Sachleistung anstelle der geschuldeten Bareinlage und die Verrechnung der Einlageschuld mit einer von der GmbH für den Erwerb von Gegenständen geschuldeten Vergütungsforderung des Gesellschafters. Doch hat die h. M. diesen gesetzlich geregelten Fällen sowohl

__________ 6 Näher dazu sowie zum Folgenden Goette (Fn. 4), § 2 Rz. 35 ff.; Priester in Scholz (Fn. 1), § 56 GmbHG Rz. 21 ff.; Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 64 ff. 7 Vgl. für das Aktienrecht Hüffer (Fn. 2), § 38 AktG Rz. 9, § 183 AktG Rz. 18; Lüssow, Das Agio im GmbH- und Aktienrecht, 2004, S. 200 ff., 231 ff. 8 Hüffer (Fn. 2), § 9 AktG Rz. 6, § 183 AktG Rz. 21; Lüssow (Fn. 7), S. 219 ff.; Habersack in FS Konzen, 2006, S. 179 (182 ff.).

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die Verwendung des Einlagebetrags zur Erbringung der Gegenleistung aus einem zeitnah getätigten Veräußerungsgeschäft als auch die Verrechnung der Einlageforderung mit sonstigen, nicht aus einer Sachübernahme resultierten Altforderungen gleichgestellt9. Kern der Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage ist nach allem das berechtigte Anliegen, die „sperrigen“ und gläubigerschützenden Vorschriften über die Sacheinlage (und damit die durch sie geschützten Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger) vor Umgehungen durch die Wahl von wirtschaftlich einer Sacheinlage entsprechenden Gestaltungen zu schützen. Für das Aktienrecht vorgetragene Überlegungen, denen zufolge die Lehre von der verdeckten Sacheinlage unvereinbar mit der Kapitalrichtlinie10 und insbesondere deren Art. 11 sei11, haben den BGH zu Recht nicht beeindruckt12, zumal auch den Bestimmungen der Richtlinie über die Sacheinlage ein aus dem Grundsatz des effet utile herzuleitender Umgehungsschutz immanent sein dürfte13. 2. Ergänzung durch die Grundsätze über das Hin- und Herzahlen Von der verdeckten Sacheinlage zu unterscheiden ist das bloße Hin- und Herzahlen14 des Einlagebetrags15. Auch bei ihm tritt Erfüllung der Einlageschuld nicht ein. Zurückzuführen ist dies indes darauf, dass es schon an der in §§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 Satz 1, 56a, 57 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, §§ 37 Abs. 1 Satz 2, 54 Abs. 3 Satz 1, 188 Abs. 2 Satz 2 AktG vorausgesetzten Leistung der Einlage zur freien Verfügung der Gesellschaft fehlt16. Das bloße Hin- und Herzahlen bleibt deshalb insoweit hinter der verdeckten Sacheinlage zurück, als nur bei dieser – bei wirtschaftlicher Betrachtung – anstelle der geschuldeten Bareinlage ein Sachwert eingebracht wird17. Es erschöpft sich darin, dass

__________ 9 BGHZ 113, 335 (340 f.); BGHZ 155, 329 (334 f.); Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 173 ff., § 19 GmbHG Rz. 102 ff., 123 ff.; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 19 GmbHG Rz. 120. 10 Richtlinie 77/91/EWG v. 13.12.1976, ABl. Nr. L 26/1; abgedruckt und erläutert in Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, § 6 Rz. 1 ff. (80). 11 Vgl. Generalanwalt Tesauro, ZIP 1992, 1033 mit Anm. Joost; Meilicke, DB 1989, 1067 ff.; Einsele, NJW 1996, 2681 (2683 f.). 12 BGHZ 110, 47 (68 ff.); BGHZ 118, 83 (103 f.). 13 Lutter in FS Everling, Bd. I, 1995, S. 765 (777 ff.); Habersack (Fn. 10), § 6 Rz. 32 m. w. N. 14 Entsprechendes gilt für den umgekehrten Vorgang, nämlich das Her- und Hinzahlen, vgl. BGH, ZIP 2006, 1633; Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 175, § 7 GmbHG Rz. 40. 15 Vgl. aus der neueren Rechtsprechung neben BGH, ZIP 2006, 1633 (dazu Fn. 14) insbesondere BGH, ZIP 2001, 1997; BGHZ 153, 107 (109 f.); BGHZ 165, 113 (116 f.); BGHZ 165, 352 (356); siehe auch Goette (Fn. 4), § 2 Rz. 20 ff. 16 Vgl. neben den Nachw. in Fn. 8 Ulmer (Fn. 2), § 7 GmbHG Rz. 40. 17 So in aller Deutlichkeit BGHZ 165, 113 (116 f.); Ulmer (Fn. 2), § 7 GmbHG Rz. 40; Bayer, GmbHR 2004, 445 (451 ff.); missverständlich noch BGHZ 153, 107 (111).

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dem Gesellschafter die zuvor geleisteten Mittel von der Gesellschaft – wenn auch mit der Maßgabe, dass der Gesellschafter sie „zurückzuzahlen“ hat – wieder zur Verfügung gestellt werden, ohne dass die Gesellschaft von einer zuvor bestehenden Verbindlichkeit befreit und deshalb wirtschaftlich die Forderung des Gesellschafters eingebracht wird18. Der Inferent leistet deshalb unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung nichts, also nicht einmal verdeckt einen Sachwert; die Einlage wird vielmehr im wirtschaftlichen Ergebnis von der Gesellschaft finanziert. Hieraus wiederum folgt, dass der Leistung des Inferenten Erfüllungswirkung in Bezug auf die Einlageschuld nicht zukommt. Denn andernfalls würde die Einlageforderung im Ergebnis durch einen Anspruch der Gesellschaft aus dem den Rückfluss der Mittel regelnden Rechtsverhältnis – regelmäßig ein Darlehensvertrag19 – ersetzt. Dies aber wäre unvereinbar mit dem Befreiungsverbot der §§ 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, 66 Abs. 1 Satz 1 AktG und muss deshalb die Unwirksamkeit des den Rückfluss der Mittel regelnden Schuldverhältnisses nach sich ziehen20. Das Verbot des Hin- und Herzahlens ist selbstredend auch dann zu beachten, wenn der Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung anstelle der geschuldeten Bareinlage immerhin ein Sachwert zugeführt wird, mithin beim Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage21. Eigenständige Bedeutung hat es dagegen vor allem in Fällen, in denen es an der Einbringung eines Sachwertes fehlt.

III. Dienst- und Werkleistungen und das Verbot der verdeckten Sacheinlage 1. Präzisierung und Hintergrund der Fragestellung Die Frage, ob die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auch im Zusammenhang mit Dienstleistungen, die der Gesellschafter im zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung oder der Kapitalerhöhung bringt und von der Gesellschaft vergütet erhält, anwendbar sind, ist in Rechtsprechung und Schrifttum bislang nur vereinzelt erörtert worden22. Sie ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass nach §§ 27 Abs. 2 Halbs. 2, 183 Abs. 1 AktG „Verpflichtungen zu Dienstleistungen“ nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein können und nach ganz h. M. Entsprechendes auch für das GmbH-Recht zu gelten hat23. Die genaue Reichweite des § 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG ist zwar

__________ 18 Zur Abgrenzung vgl. BGHZ 110, 47 (60); BGHZ 166, 8 (11 f.); vgl. dazu noch unter IV. 1. 19 Vgl. aber auch BGHZ 165, 352 – Verbindung des Hin- und Herzahlens mit einer Treuhandabrede. 20 So zu Recht BGHZ 165, 113 (116); BGHZ 165, 352 (356). 21 Vgl. nur Goette, DStR 2006, 767. 22 Zum Meinungsstand siehe sogleich unter 2. mit Nachw. in Fn. 28 ff., 36 ff. 23 Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 5 GmbHG Rz. 17; Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 60 f., 78.

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umstritten, wobei für das Aktienrecht erschwerend hinzukommt, dass die Vorschrift auf Art. 7 Satz 2 der Kapitalrichtlinie zurückgeht und ihre Auslegung deshalb den Mindestvorgaben der Richtlinie genügen muss24. Nach herrschender und schon mit Blick auf das Vollstreckungsverbot des § 883 Abs. 3 ZPO beifallswürdiger Ansicht wird von § 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG allerdings nicht nur das Dienstleistungsversprechen des Gesellschafters, sondern auch die Einbringung übertragbarer Ansprüche auf Vornahme von Dienstleistungen durch Dritte erfasst25, so dass den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in jedem Fall entsprochen wird. Was Werkleistungen betrifft, so muss § 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG insoweit entsprechende Anwendung finden, als Ansprüche gegen den Inferenten in Frage stehen;26 andernfalls käme es zur Ersetzung des „starken“ Bareinlageanspruchs durch einen gewöhnlichen schuldrechtlichen Anspruch, was den Anforderungen an eine effektive Kapitalaufbringung ersichtlich zuwider liefe. Auf Vornahme von Werkleistungen durch Dritte gerichtete Ansprüche sind dagegen jedenfalls dann sacheinlagefähig, wenn sie auf eine vertretbare Handlung gerichtet und deshalb nach § 887 ZPO unschwer und effektiv zu vollstrecken sind;27 aber auch auf unvertretbare Handlungen gerichtete Forderungen aus § 631 BGB dürften mit Blick auf ihre Vollstreckbarkeit nach § 888 Abs. 1 ZPO den allgemeinen Anforderungen an die Sacheinlagefähigkeit von Gegenständen genügen. Für die im Folgenden zu erörternde Frage nach der Geltung der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage kommt es auf die zuletzt angesprochene Frage nicht an. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass nicht nur Dienstleistungen, sondern auch Werkleistungen jedenfalls dann nicht sacheinlagefähig sind, wenn und soweit sie von dem Gesellschafter erbracht werden sollen. Zugespitzt formuliert lautet die im Folgenden zu klärende Frage also, ob der Gesellschafter, der im zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung einer Bareinlage Dienst- oder Werkleistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt und von dieser hierfür eine angemessene Vergütung erhält, Gefahr läuft, seine Bareinlage noch einmal leisten zu müssen. Bedenkt man, dass Gesellschafter vielfach in entsprechenden Austauschbeziehungen mit ihrer Gesellschaft stehen und bisweilen sogar aufgrund schuldrechtlicher Nebenabreden

__________ 24 Näher zu Art. 7 Satz 2 der Richtlinie Habersack (Fn. 10), § 6 Rz. 25. 25 Vgl. für das Aktienrecht Pentz in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 27 AktG Rz. 33; Röhricht in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1997, § 27 AktG Rz. 78; für das GmbH-Recht neben den in Fn. 23 Genannten noch Hueck/Fastrich in Baumbach/ Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 5 GmbHG Rz. 27; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 5 GmbHG Rz. 43. 26 So zu Recht Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 78; Roth in Roth/Altmeppen (Fn. 25), § 5 GmbHG Rz. 44; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 23), § 5 GmbHG Rz. 17; vgl. auch BGH, ZIP 2006, 331 (332). 27 Gegen Sacheinlagefähigkeit von „stark personenbezogenen Werkverträgen“ dagegen Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 23), § 5 GmbHG Rz. 17; ähnlich Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 25), § 5 GmbHG Rz. 27.

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oder satzungsmäßiger Nebenleistungspflichten zur Erbringung (vergüteter) Dienst- oder Werkleistungen gegenüber der Gesellschaft verpflichtet sind, so wird deutlich, dass die angesprochene Problematik nicht nur von akademischem Interesse ist. 2. Stand der Diskussion a) Rechtsprechung des BGH Der II. Zivilsenat des BGH28 brauchte sich bislang, soweit ersichtlich, zwar nicht explizit zu der Frage zu äußern, ob die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auch bei Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Gesellschafter anwendbar sind. Namentlich die jüngst zum Hin- und Herzahlen ergangenen Entscheidungen lassen indes den Schluss zu, dass sich der Senat gegen die Anwendbarkeit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage aussprechen würde. So heißt es in dem Urteil v. 22.11.2005, dass die verdeckte Sacheinlage dadurch charakterisiert sei, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung anstelle der geschuldeten Bareinlage in Wahrheit „ein anderer, sacheinlagefähiger Gegenstand eingebracht wird“29. In sachlicher Übereinstimmung hiermit belehrt der Senat im Urteil v. 9.1.2006 die Vorinstanz, dass bei einem mit einer „Treuhandabrede“ verbundenen Hin- und Herzahlen eine verdeckte Sacheinlage schon deshalb nicht vorliegen könne, weil eine Schuld des Inferenten nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein könne30. Für die Erbringung von Dienst- und Werkleistungen dürfte der Senat deshalb kaum zu einem anderen Ergebnis gelangen. Hierfür spricht auch das Grundsatzurteil v. 4.3.1996, in dem vom Senat – wenn auch im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfassenden Abrede – betont wird, dass die Umgehungshandlung den Tatbestandsmerkmalen der umgangenen Norm entsprechen müsse31. Nicht weiterführend, von Teilen des Schrifttums32 indes für das Eingreifen der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage vereinnahmt, ist demgegenüber das Urteil des II. Zivilsenats v. 21.9.1978. In ihm ging es um die Verrechnung der Einlageforderung mit künftigen Lohnforderungen33. Der Senat gründet insoweit den Fortbestand der Bareinlageforderung zu Recht auf das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 5 GmbHG34, um im weiteren Verlauf aus-

__________

28 Zu OLG Köln, GmbHR 1998, 143 und OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 518 siehe unter III. 3. b). 29 BGHZ 165, 113 (116 f.). 30 BGHZ 165, 352 (356). 31 BGHZ 132, 133 (139); siehe ferner BGHZ 132, 141 (145 f.); BGH, DB 1990, 311 (314). 32 Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 23), § 5 GmbHG Rz. 54; dazu noch unter b). 33 BGH, GmbHR 1978, 268 (269). 34 Entspricht § 19 Abs. 3 GmbHG a. F. – Zur Anwendbarkeit des § 19 Abs. 5 GmbHG auf die schon bei Gründung oder Kapitalerhöhung abgesprochene Verrechnung künftig entstehender Forderungen siehe noch unter III. 3. b).

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zuführen, dass es „ungereimt“ wäre, „wenn die Gründe, die gegen die Einlagefähigkeit von Dienstleistungen sprechen, zur Folge hätten, dass die vorabgesprochene Aufrechnung gegen die Lohnforderungen zulässig ist“. Zu der im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Frage nach der Anwendbarkeit der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auf Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen als solche lässt sich der Entscheidung dagegen nichts entnehmen35. b) Schrifttum Das – spärliche – Schrifttum zu der Frage ist gespalten und leidet zudem darunter, dass nicht stets hinreichend zwischen dem Tatbestand der verdeckten Sacheinlage und dem des Hin- und Herzahlens unterschieden wird. Lutter/Bayer sprechen sich zwar – mit argumentum a maiore ad minus – für die Anwendbarkeit der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage aus, dies allerdings unter unzutreffender Berufung auf die erwähnte Entscheidung des BGH v. 21.9.197836. Für Anwendbarkeit plädieren des Weiteren H. Winter/ Westermann und Hoffmann;37 wobei Letzterer allerdings weitreichende Ausnahmen, insbesondere für den Gesellschaftszweck fördernde Leistungen, anerkennen will38. Auch Pentz vertritt eine vermittelnde Ansicht, wenn er im Grundsatz die Anwendbarkeit der Regeln über verdeckte Sacheinlagen bejaht, hiervon allerdings Leistungen auf den Geschäftsführervertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschafter-Geschäftsführer ausnehmen möchte39. Joost, G. H. Roth und Richter/Schick schließlich sprechen sich generell gegen die Anwendbarkeit der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auf die Erbringung nicht sacheinlagefähiger Leistungen aus40. 3. Unanwendbarkeit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage a) Kein Umgehungsschutz bei Unmöglichkeit regelkonformen Verhaltens Schon die Funktion der Regeln über verdeckte Sacheinlagen, die vom Gesetz im Interesse der Gläubiger aufgestellten Anforderungen an eine Sacheinlage gegen auf der Hand liegende Umgehungsversuche abzusichern, spricht ent-

__________ 35 Verkannt von Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 23), § 5 GmbHG Rz. 54, die sich für ihre Ansicht, dass die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auch auf nicht sacheinlagefähige Gegenstände Anwendung finden (dazu sogleich unter b), insbesondere auf BGH, GmbHR 1978, 268 (= NJW 1979, 216) berufen. 36 Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 23), § 5 GmbHG Rz. 54; siehe ferner Bayer, GmbHR 2004, 445 (451). 37 H.Winter/H.P.Westermann in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 5 GmbHG Rz. 78; Hoffmann, NZG 2001, 433 (434 f.). 38 Dazu noch unter IV. 3. b). 39 Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff (Fn. 9), § 19 GmbHG Rz. 148. 40 Joost, ZIP 1990, 549 (557); Roth in Roth/Altmeppen (Fn. 25), § 19 GmbHG Rz. 49; Richter/Schick, GmbHR 1999, 97 (98 f.).

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schieden dafür, ihr Eingreifen davon abhängig zu machen, dass die umgehungsresistenten Vorschriften hätten beachtet werden müssen und können, und damit gegen die Anwendbarkeit auf die Erbringung nicht sacheinlagefähiger Gegenstände. Andernfalls sähe sich der Inferent mit Risiken belastet, denen er sich – in Ermangelung der Sacheinlagefähigkeit von Dienst- und Werkleistungen – durch regelkonformes Verhalten nicht entziehen könnte. Dies aber liefe der Zielsetzung von Umgehungsverboten im Allgemeinen und der Regeln über die verdeckte Sacheinlage im Besonderen klar zuwider. Bekanntlich besteht die Funktion eines Umgehungsverbots darin, ein Schutzgesetz auf Sachverhalte anzuwenden, die nach Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift zwar von ihr erfasst sein sollten, aufgrund ihres zu engen Wortlauts aber nicht ohne Weiteres darunter subsumiert werden können. Für die Lehre von der verdeckten Sacheinlage kann dies nur bedeuten, dass von ihr zwar Sachverhalte, bei denen die Beteiligten den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage zu erreichen suchen, den bei Nichtbefolgung der Vorschriften über die Sacheinlage eingreifenden Sanktionen unterstellt werden, um hierdurch die Regeln über die Sacheinlage vor allfälligen Umgehungsstrategien zu schützen. Soweit dagegen die Regeln über die Sacheinlage in Ermangelung eines sacheinlagefähigen Gegenstands überhaupt nicht anwendbar sind, besteht auch für einen Umgehungsschutz kein Anlass. b) Abgrenzung zur Einbringung der Vergütungsforderung Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Gesellschafter den „sicheren Hafen“ der Sacheinlageregeln durch Einbringung seiner Vergütungsforderungen betreten könne und deshalb, wenn er die Form der Bareinlage wähle und im zeitlichen Zusammenhang damit Dienst- oder Werkleistungen erbringe, nicht schutzwürdig sei. Dabei bliebe nämlich unberücksichtigt, dass, auch wenn der Rechtsgrund der Vergütungsforderung in Gestalt des Dienst- oder Werkvertrags schon bei Gründung oder Kapitalerhöhung gelegt sein sollte, Fälligkeit erst mit Leistung der Dienste oder Erbringung des Werkes eintritt. Die Einbringung einer Vergütungsforderung aber, deren Fälligkeit noch von der Vornahme der Dienste oder der Herstellung des versprochenen Werkes abhängig ist, sähe sich den gleichen Einwänden wie die Einbringung des Anspruchs auf die Dienst- oder Werkleistung selbst ausgesetzt. Auf Zahlung von Lohn und Werklohn gerichtete Ansprüche sind deshalb nur insoweit sacheinlagefähig, als ihre Durchsetzbarkeit nicht mehr von der Erbringung der Dienst- oder Werkleistung durch den Gesellschafter abhängig ist41. Dem entspricht es, dass nach h. M. das Verrechnungsverbot des § 19 Abs. 5 GmbHG zwar auf vom Wortlaut dieser Vorschrift nicht erfasste Forderungen

__________ 41 So verhielt es sich in OLG Köln, GmbHR 1998, 143 (144 f.) und OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 518 (519 f.).

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des Gesellschafters zu erstrecken ist, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es sich um Altforderungen handelt, die Forderungen also bei Begründung der Einlageforderung bereits entstanden waren und deshalb ihrerseits Gegenstand einer Sacheinlage hätte sein können42. Erst nach Begründung der Einlageforderung entstehende Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft – mithin Neuforderungen – unterliegen dagegen dem Verrechnungsverbot des § 19 Abs. 5 GmbHG nur insoweit, als die Verrechnung mit der Einlageforderung schon im Stadium der Gründung oder Kapitalerhöhung vorabgesprochen war43. Beim Fehlen einer solchen Vorabsprache bewendet es dagegen nicht nur bei dem (eingeschränkten) Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG44, sondern auch dabei, dass eine solche Neuforderung überhaupt nicht Gegenstand einer Sacheinlage hätte sein können. Nichts anderes kann für Vergütungsforderungen gelten, die zwar einem schon bei Gründung oder Kapitalerhöhung bestehenden Dienst- oder Werkvertrag entspringen, deren Fälligkeit indes noch die Erbringung der Dienstoder Werkleistung durch den Gesellschafter voraussetzt. c) Versagen der den Inferenten begünstigenden Folgen einer verdeckten Sacheinlage Es kommt hinzu, dass die neuere Rechtsprechung dazu übergegangen ist, dem Inferenten „Brücken zu bauen“. So hat sich der BGH – unter Rückgriff auf einen namentlich von Priester entwickelten Ansatz45 – für die Möglichkeit der „Heilung“ einer verdeckten Sacheinlage durch nachträglichen Übergang von der Bar- zur Sacheinlage ausgesprochen46. Diese Möglichkeit wäre dem Inferenten verwehrt, wollte man die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auf Dienst- und Werkleistungen anwenden47. Dem Inferenten gleichfalls vorenthalten wären die Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage, soweit diese ihn begünstigen. Hierzu zählt namentlich die von der neueren Rechtsprechung auch für das GmbH-Recht in Übereinstimmung mit § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG angenommene Unwirksamkeit des verdeckten Geschäfts unter Einschluss des Erfüllungsgeschäfts48. Sie ermöglicht es dem auf

__________ 42 BGHZ 110, 47 (60 f.); BGHZ 132, 141 (144); Ulmer (Fn. 2), § 19 GmbHG Rz. 110 f. m. w. N. 43 Vgl. BGH, GmbHR 1978, 268 (269); BGHZ 132, 141 (144 f.); BGHZ 152, 37 (43 f.); Ulmer (Fn. 2), § 19 GmbHG Rz. 113 ff.; a. A. Priester in Scholz (Fn. 1), § 56 GmbHG Rz. 67. 44 BGHZ 152, 37 (43 f.). 45 Priester, DB 1990, 1753 (1758 ff.); ders., DStR 1990, 770 (775); zusammenfassend ders. in Scholz (Fn. 1), § 56 GmbHG Rz. 37 ff. 46 BGHZ 132, 141 (148 ff.); BGHZ 155, 329 (337 ff.). 47 Vgl. auch die im Zusammenhang mit der Frage der Aufrechnung gegen den Anspruch aus § 302 AktG (dazu BGH, ZIP 2006, 1488 [1489 f.]; Priester, BB 2005, 2483 ff.) angestellten Überlegungen von Grunewald in NZG 2005, 781 (783). 48 BGHZ 155, 329 (338 f.).

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Leistung der Bareinlage in Anspruch genommenen Inferenten, die Sachleistung zu vindizieren – ein Rechtsbehelf, dem in der Insolvenz der Gesellschaft Aussonderungswirkung zukommt und damit an sich den Gesellschaftsinteressen zuwiderläuft. So gesehen hat die Beschränkung der Sacheinlage auf dem Vollstreckungszugriff unterliegende Gegenstände auch eine den Inferenten schützende Seite, derer der Inferent verlustig ginge, würde man die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auf nicht sacheinlagefähige Gegenstände erstrecken. Nach allem hätte die Anwendung der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auf Dienst- und Werkleistungen klar überschießenden Charakter. 4. Zwischenergebnis Die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage finden, so lautet das erste Zwischenergebnis, auf die Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen keine Anwendung. Dies folgt schon daraus, dass sich der Inferent – in Ermangelung der Sacheinlagefähigkeit seiner Leistung – nicht regelkonform verhalten kann und deshalb auch ein Schutz der Vorschriften über die Sacheinlage vor Umgehung nicht veranlasst ist. Hinzu kommt, dass die Beschränkung der Sacheinlage auf dem Vollstreckungszugriff unterliegende Gegenstände eine den Inferenten schützende Seite hat, derer der Inferent verlustig ginge, würde man die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage auf nicht sacheinlagefähige Gegenstände erstrecken.

IV. Dienst- und Werkleistungen und das Verbot des Hin- und Herzahlens 1. Präzisierung der Fragestellung Es bleibt die Frage, wie sich die Erbringung von Dienst- und Werkleistungen durch den Gesellschafter und die Vergütung derselben durch die Gesellschaft zum Verbot des Hin- und Herzahlens verhalten, mithin zu dem Tatbestand, dass dem Gesellschafter die zuvor geleisteten Mittel von der Gesellschaft wieder zur Verfügung gestellt werden, ohne dass die Gesellschaft von einer zuvor bestehenden Verbindlichkeit befreit und deshalb wirtschaftlich die Forderung des Gesellschafters eingebracht wird (und deshalb gegebenenfalls auch eine verdeckte Sacheinlage vorliegt)49. Im Allgemeinen verbindet sich ein solches Hin- und Herzahlen mit der Abrede, dass die Gesellschaft

__________ 49 Vgl. im Einzelnen unter II. 1., 2.; ferner BGHZ 166, 8 (11 ff.), wo für das Cash Pooling zu Recht auf die verdeckte Sacheinlage zurückgegriffen wird, weil das Hinund Herzahlen zur Befreiung der Darlehensverbindlichkeit des Inferenten geführt hatte; siehe zur Abgrenzung auch Goette, DStR 2006, 767; Gehrlein, MDR 2006, 789 f.; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 (451 f.).

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dem Gesellschafter die zuvor geleistete Einlage als Darlehen wieder zur Verfügung stellt50. Wie der II. Zivilsenat des BGH erst jüngst am Beispiel einer „Treuhandabrede“ dargelegt hat, kommt aber auch die Verbindung mit einer sonstigen Abrede in Betracht51. Vor diesem Hintergrund stellt sich die – in Rechtsprechung und Schrifttum bislang nicht näher behandelte – Frage, ob ein die endgültige freie Verfügung des Vorstands oder des Geschäftsführers ausschließendes Hin- und Herzahlen auch dann gegeben ist, wenn die Gesellschaft dem Inferenten im zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung der Bareinlage Dienst- oder Werkleistungen vergütet, die dieser erst nach Begründung der Einlageforderung erbracht hat und die deshalb keine Alt-, sondern Neuforderungen begründet haben52. 2. Anforderungen an ein verbotenes Hin- und Herzahlen im Allgemeinen Ein die endgültige freie Verfügung ausschließendes Hin- und Herzahlen liegt nach h. M. vor, wenn der Inferent die Bareinlage entweder von vornherein nur unter dem Vorbehalt alsbaldiger Rückführung durch die Gesellschaft oder die kontoführende Stelle leistet53 oder aber – so in den jüngst vom BGH zu beurteilenden Sachverhalten – die Leistungsbewirkung zwar gewollt, indes der alsbaldige Rückfluss an den Inferenten verabredet ist54. Was die erwähnte Verabredung des Rückflusses betrifft, so muss sie zwar nicht notwendigerweise wirksam sein. Sie muss aber den Mittelrückfluss an den Gesellschafter in einer die Gesellschaft (zumindest subjektiv) bindenden Weise vorsehen. Entscheiden sich die Geschäftsführer dagegen aus freien Stücken dafür, die der Gesellschaft überlassenen Mittel für den Leistungsaustausch mit dem Gesellschafter einzusetzen, so ist darin kein verbotenes Hin- und Herzahlen zu sehen, sondern die gesetzlich nicht eingeschränkte Ausübung der Geschäftsführungsbefugnis zur Förderung des Unternehmensgegenstands55.

__________ 50 Vgl. nur BGHZ 165, 113 mit Hinweisen auf weitere Judikate. 51 BGHZ 165, 331. 52 Zu dieser Unterscheidung und zur Anwendung auf Dienst- und Werkverträge siehe bereits unter III. 3. b). 53 Dazu Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, 1991, S. 136 ff. mit Nachw. zur Rechtsprechung insbesondere des RG. 54 Vgl. exemplarisch nur BGHZ 153, 107 (110); BGHZ 165, 113 (114); BGHZ 165, 352 (353); Ulmer (Fn. 2), § 7 GmbHG Rz. 40; Ihrig (Fn. 53), S. 177 ff., 183 ff. Zur Präzisierung vgl. noch unter IV. 3. c). 55 So zu Recht Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 170; vgl. auch BGH, NJW 1992, 2698 betreffend eine Kapitalerhöhung zum Zwecke der Finanzierung einer Tochtergründung.

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Das Vorliegen einer Abrede über den Mittelrückfluss56 – und damit die subjektive Verknüpfung zwischen der Leistung der Bareinlage und ihrem Rückfluss – ist zwar grundsätzlich bei engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Leistung der Einlage und Erfüllung des zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vereinbarten Rechtsgeschäfts zu vermuten57. Nach ganz überwiegender und schon mit Blick auf die entsprechende Wertung des § 52 Abs. 9 AktG überzeugender Ansicht ist allerdings für eine derartige Vermutung kein Raum bei normalen Umsatzgeschäften im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs der Gesellschaft, mit denen diese die von ihr zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks benötigten Leistungen zum Marktpreis vom Einlageschuldner erwirbt58. Insoweit bedarf es vielmehr des konkreten Nachweises einer entsprechenden subjektiven Verknüpfung. 3. Kein unzulässiges Hin- und Herzahlen bei der Vergütung von Dienstoder Werkleistungen a) Kein Hin- und Herzahlen bei bloßem Abrufrecht der Gesellschaft Wendet man die vorstehend skizzierten Grundsätze auf die Vergütung von im zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung oder Kapitalerhöhung erbrachten Dienst- oder Werkleistungen an, so liegt ein unzulässiges Hin- und Herzahlen jedenfalls dann nicht vor, wenn die Gesellschaft lediglich das Recht hat, Dienst- oder Werkleistungen des Gesellschafters abzurufen, der Gesellschafter aber seinerseits kein Recht hat, seine Leistungen von sich aus zu erbringen. Es fehlt dann an einer die Gesellschaft bindenden Verabredung zur Rückführung der Einlagemittel; die Ausübung des Rechts zum Abruf von Dienst- oder Werkleistungen ist dem Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung zuzuordnen. b) Keine Vermutung einer Vorabsprache Ist der Dienst- oder Werkvertrag dagegen für beide Seiten in dem Sinne bindend, dass die Erbringung der Leistung des Gesellschafters nicht mehr davon

__________ 56 Von der den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfassenden Abrede (dazu BGHZ 132, 133 [139 f.]) unterscheidet sich die im Kontext der Untersuchung interessierende Abrede nur dadurch, dass sie sich in Ermangelung eines sacheinlagefähigen Gegenstands nicht auf die Verrechnung mit einer Altforderung bezieht, sondern auf den Rückfluss der Bareinlage als Gegenleistung für Dienst- oder Werkleistungen beschränkt; zum Inhalt der Abrede siehe noch unter IV. 3. c). 57 BGHZ 125, 141 (144); BGHZ 132, 133 (139); Ulmer (Fn. 2), § 19 GmbHG Rz. 118 mit § 5 GmbHG Rz. 170 f. 58 OLG Hamm, BB 1990, 1221 (1222); OLG Hamm, ZIP 2005, 1138 (1140); Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 171a; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff (Fn. 9), § 19 GmbHG Rz. 126; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 25), § 19 GmbHG Rz. 40; einschränkend aber Priester ZIP 1991, 345 (350); offen gelassen von BGH, ZIP 2007, 178 (181 f.).

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abhängt, dass der Geschäftsführer die Leistung abruft, sondern in jedem Fall zu erfolgen hat, so ist es zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die Zahlung der Vergütung durch die Gesellschaft als unzulässiges Hin- und Herzahlen darstellt. Regelmäßig dürfte es sich allerdings so verhalten, dass der Abschluss des Dienst- oder Werkvertrags und die Leistung der Bareinlage ihrer äußeren Erscheinung nach unabhängig voneinander und ohne jeglichen Bezug zueinander erfolgen und es somit an einer sichtbaren Verknüpfungsabrede fehlt. Dem Vorliegen eines unzulässigen Hin- und Herzahlens stünde dies deshalb nur dann nicht entgegen, wenn auch im Rahmen von Dienstoder Werkleistungen Raum für die erwähnte Vermutung einer entsprechenden Abrede wäre. Dies wiederum beurteilt sich zunächst danach, ob zwischen der Leistung der Bareinlage und dem Rückfluss derselben der geforderte zeitliche Zusammenhang besteht. Die h. M. sieht diesen Zusammenhang gegeben, wenn der Rückfluss innerhalb von sechs Monaten erfolgt59. Sie stellt insoweit auf die tatsächliche Vornahme der Zahlung (oder der Verrechnung) ab, was bei unbefristeten oder mit längerer Laufzeit ausgestatteten Dienst- oder Werkverträgen zu bedeuten hätte, dass die Vermutungsbasis nur besteht, wenn und soweit es innerhalb der Sechsmonatsfrist tatsächlich zu Zahlungen (oder Verrechnungen) gekommen ist. Ob hierdurch dem Dauercharakter und der Bindung der Gesellschaft an den Dienst- oder Werkvertrag angemessen Rechnung getragen wird, könnte allerdings offen bleiben, wenn derlei Verträge den normalen Umsatzgeschäften im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs der Gesellschaft gleichzustellen wären und deshalb für die Vermutung einer Verknüpfungsabrede ohnehin kein Raum wäre. Letzteres ist zu bejahen. Die Bereichsausnahme für gewöhnliche Umsatzgeschäfte trägt dem Umstand Rechnung, dass rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter überaus verbreitet, wirtschaftlich sinnvoll und keineswegs anstößig sind. Sie muss deshalb, wie wiederum § 52 Abs. 9 AktG bestätigt, auch dem Gesellschafter zugute kommen, der seiner Gesellschaft zu Marktpreisen Dienst- oder Werkleistungen erbringt. Paradigmatisch ist insoweit der Anstellungsvertrag, den der Gesellschaftergeschäftsführer mit der GmbH schließt. Wollte man die Vermutung einer Abrede über den Mittelrückfluss auf ihn zur Anwendung bringen, so würde dies de facto die allseits als zulässig angesehene und in § 35 Abs. 4 GmbHG vorausgesetzte Übernahme der Geschäftsführerstellung durch einen Gesellschafter nicht unerheblich beschränken. Denn der Gesellschafter liefe dann Gefahr, dass ihm jedenfalls hinsichtlich der während der ersten sechs Monate nach Leistung der Einlage vereinnahmten Geschäftsführerbezüge die ordnungsgemäße Erfüllung der Einlageschuld abgesprochen würde und er inso-

__________ 59 Vgl. BGHZ 132, 133 (138); BGHZ 132, 141 (146); BGHZ 152, 37 (45 f.); Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 171; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 25), § 19 GmbHG Rz. 39.

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weit zur nochmaligen Leistung der Einlage verpflichtet wäre. Möglicherweise könnte er dieser Gefahr dadurch begegnen, dass er die Einlage auf ein Separatkonto leistet und hieraus ausschließlich Zahlungen an Dritte tätigt, während die Geschäftsführervergütung von allgemeinen Geschäftskonto geleistet wird60. Auch abgesehen davon, dass hierdurch für die Gläubiger nichts gewonnen wäre, ging der Gesetzgeber aber ersichtlich davon aus, dass die Einlageleistungen auch für die Geschäftsführervergütung herangezogen werden kann, zumal im Gründungsstadium andere Mittel oftmals überhaupt nicht zur Verfügung stehen61. Ist somit jedenfalls der Abschluss des Anstellungsvertrags mit dem Gesellschaftergeschäftsführer dem Anwendungsbereich der Vermutung zu entziehen, so hat Entsprechendes für sonstige Dienst- oder Werkverträge zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter zu gelten. Hiervon betroffen sind nicht nur Fälle, in denen die Gesellschaft ein besonderes Interesse am Leistungsbezug gerade vom Gesellschafter hat, etwa weil die Dienst- oder Werkleistung spezielle Fähigkeiten erfordert und demnach nicht ohne weiteres am Markt erworben werden kann oder ein verbilligter Bezug in Frage steht62. In der Tat gilt es insoweit zu verhindern, dass Kapitalaufbringungsaspekte der Gesellschaft zum Nachteil gereichen. Dies wiederum wäre der Fall, würde man die Grundsätze über das Hin- und Herzahlen strikt anwenden und hierdurch der Gesellschaft – in Ermangelung der Möglichkeit, diese Leistungen als Sacheinlage zu erbringen – vom Bezug solcher Leistungen vom Gesellschafter im zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung von Einlagen ausschließen. Der Kreis der der Vermutung entzogenen Verträge reicht indes über diese Fallgruppen hinaus und umfasst sämtliche Dienst- und Werkverträge zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern. Für den auch insoweit unerlässlichen Gläubigerschutz vermögen die Vorschriften über die Kapitalerhaltung und Vermögensbindung zu sorgen, die bekanntlich auch verdeckte Vermögensverlagerungen in Form von einem Drittvergleich nicht Stand haltenden Vergütungen erfassen63. c) Anforderungen an eine Verknüpfungsabrede Ist somit im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienst- oder Werkverträgen für die Annahme eines unzulässigen Hin- und Herzahlens allenfalls bei nachweislichem Vorliegen einer Verknüpfungsabrede Raum, so kann eine entsprechende Abrede keineswegs schon daraus hergeleitet werden,

__________ 60 So im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung im Cash Pool die – insoweit berechtigte – Empfehlung von Goette, DStR 2006, 767 f.; vgl. aber auch die Bedenken bei Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 (451). 61 So im Ergebnis auch Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff (Fn. 19), § 19 GmbHG Rz. 161; Hoffmann, NZG 2001, 433 (437). 62 So aber Hoffmann, NZG 2001, 433 (437 f.). 63 Vgl. BGH, NJW 1987, 1194 (1195); OLG Hamburg, ZIP 2005, 1968 (1969).

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dass der Gesellschafter im zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung der Bareinlage einen Dienst- oder Werkvertrag mit der Gesellschaft schließt und diese hierdurch zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet wird. Denn dies liefe auf nichts anderes als auf die Vermutung einer solchen Abrede hinaus, für die aber, wie unter b) dargestellt, im Rahmen von Leistungen auf Dienstund Werkverträgen kein Raum ist. Die dem GmbH-Recht zugrunde liegende Prämisse, dass der Gesellschafter das Amt des Geschäftsführers übernehmen und hierdurch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, ohne mit den Regeln über die Kapitalaufbringung in Konflikt zu geraten, lässt sich vielmehr verallgemeinern: Dem Gesellschafter ist es in jeder Lebensphase der Gesellschaft gestattet, mit dieser Geschäfte zu tätigen und hieraus angemessenen, also einem Drittvergleich Stand haltenden Gewinn zu ziehen. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass die Gesellschaft vielfach auf die Erbringung entsprechender Leistungen angewiesen ist und sich die Gesellschafter in diesen Fällen sogar zur Leistung verpflichten, sei es im Rahmen schuldrechtlicher Nebenabreden oder durch Übernahme satzungsmäßiger Nebenleistungspflichten gemäß § 3 Abs. 2 GmbHG, § 55 Abs. 1 AktG. Man denke insoweit nur an das outsourcing von Gesellschaftsaktivitäten, aber auch allgemein an Konzernkonstellationen. Selbst wenn sich der Gesellschafter in Fällen dieser Art deshalb verpflichtet, weil er hofft, über die Geschäftsverbindung ein „return of investment“ zu erzielen, kann hierin noch keine ein unzulässiges Hin- und Herzahlen indizierende Vermutung einer Verknüpfung gesehen werden. Für diese ist vielmehr zu verlangen, dass just die auf die Einlage geleisteten Mittel zur Bedienung von dem Dienst- oder Werkvertrag entstammenden Zahlungspflichten der Gesellschaft eingesetzt werden; nur dann ist Raum für die Annahme, dass es an der Leistung der Einlage zur endgültigen freien Verfügung des Geschäftsführers oder Vorstands fehlt64. d) Rechtsfolgen eines unzulässigen Hin- und Herzahlens Liegt ausnahmsweise ein unzulässiges Hin- und Herzahlen vor und ist deshalb die Einlage nicht zur endgültigen freien Verfügung des Vorstands oder Geschäftsführers geleistet und damit Erfüllung nicht eingetreten, so ist der Gesellschafter zur erneuten Leistung der Bareinlage nur insoweit verpflichtet, als die Einlage tatsächlich an ihn zurückgeflossen ist65. Zwar ist auch der Teil der Bareinlage, der sich noch im Gesellschaftsvermögen befindet, der aber gleichfalls nur unter dem Vorbehalt der späteren Rückführung erbracht worden ist, nicht zur endgültig freien Verfügung geleistet worden. Die Annahme, der Gesellschafter sei auch insoweit zur erneuten Leistung der Bareinlage verpflichtet, als deren Rückführung nur verabredet, nicht aber

__________ 64 Deutlich in diesem Sinne auch BGH, ZIP 2007, 178 (180 f.), dort auch zur Einbeziehung verbundener Unternehmen in den Geldkreislauf; siehe ferner BGH, DStR 2006, 764 mit Anm. Goette. 65 Vgl. BGHZ 125, 141 (142): Rückfluss der Hälfte der übernommenen Bareinlage.

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Dienst- und Werkleistungen des Gesellschafters

tatsächlich erfolgt ist, ginge indes klar über das Anliegen der Lehre von der verdeckten Sacheinlage und vom verbotenen Hin- und Herzahlen hinaus: Sie würde den Gesellschafter zur nochmaligen Leistung verpflichten, obschon die Interessen der Gläubiger allenfalls gefährdet, nicht aber tatsächlich beeinträchtigt worden sind. 4. Zwischenergebnis Ein weiteres Zwischenergebnis lautet, dass Zahlungen der Gesellschaft auf einen mit dem Gesellschafter geschlossenen Dienst- oder Werkvertrag nur ganz ausnahmsweise ein unzulässiges Hin- und Herzahlen darstellen. Dienstund Werkverträge sind vielmehr den gewöhnlichen Umsatzgeschäften gleichzustellen, so dass die Vermutung einer Vorabsprache, die im Allgemeinen an im zeitlichen Zusammenhang mit der Einlageleistung getätigte Rückzahlungen anknüpft, keine Anwendung findet.

V. Fazit Leistungen der Gesellschaft auf mit ihren Gesellschaftern geschlossene Dienst- oder Werkverträge sind ein Problem der Kapitalerhaltung, nicht dagegen der Kapitalaufbringung. Auch soweit sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung der Bareinlage erfolgen, schließen sie die endgültige freie Verfügung des Vorstands oder des Geschäftsführers über die Einlage nicht aus, solange nicht eine Verknüpfungsabrede konkret dargelegt und nachgewiesen ist. Schon gar nicht unterliegen Dienst- oder Werkleistungen den Grundsätzen über die verdeckte Sacheinlage.

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Anwaltlicher Beratungsvertrag und Aufsichtsratsmandat Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung II. Anwaltlicher Beratungsvertrag mit einer Sozietät III. Zur Konkretisierung von Vertragsgegenstand und Vergütung

IV. Zur Teilnichtigkeit V. Zu Bereicherungsansprüchen des Aufsichtsratsmitglieds VI. Zusammenfassung

I. Vorbemerkung Die Wirksamkeitsvoraussetzungen für Beratungsverträge zwischen Mitgliedern des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft und dieser Gesellschaft sind seit der Regelung durch das AktG 1965 in den §§ 113 und 114 AktG Gegenstand umfangreicher Literatur1 und monografischer Darstellungen2 gewesen. Auch die Rechtsprechung, zuletzt der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 3.7.20063 und 20.11.20064, hat sich mehrmals mit dem Problembereich befasst5. Es kann daher nicht Gegenstand dieses Hans-Joachim Priester gewidmeten Festschriftbeitrages sein, nochmals alle Einzelheiten dieses vielschichtigen Komplexes nachzuzeichnen. Vor dem Hintergrund der Corporate Governance-Debatte und der zunehmend kritischen Beurteilung, die das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat in der Öffentlichkeit erfährt, scheint es jedoch lohnenswert, auf einige Themen der zum Teil noch kontrovers geführten Diskussion einzugehen, die sich insbesondere befassen mit Beratungsverträgen zwischen der Gesellschaft und Rechtsanwälten, die selbst oder deren Partner Mitglied des Aufsichtsrats der beratenen Gesellschaft sind. Dabei sollte es erlaubt sein, einige Aussagen der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Frage zu stellen, auch wenn diese in der anwaltlichen Beratung gegenüber der Gesellschaft oder dem Aufsichtsratsmitglied selbst-

__________ 1 Vgl. hierzu beispielsweise das Schrifttumsverzeichnis bei Hopt/Roth in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2005, vor § 114 AktG. 2 Siehe z. B. von Bünau, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern im Aktienkonzern, 2004; Faulhaber, Beraterverträge mit Unternehmenskontrolleuren im deutschen und englischen Recht, 2004. 3 BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1529. 4 BGH, Urt. v. 20.11.2006, ZIP 2007, 22 ff. 5 Vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 340; OLG Köln, Urt. v. 27.5.1994, AG 1995, 90; LG Stuttgart, Urt. v. 27.5.1998, ZIP 1998, 1275; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 925.

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verständlich zu berücksichtigen sind, man jedenfalls auf sie hinzuweisen hat. Es bestehen nach den ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen noch einige Fragen, insbesondere im Rechtsfolgenbereich. Die besondere Bedeutung, die Beratungsverträge zwischen Aktiengesellschaften und Aufsichtsratsmitgliedern für die Anwaltschaft haben, hat Brandner in seinem Festschriftbeitrag über den „Hausanwalt“ anschaulich dargestellt6. Aber es ist nicht nur der „Hausanwalt“, der aufgrund seiner besonderen Kenntnis außerhalb des Pflichtenkreises als Aufsichtsratsmitglied ein wertvoller Berater des Vorstands sein kann. In Betracht kommen ferner Fallgestaltungen, bei denen Aufsichtsratsmitglieder mittleren bis sehr großen Sozietäten7 angehören, in denen an verschiedenen Stellen Spezialwissen vorhanden ist, das für die Gesellschaft nutzbar gemacht werden kann. Denkbar ist hierbei, dass derartiges Spezialwissen durch das Mitglied der Sozietät, das dem Aufsichtsrat angehört, der Gesellschaft vermittelt wird. Häufig ist es aber auch so, dass das Aufsichtsratsmitglied selbst in der Sozietät mit der Erfüllung der Beratungsaufgaben überhaupt nicht befasst ist, nicht einmal als Mitglied irgendeines Teams. Im Bereich des Denkbaren liegen ferner Situationen, bei denen Anwaltsleistungen gegenüber einer Gesellschaft erbracht werden und übersehen wird, dass ein Sozius dem Aufsichtsrat angehört, etwa im Falle von Tätigkeiten ausländischer Partner für ausländische Zweigniederlassungen der Gesellschaft. Die Entwicklung in der Rechtsprechung bei der Beurteilung des Anwendungsbereichs von § 114 AktG sowie die formellen Voraussetzungen, denen ein genehmigungsfähiger und -pflichtiger Beratungsvertrag genügen muss, lassen insbesondere in größeren Sozietäten, in denen sich ohnehin stets das Problem der Interessenkollision mit anderen Mandaten stellt, die Frage aufkommen, ob sie es noch verantworten können, einem der Sozien zu gestatten, ein Aufsichtsratsmandat in einer deutschen Aktiengesellschaft zu übernehmen und sich damit auf eine „Gratwanderung zwischen Verbot und Vertrauen“8 zu begeben. Mit den vorstehenden allgemeinen Bemerkungen ist die Gliederung der nachfolgenden Überlegungen vorgegeben: –

Es soll als erstes der Frage nachgegangen werden, wann ein mit einer Sozietät geschlossener Beratervertrag der in § 114 AktG vorgeschriebenen Zustimmung bedarf, wenn einer der Anwälte der Sozietät Mitglied des Aufsichtsrats der beratenen Gesellschaft ist.



Für Beraterverträge, deren Gegenstand sich nicht in kurzfristig zu erbringenden Tätigkeiten erschöpft, insbesondere Rahmenverträge, mit denen

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6 Brandner in FS Geiß, 2000, S. 231 ff.; vgl. dazu auch Knöringer, AnwBl. 2003, 266 ff. 7 Der Begriff der „Sozietät“ wird im Folgenden verstanden als Arbeitstitel für alle in Betracht kommenden Rechtsformen gemeinschaftlicher Berufsausübung (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Partnerschaft, GmbH, Aktiengesellschaft, Private Limited Partnership u. a.). 8 JUVE Rechtsmarkt 08/2006, 43.

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Anwaltlicher Beratungsvertrag und Aufsichtsratsmandat

der Gesellschaft ein ganzes Leistungsspektrum für einen unbestimmten Zeitraum angeboten wird, stellt sich die Frage der Konkretisierung der einzelnen Tätigkeiten und der Leistungsvergütung im Beratungsvertrag. –

Im Hinblick auf die bei der Beurteilung vorstehender Fragen nicht auszuschließenden Unsicherheiten und im Hinblick auf die Tendenz der Rechtsprechung, derartigen Verträgen grundsätzlich skeptisch gegenüberzustehen, soll ferner der Frage der Möglichkeit einer „Reparatur“ nachgegangen werden, wenn im Nachhinein der anwaltliche Beratungsvertrag auf den Prüfstand gestellt werden muss.



Schließlich ist auf die Rechtsfolgen unwirksamer Beratungsverträge einzugehen.

II. Anwaltlicher Beratungsvertrag mit einer Sozietät 1. Die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit eines Beratungsvertrages mit einer Sozietät, der ein Aufsichtsratsmitglied der beratenen Gesellschaft angehört, ist im Schrifttum Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen gewesen. Teilweise wurde die Rechtsform der Sozietät9, teilweise die Befassung des Aufsichtsratsmitglieds mit der zu erbringenden Beratungsleistung10 für maßgeblich erachtet. „Vermittelnde Auffassungen“ stellten auf die Position des Aufsichtsratsmitglieds in der Sozietät ab11, andere Autoren wiederum darauf, ob dem Aufsichtsratsmitglied mittelbar über die Sozietät ein Vermögenswert zufließt12. Die Rechtsprechung ist den Versuchen, konkrete Abgrenzungsmerkmale zu definieren, nicht gefolgt. Bereits das Landgericht Stuttgart13 sowie das Oberlandesgericht Naumburg14 haben ohne nähere Differenzierung, etwa nach Rechtsform, Beteiligungshöhe, Einfluss in der Sozietät und insbesondere Befassung mit der konkreten Beratungsaufgabe, jeden Vertrag mit einer organisierten Sozietät als zustimmungsbedürftig bezeichnet und zur Begründung auf die „Gefahr von erheblichem Missbrauch“ hingewiesen. Dem hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt angeschlossen. Es hat im Wege der teleolo-

__________ 9 Brandner in FS Geiß, 2000, S. 231 (243); Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381 (383 f.); Rellermeyer, ZGR 1993, 77 (88); E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 30 Rz. 11; gegen diesen formalen Ansatz zu Recht: Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 114 AktG Rz. 43 nebst Fn. 200. 10 Wissmann/Ost, BB 1998, 1957 (1960); Mertens in KölnKomm.AktG, 1973, § 114 AktG Rz. 7. 11 Marsch-Barner in Hoffmann-Becking (Hrsg.), MünchHdb.GesR, Bd. 4: AG, 2. Aufl. 1999, § 33 Rz. 29; Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 10), § 114 AktG Rz. 7; Oppenhoff in FS Barz, 1974, S. 283 (288). 12 E. Vetter, AG 2006, 173 (176 f.); Werner, DB 2006, 935 (936); Rellermeyer, ZGR 1993, 77 (86 f.); Müller, NZG 2002, 797 (798). 13 LG Stuttgart, Urt. v. 27.5.1998, ZIP 1998, 1280. 14 OLG Naumburg, Urt. v. 30.11.1999, OLG-Report 2002, 29.

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gischen Extension einen Vertrag mit einer beratenden Gesellschaft, an der ein Mitglied des Aufsichtsrats „nicht nur marginal“ beteiligt ist, als genehmigungsbedürftig bezeichnet, weil „intransparenten Verflechtungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat“ vorzubeugen sei; es gehe „letztlich im weitesten Sinne um einen Schutz vor Korruption“15. 2. Der Bundesgerichtshof ist der Linie der vorgenannten Gerichte gefolgt. Er hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 in einem durch 100 %ige Beteiligung an der beratenden Gesellschaft und Mehrheitsbeteiligung an der beratenen Aktiengesellschaft eindeutig gelagerten Fall die Genehmigungsbedürftigkeit bejaht und als Normzweck des § 114 AktG u. a. die Verhinderung einer „Selbstbedienung“ der Aufsichtsratsmitglieder genannt16. In seiner neuesten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof den sich bereits abzeichnenden Weg fortgesetzt. Er hat das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt17 bestätigt und ohne Auseinandersetzung mit den in der Literatur entwickelten Versuchen tatbestandlicher Abgrenzung im Wege der erweiternden Auslegung von § 114 AktG jeden Beratungsvertrag mit einer Gesellschaft, an der das Mitglied des Aufsichtsrats beteiligt ist, als genehmigungsbedürftig bezeichnet, wenn dem Aufsichtsratsmitglied auf diesem Wege wenigstens mittelbar Leistungen der Aktiengesellschaft zufließen, die geeignet sind, im Widerspruch zu den mit den §§ 113, 114 AktG verfolgten Zielen die unabhängige Wahrnehmung der organschaftlichen Überwachungstätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds zu gefährden. Auf die Frage, in welcher Höhe das Aufsichtsratsmitglied an der Vertragspartnerin der Aktiengesellschaft beteiligt ist oder ob es die geschuldeten Vertragsleistungen selbst zu erbringen hat, komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Schwelle, von wann an mittelbare Leistungen der Aktiengesellschaft an das Aufsichtsratsmitglied die unabhängige Wahrnehmung der organschaftlichen Überwachungstätigkeit gefährden, hat der Bundesgerichtshof äußerst niedrig angesetzt. Er verneint sie „allenfalls dann, … wenn es sich bei den mittelbaren Zuwendungen um – abstrakt betrachtet – ganz geringfügige Leistungen handelt oder wenn die im Vergleich zu der von der Hauptversammlung durch Satzungsbestimmung oder durch Einzelbeschluss festgesetzten Aufsichtsratsvergütungen einen vernachlässigenswerten Umfang haben“.18

Das Urteil des Bundesgerichtshofs wird dazu führen, dass künftig praktisch jeder Vertrag mit einer Sozietät, der ein Aufsichtsratsmitglied der beratenen Gesellschaft als Anwalt, in welcher Position auch immer, angehört, dem

__________ 15 OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 926. 16 BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1531. 17 OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 925; dem Urteil lag ein Vertrag mit einer Gesellschaft zugrunde, an der der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu 50 % beteiligt war. 18 BGH, Urt. v. 20.11.2006, ZIP 2007, 22.

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Aufsichtsrat zur Zustimmung vorzulegen ist und für bereits abgeschlossene und ganz oder teilweise durchgeführte Verträge eine bisher nicht nachgesuchte Genehmigung beantragt werden muss (zur Möglichkeit nachträglicher Genehmigung vgl. III.4). 3. Ohne die Problematik einer differenzierten Betrachtung überhaupt anzusprechen, nimmt der Bundesgerichtshof den Berufsstand der Rechtsanwälte nicht aus dem von der Rechtsprechung angenommenen Verdacht aus, wenn bei ihm als Mitglied einer Sozietät aus dem Beratungsvertrag „irgendetwas ankommt“. Anlass jedenfalls der Prüfung dieser Problematik hätte der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Interessenkollision bei Rechtsanwälten geben können19. Anders als der Bundesgerichtshof, der aus dem Zufluss einer mittelbaren Vergütung abstrakt eine unwiderlegbare Umgehungsvermutung herleitet, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung klargestellt, dass nur die konkrete, nicht aber schon die abstrakte Gefahr von Interessenkollisionen eine generelle Ausweitung des Vertretungsverbotes auf sämtliche Partner einer Sozietät rechtfertigt. Auch wenn es mehr den Charakter eines Nachrufes haben mag, verdienen die Ausführungen, mit denen das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung begründet, nochmals festgehalten zu werden. Sie lauten: „Der Gesetzgeber bezeichnet die Rechtsanwälte als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO). Auf deren Integrität, Professionalität und Zuverlässigkeit ist die Rechtspflege angewiesen … Das Gesetz geht nicht davon aus, dass ein berufswürdiges und gesetzeskonformes Handeln der Rechtsanwälte nur im Wege der Einzelkontrolle oder mit Mitteln des Strafrechts gewährleistet werden kann. Das anwaltliche Berufsrecht beruht auch nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall pflichtwidriges Handeln zur Folge hat.“20

4. Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Ausnahme von der Genehmigungsbedürftigkeit beim mittelbaren Zufluss der Beratungsvergütung ist zu unbestimmt, zu problematisch und jedenfalls nicht – wie der Bundesgerichtshof meint – von der Gesellschaft „unschwer“ festzustellen. a) Was die erste Alternative der zugelassenen Ausnahme angeht, nämlich wenn es sich „um – abstrakt betrachtet – ganz geringfügige Leistungen handelt“,

fragt man sich, was „ganz geringfügig“ sein soll. Versteht man diese Alternative vor dem Hintergrund ihrer durch die Rechtsprechung gegebenen Begründung (Schutz vor Korruption, Schutz vor intransparenten Verflechtungen, Schutz vor Selbstbedienung), dann lässt sich bei einer einheitlichen Rechtsordnung als Maßstab nur das Strafrecht heranziehen und hier das Verbot der Vorteilsannahme (§ 331 StGB). Hier reicht die abstrakte Gefährdung aus, dass der handelnde Beamte wegen der Annahme von Vorteilen

__________ 19 BVerfG, Beschl. v. 3.7.2003, NJW 2003, 2520 ff. 20 BVerfG, Beschl. v. 3.7.2003, NJW 2003, 2521.

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seine Dienstpflicht nicht mehr unbeeinflusst wahrnimmt. Die wertmäßige Grenze beim Verbot der Vorteilsannahme bilden die „sozialadäquaten Leistungen“21. Man könnte in diesem Zusammenhang auf die Erlasse der Finanzverwaltungen für die ordnungsmäßige Betriebsprüfung hinweisen, die zum Schutz der Betriebsprüfer vor Beeinflussung Ausnahmen vorsehen „von nach allgemeiner Auffassung nicht zu beanstandenden geringwertigen Aufmerksamkeiten (z. B. Massenwerbeartikel, wie Kugelschreiber, Kalender, Schreibblock)“22. Es stellt sich ferner die Frage, wie ein Vorstand rechtssicher feststellen soll, ob das, was dem Aufsichtsratsmitglied mittelbar zufließt, „ganz geringfügig ist“. Abgesehen von der Schwierigkeit der Ermittlung der wertmäßigen Grenze ergibt sich bei Sozietäten nämlich die Problematik, dass die Gewinnverteilungsschlüssel nicht transparent sind. Muss ein Aufsichtsratsmitglied, das der beratenden Sozietät als Rechtsanwalt angehört, dem Vorstand offenbaren, mit wie viel Prozent er am Ergebnis der Sozietät beteiligt ist? Und wie will der Vorstand dies überprüfen? Insbesondere bei größeren Sozietäten liegen die Gewinnbeteiligungsschlüssel auch der besser verdienenden Partner in der Größenordnung von 1 % und darunter. Bei einem Beratungsvertrag über ein Honorarvolumen von beispielsweise 100 000 Euro kämen dann 1000 Euro bei dem Partner an, bei einem Volumen von „nur“ noch 10 000 Euro wären es 100 Euro. Wäre das „ganz geringfügig“? Dann würde die Genehmigungsbedürftigkeit vom jeweiligen Honorarvolumen abhängen und es könnte Beratungsverträge geben, die genehmigungsbedürftig wären und andere nicht. Wie verhält es sich bei Quotenänderungen? Wie sind Rechtsanwälte zu behandeln, die zwar als Partner bezeichnet werden, aber als sog. „Salary Partner“ u. U. mit einem im Vorhinein nicht fest vereinbarten Jahresendbonus angestellt sind? Fließt nicht auch dem mit einem Festgehalt angestellten Rechtsanwalt in der beratenden Sozietät mittelbar etwas zu? Abgesehen davon, dass er sein Gehalt aus den Einkünften der Sozietät bezieht und ein Bonus erfolgsabhängig ausgestattet sein kann, wird ja das Einkommen aus dem Beratungsvertrag möglicherweise je nach seiner Befassung mit dem Mandat bei der nächsten Entscheidung über die Aufnahme als Partner eine Rolle spielen (die Frage zeigt, dass man besser auf die Befassung des Rechtsanwaltes mit dem Mandat als auf den mittelbaren Zufluss abstellen sollte). Die Fragen könnten beliebig vermehrt werden. b) Das zweite Kriterium des Bundesgerichtshofs zur Ermittlung der Relevanz eines mittelbaren Zuflusses, nämlich wenn die zufließenden Leistungen „im Vergleich zu der von der Hauptversammlung durch Satzungsbestimmung oder durch Einzelbeschluss festgesetzten Aufsichtsratsvergütung einen vernachlässigenswerten Umfang haben“,

__________ 21 Vgl. nur Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 52. Aufl. 2006, § 331 StGB Rz. 11b, 25. 22 Vgl. z. B. den Erlass des Innenministeriums für Mecklenburg-Vorpommern v. 6.5.1999, AmtsBl. M-V 1999, S. 558 ff. zu IV.5.

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wirft ebenfalls Fragen auf. Ersichtlich hat der Bundesgerichtshof dieses Kriterium aufgenommen, um auch im Falle abstrakt nicht mehr geringfügiger mittelbarer Leistungen noch eine Unbeachtlichkeit annehmen zu können. Hintergrund dürfte die Sorge sein, dass der Vorstand über das „Zuschanzen“ gut dotierter Beraterverträge eine durch die Hauptversammlung zu gering bemessene Aufsichtsratsvergütung aufzubessern versucht. Wie beim ersten Kriterium stellt sich zunächst wiederum die Frage, wie man feststellen kann, ob eine mittelbar zufließende Leistung im Verhältnis zur festgesetzten Aufsichtsratsvergütung „einen vernachlässigungsfähigen Umfang“ hat. Soll man hier von festen Prozentsätzen ausgehen, die dann doch wohl wieder nur „ganz marginal“ sein dürften? Es stellt sich aber ferner die grundsätzliche Frage, ob wirklich ein Aufsichtsratsmitglied, das schon über seine Aufsichtsratsvergütung viel verdient, durch einen mittelbaren Zufluss abstrakt weniger beeinflusst wird, als dies bei einem Aufsichtsratsmitglied mit geringerer Vergütung der Fall ist. Die Gefahr der Beeinflussbarkeit hängt doch nicht davon ab, was man hat, sondern was man bekommt und wer viel hat, möchte manchmal noch mehr erhalten. Darf man wirklich mit zweierlei Maß messen, einerseits das Aufsichtsratsmitglied eines im DAX notierten Unternehmens und andererseits das einer „kleinen AG“? Die vorstehenden Bemerkungen sollten verdeutlichen, dass der Bundesgerichtshof mit dem Abstellen auf den Zufluss mittelbarer Leistungen als Entscheidungskriterium für die Genehmigungsbedürftigkeit eines Beratungsvertrages mit einer Sozietät keine Rechtssicherheit schaffenden Kriterien entwickelt hat. Wie bereits bemerkt, wird die Praxis, wenn sie es nicht schon im Hinblick auf die oben geschilderte Tendenz der Rechtsprechung getan hat, diesen Vertrag mit einer Sozietät, der ein Aufsichtsratsmitglied, in welcher Position auch immer, angehört, dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorlegen. Das dürfte der Intention des Bundesgerichtshofs entsprechen. Das vom Bundesgerichtshof ausgestellte Kriterium der Konkretisierung von Vertragsgegenstand und Vergütung ist leider – entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs – nicht immer „unschwer zu erfüllen“. Darauf wird im Folgenden einzugehen sein.

III. Zur Konkretisierung von Vertragsgegenstand und Vergütung 1. Die eigentliche Problematik, mit der sich die Praxis bei der inhaltlichen Gestaltung von Beratungsverträgen der hier in Betracht kommenden Art auseinanderzusetzen hat, liegt in der Konkretisierung sowohl des Gegenstands der Beratung als auch der Vergütung für die zu erbringende anwaltliche Beratungsleistung. Das sich aus §§ 113, 114 AktG für den Vorstand ergebende Verbot, über verschleierte Zahlungen die der Hauptversammlung vorbehaltene Festsetzungskompetenz für die Aufsichtsratsvergütung zu umgehen, ist bereits im dualen 181

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Verwaltungssystem der Aktiengesellschaft mit Vorstand und Aufsichtsrat angelegt23. § 114 AktG ist also nur eine gesetzliche Klarstellung, mit der Umgehungen von § 113 AktG vermieden werden sollen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1994 deshalb zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Kontrolle dahingehend, ob ein Vertrag mit einem Aufsichtsratmitglied einen nach § 114 AktG genehmigungsfähigen Inhalt hat oder ganz oder teilweise in den Bereich von § 113 AktG fällt, nur dann erreicht werden kann, wenn der Beratungsgegenstand in dem Vertrag, der dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegt wird, hinreichend klar präzisiert ist24. Dieser Teil der Entscheidung wird auch von der Literatur durchgehend befürwortet25. Des erstmals von Mertens26 vorgebrachten und vom Bundesgerichtshof übernommenen Argumentes, dass sonst der Umgehung „Tür und Tor geöffnet“ würden, hätte es daher nicht bedurft27. Die Probleme liegen weniger im Grundsätzlichen als in der Abgrenzung der unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche und ihrer präzisen vertraglichen Definition im Einzelfall. Die in Rechtsprechung28 und Schrifttum29 hierzu entwickelten allgemeinen Abgrenzungskriterien verdienen Zustimmung. Beizupflichten ist dem Oberlandesgericht Frankfurt darin, dass es weniger auf das Fachwissen des Beraters ankommt, sondern anzuknüpfen ist an die in § 90 Abs. 1 AktG zum Ausdruck kommende Kompetenzverteilung, nach der sich die Beratungstätigkeit des Aufsichtsrats im Wesentlichen auf grundsätzliche und wichtige Fragen zu beziehen hat, nicht auf Einzelheiten des Tagesgeschäfts und die konkrete Umsetzung von Vorstandsbeschlüssen30. Dabei können sich besondere Probleme im Hinblick darauf ergeben, dass der Aufsichtsrat die Intensität einer Überwachung jeweils der Lage der Gesellschaft

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23 Vgl. Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87 (92). 24 BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 344 f.; ähnlich BGH, Urt. v. 20.11.2006, ZIP 2007, 22 f. 25 Brandner in FS Geiß, 2000, S. 231 (241); Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 114 AktG Rz. 22; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87 (96); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, Rz. 735; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173 (179); Rellermeyer, ZGR 1993, 77 (86); E. Vetter, AG 2006, 173 (177). 26 Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173 (175). 27 Teichmann, JZ 2003, 761 (765), der bei seiner Untersuchung von etwas über 200 Entscheidungen des BGH, die das Thema der Umgehung behandeln, auf eine Vielzahl von Entscheidungen hinweist, in denen der BGH die Paarformel (zu Paarformeln vgl. Dilcher, Paarformeln in der Rechtsprechung des früheren Mittelalters, 1961, S. 18 ff.) von „Tür und Tor“ heranzieht, verweist zu Recht auf die Parallelität dieser „Begründung“ zu dem „Argument“: „Wo kommen wir da hin?“. 28 Vgl. zur Definition der Tätigkeitsbereiche beispielsweise BGH, Urt. v. 25.3.1991, BGHZ 114, 127 ff., der unter anderem auf „Fragen eines besonderen Fachgebiets“ abstellt. 29 Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 10), § 114 AktG Rz. 6, nach dem unter § 114 AktG Verträge mit einem „spezifischen Leistungsprogramm“ fallen, das über die AR-Pflichten hinausgeht, oder Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87 (108), die von „Beratungstiefe“ sprechen. 30 OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 925 f.

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anpassen muss, sich also auch der von § 113 AktG erfasste Aufgabenbereich ändern kann, wenn aus begleitender Überwachung eine unterstützende oder gestaltende Überwachung wird31. Auf diese besondere Problematik soll hier nicht weiter eingegangen werden. Wie so oft steckt der Teufel im Detail. Der Auffassung des Bundesgerichtshofs, es handele sich um eine „unschwer zu erfüllende Offenlegung des Vertragsschlusses gegenüber dem gesamten Aufsichtsrat“32, kann jedenfalls insoweit nicht zugestimmt werden, als sie sich auf die den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechende Konkretisierung von Gegenstand und anwaltlichem Beraterhonorar bezieht. Abgesehen davon stellen sich im Einzelfall Abgrenzungsfragen. So sollte man meinen, dass die Durchführung einer hohes Spezialwissen erfordernden, umfangreichen M & A-Transaktion im Wege des Beteiligungskaufs, die in der Regel die Beratung einer Sozietät bedarf, nicht den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats betrifft. Der Bundesgerichtshof ist hier offenbar anderer Meinung33. Dass derartige Transaktionen oft der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen, macht die Beratungstätigkeit bei der Transaktion selbst noch nicht zu einer Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats. Allerdings können sich in derartigen Fällen unter dem Aspekt der Interessenkollision Fragen stellen und eine Stimmenthaltung des Aufsichtsratsmitglieds, das der beratenden Sozietät angehört, bei einem Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats geboten sein34. Damit fällt die beratende Tätigkeit aber noch nicht aus dem Anwendungsbereich von § 114 AktG. 2. Der Bundesgerichtshof zieht seine „Tür und Tor-Argumentation“ auch zur Begründung für seine extensive Norminterpretation von § 114 AktG heran. Zwei Seiten nach der Passage des Urteils, in der er auf die Notwendigkeit der Konkretisierung des Gegenstands eines unter § 114 AktG fallenden Vertrages hinweist, stellt er gleich drei Regelungszwecke von § 114 AktG fest, und zwar die folgenden: – „Zum einen“ erschwere der Regelungszweck die Umgehung des § 113 AktG. Hierzu hat der Bundesgerichtshof zutreffend auf Mertens35 und Lutter/Kremer36 verwiesen; – „zugleich“ eröffne der Zwang zur Offenlegung des Beratungsgegenstands dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, „sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der AG an einzelne Aufsichtsratsmitglieder – etwa in Form überhöhter Vergütungen – und damit eine denkbare unsachliche, der Er-

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31 Vgl. zu diesem im Einzelnen kontroversen Fragenbereich nur Semler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 111 AktG Rz. 61 ff. m. w. N. 32 BGH, Urt. v. 20.11.2006, ZIP 2007, 23. 33 BGH, Urt. v. 20.11.2006, ZIP 2007, 23, wo der BGH den „Abschluss von Beteiligungskaufverträgen“ dem bereits von den Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds erfassten Aufgabenbereich zuweist. 34 Vgl. dazu E. Vetter in Handbuch der börsennotierten AG, § 27 Rz. 61 m. w. N. 35 Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173 (175). 36 Lutter/Kremer, ZGR 1992, 86 (93).

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füllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsrats durch den Vorstand zu verhindern“; – „darüber hinaus“ würden besondere Beraterbeziehungen zwischen dem Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern selbst außerhalb der Gewährung rechtswidriger Sondervorteile zu engen Beziehungen und Verflechtungen zwischen den an ihnen beteiligten Personen führen37. Den erstgenannten Normzweck hatte der Bundesgerichtshof schon – zutreffend – an anderer Stelle seiner Entscheidung herausgestellt (darauf wurde bereits hingewiesen). Für den zweiten Normzweck kann sich der Bundesgerichtshof – teilweise – auf die Gesetzesbegründung berufen. Im Ausschussbericht ist dazu festgestellt, dass Rechtsausschuss, Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für Arbeit gegenüber dem Regierungsentwurf vorschlagen, eine neue Vorschrift über Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern einzufügen, „… durch die sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der Gesellschaft an einzelne Aufsichtsratsmitglieder und damit eine unsachliche Beeinflussung eines Aufsichtsratsmitglieds im Sinne des Vorstands verhindert werden sollen.“38

„Ungerechtfertigte Sonderleistungen der Gesellschaft“ können entweder darin bestehen, dass in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallende Tätigkeiten durch Beratungsverträge und deren Strukturierung getarnt vergütet werden. Andererseits kann eine ungerechtfertigte Sonderleistung in einer überhöhten Vergütung für eine den Pflichtenbereich eines Aufsichtsratsmitglieds nicht berührende Beratungstätigkeit fallen. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der ein „Normalhonorar“ übersteigende Betrag gezielt als verdeckte Aufsichtsratsvergütung gewährt werden soll oder ob das Honorar schlicht „objektiv“ überteuert ist (zum Abgrenzungskriterium der „– abstrakt betrachtet – ganz geringfügigen Leistungen“ vgl. oben zu II.4). Wenn der Bundesgerichtshof mit dem dritten von ihm genannten Normzweck, unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Vergütung nach Grund und Höhe, auch die Verhinderung von „zu engen Beziehungen und Verflechtungen“ nennt, kann er eine derartige präventive Verhaltenskontrolle wohl kaum aus der Gesetzesbegründung für § 114 AktG entnehmen und es fragt sich, ob eine derartige Kontrolle nicht eher in den allgemeinen Überwachungsbereich des Aufsichtsrats fällt, der ja beispielsweise zu überwachen hat, dass die genannten „engen Beziehungen und Verflechtungen“ nicht durch andere schuldrechtliche Verträge, wie z. B. Miet-, Pacht- oder sonstige Austauschverträge, entstehen. Dem soll hier nicht näher nachgegangen werden. Um dem Aufsichtsrat die Überprüfung zu ermöglichen, ob der Beratungsvertrag ungerechtfertigte Sonderleistungen gewährt (zweiter vom Bundesgerichtshof angeführter Normzweck des § 114 AktG), fordert der Bundesgerichtshof, dass das „von der Gesellschaft zu entrichtende Entgelt so konkret

__________ 37 BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 347. 38 Kropff, Aktiengesetz, 1965, Ausschussbericht zu § 114, S. 158.

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bezeichnet werden (muss), dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil über die Art der Leistung, ihren Umfang sowie die Höhe und Angemessenheit der Vergütung bilden kann“39. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil von 1994 sind vom Landgericht Stuttgart40 aufgegriffen und vertieft worden. Das Landgericht Stuttgart hat es dahingestellt sein lassen, ob die Bezugnahme auf eine amtliche Gebührenordnung noch konkret genug sei. Jedenfalls eine Vergütungsregelung, die eine Abrechnung nach „üblichen Stundensätzen“ vorsehe, verstoße gegen das Konkretisierungsgebot. Stundensätze bestünden in unterschiedlicher Höhe und richteten sich nach dem „Alter, der Berufserfahrung oder dem Rang eines Rechtsanwalts in einer Kanzlei“. Der Aufsichtsrat müsse „all die genannten Parameter kennen, will er sich über die Höhe und Angemessenheit der an sein Aufsichtsratmitglied zu zahlenden Vergütung ein zutreffendes Urteil bilden können“41. Das Oberlandesgericht Frankfurt fordert demgegenüber nur, dass der Vertrag „die zu erwartende Vergütung in etwa beschreibt“42 und beanstandet die „völlige Offenheit“ des Honorars, weil der vereinbarte Rahmenvertrag neben Stundensätzen die Möglichkeit hiervon abweichender Pauschalhonorare vorsah43. Der Bundesgerichtshof bezeichnet eine Vereinbarung, nach der die Vergütung „wie bisher nach vereinbarten Tagessätzen und nachgewiesenen Kosten“ erfolgen sollte, als nicht konkret genug44. Positiv fordert der Bundesgerichtshof, das an das Aufsichtsratsmitglied zu entrichtende Entgelt müsse „so konkret bezeichnet werden, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil … über die Höhe und die Angemessenheit der Vergütung bilden kann“45. Sieht man einmal von dem – unberechtigten – Zweifel des Landgerichts Stuttgart an der konkreten Bestimmtheit eines sich nach einer Gebührenordnung bemessenden Honorars ab, so ist ihm im Ansatz jedenfalls insoweit zuzustimmen, dass angesichts der Forderung des Bundesgerichtshofs nach „konkreter“ Bezeichnung des Entgelts der Vertrag Angaben enthalten muss, die die Möglichkeit einer Angemessenheitsüberprüfung eröffnen. Das ist bei einmaligen oder kurzfristig zu erledigenden Aufträgen, wie z. B. der gutachtlichen Überprüfung eines Gewährleistungsanspruchs aus einem von der Gesellschaft abgeschlossenen Liefervertrag oder der gutachtlichen Überprüfung der Rechtswirksamkeit einer AGB-Klausel, ohne Probleme möglich. Hier können sowohl ein fester Stundensatz als auch ein Pauschalhonorar vereinbart werden. Bei Aufträgen, die über einen längeren Zeitraum abzuwickeln sind (z. B. Beratung bei langwierigen und umfangreichen Unternehmens-

__________ 39 40 41 42 43 44 45

BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 344 f. LG Stuttgart, Urt. v. 27.5.1998, ZIP 1998, 1278 ff. LG Stuttgart, Urt. v. 27.5.1998, ZIP 1998, 1279. OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 926. OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 927. BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1531. BGH, Urt. v. 20.11.2006, ZIP 2007, 23.

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akquisitionen oder einer „Übernahmeschlacht“ oder bei den so problematisierten Rahmenverträgen mit einem besonderen Leistungsprogramm und unbestimmter Dauer), lassen sich die von der Rechtsprechung geforderten präzisen Angaben aber häufig nicht machen. Die Forderung des Landgerichts Stuttgart, der Aufsichtsrat müsse für die Überprüfung seiner Angemessenheit „sämtliche Leistungsparameter, wie Alter, …, Berufserfahrung, Rang in einer Kanzlei“ kennen, geht an der Lebenswirklichkeit vorbei. Dem Aufsichtsrat sind bei den hier in Betracht kommenden Verträgen oft nicht die speziellen Details und der Umfang der zu erbringenden Leistung bekannt und meistens, zum Beispiel, wenn die Beratungstätigkeit nicht durch das Aufsichtsratsmitglied selbst erbracht wird, nicht einmal die – nicht selten wechselnden – anwaltlichen Leistungsträger, geschweige denn deren Alter, Berufserfahrung und Rang. Der Aufsichtsrat ist dabei auf die Sachkunde des Vorstands angewiesen, dem, ebenso wie dem Aufsichtsrat, ein Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht. Der Vorstand dürfte auf dem hier in Frage kommenden Gebiet, insbesondere nach dem Mannesmann-Urteil46, sensibel genug sein, um das Angemessenheitsverbot nicht zu verletzen. Das streng verstandene Postulat der Rechtsprechung kann zwar zu bestimmten, aber manchmal auch phantasievollen Absprachen führen, bei denen immer einer der Verlierer ist, entweder die Gesellschaft oder der Berater. Unter der Konkretheit der Angabe der Vergütung darf deren Angemessenheit nicht leiden. Ein Kompromiss in dieser Hinsicht könnte die Formel des Oberlandesgerichts Frankfurt darstellen, dass im Vertrag die zu erwartende Vergütung „in etwa“ beschrieben werden müsse47. Diese Formel trägt dem Umstand Rechnung, dass „Angemessenheit“ ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der einen Beurteilungsspielraum zulässt, so dass sich exakt nie sagen lässt, was angemessen ist und eigentlich nur, was unangemessen ist. Ob die „In etwaFormel“ des Oberlandesgerichts Frankfurt allerdings vor dem strengen Postulat des Bundesgerichtshofs Bestand haben wird, erscheint fraglich. Es wäre nach allem begrüßenswert und würde zu angemesseneren, weil praktikableren Ergebnissen führen, wenn das Konkretisierungsgebot der Rechtsprechung von ihr nicht zu starr angewendet würde, sondern auf die Fälle beschränkt bliebe, in denen sich dieses Gebot sachgerecht umsetzen lässt. Aus dieser Sicht müssten bei Verträgen, wie sie das Landgericht Stuttgart zu beurteilen hatte, Formulierungen zulässig sein, die auf „übliche Stundensätze“ abstellen (dazu sogleich im Folgenden)48. Das würde Flexibilität ermöglichen, ohne dass der Aufsichtsrat in regelmäßigen Abständen „Anpassungsbeschlüsse“ über die Erhöhung der Steuersätze fassen müsste. Bei dem Zustimmungsbeschluss zum Vertrag könnte der Aufsichtsrat konkret nachfragen, wie hoch die Stundensätze zur Zeit sind. Er kann dies in der

__________ 46 BGH, Urt. v. 21.12.2005, ZIP 2006, 72 ff. 47 OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 926. 48 Dieses hält auch Brandner in FS Geiß, 2000, S. 231 (242) für zulässig.

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Niederschrift festhalten. Eine derartige Verfahrensweise gäbe dem Vorstand die Möglichkeit, bei größeren Komplexen in der Abrechnung „nach unten“ flexibler zu sein. Die Gesellschaft könnte davon profitieren, „wenn die üblichen Stundensätze“ einmal nach unten gehen. Bei flexiblen Entgeltvereinbarungen hat der Aufsichtsrat es in der Hand, vom Vorstand in bestimmten Zeitabständen eine detaillierte Abrechnung zu verlangen, aus der dann Art und Umfang der Tätigkeit und dafür geleistete Vergütungen ersichtlich und überprüfbar wären und gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen zu fordern sind. Eine derartige Verfahrensweise könnte man im Sinne der Rechtsprechung noch als „präventiv“49 bezeichnen. Es käme bei ihr auch nicht zu dem berühmten Sprung von der Quantität (Höhe der Vergütung) in die Qualität (Nichtigkeit des Vertrages mit Fortfall der gesamten Vergütung). Auf das Thema, dass bei einer solchen Verfahrensweise im Aufsichtsrat „Erwägungen der Loyalität zum Aufsichtsrats-Kollegen“ ein sachlich unerwünschtes Gewicht erhalten könnten, soll unten an anderer Stelle eingegangen werden (vgl. dazu unten zu Ziff. 4.a). Für die vorstehende Auffassung spricht darüber hinaus die Überlegung, dass bei nicht hinreichender Konkretisierung der Vergütung wegen der Unwirksamkeit des Beratungsvertrages ein Ausgleichsanspruch des Aufsichtsratsmitglieds nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung besteht. Nach der Rechtsprechung bezieht sich dieser Ausgleichanspruch allgemein auf die „übliche“ oder „angemessene Vergütung“50. Der Wert einer nach Bereicherungsgrundsätzen auszugleichenden anwaltlichen Leistung ergibt sich aus dem RVG51. § 34 RVG sieht in seiner Neufassung vor, dass Beratungstätigkeiten, für die durch die Vertragspartner keine Vereinbarung getroffen wurde, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts abzurechnen sind. § 612 Abs. 1 und 2 BGB bestimmt, dass für Dienstleistungen eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn sie den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist, und dass in Ermangelung einer Taxe die „übliche Vergütung“ als vereinbart anzusehen ist. Man sollte einem Vertrag die Rechtswirksamkeit nicht versagen, weil er nur eine „übliche“ Vergütung vorsieht, um sodann – allerdings ohne Aufrechnungsmöglichkeit – dem Aufsichtsratsmitglied einen Anspruch auf eben eine solche „übliche Vergütung“ einzuräumen. Noch problematischer wird es, wenn im Fall eines

__________ 49 Vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 347 und BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1531. 50 BGH, Urt. v. 1.2.1962, BGHZ 36, 321 (323); Urt. v. 25.6.1962, BGHZ 37, 258 (264); BGH, Urt. v. 31.5.1990, BGHZ 111, 308 (314); Lieb in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2004, § 818 BGB Rz. 46; H. P. Westermann in Erman, BGB, 11. Aufl. 2004, § 818 BGB Rz. 24 m. w. N. 51 LG Wiesbaden, NJW 1967, 1570; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Aufl. 2006, § 1 RVG Rz. 4; Fraunholz in Riedel/ Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl. 2005, § 1 RVG Rz. 15.

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erforderlich werdenden Ausgleichs die zur Anwendung kommende Gebührenordnung Beträge ausweist, die über den „üblichen Stundensätzen“ liegen. 3. Eng verbunden mit dem Erfordernis der bestimmten Angabe des Beratungsgegenstands und der Vergütung im Vertrag ist die Frage, wann diese Bestimmtheit gegeben und wie sie dokumentiert sein muss: Der Bundesgerichtshof fordert eine „präventive“ Kontrolle52 und unterstreicht dies, wenn er sagt, dass diese präventive Kontrolle „zwingend“ sei53. Er führt dazu aus, dass die eindeutigen Feststellungen über die zu erbringenden Leistungen im „Vertrag“ enthalten sein müssen54. Es ist nicht ganz klar, was mit dem „Vertrag“ gemeint ist. Sollte mit „Vertrag“ das zwischen dem Vorstand und dem Berater ausgehandelte Ergebnis gemeint sein, wie es im Vertragstext seinen Niederschlag gefunden hat, könnte dies in vielen Fällen zu unbilligen Ergebnissen führen. Es würde unberücksichtigt bleiben, dass dieser Vertragstext noch bis zur Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat Veränderungen erfahren kann. Derartige Veränderungen, insbesondere Präzisierungen, können sich beispielsweise aufgrund der Beratung im Aufsichtsrat ergeben. Ist der Aufsichtsrat etwa der Auffassung, dass eine bestimmte Tätigkeit unter § 113 AktG fällt oder findet er den Beratungsgegenstand nicht so hinreichend konkretisiert, dass er auch die geringsten Zweifel an seiner Subsumierbarkeit unter § 114 AktG ausschließt (derartige Zweifel würden nach der strengen Rechtsprechung zur Nichtigkeit des Gesamtvertrages führen), so muss es möglich sein, dass diesen durch entsprechende Änderungen entweder des Gegenstands des Vertrages (Reduktion um unter § 113 AktG fallende Tätigkeiten) oder Präzisierungen des Gegenstands Rechnung getragen wird. Der „Vertrag“ im Sinne der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist dann der ursprüngliche Vertrag, wie er aufgrund der Beratung und Beschlussfassung im Aufsichtsrat seinen endgültigen Inhalt gefunden hat. Entscheidend allein ist der dem Aufsichtsrat zur Beschlussfassung vorgetragene Inhalt und das Beschlussergebnis. Insoweit ist dem Oberlandesgericht Köln zuzustimmen, das fordert: „Der Beschluss muss das Vertragsverhältnis und die zugesagte Vergütung wiedergeben.“55

Im Hinblick auf die Rechtsprechung wird man eine solche Präzisierung und ihre Billigung durch den Aufsichtsrat allerdings als Neuvornahme des Vertrages bezeichnen müssen. Das ist kein „überflüssiger Formalismus“, wie Wissmann/Ost56 meinen. Denn nach der Rechtsprechung, der weite Teile

__________ 52 53 54 55

BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 347 und BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1531. BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1531. BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 344. OLG Köln, Urt. v. 27.5.1994, AG 1995, 91; das OLG bezeichnet diese Auffassung unter Hinweis auf das Schrifttum als allgemeine Meinung. 56 Wissmann/Ost, BB 1998, 1957 (1958).

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des Schrifttums zustimmen57, ist der Vertrag bis zu seiner den Anforderungen von §§ 113, 114 AktG, insbesondere dem Konkretisierungsgebot, entsprechenden Änderung nicht schwebend unwirksam oder „schwebend nichtig“58, sondern nichtig (zur Kritik an dieser Rechtsprechung vgl. unten zu Ziff. 5). Ein nichtiges Rechtsgeschäft kann nur durch Neuvornahme und Genehmigung Rechtswirksamkeit erlangen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich im praktischen Ergebnis die Antwort auf die im Schrifttum gestellte Frage, ob mündlich abgeschlossene Verträge gemäß § 114 AktG genehmigungsfähig sind59. Wenn der Aufsichtsrat seine Zustimmung erteilen soll und dies nur durch einen ausdrücklichen Beschluss tun kann, bedarf er einer eindeutigen Beschlussvorlage, die gegebenenfalls in der Aufsichtsratssitzung diskutiert, konkretisiert und modifiziert werden kann, deren Ergebnis aber jedenfalls in der Niederschrift, sei es direkt im Text, sei es in einer Anlage, festgehalten ist (§ 107 Abs. 2 Satz 1 AktG). Das läuft in aller Regel auf die Schriftform des Vertrages hinaus, weil nur so der Inhalt der Zustimmung des Aufsichtsrats ordnungsgemäß dokumentiert wird. Aber auch ein dem Aufsichtsrat vorgetragener Vertrag, der nicht in Form einer schriftlichen Tischvorlage in die Beschlussfassung des Aufsichtsrats eingebracht wird, sollte dann ausreichende Grundlage für einen Zustimmungsbeschluss sein, wenn der Vertragsinhalt im Beschluss selbst konkretisiert ist60. Das gilt etwa in den Fällen, in denen es in der Aufsichtsratssitzung ad hoc zu einem Auftrag an ein Aufsichtsratsmitglied kommt und dies in der Niederschrift etwa wie folgt festgehalten wird: „Der Aufsichtsrat stimmt dem durch den Vorstand erteilten Auftrag an das Aufsichtsratsmitglied X zu, die im Aufsichtsrat diskutierte Frage der Rechtswirksamkeit des von der Gesellschaft mit Y abgeschlossenen Mietvertrages gutachtlich zu einem Pauschalhonorar von … Euro zuzüglich Umsatzsteuer zu überprüfen.“

In derartigen Fällen empfiehlt es sich insbesondere für den Anwalt, den Vertrag schriftlich niederzulegen und ihm gegebenenfalls den Zusatz „Vergütungsvereinbarung“ zu geben. Der Grund dafür besteht in der Regelung des § 4 Abs. 1 RVG. Danach kann aus einer Vereinbarung eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur gefordert werden, wenn die Erklärung des Auftraggebers schriftlich abgegeben und, wenn der Vertragstext nicht von dem Auftraggeber verfasst wurde, sie als „Vergütungsvereinbarung“ bezeichnet

__________ 57 BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 345; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 926; OLG Köln, Urt. v. 27.5.1994, AG 1995, 91; LG Stuttgart, Urt. v. 27.5.1998, ZIP 1998, 1278; Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2000, S. 381 (390); Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87 (96); Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 175 (179). 58 So aber Wissmann/Ost, BB 1998, 1957 (1958). 59 Insofern offen gelassen, aber kritisch BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 345; BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1533; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 927. 60 So auch Lutter/Krieger in Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, Rz. 738 f.; E. Vetter, AG 2006, 173 (179).

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und von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt ist61. Selbst wenn sich aus § 114 AktG ein Schriftlichkeitsgebot nicht ableiten lässt, wird der Anwalt bei sonst ordnungsgemäßer Genehmigung eines Vertrages durch den Aufsichtsrat – falls sich die Gesellschaft auf § 4 Abs. 1 RVG beruft – des über die gesetzliche Vergütung hinausgehenden Teils seines Honorars verlustig gehen, wenn er den Beratungsvertrag nur mündlich abschließt. Eine lediglich vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Niederschrift über den Zustimmungsbeschluss würde die Schriftform nicht ersetzen. 4. Die vorstehenden Ausführungen gehen von dem Sachverhalt aus, dass der Berater mit seiner Tätigkeit erst beginnt, nachdem der Aufsichtsrat, gegebenenfalls nach Konkretisierung des Vertrages, seine Zustimmung in Form der Einwilligung erteilt hat. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Beschluss des Aufsichtsrats gefasst wird, nachdem die Beratungstätigkeit schon begonnen wurde oder sogar beendet ist. In derartigen Fällen stellt sich das Thema der nachträglichen Zustimmung in Gestalt der Genehmigung. Hierbei ist zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden, nämlich dem Fall, dass die nachträgliche Zustimmung zu einem den Erfordernissen des § 114 AktG gerecht werdenden Vertrag erteilt oder dass die Genehmigung zu einem „Vertrag“ erklärt werden soll, der wegen Verstoßes gegen §§ 113, 114 AktG nichtig bzw. wegen nicht ausreichender Konkretisierung oder der „nicht nur marginalen Beteiligung“ des Aufsichtsratsmitglieds an der beratenden Gesellschaft fehlerhaft ist. a) Für Verträge, die nach § 114 AktG zustimmungsfähig sind, sagt das Gesetz eindeutig, dass eine Genehmigung zulässig ist. Es verwendet nämlich in § 114 Abs. 1 AktG den Begriff der Zustimmung, der Einwilligung und Genehmigung umfasst (§§ 182, 183 und 184 BGB), ohne zu unterscheiden, ob mit der Tätigkeit schon begonnen wurde oder nicht. Dieser sich bereits aus der Gesetzesterminologie des BGB ergebende Befund wird verstärkt durch den Blick auf §§ 89 und 115 AktG. Nach diesen Vorschriften darf ein Kredit an Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder nur valutiert werden, wenn der Aufsichtsrat zuvor die Einwilligung erklärt hat. Hier, und nur hier, verlangt das Gesetz eine positive Beschlussfassung vor dem Vollzug eines Vertrages. Dem Wortlaut und dem Sinn des § 114 AktG ist dagegen nicht zu entnehmen, dass eine Genehmigung nur dann erteilt werden darf, wenn mit der Umsetzung des Beratungsvertrages noch nicht begonnen wurde62.

__________ 61 Auf die im Einzelnen unklare Abgrenzung zu § 34 RVG soll hier nicht weiter eingegangen werden (vgl. dazu Mayer, AnwBl. 2006, 160 ff., der hierzu von einer „brisanten Frage“ spricht). 62 Auch das OLG Frankfurt, Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 926 f. und wohl das OLG Köln, Urt. v. 27.5.1994, AG 1995, 91 f., gehen von einer Genehmigungsfähigkeit des Vertrages nach Beginn oder sogar Beendigung des Vollzugs aus; ähnlich Rellermeyer, ZGR, 1993, 77 (91).

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Den Feststellungen des Oberlandesgerichts Frankfurt, nach denen unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Aufsichtsrat, „… wenn die Vertragsleistung erst einmal erbracht (sei), in seiner Entscheidung über die Zustimmung zum Vertrag deutlich unfreier (sei) als vorher; es (liege) nahe, dass Erwägungen der Loyalität zum Aufsichtsrats-Kollegen, der in der Gefahr steht, mehr oder weniger umsonst gearbeitet zu haben, ein sachlich unerwünschtes Gewicht erhalten (würden)“,

kann nicht zugestimmt werden. Gegenüber diesen Erwägungen ist festzuhalten, dass der Gesetzeswortlaut eindeutig in einer derartigen Loyalität (wenn und soweit es sie gibt) keinen Hinderungsgrund dafür sieht, dass der Aufsichtsrat den Vertrag für eine bereits erbrachte Leistung genehmigt. Bestätigt wird dies insbesondere durch § 114 Abs. 2 Satz 1, letzte Satzhälfte AktG. Dort regelt das Gesetz nämlich expressis verbis den Fall, dass die Gesellschaft aufgrund eines Vertrages, für den keine Zustimmung vorliegt, eine Vergütung gezahlt hat, was in der Regel nur aufgrund bereits erbrachter Beratungstätigkeit der Fall ist. Hätte das Gesetz die Genehmigung nach ganzem oder teilweisem Vollzug des Beratungsvertrages untersagen wollen, hätte es den ersten Halbsatz von § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht um den Halbsatz ergänzen dürfen: „…, es sei denn, dass der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt“. Im Übrigen treffen die Erwägungen des Oberlandesgerichts Frankfurt zur Loyalität nur bedingt zu. Dazu ist nicht nur hinzuweisen auf unterschiedliche Denkweisen, die bei Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern bestehen können, sondern auch auf durchaus unterschiedliche Einschätzungen, die Aufsichtsratsmitglieder voneinander haben mögen. Schließlich steht jedem Aufsichtsratsmitglied, das einen Vertrag genehmigt, aufgrund dessen etwas als Vergütung aus der Gesellschaft herausfließt, spätestens seit der Mannesmann-Entscheidung63 das Thema der eigenen persönlichen Haftung vor Augen. Wie wenig das Argument der Loyalität zählen kann, ergibt sich ferner bei Veränderungen im Aufsichtsrat bis hin zum völligen Austausch in den Personen im Falle eines Change of Control, der zu einer Verweigerung der Genehmigung führen kann. Lässt man auf diese Weise Genehmigungsbeschlüsse nach teilweisem oder völligem Vollzug zu, wird die oben erörterte Problematik der im Vertrag vorzunehmenden Bestimmung der Leistungsvergütung entschärft. Der Aufsichtsrat kann sich dann bei seinem Genehmigungsbeschluss in Kenntnis der erbrachten Leistungen ein besseres Urteil über die Angemessenheit der Vergütung bilden. b) Stellt sich heraus, dass ein ganz oder teilweise durchgeführter Beratungsvertrag fehlerhaft war, weil er gegen § 113 AktG oder das Konkretisierungsgebot verstoßen hat, kann eine Heilung noch durch die Neuvornahme des Vertrages im gesetzlich zulässigen Umfang und durch einen Zustimmungs-

__________ 63 BGH, Urt. v. 21.12.2005, ZIP 2006, 72 ff.

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beschluss des Aufsichtsrats herbeigeführt werden. Hierbei ist zu differenzieren: Die Heilung eines Vertrages, der ausschließlich auf eine Beratungsleistung gerichtet war, die nicht unter § 114 AktG fällt, sondern dem Aufsichtsratsmitglied schon aufgrund seines Mandates obliegt, ist nach den strengen Grundsätzen der Rechtsprechung nicht möglich. Ein solcher Vertrag ist wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB nichtig und der Berater ist dem Ersatzanspruch aus § 114 Abs. 2 AktG ausgesetzt. Einen gewissen Schutz bietet hier nur noch die dreijährige Verjährungsfrist von § 195 BGB n. F. Für vor dem Ablauf des 31. Dezember 2001 begründete Ersatzansprüche ist die Verjährung am 31. Dezember 2004 eingetreten (Art. 229 § 6 EGBGB). Im Falle eines mehrere anwaltliche Leistungen umfassenden, in der Regel für einen längeren oder unbestimmten Zeitraum abgeschlossenen Vertrages (Rahmenvertrages), der eine oder mehrere unter § 113 AktG fallende Beratungstätigkeiten enthält, ist aber eine „Reparatur“ des Vertrages durch eine Reduzierung um die nicht genehmigungsfähigen Leistungen und anschließende Genehmigung des Vertrages denkbar. Daraus ergibt sich nicht nur ein Abgrenzungsproblem im Hinblick auf die einerseits unter § 113 AktG und andererseits unter § 114 AktG fallenden Beratungstätigkeiten, sondern selbstverständlich auch hinsichtlich der Vergütung. Sind Stundensätze vereinbart und die auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche entfallenden Zeiten ordnungsgemäß dokumentiert, dürften bei der Zuordnung der angefallenen Stunden keine Probleme entstehen. Bei der Vereinbarung von Pauschalhonoraren ergeben sich jedoch Schwierigkeiten. Hier ist eine „mathematische“ Lösung wie im Fall vereinbarter Stundensätze nicht möglich. Es gelten vielmehr bei der Abgrenzung der Vergütung die Grundsätze, die bei der Vereinbarung des Pauschalhonorars angewendet wurden (z. B. Schwierigkeit und Bedeutung der Beratungsaufgabe, voraussichtliche Zeitdauer der Beratung, Qualifikation des beratenden Anwalts, gegebenenfalls „Erfolgsbonus“). Dabei können sich natürlich „Unschärfen“ ergeben, die im Streitfall zu Lasten des Aufsichtsratsmitglieds bzw. der beratenden Sozietät gehen müssen. Bei Mangelhaftigkeit des Vertrages wegen fehlender Konkretisierung der Tätigkeitsvergütung lässt sich die Heilung leichter herbeiführen, insbesondere, weil im Zeitpunkt der Beschlussfassung Art und Umfang der Tätigkeit bekannt sind und die Vergütung präzise bestimmt und genehmigt werden kann64.

__________ 64 Im Ergebnis ähnlich Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2000, S. 381 (396 f.); Rellermeyer, ZGR 1993, 77 (91); Wissmann/Ost, BB 1998, 1957 (1958); einschränkend E. Vetter, AG 2006, 179 (nur, wenn nachträgliche Konkretisierung unverzüglich, d. h. spätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung, herbeigeführt wird).

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c) Offen ist, bis zu welchem Zeitpunkt ein etwaige Mängel heilender Genehmigungsbeschluss gefasst werden kann. Vetter meint, dies müsste spätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung geschehen65. Das ist sicherlich zu eng gesehen. Bedenkt man, dass die Frage der Überprüfung der formalen Ordnungsmäßigkeit eines Vertrages, wenn das Problem überhaupt erkannt wird, oftmals nicht eindeutig zu beantworten ist, sollte man bei der Bemessung der Frist großzügiger sein. Das Risiko trägt ohnehin das Aufsichtsratsmitglied. Festzuhalten bleibt, dass der Gesetzeswortlaut von § 114 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz AktG keine zeitliche Begrenzung enthält. Es ist anerkannt, dass der allgemeine Genehmigungstatbestand in § 184 Abs. 1 BGB keine Frist setzt, die Genehmigung also noch nach „Jahr und Tag“ erfolgen kann66. 5. Den oben genannten Entscheidungen der Gerichte, mit denen Berater zur Rückzahlung der von ihnen gezahlten Honorare verurteilt bzw. mit denen Honoraransprüche verneint wurden, kann im praktischen Ergebnis zugestimmt werden. Weniger Zustimmung verdienen die allgemeinen Ausführungen in den Urteilsbegründungen zur Frage des Umfangs der Konkretisierungspflicht, auf die bereits eingegangen wurde, und zu den Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes dagegen. Sie stellen an die Praxis zu hohe Anforderungen und sind von der Rechtsfolgenseite her überprüfungswürdig. Das gilt beispielsweise für abgewickelte Verträge, die nach den tatsächlich erbrachten Beratungsleistungen zweifelsfrei ausschließlich nicht unter § 113 AktG fallende Beratungstätigkeiten zum Inhalt hatten und für die eine nicht zu beanstandende angemessene Vergütung gezahlt wurde, der Vertrag aber nicht den Konkretisierungspostulaten der Rechtsprechung entsprach. Die Rechtsfolge der Rückzahlungspflicht in derartigen Fällen, wenn sie – wie z. B. im Falle der Insolvenz – nicht mehr auf die oben skizzierte Weise „repariert“ werden können, vermag nicht zu befriedigen. Sie ist unbillig. Die Nichtigkeit eines Vertrages sollte entgegen der Rechtsprechung nur bei konkreten Verstößen gegen § 113 AktG eintreten, nicht aber bereits, wenn sich wegen der Unbestimmtheit des Vertrages ein – theoretischer – Umgehungsverdacht ergibt. Die Norminterpretation des Bundesgerichtshofs geht zu weit. Nicht ein Verdacht verstößt gegen ein gesetzliches Verbot, sondern nur die Umgehung selbst. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Interessenkonflikt hingewiesen, nach der eine abstrakte Gefahr noch keine Interessenkollision begründet67. Es scheint, dass sich auch die Rechtsprechung nicht so sicher ist, wenn sie aus der Sorge, dass Umgehungen „Tür und Tor“ geöffnet werden könnten, so hohe formale Anforderungen an Beratungsverträge stellt. Wie Teichmann68 festgestellt hat, gibt sich nämlich die Rechtsprechung stets Mühe, nachzu-

__________

65 E. Vetter, AG 2006, 178. 66 Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 184 BGB Rz. 1; Palm in Erman (Fn. 50), § 184 BGB Rz. 4; Schramm in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2001, § 184 BGB Rz. 7. 67 BVerfG, Beschl. v. 3.7.2003, NJW 2003, 2521. 68 Teichmann, JZ 2003, 761.

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weisen, dass die vorgenommene weite Auslegung einer Norm im konkret entschiedenen Fall zu einem richtigen Ergebnis geführt hat. So haben fast alle der oben zitierten Urteile die Entscheidung nicht nur mit den allgemeinen Erwägungen der zu verhindernden Umgehungsgefahr begründet. Stets findet man in den Entscheidungen den oft nur kurz gehaltenen Hinweis, dass auch aus anderen Gründen (meistens wegen formaler Fehler in der Beschlussfassung des Aufsichtsrats) dem Beratungsvertrag die Rechtswirksamkeit zu versagen sei69. Will man die harten Rechtsfolgen mildern, die sich nach der Rechtsprechung aus Verstößen gegen das hohe Ansprüche stellende Konkretisierungsgebot ergeben, so bieten sich vom Ansatz her drei Wege an, die hier nicht im Detail ausgeführt, sondern nur alternativ angedeutet werden können: a) Die Rechtsprechung der Gerichte, die im Falle einer nicht hinreichend präzisen vertraglichen Konkretisierung der Vergütungshöhe eine Nichtigkeit des gesamten Beratungsvertrages mit der Folge der Verneinung eines vertraglichen Vergütungsanspruchs annimmt, sollte jedenfalls für den Berufsstand der Rechtsanwälte (aber auch für andere Berufsgruppen mit gesetzlichen Vergütungsordnungen, wie z. B. Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Architekten) überprüft werden. Wenn die Prüfung der Vergütung durch den Aufsichtsrat dazu dienen soll, im Wege der präventiven Verhaltenskontrolle ungerechtfertigte Sonderleistungen in Gestalt überhöhter Vergütungen zu vermeiden, dann sollte dort, wo diese Überprüfung wegen fehlender Konkretisierung nicht möglich ist oder war, die Rechtsfolge darin bestehen, dass nur die theoretische Überhöhung des Honorars, nicht aber durch die totale Nichtigkeitssanktion das gesamte Honorar in Fortfall kommt. Diese theoretische Überhöhung besteht in der Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und der Vergütung, auf die der Rechtsanwalt bei anwaltlichen Leistungen ohne besondere Vereinbarung von Gesetzes wegen Anspruch hat. Dem Rechtsanwalt diese zu versagen, hieße „das Kind mit dem Bade auszuschütten“ und lässt sich auch nicht mit der Rechtsfolge vereinbaren, dass er im Falle einer Nichtigkeit des Vertrages nach Bereicherungsgrundsätzen ohnehin Anspruch auf eine „übliche Vergütung“ nach dem RVG hat (dazu oben zu III.2 und im Folgenden zu V.). Ein solches Ergebnis ließe sich unschwer

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69 Der BGH stellt beispielsweise – zutreffend – fest, dass ein vor Beginn der Aufsichtsratstätigkeit abgeschlossener Beratungsvertrag nochmals hätte genehmigt werden müssen (BGH, Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 341) bzw. weist auf die Problematik eines „Geheimprotokolls“ hin und spricht vom Fehlen einer wirksamen Zustimmung (Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1530). Das Kammergericht (AG 1997, 42) kommt zu einer Unwirksamkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz und das Steuerberatergesetz; das OLG Köln, Urt. v. 27.5.1994, AG 1995, 90 stellt fest, dass kein den Erfordernissen des § 108 AktG Rechnung tragender Beschluss gefasst worden sei; das OLG Frankfurt (Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 925) führt aus, dass der Genehmigungsbeschluss mangels ordnungsmäßiger Beschlussfassung durch drei Aufsichtsratsmitglieder unwirksam gewesen sei (dagegen zu Recht E. Vetter, AG 2006, 179).

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durch eine Reduktion der extensiven Norminterpretation des Bundesgerichtshofs erreichen. b) Denkbar wäre es, die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Konkretisierungsgebot nicht in der Nichtigkeit, sondern in der schwebenden Unwirksamkeit bestehen zu lassen. Das würde die Möglichkeit einer nachträglichen Bestimmung und der Überprüfung sowie der Genehmigung des Vertrages auf dieser Basis, sei es vor, sei es nach Aufnahme der Beratungstätigkeit, eröffnen. Der Vertrag wäre dann nach Genehmigung von Anfang an wirksam. Dort, wo sich bei einer späteren Konkretisierung herausstellen würde, dass eine oder einzelne Beratungstätigkeiten unter § 113 AktG fallen, könnte der Vertrag in dem nicht zu beanstandenden Teil unter Anpassung der Vergütung aufrechterhalten bleiben (dazu im Folgenden zu IV.). Wo sich bei einer Überprüfung der Vergütungshöhe Bedenken ergeben würden, müsste die Vergütung auf das angemessene Maß reduziert werden, der nicht zu beanstandende Teil des Honorars bliebe aufrechterhalten. c) Ein anderer Ansatz könnte schließlich darin bestehen, im Fall einer Unbestimmtheit des Vertrages nicht generell von einem Vermutungstatbestand mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit oder schwebenden Unwirksamkeit auszugehen, sondern eine Umgehungsvermutung nur dann anzunehmen, wenn hierfür besondere Anhaltspunkte gegeben sind, falls sich etwa bei einer Überprüfung Bedenken gegen die Angemessenheit der Höhe der effektiv gezahlten Vergütung ergeben. In derartigen Fällen wäre es vertretbar, dem Berater die Beweislast für die Angemessenheit der Vergütungshöhe aufzubürden. Es ist einzuräumen, dass eine derartige Verfahrensweise wohl nicht im Sinne der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs als „präventiv“ zu qualifizieren wäre. Sie würde aber in den meisten Fällen zu angemesseneren Ergebnissen führen als die Rechtsprechung nach ihrem derzeitigen Stand. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte ihre Entscheidungen nicht nur an dem formalen Kriterium der fehlenden Konkretisierung orientiert haben, sondern oft auch die Höhe der Vergütung im Blick hatten, die im Urteil betragsmäßig angegeben wird und von der man dann beispielsweise liest, dass sie „nicht unerheblich“ sei70. Nach der Entscheidung des BGH vom

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70 In dem vom BGH (Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1530) entschiedenen Fall ging es um ein jährliches Beraterhonorar von 250 000 DM und ein Gesamthonorar von 2 421 825 DM. Der Entscheidung aus dem Jahr 1994 (Urt. v. 4.7.1994, BGHZ 126, 341) lag ein Honorar von insgesamt 195 175 DM zugrunde; das LG Stuttgart (Urt. v. 27.5.1998, ZIP 1998, 1277) hatte über ein Honorar von 1 192 401,52 DM zu entscheiden; in einer Entscheidung des KG (AG 1997, 42) ging es um ein Gesamthonorar von 2 135 353 DM. Dem Urteil des OLG Köln (Urt. v. 27.5.1994, AG 1995, 91) lag ein Honorarvolumen von 149 477,81 DM zugrunde. Im Fall des vom BGH (BGHZ 126, 340) bestätigten Urteils des OLG Frankfurt (Urt. v. 21.9.2005, AG 2005, 925) ging es um ein Jahreshonorar von 125 997,21 DM, zu dem das Gericht feststellt: „Insbesondere angesichts der Höhe … der aus diesen Verträgen zugeflossenen Honorare ist die Besorgnis einer Interessenverflechtung zwischen dem Vorstand

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20.11.2006 wird man allerdings davon auszugehen haben, dass mit „nicht unerheblich“ bzw. „ganz geringfügig“71 nur noch Vergütungen gemeint sind, die ganz wesentlich unter den Beträgen liegen, über die in den Entscheidungen geurteilt wurde.

IV. Zur Teilnichtigkeit Leidet ein – ganz oder teilweise – durchgeführter Beratungsvertrag an einem nicht zu reparierenden oder nicht reparierten Fehler, stellt sich die Frage, ob jedenfalls ein Teil des Vertrages, wenn und soweit er den gesetzlichen Erfordernissen entspricht, aufrechterhalten werden kann (§ 139 BGB). In Betracht kommen hier nur Fälle mit einem differenzierten Leistungsprogramm, das voneinander abgrenzbare Beratungsbereiche enthält. Zu dieser Frage gibt es ebenfalls keine einheitliche Auffassung. Den Befürwortern der Aufrechterhaltung des nicht zu beanstandenden Teils des Vertrages72 stehen diejenigen entgegen, die – allerdings ohne nähere Begründung – im Zweifel den gesamten Beratungsvertrag als nichtig behandeln wollen73. Der Bundesgerichtshof scheint der Aufrechterhaltung eines Teils des Beratungsvertrages skeptisch gegenüberzustehen. Er hat diese Frage mit der Begründung offen gelassen, die Aufrechterhaltung eines Teils des Beratungsvertrages scheitere „jedenfalls daran, dass es hier für einen derart eingeschränkten Beratungsvertrag und die hierauf entfallende Vergütung schon an einer Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 114 AktG (fehle)“74. Diese Begründung überzeugt nicht, jedenfalls ist sie unklar. Bei der nachträglichen Prüfung, ob ein Teil eines Beratungsvertrages aufrechterhalten werden kann, wird man nie auf einen konkreten Beschluss zugreifen können, der ausdrücklich gerade den aktienrechtlich zulässigen Teil des Beratungsvertrages betrifft, sondern es geht um die Frage, ob der weitergehende Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats auch den um den/die unwirksamen Teil(e) reduzierten Beratungsvertrag erfasst und aufrechterhalten werden soll, was in der Regel der Fall sein dürfte. Gründe, die für eine zwingende Gesamtnichtigkeit des Vertrages sprechen, sind nicht ersichtlich. Ist der Vertrag noch nicht durchgeführt, so werden die

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der Schuldnerin und dem Vorsitzenden ihres Aufsichtsrats nicht von der Hand zu weisen.“ In dem vom OLG Naumburg (Urt. v. 30.11.1999, OLG-Report 2002, 29) entschiedenen Sachverhalt bestand ein auffälliges Missverhältnis zwischen Aufsichtsratsvergütung (500 DM) und Beraterhonorar (monatlich 6000 DM und insgesamt 289 560 DM). BGH, Urt. v. 20.11.2006, ZIP 2007, 22. Beater, ZHR 157 (1993), 420 (434); Brandner in FS Geiß, 2000, S. 231 (242); Hoffmann-Becking in MünchHdb. GesR, Bd. 4 AG, 2. Aufl. 1999, § 33 Rz. 28; Wissmann/Ost, BB 1998, 1957 (1959 f.). Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87 (96). BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1533.

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Vertragspartner in aller Regel ein Interesse daran haben, jedenfalls das Programm zu erfüllen, das in Übereinstimmung mit § 114 AktG steht. Wurde der Vertrag bereits ganz oder teilweise durchgeführt, ist nicht einzusehen, aus welchem Grund für die erbrachte Beratungsleistung, soweit sie unter § 114 AktG fiel, nicht das verdiente Honorar gezahlt werden sollte. Dabei ist allerdings eine Einschränkung zu machen. Die Aufrechterhaltung des Vertrages in dem nicht zu beanstandenden Teil setzt eine genaue Zuordnung von Leistung und Gegenleistung voraus75. Nur wenn diese Voraussetzung gegeben ist, können die Leistungen auf beiden Seiten entsprechend herabgesetzt werden. Das ist der Fall, wenn die Vergütung des Anwalts sich nach Stundensätzen oder der amtlichen Gebührenordnung richtet und die Zuordnung der sich hiernach ergebenden Beträge zu den einzelnen Tätigkeitsbereichen möglich ist. Da ein Pauschalhonorar keinen Aufschluss darüber gibt, für welche Leistung welcher Anteil an der Gesamtsumme geschuldet ist, kann ein Vertrag, in dem die Vergütung pauschaliert ist, nicht aufrechterhalten werden. Deshalb ist dem Bundesgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall im Ergebnis zuzustimmen, weil eine Aufrechterhaltung von Teilen des Beratungsvertrages deshalb nicht möglich war, da der Beratungsvertrag nach seinem Inhalt keine konkret abgrenzbare Leistung und Gegenleistung enthielt. Für die Beratung „in betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fragen“ wurde ein Pauschalhonorar in Höhe eines Tagessatzes von 1000 DM vereinbart76. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass im Falle der Nichtigkeit sich der bereicherungsrechtliche Rückgewähranspruch über § 34 RVG auf die „übliche Vergütung“ im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB bezieht, kommt der Teilnichtigkeitsproblematik im wirtschaftlichen Ergebnis ohnehin nur in Insolvenzfällen Bedeutung zu.

V. Zu Bereicherungsansprüchen des Aufsichtsratsmitglieds Ist ein Beratungsvertrag nichtig, sei es, weil er ganz oder teilweise unter § 113 AktG fällt, sei es wegen einer Unbestimmtheit der Angabe von Beratungsgegenstand oder Vergütung, und kommt auch eine Aufrechterhaltung von Teilen nicht in Betracht, stellt sich bei einem ganz oder teilweise durchgeführten Vertrag die Frage eines Ausgleichs nach Bereicherungsgrundsätzen. Das Gesetz lässt einen Anspruch des Aufsichtsratsmitglieds nach Bereicherungsgrundsätzen ausdrücklich zu, schließt allerdings die Aufrechenbarkeit eines Bereicherungsanspruchs mit dem Rückgewähranspruch der Gesellschaft aus (§ 114 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die Gesetzesbegründung meint zum Bereicherungsanspruch, dass die Gesellschaft gegen den Anspruch ein-

__________ 75 BGH, Urt. v. 2.12.1982, DB 1983, 1812; Palandt/Heinrichs (Fn. 66), § 139 BGB Rz. 12; Mayer-Maly/Busche in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2001, § 139 BGB Rz. 26. 76 BGH, Urt. v. 3.7.2006, ZIP 2006, 1530.

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wenden könne, das Aufsichtsratsmitglied habe bei der Leistung gewusst, dass es nicht zur Leistung verpflichtet war (§ 814 BGB)77. Dieser Ansicht des Ausschussberichts wird man in dieser Allgemeinheit nicht folgen können. Es handelt sich bei dem Bereicherungsanspruch nicht um eine condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 Satz 2, zweite Variante BGB), sondern um eine condictio indebiti (§ 812 Abs. 1 Satz 1, erste Variante BGB). Mit der Verweigerung der Genehmigung (bzw. mit der Genehmigungsunfähigkeit) eines durchgeführten Beratungsauftrages ist der von Anfang an schwebende Rechtsgrund für die Leistungserbringung des Aufsichtsratsmitglieds endgültig entfallen. Das Aufsichtsratsmitglied hat jedoch nicht geleistet, damit der Aufsichtsrat genehmigt, sondern lediglich in der Annahme, der Vertrag sei genehmigungsfähig und werde genehmigt78. Obwohl § 814 BGB grundsätzlich auf die condictio indebiti anwendbar ist, besteht Einigkeit darüber, dass der Einwand der Kenntnis der Nichtschuld nicht gilt, wenn der Leistungserbringer die Unwirksamkeit zwar kennt, er aber hofft, dieser rechtliche Mangel werde später behoben79. Dies erklärt sich daraus, dass § 814 BGB Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist, das nicht vorliegt, wenn die Leistung in der Hoffnung erbracht wird, das unwirksame Geschäft werde geheilt. Wenn die Umstände des Einzelfalls ergeben, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Beraterleistungen in der berechtigten Erwartung erbracht hat, der Aufsichtsrat werde dem Vertrag zustimmen, steht § 814 BGB dem Kondiktionsanspruch nicht entgegen80. Ein Ausschluss des Bereicherungsanspruchs lässt sich auch nicht aus § 817 Satz 2 BGB herleiten. Zwar ist ein Verstoß gegen § 114 AktG ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, so dass der Anspruch nach allgemeinem Bereicherungsrecht an sich ausgeschlossen wäre81. Der Wortlaut von § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG macht jedoch deutlich, dass diese Folgen im Falle des Bereicherungsanspruchs des Aufsichtsratsmitglieds gerade nicht gelten, sondern das durch die Beratungsleistung Erlangte – soweit noch im Vermögen der Gesellschaft vorhanden – zurückgewährt werden soll. Bei der Feststellung des Wertes der Bereicherung gemäß § 812 BGB kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Aufsichtsratsmitglied die „übliche“ oder „angemessene“ Vergütung verlangen. Für Rechtsanwälte ist dies eine nach dem RVG bemessene Vergütung (vgl. dazu oben zu III.2).

__________ 77 Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 159. 78 Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 114 AktG Rz. 60. 79 Vgl. Palandt/Heinrichs (Fn. 66), § 814 BGB Rz. 6; H.P. Westermann in Erman (Fn. 50), § 814 BGB Rz. 1, jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung. 80 So auch Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 114 AktG Rz. 61; a. A. Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 31), § 114 AktG Rz. 100. 81 So ohne nähere Begründung KG, AG 1992, 42 (45).

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VI. Zusammenfassung In Rechtsprechung und Schrifttum zu Beratungsverträgen zwischen Aktiengesellschaften und Aufsichtsratsmitgliedern sind hinsichtlich der Abgrenzung einerseits zwischen Verträgen, die nach § 114 AktG genehmigungsfähig und -pflichtig sind und andererseits unter § 113 AktG fallenden Verträgen Kriterien entwickelt worden, die zwar nicht einheitlich, aber im Wesentlichen praxistauglich sind. Insbesondere die Abgrenzung im konkreten Einzelfall kann schwierig sein. Insbesondere bei über einen längeren Zeitraum laufenden Beratungsverträgen (Rahmenverträgen) lässt sich das von der Rechtsprechung entwickelte Konkretisierungsgebot nicht immer umsetzen. Das vom Bundesgerichtshof entwickelte Abgrenzungskriterium für die Genehmigungsbedürftigkeit eines Beratungsvertrages mit einer Anwaltssozietät, der ein Aufsichtsratsmitglied angehört, das auf den mittelbaren Zufluss von Vermögenswerten abstellt, ist zu weitgehend und verursacht wegen seiner Unbestimmtheit im Einzelfall kaum rechtssicher lösbare Abgrenzungsprobleme. Die generelle Annahme einer Umgehungsvermutung, wenn der Vertrag dem Konkretisierungsgebot nicht entspricht, ist zu weitgehend und führt insbesondere hinsichtlich der Rechtsfolge der unheilbaren Nichtigkeit bei Verstößen gegen dieses Gebot zu unbilligen Ergebnissen. Eine Änderung der Rechtsprechung wäre wünschenswert.

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Die Kontrolle des Bezugsrechtsausschlusses im Rahmen des genehmigten Kapitals in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Inhaltsübersicht I. Die Entwicklung der Rechtsprechung von Holzmann über Siemens v. Nold bis zu Mangusta/Commerzbank I und Mangusta/Commerzbank II II. Die maßgebenden Gründe der Entscheidungen 1. Die Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss a) Das Urteil Holzmann b) Die Urteile Deutsche Bank und Siemens v. Nold 2. Die Berichtspflicht des Vorstandes a) Das Urteil Holzmann b) Die Urteile Siemens v. Nold und Mangusta/Commerzbank I c) Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 3. Die Ausführungen zu den Klagemöglichkeiten der Aktionäre a) Das Urteil Holzmann b) Die Urteile Siemens v. Nold und Mangusta/Commerzbank II

III. Kritische Würdigung der Urteile des Bundesgerichtshofes 1. Der Übergang von Holzmann zu Siemens v. Nold a) Die Praktikabilität der Holzmann-Grundsätze b) Die Vorratsermächtigung 2. Die ungeschriebenen sachlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss IV. Gerichtliche Überprüfung der Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat 1. Bedenken gegen die Zulassung einer Klagemöglichkeit 2. Die Kritik an den Klagemöglichkeiten im Einzelnen V. Zusammenfassung und Ergebnis

I. Die Entwicklung der Rechtsprechung von Holzmann über Siemens v. Nold bis zu Mangusta/Commerzbank I und Mangusta/Commerzbank II Das Urteil Holzmann1, in dem der Bundesgerichtshof die in der Entscheidung Kali und Salz2 für die ordentliche Kapitalerhöhung entwickelten materiellen Beschlussvoraussetzungen zur Kontrolle des Ausschlusses des Bezugsrechts der Aktionäre auf das genehmigte Kapital übertrug, erfuhr etwa zehn Jahre nach seinem Erlass eine harsche Kritik3. Sie beruhte im Wesentlichen auf

__________

1 BGH, BGHZ 83, 319. 2 BGH, BGHZ 71, 40. 3 Martens, ZIP 1992, 1677 (1681 ff.); ders., ZIP 1994, 669.

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der Beobachtung, dass die Instanzgerichte die Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses in der Regel an Mängeln des Berichtes scheitern ließen, dessen Erstattung der Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG im Rahmen des genehmigten Kapitals für die Ermächtigung des Vorstandes verlangte, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen4. Für diese Entwicklung wurde die Gleichstellung des Ermächtigungsberichtes beim genehmigten Kapital mit dem Ausschlussbericht bei der ordentlichen Kapitalerhöhung verantwortlich gemacht5. Die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an die Berichtspflicht stelle, seien überzogen6 und könnten von der Praxis nicht erfüllt werden. Letztlich wurden die für eine Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss von dem Bundesgerichtshof geforderten materiellen Rechtfertigungsgründe dafür verantwortlich gemacht, dass es zu einer totalen Blockade des Bezugsrechtsausschlusses im Rahmen des genehmigten Kapitals gekommen sei7, die eine Eigenkapitalfinanzierung über dieses Institut praktisch unmöglich mache. Der Bundesgerichtshof lehnte es in einem ersten Schritt mit dem Urteil Deutsche Bank8 ab, im Rahmen des genehmigten Kapitals die Voraussetzungen für einen Bezugsrechtsausschluss durch Beschluss der Hauptversammlung zu verschärfen. Erst einige Jahre später gab er die in Holzmann entwickelten Grundsätze durch Siemens v. Nold auf und legte den Grundstein für ein neues Konzept, mit dem er einen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis der Gesellschaften, zur Beschaffung von Eigenkapital auf das genehmigte Kapital zurückgreifen zu können, und dem Schutz des Rechtes der Aktionäre auf den Bezug neuer Aktien herbeizuführen versuchte. Im Oktober letzten Jahres hatte er Gelegenheit, dieses Konzept in verschiedenen Punkten zu vervollkommnen9. Auch eine dieser beiden Entscheidungen ist nachdrücklich kritisiert worden10. Schon im Jahre 1996 hat der EuGH11 u. a. klargestellt, die Kapitalrichtlinie12 solle zum Schutz der Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger lediglich ein

__________ 4 Nach § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG gilt § 186 Abs. 4 AktG sinngemäß, wenn die Hauptversammlung den Vorstand zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre ermächtigt; zur sinngemäßen Anwendung des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG vgl. BGH, BGHZ 83, 319, 326 f. 5 Martens, ZIP 1992, 1677 (1681 f.). 6 Martens, ZIP 1994, 669. 7 Martens, ZIP 1994, 669. 8 BGH, BGHZ 125, 239 (244 ff.). 9 BGH, BGHZ 164, 241 und BGHZ 164, 249. 10 Vgl. u. a. Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 (303 ff.), 397 (401 ff.); Bungert, BB 2005, 2757 (2759); Paschos, DB 2005, 2731 (2732 ff.); Waclawik, ZIP 2006, 397 (403 ff.). 11 EuGH, EuGHE 1996 I, 6017 (6028). 12 Zweite Richtlinie v. 13.12.1976 – 77/191/EWG, ABl EG Nr. L 26 v. 31.1.1977, S. 1 ff.

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Kontrolle des Bezugsrechtsausschlusses

Mindestmaß an Gleichwertigkeit sicherstellen13. Der kürzlich erlassene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, nach dem der Bundesgerichtshof von Verfassungs wegen nicht verpflichtet ist, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu der Frage einzuholen, ob der Vorstand vor der Beschlussfassung über den Ausschluss des Bezugsrechts den Aktionären einen Bericht zu erstatten hat, steht mit der Entscheidung des EuGH in Einklang. Im Folgenden sollen die neuen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, die daran geübte Kritik und der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gewürdigt werden.

II. Die maßgebenden Gründe der Entscheidungen 1. Die Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss a) Das Urteil Holzmann14 Der Ausschluss des Bezugsrechts durch die Hauptversammlung oder – nach Ermächtigung – durch den Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats ist nur unter der Voraussetzung zulässig, dass er durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist. Diese Feststellung setzt eine Abwägung der Aktionärs- und Gesellschaftsinteressen sowie die Verhältnismäßigkeit von Mittel (Bezugsrechtsausschluss) und Zweck (verfolgte Maßnahme) voraus15. Eine Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss ohne jeden konkreten Anlass („auf Vorrat“) ist unzulässig16. Haben sich die Einzelheiten bereits so weit verdichtet, dass dem Vorstand von vornherein eine auf bestimmte Tatbestände eingeschränkte Ermächtigung erteilt werden kann, ist die Hauptversammlung bei der Beschlussfassung ohne Weiteres in der Lage zu prüfen, ob eine Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss sachlich gerechtfertigt ist17. Der Sachverhalt kann aber auch so liegen, dass der Vorstand bei der Erteilung der Ermächtigung lediglich bestimmte Maßnahmen ins Auge gefasst hat, die sich möglicherweise nur unter Ausschluss des Bezugsrechts durchführen lassen, wobei nähere Einzelheiten jedoch noch offen sind oder im Interesse der Gesellschaft geheimgehalten werden müssen. In diesem Falle genügt es, dass bei dem Ermächtigungsbeschluss bestimmte tatsächliche Anzeichen dafür vorliegen, der Vorstand könnte zur Durchführung der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtausschluss genötigt sein. Nur insoweit bedarf der Beschluss der Hauptversammlung sachlicher Rechtfertigung. Im Übrigen ist

__________ 13 Damit ist die vom BGH vertretene Auffassung, die er in der Entscheidung BGHZ 110, 47, 68 ff. entwickelt hatte, bestätigt worden. 14 BGH, BGHZ 83, 319. 15 BGH, BGHZ 83, 319 (321); vgl. auch noch BGH, ZIP 1995, 372 (373). 16 BGH, BGHZ 83, 322 (325). 17 BGH, BGHZ 83, 319 (323 f.).

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es Aufgabe der Verwaltung, sorgfältig zu prüfen, ob der Ausschluss des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt ist18. b) Die Urteile Deutsche Bank19 und Siemens v. Nold20 Das Urteil Deutsche Bank, dem ein Bezugsrechtsausschluss durch die Hauptversammlung zugrunde liegt, legt im Einzelnen die Grenzen fest, die der Hauptversammlung bei ihrer Entscheidung darüber, ob der Ausschluss des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt ist, durch den unternehmerischen Freiraum gesetzt sind, der dem Vorstand für seine Entscheidungen zubilligt werden muss21. Es stellt die Grundsätze von Holzmann nicht in Frage. Vielmehr wird in ihm ausdrücklich hervorgehoben, dass seine Gründe zu denen von Holzmann nicht in Widerspruch stehen22. Mit dem Urteil Siemens v. Nold hat der Bundesgerichtshof die Grundsätze von Holzmann aufgegeben, weil sich gezeigt hat, dass sie unter verschiedenen Gesichtspunkten nicht praktikabel waren23. Er hat sie wie folgt modifiziert: Die Hauptversammlung ist schon dann berechtigt, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen oder den Vorstand dazu zu ermächtigen, wenn die Maßnahme allgemein (abstrakt) umschrieben und der Hauptversammlung in dieser Form bekannt gegeben wird und wenn sie im Interesse der Gesellschaft liegt. Sind der Hauptversammlung bereits einzelne Tatsachen bekannt gegeben worden, muss sie die Berechtigung des Bezugsrechtsausschlusses daran messen24. Der Vorstand muss bei dem Ausschluss des Bezugsrechts durch die Hauptversammlung im Rahmen seines unternehmerischen Handlungsspielraumes25 sorgfältig prüfen, ob der allein ihm bekannte vollständige Sachverhalt die Durchführung des Beschlusses der Hauptversammlung unter Beibehaltung des Ausschlusses des Bezugsrechts rechtfertigt. Ist das der Fall, kann der Vorstand von der Ermächtigung zur Durchführung der Kapitalerhöhung Gebrauch machen. Anderenfalls darf er die Maßnahme nicht durchführen. Ist der Vorstand zum Ausschluss des Bezugsrechts ermächtigt worden, hat er eigenverantwortlich zu prüfen, ob der Ausschluss im Interesse der Gesellschaft aus unternehmerischer Sicht geboten ist. Vermag er diese Frage zu bejahen, kann er von der Ermächtigung Gebrauch machen.

__________ 18 19 20 21 22 23 24 25

BGH, BGHZ 83, 319 (322, 324 f.). BGH, BGHZ 125, 239. BGH, BGHZ 136, 133. BGH, BGHZ 125, 239 (246 ff.). BGH, BGHZ 125, 249. Zu den Einzelheiten vgl. BGH, BGHZ 136, 133 (138). BGH, BGHZ 136, 135 (139). Vgl. dazu BGH, BGHZ 125, 239 (246 ff.); BGH, BGHZ 135, 244 (253 f.).

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Kontrolle des Bezugsrechtsausschlusses

2. Die Berichtspflicht des Vorstandes a) Das Urteil Holzmann Der Bundesgerichtshof hat versucht, die im Zuge der Umsetzung der Kapitalrichtlinie in die Vorschriften über die ordentliche Kapitalerhöhung eingefügte Berichtspflicht26 in das genehmigte Kapital zu integrieren27. Das ist in seinen Augen problemlos möglich, wenn sich die Planung bereits auf bestimmte, nach Art und Objekt absehbare Maßnahmen konkretisiert hat. Denn dann kann der Vorstand auch einen den Anforderungen des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG entsprechenden Bericht erstatten28. Sind jedoch wesentliche Fragen der Planung noch offen oder müssen sie im Gesellschaftsinteresse noch geheim gehalten werden und kann daher nicht sicher vorausgesagt werden, ob und unter welchen Umständen von der angestrebten Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss Gebrauch gemacht werden muss, sind die Gründe für ihre Erteilung auf jeden Fall so weit offenzulegen, wie es ohne Preisgabe der nicht abgeschlossenen Planungen notwendig ist, um der Hauptversammlung eine ausreichende sachliche Grundlage für ihre Entscheidung zu geben29. Die Frage, ob der Vorstand den Aktionären einen ergänzenden Bericht zuzusenden hat, sobald er von der Ermächtigung Gebrauch machen möchte, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen30. b) Die Urteile Siemens v. Nold und Mangusta/Commerzbank I Das Urteil Siemens v. Nold greift die Frage, ob der Vorstand den Aktionären vor seinem entsprechend der Ermächtigung gefassten Beschluss über den Bezugsrechtsausschluss einen Bericht zu erstatten hat, nicht ausdrücklich auf. Es verneint sie aber inzidenter mit dem Hinweis, der Vorstand habe nach seiner Entscheidung über den Bezugsrechtsausschuss der nächsten ordentlichen Hauptversammlung über sein Vorgehen Bericht zu erstatten31. In Mangusta/Commerzbank I lehnt der Bundesgerichtshof unter Vertiefung dieses Gedankens die Verpflichtung zu einer Berichterstattung des Vorstandes an die Aktionäre vor seinem Beschluss über den Ausschluss des Bezugsrechts mit eingehender Begründung ab32.

__________ 26 § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG, eingefügt durch Gesetz v. 12.12.1978 (BGBl. I, S. 1959). 27 Die Verweisung nach § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG auf § 186 Abs. 4 AktG umfasst nunmehr auch die Berichtspflichtregelung des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG. 28 BGH, BGHZ 83, 319 (326). 29 BGH, BGHZ 83, 319 (326 f.). 30 BGH, BGHZ 83, 319 (327). 31 BGH, BGHZ 136, 133 (140). 32 BGH, BGHZ 164, 241 (245 ff.).

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c) Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit der Rechtsprechung die Frage geprüft, ob der Bundesgerichtshof den beschwerdeführenden Aktionären mit der Weigerung, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes einzuholen, den gesetzlichen Richter entzogen hat33. Es hat das mit der Begründung verneint, der Bundesgerichtshof bewege sich mit seinen Ausführungen in dem ihm zukommenden Beurteilungsrahmen, weil er sich über das europäische Recht hinreichend kundig gemacht und die seine Entscheidung tragenden Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise dargelegt habe34. 3. Die Ausführungen zu den Klagemöglichkeiten der Aktionäre a) Das Urteil Holzmann Der Bundesgerichtshof bemüht sich, in den beiden Fallgestaltungen, die dem Beschluss der Hauptversammlung über die Ermächtigung des Vorstandes zum Bezugsrechtsausschluss zugrunde liegen – Beschränkung auf ganz bestimmte, nach Art und Objekt bereits absehbare Maßnahmen sowie noch nicht hinreichend bestimmte oder noch geheim zu haltende Maßnahmen, bei denen das Erfordernis des Bezugsrechtsausschlusses möglich ist, aber noch nicht endgültig feststeht oder noch geheimhaltungsbedürftig ist –, der Hauptversammlung so viele Tatsachen wie möglich für ihre Entscheidung zugänglich zu machen35. Ist das in dem für eine sachgerechte Entscheidung erforderlichen Maße nicht möglich, spricht das nach Ansicht des Bundesgerichtshofes dafür, dass die Voraussetzungen materiell gar nicht oder im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht gegeben sind36. Das Urteil versucht also, den Aktionärsschutz im Wesentlichen durch die – vorbeugende – Kontrolle der Rechtsmäßigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses im Wege der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage zu gewährleisten. b) Die Urteile Siemens v. Nold und Mangusta/Commerzbank II Auch nach den beiden Folgeurteilen37 steht der Weg der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage noch offen. Diese Kontrollmöglichkeit kann aber nicht als erfolgversprechend angesehen werden, weil der Hauptversammlung, soweit noch keine Konkretisierung eingetreten ist, nur ein abstraktes Abbild der Planungen und Ereignisse ohne nähere Konturen vorgelegt zu werden braucht. Der Bundesgerichtshof greift daher ergänzend zum Schutz des Bezugsrechtes

__________ 33 34 35 36 37

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. BVerfG, ZIP 2006, 1486 (1487 f.). BGH, BGHZ 83, 319 (322, 324, 326 f.). BGH, BGHZ 83, 319 (327). BGH, BGHZ 136, 133 (141) und BGHZ 164, 249.

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der Aktionäre auf die allgemeinen Kontrollmöglichkeiten des Zivilprozessrechts zurück. Das Urteil Siemens v. Nold spricht davon die Unterlassungsund Feststellungsklage an. In dem Urteil Mangusta/Commerzbank II wird die Möglichkeit erwähnt, eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Die analoge Anwendbarkeit der Vorschriften über die Nichtigkeits- und Anfechtungsklage auf Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse wird verneint, die Überprüfung von Vorstands- und Aufsichtsratshandeln durch die Erhebung einer Unterlassungs- oder Feststellungsklage aber unter eingehender Begründung bejaht38.

III. Kritische Würdigung der Urteile des Bundesgerichtshofes 1. Der Übergang von Holzmann zu Siemens v. Nold a) Die Praktikabilität der Holzmann-Grundsätze Die kritischen Anmerkungen von Martens39 zu dem Holzmann-Urteil des Bundesgerichtshofes, die auf die Entwicklung der instanzgerichtlichen Rechtsprechung nach Erlass dieses Urteils gestützt sind, kann man sehr leicht nachvollziehen, wenn man sich die Urteilspassagen vor Augen führt, die den Stein des Anstoßes bilden. So verlangt der Bundesgerichtshof für die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss bestimmte tatsächliche Anzeichen (konkrete Anhaltspunkte) dafür, dass der Vorstand zur Durchführung der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss genötigt sein könnte40. Er versucht diese Umschreibung durch Anführung von Beispielen zu konkretisieren wie etwa, es sei eine Betriebsausweitung durch Neuerwerb oder der Anschluss an ein anderes Unternehmen ins Auge gefasst, jedoch seien die näheren Einzelheiten oder die Auswahl unter mehreren Objekten noch offen oder im Gesellschaftsinteresse geheimzuhalten. In diesen Fällen sei es bei der Entscheidung über die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss nicht möglich, die sachlichen Gründe für dessen Notwendigkeit so genau zu beurteilen und darzulegen wie beim Bezugsrechtsausschluss durch einen Hauptversammlungsbeschluss. Es müsse die Ermächtigung nach § 203 Abs. 2 AktG, nicht schon der Bezugsrechtsausschluss selbst durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden41. Zum Vorstandsbericht heißt es, wenn sich noch nicht sicher voraussagen lasse, ob und unter welchen Umständen der Vorstand von der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss Gebrauch machen müsse, seien die Gründe für ihre Erteilung so weit offen zu legen, wie es den Umständen nach ohne eine für die Gesellschaft schädliche vorzeitige Preisgabe schwebender Planungen

__________ 38 39 40 41

BGH, BGHZ 164, 249 (253 ff.). Martens, ZIP 1992, 1677 (1678). BGH, BGHZ 83, 319 (322, 325). BGH, BGHZ 83, 319 (324 f.).

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möglich und zur sachgemäßen Information der Hauptversammlung erforderlich sei. Es ist schon eine nur unter Schwierigkeiten zu bewältigende Aufgabe abzuschätzen, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Anzeichen bzw. Anhaltspunkte so konkret sind, dass der Vorstand nicht nur die Durchführung einer Kapitalerhöhung, sondern auch den Ausschluss des Bezugsrechts in seine Überlegungen einbeziehen und mit dem Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Ermächtigung an die Hauptversammlung herantreten kann und zur Vermeidung von Nachteilen durch die Gesellschaft auch herantreten muss. Hier läuft er einerseits Gefahr, dass die von ihm aufgezeigten tatsächlichen Anzeichen als nicht ausreichend gewertet werden und das Gericht im Rahmen einer Anfechtungsklage die Gründe für den Bezugsrechtsausschluss als abstrakt einstuft, andererseits kann die von ihm ins Auge gefasste Maßnahme scheitern, wenn er den Ermächtigungsantrag zu spät stellt. Viel schwerer einzuschätzen ist es noch, den Rahmen abzustecken, in dem der Hauptversammlung Informationen erteilt und damit der Öffentlichkeit Einzelheiten der Planung bekannt gegeben werden können, ohne dass dadurch den Interessen der Gesellschaft Schaden zugefügt wird. Denn konkurrierende Unternehmen sind über das ihre Branche betreffende Wirtschaftsund Marktgeschehen in der Regel so gut informiert, dass ihnen nur geringfügige Andeutungen genügen, um weitergehende Schlüsse daraus zu ziehen und zu reagieren. Diese Schwierigkeiten schlagen sich in erster Linie in dem vom Vorstand der Hauptversammlung zu erstattenden Bericht nieder42, der die erste und – sieht man von ergänzenden Fragen und Bemerkungen in der Hauptversammlung ab – wesentliche Informationsquelle der Aktionäre über die der Ermächtigung zugrunde liegende Maßnahme ist. Angesichts dieser Einzelheiten verwundert es daher nicht, dass die überwiegende Zahl der Anfechtungsklagen, wie Martens schreibt, bereits wegen der Mangelhaftigkeit des Vorstandsberichts Erfolg gehabt hat. In Siemens v. Nold zieht der Bundesgerichtshof aus den Erfahrungen, die nach der Rechtsprechung der Instanzgerichte gemacht worden sind, und unter Einbeziehung der im Verfahren Deutsche Bank gewonnenen Erkenntnisse die Konsequenzen. Die Vorgaben von Holzmann sind ihm zu unbestimmt und führen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Zudem umfassen sie zu einem großen Teil Handlungsbereiche, die dem unternehmerischen Beurteilungs- und Handlungsspielraum des Vorstandes zugeordnet werden müssen. Ferner hat es sich als unmöglich erwiesen, Einzelheiten aus geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen herauszulösen und der Hauptversamm-

__________ 42 Das Erfordernis der Berichterstattung zu dem Tagesordnungspunkt Beschlussfassung über die Ermächtigung des Vorstandes zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre folgt aus § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG i. V. m. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG, vgl. BGH, BGHZ 164, 241 (245).

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lung bekannt zu geben, ohne für die Konkurrenz bedeutsame Unternehmensstrategien vorzeitig durchschaubar zu machen43. b) Die Vorratsermächtigung Holzmann44 spricht unmissverständlich aus, dass es unzulässig sei, die Ermächtigung ohne jeden konkreten Anlass, gewissermaßen auf Vorrat, mit einem Beschluss nach § 202 Abs. 2 AktG zu verbinden. Eine abstrakte Umschreibung der Gründe für den Bezugsrechtsausschluss genüge ebenso wenig wie die Aufzählung einer Reihe theoretischer Möglichkeiten für den Ausschluss. Davon ist Siemens v. Nold weitgehend abgerückt. Nach dieser Entscheidung genügt für den Ausschluss des Bezugsrechts durch die Hauptversammlung oder die Ermächtigung des Vorstandes dazu die allgemeine Umschreibung der Maßnahme. Der Bundesgerichtshof hält aber daran fest, dass sie im Interesse der Gesellschaft liegen muss45. Auch Siemens v. Nold lässt also keine beliebige Vorratsermächtigung zu, sondern baut in den abstrakten Tatbestand die materielle Beschlussvoraussetzung ein, die Kali und Salz46 für die ordentliche Kapitalerhöhung fordert. Plakativ kann man von einer Vorratsermächtigung mit gebundener Marschroute sprechen. Diese Beurteilung der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung mit Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre folgt aus der historischen Entwicklung des genehmigten Kapitals und seiner Einordnung in das System der Organkompetenzen. Die Schwerfälligkeit, unter der das Institut der ordentlichen Kapitalerhöhung gegen Einlagen47 leidet, ist schon früh beklagt worden. Wie stets, wenn die Gesetzgebung auf Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Gestaltung, die sich in der Praxis herausgestellt haben, nicht schnell genug reagiert, sucht und findet die Praxis einen Ausweg, auf dem sie die von ihr diagnostizierten Symptome zu beseitigen versucht. Dieser Weg bestand – in Anlehnung an die im angelsächsischen Rechtskreis geläufige Differenzierung zwischen subscribed und authorized capital48 – in der Schaffung von Vorratsaktien, mit denen sich der Vorstand die nötige wirtschaftliche Bewegungsfreiheit bei Finanzierungen über Eigenkapitalbeschaffung bewahren konnte. Da diese im deutschen Aktienrecht nicht vorgesehene Kapitalbeschaffungsform durch

__________ 43 44 45 46 47 48

BGH, BGHZ 136, 133 (138). BGH, BGHZ 83, 319 (322, 327). BGH, BGHZ 136, 133 (139, 140). BGH, BGHZ 71, 40. §§ 182 ff. AktG. Vgl. dazu Hirte in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2001, § 203 AktG Rz. 3 m. w. N. in Fn. 9.

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missbräuchliche Verwendung49 dazu führte, dass entweder das Prinzip der Kapitalaufbringung oder das Gewicht des Stimmrechts der Aktionäre bzw. beides unterminiert wurden, wurde der Gesetzgeber aktiv und nahm in das neu konzipierte Aktiengesetz die Vorschriften über das genehmigte Kapital auf, um der Gesellschaft die Möglichkeit zu eröffnen, in den gesetzlich vorgegebenen Grenzen jede sich bietende Gelegenheit zur Kapitalbeschaffung rasch und sicher auszunutzen50. Die Regelung wurde in das im Jahre 1965 neu gefasste Aktiengesetz übernommen51. Inhaltlich gab es nur eine – allerdings sehr bedeutende – Änderung: Die Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre, die bisher in der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung enthalten war, soweit die Ermächtigung darüber keine Bestimmung enthielt52, musste nunmehr ausdrücklich durch die Hauptversammlung erteilt werden. Geschah das nicht, durfte der Vorstand eine Kapitalerhöhung nur unter Wahrung des Bezugsrechts der Aktionäre vornehmen53. Dieser Schritt wurde mit der Überlegung begründet, der Ausschluss des Bezugsrechts nehme den Aktionären eines ihrer wirtschaftlich wichtigsten Mitgliedschaftsrechte. Die Zuständigkeit für diese Entscheidung solle daher bei der Hauptversammlung verbleiben. Da die Kapitalerhöhung aber erst in der Zukunft durchgeführt werde, dieses Ereignis möglicherweise erst in das fünfte Jahr nach dem Erhöhungsbeschluss falle und die wirtschaftlichen Verhältnisse sich in der Zwischenzeit ändern könnten, werde der Hauptversammlung das Recht eingeräumt, dem Vorstand die Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts zu überlassen. Damit werde eine den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasste Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss ermöglicht54. Aus diesen Ausführungen des Gesetzgebers folgt zweierlei: Er hat für die Gesellschaften ein Finanzierungsinstrument geschaffen, mit dem sie unter Ausschaltung des schwerfälligen Vorganges der ordentlichen Kapitalerhöhung schnell und sicher auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren und günstige Marktchancen nutzen können. Auch dieser Weg kann nur unter Beachtung

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49 Vgl. zur Finanzierung der Vorratsaktien mit Gesellschaftsmitteln und zur Nutzung des Stimmrechts durch die Verwaltung Flechtheim in Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1934, § 226 HGB Anm. 58 ff.; Klausing, Aktiengesetz, 1937, § 51 AktG, Amtl. Begr. zu § 51; Bericht des Ausschusses des Deutschen Anwaltvereins für Aktienrecht zum Regierungsentwurfe, 1932, S. 17; Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien….nebst erläuternden Bemerkungen, 1930, S. 95 und 119. 50 §§ 169 ff. AktG 1937; vgl. zu den Gründen der Schaffung des genehmigten Kapitals Quassowski in FS Schlegelberger, 1936, S. 389 ff.; Bing in Düringer/Hachenburg (Fn. 49), § 182 HGB Anm. 56; Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Fn. 49), S. 120 f.; Klausing, Aktiengesetz, 1937, Amtl. Begr. zu § 51 AktG. 51 §§ 202 ff. AktG. 52 §§ 169 Abs. 2, 171 Abs. 1 AktG 1937. 53 Vgl. § 203 Abs. 2 AktG. 54 BegrRegE bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 304.

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der mitgliedschaftlichen Rechte – hier: des Bezugsrechts – der Aktionäre beschritten werden. Die Bindung der Gesellschaft an das Bezugsrecht ihrer Aktionäre kann sich in dem Zeitpunkt, in dem der Vorstand das Kapital erhöhen und die Marktchance im Interesse der Gesellschaft nutzen möchte, als Hemmschuh erweisen. Die Hauptversammlung kann für den Zeitraum von bis zu fünf Jahren, für den die Ermächtigung zur Kapitalerhöhung ausgesprochen werden kann, nicht beurteilen, ob die Kapitalmaßnahme unter Beibehaltung oder nur unter Ausschluss des Bezugsrechts durchgeführt werden kann. Da die Marktteilnehmer ihre Konditionen unterschiedlich gestalten, hat der Gesetzgeber den Entscheidungsspielraum der Hauptversammlung unter Abwägung der Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre dieser wirtschaftlichen Situation dadurch angepasst, dass er der Hauptversammlung die Befugnis übertragen hat, die Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss dem Vorstand zu überlassen. Dieser gesetzgeberischen Intention läuft die Forderung von Holzmann zuwider, eine Ermächtigung dürfe die Hauptversammlung nur dann aussprechen, wenn bestimmte tatsächliche Anzeichen bzw. konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Vorstand zur Durchführung der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss genötigt sein könnte. Sie wird in der Regel den Zeitraum, für den die Ermächtigung nach dem Gesetz erteilt werden kann, erheblich einschränken und den Vorstand zwingen, der Hauptversammlung die Sache kurzfristig zur erneuten Beschlussfassung vorzulegen und die Eintragung einer erneuten Satzungsänderung zu veranlassen. Das widerspräche nicht nur dem gesetzgeberischen Ziel, die Eigenkapitalbeschaffung mit dem genehmigten Kapital zu erleichtern, sondern würde auch zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand führen, wenn man die gesamten Geschäftsabläufe der Gesellschaft in dieser Weise gestalten würde. Hingegen stehen die Anforderungen, die Siemens v. Nold an den Ermächtigungsbeschluss stellt, den Zielen des Gesetzgebers nicht entgegen. Denn die Festlegung der Ziele, die der Vorstand mit der Kapitalmaßnahme verfolgt, und ihre abstrakte Umschreibung machen das Vorhaben für die Hauptversammlung überschaubar und bringen keine Einschränkungen für den zur Verfügung stehenden Zeitraum von fünf Jahren mit sich. Unter diesen, mit den gesetzgeberischen Intentionen vereinbaren Einschränkungen wird dem Vorstand keine unbeschränkte Vorratsermächtigung erteilt, wie sie mit den Vorratsaktien verbunden war, sondern es werden bestimmte Planungsziele angesteuert, die im Interesse der Gesellschaft liegen und die nicht darauf angelegt sind, die Gesellschaft rechtlich von Drittunternehmen abhängig zu machen oder das Stimmrecht der Aktionäre zugunsten von Möglichkeiten einer Einflussnahme der Verwaltung einzuschränken. Die Ermächtigungsbeschlüsse der Hauptversammlung führen zu einer eindeutigen Kompetenzänderung. Der Vorstand ist einmal berechtigt, in den ihm vorgegebenen Schranken eine Strukturentscheidung zu treffen, die ansonsten der Hauptversammlung vorbehalten ist. Er erlangt zum anderen das Recht, 211

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eine Entscheidung über ein Mitgliedschaftsrecht, das Bezugsrecht der Aktionäre, zu treffen, das nach der Zuständigkeitsordnung des Aktiengesetzes ebenfalls nur der Hauptversammlung zusteht. Auf ihr fußen Entscheidungen wie Holzmüller55 bzw. Gelatine56 und Macrotron57. Diese klare Abgrenzung vermeidet Zuständigkeitsgemengelagen, zu denen die Grundsätze von Holzmann weitgehend führten. 2. Die ungeschriebenen sachlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss Die Konzeption von Holzmann, die in Kali und Salz für den Bezugsrechtsausschluss entwickelten ungeschriebenen sachlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen – sie werden auch als Ausfluss der Treupflicht unter den Aktionären gewertet58 – auch beim genehmigten Kapital so weitgehend wie möglich in die Beschlusskontrolle zu integrieren, begegnete nicht nur in der praktischen Umsetzung kaum überwindbaren Schwierigkeiten59, sondern widerspricht auch der gesetzlichen Regelung, dass die Hauptversammlung den Vorstand einmal zu der Durchführung einer Kapitalerhöhung, aber auch zu einer damit verbundenen Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre ermächtigen kann. Diese Ermächtigung unterliegt nur zwei im Gesetz enthaltenen Einschränkungen: Das sind die Begrenzung des Zeitraumes auf fünf Jahre und des Nennbetrages der Kapitalerhöhung auf die Hälfte des im Beschlusszeitpunkt vorhandenen Grundkapitals. Eine weitergehende Beschränkung derart, dass eine Ermächtigung erst erteilt werden darf, wenn bestimmte tatsächliche Anzeichen (konkrete Anhaltspunkte) dafür gegeben sind, der Vorstand könne zu einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts genötigt sein60, sieht das Gesetz nicht vor. Die von Siemens v. Nold geforderte allgemeine Umschreibung der Ermächtigungszwecke bewegt sich in dem Rahmen, den das Gesetz für Kapitalerhöhungen vorgibt. Soweit die Hauptversammlung auf dieser Grundlage Beschlüsse fasst, unterliegen sie der Überprüfung im Verfahren der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage61. Für die Schritte, in denen ein Vorhaben tatsächliche Gestalt annimmt, ist kraft der von der Hauptversammlung ausgesprochenen Ermächtigung der Vorstand verantwortlich. Im Rahmen der Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse hat er auch eigenverantwortlich zu entscheiden, ob der Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre im Interesse

__________ 55 56 57 58

BGH, BGHZ 83, 122. BGH, BGHZ 159, 30. BGH, BGHZ 153, 47. Vgl. dazu Henze, Aktienrecht, Höchstrichterliche Rechtsprechung, 5. Aufl. 2002, Rz. 1047 ff. m. w. N.; ders., ZHR 162 (1998), 186 (187). 59 Vgl. dazu Henze, ZHR 162 (1998), 186 (189). 60 Vgl. dazu BGH, BGHZ 83, 319 (322, 324 f.). 61 Vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung in BGH, Beschl. v. 21.11.2005 – II ZR 79/04, AG 2006, 246.

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der Gesellschaft vorzunehmen ist oder ob er die Maßnahme ohne diesen Ausschluss vornehmen muss. Gleiches gilt für den Aufsichtsrat, sobald er die vom Vorstand getroffene Entscheidung überprüft und darüber befindet, ob er seine Zustimmung erteilen kann oder nicht. Weder der Vorstandsbeschluss noch der Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats können mit der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage angegriffen werden62. Fraglich ist, ob das Kontroll- und Überprüfungssystem beim genehmigten Kapital, wie es sich nach diesen Ausführungen darstellt, als abschließende Regelung anzusehen ist oder die vom Vorstand getroffenen Maßnahmen mit den zivilprozessual allgemein zur Verfügung stehenden Möglichkeiten – Unterlassungs-, Feststellungs- und Leistungs- in Form der Schadenersatzklage sowie einstweiliges Verfügungsverfahren – einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können.

IV. Gerichtliche Überprüfung der Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat Der Bundesgerichtshof hat bereits in Siemens v. Nold in einem obiter dictum63 darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Vorstandes über den Ausschluss des Bezugsrechts in mehrfacher Weise einer nachwirkenden Kontrolle unterworfen ist bzw. unterworfen werden kann. Einmal bedarf der Vorstandsbeschluss zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 204 Abs. 1 Satz 2 AktG). Zum anderen ist der Vorstand verpflichtet, über die Einzelheiten der von ihm getroffenen Maßnahmen der nächsten ordentlichen Hauptversammlung zu berichten und auf Fragen der Aktionäre Rede und Antwort zu stehen. Ferner kann er bei Pflichtverletzungen zur Leistung von Schadenersatz herangezogen werden (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG). Letztlich können sich die Aktionäre auch durch die Erhebung einer Unterlassungs- oder Feststellungsklage gegen die Gesellschaft zur Wehr setzen. Diese Ausführungen hat der Bundesgerichtshof in den beiden Urteilen Mangusta/Commerzbank64 bestätigt und eingehend begründet. 1. Bedenken gegen die Zulassung einer Klagemöglichkeit Der Bundesgerichtshof führt zu der Möglichkeit, gegen den Beschluss des Vorstandes, mit dem von der Ermächtigung der Hauptversammlung Gebrauch gemacht wird, Klage zu erheben, u. a. Folgendes aus65:

__________ 62 Vgl. zu den Aufsichtsratsbeschlüssen BGH, BGHZ 122, 342 (347 ff.); BGHZ 124, 111 (125); BGHZ 135, 244 (247); BGH, ZIP 2005, 2207 (2208). 63 BGH, BGHZ 136, 133 (140 f.). 64 BGH, ZIP 2005, 2205 – Mangusta/Commerzbank I; BGH, ZIP 2005, 2207 – Mangusta/Commerzbank II. 65 BGH, ZIP 2005, 2207 (2209).

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Hartwig Henze „Mit dem Absenken der Anforderungen an den Ermächtigungsbeschluss … wurde … keinesfalls … der … Schutz der Aktionäre herabgesetzt und der Kompetenzbereich des Vorstands zu Lasten der Hauptversammlung erweitert …. Angesichts der Lockerung der präventiven Schranken bei der Erteilung der Ermächtigung muss danach sichergestellt sein, dass im Rahmen der Ausübung der Ermächtigung eine angemessene, systemkonforme gerichtliche Kontrollmöglichkeit zur Verfügung steht; diese besteht … vornehmlich in der allgemeinen Feststellungsklage gem. § 256 ZPO.“

An anderer Stelle heißt es dazu weiter66: „Die Zulassung einer die Nichtigkeit der Verwaltungsbeschlüsse … feststellenden Klage … schließt eine vom Gesetzgeber gelassene Lücke.“

Diese Ausführungen des Bundesgerichtshofes sind unter verschiedenen Aspekten nachdrücklich kritisiert worden. Eine Gesetzeslücke sei nicht gegeben, weil das Aktiengesetz den Aktionären für „Organstreitigkeiten“ ausschließlich die im Gesetz vorgesehenen Rechtsbehelfe und Klageformen zur Verfügung stelle. Unterlassungs- bzw. Feststellungsklage seien als Instrument der Individualkontrolle nicht erforderlich, weil das Aktiengesetz zum Schutz der Aktionäre ein gestuftes, gesetzliches Sanktionensystem zur Verfügung stelle. Als Stichworte werden dazu angeführt die Kontrolle des Vorstandes durch den Aufsichtsrat, das Auskunftsrecht der Aktionäre, die Kritik auf der nächsten Hauptversammlung, Verweigerung der Entlastung, Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder oder Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen67. Diesem umfassenden Widerstand gegen die Eröffnung einer Klagemöglichkeit gegen Beschlussmaßnahmen von Vorstand und Aufsichtsrat kann nicht gefolgt werden. Allerdings trifft es zu, dass das Aktienrecht über ein in sich geschlossenes Kompetenz- und Kontrollsystem verfügt. Die Leitungsbefugnis des Vorstandes68 unterliegt der präventiven und nachwirkenden Kontrolle des Aufsichtsrates69. Die unternehmensbezogenen Rechte der Aktionäre schlagen sich in bestimmten Informationsrechten70 sowie den Auskunftsund Mitwirkungsrechten in der Hauptversammlung71 nieder. Die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung kann der Aktionär durch die Nichtigkeits- und Anfechtungsklage gerichtlich überprüfen lassen. Zudem stehen ihm noch bestimmte Quotenrechte zu, bei deren Erreichung die Aktionäre Sonderprüfungsrechte72 oder die Verfolgung von Schadenersatzrechten gegen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat73 geltend machen können. Diese Maßnahmen gewährleisten zugleich den Schutz der gesell-

__________ 66 67 68 69 70 71 72 73

BGH, ZIP 2005, 2207 (2210). Waclawik, ZIP 2006, 397 (402 f.). § 76 Abs. 1 AktG. Vgl. u. a. §§ 90, 111, 171, 293a, 293f, 293g AktG. Vgl. u. a. §§ 124, 179 ff., 293 AktG. §§ 126 ff., 133 ff. AktG. Z. B. § 142 Abs. 2 AktG. §§ 147 Abs. 2, 148 AktG.

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schaftlichen Individualrechte der Aktionäre74. Schließt beispielsweise die Hauptversammlung bei der ordentlichen Kapitalerhöhung das Bezugsrecht der Aktionäre aus, ist der Aktionär in der Lage, die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses durch Erhebung einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage gerichtlich überprüfen zu lassen. Steht dem Aktionär ein Ausgleichs- oder Abfindungsanspruch zu, kann er dessen Angemessenheit im sog. Spruchverfahren75 zur Überprüfung durch das Gericht stellen. Fasst der Vorstand unter Ausnutzung der ihm von der Hauptversammlung erteilten Ermächtigung den Beschluss, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen, hat der Aktionär keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses im Kassationsverfahren nachprüfen zu lassen. Ihm steht nur das Recht zu, den Beschluss der Hauptversammlung über die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss anzufechten. In diesem Verfahren kann aber nur die abstrakte Sachverhaltsdarstellung auf den Prüfstand gestellt werden, auf der die Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts beruht. Diese wird in der Regel unangreifbar sein; zudem hat sie nicht den konkreten Bezugsrechtsausschluss aufgrund der Durchführung einer bestimmten Maßnahme zum Gegenstand. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses Eingriffs in das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs durch ein Gerichtsverfahren sehen die Vorschriften über das genehmigte Kapital nicht vor. Ob damit aber eine „vom Gesetzgeber gelassene Lücke“76 vorliegt, ist zweifelhaft. Offensichtlich hat der Gesetzgeber die von ihm im Jahre 1937 in das Gesetz eingefügte Regelung über das genehmigte Kapital dem Kompetenzund Kontrollsystem des Aktiengesetzes angepasst und diese Regelung als abschließend und für einen angemessenen Schutz der Aktionäre als ausreichend angesehen. Die Ermächtigung des Vorstandes zur Kapitalerhöhung77 umfasst danach die Entscheidung über den Inhalt der Aktienrechte, den Ausschluss des Bezugsrechts und die sonstigen Bedingungen der Aktienausgabe, soweit die Ermächtigung dazu keine – abweichenden – Bestimmungen enthält. Die Zustimmung des Aufsichtsrates ist nur in Form einer Soll-Bestimmung gefasst78, war also nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung konzipiert. Das heutige Gesetz verweist in § 203 Abs. 1 AktG ausdrücklich auch auf die Regelung des Bezugsrechtsausschlusses durch die Hauptversammlung, lässt jedoch eine – ausdrückliche – Ermächtigung des Vorstandes durch die Hauptversammlung zu (§ 203 Abs. 2 AktG). Für die Entscheidung des Vorstandes über den Bezugsrechtsausschluss – und den Inhalt der Aktienrechte sowie

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74 Anteils-, Liquidations-, Gewinnbezugs- und Anteilsbezugsrecht. 75 Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren v. 12.6.2003 (BGBl. I, S. 838). 76 So aber BGH, ZIP 2005, 2207 (2210). 77 § 169 Abs. 2 AktG 1937; § 170 Abs. 1 AktG 1937 sieht von der Anwendbarkeit des § 153 Abs. 3 und 4 AktG 1937 (Ausschluss des Bezugsrechts nur durch die Hauptversammlung, Ankündigung in der Tagesordnung) ausdrücklich ab. 78 § 171 Abs. 1 AktG 1937.

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die Bedingungen der Aktienausgabe – ist die Zustimmung des Aufsichtsrates zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Ermächtigung des Vorstandes zum Bezugsrechtsausschluss und seine Entscheidung darüber ist demnach noch nachhaltiger in das Kompetenz- und Kontrollsystem des Aktiengesetzes eingebettet worden, ohne dass der Gesetzgeber auch zu diesem Zeitpunkt als weitere Konsequenz die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung des Bezugsrechtsausschlusses durch den Vorstand ins Auge gefasst hat. Diese Einzelheiten weisen doch eher daraufhin, dass der Gesetzgeber die Kontrolle des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung als ausreichend zur Wahrung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre angesehen hat. Die Deutung des Zustimmungserfordernisses durch den Aufsichtsrat als strukturell weniger effiziente Mitwirkungshandlung durch den Bundesgerichtshof79 scheint mir zu Recht kritisch gewürdigt worden zu sein80. Denn auch in den Fällen, in denen eine Maßnahme des Vorstandes der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf81, handelt der Aufsichtsrat als Kontrollorgan. Ein Kontrollversagen des Aufsichtsrats droht hier nicht mehr oder weniger als bei der Ausübung seiner allgemeinen präventiven oder nachwirkenden Überwachungs- und Kontrolltätigkeit82. Der einzige Unterschied mag darin liegen, dass in den Zustimmungsfällen ein Kontrollversagen leichter festgestellt werden kann. Der entscheidende Gesichtspunkt für die vom Bundesgerichtshof als zulässig erachtete Klagemöglichkeit gegen einen Bezugsrechtsausschluss durch den Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats ist der Eingriff in ein Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre, das in seinem vermögensrechtlichen Teil den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt83. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss gewährleistet sein, dass in Fällen, in denen das vermögenswerte Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs durch Maßnahmen der Verwaltung beeinträchtigt werden kann, dem Aktionär die Möglichkeit gewährt wird, Beeinträchtigungen feststellen zu lassen und sich gegen diese zur Wehr zu setzen84. Weniger maßgebend ist, wie zu den Ausführungen des Bundesgerichtshofes zutreffend bemerkt wird85, bei dem genehmigten Kapital die Frage der Kompetenzüberschreitung. Dem Vorstand ist die Kompetenz der Hauptversammlung in gesetzlich zulässiger Weise übertragen worden. Verlässt er bei seiner Entscheidung den gesetzlichen Rahmen der Ermächtigung, greift er nicht in die Kompetenz der Hauptversammlung ein, sondern begeht eine Pflichtverletzung. Würde die Hauptversammlung einen

__________ 79 BGH, ZIP 2005, 2207 (2210). 80 Waclawik, ZIP 2006, 397 (403); Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 (305 unter 1.3 Abs. 2). 81 Vgl. außer § 204 Abs. 1 AktG (Außenwirkung) vor allem § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG (Innenwirkung). 82 Vgl. dazu BGH, BGHZ 135, 244 (252 ff.). 83 BGH, BGHZ 147, 108 (115 ff.); BGHZ 153, 47 (54 f.). 84 BVerfG, AG 201, 42 (43 f.); BGH, BGHZ 83, 122 (125 ff.). 85 Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 (305 Fn. 54).

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Beschluss fassen, der den vom Vorstand gemachten Fehler aufweisen würde, wäre der Hauptversammlungsbeschluss gesetzeswidrig und damit anfechtbar. Eine Kompetenzüberschreitung ist nur dann denkbar, wenn konkrete Vorgaben der Hauptversammlung zur Ermächtigung missachtet werden86. 2. Die Kritik an den Klagemöglichkeiten im Einzelnen Aus den vorstehenden Ausführungen geht hervor, dass den Aktionären Klagemöglichkeiten gegen Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse bei Durchführung des genehmigten Kapitals nur dann gewährt werden können, wenn die Maßnahmen ihre vermögensrechtlichen Mitgliedschaftsrechte verletzen. Dafür kommen u. a. folgende Beispiele in Betracht: Rückwirkende Gewinnbeteiligung der jungen Aktien als Entscheidung über den Inhalt der Aktienrechte, weil darin eine Verletzung des Gewinnbezugsrechts der Altaktionäre liegt87; Beachtung der durch §§ 9 Abs. 1 und 255 Abs. 2 AktG zu den Bedingungen der Aktienausgabe gezogenen Grenzen, weil anderenfalls einmal gegen das Gebot der Kapitalaufbringung verstoßen und zum anderen eine Wertverwässerung zu Lasten der Altaktionäre vorgenommen würde88; Verstoß gegen den Grundsatz, den Bezugsrechtsausschluss nur im Interesse der Aktiengesellschaft vorzunehmen. Hingegen kann man den Aktionären kein allgemeines Recht auf Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Vorstands- oder Aufsichtsratsbeschlusses zubilligen, wie es ihnen das Gesetz für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung durch die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage zuerkennt. Die Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns hat der Aufsichtsrat im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungspflicht zu prüfen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse ist Sache der Aufsichtsrats- und in sehr beschränktem Umfange der Vorstandsmitglieder89. Aktionären kann ein Interesse an der Feststellung der Beschlussnichtigkeit nur dann zugebilligt werden, wenn der Beschluss ihr Mitgliedschaftsrecht berührt90, allenfalls noch dann, wenn dem Aufsichtsrat vorgeworfen wird, der Beschluss habe das Gesellschaftsvermögen beeinträchtigt91. Der Bundesgerichtshof hat sowohl die Unterlassungs- als auch die Feststellungsklage als Instrument zum Schutz der vermögenswerten Aktionärsrech-

__________ 86 87 88 89

Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 (305 Fn. 54); vgl. auch Kubis, DStR 2006, 188 (191). Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 204 AktG Rz. 4. Hüffer (Fn. 87), § 204 AktG Rz. 5. Vgl. BGH, BGHZ 135, 244 (248 f.); Mertens in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1995, § 108 AktG Rz. 89; Semler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 108 AktG Rz. 273; Hopt/Roth in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2006, § 108 AktG Rz. 178. 90 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, Rz. 615. 91 Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 89), § 108 AktG Rz. 89; Semler in MünchKomm. AktG (Fn. 89), § 108 AktG Rz. 274; Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 89), § 108 AktG Rz. 177; weitergehend Baums, ZGR 1983, 300 (340); Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 (304).

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te anerkannt92. Der – vorbeugenden – Unterlassungsklage widmet er keine eingehenderen Überlegungen, weil ihr, wie er zutreffend bemerkt, im Hinblick auf das Zeitmoment nur eine beschränkte Bedeutung zukommt. Das trifft sicher zu. An die Stelle der Unterlassungsklage ist, wie Krämer/Kiefner im Einzelnen darlegen93, in der Praxis jedoch das einstweilige Verfügungsverfahren getreten. Einer unangemessenen Verzögerung der Eintragung des genehmigten Kapitals wollen sie dadurch beikommen, dass die Gesellschaft bei dem zuständigen Gericht94 eine Schutzschrift hinterlegt. Nach den gegenwärtig auf dieses Verfahren anwendbaren Vorschriften95 ist das in der Tat die einzige Möglichkeit, um drohende Nachteile von den Gesellschaften abzuwenden. Bei der Professionalität und Rücksichtslosigkeit, mit der die sog. räuberischen Aktionäre gegen die Gesellschaften vorgehen, mögen sich die großen Aktiengesellschaften, die sich den Rat insoweit versierter großer Rechtsanwaltskanzleien sichern können, gegen dieses Vorgehen einigermaßen absichern können. Um die übrigen Gesellschaften dürfte es jedoch schlecht bestellt sein. Die Rechtsprechung sollte zu der Unterlassungs- bzw. der präventiv erhobenen Feststellungsklage erwägen, die Regelung über das Freigabeverfahren96 nicht nur dann anzuwenden, wenn im Rahmen des genehmigten Kapitals, das ausdrücklich in Bezug genommen ist, Klagen gegen die der Kapitalerhöhungsmaßnahme zugrundeliegenden Hauptversammlungsbeschlüsse, sondern auch dann, wenn Unterlassungs- oder Feststellungsklage gegen die Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat erhoben werden. Offensichtlich orientiert sich die Gesetzeskonzeption noch an den Voraussetzungen von Holzmann. Da sie keine Tendenz erkennen lässt, Verwaltungsbeschlüsse, die aufgrund der im Gesetz vorgesehenen Ermächtigung den gleichen Regelungsgegenstand haben wie die in § 246a AktG aufgeführten Hauptversammlungsbeschlüsse, von der Anwendung des Rechtsgedankens auszunehmen97, sollten die Gerichte die Möglichkeit wahrnehmen, den Gedanken der Regelung auf Unterlassungs- und Feststellungsklagen anzuwenden. Ob die Rechtsprechung den Mut aufbringen wird, im Wege der Rechtsfortbildung die Interessenklausel des § 246a Abs. 2 Alt. 3 AktG in das einstweilige Verfügungsverfahren zu integrieren, mag man mit Fug und Recht bezweifeln. Denn hier würde sie wohl die Grenze überschreiten, die der Rechts-

__________ 92 BGH, ZIP 2005, 2207 (2209); BGH, BGHZ 136, 133 (140 f.); BGHZ 83, 122 (125, 133 ff.). 93 Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 (307 ff.). 94 Zuständig ist das Gericht der Hauptsache, § 937 Abs. 1; das Gericht der Hauptsache ist das am Sitz der Gesellschaft, § 17 Abs. 1 ZPO. 95 §§ 935 ff. ZPO. 96 § 246a AktG. 97 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), Sonderbeilage zu Heft 4/2004 der NZG, 19 ff.

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fortbildung im Verhältnis zur Gesetzgebung gesetzt ist. Der Gesetzgeber sollte sich jedoch zu einer solchen Maßnahme auf jeden Fall aufgerufen fühlen, um Nachteile und Schäden von den Gesellschaften abzuwenden, die ihnen durch die Häufung der Verfügungsverfahren drohen, die zu Erpressungszwecken, gepaart mit dem Michael-Kohlhaas-Prinzip, eingeleitet werden. Gegen die Erhebung der Feststellungsklage sind Bedenken aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes erhoben worden98. Der Bundesgerichtshof hat apodiktisch dazu erklärt, der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Leistungsklage finde keine Anwendung, weil es in der vorliegenden Fallkonstellation gerade darum gehe, durch Zulassung dieser Klage zur Schaffung gebotenen Rechtsschutzes eine Gesetzeslücke zu schließen99. Das kommt dem „basta“-Prinzip nahe, das in der jüngsten Geschichte der deutschen Politik Fuß gefasst hatte. Immerhin ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die Umsetzung des Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlusses durch die Präventivmaßnahme der Unterlassungsklage verhindert werden kann, weil eine Eintragung noch nicht vollzogen worden ist. Ist der Zeichnungsvorgang bereits abgeschlossen und hat das Registergericht die Eintragung bereits vorgenommen, kann es nur noch um Zahlung eines Ausgleichs für den Verlust des Bezugsrechts und daraus herrührender möglicher Schäden gehen. Dennoch ist dem Bundesgerichtshof im Ergebnis zuzustimmen. Die Erhebung der Feststellungsklage wird, soweit sie nicht offensichtlich unbegründet zu sein scheint, regelmäßig ausreichen, um den Vorstand und den Vorsitzenden des Aufsichtsrats davon abzuhalten, die Eintragung der Kapitalerhöhung zu betreiben. Die Gefahr, für eventuelle Schäden daraus verantwortlich gemacht zu werden, ist unter den Umständen, wie sie sich in den letzten beiden Jahrzehnten entwickelt haben, zu groß. Endgültig scheitern würde die Eintragung bei dem Registergericht. Denn die Klage wird dem Richter vorliegen. Da das Richterprivileg des § 839 Abs. 2 BGB für ihn nicht gilt, wird er kein Risiko eingehen und zunächst einmal abwarten. Ist die Kapitalerhöhung eingetragen und geht es nur noch um Entschädigung und möglicherweise die Leistung von Schadenersatz, kommen zwei Grundsätze zum Tragen, die das Prinzip der Subsidiarität wegfallen lassen: Stellt das Urteil die Rechtswidrigkeit des Bezugsrechtsausschlusses fest, wird die Leistung der Entschädigung für den Verlust des Bezugsrechts auch ohne vollstreckbaren Titel erbracht werden. Der Schaden, der von dem Aktionär geltend gemacht werden kann, wird in aller Regel zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig feststehen. Es ist anerkannt, dass unter diesen Umständen die Erhebung einer Feststellungsklage ausreichend ist.

__________ 98 Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301 (304 f.); Paschos, DB 2005, 2731 (2732); Bungert, BB 2005, 2757 (2758). 99 BGH, ZIP 2005, 2207 (2211).

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V. Zusammenfassung und Ergebnis 1. Die Abänderung von Holzmann durch Siemens v. Nold war erforderlich, weil Holzmann der Regelung des genehmigten Kapitals aufgrund seiner historischen Entwicklung und seiner Einordnung in das System der Organkompetenzen nicht entsprach und den Aktiengesellschaften mit diesem Institut die Möglichkeit erhalten werden musste, auf die sich auf dem Beteiligungsund Kapitalmarkt bietenden Gelegenheiten flexibel und rasch reagieren zu können. Dieser Umstand macht es auch erforderlich, von der Erstattung eines Berichts des Vorstands an die Aktionäre über den Bezugsrechtsausschluss und dessen Gründe vor Ausübung der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung und zum Ausschluss des Bezugsrechts abzusehen. 2. Die Zulassung einer Klagemöglichkeit der Aktionäre gegen einen Bezugsrechtsausschluss durch Vorstand und Aufsichtsrat ist zum Schutze des Vermögenswertes ihrer Anteile von Verfassungs wegen geboten. Der Mangusta/ Commerzbank II – Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist daher im Ergebnis zuzustimmen. 3. Den Aktionären steht ein Klagerecht gegen Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse im Rahmen des genehmigten Kapitals nur bei Beeinträchtigungen des vermögenswerten Teiles ihres Mitgliedschaftsrechtes zu. 4. Der Rechtsgedanke des Freigabeverfahrens (§ 246a AktG) sollte auf die Unterlassungs- bzw. Feststellungsklage gegen Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat über Kapitalerhöhung und Bezugsrechtsausschluss zum Schutz der Gesellschaften angewandt werden. 5. Der Gesetzgeber sollte die Interessenklausel des § 246a Abs. 2 Alt. 3 AktG in das einstweilige Verfügungsverfahren integrieren, um die Registergerichte an eine in diesem Verfahren ergangene Entscheidung zu binden.

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Die Limited zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht – Gestaltungsspielräume oder der Platz zwischen zwei Stühlen? Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Reichweite der Pflicht zur Anerkennung des ausländischen Gesellschaftsrechts 1. Rechts- und Parteifähigkeit sowie Finanzverfassung 2. Organisationsverfassung III. Minderheitenschutz nach englischem Recht 1. Gesellschaftsrechtlicher Befund

2. Kapitalmarktrechtlicher Befund 3. Folgerungen IV. Lösungsansätze 1. Sonderanknüpfung des deutschen Rechts 2. Kapitalmarktrechtliche Qualifikation des deutschen Rechts V. Zusammenfassung

I. Einleitung Wenn dem Geburtstagskind (dem man sein Alter gar nicht abnimmt) in den letzten Monaten ein Thema unter den Nägeln brannte, dann war es das Vordringen der (vor allen Dingen) englischen Gesellschaften auf den deutschen Markt im Gefolge der bekannten EuGH-Judikate Centros1, Überseering2 und – vor allem – Inspire Art3. Unermüdlich setzte Priester sich dafür ein, deutsche Standards trotz der übermächtig scheinenden Konkurrenz nicht aufs Spiel zu setzen und insbesondere das im Nennkapitalprinzip verwirklichte Gläubigerschutzkonzept deutscher und (kontinental-)europäischer Prägung zu verteidigen4. Eigentlich – so forderte er gegen eine erhebliche Zahl ab-

__________ 1 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 = ZIP 1999, 438 = NJW 1999, 2027 = DB 1999, 625 (Meilicke) = BB 1999, 809 (Sedemund) = NZG 1999, 298 (Leible) = IStR 1999, 253 = EWiR Art. 52 EGV 1/99, 259 (Neye). 2 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919 = ZIP 2002, 2037 = NJW 2002, 3614 = NZG 2002, 1164 = EWiR Art. 43 EG 1/02, 1003 (Neye) = EWS 2002, 573 (Hirte). 3 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155 = ZIP 2003, 1885 = NJW 2003, 3331 = NZG 2003, 1064 = DB 2003, 2219 = EWS 2003, 513 (Hirte). 4 Priester, DB 2005, 1315 (1317); ders. in VGR (Hrsg), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1 (5 ff.); Pentz/Priester/Schwanna in Lutter (Hrsg.), ZGR-Sonderheft 17: Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006, S. 42 (65 ff.); in dieselbe Richtung in jüngerer Zeit auch Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals im

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weichender Stimmen (zu denen auch der Verf. zählt) – müsse das Stammkapital der deutschen GmbH nicht etwa herabgesetzt oder gar abgeschafft, sondern heraufgesetzt werden5. Wie sehr ihn das „Teufelszeug Limited“6 aufgebracht hat, mag man daran ermessen, dass er dem Verfasser dieser Zeilen in den Munde legt, er gehe von zweiwöchentlich 7000 neuen deutschen Limiteds aus7. Doch hat er nur gesagt: „Die Gründungszahlen englischer Limiteds sind schon im unmittelbaren Anschluss an die Überseering-Entscheidung des EuGH von zweiwöchentlichen ca. 5500 Neugründungen auf ca. 7000 hochgeschnellt – und auf diesem Niveau verblieben.“ Es ging also um die Gesamtzahl der Limited-Gründungen sozusagen „weltweit“, und diese war seinerseits auch nur um 1500 pro zwei Wochen gestiegen, und dafür war die EuGH-Judikatur auch nur eine von mehreren Ursachen. Angesichts solch’ gefärbter Wahrnehmung fürchtet der Verfasser bei aller Verehrung für das Geburtstagskind, dass es sich durch einen erneuten Vortrag der (inzwischen allgemein bekannten) Argumente – und auch etwaiger neuer Gesichtspunkte – nicht von seinem Weg der „kapitalen Tugend“ abbringen lassen wird. Deshalb sei hier der mehr oder weniger subtile Versuch unternommen, dem Gefeierten sozusagen hinten herum einen Teil des Potentials aufzuzeigen, das in der Limited steckt – und damit vielleicht an das „notarielle Herz“ des Jubilars als Rechtsgestalter zu appellieren.

II. Reichweite der Pflicht zur Anerkennung des ausländischen Gesellschaftsrechts 1. Rechts- und Parteifähigkeit sowie Finanzverfassung Wie weit auf der Grundlage der angesprochenen EuGH-Judikatur die Pflicht zur Anerkennung ausländischer Gesellschaften im Inland reicht, ist in vielen Einzelheiten unklar8. Als sicher kann danach nur gelten, dass eine ausländische Gesellschaft (als solche – und nicht infolge einer Umqualifikation

__________

5

6 7 8

europäischen Wettbewerb. Reformüberlegungen zum deutschen GmbH-Recht, 2006, S. 185 ff.; Teichmann, NJW 2006, 2444 (2446); J. Vetter, ZGR 2005, 788 (825 f.); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 (14, 20 ff.). Priester, DB 2005, 1315 (1317); zur Logik dieser Schlussfolgerung auch Haas, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages, 2006, Gutachten S. E 128; ders., DStR 2006, 993 (998); Hirte, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages, 2006, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse, S. P11, P18. Ob Priester selbst diese Bezeichnung verwandt hat, konnte der Verfasser nicht mit Sicherheit feststellen; es dürfte ihm aber jedenfalls aus der tiefsten Seele gesprochen sein. Priester, DB 2005, 1315 Fn. 12 zu Hirte, GmbHR 2003, R 421. Überblick bei Hirte in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006, § 1 Rz. 23 ff.

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Die Limited zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

in eine deutsche Personengesellschaft) im Inland als rechts- und parteifähig anzuerkennen ist, dass sie insolvenzfähig9 und dass sie grundbuchfähig ist10. Gleiches gilt für die (schon seit langem anerkannte) Komplementärfähigkeit als die Fähigkeit, die Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters in einer Kommanditgesellschaft zu übernehmen11. Kaum diskutiert, aber zu bejahen ist auch die Kaufmannseigenschaft einer ausländischen juristischen Handelsgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz12 und ihre Fähigkeit ein Konto zu führen (was für die Frage von Bedeutung ist, wessen Identität nach § 154 AO festzustellen ist); bei der Umwandlungs- bzw. Verschmelzungsfähigkeit sind demgegenüber nach wie vor Fragezeichen angebracht13. Inzwischen kann auch – jedenfalls im Grundsatz – als gesichert gelten, dass die Finanzverfassung und damit die Haftungsbeschränkung einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland anzuerkennen ist. Das hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil v. 14.3.2005 klargestellt, frei-

__________ 9 AG Hamburg, ZIP 2003, 1008 (1009) = NJW 2003, 2835 = NZG 2003, 732 = NZI 2003, 442 (Mock/Schildt) – Vierländer Bau Union Ltd.; Behrens in Ulmer, GmbHG, 2005, Einl. Rz. B. 121; Kindler in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2005, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 697 ff.; Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (398 f.); Müller, NZG 2003, 414 (415 f.); Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis, 2005, Rz. C 749 f.; zu den Grenzen (keine Insolvenzfähigkeit mehr, wenn die Gesellschaft nach dem für sie maßgeblichen Gründungsstatut aufgelöst ist) AG Duisburg, NZG 2003, 1167 = NZI 2003, 658 = GmbHR 2004, 121 (122). 10 BayObLG, ZIP 2003, 398 = NZG 2003, 290 = EWiR Art. 43 EG 1/03, 273 (Mankowski); Bayer, BB 2003, 2357 (2363); Behrens, IPRax 2003, 193 (204); Leible in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 11 Rz. 42 ff.; Leible/Hoffmann, NZG 2003, 259 f.; Paefgen, DZWIR 2003, 441 (445) (= DAJV-NL 2003, 98 ff.). 11 Vgl. bereits BayObLGZ 1986, 61 (66) = ZIP 1986, 840 = NJW 1986, 3029 (3031) = GmbHR 1986, 305 = EWiR § 19 HGB 1/86, 595 (Bokelmann) – Landshuter Druckhaus GmbH & Co. KG; ausführlich Behrens in Ulmer(Fn. 9), Einl. Rz. B. 71; Kindler in MünchKomm.BGB (Fn. 9), Rz. 552 f.; Kowalski/Bormann, GmbHR 2005, 1045 ff.; Spahlinger/Wegen (Fn. 9), Rz. C 276 ff.; vgl. auch Rehm in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 4 Rz. 51; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (9); anders neuerdings nur AG Bad Oeynhausen, GmbHR 2005, 692 mit zu Recht krit. Anm. Wachter, EWiR § 161 HGB 2/05, 541, 542 (und dem zutr. Hinweis, dass es für Komplementärfähigkeit nicht auf die vorgängige Eintragung einer Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister ankommt). 12 Bejaht bei Behrens in Ulmer (Fn. 9), Einl. Rz. B. 75 (der aber die Beurteilung der Kaufmannseigenschaft von dem jeweiligen zugrunde liegenden handelsrechtlichen Rechtsgeschäft abhängig macht); Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 1 Rz. 2.65; Ebert/ Levedag, GmbHR 2003, 1337 (1338 f.); Kindler in MünchKomm.BGB (Fn. 9), Rz. 178 ff.; Karsten Schmidt in Lutter (Hrsg.), Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, S. 15 (20: „Formkaufmann“); Spahlinger/Wegen (Fn. 9), Rz. C 571 ff.; i. E. wohl auch (wegen der Eintragungsfähigkeit solcher Gesellschaften in das deutsche Handelsregister) Paefgen, DB 2003, 487 (490). 13 Dazu Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 1 Rz. 78 ff.

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lich mit dem (kleinen) Vorbehalt, dass dies nur hinsichtlich rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeiten gelte14. 2. Organisationsverfassung Offen – jedenfalls was die Entscheidungslage auf europäischer Ebene angeht – ist aber die Frage, wie weit im einzelnen die interne Organisationsstruktur einer Gesellschaft anzuerkennen ist. Das betrifft – als wohl kontroversesten Punkt – die Frage, ob die Mitbestimmungsfreiheit einer im Ausland gegründeten Gesellschaft im Inland hinzunehmen ist15. Die Unklarheiten resultieren zum Teil daher, dass – jedenfalls bislang – keine endgültige Klarheit darüber besteht, ob die früher herrschende „Sitztheorie“ endgültig und für alle Bereiche aufgegeben und durch die „Gründungstheorie“ ersetzt wurde – oder „nur“ durch die europäischen Grundfreiheiten (im Rahmen ihres Anwendungsbereichs) überlagert wird16. In der Sache ist man sich freilich einig, dass das nach dem internationalen Privatrecht eines Staates auf eine Gesellschaft anwendbare Recht ihre Binnenorganisation erfasst. Das lässt sich relativ überzeugend damit begründen, dass es hier der Sache nach zumeist um Vertragsrecht geht, für das – dem Grunde nach – die Möglichkeit der Rechtswahl anerkannt ist (Art. 27 EGBGB). Folgt man der Gründungstheorie, ergibt sich dieses Ergebnis sozusagen von selbst; bleibt man bei der Sitztheorie, wäre jedenfalls in diesem Bereich die Anwendung des Rechts des Sitzstaats – etwa im Wege der Sonderanknüpfung – besonders schwer zu rechtfertigen. Damit unterliegen zunächst die echten Binnenregelungen einer Auslandskapitalgesellschaft mit Inlandssitz dem Recht des Gründungsstaates17. Im

__________ 14 BGH, ZIP 2005, 805 (806) = JZ 2005, 848 (Rehberg) = BB 2005, 1016 f. (Wand) = EWiR § 11 GmbHG 1/2005, 431 (Bruns); dazu Eidenmüller, NJW 2005, 1618 ff.; Leible/Hoffmann, RIW 2005, 544 ff.; Paefgen, GmbHR 2005, 957 ff.; Wachter, DStR 2005, 1817 ff. 15 So jedenfalls Ebke in Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen nach Centros, Überseering und Inspire Art, 2003, S. 101 (124); Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242); Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 1 Rz. 51 ff.; Sandrock in Sandrock/Wetzler, Gesellschaftsrecht im Wettbewerb, ebd., S. 33 (74 ff.); dem folgend Horn, NJW 2003, 893 (900); abw. Bayer, AG 2004, 534 (537); Götz, Konzern 2004, 449 (453); Rehberg in Eidenmüller (Fn. 11), § 6 Rz. 37 ff.; Thüsing, ZIP 2004, 381 (385). 16 Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 1 Rz. 23; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (665); dies., AG 2003, 30 (36); ähnlich Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (397); Spahlinger in Spahlinger/Wegen (Fn. 9), Rz. B 73 ff. (zur Weitergeltung der Sitztheorie im Verhältnis zu Drittstaaten), B 190 ff. 17 Behrens in Ulmer (Fn. 9), Einl. Rz. B. 76 f.; Ebke in Sandrock/Wetzler (Fn. 15), S. 101 (107); Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 1 Rz. 46; Kindler in MünchKomm.BGB (Fn. 9), Rz. 564 ff.; Leible in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 11 Rz. 35; Paefgen, DB 2003, 487 (489); Rehm in Eidenmüller (Fn. 11), § 4 Rz. 41; Riegger, ZGR 2004, 510 (517 f.); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (8).

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Die Limited zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

Falle einer englischen Limited gehören dazu etwa die Bestellung und die Rechtsstellung der Direktoren, die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung, das gesellschaftsrechtliche Auskunftsrecht, die Aufnahme von neuen Gesellschaftern sowie der Austritt und der Ausschluss von Gesellschaftern. Auch der gesellschaftsrechtliche Minderheitenschutz richtet sich damit nach englischem Recht18 – und damit sind wir beim Thema.

III. Minderheitenschutz nach englischem Recht 1. Gesellschaftsrechtlicher Befund Die Anwendbarkeit des Minderheitenschutzes auf der Grundlage des englischen Rechts muss eigentlich dem Rechtsgestalter außerordentlich verlockend erscheinen. Denn die in Deutschland häufig als überzogen bezeichneten Standards etwa für die Zulässigkeit eines Bezugsrechtsausschlusses19 oder die Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenständer („HolzmüllerDoktrin“)20 – mögen sie auch in der jüngeren Zeit herabgesetzt worden sein21 –

__________ 18 Hierzu ausdrücklich Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (182 f.); Rehm in Eidenmüller (Fn. 11), § 4 Rz. 44 ff. 19 Grundlegend zur „Inhaltskontrolle“ des Bezugsrechtsausschlusses BGHZ 71, 40 = NJW 1978, 1316 – Kali und Salz; dem folgend BGHZ 83, 319 = ZIP 1982, 689 = NJW 1982, 2444 – Holzmann; zuvor bereits (allerdings nicht so weit reichend) BGHZ 21, 354 – Minimax I; BGHZ 33, 175 – Minimax II; zum Ganzen ausführlich Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 58 ff.; ders. in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2001, § 203 AktG Rz. 63 ff.; ders., Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 6.27 ff. 20 BGHZ 83, 122 = ZIP 1982, 568 = NJW 1982, 1703 – Holzmüller; dazu ausführlich Hirte, Bezugsrechtsausschluß (Fn. 19), S. 129 ff., 155 ff.; ders., Kapitalgesellschaftsrecht (Fn. 19), Rz. 8.46; ebenso OLG Frankfurt/Main, ZIP 1999, 842 = NZG 1999, 887 = EWiR § 119 AktG 1/99, 535 (Schüppen) (von BGHZ 146, 288 = ZIP 2001, 416 = NJW 2001, 1277 = DStR 2001, 582 = NZG 2001, 405 = LM § 119 AktG Nr. 2 [Mülbert] in der Revision offengelassen). 21 Zur (indirekten) Reduktion der Anforderungen an die Zulässigkeit eines Bezugsrechtsausschlusses durch Herabsetzung der Anforderungen an die Berichtspflicht nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG bei Erteilung einer Ermächtigung zur Kapitalerhöhung („genehmigtes Kapital“; §§ 202 ff. AktG) BGHZ 136, 133 = NJW 1997, 2815 = ZIP 1997, 1499 = EWiR § 203 AktG 1/97, 1013 (Hirte) = JZ 1998, 47 (Lutter) = DStR 1997, 1460 (Goette) = LM H. 1/1998 § 186 AktG 1965 Nr. 9 (Schwark) = DZWir 1998, 324 (Kerber); dazu Bungert, NJW 1998, 488 ff.; Cahn, ZHR 163 (1999), 554 ff.; ders., ZHR 164 (2000), 113 ff.; Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 19), § 203 AktG Rz. 63 ff.; ders., Kapitalgesellschaftsrecht (Fn. 19), Rz. 6.37 ff.; Hofmeister, NZG 2000, 713 ff.; Ihrig, WiB 1997, 1181 f.; Kindler, ZGR 1998, 35; Volhard, AG 1998, 397 ff.; dem folgend BGHZ 144, 290 = ZIP 2000, 1162 = NJW 2000, 2356 = NZG 2000, 836 = EWiR § 203 AktG 1/2000, 941 (Hirte) = LM H. 10/2000 § 27 AktG 1965 Nr. 6 (Noack) = WuB II A. § 27 AktG 1.00 (Ekkenga/ J. Schneider) – adidas; LG Darmstadt, NJW-RR 1999, 1122; ebenso zuvor bereits KG, WM 1996, 1454 = EWiR § 45 AktG 1/96, 721 (Dreher) – VIAG (inzwischen rkr.). Zur (faktischen) Reduktion der Anforderungen an die Vorlagepflicht im Rahmen der „Holzmüller-Doktrin“ durch die „Gelatine-Urteile“ BGHZ 159, 30 = NZG

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Heribert Hirte

finden sich im englischen Gesellschaftsrecht bei weitem nicht in dieser Schärfe22. So sieht zwar das englische Gesellschaftsrecht – schon mit Blick auf die europäischen Vorgaben – ein dem deutschen Recht entsprechendes Bezugsrecht vor (sec. 80 CA 1985). Was den – nach sec. 95 CA 1985 ebenfalls möglichen – Ausschluss des Bezugsrechts anbelangt, ist bei den public limited companies (plc) ein „routinemäßiger Ausschluss“ des Bezugsrechts allerdings die Regel23, mag man das englische Recht auch so verstehen, dass bei dieser Entscheidung mit Blick auf den Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter über den Gesetzeswortlaut hinaus ähnliche „sachliche“ Anforderungen gestellt werden wie im deutschen Recht24. Sicher aber ist, dass darauf gestützte Gesellschafterklagen praktisch keine Rolle spielen25. Ganz ähnlich liegt es bei „Holzmüller“: Auch hier sieht das englische Gesellschaftsrecht keine Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnisse der directors in Fällen einer Veräußerung wesentlicher Vermögenswerte vor26. Einen gewissen Ausgleich für diese weitgehende management autonomy enthält zwar die Generalklausel gegen „unfair prejudice“ in sec. 459 CA 198527. Dieser Rechtsbehelf ist aber praktisch auf personalisierte Privatgesellschaften begrenzt28. 2. Kapitalmarktrechtlicher Befund Dieser rein gesellschaftsrechtliche Befund ist freilich unvollständig. Denn bei einer in England notierten plc müssen auch die Regelungen in den sog. Listing Rules mit in den Blick genommen werden, will man den Minderheitenschutz vollständig erfassen.

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22

23 24 25 26 27 28

2004, 571 = ZIP 2004, 993 (Altmeppen) = NJW 2004, 1860 = DStR 2004, 922 (Goette) = EWiR § 119 AktG 1/04, 573 (Just) – Gelatine I; BGH NZG 2004, 575 = ZIP 2004, 1001 = EWiR § 179 AktG 1/04, 1161 (Hirte) – Gelatine II; dazu Bungert, BB 2004, 1345; Fuhrmann, AG 2004, 394; Götze, NZG 2004, 585; Koppensteiner, Konzern 2004, 381; Simon, DStR 2004, 1482 (1528); ebenso jetzt OLG Stuttgart, ZIP 2003, 1981 = NZG 2003, 778 – eff eff Fritz Fuss GmbH & Co. KGaA für den Verkauf eines wesentlichen unselbständigen Betriebsteils bei einer KGaA. Zur deutlich geringeren Beschlusskontrolle des englischen Rechts Kreß, Gerichtliche Beschlußkontrolle im Kapitallgesellschaftsrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum deutschen, französischen und englischen Recht, 1996, S. 106 ff., 113 ff. So Kasolowsky, ZBB 2000, 189 (192); Kasolowsky in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 5 Rz. 51; dazu auch Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 19), § 202 AktG Rz. 76. So Kasolowsky/Schall in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 4 Rz. 98. So Kasolowsky/Schall in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 4 Rz. 71. Vgl. Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 7. Aufl. 2003, S. 294 ff., 299; Sealy, Cases and Materials in Company Law, 7. Aufl. 2001, S. 213 f. Kasolowsky/Schall in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 4 Rz. 71, 76 ff., 98; Davies (Fn. 26), S. 494. Re Astec (BSR) plc [1998] 2 BCLC 556; Kreß (Fn. 22), S. 106 ff., 113 ff.

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Die Limited zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

Und diese Regelungen verlangen etwa, dass bestimmte schwerwiegende Transaktionen einer börsennotierten plc nur nach öffentlicher Bekanntmachung und Zustimmung der Hauptversammlung durchgeführt werden können. Chapter 10 der Listing Rules legt zu diesem Zweck verschiedene Parameter fest, anhand derer die „Bedeutung“ einer Transaktion festgelegt wird; fällt die Transaktion in die „oberste Klasse“, muss das vollständige Programm der Minderheitenschutzes einschließlich einer Zustimmung der Hauptversammlung beachtet werden29. Ganz ähnlich liegen die Dinge beim Bezugsrechtsausschluss: Denn auch hier sehen die Listing Rules Regelungen zum Bezugsrecht vor, die die gesellschaftsrechtlichen Regelungen teils wiederholen, teils ergänzen30. Sie sehen etwa – trotz des angesprochenen generellen Bezugsrechtsausschlusses – differenzierende Schutzmechanismen für die von einem Ausschluss des Bezugsrechts betroffenen Gesellschafter vor. So wird zwar einerseits ein Bezugsrechtsausschluss im Falle einer Auslandsplatzierung von Aktien in den Vereinigten Staaten mit Blick auf die dortigen Gepflogenheiten für zulässig gehalten31, andererseits aber verlangt oder zumindest erwartet, dass die Bezugsrechte zugunsten der vom Bezugsrechtsausschluss betroffenen Aktionäre verkauft werden, um zumindest deren vermögensmäßige Benachteiligung zu vermeiden. Zudem darf ein solcher Bezugsrechtsausschluss nur zu Lasten von Anlegern in den Vereinigten Staaten erfolgen. Ein Verkauf von Bezugsrechten zugunsten der Berechtigten hat im Übrigen auch bei bestehendem Bezugsrecht zu erfolgen, wenn Bezugsrechte nicht ausgeübt wurden32. Hochinteressant sind auch die kapitalmarktrechtlichen Regelungen für konzernbezogene Bezugsrechtsfragen. So wird einerseits ein Stimmrechtsausschluss angeordnet, wenn in einer börsennotierten Gesellschaft das Bezugsrecht der anderen Aktionäre zugunsten der Muttergesellschaft ausgeschlossen oder beschränkt werden soll; und andererseits wird – ganz im Sinne der deutschen „HolzmüllerRechtsprechung"33 – ein verlängertes Stimmrecht der Aktionäre der Muttergesellschaft statuiert, wenn in einer Tochtergesellschaft das Bezugsrecht der Muttergesellschaft verkürzt wird34. Noch darüber hinaus gehen die guidelines der institutionellen Investoren. Sie haben zwar keine rechtliche Verbindlichkeit, werden in der Praxis aber immer beachtet, weil die Verbände der institutionellen Investoren ihren Mitgliedern sonst empfehlen würden,

__________ 29 30 31 32

Ausführlich Kasolowsky in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 5 Rz. 27 ff. Dazu Kasolowsky in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 5 Rz. 53 ff. Mutual Life v The Rank Organization [1985] B.C.L.C. 11. Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 19), § 202 AktG Rz. 77; Kasolowsky, ZBB 2000, 189 (192). 33 BGHZ 83, 122 (142 ff.) = ZIP 1982, 568 = NJW 1982, 1703 – Holzmüller; dazu Hirte, Bezugsrechtsausschluß (Fn. 19), S. 184 f. 34 Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 19), § 202 AktG Rz. 77; Kasolowsky, ZBB 2000, 189 (192); ders. in Lutter/Hirte (Hrsg.), ZGR-Sonderheft 16: Wandel- und Optionsanleihen in Deutschland und Europa, 2000, S. 99 (106).

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Heribert Hirte

gegen einen anderslautenden Beschlussvorschlag zu stimmen und als weiteren Schritt, nicht mehr in die entsprechende Gesellschaft zu investieren35; inhaltlich wird nach den genannten guidelines ein Bezugsrechtsausschluss insbesondere nur dann toleriert, wenn die Anzahl der unter Ausschluss des Bezugsrechts ausgegebenen Aktien in einem Jahr nicht 5 % des ausgegebenen Kapitals übersteigt und in drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht 7,5 %36. 3. Folgerungen Die zuvor dargestellten kapitalmarktrechtlichen Regelungen setzen allerdings eine Börsennotierung in England voraus; damit greifen sie nicht in Bezug auf eine in Deutschland ansässige und nur hier börsenzugelassene Gesellschaft. Denn das auf eine solche Gesellschaft anwendbare Kapitalmarktrecht bestimmt sich nach allgemeiner Auffassung nach dem „Recht des Marktplatzes“37. Als verblüffendes Ergebnis lässt sich daher bis hierher festhalten, dass durch die Wahl einer Limited manche der als belastend empfundenen Regelungen des deutschen Minderheitenschutzes unterlaufen werden können – ein Gedanke, der für den Rechtsgestalter wie den Gefeierten zunächst einmal attraktiv erscheinen muss, ganz gleich, ob man das Maß des Minderheitenschutzes nach deutschem Gesellschaftsrecht selbst für angemessen hält oder nicht.

IV. Lösungsansätze Das bis hier gefundene Ergebnis mag zwar für den Rechtsgestalter einen gewissen „Charme“ aufweisen. Gleichwohl fragt sich, ob daran festgehalten werden kann – und wenn nicht, vor allem mit welcher Begründung. Denn ganz sicher bleibt im Ergebnis das „unbefriedigende Gefühl“, dass bei einer „grenzüberschreitenden Gesellschaft“ der Zusammenhang der für eine rein nationale Gesellschaft geltenden Regelungen auseinandergerissen wird – hier zu Lasten der Minderheitsgesellschafter. Das bildet eine Parallele zur bereits vielfach erörterten Lage hinsichtlich des Gläubigerschutzes insoweit, als dort bei einer grenzüberschreitenden Gesellschaft der Zusammenhang gläubigerschützender Regelungen auseinandergerissen wird: während sich die die dem Gesellschaftsrecht zuzuordnenden gläubigerschützenden Regelungen nach dem Gesellschaftsstatut bestimmen – und daher in den hier

__________ 35 Kasolowsky in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 5 Rz. 58. 36 So Kasolowsky, ZBB 2000, 189 (193); Kasolowsky in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 5 Rz. 57; dazu auch Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 19), § 202 AktG Rz. 77 a. E. 37 Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 1 Rz. 48; ebenso jetzt Eidenmüller in Eidenmüller (Fn. 11), § 4 Rz. 36; in diese Richtung auch Paefgen, DB 2003, 487 (489).

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Die Limited zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

erörterten Fällen nach englischem Recht zu beurteilen sind, kommt es hinsichtlich der Regelungen des Insolvenzrechts auf das Insolvenzstatut an, das an den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ (Art. 3 EuInsVO) anknüpft38. 1. Sonderanknüpfung des deutschen Rechts Als erster Lösungsansatz drängt sich natürlich auf, die minderheitenschützenden Regelungen des deutschen Gesellschaftsrechts in solchen Fällen im Wege der Sonderanknüpfung auf die Schein-Auslandsgesellschaft zu erstrecken. Dagegen spricht, dass der EuGH ein solches Vorgehen schon im Bereich des Gläubigerschutzes nicht toleriert hat (siehe oben II.1). 2. Kapitalmarktrechtliche Qualifikation des deutschen Rechts Allerdings: So wie das englische Recht die Grenzen eines Bezugsrechtsausschlusses oder die Zuständigkeiten bei schwerwiegenden Unternehmenstransaktionen als kapitalmarktrechtliche Fragen versteht39, könnte auch das deutsche Recht vorgehen. § 186 AktG und die Holzmüller-Judikatur wären demgemäß nicht (nur) als Regelung des Gesellschaftsrechts, sondern (jedenfalls auch) als Regelungen des Kapitalmarktrechts zu begreifen. Ein solches Verständnis der genannten gesellschaftsrechtlichen Regelungen ist für das deutsche Recht völlig neu. Doch wäre es nicht ganz so überraschend, wie es auf den ersten Blick scheint: Denn schließlich ist das Bezugsrecht vom Gesetzgeber nur für die Aktiengesellschaft kodifiziert worden, und diese wird nach der historischen gesetzgeberischen Konzeption als börsennotierte Gesellschaft verstanden40 (im Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 2 AktG kommt dies – sehr indirekt – dadurch zum Ausdruck, dass das Grundkapital „in Aktien zerlegt“ sein muss, worunter die grundsätzlich freie Übertragbarkeit der Aktien verstanden wird41). Zweitens basiert das Konzept des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) schon heute auf dem Ansatz, dass bei einer börsennotierten Gesellschaft der Minderheitenschutz – zumindest auch – durch den Kapitalmarkt bzw. das Kapitalmarktrecht verwirklicht wird; denn die Zulässigkeit eines Bezugsrechtsausschlusses hängt hier davon ab, dass sich der Ausgabebetrag in der Nähe

__________

38 Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337 (1342); Eidenmüller in Eidenmüller (Fn. 11), § 9 Rz. 10 ff.; Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 1 Rz. 71; Huber in FS Gerhardt, 2004, S. 397 (405 ff.); Köke, ZInsO 2005, 354 (357); Leutner/Langner, ZInsO 2005, 575 (577); Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396 (398); Schall, EBOR 2005, 1534 (1535 f.); Wachter, GmbHR 2004, 88 (101). 39 Zur kapitalmarktrechtlichen Anknüpfung des Minderheitenschutzes bei Bezugsrechtsausschlusses im englischen und amerikanischen Recht bereits rechtsvergleichend Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 19), § 202 AktG Rz. 84. 40 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 4 Rz. 11. 41 Brändel in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1992, § 1 AktG Rz. 90.

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des „Börsenpreises“ bewegt. Zudem wird zumindest hinsichtlich der Berichtspflicht nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG schon bislang – auch vom Verfasser – vertreten, dass diese jedenfalls auch kapitalmarktrechtliche Züge aufweise42. Vor diesem Hintergrund ist es keinesfalls fernliegend, auch das Bezugsrecht selbst ebenso wie die Schutzregelungen vor wesentlichen Strukturänderungen als kapitalmarktrechtliche Regelung zu begreifen – und damit auf eine in Deutschland ansässige und in Deutschland börsennotierte plc nicht nur die englischen gesellschaftsrechtlichen Standards, sondern auch die im deutschen Gesellschaftsrecht „versteckten“ kapitalmarktrechtlichen Standards anzuwenden. Eine gewisse Parallele ergibt sich insoweit auch zur Frage, wie das Rechnungslegungsrecht mit Blick auf eine Schein-Auslandsgesellschaft zu qualifizieren ist: Zwar hat es der Unterzeichner bislang zur Organisationsverfassung gezählt, geht es doch bei einer Kapitalgesellschaft zentral darum, dass das Management „seinen Gesellschaftern“ Rechenschaft zu legen hat43; die abweichende Auffassung, die es als an den Tätigkeitsort einer Unternehmung anknüpfende Marktregelung begreift, hat aber sicher auch manches für sich. Die durch einen Rückgriff auf das vermeintlich weniger minderheitenfreundliche englische Gesellschaftsrecht erreichbaren Vorteile könnten damit einen Pyrrhus-Sieg darstellen. Freilich – das gibt der Unterzeichner unumwunden zu – ist das alles höchst ungewiss, und mancher Rechtsgestalter wie der Jubilar wird hoffentlich seine Freude daran haben, seinen Mandanten die sich aus der unklaren Gesetzeslage ergebenden Spielräume schmackhaft zu machen.

V. Zusammenfassung Die Diskussion um die europarechtliche Pflicht zur Anerkennung ausländischer Gesellschaften im Inland und ihre Folgen hat sich bislang im Wesentlichen auf die Frage beschränkt, ob dadurch Regelungen des Gläubigerschutzes verkürzt oder unterlaufen werden könnten. Das gilt auch für die Frage, ob und wo der deutsche Gesetzgeber auf diese Entwicklung im Rahmen des nationalen Rechts reagieren sollte. Vor allem der Jubilar hat sich hier mit

__________ 42 Dazu Hommelhoff/Riesenhuber in Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts. Gesellschafts-, Arbeitsund Schuldvertragsrecht, 2000, S. 259 (274 f., 276) (dazu auch Hirte, ebd., S. 211 [224]); dem folgend Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 19), § 203 AktG Rz. 86; abw. zum der Berichtspflicht in Frankreich früher beigelegten Zweck Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (344). 43 Ebenso Behrens in Ulmer (Fn. 9), Einl. Rz. B. 95; Kindler in MünchKomm.BGB (Fn. 9), Rz. 253 ff.; Rehberg in Eidenmüller (Fn. 11), § 5 Rz. 109, 114; Schön in FS Heldrich, 2005, S. 391 (394 f.); abw. Riegger, ZGR 2004, 510 (515 f.); Spahlinger/ Wegen (Fn. 9), Rz. C 563; ausführlich Westhoff in Hirte/Bücker (Fn. 8), § 18 Rz. 24 ff.

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Die Limited zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

großem Nachdruck für eine Beibehaltung des status quo in Form des Systems des festen Nennkapitals, vielleicht sogar dessen Ausbau eingesetzt. Kaum beachtet wurde bislang, dass die geschilderte Entwicklung auch Auswirkungen im Bereich des Minderheitenschutzes haben kann. Denn der gesellschaftsrechtliche Minderheitenschutz nach englischem Recht ist – insgesamt gesehen – deutlich schwächer ausgeprägt als derjenige im deutschen Recht. Freilich darf nicht übersehen werden, dass dies in England teilweise durch das Kapitalmarktrecht und seine Schutzmechanismen wieder aufgefangen wird. Bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz und/oder Börsennotierung im Inland wird dieser Zusammenhang auseinandergerissen: Denn dann sind auf den ersten Blick nur das „minderheitenfeindliche“ englische Gesellschaftsrecht und das Fragen des Minderheitenschutzes nicht/kaum regelnde deutsche Kapitalmarktrecht anwendbar – eine gerade für den Rechtsgestalter möglicherweise verlockende Option. Allerdings fragt sich, ob bei dieser Lösung stehen geblieben werden kann. Zwar wird man mit Blick auf die EuGH-Judikatur das deutsche Recht des Minderheitenschutzes nicht auf ausländische Gesellschaften erstrecken können. Denkbar ist aber, es zugleich auch als marktrechtlich zu qualifizieren und Auslandsgesellschaften mit inländischem Sitz und/oder inländischer Börsennotierung diesen Bestimmungen in ihrem deutschen Verständnis dann deshalb zu unterwerfen, weil sie (auch) als kapitalmarktrechtliche Normen zu verstehen sind.

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Michael Hoffmann-Becking

Kombinierte Beschlussfassung in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat Inhaltsübersicht I. Fragestellung II. Meinungsstand 1. Kombinierte Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter 2. Kombinierte Beschlussfassung des Aufsichtsrats

III. Argumente und Folgerungen 1. Kombinierte Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter 2. Kombinierte Beschlussfassung des Aufsichtsrats

I. Fragestellung Nehmen wir an, in einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung oder Sitzung eines anderen Gesellschaftsorgans fehlen ein oder mehrere Mitglieder. Um zu einer möglichst vollständigen Willensbildung des Organs unter Mitwirkung aller stimmberechtigten Mitglieder zu gelangen, wird dem oder den abwesenden Mitgliedern gestattet, ihre Stimme außerhalb der Versammlung abzugeben. Ein solches Verfahren nennt man gemischte oder kombinierte Beschlussfassung, weil es sich um die Kombination einer Beschlussfassung sowohl in der Sitzung als auch außerhalb der Sitzung handelt. Ist die kombinierte Beschlussfassung ohne weiteres zulässig oder umgekehrt gänzlich unzulässig? Ist sie zumindest dann zulässig, wenn sie in der Satzung der Gesellschaft oder auch nur in der Geschäftsordnung des beschließenden Organs geregelt ist? Dieser Frage wird hier für die Beschlussfassung der Gesellschafter einer GmbH und der Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG oder mitbestimmten GmbH nachgegangen.

II. Meinungsstand 1. Kombinierte Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter Die Beschlüsse der GmbH-Gesellschafter werden nach § 48 Abs. 1 GmbHG in Versammlungen gefasst. Sie können nach § 48 Abs. 2 GmbHG auch ohne Abhaltung einer Versammlung gefasst werden, wenn sich sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären. Die kombinierte Beschlussfassung entspricht weder dem Abs. 1 noch dem Abs. 2 des § 48 233

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GmbHG, sondern kombiniert die beiden Beschlussformen. Eine besondere Regelung dieser Form der Beschlussfassung enthält das Gesetz nicht. Die herrschende Meinung in der Kommentarliteratur hält die kombinierte Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter nur dann für zulässig, wenn diese Beschlussform in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist1. Dieser herrschenden Meinung hat sich neuestens auch der BGH angeschlossen. Er hat überdies festgestellt, dass eine Abstimmung im Wege des kombinierten Verfahrens ohne satzungsmäßige Grundlage nicht nur zur Anfechtbarkeit, sondern sogar zur Nichtigkeit des Beschlusses führt2. Nach der gegenteiligen Auffassung ist die kombinierte Beschlussfassung auch ohne satzungsmäßige Grundlage zulässig, wenn dieses Verfahren im konkreten Fall von allen Gesellschaftern gebilligt wird3. Zu demselben Ergebnis gelangt eine vermittelnde Auffassung im Schrifttum, wonach die kombinierte Beschlussfassung ohne Grundlage in der Satzung zwar im Grundsatz unzulässig und anfechtbar ist, nicht jedoch, wenn sich alle Gesellschafter mit dem Verfahren einverstanden erklärt haben4. Ein ähnliches Meinungsbild wie zu § 48 GmbHG findet sich auch im Vereinsrecht zu der vergleichbaren Regelung für Beschlüsse der Vereinsmitglieder in § 32 BGB. Dabei wird allerdings durchweg ohne nähere Erörterung auf die Stellungnahmen zur kombinierten Beschlussfassung nach § 48 GmbHG Bezug genommen5. Auch § 32 BGB unterscheidet zwischen der Beschlussfassung in einer Versammlung nach § 32 Abs. 1 BGB und der schriftlichen Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung, die nach § 32 Abs. 2 BGB nur zulässig ist, wenn alle Mitglieder für den Beschluss stimmen. Für einen Sonderfall, nämlich die Änderung des Vereinszwecks, lässt das Gesetz in

__________ 1 Hüffer in Großkomm.GmbHG, Bd. II, 2006, § 48 GmbHG Rz. 60; ders. in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 521 (533 f.); Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 48 GmbHG Rz. 41; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 48 GmbHG Rz. 36; Römermann in Michalski, GmbHG, 2002, § 48 GmbHG Rz. 279; R. Wolff in MünchHdb. GesR, Bd. 3: GmbH, 2. Aufl. 2003, § 39 Rz. 107. 2 BGH v. 16.1.2006, NJW 2006, 2044 = NZG 2006, 428 (429) = BB 2006, 1126 m. Anm. Gehrlein; ebenso schon OLG München, BB 1978, 471 (472); offen gelassen in BGHZ 58, 115 (120). 3 Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 48 GmbHG Rz. 71 f.; ders., NJW 2006, 2599 ff. in einer abl. Bespr. des BGH-Urteils v. 16.1.2006. Im Ergebnis ebenso Liese/Theusinger, GmbHR 2006, 682 (684). 4 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 48 GmbHG Rz. 14; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 48 GmbHG Rz. 3. 5 Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 18. Aufl. 2006, Rz. 211 S. 120 und Stöber, Hdb. zum Vereinsrecht, 9. Aufl. 2004, Rz. 535 S. 303: Satzungsregelung ist erforderlich; Reichert, Hdb. Vereins- und Verbandsrecht, 10. Aufl. 2005, Rz. 1670 ff. S. 295 f.: Einverständnis aller Mitglieder reicht aus. In den Kommentaren zu § 32 BGB wird die kombinierte Beschlussfassung, soweit ersichtlich, gar nicht behandelt.

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Kombinierte Beschlussfassung in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat

§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB die schriftliche Stimmabgabe der in der Versammlung nicht erschienenen Mitglieder zu. 2. Kombinierte Beschlussfassung des Aufsichtsrats Die Beschlussfassung des Aufsichtsrats einer AG ist in § 108 AktG geregelt. Diese Vorschrift gilt über § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG und § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG zwingend auch für den mitbestimmten Aufsichtsrat einer GmbH. Die Mitglieder des Aufsichtsrats fassen ihre Beschlüsse ebenso wie die GmbH-Gesellschafter in der Regel in Sitzungen. Auch wenn abwesende Aufsichtsratsmitglieder ihre schriftliche Stimmabgabe nach § 108 Abs. 3 AktG durch anwesende Mitglieder überreichen lassen, handelt es sich um eine Beschlussfassung, die ausschließlich in der Sitzung stattfindet. Daneben bestimmte § 108 Abs. 4 AktG in der bis 2001 geltenden Fassung, dass schriftliche, telegraphische oder fernmündliche Beschlussfassungen zulässig sind, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Nach der heute geltenden Fassung des § 108 Abs. 4 AktG sind schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats zulässig, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Ebenso wie § 48 GmbHG regelt auch § 108 AktG – jedenfalls in der bis 2001 geltenden Fassung – nicht das Verfahren einer kombinierten Beschlussfassung, sondern nur die beiden „reinen“ Formen der Beschlussfassung innerhalb und außerhalb einer Sitzung. Dennoch wurde schon vor der Neufassung des § 108 Abs. 4 AktG durch das NaStraG im Jahre 2001, auf die nachstehend noch einzugehen ist, und wird auch heute im Schrifttum fast einhellig anerkannt, dass eine kombinierte Beschlussfassung des Aufsichtsrats zulässig ist, wenn sich alle Aufsichtsratsmitglieder mit der nachträglichen Stimmabgabe durch das oder die abwesenden Mitglieder einverstanden erklären oder ihr zumindest nicht widersprechen6. Dafür wird weder eine besondere Regelung in der Satzung noch in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats verlangt7.

__________ 6 Mertens in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1995 § 108 AktG Rz. 19; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, § 9 Rz. 605; J. Semler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 108 AktG Rz. 205 ff.; Hopt/M. Roth in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2006, § 108 AktG Rz. 129; Kindl, ZHR 166 (2002), 335 (342 ff.); Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, 3. Aufl. 2006, § 25 MitbestG Rz. 33; J. Wagner, NZG 2002, 57 (58 f.); E. Vetter in Hdb. börsennotierte AG, 2005, § 27 Rz. 56; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, 3. Aufl. 2007, § 31 Rz. 88. 7 Nur Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 108 AktG Rz. 16 bezweifelt die Zulässigkeit ohne Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung.

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III. Argumente und Folgerungen 1. Kombinierte Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter a) Ein häufig gebrauchtes Argument gegen die Zulässigkeit der kombinierten Beschlussfassung lautet, § 48 GmbHG regele die Beschlussformen abschließend, nämlich den Regelfall der Beschlussfassung in einer Versammlung in Abs. 1 und den Ausnahmefall der Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung in Abs. 2; die kombinierte Beschlussfassung als dritter Weg sei damit versperrt8. Wenn das richtig wäre, könnte die kombinierte Beschlussfassung auch nicht durch die Satzung zugelassen werden, was jedoch die Vertreter dieses Arguments inkonsequent für möglich erachten. Der BGH hat dies erkannt und zutreffend festgestellt, § 48 GmbHG enthalte keine abschließende Regelung über die Form, in der Gesellschafterbeschlüsse gefasst werden können. Allerdings könnten die Gesellschafter nur durch die Satzung abweichende Regelungen treffen; das Einverständnis aller Gesellschafter mit der kombinierten Beschlussfassung reiche nicht aus9. Was den abschließenden oder dispositiven Charakter der gesetzlichen Regelung betrifft, ist die Entstehungsgeschichte des § 48 GmbHG nicht eindeutig. In der Amtlichen Begründung zu § 49 des Entwurfs von 1892, der heute unverändert als § 48 GmbHG gilt, heißt es:10 „Die Versammlung der Gesellschafter bildet das allgemein zuständige Organ für die Fassung der den Gesellschaftern vorbehaltenen Beschlüsse (§ 49 Abs. 1). Doch hat das Gesetz sich nicht auf die Regelung dieser Form der Beschlussfassung zu beschränken, vielmehr empfiehlt es sich, unter gewissen Voraussetzungen auch einfachere Arten der Beschlussfassung zu ermöglichen. Die Bestimmung in § 49 Abs. 2 dient diesem Zwecke ...“

Die Regelung in Abs. 2 dient also dem Zweck, einfachere Arten der Beschlussfassung zu ermöglichen. Ob sie das abschließend tut oder auch andere „einfachere Arten“ im Einverständnis aller Gesellschafter möglich sein sollen, ist damit weder gesagt noch ausgeschlossen. Aus der Amtlichen Begründung lässt sich nur entnehmen, dass jedenfalls durch die Satzung „eine weitere Vereinfachung“ eingeführt werden kann. Zu dem Erfordernis der Schriftform in Abs. 2 der gesetzlichen Regelung heißt es nämlich in der Begründung: „... verlangt der Entwurf, um späteren Zweifeln und Anfechtungen thunlichst vorzubeugen, die schriftliche Form für die in Betracht kommenden Erklärungen der Gesellschafter. Bei einer sehr kleinen Zahl von Mitgliedern wird vielleicht auch von dieser Form abgesehen werden können; es genügt aber, dass in solchen Fällen durch den Gesellschaftsvertrag eine weitere Vereinfachung eingeführt werden kann.“

__________ 8 Römermann in Michalski (Fn. 1), § 48 GmbHG Rz. 279; Zöllner in Baumbach/ Hueck (Fn. 1), § 48 GmbHG Rz. 41. 9 BGH, NZG 2006, 428 (429). 10 Reichstagsvorlage 8. Legislaturperiode – I. Session, 1892, S. 77, zitiert nach Hüffer in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 521 (526).

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Somit ist festzuhalten, dass § 48 Abs. 2 GmbHG keine abschließende Regelung in dem Sinne enthält, dass nicht zumindest durch die Satzung über § 48 Abs. 2 GmbHG hinaus eine erleichterte Form der Beschlussfassung zugelassen werden kann. Umgekehrt lässt sich aber auch nicht mit hinreichender Sicherheit durch die Entstehungsgeschichte belegen, dass eine Erleichterung in Form einer Kombination der Beschlussfassung zwingend einer satzungsmäßigen Zulassung bedarf und das allseitige Einverständnis der Gesellschaft dafür nicht ausreicht. b) Der BGH beschränkt seine Begründung auf die Feststellung, dass § 48 GmbHG keine abschließende Regelung über die Form der Gesellschafterbeschlüsse enthalte, sondern den Gesellschaftern gestatte, durch die Satzung abweichende Regelungen zu treffen und auf diesem Wege auch ein kombiniertes Verfahren vorzusehen. Der BGH begründet mit keinem einzigen Satz, warum für die abweichende Regelung unbedingt ein Satzungsbeschluss erforderlich ist und das Einverständnis aller Gesellschafter mit dem im konkreten Fall angewendeten Verfahren der kombinierten Beschlussfassung nicht ausreichen soll. Er übergeht diese Frage und nimmt sogleich Stellung zu der innerhalb der herrschenden Meinung umstrittenen Frage, ob die fehlende satzungsmäßige Grundlage die Nichtigkeit oder nur die Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Folge hat. Der BGH entscheidet sich unter Verwendung eines Arguments von Hüffer11 mit dem folgenden Satz für die Nichtigkeit: Wenn bereits Einberufungsmängel die Nichtigkeit zur Folge haben, wäre es ein Wertungswiderspruch, keine Nichtigkeit anzunehmen, wenn überhaupt kein zugelassenes Abstimmungsverfahren stattgefunden hat12. Das ist mit Recht als eine petitio principii kritisiert worden13, denn zunächst wäre zu begründen, dass das Einverständnis aller Gesellschafter nicht für die Zulässigkeit des kombinierten Verfahrens ausreicht. c) Hüffer und Karsten Schmidt wollen die Antwort auf diese Frage davon abhängig machen, ob die Gesellschafterversammlung oder die Gesamtheit aller Gesellschafter das zur Willensbildung berufene Organ der GmbH ist. Hüffer14 meint, nur die Gesellschafterversammlung habe Organqualität und daraus folge, dass die kombinierte Beschlussfassung einer satzungsmäßigen Grundlage bedarf. Dagegen meint Karsten Schmidt15, das beschließende Organ sei in jedem Fall die Gesamtheit der Gesellschafter, gleichgültig, ob die Gesellschafter in oder außerhalb einer Gesellschafterversammlung entscheiden, und deshalb genüge das Einverständnis aller Gesellschafter für die Zulässigkeit der kombinierten Beschlussfassung.

__________ 11 In Großkomm.GmbHG (Fn. 1), § 48 GmbHG Rz. 60. 12 NZG 2006, 428 (429). 13 Liese/Theusinger, GmbHR 2006, 682 (683); Karsten Schmidt, NJW 2006, 2599 (2602). 14 In FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 521 (533 f.). 15 In Scholz (Fn. 3), § 48 GmbHG Rz. 71 f. u. NJW 2006, 2599 (2601).

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Der Meinungsstreit über die Organdefinition mag akademisch interessant sein, für die hier zu beantwortende Frage gibt er aber nichts her. Jedenfalls gelingt es weder Hüffer noch Karsten Schmidt, ihr unterschiedliches Ergebnis schlüssig aus der unterschiedlichen Definition des Organs abzuleiten: Nach Meinung von Hüffer hat eine kombinierte Beschlussfassung wegen der ausschließlichen Organqualität der Gesellschafterversammlung „von vornherein keine gesetzliche Basis“. Grundsätzlich sei nur die ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung in der Lage, gültige Beschlüsse zu fassen. Dies genüge zwar nicht den praktischen Bedürfnissen der GmbH, aber Abhilfe habe der Gesetzgeber „im Interesse der Rechtssicherheit – und damit gerade nicht beliebig dispositiv – nur im Rahmen des § 48 Abs. 2 GmbHG geschaffen“16. Diese Argumentation ist nicht geeignet, das Erfordernis einer satzungsmäßigen Zulassung des kombinierten Beschlussverfahrens zu begründen. Würde Hüffer § 48 GmbHG für eine abschließende, nicht dispositive Regelung halten, müsste er sich fragen lassen, wieso es zulässig sein soll, das kombinierte Verfahren durch die Satzung einzuführen. Hüffer hält die Regelung nicht für abschließend, sondern dispositiv, aber „nicht beliebig dispositiv“. Soll das heißen: dispositiv nur durch Satzungsbeschluss und nicht durch einfache Einigung der Gesellschafter? Das ist die hier zu beantwortende Frage, und dafür gibt die These von der ausschließlichen Organqualität der Gesellschafterversammlung nichts her. Karsten Schmidt schließt aus seiner These, nicht die Gesellschafterversammlung, sondern die Gesellschafter seien das höchste Organ der GmbH, dass die Gesellschafter selbst Herren des Beschlussverfahrens sind. Es müsse ihnen deshalb freistehen, auch ohne satzungsmäßige Regelung in allseitigem Einverständnis eine kombinierte Beschlussfassung durchzuführen17. Auch diese Deduktion ist nicht zwingend. Wenn die Gesellschafter Herren des Beschlussverfahrens sind, bleibt noch offen, ob für ihre Entscheidung zur Zulassung der kombinierten Beschlussfassung eine einfache Einigung aller Gesellschafter ausreicht oder ein satzungsmäßiger Gesellschafterbeschluss erforderlich ist. Auch durch eine Satzungsregelung, wie sie die herrschende Meinung für erforderlich hält, erweisen sich die Gesellschafter als Herren des Beschlussverfahrens. d) Die Antwort auf unsere Frage ergibt sich, so lässt sich als negatives Zwischenergebnis festhalten, weder aus der Feststellung, dass § 48 GmbHG keine abschließende Regelung enthält, noch aus dem Streit über die richtige Organdefinition. Stattdessen sollte man es mit einer schlichten Gesetzesanwendung versuchen und fragen, ob sich nicht die Zulässigkeit der kombinierten Beschlussfassung in unmittelbarer Anwendung der gesetzlichen Regelungen erschließen lässt.

__________ 16 In FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 521 (534). 17 In Scholz (Fn. 3), § 48 GmbHG Rz. 71 f. u. NJW 2006, 2599 (2601).

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Das Verfahren heißt „kombiniertes“ Beschlussverfahren, weil es die beiden in § 48 Abs. 1 und 2 GmbHG geregelten Verfahren kombiniert. Es handelt sich also gar nicht um ein drittes Verfahren im Sinne eines „aliud“ zu den gesetzlich geregelten Verfahrenstypen, sondern das kombinierte Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es den Anforderungen beider Formen genügt: Die anwesenden Gesellschafter beschließen in der Versammlung, und für die Mitwirkung der anderen Gesellschafter an der Willensbildung ist ihre Anwesenheit in der Gesellschafterversammlung nicht erforderlich, weil sich sämtliche Gesellschafter mit der schriftlichen Stimmabgabe durch die nicht an der Gesellschafterversammlung teilnehmenden Gesellschafter einverstanden erklärt haben. Das Verfahren ist gemäß § 48 Abs. 1 und 2 GmbHG zulässig, weil die Voraussetzungen beider Verfahrensnormen erfüllt sind. Zu demselben Ergebnis führt auch ein a maiore ad minus-Schluss aus § 48 Abs. 2 GmbHG: Wenn es sogar zulässig ist, dass alle Gesellschafter außerhalb einer Versammlung schriftlich abstimmen, muss es erst recht zulässig sein, dass einzelne Gesellschafter im Einverständnis aller ihre Stimme außerhalb der Gesellschafterversammlung schriftlich abgeben18. § 48 Abs. 2 GmbHG gestattet die Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren nur als Ausnahme von der Regel des § 48 Abs. 1 GmbHG, weil der Beschlussfassung in einer Versammlung, in der Rede und Gegenrede möglich sind und die Gesellschafter im geordneten Dialog zur Entscheidung gelangen, regelmäßig der Vorzug gebührt. Bei einer kombinierten Beschlussfassung wird dieser Vorzug soweit als möglich gewahrt und die Ausnahme nur soweit wie notwendig in Anspruch genommen. e) Entgegen der Entscheidung des BGH ist somit auch ohne Regelung in der Satzung von der Zulässigkeit des kombinierten Beschlussverfahrens auszugehen, wenn es im allseitigen Einverständnis der Gesellschafter durchgeführt wird. Daran schließen sich einige praktische Fragen zur Gestaltung des Verfahrens an, wenn eine Regelung in der Satzung fehlt: Die Stimmabgabe der abwesenden Gesellschafter muss nicht notwendig nachträglich erfolgen, sondern kann der Versammlung auch zeitlich vorangehen19. Sämtliche Gesellschafter müssen mit dem Verfahren der Stimmabgabe außerhalb der Versammlung einverstanden sein, also nicht nur alle in der Versammlung anwesenden Gesellschafter, sondern auch alle abwesenden Gesellschafter, unabhängig davon, ob sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe Gebrauch machen. Das liegt daran, dass sich jeder, auch der abwesende Gesellschafter, nach der Wertung des § 48 Abs. 2 GmbHG darauf verlassen kann, dass ohne seine Zustimmung die Willensbildung nur in einer Versammlung mit der Möglichkeit von Rede und Gegenrede erfolgt. Das Einverständnis mit dem kombinierten Verfahren

__________ 18 Ähnlich Liese/Theusinger, GmbHR 2006, 682 (684). 19 Gehrlein, BB 2006, 1128.

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kann ausdrücklich und beschränkt auf die Verfahrensfrage erklärt werden. Es kann aber auch, wie § 48 Abs. 2 GmbHG zur Erleichterung zulässt, konkludent erklärt werden, indem alle Gesellschafter, also alle anwesenden und abwesenden Gesellschafter, sich an der Abstimmung beteiligen und einstimmig in der Sache entscheiden. Hält man sich an den Wortlaut des § 48 Abs. 2 GmbHG, so ist sowohl für das Einverständnis durch einstimmige Sachentscheidung (1. Alt.) als auch für das nur auf das Verfahren bezogene Einverständnis (2. Alt.) die Wahrung der Textform erforderlich20. Bei der kombinierten Beschlussfassung müssen demgemäß die abwesenden Gesellschafter ihr Einverständnis in Textform erklären. Auch von den in der Versammlung anwesenden Gesellschaftern individuelle Skripturakte für das Einverständnis mit der schriftlichen Stimmabgabe der abwesenden Gesellschafter zu verlangen, geht aber zu weit; es muss genügen, dass der Versammlungsleiter das Einverständnis in seinem Protokoll in Textform festhält. Für die auf diese Weise von allen anwesenden Gesellschaftern zugelassene sachliche Stimmabgabe des oder der abwesenden Gesellschafter scheint das Gesetz die Textform, also auch Telefax und E-Mail, nicht genügen zu lassen, sondern die Schriftform des § 126 BGB zu fordern, denn § 48 Abs. 2 GmbHG spricht insoweit von der „schriftlichen Abgabe der Stimmen“. Indes wird im Schrifttum überwiegend und wohl mit Recht angenommen, dass es trotz der unterschiedlichen Wortwahl im Gesetzestext (Einverständnis mit Verfahren „in Textform“ und sachliche Stimmabgabe „schriftlich“) auch für die Stimmabgabe ausreicht, wenn die Textform gewahrt wird21. Schließlich stellt sich bei einer kombinierten Beschlussfassung ebenso wie bei einer ausschließlich außerhalb einer Versammlung erfolgenden Beschlussfassung die Frage, wann das Verfahren beendet und der Beschluss gefasst ist. Zu § 48 Abs. 2 GmbHG hat der BGH in einer frühen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass der ohne Versammlung gefasste Beschluss in der Regel erst mit der Feststellung und Mitteilung an die Gesellschafter wirksam zustande gekommen ist22. Für die Beschlussfassung im kombinierten Verfahren formuliert der BGH in seiner Entscheidung vom 16. Januar 2006 noch strikter: Der auf einer kombinierten Beschlussfassung beruhende Gesellschafterbeschluss ist erst mit der Feststellung des Beschlussergebnisses

__________ 20 Roth in Altmeppen/Roth (Fn. 1), § 48 GmbHG Rz. 29 a. E. Dagegen will die h. M. trotz des Gesetzeswortlauts ein formloses Einverständnis mit dem Verfahren genügen lassen. (Karsten Schmidt in Scholz [Fn. 3], § 48 GmbHG Rz. 64; Lutter/ Hommelhoff [Fn. 4], § 48 GmbHG Rz. 11; Zöllner in Baumbach/Hueck [Fn. 1], § 48 GmbHG Rz. 35; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff [Fn. 4], § 48 GmbHG Rz. 19). 21 Karsten Schmidt in Scholz (Fn. 3), § 48 GmbHG Rz. 62; Zöllner in Baumbach/ Hueck (Fn. 1), § 48 GmbHG Rz. 37; offen lassend Lutter/Hommelhoff (Fn. 4), § 48 GmbHG Rz. 11; a. A. Roth in Roth/Altmeppen (Fn. 1), § 48 GmbHG Rz. 29 a. E. 22 BGHZ 15, 324 (329).

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wirksam gefasst23. Das wird man wohl so verstehen müssen, dass die Niederschrift eines Beschlussprotokolls durch den Abstimmungsleiter nicht ausreicht, sondern auch die Übermittlung des Protokolls an die Gesellschafter hinzukommen muss. 2. Kombinierte Beschlussfassung des Aufsichtsrats Anders als für die kombinierte Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter wird im Schrifttum, wie bereits erwähnt, keine Satzungsregelung für die Zulassung der kombinierten Beschlussfassung des Aufsichtsrats verlangt. Nicht einmal eine Regelung in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats hält die herrschende Meinung für erforderlich24. Diese Diskrepanz ist verwunderlich, wenn man bedenkt, dass § 48 GmbHG und § 108 AktG von derselben Systematik ausgehen, nämlich der regelmäßigen Form der Beschlussfassung in einer Sitzung und der ausnahmsweise zulässigen Form der Beschlussfassung außerhalb einer Sitzung, ohne die Mischform der kombinierten Beschlussfassung ausdrücklich zu regeln. Zu § 48 GmbHG wurde vorstehend dargelegt, dass der herrschenden Meinung nicht zu folgen ist, sondern die kombinierte Beschlussfassung auch ohne Regelung dieses Verfahrens in der Satzung zulässig ist, wenn sich alle Gesellschafter im konkreten Fall mit dieser Form der Beschlussfassung einverstanden erklären. Auch für die kombinierte Beschlussfassung des Aufsichtsrats wird von einigen Autoren das Einverständnis sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder mit dem im konkreten Fall angewendeten kombinierten Verfahren verlangt, wenn diese Beschlussform weder in der Satzung noch in der Geschäftsordnung geregelt ist. Dabei ist nicht immer ganz klar, ob die positive Zustimmung aller Mitglieder erforderlich sein soll oder es genügen soll, dass kein Mitglied dem Verfahren widerspricht25.

__________ 23 BGH, NZG 2006, 428 Leitsatz 1 Satz 2. 24 Anders nur Hüffer (Fn. 7), § 108 AktG Rz. 16. 25 Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 6), § 108 AktG Rz. 19; Siebel in Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 2. Aufl. 2004, § 5 Rz. 152 und E. Vetter (Fn. 6), § 27 Rz. 56: Zustimmung aller Mitglieder. Anders Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler (Fn. 6), § 25 MitbestG Rz. 33: Kein Widerspruch eines anwesenden oder abwesenden Mitglieds. Noch anders Raiser, MitbestG, 4. Aufl. 2002, § 25 MitbestG Rz. 22: Zustimmung aller anwesenden Mitglieder. Widersprüchlich J. Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 6), § 108 AktG Rz. 206: „Ein ausdrückliches Einverständnis der Aufsichtsratsmitglieder ist erforderlich ... Die gemischte Beschlussfassung ist nur zulässig, wenn weder anwesende noch abwesende Aufsichtsratsmitglieder widersprechen.“ Differenzierend Hopt/M. Roth in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 108 AktG Rz. 129: Zulassung der nachträglichen Stimmabgabe durch den Vorsitzenden erfordert einen – nicht notwendig einstimmigen – Beschluss, wenn in der Sitzung bereits zur Sache abgestimmt wurde; bei Zulassung vor der Sachabstimmung besteht nur Widerspruchsrecht. Unklar noch HoffmannBecking in MünchHdb. AG, 2. Aufl. 1999, § 31 Rz. 81.

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Beurteilt man diese Frage zunächst nach der bis 2001 geltenden Fassung des § 108 Abs. 4 AktG, so ergibt sich folgendes: Als Kombination der beiden Beschlussformen muss das Verfahren sowohl den Anforderungen der Beschlussfassung in einer Sitzung als auch den Anforderungen der Beschlussfassung außerhalb einer Sitzung genügen. Für die Beschlussfassung außerhalb einer Sitzung verlangte § 108 Abs. 4 AktG a. F. nicht die positive Zustimmung aller Mitglieder, sondern nur, dass kein Mitglied dem Verfahren widerspricht. Auf die kombinierte Beschlussfassung angewendet heißt dies, dass sie zulässig ist, wenn weder ein in der Sitzung anwesendes noch ein abwesendes Mitglied gegen die Anordnung des Vorsitzenden, dass das oder die abwesenden Mitglieder ihre Stimme außerhalb der Sitzung abgeben können, Widerspruch erhebt. Der Vorsitzende muss also auch allen abwesenden Mitgliedern Gelegenheit geben, innerhalb einer angemessenen Frist gegen das Verfahren Widerspruch zu erheben. Das positive Einverständnis aller anwesenden und abwesenden Mitglieder braucht er nicht einzuholen. Unter der Geltung des neu gefassten § 108 Abs. 4 AktG stellt sich das Bild ein wenig anders dar. Nun regelt § 108 Abs. 4 AktG nämlich außer der schriftlichen und fernmündlichen Beschlussfassung außerhalb einer Sitzung auch „andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse“. Das spricht dafür, die kombinierte Beschlussfassung nunmehr als eine durch § 108 Abs. 4 AktG unmittelbar geregelte besondere Form der Beschlussfassung zu verstehen26. Für die Zulässigkeit kommt es auch nach der Neufassung darauf an, dass kein Mitglied dem Verfahren widerspricht. Neu ist jedoch, dass dies nur „vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats“ gilt. Die „nähere Regelung“ durch die Satzung oder Geschäftsordnung kann die Erfordernisse enger oder weiter festlegen. So kann in der Satzung oder Geschäftsordnung bestimmt werden, dass eine Beschlussfassung ohne Sitzung oder eine kombinierte Beschlussfassung nur zulässig ist, wenn sich alle Mitglieder mit der vom Vorsitzenden vorgeschlagenen Art der Abstimmung einverstanden erklären, und zwar entweder ausdrücklich oder konkludent durch ihre Beteiligung an der Sachabstimmung. Es kann aber auch umgekehrt das Widerspruchsrecht völlig ausgeschlossen oder modifiziert werden27. Wenn in der Satzung oder Geschäftsordnung das Widerspruchsrecht gegen die Anordnung einer Beschlussfassung außerhalb der Sitzung ausgeschlossen ist, ist davon auszugehen, dass damit auch kein Widerspruch gegen die Anordnung einer kombinierten Beschlussfassung, also gegen die

__________ 26 Kindl, ZHR 166 (2002), 335 (342); J. Wagner, NZG 2002, 57 (58 f.); HoffmannBecking (Fn. 6), § 31 Rz. 88; ders. in FS Happ, 2006, S. 81 (88). 27 Hoffmann-Becking (Fn. 6), § 31 Rz. 92, m. N.; Hüffer (Fn. 7), § 108 AktG Rz. 16; Kindl, ZHR 166 (2002), 335 (337); Lutter/Krieger (Fn. 6), § 9 Rz. 604.

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Zulassung der vorherigen oder nachträglichen Stimmabgabe abwesender Mitglieder möglich ist28. Somit bleibt nur noch zu klären, in welcher Form das oder die abwesenden Mitglieder ihre Stimme im Rahmen einer kombinierten Abstimmung abgeben können. § 108 Abs. 4 AktG n. F. spricht von der schriftlichen, fernmündlichen oder anderen vergleichbaren Form der Beschlussfassung. In der „näheren Regelung“ durch die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats können die Anforderungen konkretisiert werden, insbesondere durch Verwendung des Begriffs der Textform. Aber auch ohne eine solche Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung ist davon auszugehen, dass die Übermittlungsformen Telefax und E-Mail als „vergleichbare Formen“ anzusehen und durch die Neufassung des § 108 Abs. 4 AktG für zulässig erklärt worden sind29. Das gilt dann auch für die vorherige oder nachträgliche Stimmabgabe im Rahmen einer kombinierten Beschlussfassung: Die Stimme kann schriftlich, fernmündlich oder in einer vergleichbaren Form, also auch durch Fax oder E-Mail abgegeben werden, es sei denn, die Satzung oder Geschäftsordnung würde die zulässigen Formen der Übermittlung enger definieren30.

__________ 28 J. Wagner, NZG 2002, 57 (59); Hoffmann-Becking (Fn. 6), § 31 Rz. 88; E. Vetter (Fn. 6), § 27 Rz. 56. 29 Hopt/M. Roth in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 108 AktG Rz. 116; Lutter/Krieger (Fn. 6), § 9 Rz. 604; Hoffmann-Becking (Fn. 6), § 31 Rz. 91. 30 Hoffmann-Becking (Fn. 6), § 31 Rz. 88.

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Peter Hommelhoff

Die Gesetzgebungsinitiative des Europäischen Parlaments zur Europäischen Privatgesellschaft Am 1. Februar 2007 hat das Plenum des Europäischen Parlaments1 die EUKommission aufgefordert, eine Verordnung zum Statut einer Europäischen Privatgesellschaft (EPG) zu entwerfen und diesen Verordnungsentwurf auf der Grundlage von Art. 308 EG-Vertrag dem Parlament noch im Jahre 2007 zur Beratung vorzulegen. Für diesen Entwurf und seine inhaltliche Ausgestaltung gibt die Plenarentschließung in insgesamt elf Empfehlungen der Kommission zugleich Eckpunkte vor, die auf acht Erwägungen gründen. Damit ist der Legislativprozess2 für eine vierte supranationale Rechtsform des Gemeinschaftsrechts nach der EWIV3, der Europäischen (Aktien-)Gesellschaft (SE)4 und der Europäischen Genossenschaft (SCE)5 angestoßen; das rechtspolitische Gewicht dieses Anstoßes folgt schlicht aus der Tatsache, dass die EPG mit ihrem Inkrafttreten als „EuroGmbH“ vor allem für kleine und mittlere Unternehmen im europäischen Binnenmarkt fungieren6 und somit in jenem Wirtschaftssektor Anwendung finden wird, der in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten die größten Beiträge zum nationalen Bruttosozialprodukt beisteuert. Mit der EPG will das EU-Parlament nach Erwägung E seiner Entschließung den Unternehmen eine zusätzliche Organisationsmöglichkeit auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene neben den nationalen Gesellschaftsformen zur Verfügung stellen – aus deutschem Blickwinkel geschaut also vornehmlich neben der GmbH. Im Folgenden sollen die Erwägungen und Empfehlungen des Parlaments einer ersten Sichtung unterzogen werden; sie ist Hans-Joachim Priester, dem herzlich vertrauten Freund und jahrzehntelangen Partner in Diskussionen zum Gesellschafts- und Bilanz-

__________ 1 Auffindbar unter www.eurparl.europa.eu/registre/recherche über „erweiterte Suche“ in der Dokumentenkategorie „Angenommene Texte“ zum Datum 1.2.2007; in diesem Text siehe auch den Verweis auf die mit Ausnahme der mitbestimmungsrechtlichen Passagen nahezu textidentische Vorlage des EP-Rechtsausschusses. – Herrn Michael Weiss, Brüssel, danke ich für seine Hilfe. 2 Zu ihm näher unten IV. 3 ABl.EG v. 25.7.1985, L 199/1; von der Heydt/von Rechenberg (Hrsg.), EWIV, 1991; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2000, S. 580 ff.; s. auch Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, S. 504 ff. 4 ABl.EG v. 8.10.2001, L 294/1; L 294/22; Grundmann (Fn. 3), S. 478 ff.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, S. 404 ff.; s. auch Schwarz (Fn. 3), S. 640 ff. 5 ABl.EU v. 18.8.2003, L 207/1; L 207/25. 6 Dazu aus dem deutschsprachigen Schrifttum Brandi in Hommelhoff/Helms (Hrsg.), Neue Wege in die Europäische Privatgesellschaft, 2001, S. 79 ff. sowie der Bericht von Hommelhoff in FS Peter Doralt, 2004, S. 201 f.

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Peter Hommelhoff

recht voller Erkenntnisgewinne7 gewidmet – in tiefer Dankbarkeit, aber davor noch für Zuwendung und Vertrauen, die er in reichem Maße schenkt.

I. 8

1. Zur Ausgestaltung der EPG gibt das Parlament der Kommission das Konzept eines möglichst weitgehend in sich abgeschlossenen Statuts nach Gemeinschaftsrecht vor. Wesentliche Regelungskomplexe dieser supranationalen Rechtsform sollen nicht im Rückgriff auf die je unterschiedlichen Gesellschaftsrechte der Mitgliedstaaten erschlossen werden (Empfehlung 1 Satz 1)9. Darin soll das EPG-Statut konzeptionell von dem der SE abweichen. Denn, so das Parlament in seiner Begründung zur EPG-Entschließung: Das Ergebnis des SE-Statuts sei nicht befriedigend, der Markt habe die SE als Rechtsform für Aktiengesellschaften noch nicht angenommen – u. a. weil sie keine einheitlich europäische Rechtsform sei. Wegen ihrer vielen Verweise ins nationale Recht10 sei die SE Stückwerk mit der Folge geblieben, dass sie die Rechtsunsicherheit erhöhe und sich nicht kostengünstig auswirke. Mit alledem hat das EU-Parlament kritische Erwägungen des Schrifttums aufgegriffen11. 2. In Konsequenz seines Konzepts einer gemeinschaftsrechtlichen Eigenregelung für die EPG markiert das Parlament klar jene Bereiche, welche in der EPG-Verordnung möglichst abschließend geregelt werden sollen (Empfehlung 1)12: – die Rechtsnatur der EPG sowie ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit – die Gründung der EPG sowie deren Formen (Empfehlung 2) und Verfahren

__________ 7 Zur EPG hat sich der Jubilar selbst in Neue Wege (Fn. 6), S. 143 ff. geäußert. 8 Hierzu liegen aus dem Schrifttum, namentlich dem deutschen bereits eine Vielzahl von Äußerungen vor, so vor allem in den Sammelbänden Boucourechliev/ Hommelhoff (Hrsg.), Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 1999; Neue Wege (Fn. 6) sowie in der Dissertation von Helms, Die Europäische Privatgesellschaft, 1998; aus dem monographischen Schrifttum s. die Angaben bei Hommelhoff in FS Doralt (Fn. 6), S. 200 Fn. 5. 9 Speziell hierzu Boucourechliev in Vorschläge (Fn. 8), S. 225; Hommelhoff, WM 1997, 2101 (2108); zuletzt C. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 275 f. sowie Drury, European Company Law 2006, 267 (269 f.); zur kritischen Aufnahme dieser Überlegungen s. den Diskussionsbericht von Mattheus in Neue Wege (Fn. 6), S. 97 ff. 10 Zur Normenpyramide des Art. 9 SE-VO s. Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff (Hrsg.), Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 5 ff. 11 S. oben Fn. 9. 12 S. schon den Verordnungsentwurf zur Europäischen Privatgesellschaft, den eine Arbeitsgruppe CCIP/CNPF 1998 vorgelegt hatte; abgedr. auch in Vorschläge (Fn. 8), S. 281 ff.; (vornehmlich im Bereich des Gläubigerschutzes) überarbeitete Fassung von C. Teichmann, European Company Law 2006, 279 ff.

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– der Gesellschaftsvertrag und sein Inhalt (Empfehlung 5) einschließlich Name oder Firma der EPG – die Organisationsverfassung der EPG einschließlich ihrer monistischen oder dualistischen Leitungsstruktur (Erwägung F) mitsamt Geschäftsführer (Empfehlung 4) – die Vertretungsmacht der Gesellschaftsorgane – die Minimalstandards für die Pflichten der Geschäftsführung gegenüber der Gesellschaft – die Funktionsweise der Gesellschaftsorgane und ihre Abstimmungsmehrheiten – Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft einschließlich der Gesellschafterberatungen und Bedingungen zum Kauf und Verkauf von Gesellschaftsanteilen13 – die mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten – die Haftung der Gesellschaft, der Geschäftsführer, der Organmitglieder und der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten – wobei sich das Parlament von der Erwägung leiten lässt, dass den Gesellschaftsgläubigern für deren Forderungen allein das Gesellschaftsvermögen haften sollte (Erwägung D). Im EPG-Statut, also auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts, sollen nach den Vorgaben des Parlaments überdies Regelungen zur Insolvenz dieser Gesellschaft getroffen werden (Empfehlung 11)14: zum ersten die Insolvenzantragspflicht der EPG-Geschäftsführer bei Eintritt eines Insolvenztatbestandes; und zum zweiten deren unmittelbare Schadenersatzhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bei Verletzung dieser Antragspflicht. Mithin soll der Insolvenzantrag gemeinschaftsrechtlich geregelt werden, während sich alles Weitere nach dem nationalen Recht am Verwaltungssitz der Gesellschaft bestimmen soll (Empfehlung 11). 3. Diese Regelungskomplexe weist das EU-Parlament den Gesetzgebungsorganen der Gemeinschaft in doppelter Weise abgegrenzt gegenüber denen der Mitgliedstaaten zu: Zum einen sollen die EU-Organe die genannten Regelungsbereiche nicht den Mitgliedstaaten zur Normierung übertragen dürfen – es sei denn, das Parlament selbst hätte die Mitgliedstaaten (wie z. B. in Empfehlung 10 zu den Umwandlungsmöglichkeiten) dazu aufgerufen. Und zum anderen können ebensowenig die Mitgliedstaaten von sich aus mit bereits vorhandenem oder neu geschaffenem Recht in den genannten Rege-

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13 Mit Nachdruck für die Beurkundung dieses Vorgangs Priester in Neue Wege (Fn. 6), S. 143 ff. 14 Zum Insolvenzrecht als gemeinschaftsrechtlicher Regelungsmaterie im EPG-Recht Ehricke, RabelsZ 64 (2000), 497 (503 f.); eingehend Haas in Neue Wege (Fn. 6), S. 171 ff.

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lungsbereichen Bestimmungen treffen; diese Bereiche sind in der EPG-Verordnung exklusiv gemeinschaftsrechtlich zu regeln. Der Berichterstatter im Europäischen Parlament, der deutsche Europaabgeordnete Klaus-Heiner Lehne, hat diesen weitgehenden Verzicht auf Verweise ins nationale Recht damit begründet15, über eine einheitliche europäische Rechtsform würden automatisch die Beratungskosten sinken; denn bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten fände (anders als bei der SE) nicht mehr das Recht verschiedener Mitgliedstaaten Anwendung. 4. Bei den Regelungsbereichen zur gemeinschaftsrechtlichen Ausgestaltung der EPG differenziert die Parlaments-Entschließung nach ihrer ersten Empfehlung (Satz 3 am Ende) zwischen jenen Bereichen, die in der Satzung der einzelnen EPG sollen frei ausgestaltet werden können, und jenen anderen, auf die das Statut nach der EPG-Verordnung zwingend Anwendung finden soll (Satz 4). Danach gilt Satzungsautonomie für die Funktionsweise der Gesellschaftsorgane, die Abstimmungsmehrheiten sowie für die Gesellschafterberatungen und Bedingungen zum Kauf und Verkauf von Gesellschaftsanteilen; diese Regelungen sollen individuell nach den Gesellschaftsbedürfnissen formuliert werden können – wobei das Parlament die Kommission nicht dahin festlegt, ob sie insoweit in die EPG-Verordnung satzungsdispositive Regelungen aufnehmen will oder Regelungsaufträge an die Satzungsgeber16. Alle anderen in Empfehlung 1 aufgelisteten Regelungsbereiche sind, wie gesagt, nach Satz 4 (am Anfang) zwingend. Auf den ersten Blick scheint somit die Parlaments-Entschließung zur EPG (nicht anders als das SE-Statut)17 auf Satzungsstrenge hin angelegt zu sein und sich damit gegenüber den zweiten Gesellschaftsformen in den EU-Mitgliedstaaten abzusetzen, die vom Gedanken der Gestaltungsfreiheit geprägt sind. Indes – dieser Eindruck täuscht. Was im Regelungskatalog der ersten Empfehlung für die EPG abweichungsfest fixiert ist, unterscheidet sich kaum von den entsprechenden Regelungen im ansonsten gestaltungsoffenen GmbH-Recht Deutschlands. Die Parlaments-Entschließung ist kein scharf ausformulierter Normtext; deshalb ist der EU-Kommission bei der Niederschrift der Verordnungs-Bestimmungen die Aufgabe gestellt, den gestaltungsoffenen Grundzug der EPG18 angemessen im Statut zum Ausdruck zu bringen. 5. Allerdings lässt der Parlaments-Entschluss zu den zwingend zu regelnden Bereichen an anderer Stelle Zweifel entstehen: bei der Normenhierarchie.

__________ 15 S. Fn. 1. 16 Grundlegend zum Regelungsauftrag C. Beier, Der Regelungsauftrag als Gesetzgebungsinstrument im Gesellschaftsrecht, 2002, passim und S. 256 ff. speziell zur EPG. 17 Dazu Hommelhoff in FS Ulmer, 2003, S. 267 ff. 18 Dies war von Anbeginn ein kennzeichnendes Gestaltungselement des EPG-Statuts; s. Hommelhoff, WM 1997, 2101 (2105).

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Nach Empfehlung 1 Satz 4 zweite Hälfte sollen andere gemeinschaftsrechtliche Vorschriften außerhalb des Statuts dann auf die EPG Anwendung finden, wenn sie subsidiär über das Statut hinausgehen. Insoweit ist nicht klar zu erkennen, wann Regeln über das Statut hinausgehen und wann dies „subsidiär“ geschehen könnte. Noch schlechter zu durchschauen ist das Verhältnis zwischen dem EPG-Statut auf der einen Seite und nationalem Gesellschaftsrecht für mit der EPG vergleichbare Gesellschaftsformen (wie etwa die deutsche GmbH) auf der anderen. Wie sollte Nationalrecht auf die EPG Anwendung finden können angesichts der vom Parlament unterstrichenen exklusiven Eigenregelung für die EPG auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts19? Nicht anders als Art. 9 SE-VO erfordert die Normenhierarchie bei der EPG Grundlagenarbeit20. Eines ist freilich bemerkenswert: der Parlaments-Entscheid rekurriert nicht auf allgemeine Grundsätze des europäischen Gesellschaftsrechts, um Regelungslücken im EPG-Statut zu schließen21.

II. Zu einigen EPG-Regelungsbereichen hat sich das Europäische Parlament nicht damit begnügt, der Kommission für deren Verordnung Regelungsaufträge zu erteilen, sondern hat die kommenden Verordnungs-Regelungen selbst unterschiedlich detailliert vorgeformt. Das gilt zum einen für die Gründung und Umwandlung einer EPG, vor allem aber für den Gläubiger- und Kapitalschutz22 in ihrem Statut. 1.a) Für die EPG-Gründung will der Parlaments-Entscheid eine ganze Reihe unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. So soll diese supranationale Rechtsform „ex nihilo“ (Empfehlung 2), also auf der „grünen Wiese“ von einer oder mehreren Personen gegründet werden können, wobei es nicht darauf ankommt, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt (Erwägung C). Ebenso wenig will das Parlament Anforderungen an die Herkunft des oder der Gründer gestellt wissen: Er oder sie müssen nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sein (Erwägung C); es kann mithin sogar ein Russe eine EPG von außen in das EU-Gebiet hinein gründen.

__________ 19 S. oben I.1. 20 S. oben Fn. 10. 21 Zu den kritischen Stimmen gegenüber dem Konzept allgemeiner Grundsätze s. oben Fn. 9; zur Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze im Gemeinschaftsrecht Völter, Der Lückenschluss im Statut der Europäischen Privatgesellschaft, 2000, passim; Hatje in Neue Wege (Fn. 6), S. 247 ff. 22 Zu diesem bereits eingehend Haas sowie Reichert in Neue Wege (Fn. 6), S. 155 ff., 201 ff.

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Und schließlich fällt vor dem Hintergrund der bisherigen Diskussion um die EPG das Fehlen jeglicher Mehrstaatlichkeits-Vorgaben auf23: Nach den Vorstellungen der EU-Parlamentarier soll die EPG offenbar weder über eine EUBinnengrenze hinweg gegründet, noch in anderen Mitgliedstaaten marktaktiv werden müssen. Auf diese Weise könnte die EPG zur direkten Konkurrentin für nationale Gesellschaftsformen heranwachsen. Ob jedoch eine so konzipierte Rechtsform des Gemeinschaftsrechts mit den Kompetenzregeln des EG-Vertrages vereinbar wäre, bedarf noch der näheren Prüfung; auf einen wie auch immer konstruierbaren Binnenmarkt-Bezug wird man kaum verzichten können24. Insoweit ist der interinstitutionelle Dialog zwischen dem Parlament und der Kommission25 noch nicht abgeschlossen, sondern bedarf auf der Grundlage eines Kommissions-Vorschlags für die EPG-Verordnung noch der Fortsetzung. b) Außer durch Gründung „ex nihilo“ soll die EPG auch aus einer bestehenden Gesellschaft durch Transformation entstehen können: sei es durch Umwandlung, durch Verschmelzung mit einer oder mehreren anderen Gesellschaften oder durch Bildung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft, also eines joint ventures (Empfehlung 2). Ausgangsform oder -formen können dabei sowohl nationale Gesellschaften aus einem oder mehreren Mitgliedstaaten, aber wohl auch Drittstaaten sein, ebenso jedoch Rechtsformen des Gemeinschaftsrechts wie die EWIV, die SE, die SCE und schließlich die EPG selbst. Ganz offenbar will das Parlament diese neue Rechtsform extrem liberal zur Verfügung stellen, um den zusammenwachsenden Binnenmarkt zu stärken (Begründung, Hintergrund). 2. Nach den Vorgaben des Parlaments soll die EPG als juristische Person konstruiert werden, für deren Verbindlichkeiten den Gesellschaftsgläubigern allein das Gesellschaftsvermögen haftet (Erwägung D). Dies erfordert kapitalgesellschaftlichen Kapital- und Gläubigerschutz, der sich nach dem Parlamentskonzept aus den drei Säulen der Kapitalaufbringung und -erhaltung, der öffentlichen Rechnungslegung26 sowie der Geschäftsführer-Organhaftung27 zusammensetzen soll. Obwohl damit das traditionelle Gläubigerschutzsystem des Gesellschaftsrechts in Europa für das Gemeinschaftsrecht fortge-

__________ 23 Hierzu zuletzt Hommelhoff in FS Doralt (Fn. 6), S. 205 f. – Das (motivierende) Stichwort „grenzüberschreitend“ erwähnt der Parlaments-Entscheid allerdings in Erwägung B, Erwägung H und in Begründung I. Hintergrund. 24 S. Müller-Graff in Neue Wege (Fn. 6), S. 289 ff., 305 f. 25 Auf das interinstitutionelle Legislativverfahren weist der Parlaments-Entscheid (in der Begründung, Standpunkt des Berichterstatters) ausdrücklich hin. 26 Zur Rechnungslegung verweist der Parlaments-Entscheid auf das harmonisierte Recht der Mitgliedstaaten; zur Rechnungslegung der EPG s. schon Kraft in Neue Wege (Fn. 6), S. 217 ff. 27 Zu dieser Grundstruktur des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes Hommelhoff in FS Doralt (Fn. 6), S. 207 f.

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schrieben wird, finden sich doch einige interessante Anregungen für die Modernisierung auch des deutschen GmbH-Rechts28. a) Zum Kapitalschutz ordnet der Parlaments-Entscheid ein System des festen Stammkapitals mit einem Mindestwert von 10 000 Euro (bzw. einem entsprechenden Gegenwert in einer anderen mitgliedstaatlichen Währung) an29. Als „Schutzgebühr“ zur Gewährleistung von Minimalseriosität30 wird man dies Mindestkapital aber schon deshalb nicht qualifizieren können, weil es nicht zwingend eingezahlt werden muss (Empfehlung 3). Da es (offenbar nicht anders als die Hafteinlage des Kommanditisten) den Haftungsumfang der Gesellschafter bestimmt, können die Gesellschaftsgläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung auf die ausstehenden Stammeinlagen der Gesellschafter zugreifen oder der Insolvenzverwalter. Diese bloß begrenzte Haftungsdrohung wird leichtfertige Gesellschaftsgründer wohl selten zu seriösem Gründungsverhalten anstacheln. In diesem Konzept eines nichtaufbringungspflichtigen Mindeststammkapitals ist offenbar ein Kompromiss zwischen dem obligatorischen Mindesteigenkapital und dem 1 Euro-Konzept mancher Mitgliedstaaten31 gefunden worden. Zur Sachgründung enthält der Parlaments-Entscheid keine verbindlichen Vorgaben. Für die EU-Kommission bedeutet dies Regelungsfreiheit in der EPG-Verordnung; sie sollte diese genauso liberal wie das Parlament nutzen und von komplizierten Vorschriften zur Sachgründung ebenso Abstand nehmen wie von überzogenen Sanktionsmechanismen wie denen der „verdeckten Sacheinlage“ nach deutschem Recht32: Ein Wertergänzungsanspruch würde allemal genügen. b) Zur Kapitalerhaltung geht der Parlaments-Entscheid ein ganzes Stück über das deutsche System im GmbH-Recht hinaus; das beginnt bereits bei

__________ 28 Zur aktuellen Diskussion zur Modernisierung des Gläubigerschutzes im deutschen GmbH-Recht umfassend zuletzt Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (182 ff.); Thiessen, DStR 2007, 202; darüber hinaus mag man im Schutzkonzept des Parlaments aber auch einen Baustein sehen, um auf sekundärrechtlicher Ebene ein geschlossenes Konzept für einen europäischen Gläubigerschutz in Kapitalgesellschaften zu entwickeln (s. C. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 528 – zusammenfassend). 29 Für die Absenkung der Mindeststammkapitalziffer haben in der vorangegangenen Diskussion vor allem die Vertreter der neuen EU-Mitgliedstaaten plädiert; s. Hommelhoff in FS Doralt (Fn. 6), S. 208. 30 So treffend Karsten Schmidt, Der Konzern 2004, 171; vgl. ebda. auch den Diskussionsbeitrag von Seibert mit der Überlegung, die Einzahlung des Mindestkapitals bei Gründung freizustellen. 31 Zur rechtspolitischen Motivation für die 1 Euro-SARL des französischen Rechts s. Becker, GmbHR 2003, 706 und 1120. 32 Zur rechtspolitischen Kritik an diesem Rechtsinstitut in der aktuellen Reformdiskussion etwa Priester in VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1 ff.; Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines MoMiG, 2007, S. 30 f.

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der Grundstruktur: Während im deutschen Recht primär der Erstattungsanspruch aus § 31 GmbHG den Verstoß gegen das Auszahlungsverbot sanktioniert und der Schadenersatzanspruch gegen den oder die Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG ergänzend und absichernd hinzukommt, will der Parlaments-Entscheid die verbotene Auszahlung in erster Linie mit einem Schadenersatzanspruch gegen die Gesellschaftsorgane sanktioniert wissen (Empfehlung 7) – in einer dualistisch konstruierten EPG (Erwägung F) also gegen die Geschäftsführer und die Mitglieder des Aufsichtsrats, in einer monistisch strukturierten mithin gegen die board-Mitglieder einschließlich der geschäftsführenden. Daneben soll nach dem Parlaments-Entscheid zur EPG der Erstattungsanspruch gegen den oder die Empfänger der verbotenen Auszahlung zum Zuge kommen (Empfehlung 7 Halbsatz 2). Über das deutsche Recht hinausgehend sollen in der EPG nicht bloß Auszahlungen an Gesellschafter verboten sein, sondern weitergehend auch solche an die Mitglieder von Gesellschaftsorganen, also Geschäftsführer, Aufsichtsräte oder board-Mitglieder (Empfehlung 7 erster Halbsatz); nahestehende Personen sollen diesen Empfängern gleichgestellt werden. Gegenüber solchen Vermögensbewegungen soll offenbar das Gesellschaftsvermögen in vollem Umfange geschützt werden33 und nicht etwa bloß bis hinauf zur Stammkapitalziffer der einzelnen Gesellschaft. Andererseits soll dieser Kapitalschutz nicht starr fixiert sein, sondern flexibel relativiert: Vermögensbewegungen zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter etc. sind dann nicht unrechtmäßig, wenn sie im wohlverstandenen Interesse der EPG liegen (Empfehlung 7 Halbsatz 3). Diese Relativierung wird die EPG-Verordnung wohl kaum näher konkretisieren können; vielmehr wird die Unternehmenspraxis nolens volens auf Entscheidungsvorschläge des Schrifttums und auf Gerichtsentscheide warten müssen. Doch mit dieser Relativierung allein begnügt sich das Europäische Parlament nicht; es übernimmt in Halbsatz 4 die französische Rozenblum-Formel34: Vermögensminderungen sind zulässig, wenn die EPG in eine kohärente Gruppenpolitik eingebunden ist und eventuelle Nachteile durch die Vorteile der Gruppenzugehörigkeit kompensiert werden. Diese geschmeidige Öffnung des Kapitalschutzes speziell für Gruppen-verflochtene Privatgesellschaften35 zeigt, wie klar die europäischen Parlamentarier jene Konzernstrukturen sehen, in die insbesondere Vertriebs- und Servicegesellschaften in anderen EU-Mitgliedstaaten eingebunden sind, und wie stark die Parlamentarier solche Verbindungen im europäischen Binnenmarkt fördern wollen.

__________ 33 Dies entspricht der Regelung in § 82 Abs. 1 österreichisches GmbHG; dazu näher die Kommentierung von Koppensteiner, GmbH-Gesetz, 2. Aufl. 1999, § 82 GmbHG Rz. 1. 34 Zu ihr näher Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672 (705 ff.) m. w. N. 35 Insbesondere zu den rechtstatsächlichen Verflechtungsmöglichkeiten der EPG im Konzern Kallmeyer in Neue Wege (Fn. 6), S. 84 ff.

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3.a) Mit großem Nachdruck möchte der Parlaments-Entscheid die Möglichkeiten zur Umgestaltung der EPG ausgeformt wissen. Sie soll sich verschmelzen, spalten und ihre Form in die einer SE wechseln können (Empfehlung 10); auf diese Weise lässt sich nicht allein dem Aufwuchs kleiner und mittlerer EPG-Unternehmen Rechnung tragen, sondern darüber hinaus ihrem Auftritt auf dem Kapitalmarkt. Anders als bei den Gründungsmodalitäten (Empfehlung 2) scheint der Parlaments-Entscheid jedoch keine Rückumwandlung in eine nationale Rechtsform vorzusehen; so aber ist es nicht: Für diese gibt das Parlament vor, dass bei ihr die bestehenden Arbeitnehmerrechte beibehalten werden müssen (Empfehlung 10 Halbsatz 5). Deshalb wird man die Empfehlung zu den Umwandlungsmöglichkeiten insgesamt wohl so lesen müssen: Der Parlaments-Entscheid gibt der Kommission nur die Umwandlung in eine SE vor, aber verbietet ihr nicht, auch die Rückumwandlung in eine nationale Rechtsform (oder die Umwandlung in eine andere Form des Gemeinschaftsrechts) in der EPG-Verordnung zu regeln. Im Zweifel wird die EPG ohnehin auf Basis einer allgemeinen Gleichstellungsvorschrift alle im mitgliedstaatlichen Recht geregelten Umwandlungsvorgänge vollziehen können, die vergleichbaren nationalen Gesellschaftsformen offen stehen. Nur für den Fall, dass die Verordnung auch über die Rückumwandlung eine Bestimmung trifft, muss sie sicherstellen, dass die vorhandenen Arbeitnehmerrechte gewahrt bleiben. Bemerkenswert zählt der Parlaments-Entscheid ebenfalls die Sitzverlegung (innerhalb des Mitgliedsstaats und über seine Grenzen hinaus) zu den Umwandlungsmöglichkeiten und hält die Kommission, wie schon eingangs im CCIP/CNPF-Entwurf (Art. 6 Abs. 2) vorgeschlagen36, dazu an, die Sitzverlegung in der EPG-Verordnung näher zu regeln; dies allerdings nicht in der EPG-Verordnung, sondern auf dem Weg über die Richtlinie zur Sitzverlegung. Sie mündet in harmonisiertes Nationalrecht aus, das dann auch auf die EPG Anwendung finden soll. b) Zur Ausgestaltung der Umwandlungsformen im einzelnen verweist der Parlaments-Entscheid auf das einschlägige Richtlinienrecht der Gemeinschaft, also auf die beiden Verschmelzungs-Richtlinien sowie auf die zur Spaltung. Allerdings muss dies Rechtsform-spezifisch fortgeschrieben werden: Die Richtlinien beziehen sich auf die Aktiengesellschaften in den Mitgliedstaaten; die EPG hingegen entspricht als zweite Kapitalgesellschaftsform des Gemeinschaftsrechts der GmbH, SARL, BV etc. Konsequent beauftragt der Parlaments-Entscheid die Kommission, insoweit das nationale Umwandlungsrecht (wie z. B. die §§ 46 ff., 138 ff., 238 ff. UmwG) in Dienst zu nehmen. 4. Die Arbeitnehmerrechte auf Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung haben das Plenum des Europäischen Parlaments mit der Folge beson-

__________ 36 Zu den Implikationen im Steuerrecht Piltz in Neue Wege (Fn. 6), S. 238 ff.

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ders beschäftigt, dass es mit seiner Erwägung H über die Vorlage des Rechtsausschusses hinausgegangen ist. Nach dem Parlaments-Entscheid sind mithin für die Arbeitnehmerrechte in der EPG zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden: zum einen die Gründung einer EPG „ex nihilo“ und zum anderen ihre Entstehung durch Umstrukturierung einer oder mehrerer vorhandener Gesellschaften. a) Wird eine EPG „auf der grünen Wiese“ durch eine oder mehrere natürliche Personen gegründet, so fragt sich, ob und unter welchen Voraussetzungen in ihr Arbeitnehmer-Mitwirkungsrechte begründet werden müssen. Dazu gibt der Parlaments-Entscheid in Erwägung H vor, der einschlägige gemeinschaftliche Besitzstand, der grenzüberschreitende Unterrichtungs-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer vorsehe sowie bestehende Arbeitnehmerbestimmungsrechte gewährleiste, solle vollständig beibehalten werden. Damit verweist das EU-Parlament im ersten Teil seiner Erwägung auf das Niveau der Arbeitnehmer-Mitwirkungsrechte und auf seine Grundsätze, die mittlerweile in der Gemeinschaft erreicht sind. Dahinter soll die Kommission mit ihrem Vorschlag für eine EPG-Verordnung nicht zurückfallen. Das erfordert einen Rückgriff auf die Mitwirkungsrechte im Recht der SE und der SCE ebenso wie auf die nach der Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung; zu berücksichtigen sind aber auch die Grundsätze zum Europäischen Betriebsrat. Bei alledem wird für die EPG zweierlei in den Blick zu nehmen sein: zum einen die Tatsache, dass ihre Gründer sämtlich natürliche Personen sein können, also nicht Unternehmen; und zum anderen, dass in solchen Fällen die Zahl der EPG-Arbeitnehmer (zunächst) äußerst gering sein wird. Für Konstellationen dieser Prägung wären aufwendige Verhandlungsverfahren und Auffanglösungen schon in der Gründungsphase rechtspolitisch gewiss verfehlt. b) Anders, wenn sich im Kreis der EPG-Gründer Unternehmen finden. In diesen Fällen sind typischerweise Arbeitnehmer vorhanden. Deshalb sind deren Rechte bereits in der Phase der EPG-Gründung bedeutsam, aber ebenfalls die Wahrung vorhandener Arbeitnehmer-Mitwirkungsrechte. Solche Konstellationen gebieten es nach der Vorgabe des Europäischen Parlaments, das einschlägige Instrumentarium auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts für die EPG möglichst rechtsformspezifisch fortzuschreiben. Dabei liegen die rechtspolitischen Eckpunkte auf der Gemeinschaftsebene mittlerweile fest: Verhandlungen über die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer; Auffanglösungen für den Fall ihres Scheiterns; Besitzstandswahrung.

III. Der Parlaments-Entscheid spricht nicht sämtliche Komplexe an, die in der Verordnung oder im Gesellschaftsvertrag der einzelnen EPG geregelt sein müssen, um diese supranationale Rechtsform funktionsfähig und somit für die Unternehmenspraxis attraktiv zu gestalten. So findet sich zum einen im 254

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Entscheid des Parlaments keine Empfehlung zu den Kapitalmaßnahmen in der EPG: weder zur Kapitalerhöhung oder -herabsetzung, noch zum Kapitalschnitt. Die Parlaments-Empfehlung 1 mit ihrer Änderung des Gesellschaftsvertrages deckt die Kapitalmaßnahmen allenfalls mittelbar ab. Ohne deren Regelung jedoch würde das Gemeinschaftsrecht keine moderne Organisationsform anbieten, die auch den Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen im europäischen Binnenmarkt gerecht wird. Das Gleiche gilt für das Beschlussmängelrecht; auch dies ist im ParlamentsEntscheid unerwähnt geblieben, obwohl ein moderner Gesetzgeber hierfür Vorsorge treffen muss, um den spezifischen Belangen einer als Unternehmensträger fungierenden Organisationsform zu entsprechen. Im Zentrum einer solchen gesetzlichen Regelung muss ausgeglichen werden: zwischen dem Interesse einzelner Gesellschafter (und möglicherweise Organmitglieder), einem rechtswidrigen Beschluss seine Wirkung zu nehmen, auf der einen Seite und dem gegenläufigen Interesse der Gesellschaft auf der anderen, über den Bestand des Beschlusses möglichst bald Gewissheit zu haben. Diesen Ausgleich zu regeln, kann nicht Aufgabe der Gründer beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages sein; vielmehr ist hierfür der Verordnungsgeber verantwortlich. Unzureichend wäre aber wohl auch die Aufnahme der Beschlussmängelregeln in die Mustersatzung (Empfehlung 8 a)37. Gesetzliche Regelungen will der Parlaments-Entscheid weder der Kommission, noch dem Rat verwehren. Ganz abgesehen davon, dass dem Parlament hierfür jegliche Rechtsmacht fehlen würde, wäre das Schweigen des Entscheids damit völlig überinterpretiert. Im Gegenteil ist die EU-Kommission ganz allgemein gehalten zu prüfen, welche Regelungskomplexe in das EPGStatut aufgenommen werden müssen – sei es als Eigennormierung oder als Regelungsauftrag an die EPG-Satzungsgeber38.

IV. Das Europäische Parlament hat seine Empfehlungen zur EPG in das Gewand eines Initiativberichtes nach Art. 192 Abs. 2 EGV gekleidet. Mit diesem Instrument kann das Parlament von sich aus politisch aktiv werden, um die Kommission aufzufordern, von ihrem Initiativrecht gemäß Art. 250 EGV Gebrauch zu machen. Ob sich der Initiativbericht in lediglich politischen Wirkungen erschöpft oder ob mit ihm weitergehend Rechtswirkungen verbunden sind, ist im deutschen Schrifttum umstritten: Nach der einen Ansicht sei dem Parlament im Vertrag von Maastricht gerade kein selbständiges Initiativrecht neben dem der Kommission eingeräumt worden; denn ein

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37 Zur Funktion von Mustersatzungen, insbesondere zur erleichterten Erfüllung der Regelungsaufträge an die Satzungsgeber Helms in Neue Wege (Fn. 6), S. 259 ff. sowie jüngst Drury, European Company Law 2006, 267 (268 f.). 38 Dazu oben Fn. 16.

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solches Parlamentsrecht würde das institutionelle Gleichgewicht zu Lasten der Kommission in grundlegende Schieflage bringen39. Deshalb sei diese allein politisch gehalten, sich mit der Auffassung des Parlaments auseinanderzusetzen und diesem gegenüber zu begründen, falls sie dessen Aufforderung nicht folgen wolle. Nach der Gegenansicht müsse der Initiativbericht des Parlaments als Initiativrecht in nuce interpretiert werden40; er verpflichte die Kommission durchaus zum Tätigwerden, ohne jedoch an die Vorstellungen des Parlaments im einzelnen gebunden zu sein. Dies könne sein Recht sogar im Wege der Untätigkeitsklage nach Art. 232 EGV durchsetzen. Dieser Streit kann hier für den Vorschlag einer EPG-Verordnung dahinstehen. Denn insoweit ist das weitere Verhalten der EU-Kommission durch die interinstitutionelle Rahmenvereinbarung zwischen ihr und dem EU-Parlament vom 16. Mai 200541 vorgespurt. Auf diese Vereinbarung beruft sich der Parlaments-Entscheid zur EPG ausdrücklich und appelliert an die Kommission, dieser legislativen Aufforderung Rechnung zu tragen42. Und in der Tat hat sich die Kommission in Abschnitt 14 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung dem Parlament gegenüber verpflichtet, dessen sämtlichen Aufforderungen, gemäß Art. 192 EGV Gesetzgebungsvorschläge zu unterbreiten, Rechnung zu tragen und auf jede derartige Aufforderung hin eine umgehende und ausreichend detaillierte Antwort zu geben. Zum EPG-Vorstoß des Parlaments kann diese Antwort schon deshalb nicht ernstlich eine Total-Verweigerung sein, weil das Parlament, wie es in Erwägung B herausstellt, in seiner eigenen öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuss43 die Überzeugung gewonnen hat, dass die EPG als Rechtsform für grenzüberschreitend tätige kleine und mittlere Unternehmen notwendig ist. Kein anderes Bild hatte zuvor die Machbarkeitsstudie vermittelt, welche die EU-Kommission selbst in Auftrag gegeben hatte44. Deshalb kann der Kommissions-Vorschlag für eine EPG-Verordnung nur von Einzelvorgaben des Parlaments und von diesen auch nur mit Begründung abweichen. Da der Verordnungs-Entwurf nach der Vorgabe des Parlaments noch im Jahre 2007 vorzulegen ist, wird schon

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39 Schwarze/Schoo, EU-Kommentar, 2000, Art. 193 EGV Rz. 18; zuvor auch schon Grabitz/Hilf/Läufer, Kommentar zur Europäischen Union, Loseblatt, Art. 138b EGV Rz. 5; im Ergebnis so wohl auch Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 5 Rz. 31 (S. 87). 40 Streinz/P. Huber, EUV/EGV, 2003, Art. 192 EGV Rz. 14. 41 ABl.EU C117 E125. 42 Dieser Aufforderung kommt angesichts der Tatsache besondere Bedeutung zu, dass der zuständige EU-Kommissar McCreevy noch am 21.11.2006 vor dem EPRechtsausschuss dafür plädiert hatte, erneut eine umfassende Folgenabschätzung vorzunehmen und zu prüfen, ob die Ziele des Statuts für kleine und mittlere Unternehmen nicht auch anders erreicht werden könnten (s. Der Betrieb Status: Recht 2007, 4). 43 S. die schriftlichen Stellungnahmen von Bloemarts, Drury, Lamandini, Simon, Schunk, C. Teichmann, sämtlich abgedr. in European Company Law 2006, 265 ff. 44 Zu ihr und ihren Wirkungen C. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 274 Fn. 254.

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bald Gelegenheit bestehen, die weitere Gesetzgebungsarbeit im Dialog mit Wissenschaft und Praxis fortzusetzen. Als Rechtsgrundlage für den Erlass einer EPG-Verordnung stützt sich der Parlaments-Entscheid auf die Kompetenznorm für unvorhergesehene Fälle (Art. 308 EGV). Dies hat einen einstimmigen Ratsbeschluss zur zwingenden Folge und die bloße Anhörung des Europäischen Parlaments. Abweichend hiervon ist im deutschen Schrifttum mit eingehender Begründung für Art. 95 EGV als Legislations-Grundlage mit der Folge gestritten worden45, dass über die EPG-Verordnung gemäß Art. 95 Abs. 1 EGV im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV zu befinden ist: qualifizierte Mehrheit des Rates und Mitentscheidung des Parlaments. Mittlerweile hat der EuGH die Rechtsfrage anlässlich der Verordnung über die Europäische Genossenschaft im Sinne einer Anwendbarkeit des Art. 308 EGV entschieden46. Damit wird auch für das Statut über die EPG Einstimmigkeit im Rat erforderlich sein. Für das weitere Schicksal des Gesetzgebungsprojekts „EPG“ ist dies nicht ohne Bedeutung, haben doch in den bisherigen Anhörungen die Vertreter bestimmter Mitgliedstaaten deutlich Reserven gezeigt. Nach dem Wunsch mancher sollten wohl eher die englische oder die irische Limited in die Funktion eines europäischen „Allzweckmöbels“ hineinwachsen. Aber wie auch immer: Nach der Aufforderung des Europäischen Parlaments an die Kommission, zum EPG-Statut einen Verordnungs-Entwurf vorzulegen, muss sich diese an die Arbeit machen. Mögliche Vorlagen hat das Parlament zum Abschluss seiner Entschließung benannt. An sie ist die Kommission bei der Formulierung ihres Verordnungs-Entwurfs (selbstverständlich) ebensowenig gebunden wie an die inhaltlichen Vorstellungen des Parlaments; von diesen darf sie allerdings nur mit Begründung abweichen. Nach der Veröffentlichung des Entwurfs ist Zeit, aber auch Notwendigkeit für kritische Überprüfung und Diskussion in den Mitgliedstaaten. Sie sollte möglichst breit und intensiv mit dem Ziel geführt werden, Zustimmung zur EPG und ihrem Statut zu gewinnen. In der EU-Kommission fürchtet man nichts so sehr wie ein ähnlich langwieriges und zähes Gesetzgebungsverfahren wie bei der SE47. Dass es dazu nicht kommen möge, daran werden der Jubilar und der Autor gewiss mitzuwirken versuchen.

__________ 45 Müller-Graff in Neue Wege (Fn. 6), S. 294 ff. 46 EuGH v. 2.5.2006 – Rs. C-436/03, Slg. 2006, S. I-3733 ff. 47 Van Hulle in Neue Wege (Fn. 6), S. VII f.

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Finanzierungsfolgenverantwortung de lege lata und de lege ferenda Inhaltsübersicht I. Die Frage nach der dogmatischen Grundlage der im Entwurf des MoMiG vorgeschlagenen Reform des Eigenkapitalersatzrechts II. Zwei Interpretationen des Entwurfs III. Die Rechtsprechung zur Finanzierungsfolgenverantwortung IV. Die drei tragenden Elemente des Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung

V. Die Aufgabe des Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung durch den Entwurf des MoMiG VI. Haftungsbeschränkung, Eigenkapital und Gesellschafterfremdkapital VII. Einige praktische Konsequenzen: Darlehensähnliche Kreditgewährung, Drittkredite, Überschuldung, Insolvenzverschleppung VIII. Zusammenfassung

I. Die Frage nach der dogmatischen Grundlage der im Entwurf des MoMiG vorgeschlagenen Reform des Eigenkapitalersatzrechts Das Bundesjustizministerium hat im Frühjahr 2006 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Mißbräuchen („MoMiG“) vorgelegt1. Der Entwurf schlägt unter anderem eine Neukonzeption des Kapitalersatzrechts vor2. Es geht dabei in der Hauptsache, von allen Detailfragen abgesehen, um zwei Punkte. Erstens: Das Eigenkapitalersatzrecht soll in Zukunft ausschließlich auf eine insolvenzrechtliche Grundlage gestellt werden. Das bisherige Nebeneinander von „Rechtsprechungsregeln“ und „Novellenregeln“ soll zugunsten einer alleinigen Geltung der Novellenregeln aufgegeben werden. Das bedeutet: Rückstufung der bei Insolvenzeröffnung bestehenden Forderungen der Gesellschafter gegen die Gesellschaft, die aus einer der Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe resultieren, hinter alle anderen Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO; Anfechtbarkeit aller im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag auf solche Forderungen geleisteten Zahlungen der Gesell-

__________ 1 Vgl. dazu Seibert, ZIP 2006, 1157 ff. Der Entwurf ist abrufbar auf der Internetseite des Bundesjustizministeriums unter www.bmj.de sowie unter www.rws-verlag.de. 2 Dazu Seibert, ZIP 2006, 1160 ff. Das neue Konzept war inzwischen Gegenstand der Beratungen der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 66. Deutschen Juristentags 2006 und hat dort in den wesentlichen Punkten Zustimmung erfahren (die Beschlüsse sind abrufbar unter www.djt.de). Vgl. dazu Habersack, ZHR 170 (2006), 607 ff.

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schaft an ihre Gesellschafter gemäß § 135 Nr. 2 InsO3. Erfaßt werden sollen alle Gesellschaften, „bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist und zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern auch keine Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist“4. Auf die Rechtsform der Gesellschaft und darauf, ob es sich um eine Gesellschaft inländischen oder ausländischen Rechts handelt, soll es nicht ankommen. Dagegen soll eine konkurrierende Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften des materiellen Gesellschaftsrechts, namentlich der §§ 30, 31 GmbHG, in Zukunft ausgeschlossen sein. Das Rückzahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG soll also in Zukunft auf die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen nicht mehr mit der Begründung angewendet werden können, daß das Darlehen „in einem Zeitpunkt gewährt worden ist, in dem Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten“. Das gleiche soll für Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen gelten, die einer solchen Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechen5. Die einzige Schranke, die der Geschäftsführer bei der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen künftig soll beachten müssen, ist das neu eingeführte Verbot, an Gesellschafter Zahlungen zu leisten – gleich aus welchem Rechtsgrund –, durch die, für den Geschäftsführer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns erkennbar, die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt wird6. Von diesem be-

__________ 3 Sicherheiten, die die Gesellschaft für solche Forderungen bestellt hat, unterliegen unverändert der Anfechtung gemäß § 135 Nr. 1 InsO. Außerhalb der Insolvenz bleibt es bei der Anfechtung gemäß § 6 AnfG; die Anfechtungsfrist soll wesentlich verlängert werden. 4 Vgl. den neu vorgeschlagenen § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO (RefE Art. 9 Nr. 4 Buchst. b). 5 Vgl. den neu vorgeschlagenen § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG (RefE Art. 1 Nr. 11): Satz 1 (also das Verbot der Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens an den Gesellschafter) ist „auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch dann nicht anzuwenden, wenn das Darlehen der Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt worden ist, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten; gleiches gilt für Forderungen aus Rechtshandlungen, die einer solchen Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechen“. Ein entsprechender Zusatz wird zu § 57 Abs. 1 AktG vorgeschlagen (RefE Art. 5 Nr. 4). Auf dem Deutschen Juristentag (vgl. oben Fn. 2) ist dies auf fast einhellige Zustimmung gestoßen. 6 Vgl. den neu vorgeschlagenen § 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG (RefE Art. 1 Nr. 27 Buchst. b); ein entsprechender Zusatz wird zu § 92 Abs. 3 AktG vorgeschlagen (RefE Art. 5 Nr. 9). Der Entwurf führt damit den aus dem US-amerikanischen Recht bekannten „solvency test“, allerdings nur als ergänzende Ausschüttungssperre, auch ins deutsche Recht ein (zum Solvenztest vgl. Veil in Lutter [Hrsg.], Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006, S. 91 [98 ff.]; Pellens/Sellhorn, ebenda S. 451 [472 ff.]). Die Folge eines Verstoßes ist, daß der Geschäftsführer die geleistete Zahlung an die Gesellschaft (praktisch also an den Insolvenzverwalter) zu erstatten hat. Im Fall der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens tritt diese Haftung neben die Haftung des Gesellschafters aufgrund einer Anfechtung gemäß § 135 Nr. 2 InsO. Zu beachten ist, daß § 64 Abs. 2 GmbHG nur eine Haftung des Geschäftsführers ge-

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sonderen Fall abgesehen, sollen also künftig für Forderungen aus Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen ausschließlich die insolvenzrechtlichen Regeln gelten7. Zweitens: Der Anwendungsbereich dieser Regeln soll, im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand, erweitert werden. Die Rückstufung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und die Anfechtbarkeit gemäß § 135 Nr. 2 InsO soll auf alle Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und auf alle Forderungen aus Rechtshandlungen erstreckt werden, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen8. Das heißt: Auf die Frage, ob das Darlehen oder der auf andere Weise geleistete Finanzierungsbeitrag zum Zeitpunkt seiner Gewährung „kapitalersetzend“ ist oder nicht, soll es in Zukunft nicht mehr ankommen. Die Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens soll damit aufgegeben werden9; nach dem neuem Konzept soll es „kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen“ nicht mehr geben10. Oder wenn es sie, in einem phänomenologischen Sinn, noch gibt, sollen an dieses Merkmal jedenfalls keine spezifischen Rechtsfolgen mehr geknüpft werden. In der Insolvenz sollen alle Gesellschafterdarlehen, was die Rückstufung und was die Anfechtung der im Vorfeld der Insolvenz geleisteten Zahlungen angeht, gleichbehandelt werden11. Dasselbe gilt für die Gläubigeranfechtung außer-

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genüber der Gesellschaft begründet, aber kein Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft gegenüber ihrem Gläubiger, also auch nicht gegenüber einem Gesellschafter, der zu einer weiteren Stundung seines fälligen Darlehens nicht bereit ist. Der Geschäftsführer kann sich in einem solchen Fall der Pflichtenkollision, in der er sich befindet – die Gesellschaft muß zahlen und er persönlich darf die Zahlung nicht bewirken, ohne sich einer Regreßhaftung gegenüber der Gesellschaft auszusetzen – nur entziehen (wenn er nicht sein Amt niederlegt), indem er gemäß § 18 InsO Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellt. Das führt, wenn dem Antrag stattgegeben wird, zur insolvenzrechtlichen Rückstufung der Forderung des Gesellschafters gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Ist allerdings, wie im Regelfall, der das Darlehen gebende Gesellschafter selbst Geschäftsführer, gibt es naturgemäß keine Pflichtenkollision: er kann, trotz Fälligkeit, das Darlehen bei drohender Zahlungsunfähigkeit nicht aus der Gesellschaft abziehen, ohne sich der Haftung aus § 64 Abs. 2 GmbHG auszusetzen. Demgemäß sind die bisherigen §§ 32a, b GmbHG gestrichen. § 32a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 gelten neben dem neugefaßten § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO als entbehrlich. Die insolvenzrechtlichen Regeln des bisherigen § 32a Abs. 2 und § 32b GmbHG sind in den neu vorgeschlagenen § 44a InsO übernommen (RefE Art. 9 Nr. 5). Zu § 32a Abs. 3 Satz 2 und 3 GmbHG vgl. unten Fn. 13 und 14. Vgl. RefE Art. 9 Nr. 4 Buchst. a und Nr. 7. Auf dem Juristentag fand das Zustimmung mit knapper Mehrheit. Die Gegenmeinung wollte am Erfordernis der Darlehensgewährung in der „Krise“ festhalten und das Erfordernis der Krise durch eine widerlegliche Vermutung abschwächen. Der praktische Effekt einer solchen Lösung stünde zu ihrer Kompliziertheit in keinem angemessenen Verhältnis. Vgl. dazu treffend Habersack, ZHR 170 (2006), 607 (611 f.). Vgl. RefE Begründung zu Art. 1 Nr. 11 zu 3 – neu –. Vgl. RefE Begründung zu Art. 9 Nr. 4 Buchst. a. Vgl. RefE Begründung unter I: „Es gibt also künftig keine Unterscheidung zwischen ‚kapitalersetzenden‘ und ‚normalen‘ Darlehen“.

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halb des Insolvenzverfahrens gemäß § 6 AnfG, die praktisch wohl im wesentlichen dann in Betracht kommen wird, wenn die Gesellschaft zwar insolvent ist, wenn es aber mangels Masse (oder infolge arglistiger Manipulationen) nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekommen ist12. Ausgenommen von den Sonderregeln bleiben weiterhin nicht geschäftsführende Gesellschafter mit Kleinbeteiligungen bis zu zehn Prozent13 und Gesellschafter, die bei drohender Zahlungsunfähigkeit Anteile zum Zweck der Sanierung erworben haben, bis zur Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit14. Im folgenden soll das rechtspolitische Für und Wider des Vorschlags des Referentenentwurfs nicht nochmals erörtert werden15. Gemeinsam mit Mathias Habersack hat der Verfasser im Vorfeld der Entstehung des Referentenentwurfs einen Vorschlag vorgelegt, der mit dem Referentenentwurf in den Hauptpunkten übereinstimmt16 (und nur in zwei Nebenpunkten davon abweicht17). Das soll hier nicht wiederholt werden. Im folgenden soll es viel-

__________ 12 Vgl. dazu RefE Art. 11 Nr. 1. 13 Vgl. den neu vorgeschlagenen § 39 Abs. 5 InsO (RefE Art. 9 Nr. 4 Buchst. b), anstelle des bisherigen § 31a Abs. 3 Satz 2 GmbHG. Anders als bisher (vgl. BGHZ 90, 381 [389 ff.]) soll die Zehn-Prozent-Grenze künftig auch für die Aktiengesellschaft gelten. 14 Vgl. den neu vorgeschlagenen § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO (RefE Art. 9 Nr. 4 Buchst. b) anstelle des bisherigen § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG. Die Änderung in der Formulierung („drohende Zahlungsunfähigkeit“ statt „Krise“) ist technisch bedingt, weil die Neuregelung den technischen Begriff der „Krise“ (bisher § 32a Abs. 1 GmbHG) nicht mehr kennt. 15 Eine umfassende Übersicht über den Meinungsstand in der bisherigen Literatur gibt Karsten Schmidt, ZIP 2006, 1925 ff. Vgl. auch die Nachweise bei Habersack, ZHR 170 (2006), 607 (610 f. Fn. 19, 22). Die Nachweise brauchen hier nicht wiederholt zu werden. 16 Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.; ausführlicher dies. in Lutter (Fn. 6), S. 370 ff. Zu betonen ist, daß wir nicht die ersten waren, die einen derartigen Vorschlag gemacht haben. Für den Verzicht auf die „Rechtsprechungsregeln“ und die Erstreckung der insolvenzrechtlichen Regeln („Novellenregeln“) auf alle Gesellschafterdarlehen hatte sich vorher namentlich der langjährige Vorsitzende des zweiten Zivilsenats des BGH Röhricht ausgesprochen, vgl. ZIP 2005, 505 (512); ähnlich dann Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914). Für einen Verzicht auf die Rechtsprechungsregeln auch Fastrich in FS Zöllner I, 1998, S. 143 (158); T. Bezzenberger in FS G. Bezzenberger, 2000, S. 23 (45 f.); Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 (194); für die generelle Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen – schon in einem frühen Stadium der Rechtsentwicklung – Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 420 ff. 17 Die beiden Punkte sind die folgenden: 1. Im Unterschied zum Entwurf haben wir uns, aus Vereinfachungsgründen, dafür ausgesprochen, schlicht alle Gesellschafterforderungen der Rückstufung zu unterwerfen, ohne die Voraussetzungen eines Darlehens oder eines ähnliches Rechtsverhältnisses (vgl. dazu auch unten Fn. 70, 72). 2. Im Unterschied zum Entwurf haben wir vorgeschlagen, Sicherheiten, die die Gesellschaft für zurückgestufte Gesellschafterforderungen gewährt hat, in der Insolvenz in jedem Fall die Anerkennung zu versagen ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Bestellung, während der Entwurf insoweit an der Zehnjahresfrist des

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mehr um die Frage gehen, wie das dogmatische Grundkonzept zu erklären ist, das dem Entwurf zugrunde liegt, worin dieses Konzept sich vom bisherigen Konzept der Rechtsprechung unterscheidet und worin es mit ihm übereinstimmt. Diese Diskussion differierender dogmatischer Grundkonzepte ist vielleicht auch dann nicht ohne jeden Wert, wenn es aus irgendeinem Grund nicht zur Verwirklichung der aktuellen gesetzgeberischen Pläne kommen sollte. Werden sie dagegen verwirklicht, scheint es umso wichtiger, das Augenmerk nicht nur auf die rechtstechnischen Fragen der Neuregelung zu lenken, sondern sich auch ihres dogmatischen Grundkonzepts zu vergewissern. Dies scheint mir ein geeignetes Thema, um Hans-Joachim Priester zu ehren, der in so glänzender Weise die kautelarjuristische Praxis mit der wissenschaftlichen Analyse der konzeptionellen Grundsatzfragen des Gesellschaftsrechts verbindet.

II. Zwei Interpretationen des Entwurfs Karsten Schmidt hat die Vorschläge des Referentenentwurfs zum Eigenkapitalersatz einer eingehenden Überprüfung unterzogen18. Er resümiert19: Die Bewertung des Entwurfs hänge „davon ab, ob das … Konzept im Vergleich mit dem bisherigen Rechtsprechungsrecht inhaltlich überzeugt. Dieses ist unternehmensrechtlich konzipiert. Es beruht auf der Zurechnung von Finanzierungsentscheidungen. Dies wiederum erklärt auch die Kompliziertheit der gesetzlichen Regelung und demzufolge die allseits beklagten Transaktionskosten ihrer Durchsetzung. Dem Kapitalersatzrecht und dem immer weniger goutierten Schlagwort von der ‚Finanzierungsverantwortung‘ liegt jedoch eine der Idee nach einfache Finanzierungsregel zugrunde: ‚Risikokapital ist nachrangig‘! Mit der nunmehr angestrebten Vereinfachung geht eine Vereinfachung auch der Grundwertung einher. Die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen wird nur noch auf den Gedanken gestützt: ‚Die Gesellschafter sind näher dran‘!20 Ob dies und das Bestreben nach Einfachheit das neuen Sanktionensystem trägt, ist die rechtspolitische Kernfrage. Über sie wird, wie es zur Zeit aussieht, unter massivem Anpassungsdruck entschieden. Der dem Kapitalersatzrecht immanente Versuch, die Nachrangigkeit inhaltlich zu begründen, bleibt auf der Strecke“.

In eine andere Richtung geht eine dogmatische Interpretation des Entwurfs, die kürzlich Reinhard Bork vorgelegt hat21. Da der Entwurf die insolvenzrechtliche Rückstufung auf Forderungen aus Gesellschafterdarlehen und aus

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§ 135 Nr. 1 InsO festhalten will. Nicht in unserem Vorschlag enthalten war das im Entwurf vorgesehene Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG (dazu oben Fn. 6), das eine wichtige Ergänzung darstellt. ZIP 2006, 1925 ff. ZIP 2006, 1934. Die Formulierung lehnt sich an an BGHZ 76, 326 (330: das Argument, daß der Gesellschafter-Gläubiger dem Unternehmen „näher stehe“ als ein fremder Kreditgeber, sei kein ausreichender Grund für seine Benachteiligung). In einem am 4.11.2006 in Bad Homburg gehaltenen Vortrag, der demnächst in der ZGR veröffentlicht werden soll.

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wirtschaftlich gleichwertigen Rechtshandlungen beschränke, knüpfe er nach wie vor an eine Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters an. Grundlage der Rückstufung sei daher „wie bisher“ die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters. „Der Sache nach“ handele es sich also bei den vorgesehenen Regelungen der §§ 39, 135 InsO, 6 AnfG auch weiterhin um „Eigenkapitalersatzrecht“. Der Verzicht auf ein besonderes Tatbestandsmerkmal, das zum Ausdruck bringe, daß die Gesellschaft sich bei Gewährung des Darlehens in einer „Krise“ befinden müsse, bedeute letztlich nur, daß im Insolvenzfall das Vorliegen einer Krise zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung „unwiderleglich vermutet“ werde. Diese Deutung des Entwurfs durch Bork bleibt übrigens nicht ohne Konsequenzen – zumindest nicht de lege ferenda (vielleicht aber auch nicht de lege lata, wenn der Entwurf Gesetz werden sollte). So fordert Bork, der Rechtsprechung weiter die Möglichkeit offen zu lassen, für kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen an der Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG festzuhalten. Auch soll in Zukunft weiterhin die Möglichkeit bestehen, diese Regeln auf die Fälle der sogenannten kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung auszudehnen. Zentraler Punkt in beiden Interpretationen ist das Prinzip der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ oder „Finanzierungsverantwortung“ des Gesellschafters. Nach Karsten Schmidt hat die neue Regelung dieses Prinzip aufgegeben, ohne es durch ein gleichwertiges Prinzip zu ersetzen; nach Reinhard Bork hat sie es beibehalten und lediglich durch eine unwiderlegliche Vermutung im Insolvenzfall ergänzt. Die folgenden Überlegungen müssen daher den Begriff der Finanzierungsfolgenverantwortung zum Ausgangspunkt nehmen.

III. Die Rechtsprechung zur Finanzierungsfolgenverantwortung Der Begriff geht zurück auf die Entscheidung des zweiten Zivilsenats des BGH vom 26.3.1984 im Fall Beton- und Monierbau/Westdeutsche Landesbank22. Es handelte sich dort um die Frage, ob die Regeln, die die Rechtsprechung zur analogen Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften auf Gesellschafterdarlehen für die GmbH und die GmbH & Co. KG entwickelt hatte (die „Rechtsprechungsregeln“)23, auch auf Aktiengesellschaften zu übertragen seien24. Zu diesem Zweck versuchte der BGH, das grundlegende Prinzip herauszuarbeiten, auf dem die Gleichstellung von Gesellschafterdarlehen mit haftendem Eigenkapital durch die bisherige Rechtsprechung beruhte. Dieses Prinzip fand der BGH im Gedanken der, wie man ursprüng-

__________ 22 BGHZ 90, 381 (384 ff.). 23 Dazu grundlegend BGHZ 31, 258 ff.; 67, 171 ff.; 75, 334 ff.; 76, 326 ff. 24 Der BGH hat das a. a. O. (Fn. 22) grundsätzlich bejaht, aber für den vorliegenden Fall verneint. Bestätigt in BGH ZIP 2005, 1316 ff.

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lich sagte, „Finanzierungsverantwortung“ des Gesellschafters. Mit der Gleichstellung – so rekapituliert der BGH die bisherige Rechtsprechung25 – solle erstens verhindert werden, daß ein Gesellschafter, der die notleidende Gesellschaft nicht „durch die sonst gebotene Hergabe fehlenden Eigenkapitals, sondern durch Darlehen über Wasser zu halten“ suche, das damit verbundene „Finanzierungsrisiko auf außenstehende Gläubiger abwälzen“ könne26. Der Gläubiger solle zweitens nicht „in der Erwartung, sein Geld aufgrund besserer Informationsmöglichkeiten notfalls noch beizeiten in Sicherheit bringen zu können, auf dem Rücken der Gesellschaftsgläubiger spekulieren dürfen“27. Habe er drittens das Darlehen „anstelle der dringend benötigten Eigenmittel gegeben, um der Gesellschaft das Überleben zu ermöglichen“, und habe er „so den Anschein ausreichender Kapitalausstattung hervorgerufen“, so „setze er sich entgegen Treu und Glauben und dem Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in Widerspruch zu seinem Verhalten“, wenn er der Gesellschaft die Darlehensvaluta wieder entziehe, „bevor der mit ihrer Hergabe erreichte Zweck nachhaltig erreicht“ sei28. Alle diese (insgesamt drei) Überlegungen, so fährt der BGH fort, ließen sich „im Kern auf ein und denselben Gedanken zurückführen“:

__________ 25 BGHZ 90, 381 (388 f.) unter Hinweis auf die oben Fn. 23 angeführten vorangegangenen Entscheidungen. 26 BGH a. a. O. (Fn. 25); vgl. auch BGHZ 76, 326 (329): „Die Rechtsprechung des Senats geht davon aus, daß ein Gesellschafter, der die notleidende Gesellschaft durch die Zufuhr anderer Mittel als des sonst dringend benötigten Eigenkapitals vor dem Zusammenbruch zu bewahren sucht, das damit verbundene Finanzierungsrisiko nicht auf die Gläubiger abwälzen darf, sondern im Rahmen der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften selber tragen muß“; ähnlich auch schon BGHZ 75, 334 (336 f.: ein Gesellschafter, der eine vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehende Gesellschaft durch Darlehen zu stützen suche, dürfe „das damit verbundene Risiko nicht im Widerspruch zu … den gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften willkürlich auf die außenstehenden Gläubiger abwälzen“). 27 BGH a. a. O. (Fn. 25). Vgl. auch BGHZ 31, 258 (268: eine Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen sei unzulässig, wenn sie dazu führen würde, daß sich die lediglich schuldrechtliche finanzielle Ausstattung der Gesellschaft „auf dem Rücken der Gesellschaftsgläubiger auswirkt“). 28 BGH a. a. O. (Fn. 25). Der Gedanke des unzulässigen, weil gegen Treu und Glauben verstoßenden „venire contra factum proprium“ ist ein in den älteren Entscheidungsbegründungen häufig wiederkehrender Topos, vgl. BGHZ 31, 258 (272, 273: wenn der Beklagte „zur Abwendung der Konkursantragspflicht weitere Gelder zur Verfügung stellte, so durfte er sie nicht zur Unzeit, noch bevor der damit verfolgte Zweck nachhaltig erreicht war, zurückfordern“; da er „nach Lage der Dinge die Konkursantragspflicht von der Gesellschaft nur abwenden konnte, wenn seine als Darlehen gegebenen Gelder wie haftendes Kapital behandelt wurden und er sich hierzu nicht in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise in Widerspruch setzen durfte, muß er sich gefallen lassen, daß auf die Darlehensrückzahlung § 31 Abs. 1 GmbHG angewendet wird“); BGHZ 67, 171 (175: „Der tragende Grund für die Behandlung von Gesellschafterdarlehen als haftendes Kapital im Sinne der §§ 30, 31 GmbHG ist der, daß ein Gesellschafter, der die sonst konkursreife Gesellschaft anstatt durch die wirtschaftlich gebotene Zufuhr neuen Eigenkapitals

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Ulrich Huber „Es ist die Verantwortung des Gesellschafters für die ordnungsmäßige Unternehmensfinanzierung, die ihn in der Krise zwar nicht positiv verpflichtet, fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen, der er sich aber nicht in der Weise zum Nachteil der Gläubiger entziehen kann, daß er bei einer tatsächlich beabsichtigten Finanzhilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweicht“29.

Ganz ähnlich formuliert der zweite Senat in seiner Folgeentscheidung vom 19.9.198830: „Nach den vom Gesetz31 und der Rechtsprechung32 aufgestellten Grundsätzen zum Kapitalersatz ist jeder Gesellschafter für eine seriöse Finanzierung der im Rechtsverkehr auftretenden GmbH verantwortlich. Zwar ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, die GmbH über den Mindestbetrag des § 5 GmbHG hinaus mit Eigenkapital auszustatten, und auch in der Wahl der Mittel frei, wenn er sich für eine Finanzierungsleistung entscheidet. Wählt er aber eine Finanzierungsweise, mit der er einer nach den Umständen gebotenen Einbringung von Eigenkapital ausweicht, so darf er daraus keinen Vorteil zum Nachteil der Gläubiger ziehen, indem er auf sie das Risiko abwälzt, das mit der an sich gebotenen Zuführung von Eigenkapital verbunden ist; er muß vielmehr die Finanzierungsleistung der GmbH belassen33, bis die Krise behoben ist, während derer Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (BGHZ 90, 389 m. w. Nachw.). Unabhängig von subjektiven Zielsetzungen hat der Ge-

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durch Darlehen zu stützen sucht, sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt, wenn er der Gesellschaft die als Kapitalgrundlage benötigten Mittel wieder entzieht, obwohl sie noch nicht ohne sie lebensfähig ist“); ähnlich BGHZ 75, 334 (336 f.). In der neueren Rechtsprechung wird der Topos, soweit ersichtlich, allerdings nicht mehr verwendet, vgl. auch unten nach Fn. 39. BGHZ 90, 381 (389) unter Berufung auf Karsten Schmidt, Gutachten zum 54. Deutschen Juristentag, 1982, D 107 und ZHR 147 (1983), 178 ff.; und auf Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 7. Aufl. 1975, Anh. zu § 30 Rz. 12, 84. BGHZ 105, 168 (175 f.). Gemeint sind die durch die GmbH-Novelle von 1980 eingeführten „Novellenregeln“: §§ 32a, b GmbHG, 32a KO (jetzt §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO), 3b AnfG (jetzt: § 6 AnfG). Allerdings trifft das, was vom BGH im folgenden ausgeführt wird, auf die „Novellenregeln“ nur zum Teil zu, vgl. Fn. 33. Das bezieht sich auf die vom BGH aus §§ 30, 31 GmbHG hergeleiteten „Rechtsprechungsregeln“ (oben Fn. 23), die nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Ansicht in der Literatur durch die „Novellenregeln“ nicht verdrängt worden sind, sondern neben ihnen weitergelten; dazu grundlegend BGHZ 90, 370 (376 ff.). Diese Aussage trifft allerdings nur für die Rechtsprechungsregeln, nicht für die vom BGH ebenfalls in Bezug genommenen Novellenregeln zu. Die Novellenregeln (§§ 32a Abs. 1 GmbHG, 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO) verbieten die Rückzahlung von kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gerade nicht, sondern greifen erst im Fall der Insolvenz der Gesellschaft ein, indem sie die Rückstufung des Rückzahlungsanspruchs und die Anfechtbarkeit der im letzten Jahr vor der Antragstellung geleisteten Rückzahlungen (und ferner die Anfechtbarkeit der in den letzten zehn Jahren für das Darlehen bestellten Sicherheiten) anordnen. Auch die Anfechtung gemäß § 6 AnfG hat praktische Bedeutung (wenn überhaupt) nur im Fall der Insolvenz der Gesellschaft, wenn die Durchführung des Insolvenzverfahrens mangels Masse scheitert.

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Finanzierungsfolgenverantwortung sellschafter allein wegen seiner Gesellschafterstellung im Interesse der Gläubiger zu verantworten, der GmbH in der Krise anstelle von Eigen- Fremdkapital zugeführt zu haben… Will der Gesellschafter/Kreditgeber diese Verantwortung, was ihm freisteht, nicht übernehmen, muß er von einer weiteren Finanzierung mit der Folge absehen, daß das noch vorhandene Gesellschaftsvermögen im Interesse der Gläubiger liquidiert wird“.

IV. Die drei tragenden Elemente des Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung Das so umschriebene Konzept der Rechtsprechung wird durch drei Elemente charakterisiert. Erstens: Die besondere „Verantwortung“ des Gesellschafters, die die Rechtsprechung postuliert, wird nur dadurch begründet, daß der Gesellschafter der Gesellschaft tatsächlich, über das satzungsmäßige Stammkapital hinaus, Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat. Nur solches der Gesellschaft tatsächlich zur Verfügung gestelltes Kapital wird zugunsten der Gesellschaftsgläubiger im Gesellschaftsvermögen festgehalten oder, wenn man so will, „verstrickt“. Die Verantwortung begründet dagegen niemals eine Verpflichtung, in der Insolvenz der Gesellschaft weitere Finanzmittel nachzuschießen. Eben aus diesem Grund („weil der Gesellschafter nicht positiv zum Nachschuß von Kapital verpflichtet, sondern nur am Abzug von in der Krise gewährtem oder belassenem Kapital gehindert wird“) hat der zweite Senat in seiner dritten grundlegenden Entscheidung vom 7. November 1994 für die Umschreibung des von ihm aufgestellten Prinzips den Begriff der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ geprägt34. Den vorher geläufigen Terminus „Finanzierungsverantwortung“ hätte man dagegen in dem Sinn mißdeuten können, als hätte der Ausschluß des Rückforderungsanspruchs des Gesellschafters im Fall eines kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens seinen Grund in einer Rechtspflicht des Gesellschafters, die Gesellschaft mit einem angemessenen Eigenkapital auszustatten35. Eine solche Rechtspflicht, die im Fall des Scheiterns der Gesellschaft eine Grundlage für Nachschußforderungen der Gesellschaft abgäbe, deren Höhe sich kaum prognostizieren ließe, wollte der zweite Senat mit seiner Rechtsprechung gerade nicht einführen. Und das mit gutem Grund: Jede derartige Verpflichtung wäre mit dem Grundprinzip der begrenzten Haftung unvereinbar, das besagt, daß der Gesellschafter die Möglichkeit haben soll, sein Verlustrisiko auf einen von vornherein feststehenden Betrag zu begrenzen. Praktisch führt die in diesem Punkt streng restriktive Haltung des BGH zu einer klaren Unterscheidung zwischen bereits ausbezahlten kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen

__________ 34 BGHZ 127, 336 (344 f.). Bestätigt durch BGHZ 142, 116 (119 f.). 35 Einem solchen Mißverständnis war das Kammergericht als Berufungsgericht im Fall BGHZ 142, 116 ff. erlegen.

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einerseits und nur zugesagten kapitalersetzenden Darlehen andererseits36. Ausbezahlte Darlehen unterliegen dem Rückzahlungsverbot des § 30 GmbHG (in sinngemäßer Anwendung), nur zugesagte, aber noch nicht valutierte Darlehen unterliegen dagegen nicht dem Aufbringungszwang des § 19 GmbHG. Die Zusage kann daher noch zurückgezogen werden (z. B. durch außerordentliche Kündigung gemäß § 490 Abs. 1 BGB)37. Erst die Valutierung des Darlehens löst also die besondere Folgenverantwortung des Gesellschafters aus. Zweitens: Die durch die Finanzierungsfolgenverantwortung ausgelöste Rechtsfolge besteht in einem Rückzahlungsverbot, in sinngemäßer Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG38. In der älteren Rechtsprechung wurde dieses Rückzahlungsverbot auf den Gedanken des treuwidrigen venire contra factum proprium gestützt39. In der neueren Rechtsprechung ist dieses Argument nicht mehr anzutreffen, wohl deswegen, weil es einen verdeckten Zirkelschluß enthält. Es bleibt ja gerade die Frage, wieso es, und wem gegenüber es gegen Treu und Glauben verstößt, wenn ein Gesellschafter, der der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hat, später Rückzahlung des Darlehens verlangt. Um diese Begründungslücke auszufüllen, greift die neuere Rechtsprechung, in Anlehnung an die „Novellenregel“ des § 32a Abs. 1 GmbHG, auf den Topos des „ordentlichen Kaufmanns“ (oder gleichbedeutend, der „ordnungsmäßigen Unternehmensfinanzierung“ oder der „ordnungsmäßigen Unternehmungsführung“) zurück40. Befindet die Gesellschaft sich in der „Krise“ – ist sie also zahlungsunfähig, überschuldet oder zumindest nicht mehr kreditwürdig, also nicht mehr imstande, die für die Fortsetzung des Betriebs erforderlichen Mittel von neutralen Kreditgebern zu normalen Marktbedingungen und ohne Besicherung durch ihre Gesellschafter auszuleihen41 –, und ist sie deshalb für ihr Fortbestehen auf finanzielle Hilfe ihrer Gesellschafter angewiesen, dann haben die Gesellschafter – so das Argument der Rechtsprechung – als „ordentliche Kaufleute“ nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie verweigern, nachdem sie ihre satzungsmäßigen Einlagen ord-

__________ 36 BGHZ 142, 116 (119 f.). 37 Anders ist es nur, wenn sich aus der bezüglich des Darlehens getroffenen Vereinbarung ergibt, daß die Darlehenszusage, ähnlich einer Einlageverpflichtung, unbedingt, und gerade auch im Fall einer Vermögensverschlechterung der GmbH, gelten soll („gesplittete Einlage“), vgl. dazu BGHZ 142, 116 (120 ff.). 38 BGHZ 90, 381 (388 f.); BGHZ 105, 168 (175 f.) Das gilt allerdings nur, soweit die „Rechtsprechungsregeln“ betroffen sind. Zur abweichenden Regelung der „Novellenregeln“ vgl. oben Fn. 33. 39 Vgl. oben Fn. 28. 40 BGHZ 90, 381 (389: „ordnungsmäßige Unternehmensfinanzierung“); BGHZ 105, 168 (176: „ordentliche Kaufleute“); BGHZ 127, 336 (344: „ordnungsmäßige Unternehmensfinanzierung“); BGHZ 142, 116 (120: „ordentlicher Kaufmann“). 41 Ständige Rechtsprechung, grundlegend BGHZ 31, 258 (269); BGHZ 67, 171 (177 f.): Zahlungsunfähigkeit; BGHZ 75, 334 (337); BGHZ 109, 55 (59 f.): Überschuldung; BGHZ 76, 326 (330 f.); BGHZ 81, 311 (314 f.); BGHZ 90, 381 (390); BGHZ 105, 168 (175); BGHZ 119, 201 (203 f.); BGHZ 148, 167 (168): Kreditunwürdigkeit.

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nungsgemäß erbracht haben, die Zuführung weiterer Mittel, was infolge der bestehenden Krise dazu führt, daß die Gesellschaft Insolvenz anmelden oder auf reguläre Weise liquidiert werden muß. Oder sie führen der Gesellschaft neue Mittel als Eigenkapital zu42. Entscheiden sei sich statt dessen für die dritte Möglichkeit, indem sie der Gesellschaft Fremdkapital zur Verfügung stellen – Darlehen oder der Darlehensgewährung „wirtschaftlich entsprechende“ Finanzierungshilfen im Sinn des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG –, so tun sie zwar nichts geradezu Verbotenes43. Aber sie verhalten sich nach Ansicht der Rechtsprechung eben auch nicht wie „ordentliche Kaufleute“. Hieraus sollen sie indessen keine Vorteile zum Nachteil der Gläubiger herleiten dürfen. Sie müssen sich deshalb – nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften über das Eigenkapital44 – so behandeln lassen, als ob sie sich wie ordentliche Kaufleute verhalten und der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätten. Hätten sie das getan, so unterlägen sie den Bindungen der §§ 30, 31 GmbHG in direkter Anwendung; da sie es nicht getan haben, unterliegen sie den Bindungen der §§ 30, 31 GmbHG in sinngemäßer Erweiterung, und zwar solange, bis die Krise der Gesellschaft nachhaltig überwunden ist45. Bis dahin ist die Rückzahlung des Darlehens (oder der Ausgleich einer anderweitigen Finanzierungshilfe) entsprechend § 30 GmbHG verboten (mit den Sanktionen gemäß §§ 31, 43 GmbHG46). Das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG soll allerdings nur eingreifen, wenn das nach der regulären Handelsbilanz der Gesellschaft (gegebenenfalls einer auf den Zeitpunkt der Auszahlung bezogenen Zwischenbilanz) ermittelte Nettovermögen der Gesellschaft nicht ausreicht, um das satzungsgemäße Stammkapital abzudecken. Wenn und soweit die Gesellschaft im Zeitpunkt der Rückzahlung keine „Unterbilanz“ aufweist, dürfen also auch kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen ohne Verstoß gegen § 30 GmbHG

__________ 42 Vgl. die Nachweise oben Fn. 40. 43 Vgl. BGHZ 31, 258 (268: es ist „der GmbH nicht verwehrt, eine Unterkapitalisierung … durch Darlehen ihrer Gesellschafter zu decken oder sich die benötigten Wirtschaftsgüter durch Kauf, Miete oder Pacht von ihren Gesellschaftern zu verschaffen …“); BGHZ 90, 381 (390: „… die Behandlung eines Gesellschafterdarlehens als Eigenkapital beruht nicht auf dem Vorwurf, der Gläubiger habe es versäumt, auf eine nötige Kapitalerhöhung hinzuwirken“); BGHZ 105, 168 (175: der Gesellschafter ist „grundsätzlich nicht verpflichtet, die GmbH über den Mindestbetrag des § 5 GmbHG hinaus mit Kapital auszustatten, und auch in der Wahl der Mittel frei, wenn er sich für eine Finanzierungsleistung entscheidet“). 44 Vgl. BGHZ 67, 171 (175); BGHZ 90, 381 (388 f.: „Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften“). 45 BGHZ 31, 258 (272); BGHZ 67, 171 (174); BGHZ 75, 334 (336 f.); BGHZ 90, 381 (388 f.). 46 Grundlegend BGHZ 31, 258 (273); BGHZ 67, 171 (174): zu § 31 Abs. 1 GmbHG; BGH NJW 1990, 1730 (1731 f.); BGHZ 150, 64 ff.; BGH ZIP 2003, 2068 (2071): zur Haftung der Mitgesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG; BGHZ 148, 167 (169 f.): zur Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG – verneint wird hier nur die Erstreckung dieser Haftung auf den Prokuristen.

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zurückgezahlt werden, obwohl die Krise der Gesellschaft andauert47. Das mit dem Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung verfolgte Ziel – den Gesellschafter zu hindern, das in der Krise zur Verfügung gestellte Kapital vor Überwindung der Krise wieder abzuziehen – läßt sich also mit dem Mittel der analogen Anwendung des § 30 GmbHG nur unvollständig erreichen. Unberührt bleibt hiervon die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung gemäß § 135 InsO, wenn innerhalb eines Jahres nach Rückzahlung die Insolvenz der Gesellschaft eintritt; insoweit geht die insolvenzrechtliche Bindung des kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens weiter als die Bindung gemäß § 30 GmbHG48. Drittens: Das dritte Element des von der Rechtsprechung entwickelten Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung betrifft den Tatbestand. Die Finanzierungsfolgenverantwortung wird nicht einfach dadurch ausgelöst, daß der Gesellschafter der Gesellschaft Kredit gewährt, sondern dadurch, daß er den Kredit in der „Krise“ der Gesellschaft zur Verfügung stellt49. Diese Einschränkung ist nach dem Grundkonzept der Rechtsprechungsregeln unumgänglich notwendig. Das liegt an der mit diesem Konzept verbundenen Rechtsfolge. Diese Rechtsfolge besteht darin, daß das Darlehen, oder der der Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Finanzierungsbeitrag, entgegen seiner eigentlichen Rechtsnatur und ohne Rücksicht auf einen entgegenstehenden Willen des Gesellschafters den Regeln über das Stammkapital unterworfen wird. Diese Rückzahlungssperre läßt sich, aus grundsätzlichen wie aus praktischen Erwägungen, nur rechtfertigen, wenn das Darlehen oder die darlehensähnliche Finanzierungshilfe in der Krise der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird, und sie läßt sich nur solange rechtfertigen, wie die Krise andauert50. Es kann dagegen nicht sein, daß jede Finanzhilfe, die der Gesellschafter der Gesellschaft leistet, ohne weiteres zwangsweise in Eigenkapital umgewandelt und dem Rückzahlungsverbot des § 30 GmbHG unterworfen wird. Die Rechtsprechung verlangt deshalb, als Voraussetzung für die Qualifikation der Finanzierungshilfe als Eigenkapital, daß der Gesellschafter nach Eintritt der Krise eine Finanzierungsentscheidung zugunsten der Gesellschaft getroffen hat. Diese Finanzierungsentscheidung kann zwar auch darin bestehen, daß der Gesellschafter ein vor Eintritt der Krise gewährtes Darlehen nach Eintritt der Krise in der Gesellschaft „stehen

__________

47 BGHZ 76, 326 (332 f.; insoweit ungenau die Wiedergabe des Urteils bei Huber/ Habersack in Lutter [Fn. 6.], S. 370 [373 Fn. 5]). Die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens als solche kann, wenn die Bilanz ausgeglichen ist, eine Unterbilanz nicht herbeiführen, da der Abfluß der für die Rückzahlung aufgewendeten Mittel auf der Aktivseite der Bilanz durch den Wegfall der Darlehensverbindlichkeit auf der Passivseite ausgeglichen wird. Vgl. dazu im einzelnen Ulmer/Habersack, GmbHG, 2006, §§ 32a/b Rz. 213 f. 48 BGHZ 90, 370 (381). 49 Dazu oben Fn. 41. 50 BGHZ 75, 334 (337) mit Bezugnahme auf Ulmer in FS Duden, 1977, S. 661 (673); BGHZ 76, 326 (328 ff.).

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läßt“51, sofern der Eintritt der Krise für ihn zu diesem Zeitpunkt erkennbar war52, oder daß er von vornherein auf die Möglichkeit verzichtet hat, das Darlehen im Fall des Eintritts der Krise zu kündigen53. Dagegen soll die Erwägung allein, daß ein Gesellschafter-Gläubiger dem Unternehmen in der Regel „näher stehe“ als ein fremder Kreditgeber, keinen ausreichen Grund dafür bilden, ihn von vornherein schlechter zu stellen als einen gewöhnlichen Fremdgläubiger54.

V. Die Aufgabe des Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung durch den Entwurf des MoMiG Die vorgeschlagene Neuregelung stimmt mit dem bisherigen Konzept insofern überein, als sie weiterhin nur solche Darlehen und Darlehenssurrogate erfaßt, die der Gesellschafter der Gesellschaft tatsächlich zur Verfügung gestellt hat: nur wenn das der Fall ist, kommt eine Rückstufung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und eine Anfechtung gemäß § 135 InsO oder § 6 AnfG in Betracht. Auch die Neuregelung setzt also eine tatsächlich vollzogene Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft voraus, und sie knüpft hieran bestimmte Rechtsfolgen zu Lasten des Gesellschafters und zugunsten der außenstehenden Gesellschaftsgläubiger. Rein sprachlich gesehen wäre es daher vielleicht möglich, auch im Hinblick auf die Neuregelung von einer „Finanzierungsfolgenverantwortung“ des Gesellschafters zu sprechen. Aber eine solche Terminologie wäre nur geeignet, Verwirrung und Mißverständnisse hervorzurufen. Denn der Terminus der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ hat in der Rechtsprechung des BGH eine spezifische und konkrete Bedeutung. Und mit dieser Bedeutung ist er für die Neuregelung nicht zu verwenden. Die „Finanzierungsfolgenverantwortung“ im Sinn der Rechtsprechung wird, wie gezeigt, dadurch ausgelöst, daß der Gesellschafter der Gesellschaft in der „Krise“ Finanzmittel zur Verfügung stellt, und sie besteht darin, daß er ihr diese Mittel, nachdem er sie einmal zur Verfügung gestellt hat, bis zur Beendigung der Krise belassen muß. Daß diese Rechtsfolge sich mit Hilfe des Instruments der sinngemäßen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG nur unvollkommen erreichen läßt, wurde schon gesagt55. Sieht man hiervon einmal ab, kann man das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung schlagwortartig damit umschreiben, daß man sagt: „Krisenfinanzierung bindet den Gesellschafter bis zur Überwindung der Krise, gleichgültig, in welcher

__________ 51 BGHZ 75, 334 (337); BGHZ 105, 168 (185 f.); BGHZ 109, 55 (60); ständige Rechtsprechung. 52 BGHZ 127, 336 (344 f.). 53 BGHZ 142, 116 (120: zum „Finanzplankredit“). 54 BGHZ 76, 326 (330). 55 Vgl. oben bei Fn. 47.

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Rechtsform die Krisenfinanzierung vorgenommen wird“. Zugrunde liegt die Idealvorstellung, daß für die Krisenfinanzierung „eigentlich“ Eigenkapital verwendet werden müßte, und die diesem Ideal nicht entsprechende Realität – die Krisenfinanzierung durch Darlehen – wird ihm durch die analoge Anwendung der für das Eigenkapital geltenden Kapitalerhaltungsvorschriften angepaßt56. Hiervon ist in der vorgeschlagenen Neuregelung nichts mehr übrig geblieben. Auf der einen Seite verzichtet sie, soweit es die Rückstufung der Gesellschafterforderung in der Insolvenz betrifft, auf die Voraussetzung, daß die Forderung auf einer in der Krise der Gesellschaft getroffene Finanzierungsentscheidung beruhen muß. Auf der anderen Seite sollen auch Finanzierungshilfen, die in der Krise gewährt werden, den gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften entzogen bleiben57. Der für das Konzept der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ charakteristische Rechtsgedanke einer zwangsweisen „Umqualifikation“ von Darlehenskapital (soweit es in der Krise gewährt oder belassen ist) in Eigenkapital ist dem Entwurf also vollkommen fremd; vielmehr will er eine solche Umqualifikation gerade verhindern. Daher fehlt im Entwurf auch die für das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung zentrale Vorstellung einer „ordnungsmäßigen“ Finanzierung des Unternehmens in der Krise. Nach dem Entwurf besteht für die Gesellschafter vollständige Freiheit in der Wahl der Rechtsform, in der sie der Gesellschaft über das gesetzliche Mindestkapital hinausgehend Kapital zuführen. Das gilt auch für die Kapitalzuführung in der „Krise“. Die unterschiedslose Rückstufung aller Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz ist gewissermaßen der Preis, den die Gesellschafter für diese Freiheit zu zahlen haben. Praktisch wirkt sich diese Rückstufung allerdings nur auf solche Darlehen aus, die in der Insolvenz noch offenstehen oder die im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag zurückgezahlt worden sind. In den allermeisten hiervon erfaßten Fällen werden die Voraussetzungen vorliegen, von denen in der bisherigen Rechtsprechung der Tatbestand der „Krisenfinanzierung“ abhängig gemacht wurde58. Daraus darf man indessen nicht den Schluß ziehen, in der vorgeschlagenen Neuregelung werde auch die dogmatische Grundkonzeption der bisherigen Rechtsprechung aufrechterhalten. Die Annäherung der praktischen Ergebnisse beruht vielmehr darauf, daß die bisherige Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal der „Krise“ in der Rechtsanwendungspraxis in einem ziemlich weitgehenden Maß abgeflacht hat. Hierbei haben zwei Erweiterungen zusammengewirkt. Zum einen wird eine „Krise“ der Gesellschaft nicht nur angenommen, wenn sie insolvenzreif ist, sondern schon

__________ 56 Vgl. oben nach Fn. 38. 57 Vgl. oben bei Fn. 5. 58 So auch RefE Begründung zu Art. 9 Nr. 4 Buchst. a.; vgl. auch Habersack, ZHR 170 (2006), 607 (611 f.).

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dann, wenn sie „kreditunwürdig“ ist, wenn sie also den Kredit, den ihr der Gesellschafter zur Verfügung stellt, zu marktüblichen Bedingungen von dritter Seite nicht erhalten könnte59. Bringen die Gesellschafter, wie vielfach üblich, die zur Gründung des Unternehmens unumgänglich erforderlichen Eigenmittel nur teilweise als Stammeinlagen und teilweise als Darlehen ein, so befindet demnach die Gesellschaft sich sozusagen von Anfang an in der Krise. Zum anderen, und dies fällt wohl noch stärker ins Gewicht, genügt es der Rechtsprechung als „Krisenfinanzierung“, daß der Gesellschafter das außerhalb der Krise gewährte Darlehen nach Eintritt der Krise „stehen läßt“60. Der Gesellschafter muß also – wenn er vermeiden will, daß sein Darlehen als „kapitalersetzend“ qualifiziert wird – sich nicht nur bei Kreditgewährung vergewissern, daß die Gesellschaft „kreditwürdig“ ist, sondern er muß auch ständig überwachen, ob das auch weiterhin der Fall ist. Sobald erkennbar wird, daß die Gesellschaft einen gleichartigen Kredit zu marktüblichen Bedingungen von dritter Seite nicht mehr erhalten kann, muß er die erste sich bietende Gelegenheit benutzen, um das Darlehen zu kündigen. Er muß also der Gesellschaft das Darlehen entziehen, sobald sie es wirklich braucht, und das unverzüglich. Es ist verständlich, daß diese prompte Reaktion in der Praxis häufig unterbleibt und daß deshalb die meisten Kredite, die im Insolvenzfall noch offenstehen oder im Vorfeld der Insolvenz zurückgezahlt worden sind, zumindest durch „Stehenlassen“ kapitalersetzend im Sinn der Rechtsprechung geworden sind, auch wenn sie es nicht von Anfang an waren61. Die vom Entwurf jetzt vorgeschlagene vollständige Aufgabe des Tatbestandsmerkmals der Krise zugunsten einer Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz und im Vorfeld der Insolvenz bringt also nur eine Tendenz zum Abschluß, die in der Rechtsprechung schon bisher angelegt war. Man tut der Rechtsprechung wohl nicht Unrecht, wenn man feststellt, daß die geschilderten Ausweitungen des Begriffs des „kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens“ zwar rechtspolitisch wohlbegründet sind, sich aber durch das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung nur noch mit Schwierigkeiten legitimieren lassen. Das Konzept beruht, wie dargestellt, auf dem von der Rechtsprechung postulierten Ideal einer „ordnungsmäßigen Unternehmensfinanzierung“ durch „ordentliche Kaufleute“, die die Gesellschaft in der Krise entweder durch Eigenkapital weiterfinanzieren oder liquidieren. Auch die bisherigen „Novellenregeln“ sind von dieser Idealvorstellung geprägt (§ 32a Abs. 1 GmbHG). Es ist aber doch schwer nachzuvollziehen, daß ein Gesellschafter schon dadurch den idealen Standard eines ordentlichen Kaufmanns verletzt, daß er sich für ein Darlehen der Gesellschaft persönlich

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59 Oben Fn. 41. 60 Oben Fn. 51. 61 So auch RefE Begründung (Fn. 58): „… auch bisher waren stehen gelassene Altdarlehen in aller Regel ab Eintritt der Krise – also schon im Vorfeld der Insolvenz – als kapitalersetzend umqualifiziert“.

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verbürgt, weil die Gesellschaft anders den gewünschten Kredit nicht erlangen kann (also nach den Maßstäben der Rechtsprechung „kreditunwürdig“ ist). Noch schwerer nachzuvollziehen ist es, daß ein Gesellschafter allein dadurch den Idealstandard eines ordentlichen Kaufmanns verletzt, daß er ein früher gewährtes Darlehen bei Eintritt der Krise nicht unverzüglich kündigt. In Wahrheit ist also auch für die Rechtsprechung jedes Gesellschafterdarlehen potentiell kapitalersetzend. Unter dem rein rechtsdogmatischen Gesichtspunkt scheint es daher nur als konsequent, sich von der Vorstellung einer „ordnungsmäßigen Unternehmensfinanzierung“ und dem damit verbundenen Konzept einer durch die Krise der Gesellschaft ausgelösten besonderen Finanzierungsfolgenverantwortung überhaupt zu lösen und von vornherein alle Gesellschafterkredite der insolvenzrechtlichen Rückstufung zu unterwerfen62. Nach alledem verfehlt es die Intentionen des Entwurfs im Grundsätzlichen, wenn Bork die vorgeschlagene Neuregelung dahin interpretiert, daß in den künftig von §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Nr. 2 InsO, 6 AnfG erfaßten Fällen die Gewährung oder Belassung des Kredits in der Krise „unwiderleglich vermutet“ werde. Auf den Tatbestand der „Krise“ kommt es schlicht nicht mehr an. Ein Tatbestandsmerkmal, auf das es nicht ankommt, zu „vermuten“, hat keinen Sinn. Da der Entwurf von der Frage, ob ein Gesellschafterdarlehen (weil in der „Krise“ gewährt bzw. stehengelassen) kapitalersetzend ist oder nicht, keine Rechtsfolgen mehr abhängig macht, ist das „kapitalersetzende Darlehen“ als Rechtsbegriff überhaupt beseitigt. Bei den neuformulierten Bestimmungen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und Abs. 5 InsO, 135 InsO und 6 AnfG handelt es sich genau gesprochen gar nicht mehr um „Eigenkapitalersatzrecht“. Vielmehr unterscheidet das Gesetz nach dem Entwurf strikt zwischen dem satzungsmäßigen Eigenkapital (Stamm- oder Grundkapital) der Gesellschaft und zwischen dem Fremdkapital, das die Gesellschafter der Gesellschaft darüber hinaus zur Verfügung stellen. Für das satzungsmäßige Eigenkapital (und nur dafür) gelten die gesellschaftsrechtlichen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln. Für das von den Gesellschaftern darüber

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62 In Österreich ist der Gesetzgeber genau den umgekehrten Weg gegangen und hat in den §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Eigenkapitalersatzgesetzes von 2003 nicht nur den Tatbestand der Kreditunwürdigkeit als Voraussetzung der „Krise“ der Gesellschaft abgeschafft, sondern darüber hinaus bestimmt, daß ein eigenkapitalersetzender Kredit nicht vorliegt, wenn ein „vor der Krise gewährter Kredit verlängert oder dessen Rückzahlung gestundet wird“. Solche Kredite sollen weder einer Rückzahlungssperre noch einer insolvenzrechtlichen Rückstufung unterliegen. Damit ist der Gläubigerschutz nach österreichischem Recht wesentlich schwächer ausgestaltet als nach deutschem Recht – sowohl auf der Grundlage des bisherigen Rechts als auch auf der Grundlage der vorgeschlagenen Neuregelung. Vgl. dazu aus österreichischer Sicht sehr kritisch Karollus in FS Ulrich Huber, 2006, S. 801 (808 ff., 811 f., 819). Diese Kritik erscheint rechtspolitisch als vollauf berechtigt. Von einem unverfälschten Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung her beurteilt, ist dem Vorgehen des österreichischen Gesetzgebers eine gewisse Konsequenz aber nicht abzusprechen.

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hinaus zur Verfügung gestellte Fremdkapital (und nur dafür) gilt die insolvenzrechtliche Rückstufungsregel des § 139 Abs. 1 Nr. 5 InsO mit den ergänzenden Anfechtungsregeln der §§ 135 InsO, 6 AnfG. Eine Umqualifikation von Fremdkapital in Eigenkapital gibt es nicht mehr, also auch kein Ersatzeigenkapital und kein Eigenkapitalersatzrecht. Bis hierher ist der Interpretation des Referentenentwurfs durch Karsten Schmidt63 gegenüber der von Reinhard Bork vertretenen Interpretation64 in vollem Umfang rechtzugeben: Der Entwurf hat das von der Rechtsprechung entwickelte Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung aufgegeben. Die weiterhin angeordnete Rückstufung der Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz läßt sich mit diesem Argument rechtspolitisch nicht mehr rechtfertigen. Die „inhaltliche Begründung“ muß daher an einem anderen Punkt gesucht werden.

VI. Haftungsbeschränkung, Eigenkapital und Gesellschafterfremdkapital Kernstück der Neuregelung ist die insolvenzrechtliche Rückstufung der Gesellschafterkredite gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO; alle anderen Regeln des Entwurfs, soweit sie sich auf Gesellschafterdarlehen beziehen, einschließlich der Anfechtungsregeln der §§ 135 InsO, 6 AnfG haben daneben nur ergänzende Bedeutung. Die einzige Voraussetzung, von der die Rückstufung abhängt, ist die, daß es sich bei der Insolvenzschuldnerin um eine Gesellschaft handelt, für deren Schulden keine natürliche Person unbeschränkt haftet. Der rechtspolitische Grund der Rückstufung steht also offensichtlich mit der Haftungsbeschränkung in engem Zusammenhang. Dieser Zusammenhang ist der folgende65: Auszugehen ist von der Regel, daß derjenige, der am Wirtschaftsverkehr unternehmerisch teilnimmt, für die dabei eingegangenen Verbindlichkeiten unbeschränkt haftet, wenn er sich nicht einer der vom Gesetz zugelassenen Unternehmensformen bedient, die eine Haftungsbeschränkung ermöglichen. Diese Unternehmensformen werden vom Gesetz mit bestimmten Vorkehrungen zum Schutz der Gläubiger versehen. Eine allseitige Haftungsbeschränkung ist nach deutschem Recht nur möglich, wenn der oder die Unternehmensgründer für das Unternehmen ein Eigenkapital festsetzen, das eine bestimmte Mindesthöhe erreichen muß, und das den Prinzipien des „Aufbringungszwangs“ und der „Ausschüttungssperre“ unterliegt. Das Eigenkapital hat eine doppelte Funktion: Es soll erstens als „Risikopuffer“ dienen, also verhindern, daß schon geringfügige Mißerfolge zur Insolvenz der Gesellschaft und zu Forderungsausfällen ihrer Gläubiger führen (Funktion der

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63 Vgl. oben Fn. 18 f. 64 Oben bei Fn. 21. 65 Vgl. dazu ausführlicher Huber/Habersack in Lutter (Fn. 6), S. 370 (393 ff., 405 ff.).

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Risikovorsorge). Es soll zweitens den oder die Gründer oder Betreiber des Unternehmens dazu zwingen, sich mit einem bestimmten Einsatz an Risiko des Unternehmens zu beteiligen, und sie auf diese Weise davon abhalten, auf Kosten der Gläubiger übermäßige wirtschaftliche Wagnisse einzugehen (Funktion der Selbstbeteiligung am Risiko). Hierdurch soll der Wegfall der Selbstkontrolle durch die persönliche Haftung ausgeglichen werden. Dieser rechtspolitische Zusammenhang zwischen den Prinzipien der Haftungsbeschränkung und des Eigenkapitalschutzes ist unbestritten. Unbestritten ist auch, daß die geltenden Bestimmungen diesen Zweck nur unvollkommen erreichen. Das liegt daran, daß es praktisch unmöglich ist, gesetzliche Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen können, daß die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft in einem angemessen Verhältnis zum tatsächlichen Kapitalbedarf der Gesellschaft steht. Das Gesetz kann nur ein festes Mindestkapital vorschreiben und muß alles Weitere der freien Entscheidung der Gründer überlassen. Jede andere Lösung wäre mit dem Grundprinzip der Haftungsbeschränkung unvereinbar, das darin besteht, den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihr unternehmerisches Risiko auf einen im vorhinein bestimmten festen Betrag zu beschränken. Das gesetzliche Mindestkapital muß aber vom Gesetz notwendigerweise vergleichsweise niedrig festgelegt werden. Anderenfalls würde man Kleinunternehmer in einer unerwünschten und schwer zu rechtfertigenden Weise benachteiligen. Auf der anderen Seite könnte auch durch ein verhältnismäßig hoch angesetztes Mindestkapitalerfordernis eine ausreichende Eigenkapitalausstattung im konkreten Fall nicht sichergestellt werden. Ist deshalb die Mindestkapitalschwelle vergleichsweise niedrig festgesetzt, so werden die Marktverhältnisse vielfach die Gesellschafter dazu zwingen, die Gesellschaft tatsächlich mit höheren Eigenmitteln auszustatten als dem gesetzlichen Mindestkapital, da sie den Kapitalbedarf der Gesellschaft (der einfach daraus resultiert, daß zwischen den erforderlichen Aufwendungen und den erhofften Erträgen eine Zeitdifferenz liegt) vielfach nicht in voller Höhe mit Fremdmitteln finanzieren können. Ohne Einsatz von über das Mindestkapital hinausgehenden Eigenmitteln können sie also im allgemeinen ihr unternehmerisches Ziel nicht erreichen. Hier besteht für sie aber die Möglichkeit, das zusätzliche Kapital, mit dem sie die Gesellschaft über das Mindestkapital hinausgehend ausstatten, als Fremdkapital (Darlehenskapital) zur Verfügung zu stellen. Die rechtspolitische Unzulänglichkeit der gesetzlichen Bestimmungen über das Eigenkapital besteht also nicht so sehr darin, daß das Eigenkapital sich im Insolvenzfall als zu niedrig erweist – denn diese Gefahr ist mit dem Prinzip der beschränkten Haftung nun einmal naturnotwendig verbunden und muß deshalb, wenn man die Haftungsbeschränkung ermöglichen will, in Kauf genommen werden –, sondern sie besteht darin, daß die Vorschriften über das Eigenkapital auch das Kapital, das die Gesellschafter der Gesellschaft tatsächlich zur Verfügung gestellt haben, nicht in voller Höhe erfassen. 276

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An diesem Punkt setzen sowohl die bisherigen Regeln über den Eigenkapitalersatz als auch die neu vorgeschlagenen Regeln an. Die bisherigen Regeln unterwerfen das von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellte Fremdkapital, entgegen dem Willen der Beteiligten, teilweise den Bestimmungen über das Eigenkapital, nämlich insoweit, als es der Gesellschaft in einer besonders kritischen Situation zur Verfügung gestellt worden ist. Die Neuregelung beschränkt die Anwendung der Eigenkapitalvorschriften wieder auf das ursprüngliche satzungsmäßige Eigenkapital und stellt das von den Gesellschaftern aufgebrachte Fremdkapital in der Insolvenz und im Vorfeld der Insolvenz dem Eigenkapital zwar in vollem Umfang, aber nur insofern gleich, als es erst mit Nachrang gegenüber allen anderen Gesellschaftsgläubigern aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigt werden darf. Beide Regelungen dienen dazu, die Bestimmungen über das Eigenkapital zu ergänzen und gewisse institutionelle Schwächen dieser Bestimmungen auszugleichen. Beide Regelungen haben deshalb rechtspolitisch dieselbe Funktion, wie auch die Bestimmungen über das Eigenkapital. Sie wollen den Gefahren mißbräuchlichen unternehmerischen Verhaltens zum Nachteil der Gläubiger, die durch die allseitige Haftungsbeschränkung geschaffen werden, dadurch entgegenwirken, daß sie auch von den Gesellschaftern zur Verfügung gestelltes Fremdkapital als Risikokapital behandeln. Die beiden Regelungen bedienen sich aber zu diesem Zweck unterschiedlicher Verfahren. Welches Verfahren de lege ferenda den Vorzug verdient, ist letzten Endes eine Frage der rechtspolitischen Zweckmäßigkeit und keine Frage, die sich mit dogmatischen Argumenten entscheiden läßt. Der Grundgedanke der Neuregelung ist mithin der folgende: Die gesetzlichen Bestimmungen über das Eigenkapital bei Gesellschaften ohne persönliche Haftung bedürfen, um einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Haftungsbeschränkung entgegenzutreten, einer Ergänzung durch eine Regel, die auch Gesellschafterfremdkapital als Risikokapital behandelt. Diese Regel wird am zweckmäßigsten so ausgestaltet, daß das gesamte von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellte Fremdkapital in der Insolvenz der Gesellschaft einer Rückstufung unterworfen wird, daß diese Rückstufung durch zeitlich maßvoll begrenzte Anfechtungstatbestände im Vorfeld der Insolvenz und im Fall der masselosen Insolvenz abgesichert wird, und daß im übrigen die Gesellschafter im Rahmen der mit der Gesellschaft getroffenen vertraglichen Vereinbarungen frei darin bleiben, das Fremdkapital aus der Gesellschaft abzuziehen, zumindest solange, wie hierdurch nicht die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt wird66. Die Rückstufung des Gesellschafterfremdkapitals ist, genau wie die (weitergehende) Bindung des von

__________ 66 In diesem Fall greift der neu vorgeschlagene § 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG (bzw. § 92 Abs. 3 Satz 3 AktG) ein, mit der Folge, daß der Gesellschafter das Darlehen entweder stunden oder aber der Geschäftsführer (Vorstand) Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen muß. Vgl. oben Fn. 6.

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den Gesellschaftern aufgebrachten Eigenkapitals, ein Ausgleich dafür, daß die Gesellschafter bei ihrer unternehmerischer Tätigkeit das Privileg der beschränkten Haftung in Anspruch nehmen. Nach mehr Dogmatik sollte man nicht verlangen. Es handelt sich um Regeln des positiven Rechts und nicht um Ableitungen aus irgendwelchen allgemeineren Regeln, die dem Gesellschaftsrecht als eine Art höherrangiges Naturrecht vorgegeben wären. „Dogmatische Erfassung“ – so hat von Caemmerer in anderem Zusammenhang, nämlich im Zusammenhang mit dem Problem einer Reform der deliktsrechtlichen Gehilfenhaftung einmal bemerkt – „kann recht verstanden nur bedeuten, daß die rechtspolitischen Gründe, die Voraussetzungen und die Tragweite dieser Haftung klar herausgearbeitet und das Haftungsprinzip von anderen Haftungsgrundsätzen abgegrenzt wird … Anderes darf ihr nicht abverlangt werden, insbesondere keine rechtspolitischen Entscheidungen“67. Das gilt auch für den hier vorliegenden Fall68.

VII. Einige praktische Konsequenzen: Darlehensähnliche Kreditgewährung, Drittkredite, Überschuldung, Insolvenzverschleppung Für die Auslegung der im Referentenentwurf vorgeschlagenen Regeln kann man aus den vorstehenden Überlegungen immerhin einige Konsequenzen ableiten. Erstens: Das gesamte Fremdkapital, das Gesellschafter im Fall einer allseitigen Haftungsbeschränkung zur Verfügung stellen, soll zurückgestuft werden. Das spricht dafür, den Begriff der „Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“, im neuen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO69 weit auszulegen. Erfaßt werden alle Rechtshandlungen der Gesellschafter, die eine Kreditgewährung an die Gesellschaft enthalten. Die bisherige Praxis zu § 32 a Abs. 3 Satz 1 GmbHG sollte dabei nicht unbedingt übernommen werden, da es dort nicht um Rechtshandlungen ging, die einem „Darlehen“, sondern um Rechtshandlungen, die einem „eigenkapital-

__________ 67 Vgl. von Caemmerer, Reform der Haftung für Hilfspersonen, (österreichische) Zeitschrift für Rechtsvergleichung 14 (1973), 241 (260 f.) = Gesammelte Schriften III, 1983, S. 284 (303 f.). 68 Der Einwand von Karsten Schmidt, das vom Entwurf aufgestellte Prinzip der Nachrangigkeit lasse sich nicht „inhaltlich begründen“ (oben bei Fn. 19), und der Einwand von Bork (oben Fn. 21), der Gedanke eines Ausgleichs für die Haftungsbeschränkung liefere keinen „tragfähigen Grund“ für die generelle Rückstufung des Gesellschafterfremdkapitals, sind meines Erachtens darauf zurückzuführen, daß an die Begründung rechtspolitischer Entscheidungen unangemessene Anforderungen gestellt werden, so als ob es dabei um formale Ableitungen aus vorgegebenen dogmatischen Axiomen ginge. 69 Vgl. oben bei Fn. 8.

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ersetzenden Darlehen“ entsprechen. Erfaßt werden nicht nur Sicherheitenbestellungen für Darlehen Dritter, sofern darauf ein Rückgriff gegen die Gesellschaft gestützt wird, sondern auch Darlehen zur Zwischenfinanzierung, Vorleistungen aus gegenseitigen Verträgen, einschließlich von Gebrauchsüberlassungen und Dienstleistungen, wenn das zeitabhängige Entgelt postnumerando zu zahlen ist, die Stundung fälliger Verbindlichkeiten, und auch die stillschweigende Nichteinziehung fälliger Forderungen, sofern sie nicht nur kurzfristig unterblieben ist. Auf diese Weise können auch Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen zurückgestuft werden: entweder weil sie auf einem Tatbestand beruhen, der eine Kreditgewährung enthält (der Gesellschafter bezahlt eine Gesellschaftsschuld und verlangt anschließend Erstattung aufgrund von Geschäftsführung ohne Auftrag oder Aufwendungskondiktion, oder er erbringt eine Vorleistung auf einen nichtigen gegenseitigen Vertrag), oder weil sie durch Vereinbarung oder „faktisch“ gestundet worden sind. Forderungen des Gesellschafters, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens offenstehen und nicht auf einer Kreditgewährung beruhen, werden demnach die seltene Ausnahme bilden70: so Forderungen aus gegenseitigen Verträgen, soweit der Vertrag bei Verfahrenseröffnung beiderseits noch nicht erfüllt ist (insoweit hat es bei den §§ 103 ff. InsO sein Bewenden) und Forderungen aus Delikt (soweit sie nicht gestundet sind). Bei zweckentsprechender Interpretation sollten die vorhergesagten Abgrenzungsschwierigkeiten71 sich in Grenzen halten72. Zweitens: Die analoge Anwendung des neugefaßten § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf Forderungen Dritter, die im formalen Sinn keine Gesellschafter der insolventen Gesellschafter sind, läßt sich a priori nicht ausschließen. Nach dem rechtspolitischen Grund der Rückstufungsregeln, und ebenso aus Gründen der Rechtssicherheit, ist hier allerdings große Zurückhaltung geboten, und es ist zu begrüßen, daß in der vorgeschlagenen Formulierung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO73 (anders als im bisherigen § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG) Forderungen „Dritter“ nicht eigens erwähnt werden, um nicht die Ausle-

__________ 70 Aus diesem Grund hatten Habersack und der Verf. (oben Fn. 16) vorgeschlagen, die Rückstufung von vornherein auf alle Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft zu erstrecken, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch offenstehen. Wir gingen davon aus, daß solche Forderungen typischerweise darauf beruhen, daß der Gesellschafter der Gesellschaft Kredit gewährt hat, und daß es nicht nötig sei, wegen der seltenen Ausnahmefälle besondere Regeln aufzustellen. Zuzugeben ist, daß der Entwurf den rechtspolitischen Grundgedanken der Rückstufung deutlicher zum Ausdruck bringt als unser Vorschlag. Konzeptionell besteht zwischen unserem Vorschlag und dem Entwurf kein Unterschied. 71 Karsten Schmidt a. a. O. (Fn. 19); Bork a. a. O. (Fn. 21). 72 Unser Vorschlag (Fn. 70) wollte das Abgrenzungsproblem überhaupt vermeiden. Es ist unvermeidlich, wenn man, wie der Entwurf, den Tatbestand der Rückstufung an den rechtspolitischen Grundgedanken sozusagen punktgenau anpaßt und auf typisierende Vereinfachung verzichtet. 73 Oben bei Fn. 8.

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gung von vornherein in eine falsche Richtung zu lenken74. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen der Haftungsbeschränkung und der Rückstufung kommt eine analoge Anwendung auf Dritte nur dann in Betracht, wenn der Dritte, ohne im formellen Sinn Gesellschafter zu sein, mit Hilfe einer GmbH oder einer AG oder einer „Limited“ unternehmerisch tätig ist und sie durch Darlehen oder ähnliche Kredite finanziert. Das trifft mit Sicherheit zu auf den Hintermann im Fall einer Strohmanngründung75. Es trifft mit Sicherheit nicht zu auf Kreditinstitute, die sich, ohne gesellschaftsrechtlich beteiligt zu sein, zur Sicherung ihres Kredits besondere Einfluß-, Kontroll- und Mitbestimmungsrechte einräumen lassen76. Auf Konzernsachverhalte (an der insolventen Gesellschaft beteiligt ist das Konzernunternehmen A, den Kredit gewährt hat das Konzernunternehmen B) trifft es m. E. nur zu, wenn der Konzern (etwa durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag oder durch Einschaltung einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft als Zwischenholding) als wirtschaftliche Einheit organisiert ist77. Bei stillen Beteiligungen muß man unterscheiden. Beteiligt sich ein Gesellschafter einer GmbH außer mit der Stammeinlage mit einer stillen Einlage an der Gesellschaft, fällt die Forderung auf Rückzahlung der Einlage ohne weiteres unter die Rückstufungsregel des neugefaßten § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (was praktische Bedeutung wohl nur dann hat, wenn die Einlage am Verlust nicht teilnimmt) und daher auch unter die Anfechtungsregel des § 135 Nr. 2 InsO (und nicht nur des § 136 InsO). Beteiligt sich ein Nichtgesellschafter mit einer stillen Einlage an einer GmbH, so könnten § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 135

__________ 74 Vgl. dazu auch Huber/Habersack in Lutter (Fn. 6), S. 370 (399). 75 Vgl. zum bisherigen Recht BGHZ 31, 258 (263 ff.); BGHZ 75, 334 (335); BGHZ 95, 188 (193). 76 Vgl. zum bisherigen Recht Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Macht und Gesetz, 1999, S. 391 ff.; Habersack, ZGR 2000, 384 (393 ff.); Ulmer/Habersack (Fn. 47) §§ 32a/b Rz. 153 m. w. N. Für die Rechtslage nach dem Entwurf gilt das in verstärktem Maß. Unter dem Gesichtspunkt einer reibungslosen Kreditversorgung von Kapitalgesellschaften wäre eine solche Rückstufung von Bankkrediten verhängnisvoll, und die Neuregelung bietet auch keinen Anhaltspunkt hierfür. Anders zum bisherigen Recht Fleischer, ZIP 1998, 313 ff.; Schwintowski/Dannischewski, ZIP 2005, 840 (843 f.); Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 32a Rz. 67. Unter dem neuen Recht sollten solche Ansätze nicht weiterverfolgt werden. – Meines Erachtens sollte die Neuregelung auch dann nicht analog angewendet werden, wenn das Kreditinstitut sich besondere Einflußrechte ausbedungen hat und sich außerdem die Gesellschaftsanteile hat verpfänden lassen, anders zum bisherigen Recht BGHZ 119, 191 (195 f.). Schon dies war ein Schritt in eine gefährliche Richtung. 77 In diesem Sinn zum geltenden Recht Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 32a Rz. 63 f. Weitergehend in der Zurechnung der von Konzerngesellschaften gewährten Darlehen BGHZ 81, 311 (314 ff.); BGHZ 105, 168 (176 ff.); BGH NJW 1999, 3822; BGH NJW 2001, 1490; BGH NZG 2005, 395; dazu Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 4 Rz. 116 ff. Diese Rechtsprechung sollte, wenn der Entwurf Gesetz wird, hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf das neue Recht nochmals überprüft werden.

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Finanzierungsfolgenverantwortung

InsO allenfalls analog angewendet werden. Es fragt sich aber, ob man es in diesem Fall nicht bei der Anwendung der speziellen Anfechtungsregel des § 136 InsO belassen sollte, und zwar auch dann, wenn die Beteiligung „atypisch“ ausgestaltet ist (also mit Einflußrechten ausgestattet ist, die über das Kontrollrecht des § 233 HGB hinausgehen)78. Solche Abgrenzungsfragen sind unvermeidbar, wenn das Gesetz überhaupt besondere Regeln für Gesellschafterforderungen aufstellt. Immerhin dürften die Problemfälle überschaubar sein, und die ratio legis der Neuregelung bietet eine Leitlinie, an der man sich bei ihrer Lösung orientieren kann. Drittens: Der Grundgedanke des Entwurfs ist der, in der Insolvenz der Gesellschaft Gesellschafterfremdkapital und Gesellschaftereigenkapital ausnahmslos gleich zu behandeln (nur in dem praktisch nicht vorkommenden, theoretisch aber denkbaren Fall, daß nach Befriedigung der Gläubiger noch Vermögen übrig bleibt, ist bei seiner Verteilung unter den Gesellschaftern das Fremdkapital vor dem Eigenkapital zu bedienen). Dem entspricht es, daß auch bei der Feststellung der Überschuldung der Gesellschaft im Sinn der §§ 64 GmbH, 92 AktG, 19 InsO das Gesellschafterfremdkapital und das Eigenkapital gleich zu behandeln, das Gesellschafterfremdkapital also im Überschuldungsstatus nicht zu berücksichtigen ist, wie der neu vorgeschlagene § 19 Abs. 2 Satz 3 InsO klarstellen soll79. Bekanntlich hat der BGH, nicht zuletzt aufgrund einer Stellungnahme des Jubilars80, diese Frage zum bisher geltenden Recht anders entschieden und als Voraussetzung einer Nichtberücksichtigung in der Insolvenz einen „qualifizierten Rangrücktritt“ verlangt, das heißt eine vertragliche Rückstufung des Darlehens verbunden mit dem Verzicht, die Darlehensforderung vor Überwindung der Krise geltend zu machen81. Diese Judikatur verliert aber mit der Neuregelung ihre Grundlage. Ein Rangrücktritt ist, da Gesellschafterdarlehen in jedem Fall nachrangig sind, sinnlos. Eine Rückzahlung des Darlehens ist nach der Neufassung der §§ 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG, 92 Abs. 3 Satz 3 AktG dann unzulässig, wenn sie die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge hat82. Das bietet hinreichende Sicherheit dagegen, daß das Darlehen während einer akuten Krise der Gesellschaft zurückgezahlt wird, auch ohne eine dahingehende Zusage des Gesellschafters. Vom Gesellschafter, gewissermaßen als Gruß vor Geßlers Hut, noch weitere Bekundungen künftigen Wohlverhaltens zu verlangen (etwa, daß er eine Rückzahlung künftig auch dann nicht verlangen wird, wenn dies zwar nicht zur Zahlungsunfähigkeit, aber zur

__________ 78 Anders zum bisherigen Recht BGHZ 106, 7 (9). 79 RefE Art. 9 Nr. 3. Im gleichen Sinn Huber/Habersack in Lutter (Fn. 6), S. 370 (409 f., 413); dies., BB 2006, 1 (6). 80 Priester, ZIP 1994, 413 (416). Die Frage war seinerzeit umstritten; gegenteiliger Ansicht waren u. a. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 2002, § 63 Rz. 46a und Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. 2000, § 64 Rz. 17 c. 81 BGHZ 146, 264 (271 ff.). 82 Vgl. dazu oben Fn. 6, 66.

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Überschuldung der Gesellschaft führt83), ist durch ein Gläubigerschutzinteresse nicht zu rechtfertigen, führt zu wirtschaftlich unvernünftigen Insolvenzantragspflichten schon im Vorfeld der Überschuldung und ist angesichts der drastischen Sanktionen, mit denen die Verletzung der Insolvenzantragspflicht bedroht ist, eine grobe Unbilligkeit gegenüber dem Geschäftsführer. Zwar hat die wirtschaftsrechtliche Abteilung des Juristentags mit Mehrheit die Empfehlung beschlossen, am Erfordernis des qualifizierten Rangrücktritts festzuhalten84. Aber: „Nicht Stimmenmehrheit ist des Rechtes Probe“. Das Erfordernis des qualifizierten Rangrücktritts beruht auf dem bisherigen Recht der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Mit der Neuregelung hat es seine Berechtigung verloren. Das würde auch dann gelten, wenn es im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt wäre. Viertens und letztens: Die Rückstufung in der Insolvenz und die sie flankierenden und absichernden Anfechtungstatbestände beruhen nicht darauf, daß dem Gesellschafter ein moralischer Vorwurf gemacht wird (etwa in dem Sinn, daß er die Regeln einer „ordnungsmäßigen Unternehmensfinanzierung“ mißachtet oder daß er den „Todeskampf der Gesellschaft künstlich verlängert“ habe oder etwas dieser Art). Die Bekämpfung von Insolvenzverschleppung oder Insolvenzverhinderung gehört also nicht zu den spezifischen Aufgaben der neu vorgeschlagenen Regeln über das Gesellschafterfremdkapital. Auf den ersten Blick könnte es allerdings scheinen, die vom Entwurf beibehaltene einjährige Anfechtungsfrist des § 135 Nr. 2 InsO biete für den Gesellschafter einen Anreiz, sich im Vorfeld der Insolvenz den der Gesellschaft gewährten Kredit zurückzuholen und anschließend den an sich gebotenen Insolvenzantrag über die Jahresfrist hinaus zu verzögern oder die Insolvenz (etwa durch Sitzverlegung ins Ausland85) überhaupt zu verhindern. Dem kann man – von allen anderen Sanktionen (Haftung aus §§ 823 Abs. 2, 826 BGB, Erstattungspflicht gemäß §§ 64 Abs. 2 GmbHG, 92 Abs. 3 AktG, Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung gemäß §§ 133 InsO, 3 AnfG) abgesehen – auf einfache Weise dadurch entgegentreten, daß man es dem Gläubiger, der die Einhaltung der Anfechtungsfrist arglistig verhindert, im Weg der exceptio doli (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf den Ablauf der Anfechtungsfrist zu berufen86. Die Mißbrauchsgefahr ist also kein Anlaß, die Anfechtungsfrist des § 135 Nr. 2 InsO zu verlängern. Auf der anderen Seite

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83 Dieser Fall ist gegeben, wenn nach Abzug des Darlehens das dann verbleibende, nach den Regeln des § 19 InsO bewertete Aktivvermögen nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber den Drittgläubigern abzudecken. 84 Vgl. oben Fn. 2; dazu Habersack, ZHR 170 (2006), 607 (612 f.). 85 Wie im Fall BGHZ 165, 343 ff. 86 So, m. E. überzeugend, das OLG Hamm als Berufungsinstanz in dem Fn. 85 angeführten Fall, vgl. BGHZ 165, 344 (zu § 6 AnfG). Der Fall ist übrigens nach dem Referentenentwurf sehr viel einfacher zu lösen, weil die bisher bestehende Gesetzeslücke – das Fehlen einer dem § 32b GmbHG entsprechenden Bestimmung im Anfechtungsgesetz – durch den neu vorgeschlagenen § 6a AnfG geschlossen wird (vgl. RefE Art. 11 Nr. 1).

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Finanzierungsfolgenverantwortung

muß man auch die Interessen des redlichen Gesellschafters im Auge behalten, der seinen Kredit guten Glaubens aus der Gesellschaft abzieht und nicht langfristig dem Risiko ausgesetzt werden darf, daß er den empfangenen Betrag wegen späterer Insolvenz der Gesellschaft wieder erstatten muß.

VIII. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten: Das Konzept der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ im Sinn der bisherigen Rechtsprechung ist im Entwurf aufgegeben. Der Entwurf beruht auf dem Konzept einer strikten Unterscheidung zwischen Gesellschaftereigenkapital und Gesellschafterfremdkapital außerhalb der Insolvenz und einer unterschiedslosen Rangrückstufung des Gesellschafterfremdkapitals in der Insolvenz, die durch Anfechtungstatbestände im Vorfeld der Insolvenz abgesichert ist. Diese Rückstufung dient der Ergänzung der gesetzlichen Eigenkapitalvorschriften. Diese können, für sich allein genommen, ihren Zweck, eine angemessene Risikovorsorge und Risikobeteiligung der Gesellschafter sicherzustellen, nicht erreichen. Diesem Defizit soll abgeholfen werden, indem das gesamte Kapital, mit dem die Gesellschafter die Gesellschaft tatsächlich ausgestattet haben, in der Insolvenz der Gesellschaft als Risikokapital behandelt wird, ohne Rücksicht darauf, ob es als Eigenkapital oder als Fremdkapital ausgestaltet ist. Wie die gesetzliche Bindung des satzungsmäßigen Eigenkapitals, findet auch die gesetzliche Rückstufung des von den Gesellschaftern zusätzlich aufgebrachten Fremdkapitals ihre rechtspolitische Rechtfertigung darin, daß die Gesellschafter für ihre unternehmerische Tätigkeit das Privileg der allseitigen Haftungsbeschränkung in Anspruch nehmen. Der Zweck der Regelung verlangt es, einerseits den Kreis der von der Rückstufung erfaßten Forderungen weit zu ziehen, andererseits bei einer analogen Anwendung der Rückstufungsregeln auf Nichtgesellschafter mit Zurückhaltung zu verfahren. Die generelle Rückstufung aller Gesellschafterdarlehen und darlehensähnlichen Gesellschafterforderungen und das neu eingeführte Verbot, auf solche Forderungen Zahlungen zu leisten, wenn dies die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge hat, führen dazu, daß die Forderungen im Überschuldungsstatus der Gesellschaft nicht zu berücksichtigen sind, ohne daß es hierfür einer besonderen Rangrücktrittserklärung des Gesellschafters bedürfte. Die Bekämpfung von Insolvenzverschleppung gehört nicht zu den spezifischen Aufgaben der Regeln über Gesellschafterdarlehen; erfolgt sie zu dem Zweck, die fristgerechte Anfechtung der Rückzahlung des Darlehens zu verhindern, so kann mit der exceptio doli Abhilfe geschaffen werden.

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Festausgleich und Abfindung als alternative Instrumente zur Sicherung außenstehender Aktionäre Inhaltsübersicht I. Einführung II. Grundsätze zur Ermittlung des Festausgleichs 1. Zweck und Rechtsbegriff des Festausgleichs a) Dividendenersatz als Funktion b) Fiktiver Gewinnanteil gemäß Stichtagsprognose 2. Das Verhältnis von Festausgleich und Abfindung a) Juristische Analyse b) Betriebswirtschaftliche Gegenposition III. Kritische Würdigung 1. Grundlagen 2. Inhaltliche Unabhängigkeit von Festausgleich und Abfindung als Konzeption der §§ 304, 305 AktG

a) Wortlaut und Entstehungsgeschichte b) Auslegung nach dem Regelungszweck 3. Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 GG IV. Ausgewählte Einzelfragen 1. Nullausgleich bei chronischer Ertragslosigkeit 2. Verpflichtung zur Staffelung des Ausgleichs in Ausnahmefällen? a) Problemlage und Diskussionsstand b) Gestaffelter Ausgleich und wertmäßige Äquivalenz c) Die Behandlung des Laufzeitproblems V. Fazit

I. Einführung Die Regelung von Ausgleich und Abfindung in den §§ 304, 305 AktG sowie ihre Ergänzung durch die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes1 bilden ein Kernstück im Recht des Vertragskonzerns. Sie sichern nämlich die außenstehenden Aktionäre gegen die Entwertung ihres aus § 58 Abs. 4 AktG folgenden mitgliedschaftlichen Dividendenrechts (§ 304 AktG). Daneben wird der Beeinträchtigung ihrer Herrschafts- oder Verwaltungsrechte Rechnung getragen (§ 305 AktG). Neben der Gewährung effizienter Rechtsbehelfe kommt Ausgleich und Abfindung, hier vor allem dem Prinzip voller Abfindung, wesentliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu; nur auf dieser Grundlage kann nämlich die Gesamtregelung der §§ 291 ff. AktG als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Anteilseigentums mit dessen Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG vereinbart werden2.

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1 Gesetz v. 12.6.2003 (BGBl. I, S. 838), geändert durch Gesetz v. 22.12.2004 (BGBl. I, S. 3675). 2 BVerfGE 100, 289 (302 f.) = NJW 1999, 3769 = ZIP 1999, 1436; siehe noch unten III.3.

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Während über diese Grundsätze Einigkeit bestehen dürfte, ist das hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Festausgleich und Abfindung zumindest dann nicht der Fall, wenn die betriebswirtschaftlichen Vorstellungen einbezogen werden, von denen sich die Prüfungspraxis mehr oder minder leiten lässt. In der Rechtsprechung und auch weitgehend im juristischen Schrifttum erscheinen Ausgleich und Abfindung zwar als Elemente eines einheitlichen Schutzsystems, verfolgen aber doch unterschiedliche Stoßrichtungen und sind deshalb auch inhaltlich voneinander unabhängig3. In der Prüfungspraxis stößt man dagegen auf eine Art Kontrastprogramm, das von den Juristen bisher nicht voll zur Kenntnis genommen worden ist. Danach soll der Festausgleich nämlich direkt aus der Abfindung abgeleitet werden, indem er als Verrentung verstanden wird. Geht man umgekehrt vom Festausgleich aus, so muss die Summe der mit hinreichender Sicherheit erwartbaren Jahresbeträge der Abfindung entsprechen4. Der Beitrag setzt sich zum Ziel, diese Meinungsdifferenz aufzuarbeiten (II.) und das vorherrschende Verständnis des Festausgleichs als Substitution der ausfallenden Dividende als allein gesetzeskonform nachzuweisen (III.). Die Relevanz der unterschiedlichen Grundpositionen ist anschließend für ausgewählte Einzelfragen zu verdeutlichen (IV.). Das Vorhaben läuft im doppelten Sinne auf eine Grenzbegehung hinaus: Das Thema liegt nicht nur an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis des Aktienrechts; es fällt auch in den Überschneidungsbereich von Jurisprudenz und Betriebswirtschaft. HansJoachim Priester mag an dieser Grenzbegehung Interesse und Gefallen finden, ist er doch ein wissenschaftlich vielfältig ausgewiesener und interessierter Praktiker des Gesellschaftsrecht im allgemeinen und des Aktienrechts im besonderen5, der schon von Berufs wegen auch die wirtschaftlichen Konsequenzen rechtlicher Lösungen zu bedenken hat. Dies ermutigt den Autor, seine Überlegungen in die Festschrift für Priester einzustellen.

II. Grundsätze zur Ermittlung des Festausgleichs § 304 AktG unterscheidet zwischen dem Festausgleich (§ 304 Abs. 1 Satz 1 AktG), der ihm inhaltlich entsprechenden Dividendenergänzung bei isolierten Beherrschungsverträgen (§ 304 Abs. 1 Satz 2 AktG) und dem variablen Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 2 AktG), der für den anderen (herrschenden)

__________ 3 Vgl. stellvertretend BGH, BGHZ 156, 57 (61) = NJW 2003, 3272 = ZIP 2003, 1745; BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 10 ff. = ZIP 2006, 663; genauer II.2.a). 4 Stellvertretend dafür Maul, DB 2002, 1423 (1424); genauer II.2.b). 5 Beispielhaft zu nennen ist die Kommentierung der Nachgründung aus der Feder von Priester in Großkomm.AktG, 20. Lfg., 4. Aufl. 2003; vgl. ferner Priester, ZHR 163 (1999), 187; Pentz/Priester/Schwanna in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR-Sonderheft 17, 2006, S. 42 ff.; zur GmbH ist die Kommentierung der Kapitalvorschriften anzuführen, vgl. Priester in Scholz, GmbHG, Bd. II, 9. Aufl. 2002.

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Festausgleich und Abfindung als alternative Sicherungsinstrumente

Vertragsteil die Rechtsform der AG oder KGaA voraussetzt und an dessen Dividende anknüpft. Im folgenden kommt es nur auf den Festausgleich an, der auch die gängige Kompensationsform darstellt. 1. Zweck und Rechtsbegriff des Festausgleichs a) Dividendenersatz als Funktion Fragt man zunächst nach dem Zweck des Festausgleichs, so stößt man auf den Dividendenausfall, der mit dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags (isoliert oder als Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag) deshalb notwendig verbunden ist, weil die AG danach ihren ganzen Gewinn an den anderen Vertragsteil abzuführen hat (§ 291 Abs. 1 Satz 1 2. Fall AktG). Die Pflicht zur Gewinnabführung verhindert, dass ein Bilanzgewinn entsteht. Folglich fehlt es während der Laufzeit des Gewinnabführungsvertrags auch an den Voraussetzungen des mitgliedschaftlichen Dividendenrechts. Der Zweck des Festausgleichs richtet sich darauf, den notwendig eintretenden Dividendenausfall zu kompensieren. Die Ausgleichszahlungen dienen in der Formulierung des BGH als Ersatz oder Substitution für die ausfallende Dividende6. Das entspricht der Regierungsbegründung, in der bereits betont wird, dass der andere Vertragsteil infolge der Gewinnabführung von der eintretenden Dividendenlosigkeit nichts zu befürchten hat, während „den außenstehenden Aktionären ein angemessener Ersatz für die entzogene Dividende gegeben werden“ muss7. Ebenso äußert sich durchgängig das Schrifttum8. Neben der herrschenden Lehre findet sich allerdings auch die Ansicht, die Ausgleichszahlung müsse dem außenstehenden Aktionär eine wirtschaftlich interessante Alternative zur Abfindung gemäß § 305 AktG und im Falle einer chronisch defizitären Gesellschaft eine angemessene Verzinsung des auf die Aktie entfallenden mit dem Liquidationswert angesetzten Gesellschaftsvermögens bieten9. Das ist jedoch eine Außenseiterposition geblieben, die jedenfalls nach der Entscheidung des BGH zum Nullausgleich10 jede praktische Bedeutung verloren haben sollte.

__________ 6 BGHZ 156, 57 (61) = NJW 2003, 3272 = ZIP 2003, 1745; BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 8; ähnlich schon BGHZ 152, 29 (35 f.) = NJW 2002, 3467 = ZIP 2002, 1892. 7 RegBegr. bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 394. 8 Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 304 AktG Rz. 5; Bilda in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 304 AktG Rz. 7, 9; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, 4. Aufl. 2006, § 304 AktG Rz. 1a; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 23. Lfg., 4. Aufl. 2005, § 304 AktG Rz. 22 ff.; Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 304 AktG Rz. 5; Krieger in MünchHdb.GesR, Bd. 4 AG, 2. Aufl. 1999, § 70 Rz. 62. 9 Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 52, 60 ff.; Meilicke, DB 1974, 417 f. 10 BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 8 ff.; siehe noch unten IV.1.

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b) Fiktiver Gewinnanteil gemäß Stichtagsprognose Den als Festausgleich zu zahlenden Jahresbetrag umschreibt § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG. Danach schuldet der andere Vertragsteil den Jahresbetrag, der ohne die Gewinnabführung voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelnen Aktien verteilt werden könnte; das lässt sich als fiktiver Gewinnanteil bezeichnen. Seine Höhe bestimmt sich aufgrund einer Prognose nach den Verhältnissen der konkreten Gesellschaft, die am Stichtag ihrer gemäß § 293 Abs. 1 AktG beschließenden Hauptversammlung bestehen. Diese umfassen die bisherige Ertragslage und die künftigen Ertragsaussichten. Die üblicherweise erwartbare Bildung von anderen Gewinnrücklagen ist zu vernachlässigen. Der Festausgleich bestimmt sich also aufgrund der Vollausschüttungshypothese, was höhere Zahlungen als die fortgewährte Dividende erwarten lässt11. Diese Aussagen sind in der Rechtsprechung12 und im juristischen Schrifttum13 durchweg anerkannt. Sie können sich sämtlich schon auf den Wortlaut des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG stützen und entsprechen namentlich auch dem dargestellten Zweck des Festausgleichs14: Weil dieser die erwartbare Dividende substituieren soll, kommt es auf die Zukunftserträge der Gesellschaft an. Dass daraus ein Durchschnittsbetrag abzuleiten ist, soll verhindern, dass die Prognose mehr oder weniger in Spekulation übergeht. Die Ausklammerung einer Dotierung der anderen Gewinnrücklagen beruht auf dem Gedanken, dass eine solche Dotierung im Vertragskonzern jedenfalls nicht zuverlässig erwartbar ist15. Eine Besserstellung der außenstehenden Aktionäre lässt sich insoweit nach der gesetzlichen Interessenbewertung eher hinnehmen als eine Kürzung des Festausgleichs im Hinblick auf Dotierungen, die später ausbleiben. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum findet die dargestellte Position teilweise Widerspruch. Ausgangspunkt dafür sind jedoch weniger Zweck und Rechtsbegriff des Festausgleichs als Vorstellungen über eine ökonomische Äquivalenz von Ausgleich und Abfindung. Auf diese Meinungsrichtung ist deshalb gesondert zurückzukommen16.

__________ 11 OLG Stuttgart, AG 1994, 564 (565 liSp); Hüffer (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 11; ders. in FS Kruse, 2001, S. 651 (666 m. w. N. in Fn. 37). 12 BGHZ 138, 136 (139 f.) = NJW 1998, 1866 = ZIP 1998, 690; ferner z. B. OLG Düsseldorf, AG 1998, 236 (237 liSp); OLG Frankfurt, AG 2002, 404 reSp; OLG Stuttgart, AG 1994, 564. 13 Hüffer (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 10; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 69, 88; Emmerich/Habersack (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 30 ff.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 50; Krieger in MünchHdb.GesR (Fn. 8), § 70 Rz. 73; W. Müller in WP-Handbuch 2000, 12. Aufl. 2000, Abschn. T Rz. 317; Spindler/Klöhn, Konzern 2003, 511 (516 f.). 14 Oben II.1.a). 15 Vgl. schon RegBegr. (Fn. 7), S. 395. 16 Unten II.2.b).

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Festausgleich und Abfindung als alternative Sicherungsinstrumente

2. Das Verhältnis von Festausgleich und Abfindung a) Juristische Analyse Wenn man zu Zweck und Rechtsbegriff des Festausgleichs dem dargestellten ganz herrschenden Verständnis folgt, kann sein Verhältnis zur Abfindung nur als inhaltliche Unabhängigkeit beschrieben werden. Danach ist der Festausgleich keine verrentete Abfindung17. Diese ergibt sich auch nicht, was auf dasselbe aus gegenläufiger Perspektive hinausläuft, aus einer Kapitalisierung der nach § 304 AktG geschuldeten Ausgleichsbeträge. Vielmehr folgt der Festausgleich allein aus der Ertragsprognose18, während die Barabfindung aus dem Wert der Aktie in ihrer Bedeutung als quotaler Beteiligung am Gesellschaftsunternehmen19 abzuleiten ist, was die Bewertung dieses Unternehmens nach den insoweit anerkannten Grundsätzen voraussetzt. Damit sind nicht nur unterschiedliche methodische Ansätze beschrieben, sondern auch unterschiedliche Ergebnisse gerechtfertigt: Spätestens seit der Entscheidung des BGH zum Nullausgleich bei chronisch ertragslosen Gesellschaften20 ist für die gerichtliche Praxis klar, dass zwar nach § 305 AktG ein Abfindungsanspruch bestehen mag (Liquidationswert), dass daraus aber kein Mindestausgleich abgeleitet werden kann. Dagegen ist ein solcher Mindestausgleich das notwendige Ergebnis der Verrentungs- oder Kapitalisierungsthese21. In ähnlicher Weise geht die Existenz eines nicht betriebsnotwendigen Vermögens zwar über den Unternehmenswert in die Abfindung ein, während es für die Höhe des Festausgleichs im Umfang seiner Ertragslosigkeit ohne Bedeutung bleibt. Nach der Verrentungs- oder Kapitalisierungsthese ist es dagegen folgerichtig, die Werterhöhung durch ertragsloses Vermögen auch im Festausgleich zu berücksichtigen. Die erläuterte inhaltliche Unabhängigkeit von Festausgleich und Abfindung entspricht zwar der herrschenden Meinung, ist aber auch im juristischen Schrifttum nicht gänzlich unbestritten. Nach einer Gegenposition soll nämlich eine angemessene oder marktübliche Verzinsung des Liquidationswerts deshalb das Minimum eines Festausgleichs darstellen, weil damit den außenstehenden Aktionären eine wirtschaftlich interessante Alternative zu ihrem

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17 BGHZ 152, 29 (35) = NJW 2002, 3467 = ZIP 2002, 1892; BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 10 ff.; OLG Frankfurt, AG 2003, 581 (582 liSp); Hüffer (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 11a; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 73; Lutter/Drygala, AG 1995, 49 (50 ff.); Spindler/Klöhn, Konzern 2003, 511 (514 f.); Weiss in FS Semler, 1993, S. 631 (647). 18 Dazu II.1.b). 19 Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 23 ff.; Hüffer in FS Hadding, 2004, S. 461 (463 ff.). 20 BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 8 ff. 21 Er wird deshalb von ihren Anhängern auch gefordert; vgl. Meilicke in Heidel (Hrsg.), Anwaltkomm.Aktienrecht, 2003, § 304 AktG Rz. 31, 37; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 60, 68; Maul, DB 2002, 1423 (1424 Fn. 7); Meilicke, DB 1974, 417 (418 reSp).

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Ausscheiden gegen Abfindung geboten werden solle22. Eine striktere Variante dieses Gedankens liegt in der Forderung nach grundsätzlicher Gleichwertigkeit von Festausgleich und Abfindung23. Damit werden jedenfalls der Tendenz nach Festausgleich und Barabfindung miteinander verkoppelt, was dem Prinzip inhaltlicher Unabhängigkeit zuwider läuft. Schließlich werden auch einzelne instanzgerichtliche Entscheidungen24 für einen als Verrentung gedachten Festausgleich in Anspruch genommen. Die veröffentlichten Entscheidungstexte sind aber wenig aussagefähig und dürften jedenfalls durch die BGH-Rechtsprechung der letzten Jahre25 überholt sein. b) Betriebswirtschaftliche Gegenposition In einem Teil des betriebswirtschaftlichen Schrifttums wird unter Anknüpfung an die Gleichwertigkeitsthese die Forderung erhoben, dass sich Abfindung und Ausgleich wertmäßig entsprechen müssen, dass der Festausgleich ökonomisch denselben Wert zu besitzen habe wie die Abfindung, dass es sich bei Abfindung und Ausgleich um gleichwertige Zahlungsströme handeln müsse26. Das geht über den Gedanken an eine wirtschaftlich interessante Alternative hinaus und nimmt dem Gleichwertigkeitspostulat auch den Interpretationsspielraum, den es sonst noch haben mag. An die Stelle der inhaltlichen Unabhängigkeit von Ausgleich und Abfindung tritt nämlich in dieser Konzeption die Notwendigkeit einer wertmäßigen Äquivalenz der beiden Kompensationsformen. Das dargelegte betriebswirtschaftliche Verständnis von Festausgleich und Abfindung wirkt auf Begriff und Feststellung des Festausgleichs zurück: Aus der substituierten Dividende der herrschenden juristischen Auffassung wird die verrentete Abfindung. Die Ertragsermittlung aufgrund einer Stichtagsprognose wird entbehrlich, weil sich der Festausgleich angeblich als ewige Rente rechnerisch aus der Abfindung ermitteln lässt27. Namentlich dieser Umstand mag dafür verantwortlich sein, dass sich das Verfahren in Prüferkreisen wohl verbreiteter Beliebtheit erfreut. Wie schon hier festgehalten werden kann, führt das Verfahren allerdings auch in Probleme, und zwar vor

__________ 22 Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 52, 60; Meilicke, DB 1974, 417 f. 23 So wohl Emmerich/Habersack (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 38 f. 24 LG Bremen, AG 2003, 214 (215 reSp); LG Hamburg, AG 1995, 517 (518); LG Nürnberg-Fürth, AG 2000, 89 (91). 25 BGHZ 152, 29 (35 f.) = NJW 2002, 3467 = ZIP 2002, 1892; BGHZ 156, 57 (61) = NJW 2003, 3272 = ZIP 2003, 1745; BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 10 ff. 26 Hecker/Wenger, ZBB 1995, 321 (335 ff.); Knoll, ZIP 2003, 2329 (2331 liSp); Maul, DB 2002, 1423 (1424); ders. in FS Drukarczyk, 2003, S. 255 (274 ff.); krit. jedoch Popp, WPg 2006, 436 (444 ff.). 27 Vgl. z. B. Knoll, ZIP 2003, 2329 (2331 liSp); a. A. zur Umkehrung (Abfindung beim Squeeze-out nach vorgeschaltetem Organschaftsvertrag) Popp, WPg 2006, 436 (444 ff.).

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allem dann, wenn das Modell einer ewigen Rente tatsächlich nicht funktioniert; darauf ist zurückzukommen28.

III. Kritische Würdigung 1. Grundlagen Welche der beiden dargestellten Grundpositionen zutrifft, ist eine Frage des Ausgangspunktes: Bei inhaltlicher Unabhängigkeit von Festausgleich und Barabfindung ist das Gesamtgebäude der herrschenden Meinung schwerlich zu erschüttern. Sollte es dagegen ein Prinzip wertmäßiger Äquivalenz von Festausgleich und Barabfindung geben, kann ersterer kaum anders verstanden werden denn als verrentete Abfindung. Ob das eine oder das andere zutrifft, bestimmt sich nach den Vorgaben der §§ 304, 305 AktG. Das wird nicht ernsthaft bestritten29 und kann auch nicht anders sein, weil sich die Rechte der außenstehenden Aktionäre bzw. die Pflichten des anderen (herrschenden) Vertragsteils vorbehaltlich einer verfassungsmäßigen Überprüfung nur aus diesen Vorschriften entwickeln lassen. Alles andere mag ökonomisch vertretbar, sinnvoll oder sogar überlegen sein. Jedenfalls bleibt es unerheblich, weil sich die Rechte der außenstehenden Aktionäre nur insoweit nach ökonomischer Rationalität bestimmen, als diese in die gesetzlichen Vorgaben eingegangen ist oder mit ihnen wenigstens vereinbart werden kann30. Prüfungsberichte der nach § 293e AktG (§ 10 UmwG) gerichtlich bestellten Vertragsprüfer oder der im Spruchverfahren bestellten gerichtlichen Sachverständigen, die an diesen Vorgaben zugunsten einer eigenen ökonomischen Rationalität vorbeigehen sollten, sind rechtlich fehlerhaft und dürfen im Umfang dieser Fehlerhaftigkeit den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung nicht bestimmen. Der vom anderen Vertragsteil bei der Vorbereitung des Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags üblicherweise hinzugezogene Sachverständige unterliegt den aus §§ 304, 305 AktG folgenden Vorgaben dagegen nicht unmittelbar. Bei Abweichungen wird jedoch zu prüfen sein, ob der Sachverständige seiner vertraglich übernommenen Unterstützungspflicht noch gerecht wird, wenn er die Konzeption der §§ 304, 305 AktG durch andere Methoden ersetzt. Das gilt namentlich dann, wenn die Ergebnisse nicht übereinstimmen sollten. Welche Vorgaben zu Festausgleich und Abfindung aus §§ 304, 305 AktG abzuleiten sind, ist eine Frage der Gesetzesauslegung und nach den dazu an-

__________

28 Unten IV.2. 29 Auch die Vertreter der betriebswirtschaftlichen Gegenposition berufen sich auf die Gesetzeslage, vgl. Hecker/Wenger, ZBB 1995, 321 (335); Maul, DB 2002, 1423 (1424). 30 Vgl. zur grundsätzlichen Problematik BayObLG, AG 1996, 127 (128); BayObLG, AG 1996, 176 (178 liSp); Hüffer (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 17; Bilda in MünchKomm. AktG (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 63; Riegger in KölnKomm.SpruchG, 2005, Anh. § 11 SpruchG Rz. 1.

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erkannten Grundsätzen zu ermitteln. Das Auslegungsergebnis ist schließlich noch am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG zu messen, weil die Aktie als Anteilseigentum in den Schutzbereich des Grundrechts fällt. 2. Inhaltliche Unabhängigkeit von Festausgleich und Abfindung als Konzeption der §§ 304, 305 AktG Die erforderliche Auslegung bestätigt das von der herrschenden Meinung angenommene Prinzip inhaltlicher Unabhängigkeit von Ausgleich und Abfindung. Dagegen hat ein Grundsatz wertmäßiger Äquivalenz keine gesetzliche Basis. a) Wortlaut und Entstehungsgeschichte Soweit es zunächst um den Gesetzeswortlaut geht, fällt schon auf, dass §§ 304 Abs. 2 Satz 1, 305 Abs. 3 Satz 2 AktG zur inhaltlichen Bestimmung des Festausgleichs und der Barabfindung getrennte Vorschriften enthalten, die auch nach ihrer Textfassung nicht übereinstimmen und auch nicht der Sache nach aufeinander Bezug nehmen. Vielmehr verlangt § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG die schon oben dargestellte prognostische Ermittlung eines durchschnittlichen fiktiven Gewinnanteils31. § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG fordert nicht etwa dessen Kapitalisierung zum Zweck der Abfindung, sondern eine stichtagsbezogene Berücksichtigung der Gesellschaftsverhältnisse. Bis 1995 wurde statt an die Verhältnisse der Gesellschaft noch an deren Vermögensund Ertragslage angeknüpft32. Das war zwar verengend33, brachte aber deutlicher als die geltende Fassung zum Ausdruck, dass es für die Abfindung nicht auf die fiktive Ertragsfähigkeit des Gesellschaftsunternehmens, sondern auf dessen Bewertung ankommt, wobei die Abfindung den vollen Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung darzustellen hat. Schon der Umstand, dass es für die Angemessenheit von Festausgleich und Barabfindung zwei Vorschriften mit unterschiedlichen Aussagen gibt, lässt den angeblichen Grundsatz wertmäßiger Äquivalenz als unfundiert erscheinen. Anders könnte es nur sein, wenn die Wertermittlung im Sinne des § 305 AktG rechtlich notwendig auf den kapitalisierten Festausgleich hinausliefe. Gerade das trifft aber auch dann nicht zu, wenn man den zwischen beiden Meinungsgruppen streitigen Nullausgleich und die ebenfalls streitige Sonderrolle des nicht betriebsnotwendigen Vermögens beiseite lässt34. Erstens

__________ 31 Oben II.1.b). 32 Die jetzige Textfassung geht zurück auf Art. 6 Nr. 8 UmwBereinigungsG 1994. 33 BayObLG, AG 1995, 509; Begr. BT-Drucks. 12/6699, S. 94 reSp; Hüffer (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 26. 34 Unten IV. bei Fn. 44 und 45 sowie IV.1.

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ist nämlich nicht einmal die Ertragswertmethode rechtsverbindlich35. Zweitens kann, soweit zum Schutz der außenstehenden Aktionäre auf den Börsenkurs als Untergrenze der Abfindung zurückgegriffen wird36, nicht behauptet werden, dass diese und der Festausgleich nach ihrer Eigenart wertgleiche Zahlungsströme darstellen. Drittens führen auch die unterschiedlichen Funktionen von Festausgleich und Barabfindung zu notwendigen Differenzen. So partizipieren die außenstehenden Aktionäre wegen der Vollausschüttungsprämisse des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG auch dann am prognostizierten Gesamtertrag, wenn davon ein Teil durch Rücklagendotierung in dem Unternehmen verbleibt, dem sie weiterhin als Aktionäre angehören. Die bloße Kapitalisierung müsste deshalb zu tendenziell überhöhten Abführungen führen. In umgekehrter Richtung sollte beachtet werden, dass nicht der Festausgleich, sondern nur die Barabfindung das Risiko fehlender Überlebensfähigkeit des Gesellschaftsunternehmens bei Beendigung des Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags kompensieren kann37. Unter diesem Blickwinkel kann die Abfindung höher liegen als die Summe der Ausgleichsbeträge. Dem Ganzen bleibt hinzuzufügen, dass der historische Gesetzgeber die Problematik immerhin teilweise erfasst hat und expressis verbis nicht von einer wertmäßigen Äquivalenz von Festausgleich und Abfindung ausgegangen ist. In der Regierungsbegründung heißt es nämlich schon: „Sie“ (sc. die Ausgleichsansprüche) „stellen keine Entschädigung für die mit einem Gewinnabführungs- und namentlich einem Beherrschungsvertrag verbundene Beeinträchtigung ihrer Herrschaftsrechte dar. Außerdem wird ein § 304 entsprechender Ausgleich in manchen Fällen auch die Vermögensnachteile der außenstehenden Aktionäre nicht voll decken. ... Nach den Umständen kann ... die Sorge begründet sein, daß die Gesellschaft bei Beendigung des Vertrags nicht mehr fähig ist, auf eigenen Füßen zu stehen“38.

Weil die schon von den Gesetzesverfassern in Betracht gezogene Inkongruenz von Festausgleich und Barabfindung sich in deren getrennter und auch inhaltlich nicht deckungsgleicher Regelung niederschlägt, ist die Aussage der Regierungsbegründung als Normaufhellung unmittelbar beachtlich. Das angebliche Prinzip wertmäßiger Äquivalenz kann damit aber nicht in Einklang gebracht werden.

__________ 35 Hüffer (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 17; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 62; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 70. 36 BVerfGE 100, 289 (306 ff.) = NJW 1999, 3769 = ZIP 1999, 1436; BGHZ 147, 108 (115) = NJW 2001, 2080 = ZIP 2001, 734; Hüffer (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 24b m. w. N.; Riegger in KölnKomm.SpruchG (Fn. 30), Anh. § 11 SpruchG Rz. 52; Bilda, NZG 2000, 296 (297). 37 BGHZ 135, 374 (379) = NJW 1997, 2242 = ZIP 1997, 1193; BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 11 = ZIP 2006, 663; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 53; Spindler/Klöhn, Konzern 2003, 511 (514). 38 RegBegr. (Fn. 7), S. 397.

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b) Auslegung nach dem Regelungszweck Wie oben dargelegt, dient der Festausgleich der Kompensation der vertragsbedingt ausfallenden Dividende39. Dem ist der weitere Zweck angestaffelt, den außenstehenden Aktionären die Fortführung ihrer Mitgliedschaft im Sinne einer wirtschaftlich sinnvollen Verhaltensweise zu ermöglichen. Darin liegt, wie auch die systematische Anordnung der §§ 304, 305 AktG zeigt, das Hauptanliegen des Gesetzes. Der Abfindung kommt demgegenüber nur die Funktion eines ergänzenden Interessenschutzes zu: Den Aktionären soll nicht zugemutet werden, ihre Mitgliedschaft in einer fremdbestimmten „Rentnergesellschaft“ fortzuführen. Sie sollen sich auch nicht dem Risiko aussetzen müssen, am Ende der Vertragslaufzeit das als Quelle künftiger Erträge verstandene Unternehmen zu verlieren, weil es sich infolge der Einwirkungen des herrschenden Unternehmens nicht mehr als selbständiger Marktteilnehmer behaupten kann. Deshalb dürfen die außenstehenden Aktionäre von der Fortführung ihrer Mitgliedschaft auch absehen und deren Wert bei dem anderen Vertragsteil liquidieren, also in diesem Sinne ausscheiden. Die rekapitulierten Normzwecke erfordern die von der Mindermeinung erwartete wertmäßige Äquivalenz nicht. Richtig ist nur, dass das Gesetz den außenstehenden Aktionären zwei gleichwertige Handlungsweisen eröffnen will. Durch das vorgeschriebene Doppelangebot sollen sie nämlich in die Lage versetzt werden, jeder für sich die Entscheidung zwischen Verbleib und Ausscheiden zu treffen. Wenn es ein Gleichwertigkeitserfordernis gibt, dann bezieht es sich nach §§ 304, 305 AktG auf die beiden Handlungsvarianten, nicht dagegen auf Ausgleich und Abfindung als gesetzlich geschuldete Leistungen. Oder anders ausgedrückt: Die außenstehenden Aktionäre werden in die Lage versetzt, zwischen Verbleib und Ausscheiden selbst zu wählen, indem sie Chancen und Risiken jeder Lösung abwägen. Die propagierte Wertgleichheit von Ausgleich und Abfindung reduziert die Aktionäre dagegen auf eine Rolle als Zahlungsempfänger, indem ihnen nur die Wahl zwischen Rente und Kapitalbetrag gelassen wird. Das ist nicht die autonome Entscheidung, die §§ 304, 305 AktG ermöglichen sollen. Damit bestätigt die Auslegung nach dem Regelungszweck das Ergebnis, zu dem schon Wortlaut und Entstehungsgeschichte führen: Ein Prinzip wertmäßiger Äquivalenz mag ökonomisch schlüssig sein oder nicht. Den §§ 304, 305 AktG entspricht es jedenfalls nicht. Diese beruhen vielmehr auf der inhaltlichen Unabhängigkeit von Ausgleich und Abfindung, die unterschiedlichen Kompensationsbedürfnissen entsprechen sollen.

__________ 39 Oben II.1.a).

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3. Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 GG Das Ergebnis der einfachen Gesetzesauslegung ist auch mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Der Grundrechtsschutz, den das Anteilseigentum mit Recht erfährt40, erfordert also keine wertmäßige Äquivalenz von Ausgleich und Abfindung. Richtig ist zwar, dass das Bundesverfassungsgericht das Gebot voller Entschädigung der außenstehenden Aktionäre als notwendige Bedingung eines verfassungskonformen Unternehmensvertragsrechts auffasst41 und diese volle Entschädigung sowohl vom Ausgleich als auch von der Abfindung „je für sich gesehen“ geleistet werden muss42. Als verfassungsrechtliche Vorgabe an den Gesetzgeber und an das zur Normanwendung berufene Gericht bedeutet dieses Gebot für die abstrakte bzw. konkrete Ausgestaltung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Aktionären aber nicht mehr als die Notwendigkeit einer sachgerechten Interessenabwägung, als deren Ergebnis Verbleib oder Ausscheiden gleichermaßen vernünftige Entscheidungen der Grundrechtsträger sein können. Dem ist mit der Gleichwertigkeit der beiden Handlungsvarianten voll entsprochen. Dass sich im Einzelfall und insbesondere ex post die eine oder die andere Lösung als günstiger darstellt, also doch keine wertgleichen Zahlungsströme vorliegen, ist dagegen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sollte im Einzelfall der Festausgleich als die weniger günstige Lösung erscheinen, bliebe überdies zu bedenken, dass die außenstehenden Aktionäre während der Vertragslaufzeit durch die Pflicht des anderen Vertragsteils zur pauschalen Verlustübernahme (§ 302 AktG) vor auflaufenden Verlusten geschützt, insoweit also durch den Unternehmensvertrag begünstigt werden43.

IV. Ausgewählte Einzelfragen Im folgenden sollen die Konsequenzen der dargelegten Grundposition wenigstens für die Frage des Nullausgleichs und für die von manchen erhobene Forderung nach einem gestaffelten Ausgleich in Sonderlagen, besonders bei einem gesteigerten Risiko vorzeitiger Beendigung des Unternehmensvertrags, erörtert werden. Auf die nähere Behandlung weiterer Einzelpunkte

__________ 40 BVerfGE 14, 263 (277 f.) = NJW 1962, 1667; BVerfGE 100, 289 (303 f.) = NJW 1999, 3769 = ZIP 1999, 1436; BVerfG, AG 2003, 624 (625 liSp); Riegger in KölnKomm. SpruchG (Fn. 30), Anh. § 11 SpruchG Rz. 3; Dietlein in Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1 2006, § 113 III 3c; Hüffer/ Schmidt-Aßmann/Weber (Fn. 19), S. 47 ff. 41 Vgl. die Nachw. in Fn. 40; ferner z. B. BGHZ 71, 40 (51) = NJW 1978, 1316; OLG Düsseldorf, AG 2004, 614 (615 liSp); Hüffer (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 18 m. w. N.; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 59; Riegger in KölnKomm. SpruchG (Fn. 30), Anh. § 11 SpruchG Rz. 3. 42 BVerfG, NZG 2000, 28 (29 liSp) = ZIP 1999, 1804. 43 BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 11 = ZIP 2006, 663; Brauksiepe, BB 1971, 109.

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kann und muss aus Raumgründen verzichtet werden. Das gilt etwa für die Sonderbehandlung nicht betriebsnotwendigen Vermögens44, die indessen durch § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG nahegelegt wird und nur dann als Problem aufgefasst werden kann45, wenn man die Ausgleichsbeträge zu Unrecht aus der Abfindung errechnen will. 1. Nullausgleich bei chronischer Ertragslosigkeit Die Zulässigkeit des Nullausgleichs bei chronisch defizitären Gesellschaften ist jedenfalls seit der Leitentscheidung des II. Zivilsenats v. 13.2.2006 für die Praxis geklärt46. Dass es Gutachter geben könnte, die wegen der von ihnen für richtig gehaltenen These von Festausgleich und Barabfindung als gleichwertigen Zahlungsströmen entgegen der grundsätzlich angelegten BGH-Entscheidung eine Ausgleichsleistung trotz negativer Ertragsprognose fordern, mag man sich nicht vorstellen. Wegen der inhaltlichen Unabhängigkeit von Ausgleich und Abfindung besteht dafür, insbesondere für eine angeblich notwendige Mindestverzinsung der Abfindungssumme, auch keine gesetzliche Basis. Die Wahl zwischen dem Verbleib in der Gesellschaft und der Aufgabe der Mitgliedschaft hängt in dieser Lage von der Spekulation auf bessere Zeiten ab. Dadurch werden die außenstehenden Aktionäre aber nicht benachteiligt, weil ihre Lage ohne den Unternehmensvertrag auch nicht besser wäre47. Eher stellt der Vertrag eine Verbesserung dar, indem er immerhin einen am Liquidationswert orientierten Abfindungsanspruch gegen den anderen Vertragsteil begründet, während die außenstehenden Aktionäre sonst darauf verwiesen wären, für ihre Aktien trotz der Ertragslosigkeit Abnehmer zu finden.

__________ 44 Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 84 f.; Emmerich/Habersack (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 84 ff.; Riegger in KölnKomm.SpruchG (Fn. 30), Anh. § 11 SpruchG Rz. 42 ff.; speziell zum Festausgleich BGHZ 156, 57 (63 f.) = NJW 2003, 3272 = ZIP 2003, 1745; BayObLG, AG 2002, 390 (391); OLG Stuttgart, AG 2004, 43 (47); Hüffer (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 11a. 45 Vgl. Emmerich/Habersack (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 34; Maul in FS Drukarczyk, 2003, S. 255 (274 ff.). 46 BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 8 ff. = ZIP 2006, 663; zuvor schon BayObLG, AG 1995, 509 (512); OLG Düsseldorf, AG 1999, 89 (90); LG Frankfurt, AG 1996, 187 (189 reSp); vgl. aus dem Schrifttum z. B. Hüffer (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 12; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 91; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 84; Brauksiepe, BB 1971, 109; Hartmann/Hartmann in FS Pleyer, 1986, S. 287 (294 f.); Lutter/Drygala, AG 1995, 49 (51 liSp); a. A. Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 60; Meilicke (Fn. 21), § 304 AktG Rz. 31, 37; ders., DB 1974, 417 (418); Maul, DB 2002, 1423 f. 47 BGH, NJW 2006, 1663 Rz. 11= ZIP 2006, 663.

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2. Verpflichtung zur Staffelung des Ausgleichs in Ausnahmefällen? a) Problemlage und Diskussionsstand Der den zweiten Themenkreis bezeichnende gestaffelte Ausgleich liegt dann vor, wenn abweichend vom gleichbleibenden Durchschnitt des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG der Höhe nach differierende Zahlungen geleistet werden, etwa derart, dass im Jahr des Beginns des Unternehmensvertrags oder im Jahr seiner Beendigung erhöhte Ausgleichsleistungen erbracht werden. Insoweit besteht weitgehend Einigkeit, dass die Parteien des Unternehmensvertrags eine derartige Lösung vereinbaren können48, sofern die Angemessenheit des Ausgleichs dabei erhalten bleibt. Ganz herrschend ist ferner die Auffassung, dass eine Verpflichtung zur gestaffelten Ausgleichsleistung im allgemeinen nicht besteht49. Während man es meistens dabei auch belässt, will eine Mindermeinung bei variablen oder zumindest bei stark schwankenden Erträgen ausnahmsweise einen gestaffelten Ausgleich für erforderlich halten50. Dabei steht die Befürchtung im Vordergrund, dass der andere (herrschende) Vertragsteil in der Anfangsphase des Vertragsverhältnisses überproportionale Gewinne generiert und die Vertragsdauer nicht ausreicht, um die Summe der entsprechenden Mittelabflüsse durch die Summe der Ausgleichsleistungen zu kompensieren. b) Gestaffelter Ausgleich und wertmäßige Äquivalenz Nach dem üblichen Verständnis des Festausgleichs, das gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG von den nach der Stichtagsprognose erwartbaren Gewinnen ausgeht, kann das aufgezeigte Problem schon deshalb nicht zu einem gestaffelten Ausgleich veranlassen, weil es nicht die Aufgabe der Ausgleichsleistung ist, eine befürchtete Substanzverlagerung auf das herrschende Unternehmen zu kompensieren. Diesem Risiko kann vielmehr nur die Abfindung begegnen. Anders verhält es sich allerdings, wenn man der These folgt, dass die beiden Kompensationsformen wertmäßig übereinstimmen müssen. Unter dieser Prämisse kann und muss es als Problem auch der Ausgleichsleistung

__________ 48 OLG Hamburg, AG 2001, 479 (481 liSp); Hüffer (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 11; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 92; Krieger in MünchHdb.GesR (Fn. 8), § 70 Rz. 72; Lutter/Drygala, AG 1995, 49 (54 ff.); auch dagegen, nämlich gegen jede Staffelung, LG Hamburg, AG 1995, 517 (518); Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 65. 49 Hüffer (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 11; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 92; Krieger in MünchHdb.GesR (Fn. 8), § 70 Rz. 72; Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 180 f.; unscharf Hirte/Hasselbach in Großkomm.AktG (Fn. 8), § 304 AktG Rz. 82 mit Fn. 178. 50 W. Meilicke, DB 1974, 417 (421); mit Einschränkungen wohl auch Lutter/Drygala, AG 1995, 49 (54 ff.); ihnen zustimmend die Kurzbemerkung bei Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rz. 3110.

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angesehen werden, dass der Zahlungsstrom endet und das bis dahin Geleistete wertmäßig hinter dem Mittelabfluss zurückbleibt. Wie oben gezeigt werden konnte51, stimmt aber die Prämisse nicht: Richtigerweise sind Ausgleich und Abfindung nach der Konzeption der §§ 304, 305 AktG voneinander gerade unabhängig. Deshalb lässt sich auf dieser Basis auch keine Pflicht zur gestaffelten Ausgleichsleistung begründen. Das gilt für überproportionale Zahlungen am Anfang und am Ende der Vertragslaufzeit gleichermaßen. c) Die Behandlung des Laufzeitproblems Aus dem Umstand, dass sich eine Pflicht zur gestaffelten Ausgleichsleistung nicht begründen lässt, darf nicht geschlossen werden, dass eine vorzeitige Vertragsbeendigung problemlos wäre. Bei der abgelehnten Lösung ist jedoch übersehen, dass §§ 295 bis 297 AktG dafür eine Regelung enthalten, die sich aus drei Elementen zusammensetzt52: – Stets zulässig ist eine Kündigung des Unternehmensvertrags aus wichtigem Grund (§ 297 Abs. 1 AktG), und zwar durch jeden der Vertragsteile. – Zulässig ist auch die Kündigung des Unternehmensvertrags ohne wichtigen Grund, durch den Vorstand der verpflichteten Gesellschaft aber nur, wenn dafür ein zustimmender Sonderbeschluss ihrer außenstehenden Aktionäre vorhanden ist (§ 297 Abs. 2 AktG; allgemeiner Rechtsgedanke der §§ 295 ff. AktG). – Zulässig ist schließlich die Kündigung durch den anderen (herrschenden) Vertragsteil, und zwar ohne dass darauf die außenstehenden Aktionäre der verpflichteten Gesellschaft Einfluss nehmen könnten. Diese Regelung beruht in ihren drei Elementen auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers von 1965. Das gilt namentlich auch für das Kündigungsrecht des herrschenden Vertragsteils (dritter Spiegelstrich). Hierzu heißt es nämlich in der Regierungsbegründung: „Der andere Vertragsteil kann ein ihm zustehendes Kündigungsrecht ohne ... Zustimmung ausüben. Darin liegt keine unbillige Beeinträchtigung der außenstehenden Aktionäre. Denn die Kündigungsrechte des anderen Vertragsteils gründen sich auf den Vertrag, dem die Hauptversammlung der Gesellschaft zugestimmt hat.“53

__________ 51 Vgl. III.2. 52 Hüffer (Fn. 8), § 297 AktG Rz. 3 ff., 10 ff., 18. 53 RegBegr. (Fn. 7), S. 386.

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Diese Entscheidung des Gesetzgebers kann man kritisieren54. Das ändert aber nichts daran, dass sie nach dem eindeutigen und, wie das Zitat zeigt, mit der Regierungsbegründung übereinstimmenden Gesetzeswortlaut hinzunehmen und zu praktizieren ist55. Für den gestaffelten Ausgleich ergibt sich aus diesen Überlegungen, dass der damit erstrebte Kündigungsschutz im einschlägigen Zusammenhang der §§ 295 ff. AktG vom Gesetz nicht gewollt ist. Das bleibt auch im Rahmen der §§ 304, 305 AktG zu beachten. Ein gestaffelter Ausgleich ist danach weder gesetzlich geboten noch kann er die Zielvorstellung einer richterlichen Rechtsfortbildung sein. Sachangemessen und systemkonform ist stattdessen ein Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre, der sie bei einer von ihnen hinzunehmenden Kündigung des Unternehmensvertrags oder bei seiner vorzeitigen Beendigung aus anderen Gründen so stellt, als ob sie ihre Aktien dem anderen Vertragsteil zu Beginn des Vertragsverhältnisses und vor allen Gewinnabführungen angedient hätten. Darin läge eine Ergänzung des § 305 Abs. 4 AktG, nach welcher die Freiheit zur vertraglichen Befristung des Andienungsrechts über § 305 Abs. 4 Satz 2 und 3 AktG hinaus eingeschränkt würde. Das bei Einleitung eines Spruchverfahrens schon heute weitgehend aus § 305 Abs. 4 Satz 3 AktG folgende Ergebnis56 würde durch einen entsprechenden Rechtssatz von der Verfahrenseinleitung abgekoppelt. Den Parteien des Unternehmensvertrags steht es auch frei, diese Lösung im Unternehmensvertrag zu vereinbaren. Damit werden die Interessen der außenstehenden Aktionäre gewahrt, ohne dass man zu dem problematischen und jedenfalls vom Gesetz nicht gewollten gestaffelten Ausgleich Zuflucht nimmt.

V. Fazit Über das Verhältnis zwischen Ausgleich und Abfindung gehen die Meinungen vor allem zwischen Juristen und Betriebswirten auseinander. Allein gesetzeskonform und deshalb bei gesetzesgebundener sachverständiger Tätigkeit auch von den betriebswirtschaftlich orientierten Prüfern hinzunehmen ist das Verständnis des Festausgleichs als Substitution der ausfallenden

__________ 54 Hüffer (Fn. 8), § 297 AktG Rz. 18; Emmerich/Habersack (Fn. 8), § 297 AktG Rz. 9; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 297 AktG Rz. 4 a. E.; Peres in Heidel (Hrsg.), Anwaltkomm.Aktienrecht (Fn. 21), § 297 AktG Rz. 32; Timm in FS Kellermann, 1991, S. 461 (463). 55 Eingehend schon BGH, NJW 1979, 2103 f.; bestätigt von BGHZ 122, 211 (233) = NJW 1993, 1976 = ZIP 1993, 751; vgl. ferner OLG Celle, AG 1978, 318; OLG Düsseldorf, AG 1990, 490 (491). 56 Siehe dazu BGHZ 112, 382 (384) = NJW 1991, 566 = ZIP 1990, 100 (Regelungszweck); Hüffer (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 27; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 8), § 305 AktG Rz. 105 ff.

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Dividende. Die Annahme einer wertmäßigen Äquivalenz von Ausgleich und Abfindung steht damit nicht in Einklang. Die inhaltliche Unabhängigkeit von Ausgleich und Abfindung erlaubt auch die konsistente Lösung der in diesem Zusammenhang erörterten Einzelfragen. So enthält sie die dogmatische Grundlage für den Nullausgleich. Sie erklärt auch, warum es keine Rechtspflicht gibt, die Ausgleichsleistung gestaffelt zu erbringen. Die richtige Lösung dieses Sonderproblems liegt stattdessen in einer zeitlichen Streckung des Andienungsrechts.

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Stichtagsprinzip und Wertaufhellung Inhaltsübersicht I. Einführung II. Grundlagen 1. Subjektive vs. objektive Wertaufhellungskonzeption 2. Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und des Art. 31 Buchst. c bb der 4. EG-RL 3. Objektivierung vs. Bilanzwahrheit 4. Zum Maßstab der subjektiven Richtigkeit der Bilanz III. Die sachlichen Grenzen der Wertaufhellung 1. Ratio legis der Wertaufhellung 2. Berücksichtigung von Umständen, die am Bilanzstichtag objektiv vorlagen 3. Umstände, die sich nicht eindeutig einem Geschäftsjahr zuordnen lassen 4. Wertaufhellung bei Prognosen und Schätzungen a) Schätzungen und Prognosen als Momentaufnahmen b) Ereignisse nach dem Stichtag vermitteln keine besseren

Erkenntnisse über die objektiven Erwartungen zum Stichtag c) Insbesondere: Die Rechtsprechung des I. Senats zur Wechseleinlösung und Zahlung des Schuldners nach dem Stichtag d) Insolvenz des Schuldners e) Gerichtsurteile und rechtsgestaltende Erklärungen 5. Zur Vereinbarkeit der Wertaufhellungsrechtsprechung des I. Senats mit der 4. EG-Richtlinie IV. Zur Wertaufhellung bei einer „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ V. Angabepflichten bei wertbeeinflussenden Tatsachen in Jahresabschluss und Lagebericht VI. Ausnahmen vom Wertaufhellungsgrundsatz nach § 252 Abs. 2 HGB? VII. Die zeitlichen Grenzen der Wertaufhellung VIII. Zusammenfassung

I. Einführung Nach § 242 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann „zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen.“ Die gesetzliche Vorgabe, dass die Bilanz für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres, also stichtagsbezogen aufzustellen ist, gilt nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB auch für die Bewertung: „Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlussstichtag zu bewerten“. Da der Jahresabschluss somit zwar „für den Schluss“, aber nicht „am Schluss“ eines jeden Geschäftsjahres aufgestellt wird, ergibt sich die Frage, ob der Kaufmann auch solche Umstände berücksichtigen kann oder sogar muss, die zwar be301

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reits am Abschlussstichtag vorgelegen haben, ihm aber erst bis zur Aufstellung der Bilanz bekannt geworden sind oder hätten bekannt werden müssen. Das Gesetz regelt die Frage, ob spätere Erkenntnisse noch bei der Bilanzerstellung zu berücksichtigen sind, in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Danach sind „alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind“. Erfährt der Kaufmann also z. B. im Januar davon, dass ein ausländischer Schuldner Ende Dezember seine Zahlungen eingestellt hat, dann ist dieser Umstand bei der Bewertung der Forderung noch in der Bilanz für den 31.12. gewinnmindernd zu berücksichtigen. Eine solche „Wertaufhellung“ findet aber nicht nur bei der Bewertung statt, sondern ist über den Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB hinaus nach allgemeiner Ansicht auch bei der Bilanzierung dem Grunde nach zu beachten1. Über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gelten die Grundsätze über die Wertaufhellung schließlich auch für die steuerliche Gewinnermittlung durch qualifizierten Betriebsvermögensvergleich2, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 4 Abs. 1 EStG („… Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres …“) bedarf3. Rechtsfragen der Wertaufhellung sind nicht nur theoretisch reizvoll, sondern werden in der Praxis bisweilen auch als „das Bilanzierungsproblem schlechthin“ bezeichnet4. Daran ist richtig, dass die zeitliche Zuordnung von Gewinnen und Verlusten vielfach von kardinaler Bedeutung für die Bilanzierungsadressaten ist5. Man denke an den Fall eines Gesellschafterwechsels zum En-

__________ 1 Statt vieler nur BFH v. 11.10.1973 – VIII R 1/69, BStBl. II 1974, 90; BFH v. 26.4.1989 – I R 147/84, BStBl. II 1991, 213 (216); BFH v. 28.3.2000 – VIII R 77/96, BStBl. II 2002, 227 (229); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, S. 53; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl. 2006, § 5 EStG Rz. 81; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Aufl. 1999, S. 245; Walz in Heymann, HGB, 2. Aufl. 1999, § 252 HGB Rz. 25. 2 So ausdrücklich BFH v. 28.3.2000 – VIII R 77/96, BStBl. II 2002, 227 (229); auf § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB verweisen auch BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690); BFH v. 20.8.2003 – I R 49/02, BStBl. II 2003, 941 (943); BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421 (425); aus dem Schrifttum vgl. Schreiber in Blümich, EStG, Loseblatt, § 5 EStG Rz. 278 f.; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 6 EStG Rz. 82; Ciric, Grundsätze ordnungsmäßiger Wertaufhellung, 1995, S. 42. 3 Für Ableitung des Stichtagsprinzips aus § 4 Abs. 1 EStG aber z. B. BFH v. 10.3.1993 – I R 70/91, BStBl. II 1993, 446; Werndl in Kirchhof/Söhn, EStG, Loseblatt, § 6 EStG Anm. A 131. 4 So der plakative Titel des Aufsatzes von Hoffmann, BB 1996, 1157. 5 Vgl. dazu bereits Boettcher, Zur Frage der Berücksichtigung nach dem Bilanzstichtage bekanntgewordender Umstände in der Steuerbilanz, StuW I 1932, Sp. 1039– 1056.

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de des Wirtschaftsjahres oder an Änderungen der Unternehmenssteuersätze6 oder des steuerlichen Verlustabzuges7. Welche Unsicherheiten bei der Anwendung des Stichtagsprinzips in der gerichtlichen Praxis bestehen, lässt sich an folgendem Sachverhalt verdeutlichen, über den nicht nur der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren8, sondern – und zwar mit einem abweichenden Ergebnis – auch der I. Senat des BFH9 geurteilt hat. Die klagende BIAO-Bank hatte sich auf Kredite in Entwicklungsländern spezialisiert und in ihrer Bilanz zum 31.12.1989 eine Rückstellung für zu vermutende Verluste aus einer Risikounterbeteiligung wegen eines Kredites an eine staatliche chilenische Bergbaugesellschaft gebildet. Das FA erkannte die Rückstellungsbildung u. a. auch deshalb nicht an, weil der Kredit fristgemäß nach Bilanzstichtag, aber vor dem Abschluss der Bilanzaufstellungsarbeiten zurückgezahlt worden war. Im anschließenden Finanzrechtsstreit hatte das FG Hamburg10 Bedenken gegen die Rechtsauffassung des FA und legte daher dem EuGH u. a. die Frage vor, ob eine Kredittilgung zwischen Bilanzstichtag und Tag der Bilanzaufstellung eine (rückwirkend) wertaufhellende und nicht nur eine wertbeeinflussende Tatsache darstellt, die sich allein im Tilgungsjahr auswirkt. Der EuGH11 war der Ansicht, dass die Rückzahlung eines Kredits keine Tatsache darstellt, „die eine rückwirkende Neubewertung einer Rückstellung erfordert, die sich auf diesen Kredit bezieht und auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen ist.“ Allerdings müsse der Wegfall des Risikos nach dem True-and-fair-view-Prinzip im Jahresabschluss erwähnt werden. Nachdem das FG Hamburg daraufhin der Klage stattgegeben hatte, lehnte der I. Senat des BFH12 im Revisionsverfahren die Rückstellungsbildung ab. Nach seiner Ansicht war der Umstand der fristgerechten Rückzahlung des Kredits geeignet, ein Risiko aus der Unterbeteiligung „wertaufhellend“ bereits zum Bilanzstichtag zum 31.12.1989 zu verneinen. Denn die fristgerechte Rückzahlung lasse „aus der Sicht des Tages der Bilanzerstellung ein jedenfalls hinreichend wahrscheinliches Risiko … bereits zum Bilanzstichtag objektiv entfallen“.

__________ 6 Im BFH-Urteil v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 stritten die Parteien wohl nur deshalb über die zeitliche Zuordnung eines Gewinns aus einer Rücklagenauflösung zu den Veranlagungszeiträumen 1989 und 1990, da der Körperschaftsteuersatz zum 1.1.1990 erheblich abgesenkt worden war. 7 Im Ausgangsrechtsstreit des Beschlusses des Großen Senats v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 war die Zulässigkeit der phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen nur deshalb relevant, weil der steuerliche Verlustvortrag im Streitjahr noch auf fünf Jahre begrenzt war. 8 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144. Dazu aus dem Schrifttum Bärenz, DStR 2003, 492; Moxter, BB 2003, 355; Scheffler, StuB 2003, 298; Weber-Grellet, DStR 2003, 67. 9 BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421; dazu Schulze-Osterloh, BB 2005, 488; Bärenz, DStR 2005, 243; Weber-Grellet, FR 2005, 314; ders., BB 2006, 35 (36 f.); Strahl, FR 2005, 361. 10 FG Hamburg v. 22.4.1999 – II 23/97, EFG 1999, 1022; dazu etwa Kessler, StuB 1999, 1314; Dziadkowski, FR 1999, 1300. 11 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144 unter Rz. 126. 12 BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421.

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Das Urteil im BIAO-Fall ist nur eine von mehreren neueren BFH-Entscheidungen zur Wertaufhellung, durch die die bilanzrechtliche Diskussion über die Grenzen der Wertaufhellung neu belebt worden ist13. Der nachfolgende Beitrag zu Ehren von Hans Joachim Priester soll zur Klärung einiger umstrittener Fragen beitragen.

II. Grundlagen 1. Subjektive vs. objektive Wertaufhellungskonzeption In der bilanzrechtlichen Rechtsprechung und Literatur stehen sich seit jeher zwei unterschiedliche Interpretationen des Wertaufhellungsgrundsatzes gegenüber14. Diese betreffen die Frage, aus welcher Perspektive der Jahresabschluss „für den Schluss des Geschäftsjahres“ aufzustellen ist. Nach der sog. subjektiven Wertaufhellungstheorie soll die Bilanz so aufzustellen sein, wie sie ein „vorsichtig abwägender ordentlicher Kaufmann unter verständiger Würdigung aller Umstände und Verhältnisse am Abschlussstichtag aufgestellt hätte“15. Die Bilanz müsste also – wie es der RFH16 einmal ausgedrückt hat – so aufgemacht werden, „wie sie hätte lauten müssen, wenn sie am letzten Tag des Geschäftsjahres aufgestellt worden wäre“. Allerdings ist heute anerkannt, dass schon aus Gründen der Objektivierung nicht allein das maßgeblich sein kann, was der Bilanzierende am Bilanzstichtag tatsächlich gewusst hat. Diejenigen, die heute für ein subjektives Wertaufhellungsverständnis eintreten, fordern daher eine gewisse „Objektivierung“ und stellen deshalb auf das am Abschlussstichtag „bei angemessener Sorgfalt Wissbare“17 ab. Nach dieser Ansicht wäre im BIAO-Fall eine wertaufhellende Berücksichtigung der späteren Zahlung schon deshalb zu verneinen gewesen, weil die Zahlung selbst unstreitig nach den Verhältnissen am Stichtag nicht vorhersehbar war.

__________ 13 Siehe auch BFH v. 28.3.2000 – VIII R 77/96, BStBl. II 2002, 227 (229); BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690); BFH v. 20.8.2003 – I R 49/02, BStBl. II 2003, 941; BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421; BFH v. 19.10.2005 – XI R 64/04, BStBl. II 2006, 371. 14 Vgl. etwa BFH v. 28.3.2000 – VIII R 77/96, BStBl. II 2002, 227 (229); monographisch Ciric (Fn. 2); Übersichten über den Meinungsstand bei Engel-Ciric, DStR 1996, 1298; Hommel/Berndt, DStR 2000, 1745; Moxter, BB 2003, 2559; Schreiber in Blümich (Fn. 2), § 5 EStG Rz. 279. 15 So namentlich Ciric (Fn. 2), passim; zustimmend Hoffmann, BB 1996, 1157; Hommel/Berndt, DStR 2000, 1745 f.; Schreiber in Blümich (Fn. 2), § 5 EStG Rz. 279; wohl auch Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 2), § 6 EStG Rz. 82; aus der Rechtsprechung vereinzelt BFH v. 17.5.1978 – I R 89/76, BStBl. II 1978, 497. 16 RFH v. 31.10.1919 – I A 216/19, RFHE 1, 272. 17 So etwa Hommel/Berndt, DStR 2000, 1745.

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Demgegenüber vertritt der BFH in seiner neueren Rechtsprechung ein objektives Wertaufhellungsverständnis18. Danach ist der Kenntnisstand des Bilanzierenden am Tag der Bilanzaufstellung „auf die am Bilanzstichtag – objektiv – bestehenden Verhältnisse zu beziehen“19. Folglich sind auch solche Informationen, die der Kaufmann erst nach dem Abschlussstichtag und während der Bilanzerstellung erlangt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können, immer dann wertaufhellend bei der Bilanzaufstellung zu berücksichtigen, wenn sie – so der I. Senat – „für die Verhältnisse am Bilanzstichtag von Bedeutung sind“20. Nach dieser Ansicht wäre im BIAO-Fall folglich weiter zu prüfen, ob die Tilgung des Kredits nach dem Bilanzstichtag „für die Verhältnisse am Bilanzstichtag von Bedeutung ist“, die Kredittilgung also eine wertaufhellende Tatsache darstellt. Der EuGH hat sich im BIAO-Urteil nicht ausdrücklich zu einer bestimmten Wertaufhellungskonzeption bekannt, sondern nur festgestellt, dass sich die Rückzahlung nicht auf das fragliche Geschäftsjahr bezogen habe und deshalb keine Tatsache darstelle, „die eine rückwirkende Neubewertung“ erfordere21. Da dieses Ergebnis auch auf dem Boden der objektiven Wertaufhellungskonzeption begründbar ist, lässt sich die EuGH-Entscheidung keiner bestimmten Position eindeutig zuordnen22. Man mag diese Zurückhaltung bedauern. Gleichwohl geht es zu weit, die Ausführungen des EuGH nur deshalb als „unergiebig“ zu kritisieren, weil eine nähere Auseinandersetzung mit der einschlägigen deutschen Rechtsprechung nicht stattfindet23. Eine solche ist schon deshalb nicht geboten gewesen, weil der EuGH nur über die Auslegung der jeweiligen Richtlinie zu befinden hat. Bei dieser Aufgabe können

__________ 18 Statt vieler BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690); vgl. aus der älteren Rechtsprechung BFH v. 27.4.1965 – I 324/62 S, BStBl. III 1965, 409; BFH v. 19.12.1972 – VIII R 18/70, BStBl. II 1973, 218; BFH v. 17.1.1973 – I 204/70, BStBl. II 1973, 320; BFH v. 4.4.1973 – I R 130/71, BStBl. II 1973, 485; Fischer in Kirchhof, EStG, Loseblatt, § 6 EStG Rz. 19; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42 GmbHG Rz. 322; Gschwendtner, DStZ 2000, 646 (649); Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1631 (1679); Moxter, BB 2003, 2559 (2562); KnobbeKeuk (Fn. 1), S. 53: „objektive Verhältnisse“; Winkeljohann/Geißler in Beckscher Bilanzkomm., 6. Aufl. 2006, § 252 HGB Rz. 38, die allerdings zu Unrecht davon ausgehen, dass der BFH eine „subjektive Wertaufhellungskonzeption vertritt“. Für eine „bilanzielle Prospektion unter der Herrschaft eines objektiven Stichtagsverständnisses“ Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988. 19 So BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690). 20 BFH v. 27.4.1965 – I 324/62 S, BStBl. III 1965, 409 (410); insoweit zustimmend BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690). 21 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144 sub. Rz. 124. 22 Ebenso Moxter, BB 2003, 2559 (2562); a. A. Bärenz, DStR 2003, 492 (494: Bekenntnis zur subjektiven Theorie). 23 So aber Moxter, BB 2003, 355 (363: „Begründungsarmut“); ähnlich auch SchulzeOsterloh, BB 2005, 488: „Mangel an methodischer Qualität“.

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ihm aber höchstrichterliche Judikate zu nationalen Vorläuferregelungen nur sehr begrenzt weiterhelfen. 2. Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und des Art. 31 Buchst. c bb der 4. EG-RL Betrachtet man zunächst den Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und des – insoweit identischen – Art. 31 Abs. 1 Buchst. c bb der 4. EG-RL, dann spricht dieser eher gegen eine subjektive Wertaufhellungskonzeption24. Denn nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind „alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind“. Schon aus der Formulierung „zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung … bekanntgeworden“ ergibt sich, dass das am Abschlussstichtag „Wissbare“ nach dem Willen des Gesetzes nicht allein maßgebend sein soll. Vielmehr sind auch nach dem Bilanzstichtag erlangte Informationen über die Verhältnisse am Bilanzstichtag bei der Bilanzaufstellung zu berücksichtigen, wenn sie vor dem Tag der Aufstellung „bekanntgeworden“ sind. Ein solches späteres „Bekanntwerden“ bzw. Erkennbarwerden wäre aber nach der subjektiven Wertaufhellungskonzeption ganz unbeachtlich, weil es nach dieser Ansicht ausschließlich auf den gedachten Kenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns am Bilanzstichtag – also auf die Vorhersehbarkeit am Bilanzstichtag – ankommt. Darüber hinaus lassen sich aus dem Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sowie des Art. 31 Buchst. c bb der 4. EG-RL auch noch weitere Argumente für ein objektives Wertaufhellungsverständnis ableiten. Denn nach diesen Regelungen kommt es für die Berücksichtigung von vorhersehbaren Risiken und Verlusten darauf an, ob sie bis zum Abschlussstichtag „entstanden sind“. Auch Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag „realisiert sind“. Die Formulierungen „entstanden sind“ bzw. „realisiert sind“ sprechen aber ebenfalls dafür, dass es nach dem Willen des Gesetz- bzw. Richtliniengebers ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse am Abschlussstichtag ankommt, unabhängig davon, ob sie für den Bilanzierenden am Bilanzstichtag erkennbar waren oder nicht. 3. Objektivierung vs. Bilanzwahrheit Fraglich ist jedoch, ob das vorstehende Auslegungsergebnis im Lichte anderer Bilanzierungsprinzipien bestehen kann. Die Vertreter der subjektiven Wertaufhellungskonzeption machen u. a. geltend, dass die Berücksichtigung wertaufhellender Tatsachen zusätzliche Manipulationsgefahren und Nachweisprobleme schaffe, da nur schwer festzustellen sei, ob und wann der Kauf-

__________ 24 Dies räumt auch Engel-Ciric, DStR 1996, 1298 (1301) ein.

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mann eine wertaufhellende Information erlangt habe25. Darüber hinaus ändere sich durch die Berücksichtigung zusätzlicher Erkenntnisse bis zum Tag der Bilanzerstellung der Bilanzinhalt umso mehr, je länger mit der Bilanzerstellung zugewartet werde. Schließlich sei zu beachten, dass der Kaufmann ohnehin immer nur unter eingeschränkter Information bilanzieren müsse, weil jedenfalls die nach der Bilanzerstellung bekannt gewordenen Tatsachen nicht mehr berücksichtigt würden. Angesichts dieser „Missbrauchsgefahr“ sei ein subjektives, auf „das am Bilanzstichtag Wissbare“26 bezogenes Wertaufhellungsverständnis aus Objektivierungsgründen einer Berücksichtigung später bekanntgewordener Tatsachen vorzuziehen. Zwar werde durch diese Beschränkung auf die Perspektive des Bilanzstichtags zwangsläufig die Richtigkeit der Bilanz eingeschränkt. Dem Interesse an einer Objektivierung sei aber insoweit der Vorrang vor der Bilanzrichtigkeit einzuräumen27. Bei dieser Argumentation bleibt allerdings unbeachtet, dass der befürchtete Manipulationsspielraum der geschäftsführenden Organe bereits durch die gesetzlichen Bilanzaufstellungsfristen – für Kapitalgesellschaften gemäß § 264 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB – deutlich eingeschränkt ist. Diese Fristen begrenzen – wie in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist – den Wertaufhellungszeitraum auch im Fall einer verspäteten Bilanzaufstellung28. Ferner darf nicht übersehen werden, dass der nach der subjektiven Theorie entscheidende (normative) Maßstab, was der sorgfältige Kaufmann bereits am Bilanzstichtag alles hätte wissen müssen, ebenfalls Beurteilungsspielräume eröffnet29. So wird man trefflich darüber streiten können, ob z. B. ein im Januar bekannt gewordener Produktionsfehler für den sorgfältigen Unternehmensleiter bei Durchführung entsprechender interner Produktbeobachtungen nicht auch schon im Dezember erkennbar gewesen wäre. Es ist deshalb zumindest zweifelhaft, ob der Maßstab des am Abschlussstichtag Wissbaren tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur Objektivierung der Bilanzerstellung darstellt. Vor allem aber vermag das Ergebnis der Abwägung zwischen Objektivierung und Bilanzwahrheit nicht zu überzeugen. Für den entscheidenden Fall, dass durch später bekannt oder erkennbar gewordene Tatsachen die Verhältnisse am Bilanzstichtag nachträglich aufgehellt werden, ist der Forderung nach einer (objektiv) richtigen Bilanzierung der Vorrang vor einer vermeintlichen Objektivierung einzuräumen: Wird bei einer

__________ 25 Vgl. zum Folgenden Engel-Ciric, DStR 1996, 1298 (1302). 26 So Engel-Ciric, DStR 1996, 1298 (1302); ähnlich Hommel/Berndt, DStR 2000, 1305 (1307). 27 So Engel-Ciric, DStR 1996, 1298 (1302). 28 BFH v. 8.3.1989 – X R 9/86, BStBl. II 1989, 714 (718); zu den zeitlichen Grenzen der Wertaufhellung vgl. unten VII. 29 Darauf weisen insbesondere Moxter, BB 2003, 2559 (2560) und Gschwendtner, DStZ 2000, 646 (649) hin; kritisch aus der Sicht der Praxis gegenüber dem Maßstab des „bei angemessener Sorgfalt Wissbaren“ auch Hoffmann, BB 1996, 1157 (1161).

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Routineuntersuchung der Tankanlagen im Februar eine erhebliche Kontamination des Erdreichs festgestellt, die nach den Feststellungen des Sachverständigen eindeutig bereits im Vorjahr eingetreten ist, so ist eine Wertminderung des Grundstücks bzw. eine Rückstellungsbildung wegen einer Sanierungsverpflichtung in der Bilanz zum 31.12. auch dann im Interesse der Bilanzwahrheit geboten, wenn die Kontamination selbst für einen sorgfältigen Kaufmann am Abschlussstichtag noch nicht vorhersehbar war, weil äußere Anzeichen fehlten. Nicht anders ist zu entscheiden, wenn noch während der Bilanzaufstellungsarbeiten betrügerische Machenschaften eines Mitarbeiters aufgedeckt werden, mit denen am Bilanzstichtag niemand rechnen musste. Der Umstand, dass diese Verluste am Bilanzstichtag (noch) nicht vorhersehbar waren, ist kein ausreichender Grund, der Unternehmensleitung die Vorlage eines wissentlich unrichtigen Jahresabschlusses an die Gesellschaftsorgane zu erlauben. Für eine objektive Wertaufhellungskonzeption spricht ferner, dass der Grundsatz der „Bilanzwahrheit“ bei den Kapitalgesellschaften nach Art. 2 Abs. 3 der 4. EG-RL eine Hauptzielsetzung des Jahresabschlusses darstellt („true and fair view“)30. Nach dem Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 HGB hat der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den „tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft“ zu vermitteln. Mit den tatsächlichen Verhältnissen können aber nur die objektiven Verhältnisse am Bilanzstichtag gemeint sein, wie sie sich aus der Sicht des Bilanzaufstellungstages darstellen. Die Richtlinie gebietet daher – wie es auch der EuGH im BIAO-Urteil ausgedrückt hat – „die Berücksichtigung aller Faktoren, die sich tatsächlich auf das fragliche Geschäftsjahr beziehen, wie realisierte Gewinne, Aufwendungen, Erträge, Risiken und Verluste“31. Nur ein objektives Wertaufhellungsverständnis gewährleistet auch eine richtige Periodisierung von Erträgen und Aufwendungen, wie sie durch das Imparitäts- und Realisationsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB geboten ist. Zwar ist nicht zu übersehen, dass die Berücksichtigung nachträglich erlangter Kenntnisse zwangsläufig gewisse Objektivierungsprobleme auslöst, weil z. B. der Wertaufhellungszeitraum bei den Kapitalgesellschaften durch die Bilanzaufstellungsfristen des § 264 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB nur in seinen äußeren Grenzen fixiert ist. Aus der in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB statuierten

__________ 30 Zum Regelungsgehalt des § 264 HGB vgl. näher Hüttemann in Staub, HGB, 4. Aufl. 2002, § 264 HGB Rz. 12 ff. mit zahlreichen Nachweisen zum Meinungsstand. 31 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144 unter Rz. 123.

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Pflicht zur wertaufhellenden Berücksichtigung von zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzaufstellung erlangten Kenntnissen lässt sich aber ableiten, dass der Gesetzgeber dem Bemühen um eine möglichst hohe objektive Richtigkeit des Jahresabschlusses den Vorrang vor der Vergleichbarkeit einräumt. Insoweit gilt auch heute noch das, was das Reichsgericht bereits im Jahr 1912 festgestellt hat: „Das Gesetz mutet dem Bilanzierenden nicht zu, sich künstlich unter Außerachtlassung der vorhandenen Nachrichten in einen früheren Erkenntniszustand zurückzuversetzen“32. In diesem Zusammenhang ist schließlich bemerkenswert, dass einzelne Vertreter der subjektiven Theorie unter Hinweis auf einen „Grundsatz der umfassenden Verlustantizipation“ immer dann vom subjektiven Wertaufhellungskonzept abweichen wollen, wenn bis zur Bilanzaufstellung bekannt werdende Verluste eintreten, sofern „sie für die Vermögenslage des Kaufmanns von ausschlaggebender Bedeutung sind“33. Dieser Korrekturvorschlag schießt aber über das Ziel hinaus und ist ohne gesetzliche Grundlage. Dem HGB ist ein allgemeines Gebot stichtagsübergreifender Verlustberücksichtigung im Interesse einer vorsichtigen Bilanzierung fremd. Entweder sind die bis zur Bilanzerstellung bekanntgewordenen Risiken und Verluste bereits zum Stichtag entstanden und deshalb nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB als wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen oder sie gehören, weil sie in zeitlicher Hinsicht ausschließlich dem neuen Geschäftsjahr zuzuordnen sind, zum Ergebnis des neuen Geschäftsjahres, können also in der Bilanz zum 31.12. nicht mehr ausgewiesen werden. Die Tatsache, dass die Gesellschaftsorgane die weitere wirtschaftliche Entwicklung nach dem Stichtag bei der Entscheidung über die Ausübung bilanzrechtlicher Wahlrechte und der Gewinnverwendung (z. B. eine höhere Dotation von Rücklagen) sorgfältig berücksichtigen werden34, liegt auf der Hand, ist aber für die Auslegung des Wertaufhellungsgrundsatzes ohne Bedeutung. 4. Zum Maßstab der subjektiven Richtigkeit der Bilanz Fraglich ist schließlich, ob sich eine subjektive Wertaufhellungskonzeption aus der ständigen Rechtsprechung des BFH ableiten lässt, wonach eine Bilanz bereits dann richtig ist und eine Berichtigung bzw. Änderung ausscheidet, „wenn sie den im Zeitpunkt ihrer Aufstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten über die am Bilanzstichtag objektiv bestehenden

__________ 32 RG v. 5.1.1912 – I 84/11, JW 1912, 305. 33 So namentlich Ciric (Fn. 2), S. 138 ff. im Anschluss an Moxter in FS Rose, 1991, S. 165 (170 ff.). 34 Dazu etwa Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung von Unternehmen, 6. Aufl. 1995, § 252 HGB Rz. 44; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 322.

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Verhältnisse entspricht, d. h. wenn sie subjektiv richtig ist.“35 Der Maßstab der subjektiven Richtigkeit hat im Bilanzrecht vor allem eine Schutzfunktion zugunsten des Bilanzierenden36. Wer einen „subjektiv richtigen“ Jahresabschluss aufstellt und diesen beim FA einreicht sowie der Gewinnausschüttung zugrunde legt, hat den gesetzlichen Anforderungen entsprochen und muss deshalb vor nachteiligen rechtlichen Konsequenzen (Berichtigung oder Änderung der Bilanz) geschützt sein. Aus diesem Grund darf sich der Maßstab der subjektiven Richtigkeit allerdings – wie schon Flume überzeugend dargelegt hat37 – immer nur zugunsten des Bilanzierenden auswirken, schließt also – entgegen der anderslautenden ständigen Rechtsprechung des BFH38 – eine freiwillige Berichtigung oder Änderung der fehlerhaften Bilanz nicht aus. Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem wichtig, dass aus dem Maßstab der subjektiven Richtigkeit noch nicht auf ein subjektives Wertaufhellungsverständnis geschlossen werden kann: Denn für die subjektive Richtigkeit einer Bilanz kommt es nach der Rechtsprechung gerade nicht auf das am Bilanzstichtag „Wissbare“, sondern auf den Kenntnisstand eines sorgfältigen Kaufmanns am Tag der Bilanzaufstellung an. Ferner ist der Maßstab der „subjektiven Richtigkeit“ dann nicht anwendbar, wenn der Kaufmann – z. B. auf Grund „wertaufhellender Tatsachen“ – bei Bilanzerstellung positive Kenntnis von den objektiv richtigen Verhältnissen am Bilanzstichtag hat. Schließlich ist ein subjektives Wertaufhellungsverständnis auch nicht mit den Regelungen des Bilanzstrafrechts vereinbar. Wer vorsätzlich falsch bilanziert, verwirklicht auch dann ein Bilanzdelikt, wenn die objektive Unrichtigkeit des Bilanzansatzes für einen Dritten bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar gewesen wäre. Auch diese Überlegung zeigt, dass ein subjektives Wertaufhellungsverständnis nicht der gesetzlichen Konzeption entspricht, sondern grundsätzlich die objektiven, die tatsächlichen Verhältnisse am Bilanzstichtag, wie sie sich aus der Perspektive des Tags der Bilanzaufstellung darstellen, maßgebend sind.

III. Die sachlichen Grenzen der Wertaufhellung Folgt man somit im Ausgangspunkt der objektiven Wertaufhellungstheorie, dann kommt es für die Berücksichtigung von Tatsachen im Jahresabschluss nicht auf die Kenntnis oder Erkennbarkeit von Umständen am Bilanzstich-

__________ 35 In dieser Richtung z. B. Hommel/Berndt, DStR 2000, 1745; auch BFH v. 28.3.2000 – VIII R 77/96, BStBl. II 2002, 227 (229) verweist zugunsten eines subjektiven Wertaufhellungsverständnisses auf die Rechtsprechung des BFH zur „subjektiven Richtigkeit“ von Bilanzen; siehe ferner auch das vereinzelt gebliebene BFH-Urteil v. 17.5.1978 – I R 89/76, BStBl. II 1978, 497. 36 Eingehend Schön in FG 50 Jahre BGH, Bd. II, 2000, S. 153 ff. 37 Flume, DB 1981, 2505 ff.; zustimmend Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 61. 38 Vgl. nur BFH v. 11.10.1960 – I 56/60 U, BStBl. III 1961, 3; BFH v. 14.8.1975 – IV R 30/71, BStBl. II 1976, 88 (92).

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tag an, sondern der Jahresabschluss ist unter Berücksichtigung aller bis zur Bilanzerstellung erlangten (oder bei Anwendung der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt erlangbaren) wertaufhellenden Informationen über die objektiven Verhältnisse am Bilanzstichtag aufzustellen. Fraglich ist aber, wie solche wertaufhellenden Tatsachen von so genannten wertbeeinflussenden Tatsachen abzugrenzen sind, die nicht den Wert zum Stichtag erhellen, sondern den Wert nach dem Bilanzstichtag beeinflusst haben und daher erst im Jahresabschluss für das neue Geschäftsjahr zu berücksichtigen sind. Welche Schwierigkeiten die überkommene und häufig kritisierte39 begriffliche Abgrenzung zwischen wertaufhellenden und wertbeeinflussenden Tatsachen bereiten kann, lässt sich wiederum an der oben geschilderten Kontroverse zwischen den Urteilen des EuGH40 und des I. Senats des BFH41 verdeutlichen: Erhellt die Zahlung des Schuldners nach dem Bilanzstichtag rückwirkend die objektiven Verhältnisse am Stichtag, so dass eine Rückstellung nicht (mehr) gebildet werden darf, oder handelt es sich bei der Zahlung nach dem Bilanzstichtag um ein „wertbeeinflussendes“ Ereignis, das nur das neue Geschäftsjahr betrifft? 1. Ratio legis der Wertaufhellung Die Pflicht zur Berücksichtigung wertaufhellender Tatsachen beruht – wie der I. Senat im Jahr 1965 festgestellt hat42 – auf der Überlegung, „dass die Verhältnisse am Stichtag so zutreffend wie möglich erfasst werden sollen“. Damit ist zugleich der Kerngedanke des objektiven Wertaufhellungsverständnis umrissen: Der Jahresabschluss soll möglichst exakt den tatsächlichen, „objektiven“ Verhältnissen am Bilanzstichtag entsprechen43. Da der Jahresabschluss nicht bereits am Bilanzstichtag aufgestellt wird, können und müssen später erlangte Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse am Bilanzstichtag zusätzlich bei der Aufstellung berücksichtigt werden. Als wertaufhellend sind somit alle wertmindernden und werterhöhenden Umstände zu berücksichtigen, durch die ein dem Grunde oder der Höhe nach „unrichtiger Bilanzansatz erkennbar wird“44. Entscheidend ist also, ob die nach dem Stichtag bekannt gewordene Tatsache dem Bilanzierenden genauere oder bessere Informationen über die Verhältnisse am Stichtag vermittelt. Dagegen haben solche Umstände, die nicht die Verhältnisse am Stichtag, sondern nur die Entwicklung nach dem Stichtag betreffen, bei der Aufstellung des Jahresabschlusses außer Betracht zu bleiben. Sie erhellen nicht

__________ 39 40 41 42 43 44

Vgl. etwa Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 54. EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144. BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421 (425). BFH v. 27.4.1965 – I 324/62 S, BStBl. III 1965, 409 (410). Ebenso Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 53. So bereits Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 3. Aufl. 1899, S. 319.

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rückwirkend die objektiven Verhältnisse am Stichtag, sondern zeigen nur auf, wie sich die Verhältnisse nach dem Stichtag weiterentwickelt und verändert haben. 2. Berücksichtigung von Umständen, die am Bilanzstichtag objektiv vorlagen Die vorstehenden Überlegungen bestätigen zunächst die neue Definition der wertaufhellenden Tatsache, die der I. Senat in seinem Urteil vom 30.1. 200245 aufgestellt hat und die inzwischen auch von anderen Senaten übernommen worden ist46. Danach sind als wertaufhellend „nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden“47. Für die Abgrenzung zwischen wertaufhellenden und wertbeeinflussenden Tatsachen kommt es danach darauf an, welchem Geschäftsjahr eine nach dem Bilanzstichtag bekanntgewordene oder erkennbar gewordene Tatsache zuzuordnen ist. Wird im Januar durch eine Selbstanzeige des betreffenden Mitarbeiters eine Unterschlagung bekannt, durch die der Kassenbestand bereits im November gemindert worden ist48, dann ist der Sachverhalt – z. B. durch Berücksichtigung der Kassenminderung und ggf. Einbuchung einer Schadensersatzforderung – bereits zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen, auch wenn er an diesem Tag für die Unternehmensleitung noch nicht bekannt oder bei gehöriger Sorgfalt erkennbar war. Ebenso ist zu entscheiden, wenn im Februar bei Stichprobenkontrollen der Lagerware festgestellt wird, dass die zwischen Oktober und Dezember produzierte Ware mit einem Produktionsfehler behaftet und deshalb unverkäuflich ist. In diesen Fällen werden also nach dem Bilanzstichtag bestimmte Tatsachen (Unterschlagung, Produktionsfehler) bekannt, die eindeutig vor dem Stichtag eingetreten sind und folglich bei Ansatz und Bewertung zum Stichtag nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB wertaufhellend berücksichtigt werden müssen. Denn nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass der Jahresabschluss möglichst genau den objektiven, tatsächlichen Verhältnissen am Bilanzstichtag entspricht, wie sie sich aus der Perspektive der Bilanzaufstellung darstellen. Keine Berücksichtigung finden dagegen solche Tatsachen, die in tatsächlicher Hinsicht ausschließlich dem neuen Geschäftsjahr zuzuordnen sind, also nur die Bestands- oder Wertentwicklung nach dem Stichtag betreffen. Man denke an den Fall, dass Anfang Januar ein Schiff bei einer Havarie verloren geht oder ein Auslandsvermögen im Februar durch Enteignung ent-

__________ 45 46 47 48

BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690). Vgl. BFH v. 19.10.2005 – XI R 64/04, BStBl. II 2006, 371. BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690). Vgl. auch RFH v. 10.2.1932 – VI A 678, StuW 1932, 1197 ff.; zur wertaufhellenden Berücksichtigung der Aufdeckung einer strafbaren Handlung aus der Perspektive des Täters vgl. BFH v. 2.10.1992 – III R 54/91, BStBl. II 1993, 153.

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zogen wird. Hier ist der Abgang der Vermögensgegenstände erst in der Bilanz auf den folgenden Stichtag zu berücksichtigen, weil die Gegenstände am Stichtag noch zum Unternehmensvermögen gehörten. Bei der Abgrenzung zwischen wertaufhellenden und wertbeeinflussenden Tatsachen ist schließlich zu bedenken, dass auch „neue“, d. h. nach dem Stichtag eintretende Umstände mitunter dem Bilanzierenden den Rückschluss auf eine bereits am Stichtag objektiv vorliegende Tatsache erlauben. So dürfte es z. B. anhand der Inkubationszeit in manchen Fällen möglich sein, aus einer im Februar ausbrechenden Erkrankung einer Herde auf die Infektion der Tiere zum Stichtag zu schließen49. Die Erkrankung ist dann eine wertaufhellende Tatsache, da die Infektion bereits zum Stichtag objektiv vorlag. Nicht anders wäre zu verfahren, wenn im April im Dach eines Betriebsgebäudes Schwamm entdeckt wird50. Geht man davon aus, dass dieser nicht von heute auf morgen eintritt, sondern sich über einen längeren Zeitraum bildet, dann lässt dies den Rückschluss darauf zu, dass das Gebäude bereits zum Stichtag mit einem Mangel behaftet war und folglich eine Abschreibung geboten ist. An der Pflicht zur Wertberichtigung würde sich im Übrigen auch dann nichts ändern, wenn der Kaufmann das Gebäude – in Unkenntnis des Mangels – im Februar unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft hat. Die Tatsache, dass sich die Wertminderung wegen des glücklichen Verkaufs letztlich nicht auswirkt, muss richtigerweise bei der objektiven Bewertung zum Stichtag außer Betracht bleiben, weil der Verkauf eindeutig dem neuen Geschäftsjahr zuzuordnen ist, also eine wertbeeinflussende Tatsache darstellt51. 3. Umstände, die sich nicht eindeutig einem Geschäftsjahr zuordnen lassen Fraglich ist, wie in solchen Fällen zu verfahren ist, in denen sich die objektiven Verhältnisse am Bilanzstichtag auch aus der Perspektive der Bilanzaufstellung nicht mehr sicher feststellen lassen. Man denke an den Fall, dass im Februar eine Kontamination des Betriebsgrundstücks entdeckt wird, ohne dass eindeutig festgestellt werden kann, wann genau das Leck in der Tankanlage eingetreten ist, das zur Grundstücksverunreinigung geführt hat52. Nimmt man an, dass das Leck schon im alten Jahr eingetreten wäre, würde es sich um eine wertaufhellende Tatsache handeln, während die Kontamination im anderen Fall als wertbeeinflussende Tatsache erst im neuen Geschäftsjahr zu berücksichtigen wäre. Zur Lösung solcher Fälle hat Kropff vorgeschlagen, aus Gründen des Vorsichtsprinzips „im Zweifel anzunehmen,

__________

49 Auf diese Möglichkeit hat auch der Gesetzgeber in Hinsicht auf einen Ausschluss der Beweislastumkehr nach § 476 BGB beim Tierkauf hingewiesen, vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6040, S. 245. 50 Vgl. RFH v. 2.3.1932 – VI A 381/31, RStBl. 1932, 510. 51 A. A. ohne Begründung Boettcher, StuW I 1932, Sp. 1047. 52 Ein anderes Beispiel ist der Insolvenzantrag eines Kunden nach Bilanzstichtag, bei dem nicht geklärt werden kann, ob die Gründe für die Zahlungsunfähigkeit schon vor dem Stichtag vorlagen, vgl. dazu näher unten III.4.d).

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dass gewinnmindernde Umstände … bereits im alten Geschäftsjahr (unerkannt) gegeben waren“53. Für eine solche imparitätische Lösung spricht, dass sie eine möglichst vollständige Verlustantizipation gewährleistet und damit dem Gebot der vorsichtigen Bewertung nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 HGB Rechnung trägt. Sie wird allerdings nur in solchen Fällen Platz greifen können, in denen beide Sachverhaltsalternativen auch nach einer näheren Sachverhaltsermittlung als annähernd gleich wahrscheinlich anzusehen sind, eine objektiv begründbare Zuordnung zu einem Geschäftsjahr also auch mittels tatsächlicher Vermutungen nicht möglich ist. In dem Beispiel der defekten Tankanlage wäre somit die entsprechende Wertminderung bereits im alten Geschäftsjahr zu berücksichtigen, sofern sich der genaue Zeitpunkt des Lecks nicht mehr ermitteln lässt und beide Geschehensabläufe die gleiche Wahrscheinlichkeit aufweisen. 4. Wertaufhellung bei Prognosen und Schätzungen Besondere Fragen treten bei der Anwendung des Wertaufhellungsgrundsatzes im Zusammenhang mit solchen Bilanzpositionen auf, deren Ansatz oder Bewertung von einer Schätzung zum Bilanzstichtag abhängt, wie z. B. bei der Forderungsbewertung oder der Rückstellungsbildung54. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass hier bei der Beurteilung des „objektiven“ Wertes oder Risikos am Bilanzstichtag auch alle weiteren Entwicklungen bis zur Bilanzerstellung wertaufhellend zu berücksichtigen sind. Nach einer Ansicht im Schrifttum soll es sogar „keinen besseren Beweis für die Berechtigung einer Überlegung zur Wertfindung geben, als dass die Schätzung durch die Entwicklung der Folgezeit gerechtfertigt ist“55. In die gleiche Richtung weisen auch die Ausführungen des I. Senats im Wechselobligourteil, die der Senat im BIAO-Urteil bekräftigt hat. Danach ist aus der Begleichung der Wechselverpflichtungen zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung für den Kaufmann „erkennbar, dass am Bilanzstichtag objektiv keine Veranlassung zu der Befürchtung bestanden hat, dass die Wechsel nicht eingelöst würden.“56 a) Schätzungen und Prognosen als Momentaufnahmen Gegen eine wertaufhellende Berücksichtigung späterer Entwicklungen nach dem Stichtag bei der Forderungsbewertung und der Rückstellungsbildung spricht zunächst, dass Schätzungen und Prognosen immer nur Momentauf-

__________ 53 So Kropff in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1973 § 149 AktG Rz. 79; zustimmend Ciric (Fn. 2), S. 56 f.; Lempenau, StbJb 1978/1979, 149 (195). 54 Für eine besondere Behandlung dieser Fälle zu Recht Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 54. 55 Leffson, Grundzüge ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 234 f., unter Hinweis auf Enno Becker, Einkommensteuergesetz, 1928, S. 365. 56 BFH v. 27.4.1965 – I 324/62 S, BStBl. III 1965, 409 (410).

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nahmen sind, die die Erwartungen über die zukünftige Entwicklung zu einem bestimmten Zeitpunkt widerspiegeln. Eine Bewertung zukunftsabhängiger Bilanzpositionen „zum Stichtag“ kann deshalb nur bedeuten, dass die erforderlichen Schätzungen und Prognosen auf der Grundlage der objektiven Verhältnisse am Bilanzstichtag erstellt werden müssen. Für eine Wertaufhellung ist deshalb auch auf der Grundlage einer „objektiven Wertaufhellungskonzeption“ nur insoweit Raum, als sich die objektiven Verhältnisse am Stichtag, die die tatsächliche Grundlage für eine Schätzung oder Prognose bilden, zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung aufgehellt haben. Folglich sind bei der Rückstellungsbildung zum Bilanzstichtag alle bis zur Bilanzerstellung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen, die bereits am Bilanzstichtag objektiv vorlagen. Erfährt also z. B. ein Arzneimittelhersteller im März, dass eine im Dezember ausgelieferte Charge an Medikamenten verunreinigt ist, dann hat er noch zum Stichtag eine entsprechende Gewährleistungs- bzw. Produkthaftungsrückstellung zu bilden. Ebenso sind bei der Forderungsbewertung alle am Stichtag bereits vorliegenden Umstände zu berücksichtigen, die für die künftige Zahlungsfähigkeit eines Schuldners von Bedeutung sind. Erfährt der Bilanzierende also z. B. im Januar durch einen Informationsdienst, dass ein ausländischer Kunde im Dezember erhebliche Verluste erlitten hat, dann ist auch diese Information bei der Bewertung ausstehender Forderungen wertaufhellend einzubeziehen. Denn sie macht ein Ausfallrisiko erkennbar, das am Stichtag bereits objektiv bestanden und deshalb im Jahresabschluss über eine Wertberichtigung zu berücksichtigen ist. Eine Wertaufhellung ist bei schätzungs- und prognoseabhängigen Bilanzpositionen also immer dann geboten, wenn sie dem Bilanzierenden nachträglich bessere Erkenntnisse über die objektiven Stichtagsverhältnisse am Stichtag vermitteln und deshalb auch eine Anpassung der (objektiven) Erwartungen am Stichtag erfordern. b) Ereignisse nach dem Stichtag vermitteln keine besseren Erkenntnisse über die objektiven Erwartungen zum Stichtag Wenn man erkennt, dass eine Bewertung „zum Stichtag“ bei schätzungsund prognoseabhängigen Bilanzpositionen immer nur auf der Grundlage der objektiven Verhältnisse am Stichtag erfolgen darf, dann können Ereignisse, die erst nach dem Stichtag eingetreten sind, auch bei der Forderungsbewertung und Rückstellungsbildung keine wertaufhellenden Tatsachen darstellen. Denn Tatsachen, die am Stichtag objektiv noch nicht vorlagen, können die objektiven Erwartungen „zum Stichtag“ grundsätzlich nicht beeinflussen. Nichts anderes meint auch der EuGH mit dem Satz, dass sich „ein Vorgang wie die Rückzahlung … nicht tatsächlich auf das fragliche Geschäftsjahr bezieht“57. Anders gewendet: Die weitere Entwicklung der Verhältnisse

__________ 57 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144, Rz. 124.

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nach dem Bilanzstichtag kann dem Bilanzierenden grundsätzlich keine besseren Erkenntnisse über die objektiven Erwartungen zum Stichtag vermitteln, da sich alle Schätzungen und Prognosen „zum Stichtag“ immer nur auf die Verhältnisse „am Stichtag“ beziehen. Würde man darüber hinaus auch die weitere Entwicklung bis zur Bilanzerstellung wertaufhellend berücksichtigen, wäre das Stichtagsprinzip durchbrochen, weil keine Bewertung „zum Stichtag“, sondern eine Bewertung zum Tag der Bilanzerstellung erfolgen würde58. Eine solche Begrenzung der Schätzungsgrundlage auf die Verhältnisse am Stichtag bedeutet keineswegs einen Rückfall zur oben abgelehnten „subjektiven Wertaufhellungskonzeption“. Denn im Unterschied zu einem rein subjektiven Wertaufhellungsverständnis kommt es nach der hier vertretenen Auffassung nur darauf an, dass die nach dem Stichtag bekannt gewordenen wertaufhellenden Umstände bereits am Abschlussstichtag objektiv vorgelegen haben. Ob sie auch zum Stichtag bereits für einen sorgfältigen Kaufmann „wissbar“ waren, ist dagegen – anders als nach der subjektiven Theorie59 – ohne Bedeutung. Der Unterschied lässt sich etwa am Beispiel von Pauschalrückstellungen für Gewährleistungsrisiken verdeutlichen, die ein Bauunternehmer auf der Grundlage von Vergangenheitserfahrungen bildet (vgl. auch § 6 Abs. 5 Nr. 3a a EStG). Geht man davon aus, dass die Auswertung der Gewährleistungsaufwendungen für das letzte Geschäftsjahr auch bei gehöriger Anstrengung erst im Februar verfügbar ist, wäre diese Statistik nach der subjektiven Theorie keine wertaufhellende, sondern eine wertbeeinflussende Tatsache. Demgegenüber ist aber nicht einzusehen, weshalb die vor dem Stichtag gemachten Erfahrungen mit Gewährleistungen nicht bei der Bewertung des künftigen Gewährleistungsaufwandes berücksichtigt werden sollen. Entscheidend kann nicht sein, wann die Statistik vorliegt, sondern dass sich die Statistik auf Gewährleistungsmaßnahmen bezieht, die vor dem Stichtag erbracht worden sind60. Andererseits würde das Stichtagsprinzip aber verletzt, wenn man auch die Erfahrungen berücksichtigen würde, die das Bauunternehmen im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellung gemacht hat. Entgegen der Ansicht des I. Senats61 handelt es sich

__________ 58 Vgl. auch Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 54; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 2), § 6 EStG Rz. 82; Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1631 (1679). 59 Vgl. dazu die Nachweise oben in Fn. 15. 60 Ähnlich BFH v. 27.7.1994 – II R 122/91, BStBl. II 1995, 14 betreffend die Anwendung geänderter Richttafeln bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen, die erst nach dem Bilanzstichtag vorlagen. Der BFH bejaht gleichwohl die Anwendung der Tafeln (a. A. BMF v. 9.4.1984, BStBl. I 1984, 260). Dabei soll es sich nach Ansicht des BFH aber nicht um ein Wertaufhellungsproblem handeln, weil die Anwendung der Tafeln in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG vorgeschrieben sei. 61 BFH v. 27.4.1965 – I 324/62 S, BStBl. III 1965, 409 (410).

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bei diesen Tatsachen nicht um Erfahrungen der Vergangenheit, sondern – bezogen auf den Stichtag – um wertbeeinflussende, neue Tatsachen, weil sie bei Bildung der objektiven Erwartungen zum Stichtag noch gar nicht vorgelegen haben62. Die hier vorgeschlagene Interpretation des Stichtagsprinzips steht zwar auf dem Boden der „objektiven“ Wertaufhellungskonzeption, vermeidet aber die vom I. Senat im Wechselobligo-Urteil befürwortete Überdehnung des Wertaufhellungsgrundsatzes, indem sie auch bei der Ermittlung der Schätzungsgrundlage nur solche Tatsachen wertaufhellend berücksichtigt, die am Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen63. c) Insbesondere: Die Rechtsprechung des I. Senats zur Wechseleinlösung und Zahlung des Schuldners nach dem Stichtag Misst man die Rechtsprechung des I. Senats im Wechselobligofall und in der Rechtssache BIAO an den oben entwickelten Grundsätzen, so ergibt sich, dass diese Rechtsprechung das Stichtagsprinzip verletzt64. Eine Einlösung der Wechsel oder eine Rückführung des Kredits nach dem Stichtag vermitteln dem Bilanzierenden keine besseren Erkenntnisse über die objektiven Verhältnisse am Stichtag und können daher eine durch andere Tatsachen belegte Unsicherheit nicht rückwirkend beseitigen. Denn die Tatsache der Erfüllung einer Verbindlichkeit besagt nur etwas über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners bei Fälligkeit, nicht aber darüber, ob nach den Verhältnissen des Stichtags mit einer Erfüllung der Verbindlichkeit bei Fälligkeit gerechnet werden durfte. Auch der I. Senat hat schon sehr früh eingeräumt, dass die Zahlung des Schuldners keineswegs immer eine wertaufhellende Tatsache darstellen müsse und dies an dem Beispiel verdeutlicht, dass der Schuldner z. B. nach dem Bilanzstichtag „eine Erbschaft oder einen Lottogewinn gemacht“ habe: Die Erbschaft und der Lottogewinn – so der

__________ 62 Nach Ansicht des I. Senats im Wechselobligo-Urteil v. 27.4.1965 – I 324/62 S, BStBl. III 1965, 409 (410) sollen alle bis zur Bilanzerstellung bekanntgewordenen Tatsachen über eine Wechselhaftung berücksichtigt werden, also eben auch die Wechseleinlösung nach dem Bilanzstichtag; ebenso BFH v. 31.8.1965 – I 10/63, HFR 1966, 20, 21. 63 Ebenso Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 54; ähnlich wohl Moxter, BB 2003, 2559 (2562), der bezogen auf den BIAO-Fall darauf abstellen will, ob „auch für einen Dritten, also objektiv, eine künftige ordnungsgemäße Kredittilgung nicht erkennbar war“. 64 Vgl. zum Wechselobligo-Urteil nur die Kritik bei Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 54; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 2), § 6 EStG Rz. 82; Glade, StbJb 1966/67, S. 375 (404); Niemann, StbJb 1974/1975, S. 267 (276); zum BIAO-Urteil ablehnend Strahl, FR 2005, 361 (363); Bärenz, DStR 2005, 243 (244); wohl auch Schmidt/ Glanegger (Fn. 1), § 6 EStG Rz. 47. A. A. (keine Verletzung des Stichtagsprinzips) z. B. Weber-Grellet, BB 2006, 35 (36 f.); Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 322.

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I. Senat65 – enthielten nichts, „was einen Rückschluss auf den objektiven Wert der Forderung zum Bilanzstichtag erlaube“. Nun dürften Erbschaften und Lottogewinne allerdings in der Praxis ähnlich selten vorkommen wie der Fall, dass der Bilanzierende überhaupt von solchen Vorgängen erfährt. Für die Praxis dürfte entscheidend sein, wie man in dem Regelfall verfährt, dass der Bilanzierende einerseits über Informationen verfügt, die – bezogen auf den Stichtag – erhebliche objektive Zweifel an der Zahlungsfähigkeit und – willigkeit des Schuldners begründen und für sich genommen eine Rückstellung oder Wertberichtigung rechtfertigen würden, andererseits der Schuldner bei Fälligkeit und vor Bilanzerstellung gleichwohl die Verbindlichkeit erfüllt hat. Entgegen der Auffassung des I. Senats kann man in diesen Fällen aus der späteren Zahlung nicht einfach – im Wege eines Anscheinsbeweises66 oder aus „Vereinfachungsgründen“67 – davon ausgehen, dass die Bedenken hinsichtlich der Erfüllung unbegründet waren. Denn die Zahlung sagt eben nur etwas über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Zeitpunkt der Zahlung, nicht aber über seine Verhältnisse zum Stichtag aus68. Der Zahlung wird man also nur dann eine Indizwirkung beilegen können, wenn sie sehr kurzfristig nach dem Stichtag (z. B. innerhalb weniger Tage) erfolgte. Von solchen Ausnahmefällen abgesehen, kann ein Erfahrungssatz mit dem Inhalt, dass ein Schuldner, der im neuen Jahr seine Verbindlichkeit erfüllt, immer auch zum 31.12. „objektiv“ zahlungsfähig und zahlungswillig gewesen ist, nicht anerkannt werden, weil sich die wirtschaftliche Lage eines Schuldners, insbesondere von Unternehmen, im Zeitablauf ständig verändert. Dies gilt umso mehr, als eine Wertberichtigung oder Rückstellungsbildung ohnehin nur dann in Betracht kommt, wenn der Bilanzierende objektive Umstände darlegen kann, die bezogen auf den Stichtag zunächst erhebliche Zweifel an der Bonität des Schuldners begründen. Diese können entweder konkret den einzelnen Schuldner betreffen (z. B. erfolglose Mahn- und Vollstreckungsversuche von anderen Gläubigern vor dem Stichtag) oder auf allgemeinen Erfahrungen mit Zahlungsausfällen und Bonitätsrisiken bei Kundenforderungen in der Vergangenheit beruhen. Solche objektiven Gesichtspunkte verlieren ihre Aussagekraft nicht dadurch, dass der Schuldner gleichwohl bis zur Bilanzerstellung seiner Verpflichtung nachkommt. Denn es sind neben Erbschaften und Lottogewinnen

__________

65 BFH v. 4.4.1973 – I R 130/71, BStBl. II 1973, 485; auch Kammann (Fn. 18), S. 346 ff. hält das Wechselobligo-Urteil für zutreffend, weil das „Stichtagsvermögen in seiner objektiven Existenz“ abgebildet werden müsse. Diese Auffassung verkennt aber, dass es am Stichtag keine objektive „Existenz“, sondern nur eine objektive Erwartung gibt. 66 Zum Anscheinsbeweis bei der steuerrechtlichen Sachverhaltsermittlung eingehend Anzinger, Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung im Ertragsteuerrecht, 2006. 67 Zum Vereinfachungsgedanken bei der Wertaufhellung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vgl. die Übersicht bei Ciric (Fn. 2), S. 56 f. 68 Ebenso Knobbe-Keuk (Fn. 1), S. 54.

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noch viele andere Gründe denkbar, durch die sich die wirtschaftliche Situation des Schuldners nach dem Stichtag erholen kann (Gewährung eines neuen Kredits, Verbesserung der Auftragslage, Sanierung)69. Ferner können die Dinge auch so liegen, dass ein Schuldner trotz fortbestehender Insolvenzreife einige ausgewählte Forderungen erfüllt, um einen Insolvenzantrag zu verhindern. In allen diesen Fällen würde die Vermögenslage am Stichtag aber falsch ausgewiesen, wenn der Bilanzierende eine am Stichtag „objektiv“ wertlose Forderung nur deshalb als werthaltig ausweisen müsste, weil sein Schuldner sie im neuen Geschäftsjahr beglichen hat. Im Schrifttum ist die Rechtsprechung des I. Senats mit dem Hinweis verteidigt worden, „es wäre schon ziemlich formal, zum 31.12. noch eine Rückstellung für einen drohenden Verlust auszuweisen, obwohl vor der Bilanzerstellung die volle Rückführung des Kredits bekannt geworden ist; auch bilanziell wäre es höchst unangemessen, vor diesem Faktum die Augen zu verschließen; das wäre das genaue Gegenteil von einer an der Bilanzwahrheit orientierten Bilanzierung.“70 Der pauschale Hinweis auf die „Bilanzwahrheit“ kann aber eine konkrete Begründung dafür, weshalb die spätere Rückführung des Kredits dem Bilanzierenden bessere Erkenntnisse über die Stichtagslage verschaffen soll, nicht ersetzen. Es geht auch nicht darum, die Augen vor den Fakten zu verschließen, sondern die Vermögenslage des Bilanzierenden am Stichtag im Interesse einer periodengerechten Gewinnermittlung möglichst genau abzubilden. Vor diesem Hintergrund muss gerade die Rechtsprechung des I. Senats als „ziemlich formal“ erscheinen, weil sie ohne weiteres davon ausgeht, dass ein Schuldner, der z. B. im März zahlt, auch zum Stichtag als zahlungsfähig anzusehen ist. Löst man sich von der Rechtsprechung des I. Senats und misst der Zahlung nach dem Stichtag regelmäßig keine Indizwirkung für die Werthaltigkeit einer Forderung zum Stichtag zu, weil sie auch auf Ursachen beruhen kann, die erst nach dem Stichtag eingetreten sind, dann bedarf es einer eingehenderen Sachverhaltsfeststellung. Es ist also nach weiteren Tatsachen zu suchen, die Aufschluss darüber geben können, ob nach den objektiven Verhältnissen am Stichtag mit einem Forderungsausfall zu rechnen war, z. B. weil dem Bilanzierenden die Zahlung durch den Schuldner avisiert war71. Lässt sich diese Frage nicht mehr aufklären, so greift wiederum die oben72 aus dem Vorsichtsgrundsatz abgeleitete Regel ein, wonach bei nicht auflösbaren Zweifeln bei der Abgrenzung zwischen wertbeeinflussenden und wertaufhellenden Umständen eine imparitätische Zuordnung vorzunehmen ist. Aus Vorsichtsgründen ist daher im Zweifel davon auszugehen, dass eine nach dem Stichtag erfolgte Zahlung des Schuldners auf Umständen beruhte, die erst nach dem Stichtag eingetre-

__________

69 Vgl. auch Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 2), § 6 EStG Rz. 82; Söffing, StRK-Anm. EStG, § 5 EStG R. 502; Glade, StbJb 1966/67, S. 375 (404). 70 Weber-Grellet, FR 2005, 314. 71 Vgl. Niemann, StbJb 1974/1975, S. 276. 72 Vgl. III.3.

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ten sind. Die Zahlung ist mithin eine wertbeeinflussende Tatsache, die erst im neuen Geschäftsjahr zu berücksichtigen ist. d) Insolvenz des Schuldners Die Einsicht, dass die weitere tatsächliche Entwicklung nach dem Bilanzstichtag bei der Bilanzaufstellung nicht zu berücksichtigen ist, gilt natürlich nicht nur für werterhöhende Tatsachen, sondern auch für wertmindernde Umstände, die erst im neuen Jahr eintreten. Den Schulfall bildet insoweit die Insolvenz des Schuldners nach dem Bilanzstichtag, die allerdings nach verbreiteter Ansicht ohne weiteres eine wertaufhellende Abschreibung der Forderungen gegen den Gemeinschuldner schon zum Bilanzstichtag rechtfertigen soll73. Der RFH hat eine solche Wertberichtigung selbst dann für zulässig gehalten, wenn „am Bilanzstichtag der Konkurs für Außenstehende nicht vorauszusehen war“. Anders sei nur zu entscheiden, „wenn der Konkurs durch unerwartete, nach dem Bilanzstichtag eingetretene Umstände veranlasst sein sollte“74. Der Insolvenzantrag begründet nach dieser Ansicht also für den Kaufmann eine Vermutung, „dass eine am Abschlussstichtag bestehende, noch nicht ausgeglichene Forderung schon zu diesem Zeitpunkt zweifelhaft war, es sei denn, dass offensichtlich spätere, nach dem Bilanzstichtag eingetretene Umstände die Insolvenz des Schuldners veranlasst haben“75. Ein solcher Erfahrungssatz geht möglicherweise zu weit, da auch in Hinsicht auf den Insolvenzeintritt von der Beobachtung auszugehen ist, dass die wirtschaftliche Lage von Schuldnern, insbesondere von Unternehmen ständigen Schwankungen unterliegt. Deshalb muss die vereinfachende Annahme, dass jede Insolvenz eine längere Vorgeschichte hat und ihre Ursachen deshalb entweder bereits am Stichtag vorgelegen haben oder jedenfalls nach den (objektiven) Verhältnissen am Stichtag absehbar waren, nicht zutreffen. Ein Unternehmen, das seinen wichtigsten Kunden verliert, der Freiberufler, der längerfristig erkrankt oder der Privatmann, der seine Stelle verliert, können auch sehr kurzfristig innerhalb weniger Wochen zahlungsunfähig werden. Dafür spricht auch, dass eine Zahlungsunfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne nicht etwa „wesentlich“ sein muss, sondern es bereits ausreicht, wenn das Geld für einen einzigen Gläubiger nicht reicht76. Ferner enthalten die insolvenzrechtlichen Eröffnungsgründe vielfach prognostische Elemente (z. B. die „drohende Zahlungsunfähigkeit“), beziehen sich also nicht auf die Vergangenheit, sondern die Zukunftserwartungen, die ebenfalls ständigen

__________ 73 Zur Insolvenz als wertaufhellende Tatsache vgl. etwa ADS (Fn. 34), § 252 HGB Rz. 39; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 322; Leffson (Fn. 55), S. 228 f.; vgl. auch bereits Boettcher, StuW I 1932, Sp. 1052 ff. 74 RFH v. 2.6.1932 – VI A 797/32, StuW 1932, 470. 75 So ADS (Fn. 34), § 252 HGB Rz. 39. 76 Vgl. nur Foerste, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2004, § 11 Rz. 109.

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Veränderungen unterliegen. So hängt z. B. das Ergebnis einer Überschuldungsprüfung im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO wesentlich von der sog. Fortführungsprognose ab77. Andererseits ist festzustellen, dass die Insolvenzantragstellung regelmäßig nicht sofort, sondern mit einer gewissen Verzögerung erfolgt, da die Insolvenzreife vielfach nicht sogleich erkannt wird. Zudem wird sich ein Gemeinschuldner vor der Antragstellung zunächst um eine Sanierung bemühen. Für Kapitalgesellschaften sieht das Gesetz sogar eine besondere Drei-Wochen-Frist vor (vgl. z. B. § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Im Ganzen bestehen daher gegen eine gewisse Rückbeziehung der Antragstellung keine Bedenken. So lagen im Urteilsfall des RFH nur wenige Wochen zwischen Zahlungseinstellung und Bilanzstichtag78. Eine weitergehende Indizwirkung kann der Insolvenzeröffnung dagegen nicht beigelegt werden. Je mehr Zeit zwischen dem Bilanzstichtag und der Insolvenzeröffnung liegt, umso mehr wird man auf die konkreten Insolvenzgründe und ihre objektive Vorhersehbarkeit am Stichtag abzustellen haben. Solche Informationen können z. B. im Rahmen des Insolvenzverfahrens ans Licht kommen und müssen dann wertaufhellend berücksichtigt werden. Schließlich kann man in Zweifelsfällen wiederum auf die oben79 aus dem Vorsichtsprinzip abgeleitete Vermutung zurückgreifen: Lässt sich nicht mehr aufklären, ob die Ursachen der Insolvenz bereits am Stichtag bestanden, dann ist im Zweifel anzunehmen, dass sie schon am Stichtag vorgelegen haben. Nur mit dieser rechtlichen Wertung, nicht aber auf Grund eines allgemeinen Erfahrungssatzes, wird man entsprechend der herrschenden Meinung in vielen Fällen die Insolvenz als wertaufhellenden Umstand behandeln können. e) Gerichtsurteile und rechtsgestaltende Erklärungen Im Unterschied zum Fall der Zahlung nach dem Bilanzstichtag hat der I. Senat bei Gerichtsurteilen seine frühere Rechtsprechung80 vor wenigen Jahren ausdrücklich geändert und lehnt nun eine wertaufhellende Berücksichtigung von Gerichtsurteilen ab, die nach dem Bilanzstichtag ergangen oder rechtskräftig geworden sind. Im Urteil v. 30.1.200281 hatte der I. Senat darüber zu entscheiden, ob eine zum Stichtag gebildete Rückstellung wegen einer möglichen Schadenersatzforderung aufgelöst werden musste, weil eine gegen den Bilanzierenden erhobene Schadensersatzklage zwar vor dem Stichtag abgewiesen, das Urteil aber erst nach dem Stichtag rechtskräftig geworden war. Nach Ansicht des I. Senats war der Rechtsmittelverzicht des Klägers, der nach dem Stichtag zur Rechtskraft des Urteils führte, ein wertbeeinflussen-

__________ 77 Zur Überschuldungsprüfung statt vieler nur Drukarczyk/Schüler in MünchKomm. InsO, 2001, § 19 InsO Rz. 20 ff. 78 RFH v. 2.6.1932 – VI A 797/32, StuW 1932, 470. 79 Vgl. III.3. 80 BFH v. 17.1.1973 – I 204/70, BStBl. II 1973, 320. 81 BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690).

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der Umstand. Diese Beurteilung verdient grundsätzlich Zustimmung82. Zwar findet sich in der betriebswirtschaftlichen Theorie die These, der Ausgang eines Prozesses sei wegen der Bindung des Richters an Gesetz und Recht „von einem guten Rechtsanwalt grundsätzlich vorhersehbar“83. Wäre diese Ansicht zutreffend, müssten Rechtsstreitigkeiten in der Wirklichkeit aber eine seltene Ausnahme darstellen, da Prozesse – wenn ihr Ausgang tatsächlich immer vorhersehbar wäre – der unterlegenen Partei nur Kosten, aber keine neue Erkenntnisse über die Rechtslage vermitteln könnten. Im vorliegenden Zusammenhang reicht die Feststellung aus, dass erst ein rechtskräftiges Urteil die Unsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs zwischen den Parteien beseitigt und der Ausgang eines Prozesses wegen der Unsicherheiten in Bezug auf Sachverhaltsermittlung und rechtliche Würdigung nicht vorhersehbar ist. Erst nach dem Bilanzstichtag rechtskräftig gewordene Gerichtsurteile lassen daher regelmäßig keine Rückschlüsse auf eine „objektive“ Rechtslage am Stichtag zu und sind daher wertbeeinflussende Tatsachen84. Noch deutlicher tritt der wertbeeinflussende Charakter bei rechtsgestaltenden Erklärungen und Gesellschafterbeschlüssen hervor, die auch zivilrechtlich überhaupt erst durch den nach außen erklärten Willen einer Partei Geltungskraft erlangen. Ganz zu Recht hat die finanzgerichtliche Rechtsprechung in diesen Fällen (z. B. einer Vertragsänderung85, der Abgabe einer Wandlungserklärung86 oder dem Gewinnverwendungsbeschluss87) eine Wertaufhellung verneint und sieht in solchen Erklärungen, wenn sie erst nach dem Bilanzstichtag abgegeben werden, wertbeeinflussende Tatsachen des neuen Geschäftsjahres. Diese Einschätzung beruht auf der zutreffenden Überlegung, dass aus einer nach dem Bilanzstichtag abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung für sich genommen keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse am Stichtag gezogen werden können. Vielmehr führt erst die rechtsgeschäftliche Erklärung selbst zu einer Änderung der Rechtslage ex nunc. Nichts anderes gilt für gesellschaftsrechtliche Beschlüsse, wie der Große Senat des BFH im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Zulässigkeit der phasengleichen Bilanzierung von Gewinnausschüttungsansprüchen im Konzern entschieden hat88. Danach ist der erst nach dem Bilanzstichtag gefasste Gewinnverwendungsbeschluss keine wertaufhellende Tatsache, die

__________ 82 Ebenso Hommel, BB 2002, 1141; Hoffmann, DStR 2002, 715. 83 Leffson (Fn. 55), S. 233. 84 Vgl. auch Scholz, Die Aktivierung einseitiger Forderungen in der Handels- und Steuerbilanz, 2003, S. 115 ff.; Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1631 (1679). 85 BFH v. 17.11.1987 VIII R 348/82 BStBl. II 1988, 430. 86 BFH v. 28.3.2000 – VIII R 77/96, BStBl. II 2002, 227 (229). 87 BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632. 88 BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (636 f.); dazu aus dem Schrifttum nur Schulze-Osterloh, ZGR 2001, 497.

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eine phasengleiche Aktivierung des Gewinnauszahlungsanspruchs bei der Muttergesellschaft zum Stichtag erlaubt. Die Einsicht, dass sowohl bei nach dem Stichtag abgegebenen rechtsgestaltenden Erklärungen oder gefassten Gesellschafterbeschlüssen eine wertaufhellende Berücksichtigung der Erklärung oder des Beschlusses grundsätzlich ausscheidet, ändert aber nichts daran, dass sich im Einzelfall aus anderen (objektiven) Umständen, die bereits zum Bilanzstichtag vorgelegen haben, eine „bilanzielle Vorwirkung“ des später Erklärten ergeben kann. Dafür kommt es vor allem darauf an, ob die betreffende Partei oder die Gesellschafter bereits vor dem Bilanzstichtag ihren Willen, entsprechende Erklärungen abzugeben oder Beschlüsse zu fassen, nach außen kundgetan haben. Hat z. B. eine Partei vor dem Stichtag gegenüber dem Bilanzierenden erklärt, ein entsprechendes Gestaltungsrecht (z. B. eine Wandlung) ausüben zu wollen, so kann dies für die Gegenpartei Anlass für die Bildung einer Rückstellung sein, weil zum Stichtag mit einer künftigen Inanspruchnahme gerechnet werden musste89. Ebenso hat die Finanzrechtsprechung eine phasengleiche Bilanzierung von Gewinnauszahlungsansprüchen ausnahmsweise dann zugelassen, wenn der Mehrheitsgesellschafter noch vor dem Stichtag seine Ausschüttungsabsicht nach außen dokumentiert hat90. 5. Zur Vereinbarkeit der Wertaufhellungsrechtsprechung des I. Senats mit der 4. EG-Richtlinie Nachdem gezeigt worden ist, dass dem BIAO-Urteil des I. Senats v. 15.9. 2004 in Hinsicht auf die wertaufhellende Berücksichtigung der Kreditrückführung nicht zu folgen ist, bleibt noch zu klären, wie sich die Entscheidung des I. Senats zu den Vorgaben der 4. EG-Richtlinie und den Ausführungen des EuGH in der Vorabentscheidung v. 7.1.2003 verhält. Der EuGH91 hatte nämlich unter Hinweis auf Art. 2 Abs. 4 der 4. EG-RL festgestellt, dass es irreführend sein und daher gegen den Grundsatz des den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes verstoßen könne, wenn Umstände „wie die Verringerung und der Wegfall eines solchen Risikos im Jahresabschluss völlig unerwähnt bleiben“. Die Beachtung dieses Grundsatzes verlange nämlich, „dass an irgendeiner Stelle im Jahresabschluss der Wegfall oder die Verringerung eines solchen Risikos erwähnt werde“. Die geeigneteste Methode der Aufnahme dieser Angabe in den Jahresabschluss sei – so der EuGH weiter – nach dem nationalen Recht zu bestimmen92. Der I. Senat hat nun aus diesen Passagen den Schluss gezogen, als „Methode der Berücksichtigung des Wegfalls eines Risikos“ müsse nach der Auffassung des EuGH

__________ 89 90 91 92

Vgl. dazu auch BFH v. 28.3.2000 – VIII R 77/96, BStBl. II 2002, 227 (229). Siehe BFH v. 20.12.2000 I R 50/95 BStBl. II 2001, 409. EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144, Rz. 125. EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144, Rz. 125.

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auch „die Anwendung der bestehenden Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung werterhellender Umstände auf der Grundlage des § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbs. HGB zulässig sein“93. Die Auffassung des I. Senats ist im Schrifttum mit dem Satz gelobt worden, „der BFH habe die handelsrechtliche Entscheidung des EuGH steuerrechtlich zu Ende geführt“94. Diese Beurteilung verkennt jedoch den Unterschied zwischen Gewinnermittlungs- und Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Wie der EuGH95 ausdrücklich feststellt, verbietet Art. 31 Abs. 1 Buchst. c bb der 4. EG-RL eine wertaufhellende Berücksichtigung der späteren Zahlung für Zwecke der handelsrechtlichen Gewinnermittlung. Aus diesem Grund hat der EuGH auch keine „rückwirkende Neubewertung“ der Rückstellungsposition, sondern nur eine informatorische Angabe für geboten gehalten, wie sie im deutschen Recht aus § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB abzuleiten gewesen wäre. Da die Steuerbilanz aber nach allgemeiner Ansicht weder Informationszwecken dient noch mangels Anhang zusätzliche Angabepflichten nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB kennt, geht der Hinweis des EuGH für die steuerrechtliche Gewinnermittlung ins Leere. Wer demgegenüber meint, zusätzliche Angaben nach Art. 2 Abs. 4 der 4. EGRL bzw. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB müssten mangels Anhang in der Steuerbilanz auf die Gewinnermittlungsebene durchschlagen96, müsste konsequenterweise auch in allen anderen Fällen, in denen zusätzliche Angaben für erforderlich gehalten werden (z. B. bei langfristiger Fertigung oder ungewöhnlich hohen stillen Reserven) zu einer Besteuerung von unrealisierten Erträgen gelangen, was aber bislang zu Recht ganz überwiegend abgelehnt wird97. Die Angabepflicht nach Art. 2 Abs. 4 und § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie – im Gegensatz zu Einzelabweichungen von Bewertungsgrundsätzen nach §§ 252 Abs. 2, 264 Abs. 2 Satz 1 HGB (Schulfall: Bewertungseinheiten) – die Gewinnermittlungsebene überhaupt nicht beeinflusst, sondern nur solche Informationsdefizite im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgleichen soll, die sich in ungewöhnlichen Konstellationen aus der Anwendung der einzelnen Gewinnermittlungsvorschriften nach der 4. EG-RL ergeben98. Da die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften und die 4. EG-RL vorbehaltlich bestimmter steuerlicher Sonderregelungen im Bereich der Bewertung (z. B. § 5 Abs. 6 EStG) auf Grund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) auch für die steuerbilanzielle Gewinnermittlung gelten, war der I. Senat an die Auslegung des Wertaufhellungsprinzips nach Art. 31 Abs. 1 Buchst. c bb der

__________ 93 94 95 96 97 98

BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421 (426). So Weber-Grellet, FR 2005, 314. EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144, Rz. 124. In diese Richtung Weber-Grellet, FR 2005, 314. Zur langfristigen Fertigung vgl. nur Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 1), § 5 EStG Rz. 270. Vgl. dazu näher Hüttemann in Staub (Fn. 30), § 264 HGB Rz. 45 mit weiteren Nachweisen.

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4. EG-RL durch den EuGH gebunden. Das BFH-Urteil v. 14.9.2004 verstößt deshalb auch gegen die Vorgaben der 4. EG-RL99.

IV. Zur Wertaufhellung bei einer „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ Besondere Fragen der Wertaufhellung stellen sich immer dann, wenn das Gesetz – als Ausnahme von § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB – für die Bewertung nicht allein auf den Wert am Stichtag abstellt, sondern bei der Bewertung ausdrücklich auch die Einbeziehung der voraussichtlichen weiteren Entwicklung nach dem Stichtag verlangt. So ist nach § 253 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz und § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB eine außerplanmäßige Abschreibung bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens nur „bei einer voraussichtlich dauernde Wertminderung“ zulässig. Das Merkmal der „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ hat mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 auch Eingang in die steuerliche Gewinnermittlung gefunden. Denn nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG dürfen steuerliche Teilwertabschreibungen nur noch auf Grund einer „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ gebildet werden. Fraglich ist nun, ob bei der Beurteilung, ob eine Wertminderung als „voraussichtlich dauernd“ anzusehen ist, auch Erkenntnisse über die weitere Wertentwicklung zwischen Stichtag und Bilanzerstellung zu berücksichtigen sind. Die Finanzverwaltung bejaht dies und lehnt daher z. B. eine Teilwertabschreibung auf börsennotierte Wertpapiere in dem Fall ab, dass sich der Kurs des Wertpapiers zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung tatsächlich wieder erholt hat100. Diese Auslegung ist im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen101. Auch bei der Prüfung, ob eine Wertminderung „voraussichtlich dauernd“ ist, müsse allein auf die objektiven Verhältnisse am Bilanzstichtag abgestellt werden. Es liegt auf der Hand, dass die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht eine Abweichung von den oben dargelegten Wertaufhellungsgrundsätzen darstellt, weil sie Tatsachen, die am Bilanzstichtag objektiv noch nicht vorlagen, bei der Prüfung des Merkmals „voraussichtlich dauernd“ berücksichtigt. Eine solche Ausnahme kann aber nur zugelassen werden, wenn sich aus dem Wortlaut oder dem Sinn und Zweck der entsprechenden Regelungen eine weitergehende Pflicht zur Berücksichtigung wertbeeinflussender Tatsachen ergeben würde. Dies ist aber nicht der Fall. Allein die Tatsache, dass das Gesetz bei der Bewertung auch die Einbeziehung der zu erwartenden

__________ 99 Ähnlich Strahl, FR 2005, 361 (363): „Dissens zwischen EuGH und BFH“. 100 BMF v. 25.2.2000 IV C 2 – S 2171 b – 14/00, BStBl. I 2000, 372 Rz. 3. Zustimmend auch FG Köln v. 21.6.2006 – 13 K 4033/05, BB 2006, 1901 (1903 f.). 101 Vgl. Hommel/Berndt, DStR 2000, 1305 ff.; Dietrich, DStR 2000, 1629 ff.; Strahl, FR 2005, 361 (364 f.); speziell zur Teilwertabschreibung bei börsennotierten Wertpapieren auch Schön in FS Raupach, 2006, S. 299 ff.

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künftigen Wertentwicklung fordert und insoweit vom Prinzip der Bewertung mit Stichtagswerten abweicht, rechtfertigt noch keine weitergehende Wertaufhellung, da prognostische Tatbestandsmerkmalelemente auch bei vielen anderen Bilanzpositionen ansatz- und bewertungsrelevant sind. So ist z. B. bei der planmäßigen Abschreibung eine Zeit zu bestimmen, in denen der Vermögensgegenstand „voraussichtlich genutzt wird“, und auch der Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen sind weitgehend prognostischer Natur, weil sie künftige Aufwendungen abbilden. Die sachlichen Grenzen der Wertaufhellung können aber nicht davon abhängen, ob es um die Bildung einer Rückstellung oder die außerplanmäßige Abschreibung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens geht. Darüber hinaus fehlen aber auch besondere sachliche Gründe, die eine Ausdehnung des Wertaufhellungsgrundsatzes rechtfertigen könnten. Das Merkmal der „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ in § 253 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz HGB trägt nur der Tatsache Rechnung, dass vorübergehende Wertschwankungen bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens die (gegenwärtige) Vermögens- und Ertragslage des Kaufmanns regelmäßig nicht berühren, weil die betreffenden Gegenstände nicht zur Veräußerung bestimmt sind102. Dieser Rechtsgedanke fordert aber keine Ausnahmen vom Wertaufhellungsprinzip in Hinsicht auf einzelne Tatbestandsmerkmale. Ebenso wie z. B. die Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zum Anlage- oder Umlaufvermögen nach den Verhältnissen am Stichtag zu entscheiden ist, muss auch die Dauerhaftigkeit der Wertminderung nach den „Voraussichten“ zum Stichtag beurteilt werden. Nur so wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass der Jahresabschluss „für den Schluss des Geschäftsjahres“, also stichtagsbezogen aufzustellen ist und alle Bewertungsentscheidungen auf der Grundlage der objektiven Verhältnisse am Stichtag erfolgen müssen. Die Einbeziehung der späteren Wertentwicklung nach dem Stichtag würde – ebenso wie bei anderen prognostischen Bilanzierungsentscheidungen – daher das Stichtagsprinzip verletzen, weil nicht bessere Erkenntnisse über die Verhältnisse am Stichtag berücksichtigt würden, sondern eine Bewertung zum Tag der Bilanzerstellung stattfände. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung ist daher auch bei Teilwertabschreibungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG ausschließlich auf die Voraussichten abzustellen, wie sie sich aus den objektiven Verhältnissen am Bilanzstichtag ergeben103. Dies bedeutet im Fall von börsennotierten Wertpapieren, dass die weitere Kursentwicklung zwischen dem Stichtag und der Bilanzerstellung – ebenso wie die spätere Zahlung bei der Rückstellung für ein Wechselobligo – grundsätzlich eine wertbeeinflussende

__________ 102 Zur ratio legis vgl. nur Hüttemann in Staub (Fn. 30), § 279 HGB Rz. 5. 103 Ebenso Schön in FS Raupach, 2006, S. 320; dagegen stellen Hommel/Berndt, DStR 2000, 1305 (1308) auf der Grundlage der subjektiven Wertaufhellungstheorie auf die zum Bilanzstichtag zugänglichen Informationen ab.

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Tatsache darstellt, weil sie am Stichtag objektiv noch nicht vorgelegen hat und keine Rückschlüsse über die objektiven Kurserwartungen zum Stichtag vermittelt. Nach den Wertungen des Kapitalmarktrechts ist vielmehr von der Vermutung auszugehen, dass der Börsenkurs zum Stichtag zugleich die beste Einschätzung der künftigen Wertentwicklung abbildet, weil er auf den Zukunftserwartungen aller Marktteilnehmer beruht104. Für eine Wertaufhellung bleibt folglich nur insoweit Raum, als zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellung Umstände bekannt werden, die diese Vermutung widerlegen. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn z. B. nach dem Bilanzstichtag Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass im Stichtagskurs bestimmte wertrelevante Umstände, die am Stichtag bereits objektiv vorgelegen haben, noch nicht berücksichtigt waren105. Ein Beispiel hierfür wären z. B. Kursmanipulationen durch unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen, die nach dem Bilanzstichtag bekannt werden.

V. Angabepflichten bei wertbeeinflussenden Tatsachen in Jahresabschluss und Lagebericht Der EuGH hat in seinem Urteil v. 7.1.2003 in der Rechtssache BIAO die Ansicht vertreten, dass es irreführend sein und daher gegen den Grundsatz des den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes (Art. 2 der 4. EGRL) verstoßen könne, wenn Umstände „wie die Verringerung und der Wegfall eines solchen Risikos im Jahresabschluss völlig unerwähnt bleiben“. Die Beachtung dieses Grundsatzes verlange nämlich, „dass an irgendeiner Stelle im Jahresabschluss der Wegfall oder die Verringerung eines solchen Risikos erwähnt werde“106. Im deutschen Recht wäre Rechtsgrundlage für eine solche Angabepflicht im Anhang § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB, durch den Art. 2 Abs. 4 der 4. EG-RL in das nationale Recht transformiert worden ist107. Indes ist fraglich, ob tatsächlich jede wertbeeinflussende Tatsache als solches im Anhang anzugeben ist. Darüber hinaus bedarf eine Angabepflicht nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB der Abgrenzung gegenüber einer Pflicht zur Berichterstattung über wertbeeinflussende Tatsachen im Lagebericht nach § 289 HGB. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB verlangt, dass der Jahresabschluss ein „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ vermittelt. Als bilanzrechtliche „Generalnorm“ bedarf das Einblicksgebot der Konkretisierung im Kontext der anderen Bilanzzwecke und der Einzelvorschriften. Gefordert ist keine optimale Information, sondern ein relativ richtiges Bild, wie es im Rahmen

__________ 104 Vgl. Hommel/Berndt, DStR 2000, 1305 (1309 f.); Schön in FS Raupach, 2006, S. 314. 105 Vgl. bereits RFH v. 13.11.1930 – VI A 844, StuW 1931, 120; ebenso Schön in FS Raupach, 2006, S. 321. 106 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144, Rz. 125. 107 Zur Umsetzung des Art. 2 Abs. 4 der 4. EG-RL durch das BiRiLiG vgl. Hüttemann in Staub (Fn. 30), § 264 HGB Rz. 13 ff.

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der von der Richtlinie vorgegebenen Bilanzierungsregeln von einem kundigen Bilanzleser erwartet werden kann108. Ferner sind die Verfasser der 4. EGRL davon ausgegangen, dass dem Einblicksgebot mit der Beachtung der Einzelvorschriften im Regelfall entsprochen wird109. Deshalb knüpft auch § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 4 der 4. EG-RL die Pflicht zu zusätzlichen Angaben an das Vorliegen „besonderer Umstände“. Da die Unterscheidung zwischen wertaufhellenden und wertbeeinflussenden Tatsachen im Stichtagsprinzip und in der Periodisierungsfunktion des Jahresabschlusses verankert ist, muss also für den Regelfall davon ausgegangen werden, dass wertbeeinflussende Tatsachen nicht angabepflichtig sind. Man könnte sogar noch weiter gehen und Angabepflichten bei wertbeeinflussenden Tatsachen nach Art. 2 Abs. 4 der 4. EG-RL mit der Überlegung ganz ausschließen, dass das Einblicksgebot ebenfalls strikt stichtagsbezogen anzuwenden ist, so dass die Nichtberücksichtigung wertbeeinflussender Tatsachen bei der Gewinnermittlung keine Abweichung von der Effektivlage zur Folge haben könnte. Gegen diese Auslegung des Einblicksgebots spricht aber, dass den Bilanzadressaten wichtige Informationen darüber, inwieweit sich die im Jahresabschluss dargestellte Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Bilanzstichtag und vor der Bilanzerstellung weiterentwickelt hat, vorenthalten würden. Der Bedarf für solche Angaben ist aber umso größer, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht den Wertaufhellungsgrundsatz auf die objektiven Verhältnisse am Stichtag beschränkt und z. B. Vorgänge wie die Kreditrückführung nach dem Bilanzstichtag bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt. Vorzugswürdig erscheint daher eine Interpretation des Einblicksgebots, die nicht strikt auf die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage am Stichtag abstellt, sondern sich auf die Effektivlage „um den Stichtag herum“ bezieht. Diese Auslegung dürfte auch der EuGH im Blick gehabt haben, wenn er im BIAO-Urteil eine Angabe nach Art. 2 Abs. 4 der 4. EG-RL für den Fall der Kreditrückführung im Februar für geboten gehalten hat110. Fraglich ist, wann die durch das Stichtagsprinzip begründeten Einschränkungen des Informationsgehaltes des Jahresabschlusses so wesentlich sind, dass sie zusätzliche Angaben im Anhang nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB erforderlich machen. Ausgehend vom Sinn und Zweck des Einblicksgebots dürften vor allem zwei Gesichtspunkte maßgebend sein, ein zeitlicher und ein quantitativer: In zeitlicher Hinsicht ist von der Überlegung auszugehen, dass sich das Einblicksgebot nicht auf die Effektivlage im Zeitpunkt der Bilanzerstellung beziehen kann, sondern nur auf eine Effektivlage in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag. Der kundige Bilanzleser weiß aber, dass die wirtschaft-

__________ 108 Statt vieler Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 32; Hüttemann in Staub (Fn. 30), § 264 HGB Rz. 38. 109 Vgl. die Erklärung des Rates zu Art. 2 Abs. 4 der 4. EG-RL, abgedruckt bei Hüttemann in Staub (Fn. 30), § 264 HGB Rz. 14. 110 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, EuGHE 2003 I-1 = BStBl. II 2004, 144, Rz. 125.

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Stichtagsprinzip und Wertaufhellung

liche Lage eines Unternehmens ständigen Veränderungen unterliegt und der Jahresabschluss, wenn er z. B. den Gesellschaftsorganen vorgelegt wird, nur die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage zum Stichtag abbildet. Zusätzliche Angabepflichten bei wertbeeinflussenden Tatsachen sollten daher auf Umstände beschränkt werden, die in enger zeitlicher Nähe zum Stichtag eingetreten sind. Zweitens setzt eine Angabepflicht in quantitativer Hinsicht voraus, dass die wertbeeinflussende Tatsache für die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens wesentlich ist und z. B. die Darstellung der Ertragslage gravierend verzerrt. Damit bleiben nur solche Fälle übrig, bei denen die Notwendigkeit zusätzlicher Angaben auch aus der Sicht der zuständigen Organe evident ist. Gemessen an diesen Kriterien erscheint die vom EuGH im BIAO-Fall erwogene Angabepflicht zumindest in quantitativer Hinsicht als nicht zwingend, wenn man berücksichtigt, dass der Wertberichtigungsumfang von 638 000 DM nur ca. 1,5 % der Bilanzsumme der klagenden Bank betragen hat. Fraglich ist, wie eine Angabepflicht nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB von der Lageberichterstattung nach § 289 HGB abzugrenzen ist. Nach § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB soll der Lagebericht auch eingehen auf „Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des Geschäftsjahres eingetreten sind“. Der EuGH hat sich zu dem Verhältnis beider Angabepflichten nicht geäußert. Im Unterschied zur Angabepflicht nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB geht es im Lagebericht nicht um eine auf den Stichtag bezogene Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, sondern um eine prognostische Fortschreibung der aus dem vergangenen Geschäftsverlauf herrührenden Lage der Kapitalgesellschaft. Der Lagebericht ist also im Unterschied zum Jahresabschluss nicht nur retrospektiv, sondern vor allem prospektiv111. Gleichwohl ist eine Unterscheidung zwischen wertaufhellenden und wertbeeinflussenden Tatsachen im Lagebericht nicht entbehrlich, weil sich die Lagedarstellung nach § 289 Abs. 1 HGB ebenfalls auf die wirtschaftlichen Verhältnisse am Stichtag bezieht, wie sie den Gegenstand des Jahresabschlusses bilden. Über wertbeeinflussende Ereignisse, die – wie es in § 289 Abs. 1 Nr. 1 HGB heißt – „nach dem Schluss des Geschäftsjahres eingetreten sind“, ist daher im Lagebericht gesondert zu berichten. Die Berichtspflicht steht indes – wie in § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB – unter dem Vorbehalt der besonderen Bedeutung. Eine solche Bedeutung ist zu bejahen, wenn sich die Gesellschaftslage durch den Umstand mehr als minimal verändert hat112. Eine Kontrollüberlegung könnte darin bestehen, ob die nachträglichen Umstände so erheblich sind, dass sie für die Beschlussfassung der Gesellschaftsorgane über den Jahresabschluss und die Rücklagenbildung von Bedeutung sind113. Gemessen an diesem Maßstab wird eine Berichterstattung über wertbeeinflussende Tat-

__________ 111 So Hommelhoff/Schwab in Staub (Fn. 30), § 289 HGB Rz. 29. 112 Hommelhoff/Schwab in Staub (Fn. 30), § 289 HGB Rz. 113. 113 Vgl. etwa Ellrott in Beckscher Bilanzkomm. (Fn. 18), § 289 HGB Rz. 62.

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sachen auch im Lagebericht eher eine Ausnahme darstellen. Eine Berichterstattung käme z. B. in Betracht, wenn eine Patentverletzungsklage gegen das Unternehmen zwischen Stichtag und Bilanzaufstellung rechtskräftig abgewiesen wird114. Da eine Klageabweisung nach dem Bilanzstichtag grundsätzlich keine „wertaufhellende Tatsache“ darstellt, wäre – neben einer Angabe nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB in Hinsicht auf eine im Jahresabschluss noch ausgewiesene Rückstellung – an eine Berichterstattung nach § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu denken, wenn der Ausgang des Rechtsstreits nicht nur für die Vermögens- und Ertragslage zum Stichtag, sondern zugleich für den künftigen Geschäftserfolg wesentlich erscheint, weil er z. B. ein Produkt betraf, mit dem das betreffende Unternehmen in Zukunft einen wesentlichen Teil seines Umsatzes erzielen soll.

VI. Ausnahmen vom Wertaufhellungsgrundsatz nach § 252 Abs. 2 HGB? Im bilanzrechtlichen Schrifttum wird die Frage diskutiert, ob der Grundsatz der Wertaufhellung ohne Einschränkung gilt oder – wie es der allgemeine Ausnahmetatbestand in § 252 Abs. 2 HGB nahe legt – gewisse Abweichungen zulässig sind115. Als denkbarer Anwendungsfall des § 252 Abs. 2 HGB wird zumeist eine Rückbeziehung von Sanierungs- und Hilfsmaßnahmen (Schulderlass, Gewährung von Zuschüssen, Werthaltigkeitsgarantien) auf den Abschlussstichtag genannt116. Gedacht ist offenbar an den Fall, dass die Gläubiger eines Unternehmens nach dem Bilanzstichtag und vor dem Tag der Bilanzerstellung auf einen bestimmten Teil ihrer Schulden verzichten, nachdem zuvor auf Grund einer (vorläufigen) Bilanz ein erheblicher Sanierungsbedarf zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres erkennbar geworden ist. Solche Sanierungsmaßnahmen haben vielfach gerade den Zweck, „rückwirkend“ zum Bilanzstichtag den Ausweis erheblicher Verluste zu verhindern. Es liegt auf der Hand, dass solche Gestaltungen bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze als wertbeeinflussende Tatsachen zu behandeln wären, da der Gewinn aus den Sanierungsmaßnahmen erst mit zivilrechtlicher Wirksamkeit des Forderungserlasses etc., also nach dem Bilanzstichtag, entsteht. Dagegen helfen – wie im Schrifttum zutreffend festgestellt worden ist117 – weder ein „Rückdatieren“ des Erlassvertrages und noch eine weite Interpretation des Wertaufhellungsgrundsatzes.

__________ 114 So das Beispiel bei Hommelhoff/Schwab in Staub (Fn. 30), § 289 HGB Rz. 114. 115 Vgl. ADS (Fn. 34), § 252 HGB Rz. 45 ff. m. w. N. 116 Siehe ADS (Fn. 34), § 252 HGB Rz. 47; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 323; Kropff, ZGR 1993, 41 (49 f.). 117 Zutreffend Kropff, ZGR 1993, 41 (49); Stebut, EWiR 1986, 185 f.; großzügiger dagegen Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 323; Hoffmann, BB 1996, 1157 (1160 f.); vgl. auch OLG Düsseldorf v. 6.11.1986 – 6 U 29/86, ZIP 1987, 44.

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Stichtagsprinzip und Wertaufhellung

Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, wie solche „Rückbeziehungen“ bilanzrechtlich mit § 252 Abs. 2 HGB legalisiert werden können. Das Stichtagsprinzip und der Wertaufhellungsgrundsatz dienen der periodengerechten Gewinnermittlung. Eine exakte und willkürfreie zeitliche Zuordnung von Geschäftsvorfällen zu den verschiedenen Geschäftsjahren ist nicht nur im Interesse eines zutreffenden Gewinnausweises und des Schutzes von ausscheidenden und eintretenden Gesellschaftern notwendig. Auch im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung müssen Mehrungen und Minderungen der steuerlichen Leistungsfähigkeit mit Rücksicht auf die ständigen Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen (Bemessungsgrundlage, Steuersätze etc.) zeitlich eindeutig zugeordnet werden. Vor diesem Hintergrund ist eine Rückbeziehung von Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich als unzulässig anzusehen. Denn es gibt keinen übergeordneten teleologischen Gesichtspunkt, der eine Abweichung vom Stichtagsprinzip und vom Wertaufhellungsgedanken nach § 252 Abs. 2 HGB rechtfertigen würde. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu anderen Bewertungsgrundsätzen, deren Regelungsgehalt bei bestimmten Sachverhalten nach dem Sinn und Zweck einer Bewertungsvorschrift oder mit Rücksicht auf übergeordnete Prinzipien reduziert werden kann. Als Beispiel sei nur auf die Problematik der Bewertungseinheit und der Bildung von Pauschalrückstellungen verwiesen, wo eine zusammenfassende Bewertung von an sich selbständigen Bilanzpositionen nach § 252 Abs. 2 HGB unter Berücksichtigung der Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB geboten ist, damit der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage vermittelt118. Demgegenüber ist eine Sanierungsvereinbarung – wie jeder andere Geschäftsvorfall auch – nach dem Stichtagsprinzip eindeutig dem Geschäftsjahr zuzurechnen, in dem sie wirksam geworden ist. Allerdings werden solche wertbeeinflussenden Vereinbarungen regelmäßig nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB und § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB angabe- und berichtspflichtig sein.

VII. Die zeitlichen Grenzen der Wertaufhellung § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB bestimmt als zeitliche Grenze der Wertaufhellung den „Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses“. Während diese Bestimmung für Einzelkaufleute eindeutig ist und den Tag meint, „an dem die Buchführung unter Verwendung der Inventurergebnisse abgeschlossen ist“, ist der Wertaufhellungszeitraum bei Personen- und Kapitalgesellschaften bis heute umstritten geblieben119. Denn bei Personen- und Kapitalgesellschaften

__________ 118 Vgl. dazu statt vieler Hüttemann in Staub (Fn. 30), § 264 HGB Rz. 45; eingehend Dietrich, Die Bewertungseinheit im Handels- und Steuerbilanzrecht, 1998, S. 95 ff. 119 Übersichten über den Streitstand bei ADS (Fn. 34), § 252 HGB Rz. 77 f.; SchulzeOsterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 322; Kleindiek in Staub (Fn. 30), § 252 HGB Rz. 16; ferner Küting/Kaiser, WPg 2000, 577 ff.; Kropff in FS Ludewig, 1998, S. 521 (534 ff.); ders., WPg 2000, 1137 ff.

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Rainer Hüttemann

bedarf es, damit der Jahresabschluss für die Gesellschafter verbindlich wird, zusätzlich zur Erstellung des Jahresabschlusses durch die geschäftsführenden Organe der Feststellung als Beschluss der Gesellschafterversammlung. Die zivil- und finanzgerichtliche Rechtsprechung ist – soweit ersichtlich – einer ausdrücklichen Klärung der Frage, ob der Zeitraum der Wertaufhellung bei Gesellschaften bereits mit der Aufstellung oder erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses endet, bis heute ausgewichen120. Der BFH spricht in seinen neueren Urteilen zur Wertaufhellung zwar vom „Tag der Bilanzerstellung“121, hat aber in einer früheren Entscheidung, wenn auch ohne nähere Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten, auch den Zeitpunkt der „Beschlussfassung der GmbH-Gesellschafter-Versammlung über die Bilanzfeststellung“ als maßgebend angesehen122. Auch die Ausführungen des I. Senats im Urteil v. 15.9.2004 sind nur scheinbar eindeutig. Danach soll der Tag maßgebend sein, „an dem der Abschluss durch das hierfür zuständige Organ unterzeichnet wird“123. Auch diese Definition hilft für eine allgemeine Lösung nur begrenzt weiter, weil im bilanzrechtlichen Schrifttum umstritten ist, ob sich die Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB bereits auf den aufgestellten oder – wie die h. M. annimmt – erst auf den festgestellten Jahresabschluss bezieht124. Auch im bilanzrechtlichen Schrifttum finden sich unterschiedliche Auffassungen über das Ende des Wertaufhellungszeitraums: Wohl überwiegend wird die Ansicht vertreten, dass auf den Zeitpunkt der Bilanzfeststellung abzustellen sei125. Dabei steht die Überlegung im Vordergrund, dass erst in dem Akt der Feststellung des Jahresabschlusses „die abschließende Maßnahme der Aufstellung“ liege126. Dagegen beruft sich die Gegenansicht127 vor allem auf den Wortlaut des § 245 HGB128.

__________ 120 121 122 123 124

125

126 127 128

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Nachweise zur Rechtsprechung bei Küting/Kaiser, WPg 2000, 577 ff. (580 f.). Vgl. etwa BFH v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 (690). Siehe BFH v. 8.3.1989 – X R 9/86, BStBl. II 1989, 714 (718). BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421 (426). Vgl. BGH v. 28.1.1985, WM 1985, 567 (569); Schulze-Osterloh in Baumbach/ Hueck (Fn. 18), § 41 GmbHG Rz. 74; ADS (Fn. 34), § 245 HGB Rz. 7 f.; Hüffer in Staub (Fn. 30), § 245 HGBRz. 5; a. A. etwa Walz in Heymann (Fn. 1), § 245 HGB Rz. 6; Küting/Kaiser, WPg 2000, 577 ff. (585 ff.). So vor allem Kropff in FS Ludewig, 1998, S. 534 ff.; ders., WPg 2000, 1137 ff.; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 42 GmbHG Rz. 322; Kleindiek in Staub (Fn. 30), § 252 HGB Rz. 16; Moxter, BB 2003, 2559 (2563); Tiedchen in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2003, § 252 HGB Rz. 39; Werndl in Kirchhof/Söhn (Fn. 3), § 6 EStG Rz. A 136; wohl auch Schmidt/Weber-Grellet (Fn. 1), § 5 EStG Rz. 81. Vgl. insbesondere Kropff, WPg 2000, 1141. Siehe vor allem Küting/Kaiser, WPg 2000, 577 ff. (583 ff.); ADS (Fn. 34), § 252 HGB Rz. 77 f.; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 2), § 6 EStG Rz. 83; Winkeljohann/Geißler in Beckscher Bilanzkomm. (Fn. 18), § 252 HGB Rz. 39. So namentlich Küting/Kaiser, WPg 2000, 577 ff. (582).

Stichtagsprinzip und Wertaufhellung

In der Tat sprechen die besseren Gründe für die Annahme, dass der Wertaufhellungszeitraum erst dann endet, wenn der Jahresabschluss im Verhältnis der Gesellschafter zueinander verbindlich wird. Denn die entgegenstehende Auffassung würde im Ergebnis bedeuten, dass die Gesellschafter einen Jahresabschluss auch dann feststellen müssten, wenn dessen objektive Unrichtigkeit auf Grund wertaufhellender Umstände bereits bekannt ist. Gegen eine solche Beschränkung des Wertaufhellungszeitraums spricht auch, dass der von der Geschäftsführung erstellte Jahresabschluss ohnehin bis zur Feststellung nur vorläufigen Charakter hat und bei Kapitalgesellschaften zuvor noch der Prüfung durch die Abschlussprüfer und die Mitglieder des Aufsichtsrats unterliegt129. Es ist nicht erkennbar, weshalb diese Prüfungsphase nicht auch dazu genutzt werden sollte, wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen, zumal die Aufstellung und die Prüfung des Jahresabschlusses in der Praxis häufig parallel erfolgen. Auch der Hinweis auf die Unterzeichnung des Jahresabschlusses nach § 245 HGB als eindeutiges Kriterium für das Ende des Wertaufhellungszeitraums spricht nicht gegen, sondern für den Tag der Feststellung als maßgeblichen Zeitpunkt, weil nach h. M. die geschäftsführenden Organe allein den endgültig festgestellten Jahresabschluss unterzeichnen müssen, während für den Zeitpunkt der „Aufstellung“ eine gesetzliche Dokumentationspflicht nicht besteht130. Soweit vereinzelt vorgeschlagen worden ist, den Wertaufhellungszeitraum für jede einzelne Bilanzposition gesondert danach festzulegen, wann die vorbereitenden Buchungsarbeiten abgeschlossen worden sind, ist dem der I. Senat zu Recht nicht gefolgt131. Eine solche differenzierende Auffassung mag zwar den Interessen der Praxis dienen, ist aber schon unter Objektivierungsgesichtspunkten abzulehnen, da sie das Ende des Wertaufhellungszeitraums weitestgehend in das Belieben der Verantwortlichen stellen würde. Geht man zudem davon aus, dass die Prüfungsphase vor Feststellung den Zweck hat, Fehler in der Buchführung festzustellen und zu beseitigen, kann für die Richtigkeit des Jahresabschlusses nur ein einheitlicher Zeitpunkt, nämlich der Tag der Feststellung, maßgebend sein. Die These, dass der Wertaufhellungszeitraum erst mit dem Tag der Feststellung endet, steht auch nicht im Widerspruch zum Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, der vom „Tag der Aufstellung“ spricht132. Eine wörtliche Interpretation dieser Vorschrift, wie sie von den Vertretern der Gegenauffassung eingefordert wird, scheidet schon deshalb aus, weil sich § 252 HGB – wie alle Regelungen im Ersten Abschnitt („Vorschriften für alle Kaufleute“) – nicht nur auf Gesellschaften, sondern auch auf Einzelkaufleute bezieht, bei denen der Jahresabschluss einer gesonderten Feststellung nicht bedarf. Da

__________ 129 130 131 132

Überzeugend Kropff, WPg 2000, 1139 ff. Siehe Hüffer in Staub (Fn. 30), § 245 HGB Rz. 6. BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BFH/NV 2005, 421 (426). Darin sehen Küting/Kaiser, WPg 2000, 577 ff. (585) ein wesentliches Argument für ihre Ansicht.

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Rainer Hüttemann

sich der Gesetzgeber bei der Formulierung gesetzlicher Vorschriften aber vernünftigerweise immer am Grundfall orientieren wird, ist der Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB also vor allem auf den Einzelkaufmann zu beziehen und schließt folglich für Personen- und Kapitalgesellschaft eine Deutung des Merkmals „Tag der Aufstellung“ als „Tag der Feststellung“ nicht aus. Für dieses Auslegungsergebnis streitet bei Kapitalgesellschaften schließlich auch das Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB. Denn nur durch eine möglichst weitgehende Berücksichtigung wertaufhellender Tatsachen wird gewährleistet, dass der Jahresabschluss, wie er von den Gesellschaftsorganen festgestellt wird, ein den tatsächlichen Verhältnissen am Abschlussstichtag entsprechendes Bild vermittelt. Aus den dargelegten Gründen ist somit mit der h. M. davon auszugehen, dass der Wertaufhellungszeitraum bei Personen- und Kapitalgesellschaften erst mit dem Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses endet. Dies gilt gleichermaßen für die Handels- wie für die Steuerbilanz.

VIII. Zusammenfassung Dem geltenden Handels- und Steuerbilanzrecht liegt in § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4 HGB ein objektives Wertaufhellungsverständnis zugrunde. Maßgebend sind folglich allein die objektiven Verhältnisse am Stichtag (objektive Wertaufhellungskonzeption). Ein subjektives Wertaufhellungsverständnis, das allein auf das am Stichtag subjektiv, d. h. bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt „Wissbare“ abstellt, ist abzulehnen. Als wertaufhellende Tatsachen sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die am Stichtag bereits objektiv vorlagen und erst zwischen Stichtag und Bilanzerstellung bekannt oder erkennbar geworden sind. Lässt sich nicht mehr aufklären, ob ein Umstand bereits am Stichtag vorgelegen hat, so ist bei gewinnmindernden Umständen aus Gründen des Vorsichtsprinzips im Zweifel davon auszugehen, dass dieser Umstand bereits am Stichtag vorgelegen hat. Bei Bilanzpositionen, die auf einer Schätzung oder Prognose beruhen, sind als Schätzungsgrundlagen allein die objektiven Verhältnisse am Stichtag maßgebend, wie sie sich aus der Sicht des Bilanzierenden unter Berücksichtigung wertaufhellender Tatsachen am Tag der Bilanzaufstellung darstellen. Nach dem Stichtag eingetretene Tatsachen sind bei Schätzungen und Prognosen zum Stichtag daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Daher erhellt auch eine nach dem Bilanzstichtag eingehende Zahlung nicht rückwirkend das objektive Ausfallrisiko am Stichtag, da die Zahlung erst nach dem Stichtag eingetreten ist und dem Bilanzierenden auch keine besseren Erkenntnisse über die objektiven Verhältnisse am Stichtag vermittelt. Die abweichende Rechtsprechung des I. Senats verletzt das Stichtagsprinzip und ist unvereinbar mit der Rechtsprechung des EuGH und den Vorgaben der 4. EG-RL. 334

Stichtagsprinzip und Wertaufhellung

Auch für die Prüfung einer „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ nach § 253 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt es allein auf die objektiven Verhältnisse am Stichtag an. Erst nach dem Stichtag eintretende Umstände – z. B. eine weitere Kursentwicklung – sind entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung grundsätzlich nicht wertaufhellend zu berücksichtigen. Wertbeeinflussende Tatsachen können eine Angabepflicht im Anhang nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB auslösen, wenn sie in zeitlicher Nähe zum Stichtag eingetreten und quantitativ erheblich sind. Darüber hinaus kann eine Pflicht zur Berichterstattung im Lagebericht nach § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB bestehen, wenn wertbeeinflussende Tatsachen für die künftige Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung sind. Zulässige Ausnahmen vom Wertaufhellungsgrundsatz nach § 252 Abs. 2 HGB sind nicht anzuerkennen. Insbesondere können Sanierungsmaßnahmen, die nach dem Bilanzstichtag erfolgen, bilanziell nicht auf den Stichtag zurückbezogen werden. Der Wertaufhellungszeitraum endet bei Einzelkaufleuten mit der Aufstellung der Bilanz, bei Personen- und Kapitalgesellschaften mit dem Tag der Bilanzfeststellung durch die zuständigen Gesellschaftsorgane.

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Detlev Joost

Das Kapital in Bedrängnis Inhaltsübersicht I. Unterbilanz und nachfolgende Gewinne

III. Eigenkapitalersatz IV. Fazit

II. Kapitalaufbringung

Glanz und Elend liegen oft nahe beieinander. Dies gilt auch für Institutionen des Rechts. Die Kapitalgesellschaft trägt ihren Namen, weil bei ihr ein Kapital aufzubringen und zu erhalten ist, und sie trägt ihn nur solange zu Recht, wie dies der Fall ist. Der Konzeption eines aufzubringenden und zu erhaltenden festen gesetzlichen Mindestkapitals war bisher hohe Anerkennung zuteil geworden. Ihr wird attestiert: „gehört zu den zentralen Anliegen des Kapitalgesellschaftsrechtes“1; „Grundlage und wesentlichste Funktion“ der Kapitalgesellschaften2; „eine der wichtigsten Regelungen des GmbH− Rechts“3; „der Zweck (der Kapitalerhaltung) muss unter allen Umständen gewahrt bleiben“4; „einer der wichtigsten Grundsätze“5; „Kernstück der Haftungsverfassung“6; „Grundpfeiler des GmbH−Rechts“7; „zentrale Bedeutung“8 und, dieses viel gebrauchte Zitat darf natürlich nicht fehlen, „eine für das europäische Gesellschaftsrecht stilprägende Eigenart“ und „zugleich eine Kulturleistung ersten Ranges“9. So lauten repräsentative Stimmen in der Literatur. Aber das Kapital ist ins Gerede gekommen. Die Kulturleistung scheint plötzlich im Niedergang begriffen zu sein, und das durch drei unscheinbare Buchstaben: Ltd. heißt das Gespenst, das in Deutschland umgeht. Die angelsächsische Limited (private company limited by shares) droht als Alternativmodell bei der Gründung von Gesellschaften die GmbH in den Hinter-

__________ 1 Priester in FS 100 Jahre GmbH−Gesetz, 1992, S. 159. 2 Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH−Rechten der EWG, 1964, S. 51 unter Hinweis auf Kronstein, Die abhängige juristische Person, 1931, S. 70 f. 3 Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbH−Gesetz, 16. Aufl. 2004, § 30 GmbHG Rz. 1. 4 Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff (Fn. 3), § 30 GmbHG Rz. 1. 5 Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 20. Aufl. 2003, S. 252 (zum Aktienrecht). 6 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1111. 7 Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 30 GmbHG Rz. 1. 8 Ulmer in Hachenburg (Fn. 7), § 5 GmbHG Rz. 6. 9 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 557 f.

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Detlev Joost

grund zu drängen10. Als Beelzebub in diesem Spiel wird vielfach gerade die so hoch gelobte Konzeption des festen gesetzlichen Mindeststammkapitals angesehen, die sich zunehmender Kritik ausgesetzt sieht11. Galt das Kapital lange Zeit als Garant für Seriosität, worauf der enorme Erfolg der GmbH zu einem guten Teil beruht, so wird es jetzt als Hemmschuh betrachtet, der die Abkehr von der GmbH verursacht. Der Jubilar hat vielfach zu Grundfragen der Konzeption des festen Mindeststammkapitals Stellung bezogen12 und jüngst die Konzeption für die GmbH nachdrücklich verteidigt13. Dieses Anliegen ist grundsätzlich berechtigt. Die Zweckmäßigkeit eines festen gesetzlichen Mindeststammkapitals als Grundlage einer bis in die Gegenwart bewährten Finanzstruktur der GmbH wird als solche durch das massenhafte Auftreten von Limiteds mit Sitz in Deutschland keineswegs auch nur ansatzweise widerlegt. Stellt man den Gründern einer Gesellschaft mehrere verschiedene Rechtsformen zur Wahl und weist eine von ihnen einen deutlich schwierigeren und teureren Gründungsvorgang auf, so ist es, rational−ökonomisches Verhalten der Gründer unterstellt und von anderen Parametern abgesehen, unvermeidlich, dass die (zumindest vermeintlich) billigere Einfachversion vorgezogen wird. Über die Qualität des Produkts wird dadurch nicht das Mindeste ausgesagt. Die Entscheidung für eine bestimmte Gesellschaftsrechtsform sagt etwas über die Präferenzen der Gründer aus, nicht aber über eine optimale Finanzverfassung der Gesellschaft. Aus diesem Blickwinkel betrachtet spricht alles dafür, die bewährte Finanzstruktur der GmbH auch künftig beizubehalten. Das heißt nun aber nicht, das bisherige System als sakrosankt auszugeben. Der tatsächliche Anpassungsdruck, der von anderen europäischen Gesellschaftsrechtsformen und dabei insbesondere der Limited möglicherweise ausgeht, kann durchaus als Chance verstanden werden, innerhalb des bewährten Systems über Alternativen nachzudenken. Die Konzeption des gesetzlich festgelegten Mindeststammkapitals in ihrer heutigen Gestalt gleicht, das mag manches Unbehagen, das sie derzeit hervorruft, erklären, einem Baum, der in außergewöhnlich üppiger Weise Triebe hervorgebracht hat. Die Triebe sind aber nicht dasselbe wie der Stamm. Anders gewendet: Nicht alles, was zum gegenwärtigen Stand der Erkenntnis gehört, muss notwendig aus der Konzeption des festen Mindeststammkapitals folgen, und deswegen

__________ 10 Es ist noch recht ungeklärt, ob dies aus allgemeinpolitischer Sicht eine bedenkliche Entwicklung ist, der es zu wehren gilt. Siehe dazu Lutter, BB−Special 7, 2006, 2 (3). 11 Nachweise bei Priester, Die GmbH−Reform in der Diskussion, 2006, S. 1 (4). 12 Vgl. nur: Kapitalaufbringung beim Cash-Pool − Kurswechsel durch das MoMiG?, ZIP 2006, 1557 ff.; Zur verdeckten Sacheinlage speziell bei der Verwendung von Gewinnauszahlungsansprüchen im Rahmen einer Kapitalerhöhung, DNotZ 2003, 210 ff.; „Squeeze out“ durch Herabsetzung des Stammkapitals auf Null?, DNotZ 2003, 592 ff.; Kapitalaufbringung und Bilanzen, GmbHR 1999, 1273 ff. u. a. m. 13 Priester, DB 2005, 1315 (1316 ff.); ders., ZIP 2005, 921 f.; ders. (Fn. 11), S. 1 (3 ff.).

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Das Kapital in Bedrängnis

muss auch nicht die Konzeption bereits als solche einen Attraktivitätsnachteil der GmbH bedeuten. Vielleicht müssen nur manche Triebe zurückgeschnitten oder in eine andere Richtung gelenkt werden. Dem wird im Folgenden für drei ausgewählte Bereiche nachgegangen.

I. Unterbilanz und nachfolgende Gewinne Die bilanzielle Konzeption der Kapitalerhaltung gemäß der Regelung in § 30 Abs. 1 GmbHG wirft die Frage auf, ob sich Gewinne der GmbH auf einen vorher entstandenen Rückgewähranspruch der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter auswirken, der sich gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG aus einer Leistung an den Gesellschafter ergibt, die unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG erfolgt war. Die späteren Gewinne sind Ausdruck einer Vermehrung des Aktivvermögens und können bei entsprechender Höhe die durch die verbotswidrige Leistung entstandene (oder verstärkte) Unterbilanz ganz oder zum Teil rechnerisch ausgleichen. Wird der Vorgang bilanziell betrachtet, so ist in Höhe der nicht ausgeschütteten Gewinne die Situation wieder eingetreten, die vor der verbotswidrigen Leistung bestanden hatte. Der II. Senat des Bundesgerichtshofs hat deshalb im Jahre 1987 – entgegen der damaligen Vorinstanz – zunächst entschieden, dass eine nachhaltige Wiederauffüllung des Gesellschaftsvermögens bis zur Höhe der Stammkapitalziffer zum Wegfall des Erstattungsanspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG führe, da der mit der Erstattung verfolgte Zweck bereits anderweitig erreicht sei14. Nachdem das OLG Stuttgart15 diese Ansicht übernommen hatte, meinte der II. Senat des Bundesgerichtshofs schon im Jahre 2000, sie halte revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand16. Aus Sinn und Zweck der Regelung in § 31 Abs. 1 GmbHG könne nicht entnommen werden, dass der weitere Bestand des Erstattungsanspruchs vom Fortbestand der Unterbilanz abhängig sein solle. Der Jubilar hat sich zu der neueren Ansicht des II. Senats des Bundesgerichtshofs kritisch geäußert und ist dafür eingetreten, jedenfalls bei der ähnlichen Problematik der Vorbelastungshaftung deren Wegfall durch anschließende Gewinne anzunehmen17. Der II. Senat des Bundesgerichtshofs hat jedoch jüngst seine Ansicht bestätigt und auf die Vorbelastungshaftung ausgeweitet18. Der bezüglich der Kapitalerhaltung innerhalb relativ kurzer Zeit erfolgte grundsätzliche Sinneswandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeigt einen bemerkenswerten Aspekt auf. Löst man sich von der (ohnehin abwegi-

__________ 14 BGH, ZIP 1987, 1113, 1114 m. im Ergebnis zust. Anm. Westermann („durchaus einleuchtend“). 15 OLG Stuttgart, NZG 1998, 683. 16 BGH, BGHZ 144, 336 (340) – Balsam/Procedo. 17 Priester in FS Ulmer, 2003, S. 477 (487 ff.). 18 BGH, NJW 2006, 1594 (1596) mit Nachweisen zum Streitstand im Schrifttum.

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gen) Vorstellung, dass es bei nicht ausdrücklich gesetzlich geregelten Fragen nur eine einzige rechtlich richtige Antwort geben kann, so wird deutlich, dass die Konzeption eines festen Stammkapitals keine zwingende Vorgabe für die Problematik der nachträglichen Beseitigung der Unterbilanz enthält. Es sind im Gegenteil die beiden gegensätzlichen Ansichten in der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der gesetzlichen Konzeption vereinbar. Der Zweck der Regelung in §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG besteht darin, unter den dort beschriebenen Voraussetzungen im Interesse der Gläubiger der Gesellschaft Minderungen des Vermögens der Gesellschaft durch Leistungen an die Gesellschafter zu vermeiden bzw. die eingetretene Unterbilanz (oder deren Verstärkung) wieder rückgängig zu machen. Wird die Unterbilanz durch Gewinne beseitigt, so würde die weitere Verbuchung eines Rückgewähranspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG zu einer Überbilanz führen. Der Zweck der Regelung in §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG ist dies nicht. § 31 Abs. 1 GmbHG ist keine absolute Sanktion eines gesetzwidrigen Verhaltens, sondern bloßes Mittel zum Zweck der Beseitigung der Unterbilanz. Das geschützte Interesse der Gläubiger ist hierauf beschränkt, wie sich schon daran zeigt, dass die Gesellschaft nach anderweitiger Beseitigung der Unterbilanz das zur Erfüllung eines Anspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG Geleistete sofort wieder an den Gesellschafter zurückgeben könnte, ohne (erneut) gegen § 30 Abs. 1 GmbHG zu verstoßen. Mit der Konzeption des Kapitalschutzes ist daher die Auffassung, der Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG könne durch spätere Gewinne entfallen, durchaus vereinbar19. Dem steht im Gegensatz zur neueren Ansicht des II. Senats des Bundesgerichtshofs20 § 31 Abs. 2 GmbHG nicht entgegen. Man kann aus dieser Regelung zwar, etwas positivistisch, schließen, dass ein nicht in gutem Glauben befindlicher Empfänger zur Rückgewähr auch dann verpflichtet ist, wenn die Erstattung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht erforderlich ist. Für die Problematik der anderweitigen Beseitigung der Unterbilanz ist daraus aber nichts herleitbar21. Führt eine Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter zwar zu einer Unterbilanz, nicht aber zur Überschuldung, so bleibt die Gesellschaft zur Befriedigung ihrer Gläubiger in der Lage. Gleichwohl muss der nicht in gutem Glauben befindliche Empfänger das Geleistete selbstverständlich zurückgewähren, eben um die Unterbilanz zu beseitigen, wohingegen der gutgläubige Empfänger insoweit das Privileg nach § 31 Abs. 2 GmbHG genießt. Das Privileg kann rechtspolitisch kritisiert werden. Jedenfalls erschöpft sich aber seine Aussagekraft in dem Fall

__________ 19 Zutreffend Servatius, GmbHR 2000, 1028 (1031), der aber im Ergebnis den Wegfall des Anspruchs ablehnt. 20 BGH, BGHZ 144, 336 (341 f.) im Anschluss an Brandner in FS Fleck, 1988, S. 23 (33) und Ulmer in FS 100 Jahre GmbH−Gesetz, 1992, S. 363 (387). Zust. Servatius, GmbHR 2000, 1028 (1032). 21 Ebenso, aber mit anderer Begründung Kort, ZGR 2001, 615 (619). A. A. Benecke, ZIP 2000, 1969 (1970) m. w. N.

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der weiter bestehenden Unterbilanz. Über die rechtliche Stellung des Gesellschafters nach vollständiger anderweitiger Beseitigung der Unterbilanz besagt es in keine Richtung etwas. Ist also der Wegfall des Erstattungsanspruchs bei anderweitiger Beseitigung der Unterbilanz ohne weiteres mit der Kapitalschutzkonzeption vereinbar, so heißt dies noch nicht, dass es sich dabei um die einzige rechtlich zutreffende Lösung handeln muss. In der Entscheidung des II. Senats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2000 geht es um eine besondere Gestaltung. Im Rahmen eines Liquidationsvergleichs mit den Gläubigern einer GmbH war das Vermögen der Gesellschaft auf einen Treuhänder der Gläubiger übertragen worden. Dieser verlangte von einem Gesellschafter Erstattung nach § 31 Abs. 1 GmbHG wegen früherer Gewinnausschüttungen bei Bestehen einer Unterbilanz, wobei möglicherweise die Unterbilanz durch spätere Vorgänge wieder beseitigt worden war. Letzterem misst der II. Senat des Bundesgerichtshofs in dieser Entscheidung keine Bedeutung für den Erstattungsanspruch bei, weil eine Abhängigkeit der Erstattungsforderung vom Fortbestand der Unterbilanz es der Gesellschaft faktisch unmöglich machen würde, die Erstattungsforderung durch Veräußerung an Gesellschaftsgläubiger oder sonstige Dritte zu verwerten22. Damit ist eine wichtige Veränderung des rechtlichen Blickwinkels verbunden. Der Kapitalschutz wird nicht aus der Sicht des Interesses der Gläubiger der Gesellschaft betrachtet und beurteilt, sondern aus der Sicht des Interesses der Gesellschaft selbst und des jeweiligen Zessionars. Die Einbeziehung dieser Interessen in die rechtliche Betrachtung ist keineswegs abzulehnen. Die Gesellschaft soll nach §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG das gesetzwidrig Geleistete zur Wiederherstellung der rechnerischen Deckung des Stammkapitals zurückerhalten. Bejaht man mit dem II. Senat des Bundesgerichtshofs die Abtretbarkeit der Erstattungsforderung der Gesellschaft23, so kann die Abtretung dazu dienen, die Unterbilanz zu beseitigen, und entspricht damit dem Zweck der Kapitalschutzkonzeption. Wie gesagt: Die Kapitalschutzkonzeption gibt keine der beiden Lösungen zwingend vor. Es besteht im Gegenteil die Möglichkeit, die zutreffende Lösung unter Einbeziehung von Einwänden zu suchen, die in neuerer Zeit gegen den Grundsatz des festen Mindeststammkapitals vorgebracht werden. Die Kapitalschutzkonzeption dient der Praxis. Sie sollte nicht in einer Weise ausgestaltet werden, die zu einem komplizierten, undurchsichtigen System und zu für die Betroffenen schwer zu beurteilenden Folgen führt. Koppelt man das Bestehen der Erstattungsforderung nach § 31 Abs. 1 GmbHG von dem Weiterbestehen der Unterbilanz ab, so führt dies genau zu einem solchen Zustand. Ungeachtet der Vermögenslage der Gesellschaft muss jeder Gesellschafter, der Leistungen empfangen hat, während der zehnjährigen

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22 BGH, BGHZ 144, 336 (342). 23 BGH, BGHZ 69, 274 (283); BGH, BGHZ 144, 336 (339 f.).

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Verjährungsfrist damit rechnen, mit einer Erstattungsforderung konfrontiert zu werden, auch wenn zwischenzeitlich die Unterbilanz nachhaltig beseitigt war und vielleicht sogar weitere unbedenkliche Leistungen und Gewinnausschüttungen erfolgt sind, so dass ein Gesellschafter mit einer Erstattungsforderung nicht mehr rechnen wird. Die anderen Gesellschafter sind im Hinblick auf ihre Subsidiärhaftung fünf Jahre lang in der gleichen Lage (§ 31 Abs. 3, Abs. 5 Satz 1 GmbHG). Hinzu treten die Beurteilungsunsicherheiten hinsichtlich des Bestehens einer Unterbilanz bei dem Empfang der Leistung. Ein derart kompliziertes und im Hinblick auf den gläubigerschützenden Zweck der Kapitalschutzkonzeption nicht plausibles Haftungssystem ist gewiss nicht geeignet, gerade die GmbH als attraktive Rechtsform zu präsentieren, wenn die Gesellschaftsgründer ihre vielfältigen heutigen Wahlmöglichkeiten ausüben. Dies alles spricht dafür, mit der Entscheidung des II. Senats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1987 den Schutz des Stammkapitals eben auf den Schutz des Stammkapitals zu beschränken, also bei nunmehriger vollständiger und nachhaltiger rechnerischer Deckung des Stammkapitals den früheren, auf eben diese rechnerische Deckung zielenden Erstattungsanspruch als erloschen anzusehen. Diese Lösung schließt es keineswegs aus, dem berechtigten Anliegen angemessen zu entsprechen, der Gesellschaft selbst die Befriedigung einer Gläubigerforderung durch die Abtretung der Erstattungsforderung zu ermöglichen. Man muss sich dazu nur bewusst machen, dass hier wie auch sonst Regelfall und Ausnahme zu unterscheiden sind. Im Regelfall werden Ansprüche aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht abgetreten, so dass die allgemeine Wirkung der Beseitigung einer Unterbilanz durch spätere Gewinne nicht von einem solchen Fall auszugehen hat. Hierfür ist vielmehr der Normalfall maßgeblich, dass es nur um ein auf die Vermögenslage der Gesellschaft bezogenes Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter geht. Kommt es jedoch zu einer Abtretung des Erstattungsanspruchs, so kann dies unschwer durch eine Ausnahme von der allgemeinen Regel berücksichtigt werden. Hierbei gilt es indessen zu differenzieren. Wenn die Unterbilanz bereits vor der Abtretung anderweitig beseitigt wurde, ist der Erstattungsanspruch erloschen. Ein Interesse der Gesellschaft an der Beseitigung einer Unterbilanz ist nicht mehr gegeben. Es handelt sich um die Abtretung einer nicht mehr bestehenden Forderung, so dass der Zessionar sie nicht erwirbt. Es gibt keinen ausreichenden Anlass, den Zessionar davor zu schützen. Infolge des allgemeinen Fehlens der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs einer Forderung ist eine Abtretung stets mit dem Risiko des Zessionars verbunden, dass die Abtretung wegen des Nichtbestehens der Forderung unwirksam ist. Insoweit liegen bei einer Abtretung einer Erstattungsforderung aus § 31 Abs. 1 GmbHG keine Besonderheiten vor. Hätte der Gesellschafter zunächst die Erstattungsforderung durch Leistung an die Gesellschaft erfüllt, so wäre sie nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Eine spätere Abtretung wäre zweifellos unwirksam. Für das Erlöschen der Forderung durch eine ander342

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weitige Beseitigung der Unterbilanz, also wegen eines gesellschaftsrechtlichen Grundes, gilt nichts anderes. Besonderheiten gibt es aber, wenn die Gesellschaft zunächst die bestehende Erstattungsforderung abtritt und die Forderung danach durch die anderweitige Beseitigung der Unterbilanz erlischt. Hier erwirbt der Zessionar zunächst die Forderung. Nach allgemeinem Zessionsrecht schützt ihn dies aber allein noch nicht vor dem Risiko, infolge von Vorgängen zwischen dem Zedenten und dem Schuldner die Forderung nicht mehr durchsetzen zu können. Leistet etwa der Gesellschafter in Unkenntnis der Abtretung an die Gesellschaft, so ist dies gegenüber dem Zessionar wirksam (§ 407 Abs. 1 BGB). Diese Risikoverteilung sollte auch für den Fall der anderweitigen Beseitigung der Unterbilanz in Analogie zu § 407 Abs. 1 BGB maßgeblich sein. Ganz entsprechend wird der Zessionar davor aber geschützt, wenn dem Gesellschafter die Abtretung bekannt wird, was Gesellschaft und Zessionar unschwer herbeiführen können. Die mit der Annahme einer völligen Bedeutungslosigkeit der anderweitigen Beseitigung der Unterbilanz verbundenen erheblichen Unzuträglichkeiten für die Praxis treten bei dieser Lösung nicht auf; die Beteiligten wissen, woran sie sind, oder können es zumindest wissen. Vor dem Hintergrund der Kritik an dem Grundsatz des festen Stammkapitals lässt sich daher feststellen: Die Kapitalschutzkonzeption führt keineswegs notwendig zu für die Praxis unattraktiven Zuständen, sondern lässt Raum für praktikable Lösungen. Er muss nur genutzt werden.

II. Kapitalaufbringung Das Recht der Kapitalaufbringung ist, das lässt sich nicht leugnen, ein hochkompliziertes Normensystem geworden, das mit einer Vielzahl praktischer Unzuträglichkeiten einhergeht. Das Ziel der Kapitalaufbringung ist einleuchtend: Die Gründer sollen der Gesellschaft zur Zeit ihrer Entstehung real ein Aktivvermögen verschaffen, welches die Stammkapitalziffer ganz oder teilweise rechnerisch deckt. So einleuchtend diese Regelung für die Entstehung eines Unternehmens auch ist, die Vorgänge in der Gründungspraxis deuten auf eine erhebliche Inakzeptanz bei den Gründern hin. Der als solcher höchst einfache Vorgang einer realen Kapitalaufbringung wird so vorgenommen, dass an der wirksamen Kapitalaufbringung Zweifel entstehen und der Gründungsvorgang dauerhaft mit erheblicher Rechtsunsicherheit belastet wird. Die Stichwörter sind allgemein bekannt: Hin- und Herzahlung24, Her- und Hinzahlung25, verdeckte Sacheinlagen26, freie Verfügung und

__________ 24 BGH, BGHZ 113, 335 (344 f.); BGH, ZIP 2005, 2203 (2204); BGH, ZIP 2006, 331 (332 f.). 25 BGH, NZG 2006, 716 (717). 26 BGH, BGHZ 113, 335 (342 ff.); BGH, BGHZ 132, 141 (144 ff.).

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Verwendungsabsprachen27, Zahlung auf ein debitorisches Bankkonto der Gesellschaft28, um nur einige zu nennen. Die rechtliche Bewältigung der damit verbundenen Probleme hat zu einem geradezu hypertrophen Regelungssystem geführt. Auch wenn die Gestaltungspraxis letztlich selbst dessen Verursacher ist: Das geltende Kapitalaufbringungsrecht in seinem gegenwärtigen Zustand mindert die Attraktivität der GmbH erheblich. Art. 1 Nr. 3 a) MoMiG29 soll dem durch eine Herabsetzung des Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro begegnen. Indessen wird damit kein einziges der genannten Probleme gelöst30. Sie treten auch bei diesem reduzierten Betrag des Mindeststammkapitals in gleicher Weise auf. Es ist zu vermuten, dass vergleichbare Schwierigkeiten bei der Gründung einer Limited nicht auftreten. Das liegt aber nicht etwa daran, dass bei der Gründung einer Limited die Kapitalaufbringung nicht erforderlich wäre. Auch bei der Limited ist eine Mindesteinzahlung notwendig31. Theoretisch könnten daher die gleichen Fragen auftreten wie bei der Gründung einer GmbH. Da aber die Gründer der Limited sich wegen des Fehlens eines gesetzlich festgelegten nennenswerten Mindestkapitals auf einen minimalen Betrag ihrer Einlagen beschränken können, besteht kein praktischer Anreiz, die Einlage anders zu leisten als durch eine einfache Zahlung. Ein kompliziertes Regelungssystem wird sich unter diesen Umständen nicht entwickeln. Damit ist die Frage gestellt, ob sich der Attraktivitätsnachteil der GmbH bei der Kapitalaufbringung ohne die Aufgabe des festen Mindeststammkapitals beseitigen oder zumindest wesentlich verringern lässt. Nach geltendem Recht wird von den Gründern der GmbH verlangt, dass sie der GmbH einen Geldbetrag zur Verfügung stellen (oder eine entsprechende Sacheinlage machen). Das dadurch entstehende Gesellschaftsvermögen deckt rechnerisch die Stammkapitalziffer. Die Konzeption des festen Mindeststammkapitals ist also de lege lata mit der realen Vermögensaufbringung untrennbar verbunden. Es fragt sich, ob die Untrennbarkeit von der Art ist, dass von der realen Vermögensaufbringung nicht Abstand genommen werden kann, ohne die ganze Konzeption ihres Sinnes zu berauben.

__________ 27 BGH, BGHZ 113, 335 (347); BGH, WM 1990, 1820 (1821). 28 BGH, WM 1990, 1820 (1822). 29 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH−Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), Stand 29.5.2006. 30 Grundsätzlich gegen eine Verringerung des Mindeststammkapitals bei der GmbH Priester, ZIP 2005, 921 f.; ders., ZIP 2006, 161 f. 31 Joost, Die GmbH−Reform in der Diskussion, 2006, S. 31 (42) m. w. N. Gegenteilige Äußerungen im Schrifttum – z. B. Wachter, GmbHR 2004, 88 (91); Kallmeyer, DB 2004, 636 f. – verwechseln die notwendige Mindesteinzahlung mit einem gesetzlich festgelegten Mindestbetrag der Einzahlung.

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Die rechnerische Deckung der Stammkapitalziffer durch Aktivvermögen lässt sich auch anders erreichen als durch reale Vermögensaufbringung der Gesellschafter32. Der Gesellschaftsvertrag verpflichtet die Gründer zur Leistung einer Einlage (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Die Stammkapitaldeckung setzt die in zeitlichem Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft erfolgende Erfüllung der Einlageverpflichtung nicht notwendig voraus. Bilanziell ist die Kapitalziffer bereits durch die Einlageforderungen gedeckt. Man könnte es dabei belassen und die gegenwärtigen Kapitalaufbringungsregeln mit dem Kapitalerhaltungsgrundsatz zu einer einheitlichen Regel verschmelzen. Danach sind Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht zulässig, solange die Kapitalziffer nicht durch Erfüllung der Einlageforderungen oder durch entstandene Gewinne gedeckt wird oder die vorhandene Deckung durch die Leistung beseitigt wird. Die Einlageforderung könnte gegebenenfalls mit den stehen bleibenden Gewinnen verrechnet werden. Das Gründungsverfahren würde damit hinsichtlich der Kapitalaufbringung dem Verfahren bei der Limited weitgehend angenähert. Bei der Limited haben die Gründer eine gegebenenfalls minimale Einzahlung vorzunehmen und die Gesellschaft darf sodann nur Gewinne an die Gesellschafter ausschütten33. Da die Einzahlung nicht als Gewinn ausgegeben werden darf, hat sie die gleiche Funktion wie das Stammkapital nach § 30 Abs. 1 GmbHG, indem die Limited Aktivreinvermögen in Höhe des Betrages der Einzahlung bilanziell erhalten muss. Der Unterschied liegt darin, dass durch ein höheres gesetzliches Mindestkapital in der GmbH ein größeres Vermögen gebunden bleibt als in der Limited und damit die Gläubiger der Gesellschaft stärker geschützt werden. Dem geltenden Recht ist eine derartige Regelung nicht gänzlich fremd. Es gibt vielmehr Vorgänge, die funktional gleich sind. Sie betreffen zwar nicht die erstmalige Kapitalaufbringung im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft, wohl aber spätere Erhöhungen des Stammkapitals. In einem Kapitalerhöhungsbeschluss kann offengelegt werden, dass die Einlage durch Umbuchung ausgeschütteter Nettogewinne aufgebracht wird34. Hierdurch erhält die Gesellschaft zwar keine neuen Finanzmittel. Sie behält aber Finanzmittel, die sonst von den Gesellschaftern abgezogen werden könnten. Die Sicherung der Gläubiger der Gesellschaft wird durch die Erhöhung des Betrages der Vermögensbindung verstärkt. Gleiches gilt für die 1994 eingeführte Möglichkeit zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln35. Auch die aktienrechtliche Bildung einer gesetzlichen Eigenkapitalrücklage aus Gesellschaftsgewinnen gemäß § 150 AktG ist damit vergleichbar. Sie ist eine

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32 Entsprechende Überlegung schon bei Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 (379 f.), die aber leider ohne größere Resonanz geblieben ist. 33 Section 263 CA 1985. Siehe dazu Joost (Fn. 31), S. 31 (42). 34 BGH, BGHZ 135, 381 (384); Priester, ZGR 1998, 856 (866 ff.). 35 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl. 2006, Vor § 57c GmbHG Rz. 4.

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Alternative zur Aufbringung eines doppelten Betrages des Grundkapitals durch Finanzmittel der Gründer. Der Grundsatz, dass die Deckung der Stammkapitalziffer durch Gewinne der Gesellschaft erfolgen kann, braucht bei Einhaltung der notwendigen verfahrenssichernden Bestimmungen (vgl. §§ 57c ff. GmbHG) nicht auf die Kapitalerhöhung beschränkt zu bleiben. Ein Verzicht auf die reale Kapitalaufbringung setzt freilich voraus, dass die Trennung von gesetzlich festgelegtem Mindeststammkapital und Kapitaldeckung im Gründungsstadium die maßgeblichen Ziele nicht verfehlt, die mit dem Mindeststammkapital gerade erreicht werden sollen. Dies ist vornehmlich unter zwei Aspekten zu betrachten, der Gläubigersicherung und der so genannten Seriositätsschwelle. Die Aufbringung des Stammkapitals und damit das Stammkapital selbst schützen, wie jeder weiß, die Gesellschaft nicht vor Verlusten und die Gläubiger nicht vor dem Eintritt der gänzlichen oder teilweisen Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen. In dieser Hinsicht ist auf das Stammkapital trotz der Deckung durch reale Vermögensaufbringung im Gründungsstadium kein Verlass. Aus dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes betrachtet ist die reale Vermögensaufbringung also von vornherein ungeeignet, die Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen. Das nimmt diesem Gründungserfordernis viel von seiner inneren Überzeugungskraft. Die reale Aufbringung erschöpft sich insoweit in dem sich anschließenden Gebot der Kapitalerhaltung. Hierin liegt indessen kein Unterschied zu der Lage, die eintreten würde, wenn auf die reale Vermögensaufbringung bei der Gründung verzichtet werden würde. Solange die Kapitalziffer weder durch Einlagen noch durch Gewinne gedeckt ist, bleiben auch hier Auszahlungen an die Gesellschafter verboten. Nicht die Erfüllung der Einlageverpflichtung durch die Vermögensmehrung bei der GmbH ist die Grundlage der Kapitalerhaltung, sondern der davon unabhängige Vermögensstand der Gesellschaft in Bezug auf die bilanziell erfasste Stammkapitalziffer. Das Kapitalerhaltungsgebot entfaltet daher mit und ohne reale Vermögensaufbringung die gleiche Wirkung für Auszahlungen an die Gesellschafter. Damit ist auch die gläubigersichernde Wirkung in beiden Fällen gleich, immer bezogen auf den Vermögensstand. Im Falle der Insolvenz der GmbH sind daher die Gläubiger der Gesellschaft bei einem Verzicht auf die reale Kapitalaufbringung im Gründungsstadium der GmbH nicht schlechter gestellt. Eher ist das Gegenteil der Fall. Das durch Eigenmittel der Gründungsgesellschafter aufgebrachte Vermögen ist im Zeitpunkt der Insolvenz verwirtschaftet und steht für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht mehr zur Verfügung. Ohne reale Vermögensaufbringung sind die Zahlungen auf die Stammeinlagen noch nicht erfolgt, so dass die Gesellschaft weiterhin (vorbehaltlich der Verjährung) die entsprechenden Ansprüche gegen ihre Gesellschafter hat und die Gläubiger daraus befriedigt werden können. Groß ist dieser Vorteil bei Einlageansprüchen in Höhe nur des gesetzlichen Mindeststammkapitals freilich nicht. 346

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Es tritt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Nach der lex lata folgt auf die reale Kapitalaufbringung die unbedingte Kapitalerhaltung nach § 30 Abs. 1 GmbHG. Das MoMiG soll diesen wichtigen Zusammenhang zwar nicht gänzlich beseitigen, wohl aber in bedeutsamer Weise einschränken. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in der durch Art. 1 Nr. 11 MoMiG vorgeschlagenen Fassung soll die Kapitalbindung nicht mehr gelten für Vorleistungen der Gesellschaft auf einen Vertrag mit einem Gesellschafter, wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt36. Abgesehen von der konturenlosen und recht beliebigen Ausdeutungen zugänglichen Voraussetzung des Interesses der Gesellschaft: Die jederzeitige, also auch schon unmittelbar nach der realen Kapitalaufbringung zulässige Auszahlungsmöglichkeit steht zur Kapitalaufbringung durch Einzahlung in einem bedenklichen Kontrast. Wenn das Interesse der Gesellschaft keineswegs unbedingt die Erhaltung des Stammkapitals verlangt, sondern die Umstellung auf einen gegen den Gesellschafter gerichteten Darlehensrückzahlungsanspruch zulässig ist, dann ist schwerlich begründbar, warum im Interesse der Gesellschaft unbedingt eine reale Vermögensaufbringung durch die Gesellschafter im Gründungsstadium erfolgen muss. Die reale Aufbringung eines Vermögens in Höhe des Betrages der Stammkapitalziffer durch die Gründer der Gesellschaft im Gründungsvorgang wird oftmals als Seriositätsschwelle für die Gründung einer GmbH verstanden37. Der Jubilar hat sie plastisch als Eintrittskarte in die Wärmehalle der beschränkten Haftung bezeichnet38. Ein gewisser Seriositätseffekt im Sinne eines Ernsthaftigkeitsnachweises lässt sich der realen Kapitalaufbringung gewiss nicht absprechen39. Die Frage ist aber doch, wie stark dieser Effekt in der Unternehmenswirklichkeit ist und ob er die mit der Kapitalaufbringung verbundenen erheblichen Nachteile für die Attraktivität der GmbH rechtfertigt. Die Seriosität ist zunächst einmal nur eine halbe, da bei der Bargründung auf die Stammeinlagen insgesamt nur die Hälfte des Mindeststammkapitals eingezahlt werden muss (§ 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Eine Frist für die Einzahlung der anderen Hälfte besteht nicht. Eigenartigerweise verjährt der Anspruch auf die Einlagen sogar in zehn Jahren (§ 19 Abs. 6 GmbHG), so dass dann die reale Kapitalaufbringung insoweit nicht (mehr) stattfindet. Es handelt sich also um die Aufbringung von 12500 Euro, bei mehreren Gründern geteilt durch deren Zahl. Diese Regelung hat weder das massenhafte Auftreten von Vorratsgesellschaften in der Hand identischer Gründer noch die Entstehung unterkapitalisierter, schnell insolvenzreifer Gesellschaften verhindert. Mit dem MoMiG wird das Mindeststammkapital auf 10 000 Euro

__________ 36 Kritisch dazu im Hinblick auf die Kapitalaufbringung Priester, ZIP 2006, 1557 (1559 ff.). 37 Priester (Fn. 11), S. 1 (5) m. w. N. 38 Priester (Fn. 11), S. 1 (6). 39 Kleindiek, ZGR 2006, 335 (341 ff.); Teichmann, NJW 2006, 2444 (2446).

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herabgesetzt. Es geht dann nur noch um die Aufbringung von insgesamt 5000 Euro. Es ist zu vermuten, dass damit ein relevanter Seriositätseffekt bei den heutigen Verhältnissen nicht mehr verbunden ist, jedenfalls keiner, für den man die Attraktivitätsnachteile der gegenwärtigen Kapitalaufbringung in Kauf nehmen sollte.

III. Eigenkapitalersatz Das Recht der eigenkapitalersetzenden Leistungen befindet sich im Gefolge des Vordringens der Limited in einer besonders heftigen Diskussion über die Notwendigkeit einer Reform. Befürwortern grundsätzlicher Änderungen40 stehen Stellungnahmen gegenüber, die das Eigenkapitalersatzrecht grundsätzlich für richtig halten41. Dazu ist hier nicht Stellung zu nehmen. Es wird vielmehr der Frage nachgegangen, ob das Recht der eigenkapitalersetzenden Leistungen eine gleichsam notwendige Folge der Konzeption eines festen gesetzlichen Mindeststammkapitals ist. Wäre dies so, dann würde sich die mit diesem Regelungssystem verbundene Problematik nur für Gesellschaftsrechtsordnungen mit festem Mindestkapital stellen. Für andere Gesellschaftsrechtsordnungen würde die Problematik entfallen, was angesichts des hohen Grades an Kompliziertheit des Regelungssystems und dem damit verbundenen ökonomischen Aufwand ein Attraktivitätsvorteil sein könnte. Die Rechtsprechung hat, nach anfänglichen Versuchen mit dem Missbrauchsgedanken42, die Regeln über die Behandlung von Finanzierungsdarlehen der Gesellschafter an die GmbH in Analogie zu §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG entwickelt43. Die Wortschöpfung „eigenkapitalersetzend“ bzw. „kapitalersetzend“ deutet den Zusammenhang mit dem Stammkapital an, ist aber gleichzeitig auch geeignet, diesen Zusammenhang als notwendig gegeben festzulegen. Die Gesetzgebung ist der Anlehnung an die Bestimmungen über die Erhaltung des Stammkapitals gefolgt, indem die §§ 32a, 32b GmbHG räumlich an das Recht der Kapitalerhaltung anschließen und sich textlich auf das Eigenkapital (§ 32a Abs. 1 GmbHG) bzw. den Eigenkapitalersatz (§ 32a Abs. 3 Sätze 2 und 3 GmHG) beziehen. Demgemäß wird die Wertungsgrundlage für die Behandlung von Finanzierungsdarlehen der Gesellschafter in der Notwendigkeit einer Gleichstellung mit dem Eigenkapital gesehen44.

__________ 40 Z. B. Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.; Röhricht, ZIP 2005, 505 ff.; Schiffer, BB− Special 7, 2006, 14 ff. 41 Von Gerkan in FS Lutter, 2000, S. 1317 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 2005, 797 ff.; Hommelhoff, Die GmbH−Reform in der Diskussion, 2006, S. 115 ff.; alle m. w. N. 42 RG, JW 1938, 862 f.; RG, JW 1939, 354 (356). 43 BGH, BGHZ 67, 171 (174); BGH, BGHZ 75, 334 (336); BGH, BGHZ 76, 326 (328 f.); BGH, BGHZ 81, 252 (257); BGH, BGHZ 90, 381 (388 f.); BGH, BGHZ 109, 55 (57 f.); BGH, BGHZ 127, 336 (344 f.). 44 Karsten Schmidt in Scholz, GmbH-Gesetz, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b GmbHG Rz. 2, 8; von Gerkan (Fn. 41), S. 1317 (1319 ff.) m. w. N.

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Indessen trifft die Verquickung der rechtlichen Behandlung von Finanzierungsdarlehen der Gesellschafter mit dem Stammkapital bzw. dem Grundsatz der Kapitalerhaltung, wie im Schrifttum schon bemerkt wurde45, nicht das Richtige. Die Problematik der „Finanzierungsfolgenverantwortung“46 betrifft das Verhältnis der Gesellschafter zu den (anderen) Gläubigern und tritt bei Gesellschaften ohne persönliche Haftung der Gesellschafter unabhängig von deren Rechtsform auf47. Es geht um Maßnahmen der Gesellschafter, mit denen eine drohende Insolvenz der Gesellschaft verhindert wird48. Unabhängig davon, ob man die Limited als eine Gesellschaft ohne Mindestkapital49 oder – richtiger – als eine Gesellschaft mit frei wählbarem Mindestkapital ansieht, ist die Finanzierungsproblematik in völlig gleicher Weise wie bei einer GmbH gegeben. Es ist sogar davon auszugehen, dass die Problematik für die Limited, wenn man die Problematik überhaupt als eine solche ansieht, praktisch bedeutsamer ist als für die GmbH, weil bei Fehlen eines ausreichenden gesetzlichen Mindestkapitals ein laufender Finanzierungsbedarf entsteht, der durch Leistungen der Gesellschafter gedeckt werden muss. Unterstellt, dass es bei der Limited Insolvenzen und Finanzierungsdarlehen ihrer Gesellschafter gibt, muss daher auch für die Limited entschieden werden, in welchem Verhältnis die Darlehensrückzahlungsansprüche der Gesellschafter zu den Forderungen anderer Gläubiger gegen die Gesellschaft stehen. Dabei können sehr verschiedene Wege beschritten werden, je nachdem, welche Einstellung man gegenüber derartigen Finanzierungsdarlehen hat. Dementsprechend lassen sich bei der Limited die gleichen Regelungen für Finanzierungsdarlehen entwickeln, wie sie mit den Bestimmungen über eigenkapitalersetzende Leistungen für die GmbH gelten. Wenn daher die für die GmbH bestehenden Regelungen über die rechtliche Behandlung eigenkapitalersetzender Darlehen einen Attraktivitätsnachteil gegenüber der Limited darstellen sollten, so ist dafür nicht die Konzeption eines festen gesetzlichen Mindeststammkapitals verantwortlich. Es geht vielmehr um unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen über die Verteilung von Risiken zwischen Gesellschaftern und Gläubigern der Gesellschaft. Im Kern geht es darum, dass die Aufrechterhaltung der Gesellschaft durch Darlehen (bzw. sonstige Leistungen) die Befriedigungschancen der Gläubiger gegenüber einer sofortigen Liquidation mindern können50. Können, aber nicht müssen. Die Entscheidung der Gesellschafter, zwar kein weiteres Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, wohl aber mit der Darlehenshingabe ein

__________ 45 Reiner in FS Boujong, 1996, S. 415 (416 ff., 439 ff.); Fastrich in FS Zöllner, 1998, Band I, S. 143 ff. m. w. N. 46 So BGH, BGHZ 127, 336 (344 f.). 47 Karsten Schmidt in Scholz (Fn. 44), §§ 32a, 32b GmbHG Rz. 20. 48 Vgl. BGH, BGHZ 127, 336 (344); Reiner (Fn. 45), S. 415 (416); Karsten Schmidt in Scholz (Fn. 44), §§ 32a, 32b GmbHG Rz. 5; von Gerkan (Fn. 41), S. 1317 (1319 f.). 49 So Lutter, BB-Special 7, 2006, 2 (3). 50 Von Gerkan (Fn. 41), S. 1320.

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zusätzliches Finanzierungsrisiko einzugehen, kann auch von wirtschaftlichem Erfolg getragen sein und damit den Gläubigern der Gesellschaft zugute kommen. Es ist daher keineswegs ausgemacht, dass die Lösung des deutschen Rechts mit ihrer Diskriminierung von Finanzierungsdarlehen die allein angemessene ist. Jedenfalls kommt es aber nicht auf das gesetzlich festgelegte Mindeststammkapital an, sondern auf die Überzeugung von der Richtigkeit der Regeln. Mit Art. 1 Nr. 11 und 13 MoMiG sollen die §§ 32a, 32b GmbHG aufgehoben sowie die so genannten Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Leistungen beseitigt werden zugunsten einer insolvenzrechtlichen bzw. anfechtungsrechtlichen Lösung. Die Beseitigung eines eigenständigen Eigenkapitalersatzrechts legt keineswegs die Axt an den Stamm der Konzeption des festen Mindeststammkapitals, sondern ist mit ihr ohne weiteres vereinbar. Die Aufgabe der Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen ist eine rechtspolitisch mögliche Lösung des Konflikts zwischen der Unerwünschtheit einer materiellen Unterkapitalisierung und der diese gerade herbeiführenden Möglichkeit einer Finanzierung durch Darlehen der Gesellschafter. Die Bedeutung des Mindeststammkapitals wird dadurch nicht beeinträchtigt.

IV. Fazit 1. Die Konzeption des festen Stammkapitals im Recht der GmbH hat sich in der Vergangenheit bewährt, und sie ist dazu auch künftig in der Lage. Es sind jedoch keineswegs alle Regeln, die für das Stammkapital gelten oder entwickelt worden sind, eine notwendige Folge dieser Konzeption. Die Konzeption ist vielmehr offen für alternative Regeln, mögen sie aus sich heraus sinnvoll sein oder eine Reaktion auf einen Anpassungsdruck durch wählbare andere Gesellschaftsrechtsformen sein. Attraktivitätsnachteile der GmbH können damit beseitigt werden. 2. Die Konzeption gibt nicht zwingend vor, ob ein Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG entfällt, wenn die Unterbilanz anderweitig beseitigt wird. Eine für die Praxis sinnvolle Lösung sollte für den Regelfall das Erlöschen des Anspruchs regeln, aber Ausnahmen für besondere Gestaltungen zulassen. 3. Die reale Kapitalaufbringung ist nicht untrennbar mit der Konzeption des festen Mindeststammkapitals verbunden. Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung können durch ein System offener Einlagen mit Gewinnthesaurierung zu einer Einheit verbunden werden. 4. Das Recht der eigenkapitalersetzenden Leistungen ist keine zwangsläufige Folge der Konzeption des festen Mindeststammkapitals. Die eigenkapitalersetzenden Leistungen können zwar, müssen aber nicht wie Eigenkapital 350

Das Kapital in Bedrängnis

behandelt werden. Die Ablösung des bisherigen Rechts der eigenkapitalersetzenden Leistungen durch eine insolvenzrechtliche bzw. anfechtungsrechtliche Regelung lässt die Konzeption des festen Mindeststammkapitals unberührt.

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Susanne Kalss*

Grenzüberschreitendes zur Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Form und Formzweck III. Übereinstimmungen und Divergenzen bei der Reichweite der Formpflicht

IV. Kollisionsrechtliche Beurteilung 1. Aus österreichischer Sicht 2. Aus deutscher Sicht V. Zusammenschau

I. Einleitung Das deutsche und das österreichische Gesellschaftsrecht sind historisch eng miteinander verwoben. Zurückzuführen ist dies auf das allgemeine Handelsgesetzbuch (AHGB bzw ADHGB) von 1862, das das Recht der Handelsgesellschaften für die deutschen Staaten in Österreich einheitlich regelte1. Im Jahr 1937 wurden das deutsche HGB von 1897 und das deutsche Aktiengesetz 1937 in Österreich eingeführt; beide Gesetze blieben nach Kriegsende im Wesentlichen unverändert in Geltung2. Auch im Bereich des GmbH-Rechts besteht eine enge Verwandtschaft. Österreich war eines der ersten Länder, die das deutsche GmbH-Gesetz von 1892 zur Einführung dieser neuen Rechtsform inspirierte. Freilich wurde das deutsche GmbHG nicht einfach übernommen, sondern in jahrelanger und sorgfältiger legistischer Kleinarbeit ein eigenes, auf die österreichischen Verhältnisse abgestimmtes Gesetz erarbeitet3. Dennoch hat sich das österreichische GmbH-Recht nie ganz von seinem deutschen Vorbild gelöst, sowohl die rechtsdogmatische als auch die rechtspolitische Diskussion bewegt sich bei den Ländern in ähnlichem Rahmen.

__________ * Ich danke meinem Assistenten, Herrn Dr. Georg Eckert, sehr herzlich für seine wichtigen Vorarbeiten. 1 Siehe dazu nur Kalss/Burger/Eckert, Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts, 2003, S. 86 ff. 2 Die am 1.1.2007 in Kraft getretene Handelsrechtsreform benennt das HGB in UGB um und enthält weitgehende Änderungen, insbesondere im 1., 2. und 4. Buch. Die Paragraphenzählung des deutschen HGB wurde aber weiter beibehalten, so dass trotz Umbenennung des Gesetzes eine über weite Strecken inhaltsgleiche und auch gleichlautende Regelung vorliegt. 3 Siehe Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, 2004, S. 54 ff., dort (S. 70) auch zu dem parallel erarbeiteten Aktiengesetzentwurf 1900, der aber nie in Kraft gesetzt wurde.

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Dies hat jedenfalls den Vorteil der Erleichterung und Zugänglichkeit des jeweils anderen Rechts und fördert nicht nur den wissenschaftlichen Austausch, sondern erleichtert gerade in Zeiten des Zusammenwachsens des europäischen Binnenmarkts den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr. Der vorliegende Beitrag nimmt einen typischen, im GmbH-Recht regelmäßig vorkommenden Fall des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs genauer unter die Lupe: Es geht um die Übertragung von Geschäftsanteilen einer deutschen GmbH, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Deutschland, sondern in Österreich vorgenommen wird. Umgekehrt soll auch die Übertragung von Anteilen an einer österreichischen GmbH behandelt werden, wenn sich die Parteien der Anteilsübertragung in Deutschland aufhalten. Die Verfasserin hofft daher, das Interesse eines Notars zu wecken, ist doch gerade er mit derartigen Gestaltungen befasst. Beide Rechtsordnungen verlangen für die GmbH-Anteilsübertragung die Einhaltung der notariellen Form. Es wird sich allerdings zeigen, dass der Anwendungsbereich des Formgebots im österreichischen und deutschen Recht teilweise durchaus unterschiedlich weit reicht. Mit der divergierenden materiellen Rechtslage gewinnt die Frage des auf einen solchen Sachverhalt anwendbaren Rechts, somit die kollisionsrechtliche Beurteilung, besondere Bedeutung. Auch hier ergibt der Rechtsvergleich, dass nicht nur die materielle Rechtslage, sondern auch die kollisionsrechtliche Behandlung in Österreich und Deutschland voneinander abweichen, was dazu führen könnte, dass die Gerichte des einen Staats eine Anteilsübertragung als wirksam ansehen, die von den Gerichten des anderen Staats als unwirksam behandelt wird. Im Regelfall wird den Parteien daran gelegen sein, dass die Anteilsübertragung von den Gerichten beider Rechtsordnungen anerkannt wird. Nur in Ausnahmefällen – zu denken ist an Übertragungen im Konzern, für die steuerrechtliche Überlegungen ausschlaggebend sind – wird es vorrangig auf die Beurteilung in einem der beiden beteiligten Staaten ankommen. Jedenfalls aus Sicht des österreichischen Steuerrechts hat die Steuerbehörde bei der Beurteilung zivilrechtlicher Vorfragen von der österreichischen Rechtsordnung und in diesem Rahmen bei der Beurteilung kollisionsrechtlicher Fragen von den in Österreich geltenden internationalprivatrechtlichen Bestimmungen auszugehen. Im Folgenden wird zuerst der – in beiden Ländern weitgehend, aber nicht völlig identisch beurteilte – Zweck der Formpflichtigkeit der GmbH-Anteilsübertragung, anschließend die Reichweite der Formpflicht behandelt. Danach wird auf die kollisionsrechtliche Anknüpfung des Formerfordernisses jeweils nach österreichischem und deutschem Kollisionsrecht eingegangen. Abschließend werden die praktischen Auswirkungen der u. U. divergierenden kollisions- und materiellrechtlichen Beurteilung erörtert.

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Grenzüberschreitendes zur Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen

II. Form und Formzweck Sowohl das österreichische als auch das deutsche GmbHG unterwerfen die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen der notariellen Form. Das dGmbHG verlangt eine notarielle Beurkundung, während das öGmbHG die Errichtung eines Notariatsakts gem §§ 52 ff. NO vorschreibt. Trotz der unterschiedlichen Bezeichnung besteht in der Sache eine weitgehende Übereinstimmung der beiden Formerfordernisse: Gegenstand der Beurkundung ist die Abgabe von Willenserklärungen, mit der insbesondere eine Belehrungspflicht des Notars einhergeht4. Die österreichische Notariatsordnung versteht unter notarieller Beurkundung etwas anderes als das deutsche Beurkundungsgesetz, nämlich die Beurkundung von Tatsachen durch den Notar, etwa die Echtheit einer Unterschrift (§ 76 NO). Unter einem Notariatsakt versteht die österreichische NO dagegen eine „Notariatsurkunde über Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte“. Bei der Aufnahme eines Notariatsakts ist der Notar verpflichtet, die persönliche Fähigkeit und Berechtigung jeder Partei zum Abschluss des Geschäfts nach Möglichkeit zu erforschen, die Parteien über den Sinn und die Folgen desselben zu belehren und sich von ihren ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen; weiters ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Vorlesung des Aktes durch persönliches Befragen sich zu vergewissern, dass der selbe dem Willen entsprechend ist. Dunkle, zweideutige und rechtlich wirkungslose Bestimmungen lösen eine Belehrungspflicht des Notars ebenso aus wie Bestimmungen, von denen zu besorgen ist, dass sie der Übervorteilung eines der Kontrahenten dienen (§ 53 NO). Der in beiden Rechtsordnungen übereinstimmend zu Grund gelegte Formzweck liegt in der Verhinderung eines börsenartigen Handels von GmbH-Geschäftsanteilen5. In der Formvorschrift kommt ein ganz wesentliches Element der Zweiteilung des Kapitalgesellschaftsrechts zum Ausdruck, nämlich in die auf die Beteiligung von Kleinanlegern mit Splitterbesitz ausgerichtete Aktiengesellschaft einerseits und die GmbH andererseits, der das Leitbild der geschlossenen Gesellschaft zu Grunde liegt6. An der Wiege der GmbH stand die Überlegung, dass die durch die deutsche Aktienrechtsnovelle 1884 geschaffene und in der weiteren Rechtsentwicklung maßgeblich weiter ausgebaute strenge Durchregulierung des Aktienrechts durch den Schutz der Kleinanleger motiviert und daher überflüssig ist, wenn ein geschlossener Gesellschafterkreis vorliegt. Dies machte die Schaffung der fle-

__________ 4 §§ 52 ff. NO, §§ 6 ff. BeurkG. 5 Siehe für Deutschland nur Winter/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 15 GmbHG Rz. 5; M. Winter/Löbbe in Ulmer, GmbHG, 2005, § 15 GmbHG Rz. 111; in Österreich Kalss/Eckert/Trenkwalder in Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2003, S. 1 (7 ff., 12 f., 16 ff.); Schauer in Kalss/Schauer, GA 16. ÖJT, 2006, S. 729 ff. 6 Kalss in Kalss/Schauer, GA 16. ÖJT, 2006, S. 52 ff.

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xiblen und auf privatautonomer Gestaltung aufbauenden GmbH möglich, erforderte aber auch zugleich Maßnahmen, die den Einsatz der Rechtsform zur Umgehung des strengen Aktienrechts verhindern. Der österreichische und der deutsche Gesetzgeber fanden diese Maßnahmen in der gezielten Erschwerung der Anteilsübertragung, worunter gerade auch die Formpflicht der Übertragung von Anteilen fällt7. Neben diesem zentralen Formzweck werden in Österreich und Deutschland noch weitere – allerdings in den jeweiligen Ländern nicht völlig deckungsgleiche – Formzwecke anerkannt. Zum deutschen Recht geht die ganz h. M. davon aus, dass die Formpflichtigkeit der Anteilsübertragung auch der Beweissicherung dienen soll8. Diese Funktion wird teilweise auch im österreichischen Recht anerkannt, aber – vor allem aufgrund der Tatsache, dass sie anders als im deutschen Recht nicht aus den Gesetzesmaterialien ableitbar ist – eher kritisch gesehen9. Stattdessen legen Rechtsprechung und Teile der Literatur der Notariatsaktpflicht den Zweck des (individuellen) Erwerberschutzes bei10. Dieser Formzweck wird wiederum in Deutschland zumindest nicht durchwegs und jedenfalls nicht von der Judikatur anerkannt11. In rechtspolitischer Sicht ist die Formpflicht in beiden Ländern umstritten. In Österreich war sie jüngst ein Thema des 16. Österreichischen Juristentags, der sich umfassend mit der Reform des Kapitalgesellschaftsrechts auseinandersetzte. Die besseren Gründe sprechen – aus österreichischer Sicht und aus der Sicht des Gesellschaftsrechts – für ein Abgehen vom Erfordernis des Notariatsakts12. Ungeachtet dessen wird die Diskussion, nicht zuletzt aus standespolitischen Gründen, sehr heftig geführt und hat sich längst auf andere Formgebote in- und außerhalb des Gesellschaftsrechts ausgeweitet. Angesichts der standespolitischen Bedeutung der Diskussion wird die Nota-

__________ 7 Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, S. 97. 8 Siehe wiederum M. Winter/Löbbe in Ulmer (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 111 mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien zum dGmbHG. 9 Schauer in Kalss/Schauer, GA 16. ÖJT, 2006, S. 733; Koppensteiner, Kommentar zum GmbHG, 2. Aufl. 1999, § 76 GmbHG Rz. 10; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung, 1998, S. 116 f.; Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 548; a. A. OGH, 1 Ob 519/90, JBl 1990, 715; 6 Ob 542/90, ecolex 1990, 551; weiters etwa Auer, JBl 2002, 445 f.; P. Bydlinski, Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen, 1991, S. 37. 10 OGH, 1 Ob 519/90, JBl 1990, 715; 6 Ob 542/90, ecolex 1990, 551; 9 Ob 165/02h; 6 Ob 241/98d; P. Bydlinski (Fn. 9), S. 35 ff.; Fitz/Roth, JBl 2004, 208 f.; Auer, JBl 2002, 441 (442 ff.); Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 1990, S. 422; a. A. wiederum Koppensteiner (Fn. 9), § 76 GmbHG Rz. 16; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung, 1998, S. 115 f.; Schauer in Kalss/ Schauer, GA 16. ÖJT, 2006, S. 732 f. 11 Siehe BGH, ZIP 1996, 1901 (1902); RG, RGZ 135, 70 (71); ferner etwa M. Winter/ Löbbe in Ulmer (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 41. 12 Schauer in Kalss/Schauer, GA 16. ÖJT, 2006, S. 734 ff.; Torggler/Konwitschka, Referat zum 16. ÖJT, Verhandlungen zum 16. ÖJT, 2006 (in Druck); beide mit allen Nachweisen des Meinungsstands in Österreich.

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riatsaktspflicht bei der GmbH-Anteilsübertragung zumindest in Österreich wohl noch ein langes Leben haben.

III. Übereinstimmungen und Divergenzen bei der Reichweite der Formpflicht Wendet man sich der inhaltlichen Reichweite der Formpflicht zu, so lassen sich im Rechtsvergleich Österreich – Deutschland weitgehende Übereinstimmungen, aber auch Divergenzen feststellen. Eine vollständige Aufarbeitung aller Fragen der Reichweite der Formpflicht ist im gegebenen Rahmen nicht möglich, dennoch sollen hier einige wichtige Zweifelsfragen herausgegriffen werden. Beide Gesetze sprechen zunächst ausdrücklich aus, dass sowohl die Begründung zur Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils (Verpflichtungsgeschäft) als auch die Abtretung als solche (Verfügungsgeschäft) der Formpflicht unterworfen sind (§§ 15 Abs. 3 und 4 dGmbHG, 76 Abs. 2 öGmbHG). Schon insoweit besteht eine erhebliche Divergenz: Während das dGmbHG gem § 15 Abs. 4 ausdrücklich normiert, dass ein formunwirksam getroffenes Verpflichtungsgeschäft durch einen gültigen Abtretungsvertrag saniert wird, fehlt eine entsprechende Bestimmung im öGmbHG. Die Position der Judikatur zu dieser Frage ist nicht klar13. Sollte sich in der Judikatur die Auffassung durchsetzen, dass eine nachträgliche Heilung nicht möglich ist14, hätte dies nach dem dem ABGB zu Grunde liegenden Prinzip der kausalen Tradition aber möglicherweise15 zur Folge, dass der Erwerber überhaupt keine Gesellschafterstellung erwirbt. Eine weitere wichtige Divergenz ergibt sich in der Wirksamkeit von außerhalb der notariellen Urkunde getroffenen Nebenabreden: Während zum deutschen Recht zufolge des sogenannten Vollständigkeitsgrundsatzes davon ausgegangen wird, dass grundsätzlich alle Nebenabreden in der notariellen Urkunde getroffen werden müssen16, ist die österreichische Judikatur weit großzügiger und gestattet die Vereinbarung von Nebenabreden, ja sogar der

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13 Zuletzt OGH, 7 Ob 287/03n; sämtliche (jüngeren) OGH-Entscheidungen können im Internet unter www.ris.bka.gv.at/jus im Volltext abgerufen werden. 14 Für eine Heilung durch ein formwirksames Verfügungsgeschäft Dehn (Fn. 10), S. 227 f.; P. Bydlinski (Fn. 9), S. 57 ff.; Enzinger, Anwaltsblatt 2001, 514 f.; Koppensteiner (Fn. 9), § 76 GmbHG Rz. 25. 15 Aus § 1432 ABGB, der eine Leistungskondiktion aufgrund eines bloß wegen Mangels der Form unwirksamen Rechtsgeschäfts ausschließt, ist aber nach richtiger Auffassung zu schließen, dass die beiderseitige vollständige Erfüllung das formunwirksame Grundgeschäft selbst heilt. 16 Siehe BGH, GmbHR 1989, 194 (195); BGH, ZIP 1996, 1902; weiters Winter/Seibt in Scholz (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 66; Winter/Löbbe in Ulmer (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 77 f.; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 15 GmbHG Rz. 16; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 15 GmbHG Rz. 30.

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Höhe des Kaufpreises auch außerhalb des Notariatsakts17. Betrachtet man die von der Judikatur und hM in Österreich zu Grunde gelegten Formzwecke, ist das auch völlig einleuchtend18. Größere Übereinstimmung von österreichischem und deutschem Recht ergibt sich im Zusammenhang mit der Formbedürftigkeit von Vereinbarungen zwischen Treuhänder und Treugeber. Übereinstimmung der beiden Rechtsordnungen besteht zunächst insoweit, dass das Formgebot auf die aus dem Treuhandvertrag erwachsende Verpflichtung zur Rückübertragung des GmbHGeschäftsanteils an den Treugeber nicht anwendbar ist19. Der OGH hat diesen Grundsatz in einer im Jahr 2002 ergangenen Entscheidung dahingehend eingeschränkt, dass das Formgebot sehr wohl Anwendung findet, wenn der Treuhänder den bisher auf eigene Rechnung gehaltenen Geschäftsanteil fortan auf Rechnung des Treugebers halten soll. Dies erfordere der Formzweck der Fernhaltung der Geschäftsanteile vom Kapitalmarkt20. Dies entspricht der sogenannten Vereinbarungstreuhand, die nach der deutschen Judikatur ebenfalls gem § 15 Abs. 4 dGmbHG formpflichtig ist21. Zum Treugeberwechsel liegt bislang keine Entscheidung des OGH vor. Man wird aber aus der zuvor zitierten Entscheidung ableiten dürfen, dass auch dieser der Formpflicht gem § 76 Abs. 2 öGmbHG unterworfen ist. Gleiches vertritt der deutsche BGH22. Im Fall der sogenannten Erwerbstreuhand gilt das Formgebot nach übereinstimmender Judikatur des BGH23 und des OGH24 für den Treuhandvertrag nicht, wohl aber für das Rechtsgeschäft des Treuhänders mit dem Dritten, von dem der Treuhänder den Geschäftsanteil erwirbt. Etwas überraschend vertritt der OGH die Auffassung, dass die entgeltliche Aufhebung des Treuhandvertrags mit dem Zweck, dass der Treuhänder den Geschäftsanteil fortan auf eigene Rechnung halten soll, nicht notariatsaktpflichtig ist25. Dies steht im Widerspruch zu den vom OGH zur Vereinba-

__________ 17 OGH, 5 Ob 41/01t. 18 So auch Winter/Seibt in Scholz (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 66b m. w. N. 19 OGH, 8 Ob 565/87, SZ61/153; 2 Ob 597/88; 6 Ob 100/97t; 6 Ob 241/99f; 8 Ob 259/02z; 7 Ob 287/03m; s auch Koppensteiner (Fn. 10), § 76 GmbHG Rz. 22; für Deutschland Winter/Seibt in Scholz (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 230. 20 OGH, 8 Ob 259/02z. 21 Siehe bereits RG, RGZ 124, 371 (377); BGH, BGHZ 141, 207 (213); Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 16), § 15 GmbHG Rz. 57; Lutter/Bayer in Lutter/ Hommelhoff (Fn. 16), § 15 GmbHG Rz. 61; Winter/Seibt in Scholz (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 230. 22 BGH, NJW 1980, 1100 (1101); aus der Kommentarliteratur Winter/Seibt in Scholz (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 230; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 16), § 15 GmbHG Rz. 57; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 16), § 15 GmbHG Rz. 63. 23 BGHZ 19, 69 (70). 24 OGH, 7 Ob 287/03m. 25 OGH v. 27.5.1992 – 6 Ob 545/92, SZ 65/82; OGH v. 26.8.1993 – 2 Ob 535/93, ecolex 1994, 27; OGH v. 29.9.1998 – 1 Ob 226/98m, ecolex 1999, 104.

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rungstreuhand aufgestellten Rechtssatz, dass die Formpflicht nur dann eingreife, wenn sich die wirtschaftliche Zuordnung des Treugutes verändere26.

IV. Kollisionsrechtliche Beurteilung 1. Aus österreichischer Sicht Besteht bei der Begründung einer schuldrechtlichen Verpflichtung zur Übertragung eines GmbH-Anteils ein grenzüberschreitender Bezug, stellt sich die Frage der kollisionsrechtlichen Anknüpfung der Formpflicht. Ein solcher grenzüberschreitender Bezug kann sich aus österreichischer Sicht einmal dadurch ergeben, dass die für die Übertragung respektive Begründung der Übertragungsverpflichtung von Anteilen an einer österreichischen GmbH notwendigen Willenserklärungen im Ausland – das heißt im Rahmen des hier gestellten Themas in Deutschland – abgegeben werden. Andererseits kann es auch vorkommen, dass Anteile an einer ausländischen (deutschen) GmbH in Österreich übertragen werden bzw. die Verpflichtung zur Übertragung in Österreich begründet wird. Das österreichische internationale Privatrecht enthält für die Anknüpfung für Formfragen eigene Tatbestände, und zwar § 8 IPRG und Art. 9 EVÜ. Anders als in Deutschland wurde das EVÜ nicht in österreichische Gesetzesbestimmungen gegossen, vielmehr wurden die Bestimmungen des IPRG über Schuldverträge (§§ 36–45 IPAG a. F.) aufgehoben; für die kollisionsrechtliche Anknüpfung von vertraglichen Schuldverhältnissen gilt allein das EVÜ. Außerhalb des Anwendungsbereichs des EVÜ ist der Sachverhalt nach den Regeln des IPRG anzuknüpfen. Bezüglich der kollisionsrechtlichen Beurteilung des Verpflichtungsgeschäfts ist vorweg als Fußnote anzumerken, dass der Kauf von Geschäftsanteilen nach auch in Österreich herrschender Meinung nicht dem UN-Kaufrecht unterliegt: Zwar nimmt Art. 2 lit. d CISG nur den Kauf von Wertpapieren vom Anwendungsbereich aus, doch ist auch ein nicht verbriefter Geschäftsanteil nicht unter dem Begriff „Ware“ gem Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens zu subsumieren27. Unkörperliche Sachen und somit auch Rechte und daher auch GmbH-Geschäftsanteile gelten nämlich von vornherein nicht als Ware im Sinne des Art. 1 CISG28. Hieraus wiederum ergibt sich, dass sich die Parteien eines Anteilskaufvertrags nicht auf den Grundsatz der Formfreiheit gem Art. 11 CISG berufen können. Vielmehr ist die Form des Vertrags nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln.

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26 Siehe die Entscheidung v. 20.1.2004 – 4 Ob 256/03f. 27 Schauer, Kollisionsrechtliche Frage öffentlicher Übernahmeangebote, in FS Doralt, 2004, S. 529 (535); Adensamer, Zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Formfragen bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, WBl 2004, 508 (510). 28 Siehe Ferrari in Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 4. Aufl. 2004, Art. 1 CISG Rz. 36.

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Wie schon erwähnt, unterliegt die Bestimmung des auf vertraglichen Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts dem EVÜ, in Zukunft – nach Umsetzung des derzeit vorliegenden Kommissionsentwurfs –29 der Rom-I-VO. Gem Art. 1 Abs. 2 EVÜ ist das Übereinkommen allerdings auf Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht nicht anzuwenden. Eine solche Frage des Gesellschaftsrechts liegt aber bei einem Anteilskauf oder -tausch nach herrschender Meinung nicht vor30. Gem. Art. 9 Abs. 1 EVÜ ist ein zwischen Personen, die sich in dem selben Staat befinden, geschlossener Vertrag formgültig, wenn er entweder die Formerfordernisse des auf dem Vertrag nach dem EVÜ anzuwendenden Rechts (Geschäftsstatut, lex causae) oder des Rechts des Staates, in dem sich die Parteien befinden (Ortsrecht) erfüllt. Befinden sich die Parteien in verschiedenen Staaten, ist der Vertrag gültig, wenn auch nur die Formerfordernisse eines der beteiligten Ortsrechte oder des Geschäftsstatuts erfüllt sind. Wenn die Vertragsparteien – wie regelmäßig – das Geschäftsstatut gem Art. 3 EVÜ wählen können, können sie auch von der alternativen Formanknüpfung gem Art. 9 EVÜ abgehen. Auch die Wahl eines dritten Formstatuts ist zulässig31. Angewendet auf den in Deutschland vorgenommenen Abschluss eines Schuldvertrags, der die Übertragung eines Geschäftsanteils an einer österreichischen GmbH zum Gegenstand hat, würde dies bedeuten, dass der Vertrag entweder den deutschen Formvorschriften gem § 15 Abs. 4 dGmbHG (Ortsform) oder aber den Anforderungen jenes Rechts zu genügen hat, dem der Schuldvertrag nach dem im EVÜ niedergelegten Regelungen unterliegt. Im Fall des Anteilskaufs würde mangels Rechtswahl das Recht jenes Staates zur Anwendung kommen, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Hauptverwaltung oder seine Hauptniederlassung hat (Art. 4 Abs. 2 EVÜ). Den Parteien würde es aber auch freistehen, die Formpflicht gem. Art. 3 EVÜ gänzlich abzubedingen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Ergebnis mit den oben beschriebenen Formzwecken des § 76 Abs. 2 GmbHG in Konflikt gerät. Der naheliegendste Ausweg, den Anteilskaufvertrag nicht nach dem Schuldvertragsstatut, sondern nach dem Gesellschaftsstatut anzuknüpfen, scheidet aus, weil sich die – autonom auszulegende – Ausnahme gesellschaftsrechtlicher Fragen aus dem Anwendungsbereich des EVÜ gem. Art. 1 Abs. 2 nur auf Rechtsakte bezieht, die für die Errichtung der Gesellschaft erforderlich sind oder in die

__________ 29 KOM (2005) 605 endg. 30 Schauer in FS Doralt, 2004, S. 529 (536); OGH, SZ 62/28; Adensamer, WBl 2004, 508 (510); Adensamer, Ein neues Kollisionsrecht für Gesellschaften, 2006, S. 40; siehe a. Merkt, Internationaler Unternehmenskauf, 2. Aufl. 2003, Rz. 32 ff. 31 Adensamer, WBl 2004, 504 (510); Spellenberg in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2006, Art. 11 EGBGB Rz. 31.

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innere Struktur der Gesellschaft eingreifen32, nicht aber Rechtshandlungen, deren Ziel die Begründung von Verpflichtungen zwischen an der Gesellschaft interessierten Parteien ist, was gerade für den Beteiligungskauf bzw. sonstige Verträge, die eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Anteilsübertragung begründen, zutrifft. Eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation des Vorgangs scheidet daher aus. Der österreichische OGH hat aber einen anderen Weg gefunden, das Formgebot des § 76 Abs. 2 GmbHG bei Anteilsübertragungen im Ausland durchzusetzen, indem er diese Bestimmung als Eingriffsnorm qualifiziert33. Zwar ist diese Entscheidung vor dem Inkrafttreten des EVÜ ergangen, sie lässt sich aber wohl auch auf die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des EVÜ umlegen. Gem. Art. 7 Abs. 2 EVÜ berührt das Übereinkommen nicht die Anwendung der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichtes (in unserem Fall: Österreich) geltenden Bestimmungen, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Die Bestimmung enthält somit eine Öffnungsklausel für Eingriffsnormen des inländischen Rechts. Dass § 76 Abs. 2 des österreichischen GmbH-Gesetzes eine solche Eingriffsnorm darstellt, ist aber im österreichischen Schrifttum jüngst massiv in Zweifel gezogen worden34. Eine Stellungnahme dazu muss bei der Überlegung ansetzen, dass die originär gesellschaftsrechtliche Zielsetzung des § 76 Abs. 2 GmbHG und die Tatsache, dass diese Zielsetzung durch die Möglichkeit, Verträge über GmbH-Anteilsübertragungen formfrei im Ausland abzuschließen, vereitelt werden könnte, nicht ausreichen, um § 76 Abs. 2 GmbHG zur Eingriffsnorm zu machen. Erforderlich ist es vielmehr, dass die in Frage stehende Norm überindividuelle Interessen staats-, wirtschafts- oder sozialpolitischen Charakters schützen will. Der Schutzbereich der Norm muss somit über den privatrechtlichen Interessenausgleich hinausgehen und durch öffentliche Interessen motiviert sein. Soweit die betroffene Norm keine ausdrückliche Aussage über ihren internationalen Anwendungsbereich trifft, muss ihr Charakter als Eingriffsnorm im Wege der Auslegung ermittelt werden35. Daraus wird deutlich, dass der Formzweck des Übereilungsschutzes, der in Zusammenhang mit GmbH-Anteilsübertragungen immer wieder ins Spiel gebracht und auch von der Rechtsprechung vertreten wird36, die Charakterisierung des § 76 Abs. 2 GmbHG als Eingriffsnorm nicht zu tragen vermag37.

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32 Merkt, Internationaler Unternehmenskauf der Beteiligungserwerb, in FS Sandrock, 2000, S. 140; Leible in Michalsky, GmbHG, 2002, 1 Syst Darst 2 Rz. 106; Adensamer, WBl 508, 513; Adensamer (Fn. 30), S. 55; siehe a. BGH, WM 1995, 2113. 33 OGH, SZ 62/28. 34 Adensamer (Fn. 30), S. 53 ff.; Adensamer WBl 2004, 508 (512 ff.). 35 Siehe aus der Rechtsprechung des OGH etwa OGH, JBl 2003, 940, JBl 2002, 333 und viele andere. 36 Siehe oben II. 37 Insoweit zutreffend Adensamer (Fn. 30), S. 53.

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Weniger leicht fällt die Beurteilung mit Blick auf den vom historischen Gesetzgeber verfolgten Zweck der Fernhaltung der GmbH-Anteile vom Kapitalmarkt. Die Materialien des österreichischen Gesetzes sprechen insoweit von der Gefahr, dass breite Schichten der Bevölkerung wie bei der Aktiengesellschaft durch unsolide Gründungen in Zeiten wirtschaftlicher Krise in Mitleidenschaft gezogen werden könnten38. Der „feste Damm, den der Gesetzgeber gegen die Überschwemmung des Publikums mit Geschäftsanteilen errichtet“ habe, war somit die Rechtfertigung dafür, manche „Kautelen“ des Aktienrechts bei der GmbH entfallen zu lassen39. Aus heutiger Sicht bestehen diese „Kautelen“ in Rückbau anlegerschützender Vorschriften und überhaupt in der Zurückdrängung von zwingendem Recht im GmbH-Recht40. Hinter der Überlegung des Gesetzgebers steht somit eine kapitalmarktbezogene Zielsetzung, nämlich nur solchen Gesellschaftsformen den Zugang zum Kapitalmarkt zu gewähren, die ihrer gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltungen nach kapitalmarkttauglich sind. Wie im Herrenhausbericht aus dem Jahr 1905 zum Ausdruck kommt, stand der Gesetzgeber noch ganz im Eindruck der katastrophalen wirtschaftlichen Folgen des Börsenkrachs von 1873, der durch die – gemessen an den Anforderungen des Kapitalmarkts – unzureichende Ausgestaltung des Aktienrechts mitverursacht wurde. Ob die Befürchtungen des historischen Gesetzgebers aus heutiger Sicht völlig tragfähig sind, mag durchaus bezweifelt werden. Zunächst wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass die Formpflicht der Übertragung durchaus nicht der einzige Baustein des „festen Damms“ gegen den Handel mit Geschäftsanteilen ist41. Auch sind öffentliche Angebote von GmbHAnteilen zwar nicht (wie in anderen Rechtsordnungen)42 verboten, ziehen aber eine Prospektpflicht nach dem österreichischen KMG nach sich, da nach § 2 KMG auch Veranlagungen, somit unverbriefte Anteile, von der Prospektpflicht erfasst werden43. Aus praktischer Sicht erscheint es auch schwer vorstellbar, dass formfreie Übertragungen von GmbH-Anteilen im Ausland eine „Überschwemmung des Publikums“ mit solchen Anteilen bewirken würde. Schließlich erreicht auch der – durch keine Formpflicht verhinderte – Handel mit Kommanditanteilen bislang keine volkswirtschaftlich

__________ 38 Herrenhausbericht zum österreichischen GmbH 272 Beilagen Herrenhauses BlG HH XVIII. Session der Seite 6, abgedruckt bei Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, 2004, § 76 Rz. 1 (S. 625). 39 Herrenhausbericht BlG HH XVIII. Session der Seite 6, abgedruckt bei Kalss/Eckert (Fn. 38), § 76 Rz. 1 (S. 625). 40 Siehe wiederum nur Kalss in Kalss/Schauer, GA 16. ÖJT, 2006, S. 54 ff. 41 Adensamer (Fn. 30), S. 54 mit Verweis auf § 75 Abs. 2 GmbHG (Einheitlichkeit des Geschäftsanteils), die Teilungsregelung (§ 79 GmbHG) das Verbriefungsverbot gem. § 75 Abs. 3 und 4 GmbHG und der damit zusammenhängende Ausschluss der Börsennotierung gem § 1 Abs. 2 BörseG. 42 Vgl dazu etwa die Beiträge in Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, 2003. 43 Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I, 2005, § 10 Rz. 15.

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bedrohlichen Ausmaße. Ob all dies geeignet ist, § 76 Abs. 2 öGmbHG den Charakter als Eingriffsnorm abzusprechen, ist allerdings fraglich. Denn dass eine Norm unabdingbar erforderlich ist, um das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen, verlangt Art. 7 Abs. 2 EVÜ nicht. Es reicht, wenn eine Norm ein solches überindividuelles Ziel verfolgt und nach ihrem Zweck ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag ansonsten anwendbare Recht zur Anwendung kommen soll. Das dies auf § 76 Abs. 2 GmbHG zutrifft, sollte außer Zweifel stehen. Insgesamt ist der Charakter des § 76 Abs. 2 GmbHG als Eingriffsnorm somit eher zu bejahen. Auch aus rechtspraktischer Sicht ist wohl davon auszugehen, dass der Oberste Gerichtshof auch unter Zugrundlegung des EVÜ an seiner Auffassung festhalten wird. Es stellt sich allerdings die Frage, wie lange diese Auffassung des OGH noch aufrecht erhalten werden kann. Wie bereits oben erwähnt, liegt derzeit ein Vorschlag für eine Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sogenannte Rom-I-VO) vor, das das EVÜ ablösen soll44. Der Vorschlag baut zwar auf dem EVÜ auf, enthält aber durchaus auch Neuerungen. Eine Änderung im Vergleich zum EVÜ betrifft die Voraussetzungen der Anwendung von innerstaatlichen Eingriffsnormen. Nach Art. 8 Abs. 1 des Kommissionsvorschlags ist eine Eingriffsnorm eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung als so entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation eines Staates angesehen wird, dass ihre Anwendung ungeachtet des sonst anwendbaren Rechts auf alle Sachverhalte vorgeschrieben ist, die in den Anwendungsbereich der Norm fallen. Ob die Notariatsaktpflicht unter diese Definition der Eingriffsnorm subsumiert werden kann, ist wohl zu bezweifeln. Wendet man nun die vom OGH derzeit vertretenen Grundsätze auf das hier behandelte Thema – Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts über einen Anteil an einer österreichischen GmbH in Deutschland – an, folgt, dass österreichische Gerichte diese Anteilsübertragung an der Formvorgabe des § 76 Abs. 2 öGmbHG messen werden. Dies gilt zum einen für die Reichweite der Formpflicht, zum anderen aber auch selbstverständlich für die Voraussetzungen der Erfüllung der Formvorschrift selbst. Dies bedeutet aber nicht, dass nur die Beurkundung durch einen österreichischen Notar zulässig wäre. Vielmehr lässt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch die notarielle Beurkundung durch den deutschen Notar nach dem Beurkundungsgesetz genügen45. Der umgekehrte Vorgang – deutscher GmbH-Anteil wird in Österreich übertragen – ist für die Anwendbarkeit des EVÜ analog zu beurteilen. Nach Art. 9 EVÜ reicht jedenfalls die Einhaltung der (österreichischen) Ortsform

__________ 44 KOM (2005) 605 endg. 45 OGH v. 28.2.1991 – 6 Ob 1/91, ecolex 1991, 322; OGH v. 23.2.1989 – 6 Ob 525/89, SZ 62/28 im Anschluss an Schönherr, GesRZ 1985, 60.

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des § 76 öGmbHG oder alternativ die Einhaltung des Geschäftsstatuts, das heißt des auf den Schuldvertrag nach den Regeln des EVÜ anwendbaren Rechts, das auch frei vereinbart werden kann. Soweit der Vertrag österreichischem Recht unterliegt, bleibt es bei § 76 Abs. 2 GmbHG, unterliegt er deutschem Recht, kann alternativ auch § 15 Abs. 4 dGmbHG eingehalten werden. Abseits der Anwendung dieser allgemeinen Regelungen des EVÜ stellt sich aber auch hier die Frage, ob eine der beiden Bestimmungen den Charakter einer Eingriffsnorm trägt. Ausländische Eingriffsnormen sind gem Art. 7 Abs. 1 EVÜ grundsätzlich auch von österreichischen Gerichten zu beachten. Da aber der Charakter als Eingriffsnorm selbstverständlich unter dem Blickwinkel des ausländischen Rechts zu beurteilen ist und § 15 Abs. 4 dGmbHG in Deutschland nicht als solche qualifiziert wird46, scheidet eine Anwendung dieser Norm kraft Art. 7 Abs. 1 EVÜ aus. Auch die Anwendung von § 76 Abs. 2 öGmbHG als Eingriffsnorm scheidet aus, da sich diese Bestimmung eben nur auf die Übertragung von Anteilen an österreichischen Gesellschaften bezieht47. Dass § 76 öGmbHG den unterstellten autonomen Anwendungswillen nicht nur bei der Übertragung von österreichischen GmbHs entfaltet, sondern auch gegenüber ausländischer Äquivalente, ist wohl nicht anzunehmen, wenngleich eine Rechtsprechung zu dieser Frage nicht besteht. Es fehlt aber jeglicher Hinweis, aus dem auf einen solchen neufassenden Anwendungswillen des § 76 Abs. 2 GmbHG geschlossen werden könnte. Würde man die Bestimmung als Eingriffsnorm auch gegenüber ausländischen GmbH-Äquivalente ansehen, müsste die Norm wohl auch (ebenso wie bei österreichischen GmbH-Anteilen) unabhängig vom Ort des Vertragsabschlusses zur Anwendung gebracht werden. Im Ergebnis bleibt es daher bei der alternativen Anwendung der Ortsform (= § 76 GmbHG) oder des Geschäftsstatuts. Weit einfacher gestaltet sich die kollisionsrechtliche Anknüpfung der Abtretung des Anteils als solcher. Sie unterliegt nach insoweit einhelliger Auffassung dem Gesellschaftsstatut48. Für die Übertragung österreichischer Gesellschaften gilt demnach österreichisches, für deutsche Gesellschaften deutsches Recht. Das EVÜ ist nicht anwendbar. Der Grundsatz locus regit actum ist allerdings auch in § 8 öIPRG verankert. Danach würde die Einhaltung der Formvorschriften des anwendbaren Personalstatuts ebenso ausreichen wie die Einhaltung der Ortsform. Die herrschende Meinung in Österreich tendiert aber zu der Auffassung, dass § 8 IPRG auf die Übertragung von

__________ 46 Siehe unten IV. 47 Vgl. Adensamer (Fn. 30), S. 61 ff.; unklar aber Kalss/Adensamer in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006. 48 OGH, SZ 62/28; Adensamer, WBl 2004, 508 (510); Kalss/Adensamer in Hirte/ Bücker (Fn. 47), Rz. 149; Koppensteiner (Fn. 9), Allg Einl Rz. 19.

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GmbH-Anteilen nicht anwendbar sei49. Vorsichtsweise wird man daher darauf achten müssen, dass das Formerfordernis des jeweiligen Gesellschaftsstatuts eingehalten wird. Relevant ist dies in den hier zu Grunde liegenden Fallgestaltungen freilich allein für die Übertragung von Anteilen einer deutschen GmbH in Österreich, da beim umgekehrten Vorgang (österreichische GmbH in Deutschland) die Formvorschrift des österreichischen Rechts ohnehin kraft Art. 7 Abs. 2 EVÜ zur Anwendung kommt. 2. Aus deutscher Sicht Die Darstellung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung der Form bei GmbHAnteilsübertragungen fällt gerafft aus, da der Diskussionsstand ohnehin als bekannt vorausgesetzt werden kann und die maßgeblichen Fragen in Deutschland in weit höherem Maße diskutiert sind als in Österreich. Nach nunmehr fast einhelliger Meinung unterliegt die Anknüpfung der Form des Verpflichtungsgeschäfts der allgemeinen Regelung gem. Art. 11 EGBGB. Für die Formwirksamkeit des Vorgangs reicht somit alternativ die Einhaltung des Geschäftsstatuts oder der Ortsform50. Die „dingliche“ Anteilsübertragung wird dagegen nicht dem Schuldsstatut, sondern übereinstimmend dem Gesellschaftsstatut zugeordnet51. Auch insoweit vertritt die mittlerweile h. M. die Auffassung, dass gem. Art. 11 Abs. 1 EGBGB die Wahrung der Ortsform ausreiche52. In jedem Fall wird die Substitution durch einen ausländischen Notar für zulässig gehalten, wenn in personeller und sachlicher Hinsicht Gleichwertigkeit gegeben ist53. Ob die Errichtung eines Notariatsakts nach der österreichischen NO diesem Erfordernis gerecht wird, ist noch

__________ 49 Verschraehen in Rummel, ABGB II, 3. Aufl. 2000, §§ 8, 9 IPRG Rz. 9; OGH, SZ 62/28; Schwimann in Rummel, ABGB II, 2. Aufl. 2000, § 8 IPRG Rz. 8 ff.; P. Bydlinski (Fn. 9), S. 43; a. A. Adensamer, WBl 2004, 508 (513); Adensamer (Fn. 30), S. 56. 50 Siehe M. Winter/Löbbe in Ulmer (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 89 f.; Ebbing in Michalski (Fn. 32), § 15 GmbHG Rz. 97; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 16), § 15 GmbHG Rz. 35. 51 M. Winter/Löbbe in Ulmer (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 134; Lutter/Bayer in Lutter/ Hommelhoff (Fn. 16), § 22 GmbHG Rz. 35; Russfeld in Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, 1998, Rz. 491 ff.; Kindler in MünchKomm.BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2006, Rz. 467. 52 M. Winter/Löbbe in Ulmer (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 138 und dort zitiert instanzgerichtliche Judikatur; Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 16), § 15 GmbHG Rz. 21; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 15 GmbHG Rz. 90; Goette in FS Boujong, 1996, S. 131 (138); a. A. Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 16), § 22 GmbHG Rz. 22; Großfeld in Staudinger (Fn. 51), Rz. 492 ff.; Grofeld/Bernd, RIW 1996, 625 (628 f.). 53 BGHZ 80, 76 (78); BGH, ZIP 1989, 1051 (1054).

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Susanne Kalss

nicht durch höchstgerichtliche Rechtsprechung gesichert, wird im Schrifttum aber bejaht54.

V. Zusammenschau Die Parteien sind regelmäßig bestrebt, dass die Anteilsübertragung einer GmbH von den Gerichten beider involvierter Staaten als wirksam behandelt wird. Unter Zugrundelegung der oben ausgearbeiteten kollisions- und materiellrechtlichen Divergenzen bedeutet dies folgendes: Bei Übertragung eines österreichischen GmbH-Anteils in Deutschland richtet sich die Formbedürftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts aus österreichischer Sicht grundsätzlich nach Art. 9 EVÜ, der die alternative Beachtung des Geschäfts- oder des Ortsstatuts vorsieht. Darüber hinaus vertritt die Rechtsprechung die Auffassung, dass § 76 Abs. 2 öGmHG als Eingriffsnorm zur Anwendung kommt. Ein Verpflichtungsgeschäft über die Übertragung eines österreichischen GmbH-Anteils muss daher jedenfalls den österreichischen Formerfordernissen genügen. Ob darüber hinaus auch – wenn etwa als Geschäftsstatut deutsches Recht gilt und Geschäftsstatut und Ortsstatut somit zusammenfallen – die Beachtung der deutschen Formvorschriften erforderlich ist, wurde bislang noch nicht untersucht, wird aber zu bejahen sein. Von praktischer Bedeutung ist dies insbesondere, wenn die Formpflicht nach deutschem Recht weiter reicht als die österreichische, also etwa bei Nebenabreden oder bei der entgeltlichen Auflösung eines Treuhandverhältnisses. Im Ergebnis könnte daher die Beurteilung einer Übertragung von GmbHAnteilen im Ausland somit strenger ausfallen als bei einer innerösterreichischen Übertragung. Es ist daher bei solchen Vorgängen anzuraten, für die Reichweite der Formpflicht sowohl die deutschen als auch die österreichischen Vorgaben zu beachten. Die Formpflichtigkeit des Verfügungsgeschäfts richtet sich nach österreichischem Recht. Aus Sicht österreichischer Gerichte muss die Formpflicht gem § 76 Abs. 2 GmbHG beachtet werden, die aus Sicht deutscher und österreichischer Gerichte aber jedenfalls auch ausreicht (Art. 11 EGBGB). Bei der Verpflichtung zur Übertragung von Anteilen einer deutschen GmbH in Österreich ist die Formpflicht nach beiden Rechtsordnungen übereinstimmend gem. Art. 11 EGBGB bzw. Art. 9 EVÜ anzuknüpfen. Es reicht daher die Beachtung österreichischen Rechts als Ortsstatut oder alternativ derjenigen Rechtsordnung, die als Geschäftsstatut Anwendung findet. § 76 Abs. 2 GmbHG kommt damit nur als (alternativ zu beachtendes) Ortsstatut, nicht aber wie im Fall einer österreichischen GmbH als Eingriffsnorm zur Anwendung. Die alternative Anwendung der österreichischen Regel bedeutet

__________ 54 Winter/Seibt in Scholz (Fn. 5), § 15 GmbHG Rz. 86 mit Verweis auf LG Kiel, GmbHR 1997, 952.

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auch, dass die Formpflicht u. U. auch weniger weit reicht als in Deutschland, was wiederum etwa bei Nebenabreden eine Rolle spielt. Das Verfügungsgeschäft unterliegt jedenfalls alternativ dem deutschen Recht als Gesellschaftsstatut. Ob darüber hinaus die Beachtung des österreichischen Rechts als Ortsform ausreicht, ist nicht hinreichend gesichert, sodass man sich aus praktischer Sicht an den deutschen Regeln zu orientieren haben wird. Die Anwendung des deutschen Rechts reicht aber umgekehrt aus österreichischer Sicht jedenfalls aus.

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Mantelverwendung und Mindestkapitalerfordernis Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Die Rechtsprechung des BGH III. Positionen des Schrifttums IV. Der Gedanke der „wirtschaftlichen Neugründung“ V. Das Konzept des Gesetzes VI. (Mindest-)Kapitalaufbringung und Umgehungsschutz

1. Der gedankliche Ansatz in der Rechtsprechung des BGH 2. Die Position des Jubilars 3. Zum Zweck des gesetzlichen Mindestkapitalerfordernisses 4. Folgerungen a) Die These b) Einwände c) Ergebnis VII. Schluss

I. Einleitung Der präventive Kapitalaufbringungsschutz bildet eine der Säulen im Konstruktionsplan unserer Kapitalgesellschaften. Hans-Joachim Priester hat die damit verbundenen Grundwertungen des geltenden Rechts wiederholt analysiert und verteidigt1. Und doch stehen sie heute zur Disposition2. Aber selbst dort, wo der Grundentscheidung des Gesetzgebers für einen präventiven Kapitalschutz nach wie vor Überzeugungskraft attestiert wird, löst doch jedenfalls die konkrete Ausformung, die jenes Konzept mittlerweile erfahren hat, Kritik aus. Im Zentrum stehen dabei – neben gewissen Modalitäten der Bareinlageleistung und ihrer mangelnden Befreiungswirkung3 – das Recht der verdeckten Sacheinlagen4 sowie die sog. Mantelverwendung. Hier muss sich zu Kurskorrekturen bekennen, wer das Grundkonzept des präventiven Kapitalaufbringungsschutzes verteidigen und erhalten will5.

__________

1 S. für das GmbH-Recht stellvertretend Priester in FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 159 ff. 2 Zur kontroversen Debatte im Zusammenhang mit der bevorstehenden Reform des GmbH-Rechts statt anderer Priester in VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1 ff. 3 Exemplarisch: BGH, JZ 2004, 684 mit Anm. Ulmer; weiterführend Heidinger, DNotZ 2005, 97 (104 f., 109 f.); Westermann, ZIP 2005, 1849 (1856 f.). 4 Dazu etwa Fastrich, DStR 2006, 656 (660); Heidenhain, GmbHR 2006, 455 ff.; Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel der Lehre von der verdeckten Sacheinlage, 1997, S. 45 ff.; Westermann, ZIP 2005, 1849 (1851). Zum Ganzen auch BDI/Hengeler Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen. Modernisierungsbedarf im Recht der GmbH, 2006, Tz. 26 ff. 5 Kleindiek, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, in Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. II, P 45 (53).

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Die folgenden Zeilen – dem Jubilar in Hochachtung und Verbundenheit gewidmet – plädieren für eine Kurskorrektur in der rechtlichen Beurteilung von Mantelverwendungen. Sie konzentrieren sich auf das GmbH-Recht, in dem der Bundesgerichtshof bekanntlich durch seine beiden (umstrittenen) Grundsatzentscheide aus den Jahren 2002 und 20036 der Praxis die Richtung gewiesen hat. Hans-Joachim Priester hat jene Rechtsprechung vorzeiten gedanklich vorbereitet7 und jüngst rückblickend gewürdigt8. Als „Schaltstelle“ für die Bewältigung des mit der Mantelverwendung verbundenen Konflikts hat er dabei das gesetzliche Mindestkapitalerfordernis ausgemacht9. Vor allem dieser Argumentationsansatz soll hier kritisch aufgegriffen werden.

II. Die Rechtsprechung des BGH In seinem Beschluss vom 9. Dezember 200210 hatte der II. Zivilsenat des BGH über die (formal-rechtliche) registergerichtliche Präventivkontrolle bei der Verwendung des Mantels einer auf Vorrat gegründeten, d. h. nicht werbend tätig gewordenen GmbH zu befinden. In Fortführung seiner Rechtsprechung zur Vorrats-Aktiengesellschaft11 sah er in der Verwendung des Mantels einer Vorrats-GmbH eine „wirtschaftliche Neugründung“, die folglich „in vollem Umfang in die mit den Gründungsvorschriften verfolgte Regelungsabsicht des Gesetzgebers einzubeziehen (sei), die Ausstattung der Gesellschaft mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Haftungsfonds sicherzustellen“12. Die registergerichtliche Gründungsprüfung habe sich deshalb jedenfalls auf die Erbringung der Mindeststammeinlagen und im Falle von Sacheinlagen auf deren Werthaltigkeit zu beziehen, wobei „entscheidender verfahrensrechtlicher Anknüpfungspunkt“ die Anmeldeversicherung nach § 8 Abs. 2 GmbHG sei. Die dem Geschäftsführer obliegende Versicherung, dass die geleisteten Mindesteinlagen zu seiner freien Verfügung stünden, beinhalte von Gesetzes wegen zugleich, „dass im Anmeldezeitpunkt derartige Mindesteinlagen nicht durch schon entstandene Verluste ganz oder teilweise aufgezehrt“ seien13. Die registergerichtliche Nachprüfung der Mindestkapitalaufbringung sei – so der Senat – bei der wirtschaftlichen Neugründung einer Vorrats-GmbH grundsätzlich nicht schwieriger als bei einer „normalen“ Neugründung: Die mit der Mantelverwendung im Anschluss an eine offene Vorratsgründung regelmäßig einhergehenden Änderungen von Unternehmensgegenstand, Fir-

__________ 6 7 8 9 10 11 12 13

BGHZ 153, 158; BGHZ 155, 318; näher sogleich unter II. Priester, DB 1983, 2291 (2293 ff.). Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff. Priester, ZHR 168 (2004), 248 (258 ff.). BGHZ 153, 158. BGHZ 117, 323 (Beschl. v. 16.3.1992); dazu noch unten V, VI 1. BGHZ 153, 158 (162). BGHZ 153, 158 (162).

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Mantelverwendung und Mindestkapitalerfordernis

ma, Gesellschaftssitz und Organmitgliedern – jeweils eintragungspflichtig gem. § 54 GmbHG – seien (kumulativ oder auch nur einzeln) „ein hinreichendes Indiz dafür, dass sich die Verwendung des bisher ‚unternehmenslosen’ Mantels vollziehen“ solle14. Der BGH hatte in jener Entscheidung vom Dezember 2002 allein über Art und Umfang des registergerichtlichen Präventivschutzes zu befinden, nicht aber über einen weitergehenden Schutz auf der (materiell-rechtlichen) Haftungsebene15. Die zu Letzterem sogleich entbrannte kontroverse Diskussion im Schrifttum16 dürfte den II. Zivilsenat bewogen haben, in seiner Folgeentscheidung vom 7. Juli 200317 auch hierzu Stellung zu nehmen. Hintergrund jenes Beschlusses war die Ausstattung einer existenten, im Rahmen ihres früheren Unternehmensgegenstandes tätig gewesenen, nunmehr aber unternehmenslos gewordenen GmbH – also eines „leeren ‚Altmantels‘“ – mit einem (neuen) Unternehmen. Der Senat sah auch in einer solchen Altmantelverwendung eine „wirtschaftliche Neugründung“ und führte im Wesentlichen aus: Die mit der wirtschaftlichen Neugründung verbundenen Probleme eines wirksamen Gläubigerschutzes bestünden sowohl im Anschluss an eine Vorratsgründung als auch im Zusammenhang mit einer „Wiederbelebung“ eines leeren Mantels durch Ausstattung mit einem neuen Unternehmen. In beiden Fällen bestehe „die Gefahr einer Umgehung der Gründungsvorschriften“ mit der Folge, dass die gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gewährleistet sei18. Im Zeitpunkt der Verwendung eines alten GmbHMantels sei das früher aufgebrachte Stammkapital des inaktiv gewordenen Unternehmens „typischerweise nicht mehr unversehrt, sondern zumeist sogar bereits verbraucht“19. Deshalb sei gerade bei dieser Art der Mantelverwendung „dem vornehmlichen Zweck der Gründungsvorschriften, die reale Kapitalaufbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Kapitalausstattung der Gesellschaft im Zeitpunkt ihres Entstehens als Voraussetzung für die Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen sicherzustellen“, durch deren analoge Anwendung bei der (späteren) wirtschaftlichen Neugründung Rechnung zu tragen20.

__________ 14 BGHZ 153, 158 (163). 15 Klare Unterscheidung dieser beiden Fragenkomplexe schon in BGHZ 153, 158 (161 f.). 16 Dazu etwa von Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032 (1033 ff.); Gronstedt, BB 2003, 860 (861 f.); Meilicke, BB 2003, 857 (859); Nolting, ZIP 2003, 651 (652 ff.); Peus, NZG 2003, 610 (612 f.); Schaub, NJW 2003, 2125 (2128 f.); Thaeter/Meyer, DB 2003, 539 (540). 17 BGHZ 155, 318. 18 BGHZ 155, 318 (322). 19 BGHZ 155, 318 (323); kritisch zu dieser Feststellung Heidenhain, NZG 2003, 1051 f. („nicht begründete und auch nicht begründbare Behauptung“). 20 BGHZ 155, 318 (323).

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Detlef Kleindiek

Die registergerichtliche Präventivkontrolle bei der Altmantelverwendung unterwirft der Senat denselben Maßstäben wie bei der Verwendung von Vorratsgesellschaften: Die Tatsache der Wiederverwendung eines zwischenzeitlich leer gewordenen Gesellschaftsmantels sei gegenüber dem Registergericht offen zu legen. Der obligatorischen Offenlegung bedürfe es auch dort, wo mit der Altmantelverwendung im Einzelfall keine eintragungspflichtigen Abänderungen des Gesellschaftsvertrags einhergingen21. Sie sei mit der Anmeldeversicherung nach § 8 Abs. 2 GmbHG zu verbinden, wobei sich jene Versicherung in beiden Fallkonstellationen der wirtschaftlichen Neugründung nicht lediglich am gesetzlichen Mindestkapital der GmbH (25 000 Euro), sondern am satzungsmäßigen Stammkapital der jeweiligen Gesellschaft auszurichten hätten: Der Mantelverwender nutze nicht irgendeinen am gesetzlichen Mindeststammkapital orientierten hypothetischen, sondern den konkreten Gesellschaftsmantel mit dem konkreten – ggf. höheren – satzungsmäßigen Stammkapital; an dieser statutarischen, im Handelsregister verlautbarten Kapitalziffer orientiere sich auch das zu schützende Vertrauen des Rechtsverkehrs22. Im Übrigen – so der Senat – sei die reale Kapitalaufbringung sowohl bei der Altmantelverwertung als auch bei der (erstmaligen) Aktivierung einer Vorrats-GmbH „durch entsprechende Anwendung des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung“ sicherzustellen23. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Haftungsumfangs sei dabei der Stichtag der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht, nicht der Tag der Eintragung der (regelmäßig erforderlichen) Satzungsänderungen24. Neben der Unterbilanzhaftung sei auch eine Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG „in Betracht zu ziehen“, wenn vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung die Geschäfte aufgenommen würden, ohne dass dem alle Gesellschafter zugestimmt hätten25. Der BGH ist in seinem Beschluss vom 7. Juli 2003 auch auf einen zentralen Einwand gegen sein Konzept der analogen Anwendung der Vorschriften über die Kapitalaufbringungskontrolle in den Fällen der Mantelverwendung eingegangen, nämlich auf die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der wirtschaftlichen Neugründung einerseits und der Umorganisation der vorhandenen GmbH andererseits: Entscheidend sei insofern, ob die Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betrieben habe, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung – „in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise“ anknüpfe oder ob es sich tatsächlich um einen leer gewordenen Ge-

__________ 21 22 23 24 25

BGHZ 155, 318 (325). BGHZ 155, 318 (325 f.). BGHZ 155, 318 (326). Siehe dazu auch Goette, DStR 2004, 461 (463 f.). BGHZ 155, 318 (327).

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sellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb handele, der seinen – neuen oder alten – Gesellschaftern nur dazu diene, unter Vermeidung der rechtlichen Neugründung einer die beschränkte Haftung gewährleistenden Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit – ggf. wieder – aufzunehmen26.

III. Positionen des Schrifttums Im Schrifttum hat jene Rechtsprechung bekanntlich ein kontroverses Echo gefunden, wobei sich im Wesentlichen drei Lager gegenüberstehen: Während die einen dem BGH im Ergebnis und in der Begründung folgen wollen27, lehnen andere das Argumentationsmuster der „wirtschaftlichen Neugründung“ schon im Ansatz ab:28 Die Kapitalaufbringung und ihre registergerichtliche Kontrolle ende mit Abschluss des gesetzlich geordneten Gründungsvorgangs; von da an (d. h. mit Eintragung der GmbH im Handelsregister und nach der zu diesem Zeitpunkt bewirkten effektiven Aufbringung des Satzungskapitals) könne es – auch in der Mantelgesellschaft – allein noch um die Kapitalerhaltung gehen. Eine dritte Position29 verfolgt schließlich eine mittlere Linie. Sie stimmt dem BGH in dessen Bemühen um eine Kapitalaufbringungskontrolle zum Zeitpunkt der (Re-)Aktivierung des GmbH-Mantels zwar zu, attestiert der Rechtsprechung aber eine überschießende Tendenz. Die kritische Stellungnahme des Jubilars zu den referierten Judikaten des II. Zivilsenats darf als repräsentativ für dieses dritte Lager gelten: Dem gesetzlichen Mindestkapitalerfordernis liege die Vorstellung zugrunde, dass der Gründer – so Priester – durch die „von ihm zu erbringende Einlage am Risiko seines in Gestalt der Kapitalgesellschaft betriebenen Unternehmens zumindest in gewissem Umfang beteiligt sein“ solle30. Unter dieser Prämisse bleibe ein Umgehungsschutz erforderlich. Weil aber das gesetzliche Ziel der Mindestkapitalaufbringung die Legitimation analoger Anwendung des Gründungsrechts bilde, begrenze es sogleich das Ausmaß der Analogie: mehr als das gesetzliche Mindestkapital in Höhe von 25.000 Euro sei auch vom

__________ 26 So BGHZ 155, 318 (324) unter Hinweis auf Priester, DB 1983, 2291 (2297 f.); Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 3 GmbHG Rz. 35. 27 Etwa Jacobs, DZWIR 2004, 309 (311 ff.); Kesseler, ZIP 2003, 1790 ff.; Schütz, NZG 2004, 746 (749); Schumacher, DB 2003, 1884 ff. 28 Teils nachdrücklich kritisch etwa Altmeppen, DB 2003, 2050 (2051 ff.); Bohrer, DNotZ 2003, 888 (892 ff.); Haas, DStR 2006, 993 (996); Heidenhain, NZG 2003, 1051 (1052 ff.); Herchen, DB 2003, 2211 ff.; Kallmeyer, DB 2003, 2583 f.; Keller, DZWIR 2005, 133 (135 ff.); Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (158 f.); Roth in Roth/ Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2006, § 3 GmbHG Rz. 14; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 (1346 ff.); Veil, WuB II C § 11 GmbHG 3.03; Westermann, ZIP 2005, 1849 (1855 f.); Wicke, NZG 2005, 409 (411 f.); Wilhelmi, DZWIR 2004, 177 (179 ff.). 29 Vgl. (mit Unterschieden im Einzelnen) etwa Drygala, ZGR 2006, 587 (619 ff.); Heidinger, ZGR 2005, 101 (113 ff.); Priester, ZHR 168 (2004), 248 (258 ff.); Ulmer in Großkomm.GmbHG, 2005, § 3 GmbHG Rz. 126 ff. 30 Dies und das nachfolgend Referierte nach Priester, ZHR 168 (2004), 248 (258 ff.).

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GmbH-Mantelverwender nicht zu verlangen. Im Übrigen jedoch habe sich die wirtschaftliche Neugründung nicht am Fall der rechtlichen Neugründung, sondern an dem der Kapitalerhöhung zu orientieren: Dort gebe es keinen Unversehrtheitsgrundsatz und folglich auch keine Unterbilanzhaftung, vielmehr genüge die einmalige ordnungsgemäße Zuführung des Erhöhungsbetrages. Bei dieser Betrachtung erweise sich auch eine Handelndenhaftung als nicht sachgerecht. Sie sei als komplementär zum Unversehrtheitsgrundsatz zu begreifen und falle mit diesem.

IV. Der Gedanke der „wirtschaftlichen Neugründung“ Das unter der Mitwirkung des Jubilars31 entworfene, vom Bundesgerichtshof aufgegriffene Bild von der „wirtschaftlichen Neugründung“32 ist allein gewiss noch nicht geeignet, die Anwendung der die Kapitalaufbringung gewährleistenden Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes auf die Fälle der Mantelverwendung zu rechtfertigen. Denn die Gründung der GmbH ist ein rechtlich determinierter Vorgang, der – wie sich aus § 11 Abs. 1 GmbHG ergibt – mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister seinen Abschluss findet. Wenn und soweit der BGH einzelne Vorschriften des Gründungsrechts – insbesondere die registergerichtliche Kontrolle effektiver Kapitalaufbringung einschließlich der Rechtsprechungsgrundsätze zur Unterbilanzhaftung – unter bestimmten Umständen über jenen Zeitpunkt hinaus entsprechend angewandt wissen will, muss er sich dabei an den methodischen Voraussetzungen des Analogieschlusses messen lassen. Es bedarf deshalb zunächst der Klärung, welche Fallkonstellationen sich im Konzept des II. Zivilsenats hinter der Metapher der „wirtschaftlichen Neugründung“ verbergen. Eindeutige Hinweise hierzu enthalten bereits die Entscheidungsgründe des (ersten) BGH-Beschlusses vom 9. Dezember 2002: Danach ist es die Aktivierung des „bisher ‚unternehmenslosen’ Mantels“33, also die erstmalige „Ausstattung der Vorratsgesellschaft mit einem Unternehmen und die erstmalige Aufnahme ihres Geschäftsbetriebes“34, an welche der Senat die Notwendigkeit knüpft, „die Ausstattung der Gesellschaft mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Haftungsfonds sicherzustellen“35. Im (zweiten) Beschluss vom 7. Juli 2003 wird dieser Gedanke – nämlich die Ausrüstung des unternehmenslosen Mantels mit einem (neuen) Unternehmen – noch deutlicher formuliert: Der erstmaligen Ausstattung einer „unternehmenslosen“ Vorrats-

__________ 31 32 33 34 35

Priester, DB 1983, 2291 ff.; grdl. außerdem Ulmer BB 1983, 1123 ff. Der Terminus findet sich auch schon in BGHZ 117, 323 (331). Siehe die Formulierung BGHZ 153, 158 (163). BGHZ 153, 158 (2. Leitsatz). BGHZ 153, 158 (162).

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gesellschaft mit einem Unternehmen wird jener Fall gleichgestellt, bei der ein durch Einstellung früherer Unternehmenstätigkeit „leer gewordener Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb“ – gleichfalls eine unternehmenslose Gesellschaft – wieder mit einem Unternehmen ausgestattet wird36. In beiden Fällen erkennt der II. Zivilsenat „die Gefahr einer Umgehung der Gründungsvorschriften“ mit der Folge, dass die gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gewährleistet sei37. Damit wird deutlich, was sich hinter dem Bild von der „wirtschaftlichen Neugründung“ verbirgt: nämlich ein von der Vollendung der (rechtlichen) Gesellschaftsgründung – Eintragung im Handelsregister – verschiedener Bezugspunkt für die Prüfung der gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Kapitalausstattung. Im Konzept des BGH muss das Gebot effektiver Aufbringung des statutarischen Stammkapitals nicht nur im Zeitpunkt der Gründung der GmbH, sondern auch noch bei erstmaliger Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit erfüllt sein38. Und ebenso muss es noch einmal erfüllt werden, wo eine Gesellschaft, die ihre unternehmerische Tätigkeit zwischenzeitlich eingestellt hat, später wieder ein (neues) Unternehmen zu betreiben beginnt. Setzt man diese Sicht der Dinge in Bezug zur Haftungsbeschränkung, dann lässt sich festhalten: Wer unter der Wohltat der Haftungsbeschränkung unternehmerisch agieren will und hierzu eine (bislang nicht unternehmerisch aktive) Vorratsgesellschaft nutzt, „verdient“ das Privileg des Wirtschaftens mit beschränkter Haftung im Konzept des BGH erst dann, wenn gerade zum Zeitpunkt jenes unternehmerischen „Starts“ – genauer: im Moment der Offenlegung der Mantelverwendung gegenüber dem Registergericht – die effektive Aufbringung des Satzungskapitals noch gewährleistet ist. Entsprechendes soll für denjenigen gelten, der sich einer unternehmenslos gewordenen Altmantelgesellschaft bedient. Hier muss das Privileg der Haftungsbeschränkung gewissermaßen „neu verdient“ werden – durch erneute effektive Kapitalaufbringung zum Stichtag der Offenlegung der Altmantelverwendung. Bezogen auf die Aktivierung einer Vorratsgesellschaft ist dieser Ansatz mit der Überlegung in Verbindung gebracht worden, der „Akt der Gesellschaftsgründung“ werde noch nicht mit der Errichtung des Rechtsträgers (der GmbH), sondern erst mit Aufnahme operativer Unternehmenstätigkeit

__________ 36 BGHZ 155, 318 (322). 37 BGHZ 155, 318 (322). 38 Entsprechender Ansatz schon bei Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, 1989, S. 59 ff.

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„vollendet“39. Und dementsprechend mag man mit Blick auf die Fälle der Altmantelverwendung formulieren wollen: Wer für die Aufnahme (oder auch Wiederaufnahme) unternehmerischer Tätigkeit keinen neuen Rechtsträger gründet, sondern einen inaktiv gewordenen Mantel reaktiviert, der muss sich – was die Anforderungen effektiver Aufbringung des Satzungskapitals und dessen Kontrolle betrifft – von Rechts wegen jedenfalls so behandeln lassen, als hätte er einen neuen Rechtsträger geschaffen und in diesem den operativen Geschäftsbetrieb aufgenommen.

V. Das Konzept des Gesetzes Dem Konzept des Gesetzes entspricht eine solche Sicht der Dinge indes nicht. Denn im gesetzlichen Modell ist Anknüpfungspunkt für die Kapitalaufbringungskontrolle allein der Abschluss der Gründung des Rechtsträgers, d. h. der GmbH40. Dabei ist die Beendigung des Gründungsaktes keineswegs an die Aufnahme operativer Unternehmenstätigkeit geknüpft. Die GmbH steht nicht etwa nur (gewerblicher oder nichtgewerblicher) unternehmerischer Tätigkeit, sondern – wie § 1 GmbHG formuliert – „jedem gesetzlich zulässigen Zweck“ offen; dem entsprechend gilt sie mit ihrer Errichtung ipso iure als Handelsgesellschaft (§ 13 Abs. 3 GmbHG)41. Auch die Vorgabe in § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, wonach die Satzung zwingend den „Gegenstand des Unternehmens“ bezeichnen muss42, ist nicht etwa in dem Sinne zu verstehen, dass die Errichtung der Gesellschaft an die Zuweisung unternehmerischer Tätigkeit gebunden wäre. Zu Recht hatte deshalb der BGH in seiner – aktienrechtlichen – Entscheidung aus dem Jahre 1992 die Gründung einer Vorratsgesellschaft als zulässig erkannt, „wenn die Bestimmung der Gesellschaft, als sog. Mantel für die spätere Aufnahme eines Geschäftsbetriebs zu dienen, bei der Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes deutlich klargestellt“ werde; hierzu reiche etwa die Angabe „Verwaltung des

__________ 39 So deutlich Goette in seiner erläuternden Anmerkung zum BGH-Beschluss vom 9.12.2002, DStR 2003, 300: Erst mit der tatsächlichen Verwendung der auf Vorrat geschaffenen Organisation werde – ungeachtet ihres rechtlichen Entstehens „als solcher“ – eine gesetzestypische GmbH geschaffen; s. außerdem Goette, DStR 2004, 461 (462); zustimmend Jacobs, DZWIR 2004, 309 (312) („gestreckter Gründungsvorgang“); Krafka, ZGR 2003, 577 (590); Ulmer in Großkomm.GmbHG (Fn. 29), § 3 GmbHG Rz. 141. 40 Siehe dazu und zum Folgenden schon BayObLG, GmbHR 1999, 607 (608); Banerjea, GmbHR 1998, 814 (815 f.); ders. NZG 1999, 817 f.; Priester, ZHR 168 (2004), 248 (253 f.); Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 (1347, 1350 f.); außerdem etwa Bohrer, DNotZ 2003, 888 (898 f.); Kallmeyer, GmbHR 2003, 322 (323 f.); Keller, DZWiR 2005, 133 (136 f.); Schaub, NJW 2003, 2125 (2126); Wicke, NZG 2005, 409 (411); Wilhelmi, DZWIR 2004, 177 (179 f.). 41 Im Ergebnis Gleiches gilt bekanntlich für die Aktiengesellschaft nach § 3 Abs. 1 AktG. 42 Ebenso für die Aktiengesellschaft § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG.

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eigenen Vermögens“ aus43. Und ebenso zutreffend hatte der II. Zivilsenat in jener Entscheidung klar zwischen der Gründung der Gesellschaft einerseits und ihrer späteren unternehmerischen Verwendung andererseits unterschieden44. Die Vorstellung, erst mit dem tatsächlichen Einsatz der auf Vorrat geschaffenen Organisation zum Zwecke operativer Unternehmenstätigkeit werde der Gründungsakt vollendet, ist dem Gesetz jedenfalls fremd. Ebenso wenig führt die Einstellung des von der GmbH geführten Geschäftsbetriebs zum Identitätsverlust der Gesellschaft mit der Folge, dass die spätere Wiederaufnahme unternehmerischer Tätigkeit die Neugründung des Rechtsträgers erforderlich machen würde oder doch jedenfalls wie eine Neugründung zu behandeln wäre. Das GmbH-Gesetz kennt keinen Auflösungsgrund der „unternehmerischen Inaktivität“;45 erst die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG führt gem. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG zur Auflösung der Gesellschaft46. All dies belegt: Das gesetzliche Modell der Kapitalaufbringung und ihrer registergerichtlichen Kontrolle knüpft nicht an die Aufnahme (oder Wiederaufnahme) eines Geschäftsbetriebs an, sondern ist – hiervon losgelöst – allein an der Errichtung des Rechtsträgers orientiert. Sobald dieser entstanden ist, hat der Gründungsakt seine Vollendung erfahren. Dem Vermögensschutz in der so errichteten Gesellschaft dienen – sieht man von einer späteren Kapitalerhöhung ab – nicht mehr die gesetzlichen Vorschriften zur Kapitalaufbringung, sondern die gesetzlichen und richterrechtlichen Mechanismen zur Kapitalerhaltung47.

VI. (Mindest-)Kapitalaufbringung und Umgehungsschutz 1. Der gedankliche Ansatz in der Rechtsprechung des BGH Und doch ist nicht zu übersehen: Wer zur Gründung eines Unternehmens eine Mantelgesellschaft (re-)aktiviert, die nur noch ein geringes Reinvermögen aufweist, macht vom Privileg der Haftungsbeschränkung Gebrauch, ohne den dazu eingesetzten Rechtsträger zuvor mit dem gesetzlichen Mindestkapital (geschweige denn mit dem ggf. darüber hinausgehenden statutarischen Stammkapital) ausgestattet zu haben. Der Gedanke, hierin eine sanktionsbedürftige Umgehung der gesetzlichen (Mindest-)Kapitalerforder-

__________ 43 BGHZ 117, 323 (Leitsatz b). 44 BGHZ 117, 323 (330 f.). 45 Plastisch Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 (1347): Es gebe keine Sanktionen gegen „korporativen Müßiggang“. 46 Weiterführend Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 60 GmbHG Rz. 14 ff. 47 Zutr. Kallmeyer, GmbHR 2003, 322 (324); Wilhelmi, DZWIR 2004, 177 (180).

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nisse zu sehen, liegt deshalb keineswegs fern. Die drohende Umgehung der Gründungsvorschriften war denn auch vorzeiten ein zentrales Argument gegen die Zulässigkeit der Errichtung von Vorratsgesellschaften48. Der BGH ist dem in seiner schon erwähnten Entscheidung aus dem Jahre 1992 zwar nicht gefolgt; aber keineswegs weil er jene Umgehungsgefahr leugnen, sondern weil er ihr im Moment der Mantelverwendung begegnet wissen wollte: Dem Zweck der Gründungsvorschriften, die reale Aufbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitalausstattung der Gesellschaft im Zeitpunkt ihres Entstehens als Ausgleich für die Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen sicherzustellen, könne – so formulierte seinerzeit der II. Zivilsenat nicht zuletzt in Anknüpfung an Vorüberlegungen des Jubilars – durch eine sinngemäße entsprechende Anwendung der Gründungsvorschriften bei der Mantelverwendung Rechnung getragen werden49. In den späteren Beschlüssen vom 9. Dezember 2002 und vom 7. Juli 2003 ist dieser Gedanke der Umgehungsabwehr mit identischer Wortwahl aufgegriffen und umgesetzt worden50. Das Bild von der „wirtschaftlichen Neugründung“ – verstanden als die erstmalige Ausstattung einer Vorratsgesellschaft mit einem Unternehmen bzw. als die Wiederausstattung eines unternehmenslosen Altmantels – hat bei Licht besehen also die Funktion, die Fälle sanktionsbedürftiger Umgehung der Gründungsvorschriften von jenen Konstellationen abzugrenzen, in denen nach Auffassung des BGH kein Anlass besteht, die reale Aufbringung der gesetzlich vorgeschriebenen (Mindest-) Kapitalausstattung der Gesellschaft erneut sicherzustellen. Eben das gilt es jedoch kritisch zu hinterfragen: Geht mit der Mantelverwendung tatsächlich eine Umgehung der gesetzlichen Vorgaben zur (Mindest-)Kapitalausstattung der Gesellschaft einher, der durch analoge Anwendung der entsprechenden Gründungsvorschriften (einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle sowie der Grundsätze zur Unterbilanzhaftung) zu begegnen ist51? 2. Die Position des Jubilars Hans-Joachim Priester hat diese Frage mit der Einschränkung bejaht, das dem Mantelverwender abzuverlangende Opfer sei auf die Verpflichtung zur Aufbringung des gesetzlichen Mindestkapitals (für die GmbH: 25 000 Euro) begrenzt; denn mehr koste „die ’Eintrittskarte’ für haftungsbeschränktes Wirtschaften“ nicht52. Die Legitimation der analogen Anwendung des Grün-

__________ 48 49 50 51 52

Vgl. die Nachweise in BGHZ 117, 323 (331). BGHZ 117, 323 (331) (u. a. unter Hinweis auf Priester, DB 1983, 2291 [2295 ff.]). Siehe das Referat oben im Text zu IV. Vgl. auch Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 (1351 liSp unter 2.). Priester, ZHR 168 (2004), 248 (258 ff.).

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dungsrechts liegt für ihn im gesetzgeberischen Ziel der Mindestkapitalaufbringung, vom Gründer eine entsprechende Beteiligung am Risiko des von seiner Gesellschaft betriebenen Unternehmens zu fordern. Solange das Erfordernis eines Mindestkapitals aufrecht erhalten bleibe, bleibe auch ein Umgehungsschutz erforderlich. Man müsse deshalb davon ausgehen, dass die mit dem Gründungsrecht verfolgte Regelungsabsicht des Gesetzes „auch die wirtschaftliche Unternehmensneugründung durch Mantelverwendung“ erfasse53. Insoweit folgt der Jubilar im Ergebnis also dem II. Zivilsenat, der formuliert hatte: Die wirtschaftliche Neugründung sei in vollem Umfang in die mit den Gründungsvorschriften verfolgte Regelungsabsicht des Gesetzgebers einzubeziehen, die Ausstattung der Gesellschaft mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Haftungsfonds sicherzustellen54. 3. Zum Zweck des gesetzlichen Mindestkapitalerfordernisses Die vom Gesetzgeber mit dem Mindestkapitalerfordernis verfolgte Regelungsabsicht ist an anderer Stelle näher analysiert worden:55 Die Vorgabe eines Mindestkapitals beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers, schon den Eintritt in die Haftungsbeschränkung nur um den „Preis“ eines eigenen Risikobeitrags der Gesellschaftsgründer in Form des Einsatzes von Eigenkapital zu gewähren. Das führt zu einer Risikoteilung zwischen den Gesellschaftern und ihren Gläubigern und in der Folge zu einer gewissen Interessenparallelität. Zugleich wirkt das Mindestkapitalerfordernis darauf hin, die Gründung unsolider, weil unrentabler Unternehmungen zu erschweren. Schon die Anhebung des Mindestkapitals von seinerzeit 20 000 auf 50 000 DM im Jahre 1980 war von der Überlegung getragen, mit dem erhöhten Einsatz den (oder die) Unternehmensgründer dazu anzuhalten, Chancen und Risiken des Projekts sorgfältiger abzuwägen: Es fördere das verantwortungsbewusste Wirtschaften, wenn dieses mit einem eigenen spürbaren Risiko verbunden sei; es sei zu erwarten, dass der verlangte erhöhte Einsatz den einzelnen dazu veranlassen werde, das Risiko einer Unternehmung genauer abzuschätzen56. In Rede stand und steht folglich eine ordnungspolitische Er-

__________ 53 So Priester, ZHR 168 (2004), 248 (260). 54 BGHZ 153, 158 (162); s. in diesem Zusammenhang auch den Diskussionsbericht von Riesenbeck, ZHR 168 (2004), 265 (266). 55 Kleindiek, ZGR 2006, 335 (338 ff.); zusammenfassend ders., Referat auf dem 66. Deutschen Juristentag (Fn. 5), P 45 (47 ff.). 56 So die Darlegungen in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf einer Novelle des GmbHG, BT-Drucks. 8/3908 v. 16.4. 1980, S. 69 f.

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wägung57. Wer selbst kein Vertrauen in die Rentabilität seiner Geschäftsidee hat und deshalb vor einem eigenen Risikobeitrag zurückschreckt, oder wer gar von vornherein die Absicht verfolgt, die Haftungsbeschränkung zu missbrauchen, um auf Rechnung und alleiniges Risiko der Gläubiger zu agieren, der soll gewissermaßen „ausgefiltert“ werden58. Das Privileg des Wirtschaftens mit beschränkter Haftung soll ihm nicht zugute kommen. Die gesetzlichen Kapitalschutzkautelen sichern die so motivierte Risikoteilhabe der Gesellschafter auf zweierlei Weise ab: Während die Vorschriften über die Kapitalaufbringung den effektiven Zufluss eines Eigenkapitalbeitrags in Höhe der Mindestkapitalziffer (ggf. des darüber hinausgehenden statutarischen Stammkapitalbetrages) bei Gründung der Gesellschaft gewährleisten sollen, versucht das Kapitalerhaltungskonzept des GmbH-Gesetzes mit seiner stammkapitalbezogenen Ausschüttungssperre den Vermögensbestand in eben dieser Höhe fortlaufend vor dem eigennützigen Zugriff der Gesellschafter zu schützen. 4. Folgerungen a) Die These Solche Überlegungen zum Zweck des Mindestkapitalerfordernisses scheinen den Gedanken einer analogen Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften in Fällen der Vorrats- und Altmantelverwendung auf den ersten Blick zu stützen: Wenn mit dem Mindestkapitalerfordernis den Gesellschaftsgründern bei ihrem „Start“ in das Wirtschaften mit Haftungsbeschränkung ein eigener Risikobeitrag durch Eigenkapitaleinsatz in Höhe von wenigstens 25 000 Euro abverlangt wird und sie dadurch zugleich zu einer sorgfältigen Abschätzung der Rentabilität ihres Unternehmensprojekts angehalten werden sollen, dann liegt es nahe, jedenfalls diesen Mindesteinsatz auch dort zu verlangen, wo die Unternehmenstätigkeit unter (Re-)Aktivierung einer Mantelgesellschaft aufgenommen wird. Denn die Zugangsschwellen zur Haftungsbeschränkung – so mag man geltend machen – dürfen nicht vom Weg abhängig sein, auf dem ein unternehmerischer Akteur sein Ziel der Haftungsbeschränkung zu erreichen sucht. Die hinter dem Mindestkapitalerfordernis stehende Regelungsabsicht des Gesetzgebers scheint also in der Tat dafür zu sprechen, dem Mantelverwender – in der Terminologie des BGH:

__________ 57 Siehe auch dazu, unter Hinweis auf die seinerzeitige Stellungnahme von Raiser in der Anhörung vor dem Rechtsausschuss, den Bericht des Rechtsausschusses zur GmbHG-Novelle 1980 (Fn. 56), S. 68; vgl. ferner Blaurock in FS Raiser, 2005, S. 3 (11); Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, 2005, S. 230 f. (232 f.); Mosthaf, Die Reformen des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1994, S. 62 ff.; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (343). 58 Ganz ähnlich Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 435 (437); Kuhnert, ZGR 2005, 753 (768); J. Vetter, ZGR 2005, 788 (800 f.).

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dem „wirtschaftlichen Neugründer“ – das Opfer des Eigenkapitaleinsatzes ebenso abzuverlangen wie den Gründern des Rechtsträgers GmbH59. b) Einwände Bei näherem Hinsehen ist eine solche Schlussfolgerung indes nicht tragfähig. Sie erweitert den Rechtsträgerbezug der gesetzlichen Gründungsvorschriften60 zugunsten einer tätigkeitsbezogenen Konzeption, vollzieht eine solche Ausweitung des Blickwinkels aber zugleich höchst selektiv. Denn die gesetzliche bzw. statutarische Kapitalausstattung des in der Vergangenheit entstandenen Rechtsträgers mit Haftungsbeschränkung (der GmbH) soll in der Konzeption des BGH allein dort erneut geprüft und sichergestellt werden, wo unter seinem Dach erstmals mit unternehmerischer Tätigkeit begonnen oder wo – nach vorübergehender Einstellung früherer Geschäftstätigkeit – die unternehmerische Tätigkeit wieder aufgenommen wird. Dabei soll es nicht entscheidend darauf ankommen, ob die aktuellen Gesellschafter der in diesem Sinne aktivierten bzw. reaktivierten Mantelgesellschaft andere als die GmbH-Gründer sind;61 der BGH sieht selbst dort den Tatbestand der „wirtschaftlichen Neugründung“ als gegeben an, wo die alten Gesellschafter „eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit – ggf. wieder – aufnehmen“62. „Gänzlich neu“ ist die Unternehmenstätigkeit im reaktivierten Altmantel in der Konzeption des BGH indes schon dann nicht mehr, wenn sie „sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise“ an die frühere Unternehmensaktivität anknüpfen kann63. Ist eine solche Anknüpfung hingegen zu verneinen, weil sich der Altmantel als eine vollends leere „Hülse“ präsentiert64, dann muss konsequent sogar seine Reaktivierung durch die Altgesellschafter auf einem mit der früheren Unternehmenstätigkeit identischen Geschäftsfeld als „wirtschaftliche Neugründung“ angesehen werden65. Andererseits bleiben alle Konstellationen sonstiger Umstrukturierungen folgenlos, die nicht mit dem Zustand (vorübergehender) unternehmerischer Inaktivität einhergehen. Der völlige Austausch des von der Gesellschaft bestellten Geschäftsfeldes ist ebenso wenig als „wirtschaftliche Neugründung“

__________ 59 So im Ergebnis Priester, ZHR 168 (2004), 248 (259 ff.); übereinstimmend Drygala, ZGR 2006, 587 (619 ff.). 60 Siehe oben V. 61 Zu Unrecht a. A. Bärwaldt/Balda, GmbHR 2004, 350 (351). 62 So BGHZ 155, 318 (324); ebenso schon Priester, DB 1983, 2291 (2298). 63 BGHZ 155, 318 (324). 64 BGHZ 155, 318 (322) spricht von „inhaltsloser Hülle“. 65 In diesem Sinne denn auch OLG Jena, ZIP 2004, 2327 für den Fall der „Wiederbelebung eines leeren GmbH-Mantels … innerhalb des vorgegebenen Unternehmensgegenstandes“ und ohne Gesellschafterwechsel.

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anzusehen wie die zusätzliche Aufnahme einer neuen Unternehmenstätigkeit, also die Öffnung für ein weiteres Geschäftsfeld. Das gilt selbst dort, wo solche Vorgänge mit einem vollständigen Gesellschafterwechsel einhergehen: am Merkmal der vorübergehenden „Unternehmenslosigkeit“ (leere „Hülse“) fehlt es ja gerade. Sofern der Gesellschaft noch eine „gewichtbare“66 – und das kann wohl nur heißen: „messbare“ im Sinne von „wahrnehmbare“ – Unternehmensaktivität zugeschrieben werden kann (an welche die Umstrukturierung „anknüpft“), ist der Erwerb ihrer Anteile also – sofern nicht eine Erwerberhaftung aus offenen Einlageverbindlichkeiten des Vorgesellschafters oder wegen verbotener Vermögensauskehr an diesen zu gewärtigen ist67 – risikolos; und zwar ganz unabhängig von der Höhe des aktuell vorhandenen Gesellschaftsvermögens. Die neuen Gesellschafter können die alte Unternehmenstätigkeit einer solchen Gesellschaft sogleich und vollständig durch ihre eigene Geschäftsidee ersetzen, ohne bei diesem „Neustart“ noch einmal die gesetzliche bzw. statutarische Kapitalausstattung gewährleisten zu müssen. Man kann nicht geltend machen, die Konzeption des BGH führe zur analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auch auf solche Konstellationen;68 der II. Zivilsenat hat unmissverständlich festgestellt, dass er in der wesentlichen Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung des bisherigen Geschäftsbetriebs allein noch keine „wirtschaftliche Neugründung“ sieht69. Zutreffend ist aber die Erkenntnis, dass sich jene Konstellationen folgenloser Umstruktierung wertungsmäßig nicht von den Fällen der (Re-)Aktivierung eines (vorübergehend) unternehmenslosen Mantels im Sinne der „wirtschaftlichen Neugründung“ unterscheiden70. Denn auch bei Austausch des bisherigen Geschäftsfeldes oder Aufnahme einer zusätzlichen Geschäftstätigkeit in einer unterbilanzierten Gesellschaft71 kommt es – bei tätigkeitsbezogener Sicht – zu einem „wirtschaftlichen Neustart“, der aus der Perspektive aktueller wie potentieller Gesellschaftsgläubiger mit beträchtlichem Risikozuwachs verbunden sein kann. Gleichwohl ist dem Gesetz die Vorstellung fremd, die hinter der Gesellschaft stehenden Akteure müssten in derartigen Fällen noch einmal die gesetzliche bzw. statutarische AnfangsKapitalausstattung des von ihnen genutzten Rechtsträgers sicherstellen. Zu

__________ 66 Siehe soeben im Text bei Fn. 63. 67 Hierzu Goette, DStR 2004, 461 (464). 68 So aber offenbar Wilhelmi, DZWIR 2004, 177 (184), nach dessen Einschätzung die vom BGH angenommene Analogie zu einem sehr weiten Anwendungsbereich der Gründungsvorschriften führen würde. 69 BGHZ 155, 318 (324). 70 In diesem Sinne schon BayObLG, GmbHR 1999, 607 (608); Altmeppen, DB 2003, 2050 (2052 f.); ders., NZG 2003, 145 (148); Bohrer, DNotZ 2003, 888 (900); Heidenhain, NZG 2003, 1051 (1052); Kallmeyer, GmbHR 2003, 322 (324); Peetz, GmbHR 2004, 1429 (1431); ders., GmbHR 2003, 229 (231). 71 D. h. einer Gesellschaft, deren aktuelles Reinvermögen den Betrag des Stammkapitals nicht mehr erreicht.

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Recht: Unternehmerische Tätigkeit ist dynamische Aktion und darauf angewiesen, auf veränderte Rahmendaten schnell und marktgerecht reagieren zu können – sowohl auf gegenständlicher Ebene (durch Korrekturen des „Geschäftsprogramms“) als auch auf personeller Ebene (durch Veränderungen im Gesellschafterkreis). Das Unternehmensrecht muss die hierzu erforderlichen Spielräume auch dort gewähren, wo durch Verluste das Vermögen des Unternehmensträgers weitestgehend aufgezehrt worden ist. Auf den fortgesetzten Bestand eines dem statutarischen Stammkapital entsprechenden (bei Gesellschaftsgründung effektiv aufgebrachten) Reinvermögens der GmbH darf bekanntlich niemand vertrauen. Vor diesem Hintergrund ist der Rechtsträgerbezug des gesetzlichen Kapitalaufbringungsrechts auch rechtspolitisch überzeugend. Jene rechtsträgerbezogene Konzeption des Gesetzes prägt freilich zugleich die Interpretation des Mindestkapitalerfordernisses, in dem der Jubilar gewissermaßen den Schlüssel zur Lösung der Zweifelsfragen um die Mantelverwendung sieht72. Priesters Feststellung, dem gesetzlichen Mindestkapitalerfordernis liege die Vorstellung zugrunde, der Gesellschaftsgründer solle durch die von ihm zu erbringende Einlage am Risiko seines in Gestalt der Kapitalgesellschaft betriebenen Unternehmens zumindest in gewissem Umfang beteiligt sein73, verdient zwar Beifall. Die mit der effektiven Aufbringung des gesetzlichen Mindestkapitals von den Gründern gelöste „‚Eintrittskarte‘ für haftungsbeschränktes Wirtschaften“74 hat aber wiederum Rechtsträgerbezug: Sie führt zur Haftungskonzentration auf den Unternehmensträger (GmbH) und dessen Vermögen. Und sie kommt mit eben dieser Wirkung auch jedem späteren Erwerber eines Gesellschaftsanteils zugute – unabhängig davon, ob sich die Anteilsübertragung entgeltlich (also unter Zahlung einer Gegenleistung an den Veräußerer) oder unentgeltlich vollzieht. Hier wie dort kann der neue Gesellschafter das Privileg der Haftungsbeschränkung ohne eigene Risikoeinlage in das Gesellschaftsvermögen nutzen; selbst ein von ihm für den Anteilserwerb gezahlter Kaufpreis ist bei Licht besehen kein „Risikobeitrag“, weil er – gerade am Gesellschaftsvermögen vorbei – in das Privatvermögen des Veräußerers geleistet wird. Und ebenso wenig ist von Bedeutung, welche Motive dem Anteilserwerb zugrunde liegen oder welche Pläne der Erwerber hinsichtlich der künftigen Unternehmenstätigkeit verfolgt. All dies – im Sinne der Rechtsprechung des II. Zivilsenats – allein bei vorübergehender Inaktivität des Unternehmensträgers anders sehen zu wollen, findet in der Konzeption des Gesetzes keine Stütze. Dem Mindestkapitalerfordernis kann nicht die Wertung entnommen werden, die mit dem Gründungsrecht verfolgte Regelungsabsicht des Gesetzes erfasse auch die aus dem Zustand der „Unternehmenslosigkeit“ heraus realisierte „wirtschaft-

__________ 72 Priester, ZHR 168 (2004), 248 (258 ff.). 73 Priester, ZHR 168 (2004), 248 (259). 74 Priester, ZHR 168 (2004), 248 (261).

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Detlef Kleindiek

liche Unternehmensneugründung“ durch Mantelverwendung75. Für eine analoge Anwendung des Gründungsrechts in diesen Fällen fehlt es vielmehr an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Die vom BGH unter dem Bild der „wirtschaftlichen Neugründung“ zusammengefassten Konstellationen der Mantelverwendung sind keiner grundsätzlich anderen Bewertung zugänglich als sonstige – aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger nicht minder risikosteigernde – Umstrukturierungsmaßnahmen, die für die Gesellschafter nach allgemeiner Ansicht folgenlos bleiben. Hier wie dort ist, worauf die Kritik an der Mantel-Rechtsprechung des II. Zivilsenats frühzeitig aufmerksam gemacht hat76, eine einheitliche Behandlung geboten. Hier wie dort kann Gläubigerschutz nicht mehr unter Rekurs auf das Gründungsrecht, sondern allein durch die Regeln der Kapitalerhaltung sowie die ergänzenden Mechanismen des Insolvenz- und Deliktsrechts (u. a. über § 826 BGB) verwirklicht werden. c) Ergebnis Im Ergebnis ist die entsprechende Anwendung der gesetzlichen (und richterrechtlichen) Regeln über die Kontrolle der Kapitalausstattung einer neu gegründeten Gesellschaft auf Fälle der Aktivierung bzw. Reaktivierung unternehmensloser GmbH-Mäntel methodisch nicht gerechtfertigt. Die unter dem Bild der „wirtschaftlichen Neugründung“ zusammengefassten Konstellationen unterscheiden sich wertungsmäßig nicht von sonstigen – aus Sicht der Gläubigersicht ähnlich risikoerhöhenden – Umstrukturierungsmaßnahmen. Mit der rechtsträgerbezogenen Konzeption des Gesetzes ist es nicht zu vereinbaren, den Gläubigerrisiken aus der Verwendung vermögensschwacher oder gar vermögensloser Gesellschaften unter Rückgriff auf das Haftungsmodell des Gründungsrechts zu begegnen. Die hierfür angebotene, tätigkeitsbezogene Begründung – Aufnahme bzw. Wiederaufnahme unternehmerischer Aktivität – hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Dem Gläubigerschutz ist im Modell der lex lata nach Abschluss der Gesellschaftsgründung vielmehr durch die Instrumente der Kapitalerhaltung sowie die ergänzenden Mechanismen des Insolvenz- und Deliktsrechts (u. a. § 826 BGB) Rechnung zu tragen.

VII. Schluss Der Bundesgerichtshof ist auf solche Einwände in den Entscheidungsgründen seiner Beschlüsse vom 9. Dezember 2002 und vom 7. Juli 2003 im Übrigen nicht eingegangen. Die insoweit einschlägigen Bemerkungen77 beziehen

__________

75 So aber Priester, ZHR 168 (2004), 248 (260). 76 Vgl. die Nachw. oben Fn. 70. 77 Siehe BGHZ 155, 318 (324 f.) und dazu das Referat oben im Text unter II. vor Fn. 26.

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sich allein auf die Abgrenzung der „Unternehmenslosigkeit“ in rechtstatsächlicher Hinsicht. Gewiss mag jene Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein;78 unlösbar ist sie deshalb nicht. Darin ist dem II. Zivilsenat zuzustimmen. Doch gründen die maßgeblichen Vorbehalte gegenüber seiner Rechtsprechung auch nicht in solchen rechtstatsächlichen Abgrenzungsproblemen, sondern im Wertungswiderspruch, mit dem die Sonderbehandlung der (Re-)Aktivierung „leerer“ („unternehmensloser“) Gesellschaftsmäntel einhergeht. Dem mit dem Hinweis begegnen zu wollen, die Frage der Umgehungsabwehr stelle sich sinnvollerweise nur in den „Hülsen“-Fällen79, überzeugt noch nicht. Es bedarf gerade erst einer gesetzeskonsistenten Begründung dafür, dass in diesen Fällen überhaupt eine „Umgehung“ der gesetzlichen Vorgaben zur Kapitalausstattung der Gesellschaft vorliegt, die es nach dem Regelungsplan des Gesetzes durch entsprechende Anwendung des Gründungsrechts zu sanktionieren gilt. Eben dies ist indes nicht überzeugend begründbar. Auch deshalb sollte mit den beiden aktuellen Grundsatzentscheidungen des BGH zur Mantelverwendung im GmbH-Recht das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

__________ 78 Weiterführend etwa Bohrer, DNotZ 2003, 888 (892); Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129 (1131 f.); Heyer/Reichert-Clauß, NZG 2005, 193 (194); Jacobs, DZWIR 2004, 309 (310 f.); Peus, NZG 2003, 610 (612); Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 (1351). 79 In diesem Sinne Goette, DStR 2004, 461 (465).

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Unbeantwortete Aktionärsfragen im notariellen Hauptversammlungsprotokoll Inhaltsübersicht I. Einführung II. Protokollierungsanspruch von Aktionären 1. Grundlagen 2. Ausdrückliche Auskunftsverweigerung 3. Übergangene Fragen 4. Unzureichende Antworten 5. Eigene Wahrnehmungen des Notars 6. Verhinderte Fragen

III. Protokollierungsverlangen der Gesellschaft 1. Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär auf Protokollierung offener Fragen 2. Anspruch auf Protokollierung der Antworten IV. Versammlungsleitung und Fragenaufnahme durch den Notar 1. Fragen der Versammlungsleitung 2. Fragenaufnahme durch den Notar

I. Einführung Nach § 131 Abs. 1 AktG hat der Vorstand jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind. § 131 Abs. 3 AktG enthält einen Katalog von Auskunftsverweigerungsgründen. § 131 Abs. 5 AktG gibt jedem Aktionär, dem eine Auskunft verweigert wurde, das Recht zu verlangen, dass seine Frage und der Grund, aus dem die Auskunft verweigert worden ist, in die Niederschrift über die Verhandlung aufgenommen werden. In der Hauptversammlungspraxis spielt dieses Protokollierungsrecht eine große Rolle. Insbesondere bei kritischen Hauptversammlungen ist es Teil des „Standardprogramms“, dass Aktionäre zum Teil umfangreiche Kataloge angeblich unbeantworteter Fragen zu Protokoll zu geben wünschen. Inhaltlich beschränken sich solche Protokollierungswünsche in aller Regel nicht auf Fragen, zu denen der Vorstand eine Antwort verweigert hat, sondern zu Protokoll gegeben werden zumeist Fragen, mit deren Beantwortung der Aktionär aus irgendeinem Grunde nicht zufrieden war, was sodann den Wunsch der Gesellschaft begründet, auch die zugehörigen Antworten zu protokollieren. Mancher Aktionär verbindet schon die Fragestellung mit einem Protokollierungsverlangen, ohne die Antwort des Vorstands überhaupt abzuwarten. Und wenn – wie es bei kritischen Hauptversammlungen die Regel ist – der Versammlungsleiter zu vorgerückter Stunde den Schluss der Debatte anordnen muss, wird gerne versucht, nicht nur unbeantwortete Fra387

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gen zu Protokoll zu geben, sondern auch die eine oder andere gar nicht gestellte Frage mit in das Protokoll „hineinzuschmuggeln“. Der Notar muss sich dann überlegen, inwieweit es rechtlich geboten oder praktisch zweckmäßig ist, solchen Protokollierungswünschen zu folgen, wo die Grenze zu ziehen ist und welche Prüfungspflichten ihn dabei eigentlich treffen. Und muss er selbst die Rolle des Schreibers für die Aktionäre übernehmen oder kann er diese an Gehilfen verweisen oder zur schriftlichen Übergabe ihrer Fragen auffordern? Auch für den Versammlungsleiter kann die Protokollierung unbeantworteter Aktionärsfragen zum Problem werden, wenn die Zeit knapp wird und die Mitternachtsstunde näher rückt, die von einer verfehlten, aber nach wie vor herrschenden Meinung als strikte Grenze der zulässigen Hauptversammlungsdauer angesehen wird1. Vielfach beanspruchen Aktionäre für sich das Recht, ihre Fragen vom Rednerpult aus zu Protokoll zu geben und sie dort so langsam und deutlich zu verlesen, dass der Notar sie in Langschrift mitschreiben kann. Der weitere Ablauf der Hauptversammlung ist währenddessen gehemmt, und die Zeit verrinnt. Muss das so sein? Oder kann der Versammlungsleiter mit der Versammlung fortfahren und die Aktionäre darauf verweisen, dem Notar die Fragen zu Protokoll zu geben, ohne den Fortgang der Versammlung dadurch zu stören? Der Jubilar verfügt über reiche praktische Erfahrungen als Hauptversammlungsnotar und hat sich in Vorträgen2 und Aufsätzen3 wissenschaftlich immer wieder auch mit der Rolle des Notars in der Hauptversammlung befasst. Das lässt hoffen, ihn mit den nachfolgenden Überlegungen nicht zu langweilen. Noch besser wäre es, seine Zustimmung zu finden.

II. Protokollierungsanspruch von Aktionären 1. Grundlagen Über die Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist ein notarielles Protokoll zu führen (§ 130 Abs. 1 AktG), dessen Inhalt zum Teil Voraussetzung für die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse ist, und im

__________ 1 So z. B. LG Mainz, Konzern 2005, 525 (527); Werner in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1993, § 121 AktG Rz. 55; Zöllner in KölnKomm.AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 70; Semler in MünchHdb.GesR, Bd. 4: AG, 3. Aufl. 2007, § 36 Rz. 47; Max, AG 1991, 77 (90); wohl auch Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 129 AktG Rz. 20; zutreffend hingegen Happ/Freytag, AG 1998, 493 ff.; Martens, Leitfaden für die Leitung der Hauptversammlung, 3. Aufl. 2003, S. 56, die auch die Fortsetzung über Mitternacht hinaus in angemessenem Rahmen für zulässig ansehen. 2 Vgl. nur die langjährige Vortragsreihe zum „Aktienrecht in der notariellen Praxis“ beim DAI Deutsches Anwaltsinstitut e.V. 3 Vgl. etwa Priester, DNotZ 2006, 403; ders., DNotZ 2001, 661.

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Aktionärsfragen im notariellen Hauptversammlungsprotokoll

übrigen beweissichernden Charakter hat4. Der Protokollinhalt ist zum Teil gesetzlich vorgeschrieben. Der Notar hat allerdings über die gesetzlichen Vorschriften hinaus alle unmittelbar beschlussrelevanten Vorgänge aufzunehmen5. Er darf nach eigenem Beurkundungsermessen auch mehr protokollieren als er muss6 und unterliegt insoweit keinen Weisungen seitens der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre. Das notarielle Protokoll hat die Beweiswirkung des § 415 ZPO, das heißt es erbringt vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eigene Wahrnehmungen des Notars handelt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeurkG). Was er nicht aus eigener Wahrnehmung weiß, darf er nicht protokollieren und wird von der Beweiswirkung nicht erfasst7. Das Recht des Aktionärs auf Protokollierung verweigerter Antworten hat im früheren Aktienrecht keinen Vorläufer, sondern wurde in das AktG 1965 neu aufgenommen. Die Regierungsbegründung nennt als Zweck der Vorschrift, spätere Auseinandersetzungen darüber zu vermeiden, ob und aus welchem Grund der Vorstand die Auskunft verweigert hat8. Es geht dem Gesetz also auch hier um die Beweisfunktion des Protokolls9. Der Aktionär erhält dadurch im Hinblick auf eine etwaige Anfechtungsklage oder ein Auskunftserzwingungsverfahren die Möglichkeit, über den beurkundeten Vorgang später einen Urkundsbeweis zu führen, wo er sonst auf einen Zeugenbeweis angewiesen wäre. Dabei ist es die Vorstellung des Gesetzes, dass die Beurkundung und damit die Beweiswirkung sich auf drei Tatsachen erstreckt: auf die vom Aktionär gestellte Frage, auf die Verweigerung der Beantwortung und auf den hierfür angegebenen Grund. Hingegen dient die Fragenprotokollierung nicht dem Zweck, dem Aktionär die Substantiierung einer Anfechtungsklage oder eines Antrags nach § 132 AktG zu erleichtern. Der Aktionär muss im Verfahren vortragen, dass eine konkrete Frage nicht oder nicht ausreichend beantwortet sei. Pauschale Bezugnahmen auf das notarielle Protokoll genügen dem nicht10. Ebenso wenig kann ein Aktionär, der innerhalb der Anfechtungsfrist die angeblich unzureichende Fragenbeantwortung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen

__________ 4 Zur Unterscheidung zwischen wirksamkeitserheblichem und beweissicherndem Protokollinhalt vgl. Hüffer (Fn. 1), § 130 AktG Rz. 1; Priester, DNotZ 2001, 661 (665). 5 So die heute hM, vgl. Zöllner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 130 AktG Rz. 45 ff.; Hüffer (Fn. 1), § 130 AktG Rz. 5; Priester, DNotZ 2001, 661 (667). 6 Priester, DNotZ 2001, 661 (667). 7 Limmer in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 2. Aufl. 2004, § 37 BeurkG Rz. 3, 6. 8 BegrRegE AktG, abgedruckt bei Kropff, AktG, 1965, S. 188. 9 Allg. Meinung, z. B. Hüffer (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 43; Schaaf, Die Praxis der Hauptversammlung, 2. Aufl. 1999, Rz. 662. 10 LG Frankfurt v. 10.10.2006 – 3-50 136/06, S. 22; LG Frankfurt, NZG 2005, 227; in der Sache ebenso OLG Düsseldorf, WM 2005, 1948 (1951); OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 359 (364).

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hat11, einwenden, er sei dazu nicht in der Lage gewesen, weil ihm das Protokoll noch nicht vorgelegen habe12. Der Protokollierungsanspruch des § 131 Abs. 5 AktG setzt voraus, dass dem Aktionär eine Auskunft verweigert wurde. Die Auskunftsverweigerung ist eine gesetzliche Anspruchsvoraussetzung, ohne Auskunftsverweigerung existiert ein Protokollierungsanspruch nicht. Dieses gesetzliche Konzept ist in der Rechtswirklichkeit allerdings verwässert. In der Literatur wird der Protokollierungsanspruch so weit gezogen, dass vielfach nichts weiter verlangt wird, als dass der Aktionär eine gegebene Antwort für unzureichend hält13. Und in der Hauptversammlungspraxis lässt man es ebenfalls im Allgemeinen genügen, dass der Aktionär behauptet, eine von ihm gestellte Frage sei nicht ordnungsgemäß beantwortet. Das ist als praktische Vorgehensweise zumeist auch sachgerecht, da es im Allgemeinen kaum lohnt, mit Diskussionen über die Begründetheit eines Protokollierungsverlangens Zeit zu verlieren, und es dem Notar ohnehin freisteht, mehr zu protokollieren als er müsste. Gleichwohl ist es von Interesse, die rechtliche Reichweite des Protokollierungsanspruchs zu beleuchten, zumal damit auch die Prüfungspflichten des Notars und die Reichweite der Beweiswirkung des § 415 ZPO zusammenhängen. 2. Ausdrückliche Auskunftsverweigerung Der Anspruch auf Protokollierung setzt voraus, dass dem Aktionär eine Auskunft „verweigert“ wurde. Das ist begrifflich jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Vorstand auf eine Aktionärsfrage erklärt, er lehne die Beantwortung ab. Ob dies der Fall ist, kann der Notar wahrnehmen und als Ergebnis seiner eigenen Wahrnehmung protokollieren. Die Beweiswirkung des Protokolls erfasst dann zum einen den Inhalt der protokollierten Frage und zum anderen die Tatsache, dass der Vorstand auf diese Frage die Antwort verweigert hat. In das Protokoll aufzunehmen ist desweiteren der Grund, aus dem die Auskunft verweigert worden ist. Das setzt eine entsprechende Begründung durch die Gesellschaft voraus. Verweigert die Gesellschaft eine Auskunft, ohne dafür eine Begründung zu geben, ändert dies an der Protokollierungspflicht nichts14. Zum einen besteht das durch § 131 Abs. 5 AktG geschützte Beweissicherungsinteresse auch in diesem Fall, zum anderen hätte andernfalls

__________ 11 Zur Notwendigkeit, alle Anfechtungsgründe innerhalb der Anfechtungsfrist geltend zu machen, vgl. etwa BGH, AG 2005, 395 (397); BGHZ 137, 378 (386). 12 LG Frankfurt v. 10.10.2006 – 3/50 136/06, S. 28. 13 So ausdrücklich Butzke in Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2001, Teil G Rz. 83; der Sache nach kaum anders Kubis in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 146. 14 Hüffer (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 43; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 131 AktG Rz. 146.

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die Gesellschaft es in der Hand, den Protokollierungsanspruch durch bloße Begründungsverweigerung zu unterlaufen. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang die Frage erörtert, ob aus § 131 Abs. 5 AktG eine Verpflichtung des Vorstands abzuleiten sei, eine etwaige Auskunftsverweigerung zu begründen. Die Frage ist wohl zu bejahen15, aber sehr akademischer Natur. Dass der Vorstand die Beantwortung einer Frage ablehnt, ist ohnehin selten; zumeist ist in Fällen des Protokollierungsverlangens die Beantwortung nicht abgelehnt, sondern eine Antwort gegeben worden, die dem Aktionär lediglich unzureichend erscheint. Und wenn in selteneren Fällen, eine Beantwortung ausdrücklich abgelehnt wird, wird dafür in aller Regel auch eine Begründung gegeben. Unter welchen Voraussetzungen der Vorstand dem Aktionär eine Auskunft verweigern darf, regelt § 131 Abs. 3 AktG. Die Vorschrift enthält in Satz 1 einen Katalog von Auskunftsverweigerungsgründen. Satz 2 ergänzt sodann, dass die Auskunft aus anderen Gründen nicht verweigert werden dürfe. Trotz § 131 Abs. 3 Satz 2 AktG steht allerdings außer Frage, dass es über den Katalog des Abs. 3 Satz 1 hinaus Fälle gibt, in denen Fragen nicht beantwortet werden müssen. Insbesondere besteht keine Auskunftspflicht, wenn es bereits an den Voraussetzungen des Auskunftsrechts nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG fehlt, weil es sich nicht um eine Angelegenheit der Gesellschaft handelt oder die Information zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich ist. Darüber hinaus kann ein Missbrauch des Fragerechts den Vorstand zur Ablehnung der Beantwortung berechtigen16. In der Terminologie des Gesetzes scheint es sich in solchen Fällen zulässiger Zurückweisung eines Auskunftsbegehrens nicht um eine „Verweigerung“ der Auskunft zu handeln, denn eine solche wäre nach § 131 Abs. 3 Satz 2 AktG unzulässig. Man kann deshalb die Frage aufwerfen, ob sich der Protokollierungsanspruch des Abs. 5 auf die Fälle des Abs. 3 beschränke, also nur bei einer nach Abs. 3 Satz 1 zulässigen oder einer nach Satz 2 unzulässigen Verweigerung der Antwort bestehe oder auch in anderen Fällen zulässiger Zurückweisung eines Auskunftsbegehrens. Die Literatur ist der Auffassung, es handele sich insoweit nur um einen „etwas unglücklich formulierten Wortlaut“17, tatsächlich werde von Abs. 5 auch der Fall erfasst, dass der Vorstand eine Auskunft nicht erteile, weil schon die Anspruchsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 AktG nicht vorlägen18. Der Ge-

__________ 15 Decher in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 374; Luther in FS Möhring, 1975, S. 221 (225); a. A. Butzke (Fn. 13), Teil G Rz. 83. 16 So die ganz herrschende Meinung, vgl. etwa OLG Frankfurt, AG 1984, 25; BayObLGZ 1974, 208 (213); Zöllner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 44; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 131 AktG Rz. 124; Hüffer (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 33; Groß, AG 1997, 97 (104). 17 Decher in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 131 AktG Rz. 371. 18 Decher in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 131 AktG Rz. 371; Luther in FS Möhring, 1975, S. 221 (234 f.).

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setzeszweck von § 130 Abs. 5 AktG, spätere Auseinandersetzungen darüber zu vermeiden, ob und aus welchen Gründen der Vorstand die Auskunft verweigert hat19, legt eine solche Analogie nahe. Zwar mag man sagen, eine Auskunftsverweigerung nach § 131 Abs. 3 AktG wiege schwerer als die Zurückweisung eines Auskunftsverlangens wegen fehlender Anspruchsvoraussetzungen, aber dass deshalb das vom Gesetz verfolgte Beweissicherungsinteresse nur die Fälle des § 131 Abs. 3 AktG, nicht jedoch die Fälle der fehlenden Anspruchsvoraussetzungen erfassen sollte, lässt sich kaum überzeugend begründen. Hinzu kommt, dass eine Differenzierung nach Auskunftsverweigerungsgründen Manipulationsgefahren begründen würde, weil nur die „richtige“ Begründung gewählt werden müsste, um den Anspruch entfallen zu lassen. Und schließlich hat schon Luther20 darauf hingewiesen, dass auch in § 243 Abs. 4 AktG von „verweigerter“ Informationserteilung gesprochen wird. Dort aber kann erst Recht kein Zweifel daran bestehen, dass die Vorschrift sich nach ihrem Zweck nicht nur auf die Fälle der Informationsverweigerung nach § 131 Abs. 3 AktG beschränken kann, sondern auch den Fall der Informationsverweigerung wegen fehlender Anspruchsvoraussetzungen erfassen muss21. Im Ergebnis spricht dies dafür, § 131 Abs. 5 AktG nicht auf die Auskunftsverweigerung nach Abs. 3 zu beschränken. Vielmehr besteht ein Protokollierungsanspruch jedenfalls dann, wenn der Vorstand, mit welcher Begründung auch immer, die Beantwortung einer Frage ausdrücklich ablehnt. 3. Übergangene Fragen Häufiger als die ausdrückliche Zurückweisung einer Fragenbeantwortung ist es in der Praxis, dass gestellte Fragen übergangen werden. Geschieht das absichtlich, kann man begrifflich von einer „Verweigerung“ der Antwort sprechen, und auch der Protokollierungsanspruch muss in diesem Fall durchgreifen. Denn mit seinem Zweck wäre es unvereinbar, könnte die Gesellschaft den Anspruch schon dadurch beseitigen, dass sie sich zu einer Frage überhaupt nicht erklärt. Wird eine Frage versehentlich nicht beantwortet, ist die Antwort im Sprachsinn nicht „verweigert“. Gleichwohl muss man den Protokollierungsanspruch auch in diesen Fällen gewähren. Denn zum einen ist es für den Notar nicht feststellbar, ob eine unterlassene Beantwortung absichtlich oder versehentlich erfolgte, und zum anderen ist es für das geschützte Beweisinteresse des Aktionärs von untergeordneter Bedeutung, aus welchem Grund eine von ihm gestellte Frage nicht beantwortet wurde, sondern für ihn kommt es in erster Linie darauf an, beweiskräftig dokumentie-

__________ 19 Vgl. oben Fn. 8. 20 Luther in FS Möhring, 1975, S. 221 (235). 21 Unbestritten, vgl. nur Hüffer in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2001, § 243 AktG Rz. 112; K. Schmidt in Großkomm.AktG, 1996, § 243 AktG Rz. 34.

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ren zu können, dass er eine bestimmte Frage gestellt und darauf keine Antwort erhalten hat. Anders verhält es sich aber mit Fragen, die im Laufe der Debatte noch beantwortet werden sollen. Verweigert ist eine Antwort nur, wenn der Vorstand die Frage endgültig nicht beantworten will. Solange die Debatte noch läuft und der Wille zur Auskunftsverweigerung nicht festgestellt ist, kann deshalb ein Anspruch auf Protokollierung auch nicht bestehen22. In der Praxis verlangen Aktionäre allerdings gelegentlich die Protokollierung bereits mit der Fragestellung oder dann, wenn der Vorstand auf eine Frage nach einer gewissen Zeit noch nicht geantwortet hat. Für einen Protokollierungsanspruch reicht das nicht, und der Notar sollte solchen Protokollierungswünschen, die letztlich nur der Störung dienen, auch nicht von sich aus nachkommen. Im Zweifel kann durch Nachfrage beim Vorstand geklärt werden, ob die Antwort noch gegeben werden soll. 4. Unzureichende Antworten In der Praxis ist es eher die Ausnahme, dass der Vorstand die Beantwortung einer Frage klar ablehnt. Zumeist werden vielmehr Antworten gegeben, und das Protokollierungsverlangen stützt sich in diesen Fällen darauf, dass der Aktionär die Antwort für unrichtig, nicht ausreichend detailliert oder ausweichend hält. Die Literatur geht, soweit sie die Frage anspricht, ohne weiteres davon aus, dass der Protokollierungsanspruch sich auch auf solche Fälle unzureichender Beantwortung erstrecke23. Der Notar müsse dann die Aktionärsfrage sowie die Einlassungen des Vorstands hierzu in seine Niederschrift aufnehmen24. Das ist jedoch keineswegs selbstverständlich: Dem gesetzlichen Protokollierungsanspruchs steht die Situation vor Augen, dass der Aktionär eine Frage gestellt und der Vorstand die Antwort abgelehnt hat. Ein solcher Sachverhalt kann vom Notar unschwer aus eigener Wahrnehmung bekundet werden und rechtfertigt sodann die Richtigkeitsvermutung des § 415 ZPO. Beanstandet der Aktionär hingegen, die ihm gegebene Antwort sei unrichtig, ausweichend oder aus sonstigen Gründen unzureichend, ist die Situation ganz anders. Ob diese Beanstandung zutrifft, wird der Notar nur im Ausnahmefall entscheiden können. Denn dazu bedarf es einer vertieften Analyse von Frage und Antwort, und häufig wird man erst einmal die ordnungsgemäße Antwort kennen müssen, um die gegebene als unzureichend einstufen zu können. Der Zweck der Protokollierung, beweiskräftig festzustellen, dass auf eine bestimmte Aktionärsfrage die Auskunft

__________ 22 Volhard in Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshdb. für die HV, 2. Aufl. 2003, § 13 Rz. 58; Decher in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 131 AktG Rz. 371. 23 Decher in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 131 AktG Rz. 371; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 131 AktG Rz. 146; wohl auch Butzke (Fn. 9), Teil G Rz. 83. 24 Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 131 AktG Rz. 146.

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verweigert wurde, lässt sich in diesen Fällen im Allgemeinen nicht erreichen, weil der Notar dies aus eigener Wahrnehmung nicht beurteilen und demgemäß auch nicht beurkunden kann. Dehnt man § 131 Abs. 5 AktG auf die Fälle der angeblich unzureichenden Fragenbeantwortung aus, muss man sich zum einen mit einer beschränkten Beweiswirkung des Protokolls abfinden, und man muss zum anderen akzeptieren, dass man damit dem Aktionär ein weitgehend unbeschränktes Recht auf Protokollierung seiner Fragen einräumt, sofern er nur Zweifel an der Antwort äußert. Auf der anderen Seite müsste man aber auch Ungereimtheiten in Kauf nehmen, wollte man den Protokollierungsanspruch in diesen Situationen per se versagen. Auch wenn unklar bleiben muss, ob der Vorstand ordnungsgemäß geantwortet hat oder nicht, ist es für den Aktionär wertvoll, wenigstens seine Frage protokollieren lassen zu können und damit die Beweiswirkung des Protokolls zumindest für die Tatsache der Fragestellung zu erlangen. Ihm diese eingeschränkte Beweiswirkung zu versagen, nur weil sich eine noch weitergehende, auf die Auskunftsverweigerung gerichtete Beweiswirkung nicht erzielen lässt, wäre kaum plausibel. Und ungereimt wäre es auch, wollte man einen Vorstand, der unrichtig oder vernebelnd antwortet, hierfür gegenüber dem Vorstand, der „mit offenem Visier“ die Antwort verweigert, privilegieren und den betroffenen Aktionär schlechter stellen. Deshalb wird man im Ergebnis annehmen müssen, dass der Protokollierungsanspruch auch den Fall der unzureichenden Antwort erfasst. Das wird allerdings nicht so weit gehen, dass der Notar blind jede Aktionärsfrage beurkunden muss, zu welcher der Aktionär die gegebene Antwort als unbefriedigend empfindet. Das wäre ein voraussetzungsloses Protokollierungsrecht und ist nicht das Konzept des Gesetzes. Vielmehr kann der Notar eine Plausibilisierung der Ansicht, die Antwort sei unzureichend, verlangen. Im Zweifel allerdings wird er die Frage, protokollieren müssen. Folgt man diesem Ansatz, schließt sich die weitergehende Frage an, ob der Notar auf Verlangen des Aktionärs auch die gegebene Antwort zu beurkunden habe. Von einem Anspruch auf Beurkundung von Antworten liest man im Gesetz nichts. Die Literatur lehnt einen solchen Anspruch daher überwiegend ab25. Demgegenüber geht eine andere Meinung davon aus, der Notar müsse neben den Aktionärsfragen auch „die Einlassungen des Vorstands hierzu“ in seine Niederschrift aufnehmen26. Man kann für diese Meinung ins Feld führen, dass in den hier diskutierten Fällen die Kenntnis der Antwort erforderlich ist, um zu beurteilen, ob die Auskunft verweigert wurde. Der Schutzzweck des Gesetzes würde mit einer so weitgehenden Interpretation aber überdehnt. Denn dem betroffenen Aktionär ist in ausreichender Weise damit gedient, wenn er seine Frage zu Protokoll geben und damit in-

__________ 25 Decher in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 131 AktG Rz. 375; Volhard in Arbeitshdb. HV (Fn. 22), § 13 Rz. 59. 26 Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 131 AktG Rz. 146.

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soweit in einem späteren Rechtsstreit auf die Beweiswirkung des Protokolls zurückgreifen kann. Will der Vorstand geltend machen, er habe die Frage ordnungsgemäß beantwortet, ist es dann ohnehin seine Sache, den Inhalt der Antwort darzutun und im Streitfall zu beweisen. Einer Notwendigkeit, dem Aktionär einen Protokollierungsanspruch hinsichtlich der Antwort zu gewähren, den das Gesetz nicht kennt, gibt es vor diesem Hintergrund nicht. Eine andere Frage ist es allerdings, ob die Verwaltung selbst die Protokollierung ihrer Antworten beanspruchen kann27. 5. Eigene Wahrnehmungen des Notars § 131 Abs. 5 AktG geht davon aus, dass der Notar die gestellte Frage, die Tatsache der Antwortverweigerung und die hierfür gegebene Begründung selbst wahrnimmt und als Gegenstand eigener Wahrnehmung protokolliert. Vielfach wird der Notar bei Anbringung eines Protokollierungswunsches jedoch gar nicht mehr wissen, ob die Frage wirklich gestellt wurde und ob der Vorstand sie gegebenenfalls beantwortet hat oder nicht. Dem Notar obliegt es in einer solchen Situation zunächst, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 131 Abs. 5 AktG erfüllt sind, d. h. ob die Frage tatsächlich gestellt und nicht beantwortet wurde. Dafür wird sich vor allem eine Rücksprache mit dem Vorstand anbieten. Häufig wird sich das Problem dann praktisch lösen, indem der Vorstand die Frage noch einmal beantwortet. Wo das aber nicht möglich ist, weil etwa die Abstimmung schon stattgefunden hat, kommt die Protokollierung einer Auskunftsverweigerung nach § 131 Abs. 5 AktG nicht in Frage. Was der Notar nicht aus eigener Wahrnehmung bekunden kann, darf er nicht protokollieren. Fehlt eine entsprechende Wahrnehmung des Notars, versagt der Anspruch. Man kann dann erwägen, ob der Notar verpflichtet sei, die Behauptung des Aktionärs über die angebliche Fragestellung und Auskunftsverweigerung zu protokollieren. Meines Erachtens ist dies nicht der Fall. § 131 Abs. 5 AktG setzt eine Auskunftsverweigerung voraus, nicht eine bloße Behauptung über eine Auskunftsverweigerung. Und § 131 Abs. 5 AktG zielt darauf ab, den Inhalt der Fragestellung und die Tatsache der Auskunftsverweigerung als Gegenstand der Wahrnehmung des Notars beweiskräftig zu dokumentieren. Die bloße Behauptung des Aktionärs, er habe eine Frage gestellt und diese sei nicht beantwortet worden, ist ohne Wert. Auch wenn in diesen Fällen ein Protokollierungsanspruch nicht besteht, wird man es aus praktischer Sicht häufig als die einfachere Lösung ansehen, die Behauptungen des Aktionärs zu protokollieren, anstatt darüber mit ihm zu diskutieren. Rechtlich steht dem nichts entgegen, denn der Notar kann

__________ 27 Vgl. dazu unten Ziff. III.2.

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nach eigenem Ermessen auch Umstände protokollieren, die er nicht protokollieren müsste. Es darf dann nur keine Missverständnisse darüber geben, dass Gegenstand des Protokolls nicht die angebliche Fragestellung und Auskunftsverweigerung, sondern nur die Behauptung des Aktionärs von einer angeblichen Fragestellung und Auskunftsverweigerung ist. In der Rechtsprechung ist in einem Fall, in dem der Notar eine Liste mit Aktionärsfragen als Anlage zu Protokoll genommen und im Protokoll vermerkt hatte, der Aktionär habe diese Fragen „als nicht beantwortet erklärt“, angenommen worden, die Beweiskraft des Protokolls erstrecke sich auf die Tatsache der Fragestellung und stehe dem Einwand der Gesellschaft, die Fragen seien gar nicht gestellt worden, entgegen. Um diese Beweiswirkung zu vermeiden, müsse der Notar in der Urkunde deutlich machen, dass es für ihn nicht überprüfbar gewesen sei, ob die Frage tatsächlich gestellt und gegebenenfalls unbeantwortet geblieben sei28. Das ist sehr streng und eher überzogen, zeigt aber die Gefahren einer großzügigen Protokollierungspraxis und weckt Zweifel an der Empfehlung, der Notar solle „eher zu viel als zu wenig protokollieren“29: zumindest sollte der Notar das nicht tun, ohne unzweideutig klarzustellen, was Gegenstand seiner Wahrnehmung war. 6. Verhinderte Fragen Gelegentlich wird schließlich von Aktionären beansprucht, Fragen zu Protokoll geben zu können, die sie nicht mehr haben stellen können, weil der Versammlungsleiter bereits den Schluss der Debatte angeordnet und ihnen das Wort nicht mehr erteilt hatte. Bei weitem Wortlautverständnis könnte man auch insoweit davon sprechen, dem Aktionär sei die Auskunft verweigert worden, weil man ihm schon die Fragestellung verweigert habe. Der Beweissicherungszweck des § 131 Abs. 5 AktG erfasst nicht gestellte Fragen jedoch nicht. Der Vorschrift geht es vielmehr darum, den Beweis für spätere Auseinandersetzungen um die Frage zu sichern, ob der Inhalt einer Aktionärsfrage die Auskunftsverweigerung rechtfertigte. Wenn Fragen wegen des Schlusses der Debatte nicht mehr gestellt werden konnten, geht es aber in einer späteren Auseinandersetzung nicht um eine mit dem Inhalt der Frage zusammenhängende Auskunftsverweigerung, sondern in erster Linie darum, ob der Schluss der Debatte und damit die Verhinderung der Fragestellung gerechtfertigt war. Ein Protokollierungsanspruch hinsichtlich solcher Fragen, die nicht mehr gestellt werden konnten, besteht daher nicht30.

__________ 28 LG Frankfurt, NZG 2005, 937 (938 f.). 29 So Volhard in Arbeitshdb. HV (Fn. 22), § 13 Rz. 60. 30 Ebenso Zetzsche, EWiR 2007, 89/90; unklar OLG Düsseldorf, Konzern 2006, 768 (773).

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III. Protokollierungsverlangen der Gesellschaft Ein Interesse an der Protokollierung unbeantworteter Fragen kann auch auf Seiten der Gesellschaft bestehen. Dabei wird es für die Gesellschaft zumeist nicht um die Dokumentation des genauen Wortlauts der Frage gehen, denn dieser ist bei größeren Hauptversammlungen, in denen die Fragenaufnahme stenographisch erfolgt, ohnehin dokumentiert. Für die Gesellschaft ist es aber wertvoll, durch die Protokollierung zu erfahren, welche Fragen nach Ansicht des Aktionärs noch nicht ausreichend beantwortet sind. Sie erhält dadurch die Gewissheit, die übrigen Fragen des Aktionärs zu dessen Zufriedenheit beantwortet zu haben. Wenn die Zeit reicht, wird die Gesellschaft die Protokollierung der Fragen zum Anlass nehmen, diese Fragen noch einmal gezielt anzusprechen, zu beantworten oder die bereits gegebene Antwort zu wiederholen und evtl. zu vertiefen. Und die Gesellschaft wird den Notar bitten, auch die gegebenen Antworten zu protokollieren. 1. Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär auf Protokollierung offener Fragen Wenn mithin ein Interesse der Gesellschaft bestehen kann, dass der Aktionär von seinem Protokollierungsanspruch nach § 131 Abs. 5 AktG Gebrauch macht, kann man die Frage aufwerfen, ob die Gesellschaft verlangen kann, dass Aktionäre auf Nachfrage die aus ihrer Sicht noch nicht (hinreichend) beantworteten Fragen zu Protokoll geben. In der Praxis ist es nicht selten, dass der Versammlungsleiter Aktionäre, die eine Unzufriedenheit mit den gegebenen Antworten erkennen lassen, auffordert, sie möchten zu Protokoll des Notars erklären, welche Fragen aus ihrer Sicht unbeantwortet seien. Und es geschieht dann immer wieder, dass Aktionäre dies verweigern und erklären, der Vorstand wisse doch selbst, welche Fragen er noch nicht beantwortet habe. Aus § 131 Abs. 5 AktG lässt sich ein Anspruch gegen den Aktionär, dass dieser die seines Erachtens nicht zureichend beantworteten Fragen zu Protokoll des Notars gibt, nicht begründen. Die Vorschrift dient dem Beweissicherungsinteresse des Aktionärs. Nach Wortlaut und Zweck will sie diesem ein Recht einräumen, aber keine Pflicht auferlegen. Es kommt dann allenfalls die Treuepflicht des Aktionärs als Grundlage für einen möglichen Protokollierungsanspruch der Gesellschaft in Betracht. Jedoch ist ohnehin anerkannt, dass den Aktionär, der im Anfechtungsprozess oder im Auskunftserzwingungsverfahren eine unzureichende Beantwortung seiner Fragen geltend machen will, die Obliegenheit trifft, jedenfalls auf Nachfrage des Versammlungsleiters zu erklären, ob und welche Fragen noch offen geblieben sind. Geschieht das nicht, steht das Verbot widersprüchlichen Verhaltens der Anfechtungsklage ebenso entgegen wie dem Auskunftserzwingungsver-

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fahren31. Deshalb ist der Notar im Rahmen seines Protokollierungsauftrags als verpflichtet anzusehen, diese Nachfrage und die Reaktionen der Aktionäre in das Protokoll aufzunehmen. Damit ist dem Interesse der Gesellschaft hinreichend Rechnung getragen. Für sie ist es wichtig, auf Nachfrage zu erfahren, ob alle Fragen ausreichend beantwortet sind, aber das muss nicht durch Protokollierung der Fragen geschehen, sondern es genügt auch eine mündliche Reaktion gegenüber Vorstand oder Versammlungsleiter. 2. Anspruch auf Protokollierung der Antworten Hat der Notar Aktionärsfragen als angeblich unzureichend beantwortet zu Protokoll genommen, wird die Gesellschaft zumeist daran interessiert sein, dass zu den protokollierten Fragen der Aktionäre auch die gegebenen Antworten des Vorstands zu Protokoll genommen werden. Denn die Protokollierung der Antwort erstreckt die Beweiswirkung des Protokolls auch auf diese und erlaubt es der Gesellschaft im späteren Rechtsstreit, den Inhalt der gegebenen Antwort urkundlich nachzuweisen. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Gesellschaft sich der Ordnungsmäßigkeit ihrer Antworten sicher sein kann und nicht durch die Protokollierung der Antworten eigene Unzulänglichkeiten dokumentiert. § 131 Abs. 5 AktG gewährt allerdings auch der Gesellschaft keinen Anspruch auf Protokollierung ihrer Antworten. Gleichwohl wird man eine entsprechende Protokollierungspflicht des Notars zu bejahen haben. Denn Zweck des notariellen Protokolls ist nicht nur festzuhalten, welche Beschlüsse gefasst wurden und wie ihr genauer Inhalt lautet, sondern das Protokoll soll auch Aufschluss darüber geben, wie sie zustande gekommen sind und hat insoweit nicht zuletzt für den Fall eines Rechtstreits Bedeutung32. Dieser Protokollzweck verlangt es in Fällen, in denen Aktionäre zu Protokoll beanstanden, dass von ihnen gestellte Fragen nicht ordnungsgemäß beantwortet seien, der Gesellschaft – gleichsam zum Zwecke der „Waffengleichheit“ – Gelegenheit zu geben, auch die Antwort zu der Frage des Aktionärs im Protokoll dokumentieren zu lassen33. Wenn dem Aktionär hinsichtlich der gestellten Frage die Beweiswirkung des § 415 ZPO zugute kommt, muss auch die Gesellschaft in die Lage versetzt werden, hinsichtlich der gegebenen Antwort auf das Protokoll als Beweismittel zurückgreifen zu können.

__________ 31 Vgl. etwa LG Mainz, AG 1988, 169; Hüffer (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 35; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 131 AktG Rz. 71; Decher in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 131 AktG Rz. 395. 32 Vgl. nur Priester, DNotZ 2001, 661 (664 f.). 33 Vgl. auch Butzke (Fn. 13), Teil G Rz. 83; Volhard in Arbeitshdb. HV (Fn. 22) § 13 Rz. 60, die eine Protokollierung der Antworten empfehlen.

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Eine solche Vorgehensweise ist unkompliziert, sofern der Umfang der zu Protokoll gegebenen Aktionärsfragen und das Zeitmanagement des Versammlungsleiters es dem Vorstand ermöglichen, nach Protokollierung der Aktionärsfragen noch einmal auf jede der protokollierten Fragen einzugehen. Bei einem solchen Versammlungsablauf ist die zu jeder protokollierten Frage gegebene Antwort leicht zuzuordnen und ihre Aufnahme in die Niederschrift kein Problem. Erforderlich ist nur, dass der Notar in geeigneter Weise in die Lage versetzt wird, die Antwort zum Zwecke der Protokollierung aufzunehmen. Dazu kann etwa daran gedacht werden, dem Notar jeweils Kopien der vorbereiteten Antwortvorschläge aus dem Back-Office auszuhändigen, so dass er sogleich anhand der Vorlage die gegebenen Antworten mitverfolgen und etwaige Abweichungen zwischen dem geschriebenen Text und der mündlichen Antwort vermerken kann. Ebenso ist es möglich, dass der Vorstand den Zettel mit der von ihm verlesenen Antwort jeweils im Anschluss an die Verlesung dem Notar übergibt. Oder es kann ein Stenograph zur Unterstützung hinzugezogen werden, der die vom Vorstand gegebenen Antworten für den Notar mitstenographiert und anschließend in Langschrift überträgt. Die geschilderte Vorgehensweise setzt allerdings voraus, dass der Vorstand in der Lage ist, nach Protokollierung der angeblich unbeantworteten Fragen hierauf noch einmal im Einzelnen einzugehen. In kritischen Hauptversammlungen ist das jedoch vielfach unmöglich, sondern häufig hat der Vorstand angesichts der Vielzahl protokollierter Fragen und der noch verbleibenden Zeit keine Chance mehr, noch einmal alle Fragen zu beantworten. Auch in einer solchen Situation kann die Gesellschaft allerdings ein Interesse daran haben, dass zu den protokollierten Fragen auch die im Laufe der Versammlung vom Vorstand gegebenen Antworten dokumentiert werden, und auch in dieser Situation ändert sich nichts daran, dass der Protokollierungszweck es dem Notar zur Pflicht macht, auf Wunsch der Gesellschaft zu den gestellten Fragen auch die gegebenen Antworten in das Protokoll aufzunehmen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Gesellschaft den Notar organisatorisch in die Lage versetzt, zu seiner Gewissheit nachzuvollziehen, welche Antworten zu den protokollierten Fragen im Laufe der Hauptversammlung gegeben wurden. Das ist aber nur eine Organisationsfrage, die mit dem Notar im Voraus abgesprochen werden sollte. Auch dazu kann auf die vom BackOffice vorbereiteten Antwortvorschläge zurückgegriffen werden, nur dass der Notar in diesem Fall während der gesamten Hauptversammlung die jeweils vom Vorstand gegebenen Antworten mitverfolgen muss. Als Alternative bieten sich eine vom Notar als Erinnerungsstütze vorgenommene Tonbandaufzeichnung der Antworten des Vorstands oder eine stenographische Mitschrift dieser Antworten durch eine Hilfsperson des Notars an. Wenn der Notar anhand solcher Unterlagen und Aufzeichnungen nachvollziehen muss, welche Antworten im Laufe eines unter Umständen langen Hauptversammlungstages gegeben wurden, wird das allerdings im Allgemeinen einen hohen 399

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zeitlichen Aufwand fordern und nicht bis zum Ende der Hauptversammlung, sondern erst im Verlauf der folgenden Tage möglich sein. In der Praxis sind solche Protokolle daher die Ausnahme, aber es gibt sie, und qualifizierte Notare unterziehen sich der damit verbundenen Mühe bereitwillig. Allerdings führt die mit einem solchen Protokoll nahezu notwendig verbundene Verzögerung der Protokollerstellung zu weiteren Rechtsfragen. Vereinzelt finden sich in der Literatur Äußerungen, die so klingen, als müsse der Notar die Niederschrift in der Hauptversammlung fertigen34. Träfe das zu, wäre das soeben geschilderte Verfahren problematisch. Tatsächlich gibt es jedoch keinen aktien- oder beurkundungsrechtlichen Grundsatz, aus dem sich ableiten ließe, dass das Protokoll in der Hauptversammlung fertiggestellt werden müsse, sondern im Gegenteil geht § 37 Abs. 2 BeurkG davon aus, dass Ort und Tag der Wahrnehmungen des Notars sowie Ort und Tag der Errichtung der Urkunde auseinanderfallen können. Eine zeitliche Schranke ergibt sich nur aus dem Erfordernis, unverzüglich nach der Versammlung eine Protokollabschrift zum Handelsregister einzureichen (§ 130 Abs. 5 AktG). Daraus ist abzuleiten, dass das Protokoll unverzüglich fertig gestellt werden muss, aber unverzüglich heißt nicht bis zum Ende der Hauptversammlung. Die ganz herrschende Meinung geht daher mit Recht davon aus, dass die Niederschrift nach Ende der Hauptversammlung erstellt werden kann35. In der Praxis wurde bislang üblicherweise am Tage der Hauptversammlung ein vorläufiges Protokoll vom Notar unterzeichnet, welches dieser in den nächsten Tagen noch korrigiert und ergänzt, bevor er es in Umlauf gibt. Diese Verfahrensweise wird von der überwiegenden Meinung mit Recht als zulässig angesehen36. Solange das Protokoll nur unterzeichnet, aber noch nicht in Verkehr gebracht ist, gibt es keinen Grund, dem Notar Änderungen und Ergänzungen, die er für zweckmäßig hält, zu versagen. Im Gegenteil spricht der Beweiszweck des Protokolls dafür, dem Notar diese Möglichkeit zuzubilligen. Für die Praxis ist dieser Weg jedoch künftig verschlossen, nachdem ein Strafsenat des OLG Frankfurt diese übliche und sachgerechte Vorgehensweise kürzlich als strafbare Urkundenunterdrückung angesehen hat, weil er zu Unrecht annimmt, das Protokoll sei schon mit der bloß in-

__________ 34 Hüffer (Fn. 1), § 130 AktG Rz. 11, der aber in Rz. 26 betont, die Unterschrift müsse nicht in der Hauptversammlung erfolgen; vgl. auch Sigel/Schäfer, BB 2005, 2137 (2141), die zwar auch von der Notwendigkeit sprechen, in der Hauptversammlung einer Niederschrift zu fertigen, damit aber nur einen Entwurf meinen, während die Endfassung in der Kanzlei des Notars gefertigt werden könne. 35 LG Frankfurt, ZIP 2006, 335 (337); Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 130 AktG Rz. 15; Werner in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 130 AktG Rz. 45; Butzke (Fn. 13), Teil N Rz. 22; Semler in MünchHdb.AG (Fn. 1), § 40 Rz. 24. 36 LG Frankfurt, ZIP 2006, 335 (337); Priester, DNotZ 2006, 403 (417 f.); Maaß, ZNotP 2005, 50 (52 ff.); ders., ZNotP 2005, 377 ff.; Wolfsteiner, ZNotP 2005, 376 f.; a. A. Eylmann, ZNotP 2005, 300 ff.

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ternen Unterzeichnung durch den Notar errichtet, auch wenn es noch nicht in Verkehr gebracht ist37. Um sich die Möglichkeit offenzuhalten, nach der Versammlung zu den protokollierten Fragen auch die zugehörigen Antworten zu ergänzen, muss daher künftig auf eine Unterzeichnung vor endgültiger Fertigstellung verzichtet werden.

IV. Versammlungsleitung und Fragenaufnahme durch den Notar In der Hauptversammlungspraxis ergeben sich im Zusammenhang mit dem Protokollierungsverlangen von Aktionären schließlich immer wieder Probleme, die einerseits die Versammlungsleitung und andererseits die Technik der Fragenaufnahme durch den Notar betreffen. 1. Fragen der Versammlungsleitung Die Protokollierung von Aktionärsfragen muss gemäß § 131 Abs. 5 AktG nur auf Verlangen des Aktionärs erfolgen. Das Verlangen ist gegenüber demjenigen anzubringen, der das Protokoll führt und für seinen Inhalt verantwortlich ist, d. h. dem Notar. In der Praxis der Hauptversammlung melden Aktionäre sich hierfür vielfach zu Wort, um vom Rednerpult aus ihre Fragen zu Protokoll des Notars zu diktieren. Das mag häufig unproblematisch sein, wenn die Zeit reicht, wird aber zum Problem, wenn die Zeit knapp wird, die Rede- (und Frage-)zeit beschränkt oder der Schluss der Debatte bereits angeordnet ist und der Aktionär nunmehr gestützt auf § 131 Abs. 5 AktG verlangt, dass ihm weitere Hauptversammlungszeit zur Protokollierung seiner Fragen eingeräumt wird. In der Literatur wird vereinzelt die Auffassung vertreten, § 131 Abs. 5 AktG gewähre dem Aktionär das Recht, seine Fragen zur Kenntnis aller Hauptversammlungsteilnehmer vorzubringen. Denn das Protokollierungsverlangen gehöre zu den Warnsignalen für eine drohende juristische Auseinandersetzung, mache häufig andere Versammlungsteilnehmer aufmerksam und gebe diesen Gelegenheit zum „Nachfassen“38. Träfe diese Ansicht zu, wäre es überdies konsequent zu verlangen, dass auch mit der Abstimmung nicht begonnen werden dürfe, bevor nicht alle Fragen protokolliert seien. Tatsächlich verkennt diese Auffassung den Zweck des Protokollierungsanspruchs, der ausschließlich in seiner Beweisfunktion besteht. Der Aktionär soll das Recht haben, zum Zwecke der Beweissicherung festhalten zu lassen, welche nicht beantwortete Frage er gestellt hat und wie der Vorstand die Verweigerung der Antwort gegebenenfalls begründet hat. Der Protokollierungsanspruch dient hingegen nicht dazu, andere Aktionäre für den eigenen

__________ 37 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.11.2006 – 2 Ws 173/05. 38 Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 131 AktG Rz. 148.

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Standpunkt zu gewinnen. Hierfür hat der Aktionär sein Rede- und Fragerecht. Im Rahmen der Ausübung dieser Rechte kann der Aktionär gestellte Fragen wiederholen, wenn die Antwort noch aussteht oder er mit der gegebenen Antwort unzufrieden ist. Sind Rede- und Fragerecht aber erschöpft, kann nicht unter Berufung auf § 131 Abs. 5 AktG erneut das Wort beansprucht werden. Der Versammlungsleiter kann den Aktionär vielmehr darauf verweisen, seine Fragen unmittelbar dem Notar zur Protokollierung zu übermitteln. Deshalb gibt es aus rechtlicher Sicht auch keinen Grund, mit der Abstimmung zu warten, bis der Notar alle Protokollierungsverlangen entgegengenommen hat. In der Praxis wird dies häufig anders sein, weil die Gesellschaft nach Möglichkeit die Gelegenheit wird nutzen wollen, auf die zu Protokoll gegebenen Fragen vorsorglich noch einmal zu antworten und diese Antworten ebenfalls protokollieren zu lassen. Aber wenn die Zeit knapp wird, kann man sich hiermit nicht aufhalten, sondern muss auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der bereits zuvor gegebenen Antworten vertrauen und diese ausreichend dokumentieren. In diesem Fall steht nichts entgegen, mit der Hauptversammlung fortzufahren und die Aktionäre, die ihre Fragen noch nicht zu Protokoll haben geben können, darauf zu verweisen, dies während der späteren Stimmauszählung und nach Verkündung der Abstimmungsergebnisse zu tun. 2. Fragenaufnahme durch den Notar Der Notar ist verpflichtet, die Frage in die Niederschrift über die Verhandlung aufzunehmen. Wie er die Frage entgegennimmt, obliegt hingegen seinem Ermessen. Der Notar ist insbesondere nicht gehalten, die Frage auf Diktat des Aktionärs mitzuschreiben, sondern es ist ihm unbenommen, sich anderer sachgerechter Formen der Entgegennahme zu bedienen, die es ihm ermöglichen, die Frage bei der späteren Erstellung der Niederschrift zutreffend wiederzugeben. Dazu können stichwortartige Notizen genügen, ebenso gut kann der Notar die Frage als Erinnerungsstütze auf einem Tonband festhalten oder in seiner Anwesenheit von einem Gehilfen mitschreiben lassen, um sie dann später in Schriftform dem Protokoll beizufügen. Er muss sie nur wahrnehmen und in der Lage sein, sie bei Abfassung des Protokolls richtig wiederzugeben. Meinungsverschiedenheiten löst immer wieder die Frage aus, ob der Notar berechtigt ist, den Aktionär zur schriftlichen Übergabe seiner Fragen aufzufordern. In der Literatur wird dies mit dem Argument für zulässig angesehen, dass ein längeres Diktat den Notar davon abhalte, dem weiteren Ablauf der Hauptversammlung zu folgen39. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. § 131

__________ 39 Priester, DNotZ 2001, 661 (666); Hüffer (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 43.

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Abs. 5 AktG steht dem nicht entgegen. Aus der Vorschrift folgt nur, dass der Notar die Frage in die Niederschrift aufnehmen muss, sie bestimmt jedoch nicht, dass der Aktionär das Recht habe, dem Notar die Frage zur Niederschrift zu diktieren. Allerdings folgt aus § 37 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG, dass der Notar auch Vorgänge protokollieren muss, die er nur als gesprochenes Wort wahrgenommen hat. Auch diese Vorschrift setzt aber voraus, dass der Notar zu einer ordnungsgemäßen Wahrnehmung in der Lage ist. Daran fehlt es jedoch, wenn er zugleich der laufenden Hauptversammlung folgen soll. Zusätzlich ist daran zu erinnern, dass ein Recht aller Aktionäre auf eine zügige Abwicklung der Versammlung besteht40, aus dem sich ebenfalls eine Rücksichtnahmepflicht der protokollierungswilligen Aktionäre ableiten lässt, nicht durch langwierige Diktate den Versammlungsverlauf zu verzögern. Es ist deshalb angemessen und jedem Aktionär ohne Weiteres zumutbar, seine Fragen auf Wunsch des Notars schriftlich niederzulegen, um diesem zeitraubende Mitschriften zu ersparen. Dass der Aktionär seine Fragen an den Vorstand mündlich stellen kann41, steht dem nicht entgegen. Denn bei der Fragestellung an den Vorstand hat das Mündlichkeitsprinzip den Zweck, dass auch die übrigen Versammlungsteilnehmer von den Fragen Kenntnis erlangen. Bei der Protokollierung hingegen geht es nur noch um Beweissicherung. Die Literatur nimmt in diesem Zusammenhang an, dass die Gesellschaft wohl gehalten sei, dem Aktionär eine Schreibhilfe zur Verfügung zu stellen, wenn die schriftliche Einreichung der Fragen verlangt werde42. Das ist, sieht man von der Ausnahme eines schreibunfähigen Aktionärs ab, als rechtliche Maxime wohl überzogen, vielmehr kann es in der Regel jedem Aktionär zugemutet werden, seine Fragen selbst zu Papier zu bringen. Für die Praxis wird es sich gleichwohl empfehlen, vorsichtshalber Stenographen als Schreibhilfe für den Aktionär bereitzustellen. Dann ist kein Aktionär gezwungen, selbst zu schreiben, sondern braucht nur noch die für ihn geschriebenen Fragen dem Notar zu übergeben. Eine andere Frage ist es, ob der Notar Aktionäre mit ihrem Protokollierungsverlangen darauf verweisen kann, ihre Fragen einem Gehilfen des Notars zu diktieren, der die Fragen unmittelbar anstelle des Notars aufnimmt, insoweit also den Notar vertritt. Das Problem hierbei ist, dass der Notar im Protokoll seine eigenen Wahrnehmungen niederzulegen hat. Er muss die protokollierten Tatsachen also, wie es in der beurkundungsrechtlichen Literatur heißt, „selbst mit seinen Sinnen in seiner amtlichen Eigenschaft wahrgenommen“43 haben. Entsprechend beschränkt sich auch die Beweiswirkung des Protokolls auf diejenigen in der Urkunde niedergelegten Tatsachen, die

__________ 40 BVerfG, ZIP 1999, 1798 (1800) – Wenger/Daimler-Benz; Hüffer (Fn. 1), § 129 AktG Rz. 20 ff., 23 m. w. N.; vgl. auch Ziff. 2.2.4 DCGK. 41 Unbestritten, vgl. statt aller Hüffer (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 8. 42 Priester, DNotZ 2001, 661 (666); Hüffer (Fn. 1), § 131 AktG Rz. 43. 43 Limmer (Fn. 7), § 37 BeurkG Rz. 3.

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auf eigenen Wahrnehmungen des Notars beruhen44. Die Wahrnehmung eines Gehilfen kann deshalb nicht die Wahrnehmung des Notars ersetzen. Vielmehr muss sich die Rolle des Gehilfen in der schriftlichen Aufnahme der Frage beschränken, die dann wiederum durch den Aktionär dem Notar zur Protokollierung zu übergeben ist. Die Übergabe an den Notar kann stattdessen auch im (ausdrücklich oder konkludent erteilten) Auftrag des Aktionärs durch den Gehilfen als Boten des Aktionärs erfolgen; für die Praxis empfiehlt es sich in diesem Fall, den Aktionär um Abzeichnung der für ihn aufgenommenen Fragen zu bitten. Der Sache nach ist der Gehilfe nicht Gehilfe des Notars, sondern Schreibhilfe des Aktionärs, der seine Fragen beim Notar schriftlich einreicht. Es handelt sich also letztlich um nichts anderes als das schon angesprochene Verfahren der schriftlichen Fragenübermittlung durch den Aktionär. Bei dieser Einschätzung bleibt es auch dann, wenn – wie es gelegentlich geschieht – ein zweiter Notar als Gehilfe des Hauptversammlungsnotars eingesetzt wird, um die Fragen entgegenzunehmen. Diese Gestaltung ändert nichts daran, dass die aufgenommenen Fragen nicht Gegenstand der Wahrnehmung des beurkundenden Hauptversammlungsnotars sind, sondern Gegenstand der Wahrnehmung eines anderen Notars, der jedoch das Hauptversammlungsprotokoll nicht führt. Anders wird man die Frage aber beurteilen können, wenn die Gesellschaft zwei Notare mit der Protokollführung in der Weise beauftragt, dass der eine für die Protokollierung von Fragen und Antworten der Aktionäre und der andere für die restliche Niederschrift zuständig ist. Es muss dann jeder dieser Notare eine eigene Urkunde über seine Feststellungen aufnehmen, die zu einem gemeinsamen Hauptversammlungsprotokoll zu verbinden sind. Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Gemeinschaftsprotokolls sind nicht ersichtlich.

__________ 44 Vgl. oben Fn. 43.

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Zur Nützlichkeit einer notariellen Beurkundung von Kabinettsbeschlüssen – nicht ganz ernsthafte Gedanken zum Kabinettsbeschluss über den Referentenentwurf AktG 1965 Inhaltsübersicht I. Prolog II. Ein Referentenentwurf – ist er ein Referentenentwurf? III. Vorgefechte IV. Vor der Kabinettsitzung

VI. Vollendete Tatsachen? VII. Der Krach VIII. Auslegungskünste IX. Wer hatte recht? X. Notarielle Beurkundung nützlich?

V. Die Kabinettsitzung

Der Notar muss „den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären und die Erklärung der Beteiligten klar und unzweideutig in die Niederschrift aufnehmen“1. Es soll möglichst kein Streit darüber entstehen können, was die Parteien beschlossen und vereinbart haben. Das große Vertrauen, das Hans-Joachim Priester entgegengebracht wird, bezeugt, dass er dieser vornehmsten Pflicht des Notars beispielhaft gerecht geworden ist. Aus seiner Erfahrung heraus hat er sich aber auch wiederholt gegen Vorschläge zu Wort gemeldet, die aus kurzsichtigen finanziellen Erwägungen für bedeutsame Geschäfte auf eine notarielle Beurkundung verzichten wollten. Vielleicht macht ihm daher der Gedanke Spaß, dass auch für die Beschlüsse des Bundeskabinetts eine notarielle Beurkundung vorgesehen werden könnte. Schließlich kann man ja Kabinettsentscheidungen eine gewisse Bedeutung etwa im Vergleich zu, sagen wir, einem Grundstücksgeschäft nicht absprechen. Und dass sie manchmal nicht den Anforderungen an einen notariell beurkundeten Text entsprechen, mag das im Folgenden geschilderte Beispiel belegen. Es liegt allerdings nun bald 50 Jahre zurück und hat allenfalls noch rechtshistorisches Interesse. Doch ist Hans-Joachim Priester ohnehin zu sehr Realist, als dass er in Kabinettsbeschlüssen ein neues Tätigkeitsfeld für den Notar sehen würde.

__________ 1 § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG.

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I. Prolog Überblickt man die zahlreichen Denkschriften und Stellungnahmen von Verbänden, Institutionen und Einzelstimmen, die in der Nachkriegszeit eine Reform des Aktiengesetzes von 1937 forderten und die Reformziele diskutierten, so könnte der Eindruck entstehen, dass über die Notwendigkeit einer Reform Übereinstimmung bestanden hat. Dieser Eindruck wäre jedoch falsch, da zwei große gesellschaftliche Gruppen dem Reformgedanken skeptisch bis ablehnend gegenüber standen. Auf der einen Seite waren dies die Gewerkschaften. Sie sahen die Gefahr, dass die verbreitete Forderung nach mehr Kompetenzen für die Hauptversammlung und mehr Rechte für den Einzelaktionär das Gewicht der Mitbestimmung vermindern würde. Am Gesellschaftsrecht wünschten sie nur „Korrekturen“2; als Reform schwebte ihnen ein Unternehmensrecht mit institutioneller Berücksichtigung der Interessen von Arbeitnehmern und Öffentlichkeit vor. Ihr Einfluss auf die SPD ließ erhebliche politische Widerstände erwarten. Politisch gewichtiger für die Regierung unter Führung der CDU/CSU war, dass auch in der Wirtschaft und hier speziell bei den Vorständen der Großunternehmen erhebliche Vorbehalte bestanden. Sie erklären sich ohne weiteres aus der starken Stellung von Vorstand und Aufsichtsrat nach dem Aktiengesetz 1937. Die Verwaltung konnte ohne Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Feststellung des Jahresabschlusses aus dem Reingewinn offene Rücklagen bilden und praktisch unbeschränkt stille Reserven legen. In seiner eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft unterlag der Vorstand nur geringen Beschränkungen und Kontrollen, sodass seine aktienrechtliche Stellung in der ersten Nachkriegszeit – wenngleich zu Unrecht – auf das nationalsozialistische Führerprinzip zurückgeführt wurde3. Eine stärkere Beteiligung der Hauptversammlung würde die Unternehmensführungen einengen, ein Mitspracherecht der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung die so beliebte Selbstfinanzierung beschränken. Durch ein Konzernrecht würden die Konzernbildung und die Durchsetzung der Konzernpolitik in Tochtergesellschaften erschwert werden. Größere Anforderungen an die Publizität der Unternehmen und an Auskünfte in der Hauptversammlung würden auf eine intensivere Kontrolle der Verwaltung hinauslaufen und – so wurde argumentiert – die im Geschäftsleben erforderliche Diskretion gefährden. Bezeichnend war, dass Ministerialdirigent Ernst Geßler, der als der im Justizministerium zuständige Referats- und Unterabteilungsleiter

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2 Aktienrecht und Rechtswirklichkeit, Aktueller Beitrag Heft 2 der Forschungsstelle der Friedrich Ebert-Stiftung, Vorwort und S. 31. Deutscher Gewerkschaftsbund: Aktienrecht und Mitbestimmung, 1962. 3 Z. B. Nöll von der Nahmer, AG 1957, 53; Grochla, AG 1957, 103, 195; C. E. Fischer, AG 1958, 25. Dazu die Begründung des Regierungsentwurfs eines Aktiengesetzes bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 13.

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Zur Nützlichkeit einer notariellen Beurkundung von Kabinettsbeschlüssen

mit Recht als „Vater der Aktienrechtsreform“ gilt, in der zweiten Sitzung des Arbeitskreises der Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft zum Aktienrecht am 14.5.1956 gefragt wurde, ob eine Zurückstellung der Arbeiten an der Reform erwartet werden könne, falls die Interessenvertretungen der Aktionäre bereit wären, ihre Forderungen jedenfalls zunächst fallen zu lassen oder sie als nicht dringlich zu bezeichnen. Geßler verneinte dies4. Angesichts dieser Widerstände erschien es geboten, im Vorfeld der parlamentarischen Behandlung eine breite Diskussion der ins Auge gefassten Lösungen herbei zu führen. Dazu wollte das Bundesjustizministerium (BJM) einen Referentenentwurf veröffentlichen.

II. Ein Referentenentwurf – ist er ein Referentenentwurf? Natürlich ist er das streng genommen nicht, jedenfalls dann nicht, wenn er in der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt wird. Und dies ganz abgesehen davon, dass der Referent alten Rechts heute vornehmer Referatsleiter heißt5. Wenn der am Schreibtisch entstandene Entwurf öffentlich zur Diskussion gestellt werden soll, wird er wohl stets bereits innerhalb des Hauses und oft auch auf Referatsebene mit den beteiligten Ministerien abgestimmt sein. Er wird auch das kritische Auge des Abteilungsleiters und der Amtsleitung passiert haben. Dass er aber bereits vor seiner Veröffentlichung zu persönlichem Streit im Bundeskabinett führt, gehört wohl zu den Ausnahmen. Eine solche Ausnahme war der 1958 vom BMJ vorgelegte Referentenentwurf eines Aktiengesetzes. Konrad Adenauer, seinerzeit Bundeskanzler, hatte allgemein verfügt, dass dem Kabinett bei Entwürfen von größerer politischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Bedeutung vor der Veröffentlichung die „grundsätzlichen Fragen vorzulegen“ seien. Der Bundesjustizminister – damals war es Fritz Schäffer (CSU) – wollte das Kabinett dementsprechend mit den „Grundsätzen“ des Entwurfs befassen. Die Frage, ob es überhaupt zu einer Reform kommen sollte, stand dabei formell nicht zur Diskussion. Diese Reform war in der Regierungserklärung zu Beginn dieser Legislaturperiode – der 3. Legislaturperiode – bereits angekündigt worden. Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung mussten die „Grundsätze“ vor ihrer Behandlung im Kabinett zunächst mit den beteiligten Bundesressorts abgestimmt werden. Das waren das Wirtschafts-, das Finanz- und – wegen der Mitbestimmungsfragen – das Arbeitsministerium; ferner im Hinblick auf die Bundesunternehmen und auf Privatisierungsvorhaben das Mi-

__________

4 Bahrenfuss, Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001, S. 217 f. m. w. N. Der ausgezeichneten Arbeit von Bahrenfuss verdanke ich Hinweise auf das nachstehend verwertete Archivmaterial. 5 Der heutige „Referent“ war damals „Hilfsreferent“. Der Verfasser war damals Hilfsreferent im für das Aktiengesetz zuständigen Referat III A 1 des Bundesjustizministeriums (Leiter: Ernst Geßler).

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nisterium für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Die Grundsätze des Referentenentwurfs wurden daher in 10 Punkten zusammengefasst und zunächst in mehreren Ressortbesprechungen auf der Ebene der Referenten und schließlich am 15.7.1958 in einem Chefgespräch der Minister durchgesprochen. Meinungsverschiedenheiten blieben nur in einem, aus Sicht der Wirtschaft allerdings besonders wichtigen Punkt, nämlich bei der Frage, inwieweit Vorstand und Aufsichtsrat weiterhin berechtigt sein sollten, Gewinn unabhängig von der Hauptversammlung in offene Rücklagen einzustellen. Das Bundesjustizministerium trat dafür ein, dass die Satzung ihnen diese Kompetenz für 50 % des Jahresüberschusses einräumen können sollte. Das Bundeswirtschafts- und das Bundesfinanzministeriums drängten im Interesse des Kapitalmarktes auf die Vollausschüttung des Gewinns. Allenfalls sollte die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung von bis zu 30 % des Jahresüberschusses ermächtigen können und auch dies nur, solange die Rücklagen nicht 30 % oder 50 % des Grundkapitals erreichten. Bundesjustizminister Schäffer, obwohl auch selbst der Meinung seiner Referenten, erklärte sich bereit, in den „Grundsätzen“ die Grenze von 50 % des Grundkapitals vorzusehen. Ihm lag vor allem daran, dass der Entwurf schnell vom Kabinett frei gegeben und öffentlich zur Diskussion gestellt wurde. Denn nur dann konnte noch auf eine Verabschiedung der Reform in der 3. Legislaturperiode (1957–1961) gehofft werden.

III. Vorgefechte Die Wirtschaft war natürlich über die Ergebnisse der Chefbesprechungen unterrichtet und nicht nur über diesen Punkt (Rücklagenkompetenz) alarmiert. Jetzt konnte nur noch der Bundeskanzler verhindern, dass ein in den Augen der Wirtschaft so anrüchiger Entwurf öffentlich zur Diskussion gestellt wurde. Gleich von zwei Seiten her erreichten den Bundeskanzler Alarmrufe. Am 25.8.1958 schrieb Hermann Josef Abs, der mächtige erste Mann der Deutschen Bank, an den Bankier Pferdmenges, von Kölner Zeiten her Freund und Vertrauter des Kanzlers. Abs sah im Referentenentwurf den Versuch, „die Rechte der Arbeitnehmer im Bereich der Betriebsverfassung zu erweitern und im Aktienrecht zu verankern“. Darüber müsse vor der Veröffentlichung „ein Gespräch im größeren Kreise mit ein oder zwei Vertretern der Banken geführt werden“. Natürlich landete der Brief auf dem Schreibtisch Adenauers6. Direkter ging kurz darauf Fritz Berg, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, in zwei Schreiben an Adenauer, beide datiert v. 5.9.1958,

__________ 6 Bundesarchiv, Akten des Kanzleramtes B 136/1033, S. 5; auch die folgenden Aktenangaben beziehen sich auf das Bundesarchiv, wobei B 136 für die Akten des Bundeskanzleramtes, B 141 für die des Bundesjustizministeriums steht.

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vor7. Für die Industrie seien zwei Probleme von besonderer Bedeutung: die „gesetzliche Erweiterung der Publizität“ und die „darüber hinausgehenden Pläne, das Recht der Aktiengesellschaften umzugestalten“. Der Industriepräsident gelangte in seiner drei Seiten umfassenden Intervention zu dem Schluss, es sei „durchaus nicht dringlich, diesen Gesetzentwurf so beschleunigt zu behandeln“. Seiner Meinung nach war es „förderlich, wenn bereits die Grundsätze mit maßgebenden Vertretern der Wirtschaft erörtert würden“. Er schlug ein Spitzengespräch unter Vorsitz des Bundeskanzlers in erlauchtem Kreise vor. Teilnehmen sollten die Minister Erhard (BWiM), Etzel (BFM) und Schäffer (BJM), die Präsidenten der Spitzenverbände – Berg, Münchmeyer (DIHT), Dr. Paulssen (BdA) –, für die Banken Abs und Pferdmenges sowie Pohle (Friedrich Flick KG; Vorsitzender des gemeinsamen Arbeitskreises Aktienrechtsreform der Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft). Bei so schwerem Geschütz musste auch dem Justizministerium daran liegen, seine Bataillone in Stellung zu bringen. Justiz-Staatssekretär Dr. Walter Strauß hatte bereits am 28.8.1958, begleitet von Geßler, den Vizekanzler Bundeswirtschaftsminister Prof. Erhard aufgesucht, um dessen Unterstützung zu sichern. Strauß war früher Leiter des Rechtsamtes des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und Mitglied des Parlamentarischen Rats gewesen. Aus dieser Zeit bestand zu Erhard ein besonderes Vertrauensverhältnis. Erhard hatte sich in der Chefbesprechung v. 15.7.1958 vertreten lassen müssen. Er ließ sich von Geßler die Grundzüge des Entwurfs vortragen und billigte sie, in einem Punkt (Beschränkung der stillen Reserven) allerdings unter Zurückstellung von Bedenken. Er übernahm es, den Bundeskanzler zu informieren und auf alsbaldiger Behandlung des Entwurfs zu bestehen8. An diese Zusage erinnerte Geßler am 29.9.1958 auf „dem kleinen Dienstweg“, d. h. durch einen Anruf bei Erhards persönlichem Referenten. Erhard schrieb noch am gleichen Tage an Adenauer, die Gesetzesvorschläge zur Aktienrechtsreform seien sorgfältig vorbereitet und in Fühlungnahme mit den Wirtschaftsprüfern und anderen Sachverständigen ausgearbeitet worden. Die Einwände von Berg seien unberechtigt. „Angesichts dieser Tatsache erfüllt es mich mit Besorgnis, dass einzelne Gruppen der Industrie offenbar versuchen, die parlamentarische Beratung der Gesetzentwürfe hinauszuzögern. Ich darf Sie, Herr Bundeskanzler, daher bitten, diesen Bestrebungen entgegenzutreten, damit die notwendigen Voraussetzungen für eine breite Streuung der Aktien und des Eigentums an der Industrie nicht noch weiter verzögert werden“9.

__________ 7 B 136/1033, S. 9. 8 Vermerk von Geßler v. 29.8.1958 über die Besprechung zwischen Erhardt und Strauß am 28.8.1958, B 141/16192, S. 116 ff.; dazu Bahrenfuss (Fn. 4), S. 269. 9 B 136/1033, S. 79.

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IV. Vor der Kabinettsitzung Mit Vorlage v. 8.9.195910 legte Schäffer dem Bundeskabinett die „Grundsätze für die Reform des Aktienrechts“ vor. Die „Grundsätze“ stellten auf 16 Seiten in 10 Hauptpunkten im Wesentlichen gleichlaufend mit den Unterlagen für die Chefbesprechung die auch in der Öffentlichkeit erörterten Reformprobleme und ihre im Referentenentwurf vorgesehene Lösung vor. Die Darstellung war – auch später unstreitig – vollständig und objektiv. Aber das Kabinett vertagte am 17.9. die Beratung auf den 1.10.1958, obwohl Schäffer darauf hinwies, dass jede Verzögerung die Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode gefährde. Der Bundeskanzler und der Bundesinnenminister11 erklärten, „dass es ihnen aus Zeitgründen nicht möglich war, die Vorlage des Bundesministers der Justiz durchzuarbeiten“12. In der Tat war der Vorlauf von 8 Tagen knapp. Das BJM hatte zu sehr taktiert. In dem Gespräch zwischen Erhard und Strauß am 28.8.1958 war verabredet worden, die Grundsätze etwa 14 Tage vor der beabsichtigten Kabinettsitzung vorzulegen, weil „bei einer früheren Unterrichtung mit verstärkten Einflüssen von außen gerechnet werden müsse“13. Als der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Globke die Behandlung der Grundsätze im Kabinett für den 24. oder 25.9.1958 ankündigte, erhielt die bereits unterschriebene Kabinettvorlage den Kanzleivermerk, sie vom 8.9.1958 zu datieren und am 8.9. – „nicht früher und nicht später“ – zuzustellen14. Doch wurde die Behandlung im Kabinett dann auf den 17.9.1958 vorverlegt, sodass der Fristeinwand nicht unberechtigt war. Schäffer konterte sofort. Noch am gleichen Tage bat er mit Schreiben v. 17.9.1958 alle Bundesminister (BM), ihm bis zum 24.9. „etwaige Bedenken oder Aufklärungswünsche mitzuteilen.“ So sollten vor allem denjenigen Ministern weitere Vertagungswünsche erschwert werden, die von der Sache her nicht betroffen und daher durch die Chefbesprechungen nicht eingebunden waren. Es war bekannt, dass zwei dieser Minister ein besonders geneigtes Ohr für Anliegen der Wirtschaft hatten, nämlich der BM für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft Prof. Dr. Balke15 und der BM für Angelegenheiten des Bundesrats und der Länder von Merkatz. Der Vertagungswunsch

__________ 10 B 141/16192, S. 145 ff. 11 Zu diesem Zeitpunkt Dr. Gerhard Schröder. 12 Kabinettsprotokoll der Kabinettsitzung der Bundesregierung am 17.9.1958, in Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hrsg. für das Bundesarchiv von Hartmut Weber, Bd. 11, 1958, S. 336. 13 B 141/16192, S. 116: Vermerk Geßler v. 29.8.1952 über die Besprechung zwischen Strauß und Erhard am 28.8.1958. 14 Vermerk Franta, B 141/16192, S. 122. 15 Balke war auch bei der Beratung der Aktienrechtsreform in der 4. Legislaturperiode, als er nicht mehr Minister war, in der CDU/CSU-Fraktion einer der Wortführer für die Bedenken der Wirtschaft.

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des Bundesinnenministers Schröder ließ vermuten, dass auch er aus der Wirtschaft angesprochen worden war. Alle Ressortchefs antworteten, wenngleich zum Teil verspätet. Adenauer bat Schäffer in seinem nicht datierten Antwortschreiben16, in der Kabinettsitzung namentlich zu drei Punkten „eingehend Stellung zu nehmen“. Erstens ging es dabei um den Vorschlag des Referentenentwurfs, dass in Aufsichtsräten mit Arbeitnehmer-Beteiligung jedem Aufsichtsratsausschuss mindestens ein Vertreter der Arbeitnehmer angehören sollte; zweitens um die schon erwähnte, während der gesamten Reform äußerst umstrittene Frage, ob und ggf. welche Teile des Reingewinns von der Verwaltung in Rücklage gestellt werden können. Drittens fragte Adenauer, ob die Regelung des Bankenstimmrechts nicht dazu führe, „dass ein bedeutender Teil der Kleinaktionäre in der Hauptversammlung unvertreten bleibt“. Diese und weitere Punkte wurden auch von den Ministern angesprochen, meistens aber unter Betonung, dass man der Reform und den Grundsätzen zustimme. Hingegen formulierte BM Balke17 deutliche Bedenken auch zu Fragen der Publizität und des Konzernrechts. Vor allem aber bezweifelte er „sehr, ob ein Bedürfnis für die beabsichtigte und in ihrer Wirkung einschneidende und umfangreiche Reform überhaupt vorliegt“. Auch BM von Merkatz hatte „grundsätzliche Bedenken im Hinblick auf die etwaige praktische Tragweite einer Reform des Aktienrechts, die meines Erachtens nicht zu einem Einbruch in unsere derzeitige Wirtschaftsordnung führen darf. Ich möchte daher zunächst offen lassen, ob eine Reform des Aktienrechts in dem gedachten Umfang überhaupt geboten erscheint“18. Um so erstaunlicher – auch im Lichte der späteren Entwicklung – war, dass Bundesinnenminister Schröder mit einem von ihm selbst unterzeichneten Kurzbrief nur mitteilte, er sei „mit den Grundsätzen … einverstanden“19.

V. Die Kabinettsitzung Das Kabinett tagte am 1.10.1958, und zwar in Berlin. Der Ort könnte ein Grund sein, warum Geßler nicht zur Teilnahme aufgefordert war. Ausweislich des Protokolls20 ist länger über die vom Bundeskanzler und von anderen Bundesministern angesprochenen Fragen diskutiert worden. Eine konkrete Änderung ergab sich dabei nur in dem einen Punkte, dass eine Vertretung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsratsausschüssen, die entscheidende Befug-

__________ 16 B 141/16193, S. 23 f. 17 Schreiben v. 24.9.1958, B 141/16193, S. 30. 18 Schreiben v. 29.9.1958, B 141 16193, S. 46 f., Offenbar war von Merkatz in seiner Amtszeit als Bundesjustizminister (Okt. 1956 – Okt. 1957) entgangen, wie intensiv in seinem Ministerium an dem Entwurf gearbeitet wurde. 19 Schreiben v. 24.9.1958, B 141/16193, S. 27. 20 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung (Fn. 12), 36. Sitzung S. 393, 342 ff.

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nisse haben, nicht vorgeschrieben werden sollte. Auf Vorschlag Adenauers sollte zu dieser Frage im Referentenentwurf nichts gesagt werden. Im Übrigen vermittelt das Protokoll nicht den Eindruck, dass die Teilnehmer genau wussten, worüber sie diskutierten21. Anscheinend hat Schröder überhaupt Bedenken gegen die Veröffentlichung eines Referentenentwurfs geäußert. Das Kabinettsprotokoll sagt, „Er (Schröder) halte es nicht für richtig, den Referentenentwurf monatelang der Öffentlichkeit zur Diskussion zu überlassen, da dies naturgemäß die gesetzgeberische Arbeit erschwere“. Schäffer wird mit dem Satz zitiert, „vorläufig sei zwar noch keine Meinungsbildung vorhanden, aber man müsse zu dieser kommen, bevor der Referentenentwurf, den er auf etwa 360 Paragraphen schätze, endgültig fertig gestellt sei22. Als Beschluss des Kabinetts gibt das Protokoll nur den folgenden Satz wieder: „Das Kabinett ist einstimmig der Auffassung, dass eine weitere Stellungnahme zu dem Referentenentwurf im Augenblick nicht möglich ist, und bittet den Bundesminister der Justiz, den Entwurf zu gegebener Zeit dem Kabinett zur erneuten Beratung vorzulegen.“

Was hieß das nun?

VI. Vollendete Tatsachen? Die Verwirrung begann. Aus der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände – wenn ich mich recht erinnere von Herrn Brennberger – wurde mir am Tage darauf gesagt, das Kabinett habe die Veröffentlichung vertagt. Es war an sich nicht ungewöhnlich, dass die Spitzenverbände der Wirtschaft über Kabinettsbeschlüsse früher informiert waren als das federführende Referat. Aber in diesem Falle sagte Florian Messerer, Schäffers persönlicher Referent, unmittelbar darauf durch, der Entwurf solle schnellstmöglich veröffentlicht werden. Die allerdings erst vom 6.10.1958 datierte Notiz Schäffers über die Kabinettsitzung war in diesem Punkte nicht so eindeutig. Sie sagte nur, das Kabinett habe beschlossen, „die vorgeschlagenen Grundsätze anzunehmen, mit Ausnahme der Einbeziehung von Vertretern der Arbeitnehmer in etwaige vom Aufsichtsrat eingesetzte Ausschüsse zur beschlussmäßigen Erledigung von Einzelfragen“, über die vorläufig nichts gesagt werden solle.

__________ 21 Z. B. wird BM von Merkatz mit der Meinung zitiert, dass „zahlreiche ausländische aktienrechtliche Gesetze eine Bestimmung zum Schutz der Minoritäten nicht enthalten. Eine rechtliche Angleichung im deutschen Aktienrechtsentwurf hierzu sei notwendig, um zu verhindern, dass ausländische Gesellschaften ihrerseits die deutschen Aktiengesellschaften überprüfen könnten, ohne dass für die deutschen Aktiengesellschaften ein entsprechendes Recht zur Überprüfung ausländischer Gesellschaften vorhanden sei“. 22 Vielleicht ist hier der Referentenentwurf mit dem Regierungsentwurf verwechselt worden.

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Es kursierte das Gerücht, Geßler habe den Druck des Referentenentwurfs bereits vor der Kabinettsitzung in Auftrag gegeben, um die mit dem Druck der 471 Seiten verbundene Verzögerung möglichst gering zu halten23. Daran ist richtig, dass Geßler, der Aufsichtsratsvorsitzender der Bundesanzeiger Verlags-GmbH war, bereits vor der Kabinettsitzung deren Geschäftsführer Lehmann gebeten hatte, den beschleunigten Druck vorzubereiten. Jedenfalls war der Entwurf bereits gesetzt und es lag im Zeitpunkt der Kabinettsitzung bereits ein korrigierter Probedruck vor24. Aber der Druck selbst lief erst nach der Kabinettsitzung an und geschah zweifelsfrei mit Einverständnis Schäffers. Schäffer hat das auf den 7.10.1958 datierte Vorwort zum Referentenentwurf auch an diesem Tage im Entwurf abgezeichnet. Darin schrieb er, ebenso treuherzig wie unwahr25, die Kennzeichnung des Entwurfs als Referentenentwurf solle zum Ausdruck bringen, „dass er lediglich die Gedanken des aktienrechtlichen Referates des Bundesjustizministeriums über die zweckmäßige Lösung der schwierigen aktienrechtlichen Probleme enthält“. Weder er selbst noch die Bundesregierung wollten festgelegt sein. Schäffer wollte den Entwurf am Montag, den 20.10.1956 im Rahmen einer Pressekonferenz veröffentlichen. Das wurde am Freitag, den 17.10. im Kanzleramt bekannt und sofort Adenauer vorgelegt26. Jetzt ging alles sehr schnell. Der StS im Kanzleramt Globke telefonierte mit Schäffer, der an einer Tagung der Strafrechtler in Glotterbad teilnahm. Als Ergebnis wurde der Referentenentwurf noch an diesem Freitag nachmittags mit einem in Vertretung von Minister und Staatsekretär vom Abteilungsleiter (MinDir. Dr. Joel) unterzeichneten Schreiben per Fahrer allen Ministern zugestellt, wobei auch mitgeteilt wurde, dass der Entwurf am kommenden Montag auf einer bereits einberufenen Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt werden würde. Die letzte Zustellung erfolgte um 19.30.Uhr. Obwohl damals selbstverständlich länger als heute gearbeitet wurde, waren Gegenmaßnahmen praktisch nicht mehr möglich.

VII. Der Krach Bundesinnenminister Schröder reagierte sofort mit einem nur als wütend zu bezeichnenden Brief an Schäffer v. 20.10.195827, der in Kopie an Adenauer ging. Es falle ihm „schwer, diesen Vorgang mit der Gelassenheit hinzunehmen, die sich in peinlichen Situationen empfiehlt“. Er – Schröder – habe „in

__________ 23 Wahrscheinlich hat man auch im BMI davon gehört. Der Hinweis auf ein möglicherweise eigenmächtiges Vorgehen von Schäffers „Mitarbeitern“ im nachstehend geschilderten Schreiben des BM Schröder an Adenauer v. 20.10.1958 lässt dies vermuten. 24 Vermerk Eckardt v. 25.9.1958, B141/16193, S. 69. 25 Selbstverständlich auch vom Referat so vorgeschlagen. 26 Vorlage des Unterabteilungsleiters MinDirig. Merker, B 136/1033, S. 84. 27 B 136/1023, S. 335 f.

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der Kabinettsitzung, die am 1.10.1958 in Berlin stattfand, ausdrücklich auf Ihrer (Schäffers) Zusage bestanden, ... dass uns anderen Kabinettmitgliedern der Referentenentwurf vor seiner Veröffentlichung noch einmal vorgelegt werden sollte, damit wir Gelegenheit hätten, zu prüfen, ob nicht weitere Bedenken zu erheben seien als diejenigen, die im Anschluss an Ihre Grundsatzvorlage zur Sprache gekommen sind“. Für Schäffers Vorgehen könne er „kein Verständnis aufbringen“. Im Begleitbrief der Kopie an Adenauer28 hieß es: „Ich weiß nicht, ob Herr Schäffer sich an die Besprechung in Berlin nicht mehr erinnern kann oder ob seine Mitarbeiter kurzerhand ohne ihn den Druck veranlasst haben. Auf jeden Fall wird das Kabinett sich damit befassen müssen, dass so klare Beschlüsse einfach durch Schaffung vollendeter Tatsachen missachtet werden“.

VIII. Auslegungskünste Geßler selbst entwarf für Schäffer einen Antwortbrief, in dem der nach Meinung von Schröder „so klare“ Kabinettsbeschluss anders ausgelegt wurde. Man habe „den Wunsch nur dahin verstehen können, dass der auf der Grundlage des Referentenentwurfs nach Anhörung der Öffentlichkeit erstellte Regierungsentwurf Ihnen (Schröder) schon frühzeitig zur Prüfung übersandt werden sollte“29. Geßler hatte freilich nicht an der Beratung im Kabinett teilgenommen und die zusammenfassende Wiedergabe der Diskussion im Kabinettsprotokoll gab für diese Auslegung nichts her. Aber Geßlers Entwurf ging ohnehin nicht ab. Vielmehr diktierte Schäffer selbst seine Antwort unter dem Datum v. 21.10.1958 und brachte dabei eine dritte Auslegung30. Es sei der Wunsch des BMI gewesen, „dass der endgültige Entwurf sämtlichen Kabinettsmitgliedern zugehen sollte“. So habe – nach Schäffer – auch der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Globke das Kabinett verstanden. Auf den Anruf Globkes hin habe er – Schäffer – Globke zugesichert, dass der Referentenentwurf vor seiner Veröffentlichung allen Ministern zugestellt werde. Globke habe daraufhin erklärt, „damit sei sein Wunsch völlig erfüllt“31. Diese Auslegung war freilich schwer mit der im protokollierten Kabinettsbeschluss vorgesehenen Vorlage „zu erneuter Beratung“ zu vereinbaren. Allerdings war eine „erneute Beratung“ auch bei der (vierten) Auslegung nicht zwangsläufig, die Schröder in seinem Schreiben v. 20.10.1958 dem Kabinettsbeschluss gab. Denn die von ihm geforderte Prüfung musste nicht notwendig zu einer er-

__________ 28 29 30 31

B 136/1033, S. 334. Entwurf v. 21.10.1958, B 141/16193, S. 146 f. B 141/16193, S. 148; B 136/1033, S. 138. Im Kanzleramt vermerkte Globke allerdings am 17.10. nur: „Herr Schäffer hat nachträglich veranlasst, dass der Entwurf noch heute allen Ministern zugestellt wird.“ (B 136/1033, S. 84).

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neuten Behandlung im Kabinett führen. Schröder replizierte jedenfalls am 22.10.1958: „Ich bedauere sehr, dass Ihr Haus offensichtlich entgegen dem Kabinettsbeschluss verfahren ist“32.

IX. Wer hatte recht? Zu einer authentischen Auslegung des Kabinettsbeschlusses kam es selbstverständlich nicht. Adenauer war ein viel zu alter Fuchs, als dass er dem Verlangen Schröders entsprochen hätte, das Kabinett noch einmal mit der Sache zu befassen. Das hätte nur weiteren Streit gegeben, ohne dass die Veröffentlichung rückgängig gemacht werden konnte. Vielleicht war es ihm auch ganz recht, dass nunmehr das von BDI-Präsident Berg erbetene Spitzengespräch entfiel. Auch sah er wohl, dass die von ihm in der Regierungserklärung zur 3. Legislaturperiode angekündigte Reform des Aktienrechts nur bei sofortiger Veröffentlichung des Referentenentwurfs die Chance auf Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode hatte. Sieht man den Kabinettsbeschluss heute, drängt sich der Eindruck auf, dass der Protokollführer (Ministerialrat Loosen, Bundeskanzleramt) bei seiner Protokollierung unter dem Eindruck stand, den Referentenentwurf gebe es noch nicht, er werde erst auf Grund der Grundsätze erstellt33. Tatsächlich bat die Kabinettvorlage nur um Billigung der „Grundsätze des Entwurfs“. Sie sagte nicht ausdrücklich, dass der Entwurf reif zur Veröffentlichung war und sofort veröffentlicht werden sollte. Allerdings ergab sich dies ziemlich schlüssig aus der Begründung. Sie bat ausdrücklich um „baldige Behandlung, weil der Öffentlichkeit für eine Stellungnahme zu dem Referentenentwurf eine Frist von 3 bis 4 Monaten eingeräumt werden“ müsse. „Nur wenn der Referentenentwurf in Kürze veröffentlicht werden kann, wird es ….möglich sein, den Regierungsentwurf etwa im Herbst 1959 dem Kabinett vorzulegen“. Der Protokollführer hat Diskussion und Beschluss so wiedergegeben, wie sie bei der von ihm angenommenen Sachlage zu verstehen sein konnten. So erklärt sich wohl, dass die entscheidende Frage; ob der Entwurf nunmehr veröffentlicht werden könne, im Wortlaut des Beschlusses gar nicht angesprochen ist. Der Forderung des Bundesgerichtshofs34, dass der Notar den Tatsachenkern des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts aufklären muss, hätte das nicht genügt. Gleichwohl spricht mehr für die Auslegung von Schröder, dass eine sofortige Veröffentlichung nicht gewollt war. In der Sache wird man freilich Schäffer Recht geben müssen. Er wies in dem von ihm selbst verfassten Schreiben vom

__________ 32 B 141/16123, S. 151; weiterer Briefwechsel v. 23.10.1958 (Schäffer) und 6.11.1958 (Schröder). 33 So ausdrücklich sein vorbereitender Vermerk v. 15.9.1958, B 136/1033, S. 32. 34 BGH, WM 1996, 30, 31.

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21.10.195835 an Schröder darauf hin, dass Schröder die Grundsätze ohne Vorbehalt gebilligt hatte. Wie sich Schröder wohl selbst inzwischen habe überzeugen können, entspreche der Entwurf „den Grundsätzen, die ich dem Kabinett vorgetragen habe und die vom Kabinett gebilligt worden sind ... Eine Beratung über den Wortlaut konnte wohl deshalb schon nicht in Frage kommen, weil es sich um einen Referentenentwurf handelte… Denn würde mein Referentenentwurf in allen seinen Einzelheiten allen Kabinettmitgliedern zur Billigung vorgelegt werden, so würde es sich ja um gar keinen Referentenentwurf mehr handeln“. In der Tat muss man berücksichtigen, dass es Schröder mutmaßlich gar nicht um den Inhalt des Entwurfs ging, der ja sein Ressort allenfalls in einer Randfrage36 berührte, sondern dass er sich zum Sprecher von Kreisen machte, die der Aktienrechtsreform insgesamt skeptisch gegenüber standen. Jedenfalls hätte eine Vorlage des vollständigen Referentenentwurfs mit 367 Paragrafen an das Kabinett zunächst erneute Ressort- und Chefbesprechungen notwendig gemacht und unabsehbare Verzögerungen mit sich gebracht. Schröders Zorn mag damit zusammenhängen, dass er bereits das Anhalten des Entwurfs nach außen signalisiert hatte. Vom Ergebnis her wird sich kaum leugnen lassen, dass die Mehrdeutigkeit des Kabinettsbeschlusses nützlich war. Sie gab dem listenreichen Schäffer die Handhabe, den Entwurf ohne eindeutigen Verstoß gegen einen Kabinettsbeschluss alsbald zu veröffentlichen und ermöglichte dadurch, dass der Entwurf ohne weitere Vorzensur durch die breite Öffentlichkeit diskutiert werden konnte.

X. Notarielle Beurkundung nützlich? Und hier liegt auch einer der Gründe, aus denen die eingangs nicht ganz ernstlich gestellte Frage nach der Nützlichkeit einer notariellen Beurkundung von Kabinettsbeschlüssen – Hans-Joachim Priester wird mir dies nicht verübeln – klar zu verneinen ist. Denn Klarheit und Eindeutigkeit sind in der Politik keineswegs so erstrebenswert wie bei Grundstücksgeschäften und Gesellschaftsgründungen. Das politische Geschäft besteht aus Kompromissen und Kompromisse gehen in der Regel zu Lasten der Klarheit. Und gar nicht selten sind sie überhaupt nur möglich wenn jede Partei – Partei in jedem Sinne – die Kompromissformel ihren Anhängern als Erfolg verkaufen kann. Ein Notar wäre da ein Störenfried. Und diese Rolle ist Hans-Joachim Priester gänzlich ungewohnt.

__________ 35 B 141/16193, S. 148. 36 Mehrstimmrechte in kommunalen Unternehmen.

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Verhaltenspflichten von Organmitgliedern bei Interessenkonflikten Inhaltsübersicht I. Problemlage II. Lösungen

IV. Rechtsfolgen bei Verletzung der Verhaltenspflichten

III. Der Begriff des Interessenkonflikts

I. Problemlage Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte sind auf das alleinige Wohl „ihrer“ Gesellschaft verpflichtet. Das ist nahezu unstreitig1. Aber sie leben nicht als Eremiten auf einer Insel, sondern haben in einem Geflecht von Beziehungen ihre eigenen Interessen, vor allem aber sind sie eingebunden in Interessen Dritter aus anderen Tätigkeiten und Bindungen oder solchen ihrer Familienmitglieder: Vorstand A der X-AG ist Inhaber einer Reinigungsfirma, die sich jetzt um einen Auftrag der X-AG bemüht; die Frau von Vorstandsmitglied B der Y-AG ist Inhaberin eines Zuliefer-Unternehmens, das in laufender Geschäftsverbindung mit der Y-AG steht; Aufsichtsrat C der Z-AG ist Vorstandsmitglied einer Bank, die Z finanziert und deren Aktien emittiert; etc.; etc.2 Solche widerstreitenden Interessen in der Person von Organmitgliedern lassen sich nicht a priori verhindern. Weder können und wollen wir A von Rechts wegen daran hindern, seine persönlichen Mittel unternehmerisch anderweitig anzulegen, noch können wir B daran hindern, eine anderweitig engagierte Unternehmerin zu heiraten, noch ist es der Z-AG verboten, einen Bankier in ihren Aufsichtsrat zu wählen, der Vorstand ihrer Hausbank ist. Auf der anderen Seite aber hat man sofort erhebliche Zweifel, wenn A, handelnd für die X-AG, den Vertrag mit seiner Reinigungsfirma oder B, handelnd für die Y-AG, den Vertrag mit dem Unternehmen seiner Frau selbst

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1 BGHZ 36, 296 (306 f.); BGH, NJW 1980, 1629, dazu Ulmer, NJW 1980, 1603 sowie Lutter, ZHR 145 (1981), 224 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates, 4. Aufl. 2002, Rz. 842, 843; Hopt/Roth in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 173; Semler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 116 AktG Rz. 5; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 116 AktG Rz. 22 ff.; Semler/ Stengel, NZG 2003, 1 (2); Dreher, JZ 1990, 896 (900). 2 Weitere Konfliktfelder bei Lutter, Bankenvertreter im Aufsichtsrat, ZHR 145 (1981), 224 ff. und Werner, Aufsichtsratstätigkeit von Bankenvertretern, ZHR 145 (1981), 252; Hopt, ZGR 2004, 1 ff.

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unterschreibt, oder C am Beschluss des Aufsichtsrats der Z-AG mitwirkt, mit dem der Kreditvertrag mit seiner Bank nach § 111 Abs. 4 AktG genehmigt wird. Es geht also um rechtlich verbindliche Verhaltensregeln für Organmitglieder im Interessenkonflikt und um die Frage, welche rechtlichen Sanktionen eingreifen, wenn sie nicht beachtet werden.

II. Lösungen 1. Das Gesetz schweigt. Das hier zunächst nahe liegende Verbot des Selbstkontrahierens bzw. der Doppelvertretung nach § 181 BGB kommt nicht zum Zuge, weil in diesen Fällen die fraglichen Organmitglieder weder unmittelbar noch mittelbar beim Abschluss auf den beiden Seiten der Verträge tätig sind und § 181 BGB Interessenkonflikte als solche gerade nicht regelt3. Und diese Aussage – keine allgemeine Regelung in § 181 BGB von Interessenkonflikten – gilt auch bei Organbeschlüssen zur allgemeinen Geschäftsführung einer Gesellschaft4, wie das im dritten Beispiel des zustimmenden Aufsichtsratsbeschlusses der § 111 Abs. 4 AktG der Fall ist. 2. Unterzeichnet A den Reinigungsvertrag für X und B den Liefervertrag für Y selbst – was in praxi ungewöhnlich genug wäre5 –, so könnte man immerhin an einen Missbrauch ihrer Vertretungsmacht denken, ohne dass es auf einen Schaden von X oder Y ankäme. Denn nach heutiger Lehre und Rechtsprechung6 genügen dafür das objektive Fehlen der Vertretungsmacht7 und die Kenntnis oder das Kennen-Können des Partners. Letzteres ist den hier angesprochenen Fällen nahezu fraglos gegeben, werden doch die Besitzverhältnisse auch den führenden Angestellten nicht verborgen geblieben sein.

__________ 3 Allg. Meinung, vgl. nur BGHZ 91, 334 (335 ff.); Schramm in MünchKomm.BGB, 3. Aufl. 1993, § 181 BGB Rz. 34 ff.; Schilken in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 1999, § 181 BGB Rz. 43; Frensch in Prütting/Wegen/Weinrich, BGB, 2006, § 181 BGB Rz. 10, 12; Leptien in Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 181 BGB Rz. 8 ff.; a. A. Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, 1977, S. 189 f. 4 Vgl. BGHZ 112, 339 (342) („rein interne Willensbildung über eine Geschäftsführungsmaßnahme“); anders aber Wilhelm, NJW 1983, 912 (913). 5 Verträge dieser Art werden üblicherweise von den zuständigen Abteilungsleitern als Prokuristen oder Bevollmächtigten abgeschlossen. Handeln andere Vorstandsmitglieder oder Prokuristen für die betroffene Gesellschaft X bzw. Y, ist § 181 BGB per se nicht anwendbar, vgl. BGHZ 91, 334 (335 f.). 6 Früher war außer dem Fehlen der Vertretungsmacht und der Kenntnis bzw. dem Kennen-Können des Partners ein bewusst die Gesellschaft schädigendes Verhalten des Vertreters erforderlich: BGHZ 50, 112 (114); so heute noch Leptien in Soergel (Fn. 3), § 177 BGB Rz. 17. Von dieser Schädigungsabsicht sieht der BGH spätestens seit den Entscheidungen WM 1988, 704 (706), ZIP 1997, 1419 und zuletzt ZIP 2006, 1391 ab. 7 Dazu unten sub II, 5 sowie BGHZ 127, 239 (241 f.); BGH, NZG 2004, 139, 140; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 82 AktG Rz. 7.

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3. Kehren wir damit zu unserer Frage zurück, wie sich Organvertreter in Interessenkonflikten von Rechts wegen zu verhalten haben, auch wenn das Gesetz schweigt. Der Deutsche Corporate Governance Kodex sagt dazu für Vorstandsmitglieder: „4.3.4 Jedes Vorstandsmitglied soll Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offen legen und die anderen Vorstandsmitglieder hierüber informieren …“

und für Aufsichtsratsmitglieder „5.5.2 Jedes Aufsichtsratsmitglied soll Interessenkonflikte, insbesondere solche, die aufgrund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen könnten, dem Aufsichtsrat gegenüber offen legen.“

spricht also in beiden Fällen eine Empfehlung8 zur Offenlegung des Konfliktes aus. Aber: der Kodex ist nicht Gesetz. Ob diese seine Aussagen vielleicht aus anderen Gründen schon geltendes Recht sind, wird nachstehend erörtert9. 4. a) Oben hatten wir schon gesagt, dass Vorstände und Aufsichtsräte in ihrem Tun und Lassen ausschließlich auf das Wohl ihrer Gesellschaft verpflichtet sind10. Man könnte daher argumentieren, dass ihnen ein solches ausschließliches Handeln im Interesse der Gesellschaft im Interessenkonflikt nicht mehr möglich ist. Und genau das trifft auch zu: Niemand kann die Interessen der eigenen Gesellschaft (A) oder die Interessen des Unternehmens der Frau (B) oder der Gesellschaft des Hauptberufes (C) völlig ausblenden. Niemand ist in einer solchen Situation innerlich so frei, dass er nur an die Interessen „seiner“ Gesellschaft denken könnte, deren Organ er ist – er mag sich persönlich noch so darum bemühen. Seine innere Befangenheit würde mithin zur sachlichen Gefahr für die Gesellschaft und ihre Interessen. Anders gewendet: Die Gesellschaften X, Y und Z können nicht mehr sicher sein, dass nicht auch gegenläufige Interessen im Handeln ihrer Organmitglieder A, B und C wirksam werden. Das kann dann nur bedeuten, dass die betreffenden Organmitglieder in diesen Situationen für die Gesellschaft nicht handeln dürfen, mit anderen Worten: Die Organmitglieder A und B sind insoweit von der Geschäftsführung für die Gesellschaft und von jeg-

__________ 8 Werden Empfehlungen des Kodex nicht eingehalten, muß das in der Jahreserklärung nach § 161 AktG ausdrücklich gesagt werden; vgl. Lutter in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2006, § 161 AktG Rz. 47; Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 1), § 161 AktG Rz. 136; v. Werder in KodexKomm., 2. Aufl. 2005, Rz. 1639. 9 Unten II. 4. Eingehend zu Interessenkonflikten von Organmitgliedern und ihrer Lösung Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, Rz. 766 ff. 10 Vgl. Fn. 1.

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licher Mitwirkung an dem fraglichen Geschäft für diese von Rechts wegen ausgeschlossen. Ähnliches gilt für das Aufsichtsratsmitglied C: seine Befugnis zur Mitwirkung an der Beratung und Entscheidung im Aufsichtsrat der Z bezüglich des Kreditvertrages mit „seiner“ Bank ruht11. b) A, B und C sind aber auch von jeder anderen Art der Mitwirkung ausgeschlossen, dürfen – von Rechts wegen – die Verträge nicht verhandeln, dürfen an keiner Beratung und keiner Abstimmung über sie in Aufsichtsrat und Vorstand mitwirken; denn ihr gesamtes Handeln in diesem Zusammenhang ist geprägt von der Tatsache, dass – was immer sie auch in diesem Zusammenhang für die Gesellschaft tun – sie es nicht in deren alleinigen Interessen tun können: Unmögliches kann auch von Organmitgliedern nicht verlangt werden. Das aber führt nicht etwa zur Rücknahme oder gar Aufgabe des rechtlichen Anspruchs an das Organmitglied, sondern zum Ausschluss von der Organfunktion in diesem Zusammenhang. Denn die Interessen der Gesellschaft stehen im Zentrum; und sie dürfen nicht gefährdet werden. c) Wenn aber Organmitglieder bei bestimmten Vorgängen von Rechts wegen von der Beratung, Verhandlung, Abstimmung und dem förmlichen Abschluss ausgeschlossen sind, müssen das die anderen Vorstandsmitglieder wissen. Diese müssen wissen, dass sie jetzt allein zuständig sind bei X bzw. Y für deren Verträge mit dem Reinigungs- bzw. Zulieferer-Unternehmen. Diese anderen Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer müssen wissen, dass A und B nicht einmal an der Beratung der Verträge mitwirken dürfen, müssen daher – erneut von Rechts wegen – darüber von den Betroffenen informiert werden. Das gehört zu den Treupflichten12 von A und B je gegenüber ihrer Gesellschaft. Und ganz das Gleiche gilt für das Aufsichtsratsmitglied C. Was der Kodex in den zitierten Abschnitten als Empfehlung formuliert, ist in Wahrheit also geltendes Recht: Die Vorstände A und B haben ihre Mitvorstände, der Aufsichtsrat C seine Mit-Aufsichtsräte über den bestehenden Interessenkonflikt zu informieren und dabei zweckmäßigerweise zu erklären, dass sie sich an diesen Vorgängen in keiner Weise beteiligen werden und auch nicht zu informieren sind. 5. Ist damit geklärt, wie sich der Interessenkonflikt auf die internen Befugnisse der Organmitglieder A, B und C auswirkt, so bleibt noch zu klären, ob

__________ 11 Vgl. Fn. 2 und ferner Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 100 AktG Rz. 166 ff.; Möllers, ZIP 2006, 1615 (1619). 12 Zu den Treu- und Sorgfaltspflichten von Organen gegenüber ihrer Gesellschaft vgl. Fleischer in Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, S. 237 ff.; Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 165 ff., 307 ff.; Lutter/Krieger (Fn. 1), Rz. 637 ff.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 ff. In Italien ist diese Informationspflicht eines Organmitgliedes über eigene Interessen (nicht notwendig: Interessenkonflikte) im Gesetz ausdrücklich geregelt und vorgeschrieben, Art. 2391 Abs. 1 Codice civile.

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und welche Folgen der Konflikt für die Vertretungsmacht der Vorstände A und B hat. Hier ist uns der Unterschied zwischen dem Vertreten-Können und dem Vertreten-Dürfen seit langem vertraut und seit Art. 9 der 1. Richtlinie von 196813 europaweit festgeschrieben: Satzung, Geschäftsordnung und Anstellungsvertrag können Mitglieder von Vertretungsorganen in AG und GmbH verpflichten, von ihrer Vertretungsmacht in bestimmten Fällen und Umständen Dritten gegenüber keinen Gebrauch zu machen14. Hingegen ist es ausgeschlossen, diese Beschränkungen auf das rechtliche Können Dritten gegenüber auszudehnen; insoweit sind alle Versuche, die Vertretungsmacht einzuschränken, rechtlich wirkungslos15. Jede Ausübung der Vertretungsmacht für eine Gesellschaft ist aber zugleich auch Geschäftsführung für diese16. Daraus ergibt sich zwanglos, dass die Organmitglieder A und B in den oben behandelten Fällen intern verpflichtet sind, von ihrer Vertretungsmacht keinen Gebrauch zu machen. Sie sind als Folge des Interessenkonfliktes intern genauso verpflichtet, diese Beschränkung ihrer Vertretungsmacht zu beachten wie in den von §§ 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich angesprochenen Fällen. Diese Normen sind auch nicht etwa abschließend zu verstehen, regeln sie doch das Innenverhältnis zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft und sind daher der Interpretation aus allgemeinen Organpflichten offen17. Und sollte man daran noch Zweifel haben, so genügt ein Hinweis auf die allen Organmitgliedern, gleich ob Vorstände, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte obliegende Treupflicht gegenüber der Gesellschaft, die sie auf deren alleiniges Wohl verpflichten18; und genau dem können sie im Interessenkonflikt nicht nachkommen und müssen sich daher weiträumig fernhalten. Da es mithin um eine interne Pflicht der Organmitglieder geht, entfällt die Außenwirkung; die Vertragsschlüsse von A und B für X und Y sind daher bei einer ersten Betrachtung wirksam. Aber: A und B haben ihre Vertretungs-

__________

13 1. Richtlinie (68/151/EWG) v. 9.3.1968, ABl. Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8 ff. Die Änderung dieser Richtlinie durch die Richtlinie 2003/58/EG v. 15.7.2003, ABl. Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13, hat Art. 9 nicht berührt. 14 Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit in den §§ 82 Abs. 2 AktG und 37 Abs. 1 GmbHG Gebrauch gemacht. 15 Hüffer (Fn. 7), § 82 AktG Rz. 3; Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 82 AktG Rz. 21. 16 Vgl. Hüffer (Fn. 7), § 77 AktG Rz. 3; Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 77 AktG Rz. 2. 17 So kann ein Verstoß gegen § 82 Abs. 1 AktG bzw. gegen § 37 Abs. 2 GmbHG zugleich eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht begründen und zu Schadenersatzpflichten im Innenverhältnis führen. Für die AG vgl. Habersack in Großkomm.AktG, 4. Aufl 2003, § 82 AktG Rz. 30; Hüffer (Fn. 7), § 82 AktG Rz. 14. Für die GmbH Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 37 GmbHG Rz. 40. 18 Für die AG vgl. Fleischer in Fleischer (Fn. 12), S. 291 ff.; Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 93 AktG Rz. 156. Für die GmbH Hommelhoff/Kleindiek in Lutter/ Hommelhoff (Fn. 17), § 43 GmbHG Rz. 10; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 35 GmbHG Rz. 38 ff.

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macht missbraucht, indem sie sich nicht an die interne Beschränkung gehalten haben19. Es kommt daher in concreto darauf an, ob der Partner auf der jeweiligen Gegenseite diese interne Beschränkung kannte oder grob fahrlässig nicht kannte. Liegt das vor, können sich weder die Reinigungsfirma noch das Zuliefer-Unternehmen auf §§ 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG berufen20. Hier kommt es daher ganz entscheidend auf die Frage an, ob Kenntnis vom Vertretungsverbot bereits gegeben ist, wenn Kenntnis vom Interessenkonflikt vorliegt. Man muss das tatsächlich annehmen. Im Geschäftsverkehr besteht durchaus ein Empfinden dafür, dass man sich bei Interessenkonflikten zurückzuhalten hat und dass das nicht nur eine Frage des Anstands, sondern des Rechts ist.

III. Der Begriff des Interessenkonflikts 1. Die Rechtsfolgen eines Interessenkonfliktes in Bezug auf die Verhaltenspflichten von Organmitgliedern sind also ausgesprochen weitreichend. Denn halten sich diese nicht daran, so verletzen sie ihre Organpflichten. Und entsteht der Gesellschaft aus dem Vorgang ein Schaden, so haften sie auf dessen Ersatz, §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG. Denn es ist in keinem dieser Fälle auszuschließen, dass das fragliche Geschäft ohne ihre unzulässige Mitwirkung nicht zustande gekommen wäre. 2. Auf dem Hintergrund dieser weit reichenden Folgen für die Vorstände, Aufsichtsratsmitglieder und Geschäftsführer in AG und GmbH ist zu fragen, ob sich der Begriff „Interessenkonflikt“ nicht deutlicher eingrenzen und handhabbarer formulieren lässt. Das ist für unsere Beispielsfälle kaum erforderlich; der Interessenkonflikt liegt dort auf der Hand. Das muss aber nicht immer so sein. Der Vorsitzende der Gewerkschaft G ist Mitglied im Aufsichtsrat der M-AG; G hat öffentlich und zur Werbung von Mitgliedern erklärt, sie werde sich mit allen Mitteln gegen die Verlagerung von Produktionen ins Ausland wehren. Ist V bei der jetzt im Aufsichtsrat zu beratenden und zu beschließenden weiträumigen Umstrukturierung der M-AG, die auch die Verlagerung von Produktionen betrifft, wegen des Interessenkonfliktes ausgeschlossen? Ist K, Vorstand einer Kreditbank und Aufsichtsrat der A Automobil-AG von der Beratung und Beschlussfassung im Aufsichtsrat ausgeschlossen, wenn es um die Gründung einer Teilzahlungsbank durch A geht? a) Zunächst und vorweg: Beim Begriff des Interessenkonflikts mit seinen weit reichenden Rechtsfolgen für das betreffende Organmitglied kann es sich nur um einen „objektiven Tatbestand“ handeln. Es kommt also überhaupt

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19 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 807; Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 15), § 82 AktG Rz. 40. 20 Vgl. Kort in Fleischer (Fn. 12), S. 54 f.; Habersack in Großkomm.AktG (Fn. 17), § 82 AktG Rz. 13; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck (Fn. 18), § 37 GmbHG Rz. 38.

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nicht darauf an, ob sich das betreffende Organmitglied „befangen“ fühlt oder nicht, ob es den Konflikt erkennt und empfindet oder nicht. Die Aussage: ich fühle mich ganz und gar frei o. ä. ist also für unsere Fragen ganz belanglos. b) Im Übrigen muss man auf die Grundaussage zurückgehen, wonach jedes Organmitglied allein auf die Interessen „seiner“ Gesellschaft verpflichtet ist21. Das bedeutet nicht, dass Organmitglieder keine anderen Interessen als das Wohlergehen „ihrer“ Gesellschaft haben dürfen: jeder Mensch ist in ein Bündel höchst unterschiedlicher Interessen eingebunden. Aber Organmitglieder dürfen diese anderen Interessen eben nicht im objektiven Gegensatz zu den Interessen „ihrer“ Gesellschaft verfolgen22. Das ist der eigentliche Inhalt des Satzes, dass die Organmitglieder ausschließlich auf die Interessen „ihrer“ Gesellschaft festgelegt sind. Von daher erschließt sich dann aber auch der Begriff des Interessenkonflikts, also das, was unter ihm zu verstehen ist und was die oben erörterten Rechtsfolgen auslöst: Es ist diejenige Situation weiterer und einander objektiv entgegenstehender Interessen in der Person eines Organmitglieds einschließlich der ihm nahestehenden Personen und Unternehmen, von der man bei objektiver Betrachtung nicht sicher sein kann, dass das betreffende Organmitglied dennoch und unbedingt allein die Interessen seiner Gesellschaft verfolgen wird.

Nach dieser Definition führen mithin alle objektiven Interessengegensätze in der Person eines Organmitglieds im Zweifel zu den erörterten Rechtsfolgen.

IV. Rechtsfolgen bei Verletzung der Verhaltenspflichten 1. Die hier dargestellten Informations- und Verhaltenspflichten von Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten sind Organpflichten. Werden sie nicht eingehalten, handelt es sich um Pflichtverletzungen i. S. v. §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG. Das wurde oben schon gesagt. Erwächst der Gesellschaft daraus ein Schaden, so sind die Betroffenen ersatzpflichtig. Das Privileg des neuen Satzes 2 von § 93 Abs. 2 AktG, die sog. Business Judgment Rule, kommt ihnen dabei nicht zu Gute, weil es sich um Rechtspflich-

__________ 21 Vgl. Fn. 1. Dies gilt auch, sofern zum Beispiel ein Aufsichtsrat eines Unternehmens zugleich Vorstandsmitglied eines Konkurrenzunternehmens ist, vgl. OLG Schleswig, ZIP 2004, 1143 (1144), dazu Lutter/Kirschbaum, ZIP 2005, 103 ff. 22 Eine Ausnahme davon gilt für die persönlichen Vertragsbedingungen des Organmitglieds. Dieser natürliche und evidente Interessenkonflikt muss im ersten Zugriff dem Organmitglied die Verfolgung seiner persönlichen Interessen erlauben. Aber das gilt eben nur im ersten Zugriff; im zweiten bleibt das Organmitglied auch den Interessen der Gesellschaft verpflichtet, was insbes. die Vereinbarung unangemessener Bezüge ausschließt. Vgl. dazu Peltzer in FS Lutter, 2000, S. 571; Ziemons in FS Huber, 2006, S. 1035; Semler in Liber amicorum Wilhelm Happ, 2006, S. 277; Lutter, ZIP 2006, 733 (735) und ferner BGH, NJW 2006, 522 (523) – Mannesmann.

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ten handelt, hinsichtlich deren Einhaltung es kein unternehmerisches Ermessen gibt23. 2. Soweit die Organmitglieder in bestimmten Situationen in ihrem Organ nicht teilnahme- und nicht stimmberechtigt sind, sich aber dennoch an der Abstimmung beteiligen, ist ihre Stimmabgabe nichtig24 und ihre Teilnahme an der Beschlussfassung wird für die Frage der Beschlussfähigkeit des Organs nicht gewertet25. Das beeinträchtigt den Beschluss des Gesamtorgans aber nur, wenn dadurch entweder die Beschlussfähigkeit des Organs entfällt26 oder der Beschluss nur mit Hilfe der Stimme des Ausgeschlossenen zustande gekommen ist27. 3. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes sind insgesamt also eher schwach. Denn ein materieller Schaden der Gesellschaft aus der Mitwirkung des Ausgeschlossenen ist schwer vorstellbar, mithin dessen Risiko aus §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG gering. Im Aufsichtsrat aber sind „Kampfabstimmungen“ eher selten; daher wirkt sich auch die Nichtigkeit der Stimme des Ausgeschlossenen nur selten auf das Beschlussergebnis des Organs aus. Gefährdet sind also vor allem Aufsichtsräte mit nur drei Mitgliedern. Hier entfällt der Beschluss bei Mitwirkung des vom Stimmrecht Ausgeschlossenen. Aber auch dann, wenn der vom Stimmrecht Ausgeschlossene sich korrekt verhält, kann ein Beschluss nicht wirksam gefasst werden, da die verbleibenden zwei Aufsichtsräte nicht beschlussfähig sind28. Gefährdet aber sind auch Vorstände oder Geschäftsführer, die nur aus einem Mitglied bestehen, oder zwar zwei Mitglieder haben, in deren Satzung oder Geschäftsordnung aber bestimmt ist, dass bei Geschäften der fraglichen Art mindestens zwei Vorstände oder Geschäftsführer zusammenwirken müssen.

__________ 23 Näher Lutter, Die Business Judgment Rule, ZIP 2007, 841 ff. 24 BayObLG, ZIP 2003, 1194 (1196); Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 108 AktG Rz. 73; Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 1), § 108 AktG Rz. 223; Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 108 AktG Rz. 53 ff. und 144. 25 BayObLG, ZIP 2003, 1194 (1196), und OLG Frankfurt/Main, ZIP 2005, 2322 (2324) mit eingehender Begründung gegen den Versuch in der Literatur (Mertens in KölnKomm.AktG [Fn. 1], § 108 AktG Rz. 49 und 57 und Semler in MünchKomm.AktG [Fn. 1], § 108 AktG Rz. 225 sowie Hopt/Roth in Großkomm.AktG [Fn. 1], § 100 AktG Rz. 167) jedenfalls die Beschlussfähigkeit im dreigliedrigen Aufsichtsrat zu „retten“, indem dem Betroffenen die Teilnahme an der Sitzung und die Stimmenthaltung gestattet wird. Das BayObLG mit eingehender Begründung (ZIP 2003, 1195 f. sub 4 a) und das OLG Frankfurt/Main (ZIP 2005, 2322 [2324 sub II. 2]) lehnen das ausdrücklich ab. 26 So die Fälle BayObLG, ZIP 2003, 1194, und OLG Frankfurt/Main, ZIP 2005, 2322. 27 BGHZ 47, 341 (346); dem folgend Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 108 AktG Rz. 143; Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 108 AktG Rz. 74; Semler in MünchKomm.AktG (Fn. 1), § 108 AktG Rz. 224; Hüffer (Fn. 7), § 108 AktG Rz. 17. 28 Dazu bereits oben bei Fn. 25.

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4. Die rechtlichen Sanktionen auf die fehlerhafte Mitwirkung eines Ausgeschlossenen an Beratung und Abstimmung im Gremium ist also ausgesprochen schwach und gibt den Betroffenen kaum Anlass zu korrektem Verhalten. Man könnte daher darüber nachdenken, ob nicht der Beschluss insbesondere des Aufsichtsrats durch die Mitwirkung des Ausgeschlossenen insgesamt defekt ist. Immerhin zeigen die Fälle des BGH, des BayObLG und des OLG Frankfurt deutlich den Einfluss, den dort die Ausgeschlossenen auf die anderen Aufsichtsräte und mithin das Beschlussergebnis genommen haben. Eine solche weiterreichende Betrachtung entspricht auch der rechtlichen Beurteilung vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs v. 17.4.196729. Die Vorinstanzen hatten damals noch in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs v. 24.2.195430 den fraglichen Aufsichtsratsbeschluss insgesamt für nichtig angesehen. Der Bundesgerichtshof hatte das in der Entscheidung von 1954 wie folgt begründet: „… wenn schon die Stimmen der befugten Mitglieder die notwendige Mehrheit ergeben, ihre Stimmabgabe aber durch das Mitstimmen der Unbefugten beeinflußt worden ist; denn auch in diesem Fall ist der Beschluß der befugten Mitglieder durch die unzulässige Beteiligung der Unbefugten an der Abstimmung beeinflußt worden. Die Frage kann nur sein, ob nicht unabhängig davon, ob eine Beeinflussung vorlag oder nicht, Beschlüsse des Aufsichtsrats, an deren Fassung Unbefugte beteiligt waren, ohne weiteres in jedem Falle als nichtig angesehen werden müssen.“31

Dennoch und trotz der schwachen rechtlichen Reaktion auf die Mitwirkung Ausgeschlossener sollte man bei der heute erreichten rechtlichen Betrachtung verbleiben. Denn würde man die fraglichen Beschlüsse insgesamt und per se für defekt betrachten32, so bliebe nur deren Nichtigkeit, da es eine Anfechtbarkeit solcher Beschlüsse von Rechts wegen nicht gibt33, mithin auch keine gesicherten Fristen für die Geltendmachung der Nichtigkeit34. Die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Beschlusses bliebe auf lange Zeit hin offen und gäbe anderen Mitgliedern des Gremiums Angriffsmöglichkeiten aus ganz anderen Motiven. Das aber würde zu insgesamt sehr großer Rechtsunsicherheit führen, eine Folge, die gerade im Unternehmensrecht tunlichst vermieden werden muss.

__________ 29 30 31 32

BGHZ 47, 341. BGHZ 12, 327 (330 f.). BGHZ 12, 331. Wie das Schlegelberger/Quassowski, Kommentar zum AktG 1937, 3. Aufl. 1939, § 92 AktG Anm. 26 und Godin/Wilhelmi, Kommentar zum AktG 1937, 3. Aufl. 1967, § 93 AktG Anm. 4, noch getan haben; ähnlich damals auch Baumbach/ Hueck, Kommentar zum AktG 1937, 7. Aufl.1951, § 92 AktG Anm. 2. 33 BGHZ 122, 342 (346 ff.); eingehend dazu Hopt/Roth in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 108 AktG Rz. 131 ff. mit allen Nachw. 34 Für weniger gravierende Beschlussmängel hält der BGH (BGHZ 12, 331 [351]) den Gedanken der Verwirkung für einschlägig.

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Die Nachgründungskontrolle bei Einheit von Aktienerwerb und Verkehrsgeschäft Inhaltsübersicht I. Teleologische und methodische Aufbereitung des § 52 AktG 1. Der Zweck des § 52 AktG: Verlängerung der Gründungskontrolle durch Schutz vor missbräuchlicher Kapitalverwendung 2. § 52 AktG als abstrakte Gefährdungsvorschrift und seine Anwendungsgrenzen 3. Zusammenfassung II. Aktienerwerb und Anlagenvertrag als wirtschaftlich einheitliches Verkehrsgeschäft 1. Idealfälle missbrauchsfreier Verkehrsgeschäfte 2. Die die Einheitlichkeit der Vertragsabsprachen indizierenden Umstände a) Zeitliche Zusammenhänge der verschiedenen Rechtsgeschäfte

b) Rechtliche Vorwirkungen des erst später abgeschlossenen Anlagenvertrages c) Aktienerwerb und Anlagenvertrag als Gegenstand und Ergebnis einheitlichen Verhandlungsprogramms d) Der Erwerb der Aktienbeteiligung als aufgedrängte Gegenleistung e) Zusammenfassende Würdigung der Gesamtumstände III. Heilung einer etwaigen Unwirksamkeit des Anlagenvertrags durch bestätigende Vertragsänderungen 1. Rechtliche Grundlagen einer solchen Heilung 2. Wirksamkeit des Anlagenvertrages durch bestätigende Nachträge IV. Resümee

Das im Aktienrecht geregelte und auch nur dort verbindliche1 Nachgründungsrecht gehörte einstmals zu den tragenden Säulen des Kapitalschutzrechts2, hat aber inzwischen erheblich an Bedeutung eingebüßt, so dass sich generell die Frage stellt, ob die Vorschrift des § 52 AktG nicht gänzlich beseitigt werden sollte. Dieser Bedeutungsverlust beruht zum einen auf der

__________ 1 Im GmbH-Recht entfällt jegliche Nachgründungskontrolle – Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, 18. Aufl. 2006, § 5 GmbHG Rz. 17; Ulmer in Hachenburg, 8. Aufl. 1992, § 5 GmbHG Rz. 98; H. Winter/H. P. Westermann in Scholz, 10. Aufl. 2006, § 5 GmbHG Rz. 75; a. A. nur Wohlschlegel, DB 1995, 2053. Angesichts der Weisungsabhängigkeit des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern ist dieser Meinungsstand nicht über jeden Zweifel erhaben. 2 Zur Entstehung der Vorschrift Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 453; zur heutigen Bedeutung der Vorschrift Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 11 Rz. 31 einerseits und Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479 (498) andererseits.

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Neuregelung durch das NaStraG v. 18.1.20013, durch die alle Rechtsgeschäfte mit Aktionären, die nicht über mehr als zehn vom Hundert des Grundkapital verfügen, und mit Dritten von der Nachgründungskontrolle freigestellt werden. Zum anderen ist vor allem an die Rechtsprechung zur Behandlung verschleierter Sacheinlagen zu erinnern4. Durch diese Rechtsprechung ist zwar die Nachgründungskontrolle nicht gänzlich obsolet geworden5; denn für die Nachgründungskontrolle bleiben jene Sachverhalte von Gewicht, in denen weder ein objektiver noch ein subjektiver Zusammenhang6 zwischen Einlageverpflichtung und Verkehrsgeschäft besteht; aber derartige Fälle sind außerordentlich rar. Ist in diesen wenigen Fällen das Äquivalenzprinzip zu Lasten der Gesellschaft verletzt, kommt jenseits des § 52 AktG eine Haftung des begünstigten Aktionärs nach § 62 AktG wegen einer verdeckten Gewinnausschüttung in Betracht7. Insgesamt ist also das Arsenal zur Verteidigung des Kapitalschutzes in der Aktiengesellschaft genügend schlagkräftig, um auf die Regelung des § 52 AktG zu verzichten. Allerdings eröffnet diese de lege ferenda gemünzte Bemerkung keinen Freibrief, die Vorschrift schon de lege lata zu bloßem Rankwerk zu degradieren. Sie ist auch weiterhin geltendes Recht und schon deshalb zu respektieren. Dieser Respekt darf jedoch nicht in ein starres Regime eines Kapitalschutzes „um jeden Preis“ ausarten. Anlass dieser mahnenden Worte ist eine Konstellation, die nicht gar so selten eintritt, deren rechtliche Behandlung unter den Aspekten des § 52 AktG aber alles andere als eindeutig ist. Es geht um den zeitgleichen Aktienerwerb und die Veräußerung von Vermögensgegenständen an die AG im Umfang von jeweils mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals in dem relevanten Zeitraum der ersten zwei Jahre seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Dieser Simultaneität entspricht auch eine funktionale Verklammerung der beiden Rechtsgeschäfte. Durch den Aktienerwerb sollen sowohl eine Teilfinanzierung des Erwerbsgeschäfts als auch und vor allem eine Beteiligung an dem wirtschaftlichen Risiko, das dem übernommenen Vermögensgegenstand, zumeist einer Anlage immanent ist, erreicht werden. Dass dieser Aktienerwerb in der Regel eine unerwünschte Belastung, gleichsam einen aufgedrängten Besitzstand für den Anlagenhersteller darstellt, bedarf sicherlich keiner weiteren Begründung. Die Gesamtvergütung stellt sich aus seiner Sicht als ein komplexes Gefüge ganz unterschiedlicher Ent-

__________ 3 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung; dazu Seibert, ZIP 2001, 53. 4 BGHZ 110, 47 – IBH/Lemmerz; 118, 83 (93 ff.) – BuM; 125, 141 (143 f.); 132, 133 (135); 152, 37; 153, 107; 155, 329. 5 Zum Verhältnis von Nachgründungskontrolle und der Kontrolle verdeckter Sacheinlagen Priester in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2003, § 52 AktG Rz. 16 f. 6 Dazu näher m. w. N. Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 1), § 19 GmbHG Rz. 39; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 27 AktG Rz. 14 f. 7 Zu den Voraussetzungen Hüffer (Fn. 6), § 57 AktG Rz. 8 ff.

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geltbestandteile dar, das für ihn nur dann markgerecht ist, wenn der cash-Bestandteil bei weitem überwiegt. Die rechtliche Einordnung derartiger Fälle in die Nachgründungskontrolle nach § 52 AktG wäre dann einfach, wenn man sich strikt an den Wortlaut der Vorschrift hielte. Werden zuerst die Aktien erworben und erst anschließend der obligatorische Vertrag zum Erwerb der Anlage oder anderer Vermögensgegenstände abgeschlossen, entspricht dies der in § 52 AktG vorausgesetzten Abfolge, hingegen nicht in der umgekehrten Reihung von Veräußerungsgeschäft und Aktienerwerb. Wollte man es bei diesem Ergebnis belassen, wäre die Vorschrift dem kautelarischen Belieben der Parteien oder der Beliebigkeit des Zufalls ausgeliefert. Eine überzeugende Lösung lässt sich nur auf der Grundlage teleologischen Normverständnisses gewinnen.

I. Teleologische und methodische Aufbereitung des § 52 AktG 1. Der Zweck des § 52 AktG: Verlängerung der Gründungskontrolle durch Schutz vor missbräuchlicher Kapitalverwendung Im Ausgangspunkt besteht über den Sinn und Zweck des § 52 AktG kein Dissens. Die Vorschrift hat eine lange, wenngleich wechselvolle Geschichte. Sie verdankt ihre Entstehung den Schwindelgründungen im Frühstadium des deutschen Aktienrechts (1884). Ihr Zweck war und ist auch heute noch darauf gerichtet, die auf die Bewertungskontrolle von Sacheinlagen gerichteten Gründungsvorschriften für die ersten beiden Nachgründungsjahre gleichsam zu verlängern8. Würde man die Gründer nur für den Gründungszeitraum zur Bewertung ihrer Sacheinlagen entsprechend den objektiven Marktwerten verpflichten, könnten sie nach Eintragung der Gesellschaft weitere Verkehrsgeschäfte nach eigenem Belieben abschließen und so die strikte Gründungskontrolle unterlaufen. Allerdings war und ist es auch heute unbestrittene Ansicht, dass Verkehrsgeschäfte, die unter Betracht der Aktionärseigenschaft abgeschlossen werden, generell stets marktgerecht vereinbart werden müssen, anderenfalls eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Derartige Geschäfte stehen jedoch nicht unter dem aktienrechtlichen

__________ 8 Zum Umgehungsschutz als alleinigem Normzweck des § 52 AktG Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, 1973, § 52 AktG Rz. 2; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1986, § 52 AktG Rz. 3; Hoffmann-Becking in MünchHdb.AG, 2. Aufl. 1999, § 4 Rz. 32; Lutter/Gehling, WM 1989, 1445 (1449); Werner, ZIP 2001, 1403 (1405) grundsätzlich ablehnend Bröcker, ZIP 1999, 1029 (1033 ff.); verschiedentlich werden noch ergänzende Normzwecke vertreten – so Hüffer (Fn. 6), § 52 AktG Rz. 1; Priester in Großkomm.AktG (Fn. 5), § 52 AktG Rz. 13; Koch, Die Nachgründung, 2002, S. 25 ff.; Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, S. 68 ff.; Lutter/Ziemons, ZGR 1999, 479 (482); Krieger in FS Claussen, 1997, S. 223 (224); weitere Nachweise bei Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, S. 49 Fn. 108.

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Vorbehalt ihrer dinglichen Unwirksamkeit9, wie es für gründungsrelevante Geschäfte gilt; vielmehr unterliegt der begünstigte Aktionär einer Rückgabepflicht nach § 62 AktG im Umfang seiner rechtsgrundlos erhaltenen Leistung10. Hingegen erweist sich die Strenge der Gründungs- und Nachgründungsvorschriften dadurch, dass das Rechtsgeschäft auch bei äquivalentem Preis-Leistungs-Verhältnis unwirksam ist, sofern eine Sacheinlage oder Sachübernahme ohne Prüfung durch unabhängige Prüfer erbracht worden ist. Dabei soll es nach der nicht unberechtigten Regelungsvorstellung des Gesetzgebers grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob die Sacheinlage oder Sachübernahme im Gründungs- oder im zweijährigen Nachgründungszeitraum vereinbart worden ist. Dieser durchaus normzweckkonforme Zusammenhang hat allerdings ein wenig von seiner ursprünglichen Bedeutung verloren. Nachdem der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur verschleierten oder verdeckten Sacheinlage extendiert hat, fallen darunter auch vielfach Fälle, die ohne diese Rechtsprechung als Nachgründungsgeschäfte qualifiziert worden wären11. Freilich wird durch diese Extension die Vorschrift des § 52 AktG nicht überflüssig; denn es bleiben für seinen Anwendungsbereich jene Fälle übrig, in denen eine Verrechnungsabrede nicht nachweisbar ist und deshalb eine verdeckte Sacheinlage nicht in Betracht kommt. Sodann liegt für den Zeitraum von zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft nur ein Nachgründungsgeschäft vor, dessen nachteilige Rechtsfolgen weniger gravierend sind als die Rechtsfolgen für die verdeckte Sacheinlage. Für die weiteren Überlegungen ist von größerer Bedeutung die Erkenntnis, dass die Nachgründungsregelung des § 52 AktG über den Gründungsschutz des § 27 AktG hinausgeht; denn die konsequente Fortschreibung des § 27 AktG müsste den Anwendungsbereich des § 52 AktG auf die Gründerhaftung beschränken, dürfte also nicht Aktionäre einbeziehen, die später der Gesellschaft entweder durch derivativen oder originären Aktienerwerb beigetreten sind. § 52 AktG erfasst aber gerade auch solche Aktionäre, freilich nunmehr beschränkt auf Aktionäre, die „mit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft“ beteiligt sind (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AktG). Zu rechtfertigen ist diese im Vergleich zur Gründungskontrolle ausgeweitete Nachgründungskontrolle nur unter den Aspekten eines etwaigen Umgehungsschutzes. Die Erfahrung belegt, dass oftmals die Gründer nur vorgeschoben werden, während die wirtschaftlichen Hauptakteure zunächst im Hintergrund bleiben und erst nach Eintragung der Gesellschaft das Steuer übernehmen. Dass solche Aktionäre wie Gründer zu behandeln sind und deshalb mit ihnen getätigte Geschäfte der Nachgründungskontrolle unter-

__________ 9 Zum Meinungsstand Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 57 AktG Rz. 67 ff.; Hüffer (Fn. 6), § 57 AktG Rz. 23. 10 Dazu m. w. N. Hüffer (Fn. 6), § 57 AktG Rz. 25. 11 Vgl. nur BGHZ 110, 47; 118, 83 (93 ff.); 132, 133 (135).

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liegen, ist nur allzu konsequent. Aus ähnlichen Gründen werden im Gründungsstadium auch Drittgeschäfte, also solche, die in Absprache oder engen Rechtsbeziehungen mit den Gründern von Dritten getätigt werden, in die Gründungskontrolle einbezogen12. Solche Geschäfte befinden sich noch im Dunstkreis der Gründergeschäfte und müssen deshalb mit diesen gleichbehandelt werden. Legt man diesen Zusammenhang zugrunde, dann wird auch erklärlich, warum der Gesetzgeber nunmehr eine besondere Beteiligungsquote von 10 vom Hundert voraussetzt. Nur von derart beteiligten Aktionären ist zu befürchten, dass sie relevanten Einfluss auf die vormaligen Gründer bei Abschluss solcher Nachgründungsverträge ausüben. Aus dieser Sicht ist des weiteren verständlich, warum in der Neuregelung auf die vormaligen Drittgeschäfte verzichtet worden ist. Zwischen unbeteiligten Dritten und den Gründungsaktionären einen Sachzusammenhang zu konstruieren, aufgrund dessen sich der Verdacht missbräuchlichen Einlageverhaltens ergeben könnte, ist außerordentlich kompliziert und wohl nur von theoretischer Bedeutung13. Der Gesetzgeber war also gut beraten, jeglichen Anlass für solche Missbrauchspekulationen aufzugeben. Allerdings wird dadurch der Kerngehalt des § 52 AktG verdeutlicht und geschärft: Der Gesetzgeber geht von der Gefahr aus, dass Erwerbsgeschäfte gegen „eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung“ nicht ohne Rücksicht auf die Aktionärseigenschaft des Verkäufers oder Unternehmers geschlossen werden und sich dadurch Kollisionen mit der Gründungs- oder Nachgründungskontrolle ergeben können. Man wird schwerlich behaupten können, dass ein solcher präsumtiver Zusammenhang zwischen Einflussnahme und Konditionierung des Erwerbsgeschäfts ausgeschlossen ist. Im Gegenteil: Die einschlägigen Erfahrungen bestätigen diesen Befund. Der Gesetzgeber hat deshalb den § 52 AktG als einen abstrakten Gefährdungstatbestand ausgestaltet, so dass es im Einzelfall nicht des Nachweises einer Umgehung oder Verschleierung der Gründungskontrolle bedarf. 2. § 52 AktG als abstrakte Gefährdungsvorschrift und seine Anwendungsgrenzen Allerdings darf man die Reichweite derart abstrakter Gefährdungstatbestände nicht ohne Rücksicht auf ihre teleologische Sinnhaftigkeit strapazieren. Wenn die Vorschrift dem Umgehungsschutz dienen soll, dann kann sie selbst-

__________ 12 BGHZ 96, 231 (240); 110, 47 (66); 113, 335 (345 f.); 125, 141 (144); BGH, ZIP 1992, 995 (999). 13 Dazu Martens, ZGR 1999, 548 (560). – Freilich werden auch in Zukunft Rechtsgeschäfte mit Dritten einbezogen, die sich unter den zur verdeckten Sacheinlage entwickelten Voraussetzungen im Rechtskreis eines Aktionärs befinden – dazu näher Priester in Großkomm.AktG (Fn. 5), § 52 AktG Rz. 47; Reichert, ZGR 2001, 554 (573 ff.); Holzapfel/Roschmann in FS Bezzenberger, 2000, S. 163 (188).

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verständlich auch nur dann zur Anwendung kommen, wenn nicht aufgrund der konkreten Umstände eine Umgehung ausgeschlossen ist. Ein Umgehungsschutz in Fällen, in denen eine Umgehung nachweislich nicht vorliegt, wäre ein juristischer Widerspruch par excellence. Deshalb sind die in der Literatur geäußerten gegenteiligen Ansichten14 entweder unrichtig oder doch missverständlich. Richtig ist freilich, dass es im Einzelfall nicht des Nachweises eines den Missbrauch indizierenden Einflusses bedarf. Eine derartige Einflussnahme wird unter den Voraussetzungen des § 52 AktG vielmehr vermutet. Und ebenso richtig ist, dass umgekehrt im Einzelfall der Nachweis ausgeschlossen ist, das Anlagengeschäft sei ohne Einflussnahme auf den Vorstand getätigt worden. Diese Konsequenzen sind Ausfluss eines abstrakten Gefährdungsschutzes, dem der Verzicht auf jegliche Einzelfallprüfung immanent ist. Freilich darf dieser Gefährdungsschutz nicht über seine selbst gesteckten Grenzen hinaus ausgedehnt werden. Sein Schutzbereich endet dort, wo eine Missbrauchsgefahr von vornherein ausgeschlossen ist, so dass sich auch im Einzelfall jegliche Vermutung missbräuchlichen Verhaltens verbietet, wie auch umgekehrt jeglicher Exkulpationsbedarf von vornherein entfällt – obwohl doch in derartigen Fällen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 52 AktG erfüllt sind. Die abstrakte Gefährdungsnorm kann und darf also auch nur im Rahmen möglicher Gefährdung angewendet werden. Wenn im Einzelfall der Nachweis erbracht wird, dass eine Gefährdung schlechthin ausgeschlossen ist, muss auch die Anwendung einer solchen den Gefährdungsschutz bezweckenden Vorschrift entfallen. Wollte man in solchen per se missbrauchsfreien Konstellationen gleichwohl ein nachgründungsrelevantes Verhalten annehmen, würde man willkürlich verfahren und sich dem Vorwurf gleichheitswidrigen Verhaltens aussetzen15. Diese teleologischen und methodischen Zusammenhänge zwischen einer abstrakten Gefährdungsvorschrift und den daraus ableitbaren Anwendungsgrenzen lassen sich auch an anderen Vorschriften nachweisen. Ein Paradebeispiel bietet die Regelung des § 181 BGB. Diese Vorschrift wurde vormals vom Reichsgericht strikt als „formale Ordnungsvorschrift“ qualifiziert, die „nur auf die Art des Zustandekommens der Rechtsgeschäfte, nicht auf die zugrundeliegenden Interessen bezogen werden“ könne16. Diese damals auch

__________ 14 Pentz in MünchKomm.AktG, 2. Aufl.2000, § 52 AktG Rz. 11; Priester in Großkomm.AktG (Fn. 5), § 52 AktG Rz. 15; Kubis, AG 1993, 118 (120); Lutter/Gehling, WM 1989, 1445 (1450); Mülbert, ZHR 154 (1990), 145 (174 ff.); Ulmer, ZHR 154 (1990), 128 (131). 15 Dazu allgemein Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, S. 125 ff. unter Hinweis auf BVerfGE 13, 31 (38). 16 RGZ 108, 405 (407); zuletzt RGZ 157, 31 ff.; ebenso noch BGHZ 50, 8 (11).

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vorherrschende Auffassung17 ist inzwischen aufgegeben worden, indem man sich stärker auf den Sinn und Zweck dieser Vorschrift besonnen hat. Insbesondere der Bundesgerichtshof hat von der Anwendung dieser Vorschrift in Fällen befreit, in denen ein missbräuchliches Vertreterverhalten von vornherein ausgeschlossen ist, obwohl doch die Tatbestandsmerkmale des § 181 BGB uneingeschränkt erfüllt sind. Diese Fälle betreffen die Schenkung eines Vertreters an den Vertretenen sowie Rechtsgeschäfte, die der Alleingesellschafter mit der Gesellschaft in seiner Rolle als Geschäftsführer abschließt. In der zur Freistellung des Alleingesellschafters ergangenen Entscheidung finden sich folgende Ausführungen: „Daß die Vorschrift mit ihrer formalen Ausgestaltung auch der Rechtssicherheit dienen will, ist nicht zu verkennen. Darum kann ihre Anwendbarkeit nicht jeweils von der unbestimmten und für einen Dritten schwer erkennbaren Voraussetzung abhängen, daß im Einzelfall tatsächlich ein Interessenkonflikt besteht“ (BGHZ 21, 229 [231]); daran ist unbedingt festzuhalten. Das schließt aber nicht aus, für einen ganzen, in sich abgegrenzten Rechtsbereich wie die Ein-Mann-GmbH das Selbstkontrahieren allgemein als erlaubt anzusehen, wenn nach der Rechts- und Interessenlage, wie sie dort typischerweise besteht, die Zielsetzung des § 181 BGB niemals zum Zuge kommen kann; denn auf solche Weise wird die Wirksamkeit des Insichgeschäfts nicht „von einem Moment abhängig gemacht, welches durch seine Unbestimmtheit und durch die Unerkennbarkeit für Dritte die Verkehrssicherheit gefährde“ (Prot. I 174, 175), sondern der Anwendungsbereich des § 181 BGB wird nach einem objektiven und einwandfrei feststellbaren Merkmal für eine in sich geschlossene Fallgruppe generell beschränkt“18. In der zur Freistellung des schenkenden Vertreters ergangenen Entscheidung heißt es: „Hier geht ebenfalls der Wortlaut der Vorschrift, wenn allein auf den förmlichen Vorgang des Selbstkontrahierens abgestellt wird, über den zugrunde liegenden Schutzzweck hinaus. Wendet der Vertreter durch das Insichgeschäft dem Vertretenen ausschließlich einen rechtlichen Vorteil zu, so können dessen Interessen allgemein nicht gefährdet sein; er bedarf nicht des mit § 181 BGB bezweckten Schutzes vor mög-

__________ 17 Dazu sei nur auf Boehmer, Grundlagen der Bürgerlichen Rechtsordnung, zweites Buch, zweite Abteilung, Praxis der richterlichen Rechtsschöpfung, 1952, S. 52 ff. (55) m. w. N. verwiesen. 18 BGHZ 56, 97 (102 f.); zuletzt BGHZ 75, 358 (359 ff.). – Lediglich am Rande sei angemerkt, dass der spätere Gesetzgeber in Fällen des geschäftsführenden Alleingesellschafters die Anwendbarkeit des § 181 BGB ausdrücklich festgeschrieben und insofern neu geregelt hat (§ 35 Abs. 4 GmbHG). Auf diese in vieler Hinsicht überflüssige Neuregelung braucht in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen zu werden – zur Kritik Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 35 GmbHG Rz. 137.

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lichen Nachteilen durch einen Interessenkonflikt in der Person des Vertreters“19. Fasst man diese Rechtsprechung zur methodischen Verarbeitung des § 181 BGB zusammen, stellt man eindeutige Übereinstimmungen mit der anstehenden Anwendung des § 52 AktG fest: Beide Vorschriften bezwecken den Interessenschutz vor missbräuchlicher Rechtsausübung; beide Vorschriften bedienen sich dazu Tatbestandsmerkmale, die die Vermutung missbräuchlichen Verhaltens nahe legen, wenn nicht sogar aufdrängen; beide Vorschriften knüpfen an die Tatbestandserfüllung Rechtsfolgen an, die sich als Sanktion auf missbräuchliches Verhalten darstellen; beide Vorschriften verzichten somit auf den positiven Nachweis der Missbrauchsabsicht bzw. des objektiven Missbrauchs, sondern begnügen sich mit einem indiziellen Tatbestand. Angesichts dieser weitreichenden Übereinstimmung liegt es nahe, für beide Vorschriften wie auch für vergleichbare Vorschriften übereinstimmende Grenzen zu ziehen: Wenn typischerweise keine Missbrauchsabsicht oder kein objektiver Missbrauch vorliegt, gelangt die Missbrauchsvorschrift nicht zur Anwendung. Dabei müssen freilich an den Nachweis der Missbrauchsexemtion strenge Voraussetzungen gestellt werden. Die Fälle müssen derart gelagert sein, dass aus abstrakt genereller Sicht unabhängig von jeglicher Einzelfallbeurteilung ein missbräuchliches Verhalten ausgeschlossen ist20. In methodischer Hinsicht kommt für diese Freistellung von der Nachgründungskontrolle eine teleologische Reduktion des § 52 AktG in Betracht. 3. Zusammenfassung Fasst man diese unter teleologischen Aspekten entwickelten methodischen Überlegungen zusammen, so kann man feststellen, dass auch die abstrakte Gefährdungsvorschrift tatbestandsimmanente Grenzen aufweist, die sich aus ihrer immanenten Zwecksetzung ergeben. Nicht Tatbestandsanwendung „um jeden Preis“, d. h. um jedes Ergebnisses willen, sondern Tatbestandsanwendung nur im Rahmen des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks kann und muss die Auslegungsmaxime sein. Danach kommt auch § 52 AktG dann nicht mehr zur Anwendung, wenn der Nachweis gelingt, dass das als Sacheinlage oder Sachübernahme vermutete Verkehrsgeschäft in keiner wie auch immer gearteten Art und Weise von der Aktionärseigenschaft des Veräußerers beeinflusst worden ist, seine Aktionärseigenschaft also bei Abschluss des Verkehrsgeschäfts gänzlich indifferent und damit irrelevant ge-

__________ 19 BGHZ 59, 236 (240); ebenso BGHZ 94, 232 (235). Diese Ansicht wird inzwischen auch nahezu einhellig in der Literatur vertreten; dazu sei auf Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2001, Rz. 1592 ff. m. w. N. und auf Leipold, BGB I: Einführung und Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2004, Rz. 745 verwiesen; a. A. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 48 1/5. sowie Jauernig, BGB, 11. Aufl. 2004, § 181 BGB Rz. 7. 20 Ähnliche Formulierung bei Bork (Fn. 19), Rz. 1593.

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wesen ist. Einen deutlichen Fingerzeig für die Richtigkeit dieser Ansicht kann man argumentativ auch aus der schon erwähnten Gesetzesänderung durch das NaStraG gewinnen. Durch die Neuregelung ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht nur auf Aktionäre reduziert worden, die „mit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft“ beteiligt sind, sondern es sind auch alle außenstehenden Dritten von der Nachgründungshaftung befreit worden. Wenn also der Gesetzgeber außenstehende Dritte freistellt, dann muss auch dem Aktionär der Nachweis offen stehen, dass er das Verkehrsgeschäft nicht als Aktionär, sondern als unbeteiligter Dritter in ausschließlicher Wahrnehmung seiner Drittinteressen abgeschlossen hat21.

II. Aktienerwerb und Anlagenvertrag als wirtschaftlich einheitliches Verkehrsgeschäft 1. Idealfälle missbrauchsfreier Verkehrsgeschäfte Ein solcher missbrauchsfreier Idealfall liegt jedenfalls dann vor, wenn das Verkehrsgeschäft keinerlei Berührung mit der Aktionärseigenschaft einer Vertragspartei aufweist. Derartige Voraussetzungen sind sicherlich dann erfüllt, wenn bei Abschluss des Verkehrsgeschäfts die Aktionärseigenschaft des Veräußerers unbekannt war – z. B. deshalb, weil sich erst im Nachhinein herausstellt, dass die vollzogene Aktienübertragung rechtsunwirksam war und deshalb der Veräußerer ohne Unterbrechung Aktionär geblieben ist. Aber auch in Fällen, in denen der Aktienerwerb und der Anlagenvertrag zeitgleich abgeschlossen werden, besteht nicht der geringste Anlass für eine Missbrauchsvermutung, wird vielmehr eindeutig belegt, dass die Aktionärseigenschaft für die Konditionierung des Anlagenvertrags völlig indifferent war. Sie könnte sich allenfalls antizipativ auswirken; aber diese theoretisch mögliche Vorwirkung geht unter bzw. geht auf in dem Einflusspotential, über das jeder Verhandlungspartner kraft seiner Marktmacht verfügt. So wie er diese Marktmacht einsetzen kann, um das Preis-Leistungs-Verhältnis zu beeinflussen, ebenso kann er diese Marktmacht auch zwecks Aktienerwerbs einsetzen. Ihm dieses Einflusspotential unter Berufung auf missbräuchliches Einlageverhalten streitig zu machen, ist fern liegend, verstößt jedenfalls eindeutig gegen die Spielregeln marktoffener Verhandlungsprozesse.

__________ 21 Auch im Rahmen verdeckter Gewinnausschüttung wird verschiedentlich über das objektive Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinaus verlangt, dass die Leistung der AG im Bewusstsein der Aktionärseigenschaft des Empfängers erbracht wird – so Barz in Großkomm.AktG, 3. Aufl. 1973, § 52 AktG Rz. 3; Geßler in FS Fischer, 1979, S. 131 (136 f.); Wilhelm in FS Flume, Bd. II, 1987, S. 337 (382); a. A. (nur auf das objektive Missverhältnis abstellend) Bayer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 57 AktG Rz. 39 f.; Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 57 AktG Rz. 26 f.; Hüffer (Fn. 6), § 57 AktG Rz. 11.

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Freilich könnte man diesen soeben geschilderten „Idealfall“22 auch nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 AktG ebenso entscheiden; denn die Formulierung: „Verträge der Gesellschaft mit ... Aktionären“ – weist doch relativ eindeutig auf ein zeitlich gestrecktes Verhältnis von Aktionärseigenschaft und Erwerbs- und Anlagenvertrag hin. Dieses semantische Verständnis ist allerdings dann nicht überzeugend, wenn nach Sinn und Zweck der Vorschrift ein gegenteiliges Ergebnis nahegelegt wird. Vorliegend kann jedoch kein Zweifel bestehen, dass Wortlaut und Telos ohne Einschränkung übereinstimmen: Nur wenn die Aktionärseigenschaft das Instrument ist, um auf die Konditionen des Erwerbs- oder Anlagengeschäfts Einfluss nehmen zu können, ist die Vermutung missbräuchlichen Einlageverhaltens gerechtfertigt. Dieser enge Zusammenhang zwischen Wortlaut- und Normzweckinterpretation gerät allerdings ins Wanken, wenn zunächst der Aktienerwerb vollzogen und sodann der Anlagenvertrag abgeschlossen wird. In diesen Fällen kommt eine Befreiung von der Nachgründungskontrolle des § 52 AktG nur in Betracht, wenn eindeutig nachweisbar ist, dass ein missbräuchliches Einlageverhalten schlechterdings ausgeschlossen ist, der Anlagenvertrag ausschließlich unter den Bedingungen des Marktes zustande gekommen ist. Im Folgenden ist deshalb zu untersuchen, unter welchen objektiven Voraussetzungen Aktienerwerb und Anlagenvertrag derart miteinander verwoben sind, dass der Aktionärseinfluss ohne jegliche Bedeutung für die Konditionierung des Anlagevertrages ist, beide Tatbestände also nur als einheitliches Geschehen ohne gesellschaftsrechtliche Verquickung verstanden werden können. 2. Die die Einheitlichkeit der Vertragsabsprachen indizierenden Umstände a) Zeitliche Zusammenhänge der verschiedenen Rechtsgeschäfte Unter den indiziell wirkenden Umständen kommt dem zeitlichen Zusammenhang der beiden Rechtsgeschäfte über den Aktienerwerb einerseits und den Anlagenerwerb andererseits die größte Bedeutung zu. Je enger dieser Zeitraum ist, umso gravierender ist die Indizwirkung eines beide Rechtsgeschäfte umfassenden Sachzusammenhangs, wie umgekehrt bei längerem Zeitraum sich dieser Sachzusammenhang mehr und mehr verflüchtigt. Besteht zwischen den Zeitpunkten der beiden Vertragsabschlüsse nur ein Abstand von wenigen Wochen oder gar nur von wenigen Tagen, ist der Gesamtcharakter dieser Rechtsgeschäfte als jedenfalls wirtschaftliche, wenn

__________ 22 Ein weiterer „Idealfall“ betrifft die Vergütung aus frei verfügbaren Finanzmitteln, weil in derartigen Fällen die Grenzen der aktienrechtlichen Vermögensbindung von vornherein nicht verletzt werden – so Priester in Großkomm.AktG (Fn. 5), § 52 AktG Rz. 55; Hüffer (Fn. 6), § 52 AktG Rz. 5 m. w. N.

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nicht sogar als rechtliche Einheit23 kaum zu bestreiten. Wie sollte im Abstand weniger Tage aufgrund des Aktienbesitzes Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des Anlagenvertrages ausgeübt werden? Der zeitliche Ablauf der einheitlichen Vertragsverhandlungen führt wohl stets zu einer mehr oder weniger zufälligen Reihung der Vertragsabschlüsse. Ob also zunächst die Aktien erworben werden und erst nachfolgend der Anlagenvertrag abgeschlossen wird, entzieht sich zumeist planerischer Absicht. Umso weniger besteht Grund, an die zufällige Kombination von vorherigem Aktienerwerb und nachfolgendem Anlagenvertrag derart gravierende Rechtsfolgen anzuknüpfen, wie sie sich aus der Anwendung des § 52 AktG ergeben. b) Rechtliche Vorwirkungen des erst später abgeschlossenen Anlagenvertrages Eine weitere Verdichtung dieses Einheitsgebildes ist dann anzunehmen, wenn der Anlagenvertrag im Zeitpunkt des Aktienerwerbs trotz noch ausstehenden Abschlusses rechtlich weitgehend vorprogrammiert ist, so dass der spätere Abschluss in inhaltlicher Hinsicht nur noch akzidentielle Bedeutung hat. Derartige Zusammenhänge bestehen immer dann, wenn die wesentlichen Vertragsbedingungen schon in einem Vorvertrag, einem Letter of Intent24 oder einem Memorandum of Understanding zusammengefasst sind. Mögen diese Rechtsfiguren in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit auch erhebliche Unterschiede aufweisen, so kommt es doch in allen Fällen zu einer Einschränkung der Abschluss- und Inhaltsfreiheit. Gründe, die eine Partei später veranlassen, sich gleichwohl von den schon ausgehandelten Konditionen loszusagen, liegen jedenfalls außerhalb der mit dem Aktienbesitz verbundenen Einflusssphäre. c) Aktienerwerb und Anlagenvertrag als Gegenstand und Ergebnis einheitlichen Verhandlungsprogramms Geradezu zwingend wird der Einheitscharakter der beiden Rechtsgeschäfte belegt, wenn Aktienerwerb und Anlagenvertrag einheitlich verhandelt worden sind. In dieser Verhandlungssituation sind die Konditionen beider Verhandlungsgegenstände in gleicher Weise offen, und ein interessenpolitischer Übergriff mittels des Aktionärseinflusses auf die Konditionierung des Anlagevertrages ist ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass die Konditionen beider Verträge aufeinander abgestimmt werden und das Äquivalenzverhältnis aus der Sicht beider Parteien unter Betracht des Gesamtergebnisses beurteilt wird, betrachten doch die Parteien die beiden Rechtsge-

__________ 23 Eine solche rechtliche Einheit ist jedenfalls dann offenkundig, wenn beide Rechtsgeschäfte kraft Bedingung miteinander verknüpft sind. Ein solcher Bedingungszusammenhang kann sich auch konkludent aus den Umständen ergeben. 24 Dazu im Einzelnen Lutter, Der Letter of intent, 3. Aufl. 1998.

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schäfte als einheitliches Gesamtpaket. Wichtig und in diesem Zusammenhang von vorrangiger Bedeutung ist der Umstand, dass die Parteien ihre gegengewichtigen Interessen marktoffen und ohne Rücksicht auf die zukünftige Aktionärsverbundenheit vertreten. Die Vorstellung, die eine Partei werde der anderen Partei in Antizipation ihrer Aktionärsstellung unzulässige Vorteile gewähren, ist wegen dieser gleichgewichtigen Interessenlage ohnehin verfehlt. d) Der Erwerb der Aktienbeteiligung als aufgedrängte Gegenleistung Ein weiterer Umstand, durch den die Vermutung missbräuchlicher Kapitalverwendung widerlegt wird, besteht darin, dass der Anlagenvertrag nach den von der Aktiengesellschaft bekundeten Absichten nur dann zustande kommen soll, wenn der Veräußerer zugleich ein entsprechendes Aktienpaket erwirbt, das Aktienkapital aus der Sicht des Veräußerers also nur übernommen wird, um den Anlagenvertrag abschließen zu können. Nach der zugrunde liegenden Interessenlage dient die Aktienübertragung ausschließlich der Finanzierung des Anlagenvertrages und der Minderung des mit dem Betrieb der Anlage verbundenen Wirtschaftsrisikos, also Zwecken, die ausschließlich im Interesse der Aktiengesellschaft verfolgt werden, während der Veräußerer dadurch nur belastet wird. Derartige über den Abschluss eines normalen Anlagenvertrages hinausgehenden Belastungen mit dem Makel missbräuchlichen Kapitalverhaltens zu belegen, ist nicht vertretbar. Sicherlich sind Fälle nicht auszuschließen, in denen das Beteiligungsinteresse in der Person des Anlagenbauers liegt – so wenn er die Veräußerung der Anlage zugleich als Eintritt in ein längerfristiges, unternehmerisches Engagement betrachtet. Derartige Konstellationen sind aber Rarität. Das herkömmliche Verständnis eines Anlagenbauers konzentriert sich auf das Veräußerungsgeschäft, mit dessen Erlös er sein Unternehmen finanziert. Diese herkömmliche Interessenlage kommt auch darin zum Ausdruck, dass die anzurechnenden Finanzmittel für den Aktienerwerb bei weitem geringer sind als der in bar gezahlte Veräußerungserlös. Deshalb ist auch die Aktienbeteiligung in der Regel ohne übermäßiges Einflusspotential, jedenfalls so bemessen, dass sich daraus keine strukturellen Veränderungen in den Beziehungen zu den anderen Aktionären ergeben. e) Zusammenfassende Würdigung der Gesamtumstände Für die abschließende Würdigung des Einzelfalls lässt sich keine Messlatte einrichten, anhand derer man die indizielle Bedeutung einzelner Umstände bewerten könnte. Es handelt sich um ein bewegliches Bewertungssystem. Entscheidend ist, dass der Anlagenvertrag im zeitlichen Zusammenhang mit dem Aktienerwerb als ein herkömmliches Verkehrsgeschäft verhandelt und abgeschlossen worden ist, als dessen unerwünschter Annex die aufgedrängte 438

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Aktienbeteiligung in Kauf genommen worden ist. Die Vertragsparteien haben sich durch Abschluss des Anlagenvertrages wie unbeteiligte Dritte am Rechtsverkehr beteiligt und müssen deshalb wie Dritte, die durch Art. 1 Nr. 3 NaStraG vom Anwendungsbereich des § 52 AktG befreit worden sind, behandelt werden, also ebenfalls von der Nachgründungskontrolle freigestellt werden.

III. Heilung einer etwaigen Unwirksamkeit des Anlagenvertrags durch bestätigende Vertragsänderungen In der Praxis gibt es immer wieder böse Überraschungen, weil man die Fußangeln des § 52 AktG übersehen hat und sich nunmehr vor einem vermeintlichen Scherbenhaufen wähnt. Insbesondere wenn sich die Aktiengesellschaft in der Insolvenz befindet und der Insolvenzverwalter Rückzahlung des Kaufpreises verlangt, kann sich der § 52 AktG als teurer Stolperstein erweisen. Gerade die hier behandelte Konstellation lässt die ganze Brisanz einer solchen Gefahrenlage erkennen. Vorbeugende Abhilfe ist nur möglich, wenn das zunächst ohne Nachgründungskontrolle vollzogene Verkehrsgeschäft nachträglich geheilt werden kann. Dabei ist zwischen einer Heilung innerhalb des Kontrollzeitraums von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und einer Heilung außerhalb dieses Zeitraums zu unterscheiden. 1. Rechtliche Grundlagen einer solchen Heilung Nach wohl einhelliger Ansicht in der Literatur ist ein der Nachgründungskontrolle unterliegender Vertrag nicht schlechthin nichtig, sondern (nur) schwebend unwirksam25. Die Richtigkeit dieser Ansicht lässt sich eindeutig mit dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 AktG belegen. Danach werden die relevanten Verkehrsgeschäfte „mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam“. Da sowohl der Hauptversammlungsbeschluss als auch die Eintragung zukünftige Ereignisse sind, die noch beliebig nachgeholt werden können, muss die Wirksamkeit des Verkehrsgeschäfts bis zum Eintritt dieser Ereignisse in der Schwebe bleiben. Des Weiteren wird nahezu einhellig vertreten, dass diese schwebende Unwirksamkeit auch nach Ablauf der zweijährigen Frist der Nachgründungskontrolle fortbesteht, somit nicht etwa mit diesem Fristablauf in eine endgültige Unwirksamkeit umschlägt26. Die mithin fortbestehende schwebende Unwirksamkeit kann nach Fristablauf durch einseitige Geneh-

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25 Hüffer (Fn. 6), § 52 AktG Rz. 8; Priester in Großkomm.AktG (Fn. 5), § 52 AktG Rz. 81; Kraft in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 52 AktG Rz. 46; Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 14), § 52 AktG Rz. 43; Koch (Fn. 8), S. 9 ff. 26 Dazu nur Weißhaupt, ZGR 2005, 727 (728); a. A. wohl nur Zimmer, DB 2000, 1265 (1270).

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migung der Aktiengesellschaft27 oder durch Bestätigung beider Vertragsparteien28 beseitigt und dadurch der Vertrag endgültig wirksam werden. Die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AktG müssen nach Fristablauf nicht mehr erfüllt werden29. Die Richtigkeit dieser Ansicht folgt nahezu zwingend aus der vorübergehenden Dauer der Nachgründungskontrolle und der unbestrittenen Wirksamkeit aller nachfolgenden Verträge. Wenn die Parteien aber nachfolgend in derselben Angelegenheit denselben Vertrag wirksam abschließen können, besteht nicht der geringste Grund, ihnen zu verwehren, die schwebende Unwirksamkeit durch Genehmigung oder Bestätigung zu beseitigen. Der Unterschied zwischen der Genehmigung und Bestätigung des Altvertrages einerseits und Abschluss eines Neuvertrages andererseits ist nur von rechtsförmlicher Bedeutung; in inhaltlicher Hinsicht besteht kein Unterschied. 2. Wirksamkeit des Anlagenvertrages durch bestätigende Nachträge In der Praxis derartiger Anlagenverträge werden nicht selten Nachträge vereinbart, mit denen unvorhergesehene Komplikationen bewältigt werden sollen. Ohne solche Nachträge müssten die Verträge mittels ergänzender Vertragsauslegung, äußerstenfalls nach den Grundsätzen der gestörten Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) komplettiert werden. Diese Nachträge stellen sich rechtlich nicht als verselbständigte Verträge dar, sondern sind eingebunden in den vormaligen Anlagenvertrag, als dessen unselbständige Bestandteile sie deshalb zu verstehen sind. Dieser rechtliche Zusammenhang kommt auch zumeist durch entsprechende Bezugnahme zum Ausdruck. So heißt es etwa: „Alle Regelungen des Anlagenvertrags behalten unverändert ihre Gültigkeit, sofern sie nicht aufgrund der in diesem Nachtrag getroffenen Regelungen ausdrücklich aufgehoben, geändert oder ersetzt worden sind“.

__________ 27 Krieger in FS Claussen, 1997, S. 223 (236); Hüffer (Fn. 6), § 52 AktG Rz. 7; Priester in Großkomm.AktG (Fn. 5), § 52 AktG Rz. 102; Bröcker, ZIP 1999, 1029 (1031); Weißhaupt, ZGR 2005, 727 (737); dagegen Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff (Fn. 8), § 52 AktG Rz. 13; Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 14), § 52 AktG Rz. 72; Diekmann, ZIP 1996, 2149 (2150); Holzapfel/Roschmann in FS Bezzenberger, 2000, S. 163 (180); Schwab (Fn. 8), S. 233. 28 Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff (Fn. 8), § 52 AktG Rz. 13; Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 14), § 52 AktG Rz. 72; Diekmann, ZIP 1996, 2149 (2150); Holzapfel/Roschmann in FS Bezzenberger, 2000, S. 163 (180); Schwab (Fn. 8), S. 233; Witte/Wunderlich, BB 2000, 2213 (2217).- Die Vertreter der Genehmigungstheorie (Fn. 27) anerkennen ebenfalls die Zulässigkeit eines Bestätigungsvertrags. 29 Hüffer (Fn. 6), § 52 AktG Rz. 7; Priester in Großkomm.AktG (Fn. 5), § 52 AktG Rz. 102; Krieger in FS Claussen, 1997, S. 223 (236 f.); Bröcker, ZIP 1999, 1029 (1031); Zimmer, DB 2000, 1265 (1270); Diekmann, ZIP 1996, 2149 (2150); a. A. nur Hartmann/Barcaba, AG 2001, 437 (445) und Barz in Großkomm.AktG (Fn. 21), § 52 AktG Rz. 4.

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Die Nachgründungskontrolle bei Einheit von Aktienerwerb und Verkehrsgeschäft

Bedenkt man die Bauzeit solcher Anlagen, die Zeit der Inbetriebnahme und etwaige Garantiezeiten, dann kann sich ein Bedarf für die Vereinbarung derartiger Nachträge noch in dem Zeitraum nach Ablauf der Nachgründungsfrist ergeben, auch wenn der Anlagenvertrag alsbald nach Eintragung der Aktiengesellschaft vereinbart worden ist. Zu diesem Zeitpunkt ist den Vertragsparteien oftmals nicht bewusst, dass sich der ursprüngliche Anlagenvertrag wegen Verstoßes gegen § 52 AktG noch in der Schwebe befindet. Sie handeln im Glauben an die Wirksamkeit des Vertrages und vereinbaren ihre Nachträge ohne das Bewusstsein des Genehmigungserfordernisses, also auch ohne das Bewusstsein, sich einseitig durch Verweigerung der Genehmigung von dem Vertrag lossagen zu können. Angesichts dieser gravierenden Umstände stellt sich die Frage, welche rechtliche Bedeutung derartigen Nachträgen für die Bestandskraft des Anlagenvertrags zukommt. Knüpft man an den üblichen Wortlaut solcher Nachtragsregelungen an, kann man eindeutig feststellen, dass die Parteien rechtsgeschäftliche Erklärungen zum Anlagenvertrag abgegeben haben, indem sie diesen durch Ergänzung oder Streichung geändert haben. In einer solchen Änderung wie auch in jeder anderen Vertragsänderung liegt die Willensbekundung, an dem ursprünglichen Vertrag mit den nunmehr vereinbarten Änderungen festzuhalten. Die Vorstellung, die Vertragsparteien wollten einen unwirksamen Vertrag abändern, ist offensichtlich verfehlt. Wer einen Vertrag ändert, äußert unmissverständlich den Willen, den Vertrag mit seinen ursprünglichen und seinen neuen Bestandteilen für und gegen sich gelten zu lassen. Wollte man annehmen, dieser Geltungswille erstrecke sich nur auf die neuen Bestandteile, während die ursprünglichen Bestandteile ja schon vom ursprünglichen Geltungswillen erfasst worden seien, würde man den einheitlichen Geltungsgrund eines Vertrages verkennen. Mit jeder Vertragsänderung wird der Geltungsgrund eines Vertrages als einer rechtlichen Einheit erneuert bzw. bestätigt. Allerdings bleibt abschließend zu klären, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass den Parteien die schwebende Unwirksamkeit und damit das Genehmigungserfordernis nicht bewusst gewesen ist, als sie den Anlagenvertrag durch entsprechende Änderungserklärungen in Geltung gesetzt haben. Die rechtliche Anerkennung einer Genehmigung, die ohne Kenntnis der Genehmigungsbedürftigkeit ausgesprochen worden ist, erscheint widersprüchlich. Dieser Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn man sich die inhaltliche Dimension der Genehmigung bewusst macht. Die Genehmigung kann mit jedem beliebigen Inhalt erklärt werden, wenn nur hinreichend deutlich wird, dass die erklärenden Parteien bzw. die erklärende Partei den schon vor einiger Zeit abgeschlossenen Vertrag weiterhin in Geltung setzen wollen bzw. setzen will. Diese Erklärung kann aus jedem beliebigen Anlass abgegeben werden, so auch aus Anlass einer Vertragsänderung. Auch wenn die an dieser Vertragsänderung beteiligten Parteien an die Nachgründungskontrolle nicht gedacht haben, haben sie doch im Zeitpunkt der Vertragsänderungen eindeu441

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tig bekundet, dass sie an dem Anlagenvertrag festhalten wollen, ihn also wenn auch mit verändertem Inhalt weiterhin in Geltung setzen wollen. Angesichts dieser Ausdrücklichkeit des Erklärungsverhaltens kommt es nicht auf die Motive und den Anlass dieses Erklärungsverhaltens an. Diese Ansicht wird in Literatur und Rechtsprechung allgemein vertreten. In der Leitentscheidung30 des Bundesgerichtshofs heißt es: „Soweit das Reichsgericht (RGZ 118, 336) und der Senat (BGHZ 2, 150) ausgesprochen haben, die Genehmigung eines Vertrages nach § 184 BGB setze begrifflich voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewußt ist oder wenigstens mit einer solchen Möglichkeit rechnet, handelt es sich um Fälle, in denen es darum ging, ob eine Äußerung oder Handlung als Genehmigung gedeutet werden könne. Für die Auslegung einer Äußerung oder eines Verhaltens ist die Annahme gerechtfertigt, eine Genehmigung könne nicht gewollt sein, wenn der Betreffende weder wußte noch damit rechnete, es mit einem schwebend unwirksamen Vertrag zu tun zu haben. Anders verhält es sich bei einer ausdrücklichen Zustimmung, für die sich die Frage ihrer Deutung gar nicht stellt“31. Dieser Ansicht ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sofern das Parteiverhalten mehrdeutig, also auslegungsoffen ist, kann es nur dann als rechtsgeschäftliches Verhalten qualifiziert werden, wenn die Parteien in Kenntnis der Genehmigungsbedürftigkeit entsprechende Erklärungen abgeben wollten, andernfalls es an dem Rechtsbindungswillen fehlt32. Steht aber die rechtsgeschäftliche Bedeutung ihrer Äußerungen außer Frage, sind ihre Erklärungen auch dann als Genehmigungen auszulegen, wenn sie von der Genehmigungsbedürftigkeit keine Kenntnis gehabt haben33. Entscheidend ist nur, dass sie durch ihr Erklärungsverhalten zum Ausdruck bringen, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – an dem Vertrag festhalten wollen. Diesen Willen bringen die Parteien dadurch eindeutig zum Ausdruck, dass sie im Zeitraum nach der Nachgründungskontrolle den Anlagenvertrag ändern und ihn dadurch in Geltung setzen. Die Gründe, die sie zu diesem Erklärungsverhalten veranlasst haben, stellen sich als rechtlich unerhebliche Verhaltensmotive dar.

__________ 30 31 32 33

BGHZ 47, 341 (352). Ebenso BGH, WM 1967, 1164 (1165); NJW 1998, 1407 (1408). Dazu nur Bork (Fn. 19), Rz. 656, 677 f. Ebenso Palm in Erman, BGB, 11. Aufl. 2004, § 182 BGB Rz. 5; Leptien in Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 177 BGB Rz. 24; Schramm in MünchKomm.BGB, 5. Aufl. 2006, § 177 BGB Rz. 26; a. A. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 9. Aufl. 2006, Rz. 977.

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Die Nachgründungskontrolle bei Einheit von Aktienerwerb und Verkehrsgeschäft

IV. Resümee Ob sich § 52 AktG noch in einem Dornröschenschlaf befindet oder derzeit eine Renaissance erlebt, sei dahingestellt. Die vorstehenden Ausführungen haben jedenfalls deutlich gemacht, dass die Vorschrift, wenn sie denn zur Anwendung kommt, erhebliche Fallstricke für den Rechtsverkehr bereithält und mancher Verkehrsteilnehmer dabei mit u. U. irreparablen Folgen zu Schaden kommt. Fragt man i. S. einer normativen Schaden-Nutzen-Bilanz nach den positiven und negativen Wirkungen dieser Vorschrift, kann man feststellen, dass der Nutzen über den schon in §§ 27, 57 AktG angelegten Kapitalschutz34 hinaus außerordentlich gering ist, hingegen der Schaden für den Rechtsverkehr außerordentlich groß ist. Wenn es einen spürbaren Nutzen gibt, dann liegt dieser in der Expansion literarischer Erzeugnisse, darunter auch vermehrt vorzügliche Dissertationen35. Ob freilich der Gesetzgeber berufen ist, derartigen Nutzen zu stiften, kann man mit Fug bestreiten. Vielleicht ist es deshalb an der Zeit, der Vorschrift des § 52 AktG einen würdigen und feierlichen Abschied zu bescheren. Sie hat ausgedient36.

__________ 34 Auch in der vorstehend geschilderten Konstellation liegt es nahe, nach den Grundsätzen über die verschleierte Sacheinlage vorzugehen, sofern das Aktienkapital aus einer Kapitalerhöhung gezeichnet worden ist (§ 183 AktG). Zwar kommt die Anlage als Gegenstand einer Sacheinlage nicht in Betracht, weil sie im Vergleich zum gezeichneten Kapital zu hochwertig ist, wohl aber der Teil der Werklohnforderung, der der Höhe des gezeichneten Kapitals entspricht. In dieser Höhe wird der für die verschleierte Sacheinlage typische Tatbestand des Zuflusses und Abflusses von Geldmitteln erfüllt. 35 Dazu sei nur auf die Dissertationen von Koch, Die Nachgründung, 2002, und von Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003, und neuerdings von Bröcker, Nachgründung, Sachgründung und Kapitalschutz, 2006, hingewiesen. 36 Freilich ist in diesem Zusammenhang an Art. 11 der Kapitalrichtlinie zu erinnern, in der die Nachgründungsregelung weitestgehend festgeschrieben worden ist.

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Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH im Rahmen eines sog. Cash-Pooling und Heilungsmöglichkeiten Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Rechtsbeziehungen der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaften III. Kapitalaufbringung bei Gründung einer Konzerntochter 1. Ausgangsfall 2. Freie Verfügbarkeit der Einlageleistung IV. Kapitalaufbringung bei Kapitalerhöhungsvorgängen 1. Ausgangsfall 2. Wirksame Erbringung der Einlageleistung (Abgrenzung „freie Verfügung“/„verdeckte Sacheinlage“) 3. Besonderheiten bei Einschaltung einer Betreibergesellschaft 4. Beteiligung außenstehender Dritter V. Rechtsfolgen des Fehlschlagens der Leistungserbringung VI. Heilung der fehlerhaften Kapitalaufbringung 1. Heilung bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage a) Ausgangsfall b) Heilung durch Umwidmung der Bar- in eine Sacheinlage aa) Heilungsbedarf bb) Heilung der verdeckten Sacheinlage

2. Heilung außerhalb verdeckter Sacheinlagen a) Ausgangsfall b) Heilung durch „Darlehensrückzahlung“ aa) Grundsatz bb) Besonderheiten beim CashPooling c) Heilung durch Umwidmung der Bar- in eine Sacheinlage aa) Erfordernis des Vorliegens einer verdeckten Sacheinlage? bb) Einzelheiten zum Heilungsverfahren 3. Heilung in „Mischfällen“ a) Ausgangsfall b) Lösung VII. Möglichkeiten der risikolosen Kapitalaufbringung im Cash-Pool 1. Einbringung der Forderung aus dem Cash-Pool als Sacheinlage 2. Einstellung von Eigenkapital in Rücklagen der Tochtergesellschaft 3. Verwendung eines gesonderten Kontos 4. Virtuelles Cash-Pooling 5. Verwendung einer Limited VIII. Ausblick

I. Einleitung Im Mittelpunkt der gesetzlichen Gläubigerschutzregelungen des GmbH-Gesetzes steht die Sicherung der Kapitalaufbringung- und -erhaltung. Die Haftungsbeschränkung bei der GmbH verlangt einen Ausgleich durch die Bil445

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dung eines Haftungsfonds und dessen Sicherung gegen Abflüsse an die Gesellschafter1. Die Schutzvorschriften des Gesetzes zur Sicherung der Aufbringung und Erhaltung des Haftungsfonds bilden das „Kernstück des GmbH-Rechts“2. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass immer wieder Fragen der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung den Gegenstand von Entscheidungen des II. Zivilsenats des BGH bilden3. Motor dieser Rechtsprechung ist das nachvollziehbare Bestreben, immer neu in den Blick geratene Gefährdungen, betreffend die Aufbringung des gesetzlich vorgesehenen Haftungsfonds, zu verhindern und das Kapitalschutzrecht vor nahe liegenden Umgehungen zu schützen4. Mit seinen Grundsatzentscheidungen v. 16.1.2006 zur Frage der Wirksamkeit der Kapitalaufbringung bei der GmbH im Rahmen eines sog. Cash-Pool-Systems hat der Senat nun einen weiteren wichtigen Markstein gesetzt5 Cash-Management-Systeme bilden seit langem übliche und festverankerte Bestandteile der zentralen Konzerninnenfinanzierung6. Bei den dabei im Mittelpunkt stehenden sog. „physischen7 Cash-Pool-Systemen“ transferieren die angeschlossenen Konzernuntergesellschaften in der Regel täglich ihre Liquiditätsüberschüsse auf ein von der Obergesellschaft benanntes Zielkonto (Master-Account)8, das von der Konzernmutter selbst oder einem von ihr zu diesem Zweck eingeschalteten Tochterunternehmen (Betreibergesellschaft) geführt wird. Technisch wird das Cash-Pooling regelmäßig abgewickelt, indem die positiven oder negativen Salden der Konten aller beteiligten Konzerngesellschaften zu Gunsten oder zu Lasten des Zielkontos auf Null gestellt werden („Zero Balancing“)9.

__________ 1 Priester in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 159. 2 BGH, BGHZ 28, 77 (78); bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1111 werden sie als „Kernstück der Haftungsverfassung“ bezeichnet. 3 Vgl. die Nachweise bei Goette, ZIP 2005, 1481 (1482). 4 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (689). 5 BGH, ZIP 2006, 665 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1025) = DB 2006, 772 = GmbHR 2006, 477 (m. Anm. Langner) = BB 2006, 847 (m. Anm. Flitsch/Schellenberger) = DStR 2006, 764 (m. Anm. Goette), dazu EWiR 2006, Heft 17 (Kleinschmidt/Hoos) und hierzu Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 ff.; Altmeppen, ZIP 2006, 1025 ff.; Schmelz, NZG 2006, 456 ff.; Lamb/Schluck-Amend, DB 2006, 879 ff.; Priester, ZIP 2006, 1557 ff. 6 Vetter in Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2005, § 8 Rz. 1; Morsch, NZG 2003, 97; Kiethe, DStR 2005, 1573; Langner/Mentgen, GmbHR 2004, 1121; Langner, GmbHR 2005, 1017; Cahn, ZHR 166 (2002), 278; Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005, 1317; ausführlich zum Cash-Management im Konzern Wehlen/Schneider in Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1989, §§ 23, 25 sowie Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash-Management, 1999, S. 25 ff. 7 Auf den Unterschied zum sog. „virtuellen“ Cash-Pool, bei dem eine rein rechnerische Zusammenfassung der Kundensalden aller teilnehmen Konzerngesellschaften durch die eingeschaltete Bank (also keine konkrete Darlehensgewährung) erfolgt, soll hier nicht näher eingegangen werden – vgl. aber bei Ziff. VII 4 und dazu ausführlich Seidel, DStR 2004, 1130 (1134). 8 Cahn, ZHR 166 (2002), 278 (279); Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005, 1317 (1318). 9 Sieger/Hasselbach, BB 1999, 645.

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Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH

Wirtschaftlich hat das beschriebene Cash-Pooling im wesentlichen drei Vorteile10: – Es werden alle Konzerngesellschaften mit der benötigten Liquidität versorgt. – Die Fremdkapitalkosten werden gesenkt, indem vermieden wird, dass einzelne Konzerngesellschaften höhere Soll-Zinsen zahlen als andere Konzerngesellschaften Haben-Zinsen erhalten. – Der eventuelle Konzern-Liquiditätsüberschuss kann dadurch gewinnbringender angelegt werden, dass ein größerer Betrag durch eine Gesellschaft angelegt wird anstelle mehrerer kleiner Beträge durch mehrere Konzerngesellschaften. Im Falle eines Konzern-Liquiditätsbedarfs kann der benötigte Kredit zentral aufgenommen werden. Die geschilderte Funktionsweise des Cash-Pooling führt zu erheblichen Problemen, wenn einer Pool-Teilnehmerin im Wege der Kapitalerhöhung neue Eigenmittel von der Konzernmutter zugeführt werden sollen, die zugleich Betreibergesellschaft und damit Inhaberin des Zielkontos ist11. Gewarnt war man in Cash-Pooling-Kreisen bereits durch einen Nichtannahmebeschluss des BGH v. 12.7.199912 zu einem Cash-Pooling-Sachverhalt. Der BGH wies darauf hin, dass keine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung, sondern ein bloßes Hin- und Herzahlen vorliegt, wenn eine Konzernmutter ihre Pflicht zur Einzahlung der bei einer Tochtergesellschaft übernommenen Stammeinlage in der Weise erfüllt, dass der geschuldete Einlagebetrag zwar zunächst auf ein Konto der Tochtergesellschaft eingezahlt wird, im engen zeitlichen Zusammenhang hiermit jedoch im Rahmen des Kontenausgleichs wieder auf ein zentrales Verrechnungskonto der Konzernobergesellschaft zurücküberwiesen wird13. In seiner Grundsatzentscheidung v. 16.1.2006 hat der BGH klargestellt, dass die Kapitalaufbringungsgrundsätze nicht etwa deshalb suspendiert sind, weil der Kapitalaufbringungsvorgang bei einer Kapitalerhöhung im Rahmen eines Cash-Pool-Systems stattgefunden hat. Die hierbei einbezogenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterlägen – ohne dass ein „Sonderrecht“ für diese Art der Finanzierung anerkannt wer-

__________ 10 Ausführlich Cahn, ZHR 166 (2002) 278 (280 f.); Kiethe, DStR 2005, 1573; Morsch, NZG 2003, 97 (98); Oho/Eberbach, DB 2001, 825; Seidel, DStR 2004, 1130 (1132). 11 Ist Betreibergesellschaft ein Konzernunternehmen, so erfolgt die Zurechnung an die Konzernmutter nach allgemeinen konzernrechtlichen Grundsätzen. Fungiert als Betreibergesellschaft ein anderes, an den angeschlossenen Gesellschaften nicht beteiligtes Konzernunternehmen, stellt sich die Frage der Gleichstellung dieses Unternehmens mit der Konzernspitze, vgl. dazu etwa Zeidler, Zentrales CashManagement in faktischen Aktienkonzernen – gesellschaftsrechtliche Probleme und Lösungen, 1999, 105; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S. 240 ff. 12 BGH, DStR 1999, 1451 m. Anm. Goette; dazu EWiR 1999, 1123 (Hasselbach) sowie Goette, ZIP 2005, 1481 (1483 f.). 13 Vgl. auch die mahnenden Stimmen in der Literatur Sieger/Hasselbach, BB 1999, 645; Morsch, NZG 2003, 97.

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den könnte – bei der Gründung und der Kapitalerhöhung den Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbH-Gesetzes und den dazu entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen. Es soll deshalb untersucht werden, welche Auswirkungen diese BGH-Rechtsprechung auf die Aufrechterhaltung gängiger Cash-Pool-Systeme hat, welche Heilungsmöglichkeiten bei fehlgeschlagenen Kapitalaufbringungsvorgängen bestehen und wie eine risikolose Kapitalaufbringung im Cash-Pool funktionieren kann. Dabei soll auf die gleichsam wichtige Frage der Kapitalerhaltung beim Cash-Pooling14 nur am Rande eingegangen werden.

II. Rechtsbeziehungen der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaften Soweit Konzernunternehmen liquide Mittel auf das Zielkonto übertragen, gewähren sie der Inhaberin dieses Kontos Darlehen (sog. „UpstreamLoan“)15. Erhalten Konzernunternehmen zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs ihrerseits Mittel vom Zielkonto, handelt es sich entweder um eine Rückzahlung von Darlehen oder aber um die Gewährung eines Darlehens der Inhaberin des Zielkontos an das Empfängerunternehmen (sog. „Downstream-Loan“)16 Gewissermaßen kann man daher einen Cash-Pool als ein System „wechselseitiger Darlehensverträge“17 bezeichnen. Es wird sich zeigen, dass die Frage, ob zum Zeitpunkt der Mittelzuführung durch die Mut-

__________ 14 Hier hat – ein in ganz anderem Zusammenhang erlassenes – Urteil des II. Zivilsenats v. 24.11.2003 (BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263) eine breite Diskussion hervorgerufen, durch die sich nunmehr sogar der Gesetzgeber veranlasst sieht, das CashPool-Verfahren zu legalisieren – siehe dazu den Bericht im Handelsblatt v. 7.11. 2005, S. 6 und hierzu den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Recht und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 29.5.2006 – abrufbar unter www.rws-verlag.de und dazu ausführlich Priester, ZIP 2006, 1557 ff.; sowie zur Kapitalerhaltung und Cash-Pooling: Goette, ZIP 2005, 1481 (1484); Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689; Seidel, DStR 2004, 1130; Vetter, BB 2004, 1509; Wessels, ZIP 2004, 793; Bähr, GmbHR 2004, 304; Reidenbach, WM 2004, 1421; Schilmer, DB 2004, 1411; Schäfer, GmbHR 2005, 133; Weitnauer, ZIP 2005, 790; Hentzen, ZGR 2005, 480; Kerber, ZGR 2005, 437; Langner, GmbHR 2005, 1017; Fuhrmann, NZG 2004, 552; Helmreich, GmbHR 2004, 457; Langner/ Mentgen, GmbHR 2004, 1121; Servatius, DStR 2004, 1176; Seibt, NJW-Spezial 2004, 219; Lux, MDR 2004, 342; Kiethe, DStR 2005, 1573. 15 Vgl. etwa Uwe H. Schneider in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 25.11 f.; Bayer in FS Lutter, 2000, S. 1014 f.; Hellwig in FS Peltzer, 2001, S. 165; Schilmer, DB 2004, 1411 (1413); a. A. wohl nur Hommelhoff, WM 1984, 1105 (1106) und ihm folgend Schmidsberger, Eigenkapitalersatz im Konzern, 1996, S. 137, die jeweils Verträge eigener Art annehmen. 16 Vgl. etwa Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005, 1317 (1318); Cahn, ZHR 166 (2002), 278 (280). 17 Langner/Mentgen, GmbHR 2004, 1121 (1123); Langner, GmbHR 2005, 1017 (1018 f.); Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005, 1317 (1318); Cahn, ZHR 166 (2002), 278 (280).

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Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH

tergesellschaft offene Darlehensforderungen der Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochter bestanden, sowohl für die dogmatische Einordnung der fehlgeschlagenen Kapitalaufbringung als auch für ihre Heilung von ganz zentraler Bedeutung ist.

III. Kapitalaufbringung bei Gründung einer Konzerntochter 1. Ausgangsfall Die Konzernmutter M-GmbH gründet am 15.1.2007 die Tochter-GmbH T, die entsprechend einer zuvor getroffenen Absprache in den Cash-Pool der Gruppe einbezogen werden soll. Am Tag der Bargründung überweist M die Stammeinlage von 25 000 Euro auf das Konto der T, die die empfangenen Gelder noch am selben Tag auf das von der Konzernmutter geführte Zielkonto abführt, auf das die Geschäftsführung der Tochter-GmbH keinen Zugriff hat. Da die Vor-GmbH T zum Zeitpunkt der Überweisung der Bareinlage durch M noch nicht in den Cash-Pool einbezogen war, bestanden zu diesem Zeitpunkt keine Forderungen der M gegen die T. 2. Freie Verfügbarkeit der Einlageleistung Voraussetzung für die wirksame Erbringung der Bareinlage ist die endgültig freie Verfügung der Geschäftsführung der T-GmbH über den Einzahlungsbetrag (§ 7 Abs. 218 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Dies erfordert, dass die Einlage der Verfügungsmacht des Gesellschafters entzogen wird und endgültig und uneingeschränkt in der geschuldeten Form in das Vermögen der (Vor-)GmbH übergegangen ist19. An einer endgültig freien Verfügung fehlt es dabei insbesondere auch, wenn der eingezahlte Einlagebetrag absprachegemäß umgehend als Darlehen an den Einleger oder an ein mit ihm verbundenes Unternehmen zurückfließt20. Genau zu einem solchen Rückfluss der

__________ 18 Das ist zwar in § 7 Abs. 2 GmbHG nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber aus dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie aus dem Zusammenspiel mit § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG – H. Winter/Veil in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 7 GmbHG Rz. 33. 19 Vgl. die Nachweise bei Heidinger, DNotZ 2005, 97 (105) und zutreffend zur richtigen Einordnung des Merkmals der „freien Verfügung“ K. Schmidt (Fn. 2), S. 1116. 20 BGH, ZIP 2003, 211 = DStR 2003, 1131 = NZG 2003, 168 = GmbHR 2003, 231; sowie jetzt auch BGH, GmbHR 2006, 43 mit Anm. Werner, der allerdings fälschlicherweise (vgl. S. 46) annimmt, der BGH hätte in seiner Entscheidung v. 2.12. 2002 (vgl. vorstehend im Text der Fn. GmbHR 2003, 231) infolge des Rückflusses des Darlehensbetrags eine verdeckte Sacheinlage angenommen. Ausweislich der Entscheidungsgründe (vgl. unter Ziff. II 1) fehlt es aber am Merkmal der freien Verfügbarkeit; sowie bereits BGH ZIP 2001, 1997 zur Hin- und Herüberweisung des Einlagebetrags bei unklarer Forderung des Einlegers; was für den Fall des „Hinund Herzahlens“ gilt, das gilt gleichermaßen auch für die Fälle des „Her- und Hinzahlens“, s. dazu BGH, GmbHR 2006, 1982.

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Einlagemittel zum Zweck der Darlehensgewährung an die Konzernmutter (vgl. oben unter II.) führt aber die Liquiditätsüberweisung der Tochtergesellschaft auf das von der Konzernmutter geführte Zielkonto im Rahmen des Cash-Pooling21. In der Vergangenheit wurde angenommen, in diesen Fällen der Rückzahlung der Einlagebeträge an den Einleger als Darlehen läge in der Regel auch stets eine verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 5 GmbHG) vor22. In seinen aktuellen Entscheidungen zur Erfüllung der Bareinlageverpflichtung durch Zahlung auf eine vermeintliche Darlehensschuld23 lehnt der BGH nunmehr eine Einstufung dieser Sachverhaltskonstellation als verdeckte Sacheinlage mit dem Hinweis ab, der Anspruch der Gesellschaft gegen den Einleger auf Darlehensrückzahlung könne schon deshalb nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein24, weil es sich lediglich um die Begründung obligatorischer Rechte gegen den einlagepflichtigen Gesellschafter selbst handle25. Eine „verdeckte Sacheinlage“ sei dadurch charakterisiert, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung anstelle der geschuldeten Bareinlage in Wahrheit ein anderer, sacheinlagefähiger Gegenstand eingebracht wird, wie das z. B. bei einer Verrechnung der Einlageschuld mit einer – eigentlich als Sacheinlage einzubringenden – Forderung des Inferenten gegenüber der Gesellschaft der Fall ist26. Vor diesem Hintergrund kann bei dieser Sachverhaltskonstellation nur dann eine verdeckte Sacheinlage angenommen werden, wenn der Rückfluss der Bareinlage an den einlegenden Gesellschafter zumindest teilweise zur Abgeltung eines Altdarlehens oder einer sonstigen Forderung des Inferenten erfolgt ist. Fließt die zunächst ordnungsgemäß eingezahlte Bareinlage ausschließlich zum Zweck der Gewährung eines Neudarlehens an den einlegenden Gesell-

__________ 21 Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2278). 22 So ausdrücklich Boujong, NZG 2003, 497 (498); H. Winter/H. P. Westermann in Scholz (Fn. 18), § 5 GmbHG Rz. 78; Bormann/Halaczinsky, GmbHR 2000, 1022; Emde, GmbHR 2003, 1034; Hägele, GmbHR 2005, 91; Swoboda, GmbHR 2005, 649 sowie OLG Schleswig, GmbHR 2005, 357 (358); OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 1033; LG Flensburg, GmbHR 2001, 861; dagegen Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 5 GmbHG Rz. 43; Bayer, GmbHR 2004, 445 (451, 453); Servatius, DStR 2004, 1176 (1177). 23 BGH, GmbHR 2006, 43 sowie zur Einlagepflicht der Gesellschafter bei einer „auf Vorrat“ gegründeten GmbH, wenn der Einlagebetrag sogleich an den Gesellschafter zur Gewährung eines Darlehens zurückgezahlt wird BGH, ZIP 2006, 331. 24 BGH, GmbHR 2006, 43 (44) unter Hinweis auf Bayer, GmbHR 2004, 445 (451, 453) – vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits D. Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Loseblatt, Stand 2006, Bd. 8, Anh. 5 (Einbringung, Stand Dezember 2004) Rz. 252, wonach eine verdeckte Sacheinlage immer dann ausscheiden muss, wenn der angeblich verdeckt eingelegte Gegenstand (nämlich hier die Begründung einer Darlehensforderung gegen den Gesellschafter) niemals offen in die Gesellschaft hätte eingelegt werden können – vgl. hierzu auch statt vieler: Hueck/ Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 5 GmbHG Rz. 24 m. w. N. 25 Kritisch hierzu Cahn, ZHR 166 (2002), 278 (289 ff.). 26 BGH, GmbHR 2006, 43 (44).

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schafter zurück, so scheidet die Annahme einer „verdeckten Sacheinlage“ aus – die Wirksamkeit der Einlageleistung scheitert aber an dem Erfordernis der freien Verfügbarkeit. Erfolgt der Rückfluss der Bareinlage teils zur Abdeckung eines Altdarlehens teils als Neudarlehen27, so ist der auf das Altdarlehen geleistete Teilbetrag als verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren und hinsichtlich des auf das Neudarlehen entfallenden Teilbetrags fehlt es an dem Erfordernis der freien Verfügbarkeit der Einlageleistung28. Da, bezogen auf den Ausgangsfall, keine Altforderungen29 der gründenden Konzernmutter gegen die im Rahmen der Gründung entstandene Konzerntochter (Vor-GmbH) bestanden, lag keine „verdeckte Sacheinlage“ vor. Im Ergebnis führt aber auch das Fehlen der freien Verfügbarkeit der Einlageleistung dazu, dass der Konzerntochter nach wie vor aus dem Gründungsvertrag der Einlageanspruch gegen die Konzernmutter zusteht.

IV. Kapitalaufbringung bei Kapitalerhöhungsvorgängen 1. Ausgangsfall30 Am 15.1.2007 wurde bei der T-GmbH, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der M-GmbH eine Kapitalerhöhung von 100 000 Euro auf 1 Mio. Euro beschlossen. Die T-GmbH war zusammen mit anderen Tochtergesellschaften der M-GmbH in den Cash-Pool der Gruppe bei der B-Bank einbezogen. Am 16.1.2007 überwies die M-GmbH auf ein eigens bei der A-Bank auf kurze Zeit eingerichtetes separates Termingeldkonto der T-GmbH die geschuldete Einlageleistung von 900 000 Euro. Unmittelbar nach Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister am 20.1.2007 wurden die Einlagen von dem Sonderkonto der T-GmbH auf ihr einziges Geschäftskonto, ein in den CashPool der Konzerngruppe einbezogenes Konto transferiert. Von dort wurde der Betrag gemäß der dem Cash-Pool zugrunde liegenden Verrechnungsabrede mit Ablauf des selben Tages durch Stellung dieses Kontos „auf Null“ wieder abgebucht und dem auf die M-GmbH lautenden Zielkonto gut geschrieben; zum Zeitpunkt der Gutschrift bestanden keine Forderungen der M-GmbH

__________ 27 So der Sachverhalt bei BGH, GmbHR 2006, 43 – anders aber bei BGH, ZIP 2006, 331– hier floss bei einer zunächst als Vorratsgesellschaft gegründeten GmbH die Bareinlage an den Gesellschafter zurück. Kurz vor „Aktivierung“ der Vorratsgesellschaft zahlte der Gesellschafter einen Betrag in Höhe der Stammeinlage an die Gesellschaft zurück. 28 So wohl auch BGH, GmbHR 2006, 43 (44). 29 Unter einer „Altforderung“ versteht der BGH in ständiger Rechtsprechung (dazu D. Mayer in Widmann/Mayer [Fn. 24], Rz. 241) eine Forderung, die bei Begründung der Einlageforderung bereits entstanden war. Davon abzugrenzen sind sog. „Neuforderungen“, also Forderungen, die erst nach dem Zeitpunkt der Gründung oder eines Kapitalerhöhungsbeschlusses entstanden sind (dazu näher bei IV. 2). 30 In Anlehnung an BGH, ZIP 2006, 665 = DB 2006, 772 = BB 2006, 847 = GmbHR 2006, 477 = DStR 2006, 764.

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gegen die T-GmbH, insbesondere auch keine Darlehensforderungen aus dem Cash-Pool. Abwandlung: Durch Gutschrift auf dem Zielkonto der M-GmbH verringerten sich die bis dahin im Rahmen des Cash-Pools auf über 4 Mio. Euro angewachsenen Verbindlichkeiten der T-GmbH gegenüber der M-GmbH. 2. Wirksame Erbringung der Einlageleistung (Abgrenzung „freie Verfügung“/„verdeckte Sacheinlage“) Da sich bei der Durchführung einer Barkapitalerhöhung die Rechtsbeziehungen der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaften entsprechend denen bei Gründungsvorgängen darstellen, stellt sich beim Rückfluss der Bareinlage an den Cash-Pool wieder die Frage nach der Abgrenzung des Merkmals der endgültigen freien Verfügbarkeit (§ 57 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i. V. m. § 7 Abs. 2 GmbHG) vom Tatbestand der „verdeckten Sacheinlage“. Wie noch aufzuzeigen ist, ist die dogmatische Einordnung der fehlgeschlagenen Kapitalaufbringung von Bedeutung für deren Heilung (dazu VI.). Bezogen auf den Ausgangsfall lagen keine sog. Altforderungen der M-GmbH gegen ihre Konzerntochter T-GmbH zum Zeitpunkt des notariell beurkundeten Kapitalerhöhungsbeschlusses vor. Demzufolge kann nicht von einer „verdeckten Sacheinlage“ im Zusammenhang mit dem Rückfluss der Bareinlage auf das Zielkonto der M-GmbH ausgegangen werden (dazu III. 2). Vielmehr führte der Rückfluss der Bareinlage an den Cash-Pool dazu, dass eine endgültig freie Verfügbarkeit der Geschäftsführung über den Einzahlungsbetrag nicht gegeben war und damit die Einlageleistung nicht wirksam erbracht wurde. Demgegenüber bestanden bei der Abwandlung zum Ausgangsfall Darlehensforderungen der M-GmbH gegenüber der T-GmbH und der Rückfluss der im Rahmen des Kapitalerhöhungsvorgangs erbrachten Bareinlage auf das Zielkonto der M-GmbH führte zu einer anteiligen Tilgung der Darlehensverbindlichkeit gegenüber der M-GmbH. Aufgrund dieses verrechnungsähnlichen Hin- und Herzahlens ist der T-GmbH objektiv nicht der im Kapitalerhöhungsbeschluss verlautbarte Barbetrag, sondern die anteilige Befreiung von den gegenüber der M-GmbH bereits seit längerem bestehenden Darlehensverbindlichkeiten aus der Cash-Pool-Verbindung „zugeflossen“. Diese Sachverhaltskonstellation ist vom BGH in seinen Grundsatzentscheidungen v. 16.1.200631 zutreffend als „verdeckte Sacheinlage“ eingestuft worden. Im Zusammenhang mit derartigen „Verrechnungsfällen“32 hat der BGH in ständiger Rechtsprechung33 bestätigt, dass § 19 Abs. 5 Alt. 2 GmbHG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur Forderungen erfasst, die aus einem

__________ 31 BGH, ZIP 2006, 665 = DB 2006, 772 = GmbHR 2006, 477 = BB 2006, 847 = DStR 2006, 764. 32 Dazu ausführlich D. Mayer in Widmann/Mayer (Fn. 24), Rz. 227 ff. 33 Vgl. etwa BGH, GmbHR 1991, 225; BGH, GmbHR 2002, 1193.

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als Sachübernahme zu qualifizierenden Veräußerungsgeschäft zwischen Gesellschafter und Gesellschaft herrühren, sondern auch sonstige Forderungen, wie etwa Darlehensforderungen34, Ansprüche auf Auszahlung stehen gelassener Gewinne35 und Miet- oder Pachtzinsforderungen. Dabei wurde stets danach differenziert, ob eine sog. „Altforderung“, also eine Forderung vorliegt, die bei Begründung der Einlageforderung bereits entstanden war, oder eine sog. „Neuforderung“, also eine Forderung, die erst nach dem Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses entstanden ist. Während bei Altforderungen stets von einem Aufrechnungs- und Verrechnungsverbot ausgegangen wird, soll die Aufrechnung seitens der Gesellschaft gegenüber sog. Neuforderungen, die vollwertig, unbestritten und liquide sind, nicht generell unzulässig sein, sondern nur dann, wenn die spätere Verrechnung schon im Stadium der Gründung oder Kapitalerhöhung verabredet war36. Da sich eine solche Vorabsprache im Einzelfall nur schwer feststellen lassen wird, geht der BGH von einer Vermutung für eine solche Vorabsprache aus, wenn Entstehung und Verrechnung einer Neuforderung im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Kapitalerhöhungsvorgang stehen37. Einen solchen unmittelbaren Zusammenhang hat der BGH verneint, wenn zwischen beiden Maßnahmen ein Zeitraum von mehr als 6 Monaten liegt38. Überträgt man diese Grundsätze auf die Abwandlung zum Ausgangsfall, so führte die Auflösung des Sonderkontos mit Zuführung auf das Geschäftskonto der T-GmbH und Weiterleitung an die M-GmbH auf das Zielkonto im Cash-Pool knapp einen Monat nach Begründung der Einlageverpflichtung, zur Verrechnung mit der Alt- bzw. Neuforderung und damit zu einer verdeckten Sacheinlage. Diese Forderungen aus dem Cash-Pool der M-GmbH gegen die T-GmbH hätten nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Sachkapitalerhöhung unter entsprechender Kontrolle des Registergerichts auf die T-GmbH übergeleitet werden können39. Die für die Umgehungszurechnung erforderliche Vorabsprache40 (Verknüpfung von Bareinlage und Umgehungsgeschäft) ergibt sich bei der Abwandlung zum Ausgangsfall schon aus dem von den Beteiligten gewählten Umweg über ein für wenige Tage neu eingerichtetes Termingeldkonto der T-GmbH41.

__________ 34 35 36 37 38 39

BGH, ZIP 1990, 156. BGH, ZIP 1991, 511. BGH, GmbHR 2002, 1193 = DB 2002, 2367 sowie BGH, DB 1996, 872 (874). Vgl. BGH, ZIP 1994, 701 und ZIP 1996, 595. BGH, ZIP 1996, 595 = DB 1996, 876. So bereits BGH, DB 1990, 311 und ausführlich hierzu D. Mayer in Widmann/ Mayer (Fn. 24), Rz. 384 ff. 40 So BGH, DB 2002, 2367 (2368). 41 So auch BGH, ZIP 2006, 665 (667), und zwar dort allgemein zum subjektiven Tatbestand der verdeckten Sacheinlage (hierzu ausführlich D. Mayer in Widmann/Mayer (Fn. 24), Rz. 43.

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3. Besonderheiten bei Einschaltung einer Betreibergesellschaft Ist Inhaberin des Zielkontos nicht die Konzernmutter selbst, sondern eine von ihr zu diesem Zweck eingeschaltete Tochtergesellschaft (Betreibergesellschaft)42 gelten die gleichen Grundsätze. Die Konzernmutter muss sich die Rückzahlung der eigenen Einlageleistung an ein mit ihr verbundenes Unternehmen nach allgemeinen konzernrechtlichen Grundsätzen zurechnen lassen43. 4. Beteiligung außenstehender Dritter Erfolgt im Rahmen eines Kapitalerhöhungsvorgangs die Übernahme der Einlage durch einen nicht in den Konzernverbund einbezogenen Dritten unter Ausschluss des Bezugsrechts der Muttergesellschaft, so ist der Dritte verpflichtet, die Einlage auf das von der Geschäftsführung der kapitalerhöhenden Gesellschaft angegebene Konto einzuzahlen (§ 57 Abs. 2 GmbHG). Am Ende des Tages, an dem die Einzahlung erfolgt, wird der Saldo des Kapitalerhöhungskontos auf das Zielkonto der Muttergesellschaft übertragen. Selbst eine Kenntnis des Einlegers von der geplanten Übertragung des Saldos des Kapitalerhöhungskontos auf das Zielkonto kann hier die Erfüllung der Bareinlagepflicht nicht in Frage stellen – es fehlt nach h. M. an einem Rückfluss an den Einleger44.

V. Rechtsfolgen des Fehlschlagens der Leistungserbringung Sowohl bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage als auch bei einer fehlenden freien Verfügbarkeit der Einlageleistung ist der Gesellschafter zur erneuten Leistung der Bareinlage verpflichtet45. Bei Altforderungen und bei in den Umgehungsschutz einbezogenen Neuforderungen scheidet auch eine Aufrechnung durch die Gesellschaft aus46.

__________

42 Dazu ausführlich Müller/Bullinger, Rechtsfragen des Cash-Managements, 1999, S. 85 ff. 43 Ausdrücklich BGH, ZIP 2006, 665 (667) unter Hinweis auf BGH, ZIP 1994, 701 (702); siehe auch BGH, ZIP 2003, 211 = NZG 2003, 168 zur Rückzahlung als Darlehen an eine beherrschte OHG – vgl. zur Einschaltung eines mit dem Gesellschafter oder der Gesellschaft verbundenen Unternehmens im Rahmen einer verdeckten Sacheinlage ausführlich H. Winter in Scholz, 9. Aufl. 2000, § 5 GmbHG Rz. 80a m. w. N., sowie zu vergleichbaren Rückzahlungsvorgängen im Rahmen der Kapitalerhaltung im Konzernverbund: H. P. Westermann in Scholz (Fn. 18) zu § 30 GmbHG Rz. 51 ff.; siehe auch OLG Hamm, GmbHR 1997, 213, 214 sowie Hentzen, DStR 2006, 948, 950. 44 Zutreffend Cahn, ZHR 166 (2002), 278 (304); Röhricht in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1995, § 36 AktG Rz. 81 ff.; Pentz in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 27 AktG Rz. 52 ff.; Lutter/Hommelhoff (Fn. 22), § 7 GmbHG Rz. 14. 45 St. Rspr. vgl. etwa BGH, ZIP 2003, 211 (212); BGH, ZIP 2005, 2203 = GmbHR 2006, 43; BGH, GmbHR 2006, 982 (983). 46 Dazu statt vieler D. Mayer in Widmann/Mayer (Fn. 24), Rz. 385 f.

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Im Hinblick auf die Weiterleitung der Bareinlage auf das Zielkonto der Konzernmutter gilt folgendes: Hat die von der Kapitalmaßnahme betroffene Tochtergesellschaft im Cash-Pool einen positiven oder ausgeglichenen Saldo, werden der Konzernmutter die Mittel aus der Bareinlage als Darlehen zur Verfügung gestellt (dazu oben II.). Der diesbezügliche Darlehensvertrag ist in diesem Fall jedoch wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften nichtig47. Dieser Rückfluss der Einlagemittel als Darlehen bedeutet gleichermaßen eine unzulässige Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln und hat nach der neuesten Rechtsprechung des BGH zur Folge, dass dieser Vorgang so beurteilt wird, als seien überhaupt keine Leistungen geflossen48. Soweit die Tochtergesellschaft einen negativen Saldo im Cash-Pool hat, werden mit den Mitteln aus der Bareinlage die bereits bestehenden Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Muttergesellschaft nicht getilgt49. Dies folgt daraus, dass es sich bei der Verrechnung mit der Darlehensforderung der Muttergesellschaft um eine „Rechtshandlung“ i. S. d. § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG analog handelt, deren Ausführung der Tochtergesellschaft gegenüber unwirksam ist50. Dass dieses Ergebnis mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang steht, zeigt sich insbesondere auch darin, dass der BGH bei der Heilung verdeckter Sacheinlagen in „Verrechnungsfällen“51 stets52 als maßgeblichen Einbringungsgegenstand die Altforderung bzw. die einer Vorabsprache unterstellte Neuforderung qualifiziert hat53. Dies setzt aber sachlogisch voraus, dass die entsprechende Forderung des Gesellschafters nicht durch Erfüllung erloschen ist54. Überdies können sich für die Gesellschafter und die Geschäftsführer der in den Cash-Pool eingebundenen Gesellschaften persönliche Haftungsrisiken aus §§ 9a, 57 Abs. 4 GmbHG wegen Falschangaben gegenüber dem Register-

__________ 47 BGH, ZIP 2005, 2203 (2204); BGH, ZIP 2003, 1540 (1543) sowie weitere Nachw. bei Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2279). 48 So BGH, GmbHR 2006, 306 unter Hinweis auf BGH, GmbHR 2006, 43 und bestätigt durch BGH, GmbHR 2006, 982 (983) – dazu auch Bayer, GmbHR 2004, 445 (451) sowie Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 (452). 49 A. A. Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2779) unter Hinweis auf Ulmer in Hachenburg, GmbHG, Bd. 1, 8. Aufl. 1992, § 19 GmbHG Rz. 113. 50 Zur Neubestimmung der Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage bei der GmbH mit der Annahme der Nichtigkeit sowohl des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts als auch des dinglichen Erfüllungsgeschäfts (§ 27 Abs. 3 Satz 1 AktG analog) vgl. BGH, ZIP 2003, 1540 = WM 2003, 1720 = BB 2003, 1918 = DB 2003, 1894 und hierzu J. Meyer/Ludwig, NotBZ 2004, 1; Ettinger/Reiff, NZG 2004, 258; Pentz, ZIP 2003, 2093. 51 Dazu ausführlich D. Mayer in Widmann/Mayer (Fn. 24), Rz. 228 ff. 52 So bereits die Grundsatzentscheidung zur Heilung verdeckter Sacheinlagen BGH v. 4.3.1996, DB 1996, 872 (874). 53 Zutreffend Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 24), § 19 GmbHG Rz. 46. 54 Siehe auch BGH, ZIP 2006, 665 (666): „Die Wirksamkeit des Vorgangs unterstellt“ habe die Tochtergesellschaft eine Befreiung von der Darlehensverbindlichkeit der Muttergesellschaft erhalten.

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gericht über die freie Verfügbarkeit bzw. zur Umgehungsabrede bei einer verdeckten Sacheinlage ergeben. Gegenüber der Verschuldensvermutung (§§ 9a Abs. 3, 57 Abs. 4 GmbHG) können sich Gesellschafter bzw. Geschäftsführer nur entlasten, wenn sie nachweisen, dass sie die ihre Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannten (Vorsatz) noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns kennen mussten (Fahrlässigkeit). Dieser Entlastungsbeweis dürfte jedoch aufgrund der Einbindung der Gesellschaft in den Cash-Pool regelmäßig nur schwer zu bewerkstelligen sein55. Hinzu kommt das Risiko einer Strafbarkeit gemäß § 82 GmbHG bei vorsätzlichem Handeln.

VI. Heilung der fehlerhaften Kapitalaufbringung 1. Heilung bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage a) Ausgangsfall Die M-GmbH übernimmt bei ihrer 100 %igen Tochtergesellschaft der T-GmbH im Zuge einer Barkapitalerhöhung eine neue Einlage im Nennbetrag von 1 Mio. Euro. Die von der M-GmbH einbezahlte Bareinlage fließt noch am gleichen Tag auf das im Rahmen des Cash-Pools für die M-GmbH geführte Zielkonto zurück. Zu diesem Zeitpunkt bestanden Verbindlichkeiten der T-GmbH aus dem Cash-Pool gegenüber der M-GmbH in Höhe von über 3 Mio. Euro. Der Rückfluss der Bareinlage wurde von den Beteiligten als anteilige Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten behandelt. b) Heilung durch Umwidmung der Bar- in eine Sacheinlage aa) Heilungsbedarf Auf den ersten Blick scheinen die Folgen des Fehlschlagens der Einlageleistung der M-GmbH nicht besonders dramatisch. M verliert lediglich den als Einlage versprochenen Betrag (dazu V.). Sie steht damit nicht anders als sie bei wirksamer Einlageleistung ohne nachfolgenden Mittelrückfluss gestanden hätte. Missliche Konsequenzen für M hat die Qualifikation als verdeckte Sacheinlage in der Insolvenz der T allerdings in dem naheliegenden Fall, dass die T vor Eintritt der Insolvenz in nicht unerheblichem Umfang Darlehen aus dem Cash-Pool in Anspruch genommen hat56. Hier muss M ihre Einlage nochmals leisten und erhält auf ihre offenen Ansprüche lediglich die Insolvenzquote. Hätte M dagegen ihre Darlehensforderungen im Wege einer ordnungsgemäßen Sachkapitalerhöhung in die T eingebracht, wären die Einlageansprüche erloschen. Diese Ausgangssituation führt zu der Frage, ob M

__________ 55 Zutreffende Einschätzung bei Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2279). 56 Cahn, ZHR 166 (2002), 278 (284).

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die gescheiterte Kapitalaufbringung vor Eintritt einer möglichen Krise nachträglich heilen kann. bb) Heilung der verdeckten Sacheinlage In seinem Urteil v. 4.3.1996 hat der BGH57 die einzelnen Schritte für die Heilung einer verdeckten Sacheinlage aufgezeigt: Danach muss von den Gesellschaftern zunächst mit satzungsändernder Mehrheit der Beschluss gefasst werden, dass die bisherige Bareinlage des betroffenen Gesellschafters in eine Sacheinlage umgewandelt wird (Umwidmung). Der Beschluss muss sowohl den betroffenen Gesellschafter als auch den Gegenstand der Sacheinlage genau bezeichnen. Der verdeckt eingelegte Gegenstand muss sodann rechtsgeschäftlich in die Gesellschaft eingebracht und auf diese übertragen werden. Die Vorgänge müssen durch eine Werthaltigkeitsprüfung sowie einen entsprechenden Bericht, der von allen Geschäftsführern und den von der Änderung betroffenen Gesellschafter zu erstatten und zu unterzeichnen ist, dokumentiert werden. Schließlich muss der Gesellschafterbeschluss unter Vorlage des Berichts, der Werthaltigkeitsprüfung, den Einbringungsverträgen sowie einer Versicherung sämtlicher Geschäftsführer, dass die zur Heilung vorgenommene Sacheinlage werthaltig und i. S. v. § 7 Abs. 3 GmbHG auf die Gesellschaft übertragen wurde, zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden58. Bezogen auf den Ausgangsfall ist Einbringungsgegenstand die Darlehensforderung der M gegen die T aus dem Cash-Pool (dazu IV.)59. Diese bereits bestehende Darlehensschuld ist nicht durch die Rückführung der Bareinlage getilgt worden (dazu V.)60. Wird das Zielkonto über eine Betreibergesellschaft der Konzernmutter geführt, ändert sich an den dargestellten Anspruchspositionen wegen der konzernrechtlichen Zurechnung nichts. Allerdings sollte die Betreibergesellschaft höchst vorsorglich an den entsprechenden Heilungsbeschlüssen mitwirken61.

__________ 57 BGH, DB 1996, 872 und hierzu Schiessl/Rosengarten, GmbHR 1997, 772; Krieger, ZGR 1996, 674; D. Mayer, MittBayNot 1996, 164 ff. mit „Heilungsmuster“ sowie ders. in Widmann/Mayer (Fn. 24), Rz. 279 ff. 58 Dazu ausf. Priester, DB 1990, 1753 ff. der das „Heilungsmodell“ dort entwickelt hat. 59 Vgl. insbes. BGH, DB 1996, 872 (874) sowie BGH, ZIP 2003, 1540 (1543). 60 A. A. Sieger/Wirtz, die von einer entsprechenden Tilgung ausgehen und als Sacheinlage nur den Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der fehlgeschlagenen Bareinlage zulassen wollen. 61 Vgl. allgemein zum Vertrauensschutz bei „Altheilungen“, der in der Literatur weitgehend abgelehnt wird, die Nachweise bei Ettinger/Reiff, NZG 2004, 258 sowie Meyer/Ludwig, NotBZ 2004, 1 (12) – für einen Vertrauensschutz dagegen Bormann, GmbHR 2003, 1055 (1056 f.).

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2. Heilung außerhalb verdeckter Sacheinlagen a) Ausgangsfall Wie im Ausgangsfall bei VI. 1 allerdings bestehen zum Zeitpunkt des Rückflusses der Bareinlage auf das Zielkonto keine Verbindlichkeiten der Tochter T gegenüber der Mutter M aus dem Cash-Pool. Die Beteiligten behandeln den Geldtransfer als Darlehen der T an die M. b) Heilung durch „Darlehensrückzahlung“ aa) Grundsatz In Fällen, in denen der Konzernmutter aus den Mitteln der Bareinlage ausschließlich ein Neudarlehen gewährt wurde, stellt sich zunächst die Frage, ob die Einlageforderung nicht durch Rückzahlung des „Darlehens“62 getilgt wird. Der BGH hat in jüngster Zeit mehrfach darauf hingewiesen, dass in den Fällen, in denen die Bareinlage im zeitlichen Anschluss an ihre Einzahlung als Darlehen der Gesellschaft an den einlegenden Gesellschafter wieder zurückfließt, eine spätere Zahlung auf die vermeintliche Darlehensschuld die Einlageschuld tilgt63. Hier sei lediglich die Einlageschuld des Gesellschafters offen geblieben und durch die spätere Rückzahlung auf den vermeintlichen Darlehensanspruch sei diese getilgt worden. Auch wenn eine solche Rückzahlung aufgrund der Unwirksamkeit des Darlehensvertrages mit einer rechtlich falschen Tilgungsbestimmung versehen worden sei, ändere dies nichts daran, dass der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft nicht schlechter stehen dürfe als wenn er seine Einlageleistung niemals erbracht hätte. Eine Verdoppelung der Zahlungsverpflichtung des Gesellschafters (Leistung auf die offene Einlageschuld und Leistung auf die vermeintliche Darlehensschuld) könne bei zutreffender Betrachtung schon deshalb nicht eintreten, weil der Gesellschaft letztlich nur eine Forderung zusteht. Diese beruht zwar zum einen auf dem vermeintlichen Darlehensrückforderungsanspruch und zum anderen aus dem Anspruch auf Einlageleistung, ist aber auf dasselbe Leistungsinteresse gerichtet64. Auf den ersten Blick erscheint dieser Ansatz konsequent und ermöglicht eine unbürokratische Bereinigung gescheiterter Einlageleistungen65 und zwar unabhängig davon, welcher Kapitalaufbringungsmangel vorlag. Dennoch ist

__________ 62 Da die Darlehensabtretung wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften (fehlende freie Verfügbarkeit) unwirksam ist (dazu BGH, GmbHR 2006, 43 [44 oben]), soll hier nachstehend von der „vermeintlichen Darlehensschuld“ gesprochen werden. 63 BGH, GmbHR 2006, 43 = ZIP 2005, 2203 ff.; BGH, ZIP 2006, 331 (333) sowie BGH, GmbHR 2006, 982 (983) und bereits BGH, ZIP 2003, 211 (212). 64 Vgl. BGH, NZG 2003, 168 (169 reSp unter Ziff. 2 a. E.). 65 So die Anm. von Werner zur Entscheidung des BGH v. 21.11.2005, GmbHR 2006, 46.

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Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH

Kritik angebracht. Während die Entscheidung v. 9.1.200666 zur gleichen Problemstellung eine „auf Vorrat“ gegründete GmbH betraf, bei der der zunächst an den Gesellschafter als Darlehen zurückgewährte Einlagebetrag kurz vor „Aktivierung“ der Vorrats-GmbH (durch Verkauf an einen Dritten) an die Gesellschaft zurückgeführt wurde, bezog sich die Entscheidung v. 25.11.200567 auf eine vermeintliche Barkapitalerhöhung bei einer seit langer Zeit operativ tätigen Aktiengesellschaft. Bei der Vorrats-GmbH führte diese Verfahrensweise zu keiner Gefährdung der Gläubiger, denn vor ihrem Auftreten im Rechtsverkehr (durch Aufnahme ihrer operativen Tätigkeit) wurden der Gesellschaft die zunächst offenen Einlagen vom Gesellschafter zugeführt. Es wäre in der Tat ein unbilliges Ergebnis, wenn man den Gesellschafter in diesen Fällen bei Insolvenz der Gesellschaft nochmals zu einer Einlageleistung heranziehen würde68. Bei einer bereits operativ tätigen Gesellschaft führt die Zulassung der unbürokratischen Heilungsmöglichkeit (spätere Rückzahlung der vermeintlichen Darlehensschuld) aber dazu, dass die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung letztlich zur freien Disposition der Beteiligten gestellt wird. Das Gesetz will gerade einen präventiven Kapitalschutz gewähren69, weshalb die mit der fehlerhaften Kapitalaufbringung verbundene Gläubigergefährdung nicht einer ex post-Betrachtung, sondern einer ex ante-Betrachtung zugeführt werden muss. Wird die Gesellschaft nämlich unmittelbar im Anschluss an die vermeintliche Einlageleistung des Gesellschafter insolvent, sind die Gläubiger in ihrem Vertrauen darauf, die Einlageleistung sei wirksam erbracht, nicht geschützt und dem Insolvenzverwalter steht, wie in der Praxis häufig aufgrund eines gleichzeitigen Vermögensverfalls des Gesellschafters, lediglich eine wertlose Forderung zu70. Vor diesem Hintergrund sind an die spätere Leistung der noch offenen Einlage genauso strenge Anforderungen zu stellen wie in den Fällen der Vorauszahlung auf eine bevorstehende Kapitalerhöhung71. Erforderlich ist, dass der GmbH die nochmals geleisteten Barmittel effektiv zufließen und zwar mit einer klaren und nachweisbaren Zielrichtung – etwa: „Leistung der noch offenen Bareinlage vom ...“. Der BGH spricht insoweit von einer konkreten Tilgungsbestimmung72. Des weiteren ist ein die Eigenkapitalqualität dokumentierender Rangrücktritt des Gesellschafters zu fordern – so genannte

__________ 66 BGH, ZIP 2006, 331. 67 GmbHR 2006, 43 ebenso jetzt der Sachverhalt bei BGH, GmbHR 2006, 982 in den Fällen des „Her- und Hinzahlens“ im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei einer GmbH. 68 So auch zutreffend Ettinger/Reiff, GmbHR 2005, 324 (330). 69 So auch Goette, GmbHR ZIP 2005, 1481 (1482). 70 Dazu bereits ausführlich D. Mayer in Widmann/Mayer (Fn. 24), Rz. 306 ff. 71 Dazu BGH, DB 1995, 208 und jetzt BGH, ZIP 2006, 2214; Priester, ZIO 1994, 603; D. Mayer in Beck’sches Notarhandbuch, 4. Aufl. 2006, D I Rz. 124 ff. 72 BGH, ZIP 2006, 665 (668).

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Zweckbestimmungserklärung73 – etwa wie folgt: „Sollte der nochmaligen Leistung auf die offene Einlageverpflichtung vom ... aus irgendwelchen Gründen keine Erfüllungswirkung zukommen, so tritt der Gesellschafter hinsichtlich seiner Forderung aus § 812 BGB auf Rückzahlung der Einlageleistung hinter die Forderungen anderer Gläubiger zurück.“ bb) Besonderheiten beim Cash-Pooling Der Verstoß gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften kann auch beim CashPooling dadurch geheilt werden, dass die Bareinlage vollständig noch einmal ordnungsgemäß geleistet wird74. Beim Cash-Pooling besteht allerdings die Besonderheit, dass sich der Darlehensanspruch der Gesellschaft jeden Tag durch konzerninterne Umbuchungen verändert und die Gesellschaft dauerhaft verpflichtet ist, alle positiven Salden von ihrem Quellkonto an die Betreibergesellschaft abzuführen. Damit lassen sich die auf den einzelnen Konten erfolgten Zahlungsströme und die damit verbundenen „wechselseitigen Darlehensverträge“ nicht dergestalt isolieren, dass von einer Kongruenz zwischen offener Einlageschuld und Rückzahlung auf die vermeintliche Darlehensschuld ausgegangen werden kann75. Die unbürokratische Heilung durch schlichte Rückzahlung setzt deshalb auch beim Cash-Pool voraus, dass sich die nachträgliche Zahlung zweifelsfrei der ursprünglichen, noch offenen Einlageverpflichtung zuordnen lässt. Voraussetzung ist auch hier eine konkrete Tilgungsbestimmung76 (klare und nachweisbare Zielrichtung der nochmaligen Einlageleistung im Hinblick auf die noch offene Einlageverpflichtung) sowie die Zuführung der weiterhin geschuldeten Bareinlage auf ein nicht in den Cash-Pool einbezogenes Sonderkonto der Gesellschaft. Solange nämlich die Gesellschaft in das Cash-Pool-System einbezogen ist, führt das ständige automatische Zero-Balancing dazu, dass die gebotene Zuordnung der erneuten Leistung zu der noch ausstehenden Einlageschuld nicht möglich ist77. Nach der hier vertretenen Auffassung ist überdies ein die Eigenkapitalqualität dokumentierender Rangrücktritt des Gesellschafters erforderlich (dazu vorstehend b) aa)).

__________ 73 Vgl. dazu OLG Düsseldorf, BB 1989, 1710 für die Vorauszahlung auf eine bevorstehende Kapitalerhöhung. 74 Vgl. die Nachweise bei BGH, GmbHR 2006, 982 (983) sowie Lutter/Bayer in Lutter/ Hommelhoff (Fn. 22), § 5 GmbHG Rz. 59. 75 Im Ergebnis wie hier Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2280). 76 (Klare und nachweisbare Zielrichtung der nochmaligen Einlageleistung im Hinblick auf die noch offene Einlageverpflichtung) Dazu BGH, ZIP 2006, 665 (668). 77 Dazu auch BGH, ZIP 2006, 665 (668) sowie Schmelz, NZG 2006, 456 (457) sowie Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 (454).

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Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH

c) Heilung durch Umwidmung der Bar- in eine Sacheinlage aa) Erfordernis des Vorliegens einer verdeckten Sacheinlage? Dass der Verstoß gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften in den Fällen der fehlenden freien Verfügbarkeit ebenso wie beim Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage dadurch geheilt werden kann, dass die Bareinlage vollständig noch einmal ordnungsgemäß geleistet wird, ist für die beteiligten Unternehmen nur ein schwacher Trost. Für sie ist es entscheidend, inwieweit die in die damaligen fehlgeschlagenen Kapitalaufbringungsvorgänge einbezogenen Zahlungsströme und Zahlungsmittel für eine Heilungsmaßnahme verwendet werden können. Dies hätte den Vorteil, dass keine neuen Einlagemittel benötigt werden. Bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage kann dies durch Umwidmung der Bar- in eine Sacheinlage erfolgen (Ziff. VI. 1). Fließt dagegen die eingezahlte Bareinlage ausschließlich als Neudarlehen an den einlegenden Gesellschafter zurück, liegt aber gerade keine verdeckte Sacheinlage vor. Dazu, ob die Gesellschafter bei fehlgeschlagenen Kapitalaufbringungsvorgängen auch außerhalb verdeckter Sacheinlagen eine Heilung durch Umwidmung von Geld- in Sacheinlagen vornehmen können, liegen bisher nur wenige gerichtliche Entscheidungen vor78. In der Literatur wird diese Möglichkeit von der ganz überwiegenden Meinung bejaht79. In der Praxis der Registergerichte werden derartige Heilungsbeschlüsse, insbesondere bei unwirksamen Vorleistungen im Rahmen von Kapitalerhöhungsvorgängen, zugelassen80. Es ist jedenfalls kein Grund ersichtlich, den Gesellschaftern bei anderen unwirksamen Kapitalaufbringungsvorgängen eine Heilungsmöglichkeit zu verweigern, wenn dabei im übrigen die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Umwidmung der Bareinlage in eine Sacheinlage beachtet werden. bb) Einzelheiten zum Heilungsverfahren Das Heilungsverfahren hat den vom BGH für die Heilung verdeckter Sacheinlagen entwickelten Grundsätzen zu entsprechen. Da im Ausgangsfall bei VI. 2 a) keine Verrechnung mit einer Altforderung oder einer Vorabsprache unterstellten Neuforderung erfolgt, sondern durch die Zuführung auf das Zielkonto ausschließlich ein Neudarlehen der Konzerntochter gegenüber der Konzernmutter begründet wird, fehlt es an einer Forderung der Konzernmut-

__________ 78 Eine solche Möglichkeit bejahend: LG Stuttgart, GmbHR 2004, 666 mit Anm. Oppenländer, sowie OLG Hamburg, ZIP 2005, 988. 79 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 24), § 5 GmbHG Rz. 51; Heinrich in MünchHdB. GesR, Bd. 3, 2. Aufl. 2003, § 9 Rz. 50; Altmeppen in Roth/Altmeppen, 4. Aufl. 2003, § 5 GmbHG Rz. 65; H. Winter/H. P. Westermann in Scholz (Fn. 18) § 5 GmbHG Rz. 106; Oppenländer, GmbHR, 2004, 667; a. A. Lutter/Bayer in Lutter/ Hommelhoff (Fn. 22), § 5 GmbHG Rz. 32. 80 Vgl. D. Mayer in Widmann/Mayer (Fn. 24), Rz. 306.

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ter, die als Sacheinlage dienen könnte81. Somit käme als Einlagegegenstand nur der (vermeintliche) Bereicherungsanspruch des Inferenten auf Rückgewähr des unter Verstoß gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften erbrachten Bareinlagebetrags in Betracht82. Nach Auffassung des BGH ist das Hinund Herzahlen83 ebenso wie das Her- und Hinzahlen84 im Rahmen der Kapitalaufbringung aber „wirtschaftlich“ als ein einheitlicher, sich selbst neutralisierender Vorgang anzusehen, denn der Einleger leistet nichts, sondern behält den eingelegten Betrag letztlich in seinem Vermögen. Dem ist zuzustimmen, denn anders, als in den Fällen einer verdeckten Sacheinlage (Verrechnung mit bestehenden Forderungen) und etwa auch in den Fällen einer Vorleistung bei Kapitalerhöhungsvorgängen85 kommt es nicht zu einer Vermögensmehrung beim Zahlungsempfänger und damit auch nicht zu einer Bereicherung86 der Gesellschaft. Da somit ein tauglicher Einlagegegenstand fehlt, kann der Verstoß gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften hier nur dadurch geheilt werden, dass die Bareinlage – entsprechend dem bei Ziff. VI. 2 b) dargestellten Verfahren – vollständig noch einmal ordnungsgemäß geleistet wird. 3. Heilung in „Mischfällen“ a) Ausgangsfall Die Konzernmutter M beschließt bei ihrer Tochter T eine Barkapitalerhöhung um 1 Mio. Euro. Zum Zeitpunkt des „Rückflusses“ der an die Tochter gewährten Bareinlage auf das Zielkonto der Konzernmutter bestehen Darlehensverbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber der Konzernmutter in Höhe von 400 000 Euro. Die Beteiligten gehen davon aus, dass diese Darlehensverbindlichkeiten durch die Zuführung auf das Zielkonto erloschen sind und in Höhe von 600 000 Euro ein Neudarlehen der Konzerntochter an die Konzernmutter gewährt wurde. b) Lösung Im Ausgangsfall hat die Heilung entsprechend den bei VI. 1 und 2 entwickelten Grundsätzen zu erfolgen. Da die eingezahlte Bareinlage teils zur Abgel-

__________ 81 82 83 84 85

So zutreffend BGH, GmbHR 2006, 43 (44). So Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2281). BGH, GmbHR 2006, 306. BGH, GmbHR 2006, 982. Siehe dazu BGH, ZIP 2004, 849 (850) – EWiR 2004, 851 (Priester) für den Fall des Fehlschlagens der Erbringung einer Bareinlage aufgrund Einzahlung auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft vor Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses. 86 Zutreffend Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 (454); a. A. Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2281).

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Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH

tung eines Altdarlehens teils als Neudarlehen wieder an den einlegenden Gesellschafter zurückgeflossen ist87, erfordert dies, dass als Einlagegegenstand bei der nachträglichen Umwidmung der fehlgeschlagenen Bareinlage in eine Sacheinlage die Altforderung aus Darlehen in Höhe von 400 000 Euro eingebracht werden muss und hinsichtlich des Restbetrags von 600 000 Euro eine Heilung durch nochmalige vollständige und ordnungsgemäße Leistung der Bareinlage erfolgen muss. Da sich der Darlehensanspruch der Konzernmutter beim Cash-Pooling jeden Tag durch konzerninterne Umbuchungen verändert hängt es letztlich vom Zufall ab, ob die Muttergesellschaft zum Zeitpunkt der Einlageleistung gerade einen Anspruch gegen die Tochtergesellschaft unter dem Cash-Pool hat oder umgekehrt88. Damit hängt es aber auch vom Zufall ab, ob die Muttergesellschaft die Möglichkeit einer nachträglichen Umwidmung der fehlgeschlagenen Bareinlage hat oder nur durch eine erneute Leistung der Einlage von der noch offenen Einlageverpflichtung befreit wird.

VII. Möglichkeiten der risikolosen Kapitalaufbringung im Cash-Pool 1. Einbringung der Forderung aus dem Cash-Pool als Sacheinlage Die mit der Kapitalaufbringung im Cash-Pool verbundenen Probleme lassen sich auf den ersten Blick dadurch vermeiden, dass in den Fällen einer geplanten Kapitalerhöhung bei der Tochtergesellschaft Forderungen der Konzernmutter aus dem Cash-Pool im Wege einer förmlichen Sachkapitalerhöhung in die Tochtergesellschaft eingebracht werden89. Da sich durch den laufenden Leistungsaustausch im Cash-Pool der Inhalt dieser als Sacheinlagegegenstand vorgesehenen Forderungen jedoch täglich verändert, muss zur Sicherstellung der „Nämlichkeit der Einlage“90 die als Sacheinlage vorgesehene Einlageforderung entsprechend „isoliert“ werden. Dies erfordert eine Herausnahme der Forderung aus dem Cash-Pool und zwar dergestalt, dass die Muttergesellschaft vor der Kapitalerhöhung der Tochtergesellschaft außerhalb des Cash-Pools ein entsprechendes Darlehen gewährt91.

__________ 87 So auch der Sachverhalt bei BGH, GmbHR 2006, 43 allerdings keinen Cash-PoolFall betreffend. 88 Vgl. hierzu auch Hentzen, DStR 2006, 948 (950). 89 Dazu Sieger/Hasselbach, BB 1999, 645 (649); Cahn, ZHR 166 (2002) 278 (284); Hellwig in FS Peltzer, 2001, S. 163 (168 ff.); Morsch, NZG 2003, 97 (106). 90 Hierzu ausführlich Hentzen, DStR 2006, 948 (950). 91 Siehe hierzu Morsch, NZG 2003, 97 (103); Cahn, ZHR 166 (2002), 278 (306); Sieger/ Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2279); Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 (453) – kritisch hierzu Hentzen, DStR 2006, 948 (950).

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2. Einstellung von Eigenkapital in Rücklagen der Tochtergesellschaft Die Konzernmutter kann zusätzliches Eigenkapital in Rücklagen bei der Tochtergesellschaft einstellen und diese Mittel dann im Wege einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln in Stammkapital umwandeln92. 3. Verwendung eines gesonderten Kontos Die freie Verfügbarkeit der Einlageleistung lässt sich auch dadurch sicherstellen, dass die Einlageleistung auf ein nicht in den Cash-Pool einbezogenes Sonderkonto erfolgt. Dass diese Mittel dann dort endgültig zum Zweck der Weiterverwendung durch die Tochtergesellschaft verbleiben müssen versteht sich von selbst, eine Rückführung an den Cash-Pool führt zu einem Fehlschlagen der Einlageleistung93. Die Bareinlage muss somit endgültig aus dem Vermögen des Einlegers ausscheiden und endgültig in das Vermögen der Gesellschaft übergehen94. Dass die auf dem Sonderkonto einbezahlten Einlageleistungen letztlich mittelbar über Investitionen der Tochtergesellschaft, Tilgung laufender Verbindlichkeiten gegenüber Dritten oder Verkehrsgeschäften mit Dritten, der Konzernmutter wieder zugute kommen, dürfte dagegen unschädlich sein, solange die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft in ihrer freien Verfügbarkeit über die Einlagemittel nicht beschränkt ist95. 4. Virtuelles Cash-Pooling Beim virtuellen Cash-Pooling unterbleibt ein Transfer von Liquiditätsüberschüssen von den Tochtergesellschaften auf ein Zielkonto. Vielmehr erfolgt lediglich eine rechnerische Zusammenfassung der Kontosalden aller erfassten Konzerngesellschaften durch die Bank96. Hier stellen sich die zuvor besprochenen Probleme grundsätzlich nicht. Allerdings ist zu bedenken, dass die Banken ein solches virtuelles Cash-Pooling nur durchführen, wenn im Gegenzug vom Unternehmen ausreichende Sicherheiten angeboten werden.

__________ 92 Zu den damit verbundenen Nachteilen Sieger/Hasselbach, BB 1999, 645 (649). 93 So eindringlich BGH, ZIP 2006, 665 (668); anders aber gerade der Gestaltungsvorschlag bei Sieger/Hasselbach, BB 1999, 645 (649), dort wird vorgeschlagen, die betreffende Geldsumme für die Dauer zumindest eines vollen Bankarbeitstags auf dem gesonderten Konto zu belassen. 94 Zutreffend Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2280). 95 Zweifelnd Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 (2280) zur Frage des „Einfrierens“ von Mitteln auf ein nicht in den Cash-Pool einbezogenes Sonderkonto. 96 Vgl. die Nachw. bei Fn. 7 sowie Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005, 1317 (1322).

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Kapitalaufbringungsrisiken bei der GmbH

5. Verwendung einer Limited Entsprechend dem zweifelhaften Grundsatz „Limited schlägt GmbH“97 wird es sicher nicht allzu lange dauern bis entsprechende kommerzielle Anbieter vorschlagen, in den Cash-Pool als Tochtergesellschaften lediglich Private Company Limited by Shares („Limited“) zu integrieren, da bei diesen keine Kapitalaufbringungskontrolle stattfindet98. Allerdings erscheint die Herauslösung einer deutschen GmbH aus dem Cash-Pool unter Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände im Wege eines Asset-Deals auf eine Limited, um anschließend unproblematisch Cash-Pools-Systeme durchführen zu können, doch etwas zu aufwändig, kompliziert und steuerlich unattraktiv99.

VIII. Ausblick Der BGH hat der Unternehmenspraxis für den Bereich der Kapitalaufbringung mit großer Deutlichkeit die Grenzen zentraler Cash-Pool-Systeme aufgezeigt. Die Kernaussage besteht darin, dass für den Cash-Pool kein Sonderrecht besteht. Eine risikolose Kapitalaufbringung lässt sich häufig nur noch dadurch sicherstellen, dass die betreffenden Gesellschaften – zumindest zeitweilig – aus der zentralen Konzernfinanzierung herausgenommen werden. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 29.5.2006100 will nunmehr ein entsprechendes Sonderrecht schaffen101. Dabei bleibt der Gesetzgeber allerdings hinter dem Regelungsziel zurück, denn die geplante Neufassung des § 30 Abs. 1 GmbHG bezieht sich ausschließlich auf den Bereich der Kapitalerhaltung und kann nicht für die Kapitalaufbringung nutzbar gemacht werden102.

__________ 97 Vgl. dazu den Werbeprospekt der Go Ahead Limited, Ausg. IV 2005, sowie Handelsblatt v. 1.6.2005 „Limited läuft deutscher GmbH den Rang ab“. 98 Dazu Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5). 99 Gleiche Einschätzung bei Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005, 1317 (1319). 100 Abrufbar unter www.rws-verlag.de, Volltexte v. 16.6.2006 oder unter www.bmj. bund.de/media/archive/1236.pdf. 101 Danach ist für den Bereich der Kapitalerhaltung die Anfügung eines neuen Satzes 2 in § 30 Abs. 1 GmbHG vorgesehen, der folgenden Wortlaut haben soll: „Wird das Stammkapital durch eine Vorleistung aufgrund eines Vertrags mit einem Gesellschafter angegriffen, so gilt das Verbot des Satzes 1 nicht, wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt.“ Hinsichtlich der Kapitalaufbringung heißt es am Schluss der Begründung zu Satz 2 lapidar, eine parallele Interessensprüfung sehe der Entwurf insoweit nicht vor, da davon auszugehen sei, dass die in § 30 GmbHG geregelten Maßstäbe „ohne weiteres auch dorthin übertragen werden“ könnten. 102 So überzeugend Priester, ZIP 2006, 1557 (1560).

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Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Öffentliche Unternehmen und die Besonderheiten ihrer Abschlussprüfung III. Maßnahmen zur Verbesserung der Abschlussprüfung 1. Joint Audit a) Argumente für ein Joint Audit b) Argumente gegen ein Joint Audit 2. Pflichtrotation a) Interne Rotation aa) Argument für eine interne Pflichtrotation (1) Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers (2) Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung

bb) Argumente gegen eine interne Pflichtrotation (1) Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Regelung (2) Qualitätsverlust b) Externe Rotation aa) Argumente für eine externe Pflichtrotation (1) Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers (2) Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung bb) Argumente gegen eine externe Pflichtrotation (1) Qualitäts- bzw. Effizienzverlust (2) Mehrkosten IV. Fazit

I. Einleitung Corporate Governance wurde lange Zeit als Domäne der – vor allem börsennotierten – Aktiengesellschaften verstanden. Dies ist nachvollziehbar, denn die spektakulären Fälle schlechter Unternehmensführung, über die in den letzten Jahren berichtet wurde, ereigneten sich zumeist in großen AGs. Zwar unterliegen börsennotierte Gesellschaften der Kontrolle des Kapitalmarktes, doch bedürfen die Instrumente, die dem Kapitalmarkt für diese Kontrolle zur Verfügung stehen, offensichtlich der Verbesserung. Erst allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass gute Corporate Governance für solche Unternehmen, die nicht der Kontrolle des Kapitalmarktes unterliegen, mindestens ebenso wichtig ist. Dabei spielt die Abschlussprüfung eine zentrale Rolle. Dies gilt insbesondere für die nicht kapitalmarktorientierte AG und für die Rechtsform der GmbH. Dass gute Corporate Gover-

__________ * Meinem früheren Mitarbeiter, Herrn Rechtsanwalt Julien Köhrle, gebührt Dank für wertvolle Unterstützung bei der Vorbereitung dieses Manuskripts.

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nance und insbesondere hochwertige Abschlussprüfung auch von Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft zu fordern sind, ist ein relativ neues Thema1.

II. Öffentliche Unternehmen und die Besonderheiten ihrer Abschlussprüfung Die Beschäftigung mit der Abschlussprüfung öffentlicher Unternehmen setzt zunächst die Klärung zweier Fragen voraus, nämlich erstens, was ein öffentliches von einem privaten Unternehmen unterscheidet, und zweitens, welche Besonderheiten bei der Abschlussprüfung öffentlicher Unternehmen zu beachten sind. Eine einheitliche Definition des Begriffs des öffentlichen Unternehmens konnte sich bislang nicht durchsetzen2. In einem umfassenden Sinne fallen darunter sowohl öffentliche Eigenunternehmen, das heißt Unternehmen, deren Trägergesellschaft ausschließlich einer einzigen Körperschaft des öffentlichen Rechts gehört3, als auch gemischt-öffentliche Unternehmen, deren Träger mehreren Körperschaften des öffentlichen Rechts gehört, sowie gemischt-wirtschaftliche Unternehmen, deren Träger öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Privaten gemeinsam gehört4. Bei jedem dieser Unternehmenstypen bestehen Besonderheiten in puncto Corporate Governance. Von besonderem Interesse sind jedoch die sog. gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, denn hier kommt es zu einem besonderen Zusammenspiel von Handels- und Gesellschaftsrecht auf der einen und öffentlichem Recht auf der anderen Seite. Zudem machen sie rein zahlenmäßig den größten Teil öffentlicher Unternehmen aus. Soweit im Folgenden von öffentlichen Unternehmen die Rede ist, sind damit in erster Linie solche gemischt-wirtschaftliche Unternehmen gemeint. Dass die Abschlussprüfung öffentlicher Unternehmen in jüngster Zeit in das Blickfeld der Corporate Governance-Diskussion geraten ist, hängt zweifellos mit der umfassenden Liberalisierung und Deregulierung in Bereichen der klassischen Daseinsvorsorge (vgl. Telekommunikation, Bahn, Post, Nahverkehr, Energie- und Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Abfallentsor-

__________ 1 Schwintowski, NVwZ 2001, 697; Ruter, ZögU 2004, 389 (390); Uwe H. Schneider, AG 2005, 493 ff.; Preussner, NZG 2005, 575; Budäus, Public Corporate Governance Kodex – Ein Beitrag zur Bildung von Vertrauen in Politik und Management, in Ruter/Sahr/Graf Waldersee (Hrsg.), Public Corporate Governance – Ein Kodex für öffentliche Unternehmen, 2005, S. 15. 2 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1985, S. 23; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, 2002, S. 5. 3 Typischerweise eine AG oder GmbH, deren Anteile zu 100 % von einer bestimmten Gebietskörperschaft gehalten werden. 4 Mann (Fn. 2), S. 13.

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Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen

gung) zusammen5, in deren Zuge besonders öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften traditionell hoheitliche Aufgaben auf privatrechtliche Träger übertragen haben, an denen sie in großem Umfang Beteiligungen halten6. Hinzu kommt, dass bei solchen öffentlichen Unternehmen, die gemeinwohlorientiert sind und die öffentliche Aufgaben erfüllen, ein verstärktes öffentliches Interesse an der der Aufgabenerfüllung und der Mittelverwendung besteht. Daher stellt sich die Frage der Corporate Governance unter spezifischen Gemeinwohlaspekten hier in besonderem Maße, zumal die Leitung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen bislang vergleichsweise lückenhaft geregelt sind7. Denn einerseits ist die Möglichkeit zur hierarchischen Steuerung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen durch das öffentlich-rechtliche Rechtsregime8 mit der Privatisierung entfallen. Damit rückt die Möglichkeit der Steuerung durch das privat- bzw. gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Instrumentarium in den Vordergrund. Andererseits sind die meisten öffentlichen Unternehmen keine börsennotierten Aktiengesellschaften. Mithin fehlt es vielfach auch an kapitalmarktrechtlichen Steuerungsmechanismen9. Aus diesem Befund folgt, dass bei öffentlichen Unternehmen die klassischen gesellschaftsrechtlichen Instrumente von ganz besonderer Bedeutung sind, also transparente Strukturen10 sowie Rechnungslegung und Abschlussprüfung als entscheidende Elemente externer Unternehmensüberwachung. Dementsprechend ist mittlerweile in fast allen Gesellschaftsverträgen neu gegründeter öffentlicher Unternehmen die jährliche Prüfung des Jahresabschlusses vorgesehen11. Dadurch ist eine Abschlussprüfung auch bei solchen öffentlichen Unternehmen gewährleistet, die wegen ihrer geringen Größe nach den Maßstäben des § 267 Abs. 1 HGB nicht der handelsrecht-

__________ 5 Auf Bundesebene wurde die Privatisierung durch die im Jahre 1993 eingeführte haushaltsrechtliche Privatisierungsprüfpflicht in § 7 Abs. 1 Satz 2 BHO verstärkt, näher Mann (Fn. 2), S. 1; auch auf Länderebene finden sich inzwischen verschiedentlich entsprechende Regelungen, etwa § 7 Abs. 1 Satz 2 LHO Baden-Württemberg sowie § 7 Abs. 1 Bayerische HaushaltsO. 6 Ruter, ZögU 2004, 389 (390 f.); Henke/Hillebrand/Steltmann, Müssen öffentliche Unternehmen anders gesteuert werden als private Unternehmen?, in Ruter/Sahr/ Graf Waldersee (Fn. 1), S. 27 (30 f.). 7 Dazu Siekmann, Corporate Governance und öffentliche Unternehmen, in Schenk u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, 15 (1996), S. 282 (284). 8 Als öffentlich-rechtliche Vorschriften sind für öffentliche Unternehmen jedoch bspw. §§ 53–56 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) bzw. darauf verweisende Landesvorschriften von Bedeutung, dazu näher unten. 9 Daher wird immer mehr über die Einführung eines Public Corporate Governance Kodex für öffentliche Unternehmen diskutiert, vgl. etwa Preussner, NZG 2005, 573. 10 Näher Henke/Hillebrand/Steltmann in Ruter/Sahr/Graf Waldersee (Fn. 1), S. 27 (34 f.). 11 Ruter/Häfele, Der Wechsel des Abschlussprüfers in Unternehmen der öffentlichen Hand als Bestandteil einer effektiven Corporate Governance?, 2003, S. 4 (abrufbar unter www.ruter.de); Häfele, Effektive Corporate Governance – Der Wechsel des Abschlussprüfers in Unternehmen der öffentlichen Hand, in Ruter/Sahr/Graf Waldersee (Fn. 1), S. 147 (148).

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lichen Pflicht zur Abschlussprüfung gem. § 316 Abs. 1 HGB unterliegen. In Übereinstimmung damit wird eine Abschlussprüfung durch einen unabhängigen externen Wirtschaftsprüfer auch für öffentliche Unternehmen, die einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof bzw. die Landesrechnungshöfe oder durch andere Prüfstellen unterliegen, namentlich von der OECD als notwendig erachtet12. Welcher hohe Stellenwert der Abschlussprüfung bei der Steuerung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen beigemessen wird, zeigt sich auch daran, dass das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) für Unternehmen, deren Anteile mehrheitlich von einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft gehalten werden, eine erweiterte Abschlussprüfung vorsieht13.

III. Maßnahmen zur Verbesserung der Abschlussprüfung Wie nun lassen sich die Qualität und Unabhängigkeit der Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen am besten sichern? Hierzu sind unter dem Eindruck der Bilanzskandale der vergangenen Jahre – erinnert sei nur an Enron, Worldcom, Comroad, Flowtex, Bremer Vulkan, Holzmann – verschiedene Maßnahmen, darunter die Anwesenheitspflicht der Abschlussprüfer bei der Hauptversammlung, die Errichtung eines Financial Reporting Review Panel nach englischem Vorbild sowie die Einführung eines Joint Audit und einer Pflichtrotation der Abschlussprüfer, vorgeschlagen worden. Nachdem die Forderung nach Errichtung eines Financial Reporting Review Panel durch die Errichtung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung14 (DPR bzw. FREP15) im Zuge der Bilanzrechtsreform16 für private wie auch öffent-

__________ 12 OECD, OECD Guidelines on Corporate Governance of State-owned Enterprises, 2005, 16 sub V C (abrufbar im Internet auf der Homepage der OECD). 13 Dazu Will, DÖV 2002, 319; Berkemeyer/Blohm, Die erweiterte Jahresabschlußprüfung nach § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz aus der Sicht des wirtschaftsprüfenden Berufsstandes, in Beisse/Budde u. a. (Hrsg.), Deutsches Bilanzrecht – In der Krise oder im Aufbruch, 2001, S. 97; zur Frage der Anwendbarkeit von § 53 HGrG auch auf den Konzernabschluss siehe Ernst/Heitel, Der Konzern in der erweiterten Abschlussprüfung nach § 53 HGrG, in Schulze-Fielitz (Hrsg.), Fortschritte der Finanzkontrolle in Theorie und Praxis, FS Heuer, 2000, S. 101. 14 Die „Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR“ wurde am 14.5.2004 von 15 Berufs- und Interessenvertretungen aus dem Bereich der Rechnungslegung im Benehmen mit dem Bundesministerium der Justiz in Berlin als e.V. gegründet und am 10.9.2004 in das Vereinsregister eingetragen. Die DPR ist am 30.3.2005 als Prüfstelle im Sinne von § 342b Abs. 1 HGB durch das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen anerkannt worden. Näher zur DPR vgl. etwa Merkt in Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 32. Aufl. 2006, § 342b HGB Rz. 9; Bräutigam/Meyer, AG 2006, 188; Gros, BStR 2006, 246. 15 So die Abkürzung für die im internationalen Bereich verwendete Bezeichnung „Financial Reporting Enforcement Panel“.

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Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen

liche Unternehmen zumindest teilweise erfüllt worden ist, geht es im Folgenden um die besonders kontrovers diskutierten Vorschläge des Joint Audit und der Pflichtrotation und die Frage, inwieweit diese Institute geeignet sind, Unabhängigkeit und Qualität der Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen zu verbessern. 1. Joint Audit Unter einem Joint Audit versteht man die gemeinsame Jahresabschlussprüfung eines Mandanten durch eine Arbeitsgemeinschaft von zwei voneinander unabhängigen Abschlussprüfern17. In Deutschland besteht bislang – anders als beispielsweise in Frankreich18 – noch keine gesetzlich normierte Verpflichtung zu einem solchen Joint Audit. Jedoch ist die rechtliche Zulässigkeit eines freiwilligen Joint Audit unbestritten19. So existiert für das Joint Audit mit dem IDW PS 20820 bereits ein eigener Prüfungsstandard des IDW. a) Argumente für ein Joint Audit Für ein verpflichtendes Joint Audit werden verschiedene Argumente ins Feld geführt: Ein Joint Audit führe zu einer wirkungsvollen wechselseitigen Kontrolle21. Dies ergebe sich zum einen aus der Konkurrenzsituation der beiden Abschlussprüfer22 und zum anderen aus der gemeinsamen Haftung23. Hier hat ein Joint Audit gegenüber der derzeit geltenden Peer Review gem. §§ 57a–57h WPO den entscheidenden Vorteil, dass es – anders als die Peer Review – nicht auf eine nachträgliche Kontrolle beschränkt ist und damit meist zu spät kommt, sondern von vornherein Fehler vermeiden hilft. Weiter wird vorgebracht, dass ein Joint Audit auch einer gewissen „Betriebsblindheit“ vorbeuge24. Schließlich stärke ein Joint Audit auch die Position der Prüfer gegenüber der Unternehmensleitung25. Dem Mandanten werde es

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16 Die Einrichtung einer Prüfstelle für Rechnungslegung ist in den durch das BilKoG v. 15.12.2004 (BGBl. I 2004, 3408) eingefügten §§ 342b – 342e HGB n. F. vorgesehen. 17 Westerhoff, DStR 2003, 2132 (2135). 18 Hier ist für börsennotierte Aktiengesellschaften sowie nicht börsennotierte Aktiengesellschaften, deren Kapital einen durch Verordnung festgelegten Betrag überschreitet, gem. Art. 203 Loi 66-537 du 24 juillet 1966 sur les sociétés commerciales ein Joint Audit vorgeschrieben. 19 Niehus, DB 2003, 1637 (1642); Westhoff, DStR 2003, 2132 (2135) m. w. N. 20 IDW Prüfungsstandard zur Durchführung von Gemeinschaftsprüfungen (Joint Audit) (IDW PS 208), WPg 1999, 707. 21 Westhoff, DStR 2003, 2132 (2135); Niehus, DB 2003, 1637 (1643). 22 So etwa Niehus, DB 2003, 1637 (1643). 23 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2000, § 318 HGB Rz. 67; Westhoff, DStR 2003, 2132 (2135). 24 Niehus, DB 2003, 1637 (1643). 25 Emmerich in Busse von Colbe/Lutter, Wirtschaftsprüfung heute: Entwicklung oder Reform, 1977, S. 215 (228); Westhoff, DStR 2003, 2132 (2135); Niehus, DB 2003, 1637 (1643).

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erschwert, sich mit einer gegenteiligen Meinung gegen zwei unabhängige Wirtschaftsprüfer durchzusetzen26. b) Argumente gegen ein Joint Audit Gegen das verpflichtende Joint Audit wird der Einwand vorgebracht, es gebe bislang keine empirischen Belege für eine mit einem Joint Audit verbundene Verbesserung der Qualität der Abschlüsse27. Weiter wird auf die Gefahr von Kommunikations- und Abstimmungsproblemen zwischen den beteiligten Abschlussprüfern untereinander und gegenüber den zuständigen Organen des geprüften Unternehmens hingewiesen. Nach Auffassung des IDW ist es darüber hinaus schon fraglich, ob das Ziel einer stärkeren Unabhängigkeit der Abschlussprüfer durch ein Joint Audit überhaupt erreicht werden kann, da bei allen beteiligten Abschlussprüfern eine identische Interessenslage bestehe28. Vor allem werden aber die mit der Bestellung eines zweiten Abschlussprüfers verbundenen Mehrkosten als entscheidender Nachteil eines verpflichtenden Joint Audit ins Feld geführt29. Hier wird unter anderem etwa befürchtet, dass mangels Bereitschaft der Unternehmen, die entsprechenden Mehrkosten zu tragen, ein erhöhter Honorardruck mit negativen Auswirkungen auf die Prüfungsqualität entstehe30. Vereinzelt wird eine Verteuerung der Abschlussprüfung bei einem Joint Audit hingegen bestritten31. 2. Pflichtrotation Die Pflichtrotation, also eine verpflichtende Auswechselung des Abschlussprüfers, wird in Deutschland32 und vor allem auch in den USA33 bereits seit den sechziger Jahren diskutiert. Dabei wird zwischen der sog. internen und der sog. externen Rotation unterschieden. Unter interner Rotation versteht man die Auswechselung des Abschlussprüfers nach einer bestimmten Frist

__________ 26 Niehus, DB 2003, 1637 (1643). 27 IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 20, abrufbar im Internet auf der Homepage des IDW. 28 IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 20. 29 Schulze-Osterloh/Emmerich in Busse von Colbe/Lutter (Fn. 25), S. 95 (111); IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 20. 30 So IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 21. 31 Niehus, DB 2003, 1637 (1643). 32 Adler/Müller, AG 1964, 154; Luik, BB 1976, 237. 33 Näher Hoyle, The Journal of Accountancy 1978, 69; Bates/Ingram/Reckers, Journal of Accountancy 1982, 60 und aus jüngerer Zeit Dopuch/King/Schwartz, Journal of Accounting Research 2001, 93 ff.; Myers/Myers/Omer, The Accounting Review 2003, 779 ff.

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Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen

gegen einen Prüfer aus der gleichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft34. Hingegen wird bei externer Rotation nicht nur der konkrete Abschlussprüfer, sondern die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft insgesamt ausgetauscht35. Nach inzwischen verbreiteter Ansicht empfiehlt sich die Pflichtrotation – zumindest in Form einer internen Rotation – zur Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers. In Übereinstimmung damit hat die EU-Kommission im Entwurf einer Richtlinie über Abschlussprüfungen von 2004 in Art. 40 (c) zur Stärkung der Unabhängigkeit der Abschlussprüfer die Einführung wahlweise einer internen oder einer externen Rotation vorgesehen36. Und auch die OECD empfiehlt in ihren Grundsätzen zur Corporate Governance bei Staatsunternehmen die Einführung einer Pflichtrotation in Form einer internen oder einer externen Rotation37. In Deutschland wurde eine interne Rotation erstmals durch das KonTraG38 in § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a. F. eingeführt. Nach der Modifikation durch das BilReG39 gilt nun gem. § 319a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HBG, dass ein Wirtschaftsprüfer von der Abschlussprüfung eines börsennotierten Unternehmens40 ausgeschlossen ist, wenn er einen Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB über die Prüfung des Jahresabschlusses des Unternehmens bereits in sieben oder mehr Fällen gezeichnet hat. Dies gilt nicht, wenn seit seiner letzten Beteiligung an der Prüfung des Jahresabschlusses drei oder mehr Jahre vergangen sind. Im Weiteren soll der Frage nachgegangen werden, ob im Rahmen der Corporate Governance die Einführung einer internen oder gar einer externen Pflichtrotation für öffentliche Unternehmen zu empfehlen ist. Hierzu sollen zunächst die in der Diskussion jeweils für und gegen eine interne bzw. externe Pflichtrotation vorgebrachten Argumente kritisch beleuchtet werden.

__________ 34 Dazu Häfele, Abschlussprüferwechsel, 2005, S. 147 (148 f.). 35 Häfele (Fn. 34), S. 147 (148 f.). 36 Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses und zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 89/349/EWG des Rates v. 16.3.2004, KOM (2004) 177 endgültig. 37 OECD-Guidelines on Corporate Governance of State-Owned Enterprises, V C., 2005, 43, abrufbar im Internet auf der Homepage der OECD; zu den OECD-Grundsätzen Uwe H. Schneider, AG 2005, 493. 38 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. 39 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) v. 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 40 Darunter versteht das Gesetz ein Unternehmen, das einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt.

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a) Interne Rotation aa) Argument für eine interne Pflichtrotation Für die interne Pflichtrotation werden im Wesentlichen zwei Argumente vorgebracht. (1) Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers Als Vorteil einer internen Pflichtrotation wird die Erhöhung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers angeführt. Denn die für eine unabhängige Urteilsbildung erforderliche Distanz zum Prüfungsobjekt sei aufgrund der gewachsenen Nähe und Vertrautheit von Abschlussprüfer und Unternehmensvertreter bei länger bestehenden Mandaten nicht gewährleistet41. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Abschlussprüfer, wenn auch unbewusst, immer mehr mit den Interessen des Mandanten identifiziere und insofern befangen sei, dass also ein Zustand eintrete, der in der Literatur mit dem Begriff des „subconscious bias“42 bezeichnet wird. Dem könne durch eine Rotation vorgebeugt werden. (2) Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung Das zweite für eine interne Pflichtrotation ins Feld geführte Argument ist die mit ihr verbundene Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung. Sie ergebe sich zunächst durch die Verminderung des Risikos von „Betriebsblindheit“. Ferner führe auch die durch eine Rotation erreichte größere Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu einer Qualitätsverbesserung43. bb) Argumente gegen eine interne Pflichtrotation Im Wesentlichen werden gegen eine interne Pflichtrotation zwei Überlegungen geltend gemacht: Erstens sei eine gesetzliche Regelung entbehrlich; zweitens führe die interne Pflichtrotation zu einem Qualitätsverlust der Abschlussprüfung44. (1) Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Regelung Gegen das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung wird zum einen angeführt, dass in der Praxis ein Wechsel des Prüfers nach einer bestimmten Zeit schon durch natürliche Fluktuation gewährleistet sei und dass darüber

__________ 41 42 43 44

Niehus, DB 2003, 1637 (1638); Volhard/Weber in FS Ulmer, 2003, S. 865 (877). Hoyle, The Journal of Accountancy, May 1978, 69 (71). Niehus, DB 2003, 1637 (1638). Ablehnend aus institutionenökonomischer Perspektive Weißenberger, BB 1997, 2315.

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Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen

hinaus bei den meisten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften seit langem eine interne Rotation praktiziert werde45. Das mag zwar zutreffen, spricht im Kern aber nicht gegen eine gesetzliche Pflicht. Erstens ist eine zwar weitgehende, aber nicht ausnahmslose Rotationspraxis festzustellen. Eine gesetzliche Regelung könnte hier empfindliche Lücken schließen. Zweitens fehlt es jedenfalls an einer branchenweit einheitlichen Rotationspraxis. Es bestehen wirtschaftliche Anreize, die Rotation im Grundsatz vorzusehen, sich in der Ausgestaltung aber an minimalen Anforderungen zu orientieren. Gerade in der verbindlichen inhaltlichen Ausgestaltung der Rotation etwa hinsichtlich der Fristen und des Umfangs läge daher ein wichtiger Zweck gesetzlicher Regelung. Zum anderen wird argumentiert, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers auch ohne Pflichtrotation hinreichend sichergestellt sei. Denn mit der Bestellung des Abschlussprüfers durch den Aufsichtsrat und der Berichtspflicht an den Aufsichtsrat sei die Unabhängigkeit des Prüfers von der Unternehmensleitung, die den Jahresabschluss erstelle, sichergestellt. Ein entsprechender Interessenkonflikt sei mithin ausgeschlossen46. Gegen diese Argumentation wiederum spricht bereits die Beobachtung, dass in der Praxis vielfach Rotation praktiziert wird. Ganz offensichtlich werden in vielen Unternehmen Bestellung und Berichtspflicht allein als nicht ausreichend empfunden. Im Übrigen ist die Verbindung von Bestellung und Berichtspflicht einerseits und Rotation andererseits als System gestufter Maßnahmen zu verstehen: Ein Versagen auf der ersten Stufe ließe sich auf der zweiten Stufe durch entsprechende Reaktionen kompensieren. Die ergänzende Einführung der Pflichtrotation würde danach also zusätzliche Sicherheit bieten. (2) Qualitätsverlust Gegner kritisieren darüber hinaus, dass die Pflichtrotation nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung der Prüfungsqualität führe. Denn der neue Prüfer müsse sich erst mit den Besonderheiten des zu prüfenden Unternehmens, insbesondere mit Organisation, Rechnungswesen, Produktionsbesonderheiten etc., vertraut machen. Das beanspruche eine gewisse Zeit und führe zu qualitativ schlechteren Prüfungsergebnissen47. Als Beleg für einen entsprechenden Qualitätsverlust bei Erstprüfungen wird verschiedentlich48 eine Studie des American Institute of Certfied Public Accountants (AICPA)49 herangezogen, die empirisch belege, dass bei Erst-

__________ 45 46 47 48

Luik, BB 1976, 237 (238). Häfele (Fn. 34), S. 147 (154); Ruter/Häfele (Fn. 11), S. 18. Luik, BB 1976, 237 (238). So etwa IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 17. 49 AICPA, Regarding Mandatory Rotation of Audit Firms of Publicly Held Companies, 1992.

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und Zweitprüfungen die Zahl der auf Prüfungsfehler zurückzuführenden Haftungsfälle beträchtlich höher liege als bei Wiederholungsprüfungen. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Studie des AICPA nicht unbestritten50, worauf nachfolgend im Rahmen der externen Rotation näher eingegangen werden soll. b) Externe Rotation In Deutschland existiert bislang keine handelsrechtliche Regelung zur externen Rotation. Die – soweit ersichtlich – bislang einzige Bestimmung einer externen Pflichtrotation ist im Corporate Governance Kodex für die Beteiligungen des Landes Brandenburg an privatrechtlichen Unternehmen enthalten51. aa) Argumente für eine externe Pflichtrotation (1) Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers Zunächst wird auch die externe Rotation damit legitimiert, dass sie helfe, das Problem der unbewussten Identifikation des Prüfers mit den Interessen des Mandanten und einer damit verbundenen Befangenheit, also des bereits erwähnten „subconscious bias“ zu minimieren52. Dieses Ziel werde allerdings durch eine externe besser als durch eine interne Pflichtrotation erreicht. Denn ein neuer Prüfer derselben Wirtschaftsprüfungsgesellschaft befinde sich dieser gegenüber in der gleichen Abhängigkeitssituation53. Dieses Loyalitätsdilemma lasse sich durch den Wechsel der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vermeiden. Kritiker der externen Pflichtrotation allerdings kommen zu einer entgegengesetzten Einschätzung. Das im Laufe eines langjährigen Prüfungsmandats gewachsene Vertrauensverhältnis könne die Stellung des Abschlussprüfers stärken. Vielfach werde es dem langjährigen Prüfer einfacher fallen, seine Ansicht gegenüber den Unternehmensvertretern durchzusetzen54. In der Vergangenheit wurde ergänzend darauf verwiesen, dass auch zwischen Aufsichtsrat und Vorstand oft ein langjähriges Vertrauensverhältnis bestehe, welches für die Prüfungs- und Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats nicht als hinderlich angesehen werde55. Indessen lässt sich diese Sicht vor dem Hintergrund der modernen Diskussion um gute Corporate Governance wohl nicht unverändert aufrecht erhalten. Hier hat sich in den letzten Jah-

__________

50 Niehus, DB 2003, 1637 (1641). 51 8.2.7 Corporate Governance Kodex für die Beteiligungen des Landes Brandenburg an öffentlichen Unternehmen. 52 Niehus, DB 2003, 1637 (1638); Volhard/Weber in FS Ulmer, 2003, S. 865 (877). 53 Volhard/Weber in FS Ulmer, 2003, S. 865 (877). 54 Etwa Adler/Müller, AG 1964, 154 (156); Luik, BB 1976, 237 (238). 55 Luik, BB 1976, 237 (238).

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ren die Erkenntnis durchgesetzt, dass unabhängige bzw. externe Aufsichtsratsmitglieder (sog. independent directors) die Qualität der Aufsichtratsarbeit erhöhen56. (2) Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung Die Qualität der Abschlussprüfung werde durch die externe Pflichtrotation, so ihre Verfechter, gleich in mehrfacher Hinsicht verbessert. So verhindere das Auswechseln der Prüfungsgesellschaft „Betriebsblindheit“ der Prüfer weit effektiver als bloß interne Rotation57. Diesem sogenannten „fresh approach“-Argument wird allerdings sogleich entgegengehalten, dass eine tiefer eindringende Prüfung erst bei einer mehrjährigen Tätigkeit möglich sei. Die damit verbundene höhere Genauigkeit der Folgeprüfungen führe nicht grundsätzlich zu einer „Betriebsblindheit“, sondern sei im Gegenteil für eine konsequente Risikominimierung im Unternehmen von Bedeutung. Indessen könnte diesem Bedenken dadurch Rechnung getragen werden, dass eine externe Rotation nicht jährlich, sondern in größeren Abständen erfolgen würde. Der Prüfer könnte eine gewisse Expertise im geprüften Unternehmen erwerben, würde aber nach wiederholter Prüfung gegen den Prüfer einer anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ausgewechselt, um den „fresh look“Effekt zu erzielen. Zum anderen wäre zu erwägen, durch eine entsprechende berufsrechtlich verankerte Verpflichtung zum Informationsaustausch zwischen Alt- und Neuprüfer eine kontinuierliche Qualität der Prüfung vor und nach dem Prüferwechsel weitgehend sicherzustellen58. Ein weiterer Einwand lautet, dass hinreichender Schutz vor „Betriebsblindheit“ auch ohne externe Pflichtrotation gewährleistet sei. Denn einerseits prüfe ein Abschlussprüfer jährlich in aller Regel mehrere Unternehmen. Schon die Möglichkeit des Vergleichs verschiedener Unternehmen beuge insoweit hinreichend vor. Andererseits wirkt an der Prüfung oftmals nicht nur ein Prüfer, sondern ein ganzes Prüfungsteam mit. Hier werde bereits durch die natürliche Fluktuation von Mitarbeitern und einer in der Praxis geläufigen internen Rotation sichergestellt, dass nicht ein bestimmter Prüfer über Jahre hinweg denselben Bereich prüfe59. Die Befürworter einer externen Rotation sehen hier dennoch einen entsprechenden Bedarf, denn ein neuer Prüfer werde im Rahmen der internen Rotation an die Ergebnisse seines Vor-

__________ 56 Grundlegend Eisenberg, The Structure of the Corporation – A Legal Analysis, 1976, S. 139 ff. und passim; Leech/Mundheim, Bus. Lawyer 31 (1976), 1799; Gordon, U.Chi.L.Rev. 69 (2002), 1233; siehe aber auch Bhagat/Black, J.Corp.L. 27 (2002), 231; dazu demnächst auch Viciano-Gofferje, Unabhängigkeit als persönliche Voraussetzung für Aufsichtsratsmitglieder, Diss. Freiburg 2006. 57 Niehus, DB 2003, 1637 (1638). 58 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2234) m. w. N. 59 Luik, BB 1976, 237 (238).

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gängers anknüpfen60, da jede Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine bestimmte Prüfungstechnik und -methode anwende. Auch ein interner „neuer“ Prüfer würde letztlich entsprechend den in seiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geltenden Anweisungen verfahren. Daher sei nur durch eine externe Rotation ein echter „fresh approach“ zu erreichen61. Für die Verbesserung der Abschlussqualität durch eine externe Pflichtrotation wird weiter angeführt, dass nur sie das sog. Selbstprüfungsproblem verhindern könne. Denn bei Folgeprüfungen ergebe sich zwangsläufig, dass viele Punkte eigentlich erneut zu prüfen wären, was aber bei einer Prüfung durch den gleichen Abschlussprüfer häufig unterbleibe62. Stattdessen werde lediglich geprüft, ob das einmal gefundene Ergebnis weiterhin Bestand habe63. Eine interne Rotation könne diesbezüglich nicht ausreichend Abhilfe schaffen, da auch ein neuer interner Prüfer an den früheren Ergebnissen festhalte und erfahrungsgemäß wenig geneigt sei, sich von seinen Kollegen bzw. Vorgesetzten, die zuvor mit der Prüfung betraut waren, abzuheben64. Ferner wird die Auffassung vertreten, dass auch die mit der externen Pflichtrotation verbundene erhöhte Konkurrenz zu Qualitätssteigerungen führe65. bb) Argumente gegen eine externe Pflichtrotation (1) Qualitäts- bzw. Effizienzverlust Auch gegen die externe Pflichtrotation wird eingewandt, dass sie – anders als ihre Befürworter behaupten – zu einem Effizienz- und Qualitätsverlust der Abschlussprüfung gegenüber einer Abschlussprüfung, bei der der Prüfer über eine mehrjährige Erfahrung mit dem Mandanten verfüge, führe66. Denn ein neuer Prüfer müsse sich erst in die Besonderheiten des zu prüfenden Unternehmens einarbeiten, was eine gewisse Zeit beanspruche, die umso länger sei, je größer das Unternehmen bzw. der Unternehmensverband sei67. Es wird vorgebracht, dass es einer mehrjährigen Prüfungstätigkeit bedürfe, bevor ein Prüfer tiefer in das Rechnungswesen beim Mandanten eindringen

__________ 60 Volhard/Weber in FS Ulmer, 2003, S. 865 (877); Niehus, DB 2003, 1637 (1639). 61 Niehus, DB 2003, 1637 (1640); auch Volhard/Weber in FS Ulmer, 2003, S. 865 (877) sehen eine interne Rotation nicht als ausreichend an. 62 Volhard/Weber in FS Ulmer, 2003, S. 865 (877). 63 Lenz, BB 2001, 299 (300), der zu bedenken gibt, dass das Problem der Selbstprüfung ein inhärenter Bestandteil von Abschlussprüfungen sei. 64 Volhard/Weber in FS Ulmer, 2003, S. 865 (877). 65 Niehus, DB 2003, 1637 (1639) m. w. N., der auf die damit verbundene Qualitätssteigerung der Arbeit des Berufsstandes insgesamt verweist. 66 IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 17; Ruter, Der Wechsel des Abschlussprüfers in Unternehmen der öffentlichen Hand in Handbuch Kommunale Politik, 1996, S. 11, der insofern von einem Effizienzverlust spricht. 67 Luik, BB 1976, 237 (238).

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könne und verschiedene Prüfmethoden anwenden könne68. Eine einzelne Jahresabschlussprüfung könne also nicht lückenlos sein. Daher sei ein in eine langfristige Prüfungsplanung eingebundener Prüfungsplan erforderlich, der in abwechselnden Zeiträumen eine intensive Prüfung der einzelnen Gebiete vorsehe. Dies würde durch eine externe Pflichtrotation aber verhindert, so dass die Wirksamkeit der Prüfung eher beeinträchtigt als gefördert würde69. Als Beleg wird die oben sub a) (2) bereits zitierte70 Studie des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) herangezogen71. Jedoch werden auch Bedenken gegen die Aussagekraft dieser Studie geäußert. So wird kritisiert, dass weder Angaben zur Größe der Stichprobe gemacht noch absolute Zahlen genannt werden. Außerdem beruhe die Studie auf mittlerweile mehr als zehn Jahre alten Ergebnissen. Schließlich gehe aus der Studie nicht zweifelsfrei hervor, ob es sich bei den in der Studie untersuchten Prüfungen um die erste oder zweite Abschlussprüfung überhaupt handele oder um Prüfungen nach einem Prüferwechsel72. Vereinzelt wird die Frage gestellt, ob die nach der Studie zu beobachtende hohe Zahl von aufgedeckten Fehlern nicht im Gegenteil für statt gegen einen Prüferwechsel spreche73. Als weitere Ursache für einen möglichen Qualitätsverlust infolge einer externen Pflichtrotation wird angeführt, dass ein Abschlussprüfer, der im Gegensatz zu einem nicht turnusmäßig tätigen Abschlussprüfer genau wisse, dass er für eine vorgegebene Zahl von Prüfperioden tätig sei, nicht gezwungen sei, die Kundenzufriedenheit durch gute Arbeit jedes Jahr aufs Neue zu erringen74. Dabei wird indessen unterstellt, dass bei der externen Pflichtrotation der Abschlussprüfer unwiderruflich für den Zeitraum bis zur turnusmäßigen Rotation im Vorhinein bestellt wird. Dies ist aber weder zwingend noch zweckmäßig. Eine entsprechende Regelung würde sinnvollerweise nur eine Obergrenze festlegen, ab der eine externe Rotation stattfinden müsste. Darüber hinaus bliebe den Unternehmen überlassen, die Modalitäten der Bestellung des Abschlussprüfers festzulegen, so dass ein Prüferwechsel auch ohne weiteres vor dem turnusmäßigen Wechsel erfolgen könnte. Ein entscheidendes Argument gegen die Einführung einer externen Pflichtrotation wird in dem Qualitätsverlust infolge des Verlusts an mandantenspezifischem Prüfungs-Know-how gesehen, also insbesondere der detaillierten Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit, das wirtschaftliche Umfeld so-

__________ 68 69 70 71

Herzig/Watrin, ZfbF 1995, 795; Ruter (Fn. 66), S. 11. Luik, BB 1976, 237 (238 f.). S. Fn. 49. So etwa IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 17. 72 Niehus, DB 2003, 1637 (1641). 73 Ruhnke, Normierung der Abschlussprüfung, 2000, S. 91 f. 74 So etwa Ruter/Häfele (Fn. 11), S. 19.

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wie Prozesse und Systeme des zu prüfenden Unternehmens75. Von den Befürwortern einer externen Rotation wird dem entgegengehalten, dass ein Verlust an mandantenspezifischem Prüfungs-Know-how durch entsprechende – bereits zuvor angesprochene – berufsrechtliche Regelungen gemindert werden könne, die bei einem Prüferwechsel einen Informationsaustausch zwischen Alt- und Neuprüfer vorschreiben76. Darüber hinaus könnte vorgesehen werden, dass die Verwendung von standardisierten Arbeitspapieren nach einem einheitlichen berufsständischen Standard zwingend vorgeschrieben wird. Die Arbeitspapiere müssten dann bei einer externen Rotation als Duplikat an den Nachfolgeprüfer weitergegeben werden. Im Falle der neben einer externen Pflichtrotation zusätzlichen Einführung eines Joint Audit könnte dem Einwand des Verlusts an mandantenspezifischem Know-how jedoch dadurch begegnet werden, dass man die Aufträge an die an der Gemeinschaftsprüfung beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zeitversetzt (zum Beispiel um 3 Jahre) anstatt gleichzeitig erteilt und dadurch eine lückenlose Weitergabe des Prüfungs-Know-hows sicherstellt77. Unter dem Stichwort des sogenannten „Unterinvestitionsrisikos“ wird eine weitere mögliche Ursache für eine Verminderung der Prüfungsqualität im Fall externer Pflichtrotation diskutiert. Bei der Übernahme eines neuen Mandats sowie bei der erstmaligen Prüfung müsse der Abschlussprüfer je nach Größe und Branche des Mandats nicht selten erhebliche Ausgangsinvestitionen etwa in Form der Erarbeitung eines ausreichenden Wissens über das zu prüfende Unternehmen erbringen, die dann für spätere Prüfungen genutzt werden könnten. Im Falle einer externen Rotation, also bei einer von vornherein begrenzten Zahl von Prüfungen, bestehe für den Prüfer aus ökonomischen Gründen der Anreiz, seine Ausgangsinvestitionen zu reduzieren, was mit der damit verbundenen potentiell schlechteren Informationslage des Prüfers zur Verschlechterung der Prüfungsqualität führen könne78. Schließlich wird die Gefahr nachteiliger Folgen für die Prüfungsqualität auch in dem durch die externe Pflichtrotation verstärkten Druck auf die Prüfungshonorare gesehen79. (2) Mehrkosten Als entscheidender Nachteil einer externen Rotation werden letztlich die damit verbundenen höheren Kosten genannt, die sich u. a. aus den öfter anfallenden Einarbeitungszeiten in neue Prüfungsmandate und den mit Erst-

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75 IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 16. 76 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2234) m. w. N. 77 In diesem Sinne Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2230). 78 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2234) m. w. N. 79 IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 18.

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prüfungen verbundenen größeren Prüfrisiken ergeben80. Hier befürchten vor allem die Berufsverbände einen gesteigerten Druck auf die Prüfungshonorare81. Denn aufgrund der angespannten Konkurrenzsituation am Markt für Abschlussprüfungen könnten die mit der externen Rotation verbundenen Zusatzkosten nicht vollständig an die geprüften Unternehmen weitergegeben werden82. Von Befürwortern der externen Rotation wird zur Vermeidung dieses Preiswettkampfes eine vom Berufsstand für Abschlussprüfungen verbindlich vorgegebene Honorarordnung in Erwägung gezogen83. Die Kritiker der externen Rotation bemängeln weiter, dass nicht nur bei den Abschlussprüfern, sondern auch bei den geprüften Unternehmen aufgrund der bei einer externen Rotation erforderlichen häufigeren Suche nach neuen Prüfern und der aufwendigen Einarbeitung neuer Prüfer in die Geschäftsabläufe und Besonderheiten des jeweiligen Unternehmens höhere Kosten anfallen, die zu den höheren Prüferhonoraren hinzutreten. Darüber hinaus könne zumindest in Einzelfällen die Gefahr bestehen, dass aufgrund der mit Prüferwechseln verbundenen höheren Risiken in den ersten Jahren bei sämtlichen Stakeholdern infolge von Falschurteilen Kosten oder gar Vermögensverluste entstehen84. Ohne näher auf die Plausibilität dieses Einwands einzugehen, lässt sich hierzu sagen, dass sich durch die schon weiter oben genannten Maßnahmen bereits ein Qualitätsverlust infolge eines Prüferwechsels vermeiden ließe. Gegen die Überzeugungskraft des Arguments der Mehrkosten im Falle einer Pflichtrotation wendet sich Niehus85. Er weist darauf hin, dass die Kostenfrage sich schon insofern relativiere, als eine Pflichtrotation nicht jährlich, sondern erst nach mehreren Jahren erfolgen würde. Den Unternehmen würden schon aufgrund der Konkurrenzsituation am Prüfungsmarkt keine Mehrkosten entstehen. Das Risiko für die Abschlussprüfer könne dagegen durch die in der Praxis vielfach üblichen Honorarvereinbarungen minimiert werden. Schließlich würden bei gleichzeitiger Einführung einer Regelung zur Gewährleistung der Überleitung des prüfungsspezifischen Know-hows zwischen Alt- und Neuprüfer entsprechende Mehrkosten weitestgehend vermieden. Speziell im Hinblick auf das Beteiligungsmanagement bei öffentlichen Unternehmen wird außerdem vorgebracht, dass eine Pflichtrotation die kontinuierliche Vergleichbarkeit der Daten und Informationen der Unternehmen,

__________ 80 Ruter (Fn. 66), S. 11. 81 So etwa IDW, Position des IDW zu den in der Diskussion befindlichen Vorschlägen zur Stärkung der Abschlussprüfung nach dem Enron-Zusammenbruch, Rz. 18. 82 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2234). 83 Baetge/Heidemann, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 15.7.2002, 20. 84 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2234). 85 Niehus, DB 2003, 1637 (1641).

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Hanno Merkt

an denen eine Gebietskörperschaft beteiligt ist, erschwere86. Allerdings ist dies ein schwaches Argument, wenn man bedenkt, dass Kommunen für die Prüfungen ihrer kommunalen Unternehmen auch ohne Pflichtrotation verschiedene Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragen87. Gegen eine externe Zwangsrotation wird schließlich die Gefahr der Verstärkung einer wettbewerbsrechtlich unerwünschten Konzentration bei großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu Lasten von kleinen Wirtschaftsprüfungskanzleien angeführt88. Diese Befürchtung legten empirische Untersuchungen nahe, die für den freiwilligen Wechsel des Abschlussprüfers ergeben hätten, dass eine signifikant größere Zahl von Unternehmen zu einer größeren Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und nur wenige Unternehmen zu einer kleinen Gesellschaft wechseln89. Erhärtet wird diese Befürchtung dadurch, dass kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften regelmäßig nur ein regional bzw. fachlich eingeschränktes Betätigungsfeld haben. Wegen der fehlenden überregionalen Bekanntheit einerseits und der mangelnden Kapazität für die Prüfung von größeren Unternehmen oder von Unternehmen aus Spezialbranchen andererseits dürfte es für kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften immer schwieriger werden, durch Zwangsrotation wegfallende Mandate durch neue Mandate zu ersetzen. Diese unerwünschten Auswirkungen auf den Prüfungsmarkt ließen sich jedoch dadurch vermeiden, dass die Einführung der externern Zwangsrotation auf bestimmte Unternehmen, an denen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, beschränkt wird90.

IV. Fazit Wie die kritische Auseinandersetzung mit den Argumenten für und gegen eine interne bzw. externe Rotation gezeigt hat, sprechen grundsätzlich gute Gründe für die Einführung einer externen Rotation. Zudem wurde im Vorangehenden auch dargelegt, dass sich die meisten der gegen eine externe Pflichtrotation ins Feld geführten Nachteile durch eine entsprechende Ausgestaltung der Rotationspflicht vermeiden lassen. So könnte insbesondere bei Einführung eines Joint Audit durch die zeitversetzte Bestellung der beiden Abschlussprüfer ein mandantenbezogener Know-How-Verlust vermieden werden. Allerdings bestehen auch gegen ein Joint Audit gewisse Bedenken. Nicht vermeidbar wären demgegenüber Mehrkosten, deren Höhe jedoch nicht ohne weiteres und pauschal quantifizierbar ist.

__________ 86 Ruter (Fn. 66), S. 11. 87 Ruter (Fn. 66), S. 11 Fn. 49 verweist selbst exemplarisch auf die Stadt Stuttgart, deren Beteiligungsbericht aus dem Jahre 1995 für 15 verschiedene kommunale Unternehmen insgesamt neun verschiedene Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nennt. 88 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2234) m. w. N. 89 Marten, Der Wechsel des Abschlussprüfers, 1994, S. 123 ff. 90 Haller/Reitbauer, DB 2002, 2229 (2234 f.).

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Abschlussprüfung bei öffentlichen Unternehmen

Speziell für öffentliche Unternehmen muss jedoch darüber hinaus berücksichtigt werden, dass neben der Prüfung durch den externen Abschlussprüfer eine zusätzliche Kontrolle durch die Rechnungshöfe und Rechnungsprüfer im Rahmen der sog. Betätigungsprüfung erfolgt91. Hinzu tritt ferner die erweiterte Abschlussprüfung des § 53 HGrG, die einen tieferen Einblick in die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Unternehmens ermöglicht. Angesichts dieser, über die „normale“ externe Abschlussprüfung hinausgehenden, Kontrollmechanismen könnte eine externe Rotation entbehrlich erscheinen.

__________ 91 Häfele (Fn. 34), S. 147 (151).

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Sacheinlagepflicht, Sacheinlagevereinbarung und Sacheinlagefestsetzungen im Aktien- und GmbH-Recht Inhaltsübersicht I. Einleitung

2. Sachkapitalerhöhung a) Die Sacheinlagepflicht des Gesellschafters als nichtmitgliedschaftliche Leistungsverpflichtung b) Das Verhältnis von Bareinlageund Sacheinlagepflicht im Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag c) Das Verhältnis der zeichnungs-/ übernahmevertraglichen Sacheinlagepflicht zur mitgliedschaftlichen Bareinlagepflicht

II. Die Bareinlagepflicht 1. Die Bareinlagepflicht als Bestandteil der Mitgliedschaft 2. Mitgliedschaftliche und nichtmitgliedschaftliche Bareinlagepflicht bei der Barkapitalerhöhung a) Die nichtmitgliedschaftliche Bareinlagepflicht aus dem Zeichnungs-/Übernahmevertrag b) Das Verhältnis der mitgliedschaftlichen zur nichtmitgliedschaftlichen Bareinlagepflicht IV. Die Sacheinlagevereinbarung 3. Nichtmitgliedschaftliche Barein1. Die drei Elemente einer Sacheinlagepflicht bei Gründung einer AG? lagevereinbarung 2. Zur rechtlichen Qualität von SachIII. Die Sacheinlagepflicht einlagevereinbarungen 1. Sachgründung 3. Die Sacheinlagevereinbarung als a) Die Sacheinlagepflicht des AkBestandteil der einheitlichen tionärs als nichtmitgliedschaftGründungserklärung liche Leistungsverpflichtung b) Die Sacheinlagepflicht des GmbH-Gesellschafters als nichtmitgliedschaftliche Leistungsverpflichtung c) Die Bestätigung: Das Verhältnis von Sacheinlagepflicht und Bareinlagepflicht

V. Zur materiellen Satzungsqualität von Sacheinlagefestsetzungen 1. Die Satzungsfestsetzungen bei der Sachgründung 2. Die Festsetzungen im Kapitalerhöhungsbeschluss VI. Schlussbemerkungen

I. Einleitung Sacheinlagen bei einer AG oder GmbH erfordern eine Trias besonderer Festsetzungen: Person des Sacheinlegers, Gegenleistung, Sacheinlagegegenstand. Für die Sachgründung sind diese Festsetzungen in der Satzung vorzunehmen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG); für die Sachkapitalerhöhung begnügt sich die gesetzliche Normierung zwar einerseits mit den entsprechenden Festsetzungen im Kapitalerhöhungsbeschluss (§ 183 Abs. 1 AktG, § 56 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), verlangt aber andererseits deren wörtliche 485

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Übernahme in den Zeichnungsschein (§ 185 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) bzw. die Übernahmeerklärung (§ 56 Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Diese Strukturunterschiede sind jedenfalls nicht selbstverständlich. Nähme man für die Sachgründung an, dass die vorgeschriebenen Satzungsfestsetzungen als materieller Satzungsbestandteil eine mitgliedschaftliche Verpflichtung zur Erbringung der Sacheinlage begründen, bliebe zu erklären, dass und warum es im Falle der Sachkapitalerhöhung hingegen an einer mitgliedschaftlichen Sacheinlagepflicht fehlt und auch fehlen kann. Nimmt man dagegen in Übereinstimmung mit der vom Gesetz vorgezeichneten Regelungsstruktur für die Sachkapitalerhöhung an, dass die Sacheinlageverpflichtung keinen Bestandteil der Mitgliedschaft bildet, bedürfen Funktion, Wirkung und Rechtsqualität der bei der Sachgründung erforderlichen besonderen Satzungsfestsetzungen einer Erklärung. Anders gewendet geht es dann darum, ob – und gegebenenfalls warum – den Sacheinlagefestsetzungen bei der Gründung und bei der Kapitalerhöhung jeweils unterschiedliche Funktionen zukommen oder ob, gegenläufig, die Sacheinlagefestsetzungen eines Kapitalerhöhungsbeschlusses ebenfalls eine materiell satzungsändernde Wirkung aufweisen. Als Ausgangspunkt weiterer Überlegungen sind zunächst die Rechtsgrundlagen der Sacheinlagepflicht (III.) vor dem Hintergrund der Rechtslage bei der Bareinlagepflicht (II.) herauszuarbeiten. Darauf aufbauend werden Inhalt und Rechtscharakter von Sacheinlagevereinbarungen für die Sachgründung und die Sachkapitalerhöhung zu präzisieren sein (IV.). Diese Grundlegung ermöglicht es schließlich, die gesetzlich vorgeschriebenen Sacheinlagefestsetzungen nach Wirkungen und Rechtsqualität näher zu vermessen (V.).

II. Die Bareinlagepflicht 1. Die Bareinlagepflicht als Bestandteil der Mitgliedschaft Die Bareinlagepflicht gründet nach einhelligem Verständnis in der Mitgliedschaft. Zu deren essentialia gehört die auf den Verbandszweck bezogene, bei den Kapitalgesellschaften kraft zwingender gesetzlicher Typisierung in Form der Bareinlagepflicht ausgeformte aktive Förderpflicht. Dies folgerichtig bestätigend, ist bei einer Weiterübertragung der Mitgliedschaft primär deren jeweiliger Inhaber zur Erbringung der Bareinlage verpflichtet; frühere Gesellschafter haften für eine noch ausstehende Einlageschuld nur insoweit, als vom gegenwärtigen primärleistungspflichtigen Mitglied keine Zahlung erlangt werden kann (siehe § 65 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 22 Abs. 1 GmbHG). Rechtskonstruktiv zu erklären ist dies allein mittels der Vorstellung von der Bareinlagepflicht als integralem Bestandteil der Mitgliedschaft. Nur hierdurch ist gewährleistet, dass der Erwerber bei der Übertragung der Mitgliedschaft entgegen den §§ 414 f. BGB, d. h. ohne die Zustimmung der Gesell486

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schaft als der Gläubigerin zum Schuldnerwechsel, ohne weiteres zum Schuldner der rechtsgeschäftlichen Barzahlungspflicht wird und dass – nach seinem vorgängigen Ausschluss – ein früherer Inhaber nur kraft eines gesetzlichen Schuldverhältnisses1, nicht hingegen kraft einer in seiner Person fortbestehenden mitgliedschaftlichen Einlageverpflichtung, in Höhe des noch offenen Einlagebetrags gegen Verschaffung des Mitgliedschaftsrechts (siehe § 22 Abs. 4 GmbHG) in Anspruch genommen werden kann. 2. Mitgliedschaftliche und nichtmitgliedschaftliche Bareinlagepflicht bei der Barkapitalerhöhung a) Die nichtmitgliedschaftliche Bareinlagepflicht aus dem Zeichnungs-/Übernahmevertrag Im Falle der Barkapitalerhöhung gründet die Bareinlagepflicht aus den vorgenannten Gründen jedenfalls auch in der Mitgliedschaft. Allein hierbei kann es allerdings nicht bewenden. Die Mitgliedschaftsrechte entstehen nämlich im Aktienrecht mit der Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 189 AktG) bzw. im GmbH-Recht mit der Eintragung der Kapitalerhöhung2 im Handelsregister, und also kann auch die mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht erst in diesem Zeitpunkt zur Entstehung gelangen3, obgleich die Erwerber der neuen Aktien bzw. Gesellschaftsanteile bereits vor der Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister mindestens ein Viertel der geschuldeten Bareinlage zur freien Verfügung der Geschäftsführung zu leisten haben (§ 188 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 36a Abs. 1 AktG, § 57 Abs. 2 i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Hieraus folgt mit Notwendigkeit, dass auch der Zeichnungsvertrag bzw., in der Terminologie des GmbH-Rechts, der Übernahmevertrag zwischen der Gesellschaft und ihrem künftigen Mitglied eine Verpflichtung zur Leistung der auf das übernommene Mitgliedschaftsrecht entfallenden Einlage begründet.

__________ 1 Für § 65 Abs. 1 Satz 1 AktG siehe etwa Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 65 AktG Rz. 5; Lutter in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1988, § 65 AktG Rz. 6; Gehrlein in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2001, § 65 AktG Rz. 8. 2 Unstreitig im Anschluss an die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1891, S. 106. 3 A. A. – Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag ist Rechtsgrund – etwa Henze in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 9; Hermanns in Michalski, GmbHG, 2002, § 55 GmbHG Rz. 66; widersprüchlich Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 4 und Bungeroth in MünchKomm.AktG, Bd. 2, 2. Aufl. 2003, § 54 AktG Rz. 4 f.: mitgliedschaftliche Einlagepflicht des Aktionärs beruht auf Zeichnungsvertrag als dem Rechtsgrund des Erwerbs der Mitgliedschaft.

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Allenfalls ist noch zu erwägen, dass der Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag statt einer Verpflichtung zur Leistung der Bareinlage in voller Höhe4 lediglich eine solche in Höhe des von der Geschäftsführung eingeforderten Betrags5 schafft. Freilich erscheint diese Spaltung der Rechtsgrundlage nur schwer damit vereinbar, dass die Geschäftsführung die Höhe der eingeforderten Bareinlage oberhalb des Betrags der Mindesteinlage – und vorbehaltlich einer vorrangigen Satzungsfestlegung – nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen bestimmen kann. Denn damit hingen der jeweilige Umfang der nichtmitgliedschaftlichen Zeichnungsverpflichtung und der mitgliedschaftlichen Bareinlageverpflichtung von der Höhe des Bareinlagebetrags ab, den die Geschäftsführung schon vor Entstehung der Mitgliedschaftsrechte einfordert. Andererseits verliert dieser Einwand an Bedeutung, wenn man den weiteren Überlegungen entsprechend annimmt, dass die mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht mit Entstehung der Mitgliedschaft vollinhaltlich an die Stelle der noch offenen Verpflichtung aus dem Zeichnungsvertrag tritt6. Die rechtliche Qualifizierung der zeichnungs- bzw. übernahmevertraglichen Barleistungspflicht hat als Ausgangspunkt, dass die auf den Erwerb von Mitgliedschaftsrechten gegen Erbringung der hierauf entfallenden Einlagen gerichtete Vereinbarung im Aktien- und GmbH-Recht übereinstimmend als ein (unvollkommen) zweiseitig verpflichtender Vertrag7 mit korporationsrechtlicher Qualität8 oder jedenfalls korporations-schuldrechtlicher Doppelnatur9 qualifiziert wird. Allerdings liegt ein korporationsrechtlicher Vertrag nicht allein deswegen vor, weil die Vereinbarung den Erwerb der Mitgliedschaft vermittelt. Denn diese Wirkung tritt auch beim derivativen Erwerb einer bestehenden Mitgliedschaft durch Übertragung einer Aktie oder eines

__________ 4 So für das Aktienrecht etwa Wiedemann in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1995, § 185 AktG Rz. 34; Bungeroth in MünchKomm.AktG (Fn. 3), § 54 AktG Rz. 4 f.; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Bd. 4, 1989/1993/ 1994, § 185 AktG Rz. 51 f.; Peifer in MünchKomm.AktG, Bd. 6, 2. Aufl. 2005, § 185 AktG Rz. 36 f.; für das GmbH-Recht etwa Hermanns in Michalski (Fn. 3), § 55 GmbHG Rz. 66, 99. 5 So wohl Hüffer (Fn. 1), § 185 AktG Rz. 4. 6 Näher dazu sogleich II.2.b). 7 Für das Aktienrecht etwa Hüffer (Fn. 1), § 185 AktG Rz. 4; Hefermehl/Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 47; Peifer in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 32; für das GmbH-Recht Hermanns in Michalski (Fn. 3), § 55 GmbHG Rz. 98; Hellwig in FS Rowedder, 1994, S. 141 (147). 8 Für das Aktienrecht etwa Lutter in KölnKomm.AktG, Bd. 5, 1. Lief. 1990, § 185 AktG Rz. 5, 19; Wiedemann in Großkomm.AktG (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 29 (siehe aber auch Rz. 40); Hefermehl/Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 47; Peifer in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 32; für das GmbH-Recht etwa Priester in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 55 GmbHG Rz. 71; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 55 GmbHG Rz. 31; Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 55 GmbHG Rz. 26; Zimmermann in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 55 GmbHG Rz. 36. 9 Hüffer (Fn. 1), § 185 AktG Rz. 4.

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GmbH-Geschäftsanteils ein, ohne dass dem schuldrechtlichen (Kauf-)Geschäft oder dem dinglichen Vollzugsgeschäft ein korporativer Charakter zuerkannt würde10. Die prägende Besonderheit des Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrags liegt vielmehr darin, dass dieser auf den Erwerb eines in der Person des Zeichners neu entstehenden Mitgliedschaftsrechts gerichtet ist, also auf den sozusagen originären Eintritt in eine Gesellschaft11. Unter diesem Aspekt steht der Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag der von den Gründern geschlossenen Vereinbarung funktional denkbar nahe. Für die rechtliche Einordnung der Barleistungspflicht ist mit dem Verständnis des Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrags als einem Rechtsgeschäft mit korporationsrechtlich-schuldrechtlicher Doppelnatur freilich nicht viel gewonnen. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Verpflichtung keinen Bestandteil der Mitgliedschaft darstellt. Ob man diese nichtmitgliedschaftliche Barleistungspflicht im Übrigen als korporationsrechtliche oder als schuldrechtliche qualifiziert, macht in der Sache keinen Unterschied. Denn auch bei letzterer Einordnung steht schon aufgrund der positivrechtlichen Regelung der § 188 Abs. 2 AktG, § 56a GmbHG fest, dass die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften gegebenenfalls durch gesellschaftsrechtliche Sonderregeln überlagert werden. b) Das Verhältnis der mitgliedschaftlichen zur nichtmitgliedschaftlichen Bareinlagepflicht Von größerem Interesse gegenüber dieser Qualifikationsfrage ist das Verhältnis der mitgliedschaftlichen und der im Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag begründeten Barleistungspflicht. Ausgangspunkt muss sein, dass mit der Entstehung der Mitgliedschaft durch Eintragung (der Durchführung) der Kapitalerhöhung die mitgliedschaftliche Einlagepflicht kraft Gesetzes mit dem identischen Inhalt der Barleistungspflicht aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag entsteht. Allerdings ist die auf den einzelnen Anteil entfallende Bareinlage im Ergebnis nur einmal zu erbringen. Daher ist in der wirksamen Tilgung des letzteren Anspruchs zugleich eine wirksame Vorausleistung auf die künftige mitgliedschaftliche Bareinlageverpflichtung zu sehen. Zudem erlaubt die inhaltliche Identität von nichtmitgliedschaftlicher und mitgliedschaftlicher Barleistungspflicht anzunehmen, dass die Entstehung der Letzteren als eine Art Leistung an Erfüllungs Statt entsprechend § 364 Abs. 1 BGB das Erlöschen der Ersteren zur Folge hat. Darüber hinaus erlischt bei einer AG sogar der Zeichnungsvertrag in toto, wenn die Gesellschaft ihre Verpflichtung aus dem Zeichnungsvertrag zur Zuteilung der Mitgliedschaften voll erfüllt hat (§ 362 Abs. 1 BGB), und ebenso liegt es im Ergebnis bei einer GmbH, wenn die Ge-

__________ 10 Insoweit zutreffend Hermanns in Michalski (Fn. 3), § 55 GmbHG Rz. 66. 11 Zutreffend Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 185 AktG Rz. 19.

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sellschaft ihrer Pflicht zur Verschaffung des Geschäftsanteils ex lege bzw., im Falle eines Bezugsrechtsausschlusses, durch Zuteilung nachgekommen ist. Setzt man die nichtmitgliedschaftliche und die mitgliedschaftliche entsprechend § 364 Abs. 1 BGB ins Verhältnis, gewinnt man zum einen zwanglos eine rechtskonstruktive Fundierung für das aktienrechtlich unstreitige Ergebnis, dass der Gesellschaft nach Eintragung (§ 189 AktG), also nach Entstehung der Mitgliedschaft, gegen einen säumigen Aktionär allein die Rechte aus den §§ 63 ff. AktG zu Gebote stehen, nicht mehr dagegen die §§ 320 ff. BGB analog. Zugleich gewährleistet diese Lösung ohne weiteres, dass das derzeitige Mitglied – und nur dieses – auch dann zur Tilgung der noch offenen Einlageschuld verpflichtet ist, wenn der Inferent, wie dies insbesondere im Falle einer verdeckten Sacheinlage vorkommen wird, die aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag geschuldete Bareinlage nicht erbracht hat und die entstandene Mitgliedschaft auf einen Dritten übertragen wird. Bestünde die zeichnungs- bzw. übernahmevertragliche Barleistungspflicht hingegen fort, käme es dagegen zu einer Schuldnerverdoppelung. Die Stellung des Inferenten aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag, und erst recht also seine hierin begründete Bareinlagepflicht (arg. §§ 414 f. BGB), kann nämlich nur mit Zustimmung der Gesellschaft auf einen Dritten rechtsgeschäftlich übertragen werden12. 3. Nichtmitgliedschaftliche Bareinlagepflicht bei Gründung einer AG? Die der Barkapitalerhöhung eigene Struktur einer zweifachen Fundierung der Bareinlagepflicht scheint sogar für die Gründung einer AG zu gelten, da § 23 AktG zwischen der Übernahme der Aktien (Abs. 2) und der Satzungsfeststellung (Abs. 3) unterscheidet. Jedoch werden Satzungsfeststellung und Übernahmeerklärung(en) nach der Abschaffung der Stufengründung durch das AktG 1965 weithin als zwei Bestandteile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts angesehen13 und der Einlageverpflichtung daher die Qualität eines notwendigen materiellen Satzungsbestandteils zuerkannt14. Dem insoweit denkbaren Einwand aus der Systematik des § 23 Abs. 2 und 3 AktG lässt sich wohl mit dem Hinweis begegnen, dass die Satzung i. S. des § 23 Abs. 3 AktG mit der Ausklammerung der Übernahmeerklärung von Angaben freigehalten werden soll, die lediglich während des Gründungsstadiums von Interesse sind15.

__________

12 Ausdrücklich etwa Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 8), § 55 GmbHG Rz. 43. 13 Z. B. Hüffer (Fn. 1), § 23 AktG Rz. 16; Bungeroth in MünchKomm.AktG (Fn. 3), § 54 AktG Rz. 4; Kraft in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1986, § 23 AktG Rz. 8; a. A. wohl noch Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Bd. 1, 1973/1983/ 1984, § 23 AktG Rz. 15, 45. 14 Hüffer (Fn. 1), § 23 AktG Rz. 16. 15 So z. B. Hüffer (Fn. 1), § 23 AktG Rz. 16; Röhricht in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2004, § 27 AktG Rz. 14.

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III. Die Sacheinlagepflicht Zur Sacheinlagepflicht ist zunächst klarzustellen, dass die Deutung der Sacheinlagevereinbarung als (auch) einer Erfüllungsabrede16 entgegen gelegentlichen Missverständnissen17 nicht in Abrede stellt, dass der Sacheinleger einer echten Leistungspflicht zur Erbringung der Sacheinlage unterliegt18. Im Übrigen bietet es sich an, das Meinungsbild anhand der Unterscheidung von Sachgründung und Sachkapitalerhöhung kritisch aufzuarbeiten. 1. Sachgründung a) Die Sacheinlagepflicht des Aktionärs als nichtmitgliedschaftliche Leistungsverpflichtung aa) Die Verpflichtung eines Aktionärs gegenüber der AG zur Leistung der Sacheinlage wurde früher als gesondertes, von der Übernahmeerklärung i. S. des § 23 Abs. 2 AktG (und der Satzungsfeststellung) zu unterscheidendes Rechtsgeschäft in Form der Sacheinlagevereinbarung gedeutet19. Zunehmend erblickt man darin jedoch einen unselbständigen Bestandteil der komplexen Sachgründungserklärung20 und sieht die Sacheinlagepflicht als eine echte mitgliedschaftliche Verpflichtung21. bb) Entgegen dieser neueren Sicht erscheint es freilich unabweisbar, dass die Sacheinlagevereinbarung im Falle der Sachgründung einer AG nicht Teil der Mitgliedschaft ist. Denn nach allgemeiner und positivrechtlich auf die §§ 54 Abs. 2, 65 Abs. 2 AktG gestützter Überzeugung hat die Übertragung der Mitgliedschaft nämlich nicht etwa zur Folge, dass die Sacheinlageverpflichtung (auch) den neuen Aktionär träfe. Vielmehr besteht die Sacheinlagepflicht des bisherigen Aktionärs ungeachtet des Übergangs der Aktien auf den neuen Inhaber fort22.

__________ 16 Näher dazu unten III.1.c) m. w. N. in Fn. 42. 17 Z. B. Zeidler in Michalski (Fn. 3), § 5 GmbHG Rz. 67. 18 Siehe etwa Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 5 und (Fn. 8) § 183 AktG Rz. 7; Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 15; Hüffer (Fn. 1), § 27 AktG Rz. 4. 19 Eckardt in GHEK (Fn. 13), § 27 AktG Rz. 21 (körperschaftliches Verpflichtungsgeschäft eigener Art zwischen den Gründern); Kraft in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1988, § 2 AktG Rz. 7; Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 27 AktG Anm. 2. 20 Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 13; Hüffer (Fn. 1), § 27 AktG Rz. 4; Pentz in MünchKomm.AktG, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, § 23 AktG Rz. 12. 21 Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 14; Hefermehl/Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 54 AktG Rz. 7; Hüffer (Fn. 1), § 27 AktG Rz. 4, § 54 AktG Rz. 2, 4. 22 Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 11; Henze in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 31; Hüffer (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 4; Hefermehl/Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 54 AktG Rz. 6, 18; Bungeroth in MünchKomm.AktG (Fn. 3), § 54 AktG Rz. 13; Godin/Wilhelmi (Fn. 19), § 54 AktG Anm. 4.

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Zu erklären ist dieser Verbleib der Sacheinlagepflicht beim Sachgründer rechtskonstruktiv wohl nur mit der Annahme, dass diese Leistungspflicht nicht Teil der Mitgliedschaft und also eine nichtmitgliedschaftliche23 Verpflichtung ist. Zunächst einmal wäre es zumeist schon gar nicht möglich, der einzelnen Aktie als je eigener Mitgliedschaft einen bestimmten Sacheinlagegegenstand eindeutig zuzuordnen. Man denke nur daran, dass der Sacheinleger sich zur Einbringung eines Unternehmens bzw., allgemeiner, einer Mehrzahl von Vermögensgegenständen verpflichtet und seine Aktien zumindest teilweise an einen oder mehrere Zweiterwerber überträgt, ohne zuvor die Sacheinlage vollständig geleistet zu haben. In einem solchen Fall wäre es ganz und gar unmöglich, der einzelnen Mitgliedschaft (Aktie) einen bestimmten Sacheinlagegegenstand zuzuordnen, dessen Einbringung kraft einer angeblichen mitgliedschaftlichen Sacheinlagepflicht geschuldet wäre. Ins Grundsätzliche gewendet erscheint das Konzept einer mitgliedschaftlichen Sacheinlagepflicht, die trotz des Übergangs der Mitgliedschaft weiterhin allein den bisherigen Aktionär trifft, zutiefst widersprüchlich. Angesichts dessen wenig überraschend, stünde es zudem im kaum aufzulösenden Widerspruch dazu, dass es sich bei der Haftung der Vormänner gegenüber der AG nach § 65 AktG um ein gesetzlich begründetes Schuldverhältnis24 und nicht um ein Residuum der früheren Mitgliedschaftsbeziehung handelt. Umgekehrt harmoniert die nichtmitgliedschaftliche Einordnung der Sacheinlagepflicht dagegen voll und ganz mit der Grenzziehung bei den durch § 55 AktG zugelassenen Neben(leistungs)pflichten. Solche Verpflichtungen werden nur dann als Teil der Mitgliedschaft angesehen, wenn sie bei der Übertragung der Aktie auf den neuen Aktionär übergehen; andernfalls handele es sich um eine rein schuldrechtliche Verpflichtung25. Gegenüber diesen Überlegungen verfängt auch nicht der Einwand, dass dem unterbleibenden Übergang der Sacheinlagepflicht ohnehin keine Bedeutung zukomme, weil zum einen § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG die Übertragung der Mitgliedschaft in der noch nicht eingetragenen (Vor-)AG ausschließe26 und zum anderen eine Sacheinlage vor der Anmeldung zum Handelsregister vollständig zu erbringen sei (§ 36a Abs. 2 Satz 1 AktG), so dass ein etwaiger späterer Übergang der Mitgliedschaft insoweit irrelevant wäre. Zunächst einmal gilt

__________ 23 Demgegenüber von allenfalls untergeordneter Bedeutung erscheint, ob man die Sacheinlagepflicht als eine korporative oder aber als eine schuldrechtliche (so Mülbert, AG 2003, 281 [283 ff.]) Verpflichtung kennzeichnet. Letztere Einordnung vermag selbstredend nichts daran ändern, dass die Anwendung der allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften, etwa betreffend die Erfüllung, durch die besonderen kapitalgesellschaftsrechtlichen Regeln modifiziert werden. 24 Dazu schon oben II.1. m. w. N. in Fn. 1. 25 Siehe Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 23 AktG Rz. 18. 26 Kraft in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1986, § 41 AktG Rz. 112; Hüffer (Fn. 1), § 41 AktG Rz. 30; Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 41 AktG Rz. 161; Eckardt in GHEK (Fn. 13), § 41 AktG Rz. 57, § 29 AktG Rz. 34; relativierend K. Schmidt, GmbHR 1997, 869 (872).

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nach einer weitverbreiteten Auffassung nämlich, dass der Sacheinleger die von ihm versprochenen Sachen erst innerhalb von fünf Jahren nach erfolgter Eintragung statt bis zur Registeranmeldung leisten muss27. Und selbst wenn man dies gegenteilig sähe, würde der fehlende Übergang der Sacheinlageverpflichtung jedenfalls in den praktisch freilich seltenen Fällen zum Tragen kommen, in denen die Eintragung der neugegründeten Gesellschaft erfolgt, ohne dass der Sacheinleger seine noch vorhandene Sacheinlage bereits vollständig erbracht hat. b) Die Sacheinlagepflicht des GmbH-Gesellschafters als nichtmitgliedschaftliche Leistungsverpflichtung aa) Für die Sachgründung einer GmbH ist man sich seit jeher einig, dass die Sacheinlagevereinbarung nicht etwa Inhalt eines selbständigen Übernahmevertrags ist, sondern ebenso wie die Barleistungspflicht ein unselbständiger Bestandteil der Beitrittserklärung zum Gesellschaftsvertrag28 bzw. der Mitgliedschaft29. Dass die Entstehung der (Vor-)GmbH mit ihren Gesellschaftern im Falle einer Sachgründung auf einer komplexen Gründungserklärung beruhe, habe zwar strukturelle Divergenzen gegenüber der sogleich anzusprechenden Sachkapitalerhöhung zur Folge. Jedoch bestehe jedenfalls im GmbHRecht dennoch kein Anlass für eine Verselbständigung der Sacheinlagevereinbarung gegenüber der Gründungserklärung30. bb) Gleichwohl erscheint es im Falle der Sachgründung einer GmbH ebenfalls geboten, die Sacheinlagepflicht als eine nichtmitgliedschaftliche Verpflichtung einzuordnen. Nur auf den ersten Blick wird man dem entgegenhalten wollen, dass § 7 Abs. 3 GmbHG im Unterschied zum aktienrechtlichen Regelungsrahmen eindeutig bestimmt, dass Sacheinlagen vor Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister vollständig zur freien Verfügung der Geschäftsführer geleistet sein müssen. Denn im GmbH-Recht fehlt es an einer § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG entsprechenden Vorschrift, so dass die tradierte Einordnung der Mitgliedschaft in der Vor-GmbH als einer unübertragbaren

__________ 27 Zu der gegensätzlichen Interpretation des Satz 1 und Satz 2 des § 36a Abs. 2 AktG näher unten III.2.a). 28 Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter (Hrsg.), GmbHG, 2005, § 5 GmbHG Rz. 29; Zeidler in Michalski (Fn. 3), § 5 GmbHG Rz. 66; Schmidt-Leithoff in Rowedder/ Schmidt-Leithoff (Fn. 8), § 5 GmbHG Rz. 23; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 26 Rz. 60; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 5 GmbHG Rz. 50; anders – körperschaftliches Hilfsgeschäft – Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 8), § 5 GmbHG Rz. 13. 29 So ausdrücklich Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 8), § 5 GmbHG Rz. 21; H. Winter/H.P.Westermann in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 5 GmbHG Rz. 40. 30 Ulmer (Fn. 28), § 5 GmbHG Rz. 29.

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Rechtsposition31 zunehmend zugunsten der Annahme zurücktritt, es handele sich hierbei gemäß den allgemeinen Regeln um eine im Grundsatz übertragbare, vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsbestimmung jedoch ex lege vinkulierte Rechtsposition32. Folgt man dem, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen einer Übertragung des Gesellschaftsanteils auf die Sacheinlageverpflichtung generell und nicht allein für Sonderkonstellationen. Aber auch wenn man an der Nichtübertragbarkeit der Mitgliedschaft in der VorGmbH, wenn auch ohne zwingende Sachgründe, festhalten wollte, begegnet dieses Problem ebenso wie im Aktienrecht zumindest im praktisch freilich eher seltenen Fall, dass die Sacheinlage noch nicht vollständig geleistet wurde und die Eintragung entgegen § 7 Abs. 3 GmbHG gleichwohl erfolgt. Für die Lösung ist wie im Aktienrecht anzunehmen, dass die Sacheinlagepflicht beim ursprünglichen Sacheinleger verbleibt, statt auf den Erwerber überzugehen33, und also einen nichtmitgliedschaftlichen Charakter aufweist. Denn hierdurch wird das Interesse der Gesellschaft am Erhalt des Sacheinlagegegenstands am ehesten gewahrt, wenn der Sacheinleger, wie regelmäßig, nicht zugleich auch den Gegenstand der Sacheinlage auf den Zweiterwerber der Mitgliedschaft überträgt, sondern sich die Inhaberschaft hieran vorbehält. c) Die Bestätigung: Das Verhältnis von Sacheinlagepflicht und Bareinlagepflicht Das Verständnis der Sacheinlagepflicht als einer nichtmitgliedschaftlichen Verpflichtung erlaubt schließlich auch, diese mit der mitgliedschaftlichen Bareinlagepflicht zwanglos ins Verhältnis zu setzen, und erfährt hierdurch zugleich eine Bestätigung. Im Ausgangspunkt kommen, was das Verhältnis der beiden Pflichten zueinander angeht, überhaupt nur zwei Alternativen in Betracht: die einander ausschließende Vereinbarung einer primären Bareinlagepflicht oder einer primären Sacheinlagepflicht oder die kumulative, miteinander verknüpfte Vereinbarung von Sacheinlage- und Bareinlagepflicht. Beide Alternativen könnten freilich keine überzeugende Lösung leisten, würde man auch die Sachein-

__________ 31 Z. B. BGH, NJW 1997, 1507; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 8), § 2 GmbHG Rz. 13; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff (Fn. 8), § 11 GmbHG Rz. 63; Michalski (Fn. 3), § 2 GmbHG Rz. 40; Roth/Altmeppen (Fn. 28), § 11 GmbHG Rz. 63. 32 K. Schmidt in Scholz (Fn. 29), § 11 GmbHG Rz. 41; in diese Richtung letztlich auch Ulmer (Fn. 28), § 11 GmbHG Rz. 48: Übertragung der Beteiligung an der VorGmbH bei Zustimmung aller Mitgesellschafter. 33 Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 8), § 22 GmbHG Rz. 2; Ebbing in Michalski (Fn. 3), § 22 GmbHG Rz. 68; Roth/Altmeppen (Fn. 28), § 22 GmbHG Rz. 5; a. A. Müller in Ulmer (Fn. 28), § 22 GmbHG Rz. 14; Pentz in Rowedder/ Schmidt-Leithoff (Fn. 8), § 22 GmbHG Rz. 22.

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lagepflicht als eine primäre mitgliedschaftliche Leistungspflicht verstehen. Im Einzelnen: Wären die Bareinlagepflicht und die Sacheinlagepflicht als einander wechselseitig ausschließende Ausformungen der primären Einlagepflicht des Gesellschafters zu verstehen34, ließe sich eine ergänzende Kapitaldeckungspflicht des Sacheinlegers, etwa für den Fall des Untergangs, der anfänglichen Überbewertung oder des nachträglichen Wertverlusts der versprochenen, aber noch nicht erbrachten Sacheinlage, lediglich mittels Annahme einer (fiktiven) rechtsgeschäftlichen Wertdeckungszusage35 oder einer dahingehenden gesetzlichen Verpflichtung, sei es gemäß § 9 GmbHG36 (analog37) oder als Ausfluss des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung38, begründen. Die (partielle) Nichterfüllung der primären Sacheinlagepflicht des Inferenten würde danach mittels einer verschuldensunabhängigen sekundären Barleistungsgarantie abgesichert und folgerichtig läge in einer entsprechenden Zuzahlung auch nicht eine Bareinlage, sondern ein Bestandteil der Sacheinlage39. Jedoch wäre mit diesem Sinn- und Funktionszusammenhang kaum zu begründen, dass bei der Übertragung der Mitgliedschaft auf einen Zweiterwerber lediglich die sekundäre Kapitaldeckungsverpflichtung übergeht40 bzw., anders gewendet, dass es hierdurch zum Auseinanderfallen von primärer Sacheinlagepflicht und sekundärer Kapitaldeckungsverpflichtung kommt. Besonders klar tritt dies beim Modell einer rechtsgeschäftlichen Kapitaldeckungszusage des Sacheinlegers zu Tage. Die verbreitete Gegenposition nimmt denn auch an, dass den Inferenten stets eine primäre mitgliedschaftliche Barleistungspflicht trifft – das in den unabdingbaren Kapitalaufbringungsvorschriften ausgeprägte Prinzip der realen Kapitalaufbringung gestalte die Mitgliedschaft zwingend in diesem Sinne aus41 –, der jedoch eine Erfüllungsabrede nach Art einer datio in solutum beigefügt ist, so dass die zulässige Leistung der Sacheinlage zur Befreiung von

__________ 34 So etwa Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 27 AktG Rz. 13 f.; Wiedemann in Großkomm.AktG (Fn. 4), § 183 AktG Rz. 27; Zeidler in Michalski (Fn. 3), § 5 Rz. 66. 35 So Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 27 AktG Rz. 41 für den Zeitraum vor Eintragung. 36 A. A. etwa Raiser/Veil (Fn. 28), § 6 Rz. 66: Fall des gesetzlichen Wiederauflebens des Bareinlageanspruchs. 37 Vgl. etwa Wiedemann in Großkomm.AktG (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 44. 38 So Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 27 AktG Rz. 44 für den Zeitraum nach Eintragung. 39 So Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 27 AktG Rz. 44; Röhricht in Großkomm. AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 94. 40 Siehe etwa Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 11; Henze in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 32; Hefermehl/Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 54 AktG Rz. 6, 18. 41 Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 104; Hüffer (Fn. 1), § 27 AktG Rz. 2, 18.

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der Bareinlagepflicht führt42, 43. Allerdings sei der Sacheinleger zur Erbringung der Sacheinlage nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet44. Im Ergebnis bedeutet dies freilich, dass ein Gesellschafter zwar primär stets eine Barleistung schuldet, gleichwohl aber die Gesellschaft im Falle der Vereinbarung einer Sacheinlage den Gesellschafter primär auf Leistung der Sacheinlage in Anspruch nehmen muss. Dies wiederum erscheint bestenfalls zirkulär. Diesen Bedenken entgeht man, wenn man die Sacheinlagepflicht, wie hier, als eine nichtmitgliedschaftliche Verpflichtung und nicht als Bestandteil der Mitgliedschaft begreift. Ist die Bareinlagepflicht nämlich die einzige – und nicht lediglich die primäre – mitgliedschaftliche Leistungspflicht, bedeutet es auch keinen Widerspruch, wenn die Gesellschaft den Gesellschafter zunächst allein wegen der Sacheinlage und erst dann auf die Bareinlage in Anspruch nehmen darf, sofern es entweder an einer wirksamen Sacheinlageverpflichtung überhaupt fehlt oder die Erbringung der Sacheinlage teilweise oder gänzlich unmöglich ist. Der datio in solutum vorgeschaltet ist nämlich eine Art pactum de non petendo des Inhalts, dass die Gesellschaft auch über

__________ 42 Für das Aktienrecht etwa Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 5; Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 10, 13, 104; Henze in Großkomm.AktG (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 13; Hefermehl/Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 54 AktG Rz. 8; wohl auch Hüffer (Fn. 1), § 27 AktG Rz. 2, § 54 AktG Rz. 10; Kraft in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1986, § 27 AktG Rz. 8; ablehnend hierzu etwa Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 27 AktG Rz. 13 f. Für das GmbH-Recht etwa Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff (Fn. 8), § 5 GmbHG Rz. 13; Ulmer (Fn. 28), § 5 GmbHG Rz. 99; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 8), § 5 GmbHG Rz. 38; ablehnend etwa H.Winter/H. P. Westermann in Scholz (Fn. 29), § 5 GmbHG Rz. 40; Zeidler in Michalski (Fn. 3), § 5 GmbHG Rz. 66 (mit auf einem Missverständnis [oben bei Fn. 17 f.] beruhender Kritik). Zur parallel gelagerten Frage im Falle der Sachkapitalerhöhung unten III.2.c) m. w. N. in Fn. 60. 43 In welcher Höhe die Befreiung von der Bareinlagepflicht eintritt, ist eine zweite Frage. Befürworter des datio-Modells gehen wohl meist davon aus, dass Befreiung in voller Höhe und nicht lediglich in Höhe des tatsächlichen Werts der Sacheinlage eintritt. Für den Fall der Überbewertung oder des nachträglichen Wertverlusts einer noch nicht erbrachten Sacheinlage wird nämlich angenommen, dass die Verpflichtung des Sacheinlegers zur Leistung des Differenzbetrags aus einer gesetzlichen Differenzhaftung resultiert (siehe etwa Röhricht in Großkomm.AktG [Fn. 15], § 27 AktG Rz. 94; auch Lutter in KölnKomm.AktG [Fn. 8], § 183 AktG Rz. 66). Dieser „Umweg“ wäre jedoch entbehrlich, wenn die Bareinlagepflicht, wie vereinzelt angenommen (Heyder in Michalski [Fn. 3], § 9 GmbHG Rz. 1), lediglich in Höhe des tatsächlichen Werts des Sacheinlagegegenstands im Leistungszeitpunkt erlöschen würde. Angemerkt sei im Übrigen, dass § 9 GmbHG dieser einfacheren Lösung insofern im Wege steht als dieser für die Höhe des Differenzhaftungsanspruchs auf den Wert des Sacheinlagegegenstands im Zeitpunkt der Anmeldung statt auf denjenigen im Zeitpunkt der befreienden Leistung auf die Bareinlagepflicht abstellt. 44 Oben III. vor 1. m. N. in Fn. 18.

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ihre Eintragung ins Handelsregister45 hinaus an der Geltendmachung der primären Bareinlagepflicht gehindert ist, es sei denn, dass eine wirksame Sacheinlagepflicht gar nicht erst wirksam entstanden oder nachträglich wegen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) oder aus anderen Gründen entfallen ist. 2. Sachkapitalerhöhung a) Die Sacheinlagepflicht des Gesellschafters als nichtmitgliedschaftliche Leistungsverpflichtung Für die Sachkapitalerhöhung einer AG folgt die Sacheinlagepflicht nach h. M. aus dem Zeichnungsvertrag46, und zwar auch insoweit, als die Sacheinlage erst zu leisten ist, nachdem die Durchführung der Kapitalerhöhung zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet wurde47. Einzelne Stimmen beschränken demgegenüber die Verpflichtung des Aktionärs aus dem Zeichnungsvertrag darauf, „die Sacheinlage zu erbringen, sofern sie vor der Anmeldung zu leisten ist“48, so dass die Sacheinlagepflicht im Übrigen zum Bestandteil der Mitgliedschaft werden muss49. Die praktische Bedeutung der letzteren Differenzierung ist vor dem Hintergrund einer ganz und gar gegensätzlichen Interpretation des auch für die Sachkapitalerhöhung maßgeblichen (siehe § 188 Abs. 2 AktG) § 36a Abs. 2 AktG zu sehen: Nach verbreiteter, entstehungsgeschichtlich gestützter Auffassung dürfen Sacheinlagen in Form der Übertragung von Rechten und Sachen innerhalb von fünf Jahren nach Eintragung vollzogen werden (Satz 2) und lediglich die seltenen sonstigen Sacheinlagen müssen bereits im Zeitpunkt der Anmeldung erbracht sein (Satz 1)50. Im Gegensatz hierzu nimmt die nicht minder starke Gegenposition unter Verweis auf Wortlaut und Systematik der Vorschrift an, dass der Sacheinleger die von ihm versprochenen Sachen oder Rechte grundsätzlich vor der Anmeldung zum Handelsregister erbringen muss (Satz 1) und lediglich bei Einbringung einer bereits bestehen-

__________ 45 Vor der Handelsregistereintragung ist der Gesellschaft die Geltendmachung des Barzahlungsanspruchs verwehrt; siehe nur Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 104; krit. dazu Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 27 AktG Rz. 41. 46 Wiedemann in Großkomm.AktG (Fn. 4), § 183 AktG Rz. 72, 185 AktG Rz. 34. 47 Hefermehl/Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 51 f. 48 Hüffer (Fn. 1), § 185 AktG Rz. 4. 49 Hüffer (Fn. 1), § 54 AktG Rz. 2, 4. 50 Z. B. Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 36a AktG Rz. 6 ff.; Hüffer (Fn. 1), § 36a AktG Rz. 4, § 188 AktG Rz. 9; Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 36a AktG Rz. 13 ff.; Eckardt in GHEK (Fn. 13), § 36a AktG Rz. 12 ff.; Hefermehl/ Bungeroth in GHEK (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 51.

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den Forderung ein maximal fünfjähriger Tilgungszeitraum ab der Eintragung ins Handelsregister eröffnet ist (Satz 2)51. Im Ergebnis muss unabhängig von der Frage nach dem Verhältnis der Sätze 1 und 2 des § 36a Abs. 2 AktG gelten, dass (allein) der Zeichnungsvertrag die nichtmitgliedschaftliche Verpflichtung zur Erbringung der Sacheinlage begründet. Die obigen Überlegungen zur nichtmitgliedschaftlichen Qualität der Sacheinlagepflicht bei der Sachgründung52 haben nämlich für die Sachkapitalerhöhung gleichermaßen Gültigkeit. Demgegenüber verschlägt auch nicht der Hinweis, dass die § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG unterfallenden Sacheinlagen zwar noch bis zu fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister erbracht werden können, die für die Verjährung der Ansprüche aus dem Zeichnungsvertrag maßgebliche regelmäßige Verjährungsfrist (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) jedoch lediglich drei Jahre beträgt. Ohne Vorliegen der „den Anspruch begründenden Umstände“ i. S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt die Verjährungsfrist nämlich auf keinen Fall zu laufen, und hierzu gehört auch die Fälligkeit des Anspruchs53, die in den Fällen des § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG (i. V. m. § 188 Abs. 2 AktG) erst mit Ablauf der Fünf-Jahres-Frist eintritt54. Für die Sachkapitalerhöhung einer GmbH spielt die aktienrechtliche Kontroverse um den Zeitpunkt, bis zu dem eine Sacheinlage geleistet sein muss, von vornherein keine Rolle. § 56a i. V. m. § 7 Abs. 3 GmbHG schreibt nämlich ausdrücklich vor, dass eine Sacheinlage vor der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung ins Handelsregister vollständig zu erbringen ist. Dementsprechend ist man sich einig, dass die Verpflichtung zur Erbringung der Sacheinlage stets bereits im Übernahmevertrag begründet wird55, und zwar, so ist zu ergänzen, mit nichtmitgliedschaftlichem Charakter. b) Das Verhältnis von Bareinlage- und Sacheinlagepflicht im Zeichnungsbzw. Übernahmevertrag Im Falle der Sachkapitalerhöhung ist in struktureller Parallele zur Sachgründung, wenn auch bezogen auf den Inhalt des Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrags, ebenfalls die Frage nach dem Verhältnis von Sacheinlage- und Bareinlageverpflichtung aufgeworfen. Insoweit wird man ebenfalls anzunehmen haben, dass die Verpflichtung des Zeichners bzw. Übernehmers primär in einer Barleistung besteht und die Sacheinlageverpflichtung mit der Möglich-

__________ 51 Z. B. Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 188 AktG Rz. 27 f.; Wiedemann in Großkomm.AktG (Fn. 4), § 185 AktG Rz. 34; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 29 III 2.a. (S. 899); Kraft in KölnKomm.AktG (Fn. 42), § 36a AktG Rz. 10 ff. 52 Oben III.1.a) bb). 53 Siehe nur Peters in Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 199 BGB Rz. 5 ff. 54 Siehe Hüffer (Fn. 1), § 36a AktG Rz. 4 a. E. 55 Siehe nur Priester in Scholz (Fn. 8), § 55 GmbHG Rz. 93 i. V. m. Rz. 116.

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keit einer befreienden Leistung (auch) auf die einem pactum de non petendo unterworfene Bareinlagepflicht zusätzlich übernommen wird56. c) Das Verhältnis der zeichnungs-/übernahmevertraglichen Sacheinlagepflicht zur mitgliedschaftlichen Bareinlagepflicht Was das Verhältnis der zeichnungs- bzw. übernahmevertraglichen Sacheinlagepflicht zur mitgliedschaftlichen Bareinlagepflicht betrifft, ist zwischen dem Zeitraum vor Eintragung (der Durchführung) der Kapitalerhöhung und dem diesem nachfolgenden Zeitraum zu unterscheiden. Mit der Eintragung entstehen nämlich Mitgliedschaft und mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht des Gesellschafters, und Letztere tritt als eine Art Leistung an Erfüllungs Statt an die Stelle der bis dahin bestehenden nichtmitgliedschaftlichen Barleistungspflicht aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag57. Vor der Eintragung sind die zeichnungs- bzw. übernahmevertragliche Sacheinlagepflicht und die künftige mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht durch eine Art intertemporaler Tilgungskette miteinander verknüpft. Mit der Leistung der Sacheinlage erbringt der Inferent zugleich eine befreiende Leistung auf die Barleistungspflicht aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag, und diese wiederum bildet zugleich eine wirksame Vorausleistung auf die künftige mitgliedschaftliche Barleistungspflicht58. Ist die Eintragung erfolgt und hat der Inferent die Sacheinlage noch nicht (vollständig) geleistet, werden die fortbestehende Sacheinlagepflicht aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag und die nunmehrige mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht wie im Falle der Sachgründung59 durch eine Erfüllungsabrede60 und ein pactum de non petendo miteinander verknüpft. Denn die mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht entsteht kraft Gesetzes inhaltlich vollidentisch mit der bisherigen zeichnungs- bzw. übernahmevertraglichen Barleistungspflicht, und diese Barleistungspflicht ist eben ihrerseits mit der Sacheinlagepflicht aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag durch eine Erfüllungsabrede und ein pactum de non petendo verknüpft61.

__________ 56 Näher zum Verhältnis von nichtmitgliedschaftlicher Sacheinlagepflicht und mitgliedschaftlicher Bareinlagepflicht bei der Sachgründung oben III.1.b). 57 Siehe oben II.2.b). 58 Oben II.2.b). 59 Dazu oben III.1.c). 60 Für den Zeichnungsvertrag (AG) insoweit auch Peifer in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 183 AktG Rz. 7; Lutter in KölnKomm.AktG (Fn. 8), § 183 AktG Rz. 8; Hüffer (Fn. 1), § 183 AktG Rz. 4; krit. Wiedemann in Großkomm.AktG (Fn. 4), § 183 AktG Rz. 27; für den Übernahmevertrag (GmbH) insoweit auch Priester in Scholz (Fn. 8), § 56 GmbHG Rz. 18; Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff (Fn. 8), § 56 GmbHG Rz. 2; krit. Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 8), § 56 GmbHG Rz. 5. 61 Soeben unter III.2.b).

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IV. Die Sacheinlagevereinbarung 1. Die drei Elemente einer Sacheinlagevereinbarung Die Sacheinlagevereinbarung zwischen den Gründern einer AG oder GmbH sowie, für den Fall einer Sachkapitalerhöhung, zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Sacheinleger umfasst nach den bisherigen Überlegungen drei Elemente: (i) die Verpflichtung zur Erbringung einer bestimmten Sacheinlage, (ii) eine Abrede nach Art eines pactum de non petendo dahingehend, dass die Gesellschaft die primäre Barleistungspflicht des Sacheinlegers auch über die Handelsregistereintragung hinaus solange und soweit nicht geltend machen darf, als dieser die Sacheinlage noch erbringen kann, und (iii) eine Abrede nach Art einer datio in solutum dergestalt, dass der Sacheinleger den Sacheinlagegegenstand mit befreiender Wirkung zugleich auch auf seine primäre Bareinlageverpflichtung leisten kann. 2. Zur rechtlichen Qualität von Sacheinlagevereinbarungen Trotz übereinstimmender Regelungsgehalte differiert die rechtliche Qualität von Sacheinlagevereinbarungen je nachdem, ob es sich um eine Vereinbarung zwischen den Gründern oder aber, im Falle einer Sachkapitalerhöhung, zwischen der Gesellschaft und dem künftigen Mitglied handelt. Was die Sachgründung angeht, ergänzt eine Sacheinlagevereinbarung die primäre mitgliedschaftliche Barleistungspflicht dahingehend, dass die Gesellschaft diese nur unter bestimmten Voraussetzungen geltend machen darf und dass der Sacheinleger die geschuldete Sacheinlage zugleich auch befreiend auf seine Barleistungspflicht erbringen darf. Mit diesen inhaltlichen Modifikationen der notwendig einen Bestandteil der Mitgliedschaft bildenden Bareinlagepflicht62 kommt der Sacheinlagevereinbarung jedenfalls auch eine mitgliedschaftsbezogene Wirkung zu, und zwar unabhängig davon, ob man die nichtmitgliedschaftliche Sacheinlagepflicht als korporative oder schuldrechtliche Leistungspflicht qualifiziert63. Bei einer Sachkapitalerhöhung beschränkt sich die Wirkung der Sacheinlagevereinbarung demgegenüber darauf, die im Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag begründete nichtmitgliedschaftliche Barzahlungspflicht zu modifizieren. Sieht man hierin eine über rein schuldrechtliche Leistungspflichten hinausgehende korporative Verpflichtung64, läge die Deutung der Sacheinlagevereinbarung zwischen Gesellschaft und Inferenten als einer korporativen Vereinbarung zwar nahe. Freilich wäre damit wiederum nur wenig gewonnen. Von Bedeutung ist vielmehr die von dieser Qualifizierung ganz unabhängige Einsicht, dass die Sacheinlagevereinbarung den Inhalt der vom Infe-

__________

62 Zum notwendig mitgliedschaftlichen Charakter der Bareinlagepflicht oben II.1. 63 Dazu oben III.1.a) bb) in Fn. 23. 64 Dazu oben II.2.a).

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renten zu erwerbenden künftigen Mitgliedschaft jedenfalls formal ganz unberührt lässt. 3. Die Sacheinlagevereinbarung als Bestandteil der einheitlichen Gründungserklärung Mit vorstehenden Präzisierungen zu Inhalt und Rechtsqualität von Sacheinlagevereinbarungen lässt sich die Abrede über die Erbringung einer Sacheinlage (auch) im Falle der Sachgründung einer AG oder GmbH als weiterer Bestandteil der hiernach als komplexes einheitliches Rechtsgeschäft zu qualifizierenden Gründungserklärung verstehen. Für die Sachgründung einer Kapitalgesellschaft erwachsen hieraus auch keine zusätzlichen Wirksamkeitsrisiken65. Denn soweit ein Nichtigkeitsgrund im Einzelfall allein die Sacheinlagevereinbarung und nicht auch kraft Fehleridentität die übrigen Bestandteile der Gründungserklärung – Satzungsfeststellung und Übernahmeerklärung – betrifft, entscheidet sich die Wirksamkeit des Erklärungsrests vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nach § 139 BGB66 bzw., wenn man diese gesetzliche Vermutung zugunsten der Gesamtnichtigkeit eines einheitlichen Rechtsgeschäfts aufgrund von kapitalgesellschaftsrechtlichen Eigengesetzlichkeiten nicht für anwendbar hält, anhand der wertenden Feststellung, ob der als Sacheinleger vorgesehene Gründer sich auch bei der Beschränkung seiner Einlageverpflichtung auf eine reine Bareinlage beteiligt hätte67. Bei beiden Ansätzen spielt es für die Bewertung angesichts des inneren Sachzusammenhangs von Gründungserklärung (= Satzungsfeststellung mit Übernahmeerklärung) und Sacheinlagevereinbarung keine Rolle, ob zwei äußerlich getrennte Rechtsgeschäfte, zwei in einer einheitlichen Urkunde zusammengefasste Rechtsgeschäfte oder ein auch äußerlich einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt.

V. Zur materiellen Satzungsqualität von Sacheinlagefestsetzungen Abschließend lässt sich auf der Grundlage vorstehender Überlegungen nunmehr auch die Eingangsfrage nach Funktion und Rechtsqualität der gesetzlich vorgeschriebenen Sacheinlagefestsetzungen beantworten.

__________ 65 Gleichsinnige Beurteilung durch Zeidler in Michalski (Fn. 3), § 5 GmbHG Rz. 66. 66 So etwa Zeidler in Michalski (Fn. 3), § 5 GmbHG Rz. 195. 67 Für das Aktienrecht ohne Heranziehung des § 139 BGB etwa Röhricht in Großkomm.AktG (Fn. 15), § 27 AktG Rz. 161 f., 166, 169 f. (zu § 306 BGB a. F.); Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 20), § 27 AktG Rz. 49. Für das GmbH-Recht ausdrücklich gegen die Anwendbarkeit des § 139 BGB etwa Ulmer (Fn. 28), § 2 GmbHG Rz. 87, § 5 GmbHG Rz. 104; ohne Heranziehung dieser Vorschrift etwa Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff (Fn. 8), § 5 GmbHG Rz. 39; Zeidler (Fn. 3), § 5 GmbHG Rz. 164; Roth/Altmeppen (Fn. 28), § 5 GmbHG Rz. 66.

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1. Die Satzungsfestsetzungen bei der Sachgründung Für die Satzungsfestsetzungen bei der Sachgründung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) ist der h. M. im Ergebnis darin beizupflichten, dass es sich hierbei um einen materiellen Satzungsbestandteil handelt. Allerdings beruht dies nicht auf der Rechtsqualität der Sacheinlageverpflichtung des Inferenten. Diese ist gerade kein Bestandteil der Mitgliedschaft, sondern hat nichtmitgliedschaftlichen Charakter und verbleibt dementsprechend auch nach dem Übergang der Mitgliedschaft beim ursprünglichen Sachgründer. Vielmehr folgt die materielle Satzungsqualität daraus, dass die Sacheinlagefestsetzungen die mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht des Einlegers in zweifacher Hinsicht modifizieren: (i) die Gesellschaft darf die primäre Barleistungspflicht des Sacheinlegers auch über die Handelsregistereintragung hinaus solange und soweit nicht geltend machen, als dieser die Sacheinlage noch erbringen kann (pactum de non petendo), und (ii) der Sacheinleger kann den Sacheinlagegegenstand mit befreiender Wirkung zugleich auch auf seine primäre Bareinlagepflicht leisten (datio in solutum). 2. Die Festsetzungen im Kapitalerhöhungsbeschluss Ein Beschluss über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen erfordert nach § 183 Abs. 1 AktG, § 56 Abs. 1 Satz 1 GmbHG besondere Sacheinlagefestsetzungen, die mit den materiellen Satzungsfestsetzungen bei der Sachgründung inhaltlich praktisch identisch sind. Ob einem Sachkapitalerhöhungsbeschluss auch unter diesem Gesichtspunkt – und also über die satzungsändernde Wirkung eines „einfachen“ Kapitalerhöhungsbeschlusses hinaus68 – satzungsändernde Wirkung zuzuerkennen ist, findet bislang kaum Aufmerksamkeit. Im Ergebnis wird man diese Frage freilich zu verneinen haben. Maßgeblich hierfür ist, dass zum einen die zeichnungs- und bzw. übernahmevertragliche Sacheinlagepflicht eine nichtmitgliedschaftliche Verpflichtung bildet und dass zum anderen die Sacheinlagefestsetzungen im Sachkapitalerhöhungsbeschluss die Verpflichtungen des Einlegers aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag dadurch inhaltlich vorzeichnen, dass diese Festsetzungen wörtlich in den Zeichnungsschein (§ 185 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) bzw. die Übernahmeerklärung (§ 56 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) aufzunehmen sind. Dagegen bewirkt ein Sachkapitalerhöhungsbeschluss keine unmittelbare Modifikation der (künftigen) Mitgliedschaft des Inferenten, und in Sonderheit keine Modifikation von dessen mitgliedschaftlicher Bareinlagepflicht. Die gegenüber dem „Grundfall“ einer Barkapitalerhöhung abweichende Behandlung der Bareinlagepflicht des an einer Sachkapital-

__________ 68 Im Aktienrecht resultiert der satzungsändernde Charakter aus der Änderung der im Statut niedergelegten Grundkapitalziffer sowie der Zahl der ausgegebenen Aktien (§ 23 Abs. 3 Nr. 3, 4 AktG), im GmbH-Recht allein aus der Änderung der Kapitalziffer (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG).

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erhöhung teilnehmenden Sacheinlegers vor der – ihm noch möglichen – Erbringung der Sacheinlage folgt allein daraus, dass die mit Entstehung der Mitgliedschaft durch Eintragung (der Durchführung) der Kapitalerhöhung ins Handelsregister begründete mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht kraft Gesetzes denselben Inhalt aufweist wie die hierdurch entsprechend § 364 Abs. 1 BGB erlöschende zeichnungs- bzw. übernahmevertragliche Barleistungspflicht, und dass die mitgliedschaftliche Bareinlagepflicht dementsprechend auch kraft Gesetzes in die Verknüpfungen zwischen der Barleistungsund Sachleistungspflicht des Inferenten aus dem Zeichnungs- bzw. Übernahmevertrag einrückt69.

VI. Schlussbemerkungen Sacheinlagepflicht, Sacheinlagevereinbarung, Sacheinlagefestsetzungen – so lautet der Dreiklang des Rechts der Sacheinlage im Aktien- und GmbHRecht. Versteht man die Verpflichtung zur Erbringung einer Sacheinlage als nichtmitgliedschaftliche Pflicht und baut auf diesem Grundton konsequent auf, findet selbst die am Ausgangspunkt dieses Beitrags stehende Dissonanz – der Gegensatz von Satzungsfestsetzungen bei der Sachgründung und Hauptversammlungsbeschlussfestsetzungen bei der Sachkapitalerhöhung – eine harmonische Auflösung. Dass all dies in eine Bestätigung der notariellen Praxis bei der Sachkapitalerhöhung ausklingt, mag den Jubilar besonders erfreuen.

__________ 69 Dazu oben III.2.b).

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Die Kapitalmarktrechnungslegung Inhaltsübersicht I. Rechnungslegung und Gesellschaftsrecht II. Ungereimtheiten in der derzeitigen Rechnungslegung III. Internationalisierung der Rechnungslegung für internationale Kapitalmärkte

IV. Entstaatlichung der Kapitalmarktrechnungslegung und deren Überwachung V. Folgerungen für das deutsche Gesellschaftsrecht VI. Folgerungen für den Kapitalmarkt VII. Fazit

I. Rechnungslegung und Gesellschaftsrecht Der Jubilar ist bekannt als sachkundiger Gesellschaftsrechtler. Seine Beiträge zum Recht der Kapitalgesellschaften und zum Umwandlungsrecht sind uns stets gegenwärtig. Dabei droht sein enges Verhältnis zum Bilanzrecht etwas unter den Scheffel zu geraten, gehörte er doch in den Anfangsjahren seiner Berufstätigkeit dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer an. Was ihn damals wohl bewogen haben mochte, die Tätigkeit eines Hamburger NurNotars dem Wirtschaftsprüferdasein vorzuziehen, verbirgt sich dem Autor dieser Zeilen. Aus heutiger Sicht war es für den Juristen aber genau das Richtige. Während die gute alte HGB-Bilanz dem in bewährten Systemen und Auslegungskategorien denkenden Juristen ein reiches und interessantes Betätigungsfeld bot, insbesondere wenn er auch noch betriebswirtschaftlich interessiert oder vorbelastet war, so ist das bei den derzeit die hergebrachte Rechnungslegung überwuchernden sog. internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen (International Financial Reporting Standards: IFRS) gar nicht mehr der Fall. Vielmehr fühlt sich der Jurist alter Schule eher in einen Irrgarten richtlinienhafter Detailregelungen versetzt; Detailregelungen, die auf schwankendem Fundament (den „Fundamentals“) stehen, soweit überhaupt vorhanden, die durch Schnelllebigkeit ohne ruhenden Pol ausgezeichnet und von zweifelhafter Legitimation sind. Aber sie sind mächtig: Sie beherrschen die internationalen Kapitalmärkte und damit die Unternehmen, die diese Kapitalmärkte in Anspruch nehmen. Der Notar sorgt für klare Verhältnisse. Der Bilanzier entwirft ein Augenblicksbild von seinem Unternehmen aus seiner Perspektive mit der von ihm gewünschten Tiefenschärfe und der Wirtschaftsprüfer endlich wirft seinen kritischen Blick darauf und versucht herauszufinden, ob dies alles ohne gro505

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ben Kunstfehler gemacht ist. Das Letzte würde dem Jubilar als Betätigungsfeld wohl so recht nicht mehr gefallen. Die Rechnungslegung steht unzweifelhaft in einer Zeit des Umbruchs; in einer Zeit, in der das alte Europa (Kontinentaleuropa) in den Augen Vieler mit seinen gläubigerschützenden Bilanzrechten ins Abseits unbrauchbarer, unzweckmäßiger und verzopfter Regelungen geraten ist. Nun könnte man ja tapfer das Neue rezipieren – ob es besser ist oder nicht sei einmal dahingestellt –, wenn es nur um die Rechnungslegung ginge. Sie steht aber nicht allein! Insbesondere im Recht der Kapitalgesellschaften ist sie vielfach verschränkt mit dem Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung und es ist nicht übertrieben, im Recht der Rechnungslegung einen wesentlichen Teil des Gesellschaftsrechts zu sehen. Schlussendlich geht es bei einer Rezeption, ob vollständig oder nur teilweise durch eine Modifikation der HGB-Regeln darum, wovon wir uns trennen und was wie behalten wollen. Für diese Diskussion ist der geradlinige, klare und durchaus der Tradition verpflichtete Kopf des Jubilars von unschätzbarer Wichtigkeit. Einige Gedanken dazu sollen ihm nachfolgend gewidmet sein.

II. Ungereimtheiten in der derzeitigen Rechnungslegung Still und leise ist die sog. internationale Rechnungslegung in unsere Kreise eingetreten. Zuerst über einige Großunternehmen, die sich von einer Notierung an einer US-amerikanischen Börse Vorteile versprachen. Sie mussten dafür aber ihre Rechnungslegung parallel zur inländischen Rechnungslegung nach US-GAAP aufmachen, weil der US-amerikanische Kapitalmarkt andere Rechnungslegungssysteme nicht akzeptieren wollte und auch derzeit noch nicht will. Was in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts noch wie ein exotisches Gewächs betrachtet werden konnte, hat sich jedoch mit nicht vorhergesehener Geschwindigkeit in unsere Rechnungslegung eingenistet, zwar nicht in Form der US-GAAP, die man bis dato als nationale Rechnungslegungsgrundsätze mit internationalem Geltungsbereich bezeichnen konnte, sondern in Form der nunmehr wirklich internationalen Rechnungslegungsgrundsätze, die vom International Accounting Standards Board (IASB) festgelegt werden. Wirklich international heißt in diesem Fall auch international privat. Denn Träger des IASB ist die International Accounting Standards Committee Foundation (IASCF), eine Stiftung nach dem Recht des US-Staats Delaware, die sich finanziert über freiwillige Beiträge (Spenden) der interessierten (globalen) Unternehmen, insbesondere der vier großen weltumspannenden Wirtschaftsprüfungsunternehmen1. Die Stiftungsziele sind, soweit sie hier interessieren:

__________ 1 Vgl. Pohl in Becksches IFRS Hdb., 2. Aufl. 2006, § 1 Rz. 11. Nach BT-Drucks. 16/2207, 1 tragen deutsche Unternehmen ca. 15 % des derzeitigen IASB-Budgets. Auch wenn 2007 die laufenden Finanzierungszusagen enden, bevorzugt die Bundes-

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– im öffentlichen Interesse einen einzigen gültigen Satz globaler Standards der Rechnungslegung zu entwickeln, um die Teilnehmer in den Kapitalmärkten der Welt und andere Nutzer beim Treffen wirtschaftlicher Entscheidungen zu unterstützen, – eine Konvergenz der nationalen Standards mit den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen (IAS/IFRS) herbeizuführen. Zwei Punkte sind herauszuheben: Zum einen die Kapitalmarktlastigkeit; die „anderen Nutzer“ sind eher Kollateralbegünstigte. Zum anderen die gewollte Ausstrahlung in die nationalen Standards (Konvergenz): De facto heißt das Konvergenz mit den US-GAAP, was aus der Kapitalmarktlastigkeit der Standards unmittelbar einleuchtet; am wichtigsten Kapitalmarkt führt kein Weg vorbei. Das bedingt auch die ausschließlich angelsächsische Prägung der internationalen Standards. Was die kontinentaleuropäischen, insbesondere deutschen Rechnungslegungssysteme anbelangt, ist die Konvergenz eine Einbahnstraße. Die Ideen und Initiativen kommen aus dem internationalen Bereich in Richtung Anpassung der nationalen Standards. Eine gegenseitige Befruchtung – anders als bei US-GAAP – findet nicht statt und ist auch gar nicht gewollt. Das Eindringen eines Fremdlings in den bisher wohlgeordneten durch Rechtsprechung und Literatur zwar komplizierten aber doch systematisch geschlossenen Körper unseres nationalen Bilanzwesens kann bei aller Schmerzhaftigkeit durchaus sein Gutes haben: nämlich Besinnung und Klärung der Position. Wo und wofür stehen die Systeme, zu welchem Zweck braucht man sie? Je nach dem Ergebnis dieser Analyse kann man das eine System – das kann nach Sachlage nur das nationale sein – über kurz oder lang getrost ad actas legen. Oder aber zwei Systeme machen so viel Sinn, aus welchen Gründen auch immer (das Gesellschaftsrecht und das Steuerrecht dürften eine große Rolle spielen), dass der ökonomische Mehraufwand der Doppelgleisigkeit gerechtfertigt und den Unternehmen zumutbar erscheint. Sollte der letzte Gesichtspunkt valide sein, so stellt sich die Frage, ob eine konsequente Fortentwicklung des tradierten nationalen Systems getreu seinen Kernfunktionen nicht sinnvoller ist als ein mehr oder weniger aleatorisches Aufmischen mit Elementen der internationalen Rechnungslegung. Dabei kann man sich eine eindeutige Konzentration auf Kernfunktionen vorstellen: z. B. Gewinnermittlung, Kapitalerhaltung, Gläubigerschutz für die HGBBilanz; Informationsverschaffung für die IAS/IFRS-Bilanz.

__________ regierung auch in Zukunft die „freiwillige Finanzierung durch Unternehmen“; vgl. BT-Drucks. 16/2207, 3. Die – nicht unproblematische – Frage der Konfliktfreiheit erörtert die Bundesregierung überhaupt nicht.

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Die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze machen zumindest eine klare und deutliche Aussage, nämlich zu ihrem Zweck (objective). Dazu wird dreierlei gesagt2: – Vergleichbarkeit mit Abschlüssen desselben Unternehmens aus vorausgegangenen Perioden und Vergleichbarkeit mit Abschlüssen anderer Unternehmen. – Informationsinstrument für wirtschaftlich relevante Entscheidungen. – Informationsinstrument für Entwicklung und Ergebnisse des dem Management anvertrauten Vermögens (stewardship). Dabei gehören die ersten beiden Punkte zusammen: Entscheidungsrelevant ist natürlich die Entwicklung des Unternehmens in der Zeitabfolge und der Vergleich mit der Entwicklung anderer Unternehmen. Die Rechenschaftsfunktion erscheint dagegen eher als Nebeneffekt (... also show the results of the stewardship of management). Das muss auch so sein, wenn Ziel des Abschlusses vorrangig die Beurteilung der (zukünftigen) Fähigkeit des Unternehmens sein soll „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente zu erwirtschaften und den Zeitpunkt und die Wahrscheinlichkeit ihres Entstehens“. Es geht um die Fähigkeit des Unternehmens die „Beschäftigten und Lieferanten zu bezahlen, Zinsverpflichtungen einzuhalten, Darlehen zurückzuzahlen und Ausschüttungen an seine Anteilseigner vorzunehmen“3. Daraus erklärt sich auch die Hinwendung des IASB zur Zeitwertbeurteilung (fair value) und zwar nicht nur bei der Folge –, sondern auch bei der Erstbewertung und die Tendenz zu einer Änderung des Konzepts der Ertragsvereinnahmung in Richtung fortschreitender Realisierung auch von schwebenden Geschäften4. Eine solche Rechnungslegung ist konsequenterweise prospektiv und damit notwendigerweise in starkem Maße subjektiv und nicht retrospektiv und objektiv i. S. unserer tradierten Rechnungslegung. Der Schutz derer, die eine wirtschaftliche Entscheidung schon getroffen haben und in eine vertragliche Beziehung mit dem Unternehmen eingetreten sind, also insbesondere der Gläubiger, ist allenfalls ein Nebeneffekt, aber kein Kernziel internationaler Rechnungslegung. Differenzierter ist die Ortsbestimmung der HGB-Bilanzierung. Ihr Zweck wird im HGB nirgends so klar ausgesprochen wie das IAS 1.8 für die internationale Rechnungslegung tut. Es dürfte aber allgemeine Meinung sein, dass Kernbereich der HGB-Bilanzierung der Gläubigerschutz und die Bestimmung dessen ist, was unter dieser Maxime von den Gesellschaftern aus dem Unternehmen herausgezogen werden kann (Ausschüttungsbegrenzung). Dazu ge-

__________ 2 IAS 1.1 und 1.7; IASC-Foundation Satzung Abs. 2; Rahmenkonzept IASB Rz. 12, Rz. 14. 3 Rahmenkonzept Rz. 15. 4 Vgl. auch Ballwieser, IFRS Rechnungslegung, 2006, § 26 ff.

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hört eine vorsichtige und objektivierbare Ergebnisermittlung5. Nur unter dieser Prämisse ist auch die steuerliche Maßgeblichkeit der Handelsbilanz vertretbar und praktizierbar: Eine Ertragsbesteuerung von Prognosen, Hoffnungen und Erwartungen würde weder dem Prinzip der Leistungsfähigkeit noch dem Nettoprinzip entsprechen, das nach objektiven Kriterien das Betriebsvermögen am Beginn und am Ende einer Rechnungsperiode vergleichen muss. Weil der Gläubigerschutz gleichermaßen das Gesellschaftsrecht, insbesondere das Kapitalgesellschaftsrecht durchzieht, kommt es zu der bereits erwähnten engen Verzahnung zwischen Bilanz- und Gesellschaftsrecht. Das beginnt bei der Kapitalaufbringung, insbesondere im Gründungsrecht der juristischen Person; es sei nur auf die Unterbilanzhaftung (Differenzhaftung, Vorbelastungshaftung) hingewiesen6. Das setzt sich fort im Leben der juristischen Person, insbesondere bei den mannigfachen Regeln zur Kapitalerhaltung bei Kapitalgesellschaften (§§ 30 ff. GmbHG; §§ 57 Abs. 3, 58, 62, 150 AktG; §§ 19, 21a Abs. 2 GenG). Das Vertragskonzernrecht wird wesentlich durch das Bilanzrecht geprägt; dazu ist nur auf die Regeln über die Gewinnabführung (§ 301 AktG), über die Verlustübernahme (§ 302 AktG) und über die Rücklagenbildung (§ 300 AktG) zu verweisen. Selbst bei der Eingliederung gibt es noch eine, wenn auch aufgeweichte Ausschüttungssperre (§ 324 Abs. 2 AktG). Aber auch im Recht der Personengesellschaften hat das Bilanzrecht zentrale Bedeutung, ist es doch – wie bei den Kapitalgesellschaften – der bestimmende Faktor für den Gewinnanspruch des Gesellschafters (§§ 120, 121, 167, 168 HGB) und das ist schließlich im Regelfall das wichtigste Gesellschafterrecht überhaupt. Das Verhältnis zwischen Gesellschafter und seiner Gesellschaft wird also ganz wesentlich geprägt durch die Regeln zur Aufstellung, Feststellung und Publizität des Jahresabschlusses (§§ 172 ff. AktG; §§ 41 ff. GmbHG) und zur Gewinnverwendung (§ 174 AktG; § 46 Nr. 1 GmbHG; §§ 60, 62 AktG; §§ 29, 32 GmbHG). Diese Regeln konkretisieren den Pflichtenkreis der zuständigen Organe (§§ 91, 170 ff. AktG; §§ 41 ff. GmbHG; §§ 242 ff. HGB). Nicht zu vergessen ist die Warnfunktion der Bilanzregeln bei Verlust der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals (§ 92 AktG; § 49 Abs. 3 GmbHG; § 33 Abs. 3 GenG). Dies sind nur Beispielfälle aus dem gesellschaftsrechtlichen Regelverlauf. In Sondersituationen bei Kapitalmaßnahmen, Umwandlungen im weiteren Sinne und anderen gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen spielt die Rechnungslegung ebenfalls eine wesentliche Rolle.

__________ 5 Das Vorsichtsprinzip ist zwar ins Rahmenkonzept aufgenommen (Rz. 37), wird aber überlagert durch die Conditio, keinesfalls stille Reserven zu legen. Das führt zu einer relativ schwachen Ausprägung; vgl. Pellens//Fülbier/Gassen, Internationale Rechnungslegung, 6. Aufl. 2006, S. 106. 6 Vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 41 AktG Rz. 8.

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Grundlegende Veränderungen des Bilanzrechts dürfen also nicht ohne die entsprechenden Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht oder – umgekehrt – nicht ohne gleichzeitige Änderung des Gesellschaftsrechts erfolgen. Für das Gesellschaftsrecht ist jedoch Kernbereich der Rechnungslegung nicht die Information, sondern die Konkretisierung der Gesellschafterrechte (insbesondere die Abspaltung des Gewinnbezugsrechts vom allgemeinen Vermögensrecht des Gesellschafters), der Gläubigerschutz und die Entlastungsfunktion für die zuständigen Organe. Die Information ist ein, wenn auch wichtiger, Nebenzweck. Der GmbH-Gesellschafter kann sich viel weitergehende Informationen über § 51a GmbHG verschaffen und der Kapitalmarktaktionär ist ohnehin über Zwischenberichte und ad hoc Mitteilungen laufend informiert. Diese Einbettung in das Gesellschaftsrecht gibt der HGB-Bilanzierung eine Richtung, die den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen naturgemäß ganz und gar fremd ist und auch sein muss. Denn Gesellschaftsrechte sind nach wie vor noch national; ob das zu begrüßen oder zu bedauern ist, sei dahingestellt. Nicht einmal die Societas Europea hat uns eine europaübergreifende einheitliche Rechtsform, sondern nur 27 nationale neue Rechtsformen gebracht. Dies ist die Ausgangslage für Überlegungen zur Angleichung (Konvergenz) von nationalen und internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen. Eine freischwebende Konvergenz – egal ob man diesen Begriff mit Annäherung oder Übereinstimmung übersetzen will – so wie sie sich vielleicht die IASC Foundation Satzung vorstellt7, ist reichlich unausgegoren, solange damit keine Konvergenz der Gesellschaftsrechte einhergeht. Ob eine solche Konvergenz überhaupt wünschenswert ist oder ob nicht eine Vielfalt von Rechtsformen in Konkurrenz zueinander viel attraktiver ist, wäre ja vorab zu entscheiden. Das Schaulaufen der englischen Limited jedenfalls muss nicht sofort zu einer Rechtsangleichung führen, eher vielleicht zur Schaffung einer ganz neuen – spezifisch konkurrenzfähigen – Rechtsform8. Etwas anderes gilt sicherlich für die global oder wenigstens EU-weit gehandelten Kapitalmarktgesellschaften. Dort ist zumindest eine annähernd gleichwertige Corporate Governance anzustreben. Solange die gesellschaftsrechtliche Funktion der Rechnungslegung im bisherigen Umfange und in der bisherigen Bedeutung aufrecht erhalten bleibt, wird eine Annäherung oder Anpassung der HGB-Bilanzierung an internationale Rechnungslegungsgrundsätze immer dann zu Ungereimtheiten führen, wenn sich die Systeme von ihrem Zweck her nicht decken. Dies ist zu bedenken, wenn sich der Gesetzgeber an eine „Modernisierung“ des HGB-Bilanzrechts macht. Systemwidrig wäre z. B. die Übernahme des weiten Begriffs

__________ 7 IASC Foundation Satzung Abs. 2. 8 Überzeugend Lutter, BB-Special 7/2006, S. 2 ff.

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des aktivierungspflichtigen Vermögensgegenstandes in der Definition des IAS/IFRS Rahmenkonzepts (Nr. 49(a)) als eine[r] Ressource, die aufgrund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen aus ihr künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt.

Dieses Verständnis widerspricht der Definition des Vermögensgegenstandes nach HGB, die auf die Schuldendeckungsfähigkeit und damit die selbständige Verkehrsfähigkeit abstellt9. Ähnliches gilt für die Übernahme von Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten nach IAS 39 (jedenfalls soweit eine Bewertung zum Marktwert erfolgt) oder für die Realisierung von Fertigungsaufträgen nach Leistungsfortschritt (IAS 11.22). Dies sind nur willkürlich herausgegriffene Beispiele, die nichtsdestoweniger häufig aus nahe liegendem Interesse für eine Übernahme in das HGB-Bilanzrecht zur Diskussion stehen. Das sollte aber nur soweit passieren, als dem Telos der HGB-Bilanz nicht entgegen gearbeitet wird. Jede weitere Vermischung wird schließlich zur Selbstauflösung des Systems führen. Dabei ist auch zu beachten, dass eine gesetzliche Regelung langfristig und verlässlich angelegt sein muss, während sich die internationalen Rechnungslegungsstandards rasch ändern und nach ganz anderen Interessenschwerpunkten fortentwickeln können.

III. Internationalisierung der Rechnungslegung für internationale Kapitalmärkte Die internationale Rechnungslegung hat ihren Ausgang in einer privatrechtlichen Organisation der Berufsverbände von Wirtschaftsprüfern aus neun Ländern genommen: das war die Gründung des International Accounting Standards Committee (IASC) 1973 in London10. Die vom angelsächsischen Rechnungslegungssystem geprägten Gründungsmitglieder (6 Mitglieder) hatten von Anfang an die Überzahl über die kontinentaleuropäische Seite (Frankreich, Deutschland) und das ähnlich strukturierte Japan. Gewichtiger wurden diese Harmonisierungsbemühungen als 1987 die Zusammenarbeit mit der International Organisation of Securities Commissions – IOSCO – (Internationale Organisation der nationalen Börsenaufsichtsbehörden) aufgenommen wurde, die in Aussicht stellte die International Accounting Standards (IAS; heute IFRS) ihren Mitgliedern als Börsenzulassungsstandards zu empfehlen11. Schon daraus ergibt sich, dass die internationale Rechnungslegung

__________ 9 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, 6. Aufl. 1995 ff., § 246 HGB Rz. 15 ff.; Baumbach/ Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006, § 246 HGB Rz. 5; Kleindiek in Großkomm. Bilanzrecht, 2002, § 246 HGB Rz. 5. 10 Nach der Neuorganisation 2001 die International Accounting Committee Foundation. 11 Zur Entwicklung der IAS/IFRS vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (Fn. 5), S. 73 ff.; Kleekämper/Kuhlewind/Alvarez in ADS (Fn. 9), International A Kap. I Rz. 20 ff.

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ein Phänomen der Internationalität der Kapitalmärkte ist. Dabei setzen die Maßstäbe nur wenige Börsenplätze und zwar die kapitalstärksten und damit mächtigsten. So wurde die „Internationalität“ in Deutschland zunächst von den US-amerikanischen Börsen (insbesondere NYSE) und deren Aufsichtsbehörden (SEC) beherrscht. „Internationalität“ schlug sich in der Transformation deutscher Abschlüsse (Konzernabschlüsse) in Abschlüsse nach US-GAAP nieder. Die ersten deutschen Unternehmen gingen 1993 an den amerikanischen Kapitalmarkt (Daimler-Benz). Das nationale Bilanzrecht schien weder infiziert noch gar insgesamt gefährdet. Gewisse Instrumente wurden wegen ihrer Praktikabilität vielmehr als Anregungen für das nationale Recht aufgenommen12. Eine wirklich internationale Gegenposition haben heute die IAS/IFRS des IASB erlangt, was sich u. a. in ihrer mehr oder weniger geschlossenen Übernahme für die konsolidierten Abschlüsse von kapitalmarktorientierten Gesellschaften innerhalb der EU zeigt13. Die IASB-Standards befinden sich derzeit in einem Anpassungsprozess mit den US-GAAP. Es ist damit zu rechnen, dass dieser Prozess spätestens dann Erfolg haben wird, wenn die IFRS keine gewichtigen Differenzen zu den US-GAAP mehr aufweisen. Dann ist – kapitalmarktgetrieben – ein Zustand erreicht, der zu einer grundsätzlich weltweit einheitlichen Rechnungslegung aller kapitalmarktbezogenen Unternehmen führt. Gegen die Kapitalmarktbezogenheit des IAS/IFRS könnte man ins Feld führen, dass sich der IASB eine solche Beschränkung nicht auferlegt, vielmehr einen allgemeinen Geltungsanspruch erhebt. Inzwischen hat sich aber auch dort die Einsicht durchgesetzt dass den außerordentlich komplizierten, umfangreichen und detailversessenen Regelungen kein genereller Gültigkeits- und schon gar nicht Zweckmäßigkeitsanspruch zukommen kann. Das zeigt sich in dem Bestreben Standards für kleine und mittelgroße Unternehmen (small and medium-sized entities: SME) zu entwickeln bzw. die bestehenden Standards entsprechend abzumagern. In Wirklichkeit geht es aber gar nicht um die sog. SME, sondern generell um die Nicht-Kapitalmarktunternehmen, um die Unternehmen ohne öffentliche Kapitalmarktrechenschaftspflicht (public accountability)14. Davon abgesehen, ob diese Bestrebungen von Erfolg gekrönt sein werden, belegen sie, dass die derzeitigen Standards kapitalmarktbestimmt sind. Die Standards sind getrieben und zugeschnitten auf die weltweit in etwa identischen Bedürfnisse der Kapitalmärkte und deren Teilnehmer. Es erklärt sich aus der Natur der Sache, dass der einzelstaatliche Einfluss auf diese Rechnungslegungswerke nach Null tendieren wird. Wie anders sollte denn

__________ 12 Z. B. Diskussion um die percentage of completion method bei Langfristfertigung. 13 Art. 4 VO (EG) Nr. 1606/2002. 14 Zutreffend Ballwieser (Fn. 4), S. 9.

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sonst eine wirkliche Internationalität gewährleistet werden. Allenfalls Staaten mit einem überwältigenden Gewicht im Kapitalmarktgeschehen, wie z. B. derzeit die USA, können ihre Vorstellungen international durchsetzen oder notfalls einen Sonderweg gehen. Die EU übernimmt in einem quasi-gesetzgeberischen Akt die IAS/IFRS im Verordnungswege in unmittelbar geltendes Recht für die konsolidierten Abschlüsse von kapitalmarktorientierten Unternehmen15. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier nicht um einen originären Rechtsetzungsakt, sondern um die Übernahme und Sanktionierung von Drittregeln handelt, bei denen die EU keine Initiative, sondern allenfalls ein Veto entfalten kann. Dabei ist ein Veto mit der Gefahr der Unstimmigkeit oder Lückenhaftigkeit des Rechnungslegungssystems insgesamt belastet mit der Folge, dass im Auslegungswege doch wieder auf schon existierende aber noch nicht formell übernommene Standards oder Standardelemente zurückgegriffen wird, werden darf oder werden muss16. Insgesamt jedenfalls ist festzustellen, dass sich, soweit internationale Rechnungslegungsstandards anzuwenden sind (also für die Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen), der nationale Gesetzgeber ganz und der EU-Verordnungsgeber beinahe vollständig seiner eigenen Regelungskompetenz zugunsten einer letztendlich zwar internationalen aber doch privatrechtlichen Organisation begeben haben.

IV. Entstaatlichung der Kapitalmarktrechnungslegung und deren Überwachung Die Kompetenzabgabe für Konzernrechnungslegungsstandards bezogen auf den Kapitalmarkt ist aus deutscher Sicht zweistufig erfolgt, nämlich zunächst insgesamt an die EU (§ 315a Abs. 1 HGB; Art. 4 VO (EG) Nr. 1606/ 2002) und dann – mit Veto – von der EU an die privatrechtliche Organisation des IASB. Verblieben ist beim deutschen Gesetzgeber nur die Regelung des Konzernlageberichts (§ 315 HGB), den IAS/IFRS nicht kennen. Der deutsche Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich der IAS/IFRS sogar noch ausgedehnt auf die Unternehmen, die zwar noch nicht am Kapitalmarkt sind, aber einen Antrag auf Zulassung ihrer Wertpapiere gestellt haben (§ 315a Abs. 2 HGB). Interessant ist auch der Umfang der Kompetenzabgabe: Der IASB setzt nicht nur Standards, er beansprucht praktisch auch die ausschließliche Auslegungs-

__________

15 Komitologieverfahren: Art. 3 Abs. 1, 6, Abs. 2 VO (EG) Nr. 1606/2002; sog. Regelungsausschuss unter Vorsitz der Kommission in enger Zusammenarbeit mit der (privatrechtlichen) European Financial Reporting Advisory Group – EFRAG. 16 Vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 2000, Rz. 2.1.3; darüber hinaus ist ein Abschluss nur IAS/IFRS-konform, wenn er sämtliche Anforderungen der IAS/IFRS erfüllt: IAS 1.14.

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kompetenz und hat dafür das Standing Interpretations Committee (SIC), heute das International Reporting Interpretations Committee (IFRIC) geschaffen. Auch dessen Stellungnahmen werden i. d. R. mit Verordnungskraft in das EU-Recht transformiert (Art. 2 VO (EG) 1606/2002). Der IASB kann ja auch eine nationale oder EU-spezifische (EuGH) Auslegungskompetenz von der Ausgangslage her, übergreifende Standards zu schaffen, gar nicht akzeptieren. Dies würde Sonderwege eröffnen, die für die Internationalität kontraproduktiv sind. Konzeptionell hat die Schaffung eigener (und vom Konzept her ausschließlicher) Interpretationsgremien im Interesse einer Harmonisierung ihren guten Sinn. Andererseits wird eine Korrektur und Gestaltung durch die Gerichtsbarkeit praktisch ausgeschlossen. Der Kompetenztransfer an private Institutionen in Bezug auf Kapitalmarktunternehmen erschöpft sich aber nicht in der Schaffung und Übernahme von Rechnungslegungsstandards des IASB. Jüngstes Beispiel einer „Privatisierung“ ist die Konstituierung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Durch öffentlichrechtlichen Vertrag ist der DPR die Aufgabe übertragen worden Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse anlassbezogen und stichprobenbezogen auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Rechnungslegungsstandards zu überprüfen. Diese Regelung betrifft ausschließlich kapitalmarktbezogene Unternehmen und soll das Vertrauen in die Kapitalmärkte festigen17. Die DPR entscheidet unabhängig und weisungsfrei, allerdings auch sanktionslos. Kann sie ein Einvernehmen mit dem betroffenen Unternehmen nicht herstellen, kommt – aber erst in einer zweiten Stufe – das hoheitliche Prüfverfahren vor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Zuge. Ein weiterer rein kapitalmarktbezogener Regelungstransfer auf ein privates Gremium findet sich bei der Corporate Governance. Die Kodex-Kommission als Standing Commission beruht auf einem Auftrag des Bundesjustizministeriums. Eine gewisse Rechtskontrolle findet über die Veröffentlichung auf der Homepage des Bundesjustizministeriums im elektronischen Bundesanzeiger statt. Die einzige gesetzliche Verankerung ist die Erklärungspflicht in § 161 AktG. Die „Empfehlungen“ des DCGK sind weder staatliche noch private Rechtsetzung. Was ihnen zukommt ist ein Geltungsanspruch mit Ausstiegsklausel18 (comply or explain!). In diesem Zusammenhang wichtig auch und gerade im Hinblick auf die Empfehlungen zur Rechnungslegung19 ist der Umstand, dass es sich um eine rein kapitalmarktbezogene Regelung handelt20.

__________ 17 RegBegr. BT-Drucks. 15/3421, 1; die zwingend vorhergehende Prüfung durch den Abschlussprüfer allein kann offenbar nach Auffassung des Gesetzgebers das notwendige Vertrauen nicht sicherstellen. 18 So zutreffend Hüffer (Fn. 6), § 161 AktG Rz. 3. 19 DCGK Rz. 7. 20 DCGK Präambel Rz. 1 und § 161 AktG.

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Schließlich ist hier noch anzuführen der Deutsche Standardisierungsrat (DSR). Auf der Grundlage des § 342 HGB ist als privatrechtliche Einrichtung der Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. gegründet worden, dem durch öffentlich-rechtlichen Vertrag die Aufgabe übertragen worden ist, – Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung (also Standards) zu entwickeln, – das Bundesjustizministerium bei Gesetzgebungsvorhaben zur Rechnungslegung zu beraten, – die Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien zu vertreten. Was die Konzernrechnungslegungsstandards anbelangt haben diese die GoBVermutung für sich, wenn sie vom BMJ bekannt gemacht worden sind (§ 342 Abs. 2 HGB). Der Staat hat also noch eine Kontroll- aber keine Initiativfunktion. Diese Institution ist zwar nicht kapitalmarktbezogen ausgerichtet. Aber auch sie ist kennzeichnend für die Tendenz zumindest im Bereich der Konzernrechungslegung und der internationalen Rechnungslegung die unmittelbar staatlichen Kompetenzen und Aktivitäten zurückzunehmen. Als Zwischenergebnis lässt sich aus alledem festhalten, dass sich für kapitalmarktorientierte Unternehmen was Rechnungslegung und Informationsverschaffung anbelangt der Staat weitgehend und in zunehmendem Maße zugunsten privatrechtlicher internationaler oder nationaler Einrichtungen zurückziehen muss (IAS/IFRS) oder zurückziehen will (Enforcement, Corporate Governance). Daraus resultieren kapitalmarktbezogene Regelungen, die in sich durchaus eine gewisse Konsistenz aufweisen und in die Staat oder EU allenfalls regulierend, aber nicht gestaltend eingreifen. Man kann dies durchaus mit dem Begriff der staatlich regulierten Selbstregulierung umschreiben21. Dies fügt sich auch nahtlos in eine Börsenorganisation ein, die vielfach privatrechtlich, in Deutschland in der Form einer nicht-rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts mit privatrechtlichem Börsenträger22 (beliehener Unternehmer) organisiert ist, aber stets staatlicher Regulierung unterliegt. Die Börsen als internationale Handelsplattformen bedürfen standardisierter Transaktionsprozesse. Dazu gehören auch standardisierte Informationsinstrumente. Das sind im besonderen Maße die Jahres- und Konzernabschlüsse und die Halbjahresabschlüsse der notierten Unternehmen, aber eben wiederum in (international) standardisierter Form. So gesehen macht es Sinn auch die internationale Rechnungslegung als besondere Ausprägung in das Kapitalmarktrecht einzuordnen.

__________ 21 Hoffmann-Riem in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffassungsordnung, 1996, S. 261 ff. 22 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006, Vorbem. BörsG Rz. 36 ff.; Schlüter, Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2002, S. 374 ff.

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Selbstregulierung und Selbstverwaltung mit der autonomen Befugnis zur Rechts- oder Standardsetzung ist der zentrale Gehalt dieser Ordnungen, in die der Staat oder staatsähnliche Organisationen allenfalls als Genehmigungsoder Transformationsstellen eingreifen. Es entstehen so internationale Systeme, die zwar in sich, nicht aber unbedingt mit den nationalen Systemen (z. B. dem Gesellschaftsrecht) konsistent sein müssen. Der Funktionsfähigkeit der Systeme tut das keine Abbruch, wenn wichtige Schnittstellen vernünftig geregelt sind.

V. Folgerungen für das deutsche Gesellschaftsrecht Das Gesellschaftsrecht ist von einer Harmonisierung, wie sie das Kapitalmarktrecht und die internationale Rechnungslegung schon erreicht haben und noch weiter anstreben, meilenweit entfernt. Selbst die EU hat dies mit den Rechtsformen der EWIV und der SE in ihrem relativ überschaubaren Bereich realistisch betrachtet nicht erreicht. Weltweit jedenfalls kann von einer Harmonisierung keine Rede sein. Es ist auch fraglich, ob derzeit wirklich dazu eine sachliche Notwendigkeit besteht; sie besteht wiederum allenfalls bei Kapitalmarktunternehmen. Die Globalisierung der Anleger macht es sinnvoll und wünschenswert, dass nicht nur Transparenz der Zahlenwerke hergestellt wird, sondern dass Anleger auch möglichst gleiche Rechte und Pflichten haben und möglichst identische Leitungsstrukturen der Unternehmen vorfinden. Im Übrigen ist doch aber eine Konkurrenz der Rechtsformen spannender und kreativer als ein weltweites Einerlei. Warum sollte dem Siegeszug der deutschen GmbH nicht der Siegeszug der englischen Ltd. folgen? Vereinheitlichung kann auch Verarmung sein; deshalb sollte sie doch nur dort erfolgen, wo sie wirklich sinnvoll und von der Praxis als notwendig angesehen wird. Standardisierung ist eine berechtigte Zielvorgabe für die internationalen Kapitalmärkte. Ob für die Gesellschaftsrechte im Übrigen nicht Vielfalt und weitgehende Gestaltungsfreiheit und vor allem Vertragsund Satzungsfreiheit vorzuziehen wäre, bliebe erst noch zu diskutieren. Wie dargelegt ist das deutsche nationale Bilanzrecht ein wesentliches Funktionselement des Gesellschaftsrechts. Kapitalschutz funktioniert über das Bilanzrecht. Kapitalschutz ist Gläubigerschutz im weitesten Sinne und damit sehr viel weitergehend ein Gegenstand staatlichen Regulierungsinteresses als die ausreichende Informationsverschaffung der Kapitalmarktteilnehmer, insbesondere auf internationalen Handelsplattformen. Im Kapitalmarktrecht stellt der Staat mehr und mehr nur ein verfahrensrechtliches Instrumentarium zur Verfügung, während er die materiellen Inhalte – gerade wegen ihrer Internationalisierung – in einem abgesteckten Rahmen der privaten Selbstregulierung überlässt. Das kann er beim Kapitalschutz/Gläubigerschutz nicht tun. Nun gibt es innerhalb der EU – wohlgemerkt nicht weltweit – Harmonisierungsbemühungen bezüglich des Kapitalschutzes, die zunächst sehr stark wiederum in die angelsächsische Richtung der Verlage516

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rung ins Insolvenzrecht und in die Gläubigerselbstverantwortung laufen23. Ob die Prognose der Zahlungsfähigkeit (Solvabilität) das geeignetere Instrument als die Bilanztests sind oder man gar zu einer kombinierten Lösung kommen soll24, bleibt erst noch abzuwarten. Die Diskussion um die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze (IAS/IFRS) sollte damit jedenfalls nicht vermengt werden. Dass sie für den Kapitalschutz nicht in Frage kommen, ist wohl mehr oder weniger unbestritten; das ergibt sich schon aus folgenden Gründen: – die Standards sind volatil, – die Standards haben kein Kapitalerhaltungskonzept25 und demzufolge – ist Kapitalerhaltung kein Rechnungslegungsziel. Hält man die Dinge auseinander, kann der Gesetzgeber einer Reform der gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzsysteme – wenn sie denn überhaupt notwendig sein sollte – mit mehr Gelassenheit entgegensehen und vor einer Änderung prüfen, ob er sich wirklich – auch im Hinblick auf Kosten und Nutzen bei Unternehmen und Gläubigern – etwas instrumental Besseres einhandelt. Es geht aber nicht nur um Kapitalschutz im Außenverhältnis; es geht auch um die Konkretisierung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Mitgesellschaftern (Binnenverhältnis). Bei der GmbH ist der Jahresüberschuss Basis des vom allgemeinen Vermögensrecht abgespaltenen Gewinnanspruchs (§ 29 GmbHG); bei der AG kommt diese Funktion dem aus dem Jahresüberschuss abgeleiteten Bilanzgewinn zu (§§ 158, 174, 57 Abs. 3 AktG). Verfügungsbefugt über diese Bemessungsgrundlagen sind grundsätzlich die Gesellschafter (§ 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GmbHG; § 174 AktG), soweit nicht gesetzliche Verwendungsbeschränkungen (diese zumeist aus Gläubigerschutzgesichtspunkten) zu berücksichtigen sind. Hierzu bedarf es gewisser Konventionen, die insbesondere mit dem Objektivierungs- und Realisierungsprinzip ihren bewährten Niederschlag in der HGB-Bilanzierung gefunden haben und zwar gerade auch im Hinblick auf die daran anknüpfenden Vermögensrechte der Gesellschafter. HGB, GmbHG und AktG haben nicht etwa schon die Ausschüttungsbemessung von der Gewinnermittlung abgekoppelt nur weil sie gewisse

__________ 23 „Moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“ Bericht der hochrangigen Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechtes (Winter-Gruppe), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal-market/company/docs/modern/ report_de.pdf. Report of the Interdisciplinary Group of Capital Maintenance (Rickford Report), 15 EBLR 919 (2004). 24 Vgl. Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 871 f.; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372 (2375 ff.); dazu insgesamt Eugert, ZHR 170 (2006), 296 ff.; Ekkenga, AG 2006, 389 ff. 25 Vgl. auch Joost in VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 31 (45); Küting, DB 2006, 1445.

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Ausschüttungssperren aufstellen wie z. B. § 30 GmbHG, §§ 269 Satz 2, 274 Abs. 2 Satz 3 HGB26. Und man kann auch nicht sagen, dass das Anschaffungskostenprinzip mit einer Gewinnermittlung i. e. S. nichts zu tun habe und – lasse man die Erläuterungen im Anhang außer Betracht – zu einer „Ergebnisverfälschung“ führe27. Im Gegenteil: das Anschaffungskostenprinzip ist eine tragfähige Konzeption zur Ermittlung eines entnahmefähigen Betrages mit Verbindlichkeitscharakter. IAS/IFRS folgen einer ganz anderen Ergebniskonzeption. Diese ist wahrscheinlich nicht besser und nicht schlechter als die des HGB. Sie hat nur eine andere Zweckbestimmung, nämlich die Information. Die Konkretisierung von Gesellschafteransprüchen ist nicht im Entferntesten im Blickpunkt der IAS/IFRS28. Man muss also konstatieren, dass die internationale Rechnungslegung die HGB-Bilanz weder im Gläubigerschutzbereich noch im gesellschaftsrechtlichen Bereich ersetzen kann. Es müsste also etwas ganz anderes an ihre Stelle treten, wollte man das Gesellschaftsrecht in diesem Punkte durchreformieren. Gerade dies ist jedoch weder vom Tatsächlichen noch vom Theoretischen befriedigend zu Ende gedacht. Eine Solvenzprüfung kann eine funktionsfähige Alternative darstellen, aber auch sie muss, um wirklich funktionsfähig zu sein, in eine tragfähige Konvention gegossen werden. Weniger aufwendig als eine HGB-Bilanzierung dürfte sie jedoch kaum sein, jedenfalls dann, wenn man sie als verkürzte Unternehmensbewertung praktizieren müsste, woran wohl kein Weg vorbeiführt29. Am wenigsten zielführend erscheint eine „Modernisierung“ der HGB-Bilanz (Einzelbilanz) durch Übernahme von Elementen der internationalen Rechnungslegung, die zwar modern und auch interessant für den Informationssucher, aber systemwidrig im Kernkonzept der HGB-Bilanz ist. Sinnvoll ist aber die Abkopplung der Informationsbilanz von der Gläubigerschutz- und Gesellschaftsrechtsbilanz, jedenfalls so lange, bis an deren Stelle ein überzeugend neues und ggf. EUharmonisiertes Instrument getreten ist. Derzeit ist das nicht abzusehen. Die häufig ins Feld geführten Kostennachteile einer mehrgleisigen Bilanzierung dürften im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung nicht wirklich zu Buche schlagen, da es sich immer nur um Verzweigungen ohnehin vorhandener Basisdaten handelt. Aus diesen können dann die verschiedenen Bilanzansätze generiert und fortentwickelt werden. Hat sich einmal die Erkenntnis durchgesetzt, dass die internationalen Rechnungslegungsstandards für andere als Informationszwecke nicht taugen, so wird jedes andere Instrument in irgendeiner Weise zu Mehrbelastungen führen. Dass diese geringer

__________ 26 In diese Richtung aber Ekkenga, AG 2006, 389 (391 ff.). 27 So aber Ekkenga, AG 2006, 389 (392, 395). 28 Pellens/Fülbier, ZGR 2000, 572 (586 ff.); Meschmeyer, Die Kapitalschutzfunktion des Jahresabschlusses und Übernahme des IAS/IFRS für die Einzelbilanz, 2005, S. 192 ff., 232 ff. 29 Vgl. Engert, ZHR 170 (2006), 296 (318 ff.).

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sein sollten als die auf identischen Basisdaten aufbauende HGB-Bilanzierung wäre erst noch empirisch nachzuweisen. Hinzu kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt: Regeln, die Gläubigerschutz gewährleisten und/oder Gewinnansprüche der Gesellschafter konkretisieren, berühren die Verantwortlichkeit des Managements und müssen mit Sanktionen ausgestattet sein. Im Interesse des Managements sind dafür klare, eingefahrene und objektivierbare Tatbestände einer zwar informativen aber mehr subjektiv geprägten Vorausschau vorzuziehen.

VI. Folgerungen für den Kapitalmarkt Es hat sich gezeigt, dass für die internationalen Kapitalmärkte ein harmonisiertes Informationsinstrument anzustreben und auch erreichbar ist. Staatliche und überstaatliche (EU) Interessen sind insoweit nur marginal berührt. Die materiellen Informationsinhalte kann der Staat im Rahmen gewisser Grenzen privaten Standardsettern überlassen; Gleiches gilt für die Überwachung dieser Informationspflichten (Abschlussprüfer und privatisiertes Enforcement30). Davon abzukoppeln ist das nationale Gläubigerschutz- und Gesellschaftsrecht. Dieses spielt auf einem anderen und viel breiteren Feld als die numerisch verhältnismäßig wenigen Kapitalmarktunternehmen unter den Kapitalgesellschaften. Soweit im Gesellschaftsrecht und im Gläubigerschutzrecht Regelungs- und Sanktionsbedarf besteht, bedarf er belastbarer staatlichter Legitimation, die nicht in der zwangsläufig mehr oder weniger pauschalen Übernahme eines privaten Regelwerkes bestehen kann. Es ist dabei nicht uninteressant, dass die ursprünglich vorhandene Euphorie, die den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen entgegengebracht wurde, einer eher kritisch-zurückhaltenden Betrachtung gewichen ist. Die Kapitalmarktinformationsbilanz deckt andere – genauso gewichtige – Funktionen wie die Gesellschaftsrechts- und Gläubigerschutzbilanz nicht ab. Aufgabenstellung und Kernbereiche sind unterschiedlich, deshalb leitet sich das eine nicht aus dem anderen ab. Das führt zu der Erkenntnis, dass Kapitalmarktunternehmen zwingend (zusätzlich) die Gesellschaftsrechts- und Gläubigerschutzanforderungen erfüllen müssen, nicht aber umgekehrt die Nicht-Kapitalmarktunternehmen zwingend die Kapitalmarktinformationserfordernisse. Was die Information bei Nicht-Kapitalmarktunternehmen anbetrifft, sollte eine Standardisierung hinter die Vertrags-, Satzungs- und Gestaltungsfreiheit zurücktreten.

__________ 30 Nur im Ausnahmefall soll die BaFin ein Enforcement-Verfahren an sich ziehen können: § 37p Abs. 1 WpHG. Die Abschlussprüfer unterliegen – weitergehend – einer Qualitätskontrolle (§§ 57a ff. WPO) und einer Berufsaufsicht (§§ 61a ff. WPO) durch die Wirtschaftsprüferkammer und diese selbst wieder der Aufsicht durch Abschlussprüferaufsichtskommission (§ 66a WPO).

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Die Zusatzkosten, die Kapitalmarktunternehmen aus der daraus folgenden Zweigleisigkeit entstehen, sind der Preis für die Aufnahme von Eigen- oder Fremdkapital über die Börse. Es gilt insoweit nichts anderes als für die öffentlich-rechtlichen Gebühren und privatrechtlichen Nutzungsentgelte für die Inanspruchnahme der Börsen, die Kosten der BaFin oder die Kosten des Enforcements (§ 342d HGB). Hinzu kommen eben dann noch die Kosten für die IAS/IFRS Konzernbilanzierung, für den Halbjahresfinanzbericht mit prüferischer Durchsicht31 und die anderen Mitteilungs- und Berichtspflichten nach dem WpHG. Dies alles, aber auch nur dies, muss nach den Bedürfnissen einer internationalen Handelsplattform reguliert und standardisiert sein. Die internationalen Rechnungslegungsstandards sind nach dieser Lesart – wie z. B. auch das Enforcement – Regeln des Kapitalmarktrechts. Es gibt deshalb kein IAS/IFRS Diktat für den Einzelabschluss, für den Gewinnermittlungsabschluss und für den Gläubigerschutzabschuss. Freiwillig bleibt es natürlich allen Unternehmen unbenommen eine Informationsbilanz zusätzlich zu erstellen und zu veröffentlichen und sich dafür der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze zu bedienen. Mit Recht hat der deutsche Gesetzgeber deshalb in Umsetzung des Art. 5 VO (EG) Nr. 1606/2002 (IAS-Anwendungs-VO) den Nicht-Kapitalmarktunternehmen nur für den Konzernabschluss ein befreiendes Wahlrecht zugunsten der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze eingeräumt (§ 315a Abs. 3 HGB). Der Konzernabschluss hat gesellschaftsrechtlich und gläubigerschutzrechtlich keine über die Information hinausgehende Funktion. Für den Einzelabschluss gibt es für große Unternehmen (§ 267 Abs. 3 HGB) zwar auch ein Wahlrecht zugunsten der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze, das gilt aber ausschließlich für die Bundesanzeigerpublizität und enthebt konsequenterweise nicht von der Erstellung und der Registerpublizität eines HGB-Abschlusses (§ 325 Abs. 2a HGB). Hier gelten die Prinzipien der Zusätzlichkeit und der Freiwilligkeit.

VII. Fazit Die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze sind derzeit Bestandteil des Kapitalmarktrechts und sollten diesen Charakter auch behalten. Sie werden sich nach den Bedürfnissen und Zielen des Kapitalmarktrechts fortentwickeln. Der staatliche Einfluss (einschließlich EU) ist naturgemäß wegen der Internationalität und der privatrechtlichen Struktur des IASB außerordentlich beschränkt (praktisch auf Veto-Rechte). Damit ist die staatliche (demokratische) Legitimation relativ dünn.

__________ 31 § 37w Abs. 1, Abs. 3 WpHG.

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Die reine und konsequent verfolgte Informationsfunktion der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze macht sie in ihrer derzeitigen Gestalt und Tendenz ungeeignet für die Erfüllung gesellschaftsrechtlicher Funktionen und nur bedingt geeignet für die Erfüllung gläubigerschützender Funktionen. Ob eine grundlegende Reform des Gesellschaftsrechts bezüglich der Gewinnermittlungs- und Gewinnverwendungsregeln, der Regeln über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung und der Gläubigerschutzregeln notwendig oder nur wünschenswert ist, muss im Rahmen der EU-Harmonisierung sorgfältig geprüft werden. So sicher erscheint es nicht, dass eine Liquiditätsvorausschau (Solvabilitätstest) alle Probleme besser lösen kann als das Konventionskorsett einer Gläubigerschutzbilanz. Die HGB-Bilanz ist im derzeitigen Stand der Entwicklung für das Gesellschaftsrecht unverzichtbar, für das Steuerrecht zweckmäßig (Maßgeblichkeit) und für den Gläubigerschutz sinnvoll. Sie sollte modernisiert und harmonisiert werden, aber immer im Blick auf ihre Kernfunktionen. Dabei sollte man aber so konsequent und mutig sein, die prospektive Information nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Dafür ist heute die IAS/IFRS-Bilanz verfügbar.

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Die (vorsorgliche) Heilung von fehlerhaften Kapitalaufbringungsvorgängen bei der GmbH Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Fehlerhafte Kapitalaufbringungsvorgänge und ihre Heilung 1. Verdeckte Sacheinlage 2. Leistung der Stammeinlage zur endgültig freien Verfügung 3. Wirtschaftliche Neugründung 4. Voreinzahlungen bei Kapitalerhöhungen 5. Unterbilanzhaftung 6. Fehlerhafte Heilungsvorgänge 7. Zwischenergebnis

b) Der Kapitalaufbringungsvorgang bei der wirtschaftlichen Neugründung 3. Auswirkungen der wirtschaftlichen Neugründung auf noch offene Einlageansprüche a) Vorratsgründung b) Verwendung einer Mantelgesellschaft c) Ergebnis

IV. Vorsorgliche Heilung durch erneute Aufbringung 1. Ausgangsüberlegung III. Erlöschen einer Einlageverpflichtung 2. Die „Entkoppelung“ des als Stammdurch Vorhandensein und Offenlegung kapitals gebundenen Vermögens eines ausreichenden Stammkapitals? 3. Der neue Aufbringungsvorgang 1. Eingangsüberlegung a) Einlagegegenstand und dessen 2. Kapitalaufbringung bei der wirtEinbringung schaftlichen Neugründung b) Durchführung der Heilung a) Keine neue Einlageforderung der Gesellschaft V. Fazit

I. Einleitung Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH behandeln das Thema Kapitalaufbringung meist nachlässig. Häufig beschäftigt sich erst der Insolvenzverwalter mit der Frage, ob die Einlagen ordnungsgemäß von den Gesellschaftern geleistet worden sind1. Den Nachweis hierfür haben die Gesellschafter zu erbringen2. Probleme bereiten daher nicht nur Fälle, in denen die Leistung fehlerhaft erfolgt ist, sondern auch solche Konstellationen, in denen die Leistung oder die Heilung einer fehlerhaften Aufbringung schon längere Zeit zurückliegt und der Nachweis unter Umständen nicht mehr in

__________

1 Zu dieser Prüfung ist der Insolvenzverwalter sogar verpflichtet: OLG Hamm, NZG 2005, 438. 2 Vgl. nur Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 19 Rz. 12 m. w. N.; anders aber bei der Unterbilanzhaftung: hier liegt die Beweislast grundsätzlich bei der Gesellschaft (Lutter/Bayer a. a. O., § 11 GmbHG Rz. 33).

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ausreichender Form geführt werden kann. Beweiserleichterungen können die Gesellschafter in diesem Fall nicht unbedingt erwarten3. Gelingt der Nachweis über die Einzahlung oder die Heilung einer fehlerhaften Einlageleistung nicht, sind die Gesellschafter (ggf. sogar nochmals) zur Zahlung verpflichtet. Auch können Gesellschafter nach einer Insolvenzeröffnung eine verdeckte Sacheinlage nicht mehr heilen4. Oftmals haben Erwerber von Geschäftsanteilen besondere Schwierigkeiten, die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung durch ihre Rechtsvorgänger nachzuweisen, weil sie an diesen Vorgängen nicht beteiligt waren. Sie haften als Rechtsnachfolger gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG ebenfalls für offene Einlageforderungen5. Diese Haftung bezieht sich aber nicht nur auf die Einlageforderung, sondern auf alle rückständigen Leistungen auf den Geschäftsanteil, insbesondere auch die Differenz- und Vorbelastungshaftung6. Die Versicherung des Verkäufers in dem Anteilskaufvertrag, dass das Stammkapital ordnungsgemäß aufgebracht sei, hilft ihnen hier nicht, da solche Regelungen allenfalls Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verkäufer begründen können. Ebenso wenig kann sich der Käufer auf die Bilanz der Gesellschaft verlassen, da diese keinen Aussagewert für die Kapitalaufbringung hat7. Gesellschafter möchten Gewissheit haben, dass das Stammkapital ordnungsgemäß aufgebracht ist und sie im Insolvenzfall nicht mit einer Inanspruchnahme rechnen müssen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob Gesellschafter einer GmbH vorsorglich zur Heilung etwaiger Mängel Maßnahmen treffen können, um die korrekte Aufbringung des Stammkapitals zu bestätigen, damit sie dies erforderlichenfalls zu späterer Zeit nachweisen können.

__________ 3 BGH, DStR 2005, 297 m. Anm. Goette; OLG Frankfurt, NZG 2005, 898; OLG Koblenz, NZG 2002, 821; weniger streng: KG, GmbHR 2004, 1388 = NZG 2005, 46; OLG Frankfurt, NZG 2002, 822; NJW-RR 2001, 402. Durch § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG, eingefügt durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl. I 2004, 3214 (3217)), mit einer Verjährungsfrist für Einlageforderungen von 10 Jahren ist dieses Problem zumindest in zeitlicher Hinsicht etwas entschärft worden. Zur Anwendung von § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG auf „Altfälle“ siehe: OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 1188 = GmbHR 2006, 654 m. w. Nachw. 4 OLG Saarbrücken, GmbHR 2004, 668. 5 Allerdings soll nach OLG Hamm, GmbHR 2006, 252 = ZIP 2006, 233, ein arglistig getäuschter Erwerber für rückständige Einlagen nicht haften. 6 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH, 18. Aufl. 2006, § 16 Rz. 12; Lutter/ Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 16 GmbHG Rz. 17; H.Winter/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 16 Rz. 40. 7 OLG Brandenburg, ZIP 2006, 1343 (1346) m. zust. Anm. Kleinschmidt/Hoos, EWiR 2006, 567.

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II. Fehlerhafte Kapitalaufbringungsvorgänge und ihre Heilung Die Kapitalaufbringungsvorschriften bilden das „Kernstück des GmbHRechts“8. Erst durch die vorschriftsmäßige Leistung der Einlagen „verdienen“ sich die Gesellschafter ihre Haftungsbeschränkung. Bringen sie diese nicht in der vorgeschriebenen Weise auf, bleibt die Einlageverpflichtung weiter bestehen. Wird das Stammkapital fehlerhaft aufgebracht, interessiert die Gesellschafter wie dieser Mangel geheilt werden kann. Nachfolgend soll zunächst ein kurzer Überblick über die typischen Fehlerquellen bei der Kapitalaufbringung und deren Heilungsmöglichkeiten gegeben werden. 1. Verdeckte Sacheinlage Die „verdeckte Sacheinlage“ ist dadurch gekennzeichnet, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise anstelle der geschuldeten Bareinlage ein sacheinlagefähiger Gegenstand eingebracht wird9. Hier wird nicht selten versucht, die Vorschriften über die Sacheinlagen zu umgehen, um deren Offenlegung und Bewertung sowie die Kontrolle durch das Registergericht zu vermeiden10. Ausgangpunkt dieser Gestaltungen ist regelmäßig, dass der Gesellschafter die nach außen vereinbarte Bareinlage erbringt und anschließend der Geldbetrag auf Grund eines anderweitigen Rechtsgeschäfts von der Gesellschaft an ihn unmittelbar oder mittelbar zurückfließt. Mitunter werden die sich hieraus ergebenden gegenseitigen Forderungen auch gleich verrechnet. Die Sachverhaltsvarianten können dabei vielfältig sein11: sie reichen vom Kaufvertrag12 über die Begleichung von Gesellschafterforderungen13 bis zu komplizierten Vorgängen im Konzern mit einem Cashpool14. Bei einem Verstoß gegen die Sacheinlagevorschriften wird die Bareinlageverpflichtung nicht getilgt, so dass diese weiter bestehen bleibt. Sowohl die in diesem Zusammenhang geschlossenen Vereinbarungen als auch die dinglichen Erfüllungsgeschäfte sind in analoger Anwendung des § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG unwirksam15. Hier stehen entsprechende Bereichungs- und Herausgabeansprüche der Gesellschaft und des Gesellschafters gegenüber16.

__________

8 BGH, BGHZ 28, 77 = NJW 1958, 1351. 9 BGH, BGHZ 113, 335 = NJW 1991, 1754 = GmbHR 1991, 255 = 1991, 511; BGHZ 110, 47 (64 f.) = ZIP 1990, 156 (161 f.); BGHZ 28, 314 = NJW 1959, 383 = GmbHR 1959, 70. 10 Näher dazu Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 41. 11 Siehe Fallbeispiele bei Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 44 ff. 12 BGH, BGHZ 28, 314. 13 BGH, BGHZ 125, 141 = NJW 1994, 1477 = GmbHR 1994, 394 = ZIP 1994, 701. 14 BGH, BGHZ 166, 8 = NJW 2006, 1733 = GmbHR 2006, 477 = ZIP 2006, 665. 15 BGH, BGHZ 155, 329. 16 Zu den Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage im Einzelnen: Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 47 ff.; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 19 Rz. 59 ff.

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Zur Heilung einer verdeckten Sacheinlage haben die Gesellschafter die Möglichkeit, die geschuldete Bareinlage zu zahlen oder durch einen satzungsändernden Beschluss die ursprüngliche Bareinlage in eine Sacheinlage umzuwandeln17. Bei der Umwidmung sind die Vorschriften über die Sacheinlage einzuhalten18. Da nach neuerer Rechtsprechung auch die dinglichen Geschäfte unwirksam sind, ist Einlagegegenstand nicht der Bereichungsanspruch des Gesellschafters, sondern der Sachwert selbst19. Auch die Übereignung muss unter Beachtung der jeweiligen Formvorschriften wiederholt werden. 2. Leistung der Stammeinlage zur endgültig freien Verfügung Die Geschäftsführer haben bei der Anmeldung der Gesellschaft gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu versichern, dass die Mindesteinlagen (§ 7 Abs. 2 und 3 GmbHG) ordnungsgemäß bewirkt sind und sich diese endgültig zu ihrer freien Verfügung befinden. Die Einlagen müssen der Gesellschaft in der Weise zur Verfügung stehen, dass sie völlig aus dem Herrschaftsbereich des Inferenten ausgesondert und dieser ohne Beschränkungen zugeflossen sind20. Daran fehlt es z. B., wenn die Einlage auf ein debitorisches Bankkonto eingezahlt worden ist und die Bank keine anschließenden Verfügungen in dem entsprechendem Umfang zulässt21. Geleistete Einlagen haben ferner dann keine Erfüllungswirkung, wenn sie von der Gesellschaft in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang22 wieder an den Gesellschafter zurückgezahlt werden („Hin- und Herzahlung“). Unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung leistet der Gesellschafter bei solchen Vorgängen nichts23. Der Rechtsgrund für die Rückzahlung, etwa als Darlehen, spielt dabei keine Rolle. Vielmehr sind die damit im Zusammenhang stehenden Vereinbarungen unwirksam24. Der BGH lässt es allerdings zu, dass mit der Zahlung auf die vermeintliche Verbind-

__________ 17 Grundlegend: BGH, BGHZ 132, 141 = NJW 1996, 1473 = GmbHR 1996, 351 = ZIP 1996, 668. 18 Zum Ablauf siehe Heidinger, ZNotP 2004, 465 (466). 19 BGH, BGHZ 155, 329 (340). 20 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 8 GmbHG Rz. 13; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 7 GmbHG Rz. 16; H.Winter/Veil in Scholz (Fn. 6), § 8 GmbHG Rz. 24. 21 BGH, BGHZ 150, 197 = NJW 2002, 1716 = ZIP 2002, 799. 22 Die zeitliche Komponente dient der Abgrenzung zu den Kapitalaufbringungsvorschriften. Ist die Einlage ordnungsgemäß aufgebracht und fließt sie erst später an den Gesellschafter zurück, richtet sich die Rückforderung nach §§ 30 f. GmbHG; siehe zur Abgrenzung: BGH, NJW 2001, 3781 = GmbHR 2001, 1114 = ZIP 2001, 1997. 23 BGH, GmbHR 2006, 982 (983) = ZIP 2006, 1633 (1634); BGHZ 165, 352 (357) = NJW 2006, 906 (908) = GmbHR 2006, 306 (308) = ZIP 2006, 331 (333); BGHZ 165, 113 (117) = NJW 2006, 509 = GmbHR 2006, 43 (44) = ZIP 2005, 2203 (2204). 24 BGH, BGHZ 165, 352 (356), BGHZ 165, 113 (116).

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lichkeit des Gesellschafters aus dem im Zusammenhang mit dem Hin- und Herzahlen geschlossenen Rechtsgeschäft die noch offene Stammeinlageforderung erfüllt und damit geheilt ist25. 3. Wirtschaftliche Neugründung Die geschäftliche Aktivierung einer zunächst als Vorratsgesellschaft26 gegründeten GmbH stellt wirtschaftlich gesehen eine Neugründung dar. Der BGH verlangt dabei die Anwendung der der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften27. Entsprechendes gilt auch für die Wiederbelebung einer Mantelgesellschaft, also einer Gesellschaft, die früher im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks tätig geworden, dann aber unternehmenslos geworden ist28. In beiden Fällen muss das Stammkapital in Höhe des Mindestkapitals (§ 7 Abs. 2 und 3 GmbHG) ordnungsgemäß aufgebracht sein und den Geschäftsführern zur endgültig freien Verfügung stehen, was diese bei der Offenlegung gegenüber dem Handelsregister in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu versichern haben. Hier gilt das unter 2. Gesagte. 4. Voreinzahlungen bei Kapitalerhöhungen Bei einer Kapitalerhöhung entsteht die Einlageforderung der Gesellschaft erst mit der Beschlussfassung hierüber. Insbesondere in Krisenzeiten stellen Gesellschafter nicht selten zur kurzfristigen Verwendung Barmittel zur Verfügung und holen den erforderlichen Beschluss erst später nach. Nach h. M. ist die Einlageverpflichtung getilgt, wenn in einer Unternehmenskrise ein Gesellschafter mit entsprechender Zweckbestimmung eine Voreinzahlung leistet. Dabei muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Voreinzahlung und Kapitalerhöhungsbeschluss gegeben sein sowie die Voreinzahlung bei der Anmeldung offen gelegt werden. Nach Auffassung des BGH muss im Zeitpunkt der Entstehung der Einlageforderung der Betrag grundsätzlich noch im Gesellschaftsvermögen vorhanden sein29. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, bleibt der Einlageanspruch der Gesellschaft weiter bestehen. Dieser Mangel lässt sich nur dadurch heilen, dass die Gesell-

__________ 25 BGH, BGHZ 165, 352 (356 f.), BGHZ 165, 113 (117 f.). 26 Zum Begriff siehe Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 3 GmbHG Rz. 7 f.; Priester, ZHR 168 (2004), 248 (256 ff.). 27 BGH, BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227 = ZIP 2003, 251. 28 BGH, BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1790. Nicht immer ist die Feststellung einer Mantelverwendung einfach. Hier können sich Abgrenzungsfragen ergeben; siehe dazu Heckschen in Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungspraxis, 2005, § 2 Rz. 171 ff. m. w. N. 29 BGH, BGHZ 168, 201 = GmbHR 2006, 1328 = ZIP 2006, 2214; BGHZ 158, 283 = GmbHR 2004, 736 = ZIP 2004, 849. Zum Meinungsstand und zu den Voraussetzungen im Übrigen: Heidinger in Heckschen/Heidinger (Fn. 28), § 6 Rz. 145 ff.

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schafterversammlung wie bei einer verdeckten Sacheinlage die Umwidmung der Einlage beschließt und der Gesellschafter seinen Bereicherungsanspruch wegen der fehlgeschlagenen Einlageleistung als Sacheinlage einbringt. Das setzt natürlich voraus, dass seine Forderung werthaltig ist. 5. Unterbilanzhaftung Zum Zeitpunkt der Entstehung einer GmbH muss deren Stammkapital wertmäßig vollständig vorhanden sein. Ist dies nicht der Fall, haben die Gesellschafter die Deckungslücke durch Zahlung zu schließen (Unterbilanzhaftung)30. Dieser Anspruch ist grundsätzlich wie ein Anspruch auf Leistung fehlender Bareinlagen zu behandeln31. Die Unterbilanzhaftung ist daher ebenfalls als fehlerhafter Kapitalaufbringungsvorgang anzusehen. Der Anspruch der Gesellschaft erlischt auch nicht, wenn das Stammkapital später durch entsprechende Gewinne wieder aufgefüllt ist. Hierzu bedarf es nach Auffassung des BGH einer ausdrücklichen Verrechung durch die Gesellschaft32. Diese Haftungsgrundsätze gelten auch bei der wirtschaftlichen Neugründung, wenn die Gesellschaft vor deren Offenlegung ihre Geschäfte aufnimmt und bis zu diesem Zeitpunkt Verluste entstanden sind33. 6. Fehlerhafte Heilungsvorgänge Als fehlerhafter Kapitalaufbringungsvorgang ist auch ein fehlerhafter Heilungsvorgang zu anzusehen, da hier nicht der von den Gesellschaftern gewünschte Erfolg eingetreten ist. 7. Zwischenergebnis Die Fehlerquellen können bei der Kapitalaufbringung vielfältig sein. Wenn letztlich nicht bekannt ist, ob das Stammkapital ordnungsgemäß aufgebracht ist bzw. hierüber Unsicherheiten bestehen, stellt sich die Frage, an welcher Stelle anzusetzen ist, um etwaige Mängel auszuschließen und – falls erforderlich – zu heilen. Angesichts der verschiedenen Fehlerquellen und ihrer unterschiedlichen Heilungsmöglichkeiten bereitet dies in der Praxis erhebliche Probleme.

__________ 30 Grundlegend BGH, BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1371 = GmbHR 1981, 114 = ZIP 1981, 294. 31 BGH, BGHZ 124, 282 (286) = NJW 1994, 724 (725) = GmbHR 1994, 176 (177) = ZIP 1994, 295 (296). 32 BGH, NJW 2006, 1594 (1597) = GmbHR 2006, 482 (485 f.) = ZIP 2006, 668 (672); Textpassage nicht in BGHZ 165, 391 abgedruckt. 33 BGH, BGHZ 155, 318 (326).

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III. Erlöschen einer Einlageverpflichtung durch Vorhandensein und Offenlegung eines ausreichenden Stammkapitals? 1. Eingangsüberlegung Die (Wieder-)Belebung einer Mantel- oder Vorratsgesellschaft mit einem neuen Unternehmen betracht der BGH wirtschaftlich als Neugründung und verlangt deren Offenlegung, um eine Umgehung der der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften auszuschließen34. Hierdurch soll sicher gestellt werden, dass in der Gesellschaft bei Aufnahme ihrer neuen wirtschaftlichen Tätigkeit das im Handelsregister eingetragene Stammkapital in der Mindesthöhe (§ 7 Abs. 2 und 3 GmbHG) wertmäßig vollständig vorhanden ist. Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist, ob durch einen erneuten Nachweis über die Aufbringung des Stammkapitals etwaige offene, vor der wirtschaftlichen Neugründung nicht wirksam erfüllte Einlageansprüche erlöschen. Sollte dies der Fall sein, liegt der Gedanke nahe, ob dadurch auch außerhalb des Anwendungsbereichs der wirtschaftlichen Neugründung eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung nachgewiesen werden kann mit der Folge, dass etwa noch offene unbekannte Einlageansprüche erlöschen. Dies könnte ein Ansatzpunkt für die Lösung des eingangs dargestellten Problems sein. 2. Kapitalaufbringung bei der wirtschaftlichen Neugründung a) Keine neue Einlageforderung der Gesellschaft Im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neungründung wird keine eigenständige Verpflichtung der Gesellschafter zur erneuten Erbringung des gesamten Stammkapitals begründet35, so dass keine neuen Einlageforderungen der Gesellschaft entstehen. Dies ist deshalb richtig, weil es sich bei diesem Vorgang gerade nicht um eine Neugründung im rechtlichen Sinne handelt. Daher stellt sich auch nicht die Frage, ob durch eine neue Stammeinlageverpflichtung im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung frühere Stammeinlageforderungen ersetzt werden und welche Konsequenzen sich hieraus ergeben. b) Der Kapitalaufbringungsvorgang bei der wirtschaftlichen Neugründung Da die Gründungsvorschriften über die Gewährleistung der Kapitalausstattung entsprechende Anwendung finden, haben die Geschäftsführer im Falle

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34 BGH, BGHZ 155, 318 (322); BGHZ 153, 158 (161); zum wirtschaftlichen Gründungakt siehe von Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1052 f.; Heidinger, ZGR 2005, 101 (104 f.). 35 OLG Thüringen, GmbHR 2004, 1468 (1470) = ZIP 2004, 2327 (2328); Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, 1997, S. 109 ff.; Peetz, GmbHR 2004, 1429 (1433).

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einer wirtschaftlichen Neugründung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG bezeichneten Mindestleistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und sich diese zu ihrer endgültig freien Verfügung befinden36. Durch die Abgabe der Versicherung will das Gesetz zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger sicherstellen, dass die Gesellschaft an diesem Stichtag mit einem Mindestbestand frei verfügbarer Mittel ausgestattet ist37. Dies setzt voraus, dass das Stammkapital auch tatsächlich vorhanden bzw. erneut eingezahlt worden ist. Zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer neuen Geschäftstätigkeit muss die Gesellschaft daher über ein entsprechend hohes Netto-Vermögen verfügen, da andernfalls die Geschäftsführung nicht die erforderliche Versicherung abgeben kann. Bei der wirtschaftlichen Neugründung haben die Geschäftsführer daher den Wert des vorhandenen Vermögens zu ermitteln und ggf. dafür Sorge zu tragen, dass eine etwaige Differenz bis zu den Mindesteinlagen von den Gesellschaftern ausgeglichen werden38. Soll die Gesellschaft mit bereits dort vorhandenen Sachanlagen aktiviert werden, ist gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GmbHG darüber hinaus auch ein Sachgründungsbericht zu erstatten und einen Werthaltigkeitsnachweis zu erbringen39. Den Vorgang über die Neugründung hat das Registergericht in entsprechender Anwendung des § 9c GmbHG zu prüfen40. Regelmäßig verlangen Registergerichte den Nachweis, dass das Stammkapital tatsächlich zur endgültig freien Verfügung der Geschäftsführung steht, etwa durch Vorlage eines Kontoauszuges. Wird eine Vorrats- oder Mantelgesellschaft wirtschaftlich aktiviert, dieses aber nicht oder nicht rechtzeitig offen gelegt, finden nach Ansicht des BGH die Grundsätze über die Unterbilanzhaftung Anwendung41. Soweit eine Differenz zwischen dem Nettovermögen der Gesellschaft und der Stammkapitalziffer besteht, haben die Gesellschafter diese auszugleichen. Maßgeblicher Stichtag für die Berechnung einer etwaigen Unterbilanzhaftung ist der Tag der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister. Auch wenn der Anspruch aus der Unterbilanzhaftung wie ein Anspruch auf Leistung fehlender Bareinlagen zu behandeln ist und damit denselben strengen Regeln wie die Einlageschuld unterliegt42, ändert dies nichts daran, dass bei einer wirtschaftlichen Neugründung kein eigenständiger neuer Einlageanspruch entsteht.

__________ 36 BGH, BGHZ 153, 158 (162). 37 H.Winter/Veil in Scholz (Fn. 6), § 8 GmbHG Rz. 24. 38 OLG Thüringen, GmbHR 2004, 1468 (1470); Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 3 GmbHG Rz. 16; Peetz, GmbHR 2004, 1429, 1433. 39 Ulrich, GmbHR 2005, 900 (901); Wicke, NZG 2005, 409 (413). 40 Zur Registerkontrolle siehe Heidinger, ZNotP 2003, 82 (85 ff.). 41 BGH, BGHZ 155, 318 (326 f.). Dieses Haftungsmodell ist in der Literatur nicht unkritisch aufgenommen worden; siehe Nachw. bei Schütz, NZG 2004, 746 Fn. 16. 42 BGH, BGHZ 165, 391 (399 f.); BGHZ 124, 282 (286).

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Bei der wirtschaftlichen Neugründung handelt es sich somit nicht lediglich um einen formellen Akt, sondern um einen selbständigen neuen Aufbringungsvorgang, der zum Zwecke des Gläubigerschutzes auf die Einhaltung der der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften gerichtet ist. Dieser Vorgang ist dadurch gekennzeichnet, dass es hier um die Erbringung des Nachweises geht, dass die Mindesteinlagen gemäß § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG wertmäßig vorhanden sind, was ggf. voraussetzt, dass etwaige Fehlbeträge vorher eingezahlt worden sind. Mit einer tatsächlichen Einzahlung ist der Aufbringungsvorgang allerdings nur dann verbunden, wenn eine Differenz zwischen den Mindesteinlagen und dem Netto-Vermögen der Gesellschaft auszugleichen ist. 3. Auswirkungen der wirtschaftlichen Neugründung auf noch offene Einlageansprüche Im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen stellt sich die interessante Frage, ob etwaige frühere, vor der wirtschaftlichen Neugründung begründete, noch nicht wirksam erfüllte Einlageansprüche im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung erlöschen, wenn ein Netto-Vermögen in Höhe der Stammkapitalziffer vorhanden ist. Soweit nur die Mindesteinlagen gemäß § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG geleistet worden sind, bleibt die Einlageschuld in Höhe des Differenzbetrages zur Stammkapitalziffer offen. Da die wirtschaftliche Aktivierung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft meist mit einem Gesellschafterwechsel einhergeht, ist dieses Ergebnis insbesondere für den neuen Gesellschafter, der ggf. nochmals das Stammkapital im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung aufgebracht hat, wünschenswert. a) Vorratsgründung Bei der Vorratsgründung löst sich die vorstehende Problematik praktisch von selbst: Sollte die Einlage bei der Gründung zunächst nicht wirksam aufgebracht worden sein43, lässt der BGH der zweiten Einzahlung Erfüllungswirkung zukommen, so dass dadurch die offene Einlageschuld getilgt ist44. Zur Begründung stellt der BGH darauf ab, dass durch die nochmalige Einzahlung der Zweck der Kapitalaufbringungsregeln erreicht worden sei45. Hier zahle der Inferent (wenn auch nicht immer bewusst) auf die noch offene Stamm-

__________ 43 Bei der Gesellschaftsgründung wird nicht selten der zum Nachweis der Aufbringung des Stammkapitals eingezahlte Betrag sogleich wieder an den Gründer als Darlehen oder im Rahmen eines anderen Rechtsverhältnisses zurückgezahlt. Dieses stellt ein unzulässiges Hin- und Herzahlen dar, so dass die Einlageverpflichtung nicht erfüllt ist. Sobald Verkauf der Vorratsgesellschaft ansteht, wird das Stammkapital wieder eingezahlt, um die Gesellschaft „verkaufsfähig“ zu machen. 44 BGH, BGHZ 165, 352; BGHZ 165, 113. 45 BGH, BGHZ 165, 113 (117).

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einlageforderung. Zu diesem Ergebnis kommt der BGH deshalb, weil er die damit verbundenen Rechtsgeschäfte für nichtig hält und der Gesellschafter bei einem solchen „Hin- und Herzahlen“ unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung nichts leiste46. Hier erfolgt die Heilung somit durch Erbringung der ursprünglich geschuldeten Leistung. b) Verwendung einer Mantelgesellschaft Im Gegensatz zur Situation bei der Vorratsgesellschaft bereit die Verwendung einer Mantelgesellschaft größere Probleme, wenn auf einen bereits ursprünglich vorhandenen Vermögensbestand zurückgegriffen wird, der ggf. wieder von den Gesellschaftern bis zur Stammkapitalziffer, mindestens aber bis zur in § 7 Abs. 2 und 3 GmbH genannten Höhe, aufgefüllt worden ist. Durch den Ausweis eines Eigenkapitals in der Bilanz, der die Stammkapitalziffer abdeckt, werden etwa noch offene Einlageansprüche nicht getilgt. Ein bloßes „Auffüllen“ des Stammkapitals reicht hier nicht aus. Dies folgt aus der Rechtsprechung des BGH zur sog. Zweckerreichungstheorie. In den beiden Balsam/Procedo-Urteilen hatte der BGH entschieden, dass ein einmal entstandener Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG durch eine bloße spätere Wiederherstellung des Stammkapitals nicht erlischt47. Begründet wird dies damit, dass dieser Anspruch der Wiederauffüllung des durch eine gemäß § 30 GmbHG verbotene Auszahlung geminderten Stammkapitals diene und daher funktionell mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft zu vergleichen sei. Wegen des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung spiele es daher keine Rolle, ob das Stammkapital wieder auf andere Weise gedeckt sei. Diese Betrachtungsweise hat der BGH auch auf den Bereich der Unterbilanzhaftung übertragen, da diese Überlegungen ebenso für den Unterbilanzhaftungsanspruch zutreffen würden48. Dies muss natürlich erst recht gelten, wenn Stammkapital als solches nicht ordnungsgemäß aufgebracht worden ist. Nach Auffassung des BGH49 ist hier vielmehr eine nachvollziehbare tatsächliche Aufrechnung der sich gegenüberstehenden Ansprüche unter Beachtung von § 19 GmbHG erforderlich. Wenn allein auf das Vorhandensein eines solchen Vermögensbestands abgestellt wird, könnten letztlich Kapitalaufbringungsvorschriften, wie insbesondere § 19 Abs. 2 GmbHG, umgangen wer-

__________ 46 BGH, BGHZ 165, 352 (357); BGHZ 165, 113 (117). 47 BGH, BGHZ 144, 336 = NJW 2000, 2577 = GmbHR 2000, 771 = ZIP 2000, 1251; ZIP 2000, 1256. Soweit sich dies auf Ansprüche aus § 31 GmbHG oder der Unterbilanzhaftung bezieht, ist diese Rechtsprechung zu Recht von Priester (in FS Ulmer, 2003, S. 477, 487 ff.) kritisiert worden. 48 BGH, GmbHR 2006, 482 (485) m. w. N.; Textpassage nicht in BGHZ 165, 391 abgedruckt. 49 BGH, GmbHR 2006, 482 (486); Textpassage nicht in BGHZ 165, 391 abgedruckt.

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den. In diesem Zusammenhang könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass die erforderliche Offenlegung etwaiger Einlageansprüche und deren Aufrechnung gerade fehlen würde, wenn lediglich das Vorhandensein eines bestimmten Netto-Vermögens nachgewiesen würde. An diesem Ergebnis ändert sich auch deshalb nichts, dass bei der wirtschaftlichen Neugründung eine erneute registergerichtliche Kontrolle nach § 9c GmbHG stattfindet. Eine ohne Beanstandung durchgeführte Prüfung führt nicht zum Erlöschen von Einlageansprüchen, da hiermit keine materiell-rechtlichen Folgen verbunden sind. Unter diesen Gegebenheiten kann der Nachweis des Vorhandenseins des Stammkapitals generell keine früheren Einlageansprüche zum Erlöschen bringen50. Die vorstehende Auffassung ist für die wirtschaftliche Neugründung aber nicht passend: § 19 GmbHG dient der ordnungsgemäßen Aufbringung des Stammkapitals und damit dem Gläubigerschutz51. Der BGH hatte eine ordnungsgemäße Verrechnung der Ansprüche der Gesellschaft verlangt, damit die Aufstellung der Vorbelastungsbilanz sichergestellt wird52. Bei der wirtschaftlichen Neugründung besteht ein solches Bedürfnis nicht, da diese nach Abgabe der Versicherung und Offenlegung nicht als solche in das Handelsregister eingetragen wird. Daher gibt es auch nicht den bei der rechtlichen Neugründung kritischen Zeitraum zwischen Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister53. Im Übrigen ist durch § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG nicht die Aufrechung der Gesellschaft mit vollwertigen, fälligen und liquiden Gegenforderungen untersagt54. Wenn dieses jedoch zulässig ist, ist es aus dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes auch ausreichend, wenn bei der wirtschaftlichen Neugründung flüssige Mittel in Höhe des Stammkapitals in der Gesellschaft tatsächlich vorhanden sind und dieses im Zusammenhang mit der Abgabe der

__________ 50 Dafür spricht auch die Situation beim Formwechsel einer GmbH in eine Aktiengesellschaft: hier muss das Netto-Vermögen der Gesellschaft mindestens den Betrag des Grundkapitals erreichen (§§ 245 Abs. 1 Satz 2, 220 UmwG). Dieses ist auch vom Registergericht zu prüfen. Trotzdem bleiben etwaige bei der GmbH begründete Bareinzahlungspflichten wegen einer verdeckten Sacheinlage bestehen und setzen sich auch bei der Aktiengesellschaft fort (Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 245 Rz. 16; Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, S. 140). Dieses ist angesichts der beim Formwechsel geltenden Identitätsprinzips (dazu Decher in Lutter, a. a. O., § 190 UmwG Rz. 6 ff.) nachvollziehbar. 51 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 19 GmbHG Rz. 1; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 19 GmbHG Rz. 1; Uwe H. Schneider/H. P. Westermann in Scholz (Fn. 6), § 19 GmbHG Rz. 3. 52 Naraschewski, EWiR 2006, 565 (566). 53 Kritisch zur Vorbelastungshaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung: siehe Nachweise bei Schütz, NZG 2004, 746 Fn. 16. 54 Siehe z. B. BGH, GmbHR 2006, 482 (486); BGHZ 144, 336 (342); Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 19 GmbHG Rz. 22 ff.

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Versicherung nach § 8 Abs. 2 GmbHG dokumentiert ist55. Hierin liegt im Zweifel auch die von der Rechtsprechung verlangte Aufrechnungserklärung, da mit dieser Erklärung die Gesellschaft diesen Betrag für sich in Anspruch nimmt. Für ein Erlöschen etwaiger noch offener Einlageansprüche und damit die Heilung des ursprünglichen fehlerhaften Kapitalaufbringungsvorgangs spricht zudem ganz entscheidend, dass es sich zumindest wirtschaftlich gesehen um eine Neugründung mit einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Aufbringung des Stammkapitals und damit um einen neuen Aufbringungsvorgang handelt (vgl. oben unter 2. b.). Der BGH verlangt, dass bei der wirtschaftlichen Neugründung die Auffüllung des Vermögens auf die Mindestziffer gewährleistet sein muss56. Bei Unversehrtheit dieses Betrages im Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung ist auch dem Gläubigerschutz ausreichenden Maß genügt57. Hierbei werden auch keine Gläubigerinteressen beeinträchtigt, da ihnen das Stammkapital betragsmäßig vollständig zur Verfügung steht, was durch die Einhaltung der Gründungsvorschriften gewährleistet ist58. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass der neue Kapitalaufbringungsvorgang die frühere Kapitalaufbringung verdrängt, so dass hierdurch ein „Schlussstrich“ unter die Vergangenheit der Gesellschaft gezogen wird. Dies gilt auch dann, wenn bei der ursprünglichen Gesellschaft aufgrund einer verdeckten Sacheinlage noch entsprechende Einlageansprüche offen standen. Verdeckte Sacheinlagen können auch dadurch geheilt werden, dass die geschuldete Bareinlage erbracht wird. Entsprechendes gilt, wenn die im Rahmen der verdeckten Sacheinlage einbrachten Gegenstände veräußert worden sind und der Gesellschaft entsprechende Barmittel zugeflossen sind59. c) Ergebnis Die ordnungsgemäße Durchführung einer wirtschaftlichen Neugründung führt zum Erlöschen etwa noch offener Einlageansprüche. Voraussetzung ist hierfür, dass ein Netto-Vermögen mindestens in Höhe der Stammkapitalziffer vorhanden ist und dieses ordnungsgemäß aufgebracht ist. Ist das Stammkapital nur in der Mindesthöhe (§ 7 Abs. 2 und 3 GmbHG) aufgebracht, ist der Differenzbetrag zur Stammkapitalziffer noch als Einlage zu erbringen.

__________ 55 Sofern die wirtschaftliche Neugründung nicht mit flüssigen Mitteln erfolgt, sondern z. B. auch bereits vorhandene Vermögensgegenstände zurückgegriffen werden soll, sind die Sacheinlagevorschriften einzuhalten (vgl. Nachw. bei Fn. 39). 56 Dabei hat sich der Betrag an dem satzungsgemäßen Stammkapital auszurichten: BGH, BGHZ 155, 318 (325); Klarstellung zu BGH, BGHZ 153, 158. 57 BGH, BGHZ 155, 318 (327). 58 Ettinger/Reiff, GmbHR 2005, 324 (329 f.). 59 Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 59.

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Heilung von fehlerhaften Kapitalaufbringungsvorgängen

IV. Vorsorgliche Heilung durch erneute Aufbringung 1. Ausgangsüberlegung Die Fehlerquellen bei der Kapitalaufbringung können vielfältig sein (vgl. oben II.) und lassen sich häufig auf den ersten Blick nicht erschließen. Bestehen Unsicherheiten über die ordnungsgemäß Aufbringung der Stammeinlage, könnten die Gesellschafter diese nochmals einzahlen60 oder die Gesellschaft könnte unter Beachtung von § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit etwa bestehenden Gegenforderungen aufrechnen, um endgültige Gewissheit zu erlangen61. Dieser Weg ist kaum praxisgerecht, insbesondere wenn die Gesellschaft über ein in der Bilanz ausgewiesenes Netto-Vermögen in Höhe der Stammkapitalziffer verfügt. Wenn das Kapital zu einem früheren Zeitpunkt bereits ordnungsgemäß aufgebracht worden ist, handelt es sich bei genauer Betrachtung um ein Problem des Nachweises, da die Einlageverpflichtung durch Erfüllung (§ 362 BGB) erloschen ist. Kann der Nachweis nicht geführt werden, stehen die Gesellschafter vor demselben Dilemma, als wenn das Kapital nicht ordnungsgemäß aufgebracht worden wäre, da ihnen dafür im Streitfall die Beweislast obliegt62. Die Interessenlage der Gesellschafter ist somit in beiden Fällen gleich. Ist in der Gesellschaft ein Netto-Vermögen vorhanden, dass die Stammkapitalziffer erreicht, bestünde die einfachste Lösung darin, dieses zum Nachweis der ordnungsgemäßen Aufbringung zu verwenden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Gesellschafter über diesen Betrag verfügen können. Sollte das Kapital nicht ordnungsgemäß aufgebracht worden sein, bereitet dies keine Schwierigkeiten, da dem Gesellschafter im Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Kapitalaufbringung entsprechende Bereicherungsansprüche zustehen. Hier aber besteht gerade das Problem, dass nicht bekannt ist, ob das Stammkapital nicht schon aufgrund einer früheren wirksamen Kapitalaufbringung gebunden ist und überhaupt zur Disposition für die Gesellschafter steht. Die Kapitalbindung wird durch die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30 f. GmbHG) abgesichert und begründet bei Auszahlungen entsprechende Rückzahlungsverpflichtungen. Sie kann nur durch eine Kapitalherabsetzung (§§ 58 ff. GmbHG) bis zum Mindestkapital oder schließlich durch die Liquidation der Gesellschaft beseitigt werden. Beide Wege sind aber untaugliche Mittel zur Heilung etwaiger Fehler bei der Kapitalaufbringung, da es hier nicht darum geht, das Stammkapital zu verringern oder die Gesellschaft

__________ 60 Eine sofortige Rückzahlung des eingebrachten Betrages kommt nicht in Frage, da dann ein unzulässiges „Hin- und Herzahlen“ (dazu oben unter II. 2.) gegeben ist. 61 Durch eine solche Bareinlage würde auch eine verdeckte Sacheinlage geheilt werden; dazu Bayer, GmbHR 2004, 445 (453 f.); Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 59. 62 Vgl. Nachw. bei Fn. 2.

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aufzulösen, sondern die ordnungsgemäße Erbringung des Stammkapitals nachzuweisen. Andere Möglichkeiten die Kapitalbindung aufzuheben, sieht der Gesetzgeber nicht vor. Im Falle einer wirtschaftlichen Neugründung einer Mantelgesellschaft führt eine korrekt durchgeführte Kapitalaufbringung zum Erlöschen noch offener Einlageansprüche (vgl. oben III. 3. b), so dass etwaige frühere Fehler bei der Kapitalaufbringung geheilt sind. Bei einer operativ tätigen Gesellschaft würde es sehr konstruktiv erscheinen, die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Neugründung zu schaffen, damit ein neuer Kapitalaufbringungsvorgang eingeleitet wird, der zu der gewünschten Heilung führt. Unter diesem Blickwinkel passt der Heilungsvorgang der wirtschaftlichen Neugründung nicht auf tätige Gesellschaften. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist, ob und durch welche Maßnahmen die Gesellschafter den Kapitalaufbringungsvorgang wiederholen können, um Gewissheit über die Erbringung der Stammeinlage zu erhalten. 2. Die „Entkoppelung“ des als Stammkapitals gebundenen Vermögens Zur Lösung dieses Problems wird vorgeschlagen, dass die Gesellschafter zum Zwecke des Nachweises der ordnungsgemäßen Aufbringung des Stammkapitals eine etwa bestehende Bindung für eine logische Sekunde beseitigen dürfen, um anschließend den Kapitalaufbringungsvorgang zu wiederholen, damit etwaige Zweifel über die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung beseitigt werden. Dabei löst diese „Entkoppelung“ zwei Probleme: zum einen wird die Einlage für die Gesellschafter zum Zwecke der Kapitalaufbringung wieder verfügbar. Zum anderen wird dadurch ein neuer Kapitalaufbringungsvorgang erforderlich (dazu unten unter 3.), bei dessen ordnungsgemäßer Durchführung – ähnlich wie bei der wirtschaftlichen Neugründung – sich die Erfüllung der Stammeinlageverpflichtung nachweisen lässt. Schuldrechtlich geht es bei der Entkoppelung nicht darum, eine neue Einlageverpflichtung zu begründen, sondern im Zusammenhang mit dem neuen Kapitalaufbringungsvorgang, die ursprüngliche Einlageverpflichtung nachweisbar zum Erlöschen zu bringen. Als Folge der Entkoppelung entfällt die Erfüllungswirkung der früher geleisteten Einlage und der Stammeinlageanspruch lebt wieder auf. Umgekehrt entstehen entsprechende Bereicherungsansprüche des Gesellschafters, da der Rechtsgrund für die Leistung der vormals bei der Gesellschaft gebundenen Beträge entfällt. Sollte die Stammeinlage tatsächlich nicht ordnungsgemäß aufgebracht worden sein, besteht der Einlageanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter ohnehin. Insoweit würde die Entkoppelung ins Leere gehen. Dies ist jedoch unbedenklich, da sich hieran ein neuer Aufbringungsvorgang anschließt, durch den die Stammeinlageverpflichtung erfüllt werden soll. 536

Heilung von fehlerhaften Kapitalaufbringungsvorgängen

Die Entkoppelung ist allerdings nur unter der Voraussetzung zulässig, dass unmittelbar im Anschluss daran der neue Aufbringungsvorgang erfolgt. Die Entkoppelung darf nicht dazu führen, dass die Eintragungsvoraussetzungen der GmbH nachträglich wieder entfallen63. Dies ergibt sich daraus, dass § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG voraussetzt, dass Bareinlagen in der Mindesthöhe und Sacheinlagen vollständig erbracht werden müssen. Vorher darf eine Anmeldung der Gesellschaft zu Handelsregister nicht erfolgen. Die Vorschriften über die Kapitalaufbringung und insbesondere das Gebot der vollständigen Aufbringung des Stammkapitals sprechen nicht gegen eine Entkoppelung mit einer gleichzeitigen neuen Aufbringung. Der BGH hatte schon im Zusammenhang mit der Heilung einer verdeckten Sacheinlage durch Änderung der Einlage festgestellt, dass Interessen der Gläubiger nicht betroffen sind. Hier stellt er insbesondere auf die Wertdeckung ab, die durch die Publizität der Sacheinlageverpflichtung, die Werthaltigkeitsprüfung und die präventive Registerkontrolle einschließlich der Differenzhaftung nach § 9 GmbHG sichergestellt ist64. Entsprechendes hat auch für die Entkoppelung und nochmalige Aufbringung zu gelten, da durch die Anwendung der Aufbringungsvorschriften die ordnungsgemäße Erbringung der Stammeinlagen und damit der Schutz der Gläubiger gewährleistet ist. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbH vor, da die Gesellschafter von keiner Einlagepflicht befreit werden, sondern diese vielmehr wieder auflebt und zu erfüllen ist. Bei der erneuten Einbringung ist es auch nicht problematisch, wenn die ursprüngliche Einlage eine Bareinlage vereinbart war. Es ist mittlerweile anerkannt, dass die Gesellschafter auch noch nach Eintragung in das Handelsregister zwischen einer Bar- und Sacheinlage wechseln dürfen65. Auf diesem Wege ist auch eine verdeckte Sacheinlage zu heilen66. Unterschiedlich wird in diesem Zusammenhang jedoch die Frage beantwortet, ob die Heilung nur dann zulässig ist, wenn eine verdeckte Sacheinlage tatsächlich gegeben ist67. Man könnte denken, dass diese Frage auch für die Lösung des hier besprochenen Problems eine Rolle spielt, da es letztlich um eine vorsorgliche Heilung geht. Dies ist aber nicht so, da es hier um die Erfüllung einer nach der

__________

63 Ein Parallele besteht hier insoweit zu § 58a Abs. 4 Satz 1 GmbHG. Bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung kann das Stammkapital unter den Mindestbetrag herabgesetzt werden, wenn es durch eine anschließende Kapitalerhöhung wieder erreicht wird. 64 BGH, BGHZ 132, 141 (154). 65 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 5 GmbHG Rz. 53; H. Winter/H. P. Westermann in Scholz (Fn. 6), § 5 GmbHG Rz. 106, 109; einschränkend dagegen offenbar Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 36. 66 BGH, BGHZ 132, 141. 67 So Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761 (768, Fn. 76). Offenbar wird dieses auch vom BGH, BGHZ 155, 329 (337), stillschweigend vorausgesetzt. Nach Auffassung von Priester, ZIP 1996, 1025 (1027), und Rosengarten/Schiessl, GmbHR 1997, 772 (773), ist eine Plausibilitätskontrolle ausreichend.

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Entkoppelung tatsächlich bestehenden Einlageforderung handelt. Im Übrigen ist die einschränkende Auffassung auch abzulehnen: Eine Umwandlung der Einlage ist nicht nur für Heilungszwecke, sondern aus jedem anderen Motiv zulässig. Gläubigerinteressen werden durch die Änderung der Einlageform nicht betroffen, da die ordnungsgemäße Aufbringung durch Beachtung der entsprechenden Vorschriften gewährleistet ist68. Den Gesellschaftern geht es hier gerade darum, die ordnungsgemäße Aufbringung des Stammkapitals unter Einhaltung der entsprechenden Vorschriften sicherzustellen. Es versteht sich daher von selbst, dass es sich um einen legitimen Zweck handelt. 3. Der neue Aufbringungsvorgang Ist die Stammeinlage nicht ordnungsgemäß aufgebracht worden, steht der Gesellschaft weiterhin der Einlageanspruch und umgekehrt dem Gesellschafter regelmäßig entsprechende Bereicherungsansprüche im Zusammenhang mit der die Einlageforderung nicht tilgenden Zahlung zu69. Wenn die Einlage wie hier vorgeschlagen entkoppelt worden ist und der Einlageanspruch dadurch wieder auflebt, haben die Gesellschafter ihre Einlage erneut zu erbringen. Zugleich stehen dem Gesellschafter entsprechende Bereichungsansprüche in Folge dieses Vorgangs zu. Beide Konstellationen haben damit gemeinsam, dass die Einlage nochmals aufzubringen ist, so dass nunmehr der Aufbringungsvorgang in korrekter Weise durchgeführt werden kann. a) Einlagegegenstand und dessen Einbringung Einlagegegenstand sind die Forderungen des Gesellschafters aus der früheren fehlerhaften Aufbringung bzw. aus der Entkoppelung. Eine Verrechnung der Ansprüche kommt hier nicht in Frage, da die Ansprüche nicht nach dem zu fassenden Beschluss über die Entkoppelung entstehen sind und somit keine „Neuforderungen“ sind70. Die vorsorglichen Heilung durch nochmalige Aufbringung erfordert somit die Einhaltung der Vorschriften über die Sacheinlage. Hier knüpft sich bei der vorsorglichen Heilung ein besonderes, in der Eigenart der Sache liegendes Problem an, weil dem Gesellschafter bzw. einem Erwerber des Geschäftsanteils nicht bekannt ist, ob und ggf. welche Fehler bei der Kapitalaufbringung gemacht worden sind. Das gilt insbesondere, wenn unbekannterweise eine verdeckte Sacheinlage vorliegt. Der BGH hatte bei

__________ 68 KG, DB 2004, 2577 = GmbHR 2005, 95; OLG Hamburg, ZIP 2005, 988 (anders noch in der Entscheidung GmbHR 1997, 70); LG Stuttgart, GmbHR 2004, 666 m. zust. Anm. Oppenländer, GmbHR 2004, 667. 69 Zu den Besonderheiten bei einer verdeckten Sachlage siehe unten Fn. 72. 70 BGH, BGHZ 152, 37 = NJW 2002, 3774 = GmbHR 2002, 1193 = ZIP 2002, 2045; BGHZ 113, 335.

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Heilung von fehlerhaften Kapitalaufbringungsvorgängen

der Heilung einer verdeckten Sacheinlage als Einlagegegenstand nicht den Anspruch auf Rückgewähr der fehlgeschlagenen Bareinlage gesehen, sondern den auf eine Werthaltigkeit zu prüfenden Sachwert. Dies ist die Konsequenz daraus, dass der BGH sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft analog § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG als nichtig betrachtet71. Da das abgeschlossene Erfüllungsgeschäft nichtig ist, stehen dem Gesellschafter entsprechende Herausgabeansprüche zu. Bei der Heilung müssen die einzubringenden Gegenstände somit nochmals übereignet werden. Dieses Problem lässt sich nur dadurch lösen, dass der Gesellschafter im Zuge der erneuten Einbringung nicht nur seine Ansprüche durch Abtretung in Höhe der aufzubringenden Einlage an die Gesellschaft abtritt, sondern auch vorsorglich bestätigt, dass die bei der Gesellschaft befindlichen Sachen im Eigentum der Gesellschaft stehen72, 73. Dass der Gesellschafter bei der vorsorglichen Bestätigung über das Eigentum die Gegenstände nicht exakt bestimmt, steht dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht entgegen und ist für Zwecke der registergerichtlichen Prüfung nicht weiter von Bedeutung. Es ist ausreichend, dass der Gesellschafter erklärt, dass die in dem Anlageverzeichnis erfassten Gegenstände der Gesellschaft zu Alleineigentum zustehen74. Dass unter diesen Umständen keine einzelne Bewertung der betreffenden Vermögensgegenstände erfolgen kann, ist ebenfalls nicht weiter problematisch. Es kommt vielmehr darauf an, dass bei der Gesellschaft ein werthaltiges Nettovermögen in Höhe der Stammkapitalziffer vorhanden ist. Sollte tatsächlich eine verdeckte Sacheinlage gegeben sein, sind die Gegenstände

__________ 71 BGH, BGHZ 155, 329. 72 Letztlich zeigen sich auch hier die so heftig kritisierten Rechtsfolgen der BGHRechtsprechung (vgl. umfangreiche Nachw. bei Heidenhain, GmbHR 2006, 455). Hier stellt sich ein Folgeproblem, wenn nach einer verdeckten Sacheinlage der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil übertragen hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (Fn. 15) ist der übertragende Gesellschafter Eigentümer geblieben. Der neue Gesellschafter kann die Sachen unter diesen Umständen mangels Verfügungsberechtigung nicht in die Gesellschaft einbringen. Dieses lässt sich nur dadurch lösen, dass hier unterstellt wird, dass mit der Abtretung des Geschäftsanteils auch etwaige andere Ansprüche des übertragenden Gesellschafters wegen einer fehlerhaften Kapitalaufbringung (Bereicherungs- und Herausgabeansprüche) auf den Erwerber übergangen sind. Da ein Veräußerer in dem Anteilskaufvertrag regelmäßig versichert, dass das Stammkapital ordnungsgemäß aufgebracht ist, folgt aus der Abtretung des Gesellschaftsanteils auch gleichzeitig gemäß §§ 133, 157 BGB die Übertragung dieser Ansprüche. 73 Bedurfte das ursprüngliche Geschäft der notariellen Form, muss diese bei der Heilung beachtet werden. Wenn sich also Hinweise ergeben, die Gesellschafter frühere z. B. GmbH-Geschäftsanteile oder ein Grundstück eingebracht haben, ist auch dieser Vorgang in notarieller Form zu bestätigen. 74 Siehe dazu auch Bassenge in Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 930 BGB Rz. 3 ff.

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ebenfalls (mit Buchwerten) in der Bilanz bewertet75. Da diese regelmäßig aufgrund von Abschreibungen buchmäßig an Wert verloren haben, wäre die Differenz auszugleichen. Die Differenz ist in der Bilanz dadurch abgebildet, dass hier entsprechende Verluste aufgelaufen sind, die Auswirkungen auf das Ergebnis der Gesellschaft und damit auf die Höhe deren Eigenkapital gehabt haben. Wenn in der Gesellschaft jedoch ein Netto-Vermögen in Höhe der Stammkapitalziffer vorhanden ist, sind diese Verluste bereits anderweitig ausglichen worden sein, so dass ein weiterer Ausgleich nicht erforderlich ist. Es ist daher ausreichend, wenn die Gesellschaft dem Handelsregister anhand einer Bilanz nachweist, dass ein Netto-Vermögen in Höhe der Stammkapitalziffer vorhanden ist. Ist der früher im Wege einer verdeckten Sacheinlage eingebrachte Gegenstand bereits verkauft worden, steht dem Gesellschafter ein Anspruch gegen die Gesellschaft aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. In diesem Fall oder falls der Gegenstand bei der Gesellschaft aus anderen Gründen untergegangen ist, kann die Sacheinlage nicht mehr erbracht werden, so dass die Heilung auf eine unmögliche Handlung gerichtet wäre. Folge hieraus kann nur sein, dass der Gesellschafter die ursprüngliche Einlage zu erbringen hat. Hier reicht es aus, wenn der Gesellschafter seine diesbezüglichen Ansprüche an die Gesellschaft abtritt, was allerdings voraussetzt, dass diese werthaltig sind. b) Durchführung der Heilung Für die Entkoppelung und die Neuaufbringung ist wie bei jeder Änderung der Einlage76 zunächst ein Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich, der der notariellen Form bedarf und mit einer ¾-Mehrheit zu fassen. Inhaltlich hat der Beschluss zu enthalten, dass die bisherige Deckung der Einlagen aufgehoben ist und nunmehr die Stammeinlage als Sacheinlage erbracht wird. Das weitere Verfahren läuft entsprechend wie bei der Heilung einer verdeckten Sacheinlage ab77: Die Geschäftsführer haben in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG einen Bericht über die Heilung zu erstatten. Der Einbringungsvertrag bzw. die Bestätigung über die Eigentumszuordnung ist vor der Anmeldung abzuschließen (§ 7 Abs. 3 GmbHG). Der Beschluss ist von allen Geschäftsführern zum Handelsregister mit der Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG anzumelden. Dabei sind entsprechende Werthaltigkeitsnachweise vorzulegen, regelmäßig eine Bilanz. Mit der Eintragung in das Handelsregister sind etwaige Mängel bei einem frühe-

__________ 75 Auch die bilanziellen Folgen einer verdeckten Sacheinlage sind erschreckend; siehe dazu Bormann, GmbHR 2003, 1055 (1057). 76 BGH, BGHZ 132, 141 (149 ff.). 77 Hierzu Heidinger, ZNotP 2004, 465 (466).

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Heilung von fehlerhaften Kapitalaufbringungsvorgängen

ren Kapitalaufbringungsvorgang geheilt. Gleichzeitig ist durch diesen Vorgang die ordnungsgemäße Aufbringung des Stammkapitals nachgewiesen.

V. Fazit 1. Durch eine ordnungsgemäß durchgeführte wirtschaftliche Neugründung werden etwa noch offene Stammeinlageansprüche der Gesellschaft erfüllt. 2. Etwaige Fehler in der Kapitalaufbringung lassen durch eine Entkoppelung der Einlage und durch eine anschließende Neuaufbringung vorsorglich heilen.

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Hans-Werner Neye

Die Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts im Spiegel der Brüsseler Konsultationsverfahren und Parlamentsentschließungen Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Die Konsultationsverfahren der Kommission zum Gesellschaftsrecht 1. Das Konsultationsverfahren von 1997 2. Die Konsultation durch die Gruppe Hochrangiger Experten 2002 3. Der Aktionsplan von 2003

4. Das jüngste Konsultationsverfahren von 2005 III. Die aktuellen Aktivitäten des Europäischen Parlaments 1. Die Entschließung von April 2004 2. Die Entschließung von Juli 2006 IV. Wie wird es weitergehen?

I. Einleitung Die GmbH als eine – gegenwärtig wieder vieldiskutierte – Säule des deutschen Gesellschaftsrechts bildet ganz unverkennbar einen besonderen Schwerpunkt der gesellschaftsrechtlichen Interessen des Jubilars, wie die große Zahl seiner dieser Rechtsform gewidmeten Einzelbeiträge und insbesondere die Kommentierungen im „Scholz“ und im Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, die man ohne Übertreibung als Klassiker bezeichnen darf, augenfällig deutlich machen. Gleichwohl wäre es angesichts der Bandbreite der von ihm reflektierten Themen mehr als überraschend, wenn er sich nicht auch mit Fragen des Europäischen Gesellschaftsrechts auseinander gesetzt hätte. In der Tat bedarf es keiner langen Suche, um auf entsprechende Belege zu stoßen, die vor allem aus jüngerer Zeit stammen. So beschäftigte sich der Jubilar ausführlich mit dem Vorentwurf für eine 14. Richtlinie zur Sitzverlegung von Gesellschaften1. Das vielversprechende Projekt der Europäischen Privatgesellschaft, das hoffentlich bald konkrete Gestalt annimmt, wurde von ihm speziell aus verfahrensrechtlicher und notarieller Sicht eingehend gewürdigt2. Schließlich setzte er sich mit dem Vordringen ausländischer Rechtsformen auf den „deutschen Markt“ und den sich hieraus ergebenden Fragen für die Reform der GmbH auseinander3.

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1 ZGR 1999, 36 ff. 2 Vgl. den Beitrag in Hommelhoff/Helms (Hrsg.), Neue Wege in die Europäische Privatgesellschaft, 2001, S. 143 ff. 3 DB 2005, 1315 ff.

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Die Bedeutung und Aktualität dieser Themen – dem Autor dieses Beitrags aufgrund eigener Befassung vertraut – sollen Anlass sein, sie in einen größeren Zusammenhang zu stellen und ausgehend von der jüngeren Entwicklung einen Blick auf den Stand und die Zukunft des Europäischen (und damit mittelbar auch des deutschen)4 Gesellschaftsrechts insgesamt zu werfen. Beleuchtet werden soll dabei neben inhaltlichen Aspekten vor allem auch die Methodik der Meinungsbildung in den Gemeinschaftsorganen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts.

II. Die Konsultationsverfahren der Kommission zum Gesellschaftsrecht Wie in vielen anderen Politikbereichen5 bedient sich die Europäische Kommission auch bei binnenmarktrelevanten Themen wie dem Gesellschaftsrecht seit einiger Zeit immer häufiger des Instruments eines Konsultationsverfahrens6, bevor sie in Ausübung ihres im EG-Vertrag verankerten Initiativrechts dem Rat und dem Europäischen Parlament neue Vorschläge für Gemeinschaftsrechtsakte unterbreitet. Dabei ist zu beobachten, dass sich im Laufe der Zeit sowohl der Adressatenkreis wie die Art und Weise der Durchführung solcher Verfahren nicht unwesentlich geändert haben. 1. Das Konsultationsverfahren von 1997 In den ersten Jahrzehnten nach Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörte das Gesellschaftsrecht zu den Schwerpunktbereichen der Rechtsangleichung. Das lässt sich an der Zahl und der grundlegenden Bedeutung der in dieser Periode verabschiedeten Rechtsakte deutlich ablesen7.

__________ 4 Vgl. zur Würdigung des Aktiengesetzes vor dem europäischen Hintergrund jüngst Habersack, ZIP 2006, 445 ff. 5 Vgl. die Übersichten auf der Internetseite der Kommission unter http://europa.eu. int/yourvoice/consultations/index_de.htm. 6 Seit Anfang 2003 werden diese Verfahren auf der Grundlage von Mindeststandards durchgeführt, wie sie sich aus der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“ ergeben, vgl. Dok. KOM (2002) 704 endg. v. 11.12.2002, im Internet abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgc/consultation/ index_en.htm. Bis Ende 2005 wurden bereits bei mehr als hundert wichtigen Vorschlägen diese Mindeststandards angewandt, vgl. Grünbuch der Kommission „Europäische Transparenzinitiative“, Dok. KOM (2006) 194 endg. v. 3.5.2006, S. 12, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2006/com2006_0194de01.pdf. 7 Zu nennen sind die Publizitätsrichtlinie von 1968, die Kapitalrichtlinie von 1977, die Verschmelzungsrichtlinie von 1978, die Bilanzrichtlinie ebenfalls von 1978, die Spaltungsrichtlinie von 1982, die Konzernbilanzrichtlinie von 1983 und schließlich die Prüferrichtlinie von 1984.

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Noch 1985 vermittelte die Kommission den Eindruck, die Geschwindigkeit bei der Harmonisierung könnte unverändert beibehalten werden, als sie in ihrem bekannten Weißbuch „Vollendung des Binnenmarktes“8 für einen Zeitraum bis 1992 zahlreiche neue Vorhaben auflistete und mit sehr optimistischen Prognosedaten hinsichtlich der Verabschiedung durch den Rat versah. Entgegen dieser Planung trat aber zu Beginn der Neunzigerjahre ein weitgehender Stillstand ein. Viele Projekte stagnierten9, nicht wenige vor allem auch wegen der ungelösten Problematik der Mitbestimmung der Arbeitnehmer10. In dieser Situation entschied sich die Kommission – soweit ersichtlich – erstmals für den Bereich des Gesellschaftsrechts, ein umfassendes Konsultationsverfahren einzuleiten, und legte dazu im Februar 1997 einen entsprechenden Fragenkatalog vor11. Die Antworten zu einem ersten Komplex sollten darüber Aufschluss geben, ob das Europäische Gesellschaftsrecht mit seinem damals erreichten Regelungsstand und ergänzt um die seinerzeit noch anhängigen Rechtsetzungsvorschläge12 nach Auffassung der Befragten den Erfordernissen des Binnenmarktes entsprach. Ein weiterer Teil befasste sich mit der Unternehmensverfassung von Kapitalgesellschaften und dem etwaigem Reformbedarf speziell zu diesem Punkt. Der Fragebogen richtete sich unmittelbar und in erster Linie an die Regierungen der damals noch fünfzehn Mitgliedstaaten. Für die Bundesregierung gab das für das Gesellschaftsrecht federführend zuständige Bundesjustizministerium eine ausführliche Stellungnahme ab, nachdem es seinerseits die deutschen Wirtschaftsverbände um Meinungsäußerung gebeten hatte. Von den ungefähr fünfzig angesprochenen Verbänden antwortete rund ein Drittel, teilweise mit sehr ausführlichen Darlegungen. Dabei zeigte sich, dass die Verbände schon zur damaligen Zeit im Grundsatz weiteren Harmonisierungsschritten beim Gesellschaftsrecht eher zurückhaltend gegenüber standen. Die Kernaussage war, nicht mehr, sondern weniger Regulierung sei erforderlich. Diese „Botschaft“ wurde von der deutschen Regierung an die Kommission übermittelt. Bei einer zweitägigen Konferenz, die im Dezember 1997 in Brüssel stattfand, wurden unter Einbeziehung von Verbandsvertretern, Wissenschaftlern und

__________ 8 Zugänglich unter http://europa.eu.int/comm/off/pdf/1985-0310-f-de.pdf. 9 So die Beratungen zum Statut der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und zur ergänzenden Richtlinie hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer in einer SE, zur Fünften Richtlinie (Struktur der AG), zur Zehnten Richtlinie (grenzüberschreitende Verschmelzung) und zur Dreizehnten Richtlinie (öffentliche Übernahmeangebote). Die damals zuständige Abteilungsleiterin in der Kommission sprach gar von einem „Dornröschenschlaf“ des Gesellschaftsrechts. 10 Vgl. dazu Neye in FS Röhricht, 2005, S. 443 (446 ff.). 11 Dokument der Generaldirektion XV – Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen v. 12.2.1997, nicht mit offizieller Nummerierung veröffentlicht. 12 Vgl. Fn. 9.

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Unternehmenspraktikern die wesentlichen Ergebnisse der Konsultation vorgestellt und ausführlich diskutiert13. Eine große Mehrheit der Teilnehmer an der Befragung hatte sich dafür ausgesprochen, endlich eine wirkliche Freizügigkeit der Unternehmen innerhalb der Gemeinschaft zu ermöglichen und damit das Kapitel des EWG-Gründungsvertrages zum Niederlassungsrecht nicht nur für die natürlichen Personen, sondern auch für die Gesellschaften mit Leben zu erfüllen. Grenzüberschreitende Verschmelzung und Sitzverlegung sollten gestattet, das Statut für die Europäische Aktiengesellschaft sollte endlich verabschiedet werden. Für weitere Bereiche sah man dagegen ganz überwiegend ein Tätigwerden der Gemeinschaft nicht als erforderlich an. Auch die Vereinfachung des Gesellschaftsrechts sei im Wesentlichen Aufgabe des nationalen Gesetzgebers. Eine Vereinheitlichung der Regeln über die Unternehmensverfassung (corporate governance) hielt man mehrheitlich nicht für wünschenswert. 2. Die Konsultation durch die Gruppe Hochrangiger Experten 2002 In den Reihen der Kommission sorgte die in vielen Antworten zum Ausdruck kommende Zurückhaltung offenbar für eine nicht unbeträchtliche Verunsicherung. Anders ist es kaum zu erklären, dass man sich dort veranlasst sah, bereits nach wenigen Jahren ein weiteres Konsultationsverfahren durchzuführen. Dieses Mal wandte sich die Kommission allerdings nicht selbst und unmittelbar an die Fachöffentlichkeit. Vielmehr nahm der zur damaligen Zeit für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Frits Bolkestein die großen politischen Schwierigkeiten, die sich bei den Verhandlungen über die Übernahmerichtlinie14 ergeben hatten15, zum Anlass, eine „Gruppe hochrangiger Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ damit zu beauftragen, zunächst einen neuen Vorschlag zum Übernahmerecht auszuarbeiten. Im Anschluss daran sollten die sieben Mitglieder dieser Gruppe16 als Ratgeber behilflich sein bei der Festlegung neuer Prioritäten für eine allgemeine Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts. Zur Erfüllung dieses Auftrags veröffentlichte die Gruppe – nunmehr unter Nutzung des Internets – ein um-

__________ 13 Vgl. den Tagungsband „Konferenz zu Binnenmarkt und Gesellschaftsrecht“, 1998, hrsg. vom Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. 14 Später verabschiedet als Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl.EU Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12. 15 Sowohl bei den Mitgliedstaaten wie im Europäischen Parlament standen sich Befürworter und Kritiker einer Liberalisierung von Übernahmeverfahren nahezu gleich stark gegenüber. Vgl. dazu auch Neye, ZIP 2001, 1120. 16 Deutscher Teilnehmer war Prof. Dr. Klaus Hopt.

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fangreiches Konsultationsdokument17, das in 37 (teilweise mehrfach untergliederten) Fragen viele Einzelaspekte gesellschaftsrechtlicher Regelungen ansprach. Alle Interessierten konnten sich zu Wort melden. Wie schon bei der vorangegangenen Konsultation des Jahres 1997 beteiligte sich auch die Bundesregierung wieder mit einer ausführlichen Antwort. Eine vorherige Befragung der Wirtschaftsverbände konnte dieses Mal unterbleiben, da jene nunmehr die Möglichkeit hatten, sich unmittelbar gegenüber „Brüssel“ zu äußern, und davon auch nachhaltig Gebrauch machten18. In Deutschland fanden sich ferner ad hoc namhafte Gesellschaftsrechtslehrer und Praktiker zusammen, die ein eigenes umfassendes und fundiertes Positionspapier ausarbeiteten und der Öffentlichkeit vorstellten19. Die zahlreichen Äußerungen, die eingegangen waren, fanden ihren Niederschlag in einem Abschlussbericht der Hochrangigen Expertengruppe, der im November 2002 vorgelegt wurde20. Der Bericht mündete in die an die Kommission gerichtete Empfehlung, einen Aktionsplan für das Gesellschaftsrecht zu erstellen und sich darüber mit dem Rat und dem Europäischen Parlament zu verständigen. 3. Der Aktionsplan von 2003 Dieser Empfehlung kam die Kommission ungefähr ein halbes Jahr später im Mai 2003 mit ihrer Mitteilung „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan“21 nach. Im Aufbau und Inhalt weitgehend an den Vorschlägen der Hochrangigen Expertengruppe orientiert, listete der Aktionsplan in einem Anhang kurz-, mittel- und längerfristig zu ergreifende Maßnahmen auf22. Auch zum Aktionsplan wurde wieder eine Befragung durchgeführt. Bis Ende August 2003 gingen bei der Kommission insgesamt 114 Stellungnahmen von Mitgliedstaaten, institutionellen Anlegern, nationalen und europäischen Ver-

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17 Veröffentlicht unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/docs/ modern/consult_de.pdf. 18 So insbesondere der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und das Deutsche Aktieninstitut. 19 Vgl. die Stellungnahme der Group of German Experts on Corporate Law (bestehend aus Bayer, Fleischer, Hoffmann-Becking, Lutter, Noack, Röhricht, K. Schmidt, Ulmer, Wiedemann, Winter und Zöllner), ZIP 2002, 1310 ff. 20 Vgl. http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/docs/modern/report_de. pdf. Im den Anhängen 2 und 3 finden sich ausführliche Erläuterungen und Analysen zu den eingegangenen Stellungnahmen. 21 Im Internet abrufbar unter http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/ com/2003/com2003_0284de01.pdf. Abgedruckt in NZG 2003, Sonderbeilage zu Heft 13. 22 Vgl. die ausführliche Würdigung durch Hopt, ZIP 2005, 461 ff.

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bänden und sonstigen interessierten Berufsgruppen ein. Die Auswertung ergab, dass die im Aktionsplan vorgeschlagenen Schritte im Wesentlichen auf breite Zustimmung stießen23. 4. Das jüngste Konsultationsverfahren von 2005 Trotz des Ausgangs der vorangegangenen Umfrage von 2003 entschloss sich die Kommission nach einiger Überlegungszeit überraschenderweise erneut, ein weiteres Konsultationsverfahren durchzuführen, und stellte Ende Dezember 2005 ein entsprechendes Dokument in das Internet24. In insgesamt 14 Fragen wurden folgende Aspekte angesprochen: – Das generelle weitere Vorgehen – Corporate Governance (Einzelpunkte: eine Aktie – eine Stimme, Gesellschafterrechte, Offenlegung des Abstimmungsverhaltens institutioneller Investoren, Organhaftung) – Gesellschaftsrecht allgemein (Einzelpunkte: Sitzverlegungsrichtlinie, Wahl der Unternehmensverfassung, Ausschluss- und Andienungsrecht, Konzerne und Pyramidenstrukturen, Europäische Gesellschaft, Europäische Privatgesellschaft, Europäische Stiftung) – Formelle Neufassung des geltenden Europäischen Gesellschaftsrechts. Begründet wurde die nochmalige Konsultation mit dem Hinweis darauf, die Rahmenbedingungen hätten sich gegenüber der Veröffentlichung des Aktionsplans im Jahr 2003 wesentlich verändert. Es gehe nunmehr darum, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu verbessern und dabei die Lissabon-Strategie25 und das Programm „bessere Rechtssetzung“26 zu beachten.

__________ 23 Vgl. http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/docs/modern/governan ce-consult-responses_de.pdf. 24 Vgl. http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/docs/consultation/con sultation_en.pdf. 25 Auf dem Lissabonner Gipfel im März 2000 stellten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union eine neue Strategie vor, die darauf abzielt, Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit in Europa bei gleichzeitiger Förderung der sozialen Integration nachhaltig zu steigern, vgl. die Schlussfolgerungen des Vorsitzes unter http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/de/ec/00100-r1. d0.htm. 26 Unter dieser Kurzbezeichnung verbirgt sich ein ehrgeiziges Programm der Kommission mit dem Ziel, das gesamte Gemeinschaftsrecht zu durchforsten und überflüssige Regelungen abzubauen, vgl. dazu die Mitteilung der Kommission vom 25. Oktober 2005, KOM (2005) 535 endgültig, im Internet abrufbar unter http:// europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0535:FIN:DE: HTML.

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So recht zu überzeugen vermochten diese Hinweise nicht. Denn auch der Aktionsplan von 200327 nannte in seiner Einleitung schon das Ziel, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen zu steigern. Es handelte sich dabei also keineswegs um einen völlig neuen Aspekt, den man erst jetzt hätte in den Blick nehmen können. Näher liegt daher die Vermutung, dass die Durchführung eines erneuten Konsultationsverfahrens in Wirklichkeit mit einem grundlegenden Politikwechsel bei der Europäischen Kommission zusammenhing. Im November 2004 wurde als Mitglied der Barroso-Kommission Charlie McCreevy für Binnenmarktfragen zuständig. Schon anlässlich seiner Anhörung durch das Europäische Parlament vor der förmlichen Ernennung ließ er die Sorge erkennen, der Binnenmarkt könnte überreguliert werden, und sprach sich für Gesetzgebung nur in einem unbedingt notwendigen Rahmen aus28. An dieser Grundeinstellung hat sich seither nichts geändert, wie sich an den Verlautbarungen des Kommissars immer wieder ablesen lässt. Die Bundesregierung konzentrierte sich in ihrer Stellungnahme auf die beiden Aspekte, bei denen sie noch wesentliche Defizite im Gemeinschaftsrecht sah. Zum einen ging es um die Herstellung der vollständigen Mobilität für Kapitalgesellschaften in Europa. Um Rechtssicherheit für eine grenzüberschreitende Sitzverlegung zu schaffen, sei dringend die Vorlage eines entsprechenden – und immer wieder angekündigten – Richtlinienvorschlags notwendig29. Zum anderen erscheine aus deutscher Sicht die Schaffung einer neuen Rechtsform der Europäischen Privatgesellschaft zweckmäßig, da die vorhandenen Formen der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) nicht oder allenfalls teilweise die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen erfüllten30. Seine inhaltliche Fortsetzung und zugleich den offiziellen formalen Abschluss fand das Konsultationsverfahren mit einer eintägigen Anhörung am 3. Mai 2006 in Brüssel31. Mehr als 300 Teilnehmer befassten sich dort im Wesentlichen mit den folgenden Themenblöcken, die zuvor bereits Gegenstand der schriftlichen Konsultation gewesen waren: – Rechte und Pflichten von Aktionären – Modernisierung und Vereinfachung des Europäischen Gesellschaftsrechts

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27 NZG 2003, Sonderbeilage zu Heft 13, S. 3. 28 Vgl. deutlich in diesem Sinn seine „Bewerbungsrede“ v. 7.10.2004, im Internet zugänglich unter http://ec.europa.eu/commission_barroso/mccreevy/docs/speeches/ 2004-10-07/opening-statement_en.pdf. 29 So dezidiert auch Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161 (168). 30 Die neue Rechtsform der Europäischen Genossenschaft aufgrund der Verordnung Nr. 1435/2003 des Rates vom 2. Juli 2003, ABl.EU Nr. L 207 v. 18.8.2003, S. 1, die nach ihrem Artikel 80 ab dem 18.8.2006 gilt, konnte in diesem Zusammenhang wegen ihres besonderen Anwendungsbereichs außer Betracht bleiben. 31 Vgl. das Programm unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/con sultation/programme_en.pdf.

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– Verantwortung der Direktoren/interne Kontrolle – Unternehmensmobilität und Umstrukturierung. Im Juli 2006 legte die Kommission eine ausführliche Auswertung der im Rahmen der Konsultation eingegangenen Stellungnahmen vor32. Danach erhielt sie insgesamt 266 Antworten33, ganz überwiegend aus der EU, aber auch aus Drittstaaten, die aus nahe liegenden Gründen ein besonderes Interesse am Gemeinschaftsrecht haben wie die USA, Japan und nicht zuletzt die Schweiz. Der größte Anteil der Äußerungen stammte mit 56 aus Frankreich, gefolgt von Deutschland (42) und dem Vereinigten Königreich (28). Sehr hilfreich für die Detaileinschätzung erschien dabei, dass für die einzelnen Fragen jeweils aufgeschlüsselt wurde, wie viele Antworten eingegangen waren. Denn nur ein kleinerer Teil der Befragten hatte wie die Bundesregierung zu allen Fragen Stellung bezogen. Die Bemerkungen zu den einzelnen Fragenkomplexen fielen recht unterschiedlich aus. In der Grundtendenz wurde einerseits und nicht zum ersten Mal eine gewisse „Regelungsmüdigkeit“ artikuliert, andererseits machte man partiell durchaus noch Lücken im Regelungsgefüge des Europäischen Gesellschaftsrechts aus. Im Bereich Corporate Governance gab es deutliche Unterstützung dafür, zu dem Grundsatz „eine Aktie, eine Stimme“ zunächst die Ergebnisse einer von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie34 abzuwarten und dann allenfalls in Form einer Empfehlung tätig zu werden. Beim Punkt „Aktionärsrechte“ sprach sich eine knappe Mehrheit der Befragten für gemeinschaftsrechtliche Regelungen aus, insbesondere zur Schaffung eines – im deutschen Recht bereits seit langem bekannten35 – Sonderprüfungsrechts, zur Ernennung und Entlassung der Geschäftsleiter sowie betreffend die Kommunikation der Anteilseigner untereinander. Kein klares Bild ergab sich dagegen zu der Frage, ob institutionelle Investoren zu einer Offenlegung ihres Abstimmungsverhaltens verpflichtet werden sollten. Hier standen sich sowohl Befürworter wie Gegner eines Tätigwerdens des Gemeinschaftsgesetzgebers gegenüber. Dagegen zeigte sich eine deutliche Ablehnung hinsichtlich der Überlegung der Kommission, gemeinschaftsweit eine wrongful trading rule einzuführen. Gleiches galt für Regeln über die Disqualifizierung von Geschäftsleitern.

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32 Zum download verfügbar (nur in englischer Fassung) unter http://ec.europa. eu/internal_market/company/consultation/index_en.htm. Enthalten ist dort auch ein Protokoll der Anhörung v. 3.5.2006 (vgl. S. 29 ff.). 33 In der Mehrzahl nachzulesen unter http://forum.europa.eu.int/Public/irc/markt/ markt_consultations/library?l=/company_law/priorities_consultation&vm=detaile d&sb=Title&xt=1. 34 Vgl. die Ausschreibung unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/share holders/indexb_en.htm. Mit einem Ergebnis wird für das Frühjahr 2007 gerechnet. 35 Vgl. §§ 142 ff., 258 ff. und § 315 AktG.

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Aufschlussreich waren auch die Aussagen zu den Projekten, die im Konsultationsdokument36 unter der Überschrift „Gesellschaftsrecht“ behandelt wurden. Hier sprach sich zunächst eine sehr deutliche Mehrheit37 für die Verabschiedung einer Sitzverlegungsrichtlinie aus. Dagegen wurde die Frage der Wahl zwischen monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung ebenso wenig als wichtiges Handlungsfeld des Gemeinschaftsgesetzgebers angesehen wie der Bereich des Konzernrechts38. Gleiches gilt für das Recht zum Ausschluss von Gesellschaftern (squeeze-out). Noch deutlicher war die Ablehnung gegenüber der Idee, quasi als Spiegelbild des Ausschlusses für Minderheitsgesellschafter ein harmonisiertes Recht zur Andienung ihrer Anteile einzuführen. Schon jetzt eine Bewertung der erst seit Ende 2004 wählbaren neuen Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE) abzugeben, hielten viele Antworten für verfrüht39. Auf deutliches Interesse stieß dagegen die Überlegung, für den besonders förderungswürdigen Bereich der Kleinen und Mittleren Unternehmen ebenfalls eine europäische Rechtsform (Europäische Privatgesellschaft) zu schaffen40. Hinsichtlich der von der Kommission aufgeworfenen Idee, die bisherigen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien in einem einzigen umfassenden Rechtsakt zu „verschmelzen“, wurden demgegenüber erhebliche Bedenken laut. Die Bundesregierung konnte sich in ihrer Einschätzung der bestehenden Prioritäten durch die Ergebnisse der Konsultation weitgehend bestätigt sehen.

__________ 36 Vgl. Fn. 24. 37 Von 42,6 % der Stellungnahmen (davon wiederum rund ein Drittel Unternehmen!), die sich zu dieser Frage äußerten, sehen fast 80 % eine solche Richtlinie für notwendig an. 38 Letzteres dürfte seinen Grund darin haben, dass man außerhalb Deutschlands einer Kodifizierung konzernrechtlicher Regeln nach wie vor skeptisch gegenüber steht. Bekanntlich war diese Skepsis ein wesentlicher Grund dafür, dass die von der Kommission schon vor über zwanzig Jahren geplante Konzernrechtsrichtlinie nie über das Stadium eines Vorentwurfs hinausgelangt ist und auch die verdienstvollen jüngeren Vorschläge des Forum Europaeum Konzernrecht (vgl. ZGR 1998, 672 ff.) den Bereich der wissenschaftlichen Diskussion bisher nicht verlassen konnten. Hinweise zu beiden Projekten auch bei Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1. Aufl. 2004, Rn. 978 ff. 39 Aus deutscher Sicht fällt eine positive Einschätzung auch heute schon nicht schwer. Dabei ist nicht nur an das besonders beeindruckende Beispiel der Umwandlung der Allianz AG zu denken. Ein Blick auf die website http://www. seeurope-network.org/homepages/seeurope/secompanies.html zeigt das auch in anderen Mitgliedstaaten kontinuierlich zunehmende Interesse an der neuen Rechtsform. 40 Auch hier wurde der Punkt von ca. 42 % der Teilnehmer angesprochen, und fast zwei Drittel äußerten sich positiv.

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III. Die aktuellen Aktivitäten des Europäischen Parlaments Nicht nur bei der Kommission, sondern korrespondierend dazu auch im Europäischen Parlament stand die Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts in den vergangenen Jahren wiederholt auf der politischen Tagesordnung. Die Behandlung des Themas an dieser Stelle wäre daher unvollständig, ohne auch die Aktivitäten dieses anderen nicht minder wichtigen Gemeinschaftsorgans in den Blick zu nehmen. 1. Die Entschließung von April 2004 Schon im Jahre 2004 reagierte das Europaparlament mit einer ersten Entschließung41 auf den Aktionsplan der Kommission. Deutlich im Vordergrund des mit 55 Einzelziffern sehr umfangreichen Entschließungstextes standen – ersichtlich noch unter dem anhaltenden Eindruck des Ende 2003 aufgedeckten Bilanzskandals um den italienischen Lebensmittelkonzern Parmalat42 – die Themen Corporate Governance, Rechnungsprüfung und weitere damit zusammenhängende Punkte. Andere Aspekte dagegen wurden eher in knapper Form erwähnt (so die Verbesserung der Aktionärsrechte43, die Anwendung des Grundsatzes „one share one vote“44, die Schaffung von Regelungen zur grenzüberschreitenden Unternehmensmobilität45, die Erhöhung der Transparenz bei Unternehmensgruppen und Pyramidenstrukturen46 sowie die Einführung des Wahlrechts zwischen dem monistischen und dem dualistischen System der Unternehmensverfassung47). Insgesamt fällt auf, dass das Parlament sich – zu diesem Zeitpunkt noch in weitgehender Übereinstimmung mit der damaligen Kommission unter ihrem Präsidenten Prodi und dem Binnenmarktkommissar Bolkestein – für sehr weitgehende gesetzgeberische Aktivitäten der Gemeinschaft aussprach. 2. Die Entschließung von Juli 2006 Parallel zu dem letzten Konsultationsverfahren der Kommission und sicherlich auch als Reaktion darauf beschäftigte sich das Parlament jüngst erneut mit dem Gesellschaftsrecht. Durch Beratungen im Rechtsausschuss und im

__________ 41 42 43 44 45 46 47

P5_TA(2004)0346, veröffentlicht im ABl.EU Nr. C 104E v. 30.4.2004, S. 714. Ausführlich erwähnt in Erwägungsgrund B der Entschließung. Vgl. Ziffer 22 der Entschließung. Vgl. Ziffer 24. Vgl. Ziffern 28 und 49. Vgl. Ziffern 46 und 48. Vgl. Ziffer 54.

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Ausschuss für Wirtschaft und Währung wurde eine weitere Entschließung48 vorbereitet, die das EP-Plenum am 4. Juli 2006 verabschiedete. Mit 48 Ziffern ist sie kaum weniger umfangreich, aber durch Gliederung in einzelne themenbezogene Abschnitte wesentlich übersichtlicher als der frühere Entschließungsantrag. Der Schwerpunkt liegt ersichtlich nicht mehr bei Corporate GovernanceFragen. Vielmehr betreffen nahezu zwei Drittel des Entschließungstextes die möglichen Reformprojekte des Gesellschaftsrechts. Dabei ist bei vielen Punkten eine deutliche Diskrepanz im Verhältnis zu den zurückhaltend-vorsichtig bis ablehnend formulierten Stellungnahmen festzustellen, die im Rahmen der Konsultation gegenüber der Kommission abgegeben wurden. Zum einen wünscht sich das Parlament nach wie vor wesentlich umfangreichere Aktivitäten des Gemeinschaftsgesetzgebers. Es bevorzugt dabei verständlicherweise verbindliche Rechtsakte wie Verordnungen und Richtlinien. Denn nur bei diesen Rechtsakten ist eine gleichberechtigte Beteiligung im Wege des Mitentscheidungsverfahrens gemäß Artikel 251 EG-Vertrag gewährleistet. Sogar für Themen, zu denen erst in jüngster Zeit Kommissionsempfehlungen abgegeben wurde wie die Vorstandsvergütung49 und die Unabhängigkeit von Organmitgliedern50, fordert man eine Regelung in Richtlinienform51. Aber auch inhaltlich gehen die Vorstellungen der Abgeordneten in vielen Punkten weiter und bleiben nur selten hinter den Ergebnissen der Anhörung zurück. So hält man zwar eine europaweite Einführung des Rechts auf Sonderprüfung nicht für notwendig52. Nachdrücklich gefordert werden aber Vorschläge für eine Sitzverlegungsrichtlinie und für das Statut für die Europäische Privatgesellschaft53. Auch die von der Kommission in der Vergangenheit bereits zurückgezogenen Vorschläge für Verordnungen zum Europäischen Verein und zur Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaft sollen eine Neuauflage

__________ 48 P6_TA(2006)0295, auf der website des Parlaments zugänglich unter http://www. europarl.europa.eu/registre/seance_pleniere/textes_adoptes/definitif/2006/07-04/ 0295/P6_TA(2006)0295_DE.pdf; im ABl. der EU noch nicht veröffentlicht. 49 Vgl. Empfehlung der Kommission (2004/913/EG) vom 14.12.2004 zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften, veröffentlicht in ABl.EU L 385 v. 29.12.2004, S. 55 ff. 50 Vgl. Empfehlung der Kommission (2005/1612/EG) v. 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, veröffentlicht im ABl.EU L 52 v. 25.2.2005, S. 51 ff. 51 Vgl. Ziff. 23 und 25 der Entschließung. 52 Vgl. Ziff. 15. 53 Vgl. Ziff. 28 sowie 32 f.

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erfahren54. Sogar Regelungen für eine Harmonisierung der Rechtsform der Stiftung erachtet man für sinnvoll55. Die Wahlfreiheit zwischen einer monistischen und einer dualistischen Form der Unternehmensverfassung soll europarechtlich garantiert werden56. Ebenso soll weiter geprüft werden, ob nicht doch zumindest für bestimmte Bereiche des Konzernrechts Regelungen angezeigt sind57. Mit Überraschung stellt man fest, dass teilweise sogar die Regelung von Fragen gefordert wird, die im Aktionsplan der Kommission gar nicht angesprochen werden. So möchte das Parlament etwa das Delisting europaweit harmonisieren58. Wie sich die Abgeordneten zu der rechtssystematischen Überlegung der Kommission stellen, alle bisher erlassenen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien einer Überprüfung zu unterziehen und sie in einem einzigen Rechtsakt zusammenzufassen, bleibt dagegen unklar. Einerseits spricht man sich dafür aus, das geltende Recht grundsätzlich nicht anzutasten und nur im Ausnahmefall zu ändern. Andererseits wird die Kommission aber doch aufgefordert, ihre Pläne näher zu erläutern59.

IV. Wie wird es weitergehen? Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass sich die Kommission gegenwärtig ganz unterschiedlichen Erwartungen ausgesetzt sieht: Einerseits gibt es die Stimmen der befragten Unternehmen und Interessenvertreter, die eine gewisse Regulierungsmüdigkeit artikulieren und nur noch punktuell Regelungsbedarf sehen. Auf der anderen Seite stehen die wesentlich größeren Ambitionen des Europäischen Parlaments. Der zuständige Kommissar McCreevy hat bisher nach wie vor eher eine Tendenz, die Zahl neuer Vorschläge gering zu halten. In einer Rede vor dem Rechtsausschuss des Parlaments am 21.11.2006 hat er seine künftigen Absichten im Bereich Gesellschaftsrecht und Corporate Governance in dieser Weise skizziert60: – Einen Vorschlag für die Sitzverlegungsrichtlinie will er nach Abschluss des dazu durchzuführenden Folgenabschätzungsverfahrens im Frühjahr 2007 vorlegen.

__________ 54 55 56 57 58 59 60

Vgl. Ziff. 31. Vgl. dazu das Editorial von Hopt, EuZW 2006, 161. Vgl. Ziff. 26. Vgl. Ziff. 35. Vgl. Ziff. 36. Vgl. die Ziff. 5 bzw. 6. Im Internet abrufbar unter http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference= SPEECH/06/720&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en.

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Die Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts

– Zur Europäischen Privatgesellschaft soll zunächst eine weitere Machbarkeitsstudie erstellt werden. – Der Überlegung, noch weitere europäische Rechtsformen (Verein, Gegenseitigkeitsgesellschaft, Stiftung) einzuführen, steht er sehr zurückhaltend gegenüber. – Weiterführen möchte er die Diskussion zum Grundsatz „eine Aktie – eine Stimme“ auf der Grundlage der Ergebnisse der dazu in Auftrag gegebenen Studie61. – Fortgesetzt werden sollen auch die Arbeiten zum Komplex Wirtschaftsprüferhaftung62. Ob damit allerdings die Agenda für die Zukunft bereits abschließend festgelegt ist, erscheint eher zweifelhaft. Zum einen steht noch nicht fest, ob Kommissar McCreevy sich schon innerhalb der Kommission selbst mit seiner restriktiven Linie durchsetzen wird63. Dass jedenfalls das Europäische Parlament gewillt ist, es nicht nur bei – letztlich unverbindlichen – Entschließungen zu belassen, sondern seine Anliegen mit Nachdruck auch unter Nutzung wirkungsvollerer parlamentarischer Möglichkeiten durchzusetzen, zeigt das Vorgehen beim Projekt der Europäischen Privatgesellschaft. Gestützt auf Artikel 192 Abs. 264 des EG-Vertrages soll die Kommission aufgefordert werden, im Laufe des Jahres 2007 dazu einen konkreten Regelungsvorschlag vorzulegen65. Aus deutscher Sicht ist diese Unterstützung sehr willkommen. Deutschland möchte seine EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 dazu nutzen, diejenigen Rechtssetzungsvorhaben besonders zu fördern, für die sich bei der Befragung durch die Kommission eine breite Mehrheit der Betroffenen aus-

__________ 61 Vgl. oben Fn. 34. 62 Dazu hat die Kommission im Januar 2007 ein gesondertes Konsultationsverfahren eingeleitet, im Internet abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/ auditing/docs/liabilityconsulation-paper_en.pdf. 63 Presseberichte aus jüngerer Zeit deuten in eine andere Richtung, vgl. etwa den mit der Schlagzeile „EU-Kommissionspräsident will sein Profil schärfen und die europäische Wirtschaft stärker regulieren“ überschriebenen Beitrag im Handelsblatt v. 19.9.2006, S. 6. 64 Diese Vorschrift gibt dem Parlament ein – mangels Befugnis zur Einbringung von Gesetzesvorschlägen allerdings unvollkommen ausgestaltetes – eigenes Initiativrecht. Ein entsprechender Parlamentsbeschluss verpflichtet die Kommission grundsätzlich zum Tätigwerden, überlässt ihr aber einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Zeitpunkts und der Eignung des gewünschten Vorschlags, vgl. Kaufmann-Bühler in Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2003, Art. 192 EGV Rz. 9f. 65 Vgl. den Bericht des deutschen Abgeordneten Lehne (Dok. A6-0434/2006, im Internet abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-// EP//NONSGML+REPORT+A6-2006-0434+0+DOC+PDF+V0//DE&language=DE), der am 21.11.2006 vom EP-Rechtsausschuss (einstimmig) und am 1.2.2007 vom Plenum des Parlaments (mit großer Mehrheit) verabschiedet wurde.

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gesprochen hat. Neben dem Statut für die Europäische Privatgesellschaft steht dabei insbesondere die Sitzverlegungsrichtlinie im Blickpunkt. Wenn dem Jubilar die vorliegende Festschrift überreicht wird, dürfte voraussichtlich bereits eine erste Einschätzung möglich sein, inwieweit die deutschen Bemühungen erfolgreich waren.

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Gesundheitswesen ohne Wettbewerb – Zum Verlust einer rechtlichen Ordnungsidee

I. Mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 20061 ist ein lange wie unterirdisches Torffeuer schwelender Konflikt zwischen den höchsten Gerichten zweier Gerichtzweige wohl nicht beigelegt, zumindest aber einstweilen zu einem Ende gebracht worden. Konfliktparteien waren bzw. sind die Ordentliche und die Sozialgerichtsbarkeit. Zankapfel ist die jurisdiktionelle Kontrolle von Schutz und Wahrung der Wettbewerbsordnung in einem der großen Zukunftsmärkte unserer Republik, dem Gesundheitsmarkt, dem Markt zur Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitspflegeund -vorsorgeleistungen. Sieger im Streit ist die Sozialgerichtsbarkeit, allerdings nicht kraft höherer Einsicht oder besserer Argumente oder eines Sinneswandels auf Seiten des „Unterlegenen“ oder eines Stichentscheids des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes. Den Ausschlag hat ein Machtwort des Gesetzgebers gegeben2. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, prägten diesen Gesetzgebungsakt nicht signifikante Begleitumstände, die ihm eine weiterreichende Dimension verliehen als dies die bloße Regelung eines neu aufgetauchten oder ungeklärten Zuständigkeits- oder Rechtswegproblems normalerweise tun würde. All dies ist in der rechtswissenschaftlichen Fachöffentlichkeit auch keineswegs unentdeckt geblieben und könnte im Kielwasser der Rechtspolitik als weitere – je nach Standpunkt und Perspektive – längst überfällige, bedauerliche oder misslungene Maßnahme des Gesetzgebers am Horizont des Zeitgeschehens verschwinden. Was den Vorgang nichtsdestoweniger „festschriftwürdig“ macht, ist der fast Canossa-Gang-artige Grundtenor der Entscheidung, zu welcher sich der Wettbewerbssenat wohl eher genötigt als veranlasst gesehen hat. Einer Ketzerbekehrung nicht unähnlich wird hier einer lange und zähe verteidigten Lehre abgeschworen; und es hat den Anschein, als wäre eben so etwas gewollt gewesen, nämlich dass der Schutzpatronin der sozialen Gerechtigkeit in einem elementaren menschlichen Lebensbereich nicht nur der Vortritt, sondern auch der Vorrang gegenüber der Beschützerin der Wettbewerbsordnung erzwungen werden sollte, dass mit anderen Worten

__________ 1 BGH v. 23.2.2006 – I ZR 164/03, WRP 2006, 747 – „Blutdruckmessungen“. 2 Er ist Teil des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 v. 22.12.1999, BGBl. I 1999, S. 2626.

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hinter alledem ein höchst bemerkenswerter Paradigmenwechsel sichtbar wird, der als solcher und auch in seinen Folgen für die Rechtsanwendung nicht unkommentiert vonstatten gehen sollte, geht es doch um einen Wirtschaftsbereich, dessen außerordentliches Zukunftspotenzial für die wirtschaftliche Wiedererstarkung unserer Republik schwerlich jemand in Abrede stellen wird. Zu Verifikation dieser Thesen sollen zuerst Standort und Koordinaten der Entscheidung umrissen, dann der legislative Einschnitt und Richtungswechsel markiert und schließlich Konsequenzen und Fragen zur Wirtschaftrechtsanwendung im Gesundheitsmarkt notiert werden.

II. 1. Ursprung des Streits ist eine Zuständigkeitsfrage, die Zuständigkeit zur Entscheidung über wettbewerbsrechtliche und kartellrechtliche Klagen privater Leistungserbringer des Heil- und Hilfsmittelgewerbes oder deren Verbänden gegen Maßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherungsträger, deren Verbänden und anderen Selbstverwaltungsorganen des öffentlichen Gesundheitswesens wie insbesondere die Kassenärztlichen Vereinigungen, deren Kollektivverbände einschließlich weiterer Funktionsvergemeinschaftungen in der Erfüllung des sozialrechtlichen Versorgungsauftrags des deutschen gesetzlichen Gesundheitswesens. Die an sich problemlos zu bejahende Privatrechtsnatur der eingeklagten Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz sah sich wachsendem Zweifelsdruck vor allem von sozialrechtlich orientierter Seite ausgesetzt3, weil die Annahme solcher Klagen durch die Zivilgerichte zu dem Schluss verleitete, diese maßten sich an, den öffentlichen Versorgungsträgern Vorschriften in der Erfüllung ihrer Gemeinwohlaufgabe zu machen. Herausgefordert hat den Spruch des Gesetzgebers hier die Lehre von der rechtlichen Doppelnatur des Handelns der Gesetzlichen Krankenkassen in ihrer öffentlichen Aufgabenerfüllung. Die Gesetzlichen Krankenkassen handeln schlicht hoheitlich in Erfüllung ihres Gesundheitspflegeauftrags gegenüber ihren (Zwangs-)Mitgliedern durch deren Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Eben dieses Handeln, Gewährung von Sachleistungen der Gesundheitspflege für die Versicherten, hat gleichzeitig privatrechtliche Qualität, wo es einen Bedarf deckt, den ebenso auch private Unternehmen als Erbringer oder Anbieter der entsprechenden Leistungen zu erfüllen im Stande und bereit sind oder wären, die Sachleistungsgewährung mit anderen Worten möglichem Wettbewerb durch private Leistungserbringer ausgesetzt ist. Anstoß erregend aus sozialrechtlicher Perspektive ist nicht

__________ 3 Charakteristisch namentlich Knispel, NZS 1998, 563; ders., NZS 2000, 379; ders., NZS 2001, 466; Engelmann, NZS 2000, 213; alle mit Nachw. zur entspr. BSG-Rspr.

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so sehr diese wegen ihrer schwachen Selbsterklärungskraft vielfach4, z. T. auch von privatrechtlicher5 Seite kritisierte Betrachtungsweise. Skandal ist vielmehr die als sachwidrige Fremdsteuerung empfundene Kontrolle des Handelns der Krankenkassen bei der Leistungserbringung durch die ordentlichen Gerichte an den Maßstäben des Wettbewerbs- und Kartellrechts6. Wie wenn es keine jahrzehntelange Rechtsprechung deutscher und europäischer Gerichte zum Unternehmensbegriff und zum „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ gegeben hätte, wird in der Begründung des Gesetzentwurfs GKVGesundheitsreform 2000 dekretiert, die Krankenkassen erfüllten auf der Grundlage ihrer Rechtbeziehungen zu den Leistungserbringern ihren öffentlichen Versorgungsauftrag und seien deshalb keine Unternehmen im Sinne des Privatrechts einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts7. 2. Dass es hierbei eher darum ging, ein offenbar politisch widerspenstiges Staatsorgan zur Raison zu bringen als eine drängende Sachfrage zu entscheiden, zeigt die Vorgeschichte. Diese prägt grundlegend und durchgehend eine kontinentaldriftartige Bewegung des Systems der öffentlichen Gesundheitspflege ins öffentliche Recht8. Auf der anderen Seite kann nicht übersehen werden, dass die Doktrin von der möglichen Doppelnatur schlicht hoheitlichen Handelns öffentlicher Leistungsverwaltung im Ursprung nichts mit der Sozialversicherung zu tun hat. Sie ist vielmehr ein Rechtsprechungsprodukt, dessen präjudizielle Wurzeln bis in vor-bundesrepublikanische Zeiten zurückreichen9 und das sich zunächst nicht auf Sozialversicherungsträger, sondern das Handeln des öffentlichen Rundfunks bezogen hat10. Die Doppelnatur privat-öffentlichrechtlich wurde der Ausstrahlung von Sendungen des – bis heute – öffentlichen Rundfunks zuerkannt, durch die Rechte privater Dritter verletzt wurden. Die Doppelqualifikationsdoktrin argwöhnisch zu beäugen bestand darüber hinaus um so weniger Anlass, als sich diese als

__________ 4 Vgl. Nachw. bei GemS-OGB, BGHZ 102, 280 (288); daneben Brohm, NJW 1994, 281 (287 f.); Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2003, S. 181. 5 Eingehend insbesondere H. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl. 1987. 6 Vgl. dazu die Entschließung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 26.4.1999, wiedergegeben bei Schwerdtfeger, Pharm.Ind. 62, 106, 107 (2000). 7 S. Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreform 2000) BT-Drucks. 14/1245 v. 23.6.1999, S. 67. 8 Stationen der zu Anfang des 3. Reichs beginnenden Entwicklung bei Reiter in Franssen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Bürger, Richter, Staat, FS Sendler, 1991, S. 519 (521). 9 S. dazu die Entscheidungen vom gleichen Tage BGHZ 66, 229, 235 – „Studentenversicherung“ u. BGHZ 67, 81 ff. – „Auto-Analyzer“ m. w. N. 10 Vgl. BGHZ 37, 1, 17 – „AKI“; BGHZ 39, 352, 355 – „Vortragsabend“; BGH, GRUR 1968, 314, 316 – „fix und clever“.

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Teil eines zweischneidigen, in beide Richtungen, öffentliche Hand und private Unternehmen, gleichermaßen vorteilhaft oder nachteilig wirkenden Konzepts darstellte. So wie jeder schlicht hoheitlich handelnde öffentliche Leistungsträger mit privatrechtlichen Mitteln auf dem ordentlichen Rechtsweg gegen wettbewerbliche Übergriffe privater Dritter z. B. Boykott oder Kartellabsprachen vorgehen können soll, soll jeder private Dritte sich auf die gleiche Weise gegen entsprechende Übergriffe des schlicht hoheitlich handelnden öffentlichen Leistungsträgers zu Wehr setzen können11. Dieser Symmetrie-Gedanke hat die nötige Überzeugungskraft im öffentlichen Gesundheitswesen jedoch nicht gewinnen können. Vielmehr hat eine Reihe von grundsätzlich gehaltenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, in denen der Zivilrechtsweg für private Unterlassungsklagen gegen Gesetzliche Krankenkassen und andere öffentliche Körperschaften des Gesundheitswesens als gegeben erachtet wurde12, offenkundig Widerspruch insbesondere bei der sozialrechtlich orientierten Rechtsanwendung hervorgerufen. Der mit zwei Vorlagen des Bundessozialgerichts um Klärung der Rechtswegfrage angegangene Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes hat jedoch im Ergebnis der Doppelqualifikationslehre des Bundesgerichtshofs recht gegeben und damit den als störend empfundenen Rechtsprechungseinfluss der Zivilgerichtsbarkeit auf die Sozialverwaltung im Gesundheitswesen einstweilen gefestigt13. Der umgekehrte Versuch einer „Arrondierung“ der zivilgerichtlichen Entscheidungskompetenz im sozialen Gesundheitswesen in Gestalt einer Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes im Fall einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage einer Ersatzkasse gegen die Mitgliederwerbung einer AOK schlug allerdings fehl14. Der Bundesgerichtshof musste sich sagen lassen, dass bei Streitigkeiten zwischen zwei Gesetzlichen Krankenversicherungsträgern deren Konkurrenzverhältnis einem – dem Zivilrechtsweg entzogenen – „Sonderrecht der Träger öffentlicher Aufgaben unterworfen“ und von sozialversicherungsrechtlichen Normen beherrscht sei15. 3. Im Zeitpunkt dieser wie eine Kurskorrektur anmutenden Entscheidung hatte der Gesetzgeber jedoch bereits mit dem am 1.1.1989 in Kraft getretenen Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988 entschlossen weitergehend zuguns-

__________

11 BGHZ 66, 229, 236/237 – „Studentenversicherung“; BGHZ 67, 81, 86 – „AutoAnalyzer“. 12 BGHZ 82, 375 – „Brillen-Selbstabgabestellen“; BGHZ 66, 229 – „Studentenversicherung“; BGHZ 67, 81 – „Auto-Analyzer“. 13 GmS-OGB BGHZ 97, 312 – „Orthopädische Hilfsmittel“; GmS-OGB BGHZ 102, 280 – „Rollstühle“. 14 GmS-OGB BGHZ 108, 283 – „AOK-Mitgliederwerbung“. 15 GmS-OGB BGHZ 102, 287.

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ten der Zuständigkeit der Sozialgerichte durchgegriffen16. Die Zielsetzung des Gesetzgebers, Verdrängung der Zivilgerichtsbarkeit aus dem Rechtsschutz gegen Handeln der öffentlichen Versorgungs- und Leistungsträger im Gesundheitswesen, war nicht zu verkennen. Weniger klar blieb indessen, wie dies zu bewerkstelligen sein sollte. Zu den in diesem Zusammenhang als wichtig angesehenen Neuerungen gehörte die Einführung eines öffentlichen Zulassungserfordernisses für Leistungserbringer. Durch den Verwaltungsakt der Kassenzulassung sollte dem Leistungserbringer die – auch für den Rechtsweg maßgebliche – statusbegründende Berechtigung verliehen werden17, durch Verträge am sozialrechtlichen Versorgungsgeschehen teilzunehmen. Ob der Gesetzgeber das so gemeint hat, ist keineswegs so gewiss – und gleichzeitig wohl auch ein kennzeichnender Umstand für den offenbar blinden Eifer, mit dem man eine für falsch erachtete Präjudizienrechtslage korrigieren wollte18. Den einschneidendsten Erfolg erzielte die Änderung der Zuständigkeitsregelung im Sozialgerichtsgesetz. Aus dem relativ harmlosen und für den Zuständigkeitskonflikt zwischen den Gerichtsbarkeiten ursprünglich ganz unergiebigen § 51 SGG sollte die „Waffe“19 der sozialrechtlichen Aufgabenträger im Kampf um den Zugang zu „ihrer“ Gerichtsbarkeit gemacht werden20. § 51 Abs. 2 wurde dahingehend umformuliert: Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Fünften Sozialgesetzbuch entstehen 1. ... 2. ... 3. auf Grund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden;

Die Begründung dazu lautet, dass die Neuregelung keine allgemeine Rechtswegzuweisung, sondern „eine Klarstellung“ für Streitigkeiten enthielte, die den Sozialgerichten „ausdrücklich zugewiesen werden sollen, da sie nicht

__________ 16 Reiter (Fn. 8), 532: Annahme der „in der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats liegenden Herausforderung“ durch den Gesetzgeber; Engelmann, NZS 2000, 214: Gesetzgeber hat auf die Rspr. des GemS-OGB „reagiert und sie teilweise korrigiert“. 17 Engelmann, NZS 2000, 214. 18 In der Begründung zur sogleich zu besprechenden Erweiterung der sozialgerichtlichen Zuständigkeit wird ausdrücklich festgestellt, dass sich „an dem privatrechtlichen Charakter dieser Verträge (sc. der Kassen mit den privaten Leistungserbringern) dadurch nichts ändere“, BT-Drucks. 11/3480, S. 77. 19 So das Epitheton von Knispel, NZS 2000, 379, für das EG-Kartellrecht als Rechtsgrundlage klageweiser Angriffe der Arzneimittelhersteller gegen die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel. 20 Den offenbar verbreiteten Eindruck einer spezifischen Affinität zwischen Wirtschaft und Zivilgerichtsbarkeit, Versorgungsträgern und Sozialgerichtsbarkeit referiert insbesondere Schliesky, DVBl. 1999, 78 (79).

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schon ohne weiteres unter § 51 Abs. 1 SGG fallen ...“. Außer der Festsetzung von Festbeträgen seien die Leistungsbeschaffungsverträge mit privaten Leistungserbringern „das zentrale Instrument“ zur Erfüllung der öffentlichrechtlichen Heilmittel- und Hilfsmittellieferverpflichtungen der Krankenkassen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Wegen des engen Sachzusammenhangs zwischen dem Inhalt dieser Verträge und den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten seien Streitigkeiten aufgrund dieser Verträge den Sozialgerichten zuzuweisen21. 4. Man kann kaum sagen, dass es dem Gesetzgeber gelungen wäre, eine juristisch leicht und klar nachvollziehbare Begründung seines Regelungsanliegens geliefert zu haben22, obwohl über desen Zielrichtung keine ernstlichen Zweifel mehr bestehen konnten. Es musste deshalb fast als so etwas wie eine Verhöhnung des Gesetzgebers anmuten, als der Bundesgerichtshof in Bezug auf eine drei Monate nach In-Kraft-Treten der neuen Rechtswegzuweisung rechtshängig gewordene Klage eines Leistungserbringers mit kartellrechtlichem Klagegrund entschied, dass die – oben wiedergegebene – Neufassung des § 51 Abs. 2 SOG am Rechtsweg zu den für Kartellsachen zuständigen ordentlichen Gerichten nichts geändert habe23. Die Begründung hierfür wird im Allgemeinen auf ein lex-specialis – Argument zurückgeführt. Die Rechtswegzuweisung in § 87 GWB für deutsche Kartellsachen und im inzwischen in § 87 aufgegangenen § 96 GWB für europäische Kartellsachen greife als Sonderregelung auch gegenüber § 51 Abs. 2 SOG durch. Es trifft m. E. den Tenor der Begründung des BGH-Urteils besser, wenn man diesen in dem Satz zusammenfasst, der Gesetzgeber könne das so nicht wirklich gemeint haben24, nämlich die aus den kartellrechtshistorischen Erfahrungen der Vorkriegszeit geborene, sorgfältig bedachte, in sich geschlossene und umfassende Zuständigkeit besonderer Kartellspruchkörper der ordentlichen Gerichte für Kartellsachen durch eine schlichte Rechtswegerweiterung für die Sozialgerichte in Bezug auf privatrechtliche Streitigkeiten mit sozialrechtlichem Einschlag ganz aus den Angeln heben zu wollen. Man hätte in dem Urteil eine berechtigte Erinnerung an den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Stellenwert des Kartellrechts namentlich in einem einst als Land der Kartelle apostrophierten Deutschland erkennen können25. In Anbetracht des Geistes, der bei der Rechtswegänderung zugunsten der Sozialgerichte am Werke war, konnte das jedoch kaum Aussicht haben, als notwendige Mah-

__________ 21 22 23 24 25

BT-Drucks. 11/3480, S. 77. Vgl. Engelmann, NZS 2000, 213: Mangel an „gebotener Präzision“. BGHZ 114, 218 – „Einzelkostenerstattung“. Engelmann, NZS 2000, 226. So betont Neumann, WuW 1999, 967 (972).

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nung ans ordnungspolitische Gewissen des Gesetzgebers oder der sozialrechtlichen Gerichtsbarkeit verstanden zu werden. Die Reaktion auf das Judikat des Bundesgerichtshofs demonstriert nur Unverständnis für die Berechtigung der Vorbehalte gegenüber dem Versuch, dem überkommenen System der Kartellgerichtsbarkeit mit einem undurchdachten Strich des Gesetzgebers im Gesundheitswesen gewissermaßen das Genick zu brechen. Das Bundessozialgericht reklamierte nun seinerseits eine Enscheidungszuständigkeit für Kartellsachen26. In Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hätte das eigentlich wieder eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes erforderlich gemacht. Die Gründe, mit denen die Notwendigkeit hierfür verneint worden ist, rechtfertigen nur noch einmal mehr die Befürchtungen gegenüber einer Aufspaltung der Kartellrechtspflege. Das Bundessozialgericht meinte auf eine Vorlage verzichten zu können, weil der Bundesgerichtshof den Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit nur in Fällen27 zugelassen habe, in denen die Klagansprüche „ausschließlich“ auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt worden seien. Der Bundesgerichtshof habe also, so muss man den weiteren Gedankengang dieser Begründung verstehen, keinen Ausschließlichkeitsanspruch auf Kartellsachen in Fällen erhoben, in denen Klagansprüche nicht ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche, sondern auch auf vertragliche Grundlagen, wie der neu gefasste § 51 Abs. 2 Nr. 3 SGG sie im Auge habe, gestützt worden seien. Und wie wenn im Bundessozialgericht ein unausgesprochenes Gespür für die ans Unhaltbare grenzende Brüchigkeit dieser Begründung vorhanden gewesen wäre, wird dieser Gedanke noch mit einem weiteren Argument untermauert, das fast wie eine Retourkutsche anmuten will. Dass der Bundesgerichtshof seine Entscheidungszuständigkeit nur für Fälle mit ausschließlich wettbewerbsrechtlichen Klagansprüchen (und nicht für die vertraglich – außervertraglichen Mischfälle) habe bejahen wollen, sei daran abzulesen, dass er auch auf seiner Seite keine Veranlassung gesehen habe, sich bei seinem Urteil mit einem vorgängigen Urteil des Bundessozialgerichts28 auseinander zu setzen, in dem auch schon in einem Rechtsstreit zwischen einem Leistungserbringer und einer Krankenkasse neben vertraglichen Ansprüchen über solche aus dem GWB entschieden worden sei. Wenn der Bundesgerichtshof bei seinem Fall damals schon keinen Grund zur Vorlage an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe gesehen habe, dann müssen wir, so muss man wohl den Gedankengang des Bundessozialgerichts interpretieren, unsererseits das ebenso wenig tun. Die Frage, ob die Unterscheidung zwischen Klagen von Leistungserbringern, die ausschließlich auf wettbewerbs- bzw.- kartellrecht-

__________ 26 BSG, NJW 1995, 1575. 27 BGHZ 114, 218 – „Einzelkostenerstattung“; BGH, NJW 1992, 1561 – „häusliche Krankenpflege“. 28 Urt. v. 24.1.1990, SozR 3 – 2500 § 15 Nr. 1.

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liche Anspruchsgrundlagen, und solchen, die daneben auch auf vertragliche gestützt werden, ein taugliches Kriterium zur Entscheidung der Rechtswegfrage ist, bedarf in Anbetracht des auch 1994 unzweideutigen Wortlauts von § 87 GWB keiner Ausführungen29. Kritische Beachtung verdient aber der angebliche kartellrechtliche Zuschnitt des Bundessozialgerichtsurteils vom 24.1.199030, mit dem auseinander zu setzen der Bundesgerichtshof bei seiner hier zur Debatte stehenden Rechtswegentscheidung keine Veranlassung gesehen haben soll. Denn eine eigene Befassung mit der bis zur Änderung des § 51 besonders heiß umstrittenen Frage des Rechtswegs für Klagen, die auf wettbewerbsrechtliche oder kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden, findet in dem BSG-Urteil mit keinem Wort statt. Die Entscheidung der Rechtswegfrage, die aus der Sicht des Bundessozialgerichts eigentlich den BGH zu einer Vorlage beim Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zwingende abweichende Entscheidung hätte veranlassen sollen, wird vom Bundessozialgericht in seiner späteren Rechtswegentscheidung31 nur inzident erschlossen aus dem Umstand, dass in den Entscheidungsgründen des BSG-Urteils vom 24.1.1990, in denen über die Begründetheit der Klage entschieden wird, auch kartellrechtliche Normen angesprochen werden. Der Senat hätte das nicht tun können, so der sinngemäße Gedanke des Bundessozialgerichts in jenem Beschluss vom 29.9.1994, wenn er nicht vorher seine Entscheidungszuständigkeit – unausgesprochen – bejaht hätte. Eben dieser Umstand, die anfängliche Wortlosigkeit des Bundessozialgerichts in der Frage der Zuständigkeit für Kartellsachen, hat jedoch dem Bundesgerichtshof in seinen folgenden Entscheidungen offenbar als Argument gedient, einen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – allerdings mit unbrauchbaren Belegen – zu verneinen32. Hinzu kommt, dass man sich in Anbetracht der extensiven Behandlung, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil „Einzelkostenerstattung“33 der Rechtswegfrage hat zuteil werden lassen – sie nimmt mehr als die Hälfte des Urteils ein –, zu fragen geneigt fühlt, ob es auf Sozialgerichtsseite nicht am ernstlichen Willen fehlte, die nach der ganzen Vorgeschichte nicht ganz unwichtige Zuständigkeitsfrage noch einmal rechtsprechungsintern klären zu lassen, oder ob man die ganz impraktikablen Konsequenzen34 einer Partialspaltung der Zustän-

__________ 29 Die Unhaltbarkeit dessen sieht sogar ein so entschiedener Verfechter der Allzuständigkeit der Sozialgerichte wie Knispel, NZS 2000, 379 (381). 30 BGHZ 114, 218 – „Einzelkostenerstattung“; BGH, NJW 1992, 1561 – „häusliche Krankenpflege“. 31 BSG, NJW 1995, 1575. 32 BGH, NJW 1992, 1561 (1563). 33 BGHZ 114, 218 – „Einzelkostenerstattung“. 34 Knispel, NZS 2000, 379 (380). Engelmann, NZS 2000, 217, spricht davon, das BSG habe mit seinem Beschluss vom 29.9.1994 die bestehenden gegensätzlichen Auffassungen zwischen BGH und BSG offengelegt.

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digkeit für Kartellsachen nicht sah oder sehen wollte. Angesichts der beiderseits gepflegten Missverständnisse, die sich unschwer durch die vermiedene GmS-OGB-Vorlage hätten ausräumen lassen, könnte man auf den Gedanken kommen, dass hier eine Machtprobe gewollt war. Als Folge dieser aus welchen Gründen auch immer gespeisten Konfrontation der Gerichtsbarkeiten in der Rechtswegfrage konnte und kann man nur konstatieren, dass das Ziel einer Bereinigung der Zuständigkeitslage, das der Gesetzgeber mit dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 angestrebt hat, jedenfalls in Bezug auf Kartellsachen nicht erreicht worden ist. In einer als „Wendepunkt“35 apostrophierten Serie von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs über Klagen von Leistungserbringern mit und ohne wettbewerbsrechtlichen Einschlag36 kann man zwar rechtspolitisch motivierte Bekundungen seines Gesetzesgehorsams gegenüber der vom Gesetzgeber dekretierten Neuzuweisung der Rechtswege erblicken. Doch rechtfertigt die spätere Rechtsentwicklung die These, dass der Bruch, den die unerwartete Vindikation der Kartellsachen für die bei den ordentlichen Gerichten angesiedelten Kartellspruchkörper in der neu geordneten Zuständigkeit der Sozialgerichte hinterlassen hatte, nicht ohne Gegenmaßnahmen hingenommen werden sollte37, ganz abgesehen davon, dass die von den „Konfliktparteien“ selbst geschaffene, auf Dauer praktisch kaum sinnvoll handhabbare Zuständigkeitslage ein gesetzgeberisches Machtwort schon aus der Sache selbst heraus erforderte. 5. Man kann nicht sagen, dass im Gesetzgebungsprozess die Rechtswegfrage einen besonderen Stellenwert gehabt hätte. Aber es ist unverkennbar, dass man für Querelen und rechtspolitische Bedenklichkeiten keine Lücke lassen und eine etwaige Bildung von „Justiz-Enklaven“ von vornherein verhindern wollte. Mit dem (GKV) Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.199938 sollten den unerwünschten Entwicklungen im Gefolge des GesundheitsReformgesetzes (GRG) ein für allemal der Nährboden entzogen werden. Beseitigt wurde zum einen, was ursprünglich schon als Einfallstor der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Judizierung im Gesundheitswesen gedient hatte: die Zugehörigkeit der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leis-

__________ 35 Engelmann, NZS 2000, 216. 36 BGH, NJW 1998, 825 – „Hilfsmittellieferungsvertrag“; BGH, NJW 1998, 826 – „Rechtsweg“; BGH, NJW 2000, 874 – „Arzneimittelversorgung“; kein Leistungserbringer-Fall, aber die gleiche „sozialrechtsfromme Haltung“ zeigend auch BGH, NJW 1998, 2743 – „Maßnahmen der Mitgliederwerbung“. 37 Vgl. die bar jeden rechtspolitischen Problembewusstseins, in forderndem Kommandoton gehaltene Entschließung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Fn. 6). 38 BGBl. I 1999, S. 2626.

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tungserbringern zum Privatrecht, namentlich die Leistungsbeschaffungsverträge und die aus der Verletzung rechtlich geschützter Interessen erwachsenden Schutzansprüche. § 69 SGB V, der im ‚Vierten Kapitel. Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern‘ an erster Stelle steht, bestimmt unter der Überschrift Anwendungsbereich: Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. 2Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. 3Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. 4 Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

Es ist unschwer erkennbar, dass hier ein umfassender Geltungsanspruch für das öffentliche Recht auf herkömmlich und der Sache nach dem Privatrecht zuzuordnende Rechtsverhältnisse zur Geltung kommen soll39. Versucht man den hinter diesem unfassenden Regelungskonzept stehenden Ordnungsgedanken, so es denn einen außer Machtverschiebung gibt, zu fassen, so entsteht ein vielleicht nicht neues, aber eigentümliches Bild eines durchgängig öffentlich-rechtlich geprägten Lebens- und Wirtschaftsbereichs, dessen durch verwaltungsaktmäßige Zulassung in diesen Status erhobene Angehörige nur in ihren öffentlich-rechtlich vorgeformten Rollen fungieren und interagieren können und sollen. Mit den Folgen der sozialrechtlichen Umpolung dieser Verhältnisse wird das erste Wunschziel des Gesetzgebers erreicht. Wirtschaftliche Austauschbeziehungen, die einem Regime des öffentlichen Rechts unterstellt sind, sind weder dem Zivilrecht noch der Zivilgerichtsbarkeit zugänglich. Der Nachbesserungsbedarf in der Entscheidungszuständigkeit der Sozialgerichte hat sich in einer Änderung des § 51 Abs. 2 SGG und komplementären Gesetzesänderungen im GWB niedergeschlagen. § 51 Abs. 2 SGG lautet in seinen relevanten Partien jetzt so: (2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Fünften Sozialgesetzbuch entstehen 1. ... 2. ...

__________ 39 Vgl. BSG v. 25.9.2001, BSGE 89, 24: Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern und ihren Verbänden sind seit dem 1.1.2000 öffentlich-rechtlicher Natur.

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Gesundheitswesen ohne Wettbewerb 3. auf Grund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; ...2§§ 87 und 96 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen finden keine Anwendung. 3...

Komplementär dazu heißt es in § 87 GWB: (1) 1Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung dieses Gesetzes, der Artikel 81oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder der Artikel 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betreffen, sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte ausschließlich zuständig. 2... 3Satz 1 gilt nicht für Rechtsstreitigkeiten aus den in § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Rechtsbeziehungen, auch soweit hierdurch Rechte Dritter betroffen sind.

§ 96 GWB ist aufgehoben und inhaltlich nach § 87 GWB übernommen worden. Mit diesen Neuregelungen hat der Gesetzgeber formulierungstechnisch ungeschickt das überkommene Kartellrechtsprechungsmonopol zugunsten der Sozialgerichte nun endgültig „geknackt“. 6. Der „Sieg“ scheint dieses Mal vollkommen: Das Bundessozialgericht hat nicht nur die Alleinherrschaft des Sozialrechts, sondern darüber hinaus verkündet, dass das nationale Wettbewerbsrecht (GWB und UWG) auf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringen und ihren Verbänden nicht mehr anwendbar sei40; ja, sogar weitergehend, dass darüber hinaus das Wettbewerbsrecht auch für Konkurrenzstreitigkeiten von Leistungserbringern untereinander nicht mehr – sondern ebenfalls wohl Sozialrecht – gültig sei41. Zu alledem hat es das Gericht auch noch für geboten gehalten zu erklären, dass es in vor der Gesetzesänderung noch als Kartellsachen zu qualifizierenden Fällen auch ohne – kartellrechtlich vorgeschriebene – Beteiligung des Bundeskartellamts entscheiden könne, weil es sich ja seit dem In-Kraft-Treten der (GKV) GesundheitsReformgesetz 2000 am 1.1.2000 nicht mehr um – sonst meldepflichtige Kartellsachen handele42. Entsprechende „Unterwerfungserklärungen“ von Seiten der unterlegenen Gerichtsbarkeit, stellen offenbar sicher, dass dem Kosmos des Sozialrechts im Gesundheitswesen kein Störung von außen mehr droht. Der Bundesgerichtshof will zwar immer noch dahingestellt sein lassen, ob die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer öffentlich- oder privatrechtlicher Natur sind43. Als Argument dient ihm, Ironie der Ge-

__________ 40 41 42 43

BSGE 89, 24, Leitsatz 2. BSGE 89, 33. BSGE 87, 95 (99). BGH, NJW 2000, 2749 – „Hörgeräteakustik“.

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schichte, das formulierungstechnische Ungeschick des Gesetzgebers, der es nach der ersten Panne dieses Mal offenbar mehr als 100 % richtig machen wollte, indem er in § 51 Abs. SGG anordnete, § 87 GWB fänden keine Anwendung, was naturgemäß nur dann Sinn macht, wenn Kartellsachen vor das Sozialgericht gebracht werden können oder sollen, die nach § 87 GWB ja eigentlich vor die Kartellkammern der Landgerichte gehören würden, demzufolge also angenommen werden muss, der Gesetzgeber halte weiterhin die Entstehung privatrechtlicher Kartellrechtsstreitigkeiten im sozialen Gesundheitswesen für möglich. Auch der denkbare Hinweis kann nicht verfangen, § 87 GWB behalte selbst dann, wenn es keine deutschen Kartellsachen im Gesundheitswesen mehr geben könne, immer noch seine Funktion im Blick auf europäische Kartellrechtsfälle. Denn § 51 Abs. 2 SGG erklärt mit Bezug auf einen inzwischen überholte Fassung des GWB nicht nur § 87 GWB, sondern auch § 96 GWB für nicht anwendbar. Da sich § 87 GWB zu jenem Zeitpunkt nur auf die ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für deutsche Kartellsachen, und § 96 auf europäische bezog, bleibt es bei der rechtslogischen Denkunebenheit. Vor allem aber hat das den Bundesgerichtshof nicht gehindert, die Entscheidungspriorität der Sozialgerichte, auch soweit kartellrechtliche Ansprüche in Streit stehen, anzuerkennen44. Bleibt es sonach hinsichtlich der Kartellsachen immer noch bei derzeit offenbar bloß semantischen Divergenzen mit dem Gesetzgeber und der Konkurrenzgerichtsbarkeit, hat der Bundesgerichtshof in Bezug auf wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten in der gewünschten Weise eingelenkt. In dem einleitend angesprochenen Urteil „Blutdruckmessungen“, das über eine auf § 8 Nr. 3 UWG gestützte Unterlassungsklage gegen eine Gesundheitsvorsorgezwecken dienende Maßnahme, die eine Apotheke scheinbar einseitig begünstigte, zu entscheiden hatte, hat er sich ohne Vorbehalt dem in § 69 SGB V verfolgten Regelungsanliegen des Gesetzgebers gebeugt, dass mit diesem „der früheren Rechtsprechung (vgl. insbesondere GmS-OGB BGHZ 102, 280) die Grundlage entzogen“ werden sollte, „dass solche (schlicht-hoheitlichen) Handlungen wegen ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb gegebenenfalls eine Doppelnatur haben können und dementsprechend auch dem Wettbewerbs- oder Kartellrecht unterliegen können“45. Als eine zu guter Letzt noch aus der Welt geräumte Unwägbarkeit hat sich die Frage erwiesen, wie wettbewerblich geprägte Streitigkeiten von Leistungserbringern untereinander rechtlich einzuordnen sind. Hier konnte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Unterschied zu derjenigen des Bundessozialgerichts noch Zweifelsfragen aufwerfen, weil auf Wettbewerbs-

__________ 44 BGH, NJW 2000, 2749 – „Hörgeräteakustik“ mit dem Leitsatz: Ungeachtet der Frage, ob die Beziehungen zwischen einer Krankenkasse und einem Leistungserbringer bürgerlich- oder öffentlich-rechtlicher Natur sind, sind entsprechende Streitigkeiten – auch soweit kartellrechtliche Ansprüche in Rede stehen – seit dem 1.1.2000 den Sozialgerichten zugewiesen. 45 BGH v. 23.2.2006, WRP 2006, 747 – „Blutdruckmessungen“, Rz. 23.

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recht gestützte Klagen von Leistungserbringern gegen andere oder deren Verbände nicht einfach den Sozialgerichten zugewiesen, sondern durchgängig zwar in der Sache abschlägig beschieden, aber eben mit dem unausgesprochenen Anspruch auf Entscheidungszuständigkeit gehört wurden46. Dem hat der Bundesgerichtshof erst andeutungsweise47, dann klar und deutlich48 abgeschworen. Auch in diesen Fällen gilt nicht mehr Privatrecht, wenn es sich bei den störenden Verhaltensweisen um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen handelt.

III. Wer mit der hinter diesem Ordnungskonzept stehenden Totalverbannung des Wettbewerbs und seiner rechtlichen Ordnungsprinzipien aus dem Gesundheitswesen nur schwer seinen Frieden machen kann, wird vergeblich nach Möglichkeiten Ausschau halten, Breschen in die festen sozialrechtlichen Mauern zu legen, mit denen Politik und Gesetzgeber das öffentliche Gesundheitswesen zur Exekution einer durchgeplanten und gelenkten Bedarfsdeckung in der Nachfrage nach Gesundheitspflegeleistungen umgeben haben. Wer Hoffnungen auf das durch nationale Gesetzgebung nicht angreifbare europäische Kartellrecht gesetzt hat49, wird sie fahren lassen müssen. Die schon im EuGH-Urteil Poucet et Pistre50 beobachtbare entschiedene Zurückhaltung des Europäischen Gerichtshofs, in die Ordnung der Sozialsysteme der Mitgliedstaaten hineinzujudizieren51, hat inzwischen auch ihre Manifestation für das deutsche Sozialversicherunsgssystem im Gesundheitswesen erfahren. In einer Vorlagesache, die die kartellrechtliche Relevanz der Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel betraf, entschied der EuGH, dass gesetzliche Krankenkassen und ihre Verbände keine Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen seien52. Mögliche Kritik an der mangelnden Befassung des EuGH mit dem funktionalen Unternehmensbegriff kann dogmatischen Präzisierungsinteressen weiterhelfen, dürfte aber in Anbetracht der pauschalen Aberkennung der Unternehmenseigenschaft gegenüber den Sozialkassen kaum Aussicht auf eine baldige der Leistungs-

__________ 46 Vgl. BGH, NJW 2001, 3411 – „Kompressionsstrümpfe“, Sanitätshaus gegen Apotheke; BGH, GRUR 2004, 247 – „Krankenkassenzulassung“, Orthopädiehandwerkerinnung gegen Apotheke. 47 BGH, GRUR 2004, 444 – „Arzneimittelsubstitution“: Pharmazieunternehmen gegen Dachverband von Apothekern. 48 BGH v. 23.2.2006, WRP 2006, 747 – „Blutdruckmessungen“, Rz. 23 aE. 49 Vgl. OLG Düsseldorf, NZS 1998, 567- „Inkontinenzhilfen“; Boecken, NZS 2000, 269 (271 ff.). 50 Rs C-159/91 u. C 160/91, NJW 1993, 2597. 51 Dazu eingehend Giesen, Die Vorgaben des EG-Vertrages für das Internationale Sozialrecht, 1999, S. 120 ff. 52 EuGH, EuZW 2004, 241 – „AOK-Bundesverband“.

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erbringerseite günstige Differenzierung im Beschaffungsgebaren der Krankenversicherungsträger haben. Auch ist versucht worden, aus den inneren Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten der Gesetzesänderungen53 Ansatzpunkte für eine Öffnung des Systems für kartellrechtliche Rechtsanwendung zu gewinnen. Doch in Anbetracht der schon durch die Vorgeschichte geprägten Unverkennbarkeit des gesetzgeberischen Willens erscheint es wenig aussichtsreich, auf verständnisvolle Zivilrichter zu hoffen, nachdem, wie dargelegt, auch der Bundesgerichtshof in praktisch allen ernsthaft die gewollte Handhabung des Systems unter Druck setzenden Rechtsanwendungsfragen auf die Linie des Gesetzgebers eingeschwenkt ist. Dementsprechend wenig Aussichten auf durchschlagenden Erfolg wird verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der Verkürzung des Rechtsschutzes der in der Leistungserbringung tätigen Unternehmen (Verlust der Verbandsklage, des einstweiligen Rechtsschutzes, kompensationsloser Verlust von privatrechtlichen Rechtschutzansprüchen)54 zuzubilligen sein. Dem Verlust von wettbewerbsrechtlichen Schutzansprüchen steht der in schneller Entwicklung befindliche Grundrechtsschutz aus Art. 12 GG gegenüber55. Ein verfassungsrelevante Rechtsverkürzung durch die Umstellung der Rechtswege im sozialen Gesundheitswesen erscheint daher per saldo schwerlich konzipierbar.

IV. Am Ende bleibt nur zu konstatieren, dass die Leitideen sozialer Solidarität über diejenigen der Ordnungspolitik, planwirtschaftliches Denken über „Neoliberalismus“ gesiegt haben. Der neue Ordnungsgedanke der durchgängigen Publifizierung des sozialen Gesundheitssystems bis in die unternehmenswirtschaftlichen Verästelungen hinein sollte allerdings beim Wort genommen werden. Eine Überschreitung der durch öffentliche Versorgungsaufgabe und enger werdende Mittelbewirtschaftung gezogenen Grenzen sollte auf privatrechtliche Ordnungsprinzipien stoßen. Es gibt Beispiele56. Die knapper werdenden öffentlichen Mittel zwingen die im Dienst des öffentlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen tätigen Leistungserbringer zur Erschließung anderer unternehmerischer Betätigungsfelder. Die medizinischen Berufe haben hierfür den Markt für sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IgeL) entdeckt. Über der Ausbeutung der sich damit bietenden Geschäftsgelegenheiten durch öffentlich-rechtlich tätige Leis-

__________ 53 Dazu OLG Dresden, NZS 2002, 33; Sodan, Adam, NZS 2006, 113 (115); Wigge, NZS 2000, 533 (535). 54 S. dazu Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 62 (2000), 106 (108 ff.). 55 Dazu Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005, S. 227 ff. 56 S. BGHZ 119, 93 – „Selbstzahler“; BGH, NJW 1998, 3418 – „Ersatzkassen-Telefonwerbung“; BGH, NJW 2003, 1192 – „Presseerklärung“.

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tungserbringer wacht das Wettbewerbsrecht. Die Ausnutzung einer durch öffentlich-rechtliche Pflichterfüllung geschaffenen Vertrauensstellung zur Verschaffung eines Wettbewerbsvorsprungs im Markt für vom Versorgungsauftrag nicht mehr gedeckte medizinische Leistungen kann in den Bereich eines wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeitsverdikts geraten. Zu perfekte Schutzsysteme bergen die Gefahr, den von ihnen Geborgenen zu viel von ihrer Freiheit zu nehmen. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

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Reparaturbedarf des Kodex – Kritische Anmerkungen zu kontraproduktiven und änderungsbedürftigen Aussagen des DCGK Inhaltsübersicht I. Die Ausgestaltung der Vergütung des Aufsichtsrates 2. Fördert die Vergütungsstruktur die Qualität der Arbeit des Aufsichtsrates? 3. Sonderverträge mit Aufsichtsratmitgliedern II. Die Monopolisierung des Informationsflusses zwischen Aufsichtsratsund Vorstandsvorsitzenden

III. Die Behandlung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat IV. Varia 1. Mitbestimmung 2. Selbstbehalt bei der D&O Versicherung 3. Wiederbestellung eines Vorstandsmitgliedes entgegen § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG

Nach seinen eigenen Worten enthält der Kodex „international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung … Er will das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften fördern“1. Die Erreichung dieses Zieles ist sicherlich auf gutem Wege:2 Die börsennotierten Aktiengesellschaften und an ihrer Spitze die DAX-30-Gesellschaften folgen den Empfehlungen des Kodex’ weitgehend3. Es sind nur einige wenige Empfehlungen des Kodex’, denen die Gefolgschaft in nennenswertem Umfang versagt wird4. Betrachtet man indessen die Empfehlungen und Aussagen genauer, stößt man auf solche, die entweder nicht mit „anerkannten Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ vereinbar sind, oder bei denen durch eine Änderung oder Ergänzung das Ziel einer Erreichung dieser Standards besser verwirklicht werden könnte. Das ist der Gegenstand dieses Beitrages.

__________ 1 DCGK, Präambel, in der Fassung v. 12.6.2006. 2 In dem Sinne, dass der Kodex inklusive der periodischen Änderungen überwiegend auf große Akzeptanz gestoßen ist. 3 Von Werder/Talaulicar, DB 2006, 849 (855). 4 Von Werder/Talaulicar, DB 2006, 849 (854).

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I. Die Ausgestaltung der Vergütung des Aufsichtsrates 1. Der Kodex5 sagt dazu „(Die Vergütung) trägt der Verantwortung und dem Tätigkeitsumfang der Aufsichtsratmitglieder sowie der wirtschaftlichen Lage und dem Erfolg des Unternehmens Rechnung. Dabei sollen der Vorsitz und der stellvertretende Vorsitz im Aufsichtsrat sowie der Vorsitz und die Mitgliedschaft in Ausschüssen berücksichtigt werden. Die Mitglieder des Aufsichtsrates sollen neben einer festen eine erfolgsorientierte Vergütung erhalten. Die erfolgsorientierte Vergütung sollte auch auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogene Bestandteile enthalten.“ (Abs. 3 der Bestimmung des Corporate Governance befasst sich sodann mit der Veröffentlichung der Vergütung).

Es fragt sich, ob die Empfehlung bezüglich der „erfolgsorientierten Vergütung“ zielführend ist, wobei die Beantwortung dieser Frage allerdings zuvor eine Definition der Ziele voraussetzt, die durch Ausgestaltung und Bemessung der Aufsichtsratsvergütung (möglicherweise) beeinflusst werden können. Anders gewendet: Können finanzielle Anreize, insbesondere eine erfolgsorientierte Vergütung, wünschenswerte Verhaltensweisen von Aufsichtsratmitgliedern bewirken? Dabei ist zu eruieren, ob die Qualität der Überwachung, Beratung und Personalauswahl durch das Vergütungssystem, insbesondere durch die Einführung einer erfolgsorientierten Komponente, positiv beeinflusst werden kann. Weiterhin geht es um die Verhinderung unternehmensschädlichen Verhaltens des Aufsichtsrates durch eine entsprechende Strukturierung und Bemessung der Vergütung. In diesem Zusammenhang sind drei Fragen zu untersuchen. a) Nachdem die Vergütung des Aufsichtsrates nur durch die Satzung oder einen Beschluss der HV festgelegt werden kann6, erfordert dies in der Praxis eine Mitwirkung des Vorstands7. Die treibende Kraft für eine Anhebung der Aufsichtsratbezüge ist aber häufig genug gar nicht der Aufsichtsrat selbst, sondern der Vorstand, und zwar aus der einfachen Erkenntnis heraus, dass ein reichlicher bezahlter Aufsichtsrat Wünschen des Vorstandes nach höheren Bezügen weniger Widerstand entgegensetzen wird, als ein Aufsichtsrat, der sich mit knappen Bezügen begnügen muss. Die eigene Vergütung wird allzu leicht zur Elle, an der die Vergütung des Vorstandes gemessen wird. Eine systemische Gleichheit der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat birgt zusätzlich die Gefahr in sich, dass Systemfehler, die zu „Ausreißern nach oben“ führen können (z. B. phantom stock option Pläne mit zu niedri-

__________ 5 DCGK 5.4.7. 6 § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG. 7 Der Beschluss muss ja von der Verwaltung erarbeitet werden und muss nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG der Hauptversammlung vom Vorstand und Aufsichtsrat zur Annahme empfohlen werden. Der Vorstand wirkt also ganz offiziell an der Anhebung der Vergütung seiner Kontrolleure mit (siehe dazu Vetter, AG 2004, 234 [237 liSp.]).

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gen Ausübungshürden oder der Möglichkeit von wind fall profits) vom Aufsichtsrat nicht rasch und energisch genug korrigiert werden, da mit einer derartigen Korrektur, die ja den Systemfehler bei Vorstand und Aufsichtsrat erfassen müsste, eigene finanzielle Einbußen verbunden wären. b) Im Übrigen ist nicht nur die Struktur der Aufsichtsratvergütung, sondern inzwischen auch ihre absolute Höhe in den Blick zu nehmen. Ein Aufsichtsratmitglied ist nach der Definition des Kodex’ „als unabhängig“ anzusehen, wenn es in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründet“8. Der Unabhängigkeit wird dabei ein hoher Rang zuerkannt, denn „um eine unabhängige Beratung und Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat zu ermöglichen, soll dem Aufsichtsrat eine nach seiner eigenen Einschätzung ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören.“9 Muss das Aufsichtsratmitglied im Konfliktsfall nicht bereit sein, das Amt zur Verfügung zu stellen und ist diese Bereitschaft nicht eingeschränkt, wenn damit ein wesentlicher Teil des Einkommens wegfällt? c) Erlaubt die Rolle des Aufsichtsrates als Berater und Kontrolleur des Aufsichtsrates überhaupt eine Erfolgsbeteiligung? Ist seine Beteiligung am Erfolg oder an der Verhinderung des Misserfolges so beschaffen, dass sich hieraus eine erfolgsabhängige Vergütung rechtfertigt? 2. Fördert die Vergütungsstruktur die Qualität der Arbeit des Aufsichtsrates? a) Die hier zu untersuchende Textstelle des Kodex’10 enthält eine Empfehlung und eine Anregung. Sie lautet: „Die Mitglieder des Aufsichtsrates sollen neben einer festen eine erfolgsorientierte Vergütung erhalten. Die erfolgsbezogene Vergütung sollte auch auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogene Bestandteile enthalten.“

Die „erfolgsorientierte Vergütung“ im Sinne des Satzes 1 wird durch Satz 2 näher bestimmt, soll also Elemente enthalten, die den Aufsichtsrat anreizen sollen, sowohl den kurzfristigen als auch den langfristigen Erfolg anzustreben. Bezüglich der in Satz 2 enthaltenen „auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogenen Bestandteile“ fragt es sich, ob hierunter auch aktienbasierte Vergütungen zu verstehen sind. Die Parallelempfehlung für die Vergütung des Vorstandes11, die zweifellos auch aktienbasierte Vergütungskomponenten umfasst, spricht – sprachlich wenig präzise – von „Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter“, so dass davon auszugehen ist, dass auch bei der Vergütung des Aufsichtrates aktienkurs-

__________ 8 9 10 11

DCGK 5.4.2 Satz 2. DCGK 5.4.2 Satz 1. DCGK 5.4.7. DCGK 4.2.3 Abs. 2.

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basierte Vergütungen (mit) gemeint sind12. Gegen aktienbasierte Vergütungen für den Aufsichtsrat – ja darüber hinaus gegen variable, erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile werden vielfach Bedenken geäußert (dazu sogleich unter 3b). Es ist dementsprechend diese vom Kodex vorgeschlagene Vergütungsstruktur und ihre eventuelle Vorteilhaftigkeit zu untersuchen und sie eventuellen Nachteilen gegenüberzustellen. b) Eine bestimmte Struktur der Vergütung Aufsichtsrates ist vorteilhaft, wenn sie diesem Anreize zu einer effizienteren Amtsausübung gibt im Sinne einer noch größeren Sorgfalt bei der Auswahl des Vorstandes, noch genauerer Überwachung und noch qualifizierterer Beratung. Nun weiß jeder Praktiker, dass die Auswahl eines von außen kommenden Vorstandes vom Aufsichtsratvorsitzenden und wenigen Meinungsmachern vorschattiert wird und darin die eigentliche Entscheidung liegt13, dass eine gar zu große Wissbegier des Aufsichtsrates, die sich in der Anforderung immer neuer Unterlagen niederschlägt, den Vorstand nur von der Arbeit abhält14 und dass sich an dem „Beratungsgespräch“ in der Aufsichtsratsitzung (also der Erörterung der Tagesordnungspunkte) in aller Regel nur wenige Mitglieder beteiligen. Die Ineffizienz der übergroßen mitbestimmten Aufsichtsräte wird in der Regel dadurch abgemildert, dass – mindestens bei Regularien und Routinepunkten – die Mehrheit gar nicht den Mund auftut. Da diese gruppendynamisch vorgegebene Konzentration der Aktivitäten auf wenige Mitglieder durch finanzielle Anreize nicht zu ändern ist, kann es also allenfalls um eine zusätzliche Motivation der aktiven Minderheit gehen. Diese zusätzlichen, durch die variable Vergütung bewirkten Anstrengungen müssten sich dann ja auch in Leistungs- oder Erfolgsgrößen15 (welchen?) niederschlagen, die eben ohne die variable Vergütung nicht erreicht worden wären. Um den Wirkungszusammenhang zwischen variabler Vergütung und effizienterer Arbeit des Aufsichtsrates zu untersuchen, muss man sich allerdings darauf besinnen, dass viele Corporate Governance Probleme nur interdisziplinär gelöst werden können. Die Betriebswirtschaft ist hier eher aufgerufen als die Jurisprudenz16, die Frage zu beantworten. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Das Spektrum der betriebswirtschaftlichen Untersuchungen reicht von einer Verneinung des Kausalzusammenhang und einer damit

__________ 12 So auch Fuchs, WM 2004, 2233 (2237 reSp); wohl auch Marsch-Barner in FS Röhricht, 2005, S. 401 (416). Dies gilt natürlich nur insoweit, als sie nicht durch die Mobil-Com Entscheidung (BGHZ 158, 122 ff.) ausdrücklich verboten wurden. 13 Peltzer in Semler/Peltzer (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, 2005, § 2 Rz. 2–5; Fonk in Semler/von Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratmitglieder, 2. Aufl. 2004, § 9 Rz. 17 ff. 14 Semler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 111 AktG Rz. 279 ff. (296, 372), § 116 AktG Rz. 165 (272 ff., 347, 364). 15 Bischof (Fn. 16), S. 3 ff. 16 Bischof (Fn. 16), S. 17.

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oft einhergehenden Ablehnung einer erfolgsabhängigen Vergütung bis zu einem „non liquet“ mangels einschlägiger empirischer Untersuchungen17. c) Um nur einige Argumente herauszugreifen, wird darauf verwiesen, dass es keine Untersuchungen für Deutschland gibt, die eine effizientere Aufsichtsratsarbeit bei erfolgsorientierter oder gar aktienkursorientierter Vergütung beweisen18, ganz abgesehen von der Schwierigkeit, die Effizienz als solche zu messen. Die Ergebnisse ausländischer Studien sind wegen der unterschiedlichen Corporate Governance Strukturen (u. a. duales System und Mitbestimmung) nicht übertragbar. Es bestehen daneben genügend (nicht unmittelbar finanzielle) Anreize als Aufsichtsratmitglied ordentlich und im Unternehmensinteresse zu arbeiten, da anderenfalls Reputationsverlust droht, der

__________ 17 Fallgatter, BFuP, 56. Jg., 452 (460 ff.); ders., DBW 63 (2003), 703 ff. (711 reSp); Stefan Winter in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 335 ff. (344) untersucht u. a. die Wirkung von Optionsprogrammen auf die AR-Tätigkeit: „Die Erfolgswirkung von Optionsprogrammen muss damit als nicht belegt gelten. Allerdings ist auch das Gegenteil nicht bewiesen“; Siegel in FS Pohle, 2003, S. 404 ff. (412, 415, 416). Die Ergebnisse dieser akademischen Lehrer werden bestätigt durch drei Arbeiten von betriebswirtschaftlichen Nachwuchswissenschaftlern, deren Arbeiten in einem Ausschreibungswettbewerb der Stiftung Hessischer Wirtschaftsprüfer zum Thema „Zusammenhang zwischen Vergütungssystem und Qualität der Überwachungstätigkeit – konkret Aufsichtsrat“ am 7.9.2006 in Frankfurt preisgekrönt wurden, nämlich Jannis Bischof, Andreas Dutzi und das Autorenteam Michael Ebert/Nicole Zein. Von diesen Arbeiten ist nur die Arbeit von Bischof in BB 2006, 2627 veröffentlicht, so dass nach den Manuskripten zitiert wird: Dutzi, S. 19: „Ein Zusammenhang zwischen der Vergütung des Aufsichtsrates und der Qualität seiner Überwachungstätigkeit kann derzeit weder auf der Basis theoretischer noch empirischer Erkenntnisse kategorisch ausgeschlossen werden“; Bischof, S. 13: „Insbesondere empirisch konnte bislang weder im USamerikanischen noch im deutschen Raum ein signifikanter Zusammenhang (gemeint von erfolgsabhängiger Vergütung und Qualitätssteigerung der Aufsichtsratarbeit) nachgewiesen werden, nach dem Unternehmen mit einer erfolgsabhängigen Vergütung von Aufsichtsräten bzw. von outside directors langfristig erfolgreicher sind als vergleichbare Unternehmen ohne entsprechende Vergütungssysteme … maßgebliche Ursache, dass der erforderliche Nachweis der Zweckmäßigkeit erfolgsabhängiger Aufsichtsratvergütungen nicht gelingen mag, ist das Fehlen einer geeigneten Größe zur Messung des Überwachungserfolges“; Ebert/Zein, S. 20: „Das Ergebnis unserer Modellierung ist eindeutig. Der Wechsel von einem Vergütungssystem, in welchem der Aufsichtsrat mit einer fixen Zahl vergütet wird, zu einem System mit variabler, unternehmenswert-orientierter Vergütung hat keine unmittelbare Wirkung auf die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates. Das Argument, eine variable Vergütung sei notwendig, um den Aufsichtsrat zu sorgfältiger Pflichterfüllung im Sinne der Anteilseigner zu bewegen, erweist sich im Rahmen unseres Modells als nicht zutreffend. A. A., allerdings ohne jede Begründung, Schwalbach, AG 2004, 186 (190 reSp); Kramarsch, ZHR 169 (2005), 112 ff. (120); Kramarsch ist Managing Partner von Towers Perrin, vgl. auch die (mutmaßlich von Kramarsch wesentlich beeinflusste Studie des Deutschen Aktieninstituts und Towers Perrin „Aufsichtsratvergütung bei deutschen börsennotierten Unternehmen“, S. 11 (40 ff.). 18 Fallgatter, DBW 63 (2003), 703 ff. (710 liSp); Stefan Winter in Hommelhoff/Hopt/ v. Werder (Fn. 17), S. 336 ff. (344, 345).

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auch die Übertragung weiterer Aufsichtsratmandate verhindern würde19. In der deutschen Vorstellungswelt hat der Aufsichtsrat auch das Unternehmensinteresse und nicht einseitig das Aktionärsinteresse im Auge zu behalten20, so dass ein unkritische ausschließliche Ausrichtung am Börsenkurs ohnehin ausscheidet21 und somit eine klare Zielvorgabe fehlt. Für die Arbeitnehmervertreter, also bei allen größeren Aktiengesellschaften die Hälfte der Aufsichtsratmitglieder, kann eine Anreizwirkung im gewünschten Sinne ohnehin nicht eintreten, da sie jegliche Aufsichtsratvergütung, die einen Mindestsatz überschreitet, an die Hans-Böckler-Stiftung abzugeben haben22, und sie nach ihrem Selbstverständnis ohnehin die Interessen anderer Stakeholder als der Aktionäre, nämlich der Arbeitnehmer vertreten. Arbeitnehmervertreter und Vorstand haben dabei oft genug ein Bündnis geschlossen, dessen nirgendwo ausgesprochenes Synallagma darin besteht, dass die Arbeitnehmervertreter bei Vorstandsvergütungen stillhalten gegen Vorteilsgewährung für die Klientel oder gar sich selbst23. Im Übrigen: Wenn schon der Wirkungsmechanismus von aktienkursbasierter Vergütung (nicht von unternehmenserfolg-basierter Vergütung) selbst beim Vorstand zweifelhaft ist24 um wieviel mehr beim Aufsichtsrat! Es sprechen mithin keine überzeugenden Gründe für eine erfolgsorientierte oder gar aktienkursbasierte Vergütung des Aufsichtsrates, so dass nunmehr zu untersuchen ist, ob es Gründe gibt, die dagegen sprechen. d) Eine Ähnlichkeit oder gar Gleichheit der Vergütungsstruktur birgt die Gefahr der Beeinträchtigung der Kontrollfunktion des Aufsichtsrates in Bezug auf die Einhaltung des Angemessenheitsgebotes in sich25. Dies ist ein ziemlich auf der Hand liegender psychologischer Wirkungsmechanismus einer sehr kurzen Kausalkette, da eine stringente Aufsichtsausübung unmit-

__________ 19 Bischof (Fn. 16), S. 11 unten. 20 BVerfGE 34, 103 (112); BGHZ 64, 325 (331 oben); v. Werder in Ringleb u. a., Deutscher Corporate Governance Kodex, 2. Aufl. 2005, Rz. 355 mit weiteren Nachweisen. 21 Das war das Problem der Position von Esser im Mannesmann Prozess; die durch den Abwehrkampf gegen Vodafone bewirkte Kursblase nützte nur den Aktionären, die gegen Essers Rat handelten und ihre Aktien in der Nähe des Kursgipfels gegen bar verkauften, nicht aber der Gesellschaft oder denjenigen Aktionären, die sich an Essers Rat hielten, nicht verkauften und sich alsbald als Aktionäre von Vodafone wiederfanden. 22 Fallgatter, DBW 63 (2003), 703 (710 re Sp). 23 Ein ganz extremer Fall sind dabei die im Jahre 2005 aufgedeckten Vorgänge bei VW. In einem anderen Fall beriet der Autor vor einigen Jahren einen Personalausschuss bei der Bemessung der Bezüge des Vorstandsvorsitzenden. Er sah sich dabei wütenden Angriffen der beiden Arbeitnehmervertreter im Personalausschuss ausgesetzt, als er dabei an das Angemessenheitsgebot des § 87 AktG erinnerte. 24 Peltzer, Deutsche Corporate Governance – ein Leitfaden, 2. Aufl. 2004, Rz. 135– 143; ders. in Semler/Peltzer (Fn. 13), § 2 Rz. 188 ff. 25 § 87 Abs. 1 AktG. BGH, ZIP 2004, 613 (614 reSp).; Martens, AG Sonderheft Die Aktienrechtsreform 1997, S. 83 ff. (88 reSp); Bender/Vater, DStR 2003, 1807 (1811).

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telbar die eigenen finanziellen Interessen beeinträchtigen würde. Allerdings kann die sehr erhebliche Erhöhung der Aufsichtsratvergütung bei den DAX30-Gesellschaften26 in jüngster Zeit hierfür nicht unmittelbar als Beweis herangezogen werden, da die Aufsichtsratvergütung der erheblichen Steigerung der Vorstandsbezüge nachgefolgt ist und eine Ähnlichkeit oder gar Gleichheit der Vergütungssysteme beider Organe bei den DAX-30-Gesellschaften nicht bekannt ist. Im juristischen Schrifttum wird die Frage kontrovers behandelt27. Gegen ein striktes Verbot einer erfolgsorientierten oder gar aktienkursbasierten Vergütung des Aufsichtsrates wird eingewandt, dass eine Gefahr nur bei „einer weitgehenden oder wesentlichen Synchronisierung der Vergütungsparameter“ bestehe, nicht aber schon bei jeder partiellen Übereinstimmung von Vergütungsinteressen28. Die Gefahr eines Versagens „der besonderen Kontrolle durch den Aufsichtsrat wegen des Eigeninteresses seiner Mitglieder“ wird zwar eingeräumt, aber gleichwohl eine Vergütung bis zu einem Viertel der Gesamtvergütung in Aktien für zulässig gehalten29. Das Risiko des „Backscratching“, des gegenseitigen „Hochschaukelns“ bei kongruenten finanziellen Leistungsanreizen von Vorstand und Aufsichtsrat wird zwar gesehen, gleichwohl wird eine Vergütung bis zu einem Drittel der Gesamtvergütung in Aktienoptionsprogrammen, die denjenigen des Vorstandes entsprechen, für zulässig gehalten30. Indessen: Eine für den Aktiensparer glaubwürdige Corporate Governance kann nicht nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass“ handeln. Vielmehr ist hier eine eindeutige und unbezweifelbare „independence in appearance“ gefordert, d. h. jegliche Vergütungsform, die auch nur dem Anschein nach zu einem Interessenkonflikt bei der Einhaltung des Angemessenheitsgebots der Vorstandsvergütung führen könnte, ist unzulässig31.

__________

26 Nach der Vergütungsstudie von Towers Perrin 2005 beträgt die Durchschnittsvergütung eines Aufsichtsratmitgliedes einer DAX-30-Gesellschaft 68 000 Euro p. a. und eines Aufsichtsratvorsitzenden 200 000 Euro p. a. Damit haben sich die Aufsichtsratvergütungen im Schnitt in den letzten Jahren verfünffacht. Die Tendenz setzt sich fort: Inzwischen ist der Durchschnitt der Vergütung eines Aufsichtsratsvorsitzenden einer DAX-30-Gesellschaft auf 232 000 Euro p. a. gestiegen (vgl. FAZ v. 21.11.2006, S. 18). 27 Vgl. Krieger in FS Röhricht, 2005, S. 349; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155 (174 ff.); Marsch-Barner in FS Röhricht, 2005, S. 401 ff. (410 ff.); Fuchs, WM 2004, 2233 (2237 reSp unten); Röhricht, Höchstrichterliche Rechtsprechung, in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 2004, S. 16. 28 Fuchs, WM 2004, 2232 (2237 reSp unten). 29 Lutter in FS Hadding, 2004, S. 561 (572, 573). 30 E.Vetter, AG 2004, 234 (238). 31 So wohl im Ergebnis ebenso Röhricht in VGR (Fn. 27), S. 16; Hopt zitiert nach Habersack, ZGR 2004, S. 721 ff. (733); Habersack, ZGR 2004, 721, allerdings selbst de lege ferenda noch abwartend. Gegen Röhricht Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155 (178).

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e) Der Unabhängigkeit der einzelnen Aufsichtsratmitglieder wird mit Recht eine große Bedeutung beigemessen. Neben den bekannten, die Unabhängigkeit beeinträchtigenden oder in Frage stellenden Kriterien, wie besondere Beziehungen zum Vorstand oder der Gesellschaft32 und finanzielle Zuwendungen der Gesellschaft aus anderem Rechtsgrund als eben der Tätigkeit als Aufsichtsrat (oder non-executive director)33, wird – so weit ersichtlich – nirgendwo die Frage gestellt, ob die Unabhängigkeit vielleicht dadurch beeinträchtigt werden könnte, dass die Aufsichtsratvergütung einen bestimmten Anteil am Gesamteinkommen des Aufsichtsratmitgliedes erreicht. Unabhängigkeit bedeutet ja auch in bestimmten Konfliktsituationen sein Mandat zur Verfügung zu stellen34. Eine derartige Fragestellung drängte sich angesichts der bis vor kurzem (zu) niedrigen Aufsichtsratvergütungen nicht auf. Bei dem inzwischen erreichten Niveau der Aufsichtsratvergütung35 beginnt dies aber ein Problem zu werden, das umso weniger vernachlässigt werden kann, wenn der regulären Aufsichtsratvergütung noch Bezüge aus Beraterverträgen36 hinzuzurechnen sind. Immerhin führt die Parallelsituation beim Abschlussprüfer, d. h. wenn dessen Honorar für die Abschlussprüfung den Anteil von 30 % der Gesamteinnahmen aus der beruflichen Tätigkeit übersteigt, zur Inhabilität37. f) Überdies muss sich der Aufsichtsrat fragen, ob er soviel zum Unternehmenserfolg beiträgt, dass es gerechtfertigt ist, ihn daran teilhaben zu lassen oder – noch pointierter gefragt, ob sein Potential zum Unternehmenserfolg beizutragen, so beschaffen ist, dass es sich rechtfertigt, ihm derartige An-

__________ 32 DCGK 5.4.2. 33 Bezogen auf das Audit Committee dürfen nach dem Sarbanes Oxley Act Mitglieder keine andere Vergütung von der Gesellschaft beziehen als eben die Vergütung als Mitglied des boards und des Audit Committees. Vgl. Peltzer in Deutsche Corporate Governance (Fn. 24), Rz. 429. Nach dem „Report der High Level Group of Company Law Experts“ v. 4.11.2002, beeinträchtigt die Bezahlung von non-executive directors mit aktienbasierten Vergütungen deren Unabhängigkeit, siehe S. 64 No. 4.2. Vgl. auch zu den neueren europarechtlichen Entwicklungen Hopt, ZIP 2005, 461 (467) und Spindler, ZIP 2005, 2033 (2041). 34 Dies verlangt der Kodex bei anhaltendem Interessenkonflikt, vgl. DCGK 5.5.3 Satz 2. Eine Vergütung, die einen sehr hohen Prozentsatz der Gesamteinnahmen des Aufsichtsratmitgliedes kann auch dazu führen, dass der Interessenkonflikt, der zur Beendigung des Mandates führen könnte, von dem betroffenen Aufsichtsratmitglied nicht gemeldet wird. Als Beispiel für die Niederlegung des Amtes eines unabhängigen Aufsichtsratmitgliedes, das einen bestimmten Kurs nicht mittragen wollte, siehe den Fall im Aufsichtsrat der VW AG, bei der Cromme sein Aufsichtsratmandat niederlegte, nachdem der Aufsichtsratvorsitzende Piech gegen den Willen des Vorstandes und der Mehrheit der Anteilseignervertreter 2005 einen Kandidaten als Nachfolger für Hartz als neuen Arbeitsdirektor mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter durchdrückte. 35 Siehe Fn. 27. 36 Nach § 114 AktG. Siehe hierzu unten 3. 37 § 319 Abs. 3 Ziff. 5 HGB.

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reize zu bieten38. Sein wichtigster Beitrag zum Unternehmenserfolg ist sicherlich die Bestellung des „richtigen“ Vorstandes, wobei diese Leistung wiederum die am wenigsten messbare und dementsprechend auch am wenigsten durch finanzielle Anreize beeinfluss- oder optimierbare ist. Gewiss gehen Aufsicht und Beratung ineinander über: Man spricht über das Geschäft und vielleicht auch über die Strategie und die Planung; einzelne Aufsichtsratmitglieder lassen ihre Meinung erkennen und es kommt zu einem Gedankenaustausch. Ist das Beratung oder Aufsicht? Es ist Beides und es bleibt dabei, dass der Aufsichtsrat von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist und sich Qualität nicht in die Arbeit des Vorstandes „hineinprüfen“ lässt39. Es mag durchaus sein, dass während der Aufsichtsratsitzung eine zündende Idee von einem Aufsichtsratmitglied kommt oder ein Aufsichtsrat durch rechtzeitiges energisches Eintreten Schlimmes verhütet. Im Allgemeinen jedoch wird der Aufsichtsrat eine „fleet in being“ sein, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte, deren Beitrag zum Unternehmenserfolg jedoch deutlich hinter dem Beitrag des Vorstandes zurückbleibt. Aus allem folgt, dass die Vergütung des Aufsichtsrates keine erfolgsbezogenen oder gar aktienkursbasierten Bestandteile enthalten sollte. Vielmehr entspricht eine fixe Vergütung, die angemessen sein muss, und die der zusätzlichen Belastung des Aufsichtsratsvorsitzenden, der Ausschussmitglieder und besonders der Ausschussvorsitzenden Rechnung tragen sollte, mehr der Rolle des Aufsichtsrates und guter Corporate Governance. Angemessen heißt hierbei etwas entsprechend der Vergütung eines erfolgreichen Freiberuflers40, aber wiederum nicht soviel, dass die Vergütung zur goldenen Fessel wird, die dem Aufsichtsratmitglied die Freiheit nimmt, im Konfliktsfall das Mandat niederzulegen. Jegliche Gleichstellung zwischen den Vergütungsstrukturen für Vorstand und Aufsichtsrat – partiell oder vollständig, für die Gesamtvergütung oder nur mit einem Teil davon – sollten aber zur Vermeidung des bösen Scheins ausgeschlossen sein. Nur das ist gute Corporate Governance!

__________ 38 Fallgatter, DBW 63 (2003), 703 ff. (707 reSp unten); Theisen, DB 1999, 1665 (1667 liSp unten). 39 Der Kodexentwurf des Berliner Initiativkreises formulierte: „Verfehlt ist insbesondere der Versuch, die Qualität der Unternehmensleitung durch Konzentration auf das Überwachungsorgan und den Abschlussprüfer in das Unternehmen „hineinprüfen“ zu wollen. Anstelle einer solchen Kontroll- bzw. Aufsichtsratslastigkeit muss vielmehr das Ziel stehen, möglichst erfolgversprechende Modalitäten für die Leitung des Unternehmens zu etablieren“. Vgl. Axel v. Werder (Hrsg.), German Code of Corporate Governance, 2. Aufl. 2001, I 7 (S. 73). 40 Hopt/Roth in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 57; Semler in Semler/v. Schenck (Fn. 13), § 10 Rz. 48; Siegel in FS Pohle (Fn. 17), S. 405 (416 oben).

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3. Sonderverträge mit Aufsichtsratmitgliedern In Bezug auf die Sonderverträge mit einem Aufsichtsratmitglied41 steht im Kodex42 zu lesen: „Auch die vom Unternehmen an die Mitglieder des Aufsichtsrats gezahlten Vergütungen oder gewährten Vorteile für persönlich erbrachte Leistungen, insbesondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen, sollen individualisiert im Corporate Governance Bericht gesondert angegeben werden“.

Dies ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, die Empfehlung als solche ist aber aus verschiedenen Gründen unzureichend. a) Einige Aussagen des Kodex sind einfach Wiederholungen des geltenden Rechtes und dies ist auch durchaus sinnvoll, da man eben insbesondere vom ausländischen Kapitalmarktteilnehmer keine diesbezüglichen vertieften Kenntnisse verlangen kann. Nach den Worten des Kommissionsvorsitzenden Cromme kommt es bei der Wiedergabe gesetzlicher Vorschriften mehr auf Verständlichkeit als auf juristische Präzision an43. Eine derartige Darstellungsweise kann den Unkundigen indessen leicht in die Irre führen und diese Gefahr besteht auch hier. b) Mit derartigen Verträgen haben sich kürzlich zwei Urteile des BGH44 befasst und dabei nachdrücklich die Fallstricke aufgezeigt, die im Zusammenhang mit Verträgen dieser Art zu beachten sind. Erlaubter Gegenstand eines solchen Dienst- oder Werkvertrages sind nur Fragen, die nicht in den organschaftlichen Pflichtenkreis des Aufsichtsratmitgliedes fallen. Aus dem Vertrag muss sich für den Aufsichtsrat – der dem Vertrag ja zustimmen muss45 – deutlich ergeben, dass er sich nur auf Leistungen bezieht, die nicht ohnehin aufgrund der organschaftlichen Pflichtenstellung geschuldet werden. Falls nach dem Sondervertrag Leistungen zu erbringen sind, die in den Pflichtenkreis des Aufsichtsrates fallen, ist der Vertrag nichtig und eine eventuell doch erteilte Zustimmung des Aufsichtsrates geht ins Leere. Diese Regeln beziehen sich nicht nur auf Verträge zwischen der Gesellschaft und dem Aufsichtrat, sondern auch auf solche zwischen der Gesellschaft und einer anderen Gesellschaft, an der das Aufsichtsratmitglied beteiligt ist, wobei es weniger auf die Höhe der Beteiligung ankommt als darauf, ob der auf das Aufsichtsratmitglied entfallende Honoraranteil substantiell ist46. Im

__________ 41 Nach § 114 Abs. 1 AktG. 42 DCGK 5.4.7 Abs. 3 Satz 2. 43 Wörtlich sagte der Kommissionsvorsitzende Cromme am 26.2.2002: „Auch dort, wo der Kodex geltendes Recht beschreibt, gibt er dem Ziel leichter Verständlichkeit den Vorrang vor juristischer Präzision. Er erhebt nicht den Anspruch, die geltenden Gesetze umfassen und in allen relevanten Facetten darzustellen“. Vgl. Ringleb u. a., Deutscher Corporate Governance Kodex (Fn. 20), Rz. 42. 44 AG 2006, 667; ZIP 2007, 22. 45 § 114 Abs. 1 AktG. 46 Peltzer, ZIP 2007, 305 ff.

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Reparaturbedarf des Kodex

Übrigen muss der Vertrag auch die Höhe des ausbedungenen Honorars genau beschreiben. Ein Vertrag, dessen Gegenstand teilweise Organpflichten umfasst, ist insgesamt nicht zustimmungsfähig47. Ebenfalls streitig ist die Frage, ob ein solcher Vertrag der Schriftform bedarf und ob bei anfänglicher ungenügender Konkretisierung eine nachträgliche Spezifizierung und darauf beruhende Genehmigung des Aufsichtsrates möglich ist48. c) Von alledem findet sich im Kodex außer dem Hinweis auf die notwendige Zustimmung des Aufsichtsrates nichts49. Vielmehr deutet die Formulierung „für persönlich erbrachte Leistungen, insbesondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen, auf die Erfüllung organschaftlicher Pflichten, also auf einen Gegenstand, hin, der bei diesen Verträgen gerade verboten ist. Die „Beratung“ und die Überwachung fließen ineinander über. Die „Vermittlung“ ist im Zweifel auch Organpflicht – je nach dem, was vermittelt werden soll. Im Übrigen sind die Beziehungen und ist die Vernetzung eines Aufsichtsratmitgliedes und damit seine Fähigkeit zu „vermitteln“ ja regelmäßig ein Kriterium für seine Zuwahl zum Aufsichtsrat50. Schließlich werden ja auch gerade solche Verträge erfasst, bei denen die Leistung nicht vom Aufsichtsratmitglied „persönlich“, sondern von einer ihm nahestehenden Gesellschaft erbracht wird. d) Die Differenz zwischen der Rechtslage und der Wiedergabe im Kodex hat nichts mehr mit „relevanten Facetten“ und leicht unpräziser Darstellung zu tun. Sie ist schlicht irreführend, wenn nicht gar falsch. Dies könnte ja vielleicht noch bei einer wertfreien Organisationsvorschrift hingenommen werden, aber bei den Sonderverträgen mit Aufsichtsratmitgliedern handelt es sich um eine der brisantesten und sensibelsten Vorschriften des Aktiengesetzes51, deren richtige (und möglichst zurückhaltende) Handhabung für die Qualität der Corporate Governance entscheidend ist. Der zu Kontrollierende, der Vorstand, kann mit diesen Sonderverträgen seinen Kontrolleuren unmittelbar ein Zubrot zukommen lassen, mit möglicherweise entsprechenden Auswirkungen auf die Aufsicht und die Bereitschaft des Auftragnehmers, seinerseits bei der Festsetzung der Bezüge des Auftragsgebers Fünf gerade sein zu lassen. Ungeachtet der Einschränkungen (nur Gegenstände, die nicht unter die Organpflichten fallen) und Kautelen (notwendige Zustimmung des Aufsichtsrates) ist die Möglichkeit, dass der Vorstand Aufsichtsratmitgliedern eine Vergütung zukommen lassen kann, ein gesetzlicher Konstruktionsfehler, der mit guter Corporate Governance unvereinbar ist und dessen Beseitigung sich der Gesetzgeber bei nächster Gelegenheit angelegen sein lassen sollte.

__________ 47 48 49 50 51

BGHZ 126, 340 (345). OLG Frankfurt/Main, AG 2005, 925 (927) m. w. N. In DCGK 5.5.4. E.Vetter, AG 2006, 173 (174 reSp). §§ 113 und 114 AktG.

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Welche Beratungsnotwendigkeiten gäbe es denn, für die man nicht im Markt einen geeigneten Berater außerhalb des Aufsichtsrates fände? Das Argument, dass ein Aufsichtsratmitglied die Verhältnisse bei der Gesellschaft schon kenne, und deswegen geeigneter sei als ein Außenstehender, zieht deswegen nicht, da es sich ja nur um Gegenstände handeln darf, die sich gewissermaßen unter dem Radarschirm des Aufsichtsrates abspielen und von denen das Aufsichtsratmitglied dementsprechend normalerweise gar keine Kenntnis haben kann. Umgekehrt sollte auch das redliche Aufsichtsratmitglied sich fragen, ob ihm der Auftrag wegen seiner einzigartigen Fachkunde angetragen wird oder vielleicht doch deswegen, weil er als Aufsichtsmitglied über das Handeln des Vorstandes wacht und dessen Bezüge festsetzt. Schließlich sollte er auch darüber in Grübeln geraten, ob die Rollen als Auftragnehmer des Vorstandes und als dessen Aufseher überhaupt kompatibel sind. e) Die Empfehlung des Kodex, dass Vergütungen aus Sonderverträgen nunmehr individualisiert angegeben werden sollen, eröffnet immerhin die Chance – soweit hier Compliance geübt wird52 – festzustellen, welche Quantität das Problem hat. Allerdings werden – wenn es bei dieser Formulierung des Kodex bleibt – keine Schlussfolgerungen darüber möglich sein, inwieweit die Verträge auch in Ordnung sind, d. h. dass der Beratungsgegenstand nicht in die organschaftlichen Pflichten fällt, dass die Vergütung angemessen ist und dass der Aufsichtsrat dem (schriftlichen) Vertrag mit genauer Aufgabenbeschreibung und Darstellung der Honorierung auch im Vorhinein zugestimmt hat. Bei der bisherigen Judikatur, die überwiegend die Sonderverträge als fehlerhaft befunden hat53, ist zu berücksichtigen, dass es ganz besonderer Umstände bedarf – etwa der Insolvenz der Gesellschaft oder radikaler Änderungen der Aktionärsstruktur – um hier eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, so dass die ganz überwiegende Zahl der Sonderverträge keiner richterlichen Kontrolle unterlegen hat und somit die Dunkelziffer der fehlerhaften und damit im Allgemeinen nichtigen Verträge wahrscheinlich sehr hoch ist. Angesichts dessen sollte die Kodexempfehlung nicht nur die Höhe der Vergütung abfragen, sondern sich auch für die Ordnungsmäßigkeit interessieren. Eine Formulierung könnte dabei etwa wie folgt lauten: „Von der Gesellschaft an Mitglieder des Aufsichtsrates gezahlte Vergütungen oder gewährte Vorteile für Leistungen sollen individualisiert im Corporate Governance Bericht angegeben werden. Hierzu gehören auch Leistungen, die von einer Gesellschaft

__________ 52 D. h. soweit der Vorstand und Aufsichtsrat nach § 161 AktG erklären, die Empfehlung zu befolgen. 53 BGHZ 114, 127 ff.; BGHZ 126, 340 ff. (346); BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, AG 2006, 667 ff.; LG Stuttgart, BB 1998, 1549; LG Köln, ZIP 2002, 1296; OLG Frankfurt/Main, AG 2005, 925 ff.; Boujong, AG 1995, 203.

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Reparaturbedarf des Kodex erbracht werden, an denen ein Aufsichtsratmitglied mehr als nur marginal beteiligt ist oder dessen Vertretungsorgan er angehört. Der Corporate Governance Bericht soll weiter angeben, ob die entsprechenden Verträge mit Aufsichtsratmitgliedern ordnungsgemäß sind. Ordnungsgemäß sind diese Verträge nur dann, wenn sie schriftlich abgefasst sind, der Beratungsgegenstand nicht in den organschaftlichen Pflichtenkreis des Aufsichtsrates fällt, die Höhe der Gesamthonorierung mit hinreichender Deutlichkeit festgelegt ist und der Aufsichtsrat dem Vertrag vor Erbringung der Leistung zugestimmt hat.54“

II. Die Monopolisierung des Informationsflusses zwischen Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden 5.2 Abs. 3 Satz des Kodex’ lautet: „Der Aufsichtsratvorsitzende wird über wichtige Ereignisse, die für die Beurteilung der Lage und Entwicklung sowie für die Leitung des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung sind, unverzüglich durch den Vorsitzenden bzw. Sprecher des Vorstandes informiert“.

Diese Passage des Kodex’ soll die gesetzliche Bestimmung des § 90 Abs. 1 Satz 3 abbilden, die wie folgt lautet: „Außerdem ist dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates aus sonstigen wichtigen Anlässen zu berichten; als wichtiger Anlass ist auch ein dem Vorstand bekannt gewordener geschäftlicher Vorgang bei einem verbundenen Unternehmen einzusehen, der auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluss sein kann.“

1. § 90 AktG ist die Kernvorschrift über die Information des Aufsichtsrates durch den Vorstand, die wiederum die Grundlage von dessen Aufsichtsausübung ist. Berichtsschuldner ist der Vorstand als Kollegialorgan55. Der Vorstand hat in seiner Gesamtheit zu berichten. Jedes einzelne Vorstandsmitglied ist verpflichtet, an dem Bericht mitzuwirken. Die Beschränkung dieser Pflicht auf den Vorsitzenden oder Sprecher des Vorstandes – mit einer daraus zu entnehmenden spiegelbildlichen Freistellung der übrigen Vorstandsmitglieder von diesem Pflichtrecht – leistet einer gefährlichen Entwicklung Vorschub, nämlich einer gegenseitigen Informationsmonopolisierung zwischen Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzendem56. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, die ad hoc Information des Aufsichtsratvorsitzenden aus wichtigem Anlass bräuchte ja nicht schrift-

__________

54 OLG Frankfurt/Main, AG 2005, 925 (927 liSp unten), wobei diese Auffassung des OLG Frankfurt allerdings § 114 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. unberücksichtigt lässt. Bei einer derartigen Formulierung wie oben vorgeschlagen, wäre DCGK 5.5.4 als redundant zu streichen. 55 Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 90 AktG Rz. 1; Hefermehl/Spindler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 90 AktG Rz. 5; Mertens in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1989, § 90 AktG Rz. 26; Wiesner in MünchHdb.AG, 2. Aufl. 1999, § 25 Rz. 28. 56 Vgl. dazu Semler in FS Lutter, 2000, S. 721 ff. (728 – 730); Götz, AG 1995, 337 (350 reSp). Beide Autoren haben langjährige Erfahrung als Vorstandsmitglieder.

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lich57, sondern könne – und müsse auch häufig wegen der Eilbedürftigkeit und u. U. auch der Diskretionsnotwendigkeit – mündlich erfolgen und eine (fern-)mündliche Übermittlung könne nun einmal nur ein Einzelner vornehmen. Erkennbar ist jedoch bei der Formulierung des Kodex gar nicht an die Unterscheidung zwischen mündlicher und schriftlicher Übermittlung und die bloße Übermittlung der Nachricht gedacht; vielmehr soll die Berichtspflicht als solche, die ja die Beurteilung umfasst, ob überhaupt ein berichtensnotwendiger und berichtenswürdiger Vorgang vorliegt, dem Vorstandsvorsitzenden oder Sprecher allein obliegen. Diese gegenseitige Informationsund Meinungsaustauschmonopolisierung zwischen den Vorsitzenden beider Gremien58, ist Teil der Entwicklung des Vorstandsvorsitzenden zum CEO angelsächsischer Prägung, die durchaus im Zuge der Zeit liegt59. Indessen ist sie ein Versatzstück und eine Importe aus der angelsächsischen Gesellschaftsrechts- und Kapitalmarkttradition, von der keineswegs sicher ist, ob sie sich mit dem deutschen dualen System verträgt. Wenn der Aufsichtsratvorsitzende nicht gelegentlich Vier-Augen-Gespräche mit den einzelnen Vorstandsmitgliedern60 führt, verschließt er sich eine wesentliche Erkenntnisquelle über die Arbeit seines Gesprächspartners und darüber hinaus über die Arbeit der anderen Vorstandskollegen, über die sein Gesprächspartner qua Queraufsicht wesentlich besser Bescheid weiß, als er selbst – es sei denn, dass er vorher Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft war. Derartige Vier-Augen-Gespräche – d. h. eine Auflösung des Informationsmonopols – sind umso wesentlicher, als die Begegnungen ja sonst nur bei Aufsichtsratsitzungen stattfinden, bei denen vertrauensvolle Gespräche auch dann schwierig oder gar unmöglich sind, wenn einmal keine Arbeitnehmervertreter anwesend sind. Vor allem aber schneidet sich der Aufsichtsratvorsitzende, wenn er nur mit dem Vorstandsvorsitzenden redet, von wesentlichen Erkenntnissen darüber ab, wie es denn wirklich mit der Zusammenarbeit im Vorstand und der Integrationsfähigkeit und Führungskraft des Vorstandsvorsitzenden bestellt ist. Er erhält durch derartige Gespräche darüber hinaus auch eine bessere Chance, einer negativen Entwicklung, die in der Person des Vorstandsvorsitzenden selbst61 angelegt sein mag, entgegenzuwirken.

__________ 57 In „Textform“ siehe auch § 90 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. AktG. 58 Die überaus anschaulich von Semler in FS Lutter, 2000, S. 721 ff. geschildert wird. 59 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates, 4. Aufl. 2002, Rz. 438; Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 36. 60 Vgl. dazu die in Fn 55 aufgeführten Autoren und Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 55), § 111 AktG Rz. 16. Natürlich soll der Vorstandsvorsitzende über derartige Einzelgespräche informiert werden. 61 Z. B. bei der Metallgesellschaft Anfang der 90er Jahre oder der Stumm AG im Jahre 1974. Zum Fall Metallgesellschaft siehe auch Götz, AG 1995, 337 (350 reSp). Götz war Vorstandsmitglied der Metallgesellschaft.

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Reparaturbedarf des Kodex

Da die Wiedergabe der rechtlichen Situation im Kodex falsch ist, sollte sie auf jeden Fall geändert werden. Die Informationspflicht gegenüber dem Aufsichtsratvorsitzenden aus wichtigem Anlass obliegt zwingend dem Gesamtvorstand und nicht allein dem Vorsitzenden oder Sprecher. Darüber hinaus wäre zu empfehlen, an geeigneter Stelle im Kodex62 folgenden Satz einzufügen: „Der Aufsichtsratvorsitzende sollte periodisch, mindestens einmal im Jahr, Einzelgespräche mit den Mitgliedern des Vorstandes führen“.

III. Die Behandlung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat 1. Der Kodex behandelt Interessenkonflikte in DCGK 5.5. Dies ist für die Corporate Governance ein wichtiges und vielschichtiges Thema, da Aufsichtsratmitglieder u. U. wegen einer gewissen Nähe zur Gesellschaft, z. B. als Aktionär, Kreditgeber oder Lieferant bestellt werden und sich hieraus Interessenkonflikte ergeben können. Es besteht auch ein abgestuftes Instrumentarium für die Behandlung von Interessenkonflikten in Abhängigkeit von deren Intensität und Dauer. Bei leichten und punktuellen Konflikten wird Stimmenenthaltung genügen, wenn über den Gegenstand abgestimmt wird. Ist der Interessenkonflikt schwerwiegender oder länger andauernd, wird das Aufsichtsratmitglied der Beratung darüber im Aufsichtsrat fernbleiben müssen, während bei lang andauernden schweren Konflikten kaum etwas anderes übrig bleibt, als das Mandat niederzulegen. Dies alles wird im Kodex richtig gesehen. Indessen bedarf eine Empfehlung im Kodex näherer Betrachtung und zwar im Hinblick darauf, ob sie dogmatisch stimmig und zielführend ist. „Der Aufsichtsrat soll in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren“63.

Aus dem folgenden Satz, der sich mit der Behandlung von andauernden und wesentlichen Interessenkonflikten befasst, ergibt sich, dass die Interessenkonflikte, über die an die Hauptversammlung berichtet werden soll, die ganze Spannweite möglicher Interessengegensätze umfasst, also von ganz untergeordneten bis zu solchen Interessenkonflikten reicht, die zu sofortiger Niederlegung des Mandates zwingen. Es ist zunächst zu überlegen, ob die zitierte Empfehlung überhaupt in das komplizierte Beziehungsgeflecht der drei Organe der Aktiengesellschaft und insbesondere in das Beziehungsbündel zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung passt. Die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat sind – soweit sie nicht entsandt werden – von der Hauptversammlung zu wählen und können auch von ihr

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62 Z. B. im DCGK 3.5 Abs. 1 Satz 2. 63 DCGK 5.5.2.

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abberufen werden64. Die HV beschließt auch qua Satzung oder ad hoc über die Vergütung des Aufsichtsrates65 sowie über dessen Entlastung66. Im Übrigen hat der Aufsichtsrat das Selbstkonstitutionsrecht, d. h. er beruft seinen eigenen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter67 und bestellt seine eigenen Ausschüsse68. Er kann, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert, die Hauptversammlung einberufen69. Auf Antrag des Aufsichtsrates kann das Gericht ein Mitglied des Aufsichtsrates abberufen70. Aus dieser kursorischen und nicht vollständigen Aufzählung der gegenseitigen Beziehungen ergeben sich Nichtentlastung oder Abwahl als wichtige Rechte der Hauptversammlung gegenüber einem pflichtwidrig handelnden Aufsichtsratsmitglied, das einen Interessenkonflikt nicht gemeldet oder aber gemeldet und sich dann nicht pflichtmäßig verhalten hat. Dies sind aber Maßnahmen, die sicherlich nur bei schweren Pflichtverstößen in Frage kommen. Hinzu kommt: Der Aufsichtsrat ist ja auf die Hilfe der Hauptversammlung überhaupt nicht angewiesen, um sich bei Interessenkonflikten nachhaltig pflichtwidrig handelnder Kollegen zu entledigen: Vielmehr steht ihm ja der Antrag an das Gericht auf Abberufung zur Verfügung, so dass wenn (ausnahmsweise) mildere Mittel nicht greifen, stets eine ultima ratio zur Selbstreinigung ohne Intervention der Hauptversammlung greifbar ist. Die erforderliche Mitteilung eines Aufsichtsratsmitgliedes, dass ein Interessenkonflikt vorliege, und die dann in der Praxis stets unmittelbar darauf erfolgende Selbstverpflichtung sich entsprechend zu verhalten, d. h. nicht mit abzustimmen, sich nicht an der Aussprache zu beteiligen oder ihr gar fernzubleiben, können und sollen dem Autonomiebereich des Aufsichtsrates zugerechnet werden, von dem die Hauptversammlung nichts erfährt71. Die vom Kodex vorgeschlagene Handhabung, dass der Aufsichtsrat die Hauptversammlung über jeden Interessenkonflikt unterrichten soll, ist abgesehen von rechtlichen Bedenken auch nicht zielführend. Die Bereitschaft, Interessenkonflikt zu offenbaren, würde drastisch zurückgehen, wenn das betreffende Aufsichtsratmitglied damit rechnen muss, in der Hauptversammlung, an der er ja teilnehmen soll72, am Pranger zu stehen. Ein Interessenkonflikt, in dem ja jedes Aufsichtsratmitglied ohne jedes Verschulden hineingeraten kann, rechtfertigt keinesfalls ein derartiges „public shaming“, vor allem

__________ 64 65 66 67 68 69 70 71

§§ 101 und 103 AktG. § 113 AktG. § 119 Abs. 1 Ziffer 3 AktG. § 107 Abs. 1 AktG. § 107 Abs. 3 AktG. § 111 Abs. 3 AktG. § 103 Abs. 3 AktG. Vgl. für das nicht unähnliche Problem einer Mitteilung an die Hauptversammlung über die Selbstevaluierung des Aufsichtsrates nach DCGK 5.6. Seibt, DB 2003, 2107 (2110 liSp unten). 72 § 118 Abs. 2 Satz 1 AktG.

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Reparaturbedarf des Kodex

dann nicht, wenn das Aufsichtsratmitglied sich nach der Mitteilung des Interessenkonfliktes pflichtmäßig verhalten hat. Im Übrigen mögen mit einem Interessenkonflikt durchaus legitime Geheimhaltungsinteressen verbunden sein, aufgrund derer der Sachverhalt nicht aus dem Kreis der Aufsichtsratmitglieder hinaus dringen soll. Dementsprechend sollte DCGK 5.5.2 wie folgt geändert werden: „Falls ein schwerwiegender Interessenkonflikt eines Aufsichtsratmitgliedes nicht innerhalb des Gremiums zufriedenstellend im Interesse der Gesellschaft gelöst werden kann, soll dies im Bericht an die Hauptversammlung dargestellt werden.“

IV. Varia Es besteht über die oben kritisch betrachteten Aussagen des Kodex sicherlich noch weiterer Diskussionsbedarf. 1. Mitbestimmung Hierzu gehört die Frage, ob der Kodex nicht auf einzelne Probleme der Mitbestimmung eingehen sollte, da dies ja der Bestandteil der Deutschen Corporate Governance ist, den zu verstehen sich der ausländische Aktionär besonders schwer tut. Das Thema wurde in der Baums Kommission ausgespart, da für seine Behandlung von Seiten der Regierung kein Auftrag vorlag, ja die Regierung das Thema nicht behandelt wissen wollte; aber die Situation ist heute eine andere: Eine unabhängige Kodex-Kommission ist vielleicht nicht berufen, Änderungen der geltenden Gesetze vorzuschlagen73, aber sie kann durch Gesetze entstehende Schwierigkeiten beschreiben, wie eben die oben angedeutete74 häufig anzutreffende enge Verbindung zwischen Arbeitnehmerbank und Vorstand, die der Aufsicht, wie sie im dualen System auszuüben ist, eine ganz besondere Note verleiht. In diesem Zusammenhang ist auch die Anregung des Kodex zu beachten75, dass die Vertreter der Aktionäre und diejenigen der Arbeitnehmer die Sitzungen jeweils gesondert vorbereiten sollen. Dies mag zwar praktische Vorteile haben, widerspricht aber der Konzeption des Aufsichtsrates als einheitliches Organ. 2. Selbstbehalt bei der D&O Versicherung Die Empfehlung des Kodex, dass bei Abschluss einer D&O Versicherung ein „angemessener Selbstbehalt“ vereinbart werden sollte76, ist von höchst zweifelhaftem Nutzen. Der anstrebte Zweck, die Organmitglieder zu sorgfältiger

__________ 73 74 75 76

Zum Auftrag der Kommission vgl. Ringleb in Ringleb u. a. (Fn. 43), Rz. 17. I.3.c) dieses Textes und Fn. 23. DCGK 3.6. DCGK 3.8.

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Amtsausübung anzuhalten, liegt auf der Hand. Bedarf es aber dafür der Selbstbeteiligung? Ein bekannt werdender Schaden, der auf unsorgfältiges Verhalten eines Vorstands- oder Aufsichtsratmitgliedes zurückzuführen ist, birgt in seinem Gefolge soviel Ungemach, dass es als Anreiz zu seiner Vermeidung gewiss nicht auch noch des Selbstbehaltes bei der D&O Versicherung bedarf. Hiervon abgesehen, ist diese Empfehlung schon deswegen kontraproduktiv, da die D&O Versicherung ja in aller Regel die qua Innenhaftung geltend zu machenden Schäden abdecken soll, und die Gesellschaft, die diese Empfehlung befolgt, dabei riskiert, in Höhe des Selbstbehaltes mit ihrer Forderung auszufallen, denn es steht ja keineswegs fest, dass das in Anspruch genommene Organmitglied für den Schaden in Höhe des Selbstbehaltes gut ist. Vielleicht sollte in der Wirtschaft überhaupt etwas mehr über die D&O Versicherung und ihre Janusköpfigkeit nachgedacht werden. Der Versicherungsnehmer, die Gesellschaft, zahlt ja für eine Versicherung, die das Organmitglied vor Schadensersatzforderungen bei fahrlässiger Pflichtverletzung schützen soll. Dieser Schutz wird aber von den D&O Versicherern zusehend mehr in Form von Unterstützung im Schadensersatzprozess der Gesellschaft gegen das (in der Regel zwischenzeitlich ausgeschiedenen) Organmitglied geleistet und nicht in Form von Schadensersatzleistungen für Rechnung des Schädigers, so dass die D&O Versicherung häufig zu einer schwierigeren und nicht zu einer leichteren Schadensersatzdurchsetzung führt. Davon abgesehen, hat diese Importe aus den USA auch schon zu einer ähnlichen Entwicklung wie dort geführt. Es wird vielmehr gestritten als früher77, der Versicherungsnehmer kann durch Anspruchstellung oder Klageerhebung den Versicherungsfall auslösen, wobei ein vielleicht anfänglich vorhandenes (kollusives?) Einvernehmen zwischen versicherter Person (Schädiger) und Versicherungsnehmer (Gesellschaft) zu Lasten der Versicherung erfahrungsgemäß sehr schnell vor Gericht ein Ende findet, wenn der Versicherer auf Seiten des Schädigers dem Prozess beitritt. 3. Wiederbestellung eines Vorstandsmitgliedes entgegen § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG Die Wiederbestellung eines Vorstandsmitgliedes vor Ablauf eines Jahres bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung entgegen dem Gesetz78, mindestens „bei Vorliegen besonderer Umstände“ zu gestatten79, liefert geradezu das Stichwort für die Umgehung des Gesetzes. Natürlich besteht hierfür im Normalfall kein Bedürfnis und liegen bei einer derartigen Hand-

__________ 77 Schillinger, VersR 2005, 1484 ff. (1489: Statistik). 78 § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG. 79 DCGK 5.1.2 Abs. 2 Satz 2.

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habung zur Umgehung des Gesetzes80 immer besondere Umstände vor, wie etwa eine drohende Übernahme, bei der dem Vorstandsmitglied ein hoher Resterfüllungsanspruch aus seinem Dienstvertrag gesichert werden soll oder es besteht eine kritische Situation, bei der der Aufsichtsrat glaubt, sich durch diese Maßnahme hinter das Vorstandsmitglied stellen zu müssen und keine andere Möglichkeit hierfür sieht81. Nach der Formulierung des Kodex ist dabei noch nicht einmal eine non comply Erklärung82 nötig, denn unter „besonderen Umständen“ soll ja die Verlängerung83 erlaubt sein. Die Bestimmung, die eine derartige vorzeitige Bestellung verbietet, hat ihren Grund: Der Aufsichtsrat soll während eines möglichst langen Teils der Bestellperiode die Gelegenheit haben, das Vorstandsmitglied zu beobachten und sich darüber schlüssig zu werden, ob die Bestellung aufgrund von Leistung und Charakter verlängert werden soll. Die vorzeitige Neubestellung ist hiermit nicht vereinbar und konterkariert letztlich den Schutz der Gesellschaft, der darin besteht, dass Vorstandsmitglieder nur für zeitlich begrenzte Perioden bestellt werden dürfen, an deren Ende dann jeweils der reiflich überlegte Beschluss des Aufsichtsrates zur Wiederbestellung stehen darf, wenn sich eben aufgrund einer fast schon abgelaufenen Bestellperiode für einen derartigen Beschluss die notwendige Sicherheit der Überzeugung ergeben hat. Nach allem ist es keine „best practice“ dieser zweifelhaften und umstrittenen84 Methode im praktischen Ergebnis freie Bahn zu lassen. Wenn in seltenen Ausnahmefällen eine praktische Notwendigkeit für eine derart kontroverse Handhabung besteht, sollte der Kodex schweigen und sie nicht auch noch „absegnen“. DCGK 5.1.2 Abs. 2 Satz 2 sollte dementsprechend ersatzlos wegfallen.

__________ 80 81 82 83 84

Götz, AG 2002, 305 (306). Vgl. aber die Fälle bei Ringleb in Ringleb u. a. (Fn. 43), Rz. 950. Nach § 161 AktG. § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG. Die Handhabung entweder grundsätzlich ablehnend oder aber mindestens dann ablehnend, wenn die Verlängerung und die bisher abgelaufene Amtsperiode zusammengerechnet 5 Jahre überschreitet. Semler in MünchKomm. AktG (Fn. 14), § 116 AktG Rz. 112; Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 14), § 84 AktG Rz. 36 und (wörtlich!) damit übereinstimmend Thomat/Nehls in Schüppen/Schaub (Hrsg.), MünchAnwaltshdb. Aktienrecht, 2004, § 22 Rz. 42; Götz, AG 2002, 305 (306); Hüffer (Fn. 55), § 84 AktG Rz. 6; Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 55), § 84 AktG Rz. 18; Reinhardt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 468; Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, 2003, § 6 Rz. 28 a. E. Das Verfahren für zulässig halten: Bauer/Krets, DB 2003, 811 (817 liSp); Oltmann/Unger in Anwaltkomm.AktG, 2003, § 84 AktG Rz. 7; Willemer, AG 1977, 130 ff. (133); Wiesner in MünchHdb.AG (Fn. 55), § 20 Rz. 32; Werner, AG 1990, 1 ff. (19).

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Auskunftsverlangen des Großaktionärs Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Allgemeine gesetzliche Rahmenbedingungen 1. Auskunftspflichten und Auskunftsbefugnisse a) Grundsatz: Keine Auskunftspflicht b) Ausnahmen für die Konzernrechnungslegung c) Kein grundsätzliches Auskunftsverbot 2. Verschwiegenheitspflicht des Vorstands 3. WpHG-rechtlicher Seitenblick: Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen III. Einfluss von Unternehmensverbindungen 1. Unternehmensvertragliche Verbindung, Eingliederung a) Verschwiegenheitspflicht b) Erweiterte Auskunftspflicht 2. Faktische Konzernierung a) Verschwiegenheitspflicht b) Erweiterte Auskunftspflicht 3. Schlichte Abhängigkeit, Mehrheitsbeteiligung a) Verschwiegenheitspflicht b) Erweiterte Auskunftspflicht 4. Seitenblick zur WpHG-rechtlichen Situation IV. Stellungnahme 1. Zur erweiterten Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG a) Keine bindenden Vorgaben aus den Gesetzesmaterialien b) Kein Umkehrschluss aus § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG c) Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausnahmen zulassender Rechtsgrund

2. Zur Verschwiegenheitspflicht des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG a) Reichweite der Verschwiegenheitspflicht b) Folgerung 3. Einfluss von Unternehmensverbindungen a) Faktische Unternehmensverbindungen aa) Grundsätzliche Privilegierung nach §§ 311 ff. AktG bb) Notwendige Unterscheidung hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit cc) Bei Einhaltung der §§ 311 ff. AktG kein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht dd) Bei Einhaltung der §§ 311 ff. AktG keine erweiterte Auskunftspflicht ee) Notwendigkeit eines Konzernverhältnisses? ff) Rechtsfolgen eines unterlassenen Nachteilsausgleichs (1) Kein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht (2) Keine erweiterte Auskunftspflicht b) Schlichte Mehrheitsbeteiligung, Großaktionär c) Vertragliche Unternehmensverbindung, Eingliederung aa) Beherrschungsvertrag bb) Isolierter Gewinnabführungsvertrag cc) Eingliederung V. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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Einen Beitrag für den Jubilar zu schreiben ist nicht einfach. Einerseits ist sein Interessensgebiet weit gestreckt, so dass man thematisch an sich auf ein weites Feld stößt. Andererseits findet man aber kaum einen Reibungspunkt, den man aufgreifen könnte. Die wenigen (wenn man sie denn einmal findet) Meinungsunterschiede sind schon behandelt1, und erneut die Meinungsübereinstimmungen gegenüber gesetzgeberischer Ungeduld2 oder der Missachtung von Erfahrungswerten hervorzuheben3, wäre auch nicht sinnvoll. Nachdem die nachfolgenden Ausführungen mit den Auskunftsrechten der Aktionäre die Hauptversammlung und das Recht der verbundenen Unternehmen betreffen und damit zumindest im thematischen Zusammenhang mit der notariellen Tätigkeit des Jubilars und einem seiner Interessensgebiete stehen, hofft der Verf., auch mit einem Thema auf sein Interesse zu stoßen, das sonst weniger zu seinem Tätigkeitsbereich gehören dürfte: Die Situation des Vorstands nach dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der von ihm geleiteten Gesellschaft und den damit häufig verbundenen extensiven Auskunftswünschen des neuen Mehrheitsaktionärs.

I. Einleitung Nach dem Erwerb einer Aktienmehrheit durch einen Aktionär bzw. eine Unternehmensgruppe sieht sich der Vorstand einer bis dato unabhängigen Aktiengesellschaft häufig der Situation ausgesetzt, dass die gleichen Herren, die am Erwerb der Beteiligung interessiert waren und mit denen er im Rahmen ihres Übernahmevorhabens wenn schon kein freundschaftliches, so doch ein wenigstens freundliches Verhältnis gepflegt hat, an ihn herantreten und ihm ein mehrere Zentimeter dickes Formularwerk mit dem Hinweis überlassen, man erwarte nunmehr auch von ihm eine dezidierte Berichterstattung nach den in der Unternehmensgruppe allgemein geltenden Maßstäben. Verbunden ist das Ganze dann noch mit einer Anleitung, die ihn darüber aufklärt, welche Grundsätze zum internen Konzernberichtswesen ab jetzt von ihm zu beachten sein sollen. Hieraus kann er dann lernen, wie die Sicherung der gemeinsamen Planungsgrundlagen in der Gruppe zu gewährleisten ist, eine vergleichbare Erfolgsbeurteilung hinsichtlich der Gesellschaften hergestellt werden soll und wie er künftig seine Quartals- und Jahres-

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1 Zur Heilung der verdeckten Sacheinlage im Aktienrecht siehe einerseits Pentz in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 27 AktG Rz. 106 ff., § 52 AktG Rz. 69; andererseits Priester in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2003, § 52 AktG Rz. 18, 107; zur Heilung der verdeckten Sacheinlagen im GmbH-Recht grundlegend Priester, JbFSt 1988/89, S. 158 (161); ders., DB 1990, 1753 (1756 ff.); Bedenken bei Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 19 GmbHG Rz. 169. 2 Vgl. hierzu den demnächst erscheinenden Diskussionsbericht von Olberg über die Diskussionsleitung des Jubilars auf der Jahrestagung der VGR 2006 in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007. 3 Zum kapitalgesellschaftsrechtlichen System und den ihm zugrunde liegenden Erfahrungen siehe nur Pentz/Priester/Schwanna, ZGR-Sonderheft Nr. 17, S. 42 ff.

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abschlüsse aufzustellen und wie er die Bilanzierungsgrundsätze gruppengerecht anzupassen hat. Typischer Inhalt der ihm erteilten Vorgaben sind außerdem normierte Formblätter, Vorgaben zur näheren Struktur der zu fertigenden Aufstellungen, auch hinsichtlich des Auftragseingangs, der Umsätze und des Auftragsbestands, der Ergebnisse, der Personalplanung, sonstiger Kosten, zur Aufstellung bestimmter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen sowie die turnusmäßige Offenlegung der Planungen und der Zielerreichungen. Nachdem sich sein Besuch verabschiedet hat, bleibt ein etwas nachdenklicher Vorstand zurück. Einerseits will er mit dem neuen Großaktionär nicht unbedingt die Auseinandersetzung suchen, selbst wenn er sich über das an ihn herangetragene Ansinnen und die damit verbundene, häufig nicht ohne neue Arbeitskräfte zu bewerkstelligende zusätzliche Arbeit ärgert. Andererseits kennt er aber auch seine Verschwiegenheitspflicht und die hieran geknüpfte zivil- und strafrechtlich gebundene Verantwortlichkeit sowie die erweiterte Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG, wonach einem Aktionär außerhalb der Hauptversammlung gegebene Auskünfte dazu führen können, dass die betreffenden Auskünfte auch jedem anderen Aktionär in der Hauptversammlung erteilt werden müssen, und zwar unabhängig davon, ob sie zur sachgerechten Beurteilung eines Tagesordnungspunkts erforderlich sind oder nicht. Geht der Vorstand dann der Frage nach, wie er sich zu verhalten hat, stößt er auf einen möglichen Ausweg. Denn wenn er die Gesellschaft in einen faktischen Konzern eingebunden sehen kann, scheint es die Möglichkeit zu geben, zumindest die erweiterte Auskunftspflicht zu umgehen4. Geht er dann noch der Frage nach, wann denn ein Konzern in diesem Sinne angenommen werden kann, stößt er auf unterschiedliche Konzernbegriffe, die ihm im Ergebnis keinen hinreichend sicheren Ausweg aus seiner Situation weisen. Ob er sich als Vorstand auf die gesetzliche Vermutungskaskade der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG berufen könnte, ist ebenfalls nicht zweifelsfrei, weil bei ihm die aktuelle Kenntnis vom Umfang der Einbindung der Gesellschaft vorauszusetzen ist. Dieses in der Praxis häufiger auftauchende Problem soll Anlass sein, den hiermit zusammenhängenden Fragen näher nachzugehen. Zu diesem Zweck sollen zunächst (unter II. und III.) die gesetzlichen Rahmenbedingungen und der derzeitige Meinungsstand hierzu dargelegt werden, um sodann (unter IV.) im Rahmen einer Stellungnahme der Frage nachzugehen, inwieweit sich der Vorstand in dieser Situation bei einer Auskunftserteilung auf der sicheren Seite wähnen kann oder nicht. Dabei wird sich erweisen, dass der nach wie vor umstrittenen herrschenden Meinung weitgehend zugestimmt werden kann, wenn auch mit in Teilen abweichender Begründung.

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4 Vgl. vorläufig nur Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 131 AktG Rz. 38; Kubis in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 143; Zöllner in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1973, § 131 AktG Rz. 68, jew. m. w. N.

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II. Allgemeine gesetzliche Rahmenbedingungen Untersucht man die allgemein für den Vorstand im Zusammenhang mit Auskunftsverlangen zu beachtenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, stößt man zunächst auf drei wichtige Bereiche: Die Rechtslage bei Auskünften außerhalb der Hauptversammlung (unter 1.), die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des Vorstand (unter 2.) und – bei börsennotierten Gesellschaften – das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen (unter 3.): 1. Auskunftspflichten und Auskunftsbefugnisse a) Grundsatz: Keine Auskunftspflicht Nach § 131 Abs. 1 AktG besteht ein Auskunftsrecht des Aktionärs allein in der Hauptversammlung und auch nur insoweit, als die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des Tagesordnungsgegenstands erforderlich ist. Ein darüber hinausgehendes Informationsrecht findet sich jedoch in § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG. Hiernach muss eine einem Aktionär außerhalb der Hauptversammlung erteilte Auskunft auf Verlangen auch jedem anderen Aktionär in der Hauptversammlung erteilt werden, selbst wenn sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Hauptversammlung nicht erforderlich ist (sog. erweiterte Auskunftspflicht des Vorstands). Für diese erweiterte Auskunftspflicht gelten die Auskunftsverweigerungsgründe des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 AktG nicht, der Vorstand hat die Auskünfte deshalb selbst dann zu erteilen, wenn sie der Gesellschaft einen erheblichen Nachteil zufügen können. Das Gesetz stellt in diesem Zusammenhang allerdings – worauf noch zurückzukommen sein wird – darauf ab, ob die betreffenden, außerhalb der Hauptversammlung erteilten Auskünfte dem Aktionär „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ erteilt worden sind, und auch die erweiterte Auskunftspflicht besteht nur in der Hauptversammlung5. Denn ein Auskunftsanspruch außerhalb der Hauptversammlung wäre mit dem Charakter der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft und mit einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang in der Gesellschaft nicht vereinbar6.

__________ 5 Duden in FS von Caemmerer, 1978, S. 499 (503); Hoffmann-Becking in FS Rowedder, 1994, S. 155 (157 ff.); Hüffer (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 42; Kubis in MünchKomm. AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 134; unter Gleichbehandlungsaspekten für ein Auskunftsrecht außerhalb der Hauptversammlung Eckardt in Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1974, § 131 AktG Rz. 161. 6 Zu dem auf die Hauptversammlung beschränkten Auskunftsrecht vgl. Kropff, Aktiengesetz mit Begründung des Regierungsentwurfs und des Berichts des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, 1965, S. 187; vor diesem Hintergrund soll das zwischenzeitlich auf EU-Ebene erwogene elektronische Fragerecht dem Vernehmen nach zu Recht auch nur einem Mitgliedstaatenwahlrecht unterstellt werden.

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b) Ausnahmen für die Konzernrechnungslegung Eine ausdrückliche Ausnahme von den vorstehend dargelegten Grundsätzen besteht insoweit, als das Gesetz in § 294 Abs. 3 HGB die Tochterunternehmen gegenüber einem Mutterunternehmen nicht nur zur Einreichung bestimmter Unterlagen verpflichtet, sondern auch zu allen Aufklärungen und Nachweisen, die die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts erfordert. Hierauf rekurriert auch § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG, indem er solche Auskünfte von der erweiterten Auskunftspflicht ausnimmt7. c) Kein grundsätzliches Auskunftsverbot Mit der Feststellung, dass es außerhalb der Hauptversammlung keinen Auskunftsanspruch des Aktionärs gibt, noch nicht beantwortet ist allerdings die Frage, ob der Vorstand nicht von sich aus solche Auskünfte erteilen darf. Für die Beantwortung dieser Frage enthält das Gesetz mit der durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) eingeführten Bestimmung des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 AktG einen Anhaltspunkt dahin, dass solche Auskünfte jedenfalls nicht generell verboten sein können. Denn wenn hiernach dann Auskünfte verweigert werden können, wenn diese bereits auf der Internetseite der Gesellschaft über mindestens sieben Tage vor Beginn der Hauptversammlung und in ihr durchgängig zugänglich gemacht worden sind, setzt dies ersichtlich die Zulässigkeit solcher Auskünfte voraus. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Materialien der Vorschrift, die davon ausgehen, dass der Vorstand diese Fragen beantworten kann (aber nicht muss)8. Die Gesetzesmaterialien zu § 131 AktG von 1965 weisen ebenfalls in diese Richtung. Hiernach wird es als erwünscht bezeichnet, wenn der Vorstand freiwillig auch während des Geschäftsjahres auf Anfragen der Aktionäre eingeht oder sie durch Rundschreiben unterrichtet; nur die Informationserteilung an lediglich einzelne Aktionäre soll vermieden werden9.

__________ 7 Vgl. hierzu nur BT-Drucks. 11/6275, S. 26; Hoffmann-Becking in FS Rowedder, 1994, S. 155 (168 ff.); Decher, ZHR 158 (1994), 473 (486); Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 351 ff.; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 145. 8 BT-Drucks. 15/5092, S. 18: „Der Vorstand ist bereits nach geltendem Recht nicht gehindert, zuzulassen, dass Fragen zu einzelnen Tagesordnungspunkten und in bestimmtem Umfang schon vor der Hauptversammlung schriftlich oder in Textform eingereicht werden. Er braucht solche Fragen nicht vorab zu beantworten.“ 9 Kropff, Aktiengesetz (Fn. 6), S. 187: „Im Interesse der Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären ist es jedoch erwünscht, daß der Vorstand freiwillig auch während des Geschäftsjahres auf Anfragen der Aktionäre eingeht oder sie durch Rundschreiben unterrichtet.“

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2. Verschwiegenheitspflicht des Vorstands Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG haben Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich über Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren (Verschwiegenheitspflicht). Verletzen sie diese Pflicht, sind sie nach § 93 Abs. 2 AktG der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet, wobei sie im Streitfall nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beweislast dafür trifft, dass sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben10. Strafrechtlich flankiert wird die Verschwiegenheitspflicht durch § 404 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG, der unbefugtes Offenbaren von Geheimnissen der Gesellschaft unter Strafe stellt. 3. WpHG-rechtlicher Seitenblick: Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen Bei börsennotierten Gesellschaften ist die unbefugte Weitergabe bzw. das unbefugte Zugänglichmachen von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verboten. Normadressaten dieser Bestimmung sind alle Personen, die über Insiderinformationen verfügen11, also auch Vorstandsmitglieder. Über §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 2 i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist dieses Verbot für den Vorstand ebenfalls strafrechtlich sanktioniert12.

III. Einfluss von Unternehmensverbindungen Die vorstehend umrissenen gesetzlichen Vorgaben scheinen dem Vorstand eine sehr enge Vorgabe für Informationsverlangen eines Großaktionärs zu geben und sie weitgehend auszuschließen. Die ganz herrschende Meinung geht jedoch davon aus, dass weder die Verschwiegenheitspflicht noch die erweiterte Auskunftspflicht uneingeschränkt gelten, sondern dass in diesem Zusammenhang Besonderheiten aufgrund des Rechts der verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen sind:

__________ 10 Zur Bedeutung und zum Umfang dieser Beweislastumkehr eingehend BGH, NJW 2003, 258 = DStR 2003, 124 mit Anm. Goette = BGHReport 2003, 114 mit Anm. Pentz (zum Geschäftsführer). 11 Statt anderer Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, WpHG, 4. Aufl. 2006, § 14 WpHG Rz. 2; Schwark, Kapitalmarktrechts- Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 1. 12 Vgl. stattdessen zu dem das Merkmal „unbefugt“ betreffenden Fragenbereich statt anderer nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider (Fn. 11), § 14 WpHG Rz. 72 ff.; Schwark (Fn. 11), § 14 WpHG Rz. 30 ff.

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1. Unternehmensvertragliche Verbindung, Eingliederung a) Verschwiegenheitspflicht Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags und bei der Eingliederung wird allgemein eine Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht des Vorstands gegenüber dem anderen Vertragsteil/der Hauptgesellschaft angenommen. Da das herrschende Unternehmen/die Hauptgesellschaft wegen § 302 Abs. 1/ § 322 AktG im Ergebnis das wirtschaftliche Risiko der Gesellschaft trage, müssten ihr auch die notwendigen Informationen zur Ausübung ihres umfassenden Weisungsrechts gem. § 308/§ 323 AktG zur Verfügung stehen13. b) Erweiterte Auskunftspflicht Hinsichtlich der dem anderen Vertragsteil erteilten Auskünfte wird allgemein davon ausgegangen, dass diese nicht durch die Aktionärseigenschaft veranlasst sind, sondern durch die vertraglich begründete Leitungsmacht, und § 131 Abs. 4 AktG deshalb keine Anwendung finde. Ergänzend wird hier zum Teil auch auf die den Vertragspartner treffenden Vertragspflichten (Verlustübernahme, Ausgleich und Abfindung nach §§ 302 Abs. 1, 304, 305 AktG) hingewiesen14. Aufgrund dieser Vertragspflichten wird teilweise auch für den Fall des isolierten Gewinnabführungsvertrags angenommen, dass bei Vorliegen eines solchen Vertrags gegebene Auskünfte keine erweiterte Auskunftspflicht rechtfertigen könnten15. Für die Eingliederung spielt die Frage der erweiterten Auskunftspflicht wegen des Übergangs der Aktien nach § 320a AktG keine Rolle. 2. Faktische Konzernierung a) Verschwiegenheitspflicht Die Frage der Verschwiegenheitspflicht im faktischen Konzern wird häufig nur am Rande bzw. mittelbar im Zusammenhang mit der erweiterten Auskunftspflicht angesprochen. Vereinzelt wird angenommen, mit der Pflicht des Vorstands des herrschenden Unternehmens, sich über die Verhältnisse der abhängigen Unternehmen zu informieren und der Situation bei der Kon-

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13 Siehe nur Decher, ZHR 158 (1994), 473, 480; Duden in FS von Caemmerer, 1978, S. 499 (504); Kort, ZGR 1987, 46 (71 f.); Singhof, ZGR 2001, 146 (158 f.); Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rz. 34; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006, Rz. 479; Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 93 AktG Rz. 54; Hopt in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 214, jew. m. w. N. 14 Statt anderer: Decher in Großkomm.AktG (Fn. 7), § 131 AktG Rz. 347; Hüffer (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 38; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 141; Zöllner in KölnKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 66, jew. m. w. N. 15 Decher in Großkomm.AktG (Fn. 7), § 131 AktG Rz. 347; Kubis in MünchKomm. AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 141.

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zernrechnungslegung nach § 294 Abs. 3 HGB, korrespondiere eine allgemeine Informationspflicht zur Ermöglichung der Konzernleitung16. Ganz überwiegend wird jedoch bei der Anerkennung der faktischen Konzernierung durch die §§ 311 ff. AktG angesetzt und die Weitergabe insoweit für zulässig erachtet, als entstehende Nachteile hiernach ausgeglichen werden17. b) Erweiterte Auskunftspflicht Bei der faktischen Konzernierung wird ganz überwiegend ebenfalls ein den Ausschluss der erweiterten Auskunftspflicht rechtfertigender Ausnahmefall nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG bejaht. Wenn der Gesetzgeber den faktischen Konzern hinnehme und aufgrund des Regelungssystems der §§ 311 ff. AktG die Gesellschaft, ihre Minderheitsgesellschafter und ihre Gläubiger umfassend gegen Beeinträchtigungen schütze, erscheine es ungereimt, wenn der hierfür notwendige Informationsfluss durch die Pflicht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG behindert werden könnte18. Dasselbe wird angenommen, wenn die Auskunft erst Konzernbildungszwecken dienen soll. Die vorstehenden Gründe rechtfertigten auch in diesem Fall eine Ausnahme von der erweiterten Auskunftspflicht; nur wenn die angestrebte Konzernierung nicht zustande komme, greife § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG (nachträglich) wieder ein19. Unstreitig ist dies jedoch nicht. Teilweise wird aus der auf die Weitergabe von Rechnungslegungsinformationen bezogenen Bestimmung in § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG und den dieser Bestimmung zugrunde liegenden Gesetzesmaterialien auch ein Umkehrschluss dahin gezogen, der Vorstand sei in allen hiervon nicht erfassten Fällen zur erweiterten Auskunft verpflichtet20.

__________ 16 Semler, Leitung und Überwachung des AG, 2. Aufl. 1996, § 1 Rz. 300 f.; zust. Burgard, ZHR 162 (1998), 51 (96). 17 Siehe hierzu etwa Singhof, ZGR 2001, 146, 159 ff.; Fleischer (Fn. 13), § 18 Rz. 34; Lutter (Fn. 13), Rz. 480; Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 54; Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 214; Kropff in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 311 AktG Rz. 299 ff., jew. m. w. N. 18 Mit unterschiedlichen Schwerpunkten eingehend hierzu etwa LG Düsseldorf, DB 1991, 2532, 2533; Hoffmann-Becking in FS Rowedder, 1994, S. 155 (166 ff.); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 126 f.; Habersack in Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 312 AktG Rz. 5; Decher in Großkomm.AktG (Fn. 7), § 131 AktG Rz. 348; Hüffer (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 38; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 17), § 311 AktG Rz. 305 ff., § 312 AktG Rz. 17; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 142; Zöllner in KölnKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 69, alle m. w. N.; kritisch hierzu Koppensteiner in KölnKomm.AktG, 1971, § 312 AktG Rz. 7. 19 Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 144. 20 Uwe H. Schneider in FS Lutter, 2000, S. 1193 (1201 f.) mit der Erwägung, den Informationsfluss durch Satzungsbestimmung zu legalisieren; Heidel in Anwaltkomm. AktienR, 2003, § 131 AktG Rz. 77.

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3. Schlichte Abhängigkeit, Mehrheitsbeteiligung a) Verschwiegenheitspflicht Besteht zwischen der Aktiengesellschaft und dem übergeordneten Unternehmen kein Konzernverhältnis, sondern lediglich eine einfache Abhängigkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG oder sogar nur eine einfache Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 16 AktG, werden – soweit diese Frage überhaupt im diesem Rahmen angesprochen wird – überwiegend keine Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht des Vorstands anerkannt21. Die Gegenauffassung verweist auf die hinter den §§ 311 ff. AktG stehenden Wertungen und anerkennt auch für Abhängigkeitsverhältnisse (nicht aber bei reinen Mehrheitsverhältnissen) die Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht zu Kontrollzwecken22. b) Erweiterte Auskunftspflicht Bei schlichter Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG oder Mehrheitsbeteiligungen nach § 16 AktG soll nach überwiegender Meinung die erweiterte Auskunftspflicht dagegen uneingeschränkt bestehen23. Aber auch hier gibt es eine abweichende Auffassung. Mit Blick auf die bereits an Abhängigkeitsverhältnisse anknüpfende Regelungen in §§ 311 ff. AktG wird zum Teil abweichend hiervon vertreten, bereits die Abhängigkeit als einen sachlich rechtfertigenden Grund anzusehen und insbesondere auch zu Kontrollzwecken weitergegebene Informationen von der erweiterten Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG auszunehmen24. 4. Seitenblick zur WpHG-rechtlichen Situation Eine dem Aktienrecht entsprechende Auffassung wird für die WpHG-rechtliche Situation vertreten. Damit die Beteiligten ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten im Konzern gerecht werden können, soll es ihnen gestattet sein, die dazu erforderlichen Kommunikationsstrukturen aufzubauen und auch die für die Verfolgung der Unternehmens- und Konzerninteressen erforderlichen Informationen weiterzugeben. Als nicht „un-

__________ 21 Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 214; implizit auch Hefermehl/ Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 54; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 17), § 311 AktG Rz. 307. 22 Löbbe (Fn. 18), S. 117 f. 23 Statt anderer Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 312 AktG Rz. 5; Hüffer (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 38; Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 143; Zöllner in KölnKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 68 m. w. N. 24 Götz, ZGR 1998, 524 (527); Werner, AG 1967, 122 (123); Decher in Großkomm. AktG (Fn. 7), § 131 AktG Rz. 49; Löbbe (Fn. 18), S. 128 f.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 18), § 312 AktG Rz. 8.

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befugt“ – und damit als „befugt“ – anzusehen sei deshalb u. a. die Weitergabe von Information zur Wahrnehmung der Konzernleitung und Entwicklung einer gemeinsamen Konzernstrategie, zur Sicherstellung der Konzernüberwachung, zur Ermöglichung der konzerninternen Arbeitsteilung25. Dieses Verständnis spricht zunächst für eine Übernahme der aktienrechtlichen Ergebnisse in das WpHG. Da aufgrund der Zielsetzung des WpHG möglicherweise aber auch weitergehende Wertungen zu berücksichtigen sind, die Einfluss auf das Verhalten des Vorstands im Rahmen des § 311 AktG haben können, bedürfte dies einer eingehenderen Untersuchung, die im Rahmen dieses Beitrags schon aus Raumgründen nicht erfolgen kann. Die WpHGrechtliche Situation soll deshalb im Folgenden unberücksichtigt bleiben.

IV. Stellungnahme Im Rahmen einer Stellungnahme ist zunächst festzustellen, dass § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG seinem Wortlaut nach jede Information erfasst, die einem Aktionär in seiner Eigenschaft als Aktionär erteilt wird. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG wiederum unterwirft die dort genannten Gegenstände bis auf die Ausnahme in Abs. 1 Satz 4 schlechthin der Verschwiegenheit. Sollte die Bestimmung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG so streng zu verstehen sein, wie dies ihr Wortlaut nahe legt, und keine Ausnahmen zulassen, würde sich das Problem der erweiterten Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG nur in einem sehr beschränktem Umfang stellen. Da jedoch nicht jede Information eine vertrauliche Angabe oder ein Geheimnis der Gesellschaft sein muss, also auch eine strenge Handhabung der Verschwiegenheitspflicht das Problem der erweiterten Auskunftspflicht nicht eliminieren würde, empfiehlt es sich, abweichend von der Reihenfolge der vorstehenden Darstellung des Meinungsstandes zunächst (unter 1.) mit der Frage zu beginnen, ob § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG Raum lässt, von der dort vorgesehenen Informationsweitergabe an alle Aktionäre Ausnahmen im vorliegenden Zusammenhang zuzulassen. Völlig eindeutig ist dies wegen des Abstellens der Vorschrift auf die Aktionärseigenschaft nämlich keineswegs. In einem weiteren Schritt ist (unter 2.) die Frage zu behandeln, ob § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG Ausnahmen zulässt, obwohl dies in seinem Wortlaut zumindest nicht angelegt ist. Erst wenn beide Fragen bejaht sind, ist in einem letzten Schritt dem Einfluss von Unternehmensverbindungen in diesem Zusammenhang nachzugehen (hierzu unter 3.).

__________ 25 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider (Fn. 11), § 14 WpHG Rz. 94 f.; Schwark (Fn. 11), § 14 WpHG Rz. 38; siehe auch Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, 2002, S. 1255 (1265 ff.).

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1. Zur erweiterten Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG Mit den erweiterten Auskunftspflichten nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG sind bei einer unzutreffenden Einschätzung des gesetzlichen Spielraums für den Vorstand erhebliche Risiken wegen einer Veröffentlichung vertraulicher und schon gar nicht für die Marktgegenseite oder die Konkurrenz bestimmter Unternehmensdaten verbunden. Vor diesem Hintergrund wäre die hier zu untersuchende Problematik zwar nicht rechtlich, wohl aber doch praktisch von vornherein obsolet, wenn aus § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG ein Umkehrschluss dahin gezogen werden müsste, dass bis auf die dort erfassten Auskünfte zur Sicherstellung der Konzernrechnungslegung überhaupt keine Ausnahmen von der erweiterten Auskunftspflicht anerkannt werden dürften. Denn das Risiko der Aufdeckung möglicherweise hochsensibler Unternehmensdaten in der Hauptversammlungsöffentlichkeit kann ein Vorstand vernünftigerweise nicht eingehen. a) Keine bindenden Vorgaben aus den Gesetzesmaterialien aa) Soweit aus der die Konzernrechnungslegung betreffenden Bestimmung des § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG der bezeichnete Umkehrschluss in der Literatur gezogen wird, wird in die Bestimmung ein „nur“ hineingelesen26 bzw. darauf abgestellt, es ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien27, dass diese gesetzliche Ausnahme einen Sonderfall darstellen solle und sich vor dem Hintergrund verstehe, dass die betreffenden Auskünfte sonst auch den anderen Aktionären erteilt werden müssten28. In der Tat sprechen die Materialien zu dem 1990 durch Art. 2 Nr. 1 lit. b des Bankbilanzrichtlinie-Gesetz eingefügten § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG für ein solches Verständnis29. Denn dort heißt es30: „Die Vorschriften über die Konzernrechnungslegung machen es erforderlich, daß der Vorstand eines Tochterunternehmens oder eines Gemeinschaftsunternehmens oder auch eines assoziierten Unternehmens für die Zwecke der Einbeziehung in den Konzernabschluß Mutter- und Beteiligungsunternehmen bestimmte zusätzliche Auskünfte im Bereich der Rechnungslegung gibt. Nach § 131 Abs. 4 AktG wären solche Auskünfte jedem anderen Aktionär selbst dann zu geben, wenn dieser die Auskünfte für Zwecke der Konzernrechnungslegung nicht benötigt. Um Nachteile für die betrof-

__________ 26 In diesem Sinne Uwe H. Schneider in FS Lutter, 2000, S. 1193, 1202. 27 Siehe BT-Drucks. 11/6275, S. 26 zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (Bankbilanzrichtlinie-Gesetz). 28 Heidel in Anwaltkomm. (Fn. 20), § 131 AktG Rz. 77. 29 Nach der bei Decher, ZHR 158 (1994), 473 (486 Fn. 36) wiedergegebenen Auskunft des seinerzeit zuständigen Ministerialrats Biener war eine solche Festlegung allerdings nicht beabsichtigt; aus den nachfolgend dargelegten Gründen kommt es hierauf indessen nicht an. 30 BT-Drucks. 11/6275, S. 26.

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bb) Wollte man mit Blick auf diese Gesetzesmaterialien davon ausgehen, dass allein die im Zusammenhang mit der Konzernrechnungslegung gesetzlich zu erteilenden Auskünfte von der erweiterten Auskunftspflicht freigestellt werden sollten, müsste von einer abschließenden Regelung des Gesetzes ausgegangen werden. Auch die in der Literatur aufgeworfene Frage, inwieweit über eine Satzungsbestimmung hiervon Ausnahmen gemacht werden können31, würde sich dann nicht mehr stellen, weil einer solchen Bestimmung die Regelung des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG entgegenstünde32. Tatsächlich tragen die zitierten Gesetzesmaterialien jedoch aus zwei Gründen den von der Mindermeinung gezogenen Umkehrschluss nicht: (1) Zum einen binden Gesetzesmaterialien bei der Auslegung des Gesetzes ohnehin nicht, sondern geben lediglich die Normvorstellungen ihrer Verfasser wieder33. Bereits der Ausgangspunkt der einen Umkehrschluss annehmenden Mindermeinung überzeugt deshalb nicht. (2) Zum anderen geht es vorliegend aber auch nicht einmal um das Verständnis einer neu eingefügten Bestimmung, die in den Gesetzesmaterialien näher erklärt wird, sondern um eine bereits vorhandene Regelung, zu der sich die Materialien nur äußern. Da auch die Verfasser von Gesetzesmaterialien keine gegenüber den Gerichten bzw. der Wissenschaft gleichsam „höherrangigen“ Gesetzesausleger sind, lässt sich die in den Materialien zu findende Äußerung inhaltlich als Rechtsmeinung der betreffenden Verfasser verstehen, nicht aber als bindende Vorgabe. Darauf, dass das den Materialien zugrunde liegende Verständnis auch in Widerspruch zu der seinerzeit ganz überwiegend vertretenen Auslegung34 der betreffenden Norm steht, ist vor diesem Hintergrund nur ergänzend zu verweisen. b) Kein Umkehrschluss aus § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG aa) Mit der vorstehenden Feststellung noch nicht beantwortet ist allerdings die weitere Frage, ob in die Bestimmung nicht vielleicht doch ein „nur“ hineingelesen werden muss, die Vorschrift also in einem abschließenden Sinne zu verstehen ist und damit einen Umkehrschluss nicht nur erlaubt, sondern möglicherweise sogar gebietet. Um dies zu bejahen, müsste sich nachweisen lassen, dass der Ausschluss der erweiterten Auskunftspflicht allein für den ausdrücklich geregelten Fall beabsichtigt oder aber nach der

__________ 31 Uwe H. Schneider in FS Lutter, 2000, S. 1193 (1201 f.). 32 Zur Reichweite des § 23 Abs. 5 AktG siehe etwa Hüffer (Fn. 4), § 23 AktG Rz. 34 ff.; Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 1), § 23 AktG Rz. 152 ff., 157 ff.; Röhricht in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 167 ff. 33 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 149 f. 34 Vgl. hierzu bereits Hoffmann-Becking in FS Rowedder, 1994, S. 155 (168 f.).

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Teleologie des Gesetzes geboten ist. Ob die Regelung in diesem Sinne verstanden werden muss, ist im Wege der Auslegung der Bestimmung zu klären35. bb) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es ausgeschlossen, aus der zur Konzernrechnungslegung statuierten Regelung einen Umkehrschluss zu ziehen: Das Gesetz stellt in § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG darauf ab, ob die in Rede stehende Auskunft einem Aktionär „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ gegeben worden ist. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs36 beruht die Bestimmung zur erweiterten Auskunftspflicht auf Aspekten der Gleichbehandlung. Dieser Grundsatz erfordere es, dass eine einem Aktionär außerhalb der Hauptversammlung gegebene Auskunft jedem anderen Aktionär auf Verlangen hin in der Hauptversammlung ebenfalls mitzuteilen sei, es sei denn, diese Auskünfte seien ihm nicht wegen seiner Eigenschaft als Aktionär, sondern aus anderen, nicht im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gegeben worden. Beispielhaft erwähnt werden die Fälle, dass der Aktionär ein Aufsichtsratsmitglied ist oder eine Bank Aktien der Gesellschaft besitzt und in diesem Zusammenhang Auskünfte erhält. Beruht die Regelung zur erweiterten Auskunftspflicht damit auf dem heute in § 53a AktG gesetzlich klargestellten37 aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, kann die Bestimmung zur Sicherstellung der Konzernrechnungslegung nicht als abschließende Regelung für alle Fälle des Ausschlusses der erweiterten Auskunftspflicht angesehen werden. Die Regelung ist vielmehr dahin einzuordnen, dass sie lediglich einen ausgewählten Fall ausdrücklich regelt, in denen die Auskunft einem Aktionär nicht „wegen seiner Eigenschaft als Aktionär“ gegeben worden ist. Es handelt sich also um einen gesetzlich geregelten Fall, in dem die Ungleichbehandlung der Aktionäre hinsichtlich der erteilten Auskünfte sachlich gerechtfertigt ist, nicht aber um eine abschließende Regelung. c) Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausnahmen zulassender Rechtsgrund Berücksichtigt man den Regelungsgrund des § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG, lässt sich hieraus kein Umkehrschluss, sondern gerade der – für die weitere Untersuchung maßgebliche – gegenteilige Rückschluss ziehen: Die Bestimmung lässt Raum für weitere Ausnahmen und diese sind, da auf den Gleichbehandlungsgrundsatz abzustellen ist, unter Berücksichtigung der gesetz-

__________ 35 Hierzu Larenz/Canaris (Fn. 33), S. 209 f. 36 Kropff, Aktiengesetz (Fn. 6), S. 187. 37 Zu diesem Verständnis des 53a Bungeroth in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2003, § 53a AktG Rz. 2; Hüffer (Fn. 4), § 53a AktG Rz. 1; Henze/Notz in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2004, § 53a AktG Rz. 5.

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lichen Wertungsvorgaben zu bestimmen, nicht nach formalen Gesichtspunkten. Mit diesem Befund ist grundsätzlich der Weg eröffnet, auch Auskünfte an einen Großaktionär von der erweiterten Auskunftspflicht freizustellen, sofern dies sachlich gerechtfertigt ist. Eine solche sachliche Rechtfertigung setzt zunächst voraus, dass die betreffenden Auskünfte jedenfalls nicht verboten sein dürfen; denn was verboten ist, kann nicht sachlich gerechtfertigt sein. Soweit Auskünfte gesetzlich vorgeschrieben sind, ist ebenfalls von einer sachlichen Rechtfertigung für die Nichterteilung dieser Auskünfte an andere Aktionäre auszugehen, selbst wenn die Erteilung der Auskünfte an andere Aktionäre nicht ausgeschlossen erscheint. Insoweit bietet § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG einen gesetzlichen Anhaltspunkt, weil die hiermit angesprochenen Auskünfte theoretisch auch allen Aktionären zugänglich gemacht werden könnten, die Folgen für die Gesellschaft aber – was für die weitere Untersuchung ebenfalls zu berücksichtigen ist – unzumutbar wären. Der hierzwischen liegende Bereich, in denen die Auskünfte nicht verboten, aber auch nicht geboten sind, bedarf erst dann einer eigenständigen Untersuchung, wenn geklärt ist, ob nicht zumindest die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des Vorstands den hier in Rede stehenden Auskünften von vornherein entgegensteht. Auf diese Frage ist deshalb im Folgenden einzugehen. 2. Zur Verschwiegenheitspflicht des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG Die weit reichende Verschwiegenheitspflicht des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ist gesetzlich zunächst insoweit eingeschränkt, als es um Angaben gegenüber einer nach § 342b HGB anerkannten Prüfstelle für Rechnungslegung im Rahmen einer von dieser durchgeführten Prüfung geht (§ 93 Abs. 1 Satz 4 AktG)38. Mangels Parallelität der Gestaltungen sind Vorgaben aus dieser Ausnahme für die vorliegende Untersuchung allerdings nicht zu gewinnen, so dass diese Bestimmung im Weiteren unberücksichtigt bleiben kann. Entsprechendes gilt hinsichtlich der weiteren gesetzlichen Auskunftspflichten39. a) Reichweite der Verschwiegenheitspflicht Es ist jedoch anerkannt, dass trotz des uneingeschränkten Wortlauts des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG über die sich aus dem Gesetz ergebenden Fälle hinaus

__________ 38 Soweit in der Bestimmung auf die „Pflicht des Satzes 2“ Bezug genommen wird, handelt es sich um einen Redaktionsfehler; die Vorschrift ist insoweit der Einfügung des neuen Satzes 2 nicht angepasst worden und bezieht sich noch auf die alte Fassung des Gesetzes. 39 Näher hierzu Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 207; Hefermehl/ Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 53 ff., jew. m. w. N.

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weitere Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht anzuerkennen sind. Abgesehen von der hier ebenfalls nicht weiterhelfenden Unzumutbarkeit in den Fällen, in denen ein Vorstandsmitglied auf die Preisgabe von vertraulichen Angaben oder Geheimnissen zur Durchsetzung eigener Ansprüche oder der Abwehr von Ansprüchen der Gesellschaft gegen sich selbst angewiesen ist40, geht es insoweit vor allem um Gestaltungen, in denen das Unternehmensinteresse die Weitergabe gebietet41. Zu denken ist hier vor allem an die Weitergabe vertraulicher Angaben oder Geheimnisse an Arbeitnehmer oder auch an Dritte (Joint Ventures), die im Rahmen der Umsetzung der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft notwendig werden. Diese Fälle passen zwar nicht unmittelbar auf die Frage der Auskunftserteilung an Aktionäre, insbesondere herrschende Unternehmen, weil problematisch und jedenfalls einzelfallabhängig ist, inwieweit eine Auskunftserteilung überhaupt im Interesse der Gesellschaft liegt bzw. liegen kann. Die allgemein bejahten Ausnahmen führen jedoch zurück auf den Rechtsgrund der Verschwiegenheitspflicht, der auch hier den Lösungsansatz bietet. Zwar ist streitig, ob dieser in der Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG42, der Treupflicht des Vorstands43 oder in beidem44 zu sehen ist. Für die vorliegende Untersuchung kann diese Einordnung jedoch offen bleiben, weil – worauf noch zurückzukommen sein wird – beide Pflichten durch die §§ 311 ff. AktG bzw. die Bestimmung des § 308 AktG modifiziert werden. Wenn und soweit das Gesetz aber nachteilige Einflussnahmen auf die Gesellschaft bzw. sogar schädigende Weisungen als zulässig bzw. sogar als bindend ansieht, können die hierauf beruhenden Maßnahmen des Vorstands keinen Verstoß gegen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten bzw. die Treupflicht des Vorstands der Gesellschaft gegenüber darstellen. Denn es wäre unstimmig, zwar von einer Modifikation der Vorstandspflichten durch diese Bestimmungen auszugehen, hiervon aber die Verschwiegenheitspflicht als Ausschnitt dieser Pflichten auszunehmen, obwohl sich auch in diesem Zusammenhang die gleichen Fragen hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit nachteiliger Einflussnahmen bzw. der Reichweite des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts ergeben.

__________ 40 Hierzu Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 65; Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 215; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 93 AktG Rz. 82 f. 41 Vgl. Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 62 ff.; Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 209 ff.; Mertens in KölnKomm. AktG (Fn. 40), § 93 AktG Rz. 82. 42 V. Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 93 AktG Anm. 5. 43 Hierfür Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 43; Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 13), § 93 AktG Rz. 187; Hüffer (Fn. 4), § 93 AktG Rz. 6. 44 Mertens in KölnKomm.AktG (Fn. 40), § 93 AktG Rz. 75.

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b) Folgerung Mit diesem Befund lässt sich bereits ein erster Teil der hier zu untersuchenden Fragestellung beantworten. Denn wenn die Vorstandspflichten nur durch die §§ 311 ff. AktG bzw. durch § 308 AktG modifiziert werden, ist gegenüber Großaktionären, die nicht als „Unternehmen“ im Sinne des Rechts der verbundenen Unternehmen qualifiziert werden können, jedenfalls keine Ausnahme für laufende Auskünfte45 anzuerkennen. Im Übrigen genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass trotz des weit reichenden Wortlauts des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG auch die Verschwiegenheitspflicht nicht generell gilt, sondern Ausnahmen zulässt. In welchen Fällen solche Ausnahmen im Zusammenhang mit der vorliegend zu untersuchenden Frage konkret anzuerkennen sind, beantwortet sich aus den Einflüssen von Unternehmensverbindungen, auf die im Folgenden einzugehen ist. 3. Einfluss von Unternehmensverbindungen Nachdem weder aus der erweiterten Auskunftspflicht noch aus der Verschwiegenheitspflicht des Vorstands Vorgaben entnommen werden können, die der Erteilung von Auskünften an ein herrschendes Unternehmen zwingend entgegenstünden, ist in einem weiteren Schritt zu untersuchen, inwieweit das Recht der verbundenen Unternehmen in diesen Bereich hineinwirkt. Insoweit ist zwischen faktischen und unternehmensvertraglichen Verbindungen bzw. der Eingliederung zu unterscheiden. a) Faktische Unternehmensverbindungen aa) Grundsätzliche Privilegierung nach §§ 311 ff. AktG Das für faktische Unternehmensverbindungen geltende System der §§ 311 ff. AktG wird heute nach ganz überwiegender Auffassung dahin verstanden, dass ihm eine gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Zulässigkeit auch von nachteiligen Einflussnahmen zugrunde liegt, sofern diese den Regelungen entsprechend ausgleichsfähig sind und auch tatsächlich ausgeglichen werden; insoweit kommt den §§ 311 ff. AktG Privilegierungswirkung zu46. Ob der Vorstand in diesem Rahmen die von ihm geforderten Auskünfte erteilt, entscheidet er selbst, weil die §§ 311 ff. AktG die Stellung des Vor-

__________ 45 Punktuelle Auskünfte aus konkretem Anlass, etwa einer beabsichtigten Sachkapitalerhöhung o. ä. können aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein und aus diesen Gründen einer erweiterten Auskunftspflicht entgegenstehen. 46 Vgl. nur im Zusammenhang mit der faktischen Konzernierung statt anderer nur Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 2 m. w. N., der von Privilegierungsfunktion spricht.

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stands als Leitungsorgan der Gesellschaft nach § 76 AktG unberührt lässt47. Eine irgendwie geartete Leitungsmacht kommt dem herrschenden Unternehmen nicht zu, und nachdem auch keine Konzernleitungspflicht für das Leitungsorgan eines herrschenden Unternehmens anzuerkennen ist48, ist unter diesem Aspekt ebenfalls keine Pflicht des Vorstands zur Auskunftserteilung abzuleiten49. Entgegen der vereinzelt vertretenen Gegenansicht50 können deshalb unter diesem Aspekt auch keine Einschränkungen hinsichtlich der erweiterten Auskunftspflicht angenommen werden. bb) Notwendige Unterscheidung hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit Da mit der Erteilung von Auskünften der hier in Rede stehenden Art für die Gesellschaft Nachteile verbunden sein können, verdichtet sich die vorliegend zu untersuchende Frage bei faktischen Unternehmensverbindungen darauf, in welchem Umfang über die §§ 311 ff. AktG solche Nachteile aufgefangen werden können. Nicht ausgleichsfähige Nachteile darf der Vorstand nicht eingehen, bei Verstößen haftet er (auch) nach § 93 Abs. 2 AktG51. Soweit in der Praxis teilweise außerhalb des durch § 294 Abs. 3 Satz 1 HGB gedeckten Bereichs sehr umfangreiche und teilweise sehr tief gestaffelte Informationen abgefragt werden sollen, lässt sich nach der Qualität der hiermit drohenden Nachteile unterscheiden: (1) Hinsichtlich der mit der Bearbeitung des Informationsverlangens verbundenen unmittelbaren Nachteile verhält es sich zumindest rechtlich einfach. Da die Bearbeitung der Berichte Kosten verursacht, das Gesellschaftsvermögen jedoch ausschließlich im Interesse aller Aktionäre und nicht nur im Interesse eines Aktionärs (des herrschenden Unternehmens) verwendet werden darf, versteht sich von selbst, dass die der Gesellschaft hierdurch entstehenden Kosten einen Nachteil darstellen, der nach § 311 Abs. 1 AktG ausgeglichen werden muss. Zu erstatten sind sonach diejenigen Kosten, die – gege-

__________ 47 Statt anderer Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 10, 78; Hüffer (Fn. 4), § 311 AktG Rz. 8, 48; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 160. 48 Näher Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 11; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 18), Vorb. § 311 AktG Rz. 9 ff.; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 17), § 311 AktG Rz. 273 ff.; abw. Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 109 ff. 49 Hierüber hinausgehend leitet Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 17), § 311 AktG Rz. 299 aus der Pflicht, gem. § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG auch eine Konzernplanung aufzustellen, einen Anspruch der Obergesellschaft auf entsprechende Auskunft ab; ein konzernweites Informationsrecht kann jedoch auch über diese Bestimmung i. V. m. § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht anerkannt werden, vgl. Hüffer (Fn. 4), § 90 AktG Rz. 7a m. w. N. 50 Vgl. die Nachweise in Fn. 16. 51 Statt anderer Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 79; Hüffer (Fn. 4), § 311 AktG Rz. 48 m. w. N.

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benenfalls durch die Neueinstellung weiterer Mitarbeiter zur Erstellung dieser Berichte – in diesem Zusammenhang entstehen. Solche Nachteile sind ausgleichsfähig und können vom Vorstand eingegangen werden, wenn nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung mit der Ausgleichsleistung tatsächlich gerechnet werden kann52. (2) Problematischer ist demgegenüber die Beurteilung der Offenlegung der internen wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft. Nicht ausgleichsfähige Nachteile dürfen, wie vorstehend dargelegt, in faktischen Unternehmensverbindungen nicht eingegangen werden, weil diese durch das Ausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG keiner Kompensation zugeführt werden können. Dass die Überlassung von derart eingehenden Informationen, wie sie in der Praxis teilweise gefordert werden, zumindest abstrakt die Gefahr eines Missbrauchs mit sich bringt, liegt auf der Hand. Sie sind gegenüber der Befolgung anderer Einflussnahmen besonders problematisch, wenn sie vom Mutterunternehmen zugunsten eines anderen Tochterunternehmens verwendet werden können, beispielsweise also Einkaufspreise, Kalkulationen, Gewinnspannen etc. Bei Auskünften dieser Art besteht nämlich die Gefahr, dass sie zugunsten anderer Gruppenunternehmen verwendet werden, ohne dass sich aus Sicht der Gesellschaft nachverfolgen ließe, welche Nachteile der abhängigen Gesellschaft konkret entstanden sind. Denkbar ist beispielsweise, dass sich aus Sicht der Gesellschaft nicht aufklären lässt, warum nicht sie, sondern ein anderes (über die Verhältnisse der abhängigen Gesellschaft informiertes) Gruppenunternehmen statt ihrer einen bestimmten Auftrag eines Kunden erhalten hat bzw. eine Lieferbeziehung abgebrochen worden ist; aber auch der Verlust von sonstigen, nicht im Einzelnen quantifizierbaren Wettbewerbsvorteilen kann mit einer solchen Weitergabe verbunden sein. Vor diesem Hintergrund dürften Informationen, mit denen derartige Gefahren verbunden sein können, im Rahmen des § 311 Abs. 1 AktG im Regelfall nicht weitergabefähig sein. Ob eine strafbewehrte Verschwiegenheitsverpflichtung des Mutterunternehmens hieran etwas ändern kann, ist wegen des gleichwohl nicht auszuschließenden Missbrauchs brisanter Informationen nicht zweifelsfrei; aufgrund der Vergleichbarkeit der Gestaltungen wird man es jedoch für ausreichend ansehen können, wenn der Vorstand der abhängigen Gesellschaft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung annehmen kann, dass diese Verpflichtung auch tatsächlich eingehalten wird. In jedem Falle tut ein Vorstand jedoch gut daran, sich im Rahmen von faktischen Unternehmensverbindungen bei der Weitergabe zurückhaltend zu verhalten und – wenn überhaupt – eher restriktiv als großzügig Auskünfte zu erteilen.

__________ 52 Zu diesem Maßstab und den Prüfungspflichten des Vorstands statt anderer Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 78; Hüffer (Fn. 4), § 311 AktG Rz. 48; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 139 ff., 160; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 17), § 311 AktG Rz. 332 ff.

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cc) Bei Einhaltung der §§ 311 ff. AktG kein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht Liegen die Auskünfte in einem nach §§ 311 ff. AktG zulässigen Rahmen, verhält sich der Vorstand bei der Auskunftserteilung rechtmäßig, auch wenn er hierzu nicht verpflichtet wäre. In der Konsequenz hierzu ist ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ebenfalls zu verneinen. Denn es wäre wertungswidersprüchlich, den Vorstand über §§ 311 ff. AktG als berechtigt zur Auskunftserteilung anzusehen, gleichwohl hierin aber einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht anzunehmen. Auch insoweit ist vielmehr davon auszugehen, dass die §§ 311 ff. AktG als ausdrückliche gesetzliche Wertungsvorgabe die Sorgfalts- und Treupflichten des Vorstands modifizieren. dd) Bei Einhaltung der §§ 311 ff. AktG keine erweiterte Auskunftspflicht Mit der Feststellung, dass der Vorstand sich bei der Auskunftserteilung gegenüber einem herrschenden Unternehmen im Rahmen der durch §§ 311 ff. AktG gesetzten Grenzen rechtmäßig verhält und keinen Sorgfaltsverstoß begeht, ist jedoch die Frage noch nicht beantwortet, wie es sich hier mit der erweiterten Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG verhält. Der dort unmittelbar geregelte Fall ist der hier in Rede stehenden Gestaltung insoweit vergleichbar, als sich der Vorstand auch dort rechtmäßig verhält und Auskünfte erteilt, zu denen er rechtlich nicht verpflichtet ist. Nach den vorstehend dargelegten Maßstäben muss es hier entscheidend darauf ankommen, ob die auch durch die §§ 311 ff. AktG ausgeformte Rechtsstellung des herrschenden Unternehmens bzw. die §§ 311 ff. AktG selbst als sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung der Aktionäre angesehen werden können. Diese Frage ist aufgrund einer Kontrollüberlegung zu bejahen. Denn würde man es anders sehen wollen, müsste in der Konsequenz hieraus unter Gleichbehandlungsaspekten nicht nur die Auskunftserteilung über die erweiterte Auskunftspflicht geboten sein, sondern auch das aus §§ 311 ff. AktG insgesamt resultierende Privileg des herrschenden Unternehmens. Dass dies nicht der Sichtweise des Gesetzes entsprechen kann, folgt nicht nur daraus, dass die Sicherungsmechanismen der §§ 311 ff. AktG sich vernünftigerweise nicht auf alle Aktionäre anwenden lassen. Ein solches Ergebnis stünde vor allem in Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber mit den Vorschriften über die Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags ausdrücklich nur Aktionäre begünstigt hat und auch begünstigen wollte, die als „Unternehmen“ zu qualifizieren sind. Diese Vorgabe steht einer Gleichstellung des herrschenden Unternehmens mit den übrigen Aktionären im Rahmen des § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG entgegen und ist deshalb als aus dem Gesetz ableitbare sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Aktionäre anzusehen. Gleichbehandlungsaspekte sprechen deshalb nicht für, sondern umgekehrt gegen eine Anwendung der er611

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weiterten Auskunftspflicht auf solche Auskünfte, die einem herrschenden Unternehmen erteilt worden sind. ee) Notwendigkeit eines Konzernverhältnisses? Zu beantworten bleibt die Frage, ob – wie dies die herrschende Meinung annimmt – für das vorstehende Ergebnis eine Konzernverbindung zwischen der abhängigen Aktiengesellschaft und dem herrschenden Unternehmen notwendig ist oder ob nicht bereits ein (einfaches) Abhängigkeitsverhältnis genügt. Die Frage ist den vorstehenden Darlegungen entsprechend im zweiten Sinne zu beantworten. Ausschlaggebend ist, dass das Gesetz für das Eingreifen der §§ 311 ff. AktG und die hieraus resultierende Sonderstellung des herrschenden Unternehmens bereits ein Abhängigkeitsverhältnis genügen lässt und kein Konzernverhältnis verlangt. Mit dieser Feststellung erledigen sich zugleich die eingangs erwähnten, einem Vorstand schwerlich zumutbaren Probleme hinsichtlich der gesellschaftsrechtlich nach wie vor ungeklärten Frage, wann vom Vorliegen eines Konzerns im Einzelnen ausgegangen werden kann53. Auch auf die (streitige) Frage, wie sich das Gesetz zur faktischen Konzernierung stellt, ob es ihn billigt oder duldet54 und welche Folgerungen hieraus für die vorliegende Untersuchung zu ziehen sind, kommt es damit nicht mehr an. Entsprechendes gilt für die Erwägung, es müsse einem herrschenden Unternehmen doch möglich sein, sich zunächst nur zu informieren, um nur notfalls in die Unternehmenssteuerung einzugreifen; dieser (unter wirtschaftlichen Aspekten zutreffenden) ergänzenden Begründung bedarf es angesichts der gesetzlichen Vorgabe nicht. ff) Rechtsfolgen eines unterlassenen Nachteilsausgleichs (1) Kein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht Fraglich ist, welche Rechtsfolgen mit einem unterlassenen Nachteilsausgleich verbunden sind. Ein zum Schadensersatz verpflichtender Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ist ausgeschlossen, wenn dieser nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung mit dem Nachteilsausgleich rechnen durfte55.

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53 Zu dieser Problematik Emmerich in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 18 AktG Rz. 8 ff.; Bayer in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 18 AktG Rz. 1 ff., 28 ff.; Hüffer (Fn. 4), § 18 AktG Rz. 8 ff.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG, 1970, § 18 AktG Rz. 15 ff.; Windbichler in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1999, § 18 AktG Rz. 17 f., 19 ff., alle m. w. N. 54 Zum Streitstand Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 8; Hüffer (Fn. 4), § 311 AktG Rz. 6 f.; Kropff in MünchKomm.AktG (Fn. 17), § 311 AktG Rz. 30 f.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 18), Vorb. § 311 AktG Rz. 9, jeweils m. w. N. 55 Hierzu und zur Pflicht des Vorstands, dann die aus § 317 AktG resultierenden Ansprüche geltend zu machen, etwa Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 79; Hüffer (Fn. 4), § 311 AktG Rz. 48, beide m. w. N.

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(2) Keine erweiterte Auskunftspflicht Problematisch ist jedoch die Rechtslage hinsichtlich der erweiterten Auskunftspflicht gem. § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG. Wie bereits bei der Darlegung des Meinungsstands bemerkt, wird in der Literatur im Zusammenhang mit der Information des herrschenden Unternehmens zu Konzernbildungszwecken vertreten, dass dann, wenn die beabsichtigte Konzernierung nicht zustande kommt, die erweiterte Auskunftspflicht nachträglich in Kraft gesetzt werde56. Auch zu den durch die §§ 311 ff. AktG grundsätzlich suspendierten Kapitalerhaltungs- und Haftungsregeln nach §§ 57, 60, 62, 117 AktG wird für den Fall eines unterbliebenen Nachteilsausgleichs ein entsprechendes Aufleben vertreten57. Würde man dies auf die erweiterte Auskunftspflicht übertragen, müsste man von einem nachträglichen Inkrafttreten auch dieser Pflicht ausgehen. Dies würde bedeuten, dass der durch die Auskünfte entstandene Schaden um die Schäden erweitert würde, die durch die Veröffentlichung dieser Auskünfte in der Hauptversammlung der Gesellschaft erst noch entstehen. Dass die Gesellschaft durch die erweiterte Auskunftspflicht geschädigt werden kann, scheint das Gesetz in § 131 Abs. 4 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG allerdings hinzunehmen, wenn es dort anordnet, dass die Auskunftserteilung auch dann zu erfolgen hat, wenn der Gesellschaft hierdurch ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt wird. Der Vorstand kann sich auch nicht darauf berufen, sich im Falle einer erweiterten Auskunftspflicht gem. § 404 AktG strafbar zu machen und deshalb gem. § 131 Abs. 4 Satz 1, 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG die Auskunft verweigern; denn ein solches Berufen wird im Rahmen des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG nicht anerkannt58. Man könnte in diesem Zusammenhang auch daran denken, solche weiteren Nachteile als von der Schadensersatzpflicht des § 317 AktG erfasst anzusehen, was allerdings voraussetzen würde, dass der Schutzzweck der Bestimmung59 derartige Schäden ebenfalls umfasst. Letztlich kann dies jedoch entsprechend dem § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG zugrunde liegenden Aspekt der Gleichbehandlung dahin stehen, wenn es sachlich gerechtfertigt ist, den Fall des unterlassenen Nachteilsausgleichs trotz der dann nicht eingreifenden Privilegierung des § 311 AktG anders als die sonstigen Fälle von Auskünften außerhalb der Hauptversammlung zu behandeln. Die wegen eines unterlas-

__________ 56 Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 144. 57 Habersack in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 82, 88; Hüffer (Fn. 4), § 311 AktG Rz. 49, 50; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 18), § 311 AktG Rz. 161 ff., § 317 Rz. 51 f. 58 Mit Unterschieden in der Begründung, im Ergebnis aber übereinstimmend Kubis in MünchKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 116; Zöllner in KölnKomm.AktG (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 41; ebenso auch Hüffer (Fn. 4), § 131 AktG Rz. 31. 59 Insoweit ist umstritten, ob der innere Haftungsgrund des § 317 AktG auf der nachteiligen Veranlassung beruht oder auf dem unterlassenen Nachteilsausgleich; näher zum Streitstand Hüffer (Fn. 4), § 317 AktG Rz. 6 m. w. N.

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senen Nachteilsausgleichs unzulässige Auskunftserteilung unterscheidet sich jedoch in einem wichtigen Punkt von Auskunftserteilungen außerhalb einer Unternehmensverbindung. Ohne eine Unternehmensverbindung muss der Vorstand in seine Entscheidung über die Erteilung von Auskünften an einzelne Aktionäre außerhalb einer Hauptversammlung von vornherein damit rechnen, diese Auskünfte auf Frage auch anderen Aktionären erteilen zu müssen. Die bei Vorliegen einer faktischen Unternehmensverbindung erteilten Auskünfte erteilt der Vorstand dagegen in der Erwartung des notwendigen Nachteilsausgleichs und er geht in diesem Fall gerade nicht davon aus, diese Auskünfte in der Hauptversammlung allgemein zugänglich zu machen. Dass sich die Frage der erweiterten Auskunftspflicht hier stellt, ist insofern in erster Linie eine Folge des Gesetzes, nachdem der Vorstand zunächst vom Eingreifen der Privilegierung des § 311 AktG ausgehen muss. Wollte man hier ebenfalls eine erweiterte Auskunftspflicht bejahen, würde dies bedeuten, dem Vorstand faktisch die ihm nach dem Gesetz eingeräumte Möglichkeit zur Auskunftserteilung im Rahmen des § 311 AktG zu nehmen, da er das mit der erweiterten Auskunftspflicht verbundene Risiko vernünftigerweise nicht eingehen kann. Dieses Ergebnis stünde jedoch in Widerspruch zu der mit §§ 311 ff. AktG verbundenen Privilegierung, die auch nachteilige Einflussnahmen in faktischen Verhältnissen ermöglichen soll, sofern der Vorstand nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung vom Nachteilsausgleich ausgehen kann. Da diese Vergünstigung bei Bejahung der erweiterten Auskunftspflicht faktisch nicht erreicht werden könnte, ist auch insoweit von einem Vorrang der §§ 311 ff. AktG auszugehen und die formale Ungleichbehandlung der Aktionäre in Bezug auf die bezogenen Auskünfte hinzunehmen; sie werden insoweit mittelbar allein über die scharfe Erfolgshaftung gem. § 317 AktG geschützt. b) Schlichte Mehrheitsbeteiligung, Großaktionär Dass die schlichte Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 16 AktG als solche zur sachlichen Rechtfertigung eines Unterschieds bei der erweiterten Auskunftspflicht bzw. zur Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht nicht genügt, ergibt sich ebenfalls aus den vorstehenden Überlegungen. Es fehlt insoweit an der notwendigen Privilegierung durch die §§ 311 ff. AktG. Entsprechendes gilt, wie bereits zuvor dargestellt, für den Großaktionär, der nicht als „Unternehmen“ im Sinne des Rechts der verbundenen Unternehmen zu qualifizieren ist.

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c) Vertragliche Unternehmensverbindung, Eingliederung aa) Beherrschungsvertrag Bei Vorliegen einer beherrschungsvertraglichen Unternehmensverbindung folgt für das herrschende Unternehmen (den anderen Vertragsteil)60 aus § 308 Abs. 1, 2 AktG ein umfassendes, auch Schädigungen der Gesellschaft erlaubendes Weisungsrecht, das nur durch die Unzulässigkeit der Existenzgefährdung bzw. -vernichtung der Gesellschaft61 begrenzt wird. Die für die Gesellschaft sonst geltenden Regelungen werden durch die vertraglichen Bestimmungen überlagert62, weshalb in diesem Zusammenhang zu Recht der organisationsrechtliche Charakter des Vertrags betont wird63. Bereits aus diesem Aspekt folgt für den Vorstand der vertraglich unterworfenen Gesellschaft, dass er sich nicht pflichtwidrig verhält, wenn er dem herrschenden Unternehmen umfassend die von diesem geforderten Auskünfte erteilt. Die über die Gesellschaft kanalisierte Absicherung der Gläubiger und der außenstehenden Aktionäre nach §§ 302 Abs. 1, 303 AktG und die weitere Sicherung der außenstehenden Aktionäre gem. §§ 304, 305 AktG64 ist in diesem Zusammenhang nur insoweit von Bedeutung, als dies die Rechtfertigung für die Zulassung eines derart weit reichenden Weisungsrechts bildet. Diese Absicherung stellt aber im vorliegenden Zusammenhang entgegen der herrschenden Meinung nicht die Rechtfertigung für die Zulassung der Auskunftserteilung selbst dar. Denn eine entsprechende Sicherung der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und ihrer außenstehenden Aktionäre gilt auch beim isolierten Gewinnabführungsvertrag, der nach § 316 AktG gleichwohl nachteilige Veranlassungen in Bezug auf die Gesellschaft nur im Rahmen des

__________ 60 Soweit eine Bestimmung sowohl den Beherrschungsvertrag als auch den Gewinnabführungsvertrag erfasst, spricht das Gesetz vom „anderen Vertragsteil“ (vgl. etwa §§ 293 Abs. 2, 294 Abs. 1 Satz 1, 297 Abs. 1 Satz 2, 302 Abs. 1 AktG, soweit sie sich nur auf den Beherrschungsvertrag bezieht (vgl. §§ 308, 309 AktG), vom „herrschenden Unternehmen“. 61 Streitig, zum Streitstand vgl. statt anderer einerseits Hüffer (Fn. 4), § 308 AktG Rz. 19, andererseits Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 18), § 308 AktG Rz. 50, jew. m. w. N. 62 Zur Überlagerung der Satzung und der sonst für die Gesellschaft geltenden Grundsätze durch einen Unternehmensvertrag vgl. nur Pentz in MünchKomm.AktG (Fn. 1), § 23 AktG Rz. 54; soweit teilweise von einer satzungsgleichen Änderung des rechtlichen Statuts der Gesellschaft – so etwa BGHZ 105, 324 (333) – bzw. davon gesprochen wird, es handele sich der Sache nach um eine zeitlich befristete Satzungsänderung – so etwa Emmerich in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 291 AktG Rz. 25 m. w. N. –, ist das Gleiche gemeint; wegen der von Unternehmensvertrag unberührt bleibenden Satzung ist der Begriff der Überlagerung jedoch vorzugswürdig. 63 Statt anderer: Emmerich in Emmerich/Habersack (Fn. 18), § 291 AktG Rz. 25 ff. m. w. N. 64 Näher zu diesem umfassenden, unmittelbare und mittelbare Nachteile der Unternehmensverbindung erfassenden Modell Pentz in FS Kropff, 1997, S. 225 (231 ff.).

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§ 311 AktG zulässt65. Diese gesetzlich vorgegebene Unterscheidung würde missachtet, wenn man im vorliegenden Zusammenhang bereits die §§ 302 ff. AktG genügen lassen wollte. Ob hierneben aus dem Charakter des Beherrschungsvertrags ein umfassendes, sich auf die §§ 93 Abs. 1 Satz 3, 131 Abs. 4 Satz 1 AktG auswirkendes Informationsrecht abgeleitet werden kann, erlangt nur dann Bedeutung, wenn – was praktisch wohl nicht vorkommt – nachteilige Weisungen nach § 308 Abs. 1 Satz 2 1. Hs. AktG ausgeschlossen worden sind. In diesem Falle wäre nach § 242 BGB die Reichweite dieses Ausschlusses zu ermitteln und auf dieser Grundlage zu bestimmen, inwieweit der Vorstand dem herrschenden Unternehmen Auskünfte erteilen darf. bb) Isolierter Gewinnabführungsvertrag Besteht zwischen der Gesellschaft und dem anderen Vertragsteil lediglich ein isolierter Gewinnabführungsvertrag, sind nachteilige Einflussnahmen auf die vertraglich unterworfene Gesellschaft nur im Rahmen des § 311 AktG zugelassen (arg. e § 316 AktG). Insoweit kann deshalb auf die Ausführungen zur faktischen Unternehmensverbindung (vorstehend unter 3. a) verwiesen werden. cc) Eingliederung Für die Eingliederung sieht § 323 AktG ein umfassendes, wegen der Unanwendbarkeit des § 308 Abs. 2 Satz 1 AktG noch über die Rechtslage beim Beherrschungsvertrag hinausgehendes Weisungsrecht der Hauptgesellschaft vor. Auch insoweit sind auf Verlangen der Hauptgesellschaft Auskünfte durch den Vorstand der Gesellschaft umfassend zu erteilen, ohne dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht in Betracht käme; die Frage der erweiterten Auskunftspflicht stellt sich wegen des Übergangs aller Aktien auf die Hauptgesellschaft nach § 320a Satz 1 AktG von vornherein nicht.

V. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Die wichtigsten Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Weder die Verschwiegenheitspflicht des Vorstands noch die erweiterte Auskunftspflicht stehen der Erteilung von Auskünften an ein herrschendes Unternehmen entgegen. Die Verschwiegenheitspflicht wird durch das Recht der verbundenen Unternehmen modifiziert und die erweiterte Auskunfts-

__________ 65 Bezeichnenderweise führt ein solcher Vertrag auch in § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht zur Konzernvermutung.

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pflicht erfährt hierdurch eine die Ungleichbehandlung der Aktionäre rechtfertigende Ausnahme. Ein Umkehrschluss, der zur Unzulässigkeit von Auskünften außerhalb des durch § 131 Abs. 4 Satz 3 erfassten Bereichs führt, ist logisch nicht möglich; die Bestimmung ist als gesetzlich normierter Ausnahmefall im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG einzuordnen. 2. a) Bereits das Vorliegen eines (einfachen) Abhängigkeitsverhältnisses rechtfertigt die Auskunftserteilung gegenüber dem herrschenden Unternehmen und steht der Annahme eins Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht bzw. der erweiterten Auskunftspflicht entgegen. Auf das Vorliegen eines Konzerns kommt es entgegen der herrschenden Meinung nicht an. 2. b) Im Rahmen der hiernach grundsätzlich möglichen Auskunftserteilung hat der Vorstand jedoch zu berücksichtigen, dass die in der Praxis verlangten, teilweise sehr weit reichenden Auskünfte zu Schäden führen können, die nicht nachverfolgt werden können und damit nach dem System der §§ 311 ff. AktG nicht ausgleichsfähig sind. Solche Auskünfte darf er nicht erteilen. 2. c) Wird in einem zulässigen Rahmen Auskunft erteilt, ein gebotener und zu erwartender Nachteilsausgleich aber nicht durchgeführt, ist die Auskunft weder im Nachhinein als Verstoß gegen die Schweigepflicht anzusehen noch tritt die erweiterte Auskunftspflicht nachträglich in Kraft. Insoweit bewendet es bei der Haftung des herrschenden Unternehmens nach § 317 AktG. 3. Die Zulässigkeit schädigender Weisungen bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung rechtfertigt eine umfassende Auskunftserteilung an das herrschende Unternehmen bzw. die Hauptgesellschaft. Aus der umfassenden Absicherung der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Aktionäre durch die §§ 302 ff. AktG kann die Auskunftserteilung wegen der Wertungsvorgaben des § 316 AktG demgegenüber nicht abgeleitet werden. 4. Das Vorliegen eines isolierten Gewinnabführungsvertrags rechtfertigt trotzt der umfassenden Sicherung nach § 302 ff. AktG keine unbeschränkten Auskünfte dem anderen Vertragsteil gegenüber. Wegen der Vorgaben des § 316 AktG entspricht die Rechtslage hier derjenigen im Falle der faktischen Abhängigkeit. 5. Die schlichte Mehrheitsbeteiligung rechtfertigt als solche keine Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht oder der erweiterten Auskunftspflicht. Entsprechendes gilt für die Beteiligung eines Großaktionärs, der nicht als „Unternehmen“ im Sinne des Rechts der verbundenen Unternehmen einzuordnen ist.

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Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts Inhaltsübersicht I. Haftungsbeschränkung und Tatbestände des Haftungsdurchgriffs 1. Die Problematik des Haftungsdurchgriffs auf die Gesellschafter 2. Verlustausgleich im Vertragskonzern 3. Vermögensvermischung 4. Existenzvernichtung 5. Unterkapitalisierung II. Gläubigerschutz nach geltendem Recht

III. Notwendigkeit der Durchgriffshaftung nach der Reform 1. Herabsetzung des Mindeststammkapitals 2. Weitere Erleichterungen der GmbH-Gründung 3. Relativierung des Prinzips der Kapitalerhaltung 4. Neuregelung des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen IV. Zusammenfassung

I. Haftungsbeschränkung und Tatbestände des Haftungsdurchgriffs 1. Die Problematik des Haftungsdurchgriffs auf die Gesellschafter Die Begrenzung der Haftung für Gesellschaftsschulden auf das Gesellschaftsvermögen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 13 Abs. 2 GmbH ist das wirtschaftlich wesentliche Merkmal, durch welches sich die Kapitalgesellschaften von den Personengesellschaften unterscheiden und für Investoren und mittelständische Unternehmer interessant werden. Aus Sicht der Gesellschafter, künftiger Anteilserwerber und potentieller Unternehmensgründer erlaubt die Haftungsbeschränkung, das finanzielle Risiko ihres Engagements zu begrenzen und auf diese Weise kalkulierbar zu machen. Wirtschaftspolitisch ist sie erwünscht, weil sie dazu anregt, unternehmerisch tätig zu werden. Rechtsdogmatisch ist sie eine folgerichtige, wenngleich keineswegs zwingende1 Konsequenz der Anerkennung der Kapitalgesellschaften als juristischer Personen. Sie bildet zugleich aber eine Ausnahme von dem das Zivilrecht sonst beherrschenden Grundsatz, dass, wer sich im sozialen Leben betätigt und dabei mit anderen in rechtliche Beziehungen tritt, für die Nachteile, die er den anderen rechtswidrig zufügt, persönlich verantwortlich und daher unbeschränkt haftbar ist. Sie ist also ein vom allgemeinen Recht abweichendes den Kapitalgesellschaften gewährtes Privileg.

__________ 1 Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in FS Lutter, 2000, S. 637.

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Vor diesem Hintergrund bedeutet jede Durchbrechung der Haftungsbeschränkung zugunsten einer persönlichen Haftung der Gesellschafter zwar rechtsdogmatisch nur die Rückkehr zu dem allgemeinen, vorrangig dem Gläubigerschutz verpflichteten Haftungsprinzip des Zivilrechts, wirtschaftlich jedoch einen fundamentalen Eingriff in die Zweckbestimmung der Gesellschaften, welcher deren Brauchbarkeit selbst infrage stellt. Gleichwohl hat die mehr als hundertjährige Erfahrung nicht allein in Deutschland gelehrt, dass es Fälle gibt, in denen ein solcher Durchgriff „durch den Schleier der juristischen Person“ um des Gläubigerschutzes willen unvermeidlich ist, weil andernfalls beide Gesellschaftsformen diskreditiert und für einen geregelten Geschäftsverkehr gleichfalls unbrauchbar würden. Eine passable Balance zwischen beidem zu finden bildet das immer von neuem aktuelle und spannungsreiche Strukturproblem der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung. Das geltende Recht begreift die Haftungsbeschränkung als Regel, ihre Durchbrechung als besonderer Begründung bedürftige, restriktiv zu handhabende und seltene Ausnahme. Das kommt schon in den Gesetzen selbst zu Ausdruck, denn die Fälle sind, abgesehen vom Sonderfall der Verlustausgleichspflicht im Vertragskonzern nach §§ 302, 303 AktG, gesetzlich nicht geregelt, vielmehr dokumentiert der Gesetzgeber durch sein Schweigen geradezu, dass er den Haftungsdurchgriff als regelwidrig ansieht. Er belastet seine Anerkennung in der Judikatur und in der Rechtswissenschaft auf diese Weise von vornherein mit dem Verdikt eines das Gesetz durchbrechenden Richterund Gelehrtenrechts. Jedes Gericht, welches sich darauf einlässt, exponiert sich, setzt sich fast zwangsläufig methodischer und sachlicher Kritik aus, und trägt jedenfalls eine außergewöhnliche Begründungslast, um die Abweichung von der Regel überzeugend darzulegen. So verwundert es nicht, dass sich auch die Gerichte seit jeher mit der Materie schwer tun, Festlegungen möglichst vermeiden, zu flexiblen Formulierungen Zuflucht nehmen, in das Deliktsrecht ausweichen und sich auf Einzelfallentscheidungen beschränken. Die in solcher Lage geforderte Rechtswissenschaft begriff zwar früh den fundamentalen Charakter des Problems und zeigt sich dauerhaft davon fasziniert. Jedoch schafft sie es gleichfalls bis heute nicht, abstrakte, griffige und sowohl rechtspolitisch als auch dogmatisch gut fundierte Regeln dafür auszubilden2. Nach dem Vorbild von Serick versuchte sie, es mit dem Rechtsgedanken des Missbrauchs der Haftungsbeschränkung in den Griff zu bekommen, fand damit aber nichts als eine weitere, wenig aussagekräftige und für die Praxis kaum hilfreiche Generalklausel. Auch der auf Müller-Freienfels zurückgehende Gedanke, die Lösung mittels Auslegung der einschlägigen Vorschriften zu ermitteln, musste vergeblich bleiben, weil er nicht wei-

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2 Einzelheiten und Nachweise zum Folgenden bei Raiser in Ulmer, GmbHG, 2005, § 13 GmbHG Rz. 63 ff.

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ter führte als zu den vorgegebenen konträren Prinzipien der Haftungsbeschränkung und deren in bestimmten Fällen unvermeidlichen Durchbrechung. Ebenso wenig bot Flumes Gedanke, die Gesellschafter in analoger Anwendung des § 43 GmbH wie Geschäftsführer auf Schadensersatz haften zu lassen, wenn sie maßgeblichen Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft genommen haben, eine überzeugende Lösung, denn die Pflicht der Geschäftsführer zu sorgfältiger und loyaler Leitung der Gesellschaft besteht gegenüber dieser und gegenüber den Mitgesellschaftern, hat aber mit dem Gläubigerschutz nichts zu tun. Wie wenig die Durchgriffshaftung dogmatisch noch immer gesichert ist, lehrte kürzlich wieder der von Ehricke3 vorgetragene Generalangriff gegen sie, der sie als schlechthin gesetzwidrig und unbegründbar geißelt und verlangt, sie zugunsten allgemeiner zivilrechtlicher Haftungsnormen aufzugeben. Soweit sie demgegenüber im aktuellen Schrifttum gebilligt und dogmatisch abgestützt wird, begnügt man sich regelmäßig mit der auch hier vertretenen teleologischen Reduktion der §§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG und 13 Abs. 2 GmbHG. Wenngleich es also bislang nicht gelungen ist, präzisere Regeln für die Grenzen der Haftungsbeschränkung zu formulieren, welche der Praxis einfache subsumtionsfähige Tatbestandsmerkmale bieten, so konnten die topisch verfahrende Rechtsanwendung und Rechtswissenschaft doch immerhin typische Fallgruppen herausarbeiten und ihnen Konturen verleihen. Vier Durchgriffsfälle kennzeichnen inzwischen den Stand des geltenden Rechts. 2. Verlustausgleich im Vertragskonzern Im Schrifttum kaum angegriffen ist die analoge Anwendung der §§ 302, 303 AktG, wenn die abhängige Gesellschaft eine GmbH ist. Die Analogie erscheint unproblematisch, weil der Vertragskonzern mit einer GmbH als beherrschtem Unternehmen im Gesetz nicht geregelt ist, das GmbH-Recht insoweit also eine Lücke aufweist, und weil das Gegenüber von Beherrschung und Verlustausgleich als Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verstanden werden kann, welches dem Wesen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags entspricht. Eine Gesellschaft, die sich vertraglich der Herrschaft einer anderen Gesellschaft unterwirft oder die sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an eine herrschende Gesellschaft abzuführen, muss dafür eine angemessene Gegenleistung erhalten. In der Gerichtspraxis blieben §§ 302, 303 AktG in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich bisher allerdings nahezu bedeutungslos. Furore machten sie infolge ihrer auf eine doppelte Analogie gegründeten Erstreckung auf den so genannten qualifizierten faktischen Konzern, die von Anfang an problematisch war und inzwi-

__________ 3 Ehricke, Zur Begründbarkeit der Durchgriffshaftung, AcP 1999 (1999), 257; ders., Zur Teilnehmerhaftung von Gesellschaftern bei Verletzung von Organpflichten mit Außenwirkung durch den Geschäftsführer einer GmbH, ZGR 2000, 351.

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schen mit Recht wieder aufgegeben wurde. Sie hat nicht allein nie befriedigend gelöste Abgrenzungsschwierigkeiten hervorgerufen, sondern vor allem vorgespiegelt, die Durchgriffshaftung sei hauptsächlich ein konzernrechtliches Problem. 3. Vermögensvermischung Nicht mehr ernstlich bezweifelt wird dagegen in Rechtsprechung und Schrifttum der Durchgriffstatbestand der Vermögensvermischung. Jede Beschränkung der Haftung auf eine bestimmte Vermögensmasse setzt denknotwendig deren Bestimmbarkeit voraus und verlangt daher, ihre Trennung von in die Haftung nicht einbezogenen Gegenständen des Privatvermögens der Gesellschafter sicherzustellen. Einer gesonderten gesetzlichen Anordnung bedarf es insoweit nicht; die Regel ist in §§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG und 13 Abs. 2 GmbHG gedanklich mit enthalten und stellt das Prinzip der Haftungsbeschränkung auch dogmatisch nicht in Frage, sondern bestätigt es. Obgleich die Fälle in der Judikatur eher selten sind, hat die Haftung wegen Vermögensvermischung in der Praxis eine große präventive Bedeutung, denn die Versuchung ist, besonders in der Einpersonengesellschaft, stark, es mit der Vermögenstrennung nicht so genau zu nehmen oder sie, falls es der Gesellschaft oder einem Gesellschafter schlecht geht, bewusst zu missachten. Da die Notwendigkeit der Trennung jedermann einsichtig ist, kann regelmäßig auch bedingter Vorsatz oder doch wenigstens Fahrlässigkeit vorausgesetzt werden, und bedarf es daher keiner weiteren subjektiven Tatbestandsmerkmale. Schwierige Aufgaben der Rechtsanwendung kann lediglich die sachliche und die personelle Abgrenzung mit sich bringen: Unklarheiten über die Zuordnung einzelner Vermögensgegenstände, wie sie im Alltagsleben und in der Buchhaltung einer Gesellschaft leicht vorkommen können und im Hinblick auf deren Solvenz auch unschädlich sind, können den Tatbestand nicht erfüllen. Insoweit bleibt es bei der Rückerstattungspflicht nach §§ 62 ff. AktG und 30, 31 GmbHG. Gesellschafter, die an der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens nicht mitgewirkt haben, auf sie keinen Einfluss nehmen konnten und von der Vermögensvermischung auch nicht profitiert haben, müssen von der persönlichen Haftung verschont bleiben. 4. Existenzvernichtung Nicht in der gleichen Weise abgeklärt ist der von der Rechtsprechung erst seit 2001 entwickelte Durchgriffstatbestand der Existenzvernichtung. Er besagt in seinem Kern, wer mit Hilfe einer nur mit ihrem eigenen Vermögen haftenden Gesellschaft Geschäfte macht, darf ihr das zur Befriedigung ihrer Gläubiger notwendige Vermögen nicht entziehen und sie dadurch der Insolvenz ausliefern. Daher sind seine tragenden Elemente der unzulässige Eingriff in das Gesellschaftsvermögen und deren daraus resultierende Zahlungsunfähigkeit. Systematisch bildet der Tatbestand gleichfalls einen Fall 622

Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts

der Missachtung der in § 13 Abs. 2 GmbHG vorausgesetzten Trennung zwischen Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter und bedarf deshalb keiner zusätzlichen dogmatischen Fundierung. Der Rechtsanwendung bereitet er jedoch ungleich größere Schwierigkeiten als die Vermögensvermischung, weil es den Gesellschaftern einer GmbH, bei welcher der Fall am häufigsten relevant wird, bis zur Grenze des Stammkapitals prinzipiell unbenommen ist, Vermögenswerte aus dem Gesellschaftsvermögen herauszuziehen, ja es geradezu das Ziel der Gesellschaft ist, zugunsten der Gesellschafter Gewinn zu erzielen, den diese entnehmen können. Macht die Gesellschaft hingegen marktbedingte Verluste, würde es dem Sinn des § 13 Abs. 2 GmbHG gerade widersprechen, das dadurch verwirklichte wirtschaftliche Risiko mittels der Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter zu verlagern. Der Tatbestand der Existenzvernichtung verlangt unter beiden Gesichtspunkten eine Begrenzung, die der generalklauselhafte Begriff des Eingriffs nur andeutungsweise leistet. Zusätzlich ist sie mit dem oft schwierigen Nachweis belastet, dass der Eingriff für die Insolvenz ursächlich sein muss. Anders als bei der Haftung wegen Vermögensvermischung fordern solche Unsicherheiten des objektiven Tatbestands einen zusätzlichen Filter in Gestalt subjektiver Tatbestandselemente. Zu Recht verlangt der Bundesgerichtshof deshalb, dass der handelnde Gesellschafter keine genügende Rücksicht auf die Belange der Gesellschaft genommen und damit ihre Existenzgefährdung in Kauf genommen hat4. Auch diese Formel bleibt freilich bedenklich offen. Im Ergebnis bietet die Existenzvernichtungshaftung zwar ein wirksames, wegen ihrer Unschärfe aber auch problematisches Instrument des Gläubigerschutzes. Sie gerät einerseits leicht in Gefahr, die Dämme der Haftungsbegrenzung auszuhöhlen Auf der anderen Seite birgt sie aus dem gleichen Grund die Chance, zum letzten wirksamen rechtlichen Hilfsmittel zu werden, wenn in der Rechtsprechung Fälle auftreten, in denen sich eine persönliche Haftung der Gesellschafter als zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger dringlich erweist, ohne dass auf anderem Weg eine befriedigende Lösung erzielt werden könnte. 5. Unterkapitalisierung Grundsätzlich anerkannt in Rechtsprechung und Schrifttum ist schließlich auch die Möglichkeit einer persönlichen Haftung der Gesellschafter, wenn sie die Gesellschaft mit einem in Anbetracht des Umfangs ihrer Geschäfte zu geringen Eigenkapital ausgestattet haben. Ihr Hauptanwendungsbereich ist das GmbH-Recht, da sich bei der Aktiengesellschaft der gesetzliche Vermögensschutz nach allgemeiner Ansicht nicht nur auf das Grundkapital, sondern auch das gesamte nicht in der Jahresbilanz als Gewinn ausgewiese-

__________ 4 So BGHZ 149, 10 – „Bremer Vulkan“.

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ne Vermögen erstreckt. Allerdings bereitet der Fall der Unterkapitalisierung sowohl in der theoretischen Begründung als auch in seiner praktischen Anwendung die größten Schwierigkeiten. Rechtsdogmatisch liegt das Problem in dem Umstand, dass das GmbH-Recht eben jenseits der Vorschriften über das gesetzliche Mindestkapital keine Bestimmung kennt, wonach die Gesellschafter ein ausreichendes Kapital aufzubringen haben, faktisch darin, dass es der Betriebswirtschaftslehre nicht gelingt, allgemein brauchbare und griffige Regeln dafür zu formulieren, wann in kleinen und mittelgroßen Unternehmen die Ausstattung mit Eigenkapital angemessen ist. Wenn in der Wissenschaft deshalb vorgeschlagen wurde, die Haftung auf eindeutige und massive Fälle einer so genannten qualifizierten Unterkapitalisierung zu beschränken, so konnten auch auf diesem Weg die Bedenken gegen die Unschärfe des Tatbestands nicht ausgeräumt werden. Besser bewährt hat sich der von der Rechtsprechung eingeschlagene Weg, die Schwäche der Definition des objektiven Tatbestands durch besonders strenge, auch gegenüber der Haftung wegen Existenzvernichtung noch verschärfte Anforderungen an den Kausalitätsnachweis und an subjektive Merkmale zu kompensieren. Die Anknüpfung dazu bot der Rückgriff auf die deliktische Haftung nach § 826 BGB: Eine von Anfang an, aufgrund der Ausweitung der Geschäfte oder im Zug einer Kapitalerhöhung offensichtlich zu geringe Ausstattung der Gesellschaft mit Eigenkapital, welche ursächlich dafür ist, dass die Gesellschaft ihre Gläubiger nicht befriedigen kann, löst die Privathaftung der Gesellschafter aus, wenn diese vorsätzlich und in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gehandelt, den einem Gläubiger entstehenden Schaden also erstrebt oder doch bewusst in Kauf genommen haben. Die Lösung erlaubte den Gerichten, die einschlägigen Fälle befriedigend zu beurteilen. Sie kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Problem juristisch auf ein falsches Gleis abschiebt. Rechtssystematisch richtig muss auch die Gesellschafterhaftung wegen Unterkapitalisierung aus §§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG und 13 Abs. 2 GmbHG abgeleitet werden: Wer für seine Geschäfte eine Haftungsbeschränkung in Anspruch nimmt, muss dafür sorgen, dass die als Haftungsstock von ihm bereit gestellten Mittel die voraussichtlichen Schulden decken.

II. Gläubigerschutz nach geltendem Recht Funktionalität und Notwendigkeit der vier genannten Tatbestände persönlicher Gesellschafterhaftung können zutreffend nur beurteilt werden, wenn man sie als Ergänzung der Vorschriften würdigt, durch welche die Gesetze selbst den Gläubigerschutz zu gewährleisten suchen, und als Ausgleich für deren Schwächen und Lücken. Das braucht an dieser Stelle de lege lata nur angedeutet zu werden, soll dann aber im Hinblick auf die bevorstehende Reform des GmbH-Gesetzes den Schwerpunkt der folgenden Überlegungen bilden. 624

Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts

Die wichtigsten Gläubigerschutzvorschriften enthalten zweifellos die umfangreichen und in der deutschen Rechtsprechung sorgfältig beachteten und ausgeformten Vorschriften über die Aufbringung des in der Satzung der Gesellschaft festgelegten Grund- bzw. Stammkapitals, und über dessen Erhaltung. Sie werden gestützt von den gesetzlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten, welche in Deutschland herkömmlich dem Prinzip der vorsichtigen Bewertung folgen. Als weniger effektiv haben sich, insbesondere bei der GmbH, der vom Gesetz festgelegte Mindestbetrag des Stammkapitals in Höhe von 25 000 Euro sowie der Mindestbetrag der Einlage jedes Gesellschafters in Höhe von 100 Euro erwiesen, die eine Insolvenz nur ausnahmsweise verhindern. Von kaum zu unterschätzender Bedeutung sind dagegen die Vorschriften über die Bindung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen und ähnlicher, rechtlich im Schuld- und Sachenrecht angesiedelter Finanzierungsmethoden, denn sie ziehen die notwendige Folge aus der verbreiteten Praxis, die Gesellschaft statt mit Beteiligungskapital mit rechtlich schwächer gebundenen Finanzmitteln auszustatten. Dem Gläubigerschutz dienen ferner die gesetzlichen Kontrollvorschriften zur rechtzeitigen Erkennung und zur Überwindung finanzieller Krisen. Soll eine Gesellschaft beendet werden, schreibt das Gesetz im Normalfall ein förmliches Liquidationsverfahren vor, in dem an die Gesellschafter erst etwas verteilt werden darf, wenn zuvor die Gläubiger restlos befriedigt wurden. Im Auge zu behalten sind schließlich die Vorschriften des Insolvenzrechts, insbesondere die Insolvenzantragspflichten, das Verbot, in der Unternehmenskrise bestimmte Gläubiger vorweg zu befriedigen, und die Anfechtbarkeit von vor dem Eintritt der Insolvenz an die Gesellschafter erbrachten Leistungen, welche die zur Befriedigung der Gläubiger erforderliche Insolvenzmasse schmälern. Alle diese Vorschriften, so grundlegend sie auch sind, konnten schon bisher die Durchgriffshaftung in ihren dargestellten Erscheinungsformen aber nicht verzichtbar machen.

III. Notwendigkeit der Durchgriffshaftung nach der Reform Was wird sich in diesem ausgeprägten System der Gläubigerschutzes infolge der Reform des GmbH-Gesetzes ändern und welche voraussichtlichen Folgen werden die Änderungen für das Bedürfnis nach Zulassung des Haftungsdurchgriffs und dessen anerkannte Fälle nach sich ziehen? Der zur Zeit der Ausarbeitung dieses Beitrags vorliegende und mit Gründen versehene Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) sowie die Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags dazu erlauben es, dazu einige Prognosen zu wagen. Überlegungen dazu dem Jubilar, einem der besten Kenner des GmbH-Rechts, engagierten Verfechter nützlicher und scharfsichtigen Kritiker verfehlter Reformen, zu widmen, wird mit dessen Interesse rechnen dürfen. 625

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1. Herabsetzung des Mindeststammkapitals Die in der Öffentlichkeit am lautesten verlangte, wirtschaftlich am schwersten wiegende und auch symbolträchtigste Änderung des GmbH-Gesetzes sieht vor, das Mindeststammkapitals von 25 000 Euro auf 10 000 Euro herabzusetzen. Sie wird im Regierungsentwurf damit begründet, dass für eine bedeutende Zahl von Gesellschaften, vor allem Dienstleistungsunternehmen, der Betrag von 25 000 Euro unnötig hoch sei. Namentlich Kleinunternehmer und Existenzgründer hindere er daran, eine Gesellschaft zu gründen oder doch die für sie geeignete Rechtsform der GmbH zu wählen. Als Seriositätsschwelle beim Zugang zur GmbH genügten 10 000 Euro, als Kapitalstock zu Sicherung der Gesellschaftsgläubiger habe sich auch der Betrag von 25 000 Euro als zu niedrig und daher nicht mehr geeignet erwiesen. Ausdrücklich fügt die Begründung des Entwurfs hinzu, mit dem Herabsetzung des Betrags solle das Haftkapitalsystem des deutsche Rechts nicht prinzipiell in Frage gestellt werden, der Betrag aber an den europäischen Rahmen angepasst und die GmbH dadurch gegenüber ausländischen Gesellschaftsformen, nicht zuletzt der britischen private limited company, wettbewerbsfähig gemacht werden. Weiter heißt es darin fast schon verräterisch, Unternehmen mit höherem Kapitalbedarf seien, namentlich um ihrer Kreditwürdigkeit für Bankkredite willen, auch in Zukunft gut beraten, schon bei der Gründung ein höheres Kapital zu zeichnen. Einer Unterkapitalisierungshaftung wolle der Entwurf mit der Absenkung des Mindeststammkapitals nicht das Wort reden. Der Änderungsvorschlag entspricht mit dieser Begründung einer auch in der Wissenschaft vertretenen Ansicht. Doch lässt sich seine Stichhaltigkeit und Sinnhaftigkeit füglich bezweifeln. Insbesondere hat sich auch der Jubilar dazu mehrfach mit guten Gründen kritisch geäußert. Formal läuft die Herabsetzung des Mindeststammkapitals der letzten Reform des GmbH-Gesetzes aus dem Jahr 1980 zuwider, welche den Betrag von damals 20 000 DM, umgerechnet also von der jetzt wieder ins Auge gefassten Summe, auf 50 000 DM heraufgesetzt hatte. Augenscheinlich spielt bei der Festsetzung der Summe wechselnder politischer Opportunismus eine maßgebliche Rolle. Sachlich ist der Betrag von 10 000 Euro angesichts seines gegenwärtigen Werts so niedrig, dass er schon zur Anschaffung der für ein Unternehmen erforderlichen Büro- und Computerausrüstung oder eines PKW nicht ausreicht, geschweige denn zur Anmietung von Fabrikations- oder Büroräumen, zur Anstellung auch nur eines Arbeitnehmers oder zur technischen Ausarbeitung einer Erfindung. Das gilt umso mehr, als der Entwurf daran festhält, dass bei der Gründung wie bisher nur die Hälfte des Betrags, also lediglich 5000 Euro, einzuzahlen sind. Auch der Wert einer in die Gesellschaft einzubringenden Handwerksausrüstung dürfte diese Summe regelmäßig übersteigen. Stattdessen öffnet der Entwurf die GmbH für Garagen- und Hinterzimmerunternehmen. Man mag spekulieren, wie lang ein solcher Zustand 626

Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts

von der jeweils herrschenden Politik und öffentlichen Meinung getragen oder geduldet wird. Doch solche Kritik ist hier nicht unser Punkt. Eine kaum vorhersehbar große Zahl von Unternehmensgründern wird sich die niedrige Einstandssumme zunutze machen und die darüber hinaus erforderlichen Mittel auf andere Weise beibringen, sei es formell im Wege von Gesellschafterdarlehen oder gleichgestellten Leistungen, sei es informell mittels der verdeckten Nutzung privater Ressourcen oder anderer rechtlich nicht fassbarer Zuschüsse. Das in Aussicht genommene Mindeststammkapital wird mit anderen Worten noch viel häufiger als bisher zur Verwischung der Grenzen zwischen Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter verführen. Es ist damit zu rechnen, dass eine wachsende Zahl der von dem geringen Einstandskapital und der Haftungsbeschränkung begünstigten Gesellschaftsgründer es mit der Vermögenstrennung sei es aus Unkenntnis, sei es aus Nachlässigkeit, auch subjektiv nicht sehr genau nimmt. So wird die Neuerung nach aller Voraussicht der Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung ein bisher unbekanntes Gewicht verleihen. Die Gerichte werden sich um vieles häufiger damit beschäftigen müssen, die Gesellschafter damit konfrontiert sehen. Ein weiterer Punkt wird die Lage noch dramatisieren: Angesichts der schwachen Vermögenslage nicht weniger von der Billiggründung der GmbH angezogener Gesellschaftsgründer wird ausstehenden Einlageforderungen der Gesellschaft oft die Bonität mangeln. Die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter nach § 24 GmbHG wird in solchen Fällen oft nicht helfen, da sie, selbst wenn sie zahlungsfähig sind, zunächst nur anteilig haften. Wirksamer kann einem Gesellschaftsgläubiger geholfen werden, wenn er im Weg der Durchgriffshaftung in voller Höhe auf einen zahlungskräftigen Gesellschafter zugreifen kann. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in solchen Fällen die Tatbestandsmerkmale der Unterkapitalisierung erfüllt sind und der betroffene Gesellschafter bei der Gründung der Gesellschaft auch die Zahlungsunfähigkeit der Mitgesellschafter einschließlich der damit verknüpften Gläubigergefährdung gewollt oder doch bewusst in Kauf genommen hat, und dass er deshalb auch die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB erfüllt. 2. Weitere Erleichterungen der GmbH-Gründung Eine Mehrzahl von weiteren Neuerungen des Entwurfs zielt darauf ab, die Gründung einer GmbH auch im Übrigen zu vereinfachen und erleichtern. So soll auf die bisher verlangte Mindesteinlage von 100 Euro verzichtet werden und stattdessen der symbolische Betrag von einem Euro genügen. Dem wird man zustimmen können, wenn man bedenkt, dass damit tatkräftigen und einfallsreichen, aber vermögenslosen jungen Leuten die Gesellschaftsbeteiligung ermöglicht wird, die sie bisher nur mit Hilfe geliehener Mittel er627

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reichen konnten. Indessen ist zu befürchten, dass gerade junge Leute, veranlasst von der Vorstellung, kein Vermögensrisiko einzugehen, mehr als andere Gesellschafter dazu neigen werden, es mit der notwendigen Vermögenstrennung und mit den gebotenen Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität der Gesellschaft nicht so genau zu nehmen. Auf solche Weise setzen auch sie sich der Durchgriffshaftung aus, können also zu einem bösen Erwachen genötigt werden. Als in diesem Punkt besonders gefährlich erwies sich schon bisher die Gründung durch einen Alleingesellschafter, weshalb der geltende § 7 Abs. 2 GmbHG vorschreibt, dass ein solcher für den Teil seiner Einlage, die er nicht schon bei der Gründung einzahlt, eine Sicherung zu leisten hat. Der Entwurf will auch auf diese Sicherung verzichten mit der Begründung, der dadurch bewirkte Gläubigerschutz sei nach Auskunft der Praxis verzichtbar und bedeute eine unnötige Komplizierung der Gründung. In Fällen der (seriösen) Gründung einer Vorratsgesellschaft oder einer 100 %igen Tochtergesellschaft, welche diese Begründung im Auge hat, dürfte dies zutreffen. Doch ist es wahrscheinlich, dass infolgedessen auch die unseriösen Einmanngründungen zunehmen, zu deren Bekämpfung die Vorschrift bestimmt war. Sie werden, wird der Vorschlag Gesetz, künftig gleichfalls mit Hilfe der Durchgriffshaftung bekämpft werden müssen. Die Sondervorschriften des geltenden Rechts zur Sicherung der Werthaltigkeit von Sacheinlagen und auch die ausgreifende Rechtsprechung, die darauf abzielt, die Umgehung dieser Vorschriften zu verhindern und zu bekämpfen, stellt der Reformentwurf einstweilen nicht infrage. Ob es dabei bleibt, ist allerdings noch zweifelhaft, da die Wirtschaft und die Anwaltschaft eine Vereinfachung fordern und sich auch der 66. Deutsche Juristentag mit großer Mehrheit dafür aussprach, die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen auf eine Differenzhaftung zu beschränken5. Sollte der Gesetzgeber dieser Empfehlung folgen, wird zu fragen sein, ob er dabei neue Gesetzeslücken und einen neuen Anwendungsbereich für die Durchgriffshaftung eröffnet. Als wahrscheinlicher erscheint es insoweit immerhin, dass es der Rechtsprechung gelingen wird, die Regelung verbleibender Probleme und neuer Schwachstellen des Gesetzes wie bisher aus dem engeren und schärfer konturierten Prinzip der effektiven Kapitalaufbringung selbst zu entwickeln, so dass der Rückgriff auf die Grenzen des Prinzips der Haftungsbeschränkung überflüssig bleibt. 3. Relativierung des Prinzips der Kapitalerhaltung Weittragende Änderungen sieht der Referentenentwurf bei den Regeln über die Kapitalerhaltung vor. Das Verbot der Rückzahlung von Grund- bzw. Stammkapital an Aktionäre und Gesellschafter nach §§ 57 Abs. 1 AktG und

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5 Beschluss Nr. II 8 b der Abteilung Wirtschaftsrecht.

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Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts

30 Abs. 1 GmbHG soll durch den Zusatz durchlöchert werden, wonach dieses nicht gilt, wenn das Kapital „durch eine Vorleistung aufgrund eines Vertrags mit einem Gesellschafter angegriffen“ wird und „die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt“. Die Regelung will die Schwierigkeit auffangen, dass ein erst später fälliger Gegenanspruch häufig unsicher ist, und dass er auch dann wirtschaftlich weniger wert ist als die von der Gesellschaft gegenwärtig erbrachte Vorleistung und deshalb zu einer Unterbilanz führen kann, wenn die künftige Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners außer Zweifel steht. Ihr Hauptanwendungsbereich ist die Gewährung eines Kredits an einen Gesellschafter, den dieser später zurückzuzahlen hat. Ausgelöst wurde die Bestimmung durch den Wunsch, die übliche und ökonomisch als sinnvoll angesehene Finanzierungsmethode des cash-pooling im Konzern legislatorisch abzusegnen. Doch ist sie so offen formuliert, dass auch andere Fälle darunter fallen. Man gewinnt den Eindruck, es ist nicht gelungen, sie enger und präziser zu fassen. Wie problematisch eine solche Ausnahmevorschrift als Anweisung für die Rechtsanwendung ist, verrät nicht nur die schwammige Formulierung, sondern ebenso der ungewöhnliche Aufwand, mit dem der Referentenentwurf sie verständlich zu machen, einzugrenzen und zu rechtfertigen sucht. Doch gilt auch hier wie oft: die mangelnde Schärfe des Gesetzes eröffnet für Rechtsprechung und Wissenschaft die Chance, eine Regelung auf sachgemäße Weise auszuformen und zurechtzustutzen. Die Zuflucht zur Durchgriffshaftung bleibt dann auch insoweit überflüssig. Da der Bundesgerichtshof, wie die Entwurfsbegründung selbst ausführt, bereits auf dem Weg dorthin war, hätte auf die Verwässerung des Gesetzeswortlauts verzichtet werden können. Die weit wichtigere Neuerung auch hinsichtlich der Sicherungsfunktion des Prinzips der Kapitalerhaltung ist die beabsichtigte Herabsetzung des Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro. Gesellschaften, welche bei dieser Rechengröße durch eine Ausschüttung an einen Gesellschafter in die Unterbilanz geraten, sind in der Regel auch ohne Ausschüttung nicht mehr lebensfähig, zumal wenn die in ihrer Bilanz berücksichtigten Wertansätze nach den neuen Bilanzierungsvorschriften nicht mehr dem Grundsatz der vorsichtigen Bewertung unterliegen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie ihre Schulden noch begleichen können. Der mit § 30 GmbHG beabsichtigte Gläubigerschutz wird also größtenteils leer laufen, viel häufiger und für den Wirtschaftsverkehr folgenreicher als schon bisher bei der Summe von 25 000 Euro. In der wissenschaftlichen Diskussion wird versucht, diese vorhersehbare Konsequenz durch eine Verschärfung der insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften auszugleichen. Insbesondere wird empfohlen, die Geschäftsführer nach angloamerikanischem Vorbild zu verpflichten, jede Ausschüttung an einen Gesellschafter unabhängig davon, ob sie das Stammkapital angreift, von einer vorgeschalteten Solvenzprüfung der Gesellschaft ab629

Thomas Raiser

hängig zu machen. Nachdem die Abteilung Wirtschaftsrecht des Juristentags die Einführung derartiger Solvenztests mit großer Mehrheit abgelehnt und sich lediglich allgemein dafür ausgesprochen hat, die Binnenpflichten der Geschäftsführer im Vorfeld der Insolvenz im Sinn einer Verpflichtung zur systematischen und kontinuierlichen Risikobeobachtung und Solvenzprüfung auszubauen6, ist es unwahrscheinlich, dass das künftige Defizit des § 30 GmbHG auf diesem Weg ausgeglichen werden kann. Immerhin geht der Gesetzentwurf selbst einen ersten Schritt in die Richtung, indem er in einem neuen § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG die Geschäftsführer persönlich haftbar machen will, wenn sie durch Zahlungen an Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen. Er stellt damit statt auf das Entstehen einer Unterbilanz auf die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit ab und verlagert so den Gläubigerschutz in vielen Fällen zeitlich sogar weiter in das Vorfeld. Ungeachtet kritischer Prüfung von Einzelheiten dieser geplanten Vorschrift, die hier nicht unser Thema ist, wird man der Lösung grundsätzlich zustimmen können. Sie leidet aber an der Schwäche, nicht die Gesellschafter, sondern die Geschäftsführer zu belangen. Nach der Struktur des GmbH-Gesetzes sind die Gesellschafter sowohl die Geldgeber als auch die eigentlichen Herren des Unternehmens, während Geschäftsführer, wenn sie nicht zugleich Gesellschafter sind, typischer Weise eine schwache Stellung haben, die es oft nicht erlaubt, sich Weisungen der Gesellschafter entgegenzustellen oder ihrem Druck standzuhalten. Auch profitieren sie nicht von die Gesellschaftsgläubiger schädigenden Finanzmanipulationen. Sie vorzugsweise für den Gläubigerschutz einzuspannen und entsprechenden Sanktionen auszusetzen kann sie daher in schwer zumutbare Konflikte stürzen7. Nicht nur rechtssystematisch, sondern auch ökonomisch und wirtschaftspolitisch richtiger ist es daher, den Gläubigerschutz in derartigen Fällen mindestens auch den Gesellschaftern selbst aufzuerlegen. Dafür bleibt deren Durchgriffshaftung wegen Existenzgefährdung. Diese wird so in die durch die Verminderung des Mindeststammkapitals geschaffene Lücke vorstoßen, in wachsendem Maß die Gerichte beschäftigen und ein bisher kaum vorstellbares Gewicht erlangen. 4. Neuregelung des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen Grundsätzlich ändern will der Entwurf weiter das Recht der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Zunächst soll dessen durch die Mängel der geltenden Gesetzesfassung bedingte Zweigleisigkeit im Nebeneinander von gesetzlichen und Rechtsprechungsregeln beseitigt werden, was eine dringliche Vereinfachung erzielt. Viel weiter reicht die beabsichtigte Verlagerung

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6 Beschlüsse Nr. III 10 bis 13. 7 So schon Raiser, ZGR 2006, 494 (496).

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Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts

der ganzen Materie aus dem Gesellschaftsrecht in das Insolvenzrecht und, damit verknüpft, der Verzicht auf die bisher notwendige Unterscheidung zwischen kapitalersetzenden und gewöhnlichen Gesellschafterdarlehen. Nach der vorgeschlagenen Neufassung des § 39 Abs. 1 InsO sollen künftig alle Forderungen eines Gesellschafters auf Rückzahlung eines von ihm der Gesellschaft gewährten Darlehens und alle Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, also Kreditcharakter besitzen, im Insolvenzverfahren nur nachrangig befriedigt werden können. Rechtshandlungen, durch die einem Gesellschafter im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Befriedigung oder Sicherung für eine solche Forderung gewährt wurde, sollen gemäß § 135 InsO vom Insolvenzverwalter angefochten werden können. Außerhalb des Insolvenzverfahrens soll jeder Gläubiger eine derartige Leistung nach § 6 Anfechtungsgesetz anfechten können, sofern sie im letzten Jahr vor der Erlangung seines vollstreckbaren Titels erbracht wurde. Wiederum ist es nicht das Thema dieser Zeilen, die Einzelheiten dieser Bestimmungen zu analysieren. Werden sie Gesetz, beseitigen sie nicht nur, wie beabsichtigt, die schwierigen Abgrenzungsprobleme des geltenden Rechts, sondern erweitern dessen Anwendungsbereich beträchtlich. Man wird darüber nachdenken und später abwarten müssen, ob sich der Schritt bewährt. An dieser Stelle interessiert nur der Punkt, an dem der Entwurf hinter der bisher angewandten Rechtsprechungsregel zurückbleibt, nämlich die Beschränkung des Anfechtungsrechts auf Leistungen, die im letzten Jahr vor dem Antrag auf das Insolvenzverfahren oder der Erlangung des Titels erbracht wurden. Das entspricht den schon bisher geltenden insolvenzrechtlichen Vorschriften und dient dazu, den Anfechtungstatbestand nicht ausufern zu lassen. Auf der anderen Seite ist es leicht möglich, dass auch weiter zurückliegende Leistungen einbezogen werden müssen, um unredliche Handlungen der Gesellschafter oder Geschäftsführer zum Nachteil der Gläubiger nicht ungeahndet zu lassen. Auch der Juristentag hat sich aus diesem Grund, wenngleich mit knapper Mehrheit, dafür ausgesprochen, die Anfechtungsfrist zu verlängern8. Sollte der Gesetzgeber bei der Jahresfrist bleiben, wird daher auch in solchen Fällen auf die Durchgriffshaftung wegen Existenzgefährdung zurückgegriffen werden müssen.

IV. Zusammenfassung Fassen wird das Ergebnis zusammen. Soweit das Gesetz auch nach der Reform spezifische Vorschriften aufweisen wird, welche dem Gläubigerschutz dienen, wird es in der Regel möglich bleiben, deren Reichweite und Effizienz mittels systematischer und teleologischer Interpretation aus ihnen selbst

__________ 8 Beschluss Nr. IV 20 der Abteilung Wirtschaftsrecht.

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Thomas Raiser

heraus zu entwickeln. In Bezug auf die Aufbringung und Erhaltung des (verminderten) Stammkapitals, auf die Bewertung von Sacheinlagen und die Bekämpfung der Versuche, die Sacheinlagevorschriften zu umgehen, und im Wesentlichen auch in Bezug auf die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen und gleichgestellten Leistungen wird daher ein Rückgriff auf die Durchgriffshaftung als Ergänzung der im Gesetz ausformulierten oder in der Rechtsprechung anerkannten Haftungsbestimmungen nicht notwendig sein. Etwas anderes gilt jedoch, soweit das Gesetz künftig stärker als bisher der Gläubigerschutz durch Vorschriften zu sichern sucht, die nicht die Gesellschafter, sondern die Geschäftsführer verpflichten und in Haftung nehmen. In solchen Fällen verlangen die Struktur der GmbH und die Machtverhältnisse in ihr eine rechtliche Möglichkeit, auch die Gesellschafter in Anspruch nehmen zu können, und dafür kommen als Rechtsgrundlage mangels gesetzlicher Bestimmungen nur die Rechtsprechungsregeln über den Haftungsdurchgriff in Betracht. Dabei ist, neben der Verlustausgleichspflicht im Vertragskonzern, an den drei Figuren der Vermögensvermischung, des existenzvernichtenden Eingriffs und der Unterkapitalisierung festzuhalten. Ein ganz neues, ungleich größeres Gewicht als bisher werden diese drei Tatbestände jedoch infolge einer Herabsetzung des Mindeststammkapitals und der Mindeststammeinlage auf Beträge erlangen, welche für einen wirksamen Gläubigerschutz praktisch keine Bedeutung mehr haben. Denn die dadurch geschaffene Lücke wird in der Rechtsprechung mit ihrer Hilfe ausgefüllt werden müssen. Die Beschränkung der Haftung für Gesellschaftsschulden auf das Gesellschaftsvermögen wird damit weiter relativiert, der zwingende Charakter des § 13 Abs. 2 GmbHG in wachsendem Maße in Frage gestellt werden. Angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Offenheit der nur im Richterrecht beheimateten und als Generalklausel fassbaren Durchgriffstatbestände wird es vermehrt zu schwierigen Prozessen mit ungewissem Ausgang kommen. Die Rechtssicherheit wird spürbar leiden. Auch ist zu befürchten, dass die Verminderung des für die Gesellschaftsgründung erforderlichen finanziellen Einsatzes mit später anfallenden höheren Kosten erkauft wird, zu denen auch die Kosten derartiger Prozesse gehören. So ist zu fragen, ob ein weiser Gesetzgeber langfristig nicht besser beraten wäre, an dem das GmbH-Recht von Anfang an kennzeichnenden, wenngleich schon bisher aufgeweichten Prinzip festzuhalten, dass das Mindeststammkapital nicht allein als Eingangschwelle und Seriositätsindiz für die Gesellschaftsgründung dient, sondern zugleich auch als wirksame Basissicherung eines trotz der Haftungsbeschränkung notwendigen Gläubigerschutzes, und dass es deshalb auf einen auch diesem Zweck gerecht werdenden Betrag festgesetzt werden muss.

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Arndt Raupach

Das Steuerrecht – eine unerwünschte Quelle des Konzernrechts? Inhaltsübersicht I. Begründung des Themas: Der Vormarsch des Vertragskonzerns in Deutschland 1. Thema verfehlt? 2. Die Entwicklung des Vertragskonzerns in Deutschland unter Einfluss des Steuerrechts 3. Die Entwicklung der körperschaftsteuerlichen Organschaft in Deutschland II. Wirkung des steuerrechtlichen Einflusses auf das Konzernrecht: Nationale Abgeschlossenheit und Isolierung

III. Hoffnungen und Befürchtungen als Folge der Rechtssache Marks & Spencer IV. Keine Entwarnung durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer 1. Mängel der EuGH-Entscheidung 2. Effektivwerden von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften V. Was trifft den Standort Deutschland mehr: Nichtstun oder aktiv werden?

I. Begründung des Themas: Der Vormarsch des Vertragskonzerns in Deutschland 1. Thema verfehlt? Die Formulierung dieses Themas ist zugebenermaßen nicht mehr sehr originell, aber nach wie vor aktuell. Es wurde allgemein bezogen auf das Gesellschaftsrecht bereits von Wiedemann1, Groh2 und Knobbe-Keuk3 diskutiert. Verschiedentlich wurde es auch abgewandelt4 und schließlich von Schön unter der Überschrift „Abschied vom Vertragskonzern?“ auf das Verhältnis Konzernsteuerrecht/Konzernrecht5 bezogen. Damit sind wir bei unserem Thema.

__________ 1 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 23. 2 Groh, Das Steuerrecht als unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts, BB 1984, 304. 3 Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht als unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?, Schriftenreihe „Rechtsordnung und Steuerwesen“, 1986, S. 1. 4 Raupach, Das Steuerrecht als unerwünschte Rechtsquelle der Handelsbilanz, in FS Moxter, 1994, S. 101; Pelka, Die Steuerrechtsprechung als unerwünschte Rechtsquelle für die Vertragsgestaltung, in FS Tipke, 1995, S. 251; Raupach, Darf das Steuerrecht andere Teile der Rechtsordnung stören?, in FS Tipke, 1995, S. 105. 5 Schön, Abschied vom Vertragskonzern?, ZHR 168 (2004), 629–636 (Editorial).

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Arndt Raupach

Anlass, diesem Thema nachzugehen, ist eine Äußerung unseres Jubilars6, der die Unternehmensverträge des Aktiengesetzes als „Kinder“ des Steuerrechts bezeichnet hat. Karsten Schmidt7 hat dies präzisiert, indem er die „Eltern“ dieses „Kindes“ identifiziert hat: „Das heutige uns bekannte Konzernrecht hatte einen Vater und eine Mutter. Der Vater war das Steuerrecht. Daher kommen die Organschaftsverträge, die wir im Gesellschaftsrecht als Unternehmensverträge bezeichnen. … Die Mutter des Konzernrechts war eine Doktrin.“

Diese Doktrin sah im „Unternehmensvertrag“ die Voraussetzung für legitime Konzernherrschaft8. Doch zunächst einmal zur Frage, wieso sprechen wir vom Steuerrecht als (unerwünschter) Quelle des Konzernrechts, wenn doch gerade das Steuerrecht mit der Tatbestandsvoraussetzung eines Gewinnabführungsvertrages im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG, in § 14 Abs. 1 KStG an das Konzernrecht anknüpft? Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es umgekehrt das Steuerrecht war, das das Rechtsinstitut des Vertragskonzerns entwickelte und gestaltete, also in massivster Weise in das Konzernrecht hineinwirkte. Wir kennen das auch sonst im Steuerrecht: Es macht sich vom Zivilrecht abhängig, wirkt aber auf das Zivilrecht zurück. Als Beispiel mag der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG dienen; die Steuerbilanz wirkt gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG auf dem Weg über die sog. „umgekehrte Maßgeblichkeit“ der Steuerbilanz auf die Handelsbilanz ein. Es kommt zur Prädominanz des Steuerrechts bei der Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten9, die um steuerlich wirksam zu werden, in der Handelsbilanz ausgeübt werden müssen, wodurch der Handelsbilanz „zweckwidrige Werte aufgenötigt“ werden10.

Das wechselvolle Schicksal der Mehrmütterorganschaft ist ein deutliches Beispiel11 für eine im Extremfall wahrhaft zerstörerische Wirkung des Konzernsteuerrechts auf das Konzernrecht: Zu Zeiten, als gesellschaftsrechtlich die Abhängigkeit zu mehreren Unternehmen noch nicht für möglich gehalten wurde, verlangte die Finanzverwaltung den Abschluss des Gewinnabführungsvertrages von der – zwischen den mehreren Muttergesellschaften zur Willenskoordination ihrer Beherrschung zu bildenden – BGB-Gesellschaft als Organträger mit der Organgesellschaft12.

__________ 6 Priester, Gesellschaftsrechtliche Grundlagen der Organschaft, in Herzig (Hrsg.), Organschaft, 2003, S. 39. 7 Karsten Schmidt, JbFfStR 2004/2005, S. 467. 8 Vgl. dazu Karsten Schmidt, JbFfStR 2004/2005, S. 468. 9 Vgl. Raupach in FS Moxter, 1994, S. 101. 10 Schildbach, Maßgeblichkeit – Rechtslage und Perspektiven, BB 1989, 1451. 11 Vgl. zum Ganzen Kirchhof/Raupach, Die Unzulässigkeit einer rückwirkenden gesetzlichen Änderung der Mehrmütterorganschaft, DB Beilage Nr. 3/2001. 12 BMWF v. 30.12.1971 (sog. Organschaftserlass), BStBl. I 1972, S. 2, Anhang Tz. 10.

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Die Finanzverwaltung13 und der BFH14 hielten an der BGB-Gesellschaft als Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrages auch dann noch fest, als die übereinstimmende höchstrichterliche Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht15, Betriebsverfassungsrecht16 und Wettbewerbsrecht17 längst die mehrfache Beherrschung anerkannt hatte, so dass der Gewinnabführungsvertrag mit der Organgesellschaft nach allgemeiner Meinung gesellschaftsrechtlich von den mehreren Muttergesellschaften (und nicht der GbR) zu schließen war. Die Finanzverwaltung verlangte also den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG mit der GbR als dafür gesellschaftsrechtlich unzuständiger Innengesellschaft. Als der BFH seine Rechtsprechung änderte und dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung folgend auch im Ertragsteuerrecht die mehrfache Beherrschung anerkannte18, so dass der Gewinnabführungsvertrag von den mehreren Müttern abzuschließen war (statt von der GbR), wies die Finanzverwaltung in einem Nichtanwendungserlass19 die nachgeordneten Behörden zur Untätigkeit an20, um im Wege einer rückwirkenden Gesetzgebung die alte Rechtspraxis (vor der geänderten BFH-Rechtsprechung) wieder herstellen zu können. Dies geschah dann auch durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20. Dezember 2001; eine Verfassungsbeschwerde dagegen ist anhängig21. Im Gefolge wurde dann die Mehrmütterorganschaft durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16. Mai 2003 (StVergAbG) ab dem Veranlagungszeitraum 2003 gänzlich abgeschafft. Seither gibt es auf dem Gebiet der Kapitalgesellschaftskonzerne keine ertragsteuerlich anerkannten Gemeinschaftsunternehmen mehr; ein für Kapitalgesellschaften wichtiges Kooperationsinstrument ist damit entfallen22. 2. Die Entwicklung des Vertragskonzerns in Deutschland unter Einfluss des Steuerrechts Nach dem Referentenentwurf zum späteren AktG 1965 vom Sept. 1958 sollten Geschäftsleiter eines herrschenden Unternehmens, die die abhängige

__________ 13 Abschn. 52 Abs. 6 KStR 1995. 14 BFH v. 14.4.1993 – I R 128/90, BStBl. II 1994, S. 124: (gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Mehrmütterorganschaft) durch Verweis auf Abschn. 52 KStR. 15 BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, BGHZ 62, 193. 16 BAG v. 30.10.1986 – 6 ABR 19/85, 6 ABR 53, S. 287. 17 BGH v. 30.9.1986 – KVR 8/85, NJW 1987, 1639. 18 BFH v. 9.6.1999 – I R 43/97, BStBl. II 2000, S. 695; BFH v. 9.6.1999 – I R 37/98, BFH/NV 2000, 347. 19 BMF v. 4.12.2000, BStBl. I 2000, S. 1571. 20 Vgl. Raupach, Vom Nichtanwendungs- zum Untätigkeitserlass – Dargestellt am Beispiel des Untätigkeitserlasses zur Mehrmütterorgangesellschaft –, in FS Kruse, 2001, S. 253. 21 Az.: 1 BvR 1138/06. 22 Vgl. dazu Raupach/Burwitz, Gestaltungsüberlegungen nach Abschaffung der Mehrmütterorganschaft, DStR 2003, 1901.

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Gesellschaft „durch Weisungen zu einer Maßnahme der Geschäftsführung“ bestimmten, gesamtschuldnerisch mit dem herrschenden Unternehmen für den daraus entstehenden Schaden haften23. Diese verschuldensunabhängige Haftung sollte verhindern, „dass ein herrschendes Unternehmen außerhalb der Gesellschaftsorgane Leitungsmacht ausübt, ohne die außenstehenden Aktionäre und die Gläubiger durch den Abschluss eines Unternehmensvertrages gesichert zu haben“24.

Der Referentenentwurf wurde freilich nicht Gesetz, es kam also nicht zu der beabsichtigten „Ächtung“ des faktischen Konzerns, vielmehr zu einem Kompromiss. Karsten Schmidt bemerkt dazu25, „Überzeugend gesetzlich geregelt ist der Vertragskonzern. Aber mit dem faktischen Konzern können wir nur schwer umgehen. Noch schwieriger wurde es beim qualifizierten faktischen Konzern. Dieses behandelte man wie einen Vertragskonzern. Das ist im Grunde die Entwicklung, die das deutsche Konzerngesellschaftsrecht bestimmt hat. Wenn wir uns von dieser Entwicklung entfernen wollen, dann wird das möglicherweise zu einer explosionsartigen Demontage des Konzernrechts führen.“

Zu dieser „Demontage“ später; zurück zum Vertragskonzern: Das Steuerrecht lieferte nicht nur das rechtstheoretische Instrumentarium des Vertragskonzerns, sondern verhalf rechtstatsächlich der Doktrin des Vertragskonzerns zur Durchsetzung: Zu Zeiten, in denen es noch keine gesetzliche Vorgabe für den Gewinnabführungsvertrag mit Verlustübernahmeverpflichtung (Ergebnisabführungsvertrag) gab, war die Kautelarjuristerei26 gezwungen, die inhaltlichen Voraussetzungen der Gewinnabführung und Verlustübernahme vertraglich zu formulieren. Obwohl das RG vor dem ersten Weltkrieg Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in ständiger Rspr. für nichtig erklärt hatte27, setzten sie sich seit den 20er Jahren unter dem Einfluss des Steuerrechts durch28. Eine gesetzliche Regelung brachte erstmals § 256 AktG 1937. Der Wunsch nach Vermeidung der Doppelbelastung konzerninterner Beteiligungserträge29 und nach sofortigem ertragssteuerlichem Verlustausgleich im Konzern30 waren die nicht zu überschätzenden Triebfedern für Gestaltung und Abschluss von Gewinnabführungsverträgen. Angesichts dieses steuerlichen Anreizes bedurfte es des im Referentenent-

__________ 23 24 25 26 27 28 29 30

Zitiert nach Kropff in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, vor § 311 AktG Rz. 11. S. Fn. 23. Karsten Schmidt, JbFfStR 2004/2005, S. 468. Vgl. dazu Ehrlinghagen, Der Organschaftsvertrag mit Ergebnisausschlussklausel im Aktienrecht, 1960. Vgl. RGZ 82, 38, 217. Vgl. Meilicke in Anwaltkomm. Aktienrecht, 2003, Einl. §§ 291–310 AktG Rz. 37 ff. Vgl. Herzig in Herzig (Fn. 6), S. 4: die Organschaft trat im klassischen KSt.-System als weiteres Konzernsteuerrechtinstitut neben das sog. Schachtelprivileg, das Erträge aus Beteiligungen von der KSt. freistellt. Zu den wirtschaftlichen Konsequenzen der Organschaft, insbesondere zu den typischen Vorteilen der ertragsteuerlichen Organschaft vgl. Prinz, Wirtschaftliche Konsequenzen der Organschaft, in Herzig (Fn. 6), S. 545, 549–552.

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wurfs zum AktG 1965 vorgesehenen Drucks zum Abschluss von Unternehmensverträgen gar nicht mehr. Das deutsche Konzernrecht ist seither bestimmt vom Vertragskonzern. Priester hat dies kürzlich31 wie folgt zusammengefasst: „Gewinnabführungsverträge sind bisher aus dem deutschen Konzernrecht nicht wegzudenken. Sie können eine Remedur gegenüber den Unwägbarkeiten faktischer Konzernierung darstellen. Vor allem aber bilden sie den dezidierenden Schlussstein zur Begründung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.“

3. Die Entwicklung der körperschaftsteuerlichen Organschaft in Deutschland32 Das Rechtsinstitut der steuerlichen Organschaft nahm folgende Entwicklung: Die Rechtsprechung zunächst des Preußischen OVG33, danach die des Reichsfinanzhofs34 hatte aus der Abhängigkeit einer Untergesellschaft auf deren Angestellteneigenschaft geschlossen (sog. „Angestelltentheorie“) und für das Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerrecht eine faktische Abhängigkeit i. S. einer finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung genügen lassen. In der Folge hatte der RFH für den körperschaftsteuerlichen Gewinn- und Verlustausgleich neben der faktischen Organschaft einen zunächst als schuldrechtlich später als gesellschaftsrechtlich, d. h. organisationsrechtlich eingeordneten Gewinnabführungsvertrag gefordert; ohne Verzicht auf das Bild des Angestellten ging damit die Angestelltentheorie in der Zurechnungstheorie auf35. Der Gesetzgeber folgte in KStG 1969 der Rspr. und entschloss sich zur „Zurechnungstheorie“, d. h. der aktienrechtliche Gewinnabführungsvertrag ist lediglich (Tatbestands-)Voraussetzung der körperschaftsteuerlichen Organschaft; die steuerliche Rechtsfolge besteht dagegen nicht in der handelsrechtlichen Gewinnabführung, sondern in der Zurechnung des steuerlichen Einkommens der Organgesellschaft auf den Organträger (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Die gesetzliche Verankerung des Abschlusses eines Gewinnabführungsvertrages auch für die gewerbesteuerliche Organschaft entsprach dem Wunsch der Wirtschaft, die das Ziel verfolgte, die Rechtsfolgen der gewerbesteuerlichen Organschaft nicht schon Kraft faktischer Abhängigkeit automatisch als „Zwangsorganschaft“36 eintreten zu

__________ 31 Priester, Zusammentreffen von Gewinnabführungsvertrag und stiller Gesellschaft – Dissonanz oder Konkordanz? in FS Raupach, 2006, S. 391. 32 Zur Entwicklung der steuerlichen Organschaft vgl. insbesondere SchultzeSchlutius, Die Organtheorie unter besonderer Berücksichtigung der Kapitalgesellschaften, 1956; Jurkat, Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht, 1975. 33 Preuß. OVG v. 31.5.1902, OVGSt. 10, 2. 391. 34 RFH v. 11.11.1927, RStBl. 1928, S. 2. 35 Vgl. Jurkat (Fn. 32), S. 41; zur Rechtsnatur des Gewinnabführungsvertrages BGH, NJW 1989, 295, 296. 36 Zur Zwangsorganschaft vgl. Müller-Gatermann, Einführung in die Steuerreform, in Herrmann/Heuer/Raupach, Loseblatt, Anm. R. 32.

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lassen, sondern von einem Willensentschluss, nämlich der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages abhängig zu machen. Dass – anders als im Umsatz- und ursprünglich im Gewerbesteuerrecht – für die Körperschaftsteuer die faktische Organschaft (finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung) nicht genügte, ist die Folge, des Charakters der Körperschaftsteuer als Personensteuer, die dem Trennungsprinzip folgend Kapitalgesellschaften und ihre Gesellschafter als getrennte Steuersubjekte mit eigener Leistungsfähigkeit behandelt. Die Einkommenszurechnung wird also nach §§ 14 ff. KStG gerade mit dem Leistungsfähigkeitstransfer begründet37, der einen Gewinnabführungsvertrag voraussetzen soll.

II. Wirkung des steuerrechtlichen Einflusses auf das Konzernrecht: Nationale Abgeschlossenheit und Isolierung Die Verknüpfung zwischen Konzern- und Konzernsteuerrecht durch den Gewinnabführungsvertrag und der dem deutschen Steuerrecht eigene Anreiz zu seinem Abschluss ist der Grund für eine gewisse nationale Isolierung des deutschen Konzernrechts: – Der Vertragskonzern ist den meisten Rechtssystemen fremd38, eine Ausnahme bildet Portugal39. – Da nach h. M. im Unterordnungskonzern das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft ausschlaggebend ist40, können abhängige ausländische Tochtergesellschaften in der Regel nicht Partner eines (grenzüberschreitenden) Gewinnabführungsvertrages sein. – Im umgekehrten Verhältnis zwischen ausländischer Muttergesellschaft und abhängiger inländischer Tochtergesellschaft werden Unternehmensverträge von der Rechtssprechung zwar als zulässig betrachtet41, das Körperschaftsteuerrecht erkennt aber keine ausländische Gesellschaft als Organträger an (Ausnahme, wenn die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Organträgers die Organbeteiligung hält und den Gewinnabführungsvertrag abschließt, § 18 KStG); daher sind lediglich Beherrschungs- und andere Unternehmensverträge gebräuchliche Gestaltungselemente zwischen inländischer Tochter- und ausländischer Muttergesellschaft. Die Verknüpfung von Konzern- und Konzernsteuerrecht durch den Gewinnabführungsvertrag hat jahrzehntelang die Doktrin des Vertragskonzerns ge-

__________ 37 Hey, GmbHR 2006, 113 (118); Raupach/Pohl, NZG 2005, 489 (492). 38 Vgl. dazu EU-Handbuch Gesellschaftsrecht (Stand 2002) zu den verschiedenen Staaten. 39 Vgl. Stieb in EU-Handbuch (Fn. 38), Portugal, Rz. 437 ff. 40 Statt vieler v. Bar, Internationales Privatrecht II, 1991, Rz. 649. 41 BGH, NJW 1982, 1817; BGH, NJW 1992, 2760.

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stärkt. Das Konzernrecht wurde dadurch aber auch in dem Maße „verwundbar“, indem rechtliche Zweifel an der körperschaftsteuerlichen Organschaft aufkommen konnten. Grund für solche Zweifel ist die nationale Abgeschlossenheit der körperschaftsteuerlichen Organschaft gegenüber dem Ausland, denn Organ und Organträger müssen ihre Geschäftsleitung im Inland haben, das Organ auch den Sitz (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1, Satz 1 Nr. 2 KStG). Eine ausländische Muttergesellschaft kann also weder ihre Gewinne und die ihrer inländischen Tochtergesellschaften mit Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften ausgleichen, noch eigene Verluste mit den Gewinnen der Tochtergesellschaften. Gesellschaftsrechtlich komm noch hinzu, dass inländische Muttergesellschaften (wie gesagt) regelmäßig mit gebietsfremden Tochtergesellschaften keine Gewinnabführungsverträge schließen können, weil kollisionsrechtlich das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft maßgebend ist und die nationalen Rechte Gewinnabführungsverträge nicht kennen oder nicht zulassen.

III. Hoffnungen und Befürchtungen als Folge der Rechtssache Marks & Spencer42 Als der britische High Court of Justice (England und Wales) in der Rechtssache Marks & Spencer mit einem Vorabentscheidungsersuchen vom 16.7. 2003 den Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt hatte, ob die Ungleichbehandlung von Muttergesellschaften mit inländischen und solchen mit gebietsfremden Tochtergesellschaften gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, geriet auch die deutsche körperschaftsteuerliche Organschaft EGrechtlich in Zweifel. Diese Zweifel wurden sehr schnell auch auf das deutsche Recht des Vertragskonzerns bezogen; sie führten Schön zu der Frage „Abschied vom Vertragskonzern?“43 und Karsten Schmidt44 zu dem Hinweis auf die Möglichkeiten „einer explosionsartigen Demontage“ des deutschen Konzernrechts. Dabei ist es gleichgültig, ob man den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit in der körperschaftsteuerlichen Organschaft mit national begrenzter Ergebnisabführung also im Steuerrecht sieht, oder in der Unwirksamkeit grenzüberschreitender Gewinnabführungsverträge und die Europarechtswidrigkeit damit auf das Gesellschaftsrecht verlagert45. In Österreich war die befürchtete EG-Rechtswidrigkeit einer der Anlässe das bis dahin bestehende körperschaftsteuerliche Organschaftsverhältnis mit Gewinnabführung ab 2005, zugunsten einer Gruppenbesteuerung aufzugeben, die die Zurechnung des Einkommens von der Organschaft – unter bestimmten Umständen auch ausländischer Organgesellschaften – (auf den

__________ 42 43 44 45

EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, FR 2006, 177. ZHR 168 (2004), 629–636 (Editorial). Karsten Schmidt, JbFfStR 2004/2005, S. 467. Hey, GmbHR 2006, 113 (118).

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österreichischen Organträger auf Antrag, aber ohne Gewinnabführungsvertrag) vorsieht46. Allgemein wurde von den europäischen Fisci eine Entscheidung des EuGH befürchtet und von der Wirtschaft und Teilen des Schrifttums erhofft, die das Verbot des Abzugs von Verlusten nicht gebietsansässiger Tochtergesellschaften für EG-rechtswidrig erklären würde. „Mit dem Rückenwind des EuGH schien es möglich, das seit langem als veraltet bemängelte Organschaftskonzept zu überwinden“47. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt.

IV. Keine Entwarnung durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer48 1. Mängel der EuGH-Entscheidung Der EuGH hat – nicht zuletzt aus Sorge vor einer Doppelberücksichtigung von Verlusten im Staat der Tochtergesellschaft und im Staat der Muttergesellschaft – den Ausschluss des Abzugs von Verlusten gebietsfremder Tochtergesellschaften für EG-rechtsmäßig erklärt, allerdings dürfen solche Verluste nicht definitiv werden; dazu sogleich Näheres. Die Entscheidung, die im Ergebnis den Schlussanträgen des Generalanwalts M. Poiares Maduro folgt, allerdings dabei eigene Wege einschlägt, hat ebenso wie die Schlussanträge49 Verwunderung ausgelöst50. Die Entscheidung ist in zwei zusammenhängenden Punkten unverständlich: Erstens fehlt jede Begründung dafür, warum inländische Muttergesellschaften auf den sofortigen Verlustausgleich mit ausländischen Tochtergesellschaften – darin besteht der Vorteil sowohl des Group Relief als auch der

__________ 46 Vgl. Gassner, Europarechtswidrigkeit der Organschaftsbesteuerung – Österreich ersetzt Organschaft durch eine neue Gruppenbesteuerung, DB 2003, 841. Die Gruppenbesteuerung wird in Österreich aber schon seit 1990 diskutiert (siehe Nachweise bei Gassner, a. a. O.), siehe insb. Müller, Reform der Konzernbesteuerung in Österreich – Eine zusammengefasste Besteuerung von Unternehmensgruppen, 1991; Gassner/Lang/Wiesner, Besteuerung von Unternehmensgruppen 1998, S. 165 ff. 47 Hey, GmbHR 2006, 113 (118). 48 Inzwischen liegt in einer weiteren Rechtssache (Oy AA) der Schlussantrag der Generalanwältin Juliane Kokott vor, der sich auf derselben Grundlinie bewegt wie in der Rechtssache Marks & Spencer. Er betrifft ein Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Verwaltungsgerichts in Finnland zum finnischen Konzernstrukturrecht. Danach sind Konzernbeiträge zur Deckung von innerfinnischen Verlusten abzugsfähig, wie in der Rechtssache Marks & Spencer sind grenzüberschreitende Konzerne von der Vergünstigung ausgenommen. Zur Problematik der Rechtssache vgl. Herzig/Wagner, Finnische Gruppenbesteuerung vor dem EuGH – Mögliche Folgen für die Organschaft, DB 2005, 2374. 49 Vgl. Raupach/Pohl (Fn. 37), a. a. O. 50 Vgl. Hey, GmbHR 2006, 113 (118).

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Organschaft – verzichten und erhebliche Zinsnachteile hinnehmen sollen, wenn es zweitens mit dem Rechtsinstitut einer „Nachversteuerung“ ausgeglichener ausländischer Verluste in Höhe nachfolgender ausländischer Gewinne der Tochtergesellschaft ein (z. B. in Deutschland jahrelang) erprobtes Rechtsinstitut gibt, um die Doppelberücksichtigung von Verlusten zu vermeiden. Dass der EuGH auf diese von den Verfahrensparteien vorgebrachte Alternative als „milderes“ Mittel im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung überhaupt nicht eingeht, provoziert die von Frau Hey aufgeworfene Frage „Haben die Mitgliedsstaaten den EuGH domestiziert?“51. Die Mangelhaftigkeit der Begründung des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer wird jedenfalls den wiederholt geäußerten – aber bisher eher als unsachlich beurteilten – Zweifeln an der steuerlichen Kompetenz des EuGH52 neue Nahrung geben. 2. Effektivwerden von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften Die Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer hinterlässt in der Praxis tiefe Ratlosigkeit. Dies liegt nicht zuletzt an der Einschränkung des EuGH, dass Verluste gebietsfremder Tochtergesellschaften in Folge des grundsätzlich zulässigen Verlustausgleichsverbots nicht definitiv werden dürfen. Insofern hatte die Klägerin in der Sache Marks & Spencer in der Tat einen vollen Sieg errungen, weil diese Voraussetzung im Urteilsfall erfüllt war; denn die von Tochtergesellschaften in Belgien, Deutschland und Frankreich erlittenen Verluste konnten dort nicht mehr verrechnet werden, da die französische Gesellschaft an Dritte verkauft und die deutsche und die belgische Gesellschaft ihre Betriebe eingestellt hatten. Es ist daher nicht richtig anzunehmen, die EuGH-Entscheidung verlange nur im Falle der Liquidation der gebietsfremden Tochtergesellschaft die Verlustberücksichtigung bei der Muttergesellschaft53. Verluste können auch dadurch vor den Verlustberücksichtigung im Staate der Tochtergesellschaft ausgeschlossen sein, dass eine Umwandlung oder Verschmelzung erfolgt, die übernehmende Gesellschaft aber keinen Verlustvortrag erhält. Verlustvorträge können schließlich durch die Veräußerung von Anteilen an der Tochtergesellschaft an Dritte (z. B. im Falle des § 8 Abs. 4 KStG, weil sie beim Mantelkauf ihre wirtschaftliche Identität verliert) entfallen. Entsprechendes gilt beim unzulässigen oder zeitlich begrenzten Verlustvortrag und schließlich in Mindestbesteuerungssystemen (wie z. B. nach § 10d Abs. 2 EStG), die dazu führen, dass Verluste definitiv werden.

__________ 51 Hey, GmbHR 2006, 113 (118). 52 Vgl. dazu den Tagungsbericht von Heidinger, NZG 2005, 502 (504). 53 So aber Saß, DB 2006, 123 (127).

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Die Fülle der Fallkonstellationen zeigt zugleich, dass die EuGH-Entscheidung zur „Rettung“ vor dem „Verlust von ausländischen Töchterverlusten“ für die Muttergesellschaften erhebliche Gestaltungsspielräume eröffnet. Dies setzt allerdings voraus, dass eine dem britischen Group Relief entsprechende Rechtslage besteht. Für die Bundesrepublik wird dies unter Hinweis darauf bestritten, dass nicht das Steuerrecht, sondern die konzernrechtliche Unmöglichkeit, Gewinnabführungsverträge über die Grenze abzuschließen, den Grund der Versagung des grenzüberschreitenden Verlustausgleichs darstelle. Zu Recht hat Frau Hey54 aber bemerkt, dass dieser Hinweis nicht helfe, weil er die Europarechtswidrigkeit lediglich auf das Gesellschaftsrecht verlagert. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer bedeutet daher nach allgemeiner Meinung auch für die deutsche Organschaft keine Entwarnung. Die Bundesrepublik wird gezwungen sein, effektiv werdende Verluste von Auslandstöchtern im Inland zum Abzug zuzulassen55 und sie wird dafür nicht den Abschluss von Gewinnabführungsverträgen fordern können. Sie würde dann aber inländische Tochtergesellschaften ohne Gewinnabführungsvertrag schlechter behandeln als ausländische Tochtergesellschaften. Damit stellt sich nun eben doch die Frage, nach dem Fortbestand der körperschaftsteuerlichen Organschaft mit Gewinnabführung und bei Wegfall dieses Rechtsinstituts und der damit entfallenden Anreizwirkung Gewinnabführungsverträge abzuschließen, auch die Frage nach dem Fortbestand des Vertragskonzerns.

V. Was trifft den Standort Deutschland mehr: Nichtstun oder aktiv werden? Der Jubilar ist ein gleichermaßen nachdenklicher wie temperamentvoller Rechtswissenschaftler und -praktiker. Er wird mir hier ein persönliches Statement – so hoffe ich – verzeihen. Seit Jahrzehnten hält die Chaotisierung des deutschen Steuerrechts an56. Sie geht einher mit mangelnder Planungssicherheit für die Unternehmen und führt zu einem „erstklassigen“ Standortnachteil für Deutschland. Die Führung des Bundesfinanzministeriums ist offenbar nicht einmal in der Lage, sachkundigen Rat im Hause zu ertragen57 –

__________ 54 Hey, GmbHR 2006, 113 (118). 55 Die gegenteilige Meinung im BMF-Schreiben v. 8.12.2004 – IV B 4-S-1301 USA12/04 ist m. E. durch die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer überholt; es ging davon aus, eine vom Inland aus kontrollierte Organschaft sei nicht mit einer vom Ausland aus kontrollierten Gesellschaft vergleichbar. 56 Vgl. Tipke, Steuerrecht – Chaos, Konglomerat oder System?, StuW 1971, 2; Raupach in Raupach/Tipke/Uelner (Hrsg.), Der Niedergang des deutschen Einkommensteuerrechts, 1985, S. 15–132; J. Lang, Wege aus dem Steuerchaos, Stbg. 1994, 10. 57 Vgl. Riedel, Steinbrück stellt Steuerfachmann kalt, Handelsblatt 2006 Nr. 228 S. 4.

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und das zu Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft, von der man auch im Steuerrecht weiterführende Initiativen erwartet hätte. Dazu würde es passen, wenn die vor dem EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer halb verlorene Schlacht mit all ihren Schwächen und Unsicherheiten im Gefolge als scheinbarer Sieg hochstilisiert und als Anreiz zum Nichtstun begriffen würde. Zum Thema zurück: Das Jahrzehnte alte Rechtsinstitut der körperschaftsteuerlichen Organschaft ist antiquiert. Das Organschaftskonzept ist „kein betriebswirtschaftlich neutrales Rechtsinstitut der Konzernbesteuerung“, weil es aus steuerlichen Gründen dazu zwingt, betriebswirtschaftlich nicht erforderliche Organisationseinheiten zu bilden, um Gewinne und Verluste im Konzern auszugleichen58. Es besteht erheblicher Reformbedarf59. Die ursprünglichen Abhängigkeitskriterien der organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung waren für – insbesondere internationale – Spartenkonzerne ungeeignet60. Das Merkmal der Gewinnabführung wurde im Gewerbesteuerrecht als Mittel zur bloßen Vermeidung einer Zwangsorganschaft denaturiert. Zu Recht hat Staringer die Frage aufgeworfen61, ob nicht eine finanzielle Mindestbeteiligung von 75 % mit dem jederzeitigen Verlangen nach Gewinnausschüttung und ein Antragserfordernis – ähnlich wie es jetzt die österreichische Gruppenbesteuerung vorsieht – ausreichend seien, um eine Einkommenszurechnung auf die Muttergesellschaft zu rechtfertigen. Der Einwand, es bedürfe einer vertraglichen Verpflichtung zur Gewinnabführung für die Rechtfertigung der Einkommenszurechnung, mag noch für den RFH angesichts fehlender gesetzlicher Regelungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft ein entscheidender Grund gewesen sein. Eine gesetzliche Regelung, die dies ändern würde, wäre aber sicherlich eine sachlich gerechtfertigte Konzernbesteuerung, die vor dem Gleichheitssatz Bestand hätte. Das „Zurechnungskonzept“ kommt als Ergebnis eines „historischen Kompromisses“62 in vielen Staaten zur Anwendung, die vom „Einzelbesteuerungskonzept“ bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften ausgehen, also nicht (oder nicht vollständig) zum

__________ 58 Grotherr, Kritische Bestandsaufnahme der steuersystematisch und betriebswirtschaftlichen Unzulänglichkeit des gegenwärtigen Organschaftskonzepts. Die Organschaft als lex imperfecta zur steuerlichen Erfassung der wirtschaftlichen Einheit „Konzern“, StuW 1995, 124, 134. 59 Vgl. Michel, Besteuerung und Organisation, 2001, S. 277–303. 60 Vgl. Raupach, Der inernational tätige Spartenkonzern – Organisation – Recht – Steuer, IStR 1993, 194–2860. 61 Staringer, Perspektive der Konzernbesteuerung, in DStJG 25 (2002), 73, 98. 62 Staringer, DStJG 25 (2002), 87.

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Arndt Raupach Einheitskonzept“ übergehen wollen63: Das Zurechnungskonzept findet sich in Dänemark und Österreich (seit 2005) grenzüberschreitend, sowie in Italien (seit 2004) und Luxemburg, ferner mit Annäherung an das Einheitskonzept in Frankreich, Portugal und Spanien; in Großbrittanien und Irland können Verluste übertragen werden und in Finnland Gewinne (in Form von „Konzernbeiträgen) zur Verlustabdeckung im Konzern.

Abgesehen davon ist auch der RFH den Nachweis schuldig geblieben, wieso ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag, der eine Gewinnverwendung anordnet, Grund für eine Zurechnung des erzielten Einkommens auf einen Dritten sein soll. Bekanntlich hatte der BFH später auch Bedenken, die RFH-Rechtsprechung zur körperschaftsteuerlichen Organschaft fortzuführen64. In der Tat bestehen, wie Staringer dargelegt hat65, zwei alternative Gestaltungen zur körperschaftlichen Organschaft mit Gewinnabführung: – die Einkommenszurechnung aufgrund der bloßen finanziellen Beherrschung (wie bei der österreichischen Gruppenbesteuerung) oder – eine Einheitsbesteuerung im Konzern (wie bei der niederländischen fiskale eenheid)66. Langfristig scheint mir der Weg zur Konzerneinheitsbesteuerung in der EU vorgezeigt zu sein, allerdings setzt das eine europaweit einheitliche Bemessungsgrundlage und einheitliche Zerlegungsschlüssel voraus. Hoffnungen, dass das gelinge könnte, bestehen: Unter den verschiedenen Modellen in der EU für eine konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage erscheint die common consolidated tax base (CCTB) am vorzugswürdigsten. Dabei könnte die „International Accounting Standards – starting point for a com-

__________ 63 Zu den drei Konzepten der Konzernbesteuerung und ihren Übergängen vgl. Raupach, Wechselwirkungen zwischen der Organisationsstruktur und der Besteuerung multinationaler Konzernunternehmungen in Theisen (Hrsg.). Der Konzern im Umbruch, 1997, S. 112 ff.; vgl. weiter Herzig (Fn. 6), S. 28 ff.; Dörr in Schön (Hrsg.), Überblick über die Konzernsteuerung in einzelnen EU-Staaten 2005, S. 727; Kessler, Internationale Organschaft in Dänemark, IStR 1993, 303 ff.; Mayr/Frei, Reform der Unternehmensbesteuerung in Italien, IWB Fach 5 Italien, Gruppe 2, S. 525 ff. 64 In einem Schreiben v. 4. April 1962 hatte der I. Senat des BFH an das BMF und die Spitzenverbände der Wirtschaft Zweifel an der Fortführung der Rechtsprechung des RFH geäußert, da die erforderliche gesetzliche Grundlage fehle. Der BFH führte dann zwar seine Rechtsprechung zunächst fort, sein Schreiben war aber Anlass für die Kodifizierung der körperschaftsteuerlichen Organschaft in § 7a KStG 1969 (heute §§ 14–19 KStG), vgl. dazu Raupach, Die Frage der Zurechnung im Steuerrecht als Problem der Tatbestandsverwirklichung, in FS Beisse, 1997, S. 403, 405/ 406; zu den unterschiedlichen Theorien zur körperschaftsteuerlichen Organschaft vgl. Hübl, DStZ/A 1965, 17. 65 Staringer, DStJG 25 (2002), 93 ff. 66 Mit einer originären Gesamtergebnisermittlung bei der Obergesellschaft, eingeführt 1940 durch die deutsche Besatzungsmacht (§ 27 der VO des Generalsekretärs im Finanzministerium, abgedr. im VOBl. für die besetzten niederländischen Gebiete Stück 16, ausgegeben am 3.8.1940, umgestaltet 2003).

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Das Steuerrecht – eine unerwünschte Quelle des Konzernrechts?

mon European tax base“ sein67. Solange dieses Ziel aber nicht erreicht ist, sollte der Weg eher in Richtung der österreichischen Gruppenbesteuerung gehen. Der Forderung von Linn/Reichl/Wittkowski68 habe ich nichts hinzuzufügen: „Vor dem Hintergrund der derzeit bestehenden Unwägbarkeiten ist der Gesetzgeber gehalten, durch eine europarechtstaugliche Gruppenbesteuerung wieder Rechtssicherheit zu schaffen.“

Allein – angesichts der jahrzehntelangen bisher erfolglos kritisierten steuerpolitischen Misswirtschaft in Deutschland – fehlt mir der Glaube, dass dies gelingen könnte.

__________ 67 So der Titel einer Untersuchung von Schön, European Taxation, 2004, S. 426; vgl. weiter Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung – Eigenständige Steuerbilanz und modifizierte Überschussrechnung – Gutachten für das Bundesfinanzministerium, 2004, S. 31; Raupach, Das Verhältnis zwischen Gesellschaftsrecht und Bilanzrecht unter dem Einfluss international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze, in FS Röhricht, 2005, S. 1033 (1052 ff.); Prinz in FS Raupach, Maßgeblichkeit versus eigenständige Steuerbilanz – Auswirkungen einer HGBReform auf das Steuerrecht, 2006, S. 279, S. 286 ff. 68 Linn/Reichl/Wittkowski, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung: Möglichkeiten und Grenzen, BB 2006, 630 (638).

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Die Stiftung als GmbH? Oder: Der willenlose Stifter Inhaltsübersicht I. Tummelplätze II. Worum geht es? III. Kühne Thesen IV. Wider die Willenlosigkeit des Stifters 1. Keine Kryptoargumente

2. Ein Blick ins Gesetz 3. Verteidigungslinien V. Et respice finem! VI. Dialektisches Zauberkunststück?

I. Tummelplätze Hans-Joachim Priesters akademischer Tummelplatz ist das Gesellschaftsrecht – vor allem das Recht der GmbH. Durch viele tiefgründige, aber gleichwohl stets an den Bedürfnissen der Praxis orientierte Beiträge – zuvörderst durch seine weithin beachtete Kommentierung im „Scholz“ – hat er sich dort einen Ruf wie Donnerhall erworben, und zwar sowohl im beschaulichen Hain des Akademos als auch (um es in der vom Jubilar so geschätzten Terminologie der Militärs zu sagen1) auf den Schlachtfeldern und in den Schützengräben der Rechtswirklichkeit. Ich selbst habe meine akademische Spielwiese im Stiftungsrecht. Berührungspunkte zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten meines Seniorpartners gibt es da nur wenige. Aber Hans-Joachim Priester hat sich stets freundlich für mein kleines Gärtchen interessiert2 und mehr noch: Einmal hat er sich sogar verleiten lassen, mich dort gewissermaßen zu besuchen – mit einem

__________ 1 Hans-Joachim Priester – geb. am 21. Juni 1937 – gehört zu denjenigen männlichen deutschen Staatsbürgern, die für den Dienst in der Wehrmacht, im Volkssturm oder als Flakhelfer (Gott sei Dank) zu jung waren, und für die in der neuen Bundeswehr keine Wehrpflicht bestand. Man spricht von den „Weißen Jahrgängen“. Stichtage: 1. Januar 1929 bis 30. Juni 1937. Nur wenige Tage später geboren und aus ihm wäre zweifellos ein General geworden. Immerhin: Zu seinen festen Gewohnheiten gehört es, sich beim letzten Schliff von Veröffentlichungen nach dem Vorbild eines unbekannten Marineoffiziers der 1940er Jahre (hat er in einer alten Wochenschau gesehen) die sogenannte „Gefechtszigarre“ anzustecken. Ihre durch das Büro ziehenden Schwaden signalisieren den unteren Rängen: „Der Alte hat’s mal wieder geschafft. Alles im Griff!“. 2 Priester: „Der Geheime Justizrat Dr. Franz Scholz hat im Vorwort der ersten Auflage seines Kommentars zum GmbH-Gesetz 1928 etwas sehr Schönes gesagt: ‚Jede wissenschaftliche Durchdringung eines Rechtsgebiets schafft höchste Freude, welches auch die Materie sei‘. Und in Ihrem Fall, lieber Herr Rawert, will ich ergänzen: ‚Wie klein die Materie auch sei!‘“.

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Aufsatz zur Nonprofit-GmbH in der GmbH-Rundschau des Jahres 1999, also wenn man so will einem Beitrag zur Lehre von der Körperschaft als Stiftungs(ersatz)organisation3. Hans-Joachim Priesters Beitrag ist natürlich vorzüglich gewesen. Gekonnt hat er gezeigt, wie sich die Flexibilität der GmbH, also seiner geliebten Allzweckwaffe4, durch geschickte Kunstgriffe der Kautelarpraxis geradezu in ihr Gegenteil verkehren lässt, nämlich in stiftungstypische Stabilität – um nicht zu sagen Starre. Und wie nicht selten bei seinen Beiträgen sind seit der Veröffentlichung keine wesentlich neuen Erkenntnisse geboren worden: „Mission completed!“ Ich kann den Jubilar also nicht dadurch ehren, dass ich in gemessenem zeitlichem Abstand dem Thema „noch eins draufsetze“, um auch hier wieder in der Diktion des „DiNo“5 zu bleiben. Was ich freilich tun kann, ist den Spieß umdrehen und über die Frage schreiben, ob man die Stiftung nicht umgekehrt wie eine Art GmbH ausgestalten kann – zum Beispiel als allzeit flexible Einpersonengesellschaft ihres „Stifters“ oder als eine Art Familiengesellschaft ihrer Destinatäre. Solches vertritt nämlich seit kurzem der Magdeburger Hochschullehrer Ulrich Burgard6 und hat damit bei Hans-Joachim Priester7 und auch anderenorts8 spontane Sympathie gefunden – allerdings zu Unrecht, wie ich meine und als Geburtstagspräsent näher begründen will.

II. Worum geht es? Seit Mitte der 1990er Jahre lässt sich in Deutschland ein rasanter Anstieg der Stiftungsgründungen verzeichnen. In nur etwas mehr als einer Dekade hat sich ihre Zahl verdoppelt9. Vom Mauerblümchen unter den Rechtsformen hat sich die Stiftung zum regelrechten Hit unter den Organisationsmöglichkeiten für gemeinnütziges Handeln entwickelt. Vor allem in Gestalt

__________ 3 Nonprofit-GmbH – Satzungsgestaltung und Satzungsvollzug, GmbHR 1999, 149-157. 4 Harm Peter Westermann hat sie – dem friedensbewegten Geist der 1980er Jahre entsprechend – lediglich als „Allzweck-Instrument“ apostrophiert und dies sogar mit einem Fragezeichen; vgl. Hans Martin Schmidt (Hrsg.), Pro GmbH, 1980, S. 23 ff. 5 Dienstältester Notar (zumindest im Vorstand der Hamburgischen Notarkammer – übrigens mit dem wohlklingenden Titel eines Vizepräsidenten). 6 Burgard, Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht – Zur Einführung korporativer Strukturen bei der Stiftung, 2006. 7 Die Sympathiebekundungen sind natürlich nirgends in zitierfähiger Form belegt, aber am Hamburger Ballindamm von Tür zu Tür deutlich vernehmbar kommuniziert worden: „Also ich verstehe ja nichts vom Stiftungsrecht, aber wieso soll das denn nicht gehen? Wenn der Stifter das doch so will. Interessante These!“. 8 So z.B. bei von Hippel, Grundstrukturen von Nonprofit-Organisationen, 2007, § 18. 9 Anheier, Das Stiftungswesen in Deutschland: Eine Bestandsaufnahme in Zahlen, in Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Aufl. 2003, S. 43, 73 ff.

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der modernen Bürgerstiftung10 hat sie dem guten alten Bürgerverein mittlerweile den Rang abgelaufen – zweifellos nicht zuletzt wegen der großzügigen steuerlichen Vorteile, mit denen der Gesetzgeber Zuwendungen an eine Stiftung belohnt11. Und tagtäglich entstehen hierzulande neue Initiativen, die den Gedanken dauerhafter Zweckbindung eines Vermögens mit dem Prinzip kollektiven bürgerschaftlichen Engagements zu verbinden versuchen12. Im Kern geht es stets darum, die Idee einer strengen Vermögensbindung zur nachhaltigen Verfolgung dauerhaft statuierter Zwecke breiten Bevölkerungskreisen zu vermitteln und dadurch auch solche Personen zum Stiften zu motivieren, deren finanzielle Möglichkeiten sich bislang überwiegend auf die Zahlung laufender Beiträge, beispielsweise zu Vereinen oder Spenden zu einer vom Steuerrecht erzwungenen kurzfristigen Verwendung, beschränkt haben. Dem für solche Stiftungen typischen Bestreben, eine möglichst große Zahl von Gebern zu mobilisieren, korrespondiert allerdings die Notwendigkeit, in weit größerem Maße als in der bisherigen deutschen Stiftungspraxis üblich über Partizipationsmöglichkeiten und Transparenz nachzudenken. Auch „kleine Mäzene“ wollen ernst genommen und in den Prozess der Vergabe erwirtschafteter Mittel eingebunden werden. Bis zu einem gewissen Grade erfordert das offenbar Strukturen, die verbandsähnliche Züge tragen, so zum Beispiel die Schaffung recht groß dimensionierter Organe oder gar die Einrichtung von regelrechten Stifterversammlungen, in denen jeder Stifter – zumindest ab einer bestimmten Höhe seiner Gabe – mit Sitz und Stimme vertreten sein kann, wie auch immer die Kompetenzen eines solchen Gremiums in praxi ausgestaltet sein mögen13. Aber auch dort, wo Stiftungen sich nach wie vor als das Werk von „Einzeltätern“ darstellen, wird zunehmend reklamiert, zumindest der noch lebende Stifter müsse die Möglichkeit haben, „seine“ Stiftung nach einer Phase von „trial and error“ gegebenenfalls

__________ 10 Vgl. Rawert, Bürgerstiftungen in Deutschland – Eine kritische Einführung aus juristischer Sicht, in Nährlich/Strachwitz/Hinterhuber/Müller (Hrsg.), Bürgerstiftungen in Deutschland, 2005, S. 39 ff.; ders., Bürgerstiftungen – Ausgewählte Rechts- und Gestaltungsfragen, in Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Bürgerstiftungen, 2. Aufl. 2004, S. 151 ff.; s. auch die Dissertation von Kaper, Bürgerstiftungen – Die Stiftung bürgerlichen Rechts und die unselbständige Stiftung als Organisationsform für Bürgerstiftungen, 2006. 11 Als wichtigste Regelungen sind hier zu nennen die Möglichkeit, Zuwendungen in den Vermögensstock neu gegründeter Stiftungen nach § 10b Abs. 1a EStG steuermindernd geltend machen zu können sowie die nach § 29 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG bestehende steuerliche Privilegierung von Erbschaften und Schenkungen, die gemeinnützigen Stiftungen zugute kommen; vgl. dazu Crezelius/Rawert, ZEV 2000, 421 (424 f.); Kirchhof in Kirchhof (Hrsg.), Kompaktkommentar EStG, 6. Aufl. 2006, § 10b EStG Rz. 53. Zu der geplanten Neuregelung s. Hüttemann, DB 2007, 127 (128). 12 S. www.buergerstiftungen.de. 13 Kaper (Fn. 10), S. 138 f.; Schmied, Die Bürgerstiftung in der Praxis – aus juristischer Sicht, in Strachwitz/Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 343 (346 f.).

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entsprechend besserer Erkenntnis oder neuer Vorlieben umzugestalten14, und dies womöglich nicht nur im Hinblick auf ihre Organstruktur, sondern notfalls sogar in Bezug auf ihre Individualität, nämlich ihren Zweck und das diesem gewidmete Vermögen. Nur so – will es scheinen – lassen sich wohlhabende Bürger auch noch in Zukunft motivieren, uneigennützig in das Gemeinwohl zu investieren. Gestaltungsfreiheit für Wohltäter lautet die Parole! Während das Bedürfnis nach einer von korporativen Elementen gekennzeichneten Stiftungsform von der Praxis offenbar kaum noch in Frage gestellt wird, herrscht über die Grenzen der auf dem Boden des geltenden Rechts bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten erhebliche Unsicherheit15. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit die Strenge des idealtypisch auf Mitgliederlosigkeit fixierten klassischen Stiftungsbegriffs de lege lata die Einräumung von Mitwirkungsrechten „in einer Stiftung“ gestattet. Manifest werden die Schwierigkeiten vor allem in zwei Bereichen. Erstens bei der Festlegung des Stiftungszwecks. Hat er den Organen der Stiftung einen klar umrissenen Verwaltungsauftrag zu erteilen? Oder ist es möglich, ihn so weit zu fassen, dass die Entscheidung über die Verwendung der Stiftungserträge de facto zu einem Akt körperschaftlicher Willensbildung mutiert? Und zweitens bei der Frage: Ist es dem Stifter möglich, sich selbst oder den Organen „seiner“ Stiftung die Kompetenz für Satzungsänderungen einzuräumen, und zwar nicht nur unter schon bei der Stiftungserrichtung nach Tatbestand und Rechtsfolgen genau definierten Voraussetzungen, sondern im Extremfall nach Belieben, also autonom wie im Verbandsrecht? Es ist präzise diese zweite Frage, die im Mittelpunkt der Untersuchung von Ulrich Burgard steht. Und seine Antworten sind verwegen.

III. Kühne Thesen „Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht“ heißt Burgards Schrift16. Sie ist seine Habilitation und das Ergebnis zehnjähriger Arbeit. Ihrem Untertitel „Zur Einführung korporativer Strukturen bei der Stiftung“ entsprechend geht es um die Frage, ob eine Stiftung notwendig auf den Vollzug des historischen Stifterwillens festgelegt ist, also jenen Willen, der seinen Ausdruck im ur-

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14 So sah beispielsweise der Beschlussantrag der CDU/CSU-Fraktion zum Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts, BT-Drucks. 14/2029, S. 2, II A. 5, ein Recht des Stifters vor, den Stiftungszweck zu Lebzeiten abändern zu dürfen. Die BundLänder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht – s. Bericht v. 19.10.2001, S. 41 f. – hat das allerdings abgelehnt. 15 Dazu statt vieler Muscheler in Stiftungsrecht – Gesammelte Beiträge, 2005, S. 295 ff.; Reuter, NZG 2004, 939 (940 f.). 16 S. o. Fn. 6.

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sprünglichen Stiftungsgeschäft nebst -satzung gefunden hat, oder verbandstypisch auch den Interessen der jeweils stiftungsbeteiligten Personen (Stifter, Organe, Destinatäre) dienen kann. Burgard bejaht sie in letzterem Sinne, und zwar auf der Grundlage eines im Grunde einfachen Gedankenganges17: Die bislang gängigen Typusvorstellungen von der Stiftung des BGB als einer mitgliederlosen Rechtsperson, welche kraft Auftrags eines ihr grundsätzlich wie ein fremder Dritter gegenüberstehenden Stifters ein zu einem einmal festgelegten Zweck gewidmetes Vermögen dauerhaft verwaltet, halten einem Erkenntnistransfer vom Gesellschafts- in das Stiftungsrecht nicht stand18. Entgegen der bislang herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum ist der Stifter nicht darauf beschränkt, die Struktur der Stiftung lediglich formal derjenigen einer Korporation anzunähern – so zum Beispiel durch die satzungsmäßige Verankerung von Überwachungs- und Beratungsorganen mit nach Tatbestand und Rechtsfolge definierten Kompetenzen. Vielmehr gestattet die Privatautonomie eine „Typendehnung“, mit deren Hilfe der Stifter die Verfassung „seiner Stiftung“ auch materiell derjenigen eines Verbandes annähern kann. Zumindest sofern der Stifter es in der Satzung ausdrücklich normiert, können selbst Grundlagenentscheidungen bis hin zur Zweckänderung oder gar der vollständigen Auflösung einer Stiftung in das pflichtgemäße Ermessen der Stiftungsorgane gestellt werden. Behält sich der Stifter entsprechende Kompetenzen selbst oder individuell identifizierbaren Destinatären vor, dann sind sogar vollends freie, d.h. nicht einmal pflichtgebundene Entscheidungen zulässig. Dies ist – so Burgard – Konsequenz der „rechtstheoretischen Regel“, dass autonom stets handeln darf, wer kraft materieller Betroffenheit von der Tätigkeit der Stiftung Gewähr für die Richtigkeit seiner Entscheidungen bietet – also ihr Gründer oder die von der Stiftung Begünstigten19. Die Konsequenz aus alledem ist offenkundig: Ein Stifter kann sein Vermögen in eine Stiftung einbringen und einen bestimmten Kreis von Destinatären oder sich selbst die Befugnis einräumen, die Verfassung der Stiftung einschließlich ihres Zweckes jederzeit beliebig zu ändern. Sogar die vollständige Auflösung unter Vereinnahmung des Liquidationserlöses kann beschlossen werden20. Die Befugnisse mögen nicht auf einer Mitgliedschaft im klassisch verbandsrechtlichen Sinne beruhen. Aber Mitgliedschaft wird zumindest kautelarjuristisch simuliert, und zwar bis hin zur Vererblichkeit der entsprechenden Positionen21. Die Stiftung als GmbH!

__________ 17 18 19 20 21

Burgards zentrale Thesen finden sich in § 13 seiner Schrift (S. 332-389). Burgard (Fn. 6), S. 12 f. Burgard (Fn. 6), S. 372 ff. Burgard (Fn. 6), S. 669 ff. Burgard (Fn. 6), S. 418.

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IV. Wider die Willenlosigkeit des Stifters 1. Keine Kryptoargumente Gegen Burgards Thesen lässt sich manches vorbringen, vor allem, dass sie dem Stiftungsbegriff und seiner sowohl vom historischen als auch vom Reform-Gesetzgeber des Jahres 2002 offenbar gewollten (wenn auch zugegeben nicht kodifizierten) Definition widersprechen. Noch immer nimmt die ganz herrschende Meinung auf der Grundlage einer mehr als einhundertjährigen Rechtstradition hierzulande an, dass die Einräumung von autonomen Entscheidungsrechten für Stifter, Destinatäre oder Organe, welche sich nicht lediglich als Vollzug eines einmal festgelegten Stifterwillens darstellen, auf eine „Demokratisierung“ der Stiftung hinausläuft, die ihr wesensfremd ist22. Die Stiftung mit autonom entscheidenden Organen ist nicht lediglich eine atypische Gestaltungsform à la GmbH & Co. KG oder KGaA mit juristischer Person als Komplementärin. In Wahrheit ist sie ein Fantasiegebilde, das die Grenzen zwischen Stiftung, Körperschaft und Anstalt verwischt und gegen zwingende Prinzipien unserer Rechtsordnung verstößt23, zuvörderst den Grundsatz der Maßgeblichkeit des historischen Stifterwillens24. Für Burgard sind dies natürlich „Kryptoargumente“25. Sie beruhen auf vermeintlich unbegründeten Typusvorstellungen und Institutionenlehren, die sich für ihn rationaler Gesetzesanwendung und -auslegung entziehen26. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Stifterwillens komme – das zumindest gibt er zu27 – zwar in zahlreichen Vorschriften des Bundes- und Landesrechts zum Ausdruck. Das Verbot seiner auf Anordnung des Stifters selbst erfolgenden Relativierung sei aber ein „Darum“-Argument, welches voraussetze, was es doch eigentlich erst zu beweisen gelte28. Und auch mit den Folgen seiner Lehren darf man Burgard selbstverständlich nicht konfrontieren.

__________ 22 Vgl. Muscheler (Fn. 15), S. 299 ff.; ders., ZSt 2004, 3 (8 f.); Neuhoff in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 87 BGB Rz. 7; Rawert in Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 87 BGB Rz. 21; ders. in Hopt/Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, 2001, S. 109 (128 ff.); Reuter in MünchKomm.BGB, 5. Aufl. 2006, §§ 80, 81 BGB Rz. 26, § 85 BGB Rz. 1 ff., § 87 BGB Rz. 3; ders., NZG 2004, 939 (942 ff.); Schwarz in Bamberger/Roth, BGB, 2002, § 85 BGB Rz. 4; Schwintek, Vorstandskontrolle in rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, 2001, S. 140 ff. 23 Für eine solche Gestaltung sieht unsere Privatrechtsordnung, in der es einen numerus clausus der Rechtsformen gibt, kein Organisationsmodell vor. Eine andere Frage ist, inwieweit der gesetzliche Typus im Einzelfall „Dehnungen“ zulässt. Dazu Happ, Stifterwille und Zweckänderungen – Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer Änderung des Stiftungszwecks durch Organbeschluss, Diss. Bucerius Law School, 2007, Teil 1 E II. 2. c). 24 Vgl. Borgolte, ZRG (KA) 105 (1998), 71 (84 f.); Richter, Rechtsfähige Stiftung und Charitable Corporation, 2001, S. 320 ff.; Happ (Fn. 23), ibid. 25 Burgard (Fn. 6), S. 12 f. 26 Burgard (Fn. 6), S. 55 ff. 27 Burgard (Fn. 6), S. 367. 28 Burgard (Fn. 6), ibid.

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Denn was nützte es, ihm vorzuwerfen, dass seine Einebnung rechtsformspezifischer Unterschiede zwischen Stiftung und Körperschaft die raison d’être der Stiftung im Allgemeinen und ihre steuerliche Privilegierung im Besonderen in Frage stellt. Die Antwort könnte (und würde womöglich) schlicht und einfach lauten: „Na und? Das will ich ja gerade!“ Aber trifft es wirklich zu, dass die These von der Maßgeblichkeit des (ursprünglichen) Stifterwillens auf einer petitio principii beruht? Kann der Wille des Stifters, es für die laufende Tätigkeit seiner Stiftung und sogar deren Existenz nicht auf den eigenen, sondern auf den Willen anderer ankommen zu lassen, Grundlage einer Stiftung sein? Gibt es – plakativ gesprochen – den willenlosen Stifter? Die Antwort ergibt sich aus dem BGB und ist ein klares Nein. 2. Ein Blick ins Gesetz Das eigene Verfassungsrecht der Stiftung, d. h. der Korpus jener Normen, die ihre Organisation betreffen, ohne unmittelbar auf Bundes- oder Landesrecht zu beruhen, wird nach § 85 BGB „durch das Stiftungsgeschäft bestimmt“. Dieses muss nach § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB die verbindliche Erklärung des Stifters enthalten, ein Vermögen „zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zweckes“ zu widmen und überdies eine Satzung mit Regelungen über den Namen, den Sitz, den Zweck, das Vermögen und die Bildung des Vorstands der Stiftung (§ 81 Abs. 1 Satz 3 BGB). Der Wortlaut beider Normen sowie ihr Zusammenhang sind eindeutig. Das Recht und die Pflicht, die identitätsbestimmenden Merkmale der Stiftung festzulegen, hat der Stifter. Ihm obliegt insbesondere die „Vorgabe“ (§ 81 Abs. 1 Satz 2 BGB) des Stiftungszwecks, der hinreichend bestimmt sein muss29. Welche Anforderungen insoweit bestehen, mag im Einzelnen umstritten sein30. Unstreitig ist indes, dass Zwecksetzungen wie die „Förderung des öffentlichen Wohls“ oder des „Glücks der Menschheit“ für die Anerkennung einer Stiftung als rechtsfähig nicht ausreichen31, weil sie die „maßstabbildende Funktion der Zwecksetzung“32 für die Stiftungstätigkeit nicht erfüllen. Nur auf der Grundlage einer bestimmten Zwecksetzung und der Festlegung der von § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB normierten sonstigen Aner-

__________ 29 Reuter in MünchKomm. BGB (Fn. 22), §§ 80, 81 BGB Rz. 26 f.; Schwarz in Bamberger/Roth (Fn. 22), § 81 BGB Rz. 9. 30 Vgl. einerseits Ebersbach, Handbuch des Stiftungsrechts, 1972, S. 81; Hof in Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. 1999, § 8 Rz. 11; Werner, ZSt 2006, 10; andererseits Kaper (Fn. 10), S. 70 f.; Rawert in Staudinger (Fn. 22), § 80 BGB Rz. 13 f.; Reuter in MünchKomm.BGB (Fn. 22), §§ 80, 81 BGB Rz. 27; Schwarz in Bamberger/Roth (Fn. 22), § 81 BGB Rz. 9. 31 Reuter in MünchKomm.BGB (Fn. 22), §§ 80, 81 BGB Rz. 27; Rawert in Staudinger (Fn. 22), § 80 BGB Rz. 14. 32 Burgard (Fn. 6), S. 120.

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kennungsvoraussetzungen kann die nach Landesrecht zuständige Behörde im Errichtungsstadium prüfen, ob die „… dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet“ (§ 80 Abs. 2 BGB)33 bzw. nach Verleihung der Rechtsfähigkeit überwachen, ob die Stiftungsorgane die Stiftung im Einklang mit ihrem eigenen Verfassungsrecht und den sonstigen Normen des Bundes- und Landesrechts verwalten34. Legt der Stifter einen Stiftungszweck sowie die übrigen zwingenden Merkmale der Stiftungsverfassung im Stiftungsgeschäft zwar vordergründig fest, ermächtigt er jedoch sich selbst oder die Destinatäre der Stiftung zur deren jederzeitiger und voraussetzungsloser Änderung bis hin zur vollständigen Auflösung der Stiftung, ist er in Wahrheit willenlos. Er übt seine Regelungskompetenz nicht aus35. Er delegiert sie vielmehr an Dritte bzw. sich selbst nach der Maßgabe seiner heute noch unbekannten Wünsche von morgen. Die Konsequenz ist: Schon im Moment nach der Anerkennung der Stiftung könnten beliebige Änderungen von Zweck, Vermögensanlage und Organisationsstruktur oder gar die Liquidation der Stiftung beschlossen werden. Sie möchten zu ihrer Wirksamkeit womöglich behördlicher Genehmigung nach Maßgabe des Landesrechts bedürfen36. Würden die verfahrensrechtlichen Spielregeln der Beschlussfassung indes eingehalten, wäre die Genehmigung zu erteilen. Materielle Maßstäbe wie eine erneute Lebensfähigkeitsprognose nach § 80 Abs. 2 BGB kennt das Landesrecht nicht37. Und selbst wenn es sie kennte: Wo nach Burgard´scher Gebrauchsanweisung bei formal ordnungsgemäßem Verfahren sogar die Ermächtigung zur vollständigen Auflösung der Stiftung besteht, müsste a majore ad minus jede andere verfassungsändernde Maßnahme erst recht zulässig sein und womöglich gar der satzungsdurchbrechende Beschluss, der aufgrund der gleichen Logik zu genehmigen wäre. Nicht nur der Wortlaut der §§ 80, 81 und 85 BGB streitet mithin gegen Burgards Thesen. Auch Existenz und Funktion der Stiftungsaufsicht als einer Kontrollinstanz für rechtmäßiges Organverhalten werden sinnlos38. Die Verfassung der Stiftung, soweit sie auf Bundes- und Landesrecht beruht (§ 85

__________ 33 So genannter „Lebensfähigkeitsvorbehalt“, dazu Reuter in MünchKomm.BGB (Fn. 22), §§ 81, 82 BGB Rz. 49. 34 Zur Funktion der Stiftungsaufsicht statt vieler Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, S. 47 ff. 35 Reuter in MünchKomm.BGB (Fn. 22), § 85 BGB Rz. 2 f. 36 Vgl. beispielsweise die Genehmigungsbedürftigkeit von Zweckänderungen nach den Landesstiftungsgesetzen: § 14 Abs. 2 StiftGBaWü; § 5 Abs. 1 BlnStiftG; § 10 Abs. 1 StiftGBbg; § 8 Abs. 2 BremStiftG; § 7 Abs. 3 HmbStiftG; § 9 Abs. 1 HessStiftG; § 7 Abs. 3 NdsStiftG; § 5 Abs. 2 StiftGNRW; § 8 Abs. 3 StiftGRhPf; § 7 Abs. 3 SaarlStiftG; § 21 Abs. 3 StiftGSa; § 5 Abs. 2 StiftGSchlH; § 21 Abs. 3 StiftGThü; § 21 Abs. 3 StiftGSaAnh; s. dazu auch Burgard (Fn. 6), S. 359 f. 37 Vgl. Reuter, AcP 207 (2007), 1, 12 ff. 38 Reuter in MünchKomm.BGB (Fn. 22), § 85 BGB Rz. 1; vgl. auch Suerbaum, ZSt 2004, 3 (7).

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BGB), setzt das Prinzip der Maßgeblichkeit des ursprünglichen Stifterwillens voraus. Und folglich hat das BVerwG im Anschluss an das OVG Bremen39 für den Fall einer nicht an genau bestimmte Voraussetzungen gebundenen Zweckänderung durch die Organe einer Stiftung bereits vor Jahren mit Recht entschieden, dass sie schlicht und einfach unzulässig ist: „Auch wenn in der zu ändernden Stiftungssatzung eine Änderung der Stiftungssatzung zugelassen ist, entbindet dies die Stiftungsaufsicht nicht von der Beachtung des für den Bestand der Stiftung konstitutiven Stifterwillens. Darum darf sie ungeachtet des Änderungsvorbehalts keine Satzungsänderung genehmigen, die auf die Neugründung einer Stiftung mit anderem Stiftungszweck hinausläuft“40. 3. Verteidigungslinien Burgard überzeugen diese Argumente natürlich sämtlich nicht. Mit den Tatbestandsmerkmalen des „vorgegebenen Zweckes“ (§ 81 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder gar dessen „dauernder und nachhaltiger Erfüllung“ (§ 80 Abs. 2 BGB) befasst er sich im Zusammenhang mit Verfassungsänderungen erst gar nicht. Und dem Hinweis auf den Wortlaut des § 85 BGB hält er entgegen, eine solche Auslegung des Begriffes „bestimmt“ heiße die Norm überinterpretieren. Das erweise bereits ein „schlichter Blick in § 25 BGB, der § 85 BGB entspricht“41. Aber das Argument verfängt nicht. Denn der Blick auf die zitierten Normen offenbart etwas vollkommen anderes. In § 25 BGB heißt es wörtlich: „Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung“ bestimmt. § 85 BGB hingegen sagt: „Die Verfassung einer Stiftung wird, soweit sie nicht auf Bundes- oder Landesrecht beruht, durch das Stiftungsgeschäft bestimmt“42. Entscheidend ist also nicht die Gleichheit des Verbums „bestimmt“, wie Burgard glauben machen will. Worauf es in Wahrheit ankommt, ist vielmehr der Unterschied zwischen Vereins-„Satzung“ und Stiftungs-„Geschäft“. Mit Recht hat schon Pennitz darauf hingewiesen, dass der seit 2002 in § 81 Abs. 1 Satz 3 BGB verwendete Begriff der „Stiftungssatzung“ vom historischen Gesetzgeber des § 85 BGB bewusst vermieden wurde43. Das geschah in der Absicht, den Unterschied zwischen dem Entstehungsgrund von Vereins- und Stiftungsverfassung deutlich zu machen44. Die klare Unterscheidung zwischen dem Geltungsgrund der Verfassung einer mitgliedschaftlich verfassten Körperschaft und der mitgliederlosen Stiftung

__________ 39 40 41 42 43

OVG Bremen, StiftRspr. IV 127, 129 f., 131. BVerwG, NJW 1991, 713. Burgard (Fn. 6), S. 358. Hervorhebungen durch den Verfasser. Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Band 1, Allgemeiner Teil, 2003, §§ 80-89 BGB, Rz. 28 f. 44 Vgl. auch Reuter, NZG 2004, 939 ff.

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ist im Wortlaut des Gesetzes also explizit angelegt. Und folglich ist es nicht „paradox“ – wie Burgard meint45 –, dass um des Schutzes der privatautonomen Entscheidung des Stifters willen regelmäßig auch er selbst seiner Stiftung nach einmal erfolgter Anerkennung wie ein fremder Dritter gegenübersteht. Es ist vielmehr Ergebnis einer bewussten legislatorischen Entscheidung46, die auch im Rahmen der Stiftungsrechtsreform des Jahres 2002 noch einmal Bestätigung gefunden hat47. Für Burgard ändert das allerdings nichts an seiner These. Den Hinweis darauf, dass § 85 BGB keinen Ermächtigungsvorbehalt zugunsten der Stiftungsorgane enthält, schiebt er mit dem Bemerken beiseite, dieser Vorbehalt sei – man möchte fast sagen „notfalls“ – in § 86 Satz 1 i.V.m. §§ 27 Abs. 3, 665 BGB „versteckt“48. Satzungsänderungen seien demnach zulässig, wenn die aktuelle Sachlage von den Annahmen des historischen Stifters und seinen Anordnungen in der Stiftungsverfassung abweiche und die unveränderte Befolgung der Stiftungsverfassung gemessen am objektiven Stifterwillen nicht mehr interessengerecht sei. Das allerdings ist eine eigenwillige Interpretation des § 665 BGB. Denn so sehr der Beauftragte berechtigt sein mag, im Rahmen des Auftrages von Weisungen seines Auftraggebers „abzuweichen“, so wenig ist er befugt, den Auftrag selbst (sprich: den Stiftungszweck) als die Grundlage der Weisungen zu ändern49. Indes: Für Skeptiker hat Burgard ein letztes Ass im Ärmel. Wolle man seiner These von der Zulässigkeit autonomer Satzungsänderungen nämlich noch immer nicht folgen, so müsse man bloß ins Landesrecht schauen. Soweit dort von § 86 Satz 1 i. V. m. §§ 27 Abs. 3, 665 BGB bzw. § 87 BGB abweichende materielle Voraussetzungen für Grundlagenänderungen geregelt seien, beträfen diese nicht nur deren öffentlich-rechtliche Genehmigungsvoraussetzungen, sondern auch die Bedingungen für eine zivilrechtliche Wirksamkeit. Und diese wiederum machten sie – man möchte hinzufügen: ganz im Sinne der Burgard’schen Theorie – vornehmlich von den Regelungen des Stiftungsgeschäfts bzw. der Stiftungssatzung abhängig, gewährten also weitgehende Gestaltungsfreiheit50. Burgards Argument verkennt allerdings, dass das Bundesrecht mit § 87 BGB zumindest für die Fälle der Zweckänderung oder Auflösung einer Stiftung eine abschließende Regelung enthält51, und zwar nicht nur für hoheitliche Maßnahmen, sondern auch für solche, die

__________ 45 46 47 48 49

Burgard (Fn. 6), S. 368. Zur rechtshistorischen Entwicklung Richter (Fn. 24), S. 319 ff. Nissel, Das neue Stiftungsrecht, 2002, Rz. 198 ff. Burgard (Fn. 6), S. 358. Burgard räumt das an anderer Stelle (S. 348) zwar ein. Aber es wundert den Leser, wenn er mit Burgards „Entdeckung“ an einer Stelle konfrontiert wird, an welcher der Autor nach eigenem Bekunden die Zulässigkeit „autonomer Grundlagenänderung“ diskutiert (S. 357). 50 Burgard (Fn. 6), S. 341 ff., 358 f. 51 Happ (Fn. 23), 1. Teil G. III. 2. b).

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durch Organbeschluss erfolgen sollen. Das galt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers schon vor der Stiftungsrechtsreform des Jahres 200252. Es gilt seither aber erst recht, weil es ein zentrales Anliegen der Reformdebatte war, das Landesrecht auf ein reines Aufsichtsrecht zu reduzieren53. Und deshalb verstoßen Normen des Landesrechts, die eine Änderung des Stiftungszwecks oder eine Auflösung der Stiftung an geringere Voraussetzungen knüpfen als jene, die § 87 BGB normiert, gegen Art. 72 Abs. 1 GG. Sie sind folglich verfassungswidrig54. Was bleibt ist am Ende die Frage nach der Legitimation der Stiftungsaufsicht. Wozu bedarf es ihrer noch, wenn der historische Stifterwille, den sie nach herrschender Meinung schützen soll, dem gleichsam mitgliedschaftlich gebildeten Willen eines aktuellen Stifters oder einer Destinatärsgemeinschaft gewichen ist? Was ist Sinn und Zweck einer staatlichen Rechtskontrolle, deren Grundlage von den Organen der zu überwachenden Stiftung jederzeit geändert und der Aufsicht damit entzogen werden kann? Und Burgards Antwort darauf: „[Der] Schutz des Rechtsverkehrs vor nicht durch Eigentümerinteressen kontrollierten Rechtsträgern“55 – also mit anderen Worten: Der Mangel an Richtigkeitsgewähr für die Entscheidungen der Stiftungsorgane. Das ist ein großartiges Argument aus der Feder eines Autors, der als zentralen Baustein seiner Begründung für die Zulässigkeit von autonomen Satzungsänderungen durch Stifter und konkret bestimmte Begünstigte nur ein paar Seiten später deren „Betroffensein in Eigeninteressen“56 – sprich: mitgliedschafts- bzw. gar eigentumsähnliche Rechtspositionen – ins Feld führt.

V. Et respice finem!57 Nun mag man sich die Frage stellen, was denn an Burgards Modell einer korporativ verfassten Stiftung58 so schlimm ist – einmal abgesehen davon, dass es geltendem Recht nicht entspricht. Die Destinatärsgemeinschaft, die er zum korporativen Organ der Stiftung erklären will, ist vor dem Hinter-

__________ 52 Happ (Fn. 23), ibid.; Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, S. 33. 53 Schwarz DStR 2002, 1718 (1719); vgl. auch Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019 ff. (2023). 54 So zutreffend Reuter in MünchKomm.BGB (Fn. 22), § 85 BGB Rz. 4 f.; Happ (Fn. 23), 1. Teil G. III. 2. 55 Burgard (Fn. 6), S. 360. 56 Burgard (Fn. 6), S. 372 ff. 57 Hans-Joachim Priester ist Absolvent der traditionsreichen und 1529 von Johannes Bugenhagen gegründeten Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg („Wo gehen Ihre Kinder eigentlich zur Schule, Herr Rawert? Wie – Gymnasium Oberalster? Schickt man seine Kinder da heutzutage hin? Ach stimmt ja: Kollege und Erster Bürgermeister a. D. Dr. Voscherau hat dort Abitur gemacht. Na dann!“). Deshalb liebt Hans-Joachim Priester es lateinisch (und zuweilen auch griechisch): Difficile est satiram non scribere (Juvenal)! 58 Burgard (Fn. 6), S. 655 ff.

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grund des deutschen Steuerrechts ein Randphänomen. Mehr als 95 % der Stiftungen hierzulande verfolgen gemeinnützige Zwecke, so dass für sie ein nach bestimmten persönlichen Merkmalen beschriebener Kreis von Begünstigten a limine nicht in Betracht kommt59. Allenfalls im Rahmen von Familienstiftungen60 mag sie eine Rolle spielen. Aber gerade Familienstifter denken meist dynastisch und daher nicht im Traum daran, ihren Abkömmlingen die Entscheidung über das Silber der Ahnen in die Hand zu geben. Und selbst wenn sie es denn täten: Rein ordnungspolitisch betrachtet umso besser! Denn kaum etwas läuft dem Gedanken einer auf den Gesetzen des Marktes und der Möglichkeit jeder Generation zu eigenverantwortlicher Entscheidung gründenden Wirtschaftsordnung mehr zuwider, als ein von toter Hand gesteuertes Privatvermögen, das im rein privaten Interesse eines (eitlen) Verstorbenen der zeitgerechten Verfügung durch seine wirtschaftlich Begünstigten dauerhaft entzogen ist61. Nein: Das wahre Problem von Burgards Modell ist der willenlose Stifter. Mit der Burgard’schen Gebrauchsanweisung in der Hand62 kann er aus „seiner“ Stiftung eine Quasi-Einmann GmbH machen. Deren „Flexibilität“ (um nicht zu sagen „Zwecklosigkeit“) vermag er noch über seinen Tod und sein natürliches „Betroffensein in Eigeninteressen“ hinaus perpetuieren, indem er auf kautelarjuristischem Wege vererbliche Stifterrechte kreiert63 oder selbst erst gar nicht als Stifter auftritt, sondern zwischen sich und „seine“ Stiftung eine im Grundsatz unsterbliche juristische Person stellt. Man denke zum Beispiel an eine von ihm und später seinen Rechtsnachfolgern beherrsch-

__________ 59 S. § 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 60 Zum Begriff der Familienstiftung: Ebersbach, Handbuch des Stiftungsrechts (Fn. 30), S. 29; Sorg, Familienstiftung – Wesen, Probleme, Gestaltungsvorschläge für die Praxis, 1984, S. 28 f.; Rawert in Staudinger (Fn. 22), Vorbem zu §§ 80 ff. BGB Rz. 123. 61 Das haben die klugen Angelsachsen, die hierzulande in Stiftungsangelegenheiten gerne als Vorreiter zitiert werden, schon vor vielen hundert Jahren erkannt, und ihre „Familienstiftungen“, die „private trusts“ deshalb einer strengen zeitlichen Bindung unterworfen – der sog. rule against perpetuities: „… perpetuities fight against God, by affecting a stability which human providence can never attain to, and are utterly against the reason and policy of the common law.“ Howard v. Duke of Norfolk [1681] 2 Swans. 454, 480 per Lord Nottingham. Und man möchte für Hans-Joachim Priester, dem dynastisches Denken nicht völlig fern liegt, hinzufügen, dass Lord Nottingham zwar Ausländer, aber kein Kommunist war. 62 Burgard (Fn. 6), S. 669 ff. 63 Burgard (Fn. 6), S. 418.

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te GmbH. Setzen sich Burgards Thesen durch, so ist zu befürchten, dass die deutsche Stiftungslandschaft künftig von Konstrukten beherrscht wird, deren Hypertrophie ihr den bislang guten Ruf als Schauplatz einer besonders nachhaltigen Gemeinwohlpflege zugunsten gleichsam liechtensteinischer Verhältnisse rauben. Die Steuervorteile, die Stiftern hierzulande wegen64 oder zumindest in Folge der Mitgliederlosigkeit von Stiftungen65 gewährt werden, würden ad absurdum geführt. Aber wie schon gesagt: Womöglich ist das alles ja gewollt. Man fragt sich nur: Warum?

VI. Dialektisches Zauberkunststück? Dieter Reuter hat Burgards These, die Verfassung einer Stiftung könne durch das Stiftungsgeschäft dergestalt bestimmt werden, dass sie ohne inhaltliche Bindung der Bestimmung durch die Organe überantwortet werde, als eine Art „dialektisches Zauberkunststück“ bezeichnet66. Der Vergleich ist bildhaft. Aber leider hinkt er. Zauberkunst ist die in Unterhaltungsabsicht erfolgende scheinbare (!) Überwindung der Natur- und Denkgesetze67. Was Burgard hingegen unternimmt, ist – die Frage nach dem Unterhaltungswert seiner Schrift beiseite gelassen – der Versuch einer realen Umkehrung des Stiftungsrechts und seiner Gesetze. Das ist nicht bloß fröhlicher Hocus Pocus. Es grenzt vielmehr an magia illicita. Ein Priester sollte für so etwas keine Sympathien hegen. Nein: Er sollte den Riemen schnallen und dagegen mobil machen. Und nicht nur er!

__________ 64 Crezelius/Rawert, ZEV 2000, 421 (425); dies., ZIP 1999, 337 (346); zustimmend Kirchhoff (Fn. 11), § 10 b EStG Rz. 53. 65 Hüttemann, Non Profit Law Yearbook 2001, S. 145 (157 ff.); ders., DB 2007, 127 (128). 66 Reuter in MünchKomm.BGB (Fn. 22), § 85 Rz. 3. 67 Vgl. Rawert, Scot, Decremps und Hoffmann – Drei Juristen und ihre Zauberbücher, in Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, 2003, S. 845 (846); ders., Hocus Pocus – Geschichten von alten Zauberbüchern, 2004, S. 3 – jeweils m.w.N.

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Die Bedeutung des Ausgleichsanspruchs in einem Unternehmensvertrag für die im Rahmen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährende Kompensation Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Konsequenzen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme für den Ausgleichsanspruch aus § 304 AktG III. Stand der Diskussion zur Bedeutung des Ausgleichsanspruchs 1. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs 2. Thesen zum Ansatz des Wertes der entfallenden Ausgleichszahlungen a) Barwert der Ausgleichszahlungen als allein maßgeblicher Wert b) Barwert der Ausgleichszahlungen als Mindestwert IV. Kritische Würdigung 1. Der für die nachfolgende Strukturmaßnahme maßgebliche Stichtag a) Stichtag des Unternehmensvertrages b) Stichtag der nachfolgenden Strukturmaßnahme

c) Kein abweichender Stichtag bei vorangehendem Unternehmensvertrag 2. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs bei der Bestimmung des objektiven Wertes der Unternehmensanteile a) Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs b) Keine Berücksichtigung des Wegfalls der Ausgleichsverpflichtung 3. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs bei der Aufteilung des Unternehmenswertes auf die einzelnen Aktien 4. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs nach der Konzeption des BVerfG 5. Kein Anspruch auf Abfindung des Ausgleichs in bar V. Zusammenfassung

I. Einleitung Nach dem Erwerb der Mehrheit an einer Aktiengesellschaft besteht die vordringlichste Aufgabe des Investors regelmäßig darin, die abhängige Gesellschaft in seinen Unternehmensverbund zu integrieren. Um Synergiepotentiale realisieren zu können, wird deshalb meist zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag (im Folgenden „Unternehmensvertrag“) mit der abhängigen Gesellschaft geschlossen. Sofern in der Folgezeit die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft erhöht werden kann, folgt dem Unternehmensvertrag oft ein Ausschluss der noch verbliebenen Minderheitsaktionäre nach, der heute weit gebräuchlicher ist als die Mehrheitseingliederung gem. § 320 Abs. 1 AktG. In anderen Fällen 661

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können unternehmerische Gründe dafür sprechen, dem Unternehmensvertrag eine Verschmelzung folgen zu lassen. In solchen Fällen stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Ausgleichsanspruch aus dem Unternehmensvertrag bei der Festsetzung der Kompensation für die nachfolgende Strukturmaßnahme zukommt. Im Schrifttum findet sich zu dieser Problematik zwar eine Vielzahl von Stellungnahmen1. Bisher gibt es aber nur wenige, teilweise konträre Gerichtsentscheidungen, die sich ausdrücklich hierzu äußern2. Die jüngeren Entscheidungen3 sollen deshalb zum Anlass genommen werden, diesem Thema nachzugehen. Hierzu werden vorab in der gebotenen Kürze die Konsequenzen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme für den Ausgleichsanspruch (II.) und sodann der Stand der Diskussion zur Bedeutung des Ausgleichsanspruchs für die im Rahmen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährende Kompensation dargestellt (III.). Anschließend folgt eine kritische Auseinandersetzung mit der teilweise vertretenen Ansicht, dass der Ausgleichsanspruch aus dem Unternehmensvertrag bei der Festsetzung der nachfolgenden Kompensation zu berücksichtigen sei (IV.).

__________ 1 Vgl. Kropff, DB 1962, 155 (157 f.); Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (214 ff.); Westermann in FS Schilling, 1973, S. 271 (284 ff.); Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 141 ff.; Kley, Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S. 159 ff., 181; Naraschewski, DB 1997, 1653 (1656 f.); Vossius, in FS Widmann, 2000, S. 133 (142); ders., ZIP 2002, 511; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 277 ff.; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 441 ff.; Grüner, Die Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, 2003, S. 168 ff.; Hasselbach in KölnKomm.WpÜG, 1. Aufl. 2003, § 327b AktG Rz. 22; Tebben, AG 2003, 600 (604 ff.); Koppensteiner in KölnKomm.AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 AktG Rz. 23, § 327b AktG Rz. 7 Fn. 24; Puszkajler in KölnKomm.SpruchG, 1. Aufl. 2005, § 11 SpruchG Rz. 45, 49; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 304 AktG Rz. 22, 75; Popp, Wpg 2006, 436 (444 f.). 2 Vgl. BVerfG, WM 2003, 1813 (1814); OLG Hamburg, AG 1980, 163 (165); OLG Düsseldorf, ZIP 1990, 1333 (1335); KG, OLGR 2000, 245 ff. = NZG 2003, 644 ff.; LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 223 ff. und Konzern 2006, 553 ff.; OLG Düsseldorf, DB 2006, 2391 (2393 f.); OLG München, Beschl. v. 26.10.2006 – 31 Wx 012/06, OLGReport München 2007, 45. 3 LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 223 ff. und Konzern 2006, 553 ff.; OLG Düsseldorf, DB 2006, 2391 ff.; OLG München, Beschl. v. 26.10.2006 – 31 Wx 012/06, OLGReport München 2007, 45. Die folgenden Ausführungen geben im Wesentlichen die Argumentation wieder, die der Verfasser in dem Verfahren des OLG München vortrug. Die Entscheidung des OLG München wie auch die des OLG Düsseldorf ergingen jedoch erst nach Redaktionsschluss und konnten deshalb nur noch in den Fußnoten berücksichtigt werden.

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II. Konsequenzen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme für den Ausgleichsanspruch aus § 304 AktG Eine Verschmelzung der abhängigen mit der herrschenden Gesellschaft führt zur Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Unternehmensvertrages4. Eine Eingliederung der abhängigen in die herrschende Gesellschaft beendet einen Beherrschungsvertrag (arg. § 323 AktG), nicht aber einen Gewinnabführungsvertrag, § 324 Abs. 2 AktG. Der Ausgleichsanspruch geht aber auch in diesem Fall unter, weil die Hauptgesellschaft nicht außenstehender Aktionär ist5. Damit entfällt bei beiden Strukturmaßnahmen die Rechtsgrundlage für den Ausgleichsanspruch aus § 304 AktG, der deshalb mit Wirkung für die Zukunft erlischt6. Ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der abhängigen Gesellschaft lässt den Bestand des Unternehmensvertrages unberührt7. Die außenstehenden Aktionäre verlieren aber ihre Eigenschaft als Aktionäre der abhängigen Gesellschaft, womit eine Voraussetzung des § 304 AktG entfällt, so dass auch mit Wirksamwerden des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre der Anspruch aus § 304 AktG erlischt8.

III. Stand der Diskussion zur Bedeutung des Ausgleichsanspruchs 1. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob und ggf. in welcher Weise der Ausgleichsanspruch aus einem Unternehmensvertrag bei der Bemessung der im Rahmen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährenden Kompensation zu berücksichtigen ist. Wollte man dem Ausgleichsanspruch eine Bedeutung zumessen, bedürfte dies deshalb einer besonderen Begründung. Entsprechend sind die Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur einzuordnen. Viele Ausführungen beschränken sich auf

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4 Vgl. Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 297 AktG Rz. 39. 5 Vgl. Tebben, AG 2003, 600 (605). 6 Vgl. Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 297 AktG Rz. 55, § 304 AktG Rz. 21b; Hasselbach/Hirte in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2005, § 304 AktG Rz. 51, 54 a. E., 60; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 12; Bilda in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 304 AktG Rz. 183, 189. A. A. Westermann in FS Schilling, 1973, S. 271 (284 ff.) und Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 142 ff., wonach der Ausgleichsanspruch dann fortbestehe, wenn die abhängige Gesellschaft auf die herrschende Gesellschaft verschmolzen werde. Dagegen zutreffend Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (203 ff.); Kley, Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S. 152 ff., 178 ff.; Krieger, ZGR 1990, 517 (536); Naraschewski, DB 1997, 1653 (1656). 7 Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 327e AktG Rz. 10. 8 LG München I, AG 2006, 551 (552); LG Hamburg, ZIP 2003, 947 (950); Emmerich/ Habersack (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 21b; Hasselbach/Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 304 AktG Rz. 52; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 13.

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die Aussage, dass mit Beendigung des Unternehmensvertrages bzw. mit Ende der Aktionärseigenschaft der Ausgleichsanspruch mit Wirkung für die Zukunft entfalle9. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist bei solchen Stellungnahmen davon auszugehen, dass der Ausgleichsanspruch bei der Bemessung der im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährenden Kompensation nicht zu berücksichtigen sein soll. Nur vereinzelt finden sich Stimmen, die sich explizit dahingehend äußern10. 2. Thesen zum Ansatz des Wertes der entfallenden Ausgleichszahlungen a) Barwert der Ausgleichszahlungen als allein maßgeblicher Wert Nach dem Kammergericht und dem Landgericht Frankfurt/M. ist die im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährende Kompensation nur an Hand des Wertes der Ausgleichszahlungen (oder des ggf. höheren Börsenkurses) zu bestimmen. Die beiden Gerichte begründen dies damit, dass auf Grund des bestehenden Unternehmensvertrages kein Zusammenhang mehr zwischen dem Ertragswert des Unternehmens und dem Ertragswert der Beteiligung bestehe und verweisen dazu auf die nach dem Unternehmensvertrag bestehenden Möglichkeiten der herrschenden Gesellschaft, nachteilig auf die abhängige Gesellschaft einzuwirken11. b) Barwert der Ausgleichszahlungen als Mindestwert Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist der Barwert der entfallenden Ausgleichszahlungen als Untergrenze der im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährenden Kompensation anzusetzen12. Dafür

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9 Vgl. Liebscher, GmbH-Konzernrecht, 2006, Rz. 857; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, SchlAnhKonzernR Rz. 74; Hasselbach/Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 304 AktG Rz. 51 f., 54 a. E., 60; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 6), § 304 AktG Rz. 189, 193; Bredow/Tribulowsky, NZG 2002, 841 (845); Schiffer/Roßmeier, DB 2002, 1359. 10 Vgl. Popp, Wpg 2006, 436 (444 f.). 11 KG, OLGR 2000, 245 (246); LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 223 (225) und Konzern 2006, 553 (555 f.). Zur Berechnung des Wertes des Ausgleichsanspruchs LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 223 (226) und Konzern 2006, 553 (556 f.); Tebben, AG 2003, 600 (607 f.). 12 Vgl. Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 22, 75; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 305 AktG Rz. 23, 96, § 327b Rz. 7 Fn. 24; ders., EWiR 1994, 839 (840); Tebben, AG 2003, 600 (606); Vossius, ZIP 2002, 511 (sofern der Unternehmensvertrag kündbar ist); Naraschewski, DB 1997, 1653 (1656 ff.); Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (216). Für eine in der Satzung enthaltene Dividendengarantie OLG Hamburg, AG 1980, 163 (165). Für „Berücksichtigung“ des Ausgleichs auch Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 279 f.; Krieger, ZGR 1990, 517 (534 ff.); Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 144 ff. Offen gelassen bei Hasselbach in KölnKomm.WpÜG (Fn. 1), § 327b WpÜG Rz. 22.

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werden zwei Begründungen gegeben. Nach einer Begründung folgt dies aus der Wertung des Gesetzgebers: Das Gesetz enthalte zwar keine Regelung der Folgen der Beendigung des Unternehmensvertrages durch solche Strukturmaßnahmen. Der Ausgleichsanspruch könne generell aber nur unter den Voraussetzungen der §§ 295 Abs. 2, 296 Abs. 2, 297 Abs. 2 AktG geändert oder entzogen werden. Mit diesen Normen sollten die außenstehenden Aktionäre davor geschützt werden, dass die Verwaltung ihren Ansprüchen ohne ihre Mitwirkung den Boden entziehe13. Diese Wertung sei zu berücksichtigen. Zwar könne ein Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre analog § 296 Abs. 2 AktG nicht gefordert werden14. Den Interessen der außenstehenden Aktionäre sei aber durch die Berücksichtigung des Wertes der entfallenden Ausgleichszahlungen im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme Rechnung zu tragen15. Nach einer anderen Begründung stellt der Barwert der entfallenden Ausgleichszahlungen ebenso wie der Börsenpreis oder ein Abfindungsangebot nach § 305 AktG eine Untergrenze der im Rahmen der nachfolgenden Maßnahme zu gewährenden Kompensation dar16.

IV. Kritische Würdigung 1. Der für die nachfolgende Strukturmaßnahme maßgebliche Stichtag Zentrales Merkmal der zu untersuchenden Fallgestaltungen ist der Umstand, dass zwei verschiedene Strukturmaßnahmen zeitlich nacheinander durchgeführt werden. Dabei sehen sowohl der Unternehmensvertrag als auch die nachfolgende Strukturmaßnahme eine Kompensation für die außenstehenden Aktionäre vor. Daher ist zunächst zu klären, auf welchen Zeitpunkt jeweils für die Bemessung der Kompensation abzustellen ist. a) Stichtag des Unternehmensvertrages Das Gesetz enthält für den Ausgleichsanspruch keine ausdrückliche Regelung, auf welchen Stichtag für die Schätzung der zukünftigen Ertragsaussichten der abhängigen Gesellschaft abzustellen ist. Nach ganz herrschender Meinung ist auf den Tag der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft abzustellen, die gemäß § 293 Abs. 1 AktG über die Zustimmung zum Unternehmensvertrag zu beschließen hat, wozu teilweise auf § 304 Abs. 1

__________ 13 So die Begr. des RegE bei Kropff, AktG, 1965, S. 385 f. 14 H. M., vgl. BGH, WM 1974, 713 (715); Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 296 AktG Rz. 7 m. w. N. 15 So Naraschewski, DB 1997, 1653 (1656); Krieger, ZGR 1990, 517 (534 ff.); Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (214 ff.). 16 So Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 22, 75; Tebben, AG 2003, 600 (606).

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Satz 3 AktG, teilweise auf § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG verwiesen wird17. Der BGH stellt ebenfalls auf diesen Tag ab, weil in diesem Zeitpunkt auf Grund der Zustimmung der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft der Unternehmensvertrag im Sinne des § 293 Abs. 1 Satz 1 AktG wirksam werde und die Beeinträchtigungen und der Verlust der aus der Mitgliedschaft folgenden Vermögens- und Herrschaftsrechte eintreten18. b) Stichtag der nachfolgenden Strukturmaßnahme Beim Ausschluss der Minderheitsaktionäre hat die zu gewährende Barabfindung nach § 327b Abs. 1 Satz 1 2. Hs. AktG die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung zu berücksichtigen. Das Gleiche gilt bei der Mehrheitseingliederung, und zwar unabhängig davon, ob die Hauptgesellschaft eine abhängige Gesellschaft ist und den Minderheitsaktionären deshalb nach § 320b Abs. 1 Satz 3 AktG wahlweise neben Aktien der Hauptgesellschaft eine Barabfindung anzubieten hat oder nur Aktien der Hauptgesellschaft. In beiden Fällen muss die Abfindung die Verhältnisse der einzugliedernden Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über die Eingliederung berücksichtigen, § 320b Abs. 1 Satz 5 AktG19. Für die Verschmelzung hat das Gesetz keinen Stichtag vorgegeben. Für den Fall, dass nach § 29 UmwG eine Barabfindung anzubieten ist, sieht das Gesetz in § 30 Abs. 1 Satz 1 UmwG aber vor, dass die Barabfindung die Verhältnisse der übertragenden Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen muss. Ausgehend von dieser Wertung sind nach h. M. auch für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses die Verhältnisse beider Gesellschaften im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung der übertragenden Gesellschaft maßgeblich20.

__________ 17 Vgl. BayObLG, AG 2002, 388 (389); OLG Frankfurt/M., AG 2002, 404; OLG Hamburg, AG 2001, 479 (480); OLG Celle, AG 1999, 128 (129); OLG Stuttgart, AG 1994, 564; Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 40; Hasselbach/Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 304 Rz. 95; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 304 Rz. 47; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 6), § 304 Rz. 69, 88. 18 BGH, BGHZ 138, 136 (139 f.); BGH, BGHZ 156, 57 (63). 19 Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 320b Rz. 8 Fn. 26, § 305 Rz. 59, 62. 20 BayObLG, ZIP 2003, 253 (254), (257); Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Loseblatt, § 5 UmwG Rz. 131; Heckschen, ebenda, § 15 UmwG Rz. 45; Bork in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 15 UmwG Rz. 3; Schröer in Semler/Stengel, UmwG, 1. Aufl. 2003, § 5 UmwG Rz. 42; Gehling, ebenda, § 15 UmwG Rz. 19; Priester, BB 1992, 1594 (1595 f.); Hoffmann-Becking in FS Fleck, 1988, S. 105 (114 ff.), je m. w. N.

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Die Bedeutung des Ausgleichsanspruchs in einem Unternehmensvertrag

c) Kein abweichender Stichtag bei vorangehendem Unternehmensvertrag Fraglich ist nun, ob die Besonderheit des Vorangehens eines Unternehmensvertrages es erfordert, bei der nachfolgenden Strukturmaßnahme auf die Verhältnisse vor deren regulärem Stichtag abzustellen, etwa auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Zustimmung zum Unternehmensvertrag. Genau auf die zuletzt genannten Verhältnisse stellte man nämlich ab, wenn die im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährende Kompensation in der Weise bestimmt würde, dass die entfallenden Ausgleichszahlungen kapitalisiert würden. Denn die Ausgleichszahlung spiegelt die Ertragskraft der abhängigen Gesellschaft zum Stichtag des Unternehmensvertrages wider21. Nach dem Wortlaut der §§ 320b Abs. 1 Satz 5, 327b Abs. 1 Satz 1 2. Hs. AktG, § 30 Abs. 1 Satz 1 UmwG sind die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung zu „berücksichtigen“. Dieser Wortlaut lässt zwar ein Verständnis zu, wonach nicht nur auf die Verhältnisse zum Stichtag selbst abgestellt werden muss22. Die Verhältnisse zu wesentlich anderen Zeitpunkten dürfen aber nicht berücksichtigt werden. Dies würde dem Gesetzeszweck nicht gerecht. Die außenstehenden Aktionäre sollen den objektiven Wert ihrer Unternehmensanteile ausgeglichen erhalten, die diese im Zeitpunkt der Rechtsbeeinträchtigung haben. Das ist aber nur dann der Fall, wenn auf den Zeitpunkt abgestellt wird, der für die Wirksamkeit der konkret anstehenden Strukturmaßnahme maßgeblich ist23. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Stichtage beider Strukturmaßnahmen zehn oder mehr Jahre auseinander liegen können und sich der Wert der abhängigen Gesellschaft während des Bestehens des Unternehmensvertrages sowohl positiv als auch negativ entwickeln kann24. Wollte man die Verhältnisse am Stichtag des Unternehmensvertrages auch bei der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu Grunde legen, würden die außenstehenden Aktionäre einerseits von einer etwaigen positiven Entwicklung der abhängigen Gesellschaft abgeschnitten25, andererseits aber auch von einer in der Zeit zwischen den beiden Stichtagen auf Grund der Durchführung des Unternehmensvertrages eingetretenen Verringerung des Wertes der beherrschten Gesellschaft26 entlastet. Das Stichtagsprinzip verbietet es daher, das maßgebliche Datum letztlich willkürlich zu verschieben, sei es auch zum Vorteil der außenstehenden

__________ 21 22 23 24 25 26

Vgl. OLG München (Fn. 2), Rz. 12. Vgl. BVerfG, BVerfGE 100, 289 (310); OLG Celle, AG 1999, 128 (129). OLG Celle, AG 1999, 128 (129). Beispiele für unterschiedliche Entwicklungen bei Popp, Wpg 2006, 436 (437 ff.). Vgl. Hecker/Wenger, ZBB 1995, 321 (338). Vgl. LG Düsseldorf, AG 2005, 929 (930): Veräußerung des gesamten operativen Geschäfts der abhängigen Gesellschaft und Zuteilung des Erlöses im Wege einer Sonderausschüttung an alle Aktionäre.

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Aktionäre27. Entsprechend hat es die h. M. zutreffender Weise abgelehnt, den Bewertungsstichtag vorzuverlegen, wenn vor Abschluss eines Unternehmensvertrages zwischen den Vertragsparteien ein qualifizierter faktischer Konzern bestand28. Gegen die Bestimmung der nachfolgenden Kompensation allein nach dem Wert der entfallenden Ausgleichszahlungen spricht außerdem, dass in die Ermittlung der Ausgleichszahlung nicht sämtliche Vermögenswerte der abhängigen Gesellschaft zum Stichtag des Unternehmensvertrages einbezogen werden29. Nach h. M. ist das nicht betriebsnotwendige Vermögen nicht zu berücksichtigen, weil es auf den Ertrag keinen Einfluss hat30. Stellte man bei der nachfolgenden Strukturmaßnahme allein auf die entfallenden Ausgleichszahlungen ab, würde weder das zum Stichtag der nachfolgenden Strukturmaßnahme vorhandene nicht betriebsnotwendige Vermögen berücksichtigt31, noch hätten die außenstehenden Aktionäre während des Bezugs der Ausgleichszahlungen an dem am Stichtag des Unternehmensvertrages vorhandenen nicht betriebsnotwendigen Vermögen partizipiert32. 2. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs bei der Bestimmung des objektiven Wertes der Unternehmensanteile Nach Vorstehendem ist den außenstehenden Aktionären der objektive Wert ihrer Unternehmensanteile auszugleichen, den diese im Zeitpunkt der Rechtsbeeinträchtigung durch die nachfolgende Strukturmaßnahme haben. Es fragt

__________ 27 Vgl. OLG München (Fn. 2), Rz. 12; BayObLG, AG 2002, 388 (389). A. A. Grüner, Die Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, 2003, S. 172 („Einfrieren der Verschmelzungswertrelation“) und wohl auch Kropff, DB 1962, 155 (157). Zum Stichtagsprinzip im vorliegenden Zusammenhang auch BVerfG, WM 2003, 1813 (1814); BGH, BGHZ 138, 136 (139), (141); OLG Düsseldorf, DB 2006, 2391 (2394); OLG Hamm, NZG 2003, 632 (634); OLG Düsseldorf, ZIP 1990, 1333 (1336 f.). Puszkajler in KölnKomm.SpruchG (Fn. 1), § 11 SpruchG Rz. 45. 28 Vgl. OLG Stuttgart, NZG 2000, 744 (746) (anders noch OLG Stuttgart, AG 1994, 564); Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 47, 58; Bilda in MünchKomm.AktG (Fn. 6), § 304 AktG Rz. 70 f., 89; Krieger in MünchHdbGesR IV, 2. Aufl. 1999, § 70 Rz. 73; Spindler/Klöhn, Konzern 2003, 511 (515 f.). Für die Möglichkeit einer Vorverlegung des Stichtags in solchen Fällen Hüffer (Fn. 14), § 304 AktG Rz. 10; Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 40; Hasselbach/ Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 304 AktG Rz. 96. 29 Vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1990, 1333 (1335); Hecker/Wenger, ZBB 1995, 321 (334 f.). 30 Vgl. BGH, BGHZ 156, 57 (63 f.); BayObLG, AG 2006, 41 (45); OLG Stuttgart, AG 2004, 43 (47); OLG Frankfurt/M., AG 2003, 581 (582); OLG Düsseldorf, DB 2000, 81 (83); OLG Düsseldorf, ZIP 1990, 1333 (1335). A. A. Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 34, 38 f. m. w. N. 31 Vgl. OLG München (Fn. 2), Rz. 12; Popp, Wpg 2006, 436 (444 f.). 32 Das KG, OLGR 2000, 245 (246) und das LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 223 (226) und Konzern 2006, 553 (556) gehen abweichend von der h. M. davon aus, dass das nicht betriebsnotwendige Vermögen bereits bei der Bemessung des Ausgleichs zu berücksichtigen ist.

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Die Bedeutung des Ausgleichsanspruchs in einem Unternehmensvertrag

sich deshalb, ob bei der Feststellung des objektiven Wertes der Anteile an der abhängigen Gesellschaft der Wert des Ausgleichsanspruchs33 ggf. unter Einbeziehung des Wegfalls der Ausgleichspflicht34 zu berücksichtigen ist. a) Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs Der Ausgleichsanspruch könnte bei der Feststellung des objektiven Wertes der Anteile an der abhängigen Gesellschaft zu berücksichtigen sein, wenn Gegenstand der Bewertung zum Stichtag der nachfolgenden Strukturmaßnahme die einzelne Aktie der abhängigen Gesellschaft wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Ist im Rahmen der hier zu untersuchenden Strukturmaßnahmen eine Barabfindung anzubieten, sind nach §§ 320b Abs. 1 Satz 5, 327b Abs. 1 Satz 1 2. Hs. AktG, § 30 Abs. 1 Satz 1 UmwG die „Verhältnisse der Gesellschaft“ zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass der Wert der Gesellschaft, d. h. der Wert des von ihr betriebenen Unternehmens, zu ermitteln ist35. Sofern als Kompensation Aktien zu gewähren sind und es für die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses auf die Verschmelzungswertrelation ankommt, §§ 320b Abs. 1 Satz 4 AktG, §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 2 UmwG, ist der quotale Anteil am Wert des Gesellschaftsunternehmens maßgeblich36. Bewertungsgegenstand ist danach in allen hier interessierenden Fällen grundsätzlich das Unternehmen der abhängigen Gesellschaft. Der Umstand, dass den genannten Strukturmaßnahmen ein Unternehmensvertrag vorangeht, ändert hieran nichts. Zwar gehört der Unternehmensvertrag, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die nachfolgende Strukturmaßnahme noch besteht, zu den „Verhältnissen der Gesellschaft“37. Bei dem Ausgleichsanspruch des außenstehenden Aktionärs handelt es sich aber nicht um Aktivvermögen der Gesellschaft, so dass er bei der

__________ 33 In diesem Sinne KG, OLGR 2000, 245 (246); OLG Hamburg, AG 1980, 163 (165); LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 223 (225) und Konzern 2006, 553 (555 f.); Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 304 AktG Rz. 22, 75; Koppensteiner in KölnKomm. AktG (Fn. 1), § 305 AktG Rz. 23, 96, § 327b AktG Rz. 7 Fn. 24; Tebben, AG 2003, 600 (606); Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 279 f.; Krieger, ZGR 1990, 517 (536); Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 144 ff.; Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (216). 34 So Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 279; Krieger, ZGR 1990, 517 (536); Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (216). 35 Vgl. OLG Düsseldorf, AG 2000, 421 f.; LG Dortmund, NZG 2004, 723 (724); Hüffer (Fn. 14), § 320b AktG Rz. 2, § 305 AktG Rz. 18, 26, § 327b Rz. 5, je m. w. N. 36 Vgl. OLG Stuttgart, AG 2006, 420 (421 f.); BayObLG, ZIP 2003, 253 (254); OLG Düsseldorf, NZG 2004, 622 (623); Hüffer (Fn. 14), § 320b AktG Rz. 2, § 305 AktG Rz. 18, 24; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 8 UmwG Rz. 12, je m. w. N. 37 Insoweit zutreffend LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 553 (556).

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Ermittlung des Wertes der abhängigen Gesellschaft nicht zu berücksichtigen ist38. Wollte man bei der nachfolgenden Strukturmaßnahme den Wert des Ausgleichsanspruchs berücksichtigen, ergäben sich in Verschmelzungsfällen unüberwindbare Probleme. Aus der Sicht der übernehmenden Gesellschaft handelt es sich bei dem übergehenden Vermögen der übertragenden Gesellschaft um eine Sacheinlage. Entscheidend ist deshalb, welchen Wert die Sacheinlage hat. Da der Ausgleichsanspruch nicht zum Aktivvermögen der abhängigen Gesellschaft gehört, ist er für die Bewertung der Sacheinlage irrelevant39. Andernfalls setzte man den Wert eines Gegenstands an, der nicht eingebracht wird, und benachteiligte so die Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft. U. U. könnte sogar eine unzulässige Unter-Pari-Emission vorliegen40. Ähnliche Probleme stellten sich bei der Mehrheitseingliederung. Sacheinlage sind in diesem Fall die auf die Hauptgesellschaft übergehenden Aktien, § 320a Satz 1 AktG. Wird die abhängige Gesellschaft in die herrschende Gesellschaft eingegliedert, erlischt der Beherrschungsvertrag und damit auch der Ausgleichsanspruch. Bestand zwischen den Gesellschaften ein Gewinnabführungsvertrag, bleibt der Unternehmensvertrag zwar bestehen. Der Ausgleichsanspruch erlischt aber auch in diesem Fall, weil die Hauptgesellschaft nicht außenstehender Aktionär des Unternehmensvertrages ist. Aus der Sicht der Hauptgesellschaft stellt der Ausgleichsanspruch mithin in beiden Fällen keinen Wert dar, weil er nicht mit den Aktien der außenstehenden Aktionäre auf sie übergeht41. Er kann deshalb bei der Ermittlung des Wertes der abhängigen Gesellschaft für die Bestimmung der Verschmelzungswertrelation gem. § 320b Abs. 1 Satz 4 AktG nicht berücksichtigt werden42. b) Keine Berücksichtigung des Wegfalls der Ausgleichsverpflichtung Der Umstand, dass der Ausgleichsanspruch nicht zum Aktivvermögen der abhängigen Gesellschaft gehört, kann nicht dadurch überwunden werden, dass im Wege einer Art Saldobetrachtung der Wegfall der Ausgleichsver-

__________

38 Vgl. Bredow/Tribulowsky, NZG 2002, 841 (845) (zu § 305 AktG). Im Ausgangspunkt ebenso OLG Hamburg, AG 1980, 163 (165); Tebben, AG 2003, 600 (605 f.); Krieger, ZGR 1990, 517 (536); Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (215 f.). 39 Vgl. Naraschewski, DB 1997, 1653 (1656); Kley, Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S. 159 ff., 180 f. Anders KG, OLGR 2000, 245 (246), das auf die „Ertragswertrelation“ zwischen den Aktien der (abhängigen) übertragenden und den Aktien der (herrschenden) übernehmenden Gesellschaft abstellt. 40 Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (212 f.) zum Abfindungsanspruch aus § 305 AktG. Dies gilt auch für den Ausgleichsanspruch nach § 304 AktG. 41 Vgl. BGH, WM 2006, 1389, 1391 f. 42 Vgl. OLG Düsseldorf, AG 1995, 84, das bei einer einem Unternehmensvertrag folgenden Eingliederung ebenfalls nur auf den „wahren inneren Wert“ abgestellt hat.

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Die Bedeutung des Ausgleichsanspruchs in einem Unternehmensvertrag

pflichtung, der auf Seiten der herrschenden Gesellschaft zu einem entsprechenden Vermögensvorteil führt, in die Ermittlung des Wertes der Anteile an der abhängigen Gesellschaft einbezogen wird. Beim Ausschluss der Minderheitsaktionäre, bei der Eingliederung und auch bei der Verschmelzung sind die Unternehmen nach h. M. so zu bewerten, als würde die jeweilige Maßnahme nicht durchgeführt werden (stand alone-Prinzip)43. In den vorliegenden Konstellationen bedeutet dies, dass bei den Unternehmensbewertungen vom Fortbestand des Unternehmensvertrages auszugehen ist44. Der Wegfall der Ausgleichsverpflichtung ist somit ein echter Verbundeffekt. Nach zutreffender h. M. sind echte Verbundeffekte bei der Bewertung weder beim Ausschluss der Minderheitsaktionäre, noch bei der Eingliederung, noch im Rahmen der Verschmelzung zu berücksichtigen45. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen die außenstehenden Aktionäre in Aktien der vormals herrschenden Gesellschaft abzufinden sind. In diesen Fällen werden sie zwar an den Vorteilen des Verbunds beteiligt, aber auch in diesen Fällen müssen die Synergien bei der Ermittlung der Unternehmenswerte nach der Ertragswertmethode rechnerisch außer Betracht bleiben und ist auf der Grundlage dieser Werte das Umtauschverhältnis festzusetzen46. 3. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs bei der Aufteilung des Unternehmenswertes auf die einzelnen Aktien Schließlich wäre noch denkbar, die entfallenden Ausgleichszahlungen bei der Aufteilung des nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelten Unternehmenswertes der abhängigen Gesellschaft auf die einzelnen Aktien zu berücksichtigen. Entsprechend wird teilweise argumentiert, der Ausgleichsanspruch sei vergleichbar einer besonderen Ausstattung von Aktien. Die Aktien der außenstehenden Aktionäre seien deshalb wie eine besondere Gattung von Aktien zu behandeln47. Die Aktien der außenstehenden Aktionäre bilden aber keine besondere Gattung i. S. d. § 11 AktG, denn hierfür ist Vor-

__________ 43 Vgl. OLG Stuttgart, AG 2006, 420 (426); Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 320b AktG Rz. 8, 10, § 327b AktG Rz. 7, § 305 AktG Rz. 64 f.; Grunewald in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000/2004, § 320b AktG Rz. 10, § 327b AktG Rz. 9, § 305 AktG Rz. 82, je m. w. N. 44 Vgl. OLG Düsseldorf, AG 2004, 324 (327) (Unternehmensvertrag und Formwechsel). 45 Zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre und zur Eingliederung Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 320b AktG Rz. 8, 10, § 327b AktG Rz. 7, § 305 AktG Rz. 64 f.; Grunewald in MünchKomm.AktG (Fn. 43), § 320b AktG Rz. 10, § 327b AktG Rz. 9, § 305 AktG Rz. 82, je m. w. N.; zur Verschmelzung Marsch-Barner in Kallmeyer (Fn. 36), § 8 UmwG Rz. 17; Lutter/Drygala in Lutter (Fn. 20), § 5 UmwG Rz. 31. 46 So zur Verschmelzung OLG Stuttgart, AG 2006, 420 (426); zu § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG OLG Düsseldorf, WM 1984, 732 (735). Ebenso Seetzen, WM 1999, 565 (572); Nonnenmacher, AG 1982, 153 (157). Vgl. auch OLG Düsseldorf, AG 1999, 418 (420). 47 Vgl. Tebben, AG 2003, 600 (606); Krieger, ZGR 1990, 517 (536).

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aussetzung, dass die besonderen Rechte Kraft einer Satzungsbestimmung eingeräumt sind48. Die Ausgleichsberechtigung steht einer besonderen Ausstattung von Aktien auch nicht „nahe“49. Denn der Ausgleichsanspruch ist kein wertpapiermäßig in der Aktie verkörpertes Mitgliedschaftsrecht. Er findet seine Grundlage nicht im mitgliedschaftlichen Verhältnis zur beherrschten Gesellschaft, sondern in einem schuldrechtlichen Anspruch gegen das herrschende Unternehmen aus dem Unternehmensvertrag, wie der Bundesgerichtshof erst jüngst für den Abfindungsanspruch überzeugend dargestellt hat50. Für den Ausgleichsanspruch kann nichts Anderes gelten. 4. Keine Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs nach der Konzeption des BVerfG Der Wert des Ausgleichsanspruchs ist bei der Bemessung der im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahmen zu gewährenden Kompensation auch nicht als Mindestwert im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zur Berücksichtigung des Börsenkurses anzusetzen, wie dies teilweise vertreten wird51. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müssen die Minderheitsaktionäre für die Beeinträchtigung und den Verlust ihrer Rechtsposition durch eine Strukturmaßnahme wirtschaftlich „voll“ entschädigt werden52. Nach der DAT/ Altana-Entscheidung des BVerfG ist es mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn bei der Ermittlung des Wertes der Unternehmensbeteiligung ein existierender Börsenkurs nicht berücksichtigt wird. Dies ergäbe sich daraus, dass die Entschädigung und folglich auch die Methode ihrer Berechnung dem entzogenen Eigentumsobjekt gerecht werden müsse. Das Aktieneigentum sei nicht zuletzt durch seine Verkehrsfähigkeit geprägt. Den Vermögensverlust,

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48 Vgl. Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 305 AktG Rz. 23 Fn. 61; Brändel in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 12; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 440 ff.; Naraschewski, DB 1997, 1653. Im Fall des OLG Hamburg, AG 1980, 163 (165) war die Dividendengarantie in der Satzung enthalten. In diesem Fall ist eine Berücksichtigung der Dividendengarantie daher gut zu begründen. 49 So aber Tebben, AG 2003, 600 (606). 50 BGH, WM 2006, 1389 (1391 f.). A. A. Koppensteiner, DStR 2006, 1603 (1604), wonach die Ansprüche aus §§ 304, 305 AktG im Mitgliedschaftsrecht verankert und auch in der Aktie verbrieft seien. Vor der Entscheidung des BGH ebenso OLG Jena, ZIP 2005, 525 (526); LG München I, AG 1998, 147 (148); Stimpel, AG 1998, 259 (263); Altmeppen in FS Ulmer, 2003, S. 3 (12); Hirte in FS Hadding, 2004, S. 427 (431). Wie der BGH OLG Düsseldorf, DB 2006, 2391 (2393 f.); Bayer, ZIP 2005, 1053 (1058); Lehmann, ZIP 2005, 1489 (1493 f.); Ruoff, BB 2005, 2201 (2202 ff.); Habersack, AG 2005, 709 (711). Vgl. auch Bilda, NZG 2005, 375 (378 f.). 51 Vgl. Tebben, AG 2003, 600 (606); Vossius in FS Widmann, 2000, S. 133 (142 ff.). Auch Kley, Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S. 163 f. stützt sich allein auf verfassungsrechtliche Erwägungen. 52 BVerfG, BVerfGE 14, 263 (283 f.); BVerfG, BVerfGE 100, 289 (303); BVerfG, NZG 2000, 28 (29); BVerfG, NJW 2001, 279 (280); BVerfG, WM 2003, 1813.

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Die Bedeutung des Ausgleichsanspruchs in einem Unternehmensvertrag

den ein Minderheitsaktionär durch einen Unternehmensvertrag oder eine Eingliederung erleide, stelle sich für ihn als Verlust des Verkehrswertes der Aktie dar. Dieser sei mit dem Börsenkurs der Aktie regelmäßig identisch. Der Börsenkurs müsse allerdings nicht stets allein maßgeblich sein. Eine Überschreitung sei verfassungsrechtlich unbedenklich, eine Unterschreitung komme in Betracht, wenn der Börsenkurs ausnahmsweise nicht den Verkehrswert widerspiegle53. Danach stellt der Börsenkurs im Regelfall die Untergrenze der zu gewährenden Kompensation dar. Liegt der anteilige Unternehmenswert der abhängigen Gesellschaft höher als der Börsenkurs, ist ersterer maßgebend. Für die hier interessierenden Konstellationen ist zunächst festzuhalten, dass das BVerfG keinen Konzeptionswechsel dergestalt vorgenommen hat, dass Bewertungsgegenstand bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Aktie selbst sei54. Auch nach der Rechtsprechung des BVerfG sind nicht die Aktien der außenstehenden Aktionäre Gegenstand der im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme durchzuführenden Bewertung, sondern der auf die Aktie entfallende quotale Unternehmenswert. Der Wert des Ausgleichsanspruchs wäre deshalb nur dann als Untergrenze der im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährenden Kompensation anzusetzen, wenn die den außenstehenden Aktionären entzogenen Aktien durch den Ausgleichsanspruch in gleicher Weise „geprägt“ würden55, wie von der Verkehrsfähigkeit auf Grund der Börsennotierung. Dies ist aber nicht der Fall. Ebensowenig wie der Abfindungsanspruch ein wertpapiermäßig in der Aktie verkörpertes Mitgliedschaftsrecht ist56, ist es der Ausgleichsanspruch. Auch er findet seine Grundlage nicht im mitgliedschaftlichen Verhältnis zur beherrschten Gesellschaft, sondern in einem schuldrechtlichen Anspruch gegen das herrschende Unternehmen aus dem Unternehmensvertrag. Er entsteht „ipso iure“ nur in der Person des sich durch die Abgrenzung zum „anderen Vertragsteil“ des Unternehmensvertrages definierenden „außenstehenden“ Aktionärs. Mit der Übertragung der Aktie und der damit verbundenen Beendigung seiner Mitgliedschaft verliert der Veräußerer das individuelle Ausgleichsrecht. Der Erwerber der Aktie erlangt statt des Veräußerers einen eigenen, nicht abgeleiteten Ausgleichsanspruch nur dann, wenn er selbst außenstehender Aktionär ist und der Unternehmensvertrag noch besteht57. Danach hängt die Frage, ob einem Aktionär ein Ausgleichsanspruch

__________ 53 BVerfG, BVerfGE 100, 289 (305 ff.). 54 Vgl. Hüffer (Fn. 14), § 305 AktG Rz. 24c; Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 17 ff., 23; Hüffer in FS Hadding, 2004, S. 461 (466 ff.); Maier-Reimer/Kolb in FS W. Müller, 2001, S. 93 (99 f.). A. A. Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 305 AktG Rz. 53; W. Müller in FS Röhricht, 2005, S. 1015 (1023 ff.). 55 Vgl. BVerfG, BVerfGE 100, 289 (307 f.). 56 Vgl. BGH, WM 2006, 1389 (1391 f.); OLG Düsseldorf, DB 2006, 2391 (2393 f.). 57 BGH, WM 2006, 1389 (1391 f.) zum Abfindungsanspruch.

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zusteht, von der konkreten Person des Aktionärs und vom Bestand des Unternehmensvertrages ab. Dann kann aber keine Rede davon sein, dass die Aktien der außenstehenden Aktionäre durch den Ausgleichsanspruch „geprägt“ würden58. 5. Kein Anspruch auf Abfindung des Ausgleichs in bar Es gibt auch keine Verpflichtung des herrschenden Unternehmens, den Wert des Ausgleichsanspruchs im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der nachfolgenden Strukturmaßnahme in bar abzufinden. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage59. Bei der Verschmelzung lässt sich eine solche Pflicht nicht auf § 23 UmwG stützen, weil diese Norm weder hinsichtlich ihrer Voraussetzungen noch hinsichtlich ihrer Rechtsfolge einschlägig ist60. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, weil es sich bei dem Ausgleichsanspruch nicht um ein Recht der außenstehenden Aktionäre „in“ der übertragenden Gesellschaft handelt61. Dieser richtet sich vielmehr gegen die herrschende Gesellschaft und hat seine Rechtsgrundlage allein im Unternehmensvertrag62. Rechte gegenüber Dritten werden von § 23 UmwG aber nicht erfasst63. Für die Fälle der Eingliederung64 und des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre fehlt es gänzlich an einer anwendbaren Norm. Auch mit der Wertung der §§ 295 Abs. 2, 296 Abs. 2, 297 Abs. 2 AktG lässt sich eine solche Pflicht nicht begründen65. Soweit insbesondere für den Fall der Verschmelzung auf die Wertung des § 296 Abs. 2 AktG verwiesen wird, ist dies schon deshalb unzutreffend, weil diese Norm gesetzliche Beendigungsgründe nicht erfasst66 und daher auch nicht entsprechend herangezo-

__________ 58 In diesem Sinne jüngst auch das OLG Düsseldorf, DB 2006, 2391 (2393); auch nach dem OLG München (Fn. 2), Rz. 13, ist der Barwert des Ausgleichs nicht mit dem Börsenkurs der Aktien vergleichbar. 59 Entsprechend geht Krieger, ZGR 1990, 517 (536) davon aus, dass eine Abfindung in bar gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoße. 60 Vgl. Vossius in FS Widmann, 2000, S. 133 (144); Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 280. 61 A. A. Naraschewski, DB 1997, 1653 (1657). 62 S. o. Ziff. 4. 63 Vgl. Grunewald in Lutter (Fn. 20), § 23 UmwG Rz. 4; Kalss in Semler/Stengel (Fn. 20), § 23 UmwG Rz. 5 ff. 64 Vgl. Kley, Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S. 163: § 320b Abs. 1 Satz 4 2. Hs. AktG (§ 320 Abs. 5 Satz 4 AktG a. F., Abfindung der Umtauschspitzen) nicht analogiefähig. 65 So aber Naraschewski, DB 1997, 1653 (1656). Auch Krieger, ZGR 1990, 517 (534 ff.) und Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 197 (214 ff.) stützen ihre These von der Berücksichtigung des Wertes der Ausgleichszahlung im Umtauschverhältnis hierauf. 66 Vgl. BGH, WM 1974, 713 (715); Hüffer (Fn. 14), § 296 AktG Rz. 1.

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gen werden kann. Auch bliebe die Wertung des § 297 AktG dabei unberücksichtigt. Nach § 297 Abs. 1 AktG ist eine außerordentliche Kündigung stets ohne Mitwirkung der außenstehenden Aktionäre zulässig und die Kündigung des Unternehmensvertrages durch die herrschende Gesellschaft wird von § 297 AktG überhaupt nicht erfasst67. Hieraus hat der BGH überzeugend gefolgert, dass eine Regelung in einem Unternehmensvertrag, wonach ein nachfolgender Unternehmensvertrag einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des (ersten) Unternehmensvertrages darstellt, nach den §§ 295 ff. AktG zulässig ist und eine darauf gestützte Kündigung seitens der herrschenden Gesellschaft nicht der Mitwirkung der außenstehenden Aktionäre bedarf68. Wenn aber das Gesetz bei entsprechender Gestaltung des Unternehmensvertrages dessen jederzeitige Beendigung durch die herrschende Gesellschaft zulässt, ohne dies von weiteren Voraussetzungen wie etwa der Abfindung des Wertes der entfallenden Ausgleichszahlungen abhängig zu machen, dann muss dies ebenso für die Eingliederung, den Ausschluss der Minderheitsaktionäre oder die Verschmelzung gelten. Eine Verpflichtung zur Abfindung der Ausgleichszahlung hätte angesichts der Wertung des § 297 AktG einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Da es hieran fehlt, ist davon auszugehen, dass das Gesetz die Voraussetzungen und Folgen der (nachfolgenden) Strukturmaßnahmen abschließend regelt69. Eine gesetzliche Pflicht zur Abfindung des Wertes des Ausgleichsanspruchs ist zum Schutz der außenstehenden Aktionäre auch nicht geboten. Die Beeinträchtigung und der Verlust der aus der Mitgliedschaft folgenden Vermögens- und Herrschaftsrechte treten bereits mit Wirksamwerden des Unternehmensvertrages ein, und zwar endgültig70. Eine weitergehende Beeinträchtigung dieser Rechte ist mit der Beendigung des Unternehmensvertrages nicht verbunden. Insbesondere müssen die außenstehenden Aktionäre schon bei ihrer Zustimmung zum Unternehmensvertrag davon ausgehen, dass die herrschende Gesellschaft von ihren Befugnissen nach §§ 291 ff. AktG umfassend Gebrauch machen wird und sie die danach zulässigen Einwirkungen der herrschenden Gesellschaft auf das Unternehmen der be-

__________ 67 Vgl. BGH, BGHZ 122, 211 (233); BGH, NJW 1979, 2103 f.; OLG Düsseldorf, ZIP 1990, 1333 (1335); OLG Celle, AG 1978, 318 f.; Hüffer (Fn. 14), § 297 AktG Rz. 18. 68 Vgl. BGH, BGHZ 122, 211 (213), (226 ff.) m. Anm. Priester, EWiR 1993, 529 f.; OLG München, AG 1991, 358 (360 f.). Für den Fall der Anteilsveräußerung durch die herrschende Gesellschaft ebenso OLG Hamburg, OLGR 1999, 175 (176 f.). Zust. die h. L., vgl. Hüffer (Fn. 14), § 297 AktG Rz. 8. A. A. Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 297 AktG Rz. 20 m. w. N. 69 Vgl. zum UmwG Vossius in FS Widmann, 2000, S. 133 (142): „materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Konzentrationswirkung des UmwG“. 70 BVerfG, WM 2003, 1813 (1814); BGHZ 138, 136 (139 ff.); OLG Düsseldorf, DB 2006, 2391 (2394); Röhricht, ZHR 162 (1998), 249 (258). Zu BVerfG, a. a. O., vgl. Emmerich/Habersack (Fn. 1), § 305 AktG Rz. 44 a. E.; Koppensteiner in KölnKomm.AktG (Fn. 1), § 305 AktG Rz. 23 Fn. 57.

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herrschten Gesellschaft hinnehmen müssen71. Dementsprechend gewährt das Gesetz den außenstehenden Aktionären ab dem Wirksamwerden des Unternehmensvertrages das Recht, entweder binnen der in § 305 Abs. 4 AktG genannten Fristen ihre Aktien der herrschenden Gesellschaft anzudienen und gegen Abfindung, d. h. gegen Erstattung des wahren Wertes ihrer Mitgliedschaft aus der beherrschten Gesellschaft ausscheiden, oder ihre Aktien zu behalten und die Ausgleichszahlung zu beanspruchen. Dabei soll der Ausgleichsanspruch den von den außenstehenden Aktionären erlittenen Verlust ihrer mitgliedschaftlichen Vermögensrechte kompensieren, während die Abfindung den Verlust der mit der Mitgliedschaft verbundenen Herrschaftsund vom Ausgleich nicht erfassten Vermögensrechte ausgleichen soll72. Endet der Unternehmensvertrag, z. B. durch Zeitablauf oder Kündigung seitens des herrschenden Unternehmens, ohne dass eine weitere Strukturmaßnahme nachfolgt, so entfällt zwar die Beeinträchtigung der Vermögens- und Herrschaftsrechte, die den außenstehenden Aktionären aus ihrer Mitgliedschaft zustehen; die unter der Geltung des Unternehmensvertrages evtl. eingetretene Verminderung des Unternehmenswertes der beherrschten Gesellschaft, die erheblich sein kann73, bleibt aber bestehen. Käme es irgendwann später einmal zu einer neuen Strukturmaßnahme, so richtete sich die dabei zu gewährende Kompensation der außenstehenden Aktionäre nach dem Wert, den ihre Gesellschaft zu dem Stichtag dieser neuen Strukturmaßnahme hätte. Nichts anderes kann gelten, wenn der Unternehmensvertrag durch eine neue Strukturmaßnahme beendet wird. Machen die Minderheitsaktionäre bei Wirksamwerden des Unternehmensvertrages von der Abfindung keinen Gebrauch, sondern entscheiden sie sich für die Ausgleichszahlung, nehmen sie das Risiko einer Auszehrung „ihres“ Unternehmens und einer Reduzierung des in ihren Aktien verkörperten anteiligen Unternehmenswertes bewusst in Kauf74. Sie treffen damit eine Investitionsentscheidung, an die sie auch bei Beendigung des Unternehmensvertrages gebunden bleiben75. Ansonsten würden die dem herrschenden Unternehmen im Unternehmensvertrag eingeräumten Befugnisse, insbesondere die, dem beherrschten Unternehmen im Konzerninteresse nachteilige Weisungen zu erteilen, § 308 Abs. 1 AktG, konterkariert und der Wert der beherrschten Gesellschaft bei Abschluss des Unternehmensvertrages auf Dauer festgeschrieben76. Eine gesetzliche Verpflichtung, im Rahmen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme den Wert des Ausgleichsanspruchs in bar abzufinden, bedeutete nichts anderes als die

__________ 71 OLG Düsseldorf, AG 2004, 324 (327); OLG Düsseldorf, AG 1999, 89; OLG Düsseldorf, ZIP 1990, 1333 (1339). 72 BGH, BGHZ 147, 108 (113). 73 Vgl. BGH, BGHZ 135, 374 (378). 74 Vgl. BGH, BGHZ 135, 374 (379); BGH, ZIP 2006, 663 (664); OLG München (Fn. 2), Rz. 13; OLG Düsseldorf, AG 2004, 324 (327). 75 Hasselbach/Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 305 AktG Rz. 35. 76 Popp, Wpg 2006, 436 (444).

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Verpflichtung der herrschenden Gesellschaft, den außenstehenden Aktionären bei Beendigung des Unternehmensvertrages ein erneutes Abfindungsangebot auf der Basis des Wertes der beherrschten Gesellschaft zum Stichtag des Unternehmensvertrages machen zu müssen. Eine solche Pflicht wäre mit der Konzeption, die den §§ 304, 305 AktG zu Grunde liegt, nicht vereinbar77. Der Guano-Entscheidung des BGH78 kann – entgegen dem KG und dem LG Frankfurt/M.79 – nichts Gegenteiliges entnommen werden. Vom BGH war nur zu entscheiden, ob für den Fall, dass im Zeitpunkt der nachfolgenden Strukturmaßnahme ein Spruchverfahren anhängig ist, ausnahmsweise vom Fortbestand der Ansprüche trotz Beendigung des Unternehmensvertrages auszugehen sei. Wäre der BGH davon ausgegangen, dass der Ausgleichsanspruch im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu berücksichtigen sei, hätte er bei den Erwägungen zur Unzulänglichkeit des Ausgleichs gegenüber der Abfindung darauf eingehen müssen, was er aber nicht getan hat80.

V. Zusammenfassung Dem Ausgleichsanspruch aus § 304 AktG kommt im Rahmen der Festsetzung der Kompensation einer nachfolgenden Strukturmaßnahme keine Bedeutung zu. Die im Rahmen der nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährende Kompensation bemisst sich allein nach dem objektiven Unternehmenswert der abhängigen Gesellschaft zum Stichtag der nachfolgenden Strukturmaßnahme, ggf. unter Berücksichtigung des Börsenkurses.

__________ 77 Vgl. Hasselbach/Hirte in Großkomm.AktG (Fn. 6), § 305 AktG Rz. 35; Emmerich/ Habersack (Fn. 1), § 296 AktG Rz. 27, je m. w. N. 78 BGH, BGHZ 135, 374 ff. Vgl. auch BGH, BGHZ 138, 136 (139), (141). 79 KG, OLGR 2000, 245 (246); LG Frankfurt/M., Konzern 2006, 223 (225); Konzern 2006, 553 (556). 80 Vgl. BGH, BGHZ 135, 374 (379 f.). Vgl. auch BGH, BGHZ 147, 108 (112); BGH, ZIP 2006, 663 (664); BGH, WM 2006, 1389 (1392).

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Kostenrecht ist Folgerecht des materiellen Rechts – Kostenrechtliche Betrachtungen zum Gesellschaftsrecht anhand von Fällen, an denen der Jubilar beteiligt war Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Sachkapitalerhöhung bei GmbH und Grundstückseinbringung 1. Kapitalerhöhungsbeschluss der Gesellschafter 2. Zulassungsbeschluss 3. Übernahmevertrag

III. Einziehung von Geschäftsanteilen einer GmbH (§ 43 GmbHG) IV. Satzungsänderung bei der Vor-GmbH V. Ergebnis

I. Einleitung Das Kostenrecht hat in der Vergangenheit immer ein gewisses Schattendasein geführt. Das erklärt sich im Wesentlichen daraus, dass das Kostenrecht nicht wissenschaftlich, zumindest in vielen Fällen nicht wissenschaftlich begründbar sei. Dieses Desinteresse an dieser Materie hat sich in den letzten 1½ Jahren in das Gegenteil verkehrt. Das Kostenrecht ist jetzt Gegenstand von Diskussionen, sei es in juristischen Abhandlungen, sei es in Symposien, wie z. B. bei der „4. Jahresarbeitstagung des Notariats“ im September 2006 in Potsdam. In dieser Veranstaltung ist erstmalig dem Kostenrecht ein eigener Tagesabschnitt gewidmet worden. Grund für dieses aufgeflammte Interesse ist das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses, das die Divergenzvorlage in Notarkostenfragen zum Bundesgerichtshof (BGH) eingeführt hat. Seit dem 1. Januar 2002 muss nämlich ein Oberlandesgericht, das bei der Auslegung der Kostenordnung (KostO) von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder – soweit vorhanden – von einer Entscheidung des BGH abweichen will, diesem die weitere Beschwerde zur Entscheidung vorlegen. So hat der BGH in mehreren Entscheidungen grundsätzliche Ausführungen zum Kostenrecht gemacht. Erwähnt sei beispielhaft der Beschluss über die Einordnung einer Verweisurkunde1. In dieser Entscheidung bringt der BGH zum Ausdruck, dass § 36 Abs. 1 KostO nicht nur rechtsgeschäftliche Willenserklärungen umfasse, sondern jede einseitige Erklärung. Ausgenommen von

__________ 1 Beschl. v. 8.12.2005 – V ZB 144/03, BGHZ 165, 243 = NJW 2006, 1208 = DNotZ 2006, 382 = ZNotP 2006, 117 = JurBüro 2006, 376 = MittBayNot 2006, 351 = NotBZ 2006, 141.

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diesen Bestimmungen sind nur Beschlüsse. Diese Aussage führt zu einem völligen Umdenken hinsichtlich des kostenrechtlichen Systems, dessen Ausmaß noch gar nicht abzuschätzen ist. Dieses neu geweckte Interesse an dem Kostenrecht rechtfertigt auch, andere Bereiche, die vom BGH noch nicht behandelt worden sind, neu zu durchdenken. Dies soll nachstehend anhand einiger gesellschaftsrechtlich relevanter Fälle erfolgen, mit denen sich der Jubilar in der Vergangenheit auseinandergesetzt hat.

II. Sachkapitalerhöhung bei GmbH und Grundstückseinbringung Erfolgt eine Kapitalerhöhung in Form einer Sacherhöhung durch Einbringung des Eigentums an einem Grundstück, so ist hierfür eine zusätzliche Erfüllungshandlung erforderlich, nämlich die Auflassung in die Gesellschaft. Es handelt sich insoweit um einen dinglichen Erfüllungsvertrag, der nach § 36 Abs. 2 KostO an sich eine 20/10-Gebühr auslöst. Eine Ausnahme von dieser Rechtsfolge gewährt § 38 Abs. 2 Nr. 6a KostO in den Fällen, in denen das zugrunde liegende Rechtsgeschäft bereits beurkundet worden ist. Die 20/10-Gebühr ermäßigt sich dann auf eine 5/10-Gebühr. „Beurkundet“ im Sinne dieser Bestimmung ist nach h. M.2 das dem Erfüllungsgeschäft zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nicht nur dann, wenn es in der Form des § 311b Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 4 GmbHG beurkundet worden ist. Es genügt vielmehr jede urkundsmäßige Niederlegung einer Erklärung, die einen unmittelbaren klagbaren Anspruch auf Erfüllung begründet. Das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft muss kein Erwerbsgeschäft sein. Es genügt sogar ein einseitiges Geschäft nach dem BeurkG, wie z. B. ein notariell beurkundetes Testament mit einer Vermächtnisregelung, wonach eine bestimmte Person nach dem Tod des Erblassers ein Grundstück zugewiesen bekommen soll3. Nach Korintenberg4 reicht allerdings für die Anwendung des § 38 Abs. 2 Nr. 6a KostO ein Gesellschafterbeschluss nicht aus. Begründet wird diese Auffassung mit dem Argument, dass eine wirksame Auflassungsverpflichtung nur zwischen Sacheinbringer und der Geschäftsführung entstehen könne, nicht jedoch mit den Gesellschaftern an der Gesellschafterversammlung. Um die Richtigkeit dieser Aussage überprüfen zu können, müssen die einzelnen Schritte einer Kapitalerhöhung bei der GmbH nachvollzogen werden. Bei der Kapitalerhöhung sind in der Regel drei Schritte zu unterscheiden:

__________ 2 Statt aller: Schwarz in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kostenordnung, 16. Aufl. 2005, § 38 KostO Rz. 50. 3 BayObLG, JurBüro 1984, 1388 u. Schwarz in Korintenberg (Fn. 2), § 38 KostO Rz. 50. 4 Schwarz in Korintenberg (Fn. 2), § 38 KostO Rz. 51.

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1. Kapitalerhöhungsbeschluss der Gesellschafter Der Beschluss über die Kapitalerhöhung zielt auf die Änderung der Satzung ab. Er ist deshalb satzungsändernder Natur. Für die Beschlussfassung sind ausschließlich die Gesellschafter zuständig. Der Einbringungsbeschluss bedeutet noch keine Leistungsvermehrung. Durch diesen Beschluss wird noch kein Anspruch – insbesondere eines Dritten – begründet und damit auch keine Verpflichtung zur Leistung des einzubringenden Grundstücks5. 2. Zulassungsbeschluss Der Kapitalerhöhungsbeschluss bestimmt nur den Betrag, um den das Stammkapital erhöht werden soll. Er bestimmt jedoch nicht die Person des Übernehmers und die Höhe der zur Zeichnung anzubietenden Stammeinlagen. Im Gegensatz zum Aktienrecht (vgl. § 186 Abs. 1 AktG) bedarf es bei der GmbH darum noch einer Festlegung durch die Gesellschafter, wenn Dritte zur Übernahme zugelassen werden und damit die bisherigen Gesellschafter ganz oder teilweise von der Bezugsübernahme ausgeschlossen werden sollen6. Seiner Rechtsnatur nach handelt es sich bei dem Zulassungsbeschluss um einen innergesellschaftlichen Willensakt. Er konkretisiert den Kapitalerhöhungsbeschluss und bildet die Grundlage für die Übernahmeerklärung der durch die zur Kapitalerhöhung zugelassenen Personen. Dieser Beschluss hat keine Außenwirkung gegenüber Dritten. Deshalb kann er auch nicht Grundlage sein für eine Verpflichtungserklärung im Sinne des § 38 Abs. 2 Nr. 6 a KostO. 3. Übernahmevertrag § 55 Abs. 1 GmbHG macht die Durchführung der Kapitalerhöhung von der Übernahme der auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlagen abhängig. Es handelt sich um einen Vertrag zwischen Gesellschaft und Übernehmer7. Seine Elemente sind die Übernahmeerklärung des Übernehmers und die formfreie Annahme durch die Gesellschaft. Infolge der mitgliedschaftsrechtlichen Auswirkungen müssen nach h. M.8 die Gesellschafter handeln, nicht jedoch die Geschäftsführer. Diese können nur aufgrund einer besonderen Bevollmächtigung durch die Gesellschafter tätig werden. Seiner Natur nach hat diese Vertretung nach h. M.9 nur körperschaftlichen und nicht schuldrechtlichen Charakter, denn sein Gegenstand ist der Erwerb einer Mitgliedschaft und damit die Erweiterung der Körperschaft10. Dieser

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5 6 7 8 9 10

Priester in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 55 GmbHG Rz. 22. Priester in Scholz (Fn. 5), § 55 GmbHG Rz. 40. Priester in Scholz (Fn. 5), § 55 GmbHG Rz. 70. Statt aller: Priester in Scholz (Fn. 5), § 55 GmbHG Rz. 73. Statt aller: Priester in Scholz (Fn. 5), § 55 GmbHG Rz. 71. So auch BGH, ZIP 1999, 310.

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Auffassung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die h. M. übersieht jedoch, dass der Übernahmevertrag auch einen rechtsgeschäftlichen Inhalt hat. Der Übernahmevertrag bindet den Übernehmer und verpflichtet ihn zur Einlageleistung11. Hierbei kann es sich nicht um einen körperschaftlichen Akt handeln, da der Übernehmer zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht Mitglied des Gesellschafterkreises ist. Die Frage, ob der Übernehmer auch einen Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft hat, kann im konkreten Fall dahingestellt bleiben. An dieser Stelle ist nur zu klären, ob der Übernehmer eine Erfüllungsverpflichtung eingegangen ist, die notfalls auch gerichtlich durchsetzbar ist12. Für den weiteren schuldrechtlichen Charakter dieses Verpflichtungsverhältnisses spricht auch, dass bei einem Scheitern der Kapitalerhöhung ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr der erfolgten Einlage nach § 812 Abs. 1 BGB entsteht13. Ferner spricht noch folgendes Argument für diese These: Verletzt die Gesellschaft die Verpflichtung, aufgrund des Übernahmevertrages die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister zu betreiben und damit die Kapitalerhöhung zu vollziehen, können den Übernehmern Schadenersatzansprüche zustehen. Auch hierbei handelt es sich nicht um einen körperschaftsrechtlichen, sondern um einen rechtsgeschäftlichen Anspruch. Schließlich spricht auch für den rechtsgeschäftlichen Charakter des Übernahmevertrages, dass dieser wirksam nicht in der Form der Tatsachenbeurkundung nach §§ 36 ff. BeurkG geschlossen werden kann, sondern nur durch Beurkundung gemäß §§ 8, 13 BeurkG14. In der kostenrechtlichen Literatur15 wird die Nichtanwendung des § 38 Abs. 2 Nr. 6a KostO schließlich noch damit begründet, dass zwischen den Parteien des Übernahmevertrages und den Parteien des Erfüllungsgeschäftes keine Personenidentität bestünde. Im ersteren Fall sei die Vertragspartei die Gesellschaft, handelnd durch die Gesellschafter, während im zweiten Fall zwar auch die Gesellschaft auftrete, handeln würde diese aber durch die Geschäftsführer. Diese Bedenken gegen die Nichtanwendbarkeit der Ermäßigungsregelung überzeugen jedoch nicht. Zum einen ist in beiden Fällen die Gesellschaft Vertragspartner. Durch wen diese handelt, kann im Außenverhältnis keine Rolle spielen. Hierbei handelt es sich nur um eine gesellschaftsinterne Kompetenzfrage. Theoretisch können sogar die Geschäftsführer den Übernahmevertrag für die Gesellschafter abschließen, wenn sie durch diese hierzu ermächtigt worden sind16. Im übrigen muss die Gesellschaft

__________ 11 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 55 GmbHG Rz. 34. 12 Vgl. hierzu Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 53 GmbHG Rz. 35; Fleck, ZGR 1988, 115; vgl. hierzu auch Priester in Scholz (Fn. 5), § 53 GmbHG Rz. 35, der einen durchsetzbaren Anspruch des Dritten gegen die GmbH bejaht. 13 Statt aller: Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 55 GmbHG Rz. 34. 14 Priester in Scholz (Fn. 5), § 55 GmbHG Rz. 78. 15 Vgl. z. B. Schwarz in Korintenberg (Fn. 2), § 38 KostO Rz. 51. 16 Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 55 GmbHG Rz. 34.

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Gläubiger des Erfüllungsanspruchs sein, sonst würde die Übereignung des Grundbesitzes ohne Rechtsgrund erfolgen. Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Durch die Übernahmeerklärung entsteht ein schuldrechtlicher Anspruch auf Erfüllung, d. h. auf Auflassung. Da Kostenrecht Folgerecht des materiellen Rechts ist, bedeutet dies weiter, dass für die Beurkundung der Erfüllungshandlung in Form der Auflassung die Ermäßigungsregelung des § 38 Abs. 2 Nr. 6 a KostO aus gesellschaftsrechtlichen Überlegungen nicht ausgeschlossen ist. Nichts anderes kann gelten, wenn bei einer Kapitalerhöhung statt eines Grundstücks ein GmbH-Anteil eingebracht werden soll. Nach § 38 Abs. 2 Nr. 6 d KostO gelten für die Abtretung eines Geschäftsanteils einer GmbH bezügl. der Kostenermäßigung dieselben Grundsätze17. Voraussetzung für die Ermäßigung ist allerdings, dass die Übernahmeerklärung beurkundet und nicht nur beglaubigt wird, da § 38 KostO die Vergünstigung von der Beurkundungsform abhängig macht. § 55 Abs. 1 KostO lässt für die Übernahmeerklärung die notarielle Beglaubigung ausreichen. Die Beschränkung auf die Unterschriftsbeglaubigung wird damit begründet, dass Ziel dieser Bestimmung die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Kapitalgrundlage der Gesellschaft und der Schutz der Gläubiger und künftigen Gesellschafter ist18. Zweck dieser Formvorschrift ist es also nicht, den Übernehmer auf die Bedeutung des Geschäfts hinzuweisen und vor dem Eingehen übereilter Verpflichtungen zu schützen (Warnfunktion), den Beweis der getroffenen Vereinbarungen zu sichern (Beweisfunktion), die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes zu gewährleisten (Gültigkeitsgewähr) und eine sachgemäße Beratung des Übernehmers sicherzustellen (Beratungsfunktion)19. Fraglich ist, ob die Beglaubigung ausreicht, wenn der Übernehmer sich verpflichtet, bei einer Kapitalerhöhung Grundbesitz in die Gesellschaft einzubringen, oder ob in diesem Falle nicht doch eine Beurkundung erforderlich ist. Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum wird diese Frage – soweit ersichtlich – nicht behandelt. In entsprechenden Ausführungen zur Übernahmeerklärung wird nur gesagt, dass diese „beurkundet oder beglaubigt“ werden muss20.

__________ 17 Vgl. hierzu auch Lappe, NotBZ 2004, 226, der den Analogiegedanken zugunsten des Kostenschuldners heranzieht. 18 Statt aller: Priester in Scholz (Fn. 5), § 55 GmbHG Rz. 78. 19 Vgl. hierzu: Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 311 b BGB Rz. 1; siehe auch BGH, WM 1966, 1263. 20 Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 55 GmbHG Rz. 42; Priester in Scholz (Fn. 5), § 55 GmbHG Rz. 78; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 55 Rz. 61; Heidenhain in MünchVertragshdb.GesR, 6. Aufl. 2005, Muster IV 89 mit Anm. zu Muster 83; Fleischhauer, Handelsregisterrecht, 2006, S. 422; vgl. hierzu auch Klug, RNotZ 2003, 29, der für die AG nachweist, dass bei Rspr. und Schrifttum die Frage der Beurkundungspflicht für den Zeichnungsvertrag nicht behandelt wird.

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Allerhöchstens wird noch die Frage diskutiert, ob bei Abgabe der Übernahmeerklärung durch einen Bevollmächtigten dessen Vollmacht notariell beglaubigt sein muss oder ob die Schriftform nach § 167 Abs. 2 BGB ausreicht. Erörtert wird mitunter auch noch die Frage, ob die Übernahmeerklärung mit in diese notarielle Urkunde aufgenommen werden kann, wenn die Beurkundung in Protokollform nach § 36 BeurkG erfolgt, was richtigerweise verneint wird21. Schließlich wird durchweg empfohlen, aus Kostenersparnisgründen die Übernahmeerklärungen nicht zusammen mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss zu beurkunden, sondern in einer separaten Urkunde in Beglaubigungsform niederzulegen22. Einzig Kanzleiter23 erklärt ohne weitere Begründung, dass bei gesonderter Übernahmeerklärung bez. eines Grundstücks als Sacheinlage die Übernahmeerklärung beurkundungspflichtig sei. Dieser Auffassung ist zu folgen. § 311 BGB gilt für alle Arten von Verpflichtungserklärungen. Formbedürftig sind alle Verpflichtungsgeschäfte, die auf die Übertragung von Grundbesitz gerichtet sind24. Auf welchem Wege die Veräußerung erfolgt, ist dabei gleichgültig. So ist unstreitig25 auch ein Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft beurkundungspflichtig, wenn sich ein Gesellschafter bei Gründung der Gesellschaft oder bei späterem Beitritt zur Einbringung eines Grundstücks verpflichtet. Aus diesen Überlegungen ergibt sich zwingend, dass damit auch die Übernahmeerklärung der notariellen Beurkundung bedarf und nicht nur der Beglaubigung, wenn sich der Übernehmer darin verpflichtet, Grundstücke als Sacheinlage in die Gesellschaft einzubringen26. Damit steht auch fest, dass eine Verpflichtungserklärung in Beurkundungsform i. S. v. § 38 Abs. 2 Nr. 6a KostO existiert. Wird also die Auflassungserklärung in gesonderter Niederschrift beurkundet, entsteht nach § 38 Abs. 6a Kost O nur eine 5/10-Gebühr und nicht stets eine 20/10-Gebühr nach § 36 Abs. 2 KostO. Es empfiehlt sich aber aus Kostenersparnisgründen, die Übernahmeerklärung und den Einbringungsvertrag zusammen zu beurkunden, da

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21 Ulmer in Hachenburg (Fn. 20), § 55 GmbHG Rz. 62; Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, WürzbNotarhdb., 2005, Kap. 5 Rz. 258. 22 WürzbNotarhdb. (Fn. 21), Teil 5 Kap. 3 Rz. 256; Fleischhauer (Fn. 20), S. 258. 23 Kanzleiter in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 21. Aufl. 2004, § 145 Rz. 90. 24 Palandt/Heinrichs (Fn. 19), § 311b BGB Rz. 7 u. Münchener Kommentar/Kanzleiter, § 313 Rz. 16. 25 Statt aller: Palandt/Heinrichs (Fn. 19), § 311b BGB Rz. 9; so aber auch schon BGH, BB 1995, 203. 26 So auch schon H. Schmidt in Haferland/Schmidt/Tiedtke, Praxis des Handels- und Kostenrechts, 4. Aufl. 2003, Rz. 1157; vgl. hierzu auch Langenfeld, Rechtsformularbuch, 2007, Rz. 20–26 und Reich in WürzbNotarhdb. (Fn. 21), Teil 5 Kap. 4 Rz. 564, die diese Frage für die AG behandeln. Wegen der Heilungswirkung des § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB und des § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG ist diese Frage bisher nicht zum Thema geworden.

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beide gegenstandsgleich i. S. v. § 44 Abs. 1 KostO sind27. In einem solchen Fall wird die Gebühr nur einmal berechnet28. Der Geschäftswert richtet sich nach dem Nennbetrag der zu übernehmenden Einlage, wenn dieser den Wert der Sacheinlage übersteigt. Hat die zu erbringende Sacheinlage einen höheren Wert, wobei Schulden nicht nach § 18 Abs. 3 KostO abgezogen werden dürfen, ist der Wert maßgebend.

III. Einziehung von Geschäftsanteilen einer GmbH (§ 43 GmbHG) Der Geschäftsanteil geht mit Wirksamwerden der Einziehung unter. Der Betroffene verliert seine Mitgliedschaft mit allen Rechten und Pflichten. Das Stammkapital bleibt dabei aber unverändert, falls die Einziehung nicht mit einer Herabsetzung des Stammkapitals verbunden wird. Bis dahin herrscht absolute Einigkeit in der Rechtsprechung und im Schrifttum29. Einigkeit besteht auch noch darüber, dass mit der Einziehung eines Geschäftsanteils die Rechte und Pflichten der verbliebenen Gesellschafter in gleichem Maße zunehmen, wie sie bei dem von der Einziehung betroffenen Gesellschafter entfallen30. Unstimmigkeit besteht jedoch hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen die Einziehung auf die Nennbeträge der anderen Geschäftsanteile hat. 1. Nach h. M.31 verändert sich trotz des Anwachsens der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten der Nennbetrag der verbleibenden Geschäftsanteile nicht. Der Betrag des Stammkapitals stimmt dann nicht mehr mit der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile überein. Die auf Übereinstimmung von Stammkapital und Gesamtbetrag der Stammeinlagen gerichteten Vorschriften der § 45 Abs. 3, § 55 Abs. 4 GmbHG beträfen nur die Situation der Gründung oder der Kapitalerhöhung. Die Divergenz zwischen Stammkapital und der Summe der Nennbeträge verbleibenden Geschäftsanteile könne zum einen durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung im Wege der Aufstockung der verbleibenden Geschäftsanteile in Höhe der auf sie entfallenden Teile des einbezogenen Geschäftsanteiles beseitigt werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit, einen neuen Geschäftsanteil zu bilden, der an die Gesellschaft oder einen neu eintretenden Gesellschafter aus-

__________

27 Statt aller: Bengel/Tiedtke in Korintenberg (Fn. 2), § 44 KostO Rz. 65. 28 A. A.: Tiedtke, Notarkosten im Grundstücksrecht, 2. Aufl. 2006, Rz. 1352, der in diesem Falle von einer 20/10-Gebühr ausgeht. 29 Statt aller: H. P. Westermann in Scholz, GmbHG (Fn. 5), § 34 GmbHG Rz. 62. 30 Vgl. z. B. Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 34 Rz. 63 und BayObLG, DB 1991, 2537. 31 H. P. Westermann in Scholz (Fn. 5), § 34 GmbHG Rz. 62; Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 34 GmbHG Rz. 16, Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 34 GmbHG Rz. 62; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 34 GmbHG Rz. 51; Sieger/Mertens, ZIP 1996, 1493 (1496); BayObLG, DB 1991, 2537.

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gegeben werden kann. Im ersteren Fall ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, der keiner notariellen Form bedarf, da die Nennbeträge der Geschäftsanteile nicht materieller Satzungsbestandteil sind. Soweit der Notar trotzdem mit der Sache betraut ist, kommt nur die Fertigung eines Entwurfes für einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss in Frage. Diese Tätigkeit wird nach § 147 Abs. 2 KostO mit einer 5/10-Gebühr abgerechnet. § 47 KostO kommt nicht in Betracht, da diese Bestimmung nur für die Beurkundung von Beschlüssen gilt. § 145 KostO ist ebenso wenig anwendbar, da hierunter nur solche Schriftstücke fallen, die bei notarieller Beurkundung Gebühren gem. §§ 36, 37, 38, 41, 43 und 46 KostO auslösen würden32. Der Geschäftswert ist nach § 30 Abs. 1 KostO zu bestimmen. Ausgangswert ist der nach §§ 41c Abs. 1, 41a Abs. 4 KostO zu bestimmende Wert, da es sich um einen Beschluss ohne bestimmten Geldwert handelt. Ein Bruchteil von 50 % des Ausgangswertes erscheint angemessen. Der Ausgangswert beträgt 1 % des eingetragenen Stammkapitals, mindestens 25 000 Euro; im konkreten Fall also normalerweise 12 500 Euro. Bei Neubildung eines Geschäftsanteiles an Stelle des eingezogenen Anteils durch Kapitalerhöhungsbeschluss (sog. Revalorisierung)33 ist die notarielle Beurkundung nach § 53 Abs. 2 GmbHG erforderlich, da dieser Beschluss zumindest der ¾-Mehrheit bedarf34. Zum Teil wird Einstimmigkeit verlangt, was aber auf die vorstehende Frage des Formerfordernisses keinen Einfluss hat. In diesem Falle kommt § 47 KostO zur Anwendung, d. h. es entsteht eine 20/10-Gebühr. Der Geschäftswert richtet sich nach § 41c Abs. 1 i. V. m. § 41a Abs. 4 KostO, d. h. 1 % des Stammkapitals, mindestens 25 000 Euro. Ein Abschlag kommt nicht in Betracht, da § 30 KostO hier keine Anwendung findet. In der Literatur35 wird auch die Frage der Neubildung im wesentlichen nur unter dem Gesichtspunkt erörtert, welche Mehrheit für einen solchen Beschluss erforderlich ist. Die Frage, wie die Neubildung rechtstechnisch zu geschehen hat, wird kaum oder nur sehr oberflächlich behandelt. Dabei ist diese Frage zumindest aus kostenrechtlicher Sicht von großer praktischer Bedeutung. Die Anteilsneubildung stellt sich – wie Priester36 unter Berufung

__________ 32 Streifzug durch die KostO, 6. Aufl. 2005, Rz. 1018; a. A. nur OLG Stuttgart, MittRhNotK 1993, 101, das sich jedoch mit seiner Meinung in der Praxis nicht durchgesetzt hat. 33 BayObLG, DB 1991, 2537; Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 34 GmbHG Rz. 64; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 5), § 34 GmbHG Rz. 67, 70. 34 H. P. Westermann in Scholz (Fn. 5), § 34 GmbHG Rz. 61; Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 34 GmbHG Rz. 66. 35 Z. B. H. P. Westermann in Scholz (Fn. 5), § 34 GmbHG Rz. 70; Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 34 GmbHG Rz. 66; Bartl/Fichtelmann/Schlarb/Schulze, GmbHG, 5. Aufl. 2002, § 34 GmbHG Rz. 6; Baumbach/Hueck (Fn. 31), § 34 GmbHG Rz. 20. 36 In FS Kellermann, 1991, S. 357.

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auf Mangold zutreffend darlegt – als eine Teilabtretung von Geschäftsanteilen seitens der verbliebenen Gesellschafter unter gleichzeitiger Zusammenlegung der solchermaßen entstandenen Teilgeschäftsanteile dar. Es liegen letztendlich drei Rechtsakte vor: Der Aufstockungsbeschluss, die Abtretungserklärung i. S. von § 15 GmbHG und schließlich der Beschluss über die Zusammenlegung der „Teilanteile“37. Der 1. und der 3. Akt sind nicht beurkundungspflichtige Beschlüsse. Was das Kostenrecht anbetrifft, findet hierauf § 41c Abs. 3 KostO Anwendung. Danach werden die Werte der beiden Akte entsprechend § 44 KostO zusammengezählt. Die Gebührenstufe beträgt nach § 147 Abs. 2 KostO 5/10, wenn der Notar den entsprechenden Entwurf fertigt. Werden die beiden Akte im Zusammenhang mit der Abtretung mitbearbeitet, entsteht eine 20/10-Gebühr nach § 47 KostO. Daneben ist eine 20/10-Gebühr nach § 36 Abs. 2 KostO für die Beurkundung der Anteilsübertragung zu erheben. 2. Priester38 geht hingegen davon aus, dass sich bei Einziehung eines Geschäftsanteils der Nennbetrag der verbliebenen Anteile automatisch entsprechend dem proporzmäßig aufgeteilten Nennbetrag des eingezogenen Geschäftsanteils erhöht. Er begründet dieses Ergebnis zutreffenderweise damit, dass die Quotenfunktion des Nennwertes Vorrang vor der Identifikationsfunktion besitzt39. Dies führt dazu, dass eine Änderung der Quote automatisch eine Änderung des Nennwertes zur Folge hat. Die Überlegungen von Priester haben sich in der Praxis bisher nicht durchgesetzt. Nur Hommelhoff40 ist dieser Auffassung gefolgt. Erklären lässt sich die Tatsache, dass sich Priester bisher in der Praxis nicht durchgesetzt hat, vermutlich damit, dass seine Ausführungen in einer Festschrift veröffentlicht worden sind, die schwer zugänglich ist und deshalb auch nicht entsprechend berücksichtigt wird. So wird Priester in neueren Abhandlungen zu diesem Thema gar nicht41 oder nur am Rande kurz erwähnt. Folgt man der Auffassung von Priester, ist ein Beschluss der Gesellschafter, ihre Geschäftsanteile im Nennwert so aufzustocken, nicht erforderlich, damit deren Gesamtbetrag wieder dem Betrag des Stammkapitals entspricht. Ein dennoch gefasster Beschluss hätte nach ihm nur deklaratorische Wirkung42. Priester empfiehlt aber trotzdem, vorsorglich einen entsprechenden Beschluss zu fassen, so lange die ganz überwiegende Meinung der Anpassung konstitutive Bedeutung beimisst. Kostenrechtlich ist ein solcher vom Notar entworfener Beschluss nach § 147 Abs. 2 KostO abzurechnen. Es gelten die

__________ 37 38 39 40 41

Priester in FS Kellermann, 1991, S. 337 ff. (349). Priester in FS Kellermann, 1991, S. 348. Vgl. hierzu auch Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 37 GmbHG Rz. 3. Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 34 GmbHG Rz. 3. Z. B. Wolff, Das Schicksal eingezogener GmbH-Geschäftsanteile und alternative Satzungsregelungen, GmbHR 1999, 958 ff. 42 Priester in FS Kellermann, 1991, S. 351.

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vorstehenden Ausführungen zu 1. entsprechend, da bei dem geringen Geschäftswert zwischen deklaratorischem und konstitutivem Beschluss kein großer Unterschied besteht. Ergebnis: Zwar besteht zwischen der Auffassung zu 1. und 2. kostenrechtlich kein Unterschied, solange auch nach der letzteren Auffassung noch für einen vorsorglichen Anpassungsbeschluss plädiert wird. Wohl aber zwingt die Neubildung und Abtretung dazu, dass diese Vorgänge kostenrechtlich genauer analysiert werden müssen mit der Folge, dass auch die Gesellschaftsrechtler diese Frage genauer behandeln müssen.

IV. Satzungsänderung bei der Vor-GmbH In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass eine Satzung, bevor die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist, geändert werden soll. Zu denken ist zum einen daran, dass die IHK gegen den gewählten Namen der Gesellschaft Bedenken angemeldet hat und diese Bedenken beseitigt werden sollen. Zu denken ist aber auch daran, dass neuere Überlegungen der Gesellschafter zu einer Änderung der Satzung vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zwingen. Nach der herrschenden Ansicht im Schrifttum43 und in der Rechtsprechung44 setzt die Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung der GmbH die Mitwirkung aller Gesellschafter und die Beachtung aller Formen voraus. Soweit eine Änderung durch Vertreter erfolgen soll, ist für deren Vollmacht die Form des § 2 Abs. 2 GmbHG zu beachten. Demgegenüber vertritt Priester45 die Auffassung, dass schon aus praktischen Gründen ein erhebliches Interesse an der Zulässigkeit einer Beschlussfassung mit satzungsändernder Mehrheit des § 53 GmbHG im Beschlusswege besteht. Er stellt insbesondere fest, dass § 5 Abs. 2 GmbHG seiner Auffassung nicht entgegensteht, da sich diese Bestimmung auf die „Errichtung“ der Gesellschaft bezieht, die aber mit Feststellung der ursprünglichen Satzung beendet ist. Kostenrechtlich bestehen zwischen beiden Auffassungen erhebliche Unterschiede. Nach der ersten herrschenden Meinung ist die Änderung nur in Form des § 2 GmbHG zulässig, d. h. in Beurkundungsform. Da es sich hierbei um eine Ergänzung oder Änderung beurkundeter Erklärungen handelt, fällt jedoch nur der ermäßigte Gebührensatz des § 42 KostO (= 10/10Gebühr) und nicht die volle Gründungsgebühr (= 20/10-Gebühr) an. Wird die

__________ 43 Ulmer in Hachenburg (Fn. 30), § 2 GmbHG Rz. 20; Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 2 GmbHG Rz. 23, alle m. w. N. 44 BGH, BB 1952, 990; BGH, NJW 1956, 1435. 45 Priester, Satzungsänderungen bei der Vor-GmbH, ZIP 1987, 280 ff.

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Änderung jedoch entspr. Priester in Beschlussform vorgenommen, entsteht zwingend die 20/10-Gebühr nach § 47 KostO. Die letztere Auffassung bringt der Praxis zwar große Erleichterungen, kostenmäßig ist sie jedoch ungünstiger. Völlig andere Überlegungen gelten jedoch für die Beschlussfassung außerhalb von Satzungsänderungen. Die Entscheidungsbildung der Vor-GmbH erfolgt in diesen Fällen in Beschlussform46. Auch das Mehrheitsprinzip wird in diesem Bereich einhellig anerkannt47. Dies gilt insbes. für die Bestellung der ersten Geschäftsführer, soweit diese nicht ausdrücklich mit im Gesellschaftsvertrag nach § 6 Abs. 3 als Sonderrecht mit aufgenommen werden. In der Regel erfolgt diese Bestellung im Gründungsprotokoll in gesonderter Beschlussform. Dies löst dann eine 20/10-Gebühr nach § 47 KostO aus48. Diese Feststellung gilt selbst dann, wenn es sich nur um eine Einpersonengründung handelt, bei der der Gründungsakt nur eine 10/10-Gebühr auslöst. Erfolgt die Bestellung der ersten Geschäftsführer jedoch in einem gesonderten privatschriftlichen Gesellschafterbeschluss, so entsteht entweder gar keine Gebühr, wenn die Gründer diesen Beschluss selbst entwerfen und unterzeichnen. Wird der Beschluss hingegen vom Notar entworfen, so entsteht hierfür nur eine 5/10-Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO49, also erheblich weniger, als wenn die Bestellung im Gründungsprotokoll mit aufgenommen wird50. Dass dies möglich und empfehlenswert ist, ergibt sich daraus, dass niemand auf die Idee käme, die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers nach Eintragung der GmbH im Handelsregister zu beurkunden. Wenn die Bestellung aber später privatschriftlich möglich ist, dann muss dies auch für den Gründungsakt gelten. Wird ausnahmsweise der Nachweis der Bestellung in öffentlicher Form benötigt, können die Unterschriften auch unter der Bestellungsurkunde beglaubigt werden, was aber nur eine Gebühr nach § 45 KostO auslöst.

__________ 46 K. Schmidt in Scholz (Fn. 5), § 11 GmbHG Rz. 46; Priester, ZIP 1987, 282; BGH, WMP 1981, 438. 47 BGH, NJW 1981, 2125. 48 Statt aller: Haferland/Schmidt/Tiedtke (Fn. 26), Rz. 410. 49 Statt aller: Haferland/Schmidt/Tiedtke (Fn. 26), Rz. 410. 50 Nach der h. M. (vgl. z. B. Tiedtke, ZNotP 2006, 236) liegt in der Mitberechnung des Beschlusses über die Geschäftsführerbestellung im Rahmen der Gründung der GmbH in der Regel keine unrichtige Sachbehandlung i. S. v. § 16 KostO. Eine Trennung von Gesellschaftsgründung und Bestellung der ersten Geschäftsführung ist nach Tiedtke nur dann vorzunehmen, wenn die Gründer dies ausdrücklich verlangen. Überzeugend ist diese Auffassung nicht, da immerhin das Gebot für den Notar gilt, den kostengünstigen Weg vorzuschlagen, wenn er gleich sicher ist; vgl. hierzu auch KG, ZNotP 2006, 235. Die Praxis hat allerdings mit der bisher geübten teureren Verfahrensweise keine kostenrechtlichen Probleme.

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V. Ergebnis Zusammenfassend ist also festzuhalten: In vielen gesellschaftsrechtlichen Streitfragen kommt die „Stunde der Wahrheit“ erst bei der Ermittlung der Notargebühren. Die Kostenrechtler müssen dann entscheiden, welcher Auffassung sie folgen wollen, um beurteilen zu können, welche Gebühr für die entsprechende notarielle Tätigkeit entstanden ist.

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Zehn Jahre GmbH & Co. KGaA – Zurechnungs- und Durchgriffsprobleme nach BGHZ 134, 392 Inhaltsübersicht I. Ein Grundlagenurteil und die Folgen 1. Zur Ausgangsentscheidung 2. Rechtsfortbildung als Ereignis und als Prozess 3. Eine gesetzliche Rechtsform verändert ihr Gesicht 4. Außen- und Innenverhältnis II. Die Rolle der Komplementärin: Magd oder Herrin der Kommanditgesellschaft auf Aktien? 1. Das Integrationsmodell: Herrschaft der Kommanditaktionäre 2. Das Zentralverwaltungsmodell: Die Komplementärin als Fremdsteuerungsinstrument 3. Der Einfluss auf Durchgriffs- und Zurechnungsfragen III. Die Ursachen der Durchgriffs- und Zurechnungsprobleme 1. Selbstorganschaft in Fremdorganschaft (et vice versa) 2. Einheit in der Vielheit (et vice versa) 3. Fragestellungen

IV. Anwendung von KGaA-Recht auf den GmbH-Geschäftsführer und die GmbH-Gesellschafter? 1. Inkompatibilitäten und Stimmverbote in der KGaA 2. Verhaltensregeln (Wettbewerbsverbot, Corporate Governance und Verantwortlichkeit) 3. Anwendung auf Gesellschafter der Komplementär-GmbH? V. Organisationsrechtlicher Durchgriff 1. Vertretung der KGaA gegenüber der GmbH und ihrem Geschäftsführer 2. Personalhoheit der KGaA gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer? 3. Mitbestimmung 4. Ein Blick auf die Auslandsgesellschaft & Co. KGaA VI. Schlussbemerkung 1. Eine Verjüngungskur für die Rechtsform der KGaA? 2. Cui bono?

I. Ein Grundlagenurteil und die Folgen 1. Zur Ausgangsentscheidung Dem Urteil BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 v. 24.2.1997 hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs folgende amtliche Leitsätze vorangestellt: „a) Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann grundsätzlich persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sein. b) Dazu ist jedoch unabdingbar erforderlich, dass das Fehlen einer natürlichen Person in der Eigenschaft des Komplementärs in der Firma der Gesellschaft kenntlich gemacht wird. § 19 Abs. 5 HGB findet insoweit sinngemäß Anwendung.“

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Der zweite dieser Leitsätze ist nur noch von historischer Bedeutung, seit durch das Handelsrechtsreformgesetz1 das Firmenrecht der KGaA ohne natürlichen Komplementär gesetzlich geregelt ist (§ 279 Abs. 2 AktG). Der erste Leitsatz wird dagegen noch heute als ein historischer Einschnitt in eine lange geführte Diskussion um die Verfassung der Kommanditgesellschaft auf Aktien angesehen2. Sie zum Gegenstand eines Rückblicks in der Festschrift für Hans-Joachim Priester zu machen, liegt aus der Sicht des Verfassers aus einem gleichteilig fachlichen und persönlichen Grund nahe. Der Jubilar und der Verfasser hatten sich ein Jahr vor dem Urteil in der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht zu einem kontrovers geführten Dialog über eben dieses Thema zusammengefunden. Hans-Joachim Priester hatte für die Anerkennung der GmbH & Co. KGaA plädiert3, der Verfasser dagegen4. Es versteht sich, dass beide der BGH-Entscheidung wie Anwälte in einer Revisionssache entgegensahen, obwohl es sich um eine Vorlagesache nach § 28 FGG, also um das Verfahren in einer Registersache handelte5 und obwohl die vor ein Dutzend Jahren getroffene Verabredung zu diesem freundschaftlichen Schlagabtausch mit dem uns anfangs ganz unbekannten aktuellen Fall zunächst nichts zu tun gehabt hatte6. Nun: Der Jubilar ging als „Sieger“ aus diesem „unserem Prozess“ hervor7. Es trat also ein, was den Verfasser in Anbetracht des sich bereits vor unserer Gemeinschaftsveröffentlichung abzeichnenden Trends hin zur Zulassung der GmbH & Co. KGaA mit Blick auf die Zukunft zu folgenden Worten veranlasst hatte8: „Und wenn sich die Befürworter … nach jüngsten Veröffentlichungen unübersehbar auf der Überholspur befinden, wird es die hinter dem davoneilenden Zeitgeist herblickenden ewig Gestrigen wenig trösten, einmal mit der ‚ersten Garnitur‘ gelaufen oder gar selbst dazugerechnet worden zu sein.“ Der Meinungsstreit ist also ausgegangen wie vom Jubilar und vom Verfasser – wenn auch mit unterschiedlichem Vorgefühl – prognostiziert. Die damals in Übereinstimmung mit anderen9 von Hans-Joachim Priester für die Zulas-

__________ 1 Art. 8 Nr. 5 HRefG v. 22.6.1998, BGBl. I, S. 1474. 2 Repräsentativ die Beiträge von Hommelhoff und Ihrig/Schlitt in Ulmer (Hrsg.), Die GmbH & Co. KGaA nach dem Beschluss BGHZ 134, 392, ZHR-Beiheft Nr. 67, 1998. 3 Priester, ZHR 160 (1996), 250 ff. 4 Karsten Schmidt, ZHR 160 (1996), 265 ff. 5 Vorlegendes Gericht war das OLG Karlsruhe, ZIP 1996, 1787. 6 Vgl. zur Vorgeschichte der ZHR-Kontroverse den Vorspann bei Priester, ZHR 160 (1996), 250. 7 Vgl. auch Röhricht/Priester/Karsten Schmidt in JbFSt 1997/98, 1998, S. 239 ff. 8 Karsten Schmidt, ZHR 160 (1996), 265 (266). 9 Vgl. nur OLG Hamburg, AG 1969, 259 = GmbHR 1969, 135 m. Anm. Hesselmann; Graf, Die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, 1993, S. 19 ff., 45 ff.; Sethe, Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996, S. 101 ff.; Hennerkes/May, DB 1988, 537 (539 ff.); dies., BB 1988, 2393 ff.; dies., StBJb. 1988/1989, 1989, S. 303 (312 ff.); Claussen in FS Heinsius, 1991, S. 61 (69 ff.); ders., GmbHR 1996, 73 (76 ff.); Priester, JbFSt 1989/90, 1990, S. 189.

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sung der GmbH & Co. KGaA vorgetragenen Gesichtspunkte haben die vom Verfasser entfalteten Gegenargumente in den Augen des II. Zivilsenats ausgestochen. Die Diskussion über das Ob der GmbH & Co. KGaA war damit beendet, aber die eigentliche Arbeit stand erst noch bevor. 2. Rechtsfortbildung als Ereignis und als Prozess Heute wird die Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA – allgemeiner und besser formuliert: der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA – nicht mehr ernsthaft bezweifelt10. Der Gesetzgeber hat sich die Auffassung des Bundesgerichtshofs im Zuge der HGB-Reform 1998 dadurch zu eigen gemacht, dass er in § 279 Abs. 2 AktG ausdrücklich den auch vom Bundesgerichtshof geforderten Firmenzusatz verlangt, wenn in der Gesellschaft keine natürliche Person unbeschränkt haftet11. Doch wäre es ein Irrtum, die damit vollzogene Rechtsfortbildung als abgeschlossen anzusehen. Im Gegenteil: Das vor zehn Jahren vom BGH entschiedene Problem bestand nicht eigentlich in der Frage, ob die Aufnahme einer juristischen Person als KGaA-Komplementärin nach dem Recht der §§ 278 ff. AktG – wie schon längst nach dem Kommanditgesellschaftsrecht der §§ 161 ff. HGB – „geht“. Dies war, wenn man das Ergebnis denn wollte, trotz der in andere Richtung weisenden Vorgeschichte des Rechtsinstituts12 nicht ernsthaft zu bezweifeln. Die Grundsatzfrage bestand darin, ob sich das Gesellschaftsrecht um einer Aktivierung der KGaA als Finanzierungsinstrument willen die mit einer Zulassung der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA verbundenen Rechtsfortbildungslasten aufladen wollte und sollte oder nicht13. Indem der Bundesgerichtshof die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA zugelassen hat, hat er diese Eingangsfrage bejaht. Ähnlich wie einst bei der Zulassung der GmbH & Co. KG war dieser Initiationsschritt nicht eigentlich der Abschluss, sondern die Eröffnung eines Rechtsfortbildungsprozesses, der nunmehr vor uns lag. Dies ist ein weiterer Grund, der einen Blick auf die Folgen von BGHZ 134, 392 als geeigneten Gegenstand eines Beitrags in der Festschrift für Hans-Joachim Priester erscheinen lässt, denn als Notar mit jahrzehntelanger Praxis im Gesellschaftsrecht und rechtswissenschaftlicher Präsenz ist der Jubilar nicht nur Vollzieher herrschender Auffassungen, sondern Stimme im Konzert derer, die sich im Verein mit

__________ 10 Repräsentativ Grunewald, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2005, 2.D. Rz. 3; Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, S. 254; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 23 Rz. 6; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2002, S. 973 (977 ff.). 11 Vgl. oben Fn. 1. 12 Vgl. zu dieser demnächst die Ausführungen des Verf. in Habersack/Bayer (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel der Zeit, Bd. II, 2007. 13 Karsten Schmidt, ZHR 160 (1996), 265 (272).

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Gesetzgebung und Rechtsprechung das Geschäft der Rechtsfortbildung teilen14. 3. Eine gesetzliche Rechtsform verändert ihr Gesicht Kaum eine Rechtsform des Gesellschaftsrechts hat im Verlauf von eineinhalb Jahrhunderten ihr Gesicht so grundsätzlich verändert wie die Kommanditgesellschaft auf Aktien15. Im ADHGB von 1861 als Personengesellschaft angelegt, deren Kommanditkapital in Aktien zerlegt (Art. 173 ff. ADHGB) und die zwingend mit einer Personalfirma versehen war (Art. 17 ADHGB), unterlag sie dem bis 187016 für Aktiengesellschaften (Art. 208 ADHGB) geltenden Konzessionssystem (Art. 174 ADHGB). Nachdem ihr Wettbewerbsvorteil gegenüber der Aktiengesellschaft weggefallen war, dachte der Reformgesetzgeber von 1884 erstmals über die Abschaffung der Rechtsform nach17. Aber sie hatte Bestand und ging – nun aber als Kapitalgesellschaft – in das HGB von 1897 (§§ 230 ff. HGB 1897) und im Gefolge dieser Entwicklung in die Aktiengesetze von 1937 (§§ 219 ff.) und 1965 (§§ 278 ff.) ein18. An Umbrüchen hat es also nicht gefehlt, und doch kann gesagt werden, dass die vor zehn Jahren vom Bundesgerichtshof beschlossene Anerkennung der GmbH & Co. KGaA das Gesicht dieser gesetzlichen Rechtsform stärker verändert und der weiteren Rechtsfortbildung ein größeres Programm aufgegeben hat als 150 Jahre Gesetzgebung. Davon soll hier die Rede sein. 4. Außen- und Innenverhältnis Zu den traditionellen Schwächen der literarischen Diskussion um zulässige und unzulässige Gestaltungen im Gesellschaftsrecht gehört die Überbetonung des Außenverhältnisses der Handelsgesellschaften, insbesondere der Gesellschafterhaftung. Auch bei der KGaA-Diskussion war dies jedenfalls bis 1997 erkennbar, insbesondere im Blick auf den Gläubigerschutz. Richtig ist zwar, dass die Besonderheiten des Rechts der KGaA ganz überwiegend aus der unbeschränkten Haftung des Komplementärs und aus der damit verbundenen selbstorganschaftlichen Außenverfassung der Kommanditgesellschaft auf Aktien erklärbar sind. Richtig ist auch, dass die Zulassung der GmbH & Co. KGaA Folgen für die Firmierung (§ 279 Abs. 2 AktG) und für den Gläubigerschutz bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien hat19. Für

__________ 14 Über „Gewaltenteilung“ in der Fortbildung des Gesellschaftsrechts vgl. Karsten Schmidt, ZHR 171 (2007), 2 ff. 15 Auch dazu vgl. den Hinweis in Fn. 12. 16 Gesetz v. 11.6.1870, BGBl. 1870, S. 370; Abdruck bei Puchelt, ADHGB, 3. Aufl. 1882, vor Art. 174. 17 Allg. Begründung des Reformgesetzes von 1884 in Schubert/Hommelhoff, 100 Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 477 f. 18 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 160 (1996), 265 (273). 19 Dazu statt vieler Arnold, Die GmbH & Co. KGaA, 2001, S. 16 m. w. N.

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die Praxis und eigentlich auch für das Verständnis der Kommanditgesellschaft auf Aktien weitaus bedeutender ist jedoch der Verlust einer dem Gesetzgeber noch selbstverständlich scheinenden Balance: Die unbeschränkte Komplementärhaftung war tragende Basis des gesetzlichen KGaA-Innenrechts. Auf ihr beruhte die Stärke der selbstorganschaftlichen Unternehmensleitung gegenüber den Kommanditaktionären (vgl. § 278 Abs. 2 AktG) und die Mitbestimmungsresistenz der KGaA in Fragen der Personalhoheit (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 MitbestG). Der bewusste Verzicht auf dieses die Gesetzesverfassung der KGaA tragende Gleichgewicht traf das Organisationsrecht der KGaA buchstäblich ins Mark, weil ja in der GmbH & Co. KGaA die Selbstorganschaft und das Vollhaftungsrisiko ihren Platz nur noch bei einem Zweckinstrument haben: bei der durch das Fehlen persönlicher Haftung und durch Fremdorganschaft charakterisierten Komplementärin. Diese Veränderung musste auf die Innenverfassung der KGaA durchschlagen.

II. Die Rolle der Komplementärin: Magd oder Herrin der Kommanditgesellschaft auf Aktien? Um sich die prägende Bedeutung des Beschlusses BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 vor Augen zu führen, muss man hiernach auf das Innenrecht der KGaA blicken. Ähnlich wie bei der GmbH & Co. KG, hier aber bei einer kapitalgesellschaftlichen Rechtsform, hat der Fortfall des persönlichen Haftungsrisikos bei der GmbH & Co. KGaA die Rolle des Komplementärs grundlegend verändert. Der Gesetzgeber ging bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien von einer durch den gemeinsamen Zweck und den Unternehmensgegenstand verbundenen Einheit aus, in der der Komplementär – nicht selten selbst am Aktienkapital beteiligt! – seine Eigeninteressen mit denen des Verbands zur Einheit zu bringen und seine gegenüber der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ (§§ 278 Abs. 2, 287 Abs. 2 AktG) selbstorganschaftlich legitimierte Leitungsmacht in diesem Sinne auszuüben hatte. Das brachte, so zerrissen die Kommanditgesellschaft auf Aktien als Mischtypus schon nach dem Gesetz zunächst erscheint, eine spezifische Ausgewogenheit – ja Homogenität! – des Rechtsinstituts mit sich: Finanziert wie eine durch „Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter“ (§ 286 Abs. 2 AktG) ergänzte AG, jedoch selbstorganschaftlich geführt wie eine Kommanditgesellschaft, stand die KGaA trotz ihrer systematischen Zugehörigkeit zu den Kapitalgesellschaften auch in der Gesetzgebung von 1897, 1937 und 1965 noch in vergleichsweise großer Nähe zur Kommanditgesellschaft. Nachdem nun die GmbH & Co. KG im Rechtsleben etabliert und dieser die GmbH & Co. KGaA zur Seite gestellt worden ist, hätte man im Gefolge unserer Ausgangsentscheidung eine noch stärkere Annäherung der KGaA an die KG erwarten mögen. In Wahrheit jedoch unterstreicht die neue Entwicklung nachgerade die elementare Verschiedenheit der beiden Rechtsformen. Denn wie uns die GmbH & Co. KG über die Binnenstruktur der modernen KG als 695

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Personengesellschaft belehrt hat20, so belehrt uns die GmbH & Co. KGaA über die körperschaftliche und kapitalgesellschaftliche Binnenstruktur der Kommanditgesellschaft auf Aktien21. Einheitlich ist beiden der rein instrumentelle Charakter der Komplementärin, der das Gesicht der Ausgangsrechtsform (Kommanditgesellschaft bzw. KGaA) einerseits verfremdet, anderseits zur technischen Institutionalisierung der Rechtsform beiträgt. Aber die ist eben grundverschieden. Als Test erweist sich bei beiden die Kernfrage: Wer beherrscht die Komplementärin? Um diese Frage zu verdeutlichen, wurden an anderer Stelle für die GmbH & Co. KG zwei gegensätzliche Modelle entwickelt: das auf Kommanditistenherrschaft hinwirkende „Integrationsmodell“ und das die Kommanditisten zu Kapitalgebern herabstufende „Zentralverwaltungsmodell“22. So soll auch hier verfahren werden23. 1. Das Integrationsmodell: Herrschaft der Kommanditaktionäre a) Die gesellschafteridentische – bei der GmbH & Co. KG unbedingt typische!24 – GmbH & Co. macht die Personengesellschaft bzw. Kapitalgesellschaft zum Instrument der Kommanditisten bzw. Kommanditaktionäre. Die quotengerechte Beteiligung an der Komplementär-GmbH gibt ihnen jenen Einfluss auf die Kommanditgesellschaft bzw. Kommanditgesellschaft auf Aktien, den ihnen das Recht der KG oder KGaA gegenüber einem natürlichen Komplementär versagt: Da der Geschäftsführer der GmbH den Weisungen der Gesellschafter untersteht, beherrschen die Kommanditisten bzw. Kommanditaktionäre – zumal wenn die GmbH in der Kommanditgesellschaft bzw. in der KGaA kein Stimmrecht hat – aus dem Rechtstitel ihrer Gesellschafterstimmrechte die Komplementär-GmbH und mit ihr auch die Kommanditgesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien. Ob diese Gestaltung im Fall einer KGaA ebenso attraktiv ist wie im Fall der Kommanditgesellschaft, ist allerdings zweifelhaft, denn es entfällt ja mit der Komplementärautonomie die Hauptbesonderheit der KGaA im Verhältnis zur Aktiengesellschaft. In ihrer Modellhaftigkeit aber bleibt die durch quotengerechte Gesellschafteridentität hergestellte Verzahnung der beiden Gesellschaften auch im Fall der KGaA lehrreich. Sie macht aus der selbstorganschaftlich konzipierten Gesellschaft im praktischen Effekt eine Komman-

__________ 20 21 22 23

Dazu Karsten Schmidt in FS Röhricht, 2005, S. 511 (521 f.). Vgl. neuerlich Fn. 12. Vgl. Fn. 20. Die Terminologie folgt dem soeben (Fn. 20) zitierten Beitrag; im Manuskriptentwurf hatte Verf. vom „Homogenitätsmodell“ und vom „Hegemoniemodell“ gesprochen. 24 Vgl. nur Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 10. Aufl. 2005, § 8 Rz. 38 ff.; Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch der GmbH & Co. KG, 19. Aufl. 2005, § 1 Rz. 4.

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ditgesellschaft bzw. KGaA ohne Komplementär25 und ersetzt diesen durch ein Fremdorgan: den GmbH-Geschäftsführer. Sie führt zu einer Herrschaft der Mehrheit der Kommanditisten26 bzw. Kommanditaktionäre in beiden Versammlungen und damit in beiden Gesellschaften, folglich im Unternehmen. b) Wer das Integrationsmodell perfektionieren will, kann die GmbH & Co. KGaA auch als Einheitsgesellschaft ausgestalten27. Eine so gestaltete KGaA ist Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH. Wie im Recht der GmbH & Co. KG, aus dem diese etwas bizarre Doppelverflechtung stammt, kann über die Einheitsgesellschaft unterschiedlich gedacht werden: Ist sie die Patentlösung des Verzahnungsproblems bei der GmbH & Co., oder ist sie nur Quelle neuer Probleme28? Eines steht aber wohl fest: Wenn sie eine Lösung gewährleisten soll, dann müssen den Kommanditisten bei der KG bzw. den Kommanditaktionären oder dem sie repräsentierenden Aufsichtsrat bei der KGaA unmittelbare Befugnisse gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zuerkannt werden, wo immer ihre Gesellschafterin – die KG bzw. KGaA – gegenüber dem Geschäftsführer agieren soll29. Man mag die Einheitsgesellschaft also verherrlichen oder verdammen, sie macht doch die Herrschaft der Kommanditaktionäre im Integrationsmodell vollends sinnfällig, … und sie lässt erkennen, dass das Integrationsmodell die Frage nach einem organisationsrechtlichen Durchgriff über die GmbH hinweg – also von der Ebene der KG oder KGaA aus auf die Geschäftsführung – aufwirft. 2. Das Zentralverwaltungsmodell: Die Komplementärin als Fremdsteuerungsinstrument a) An der soeben dargestellten Einheit fehlt es, wenn die Komplementärin im Anteilsbesitz weder der KGaA noch der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, sondern nur einzelner Kommanditaktionäre oder Dritter steht, kurz: wenn die Komplementär-GmbH durch eine von der Hauptversammlung der Kommanditaktionäre abweichende Gesellschaftermehrheit gesteuert wird. Dies kann, wie schon vom BGH bemerkt, zur Dominierung der Kommanditgesellschaft auf Aktien durch eine Minderheit von Kommanditaktionären (oder, wie zu ergänzen ist: durch Dritte) führen, doch seien hiergegen etwa

__________ 25 Vgl. den Vergleich mit der im Jahr 1971 vorgeschlagenen „Handelsgesellschaft auf Einlagen“ bei Karsten Schmidt in FS Röhricht (Fn. 20), S. 511 (527). 26 Hier unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass das Einstimmigkeitsprinzip (§ 119 Abs. 1 HGB) durch Mehrheitsklausel abbedungen ist. 27 Dazu Arnold (Fn. 19), S. 30 ff.; Gonella/Mikic, AG 1998, 508 ff. 28 Der Verf. – bisher ein Kritiker der Einheitsgesellschaft (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht [Fn. 10], S. 1636 f.) – wird dies in einer anderen Festschrift überprüfen. 29 Vgl. ebd.

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bestehende „Bedenken … bei zutreffender Rechtsanwendung ausräumbar“30, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Treupflicht31. Richtig ist daran, dass das Zentralverwaltungsmodell Konfliktlagen sinnfällig macht: Bei der Komplementärin werden hier nicht die Interessen der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ (§§ 278 Abs. 2, 287 Abs. 2 AktG) abgebildet, sondern Hegemonialinteressen der GmbH-Gesellschafter. Der Effekt unterscheidet sich grundlegend vom Integrationsmodell: Verflüchtigt sich dort (am stärksten im Fall einer Einheitsgesellschaft) die Präsenz der GmbH zu einer bloßen „persona ficta“, wird diese hier zu einem wahrhaftigen Kraftzentrum. Das Zentralverwaltungsmodell ist deshalb grundsätzlich durchgriffsresistent. Die bei ihm auftretenden Konflikte suchen nach anderen Lösungen. b) Vor allem aber lässt sich mit Hilfe der Komplementär-GmbH die Kommanditgesellschaft auf Aktien unter faktische Konzernherrschaft stellen, namentlich wenn der nach §§ 278 Abs. 2 AktG, 164 HGB zulässige Widerspruch bei außergewöhnlichen Geschäften in der Satzung ausgeschlossen ist32. Dazu genügt freilich, wenn man der traditionellen – nicht selten zu blinder Begriffsjurisprudenz gediehenen33 – Konzernrechtsdoktrin folgt, nicht die Fremdbeherrschung allein, vielmehr bedarf es der Beherrschung der Kommanditgesellschaft auf Aktien durch ein „Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne“34. Doch setzt dies – hier beginnt schon die Durchgriffsdiskussion – nicht notwendig eine unternehmerische Eigentätigkeit der Komplementär-GmbH voraus35. Ausreichend und entscheidend ist vielmehr, dass durch das Werkzeug der Komplementär-GmbH ein Drittunternehmen oder ein auch als Kommanditaktionär beteiligtes Unternehmen „mittelbar“ (§ 17 Abs. 1 AktG) auf die KGaA Einfluss nehmen kann36. 3. Der Einfluss auf Durchgriffs- und Zurechnungsfragen Der Blick auf die einander hier gegenübergestellten – in der Realität naturgemäß selten rein durchgeführten – Modelle der GmbH & Co. KGaA hat erkennen lassen, dass die formale Teilung der Unternehmensorganisation in zwei Gesellschaften ganz unterschiedliche Gestaltungen generiert: solche, bei denen die zwischen die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Unternehmensleitung geschaltete GmbH zu einem bloßen Konstrukt verküm-

__________

30 BGHZ 134, 392 (399) = NJW 1997, 1923 (1925). 31 Hinweis auf Priester, ZHR 160 (1996), 250 (261). 32 Zu den Voraussetzungen einer faktischen Konzernherrschaft der GmbH-Komplementärin vgl. Schlitt, Die Satzung der KGaA, 1999, S. 164. 33 Über den begriffsjuristischen Gebrauch des „konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs“ vgl. Karsten Schmidt, AG 1994, 189 ff. 34 Vgl. Arnold (Fn. 19), S. 71 ff.; Herfs in Hoffmann-Becking (Hrsg.), MünchHdb. GesR, Bd. IV, Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1999, § 77 Rz. 70. 35 So aber Arnold (Fn. 19), S. 74. 36 Vgl. zum mittelbaren Einfluss Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, S. 39 f.

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mert ist (Integrationsmodell), und solche, bei denen sie Ausdruck unausgewogener Beteiligungsverhältnisse ist (Zentralverwaltungsmodell). Die sich bei beiden Modellen stellenden Organisationsprobleme legen unterschiedliche Ansätze nahe37. Was das bedeutet, klang bereits an: Beim Integrationsmodell geht es darum, ob sich die rechtskonstruktiv getrennten organisatorischen Bereiche (KGaA und GmbH) wechselseitig durchdringen können. Die Binnenorganisation als Resultat der Gewaltenteilung zwischen Unternehmensleitung, Leitungskontrolle und Anteilseignerschaft wirft bei der integrierten GmbH & Co. KGaA die Frage auf, inwieweit eine direkte Linie zwischen der Unternehmensleitung (Geschäftsführung) auf der einen und den KGaA-Organen (Hauptversammlung und Aufsichtsrat) sowie der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ (§§ 278 Abs. 2, 287 Abs. 2 AktG) auf der anderen Seite gezogen werden kann. Das Integrationsmodell ist offen für Durchgriffs- und Zurechnungslösungen. Völlig anderes gilt für das Zentralverwaltungsmodell. Dieses kann Durchgriffsüberlegungen nur abweisend gegenüberstehen, denn es setzt Hegemonie an die Stelle von Homogenität, Fremdsteuerung an die Stelle von Integration. Das Recht muss dies respektieren, muss aber auch Antworten auf Zurechnungsfragen geben.

III. Die Ursachen der Durchgriffs- und Zurechnungsprobleme 1. Selbstorganschaft in Fremdorganschaft (et vice versa) Betrachtet man die GmbH & Co. KGaA als eine Einheit, so ist rasch zu erkennen, dass – nicht anders als bei der GmbH & Co. KG – die Selbstorganschaft nur noch eine rechtskonstruktive ist: Die juristische Person als „gekorenes“ (Selbst-)Organ der KGaA ist ihrerseits handlungsfähig nur durch ihr „geborenes“ Organ: die Geschäftsführer. Selbstorganschaft – im Sprachgebrauch der Literatur meist nur als „Verbot der Fremdorganschaft“ begriffen38 – bedeutet, dass die selbstorganschaftlich organisierte Rechtsträgerin ihr Leitungsorgan „hat“ und nicht bloß „erhält“39. In diesem Sinne „hat“ die KGaA mit dem Komplementär ipso iure ihr Leitungsorgan (Selbstorganschaft). Ist dieses aber seinerseits eine der Fremdorganschaft unterliegende Organisation – z. B. eine GmbH –, so wird aus der rechtskonstruktiv fortbestehenden Selbstorganschaft eine Fremdorganschaft kraft Zurechnung. Da Entscheidungskompetenzen nur von dem Leitungsorgan der Komplementärin ausgeübt werden können, „hat“ die GmbH & Co. KGaA ein organ-

__________ 37 Vgl. schon für die GmbH & Co. KG Karsten Schmidt in FS Röhricht (Fn. 20). 38 Charakteristisch Grunewald (Fn. 10), 1.A. Rz. 41 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 333; Enzinger in MünchKomm.HGB, 2. Aufl. 2006, § 109 HGB Rz. 19. 39 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 10), S. 409 ff.; eingehend ders. in GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 307 ff.; ders. in MünchKomm.HGB (Fn. 38), § 125 HGB Rz. 6.

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schaftlichen Handelns fähiges „Selbstorgan“ erst in dem Augenblick, in dem die GmbH „fremdorganschaftlichen“ Handelns fähig ist. Indem die GmbHGeschäftsführung als „Fremdorgan“ alle Komplementärentscheidungen trifft, übernimmt sie die Rolle eines „gekorenen Komplementärs“ der KGaA. 2. Einheit in der Vielheit (et vice versa) Die Verquickung von Selbstorganschaft und Fremdorganschaft ist Ausdruck des für alle GmbH & Co.-Konstruktionen (auch bei der GmbH & Co. KG) charakteristischen Zusammenwirkens formell getrennter, unterschiedlichen Rechtsregimen unterliegender Rechtsträger in einer ganzheitlichen Organisation. Die hiervon ausgehenden Fragen gehen mit den geschilderten Effekten der Selbst- und Fremdorganschaft einher. Insbesondere zeigt sich dies darin, dass die GmbH-Organisation der Komplementärgesellschaft eine dem KGaA-Recht unbekannte Abhängigkeit des Leitungsorgans von einer in den §§ 278 ff. AktG nicht vorgesehenen Gesellschafterdominanz (§ 46 GmbHG) verleiht … mit, wie schon anklang, im Integrationsmodell und im Zentralverwaltungsmodell unterschiedlichen Folgen. 3. Fragestellungen Will sich das Gesellschaftsrecht nicht blind stellen für die Erkenntnis, dass in Fällen der GmbH & Co. KGaA eine Einheit in Vielheit und eine vom Gesetz selbstorganschaftlich verfasste Gesellschaft in Fremdorganschaft gesteuert wird, so kann es der sich aus der charakteristischen Verzahnung von Selbst- und Fremdorganschaft ergebenden Probleme nur mit Hilfe von Zurechnungs- und Durchgriffskonstruktionen Herr werden. Drei Hauptfragen werden die folgende Diskussion begleiten: – Wie weit reichen und wo enden die sachgerechten, der formalen Trennung zweier Gesellschaften trotzenden Problemlösungen? – Welche Rechtsfragen sind in der Verfassung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, welche in der Verfassung der GmbH zu lösen? Und inwieweit verändert die Verbindung von KGaA und GmbH die Binnenverfassung beider Rechtsträger (Zurechnungslösungen)? – Ist – und inwieweit ist – es möglich, bei Einzelfragen die Existenz der GmbH ganz zu vernachlässigen und die GmbH & Co. KGaA als verfasste Einheit zu würdigen (Durchgriffslösungen)?

IV. Anwendung von KGaA-Recht auf den GmbH-Geschäftsführer und die GmbH-Gesellschafter? Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH unterliegt im Verhältnis zur KGaA durchweg denselben rechtlichen Ge- und Verboten wie die Komple700

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mentärin selbst. Er ist – wenn auch rechtlich nur mittelbares – Fremdorgan der KGaA und muss sich deshalb an Regeln und Beschränkungen halten, denen in der gesetzestypischen KGaA der Komplementär unterliegt. Die Frage ist nur, ob ihn diese Beschränkungen und Pflichten nur als Organ der GmbH treffen (dies ist eine bloße Erweiterung von GmbH-Geschäftsführerpflichten zum Schutz der mittelbar betroffenen KGaA) oder ob komplementärbezogene KGaA-Regeln direkt auf ihn durchgeleitet werden können (das ist eine Durchgriffs- oder doch Zurechnungslösung). Es liegt auf der Hand, dass die zweite – schneidigere – Lösungsvariante da leichter fällt, wo das Problem und seine Lösung zwingend in der KGaA-Verfassung liegt (sogleich unter 1), schwerer dagegen, wo es um den persönlichen Pflichtenkanon geht (sogleich unter 2). 1. Inkompatibilitäten und Stimmverbote in der KGaA a) Nach § 287 Abs. 3 AktG können persönlich haftende Gesellschafter nicht Aufsichtsratsmitglieder sein. Diese Inkompatibilitätsregel ist die Parallelvorschrift des KGaA-Rechts zu § 105 Abs. 1 AktG. Ihr Sinn und Zweck ist mit Händen zu greifen. Klar ist auch, dass die Bestimmung im Fall der GmbH & Co. KGaA nicht leer laufen darf40. Die Inkompatibilitätsregel muss deshalb im Wege der Zurechnung in die Komplementärgesellschaft hinein verlängert werden, so dass die Leitungsorgane der Komplementärin – im Fall der GmbH & Co. KGaA also die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH – vom Aufsichtsratsamt ausgeschlossen sind41. Bemerkenswert ist, wie zurückhaltend der Bundesgerichtshof nach seinem vor zehn Jahren so entschlossenen Einstieg in die GmbH & Co. KGaA schon mit diesem noch einfachen Folgeproblem umgeht. Im Urteil BGHZ 165, 192 (197 f.) = NJW 2006, 510 (511 f.) lesen wir nämlich: „Nach seinem Wortlauf erfasst § 287 Abs. 3 AktG nur ‚persönlich haftende Gesellschafter‘ der KGaA. Allerdings ging der historische Gesetzgeber bei Schaffung der schon in § 328 Abs. 4 HGB 1897 enthaltenen Vorschrift davon aus, dass Komplementär einer KGaA nur eine natürliche Person sein (vgl. BGHZ 134, 392 f.) und diese nicht zur Überwachung ihrer selbst berufen werden kann (vgl. Düringer/Hachenburg, HGB § 328 Anm. 11; vgl. auch § 105 Abs. 2 Satz 3 AktG). Wie sich aus dem – durch das Handelsrechtsreformgesetz vom 22. Juni 1998 eingefügten – § 279 Abs. 2 AktG ergibt, hat der Gesetzgeber inzwischen die Entscheidung des Senats vom 24. Februar 1997 (BGHZ 134, 392 ff.), dass einzige Komplementärin einer KGaA eine Kapitalgesellschaft sein kann, ausdrücklich bestätigt. § 287 Abs. 3 AktG, der auf natürliche Personen als Komplementäre zugeschnitten ist, blieb indessen unverändert. Da eine juristi-

__________ 40 Ihrig/Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (42 ff.); Wichert, AG 2000, 268 (273). 41 Arnold (Fn. 19), S. 108; Ihrig/Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (43 ff.); Assmann/Sethe in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2001, § 287 AktG Rz. 16; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 287 AktG Rz. 4; Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 287 AktG Rz. 8; Semler/Perlitt in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2000, § 287 AktG Rz. 27.

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Karsten Schmidt sche Person als Komplementärin gemäß § 100 Abs. 1 (i. V. m. § 278 Abs. 3) AktG ohnehin nicht Aufsichtsratsmitglied sein, sie jedoch die ihr in der KGaA zugewiesenen Kompetenzen letztlich nur durch natürliche Personen als gesetzliche Vertreter ausüben kann, mag es – mit der insoweit einhelligen Auffassung im Schrifttum – geboten sein, diese Funktionsträger in den Anwendungsbereich des § 287 Abs. 3 AktG einzubeziehen, um zu vermeiden, dass Geschäftsführungs- und Überwachungsfunktion in einer Hand zusammenfallen (vgl. Mertens/Cahn in KölnerKomm.z.AktG 2. Aufl. § 287 Rdnr. 8; Mertens in Festschrift Ulmer, S. 419 f.; Assmann/Sethe in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 287 Rdnr. 10; Semler/Perlitt in MünchKommAktG § 287 Rdnr. 28).“

b) Nach § 285 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG können die persönlich haftenden Gesellschafter Stimmrechte in der Hauptversammlung weder aus eigenen Aktien noch als Vertreter anderer Aktionäre ausüben noch durch Vertreter ausüben lassen bei Beschlussfragen über (1) die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats, (2) die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats, (3) die Bestellung von Sonderprüfern, (4) die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, (5) den Verzicht auf Ersatzansprüche und (6) die Wahl von Abschlussprüfern. Die Stimmverbote beruhen auf dem Grundgedanken, dass die Vorstandsfunktion der Komplementäre zu Interessenkollisionen bei der Ausübung ihnen etwa zustehender Aktionärsrechte führt. Im Fall einer Kapitalgesellschaft als Komplementärin werden diese Stimmverbote naheliegenderweise auf deren Leitungsorgane ausgedehnt42. Es liegt auf der Hand, dass der Geschäftsführer der KomplementärGmbH in den Fällen des § 285 Abs. 1 AktG nicht nur von der Ausübung des Stimmrechts aus etwa der GmbH gehörenden Aktien ausgeschlossen ist (das ist der im Gesetz geregelte Stimmrechtsausschluss zu Lasten der GmbH als Komplementärin)43. Ihn selbst trifft vielmehr das volle Stimmrechtsverbot, und zwar sowohl bezüglich etwa von ihm gehaltener Aktien als auch beim Handeln als Bevollmächtigter von Kommanditaktionären. 2. Verhaltensregeln (Wettbewerbsverbot, Corporate Governance und Verantwortlichkeit) Schwieriger ist die Rechtslage hinsichtlich der vom Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu befolgenden Verhaltensregeln und ihrer Sanktionen. Resultieren diese aus dem Recht der GmbH, oder erreichen die an den Komplementär gerichteten KGaA-Regeln direkt den Geschäftsführer? Die Frage ist aus dem Organisationsrecht der GmbH & Co. KG bekannt, im Fall der KGaA jedoch ungleich schwieriger.

__________ 42 Vgl. nur Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 285 AktG Rz. 25; Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), § 285 AktG Rz. 8; Semler/Perlitt in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 285 AktG Rz. 336; wohl auch Ek/Schiemzik, BB 2006, 456 (457). 43 Dazu Ihrig/Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (45 ff.); Wichert, AG 2000, 268 (274).

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a) Nach § 284 AktG unterliegt der persönlich haftende Gesellschafter einem Wettbewerbsverbot. Dass sich dieses im Fall der GmbH & Co. KGaA gegen die Komplementär-GmbH richtet44, versteht sich von selbst. Die vereinzelt für die GmbH & Co. KG vertretene Auffassung, die Komplementärin sei mangels kollidierenden Eigeninteresses vom Wettbewerbsverbot frei45, hat sich mit Recht nicht durchgesetzt. Doch ist dies für die typische Komplementär-GmbH von geringem Interesse. Die Frage ist aber, ob das die KGaA und die Kommanditaktionäre schützende Wettbewerbsverbot auf die Gesellschafter und auf die Organe der Komplementärin durchschlägt. Für die Leitungsorgane, also für die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH, ist das im Ergebnis klar zu bejahen. Umstritten ist lediglich die Begründung. Die konventionelle Lösung gibt dem GmbH-rechtlichen Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers46 drittschützende Wirkung gegenüber der von ihm mittelbar regierten KGaA47. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot erscheint dann als eine Verletzung von GmbH-Geschäftsführerpflichten. Andere plädieren für eine Ausdehnung des in § 284 AktG vorgesehenen Schutzes im Wege des Durchgriffs48. Für die erste Lösung spricht, dass der Geschäftsführer nach GmbH-Recht und in der GmbH zum Organ bestellt ist. Hier ist der Platz seines gesetzlichen Pflichtenkreises. Für die zweite Lösung spricht der Normzweck des § 284 AktG, denn nicht in der Person des Gebundenen, sondern in der Person des Geschützten definiert sich die Funktion des Wettbewerbsverbots. Verstößt ein Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot, so kann dieser Verstoß nach diesem Konzept nicht nur der von § 284 AktG direkt erfassten Komplementärin zuzurechnen sein, sondern als organschaftlicher Teil der GmbH & Co. KGaA ist der Geschäftsführer selbst an § 284 AktG gebunden und muss mit den Sanktionen des § 284 Abs. 2 AktG rechnen. Dass ihn Treupflichten auch innerhalb der Komplementär-GmbH treffen, und dass diese auch das Verhalten gegenüber der KGaA bestimmen können49, bleibt unbestritten. b) Nach § 278 Abs. 3 AktG gilt für börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien § 161 AktG. Allgemein – und unabhängig vom Corporate-Governance-Kodex – ist auch zu beachten, dass für die KGaA Corporate-Governance-Regeln gelten, die selbstverständlich den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH binden. Ob ihn diese Bindung als Organ der GmbH oder

__________ 44 BGHZ 134, 392 (394) = NJW 1997, 1923 (1924) mit Hinweis auf Priester, ZHR 160 (1996), 250 (256). 45 Einschränkend deshalb noch OLG Frankfurt, BB 1982, 1383. 46 Vgl. dazu nur Zöllner/Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 35 GmbHG Rz. 41 ff. 47 So etwa Arnold (Fn. 19), S. 95; Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 284 AktG Rz. 10. 48 So Graf (Fn. 9), S. 261; Ihrig/Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (49); Schlitt (Fn. 32), S. 130; Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), § 284 AktG Rz. 3. 49 Vgl. Fn. 47.

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kraft KGaA-Rechts (§ 283 Nr. 3 AktG) trifft, ist eine zunächst theoretische, im Haftungsfall allerdings normativ relevante Frage. Jedenfalls im Integrationsmodell sprechen die besseren Gründe für die zweite Lösung, also für den Durchgriff der KGaA-Regel auf den Geschäftsführer. c) Nach § 283 Nr. 3 AktG haften die Komplementäre einer KGaA wie Vorstandsmitglieder, also nach § 93 AktG, dies unter Beachtung der business judgment rule. Es steht außer Frage, dass auch die für das Verhalten ihres Geschäftsführers haftende Komplementär-GmbH dieser Haftung unterliegt50. Eine Direkthaftung des Geschäftsführers gegenüber der KGaA wird dagegen überwiegend nicht im Wege des Durchgriffs aus § 283 Nr. 3 AktG hergeleitet51, sondern aus einer Drittwirkung des § 43 GmbHG52. Im Ergebnis wird dies wenig verändern und so sei auf die Relevanz der hier zugrundegelegten Modelle nur kurz hingewiesen: Beim Integrationsmodell spricht viel für die Anwendung des § 283 Nr. 3 AktG auch gegenüber dem Geschäftsführer selbst. Beim Zentralverwaltungsmodell dagegen ist der Geschäftsführer auf die Interessen der GmbH verpflichtet. Dies mag für die konventionelle Lösung auf der Basis drittwirkender Organpflichten im Rahmen des § 43 GmbHG sprechen. Dasselbe gilt für die dienstvertragliche Haftung, falls die GmbH Partnerin des Geschäftsführervertrags ist. 3. Anwendung auf Gesellschafter der Komplementär-GmbH? Bei der Anwendung von KGaA-Regeln auf Gesellschafter der KomplementärGmbH ist wieder die Unterscheidung zwischen dem Integrationsmodell und dem Zentralverwaltungsmodell von Wert. Nur bei dem letzteren stehen die GmbH-Gesellschafter der KGaA auf der Komplementärseite regelrecht gegenüber. Auf dieses werden sich die folgenden Überlegungen denn auch weitgehend konzentrieren. a) Das Wettbewerbsverbot des § 284 AktG gilt nicht ohne weiteres für bloße Gesellschafter der Komplementärin. In Anlehnung an das zur GmbH & Co. KG ergangene Urteil BGHZ 89, 162, 165 f. = NJW 1984, 1351 wird man aber Gesellschafter, die die Komplementär-GmbH beherrschen, in den treupflichtgebundenen Kreis und damit auch in das Wettbewerbsverbot mit einbeziehen53. Ähnlich wie beim Geschäftsführer sollte dieses in die Komplementär-GmbH verlängerte Wettbewerbsverbot nicht bloß auf Treupflichten in der GmbH, sondern auf § 284 AktG in analoger Anwendung gestützt werden. Minderheitsgesellschafter der Komplementärin dagegen unterliegen nur

__________ 50 Vgl. nur Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), § 283 AktG Rz. 10. 51 Dafür aber z. B. Graf (Fn. 9), S. 243 ff. 52 Vgl. nur Arnold (Fn. 19), S. 93 ff.; Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 283 AktG Rz. 19. 53 Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 284 AktG Rz. 11; Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), § 284 AktG Rz. 3.

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von Fall zu Fall dem treupflichtabhängigen Wettbewerbsverbot des GmbHRechts. b) Wenig geklärt ist die Anwendung des § 287 Abs. 3 AktG – also des Verbots der Personalunion von Komplementäreigenschaft und Aufsichtsratsmandat – auf die Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Dass der Komplementär kein Aufsichtsratsmandat ausüben kann, ist ebenso einleuchtend wie das analog § 287 Abs. 3 AktG zu entwickelnde Verbot von Entsendungsrechten54. Die Anwendung auf den Geschäftsführer der Komplementärin wurde bereits geklärt (oben IV.1.a), aber wie sieht es mit den GmbH-Gesellschaftern aus? Das Urteil BGHZ 165, 192, 198 = NJW 2006, 510, 512 hat auch dies in der Schwebe gelassen. Als Faustregel muss gelten: Herrschende Gesellschafter der Komplementär-GmbH – aber nicht alle Gesellschafter – unterliegen der Inkompatibilitätsregel des § 287 Abs. 3 AktG55. Naturgemäß löst dieser Tatbestand weitere Detaildiskussionen aus. Ob dauerhafte Stimmbindungen genügen, ist z. B. ein schwieriges Zurechnungsproblem, auf das hier nicht eingegangen werden kann. Eine Anwendung auf Kommanditaktionäre, die an der GmbH nicht maßgeblich beteiligt sind, kommt nach dem insoweit klaren Urteil BGHZ 165, 192 = NJW 2006, 510 nicht in Betracht. c) Wieder anders verhält es sich mit dem Stimmverbot des § 285 Abs. 1 AktG. Im Integrationsmodell kommt das auf Interessenkonflikte angelegte Stimmverbot grundsätzlich nicht zum Zuge, denn hier verändert das Stimmrecht die vom Gesetz akzeptierten Mehrheitsverhältnisse in der KGaA nicht. Im Zentralverwaltungsmodell – d. h. bei der von einem Kommanditaktionär (oder von einer Aktionärsminderheit) oder von einem Dritten abhängigen Komplementär-GmbH – trifft das Stimmverbot diesen (diese) herrschenden Gesellschafter dagegen ebenso wie den Geschäftsführer56. Eine weitergehende Ansicht, die grundsätzlich alle – nicht bloß unternehmerisch beteiligte – Gesellschafter einbeziehen will57, ist abzulehnen, weil einfache Gesellschafter nicht in gefährdender Weise aus dem Kollektiv der Kommanditaktionäre heraustreten58. Wiederum lassen sich zahlreiche Konstellationen denken, die zu Varianten und Differenzierungen Anlass geben, z. B. in Fällen abgestimmten Verhaltens. Hier ging es nur um Problem und Methode.

__________

54 Sehr vorsichtig BGHZ 165, 192 (198) = NJW 2006, 510 (512); wie hier z. B. Ihrig/ Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (45). 55 Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 287 AktG Rz. 10 (bei mehr als nur unmaßgeblicher Beteiligung); Herfs in MünchHdb.GesR (Fn. 34), § 77 Rz. 45; Arnold (Fn. 19), S. 107; in diese Richtung auch OLG München, AG 2004, 151 (153); a. A. Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), § 287 AktG Rz. 8; Hüffer (Fn. 41), § 287 AktG Rz. 4. 56 Vgl. Arnold (Fn. 19), S. 102 f. 57 Ihrig/Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (47 ff.); Wichert, AG 2000, 268 (274). 58 Zum Streitstand vgl. Mertens in FS Ulmer, 2003, S. 419 ff.; vgl. nur Ihrig/Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (43 f.); Herfs in MünchHdb.GesR (Fn. 34), § 77 Rz. 45; enger Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), § 278 AktG Rz. 8.

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d) Die Kompliziertheit praktischer Fälle hat der Bundesgerichtshof in dem schon mehrfach genannten auf § 285 und auf § 287 AktG bezogenen Urteil BGHZ 165, 192 = NJW 2006, 510 erkennen lassen. Komplementärin der KGaA war hier neben einer natürlichen Person eine S-GeschäftsführungsGmbH (SGG). Diese war 100 %ige Tochter einer S-Treuhand-GmbH (STG), an der wiederum eine S-GbR sämtliche Anteile hielt. Diese GbR hatte ursprünglich zwei Namensaktien mit dem Recht zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern an einen H.M. übertragen, und dieser hatte – wie zuvor schon die GbR – zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsandt. Gestritten wurde u. a. darüber, ob diese Entsendung wegen Verstoßes gegen § 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG nichtig sei. Die auch in dieser Hinsicht timide Entscheidung lässt offen, ob die GbR die in den Aktien verbrieften Entsendungsrechte aus den Aktien wirksam hatte ausüben können59. Zu entscheiden war nur über die Frage, ob die Übertragung der Vorzugsaktien auf H. M. diesen instand gesetzt hatte, das Entsendungsrecht unbeeinträchtigt durch ein etwa bestehendes Stimmverbot aus § 285 Abs. 1 Satz 2 AktG wahrzunehmen. Dies bejahte der Senat: Der vormalige Aktienbesitz durch die S-GbR habe das Entsendungsrecht als solches nicht ein für allemal „infiziert“60, und die Übertragung auf H. M. sei auch nicht ein unzulässiges Umgehungsgeschäft. Der Fall mag singulär sein. Als Beispiel für die Kompliziertheit der GmbH & Co. KGaA ist er von allgemeinem Interesse.

V. Organisationsrechtlicher Durchgriff 1. Vertretung der KGaA gegenüber der GmbH und ihrem Geschäftsführer a) Nach §§ 278 Abs. 3, 112 AktG wird im Verhältnis zum Komplementär die KGaA durch den Aufsichtsrat vertreten61. Der Bundesgerichtshof hat jüngst entschieden, dass dies auch im Verhältnis zu einem ausgeschiedenen Komplementär gilt62. Für den Fall der GmbH & Co. KGaA ist die Rechtslage bezüglich der Rechte und Pflichten im Verhältnis zur GmbH-Komplementärin unumstritten63. Vertreten wird aber darüber hinaus, dass der Aufsichtsrat die GmbH & Co. KGaA auch im Verhältnis zu den herrschenden Gesellschaftern und Geschäftsführern der Komplementärin vertritt64. Eindeutig scheint dies zunächst hinsichtlich der Vertretung einer Einheitsgesellschaft gegen-

__________ 59 Die sinngemäße Anwendung der §§ 285, 287 AktG auf Entsendungsrechte wird überwiegend bejaht; vgl. oben IV.1. 60 Rz. 21 der Entscheidung. 61 BGH, NZG 2005, 276 = WuB II B § 112 AktG 1.05 m. Anm. Kersting; OLG München, WM 1996, 728; Hüffer (Fn. 41), § 278 AktG Rz. 16; Sethe, AG 1996, 289 (298 f.). 62 BGH, NZG 2005, 276 = WuB II B § 112 AktG 1.05 m. Anm. Kersting. 63 Semler/Perlitt in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 278 AktG Rz. 260. 64 Ihrig/Schlitt in Ulmer (Fn. 2), S. 33 (56); Wichert, AG 2000, 268 (274); zust. z. B. Arnold (Fn. 19), S. 129.

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über dem Geschäftsführer. Bei der Einheitsgesellschaft wollten wir ja im Wege des Durchgriffs den Geschäftsführer nach Kräften wie ein Organ der KGaA und die Kommanditaktionäre nach Kräften wie Gesellschafter der GmbH behandeln, wohlgemerkt: nicht jeden Einzelnen, sondern die Kommanditaktionäre als Kollektiv, also „die Gesamtheit der Kommanditaktionäre“! Von dieser „Gesamtheit“ heißt es in § 287 Abs. 2 AktG, dass sie in Prozessen mit dem Komplementär vom Aufsichtsrat „vertreten“ wird. Da aber diese „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ weder als Rechtssubjekt noch als Organ existiert, ist damit nichts anderes gemeint, als dass der Aufsichtsrat die der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ zugewiesenen Rechte und Interessen als Organ der KGaA wahrnimmt65. Das wiederum hat zu bedeuten: Soweit Rechte gegenüber dem Geschäftsführer (den Geschäftsführern) der GmbH-Komplementärin von der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ und nicht nur vom Komplementär wahrzunehmen sind, handelt statt ihrer der Aufsichtsrat. b) Trifft das aber zu, so spricht viel für die Anerkennung einer allgemeinen Regel, wonach bei der GmbH & Co. KGaA die Geltendmachung von Rechten der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegenüber dem Geschäftsführer allgemein in den Händen des Aufsichtsrats liegt. Insoweit gelten gegenüber dem Geschäftsführer dieselben Grundsätze wie nach § 112 AktG gegenüber dem Vorstand einer AG. Der Anwendungsbereich dieser Regel wird allerdings im Integrationsmodell ein anderer sein als im Zentralverwaltungsmodell. 2. Personalhoheit der KGaA gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer? Gleichfalls umstritten ist die Frage, ob der GmbH & Co. KGaA entgegen dem gesetzlichen Modell echte Personalhoheit gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer zuwächst oder durch Satzungsregeln beigegeben werden kann66. Wer in klassischen Kategorien denkt, wird dies klar verneinen: Wir haben es mit zwei Rechtsträgern unterschiedlicher Verfassung zu tun, und für jede dieser Gesellschaften gelten die zum Schutz gegen organisationsrechtlichen Außeneinfluss aufgerichteten Grenzen67. Nur durch Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags mit der durch den Aufsichtsrat vertretenen KGaA, nicht durch organisationsrechtliche Befugnisse der KGaA-Organe gegenüber der GmbH-Geschäftsführung lässt sich diese Barriere überwinden68. Diese Auffassung herrscht eindeutig vor. Auch einen „Abberufungsdurchgriff“, wie er verschiedentlich zugunsten der GmbH & Co. KGaA befürwortet worden

__________ 65 66 67 68

So auch Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), § 287 AktG Rz. 50, 65. Überblick bei Arnold (Fn. 19), S. 78 ff. Vgl. zur Verbandsautonomie Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 10), S. 83 ff. So Dirksen/Möhrle, ZIP 1998, 1377 (1384).

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ist69, erkennt die herrschende Ansicht nicht an: Die Kommanditaktionäre bzw. „in ihrem Namen“ der Aufsichtsrat (§ 287 Abs. 2 AktG) können zwar die Komplementär-GmbH aus der Gesellschaft ausschließen (§§ 278 Abs. 2 AktG, 140 HGB) bzw. ihr die organschaftlichen Befugnisse entziehen (§§ 278 Abs. 2 AktG, 117, 127 HGB)70. Nicht aber können sie direkt durch Weisungen oder durch Entscheidungsmaßnahmen auf den Geschäftsführer einwirken. Dieser herrschenden Auffassung wird man bei dem hier sog. Zentralverwaltungsmodell uneingeschränkt zustimmen müssen. Das Machtgefüge in der Komplementär-GmbH würde sachwidrig gestört, wenn die Organe der KGaA Personalhoheit in der GmbH ausüben könnten. Die GmbH als autonom agierende Kapitalgesellschaft kann hier nicht dem organisationsrechtlichen Zugriff der KGaA ausgeliefert sein, sie ist dieser vielmehr nur zur Einhaltung von Treupflichten verpflichtet. Im Integrationsmodell verhält es sich anders. Im Fall der personenidentischen GmbH & Co. KGaA liegt die Personalhoheit nach § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG kraft ihrer Doppelfunktion ohnedies bei den auch als GmbH-Gesellschafter beteiligten Kommanditaktionären. Im Fall der Einheitsgesellschaft wächst es ihnen – sofern nicht in der Satzung besonders geregelt – kraft gesetzlicher Regel zu und wird für sie durch den Aufsichtsrat verwirklicht. 3. Mitbestimmung a) Ungelöst sind auch bis heute die Mitbestimmungsfragen im Recht der GmbH & Co. KGaA. Bekanntlich unterliegt die gesetzestypische Kommanditgesellschaft auf Aktien zwar dem Mitbestimmungsgesetz (§ 1 Abs. 1 MitbestG), dies aber mit den sich aus § 31 Abs. 1 Satz 2 und § 33 Abs. 1 Satz 2 MitbestG ergebenden Besonderheiten. Insbesondere verfügt der Aufsichtsrat nicht über die Personalkompetenz gegenüber dem durch den Grundsatz der Selbstorganschaft autorisierten Leitungsorgan (§ 31 Abs. 1 Satz 2 MitbestG)71, ist vielmehr ganz auf die Überwachungsaufgabe beschränkt72. Ob es auch bei der GmbH & Co. KGaA dabei bleibt, ist umstritten73. Der Bundesgerichtshof lässt es „dahinstehen, welche Gründe den Gesetzgeber zur Einräumung dieser Begünstigung der KGaA erwogen haben. Denn jedenfalls hat er zeitlich nach dem Erlass des Mitbestimmungsgesetzes durch §§ 9 Nr. 2b, 12 Abs. 3 Nr. 2b GewStG sowie durch die Ausgestaltung

__________ 69 Dafür etwa Sethe (Fn. 9), S. 170 f.; Hennerkes/Lorz, DB 1997, 1388 (1389); Schaumburg, DStZ 1998, 525 (531). 70 Vgl. nur Arnold (Fn. 19), S. 81 ff.; Schlitt (Fn. 32), S. 211. 71 BGHZ 134, 392 (400) = NJW 1997, 1923 (1925). 72 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 1 MitbestG Rz. 38, § 31 MitbestG Rz. 4; Joost, ZGR 1998, 334 (336 f.); Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), § 287 AktG Rz. 12. 73 Überblick bei Semler/Perlitt in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 278 AktG Rz. 296 ff.

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des Umwandlungsgesetzes zu erkennen gegeben, dass ihm die Existenz von KGaA mit einer GmbH als Komplementärin bekannt ist, ohne dass er sich deshalb zu Änderungen des Mitbestimmungsgesetzes veranlasst gesehen hat. Es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, den auf politischem Wege gefundenen Mitbestimmungskompromiss durch eine – wie auch immer geartete – Rechtsfortbildung zu korrigieren. Es ist allein Sache des Gesetzgebers, das Mitbestimmungsgesetz den neuen Gegebenheiten anzupassen, wenn er der Ansicht sein sollte, die KGaA ohne natürliche Person als persönlich haftende Gesellschafterin müsse der Mitbestimmung unterworfen werden.“74 Teile der Literatur sind dem gefolgt75, indes schwerlich zu Recht76. b) Analog anzuwenden ist nach der vorherrschenden Auffassung § 4 MitbestG: Liegt Gesellschafteridentität zwischen den Kommanditaktionären und den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH vor oder wird diese jedenfalls von den Kommanditaktionären oder von deren Mehrheit dominiert, so gelten für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes auf die Komplementär-GmbH die Arbeitnehmer der KGaA als Arbeitnehmer der Komplementär-GmbH77. Für das Integrationsmodell steht also eine auf den ersten Blick passende Regel bereit. Umstritten ist, inwieweit daneben die Konzernzurechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MitbestG eingreifen kann, wenn die KGaA von ihrer Komplementärin beherrscht wird. Auch nach dieser Vorschrift werden die Arbeitnehmer der KGaA der Komplementär-GmbH zugerechnet78. c) Dieser Rechtszustand ist unsachgemäß, also unbefriedigend. Dass die für die gesellschafteridentische GmbH & Co. KG geltende Mitbestimmungsregelung des § 4 MitbestG schon in diesem klassischen Bereich eine Fehlkonstruktion ist, wurde bereits früh in der Diskussion festgestellt79. Statt die Unternehmensträgerin der Mitbestimmung zu unterwerfen, hat der Gesetzgeber den mitbestimmten Aufsichtsrat aus der „nicht mitbestimmungsfähigen“ Kommanditgesellschaft in die nach seiner Einschätzung „aufsichtsrats-

__________ 74 BGHZ 134, 392 (400) = NJW 1997, 1923 (1925). 75 Vgl. nur Herfs in MünchHdb.GesR (Fn. 34), § 77 Rz. 59; Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), Vor § 287 AktG Rz. 15; Henssler in FS BGH II, 2000, S. 387 (405 f.) und die Nachweise bei Bayreuther, JuS 1999, 651 (656). 76 Semler/Perlitt in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 278 AktG Rz. 302 ff.; Ulmer/ Habersack (Fn. 72), § 1 MitbestG Rz. 40 f. 77 Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 4. Aufl. 2002, § 31 MitbestG Rz. 44 f.; Ulmer/ Habersack (Fn. 72), § 1 MitbestG Rz. 40 f.; Semler/Perlitt in MünchKomm.AktG (Fn. 41), § 278 AktG Rz. 302 f.; Oetker in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1999, § 4 MitbestG Rz. 2; unentschieden noch Priester, ZHR 160 (1996), 250 (262). 78 Ulmer/Habersack (Fn. 72), § 1 MitbestG Rz. 40a; Raiser (Fn. 77), § 31 MitbestG Rz. 45; Bayer, ZGR 1977, 173 (193); Oetker in Großkomm.AktG (Fn. 77), § 5 MitbestG Rz. 8 ff.; a. A. Assmann/Sethe in Großkomm.AktG (Fn. 41), Vor § 287 AktG Rz. 11; Joost, ZGR 1998, 334 (346 f.) (§ 4 MitbestG als lex specialis zu § 5 MitbestG). 79 Vgl. nur Martens, ZHR 138 (1974), 179 (223 f.).

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fähige“, jedoch für die Unternehmensverfassung nahezu irrelevante Komplementär-GmbH verlegt. Dorthin gehört er jedoch nur im Zentralverwaltungsmodell, und hier wäre eine weitherzige Interpretation des § 5 MitbestG weitaus besser am Platze. Was nun die im Gesetz nicht geregelte GmbH & Co. KGaA anlangt, so scheint die Lösung über § 4 MitbestG vollends unsachgemäß. Anders als bei der GmbH & Co. KG haben wir es ja mit zwei „aufsichtsratsfähigen“ Gesellschaften zu tun, und es fragt sich nur noch, bei welcher Gesellschaft die Mitbestimmung verwirklicht werden soll. Im Integrationsmodell spricht alles für eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat der KGaA, und das einzige Problem besteht darin, die auf die KGaA mit natürlichem Komplementär zugeschnittene Sonderregel des § 31 Abs. 1 Satz 2 MitbestG teleologisch zu reduzieren80. Dem derart mitbestimmten Aufsichtsrat der KGaA steht Personalhoheit zu, ganz wie bei analoger Anwendung des § 4 MitbestG dem GmbH-Aufsichtsrat, nur ist eben die KGaA hierfür der bessere Ort. Im Zentralverwaltungsmodell ist dagegen eine Anwendung des unbestrittenermaßen zu eng formulierten § 5 MitbestG am Platze, also eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat der GmbH, denn sie ist das Lenkungszentrum des Unternehmens. Der Unterschied zwischen den hier vorgestellten Modellen ist also substanziell, das Versagen des § 4 MitbestG evident! 4. Ein Blick auf die Auslandsgesellschaft & Co. KGaA Seinerzeit ungeahnte, hier nicht auszudiskutierende Folgeprobleme des Beschlusses BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 bereitet die Anerkennung der Auslandsgesellschaft & Co. KGaA. Schon der Blick auf die Mitbestimmungsproblematik zeigt aber, welche Zusatzprobleme wir uns auch in dieser Hinsicht eingehandelt haben. Mit der Anwendung der §§ 4 und 5 MitbestG auf die Komplementärin (dazu oben unter V.3.) kommen wir so lange nicht weiter, wie eine Erstreckung des Mitbestimmungsgesetzes auf Auslandsgesellschaften ausgeschlossen ist. Dies aber ist der Stand der Diskussion81. Auch für die hier vor allem interessierenden ausländischen Gesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz im Inland wird man vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zu Artt. 43, 48 EG-Vertrag82 keine Ausnahme machen dürfen. Demgemäss funktionieren die §§ 4 und 5 MitbestG bei der

__________ 80 In diesem Sinne bereits Steindorff in FS Ballerstedt, 1975, S. 127 (139). 81 Ulmer/Habersack (Fn. 72), § 1 MitbestG Rz. 8a; Raiser (Fn. 77), § 1 MitbestG Rz. 13 ff.; Oetker in Großkomm.AktG (Fn. 77), § 1 MitbestG Rz. 11; im Grundsatz auch Staudinger/Großfeld, IntGesR, Neubearbeitung 1998, Rz. 511. 82 EuGH, Slg. 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027 („Centros“); EuGH, Slg. 2002, I-9914 = NJW 2002, 3614 („Überseering“); EuGH, Slg. 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331 („Inspire Art“); dazu allgemein Kindler in MünchKomm.BGB, IntGesR, 4. Aufl. 2006, Rz. 103 ff.

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Steuerung einer GmbH & Co. KG durch eine Auslandsgesellschaft nicht83. Es ist dies nicht das erste Mal, dass sich die vom Gesetzgeber des Mitbestimmungsgesetzes angewendete Zurechnungslehre – Arbeitnehmer werden der Komplementärin bzw. dem herrschenden Unternehmen zugerechnet – als rechtspolitisch fragwürdig erweist. Die Bedeutung der GmbH & Co. KGaA hat aber auch diese Probleme vermehrt.

VI. Schlussbemerkung 1. Eine Verjüngungskur für die Rechtsform der KGaA? Bis vor zehn Jahren wurde die unbeschränkte Haftung des Komplementärs als Hauptgrund für das Schattendasein der Kommanditgesellschaft auf Aktien unter den Körperschaften bezeichnet84. Demgemäß wurde von der Entscheidung BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 ein Durchbruchseffekt im Sinne einer Liberalisierung des Rechts der börsenfähigen Kapitalgesellschaften erwartet, und zwar sowohl für den Mittelstand85 als auch für börsennotierte Unternehmen86. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Die einhundert Jahre lang zwischen 20 und 40 Gesellschaften schwankende Zahl der Kommanditgesellschaften auf Aktien wird immer noch nicht als eindeutig dreistellig geschätzt87. Der vor der BGH-Entscheidung immer wieder vernehmbare Appell an den Bundesgerichtshof, er müsse einem dringenden Anliegen des Wirtschaftslebens Genüge tun, hat, nachdem er erhört worden ist, an Überzeugungskraft nicht eben gewonnen. Offenkundig war das Bedürfnis nach dieser Liberalisierung doch nicht so groß, wie es von den Befürwortern der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA eingeschätzt wurde. Vor allem aber hat eben der Grundsatzbeschluss des Bundesgerichtshofs die sich auftuenden Rechtsprobleme nicht wirklich gelöst, sondern neue geschaffen. Es wird sogar vorgetragen, die vom Verfasser im Jahr 1996 vorgetragene Warnung vor den sich mit diesem Schritt erst eröffnenden Rechtsfortbildungsaufgaben habe nach der BGH-Entscheidung an Aktualität nichts verloren88. Das mag richtig sein oder falsch. Richtig scheint jedenfalls: Das neue Bild der Kommanditgesellschaft auf Aktien hat der rechtswissenschaftlichen Diskussion reizvolle und schwierige Fragen auferlegt, ohne doch der Praxis bisher durch einfache Lösungen den erwarteten Dienst zu leisten.

__________ 83 So inzwischen Ulmer/Habersack (Fn. 72), § 1 MitbestG Rz. 6a ff., § 4 MitbestG Rz. 11 und Raiser (Fn. 77), § 1 MitbestG Rz. 15; a. A. Staudinger/Großfeld, IntGesR (Fn. 81), Rz. 512, 552 f. 84 Angaben bei Sethe (Fn. 9), S. 211 f. 85 Vgl. nur Sethe (Fn. 9), S. 265 ff.; Gonnella/Mikic, AG 1998, 508. 86 Vgl. nur Sethe (Fn. 9), S. 502 ff., 541 f. 87 Vgl. z. B. Mertens/Cahn in KölnKomm.AktG (Fn. 41), Vorb § 278 AktG Rz. 6. 88 Arnold (Fn. 19), S. 165.

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2. Cui bono? Wozu also der vorliegende Beitrag? Nun: Er handelt vom geltenden Recht, und er wurde in der Überzeugung verfasst, dass uns das seit BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 einsetzende intensive Nachdenken mehr über die Kommanditgesellschaft auf Aktien gelehrt hat als 100 Jahre Gesetzgebung seit dem Handelsgesetzbuch von 1897. Insofern hat der Beschluss des Bundesgerichtshofs stimulierende Wirkung, denn – um es mit einem vom Jubilar gern zitierten Satz des Begründers „unseres“ GmbH-Kommentars zu sagen – „jede wissenschaftliche Durchdringung eines Rechtsgebiets schafft höchste Freude, welches auch die Materie sei“89. Und wenn die Materie gar vom Jubilar mitgeprägt worden ist, sollte die Freude doppelt groß sein! Schließlich: In gewissem Sinne haben wir beide – der Jubilar und der Verfasser – mit unseren Beiträgen von 1996 Recht behalten, womit aus doppelter Freude eine Quadratur der Freude wird, kurz: ein Festschriftereignis!

__________ 89 Franz Scholz, Vorwort in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 1928, zuletzt in 10. Aufl. 2006, Bd. I, S. VII.

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Uwe H. Schneider und Tobias Brouwer

Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter bei Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten Inhaltsübersicht I. Ungeklärte Fragen zum Verhältnis zwischen § 31 BGB, § 278 BGB und § 831 BGB und deren entsprechender Anwendung II. Das Verhältnis von § 31 BGB zu § 831 BGB und § 278 BGB III. Die Organverantwortung für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten der Gesellschaft 1. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung 2. Geschäftsverteilung und Verantwortlichkeitsmodifikation IV. Die Delegation der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten auf nachgeordnete Mitarbeiter und unternehmensexterne Stellen 1. Delegierbarkeit öffentlich-rechtlicher Pflichten 2. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Delegation 3. Auswirkungen einer ordnungsgemäßen Delegation auf die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter a) Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft aa) Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit bb) Die aufsichtsrechtliche Verantwortlichkeit (1) Die Ausgangslage

(2) Die Fragestellung (3) Delegatare mit organisationsrechtlichen Zuständigkeiten (4) Delegatare ohne organisationsrechtliche Zuständigkeiten (5) Zwischenergebnis cc) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit dd) Die Verantwortlichkeit im Recht der Ordnungswidrigkeiten ee) Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit ff) Zwischenergebnis b) Die Verantwortlichkeit der Organmitglieder aa) Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit bb) Die aufsichtsrechtliche Verantwortlichkeit cc) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit dd) Die Verantwortlichkeit im Recht der Ordnungswidrigkeiten ee) Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit ff) Zwischenergebnis V. Zusammenfassung

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Uwe H. Schneider und Tobias Brouwer

I. Ungeklärte Fragen zum Verhältnis zwischen § 31 BGB, § 278 BGB und § 831 BGB und deren entsprechender Anwendung Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten ist ein Dauerthema. Im Zentrum jüngster Überlegungen steht, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Delegation zu stellen sind und welche Überwachungspflichten Leitungsmitglieder gegenüber Unternehmensangehörigen treffen. Dieser Beitrag handelt von der Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter, wenn entsprechende Pflichten bei ordnungsgemäßer Delegation und Überwachung durch nachgeordnete Stellen verletzt werden. Die Frage hat ganz und gar grundsätzliche Bedeutung. Zu denken ist dabei an alle Arten öffentlich-rechtlicher Pflichten, angefangen beim Steuer- und Sozialversicherungsrecht über das Daten-, Umwelt- und Wettbewerbsrecht bis hin zum Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht sowie dem Kapitalmarktrecht. Muss sich ein Unternehmen jedwedes pflichtwidrige Verhalten und jede pflichtwidrige Unterlassung auch aller nachgeordneten Mitarbeiter zurechnen lassen? Muss die Transportgesellschaft für die Folgen verkehrswidrigen Verhaltens ihrer Lkw-Fahrer einstehen? Oder kann sich das Unternehmen entlasten, indem es vorträgt, der Vorstand oder die Geschäftsführung hätten das Unternehmen überaus sorgfältig organisiert, die Mitarbeiter eingewiesen, sie zuvor umfassend unterrichtet und sie auch nachträglich überwacht? In Frage steht folglich die Zurechenbarkeit des Verhaltens von Unternehmensangehörigen, insbesondere von nachgeordneten Mitarbeitern, aber auch dasjenige unternehmensexterner Dritter, auf die die Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Pflichten übertragen ist. Unter welchen Voraussetzungen sind Delegatare „verfassungsmäßig berufene Vertreter“ der Gesellschaft? Unter welchen Voraussetzungen sind sie „nur“ Verrichtungsgehilfen? Trotz klärender Rechtsprechung und grundlegender Überlegungen in der Lehre1 befindet sich hier vieles im Graubereich. Es bedarf gewisslich keiner großen Fantasie, um sich die Bedeutung der Fragestellung vor Augen zu führen. Der Blick darf sich dabei nicht auf die Frage nach dem Schadensersatz verengen und nur untersuchen, wem entsprechende Ansprüche zustehen. Zu denken ist auch an die vielfältigen anderen Rechtsfolgen, etwa solche des Aufsichts- und Ordnungsrechts, des Strafrechts und des Rechts der Ordnungswidrigkeiten. Wer sich hier einen Überblick über die Diskussion in den einzelnen Rechtsgebieten verschafft, erhält ein wenig abgestimmtes Bild.

__________ 1 Siehe etwa Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, sowie Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001.

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Verantwortlichkeit bei Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten

Die nachfolgenden Hans-Joachim Priester gewidmeten Überlegungen handeln daher von der Frage, ob sich eine Gesellschaft Verletzungen öffentlichrechtlicher Pflichten durch nachgeordnete Mitarbeiter und unternehmensexterne Dritte zurechnen lassen muss und inwieweit eine ordnungsgemäße Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten zu einer Entlastung von Gesellschaft und Geschäftsleitung führt. Dazu soll zunächst nochmals an das Verhältnis von § 31 BGB zu § 831 BGB und § 278 BGB sowie an die Voraussetzungen an eine ordnungsgemäße Verteilung der Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Pflichten im Unternehmen erinnert werden.

II. Das Verhältnis von § 31 BGB zu § 831 BGB und § 278 BGB § 31 BGB ist eine haftungszuweisende Norm, die einer juristischen Person2 das Handeln ihrer verfassungsmäßigen Vertreter als eigenes zurechnet3. Nach der wohl herrschenden Organtheorie ist § 31 BGB Beleg dafür, dass die juristische Person selbst mittels ihrer Organe Willens- und Handlungsträgerin ist4. Entsprechend haftet die Gesellschaft für jedwedes Organhandeln; § 31 BGB erfasst daher neben der vertraglichen Haftung auch die deliktische sowie die Haftung aus Gefährdung oder schuldlosem Handeln (z. B. §§ 231, 904 BGB)5. Dies hat zur Konsequenz, dass § 278 BGB und § 831 BGB neben § 31 BGB nicht zur Anwendung gelangen6. Damit entfällt zum einen für die Gesellschaft die Möglichkeit, einen Haftungsausschluss für vorsätzliches Handeln ihrer Organmitglieder vorzusehen (vgl. § 278 Satz 2 BGB). Zum anderen bleibt der juristischen Person der Weg versperrt, sich bei deliktischem Handeln ihrer Organmitglieder gemäß § 831 BGB exkulpieren zu können7.

__________ 2 Zum Anwendungsbereich der Haftungsvorschrift über ihren Wortlaut hinaus vgl. Weick in Staudinger, 1995, § 31 BGB Rz. 42 ff.; Reuter in MünchKomm.BGB, 5. Aufl. 2006, § 31 BGB Rz. 11 ff.; zur Zurechnung privater Handlungen und Kenntnisse von Geschäftsleitern gegenüber einer juristischen Person siehe Fleischer, NJW 2006, 3239. 3 Heinrichs in Palandt, 66. Aufl. 2007, § 31 BGB Rz. 1. 4 Vgl. Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 10 I 2. 5 Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 2; Heinrichs in Palandt (Fn. 3), § 31 BGB Rz. 2. Keine Haftungsvoraussetzung ist, dass sich die Organmitglieder persönlich haftbar gemacht haben, vgl. Medicus, GmbHR 2002, 809 (810 ff.), sowie Keller, GmbHR 2005, 1235 (1240), m. w. N. auch zur Gegenansicht. 6 Anders die so genannte Vertretertheorie. Danach sind die Organe Vertreter der juristischen Person, so dass für rechtsgeschäftliches Handeln § 278 BGB weiterhin zur Anwendung gelangt. § 31 BGB ergänzt danach vor allem die Haftung für außerrechtsgeschäftliches Handeln, indem er § 831 BGB zu Lasten der juristischen Person abändert; vgl. Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 2 und 3. 7 Vgl. Kort in Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 2 Rz. 107; ders. in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 2003, § 76 AktG Rz. 166; Habersack in Großkomm.AktG, § 78 AktG Rz. 22; Heinrichs in Palandt (Fn. 3), § 278 BGB Rz. 6 und § 831 BGB Rz. 3.

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Neben Mitgliedern des Vorstands bzw. der Geschäftsführung8 gilt dies nach § 31 BGB gleichermaßen für „andere verfassungsmäßig berufene Vertreter“, während es für alle übrigen Personen bei der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 278 und 831 BGB bleibt9. Damit stellt sich für den Bereich der außervertraglichen Haftung die Frage, wie weit der Personenkreis der „anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter“ zu ziehen ist, für den eine juristische Person ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen hat. Dass es sich dabei nicht nur um eine formale Betrachtung handeln kann, erklärt sich schon daraus, dass es der Satzungsgeber selbst in der Hand haben würde, den Haftungsumfang der Gesellschaft zu bestimmen10. Der zwischen § 31 BGB und § 831 BGB herzustellende Ausgleich kann daher nur wertend erfolgen. Hierauf wird noch zurückzukommen sein.

III. Die Organverantwortung für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten der Gesellschaft Für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten sind der Vorstand bzw. die Geschäftsführung verantwortlich11. Denn es gehört zu den Aufgaben der Geschäftsleitung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält, dass sie insbesondere die gesetzlichen Gebote und Verbote beachtet12. Neben der Gesellschaft als Adressat öffentlich-rechtlicher Pflichten sind teilweise aber auch die Geschäftsleiter aufgrund ihrer Organstellung unmittelbar Pflichtbetroffene (vgl. z. B. § 41 GmbHG, § 24 Abs. 3 KWG, § 16 Abs. 3 Satz 2 WpÜG oder § 15a WpHG). Haftungs- und Sanktionstatbestände, die unmittelbar an die Geschäftsleitereigenschaft anknüpfen, finden sich etwa in § 55 KWG, §§ 82 ff. GmbHG, § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB oder §§ 69 i. V. m. 34 AO. Davon soll im Weiteren aber nicht gehandelt werden; von Interesse sind vielmehr diejenigen Rechtsfolgen, die an die Verletzung öffentlichrechtlicher Pflichten anknüpfen, soweit diese der Gesellschaft auferlegt sind. 1. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung Setzt sich die Geschäftsleitung aus mehreren Mitgliedern zusammen, so obliegt die Erfüllung der an die Gesellschaft gerichteten öffentlich-rechtlichen

__________ 8 Zum Vorstandsbegriff im Sinne des § 31 BGB vgl. Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 23. 9 Vgl. Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 37. 10 Vgl. Kleindiek (Fn. 1), S. 350. 11 Ausdrücklich etwa § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG: „Verantwortlich für die Erfüllung der Pflichten, die sich aus diesem Gesetz … ergeben …, sind … bei juristischen Personen … die zur Vertretung berechtigten Personen“. 12 BGH, GmbHR 1997, 25 (26); Uwe H. Schneider in Scholz, 9. Aufl. 2000, § 43 GmbHG Rz. 256; ders. in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473 (477).

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Pflichten der Geschäftsleitung als Gesamtorgan13. Gemeint ist damit freilich nicht, dass sämtliche Pflichten von allen Leitungsmitgliedern gemeinsam und persönlich erfüllt werden müssen. Dies ist bei der Vielzahl wahrzunehmender Verpflichtungen weder gewollt noch tatsächlich möglich. Zulässig ist daher, die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten einzelnen Mitgliedern der Geschäftsleitung zuzuweisen (Geschäftsverteilung, vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG)14 und bestimmte Pflichtaufgaben nachgeordneten Mitarbeitern zu übertragen (Delegation)15. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung begründet vielmehr eine Mindestpflicht jedes Organmitglieds darauf hinzuwirken, dass durch eine entsprechende Unternehmensorganisation und -überwachung die Erfüllung der der Gesellschaft auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflichten sichergestellt ist16. 2. Geschäftsverteilung und Verantwortlichkeitsmodifikation Eine wirksame17 vorstandsinterne Aufgabenverteilung befreit daher nicht von der Verantwortlichkeit aller Leitungsmitglieder für die Erfüllung öffentlichrechtlicher Pflichten18, sie modifiziert aber ihren haftungsrelevanten Umfang: Während der zuständige Geschäftsleiter die volle Handlungsverantwortung für die ihm zugewiesenen Aufgaben trägt, er insbesondere durch eine entsprechende Organisation und Überwachung dafür einzustehen hat, dass sich die in seinem Bereich tätigen Mitarbeiter rechtmäßig verhalten (Ressortverantwortung), beschränkt sich die Verantwortlichkeit der übrigen Ge-

__________ 13 Für die GmbH: Uwe H. Schneider in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473 (478); (allgemein) für die AG: Martens in FS Fleck, 1988, S. 191; zur dogmatischen Herleitung des Grundsatzes der Gesamtverantwortung siehe Fleischer, NZG 2003, 449 ff. 14 Vgl. § 52a Abs. 1 Satz 1 BImSchG: „Besteht … das vertretungsberechtigte Organ aus mehreren Mitgliedern …, so ist der zuständigen Behörde anzuzeigen, wer von ihnen … die Pflichten … wahrnimmt“. 15 Statt vieler: Uwe H. Schneider in Scholz (Fn. 12), § 43 GmbHG Rz. 35; Haas in Michalski, 2002, § 43 GmbHG Rz. 16. 16 Hierzu gehört insbesondere, sich einen Überblick über die unternehmensrelevanten öffentlich-rechtlichen Pflichten zu verschaffen („Pflichtbilanz“); ausführlich Uwe H. Schneider, DB 1993, 1909 (1911); ders., ZIP 2003, 645 (648) (Aufstellung eines Grundpflichtenhefts als Teil der Compliance-Aufgabe). 17 Zu den inhaltlichen und formellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsverteilung vgl. BFH, BFHE 141, 443 (447), mit Anm. Wilke, GmbHR 1985, 309; OLG Koblenz, NZG 1998, 953 (954): Faktische Aufteilung genügt nicht. Ihr folgend das wohl überwiegende Schrifttum, statt vieler: Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 55; Hopt in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 65; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, 4. Aufl. 2002, § 43 GmbHG Rz. 12; Fleischer, NZG 2003, 449 (452 f.); kritisch: Lohr, NZG 2000, 1204 (1210); Lutter/Hommelhoff, 16. Aufl. 2004, § 37 GmbHG Rz. 37. 18 Ausdrücklich etwa § 52a Abs. 1 Satz 2 BImSchG: „Die Gesamtverantwortung aller Organmitglieder … bleibt hiervon unberührt“.

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schäftsleiter darauf, den zuständigen Geschäftsleiter beobachtend zu überwachen (Restverantwortung)19. Diese zunächst für das Zivilrecht bedeutsame Verantwortlichkeitsmodifikation findet auch Beachtung in bezug auf die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten. Ausdrücklich anerkannt wird sie etwa im Steuerrecht20 oder im Versicherungsaufsichtsrecht21. Darüber hinaus hat sie aber auch für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter Bedeutung22. Für die Überwachungspflicht der übrigen Geschäftsleiter gilt, dass sie sich regelmäßig von der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung des Nachbarressorts und der fortwährenden Eignung des zuständigen Kollegen überzeugen müssen (Pflicht zur Selbstkontrolle)23. Dabei gilt, dass sich der nicht betroffene Geschäftsleiter im allgemeinen darauf verlassen darf, dass der zuständige Geschäftsleiter die ihm zugewiesenen Aufgaben ordnungsgemäß erledigt24. Und dies gilt entgegen teilweise vertretener Ansicht auch für den Gremiumsvorsitzenden25 und Inhaber sachnaher Geschäftsleiterressorts26. Bleiben daher trotz gebotener Wachsamkeit Missstände in einem Nachbarressort unentdeckt, greift die Verantwortlichkeitsmodifikation der Ge-

__________ 19 Statt vieler: BGH, BGHZ 133, 370 (377 f.) = NJW 1997, 130 (132); BFH, BFHE 141, 443 (447); Uwe H. Schneider in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473 (481); Hommelhoff/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff (Fn. 17), § 43 GmbHG Rz. 17; Goette, DStR 1998, 938 (942); Fleischer, NZG 2003, 449 (452). 20 Vgl. BFH, BFHE 75, 206; präzisierend: BFH, BFHE 141, 443. 21 Vgl. VG Frankfurt/Main, WM 2004, 2157. 22 Vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, 27. Aufl. 2006, § 14 StGB Rz. 19; Tröndle/Fischer, 53. Aufl. 2006, § 14 StGB Rz. 5. Zweifelnd jedoch BGH, BGHSt 37, 106 (123) – Lederspray; ausführlich zur Problematik Dreher, ZGR 1992, 22 (43 ff.). 23 Statt vieler: BGH, NJW 2002, 1585 (1587); Uwe H. Schneider in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473 (478 f.); Hüffer, 7. Aufl. 2006, § 77 AktG Rz. 15; Kort in Großkomm.AktG (Fn. 7), § 77 AktG Rz. 35 und 37. 24 Ausdrücklich etwa BGH, BGHZ 133, 370 (377 f.) = NJW 1997, 130 (132); vgl. auch Uwe H. Schneider in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473 (482) (kein ständiges Argwöhnen des Mitgeschäftsführers); ebenso Hefermehl/Spindler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, § 93 AktG Rz. 71 („Eine Geschäftsverteilung gründet sich … auf gegenseitiges Vertrauen“); Fleischer, NZG 2003, 449 (455) (ein gedeihliches Miteinander in einem Kollegialorgan setzt Mindestmaß an Vertrauen voraus). Zu gesteigerten Überwachungspflichten insbesondere in der Unternehmenskrise vgl. Kort in Großkomm.AktG (Fn. 7), § 77 AktG Rz. 38; Uwe H. Schneider in Scholz (Fn. 12), § 43 GmbHG Rz. 37a; ders. in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473 (483). 25 Fleischer, NZG 2003, 449 (455), mit eingehender Begründung und Nachweisen zur Gegenansicht; ebenso Habersack, WM 2005, 2360 (2362). 26 A. A. VG Frankfurt/Main, WM 2004, 2157 (2161): „… das insoweit verbundene Vorstandsressort darf es … nicht dabei bewenden lassen, dass es die Auskunft erhält, es sei alles in Ordnung“; dagegen wie hier: Habersack, WM 2005, 2360 (2363 f.); Wolf, VersR 2005, 1042 ff.; Hüffer (Fn. 23), § 93 AktG Rz. 13a.

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schäftsverteilung und es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung des nicht zuständigen Geschäftsleiters27.

IV. Die Delegation der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten auf nachgeordnete Mitarbeiter und unternehmensexterne Stellen Der Geschäftsleiter braucht die in sein Ressort fallenden Pflichtaufgaben nicht in eigener Person zu erledigen, sondern er kann sie auf andere Personen delegieren28; denn soweit er jedenfalls selbst nicht Pflichtbetroffener ist, liegt es in seinem Leitungsermessen, wie die der Gesellschaft auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflichten erfüllt werden. Bei Unternehmen gewisser Größe oder Branchen ist eine Aufgabendelegation schon deshalb unerlässlich, weil der zuständige Geschäftsleiter selbst nicht auf allen Gebieten über die volle Sachkenntnis verfügen wird. 1. Delegierbarkeit öffentlich-rechtlicher Pflichten Die Delegation der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten setzt freilich ihre Delegationsfähigkeit voraus. Entscheidend hierfür ist, welche Bedeutung dem Delegationsbegriff beizumessen ist. In der Literatur finden sich keine Begriffsbestimmungen. Lediglich Hüffer definiert in Anlehnung an das Verwaltungsrecht Delegation als Zuständigkeitsübertragung vom Vorstand als Organ der Gesellschaft auf nachgeordnete, in eine Weisungskette eingebundene Stellen der Gesellschaft oder auf rechtlich und wirtschaftlich selbständige Funktionsträger („Outsourcing“)29. Zuständigkeitsübertragung bedeutet danach die Übertragung der Verantwortung für die Aufgabenerledigung, so dass insbesondere Pflichtaufgaben, die der Vorstand nach dem Gesetz selbst erfüllen muss, delegationsunfähig sind30. Das hier zugrunde gelegte Begriffsverständnis ist ein anderes. Delegation bedeutet nicht Zuständigkeitsverlagerung, sondern Verteilung öffentlich-rechtlicher Pflichtaufgaben im Unternehmen bzw. die Beauftragung Dritter damit ohne Wechsel des Aufgabenträgers. Eine Delegation führt also nicht etwa zu einer Verantwortungsverschiebung – dies ist ohnehin nur dort möglich, wo das Gesetz eine entsprechende ausdrückliche Regelung vorsieht (vgl. z. B. § 62 BBergG) oder selbst bestimmte Pflichtaufgaben zur Erfüllung auf Un-

__________ 27 OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506 (508); Uwe H. Schneider in Scholz (Fn. 12); § 43 GmbHG Rz. 35; Fleischer, NZG 2003, 449 (455). 28 So wörtlich für den Geschäftsführer: BGH, BGHZ 133, 370 (378) = NJW 1997, 130 (132); vgl. auch Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 17), § 93 AktG Rz. 55. 29 Hüffer in FS Happ, 2006, S. 93 (104 ff.). 30 Hüffer in FS Happ, 2006, S. 93 (105).

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ternehmensverantwortliche überträgt („obligatorische Delegation“)31. Sie bezweckt vielmehr eine unverzichtbare Arbeitsteilung32. Der zuständige Geschäftsleiter bleibt weiterhin für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten verantwortlich33: Er hat sicher zu stellen, dass die mit der Pflichtenerfüllung Betrauten ihre Aufgaben tatsächlich erledigen. Das schließt freilich nicht aus, nachgeordneten Stellen auch gewisse Selbständigkeiten bei der Pflichtenerfüllung zuzuerkennen. Mit Blick hierauf sind öffentlich-rechtliche Pflichten, die an die Gesellschaft gerichtet sind, regelmäßig delegierbar. Lediglich dann, wenn die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht von überragender Bedeutung für die Gesellschaft ist, kann dies für eine persönliche Wahrnehmung durch den zuständigen Geschäftsleiter bzw. für die Primärzuständigkeit des Leitungsorgans sprechen (sog. Kernbereichslehre)34. Ist dies nicht der Fall, spielt es für die Delegierbarkeit keine Rolle, ob die Pflichtaufgabe nach innen oder nach außen delegiert werden soll; dies ist allein für die Organisations- und Überwachungspflicht des zuständigen Geschäftsleiters von Bedeutung35. 2. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Delegation Ähnlich wie bei der Geschäftsverteilung führt eine ordnungsgemäße Delegation nicht zu einer Entpflichtung des zuständigen Organmitglieds, wohl aber ändert sie seine Pflichtenstellung: Der verantwortliche Geschäftsleiter trägt die Organisationsverantwortung für die Erfüllung der ihm zugeteilten öffentlich-rechtlichen Pflichten. Er hat zum einen dafür einzustehen, dass die betreffenden Mitarbeiter die persönlichen und fachlichen Qualifikationen

__________ 31 Vgl. bspw. § 63a Abs. 1 Satz 3 AMG, wonach der Stufenplanbeauftragte für die Erfüllung von Anzeigepflichten verantwortlich ist, soweit sie Arzneimittelrisiken betreffen; näher dazu Hasskarl, NJW 1988, 2265 (2270). Zur Repräsentantenfunktion von verantwortlichen Unternehmensbeauftragten (ihnen stehen Entscheidungs- und Weisungsrechte zu) sowie zur Abgrenzung derselben zu Betriebsbeauftragten (diese üben lediglich Überwachungs- und Beratungsfunktionen aus – soweit ihnen freilich keine Entscheidungskompetenzen von der Geschäftsleitung übertragen sind) siehe Rehbinder, ZGR 1989, 305 ff. 32 Nach Hüffer in FS Happ, 2006, S. 93 (105 f.), handelt es sich hierbei lediglich um eine besondere Form der (zulässigen) Zuarbeit. 33 Ebenso wenig können sich gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensbeauftragte ihrer Verantwortung entziehen, vgl. Straile, Beilage 13 zu BB 1999 Heft 41, 1 (2) (Die Verantwortung kann nicht delegiert werden). Nicht verlangt ist aber, dass die ihnen übertragenen Pflichtaufgaben persönlich wahrgenommen werden müssen – in Unternehmen gewisser Größe ist dies ohnehin nicht möglich. 34 Vgl. Semler/Spindler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2004, Vor § 76 AktG Rz. 56 ff.; Dreher, ZGR 1992, 22 (60); Hüffer in FS Happ, 2006, S. 93 (106); Peus, DStR 1998, 684 (685), mit Beispielen. 35 Dazu gleich unter IV.2.

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besitzen, um die ihnen übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Zum anderen hat er dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter in ihre Aufgabenbereiche hinreichend eingewiesen werden; dies umfasst auch eine angemessene Fortbildung36. Und zum dritten ist schließlich eine laufende Überwachung der Mitarbeiter sicher zu stellen37. Diese Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungspflichten (Pflichtentrias) treffen den Geschäftsleiter freilich nicht hinsichtlich jedes einzelnen Mitarbeiters. Vielmehr kann er hierfür andere geeignete Mitarbeiter beauftragen. Sein unmittelbares Überwachungsfeld erhält dadurch die notwendige Überschaubarkeit. Der Umfang der geschuldeten Überwachung hängt jeweils von der Bedeutung und der Verletzungsanfälligkeit der übertragenen Pflicht sowie der Person des Delegatars ab. Dabei gilt wie bei der Geschäftsverteilung auch, dass sich das zuständige Leitungsmitglied im allgemeinen auf die Erledigung durch die dazu Berufenen verlassen kann, solange zu Zweifeln kein Anlass besteht38. Diese Anforderungen an eine ordnungsgemäße Delegation sind in jüngerer Zeit weiter konkretisiert worden: Soll die Aufgabenwahrnehmung durch einen unternehmensexternen Dritten erfolgen, soll etwa die Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Meldepflichten auf eine Wirtschaftskanzlei übertragen werden oder soll die Abfallentsorgung durch ein Fachunternehmen erfolgen, so ist zusätzlich erforderlich, dass sich die pflichtadressierte Gesellschaft zur Erfüllung der Pflichtentrias entsprechende Informations- und Einwirkungsrechte schuldvertraglich einräumen lässt. Anderenfalls liegt ein haftungsrelevantes Organisationsverschulden der auslagernden Gesellschaft vor. Spezialgesetzliche Sondernormen wie etwa § 25a Abs. 2 KWG, § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG39 oder § 1 Abs. 3 BörsG, die aus aufsichtsrechtlichen Gründen zur Funktionsauslagerung eine vertragliche Absicherung von Weisungsbefugnissen verlangen40, bringen dies zum Ausdruck und enthalten für die Delega-

__________ 36 So verlangt etwa § 14 Abs. 2 Nr. 4 GwG ausdrücklich, dass die Beschäftigten regelmäßig „über die Methoden der Geldwäsche und die nach diesem Gesetz bestehenden Pflichten“ unterrichtet werden. Zur Weiterbildungspflicht eingehend Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (649 f.). 37 Statt vieler Uwe H. Schneider in Scholz (Fn. 12), § 43 GmbHG Rz. 38; ders. in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 473 (487 f.); ders., DB 1993, 1909 (1914), jeweils m. w. N. sowie Hommelhoff/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff (Fn. 17), § 43 GmbHG Rz. 18; für die AG vgl. z. B. Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 17), § 93 AktG Rz. 59. 38 BGH, BGHZ 133, 370 (378) = NJW 1997, 130 (132); Medicus, GmbHR 1998, 9 (14 f.). 39 Vgl. Kaulbach in Fahr/Kaulbach, 3. Aufl. 2003, § 5 VAG Rz. 47a: „Die Erlaubnispraxis zielt darauf ab, dass der Vorstand des Versicherungsunternehmens über Weisungs- und Kündigungsrechte ‚die Zügel in der Hand‘ behält …“. 40 Vgl. Braun in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 2. Aufl. 2004, § 25a KWG Rz. 550 und 609.

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tion öffentlich-rechtlicher Pflichten an unternehmensexterne Dritte einen allgemeinen Rechtsgedanken41. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nicht selten öffentlich-rechtliche Strukturnormen eine an die öffentlich-rechtliche Pflichtenerfüllung angepasste Unternehmensorganisation vorgeben. Zu denken ist insbesondere an die Bestellung nachgeordneter Mitarbeiter zu Unternehmens- oder Betriebsbeauftragten (vgl. nur §§ 14 Abs. 1 Nr. 1–3, 63a AMG, § 19 Abs. 1 Nr. 3, 4 SprengG, § 14 Abs. 2 Nr. 1 GwG, § 53 BImSchG, § 4f BDSG, § 21a WHG usw.)42. Damit verbunden sind organisatorische Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Unternehmens- und Betriebsbeauftragten die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und Rechte wahrnehmen können. Auch werden gesetzlich vorgeschriebene Organisationspflichten nicht selten durch die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden konkretisiert. Exemplarisch ist die Konkretisierung der Organisationspflichten nach § 33 WpHG durch die BaFin43. Die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten verlangt daher in vielen Fällen nicht nur irgendeine, sondern eine bestimmte Unternehmensorganisation. Es besteht insoweit kein Organisationsermessen. 3. Auswirkungen einer ordnungsgemäßen Delegation auf die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter Auch bei ordnungsgemäßer Delegation ist nicht auszuschließen, dass es zu Verletzungen öffentlich-rechtlicher Pflichten kommt. Dabei hat die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten vielerlei Folgen. Neben der bloßen Pflicht zur Nachholung einer pflichtwidrigen Unterlassung oder zur Korrektur vorgenommener Pflichthandlungen kommen vor allem behördliche Verfügungen, insbesondere Beseitigungsanordnungen oder Untersagungsverfügungen im ordnungs- und polizeirechtlichen Sinne in Betracht. Ebenso drohen aufsichtsrechtliche Folgen wie etwa der Widerruf (vgl. § 87 Abs. 1 VAG) oder die Aufhebung (vgl. § 35 Abs. 2 KWG) der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, die Abberufung von Geschäftsleitern (vgl. § 36 KWG) oder der Verlust von Rechten des Pflichtadressaten (vgl. § 28 WpHG und § 59 WpÜG). Zudem werden Verletzungen öffentlich-rechtlicher Gebote und Verbote häufig

__________ 41 Zur Auslagerungsfähigkeit unternehmenswesentlicher Teilbereiche vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1 (10), der ebenfalls unter Verweis auf die spezialgesetzlichen Sondernormen die schuldvertragliche Sicherung von Weisungsrechten der delegierenden Gesellschaft verlangt. 42 Eine Übersicht über weitere Unternehmens- und Betriebsbeauftragte, ihre Aufgaben und ihre Rechte findet sich bei Pulte, Betriebsbeauftragte in der gewerblichen Wirtschaft, 2. Aufl. 1992, sowie bei Straile, Beilage Nr. 13 zu BB 1999 Heft 41, 1 ff. Zur Stellung der Betriebs- und Unternehmensbeauftragten siehe Rehbinder, ZGR 1989, 305 ff. 43 Vgl. Richtlinie der BaFin zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG v. 25.10.1999 (BAnz Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18 453); dazu Jütten, Die Bank 1999, 126.

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strafrechtlich sanktioniert und/oder mit Bußgeldern geahndet. So enthält fast jedes Gesetz, das sich an Unternehmen wendet, einen Anhang mit Ordnungswidrigkeiten und Straftatbeständen (vgl. nur §§ 38 ff. WpHG, §§ 54 ff. KWG, § 17 GwG, § 143 InvG, § 134 VAG, § 62 BImSchG). Daneben können schließlich zivilrechtliche Folgen treten, wenn die Gesellschaft oder Dritte infolge des Pflichtenverstoßes einen Schaden erleidet. Fraglich ist daher, inwieweit eine ordnungsgemäße Delegation in Fällen der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten – durch nachgeordnete Mitarbeiter, – durch eine konzernweite Compliance-Stelle oder – durch externe Dritte zu einer Entlastung der Gesellschaft einerseits und des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Organmitglieds andererseits führt. Im Folgenden gilt es zum einen, zwischen den unterschiedlichen Rechtsgebieten des Verwaltungs- und Aufsichtsrechts, des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts und des Zivilrechts zu trennen. Zum anderen ist für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen, ob das jeweilige Rechtsgebiet für den konkreten Fall aufgrund spezieller Normen oder aufgrund rechtseigener Grundsätze eine Zurechnung des Verhaltens nachgeordneter Stellen gegenüber der Gesellschaft oder der Geschäftsleitung vorsieht. Vor diesem Hintergrund können die nachfolgenden Überlegungen nur exemplarisch sein. a) Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft Werden öffentlich-rechtliche Pflichten durch nachgeordnete Mitarbeiter oder externe Dritte verletzt, stellt sich zunächst die Frage nach der Verantwortlichkeit der pflichtenadressierten Gesellschaft. aa) Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit Im allgemeinen und im besonderen Polizei- und Ordnungsrecht knüpft die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit regelmäßig an die Störereigenschaft an. Nach der herrschenden Theorie der „unmittelbaren Verursachung“ gilt im allgemeinen44 Polizei- und Ordnungsrecht als (Verhaltens-45)Störer,

__________ 44 Viele Normen des besonderen Ordnungsrechts enthalten eigene Störerbegriffe (vgl. etwa § 3 KrW-/AbfG – „Abfallerzeuger“, dazu Enders, NVwZ 2005, 381 ff.) und lassen polizeiliche Eingriffe auch gegenüber solchen Personen zu, die nach allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Grundsätzen keine Störer sind, Stein/ Paintner, Fälle und Erläuterungen zum Polizei- und Ordnungsrecht, 2000, S. 113. 45 Als polizeipflichtiges Verhalten kommt nicht nur aktives Tun, sondern auch das Unterlassen eines gebotenen gefahrenabwehrenden Handelns in Betracht; statt vieler: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 2005, Rz. 239; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2004, Rz. 325.

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wer bei wertender Betrachtung die letzte Ursache für die Gefahr oder die Störung setzt und damit die Gefahrengrenze überschreitet46. Ohne Bedeutung ist, ob die Gefahr schuldhaft verursacht wurde. Verursacht eine Person, die zur Verrichtung bestellt ist, die Gefahr in Ausführung der Verrichtung, so können nach den einschlägigen Vorschriften der Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder Maßnahmen auch gegen den Geschäftsherrn gerichtet werden, ohne dass die Möglichkeit zur Exkulpation besteht (vgl. § 6 Abs. 3 HSOG, § 4 Abs. 3 rh.-pf. POG). Mit Blick darauf wird im Gefahrenabwehrrecht eine ordnungsgemäße Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten in der Regel keine Auswirkungen auf die Verantwortlichkeit der Gesellschaft haben. Denn entweder ist die Gesellschaft „bei wertender Betrachtung“ selbst Störerin oder sie hat als Geschäftsherrin für die Gefahrenverursachung des pflichtvergessenen Delegatars einzustehen47. Im letzten Fall wird deutlich, dass zum Schutz der öffentlichen Sicherheit eine Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten an unternehmensexterne Dritte nur dann zulässig ist, wenn sich die Gesellschaft entsprechende Weisungsrechte vorbehält; nur dann nämlich wird es sich bei der Auslagerungsperson um einen Verrichtungsgehilfen handeln und können die Gefahrenabwehrbehörden unverändert auf den Pflichtadressaten zurückgreifen48. Stehen den Polizei- und Ordnungsbehörden mehrere Störer zur Inanspruchnahme zur Verfügung, also etwa das beauftragte Entsorgungsunternehmen oder der externe Wartungsdienst für die unternehmenseigenen Tanklastzüge neben der Gesellschaft, so kann bei gleicher Leistungsfähigkeit eine ordnungsgemäße Pflichtendelegation freilich im Rahmen des behördlichen Auswahlermessens Berücksichtigung finden. bb) Die aufsichtsrechtliche Verantwortlichkeit (1) Die Ausgangslage Im Aufsichtsrecht erlangt eine ordnungsgemäße Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten insbesondere Bedeutung, wenn an die Pflichtenverletzung geknüpfte Sanktionen schuldhaftes Handeln voraussetzen.

__________ 46 Statt vieler: Schlabach/Simon, NVwZ 1992, 143 m. w. N. in Fn. 6; Schenke (Fn. 45), Rz. 241 ff. 47 In bestimmten Fällen richten sich die Behördenakte auch direkt an die mit der Pflichtenerfüllung Betrauten, so etwa, wenn das jeweilige Fachgesetz einen Unternehmensbeauftragten vorsieht, eingehend mit Beispielen Rehbinder, ZGR 1989, 305 (315 f., 318 f.). 48 Der ordnungsrechtlich Verantwortliche kann sich seiner Verantwortung auch nicht durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit dem beauftragten Unternehmen entledigen; für die Abfallverantwortlichkeit vgl. Enders, NVwZ 2005, 381 (383) m. N. zu Gegenstimmen in Fn. 20.

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Exemplarisch hierfür steht der Rechtsverlust aus Aktien bei der Verletzung kapitalmarktrechtlicher Meldepflichten (§ 21 WpHG) nach § 28 WpHG49 (vgl. auch die entsprechenden Vorschriften der §§ 20 Abs. 7 AktG und 59 WpÜG). Der Rechtsverlust erfasst sowohl Mitverwaltungsrechte als auch Vermögensrechte, insbesondere das Dividendenbezugsrecht (§ 58 Abs. 4 AktG)50. Letzteres (wie auch das Teilhaberecht am Abwicklungserlös, § 271 AktG) soll jedoch nach § 28 Satz 2 WpHG dann nicht verloren sein, wenn die versäumte Mitteilung nachgeholt wurde und der Meldepflichtige die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen hat. Ist der Meldepflichtige eine juristische Person, ist für den Rechtsverlust mangels spezialgesetzlicher Zurechnungsnormen auf das Verschulden bzw. den Vorsatz der geschäftsführenden Organmitglieder abzustellen, § 31 BGB51. Eine ordnungsgemäße Delegation der Meldepflichten auf nachgeordnete Mitarbeiter oder externe Dritte, z. B. eine fachlich qualifizierte Wirtschaftskanzlei, wird den Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung der Geschäftsleiter regelmäßig ausschließen. Insbesondere entfällt der Vorsatzvorwurf, weil die Geschäftsleitung bzw. der jeweils zuständige Geschäftsleiter mit einer ordnungsgemäßen Delegation alles Erforderliche unternommen hat, um die Gefahr einer Meldepflichtverletzung abzuwenden: Das Organmitglied geht und darf davon ausgehen, dass der Erfolg einer Pflichtverletzung ausbleibt. Ein vorsatzbegründendes billigendes In-Kauf-Nehmen der Meldepflichtverletzung kann der Geschäftsleitung daher nicht vorgehalten werden52. Erst recht lassen sich vorwerfbare Handlungen der mit der Pflichtenerfüllung Betrauten nicht der Geschäftsleitung als eigene zurechnen; die pflichtenwahrnehmenden Delegatare werden nämlich ausschließlich für und gegenüber der Gesellschaft tätig. (2) Die Fragestellung Fraglich kann daher nur sein, ob und unter welchen Voraussetzungen das Verhalten von Delegataren der Gesellschaft unmittelbar zuzurechnen ist. Auch hierfür ist mangels spezialgesetzlicher Zurechnungsnormen auf allgemeine Wertungen, insbesondere auf die Rechtsgedanken der §§ 31, 278 und 831 BGB zurückzugreifen.

__________ 49 Nach herrschender Meinung tritt der Rechtsverlust nur bei verschuldeter Meldepflichtverletzung ein, vgl. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, 4. Aufl. 2006, § 28 WpHG Rz. 20 m. w. N. auch zur Gegenansicht. 50 Siehe etwa bei Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider (Fn. 49), § 28 WpHG Rz. 24 ff.; Opitz in Schäfer/Hamann (Hrsg.), Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl. 2006, § 28 WpHG Rz. 12 ff. 51 Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider (Fn. 49), § 28 WpHG Rz. 62; ebenso Opitz in Schäfer/Hamann (Fn. 50), § 28 WpHG Rz. 10. 52 Zum kapitalmarktrechtlichen Vorsatzbegriff in § 28 WpHG siehe Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, ZIP 2006, 493 (499 f.).

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Eine zunächst denkbare Zurechnung schuldhaften Verhaltens in entsprechender Anwendung des § 278 BGB lässt sich nur begründen, wenn die Gesellschaft in einer vertraglichen oder einer den gesetzlichen Schuldverhältnissen vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung steht53. Allein das Bestehen öffentlich-rechtlicher Pflichten reicht hierfür nicht. Delegatare nehmen ihre Aufgaben daher nicht als Erfüllungsgehilfen der Gesellschaft wahr54. Eine Zurechnung schuldhaften Verhaltens könnte aber unter den Voraussetzungen des § 31 BGB anzunehmen sein, wenn es sich bei den mit der Pflichtenwahrnehmung Betrauten um „andere verfassungsmäßig berufene Vertreter“ der Gesellschaft handelt. Gehören sie nicht dieser Personengruppe an, sind sie „lediglich“ Verrichtungsgehilfen mit der Folge, dass sich die Gesellschaft unter Berufung auf eine ordnungsgemäße Delegation exkulpieren kann (Rechtsgedanke des § 831 BGB). (3) Delegatare mit organisationsrechtlichen Zuständigkeiten Für die Abgrenzung beider Personenkreise voneinander ist darauf abzustellen, ob dem Pflichtbetrauten breitflächige organisatorische Entscheidungsbefugnisse eingeräumt sind, wie sie typischerweise einem Organmitglied zustehen. Keine Rolle spielt, ob die Satzung hierzu entsprechende Sonderorgane neben dem Vorstand im Sinne der §§ 30, 31 BGB geschaffen hat. Dies entspricht im Wesentlichen der Auffassung der Rechtsprechung55 und der ihr überwiegend folgenden herrschenden Lehre56. Danach soll es für die Anwendung des § 31 BGB genügen, dass dem „Vertreter“ durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensgemäße Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und er insoweit die juristische Person repräsen-

__________ 53 BGH, BGHZ 131, 200 (204) m. w. N.; Heinrichs in Palandt (Fn. 3), § 280 BGB Rz. 10; Löwisch in Staudinger, 2004, § 278 BGB Rz. 12 ff. (mit Beispielen). 54 A. A. Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider (Fn. 49), §§ 37b, 37c WpHG Rz. 63 (obwohl der dort kommentierte Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen nicht der vertraglichen Haftung, sondern dem (Sonder-) Deliktsrecht zugeordnet wird, vgl. Rz. 23); ebenso für die Anwendbarkeit des § 278 BGB Zimmermann in Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 58. Für das Steuerrecht im Anwendungsbereich von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO mit unklarer Begründung: BFH, BStBl. II 1983, 324 (327 f.); 1991, 124 (126) (Steuerberater ist Erfüllungsgehilfe des Steuerpflichtigen i. S. des § 152 Abs. 1 Satz 3 AO); dagegen Loose in Tipke/Kruse, Loseblatt, § 173 AO Rz. 82 f. (Steuerberater ist weder gesetzlicher Vertreter noch Erfüllungsgehilfe des Steuerpflichtigen). 55 Zusammenfassend BGH, BGHZ 49, 19 (21). 56 Vgl. Heinrichs in Palandt (Fn. 3), § 31 BGB Rz. 7 ff.; Reuter in MünchKomm. BGB (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 8; Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 34 ff.; Kleindiek (Fn. 1), S. 352 m. w. N. („Die Rechtsprechung darf sich bestätigt sehen“).

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tiert57. Auf das Kriterium der satzungsmäßigen Berufung in § 31 BGB komme es dafür nicht an. Eine juristische Person dürfe sich nämlich der Verantwortung für einen für sie tätigen Mitarbeiter oder außenstehenden Dritten nicht dadurch entziehen, dass sie ihn einerseits von jeder sachlichen Einflussnahme freistelle, andererseits aber auch nicht zum verfassungsmäßigen Vertreter im Sinne der §§ 30, 31 BGB bestelle58. Geht man hiervon aus, ist der Anwendungsbereich des § 31 BGB unabhängig davon zu bestimmen, ob öffentlich-rechtliche Pflichten wahrgenommen werden oder nicht. Entscheidend ist, dass dem Delegatar ein weitgefasster organisatorischer Entscheidungsspielraum zusteht59. Dieser kann sich auch auf die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten erstrecken. Verlangt ist dann aber, dass es sich nicht um die Wahrnehmung einzelner Pflichten handelt, z. B. Pflichten des Tierschutzes oder die Pflichten im Umgang mit Laserstrahlen. Verfassungsmäßiger Vertreter ist daher nur, wer gegebenenfalls für die Sicherung der Beachtung der Regeln eines großen Rechtsgebiets zuständig ist. Das kann unter Berücksichtigung des Einzelfalles das gesamte Steuer- und Abgabenrecht oder das gesamte Gewerbeaufsichtsrecht sein. (4) Delegatare ohne organisationsrechtliche Zuständigkeiten Demgegenüber handelt es sich bei Personen, die lediglich ausführende Tätigkeiten wahrnehmen oder nur mit der Wahrnehmung einzelner öffentlichrechtlicher Pflichten betraut sind, nicht um „berufene Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man nur, wenn man mit der Lehre vom Organisationsmangel verlangt, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig sein müsse60. Eine solche Ausdeh-

__________ 57 Vgl. BGH, BGHZ 49, 19 (21) (Filialleiter einer Auskunftei); BGH, NJW 1972, 334 (Chefarzt eines städtischen Krankenhauses); BGH, NJW 1977, 2259 (Filialleiter einer Bank); BGH, BGHZ 24, 200 (213) (Leiter der Rechtsabteilung eines Verlages); RG, JW 1936, 915 (Sachbearbeiter, dem wichtige Angelegenheiten zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen worden sind). Eine Übersicht über die Entwicklung der Rechtsprechung findet sich bei Landwehr, AcP 164 (1964), 482, sowie bei Kleindiek (Fn. 1), S. 341 ff. 58 Vgl. BGH, BGHZ 77, 74 (77), mit Hinweis auf BGH, NJW 1972, 334. 59 In diese Richtung gehend auch Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 36. 60 Hat die Gesellschaft ihren Geschäftsbereich nicht so organisiert, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig ist, soll sich die Gesellschaft so behandeln lassen müssen, als habe sie dem tatsächlich eingesetzten Verrichtungsgehilfen Organstellung eingeräumt (sog. „Fiktionshaftung“). So soll etwa der Herausgeber oder Verleger einen besonders gefährlichen Beitrag selbst überprüfen müssen oder dem damit beauftragten Dritten Organstellung im Sinne von §§ 30, 31 BGB verschaffen, vgl. BGH, NJW 1980, 2810 (2811); ähnlich bereits RG, JW 1931, 2235 Nr. 7: Bei Anstreicharbeiten an der Decke eines Warenhauses (!) während des geöffneten Geschäftsbetriebes müsse sich ein Vor-

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nung der Organhaftung würde aber nicht nur den in § 831 BGB enthaltenen Entlastungsgedanken ordnungsgemäßer Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten unterlaufen61. Sie würde auch zu einer strengeren Behandlung juristischer Personen gegenüber natürlichen Personen führen. Sie ist daher in dieser Reichweite abzulehnen. Kein Sonderorgan, sondern nur Verrichtungsgehilfe ist daher der Bankangestellte, der die gemäß Geldwäschegesetz notwendigen Legitimationsprüfungen vornimmt. Verrichtungsgehilfe ist auch, wer die Meldepflichten nach § 21 WpHG wahrnehmen soll62. Dies gilt auch für konzerweite Delegatare, die einzelne öffentlich-rechtliche Pflichten für den Gesamtkonzern wahrnehmen, also etwa der konzernweite Geldwäschebeauftragte. Und in gleicher Weise hat die Zuordnung außenstehender Dritter zu erfolgen, also die Anwaltskanzlei oder der selbständige Betriebsarzt, die für ein Unternehmen bestimmte Aufgaben wahrnehmen. Auch sie sind keine verfassungsmäßigen Vertreter, weil sie lediglich für einen Teilbereich öffentlich-rechtliche Pflichten, die dem Unternehmen obliegen, wahrnehmen. Nichts anderes gilt schließlich für verantwortliche Unternehmensbeauftragte. Auch ihnen fehlen entgegen teilweise vertretener Auffassung63 die Qualifikationsmerkmale eines verfassungsmäßigen Vertreters. Denn soweit ihnen nach den jeweiligen Fachgesetzen eigene innerbetriebliche Entscheidungsund Weisungsrechte zustehen (vgl. z. B. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AMG, § 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SprengG, § 58 Abs. 1 Nr. 2 BBergG), dienen diese nur der Wahrnehmung einzelner Pflichten. (5) Zwischenergebnis Die (analoge) Anwendung des § 31 BGB ist nur dort gerechtfertigt, wo den Delegataren ein weitgefasster organisatorischer Entscheidungsspielraum zusteht. Personen, die lediglich einzelne öffentlich-rechtliche Pflichten für die Gesellschaft wahrnehmen, sind dagegen keine verfassungsmäßigen Vertreter. Auf sie ist der Rechtsgedanke des § 831 BGB anwendbar, so dass eine ordnungsgemäße Delegation der Gesellschaft die Möglichkeit zur Exkulpation erlaubt.

__________ standsmitglied oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter selbst von der Sicherheit des Gerüsts überzeugen. Eingehend zur Entwicklung der Lehre vom Organisationsmangel Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. 61 So weist Weick in Staudinger (Fn. 2), § 31 BGB Rz. 37, zu Recht darauf hin, dass die Verfasser des BGB der juristischen Person zwar eine besondere Organhaftung auferlegen wollten, nicht aber die allgemeinen Regeln über die Haftung für Verrichtungsgehilfen zu Lasten der juristischen Person abändern wollten. 62 Im Ergebnis ebenso Opitz in Schäfer/Hamann (Fn. 50), § 28 WpHG Rz. 10. 63 Für die Anwendbarkeit des § 31 BGB Rehbinder, ZGR 1989, 305 (331 f.); ablehnend dagegen Houache, Unternehmensbeauftragte und Gesellschaftsrecht der AG und GmbH, 2003, S. 171 f.

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cc) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit Die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten wird daneben auch strafrechtlich sanktioniert. Neben den bereits beispielhaft erwähnten Strafkatalogen der jeweiligen Fachgesetze findet sich eine Reihe von Straftatbeständen auch im Strafgesetzbuch, etwa solche mit Bezug zum Sozialversicherungsrecht (§ 266a StGB) oder mit Bezug zum Umweltrecht (vgl. 324 ff. StGB). Im Gegensatz zu anderen Ländern64 sieht das deutsche Rechtssystem indessen keine Verbandsstrafe vor. Nicht die (deliktsunfähige) juristische Person, sondern ihre Vertreter trifft die strafrechtliche Verantwortung, vgl. § 14 StGB. An dieser Stelle soll es daher bei einem Hinweis auf den nationalen und europäischen Diskussionsstand zur Straffähigkeit juristischer Personen verbleiben65. dd) Die Verantwortlichkeit im Recht der Ordnungswidrigkeiten Anders als das Strafrecht kennt das Recht der Ordnungswidrigkeiten die Verbandspflichtigkeit (vgl. § 30 OWiG) und bedient sich zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten des Sanktionsmittels der Geldbuße. Als Ordnungswidrigkeit sind mit einer Geldbuße jedoch nur vorwerfbare (vorsätzliche oder fahrlässige) Pflichtverletzungen sanktionierbar (vgl. §§ 1 Abs. 1, 10 OWiG). Voraussetzung für die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der selbst nicht handlungsfähigen Gesellschaft ist daher, dass ihr das ordnungswidrige Handeln des pflichtvergessenen Delegatars als eigenes „zugerechnet“ wird. Dies ist nach § 30 OWiG66 insbesondere dann der Fall, wenn der Pflichtenbetraute „für die Leitung des Betriebes oder des Unternehmens (…) verantwortlich handelt“. Hierzu gehört etwa die Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung (§ 30 Abs. 1 Nr. 5). Wie weit der danach zu ziehende Kreis der tauglichen Täter reicht, lässt sich freilich nicht abschließend beurteilen67. Insbesondere ist unklar, von welchem Umfang die vorausgesetzten Leitungsbefugnisse sein müssen, um eine „Zurechnung“ begründen zu können. Die Gegenüberstellung von Organmitgliedern einerseits (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) und sonstigen Personen ande-

__________ 64 Zur Rechtslage in anderen Staaten vgl. BT-Drucks. 13/11425 S. 2. 65 Vgl. Tröndle/Fischer (Fn. 22), § 14 StGB Rz. 1c m. w. N. sowie Vor § 38 StGB Rz. 10; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, 4. Aufl. 2006, § 8 Rz. 61 ff. 66 Ob § 30 OWiG eine Zurechnungsnorm ist oder vielmehr als „Transformator“ wirkt, indem er den gegenüber den dort genannten Personen erhobenen Vorwurf in eine verbandsadäquate Verantwortlichkeit übersetzt, ist für die vorliegenden Überlegungen ohne Ausschlag; zum Meinungsstand siehe Rogall in KarlsruherKomm., 3. Aufl. 2006, § 30 OWiG Rz. 3 ff. Zur Verhaltenszurechnung natürlicher Personen gegenüber dem Unternehmen im europäischen Kartellbußgeldrecht vgl. Dreher in FS Konzen, 2006, S. 85 (88 f.) m. w. N. in Fn. 14. 67 Siehe auch Rogall in KarlsruherKomm. (Fn. 66), § 30 OWiG Rz. 68a.

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rerseits (§ 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG) mag darauf hindeuten, dass die Führungsrolle sonstiger Personen nicht der eines Geschäftsleiters vergleichbar sein muss und somit der Kreis „zurechenbarer“ Personen weiter geht als dies etwa im Rahmen des § 31 BGB der Fall ist68. Andererseits lässt der Wortlaut „Leitung des Betriebes und Unternehmens“ in Nr. 5 die Interpretation zu, den sonstigen Personen müssen Einflussnahmemöglichkeiten gerade auf die Verwaltung bzw. Organisation der juristischen Person zukommen, so dass insbesondere externe Delegatare regelmäßig nicht erfasst wären69. Fest steht jedenfalls, dass sich der Kreis zurechenbarer Personen nicht mit Hilfe etwa der oben erwähnten Lehre vom Organisationsmangel erweitern lässt. Dies widerspricht dem Analogieverbot im Ordnungswidrigkeitenrecht70. Mit diesen Überlegungen verbleibt es, sich im Einzelfall dem Problem zu stellen. ee) Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit Schließlich sind an die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten zivilrechtliche Folgen geknüpft, wenn Dritte durch die Pflichtverletzung beeinträchtigt werden oder sie Schaden erleiden. Wird die Gesellschaft auf Unterlassung der pflichtwidrigen Handlung oder auf Beseitigung des pflichtwidrigen Zustands in Anspruch genommen, wird sich die Gesellschaft der Inanspruchnahme regelmäßig nicht mit dem Hinweis auf eine ordnungsgemäße Delegation entziehen können. Denn entweder haftet sie spezialgesetzlich für Handlungen ihrer Mitarbeiter und ihrer Beauftragten (vgl. z. B. § 8 Abs. 2 UWG, §§ 14 Abs. 7, 15 Abs. 6, 128 Abs. 3 MarkenG, § 100 Satz 1 UrhG, § 2 Abs. 1 Satz 2 UKlaG) oder sie ist selbst Störerin, etwa im Sinne des allgemeinen § 1004 BGB71. Anders ist es, wenn die Gesellschaft Schadensersatz leisten soll. Als Anspruchsgrundlage dienen neben sonderdeliktsrechtlichen Vorschriften (vgl. z. B. §§ 37a, 37b WpHG oder § 9 UWG) vor allem § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, Letzterer, wenn mit der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten zugleich ein Schutzgesetz verletzt wird. Soweit das jeweilige Fachgesetz keine entsprechende Zurechnungsvorschrift bereithält (so etwa §§ 14 Abs. 7, 15 Abs. 6, 128 Abs. 3 MarkenG), hängt die Schadensersatzpflicht der Gesell-

__________ 68 Siehe aber auch König in Göhler, 14. Aufl. 2006, § 30 OWiG Rz. 14, der als Beispiele neben dem (faktischen) Geschäftsführer gerade auch besondere Vertreter nach § 30 BGB nennt. Mit Hauschka, BB 2004, 1178 ist bspw. als tauglicher Täter der kartellrechtliche Compliance-Beauftragte einzuordnen. 69 In diese Richtung möglicherweise Rogall in KarlsruherKomm. (Fn. 66), § 30 OWiG Rz. 68b. 70 Zu Auslegungsgrenzen des § 30 OWiG siehe Rogall in KarlsruherKomm. (Fn. 66), § 30 OWiG Rz. 70. Zur Tätereigenschaft des Zuwiderhandelnden im Sinne des § 130 Abs. 1 OWiG vgl. ders., § 130 OWiG Rz. 92. 71 Einzelheiten bei Bassenge in Palandt (Fn. 3), § 1004 BGB Rz. 15 ff.

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schaft von der oben erörterten Frage ab, ob der (vorwerfbar) pflichtvergessene Delegatar dem Personenkreis des § 31 BGB angehört oder „nur“ Verrichtungsgehilfe ist. Nur im letzten Fall steht der Gesellschaft der Entlastungsnachweis zu und wirkt sich eine ordnungsgemäße Delegation aus. ff) Zwischenergebnis Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft bei der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch Delegatare stellt sich je nach Rechtsgebiet unterschiedlich dar. Neben der „eigenen“ Verantwortlichkeit der Gesellschaft als Störerin etwa im Gefahrenabwehrrecht hat sie ohne spezialgesetzliche Regelungen nur für solche Pflichtverletzungen durch Delegatare einzustehen, die ihr als eigene zugerechnet werden. Das ist nach der allgemeinen Regelung des § 31 BGB der Fall, wenn dem Delegatar für einen weitreichenden Verwaltungsbereich organisatorische Leitungsbefugnisse zukommen und er damit „berufener Vertreter“ i. S. des § 31 BGB ist. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist dies der Fall, wenn der Delegatar leitende Funktionen i. S. des § 30 OWiG wahrnimmt. Im Übrigen gilt der Rechtsgedanke des § 831 BGB. b) Die Verantwortlichkeit der Organmitglieder Neben der Verantwortlichkeit der Gesellschaft für Verletzungen öffentlichrechtlicher Pflichten durch nachgeordnete Stellen ist nach der Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung zu fragen. Liegt eine ordnungsgemäße Geschäftsverteilung vor, konzentriert sich die Fragestellung in erster Linie auf die Verantwortlichkeit des jeweils zuständigen Geschäftsleiters. Dabei gilt, dass pflichtwidriges Verhalten von Delegataren nicht den Geschäftsleitern als eigenes zugerechnet werden kann72. In Betracht kommt daher nur eine Inpflichtnahme aufgrund eigenen Verhaltens73. aa) Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit Aufgrund der Weisungshoheit des Geschäftsleiters gegenüber den für die Gesellschaft tätigen Delegataren sowie seiner Einwirkungsmöglichkeit auf die im Eigentum oder Besitz der Gesellschaft befindlichen Sachen gehört im Gefahrenabwehrrecht auch der Geschäftsleiter selbst dem Kreis potentieller

__________ 72 Vgl. bereits oben unter IV.3.a) bb) (1) sowie bei Fleischer, AG 2003, 291 (292). 73 In Fällen, in denen der Geschäftsleiter Kenntnis von bevorstehenden Rechtsverletzungen hatte und diese trotz bestehender Möglichkeit nicht verhindert hat, macht sich der Geschäftsleiter die fremde Pflichtverletzung zu eigen und übernimmt damit die (Mit-)Verantwortung für den Rechtsverstoß (geschlossen wird dann auf einen entsprechenden „Übernahmewillen“ des Geschäftsleiters, vgl. RG, RGZ 109, 273 (277 f.); 151, 86 (92); BGH, BGHZ 14, 163 (174) – Constanze I; BGH, BGHSt 37, 106 (114) – Lederspray; eingehend Keller, GmbHR 2005, 1235 (1237)).

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Störer an74. Gefahrenverursachung reicht aus, Schuld wird nicht vorausgesetzt. Dass es sich dabei nicht nur um eine akademische Betrachtung, sondern um Gelebtes handelt, zeigen in jüngerer Zeit ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidungen75. Liegt jedoch eine ordnungsgemäße Delegation vor, wurde insbesondere laufend und angemessen überwacht, ist die Störereigenschaft des zuständigen Geschäftsleiters zu verneinen, weil die letzte gefahrbringende Ursache „bei wertender Betrachtung“ nicht durch ihn, sondern durch den Pflichtenbetrauten verursacht wurde76. bb) Die aufsichtsrechtliche Verantwortlichkeit Als mögliche, unmittelbar den Geschäftsleiter treffende aufsichtsrechtliche Sanktion lässt sich beispielhaft das Abberufungsverlangen und Tätigkeitsverbot nach § 36 Abs. 2 KWG anführen. Voraussetzung dafür ist u. a., dass der Geschäftsleiter vorsätzlich oder fahrlässig gegen die in § 36 Abs. 2 KWG genannten bankaufsichtlichen Spezialgesetze verstoßen hat. Hat allerdings das zuständige Leitungsmitglied die relevanten Sorgfaltspflichten in zulässiger Weise an nachgeordnete Mitarbeiter oder Dritte delegiert und ist er seinen Überwachungspflichten nachgekommen, können ihm Pflichtverletzungen durch Delegatare nicht angelastet werden. Es wäre eine unerträgliche Inkonsequenz, wenn das Aufsichtsrecht bestimmte Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation und Delegation vorsieht und ausreichen lässt (vgl. § 25a KWG), bei der Regelung der Rechtsfolgen aber strengere Maßstäbe anlegen würde77. Und dies gilt nicht nur für Sanktionen gegenüber dem Geschäftsleiter, sondern – in Ergänzung zu IV.3.a) bb) – auch für solche gegenüber der Gesellschaft (z. B. Erlaubnisentzug nach § 35 Abs. 2 KWG). Für den Geschäftsleiter wirkt daher eine ordnungsgemäße Pflichtendelegation im Aufsichtsrecht regelmäßig sanktionsbefreiend.

__________ 74 Peus, DStR 1998, 684 (688); Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, 18. Aufl. 2006, § 43 GmbHG Rz. 101 f. 75 Vgl. VG Frankfurt/Main, DB 1997, 220 (Abfallrecht) sowie die weiteren Nachweise bei Enders, NVwZ 2005, 381 (383), Fn. 29–31. Für den Geschäftsleiter wird die Gefahr einer Inanspruchnahme dann besonders groß, wenn die Gesellschaft etwa wegen Insolvenz „ausfällt“; dabei gilt zu bedenken, dass das Gefahrenabwehrrecht keine zeitlichen Grenzen für die Inanspruchnahme kennt – nicht einmal eine 30jährige Frist, Peus, DStR 1998, 684 (688). 76 Im Ergebnis ebenso Neumann, Haftung für Altlasten im Unternehmen, 1997, S. 137 ff.; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck (Fn. 74), § 43 GmbHG Rz. 101 (nur, wenn Geschäftsführer handelnd (auch teilnehmend) für Rechtsverletzung ursächlich wird); Schlabach/Simon, NVwZ 1992, 143 (146) (nur bei Organisationsverschulden). 77 So zu Recht Strasser in FS Nobel, Bern 2005, S. 651 (678 f.) (für Sorgfaltspflichten gemäß Geldwäschegesetz).

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cc) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit Die persönliche strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters für die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten kann sich einmal aus seiner Eigenschaft als Geschäftsleiter ergeben (vgl. z. B. § 84 GmbHG oder §§ 266a i. V. m. 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Sie kann sich aber auch daraus ableiten, dass ihm die unternehmerische Verantwortung dafür trifft, strafrechtlich relevante Aktivitäten, die vom Unternehmen ausgehen, zu vermeiden78 (z. B. im Bereich des Umweltrechts, vgl. §§ 324 ff. StGB, oder allgemein in bezug auf Lebens- und Gesundheitsgefährdungen, z. B. §§ 222, 229 StGB79). Voraussetzung für eine Strafbarkeit des Geschäftsleiters ist freilich, dass er selbst an der Straftat als Täter (§ 25 StGB) oder Teilnehmer (§§ 26, 27 StGB) beteiligt ist. Eine ordnungsgemäße Delegation, die eine angemessene Organisation und eine laufende Überwachung voraussetzt, wird jedoch regelmäßig den Vorwurf vorsätzlichen oder sorgfaltswidrigen Handelns entfallen lassen80. Es bleibt aber die Bedrohung einer möglichen Begehung durch Unterlassen (vgl. § 13 StGB), wenn dem Geschäftsleiter bzw. der Gesamtgeschäftsleitung hinsichtlich des Nichteintritts des Erfolges eine Garantenstellung, insbesondere aus gefährlichem Vorverhalten (Ingerenz), zukommt. Dafür soll nach der Lederspray-Entscheidung des BGH ein objektiv pflichtwidriges Verhalten (z. B. Verstoß gegen das LMBG) genügen, ohne dass es auf die persönliche Vorwerfbarkeit der Schaffung der Gefahrenlage ankommt81. dd) Die Verantwortlichkeit im Recht der Ordnungswidrigkeiten Eine Verhaltenszurechnung von Delegataren gegenüber Leitungsmitgliedern ist auch im Recht der Ordnungswidrigkeiten nicht vorgesehen. Eine persönliche Bußgeldpflichtigkeit kommt in diesem Zusammenhang nur nach §§ 130 Abs. 1 i. V. m. 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG für eigenes Verhalten in Betracht, wenn der Geschäftsleiter seine Aufsichtspflichten vorwerfbar verletzt hat und es deswegen zu bußgeldbedrohten Zuwiderhandlungen gekommen ist. Eine ordnungsgemäße Delegation, die gerade auch angemessene Aufsichtsmaßnahmen mit einschließt, steht der Bußgeldpflichtigkeit des Geschäftsleiters daher entgegen.

__________ 78 Vgl. Dreher, ZGR 1992, 22 (30 f.). 79 So etwa im Lederspray-Fall, BGH, BGHSt 37, 106 (114). 80 Vgl. Spindler in Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 13 Rz. 50. Anders ist es freilich, wenn die Geschäftsleitung in Kenntnis möglicher Folgen die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten fortsetzen lässt. Das Verhalten nachgeordneter Personen ist ihnen dann als eigenes zuzurechnen, vgl. BGH, BGHSt 37, 106 (114), sowie oben Fn. 73. 81 BGH, BGHSt 37, 106 (117 ff.); vgl. auch Spindler in Fleischer (Fn. 80), § 13 Rz. 48, sowie Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen, 1995, S. 113 (Vorverhalten braucht nicht einmal pflichtwidrig zu sein); kritisch Dreher, ZGR 1992, 22 (43 ff.).

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ee) Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit Ist der Gesellschaft durch die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten ein Schaden entstanden oder sind Dritten hierdurch Ansprüche erwachsen, ist nach der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters zu fragen. Dabei ist zwischen der Innen- und Außenhaftung zu trennen. Ein zunächst in Betracht kommender Regressanspruch der in Anspruch genommenen Gesellschaft gegen das zuständige Organmitglied nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG wird in der Regel keinen Erfolg haben, weil es im Falle ordnungsgemäßer Pflichtendelegation schon an einer Pflichtverletzung des zuständigen Geschäftsleiters fehlen wird. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Geschäftsleiter von dritter Seite direkt in Anspruch genommen werden kann, soll hier nicht vertieft werden. Erinnert sei an dieser Stelle allerdings an die in der Baustoff-Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vertretene Organisationshaftung des Geschäftsführers als Garant für den Schutz Außenstehender82. Dies kann auch für die zivilrechtliche Haftung für öffentlich-rechtliche Pflichtverletzungen von Bedeutung sein. Kritik, dass entsprechende Organisationspflichten im Außenverhältnis allein die Gesellschaft, nicht aber den Geschäftsleiter treffen, dieser nach § 43 GmbHG, § 93 AktG und § 34 GenG nur im Innenverhältnis pflichtbetroffen ist, wurde bereits an anderer Stelle geübt83. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass gerade im Rahmen der ex post-Betrachtung die Rechtsprechung dazu neigt, an die einen Geschäftsleiter treffende Sorgfalt in bezug auf die Unternehmensorganisation besonders strenge Anforderungen zu stellen84. Aus ex ante Unvorhersehbarem wird im Nachhinein allzu schnell Vermeidbares. Die Folge ist, dass aus der Organisationshaftung faktisch eine Erfüllungshaftung wird. An eine Organisationshaftung aus Übernahmegarantie auch für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten zum Schutze Dritter ist daher nur in ganz engen Ausnahmefällen zu denken85, will man die Delegierbarkeit von Pflichtaufgaben im Unternehmen nicht in Frage stellen. ff) Zwischenergebnis Für den Geschäftsleiter wirkt eine ordnungsgemäße Delegation in der Regel sanktionsbefreiend. Denn entweder ist er, etwa im Gefahrenabwehrrecht, selbst nicht Störer oder es fehlt an einem pflichtwidrigen Verhalten des Ge-

__________ 82 BGH, BGHZ 109, 297. 83 Zum Stand der Diskussion anstelle aller: Spindler (Fn. 80), § 13 Rz. 7 ff. Zur Schutzgesetzhaftung von Organwaltern (§ 823 Abs. 2 BGB) trotz bestehender Ansprüche gegen den Verband siehe Verse, ZHR 170 (2006), 398. 84 Vgl. Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (708). 85 Hierauf soll nicht weiter eingegangen werden. Zu neuen Eingrenzungsvorschlägen vgl. etwa Keller, GmbHR 2005, 1235 ff. (für das Wettbewerbsrecht).

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Verantwortlichkeit bei Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten

schäftsleiters. Pflichtwidriges Verhalten von Delegataren ist dem Geschäftsleiter regelmäßig nicht als eigenes zurechenbar. Hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit kann den Geschäftsleiter jedoch mit Blick auf die Lederspray-Entscheidung eine Garantenstellung hinsichtlich der Vermeidung strafrechtlich relevanter öffentlich-rechtlicher Pflichtverletzungen treffen.

V. Zusammenfassung 1. Die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die einer Gesellschaft auferlegt sind, kann in der Regel auf nachgeordnete Mitarbeiter oder externe Dritte delegiert werden. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass die Pflichtenerfüllung wegen ihrer überragenden Bedeutung für die Gesellschaft ein Handeln des zuständigen Geschäftleiters bzw. des Gesamtorgans in Person verlangt (sog. Kernbereichslehre). 2. Eine ordnungsgemäße Pflichtendelegation an externe Stellen verlangt neben der Einhaltung der Pflichtentrias (Auswahl, Einweisung und Überwachung) auch die vertragliche Absicherung von Informations-, Auskunftsund Weisungsrechten gegenüber dem Delegatar (Rechtsgedanke des § 25a Abs. 2 KWG). 3. Eine ordnungsgemäße Pflichtendelegation befreit den zuständigen Geschäftsleiter nicht von seiner Verantwortung; sie modifiziert sie aber: Aus der Erfüllungshaftung wird eine Organisationshaftung. 4. Die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter für die Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch Delegatare ist für jeden Fall und jedes Rechtsgebiet gesondert festzustellen. 5. Für Fehlverhalten von Delegataren hat die Gesellschaft nach § 31 BGB nur einzustehen, wenn dem Delegatar breitflächige organisatorische Entscheidungsbefugnisse eingeräumt sind, wie sie typischerweise einem Organmitglied zustehen. Personen, die lediglich ausführende Tätigkeiten wahrnehmen oder nur mit der Wahrnehmung einzelner öffentlich-rechtlicher Pflichten betraut sind, sind dagegen Verrichtungsgehilfen. Für sie gilt der Rechtsgedanke des § 831 BGB mit der Folge, dass sich die Gesellschaft mit Hinweis auf eine ordnungsgemäße Delegation erfolgreich entlasten kann. 6. Eine Verhaltens- und Verschuldenszurechnung von Delegataren erfolgt nicht gegenüber Geschäftsleitern. Ihre Verantwortlichkeit folgt allein aus eigenem Verhalten. Dabei wirkt sich eine ordnungsgemäße Delegation in der Regel sanktions- und haftungsbefreiend aus.

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Niederlassungsfreiheit als Gründungsfreiheit Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Die Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften

4. Diskriminierungen und Beschränkungen 5. Die Rechtfertigung am Maßstab des Allgemeininteresses a) Gesellschaftsrechtlicher Typenzwang b) Inländischer Satzungssitz

III. Die Gründungsfreiheit in Art. 43 EG 1. Der Text des Art. 43 EG 2. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 3. Die Zielsetzung der Niederlassungs- IV. Ergebnis V. Ausblick auf das MoMiG freiheit

I. Einleitung Nehmen wir an, dass vor einem Hamburger Notar der Gesellschaftsvertrag einer GmbH beurkundet wird, in dem ausdrücklich vorgesehen wird, dass der Sitz oder die Geschäftsleitung der Gesellschaft oder beide Merkmale im europäischen Ausland angesiedelt werden sollen. Nehmen wir weiter an, dass das AG Hamburg den Antrag auf Eintragung dieser Gesellschaft zurückweist: Auf Gesellschaften sei das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat – eine Gesellschaft mit Verwaltungssitz im europäischen Ausland könne daher aus der Sicht des deutschen Rechts nur in den Rechtsformen des ausländischen Rechts zur Entstehung gelangen1. Auch sei eine Rückverweisung aus dem Ausland auf das deutsche Recht nicht zu akzeptieren, weil sachliche Prinzipien des deutschen Rechts dem entgegenstünden2. Eine Gesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland werde zwar nach deutschem Recht gegründet, müsse dann aber nach § 4a GmbHG ihren Satzungssitz im Inland nehmen3. Nehmen wir schließlich an, dass auch die Beschwerde zum LG Hamburg und die weitere Beschwerde zum Hanseatischen Oberlandesgericht dem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen4, dass aber die letzte Instanz die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EG vor-

__________ 1 2 3 4

Heldrich in Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rz. 2. Kindler in MünchKomm.BGB, IntGesR, 4. Aufl. 2006, Rz. 495, 510; kritisch Roth in FS Heldrich, 2005, S. 971 ff. (979). Zu den Rechtsfolgen siehe Ulmer in Ulmer, GmbHG, 2005, § 4a GmbHG Rz. 23 f. Siehe etwa BayObLG, ZIP 2004, 806 ff.; OLG Brandenburg, ZIP 2005, 489 ff. (beide für gleichzeitige Verlegung von Satzungssitz und Verwaltungssitz).

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legt. Wie wird der Europäische Gerichtshof entscheiden? Dieser Frage5 sind die nachstehenden Ausführungen gewidmet.

II. Die Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften Der vorstehende Fall scheint eine Diskussion aufzunehmen, die in Deutschland und weit darüber hinaus in den vergangenen Jahren eine Flut von Stellungnahmen6 hervorgerufen hat: den Streit um die Zulässigkeit der Sitztheorie aus der Sicht der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften. Die Kernfrage wurde in den vergangenen Jahren überwiegend dahin formuliert, ob es gegen die in Art. 43, 48 EG niedergelegte Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften verstößt, wenn die herrschende Lehre und Rechtsprechung zum Internationalen Privatrecht in Deutschland einer Kapitalgesellschaft nach Maßgabe der „Sitztheorie“ die „Anerkennung“ versagen, wenn ihr Verwaltungssitz nicht in dem Staat liegt, in dem sich ihr Satzungssitz befindet. Auf der Grundlage der Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen „Daily Mail“7 und „Überseering“8 hat sich die Annahme herausgebildet, dass es in der Hand des Gründungsstaats liegt, ob er der Anerkennung von Gesellschaften die „Sitztheorie“ zugrunde legt und damit weitgehend frei über die Existenz der Gesellschaft als solcher befindet9. Demgegenüber ist der Staat des Verwaltungssitzes gehalten, die Entstehung der Gesellschaft in einem anderen Staat hinzunehmen und ihre Aktivitäten auf seinem Territorium nicht mit diskriminierenden oder beschränkenden Rechtsregeln zu behindern. Ausgangspunkt dieser asymmetrischen Sichtweise ist Art. 48 Abs. 1 EG. Diese Vorschrift gewährt den Zugang zu der in Art. 43 EG näher umschriebenen Niederlassungsfreiheit nur solchen Gesellschaften, die „nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet“ worden sind. Daraus folgt, dass die grundlegende Entscheidung eines Staates über Auswahl und Zuschnitt von Rechtsformen vom Europarecht nicht berührt wird; Fragen nach der Reichweite der Niederlassungsfreiheit, nach diskriminierenden und beschränkenden Wirkungen oder nach der Möglichkeit der Rechtfertigung stellen sich aus der Sicht des Gründungsstaates überhaupt nicht10. Der Staat

__________ 5 Siehe auch den Vorlagebeschluss des Regionalgericht Szeged v. 20.4.2006 – Rs.C210/06, ZIP 2006, 1536 ff. – Cartesio mit Anm. Neye, EWiR 2006, 459 f. 6 Siehe zuletzt Drinhausen/Gesell, BB 2006, 3 ff. mit umfangr. Nachweisen. 7 EuGH v. 27.9.1988 – Rs.C-81/87, EuGHE 1988, 5483 ff. – Daily Mail. 8 EuGH v. 5.11.2002 – Rs.C-208/00, ZIP 2002, 2037 ff. – Überseering. 9 OLG Brandenburg, ZIP 2005, 489 ff. (491); Lutter, BB 2003, 7 ff.; Paefgen, WM 2003, 561 ff. (564); Zimmer, BB 2003, 1 ff. (2); Zusammenfassung und Kritik bei Rehm in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 2 Rz. 57 ff.; Kieninger, ZEuP 2004, 685 ff. (694 ff.) und Ringe, EBLR 2005, 621 ff. (624 ff.). 10 Siehe bereits Schön in FS Lutter, 2000, S. 685 ff. (702 f.).

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des Verwaltungssitzes sieht sich indessen einer Gesellschaft gegenüber, die nach Maßgabe der Vorschriften des Gründungsstaates den in Art. 48 Abs. 1 EG vorgesehenen Zugang zur Niederlassungsfreiheit erhalten hat und sich gegenüber gesellschaftsrechtlichen Hindernissen auf Art. 43 Abs. 1 EG berufen kann. Vor diesem Hintergrund hat der Europäische Gerichtshof in „Daily Mail“ dem Vereinigten Königreich gestattet, den „Wegzug“ einer Kapitalgesellschaft zu beschränken, während in „Überseering“ der Bundesrepublik Deutschland versagt wurde, den „Zuzug“ einer Gesellschaft zum Anlass für ihre Nichtanerkennung zu nehmen. Dieser Differenzierung ist zuzustimmen. Sie ist auf europäischer Ebene in Art. 48 Abs. 1 EG verankert und sie entspricht im innerstaatlichen Recht der grundlegenden Annahme, dass es Aufgabe des nationalen Gesetzgebers ist, die inhaltliche Gestaltung von Gesellschaftsformen zu prägen. Der „Typenzwang“ des Gesellschaftsrechts darf nicht auf dem Umweg über die europäische Niederlassungsfreiheit aus den Angeln gehoben werden. Nur dann, wenn nach einzelstaatlichem Recht eine Gesellschaft ins Leben gerufen worden ist, kann sie die Rechte nach Art. 43 EG wahrnehmen und gegen unzulässige Behinderungen durchsetzen. Der oben geschilderte Fall macht indessen deutlich, dass die Versagung des Schutzes nach Art. 43, 48 EG für die Kapitalgesellschaft die grundfreiheitliche Fragestellung nur zur Hälfte erfasst. Denn in dem Fall der gescheiterten Gründung existiert eine Kapitalgesellschaft, die sich auf ihre Grundfreiheiten berufen könnte, ja ohnehin noch nicht. Materiell betroffen sind vielmehr die Gründungsgesellschafter, deren Wunsch, eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland ins Leben zu rufen, versagt wird. Daher muss die Frage nach der Vereinbarkeit der „Sitztheorie“ mit der Niederlassungsfreiheit erweitert werden auf die Dimension der „Gründungsfreiheit“ von Gesellschaftern. Es wird sich zeigen, dass hier der Schlüssel zur Überwindung der gegenwärtigen Asymmetrie zwischen den Fällen des Wegzugs und des Zuzugs von Gesellschaften zu finden ist.

III. Die Gründungsfreiheit in Art. 43 EG 1. Der Text des Art. 43 EG Der Wortlaut des Art. 43 EG gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob die Gründung von Gesellschaften von dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst ist. Vor allem der erste Absatz der Vorschrift scheint einer solchen weit gefassten Interpretation im Wege zu stehen. Nach traditionellem Verständnis wird natürlichen Personen in dieser Vorschrift das Recht eingeräumt, ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat der EU zu verlagern (primäre Niederlassungsfreiheit) oder Zweitniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten in den Rechtsformen der unselbständigen Zweigniederlassung, der selbständigen Tochtergesellschaft 739

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oder der Agentur zu gründen (sekundäre Niederlassungsfreiheit). Die Gründung von Gesellschaften scheint hier nur im Rahmen der sekundären Niederlassungsfreiheit angesprochen zu werden, und zwar in der Ausprägung der Gründung von Tochtergesellschaften. Diese ist dann gegeben, wenn die Gründer im Rahmen eines bereit existierenden Unternehmens handeln; das Tatbestandsmerkmal „Tochtergesellschaft“ setzt im Übrigen voraus, dass der Grundfreiheitsberechtigte einen kontrollierenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der neu gegründeten Gesellschaft ausübt. Die schlichte Gründung einer Kapitalgesellschaft durch natürliche Personen zum Zwecke der erstmaligen Aufnahme einer Geschäftstätigkeit scheint davon nicht erfasst zu sein11. Für ein weiter gefasstes Verständnis der Niederlassungsfreiheit streitet demgegenüber der zweite Absatz des Art. 43 EG, nach dem „die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Abs. 2“, von der Niederlassungsfreiheit „umfasst“ ist. Begreift man diese Formulierung als eigenständige Definition des Schutzbereichs der Norm, so gelangt man mit Selbstverständlichkeit zu einem Schutz des Art. 43 EG auch für die schlichte Gründung einer Gesellschaft12. Legt man demgegenüber ein Stufenverhältnis zugrunde, in dem Abs. 1 die wesentlichen Züge der Niederlassungsfreiheit festlegt und Abs. 2 lediglich eine nähere Umschreibung der Niederlassungsformen bietet, kann man Zweifel anmelden. Es wäre jedoch erstaunlich, wenn sich der Tatbestand der „Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Abs. 2“ in Art. 43 Abs. 2 EG ausschließlich als Konkretisierung der sekundären Niederlassungsfreiheit, näher der grenzüberschreitenden Gründung von Tochtergesellschaften, verstehen ließe. Abs. 2 unterscheidet nicht zwischen primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit und deutet damit auf ein Verständnis der Norm, welches den Tatbestand der Gründung einer Kapitalgesellschaft in einem weiten Sinne in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit inkorporiert. 2. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Urteilen angedeutet, dass nicht nur die Kapitalgesellschaft, sondern auch ihre Gründer und Gesellschafter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit in Art. 43 EG unterstellt sind. Dies belegt zunächst der Fall „Daily Mail“, der bei äußerlicher Betrachtung lediglich die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaft selbst in den Blick nimmt. Der Europäische Gerichtshof betonte aus Anlass einer Sitzver-

__________ 11 Siehe etwa Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, in Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt (Stand Okt. 2006), Abschn. E 61. 12 Engert in Eidenmüller (Fn. 9), § 4 Rz. 83 ff.; Klinke, ECFR 2005, 270 ff. (289); Schön, ECFR 2006, 122 ff. (134 ff.).

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legung vom Vereinigten Königreich in die Niederlande im Ausgangspunkt die Berechtigung einer Gesellschaft zur Verlagerung ihrer Aktivitäten ins Ausland. Dennoch wurde die Verankerung der Gesellschaft in ihrer Heimatrechtsordnung sowie das Recht des Herkunftsstaates anerkannt, über die Fortexistenz der Gesellschaft bei Verlagerung des Verwaltungssitzes frei zu entscheiden. Als zulässigen Weg einer Ausübung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft nennt der Europäische Gerichtshof allerdings die Auflösung der Gesellschaft in ihrem bisherigen Sitzstaat und die Neugründung des Unternehmens im Aufnahmestaat13. Dieser Würdigung steht aber entgegen, dass die aufgelöste Gesellschaft mit ihrer Abwicklung die eigene Existenz verliert und daher die Neugründung im Zuzugsstaat in keiner Weise als Ausübung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft selbst eingeordnet werden kann. Die Aussage des Gerichtshofs lässt sich jedoch zwanglos verstehen, wenn man die Auflösung der Gesellschaft im Wegzugsstaat und die Neugründung einer Gesellschaft im Zuzugsstaat schlicht als Manifestationen der Gründungsfreiheit der Gesellschafter einschätzt. Diese können durch Umorganisation ihres Unternehmens – dessen Aktiva und Passiva von der untergehenden auf die neu entstehende Gesellschaft übertragen werden – von ihrem in Art. 43 Abs. 2 EG niedergelegten Recht zur „Gründung und Leitung von Unternehmen“ Gebrauch machen. In Wahrheit hat der Gerichtshof somit die Gründungsfreiheit (und auch die Auflösungsfreiheit) als Inhalt der Niederlassungsfreiheit akzeptiert. Diese Grundhaltung bringt der Gerichtshof mit besonderer Deutlichkeit in seinem Urteil in der Rechtssache „Centros“14 zum Ausdruck. Ausgangspunkt war die Situation, dass ein dänisches Ehepaar im Vereinigten Königreich eine Kapitalgesellschaft gründete, diese Gesellschaft allerdings ausschließlich in Dänemark geschäftlich tätig wurde und daher nach dänischem Recht spezifischen Mindestkapitalregeln unterworfen wurde. Dieser Fall ist in der deutschen und internationalen Diskussion vor allem unter dem Gesichtspunkt gewürdigt worden, ob eine im Vereinigten Königreich gegründete Kapitalgesellschaft in anderen EU-Mitgliedstaaten Sanktionen unterworfen werden kann, wenn sie ihre gesamte Geschäftstätigkeit gerade nicht in ihrem Sitzstaat, sondern einem anderen Mitgliedstaat ausübt. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft – konkret: die Berechtigung, in einer unselbständigen Zweigniederlassung im Ausland die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu konzentrieren. Der Gerichtshof behandelt allerdings auch die vorgelagerte Frage, ob die Gründung der britischen Gesellschaft durch das dänische Ehepaar unter den Schutz der Niederlassungsfreiheit fällt oder als missbräuchlich eingeordnet werden muss. Dazu formuliert der Europäische Gerichtshof:

__________ 13 EuGH v. 27.9.1988 – Rs.C-81/87, EuGHE 1988, 5483 ff. Rz. 18 – Daily Mail. 14 EuGH v. 9.3.1999 – Rs.C-212/97, EuGHE 1999, I-1459 ff. – Centros.

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Wolfgang Schön „Damit kann es für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen, und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründet. Das Recht, eine Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats zu errichten und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen zu gründen, folgt nämlich im Binnenmarkt unmittelbar aus der vom EGVertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit.“15

Aus dieser Formulierung geht eindeutig hervor, dass der Gerichtshof in der schlichten Gesellschaftsgründung einen Akt der Niederlassungsfreiheit erblickt. Dabei werden keine einschränkenden Tatbestandsmerkmale formuliert, insbesondere nicht geprüft, ob es sich um die Gründung einer Tochtergesellschaft durch ein bestehendes Unternehmen im Rahmen der sekundären Niederlassungsfreiheit handelt. Es scheint, dass der Gerichtshof von einem umfassenden Verständnis der Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt ausgeht. Zuletzt hat der Gerichtshof diesen Ansatz in seiner Entscheidung in der Rechtssache „N“16 bestätigt. In diesem steuerlichen Fall ging es um eine Schlussbesteuerung aus Anlass der Verlagerung des Wohnsitzes einer natürlichen Person zwischen zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Wesentlich von dieser Schlussbesteuerung betroffen war die Beteiligung der natürlichen Person an einer Kapitalgesellschaft, weil das Besteuerungsrecht des Herkunftsstaates durch die Wohnsitzverlegung in Wegfall kommt und daher die stillen Reserven letztmalig erfasst werden konnten. Der Gerichtshof sieht in dieser schlichten Beteiligung einer Privatperson an einer Kapitalgesellschaft einen selbstverständlichen Ausdruck der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43 Abs. 1 EG und macht damit erneut deutlich, dass ein weites Verständnis des Art. 43 EG seiner Judikatur zugrunde liegt17. 3. Die Zielsetzung der Niederlassungsfreiheit Es ist schließlich die Zielsetzung der Niederlassungsfreiheit, deren effet utile dazu zwingt, die Gründung einer Kapitalgesellschaft generell unter den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit zu stellen18. Ausgangspunkt für das Verständnis der Grundfreiheiten ist das Ziel der Rechtsordnung des EGVertrages, zu einer Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstandes in den Mitgliedstaaten beizutragen. Dem dient der Binnenmarkt, der sich durch Mobilität von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital auszeichnet und damit eine optimale Allokation von Ressourcen auf dem Territorium der Europäischen Union anstrebt (Art. 98 EG). Diese optimale Allokation von

__________ 15 16 17 18

EuGH v. 9.3.1999 – Rs.C-212/97, EuGHE 1999, I-1459 ff. Rz. 27 – Centros. EuGH v. 7.9.2006 – Rs.C-470/04, IStR 2006, 702 ff. – N. EuGH v. 7.9.2006 – Rs.C-470/04, IStR 2006, 702 ff. Rz. 26 – N. Dazu ausführlich Schön, ECFR 2006, 122 ff. (128 ff.).

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Ressourcen setzt wiederum voraus, dass die Organisation von unternehmerischen Mitteln im Rahmen von Gesellschaften möglichst frei gestaltet werden kann. So wird die freie Wahl zwischen unselbständigen Betriebsstätten und selbständigen Tochtergesellschaften vom Europäischen Gerichtshof anerkannt19. Dabei ist das Interesse der Gründer an der Nutzung einer haftungsbeschränkenden Rechtsform nicht nur im Primärrecht akzeptiert, sondern für Einzelunternehmer auch in der 12. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie aufgegriffen worden20. Nicht zuletzt die Gesellschaftsteuer-RL aus dem Jahre 1969, welche darauf angelegt ist, diskriminierende und beschränkende Abgabepflichten bei der Gründung von Gesellschaften abzubauen, erklärt sich aus dieser Zielsetzung des Binnenmarktes. Dabei würde es der Zielsetzung des Binnenmarktes widersprechen, wenn lediglich spezielle Gründungsformen – etwa die grenzüberschreitende Tochtergesellschaft – vom Schutz des Art. 43 EG erfasst würden, während der logische Ausgangsfall der schlichten Gründung einer Kapitalgesellschaft zum Betrieb eines Unternehmens nicht in den Normbereich des Art. 43 Abs. 1 EG aufgenommen würde. Die in Art. 43 Abs. 2 EG niedergelegte weite Fassung der Niederlassungsfreiheit als „Gründung und Leitung von Unternehmen“ bringt daher die eigentliche Zielsetzung des Binnenmarktes treffend zum Ausdruck. Die Gründer einer Kapitalgesellschaft können sich daher für ihr Begehren unmittelbar auf Art. 43 EG berufen, ohne dass es des Umwegs über eine Berechtigung der Kapitalgesellschaft selbst nach Art. 48 EG bedarf. Soweit die Gesellschafter keine kontrollierenden Beteiligungen innehaben, sondern lediglich als Minderheitsgesellschafter eine angemessene Anlage anstreben, steht ihnen mit derselben Selbstverständlichkeit die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG zu Gebote. Die wichtige Konsequenz dieser Erkenntnis liegt darin, dass mitgliedstaatliche Restriktionen gegen die Gründung oder Fortexistenz einer Gesellschaft sich als rechtfertigungsbedürftige Behinderungen der Niederlassungsfreiheit der Gründer darstellen. Während die Gesellschaft selbst – so die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – in der Tat erst mit ihrer Entstehung den Status der subjektiven Berechtigung nach Art. 43, 48 EG erlangt und der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaats „ausgeliefert“ ist, steht den Gründern der Gesellschaft von vornherein die materielle Gründungsfreiheit zu Gebote. Sie können daher auch gegen die Verweigerung der Eintragung einer noch nicht existierenden Gesellschaft ihre Niederlassungsfreiheit ins Feld führen.

__________ 19 Siehe zuletzt EuGH v. 23.2.2006 – Rs.C-253/03, Der Konzern 2006, 466 ff. – CLTUFA. 20 Nachweise bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 1996, S. 274 ff.

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4. Diskriminierungen und Beschränkungen Versteht man die Gründung einer Kapitalgesellschaft als selbstverständlichen Ausdruck der Niederlassungsfreiheit, so wird man in einem weiteren Schritt fragen müssen, welche Regelungen sich als Diskriminierungen oder Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit darstellen. Ausgangspunkt ist der Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 EG, der die klassische Inländerbehandlung ausländischer Staatsangehöriger formuliert, dabei aber betont, dass grenzüberschreitende Niederlassungen nur „nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen“ wahrgenommen werden dürfen. Bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft scheint diese Formulierung dem Gründungsstaat keine inhaltlichen Vorgaben zu machen; es muss lediglich vermieden werden, dass die Beteiligung ausländischer Staatsangehöriger strengeren Erfordernissen unterworfen wird als die Beteiligung inländischer Staatsangehöriger. Inländische Staatsangehörige können sich demgegenüber hinderlichen Regelungen gegenüber nicht auf die Grundfreiheiten berufen21. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung seit Mitte der 90er Jahre indessen den Normbereich der Niederlassungsfreiheit weiter entfaltet und auch „Beschränkungen“ unter den Vorbehalt der Rechtfertigung gestellt. Dabei verbergen sich unter der allgemeinen Kategorie der „Beschränkungen“ zwei ganz unterschiedliche Konstellationen. Es geht einerseits um allgemein anwendbare Regeln, die keinerlei diskriminierenden Charakter aufweisen, z. B. – aus der Sicht der Gesellschaftsgründung – Vorgaben über die notarielle Beurkundung und den gesetzlichen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages, über Anmeldungs- und Eintragungsvorschriften oder über Mindestkapital und Aufbringungsgrundsätze. Diese werden dann einer gemeinschaftsrechtlichen Angemessenheitskontrolle unterworfen, wenn sie den Marktzutritt von Gesellschaftsgründern wesentlich berühren. Es geht andererseits um solche Vorschriften, welche die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit von Inländern im Vergleich zur inländischen Wirtschaftstätigkeit von Inländern nachteilig ausgestalten. Leading Case ist erneut der Fall „Daily Mail“22, in dem eine gesetzliche Schranke des britischen Rechts für den Wegzug einer britischen Gesellschaft als „Beschränkung“ i. S. d. Art. 43 Abs. 1 GG gewertet wurde. Der Gerichtshof hat diese Rechtsprechung später für grenzüberschreitende Zweitniederlassungen inländischer Unternehmen – gerade in seiner steuerlichen Judikatur23 – extensiv entwickelt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Erfordernis eines inländischen Verwaltungssitzes für die Entstehung einer inländischen Kapitalge-

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21 Zum Verständnis der Niederlassungsfreiheit als Diskriminierungsverbot siehe Roth in Dauses (Fn. 11), Abschn. E 81 ff. 22 EuGH v. 27.9.1988 – Rs.C-81/87, EuGHE 1988, 5483 ff. Rz. 16 – Daily Mail. 23 Siehe zuletzt EuGH v. 12.9.2006 – Rs.C-196/04, IStR 2006, 670 ff. – Cadbury Schweppes.

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sellschaft mit der „Gründerfreiheit“ des Art. 43 EG vereinbar ist. Wendet man die Prüfungskategorien des Europäischen Gerichtshofs auf diesen Fall an, so stellt man fest, dass es sich um eine Beschränkung handelt, in Gestalt einer Benachteiligung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Aktivitäten gegenüber inländischen Aktivitäten. Denn der deutsche Gesetzgeber stellt die Rechtsform der GmbH nur für solche Unternehmen zur Verfügung, deren satzungsmäßiger Sitz im Inland belegen ist und deren tatsächliche Geschäftsleitung ebenfalls in Deutschland vollzogen wird. 5. Die Rechtfertigung am Maßstab des Allgemeininteresses Bei der Prüfung der Rechtfertigung dieser „diskriminierenden Beschränkungen“ geht es um drei Fragen: a) Gesellschaftsrechtlicher Typenzwang In einem ersten Schritt muss geprüft werden, ob der deutsche Gesetzgeber sich darauf berufen kann, dass es ein beachtliches Allgemeininteresse der nationalen Gesetzgebung darstelle, die Typen der jeweiligen Gesellschaftsformen autonom zu bestimmen. Der deutsche Gesetzgeber entscheidet über das dispositive und zwingende Recht der AG, der GmbH, der Genossenschaft sowie anderer Gesellschaftsformen. Die Feststellung der EG-Rechtswidrigkeit einzelner zwingender Vorschriften des nationalen Gesellschaftsrechts würde die jeweiligen Gesellschaftstypen verändern und das vom Gesetzgeber gewählte Interessengleichgewicht zwischen Gesellschaftern, Gläubigern und anderen Personen verändern. Daher müsse der „Typenzwang“ des nationalen Gesellschaftsrechts gegen die Grundfreiheiten abgeschirmt werden. Diese Frage nach der Prüfung von typusbildenden Vorschriften im Rahmen des nationalen Gesellschaftsrechts bedarf hier jedoch keiner Klärung. Es handelt sich bei den Erfordernissen des Verwaltungssitzes sowie des Satzungssitzes nicht um eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung des Typus „GmbH“, sondern um eine schlichte Zugangsschwelle, die typischerweise in Fällen mit erheblicher Auslandsberührung nicht erfüllt werden. kann. Die Rechtspositionen der Gesellschafter, der Gläubiger oder anderer Personen – etwa von Arbeitnehmern – sind bei genauer Betrachtung nicht davon abhängig, ob die Gesellschaft ihre tatsächliche oder rechtliche Ansässigkeit im Inland oder im Ausland nimmt. Es würde – anders gewendet – durch die Aufgabe des Sitzstaaterfordernisses keine neue Gesellschaftsform geschaffen oder eine Grundentscheidung des deutschen Gesetzgebers über das innere Gefüge einer GmbH verändert. Der Typenzwang ist nicht berührt Es bedarf vielmehr einer weitergehenden Rechtfertigung für eine solche Betätigungsschranke.

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b) Inländischer Satzungssitz Zu der Frage, ob das deutsche Gesellschaftsrecht den Zugang zu seinen Rechtsformen von einem inländischen Satzungssitz abhängig machen darf, wird im Schrifttum vertreten, dass die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und der Satzungssitz der Gesellschaft in Deutschland geradezu zwingend miteinander verknüpft worden sind. Beides sei Ausdruck der „Nationalität“ einer Gesellschaft24. Dass von einer logischen Einheit aus Satzungssitz und anwendbarer Rechtsordnung nicht die Rede sein kann, machen indessen die Kollisionsrechte anderer Länder deutlich, in denen ausländischen Gesellschaften gestattet wird, ihren Satzungssitz in das Inland zu verlegen und zugleich ihre ausländische Rechtsform zu behalten25. Für die Rechtfertigung des Erfordernisses eines inländischen Satzungssitzes kann allerdings angeführt werden, dass die gesellschaftsvertragliche Wahl des Satzungssitzes zugleich die Zuständigkeit des Registergerichts für die Wahrung der jeweiligen Gründungsanforderungen sowie nachfolgender Strukturänderungen begründet26. Zugleich werden dort die wesentlichen Verhältnisse der Gesellschaft – z. B. über die gesetzliche Vertretung oder die finanzielle Lage – offengelegt. Die Sicherung einer sachgerechten Prüfung dieser Verhältnisse durch die nationalen Instanzen bildet ein legitimes Allgemeininteresse des jeweiligen Staates. Dies wird auch in den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft anerkannt, die – ausgehend von der PublizitätsRL aus dem Jahre 1968 über die Kapital-, Verschmelzungs- und Spaltungs-RL bis hin zur Zweigniederlassungs-RL – die Prüfung und Publizität der Verhältnisse einer Gesellschaft am Sitzort zur selbstverständlichen Grundlage des europäischen Gesellschaftsrechts erklärt haben. Darin ist – gleichsam auf europäischer Ebene – die Angemessenheit dieser Sicherungsregeln anerkannt worden. Der deutsche Gesetzgeber darf daher einer Gesellschaft mit Satzungssitz im Ausland den Zugang zu den Rechtsformen des deutschen Gesellschaftsrechts verweigern. Anders stellt sich die Rechtslage für das Erfordernis des inländischen Verwaltungssitzes dar. Die Gerichte des Gründungsstaates sind mit einer Kontrolle des tatsächlichen Verhaltens der Geschäftsleitung einer inländischen Gesellschaft ohnehin kaum befasst. Daher hat die Thematik, ob und in welchem Umfang die Gesellschaft im Ausland tätig ist und wo ihre Organe regelmäßig tagen, mit der Prüfungspraxis der Registergerichte nichts zu tun. Im Übrigen wird die Schutzbedürftigkeit des deutschen Rechtsverkehrs bei einer wesentlich im Ausland tätigen Gesellschaft im Vergleich zu einer im Inland operierenden Gesellschaft eher verringert als vergrößert. Die Sitz-

__________ 24 Siehe etwa Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325 ff. (352 f.). 25 Großfeld in Staudinger, BGB, IntGesR, 1998, Rz. 650. 26 BayObLG, ZIP 2004, 806 ff. (807); Rehm in Eidenmüller (Fn. 9), § 2 Rz. 76; Roth in FS Heldrich, 2005, S. 973 ff. (988 ff.); Weller, DStR 2004, 1218 ff. (1219).

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Niederlassungsfreiheit als Gründungsfreiheit

theorie führt de facto allenfalls dazu, dass der ausländische Rechtsverkehr – z. B. Gläubiger oder Arbeitnehmer der im Ausland tätigen Gesellschaft – vor der Anwendbarkeit deutschen Gesellschaftsrechts „bewahrt“ wird. Auf einen solchen „Schutz“ kann sich ein Gesetzgeber allerdings nach den Urteilen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ gerade nicht berufen. Vielmehr steht es den Gründern einer Gesellschaft frei, welcher Rechtsform sie sich für ihre inländischen oder ausländischen Aktivitäten bedienen möchten. Anders gewendet: Wenn – so die Urteile „Centros“ und „Inspire Art“ – der Gesetzgeber eines anderen EU-Mitgliedstaats nicht berechtigt ist, „seine“ Staatsangehörigen vor den Aktivitäten einer deutschen Gesellschaft mit Verwaltungssitz in diesem EU-Mitgliedstaat zu schützen, lässt sich nicht begründen, dass gerade der deutsche Gesetzgeber den ausländischen Rechtsverkehr vor den Folgen des Umgangs mit einer deutschen Gesellschaft bewahren darf. Hinzu kommt, dass – so das Urteil „Centros“ – ein solcher Schutz nicht davon abhängig sollte, ob und in welchem Umfang das Unternehmen „zugleich“ in Deutschland Aktivitäten entfaltet und daher in seiner rechtlichen Existenz anerkannt werden muss.

IV. Ergebnis Das Ergebnis lautet: Die Gründerfreiheit der Gesellschafter ist integraler Bestandteil der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG. Diese Gründerfreiheit der Gesellschafter ist von der Bewegungsfreiheit der Gesellschaft selbst zu unterscheiden. Während die Gesellschaft – so die Urteile „Daily Mail“ und „Überseering“ – den Zugang zu der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG erst durch wirksame Gründung in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft gewinnt, können sich die Gründer bereits zum Zwecke der Entstehung der Gesellschaft auf ihre Niederlassungsfreiheit berufen. Dies gilt auch für Deutsche, die nach deutschem Recht eine Gesellschaft mit Verwaltungssitz oder Satzungssitz im EU-Ausland ins Leben rufen wollen. Dies erlaubt eine gemeinschaftsrechtliche Kontrolle der „Sitztheorie“. Dabei stellt sich heraus, dass das Erfordernis des inländischen Satzungssitzes einer deutschen Gesellschaft ein legitimes Allgemeininteresse abbildet, während das Erfordernis des inländischen Verwaltungssitzes als „diskriminierende Beschränkung“ den Maßstab des Art. 43 Abs. 1 EG nicht standhält.

V. Ausblick auf das MoMiG Für das GmbH-Recht will der Gesetzgeber in der Frage des ausländischen Verwaltungssitzes die engen Schranken des deutschen Gesellschaftsrechts lösen27. § 4a Abs. 2 GmbHG (und § 5 Abs. 2 AktG) soll aufgehoben und da-

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27 RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 29.5.2006.

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mit die Gründung einer GmbH ohne Verwaltungssitz im Inland sowie die Verlegung ihres Verwaltungssitzes in das Ausland ermöglicht werden28. Der Satzungssitz soll jedoch zwingend im Inland verbleiben. Damit hält der Gesetzgeber die hier entwickelten Vorgaben des europäischen Gesellschaftsrechts trennscharf ein. Der Hamburger Notar könnte daher in Zukunft seinen Klienten auch ohne die Hilfe des EuGH zu einer inländischen GmbH mit Verwaltungssitz im Ausland verhelfen. Fraglich ist allenfalls, ob die im MoMiG vorgesehene „inländische Geschäftsanschrift“ aller Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Inland den Anforderungen der Gründerfreiheit genügt. Hieran können Zweifel bestehen, weil das europäische Recht grenzüberschreitende Zustellungen im Grundsatz ermöglicht. Doch kann der enge Zusammenhang zwischen Satzungssitz, gerichtlicher Kontrolle und Zustellungsanschrift es legitimieren, dass der deutsche Gesetzgeber die inländische Geschäftsanschrift im Interesse einer effektiven Aufsicht verlangt.

__________ 28 Art. 1 Nr. 2, Art. 5 Nr. 1; Begr. S. 37; zustimmend Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 ff. (1326); Handelsrechtsausschuss des DAV, Februar 2007, S. 4 f.; für eine positive Bestätigung der freien Wahl des Verwaltungssitzes Flesner, ZIP 2006, 641 ff. (642).

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Ausweis der Sachdividende im Jahresabschluß und im Gewinnverwendungsbeschluß Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Zulässigkeit der Sachdividende 1. Aktiengesellschaft 2. Gesellschaft mit beschränkter Haftung III. Bewertung der Sachdividende 1. Überblick 2. Grundlagen 3. Folgerungen für die Sachdividende der Aktiengesellschaft a) Bewertung b) Zeitpunkt des Realisationstatbestands aa) Geschäftsjahr der Ausschüttung

bb) Vorverlegung des Realisationstatbestands auf den Abschlußstichtag des Geschäftsjahrs, dessen Gewinn im Wege der Sachdividende ausgeschüttet wird (1) Analoge Anwendung des § 278 Satz 1 HGB (2) Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 174 Abs. 2 Nr. 5 AktG (3) Sachdividende als begründeter Ausnahmefall i. S. d. § 252 Abs. 2 HGB 4. Besonderheiten bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung IV. Ergebnis

I. Einleitung Hans-Joachim Priester ist in seinem umfangreichen wissenschaftlichen Schaffen ein Wanderer zwischen den Welten des Gesellschaftsrechts einschließlich des Umwandlungsrechts, des Bilanzrechts und des Steuerrechts. So wird ihn vielleicht die Erörterung eines Problemfeldes interessieren, in dem Gesellschafts- und Bilanzrecht in besonderer Weise miteinander verzahnt sind. Es geht darum, wie sich die Ausschüttung von Sachdividenden auf den Jahresabschluß und auf den Gewinnverwendungsbeschluß auswirkt. Das ist vor allem eine Frage der Bewertung des Gegenstandes der Sachdividende, eine Frage, die der Gesetzgeber des Transparenz- und Publizitätsgesetzes1 nicht beantwortet, sondern „der wissenschaftlichen Literatur und gegebenenfalls der weiteren rechtspolitischen Erörterung überlassen“2 hat. Aufgabe dieser Hans-Joachim Priester gewidmeten Überlegungen ist es, einen weiteren Beitrag zu der schon recht umfangreichen Diskussion zu leisten.

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1 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681. 2 Begr. Reg.Entwurf TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 13.

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II. Zulässigkeit der Sachdividende 1. Aktiengesellschaft Vor dem Inkrafttreten des Transparenz- und Publizitätsgesetzes war umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Sachdividende im deutschen Aktienrecht ausgeschüttet werden konnte3. Zur Angleichung des deutschen Rechts an ausländische Rechtsordnungen4 ist durch § 58 Abs. 5 AktG i. d. F. des Art. 1 Nr. 3 Buchst. b TransPuG für die AG die Sachdividende ausdrücklich zugelassen worden. Sie hängt von einer entsprechenden Satzungsbestimmung ab und wird von der Hauptversammlung beschlossen. Ergänzend ist für den Inhalt des Ergebnisverwendungsbeschlusses in § 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG i. d. F. des Art. 1 Nr. 20 TransPuG bestimmt, daß in einem solchen Fall an Stelle des Betrages der Dividende der an die Aktionäre auszuschüttende Sachwert anzugeben ist. Kennzeichnend für die nunmehr gesetzlich zugelassene Sachdividende ist, daß die Leistung des Gegenstandes nicht an Erfüllungs statt i. S. d. § 364 Abs. 1 BGB für einen Geldanspruch erbracht wird5, sondern daß der Anspruch des Aktionärs aus dem Ergebnisverwendungsbeschluß unmittelbar auf Leistung des darin bezeichneten Gegenstandes gerichtet ist. 2. Gesellschaft mit beschränkter Haftung Auch für die GmbH wird einhellig angenommen, daß der Gesellschaftsvertrag Gewinnausschüttung in Gestalt von Sachleistungen bestimmen könne6, obwohl eine dem § 58 Abs. 5 AktG entsprechende Regelung fehlt. Sicherlich wird man im GmbH-Recht keine strengeren Maßstäbe anlegen können als im Aktienrecht.

__________ 3 Zusammenfassende Darstellung bei Bayer in MünchKomm.AktG, Band 2, 2. Aufl. 2003, § 58 AktG Rz. 105 ff. 4 Begr. Reg.Entwurf TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 12. 5 So als eine Möglichkeit zum Recht vor dem TransPuG: Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Band I, 1973/1983/1984, § 58 AktG Rz. 124; Lutter in KölnerKomm.AktG, Band 1, 2. Aufl. 1988, § 58 AktG Rz. 108; dazu Leinekugel, Die Sachdividende im deutschen und europäischen Aktienrecht, 2001, S. 114 ff. 6 Emmerich in Scholz, GmbHG, I. Band, 9. Aufl. 2000, § 29 GmbHG Rz. 84; Förschle/ Büssow in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 278 HGB Rz. 135; Goerdeler/Welf Müller in Hachenburg, Großkomm.GmbHG, 1. Band, 8. Aufl. 1992, § 29 GmbHG Rz. 94; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 29 GmbHG Rz. 55; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 29 GmbHG Rz. 123; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 29 GmbHG Rz. 53.

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Ausweis der Sachdividende

III. Bewertung der Sachdividende 1. Überblick Die vom Gesetzgeber offengelassene Frage nach der Bewertung der Sachdividende wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird der Ansatz zum Buchwert des hingegebenen Gegenstandes für zulässig gehalten7, wobei wahlweise auch der Zeitwert in Betracht kommen soll8. Überwiegend wird aber inzwischen die Bewertung mit dem Zeitwert befürwortet9, wobei die damit zusammenhängende Frage des Bewertungszeitpunkts nur selten erörtert wird10. 2. Grundlagen Das Problem der Bewertung der Gegenstände einer Sachdividende kann – anders als das in den bisher veröffentlichten Äußerungen geschieht – isoliert nicht überzeugend gelöst werden. Es ist in den allgemeinen Zusammenhang der Bewertung von Gegenständen zu stellen, die aus dem Gesellschaftsvermögen in das Vermögen der Gesellschafter gelangen. Im Interesse des Gläubigerschutzes und im Interesse von Mitgesellschaftern ist es erforderlich, daß bei der Überführung von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens in das Vermögen einzelner Gesellschafter festgehalten wird, welcher tatsächliche Wert auf diese Weise auf den Gesellschafter übertragen wird. Die in dem Geschäft – meistens verdeckt – liegende Zuwendung muß im Jahresabschluß der Gesellschaft ausgewiesen werden. Diese

__________ 7 Bayer (Fn. 3), § 58 AktG Rz. 110; Kropff in MünchKomm.AktG, Band 5/1, 2. Aufl. 2003, § 170 AktG Rz. 55 f.; Grund, Sachdividenden bei Aktiengesellschaften, 2006, S. 165 ff. (197 ff.); Holzborn/Bunnemann, AG 2003, 671 (674 f.); Menner/Broer, DB 2003, 1075 (1078); Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1277); ebenso zum Recht vor dem TransPuG Leinekugel (Fn. 5), S. 154 ff.; Lutter/Leinekugel/Rödder, ZGR 2002, 204 (215 ff.). 8 So ausdrücklich Kropff (Fn. 7), § 170 AktG Rz. 55; Grund (Fn. 7), S. 197; Leinekugel (Fn. 5), S. 166 f.; Lutter/Leinekugel/Rödder, ZGR 2002, 204 (222). 9 Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 137; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 58 AktG Rz. 33; Tübke, Sachausschüttungen im deutschen, französischen und Schweizer Aktien- und Steuerrecht, 2002, S. 53 ff.; WP-Handbuch 2006, Band I, F Rz. 321; Heine/Lechner, AG 2005, 269, 270; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (796); Knigge, WM 2002, 1729 (1736 Fn. 76); Welf Müller, NZG 2002, 752 (758 f.); Orth, WPg 2004, 777 (782 ff.); Prinz/Schürner, DStR 2003, 181 (183); Schnorbus, ZIP 2003, 509 (514 ff.); (alternativ Ansatz des steuerlichen Teilwerts) Waclawik, WM 2003, 2266 (2270 ff.). 10 So von Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 139 f.; Tübke (Fn. 9), S. 71 f.; WPHandbuch 2006, Band I, F Rz. 322; Welf Müller, NZG 2002, 752 (759 Fn. 43); Orth, WPg 2004, 777 (786 ff.); Waclawik, WM 2003, 2266 (2270 f.) und – auf der Grundlage des von ihm angenommenen Wahlrechts – Kropff (Fn. 7), § 170 AktG Rz. 57.

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Forderung hat schon im Jahre 1949 Ballerstedt11 aufgestellt. Sie ist heute genauso gültig12. Im wesentlichen zwei Einwände werden dagegen vorgebracht: Zum einen wird es als unzulässig angesehen, ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter anders zu qualifizieren, als es die Beteiligten getan haben13, also z. B. in dem Verkauf einer Sache an den Gesellschafter zum Buchwert etwas anders zu sehen, als diesen vereinbarten Kauf, nämlich eine damit einhergehende Zuwendung aus dem Gesellschaftsvermögen. Dabei wird jedoch verkannt, daß die juristische Qualifikation eines Rechtsgeschäfts eine Rechtsfrage ist, über die die Parteien des Geschäfts nicht disponieren können14. Kein brauchbares Argument ist es daher, daß die Parteien in einem solchen Fall eine verdeckte Zuwendung vornehmen wollen15. Über die Erfassung wirtschaftlicher Vorgänge in der Buchhaltung und im Jahresabschluß können sie nicht disponieren. Zum anderen soll der gebotene Ausweis der Zuwendung als Ertrag gegen das Realisationsprinzip verstoßen16. Insoweit wird übersehen, daß es Aufgabe des Realisationsprinzips ist, die Ausschüttung nicht realisierter Gewinne zu verhindern. Es kann daher nicht mehr verletzt werden, wenn die Ausschüttung tatsächlich stattgefunden hat. Kein überzeugender Einwand ist es ferner, daß sich die hier vertretene Auffassung nicht durchgesetzt habe17. Diese Feststellung ist zwar true, aber nicht fair; denn eine ernsthafte Auseinandersetzung darüber hat bisher nicht stattgefunden18. Es drängt sich immer wieder der Eindruck auf, daß die Abschlußprüfer dem Verdeckungsinteresse ihrer Mandanten nachgeben, die in der Hoffnung leben, die Finanzverwaltung möge die verdeckte Gewinnausschüttung nicht entdecken.

__________ 11 Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949, S. 156. 12 Erle, Der Bestätigungsvermerk des Abschlußprüfers, 1990, S. 158 f.; Fiedler, Verdeckte Vermögensverlagerungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 80 f.; SchulzeOsterloh in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 42 GmbHG Rz. 438; ders. ZIP 1993, 1838 (1842); ders., StuW 1994, 131 (134); ders. in FS Kropff, 1997, S. 605 (616 f.); ders., BFuP 2004, 81 (89 f.); ebenso möglicherweise Naumann/Breker, HdJ I/7 (2003), Rz. 271, wenn auch vielleicht nur steuerrechtlich gemeint. 13 So zu § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilband 5, 6. Aufl. 1997, § 264 HGB Rz. 125. 14 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band: Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 20, 2a, S. 406; Sieker, Umgehungsgeschäfte, 2001, S. 97 ff.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139 (145). 15 So aber Orth, WPg 2004, 777 (785). 16 Tries, Verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbH-Recht, 1991, S. 94 f. 17 So Orth, WPg 2004, 777 (785). 18 Vgl. z. B. die sich auf eine Feststellung beschränkenden Ausführungen von Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 111.

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Ausweis der Sachdividende

Folglich ist die Übertragung stiller Reserven aus dem Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft auf einen Gesellschafter in der Buchführung und im Jahresabschluß zu erfassen, und zwar als Ertrag zu Lasten des Bilanzgewinns. 3. Folgerungen für die Sachdividende der Aktiengesellschaft a) Bewertung Die Leistung der Sachdividende besteht in der Übertragung von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens auf die Gesellschafter. Die Gegenstände sind dabei mit dem Zeitwert (Sachwert i. S. d. § 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG) anzusetzen19. Alternativ wird vereinzelt vorgeschlagen, auch den steuerlichen Teilwert für maßgebend zu halten20. Dafür besteht jedoch in der Handelsbilanz keine Möglichkeit. Der Zeitwert ist wegen der Nähe der Ausschüttung zu einer Veräußerung21 nach den Maßstäben des Veräußerungsmarktes zu bestimmen22. Maßgebend ist der Betrag, den die Gesellschaft bei Veräußerung an einen Dritten erzielen könnte23. b) Zeitpunkt des Realisationstatbestands aa) Geschäftsjahr der Ausschüttung Der Zeitpunkt des Realisationstatbestands bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln. Es ist der Zeitpunkt der Erfüllung des Dividendenanspruchs24. Der auch vorgeschlagene25 Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses kommt nicht in Betracht. Hierdurch entsteht erst die Verpflichtung zur Leistung der Sachdividende. Dieser Vorgang gleicht der Begründung einer Verpflichtung aus einem schwebenden Vertrag, durch den die Realisation nicht eintritt. Bei unbefangener Betrachtung folgt hieraus, daß der im Jahresabschluß ausgewiesene, der Entscheidung der Hauptversammlung unterliegende Bilanzgewinn entsprechend dem Zeitwert der Gegenstände der Sachdividende im Zeitpunkt der Ausschüttung in die Zahl der auszuschüttenden Gegenstände

__________ 19 20 21 22 23 24

So mit unterschiedlichen Formulierungen die in Fn. 9 Genannten. So Waclawik, WM 2003, 2266 (2270). Prinz/Schürner, DStR 2003, 181 (183). Tübke (Fn. 9), S. 67 ff.; undeutlich Orth, WPg 2004, 777 (792). Für Möglichkeit eines Drittvergleichs auch Schnorbus, ZIP 2003, 509 (515 f.). Welf Müller, NZG 2002, 752 (759 Fn. 43); ähnlich („spätestens zum Ausschüttungszeitpunkt“) Prinz/Schürner, DStR 2003, 181 (183). 25 Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 140; Tübke (Fn. 9), S. 71; WP-Handbuch 2006, Band I, F Rz. 323; Waclawik, WM 2003, 2266 (2271).

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(z. B. Aktien einer Tochtergesellschaft) umzurechnen ist26, wobei aus Praktikabilitätsgründen der Tag vor der tatsächlichen Ausschüttung zugrunde zu legen ist27. Die Gewinnrealisierung tritt dann mit der Leistung der Sachdividende ein und erhöht das Ergebnis des Geschäftsjahrs der Ausschüttung28. Entgegen teilweise vertretener Auffassung sind damit nachteilige Steuerfolgen nicht verbunden. Aus § 278 Satz 1 HGB schließen Welf Müller29 und Orth30, daß die Erhöhung der Körperschaftsteuer, die durch den Realisationstatbestand der Sachausschüttung ausgelöst wird, im Falle eines entsprechenden Ergebnisverwendungsvorschlags bereits in dem Jahresabschluß zu berücksichtigen sei, auf dessen Ergebnis sich der Ausschüttungsbeschluß bezieht. Wäre diese Ansicht zutreffend, würde der ausschüttungsfähige Bilanzgewinn zusätzlich um die sich aus der Realisation ergebende Steuerbelastung gemindert werden, ein Effekt, der eine Sachdividende in aller Regel unattraktiv machen würde. Bei dieser Ableitung aus § 278 Satz 1 HGB wird jedoch übersehen, daß nach dieser Vorschrift nur solche Steuerfolgen im abgelaufenen Geschäftsjahr berücksichtigt werden dürfen, die in diesem Jahr mit Rückwirkung eintreten. § 278 Satz 1 HGB korrespondiert mit § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG a. F., der eine Rückbeziehung der Körperschaftsteuerwirkungen einer offenen Ausschüttung auf das Wirtschaftsjahr anordnet, auf das sich der Gewinnverteilungsbeschluß bezieht31. Deshalb ist die Änderung der Körperschaftsteuerbelastung auf Grund einer Ausschüttung Ertrag oder Aufwand dieses Wirtschaftsjahrs, obwohl das steuerbegründende Ereignis, die Ausschüttung, erst in einem folgenden Wirtschaftsjahr stattgefunden hat. Man mag vielleicht § 278 Satz 1 HGB im geltenden Halbeinkünfteverfahren auch noch auf die im Jahr der Ausschüttung nach der Übergangsvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 3 KStG eintretende Minderung der Körperschaftsteuer anwenden können32, weil es sich dabei um eine Nachwirkung des Anrechnungsverfahrens handelt. Über

__________ 26 So Tübke (Fn. 9), S. 77 f.; Heine/Lechner, AG 2005, 269 (270); Welf Müller, NZG 2002, 752 (758); Prinz/Schürner, DStR 2003, 181 (183); Waclawik, WM 2003, 2266 (2271). 27 Ähnlich Tübke (Fn. 9), S. 71: Tag vor Gewinnverwendungsbeschluß. 28 So ausdrücklich Heine/Lechner, AG 2005, 269 (270), Menner/Broer, DB 2003, 1075 (1078); ebenso, allerdings bezogen auf den Gewinnverwendungsbeschluß Waclawik, WM 2003, 2266 (2271). 29 NZG 2002, 752 (758). 30 WPg 2004, 777 (788). 31 BT-Drucks. 10/317, S. 86 (Begründung zu § 257 Abs. 3 HGB-E); eingehend dazu Kessler/Strnad in MünchKomm.AktG, Band 5/2, 2. Aufl. 2004, § 278 HGB Rz. 1 ff. 32 So IDW, WPg 2004, 143 (144); Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 21; Oser/ Bischof in Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung. Einzelabschluss, § 278 HGB Rz. 4 (EL 5, November 2003); verneinend BMF-Schreiben IV A 2 – S 2741 – 4/02 v. 16.5.2002, DStR 2002, 1048; ebenso mit überzeugenden Gründen Kessler/Strnad (Fn. 31), § 278 HGB Rz. 54 ff.

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Ausweis der Sachdividende

das Anrechnungsverfahren und seine Nachwirkungen hinaus hat § 278 Satz 1 HGB aber keinen Anwendungsbereich. Es kommt hinzu, daß diese Vorschrift keinesfalls ein Körperschaftsteuertatbestand ist. Die Körperschaftsteuer, die sich aus der Realisierung stiller Reserven infolge der Ausschüttung einer Sachdividende ergibt, kann – vorbehaltlich einer handelsrechtlichen Vorverlegung des Realisationstatbestands33 – nur die des Jahres der Ausschüttung sein. Es besteht also kein Anlaß, den Bilanzgewinn um den Körperschaftsteueraufwand zu mindern, der sich aus der Ausschüttung der Sachdividende ergeben wird. Insofern treten nachteilige Steuerwirkungen beim Ausweis der Gewinnrealisierung im Jahr der Ausschüttung nicht ein. Dennoch erscheint dieses Ergebnis insofern befremdlich, als die mit der Ausschüttung verbundene Verbesserung des Jahresergebnisses nicht für die Ausschüttung nutzbar gemacht werden kann34. Es ist daher zu prüfen, ob der mit der Gewinnausschüttung verbundene Realisationstatbestand auf den Abschlußstichtag vorzuverlegen ist. bb) Vorverlegung des Realisationstatbestands auf den Abschlußstichtag des Geschäftsjahrs, dessen Gewinn im Wege der Sachdividende ausgeschüttet wird (1) Analoge Anwendung des § 278 Satz 1 HGB Soweit ersichtlich, hat erstmals Kropff35 vorgeschlagen, auf den Fall der Sachdividende § 278 Satz 1 HGB analog anzuwenden. Die in dieser Vorschrift angeordnete Berücksichtigung der steuerlichen Wirkung einer Ausschüttung schon in dem Jahresabschluß, auf den sich die Ausschüttung bezieht, wird auf die Gewinnrealisierung durch Ausschüttung einer Sachdividende übertragen. Diese Auffassung hat eine Reihe von Anhängern36 gefunden. Auf diese Weise wird aber der Anwendungsbereich des § 278 HGB in einer Weise überspannt, die mit den gängigen Auslegungsmethoden nicht zu rechtfertigen ist. Die Vorschrift ist anläßlich des BiRiLiG geschaffen worden, um die Beeinflussung des Körperschaftsteueraufwandes durch Ausschüttungen nach dem Anrechnungsverfahren praxisgerecht erfassen zu können37. Sie kann sich daher immer nur auf Steuerwirkungen von Ausschüttungen beziehen. Daß diese Vorschrift für die Lösung des Problems der Sachdividende nicht tragfähig ist, ergibt sich auch aus der Überlegung, daß es sie unter der Gel-

__________ 33 Dazu unten III 3 b bb. 34 Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 139; Kropff (Fn. 7), § 170 AktG Rz. 57; Leinekugel (Fn. 5), S. 166 f.; Orth, WPg 2004, 777 (791). 35 Kropff (Fn. 7), § 170 AktG Rz. 57. 36 Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 139; WP-Handbuch 2006, Band I, F Rz. 322; Orth, WPg 2004, 777 (791); 841 (854). 37 Oben III 3 b aa.

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tung eines anderen Körperschaftsteuersystems nicht gäbe. Dennoch müßte das Problem der Sachdividende im Jahresabschluß und bei der Gewinnverwendung gelöst werden. (2) Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 174 Abs. 2 Nr. 5 AktG Ein Lösungsansatz könnte sich § 174 Abs. 2 Nr. 5 AktG ergeben. Nach dieser Bestimmung muß der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns u. a. den zusätzlichen Aufwand auf Grund des Beschlusses angeben. Hierbei handelt es sich um Wirkungen des Beschlusses, die den ausschüttungsfähigen Gewinn schmälern, nämlich z. B. Erhöhungen von Vorstandstantiemen, die von der Höhe des ausgeschütteten Betrages abhängen38. Für den Ausweis eines zusätzlichen Ertrags, der hier in Rede steht, gibt § 174 Abs. 2 AktG keine Regelung39. Man könnte demgemäß erwägen, in dieser Vorschrift eine planwidrige Lücke anzunehmen, die durch die Zulassung eines Postens „der zusätzliche Ertrag aufgrund des Beschlusses“ zu füllen wäre. Dieser zusätzliche Ertrag müßte dann für die Ausschüttung an die Aktionäre zur Verfügung stehen. Hiergegen spricht jedoch die deutliche Regelung in § 57 Abs. 3, § 58 Abs. 3 und 4 sowie § 174 Abs. 1 AktG, die den Gewinnanspruch der Aktionäre auf den Bilanzgewinn beschränkt40. Diese Schranke ließe sich möglicherweise überwinden, nachdem die Sachdividende ausdrücklich zugelassen worden ist. Dagegen spricht aber folgender entscheidender Gesichtspunkt: Anders als der Jahresabschluß unterliegt der Gewinnverwendungsbeschluß nicht der Abschlußprüfung. Die Hauptversammlung würde also über einen über den Bilanzgewinn hinausgehenden Mehrbetrag durch Ausschüttung an die Aktionäre verfügen, ohne daß insoweit eine Prüfung durch den Abschlußprüfer stattgefunden hat. Wenn die genannten Vorschriften auf den Bilanzgewinn als den zwingenden Ausgangspunkt für die Gewinnausschüttung der Hauptversammlung verweisen, dann legen sie der Ausschüttungsentscheidung einen Betrag zugrunde, der vom Abschlußprüfer geprüft worden ist. An diesem Grundsatz kann die Einführung der Sachdividende nichts geändert haben. Daher kann ein etwa unter

__________ 38 Kropff (Fn. 7), § 174 AktG Rz. 30. 39 Brönner in Großkomm.AktG, 3. Lieferung, 4. Aufl. 1993, § 174 AktG Rz. 49 f.; Claussen in KölnKomm.AktG, Band 4, 2. Aufl. 1991, § 174 AktG Rz. 14; Ellrott/ M. Ring in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 6. Aufl. 2006, Vor § 325 HGB Rz. 96; Kropff (Fn. 7), § 174 AktG Rz. 31; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilband 4, 6. Aufl. 1997, § 174 AktG Rz. 47 (Ausweis eines zusätzlichen Ertrages ist nicht geboten). 40 Adler/Düring/Schmaltz (Fn. 39), § 174 AktG Rz. 47; Brönner (Fn. 39), § 174 AktG Rz. 49; Claussen (Fn. 39), § 174 AktG Rz. 4; Ellrott/M. Ring (Fn. 39), Vor § 325 HGB Rz. 96; Kropff (Fn. 7), § 174 AktG Rz. 31; Tübke (Fn. 9), S. 59; ebenso, aber kritisch Reiß in Bonner Handbuch Rechnungslegung, § 174 AktG Rz. 21.

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§ 174 Abs. 2 Nr. 5 AktG ausgewiesener zusätzlicher Ertrag auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses nicht Grundlage einer Gewinnausschüttung sein. (3) Sachdividende als begründeter Ausnahmefall i. S. d. § 252 Abs. 2 HGB Der Gesetzgeber hat, wie einleitend41 berichtet, die Frage der Bewertung der Sachdividende ausdrücklich offengelassen und daher die Auswirkungen nicht erkennen können, die sich aus der Realisierung der im Gegenstand der Sachdividende enthaltenen stillen Reserven durch die Ausschüttung ergeben. Diese Regelungslücke42 muß geschlossen werden, weil anders die gegebenen Regelungen über die Sachdividende in § 58 Abs. 5 AktG und § 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG nicht sinnvoll anwendbar wären. Das kann durch Ausdehnung43 des auf den Abschlußstichtag bezogenen Realisationstatbestands des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB geschehen. Realisationstatbestand ist im Fall der Sachdividende also deren Ausschüttung im folgenden Geschäftsjahr, wobei die Wirkungen der Realisation unter Verstoß gegen das Stichtagsprinzip auf den Abschlußstichtag des Geschäftsjahrs zurückbezogen werden, dessen Gewinn durch Sachdividende ausgeschüttet werden soll. Eine solche Abweichung vom Stichtagsprinzip des § 252 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 HGB gestattet § 252 Abs. 2 HGB. Der dafür erforderliche begründete Ausnahmefall liegt in der Zulassung einer Sachdividende und in den damit verbundenen Folgewirkungen. Die gesellschaftsrechtliche Regelung der Sachdividende erzwingt, da die Ausschüttung in diesen Fällen zur Realisierung der stillen Reserven führt, die Vorverlegung des Realisationstatbestands auf den Abschlußstichtag, weil sonst sinnvolle Ergebnisse nicht zu erzielen sind. Insofern hat die Gesellschaft kein Wahlrecht, weil anderenfalls die Höhe der tatsächlichen Ausschüttung von der Ausübung des Wahlrechts durch die Verwaltung abhängig gemacht werden würde. Daher kann aus der Formulierung des § 252 Abs. 2 HGB („darf nur“), wenn man die Wortinterpretation überhaupt für überzeugend halten wollte44, ein solches Wahlrecht nicht abgeleitet werden. Eine solche Rückbeziehung von Realisationswirkungen auf den vorangegangenen Abschlußstichtag auf der Grundlage des § 252 Abs. 2 HGB ist zwar selten, aber nicht völlig ungewöhnlich. Es handelt sich vor allem um Sanie-

__________ 41 42 43 44

Oben I. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 370 ff. Sog. Extension: Larenz (Fn. 42), S. 397 ff. Einleuchtend ablehnend Ballwieser in MünchKomm.HGB Band 4, 2001, § 253 HGB Rz. 116; für Annahme eines Wahlrechts wegen des Wortlauts aber Welf Müller in FS Goerdeler, 1987, 397 (408).

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rungsmaßnahmen45, wie die nach dem Abschlußstichtag abgegebene Werthaltigkeitsgarantie für Forderungen, um deren Abschreibung zu verhindern46, und um einen auf den Abschlußstichtag zurückbezogenen Forderungserlaß47. Von diesen Fällen unterscheidet sich allerdings die Vorverlegung des Realisationstatbestands der Ausschüttung einer Sachdividende insofern, als sie im Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses eine Prognose über den Zeitwert des Gegenstands der Sachdividende im Zeitpunkt der Ausschüttung und über die Entscheidung der Hauptversammlung über die Ausschüttung erforderlich macht. Einer Prognose bedarf es bei der Rückbeziehung der Wirkungen von Sanierungsmaßnahmen dagegen nicht, weil sie im Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses tatsächlich stattgefunden haben. Die Notwendigkeit von Prognosen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses ist allerdings nichts Besonderes48. Der mit § 252 Abs. 2 HGB vorgegebene Rahmen wird daher durch die Vorverlegung des Realisationszeitpunkts im Falle einer Sachdividende nicht gesprengt. Bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses muß daher der voraussichtliche Ertrag aus der Ausschüttung der Sachdividende ermittelt und erfolgwirksam ausgewiesen werden. Ausgangspunkt ist der Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstands nach § 170 Abs. 2 AktG, aus dem sich die Höhe des auszuschüttenden Gewinns und auch die Sachdividende ergeben49. Maßgebend ist nicht der Wert des Gegenstands der Sachdividende am Abschlußstichtag, sondern der voraussichtliche Wert im Zeitpunkt der Ausschüttung. Insofern handelt es sich nicht um die Berücksichtigung wertaufhellender Ereignisse i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB50, sondern um die Anpassung an die Besonderheiten, die sich aus dem vorgezogenen Ertragsausweis notwendigerweise ergeben. Es ist Sache des Abschlußprüfers, die Annahmen der Gesellschaft über den Wert des Gegenstandes der Sachdividende am mutmaßlichen Tag der Ausschüttung zu prüfen, so daß der Gewinnausschüttung ein geprüfter Gewinnausweis zugrunde liegt.

__________ 45 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilband 1, 6, Aufl. 1995, § 252 HGB Rz. 47; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006, § 252 HGB Rz. 8; Kleindiek in Großkomm.HGB, Band 3/1, 4. Aufl. 2002; § 252 HGB Rz. 18; Schulze-Osterloh (Fn. 12), § 42 GmbHG Rz. 323; Selchert in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung. Einzelabschluss, § 252 HGB Rz. 84 (EL 2, November 2002); Tiedchen in MünchKomm.AktG, Band 5/1, 2001, § 252 HGB Rz. 41; einschränkend Kropff, ZGR 1993, 41 (49 f.). 46 OLG Düsseldorf v. 6.11.1986 – 6 U 29/86, WM 1986, 1568 = ZIP 1987, 44: Am 8.8.1978 abgegebene Werthaltigkeitsgarantie, um Forderungsabschreibungen im Jahresabschluß auf den 31.12.1977 zu verhindern. 47 So i. E. Wolf-Dieter Hoffmann, BB 1996, 1157 (1160 f.). 48 Zahlreiche Beispiele bei Hennrichs, AG 2006, 698 ff. 49 Hüffer (Fn. 9), § 170 AktG Rz. 7; Kropff (Fn. 7), § 170 AktG Rz. 54. 50 So aber Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 140; Orth, WPg 2004, 777 (792).

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Ausweis der Sachdividende

Über die Anwendung des § 252 Abs. 2 HGB ist nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB im Anhang zu berichten51. Wegen der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz ist die vorgezogene Realisation auch steuerlich zu berücksichtigen, so daß u. U. eine entsprechende Steuerrückstellung zu bilden ist, welche die Gewinnausschüttung möglicherweise beschränkt. Weicht der Wert des Gegenstands der Sachdividende im Zeitpunkt der Erfüllung des Gewinnanspruchs von dem bei der Feststellung des Jahresabschlusses angenommen Wert ab, gilt folgendes: Mit der Feststellung des Jahresabschlusses52 ist der Zeitraum, in dem wertaufhellende Ereignisse stattfinden können, abgeschlossen. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Wertänderung auf wertaufhellenden oder auf wertbegründenden Tatsachen beruht. Ist der Wert niedriger als angenommen, entsteht wegen der erforderlichen Abschreibung ein zusätzlicher Aufwand auf Grund des Ausschüttungsbeschlusses. Ist der Wert höher als angenommen, wird das Ausschüttungsvolumen wegen der Bindung an den ausgewiesenen Bilanzgewinn nicht erhöht, so daß die Ausschüttung mengenmäßig zu begrenzen ist. Aus Praktikabilitätsgründen wird man für die hiernach zu treffenden Entscheidungen den Tag vor der Ausschüttung für maßgebend halten müssen53. Es ist daher zweckmäßig, die Ausschüttung unmittelbar am Tag nach der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses vorzunehmen, weil dann die für die Angaben nach § 174 Abs. 2 AktG erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß sich keine zusätzlichen Probleme aus Änderungen des Steueraufwands ergeben. Ausgangspunkt für die Höhe der Steuer der Gesellschaft ist der im festgestellten Jahresabschluß ausgewiesene Gewinn. Wertänderungen bis zum Tage der Ausschüttung sind Ereignisse des folgenden Jahres und nicht rückwirkend zu berücksichtigen54.

__________ 51 Adler/Düring/Schmaltz (Fn. 45), § 252 HGB Rz. 120; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilband 2, 6. Aufl. 1995, § 284 HGB Rz. 64; Beater in MünchKomm.HGB, Band 4, 2001, § 284 HGB Rz. 69; Hüttemann in Großkomm.HGB, Band 3/1, 4. Aufl. 2002, § 284 Rz. 36; SchulzeOsterloh (Fn. 12), § 42 GmbHG Rz. 338, 488; Tiedchen (Fn. 45), § 252 HGB Rz. 94. Im Ergebnis ebenso (Angabe nach § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB) Ballwieser (Fn. 44), § 252 HGB Rz. 119; Wulf in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 284 HGB Rz. 77 (Grundwerk, September 2002). 52 Zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes, auch mit Nachweis abweichender Auffassungen Schulze-Osterloh (Fn. 12), § 42 GmbHG Rz. 322. 53 Ähnlich Tübke (Fn. 9), S. 71 f. 54 Ebenso wohl Förschle/Büssow (Fn. 6), § 278 HGB Rz. 140; unklar insoweit Orth, WPg 2004, 777 (792 f.).

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4. Besonderheiten bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Im Grundsatz gleicht die Sachdividende einer GmbH der einer AG55. Unterschiede bestehen nur insoweit, als es an den einschlägigen gesetzlichen Regeln fehlt. Im einzelnen gilt folgendes: Gegenstand des Ergebnisverwendungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 1 i. V. m. § 42a Abs. 2 GmbHG ist entweder nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der Jahresüberschuß korrigiert um den Gewinn- oder Verlustvortrag oder nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GmbHG der Bilanzgewinn. Wie bei der AG bestimmen diese Bilanzposten den Höchstbetrag der Gewinnausschüttung. Der Unterschied zur AG besteht nur darin, daß die Gesellschafterversammlung zusätzlich nicht gebundene Kapital- und Gewinnrücklagen in die Ausschüttungsentscheidung einbeziehen kann, doch kann das nur in der Weise geschehen, daß diese Rücklagen zuvor durch Auflösung in Bilanzgewinn umgewandelt werden56. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung57 sind Rücklagenauflösung und Gewinnausschüttung zu unterscheiden58, wie Priester59 schon im Jahre 1986 in einer Rezension60 – allerdings erfolglos61 – zutreffend festgestellt hat. Folglich kann die Gesellschafterversammlung der GmbH ebenso wie die Hauptversammlung der AG nicht mehr ausschütten als den Bilanzgewinn. Sollen zusätzlich die durch eine Sachdividende aufgelösten stillen Reserven ausgeschüttet werden, müssen diese im Jahresabschluß des Geschäftsjahrs, auf dessen Ergebnis sich der Ausschüttungsbeschluß bezieht, den Bilanzgewinn erhöht haben. Das würde im übrigen auch dann gelten, wenn man mit der wohl herrschenden Meinung62 die Auflösung offener Rücklagen als Teil der Gewinnverwendung ansähe. Auch dadurch werden die stillen Reserven der Ausschüttung nicht zugänglich gemacht.

__________ 55 Oben II 2. 56 Goerdeler/Welf Müller (Fn. 6), § 29 GmbHG Rz. 49 f.; Hueck/Fastrich (Fn. 6), § 29 GmbHG Rz. 23 a. E.; Schulze-Osterloh (Fn. 12), § 42 GmbHG Rz. 224; Tiedchen in Rowedder/Schmidt-Leithoff (Fn. 6), § 42a GmbHG Rz. 86; Renkl, GmbHR 1989, 66 (70); Wilhelm in FS Flume, Band II, 1978, S. 337 (368 ff.). 57 Adler/Düring/Schmaltz (Fn. 39), § 42a GmbHG Rz. 31; Emmerich (Fn. 6), § 29 GmbHG Rz. 74; Knop in Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung. Einzelabschluss, § 268 HGB Rz. 24 (EL 6, März 2004); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 29 GmbHG Rz. 30; Salje in Michalski (Hrsg.), GmbHG, Band I, 2002, § 29 GmbHG Rz. 77; Crezelius in FS 100 Jahre GmbHG, 1992, 315 (329 f.); Vonnemann, GmbHR 1992, 637 (639). 58 So wohl auch BFH v. 27.3.1984 – VIII R 69/80, BFHE 141, 304 (307) = BStBl. II 1984, 717 (719); BFH v. 8.8.2001 – I R 25/00, BFHE 196, 485 (491) = BStBl. II 2003, 923 (926). 59 GmbHR 1986, 34 (35). 60 Fischer/Lutter, GmbH-Gesetz, 11. Aufl. 1985. 61 Unveränderte Gleichsetzung von Rücklagenauflösung und Gewinnverwendungsbeschluß bei Lutter/Hommelhoff (Fn. 57), § 29 Rz. 30. 62 Fn. 57.

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Für den Jahresabschluß der GmbH muß daher ebenfalls der voraussichtliche Ertrag aus der Ausschüttung der Sachdividende ermittelt und erfolgswirksam ausgewiesen werden. Allerdings steht nicht in jedem Fall ein Gewinnverwendungsvorschlag der Geschäftsführer zur Verfügung, der Ausgangspunkt dieser Berechnungen sein kann. Nur wenn die Gesellschaft einen obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrat hat, sind die Geschäftsführer in analoger Anwendung des § 170 Abs. 2 AktG verpflichtet, einen Ergebnisverwendungsvorschlag vorzulegen63, aus dem sich Prognosen über die Ausschüttung einer Sachdividende ableiten lassen, die in die Aufstellung des Jahresabschlusses einfließen können. In den anderen Fällen dürften im Falle einer beabsichtigten Sachdividende zumindest informelle Gespräche zwischen den Gesellschaftern und den Geschäftsführern stattfinden, aus denen sich die erforderliche Prognosesicherheit ergibt. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 46 Nr. 1 GmbHG in der Hand der Gesellschafterversammlung liegt. Daher können die Gesellschafter den ihnen vorgelegten Jahresabschluß ihrer beabsichtigten Ausschüttungsentscheidung anpassen. Allerdings ist in diesem Fall nach § 316 Abs. 3 HGB eine Nachtragsprüfung erforderlich, für die § 173 Abs. 3 AktG entsprechend gilt64. Es bedarf keines erneuten Feststellungsbeschlusses, wenn der Abschlußprüfer binnen zwei Wochen hinsichtlich der Änderungen des Jahresabschlusses einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt.

IV. Ergebnis Sowohl die AG als auch die GmbH können eine Sachdividende ausschütten. Das führt im Zeitpunkt der Ausschüttung zur Auflösung der in dem Gegenstand der Dividende enthaltenen stillen Reserven. Nach § 252 Abs. 2 HGB ist in Abweichung von § 252 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 HGB dieser Buchgewinn bereits in dem Jahresabschluß, auf den sich der Ergebnisverwendungsbeschluß bezieht, auszuweisen. Hierüber ist nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB im Anhang zu berichten.

__________ 63 Schulze-Osterloh (Fn. 12), § 41 Rz. 187, 190. 64 Schulze-Osterloh (Fn. 12), § 41 Rz. 76 m. w. N.

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UMAG – Zu den Begriffen „Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ in § 148 AktG und zu den Zusammenhängen zwischen §§ 93 und 148 AktG Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Unredlichkeiten und grobe Gesetzesoder Satzungsverletzungen III. Zur Entstehung der Tatbestandsmerkmale 1. Das Kontrolle- und Transparenzgesetz 1998 (KonTraG) 2. Das Aktienrecht von 1884 IV. Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen 1. Die Unredlichkeit 2. Der Begriff der Verletzung des Gesetzes oder der Satzung

3. Der Begriff der „groben“ Verletzung V. Ergebnis des Definitionsversuchs VI. Zusammenhang zwischen § 148 und § 93 AktG VII. Zum Zusammenhang zwischen § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG – Business Judgment Rule – und der Haftungsklage nach § 148 AktG VIII. Haftung bei Nichtanwendbarkeit der Business Judgment Rule?

I. Einleitung In weit über 1500 Seiten Stellungnahmen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung der Anfechtungsklage (UMAG)1 ist fast jedes Wort2 vielfach gedreht und gewendet worden,

__________ 1 Für viele: DAV-Stellungnahme zum UMAG, ZIP 2004, 1230; Wilsing, Neuerungen des UMAG für die aktienrechtliche Beratungspraxis, ZIP 2004, 1082; Seibert/ Schütz, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, ZIP 2004, 252. 2 Beispiele: Ulmer, Haftungsfreistellung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit bei unternehmerischen Fehlentscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat? Kritische Bemerkungen zur geplanten Kodifizierung der business judgment rule im UMAG-Entwurf (93 Abs. 1 Satz 2 AktG), DB 2004, 859 geht scharf mit den Wörtchen „ohne grobe Fahrlässigkeit“ im RefE des § 93 Abs. 1 ins Gericht; Kinzl, Wie angemessen muss „angemessene Information“ als Grundlage für Vorstandsentscheidungen sein?, DB 2004, 1653 z. B. befasst sich mit dem Wörtchen „angemessen“ in § 93 Abs. 1 RefE; ders., Rückwärtsberechnung von Fristen im Aktienrecht – keine Besserung durch den Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2004, 701 beleuchtet eine Fristberechnungsformulierung in § 123 Abs. 5 RefE; Mertens, Die Auflösung der KGaA durch Kündi-

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und die fachjuristischen Beiträge ließen das UMAG als schier unerschöpflichen Quell wissenschaftlicher Anregung und Befruchtung erscheinen. Zahllos waren auch die besorgten Anrufe und Schreiben von Doktoranden, die durch das UMAG ihre mehr oder weniger fortgeschrittenen Arbeiten gefährdet oder unerwünscht beschleunigt sahen, ebenso wie die der Lektoren und Kommentatoren, die die Sorge um die nächste Auflage bewegte, so dass man schon fast ein schlechtes Gewissen bekam, durch gut gemeintes Ändern der Gesetze ungewollt die Lebenskreise und -pläne so Vieler empfindlich zu stören. Auch war es betrüblich, mit anzusehen, wie viele Kongresse abgehalten und Aufsätze veröffentlicht wurden, in denen wortreich zu Entwurfsfassungen Stellung genommen wurde, die längst schon überarbeitet und vollständig verändert waren. Gleichwohl fällt auf, dass manche Fragen sehr häufig und reiterierend behandelt wurden, andere aber unbeachtet am Wegesrand liegen blieben3. Das mag daran liegen, dass einige Probleme besonders intensiv von den jeweiligen Chefs oder Mandanten nachgefragt wurden. So griffen Vorstände verständlicherweise schnell zum Hörer und ihr Chefjustiziar oder anwaltlicher Berater musste eine Antwort auf die Frage parat haben: „Was bedeutet diese Haftungsregelung für mich? Müssen wir was tun?“. Natürlich werden in den Aufsätzen und Stellungnahmen auch Probleme kolportiert. Man baut auf dem, was andere geschrieben haben, auf. Die Aufmerksamkeit wird dadurch leicht auf diese Fragen gelenkt, die dann immer wieder und in immer feineren Schichtungen bearbeitet werden. Die oft ganz zu Unrecht übersehenen Vergissmeinnicht-Blümchen sollte man daher Festschriften reservieren. So auch die Frage, welche sorgfältig gesponnenen Zusammenhänge zwischen dem § 93 AktG und § 148 AktG des UMAG bestehen und die dem stürmisch im allgemeinen Tross mitziehenden Rechtsanwender und Fachautoren möglicherweise entgehen könnten.

II. Unredlichkeiten und grobe Gesetzes- oder Satzungsverletzungen Ein solcher Zusammenhang lässt sich zunächst an den Begriffen „Unredlichkeiten oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ im neuen § 148 AktG demonstrieren. Eine der Voraussetzungen für die Zulassung der Haftungsklage im geplanten Zulassungsverfahren nach § 148 AktG ist, dass Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung ein Schaden entstanden ist.

__________

gung der Kommanditaktionäre, AG 2004, 333 untersucht sehr gründlich eine ansonsten völlig unbeachtete kleine Änderung zu § 289 Abs. 4 Satz 1 AktG aus dem RefE, die im RegE nicht mehr enthalten ist u.s.w. 3 So hatte sich z. B. niemand darüber Gedanken gemacht, dass es aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der ZPO möglicherweise im Freigabeverfahren eine Rechtsbeschwerde geben könnte, was die ganze erhoffte Beschleunigung gefährdet hätte. Zum Glück hat der BGH das dann gerichtet (Telekom/T-Online Verfahren).

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Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 148 AktG)

Das Regelungskonzept ist klar: Es gibt keine Pflicht zum geschäftlichen Erfolg. Es sollen nicht Haftungsklagen bei unternehmerischem Pech und mangelnder Fortune oder bei geringfügigen Lässlichkeiten ermöglicht werden, sondern nur bei Treupflichtverletzungen, kriminellem Handeln und in anderen Fällen, in denen es unerträglich wäre, wenn der Betreffende „ungeschoren“ davon käme, Fälle in denen eine gerichtliche Aufarbeitung des Sachverhalts dringend geboten ist4 und in denen der Aufsichtsrat – soweit es um ein Vorstandsverhalten geht – eigentlich ohnehin selbst klagen müsste. Dem Vorwurf der „Unredlichkeit und groben Rechtsverletzung“ hafte stets ein wenig der Ruch des „Unglaublichen“ an5. Die Begriffe errichten absichtsvoll zwei – möglichst gleichhohe – Hürden für den Haftungskläger. Dieser Hintergrund ist bei der Suche nach der Definition der Tatbestandsmerkmale „Unredlichkeiten oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ zu beachten.

III. Zur Entstehung der Tatbestandsmerkmale 1. Das Kontrolle- und Transparenzgesetz 1998 (KonTraG) Die Tatbestandsmerkmale „Unredlichkeiten oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ wurden durch das KonTraG im Jahre 1998 in § 147 AktG, also als Voraussetzung des Antrags auf Sonderprüfung, eingefügt. Dabei hat man einfach die gleichlautenden Tatbestandsmerkmale aus § 142 AktG übernommen. Vorhandene Begriffe zu übernehmen, ist stets das Einfachste und birgt die geringsten Gefahren eines gesetzgeberischen Fehlgriffs. Jänig führt dazu aus: „Für das Verständnis der beiden maßgeblichen Begrifflichkeiten – Unredlichkeiten und grobe Pflichtverletzungen – zeigt sich dem Betrachter, trotz ihrer Verortung in den Regelungen zur Sonderprüfung seit 1884, ein äußerst diffuses Meinungsbild6. Auch die damalige amtliche Begründung des KonTraG trägt nicht wirklich zur Begriffsklärung bei7. Dort heißt es: „Grobe Pflichtverletzungen sind z. B. grobe Treupflichtverletzungen. Auf die Interpretation der Begriffe in § 142 Abs. 2 AktG in Literatur und Rechtsprechung kann zurückgegriffen werden. Im Bereich der unternehmerischen Entscheidungen soll hingegen der Verwaltung ein weiter Ermessenspielraum bleiben“8. Folglich wird in den Kommentierungen zu § 147 AktG

__________ 4 Bayer, Aktionärsklage de lege lata und de lege ferenda, NJW 2000, 2609 (2619); Hommelhoff/Mattheus, Corporate Governance nach dem KonTraG, AG 1998, 249 (258). 5 Fischer, Die persönliche Haftung, ein wirksames Mittel zur Verbesserung der Kontrolltätigkeit, Konzern 2005, 67 (73). 6 Jänig, Aktienrechtliche Sonderprüfung und UMAG, BB 2005, 949 (951). 7 Kritisch Jänig, BB 2005, 949 (951). 8 Begründung RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, 21 in Ernst/Seibert/Stuckert, KonTraG KapAEG StückAG EuroEG, 1998, S. 70.

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zumeist auf die Ausführungen zu § 142 AktG verwiesen, wo sich aber interessanterweise wenig Weiterführendes findet. Die Begründung des KonTraG zeigte aber schon damals das Bemühen, zwischen duty of care (Sorgfaltspflichten) und duty of loyalty (Treuepflichten) zu differenzieren und wollte offenbar die Minderheitenrechte bei der Haftungsklage auf den Bereich der Treupflichtverletzungen zuspitzen, während im Bereich der Sorgfaltspflichten der Freiraum unternehmerischen Handelns betont wurde. Ganz klar sind die dortigen Ausführungen nicht, sie mögen aber einen gewissen Anhaltspunkt geben. 2. Das Aktienrecht von 1884 Das KonTraG verweist zum Verständnis auf die Sonderprüfung. Die beiden Tatbestandsmodalitäten – Unredlichkeiten auf der einen und grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung auf der anderen Seite – finden sich wie erwähnt seit dem Jahre 1884 mit dem genannten Wortlaut im deutschen Sonderprüfungsrecht. Der Gesetzeswortlaut und auch die Materialien des historischen Gesetzgebers lassen die Bedeutung der Tatbestandsmerkmale und die Abgrenzung zwischen beiden leider im Dunkeln. Auch das Schrifttum versucht, seit über 100 Jahren sich einer eingehenden Antwort zu entziehen. Beiden Begrifflichkeiten wird bei der Auseinandersetzung mit der aktienrechtlichen Sonderprüfung keine oder nur geringe Beachtung geschenkt9, obwohl diesen für die Initiierung einer Sonderprüfung durch die Minderheitsaktionäre schon in der Vergangenheit eine Schlüsselfunktion zukam. Die wenigen, knappen und argumentativ kaum unterlegten Ausführungen führen nicht wesentlich weiter, wie ein näherer Blick zeigt.

IV. Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen 1. Die Unredlichkeit Auf diesem nicht sehr erhellenden Hintergrund soll eine Begriffsbestimmung versucht werden. Der Begriff der Unredlichkeit wird von einigen Autoren vorrangig mit strafbaren Handlungen in Verbindung gesetzt10. Eine ähnliche Definition findet sich nun auch in der Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf des UMAG. Dort heißt es, Unredlichkeiten seien stets „ins kriminelle reichende Treupflichtverstöße“. „Ins Kriminelle reichend“ ist ein schöner Ausdruck, der die vermeintlich klaren Grenzen zwischen Legalität und Illegalität in ein weiches Sfumato verwischt11.

__________ 9 Vgl. nur die äußerst knappen Kommentierungen Kronstein/Zöllner in KölnKomm. AktG, 1985, § 142 AktG Anm. 32; Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1974, § 142 AktG Rz. 24. 10 v. Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 142 AktG Anm. 6. 11 „Diffuses Meinungsbild“ Jänig, BB 2005, 949 (951).

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Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 148 AktG)

Nach weitergehenden Auffassungen in der Literatur sollen aber auch nichtstrafbewehrte Handlungen von dem Begriff umfasst sein. Erläuternde Beispiele werden in diesem Zusammenhang jedoch nicht genannt. Eine weitere Ansicht stellt allein auf die Vorsätzlichkeit einer Handlung ab12, was sicherlich nicht richtig ist, denn Unredlichkeit deutet vom Wortsinn auf etwas Unsittliches und der Vorsatz allein ist moralisch neutral und kann sich auf löbliche oder verwerfliche Handlungen beziehen – der sittlich vorwerfbare Gehalt einer Handlung ist aber bei der Unredlichkeit offenbar. Nach wieder anderer Auffassung sammelt der Begriff der Unredlichkeit vor allem Verstöße gegen die organschaftliche Treuepflicht ein, wie etwa die Aneignung von Geschäftschancen oder die Vornahme von Insidergeschäften13. Spindler sagt: Zur „Unredlichkeit“ zählen ... aber auch alle anderen Treupflichtverletzungen, wobei es anders als für sonstige Pflichtverletzungen nicht darauf ankommt, ob es sich um grobe Verletzungen handelt.“14 Zusammenfassend und nach wohl überwiegender Ansicht haftet der Unredlichkeit jedenfalls ein irgendwie gearteter sittlicher Makel oder Mangel an15, es geht um ein subjektiv vorwerfbares, sittlich anstößiges, häufig auch strafbares Verhalten16 – eben, wie die Begründung sagt: ein „ins Kriminelle“ reichendes Verhalten, das stets auch eine Treuepflichtverletzung darstellt. 2. Der Begriff der Verletzung des Gesetzes oder der Satzung Der zweite Begriff, also die grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung, ist eher noch schwerer zu fassen. Die Gesetzes- oder Satzungsverletzung wird von vielen Autoren (zu den Begriffen vor UMAG, z. B. in § 142 AktG) schlicht gleichgesetzt mit Sorgfaltspflichtverletzungen der Verwaltungsorgane. Ein Gesetzesverstoß in der Privatsphäre kann also unbeachtlich sein. Und es wird jedenfalls nicht auf das Verschulden und auch nicht auf den Schaden als alleinigen Anknüpfungspunkt abgestellt17. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum KonTraG findet sich die bereits erwähnte und in eine ganz andere Richtung weisende Formulierung, wonach eine grobe Treuepflichtverletzung „z. B.“ einer groben Pflichtverletzung entsprechen

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12 Bordt, Sonderprüfung, 1961, S. 99. 13 Bezzenberger in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1999, § 142 AktG Rz. 60; Fleischer in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 5. Aufl. 2003, § 142 AktG Rz. 108 ff. 14 Spindler, Haftung und Aktionärsklage nach dem neuen UMAG, NZG 2005, 865 (867). 15 So auch Wilsing/Lamers in Anwaltkomm.AktG, 2003, § 142 AktG Rz. 19; Jänig, BB 2005, 949 (951). 16 Siehe auch AG Darmstadt in der Sonderprüfungssache Wella (nicht veröffentl.); von „Verschuldensschwelle“ sprechen Duve/Basak, Ungeahnte Unterstützung für aktive Aktionäre – wie das UMAG Finanzinvestoren hilft, BB 2006, 1345 (1349). 17 Bezzenberger in Großkomm.AktG (Fn. 13), § 142 AktG Rz. 60; Fleischer in Küting/ Weber (Fn. 13), § 142 AktG Rz. 108 ff.

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soll18, was die Gesetzes- oder Satzungsverletzung wieder näher an die „Unredlichkeiten“ heranrückt. Die amtliche Begründung im Regierungsentwurf des UMAG zu § 93 AktG und zur neuen Business Judgment Rule spricht von der Unterscheidung zwischen Treuepflichtverletzungen und Sorgfaltspflichtverletzungen und bezieht sich damit auf die bekannte Trennung zwischen den Sorgfaltspflichten einerseits und den Treuepflichten andererseits19. Sie nimmt damit den Gedankengang der Begründung des KonTraG wieder auf. Die im Regierungsentwurf zum UMAG zu § 148 AktG gegebene Definition von Unredlichkeiten als stets „ins Kriminelle reichende“ Treuepflichtverstöße passt in diese Differenzierung. Man wird sagen können: eine Treuepflichtverletzung wird zwar oft auch zugleich eine „Verletzung von Gesetz oder Satzung“ sein, umgekehrt geht der Verstoß gegen Gesetz oder Satzung aber über die bloßen Treuepflichten hinaus in den Bereich der Sorgfaltspflichten. Dort hat er seinen eigentlichen Schwerpunkt. 3. Der Begriff der „groben“ Verletzung Während die Unredlichkeiten nicht mit einem weiteren einengenden Merkmal versehen sind, wird der Gesetzes- oder Satzungsverstoß in § 148 AktG durch den Zusatz „groben“ deutlich eingeschränkt. Aufklärungsbedürftig ist daher, was das Gesetz meint, wenn es von „grob“ spricht. Als grob sollen die Verletzungen nach einer Ansicht dann einzuordnen sein, wenn sie zur Herbeiführung eines Schadens der Gesellschaft geeignet sind20. Das greift sicherlich zu kurz. Es wird auch vertreten, dass „aus der Schwere des Schadens auch auf die Gröblichkeit der Pflichtverletzung geschlossen werden“21 könne. Nach anderem Verständnis folgt die Gröblichkeit der Rechtsverletzung aus einem Zusammenspiel von Verschuldensmaß sowie Art und Umfang des eingetretenen Schadens22. Richtig ist daran, dass die Schadensfolge alleine nicht das Merkmal „grob“ erfüllen kann. Denn wenn schon eine Aktionärsminderheit ohne bzw. gegen den Willen der eigenen Hauptversammlung die Geltendmachung von Ansprüchen soll beantragen können, dann soll dies nicht bereits auf mit mittlerer oder gar nur leichtester Fahrlässigkeit begangene Pflichtverletzungen gestützt werden dürfen23, auch wenn diese einen beträchtlichen Schaden zur Folge hatten. Freilich ist es verständlich, dass die erhebliche Schwere eines Schadens jedenfalls die Entrüstung über die Ver-

__________ 18 BT-Drucks. 13/9712, S. 21 zu § 147 Abs. 3 AktG. 19 Vgl. zu dieser Differenzierung ausführlich Hopt in Großkomm.AktG (Fn. 13), 4. Aufl., § 93 AktG Rz. 72 ff. 20 Barz in Großkomm.AktG, 3. Aufl. 1973, § 142 AktG Anm. 15; Hefermehl in GHEK (Fn. 9), § 142 AktG Rz. 25. 21 Kolb, Unternehmensintegrität, Minderheitenrechte und Corporate Governance, DZWiR 2006, 50 (51). 22 Bordt (Fn. 12), S. 97 ff. 23 Sünner, Aktionärsklage zur Kontrolle des Vorstands- und Aufsichtsratshandelns, HR 163 (1999), 346 (370 f.).

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Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 148 AktG)

letzungshandlung erhöht und die Nichtverfolgung eines Schadensersatzanspruchs als Skandal erscheinen lässt. Der Schaden kann also die Gröblichkeit indizieren. Was bedeutet also das „grob“? Grob ist der Klotz, aber auch der Keil. Nach allem und wenn man dem Wortsinn nachhorcht, deutet „grob“ auf die rüden Methoden des Täters, seine niedere Gesinnung hin, seine Rücksichtslosigkeit, Leichtfertigkeit, die Brutalität oder Unverfrorenheit seines Handelns. Hüffer sagt lapidar: „Grob ist Verletzung bei evidenten und auch ihrer Art nach für verantwortlich handelnde Unternehmensleiter nicht hinnehmbaren Verstößen24“. Diese Definition nimmt den gesetzgeberischen Wunsch auf, dass die Haftungsklage für Fälle gelten soll, in denen eine Nichtverfolgung „unerträglich“ wäre. Nur zu sagen, dass bagatellartige und querulatorische Anspruchsverfolgungen dadurch ausgeschieden werden sollten, wie Siems es meint25, reicht dann wohl nicht, zumal die Ansprüche von geringer Höhe schon durch die weitere Voraussetzung des „Gesellschaftswohls“ ausgeschieden werden26. Es geht auch nicht darum, ob der Übeltäter ganz allgemein ein „grober“ Mensch ist, ein Grobian eben, grob i. S. des § 148 AktG hat nur die konkrete Verletzungshandlung zu sein. Es geht also um eine besondere Art der Vorwerfbarkeit, weil die Verletzung in besonders grober und vorwerfbarer Weise geschehen ist. Dabei reicht selbst eine schlichte Vorsatzhandlung sicher dann nicht, wenn jemand mit der Handlung nach bestem Wissen zum Wohle der Gesellschaft handeln wollte. Das „grob“ bezieht sich eben nicht alleine auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit der Handlung. „Grob“ heißt eben nicht „grob fahrlässig“. Dann hätte das Gesetz von einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Rechtsverletzung gesprochen. Eine grobe Verletzung des Rechts ist demgegenüber noch etwas anderes. Es geht dabei aber auch nicht oder jedenfalls nicht hauptsächlich um die Bedeutung des verletzten Gesetzes, also um das Gewicht der verletzten gesetzlichen Sorgfaltspflicht. Hätte man darauf abstellen wollen auf, so hätte man besser von der „Schwere“ des Verstoßes gesprochen27.

V. Ergebnis des Definitionsversuchs Die vorgestellten Auslegungsansätze des Schrifttums sind einigermaßen einig bei dem Begriff der Unredlichkeit, es geht um kriminelle Handlungen und solche, die immerhin dorthin reichen, gesellschaftsschädigende Hand-

__________ 24 Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 148 AktG Rz. 8. 25 Anders offenbar Siems, Welche Auswirkungen hat das neue Verfolgungsrecht der Aktionärsminderheit? Eine rechtsvergleichende Folgenanalyse des § 148 AktG n. F., ZVglRWiss 104 (2005), 376 (386). 26 Was bei Unredlichkeiten denkbar wäre; eine ohne Zweifel kriminelle Handlung zu Lasten der Gesellschaft von bagatellartigem Schadensumfang könnte damit gemeint sein. 27 Jänig schlägt vor, das „grob“ durch „schwerwiegend“ zu ersetzen, BB 2005, 949 (951).

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lungen, denen ein sittlicher Makel anhaftet – und das sind stets Treupflichtverstöße. Bei den groben Gesetzes- oder Satzungsverletzungen geht es zunächst um schlichte Rechtsverletzungen, die eher im Bereich der Sorgfaltspflichtverletzungen als in dem der Treupflichtverletzungen liegen. Es geht dabei aber nicht um alle Verstöße. Das Adjektiv „grob“ verengt den Kreis erheblich. Bei der Interpretation des Wortes „grob“ ist auf die Verletzungshandlung abzustellen. Bei den groben Gesetzes- oder Satzungsverstößen handelt es sich also um eine „krasse“ Verletzungshandlung28, die eine Nichtverfolgung für das Rechtsgefühl unerträglich macht; nicht – jedenfalls nicht ausschließlich – ist abzustellen auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, das Gewicht der verletzten Gesetzes- oder Satzungsbestimmung, die Bedeutung des verletzten Gegenstand oder die Höhe des verursachten Schadens. Diese können die Gröblichkeit aber mit begründen. Dadurch enthalten beide Merkmale – die Unredlichkeit und der Rechtsverstoß – in etwa dasselbe Unrechtsniveau. Diese hohe Schwelle, die international keine Vorbilder hat, ist im Zusammenhang mit dem Kostenprivileg zu verstehen: Wer die Zulassungsschwelle übersprungen hat, prozessiert anschließend ohne eigenes Kostenrisiko, auch wenn er in der Hauptsache unterliegt29.

VI. Zusammenhang zwischen § 148 und § 93 AktG Unklar bleibt nach alledem aber, ob ein grober Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten des Vorstands gemäß § 93 AktG stets und zugleich auch eine grobe Verletzung von Gesetz- oder Satzung i. S. v. § 148 AktG UMAG darstellt und folglich ein Zulassungsverfahren darauf gestützt werden kann. Ich möchte dies verneinen. Dieses Ergebnis wird durch den Sinnzusammenhang unterstrichen: – Nicht jede Verletzung von Gesetz oder Satzung muss tatbestandlich als Sorgfaltspflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG gewertet werden. Eine Unredlichkeit oder eine „grobe“ Verletzung von Gesetz oder Satzung gem. § 148 AktG wird freilich stets zugleich eine Sorgfaltspflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG sein. – Umgekehrt stimmt der Zusammenhang nicht notwendig: Nicht jeder Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten des § 93 Abs. 1 AktG ist notwendig zugleich eine Verletzung von Gesetz oder Satzung. Und wohl auch nicht jeder grobe Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten i. S. des § 93 Abs. 1 AktG

__________ 28 Jänig führt begriffsbestimmende Aspekte der Schadenshöhe, des gesellschaftlichen Ansehensverlustes, der Bedeutung der verletzten Rechtsnorm sowie einen besonderen Vertrauensverlust auf, BB 2005, 949 (951). 29 Zutreffend Siems, ZVglRWiss 104 (2005), 376 (389).

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muss zugleich eine grobe Verletzung von Gesetz oder Satzung i. S. der §§ 142, 147, 148 AktG sein. – Letzteres könnte man nur unter zwei Voraussetzungen bejahen – und zwar erstens, wenn die Sorgfaltspflichten nach § 93 Abs. 1 AktG sich ausschließlich auf die Einhaltung bestehender Gesetze oder Satzungsbestimmungen beziehen würden und daher ein Verstoß gegen letztere zugleich und notwendig eine Sorgfaltspflichtverletzung wäre. Das ist aber nicht so. Es gibt auch Sorgfaltspflichten, die sich nicht aus anderen Gesetzen oder Satzungsbestimmungen, sondern allein aus dem unbestimmten und durch betriebswirtschaftliche Regeln unterlegten Maßstab des „ordentlichen Geschäftsleiters“, aus vertraglichen Verhaltens- oder Treuepflichten ableiten. – Zum zweiten wäre die Gleichsetzung zu oben, zweiter Spiegelstrich zu bejahen, wenn man annehmen würde, dass ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten nach § 93 Abs. 1 AktG per se ein Gesetzesverstoß ist, weil § 93 – was nicht zu leugnen ist – ja selbst ein Gesetz ist. – Das käme aber einem Zirkelschluss nahe. Würde der Gesetzestext das meinen, dann bräuchte er in §§ 142, 147, 148 AktG nicht von Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung zu sprechen. Dann hätte man in § 148 AktG (und vergleichbar in 142, 147) formulieren können: „Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch grobe Verletzung der Sorgfaltspflichten nach § 93 Abs. 1 ein Schaden entstanden ist“. Diese Formulierung wäre dann konsistent und würde viele Auslegungsprobleme vermeiden. Dass aber unterschiedliche Begriffe verwendet wurden, kann nicht nur historisch begründet werden, denn auch nach KonTraG und in der UMAG-Reform wurde und wird an ihnen festgehalten. Das deutet auf einen Unterschied in der Bedeutung dieser Begriffe hin. Der Gesetzesverstoß, den § 148 AktG meint, zielt also auf ein Gesetz außerhalb des § 93 AktG! Dies Ergebnis steht wiederum im Einklang mit der Einführung der Business Judgment Rule und der eingangs beschriebenen Absicht: Es sollen nicht unternehmerisches Pech und mangelnde Fortune verfolgt werden, sondern Treupflichtverletzungen, kriminelles Handeln, sittlich vorwerfbare Rechtsverstöße und ganz allgemein Fälle, in denen es unerträglich wäre, wenn der Betreffende „ungeschoren“ davon kommt, eine gerichtliche Aufarbeitung des Sachverhalts dringend geboten ist30 und der Aufsichtsrat – soweit es um ein Vorstandsverhalten geht – ohnehin selbst klagen müsste.

__________ 30 Bayer, Aktionärsklage de lege lata und de lege ferenda, NJW 2000, 2609 (2619); Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249 (258).

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VII. Zum Zusammenhang zwischen § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG – Business Judgment Rule – und der Haftungsklage nach § 148 AktG Die Bestimmung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ist anders als im US-amerikanischen Recht, wo sie eine verfahrensrechtliche Regelung ist, nicht als abweichende Beweislastregel konstruiert31. Die großen Wirtschaftsverbände haben aber genau das unter Hinweis auf amerikanische Vorbilder gefordert32. Die Business Judgment Rule des UMAG wirkt am Tatbestand. Wo sie eingreift, fehlt es schon an der objektiven Pflichtwidrigkeit und kommt es auf den Sorgfaltsmaßstab nicht mehr an33. – Eine Business Judgment Rule als Beweislastregel würde sich kaum in unser Rechtssystem einfügen. Im US-amerikanischen Recht ist die Beweislastumkehr im System mit dem Ausforschungsbeweis (pre-trial-discovery) zu sehen. – Ferner klingt die Konstruktion der Business Judgment Rule als Beweislastregel nur auf den ersten Blick verlockend, die Einschränkung des materiellen Pflichtentatbestandes geht aber in Wahrheit weiter. Dies bedeutet: im Bereich der geschützten unternehmerischen Entscheidung kann eine Pflichtverletzung überhaupt nicht vorliegen. Das ist weder eine Verschuldens- noch eine Beweislastfrage. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf andere Bereich, etwa da, wo ohne Verschulden gehaftet wird, oder im Strafrecht. – Die Business Judgment Rule und der strafrechtliche Untreuetatbestand. Anders als bei einer Beweislast-Konstruktion hat die Ansiedelung der BJR im Haftungstatbestand auch Auswirkungen auf das Strafrecht: Der Untreuetatbestand des StGB verlangt das Vorliegen einer „Pflichtverletzung“ und nimmt damit bei der Untreue eines AG-Organs Bezug auf die aktienrechtlichen Pflichten. Ein Organ, das sich aber im sicheren Hafen der Business Judgment Rule bewegt, kann keinen Pflichtenverstoß und damit auch keine Untreue begangen haben. Es bleibt also bei der Beweislastverteilung des § 93 AktG zu Lasten des Organs. Eine Beweislast, die laut Gesetz nach § 93 AktG hinsichtlich des Verschuldens einen Entlastungsbeweis verlangt, nach h. M. aber auch darüber

__________ 31 „Rule of evidence“, so teilw. im amer. Recht, siehe Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der Aktiengesellschaft, 2002, S. 169 ff. und Fleischer, ZIP 2004, 685 (688) (insoweit dem Ergebnis zustimmend); Eisenberg, Die Sorgfaltspflicht im amerikanischen Gesellschaftsrecht, Der Konzern 2004, 386 (390 f.). 32 M. Roth, Das unternehmerische Ermessen des Vorstands, BB 2004, 1066 (1067). 33 Zutreffend Ihrig, Reformbedarf beim Haftungstatbestand des § 93 AktG, WM 2004, 2098 (2103).

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Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 148 AktG)

hinaus hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit gelten soll34. Eine teilweise Beweislastverschiebung bringt das UMAG im Zusammenspiel der Regelungen aber doch: nämlich mit dem neuen § 148 AktG. Danach muss die Minderheit im Klagezulassungsverfahren das Vorliegen der Verdachtstatsachen beweisen35. Erst wenn ihr dies gelungen ist, wird das Hauptverfahren überhaupt eröffnet und erst dann gilt die Beweislastumkehr zu Lasten des Organs. Dieser feine Zusammenhang zwischen § 93 AktG und § 148 AktG des UMAG und damit die versteckte Parallele zum amerikanischen Business Judgment Rule-System wurde in den Stellungnahmen meist übersehen. Es ist zutreffend, dass diese Beweislastumkehr, oder vielleicht sollte man sagen: „Beweislastrückkehr“ zum Normalfall der Klägerbeweislast nur partiell wirkt und nicht generell. Sie greift eben nur bei der Minderheitenhaftungsklage ein und auch nur im Zulassungsverfahren und sie wirkt nicht, wenn die Gesellschaft selbst das Organ verklagt (oder z. B. der Insolvenzverwalter). Sie wirkt damit aber gerade in den Fällen, in denen das Gesetz durch die Einrichtung einer speziellen Minderheitenhaftungsklage ein missbrauchsanfälliges Instrument installiert hat und deshalb besondere Schutzmechanismen vorsehen musste. Und es ist auch zutreffend, dass diese Beweislastregelung nur im Zulassungsverfahren gilt. Wenn man erfahrenen Praktikern folgt, dann werden künftig die Schlachten im Zulassungsverfahren geschlagen.

VIII. Haftung bei Nichtanwendbarkeit der Business Judgment Rule? Eine weitere Frage im Zusammenhang zwischen § 148 AktG und der Business Judgment Rule soll erörtert werden. Ist die Business Judgment Rule nicht anwendbar, so führt dies natürlich noch nicht dazu, dass damit die Haftung des Organs feststünde36. Außerhalb der Business Judgment Rule sind z. B. schadenstiftende Handlungen, die nicht auf unternehmerischen Entscheidungen beruhen, denkbar, vielleicht auch Handlungen die dennoch nicht sorgfaltswidrig sind oder bei denen es zumindest am Verschulden fehlt. Das mag dahinstehen. Keinesfalls ist bei Nichtanwendung der Business Judgment Rule sogleich die Minderheitenklage nach § 148 AktG eröffnet – wie umgekehrt bei Zulassung einer Minderheitenklage nach § 148

__________ 34 Spindler, Haftung und Aktionärsklage nach dem neuen UMAG, NZG 2005, 865 (872) m. w. N. 35 Hopt/Roth, Die Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, in FS Böckli, 2006, S. 413 (418) bedauern zwar das Fehlen der Beweislastregel der us-amer. Business Judgment Rule, halten es aber im Hinblick auf die Regelungen zur Geltendmachung im UMAG für hinnehmbar. 36 S. Schneider, „Unternehmerische Entscheidungen“ als Anwendungsvoraussetzung für die Business Judgment Rule, DB 2005, 707 (712).

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AktG regelmäßig die Business Judgment Rule keine Rolle spielt37. Vielmehr liegt ein breites Feld, oder auch eine „Grauzone“38 zwischen Business Judgment Rule und § 148 AktG39. In diesem Zwischenraum liegt kein Niemandsland. Hier gilt auch nicht das Opportunitätsprinzip, also die Möglichkeit des Aufsichtsrats nach Gutdünken oder völlig freiem Ermessen den Anspruch zu verfolgen oder nicht. Vielmehr hat der Aufsichtsrat nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung des Gesellschaftswohls zu prüfen, ob er eine Rechtsverfolgung einleiten muss. Wenn er sich dann dagegen entscheidet, dürfte dies aber durch die Aktionäre freilich nur noch schwer angreifbar sein.

__________ 37 K. Schmidt, Verfolgungspflichten, Verfolgungsrechte und Aktionärsklagen: Ist die Quadratur des Zirkels näher gerückt?, NZG 2005, 796 (800). 38 Spindler, NZG 2005, 865 (867). 39 So schon Seibert in Immenga/Schwintowski (Hrsg.), Wirtschaftliches Risiko und persönliche Verantwortung der Manager – Internat. Berliner Wirtschaftsgespräche, 2006, S. 64.

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Nochmals: Zum Wirksamkeitszeitpunkt der Zwangseinziehung von GmbH-Anteilen – Auf der Suche nach einem interessengerechten Lösungsmodell Inhaltsübersicht I. Das Problem II. Die Bedingungslehre der (noch) herrschenden Meinung und ihre Abwandlungen 1. Die klassische Bedingungslehre 2. Abschwächung durch Ruhen der Rechte? 3. Korrektur durch Übergang von der aufschiebenden zur auflösenden Bedingung? III. Neuere Ansätze zur Lösung des Interessenkonflikts zwischen Betroffenem und übrigen Gesellschaftern 1. Haftung der Mitgesellschafter 2. Entschädigungsloser Vorrang des Gesellschaftsinteresses 3. Wiederaufleben von Mitgliedschaftsrechten

4. Zwischenbilanz IV. Die Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs als auflösende Bedingung des Einziehungsbeschlusses 1. Die These 2. Die Kritik – ein dreifaches Missverständnis 3. Folgerungen V. Satzungsrechtliche Konfliktvermeidungsstrategien 1. Überblick 2. Bestimmung des Einziehungszeitpunkts 3. Erwerbsrechte von Mitgesellschaftern oder Dritten

I. Das Problem In einem vor wenigen Monaten ergangenen Urteil hat das Kammergericht entschieden, dass ein Gesellschafter, der durch gesellschaftsschädliches Verhalten einen Grund zur Zwangseinziehung gesetzt hat, mit Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses auch dann aus der Gesellschaft ausscheide und seine Mitgliedschaftsrechte verliere, wenn er – wie regelmäßig – das Abfindungsentgelt noch nicht erhalten habe1. Das Urteil betraf einen Extremfall, da der fragliche Einziehungsbeschluss bereits 1997 ergangen und dessen Rechtmäßigkeit im Jahr 2002 rechtskräftig festgestellt worden war; jedoch herrschte über die Höhe der Abfindung immer noch Streit zwischen den Parteien und ein Ende war nicht abzusehen. Auch seien, wie es in den Urteilsgründen heißt, zwischen den Parteien und den weiteren Gesellschaftern

__________ 1 KG, Urt. v. 6.2.2006, ZIP 2006, 1098.

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allein beim KG seit 2001 mindestens acht weitere Prozesse rechtshängig. Dass den Richtern vor diesem Hintergrund die Geduld riss und sie sich entschlossen, den von der Einziehung betroffenen Kläger durch Aberkennung der Mitgliedschaftsrechte trotz ausstehender Abfindung „klaglos“ zu stellen, ist gut nachvollziehbar. Aus rechtlicher Sicht ist das Urteil deshalb bemerkenswert, weil es sich über den jahrzehntelang in der Rechtsprechung praktizierten, in den gängigen Kommentaren zum GmbHG nach wie vor herrschenden Grundsatz hinwegsetzt, dass die Abfindungszahlung an den betroffenen Gesellschafter eine aufschiebende (Rechts-)Bedingung für das Wirksamwerden der Einziehung bildet. Dieser Grundsatz war bekanntlich vom Reichsgericht entwickelt worden, um dem Risiko des Betroffenen Rechnung zu tragen, seinen Abfindungsanspruch gegen die GmbH wegen der Schranken der Kapitalerhaltung (§§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 GmbHG) nicht durchsetzen zu können2. Der BGH hat ihn bisher nur für die ohne Satzungsregelung mögliche Ausschließung aus wichtigem Grund übernommen3. Demgegenüber hat er noch keine Gelegenheit gehabt, sich zur Einziehungsproblematik als solcher zu äußern (vgl. unter II.1.b). Da gegen das KG-Urteil Revision eingelegt ist, dürfte in absehbarer Zeit mit einer höchstrichterlichen Klärung der jahrzehntelangen Diskussion zu rechnen sein. Der Sachstand gibt dem (am rechtshängigen Verfahren unbeteiligten) Verfasser Anlass, sich nach einem bereits 15 Jahre zurückliegenden ersten Anlauf4 erneut mit der komplexen, von widerstreitenden Interessen geprägten Materie zu befassen. Für die Nachprüfung spricht nicht zuletzt die Vielzahl der Beiträge in Zeit- und Festschriften, die diesem Thema in den beiden letzten Jahrzehnten gewidmet wurden und zu recht unterschiedlichen Lösungsvorschlägen führten (vgl. unter III.). Mit Blick auf den Adressaten der Festschrift liegt die Wahl des Themas auch deshalb nahe, weil sein eindrucksvoll dokumentiertes wissenschaftliches Interesse vorrangig dem GmbH-Recht gilt und wir ihm nicht nur aus dogmatischer, sondern auch aus kautelarjuristischer Sicht wertvolle Beiträge zur Fortentwicklung dieses Rechtsgebiets verdanken. Daher soll die Untersuchung abschließend auch auf die Frage ausgedehnt werden, welche Möglichkeiten satzungsrechtlicher Vorsorge bestehen, um jahrelange Auseinandersetzungen über den Vollzug der Einziehung zu vermeiden (vgl. unter V.).

__________ 2 RGZ 142, 286 (290). 3 BGHZ 9, 157 (173). 4 Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 735 (745 ff.).

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Zum Wirksamkeitszeitpunkt der Zwangseinziehung von GmbH-Anteilen

II. Die Bedingungslehre der (noch) herrschenden Meinung und ihre Abwandlungen 1. Die klassische Bedingungslehre a) Die „Bedingungslehre“, wonach die Zahlung des Abfindungsentgelts ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung als aufschiebende Rechtsbedingung zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einziehung gehört, geht zurück auf ein RG-Urteil aus dem Jahr 19335. Das RG bezog sich hierfür zwar, genau genommen, nicht auf die Entgeltzahlung, sondern auf die Wirksamkeit des im Einziehungsbeschluss enthaltenen Leistungsversprechens der Mitgesellschafter: dieses stehe unter der gesetzlichen Bedingung, dass der GmbH die Entgeltzahlung ohne Verstoß gegen §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG bei Fälligkeit möglich sei. Die Urteilsgründe wurden jedoch in der Folgezeit allgemein dahin verstanden, es sei die Entgeltzahlung als solche ohne Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, die die aufschiebende (Rechts-)Bedingung für das Wirksamwerden der Einziehung bilde6. Demgegenüber führt ein offen gegen §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG verstoßender, die Zahlung zu Lasten des gebundenen Kapitals vorsehender oder in Kauf nehmender Einziehungsbeschluss schon wegen Verletzung von Gläubigerschutzvorschriften zur Nichtigkeit analog § 241 Nr. 3 AktG7. Für die herrschende Interpretation des RG-Urteils schien auch die Entstehungsgeschichte des § 34 GmbHG zu sprechen, da es in der Amtl. Begründung zu § 34 Abs. 3 hieß, die Nichtbeeinträchtigung des Stammkapitals sei „Voraussetzung der Einziehung“8. b) Der BGH hat in seinem ersten einschlägigen Urteil BGHZ 9, 157 die RGRechtsprechung zu § 34 GmbHG zwar zustimmend zitiert9, dies jedoch lediglich im Sinne eines obiter dictum. Denn das BGH-Urteil bezog sich auf das von § 34 GmbHG zu unterscheidende, ungeschriebene Recht der Mitgesellschafter, einen Störer aus wichtigem Grund auszuschließen. Insoweit hielt es der BGH für erforderlich, den Urteilsausspruch über die Ausschließung an die „Bedingung“ zu knüpfen, dass der betroffene Gesellschafter von der GmbH oder auf ihre Veranlassung binnen angemessener Frist den im Ur-

__________

5 Nachw. in Fn. 2. 6 Vgl. nur H. P. Westermann in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 34 GmbHG Rz. 56; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 34 GmbHG Rz. 41. 7 Ganz h. M., vgl. BGHZ 9, 157 (173 f.); 144, 365 (369); H. P. Westermann in Scholz (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 55; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 40; Ulmer, GmbHG, 2005, § 34 GmbHG Rz. 62. 8 Reichstag, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660 S. 3747. Vgl. dazu aber Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 325 f., der diesem auf die Entstehungsgeschichte des § 34 Abs. 3 GmbHG gestützten Argument für die dem Schutz des Betroffenen dienende Bedingungslehre zu Recht entgegenhält, dass die Vorschrift nur den Gläubiger- und nicht auch den Gesellschafterschutz bezweckt. 9 BGHZ 9, 157 (173).

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teil zu bestimmenden Gegenwert für seinen Geschäftsanteil erhält10. Auch in der Folgezeit erhielt der BGH keine Gelegenheit, zu § 34 GmbHG im Hinblick auf das Wirksamwerden eines Einziehungsbeschlusses in Abhängigkeit von der Entgeltzahlung Stellung zu nehmen11. Die in diesem Zusammenhang in der Literatur zitierten Entscheidungen betrafen jeweils Sonderfälle, so wenn die Satzung die Einziehung des Anteils als mögliche Rechtsfolge entweder eines Ausschließungsbeschlusses aus wichtigem Grund12 oder des vom betroffenen Gesellschafter ausgeübten Kündigungsrechts13 vorsah. Demgegenüber hat der BGH in neuerer Zeit wiederholt darauf verwiesen, dass höchstrichterlich über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines Einziehungsbeschlusses noch nicht entschieden ist14. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte ist diese Differenzierung bisher kaum zur Kenntnis genommen worden. Sieht man von dem schon erwähnten KG-Urteil ab, so herrscht hier vielmehr in Bezug auf § 34 GmbHG nach wie vor die auf das RG zurückgehende Bedingungslehre vor15. Entsprechendes gilt auch für die Kommentarliteratur zu § 34 GmbHG, die ungeachtet der zunehmenden Literaturkritik auch in den jeweiligen Neuauflagen ganz überwiegend an der Bedingungslehre festhält16. Daher erscheint es vertretbar, von ihr auch heute noch als herrschender Meinung zu sprechen, freilich einer h. M., die angesichts prominenter, aus Kreisen des Senats an ihr geübter Kritik17 bald schon einem abweichenden Urteilsspruch des BGH zum Opfer fallen könnte18. 2. Abschwächung durch Ruhen der Rechte? Dass die Bedingungslehre zu für die Mitgesellschafter schwer zumutbaren Folgen führt, weil sie den von der Einziehung betroffenen Störenfried oder

__________ 10 11 12 13 14 15

BGHZ 9, 157 (174). So dann auch § 208 Abs. 1 RegE GmbHG 1971/73. Hierauf zu Recht hinweisend Goette in FS Lutter, 2000, S. 399 (401 f.). BGHZ 32, 17 (23). BGHZ 88, 320 (324 f.). BGHZ 139, 299 (301 f.); BGH, NJW-RR 1995, 607 (608). OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 171 (172); OLG Hamm, NZG 1999, 597 (598); OLG Köln, GmbHR 1996, 609 (610) und NZG 1999, 1222 f.; OLG Schleswig, NZG 2000, 703 (704); OLG Zweibrücken, GmbHR 1997, 939 (942); a. A. (ohne Begr.) BayObLG, WM 1993, 1793. 16 So H. P. Westermann in Scholz (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 60; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 34 GmbHG Rz. 28 f.; Sosnitza in Michalski, GmbHG, 2002, § 34 GmbHG Rz. 72 ff., 75; wohl auch Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 41 f. (mit Vorbehalt in Anh. § 34 Rz. 14); ohne eigene Stellungnahme Bergmann in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 34 GmbHG Rz. 43; a. A. nur Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 34 GmbHG Rz. 22 ff., 28 (für Haftungslösung). 17 So Goette in FS Lutter, 2000, S. 399 (405 ff.); vgl. auch dens., Die GmbH, § 5 Rz. 87; anders noch Gehrlein, GmbH-Recht in der Praxis, 2005, S. 124 f., und ZIP 1996, 1157 (1159). 18 Die Revision gegen das in Fn. 1 genannte KG-Urteil soll beim BGH anhängig sein.

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Zum Wirksamkeitszeitpunkt der Zwangseinziehung von GmbH-Anteilen

Dritten noch auf längere, u. U. viele Jahre andauernde Zeit als Mitglied dulden müssen, wird auch von ihren Anhängern nicht ernsthaft bestritten. Vorbehaltlich satzungsrechtlicher Abhilfemöglichkeiten (dazu vgl. unter V.) wurde deshalb schon seit Längerem gefordert, in der Schwebezeit von einem Ruhen der Mitgliedschaftsrechte (und -pflichten) auszugehen, darunter insbes. dem Stimmrecht, um dem Interessenwiderstreit zwischen dem Betroffenen und den übrigen Gesellschaftern abzuhelfen19. Von dem schon vom RG20 anerkannten Sonderfall einer Nebenleistungs-(Kartell-)GmbH abgesehen, haben sich diese Forderungen jedoch nicht durchsetzen können21. Zu Recht wurde auf die zu befürchtende Rechtsunsicherheit hingewiesen, die ein grundsätzliches Ruhen der Mitgliedschaftsrechte (und -pflichten?) bei fortbestehender Mitgliedschaft zur Folge habe22. Einigkeit besteht im Wesentlichen nur darüber, dass der von der Einziehung Betroffene bei der Stimmabgabe strengeren, auf der Treupflicht beruhenden Schranken unterliegt und dass er insbes. Zurückhaltung bei solchen Beschlüssen üben muss, die von den verbleibenden Gesellschaftern angestrebt werden, ohne seine (Abfindungs-)Interessen zu berühren23. Was andererseits die Vermögensrechte des Betroffenen angeht, lässt sich meist schon aus der – üblicherweise auf den Stichtag des Einziehungsbeschlusses oder das folgende Geschäftsjahrsende bezogenen – satzungsrechtlichen Entgeltklausel schließen, dass eine über diesen Zeitpunkt hinausgehende Gewinnteilnahme des Betroffenen ausscheidet. Von diesen Sonderfällen abgesehen bleibt es nach h. M. aber beim grundsätzlich unveränderten Fortbestand der Mitgliedschaftsrechte des Betroffenen bis zum Vollzug der Abfindung und ebenso bei seinen aus §§ 24, 31 GmbHG folgenden Haftungspflichten, wenn man sich nicht – wie das KG – dazu entschließt, die Lehre von der aufschiebenden (Rechts-)Bedingung aufzukündigen.

__________ 19 So Esch, GmbHR 1981, 25 (27 f.); Peetz, GmbHR 2000, 749 (753); wohl auch Hueck/ Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), Anh. § 34 GmbHG Rz. 14 (für den Ausschluss durch Gestaltungsurteil). 20 RGZ 114, 212 (217 f.); 125, 114 (118) (dazu H. Winter/Seibt in Scholz [Fn. 6], Anh. § 34 GmbHG Rz. 15). 21 Dagegen BGHZ 88, 320 (325 ff.); Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 41; Lutter/Hommelhoff (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 29; Sosnitza in Michalski (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 75; Bergmann in Rowedder/Schmidt-Leithoff (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 28; H. Winter/Seibt in Scholz (Fn. 6), Anh. § 34 GmbHG Rz. 14; Niemeier (Fn. 8), S. 322 ff.; Kesselmeier, Ausschließungs- und Nachfolgeregelung in der GmbH-Satzung, 1989, S. 197 ff.; wohl auch H. P. Westermann in Scholz (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 60. 22 So zutr. insbes. Kesselmeier (Fn. 21), S. 198. 23 So BGHZ 88, 320 (325 ff.) und die weiteren in Fn. 21 zitierten Stimmen.

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3. Korrektur durch Übergang von der aufschiebenden zur auflösenden Bedingung? Ein dahingehender Neuansatz wurde vom Verf. vor über fünfzehn Jahren in der Hoffnung unternommen, mit relativ geringfügigen Modifikationen der h. M. den gordischen Knoten zu durchhauen24. Die These ging dahin, im Interesse eines angemessenen Interessenausgleichs die Bedingungslehre und den mit ihr verbundenen Schwebezustand für die von der Einziehung betroffene Mitgliedschaft dahin zu modifizieren, dass an die Stelle der aufschiebenden eine auflösende, sich bei Scheitern der Abfindungszahlung an § 30 Abs. 1 GmbHG realisierende Rechtsbedingung tritt25. Damit würde sich das Ziel, die Gesellschaft in der Schwebezeit vor störenden Eingriffen des Betroffenen oder vor der Mitsprache von als Gesellschafter unwillkommenen Dritten26 zu schützen, auch ohne die problematische Figur eines Ruhens der Rechte erreichen lassen. Andererseits stünde auch der Betroffene nicht schutzlos da, sondern hätte die sichere Anwartschaft auf das Wiederaufleben seiner Mitgliedschaft bei Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs. Die These ist alsbald auf eine an prominenter Stelle27 formulierte Ablehnung unter Hinweis auf die mit einer auflösenden Bedingung angeblich verbundene Rechtsunsicherheit gestoßen. Sie schien damit nach verbreiteter Meinung widerlegt28 – ob zu Recht, ist im Folgenden (unter IV.) zu prüfen. Zuvor soll jedoch eine Reihe sonstiger, auf Überwindung der Bedingungslehre gerichtete Lösungsansätze erörtert werden (vgl. unter III.).

III. Neuere Ansätze zur Lösung des Interessenkonflikts zwischen Betroffenem und übrigen Gesellschaftern 1. Haftung der Mitgesellschafter a) Die erstmals von Robert Fischer29 – allerdings de lege ferenda – ins Gespräch gebrachte subsidiäre Außenhaftung der Mitgesellschafter für den aus Gründen der Kapitalerhaltung undurchsetzbaren Abfindungsanspruch des von der Einziehung Betroffenen gegen die GmbH hat in neuerer Zeit eine

__________

24 Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 735 (745 ff.). 25 Zur dogmatischen Begründung dieses Übergangs von der aufschiebenden zur auflösenden Bedingung vgl. Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 749 f. 26 Erwerber in der Zwangsvollstreckung oder im Erbgang, vgl. Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 745. 27 H. P. Westermann in Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 34 GmbHG Rz. 55a (so im Wesentlichen auch noch 10. Aufl. Rz. 59). 28 Vgl. etwa Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 43; Roth/ Altmeppen (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 19; Sosnitza in Michalski (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 74 f. Mit eigener, freilich der Sache nach ähnlicher Begründung dann auch Goette in FS Lutter, 2000, S. 408 f. 29 In FS W. Schmidt, 1959, S. 117 (130); dafür auch Gonnella, GmbHR 1967, 89 (93 f.); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 311.

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Reihe von Befürwortern gefunden30. Schon weil sich unter ihnen der seit 2005 amtierende Vorsitzende des Gesellschaftsrechtssenats des BGH befindet31, verdient sie vorrangige Beachtung. Ihr ist zuzugeben, dass sie nicht nur dem Interesse der GmbH an alsbaldiger Beendigung der Mitgliedschaft des Störenfrieds oder Dritten Rechnung trägt, sondern auch dessen Interesse am Erhalt der Abfindungsleistung trotz Krise der GmbH. Auch ließe sich auf die Rechtslage im Personengesellschaftsrecht verweisen, da die Mitgesellschafter einer GbR oder OHG sowie die Komplementäre einer KG dort für den gegen die Gesamthand gerichteten Abfindungsanspruch des ausgeschlossenen Gesellschafters – sogar jeweils gleichrangig – einzustehen haben32. Wenn gleichwohl schwerwiegende Bedenken gegen eine solche Lösung bestehen und diese sich jedenfalls de lege lata nicht ausräumen lassen, so beruht das auf der besonderen, in § 13 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich geregelten Haftungsverfassung der GmbH. Denn deren Gesellschafter können sich – gerade im Unterschied zum Recht der Personengesellschaften – grundsätzlich darauf verlassen, für die Verbindlichkeiten der GmbH von deren Gläubigern nicht persönlich in Anspruch genommen zu werden. Soweit die Rechtsprechung hiervon mit den höchstrichterlich entwickelten Rechtsinstituten des Durchgriffs, der Existenzvernichtungs- und (in Grenzen33) der Unterbilanzhaftung Ausnahmen zugelassen hat34, ging es jeweils um Fälle der Lückenfüllung angesichts gesetzlich nicht geregelter Gläubigerschutzprobleme. Für den Abfindungsanspruch lässt sich Entsprechendes nicht feststellen. Vielmehr war angesichts der Regelung des § 34 Abs. 3 GmbHG und seiner Verweisung auf § 30 GmbHG schon bei Gesetzeserlass absehbar, dass dessen Durchsetzung je nach der Vermögenslage der Gesellschaft und der Größe des einzuziehenden Anteils auf Probleme stoßen könnte. Gleichwohl sah der Gesetzgeber davon ab, insoweit eine Ausnahme von § 13 Abs. 2 GmbHG zu normieren oder zumindest eine Binnenhaftung der Mitgesellschafter nach Art der §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG vorzusehen. Eine solche ließe sich nach § 53 Abs. 3 GmbHG vielmehr nur als satzungsändernde Beitragsvermehrung unter Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter begründen. Aus diesem Grunde führt auch die These von der Haftungsbeschränkung auf die der Einziehung zustimmenden Gesellschafter35 nicht weiter. Denn einen

__________ 30 Roth/Altmeppen (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 22 ff., 28; Goette in FS Lutter, 2000, S. 410 f.; Lutter/Hommelhoff (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 25. 31 Goette in FS Lutter, 2000, S. 410 f. 32 Heute h. M., vgl. BGHZ 148, 201 (207); Ulmer in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2004, § 738 BGB Rz. 17. 33 Betr. die Einmann-GmbH und die vermögenslose GmbH, vgl. BGHZ 134, 333 (338 ff.); Ulmer (Fn. 7), § 11 GmbHG Rz. 83 f. m. w. N. 34 Dazu näher Raiser in Ulmer (Fn. 7), § 13 GmbHG Rz. 121 ff. und Ulmer (Fn. 7), § 11 GmbHG Rz. 73 ff. 35 So Lutter/Hommelhoff (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 25.

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allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass die Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung zur (Ausfall-)Haftung der Zustimmenden für die daraus resultierenden Verbindlichkeiten führt, gibt es nicht, und dies nicht einmal in den Fällen, in denen der Beschluss als solcher neben dem Geschäftsführerhandeln ausnahmsweise eine zusätzliche Voraussetzung für die Bindung der GmbH bildet36. Im Übrigen fehlt es bei der Beschlussfassung regelmäßig auch an der Kenntnis der Mitgesellschafter von der vermögensrechtlichen Tragweite des Einziehungsbeschlusses aus Gründen der Kapitalerhaltung. Denn in denjenigen Fällen, in denen das Eingreifen der aus §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG folgenden Schranken schon bei der Beschlussfassung feststeht oder mit Blick auf den Zahlungszeitpunkt absehbar ist, scheitert die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses wie schon erwähnt (unter II.1.a) an der Nichtigkeitsfolge analog § 241 Nr. 3 AktG. Ist die Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs aber weder bekannt noch erkennbar, so lässt sich deshalb auch die Zustimmung der Mitgesellschafter zur Anteilseinziehung nicht etwa als Einverständnis mit ihrer subsidiären Ausfallhaftung für den undurchsetzbaren Anspruch interpretieren. b) Einen scheinbar eleganten Ausweg aus diesem Dilemma hat Kesselmeier37 unter Verweis auf die (Binnen-)Haftung der Mitgesellschafter aus § 31 GmbHG gewiesen. Ihre These geht dahin, zwar könnten dem Zahlungsanspruch des von der Einziehung Betroffenen im Fall wirksam beschlossener Einziehung die Schranken des § 30 GmbHG infolge des Verlusts seiner Gesellschafterstellung nicht mehr entgegengesetzt werden, jedoch hätten die Mitgesellschafter für die als Zahlungsfolge entstehende Unterbilanz aufzukommen. Auch wenn man von dem Zirkelschluss absieht, auf dem diese Ansicht wegen des Rückschlusses von der Nichtgeltung des § 30 GmbHG gegenüber dem Betroffenen auf die sofortige Wirksamkeit der Einziehung beruht, bleibt als Einwand doch der Hinweis auf § 34 Abs. 3 GmbHG und die damit getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, dass der Abfindungsanspruch im Krisenfall hinter den Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber Drittgläubigern zurückzustehen hat. Dafür, dass diese Entscheidung und der damit intendierte Gläubigerschutz nur für eine bei der Beschlussfassung schon bestehende oder absehbare Krise gelten sollten, nicht aber für spätere Entwicklungen, sind Sachgründe nicht ersichtlich. An der Geltung der Kapitalerhaltungsschranke des § 30 Abs. 1 GmbHG gegenüber dem Anspruch auf das Einziehungsentgelt führt kein Weg vorbei. c) Nach allem sind die verschiedenen zur Lösung des Interessenkonflikts zwischen GmbH und Mitgesellschaftern einerseits, Einziehungsbetroffenem

__________ 36 Vgl. dazu näher Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 35 GmbHG Rz. 88 ff. 37 A. a. O. (Fn. 21), S. 197 ff. (211 f.).

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andererseits bestimmten Haftungsthesen abzulehnen38. Nach geltendem GmbH-Recht lässt sich weder eine primäre Binnenhaftung der Mitgesellschafter für die aus der Abfindungsleistung resultierende Unterbilanz noch gar deren Außenhaftung gegenüber dem Betroffenen beim Eingreifen von § 30 GmbHG begründen. Selbstverständlich sind die Mitgesellschafter nicht gehindert, der GmbH auf freiwilliger Grundlage oder im Wege einer Kapitalerhöhung über pari die nötigen Mittel für die Zahlung des Einziehungsentgelts zur Verfügung zu stellen. Können sie sich indessen hierzu nicht entschließen, so bleibt die Frage nach der Absicherung des Betroffenen gegen einen entschädigungslosen Verlust seiner Mitgliedschaft gestellt; Zahlungsansprüche gegen die Mitgesellschafter bestehen nicht und sind angesichts der klaren, in §§ 13 Abs. 2, 53 Abs. 3 GmbHG getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers auch nicht durch höchstrichterliche Rechtsfortbildung praeter legem begründbar. 2. Entschädigungsloser Vorrang des Gesellschaftsinteresses a) Der unerfreuliche, für die Mitgesellschafter schwer zumutbare Konflikt zwischen ihrem berechtigten Einziehungs-(Ausschluss-)Interesse und der fortdauernden, erhebliches Störpotential entfaltenden Mitgliedschaft des Betroffenen bis zur vollständigen, je nach Satzungsregelung auf längere Zeit verteilten Abfindungszahlung ist bekannt. Unter Hinweis hierauf mehren sich in neuerer Zeit die Stimmen, die sich für die unbedingte Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses alsbald mit seiner Bekanntgabe an den Betroffenen aussprechen39. Sie nehmen es bewusst in Kauf, dass die – teilweise oder auch ganze – Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs wegen der im Fälligkeitszeitpunkt nicht nur vorübergehend eingreifenden Kapitalerhaltungsschranke zur faktischen Entrechtung des Betroffenen führt. Das Kammergericht hat diese Rechtsfolge – wenn auch unter fallbedingter Einschränkung („jedenfalls“) auf Konstellationen, in denen die Zwangseinziehung auf einem gesellschaftsschädigenden Verhalten des Betroffenen beruht – in seinem Urteil vom Februar 2006 ausdrücklich anerkannt. Es hat sich dazu auf einen „allgemeinen Rechtsgrundsatz“ berufen, wonach jeder die tatsächlichen und rechtlichen Nachteile, die sich aus eigenem schuldhaft rechtswidrigen Verhalten ergeben, vorrangig selbst zu tragen hat;40 trotz der rechtlichen Problematik dieser Aussage (vgl. unter e) kann das Gericht sich wohl

__________

38 H. M., vgl. Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 42; Sosnitza in Michalski (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 75; Löwe/Thoß, NZG 2003, 1005 (1007); Peetz, GmbHR 2000, 749 (752); Pentz in FS Ulmer, 2003, S. 451 (469 ff.); wohl auch H. P. Westermann in Scholz (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 58. 39 So Fingerhut/Schröder, BB 1997, 1805 (1806 f.); Löwe/Thoß, NZG 2003, 1005 (1007); Lutz, DStR 1999, 1862 f.; Pentz in FS Ulmer, 2003, S. 451 (471 f.); zuvor schon Sachs, GmbHR 1974, 84 (88 f.) und GmbHR 1978, 169 (171); wohl auch G. H. Roth, ZGR 1999, 715 (719 f.). 40 KG, ZIP 2006, 1098 (1099).

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verbreiteter Zustimmung sicher sein. Und für verbleibende Skeptiker mag es hilfreich sein, darauf hinzuweisen, dass der BGH in neuerer Zeit keine Bedenken getragen hat, Satzungsklauseln auch dann für rechtskonform zu halten, wenn sie die Ausschlusswirkung bereits zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses bzw. dessen Bekanntmachung gegenüber dem Betroffenen eintreten lassen, und dies unabhängig davon, wie es mit der Zahlung des Einziehungsentgelts steht41. Vor diesem Hintergrund mag es naheliegend scheinen, auch beim Schweigen der Satzung den sofortigen Ausschluss für interessengerecht zu halten und sich für eine entsprechende Rechtsfortbildung auszusprechen. Für diese Ansicht lässt sich auch anführen, dass mit Klauseln über die Zwangseinziehung in erster Linie Interessen von Gesellschaft und Mitgesellschaftern an ungestörter Fortführung der Gesellschaft verfolgt werden, die sofortige Wirkung des Einziehungsbeschlusses m.a.W. dem Sinn und Zweck dieses Rechtsinstituts am besten entspricht. Auch ist einzuräumen, dass die Zustimmungs- oder Unterwerfungswirkung, die von einer auf sofortige Zwangseinziehung lautenden Satzungsklausel im Hinblick auf den Betroffenen ausgehen soll, angesichts des beim Anteilserwerb wenig naheliegenden Gedankens an eine Zwangseinziehung meist nur auf dem Papier steht. b) Wenn die „Entrechtungslösung“ aus gesellschaftsrechtlicher Sicht gleichwohl schwerwiegenden Bedenken ausgesetzt ist, so einerseits deshalb, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht nur zum Personengesellschafts-, sondern auch zum GmbH-Recht grob einseitigen Abfindungsregeln seit langem besonders kritisch gegenübersteht und sie – wenn auch mit unterschiedlicher Begründung – für unwirksam hält (vgl. unter c). Darin kommt der Grundgedanke zum Ausdruck, dass dem Gesellschafter selbst dann, wenn er durch sein Verhalten Anlass zum Ausscheiden unter Verlust der Mitgliedschaft gegeben hat, im Kern jedenfalls der Vermögenswert des Anteils verbleiben muss. Und andererseits findet sich weder im Personengesellschafts- noch im Aktienrecht ein der Zwangseinziehung des GmbHAnteils vergleichbares Rechtsinstitut, das es dem Betroffenen zumutet, den Verlust seiner Mitgliedschaft beim Vorliegen entsprechender Ausschlussgründe auch dann hinzunehmen, wenn er keine begründeten Aussichten auf Durchsetzung seines Abfindungsanspruchs bei dessen Fälligkeit hat (vgl. unter d). c) Dass die weitgehende Beschränkung oder gar der Ausschluss einer Abfindung bei Verlust der Mitgliedschaft einen Nichtigkeitsgrund für entsprechende Gesellschaftsvertragsklauseln bildet, ist im Personengesellschaftsrecht allgemein anerkannt42 und wird auch für das GmbH-Recht nicht an-

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41 BGH, ZIP 2003, 1544 (1546); so auch schon OLG Hamm, GmbHR 1993, 743 (747); a. A. noch KG, GmbHR 2005, 1612 f. Vgl. dazu jedoch unten V.1. 42 Vgl. die Zusammenstellung der Nichtigkeitsgründe bei Ulmer in MünchKomm. BGB (Fn. 32), § 738 BGB Rz. 44 ff.

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ders gesehen43. Dabei können spezifische Nichtigkeitsgründe wie unangemessene Kündigungsbeschränkung oder Gläubigerbenachteiligung vorliegend außer Betracht bleiben. Es genügt der Bezug auf die aus § 138 Abs. 1 BGB folgenden Schranken, nach denen jedenfalls der Abfindungsausschluss, aber auch die sehr weitgehende Abfindungsbeschränkung als sittenwidrig zu beurteilen sind, wenn nicht ganz besondere Umstände wie der insbesondere in Familiengesellschaften denkbare allseitige Abfindungsausschluss verstorbener Gesellschafter als eine Art Schenkung auf den Todesfall44, das Recht zur Mitnahme von Mandaten in einer Freiberufler-Sozietät45, der von der Gesellschaft verfolgte nichtwirtschaftliche (gemeinnützige oder ideelle) Zweck46 oder die Beendigung einer treuhänderisch gehaltenen Mitgliedschaft in Frage stehen. Der Fall der Zwangseinziehung verbunden mit der Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs wegen §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG ist mit derartigen, ausnahmsweise zugelassenen gesellschaftsvertraglichen Ausschlusstatbeständen offensichtlich nicht vergleichbar. Das folgt schon daraus, dass in derartigen Fällen die GmbH-Satzung das Entstehen des Anspruchs in aller Regel unberührt lässt, es vielmehr um dessen Undurchsetzbarkeit als Folge der Kapitalerhaltungsschranken des GmbH-Rechts geht. Aus der Sicht des von der Zwangseinziehung Betroffenen und mit Blick auf dessen schutzwerte Interessen fällt der Unterschied zum grundsätzlich rechtswidrigen Abfindungsausschluss indessen nicht entscheidend ins Gewicht. Für ihn stellt sich vielmehr die Frage, ob er es hinnehmen muss, seinen Geschäftsanteil zu verlieren, ohne eine adäquate Sicherung für die durch § 30 GmbHG gefährdete Durchsetzung seines Abfindungsanspruchs zu behalten, oder ob er darauf vertrauen kann, dass die Rechtsordnung ihn insoweit nicht schutzlos lässt. Die (noch) herrschende Bedingungslehre gewährt ihm diesen Schutz mittels der bis zur Abfindungszahlung fortbestehenden Mitgliedschaft, und ein entsprechendes Schutzniveau würde durch die verschiedenen – aus anderen Gründen abzulehnenden47 – Haftungslösungen erreicht. Auch den im Folgenden (unter 3.) zu erörternden, aus der ehemaligen Mitgliedschaft abgeleiteten Ansprüchen des Betroffenen auf Auflösung der GmbH bzw. auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft liegt dieser Schutzgedanke zugrunde, sodass sie sich mit dem sofortigen Wirksamwerden des Einziehungsbeschlusses kombinieren lassen, ohne den Betroffenen rechtlos zu stellen. Demgegenüber bleibt die „Entrechtungs-Lehre“ einen Ausgleich für den Betroffenen schuldig und lässt ihn in der Krise der GmbH schutzlos stehen.

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43 Näher Ulmer (Fn. 7), § 34 GmbHG Rz. 89 ff., 100 ff. 44 Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 32), § 738 BGB Rz. 61; Ulmer (Fn. 7), § 34 GmbHG Rz. 101. 45 Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 32), § 738 BGB Rz. 67. 46 Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 32), § 738 BGB Rz. 62; Ulmer (Fn. 7), § 34 GmbHG Rz. 103. 47 Vgl. oben unter III.1.

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Sieht man vom noch zu erörternden Sonderfall eines vom Betroffenen schuldhaft herbeigeführten Einziehungsgrundes ab (vgl. unter e), so ist dieser Lehre trotz ihrer zunehmenden Verbreitung daher nicht zu folgen. Die Rechtsordnung würde sich mit sich selbst in Widerspruch setzen, wenn sie Satzungsklauseln über den Ausschluss des Abfindungsanspruchs mangels ganz besonderer, zugunsten dieser Gestaltung sprechender Gründe als nichtig beurteilt, aber ex lege keine Bedenken trägt, die sofortige Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses zu bejahen, ohne den Betroffenen gegen die Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs in der Krise der GmbH abzusichern. Dass insoweit mangels Satzungsregelung eine Berufung auf § 138 Abs. 1 BGB ausscheidet, steht nicht entgegen. Entscheidend ist vielmehr die dieser Vorschrift zugrundeliegende Wertung: wenn sie der Satzungsautonomie Grenzen setzt, steht sie umso mehr einer Rechtsfortbildung entgegen, die das entsprechende Ergebnis ohne Satzungsregelung, allein aus dem objektiven Recht, ableiten will. d) Das vorstehend Gesagte bestätigt ein vergleichender Blick auf andere Gesellschaftsformen und die dort anzutreffenden Regelungen über den Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters und dessen Durchsetzung. Diese den Ausscheidenden absichernde Rechtslage ist besonders ausgeprägt im Personengesellschaftsrecht. Denn zum einen gibt es dort bekanntlich keine der Kapitalerhaltung im GmbH- und Aktienrecht entsprechenden Schranken für den Ausgeschiedenen, zur Erfüllung seines Abfindungsanspruchs Leistung von der Gesellschaft zu verlangen und ggf. in das Gesellschaftsvermögen zu vollstrecken. Der Ausgeschiedene steht vielmehr den anderen Gesellschaftsgläubigern im Range gleich, wenn er auch seinerseits mit einer befristeten Nachhaftung nach Maßgabe der §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB rechnen muss. Und zum anderen ist höchstrichterlich anerkannt, dass mit Blick auf die Haftung der Mitgesellschafter die Schranken für die Geltendmachung von Sozialverbindlichkeiten48 für den Abfindungsanspruch nicht gelten49. Vielmehr können alle verbleibenden Gesellschafter (in der KG alle Komplementäre) gesamtschuldnerisch vom Ausgeschiedenen auf Erfüllung in Anspruch genommen werden. Im Aktienrecht sind die Zugriffsmöglichkeiten ausgeschiedener Gesellschafter zwar deshalb begrenzter als im Personengesellschaftsrecht, weil hier ähnlich wie im GmbH-Recht, nach Maßgabe des § 57 AktG sogar noch rigoroser, der Kapitalerhaltungsgrundsatz zu beachten ist. Indessen setzt die in §§ 237 bis 239 AktG geregelte, eine dahingehende Satzungsermächtigung erfordernde Zwangseinziehung von Aktien (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AktG), sofern

__________ 48 Statt aller Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 32), § 714 BGB Rz. 39. 49 Vgl. Ulmer in MünchKomm.BGB (Fn. 32), § 738 BGB Rz. 17 m. N.

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es hierzu – in seltenen Fällen50 – einmal kommen sollte, nach § 237 Abs. 2 AktG grundsätzlich eine damit verbundene ordentliche Kapitalherabsetzung mit entsprechenden Rückzahlungsmöglichkeiten an die betroffenen Aktionäre in den Grenzen des § 225 Abs. 2 AktG voraus, sofern die Einziehung nicht als vereinfachte (§ 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG) zu Lasten des Bilanzgewinns oder von frei verwendbaren Gewinnrücklagen erfolgen kann. Aus dieser Sicht bestehen dann aber auch keine Bedenken gegen die – im GmbH-Recht wohl nicht zufällig fehlende – Vorschrift des § 238 Satz 2 und 3 AktG, wonach mit der Entscheidung des Vorstands eine in der Satzung angeordnete Zwangseinziehung (und ggf. die entsprechende Kapitalherabsetzung) sowie mit seiner dahingehenden Einziehungshandlung51 die Einziehung vollzogen ist, d. h. die betroffenen Aktien vernichtet sind. Im Fall der satzungsrechtlichen Ermächtigung zur Zwangseinziehung bedarf es zusätzlich der Eintragung des über die Einziehung entscheidenden HV-Beschlusses (§ 238 Satz 1 AktG). Die Frage nach einem aufgeschobenen Wirksamkeitszeitpunkt der Zwangseinziehung stellt sich daher im Aktienrecht schon wegen der abweichenden Gesetzeslage nicht; die Gefahr faktischer Rechtlosstellung der betroffenen Aktionäre ist nicht gegeben. Hinzuweisen ist der Vollständigkeit halber schließlich auf die Sicherung der Abfindungsrechte der von einem Squeeze Out betroffenen Aktionäre. Sie folgt aus der nicht die AG, sondern den Hauptaktionär nach § 327a Abs. 1 AktG treffenden Abfindungspflicht in Verbindung mit der von diesem nach § 327b Abs. 3 vorzulegenden Bankgarantie. Damit sind Risiken für die Durchsetzung der Abfindungsansprüche ausgeschlossener Aktionäre weitestgehend ausgeschlossen. Das in § 327e Abs. 3 AktG angeordnete Wirksamwerden des Squeeze Out mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses begegnet keinen Bedenken. Der Rechtsvergleich zeigt, dass sowohl im Personengesellschaftsrecht als auch im Aktienrecht hinreichende Vorsorge für die Erfüllung der Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter getroffen ist und dass sich die Frage nach der Absicherung der Abfindungsgläubiger deshalb nicht stellt. Zugleich machen die Regelungsunterschiede deutlich, dass es im GmbHRecht besonderer, im Krisenfall eingreifender Vorkehrungen für diese Sicherung bedarf. Da die „Entrechtungs-Lehre“ hierauf verzichtet und im Interesse von GmbH und Mitgesellschaftern die Betroffenen im Krisenfall im Regen stehen lassen will, ist ihr auch aus diesem Grunde nicht zu folgen.

__________ 50 Neuere Rechtsprechung zur aktienrechtlichen Zwangseinziehung ist nicht ersichtlich. Die Vorschriften führen offenbar insoweit ein Schattendasein (vgl. auch Oechsler in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2001, § 237 AktG Rz. 52 zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die AG-Satzung überhaupt eine Zwangseinziehung gestatten kann). 51 Zu ihr vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 238 AktG Rz. 7 f.

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e) Zu fragen bleibt, ob eine Ausnahme vom grundsätzlichen, mit der Entrechtungslehre unvereinbaren Sicherungsbedürfnis des Betroffenen entsprechend dem neuen KG-Urteil52 jedenfalls für diejenigen Fälle in Betracht kommt, in denen es um die Einziehung aus wichtigem Grund wegen zumindest grob fahrlässiger Verletzung wichtiger Gesellschaftsinteressen und schwerwiegender Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesellschaftern als Einziehungsgrund geht. Bekanntlich wird in der Diskussion über zwingende Inhaltsschranken für weitgehende Abfindungsbeschränkungen oder für den Abfindungsausschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass solche Satzungsregelungen unter dem Gesichtspunkt einer vertragsstrafenähnlichen Verfallklausel53 in Fällen eines Gesellschafterausschlusses aus wichtigem, vom Betroffenen zu vertretenden Grund ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnten54. Es fragt sich, ob das KG mit seinem Urteil vom Februar 2006 hieran hätte anknüpfen können. Die Frage ist aus einem doppelten Grund zu verneinen. Denn einerseits fehlte es in dem vom KG zu entscheidenden Fall an einer Satzungsklausel über das sofortige Wirksamwerden des Einziehungsbeschlusses zu Lasten des Betroffenen, die als möglicher Anknüpfungspunkt für eine Verfallklausel hätte dienen können. Und andererseits lässt sich die Interessenabwägung unter Vorrang des Gesellschaftsinteresses, die das KG seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, nicht auf Aspekte der Vertragsverletzung durch den anderen Teil stützen. Deren Sanktion besteht vielmehr nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht in Schadensersatzforderungen der von der Vertragsverletzung betroffenen Partei, wenn und soweit nicht vertraglich besondere, dem Schadensausgleich dienende Rechtsfolgen vereinbart sind. Der vom KG postulierte und seiner Interessenabwägung zugrundegelegte Rechtsgrundsatz, wonach jeder die tatsächlichen und rechtlichen Nachteile seines schuldhaft rechtswidrigen Verhaltens vorrangig (?) selbst zu tragen hat, lässt sich rechtsdogmatisch in dieser Allgemeinheit nicht begründen. Er eignet sich schon gar nicht als tragender Grund für ein Gestaltungsrecht nach Art des Einziehungsbeschlusses. Aber auch die vom KG ergänzend angeführten praktischen Gründe, die für seine Entscheidung und gegen die Absicherung des von der Zwangseinzie-

__________ 52 KG, ZIP 2006, 1098 (1099 rechts unten). 53 Vgl. dazu Gottwald in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2003, Vor § 337 BGB Rz. 32. 54 So im Ansatz zutr. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 403 ff.; Flume, Allg. Teil I/1, Die Personengesellschaft, 1977, S. 180; Sosnitza in Michalski (Fn. 16), § 34 GmbHG Rz. 63; a. A. Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), § 34 GmbHG Rz. 34. Bezogen auf Abfindungsbeschränkungen beim Ausschluss aus wichtigem Grund ist die Frage umstritten: für Behandlung als Vertragsstrafe BGH, WM 1983, 1207 (1208); dagegen BGH, NJW 1977, 2316; H. Winter/Seibt in Scholz (Fn. 6), Anh. § 34 GmbHG Rz. 52; Geßler, GmbHR 1984, 35; Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 159 f.; Kesselmeier (Fn. 21), S. 135.

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hung Betroffenen sprechen sollen, vermögen trotz des eindrucksvollen Hinweises des Gerichts auf das aus der fortbestehenden Mitgliedschaft folgende Störpotential nicht zu überzeugen. Denn sollte es auf dieses Störpotential und dessen Verhinderung wirklich entscheidend ankommen, müsste der Verlust der Mitgliedschaft entsprechend den Thesen der Entrechtungslehre schon an den Einziehungsbeschluss als solchen bzw. an dessen Bekanntgabe geknüpft werden. Das klingt zwar in dem vom KG-Senat formulierten, zirkulär anmutenden Leitsatz an, wonach der rechtmäßig (?) durch Einziehungsbeschluss ausgeschiedene (?) Gesellschafter keine Mitgliedschaftsrechte mehr hat, auch wenn er das Abfindungsguthaben noch nicht erhalten hat. Demgegenüber enthalten jedoch die Urteilsgründe in Bezug auf den Ausscheidenszeitpunkt einen unverkennbaren Widerspruch, wenn sie diesen zunächst auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses (im Jahr 1997) datieren55, an anderer Stelle56 dann aber zusätzlich darauf abstellen, dass der Beschluss (fünf Jahre später) durch rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist. Geht man insoweit davon aus, dass es sich bei der vom KG sog. „Nichtigkeitsfeststellungsklage“ um eine auf Beschlussanfechtung i. S. v. §§ 243, 248 AktG gerichtete, das Vorliegen der Beschlussvoraussetzungen bestreitende Gestaltungsklage des Betroffenen handelte, war der vom Versammlungsleiter festgestellte Beschluss bis zur Rechtskraft des Urteils grundsätzlich wirksam57. Warum gleichwohl die Beschlusswirkungen – aus „praktischen“ Gründen (?) – erst mit Rechtskraft des klageabweisenden Urteils eintreten und das Störpotential bis dahin fortdauern lassen sollen, bleibt das Geheimnis des Gerichts. f) Zusammenfassend erweist sich auch die „Entrechtungs-Lehre“ mit ihrem sofortigen, unabhängig von der Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs eintretenden Wirksamwerden des vollständigen Verlusts der Mitgliedschaft aus Rechtsgründen als inakzeptabel. Sie ist unvereinbar mit der im Gesellschaftsrecht allgemein anerkannten Gewährleistung eines angemessenen Abfindungsanspruchs für ausscheidende Gesellschafter und dessen Durchsetzbarkeit, und sie führt zu einer unvertretbar einseitigen, die Interessen des Betroffenen unberücksichtigt lassenden Interessenabwägung. Auch in ihrer Reduktion auf Fälle einer Zwangseinziehung aus vom Betroffenen zumindest grob fahrlässig herbeigeführtem wichtigen Grund kann ihr ohne darauf gerichtete Satzungsregelung nicht gefolgt werden. Die Frage nach angemessener Absicherung des Betroffenen für den Fall der Undurchsetzbarkeit des gegen die GmbH gerichteten Abfindungsanspruchs bleibt somit gestellt.

__________ 55 KG, ZIP 2006, 1099 (unter II.2, 2. Abs.). 56 KG, ZIP 2006, 1099 (unter II.2, 4. und 7. Abs.). 57 Vgl. nur Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 6), Anh. § 47 GmbHG Rz. 118 ff., 177.

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3. Wiederaufleben von Mitgliedschaftsrechten Unter diesem Aspekt lassen sich – abgesehen von der noch zu erörternden These des Verfassers vom auflösend bedingten Wegfall der Mitgliedschaft (vgl. unter IV.) – zwei Lösungsansätze zusammenfassen: das Recht des Betroffenen auf Auflösung der GmbH zur Überwindung der Kapitalerhaltungsschranke (vgl. unter a) und dasjenige auf Wiedereinräumung der Mitgliedschaft zur Korrektur ihrer entschädigungslosen Entziehung (vgl. unter b). Auch wenn es sich in beiden Fällen nicht um „klassische“ Mitgliedschaftsrechte handelt, ist ihre jeweilige Ableitung aus dem abfindungslosen Entzug der Mitgliedschaft doch unverkennbar. Sie lassen sich daher zwanglos zur Gruppe wiederauflebender, wenn auch außerordentlicher Mitgliedschaftsrechte zusammenfassen. a) Die These vom Auflösungsrecht des von der Zwangseinziehung Betroffenen, dessen Abfindungsanspruch sich wegen §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG im Fälligkeitszeitpunkt als undurchsetzbar erweist58, lässt sich nicht schon auf das Auflösungsklagerecht des § 61 GmbHG stützen59. Denn dieses rechtsfortbildend einzuführende Recht soll nach Ansicht seiner Befürworter weder vom Vorliegen eines wichtigen Grundes in den Verhältnissen der Gesellschaft (§ 61 Abs. 1) noch von einem Mindestquorum von 10 % Beteiligung (§ 61 Abs. 2) abhängen. Auch ist der Betroffene als Auflösungskläger nach Ansicht der Vertreter dieser These bereits mit dem Einziehungsbeschluss aus der Gesellschaft ausgeschieden; von den gesetzlichen Mitgliedsrechten kann er auch deshalb keinen Gebrauch mehr machen. Indessen nötigt dieser Negativbefund nicht etwa dazu, das Auflösungsrecht nicht als Mitgliedschaftsrecht, sondern als außerordentliches Gläubigerrecht in Analogie zu § 135 HGB anzusehen60. Gegen diese Qualifikation sprechen nicht weniger als drei Gründe: (1) die mit § 135 HGB nicht vergleichbare Ausgangslage, da der Betroffene einen Anspruch gegen die Gesellschaft durchsetzen will, nicht aber als Privatgläubiger einen gegen einen anderen Gesellschafter persönlich gerichteten Anspruch verfolgt, (2) die für den Analogieschluss fehlende Regelungslücke, weil der Privatgläubiger eines GmbHGesellschafters nicht auf die Auflösung der GmbH angewiesen ist, sondern sich an dessen Geschäftsanteil halten kann61, und (3) der Umstand, dass das außerordentliche Auflösungsrecht nicht etwa jedem GmbH-Gläubiger, sondern nur dem an § 30 GmbHG gebundenen ehemaligen Gesellschafter zustehen soll. Und in der Tat ist es gerade dieser dritte Umstand, der die Her-

__________ 58 So Grunewald (Fn. 54), S. 241 f., 243; dies., GmbHR 1991, 185 (186 f.); Niemeier (Fn. 8), S. 329 ff.; tendenziell auch Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 6), Anh. § 34 GmbHG Rz. 14; Goette in FS Lutter, 2000, S. 409. 59 So aber anscheinend Goette in FS Lutter, 2000, S. 409. 60 So aber Niemeier (Fn. 8) und Grunewald (Fn. 54), S. 241 f., 243. 61 Vgl. nur Winter/Löbbe in Ulmer (Fn. 7), § 15 GmbHG Rz. 290 ff.; Heuer, ZIP 1998, 405 ff.

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kunft des Auflösungsrechts aus der Mitgliedschaft besonders klar erkennen lässt. Insoweit kann zunächst (vgl. aber unter IV.) offenbleiben, ob es sich um ein latent fortbestehendes, ein wiederauflebendes oder ein „nachvertragliches“ Mitgliedschaftsrecht handelt. Denn in jedem dieser Fälle geht es um ein Klagerecht, das dem Betroffenen nicht als GmbH-Gläubiger (mit dessen grundsätzlichen Vollstreckungsmöglichkeiten in das GmbH-Vermögen), sondern als (ehemaliger) Gesellschafter wegen der nur im Zuge der GmbH-Liquidation zu überwindenden Schranke des § 30 GmbHG zur Verfügung stehen soll. Seine mitgliedschaftliche Herkunft sollte nach allem außer Zweifel stehen. Was schließlich den gegen die Auflösungsthese gerichteten Einwand angeht, sie sei unverhältnismäßig und trage den mit der Zwangseinziehung verfolgten berechtigten Interessen von Gesellschaft und Mitgesellschaftern nicht hinreichend Rechnung62, so vermag er zumindest dann nicht zu überzeugen, wenn man es aus den vorstehend (unter 2.) genannten Gründen für mit unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten unvereinbar hält, den Einziehungsbetroffenen in der Krise der GmbH entschädigungslos auszuschließen. Zudem trifft die in der GmbH-Krise drohende Auflösungssanktion die übrigen Gesellschafter keineswegs schutzlos und unabwendbar. Vielmehr steht es ihnen frei, entweder der GmbH die für die Abfindungszahlung erforderlichen, deren gebundenes Vermögen übersteigenden Mittel von sich aus zur Verfügung zu stellen oder die entsprechenden Leistungen nach § 267 Abs. 1 BGB unmittelbar an den Abfindungsgläubiger zu erbringen. Da es sich jeweils um freiwillige, zur Abwendung der Auflösungssanktion bestimmte Leistungen handelt, stehen ihnen auch nicht etwa die vorstehend (unter 1.) gegen eine Gesellschafterhaftung für den Abfindungsanspruch angeführten Gründe entgegen. b) Auch für den kumulativ mit dem Auflösungsrecht befürworteten Anspruch des Betroffenen auf Wiedereinräumung der Mitgliedschaft63 dürfte die mitgliedschaftliche Rechtsnatur außer Zweifel stehen. Denn insoweit geht es aus Sicht der Vertreter dieser Ansicht um die gebotene Korrektur des Einziehungsaktes wegen der für den Betroffenen nicht hinnehmbaren Rechtsfolge eines krisenbedingt entschädigungslosen Ausschlusses aus der GmbH. Der Einziehungsbeschluss erweist sich nicht etwa als ex post fehlerhaft mit der Folge rückwirkenden Wegfalls64, sondern er verliert allenfalls seine von den Beteiligten als selbstverständlich beurteilte Geschäftsgrundlage. Die zutreffende Korrektur gründet sich daher nicht auf einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, sondern auf die insoweit fortwirkende Mitglied-

__________ 62 So Pentz in FS Ulmer, 2003, S. 469. 63 So Grunewald (Fn. 54), S. 243. 64 Der Nichtigkeitsgrund analog § 241 Nr. 3 AktG greift nur bei bereits im Beschlusszeitpunkt bestehender oder absehbarer Durchsetzungssperre ein, vgl. oben unter II.1.a) mit Nachw. in Fn. 7.

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schaft. Dementsprechend bildet diese auch die Rechtsgrundlage für den obligatorischen Wiederaufnahmeanspruch, wenn man nicht bereit ist, mit der Lehre von der auflösenden Bedingung nicht fristgerechter, an § 30 GmbHG scheiternder Abfindungsleistung das automatische Wiederaufleben der Gesellschafterrechte zu bejahen. Welche dieser beiden, sich nicht im Ergebnis, sondern nur im einzuschlagenden Rechtsweg unterscheidenden Lösungen den Vorzug verdient, lässt sich erst nach Auseinandersetzung mit den gegen die auflösende Bedingungslehre gerichteten Einwendungen sagen (vgl. unter IV.). Schon jetzt sei freilich festgehalten, dass dem Einziehungsbetroffenen schwerlich ein weiterer (ggf. dritter) Prozess gegen die GmbH auf Wiederaufnahme zugemutet werden kann, wenn er sich vergeblich gegen die Rechtmäßigkeit des Einziehungsbeschlusses gewendet und zudem bei Geltendmachung der Abfindung den Kürzeren gezogen hat. Vielmehr erscheint es unter diesen Voraussetzungen als angemessener, der GmbH die Klagelast aufzubürden, wenn sie sich zwar zur Abfindungsleistung außer Stande sieht und insoweit auch keine Unterstützung durch die übrigen Gesellschafter erfährt, aber gleichwohl nicht den Wiedereintritt des Betroffenen in die Gesellschaft hinnehmen will. 4. Zwischenbilanz Von den zur Überwindung der (noch) herrschenden Bedingungslehre bestimmten Alternativkonzepten zur Lösung des Interessenkonfliktes zwischen GmbH/Mitgesellschaftern einerseits, Betroffenem andererseits im Hinblick auf das Wirksamwerden des Einziehungsbeschlusses haben sich sowohl die Haftungs- als auch die Entrechtungslösung als ungeeignet erwiesen. Sie sind unvereinbar mit tragenden Grundlagen des GmbH-Rechts, indem sie entweder (so die Haftungslösungen) die Mitgesellschafter einer gesetzlich nicht vorgesehenen, subsidiären Ausfallhaftung für den Abfindungsanspruch unterwerfen und dadurch gegen §§ 13 Abs. 2, 53 Abs. 3 GmbHG verstoßen oder aber den Einziehungsbetroffenen in der Krise der GmbH entgegen dem zwingenden Mindestrecht auf angemessene Abfindung mit leeren Händen stehen lassen. Ihnen ist daher nicht zu folgen. Anderes gilt für die Lösungsansätze, die dem Betroffenen ein außerordentliches Auflösungsklagerecht und/oder einen obligatorischen Anspruch auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft zusprechen, wenn die fristgemäße Durchsetzung des Abfindungsanspruchs an der Kapitalerhaltungsschranke des GmbH-Rechts scheitert. In beiden Alternativen geht es der Sache nach um das Wiederauflebenlassen von Mitgliedschaftsrechten des Betroffenen, um ihn trotz sofortigen, schon vor Abfindungsleistung eintretenden Verlusts seines Geschäftsanteils nicht im Regen stehen zu lassen, wenn bei der GmbH erst nach der Beschlussfassung über die Einziehung eine nicht vorhergesehene Krise eintritt und diese sie aus Gründen der Kapitalerhaltung hindert, den fälligen Abfindungsanspruch zu erfüllen. 792

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Zu fragen bleibt im Folgenden, wie sich diese Lösungsansätze zur Lehre von der Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs als auflösende (Rechts-)Bedingung der Einziehung verhalten und ob die gegen die auflösende Bedingung gerichteten Einwendungen sich wirklich als durchschlagend erweisen.

IV. Die Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs als auflösende Bedingung des Einziehungsbeschlusses 1. Die These Um der verbreiteten Kritik an den interessewidrigen Rechtsfolgen der herrschenden (aufschiebenden) Bedingungslehre Rechnung zu tragen und für Wegfall des Störpotentials des Betroffenen alsbald nach Fassung des Einziehungsbeschlusses zu sorgen, wurde vor fünfzehn Jahren die These entwickelt und in die Kommentierung des § 34 GmbHG übernommen65, die Bedingungslehre sei in der Weise zu modifizieren, dass die aufschiebende durch eine auflösende, in der kapitalerhaltungsbedingten Undurchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs bei Fälligkeit zu sehende Bedingung ersetzt wird mit der Folge des automatischen Wiedereintritts des Betroffenen in die Gesellschaft bei Bedingungseintritt, während für die Zwischenzeit die Einziehungswirkung zum Zug kommt. Die Fortentwicklung der Bedingungslehre sollte m.a.W. den Vorteil für GmbH und Mitgesellschafter bewirken, dass die Mitgliedschaftsrechte des Betroffenen – und damit sein Störpotential – alsbald entfallen. Sie sollte ihm jedoch als eine Art „Faustpfand“ die Anwartschaft auf die Wiedererlangung der Mitgliedschaft belassen, wenn die Abfindungsforderung sich im Fälligkeitszeitpunkt als wegen § 30 Abs. 1 GmbHG undurchsetzbar erweisen sollte. Die These ging davon aus, dass diese Rechtsfolge nur ex nunc, mit Eintritt der auflösenden Bedingung, eingreifen konnte66, wie auch umgekehrt der Eintritt der aufschiebenden Bedingung nicht zur rückwirkenden Vernichtung des Geschäftsanteils des Betroffenen führt und dessen zwischenzeitlich ausgeübte Gesellschafterrechte in ihren Wirkungen unberührt lässt, soweit die GmbH-Satzung nicht Abweichendes vorsieht67. Die Lehre von der auflösenden Bedingung schien aus Sicht des Verfassers den sachgerechten Interessen beider Seiten angemessen Rechnung zu tragen; sie sollte einen allseits akzeptablen Kompromiss zwischen der herrschenden Bedingungslehre und den zu ihrer Überwindung konzipierten Alternativlösungen eröffnen.

__________ 65 Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 735 (745 ff.), und Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 34 GmbHG Rz. 61. 66 So ausdrücklich Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 749 und daselbst Fn. 47 unter Hinweis auf die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft. 67 Letzteres gilt etwa für auf den Stichtag des Einziehungsbeschlusses oder das nachfolgende Geschäftsjahrsende bezogene Abfindungsklauseln; ihnen ist auch bei später eintretender aufschiebender Bedingung Rechnung zu tragen.

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2. Die Kritik – ein dreifaches Missverständnis Die Hoffnung des Verf. auf Überwindung des Theorienstreits mit Hilfe der modifizierten (auflösenden) Bedingungslehre hat sich bisher nicht erfüllt. Ursächlich dafür war die kurze Zeit später von H. P. Westermann geübte Grundsatzkritik an der vorgeschlagenen Rechtsfortbildung und deren – vermutlich ungeprüfte – Übernahme durch zahlreiche andere Autoren68. Die Kritik bezog sich in ihrem Kern auf die mit der auflösenden Bedingung aus Sicht des Kritikers anscheinend unvermeidliche Rückwirkung69 und die daraus folgende, für die Beteiligten unzumutbare Rechtsunsicherheit. Denn der Eintritt der Bedingung müsse zur Nichtigkeit aller zwischenzeitlich ohne den Betroffenen gefassten, seine Rechtsstellung berührenden Gesellschafterbeschlüsse führen, um das Wiederaufleben der früheren Mitgliedschaft zu ermöglichen. Diese Rechtsfolge sei den Beteiligten jedoch nicht zumutbar. Die Begründung macht deutlich, dass der kritische, auf die drohende Rechtsunsicherheit gestützte Einwand näherer Betrachtung nicht standhält. Denn er geht zu Unrecht davon aus, der Eintritt der auflösenden Bedingung führe rückwirkend zum Wiederaufleben der Mitgliedschaft mit allen einer derartigen ex-tunc-Wirkung anhaftenden Problemen. Diese Annahme trifft indessen nicht zu, sondern beruht auf einem offensichtlichen Missverständnis70, und zwar aus drei Gründen. Der erste dieser Gründe besteht darin, dass auch von der herrschenden, auf die aufschiebende Bedingung abstellenden Meinung nicht etwa eine Rückwirkung des Bedingungseintritts vertreten wird. Die zwischenzeitlich vom Betroffenen oder unter seiner Mitwirkung ausgeübten Mitgliedschaftsakte sollen vielmehr wirksam bleiben und allenfalls mit Wirkung ex nunc aufgehoben oder modifiziert werden. Gründe dafür, bei Annahme einer auflösenden Bedingung anders zu verfahren, sind nicht ersichtlich. Zum Zweiten haben die Kritiker außer Acht gelassen, dass eine etwa angestrebte Rückwirkung sich mit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft (LfG) in Widerspruch setzen würde. Diese schließt bekanntlich die rückwirkende Korrektur fehlerhafter, aber vor Aufdeckung des Fehlers vollzogener gesellschaftsrechtlicher Organisationsakte aus. Sie findet nach zutr. Ansicht auch auf fehlerhafte Gestaltungsakte Anwendung, die den Mitgliederwechsel betreffen71. Und schließlich zeigt auch die – von den Kritikern nicht bedachte – Parallele zur Anfechtung fehlerhafter, auf Änderungen des Mitgliederkreises gerichteter Organisationsakte, dass die Nichtigerklärung des trotz Anfechtung zunächst wirksam gewordenen Aktes als

__________ 68 69 70 71

Vgl. Nachw. in Fn. 27 und 28. Dagegen aber schon Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 749; vgl. auch den folgenden Text. Vgl. den Nachweis in Fn. 66. Dazu statt aller C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, S. 385 f. betr. das fehlerhafte Ausscheiden eines Mitglieds. Zur Anwendung auf die fehlerhafte Anteilseinziehung vgl. Grunewald (Fn. 54), S. 266, Niemeier (Fn. 8), S. 346 ff.

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Ziel der Anfechtungsklage nicht etwa am Einwand damit angeblich verbundener Rechtsunsicherheit scheitert, sondern in Übereinstimmung mit der LfG zu ex nunc wirkenden Anpassungsmaßnahmen führt. 3. Folgerungen Nach allem erscheint es nach wie vor geboten, die herrschende Bedingungslehre in dem Sinne fortzuentwickeln, dass an die Stelle der Erfüllung des Abfindungsanspruchs als aufschiebender Bedingung dessen kapitalerhaltungsbedingt nachträgliche Undurchsetzbarkeit als auflösende Bedingung des Einziehungsbeschlusses tritt. Damit wird dem berechtigten Interesse sowohl der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter als auch des Einziehungsbetroffenen angemessen Rechnung getragen, ohne dass man zur Lösung des Interessenkonflikts auf die hierfür ungeeigneten Haftungs- oder Entrechtungsmodelle zurückgreifen muss. Mit den mitgliedschaftsbezogenen Lösungsvorschlägen des außerordentlichen Auflösungsrechts oder des Wiederaufnahmeanspruchs des Einziehungsbetroffenen steht die modifizierte Bedingungslehre ersichtlich in engem Zusammenhang. Sie unterscheidet sich von ihnen jedoch dadurch, dass sie sich nicht punktuell auf einen bestimmten Rechtsbehelf (die Auflösungsklage) beschränkt oder eine Leistungsklage des Betroffenen auf Wiederaufnahme erfordert, sondern dass sie die Mitgliedschaft automatisch wieder aufleben lässt. Auch im Einzelnen lassen sich die Rechtsfolgen der modifizierten Bedingungslösung ohne gravierende Rechtsunsicherheitsrisiken gestalten. Das gilt insbes. für den Zeitpunkt des Wiedereintritts des Betroffenen in den Gesellschafterverband: hierfür ist maßgebend, ob die Gesellschaft den Abfindungsanspruch im Fälligkeitszeitpunkt wegen des Eingreifens der Kapitalerhaltungsschranken nicht bezahlen kann72. Eine Zahlung unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG mit der Haftungsfolge des § 31 Abs. 1 GmbHG lässt den Bedingungseintritt dagegen unberührt. Wollen die Mitgesellschafter den Wiedereintritt des Betroffenen verhindern, müssen sie rechtzeitig vorher die nötigen Mittel für dessen Abfindungsanspruch zur Verfügung stellen73. Zwischenzeitlich beschlossene, die Mitgliedschaftsrechte betreffende Satzungsänderungen führen wegen der ex-nunc-Wirkung des Wiedereintritts dazu, dass sie den wiedererstandenen Geschäftsanteil entsprechend umgestalten; ebenso treffen ihn auch neue Mitgliedschaftspflichten. Jedoch hat der Betroffene nach den zur LfG entwickelten Grundsätzen einen Anspruch gegen die Mitgesellschafter auf Wiedereinräumung seiner früheren Rechtsstellung, wenn er die Änderungen mit seiner Gegenstimme hätte verhindern können und soweit dem nicht der Einwand rechtlicher oder faktischer Un-

__________ 72 Vgl. näher Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 750 f. 73 So aus Sicht des Wiederaufnahmeanspruchs auch Grunewald (Fn. 54), S. 243.

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möglichkeit entgegensteht; ggf. tritt an die Stelle des Erfüllungs- ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen. In vermögensrechtlicher Hinsicht kann der Betroffene grundsätzlich verlangen, so gestellt zu werden, als wäre die Einziehung nicht wirksam geworden. Dementsprechend hat er – in den Grenzen des § 30 Abs. 1 GmbHG – Anspruch auf einen Ausgleich für die zwischenzeitlich an die Mitgesellschafter ausgeschütteten Gewinne. Seinerseits ist er verpflichtet, etwaige bereits bezogene Abfindungsraten zurückzuzahlen oder mit seinen Gewinnansprüchen verrechnen zu lassen. Allen denkbaren, mit dem Wiederaufleben des Geschäftsanteils verbundenen Konstellationen und ihrer Lösung nachzugehen, ist hier nicht der Ort74. Es erscheint auch trotz des gebotenen Rückgriffs auf die LfG-Grundsätze nicht ausgeschlossen, dass eine gewisse Rechtsunsicherheit verbleibt und dass nicht alle Probleme überzeugend gelöst werden können. Diese Rechtsunsicherheit ist jedoch nicht größer als in vielen anderen Rechtsgebieten, in denen die Rechtsprechung Neuland betreten muss. Sie ist daher auch keinesfalls geeignet, als Grund für die Ablehnung der modifizierten Bedingungslösung zu dienen. Deren schwerlich bestreitbare Vorteile zeigen sich nicht zuletzt in Fällen wie der vom KG zu beurteilenden Konstellation mit ihrer Vielzahl von für die Beteiligten und die Gerichte unzumutbaren, aus der herrschenden Bedingungslösung folgenden Konflikten. Daher hält Verf. trotz des verbreiteten Widerspruchs an der Hoffnung fest, dass es jedenfalls im zweiten Anlauf gelingen möge, den gordischen Knoten des Konflikts um die Einziehungswirkungen im Sinne der auflösenden Bedingungslehre zu durchhauen.

V. Satzungsrechtliche Konfliktvermeidungsstrategien 1. Überblick Bei dem in § 34 GmbHG geregelten Rechtsinstitut der (Zwangs-)Einziehung handelt es sich um ein besonderes Gestaltungsangebot des Gesetzgebers an die GmbH-Gesellschafter und ihre Rechtsberater. Es steht nicht nur seinerseits zur Disposition des jeweiligen Satzungsgebers für seine nähere Ausgestaltung, sondern kann im Rahmen der allgemeinen Satzungsautonomie (§ 45 Abs. 1 GmbHG) auch durch sonstige, dem gleichen Ziel mit anderen Mitteln dienende Gestaltungen ersetzt werden. Interesse verdienen insoweit einerseits Klauseln, die sich auf das sofortige Wirksamwerden der Einziehung und die Sicherung des Einziehungsbetroffenen beziehen, sowie andererseits Rechtsbehelfe, die auch ohne Einziehung für ein Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters auf Betreiben der Mehrheit sorgen sollen.

__________ 74 Vgl. dazu schon Ulmer in FS Rittner, 1991, S. 748 ff.

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2. Bestimmung des Einziehungszeitpunkts Mit Regelungen der ersten, der Vorverlegung der Einziehungswirkungen abweichend von der herrschenden Bedingungslösung dienenden Kategorie hat sich wiederholt der BGH befasst75. Wie schon erwähnt76, hat er keine Bedenken getragen, solchen Klauseln Wirksamkeit zu attestieren, auch wenn sie auf sofortiges, bedingungsloses Ausscheiden des Einziehungsbetroffenen gerichtet sind und keine Vorsorge für dessen Sicherungsinteresse treffen. Im Licht der vorstehenden Untersuchung (vgl. unter III.2.b bis d) stößt diese Rechtsprechung auf Bedenken, weil sie mit Blick auf die Risiken bei Geltendmachung des Abfindungsanspruchs gegen die GmbH zur Rechtlosstellung des Einziehungsbetroffenen führen kann. Aus den genannten Gründen lässt sie sich daher nur aufrecht erhalten, wenn die Gerichte sich in einer Art geltungserhaltender Reduktion entschließen, dem Betroffenen ein ungeschriebenes, seiner Rechtsstellung immanentes Auflösungsklagerecht in Erweiterung von § 61 GmbHG zuzugestehen77. Schon aus Vorsichtsgründen empfiehlt es sich, ein solches Recht ausdrücklich in die Satzung aufzunehmen und damit den sofortigen Verlust der Mitgliedschaft des Einziehungsbetroffenen zu flankieren. 3. Erwerbsrechte von Mitgesellschaftern oder Dritten Soweit es um Möglichkeiten zur Herbeiführung des Ausscheidens eines aus Sicht der übrigen Gesellschafter nicht länger tragbaren Anteilsinhabers anders als durch Zwangseinziehung geht, empfiehlt sich die Aufnahme eines Gestaltungsrechts in die Satzung, das es der Mehrheit gestattet, beim Vorliegen der hierfür in der Satzung festgesetzten Voraussetzungen78 alternativ zur Einziehung den Anteilserwerb durch Mitgesellschafter oder Dritte zu den satzungsrechtlich geregelten Bedingungen zu beschließen79. Derartige Erwerbsrechte können obligatorisch, im Sinne eines Erwerbsanspruchs des oder der Begünstigten, sie können aber auch dinglich mit sofort einsetzendem Vollzug ausgestaltet sein80. In beiden Fällen richtet sich der Entgeltanspruch des Betroffenen in erster Linie nicht gegen die GmbH, sondern gegen die zum Erwerb berechtigten Personen. Er unterliegt daher nicht den Schran-

__________ 75 76 77 78

Vgl. Nachw. in Fn. 41. Unter III.2.a). So tendenziell auch Goette in FS Lutter, 2000, S. 409. Dieses für die Zwangseinziehung zwingend in § 34 Abs. 2 GmbHG geregelte Erfordernis ist auch für alternative Rechtsbehelfe der Mehrheit nach Art von Erwerbsrechten zu beachten. 79 Näher Ulmer (Fn. 7), § 34 GmbHG Rz. 119 ff. Vgl. aber auch BGH, NJW 1983, 2880 (2881): Satzungsregelung über das Recht der Mitgesellschafter, bei Vorliegen der Einziehungsvoraussetzungen in der Person des Betroffenen die Abtretung seines Geschäftsanteils an Mitgesellschafter oder Dritte zu beschließen, und zwar unabhängig von der Zahlung des Abfindungsentgelts. 80 Dazu Ulmer (Fn. 7), § 34 GmbHG Rz. 120 f.

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ken des § 30 Abs. 1 GmbHG und berechtigt ggf. den Anspruchsinhaber nach § 273 Abs. 1 BGB, ihn dem obligatorischen Erwerbsanspruch des Begünstigten im Wege des Zurückbehaltungsrechts entgegenzusetzen. Bei dinglich wirkendem Erwerbsrecht ist eine entsprechende Absicherung zwar nicht möglich. Der Betroffene kann jedoch uneingeschränkt Zahlung vom Erwerber verlangen und hierzu in dessen gesamtes Vermögen unter Einschluss des von diesem erworbenen GmbH-Anteils vollstrecken. Damit ist seinem Sicherungsbedürfnis hinreichend genüge getan; die Gefahr einer Entrechtung des Betroffenen, die zu Zweifeln an der Wirksamkeit des dinglichen Erwerbsrechts Anlass geben könnte, ist nicht zu befürchten.

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Rechtsprinzipien und Regelungskonzepte im europäischen Gesellschaftsrecht Inhaltsübersicht I. Einführung II. Regelungskompetenzen und Rechtsquellen 1. Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte 2. Stand des Erreichten und Harmonisierungstendenzen III. Systematisierungsfähige Regelungsfelder 1. Strukturänderungen (Umwandlungen) a) Information b) Kontrolle c) Haftung 2. Aktienerwerb a) Information b) Kontrolle c) Haftung

IV. System des Aktionärsschutzes 1. Publizität als zentrales Rechtsprinzip und flankierende Regelungskonzepte a) Verallgemeinerungsfähige Aussagen b) Defizite c) Zwischenbefund 2. Sonstige leitende Rechtsprinzipien a) Gleichbehandlung b) Treuepflicht c) Zwischenbefund V. Entwicklungen des europäischen Systems des Aktionärsschutzes 1. Corporate Governance 2. Aktionärsrechte VI. Fazit

I. Einführung Die wissenschaftliche Diskussion zum europäischen Gesellschaftsrecht beschränkte sich lange Zeit auf eine Analyse der vom Rat und der Kommission erlassenen Richtlinien. Im Vordergrund stand die Frage, ob die Harmonisierungsbefehle in den nationalen Rechten ordnungsgemäß umgesetzt wurden und von der Rechtsprechung beachtet werden. Aufmerksamkeit haben vor allem die vom EuGH entschiedenen Rechtssachen Meilicke (zur verdeckten Sacheinlage)1, Tomberger (zur phasengleichen Bilanzierung)2 und Siemens/ Nold (zum Bezugsrechtsausschluss)3 erregt4. Die Auseinandersetzung mit

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EuGH v. 16.7.1992 – Rs. C-83/91, Slg. 1992, I-4871. EuGH v. 27.6.1996 – Rs. C-234/94, Slg. 1996, I-3133. EuGH v. 19.11.1996 – Rs. C-42/95, Slg. 1996, I-6017. Vgl. ferner zur Auseinandersetzung mit der ordnungsgemäßen Umsetzung der Kapitalrichtlinie Ullrich, Verdeckte Vermögensverlagerungen in den Aktien- und GmbHRechten Frankreichs, Belgiens und Deutschlands, 1994; Drinkuth, Die Kapitalrichtlinie – Mindest- oder Höchstnorm?, 1998; speziell mit Blick auf das Konzernrecht

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ihnen hat die Einsicht wachsen lassen, dass auf die vorgelegten Rechtsfragen nur dann zuverlässige Antworten gefunden werden können, wenn ein Koordinatensystem des europäischen Gesellschaftsrechts zur Verfügung steht5. So sind mittlerweile diverse Bestrebungen anzutreffen, die reichhaltigen Regelungen europäischer Provenienz systematisch zu ordnen6. Die folgenden Überlegungen verstehen sich als ein Beitrag zur noch in den Anfängen befindlichen Debatte über eine Systembildung im europäischen Gesellschaftsrecht. Es stehen drei Hypothesen auf dem Prüfstand, die einstweilen schlagwortartig skizziert werden. Erstens: Auf der Ebene des europäischen Rechts sind Rechtsprinzipien und Regelungskonzepte vorzufinden, die für eine Systembildung fruchtbar gemacht werden können. Zweitens: Die gewonnenen Erkenntnisse erlauben Rückschlüsse für eine weitere friktionslose Harmonisierung der Gesellschaftsrechte7, die – nach einer längeren Phase des Stillstands – vom europäischen Gesetzgeber wieder mit großer Energie betrieben wird8. Drittens: Es ist mittelfristig unerlässlich, auch die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltung und die Beschlusskontrolle der Aktionäre zu koordinieren.

II. Regelungskompetenzen und Rechtsquellen 1. Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte Das Ausmaß und die erreichbare Tiefe einer Systembildung hängt von der Regelungskompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers ab. Sie ist in Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG vorzufinden9: Der Rat und die Kommission können zur Ver-

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Schön in FS Kropff, 1997, S. 285; ders., RabelsZ 64 (2000), 1, 23 f.; Mülbert in FS Lutter, 2000, S. 535; Veil, Unternehmensverträge, 2003; vgl. zur Debatte über die richtliniengetreue Umsetzung der Spaltungsrichtlinie Heidenhain, EuZW 1995, 327; Ihrig, Zum Inhalt der Haftung bei der Spaltung, in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 80. Eindringlich in diesem Sinne Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 4 f. Vgl. den systembildenden Ansatz von Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, § 31 VI.; ferner die Überlegungen von Hommelhoff/Riesenhuber, Strukturmaßnahmen, insbesondere Verschmelzung und Spaltung im Europäischen und deutschen Gesellschaftsrecht, in Grundmann, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 259; Hommelhoff, Konturen eines gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensrechts, in Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl. 1999, S. 361. In Betracht kommt natürlich auch, die Erkenntnisse zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts und des umgesetzten nationalen Rechts nutzbar zu machen. Auf diesen Aspekt der Systembildung kann in diesem Beitrag nicht eingegangen werden. Vgl. hierzu mit einer skeptischen Grundhaltung Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2003, § 4 Rz. 48 ff. Zum letzten Stand der Dinge vgl. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 7 Rz. 27 ff.; Hopt, ZIP 2005, 461. Die Schaffung supranationaler Rechtsformen kann nicht auf Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG gestützt werden. Die Kompetenz hierfür folgt aus Art. 308 EG; vgl. Müller-Graff in Streinz, Komm. z. EUV/EGV, 2003, Art. 44 EGV Rz. 17.

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wirklichung der Niederlassungsfreiheit „soweit erforderlich die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten ... im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“. Eine lebhafte Diskussion hat mehrere Erkenntnisse zutage gefördert. So besteht zunächst Einigkeit darüber, dass mit der Koordination keine Vereinheitlichung, sondern eine Angleichung der Schutzvorschriften in den nationalen Rechten gemeint ist10. Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG bezweckt, die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Gesellschaften zu erleichtern11. Ein Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers setzt daher nach vorherrschender Sichtweise einen Bezug zur Niederlassungsfreiheit voraus12. Eine Angleichung kann zum einen auf den Abbau von nationalen Schutzvorschriften gerichtet sein. Sie würde dann ein Höchstmaß des Gesellschafterund Drittschutzes festlegen13. Zum anderen kann eine Angleichung das Anliegen verfolgen, zu niedrige Schutzbestimmungen an ein höheres Niveau anzupassen. Sie würde dann ein Mindestmaß des Gesellschafter- und Drittschutzes bestimmen14. Es muss sich in beiden Konstellationen um im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgesehene Bestimmungen handeln, die den Gesellschaften vorgeschrieben sind. Dies können sowohl gesellschaftsrechtliche Regeln15 als auch kapitalmarktrechtliche Regeln16 sein, vorausgesetzt, deren Adressat sind Kapitalgesellschaften. Eine Mindestharmonisierung ist allen bislang verabschiedeten Richtlinien – meist unausgesprochen17 – immanent. Schon deshalb scheint es ertragreich zu sein, Rechtsprinzipien und Regelungskonzepten des europäischen Gesell-

__________ 10 Vgl. Müller-Graff (Fn. 9), Art. 44 EGV Rz. 17; Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/ Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Juni 2006, Art. 44 EGV Rz. 11. 11 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff (Fn. 10), Art. 44 Rz. 12; weitergehend Bröhmer in Callies/Ruffert, Komm. z. EU-Vertragung und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Art. 44 EG Rz. 12 (die Schaffung von Mindeststandards solle einen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte vermeiden). 12 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff (Fn. 10), Art. 44 Rz. 16; Timmermanns, RabelsZ 48 (1984), 1, 6. 13 Vgl. Bleckmann, ZGR 1992, 364, 372 f.; Kindler, ZHR 158 (1994), 339, 352. 14 Vgl. Hopt, ZGR 1992, 265, 285 f.; Lutter in FS Everling, 1995, S. 765, 775 ff. 15 Allg. M.; vgl. Müller-Graff (Fn. 9), Art. 44 EGV Rz. 18. 16 Vgl. Bröhmer (Fn. 11), Art. 44 EG Rz. 12; Müller-Graff (Fn. 9), Art. 44 EGV Rz. 18; Habersack (Fn. 7), § 4 Rz. 53; Randelzhofer/Forsthoff (Fn. 10), Art. 44 Rz. 14. 17 In jüngster Zeit neigt der europäische Gesetzgeber dazu, die Richtung des Harmonisierungsauftrags eindeutig festzulegen. So bestimmt beispielsweise Art. 3 des Vorschlags Komm. 2005/685 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Stimmrechte durch Aktionäre von Gesellschaften, die ihren eingetragenen Sitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, dass die Mitgliedstaaten Emittenten strengeren Anforderungen als den in der Richtlinie festgelegten unterwerfen können. Ein Höchstmaß des Aktionärsschutzes ist folglich europarechtlich nicht festgelegt.

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schaftsrechts nachzuspüren und sie systematisch zu erfassen. Hinzu kommt, dass nach herrschender und überzeugender Lesart die in Art. 44 Abs. 2 lit. g) EG normierte Regelungskompetenz das gesamte Gesellschaftsrecht umfasst18. Auch die Organisationsverfassung dient dem Schutz der Gesellschafter (und Dritter)! Es lohnt sich daher, sich des Stands des Erreichten zu vergewissern und damit die Systematisierungskraft der gesellschaftsrechtlichen Harmonisierungsakte zu erfassen. 2. Stand des Erreichten und Harmonisierungstendenzen Als inspirierend erweist sich ein Blick in die deutsche und ausländische Lehrbuchliteratur zum europäischen Gesellschaftsrecht. Die hierzulande entstandenen Werke weisen bereits einen ordnenden Ansatz auf19. Es werden sechs Pfeiler der europäischen Harmonisierungslandschaft präsentiert: Erstens die handelsrechtliche Publizität, geregelt durch die Publizitätsrichtlinie20 und die Zweigniederlassungsrichtlinie21, zweitens die Finanzverfassung von Aktiengesellschaften, die von der Kapitalrichtlinie22 geprägt ist, drittens die nationale sowie grenzüberschreitende Verschmelzung und die Spaltung von Aktiengesellschaften, die sich nach der Fusionsrichtlinie23, der Spaltungsrichtlinie24 und der Richtlinie über grenzüberschreitende Fusio-

__________ 18 Vgl. Bröhmer (Fn. 11), Art. 44 EG Rz. 12; Troberg/Tiedje, in von der Groeben/ Schwarze, Komm. z. Vertrag über die Europäische Union und z. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003, Art. 44 EG Rz. 28 f. 19 Vgl. Habersack (Fn. 7), zweiter Teil; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2000, dritter Teil Abschnitt A. zu den Regelungen für alle Kapitalgesellschaften; vgl. auch den themen- statt richtlinienbezogenen Ansatz von Troberg/Tiedje (Fn. 18), Art. 44 EG Rz. 30 ff. 20 Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates v. 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8. 21 Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates v. 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABl. Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 36. 22 Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates v. 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. Nr. L 26 v. 31.1.1977, S. 1. 23 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates v. 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl. Nr. L 295 v. 20.10.1978, S. 36. 24 Sechste Richtlinie 82/891/EWG des Rates v. 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften, ABl. Nr. L 378 v. 31.12.1982, S. 47.

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nen25 bestimmen, viertens die Rechnungslegung der Gesellschaften, die durch die Jahresabschlussrichtlinie26, die Richtlinie über den konsolidierten Abschluss27, die Prüferbefähigungsrichtlinie28 und die IAS-Verordnung bereits umfassend harmonisiert wurde, fünftens die Einpersonen-Gesellschaft, die sich nach der Einpersonen-GmbH-Richtlinie29 bestimmt, und schließlich sechstens die von einem Bieter öffentlich abgegebenen Übernahmeangebote, für die seit kurzem ebenfalls ein gemeinschaftsweiter Rechtsrahmen30 gilt. Einen solchen systematisierenden Zugriff findet man in den ausländischen Lehrbüchern zum europäischen Gesellschaftsrecht nicht. Diese begnügen sich damit, die einzelnen Richtlinien vorzustellen31. Bemerkenswert ist allerdings, dass sie die kapitalmarktrechtlichen Richtlinien ganz selbstverständlich zum Bestand des Gesellschaftsrechts zählen und en detail vorstellen sowie analysieren32. Die nationale Literatur zum europäischen Gesellschaftsrecht33 spart diese Gesetzgebungsakte weitgehend aus34; ein schwer-

__________ 25 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 310 v. 21.11.2005, S. 1. 26 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. Nr. L 222 v. 14.8.1978, S. 11. 27 Siebte Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. Nr. L 193 v. 18.7.1983, S. 1. 28 Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates v. 10. April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen, ABl. Nr. L 126 v. 12.5. 1984, S. 20. 29 Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG des Rates v. 21. Dezember 1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABl. Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40. 30 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12. 31 Vgl. Edwards, EC Company Law, 1999; Werlauff, EU-Company Law, 2nd edition, 2003, Chapter 2.4.; Grünwald, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999. 32 Vgl. Edwards (Fn. 31), Chapter X („Background to the securities directives“), Chapter XI („The first stage – harmonizing the conditions of listing“), Chapter XII („The second stage – harmonizing public offer prospectuses“), Chapter XV („The Insider Dealing Directive“); Moloney, EC Securities Regulation, 2002. 33 Ebenso nimmt die nationale Literatur zum Europäischen Kapitalmarktrecht das Europäische Gesellschaftsrecht nicht in den Blick; vgl. Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht. Recht des Primärmarktes, 1999; Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht. Recht des Sekundärmarktes, 2002. 34 Vgl. Schwarz (Fn. 19), Rz. 29: „Die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ... werden durch zahlreiche Richtlinien auf den Gebieten des ... Bank- [und] Börsenrechts flankiert ...; zum eigentlichen Gegenstand eines europäischen Gesellschaftsrechts sind sie aber nicht zu rechnen.“ Ähnlich Habersack (Fn. 7), § 4 Rz. 53, allerdings mit einem kurzen Hinweis auf die kapitalmarktrechtlichen Richtlinien. Anders

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wiegendes Versäumnis, weil sich vor allem die vor kurzem neu formulierte und noch umzusetzende Transparenzrichtlinie35 sowie die Marktmissbrauchsrichtlinie36 und die Prospektrichtlinie37 in erheblichem Maße auf die Rechtsstellung des Anlegers bzw. Aktionärs sowie auf die Unternehmensleitung und -kontrolle auswirken38. In dieser Gemengelage artikuliert sich das von der Kommission in den letzten Jahren verfolgte integrierte Konzept: Die verwirklichten und geplanten Initiativen in den Bereichen des Gesellschaftsrechts, der Finanzdienstleistungen und der Rechnungslegung sind eng miteinander verbunden39. Diese grobe Skizze gibt bereits mehrere Hinweise für eine schärfere Formulierung der zu klärenden Fragen. Zunächst wird deutlich, dass die Rechtsmaterie bislang nur bruchstückhaft harmonisiert ist und ein Großteil der Richtlinien auf börsennotierte Aktiengesellschaften abzielt40. Ferner zeigt sich schemenhaft eine von der ordnenden Hand des europäischen Gesetzgebers geschlagene Schneise: Mit großer Energie treibt er die handelsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Publizität voran. Diese Marschroute ist bereits aufmerksam verfolgt worden41. Quintessenz der Diskussion bildet die noch

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nunmehr aber wegen der „Vernetzung von gesellschaftsrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten“ Möllers in Schulze/Zuleeg, Europarecht. Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2006, § 18 Rz. 11; vgl. auch Grundmann (Fn. 6), 3. Teil „Finanzierung an Kapitalmärkten“. Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. Vgl. zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht Hopt/Wymeersch, Capital Marktes and Company Law, 2003; ferner im Zusammenhang mit der Entwicklung der Corporate Governance Systeme Merkt, AG 2003, 126. Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission v. 21.5.2003 zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, KOM (2003) 284 endgültig, abrufbar unter http:// ec.europa.eu/internal_market/company/modern/index_de.htm#communication; abgedruckt u. a. als Sonderbeilage zu NZG Heft 13/2003. Vgl. zu diesem Trend der europäischen Gesetzgebung Noack, NZG 2006, 321 (322). Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 275 ff., 296 ff.; Habersack (Fn. 7), § 4 Rz. 49.

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vage formulierte These, das europäische Gesellschaftsrecht sei von einem Informationsmodell geprägt42, das durch Haftungsregeln unterstützt werde43. Diese Aussage soll konturenreicher formuliert werden, so dass sie auch für die weitere Harmonisierung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber und für die Rechtsfortbildung durch die Gerichte fruchtbar gemacht werden kann. Dabei steht die Frage im Blickpunkt, ob das europäische Gesellschaftsrecht von bestimmten Rechtsprinzipien und diese unterstützenden und flankierenden Regelungskonzepten geprägt ist. Die Suche kann sich nur auf Teilaspekte erstrecken. Sie beschränkt sich einstweilen auf den Aktionärsschutz. Auch können nur ausgewählte harmonisierte Bereiche unter die Lupe genommen werden: erstens die durch die Richtlinien determinierten Möglichkeiten einer Strukturänderung, zweitens den Anteilserwerb im Rahmen einer Übernahme sowie auf Kapitalmärkten. Im Fokus der folgenden Überlegungen steht somit die kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaft.

III. Systematisierungsfähige Regelungsfelder 1. Strukturänderungen (Umwandlungen) Die mitgliedstaatlichen Vorschriften über Strukturänderungen einer Aktiengesellschaft sind durch eine Reihe europäischer Gesetzgebungsakte geprägt44. Die Fusionsrichtlinie und die Spaltungsrichtlinie regeln sowohl das Verfahren als auch zentrale Aspekte des Aktionärs- sowie Gläubigerschutzes. Dazu gesellt sich die gerade erst verabschiedete Richtlinie über grenzüberschreitende Fusionen, die sich im Wesentlichen auf verfahrensrechtliche Gesichtspunkte beschränken kann45. Lediglich die Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung befindet sich noch in einem Entwurfsstadium46. Es ist folglich eine hohe Harmonisierungsdichte anzutreffen. Da die Richtlinien auch eine bemerkenswerte Regelungstiefe aufweisen, erscheint es reizvoll, sich auf die Suche nach Rechtsprinzipien und Regelungskonzepten zu machen. a) Information Der Blick fällt zunächst auf die in allen Richtlinien identisch konzipierte Information der Aktionäre. Die Verwaltungs- oder Leitungsorgane jeder der

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42 Vgl. Grundmann (Fn. 6), Rz. 1137; ders., DStR 2004, 232. 43 Vgl. Merkt (Fn. 41), S. 480 ff.; Grundmann (Fn. 6), Rz. 1137; Brellochs, Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften im System des Europäischen Kapitalmarktrechts, 2005, S. 80 ff. und S. 163 ff. 44 Siehe die in Fn. 23 bis 25 aufgeführten Richtlinien. 45 Vgl. zur Regelungskonzeption Bayer/Schmidt, NJW 2006, 401; zur Umsetzung der Richtlinie Neye/Timm, DB 2006, 488. 46 Der Vorentwurf einer vierzehnten Richtlinie zur Sitzverlegung stammt v. 20.4. 1997; vgl. hierzu Raiser/Veil (Fn. 8), § 7 Rz. 32.

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sich verschmelzenden bzw. spaltenden Gesellschaften haben einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstellen, in dem der Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplan und insbesondere das Umtauschverhältnis der Aktien rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden47. Es handelt sich um einen im Vorfeld der Hauptversammlung stattfindenden Schutz der Aktionäre48. Aus den Erwägungsgründen49 und dem Zweck der Richtlinienbestimmungen kann darauf geschlossen werden, dass ein standardisierter Schutz verfolgt wird; Adressat des Berichts ist ein Durchschnittsaktionär50. b) Kontrolle Das von den Richtlinien verfolgte Konzept der Kontrolle präsentiert sich höchst heterogen. Akribisch ausgestaltet ist die ex-ante Kontrolle. Alle drei Gesetzgebungsakte sehen vor, dass für jede der sich verschmelzenden bzw. spaltenden Gesellschaften unabhängige Sachverständige den Verschmelzungsplan prüfen und einen schriftlichen Bericht für die Aktionäre erstellen51. Die Prüfung hat vor allem das vereinbarte Umtauschverhältnis zum Gegenstand, das auf einer Bewertung der Unternehmen beruht. Auf den Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbericht erstreckt sie sich nicht. Die ex-post Kontrolle in Gestalt einer Beschlusskontrolle ist fragmentarisch ausgestaltet. Ausgangspunkt einer Analyse muss das in allen Richtlinien vorzufindende Postulat eines umfassenden Bestandsschutzes einer eingetragenen Umwandlung sein52. Der Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgt damit das Ziel, Rechtssicherheit zu gewährleisten53. Der Aktionärsschutz durch Beschlusskontrolle muss daher im Vorfeld der Handelsregistereintragung stattfinden. Eine Beschlussanfechtung wird von den Richtlinien allerdings nicht verlangt. Die Mitgliedstaaten können frei entscheiden, ob sie eine gerichtliche Kontrolle ermöglichen wollen. Falls sie diese Form des Aktionärsschutzes kennen oder einführen, haben sie ihre Regime allerdings an mehre-

__________ 47 Vgl. Art. 9 Fusions-RL; Art. 7 Spaltungs-RL; Art. 7 grenzüberschreitende FusionsRL. 48 Zum weitergehenden Schutzansatz von Art. 7 grenzüberschreitende Fusions-RL vgl. Bayer/Schmidt, NJW 2006, 401 (403). 49 Vgl. Erwägungsgründe zur Fusionsrichtlinie: „Im Rahmen der Koordinierung ist es besonders wichtig, die Aktionäre ... angemessen und so objektiv wie möglich zu unterrichten ...“; ebenso die Erwägungsgründe zur Spaltungsrichtlinie. 50 Ebenso die Auslegung des umgesetzten nationalen Rechts; vgl. Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 8 Rz. 14. 51 Vgl. Art. 10 Fusions-RL; Art. 8 Spaltungs-RL; Art. 8 grenzüberschreitende FusionsRL. 52 Vgl. Art. 22 Fusions-RL; Art. 19 Spaltungs-RL. Eine eigenständige Regelung hat die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzung erfahren. Vgl. hierzu Art. 11 grenzüberschreitende Fusions-RL. 53 Vgl. die wortlautidentischen Erwägungsgründe zur Fusions-RL und zur SpaltungsRL; ferner Schwarz (Fn. 19), Rz. 657.

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ren Vorgaben der Richtlinien auszurichten, die alle darum bemüht sind, die Nichtigkeitsgründe einzuschränken54. c) Haftung Sowohl die Fusions-RL als auch die Spaltungs-RL warten mit einem reichen Arsenal an Regeln über eine Haftung der an einer Umwandlung beteiligten Personen auf. So sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, zumindest die zivilrechtliche Haftung der Mitglieder des Verwaltungs- oder Leitungsorgans der übertragenden Gesellschaft gegenüber den Aktionären dieser Gesellschaft zu regeln55. Sie muss sich auf schuldhaftes Verhalten der Organmitglieder bei der Vorbereitung und dem Vollzug der Verschmelzung bzw. Spaltung erstrecken. Diese Verantwortlichkeit erfasst theoretisch auch die fehlerhafte Informationsversorgung durch Berichte. Relevanter dürfte sie für die Pflicht des Vorstands sein, ein angemessenes Umtauschverhältnis zu vereinbaren. Die wesentlichen Bausteine des Haftungstatbestands sind in den Richtlinien klar formuliert. So genügt einfache Fahrlässigkeit. Anspruchsberechtigt sind die Aktionäre. Die Haftung ist folglich nach außen gerichtet. Sie ist seinerzeit ohne Präjudiz für die möglicherweise in einer Strukturrichtlinie festzulegenden Konturen einer allgemeinen Geschäftsleiterhaftung formuliert worden56. Sie ist nicht nur dem Ausgleich von Schäden verpflichtet, sondern soll auch eine präventive Wirkung entfalten57. Ein ähnlicher Befund kann für eine weitere, von den Richtlinien geforderte zivilrechtliche Haftung getroffen werden. Die Mitgliedstaaten haben dafür zu sorgen, dass die Sachverständigen, die den Prüfungsbericht für die übertragende Gesellschaft erstellen, für schuldhaftes Verhalten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben einzustehen haben58. Auch diese Schadensersatzpflicht besteht gegenüber den Aktionären der Gesellschaft. Sie ist gleichfalls von der Vorstellung geprägt, die verantwortlichen Akteure zu ordnungsgemäßem Handeln zu bewegen59. 2. Aktienerwerb Der Aktienerwerb über Kapitalmärkte hat mittlerweile eine beeindruckende Regelungsdichte erlangt. Während die Übernahmerichtlinie60 den Markt für Kontrollrechte koordiniert, haben die Prospektrichtlinie, die Marktmiss-

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Vgl. Art. 22 Fusions-RL und Art. 19 Spaltungs-RL. Vgl. Art. 20 Fusions-RL und Art. 18 Spaltungs-RL. Vgl. Schwarz (Fn. 19), Rz. 656. Vgl. Habersack (Fn. 7), Rz. 225 f.; Veil in FS Raiser, 2005, S. 453 (465) zur umgesetzten nationalen Regelung. 58 Vgl. Art. 21 Fusions-RL; Art. 18 Spaltungs-RL. 59 Vgl. hierzu Veil in FS Raiser, 2005, S. 453 (467) zur umgesetzten nationalen Regelung. 60 Siehe Fn. 30.

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brauchsrichtlinie sowie die Transparenzrichtlinie61 den Anteilserwerb auf den Primärmärkten und Sekundärmärkten zum Gegenstand. Zwar ist die Regelungstiefe bei diesen kapitalmarktrechtlichen Richtlinien unterschiedlich62. Dies schließt es aber nicht aus, Rechtsprinzipien und Regelungskonzepte herauszufiltern, die für eine Systembildung fruchtbar gemacht werden können. a) Information Am stärksten ausgeprägt ist das allen genannten Richtlinien innewohnende Konzept, Aktionäre bzw. Anleger durch Information in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte Entscheidung über eine Investition und Desinvestition zu treffen63. So verlangt die Übernahme-RL, dass ein Bieter eine Angebotsunterlage mit den notwendigen Informationen zu erstellen und rechtzeitig bekannt zu machen hat, damit die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft in ausreichender Kenntnis der Sachlage entscheiden können64. Adressat der in der Angebotsunterlage zu machenden detailreichen Angaben65 ist ein durchschnittlicher Aktionär66. Zum anderen muss eine Gesellschaft aufgrund der genannten kapitalmarktrechtlichen Richtlinien die Anleger reichhaltig mit kurserheblichen Informationen versorgen. Bei der Emission von Wertpapieren ist ein Prospekt zu veröffentlichen67. Ferner sind Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen68. Wertpapiergeschäfte von Organmitgliedern69 und Veränderungen des Stimmrechtsanteils von Aktionären70 sind ebenfalls bekannt zu geben, nachdem der Gesellschaft diese Umstände von den betreffenden Personen mitgeteilt wurden. Schließlich sind Jahresfinanzberichte, Halbjahresfinanzberichte und Zwischenmitteilungen der Geschäftsleitung publik zu machen71. Auch diese teilweise regelmäßige und teilweise anlassabhängige In-

__________ 61 Siehe Fn. 35 bis 37. 62 So sind beispielsweise zur Marktmissbrauchsrichtlinie mehrere Durchführungsrichtlinien erlassen worden, der eine Konkretisierung der Harmonisierungsbefehle verpflichtet sind. Vgl. hierzu Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2006, 3. Teil Rz. 4. 63 Zur Bedeutung des Ausgleichs von Informationsasymmetrien vgl. Akerlof, 84 Q.J.Econ. 488 (1970); Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 239 ff.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 96 ff. 64 Vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Übernahme-RL. 65 Vgl. Art. 6 Abs. 3 Übernahme-RL. 66 Vgl. Erwägungsgrund 13 Übernahme-RL, wonach die Wertpapierinhaber durch eine Angebotsunterlage angemessen unterrichtet werden sollen. Vgl. ferner Art. 3 Abs. 1 lit. b) und Art. 6 Abs. 2 Übernahme-RL. 67 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Prospekt-RL. 68 Vgl. Art. 6 Abs. 1 Marktmissbrauchs-RL. 69 Vgl. Art. 6 Abs. 4 Marktmissbrauchs-RL. 70 Vgl. Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 6 Transparenz-RL. 71 Vgl. Art. 4 ff. Transparenz-RL.

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formation über gesellschaftsbezogene Umstände ist an einen durchschnittlichen Anleger gerichtet72. b) Kontrolle Ansätze für eine externe sachverständige Kontrolle sind in den kapitalmarktrechtlich geprägten Richtlinien spärlich. Eine im Interesse der Aktionäre bzw. Anleger der Zielgesellschaft vorzunehmende sachverständige Prüfung der zur Übernahme der Zielgesellschaft unterbreiteten Angebotsunterlage gibt es nicht. Die Übernahme-RL beschränkt sich darauf, die Angebotsunterlage von einer Gestattung durch die Aufsichtsbehörde abhängig zu machen73. Ein in Nuancen anderes Bild vermittelt allerdings die gemeinschaftsrechtliche Prospekt-VO. Sie verlangt jedenfalls für Gewinnprognosen in Börsenprospekten eine sachverständige Prüfung, deren Ergebnis publizitätspflichtig ist74. Wie diese Prüfung auszusehen hat, ist allerdings nicht festgelegt75. Zudem unterliegt der Anlegern gegenüber publizitätspflichtige Finanzbericht einer sachverständigen Kontrolle durch den Abschlussprüfer76. Es lassen sich also gewisse Tendenzen ausmachen, dass das Instrument einer sachverständigen Prüfung auch für das Szenarium des Anteilserwerbs nutzbar gemacht wird. c) Haftung Deutlich unausgereifter präsentiert sich die flankierende Haftung. Eine Pflicht zur Einführung einer Haftung des Bieters wegen fehlerhafter Angaben in der Angebotsunterlage sieht die Übernahme-RL nicht vor. Sie begnügt sich mit der allgemeinen Aufforderung an die Mitgliedstaaten, Sanktionen festzulegen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein77. Ähnlich diffus kommen die kapitalmarktrechtlichen Richtlinien daher. Die Marktmissbrauchsrichtlinie vertraut auf verwaltungsrechtliche bzw. strafrechtliche Sanktionen und beschränkt sich ebenso wie die Übernahme-RL auf die Forderung, die Sanktionen müssten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein78. Erst in der jüngst verabschiedeten Prospekt-RL und der neuen TransparenzRL ist ein anderer Zugriff des europäischen Gesetzgebers festzustellen. Die Mitgliedstaaten werden in beiden Richtlinien verpflichtet, zur Durchsetzung

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Vgl. hierzu Veil, ZBB 2006, 162 (164 ff.). Vgl. Art. 6 Abs. 1 Übernahme-RL. Vgl. Anhang I Ziff. 13.2 Prospekt-VO. Vgl. hierzu Fleischer, AG 2006, 1; Veil, AG 2006, 690 (695). Vgl. Art. 4 Abs. 4 Transparenz-RL. Vgl. Art. 17 Übernahme-RL. Vgl. Art. 14 Marktmissbrauchs-RL.

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der Informationspflichten eine Haftung einzuführen79. Allerdings sind sie bei der Ausgestaltung dieser Regime weitgehend frei. Sie müssen, so der Wortlaut der einschlägigen Regelungen, für die Verantwortlichkeit und Haftung der Gesellschaft oder der Organmitglieder Sorge tragen. Auch der Verschuldensmaßstab ist nicht festgelegt. Mit Blick auf die propagierte Steuerungsfunktion des Haftungsrechts wird man allein sagen können, dass jedenfalls vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten sanktioniert werden muss80. Weitere zwingende Konkretisierungen sind nicht möglich.

IV. System des Aktionärsschutzes 1. Publizität als zentrales Rechtsprinzip und flankierende Regelungskonzepte Die Analyse der beiden exemplarisch ausgesuchten Regelungsfelder erlaubt es, Folgerungen für eine Systembildung zu ziehen. In den Regelungswerken über die umwandlungsrechtlichen Strukturänderungen und den auf Kapitalmärkten stattfindenden Anteilserwerb können auf einem abstrakten Niveau mehrere Rechtsprinzipien und diese unterstützende Regelungskonzepte identifiziert werden. a) Verallgemeinerungsfähige Aussagen Der Aktionärsschutz bei Strukturänderungen wird durch eine umfangreiche Vorab-Information gewährleistet. Der europäische Gesetzgeber hat sich zwar damit begnügt, den notwendigen Berichtsinhalt schlagwortartig zu beschreiben. Aus den dürren Worten ergibt sich aber eine eindeutige Marschroute: Verlangt ist ein dickes Buch; eine broschürenartige Zusammenstellung der maßgeblichen Gründe für die Verschmelzung bzw. Spaltung genügt nicht. Ähnlich präsentiert sich das breit gefächerte kapitalmarktrechtliche Informationsregime. Es erstreckt sich mittlerweile auf alle transaktionsrelevanten Umstände. Nennenswerte Informationsasymmetrien können für Anleger daher nicht bestehen. Sowohl die gesellschaftsrechtlichen als auch die kapitalmarktrechtlichen Informationen sind an einen durchschnittlichen Aktionär bzw. Anleger gerichtet. In dieser Zusammenschau artikuliert sich das Anliegen des europäischen Gesetzgebers, die Unternehmen zur Transparenz anzuhalten. Die Aktionäre werden insoweit durch ein standardisiertes Niveau geschützt. Die beiden vorgestellten disparaten Regelungsfelder stehen stellvertretend für andere harmonisierte Bereiche des Gesellschaftsrechts. Publizität ist das zentrale Rechtsprinzip im europäischen Gesellschaftsrecht81.

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79 Vgl. Art. 6 Prospekt-RL zur Prospekthaftung und Art. 7 Transparenz-RL zur Haftung wegen fehlerhafter Finanzberichte; hierzu Vokuhl, Kapitalerhaltung und Kapitalmarktinformationshaftung, erscheint demnächst. 80 Vgl. Veil, ZBB 2006, 162 (168 f.). 81 Ähnlich auch Habersack (Fn. 7), § 4 Rz. 49.

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Es wird flankiert durch zwei Regelungskonzepte, die darum bemüht sind, zur Durchsetzung der diversen Informationspflichten beizutragen. Bemerkenswert ist zunächst, dass im rein gesellschaftsrechtlichen Strukturänderungsrecht Aussagen der Geschäftsleitung einer sachverständigen externen Kontrolle unterworfen werden. Die Pflichten der Prüfer sind sogar schlagwortartig umrissen. Auch die jüngsten kapitalmarktrechtlichen Richtlinien lassen erkennen, dass der europäische Gesetzgeber zunehmend das Instrument der sachverständigen externen Kontrolle nutzbar macht, um eine ordnungsgemäße Information der Anleger sicherzustellen. Die externe Prüfung findet mittlerweile im Koordinatensystem des europäischen Gesellschaftsrechts einen festen Platz. Ein weiterer fester Bestandteil des Systems des europäischen Aktionärsschutzes ist die Haftung der verantwortlichen Akteure. Im Vordergrund steht die Geschäftsleiterhaftung, die sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet sein kann. Dazu gesellt sich die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der sachverständigen Prüfer. Sämtliche Haftungsregeln dienen (auch) der Verhaltenssteuerung82. b) Defizite Auf einem anderen Blatt steht, wie wirkungsvoll das Rechtsprinzip der Unternehmenspublizität und die Regelungskonzepte miteinander verzahnt sind. Als problematisch erweist sich vor allem die Frage, ob die Informationspflichten nötigenfalls durchgesetzt werden können. Für den Bereich der Kapitalmarktinformation fällt der Befund leicht: Eine sachverständige Kontrolle kann geeignet sein, opportunistischem Verhalten der Geschäftsleitung zu begegnen. Ferner ist eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit grundsätzlich in der Lage, die Geschäftsleitung zu ordnungsgemäßem Verhalten zu bewegen. Erhebliche Defizite treten dagegen im Strukturänderungsrecht zutage. Die drei Richtlinien über die Verschmelzung und Spaltung einer Aktiengesellschaft verlangen zwar die Etablierung einer sachverständigen Kontrolle und mehrerer Haftungsregime. Beide Regelungskonzepte sind aber nicht geeignet, eine ordnungsgemäße Information der Aktionäre sicherzustellen. Die Beschlusskontrolle – ein im deutschen Recht zentrales Instrument des Gesellschafterschutzes – hat der europäische Gesetzgeber nicht nutzbar gemacht. Die Anfechtung und Nichtigkeit von Beschlüssen ist noch nicht angeglichen, da der von der Kommission erstmals im Jahr 1972 veröffentlichte und zuletzt im Jahr 1991 geänderte Vorschlag einer Strukturrichtlinie83 nicht verabschiedet werden konnte. Die Richtlinien über Strukturänderungen gehen nicht so weit, zumindest für Umwandlungsbeschlüsse das Recht zur Beschlusskontrolle einzuführen. Sie setzen voraus, dass die Mitgliedstaaten Regelungen zur Beschlusskontrolle bereits kennen.

__________ 82 Vgl. Merkt (Fn. 41), S. 480 f. 83 Vgl. hierzu Schwarz (Fn. 19), Rz. 705 ff.; Hopt, ZIP 1998, 96 (101 f.).

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c) Zwischenbefund Die untersuchten Regelungsfelder weisen identische Regelungskonzepte des Aktionärsschutzes auf. Eine sachverständige Prüfung und, vor allem, eine Haftung der verantwortlichen Akteure sind Bausteine eines Systems des Aktionärsschutzes im europäischen Gesellschaftsrecht, in dessen Mittelpunkt die an einen durchschnittlichen Aktionär bzw. Anleger adressierte Unternehmenspublizität als zentrales europäisches Rechtsprinzip steht84. 2. Sonstige leitende Rechtsprinzipien Klärungsbedürftig bleibt, ob in diesem System auch andere Rechtsprinzipien – verstanden als weitere unterstützende Leitgedanken der europäischen Gesetzgebung – anzutreffen sind. Von Interesse sind vor allem das Prinzip der Gleichbehandlung und die Treuepflicht der Aktionäre. Eine erschöpfende Analyse der Richtlinien ist nicht möglich. Es muss genügen, Stichproben zu nehmen. a) Gleichbehandlung Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Gesellschafter könnte schon deshalb als ein europäisches Rechtsprinzip zu begreifen sein, weil sie in den Richtlinien weit verbreitet ist. Teilweise wird sie in den Richtlinien implizit anerkannt. So kann beispielsweise im Strukturänderungsrecht aus dem Erfordernis der Anteilsgewährungspflicht85 geschlossen werden, dass eine nichtverhältniswahrende Zuteilung der neuen Anteile gleichheitswidrig wäre86. Die Berichtspflichten bestehen gegenüber allen Aktionären87 – diese informationelle Gleichbehandlung scheint dem europäischen Gesetzgeber selbstverständlich gewesen zu sein! Auch die angeführten kapitalmarktrechtlichen Richtlinien und die Übernahmerichtlinie äußern sich eindringlich zu diesem Thema: Anleger sind in Bezug auf die vom Emittenten zur Verfügung zu stellenden Informationen und bezüglich der vom Bieter anzubietenden Gegenleistung gleich zu behandeln88. Die Gleichbehandlung der Aktionäre kann daher als ein Rechtsprinzip verstanden werden, das im System des europäisch konzipierten Aktionärsschutzes seinen festen Platz hat89. Für eine konturenreiche und präzise formulierte Systembildung wird es erforder-

__________ 84 Vgl. hierzu auch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 26 ff. (Informationsrechte zur Gewährleistung der Mitwirkungsrechte). 85 Vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 lit. b) Fusions-RL und Art. 2 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 lit. b) Spaltungs-RL. 86 Vgl. Grundmann (Fn. 6), Rz. 1138. 87 Vgl. Habersack (Fn. 7), Rz. 224 und 248. 88 Vgl. hierzu Mehringer, Gleichbehandlung im Kapitalmarktrecht, erscheint demnächst. 89 Ähnlich bereits Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 25.

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lich sein, sowohl die Voraussetzungen für eine Gleichbehandlung als auch die in Betracht kommenden Durchbrechungen zu strukturieren90. b) Treuepflicht Die Treuepflicht der Gesellschafter könnte ebenfalls ein europäisches Rechtsprinzip sein. Das deutsche Verbandsrecht versteht sie als eine Schranke der Ausübung mitgliedschaftlicher Herrschaftsmacht91. Indem sie eine verhältnismäßige Rechtsausübung postuliert, geht sie über das hinaus, was der einfache Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verlangt. Dieser Gedanke der sowohl von einer Mehrheit als auch einer Minderheit geschuldeten Rücksichtnahme ist im europäischen Strukturänderungsrecht explizit nicht anzutreffen92. Anhaltspunkte für die Anerkennung eines Loyalitätsgedankens können allenfalls in der Übernahme-RL gefunden werden: Eine Aktionärsminderheit muss es im Nachgang zu einer Übernahme hinnehmen, gegen eine Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden (Squeeze-out), und der Bieter muss vice versa das Angebot einer Aktionärsminderheit, ihre Anteile zu erwerben, annehmen (Sell-out)93. In beiden Fällen kommt zum Ausdruck, dass eigene mitgliedschaftliche Interessen ausnahmsweise zurückzutreten haben. Mehr lässt sich allerdings (einstweilen) nicht sagen. c) Zwischenbefund Schon der flüchtige Blick auf den gleichbehandlungsrelevanten Regelungsgehalt der Richtlinien erlaubt das Fazit, dass das europäische Gesellschaftsrecht vom Rechtsprinzip der Gleichbehandlung geprägt ist. Dagegen sind die Hinweise auf eine mitgliedschaftliche Treuepflicht spärlich. Sie kann mangels einer gemeinschaftsweiten Harmonisierung von Aktionärsrechten schwerlich im europäischen System des Aktionärsschutzes angesiedelt werden.

V. Entwicklungen des europäischen Systems des Aktionärsschutzes Das in Grundzügen entworfene System des Aktionärsschutzes erlaubt es, einen treffsicheren Blick auf zwei aus Brüssel stammende aktuelle Gesetzgebungsakte zu werfen und diese zu evaluieren. So ist zum einen von Interesse, dass vor kurzem einzelne Aspekte der Rechnungslegung reformiert

__________ 90 Vgl. zur Strukturierung des übernahmerechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Gleichbehandlungsgebots Mehringer (Fn. 88), 3. Teil. 91 Vgl. Raiser/Veil (Fn. 8), § 12 Rz. 40 ff. und § 28 Rz. 40 ff. 92 Skeptisch auch der Diskussionsbericht zu den Referaten von Hirte, Henze und Hommelhoff in Grundmann, (Fn. 6), S. 287. 93 Vgl. Art. 15 f. Übernahme-RL.

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wurden. Zum anderen soll in Augenschein genommen werden, dass erstmals bestimmte Aktionärsrechte harmonisiert werden sollen. Präsentieren sich diese beiden Harmonisierungsaufträge als eine konsequente Entwicklung des vorgestellten Schutzsystems? 1. Corporate Governance Seit mehreren Jahren wurde der Vorschlag der Kommission, die Rechnungslegungsrichtlinien zu ändern, debattiert94. Das Gesetzgebungsverfahren konnte im Juni 2006 abgeschlossen werden95. Anliegen der Änderungsrichtlinie ist es, das Vertrauen in die Jahrsabschlüsse zu stärken. Dazu wurde zum einen die kollektive Verantwortung von Organmitgliedern festgelegt. Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass Organmitglieder gemeinsam zumindest gegenüber dem Unternehmen verantwortlich sind96. Eine Außenhaftung ist folglich nicht vorgesehen97. Zum anderen wurde die gemeinschaftsweit einzuführende Pflicht begründet, eine Corporate Governance Erklärung abzugeben98. Diese wird ein spezifischer Teil des Lageberichts des Unternehmens sein. Sie soll sich vor allem auf das Risikomanagementsystem, die Funktionsweise der Hauptversammlung, die Aktionärsrechte sowie die Funktionsweise der Organe und ihrer Abschlüsse erstrecken. Beide Änderungskomplexe fügen sich ohne Weiteres in das entworfene System des europarechtlichen Aktionärsschutzes ein. Die Kommission greift auf wohl bekannte Prinzipien und Regelungskonzepte zurück: Es ist für eine Transparenz der gesellschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Rechtssysteme zu sorgen, damit die Aktionäre und Anleger sachgerechte Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen treffen können. Ferner ist eine Haftung zu etablieren, die das Verhalten der Geschäftsleitung bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse und des Lageberichts steuern soll! Dieser Zugriff weist allerdings Defizite auf. Zu beanstanden ist erstens, dass die „kollektive Verantwortlichkeit“99 ein schillernder Begriff ist. Die mindestens einzuführende organschaftliche Bin-

__________ 94 Vgl. Maul, DB 2003, 27; dies./Lanfermann, BB 2003, 1289. 95 Vgl. Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14. Juni 2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. Nr. L 224 v. 16.8.2006, S. 1. 96 Vgl. Art. 1 Nr. 8, Art. 2 Nr. 3 Änderungs-RL. 97 Vgl. hierzu Maul, WM 2004, 2146 (2148). 98 Art. 1 Nr. 7 Änderungs-RL. 99 Vgl. Erwägungsgrund 2 zur Änderungs-RL.

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nenhaftung des Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgans weist keine Konturen auf. Es scheint den Mitgliedstaaten aufgegeben zu sein, die Verschuldenshürde und den ersatzfähigen Schaden nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Da die Organisationsverfassung einer Aktiengesellschaft bislang keine Harmonisierung erfahren hat, wäre es dringlich gewesen, diese Aspekte präzise zu entscheiden100. Vor allem aber: Eine bloße Haftung gegenüber der Gesellschaft wegen fehlerhafter Aufstellung der Abschlüsse und des Lageberichts dürfte im Regelfall leer laufen. Es sind vielmehr die Aktionäre und die Gläubiger der Gesellschaft, die durch falsche Bilanzen geschädigt werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhaltenssteuerung wäre es daher erforderlich gewesen, eine Außenhaftung der verantwortlichen Personen vorzugeben. Und schließlich: Der Regelungszugriff auf Aspekte der Corporate Governance mutet halbherzig an. Die Kommission will sich darauf beschränken, die bestehenden Regime transparent zu machen. Ob diese effektiv sind oder nicht, sollen die Aktionäre beurteilen. Damit beschreitet die Kommission einen wohl bekannten Weg. Dies tut sie entschieden und mit aller Kraft: Die geforderte Publizität erstreckt sich auf alle relevanten Aspekte der Organisationsverfassung einer Aktiengesellschaft. Aufgeführt sind die internen Kontroll- und Risikomanagementsysteme, die Funktionsweise der Hauptversammlung und ihrer wesentlichen Befugnisse und eine Beschreibung der Aktionärsrechte sowie die Zusammensetzung und Funktionsweise der Organe und ihrer Ausschüsse. Die Bekanntgabe der einschlägigen Regelungen ist nötig, weil die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verschiedenartige Modelle der Unternehmensleitung und -kontrolle kennen und zur Frage des Einflusses der Hauptversammlung unterschiedliche Antworten geben. Die geforderte Publizität ist allerdings allenfalls ein zaghafter und möglicherweise auch ineffizienter101 Lösungsansatz. Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass bestimmte Bereiche der Organisationsverfassung harmonisierungsbedürftig sind. 2. Aktionärsrechte Das zu evaluierende Harmonisierungsvorhaben betrifft die Ausübung der Stimmrechte durch Aktionäre von Gesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Aktien zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. Die Kommission hat hierzu im Januar 2006 einen

__________ 100 Ähnlich schon Maul/Lanfermann, BB 2003, 1289 (1293). 101 Zur Ineffizienz einer Bewertung der Corporate Governance Kodizes durch die Kapitalmärkte vgl. die empirische Untersuchung von Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252.

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Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt102, die vor allem zur Steigerung der Präsenz in den Hauptversammlungen börsennotierter Gesellschaften beitragen soll103. Geregelt werden sollen u. a. die Einladung zur Hauptversammlung104, das Recht zur Ergänzung der Tagesordnung der Hauptversammlung und zur Einbringung von Beschlussvorlagen105, der Zugang zur Hauptversammlung106, das Fragerecht107, die Stimmrechtsvertretung108 sowie Fragen zur Abstimmung und Auszählung der Stimmen109. Diese schlagwortartige Übersicht zeigt bereits, dass erstmals wichtige mitgliedschaftliche Aktionärsrechte gemeinschaftsweit harmonisiert werden sollen. Die vorgeschlagenen Regelungen ergänzen die in der Transparenz-RL verfügten Informationspflichten von kapitalmarktorientierten Emittenten110. Sie fügen sich friktionslos in das entwickelte System des Aktionärsschutzes ein. Auch dass Art. 4 des Richtlinienvorschlags von der Gesellschaft verlangt, die Gleichbehandlung aller Aktionäre zu gewährleisten, die in Bezug auf die Teilnahme und die Stimmrechte auf den Hauptversammlungen gleichgestellt sind, kann schwerlich als eine revolutionäre Botschaft bezeichnet werden. Ein Wermutstropfen muss dennoch vergossen werden. Sanktionen sieht die angedachte Harmonisierung der Aktionärsrechte nicht vor111. Insbesondere trifft der Richtlinienvorschlag keine Aussagen zur Beschlusskontrolle der Aktionäre, obwohl dieser Komplex bislang nicht gemeinschaftsweit koordiniert wurde. Dabei wäre es dringlich gewesen, die Fragen anzusprechen112.

__________ 102 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Stimmrechte durch Aktionäre von Gesellschaften, die ihren eingetragenen Sitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG; abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/ official/index_de.htm. 103 Vgl. hierzu Wand/Tillmann, AG 2006, 443. 104 Art. 5 Vorschlag für eine Stimmrechts-RL. 105 Art. 6 Vorschlag für eine Stimmrechts-RL. 106 Art. 7 Vorschlag für eine Stimmrechts-RL. 107 Art. 9 Vorschlag für eine Stimmrechts-RL. Vgl. hierzu Noack, NZG 2006, 321, 323. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge soll das Fragerecht der Aktionäre nicht, wie von Art. 9 des Vorschlags vorgesehen, ausgeweitet werden. Vgl. FAZ v. 30.9.2006, S. 25. 108 Art. 10 f. Vorschlag für eine Stimmrechts-RL. 109 Art. 12 ff. Vorschlag für eine Stimmrechts-RL. 110 Art. 17 Transparenz-RL verlangt u. a., dass alle Einrichtungen und Informationen sicher zu stellen sind, die die Aktionäre zur Ausübung ihrer Rechte benötigen. Insbesondere muss der Emittent über Ort, Zeitpunkt und Tageordnung der Hauptversammlung sowie über die Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte und die Rechte der Aktionäre bezüglich der Teilnahme an den Hauptversammlungen informieren. 111 Aus diesem Grund ebenfalls kritisch Noack, NZG 2006, 321 (326). 112 Vgl. hierzu im Zusammenhang mit dem Fragerecht der Aktionäre vor der Hauptversammlung Wand/Tillmann, AG 2006, 443 (447).

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Rechtsprinzipien und Regelungskonzepte im europäischen Gesellschaftsrecht

Ohne ein ausgewogenes Klagerecht der Aktionäre oder ein anderes System, beispielsweise in Gestalt eines schadensersatzrechtlichen „dulde und liquidiere“-Konzepts113, ist die unverzichtbare Rechtsdurchsetzung nicht zu erreichen.

VI. Fazit Auf die eingangs formulierten Fragen können klare und eindeutige Antworten gegeben werden. Erstens ist deutlich geworden, dass sich Rechtsprinzipien und Regelungskonzepte ausmachen lassen, die für eine Systembildung fruchtbar gemacht werden können. Als ein zentrales Rechtsprinzip kann die gegenüber Aktionären bzw. Anlegern geschuldete Transparenz der Gesellschaften identifiziert werden, die von einer Kontrolle durch externe Sachverständige und einer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Mitglieder der Geschäftsleitung und des Aufsichtsorgans begleitet wird. Zweitens hat sich gezeigt, dass die gewonnenen Erkenntnisse mehrere Rückschlüsse für eine weitere friktionslose Harmonisierung der Gesellschaftsrechte der Mitgliedstaaten erlauben. Mit der Richtlinie zur Änderung der Rechnungslegungsrichtlinien werden bestens bekannte Instrumente des Aktionärsschutzes nutzbar gemacht. Auch der Vorschlag für eine Richtlinie über die Ausübung der Stimmrechte durch Aktionäre präsentiert sich keineswegs revolutionär. Beide Maßnahmen tragen zur Ausdifferenzierung des Informationssystems bei. Die bei beiden Gesetzgebungsakten nutzbar gemachten Regelungskonzepte können allerdings schwerlich als ausgereift bezeichnet werden. Die Kontrolle der zur Verfügung gestellten Informationen und die Haftung der verantwortlichen Akteure ist nur schlagwortartig vorgezeichnet. Wo genau die Grenze zwischen einer richtlinienkonformen und einer richtliniengetreuen Umsetzung verläuft, lässt sich kaum zuverlässig sagen. Damit sind bereits die Defizite der europäischen Gesetzgebung angesprochen. Wie das Organhaftungsrecht konturiert werden muss, ist weitgehend den Mitgliedstaaten überantwortet. Auch zur Durchsetzung der Haftung durch die Organe der Gesellschaft und/oder der Aktionäre gibt es keine Vorgaben. Ebenso verhält es sich zum Beschlussmängelrecht. Man scheint darauf zu vertrauen, dass die Gesellschaftsrechte der Mitgliedstaaten zu diesen Aspekten der Organisationsverfassung effiziente Regeln vorsehen. Je mehr aber der europäische Gesetzgeber den Aktionärsschutz durch Transparenz und Information vorantreibt, desto größer wird das Bedürfnis, die flankierenden Regelungskonzepte nicht aus den Augen zu verlieren. Werden sie eingesetzt, um eine effektive Durchsetzung der Informationspflichten zu gewährleisten, so ist es unverzichtbar, wirksame Haftungstatbestände bereit

__________ 113 Vgl. Noack, NZG 2006, 321 (326).

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zu halten. Der europäische Gesetzgeber darf sich nicht der Aufgabe verschließen, die einzelnen Bausteine der organschaftlichen Geschäftsleiterhaftung zu formen. Es sollte daher, so die letzte Antwort auf die eingangs gestellten Fragen, mittelfristig auch die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltung und ihre Durchsetzung durch unabhängige Verwaltungsbzw. Aufsichtsratsmitglieder sowie durch Aktionäre koordiniert werden. Schließlich darf die Beschlusskontrolle der Aktionäre nicht vergessen werden. Es wird erforderlich sein, für sie einen Grundbestand von Rechtsgrundsätzen zu etablieren.

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Notizen zur Realteilung nach dem BMF-Schreiben vom 28. Februar 20061 Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung II. Zur Rechtsentwicklung III. Anmerkungen zum Einführungsschreiben 1. Realteilung und Sachwertabfindung a) Rechtsfolgen b) Meinungsstand c) Stellungnahme aa) Realteilung auch bei Fortbestand der Gesellschaft bb) Maßgeblichkeit des Betriebsaufgabetatbestands

cc) Realteilung als funktionsbestimmter Rechtsbegriff – Dehnung des Betriebsaufgabebegriffs 2. Überquotale Übernahme von Verbindlichkeiten 3. Überführung der Realteilungsmasse in Nachfolgepersonengesellschaften 4. Gewinnzurechnung bei Verletzung der Behaltefrist

I. Vorbemerkung Im Anschluss an einen Vortrag, den ich im Jahre 1999 in Hamburg zum Thema Realteilung nach dem StEntlG 1999/2000/2001 gehalten habe, hat mich unser Jubilar dazu eingeladen, gemeinsam die Verflechtungen von Gesellschafts- und Steuerrecht in jährlich wiederkehrenden Diskussionsveranstaltungen zu beleuchten. Es versteht sich von selbst, dass man eine solche Offerte nicht ausgeschlagen konnte. Auch hat die Hoffnung, in der Beletage des Gesellschaftsrechts sich der eigenen Kenntnisse und deren Untiefen vergewissern zu können, nicht getrogen. Hierfür sowie für die vielen Anregungen und unterhaltsamen Episoden sei Hans-Joachim Priester auf das Herzlichste gedankt. Als kleines Zeichen der Wertschätzung und Sympathie soll an unsere erste Begegnung angeknüpft und das damalige Thema – aus Anlass des einschlägigen Einführungsschreibens der Verwaltung – auf den heutigen Stand der Dinge gebracht werden.

II. Zur Rechtsentwicklung Die ertragsteuerrechtliche Behandlung der Auseinandersetzung gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögens blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück.

__________

1 BStBl. I 2006, 228.

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1. Ausgehend davon, dass die Auseinandersetzung – auf der Stufe der Personengesellschaft, d. h. der Gesellschafter in ihrer mitunternehmerschaftlichen Verbindung – den Tatbestand der Betriebsaufgabe (Gesamtentnahme) erfülle, ging es der Rechtsprechung darum, deren Regelfolgen – Aufgabegewinn unter Ansatz gemeiner Werte – im Rahmen eines in der steuerrechtlichen Schlussbilanz auszuübenden Wahlrechts zur Buchwertfortführung unter der Voraussetzung abzumildern, dass die betriebliche Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt blieb. Tragend für diese teleologische Reduktion des Entnahmetatbestands (sog. finale Entnahmelehre) war die ertragsteuerrechtliche Erwägung, dass der Gewinn der Personengesellschaft deren Gesellschaftern unmittelbar zur Besteuerung zugerechnet (Transparenzprinzip) und – hieran anknüpfend – im Falle einer Realteilung (Gesamtentnahme) die bisherige (gesamthänderische) Sachherrschaft über das Betriebsvermögen der Personengesellschaft in einer anderen rechtlichen Form (Alleineigentum oder Gesamthandseigentum einer Nachfolgepersonengesellschaft) fortgesetzt werde (sog. Engagementgedanke)2. Der Große Senat des BFH hat diese Grundsätze auch auf die Auseinandersetzung von Erbvermögen (einschl. Privatvermögen) angewandt und in systematischer Hinsicht betont, dass die Realteilungsabrede lediglich den (gesellschaftsrechtlichen oder erbrechtlichen) Auseinandersetzungsanspruch gegenständlich konkretisiere. Aufgrund der Verteilung des Vermögens falle deshalb – vorbehaltlich des Wahlrechts zur Buchwertverknüpfung – ein Betriebsaufgabegewinn an; ein Tauschgeschäft – und damit der Tatbestand der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen – sei sowohl im Verhältnis der Gesellschafter (Miterben) zueinander als auch gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen3. Die Rechtsprechung des BFH ist hierbei allerdings nicht stehen geblieben; sie hat darüber hinaus entschieden, dass das Recht zur Buchwertfortführung auch dann bestehe, wenn die Realteiler Einzelwirtschaftsgüter erhielten und – zum Zwecke der Vermeidung von Ausgleichszahlungen zwischen den Gesellschaftern (Miterben) – Gesellschaftsverbindlichkeiten überproportional übernähmen. 2. Bekanntlich hat der Gesetzgeber an dieser liberalen Rechtsprechung Anstoß genommen und zur Vermeidung von „Gestaltungsmöglichkeiten“ mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/20024 (StEntlG 1999 ff.) den Engagementgedanken nicht nur – in Abkehr vom sog. Mitunternehmererlass5 – bei Übertragung von Einzel-Wirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer fortbestehenden Personengesellschaft verworfen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG i. d. F StEntlG 1999 ff.), sondern – insofern folgerichtig – auch im Rahmen der erstmaligen Kodifikation der Realteilungsregeln verfügt, dass bei

__________ 2 Grundlegend BFH v. 19.1.1982 – VIII R 21/77, BFHE 135, 282; BStBl. II 1982, 456; BFH v. 15.7.1976 – I R 17/74, BFHE 119, 285 = BStBl. II 1976, 748. 3 Beschl. v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BFHE 161, 332 = BStBl. II 1990, 837 (844). 4 V. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 5 BMF v. 20.12.1977, BStBl. I 1978, 8.

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Notizen zur Realteilung

Zuweisung einzelner WG ein Zwang zur Gewinnrealisierung (Aufgabe des Mitunternehmeranteils) bestehe. Eine gewinnneutrale Realteilung setzte demgemäß die Auskehrung strukturierter Einheiten (Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile) voraus (Wegfall des bisherigen Wahlrechts; § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 6 Abs. 3 EStG i. d. F. StEntlG 1999 ff.)6. 3. Nur 1 ½ Jahre nach Verabschiedung des StEntlG 1999 ff. hat der Gesetzgeber indes erkennen müssen, dass sein Konzept weder der Kritik der Wirtschaftsverbände standzuhalten noch den Praxistest zu bestehen vermochte. Um „insbesondere dem Bedürfnis mittelständischer Unternehmen für Umstrukturierungserleichterungen im Zusammenhang mit der Übertragung einzelner WG Rechnung zu tragen“7, wurde mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 20008 bereits ab 1. Januar 2001 § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG neu gefasst und auch bezüglich betrieblicher Einzel-WG die Gewinnneutralität eines Übertragungsvorgangs (Rechtsträgerwechsel) zwischen dem Eigenvermögen des Mitunternehmers und dem Gesamthandsvermögen (und umgekehrt) zwingend angeordnet (kein Wahlrecht). Die hiermit verbundene partielle Rückkehr zur finalen Entnahmelehre (Engagementgedanke) ist jedoch für den Bereich der Realteilung erst mit dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20. Dezember 20019 nachvollzogen worden. Für „Realteilungen nach dem 31. Dezember 2000“ (§ 52 Abs. 34 Satz 4 EStG) gelten demnach folgende gesetzliche Regelungen des § 16 Abs. 3 EStG n. F., die zum leichteren Verständnis der folgenden Erläuterungen wörtlich wiedergegeben werden: „(1) Als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs sowie eines Anteils im Sinne des Absatzes 1 (Satz 1) Nr. 2 oder 3. (2) Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; der übernehmende Mitunternehmer ist an diese Werte gebunden. (3) Dagegen ist für den jeweiligen Übertragungsvorgang rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen, soweit bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen worden sind, zum Buchwert übertragener Grund und Boden, übertragene Gebäude oder andere übertragene wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb einer Sperrfrist nach der Übertragung veräußert oder entnommen werden; diese Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung. (4) Satz 2 ist bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden, nicht anzuwenden, soweit die Wirtschaftsgüter unmittelbar oder mittelbar auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse übertragen

__________ 6 BT-Drucks. 14/23, 172 (178). 7 So die nicht amtliche Begründung des Vermittlungsergebnisses; vgl. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Loseblatt, § 6 EStG Anm. R 12. 8 BGBl. I 2000, 1433. 9 BGBl. I 2001, 3858.

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Roland Wacker werden; in diesem Fall ist bei der Übertragung der gemeine Wert anzusetzen. … (8) Bei Aufgabe eines Gewerbebetriebs, an dem mehrere Personen beteiligt waren, ist für jeden einzelnen Beteiligten der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen, die er bei der Auseinandersetzung erhalten hat.“

4. Wie jede Neuerung, so ist auch das nunmehr geltende Recht der ertragsteuerrechtlichen Realteilung mit einer Vielzahl von Auslegungsfragen verbunden. Nach Einschätzung von Schell10 hatten die Unwägbarkeiten des § 16 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 EStG – also beispielsweise die Abgrenzung der gesetzlich nicht definierten Realteilung (Betriebsaufgabe) von einem Ausscheiden gegen Sachwertabfindung (Veräußerung von Mitunternehmeranteilen), die Frage, ob die Realteilungsmasse in Nachfolgegesellschaften übertragen werden kann (Satz 2), oder die Rechtsfolgen einer Sperrfristverletzung (Satz 3) – ein solches Ausmaß erreicht, dass die Realteilung auf der Klaviatur der Umstrukturierungsmaßnahmen eine eher untergeordnete Rolle gespielt habe. Als Beleg hierfür mag auch der Umstand zu werten sein, dass das BMF erst nach vierjähriger Vorarbeit11 mit Schreiben vom 28. Februar 200612 den Versuch gewagt hat, der Praxis sein Verständnis zu offenbaren. Selbstverständlich bietet dieser Beitrag keine Gelegenheit, jede Einzelaussage des Einführungsschreibens nachzuzeichnen; im Folgenden sollen aber einige systematische Nahtstellen der Anweisung erörtert werden.

III. Anmerkungen zum Einführungsschreiben 1. Realteilung und Sachwertabfindung Beispiel 1: A scheidet aus der A/B/C-KG gegen Abfindung mit einem Betriebsgrundstück (Wert: 2 Mio. Euro; Buchwert: 0,5 Mio. Euro; stille Reserven 1,5 Mio. Euro) aus; zur Angleichung an den Wert seines Auseinandersetzungsanspruchs (1 Mio. Euro) übernimmt er – ggf. im Wege einer Freistellungsvereinbarung – Schulden der KG in Höhe von 1 Mio. Euro. Das übertragene Grundstück wird von A im Rahmen seines Einzelunternehmens genutzt. Beispiel 2: A ist Gesellschafter der A/B-OHG. Er scheidet nach Maßgabe der Erläuterungen zu Beispiel 1 aus der OHG aus. Im Übrigen führt B den Betrieb der OHG fort. a) Rechtsfolgen Der Frage, ob die Beispielsfälle den Regeln Realteilung oder denjenigen der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen gegen Sachwertabfindung unter-

__________

10 BB 2006, 1026. 11 Paus, DStZ 2006, 285. 12 BStBl. I 2006, 228.

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Notizen zur Realteilung

stehen, kommt deshalb ausschlaggebende Bedeutung zu, weil die Praxis gegenwärtig davon auszugehen hat, dass nur bei Annahme einer Realteilung die übernommenen Verbindlichkeiten als Faktor zur Konkretisierung des Auseinandersetzungsanspruchs zu qualifizieren sind (s. o. zu II.1 sowie nachfolgend zu III.2). Geht man hingegen von einer Sachwertabfindung und damit davon aus, dass der Ausscheidende seinen Mitunternehmeranteil an die anderen Gesellschafter veräußert (Schritt 1) und diese zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs Wirtschaftsgüter auf den Ausscheidenden entgeltlich übertragen (Schritt 2)13, so werden zwar gleichfalls die hierbei erzielten Gewinne (beider Stufen) neutralisiert, wenn (und soweit) das Abfindungsgut in ein Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen des Ausscheidenden gelangt (Buchwertanpassung des Kapitalkontos i. V. m. der Verlagerung stiller Reserven)14. Rechtsgrundlage hierfür ist jedoch nicht § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG, sondern die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG (Vermögensübertragung gegen Minderung von Gesellschaftsrechten) mit der weiteren Folge, dass – vorbehaltlich des Ausweises einer gewinnmindernden Rücklage (§ 6b EStG) – jedenfalls nach Ansicht15 der Verwaltung die Übertragung des WG gegen Übernahme von Verbindlichkeiten bei dem (den) Abfindungsverpflichteten mit einer teilweisen Aufdeckung der stillen Reserven verbunden ist (sog. Trennungstheorie)16; in den Beispielen mithin in Höhe von 0,75 Mio. Euro = 1 Mio. Euro (Verbindlichkeiten) – 0,25 Mio. Euro (hälftiger Buchwert: 0,5 Mio. Euro x ½ [Verbindlichkeiten zu Wert des AbfindungsGrundstücks]). b) Meinungsstand In der Literatur wird zum Teil vertreten, der Begriff der Realteilung i. S. v. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG (n. F.) sei an die (zivilrechtliche) Vollbeendigung der Ursprungsgesellschaft geknüpft. Hiervon ausgehend kann nur in Beispiel 2 eine gewinnneutrale Realteilung in Betracht kommen. Andere sind hingegen der Auffassung, dass insbesondere unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zum StEntlG 1999 ff.17 unter die Realteilung auch das Ausscheiden gegen Sachwertabfindung (Einzel-WG) aus einer fortbestehenden Gesellschaft zu fassen sei18.

__________ 13 BFH v. 24.5.1973 – IV R 64/70, BFHE 109, 438 = BStBl. II 1973, 655. 14 Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl. 2007, § 16 EStG Rz. 521 und 522. 15 Zum Streitstand vgl. die Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweise bei Schmidt/ Wacker (Fn. 14), § 15 EStG Rz. 665; Niehus/Wilke, FR 2005, 1012; zu Ausweichgestaltungen vgl. Ley in FS K. Korn, 2005, S. 335 (354). 16 BMF v. 7.6.2001, BStBl. I 2001, 367. 17 BT-Drucks. 14/23, 178: „Unter Realteilung werden Sachverhalte verstanden, … bei denen die Mitunternehmerschaft zwar bestehen bleibt, jedoch Teile des Betriebsvermögens dem ausscheidenden Gesellschafter als Abfindung überlassen werden“; vgl. dazu auch Groh in FS Kruse, 2001, S. 417 (431). 18 Stuhrmann, DStR 2005, 1355; Spiegelberger, NWB F 3, 14019 (14020 f.).

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Das Einführungsschreiben19 nimmt zu der Streitfrage unter Abschn. II der Anweisung wie folgt Stellung: „(1) Von der Realteilung ist die Veräußerung oder die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils bei Fortbestehen der Mitunternehmerschaft zu unterscheiden. (2) Scheidet ein Mitunternehmer aus einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft aus und wird diese im Übrigen von den verbleibenden Mitunternehmern fortgeführt, liegt kein Fall der Realteilung vor. (3) Dies gilt auch dann, wenn der ausscheidende Mitunternehmer wesentliche Betriebsgrundlagen des Gesamthandsvermögens erhält. (4) Es handelt sich in diesen Fällen um den Verkauf oder die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG. (5) Ggf. ist eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 oder 5 EStG unter den dort genannten Voraussetzungen vorzunehmen. (6) Dies gilt insbesondere auch im Fall des Ausscheidens eines Mitunternehmers aus einer zweigliedrigen Mitunternehmerschaft unter Fortführung des Betriebes als Einzelunternehmen durch den verbleibenden Mitunternehmer (vgl. BFHUrteil vom 10. März 1998, BStBl II 1999 S. 269). (7) Scheidet ein Mitunternehmer aus einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft in der Weise aus, dass sein Mitunternehmeranteil allen verbleibenden Mitunternehmern anwächst und er einen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft erhält (Sachwertabfindung), liegt ebenfalls kein Fall der Realteilung vor.“

c) Stellungnahme Im Grundsatz ist der Ansicht der Verwaltung zuzustimmen. aa) Realteilung auch bei Fortbestand der Gesellschaft Zu Recht verwirft sie die Ansicht, eine Realteilung setze die Naturalteilung des gesamten Gesellschaftsvermögens und damit die Vollbeendigung der Gesellschaft voraus. Zwar ist es richtig, dass der BFH seine Rechtsprechung zur Realteilung an Fällen der Liquidation von Personengesellschaften in Form der gegenständlichen Teilung des Gesamthandsvermögens entwickelt hat; auch hat er hierbei betont, dass in der Naturalteilung eine andere Form der Auseinandersetzung i. S. v. § 145 Abs. 1 HGB (i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) zu sehen und dieser Vorgang als Betriebsaufgabe zu werten sei20. Indes: Die Gedankenführung ist weder – erstens – einer Weiterung in dem Sinne zugänglich, dass jegliche Form der „anderen Auseinandersetzung“ i. S. v. § 145 Abs. 1 HGB den Tatbestand der Betriebsaufgabe und damit auch denjenigen der Realteilung erfülle, noch gestattet sie – zweitens – den Gegenschluss, dass nur in Fällen der Naturalteilung eine Betriebsaufgabe gegeben sein könne. Ersteres verbietet sich bereits deshalb, weil zu den anderen Arten der Auseinandersetzung (§ 145 Abs. 1 HGB) neben der Naturalteilung beispielsweise auch die Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch einen Gesellschafter im Wege der Universalsukzession – sei es aufgrund des Austretens

__________

19 BStBl. I 2006, 228. 20 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 21/77, BFHE 135, 282 = BStBl. II 1982, 456.

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seiner Mitgesellschafter aus der Gesellschaft21, sei es aufgrund einer Anteilsübertragung – zu rechnen ist22; verfahren die Gesellschafter in dieser Weise und vereinbaren sie eine Ausgleichsleistung aus dem Eigenvermögen des übernehmenden Gesellschafters, kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der Abgefundene seinen Mitunternehmeranteil (entgeltlich) veräußert hat. Darüber hinaus entbehrt (zweitens) auch der skizzierte Umkehrschluss (Betriebsaufgabe nur bei Vollbeendigung der Gesellschaft) der Grundlage; verwiesen sei hierbei auf den Sachverhalt, dass die Personengesellschaft ihr Betriebsvermögen an verschiedene Erwerber veräußert (Betriebszerschlagung) und die erzielten Erlöse im privaten Gesamthandsvermögen der (fortbestehenden) Gesellschaft gehalten werden. bb) Maßgeblichkeit des Betriebsaufgabetatbestands Ungeachtet dieser allgemeinen Erwägungen im gesellschafts- und steuerrechtlichen Umfeld der Realteilungssachverhalte ist der Sicht der Verwaltung vor allem im Hinblick auf die materiell tragenden Erwägungen der bisherigen Rechtsprechung sowie deren Rezeption in § 16 Abs. 3 EStG (n. F.) beizupflichten. Dass die Realteilung – von noch zu erörternden Ausnahmen abgesehen – lediglich Sachverhalte der Betriebsaufgabe auf der Ebene der Gesellschaft (oder Gemeinschaft23), nicht hingegen den auf der Stufe des Gesellschafters verwirklichten Tatbestand der Veräußerung des Mitunternehmeranteils (Sachwertabfindung) erfasst, zeigt nicht nur der Gesetzeswortlaut, der die Buchwertfortführung im Rahmen einer begünstigten Realteilung (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG) „bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft“ (Hervorhebung durch Verfasser) sowie im Falle der Verletzung der Sperrfrist (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG) den Ansatz des „gemeinen Werts“ (vgl. dazu auch § 16 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG) – nicht hingegen des Teilwerts (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) – anordnet. Hinzu kommt der offenkundige Zusammenhang der Realteilungsregeln (§ 16 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 EStG) zu den allgemeinen Vorschriften über die Betriebsaufgabe sowohl in § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG (Aufgabe des Gewerbebetriebs oder Mitunternehmeranteils) als auch in § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG (Ansatz des gemeinen Werts bei „Aufgabe eines Gewerbebetriebs, an dem mehrere Personen beteiligt sind“). Beides kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass die Realteilungsgrundsätze darauf zielen, für den Fall der fortdauernden betrieblichen Verhaftung der Realteilungsmasse die Regelfolge des Betriebsaufgabetatbestands zu mildern

__________ 21 Zur umstrittenen Frage, ob es sich hierbei um eine Anwachsung i. S. v. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (bej. Einführungsschreiben, BStBl. I 2006, 228, Abschn. II Satz 7), vgl. ausführlich K. Schmidt in FS U. Huber, 2006, S. 969 (991 ff.). 22 Überblick über die verschiedenen Formen der Auseinandersetzung bspw. bei K. Schmidt in MünchKomm.HGB, 2. Aufl. 2006, § 145 HGB Rz. 31 ff. 23 Vgl. zur Güter- und Bruchteilsgemeinschaft sowie zu InnenGes z. B. Schmidt/ Wacker (Fn. 14), § 16 EStG Rz. 538 m. w. N.

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(Rechtsfolgenreduktion; Buchwertverknüpfung)24. Das durch das UntStFG geschaffene Gesetzesrecht kodifiziert damit im Kern – d. h. abgesehen von der Beseitigung des früheren Wahlrechts (s. o.) sowie vorbehaltlich der Weiterveräußerungsschranken sowie der Körperschaftsteuerklausel (§ 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG) – die auf den finalen Entnahmebegriff (Engagementgedanke) gestützte Rechtsprechung des BFH zur Rechtslage bis einschließlich 1998 (s. o.)25. Soweit hiergegen eingewandt wird, es entspreche dem Willen des Gesetzesgebers auch die Sachwertabfindung den Realteilungsgrundsätzen zu unterwerfen, ist dieser Verweis zwar mit Rücksicht auf die Begründung zum StEntlG 1999 ff. zutreffend. Er lässt jedoch nicht nur außer Acht, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch das UntStFG die Konzeption des StEntlG 1999 ff. (Qualifikation der Realteilung als Aufgabe von Mitunternehmeranteilen) aufgegeben hat; zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Motive und Vorstellungen der Mitglieder gesetzgebender Körperschaften nur dann die Normauslegung leiten können, wenn sie im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben26. cc) Realteilung als funktionsbestimmter Rechtsbegriff – Dehnung des Betriebsaufgabebegriffs Die Anbindung an den Betriebsaufgabetatbestand hat zur Folge, dass – im Sinne der bisherigen Rechtsprechung – die Realteilung einen „betriebsbeendenden Vorgang“27 voraussetzt. Hieran wird es regelmäßig nicht nur bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer drei- oder mehrgliedrigen Personengesellschaft fehlen; gleiches gilt vielmehr auch dann, wenn der Betrieb einer zweigliederigen Gesellschaft von nur einem Gesellschafter fortgeführt und der ausscheidende Gesellschafter mit einer (oder mehreren) unwesentlichen und/oder wesentlichen Betriebsgrundlage(n) abgefunden wird28. Allerdings ist das Merkmal des betriebsbeendenden Vorgangs nicht auf Sachverhalte der Betriebszerschlagung (Betriebsaufgabe i. e. S.) beschränkt. Der Realteilungsbegriff ist nicht nur – wie aufgezeigt – in den systematischen

__________ 24 Vgl. auch die Nachweise bei Autenrieth, WPg-Sonderheft 2006, S 99 (S 100 ff.). 25 Insoweit gl.A. BFH-Beschl. v. 29.4.2004 – IV B 124/02, BFH/NV 2004, 1395. Dem Beschluss kann zudem entnommen werden, dass nach Ansicht des IV. Senats des BFH eine Realteilung dann ausscheide, wenn alle WG ins PV überführt werden. Ähnlich Einführungsschreiben v. 28.2.2006 (BStBl. I 2006, 228) zu Abschn. I: „mindestens eine wesentliche Betriebsgrundlage muss in das BV eines Realteilers überführt werden“. Demgegenüber zutreffend Neumann, EStB 2006, 143 (144): Die fortdauernde BV-Zugehörigkeit ist keine Voraussetzung der Realteilung, sondern eine Voraussetzung für deren steuerliche Begünstigung. 26 Vgl. dazu BFH v. 14.5.1991 – VIII R 31/88, BFHE 164, 516 = BStBl. II 1992, 167 (172) m. umfangr. N. 27 BFH v. 17.2.1994 – VIII R 13/94, BFHE 174, 550 = BStBl. II 1994, 809. 28 Gl.A. Einführungsschreiben, BStBl. I 2006, 228, Abschn. II.

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Zusammenhang zur Betriebsaufgabe i. S. v. § 16 Abs. 3 EStG eingebunden. Er hat als – sog. funktionsbestimmter Rechtsbegriff29 – auch die Wertungen des § 6 Abs. 3 EStG aufzunehmen. Nach dieser Bestimmung ist eine Buchwertfortführung (d. h. keine Aufdeckung der stillen Reserven) auch dann geboten, wenn eine strukturierte betriebliche Einheit (Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil) vom bisherigen Rechtsinhaber unentgeltlich übertragen wird. Die Regelung muss auch im Rahmen der Ausdeutung des Realteilungsbegriffs Berücksichtigung finden, weil die Rechtsprechung des BFH, wie zu Abschn. II.1 darlegt, den Abfindungsvorgang weder im Verhältnis der Gesellschafter zueinander noch im Verhältnis von Ausscheidendem zu Gesellschaft als entgeltliches Rechtsgeschäft qualifiziert, sondern in der Auseinandersetzungsvereinbarung lediglich die Konkretisierung eines von Anfang an bestehenden Abfindungsanspruchs sieht mit der weiteren Folge, dass dessen Erfüllung einer unentgeltlichen Vermögensübertragung gleichzustellen ist; der Große Senat hat deshalb ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf den Vorgang der Vermögensauskehrung die Vorschriften des § 7 Abs. 1 EStDV a. F. (entspricht § 6 Abs. 3 EStG n. F.) sowie § 11d Abs. 1 EStDV (a. F./n. F.: betr. Zuweisung von Privatvermögen) entsprechend anzuwenden seien30. Hiernach aber ist von einer Realteilung i. S. v. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht nur dann auszugehen, wenn der Ausscheidende einen Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil übernimmt, obgleich die selbständigen Gliederungen des Betriebs (d. h. die Teilbetriebe) nicht aufgegeben, sondern fortgeführt werden; ebenso ist – ungeachtet des insoweit lückenhaften Gesetzeswortlauts – zu entscheiden, wenn jeder der Miterben einen jeweils eigenständigen Betrieb des Nachlasses zugewiesen erhält31. Auch das Einführungsschreiben nimmt an, dass die Zuweisung von Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen (oder Betrieben) an den Ausscheidenden der Buchwertverknüpfung untersteht32. Im Unterschied zur hier vertretenen Ansicht wird die Wertung des § 6 Abs. 3 EStG von der Finanzverwaltung allerdings nicht in den Realteilungsbegriff integriert, sondern die Vorschrift in den Kontext der Sachwertabfindung gestellt. Letzteres übersieht jedoch, dass der Regelungsgehalt des § 6 Abs. 3 EStG – im Gegensatz zur Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG – auf die unentgeltliche Übertragung sowie ihr gleichgestellte Rechtsvorgänge (hier:

__________ 29 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., S. 466 ff. 30 BFH v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BFHE 161, 332 = BStBl. II 1990, 837 (845). 31 Gl.A. BMF-Schreiben v. 14.3.2006, BStBl. I 2006, 253 Tz. 12: „die geerbten Betriebe sind wie Teilbetriebe zu behandeln“. 32 Vgl. BMF v. 28.2.2006, BStBl. I 2006, 228 zu Abschn. II Sätze 4 und 5: „Es handelt sich in diesen Fällen [Anm.: in den Fällen der Sachwertabfindung] um den Verkauf oder die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG. Ggf. ist eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 oder 5 EStG unter den dort genannten Voraussetzungen vorzunehmen“.

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Vermögensauskehrung im Rahmen einer Realteilung) beschränkt ist und damit den in doppelter Hinsicht entgeltlichen Vorgang der Sachwertabfindung (Veräußerung des Mitunternehmeranteils und Veräußerung des Abfindungsguts zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs; s. o.) nicht erfasst. Ein Letztes in diesem Zusammenhang: Trotz der vielen Worte (180!), die Abschn. II des Einführungsschreibens auf die Abgrenzung von Realteilung und Sachwertabfindung ver(sch)wendet, haben Angehörige der Finanzverwaltung in ihren Erläuterungen darauf aufmerksam gemacht, dass vor allem dann, wenn ein Mitunternehmer aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ausscheide, es Schwierigkeiten bereiten könne, das Merkmal der Betriebsfortführung (in der Rechtsform eines Einzelunternehmens) zu bestimmen (vgl. Einführungsschreiben, Abschn. II Satz 6). Anlass für diese Bemerkung ist offenbar der Sachverhalt, dass Steuerberater A aus der A/B-Sozietät gegen Übernahme eines Teils des Mandantenstammes ausscheidet, den dieser zukünftig im Rahmen seiner Einzelpraxis betreut. In dieser Situation sei eine Realteilung auch dann gegeben, wenn B (übernehmender Gesellschafter) seine freiberufliche Tätigkeit weiterhin in den Räumen der früheren Sozietät ausübe33. Dazu ist zu bemerken: es erscheint – angesichts der nach der BFHRechtsprechung34 gebotenen wertenden Betrachtung – zutreffend, bei der Bestimmung der Vermögensauskehrungen, die den Realteilungsgrundsätzen unterstehen, nicht beim Teilbetriebsbegriff stehen zu bleiben, sondern hierzu auch die Zuweisung von Geschäftszweigen zu rechnen35. Dem wird man, insofern ist den genannten Autoren zuzustimmen, den Fall einer nicht nur quantitativ, sondern im Hinblick auf die funktionale Bedeutung der übernommenen Wirtschaftsgüter auch qualitativ gleichwertigen Auseinandersetzung der wesentlichen Betriebsgrundlagen gleichstellen können (im genannten Beispielsfall: Aufteilung der Steuerberatungsmandate auf beide Sozien zu cum grano salis gleichen Teilen). Zweifel bestehen aber daran, ob von einer solchen gleichwertigen Teilung des Gesellschaftsvermögens auch ausgegangen werden kann, wenn sich im Zuge der Auseinandersetzung einer der (Ex-)Sozien die Standortvorteile der bisherigen Kanzleiräume sichert.

__________ 33 Gragert, NWB F 3, 13887 (13889); Heß, DStR 2006, 777 (778); Neumann, EStB 2006, 143 (144): „Es empfiehlt sich, das Gewollte in den vertraglichen Grundlagen deutlich zu machen.“ 34 Vgl. – zur vollbeendeten PersGes – BFH v. 17.2.1994 – VIII R 13/94, BFHE 174, 550 = BStBl. II 1994, 809; zum Ausscheiden aus einer fortbestehenden Personengesellschaft gegen Übernahme von „Teilen des Betriebsvermögens“ vgl. BFH v. 8.7.1992 – XI R 51/89, BFHE 168, 333 = BStBl. II 1992, 946. 35 Eine strenge Anbindung an den Teilbetriebsbegriff dürfte jedoch im Hinblick auf die Frage geboten sein, ob Veräußerungen oder Entnahmen des übernommenen Vermögens eine Sperrfristverletzung nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG auslösen können.

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2. Überquotale Übernahme von Verbindlichkeiten Wie bereits angedeutet (s. oben zu Abschn. II.1), wurde nach bisheriger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis die Unentgeltlichkeit der Vermögensauskehrung nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein Realteiler (Gesellschafter, Gemeinschafter) zum Zwecke der Angleichung des überquotal übernommenen Aktivvermögens an den Wert seines Auseinandersetzungsanspruchs Verbindlichkeiten der Gesellschaft (Gemeinschaft) über seine Beteiligungsquote hinaus übernimmt. Zwar kann diese Sicht dem Einführungsschreiben zur Realteilung vom 28. Februar 200636 nur ansatzweise entnommen werden. Die Verwaltung hat jedoch mit ihrem überarbeiteten Schreiben zur Erbauseinandersetzung37 sowie mit der weiteren Anweisung vom 30. März 200638 ausdrücklich klargestellt, dass es insoweit bei der bisherigen Handhabung bleibt. Anlass für die Äußerungen war das BFH-Urteil vom 14. Dezember 200439, mit dem der IX. Senat des BFH zur Auseinandersetzung über einen privaten Nachlass entschieden hatte, dass der überquotale Übergang von Verbindlichkeiten (einschl. Freistellungsvereinbarung) – gleich der Leistung eines Barausgleichs aus dem Eigenvermögen des Miterben – beim übernehmenden Gesellschafter zu Anschaffungskosten führe. Dem ist ergänzend hinzuzufügen, dass es auf der Grundlage dieser Beurteilung bei den anderen Miterben (Gesellschaftern) zum Anfall eines korrespondierenden Veräußerungserlöses käme. Zwar wird man – angesichts der divergierenden Entscheidungen des BFH – für die Praxis festhalten können, dass die genannten Schreiben des BMF von den nachgeordneten Behörden beachtet werden und darüber hinaus im Rahmen der Aufhebung oder Änderung von Steuer- oder Feststellungsbescheiden den Beteiligten Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO 197740 vermitteln. Unabhängig davon sollte die Rechtsprechung jedoch die nächste Gelegenheit ergreifen, im Akkord zum bisherigen Verständnis zurückzufinden. Für die Einbindung der übernommenen Verbindlichkeiten in den unentgeltlichen Vorgang der Vermögenszuweisung (gegenständliche Konkretisierung des Auseinandersetzungsanspruchs; sog. Saldothese) spricht nicht nur der Gesichtspunkt der Rechtskontinuität, sondern – wie der Verfasser an anderer Stelle dargelegt hat41 – auch das in sich stimmige materielle Konzept.

__________ 36 37 38 39 40

BStBl. I 2006, 228. BMF v. 14.3.2006, BStBl. I 2006, 253 Tz. 18 (BV), 23 (PV), 34 (Mischnachlass). BStBl. I 2006, 306. IX R 23/02, BFHE 208, 229 = BStBl. II 2006, 296. Zur Problematik vgl. BFH v. 21.4.2005 – III B 40/04, BFH/NV 2005, 1480: kein Vertrauensschutz, wenn die Anweisung bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses in grobem Widerspruch zur BFH-Rspr. steht; s. dazu auch Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl. 2006, § 176 AO Rz. 26. 41 Wacker, DStR 2005, 2014 (2018).

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3. Überführung der Realteilungsmasse in Nachfolgepersonengesellschaften § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG a. F. verlangt für eine begünstigte Realteilung (Buchwertfortführung) nicht nur, dass nach vollzogener Realteilung die (betriebliche) Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt bleibt42; Voraussetzung ist darüber hinaus, dass die im Zuge der Realteilung zugewiesenen „Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen werden“ (Hervorhebung durch Verfasser). Das Einführungsschreiben43 führt hierzu in Abschn. IV.1, Abs. 1 u. a. aus: „… (4) Das übernommene Betriebsvermögen muss in das jeweilige Betriebsvermögen des einzelnen Realteilers übertragen werden. (5) Hierzu zählt auch das Sonderbetriebsvermögen bei einer anderen Mitunternehmerschaft. (6) Eine Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, an der der Realteiler ebenfalls beteiligt ist, ist jedoch zu Buchwerten nicht möglich. (7) Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine personenidentische Schwesterpersonengesellschaft handelt.“

Die Restriktionen der Sätze 6 und 7 – d. h. der zwingende Ansatz gemeiner Werte bei Einbringung der Realteilungsmasse in das Gesamthandsvermögen einer Nachfolge- oder Schwesterpersonengesellschaft – sind vor dem Hintergrund sehen, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung die in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG geregelte Übertragung von Einzel-Wirtschaftsgütern aus dem Betriebs- oder Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft nicht den direkten Vermögenstransfer zwischen den Gesamthandsvermögen zweier Personengesellschaften begünstigt44. Dieses Verständnis soll zum einen auch im Rahmen der Realteilung des Betriebsvermögens einer Mitunternehmerschaft Beachtung finden. Zum anderen wird man in diesen Zusammenhang die weitere Anweisung des Einführungsschreibens45 stellen müssen, nach der eine Verletzung des dreijährigen Weiterveräußerungsverbots (sog. Sperrfrist nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG mit der Folge der rückwirkenden Gewinnrealisierung; dazu unten) auch dann anzunehmen ist, wenn die im Zuge der Realteilung erhaltenen einzelnen Wirtschaftsgüter entweder nach § 6 Abs. 5 EStG oder zusammen mit einem Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil nach § 24 UmwStG in eine Personengesellschaft eingebracht werden. Für Altfälle ist zudem zu beachten, dass die hiervon abweichende, zwischenzeit-

__________ 42 Zur Problematik der Überführung in das EU-Ausland vgl. Einführungsschreiben, BStBl. I 2006, 228, Abschn. V; sowie kritisch hierzu z. B. Forst/Ruppel, EStB 2005, 66 m. w. N. 43 BStBl. I 2006, 228. 44 Vgl. u. a. Gragert, NWB F 3, 13887 (13890); Heß, DStR 2006, 777 (778). 45 BStBl. I 2006, 228, Abschn. VIII.

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lich aber aufgehobene Verfügung der OFD Berlin46 nur im Zuständigkeitsbereich dieser Behörde Vertrauensschutz entfalten soll47. Die Praxis wird diese Einschränkung, die bspw. die Gesellschafter einer viergliedrigen48 Gesellschaft trifft, die ihre betrieblichen Tätigkeiten in zweigliedrigen Nachfolgegesellschaften fortführen wollen, nicht unbeachtet lassen können und deshalb zu den im Schrifttum angebotenen Ausweichstrategien greifen; also dazu, entweder das Gesamthandsvermögen der Realteilungsgesellschaft dem Sonderbetriebsvermögen der Nachfolge-Mitunternehmerschaften zuzuordnen49 oder zunächst die Mitunternehmeranteile an der Ursprungsgesellschaft – entsprechend der ins Auge gefassten neuen gesellschaftsrechtlichen Struktur – in Nachfolgegesellschaften einzubringen (Schritt 1) und erst dann die Realteilung auf die Nachfolgeunternehmen als unmittelbar beteiligte Mitunternehmer zu vollziehen (Schritt 2)50. Beide Wege sind aber nicht nur kompliziert, sie stehen vor allem unter dem Verdikt der sog. Gesamtplanrechtsprechung51. M. E. kann der Beurteilung der Finanzverwaltung nicht gefolgt werden. Dabei sind zunächst die Aussagen des BMF-Schreibens dahin zu präzisieren, dass – auch aus Sicht der Verwaltung – eine Übertragung der Wirtschaftsgüter, die bei der Realteilungsgesellschaft (Ursprungsgesellschaft) zum Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer gehört haben, von diesen bei Wahrung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG in das Gesamthandsvermögen des (oder der) Nachfolgeunternehmen übertragen werden können52. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Abschn. IV. Abs. 1 Satz 6 des Einführungsschreibens53 lediglich den Fall anspricht, dass in der Ursprungsgesellschaft gesamthänderisch gebundene Einzel-Wirtschaftsgüter übertragen werden. Hieraus wird man ableiten müssen, dass bei einer Realteilung unter Zuweisung strukturierter betrieblicher Einheiten (Betriebe,

__________ 46 V. 3.3.2003, NWB F 1, 248. 47 Gragert, NWB F 3, 13887 (13893). 48 Ein fast unverzeihlicher „Kunstfehler“ findet sich in „Beratung aktuell“, NWB 2006/12, 917 für den Sachverhalt des Ausscheidens von zwei Gesellschaftern (B, C) aus der dreigliederigen A/B/C-Sozietät und Einbringung des Abfindungsvermögens in eine von B und C gegründete NachfolgeGes. Die Erläuterungen lassen unberücksichtigt, dass A, der zukünftig als Einzelperson freiberuflich tätig sein will, aus der Sozietät ausscheiden könnte (vgl. zur Abgrenzung von Realteilung und Sachwertabfindung die Ausführungen zu Abschn. III …) und hierdurch bezüglich des von B und C zurückbehaltenen Vermögens ein Rechtsträgerwechsel vermieden würde. 49 Heß, DStR 2006, 777 (778); zu berufsrechtlichen Fragen s. Hallerbach, Steuer-Akademie Knoll, XIII/2006, 71 (76). 50 Vgl. z. B. Schulze zur Wiesche, DB 2006, 921 (922). 51 Schmidt/Wacker (Fn. 14), § 16 EStG Rz. 546; Gragert, NWB F 3, 13887 (13890). 52 Neumann, EStB 2006, 143 (144); zur Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens in die Realteilung vgl. Einführungsschreiben, BStBl. I 2006, 228, Abschn. III; Schmidt/ Wacker (Fn. 14), § 16 EStG Rz. 544. 53 BStBl. I 2006, 228.

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Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile) in die Nachfolge-Personengesellschaften – entsprechend den Wertungen des § 6 Abs. 3 EStG sowie § 24 UmwStG – jedenfalls eine Zwangsrealisierung der stillen Reserven nicht in Betracht kommt54. Zu dem somit verbleibenden Sachverhalt – Auskehrung von Einzelwirtschaftsgütern in das Gesamthandsvermögen der Nachfolgegesellschaften – ist nicht nur darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des BFH zur Rechtslage bis einschl. 1998 die Realteilung in dieser Konstellation zu Buchwerten vollzogen werden konnte55 und die gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG n. F. gerade darauf zielt, den die Rechtsprechung tragenden Engagementgedanken zu kodifizieren. Hinzu kommt vor allem, dass dem der gegenteiligen Ansicht der Finanzverwaltung (betr. die Rechtslage ab 2001) zugrunde liegenden Ausgangspunkt (s. o.) nicht beigepflichtet werden kann, da die Vorschrift des § 6 Abs. 5 EStG (n. F.) nach zutreffender h. M. auch die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen nur teilweise beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften dem Buchwertzwang unterwirft56 und demgemäß – auch in der Zusammenschau der §§ 6 Abs. 5, 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG – keine Veranlassung besteht, in Fällen der Realteilung des Ursprungsunternehmens das Gesamthandsvermögen der Nachfolge-Personengesellschaften nicht als eigenes Betriebsvermögen der Realteiler zu deuten. 4. Gewinnzurechnung bei Verletzung der Behaltefrist Werden im Anschluss an eine Realteilung unter Zuweisung von Einzelwirtschaftsgütern die erhaltenen wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren – gerechnet ab Eingang der Feststellungserklärung für das Wirtschaftsjahr der Realteilung – veräußert oder entnommen, so schließt § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG „insoweit“ die Buchwertfortführung aus. Die Verletzung der Behaltefrist führt m.a.W. dazu, dass rückwirkend – d. h. auf den Zeitpunkt der Realteilung bzw. des einzelnen Realteilungsschritts – der gemeine Wert der später veräußerten oder entnommenen Wirtschaftsgüter anzusetzen ist (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Letzteres kann wiederum Folgeanpassungen für die Gewinnermittlung in der Zeit

__________ 54 Vgl. – einschl. des umstrittenen Verhältnisses von § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG (Realteilung) und § 24 UmwStG (Einbringung) – Heß, DStR 2006, 777 (779). M. E. besteht kein Wahlrecht (§ 24 UmwStG), sondern ein Zwang zur Buchwertfortführung (§ 16 Abs. 3 Satz 2), da die Gewinnneutralität des Realteilungsvorgangs eine vollzogene Übertragung in das jeweilige BV des Mitunternehmers erfordert. Demgemäß ist für einen sich hieran anschließenden Einbringungsvorgang, der den Wahlrechten nach § 24 UmwStG unterstellt werden könnte, kein Raum (a. A. – u. U. – BFH v. 4.5.2004 – XI R 7/03, BFHE 206, 132 = BStBl. II 2004, 893). 55 BFH v. 8.7.1992 – XI R 51/89, BFHE 168, 333 = BStBl. II 1992, 946 (948). 56 Glanegger/Wacker in Schmidt (Fn. 14), § 6 EStG Rz. 536, § 15 EStG Rz. 683, § 16 EStG Rz. 546; Reiß in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 15 EStG Rz. 461, jeweils m. w. N.

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Notizen zur Realteilung

zwischen Realteilung und schädlicher Verfügung – bis hin zu Änderungen des Veräußerungs- oder Entnahmegewinns – auslösen. Da die Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG erkennbar vermeiden will, dass die Realteilung – so die Gesetzesbegründung – „der Vorbereitung einer Veräußerung oder Entnahme dient“57 und – wie zu ergänzen ist – zur interpersonellen Verlagerung der stillen Reserven genutzt wird, ist die bisher ganz h. M. davon ausgegangen, dass die aufgrund der Sperrfristverletzung aufgedeckten stillen Reserven des vormaligen Gesamthandsvermögens – in Durchbrechung der Grundregel des § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG – allen Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsquote an der Realteilungsgesellschaft zuzurechnen sind58. Hierauf aufbauend wurde den Beteiligten empfohlen, sich entweder zivilrechtlich gegen eine Sperrfristverletzung abzusichern59 oder in der Realteilungsabrede nachträgliche Ausgleichszahlungen für den Fall der Verletzung des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG zu vereinbaren. Die Finanzverwaltung teilt zwar im Grundsatz diese Einschätzung, mit folgender „Vereinfachungsregelung“ in Abschn. IX, zweiter Absatz des Einführungsschreibens60 will sie aber die Beteiligten vor „unnötigen zivilrechtlichen Streitigkeiten“61 schützen: „Dieser Gewinn [Anm: aus der Sperrfristverletzung] ist bei Wirtschaftsgütern, die zum Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft gehörten, allen Realteilern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, es sei denn, dass der Gewinn nach dem Gesellschaftsvertrag oder den von den Mitunternehmern schriftlich getroffenen Vereinbarungen über die Realteilung allein dem entnehmenden oder veräußernden Realteiler zuzurechnen ist. Gehörten die Wirtschaftsgüter zum Sonderbetriebsvermögen eines Realteilers, ist der Gewinn aus der schädlichen Entnahme oder Veräußerung diesem Realteiler zuzurechnen. Soweit Sonderbetriebsvermögen eines Realteilers von einem anderen Realteiler im Rahmen der Realteilung übernommen wurde, ist der Gewinn nur dann dem übernehmenden Realteiler zuzurechnen, wenn dies in den schriftlichen Vereinbarungen über die Realteilung so vereinbart wurde.“ In der Literatur ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es zukünftig ein „gestalterisches Muss“ sein wird, derartige Klauseln in die Realteilungsabrede aufzunehmen62. Indes bleibt nicht nur die Frage, wer diese überraschende Gabe inspiriert hat und welchen Anlass die Verwaltung haben sollte, den Realteilern die zivilrechtliche Vorsorge für den Fall der Nichteinhal-

__________ 57 BT-Drucks. 14/6882, 34. 58 Schmidt/Wacker (Fn. 14), § 16 EStG Rz. 555, 553; Reiß in Kirchhof (Fn. 56), § 16 EStG Rz. 343; zust. und krit. Crezelius, FR 2002, 805; a. A. Kulosa in Herrmann/ Heuer/Raupach (Fn. 7), § 16 EStG Anm. 462 m. w. N. 59 Überblick z. B. bei Spiegelberger, NWB F 3, 14019 (14024). 60 BStBl. I 2006, 228. 61 Gragert, NWB F 3, 13887 (13893); Heß, DStR 2006, 777 (781). 62 Vgl. Schell, BB 2006, 1026 (1030) einschl. Hinweise zur GewSt.

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tung steuerrechtlicher Begünstigungsschranken abzunehmen. Vor allem aber bleibt – auch nach Lektüre der Erläuterungen des Einführungsschreibens – unklar, ob die Autoren hinreichend bedacht haben, dass ihre Liberalität der Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG63 die Legitimationsbasis entzieht, weil sie gerade den Gestaltungen die Tür öffnet, die mit den Restriktionen der Behaltefrist verhindert werden sollten64. Es muss deshalb auch bezweifelt werden, ob die Anweisung einer finanzgerichtlichen Überprüfung standhalten wird.

__________ 63 Zu § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG vgl. Schmidt/Wacker (Fn. 14), Rz. 553. 64 Zutr. Paus, DStZ 2006, 285.

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Wohin steuert die GmbH? – Benutzerkreis und Verwendungszwecke der Rechtsform im künftigen deutschen Gesellschaftsrecht Inhaltsübersicht I. Fragestellung II. Der Gesellschaftsgründer – das unbekannte Wesen? 1. Die mit einer Gesellschaftsgründung verbundenen Wünsche 2. Gründungserleichterungen 3. Reformen im Hinblick auf die Finanzierung 4. Zwischenbilanz

III. Der Geschäftsführer – den letzten beißen die Hunde? 1. Die insolvenzbezogenen Pflichten des Geschäftsführers 2. Erweiterungen des § 64 GmbHG IV. Abschließender Ausblick

I. Fragestellung Der Jubilar und der Verfasser dieser Zeilen haben sich Jahre hindurch in vielfältiger Form mit Grundsatzfragen zur Entwicklung des GmbH-Rechts, zur Handhabung dieser Rechtsform durch die Gerichte und die unternehmerische Praxis und damit zugleich mit den Reformbestrebungen befasst, die verschiedentlich in Gesetzesentwürfen und Novellen, ebenso oft aber in Gestalt weitgreifender richterlicher Rechtsfortbildung daherkamen. Die jeweiligen Entwürfe standen und stehen meist im Zeichen einerseits einer Verbesserung, mindestens aber einer Aufrechterhaltung des Gläubigerschutzes, eines im deutschen Recht herausragend wichtigen Gesichtspunkts. Zum eher geringen Teil wurde dies zumeist gesehen aus dem Gesichtspunkt der Sicherstellung der vielfältigen Verwendbarkeit der GmbH für eine Praxis, die nicht immer von Gesellschaftern und Geschäftsführern betrieben wurde, denen der Umgang mit ziemlich differenzierten – um nicht zu sagen: schwierigen – Rechtsinstituten sehr vertraut ist, letzteres hauptsächlich bei der Gründung, der Finanzierung und bei der Willensbildung im Verhältnis von Mehrheit und Minderheit. Bei der Reform vom Jahre 1980, die bekanntlich eine – bescheidene – Erhöhung des Mindeststammkapitals brachte und deshalb z. T. scharf angegriffen worden war1, wollte man nicht davon wegkommen, dass die Rechtsform auch künftig der Organisation „personalisti-

__________ 1 Barz, GmbH-Reform, 1970, S. 179; v. Falkenhausen, Probleme der GmbH-Reform, 1970, S. 37 ff.

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scher“ und auch „kapitalistischer“ Verbände, die kleinere und größere Personengruppen umfassen, sollte dienen können; aber man wollte zugleich – was heute in einem Gesetzgebungsverfahren kaum jemand noch aussprechen würde – ordnungspolitisch und erzieherisch wirken2, sah also wohl die Gefahr von Auswüchsen der Ausnutzung der durch die Flexibilität der Rechtsform eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Dies trifft sich mit der kürzlich publizierten, aber immer schon so vertretenen Ansicht des Jubilars in der Diskussion um gewisse Relativierungen des Gläubigerschutzes: Es sei nicht richtig, dass die Regeln kompliziert und unübersichtlich sind, sie seien vielmehr einfach, man müsse sich nur daran halten3. Während aber die Auseinandersetzung um die Reform vom Jahre 1980 einen Schwerpunkt darin setzte, die GmbH als „Allzweck-Instrument“ nicht zu gefährden4, geht es bei den Motiven zu dem im Jahre 2006 vorgelegten RefE eines MoMiG u. a. um einen gegenüber der Zeit um 1980 neu hinzugetretenen Interessentenund Benutzerkreis der „kleineren“ Kapitalgesellschaft, nämlich um die Gründer und zukünftigen Betreiber der im „Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen“ in Deutschland aufgekommenen, wohl schon ziemlich zahlreichen5 pseudo foreign corporations, hauptsächlich Ltd. des englischen Rechts, die im Verdacht stehen, die kapitalgesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung durch Blitz-Gründungen zum Nulltarif erreichen zu wollen6. Die GmbH-Reform, die angesichts der europarechtlichen Lage keine Abwehr-Gesetzgebung sein kann7, will diesem Benutzerkreis, dem auch nachgesagt wird, „urdeutsche Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen kleineren Zuschnitts“ betreiben zu wollen8, die GmbH als mögliche Alternative offenhalten, was die derzeit hauptsächlich diskutierten Gründungs- wie Finanzierungsmodalitäten betrifft, aber natürlich auch das sonstige Organisationsrecht der GmbH nicht aus dem Auge verlieren darf. Vor diesem Hintergrund stellt sich also heute die Frage, ob die Kompromisslösungen, auf die es in der anstehenden Reform allem Anschein nach hinauslaufen wird9, die vielseitige Verwendbarkeit der GmbH für die bisher haupt-

__________ 2 Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 8/3908, S. 68, 69 unter Hinweis auf eine Bemerkung des Sachverständigen Th. Raiser in der Anhörung. 3 Zuletzt in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1 (18); ebenso Goette, DStR 2005, 197 (198). 4 Dazu damals H. P. Westermann in Pro-GmbH, 1980, S. 23 ff.; zur Geschichte der GmbH-Reform vom Jahre 1980 die vom Verf. betreute Tübinger Dissertation von Mosthaf, Die Reformen des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1994. 5 Zahlenangaben bei Westhoff, GmbHR 2006, 525 ff.; siehe ferner Happ, ZHR 169 (2005), 6 ff. Zur Abwägung zul. Wegen/Schlichte, RIW 2006, 801 ff. 6 So auch Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 12. 7 Dazu Seibert, ZIP 2006, 1157 (1158). 8 Klaus J. Müller, BB 2006, 837 (843). 9 Drygala, ZIP 2006, 1797 f.

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sächlich Beteiligten, aber eben auch die mit dem Gedanken an eine Ltd.Gründung spielenden Interessenten aufrechterhalten werden – ein Gesichtspunkt, der in der aktuellen Diskussion etwas weniger betont wurde als in der um die Reform vom Jahre 1980, der aber durch die beim 66. DJT stark in den Vordergrund gerückte Perspektive des Gläubigerschutzes10 nicht verdeckt werden sollte. Der Jubilar und der Verfasser gehen an diese Frage aus verschiedenen Richtungen heran, weshalb der hiermit vorgelegte Beitrag auch dazu dienen mag, einige Ansichten, die in der vom Verf. kürzlich neu bearbeiteten Allgemeinen Einleitung zu einem eingeführten Kommentar zum GmbH-Gesetz geäußert wurden11, die aber die Diskussion auf dem 66. DJT nicht mehr berücksichtigen konnten, dem am selben Kommentar maßgeblich beteiligten Jubilar nahe zu bringen und so dem von beiden gesuchten Konsens zwischen Theorie und Praxis, die wir beide nicht einseitig zu vertreten meinen12, ein Stück weit zu fördern. Welches Aussehen letztlich das novellierte GmbHG haben wird, ist nicht ganz sicher, wenn auch die auffallend breite Zustimmung zum RefE eines MoMiG, die beim Deutschen Juristentag sichtbar wurde13, in dieser Hinsicht bestimmte Prognosen zu erlauben scheint. Danach hat es aber auch auf der anderen Seite doch den Anschein, als müsse der Gesetzgeber das Vorhaben einer Anpassung der GmbH an neue Anforderungen ernsthaft vorantreiben und könne sich nicht – was einer mehrfach vorgetragenen Ansicht des Jubilars14 entspräche – mit der Schaffung (und Kodifizierung) von Ersatz- oder Ergänzungsformen zur GmbH befassen, was auch vom DJT stark mehrheitlich abgelehnt wurde. Wenn es dabei bleibt, ist dann die Frage zu stellen, ob die in diesen Entwürfen angesprochenen Kreise – hauptsächlich Unternehmensgründer und ihre Geschäftsführer – sich mit der GmbH, wie sie nächstens geregelt sein wird, zufriedengeben können oder ob sie dann doch den Weg in die Ltd., obwohl hiervor lebhaft und kenntnisreich gewarnt wird15, oder den in eine doch zu ermöglichende Er-

__________ 10 Dazu zusammenfassend Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, Gutachten E zum 66. DJT, Stuttgart 2006. 11 H. P. Westermann in Scholz, 10. Aufl. 2006, Bd. I, Allg. Einleitung Rz. 77 ff., 82 ff.; ders., ZIP 2005, 1849 (1850 ff.). 12 Dazu kürzlich Tröger/Wilhelmi (Hrsg.), Rechtsfragen der Familiengesellschaften, Symposium unter dem Motto „Einheit von Theorie und Praxis“, 2006. 13 Übersicht über die Beschlüsse in ZIP-Aktuell 2006, A 76. 14 Letzte Übersicht bei Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 8 ff.; krit. K. Schmidt, DB 2006, 1096 ff.; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), Einl. Rz. 180. Neuestens ist die so genannte KmbH hinzugekommen, dazu Drygala, ZIP 2006, 1797 ff. In einem neuen Arbeitsentwurf von Gehb (Stand: 1.11.2006) ist das Gesetz über die Unternehmergesellschaft in den Einzelheiten fast wie das GmbHG ausgearbeitet. 15 Happ/Holler, DStR 2004, 730 ff.; Burg, GmbHR 2005, 565 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (10); Römermann, NJW 2006, 2065 (2069); Übersicht bei H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), Einl. Rz. 161.

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satzform des deutschen Rechts gehen wollen. Dazu soll hier der eine oder andere Gesichtspunkt beigetragen werden; ob sich das, was dabei am Ende Gesetz wird, dann in einer weiteren gemeinsamen Kommentartätigkeit des Jubilars und seiner Mit-Autoren zum GmbHG niederschlägt, ist eine jetzt nur vorsichtig anzudeutende Zukunftsvision.

II. Der Gesellschaftsgründer – das unbekannte Wesen? 1. Die mit einer Gesellschaftsgründung verbundenen Wünsche In der Diskussion vor und nach der Veröffentlichung des RefE zum MoMiG war viel von den Bedürfnissen der Unternehmensgründer die Rede, die sich offenbar auf drei Punkte konzentrieren:16 Eine kurzfristig, um nicht zu sagen: innerhalb weniger Tage realisierbare Gründung, möglichst auch ohne notarielle Beurkundung des Gründungsgeschäfts; unproblematisch aufzubringendes, d. h. auch: möglichst geringes Stammkapital; keine das Haftungsprivileg gefährdenden Anforderungen an Sacheinlagen17. Man weiß natürlich nicht genau, welcher dieser Wünsche auf die künftigen Gründer selber und welche auf ihre professionellen Berater in der Steuer- und Rechtsberatung zurückgehen, aber jedenfalls ist der offenbare „run“ auf die englische Ltd. als Unternehmensform augenscheinlich ein Erfolg der überaus zahlreichen und attraktiv formulierten Anregungen in Seminar- und sonstigen Fortbildungsveranstaltungen, sich die Vorteile der Auslandsgründung für inländische Aktivitäten zunutze zu machen, den die ebenfalls nicht zu übersehenden Warnungen18 bisher nicht verlangsamen oder beenden können. Es erscheint daher nicht unangebracht, zu überlegen, ob das künftige Recht den hier vorgebrachten Wünschen in der Rechtsform der GmbH oder in einer der vorgeschlagenen Ergänzungs- oder Ersatztypen Rechnung tragen soll oder es sich angesichts seiner Klientel in Gestalt der Gesellschaftsgründer leisten kann, darauf nicht einzugehen.

__________ 16 Zum Folgenden die vom BDI herausgegebene, von den Anwälten Hengeler/Mueller ausgearbeitete Schrift „Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen – Modernisierungsbedarf im Recht der GmbH“, 2006; ferner Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 ff.; Wegen/Schlichte, RIW 2006, 801 (804 f.); Wachter in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 55 ff.; neuestens etwas weitergehend eine Presseverlautbarung des BDI, siehe FAZ v. 24.10.2006. 17 Die rechtlich gleichliegende, in der praktischen Bedeutung nicht hinter den Fragen bei der Gründung zurückstehende Frage nach Sachkapitalerhöhungen (dazu Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung [Fn. 3], S. 14) braucht im folgenden nicht einbezogen zu werden. 18 Siehe bereits oben Fn. 15.

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2. Gründungserleichterungen Die vorgeschlagenen Gründungserleichterungen, die es ermöglichen sollen, den „same day service“, wie er im englischen Recht möglich sei19, auch in Deutschland anzubieten, hat der RefE jetzt nicht aufgegriffen20. Ob er das hätte tun sollen, steht aber deshalb nicht außerhalb der Diskussion. a) Gefordert wird, dass die für die Eintragung notwendige Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) entfallen soll, um das Registergericht von Nachfragen und gegebenenfalls auch Prüfungen zu entlasten. Schon die derzeitige Praxis vieler Registergerichte hat wohl auf die diesbezügliche Stellungnahme der IHK weitgehend verzichtet21. Auch die Anregung, bei einer Neugründung keinen Kostenvorschuss mehr zu verlangen, was ebenfalls schon häufiger so gehandhabt werde, befolgt der Entwurf nicht, und auch ein weiteres Eingehen auf die ziemlich einschneidende Forderung, die Kontrolle der Kapitalaufbringung durch das Gericht abzuschwächen und vielleicht sogar die Möglichkeit einer Versagung der Eintragung gem. § 9c Abs. 2 GmbHG zu streichen, zeichnet sich jetzt nicht ab, obwohl im Hinblick auf die Einzahlung der Bareinlagen geltend gemacht wird, schon heute begnügten sich viele Registergerichte mit einer diesbezüglichen Versicherung der Geschäftsführer22. Dabei ist klar, dass auf die wenigstens teilweise Einzahlung der Bareinlagen, die vollständige Leistung der Sacheinlagen sowie die in der Anmeldung dazu abzugebenden strafbewehrten Versicherungen der Geschäftsführer (hierzu § 8 Abs. 2 GmbHG) nicht verzichtet werden kann, solange an dem Zwang zur Aufbringung eines festen Stammkapitals festgehalten wird. Daher kommen wirkliche Erleichterungen des Gründungsvorgangs, die eine Beschleunigung bewirken könnten, nur bei Bargründungen in Betracht, indem auf einen über eine bloße Versicherung der Geschäftsführer hinausgehenden belastbaren Nachweis der Einzahlung der Bareinlagen verzichtet wird23. Die einzige Konzession an die Gründer, die sich im Entwurf findet, besteht somit in der Möglichkeit, anders als nach dem jetzigen § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbH bei Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes die Registereintragung auch schon vor Eingang der Genehmigung vorzunehmen. Wird die diesbezügliche Zurückhaltung des Reformgesetzgebers die Unternehmensgrün-

__________ 19 Dazu näher Dannemann in Schröder, Die GmbH im europäischen Vergleich, 2005, S. 15 ff.; Mellert, BB 2006, 8 (10); Rehm in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 10 Rz. 35; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), Einl. Rz. 158 ff. 20 Hiervon sind wir im deutschen Recht im Gegenteil „weit entfernt“, Drygala, ZIP 2006, 1797. 21 Hierzu und zu den folgenden rechtstatsächlichen Angaben BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 12. 22 Auch dazu BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 12. 23 Vorschlag des BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 16.

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der zum Ausweichen in die genannten Formen, mindestens der Ltd., veranlassen, oder werden die Dinge am Ende so heiß nicht gegessen? Eine Rechtsform, die als Allzweck-Instrument verwendbar ist, muss Gründern ganz verschiedener unternehmerischer Erfahrung zugänglich sein, sie muss für den „kleinen“ Existenzgründer wie für den einen Unternehmensteil ausgliedernden Großkonzern oder das eine inländische Tochtergesellschaft aufbauende ausländische Unternehmen in Betracht kommen. Die Kontrolle der effektiven Einzahlung eines Stammkapitals in der in Deutschland geforderten Höhe – gleichgültig ob die vom RefE vorgeschlagene Herabsetzung auf 10 000 Euro Gesetz wird oder nicht – ist bei Gründungen der beiden letztgenannten Arten wohl entbehrlich, aber vielleicht auch kein allzu bedeutendes Hindernis für eine zügige Gründung. Die Schwierigkeiten bei der Firmierung, die bei der im Inland erforderlichen Registereintragung einer hier tätigen Auslandsgründung der Praxis zu schaffen machen24, können schon mit Rücksicht auf die europarechtlichen Grundlagen der §§ 13a ff. HGB hier nicht beseitigt werden. Ob die Kosten, auch und gerade die Notariatsgebühren, wirklich ernsthaft zu Buche schlagen, kann bei diesen Gründungen nicht angenommen werden, und bei den „kleinen“ Unternehmensgründern sind sie nicht allzu hoch25. b) Sieht man sich namentlich die Abschwächungen der mit der Gründung verbundenen Kontrollen näher an, so ist freilich zweifelhaft, ob nicht in mancher Hinsicht gerade die „kleinen“ Gründer, die anscheinend auch gelegentlich von Modeerscheinungen wie vor einigen Jahren der sogenannten Betriebsaufspaltung oder jetzt eben der Ltd. beeinflusst werden, einiger Prüfung der Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Gründung schon um ihrer selbst willen durchaus bedürfen, während es bei anderen Gründungswilligen, die Beträge von 10 000 oder 25 000 Euro ohne Mühe und praktisch jederzeit in – sogar echten – Noten auf den Tisch legen können, nicht schaden kann, wenn den Fragen der Firmierung, des Unternehmensgegenstandes oder auch der Eignung der Geschäftsführer gegen ihren Willen von einer unabhängigen Stelle ein wenig nachgegangen wird. Unmittelbar anschließend stellt sich natürlich die Frage, wer dies tun soll. Der BDI26 will auf das Erfordernis der notariellen Beurkundung der Gründungsakte und der Satzung verzichten, während von anderer Seite – gewissermaßen gegenläufig – auch zu hören war, die registerrechtliche Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen solle dem Notar übertragen werden. Mit dem ersteren hängt die Vorstellung

__________ 24 Dazu im einzelnen Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis, 2005, Abschn. C Rz. 554; K. Schmidt in Lutter (Hrsg.), Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, S. 25 ff.; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), Einl. Rz. 120 ff. Zu den diesbezüglichen Kosten Happ/Holler, DStR 2004, 734. 25 Dazu auch kürzlich Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 17. 26 Siehe o. Fn. 16; im BDI-Papier (Rz. 18) ist das in dieser Schärfe nicht nachzulesen.

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zusammen, auf die Gründungsprüfung nach § 9c verzichten zu können, wenn die Gründer ein – gesetzlich vorzuschreibendes – Standardformular eines Statuts verwenden, das sich auf den Mindestinhalt eines Gesellschaftsvertrages i. S. des § 3 Abs. 1 GmbH beschränkt. Würdigt man diese Vorschläge aus der – gewiss hypothetischen – Sicht der künftigen Gesellschafter, so mag die Kostenersparnis interessant sein, der Gedanke des Standardformulars aus Gesetzgeberhand ist aber – in der Festschrift für einen Notar darf man dies äußern – unheimlich. Als Jurist, der nicht selten zur Begutachtung – und damit zu Fragen der Auslegung – von Gesellschaftsverträgen und Satzungen herangezogen worden ist, sich aufgrund dieser Erfahrungen aber scheut, selbst an einer Beratung in konkreten Gestaltungsfällen mitzuwirken27, weiß man nur zu gut, wie oft Verträge, die offensichtlich auf Vertragsmustern in den Vorschlägen der eingeführten – qualitativ hochwertigen – Formularbücher beruhen, im Einzelfall doch nicht passen oder eine Frage, die sich später als zentral erweist, übersehen oder offen lassen. Das geschieht natürlich auch bei notariell beurkundeten Verträgen, die nicht selten auf der Zusammenfügung von vorgeformten Bausteinen zu beruhen scheinen – aber bei einem Standardformular, das für alle Gründungen verwendbar sein soll, müssten entweder alle das Innenverhältnis der Gesellschafter betreffenden Fragen offen gelassen oder durch Wiedergabe der gesetzlichen Regelung behandelt werden, oder es müsste versucht werden, einen Einheits-Typus des auf eine schnelle Gründung dringenden Neu-Unternehmers auszumachen, der sich des Formulars bedient, ohne eine notarielle Beratung zu benötigen, während die „großen“ Gründer, die in der Tat eine unabhängige Beratung nicht brauchen, ihre Gesellschaftsverträge sehr sorgsam verhandeln und ausformulieren. Man braucht also gar nicht auf die wenig ermutigenden Erfahrungen zu rekurrieren, die mit einer einmal vom BMJ vorgeschlagenen Muster-Belehrung über Widerrufsmöglichkeiten bei Verbraucherkreditverträgen gemacht worden sind, um zu der Besorgnis zu kommen, dass die Ministerien, so unabhängig und neutral sie sicher an eine solche Aufgabe herangehen würden, in der Ausbalancierung typischerweise auseinanderklaffender Interessen (Mehrheit und Minderheit, geschäftsführende und „kapitalistisch“ beteiligte Gesellschafter, Geld- und Sacheinleger) der Gestaltungspraxis der auf den Einzelfall blickenden Anwälte und Notare nicht überlegen sind. c) Insgesamt entsteht hier der Eindruck, dass in dem – sicherlich inhomogenen – Benutzerkreis der GmbH diejenigen, denen eine so stark vereinfachte Gründung wirklich empfohlen werden kann, in der Minderheit sind. Dieses Bild erhellt sich noch, wenn man sich vorstellt, dass die viel beschworenen inländischen Gründer einer englischen Ltd. sich über die – vielleicht nicht großen, aber doch auch nicht zu übersehenden – Probleme informieren müs-

__________ 27 Dazu meine Bemerkungen in Liber amicorum W. Happ, 2006, S. 237 (257 ff.).

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sen, die sich im Anschluss an eine solche Gründung stellen können, wenn die Geschäfte nicht gut anlaufen28. Qualifizierten Rechtsrat zu den Fragen eines ausländischen Gesellschaftsrechts einzuholen, wird dem Gründerkreis einer „Allzweck-Unternehmensform“ oft nicht leicht fallen und auch keine echten Kostenvorteile bringen29. Und wenn man unterstellt, dass der deutsche Gesetzgeber Ersatzformen für die GmbH in Gestalt einer Unternehmensgründergesellschaft oder der Basisgesellschaft mbH zur Verfügung stellt, die ja entweder gesetzlich näher ausgeformt werden müssen oder – wie die Unternehmensgründergesellschaft – irgendwann automatisch in eine GmbH herkömmlicher Art übergehen sollen30, so kann auch hier schon bei der Gründung auf eine möglichst sachverständige Beratung und Formulierungshilfe nicht gut verzichtet werden. 3. Reformen im Hinblick auf die Finanzierung Einen zweiten Schwerpunkt aus Gründer- und Gesellschaftersicht – natürlich mit Reflexen auf den Gläubigerschutz – bilden die Anforderungen im Hinblick auf die Finanzierung. Nun können so komplexe Themen wie die Erbringung der Bareinlage und der Sacheinlagen einschließlich der entsprechenden Umgehungstatbestände, die Mantelverwendung (ihrerseits möglicherweise ein Umgehungstatbestand) und auch die Kapitalaufbringung im cash-pool, die sämtlich schwerpunktmäßig unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung oder Stärkung des Gläubigerschutzes stehen und derzeit vor allem auf die von ihnen ausgehende Wirkung im Rahmen des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechtsordnungen untersucht werden müssen31, nicht gleichsam nebenbei auf ihre Reformbedürftigkeit aus der Sicht der Gesellschafter und/oder Geschäftsführer überprüft werden, zumal klar ist, dass es sich stets um Folgen der Grundentscheidung für ein festes Stammkapital handelt. Immerhin lassen sich einige Aspekte der Rechtsinstitute aufzeigen, deren gegenwärtige Handhabung für die Praxis der Finanzierung einer für ganz vielfältige Wirtschaftsformen zugeschnittenen Unternehmung besondere Schwierigkeiten aufwirft. a) Der Streit darüber, ob die Höhe des Mindest-Stammkapitals auf Entscheidungen über die Gründung eines Unternehmens als GmbH und die Art der

__________ 28 Eingehend dazu zul. Ebert/Levedag in Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2006, S. 580 (600 ff.); Dannemann (Fn. 19), S. 14; Schall, ZIP 2005, 965 ff. 29 Zu den Kosten der Gründung einer englischen Ltd. näher Dannemann (Fn. 19), S. 16; Wegen/Schlichte, RIW 2006, 804. 30 Hinweis von Drygala, ZIP 2006, 1797 (1798). 31 Im Einzelnen dazu H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4 (12 ff.); ders., ZIP 2005, 1849 (1850 ff.).

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Einlagenleistung großen Einfluss hat32, braucht nicht im einzelnen dokumentiert zu werden, da man sich im wesentlichen darüber einig ist, dass mit der Aufbringung eines Geldbetrages in dieser Größenordnung nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Seriositätsindiz gegeben ist33; es scheint sich die Vorstellung durchzusetzen, dass jemand, der diesen Ansprüchen nicht genügen kann, sich nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betätigen sollte34. Das lässt sich hören und befriedigt auch; bei dem niedrigeren der derzeit in Rede stehenden Beträge könnte auch von einer Volleinzahlungspflicht keine Abschreckungswirkung ausgehen35. Wichtiger ist aber die daraus gezogene Folgerung, dass bei einer Absenkung auf 10 000 Euro viele Gesellschaften, deren Gründer an sich mit höheren Geldmitteln zu arbeiten willens und in der Lage sind, es doch bei diesem Betrag belassen werden, so die zahlreichen reinen Komplementär-GmbH, und dass daran die Pflicht zur Publikation des konkreten Stammkapitals auf den Geschäftsbriefen, die möglicherweise eingeführt wird, nichts wesentliches ändern wird, denn – wie es der Jubilar36 kürzlich schlagend ausgedrückt hat – was die meisten machen, ist nicht genierlich. Das bedeutet, dass bei einem Stammkapital, das um vieles unter den tatsächlich eingesetzten Eigenmitteln liegt, die Ausschüttungssperren eben nur das verlautbarte Stammkapital schützen, die Kapitalflexibilität sich also zu erhöhen scheint, während auf der anderen Seite von einem „Verlustpuffer“ nicht mehr ernsthaft die Rede sein kann, so wenig wie von einer richtigen Leuchtkraft der „Warnlampe“ in Gestalt der Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Verlust des halben Stammkapitals37. Die Diskussion um die gläubigerschützende Wirkung eines Mindeststammkapitals muss sich also auf die Behandlung von effektiv

__________ 32 Zu dieser Diskussion aus letzter Zeit Priester, ZIP 2005, 921 f.; K. Schmidt, DB 2005, 1095 ff.; Seibert, BB 2005, 1061 f.; Blaurock in FS Raiser, 2005, S. 3 ff.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 (312); Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 ff.; Schön, Der Konzern, 2004, 162 (165); rechtspolitisch besonders Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (92 f.); sehr eingehend BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 33 f. 33 Siehe etwa Hommelhoff, WM 1997, 2102 (2107); Heidinger, DNotZ 2005, 97 (104); Priester, DB 2005, 1315 (1317); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (342 f.); Wegen/Schlichte, RIW 2006, 804 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 18 II 4 a. 34 So etwa Kuhnert, ZGR 2005, 753 (768 f.); J. Vetter, ZGR 2005, 788 (800 f.); vor allem Schön, ZHR 166 (2002), 1 (4): Erklärung der Bereitschaft, eine bestimmte Haftungsmasse zur Verfügung zu stellen, als „Bonitätssignal“. 35 Dafür hat sich der BDI ausweislich der Presseverlautbarung v. 23.10.2006 ausgesprochen, siehe FAZ v. 24.10.2006; zögernd noch BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 55 ff. 36 In Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 7. 37 Zum „Verlustpuffer“ und zur „Warnlampe“ wiederum Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 6; zur Bedeutung der Einberufungspflicht Veil, ZGR 2006, 374 (376 ff.); H. P. Westermann, DZWiR 2006, 485 (486 f.).

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über das Stammkapital hinaus fest und langfristig im Unternehmen wirtschaftenden Mitteln, m. a. W.: den Eigenkapitalersatz verlagern38. b) Hiermit wird ein aus Gesellschaftersicht eher noch heißeres Eisen angefasst. Denn die nicht seltenen Beteuerungen der Kenner des geltenden Eigenkapitalersatzrechts, es sei im Grunde nicht so schwer zu verstehen und zu handhaben, würden überzeugender klingen, wenn bei der Anwendung der hier zentralen Begriffe der „Krise“, der Handlungsweise eines ordentlichen Kaufmanns, sowie etwa auch der Darstellung der Folgen einer kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung, etwas größere Rechtssicherheit herrschte. Für den „kleinen“ Unternehmer und seinen Berater ist das Regelwerk, wie ein einfacher Blick auf den verhältnismäßigen Umfang der Erläuterung der §§ 32a, b GmbHG in allen Kommentaren zeigt, nicht zu bewältigen. Auf der anderen Seite zeigt die Erfahrung, dass etwa ausländische Unternehmensgruppen, die gewohnt sind, die bei einzelnen Töchtern benötigte Liquidität aus den Mitteln aktuell bessergestellter Gruppen-Unternehmen zu nehmen und dies aufgrund von Darlehensverträgen zu tun pflegen, kaum Verständnis für die rechtliche Behandlung derartiger Liquiditätshilfen als kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen haben und sich durch den Einsatz pseudo-ausländischer Tochtergesellschaften den Umstand zunutze machen könnten, dass der ganze Normenkomplex mit einiger Sicherheit auf „Schein-Auslandsgesellschaften“ nicht wird angewendet werden können39. Dass sich „einfache“ Unternehmensgründer mit dieser Schwäche der von ihnen – wie von den ausländischen Unternehmensgruppen – angestrebten Risikobeschränkung auf die Dauer zufrieden geben werden, ist aber sehr zweifelhaft. Nun will der RefE des MoMiG hier ansetzen und das Kapitalersatzrecht zum Insolvenzrecht „verlagern“, was jedenfalls die Erleichterung bringen würde, dass durch die Art der Abschaffung40 der richterrechtlichen Regeln die jetzt bestehenden Widersprüche zwischen der gesetzlichen und der richterrechtlichen Konzeption verschwinden würden41. Hierfür soll § 30 GmbHG durch einen weiteren Absatz ergänzt werden, in dem es heißt, dass das generelle Verbot der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch dann nicht anzuwenden ist, wenn das Darlehen der Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt

__________ 38 Ähnlich mit Blick auf Einzahlung auf debitorische Gesellschaftskonten, verdeckte Sacheinlage, Zahlung an Dritte, Fastrich, DStR 2006, 656 (659); Drygala, ZGR 2006, 587. 39 Nachw. bei H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), Einl. Rz. 232; gegen die Anwendbarkeit Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242); Forsthoff, DB 2002, 2471 (2477); W. H. Roth, IPRaX 2003, 117 (125); a. M. und differenzierend U. Huber in Lutter (Fn. 24), S. 131 ff. 40 Über die methodische Besonderheit zu philosophieren, durch Gesetz Regeln abzuschaffen, die gar nicht im Gesetz stehen, ist hier (leider) nicht der Raum; siehe immerhin K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1933). 41 BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 93 mit besonderem Hinweis auf die Verjährungsfrage.

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worden ist, in dem die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten. Damit würden Darlehen, die als solche gewährt wurden, obwohl ein ordentlicher Kaufmann in dieser Situation Kapital eingelegt haben würde, gar nicht mehr unter die Regelung der Einlagenrückgewähr fallen, wenn auf sie Zahlungen geleistet werden. Damit soll erklärtermaßen42 die nach den jetzt angewendeten „Rechtsprechungsregeln“ besonders schwerwiegende, aus § 31 Abs. 3 GmbH folgende Haftung der Mitgesellschafter für den Fall beseitigt werden, dass einem von ihnen – aber eben nicht allen – ein kapitalersetzendes Darlehen zurückgezahlt worden ist. Das wirkt sich dann aber nicht nur bei den kapitalersetzenden Finanzierungsmaßnahmen im bisherigen Sinn aus, sondern kommt nach der vorgeschlagenen insolvenzrechtlichen Konzeption für alle Darlehen zum Zuge, die innerhalb der Frist des § 35 Nr. 2 InsO vor Insolvenzeröffnung an einen Gesellschafter zurückgezahlt worden sind, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob das Darlehen in einer „Krise“ gewährt worden ist. Insgesamt – unter Einbeziehung des § 6 Nr. 2 AnfG – besteht dann eine Anfechtungsmöglichkeit in der Insolvenz der Gesellschaft bei allen Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen, die binnen eines Jahres vor Erteilung des vollstreckbaren Titels durch den auf diesem Wege vorgehenden Gläubiger erlangt worden sind. Das bedeutet im Ergebnis, dass weiterhin ein Gesellschafter, der Darlehen gegeben hat, auch wenn dies nicht in einer Krise geschah, sondern der einfach nur das sehr niedrige Stammkapital wirtschaftlich „auffüllen“ wollte, sich darauf einrichten muss, dass er bei Insolvenz der Gesellschaft sein Geld verliert43. Er steht sich also gegenüber dem bisherigen Recht eher schlechter44, und es ist auch nicht unbedingt eine Verbesserung, dass nach einer Verlagerung der Materie ins Insolvenzrecht der Geschäftsführer nicht wie im geltenden Recht schon vor der Insolvenz die Auszahlung verweigern kann, wenn nur Unterbilanz und nicht schon Insolvenz droht, denn eine eher stärkere Verteidigungsmöglichkeit gegen Auszahlungswünsche erwächst ihm, wenn gleichzeitig mit der Verlagerung des Kapitalersatz- in das Insolvenzrecht der Geschäftsführer aufgrund der erweiterten Fassung des § 64 Abs. 2 GmbHG (auf die hier noch kurz zurückzukommen ist) sich auf die durch eine Auszahlung drohende Zahlungsunfähigkeit berufen kann45. Jedenfalls bleibt es dabei, dass für den mit einer knappen Finanzdecke arbeitenden Ge-

__________ 42 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161); ähnliches Grundkonzept bei U. Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.; krit. aber Hommelhoff in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 115 ff. 43 Haas, Gutachten E für den 66. DJT, S. E 64; Noack, DB 2006, 1475 (1480); Triebel/ Otte, ZIP 2006, 1325. 44 So auch Drygala, ZIP 2006, 1797 (1798). 45 Hierzu H. P. Westermann, DZWiR 2006, 485 (491); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161); zum Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft siehe H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), § 30 GmbHG Rz. 11.

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sellschafter hier eine Gefahr und eine Schwachstelle seiner Risikoabwägung liegt. Man mag das hinnehmen oder auch wollen, aber man muss auch sehen, dass sich durch die auf den ersten Blick bestehende Möglichkeit, sich ein gewährtes Darlehen zurückzahlen zu lassen, die Kapitalflexibilität der GmbH nicht erhöht wird. Ohnehin wird auch von Kennern der Materie die Frage offen gelassen, wie sich die Regeln über die Rückzahlung kaptialersetzender Darlehen auf das Finanzierungsverhalten der Gesellschafter auswirken46. Immerhin wird eine Gefahr für die nicht mehr von § 31 Abs. 3 GmbHG bedrohten Mitgesellschafter beseitigt, was sich allerdings nicht auswirkt, wenn alle Gesellschafter an dieser Finanzierungsmaßnahme teilnehmen, wie es wohl sehr häufig ist. Sollten aber darüber hinaus die Zweifel sich bewahrheiten, ob die Verlagerung dieser Materie ins Insolvenzrecht den europarechtlichen Grundsätzen zur Niederlassungsfreiheit wirklich entzogen ist oder ob die bisher als Teil Gesellschaftsstatuts auf die Auslandsgesellschaften wohl nicht anwendbaren Regeln zum Kapitalersatz auch als insolvenzrechtliche für die Gesellschaften nicht gelten47, so bliebe es doch bei der diesbezüglichen Privilegierung der Gesellschafter einer pseudo foreign corporation und der Gefährdung der Risikobeschränkung auch in der reformierten GmbH. c) Überträgt man diese Betrachtungsweise auf die so genannte verdeckte Sacheinlage, so ist zunächst festzustellen, dass es sich hierbei, nach dem sehr reichhaltigen Entscheidungsmaterial48 zu urteilen, keineswegs um eine Erscheinung bei „kleinen“ oder frisch gegründeten Gesellschaften handelt, sondern dass derartige Praktiken – sit venia verbo – „in den besten Familien vorkommen“ und schon vorgekommen sind. Schon die Tatbestände sind überaus vielfältig, und das entscheidende Kriterium eines engen wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Erfüllung der Einlagepflicht und einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen zugunsten des Inferenten ist nicht immer leicht zu fassen. Davon abgesehen mutet die Kritik an der Konstruierbarkeit praktikabler Rechtsfolgen und der Schaffung verlässlicher Heilungsmethoden, die zuletzt auch mit Blick auf die Reformdiskussion noch einmal aufgekommen ist49, als ein Eingeständnis der juristischen Zunft an, dieses Problem, das auch der RefE eines MoMiG nicht angefasst hat, nicht in einer Weise in den Griff zu bekommen, dass

__________ 46 Hierzu BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 91. 47 Näher dazu H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849 (1854); Bedenken gegen die Verlagerung der Materie ins Insolvenzrecht bei K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 ff.; siehe auch Hirte/Mock, ZIP 2005, 447 ff. 48 Neueste Darstellung bei Ulmer, GmbHG, 2005, § 19 GmbHG Rz. 180; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), § 19 GmbHG Rz. 106, 107. 49 Heidenhain, GmbHR 2006, 455 (457 ff.); hierzu in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung besonders Bayer, ZIP 1998, 1985 (1992); Priester, ZIP 1996, 1025 ff.; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), § 5 GmbHG Rz. 107.

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man hoffen könnte, den Sacheinlegern, die es ja durchaus sollte geben können, das umständliche Verfahren einer Kumulation von Gründungsbericht, Gründungsprüfung und Ablehnungsmöglichkeit des Registergerichts ersparen zu können, wenn sie dadurch nicht wenigstens die Gefahr einer späteren Inanspruchnahme aus der Differenzhaftung gem. § 11 ausschließen können. Diese, schon vor langer Zeit als kaum zumutbare Ausprägung des Gläubigerschutzes verdächtigte Regelung50 ist offensichtlich heute nicht im Streit; sie bedeutet aber, dass die Gründer einer GmbH gut beraten sind, ein der Gesellschaft zugebilligtes Stammkapital in der gesetzlichen Minimal-Höhe in bar zu leisten und sich über die Einbringung und Bewertung darüber hinausgehender Sacheinlagen untereinander hieb- und stichfest zu verständigen. Wer so nicht verfahren kann – vielleicht auch deshalb, weil er seine Gesellschaft mit dem dann empfehlenswerten Mindeststammkapital nicht an die Öffentlichkeit bringen will –, muss sich entweder zurückziehen oder eben doch den Weg in die Auslandsgründung suchen, ohne dass man generell sagen könnte, dass hiermit lediglich solche Gründer-Gesellschafter, die sich der erzieherischen Wirkung des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts entziehen wollen, ferngehalten würden. Dass ein dahingehendes AusgrenzungsKonzept für Gründer, die die verfeinerte Rechtsprechung zur Erbringung der Bareinlage auf ein debitorisches Gesellschaftskonto nicht kannten, nicht recht überzeugt51, liegt auf derselben Linie. d) Der RefE des MoMiG will sich der Situation solcher Gesellschafter, meist ihrerseits Kapitalgesellschaften, annehmen, die im Rahmen einer Unternehmensgruppe die einzelnen Gruppen-Unternehmen in ein cash-pooling-System einbinden. Das betrifft also nicht die „Klein-Unternehmen“ oder Unternehmensgründer, sondern konzernverbundene GmbH und wiederum Vermögensbewegungen in einem internationalen Verbund. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf diese Weise im Konzern Zinsen gespart werden könnten52. Will man hier den Spielraum bei der Finanzierung erhöhen, so muss in der Tat der Gesetzgeber tätig werden, denn bei der Anwendung der hier grundsätzlich eingreifenden Vorschrift des § 30 GmbHG ist die vom BGH in seinem Grundsatzurteil vom November 200353 angedeutete Ausnahme für den Fall, dass im Einzelfall eine Darlehensgewährung an einen Gesellschafter „im Interesse der Gesellschaft“ liegen könne, im Gesetzes-

__________ 50 Dazu H. P. Westermann, Gläubigerschutz bei Neuordnung der GmbH – Fessel oder Heilmittel für eine Rechtsform, 1971, S. 24 ff. 51 Zu BGH, JZ 2004, 684, mit kritischer Anmerk. Ulmer; siehe auch H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849 (1856). 52 Siehe den Hinweis von Seibert, ZIP 2006, 1157 (1162) auf Äußerungen der zuständigen Ministerin. 53 BGHZ 157, 72 (75 ff.); dazu etwa Cahn, Der Konzern 2004, 235 ff.; Hahn, Der Konzern 2004, 641 ff.; Heidinger, NotBZ 2004, 463 (465); Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133 ff.; Kerber, ZGR 2005, 437 ff.; Joost in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 31 ff.

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wortlaut nicht recht unterzubringen54, und eine Anwendung des § 30 GmbHG scheidet nicht schon dann aus, wenn eine Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter keine unmittelbare Insolvenzgefahr hervorruft55. Ebenso ist schwer zu bestreiten, dass die Darlehensgewährung im cash-pool „causa societatis“ erfolgt. Auch ob § 291 Abs. 3 AktG, der eine Ausnahme für den Aktien-Vertragskonzern begründet, im GmbH-Konzern helfen kann, ist bekanntlich nicht sicher56. Wenn der Gesetzgeber eine Lösung im Interesse der Kapitalflexiblität im Konzern für geboten hält, musste er also in der Tat bei § 30 GmbHG ansetzen. Nach dem RefE soll dem § 30 Abs. 1 ein Satz angefügt werden, der für alle Arten von „Vorleistungen aufgrund eines Vertrages mit einem Gesellschafter“ auch eine Beeinträchtigung des Stammkapitals nicht als verbotswidrig ansieht,“ wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt“. In der Begründung57 heißt es, diese Neuregelung bringe „eindeutig“ zum Ausdruck, dass Leistungen aus und im Rahmen der freien Rücklage im Hinblick auf die Kapitalerhaltungsregeln „völlig unproblematisch“ seien, während im Problemkreis der Vorleistung in dieser Beziehung Bedenken bestehen könnten. Danach ist nicht sicher, wie sich die – noch zu entwickelnden – Maßstäbe für die Bewertung des Gesellschaftsinteresses zu der wohl ebenfalls nötigen Begriffsbestimmung der „Vorleistung“ verhalten sollen. Ob in der Praxis eine Regelung dieser Art als Befreiung von den Formen des Kapitalerhaltungssystems empfunden werden wird, ist danach eher zweifelhaft. Sicher kann sich im Extremfall dartun lassen, dass für eine Gesellschaft das wirtschaftliche Wohl eines ihres Gesellschafter so wichtig ist, dass es in ihrem Interesse liegt, einen diesem Gesellschafter gewährten Kredit aus ihrem Vermögen abzusichern. Betrachtet man die Situation des Sicherungsnehmers, der nicht immer die Bilanzverhältnisse der Darlehensnehmerin und der Sicherungsgeberin voll durchschaut, so würden durch diese Freistellungsregeln die Bedenken gegen upstream-Darlehen nicht ganz abgebaut, zumal im Hinblick auf das Element der Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs nicht ganz eindeutig ist, ob in Zukunft die früher herrschende, mittlerweile aber stark in Zweifel gezogene „bilanzielle Betrachtungsweise“ des § 30 GmbHG58 wieder in den Vordergrund rücken soll. Die Auswirkungen eines cashpooling auf die Fragen der Kapitalaufbringung sind ebenfalls noch nicht aus-

__________ 54 Als „kryptische“ Passage kritisiert von Joost in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 38 Fn. 18; krit. zum Entwurf besonders Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 1121 (1126 f.). 55 Darin ist Joost (Fn. 3), S. 34 durchaus Recht zu geben. 56 Überblick bei Bayer/Lieder, ZGR 2004, 133 (151). 57 RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, Stand 29.5.2006, S. 53, 54. 58 Überblick über die Entwicklung bei Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, 2001, bes. S. 69 ff.; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), § 30 GmbHG Rz. 18 ff.

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diskutiert59. Insgesamt ist auch hier zweifelhaft, ob die interessierten Verkehrskreise die nach den Vorstellungen des RefE reformierte Rechtslage als Anlass ansehen werden, sich doch wieder der GmbH zuzuwenden. 4. Zwischenbilanz Eine Zwischenbilanz lässt sich vielleicht dahin formulieren, dass die in der Diskussion stark betonten Forderungen nach Erleichterungen des Gründungsvorgangs im Vergleich zu den Finanzierungsfragen so große Aufmerksamkeit nicht verdienen. Es erscheint auch verständlich, dass in Deutschland der Gedanke an einen Verzicht auf jegliches Mindeststammkapital nicht viele Anhänger hat. Anders verhält es sich insoweit mit einigen aus diesem Erfordernis abgeleiteten Rechtsinstituten, die ihre Entstehung richterlicher Rechtsfortbildung verdanken. Insoweit geht der RefE mit den Forderungen nach einer Beseitigung oder auch nur einer ausgeformten Kodifizierung sehr zögerlich um, entscheidet sich also – durchaus im Einklang mit vielen Stimmen in der juristischen Praxis und in der Wissenschaft – für eine Aufrechterhaltung des Gläubigerschutzes nach dem Grundsatz, dass Prävention besser ist als Reaktion, ohne den Forderungen nach einer Liberalisierung des GmbH-Rechts nennenswert entgegenzukommen. Das löst also das Problem nicht, ob man den an unternehmerischem Wirtschaften auf mittlerer Größenstufe Interessierten ein Instrument anbieten muss (und kurzfristig kann), das ohne große und zeitraubende Kontrollen bei der Gründung nicht die Gefahr birgt, seine Benutzer nur wenig später unverhofft ohne den Schutzschild der beschränkten Haftung dastehen zu lassen. Nun betrachtet man in Deutschland – anders als offenbar in England – das Gesellschaftsrecht nur teilweise und keineswegs hauptsächlich als Instrument zur Organisation des gemeinsamen Wirtschaftens, sondern geht in einer in Europa nicht überall so gesehenen Weise darauf aus, die Sicherungsinteressen der Gesellschaftsgläubiger zu schützen60. Wie allerdings die Gesellschaftsgründer auf diese Lage reagieren werden, ist kaum vorherzusagen, sie sind nun einmal trotz der ungeheuren Zahl der Verwendungen dieser Unternehmensform in Motivation und Einschätzung der auf sie wartenden Risiken weitgehend unbekannte Wesen. Der hiermit wohl grundsätzlich entschiedene Interessengegensatz zwischen Gesellschafter- und Gläubigerbelangen ist aber ohnehin nicht der einzige, von dessen Weiterentwicklung die eingangs gestellte Frage nach dem Benutzerkreis und den Verwendungszwecken der GmbH in nächster Zukunft abhängt; vielmehr ist in der neueren Diskussion viel Mühe auf die Heraus-

__________ 59 Der RefE (Fn. 57), S. 55, geht davon aus, dass die Lösung zu § 30 ohne weiteres auf die Kapitalaufbringung übertragen werden kann; deutlich weniger optimistisch in diesem Punkt Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 1121 (1127 f.). 60 Noch zuletzt dazu Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 21 ff.

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arbeitung und Stärkung der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers verwendet worden, der möglicherweise auch Einfluss auf die Wahl der Rechtsform hat; dazu ist noch kurz Stellung zu nehmen.

III. Der Geschäftsführer – den letzten beißen die Hunde? 1. Die insolvenzbezogenen Pflichten des Geschäftsführers Viel ist zur Zeit von den Regeln über Qualifikation und Disqualifikation der Geschäftsführer die Rede, was auch durch die Vorstellung genährt wird, das englische Recht verstehe die diesbezüglichen Regeln (auch) als Gläubigerschutz61. Wenn es allerdings um die rechtliche Lage der Benutzer der Rechtsform der GmbH geht, so kommen hierfür als Gründer und Geschäftsführer nur Personen in Betracht, die nicht aufgrund ihres Vorlebens disqualifiziert sind. Wichtiger sind daher die rechtspolitischen Überlegungen, die die Aktivierung oder Verstärkung der Rolle der Geschäftsführer bei der Erkennung und Bewältigung von Unternehmenskrisen betreffen. Denn in diesem Rahmen könnte der Geschäftsführer – auch mit seinem Einfluss auf Entscheidungen der Gesellschafter – eine gegenüber seiner sonstigen Stellung stärker selbständige Verantwortung zu übernehmen haben62, die dann für die GmbH typbestimmend werden könnte. Dabei – anders möglicherweise bei der Geltung dieser Regeln für Auslandsgesellschaften – kommt es nicht darauf an, ob die Pflichten im Gesellschafts- oder im Unternehmensrecht verankert sind. a) Das geltende Recht sieht für die GmbH noch keine formalisierte KrisenFrüherkennung vor, aber es gehört schon zur genuinen, durch § 43 GmbHG umrissenen Aufgabe des Geschäftsführers, ständig auf das Auftreten von Krisen-Anzeichen zu achten und sich rechtzeitig um Gegenmaßnahmen zu bemühen63. Allerdings stößt der Gedanke einer entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 2 AktG derzeit noch nicht auf große Sympathie64. Nun werden die meisten Geschäftsführer wenigstens die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Verlust des halben Stammkapitals wohl beachten, aber es fehlen formalisierte Informations-, Dokumentations- und schließlich Handlungspflichten des Geschäftsführers in einer solchen Situation, kraft deren Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden müssten, wozu auch (und sogar hauptsächlich) die Gesellschafter anzuhalten wären. Obwohl hierbei sicher ein Unterschied zwischen einem bloß angestellten Geschäftsführer und einem Gesellschafter/Geschäftsführer besteht, ist eine

__________ 61 Zuletzt K. Schmidt in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 143 ff. 62 Zum Folgenden näher Veil, ZGR 2006, 374 ff.; H. P. Westermann, DZWiR 2006, 485 ff.; Drenckhan, Gläubigerschutz in der Krise der GmbH, 2006. 63 Siehe nur Goette, ZInsO 2001, 529 (531 f.); Uwe H. Schneider in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2000, § 43 GmbHG Rz. 78a. 64 Hommelhoff in FS Sandrock, 2000, S. 373; Drygala/Drygala, ZIP 2000, 397 (402).

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Aufwertung derartiger Pflichten allenfalls in der Weise möglich, dass ein reines „Weiterwursteln“ eines Geschäftsführers ohne Versuche, zusammen mit den Gesellschaftern der Krise Herr zu werden, diese aber mindestens vor die Alternative zwischen Sanierungsversuchen und Liquidation zu stellen, sanktionsbewehrt wird (wobei jetzt dahinstehen kann, ob etwaige Schadensersatzansprüche der Gesellschaft oder sogar direkt ihren Gläubigern zustünden). Im übrigen aber bleibt es wohl doch dabei, dass der Geschäftsführer nach dem geltenden System der checks and balances in der GmbH nicht die Figur ist, an die man sich – auch haftungsmäßig – zu halten hätte, wenn die korrekt und rechtzeitig informierten Gesellschafter sich zu – notfalls von ihm vorgeschlagenen – Rettungsmaßnahmen nicht bereitfinden. Das Gesetz erlegt in § 43 Abs. 3 GmbHG dem Geschäftsführer allerdings selbständige und den Weisungen der Gesellschafter entzogene Pflichten auf, wo es um die Verhinderung von Unterbilanz verursachenden Leistungen an die Gesellschafter geht. Auch wird mit Recht darauf hingewiesen65, dass der Geschäftsführer dann, wenn die Gesellschafter nicht willens oder in der Lage sind, erfolgversprechende Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung seiner Insolvenzantragspflicht wohl gezwungen ist, mangels positiver Fortführungsprognose die Bilanz auf der Grundlage von Zerschlagungswerten aufzustellen. Überhaupt ist zumindest rechtstatsächlich – wenn auch vielleicht nicht rechtsdogmatisch – davon auszugehen, dass die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers in unmittelbarem Zusammenhang mit den von ihm in einer Krisensituation zu treffenden Maßnahmen steht und ihm vorschreibt, Insolvenzantrag zu stellen, wenn eine Fortführung des Unternehmens mit Aussicht auf Überwindung der Krise nicht mehr möglich ist66. b) Aber auch durch derartige Druckmittel wird der Geschäftsführer nicht zu der zentralen Instanz in der Finanzverfassung der GmbH, von der eine unvoreingenommene Abgleichung der Gesellschafter- und der Gläubigerbelange erwartet werden kann, und die infolgedessen den Kreis der seriösen Benutzer der Rechtsform der GmbH bestimmend begrenzen könnte, wie es möglicherweise die von einer Haftung wegen „wrongful trading“ bedrohten Geschäftsführer einer Ltd67. sind. Das verhält sich etwas anders mit der schon im geltenden Recht dem Geschäftsführer obliegenden Insolvenzantragspflicht, deren Versäumung ihn auch gegenüber den Gesellschaftsgläubigern schadensersatzpflichtig machen kann, wenn auch nach der Rechtspre-

__________ 65 Von Veil, ZGR 2006, 376 (385) unter Berufung auf Bork, ZIP 2000, 1709 (1713). 66 Insofern ist K. Schmidt (in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 64 GmbHG Rz. 13) zu folgen, ohne dass damit zu den weiteren Konsequenzen dieser Sichtweise im Verhältnis von § 64 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG (dazu zuletzt K. Schmidt in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung [Fn. 61], S. 153 ff.) Stellung genommen werden muss. 67 Dazu im Einzelnen Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (182 ff.); Schall, ZIP 2005, 965; Ebert/Levedag in Süß/Wachter (Fn. 28), S. 706 ff.; H. P. Westermann in Scholz (Fn. 11), Einl. Rz. 61.

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chung auf diesem Wege nur die Altgläubiger Ersatzansprüche geltend machen können, was die Effektivität dieses Instruments offenbar stark in Frage stellt68. Daher ist nicht nur vorstellbar, sondern gut möglich, dass Gesellschafter, die sich selber um die Geschäftsführung kümmern – wenn auch nicht unbedingt in dieser Organstellung –, die Eigenverantwortlichkeit des Geschäftsführers in diesem Bereich respektieren und bei ihren Maßnahmen in Rechnung stellen werden. Dennoch hat sich in Deutschland offensichtlich die Überzeugung durchgesetzt, in dieser Beziehung de lege ferenda den Geschäftsführer stärker in die Pflicht nehmen zu müssen, was ihn dann tatsächlich in die Stellung eines den Typus der GmbH (mit) charakterisierenden Verantwortungsträgers bringen würde. Von einer solchen Entwicklung würden dann deutliche Einflüsse auf die künftige Position der GmbH im System der Rechtsformen des deutschen Gesellschaftsrechts ausgehen. Das rechtfertigt es, einen Blick auf die in diesem Bereich geplanten Reformen des GmbHG zu werfen. 2. Erweiterungen des § 64 GmbHG Die Regelung des § 64 GmbHG hat bewegte Zeiten hinter (und vielleicht auch vor) sich69. Für die nächste Zukunft sieht es nicht so aus, als solle der Gesichtspunkt der Versäumung der Insolvenzantragspflicht, also § 64 Abs. 1 GmbHG, wieder in den Mittelpunkt treten, vielmehr will der RefE das in § 64 Abs. 2 enthaltene Verbot der Masseschmälerung um den Fall erweitern, dass durch Zahlungen an Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt wird. Die sich hieraus ergebende Haftung der Geschäftsführer ist deutlich schärfer als diejenige aus einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht, da sie aus jeder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erfolgten Leistung an Gesellschafter einen Haftungstatbestand macht, nota bene unter Einschluss der Vereinnahmung von Zahlungen auf einem debitorischen Bankkonto der Gesellschaft70. Um die Zahlungsunfähigkeit festzustellen, soll hier dann der aus anglo-amerikanischen Recht bekannte solvency test angewendet werden, was für das deutsche Recht umstritten ist71. Zwar geht der RefE jetzt nicht den Überlegungen nach, ob man den für die Insolvenzantragstragpflicht und das Zahlungsverbot maßgeblichen Zeitpunkt vorverlegen soll, etwa auf den Zeitpunkt der Mitteilung

__________ 68 Seit BGHZ 138, 211 (zust. Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl. 2003, § 92 InsO Rz. 12) anerkannte Praxis; scharf kritisch K. Schmidt in Scholz (Fn. 66), § 64 GmbHG Rz. 40, 43. 69 Bewegend dazu K. Schmidt in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 151 ff. 70 Zum Letzteren BGHZ 143, 184; BGHZ 146, 264; scharf krit. K. Schmidt in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 154. 71 Dafür BDI/Hengeler/Mueller (Fn. 16), Rz. 71, 72; Schön, Der Konzern 2004, 162 (168 f.); ablehnend Joost in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 31 (46 f.); Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 7.

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vom Verlust des halben Stammkapitals72, aber das Haftungsrisiko des Geschäftsführers wird jedenfalls erheblich sein, wenn nicht die Praxis – was naturgemäß nicht vorhergesagt werden kann – großzügigen Gebrauch von der Entlastungsmöglichkeit macht, die darin besteht, dass für Entscheidungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns getroffen werden, nicht gehaftet werden soll73. Das ist nicht nur für den Geschäftsführer kaum zumutbar74 (zumal eine solche Entlastung möglicherweise im Hinblick auf die besonders haftungsträchtige Versäumung von Steuer- und Sozialversicherungsforderungen wieder ausgeschlossen wird75), sondern stellt auch eine Behinderung der Entscheidungsbereitschaft des Geschäftsführers in der alltäglichen Geschäftsführung dar, die im Interesse der Praktikabilität der Rechtsform jedenfalls bedenklich ist76. Dem wird mit einiger Sicherheit wieder der Gedanke des Gläubigerschutzes entgegengehalten, diesmal in der Wendung, dass die bisher zur Verfügung stehenden, im Grenzbereich zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht liegenden Instrumente zur Verhinderung von Masseschmälerung und Konkursverschleppung nicht effektiv genug seien. Man mag dies so sehen, kommt dann aber nicht an der Prognose vorbei, dass die gesellschaftsrechtlich verorteten Pflichten aus § 64 GmbHG wahrscheinlich, die insolvenzrechtlichen Grundlagen dieser Pflicht, obwohl sich diese beiden Gebiete möglicherweise systematisch zusammenfügen lassen77, vielleicht ebenso den Anforderungen der EuGH-Rechtsprechung an Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit nicht genügen könnten, so dass Gründer und Gesellschafter von Auslandsgesellschaften sich im Hinblick auf Tatbestände der Konkursverschleppung eher auf das Gründungsrecht des jeweiligen Gebildes einrichten müssen. Bei einem Vergleich, welches Schutzsystem – oder welche Drohungen – ihnen eher zumutbar erscheinen, darf im Hinblick auf das deutsche Recht nicht vergessen werden, dass mit der Kumulation von Ausschüttungssperren – die Gesellschafter und Geschäftsführer zu beachten haben – mit der Existenzvernichtungshaftung78 (der Gesellschafter unterliegen können) und dem Masseschmälerungsverbot, das sich wieder an die Geschäftsführer richtet, Schranken für Entscheidungen der Gesellschaftsorgane aufgerichtet sind, die

__________ 72 73 74 75

Dazu – im Ergebnis ablehnend – Veil, ZGR 2006, 374 (378 ff.). Ebenso schon Veil, ZGR 2006, 374 (392). K. Schmidt, ZIP 2005, 2177 (2188). Siehe K. Schmidt in Scholz (Fn. 66), § 64 GmbHG Rz. 27; zu den hier durchgesetzten Privilegien bestimmter Gläubiger krit. H. P. Westermann, FS Fikentscher, 1998, S. 456; Stein, DStR 1989, 1055. 76 So auch schon H. P. Westermann, DZWiR 2006, 485 (492 f.); den Gesichtspunkt der Planungssicherheit für das Management und die das Unternehmen führenden Gesellschafter betonen auch Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 23 sowie Lutter, Die AG 1998, 375 (377). 77 Näher dazu Haas, ZIP 2006, 1373 ff. 78 Auf den Zusammenhang mit dem Masseschmälerungsverbot gem. § 64 Abs. 2 GmbH weist auch der RefE auf S. 64 hin.

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die Handlungsmöglichkeiten in unternehmerisch-kritischen Zeiten deutlich in Richtung auf Resignation lenken können, zur Gegenwehr jedenfalls nicht ermutigen!

IV. Abschließender Ausblick Nach dem Stand der Dinge bei Beendigung dieses Beitrag (November 2006) zu urteilen, hat das MoMiG gute Aussichten, im Wesentlichen in der Gestalt des RefE vom Gesetzgeber erlassen zu werden. Geht es nach den Beschlüssen des 66. DJT, wird nur die Absenkung des Mindeststammkapitals von der Mehrheit der deutschen Juristen abgelehnt, der Gedanke einer Gesellschaftsform ohne Zwang zu jeglicher Minimalfinanzierung durch Stammkapital hat offenbar nur wenige Befürworter; weitgehende Ablehnung würden Versuche des Gesetzgebers riskieren, den Gläubigerschutz durch Gesellschaftsrecht oder gar den durch Insolvenzrecht abzuschwächen. Die Stimmen aus der Beratungspraxis, die eine Liberalisierung der Gründung und die Beseitigung einiger Stolpersteine bei der Finanzierung fordern, scheinen sich nicht behaupten zu können, und die Durchsetzung der – gewiss mutigen – Lösungen des RefE zur Bewältigung einiger besonders schwieriger praktischer Probleme in der Gerichtspraxis ist angesichts des Zwangs, hierbei mit Generalklauseln und/oder Formelkompromissen zu arbeiten, nicht gesichert. Betrachtet man dies aus der Sicht der Gesellschaftsgründer und der bei Gründungsentscheidungen oft schon beteiligten Geschäftsführer, so wird das MoMiG die Flexiblität und Attraktivität der GmbH nicht nennenswert erhöhen. Das bedeutet also, dass wir die Frage, wohin die Gesellschaft im Vergleich mit der Ltd. steuert, dem Markt für Gesellschaftsgründungen überlassen79, was man in der Erwartung tun kann, die urdeutsche GmbH werde sich, wenn die Euphorie für die Auslandsgründungen abebbt, schon behaupten können80. Man kann dies auch mit der Beobachtung belegen, dass manches an der gegenwärtigen Diskussion an Aufstieg und Fall von Modetrends erinnert. Die Chance, zur Mode zu werden, haben die dem Gesetzgeber vorgeschlagenen Ersatz- oder Ergänzungsformen zur GmbH nicht, so dass sie noch geschaffen werden müssen, um den Wettbewerb aufnehmen zu können. Das ändert aber an der gegenwärtigen rechtspolitischen Situation nicht viel, denn es ist kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber in der Zeit, die für eine GmbH-Reform angesichts der aktuellen Herausforderung durch die Ltd. zur Verfügung steht, auch nur einen der vorliegenden Entwürfe prüfen, ins Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts einfügen und dabei insbesondere abschätzen könnte, welche im Zuge der Liberalisierung des Gründungsvorgangs und des

__________ 79 Drygala, ZIP 2006, 1797 (1798 f.). 80 So etwa Zöllner, GmbHR 2006, 1 (11 f.); Priester in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 24.

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Wohin steuert die GmbH?

Abbaus von Beschränkungen der Kapitalflexibilität ungeregelt gelassen Rechtsfragen durch rechtsfortbildende Lückenfüllung demnächst von der Rechtsprechung in dem Sinne entschieden werden würden, das ausgefeilte kapitalgesellschaftsrechtliche Konzept der GmbH vor Umgehung zu schützen. Mit der Vorstellung, dieses Ansinnen an einen Gesetzgeber zu stellen, der entgegen verbreitetem Wunsch die Probleme der verdeckten Sacheinlage und der Mantelverwendung, um nur einiges zu nennen, nicht angefasst hat, die er ja für die Ersatzformen wohl auch noch bewältigen müsste81, greift man ein wenig zu hoch. Es sollte also doch weiter daran gearbeitet werden, die GmbH, um es in den Worten des Jubilars82, nur in abweichendem Sinn, zu sagen, doch „a little bit lighter“ zu machen.

__________ 81 Lutter in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Fn. 3), S. 211 (222); siehe aber zur Unternehmergesellschaft Fn. 14. 82 ZIP 2006, 161.

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Herbert Wiedemann

Zum gesellschaftsrechtlichen Anlegerschutz in Publikums-Personengesellschaften Inhaltsübersicht I. Thema II. Nachschusspflicht und Kapitalerhöhung 1. Gesetzestypische Personengesellschaften

2. Publikums-Personengesellschaften III. Anderweitiger Kapitalanlegerschutz IV. Ausblick

I. Thema Rechtsprechung und Rechtspraxis hatten in den siebziger Jahren umfangreich die Probleme der „Abschreibungsgesellschaften“ zu bewältigen, die als Publikums-Personengesellschaften privaten Anlegern steuerliche Vorteile verschaffen sollten. Seinerzeit wurde im Bundesjustizministerium1 und anlässlich des 51. Deutschen Juristentages2 erwogen, für diese Gesellschaftsformen eine gesetzliche Regelung zu entwerfen; der Plan wurde aber fallen gelassen und in den folgenden Jahren lediglich eine vertriebsrechtliche – heute würde man sagen kapitalmarktrechtliche – Prospektpflicht und Prospekthaftung eingeführt. Im Übrigen blieb es für das Gesellschaftsrecht bei der umfangreichen Sonderrechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die als „rechtsschöpferische Meisterleistung des II. Zivilensenats“3 anderweit gewürdigt wurde. Die Diskussion zu angemessenen Regelungen der Publikums-Personengesellschaften ist dann vorübergehend stiller geworden – bis die nächste Generation der Fondsgesellschaften das Revisionsgericht in den letzten Jahren erreichte. Die heutigen Publikumsgesellschaften verfolgen andere Ziele und sind auch anders organisiert als ihre Vorgänger; die Einlagen werden überdies nicht nur durch liquide Mittel, sondern auch durch Kreditaufnahmen erbracht, so dass neben dem Gesellschaftsrecht auch Vorschriften des Verbraucherkreditschutzes und des Rechtsberatungsgesetzes zum Zug kamen4. An den gesellschaftsrechtlichen Grundproblemen hat sich nichts geändert; vermehrt werden aber neben der Kommanditgesellschaft und der

__________ 1 Vgl. Krieger in FS Stimpel, 1985, S. 307. 2 Vgl. Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Bd. I, Gutachten: Hopt, S. G 9 ff., und Bd. II, Referat: Mertens, S. P 6 ff. 3 Ulmer, Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftsrecht 1971–1985, 1986, S. 18. 4 Vgl. Strohn, WM 2005, 1441.

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GmbH & Co. KG auch Zivil- und stille Gesellschaften als Basisgesellschaften herangezogen. Der Jubilar hat das deutsche Gesellschaftsrecht, das in dieser Epoche eine kraftvolle Entfaltung erlebt hat, in ungezählten Beiträgen bereichert und gefördert. In einer Festschrift zu seinen Ehren soll deshalb ein Thema gewählt werden, das sich mit einer Zentralfrage des Rechts der Publikums-Personengesellschaften beschäftigt: Wie weit kann und muss der Kapitalanlegerschutz auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgreifen, die sich auch im Aktienrecht niedergeschlagen haben? Der Beitrag soll sich dabei auf eine spezielle Problematik beschränken, nämlich die Zulässigkeit der Begründung von Nachschüssen und den Zwang der Teilnahme an Kapitalerhöhungen durch Mehrheitsbeschlüsse der Beteiligten. Zu diesen Fragen sind in jüngster Zeit mehrere grundsätzlich angelegte Entscheidungen des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ergangen.

II. Nachschusspflicht und Kapitalerhöhung 1. Gesetzestypische Personengesellschaften a) Für die Prüfung, ob gesellschaftliche Nachschusspflichten, bei denen die Mehrbelastung bereits im Vertrag angelegt ist, oder einfache Kapitalerhöhungen, für die das nicht zutrifft, durch Gesellschafterbeschluss begründet werden können, ist die Auslegung des § 707 BGB maßgebend. Obwohl die Vorschrift, anders als § 709 Abs. 2 BGB keinen Vorbehalt für eine abweichende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag enthält, wird sie überwiegend als dispositives Recht eingestuft. Sondervorschriften für die Personengesellschaften des Handelsrechts fehlen. Das war nicht immer so. Art. 92 ADHGB war sprachlich schärfer formuliert, fand indes im HGB keine Nachfolge. Dagegen haben sich die entsprechenden Vorschriften für die Kapitalgesellschaften in § 53 Abs. 3 GmbHG und § 54 AktG bis heute erhalten. Zusätzliche Bewertungsgrundlagen lassen sich mit einem Blick auf die Rechtslage in unseren europäischen Nachbarstaaten gewinnen: ADHGB Art. 92: „Ein Gesellschafter ist nicht verpflichtet, die Einlage über den vertragsmäßigen Betrag zu erhöhen oder die durch Verlust verminderte Einlage zu ergänzen“. Schweiz OR Art. 531: (1) „Jeder Gesellschafter hat einen Beitrag zu leisten, sei es in Geld, Sachen, Forderungen oder Arbeit“. (2) „Ist nicht etwas anderes vereinbart, so haben die Gesellschafter gleiche Beiträge, und zwar in der Art und dem Umfang zu leisten, wie der vereinbarte Zweck es erfordert“. Schweiz OR Art. 560: (2) „Die (Kollektiv)Gesellschafter sind weder verpflichtet, höhere Einlagen zu leisten, als dies im Vertrage vorgesehen ist, noch ihre durch Verlust verminderten Einlagen zu ergänzen“. Frankreich Code civil Art. 1836: „Les statuts ne peuvent être modifiés, à défaut de clause contraire, que par l’accord unanime des associés. En aucun cas, les engagements d’un associé ne peuvent être augmentés sans le consentement de celui-ci“.

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Anlegerschutz in Publikums-Personengesellschaften Italien Codice civile Art. 2253: Der (einfache) Gesellschafter ist verpflichtet, die im Gesellschaftsvertrag bestimmten Einlagen vorzunehmen. Sind die Einlagen nicht bestimmt, wird vermutet, dass die Gesellschafter verpflichtet sind, alle zu gleichen Teilen das einzubringen, was zur Erreichung des Gesellschaftszweckes erforderlich ist.

Bemerkenswert ist, wie alle diese Regelungen gegenüber einer erzwungenen Mehrbelastung den Atem anhalten. Eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge in der offenen Handelsgesellschaft und in der Kommanditgesellschaft war nach Art. 92 ADHGB selbst dann nicht möglich, wenn die Erreichung des gemeinsamen Endzwecks dies erforderte oder die Gesellschaft ohne die Erhöhung der Einlagen nicht länger bestehen konnte5. Das Handelsrecht grenzte sich seinerzeit bewusst von abweichenden Regelungen des bürgerlichen Rechts ab, dass die Zulässigkeit späterer Nachschüsse auf Beiträge beschränkte, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes notwendig waren und sich deshalb aus dem Statut erschließen ließen. Eine Ausnahme vom Mehrbelastungsverbot wie für Projektgesellschaften sollte jedenfalls für den gemeinsamen Betrieb eines Handelsgeschäfts nicht Platz greifen. Angesichts dieser Entwicklung ist es nicht verwunderlich, dass sich das Reichsgericht in seiner ersten, zur offenen Handelsgesellschaft ergangenen Entscheidung6 sachlich an Art. 92 ADHGB orientierte und in § 707 BGB nur einen begrenzten Gestaltungsspielraum freigab (beschränkte Dispositivität). Mit Hinweis auf die Rechtslage bei den Kapitalgesellschaften begründete der II. Zivilsenat seine Leitentscheidung in doppelter Weise: RGZ 91, 268: „(Dass die Gesellschafter allgemein Mehrheitsbeschlüsse über Abänderung des Gesellschaftsvertrags zugelassen haben), reicht nicht hin; es hätte auch der Wegbedingung der angeführten Gesetzesvorschrift bedurft. … Dazu kommt, dass die Angabe gewisser Grenzen verlangt werden muss, in denen sich der Erhöhungsbeschluss zu bewegen hätte; denn eine schrankenlose Unterwerfung des Schuldners unter den Willen des Gläubigers würde gegen die guten Sitten verstoßen“.

Die beiden vertragsresistenten Eckpfeiler des § 707 BGB wurden in zwei nachfolgenden Urteilen zur BGB-Gesellschaft7 und zur Kommanditgesellschaft8 bestätigt. Aus dem Fundus des II. Zivilsenats ist außerdem ein Judikat zur GmbH erwähnenswert, das eine Brücke zu den Personengesellschaften vom Ufer der GmbH schlägt9. § 53 Abs. 3 GmbHG gilt als zwingendes Recht, lässt aber seinerseits eine im Voraus bestimmte oder bestimmbare Erhöhung der Einlage durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter zu.

__________ 5 6 7 8 9

Staub, ADHGB, 5. Aufl. 1897, Art. 92 ADHGB Rz. 2. RGZ 91, 166 (168). RGZ 151, 323 (327 f.) (GbR): Hauptregel des Gesellschaftsrechts. Zurückhaltend RGZ 163, 385 (391) (KG). RGZ 87, 261 (265) (GmbH).

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Der Bundesgerichtshof hat diese Erkenntnisse verallgemeinert und vertieft. Der Individualschutz des Gesellschafters verlangt einmal die verbale Sonderermächtigung der Gesellschaftermehrheit für alle vertraglich vorgesehenen Beschlussgegenstände (Transparenzgebot)10. Unabhängig davon sind Eingriffe in das Mitgliedschaftsrecht – sei es durch Verkürzung von Rechten, sei es durch die Vermehrung von Pflichten – nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig11. Die später so erfolgreiche „Kernbereichslehre“ war freilich von ihren Autoren nicht so grundsätzlich angelegt12, wie sie heute aufgefasst wird13. Die wenigen zu den gesetzestypischen Personengesellschaften zur Beitragserhöhung ergangenen Urteile vermengen beide Gesichtspunkte14, in dem sie im Rahmen des § 707 BGB die inhaltliche Bestimmbarkeit des späteren Gesellschafterbeschlusses zur Voraussetzung seiner Zulässigkeit machten. Zur gesetzestypischen Personengesellschaft sind – soweit ersichtlich – keine Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergangen, die über die vom Reichsgericht gezogenen Grenzen der vorhersehbaren Belastung hinausgehen. b) Methodisch gilt es zunächst, sich zwischen einem dispositiven oder einem zwingenden Rechtscharakter des § 707 BGB – jeweils mit erweiternden oder einschränkenden Ausnahmen – zu entscheiden. Die Ergebnisse werden ähnlich, aber nicht gleich sein, weil in Zweifelsfällen der Grundcharakter den Ausschlag gibt. Dabei kann für eine Entscheidung in der einen oder anderen Richtung nicht das Etikett als „Grundrecht des Gesellschafters“ oder „Grundregel des Gesellschaftsrechts“ oder schlicht als Mehrbelastungsverbot ausschlaggebend sein, denn damit lässt sich das Ergebnis nur nachträglich systematisch einordnen. Eine Analogie zu § 53 Abs. 3 GmbHG oder § 54 Abs. 1 AktG scheidet ebenfalls aus, weil § 707 BGB dafür keine Lücke übrig lässt. Meines Erachtens ist es aus mehreren Gründen sachgerechter, § 707 BGB als „Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt“ zu deuten. Dafür spricht: – Dem Rechtscharakter der geschlossenen Personengesellschaft entspricht der Grundsatz der Einstimmigkeit von Gesellschafterbeschlüssen, wie dies oben historisch und rechtsvergleichend skizziert wurde. Zur Unterstützung lässt sich weiter nachtragen, dass auch das Gemeinschaftsrecht in Art. 17 Abs. 2 lit. e EWIV VO für eine Erhöhung der Beiträge zur Finanzierung der Vereinigung (zwingend) einen einstimmigen Beschluss verlangt15. Im europäischen model act der Personengesellschaft klingt ein offenbar allgemein akzeptierter Gedanke an.

__________ 10 11 12 13

BGHZ 8, 35 (39); BGHZ 20, 363 (369); BGHZ 66, 83 (85) (KG). BGHZ 20, 363 (368) (KG); BGHZ 48, 251 (254) (OHG). Robert Fischer in FS Barz, 1974, S. 33 (42 ff.). Vgl. statt aller Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004, § 16 III, S. 472 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, § 3 III 2, S. 219. 14 BGH v. 7.11.1960, WM 1961, 32 (33) (OHG); BGH v. 30.4.1979, NJW 1979, 2102 (2103) (KG); BGH v. 2.7.1979, WM 1979, 1282 (1283) (GbR). 15 Vgl. dazu Ganske, Das Recht der Europäischen Wirtschaftlichen Vereinigung, 1988, S. 49.

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– Der Grundsatz der Einstimmigkeit entspricht als Ausgangspunkt dem Freiheitsschutz der einzelnen Mitglieder in einer Kooperationsgemeinschaft von Kaufleuten, Unternehmern oder Freiberuflern16. – Der Grundsatz der Einstimmigkeit für die Erhöhung oder Erweiterung von Beitragspflichten und anderen Belastungen ist – worauf gleich einzugehen sein wird – zur Konfliktlösung geeigneter, weil flexibler als der entgegengesetzte Standpunkt. Die Grenzen der Belastbarkeit werden aus der Sicht des dispositiven Charakters dahin bestimmt, es müssten sich Art und Umfang zusätzlicher Beiträge aus dem Gesellschaftsvertrag bestimmt oder objektiv bestimmbar ergeben. Nur insoweit habe der Gesellschafter im Voraus seine Zustimmung erklärt und nur insoweit könne er sich der Mehrheitsherrschaft unterwerfen. Dabei enthält aber wohl der Fall einer betragsmäßig begrenzten Nachschusspflicht eigentlich keine Ausnahme, denn die Mitgesellschafter können hier nur über die jeweilige Höhe und Fälligkeit der Abschlagszahlungen abstimmen. Auf der anderen Seite bieten die Merkmale der Vorhersehbarkeit oder Bestimmbarkeit für den Personengesellschafter einen viel zu geringen Schutz; wenn er soviel beizusteuern hat, wie zum Erreichen des Gesellschaftszwecks (z. B. Errichtung eines Mehrfamilienhauses) erforderlich erscheint. Auf diese Weise ist der Umfang der übernommenen Beitragspflichten auch und gerade bei Projektgesellschaften nicht ausreichend markiert. Aus der Sicht eines grundsätzlichen Belastungsverbotes stellt sich die Rechtslage etwas anders dar. § 707 BGB garantiert jedem Personengesellschafter das Recht auf Zustimmung zu einer Beitragserhöhung, die ihn persönlich treffen soll. Wie bei anderen Mitgliedschaftsrechten kann der Gesellschafter indes verpflichtet sein, diese Zustimmung zu erteilen. Seine Treupflicht gebietet ihm je nach der Situation in kleinerem oder größerem Umfang im Interesse aller Gesellschafter notwendige und ihm zumutbare zusätzliche Lasten zu übernehmen. Die Gefahr des Scheiterns der Gesellschaft und die Vorhersehbarkeit etwaiger Nachschusspflichten können in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, sie sind aber nicht die einzigen Beurteilungskriterien. Es kommt auch darauf an, welche Alternativen dem Unternehmen anderweit für seine Finanzierung durch neue Teilhaber oder Kreditgeber zur Verfügung stehen. Und es können in die Gesamtbeurteilung Vergünstigungen einbezogen werden, die dem Gesellschafter seine Zustimmung erleichtern oder sie überhaupt zumutbar machen. 2. Publikums-Personengesellschaften Zu Nachschusszahlungen oder Beitragserhöhungen in Publikums-Personengesellschaften gibt es ebenfalls nur eine handvoll höchstrichterlicher Entscheidungen, von denen bisher keine als Grundsatzurteil in die Amtliche

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16 Robert Fischer in FS Barz (Fn. 12), S. 32 (43): Anlehnung an § 35 BGB.

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Sammlung des Bundesgerichtshofs aufgenommen wurde. In BGH, NJW 1979, 2102 (2103) (KG) verpflichteten sich die Kommanditisten auf Anfordern eine Schuldbeitrittserklärung für Baudarlehen der Gesellschaft abzugeben. Einige Kommanditisten weigerten sich später, dem Verlangen zu entsprechen; sie setzten sich mit ihrem Standpunkt in allen Instanzen durch. Das Urteil ist ausführlich, aber lediglich mit dem Hinweis auf die Unbestimmtheit und Unvorhersehbarkeit der damit eingegangenen Belastungen begründet, ohne auf die Rechtsgrundlage des Belastungsverbots näher einzugehen. Auch der Gesellschaftszweck – die Errichtung und Ausstattung eines Gebäudes – liefere dafür keine eindeutig bestimmbaren und von einander abgrenzbaren Merkmale17. Die Praxis richtete sich zunächst nach dem klaren Verdikt des Bundesgerichtshofs – spätere Musterprozesse sind zunächst nicht geführt worden. Erst in der jüngsten Rechtsprechung in den Jahren 2005 und 2006 hat das Revisionsgericht abermals in drei teilweise wortgleichen Entscheidungen zur Beitragserhöhung in Publikums-Personengesellschaften Stellung genommen18. Die Entscheidungen sind grundsätzlich angelegt. Sie behandeln im ersten Teil die Anforderungen aus § 707 BGB, der einer Beitragserhöhung nur dann nicht entgegensteht, wenn Umfang und Höhe der Belastung im Voraus bestimmt sind oder die Gesellschafter sich ausdrücklich oder stillschweigend verpflichtet haben, entsprechend ihrer Beteiligung an der Gesellschaft das zur Erreichung des Gesellschaftszwecks Erforderliche beizutragen19. In einem zweiten Teil der Begründung wird die Möglichkeit eines Gesellschafterbeschlusses zur nachträglichen Begründung einer Kapitalerhöhung besprochen. Der Beschluss verlangt grundsätzlich Einstimmigkeit, ein Personengesellschafter könne aber kraft Treuepflicht gehalten sein, einer Beitragserhöhung zuzustimmen, wenn ein solcher Eingriff im Gesellschaftsinteresse geboten und ihm unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sei. Wenn wir das richtig interpretieren, wird die Kompetenz zeitlich verteilt: beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages kommt es auf die Vorhersehbarkeit an (Bestimmtheitsgrundsatz); nachträgliche Kapitalerhöhungen stellen sich als Eingriff in die Mitgliedschaft der Gesellschafter dar und bedürfen daher einer ad hoc erteilten Zustimmung (Kernbereichslehre)20. So einleuchtend dieser Ansatz für die gesetzestypischen Personengesellschaften ist, so befremdlich erscheint er mir für Publikumsgesellschaften aus der Perspektive des Kapitalanlegerschutzes. Im Zusammenhang mit Nachschusspflichten und Kapitalerhöhungen in der körperschaftlich organi-

__________ 17 Zeitnah entschieden BGH v. 28.9.1978, DB 1979, 300 (301) (KG): Keine Einlagenerhöhung in der Liquidation. 18 BGH v. 4.7.2005, ZIP 2005, 1455 (GbR); BGH v. 23.1.2006, NZG 2006, 306 und NZG 2006, 379 (GbR). 19 Die hier in Bezug genommenen früheren Urteile des Senats BGH, WM 1961, 32 und BGH, WM 1979, 1282 betrafen geschlossene Personengesellschaften. 20 Nicht eindeutig die Leitentscheidung in BGHZ 20, 363 (369) (KG).

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Anlegerschutz in Publikums-Personengesellschaften

sierten Personengesellschaft findet sich immer wieder die Überlegung, der Charakter als Kapitalsammelbecken verlange es, solche Formen der Eigenkapitalfinanzierung zu „erleichtern“. Das ist ein eigenwilliges Argument. Ein Kapitalsammelbecken ist kein „Fass ohne Boden“ und auch kein joint venture. Für die anonyme Publikumsgesellschaft ist es geradezu charakteristisch, dass der Kapitaleinsatz gleichzeitig den Risikoumfang definiert. Im geltenden Recht kommt dies in § 54 Abs. 1 AktG zum Ausdruck, dessen Ahnenreihe bis auf Art. 219 ADHGB zurückreicht: ADHGB Art. 219: „Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktien statutenmäßig zu leistenden Beitrag“.

Die aktienrechtliche Regel erklärt sich anders als das Belastungsverbot des § 707 BGB. Der Personengesellschafter weiß mit wem und worauf er sich einlässt; der Publikumsgesellschafter ist schutzbedürftiger, weil er auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrags und die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises keinen Einfluss nehmen kann, die Person der Mitgesellschafter ja zunächst nicht einmal kennt. Rechtsprechung und Rechtslehre haben deshalb die Verwandtschaft der Publikums-Personengesellschaft und der Aktiengesellschaft betont und ihre Entscheidung bei der Inhaltskontrolle von Verträgen der Personengesellschaften auch am Aktienrecht orientiert21. Nach alledem können die Auslegung und der Charakter des § 707 BGB für Publikumsgesellschaften offen bleiben. Für rein kapitalistische Beteiligungen in einer solchen Gesellschaft kommt eine Verpflichtung zur Beitragserhöhung nicht in Betracht, ganz gleich, ob sie im Gesellschaftsvertrag angelegt war oder nicht. Damit sind Vereinbarungen nicht ausgeschlossen, die die Beiträge in Raten oder nach Abruf durch die Gesellschaftsorgane anordnen, da solche Leistungsmodalitäten für Bareinlagen auch im Kapitalgesellschaftsrecht vorgesehen werden können. Erst recht kann in einer Publikums-Personengesellschaft nachträglich eine Kapitalerhöhung beschlossen werden22, in der das Recht, aber keine Pflicht der Anteilsinhaber begründet wird, sich quotal an dem Eigenkapitalzufluss zu beteiligen.

III. Anderweitiger Kapitalanlegerschutz Es liegt nahe, aktienrechtliches Gedankengut auch in anderem Zusammenhang heranzuziehen, wenn das gesetzliche Regelwerk im BGB oder HGB keine oder doch nur ungeeignete Anhaltspunkte für die Sonderform anbietet. Dem soll hier zur Frage der persönlichen Haftung des Personengesellschafters nachgegangen werden. Die richterliche Entwicklung der Selbstständig-

__________ 21 Vgl. nur BGHZ 69, 207: Verantwortlichkeit und Haftung der Mitglieder eines Aufsichtsorgans; dazu Mertens, Verhandlungen des 51. DJT (Fn. 2), Bd. II, S. P 27 (28). 22 BGHZ 66, 82 (85) (KG): Kapitalerhöhung durch Mehrheitsbeschluss.

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keit der Zivilgesellschaft und der Haftung ihrer Mitglieder hat sich, soweit man das nach so kurzer Zeit feststellen kann, in Rechtslehre und Rechtspraxis durchgesetzt23. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung mit der Übernahme der Organhaftung nach § 31 BGB24 und mit der Haftungserstreckung eines neu eintretenden Gesellschafters auf die Altschulden der Gesellschaft bestätigt und abgestützt25. Für Publikums-Personengesellschaften machte der Senat eine – knapp begründete – Ausnahme26. Die Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können ihre persönliche Haftung nur in einer Vereinbarung mit dem jeweiligen Gläubiger einschränken. Bei einer reinen Kapitalanlage sei die Übernahme der persönlichen Haftung für das gesamte Investitionsvolumen des Geschäftsbetriebs dem einzelnen Anleger jedoch nicht zumutbar und der Rechtsverkehr könne eine solche Mitverantwortung vernünftigerweise auch nicht erwarten. Das entspricht dem Vorstellungsbild der frühen Aktiengesellschaften, die die Freistellung der Aktionäre von persönlicher Haftung zum charakteristischen Merkmal ihres Zusammenschlusses erklärten: ADHGB Art. 207: „Eine Handelsgesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämmtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen betheiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften“.

Die Beschränkung des Risikos auf die Einlage gilt auch im ausländischen Recht als Signum der Aktiengesellschaft27. Das sollte man nicht dahin verstehen, dass der Gläubigerschutz im Aktienrecht eben zweitrangig sei und vom Kapitalanlegerschutz verdrängt wird. Es steht dem Gläubigerschutz nur eines von mehreren geeigneten Instrumenten in der Aktiengesellschaft nicht zur Verfügung und muss durch andere Mittel zur Vorsorge des Fremdkapitals ersetzt werden. Der Grundsatz des § 1 AktG lässt sich auf alle Kapitalanlagegesellschaften (im weiteren Sinn) unabhängig von ihrer Rechtsform übertragen, wenn die Anteile öffentlich angeboten werden. Im Rechtsverkehr muss jedoch Klarheit darüber bestehen, dass die Kapitalanleger lediglich ihre Einlage schulden. Vorsorglich sollte deshalb in den allgemeinen Vertrags- und Geschäftsbedingungen darauf hingewiesen werden. Die Anwendung der §§ 31, 278 BGB auf die Publikums-Personengesellschaft führt lediglich zur Begründung vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen der partei- und rechtsfähigen Personengesellschaft selbst.

__________ 23 Vgl. statt aller Grunewald, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2005, S. 50; Ulmer in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. 2005, § 714 BGB Rz. 31 ff.; K. Schmidt (Fn. 13), § 60 II 1, S. 1771 ff.; Wiedemann (Fn. 13), § 7 III 4, S. 657 f. 24 BGHZ 154, 88 (GbR). 25 BGHZ 154, 370 (GbR). 26 Zur Haftung im geschlossenen Immobilienfonds: BGHZ 150, 1 (5); BGH, NZG 2006, 745 (747); C. Schäfer, ZIP 2003, 1225 (1232); Ulmer, ZIP 2003, 1113 (1119). 27 Vgl. Kraakman (ed.), The Anatomy of Corporate Law, 2003, p. 8 ff.

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Anlegerschutz in Publikums-Personengesellschaften

IV. Ausblick Die Rechtsprechung wird wie bisher an die Regeln der jeweils gewählten Rechtsform des Zivil- oder Handelsrechts anknüpfen, hilfsweise zum Schutz der Kapitalanleger, die eine oder andere Vorschrift des Aktienrechts heranziehen. So hat man beispielsweise schon erwogen in Anlehnung an § 26 AktG die Gründer zu verpflichten, Vergütungen und andere ihnen gewährte Vorteile offen zu legen28. Mangels Publizität sollte außerdem bereits im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden müssen, dass die Kapitalanleger in einem dem Aktionär vergleichbaren Umfang Auskunft verlangen können und dass ihnen wie in den Kapitalgesellschaften Rechnung zu legen ist. Was schließlich eine gesetzliche Regelung betrifft, war der früher diskutierte Gedanke einseitig auf die Ausgestaltung einer Publikums-KG ausgerichtet. Es kann sich nicht empfehlen, Sonderformen je für die Zivil-, für die Handels- und die stillen Gesellschaften zu entwickeln – der Ansatz ist teils zu weit, teils zu eng. Im Interesse der wirtschaftlichen Verwendbarkeit und der Rechtssicherheit erscheint es aussichtsreicher, für die spezifischen Formen der Kapitalanlagegesellschaften Einzelgesetze mit entsprechenden Verweisungen zu erlassen, also einen Ansatz nach der jeweiligen Zweckrichtung des Zusammenschlusses zu wählen. Ein Vorbild dafür könnte das französische Gesellschaftsrecht abgeben, das die in der Praxis entwickelten und bewährten Sonderformen der Zivilgesellschaften im Einzelnen ausgearbeitet hat29. Als Vorläufer einer solchen Entwicklung können die deutsche Partnerschaftsgesellschaft und begrenzt auch die Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung (EWIV) gelten. Dies wäre der Ort, den aktienrechtlichen Anlegerschutz zu würdigen und die Abstimmung mit dem Kapitalmarktrecht vorzunehmen.

__________ 28 Dazu Grunewald in MünchKomm.HGB, 2. Aufl. 2007, § 161 HGB Rz. 106. 29 Vgl. dazu Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, 15. éd. 2002, nr. 1517 ff., 1524; sowie die Hinweise bei Wiedemann (Fn. 13), § 7 I 5, S. 605.

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Martin Winter

Die Rechtsfolgen der „verdeckten“ Sacheinlage – Versuch einer Neubestimmung Inhaltsübersicht I. Einführung II. Grundlagen und Rechtsfolgen de lege lata

IV. Stellungnahme V. Regelungsvorschlag VI. Schlussbemerkung

III. Reformüberlegungen

I. Einführung Die Diskussion um verdeckte Sacheinlagen und ihre Rechtsfolgen hat sich in jüngster Zeit wieder intensiviert. Grund hierfür dürfte nicht zuletzt die Ankündigung im Referentenentwurf des „Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)“ sein, wonach sich das Bundesjustizministerium und der zuständige Referent, Professor Dr. Ulrich Seibert, vorbehalten, einige im Referentenentwurf noch nicht adressierte Regelungskomplexe im Zuge der Gesetzesberatungen „nachzuschieben“; explizit erwähnt werden neben der Deregulierung der Sacheinlage allgemein „die Entschärfung der verdeckten Sacheinlage“. Auch der Jubilar hat sich an der Diskussion bereits beteiligt und sich in der ihm eigenen Deutlichkeit dafür ausgesprochen, von einer Reform der verdeckten Sacheinlage die Finger zu lassen1. Es besteht deshalb Anlass zu der Annahme, dass die nachfolgenden Ausführungen sein Interesse, wenn auch wohl nicht seine ungeteilte Zustimmung finden. Entsprechend dem aktuellen Anlass beschränkt sich der Beitrag auf die Rechtsform der GmbH, doch könnte der Lösungsvorschlag cum grano salis auch für die Aktiengesellschaft übernommen werden.

II. Grundlagen und Rechtsfolgen de lege lata 1. Der gesetzliche Regelfall der Einlageleistung des GmbH-Gesellschafters besteht in der Bareinlage. Sollen zur Erfüllung der Einlageschuld andere Vermögensgegenstände als Geld („Sacheinlagen“) erbracht werden, bedarf es – u. a. – der Festsetzung im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) bzw. im Kapitalerhöhungsbeschluss (§ 56 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) und der

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1 Priester in VGR (Hrsg.), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1 (20 f.).

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präventiven Kontrolle der Sacheinlage durch das Registergericht2. Mit Leistung der – grundsätzlich vor der Handelsregisteranmeldung an die Gesellschaft zu übertragenden – Sacheinlage hat der Gesellschafter seine Einlagepflicht erfüllt; erreicht der Wert der Sacheinlage im Zeitpunkt der Handelsregisteranmeldung nicht den Betrag der übernommenen Stammeinlage, schuldet der Gesellschafter den Fehlbetrag in Geld (sog. Differenzhaftung, § 9 GmbHG)3. 2. Die vorstehend skizzierten Vorschriften sind umgehungsresistent: Fließen ohne Offenlegung im Gesellschaftsvertrag bzw. im Kapitalerhöhungsbeschluss und unter Umgehung der präventiven Registerkontrolle aufgrund einer Abrede zwischen den Beteiligten4 der GmbH im wirtschaftlichen Ergebnis andere Vermögensgegenstände als Geld zu, gilt die Einlage als nicht geleistet5; die „verdeckten“ Geschäfte sind nach der neueren Rechtsprechung nichtig, und zwar sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft6. Einen „Schulfall“ der verdeckten Sacheinlage bildet die Gestaltung, bei der der einlagepflichtige Gesellschafter die geschuldete Geldeinlage zunächst erbringt, sich den eingezahlten Betrag aber alsbald – und zwar aufgrund einer im Vorhinein getroffenen Abrede – als Vergütung für einen an die Gesellschaft veräußerten Vermögenswert zurückzahlen lässt. Dabei ist es unerheblich, ob das Veräußerungsgeschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zeitlich vor oder nach der Einlageleistung abgeschlossen wird7. Weil auch Forderungen gegen den Gesellschafter den Gegenstand einer Sacheinlage bilden können8, liegt eine verdeckte Sacheinlage weiterhin vor, wenn die Einlageverbindlichkeit mit einer sonstigen Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft verrechnet wird9; dies gilt nach der Rechtsprechung jedenfalls für Gesellschafterforderungen, die entweder schon vor Begründung der Einlageverpflichtung entstanden waren oder deren Verrechnung für den Fall künftiger Entstehung vorabgesprochen war10. Abgeleitet wird das Verbot der verdeckten Sacheinlage im GmbH-Recht aus § 19 Abs. 5 GmbHG, der sich seinem Wortlaut nach auf Fälle einer entgegen § 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nicht im Gesellschaftsvertrag offen gelegten Sachübernahme

__________ 2 Statt aller Ulmer, GmbHG, 2005, § 5 GmbHG Rz. 164. 3 Ulmer (Fn. 2), § 9 GmbHG Rz. 4 ff.; H. Winter/H. P. Westermann in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 9 GmbHG Rz. 4 ff. 4 Für die Notwendigkeit einer Abrede – nach anfänglichem Zögern – jetzt auch die Rechtsprechung, vgl. BGHZ 132, 133 (139) (unentschieden noch BGHZ 110, 47 [65]). 5 Vgl. schon BGHZ 28, 314 (319 f.); 113, 325 (338); 125, 141 (149 ff.); Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 178, § 19 GmbHG Rz. 132. 6 So BGHZ 155, 329, 338 f. gegen die bis dahin herrschende Meinung (vgl. z. B. Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 19 GmbHG Rz. 114, aber auch OLG Köln, WM 1995, 488 [489]). 7 Statt aller Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 173. 8 Vgl. nur BGHZ 15, 52 (60); 110, 47 (60); 113, 335 (341). 9 Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 174. 10 BGHZ 132, 141 (144 f.); 152, 37 (43); OLG Celle, GmbHR 2003, 898.

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bezieht. In erweiternder oder analoger Anwendung soll die Vorschrift darüber hinaus auch sonstigen Transaktionen zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter als Einlageschuldner entgegen stehen, die dazu führen, dass der GmbH im wirtschaftlichen Ergebnis keine Geldmittel, sondern sonstige Vermögensgegenstände des Gesellschafters oder eines ihm nahestehenden Dritten ohne Einhaltung der für Sacheinlagen geltenden Anforderungen zufließen11. Liegt nach diesen Kriterien eine „verdeckte Sacheinlage“ vor, sind die Rechtsfolgen für den Inferenten insbesondere in der Insolvenz der Gesellschaft häufig „ganz und gar katastrophal“12: Da die ursprünglich erbrachte Bareinlage aufgrund des „verdeckten“ Geschäfts an den Einleger zurückgeflossen ist, gilt die Einlage als nicht geleistet und muss nochmals in voller Höhe erbracht werden13. Der Einwand des Inferenten, er habe der Gesellschaft einen Vermögenswert zugewendet, dessen Wert den Betrag der Stammeinlage erreiche oder sogar übersteige, darf im Prozess – da unerheblich – nicht berücksichtigt werden. Was die im Gesetz nicht explizit geregelten Rechtsfolgen für das verdeckte Geschäft angeht, bejaht der BGH14 in seiner neueren Rechtsprechung die analoge Anwendung des § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG auf sämtliche Rechtshandlungen zur Durchführung der verdeckten Sacheinlage, also nicht nur für das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch für das Erfüllungsgeschäft. Dem Gesellschafter steht somit als Folge der Unwirksamkeit des dinglichen Geschäfts primär ein Herausgabeanspruch hinsichtlich des verdeckt eingebrachten Gegenstandes zu, solange dieser im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist; daneben bestehen Bereicherungsansprüche sowohl hinsichtlich seiner fehlgeschlagenen, da nicht erfüllungstauglichen Geldleistung als auch hinsichtlich der rechtsgrundlos erbrachten Sacheinlage. Diese Ansprüche sind indessen, soweit sie nicht zur Aussonderung berechtigen, einfache Insolvenzforderungen. Umgekehrt hat auch die Gesellschaft neben der fortbestehenden Einlageforderung einen – gegebenenfalls zu saldierenden – Bereicherungsanspruch gegen den Einleger im Hinblick auf das von ihr rechtsgrundlos gezahlte Entgelt15, wobei das Verhältnis der verschiedenen Kondiktionsansprüche nicht abschließend geklärt ist16. Zwar ist einzuräu-

__________ 11 Weitere Beispiele bei Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 168, 176 f. und DAV-Handelsrechtsausschuss, WIB 1996, 707, 708. 12 So die viel zitierte Formulierung von Lutter in FS Stiefel, 1987, S. 517; vgl. auch Priester in FS Bezzenberger, 2000, S. 311; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 37 II 4. b., S. 1124. 13 Statt aller Priester in FS Bezzenberger, 2000, S. 311. 14 BGHZ 155, 329 (338 f.). 15 Vgl. Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 179. 16 Streitig ist insbesondere, ob die Ansprüche aus dem Verkehrsgeschäft oder aber die hin- und hergezahlten Gelder (unwirksame Barleistung des Gesellschafters/Gegenleistung der Gesellschaft für die Sachleistung) zu saldieren sind, vgl. Priester in FS Bezzenberger, 2000, S. 319. Vgl. auch die weiterführende Darstellung bei H. Winter/ H. P. Westermann in Scholz (Fn. 3), § 5 GmbHG Rz. 80d.

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men, dass sich die Situation des Inferenten durch die Rechtsprechung des BGH, wonach auch das „verdeckte“ Erfüllungsgeschäft nichtig ist, jedenfalls für die Fälle der verdeckten Einbringung von beweglichen Sachen oder Immobilien tendenziell verbessert hat17, weil er Eigentümer der verdeckt eingebrachten Sache bleibt. Das ändert freilich nichts daran, dass der „verdeckte“ Einleger in den Fällen, in denen die verdeckte Sacheinlage in der Insolvenz nicht mehr vorhanden oder – und sei es auch aufgrund bestimmungsgemäßen Gebrauchs durch die Gesellschaft – wertlos geworden ist, in der Praxis häufig nicht besser steht als der Gesellschafter, der seine Einlage nur zum Schein geleistet oder unmittelbar nach Handelsregistereintragung der Gründung bzw. Kapitalerhöhung zurückerhalten und somit der Gesellschaft überhaupt keinen Vermögenswert zugeführt hat18. 3. Eine „Heilung“ der verdeckten Sacheinlage durch nachträglichen Übergang von der Bar- zur Sacheinlage lässt der BGH seit dem Jahr 1996 trotz zwischenzeitlicher Handelsregistereintragung der Gründung bzw. Kapitalerhöhung zu19. Hierfür bedarf es einer von den Gesellschaftern unter Beachtung der Vorschriften des §§ 5 Abs. 4, 56 Abs. 1 GmbHG zu beschließenden Satzungsänderung. Gegenstand der „reparierenden“, nunmehr ordnungsgemäß im Satzungsänderungsbeschluss verlautbarten Sacheinlage ist – wie der BGH im Jahre 2003 entschieden hat – nicht der Bereicherungsanspruch aus der fehlgeschlagenen Eigenleistung in bar, sondern der der Gesellschaft ursprünglich zugedachte, ihr nicht wirksam übertragene Gegenstand der verdeckten Sacheinlage20; ist dieser nicht mehr vorhanden, tritt an seine Stelle das dem Gesellschafter statt dessen zustehende Surrogat in Gestalt eines Bereicherungsanspruchs o. Ä.21 Registerkontrolle und Wertprüfung beziehen sich auf den Zeitpunkt der Heilung, d. h. der Anmeldung der Satzungsänderung betreffend den „Übergang“ von der Bar- zur Sacheinlage zum Handelsregister22; zwischenzeitliche Wertverluste des Sacheinlagegegenstands gehen somit zu Lasten des Gesellschafters, und zwar auch dann, wenn die Wertminderung auf dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sacheinlage durch die Gesellschaft beruht.

__________ 17 Zutreffend Pentz, ZIP 2003, 2093 (2100); auf den Aspekt, dass die GmbH durch die Annahme der Wirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts besonders geschützt werde, hat bereits Ulmer in Hachenburg (Fn. 6), § 19 GmBHG Rz. 114 hingewiesen. 18 Dazu, dass das sogenannte „Hin- und Herzahlen“ der Einlageleistung keinen Fall der verdeckten Sacheinlage ist, vgl. zutreffend Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 175. 19 BGHZ 132, 141 (148 ff.); so bereits im Jahre 1990 der Jubilar (Priester, DB 1990, 1753 [1755 f.]). 20 BGHZ 155, 339 f. in „Klarstellung“ zu BGH, NJW 1998, 1951 (1952). 21 Statt aller Ulmer (Fn. 2), § 5 GmbHG Rz. 180. 22 BGHZ 132, 141 (155); Priester, DB 1990, 1759 f.

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III. Reformüberlegungen 1. Wenn die Lehre von der verdeckten Sacheinlage kritisiert wird, stehen – jedenfalls in jüngerer Zeit – vor allem die „ganz und gar katastrophalen“ Rechtsfolgen im Mittelpunkt der Kritik. Die Verpflichtung des Inferenten zur nochmaligen Zahlung der Einlage ohne Rücksicht darauf, ob und gegebenenfalls welche Werte der Gesellschaft durch das „verdeckte“ Geschäft zugeflossen sind, sei insbesondere in der Insolvenz für den Verwalter eine „wahre Freude“. Sie bedeute tatsächlich, dass selbst bei vollem Wert der eingebrachten Sacheinlage den Gläubigern ohne wirtschaftliche Berechtigung die Einlage doppelt zur Verfügung stehe, weil der Inferent zweimal leisten müsse. Dass die „verdeckte Sacheinlage“ nicht bekannt gemacht und präventiv geprüft sei, gebe keine genügende wirtschaftliche Begründung für die Doppelzahlung, zumal die Handelsregistereintragung selbst über Baroder Sacheinlage nichts aussage, die Beiakten des Registers nur sehr selten zu Informationszwecken eingesehen würden und auch die Bekanntmachungen das Publikum nur in begrenztem Maße erreichten. Eine derart katastrophale Rechtsfolge könne nicht die angemessene Regelung eines letztlich formalen Rechtsfehlers sein, und zwar auch dann nicht, wenn man anerkenne, dass die Umgehung der Sacheinlagevorschriften durch „verdeckte Sacheinlagen“ Missachtung von wohlbegründeten Regeln des Gesellschaftsrechts sei. Eine derart scharfe Rechtsfolge wie die erneute Volleinzahlung des Inferenten führe insbesondere in der Insolvenz der Gesellschaft zu unangemessenen Ergebnissen, die sich für den Inferenten als eine Art Schadensstrafe (im amerikanischen Recht: „punitive damages“) darstellten, die das deutsche Recht nicht kenne23. 2. In der Diskussion nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs des MoMiG lassen sich im wesentlichen drei Gruppen unterscheiden: Die „Traditionalisten“, zu denen auch der Jubilar gehört, empfehlen, es bei der Lehre von der verdeckten Sacheinlage und bei den überkommenen Rechtsfolgen zu belassen, weil auf einen wirksamen Umgehungsschutz nicht verzichtet werden könne24. Eine „Mittelmeinung“ möchte Härten des geltenden Rechts durch eine Differenzhaftung des Sacheinlegers abmildern25; für diese Lösung

__________ 23 Vgl. die zusammenfassende Kritik in der Stellungnahme des DAV Handelsrechtsausschusses zur „verdeckten Sacheinlage“, WiB 1996, 77 ff.; vgl. auch MaierReimer in FS Nirk, 1992, S. 635. 24 So der Jubilar (Fn. 1), S. 20 f. im Anschluss an seine grundsätzlichen Überlegungen in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 159 (178 f.). 25 DAV Handelsrechtsausschuss, WiB 1996, 710 f.; Kleindiek, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages, Band 2, S. P 52 ff.; K. Schmidt (Fn. 12), § 47 II 4. b, S. 1125; Krieger, ZGR 1996, 587 (615); Drygala, ZGR 2006, 587 (615).

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hat sich die wirtschaftsrechtliche Abteilung des 66. Deutschen Juristentages in Stuttgart mit großer Mehrheit ausgesprochen26. Eine dritte Gruppe von Autoren schließlich befürwortet eine radikale Neuordnung des Rechts der GmbH-rechtlichen Kapitalaufbringung und -erhaltung nach dem Vorbild des Rechts der Kommanditistenhaftung27, welche die Probleme der verschleierten Sacheinlage sozusagen „nebenbei“ erledigen würde28: Wird nur noch ex post – regelmäßig in der Insolvenz der Gesellschaft – geprüft, ob der Gesellschafter einen den Betrag seiner Einlageverpflichtung entsprechenden Wert an die Gesellschaft geleistet hat, entfällt die Unterscheidung zwischen Bar- und Sacheinlagen ebenso wie die präventive Registerkontrolle und die Differenzierung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Auf dem 66. Deutschen Juristentag hat dieser Ansatz wenig Gefolgschaft gefunden29.

IV. Stellungnahme 1. Mit der weit überwiegenden Mehrheit beim Deutschen Juristentag habe ich durchgreifende Zweifel, dass für eine radikale Neuordnung des GmbHrechtlichen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsrechts die Zeit reif ist. Tragendes Prinzip der Kommanditistenhaftung ist die persönliche, wenngleich summenmäßig begrenzte Außenhaftung des Kommanditisten, von der er allerdings dann und solange befreit ist, wie er die versprochene Einlage, deren Wert mindestens der Haftsumme entspricht, geleistet und der Gesellschaft belassen hat30. Das passt m. E. nicht zu dem völlig anderen Haftungssystem der GmbH als Kapitalgesellschaft31. Auch könnte der Verzicht auf eine kontrollierte Kapitalaufbringung und -erhaltung nicht ohne flankierenden Schutz durch eine Verhaltenshaftung nicht nur des Geschäftsführers, sondern auch der Gesellschafter und durch situative Ausschüttungssperren nach Art eines „solvency test“ erwogen werden, wie ihn der anglo-amerika-

__________ 26 Der Vorschlag von Kleindiek wurde mit 135 Ja-Stimmen bei 29 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen angenommen, vgl. Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages, 8 b. 27 Vetter, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages, Band 2, S. P 89 ff., Bayer, ZGR 2007, Heft 3. 28 Dazu, dass verdeckte Sacheinlagen im KG-Recht nicht verboten sind: Statt aller K. Schmidt in MünchKomm.HGB, 2002, §§ 171, 172 HGB Rz. 56). 29 Der Vorschlag, den Zeitpunkt der Einlageleistung zur Disposition der Gesellschaft zu stellen, wurde mit 9 Ja-Stimmen gegen 166 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen (Beschluss 7a), der Vorschlag, die Unterscheidung zwischen Bar- und Sacheinlage wie auch die präventive Kontrolle der Werthaltigkeit durch das Registergericht aufzugeben mit 26 Ja-Stimmen gegen 143 Nein-Stimmen bei 13 Enthaltungen abgelehnt (Beschluss 8a). 30 Zum Haftungssystem bei der Kommanditgesellschaft vgl. statt aller K. Schmidt in MünchKomm.HGB (Fn. 28), §§ 171, 172 HGB Rz. 4 ff., 41 ff. 31 Übereinstimmend Priester in FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 2000, S. 178 f.

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nische Rechtskreis – wenn ich es recht sehe, allerdings beschränkt auf die Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter – vorsieht. Hierfür fehlt es jedenfalls im deutschen Recht an hinreichend etablierten Instrumenten. Auch scheint mir der Nachweis, dass insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen durch die Ersetzung der vielfach als „safe haven“ wirkenden Regelungen der Kapitalaufbringung und bilanzbasierten Kapitalerhaltung durch einen derzeit nicht hinreichend konkretisierten solvency test wirklich geholfen wäre, nicht geführt32. Mit dieser vorläufigen Feststellung sollen weder Schwächen des Systems der bilanzbasierten Kapitalerhaltung geleugnet noch einem doktrinären Festhalten an einem überkommenen System das Wort geredet werden. Auch grundsätzliche Befürworter eines solvency test räumen indessen ein, dass dieser Ansatz „zahlreiche Fallstricke“33 bereit hält, die von einer Klärung noch weit entfernt sind. Solange sich insoweit nicht gefestigte Auffassungen herausgebildet haben, kann dem Gesetzgeber zu einem vorschnellen und nicht ansatzweise ausdiskutierten Systemwechsel nicht geraten werden. 2. Bleibt es somit prinzipiell bei dem überkommenen System, stellt sich die Frage, ob gleichwohl bei den Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage eine Korrektur möglich und empfehlenswert ist. Der Handelsrechtsausschuss des DAV hat bereits im Jahre 1996 vorgeschlagen, die Verpflichtung zur nochmaligen Einlageleistung durch eine Differenzhaftung zu ersetzen, und Kleindiek hat diesen Vorschlag in seinem Referat für die wirtschaftsrechtliche Abteilung des Stuttgarter Juristentags aufgegriffen34. a) Wer vorschlägt, die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage neu auszumessen, muss sich zunächst mit einem sehr grundlegenden und sehr ernstzunehmenden Einwand auseinandersetzen: Wenn die Rechtsordnung bestimmte Regeln für Sacheinlagen aufstellt, müsse sie diese auch angemessen sanktionieren; andernfalls setze sie sich – so die mahnenden Worte Röhrichts35 – der Lächerlichkeit aus. Daran ist richtig, dass die Rechtsordnung, wenn sie Sondervorschriften für Sacheinlagen aufstellt, deren Einhaltung „incentivieren“ muss. Daraus folgt jedoch nicht zwingend, dass es bei den drakonischen Rechtsfolgen der lex lata bleiben müsste, wie sie sich aus der bisherigen Rechtsprechung ergeben. Auch wenn an die Stelle der Rechtsprechungsfolgen eine Differenzhaftung träte, hätte dies nicht etwa zur Konsequenz, dass derjenige, der die Sacheinlageregeln befolgt, genauso stünde, wie derjenige, der sie umgeht. Wird die Sacheinlage ordnungsgemäß offen gelegt und präventiv vom Registergericht

__________ 32 33 34 35

So insbesondere auch Kleindiek (Fn. 25), S. P 58 ff., 61. Vgl. nur Jungmann, ZGR 2006, 638 (680 ff.). Vgl. Nachweise in Fn. 25. So der Diskussionsbeitrag von Röhricht auf dem außerordentlichen ZGR-Symposion am 4.11.2006 in Frankfurt, vgl. auch Röhricht in Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1996, § 27 AktG Rz. 193.

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– regelmäßig mit sachverständiger Hilfe – geprüft, trägt im Streitfall die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter die Beweislast für die fehlende Werthaltigkeit36. Diese Beweislast dreht sich bei der Konstellation der „verdeckten“ Sacheinlage um, der „verdeckte“ Inferent hat zu beweisen, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe er der Gesellschaft einen realen Wert zugeführt hat37. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die ohnedies nicht einfache Bewertung der Sacheinlage mit Zeitablauf noch schwieriger wird38 und dass der Inferent das Risiko der fehlenden späteren Aufklärbarkeit trägt. Hinzu kommt, dass ein über die fehlende Werthaltigkeit der verdeckten Sacheinlage hinausgehender Schaden gemäß § 9a GmbHG zu ersetzen ist, wobei für falsche Angaben im Zusammenhang mit der Gründung oder Kapitalerhöhung Geschäftsführer und Gesellschafter als Gesamtschuldner haften39. Wird die Abrede, auf deren Grundlage der Gesellschaft statt der im Gesellschaftsvertrag bzw. im Kapitalerhöhungsbeschluss verlautbarten Bareinlagen eine Sachleistung zugeführt wird, gegenüber dem Registergericht vorsätzlich nicht offengelegt, so ist dies gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1, 3 GmbHG strafbar40. Ist somit neben der Differenzhaftung auch der Ausgleich eines nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Zivilrechts ersatzfähigen Schadens sichergestellt, so erscheinen die „überschießenden“ Rechtsfolgen, wie sie sich de lege lata ergeben, in der Tat überzogen, weil selbst bei nachgewiesenem vollem Wert der verdeckt eingebrachten Sacheinlage die Einlage den Gläubigern im wirtschaftlichen Ergebnis doppelt zur Verfügung zu stellen ist und der Inferent – jedenfalls in der Insolvenz – häufig nicht besser steht als derjenige, der der Gesellschaft überhaupt keinen Vermögenswert zugeführt hat. Auch ist es rechtstatsächlich nicht richtig, dass es die Beteiligten in der Hand hätten, verdeckte Sacheinlagen zu vermeiden, wenn sie aus Anlass von Gründungen oder Kapitalerhöhungen ein Minimum an Sorgfalt walten ließen. Dabei soll nicht bestritten werden, dass es die „kranken“ Fälle, in denen die Sacheinlagevorschriften vorsätzlich oder grob fahrlässig umgangen werden, selbstverständlich gibt. Schon das Durchmustern der höchstrichterlichen Rechtsprechung fördert aber auch andere Sachverhalte zutage: Als Vorinstanz zu BGHZ 155, 329 ff. hatte das OLG Koblenz die Klage eines GmbH-Gesellschafters gegen seinen Mitgesellschafter auf Mitwirkung an

__________ 36 Ganz h. M., vgl. nur Ulmer (Fn. 2), § 9 GmbHG Rz. 14; H. Winter/H. P. Westermann in Scholz (Fn. 3), § 9 GmbHG Rz. 15. 37 Vgl. nur Handelsrechtsausschuss (Fn. 22), S. 711; im Ergebnis – allerdings schon de lege lata – auch Grunewald in FS Rowedder, 1994, S. 111 (118). 38 Zutreffend BGHZ 104, 300 (305). 39 Vgl. nur Ulmer (Fn. 2), § 9a GmbHG Rz. 27 zum regelmäßigen Eingreifen des Haftungstatbestands des § 9a GmbHG in den Fällen der verdeckten Sacheinlage. 40 Zur strafrechtlichen Behandlung der „verdeckten“ Sacheinlage vgl. nur Kohlmann in Hachenburg (Fn. 6), § 82 GmbHG Rz. 21; Tiedemann in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 82 GmbHG Rz. 87, 115 ff.

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der Heilung einer verdeckten Sacheinlage abgewiesen, weil der Vorgang gar nicht als verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren sei. Der BGH hat demgegenüber ein „Umgehungsgeschäft in der Form eines atypischen Gestaltungsfalls der verdeckten Sacheinlage“ erkannt; letztlich qualifizierte der BGH die Veräußerung eines Grundstücks an eine Drittgesellschaft und die Verwendung des aus diesem Drittgeschäft resultierenden Kaufpreises zur Tilgung der im Zuge der GmbH-Gründung übernommenen Bareinlage aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls und der getroffenen „Koppelungsabreden“ als verdeckte Sacheinlage der Kaufpreisforderung. Die Richtigkeit des Ergebnisses soll hier nicht in Frage gestellt werden; im vorliegenden Zusammenhang geht es um die Erkenntnis, dass es lebensfremd wäre, anzunehmen, GmbHGesellschafter und ihre juristischen Berater verfügten über bessere Erkenntnismöglichkeiten als ein mit drei Berufsrichtern besetzter OLG-Senat, der seine Entscheidung ex post und im Lichte der gesamten höchstrichterlichen Rechtsprechung treffen kann. Dass eine Fehlbeurteilung der Sacheinlagenproblematik seitens des Inferenten und seiner Berater gleichwohl ohne Rücksicht darauf sanktioniert werden soll, ob der GmbH und ihren Gläubigern tatsächlich ein vermögensmäßiger Nachteil entstanden ist, leuchtet nicht ein. Man kann somit durchaus davon sprechen, dass die Verpflichtung zur nochmaligen Einzahlung funktional wie eine Schadensstrafe („punitive damages“) wirkt, und zwar unabhängig davon, ob der Inferent diese Strafe verdient und unabhängig davon, ob die Sanktion zur Sicherung eines angemessenen Gläubigerschutzes erforderlich ist. Erschöpft sich die verdeckte Sacheinlage – weil der Wert der verdeckt eingebrachten Sache den Betrag der Stammeinlage erreicht oder sogar übersteigt – letztlich in der fehlenden Offenlegung und damit in einem formalen Rechtsfehler, erscheinen die Rechtsfolgen auch mit Blick auf die ständige Ausdifferenzierung des Tatbestandes durch die Rechtsprechung und die daraus resultierende Komplexität für die Beteiligten in der Tat zu streng. Die Bedenken von Priester, bei Einführung der Differenzhaftung „stünde der Inferent jedenfalls dann nicht schlechter als bei Offenlegung und Wertprüfung, wenn er sich Wertnachweise in die Schublade lege41“ überzeugt mich nicht, weil die Vermeidung der Differenzhaftung mit Beweislastumkehr zu Lasten des Inferenten, der Schadensersatzhaftung nach § 9a GmbHG und der Strafbarkeit nach § 82 Abs. 1 GmbHG allemal hinreichende Anreize für gesetzeskonformes Verhalten beinhalten und weil jedenfalls nach meiner praktischen Erfahrung nicht die Offenlegung der Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag oder im Kapitalerhöhungsbeschluss, sondern vielmehr die Beibringung der Bewertungsunterlagen und der damit verbundene – nicht zuletzt zeitliche – Aufwand einen Fehlanreiz für die Durchführung verdeckter Sacheinlagen bietet. Die Sorge, ein Gesellschafter, der über valide, den vollen Beweis der Werthaltigkeit der beabsichtigten Sacheinlage erbringende Unterlagen verfügt, werde ausschließ-

__________ 41 Priester (Fn. 1), S. 21.

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lich zur Vermeidung der Publizität der Sacheinlage sehenden Auges das Risiko der – wenngleich durch die Neuregelung abgemilderten – Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage übernehmen, erscheint mir danach nicht besonders realistisch. b) Es bleibt der Einwand, die Ersetzung der Verpflichtung zur nochmaligen Einlageleistung durch eine Differenzhaftung sei insbesondere in der Insolvenz der Gesellschaft nicht zu empfehlen, weil sie den Zahlungsprozess des Insolvenzverwalters mit der Wertdiskussion belaste42. Dieser Einwand ist nicht zu widerlegen, allein schon die Zulassung des de lege lata prozessual unerheblichen Einwands des Einlageschuldners, er habe der Gesellschaft im Zuge des „verdeckten“ Rechtsgeschäfts einen (vollwertigen) Vermögenswert zugeführt, erhöht die Komplexität des Rechtsstreits signifikant, weil die Frage der Werthaltigkeit – jedenfalls wenn der Einlageschuldner hinreichend substantiierte Einwendungen vorträgt – nur mit sachverständiger Hilfe zu klären sein wird. Die höhere Komplexität ist unvermeidlich, wenn man in der de lege lata geltenden Rechtsfolge eine Überreaktion der Rechtsordnung auf einen im Grunde formalen Fehler sieht und deshalb de lege ferenda daran geht, die „Inkonsistenz von Tatbestand und Rechtsfolgen“43 zu beseitigen. Die höhere Komplexität der Rechtsfolgen und – damit verbunden – der Rechtsdurchsetzung durch Gesellschaft und Insolvenzverwalter ist unvermeidliche Folge der sich zunehmend durchsetzenden Erkenntnis, dass die der lex lata zugrunde liegende Wertung („wer die formalen Sacheinlagevorschriften nicht beachtet, muss in jedem Fall nochmals zahlen“) dem Phänomen der verdeckten Sacheinlage nicht gerecht wird. Die kompliziertere, da mit der Bewertungsdiskussion „belastete“ Anspruchsdurchsetzung ist zwangsläufige Folge dieser Erkenntnis.

V. Regelungsvorschlag 1. Erweist sich die Ersetzung der de lege lata geltenden Rechtsfolgen durch eine Differenzhaftung als rechtspolitisch sinnvoll, bleibt die Frage der gesetzestechnischen Umsetzung: Bleibt es – wie hier vorgeschlagen – bei der Unterscheidung zwischen Barund Sacheinlage, der Notwendigkeit der Offenlegung der Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag bzw. Kapitalerhöhungsbeschluss und ihrer präventiven Kontrolle, führt m. E. kein Weg daran vorbei, dass in den Umgehungsfällen die Einlage als nicht geleistet gilt und nochmals zu erbringen ist. Dabei sollte es auch de lege ferenda bleiben44. Geregelt werden sollte, dass der – vom Inferenten nachzuweisende – Wert der „verdeckt“ erbrachten Sachleistung

__________ 42 Vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 27 AktG Rz. 9a. 43 So treffend K. Schmidt (Fn. 12), § 37 II. 4. b., S. 1124. 44 Übereinstimmend DAV Handelsrechtsausschuss, WiB 1996, 710.

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Die Rechtsfolgen der „verdeckten“ Sacheinlage

im Zeitpunkt der Leistung an die Gesellschaft oder – falls das „verdeckte“ Geschäft der Einlageleistung vorausging – im Zeitpunkt der Handelsregisteranmeldung der Gründung bzw. Kapitalerhöhung auf die fortbestehende Einlageverpflichtung anzurechnen ist und diese mindert. Die „Anrechnung“ des Werts der verdeckt eingebrachten Sachleistung ist aber selbstverständlich nur möglich, wenn sichergestellt ist, dass diese der Gesellschaft tatsächlich dauerhaft verbleibt. Ergänzend zu regeln wäre deshalb – in Umkehrung von § 27 Abs. 3 AktG –, dass die „verdeckten“ Geschäfte, und zwar sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft, wirksam sind. Eine solche explizite Wirksamkeitsanordnung trotz Verstoßes gegen ein gesellschaftsrechtliches Verbot ist im Kapitalgesellschaftsrecht nicht etwa ein völliges Novum, sondern findet sich auch in anderen Normkomplexen, beispielsweise in § 71 Abs. 4 Satz 1 AktG für den Erwerb eigener Aktien unter Verstoß gegen § 71 Abs. 1 oder 2 AktG45. Verbleibt auf diese Weise die verdeckt eingelegte Sache im Vermögen der Gesellschaft, kann angeordnet werden, dass deren – vom Gesellschafter nachzuweisender – Wert im Zeitpunkt der Einbringung die Einlageschuld des Gesellschafters mindert. Das ist im Ergebnis die auch vom Deutschen Juristentag vorgeschlagene Differenzhaftung. 2. Die vorgeschlagene Modifikation der Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen durch Einführung einer „Differenzhaftung“ hätte auch Auswirkungen auf die Problematik der Heilung verdeckter Sacheinlagen. De lege lata kommt es – wie dargelegt – darauf an, dass der Wert der (nochmals einzubringenden) Sachleistung bzw. ihr Surrogat im Zeitpunkt der Anmeldung der Satzungsänderung den Betrag der übernommenen Stammeinlage erreicht oder übersteigt. Wird jedoch de lege ferenda auf die fortbestehende Einlageforderung der Wert des verdeckt eingebrachten Gegenstands im Zeitpunkt der Leistungserbringung angerechnet, so kann es auch im Falle der Heilung der verdeckten Sacheinlage durch Satzungsänderung nicht auf den Wert der Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Satzungsänderung ankommen. Weil der Wert der eingebrachten Sache – insbesondere auch bei bestimmungsgemäßer Nutzung durch die Gesellschaft – im Laufe der Zeit typischerweise abnimmt, stünde andernfalls derjenige, der sich um die Heilung der verdeckten Sacheinlage durch nachträgliche Offenlegung bemüht, schlechter als derjenige, der die Heilung unterlässt. Auch bei der Wertprüfung im Zuge der Heilung einer verdeckten Sacheinlage ist deshalb auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung bzw. der Handelsregisteranmeldung der Bargründung, falls die Leistungserbringung dieser vorangeht (was in der Praxis vor allem für den Fall der Kapitalerhöhung Bedeutung erlangen wird) abzustellen. War die Sacheinlage im Zeitpunkt der Leistungserbringung (oder der nachfolgenden Handelsregistereintragung) vollwertig, so hat das Registergericht den Satzungsänderungsbeschluss einzutragen; entsprechendes gilt,

__________ 45 Vgl. nur Hüffer (Fn. 42), § 71 AktG Rz. 24.

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falls der Gesellschafter eine etwaige Wertdifferenz in bar ausgleicht. Insoweit bedarf es m. E. nicht zwingend einer gesetzlichen Regelung; es kann vielmehr der Rechtsprechung überlassen bleiben, die von ihr entwickelte Heilungsmöglichkeit in wertungsstimmiger Weise an die neue Rechtslage anzupassen46. Anders wäre es möglicherweise, wenn man – einem diskussionswürdigen Vorschlag von Drygala47 folgend – eine Heilung sowohl aufgrund des Nachweises der Werthaltigkeit im Einbringungszeitpunkt als auch im Heilungszeitpunkt zulassen würde. 3. Nach allem könnte in § 19 Abs. 5 GmbHG eine Regelung aufgenommen werden, die etwa folgenden Inhalt hat: „Eine Leistung auf die Stammeinlage, welche nicht in Geld besteht oder welche durch Aufrechnung einer für die Überlassung von Vermögensgegenständen zu gewährenden Vergütung bewirkt wird, befreit den Gesellschafter von seiner Verpflichtung nur, soweit sie in Ausführung einer nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Bestimmung erfolgt. Jedoch sind Verträge über Sacheinlagen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung, die ohne eine Festsetzung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffen werden, der Gesellschaft gegenüber nicht unwirksam. Der Wert von Leistungen, die der Gesellschafter aufgrund solcher Verträge der Gesellschaft zuführt, ist auf die fortbestehende Einzahlungspflicht des Gesellschafters anzurechnen; maßgeblich ist der Wert der Leistungen im Zeitpunkt ihrer Erbringung oder, wenn die Zuführung vor der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister erfolgt, der Wert im Zeitpunkt der Handelsregisteranmeldung. § 9a bleibt unberührt“.

Über die Verweisung in § 56 Abs. 2 GmbHG wäre die Neuregelung ohne weiteres auf Kapitalerhöhungen entsprechend anwendbar.

VI. Schlussbemerkung Im Jahr 2000 hat der Jubilar ausgeführt48: „Hinsichtlich der verdeckten Sacheinlage sollte deshalb gelten, dass die zu stellenden Anforderungen eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung zum Ziel haben müssen. Alles, was darüber hinausgeht, erscheint nicht verteidigenswert.“

Ob er vor diesem Hintergrund dem hier unterbreiteten Vorschlag auf den zweiten Blick vielleicht doch etwas abgewinnen kann?49

__________ 46 47 48 49

Insoweit a. A. DAV Handelsrechtsausschuss, WiB 1996, 710. ZGR 2006, 587 (615 f.). Priester in FS Bezzenberger, 2000, S. 312. Das Manuskript wurde am 12. Dezember 2006 abgeschlossen.

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Satzungsdurchbrechung Inhaltsübersicht I. Das Problem II. Zum Begriff der Satzungsdurchbrechung

d) Unwirksamkeit zwecks Einschaltung der Kontrolle durch das Registergericht? e) Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen zustandsbegründenden und punktuellen Satzungsdurchbrechungen? 3. Anfechtbarkeit

III. Rechtsfolgen der Abweichung von Satzungsregelungen 1. Nichtigkeit 2. Unwirksamkeit a) Fehlender satzungsändernder IV. Vermeidung der Anfechtbarkeit Charakter satzungsdurchbrechender Beschlüsse b) Differenzierung nach der Reichweite der Abweichung V. Ergebnis c) Herleitung der Unwirksamkeit VI. Ausblick aus der Bedeutung der Registerpublizität für den Rechtsverkehr?

Zu den Aufgaben des Rechtswissenschaftlers gehört es vornehmlich, in der Öffentlichkeit vorzufindende Irrtümer von Kollegen über Recht zu widerlegen. An der besagten Irrtumsbeseitigungsarbeit hat sich Hans-Joachim Priester mit nie erlahmender Kraft gern beteiligt und ist dabei oft erfolgreich gewesen. Festschriften eignen sich für die Irrtumsbekämpfung besonders gut, werden freilich nur selten dazu benützt, Irrtümer des durch die Festschrift zu ehrenden Jubilars aufs Korn zu nehmen. Festschriftautoren verstehen vielmehr ihre Aufgabe meist dahin, dem Jubilar durch Zustimmung, Lob und häufiges Zitieren zu huldigen. Indessen wird in diesen modern times of many many festschrifts das harte Brot des Festschriftautors – eines Wissenschaftssklaven der Gegenwart – mitunter nur dadurch genießbar, dass er Gelegenheit nimmt, dem Jubilar zu widersprechen. Mir geht es hic et nunc so, und da ich mich Hans-Joachim Priester in Bewunderung herzlich verbunden fühle, hoffe ich, dass er es mag, wenn man ihm opponiert. Ich wende mich dazu einem nunmehr zwanzig Jahre alten Aufsatz Priesters zu, mit dem ich sozusagen bis heute nicht „fertig“ bin.

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I. Das Problem Die von Priester1 mit diesem Aufsatz in die rechtswissenschaftliche Welt lancierte problematische Auffassung betrifft Voraussetzungen und Grenzen sog. Satzungsdurchbrechung2. Unter diesem Begriff ist eine für den Einzelfall durch Gesellschafterbeschluss getroffene Regelung zu verstehen, die mit der geltenden Satzung nicht übereinstimmt, sie aber auch nicht für die Zukunft generell ändert3. In satzungsdurchbrechenden Fällen bleibt es vielmehr für künftige Beschlüsse beim bisherigen Satzungsinhalt. Inwieweit die Satzung durchbrechende Einzelfallregelungen zulässig sind4, dafür hat Priester die Auffassung entwickelt, dass nach der „Reichweite“ des Beschlusses zu unterscheiden sei, und zwar genauer zwischen Regelungen „punktuellen“ Charakters und solchen, die „zustandsbegründend“ wirken5. Diese Auffassung hat in Kommentierungen, etwa denen von Lutter/Hommelhoff6 und Hoffmann7, tiefe Wurzeln geschlagen, und sie hat den Bundesgerichtshof in BGHZ 123, 158 beeinflusst, freilich eventuell nur in einer Art obiter dictum. Zu der Entscheidung insgesamt Stellung zu nehmen ist schwer, weil der Tatbestand den inkriminierten satzungsdurchbrechenden Beschluss nicht genau wiedergibt. Wenn der Beschluss von 1984, wie das Urteil nahe legt, abstrakt die Amtsdauer der Aufsichtsratsmitglieder abweichend von der Satzung regelte, nämlich im Sinn automatischer Verlängerung der in der Satzung vorgesehenen Amtszeit von drei Jahren um jeweils ein Jahr, sofern nicht die Gesellschafterversammlung die Abberufung beschließt, so handelte es sich von vornherein nicht um eine Satzungsdurchbrechung, sondern eine abweichende normativ-abstrakte Regelung und damit um eine Satzungsänderung. Diese

__________ 1 Vgl. Priester, Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung. Voraussetzungen und Grenzen satzungsdurchbrechender Beschlüsse, ZHR 151 (1987), 40; Priester in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 53 GmbHG Rz. 26 ff.; siehe a. Priester, Öffnungsklauseln zur Gewinnverteilung in der GmbH-Satzung, in FS Welf Müller, 2001, S. 113. 2 Zu diesem Thema insbes. Fleck, Schuldrechtliche Verpflichtungen einer GmbH im Entscheidungsbereich der Gesellschafter, ZGR 1988, 104; Habersack, Unwirksamkeit „zustandsbegründender“ Durchbrechungen der GmbH-Satzung sowie darauf gerichteter schuldrechtlicher Nebenabreden, ZGR 1994, 354; Lawall, Satzungsdurchbrechende Beschlüsse im GmbH-Recht, DStR 1996, 1169; Tieves, Satzungsverletzende und satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse, ZIP 1994, 1341; Wolff, Der Anwendungsbereich der Satzungsänderungsvorschriften im Aktien- und GmbH-Recht, WiB 1997, 1009. 3 Genauer zu diesem Begriff unten II. 4 Von der „Zulässigkeit“ satzungsdurchbrechender Regelungen wird vielfach gesprochen. Diese Redeweise ist freilich nicht präzise. Es geht vielmehr darum, inwieweit bei satzungsdurchbrechenden Beschlüssen Mängel vermieden werden können. 5 Priester, ZHR 151 (1987), 51 ff. Ob Priesters Auffassung echte gedankliche Vorläufer hatte (das nimmt offenbar Habersack, ZGR 1994, 354 [360 Fn. 13] an), lasse ich dahingestellt. Unter die Leute gebracht hat sie jedenfalls erst Priester. 6 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 53 GmbHG Rz. 24 ff. 7 Hoffmann in Michalski, GmbHG, 2002, § 53 GmbHG Rz. 39. 8 BGH v. 7.6.1993 – II ZR 81/92, BGHZ 123, 15 (19 f.).

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Satzungsdurchbrechung

Regelung konnte nur wirksam werden, wenn alle Erfordernisse einer Satzungsänderung erfüllt waren. Da der Beschluss nicht eingetragen wurde, war er unwirksam9 und er war darüber hinaus mangels notarieller Beurkundung analog § 241 Nr. 2 AktG i. V. m. § 53 Abs. 2 GmbHG nichtig10. Folglich verblieb es für die 1985 hinzu gewählten Aufsichtsratsmitglieder bei der in der Satzung vorgesehenen dreijährigen Amtszeit und mithin war dem klägerischen Feststellungsantrag, dass die Herren H. und D. nicht Mitglied des Aufsichtsrats seien, statt zu geben, ohne dass es weiterer Überlegungen dazu bedurfte. Der BGH wollte indessen offenbar nicht nur auf die Satzungswidrigkeit der abstrakten Regelung abstellen, sondern, beeinflusst durch Priesters Differenzierung, auch auf die durch den inkriminierten Gesellschafterbeschluss getroffene, auf mehr als drei Jahre gedachte Bestellung des Klägers zum Aufsichtsratsmitglied. Denn letztlich sind seine Ausführungen zur Schaffung eines von der Satzung abweichenden Zustandes anders nicht recht verständlich.

II. Zum Begriff der Satzungsdurchbrechung Der Begriff der Satzungsdurchbrechung wird unterschiedlich abgegrenzt. Zum einen lässt er sich (enger) dahin verstehen, dass mit ihm nur diejenigen Fälle erfasst werden, in denen der Gesellschafterbeschluss bewusst von der Satzung für eine Einzelfallentscheidung abweichen will11. Die im Schrifttum für die Zulässigkeit von Satzungsdurchbrechungen entwickelten Regeln implizieren genau diesen engeren Begriff, indem sie die Beachtung von rechtlichen Erfordernissen verlangen, die ohne ein Durchbrechungsbewusstsein kaum denkbar ist, wie insbesondere die entsprechende Ankündigung zur Tagesordnung12. Es ist deshalb problematisch, wenn Lutter/Hommelhoff formulieren, auf einen Willen zur Satzungsdurchbrechung könne es nicht ankommen13. Das kann es sehr wohl. Andererseits werden unter der Thematik der Satzungsdurchbrechung mittlerweile, wie sogleich näher zu erörtern sein wird, die rechtlichen Mängel von für Einzelfälle von der Satzung abweichenden Beschlüssen umfassend, d. h. ohne Beschränkung auf von einem Durchbrechungswillen getragene Beschlüsse diskutiert14. Ob man alle diese Beschlüsse unter einem einheit-

__________ 9 Zur Einschlägigkeit dieser Mängelkategorie bei nicht eingetragenen satzungsändernden Beschlüssen Römermann in Michalski (Fn. 7), Anh. § 47 GmbHG Rz. 26; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, Anh. § 47 GmbHG Rz. 20. 10 BGHZ 123, 15 (20). 11 So z. B. Stein in MünchKomm.AktG, 2. Aufl. 2005, § 179 AktG Rz. 38. 12 Zu diesen Erfordernissen unten IV. 13 So Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 24. Anders Lutter/Hommelhoff a. a. O. Rz. 23, wo auf den Willen zur Abweichung ohne Willen zur Änderung für die Zukunft abgestellt wird. 14 So z. B. Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 24 ff.

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lichen und damit weiteren Begriff der Satzungsdurchbrechung erfassen will, ist eine Frage terminologischer Zweckmäßigkeit. Insoweit dürfte mehr dafür sprechen, den Begriff der Satzungsdurchbrechung in dem oben umschriebenen Sinn der bewussten Abweichung von der Satzung zu verstehen, weil nur, wie noch zu zeigen sein wird, innerhalb dieses engeren Satzungsbegriffs die Mangelhaftigkeit des Beschlusses wegen Satzungsverletzung zu vermeiden ist. Anders wäre die Zweckmäßigkeitsfrage für die Begriffsbildung nur zu entscheiden, wenn man die Unterschiedlichkeit der Rechtsfolgen bei bewusster und unbewusster Abweichung von der Satzung einebnet, wie das einer im Schrifttum sichtbar werdenden Tendenz durchaus entspricht.

III. Rechtsfolgen der Abweichung von Satzungsregelungen Die Bestimmung von Voraussetzungen und Grenzen einer Abweichung von der Satzung im Einzelfall setzt Klarheit darüber voraus, welche Rechtsfolgen sich für den Einzelfallbeschluss ergeben, wenn er mit der Satzung nicht übereinstimmt. 1. Nichtigkeit Die Regelung des § 243 Abs. 1 AktG lässt klar erkennen, dass im Aktienrecht (für das GmbH-Recht gilt kraft Analogie das Gleiche) nicht die sonst bei Satzungswidrigkeit (etwa im Vereinsrecht) eintretende Nichtigkeit des Beschlusses Platz greifen soll, sondern nur die schwächere Mängelform der Anfechtbarkeit. Für das GmbH-Recht ergibt sich die Nichtigkeit auch dann nicht, wenn der Beschluss nicht notariell beurkundet worden ist15. Zwar greift der Nichtigkeitsgrund des § 241 Nr. 2 AktG analog im GmbH-Recht ein, wenn satzungsändernde Beschlüsse die für sie durch § 53 Abs. 2 GmbHG vorgeschriebene notarielle Form nicht beachten16. Ein satzungsändernder Beschluss im Sinn der Formvorschrift des § 53 Abs. 2 der GmbHG liegt jedoch nur dann vor, wenn der Text der Satzung geändert wird. Geht es nur um eine vom Satzungstext nicht gedeckte Einzelmaßnahme, wird die Satzung als normative Ordnung der Gesellschaft nicht geändert und damit das Formerfordernis nicht ausgelöst. Vielfach wird allerdings angenommen, dass bei im Zuge von Einzelmaßnahmen erfolgenden Abweichungen von der Satzung deren Änderung implizit für die konkrete Einzelentscheidung erfolgt. Der Beschluss spaltet sich unter dieser Sicht quasi auf in einen die konkret getroffene Maßnahme umfassenden und einen zweiten, dazu die Satzung ändernden Teil17. Nun steht außer Frage, dass die Gesellschafter einen sol-

__________ 15 So allerdings möglicherweise, freilich ohne jedes Eingehen auf die Problematik, BGHZ 123, 15 (20). 16 Vgl. näher Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 9), Anh. § 47 GmbHG Rz. 49. 17 Deutlich in diesem Sinn Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 26.

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chen Doppelbeschluss mit ausdrücklich artikulierter vorübergehender Änderung der Satzung fassen könnten. Es widerspricht aber allen zu körperschaftlichen Willenserklärungen, insbesondere zur Auslegung der Satzung18 entwickelten Grundsätzen, einen lediglich die konkrete Maßnahme artikulierenden Beschluss als solchen Doppelbeschluss auszulegen. Nach diesen Grundsätzen müssen jedenfalls körperschaftsrechtliche Bestimmungen der Satzung objektiv ausgelegt werden. Mindesterfordernis dessen ist, dass es einen Text gibt, aus dem eine auf die Änderung der Satzung gerichtete Regelung für Dritte erkennbar ist. Dass ein satzungsändernder Wille bei den abstimmenden Gesellschaftern vorliegt und dies von den Empfängern der Abstimmungserklärungen erkannt wird, reicht nicht aus. Daher bleibt festzuhalten: Die nicht als solche artikulierte Satzungsdurchbrechung erfüllt den Begriff der Satzungsänderung nicht und ist daher auch nicht nach § 241 Nr. 2 AktG mit § 53 Abs. 2 GmbHG nichtig. Auch wenn man die Auslegungsfrage anders sieht, bleibt als wichtiges Argument gegen die Nichtigkeit, dass diese Mängelform als gravierende Rechtsfolge nur in Betracht kommen darf, wenn die Beurkundungsbedürftigkeit des Beschlusses erkennbar ist. Diese Erkennbarkeit fehlt aber bei Beschlüssen, die den Satzungstext unberührt lassen. Auf andere Weise, nämlich im Wege der (immer bequemen) Rechtsfortbildung, hier der Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG, versucht Karsten Schmidt19 die Nichtigkeit zu begründen. Zwar ist ihm grundsätzlich zuzustimmen, dass der vom Gesetzgeber abschließend gemeinte Katalog der Nichtigkeitsgründe rechtsfortbildend erweiterbar ist. Eine solche Erweiterung muss sich aber im Rahmen der Interessenkonstellationen vorhandener Nichtigkeitsgründe halten und darf nicht freischwebend und schon gar nicht im Widerspruch zu grundlegenden Wertungen des Systems der §§ 241 ff. AktG erfolgen. Karsten Schmidt gibt letztlich für seine Auffassung auch gar keine rechtlich fassbare Begründung, sondern behauptet nur, dass ein satzungswidriger Zustand nicht durch allseitige Zustimmung rechtmäßig gemacht werden könne. Warum eigentlich nicht? Eo ipso-Nichtigkeit ist nur geboten, wenn öffentliche Interessen im Spiel sind. Das ist bei Satzungswidrigkeit schlicht nicht der Fall. 2. Unwirksamkeit Ebensowenig wie Nichtigkeit tritt bei Beschlüssen, die den Satzungstext unberührt lassen, mit der Satzung aber nicht in Einklang stehen, die Rechtsfolge der Unwirksamkeit ein.

__________ 18 Vgl. nur Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 1 Rz. 22 f. m. N. der Rspr. Aus dem Schrifttum vgl. nur Michalski in Michalski (Fn. 7), § 2 GmbHG Rz. 41 ff. m. N. 19 In Großkomm.AktG, 4. Aufl. 1995, § 241 AktG Rz. 111.

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a) Fehlender satzungsändernder Charakter Zwar hat bei satzungsändernden Beschlüssen die Eintragung gemäß §§ 181 AktG, 54 GmbHG konstitutive Bedeutung. Daraus lässt sich die begriffliche Folge ableiten, dass satzungsändernde Beschlüsse, solange sie nicht eingetragen sind, als (jedenfalls in bestimmten Sinn) unwirksam zu qualifizieren sind20. Diese Rechtsfolge greift aber nur bei Satzungsänderungen ein. Die bloße Abweichung eines Maßnahmebeschlusses von der Satzung impliziert, wie bereits ausgeführt (unter III.1) eine Änderung der Satzung nicht. Etwas anderes käme nur in Betracht, wenn mit dem Beschluss gleichzeitig die Erklärung eines Satzungsänderungswillens intendiert ist und der Beschluss diesen Willen zum Ausdruck bringt, also „erklärt“. Dazu reicht das Bewusstsein von der Abweichung bei den Gesellschaftern nicht aus21. Anhänger der gegenteiligen Auffassung schließen dann gar von der (von ihnen fälschlich angenommenen) Unwirksamkeit der bewussten Abweichung auf die Unwirksamkeit der unbewussten, die als „heimliche“ perhorresziert wird und deshalb nicht „privilegiert“ werden dürfe22. Solcher eher appellativen Argumentation, die sich einer Mischung aus Rechtsmissbrauchsgedanken und Gleichheitsvorstellungen bedient, ist nicht zu folgen. Von der Satzung abweichende Beschlüsse, Beschlüsse also, welche die Satzung als normativabstrakte Regelung unberührt lassen, sind deshalb ohne Eintragung „wirksam“, mögen sie auch der Anfechtung ausgesetzt sein23. Die gegenteilige Meinung ermangelt nicht nur einer tragfähigen Begründung, sondern widerspricht den durch das Beschlussmängelsystem der §§ 241 ff. AktG etablierten Grundsätzen der Maßgeblichkeit und Rechtsbeständigkeit von Beschlüssen.

__________ 20 Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 9), Anh § 47 GmbHG Rz. 20; Römermann in Michalski (Fn. 7), Anh § 47 GmbHG Rz. 26. 21 Anders z. B. Stein in MünchKomm.AktG (Fn. 11), § 179 AktG Rz. 41. 22 In diesem Sinn etwa Stein in MünchKomm.AktG (Fn. 11), § 179 AktG Rz. 41; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 53 GmbHG Rz. 29, der suggestiv formuliert, der Beschluss (sic!) könne schwerlich allein dadurch der Unwirksamkeit entkommen, dass er (sic!) seine satzungsdurchbrechende Qualität verschleiere. Beide wollen weiter danach differenzieren, „ob die betreffende Regelung ihrem Inhalt nach eine Satzungsänderung erfordert oder ob sie auch durch einfachen Hauptversammlungsbeschluss getroffen werden könnte (so Stein) bzw. „ob der Beschluss seinem Inhalt nach nur als Satzungsregelung möglich wäre oder ein einfacher Gesellschafterbeschluss sein kann“ (so Roth). Beide geben dafür leider kein Beispiel. Es ist deshalb kaum möglich, die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung nachzuvollziehen. Jedenfalls sind wohl alle zur Satzungsdurchbrechung geläufigen Beispiele von Einzelmaßnahmen, sieht man von ihrer Satzungswidrigkeit ab, als einfache Beschlüsse möglich. 23 Richtig gesehen von Tieves, ZIP 1994, 1343. Näher zur Anfechtbarkeitsfrage unten 3.

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b) Differenzierung nach der Reichweite der Abweichung Der Jubilar24, ein ihm folgender Teil der Lehre25 und BGHZ 123, 15 nehmen differenzierend an, dass von der Satzung abweichende Beschlüsse dann unwirksam seien, wenn sie einen satzungswidrigen Zustand26 herbeiführen. Diese Auffassung ist letztlich, unabhängig davon, ob die Differenzierung zwischen zustandsbegründenden und lediglich punktuell wirkenden Maßnahmen überhaupt nachvollziehbar und sinnvoll ist27, nicht begründbar. Eine konkrete Einzelfallregelung ist, wie oben ausgeführt, auch bei Abweichung von der Satzung keine Satzungsänderung, sondern eine Einzelmaßnahme, z. B. eine Geschäftsführerbestellung, eine Aufsichtsratsmitgliederwahl, eine bestimmte Ergebnisverwendung, die Genehmigung des Erwerbs einer Tochtergesellschaft, die Erlaubnis für ein Organmitglied oder einen Gesellschafter, ein bestimmtes Gewerbe betreiben zu dürfen. Auch die Frage, ob diese Einzelfallregelung zustandsbegründend wirkt oder nicht, ist für den Satzungsänderungscharakter unerheblich. Ist sie aber keine Satzungsänderung, lässt sich ein Unwirksamkeitsgrund weder aus dem Fehlen notarieller Beschlussbeurkundung noch aus dem Unterbleiben der Eintragung herleiten. c) Herleitung der Unwirksamkeit aus der Bedeutung der Registerpublizität für den Rechtsverkehr? Priester und der ihm folgende BGH sehen den Grund für die angebliche Unwirksamkeit des zustandsbegründenden, von der Satzung abweichenden Beschlusses darin, dass die eine Dauerwirkung entfaltenden Abweichungen von der Satzung nicht nur gesellschaftsinterne Bedeutung hätten, sondern auch den Rechtsverkehr einschließlich etwaiger später eintretender Gesellschafter berühren. Der Orientierung dieses Rechtsverkehrs und seinem Schutz, so formuliert der BGH, diene die Registerpublizität auch in Fragen, in denen es nicht etwa nur um die Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft geht. Aus diesen Ausführungen würde nun freilich die Beschlussunwirksamkeit selbst dann nicht folgen, wenn sie in sich zutreffend wären. Denn die Benennung bestimmter Interessen des Rechtsverkehrs und daraus möglicherweise folgender rechtspolitischer Wünschbarkeiten formiert noch keine Rechtsnorm, aus der sich die Unwirksamkeit eines Beschlusses ableiten lässt. Wie wir den Katalog der Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG grund-

__________ 24 ZHR 151 (1987), 51 ff. 25 Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 24 ff.; Hoffmann in Michalski (Fn. 7), § 53 GmbHG Rz. 39. 26 So Priester, ZHR 151 (1987), 51 ff.; der BGH spricht, höchst merkwürdig, von einem „rechtlichen Zustand“ mit Dauerwirkung (BGHZ 123, 15, 19); Lutter/ Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 24 ff. reden nur von Dauerwirkung. 27 Dazu unten e.

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sätzlich nicht erweitern dürfen28, sind wir auch bei der Annahme von Unwirksamkeitsgründen auf die klassischen Fälle beschränkt. Gravierender erscheint, dass die in den zitierten Ausführungen enthaltene Sicht des Verhältnisses von Registerpublizität und Rechtsverkehr so nicht akzeptiert werden kann. Dass die Satzung jedenfalls nicht als Ganzes dem Rechtsverkehr dient, ist eine Binsenweisheit. Rechtsverkehr im echten Sinn des Wortes ist nur der rechtsgeschäftliche Verkehr der Gesellschaft mit Dritten. Den Rechtsverkehr in dieser Bedeutung berühren nur wenige Bestimmungen der Satzung. Insoweit findet ein ausreichender Schutz des Rechtsverkehrs durch § 15 HGB statt. Ein zusätzlicher Schutz durch die Unwirksamkeit von Beschlüssen ist nicht nur nicht erforderlich, sondern könnte für den Rechtsverkehr geradezu irreführend wirken. Nun verwendet der BGH den Begriff des Rechtsverkehrs im genannten Argumentationszusammenhang erklärtermaßen in einem gegenüber dem normalen juristischen Sprachgebrauch weiteren Sinn, indem er auch später eintretende Gesellschafter einbezieht. Daran ist zutreffend, dass die Eintragung von Satzungsänderungen im Handelsregister auch dem Schutz und der Information künftiger Gesellschafter dient. Welche Sanktionen jedoch dieser Funktion der gesetzlichen Regelung zukommen, lässt das Gesetz nicht erkennen. Insoweit darf man nicht zu weitreichende Folgerungen ziehen. Im Prinzip sind die Folgen des Schutzes durch das Handelsregister in § 15 HGB geregelt. In diesen Schutz sind künftige Gesellschafter als solche nicht einbezogen. Gegenstand der Information künftiger Gesellschafter ist im übrigen nur der rechtliche Gehalt der normativ geltenden Satzung und kein Jota mehr, wie sich etwa daran zeigt, dass der Anteilserwerber aus der Satzung insbesondere nichts über bereits beschlossene, demnächst einzutragende, unter Umständen gravierende Satzungsänderungen normativer Art erfährt29. Möglicherweise könnte er sich darüber aus den Handelsregisterakten informieren, aber eine Garantie dafür, dass gefasste Beschlüsse dem Handelsregister bereits vorliegen, besteht nicht. Als weit hergeholt wird man die Annahme halten dürfen, dass Dritte aus der Satzung bei entsprechenden Vorgaben der Satzung müssten ersehen können, ob der Geschäftsführer die vorgeschriebene Nationalität oder besondere Berufsqualifikation tatsächlich besitzt. Erst recht scheint mir beim besten Willen kein rechtlicher Schutz von Geschäftspartnern begründbar, dass sie erfahren, wenn einem Gesellschafter entgegen einem Konkurrenzverbot der Satzung die Betätigung in einem Konkurrenzunternehmen gestattet wird30. Hier werden Regeln des Gesellschaftsvertrages mit rein interner Funktion zu Bestimmungen eines Außenschutzes umqualifiziert. Wenn der BGH schließ-

__________ 28 Vgl. oben III.1. 29 Instruktiv zu dieser klassischen Problemstellung Noack, GmbHR 1994, 349 ff. 30 So Priester, ZHR 151 (1987), 55.

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lich, über künftige Gesellschafter hinausgreifend, argumentiert, dass der Rechtsverkehr über die Verhältnisse der Gesellschaft unzutreffend informiert werde, wenn die Satzungsurkunde den materiellen Satzungsinhalt nicht richtig und vollständig wiedergebe, so ist das der Problemlage insofern nicht kongruent, als mit der Satzung nicht in Einklang stehende Maßnahmen, auch wenn sie zustandsbegründend wirken, keine Satzungsänderungen darstellen31 und daher den materiellen Gehalt der Satzung gerade nicht ändern, so dass dieser weder unrichtig noch unvollständig wiedergegeben wird. Durch den Dienstantritt eines nach der Satzung nicht wählbaren Geschäftsführers, durch den Erwerb einer vom Unternehmenszweck nicht gedeckten Tochtergesellschaft, durch ein von einem Geschäftsführer betriebenes mit der Gesellschaft konkurrierendes Gewerbe etc. wird die Satzung nicht geändert, es entsteht vielmehr nur eine faktische Diskrepanz zwischen dem normativen Gehalt der Satzung und den tatsächlichen Verhältnissen in der Gesellschaft32. Zwar sprechen manche insoweit von faktischer Satzungsänderung oder etwa beim Betrieb einer gegenstandsfremden Tochtergesellschaft von faktischer Änderung des Unternehmenszwecks, aber der Richtigkeit solcher begrifflicher Kennzeichnung ist entschieden zu widersprechen33. Ganz generell muss man Priester und dem BGH auch entgegenhalten, dass niemand sich darauf verlassen darf, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft würden mit der Satzung übereinstimmen. Wer meint, anhand der Satzung bestimmen zu können, wie die faktischen Zustände in der Gesellschaft sind, verhält sich nach einer bekannten Maxime des berühmten Rechtsgelehrten Palmström, die heute allgemein als unhaltbar durchschaut ist. Es bleibt dabei: Der Rechtsverkehr wird, was die Satzung anlangt, nur durch § 15 HGB geschützt. Anteilserwerber nehmen an diesem Schutz ebensowenig teil wie Gesellschafter, weil sie nicht Dritte im Sinn der Norm sind. Für sie einen Schutz über die Statuierung von Beschluss-

__________ 31 Es geht hier nicht um die oben unter III.1. und 2.a) bereits entschiedene Frage der Auslegung des Beschlusses als Satzungsänderungsbeschluss, sondern darum, ob die getroffene, insbesondere durchgeführte Maßnahme selbst satzungsändernde Wirkung hat. 32 Die Entstehung solcher Diskrepanzen ist auch dadurch möglich, dass die Satzung zeitlich im Nachgang zu bestimmten Maßnahmen geändert wird. Ist etwa HansJoachim Priester aufgrund seines bezwingenden Charmes von den Gesellschaftern der Bayern-GmbH zum Geschäftsführer gewählt worden und wollen die Gesellschafter eine derartige Überfremdung durch einen Hanseaten künftig vermeiden, so werden sie eventuell in der Satzung regeln, dass zum Geschäftsführer nur in Bayern geborene und aufgewachsene Personen gewählt werden können. Da man Priester aber – wie könnte es anders sein – persönlich hoch schätzt, beruft man ihn nicht ab. Die Diskrepanz zur (neuen) Satzung macht seine Bestellung selbstverständlich nicht eo ipso hinfällig. Darf der Registerrichter dann etwa die Satzungsänderung nicht eintragen? 33 Vgl. Zimmermann in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 53 GmbHG Rz. 19; Stein in MünchKomm.AktG (Fn. 11), § 179 AktG Rz. 44 und 103; Zöllner in Baumbach/Hueck (Fn. 9), § 53 GmbHG Rz. 58.

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unwirksamkeit wegen Schaffung satzungswidriger Zustände durch Satzungsdurchbrechung zu etablieren, geht nicht an. Der BGH muss sich im Gegenteil fragen lassen, ob seine Auffassung nicht zu Nachteilen für den „Rechtsverkehr“ (den Begriff durchaus in dem von ihm zugrunde gelegten Sinn gemeint) führt, weil er die Rechtsbeständigkeit nicht angefochtener Gesellschafterbeschlüsse infrage stellt, ohne dass der Rechtsverkehr dafür ohne weiteres einen Grund erkennen kann, sofern er nicht Vergleiche mit der Satzung anstellt. Der BGH setzt sich damit in Widerspruch zu eigenen Maximen, mit denen er etwa das Erfordernis kurzfristiger Erhebung der Anfechtungsklage gegen rechtswidrige Beschlüsse begründet. d) Unwirksamkeit zwecks Einschaltung der Kontrolle durch das Registergericht? Eng mit nicht zutreffenden Vorstellungen über den Schutz des Publikums durch die Satzung hängt zusammen, dass die Unwirksamkeitsfolge satzungsabweichender Beschlüsse deswegen favorisiert wird, weil das durch sie implizierte Erfordernis der Eintragung im Handelsregister eine Kontrolle durch den Registerrichter eröffnet34. Indessen liegen solchen Erwägungen viel zu weitgehende Vorstellungen über die registergerichtliche Kontrolltätigkeit zugrunde. Aufgabe des Registergerichts ist nicht eine allgemeine Beschlusskontrolle, auch nicht eine allgemeine Kontrolle eintragungsbedürftiger Beschlüsse. Ihm obliegt vielmehr nur, darauf zu achten, dass im Handelsregister vorzunehmende Eintragungen nicht mit dem Gesetz im Widerspruch stehen. Die Vereinbarkeit von Beschlüssen mit der Satzung hat das Registergericht nur insoweit zu interessieren, als es um die Rechtsgültigkeit des im Handelsregister zu Verlautbarenden geht. Wählen die Gesellschafter, um nur ein Beispiel zu nennen, einen nach der Satzung nicht wählbaren Geschäftsführer und soll dieser im Handelsregister eingetragen werden, kann der Richter es getrost den Anfechtungsberechtigten überlassen, diesen Mangel geltend zu machen. e) Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen zustandsbegründenden und punktuellen Satzungsdurchbrechungen? Nur am Rande sei bemerkt, dass die Unterscheidung zwischen zustandsbegründenden und lediglich punktuell wirkenden Satzungsdurchbrechungen35 auch deswegen problematisch ist, weil bei Abweichung von inhaltlichen Regeln der Satzung immer ein Zustand entsteht, der jedenfalls insofern nicht satzungsgemäß ist, als er nicht demjenigen entspricht, der bei Beachtung der inhaltlichen Regeln bestünde. Deshalb sind von der Satzung abwei-

__________ 34 In diese Richtung denkt etwa Habersack, ZGR 1994, 361. 35 Kritisch zur Unterscheidung, freilich mit teilweise abweichenden Überlegungen, Habersack, ZGR 1994, 362 ff.

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Satzungsdurchbrechung

chende Maßnahmen mit lediglich punktuellem Charakter kaum denkbar, Maßnahmen also, bei denen sich, wie der BGH im Anschluss an Priester ohne Nennung von Beispielen definiert, die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme erschöpft. Die Bestellung von Organmitgliedern, welche die satzungsmäßigen Voraussetzungen nicht erfüllen, schafft, wie Priester zu Recht annimmt, ebenso einen nach der Satzung nicht gewünschten Zustand wie die Erlaubnis an einen Gesellschafter, entgegen einem Konkurrenzverbot ein bestimmtes Gewerbe zu betreiben36. Auch die Genehmigung der Veräußerung vinkulierter Anteile entgegen inhaltlichen Vorgaben der Satzung erschöpft sich nicht mit der Ausführung der Veräußerung und ganz das gleiche gilt für den Verzicht auf eine von der Satzung vorgeschriebene freiwillige Prüfung des Jahresabschlusses, weil dieser Jahresabschluss seinerseits durch seine Auswirkungen auf spätere Abschlüsse Dauerwirkung hat. Selbst die von Priester für punktuelle Durchbrechungen gegebenen Beispiele – die Abweichung von statutarischen Bilanzierungsvorschriften für einen bestimmten Abschluss und die Abweichung von statutarischen Gewinnverwendungsvorschriften37 – wirken über den Beschluss hinaus, wie allein schon der Grundsatz der Bilanzkontinuität für das erste Beispiel und die Auswirkungen abweichender Gewinnverwendung auf das Eigenkapital für das zweite Beispiel zeigen. Von vornherein nicht in die Unterscheidung passt die Durchbrechung von Satzungsvorschriften, mit denen Organzuständigkeiten oder Elemente des Beschlussverfahrens (insbesondere Mehrheitserfordernisse) abweichend vom Gesetz festgelegt werden38. Zwar entsteht durch die Missachtung dieser Regeln kein inhaltlich mit der Satzung kollidierender Zustand, man kann aber auch nicht sagen dass sich die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme erschöpfe. Auf die besondere Problematik der Durchbrechung kompetenzieller und verfahrensmäßiger Vorschriften kann ich hier nicht eingehen. Sie bedarf eigenständiger Lösungen. 3. Anfechtbarkeit Sind aufgrund der bisherigen Darlegungen bei mit der Satzung nicht in Einklang stehenden Beschlüssen weder Nichtigkeit noch Unwirksamkeit gegeben, bleibt als einzige Mängelkategorie die Anfechtbarkeit zu prüfen. Sie liegt im Ansatz schon deshalb besonders nahe, weil von der Satzung abweichende, die Satzung missachtende Beschlüsse zunächst einmal Verletzungen der Satzung darstellen. Folge von Satzungsverletzungen ist nun aber, was Priester, Lutter/Hommelhoff und andere offenbar verdrängen, grundsätzlich

__________ 36 Dieses Beispiel rechnet Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 26 den punktuell wirkenden Maßnahmen zu. 37 ZHR 151 (1987), 52. 38 Beispiele bei Priester, ZHR 151 (1987), 52.

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nur die Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG. Diese Anfechtbarkeit wird, das muss man sehen, wie bei anderen Rechtsverstößen auch, ausgeschlossen, wenn alle Gesellschafter dem Beschluss zustimmen oder wenn niemand den Beschluss rechtzeitig anficht. So lag es in dem BGHZ 123, 15 zu Grunde liegenden Fall, mit der Folge, dass alle Überlegungen in der Entscheidung, ob an eventuelle Satzungsdurchbrechungen noch Rechtsfolgen geknüpft werden könnten, überflüssig waren. Manchem mag es ein Dorn im Auge sein, dass die Gesellschaftergesamtheit die Möglichkeit hat, im konkreten Einzelfall die Satzung voraussetzungs- und formlos beiseite zu schieben. Indessen bestehen dagegen keine durchgreifenden Bedenken. Die Satzung ist ein zwischen den Gesellschaftern geltender Vertrag, von dem mit Einverständnis aller abgewichen werden kann, ohne dass es dazu der Beachtung irgendwelcher Förmlichkeiten bedarf. Solche Förmlichkeiten sind nur erforderlich, wenn in Zukunft generell-abstrakt andere Normen gelten sollen als die bislang in der Satzung geregelten. Anders liegt es, wenn die Gesellschafter über die Behandlung der Satzungsdurchbrechung nicht eines Sinnes sind. Alsdann geht es um die Frage einer Überwindung der Anfechtbarkeit gegen den Willen einer anfechtungsbereiten Minderheit. Insoweit stellt sich die für die Praxis zentrale Frage, ob die grundsätzlich wegen Satzungsverletzung eingreifende Anfechtbarkeit entfällt und damit vermieden werden kann, wenn für den von der Satzung abweichenden Beschluss besondere Regeln beachtet werden.

IV. Vermeidung der Anfechtbarkeit satzungsdurchbrechender Beschlüsse Die Frage, ob und wie die Gesellschafter bei satzungsdurchbrechenden Beschlüssen die Anfechtbarkeit des Beschlusses vermeiden können, ist, wenn man der oben entwickelten Auffassung folgt, nur dann von Bedeutung, wenn eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zu dem Beschluss nicht zu erreichen und seine Anfechtung zu befürchten ist. An der Vermeidung des Umwegs über eine formelle Satzungsänderung besteht selbstverständlich ein legitimes Interesse. Es kann immer wieder Situationen geben, in denen man die (vielfach wohl erwogene) Grundordnung der Gesellschaft nicht auf Dauer ändern, aber für einen konkreten Fall eine Ausnahme von den aufgestellten Regeln machen will, z. B. von den zur Geschäftsführertätigkeit erforderlichen Eigenschaften, weil ein passender Geschäftsführer mit diesen Eigenschaften nicht zur Verfügung steht. Dass solche Abweichungsmöglichkeiten von vornherein in der Satzung vorgesehen werden können39, zum Beispiel mit bestimmter Mehrheit im Einzelfall oder mit einfacher Mehrheit unter bestimmten Voraussetzungen abzuweichen, versteht sich, aber solche Rege-

__________ 39 Dazu sehr erhellend Priester, Öffnungsklauseln zur Gewinnverteilung in der GmbHSatzung, in FS Welf Müller, 2001, S. 113.

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Satzungsdurchbrechung

lungen sind aus gutem Grund vielfach nicht vorhanden. Nach der wohl herrschenden Meinung muss der Beschluss zwecks mangelfreier Durchbrechung der Satzung alle Erfordernisse einer Satzungsänderung erfüllen40. Zum einen sind die Ankündigungserfordernisse einzuhalten, die an die besonderen Implikationen der Satzungsdurchbrechung anzupassen sind (etwa: „Als Geschäftsführer bestellt werden soll unter Durchbrechung der Satzung Herrn/ Frau X., der/die die Voraussetzungen von § 5 der Satzung nicht voll erfüllt“), des weiteren bedarf der Beschluss selbstverständlich der satzungsändernden Mehrheit, zum dritten muss er die für satzungsändernde Beschlüsse geltenden Formerfordernisse einhalten. Zweifelhaft und umstritten ist, ob der satzungsdurchbrechende Beschluss zwecks Vermeidung der Anfechtbarkeit auch der Eintragung im Handelsregister bedarf. Eine ältere Auffassung hat das generell verneint41. Ein großer Teil des Schrifttums bejaht die Eintragungsbedürftigkeit hingegen generell42. Priester hält die Eintragung nur bei zustandsbegründenden Durchbrechungen für erforderlich, nicht bei punktuellen43. Dieser differenzierenden Meinung kann man selbstverständlich nur folgen, wenn man die Unterscheidung zwischen zustandsbegründenden und punktuellen Durchbrechungen für hilfreich und praktikabel hält44. Für die generelle Erforderlichkeit der Eintragung spricht, dass letztlich ohne eine ad hoc-Änderung der Satzung die zur Anfechtbarkeit führende Satzungswidrigkeit nicht beseitigt wird. Während aber die Einhaltung der zur Satzungsänderung erforderlichen Mehrheit und der notariellen Beurkundung sowie der Ankündigungserfordernisse unmittelbar als sinnvoll einleuchten, gilt das für die Eintragung nicht, die ja funktionslos ist, wenn man richtigerweise den Sinn der Handelsregisterpublizität in der Verlautbarung der geltenden normativ-abstrakten Ordnung der Gesellschaft sieht, zu der satzungsdurchbrechende Maßnahmen nun einmal nicht gehören. Ohnehin wäre die durch die Eintragung vermittelte Publizität für die Öffentlichkeit kaum hilfreich, weil sie in allen diskutierten Fällen nicht die in §§ 39 AktG, 10 Abs. 1 und 2 GmbHG bezeichneten Angaben betrifft und deshalb nur bezugnehmend erfolgt45, mit der Folge, dass im Handelsregister nur steht, die Satzung sei durchbrochen. Der trostreiche Hinweis von Lutter/Hommelhoff, das Nähere ergebe sich aus den Handelsregisterakten, dürfte im vorliegenden Zusammenhang kaum ein die infor-

__________ 40 Vgl. nur Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 27; Zöllner in Baumbach/ Hueck (Fn. 9), § 53 GmbHG Rz. 51 f.; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 53 GmbHG Rz. 32; für das Aktienrecht vgl. nur Stein in MünchKomm. AktG (Fn. 11), § 179 AktG Rz. 39 f. m. N. 41 Hauptvertreter dieser Auffassung war Boesebeck in einem hoch verdienstvollen, berühmten Aufsatz in NJW 1960, 2265. 42 Vgl. die Nachweise Fn. 40. 43 ZHR 151 (1987), 53 ff. 44 Dazu oben III. 2. e. 45 Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), § 53 GmbHG Rz. 27.

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mationelle Situation stärkendes Element benennen. Vorsichtige Leute werden ohnehin die Handelsregisterakten einsehen und dort die notariell beurkundeten Beschlüsse aus jüngerer Zeit zur Kenntnis nehmen. Priester46 fordert hingegen eine stärkere Information der Öffentlichkeit dadurch, dass zustandsbegründende Satzungsänderungen in den nach §§ 181 Abs. 1 Satz 2 AktG, 54 Abs. 1 Satz 2 GmbH zu praestierenden Satzungstext aufgenommen werden. Das ist im Hinblick auf seine zur Bedeutung der Publizität des Handelsregisters entwickelte Auffassung konsequent. Aus meiner Sicht hingegen ist es nicht nur rechtlich nicht geboten, sondern für die Praxis überflüssig und komplizierend, weil von der Satzung als einem idealiter möglichst kurzen, präzisen und übersichtlichen Text, der so selten wie möglich geändert wird, hinwegführend. Einig bin ich mit Priester in der Grundvorstellung, dass die Öffentlichkeit an bestimmten Verhältnissen der Unternehmen ein erhebliches Informationsinteresse hat, dessen Befriedigung noch in den Kinderschuhen steckt. Es sollte aber nicht durch interpretativen oder rechtsfortbildenden Wildwuchs von Regeln über die Satzung befriedigt werden, sondern durch sorgfältig überlegte gesetzliche Normen zur Unternehmenspublizität. Aber das ist, um Kipling und den alten Briest zu kombinieren, ein anderes weites Feld.

V. Ergebnis 1. Beschlüsse, die Satzungsregelungen nicht beachten, sind stets Satzungsverletzungen und sind als solche stets nur anfechtbar. Für ihre Nichtigkeit oder Unwirksamkeit gibt es keine ausreichende Rechtsgrundlage. 2. Das gilt auch für Beschlüsse über „zustandsbegründende“ Maßnahmen. Diese Qualifikation kommt im übrigen allen von inhaltlichen Satzungsbestimmungen abweichenden Maßnahmen zu. Beschlüsse über Einzelmaßnahmen, die von der Satzung abweichen, sind genauso wie die Maßnahmen selbst keine Satzungsänderungen. 3. Die Anfechtbarkeit entfällt, wenn alle Gesellschafter dem Beschluss zugestimmt haben oder die Anfechtungsfrist ohne Erhebung einer Anfechtungsklage abläuft. 4. Die Anfechtbarkeit kann vermieden werden, wenn die durch Beschluss zu treffende Regelung als Durchbrechung oder Abweichung von der Satzung angekündigt, der Beschluss mit der erforderlichen satzungsändernden Mehrheit gefasst und notariell beurkundet wird. 5. Einer Eintragung der Durchbrechung im Handelsregister bedarf es nicht, weil diese durch die Fortgeltung der bisherigen Fassung der Satzung funk-

__________ 46 ZHR 151 (1987), 55 f.

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Satzungsdurchbrechung

tionslos ist. Ebensowenig braucht die Durchbrechung in einer einzureichenden Satzungsfassung verlautbart zu werden.

VI. Ausblick Den Autor dieses Beitrags hat es selbst überrascht, wie weit ihn seine Überlegungen nicht nur von dem durch Priester entwickelten System der Satzungsdurchbrechung, sondern auch von eigenen früheren Meinungsäußerungen zur Satzungsdurchbrechung47 weggeführt haben. Für mich zeigt sich daran, wie verdienstlich Priesters gründliche, nach zwanzig Jahren immer noch höchst virulente Untersuchung der Materie ist. Ihr ist es zu verdanken, das für die Satzungsdurchbrechung einschlägige Gedankennetzwerk zu mächtiger Entfaltung gebracht und damit der Rechtswissenschaft auf ihrem Weg fortschreitender Irrtumsbeseitigung, den sie selbstverständlich nicht ohne Produktion neuer Irrtümer gehen kann, ein wichtiges Stück weitergeholfen zu haben.

__________ 47 Insbesondere in KölnKomm.AktG, 2. Aufl. 1993, § 179 AktG Rz. 90 ff. und zuletzt in Baumbach/Hueck (Fn. 9), § 53 GmbHG Rz. 39 ff.

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Schriftenverzeichnis Prof. Dr. Hans-Joachim Priester I. Kommentierungen, Handbuch Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Aufl. 1982, 7. Aufl. 1988, 8. Aufl. 1995, 9. Aufl. 2002, §§ 53–59, Anh. Umwandlung und Verschmelzung (nur 7. Aufl.) Lutter, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 1996, 2. Aufl. 2000, 3. Aufl. 2004, §§ 24, 126, 128–130, Anh. § 134, §§ 136–140 Priester/D. Mayer (Hrsg.) Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1. Aufl. 1996, 2. Aufl. 2003, §§ 15, 21, 58 Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Aufl. 2003, § 52 Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 1. Aufl. 2004, 2. Aufl. 2006, §§ 120–122

II. Einzelveröffentlichungen Nachahmungsschutz für Dienstleistungsmodelle untersucht am Beispiel der allgemeinen Versicherungsbedingungen, 1965 Die GmbH-Novelle – Konsequenzen für die Praxis, 1980 (mit Karsten Schmidt) Die Gestaltung von GmbH-Verträgen, 5. Aufl. 1996 Vertragsgestaltung bei der GmbH & Co., 3. Aufl. 2000

III. Aufsätze in Zeitschriften WPg 1972, 581:

Zur Bewertung von Spielfilmen in der Bilanz

GmbHR 1973, 169:

Die Formulierung des GmbH-Vertrages bei Kapitalerhöhung

DB 1973, 2382:

Vorabausschüttungen bei der GmbH

DB 1974, 273:

Dauerpfleger bei Familiengesellschaften aus zivilrechtlicher Sicht

FR 1974, 257:

Die flächenmäßige Aufteilung von Miteigentum an Grundbesitz und § 23 EStG

AG 1974, 212:

Die Beteiligungspublizität gemäß §§ 20, 160 Nr. 11 AktG bei Gründung der Gesellschaft 895

Schriftenverzeichnis Hans-Joachim Priester

NJW 1975, 238:

Obligatorischer Zusatz „GmbH & Co.“ auch bei abgeleiteter Firma?

WPg 1975, 161:

Konkursrechtliche Grenzen der Kapitalflexibilität bei der GmbH & Co.

DB 1975, 1878:

Haftungsgefahren bei Zahlung von Geschäftsführerbezügen an Kommanditisten?

GmbHR 1976, 5:

Grundsatzregelung, Wertmaßstäbe und Zahlungsmodalitäten des Einziehungsentgelts für GmbH-Anteile bei Pfändung und Konkurs

GmbHR 1976, 130:

Die Zusammenlegung von GmbH-Anteilen

BB 1976, 1004:

Ausschüttungen bei Abschreibungsgesellschaften und Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung = GesRZ (Der Gesellschafter) 1977, 44

DB 1976, 1801:

Die Verwendung von Gesellschafterforderungen zur Kapitalerhöhung bei der GmbH

DB 1977, 224:

Gilt die Rechtsprechung zur Gewinnverteilung bei Familienpersonengesellschaften auch für die GmbH?

DNotZ 1977, 159:

Nach der Körperschaftsteuerreform: GmbH statt GmbH & Co.?

ZGR 1977, 445:

Körperschaftsteuerreform und Gewinnverwendung – Probleme des Ausschüttungsrückholverfahrens

DB 1977, 2428:

Gläubigerrücktritt zur Vermeidung der Überschuldung

BB 1978, 1291:

Umwandlung mit Bareinlage

DB 1979, 681:

Nichtkorporative Satzungsbestimmungen bei Kapitalgesellschaften

BB 1980, 19:

Die Festsetzungen im GmbH-Vertrag bei Einbringung von Unternehmen

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Unbeschränkte Kommanditistenhaftung bei Firmenänderung

DNotZ 1980, 515:

Die GmbH-Novelle – Überblick und Schwerpunkte aus notarieller Sicht

DB 1980, 1925:

Das gesetzliche Bezugsrecht bei der GmbH

GmbHR 1980, 236:

Die neuen Anteilsrechte bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

GmbHR 1981, 206:

Nachfolgeklauseln im GmbH-Vertrag

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Ausgliederung von Aktiven und Passiven bei Umwandlung des Einzelunternehmens in eine GmbH

896

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ZIP 1982, 1141:

Die Unversehrtheit des Stammkapitals bei Eintragung der GmbH – ein notwendiger Grundsatz?

NJW 1983, 1459:

Das neue Verschmelzungsrecht

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Mantelverwendung und Mantelgründung bei der GmbH

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Stichentscheid bei zweiköpfigem Vorstand

GmbHR 1984, 193:

Der vermeintliche Erbe als GmbH-Gesellschafter

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Handelsrecht: Der Vertrag einer GmbH

ZIP 1984, 1064:

Unbegrenzte Nachhaftung des geschäftsführenden Gesellschafters (mit Karsten Schmidt)

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Notwendige Kapitalerhöhung bei Verschmelzung von Schwestergesellschaften?

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Unbeschränkte Konzernhaftung des GmbH-Gesellschafters

AG 1986, 29:

Kapitalausstattung und Gründungsrecht bei Umwandlung einer GmbH in eine AG

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Bilanzrichtliniengesetz und GmbH-Satzung – Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsgrenzen (mit Peter Hommelhoff)

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Gläubigerbefriedigung – Bar- oder Sacheinlage?

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Stammeinlagezahlung auf debitorisches Bankkonto der GmbH

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Vertragsgestaltung: Das private Ehegattentestament

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Kapitalersetzende Landesbankkredite

DB 1989, 1013:

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ZIP 1989, 1301:

Liquiditätsausstattung der abhängigen Gesellschaft und unterjährige Verlustdeckung bei Unternehmensverträgen

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Strukturänderungen – Beschlussvorbereitung und Beschlussfassung

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Heilung verdeckter Sacheinlagen im Recht der GmbH

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Verdeckte Sacheinlage: Tatbestand, Rechtsfolgen, Heilungsmöglichkeiten 897

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ZIP 1991, 345:

Kapitalaufbringung bei korrespondierenden Zahlungsvorgängen

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Sind eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen Eigenkapital?

DB 1991, 2373:

Gesellschaftsrechtliche Zweifelsfragen beim Umgang mit Treuhandunternehmen

ZIP 1992, 293:

Herrschaftswechsel beim Unternehmensvertrag

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Bilanzierung bei schwebender Verschmelzung

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Befreiung vom Wettbewerbsverbot und GmbH-Satzung – Öffnungsklausel oder konkrete Regelung?

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Aktuelle Gestaltungsfragen bei GmbH-Verträgen

GmbHR 1992, 584:

Festlegung des Geschäftsjahres durch die Geschäftsführung?

DB 1993, 1173:

Dienstleistungspflichten als Eigenkapitalersatz?

ZGR 1993, 512:

Die eigene GmbH als fremder Dritter – Eigensphäre der Gesellschaft und Verhaltenspflichten ihrer Gesellschafter

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Gesellschafterdarlehen in der Vorbelastungsbilanz

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Wertgleiche Deckung statt Bardepot?

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GmbHR 1995, 481:

Das Gesellschaftsverhältnis im Vorgründungsstadium – Einheit oder Dualismus?

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Das neue Umwandlungsrecht aus notarieller Sicht

BB 1996, 333:

Die kleine AG – ein neuer Star unter den Rechtsformen?

DB 1996, 413:

Die „Umwandlung“ einer GmbH auf ihren nicht vollkaufmännischen Alleingesellschafter

ZIP 1996, 1025:

Heilung verdeckter Sacheinlagen bei der GmbH

ZHR 160 (1996), 250: Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ohne natürlichen Komplementär DB 1997, 560:

Mitgliederwechsel im Umwandlungszeitpunkt. Die Identität des Gesellschafterkreises – ein zwingender Grundsatz?

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Die zwingende Einheitlichkeit des Personengesellschaftsanteils – ein überholtes Prinzip

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GmbH-Kapitalerhöhung im Wege des AusschüttungsRückhol-Verfahrens – Besprechung der Entscheidung BGHZ 135, 381

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Nonprofit-GmbH – Satzungsgestaltung und Satzungsvollzug

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Verlustanzeige und Eigenkapitalersatz – Zur Funktion der §§ 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG

GmbHR 1999, 1273: Kapitalaufbringung und Bilanzansatz – Verbot bilanzieller Unterpariemission im Anwendungsbereich von § 24 UmwG? WPg 2000, 70:

Unternehmenssteuerreform und Gesellschaftsrecht

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Änderung von Gewinnverwendungsbeschlüssen

DB 2001, 467:

Neue Regelungen zur Nachgründung – Die Entschärfung des § 52 AktG

ZIP 2001, 725:

Rücklagenauskehrung beim Gewinnabführungsvertrag

ZHR 165 (2001), 383: Geschäfte mit Dritten vor Eintragung der AG. Zur teleologischen Reduktion des § 27 AktG DNotZ 2001, 661: DNotZ 2001, Sonderheft, S. 52:

Aufgaben und Funktionen des Notars in der Hauptversammlung Notar und Gesellschaftsrecht

DStR 2001, 795:

Unternehmenssteuerreform und Gesellschaftsvertrag – Kautelarpraktische Überlegungen

BB 2002, 2613:

Unwirksamkeit der Satzungsänderung bei Eintragungsfehlern?

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„Squeeze out“ durch Herabsetzung des Stammkapitals auf Null?

ZHR 168 (2004), 247: Beginn der Rechtsperson – Vorräte und Mäntel DStR 2005, 788:

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Die deutsche GmbH nach „Inspire Art“ – brauchen wir eine neue?

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Verlustausgleich nach § 302 AktG – zwingend in Geld?

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Neue Entwicklungen im Recht der Hauptversammlung

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Kapitalaufbringung beim Cash-Pool – Kurswechsel durch das MoMiG?

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Jahresabschlussfeststellung bei Personengesellschaften Grundlagengeschäft? – Mehrheitsregeln – Thesaurierung im Konzern

AG 2007, 190:

Stimmverbot beim dreiköpfigen Aufsichtsrat

GmbHR 2007, 296:

Registersperre kraft Richterrechts

IV. Festschriftbeiträge Festschrift für Winfried Werner, 1984, S. 657: Drittbindung des Stimmrechts und Satzungsautonomie Festschrift für Walter Stimpel, 1985, S. 463: Testamentsvollstreckung am GmbH-Anteil Festschrift für Hans-Joachim Fleck, 1988, S. 231: Voreinzahlung auf Stammeinlagen bei sanierender Kapitalerhöhung Festschrift für Georg Döllerer, 1988, S. 475: Die Erhöhung des Stammkapitals mit kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen Festschrift für Karlheinz Quack, 1991, S. 373: Stille Reserven und offene Rücklagen bei Personengesellschaften Festschrift für Alfred Kellermann, 1991, S. 337: Anteilsnennwert und Anteilsneubildung nach Einziehung von Geschäftsanteilen zum System der Mitgliedstellen in der GmbH Festschrift für Theodor Heinsius, 1991, S. 621: Einheitsbilanzklauseln im GmbH-Vertrag Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 159: Kapitalaufbringung Festschrift für Rudolf Nirk, 1992, S. 893: Ansatz des originären Firmenwertes in Einbringungs- und Umwandlungsbilanzen Festschrift für Johannes Semler, 1993, S. 561: Uneingeschränkter Verlustausgleich – zwingende Folge qualifizierter Konzernherrschaft? Festschrift für Ludwig Schmidt, 1993, S. 331: Die faktische Mitunternehmerschaft – Ein gesellschaftsrechtliches Problem 900

Schriftenverzeichnis Hans-Joachim Priester

Festschrift für Herbert Helmrich, 1994, S. 721: Eigenkapitalersetzende Finanzierung durch Quasigesellschafter Festschrift für Heinz Rowedder, 1994, S. 369: Stimmverbot des GmbH-Gesellschafters bei Entlastungsbeschlüssen Festschrift für Hans Erich Brandner, 1996, S. 97: Kapitalaufbringung beim mittelbaren Bezugsrecht Festschrift für Helmut Schippel, 1996, S. 487: Kapitalschutz bei der übertragenden Gesellschaft in Spaltungsfällen Freundesgabe für Franz Josef Haas zur Vollendung des 70. Lebensjahres, 1996, S. 1: Franz Josef Haas zum 70. Geburtstag – Glückwünsche eines Referenten Festschrift für Carsten Peter Claussen, 1997, S. 319: Rechtskontrolle und Registerpublizität als Schranken satzungsgleicher Gesellschaftervereinbarungen bei der GmbH? Freundesgabe für Willi Weichler, 1997, S. 101: Gespaltene Stimmabgabe bei der GmbH Festschrift für Bruno Kropff, 1997, 591: Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses bei unterbesetztem Vorstand Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 293: Quotenabweichende Rücklagenzuordnung Jubiläums-Festschrift des Rheinischen Notariats, 1998, S. 335: Kapitalaufbringung und zeitnahe Gesellschaftergeschäfte Festschrift für Wolfgang Zöllner, 1998, Bd. 1, S. 449: Gründungsrecht contra Identitätsprinzip – Kapitalausstattung beim Formwechsel Festschrift 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., 1999, S. 153: Quotentreuhand am GmbH-Anteil Festschrift für Gerold Bezzenberger, 2000, S. 309: Zur Wirksamkeit des Verkehrsgeschäfts bei verdeckter Sacheinlage im Recht der GmbH Festschrift für Marcus Lutter, 2000, S. 617: Kapitalaufbringungspflicht und Gestaltungsspielräume beim Agio Festschrift für Martin Peltzer, 2001, S. 327: Hinzutritt außenstehender Gesellschafter beim GmbH-Unternehmensvertrag Festschrift für Welf Müller, 2001, S. 113: Öffnungsklauseln zur Gewinnverteilung in der GmbH-Satzung Festschrift für Herbert Wiedemann, 2002, S. 1161: Die nicht placierte Kapitalerhöhung – „Abgelaufene“ Hauptversammlungsbeschlüsse? Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 477: Vorbelastungshaftung und anschließende Gewinne 901

Schriftenverzeichnis Hans-Joachim Priester

Festschrift 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e.V., 2003, S. 571: Protokollant und Inspizient. Die Doppelrolle des Hauptversammlungsnotars Festschrift für Walther Hadding, 2004, S. 607: Feststellung des Jahresabschlusses bei der Personenhandelsgesellschaft Festschrift für Klaus Korn, 2005, S. 377: Vergütungen an Komplementäre. Regelungsebenen – Organkompetenzen – Jahresabschluss Festschrift für Thomas Raiser, 2005, S. 293: Innenbereichsrelevante Zustimmungsvorbehalte stiller Gesellschafter im GmbH- und Aktienrecht Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 293: Schuldrechtliche Zusatzleistungen bei Kapitalerhöhung im Aktienrecht Festschrift für Ulrich Huber, 2006, S. 905: Die Mehrheitsumwandlung der gesetzestypischen KG in einen GmbH & Co. KG zwischen HGB und UmwG Liber amicorum Wilhelm Happ, 2006, S. 213: Reichweite der Bindung an die bekannt gemachte Tagesordnung der Hauptversammlung Festschrift für Arndt Raupach, 2006, S. 391: Zusammentreffen von Gewinnabführungsvertrag und stiller Gesellschaft – Dissonanz oder Konkordanz?

V. Beiträge in Tagungsbänden/Sammelwerken Union Internationale du Notariat Latin – Commission des Affairs Européennes, Régimes Matrimoniaux Successions et Libéralités, Droit international privé et Droit comparé, II, 1979, S. 433: République Féderal d´Allemagne, Droit matériel, § 2 Successions Bierich/Busse v. Colbe/Lassmann/Lutter (Hrsg.), Rechnungslegung nach neuem Recht, ZGR Sonderheft 2, (1980) S. 212: Die 4. EG-Richtlinie aus der Sicht der GmbH und der GmbH & Co. Hommelhoff/Semler/Doralt/G. Roth (Hrsg.), Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, ZGR Sonderheft 6 (1986) S. 151: Bildung und Auflösung des GmbHVertragskonzerns Uwe H. Schneider (Hrsg.), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S. 37: Die Behandlung unwirksam abgeschlossener Altverträge aus zivilrechtlicher Sicht Priester/Timm (Hrsg.), Abschied von der Betriebsaufspaltung?, RWS-Forum 5, 1989, S. 1: Gebrauchsüberlassungsverträge im Kapitalersatzrecht Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 63: Gesellschafterschutz in Personengesellschaften Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung ‘91, Das vereinigte Deutschland im europäischen Markt 1992, S. 81: Gesellschaftsrechtliche Überlegungen in den neuen Bundesländern 902

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Hommelhoff/Stimpel/Ulmer (Hrsg.) Heidelberger Konzernrechtstage: Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern, 1992, S. 223: Konzernaufbau – Vermeidung des Unternehmensstatus beim Privatgesellschafter DNotZ 1993, Sonderheft Deutscher Notartag 1993, S. 121: Die GmbH auf dem Wege zur OHG? Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.), Reform des Umwandlungsrechts, 1993, S. 196: Die Bedeutung der Umwandlungsprüfung Steuerberater-Jahrbuch 1993/94, S. 141: Bilanzierung und Besteuerung beim qualifizierten faktischen Konzern Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung ‘94, Neuorientierung der Rechnungslegung, 1995, S. 419: Umwandlung mittelständischer GmbH und Personengesellschaften – Zivilrechtliche Probleme Lutter (Hrsg.), Kölner Umwandlungsrechtstage – Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, 1995, S. 99: Spaltungsvertrag/Spaltungsplan, S. 148: Bilanzierung in Spaltungsfällen Karsten Schmidt/Riegger (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 1999, RWS-Forum 15, 2000, S. 303: Gesellschaftsrechtliche Gestaltungspraxis nach der Steuerreform Hommelhoff/Helms (Hrsg.), Neue Wege in die Europäische Privatgesellschaft, 2001, S. 143: Zur Funktion des Notars Hommelhoff/Rowedder/Ulmer (Hrsg.), Max Hachenburg Fünfte Gedächtnisvorlesung 2002, 2003, S. 59: Gewinnermittlung und Gewinnausschüttung im Personengesellschafts- und GmbH-Recht Herzig (Hrsg.), Organschaft, 2003, S. 37: Gesellschaftsrechtliche Grundlagen der Organschaft Schröder, Rainer (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich, 2005, S. 161: Die deutsche GmbH nach „Inspire Art“ Tröger/Wilhelmi (Hrsg.), Rechtsfragen der Familiengesellschaften, Symposion aus Anlass der Emeritierung von Prof. Dr. Harm Peter Westermann, 2006, S. 53: Treupflichten in der Familiengesellschaft

VI. Rechtsprechungsberichte DNotZ 1979, 386:

Übersicht über die Rechtsprechung des BFH, Kapitalverkehrsteuer (1977/78)

DNotZ 1981, 546:

Übersicht über die Rechtsprechung des BFH, Kapitalverkehrsteuer (1979/80)

DNotZ 1983, 425:

Übersicht über die Rechtsprechung des BFH, Kapitalverkehrsteuer (1981/82) 903

Schriftenverzeichnis Hans-Joachim Priester

DNotZ 1985, 671:

Übersicht über die Rechtsprechung des BFH, Kapitalverkehrsteuer (1983/84)

DNotZ 1991, 507:

Die neue BFH-Rechtsprechung zur Erbauseinandersetzung bei Betriebsvermögen und zur vorweggenommenen Erbfolge

Henze/HoffmannBecking (Hrsg.)

Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum, S. 23

VII. „Zwischenrufe“ ZIP 2005, 921:

„GmbH light“ – ein Holzweg!

ZIP 2006, 161:

Unternehmensgründergesellschaft statt „GmbH light“!

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