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German Pages 310 [323] Year 1962
D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU S C H R I F T E N D E R S E K T I O N F Ü R VOR- U N D
BERLIN
FRÜHGESCHICHTE
B A N D 10
HOHEN VIECHELN EIN MITTELSTEINZEITLICHER IN
WOHNPLATZ
MECKLENBURG von
EWALD
SCHULDT
mit Beiträgen von 0 . G E H L , H. S C H M I T Z , E. S O E R G E L und H. H. W U N D S C H
Mit 13 Textabbildungen, 19 Tabellen, 144 Tafeln und 3 Beilagen
AKADEMIE-YERLAG
1961
•
BERLIN
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8 , Leipziger Straße 3 — 4 Copyright 1961 b y Akademie-Verlag G m b H Lizenz-Nr. 202 • 100/146/61 • Mdl der D D R , Nr. 6093 Anfertigung der Atzungen: Sachsendruck Plauen Gesamtherstellung: Druckhaus „Maxim Gorki", Altenburg Bestellnummer 2044/10 Preis DM 64,— Printed in Germany E S 14 C
Inhaltsverzeichnis Vorwort
7
Zur geologischen Situation des mesolithischen Fundplatzes von Hohen Viecheln und seiner Umgebung von O t t o G e h l , Schwerin
9
Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein am Schweriner See . . von H e i n z S c h m i t z , Hamburg I. Das Vergleichsproiii HV 4
14 15
II. Das Profil HV 7
29
III. Zusammenfassung
36
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein
39
I. Die Faunenliste II. Die Säugetiere
39 40
von O t t o G e h l , Schwerin 1. Einleitung
40
2. Erhaltungszustand der Knochen
40
3. Das Fundmaterial
42
4. Beschreibung und Vergleich a) Capreolus capreolus (Reh) S. 42 — b) Alces alces (Elch) S. 46 — c) Cervus elaphus (Hirsch) S. 47 — d) Bos primigenius (Ur) S. 50 — e) Sus scrofa L. (Wildschwein) S.52 — f) Equus ferus (Wildpferd) S. 53 — g) Castor fiber (Biber) S. 54 — h) Lepus europaeus (Feldhase) S. 54 — i) Ursus arctos (Braunbär) S. 54 — k) Canis lupus (Wolf) und Canis familiaris (Haushund) S. 55 — 1) Vulpes vulpes (Fuchs) S. 59 — m) Meies meles (Dachs) S. 60 — n) Putorius putorius (Iltis) S. 61 — o) Lutra lutra (Fischotter) S. 61 — p) Felis silvestris (Wildkatze) S. 62 — q) Lynx lynx (Luchs) S. 62
42
III. Die Vogelreste von E l s b e t h S o e r g e l 1. Beschreibung a) Colymbus (Gavia) arcticus L. (Pracht- oder Polartaucher) S. 64 — b) Colymbus stellatus Pont. (Stern- oder Nordseetaucher) S. 64 — c) Podiceps cristatus L. (Haubentaucher) S. 65 — d) Phalacrocorax carbo L. (Kormoran) S. 65 — e) Anas platyrhynchos L. (Stockente)
64 64
4
Inhaltsverzeichnis
S.65 — f) Anas acuta L. (Spießente) S.65 — g) Anas (Mareca) penelope L. (Pfeifente) S. 65 — h) Nyroca (Aythya) fuligula L. (Reiherente) S. 65 — i) Mergus merganser L. (Gänsesäger) S. 66 — k) Mergus serrator L. (Mittelsäger) S. 66 — 1) Anser anser L. (Graugans) S. 66 — m) Anser albifrons (Scop.) (Bläßgans) S.66 — n) Anser fabalis (Lath.) (Saatgans) S. 66 — o) Cygnus cygnus L. (Singschwan) S. 66 — p) Haliaeetus albicilla L. (Seeadler) S. 67 — q) Lyrurus tetrix L. (Birkhuhn) S. 67 — r) Tetrao urogallus L. (Auerhuhn) S. 67 — s) Fulica atra L. (Bläßhuhn) S. 67 - t) Grus grus L. (Grauer Kranich) S. 67 - u) Grus antigone L. (Saruskranich) S. 67 2. Zusammenfassung
68
IV. Die Fischreste von H a n s H . VVundsch, Berlin
70
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
75
von E w a l d S c h u l d t , Schwerin I. Der Ausgrabungsbericht
75
1. Einleitung
75
2. Die Lage des Fundplatzes
76
3. Die Voruntersuchung 1953
78
4. Die Hauptuntersuchung 1954/55
81
5. Der Wohnplatz
85
6. Die Stratigraphie des Fundplatzes und seine zeitliche Einordnung
86
II. Die Funde A. Werkzeuge aus Feuerstein und Geröll 1. Kernbeile
90 91 91
a) Kernbeile mit spitzovalem Querschnitt S. 91 — b) Kernbeile mit rundlichem Querschnitt S. 92 — c) Kernbeile mit rhombischem Querschnitt S. 92 — d) Kernbeile mit dreikantigem Querschnitt S. 92 — e) Kernbeile mit flacher Unterseite S. 93 2. Scheibenbeile
98
3. Dreikantgeräte
100
4. Bohrer
100
5. Handgriffschaber
100
6. Kernsteinschaber
101
7. Linsenförmige Geräte
101
8. Schlagsteine
101
9. Klingenartige Werkzeuge
102
10. Stichel und stichelartige Geräte
102
11. Halbrundschaber und Klingenschaber
102
12. Kleingeräte
103
13. Hauen aus Felsgestein
103
14. Geröllkeulen
104
Inhaltsverzeichnis
B. Werkzeuge aus Knochen
104
1. Knochenspitzen 104 a) Einfache, glatte Spitzen S. 105 — b) Spitzen mit einseitigen Kerben S. 105 — c) Spitzen mit einseitigen kleinen Widerhaken S. 107 — d) Spitze mit einseitigen großen Widerhaken S. 109 — e) Verteilung der Typen im Fundhorizont S. 109 — f) Herstellung der Knochenspitzen S. 110 — g) Verwendung der Knochenspitzen S. 111 — h) Vergleichsmaterial von anderen Fundplätzen S.112 2. Schmale Meißel
126
3. Tiillenbeilc
126
4. Verzierte Hacken
126
5. Knochenschäfte
127
6. Gelochte Fingelknochen a) gelochte Phalange vom Ur S. 128 — b) gelochte Phalange vom Elch S. 128 — c) gelochte Phalange vom Hirsch S. 128 — d) gelochte Phalange vom Schwein S.129
128
7. Schulterblattschaber
129
8. Verzierter Schienbeinknochen
130
9. Schädelmasken vom Rothirsch
130
10. Hacken aus Röhrenknochen mit einseitigem Schaftloch
131
11. Pfriemenartige Werkzeuge
131
12. Verschiedenes
132
C. Werkzeuge aus Geweih
132
1. Beilklingen a) Beilklingen mit einseitig angespitzter Schneide S. 132 — b) Beilklingen mit beidseitig angespitzter Schneide S.132
132
2. Geweihhacken mit Schaftloch a) kurze, gedrungene Hacken S. 134 — b) schlanke Ha.cken S. 134
134
3. Spitzhacken mit natürlichem Schaft
135
4. Verzierte Hacke
135
5. Durchlochte Spitzhacke
136
6. Verzierter Lochstab
136
7. Verzierte Abwurfstange
137
8. Durchlochte Geweihstange
137
9. Blattförmige Hacken
138
10. Schaufelartiges Werkzeug aus Elchgeweih
138
11. Werkzeugfassungen
138
12. Werkzeuge aus Gewoihenden
139
13. Verschiedenes
140
D. Werkzeuge und Schmuck aus Zähnen
140
1. Werkzeuge aus Biberzähnen
140
2. Durchbohrte Zähne
141
3. Spitze aus einem Eberhauer
141
6
Inhaltsverzeichnis
E. Werkzeuge aus Holz und Rinde
141
1. Beilkopf aus Wurzelholz
141
2. Speerschäfte
142
3. Vogelpfeile
142
4. Durchlochte Rindenstücke
142
5. Verschiedenes
143
III. Zusammenfassung und Ergebnisse der Einzeluntersuchungen
144
1. Werkzeuge aus Feuerstein und Geröll
144
2. Werkzeuge aus organischen Stoffen
147
3. Die Technik der Geweih- und Knoehenbearbeitung
149
4. Die linearen Ziermotive
152
5. Die Jagd und der Fischfang
154
Anhang Tafeln 1 - 1 4 4 Beilagen 1 — 3
Vorwort Von 1953 bis 1955 wurde im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft vom Institut f ü r Vorund Frühgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und dem Museum f ü r Ur- und Frühgeschichte in Schwerin ein mesolithischer Wohnplatz bei Hohen Viechein im Kreise Wismar eingehend untersucht. Dabei konnten, bedingt durch besondere Lagerungsverhältnisse und günstige Erhaltungsmöglichkeiten, neben vielen tausend Fundstücken aus Feuerstein mehrere hundert Werkzeuge aus Knochen, Geweih und Holz geborgen werden. Von den seltenen Knochenspitzen mit Kerben und Widerhaken kamen 316 Stück zutage! In der vorliegenden Arbeit ist das gesamte Fundmaterial aus Hohen Viechein zusammengestellt worden. Der Forschung wird damit ein bedeutender, geschlossener Komplex vollständig bekanntgegeben. An dieser Stelle möchte ich dem Direktor des Instituts f ü r Vor- und Frühgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Herrn Prof. Dr. WT. Unverzagt, besonders danken f ü r die ständige Förderung, die er dieser Forschungsaufgabe zuteil werden ließ. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. 0 . Gehl von der Staatlichen Geologischen Kommission, Außenstelle Schwerin, der die geologische Untersuchung des Fundplatzes und die Bearbeitung der Säugetierknochen übernahm. Mein Dank gilt fernerhin Frau Prof. Dr. E. Soergel, Freiburg, die die Vogelreste bearbeitete, und Herrn Prof. Dr. H. H. Wundsch, Berlin, der die Fischreste untersuchte. Herrn Prof. Dr. H. Schmitz vom Staatsinstitut f ü r Allgemeine Botanik der Hansestadt Hamburg, der mehrere Wochen an der Ausgrabung teilnahm, danke ich f ü r die Anfertigung der Pollenanalyse. Meinen ständigen Mitarbeitern auf der Grabung in Hohen Viechein und im Museum Schwerin bin ich ganz besonders zu Dank verpflichtet. Die Herren A. Hollnagel und F. J u s t unterstützten mich in der Grabungsleitung. Als technische Mitarbeiter waren während der Dauer der Ausgrabungen die Herren J . Boretzky, A. Geisler, F. Olejnik und A. Keim tätig. Die Konservierung der Funde erfolgte durch Herrn WT. Zander. Die abgebildeten Pläne stellte Herr F. Just her. Die Zeichnungen der abgebildeten Funde stammen von den Herren F. Just, K.-J. Seiffert und K. Maltner. Die fotografischen Aufnahmen fertigte Herr K. Nitsche. Bei der Zusammenstellung des Manuskriptes und beim Lesen der Korrektur unterstützte mich Frau I. Bahlcke. Bis auf die Pollenanalyse wurden die Beiträge dieses Bandes Ende 1956 abgeschlossen. Schwerin, 15. April 1960 Ewald Schuldt
Zur geologischen Situation des mesolithischen Fundplatzes von Hohen Viechein und seiner Umgebung Von Otto Gehl, Schwerin
Wo der Schweriner Außensee mit seinem nördlichen Zipfel aus der allgemeinen NSRichtung nach NE umbiegt, weitet sich der dem Abfall des Diluvialplateaus vorgelagerte schmale Ufersaum zu einer breiten jungen Verlandungsfläche mit durchweg nahem Sanduntergrund aus (Abb. 1). Am Nordufer, zwischen Hohen Viechein und Bad Kleinen, fügt sich diese Terrasse der Bucht ein, die durch das nördliche Zurückspringen der Linie des Plateauabfalls entsteht. Im innersten Teil dieser Bucht liegt der Fundplatz (Abb. 1 X), also offenbar auch die Stelle, die dem mesolithischen Jäger und Fischer als Siedlungsplatz gedient hat (vgl. Fundbericht). Die Wahl dieses Ortes ist eindeutig durch die günstige natürliche Lage bestimmt. Die Rekonstruktion der damaligen Landschaft hat nicht nur die in 8 — 9000 Jahren Erdgeschichte erfolgten natürlichen Veränderungen zu berücksichtigen, sondern ist vor allen Dingen erschwert durch die wiederholten Eingriffe des Menschen in historischer Zeit. Das entscheidende Gepräge hat die Landschaft im Eiszeitalter erfahren. Im N tritt der Wismarsche Lobus der Pommerschen Endmoräne der Weichselvereisung an den See heran. Die markanten Höhen dieses Zuges, der aus dem Raum zwischen Naudin und Rastorf in SERichtung über Glashagen, östlich Wendisch-Rambow, zwischen Hoppenrade und Bad Kleinen und dann weiter von Hohen Viechein in NE-Richtung verläuft (Abb. 1), werden im Hinterland des zentralen Teiles der Terrasse unterbrochen. Hier erstreckt sich in NS-Richtung ein Tal, das aus mehreren hintereinander gereihten Becken besteht, die, ursprünglich durch Riegel getrennt, heute durch den Wallensteingraben verbunden sind. Dadurch weist es sich als Tunneltal aus, das besonders in seinem südlichen Verlauf, im Bereich des Lostener Sees, eindeutig als solches bestimmt ist. In der Abschmelzperiode des Eises des Pommerschen Stadiums flössen hier die Schmelzwässer von der rückwärtigen Staffel im Raum Groß-Stieten—Moidentin (Treichel, 1954/55) in südlicher Richtung ab und schütteten den kleinflächigen Sander auf, der in verhältnismäßig breiter Front ansetzt, aber nach S gegen den Lostener See zu schnell an Ausdehnung verliert und an der Grenze zur Terrasse auf etwa 1 km Breite das Steilufer bildet (Abb. 1). Hier, wie offenbar allgemein im Raum nördlich des Schweriner Sees, erfolgte die Entwässerung der jüngeren Stillstandslagen des Weichseleises durch Rinnen, die konzentrisch auf den Nordteil der langgestreckten Hohlform, die jetzt der Schweriner See füllt, verlaufen. Dabei muß die Wanne des Lostener Sees und das Becken des jetzt verlandeten Kleinen Sees zwischen dem Bahndämm und der Straße nach Hohen Viechein mit Toteis erfüllt gewesen sein, so daß die Sander bedeckten Hohlformen des Tunneltales erst nach dem Tieftauen im Laufe des Spät- oder frühen Postglazials in Erscheinung traten. Infolge des allgemeinen Gefälles entwässerte dieser Raum mit dem Schwinden des Eises nach N, wobei die Riegel zwischen den Becken allmählich erodiert wurden, und so vom Lostener See ab ein kontinuierlicher Lauf entstand. Allein der Riegel zwischen dem Lostener See und dem Kleinen See sowie diejenigen zwischen diesem und der Seeterrasse sind noch vorhanden gewesen als der mesolithische
10
OTTO G E H L
Mensch sich ansiedelte (Stuhr 1898). Er wählte den höchst gelegenen Platz der Terrasse im inneren Winkel der Bucht. Diese liegt mit ihrem zentralen Teil vor dem Ende des Tunneltales und des Sanders, der mit einem Steilhang zum flachen Vorland abfällt. Der pleistozäne Untergrund besteht nach Ausweis der Peilstangenbohrungen bis zu einer Tiefe von 7 m u. Fl. aus Feinsand mit feinkiesigen Lagen und SchlufF, der gelegentlich in Ton übergeht, also aus demselben Material,
über+60 m NX
+ 40 l>is + 60 m XX
unter -i 40 m NX
S.indcrgrenze
rundplatz
Abb. 1. Höhenschichtenkarte der weiteren Umgebung des Fundplatzes ( X ) mit Grenze des Sanders nach H . H e c k (Geol. Übersichtskarte von Mecklenburg, unveröffentlicht)
das in einer Bohrung auf der Sohle des Schnittes 8 (Abb. 2) im Randbereich des Plateaus angetroffen wurde. Offenbar handelt es sich um Sedimente, die den weit verbreiteten jüngeren Beckenablagerungen des Schweriner Raumes entsprechen. In der Pleistozänoberfläche der Seeterrasse verläuft in Fortsetzung des Tunneltales nach SSW eine Rinne mit zwei kolkartigen Vertiefungen (Abb. 2), die mit ihren tiefsten Partien 4—6 m unter die Umgebung hinabreichen. Die pleistozänen Sande werden im Bereich des Grabungsgeländes weit verbreitet von einer ,,Schwemmholzschicht" überlagert mit Hölzern und Ästen, teilweise gerollt und angekohlt, aber auch gerollten Knochen und Artefakten sowie Holzkohle, die besonders im unmittelbaren Liegenden des hangenden Bruchwaldtorfes auftritt, welcher weiter seewärts von Gyttjen verschiedener Ausbildung unterlagert wird. Die Hangendpartie des Bruchwald-
11
Zur geologischen Situation von H o h e n Vieeheln
Halfaru}
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.35.
Isohypsen der Pleistoziinoberflärhe Isohypsen der heutigen Oberfläche
xEntiiahmestelle für Folienprofil IIV4 Abb. 2. Karte der Seeterrasse des »Schweriner Außensees bei Hohen Vieeheln mit Grabungsgelände und Wallensteingraben
12
OTTO G E H L
torfs ist vielfach sandig ausgebildet und in ihrem Lagerungsverband gestört, so daß Torffetzen im Uberlagernden Sand „schwimmen" oder, vor allen Dingen in Ufernähe, die zusammenhängende Torfschicht stellenweise überhaupt fehlt und nur Torfbrocken in dem Sand verteilt auftreten. Allgemein jedoch läßt sich ein steiles Einfallen des Bruchwaldtorfs zum Kolktiefsten feststellen (Schuldt, 1054, Abb. 3), das mit einem Unterkantenhöhenunterschied von 3,7 m auf 13 m bedeutend stärker ist als das allgemeine seewärtige Gefälle der Pleistozänoberfläche außerhalb der Rinne. Das Fundmaterial konzentriert sich in den landwärtigen Bereichen des Fundplatzes auf die Liegendschichten des Bruchwaldtorfes und die „Schwemmholzschicht". Seewärts verschiebt sich der Fundhorizont mehr und mehr in den Bereich der Gyttja, und der Torf ist fundfrei, bis die Funddichte im weiteren Einfallenden überhaupt nachläßt. In dem seewärtigen Teil der Rinne außerhalb des Grabungsbereiches nimmt die Gyttjenmächtigkeit erheblich zu und schließt nach einer Folge von liegender Tongyttja, über der mächtige Kalkund schließlich Grobdetritusgyttja ausgebildet ist, mit hangendem Seggentorf (Schmitz, 1961, HV. 4). Die ufernahen organogenen Sedimente werden überlagert von ^ mächtigem kiesigem Sand, der den Charakter einer Strandbildung trägt. Darüber liegt ein sandiger Torf bis Rohhumusboden mit neolithischen Funden, der in Kliffnähe von künstlichen Aufschüttungen überdeckt ist und seewärts in den hangenden Torf übergeht. Auf Grund der Schichtenfolge, die bei der kurzräumigen Änderung derselben infolge der sehr unterschiedlichen Tiefenlage der Pleistozänoberkante und des damit zusammenhängenden Wechsels der Verlandungsbedingungen sowie der nachträglichen Störungen nur generell angegeben werden kann, und der darin festgestellten menschlichen Hinterlassenschaften lassen sich folgende Beziehungen zwischen der Landschaftsgeschichte und der Besiedlung feststellen: Für die Wahl des Wohnplatzes im inneren Winkel der Bucht mag die Rinne, die z. Z. der Besiedlung noch mit dem offenen Wasser des Sees in Verbindung stand, mitbestimmend gewesen sein. Der übrige Teil der ufernahen Niederung war bei hohem Grundwasserstand leidlich landfest. Durch natürliche Anschwemmung, zur Hauptsache aber aus Abfällen der Besiedlung entstand die „Schwemmholzschicht", in der die gerollten Knochen und Hölzer für eine ufernahe Bildung sprechen. In den wasserbedeckten Gebieten setzte die Verlandung zunächst mit Gyttja ein, während in den ufernahen Seichtwasserbereichen und der stark durchfeuchteten Strandregion Torffazies als Bildung der Seggen- und Bruchwaldbestände an die Stelle trat, so daß die verschiedenen Faziesbereiche gleichzeitig die Oberfläche gebildet haben können und ihr Fundinhalt also e i n e r Kulturperiode angehören kann. Eine Erklärung des auffällig steilen Einfallens des Bruchwaldtorfs zum Kolktiefsten als Folge einer Bildung der Kolke durch nacheiszeitliches Tieftauen von Toteis liegt nahe. Die pollenanalytische Datierung des Bruchwaldtorfs (Schmitz, 1961, HV. 7) würde jedoch eine Konservierung des Toteises bis in den frühen Abschnitt der mittleren Wärmezeit notwendig machen, wofür bisher keinerlei Beweise vorliegen. Außerdem fehlt der Nachweis dieser Schicht weiter seewärts, so daß mit einem schnellen Auskeilen gerechnet werden muß. Im Bereich des tieferen Wassers und allgemein seewärts hielt die Bildung der Kalk- und Grobdetritusgyttja an. Dieser Abschnitt des Verlandungsvorganges, in dem Gyttja und Bruchwaldtorf in Ufernähe zur Ablagerung kamen, wobei je nach den örtlichen Gegebenheiten die beiden Sedimente sich gleichzeitig oder nacheinander gebildet haben können, fällt nach der Fundschicht offenbar mit dem Hauptbesiedlungsabschnitt zusammen und dürfte nach der pollenanalytischen Untersuchung (Schmitz, 1961) in die Zeit von der Mitte des Boreais bis zur Wende Boreal/Atlantikum gedauert haben. In der Endphase dieser Entwicklung war der Siedlungsplatz bereits verlassen. Der Abschluß der Torfentwicklung hängt offenbar mit einem Steigen des Seespiegels zusammen, wodurch die Sandsedimentation infolge stärkeren Abbruchs des Steilufers belebt
Zur geologischen Situation von Hohen Viechein
13
und eine mehr oder minder mächtige kiesige Sandschicht zur Ablagerung gebracht wurde, die gelegentlich winterliches Packeis stauchte, welches auch im liegenden Torf Lagerungsstörungen verursachte. Die mächtige Sandauflage verursachte die starke Zusammenpressung des liegenden Bruchwaldtorfs sowie dessen Lagerungsstörungen und wird vermutlich auch das abnorme Einfallen bewirkt haben, wofür in dem offenbar seewärtigen Auskeilen und durch die Lagerung über Gyttja bei tieferem pleistozänem Untergrund die Voraussetzungen gegeben waren. Den Abschluß der natürlichen Sedimentserie des Postglazials bildete ein oberer Torfhorizont, der seewärts in die Wiesennarbe übergeht und in dem Schnitt 8 landwärts stark aufsteigt, seiner Zusammensetzung nach mehr und mehr den Charakter eines Waldbodens annimmt und schließlich auskeilt. Dabei handelt es sich offenbar um die alte natürliche Oberfläche (neolithische Scherben und Feuersteinabschläge), die erst durch den Einfluß des Menschen teilweise mit Aufschüttboden bedeckt worden ist. In historischer Zeit sind die gewordenen geologischen Gegebenheiten wie die natürlichen Entwicklungstendenzen derselben durch den Eingriff des Menschen stark verändert worden. Dabei ist die Schaffung des Wasserweges vom Schweriner See nach Wismar am Ende des 16. Jahrhunderts von besonderer Bedeutung. Damals wurden die drei Geländeschwellen zwischen dem Lostener See und der Seeterrasse abgetragen und durch diese eine Verbindung bis zur offenen Wasserfläche des Schweriner Sees gezogen, der damit neben dem natürlichen durch die Stör gegebenen Abfluß einen künstlichen nördlichen durch den Wallensteingraben bekam, eine Maßnahme, die nicht ohne Einfluß auf den Wasserstand gewesen sein wird. Die damaligen umfangreichen Erdbewegungen sowie die späteren im Zuge des Dammbaues für die Bahnlinie Bad Kleinen—Güstrow und die Anlage einer Panzersperre im letzten Kriege sind die Ursachen f ü r die mancherlei künstlichen Störungen in der Schichtenfolge der Fundstelle.
Literatur Schmitz, H.: Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein am Schweriner See. In diesem Band 1961. Schuldt, E.: Ein mittelsteinzeitlicher Siedlungsplatz bei Hohen Viechein, Kreis Wismar. Jb. f. Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, 1954. Stuhr, F.: Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar. Jb. d. Ver. f. meckl. Geschichte und Altertumskunde, Bd. 53, 1898. Treichel, F.: Die Entstehung des Verlaufs der Hauptwasserscheide der Elbe am nördlichen Schweriner See. Wissensch. Z. d. Univ. Greifswald, Jg. IV, 1954/55.
Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein am Schweriner See Von H e i n z S c h m i t z , Hamburg
Im August des Jahres 1955 erhielt ich durch den Grabungsleiter, Herrn Dr. E. Schuldt in Schwerin, in großzügiger und überaus dankenswerterweise die Möglichkeit, die Ausgrabungsstelle Hohen Viechein am Nordwestende des Großen Schweriner Sees in Mecklenburg zu besuchen und mich einige Zeit dort aufzuhalten, um Proben f ü r die pollenanalytischen Untersuchungen der dort entdeckten mesolithischen Fundschichten zu sammeln. Es kam darauf an, die Fundhorizonte in den Moor- und Gyttja-Schichten eindeutig in den Ablauf der postglazialen Waldgeschichte einzuordnen, um so einen zeitlichen Vergleich mit anderen Fundstellen, insbesondere in Schleswig-Holstein und Dänemark zu gewinnen. F ü r diesen Zweck genügte zunächst die Untersuchung eines geschlossenen Profiles HV 7 (Abb. 5) aus der Grabung selbst und eines vollständigen Vergleichsprofiles, das im Verlandungsmoor des Seeufers in etwa 120 m Entfernung von der Grabungsstelle mit der verbesserten Dachnowsky-Sonde erbohrt wurde. Die Analysen zweier weiterer Profile aus benachbarten Schnitten (anschließend an Schnitt 2, zwischen Schnitt 1 und 3) ergaben eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Profil HV 7 aus Schnitt 9 c, lassen aber keine Einzelheiten erkennen, weil sie nur aus Kiefernwaldtorf bestehen und die Pollenerhaltung teilweise sehr schlecht ist. Durch den örtlichen Pollenniederschlag der Kiefern sind alle anderen Kurven so stark herabgedrückt, daß eine genauere Eindatierung nicht möglich ist. Da außerdem nach den Angaben von Herrn Dr. Schuldt dort der Fundhorizont in dem Schwemmtorf und Schwemmsand unmittelbar unter dem Bruchwaldtorf lag, kann das Pollendiagramm aus dem Torf nur die Zeit festlegen, v o r der die Fundschicht einzuordnen ist. Aus dem sandigen Schwemmtorf der Fundschicht ist kein einwandfreies Spektrum zu gewinnen. Daher beschränke ich mich auf die Wiedergabe des Vergleichsprofiles HV 4 (Abb. 3 u. 4) und des Profiles HV 7 (Abb. 5) aus Schnitt 9 c der Grabung, bei dessen Freilegung ich selbst anwesend war und das die Fundschicht in der G y t t j a aufweist und deshalb ein sehr brauchbares Pollendiagramm mit schöner Pollenerhaltung in den entscheidenden Schichten aufweist. Auf eine pollenanalytische Untersuchung von Einzelfunden wurde verzichtet, weil die Fundhorizonte infolge der großen Zahl der Artefakte so eindeutig festzulegen waren, daß weitere Analysen unnötig erschienen. Die Aufarbeitung des Materials erfolgte durch Kochen mit etwa 10% Kalilauge und anschließende Acetolyse, die Aufbewahrung und Untersuchung in Glyzerin. Aus Kalkgyttjen wurde vor dem Kochen mit Kalilauge der Kalk mit verdünnter Salzsäure entfernt. Alle Proben wurden auf mindestens 200 Baumpollen ausgezählt, Hasel- und Nichtbaumpollen in der üblichen Weise gesondert berechnet. Außerhalb der Zählung wurde von jeder Probe schon nach der Abkochung mit Kalilauge ein Präparat mit der Deckglasgröße 20 x 20 mm durchgesehen und außerdem anschließend an die Zählung das P r ä p a r a t mit schwächerer Vergrößerung auf etwaige neue Pollenkörner oder Besonderheiten durchmustert. Auf diese Weise außerhalb der Zählung gefundene Pollenkörner werden dann, wenn sie einen gewissen Aussagewert besitzen, besonders erwähnt.
Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein
15
Als Getreidepollen wurden nur solche GVawmeerepollen gezählt, die nach Bau und Skulptur eindeutig den „Getreidetyp" (Firbas 1937) verkörperten und außerdem mindestens 40 ¡1 in ihrem größten Durchmesser aufwiesen. Durch die Größenmessungen konnten also stets nur kleine Körner vom Getreidetyp ausgeschieden werden, aber niemals wurde ein Pollenkorn nur auf Grund seiner Größe als Getreidepollen gezählt. Um etwaige Größenveränderungen der Pollenkörner auf Grund der Zusammensetzung der Einschlußschicht oder der Aufbereitungsart zu erkennen, wurden in allen Proben mit Corylws mindestens 20 Pollenkörner der Hasel gemessen. Es ergaben sich in keiner Probe Anzeichen f ü r sekundäre Größenveränderungen der Pollenkörner. Die Werte der Hasel lagen stets in der Größenklasse 24 —26 jx nach der Acetolyse, nur mit Kalilauge behandelt betrug ihre Größe 26 — 28 ¡x.
I. Das Vergleichsprofil HV 4 Die genaue Lage des Vergleichsprofiles HV 4 ist aus dem Grabungsplan in E. Schuldt (1961), Abb. 2, zu ersehen. Das Profil ist eine normale Verlandungsserie eines Seeufers. Stratigraphie 0 — 103 cm Seggentorf mit wechselnder Beteiligung von Schilf, H 4. 0—30 cm und von 92 bis 103 cm etwas sandig. —175 cm Grobdetritusgyttja mit Resten von Carex- und Phragmitesrhimmen, teilweise leicht feinsandig. —184 cm Femdetritusgyttja. — 301 cm tonige, etwas feinsandige Kalkgyttja. Sandgehalt nach unten etwas zunehmend. Vereinzelt ConchylienReste. — 306 cm schwach tonige und feinsandige Kalkgyttja, Übergang zur liegenden Kalkgyttja. —327 cm Kalkgyttja. —422 cm tonige, etwas feinsandige Kalkgyttja, je nach dem Gehalt an organischem Material hellere und etwas dunklere Schichten. —432 cm dunkle, feinsandige und kalkige Feindetritusgyttja mit Conchyliengrua. — 453 cm helle, etwas feinsandige Kalkgyttja. —472 cm dunkle Feindetritusgyttja, oberer Teil etwas feinsandig, unterer Teil stärker kalkig, einzelne linsenförmige Kalkgyttja-Einlagerungen, feinste Sandstreifen und stellenweise Conehylien-Grus. — 510 cm sehwach tonige Kalkgyttja. —537 cm Kalkgyttja mit Conchylien, zwischen 523 und 530 cm schwach tonig. — 582 cm tonige Kalkgyttja. — 690 cm dunkle Feindetritusgyttja, ab 675 cm tonig werdend. —725 cm dunkelgraue Tongyttja. ab 725 cm Mittelsand.
Der Sandgehalt des Profiles zwischen 0 und 30 cm, 92 und 165 cm und 184 bis 463 cm stammt ohne Zweifel von dem sandigen Ufer und Hochufer. Ob der Sand der jüngsten Schichten eingeweht oder mit abfließendem Oberflächenwasser eingespült worden ist, läßt sich nicht entscheiden. Da die obersten 30 cm aus einer Zeit stammen, in der bereits eine verstärkte menschliche Aktivität in der nächsten Umgebung der Profilstelle sicher ist, muß der Sandgehalt in diesen Schichten auf indirekten menschlichen Einfluß — stärkere Vernichtung der natürlichen Vegetation und dadurch Freilegung von Boden, Anlage von Äckern in unmittelbarer Seenähe — zurückgeführt werden. Auch kann sich der Bau des „Wallensteingrabens" im Jahre 1547 wenigstens f ü r einige Zeit in gleicher Weise ausgewirkt haben. Ob und inwieweit der Sandgehalt zwischen 92 und 165 cm auf indirekten menschlichen Einfluß zurückzuführen ist, bleibt schwer zu entscheiden. Da zur Zeit der Entstehung dieser Schichten zweifellos menschliche Besiedelung in der Nachbarschaft vorhanden war, wie aus den erhöhten Werten der kulturanzeigenden Pollen von Plantago lanceolata, Rurnex, Artemisia, Urtica, Chenopodiaceen und dem teilweise (Pollenzone X) auch aufgefundenen Getreidepollen hervorgeht, ist diese Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen und wahrscheinlich die einfachste Erklärung.
Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein
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Als Getreidepollen wurden nur solche GVawmeerepollen gezählt, die nach Bau und Skulptur eindeutig den „Getreidetyp" (Firbas 1937) verkörperten und außerdem mindestens 40 ¡1 in ihrem größten Durchmesser aufwiesen. Durch die Größenmessungen konnten also stets nur kleine Körner vom Getreidetyp ausgeschieden werden, aber niemals wurde ein Pollenkorn nur auf Grund seiner Größe als Getreidepollen gezählt. Um etwaige Größenveränderungen der Pollenkörner auf Grund der Zusammensetzung der Einschlußschicht oder der Aufbereitungsart zu erkennen, wurden in allen Proben mit Corylws mindestens 20 Pollenkörner der Hasel gemessen. Es ergaben sich in keiner Probe Anzeichen f ü r sekundäre Größenveränderungen der Pollenkörner. Die Werte der Hasel lagen stets in der Größenklasse 24 —26 jx nach der Acetolyse, nur mit Kalilauge behandelt betrug ihre Größe 26 — 28 ¡x.
I. Das Vergleichsprofil HV 4 Die genaue Lage des Vergleichsprofiles HV 4 ist aus dem Grabungsplan in E. Schuldt (1961), Abb. 2, zu ersehen. Das Profil ist eine normale Verlandungsserie eines Seeufers. Stratigraphie 0 — 103 cm Seggentorf mit wechselnder Beteiligung von Schilf, H 4. 0—30 cm und von 92 bis 103 cm etwas sandig. —175 cm Grobdetritusgyttja mit Resten von Carex- und Phragmitesrhimmen, teilweise leicht feinsandig. —184 cm Femdetritusgyttja. — 301 cm tonige, etwas feinsandige Kalkgyttja. Sandgehalt nach unten etwas zunehmend. Vereinzelt ConchylienReste. — 306 cm schwach tonige und feinsandige Kalkgyttja, Übergang zur liegenden Kalkgyttja. —327 cm Kalkgyttja. —422 cm tonige, etwas feinsandige Kalkgyttja, je nach dem Gehalt an organischem Material hellere und etwas dunklere Schichten. —432 cm dunkle, feinsandige und kalkige Feindetritusgyttja mit Conchyliengrua. — 453 cm helle, etwas feinsandige Kalkgyttja. —472 cm dunkle Feindetritusgyttja, oberer Teil etwas feinsandig, unterer Teil stärker kalkig, einzelne linsenförmige Kalkgyttja-Einlagerungen, feinste Sandstreifen und stellenweise Conehylien-Grus. — 510 cm sehwach tonige Kalkgyttja. —537 cm Kalkgyttja mit Conchylien, zwischen 523 und 530 cm schwach tonig. — 582 cm tonige Kalkgyttja. — 690 cm dunkle Feindetritusgyttja, ab 675 cm tonig werdend. —725 cm dunkelgraue Tongyttja. ab 725 cm Mittelsand.
Der Sandgehalt des Profiles zwischen 0 und 30 cm, 92 und 165 cm und 184 bis 463 cm stammt ohne Zweifel von dem sandigen Ufer und Hochufer. Ob der Sand der jüngsten Schichten eingeweht oder mit abfließendem Oberflächenwasser eingespült worden ist, läßt sich nicht entscheiden. Da die obersten 30 cm aus einer Zeit stammen, in der bereits eine verstärkte menschliche Aktivität in der nächsten Umgebung der Profilstelle sicher ist, muß der Sandgehalt in diesen Schichten auf indirekten menschlichen Einfluß — stärkere Vernichtung der natürlichen Vegetation und dadurch Freilegung von Boden, Anlage von Äckern in unmittelbarer Seenähe — zurückgeführt werden. Auch kann sich der Bau des „Wallensteingrabens" im Jahre 1547 wenigstens f ü r einige Zeit in gleicher Weise ausgewirkt haben. Ob und inwieweit der Sandgehalt zwischen 92 und 165 cm auf indirekten menschlichen Einfluß zurückzuführen ist, bleibt schwer zu entscheiden. Da zur Zeit der Entstehung dieser Schichten zweifellos menschliche Besiedelung in der Nachbarschaft vorhanden war, wie aus den erhöhten Werten der kulturanzeigenden Pollen von Plantago lanceolata, Rurnex, Artemisia, Urtica, Chenopodiaceen und dem teilweise (Pollenzone X) auch aufgefundenen Getreidepollen hervorgeht, ist diese Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen und wahrscheinlich die einfachste Erklärung.
Hohen Zonen n. Zonen n. Firbas Overbeck
VII
VIII b
VI
Villa
Vb
VII
Va
VI
III
IV
10
20
10
20
Viechein
30
40
50
30
HO
50
« S a l i x , Weide
o Betula.Birke
• o- Corylus.Hasel
oPicea. Fichte
H V t
CO
70
GO
70
• Pinus.Kieler
80
5
EMW 10
¿0
30
5
10
20
30
- o Alnus.frle
^ S e ^ | j | 5 5 5
5 5
5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
• EMW Eichen-Mischwald
- U l m u s Ulme
10
10
GO
80
100 120 10 20 30 tO
20
10
60
80
100
- - - T i l l s . Linde
120 -10 20 30*»ö
— Q u e r a i s . Eiche
A b b . 3. Pollendiagramm Hohen Viechein, Profil H V 4 unterer Teil Am linken Hand Zoneneinteilung nach Firbas und nach Overbeck. Tiefenangaben in ein. Schwarze Rechtecke in der Stratigraphie-Spalte: Holzkohlepulver. Iierechnungagrundiage: Summe der Baumpollen ohne Corylm. KMW: Quercus -f- Ulmus -f Ttlia + Vraxtnw. Qu: Quercus (Eiche); l'l: Ulmus (Ulme); Ti: TU in (Linde); Cer: Ce/ealia (Getreide); Plant, lanc.: Plantago lanceotata (Spitzwegerich);
Zonen n. Zonen n. Fi it>a» Overbeck
Hohen
Viechein
20
«tO 50
10
30
I• 10 20
\\ • 30 tO
H Vf &0 70
50 GO 70
5
10
20
* Sali*, We.de
o Bet-la B;*ie
• Pirus Kiefer
•OAlnus Eile
• Cofjrtus.HBiel
-ûPicea Fichte
* faguvBudie
4 Carpinus. Hainbuche
30
5 5 5 5 55 5 5 5 5
20
Y 0 CO 80 100 120 1020 50*0
E-^W, Eithen-Mischwald —Utm-is.Ulme ---Tilia, Linde — Fra*inus.Esdie —Quercus.Elihe
A b b . 4. P o l l e n d i a g r a m m H o h e n V i e c h e i n , P r o f i l H V 4 o b e r e r T e i l Elim Eitme.v (Ampfer): Artein: Artemma (Beifuß); Chen: Chenopodiaceae (Meltlengewächse); Urt: Urtica dioica (Brennessel); Cruc: Cruciferac (Kreuzblütler); Comp: Conipositae (Korbblütler), schwarz: tubuliflorae, schraffiert: liguliflorae; Umbcllif: Umbell iferae (Doldenblütler); Call: Calluna (Heidekraut) schwarz; Vaccin: Vacciiiium-Ty\), andere Heidekrautgewächse (Heidelbeere, Preißelbeere usw.) schraffiert; Gram: Graminette (Graser) schwarz; Cyp: Cyperaceae (Seiigen) weiß; Var: Varia (unbestinmite NBP ohne Wasser- und Sumpfpflanzen) schraffiert: NBP: Summe der Nichthaumpollen ohne Wasser- und Sumpfpflanzen, aber einschließlich Cyperaceae; Filices: Farnsporen von Polypodiazeen ohne Pter'uVmm (Adlerfarn): Sjmr.-T.: »s'parganium-Tyv, Sparganium (Igelkolben) und Typha iatifolia (breitliliittriger Kohrkolben) V V V
Waldtorf
Cyttja
Brandschicht
Tongyttja
3
u 3 u s Ua u
2
Hohen Viechelu
Kalkgyttja mit Conchylien
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H E I N Z SCHMITZ
Der Sandgehalt von 184 bis 463 cm reicht ohne Unterbrechung oder bemerkenswerte Schwankungen von dem Endabschnitt der Zone I X bis zum Anfang der Zone VIII. Er ist deutlich größer als in dem eben besprochenen Abschnitt. Zwar ist nach den kulturanzeigenden Pollen auch schon in der Zone I X eine menschliche Besiedelung in der Umgebung des Profiles nachzuweisen, wenn auch die entsprechenden Pollenkurven niedriger liegen als in der Zone X und Getreidepollen fehlen, aber indirekter menschlicher Einfluß könnte höchstens während eines relativ kleinen Zeitabschnittes f ü r den Sandgehalt in Betracht gezogen werden. Wie aus dem Sedimentcharakter hervorgeht, hat die Proiiistelle damals noch in tieferem Wasser gelegen als zur Zeit der Bildung der oberen sandhaltigen Schichten von Grobdetritusgyttja und Seggentorf. Es handelt sich bei der Sandeinlagerung in diesen unteren Schichten aus einem langen Zeitraum wahrscheinlich um eine einheitliche Erscheinung der Sandeinschwemmung durch Annagen des sandigen Ufers und später auch des Hochufers des Sees durch Brandung und Eisbildung. Zumindest gegen Ende der Zone V I I I (Atlantikum) hat anscheinend eine Erhöhung des Seespiegels stattgefunden, wie aus der Störung und teilweisen Aufarbeitung der terrestrischen Torfschichten auf dem Ufer in anderen Profilen und Schnitten hervorgeht (vergl. unten bei Profil HV 7). Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß der Beginn der Sandeinschwemmung am Anfang der Zone V I I I gleichzusetzen ist mit dem Beginn einer langsamen und stetigen Seespiegelerhöhung. Wenn diese Erscheinung f ü r den gesamten Schweriner See zutrifft, hätten wir hier dasselbe Phänomen, das schon 1917 Walter für das Teterower Seebecken beschreibt. Er f ü h r t die allmähliche Seespiegelerhöhung auf den Rückstau durch die Litorina-Transgression zurück. Diese Überlegungen sollen hier aber nur als Hinweis angeführt werden. Es ist nicht angängig, die Befunde an einer Profilsteile ohne weiteres zu verallgemeinern und weitreichende Schlüsse aus ihnen zu ziehen. Das Vergleichsprofil wurde an der tiefsten Stelle des an die Grabung anschließenden Verlandungsmoores erbohrt, in der Hoffnung, hier vielleicht noch den Anschluß an spätglaziale Schichten zu finden. Diese Hoffnung hat sich wenigstens insoweit verwirklicht, als gerade noch die jüngste Parktundrenzeit in dem Profil erfaßt werden konnte. Das Vergleichsprofil (HV 4) reicht von der jüngsten Parktundrenzeit bis zur Gegenwart. Die Mooroberfläche ist an der Bohrstelle offensichtlich nicht abgegraben und gestört, wie auch aus den Aussagen des Besitzers hervorgeht. An dieser Stelle soll auf die allgemeine Waldgeschichte nur insoweit eingegangen werden, wie es f ü r die pollenanalytische Einordnung der Fundschichten und den Vergleich mit Schleswig-Holstein und Dänemark notwendig ist. Der Ablauf der Waldgeschichte stimmt in seinen großen Zügen mit den Angaben von Engmann (1936) und von Gehl (1952) f ü r die weitere Umgebung des Schweriner Sees überein, ohne daß allerdings f ü r die Hainbuche (Carpinus) so hohe Werte gefunden wurden, 'und läßt sich auch gut mit den Profilen in Schleswig-Holstein parallelisieren. Die nordwestdeutsche Zoneneinteilung von Overbeck und Schneider (1938) kann in der leichten Modifizierung, wie sie von Schmitz (1953) f ü r Ostholstein vorgenommen worden ist, im Wesentlichen auf Hohen Viechein angewandt werden. Wir befinden uns zwar am Schweriner See, wie schon Gehl betont, in einem Übergangsgebiet zu dem kontinentaleren ostdeutschen Flachland, aber die Zonengrenzen können deshalb im Allgemeinen doch noch nach den gleichen Merkmalen festgelegt werden. Quantitative Unterschiede in den Kurvenwerten gegenüber Schleswig-Holstein sind von vornherein zu erwarten und f ü r die Grenzziehung der Zonen ohne Bedeutung. Bestimmte Prozentwerte im Kurvenverlauf oder auch Schnittpunkte von Kurven eignen sich sowieso nicht f ü r eine Grenzziehung zwischen Zonen oder gar einen Zeitvergleich, weil derartige „Marken" zu sehr von lokalen Bedingungen und Zufälligkeiten abhängig sind und daher schon auf engem Raum nicht mehr zeitgleich zu sein brauchen. Eine andere Frage ist es, wieweit die gleichen Zonen und ihre Grenzen am Schweriner See, in Schleswig-Holstein und Dänemark absolut synchron sind. Darauf wird, soweit es erforderlich ist, später noch eingegangen werden. Dagegen können wohl die zeitlich gleichzusetzenden
Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein
19
Leithorizonte f ü r Nordwestdeutschland (Schmitz 1955), die teilweise ja Zonengrenzen entsprechen, soweit sie sich im Profil von Hohen Viechein deutlich abzeichnen, wegen ihrer großklimatischen Bedingtheit f ü r den Zeitvergleich als Festmarken benutzt werden. Nach unseren bisherigen Kenntnissen, auch nach den bisher vorhandenen, leider noch sehr spärlichen C 14 -Datierungen, sind diese Leithorizonte f ü r Schleswig-Holstein und Dänemark in einem sehr engen Schwankungsbereich synchron. Wir haben keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß dies auch am Schweriner See der Fall ist, zumal es sich um dieselbe Breite wie Südholstein handelt und das Gebiet nach Gehl (1955) noch nicht zu dem Bereich der kontinentalen Waldhochmoore gehört, sondern noch mehr dem atlantischen Hochmoortyp genähert ist. Der unterste Teil des Profiles erfaßt noch das Ende der Z o n e IV, der jüngeren ParktundrenZeit (jüngere subarktische Zeit). Die noch relativ hohen Nichtbaumpollen (NBP)-Werte, das reichliche Vorkommen von Artemisia und auch die geschlossene Kurve von Mumex sprechen eindeutig für die Einordnung in Zone IV, ebenso die höheren Salix-Werte. Es handelt sich um eine Birken-Kiefern-Zeit mit wechselnder Dominanz dieser beiden Baumarten. Die im Ganzen gesehen gleichmäßige Beteiligung von Birke und Kiefer an der Zusammensetzung der noch sehr lichten Wälder im Endabschnitt der Zone IV ist ein wichtiger Unterschied gegenüber dem Waldbild der gleichen Zeit in Schleswig-Holstein, wo die absolute Herrschaft der Birke unbestritten ist. Diese Erscheinung ist sicherlich die Folge der östlicheren Lage des Profiles. Weiter nach NO ist zur gleichen Zeit offenbar die Birke stärker vorherrschend (Kieshofer Moor (Hallik 1944), Rügen, Credner-See, Niedersee, (BoehmHartmann 1937) oder es kommt sogar zu einer fast reinen Birkenzeit (Rügen, Mukraner-See (Boehm-Hartmann 1937)). Die Grenze zur Z o n e V (Vorwärme-Zeit, Praeboreal) liegt bei dem Abfall der NBP-Kurve. Gleichzeitig gehen die Salix-Wevtc deutlich zurück, die ifotraez-Kurve setzt aus und die Artemisia-Werte werden langsam geringer. Die Zone läßt sich klar in Va und Vb untergliedern. Die Grenze Va/Vb wird mit dem Beginn der geschlossenen Hasel-Kurve (empirische Pollengrenze der Hasel) gezogen. In Va sind Birke und Kiefer bei mehrmals wechselnder Dominanz im Ganzen gesehen noch ziemlich gleichmäßig vertreten, wenn auch die Kiefer eine leichte Führung zu haben scheint. Ab Vb ändert sich das Bild. Jetzt kommt es zu einer ausgesprochenen Kiefernzeit, in der die Birke immer mehr an Bedeutung verliert. In Vb erscheinen als erste Vertreter des Eichenmischwaldes (EMW) einige vereinzelte Pollenkörner der Ulme. In der Zone V ist wieder, wie am Ende der Zone IV, die Kiefer weitaus stärker vertreten als in Schleswig-Holstein und auch ihre absolute Herrschaft setzt früher ein, bereits ab Zone Vb, während dasselbe Waldbild in Schleswig-Holstein und Dänemark erst ab Zone VI erreicht wird, soweit in diesen Landschaften eine ausgeprägte Kiefernzeit vorhanden ist. Die Zonengrenze IV/V kann wegen ihrer großklimatischen Bedingtheit als im Wesentlichen f ü r den Schweriner See, Schleswig-Holstein und Dänemark zeitgleich angesehen werden. Ihre mögliche Verspätung nach Norden ist wahrscheinlich so gering, daß sie vernachlässigt werden kann. Die bisher vorliegenden C 14 -Daten f ü r das Spätglazial, insbesondere die Alleröd-Zeit, ergeben f ü r das ganze nordeuropäische Flachland eine so genaue Übereinstimmung (vergl. die Zusammenstellung bei Gross 1958), daß wir auch f ü r das Ende des Spätglazials, die Zonengrenze IV/V, dieselbe zeitliche Übereinstimmung annehmen dürfen (Schmitz 1955). Nach Radiocarbon-Datierung in Dänemark (Böllingsö, Jütland) fällt sie dort in die Zeit um 8350 ± 350 v. u. Z. 1 ) (Anderson, Levi and Tauber 1953, Krog 1954), in England um 8307 ± ca. 350 v. u. Z. Anders liegen die Dinge bei der Grenze Va/Vb. In dem Abschnitt Vb, der durch die geschlossene niedrige Corylus-Kurve charakterisiert ist, handelt es sich um eine Arealerweiterung der Hasel. Wir müssen damit rechnen, daß der Beginn dieses Abschnittes nicht überall v. u. Z. bedeutet: „vor unserer Zeitrechnung", also vor Zeitwende; u. Z. dementsprechend: nach Zeitwende. 2*
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H E I N Z SCHMITZ
gleichzeitig einsetzt, sondern daß insbesondere nach Norden eine Verzögerung vorliegt. Wie schon betont, ist die Kiefernherrschaft zu dieser Zeit in Hohen Viechein sicher erheblich früher anzusetzen als in Schleswig-Holstein und Dänemark, so kann auch die regelmäßige Hasel-Vertretung in Hohen Viechein früher einsetzen als in dem übrigen Vergleichsgebiet. Ähnlich verhält es sich mit der Z o n e V I (Frühe Wärmezeit l.Teil, Boreal l.Teil). Sie wird gegen die Zone V begrenzt durch den Beginn der geschlossenen Kurve des EMW und die langsam ansteigenden Haselwerte (rationelle Pollengrenze der Hasel). In ihr finden sich die absolut höchsten Prozente des Kiefernpollens. Der zeitliche Unterschied dieser Zone ist wahrscheinlich im gesamten hier betrachteten Gebiet nicht sehr groß, denn überall ist schon seit dem letzten Teil der Zone V die Hasel vorhanden und auch einzelne Vorposten des EMW sind schon aufgetreten. Die waldgeschichtlichen Änderungen dieser Zone sind aber nicht so einschneidend, daß sie durch eine ± plötzliche Änderung des Großklimas erklärt werden müssen. Sie erscheinen vielmehr als die Auswirkung und Vollendung eines schon in Vb einsetzenden Prozesses der langsamen Ausbreitung der Hasel, des EMW und der Kiefer in Zusammenhang mit einer fortschreitenden Klimaverbesserung, insbesondere des Temperaturklimas. Diese Klimabesserung kann langsam nach Norden vorgedrungen sein. Deshalb braucht der Beginn der Zone VI nicht absolut zeitgleich zu sein, während der Endabschnitt der Zone VI wahrscheinlich höchstens noch geringe Zeitunterschiede aufweist. Da jedoch die gesamte Zone VI nur einen kurzen Zeitraum umfaßt, dürfte die ZeitdifFerenz insgesamt nicht sehr groß sein. Die Z o n e V I I (Frühe Wärmezeit 2. Teil, Boreal 2. Teil) beginnt mit dem plötzlichen Steilanstieg der Haselkurve und reicht bis zu ihrem Abfall nach dem 1. Maximum. Unter den Bäumen ist die Kiefernherrschaft unbestritten. Zusammen mit dem Oon/Zws-Maximum kommt es zu einem kleinen Birkengipfel. Auch Gehl (1955) weist darauf hin, daß in Mecklenburg um die Zeit des 1. Hasel-Maximums, teils vorher, teils nachher, ein Birken-Vorstoß zu beobachten ist. Da in den von Gehl vorgelegten Profilen — bei anderer Fragestellung — die Probenabstände wesentlich weiter genommen worden sind als in den hier besprochenen Profilen, ist dort meistens zwischen Con/Zws-Maximum 1 und 2 nicht deutlich zu unterscheiden, und die beiden Maxima fließen mehr oder weniger zu einem breiten Gipfel zusammen. Dadurch ist dann auch die Lage des Birkengipfels im Verhältnis zum Hasel-Maximum verwischt. In dem Durchschnittsdiagramm aus Ostholstein (Schmitz 1953) ist dieser Birkenvorstoß zur Zeit des Hasel-Maximums 1 nur schwach angedeutet, dagegen ist er in Travemünde (Schmitz 1952b) gut ausgebildet. Ebenso ist er z. B. im Schlüsbeker Moor (Tidelski 1955), im Vielmoor (Averdieck 1957a), im Sachsenwald ostwärts Hamburg (Averdieck 1958), auf der Husumer Geest bei Stieglund und Kollund (Ernst 1934) deutlich zu erkennen. In Ulsnis (Schröder 1935) ist er wohl ebenfalls schwach angedeutet. Auch in Dänemark tritt er zum Teil in Erscheinung, z. B. in Verup Mose (Jörgensen 1954), in den meisten Diagrammen aus NW-Jütland von Jonassen (1950), bei Ulfborg in W-Jütland (Jonassen 1954) und in Stevningen auf Fünen (Nilsson 1948). Angedeutet findet er sich am Even-See beim Praesto Fjord (Mikkelsen 1949) und im Svanemosse bei Kolding in Jütland (Nilsson 1948). Auch in Schonen ist er vorhanden (Nilsson 1935, Leitniveau VIIIb). Auf Rügen, in dem Diagramm vom Niedersee ist das reichere Birkenvorkommen während des Hasel-Maximums 1 ebenfalls zu beobachten (Boehm-Hartmann 1937). Es soll hier auf diese weit verbreitete Erscheinung zunächst nur hingewiesen werden, ohne eine Deutung zu versuchen. Das 1. Oon/fats-Maximum ist in ganz Mittel- und Westeuropa bis weit nach Nordeuropa ein ungemein charakteristisches Phänomen, das überall in der gleichen Diagrammlage mit einem plötzlichen Steilanstieg der Kurve einsetzt, nachdem die Hasel allgemein verbreitet und auch schon eine erhebliche Vermehrung ihrer Standorte, manifestiert durch eine langsame Zunahme ihrer Prozentwerte, erfahren hat. Ihre plötzliche und rasche Ausbreitung zu
Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein
21
einer beherrschenden Holzart ist nur durch eine ebenfalls sehr schnell sich auswirkende großklimatische Änderung zu erklären, die yermutlich in erster Linie in einer Zunahme der Wärme bestanden hat. Dabei hat das Ausmaß dieser Klimaänderung sicherlich das Erreichen eines Schwellenwertes f ü r die Ausbreitungsmöglichkeit der Hasel erheblich überschritten. Dieser Schwellenwert war schon früher, mit der rationellen Pollengrenze erreicht. Der Steilanstieg der Kurve zeigt den Beginn eines Optimums f ü r die Hasel an, das sie zu der mehr oder weniger herrschenden Holzart machte. Wenn auch eine Verzögerung dieser Erscheinung von Süden nach Norden und insbesondere in Nordeuropa angenommen werden muß, so ist doch offensichtlich der Wechsel im Waldbild so rasch vor sich gegangen, daß in einem klimatisch, orographisch und in Herkunft und Struktur seiner Böden so einheitlichen Gebiet wie dem nordwestdeutschen Flachland und großen Teilen Dänemarks der Beginn des Steilanstiegs der Hasel als praktisch gleichzeitig angesehen werden darf. Das Erreichen der Höchstwerte kann in diesen Landschaften schon eher zeitlich etwas differieren, weil hierfür außer dem Klima noch Standorts- und Konkurrenz-Faktoren eine größere Rolle spielen. Immerhin dürfte auch die ZeitdifFerenz der erreichten Höchstwerte in einer so gleichartigen Landschaft nicht allzu groß sein. Aber als zeitlicher Fixpunkt ist sicherlich der Beginn des Steilanstieges besser zu verwerten (Schmitz 1955). Es ist dabei gleichgültig, daß wir bisher über Art und Ausmaß der verursachenden Klimaänderung noch keine präzisen Aussagen machen können. Nach C14-Messungen ist der Steilanstieg der Hasel in England auf 7052 ± 194 und 6859 j 192 v. u. Z. (Godwin, Walker and Willis 1957), in den Niederlanden auf 6675 ± 180 v. u. Z. datiert (van Zeist 1955b). In Ostholstein ist das Cor?/?w.s-Maximum 1 meistens zweigipfelig, am Schweriner See finden wir dagegen nur einen einheitlichen Gipfel. Eine in einzelnen Landschaften auftretende Mehrgipfeligkeit braucht auch f ü r ein kleineres Teilgebiet keine klimatische Ursache zu haben. Es dürfte sich dabei vermutlich um ein Einpendeln in einen Gleichgewichtszustand in dem neuen Vegetationsbild handeln. Gerade diese häufiger auftretende Mehrgipfeligkeit des 1. Hasel-Maximums zeigt aber, daß als zeitlicher Fixpunkt der Beginn des Steilanstieges besser und eindeutiger zu verwenden ist als der Gipfel. Der Anfang der Z o n e V I I I (Mittlere Wärmezeit, Atlantikum) ist charakterisiert durch den raschen Anstieg der Kurven von EMW und Erle bei entsprechendem Rückgang der Kiefernkurve und dem steilen Abfall der Haselwerte von ihrem 1. Maximum. Als weiteres Merkmal kann die rationelle Pollengrenze von Tilia herangezogen werden. In Hohen Viechein fallen empirische und rationelle Pollengrenze der Linde an der Zonengrenze VII/VIII zusammen. Wegen zu geringer Vertretung von Hedem und Viscum können ihre empirischen Pollengrenzen nicht zur Grenzziehung verwandt werden. Jörgensen (1954) weist mit Recht d a r a u f h i n , daß die Erle und insbesondere ihre stärkere Ausbreitung sehr von lokalen Faktoren, vor allem dem Grundwasserstand, abhängt und ihr Ausbreitungsbeginn deshalb nicht zur Zonenbegrenzung und erst recht nicht f ü r einen Zeitvergleich geeignet ist. In Hohen Viechein und Schleswig-Holstein fallen der steile Anstieg der EMW- und Erlen-Kurven fast immer zusammen, die rationelle Pollengrenze, des EMW liegt aber häufig schon etwas vor der von Alnus und fällt dann noch in den Bereich des 1. Hasel-Maximums. Die entscheidenden Merkmale der Zonengrenze VII/VIII sind demnach der Beginn des Steilanstieges des EMW, der schroffe Abfall der Oori/fes-Kurve von ihrem 1. Maximum und die rationelle Pollengrenze der Linde. Daß die Zonengrenze klimatisch bedingt und in unserem einheitlichen Gebiet praktisch gleichzeitig ist, wird allgemein angenommen. Dabei bleibt es schwer, sich eine Klimaänderung vorzustellen, durch die einerseits Eiche, Ulme und Linde eine starke Förderung auf Kosten der Kiefer erfahren und andererseits die Hasel einen rapiden Rückgang, der zumindest in vielen Fällen in Nordwestdeutschland nicht durch die Konkurrenz des EMW erklärt werden kann, weil kurze Zeit später trotz dieser Konkurrenz neue, sehr bedeutende Hasel-Maxima (C 2) auftreten. Der Rückgang der Hasel zwischen C 1
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und C 2 ist so stark und übertrifft die Rückschläge zwischen den Gipfeln bei Mehrgipfeligkeit der Maxima C 1 und C 2 so sehr, daß wir wirklich getrennte Maxima annehmen müssen und das Minimum zwischen C 1 und C 2 nicht mit Einpendeln in eine neue Gleichgewichtslage erklären können. Die rationelle Pollengrenze des EMW, zunächst nur repräsentiert durch Eiche und Ulme, mit einem langsamen Anstieg liegt sowohl in Hohen Viechein wie in Schleswig-Holstein, zum Teil auch in Dänemark, schon früher, noch in der Zone VII, zugleich mit dem Corylus-Maximum 1. Die Hasel erreicht also ihre Höchstwerte bei schon ansteigendem EMW. Dieser Umstand spricht ebenfalls dagegen, den Rückgang der Hasel von ihrem 1. Maximum mit der Konkurrenz des sich ausbreitenden EMW zu erklären, wie das Aletsee (1959) versucht. Unbestritten ist allgemein eine größere Niederschlagsmenge und höhere Ozeanität der Mittleren Wärmezeit, des Atlantikums, die sich auch im Vegetationsbild durch das nunmehrige Erscheinen von Pollen von Hedera und Viscum und durch die allmählich sich schließende Fraxinus-Kmvc zum Ausdruck kommt (Iversen 1944, Jörgensen 1954). Geringere Schwankungen der Feuchtigkeit innerhalb der Zone werden dadurch nicht, ausgeschlossen (Overbeck 1952). Ob und inwieweit sich zwischen Niederschlagsschwankungen und dem Haselanteil Parallelen und kausale Zusammenhänge herstellen lassen, ist bisher noch unsicher. Für Hohen Viechein wird die Gleichzeitigkeit der Zonengrenze VII/VIII (Boreal/Atlantikum) mit Schleswig-Holstein und der Zonengrenze Vb/VI in Dänemark nach Jörgensen (1954) angenommen. Sie wird allgemein auf rund 5500 v. u. Z. angesetzt. Nach C14-Messungen ist sie — auf Grund des Erlenanstieges gezogen — in Irland jünger als 5725 i 110 v. u. Z. (Mitchell 1958), in England auf 5475 ± ca. 350 v. u. Z. (Godwin, Walker and Willis 1957), in den nordöstlichen Niederlanden bei gleichzeitigem EMW-Anstieg auf 5790 ± 135 v. u. Z., vielleicht etwas jünger (van Zeist 1955b) datiert. Innerhalb der Zone V I I I ist zunächst das Con/Ziis-Maximum 2 sehr typisch ausgebildet, wie in Niedersachsen, in Ostholstein und im Vielmoor (Averdieck 1957). Im übrigen Schleswig-Holstein und in Dänemark ist es manchmal deutlich ausgeprägt, vielfach aber undeutlich oder es fehlt überhaupt. Im weiteren Verlauf der Zone V I I I ist die Hasel-Kurve ohne besondere Charakteristika. Das niedersächsische Maximum 3 (Overbeck und Schneider 1938) ist nicht ausgebildet. Da C 3 schon in Ostholstein nur ungenau festzulegen und im übrigen Schleswig-Holstein meist gar nicht zu erkennen ist, wird die Haselkurve besser nicht zur Unterteilung der Zone VIII herangezogen (vergl. auch Schütrumpf 1951). Dagegen läßt sich eine Gliederung in V i l l a und V I I I b nach dem Verhalten der Komponenten des EMW vornehmen, die wohl über das ostholsteinische Jungmoränengebiet hinaus auch f ü r das übrige Schleswig-Holstein im Wesentlichen gültig ist und wahrscheinlich zeitlich _[_ gleich angesetzt werden darf. Im zweiten Teil der Zone, in VIII b, nimmt der Anteil der Eiche im EMW deutlich zu, Ulme und Linde erleiden einen leichten Rückgang (Schmitz 1953, Averdieck 1957). In Hohen Viechein ist in V I I I b ebenfalls ein Anstieg der Erlenkurve zu beobachten, wenn auch hier etwas schwächer als in Schleswig-Holstein. Andererseits beginnt erst in dieser Unterzone die geschlossene Kurve von Fraxinus, also ungewöhnlich spät. Die Kiefer behält ihre abfallende Tendenz, ihre Kurve sinkt in V l l l b endgültig unter die des EMW. Der Schnittpunkt der beiden Kurven fällt in Hohen Viechein gerade mit der Grenze V I I I a / V I H b zusammen, dieses Ereignis dient aber aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht zur Begründung der Grenze und erst recht nicht f ü r irgendeinen Zeitvergleich. Es zeigt sich nur deutlich, daß in diesem östlicheren Gebiet die Kiefer noch erheblich länger höhere Prozentwerte beibehält als in den westlicheren Landschaften. Unmittelbar vor der Grenze der Unterabschnitte V l l l a / V I I I b liegt ein ausgeprägtes Haselminimum. Es könnte durchaus dem Gorylus-Mmmmm. entsprechen, das in Niedersachsen zur Festlegung der Grenze V l l l a / V I I I b dient (Overbeck und Schneider 1938) und das auch in Ostholstein _-}• gut in Erscheinung tritt,
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Mit der Z o n e I X beginnt die Späte Wärmezeit, das Subboreal. Als Grenze V I I I / I X wird das erste Einsetzen des Ulmenabfalles angenommen, der meistens mit einem mehr oder weniger gleichlaufenden Lindenrückgang gekoppelt ist (Jessen 1935, Nilsson 1935, Iversen 1941, Schmitz 1953, 1955). Wenn wir auch die klimatischen Ursachen dieses plötzlichen und allgemein auffälligen Ulmenrückganges noch nicht im Einzelnen definieren können, so bleibt doch eine Erklärung dieses Phänomens auf Grund einer großklimatischen Änderung die zwangloseste (vergl. die Diskussion bei Aletsee 1959 S. 38f.), zumal nach den wenigen bisher vorliegenden C 14 -Altersbestimmungen der Ulmenabfall in Nordwesteuropa als synchron (rund 3000 v. u. Z.) anzusehen ist. Auch ein von Aletsee (1959 S. 40) in Erwägung gezogenes Ulmensterben durch eine epidemisch aufgetretene Krankheit löst das Problem nicht, weil bei dem Ulmensterben der letzten Jahrzehnte im Wesentlichen nur die in Städten und an Straßen angepflanzten und die am R a n d e des natürlichen Verbreitungsgebietes wachsenden Ulmen betroffen worden sind, also offensichtlich Exemplare mit geminderter Vitalität. Man müßte auch bei dem Ulmenabfall an der Zonengrenze V I I I / I X nach der Ursache der Disposition zur Krankheitsanfälligkeit fragen und käme dann als wahrscheinlichste Erklärung wieder zu einer Vitalitätsminderung aus klimatischen Ursachen. Es wird also der Ulmenabfall und damit die Zonengrenze V I I I / I X weiterhin als großklimatisch bedingt und f ü r das engere Vergleichsgebiet als gleichzeitig und mit der dänischen Zonengrenze V I I / V I I I übereinstimmend angesehen. Nach C 14 -Messungen in Dänemark (Troels-Smith 1956), Ostfriesland (Grohne 1957), den Niederlanden (van Zeist 1955b, Florschütz 1957, De Vries, Barendsen, Waterbolk 1958) und England (Godwin, Walker and Willis 1957) liegt diese Grenze (Ulmenabfall!) um das J a h r 3000 v. u. Z. Auch Mitchell (1958) interpoliert f ü r Irland auf dieselbe Zeit. F ü r Schleswig-Holstein liegt leider noch kein C 1 4 -Datum dieses Horizontes vor. Ich zweifle aber nicht daran, daß dort und auch in Hohen Viechein die Zeitstellung praktisch gleich ist. Das Waldbild der Zone I X in Hohen Viechein entspricht in seinen Grundzügen dem in Schleswig-Holstein: Die Erle nimmt zu und liegt meistens über dem EMW, die Hasel ist weiterhin reich vertreten und bildet am Ende der Zone kleine Gipfel, die dem Corylus-Maxim u m 4 gleichgesetzt werden. In der 2. Hälfte der Zone beginnt die geschlossene Pollenkurve der Buche. Übereinstimmend mit ganz Nordwesteuropa t r i t t in der Zone I X zum ersten Male Plantago lanceolata auf als Anzeichen der neolithischen Bauernkultur. Abweichend ist das frühzeitige Erscheinen der Hainbuche, die bereits in Zone I X geschlossene Kurvenstücke aufweist und am Ende der Zone V I H b zum ersten Male registriert werden konnte. I n Ostholstein ist die Hainbuche zwar schon in Zone V I I I in Spuren vertreten, ihre geschlossene K u r v e setzt aber deutlich später als in Hohen Viechein, erst gegen Ende der Zone X oder mit Beginn der Zone X I , ein. Am Ende der Zone I X liegt allgemein ein meist deutlich ausgeprägtes Hasel-Maximum, C 4, das aber mehrgipfelig sein kann. Als Ende der Zone wird der letzte Gipfel dieses CorylusMaximums 4 gerechnet. E r ist als großklimatisch bedingt und in Nordwestdeutschland sicher, wahrscheinlich auch noch in den angrenzenden Ländern als gleichzeitig anzusehen (Schmitz 1955) und stellt eine wichtige Zeitmarke dar. Die C 14 -Datierungen in den nordöstlichen Niederlanden (Emmen) stellen ihn auf 1140 ± 150 v. u. Z. (van Zeist 1955b), in Ostfriesland auf etwas älter als 1022 ± 100 v. u. Z. (Grohne 1957). Aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein liegen leider noch keine entsprechenden Messungen vor. F ü r Holstein läßt sich nur sagen, daß C 4 im nördlichen Teil (Doosenmoor bei Einfeld) vor 800 J • 100 und im südlichen Gebiet (Wittmoor bei Hamburg) vor 900 85 v. u. Z. liegt (Overbeck, Münnich, Aletsee und Averdieck 1957). Nach der stratigraphisch-kolorimetrischen Methode nach Overbeck und Griez (1954) hat Aletsee (1958) einige Corylus-Maxima 4 in Holstein und Niedersachsen berechnet. E r kommt dabei auf eine Zeitstellung zwischen etwa 900 und 1100 v. u. Z. Wenn damit auch der C 4-Gipfel ganz erheblich jünger anzusetzen ist, als das bei Schmitz 1955 geschehen ist, so bleibt doch bestehen, daß er offenbar in einem großen Gebiet als im Wesentlichen zeitgleich angesprochen werden kann.
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Unmittelbar nach C 4, bei dem Abfall der Haselkurve von den höheren Werten der Zone IX, liegt der Anfang der Z o n e X (Nachwärmezeit älterer Teil, Subatlantikum älterer Teil). Die Zonengrenze I X / X darf, weil unmittelbar anschließend an C 4 gelegen, ebenfalls als im Wesentlichen gleichzeitig in Nordwestdeutschland betrachtet werden. Die Begründung, warum im Gegensatz zu der bisherigen Auffassung in Nordwestdeutschland die Zone X schon zur Nachwärmezeit gerechnet wird, soll erst bei der Besprechung der Zonengrenze X / X I gegeben werden. Die Zone X in Hohen Viechein ist charakterisiert durch die ständig fallende Haselkurve, im Durchschnitt etwas höhere, gegen das Ende der Zone ganz langsam ansteigende Buchenwerte und die praktisch geschlossene Carpinus-Tiurve. Eine geschlossene Hainbuchen-Kurve mit allerdings erheblich höheren Werten, z. T. über denen der Buche, ist auch nördlich Hamburg (Averdieck 1957a) und im Sachsenwald, ostwärts Hamburg, festgestellt worden (Averdieck 1958), dagegen fehlt sie im Wakenitzmoor bei Lübeck (Schmitz 1951). Die Zone X ist klimatisch gesehen schon immer als eine Übergangszone zwischen der Späten Wärmezeit und der Nachwärmezeit betrachtet worden. Nach den neueren Untersuchungen ist sie ganz wesentlich jünger, als früher angenommen wurde (Overbeck, Münnich, Aletsee und Averdieck 1957, Aletsee 1958). Es ist daher gut verständlich, daß Waterbolk (1954) und van Zeist (1955a) diese Zone schon zum Subatlantikum gestellt haben. Auch Averdieck (1957b, 1958 S. 169 Anm. 10) hält es f ü r möglich, daß die Zone X schon zur Nachwärmezeit gerechnet werden muß. Neuerdings legt dagegen van Zeist (1955b) die Grenze zum Subatlantikum etwa 300 Jahre später, an den Beginn des Anstiegs der Fagus-Kurve zu höheren Werten, d. h. an die Stelle im Pollendiagramm, die in Nordwesteuropa bisher allgemein als die Wende von der Späten Wärmezeit zur Nachwärmezeit angesehen wurde. Die größte Schwierigkeit bereitet die genaue Festlegung der oberen Grenze der Zone X, der G r e n z e X / X I . Während man früher allgemein glaubte, in den nordwestdeutschen Hochmooren die Grenze am besten stratigraphisch, mit dem Beginn des Weißtorfes über dem Schwarztorf, an dem Weberschen „Grenzhorizont" oder der Rekurrenzfläche I I I nach Granlund, festlegen zu können, haben die neueren Arbeiten, vor allem von Overbeck und seinen Mitarbeitern eindeutig gezeigt, daß der Schwarz-Weißtorf-Kontakt auch innerhalb Nordwestdeutschlands nicht gleichzeitig ist, nachdem schon Nilsson (1948b) daraufhingewiesen hatte, daß dieser ,,Grenzhorizont" verschiedenen seiner in Südschweden festgestellten Rekurrenzflächen zugeordnet werden muß und nicht überall gleichzeitig ist. Auch aus Holland sind gleichartige Bedenken angemeldet worden (Waterbolk 1950, vergl. auch Florschütz 1957). Van Zeist (1955a) konnte zeigen, daß nicht einmal in demselben Hochmoor der Schwarz-Weißtorf-Kontakt gleichzeitig zu sein braucht, sondern daß Unterschiede von sicher mehreren Jahrhunderten zwischen Randpartien und zentralem Teil bestehen können. Danach muß der Schwarz-Weißtorf-Kontakt oder der ,,Grenzhorizont" als Marke f ü r die Festlegung der Zonengrenze X / X I ausscheiden, auch wenn, wie sich gezeigt hat, jeweils um die Zeiten der angenommenen Grenze eine Häufung von Kontakten vorhanden ist. Die Festlegung der Grenze X / X I muß daher rein nach pollenanalytischen Merkmalen an einen möglichst deutlichen Wendepunkt in der Waldgeschichte gelegt werden, von dem man annehmen darf, daß er auf großklimatische Änderungen zurückzuführen und daher in einem weiteren Gebiet synchron ist. Das ist in der in Rede stehenden Zeit sehr schwierig, weil die Zone X bereits eine Ubergangszone im klimatischen Sinne und in der Waldentwicklung ist. Man benutzt im festländischen Nordwesteuropa allgemein die rationelle Ftigus-l'ollen gre n ze als Merkmal f ü r die Zonengrenze X / X I und den Beginn der Nachwärmezeit, des Subatlantikums. Dabei muß als die in Frage kommende rationelle Pollengrenze diejenige gelten, bei der der endgültige und bleibende Anstieg der Buchenkurve beginnt, weil gelegentlich,wie auch in Hohen Viechein, schon vorher vorübergehende Anstiege auf wenige Prozent auftreten. Eine Festlegung der Grenze auf Grund einer bestimmten Prozentzahl der FagusPollen ist nicht angängig f ü r den Vergleich über ein größeres Gebiet. Da die bereits in Zone X
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erreichten Werte und die Höchstwerte der Buche je nach Landschaft und Bodenverhältnissen sehr stark schwanken, verläuft auch der Anstieg der Buchenkurve sehr unterschiedlich steil, und die gleiche Prozentzahl wird an verschiedenen Stellen zu unterschiedlichen Zeiten erreicht. Als Beleg f ü r die Schwierigkeit der einheitlichen Festlegung der rationellen Buchenpollengrenze seien einige Beispiele angeführt: I m Vriezenveen in der niederländischen Provinz Overijssel (Florschütz 1957) konnte der rationelle /"agws-Anstieg nach C 1 4 -Bestimmung auf 565 ± 100 v. u. Z. festgelegt werden. In diesem Falle steigt die Buche von 1% auf 9%. I n Emmen, niederländische Provinz Drenthe (van Zeist 1955b) wird die gleiche Grenze bei einem Anstieg von 1,5% auf 3% zwischen den C 14 -Daten von 645 ± 140 und 915 ± 140 auf rund 800 v. u. Z. interpoliert. Im Tannenhauser Moor bei Aurich in Ostfriesland (Grohne 1957) liegt diese Grenze bei dem erstmaligen Erreichen von 2 % nach C 1 4 -Bestimmung um 752 ^ 120 v. u. Z., stimmt also mit E m m e n sehr gut überein. Die Verfasserin betont aber selbst, daß man auch das erstmalige Überschreiten des 3,5%-Wertes auf 6 % als rationelle Grenze ansetzen könnte, dann läge nach C l 4 -Datierung die Zeit bei 192 ^ 170 v. u. Z. Im Allgemeinen muß man bei der rationellen .Fagrtis-Pollengrenze mit einer Verspätung von S nach N rechnen (vergl. die Zusammenstellung bei Aletsee 1958 Abb. 2). Aus alledem ergibt sich, daß die Buche in ihrer weiteren Ausbreitung, ausgedrückt durch ihre rationelle Pollengrenze, nicht als Anzeichen f ü r eine deutliche großklimatische Änderung und einen Zeitvergleich über ein größeres Gebiet hinweg dienen kann. Es hat den Anschein, daß die Buche nur sehr langsam reagiert hat und daß auch ihre rationellen Pollengrenzen teilweise noch in die Zeit ihrer Arealerweiterung fallen und deshalb uneinheitlich sind. Andererseits ist in der Nachwärinezeit in Schleswig-Holstein, Zone X I , (Jankuhn und Schütrumpf 1952, Schmitz 1952a, Averdieck 1957a), in Dänemark, Zone I X , (Jessen 1934, 1945, Mikkelsen 1943, 1949, 1952, Jonassen 1950) und in Schonen, Zone I I und I, (Nilsson 1935) eine deutliche Stufung in der Buchenausbreitung zu beobachten, wobei der Beginn der ersten Stufe jeweils am Anfang der Zone liegt und zur Grenzziehung verwandt wird. Dabei ergibt sich ein Zusammenhang mit Rekurrenzflächen in dem Sinne, daß ein erneuter Buchenanstieg jeweils in die Feuchtphase oberhalb der Rekurrenzfläche fällt. Allerdings ist, worauf Averdieck (1957 S. 84) ausdrücklich hinweist, der Anfang des Buchenanstiegs keineswegs immer genau mit dem Anfang der Feuchtphase in den Hochmooren gekoppelt. Wenn wir aber berücksichtigen, daß nach van Zeist (1955) in demselben Moorkomplex die einsetzende Feuchtphase sich an verschiedenen Stellen zu unterschiedlichen Zeiten auszuwirken beginnen kann, dann dürfen wir auch gar keine stets genaue Übereinstimmung zwischen der stratigraphischen Kontaktfläche und der neu ansteigenden Buchenkurve erwarten. Ein Zusammenhang zwischen den Schwankungen des Niederschlagsklimas und der stufenweisen Buchenausbreitung besteht also offenbar. Dagegen ist es schwer vorstellbar, daß im nordwesteuropäischen Flachlande die Buchenausbreitung erst auf Grund einer Erniedrigung des Temperaturklimas ermöglicht wurde, zumal weiter südlich die Buche auch im Flachund Hügelland schon erheblich früher beträchtlich an Boden gewonnen hatte (vergl. Firbas 1949 S. 246ff.). Von den bei Schmitz (1953) angeführten weiteren pollenanalytischen Merkmalen der Zonengrenze X / X I muß die empirische CarpMuts-Pollengrenze ebenfalls ausscheiden, weil das Verhalten der Hainbuche schon in Holstein sehr uneinheitlich ist (Averdieck 1957, unveröff. eigene Profile aus Südostholstein) und in Hohen Viechein die Hainbuche schon in Zone X in geschlossener Kurve vorhanden ist. Auch das seinerzeit angeführte Absinken der AlnusK u r v e ist nicht allgemein festzustellen. So bleibt nur die deutliche Depression der Hasel an dieser Grenze bestehen. Meistens ist, wie in Hohen Viechein, ein ausgesprochenes Minimum vorhanden. Schon Firbas (1949 S. 51) benutzt zur Grenzziehung zwischen Subboreal und Subatlantikum im norddeutschen Flachland den Abfall der Corylus-YMrve unter 10%. Zu beachten ist aber dabei, daß es sich nur um ein vorübergehendes Minimum handelt, im Verlauf der Zone X I werden fast überall, auch in Schonen und Dänemark, allgemein in den
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küstennahen Landschaften, wieder höhere Werte der Hasel verzeichnet, vielfach neue Maxima, die keineswegs immer auf menschlichen Einfluß zurückgeführt werden können. Ganz besonders hohe Hasel werte werden erneut in der Zone XI im ostfriesischen Küstengebiet erreicht (Overbeck und Schmitz 1931, Grohne 1957). An der Zonengrenze X / X I handelt es sich stets um das Con/Zws-Minimum, das in die ansteigende Buchenkurve fällt (Overbeck, Münnich, Aletsee und Averdieck 1957). Wir können also die Buchenkurve nicht etwa ausscheiden oder vernachlässigen, nur wollen wir uns nicht auf die rationelle Pollengrenze oder bestimmte Werte der Buche festlegen. Es bleibt nach wie vor bestehen, daß die Grenzziehung zwischen den Zonen X und X I besonders schwierig und nicht in jedem Falle sicher und genau vorzunehmen ist . Es fehlt im Waldbild ein einschneidender Wandel, der eindeutig durch eine Änderung des Temperaturklimas zu verstehen wäre. Das ist um so erstaunlicher, als allgemein die Zonengrenze X / X I und die ihr entsprechenden Grenzen V I I I / I X in Dänemark und I I I / I I in Schonen als Grenze zwischen der Späten Wärmezeit und der Nachwärmezeit angesehen wird. Diese Tatsache wird verständlicher durch den Umstand, daß, wie oben bereits erwähnt, die Zone X eine Übergangszone hinsichtlich des Temperatur-, wahrscheinlich aber auch schon des Niederschlags-Klimas ist. Auf jeden Fall aber müssen wir die Grenze zwischen Wärmezeit und Nachwärmezeit auf eine Zonengrenze legen. Die Begriffe Wärmezeit und Nachwärmezeit sind aus der Vegetationsgeschichte abgeleitet und werden aus ihr begründet. Die Pollenzonen umfassen vegetationsgeschichtliche Vorgänge, ihre Grenzen liegen dort, wo sich deutliche Änderungen im Vegetationsbild in den Pollenkurven ausdrücken. Der Umschlag von der Wärmezeit zur Nachwärmezeit muß sich daher auch im Pollendiagramm an einer Zonengrenze festlegen lassen. Außerdem sollte diese Zonengrenze f ü r ein möglichst großes Gebiet weitgehend synchron sein. Das für die Festlegung der Zonengrenze X / X I benutzte Oon/fits-Minimum in der aufsteigenden Buchenkurve spiegelt den vorläufig erreichten Endzustand des Haselabfalls nach dem Maximum 4 wider. Der Haselabfall zu Beginn der Zone X wird als durch eine Verschlechterung des Temperaturklimas hervorgerufen angenommen. Ob die Erreichung des Endzustandes als allgemein gleichzeitig anzusehen ist, bleibt bisher unbewiesen. Es können dabei vor allem durch unterschiedliche Ozeanität der Landschaften, etwa der Küstengebiete gegenüber dem Binnenlande, und auch durch unterschiedliche Bodenbedingungen Verzögerungen eingetreten sein, wie wohl ganz allgemein ein mehr oder weniger vorläufiger Endzustand einer Änderung in der Vegetation nicht so zeitgleich zu sein braucht, wie der großklimatisch bedingte Beginn dieses Wandels. Unter Berücksichtigung aller dargelegten Umstände erscheint es folgerichtiger, die Übergangszone X, an deren Anfang sich eine Verschlechterung des Temperaturklimas erkennen läßt, bereits zur Nachwärmezeit zu rechnen. Wir erhalten damit eine in den Pollendiagrammen deutlich festzulegende Grenze zwischen Später Wärmezeit und Nachwärmezeit, die offenbar im festländischen Nordwesteuropa weitgehend synchron ist. Daß dadurch der Beginn der Nachwärmezeit, des Subatlantikums, mit rund 1100 — 1000 v . u . Z . , um einige Jahrhunderte früher angesetzt werden muß, als bisher geschätzt, ist kein Gegenargument. Wir sind erst jetzt, durch die neueren C 14 -Datierungen, in der Lage, die einzelnen Pollenzonen und Klimaabschnitte des Postglazials absolut zeitlich genauer fixieren zu können und müssen die bisherigen Schätzungen revidieren. So ist ja auch der Anfang der Späten Wärmezeit mit rund 3000 v. u. Z. heute früher anzusetzen als ursprünglich bei Firbas (1949). Die hier vertretene Grenze zwischen Später Wärmezeit (Subboreal) und Nachwärmezeit (Subatlantikum) scheidet dann allerdings in unserem Vergleichsgebiet nicht mehr Bronzezeit und Eisenzeit voneinander, sondern die späte Bronzezeit fällt bereits in die Nachwärmezeit. Da sich aber in Nordwesteuropa nach siedlungsarchäologischen Befunden in der späteren Bronzezeit schon Verschiebungen in den Siedlungsräumen bemerkbar machen, die wohl mit klimatischen Gründen zusammenhängen, in erster Linie allerdings mit Änderungen im Niederschlagsklima, aber außerdem vielleicht auch mit einer Abnahme der Sommertempera-
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tur, zumindest als Folge der erhöhten sommerlichen Niederschläge, so bestehen vom vorgeschichtlichen Gesichtspunkt aus keine Bedenken gegen diese Grenzziehung, eher deuten die archäologischen Befunde in derselben Richtung (vergl. dazu die Darstellung bei Jankuhn (1952) und die dort zitierte Literatur). Innerhalb der Z o n e X I (Nachwärmezeit jüngerer Teil, Subatlantikum jüngerer Teil) können wir auch in Hohen Viechein die früher bereits erwähnten 3 Buchenstufen erkennen. Die erste, mit noch niedrigen Buchenwerten, reicht von 105 bis 75 cm, die zweite, mit mittleren Pollenprozenten, von 75 bis 50 cm und die dritte, mit den höchsten Pollenwerten, von 50 bis 20 cm. Anschließend setzt der durch den Menschen bedingte Rückgang der Buche ein. Nach dem oben Gesagten besteht sicherlich ein Zusammenhang zwischen Schwankungen des Niederschlagsklimas und den Buchenstufen. Der Beginn der ersten Buchenstufe mit der rationellen Pollengrenze der Buche kann, wie oben bereits dargelegt, nicht ohne weiteres als synchroner Horizont für ein weiteres Gebiet angesprochen werden, weil er teilweise noch in die Zeit der Arealerweiterung der Buche fällt. Eine andere Frage ist es aber nun, ob sich weiterhin das Niederschlagsklima in einem größeren Raum, etwa im gesamten Nordwesteuropa, jeweils so gleichzeitig geändert hat und die Reaktion der Buche so prompt erfolgt ist, daß wir die folgenden Buchenstufen, die keine Arealerweiterung mehr beinhalten, zur zeitlichen Konnektierung verwenden können. In den Ländern Schleswig-Holstein, Dänemark und Schonen, die die drei Buchenstufen deutlich aufweisen, ist das Niederschlagsklima heute so einheitlich, daß eine große Wahrscheinlichkeit besteht, daß sich Änderungen im Niederschlagsklima der jüngeren Nachwärmezeit auch einheitlich und gleichzeitig ausgewirkt haben und die weiteren Stufungen in der Buchenausbreitung im Wesentlichen synchron sind. Hohen Viechein dürfte sich hier wahrscheinlich in gleicher Weise einordnen. Der sichere Beweis dafür steht aber noch aus. Die neuen C 14 -Datierungen aus dem Wittmoor nördlich Hamburg (Averdieck und Münnich 1957, Overbeck, Münnich, Aletsee und Averdieck 1957) stimmen allerdings nicht mit den gut begründeten archäologischen und historischen Datierungen aus Dänemark und Schonen überein. Es fehlen aus Schleswig-Holstein noch eindeutige archäologisch-historische Zeitbestimmungen f ü r die jüngeren Buchenstufen und Rekurrenzflächen. Sie wären in diesen jungen Zeitabschnitten, bei denen es um einzelne Jahrhunderte geht, den C14-Messungen vorzuziehen, weil bei den letzteren doch meistens der statistische Fehler und die wahre Fehlergrenze so erheblich sind, daß Schwankungen der Zeitangabe um mehr als 1 bis 2 Jahrhunderte nicht auszuschließen sind. Außerdem wären Datierungen der pollenanalytisch erfaßten Buchenstufen erwünscht, nicht nur eine Zeitstellung auf dem Umweg über Rekurrenzflächen, wobei weitere Fehlermöglichkeiten, etwa durch verschieden schnelle Reaktion des Moorwachstums oder seine Unterbrechung, auftreten können. In die Zeit der ersten Buchenstufe fällt ein sehr deutlich verstärktes Kiefernvorkommen. Dieselbe Erscheinung treffen wir im Wakenitz-Moor bei Lübeck an (Schmitz 1951) und allgemein in Ostholstein (Schmitz 1953). Sie ist sicher nicht durch den Menschen hervorgerufen, denn sie fällt mindestens überwiegend in einen Abschnitt der Pollendiagramme mit geringer menschlicher Siedlungsaktivität laut Ausweis der siedlungsanzeigenden Nichtbaumpollen. In Hohen Viechein liegen die erhöhten Kiefernwerte in einer Zeit mit fast ganz fehlenden Siedlungsanzeigern. Schon Jessen (1934 S. 188) hat darauf aufmerksam gemacht, daß in den meisten jütländischen Diagrammen in dem unteren Teil seiner Zone IX, die unserer Zone X I entspricht, ein vorübergehender Kiefernanstieg zu verzeichnen ist. Die neueren Diagramme von Andersen (1954) aus Südjütland zeigen die gleiche Erscheinung, aber auch in Südfünen (Nilsson 1948) und in Südost-Seeland (Mikkelsen 1949) ist sie zu beobachten. Eine Erklärung dieses Kiefernvorstoßes muß offen bleiben. Eine klimatische Begründung läßt sich nicht geben, denn eine Klimaschwankung, die gleichzeitig Buche und Kiefer begünstigt, ist schwer vorstellbar, auch ist die Erscheinung nicht so großräumig, daß man an eine klimatische Ursache denken müßte, die über lokale Auswirkungen hinausgeht. Die
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vorübergehende Kiefernzunahme ist nur festgestellt am Rande des natürlichen Verbreitungsgebietes der Kiefer, in Landschaften, in denen die Kiefer niemals völlig gefehlt, sondern mindestens sporadisch kleine, inselartige Vorkommen auf Mooren oder Sandlinsen gehabt hat. Gegen Ende der ersten Buchenstufe liegt das f.'nrylus-Maximum 5. Es entspricht unter Berücksichtigung der übrigen Pollenkurven in seiner Diagrammlage so vollständig dem Cor¡/Iiis-Ma x i m u m 5 in Schleswig-Holstein, daß es unbedenklich als synchron angesehen werden kann (Schmitz 1953, 1055). Nach den Untersuchungen von Schiitrumpf (1951b, 1952, J a n kuhn und Schütrumpf 1952, vergl. auch Schmitz 1952a Anm. 43, 1953, 1955) ist es zwischen 200—400 u. Z. anzusetzen. Neuerdings ist es auch bei Averdieck (1957a) und Aletsee (1959) im mittleren und nördlichen Holstein und südlich Hamburg bei Hollinde (Averdieck 1957b) festgestellt worden. Ob das Hasel-Maximum 5 in Ostfriesland (Grohne 1957) mit unserem C 5 zeitgleich ist, kann man bisher nur vermuten, aber nicht beweisen. Ob das erste Buchen-Maximum bei 50 cm in Hohen Viechein mit dem 1. Buchen-Maximum um 1300 u. Z. bei Lübeck (Schmitz 1951) zeitlich zu parallelisieren ist, muß zunächst noch offen bleiben, wenn auch nichts in dem Tollendiagramm dagegen spricht. Die Hainbuchen-Kurve bleibt auffallend niedrig, sie erreicht maximal 6,5%. Ihr Abfall setzt unmittelbar nach dem Maximum, kurz nach dem Buchenabfall und mit Beginn des sekundären Kiefernanstieges ein. Es sind genau dieselben Verhältnisse wie im WakenitzMoor bei Lübeck (Schmitz 1951). Die Z o n e n g r e n z e X I / X I I ist stets schwer festzulegen und muß örtlich verschieden angesetzt werden. Die Z o n e X I I ist nach Firbas (1949 S.51, Zone X) die Zeit stark genutzter Wälder und Forste, nach Overbeck (1950 S. 68) die Zeit starker Zurückdrängung, Nutzung und Umgestaltung der Wälder. Nach der Definition hängt es weitgehend vom Ermessen des Bearbeiters ab, wo er seine Grenze X I / X I I zieht. Die allgemeine stärkere Zurückdrängung der Wälder durch zunehmende Kultivierung des Landes setzt schon sehr früh ein und ist durch die Zunahme der N B P und der Kulturanzeiger unter ihnen im besonderen im Pollendiagramm markiert. Die Nutzung der Wälder macht sich durch eine zunehmende Unruhe der Kurven der Baumpollen bemerkbar, wobei bald die Eiche einen vorübergehenden Abfall zeigt, bald die Erle, und andererseits Lichthölzer wie Birke und Hasel, aber auch die Kiefer eine Zunahme erfahren. Gleichzeitig aber breitet sich die Buche in den noch erhaltenen, gegenüber heute noch sehr umfangreichen Wäldern immer mehr aus. Diese Buchenausbreitung in dem ganzen Vergleichsgebiet ist sicher ein natürlicher Vorgang und nicht durch den Menschen bedingt. Die Zusammensetzung des Waldes und sein Gesicht ändert sich also in dieser jungen Zeit noch auf natürliche Weise, und die Eingriffe des Menschen zur Nutzung einzelner Teilstücke des Waldes können diese natürliche Umwandlung des Waldbildes höchstens modifizieren, aber nicht grundsätzlich ändern. Erst mit dem Abfall der Buchenkurve von ihrem Höchstwert setzt der Wechsel ein. Mit der Buche gehen die Eiche und auch sehr bald die Hainbuche zurück, die Erlenpollen zeigen, sicher auf Grund des örtlichen Vorkommens der Erle am Seeufer, eine relative Zunahme, ebenso weisen Birke, Kiefer und Hasel jetzt höhere WTerte auf, desgleichen die N B P . Hier beginnt offenbar die großräumige Verdrängung des Waldes. Deshalb ist hier am besten die Grenze zwischen Zone X I und X I I anzusetzen. Über ihre Zeitstellung ist nichts Genaueres auszusagen. Nach dem Vergleich mit dem Wakenitz-Profil liegt sie wohl sicher erst nach 1300 u.Z. Die beiden obersten Proben mit dem starken Kiefernanstieg fallen sicher schon in die Zeit der künstlichen Kiefernaufforstung. Zwischen 25 und 15 cm macht sich ein deutlicher Rückgang bis zum völligen Verschwinden der siedlungsanzeigenden N B P bemerkbar. E r könnte nach der Diagrammlage in das J a h r hundert des Dreißigjährigen Krieges gehören. Jedoch bedarf es zunächst noch einer Uberprüfung der geschichtlichen Quellen, ob und wann in der Gegend von Hohen Viechein ein Siedlungsrückgang stattgefunden hat, ehe sich über diese vorläufige Vermutung etwas aussagen läßt. In dieses Vergleichsprofil muß nun das Profil HV 7 aus der Grabung, Schnitt 9 c, Nordwand, eingeordnet werden.
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II. Das Profil HV 7 Bei dem Profil HV 7 (Abb. 5) handelt es sich ebenfalls lim eine Verlandungsserie vom Ufer des Sees. Über 51 cm Grobdetritus-Gyttja liegen 16 cm tonige Kalkgyttja und darauf wenige cm Seggentorf, der sehr schnell in Kiefernbruchwaldtorf übergeht. Darüber folgen gestörte Schichten. Stratigraphie 0 - 20 cm ö l cm —100 cm
- 105,3 cm -113,5 em -115 cm - 119,5 cm
aufgetragener Lehmboden, aufgetragener Sand. Sand mit Linsen, Schlieren und unregelmäßigen Bändern leicht humosen und eisenschüssigen Materials. Einige später eingewachsene Phragmites-'Rhizome. Ab 89 cm etwas stärker humos. Diese Sandschicht ist mit dem Hangenden und Liegenden unregelmäßig verzahnt und in ihrer Lagerung offensichtlich gestört. dunkelgrauer. stark humoser Sand. etwas sandiger Bruchwaldtorf, H 8—9. mit Holzreston und Schilfrhizomen. humoser Sand. sandiger Bruchwaldtorf. Ilobf« Vi«}*!*
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Abb. 5. Pollendiagramm Hohen Viecheln, Profil H V 7 Schwarze Balken links neben den Tiefenzahlen: Fundbereich der Artefakte. Sonst wie Abb. 4
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— 128 cm
Sand mit humosen Bändern, Linsen und Schlieren. Mittelsand mit Kiesstückchen bis 8 mm 0 . An der Unterkante mit dem liegenden Bruchwaldtorf verzahnt, die Oberkante des Bruchwaldtorfcs mindestens teilweise aufgearbeitet. - 1 3 5 / 3 7 cm sandiger Bruchwaldtorf, H 8 - 9 . — 144/47 cm stark lmmoser Sand mit Kesten von Bruchwaldtorf, Schilfrhizomen, angekohltem Holz. Grobsand mit Feinkies. — 174 cm sehr stark mit Sand durchmischter Seggen-Schilftorf mit Rhizomen und vereinzelten Holz- und Reiser-Resten. — 218 cm Kiefernbruchwaldtorf, die obersten cm sandig, bis 183 cm Sandgehalt ausklingend. Bei 214 cm Brandlage. - - 2 2 1 cm Seggentorf mit Bruchwaldanflug. —225 cm Seggentorf mit Conchylien. —241 cm tonige K a l k g y t t j a , gelbgrau, mit feinen humosen Bändern und Linsen. —247 cm dunkelgraue Grobdetritusgyttja mit Carex- und PAmgimiies-Rhizomen und Conchylien. — 292 cm schwarzgraue Grobdetritusgyttja, etwas feiner in der Struktur, mit Conchylien. Stellenweise Conchylien-Grus angereichert, besonders zwischen 207 und 270 cm. Meist leicht feinsandig, ab 270 cm Sandgehalt allmählich zunehmend, ab 280 cm weniger Conchylien. Vereinzelt Holzrestc. ab 292 cm Mittelsand.
Die Artefakte liegen in der Gyttja zwischen 225 und 280 cm, die Hauptmasse in der dunklen Grobdetritusgyttja zwischen 241 und 255 cm. Die Schichten zwischen 105 und 174 cm repräsentieren ein stark gestörtes Uferprofil, wie es in korrespondierender Lage an der ganzen Grabungsstelle anzutreffen und besonders gut in Längsschnitten durch den LTferrand zu erkennen ist. In der Zeit der Pollenzone VI I I b (dem späteren Atlantikum) sind die am Ufer gebildeten Torfschichten, Seggen-Schilftorfe und Bruchwaldtorfe durch die Brandung und Eisbildung am Seeufer teils verschoben, teils aufgearbeitet und mit Sand aus dem anstehenden Hochufer vermischt worden. Es hat also anscheinend spätestens im jüngeren Atlantikum eine Erhöhung des Seespiegels stattgefunden, so daß die terrestrischen Torfe des Ufers in die Brandungs- und Eisbildungs-Zone des Sees gerieten und das Hochufer angenagt worden ist. Heute liegen diese gestörten Schichten und teilweise auch der oberste Teil der Gyttjen oberhalb des Seespiegels. Die in dem Profil erfaßte Waldgeschichte reicht vom Ende der Pollenzone V b bis einschließlich eines größeren Teiles der Zone V I I I . Die Übereinstimmung mit dem Vergleichsprofil ist eindeutig, obwohl natürlich in den Prozentzahlen der einzelnen Kurven lokal bedingt erhebliche Abweichungen auftreten. Wegen der größeren Nähe zum Ufer und damit zu dem dort stockenden Kiefernwald liegen die Prozentwerte der Kiefer in diesem Profil höher als in dem Vergleichsprofil. Die übrigen Pollenwerte sind entsprechend geringer, und auch die Hasel kann sich hier mit ihren Pollenwerten nicht so durchsetzen wie bei dem Profil H V 4 mit seiner freieren Lage und damit größeren Einzugsfläche für den Pollenniederschlag. Etwas unsicher bleibt die Lage der Zonengrenze V / V I im Vergleich zu dem Profil H V 4. Sie ist in dem Diagramm (Abb. 5) entsprechend dem Beginn der geschlossenen Kurve des E M W gezogen. Stellt man den Verlauf der Corylus-Kurve und das Widerspiel der Birkenund Kiefern-Kurven mehr in den Vordergrund, dann muß man die Grenze V / V I höher, etwa bei 265 oder 260 cm, ansetzen. Diese letztere Grenzziehung fügt sich besser und zwangloser dem Vergleichsprofil ein. In dem Profil H V 7 erscheint die Eiche vor der Ulme, während es im Vergleichsprofil umgekehrt ist. Da es sich immer nur um 0 , 5 % handelt, ist das nicht weiter erstaunlich. F ü r eine sichere Entscheidung über die Einwanderungsfolge der beiden Bäume hätten wesentlich mehr als 200 Baumpollen je Probe ausgezählt werden müssen. Ganz allgemein sind in diesem Profil die Werte der Hasel sehr viel geringer als im Vergleichsprofil, auch in den Maxima. Daß aber hier auch die beiden Maxima C 1 und C 2 vorliegen und nicht etwa nur eine Stufung im Anstieg zum ersten Maximum, geht trotz des Fehlens des bei dem gewählten Probenabstand offenbar nicht erfaßten tiefen Minimums daraus hervor, daß bei 0 1 der Birkengipfel deutlich hervortritt und bei C 2 zwar kein Birkengipfel nachgewiesen ist, aber die
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angestiegene EMW-Kurve zeigt, daß dieser Corylus-Gipfel an den Beginn des Atlantikums (Zone VIII) zu stellen ist. Auch sind jetzt die Erle und Linde vertreten, die bei C 1, genau wie im Vergleichsprofil, noch fehlen. In beiden Profilen tritt zusammen mit C 2 ein kleiner Ulmengipfel hervor. Tm weiteren Verlauf der Zone V i l l a werden nun durch den örtlichen Pollenregen im Kiefernbruchwaldtorf alle Pollenkurven außer der der Kiefer so stark herabgedrückt, daß keine Einzelheiten mehr zu erkennen sind. Es läßt sich deshalb auch nicht sagen, wann das Profil genau abbricht. Für uns ist jedoch bei diesem Profil nur die Einordnung der Fundschichten maßgebend, und sie laßt sich zweifelsfrei vornehmen. Die Funde reichen vom Beginn der Zone VI bis gerade noch in den Anfang der Zone V i l l a hinein. Ihre Hauptmasse umfaßt den jüngeren Teil der Zone VI und etwa die ältere Hälfte der Zone VII, mit anderen Worten, die Hauptfundschicht beginnt im oberen Teil der Zone VI und endet unmittelbar vor dem Hasel-Maximum 1. Es sind aber auch noch bis zum Anfang der Zone V i l l a , bis einschließlich des Hasel-Maximums 2 reichlich Funde gemacht worden. Die Höhe der gesamten Fundschicht umfaßt eine so lange Zeit (etwa 2000—2500 Jahre), daß es von vornherein ausgeschlossen erscheint, daß während der ganzen Zeit über der Wohnplatz regelmäßig aufgesucht worden ist. Es muß damit gerechnet werden, daß die Fundstücke in der zur Zeit ihrer Ablagerung noch recht weichen Gyttja je nach ihrem Gewicht mehr oder weniger tief eingesunken sind und dadurch teilweise ein höheres Alter vorgetäuscht wird. Das gilt besonders f ü r die Grobdetritusgyttja, während die leicht tonige Kalkgyttja schon zur Zeit ihrer Bildung etwas fester gewesen sein wird. Ebenso kann dadurch eine vielleicht zeitweise vorhanden gewesene längere Unterbrechung in der Benutzung des Wohnplatzes verwischt worden sein. Über die tatsächliche Zeit der Benutzung als Wohnplatz können uns aber wohl die Holzkohlenpartikel etwas aussagen, die bei der mikroskopischen Analyse der Proben gefunden worden sind. In beiden Diagrammen sind an der linken Seite der Stratigraphie-Spalte diejenigen Proben, in denen regelmäßig in jedem Gesichtsfeld bei 80facher Vergrößerung deutliches Holzkohlepulver festgestellt worden ist, durch ein schwarzes Rechteck kenntlich gemacht. Die Breite des Rechteckes deutet die abgeschätzte relative Menge der Holzkohle an. Nun muß natürlich nicht jeder Holzkohlefund auf einen menschlichen Wohnplatz zurückgeführt werden. Waldbrände aus natürlichen Ursachen (Blitzschlag) werden ebenfalls Holzkohlespuren in den entsprechenden Proben eines Profiles zurücklassen. In dem Profil H VT 7 findet sich in dem Kiefernbruchwaldtorf bei 214 cm eine ausgesprochene Brandlage mit sehr viel Holzkohle in der unmittelbar darunter liegenden Probe 215 cm. Sie stammt sicher von einem Waldbrand und nicht nur von Kochfeuern des Menschen. Wir wissen nichts darüber, aus welchen Ursachen dieser Waldbrand entstanden ist. Wenn wir aber, gekoppelt mit der Fundschicht, in den Proben 230 bis 245 cm einschließlich in jeder Probe reichlich Holzkohle beobachten können, dann sind wir wohl zweifelsfrei berechtigt, diese Holzkohlenfunde auf die Feuer des mesolithischen Menschen zurückzuführen, der in den gleichen Schichten seine Artefakte hinterlassen hat, und dürfen schließen, daß während der in diesen Proben erfaßten Zeit der Ort tatsächlich als Wohnplatz benutzt worden ist. Das bedeutet eine Benutzung des Wohnplatzes während der ganzen Zeit der Zone VII und dem ersten .Anfang der Zone V i l l a . Auch das ist noch ein sehr langer Zeitraum von gut 1000 Jahren, aber es besagt natürlich nicht, daß der Wohnplatz J a h r f ü r J a h r benutzt worden ist. Es können Pausen von vielen Jahrzehnten eingetreten sein, ohne daß sich das im Pollendiagramm bemerkbar macht. Auch in dem Vergleichsprofil findet sich zur selben Zeit reichlich Holzkohle, wenn auch nicht durchgehend in jeder Probe, aber es hebt sich die Zone VII und der erste Anfang der Zone V i l l a ebenfalls durch Holzkohlefunde in reicherem Maße heraus. Es kommen jedoch Holzkohlenfunde auch noch zu anderen Zeiten vor, so in dem Profil mit der Fundschicht bei 260 cm und 280 cm, jeweils nur in einer Probe. In dem Vergleichs-
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profil entsprechen ihnen offenbar die Holzkohlenfunde in den Proben 540 und 575 cm, wenn wir die Zonengrenze V/Vl in Profil H V 7 nicht starr nach der geschlossenen E M W - K u r v e ziehen, sondern sie, wie oben erwähnt, nach dem gesamten Kurvenbild bei etwa 200 cm ansetzen. D a n n fiele die Probe 260 cm in H V 7 mit Probe 540 cm in H V 4, an der Zonengrenze V b / V I zusammen u n d Probe 280 cm in H V 7 mit Probe 575 cm in H V 4, innerhalb der Zone V b . Wie oben schon gesagt müssen diese Holzkohlenfunde in einer einzelnen Probe nicht unbedingt auf Feuer von Menschen zurückgeführt werden. Da sie aber auch noch in die Fundschicht von Artefakten fallen, ist immerhin die Wahrscheinlichkeit sehr groß, d a ß diese Feuer tatsächlich von Menschen angelegt waren. Diese A n n a h m e würde das tiefe Hinabreichen der Fundschicht erklären und es wahrscheinlich machen, daß bereits im jüngeren Teil der Zone V b und u m die Zonengrenze V b / V I der gleiche Ort als Wohnplatz gedient hat, wodurch Holzkohle erzeugt und Artefakte in die Gyttjaschichten geraten sind. Es h ä t t e n also dann schon in wesentlich älterer Zeit zweimal Menschen diese Stelle als Wohnplatz benutzt, wenn auch nur vorübergehend und sicher nicht so intensiv und lange wie zur Zeit der Zone VII bis Anfang V i l l a . Auch später noch, im weiteren Verlauf der Zone V i l l a , oberhalb der Brandschicht, finden sich einige Proben mit Holzkohlepulver. I n dem Vergleichsprofil entsprechen die Holzkohlefunde bei 425 und 435 cm sicherlich der Brandschicht in l'rofil H V 7 bei 214 cm. H V 4 400 cm könnte H V 7 200 u n d 205 cm entsprechen, während sich f ü r H V 7 180 cm in H V 4 kein Gegenstück findet. Bei allen diesen Proben fehlen sonstige Hinweise auf die Anwesenheit von Menschen, so daß wir aus der Holzkohle allein keine Schlüsse ziehen können. Nach Iversen (1941 S. 39 und 1949 S. 9) machen sich mesolithische Wohnplätze des Binnenlandes im Pollendiagramm durch ein vermehrtes Vorkommen der Pollen von Chenopodiaceen (Meldengewächsen) und Urtica dioica (Brennessel) bemerkbar. Mikkelsen (1949) vermutet, daß neben den Chenopodiaceen auch Artemisia (Beifuß) eine Zunahme erfährt. Alle drei Pflanzentypen sind ausgesprochene Ruderalpflanzen, die wir heute immer in der Nähe menschlicher Siedlungen bevorzugt antreffen. Sie sind aber alle nicht ausschließliche Ruderalpflanzen. Die Chenopodiaceen sind zu einem großen Teil Arten des Meeresstrandes, ebenso ist die G a t t u n g Artemisia auch Strandpflanze, sie stellt sich aber weiterhin vor allem auf offenem, möglichst schattenlosem Gelände ein, und die Brennessel schließlich tritt auch in feuchten Auewäldern oder am R a n d e von Sumpfwäldern auf. Das Vorkommen der Pollen der drei Pflanzentypen im Spätglazial steht hier nicht zur Diskussion (vergl. Iversen 1954). Als eindeutiger Hinweis auf mesolithische Wohnplätze im Binnenland bleibt also nur ein vermehrtes Vorkommen von Chenopodiaceen. Ihre Pollen sind aber in dem Diagramm mit der Fundschicht nicht angetroffen worden. In dem Vergleichsprofil erscheint von Zone IV bis einschließlich V I I I nur viermal ein einzelnes Pollenkorn, immer ohne Beziehung zu Holzkohlefunden. E r s t in den jüngeren Zonen beobachten wir dann im Zusammenhang mit anderen Siedlungsanzeigern ein zunehmend häufigeres Vorkommen von C'henopodiaceenPollen. In mesolithischer Zeit können uns also hier diese Pollen nichts über Wohnplätze aussagen. E t w a s anders liegen die Dinge mit den Pollen von Urtica dioica. I n dem Profil HV 7 zeigt sich ein deutlich vermehrtes Auftreten dieses Pollens während der H a u p t f u n d s c h i c h t und eine Probe weiter, sodann noch zweimal im Anschluß an die Brandschicht und eine Probe mit Holzkohle je ein Pollenkorn, während sich nach der letzten Holzkohlenprobe kein Pollen von Urtica einstellt. I n dem Vergleichsprofil H V 4 k o m m t dieser Pollen wesentlich häufiger vor, insbesondere nach der Ausbildung des Kiefernbruchwaldes am Ufer des Sees, auch ohne Beziehung zu Artefakten und Holzkohle, aber wir beobachten doch ein deutliches Maximum während der H a u p t f u n d s c h i c h t , so daß hier der Verdacht auf einen Zusammenhang mit dem Wohnplatz berechtigt erscheint. Nach Linkola (1921 S. 2G0) k o m m t Urtica dioica bei neubegründeten K a t e n in dürftigen Einöden lange sehr spärlich vor, bei älteren K a t e n dagegen meist reichlich. Er f ü h r t das auf ihre starke Nitrophilie zurück. In-
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sofern wäre es verständlich, daß die Brennessel in Hohen Viechein nur in einer Zeit der intensiven Benutzung des Wohnplatzes stärker in Erscheinung tritt. Es kann zwar hier in Hohen Viechein der Urtica-Pollen nicht als Beweis f ü r die mesolithische Wohnplatzbenutzung angesehen werden, aber ein gewisser Hinweis auf sie ist doch wohl gegeben, so daß Hohen Viechein nicht dagegen spricht, daß unter günstigen Umständen, bei Fehlen natürlicher Pflanzengesellschaften mit Brennesseln in der Umgebung, ihre Pollen für den Nachweis mesolithischer Wohnplätze, vor allem, wenn sie längere Zeit hindurch benutzt worden sind, ausgewertet werden können. Hinsichtlich des Artemisia-Pollens ergeben sich keine eindeutigen Zusammenhänge mit den Fundschichten. Wir haben zwar in dem Profil HV 7 während der langen Zeit der Schichten mit Artefakten ein etwas häufigeres Vorkommen von Artemisia gegenüber den fundleeren Schichten, aber in Beziehung zu den Holzkohlefunden verhält sich Artemisia uneinheitlich. Es wäre durchaus verständlich, daß der Pollen nicht nur zusammen mit Holzkohle auftritt, sondern erst anschließend oder dann erst sein Maximum erreicht, wie z.B. in 255 cm mit 2,5%, aber er erscheint hier auch vor der Holzkohle. Dasselbe Bild ergibt sich in dem Profil HV 4. Das reichliche Vorhandensein des Artemisia-Vollena bis weit in die Zone Va hinein ist auf das Ausklingen der starken Artemisia-Verbreitung im Spätglazial zurückzuführen. Späterhin finden wir ein etwas häufigeres Vorkommen in den Proben, die den Schichten mit Artefakten entsprechen, vor allem in den der Hauptfundschicht gleichzustellenden, aber auch in diesem Profil ist die Beziehung zu den Proben mit Holzkohle uneinheitlich. Die Artemisia-YLmvo gestattet also in Hohen Viechein keine sichere Aussage über die Benutzung des WTohnplatzes, sie spricht aber auch nicht dagegen, daß im Zusammenhang mit mesolithischen Wohnplätzen ein vermehrtes Auftreten von ArtemisiaPollen möglich ist. Erwähnt seien weiterhin noch die Sporen des Adlerfarns (Pteridium aquilinum). Sie sind in den Diagrammen nicht eingezeichnet. Sie zeigen nach Iversen (1941) im Pollendiagramm stets nach Brandrodung eine starke Zunahme. Pteridium tritt aber ganz allgemein auf größeren Brandstellen im Walde stärker hervor, wenn es überhaupt vorhanden war, weil seine tiefliegenden Rhizome durch das Feuer nicht geschädigt werden. Nach Linkola (1921 S. 166) ist es eine nach Brandkultur in Wäldern häufiger und reichlicher erscheinende Pflanze, jedoch „recht launisch in ihrem Auftreten". Man kann also im Pollendiagramm ein vermehrtes Vorkommen von Pteridium-Sporen zusammen mit Holzkohle und nach Proben mit Holzkohle erwarten. In dem Profil HV 7 erscheinen nun Pteridium-Sporen nur während und unmittelbar nach der Hauptfundschicht. In dem Vergleichsprofil HV 4 wurden seine Sporen zum ersten Mal in den korrespondierenden Proben gefunden. Die folgende Tabelle mag das veranschaulichen (K! = Holzkohle): Profil HV 7 220 222,5 225 230 235 239 245
cm cm cm cm cm cm cm
K! K! K! K!
0,5% 1,5% 2,0% 2,0% 3,5% 2,5% 1,0%
Profil HV 4 455 cm 0,5 % 465 cm K ! 0,5% 470 cm 2,0% 475 cm 0,5% 485 cm K ! 2,5% 495 cm K ! 0,5% 515 cm 0,5 %
In Profil HV 7 ist auch im Zusammenhang mit den übrigen Proben mit Holzkohle keine Spore von Pteridium mehr gefunden worden. In Profil HV 4 tritt in den jüngeren Proben bis zur Zonengrenze V I I I / I X fast in jeder Probe der Adlerfarn auf, aber üblicherweise nur mit 0,5%. Höhere Werte werden nur erreicht in 445 cm 2%, 435 cm K ! 1,5%, 425 cm K ! 0,5%, 375 cm 1,5%, 365 cm 2% und 345 cm 1%. Die Probe 400 cm mit Holzkohle hat keine PtendiMM-Sporen aufzuweisen, die Proben davor und danach nur 0,5%. 3
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Selbstverständlich kann aus einem vermehrten Auftreten von PIe.ridr« m, - S p o re n nicht unmittelbar auf menschliche Aktivität bei Bränden im Walde geschlossen werden, aber die deutliche Häufung der Pteridium-Werte in der Hauptfundschicht deutet doch im Zusammenhang mit den übrigen Hinweisen darauf hin, daß zu dieser Zeit besonders häufig Feuer angelegt worden ist, daß also der Wohnplatz intensiv benutzt worden ist. Daß bei den früheren Holzkohleschichten in den unteren Fundschichten kein Pteridium gefunden worden ist, könnte darauf zurückzuführen sein, daß zu der damaligen Zeit der Adlerfarn noch nicht Bestandteil der Waldflora in der Umgebung gewesen ist. Aus allem bisher Gesagten ergibt sich eine Hauptfundschicht mit der Masse der Artefakte und einer intensiven Benutzung des Wohnplatzcs vom Beginn der Zone VII an bis in den Anfang der Zone V i l l a . Die Häufung der gefundenen Artefakte reicht dabei noch etwas weiter hinab in den oberen Teil der Zone VI, jedoch muß mit einem Einsinken der Funde in der Gyttja gerechnet werden. Alle übrigen Hinweise sprechen dafür, daß die Benutzung als Wohnplatz auf die Zone VII bis Anfang V i l l a beschränkt war. Außerdem hat wahrscheinlich schon einmal im oberen Teil der Zone V b und an der Grenze V/VI eine vorübergehende Benutzung des Wohnplatzes stattgefunden, wobei die an Zahl erheblich geringeren Artefakte der unteren Fundschichten abgelagert worden sind. In ihrer pollenanalytischen Datierung entspricht dabei die Hauptfundschicht recht genau der Kulturschicht von Lundby (Jessen 1935), in Übereinstimmung mit ihrer Datierung bei Jörgensen (1954). Vielleicht ist der Anfang in Lundby ein klein wenig älter als der Beginn in Hohen Viechein. Das Ende der Hauptfundschicht in Hohen Viechein überschneidet gerade noch den Anfang der unteren Kulturschicht in Verup I (Jörgensen 1954). Diese Kulturschicht in Hohen Viechein entspricht in Schleswig-Holstein dem oberen Teil der mittleren Kulturschicht vom Pinnberg (K 3) und den oberen Kulturschichten (K 4 und K 5) (Schütrumpf 1938). Unterstellen wir nach den obigen Ausführungen eine Benutzung als Wohnplatz an der Grenze V/VI und im oberen Teil der Zone V b als richtig, dann entspricht die Holzkohle mit den Artefakten an der Zonengrenze V/VI etwa der unteren Kulturschicht (K 2) vom Pinnberg, und die Holzkohle in V b fällt zwischen K 1 und K 2 vom Pinnberg (Schütrumpf 1938). Außerdem ist die Holzkohleschicht an der Grenze V/VI in Hohen Viechein nach pollenanalytischer Datierung sehr gut gleichzusetzen mit der Kulturschicht in dem Profil „Damm" von Duvensee aus der Grabung 1946 von Schwabedissen. Herr Prof. Dr. Schwabedissen hatte die Freundlichkeit, mir die noch nicht veröffentlichte Pollenanalyse von Schneider aus dieser Grabung zugänglich zu machen. Die unterste Holzkohle in Hohen Viechein und die tiefsten Artefakte sind noch ein wenig älter als Duvensee „Damm". Anhangsweise soll schließlich noch auf die Besiedlungsanzeichen hingewiesen werden, die sich von der Zeit des Neolithikums (Zone IX) an im Profil H V 4 ergeben. Von der Zeit der neolithischen Bauernkulturen an läßt sich die Besiedelung der Umgebung einer Profilstelle im Pollendiagramm eindeutig erkennen, auch ohne das Vorhandensein von Getreidepollen, an dem Auftreten von Pollen von Plantago lanceolata (Spitzwegerich) (Iversen 1941) und der Zunahme anderer Unkraut- und Ruderalpfianzen. Das hat sich in allen einschlägigen Arbeiten seit 1941 immer wieder so eindeutig erwiesen, daß sich eine Begründung f ü r die Beweisführung an dieser Stelle erübrigt (vergl. z. B. die Zusammenstellung bei Schmitz 1952a). Bald nach Beginn der Zone I X zeigt sich die Anwesenheit neolithischer Bauern durch eine Pollenkurve von Plantago lanceolata (Spitzwegerich) an. Gleichzeitig tritt Rwmex (Ampfer) auf, und Artemisia (Beifuß) scheint etwas häufiger zu werden als vorher, das bleibt aber unsicher. Chenopodiaceen (Meldengewächse) reagieren nicht, und Urtica (Brennessel) setzt gerade in diesen Proben mit ihrer vorher geschlossenen Kurve aus. Die Gramineen-Kurve nimmt nur unbedeutend zu, so daß aus ihr allein keine sicheren Schlüsse zu ziehen sind, in Zusammenhang mit den übrigen Kurven fügt sie sich aber gut in das Bild ein und vervollständigt es.
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Nach kurzer Zeit verschwinden die Siedlungsanzeiger wieder, nur Plantago bleibt noch etwas länger in ganz geringen Werten bestehen, eine Erscheinung, die sich immer wieder nach einem offensichtlichen Siedlungsabbruch zeigt. Der Spitzwegerich hält sich noch einige Zeit in der natürlichen Vegetation. Es handelt sich offenbar nur um ein vorübergehendes Erscheinen des Neolithikers in der Umgebung von Hohen Viecheln, wohl mehr in der Art eines langsamen Durchzuges durch dieses Gebiet, als um eine längere Besiedelung. So erklärt es sich auch ohne weiteres, daß die typischen Ruderalpflanzen (Chenopodiaceen und Urtica) nicht auftreten. Daß Getreidepollen nicht aufgefunden worden ist, besagt noch nichts über ein völliges Fehlen von Getreidebau. Er kann sehr gering gewesen sein oder auch überwiegend in dem Anbau von Hirse bestanden haben, die pollenanalytisch nicht nachweisbar ist. Wahrscheinlich wurde aber vorwiegend Viehzucht in einem gelichteten Wald getrieben. Da gleichzeitig mit dem Plantago-Pollen Holzkohle gefunden worden ist, erhebt sich die Frage, ob wir hier auf Brandrodung schließen können. Allerdings ist Holzkohle auch noch ein zweites Mal nach Rückgang oder völligem Verschwinden der Siedlungsanzeiger vorhanden, jedoch ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben, daß zumindest die erste Holzkohle mit dem Erscheinen des neolithischen Menschen zusammenhängt. Sie kann sofort nach ihrer Entstehung an der Profilstelle eingeweht oder vielleicht auch erst später eingeschwemmt sein, was vielleicht f ü r das zweite Auftreten der Holzkohle nach Rückgang der Siedlungsanzeiger als Erklärung dienen könnte. Der Anstieg der Gramineen-Kurve beginnt schon bei 300 cm, vor dem Erscheinen von Plantago-Pollen. Gleichzeitig setzt auch eine Depression der EMW-Kurve und eine leichte Zunahme der Hasel ein. In denselben Proben ist auch ein deutlich vermehrtes Vorkommen der Pferidwm-Sporen festzustellen: 305 cm 1%, 300 cm 4%, 295 cm 1,5%, 290 cm 4%, 285 cm 3,5%, 275 cm K ! 1%, 265 cm 0,5%, 255 cm K ! 0%, 245 cm 1,5%, 235 cm 0%, 225 cm 0,5%, anschließend werden in dem ganzen Profil 1,5% nur noch einmal bei 140 cm mit 2% überschritten. Aber wieder liegen hier im Profil die höheren Werte von Pteridium vor der Probe mit Holzkohle. Eine langsame Lichtung des EMW hat offenbar schon vor dem ersten Auftreten von Plantago-Voilen und der Holzkohle eingesetzt. Die Pteridium-Werte deuten dabei auf eine Brandrodung hin, aber das Verhalten der Birke spricht gegen eine Brandrodung, wenigstens größeren Umfanges. Während wir stets die Birke als Pionierholz auf Brandflächen finden, nimmt sie hier in Hohen Viecheln ständig ab und hat ihren höchsten Wert vor dem Beginn aller Anzeichen einer Waldlichtung. Der ganz kleine Gipfel 245 cm fällt schon in die beginnende Regenerationsphase des EMW und kann nicht als Hinweis auf eine Brandrodung angeführt werden. Man gewinnt den Eindruck, daß zwar auch fleckenweise Feuer zur Lichtung des Waldes f ü r die Viehweide benutzt worden ist, vielleicht nur zum Abbrennen des liegenden Moderholzes, daß aber wohl keine großflächige Brandrodung stattgefunden hat. Das ist um so eher verständlich, wenn es sich, wie oben gesagt, nur um einen langsamen Durchzug vorwiegend viehzüchtender Neolithiker gehandelt hat und nicht um eine längere Besiedelung mit größerem Getreideanbau. I n der zweiten Hälfte der Zone I X , vermutlich etwa an der Wende von der Jüngeren Steinzeit zur Bronzezeit, setzt dann wieder eine, diesmal langanhaltende, durchgehende Besiedelung in der Umgebung der Profilstelle ein, die bis etwa zur römischen Eisenzeit reicht und in ihrer Intensität allmählich zunimmt. Zur römischen Eisenzeit bis etwa in die Völkerwanderungszeit ist sodann eine starke Ausdünnung bis völliges Aussetzen der Besiedelung zu beobachten. Erst danach beginnt die mit einer Depression unmittelbar vor dem sekundären Kiefernanstieg bis zur Gegenwart durchlaufende Siedlungsperiode. In der Zone X I können die Gramineen — und selbstverständlich die Cyperaceen — nicht zu einer Beurteilung des Verhältnisses des WTaldareals zu offenem Land herangezogen werden, weil die Stratigraphie sich ändert und nun an der Profilstelle Flachmoortorf abgelagert wird. 3*
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Die Zeitstellungen der Besiedelung und ihrer Lücken können vorläufig, abgesehen von der ersten neolithischen Besiedelung, nur nach der Diagrammlage geschätzte Angaben sein. Es fehlen uns in diesem Gebiet noch alle genaueren Verknüpfungen der pollenanalytischen Befunde mit der Vorgeschichte, so daß noch keine endgültigen Zeitangaben gemacht werden können.
III. Zusammenfassung Bei der Ausgrabung der mesolithischen Fundstelle am Nordwestufer des Schweriner Sees bei Hohen Viechein wurde in unmittelbarer Nähe der Grabungsstelle in dem Verlandungsmoor des Seeufers ein Profil (HV 4, Abb. 3 u. 4) erbohrt und pollenanalytisch ausgewertet. Es u m f a ß t die Waldgeschichte von dem Ende der jüngsten Parktundren-Zeit bis zur Gegenwart. Es läßt sich die nordwestdeutsche Zonengliederung zwanglos übertragen. Die Zonengrenzen und zeitlichen Leithorizonte f ü r einen Vergleich mit Schleswig-Holstein, Dänemark und Schonen werden eingehend diskutiert und begründet. Dabei wird die Zone X zur Nacliwärmezeit gestellt und vorgeschlagen, die Nachwärmezeit mit dem beginnenden Haselabfall nach dem Oon/Zws-Maximum 4 beginnen zu lassen. I n dieses Vergleichsprofil HV 4 wird ein zweites Profil aus der Grabung selbst (HV 7, Abb. 5) eingeordnet. Die Hauptfundschicht der Artefakte und die intensive Benutzung des Wohnplatzes reicht vom Beginn der Zone VII, dem jüngeren Teil der Frühen Wärmezeit, Kiefern-Hasel-Zeit, an bis in den Anfang der Zone V i l l a , den Anfang der Mittleren Wärmezeit, Eichenmischwald-Zeit, und entspricht in ihrer pollenanalytischen Zeitstellung der Kulturschicht von Lundby. Außerdem hat offenbar schon einmal im oberen Teil der Zone Vb, Vorwärmezeit, und an der Grenze Vb/VI, Vorwärmezeit/Frühe Wärmezeit älterer Teil, eine vorübergehende Benutzung des Wohnplatzes stattgefunden. Der Wohnplatz in V b fällt zwischen K 1 und K2 vom Pinnberg, der an der Grenze V b / V I entspricht etwa dem unteren Teil von K 2 am Pinnberg und deckt sich sehr gut mit der Kulturschicht aus dem Profil „ D a m m " von Duvensee. Anhangsweise werden die pollenanalytischen Besiedelungsanzeichen seit dem Neolithikum kurz besprochen. Bei der ersten, kurzen und vorübergehenden neolithischen Besiedelung liegen gewisse Hinweise auf eine Lichtung des Eichenmischwaldes durch Feuer vor, es hat aber offenbar keine großflächige Brandrodung stattgefunden. Die weiteren Besiedelungen können in ihrer Zeitstellung bisher nur nach der Diagram mlage geschätzt, aber noch nicht genau datiert werden. Nach dieser Schätzung haben wir mit einer durchgehenden Besiedelung in der Umgebung etwa von der Wende der Jungsteinzeit zur Bronzezeit bis ungefähr zur römischen Eisenzeit zu rechnen. Sodann folgt ein starker Rückgang bis völliger Abbruch der Besiedelung bis vielleicht zur Völkerwanderungszeit, erst danach setzt dann die bis zur Gegenwart anhaltende Besiedelung ein. F ü r die Untersuchung standen ein Moorbohrgerät und ein Mikroskop der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung, wofür ich auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte. Literatur Aletsee, L., 1958: Über einige Korrekturen an (1er ZeitstelHinsr der jüngeren Pollenzonen Nordwestdeutsciilands (Ov. & Sch. I X — X I I ) . Veröff. Geobot. Inst. Rubel in Zürich, H e f t 34. Aletsee, L., 1959:Zur Geschichte der Moore und Wälder des nördlichen Holsteins. Nova Acta Leopoldina, N. K. 21, Nr. 139. Andersen, A., 1954: Two Standard pollen diagrams from South J u t l a n d . Danm. Geol. Unders. I I . Nr. 80.
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Die Zeitstellungen der Besiedelung und ihrer Lücken können vorläufig, abgesehen von der ersten neolithischen Besiedelung, nur nach der Diagrammlage geschätzte Angaben sein. Es fehlen uns in diesem Gebiet noch alle genaueren Verknüpfungen der pollenanalytischen Befunde mit der Vorgeschichte, so daß noch keine endgültigen Zeitangaben gemacht werden können.
III. Zusammenfassung Bei der Ausgrabung der mesolithischen Fundstelle am Nordwestufer des Schweriner Sees bei Hohen Viechein wurde in unmittelbarer Nähe der Grabungsstelle in dem Verlandungsmoor des Seeufers ein Profil (HV 4, Abb. 3 u. 4) erbohrt und pollenanalytisch ausgewertet. Es u m f a ß t die Waldgeschichte von dem Ende der jüngsten Parktundren-Zeit bis zur Gegenwart. Es läßt sich die nordwestdeutsche Zonengliederung zwanglos übertragen. Die Zonengrenzen und zeitlichen Leithorizonte f ü r einen Vergleich mit Schleswig-Holstein, Dänemark und Schonen werden eingehend diskutiert und begründet. Dabei wird die Zone X zur Nacliwärmezeit gestellt und vorgeschlagen, die Nachwärmezeit mit dem beginnenden Haselabfall nach dem Oon/Zws-Maximum 4 beginnen zu lassen. I n dieses Vergleichsprofil HV 4 wird ein zweites Profil aus der Grabung selbst (HV 7, Abb. 5) eingeordnet. Die Hauptfundschicht der Artefakte und die intensive Benutzung des Wohnplatzes reicht vom Beginn der Zone VII, dem jüngeren Teil der Frühen Wärmezeit, Kiefern-Hasel-Zeit, an bis in den Anfang der Zone V i l l a , den Anfang der Mittleren Wärmezeit, Eichenmischwald-Zeit, und entspricht in ihrer pollenanalytischen Zeitstellung der Kulturschicht von Lundby. Außerdem hat offenbar schon einmal im oberen Teil der Zone Vb, Vorwärmezeit, und an der Grenze Vb/VI, Vorwärmezeit/Frühe Wärmezeit älterer Teil, eine vorübergehende Benutzung des Wohnplatzes stattgefunden. Der Wohnplatz in V b fällt zwischen K 1 und K2 vom Pinnberg, der an der Grenze V b / V I entspricht etwa dem unteren Teil von K 2 am Pinnberg und deckt sich sehr gut mit der Kulturschicht aus dem Profil „ D a m m " von Duvensee. Anhangsweise werden die pollenanalytischen Besiedelungsanzeichen seit dem Neolithikum kurz besprochen. Bei der ersten, kurzen und vorübergehenden neolithischen Besiedelung liegen gewisse Hinweise auf eine Lichtung des Eichenmischwaldes durch Feuer vor, es hat aber offenbar keine großflächige Brandrodung stattgefunden. Die weiteren Besiedelungen können in ihrer Zeitstellung bisher nur nach der Diagram mlage geschätzt, aber noch nicht genau datiert werden. Nach dieser Schätzung haben wir mit einer durchgehenden Besiedelung in der Umgebung etwa von der Wende der Jungsteinzeit zur Bronzezeit bis ungefähr zur römischen Eisenzeit zu rechnen. Sodann folgt ein starker Rückgang bis völliger Abbruch der Besiedelung bis vielleicht zur Völkerwanderungszeit, erst danach setzt dann die bis zur Gegenwart anhaltende Besiedelung ein. F ü r die Untersuchung standen ein Moorbohrgerät und ein Mikroskop der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung, wofür ich auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte. Literatur Aletsee, L., 1958: Über einige Korrekturen an (1er ZeitstelHinsr der jüngeren Pollenzonen Nordwestdeutsciilands (Ov. & Sch. I X — X I I ) . Veröff. Geobot. Inst. Rubel in Zürich, H e f t 34. Aletsee, L., 1959:Zur Geschichte der Moore und Wälder des nördlichen Holsteins. Nova Acta Leopoldina, N. K. 21, Nr. 139. Andersen, A., 1954: Two Standard pollen diagrams from South J u t l a n d . Danm. Geol. Unders. I I . Nr. 80.
Pollenanalytische Untersuchungen in Hohen Viechein
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Die Wirbeltierreste aus Hohen Vieeheln Von O t t o G e h l , Schwerin, E l s b e t h S o e r g e l , Freiburg und H a n s H . W u n d s c h , Berlin
I. Die Faunenliste Die identifizierten Knochen und Knochenfragmente gehören folgenden Wirbeltieren an: Säugetiere Hase Lepus europaeus Pall.
Raubtiere Wildkatze Felis sylvestris Schreber Luchs Lynx lynx (L.) Haushund Canis familiaris L. Wolf Canis lupus L. Fuchs Vulpes vulpes (L.) Braunbär Ursus arctos L. Iltis Putorius putorius (L.) Dachs Meies meles (L.) Fischotter Lutra lutra (L.)
Unpaarhufer AVildpferd Equus ferus Pall. Paarhufer Reh Capreolus capreolus (L.) Elch Alces alces (L.) Hirsch Cervus elaphus L. Ur Bos primigenius Boj. Wildschwein Sus scrofa ferus Gmelin
Nagetiere Biber Gastor fiber L. B. V ö g e l Taucher Haubentaucher Podiceps cristatus L. Pracht- oder Polartaucher Colymbus (Gavia) arcticus L. Stern- oder Nordseetaucher Colymbus stellatus Pont.
Mittelsäger Mergus serrator L. Graugans Anser anser L. Bläßgans Anser albifrons L. Saatgans Anser fabalis (Lath.) Singschwan Cygnus cygnus L. Raubvögel Seeadler Haliaeetus albicilla L.
Ruderfüßer Kormoran Phalacrocorax carbo (L.) Zahnschnäbler Stockente Anas platyrhynchos L. Spießente Anas acuta (L.) Pfeifente Anas (Mareca) penelope L. Reiherente Nyroca (Aythya) fuligula (L.) Gänsesäger Mergus merganser L.
Scharrvögel Birkhuhn Lyrurus tetrix L. Auerhuhn Tetrao urogallus L. Laufvögel Bläßhuhn Fulica atra L. Grauer Kranich Grus grus L. Saruskranich Grus antigone L.
C. R e p t i l i e n Sumpfschildkröte Emys orbicularis L. D. F i s c h e Hecht Esox lucius L.
Barsch Perca, fluviatilis L.
Brassen Abramis brama (L.)
Die Wirbeltierreste aus Hohen Vieeheln Von O t t o G e h l , Schwerin, E l s b e t h S o e r g e l , Freiburg und H a n s H . W u n d s c h , Berlin
I. Die Faunenliste Die identifizierten Knochen und Knochenfragmente gehören folgenden Wirbeltieren an: Säugetiere Hase Lepus europaeus Pall.
Raubtiere Wildkatze Felis sylvestris Schreber Luchs Lynx lynx (L.) Haushund Canis familiaris L. Wolf Canis lupus L. Fuchs Vulpes vulpes (L.) Braunbär Ursus arctos L. Iltis Putorius putorius (L.) Dachs Meies meles (L.) Fischotter Lutra lutra (L.)
Unpaarhufer AVildpferd Equus ferus Pall. Paarhufer Reh Capreolus capreolus (L.) Elch Alces alces (L.) Hirsch Cervus elaphus L. Ur Bos primigenius Boj. Wildschwein Sus scrofa ferus Gmelin
Nagetiere Biber Gastor fiber L. B. V ö g e l Taucher Haubentaucher Podiceps cristatus L. Pracht- oder Polartaucher Colymbus (Gavia) arcticus L. Stern- oder Nordseetaucher Colymbus stellatus Pont.
Mittelsäger Mergus serrator L. Graugans Anser anser L. Bläßgans Anser albifrons L. Saatgans Anser fabalis (Lath.) Singschwan Cygnus cygnus L. Raubvögel Seeadler Haliaeetus albicilla L.
Ruderfüßer Kormoran Phalacrocorax carbo (L.) Zahnschnäbler Stockente Anas platyrhynchos L. Spießente Anas acuta (L.) Pfeifente Anas (Mareca) penelope L. Reiherente Nyroca (Aythya) fuligula (L.) Gänsesäger Mergus merganser L.
Scharrvögel Birkhuhn Lyrurus tetrix L. Auerhuhn Tetrao urogallus L. Laufvögel Bläßhuhn Fulica atra L. Grauer Kranich Grus grus L. Saruskranich Grus antigone L.
C. R e p t i l i e n Sumpfschildkröte Emys orbicularis L. D. F i s c h e Hecht Esox lucius L.
Barsch Perca, fluviatilis L.
Brassen Abramis brama (L.)
II. Die Säugetiere Von O t t o G e h l , Schwerin
1.
Einleitung
Das umfangreiche Fundmaterial von Säugetierknochen, welches bei den Grabungen geborgen werden konnte, hat nicht nur eine Bedeutung f ü r die Kennzeichnung der ökonomischen Situation des mesolithischen Menschen, der den H u n d als erstes Haustier sich dienstbar gemacht h a t t e und dem die Tiere sonst zumeist Nahrung und Kleidung sowie in den Knochen einen wertvollen Rohstoff f ü r die Herstellung der Werkzeuge lieferten. Es vermittelt auch den ersten Einblick in die Säugetierfauna Mecklenburgs im Mesolithikum. Gewiß sind in der Vergangenheit viele Funde von subfossilen Knochen aus dem mecklenburgischen Boden beschrieben worden 1 ), aber zumeist handelt es sich um Einzelbeschreibungen ohne faunengeschichtliche Zusammenhänge. Außerdem ist gewöhnlich nur die Fundschicht angegeben, so daß eine genaue zeitliche Einordnung nicht möglich ist. In den Knochen von Hohen Viechein liegt ein Fundmaterial vor, das durch die vorgeschichtlichen Dokumente im gleichen Lagerungsverband und die Pollenanalyse eindeutig datiert ist. Die Auslese der Tiere sowie Erhaltung und Lagerung der Knochen sind weitgehend durch den Menschen beeinflußt. Infolgedessen sind Rückschlüsse auf den Anteil der nachgewiesenen Faunenelemente an der natürlichen zahlenmäßigen Zusammensetzung der F a u n a damaliger Zeit in Mecklenburg nur bedingt möglich. Auch der Erhaltungszustand der Knochen ist zur Hauptsache durch die vielseitige Nutzung von seiten des Menschen bestimmt. Soweit darauf nicht im vorgeschichtlichen Teil dieser Abhandlung eingegangen wird, findet die Frage in einem besonderen Abschnitt Berücksichtigung. Auf einen Vergleich des Materials mit den früher in Mecklenburg gemachten Funden muß hier verzichtet werden, er ist aber f ü r einzelne Arten später in Aussicht genommen. Dagegen werden die Beziehungen zu den gleichaltrigen Funden Dänemarks und Englands jeweils erörtert. 2. Erhaltungszustand,
der Knochen
Der größte Teil der Knochen ist, wie allgemein bei derartigen Funden, zum Zwecke verschiedenartiger Nutzung zerschlagen worden. Das gilt nicht nur von den großen Röhrenknochen, sondern zum Teil auch f ü r Phalangen und kleine Metapodien, f ü r Unterkiefer und sogar f ü r Wirbel. Die Zerschlagung ist so zweckentsprechend, daß die Bruchstücke typische Formen nachweisen (Taf. 74a und b). F ü r die Markgewinnung scheinen die Knochen aller Tiere gleichmäßig verwendet worden zu sein. Nur Wolf und H u n d machen vielleicht eine Ausnahme, wenngleich die geringe Zahl der Knochen dieser Säuger eine eindeutige Entscheidung nicht zuläßt. In dem offenbaren Verzicht auf die Verwendung der Caniden als Nahrungsquelle stimmt der Befund mit demjenigen aus den gleichaltrigen Siedlungen Dänemarks überein. Die Zerschlagung ist die Regel, und intakte Knochen bilden geradezu eine Ausnahme. Der F u n d eines zusammengehörigen fast vollständigen Gliedmaßenskeletts vom Reh in l
) Vgl. Zusammenstellung und Literaturangaben bei Beltz, 1897.
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere
41
einer Moostorfschicht ist so außergewöhnlich, daß man wohl nicht fehlgeht, hier besondere Absichten oder Umstände anzunehmen, zumal auch der Erhaltungszustand der Knochensubstanz aus dem Rahmen fällt, was eine schnelle Einbettung, vielleicht sogar eine von dem Menschen absichtlich herbeigeführte, wahrscheinlich macht. Ein wesentlicher Teil der Knochen ist zu Werkzeugen verarbeitet worden. Dabei ist eine wertende Auswahl entsprechend dem zu fertigenden Gegenstand unverkennbar. Entscheidend war augenscheinlich die natürliche Form des Ausgangsmaterials, vielleicht aber auch die Qualität der Beinsubstanz, die bei den einzelnen Knochen, wie den verschiedenen Tieren, je nach Art und Ernährungszustand unterschiedlich ist. Zweifellos entwickelten sich damals bereits die ersten Anfänge jener Vertrautheit mit dem Werkstoff, die spater eine wesentliche Grundlage f ü r die handwerkliche Leistung darstellt. Die Metapodien von Hirsch und Reh wurden für die Herstellung von Kerbspitzen bevorzugt. Von 163 identifizierten Exemplaren sind rd. 60% aus Hirschmetapodien gefertigt. Weniger häufig dienten Rehmetapodien als Rohstoff, die für die Fertigung von ca. 27% der Stücke verwendet worden sind. Nur 15 Exemplare wurden aus Rippen und 3 aus Rehradien hergestellt, während einmal eine Elle verarbeitet ist. Für Hacken und Beile stellten Hirschgeweihstangen, aber auch große Röhrenknochen, wie Metapodien und Radien von Bos primigenius das Ausgangsmaterial. Nur vereinzelt spielen Zähne eine Rolle (Castor fiber). Obgleich annähernd das gleiche Großwildknochenmaterial zur Verfügung stand, verarbeitete der Mensch von Hohen Viechein f ü r die Kerbspitzen nicht die Hirschgeweihstangen wie derjenige der ca. 1000 Jahre älteren Siedlung von Star Carr bei Seamer, Yorkshire (Fräser, F. C. und King, I. E. 1954), sondern Metapodien wie der gleichaltrige Jäger der dänischen Fundplätze. Hier liegt offenbar nicht nur ein Wandel in der Technik (vgl. vorgeschichtlichen Teil), sondern eine Entwicklung in der Materialkenntnis vor. Nagespuren von Tieren sind wiederholt festzustellen. Und der Hund, als erstes und einziges Haustier des Jägers von Hohen Viechein, hat den Erhaltungszustand der Knochen nicht unwesentlich beeinflußt. Neben dem Einfluß von Mensch und Tier zeigt das Knochenmaterial die spezifisch fossilisierende Wirkung des jeweiligen Einbettungsmediums. Im Sand sind die organischen Bestandteile der Knochen, Fett und Kollagen, weitgehend zergangen. Die durchweg hellbraunen Knochen aus diesem Sediment sind infolgedessen leicht und porös. Die äußere geschichtete kompakte Knochensubstanz neigt mit zunehmender Eintrocknung zum Abblättern. Vielfach sind diese Stücke mit einer Kruste von Brauneisen überzogen, das sich aus dem im Sand zirkulierenden Wasser niedergeschlagen hat. Schwerer und stabiler sind die Knochen, die aus dem Torf stammen, wenngleich auch entsprechend den Unterschieden in der chemischen und physikalischen Beschaffenheit des Sediments der Erhaltungszustand der Knochen stark wechselt. Offenbar ist hier unter dem Einfluß der Huminsäuren die anorganische Substanz angegriffen, so daß eine relative Anreicherung der organischen Bestandteile erfolgte, was sich gelegentlich bei der Eintrocknung in einer leichten Verbiegung der Knochen bemerkbar macht. In einem Vogelröhrenknochen und Hirschmetapodium ist das Mark noch als stark geschrumpfter Strang erhalten geblieben. Den weitaus besten Erhaltungszustand weisen die Knochen aus der Gyttja auf. Durchweg dunkelgrau oder schwarz gefärbt, sind sie schwer und stabil und die äußere Knochensubstanz ist dicht. Vereinzelt kommen auch stark poröse dunkelgraue Bruchstücke von Knochen vor, die offenbar längere Zeit an der Oberfläche gelegen haben, bevor sie in die Gyttja gerieten. Das aus dem Sand stammende Material ist gelegentlich ± stark abgerollt durch die Bewegung in der Brandung. An entsprechenden Stellen entnommene Knochensubstanz von Hirschoberschenkel-Bruchstücken, die aus verschiedenen Sedimenten stammen, ergab folgende Analysen werte: Gyttja Torf Sand
Org. Substanz in % 25,6 22,8 20,5
Anorg. Substanz in % 74,4 77,2 79,5
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OTTO G E H L
3. Das
Fundmaterial
Die identifizierten Knochen oder Knochenbruchstücke der 'Säugetiere verteilen sicli auf die angeführten Arten und deren Skeletteile entsprechend Tab. 1. 4. Beschreibung und Vergleich a) Ccipreolus capreolus (Reh) Das Reh ist mit rd. 680 identifizierten Knochenstücken weitaus am stärksten vertreten. Die Zahl der intakten Skelettelemente ist, wie allgemein, sehr gering. Von 305 Stücken, die Röhrenknochen angehören, sind nur 20 komplett. Dabei ist die relativ kleine Zahl von Metapodien (56 Mittelhand- und Mittelfußknochen) mit einem hohen Prozentsatz von Fragmenten auffällig. Diese einseitige negative Auslese hängt offenbar mit der bevorzugten Verwendung dieser Knochen f ü r die Herstellung von Kerbspitzen zusammen. Die Knochen des Tarsus und Carpus sowie die Phalangen liegen zumeist komplett vor. Dagegen sind die Mandibeln häufiger absichtlich zerschlagen. Der Oberschädel ist in keinem Exemplar vollständig vertreten. Eine durch weitgehend gleiche Bearbeitung und daher wohl beabsichtigte Erhaltung zeigen zwei Gehirnschädel von Böcken. Bei dem jüngeren Exemplar, das offenbar noch nicht älter als 5 J a h r e gewesen ist, mit kräftigen Rosen und guter Beperlung, ist die rechte Stange kurz oberhalb der Rose abgeschlagen, während die linke einige Zentimeter hinter der kräftig entwickelten Vordersprosse abgebrochen ist. Das andere eignet einem wesentlich älteren Tier zu mit über der zurückgebildeten Rose abgeschlagenen Stangen. Die sonstige Herrichtung der Schädel ist so erfolgt, daß der Gesichtsschädel kurz vor bzw. hinter dem Foramen supraorbitale im Bereich der Stirnbeine durch einen Schnitt in Richtung auf das Präsphenoid vom Hirnschädel getrennt ist. Bei dem jüngeren Exemplar ist die seitliche Schädeldecke im Bereich des Squamosum eingeschlagen. Außer einem linken Maxillare mit Milchgebiß und 1. Molar sowie einem isolierten rechten Molar sind 7 Hinterhauptsknochen vorhanden. I n einem Fall ist dieser mit dem Scheitelbein verbunden. Die Trennung zwischen Hinterhaupt und Keilbein ist nur in zwei Fällen geglückt, da offenbar die N a h t schon zu stark verwachsen war, die Tiere also älter als 1 J a h r waren. Dieses gehäufte Auftreten von Hinterhauptsknochen läßt auf eine handwerklich durchgebildete Methode zur Gewinnung des Gehirns schließen. Von den insgesamt 76 identifizierten isolierten Stangen bzw. Bruchstücken derselben weisen sich 29 als rechte und 24 als linke aus, wovon jeweils 4 zusammengehören. Auffällig ist, daß keine Abwurfstangen festgestellt sind. Diese haben offenbar f ü r den Jäger keinen praktischen Nutzen gehabt und wurden nicht aufgesammelt. Auf jeden Fall läßt die Tatsache, daß nach dem Fundmaterial offenbar nur Rehe mit vollständig geschobenem Gehörn erlegt sind, bei der geringen Anzahl von Schädeln nicht den Schluß zu, daß die Jäger in den Wintermonaten auf dem Siedlungsplatz nicht anwesend waren. Die überwiegende Zahl der Stangen und Bruchstücke repräsentiert die Sechserstufe. Dabei fehlen nicht nur ausgesprochen kapitale Böcke, sondern der Durchschnitt ist durchaus als mittelmäßig zu bezeichnen. Rosenstöcke mit einem Durchmesser über 20 mm gehören zu den Ausnahmen. Ihr geringer Abstand hat bei einigen Exemplaren zu einer Wachstumsbehinderung der Rosen geführt. Auch hängt die häufige leierähnliche Form der beiden Stangen offenbar damit zusammen. Der Perlenbesatz ist recht verschieden. Nur in einem Fall ist er besonders kräftig und hat zu endenartigen Bildungen geführt (Taf. 75). Gabler und Spießer stellen nur einen kleinen Teil unter der Gesamtzahl der Stücke. F ü r Rückbildung spricht offenbar ein Stück der Gablerstufe mit kräftigem, niedrigem Rosenstock. Die 23 Mandibeln oder Bruchstücke derselben weisen nach dem unterschiedlichen E n t wicklungsstand der Bezahnung oder dem verschiedenen Abkauungsgrad der Zähne eine große Mannigfaltigkeit auf (Tab. 2).
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere
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43
1
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44
OTTO G E H L
Tab. 2. Rehmandibeln, Zahnbestand, Erhaltungszustand K a t . Nr.
HV.
¡Seite
Zähne
Bemerkungen
959
sin.
HV. 8G8
sin.
P . - M,
Proc. art. u. eoron. fehlen
HV. 3546
dext.
r2 -
Inc.-Teil bis Mitte Diastema fehlt, l i a m u s beschädigt
HV. 2977
dext.
l'n - - U ,
Inc.-Teil bis For. ment. und l i a m u s fehlen
HV. 4125
dext.
P , - .M .
Inc.-Teil vor For. ment. und R a m u s fehlen. Corp. mand. bis M 2 aufgeschlagen
HV. 2516
sin.
x, x P 4 - M3
R a m u s beschädigt
H V. 453
dext.
P2 (Durehbr.)
R a m u s fehlt, Corp. mand. bis
I'.
1':,
Proc. Coron. besehädigt
M:i M.
aufgesehlagen
IV M . - M ,
HV. 5244
sin.
x, p j - p ^ M j - M j
HV. 5320
sin.
P2 - M3
HV. 1326
dext.
x. !>., - M 3
HV. 2308
Inc.-Teil und Ramus fehlen R a m u s fehlt, Corp. mand. bis M, aufgeschlagen Corp. mand. fehlt vom bis Alv. P, und hinten bis M j aufgeschlagen
dext.
P2, x. p 4 - M2
HV.
613
sin.
x, p 3 - p 4 , M . - M ,
R a m u s und Corp. mand. vor P 2 und hinter M 2 fehlen
HV.
380
sin.
x, x, P 4 —M t , X
Corp. mand. vor Alv. P 2 und hinter Alv. M 2 sowie R a m u s fehlen
P 4 - M3
Inc.-Teil vor For. ment. und R a m u s fehlen, Corp. mand. bis M 2 aufgeschlagen
HV. 2984 HV. 4878 HV.
381
HV. 3894
dext. sin. dext. sin.
HV.
564
dext.
HV.
800
sin.
HV. 3118
dext.
HV. 4632
sin.
HV.
521
sin.
HV.
527
dext.
X, X,
x, x, x, Mj—M a . x X,
P3 - P4,
x.P3
X
Mx
x, P 4 —M 2 , X
R a m u s und Corp. mand. bis M2 fehlen
R a m u s fehlt, Corp. mand. bis M 2 aufgeschlagen Corp. mand. vor Alv.
und hinter Alv.
abgebrochen
Corp. mand. vor P 2 und hinter Mi abgebrochen Corp. mand. vor Alv. P 2 und hinter Alv. M 3 abgebrochen und aufgeschlagen
M3
Corp. m a n d im Bereich der Zähne erhalten und aufgeschlagen
MJ—M2
Corp. mand. im Bereich der Zähne erhalten und aufgeschlagen
M2
MJ-MJ.
x
P 2 — P 3 mit abgebr. Kronen, M, -
Corp. mand. vor J\l, und hinter Alv. Jl 3 abgeschlagen Corp. mand. hinter
abgebrochen
Teil des R a m u s und Corp. mand. vor M 3 abgebrochen
Aus dein Unterkiefermaterial ergibt sich nach dem Rehhalter-Merkblatt der Gesellschaft für Jagdkunde (Schriftenverzeichnis, Nr. 7) folgende Altersgliederung: Vier Mandibeln gehören Tieren im Kitzalter an. Bei ihnen sind die Milchprämolaren noch im Gebrauch. Nach dem jeweils im Durchbruch befindlichen M2, M3 bzw. P 2 hatten die Rehe ein Alter von 5 — 7, (5—10 bzw. 10—14 Monaten erreicht. Entsprechend dem Abkauungsgrad der Zähne von 6 Mandibeln standen die Tiere im zweiten Lebensjahr. Im mittleren Alter zwischen 3 — 4 und 5 — 7 Jahren waren die Tiere, denen 9 Mandibeln zugeordnet werden. Alte Rehe im Alter zwischen 7 — 9 Jahren wurden durch 3 Kiefer festgestellt. Sehr alte Rehe über 12 Jahre ließen sich unter den vorhandenen Unterkiefern nicht nachweisen. Die Verteilung der übrigen Rehknochen auf die restlichen Skelettelemente geht aus der Tab. 3 hervor. Entsprechend der Zahl der rechtsseitigen distalen Oberarmpartien einschließlich der kompletten Exemplare stammt das Material von minimal 33 Tieren. Bei einer unter dieser Voraussetzung praktisch möglichen Zahl von rd. 2500 intakten Knochen erscheint die Erhaltung von Distalenden von Oberarmknochen besonders günstigen Voraussetzungen unter-
45
Die Wirbeltierreste aus Hohen Vieeheln, Säugetiere
legen zu haben, zumal da beide Seiten gleichmäßig stark vertreten sind. Andererseits kommt offenbar in der recht unterschiedlichen Zahl der erhaltenen einzelnen Skelettelemente, deren linken und rechten Knochen sowie den distalen und proximalen Partien derselben auch das Ausmaß der Streuung über den Gesamtraum zum Ausdruck. Die juvenilen Stücke mit nicht verwachsenen proximalen und distalen Epiphysen machen bei den Gliedmaßknochen im Durchschnitt etwas mehr als 20% aus, wobei aber der Anteil an juvenilen Exemplaren, bezogen auf die einzelnen Skelettelemente, erheblich und anscheinend ohne feststellbare Gesetzmäßigkeit schwankt. Die Maße der Unterkiefer- und Gliedmaßenknochen sind in den Tab. 4 und 5 zusammengefaßt. Tab. 3. Verteilung der Fimdstücke von Capreolus caprcolus auf die einzelnen Skelettelemente (außer Schädel) kompl.
Capreolus eapr.
dext.
prox.
sin.
dist.
dext.
sin.
dext.
(¡(3)
1
—
—
Humerus
2(1)
I
10(2)
31
Radius
3(2)
1
Scapula
-
Ulna Metacarpus I I bzw.V Becken
-
Femur
I
Patella
1
Tibia
1
2(1) 3 -
1
Astragalus
2
6
sonst. Tarsalia
2
1
(i
Atlas
1«
sonst. Halswirbel
18
Sacrale
13(4)
15(4)
22(4)
19
13
32
2
35(11) IE
23(6) 5E
60(17) 6E
21(3)
19(6)
45(9)
8(2)
11(5)
34(7)
18(8)
30(8)
7
9(3) -
-
-
-
-
7(1)
10(3)
13(2)
9(3)
5
4(2)
7(5)
15
2
-
-
-
1
-
-
-
-
-
-
3
1
2
-
12
-
2
6
-
2
1
12
-
-
-
-
-
-
-
8 3
12(1)
6
24(1) 9
3
7 10
-
-
10
-
-
-
18
18
-
-
6
6
-
1
-
-
-
-
3
-
-
2
-
14(5) 5E
12(1)
Epistropheus
8(2)
-
-
3
37(4)
5(2)
22(6) IK
3
7
81(6)
23(2)
9(1)
2 18(8)
38(3)
9(2)
- -
-
-
43(3) 5
-
zus.
52
'
10(2)
sin. 27
13(5)
1
16
2. Phalange
-
-
Calcaneus
11
4
-
1
31
Expl. dext. 24
—
t
8(2)
-
Metatarsus
1. Phalange
12
5(2)
-
--
Metacarpus
5
sonst. Bruchst.
sin.
4
E = Epiphysen
(3) = juvenil
Tab. 4. Capreolus Unterkiefer
capreolus
HV 959
HV 868
HV 2977
HV 3546
HV 2984
HV 4125
HV 1326
HV 2308
HV 5320
HV 2516
69,3 68,5
71,2
Backzahnreihe
A Z
68,8 67,7
67,1 64,7
70,3 67,4
65,3 64,9
68,0
65,2 64,7
66,9
Prämolarenreihe
A Z
29.9 28,9
27,6 27,0
29,4 27,0
28,0 27,9
29,8
26,4 25.9
28,1
27,0 26,2
28,6 29,1
30,4
Molarenreihe
A Z
39,1 40,0
38,8 39,6
40,4 40,8
37,0 38,9
38.4 39,5
38,3 39,5
38,1 38,7
—
40,5 41,0
40,3 41,0
-
16,8
18,3
16,2
Höhe Mitte P 2
16,1
16,1
16,6
Höhe Mitte M„
19.5
20,7
19,1
A = Alveolenmaß
Z = Zahnmaß
-
18,9
16,0
-
—
16.5 —
—
20,2
46
OTTO G E H L
Tab. 5. Capreolus capreolus. Maße der Extremitätenknochen Expl.
dext.
Expl.
sin.
Humerus Größte Länge Breite prox. Breite dist.
1 6 30
162,5 3 2 , 0 - 36,5 2 5 . 0 - 30,0
1 5 27
165,0 3 2 , 0 - 35,0 2 6 , 0 - 31,5
Radius Größte Länge Breite prox. Breite dist.
2 7 3
179,0-181,5 2 4 , 5 - 28,0 2 3 , 0 - 20,0
1 12 8
178,5 2 4 , 0 - 27,5 2 3 . 0 - 26,0
Ulna Höhe der Cavitas sig. min. Breite des Radioulnargelenkes
5 5
1 5 , 0 - 19,5 12,6 — 16,3
8 8
Eemur Größte Länge (Troch.) Größte Länge (Cap.) Breite prox. Breite dist.
1 1 7 14
197,0 192,0 4 2 , 5 - 47,0 3 8 , 0 - 42,0
1 1 7 11
206,0 202,0 4 4 , 5 - 47,0 3 9 , 0 - 43,5
Tibia Größte Länge Breite prox. Breite dist.
1 5 12
248,5 4 3 , 5 - 45,0 2 5 , 0 - 29,0
7 6
4 2 , 0 - 46,0 2 5 , 0 - 28,0
Metacarpus Größte Länge Breite prox. Breite dist.
1 3 4
166,5 1 9 , 3 - 22,0 2 0 , 5 - 23,3
3 3
2 0 , 5 - 22,3 2 1 , 4 - 24,0
Metatarsus Größte Länge Breite prox. Breite dist.
1 4 0
198,0 1 9 , 0 - 20,5 2 2 , 5 - 23,0
2 4 4
1 9 9 , 0 - 207,0 1 9 , 0 - 21,0 2 2 , 0 - 25,0
Astragalus Äußere Länge Innere Länge Mittlere Länge Breite des dist. Gelenkes
2 2 2 2
2 8 , 0 - 32,0 2 6 , 0 - 30,0 2 1 , 7 - 26,2 1 8 , 5 - 20,5
4 5 5 5
Calcaneus Größte Länge Breite d. Körpers am Tuber Kleinste Breite Prox. Durchm. d. Körpers a. Tuber
11 11 11 11
5 2 , 0 - 70,0 1 3 , 0 - 16,0 7 , 5 - 10,0 1 4 , 5 - 19,0
9 8 17 8
Scapula Halsbreite Durchmesser d. Pars articularis Cervicoeaudaler Durchm. d. Cav. gl. Laterocostaler Durchm. d. Cav. gl.
14 13 12 13
15,028,022,019,6-
20,5 31,9 24,5 22,5
9 9 9 9
17,527,320,020,0-
20,2 33.0 24,5 23.0
1. Phalange Laterale Länge Innere Länge Sagittale Länge Prox. Breite Dist. Breite Kleinste Breite der Diaphyse
11 11 11 11 11 10
3 2 , 0 - 43,5 3 1 , 0 - 44,0 2 9 , 0 - 40,0 1 0 , 5 - 13,0 9 , 0 - 12,0 9,0 7,0-
11 11 11 11 11 11
34,033,030,010,59,07,5 —
41,0 40,5 36,5 14,5 12,5 9,0
16,011,2-
19,0 16,3
—
—
29,027,523,117,5-
32,0 30,5 25,6 20,5
6 2 , 0 - 69,5 1 3 , 5 - 16.0 7 , 5 - 10,0 1 7 , 5 - 19,0
b) Alces alces (Elch) Auffällig gering im Vergleich zu gleichaltrigen Fundstellen ist die Zahl der Knochen, die als dem Elch zugehörig identifiziert werden konnten. Vom Geweih liegen ein basales und ein Schaufel-Bruchstück vor. Ein linker P und 2 linke M sowie i stark beschädigter M ent-
47
Die Wirbeltierrestc aus Hohen Viechein, Säugetiere
stammen dem Oberkiefer. Teile des Unterkiefers sind durch das Bruchstück eines linksseitigen Corp. mand. mit M2 und M3, 1 Ramus mand. sowie 1 rechten M und 1 M3 vertreten. Von der Wirbelsäule konnten t Atlas sowie ein Bruchstück desselben nachgewiesen werden. Becken und Schultergürtel sind durch 1 rechtes Illium sowie 1 rechtes und 2 linke ScapulaBruchstücke vertreten. Die Bruchstücke des Gliedmaßenskeletts sowie die wenigen Maße sind in Tab. 6 aufgeführt. Tab. ß. Alces alces. Gliedmaßenknochen prox.
dist.
dext.
sin.
dext.
Humerus
—
—
—
Ulna
-
Radius Carpus
1 -
Femur Tarsus Astragalus Calcaneus
2
-
Metatarsus
1
-
-
-
-
-
-
-
—
-
1. Phalange
—
—
-
c) C'ervus elaphus
-
-
-
-
t
-
4
prox. Breite
größte Länge
74,1
—
—
-
-
1
1
2
2
1
4
71,8 68,7
1
1
—
-
-
72,8
1
-
1
-
-
2
-
2
-
-
2
-
-
2
-
l(sin.)
dist. Breite
-
-
-
ZllS.
—
-
-
-
sin.
3
-
-
Expl. dext.
-
-
-
Hufphalange
1
-
-
-
2 -
sonst. Metapodien
2. Phalange
—
-
1
-
—
Bruchstück
-
-
sin.
1 —
—
-
77,2 75,8
—
1
—
—
-
2
-
-
-
-
4
60,3
-
-
1
—
—
—
1
IE
-
IE
-
-
l(sin.)
1
1
3
-
-
-
-
l(dext.)
1
2
4
-
-
-
76,6
(Hirsch)
Der Rothirsch ist mit rd. 495 identifizierten unbearbeiteten Stücken (einschließlich der Geweihbruchstücke) nach dem Reh am stärksten vertreten. Vom Oberschädel sind neben den beiden zu Masken verarbeiteten Schädeln (vgl. vorgeschichtlichen Teil) zwei rechte Oberkieferfragmente, ein isolierter Backzahn, zwei Nasenbeinknochen und ein Hinterhaupt vorhanden. Das Occipitale ist etwa 2 cm vor der Linea nuch. sup. mit einem glatten Schnitt, der über den hinteren Teil der Schläfen- und Scheitelbeine sowie die Vorderpartie des Interparietale geführt wurde, abgetrennt. Ob derartig „fachgerechte" Bearbeitungen allein der einwandfreien Gewinnung der Hirnmasse dienten (vgl. Reh) oder nur bei solchen Schädeln angewendet wurden, die f ü r die Herstellung der Masken vorgesehen waren, kann bei der geringen Anzahl derartiger Fundobjekte nicht entschieden werden. Von den beiden Oberkieferbruchstücken mit P 3 — M3 bzw. P 4 — M3 mißt die Molarenreihe jeweils 74,6 bzw. 63,5 mm. Bei der zur Markgewinnung üblichen Öffnung der Unterkieferknochen sind zwei Methoden festzustellen. Gewöhnlich ist die Unterkante des Corp. mand. abgeschlagen, wobei gleichzeitig ± große Partien des aufsteigenden Astes abgetrennt wurden. In einem Fall liegt ein sonst vollständiger Kiefer vor, bei dem lediglich die äußere Seitenpartie des horizontalen Astes geöffnet ist (Taf. 76a). Die Zahl der vorhandenen Unterkiefer, ihr Zahnbestand, deren Abkauungsgrad und die Maße der Zähne sind aus Tab. 7 zu entnehmen. Außer den dort aufgeführten Stücken wurden 1 isolierter P 3 , 1 p 4 , 5 Molaren und 4 M3, letztere mit Längen zwischen 33,1 und 34,3 mm, sowie 1 Ramus mand. und 1 Corp. mand.-Bruchstück geborgen. Nach Ausweis der Bezahnung und dem Abkauungsgrad der Zähne gehören unter den in Tab. 7 aufgeführten Stücken 2 Exemplare Kälbern unter 2 Jahren an, ITV 251 läßt sich einem ca. 9 Jahre alten Tier zuordnen. Alle übrigen Stücke stammen von Tieren, deren Alter
48
OTTO G E H L
T a b . 7. Cervus
HV-Nr.
Seite
1
?
dext.
Corp. m a n d . zwischen P 3 u n d M 2 . U n t e r k a n t e bis aufgebrochen
2
4538
dext.
Corp. m a n d . bis M2. Inc.-Teil beschädigt
xiy
M2
3
452
dext.
R a m u s ohne Proc. cor. u n d Proc. art. Corp. m a n d . zw. P 3 u n d Mj, Vorderteil bis ML aufgebrochen
xP4
M3
4
5682
dext.
Von Mitte Diastema bis M,, U n t e r k a n t e zwischen M» u. P 4 aufgeschlagen
P2
5
831
dext.
Von Mitte Diastema bis M,
6
803
dext.
Corp. m a n d . zwischen Alveole p 2 und p 4
7
5369
sin.
Vorderteil Diastema bis hinter M 3
8
4208
sin.
Corp. m a n d . zwischen Alveole P 3 und M 3 , U n t e r k a n t e aufgebrochen
9
5718
sin.
Corp. m a n d . von Alveole P 2 bis Mitte M 3
10
4029
sin.
Corp. m a n d . zwischen Alveole P 4 -Vorderteil Alveole M 3 , Unterkante aufgeschlagen
x M t —M 2 x
11
5025
sin.
R a m u s ohne Proc. cor. u n d Proc. art. Corp. m a n d . Bereich hintere H ä l f t e M 3
M3
12
3396
sin.
Mitte Diastema bis M t , U n t e r k a n t e aufgeschlagen
P2
13
4162
sin.
Corp. m a n d . zwischen P 4 u. M 2 , U n t e r k a n t e aufgeschlagen
P4 - M ,
14
251
sin.
Corp. m a n d . zwischen 1'3 u n d Vorderteil Alveole M 3
P3-M2X
15
3920
sin.
Corp. m a n d . zwischen P 3 u. M,, U n t e r k a n t e aufgesehlagen
P 3 - ML
10
2370
dext.
Corp. m a n d . von Mitte Diastema bis hinter M 3 . Unterk a n t e aufgeschlagen
I>2
17
2040
sin.
Corp. m a n d . von Vorderteil D i a s t e m a bis P 4 (hintere Alv.) U n t e r k a n t e aufgesehlagen
18
3637
dext.
19
5291
sin.
L f d . Nr.
Erhaltungszustand
Corp. m a n d . von Vorderrand Diastema, aufgeschlagen komplett
elaphus,
Zahnbestand
P3-M3
M2
p 2 - p , , M4 x x pj xxP4
M2
X P 4 - M3
X P 3 (Fragment) — M 3 (Bruchstück)
Unterkante
M,
M3
xxP4 (Vorderteil) X X X X
1'2
M3
zwischen diesen Stufen liegt. Die Zahnmaße fallen in die Variationsbreite der Unterkieferstücke von Star Carr. Von den Geweihen liegen 134 Stangenbruchstücke und abgebrochene Sprossen vor, wobei die zu Werkzeugen verarbeiteten Stücke unberücksichtigt geblieben sind. Die Zahl der proximalen Stangenbruchstücke mit erhaltenen Rosenpartien beträgt 18. Davon bilden 11 Stücke im Gegensatz zu dem Befund beim Rehmaterial Teile von Abwurfstangen, wovon bei 5 Stücken die Stangen unmittelbar über der Rose abgebrochen sind. 7 Stücke sind mit Rosenstock und zumeist auch mehr oder weniger großen Teilen der Stirnbeine erhalten, stammen also von Tieren, die mit geschobenen Geweihen erlegt worden sind. Der Umfang des Rosenstockes unter der Rose liegt zwischen 123 und 160 mm. Die entsprechenden Maße an den bedeutend zahlreicheren Stücken von Star Carr variieren zwischen 108 und 176 mm.
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere
49
Unterkiefer
Abkauungsgrad
Länge d. Backzahnreihe
Länge d. Molarenreihe
Länge d. Prämolarenreihe
Länge der M3
1
2
3
4
-
81,4
M, und P 4 mittel
—
78,3
gering
-
-
50,3
-
p stark, M 1 gering
-
-
57,9
-
p 4 stark
-
-
gering Mj mittel, sonst gering
-
-
51,7
-
—
-
34,0
-
33,8
-
—
80,0
—
33,1
Mj mittel
-
81,5
-
33,5
M! mittel
-
-
wenig — mittel
-
-
-
gering
-
-
-
gering
—
—
Mx stark
-
-
-
-
P 3 —M t sehr stark
—
—
—
—
gering — mittel
-
-
-
-
wenig, M3 kurz nach Durchbruch
56,0
49,5
Variationsbreite d. entsprechenden Unterkiefermaße von Star Carr (England) 1 4
-
-
129,5-142
31,9-37
35,9 —
Mi stark
139,4
85,8
52,3
37,2
Mj + P 4 mittel, sonst gering
133,8
84,0
48,7
33,1
Das stärkste Stück mißt über der Rose 196 mm, während die Maße der Stücke von Star Carr sich zwischen 144 und 249 mm bewegen. 3 dreisprossige Kronen und einige eissprossenbewehrte kräftige Stangenbruchstücke lassen darauf schließen, daß kapitale Hirsche nicht selten waren. Unter den aufgesammelten Knochen vom Hirsch überwiegen die Gliedmaßenknochen mit 360 identifizierten Stücken, von denen intakte Exemplare äußerst selten sind. Eine Übersicht über das vorhandene Material gibt Tab. 8. Nach den festgestellten linksseitigen distalen Oberarmpartien kann die Gesamtzahl der Tiere, von denen das aufgesammelte Knochenmaterial stammt, mit minimal 19 angenommen werden. Die an dem Material möglichen Maße sind in Tab. 9 zusammengestellt und zum Vergleich diejenigen der Hirschfunde von Star Carr aufgeführt. 4 Hohen Viechein
50
OTTO G E H L
Tab. 8. Cervus elaphus,
Cervus elaphus
Scapula
Verteilung der Knochenfunde auf die Skelettelemente (außer Schädel)
kompl. dext.
sin.
—
Humerus
-
Radius
-
Ulna
-
—
—
-
9 1 -
-
Femur
—
—
Calcaneus
4(1) IE
Astragalus
5
—
-
12
18
5
4
11(3)
—
-
—
1 -
17
11
28
18
31
13(3)
10
23(3)
—
5
-
14
5
19
1
10(5) 8E
9(3)
20(8) 8E
2
17(1) 2E
8(2) IE
27(3) 3E
7(3) IE
13(4)
20(7) IE 28
5
3(2)d.
—
28(2)
-
-
4(1)
10 9
7 -
-
zus.
12
5
6(2)
10
sin.
-
-
1 IE -
4(1) IE
—
Expl. dext.
1
-
-
sonst. Bruchst.
12(2)
3(1)
7(1) 2E
5
-
5 -
-
5(3)
-
-
9(5) 7E
—
sin.
—
5
-
dext.
...
3
-
—
Patella
dist. sin.
8
-
Becken
Tibia
-
-
Carpus Metacarpus
prox. dext.
2(l)s.
5
13
15
-
-
-
-
-
13
15
4
9
-
-
-
-
-
4
9
13
4
5(1)
15(1)
sonst. Tarsalia Metatarsus
-
sonst. Metapod.Bruchstücke
-
-
-
-
-
-
20
1
1(1)
2
3
2
6 -
20
-
1. Phalange
-
-
-
-
-
-
-
6(1)
4(1)
10(2)
2. Phalange
-
-
-
-
-
-
-
7
3
10
Atlas
-
-
-
-
-
-
-
1
1
Epistropheus
-
-
-
-
-
-
-
6
6
sonst. Halswirbel
-
-
-
-
-
-
-
9
9
(3) = juvenil
E =
Epiphysen
d) Bos -primigenius (Ur) Vom Schädel liegen nur 3 isolierte rechte und 2 linke Molaren des Oberkiefers sowie 6 linke und 4 rechte Unterkiefermolaren vor, wovon unter letzteren jeweils einer ein M 3 ist. Auffällig ist bei dem geringen Umfang des Fundmaterials die Variationsbreite in der Größe der Zähne. Von der Wirbelsäule ließen sich 2 erste und 3 zweite Halswirbel als zum Ur gehörig identifizieren. Die Bruchstücke von Gliedmaßenknochen umfassen 1 rechte und 3 linke distale Partien des Oberarmes. Die größte Breite derselben beträgt zwischen 83,5 und 102,3 mm. Vom Unterarm liegt ein proximales Bruchstück eines Radius und einer rechten Ulna vor, deren Erhaltungszustand keine Maße gestattet. Das distale Gelenk eines Radius hat eine größte Breite von 87,7 mm. Neben 1 Trochanter major und 1 Caput fem. ist ein distales Bruchstück eines Oberschenkels vorhanden mit einer größten Breite von ca. 118,2 mm. Von 3 proximalen Tibiabruchstücken hat das allein meßbare eine größte Breite von 118,6 mm, ein distales Stück 87,5 mm. Dem Tarsus vom Ur gehören 3 linke Astragali, 1 rechter und 1 linker Calcaneus sowie 1 rechtes und 1 linkes Os centrotarsale an. Die Astragali haben eine äußere Länge zwischen 79,5 und 90,4 mm, eine innere Länge zwischen 72,8 und 78,9 mm und eine sagittale Länge zwischen 60,5 und 68,6 mm. Die distale Breite mißt zwischen 51,5 und 57,1 mm. Die verhältnismäßig große Zahl von Metapodien enthält 2 proximale
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere
51
Tab. 9. Cervus elaphus, Gliedmaßen Cervus elaphus
Humerus Breite prox. Breite dist. Radius Breite prox Breite dist.
Hohen Viechein Expl.
dext.
—
11
5 1 , 4 - 68,0
12
49-57
10
6
5 4 , 0 - 62,2
3 6
5 1 , 2 - 54,7 4 8 , 4 - 53,2
9 17
55-65 47-60
10
1 17
75 47-56
10
42-49 d.+s.(31)
7 39-49
1 5 13
289 33-40 36-43
7 15
25
30-45
25
2
3 1 , 5 - 34,0
4
2 9 , 2 - 33,0
2
2 9 , 8 - 30,0
Femur Breite prox. Breite dist.
3 2
7 8 , 0 - 93,0 6 8 , 6 - 72,4
2 2
7 5 , 8 - 79,2 6 2 , 7 - 67,9
Tibia Breite prox. Breite dist.
5 7
7 4 , 2 - 86,5 4 5 , 9 - 50,0
1 3
73,8 4 7 , 9 - 52,5
Metacarpus Totaüänge Breite prox. Breite dist. Geringste Breite d. Diaphyse
1 4 7 1
205,1 3 6 , 7 - c.40,2 3 8 , 6 - 47,5 22,5
Calcaneus Größte Länge Breite d. Körpers am Tuber Kleinste Breite Prox. Durchmesser d. Körpers am Tuber Scapula Halsbreite Durchmesser der Pars articularis Cervicocaudaler Durchmesser der Cavitas glen. Laterocostaler Durchmesser der Cavitas glen.
Expl.
—
-
3 1 , 0 - 35,0
Astragalus Äußere Länge Innere Länge Mittlere Länge Breite des dist. Gelenkes
dext.
5 5 , 5 - 65,7
4
Metatarsus Totallänge Breite prox. Breite dist. Geringste Breite d. Diaphyse
Expl.
8
-
Ulna Höhe der Cavitas sigmoid. Breite des Radioulnargelenkes
Star Carr
Expl.
—
—
—
—
3
4 5 , 0 - 45,6
-
-
9 8 9 9
51,348,232,340,7-
14
1
—
—
1 5 2
47,2 3 8 , 4 - 41,9 2 1 , 2 - 22,6
1 2 3
286,5 36,8—c.37,0 3 3 , 3 - 44,3
2
2 0 , 4 - 21,7
62,0 55,5 37,4 49,0
14 14 13 14
2
1 2 6 , 5 - 127,3
8
1 1 1 , 5 - 129,5
5 9
2 2 , 0 - 28,3 1 2 , 2 - 16,4
7 8
2 2 , 9 - 27,5 1 3 , 7 - 17,3
4
2 9 , 5 - 37,5
8
3 0 , 3 - 37,1
13
2 7 , 1 - 38,8
6
3 2 , 7 - 39,8
13
5 5 , 3 - 66,4
5
5 4 , 0 - 60,0
12
4 0 , 7 - 50,6
5
3 9 , 3 - 45,4
13
3 8 , 8 - 48,6
4
3 8 , 3 - 44,2
51,047,931,540,0 -
61,2 57,2 37,5 48,8
und 4 (1 juv.) distale Enden von Mittelfußknochen sowie 2 proximale und 4 distale Stücke von Mittelhandknochen. Die größten Breiten sind jeweils in mm :
4*
Metatarsus prox. dist.
Metacarpus prox. dist.
55,9 45,4 (!)
71,4
64,0 64,5 64,9
70,3 68,8 70,5
52
OTTO G E H L
Auffällig ist die geringe prox. Breite des einen Mittelfußknochens, die stark aus dem Rahmen herausfällt. Unter den Phalangen, von denen 2 (1 juv.) Fesselbeine, 13 (2 Bruchstücke) Kronbeine und 5 Klauenbeine vorhanden sind, fällt die große Variationsbreite in der Größe auf. So variiert z. B. die sagittale Länge der Kronbeine zwischen 39,5 und 48,2, die geringste Diaphysenbreite zwischen 25,0 und 34,8 mm, wobei aber selbst bei der geringen Zahl von Stücken die Zwischenmaße nicht fehlen. e) Sus scrofa L. (Wildschwein) Wie allgemein, liegen auch vom Wildschwein nur spärliche Funde des Schädels vor, die wegen ihres fragmentarischen Erhaltungszustandes nur wenig Vergleichsmöglichkeiten zulassen. Zwei Bruchstücke der Occipitalregion sind vorhanden, das eine mit dem für Schweine so charakteristisch stark ausgebildeten Proc. paroccip. und der Bulla ossea. Vom Oberkiefer liegen zwei Bruchstücke vor, von denen das eine ein linksseitiges mit M 3 und stark angekautem M 2 ist. M 1 und P 3 sind stark beschädigt, aber auch zu einer glatten Fläche abgekaut. P 4 fehlt vollkommen. Das zweite rechtsseitige Bruchstück enthält die stark abgekaute vordere Hälfte des M3 und den M2. Ein beschädigter M 1 in einem Kieferbruchstück, dgl. ein unabgekauter linker M 3 , ein isolierter M 2 sowie ein beschädigter rechter Oberkiefereckzahn ergänzen die Stücke des Oberschädels. Vom Unterkiefer liegt ein leidlich intaktes Exemplar vor (Taf. 77a und b). Es fehlen die aufsteigenden Äste, und das Corp. mand. ist beiderseits im rückwärtigen Teil bis zum M 2 aufgeschlagen. Von den Zähnen sind nur die M2 (stark abgekaut) und M 3 sowie der linke P 4 vorhanden. Nach dem Ausmaßen der Eckzahnalveolen handelt es sich um den Kiefer eines Keilers. Die möglichen Maße sind in der Tab. 10 zusammengesellt. Zum Vergleich sind entsprechende Maße von Wildschweinen aus schwedischen Torfmooren und des Sus scrofa ferus Rütimeyer nach Pira (1909) aufgeführt. Tab. 10. Sus scrofa, Unterkiefer
Länge der Baekzahnreihe Länge der Backzahnreihe ohne P j Länge der Molarenreihe Länge des M3 Länge P 2 —P 4 Distanz P ^ P 2
HV 5293
Wildschweine aus schwedischen Torfmooren n. Pira
Sus scrofa fcrus antiquus Rütimeyer (Fauna d. Pfahlbauten)
139,0 114,3 76,4 40,1 37,9 19,4
158-168 120-133 7 6 - 89 4 0 - 50 3 7 - 46 2 0 - 31
149 115-131 7 6 - 88 40— 53 4 2 - 46 1 9 - 32
Die Maße bleiben alle, z. T. sogar beträchtlich unter den entsprechenden der zum Vergleich herangezogenen europäischen subfossilen Stücke oder liegen im Bereich der unteren Variationsbreite derselben. Ein weiterer Unterkieferast mit abgeschlagenem Incisivteil und fehlendem Proc. coron. und Proc. art. sowie bis zumM 3 aufgeschlagenem Unterrand enthält die durchbrechenden P 3 und P 4 sowie die voll in Funktion befindlichen Mx und M 2 , dürfte also einem Tier von 13 —14 Monaten entsprechen. Ein drittes Unterkieferbruchstück umfaßt im wesentlichen den Symphysenteil mit den Schneidezahn- und Eckzahnalveolen, deren Durchmesser für eine Bache sprechen. Vom rechten Ast ist außerdem die Alveole des P x sowie der beschädigte P 2 und P 3 vorhanden. An isolierten Zähnen sind 2 Incisiven, 2 Bruchstücke von Eckzähnen, 2 M 2 sowie 5 Ma vorhanden. Von der Wirbelsäule sind 2 erste Halswirbel identifiziert.
53
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere
Unter den Gliedmaßenknochen fällt die große Zahl der distalen Oberarmbruchstücke auf. Die größte distale Breite der 7 rechten und 5 linken Exemplare (meßbare) variiert zwischen 42.4 und 46,3 mm, Werte, die auch dem Minimum-Bereich der von Pira aufgeführten Stücke der jüngeren Steinzeit Schwedens entsprechen. Vom Unterarm sind 2 rechte juvenile vollständige Radien ohne dist. bzw. prox. und dist. Epiphysen, 2 rechte und 1 linkes dist. Bruchstück der Ulna, außerdem 2 prox. Radiusenden vorhanden. Die Radien messen eine größte Breite von 34,1 bzw. 33,9 mm. Die 2 (1 rechtes und 1 linkes) beschädigten Schulterblätter haben eine Halsbreite von 29,8 bzw. 25,8 mm. Die hinteren Extremitäten sind nur mit 1 prox. rechten Femurbruchstück (größte Breite 67,2 mm) sowie 3 rechten und 3 linken distalen Stücken der Tibia vertreten. Die meßbaren Stücke ergeben eine größte distale Breite zwischen 32,2 und 37,9 mm. Vom Tarsus sind 1 Os tarsale quartum, 4 rechte und 2 linke Astragali und 3 Calcanei (2 rechte und 1 linker) vorhanden. Die größte Länge der Fersenbeine schwankt zwischen 91,7 und 99,8 mm. Die äußeren, inneren und sagittalen Längen sowie die distale größte Breite der Astragali bewegen sich zwischen 39,6 und 51,5 mm bzw. 38.5 und 47,3 mm bzw. 32,7 und 42,3 mm bzw. 23,6 und 30,2 mm. Die Zahl der Metapodien beträgt 4. f) Equus ferus (Wildpferd) Besondere Beachtung verdient der Nachweis des Pferdes, das in den gleichaltrigen Fundstellen Dänemarks und Englands nicht vorhanden ist. Aus Dänemark liegen vergleichbare spärliche Reste erst aus der „Älteren Steinzeit" vor, nämlich von dem Fundplatz Brabrand, in England sogar nicht vor dem Neolithikum (Degerbol, 1933). Die spärliche Anzahl von Stücken besteht aus 1 beschädigten rechten Mittelfußknochen, 3 Fesselbeinen, 1 linken Scapulabruchstück und 1 oberen rechten Molaren. Vom Mittelfuß (Taf. 76b) fehlt der distale Teil (ca. des Gesamtknochens). Außerdem ist die innere Rückseite des proximalen Teiles so beschädigt, daß eine genaue Angabe der proximalen Epiphysenbreite nicht möglich ist. Ein zum Vergleich herangezogener rechter Metatarsus (Baggerfund aus der Warnow unbestimmten Alters, vgl. Taf. 76 c) entsprechender Größenordnung weist folgende Maße auf: Größte Länge proximale Breite distale Breite Diaphysenbreite
263,8 47,4 42,2 31,0
Vergleichsweise ergibt sich für das Stück von Hohen Viechein eine proximale Mindestbreite von ca. 50 mm. Dieser entspricht eine kleinste Diaphysenbreite von 36 mm. Die Maße fallen in die Variationsbreite des kleineren Wildpferdes, das für das Spätpleistozän und die Postglazialzeit charakteristisch ist, welches nach Schwarz (1927) „osteologisch von dem rezenten mongolischen Wildpferd (E. c. przewalskii Pol.) nicht zu trennen ist". Tab. I i . Fesselbeinmaße
Größte laterale Länge proximale Breite distale Breite Diaphysenbreite Mittlere Länge
HV 745
HV 2875
74,7 52,6 41,4 33,0 66,8
75,3 46,4 41,0 30,5 70,5
HV 814
58,2
—
Von den Fesselbeinen sind 2 komplett, bei einem ist das distale Ende abgebrochen. Die Variationsbreite der Maße ist trotz der wenigen Stücke, wie üblich bei diesen Knochen, recht
54
OTTO G E H L
erheblich. Für Schlüsse auf den Gesamthabitus erscheint dieser Knochen wenig geeignet. Die Maße des distalen Scapula-Bruchstückes liegen mit einer Halsbreite von 57,5, einer größten Breite der Pars articularis von 87,5, der Breite der Gelenkfläche von 53 und einem Durchmesser der Gelenkfläche von 43,7 mm im Variationsbereich der entsprechenden Maße der schweren Pferde. Länge und Breite des Backzahnes betragen 31,6 mm bzw. 29,2 mm. g) Castor fiber (Biber) Auch der Biber ist nur mit wenigen Fragmenten vertreten. Ein Bruchstück des rechten Unterkiefers enthält den Mx und M2 sowie den abgebrochenen M3. In dem zweiten rechten Unterkieferbruchstück der Incisivpartie ist ein abgebrochener Schneidezahn vorhanden. Vom Gliedmaßenskelett wurden ein juveniler (ohne Epiphysen) rechter Femur und ein rechter distaler Teil desselben festgestellt. Außerdem ist 1 linkes juveniles Schienbein ohne proximale und distale Epiphyse vorhanden. h) Lejms europaeits (Feldhase) Der Feldhase ist durch 3 Schädelstücke und 1 rechten Oberarm nachgewiesen. Vom Oberschädel liegt eine linke Parietal-Frontal-Partie mit Proc. zygom. squam. und Stirnbeinfortsatz sowie eine zusammenhängende linke und rechte Maxillarpartie mit links P 2 —M 1 und rechts M2 vor. Die Länge der Backzahnreihe beträgt 20,0 mm. Im fast vollständig erhaltenen linken Unterkiefer mit komplettem Gebiß mißt die Backzahnreihe 18,3 mm. Vom Gliedmaßenskelett ist ein intakter Oberarm vorhanden mit einer proximalen Epiphysenbreite von 16,2 mm und einer distalen Breite von 12,3 mm. Die größte Länge mißt 110,4 mm. i) Ursus arctos (Braunbär) Zu den Jagdtieren des Menschen von Hohen Viechein zählt auch der Braunbär, der durch eine geringe Anzahl von Knochen belegt ist. Darunter sind 1 rechte und 1 linke Mandibelhälfte, die offenbar zu einem Unterkiefer gehören, vorhanden (Taf. 78a und b). Bei beiden ist der vertikale Ast (Ramus mand.) abgebrochen, und zwar bei HV. 3846 unmittelbar hinter M2, bei HV. 5681 hinter dem For. mand. Von der Bezahnung sind in dieser neben dem Eckzahn die beiden letzten Molaren vorhanden. Jene enthält den Eckzahn, den 4. Prämolaren sowie den 2. Molaren. Zahn und Alveole des P 2 fehlen in beiden Stücken, bei HV. 3846 auch die Alveole von P 3 . Die möglichen Maße weist Tab. 12 nach. Obgleich es sich offenbar um den Unterkiefer eines ausgewachsenen Tieres handelt, ist der Zwischenraum C—P 4 sehr klein gegenüber dem Maß bei gleichaltrigen Funden von dänischen Bären. Dieser geringe Abstand im Prämolarenteil bedingt auch die im Vergleich zu den Unterkiefern von Skalkendrup, Svaerdborg und Alminde geringe Länge der Backzahnreihe (C—M3). Dagegen stimmen sie in diesem Maß, trotz des bedeutend kleineren Zwischenraumes, mit den Mandibeln von Fyn und Brabrand gut überein. Das hat seinen Grund in der vergleichsweise beträchtlichen Länge der Molaren, die in der Variationsbreite derjenigen der dänischen subfossilen Bären liegen und die Unterkiefer von Fyn und Brabrand darin durchweg übertreffen. Diesem Befund entspricht auch der Vergleich mit den von Degerbol mitgeteilten rezenten norwegischen Bären. Bezüglich des Zwischenraumes C — P 4 liegen die Maße der Unterkiefer von Hohen Viechein in der Mitte der Variationsbreite. In der Länge der Backzahnreihe aber erreichen sie die Maximalwerte der norwegischen Bären, und die Maße der einzelnen Molaren übertreffen diejenigen der rezenten norwegischen Bären z. T. Dieser Größe der Zähne entspricht auch die Höhe der Unterkiefer, die nur durch die Mandibeln von Skalkendrup und Mullerup Mose übertreffen werden. Für eine beträchtliche Größe der mesolithischen Bären Mecklenburgs sprechen auch die Maße der wenigen Gliedmaßenknochen, von welchen 1 distales (dext.) und 1 proximales
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere
55
Tab. 12. Ursus arctos, Unterkiefer
1. C (Alveolenrüekwand) P 4 (Alveolenvorderrand) 2. Länge C—M3 3. Länge Mt—M3 4. Länge P 4 5. Breite P 4 6. Länge M^ 7. Breite Mx 8. Länge M2 9. Breite M2 10. Länge M3 11. Breite M3 12. Höhe d. Unterk. hinter M3
28,3
115,0 72,7 13.01) —
25,2 —
26,2 15,5 21,8 15,8 46,2
29,4
42
39
131 113 76,5 64 15 12,9 10,6 7,7 8,7 6,6 ca. 26,0 !) 26 >) 23,5 — 12,3») 10,5 26,7 27 22,5 16,7 16,7 13,5 — 22,3 18,0 — 17,8 15 — 57 43 — —
_ 123,3 — —
—
26,0 12,4 26,9 16,4 22,6 16,4 —
c3 tH -o CÖ
M
u: 'S
_
33,3 1171) 70 13,3 —
25 —
25 14 19,5
__
Mulleruj Mose
iß >
m
•stí
Almind Kiefern z
o •o ÍH Fyn
HV. 5681 HV. 3846
Skalkendrup
Dänische Funde des Mesolithikums (nach Degerbal)
126,5 78 —
—
—
--
—
ca. 24 23,8') — 10,0 ca.28 24,5») —
ca.25
—
—
41
—
—
22,5 —
54
© S s 1 «! f 'S M » ™ Ä Eifl s c • w e s 37
131 74 13,3 8 26 13,6 25,8 17,8 23 17 55
C o £1 a oWeg) 5^ 0) » f "l ^ 5-1 c3 « 1 £ 1 6 , 3 - 46
92 - 1 1 6 59 - 70 1 0 , 5 - 14,2 6 8,5 1 9 , 5 - 25,0 9 , 5 - 12,3 2 0 , 2 - 24,5 1 2 , 3 - 16,5 1 5 , 5 - 22,0 1 3 , 0 - 17,0 2 3 - 4 4
*) = Alveolenmaße
(sin.) Fragment des Humerus, 1 distales (dext.) Bruchstück des Radius sowie ein Oberschenkelkopf mit Halsansatz identifiziert wurden. Die größte Breite der distalen Oberarmpartie mißt 114,8 mm, diejenige des proximalen Stückes, zwischen Troch. major und dem Rand des Cap. hum. gemessen, 72,8 mm. Die entsprechenden Maße eines Humerus unbestimmten Alters vom Fundplatz Kams Mose (Dänemark), welche Degerbol (1933) mitteilt, betragen 118 und 86 mm. Dabei handelt es sich nach den Unterkiefermaßen von diesem Fundplatz (vgl. Tab. 12) um eine Maximum-Variante der fossilen Bären Dänemarks. Die distale Epiphysenbreite des Radiusbruchstückes beträgt 53,6 mm. An weiteren Stücken wurde die Gelenkpfanne eines rechten Beckens, 1 Metacarpus V sin., 1 Metacarpus I I I dext. sowie 1 Astragalus nachgewiesen. k) Canis
lupus
(Wolf) und Cards familiaris
(Haushund)
Bei dem Mangel an eindeutigen Unterschieden in der Skelettanatomie ist die Identifizierung von Hund und Wolf, soweit bei fehlendem Schädelmaterial überhaupt möglich, im wesentlichen auf eine vergleichende morphologische Analyse und auf Maße der Knochen angewiesen. Diese sind bei dem Erhaltungszustand des Materials auch nur z. T. zu nehmen. Da zum Vergleich nur wenig Material zur Verfügung stand und im wesentlichen auf die Beschreibungen und Maßzahlen der Literatur zurückgegriffen werden mußte, wird das Fundmaterial dieser Caniden hier zusammen betrachtet. Die Mandibeln sind durchweg gut erhalten, so daß die üblichen Maße zu nehmen sind. Bei HV. 3919 (Taf. 79c) fehlen der Proc. ang. und Proc. condyl. Auch der Kronenfortsatz ist beschädigt wie bei Exemplar HV. 4684 (Taf. 79 a). Der Schneidezahnbereich ist nur bei HV. 1075 (Taf. 79b) erhalten (ohne Incisiven), und bei HV. 3919 ist die vordere Partie bis zur Rückwand der Eckzahnalveole abgebrochen. Dieser zweifellos größte Unterkieferast würde unter Zugrundelegung einer den übrigen Mandibeln entsprechenden Gestaltung des Vertikalastes (Rekonstruktion) von der Incisur zwischen dem Proc. ang. und dem Proc. condyl. bis zur Rückwand der C-Alveole ca. 130 mm messen. Das entspricht nach Brinkmann (1925) einer Schädelbasislänge von ca. 190 mm. Mit dieser Länge korrespondieren auch die übrigen Maße des Unterkieferastes (vgl. Tab. 13). Die Länge der Backenzahnreihe beträgt
56
OTTO G E H L
Tab. 13. Ganìs lupus und Prähist. dänische Huride n. Degerbel (1927) Magiemose Zeit (4 Expl.) 1. C-Hinterr.-Inc. zw. Proc. ang. u. Proc. cond. 2. C-Hinterr. —M3 3. Diastema C—Pj 4. Länge I \ 5. Länge P 2 6. Länge P 3 7. Länge P 4 8. Länge P j - P j 9. Länge Mj 10. Breite Mj 11. Länge M2 ( 12. Länge M3 J 13. Länge M,—M, 14. Länge d. Backzahnreihe 15. Höhe hinter 16. Höhe zw. P 2 u. P 3 17. Größte Dicke d. K . 18. Basallänge d. Schädels berechnet nach Maß 1 (n. Brinkmann) ') = ohne Schmelz
2
98
-122
3,5 6,9 102) 10,5 2 )32 21,5 -
4,7 10 2 ) 11,82) 13,2 41,2 22,8
123)
-
15
30 66 2 ) 21,5 17 10,5 143
-
36,3 - 75,5 - 30 - 22 - 13 -178
Campignien (13 Expl.) 100
-114
2,6 2 )— 6,1 2 )— 8,1*) — 9,3 32 19,22)-
4,5 2 ) 10 11,4 12,8 40,5 22,5
11,6 -
14
30,4 - 36,1 00,5 74 19 29,5 16 - 24 9,5 - 13,7 146 -166,4
Gr. Elchhund Museum Bergen 2934 Brinkmann n. Degerbol (1927) 111
4,5 9 11 12 38 21
Gr. Elehhund Museum Bergen 3840 Brinkmann n. Degerbol (1927) 125
4,5 9,5 11 12 42 24
15
14
35 72 21,5 20 11,5 165
37 79 25 20 12 182
) = z . T. Alveolarmaße
89,5 mm. Dieser steht eine Summenlänge der einzelnen Zähne (bei den Pm Alveclarmaße) von 92,3 mm gegenüber, woraus sich eine sehr dichte Stellung der Zähne ergibt, die für P 4 gegenüber Mj eine relativ geringe, für P 2 zwischen Pj und P 3 aber eine ausgesprochene Kulissenstellung zur Folge hat. Auch scheint das Diastema zwischen C und P j nur gering zu sein. Die einzelnen Zähne sind kräftig. Das gilt besonders von dem Reißzahn mit einer Länge von 28,5 mm, aber auch für M 2 mit 11,7 mm. Der Größe der Zähne entspricht der Horizontalast, der mit einer Höhe hinter dem M, von 31,2 mm und zwischen P 2 und P 3 von 24,9 mm sowie einer größten Dicke von 14,3 mm sehr massig wirkt. Auffällig ist der steile Verlauf des Vorderrandes des Vertikalastes, mit dem offenbar auch ein starkes Abbiegen des Mandibelunterrandes im Bereich der Molaren zusammenhängt, welches allerdings durch das Fehlen des Proc. ang. und des Proc. condyl. nicht so augenfällig wird. Die Maße dieses Unterkiefers liegen außerhalb der Variationsbreite der bisher bekannt gewordenen Hunde des Mesolithikums (Degerbol, 1927). Besonders der große Reißzahn spricht eindeutig für Wolf. Die übrigen Maße bleiben allerdings an der Untergrenze der Variationsbreite des europäischen Wolfes. Das nächstgrößte Stück ist der linke Unterkieferast HV. 4684 (Taf. 79a) mit leicht beschädigtem Kronenfortsatz und Proc. ang. Von den Zähnen sind P 2 , P 3 , Mj und M 2 vorhanden. Die Länge des Unterkieferastes von der Incisur zwischen Proc. ang. und Proc. condyl. bis zur rückwärtigen Wand der Eckzahnalveole beträgt 118,5 mm. Nach Brinkmann (1925) entspricht dieser Mandibellänge eine Basallänge des Schädels von ca. 173 mm. Damit liegt dieser Unterkiefer im Variationsbereich der gleichaltrigen großen dänischen Hunde. Auch die Länge der Backzahnreihe stimmt sehr gut mit derjenigen der großen dänischen Hunde der Maglemose-Zeit überein. In der Dichte der Zahnstellung nimmt die Mandibel eine Zwischenstellung zwischen dem oben beschriebenen HV. 3919 (Taf. 79c) und den noch zu behandelnden HV. 1075 (Taf. 79b) und HV. 981 (Taf. 80a) ein. Der Reißzahn erscheint im Rahmen der Gesamtgestaltung des Kiefers auffällig groß und massiv. Dagegen bleiben die Höhenmaße
57
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere Canis familiaris,
Unterkiefer
Subfossile iVölfe Dänenlarks n. Dege rb0l (1933) Ä tere Steinze t
Holmegaard älteste Steinzeit
Ertebolle 96
Erteballe 96
-
-
-
— —
12») 13,32) 16,52) 46,5 29,0
—
14 6,5 47,5 —
28,4 24,4 13,5
102, 0 6,0 6,9 2 ) 13,2 14,82) 16,4 54,3 2 ) 29,3 11,8 12,0 5,6 45,0
6,8 5,8 12,5 14,5 16,0 52,0 30,0 12,0 12,1
Ertebolle 93 -
104,2 5,5 6,0 2 ) 13,0 15,5 17,3 53,6 30,0 1 ) 12,0 —
40,8-M3
6,0 47,3
—
—
—
35,0 26,7 15,2
31,5 26,0 15,1
—
—
24,7 —
Rezente europ. Wölfe 6 Expl. n. Degerbel (1933)
-
96,8-103,8 2,06,5 5 , 5 - 6,7 1 1 , 5 - 14,5 1 3 , 5 - 15,2 1 5 , 2 - 17,2 4 9 , 7 - 53,7 2 6 , 8 - 31,0 1 0 , 7 - 12,7 1 0 , 1 - 13,9 3,77,2 42,3 50,5 —
28,7 33,7 2 3 , 2 - 27,7 1 2 , 6 - 15,5
HohenViecheln 3919
ca. 130 92,8 —
52) 12,52) 12,62) 15,l 2 ) —
28,3 11,6 11,7 7,1 2 ) 47,1 89,5 31,2 24,9 14,3 190
HohenViecheln 1075
117 78,5 6,5 2 ) 4,6 2 ) 9,0 10,9 12,7 38,5 22,3 9,4 8,2 4,0 34,5 71,5 28,5 22,5 12,9 170
HohenViecheln 981
HohenViecheln 4684
118,5
116,7 2
79,0 ) 6,0 2 ) 5,0 2 ) 10,02) 10,8 12,5 39,0 21,6 9,3 8,5 4,0 35,8 73,4 25,4 23,0 12,8 170
80,52) 4,0 2 ) 5,0 2 ) 10,0 11,7 12,42) 41,0 23,9 9,7 9,5 4,0 35,7 76,0 24,7 20,6 11,2 173
hinter Mj und zwischen P 2 und P 3 beträchtlich hinter denen der großen maglemose-zeitlichen Hunde Dänemarks zurück. Sie sind auch im Rahmen der 4 Mandibeln von Hohen-Viecheln die geringsten. Dem Gesamthabitus nach ist der Kieferast trotz des massiven Reißzahnes in den Formenkreis der großen Hunde dieses Zeitalters zu stellen. Der rechte Unterkieferast HV. 1075 (Taf. 79b) mit vollem Zahnbesatz außer P t und den Schneidezähnen mißt von der Incisur zwischen dem Proc. ang. und dem Condyl. bis zur Rückseite von C 117 mm, was nach Brinkmann (1925) einer Basallänge des zugehörigen Schädels von 170 mm entspricht. Die Länge der Backzahnreihe beträgt 71,5 mm gegenüber 71,7 mm der Summen-Länge der einzelnen Zähne. Entsprechend dieser Relation treten zwischen den Alveolarrändern deutliche Zwischenräume auf. Das Diastema zwischen C und P, beträgt 6,0 mm. Der Reißzahn liegt mit einer Länge von 22,3 mm im Variationsbereich der großen Hunde, wofür auch die übrigen Maße sprechen. In guter Übereinstimmung damit steht der linke Unterkieferast HV. 981 (Taf. 80a) mit stark abgekauten Zähnen, von denen die Incisiven, C, Pj, P 2 und M3 fehlen. Aus dem Abstand der Incisur zwischen Proc. ang. und dem Condyl. und der Caninrückseite läßt sich nach Brinkmann (1925) eine Basallänge des Schädels von ebenfalls 170 mm ableiten. Die Zähne stehen enger als bei dem HV. 1075 (Taf. 79b). Besonders der P 4 nimmt gegenüber Mx eine Art Kulissenstellung ein. Die Länge des Zwischenraumes zwischen C und P T beträgt aber 6 mm. Mit einer Reißzahnlänge von 21,6 mm gehört das Stück einem großen Hunde an. Maße und Formanalyse von 3 Kiefern, nämlich HV. 1075, 981 und 4684 (Taf. 79b; Taf. 80a; Taf. 79a) sprechen f ü r eine Zuordnung zu den großen Hunden jener Zeit. Das Fehlen von Schädelmaterial macht Angaben über die Rasse unmöglich. Auf Grund der großen Backzähne und des massigen horizontalen Astes wird die Mandibel HV. 3919 (Taf. 79 c) als Wolfskiefer bestimmt. Der Grad der Sicherheit dieser Zuordnung wird beeinträchtigt durch die Beschädigungen, wodurch die genaue Bestimmung der Länge unmöglich ist. Wieweit sich
58
OTTO G E H L
Tab. 14. Canis lupus und C.f. poutiatini Studer n. Christians- Ertebolle Degerbol holm 251: ganzes (1927) Skelett 8140
Subfossi] e Hunde Däne marks n. ] )egerb0l (192'7) Svaerdborg 1923
Christiansholm 251 : 11338
Humerus
Alpenquai Wettstein n. Degertwl (1927)
Gr. Elchhund Museum Bergen Brinkmann (4 Indiv.) n. Dergerb0l (1927)
9 Ind.
Größte Länge Breite prox. Breite dist. Diaphysenbreite i. d. Mitte
ca. 135 26 10,2
139,5
150 26 28,5 11
10,8
167,5
251 5558
Radius
168-190 2 9 - 34 3 4 - 38 1 5 - 17
141 26 29 10
-163 - 30 - 36 - 13
9 Ind. -
Größte Länge Breite prox. Breite dist. Diaphysenbreite i. d. Mitte
143 15,5 20.4 11.5
168 16,5 12
251 8358
Femur
155-212 1 7 - 24 2 0 - 32 1 2 - 18
137 - 1 6 3 12 - 19 20 - 25 1 1 , 5 - 14
3 Ind. -
Größte Länge Breite prox. Breite dist. Diaphysenbreite i. d. Mitte
152 ca. 32 27 9,7
184 40 31,5 13,8
162 36 28 12
177
251 14442
Tibia
185-198 4 0 - 42 3 2 - 36 1 4 - 17
154 34 29 11
-175 - 39 - 35 - 13
151 31 19 11
-179,5 - 36 - 23,5 - 14
3 Ind. -
Größte Länge Breite prox. Breite dist. Diaphysenbreite 1
) = juvenil
150 29 10 2
11,2
186 32.8 21.9 12,5
163 30 21 12
191
185-197 3 4 - 38 2 2 - 25 12
) = leicht beschädigt
in der Steilheit des Vorderrandes des vertikalen Astes und der starken Krümmung der Unterkante des horizontalen Astes wie der engen Zahnstellung der Einfluß des Menschen, etwa im Sinne einer Art von Domestizierung im Sinne Brinkmanns (1925) bemerkbar macht, kann bei dem Mangel an Vergleichsmaterial nicht entschieden werden. Die Gliedmaßenknochen gehören deutlich zwei verschiedenen Größenordnungen an. Davon fallen zwei Oberarmknochen (HV. 3694 und 2486, Taf. 81b und c), von denen nur die distale Hälfte erhalten ist, zwei distal defekte Ellen (HV. 505, 2304, Taf. 83a), zwei Speichen (HV. 5644 und 637/644, Taf. 83b) und ein Schienbein (HV. 1281, Taf. 82a) in den Variationsbereich des europäischen Wolfes. Zwei Gliedmaßenknochen geringerer Größe, ein Oberarm (HV. 5551) und ein Schienbein (HV. 2371) gehören juvenilen Tieren an. Außerdem sind 3 Schienbeine, wovon bei einem das distale Gelenk vollkommen und die proximale Gelenkfläche z . T . abgebrochen ist (HV. 11*31, 512, Taf. 82b und c), ein kompletter Oberarm mit leicht beschädigtem Trochanter (HV. 958, Taf. 81a) sowie ein proximales Oberarmbruchstück, die proximale Hälfte eines Oberschenkels (HV. 2484, Taf. 80g) und eines Radius vorhanden. Die möglichen Maße dieser Knochen, obgleich sie weit hinter denen der erst genannten zurückbleiben, fallen in die Variationsbreite der großen Hunde jener Zeit. Von der Mittelhand wurden Metacarpale 2, 3 und 5 der linken Hand und Metacarpale 2, 3 und 4 der rechten bestimmt. Schließlich konnten noch zwei 2. Halswirbel und eine Scapula identifiziert werden.
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere Canis familiaris,
59
Gliedmaßenknochen Rezerite europ . Wölfe n. r»egerbel 1933) Dorpat Lange712 jun. band Schle- Schwead. lose Alter un- sien 216 den 218 bekannt Epiphysen
Subfossi e Wölfe I änemarks n. Degerbe 1 (1933) SvaerdLundby Erteb0lle borg Älteste Ältere Älteste Steinzeit Steinzeit Steinzeit
Knabstrup EMWZeit
Hohen Viechein
3694 215,0 45,5 15,8
44,0 16,5
25,0 16,7
201,0 35,5 39,7 15,4
200,0 23,6 32,3 15,2
211,0 36,3 44,7 16,0
208,0 24,5 33,7 17,7
213,0 37,5 44,0 17,0
213,0 24,0 33,6 16,4
217,0 41,0 49,0 16,7
217,0 27,5 35,7 18,7
2486
958
5551 1 )
1188
165,0 40,6 14,0
44,3
5644
637 1-644
212,7 24,0 32,8 16,4
214,8 25,0 32,0 17,8
32,6 14,3
32,0 11,7
2484 216,0 52,2 39,5 15,8
223,0 51,0 41,0 16,7
237,0 29,5 16,3
l) Vul'pes
vulpes
218,0 44,0 29,3 15,6
220,0 48,8 42,6 16,0
227,0 47,5 29,8 15,8
230,0 44,0 16,0
234,0 45,5 30,5 16,0
232,0 52,5 46,3 17,0
238,0 52,3 35,2 17,5
38,5
1281
1133
227,9
183,3 34.8 23.9 14,5
28,6 15,0
502 184,2 33,3 23,0 2 ) 13,9
2371 1 )
11,6
(Fuchs)
Der Tuchs ist zur Hauptsache durch ein fast vollständiges Skelett eines Jungtieres belegt. Die Knochen des Oberschädels liegen durchweg isoliert vor. In den beiden Oberkieferhälften ist der M1 in Funktion, die Zahnwurzeln sind jedoch noch nicht geschlossen, und der Reißzahn im Durchbruch begriffen. Der p 3 ist noch vorhanden, der Haupthöcker des P 3 wie derjenige des P 2 haben aber bereits fast die Höhe des Alveolenrandes erreicht. Ebenfalls sind die Milcheckzähne noch im Gebrauch, jedoch überragen die Spitzen der endgültigen C bereits den Alveolenrand beträchtlich. Die Schneidezähne fehlen bis auf den rechten I 3 . In den Mandibeln sind die C im Durchbruch. P t fehlt beiderseits, während die P 2 -Spitze gerade den Alveolenrand erreicht hat. P 3 und P 4 sind noch nicht durchgebrochen, links ist p 3 , rechts p 4 noch vorhanden. Von den Molaren sind beiderseits M t im Gebrauch, die M2 fehlen beidseitig, M3 fehlt links und ist rechts im Durchbruch. Vom Gliedmaßenskelett sind die Oberarme (links mit isolierter distaler Epiphyse) und die Knochen der Unterarme vorhanden. Von den Hinterextremitäten fehlt nur der rechte Oberschenkel, allerdings fehlen bis auf die distalen der Schienbeine alle Epiphysen. Vom Tarsus sind Calcaneus und Astragalus, außerdem von den Metapodien 4 Mittelhand- und 7 Mittelfußknochen geborgen. 3 Hals-, 9 Brust-, 9 Lenden- und 5 Schwanzwirbel sowie viele Rippen ergänzen die von dem Jungfuchs vorliegenden Knochen.
60
OTTO G E H L
An einer isolierten rechten Mandibel ist der Incisivteil und die obere Partie des Ramus mand. abgebrochen. Der C ist wie der Mx gerade im Durchbruch. M2 hat den Alveolarrand noch nicht erreicht. Von den Prämolaren stehen p 3 und p 4 vor dem Wechsel. Der Unterkiefer gehört also einem noch jüngeren Individuum an als das oben beschriebene Skelett. Der zweite isolierte Unterkiefer, ebenfalls ein rechter, stammt von einem alten Tier. Er ist vor der P 2 -Alveole abgebrochen. Ebenfalls fehlt der Ramus mand. Der Basalteil des horizontalen Astes ist offenbar absichtlich in der f ü r Unterkiefer charakteristischen Weise (vgl. Hirsch) aufgeschlagen. Die Zähne, P 3 (hintere Hälfte) P 4 , Mx und M2 sind stark abgekaut. An Gliedmaßen liegen eine linke Speiche, die aus zwei isoliert gefundenen Bruchstücken von unterschiedlichem Erhaltungszustand besteht, ein kompletter linker Oberschenkel und ein proximales Femur-Bruchstück sowie der distale Teil eines rechten Schienbeines vor. Die möglichen Maße sind in Tab. 15—16 mit solchen von dänischen subfossilen und rezenten Füchsen (nach Degerbol) zusammengestellt. Tab. 15. Vulpes vulpes, Unterkiefer Hhen Viech sin HV. 5758! HV. 5758a HV. 2787 juv. juv. Backzahnreihe Länge M t Länge M2 Länge P 4
25,5*) 14,8 7,6 9,2
13,5 6,7*)
13,'ö 6,7*)
2 mesolith. Füchse Dänemarks (n. Degerb0l) 1933
34 neolith. Füchse Dänemarks (n. Degerbel) 1933
51 rezente Füchse Dänemarks (n. Degerbol) 1933
26,5-27,2 15,6 7 , 8 - 8,0 9,6
25,0-28,0 13,8-16,9 6 , 8 - 7,7 8,6-10,5
23,3-28,4 13,6-16,8 6,8-- 8,8 9,0-10,6
*) = z. T. Alveolar-Maße
m) Meies
meles
(Dachs)
Vom Dachs ist nur ein Schädelbruchstück aus dem Bereich der Gehörregion zwischen dem Proc. zyg. und dem Occipitale sowie eine beschädigte rechte Mandibel (Taf. 80e und f) geborgen worden. Es fehlen der hintere Teil des Ramus mandib. und die Incisivpartie, von den Zähnen C, P j und M2. Mx ist stark abgekaut. Gegenüber den rezenten Dachsunterkiefern fällt die Schwäche des subfossilen Stückes auf. Dagegen passen die Maße (vgl. Tab. 17) sehr gut in die Variationsbreite der gleichaltrigen Unterkiefer Dänemarks. Die Reißzahnlänge entspricht dem Durchschnittswert der dänischen Funde und liegt an der Untergrenze der Variationsbreite der von DegerbBl (1933) veröffentlichten Maße rezenter Vertreter. Über das Verhältnis des Trigonids zum Talon lassen sich keine eindeutigen Angaben machen, da der Zahn sehr abgekaut ist. Jedoch erscheint das Trigonid gegenüber dem Talon nicht stärker betont als bei rezenten Tieren, wie es die von Degerbol mitgeteilten Maße f ü r die dänischen Stücke nachweisen. Das einzelne Stück gestattet jedoch keine allgemeinen Rückschlüsse. Tab. 16. Vulpes vulpes, Radius
HV. 260/378
Größte Länge Prox. Breite (transv.) Dist. Breite (transv.)
121,6 11,1 14,3
Mullerup Mesolith. n. Degerbal, 1933
10,1 ; —
13 neolith. Stücke n. Degerbol, 1933
27 rezente Füchse n. Degerbal, 1933
114,5-116,9 1 0 , 8 - 12,5 1 4 , 0 - 16,9
111,2-128,6 1 0 , 6 - 13,5 14,4 - 17,5
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viecheln, Säugetiere
61
Tab. 17. Meies meles, Unterkiefer
Länge der P-Reihe Länge der M-Reihe Länge P 1 Länge P 2 Länge P 3 Länge P 4 Breite P 4 Länge >l t Breite Mj Höhe des Kiefers hinter M2 Höhe des Kiefers hinter Mx Höhe des Kiefers zw.Mj u.P 4 Größte Dicke unter
HV. 4053
Wankendorf Holstein
37 mesolith. Stücke aus Dänemark n. Degerbel
44 rezente Stücke aus Dänemark u. Deutsehland n. Degerbpl
19,5 22,5 1,5 4,0 6,0 6,5 4,0 16,0 8,0 21 17,5 16,1 7,5
20,7 23,0 2,3 4,9 5,1 6,6 4,2 17,0 8,0 20,7 17,3 15,0 8,0
17,0 —21,7 19,8*)—24,0 1 , 0 * ) - 2,5 4,0*)— 5,5*) 5 , 3 * ) - 6,2*) 6 , 3 * ) - 7,3 3,7 - 4,2 14,3 - 1 7 , 2 6,9 - 8,0 16,4 - 2 1 , 7 14,2 - 1 8 , 0 13,0 - 1 6 , 8 6,3 - 8,4
17,5 - 2 1 , 8 21,0 - 2 5 , 0 0 , 9 * ) - 2,2 4,0 - 5,9 5,3 - 6,8 6,3 - 8,1 3,5 - 4,6 15,6 - 1 9 , 0 7,2 - 8,9 17,3 - 2 3 , 1 14,5 - 1 8 , 7 12,0 - 1 6 , 7 5,5 - 8,8
*) = Alveolar-Maße
n) Putorius putorius (Iltis) Für das Vorhandensein des Iltis in der mesolithischen Fauna Mecklenburgs zeugt ein rechter Unterkieferast (Taf. 80c und d), an dem der Proc. coron. abgebrochen ist. Von der Bezahnung sind nur P 2 und Mx vorhanden. Der Abstand zwischen P 2 und der Rückseite der M2-Alveole beträgt 18,5 mm, mißt 8,4 mm und die Länge zwischen der C-Alveolen-Rückwand und derjenigen von M2 ist 20,0 mm.
o) Lutra lutra (Fischotter) Der Otter ist nur durch Knochen der hinteren Extremitäten nachgewiesen. Neben einem proximalen Bruchstück vom Oberschenkel mit einer größten Breite von 26,1 mm sind 2 Schienbeine (1 1., 1 r.) aufgesammelt worden, von denen dem rechten juv. Exemplar die dist. und prox. Epiphyse fehlen. Das ad. Stück gehörte einem besonders kräftigen Tier an. Mit einer größten Länge von 105,5 mm, einer proximalen Breite von 25,2 mm, einer distalen Breite von 17,6 mm und einer geringsten Epiphysenbreite von 7,2 mm liegt der Knochen entweder im Maximalbereich der Variationsbreiten der von Degerb0l (1933) mitgeteilten entsprechenden Maße von subfossilen und rezenten Exemplaren oder übertrifft diese sogar. Schließlich ist noch eine komplette Fibula vorhanden. Gliedmaßenknochen Fernur
Tibia
HV. 973
HV. 4307
15 neolith. Stücke n. Degerb0l, 1933
22 rezente Stücke n. Degerbal, 1933
134,3 24,2 18,5
22,8
140,0 25,0-27,5 20,2-23,4
126,5-139,5 2 3 , 8 - 28,5 1 9 , 5 - 23,5
HV. 3397
2 mesolith. Stücke n. Degerbol, 1933 131,7 ca. 22
14,3
17 neolith. Stücke n. Degerbal, 1933
24 rezente Stücke n. Degerbol, 1933
22,6-25,0 15,5-17,8
135,5-151,0 2 0 , 0 - 26,8 1 4 , 5 - 17,5
62
OTTO GEHL
Tab. 18. Felis
Hohen Viechein
Humerus
Größte Länge prox. Breite transv. prox. Breite (vorn-hinten) dist. Breite Diaphysenbreite Radius
Hohen Viechein
Älteste Steinzeit Dänem arks n. Degerl )0l (1933) Svaerdborg
Svaerdborg 1
Svaerdborg 2
Holmegaard
Tab. 5 22
130/136
112,1 17,7 23,1 20,4 7,2 132/134
silvestris,
20,2
133/135
108,7 9,0 13,8 6,2
Tab. 6 1
Größte Länge Breite prox. Breite dist. geringste Diaphysenbreite
108,4 9,1 14,1 6,3
Tibia
4794
Tab. 8 1
Tab. 8 2
Tab. 8 3
Größte Länge Breite prox. Breite dist. geringste Diaphysenbreite
132,7 21,7 16,2 8,0
133,6
134,0 21,6 16,3 7,9
133,1 21,0 14,9 7,2
13,6 -
16,0 7,8
p) Felis silvestris (Wildkatze) Das Vorkommen der Wildkatze ist durch 1 rechten Oberarm, 1 rechte und 1 linke Speiche und 1 linkes Schienbein belegt. Deren Maße sind in der Tab. 18 zusammengestellt. Während die Humerus-Maße und diejenigen der Speichen ganz allgemein hinter denen der dänischen subfossilen Wildkatzen zurückbleiben, liegen die Tibiamaße in der unteren Variationsbreite derselben. Gegenüber den zur Verfügung stehenden entsprechenden Knochenmaßen der einheimischen Hauskatze, die zwar zu der gleichen Art gehört (Haltenorth 1953), aber im wesentlichen die Domestikationsform der Falbkatze (Felis silvestris lybica) darstellt, sind diejenigen der Stücke von Hohen Viechein erheblich größer. q) Lynx lynx (Luchs) Vom Luchs wurden 2 rechte Radien, von denen der eine im proximalen und distalen Bereich beschädigt ist, und der proximale Teil einer rechten Ulna nachgewiesen. Die komplette Speiche hat eine größte Länge von 174,3 mm, die dist. Breite beträgt 26,8 mm, die größte
63
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Säugetiere Gliedmaßenknochen rezent n. Degerbol (1933)
Ältere Steinzeit Dänemarks n. Degerbol (1933) Ertebölle
Fannerup
Lango
Brabrand
Württemb.
CN 755
914
969
Tab. 5 1
Tab. 5 21
Tab. 5 24
Tab. 5 25
Tab. 5 26
124,5 20,5 26,0 22,6 8,7
121,0 19,5 25,7
121,6 20,1 25,5 22,0 8,3
95,0 16,7 20,0 20,1 7,3
91,0 15,3 19,7 17,5 6,5
97,0 16,5 20,5 17,7 7,0
—
8,0
Tab. 5 27
Tab. 6 3
Tab. 6 8
Tab. 6 11
Tab. 6 12
Tab. 6 14
Tab. 6 15
Tab. 6 16
112,5 9,5 14,2 6,8
122,5 9,8 15,0 7,0
117,0 10,0 14,5 7,0
114,0 9,5 14,9 6,4
89,0 8,3 12,8 6,0
87,0 7,5 11,8 5,5
94,5 7,5 12,5 5,9
Tab. 8 4
Tab. 8 14
Tab. 8 15
_
Tab. 8 16
130,4 20,5 15,0 7,5
139,8 22,6 16,6 8,3
108,5 19,3 14,3 7,0
_
111,8 18,6 14,1 7,0
— — —
prox. 16,3 mm. Ein von Degerbol erwähnter Radius von Ertebölle mißt proximal 17,4 mm. Der Radius eines rezenten Luchses (r?) aus Finnland (Naturkunde-Museum Berlin Nr. 14589 Z. G. 6. XII. 09) weist bei den entsprechenden Maßen folgende Längen auf: Größte Länge 193,3; dist. Breite 28,3; prox. Breite 18,5 mm.
Literatur Beltz, R.,: Die paläozoischen Funde des Großherzoglichen Museums in Schwerin. Arch. d. Ver. d. Fr. d. Nat. in Meckl. Bd. 51, 1897. Brinkmann, A.: Canidenstudien V—VI. Bergens Museums Aarbok 1923—24. Naturv. raekke Nr. 7, 1925. Degerb0l, M.: Über prähistorische dänische Hunde. Vidensk, Medd. f. Dansk naturhist. For. Bd. 83, 1927. Degerbal, M.: Danmarks pattedyr i fortiden. Vidensk. Medd. f. Dansk Nat. For. Bd. 96, 1933. Fräser, F. C. u. King, I. E . : Faunenreste. In Clark, I. G. D.: Star Carr. Cambridge 1954. Halthenorth, Th.: Die Wildkatzen der Alten Welt. 1953. Merkblätter der Gesellschaft für Jagdkunde Nr. 5. Rehhaltermerkblatt 11. Aufl. o. J . Pira, A.: Studien zur Geschichte der Schweinerassen, insbesondere derjenigen Schwedens. Zool. Jahrb. Suppl. Bd. 10, 1909. Schwarz, E . : Über diluviale Pferde der Equus caballus-Gruppe. J a h r b . d. Pr. Geol. Landesanstalt f. 1927.
III. Die Vogelreste Von Elsbeth Soergel, Freiburg
1. Beschreibung Dank der sorgfältigen Grabungsweise kam eine ansehnliche Reihe von Vogelknochen zutage, deren nähere Betrachtung um so mehr geboten erscheint, als die Avifauna des Mesolithikums bisher noch sehr wenig bekannt ist. Im einzelnen liegen vor: a) Colymbus (Gavia) arcticus L. (Pracht- oder Polartaucher) Ein kompletter Humerus (Taf. 84b) und ein Tarsometatarsus ohne unteres Gelenkende gehören dem Prachttaucher an. Der Humerus ist 153 mm lang (Länge rezent 140 bzw. 175 und 182 mm, Col. stellatus 120 bzw. 130, 130, 130 und 148mm, n. Milne — Edwards 135 mm). Auch nach den Angaben in der Literatur über rezente Vögel überschneiden sich diese beiden Arten etwas in der Größe; der fossile Humerus, der zudem auch morphologisch gut charakterisiert ist, dürfte aber, auch bei Hinzuziehung eines noch größeren Vergleichsmaterials, außerhalb der Variationsbreite von stellatus stehen. Der ca. 73 mm lange Metatarsus ist kürzer als die rezenten Vergleichsstücke (85 mm, stellatus 69 und 71 mm). Nach morphologischen Unterschieden ist dieser Laufknochen zu arcticus zu stellen; stellatus ist im ganzen viel graziler gebaut, ist seitlich mehr zusammengepreßt und zeigt anderen Verlauf der Crista cnemialis med. und lat. b) Colymbus stellatus Pont. (Stern- oder Nordseetaucher) Von dieser circumpolar beheimateten Art sind zwei linke prox. Humerushälften (Taf. 84i) und eine prox. Tibiotarsushälfte (Taf. 84f), die den charakteristischen Proc. cnemialis aufweist, vorhanden. In der Größe schließen sich die Reste an mittelgroße rezente Stücke, also Humeruslänge ca. 130 mm, an. Einige morphologische Verschiedenheiten dieser beiden Taucherarten seien genannt. Der Humerus von stellatus ist im oberen Teil viel schwächer gebogen als der von arcticus, die Intumescentia proc. med. humeri ist bei stellatus in die Länge gezogen, bei arcticus kommen sich Längs- und Querdurchmesser einander nahe, der Rand dieser Vorwölbung ist hier noch mehr ausgeprägt, mit überstehender Kante, die Impressio coracobrachialis ist bei arcticus tiefer und profilierter; auf der Dorsalseite fällt besonders auf, daß die Eminentia lat. post. bei arcticus als ovale Erhebung auftritt, daß die vom Tub. med. herunterziehende Leiste (Crus lat. tub. med. nach Fürbringer, median crest nach H. Howard) bei arcticus markierter ist und daß der ganze mediale Abschnitt zwischen Fossa pneumoanconaea und Angulus dorsalis bei beiden Arten eine verschiedene Oberflächengestaltung aufweist. *) Herrn Dr. S. Schaub, dem Vorstand der osteologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Basel, danke ieh herzlich für seine freundliche Unterstützung und die Erlaubnis, die reichhaltigen Sammlungen des Museums benützen zu dürfen.
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Vogelreste
65
Das Tibiotarsusfragment stimmt mit stellatus in Form und Größe überein. Da als Jahresvogel nur der Prachttaucher in Deutschland vorkommt, ist eine genaue Bestimmung der Fundstücke wichtig. c) Podiceps cristatus L. (Haubentaucher) Zwei Humerusfragmente (dist. Breite 10,3 mm und 10,5 mm), ein Tibiotarsusfragment u n d ein juv. Metatarsus bieten gegenüber den rezenten Exemplaren keine Besonderheiten. Bemerkenswert ist der jugendliche Metatarsus als Beweis f ü r nahegelegene Brutplätze. d) Phalacrocoraz carbo L. (Kormoran) Eine Ulna (Breite prox. 11,1 mm, rez. 13,3 mm) zeigt die f ü r die Pelecaniformes charakteristische Biegung des oberen Endes nach der medialen Seite und die scharfe Linea intermuscularis auf der Vorderseite, die den oberen Teil des Schaftes in zwei fast rechtwinklig zueinander stehende Partien teilt. Die Impressio brachialis, die sich bis zu dieser K a n t e ausdehnt, ist tief und scharf begrenzt. Der Kormoran wurde auch im Azilien von Schottland nachgewiesen. e) Anas platyrhynchos
L. (Stockente)
Ein kompletter Humerus (Taf. 84e) (Länge 92,2 mm), zwei Humerus- und zwei UlnaFragmente entsprechen den rezenten Vergleichsstücken. Die Ulnae sind gekennzeichnet durch starke Papillae ulnares; besonders die inneren, auf einer Leiste perlschnurartig aneinandergereihten, fallen ins Auge. f) Anas acuta L. (Spießente) Diese vorzugsweise in nördlichen Gegenden brütende E n t e ist durch einen Humerus (Taf. 84 h) (Länge 87 m m ; rezent 90 m m ; nach Milne-Edwards 89,9 mm) und eine Ulna (Länge 77,8 m m ; Breite prox. 9,7 m m ; rez. acuta 77,2/9 m m ; platyrhynchos 75,5/9,9 mm) vertreten. F ü r die Differenzierung des Humerus von dem der Stockente weist Milne-Edwards besonders darauf hin, daß der Humerus der Spießente schlanker ist und eine weniger starke Crista lateralis h a t ; ein sehr deutlicher Unterschied besteht darin, daß sich das Planum bicipitale bei der Stockente medialwärts bis fast zur Mitte ausdehnt und durch einen markierten Sulcus coracobrachialis von der I n t u m . proc. med. getrennt ist, während bei der Spießente das Planum bic. nur etwa x / 4 der Breite einnimmt und die Nervenrinne nur im unteren Teil schwach angedeutet ist. Am distalen Ende zeigen sich Verschiedenheiten besonders im Bereich des Condylus ulnaris. Auch die Ulna der Spießente ist schlanker als die der Stockente, was aus den angeführten Maßen ohne weiteres hervorgeht. g) Anas (Mareca) penelope L. (Pfeifente) Ein Carpometacarpus (Länge 4 9 , 1 m m ; rez. 50 mm) gehört zu dieser nordeuropäischen Art, die vereinzelt östlich der Elbe brütet. Sie fehlte bisher aus deutschen Ablagerungen. h) Nyroca (Aythya) fuligula L. (Reiherente) Ähnlich ist das Verbreitungsgebiet der Reiherente, von der ebenfalls ein Carpometacarpus (Länge 41 m m = rez.) vorliegt. 5
Hohen Viecheln
66
E L S B E T H SOERGEL
i) Mergus merganser L. (Gänsesäger) Ein Humerus (Taf. 84d) dieser Art (Länge 102 mm = rez.) läßt sich erkennen an der Größe und an der im Vergleich zu anderen Enten viel stärkeren Aushöhlung des Caput articulare. Das Schaftstück einer Ulna, das durch seine geringe Biegung auffällt, gehört auch hierher. k) Mergus serrator L. (Mittelsäger) Bis auf das Caput gut erhalten ist ein Humerus des Mittelsägers (Taf. 84g), der mit ca. 92 mm Länge etwa ebenso groß ist wie der Humerus der Stockente, von dem er sich aber morphologisch gut trennen läßt. Er ist, neben dem genannten Merkmal am Caput, gut charakterisiert durch eine längs verlaufende breite Muskelfurche unterhalb der Fossa pneumoanconaea, die eine besonders starke Ausbildung des m. anconaeus hum. anzeigt. Auch distal ist u. a. der Sulcus anconaeus lat. markierter und die Fossa olecrani tiefer als bei den eigentlichen Enten. Eine rechte und eine linke Ulna, die wohl vom gleichen Tier stammen (Länge 69,6 mm), zeigen viel schlankeren Bau und schwächere Krümmung als Enten ähnlicher Größe. Als vierter Rest dieser Art ist noch ein Femur ohne dist. Epiphyse vorhanden. 1) Anser anser L. (Graugans) Ein 1. Humerus (Taf. 84a), dessen dist. Gelenk nicht ganz erhalten ist, war ca. 181 mm lang, ziemlich gleich wie der einer rezenten Graugans, mit der er auch morphologisch übereinstimmt. m) Anser albifrons
(Scop.) (Bläßgans)
Kleiner, von der Größe der Bläßgans (L. rez. 160 mm), ist ein anderer 1. Humerus (Taf. 84c), dessen proximales Gelenk abgebrochen ist. Von Gänsen ähnlicher Größe unterscheidet er sich besonders durch einen stark hervortretenden Angulus dorsalis und eine deutlich abgegrenzte tiefe, nicht ausgedehnte Impressio brachialis. n) Anser fabalis (Lath.) (Saatgans) Nach Größe und Erhaltungsart zusammengehören dürften wohl einige Reste (je prox. und dist. Fragment des r. Humerus (Taf. 84k) und der r. Ulna, Schaftstück eines 1. Tibiotarsus), die den oben erwähnten Humerus von Anser anser und rez. Vergleichsstücke der Grau- und Saatgans (Humeruslänge von fabalis 171 mm) um einiges übertreffen. Morphologisch schließen sie sich fabalis an, wie auch ein etwas kleineres Schaftstück eines r. Tibiotarsus. I m Vergleich zu anser ist bei fabalis der Angulus dorsalis schärfer, die Impressio brach, ist an Humerus und Ulna tiefer und ausgedehnter, am Tibiotarsus sind auf der Ventralseite des Schaftes die einzelnen Sehnenrinnen deutlicher abgegrenzt, und durch eine leichte Drehung der Diaphyse ist diese Partie etwas nach außen gekehrt. o) Cygnus cygnus L. (Singschwan) Der Singschwan ist vertreten durch einen Humerus, eine Ulna (beide ohne Gelenkenden) und eine juvenile Ulna, die als Brutnachweis besonderes Gewicht hat. Heute brütet diese Form weiter nördlich, weshalb es klimatologisch von Belang ist, die Fundstücke genau zu identifizieren und sie vom Höckerschwan abzugrenzen. In der Größe differieren beide Arten wenig (L. ds. Hum.: cygnus 289 mm, olor 285 mm, der Ulna: cygnus 274 mm, olor 265 mm an rez. Vergleichsstücken), jedoch bieten auch die Fragmente genügend Anhaltspunkte
Die Wirbeltierreste aus Hohen Viechein, Vogelreste
67
f ü r eine Unterscheidung. Diese beiden Knochen zeigen bei olor grazileren Bau, am Humerus ist die Impr. brach, bei olor ausgedehnter, bei cygnus ist sie oben abgerundet und schärfer begrenzt, das Foramen nutrit. ist bei cygnus größer und liegt weiter proximalwärts, die Biegung der Diaphyse ist bei beiden verschieden, die Ulna von olor hat schwächere und in anderem Abstand stehende Schwingenansätze, kleineres und weiter proximal liegendes for. nutrit., anderen Verlauf der Muskellinien, schwächere Krümmung der Diaphyse. Auch die juvenile Ulna ist an den Proportionen, der Lage des Foramens und der Biegung sicher zu erkennen. p) Haliaeetus albicilla L. (Seeadler) Reste von Mandibula, Clavicula, Ulna und Metacarpus sind wesentlich kleiner als rezente Vergleichsstücke (Metac. L. rez. 112 mm; foss. 101mm), stimmen jedoch morphologisch auch in kleinen Einzelheiten, z. B. einem doppelten Foram. nutrit., mit diesen überein, so daß ihre Zugehörigkeit sicher ist. Auch die Fundstücke aus dem Neolithikum von Ehrenstein bei Ulm, die zum ersten Mal den Nachweis dieser Art f ü r deutsche Ablagerungen erbrachten, bleiben in der Größe etwas hinter rezenten Exemplaren zurück. q) Lyrurus tetrix L. (Birkhuhn) Es sind vorhanden: Furcula, Humerus (L. 73), Femur (L. 79), Tibiotarsus (L. 84) und juveniler Tibiotarsus. r) Tetrao urogallus L. (Auerhuhn) Von dieser Art liegen vor: Sternum (prox. Fragm.), Humerus (L. 110), Tarsometatarsus (L. 62) und dist. Femurfragment. s) Fulica atra L. (Bläßhuhn) Das weit verbreitete, bisher aus deutschen Ablagerungen nicht genannte Bläßhuhn ist belegt durch Reste von 2 Hum., 1 Ulna und 2 Tibiot., die nicht ganz die Größe der rez. Stücke erreichen (Humerusl. rez. 78 mm). t) Grus grus L. (Grauer Kranich) Mit 33 allerdings fast durchweg sehr fragmentären Resten nehmen die Kraniche weitaus die erste Stelle ein unter den Vögeln von Hohen Viechein. Zum Grauen Kranich zu stellen sind: 1 Coracoid, 5Hum., IRad., lUln., IFem., 1 Tibiot., 2Tarsomet., 1 juveniler Tarsometatarsus. Etwas größer ist die folgende Art u) Grus antigone L. (Saruskranich) Hierher zu rechnen sind: 1 Corac., 9 Hum., 2 Uln., 1 Rad., 2 Tibiot., 1 juv. Tibiot., 3 Tarsomet., 1 juven. Tarsometatarsus. Auf einige morphologische Unterschiede zwischen diesen beiden Kranichformen, die sich in der Größe nahekommen und nicht an allen Fragmenten sicher auseinanderzuhalten sind, wurde schon früher hingewiesen anhand einiger Fundstücke aus dem Neolithikum von Ehrenstein bei Ulm. Dort waren nur Humeri und Radius vorhanden, die mit den hier vorliegenden in Form und Größe übereinstimmen. Gut charakterisiert ist die Ulna, deren 5*
68
E l s b e t h Soergel
proximales Gelenkende bei grus eine Abknickung nach der medialen Seite auch die Impressio brach, einbezogen ist. Diese Muskelgruppe selbst ist begrenzt und nach unten zu spitzer als bei antigone. Auch Ausbildung und uln. sind verschieden. Einige Maße, die zwar f ü r die Einordnung der fossilen Fragmente nur haben, seien a n g e f ü h r t : Länge ds. Humérus:
antigone rez. grus ,., antigone ,, d. Ulna: grus ,, ds. Tibiot. : antigone , , grus ,, ds. Metatars. : antigone , , grus ,,
zu erfährt, in die bei grus schärfer Abstand der pap. begrenzten Wert
254—270 mm, foss. o. 240—250 mm 220-225 mm, foss. 225-230 mm 304—317 mm, foss. c. 300 mm 225 mm, foss. etwa gleich 380-391 mm, foss. etwas kleiner 302 mm, foss. etwa gleich 331-333 mm, foss. etwas kleiner 250 mm, foss. 265 mm
Hervorzuheben ist, daß sich 2 sehr junge Knochen durch ihre Größe als zu antigone gehörig ausweisen. Daraus ist zu schließen, daß der heute in den weiten Sumpfgebieten Vorderindiens brütende Saruskranich auch in Norddeutschland ihm zusagende Brutbedingungen vorfand. Milne-Edwards h a t diese größere Kranichform aus dem Magdalénien von Südfrankreich beschrieben, so daß sich die neuen Funde gut einfügen zwischen die bisherigen aus dem ausgehenden Pleistozän und dem Neolithikum.
2.
Zusammenfassung
Die Ornis des Mesolithikums von Hohen Viechein, wie sie sich uns aus den Knochenresten erschließt, enthält — nach dem heutigen Vorkommen beurteilt — klimatisch verschiedenartige Elemente. Neben sieben allgemein verbreiteten Formen und acht, deren Brutgebiet sich bei vorwiegend nördlicher und östlicher Beheimatung auch heute bis Norddeutschland erstreckt, stehen vier, die f ü r diesen R a u m gegenwärtig nur Zugvögel oder Wintergäste sind, und eine, die überhaupt daraus verschwunden ist. Obwohl nun diese Arten, die bis auf zwei an ein wasserreiches Milieu gebunden sind, auch Bestandteile der pleistozänen Ornis Mittel- bzw. Westeuropas sind, kann man doch nicht von einem diluvialen Charakter unserer F a u n a sprechen, weil die Kraniche im Pleistozän nicht in so großer Zahl auftreten und weil manche Art, die man dann erwarten würde, z. B. das Schneehuhn, fehlt. Bei der verhältnismäßig großen Zahl der vorhandenen Knochenreste darf man wohl d a f ü r nicht die Lückenhaftigkeit der Überlieferung verantwortlich machen. Zieht man zum Vergleich Vogelfaunen ähnlichen Alters aus Süddeutschland und der Schweiz heran, die fast als einzige näher beschrieben sind, so zeigen sich gewisse, z. T. wohl auch auf der verschiedenen Ortlichkeit beruhende Unterschiede. Studer gibt von den Azilien-Stationen von Birseck eine Liste von 13 Arten und betont, „daß wir uns im Azilien bezüglich der Vogelfauna ganz innerhalb der gegenwärtigen Verhältnisse befinden. Es sind Vögel, welche auch heute am selben Ort Wald und Feld bewohnen". Etwas älter ist der Abri von Balm, wo Stehlin „inmitten einer höchst banalen postglazialen Wald- und Wiesenfaune" je 2 Reste von Moor- und Alpenschneehuhn — neben einigen alpinen Säugetieren und dem Ren — festgestellt hat. Mit dieser letzteren Örtlichkeit h a t Hohen Viechein drei Formen gemeinsam, mit Birseck keine. Auffällig ist das jeweilige Verhältnis dieser mesolithischen Vogelfaunen zu der rezenten. Während die der südlicheren Fundstellen schon den heutigen Stand erreicht hat, erweist sich die der nördlicheren als eine Übergangsfauna, aus der sich die diluvialen Gestalten zwar teilweise zurückgezogen haben, der aber noch k a u m Vertreter einer neuen Klimaperiode beigesellt sind.
69
Die Wirbeltierreste aus H o h e n Viechein, Vogelreste •mosinappjojsi
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>|.:lMu.) Clark, J. G. D., Excavations at Star Carr. Cambridge 1954, S. 170ff., Tafel X X I I - X X I V . ) Reinbacher, E., Eine vorgeschichtliche Hirschmaske aus Berlin-Biesdorf. Ausgrabungen und Funde 1, Berlin 1956, S. 147 ff.
2
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
131
1
gehört und ein ähnliches Loch aufweist wie unsere Stücke ). Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser Rest ebenfalls zu einer Maske gehörte. Unsere F u n d e gehören in das frühe Boreal, da sie in der ältesten Strate des Fundhorizonts auftreten. Liste der
Schädelmasken
K a t . Nr. 3412: Bearbeiteter Schädel vom Rothirsch. Der Gesichtsteil ist über den Augenhöhlen grob weggeschlagen, wobei die Oberfläche stark splitterte. Das Schädeldach ist unmittelbar hinter den Rosenstöcken abgeschlagen, so daß nach hinten eine flachrunde Öffnung entstand. Das sehr poröse, nicht ausgewachsene Geweih ist besonders in der Länge, aber auch in der Stärke reduziert. Die Ansätze beider Augsprossen sind erhalten. Länge der Geweihstümpfe 12,5 cm. Das Stück kann als Vorarbeit für eine Schädelmaske gelten. K a t . Nr. 5863 (Taf. 56, 57, 58, 121): Die Maske ist aus dem Gesichts- und Stirnteil eines nicht sonderlich kräftigen Rothirschschädels hergestellt worden, wobei erhebliche Veränderungen vorgenommen wurden. Das Geweih wurde derartig entfernt, daß ein Teil der Rosenstöcke und des Geweihs stehenblieb. Der Schnitt wurde dabei so schräge von außen nach innen geführt, daß spitze Geweihstümpfe von 10 bzw. 7 cm Länge erhalten blieben. Die Schädelkalotte ist so stark beschnitten worden, daß nur das Dach erhalten blieb, das in seinem hinteren Teil in gleicher Höhe zwei ovale Löcher aufweist, die beide zu den Seiten hin ausgebrochen sind. Auch der Gesichtsteil ist stark beschnitten, so daß von beiden Augenhöhlen nur die Ansätze erhalten sind. Uber den Augenhöhlen sind im Gesicht zwei natürliche Schlitze zu runden Öffnungen erweitert worden. Das Nasenbein ist nicht erhalten. Das Hinterh a u p t hat man abgetrennt. Die ganze Innenstruktur des Schädels ist herausgeschnitten worden, so daß n u r die schalenartige K a l o t t e erhalten ist. Durch die gute Erhaltung des Stückes sind die Bearbeitungsspuren bis in alle Feinheiten zu erkennen. Besonders deutlich sind sie im Schädelinnern zu verfolgen, wo mit viel Mühe alle störenden Knochenteile entfernt wurden, so daß eine glatte, schalenartige Höhlung entstand. Höhe des Stückes 21,6 cm, Breite 18 cm.
10. Hacken aus Röhrenknochen mit einseitigem
Schaftloch
Ob es sich bei diesen drei Werkzeugen um Hacken handelt, ist nicht einwandfrei zu beweisen, da keine Anhaltspunkte f ü r eine Schäftung vorhanden sind. Die starke, einseitige Beschädigung an K a t . Nr. 5485 läßt diese Vermutung aber nicht gar zu hypothetisch erscheinen. Der Schaft wird dann aber mit der Hacke durch Bast oder Sehnen fest verbunden gewesen sein. Andernfalls kann man kurze Knochenschäfte in diesen Stücken sehen, die in gleicher Weise benutzt wurden wie die aus dem Mittelfußknochen des Rothirsches hergestellten Schäfte. Liste der Hacken aus
Röhrenknochen
K a t . Nr. 4007: Rest eines Röhrenknochens mit einem einseitigen dreieckigen Loch von 2,8 cm Länge, unmittelbar unterhalb der Epiphyse. Verschiedene Ausbrüche an diesem lassen erkennen, daß irgendein Gegenstand darin befestigt war. Länge des Restes 18 cm. K a t . Nr. 4469 (Taf. 122b): Wahrscheinlich aus dem radius vom Hirsch hergestellt. Ein Gelenkstück mit einem Teil des Knochens ist entfernt und dafür an dem abgeschlagenen E n d e der Ansatz einer groben Schneide erkennbar, die möglicherweise einen Einsatz aus Feuerstein besaß. An der flachen Seite des Knochens ist am Gelenk ein einseitiges Loch von 1,5 cm Dm. angebracht, das vielleicht zur Aufnahme eines Schaftes diente. Länge 16,8 cm, gr. D m . 2,5 cm. (b) K a t . Nr. 5485 (Taf. 122 a): Aus dem radius vom Hirsch hergestellt. Ein Gelenkstück wurde abgetrennt. Die Schneide ist etwas ausgebrochen u n d zeigt starke Abnutzungsspuren. Unter dem Gelenk war an der flachen Seite ein einseitiges längliches Loch, das in der einen Hälfte nicht mehr erhalten ist. Wahrscheinlich diente auch diese Öffnung zur Befestigung eines hölzernen Schaftes. Die äußere gerundete Seite der Hacke ist m i t zahlreichen Beschädigungen bedeckt, die zweifellos während der Benutzung auftraten u n d ein Beweis sind, daß harte Gegenstände m i t dem Werkzeug bearbeitet wurden. Länge 22 cm, gr. D m . 3 cm. (a)
11. Pfriemenartige
Werkzeuge
Drei Fundstücke können unter dieser Bezeichnung genannt werden. Während ein Stück (Kat. Nr. 5242) ohne Zweifel als Pfriem bezeichnet werden kann, da es eine zugearbeitete schlanke Spitze hat, ist es bei den anderen nicht ohne weiteres möglich. Das Exemplar K a t . Nr. Ho. Vi. 119 hat eine kurze, nasenartige Nutzfläche und kann nur bedingt als Pfriem 1
) Rust, A., Die mittel- und altsteinzeitlichen F u n d e von Stellmoor. Neumünster 1943, S. 210, Tafel 107.
9*
132
E W A L D SCHULDT
gelten. Unsicher ist die Zuweisung auch bei d e m Stück K a t . N r . 2494 (Taf. 53 g) mit d e m E t u i K a t . N r . 2493. Liste der pjriemenartigen
Geräte
Kat. Nr. 2493, 2494: In die Röhre eines zerbrochenen Mittelhandknochens vom Reh ist ein kleiner, zur gleichen Rnochenpartie gehörender, spitzer Knochen von 6 cm Länge (Metacarpalrudiment) gesteckt worden, der eine schneidenartige Kante hat, die von Natur aus aber vorgebildet ist (Taf. 53 g). Kat. Nr. 5242: Scharniergelenkende eines Mittelfußknochens, der zerschlagen ist und dessen Bruchfläche spitzenartig zureehtgeschnitten wurde. Länge 12 cm. (Tafel 139c). Kat. Nr. Ho. Vi. 119: Scharniergelenkende eines Mittelfußknochens vom Rothirsch, das an einer Seite nasenartig ausgehöhlt wurde. Länge 6 cm. (Taf. 69d und 139b).
12.
Verschiedenes
Die A b b i l d u n g 68e zeigt ein kleines K n o c h e n p l ä t t c h e n ( K a t . N r . H o . Vi. 76), d a s aus einem größeren S t ü c k herausgeschnitten u n d mit einem kleinen Loch versehen w u r d e . D a s S t ü c k d ü r f t e in der A r t der d u r c h b o h r t e n Z ä h n e als A n h ä n g e r getragen worden sein.
C. W e r k z e u g e a u s 1.
Geweih
Beilklingen
E s sind sechzehn S t ü c k e v o r h a n d e n , die u n t e r dieser Bezeichnung z u s a m m e n g e f a ß t werden k ö n n e n . Sie sind ohne A u s n a h m e a u s den Geweihstangen v o m R o t h i r s c h hergestellt worden. Zwei F o r m e n sind zu u n t e r s c h e i d e n : a) Beilklingen
mit einseitig angespitzter
Schneide
K a t . N r . 915, 1168 (Taf. 124b), 1202, 1730 (Taf. 123a), 2693, 3374 (Taf. 123b), 5271 (Taf. 123c), 5350 (Taf. 7 3 a u n d 124a), 5775, H o . Vi. 135 (Taf. 125b). b) Beilklingen
mit beidseitig angespitzter
Schneide
K a t . N r . 1208 (Taf. 126), 4384 (Taf. 59c), 4771 (Taf. 59a), 5324 (Taf. 127), H o . Vi. 710, 711. Die Bezeichnung „Beilklinge" f ü r diese W e r k z e u g f o r m e n ist a u s der L i t e r a t u r ü b e r n o m m e n , d a ähnliche F u n d e v o n anderen P l ä t z e n vorliegen 1 ), u n d sie soll ausdrücken, d a ß es sich u m Schlagwerkzeuge handelt, die geschäftet waren. F ü r beide F o r m e n m ö c h t e m a n die E i n s a t z s c h ä f t u n g a n n e h m e n , d. h. sie waren indirekt d u r c h eine F a s s u n g bzw. einen K o p f a m S c h a f t befestigt. Die V e r j ü n g u n g der N a c k e n p a r t i e aller S t ü c k e l ä ß t eigentlich keinen Zweifel a n dieser A r t der S c h ä f t u n g . T r o t z d e m sind d e m Verfasser B e d e n k e n g e k o m m e n bei der eingehenden U n t e r s u c h u n g der Nackenteile. D a s vorliegende Material ist f a s t ausnahmslos sehr g u t e r h a l t e n , u n d es sind a n den meisten S t ü c k e n alle Spuren, die bei der Herstellung u n d bei der s p ä t e r e n B e n u t z u n g a u f t r a t e n , e r h a l t e n geblieben. Verschiedene E x e m p l a r e weisen sehr s t a r k e A b n u t z u n g s s p u r e n a n der Schneide auf ( K a t . N r . 1056, 1730, 5350). Bei sechs S t ü c k e n ist die Schneide ausgebrochen, was d a r a u f schließen l ä ß t , d a ß diese Klingen einer s t a r k e n B e a n s p r u c h u n g ausgesetzt waren. Bei d e m S t ü c k K a t . N r . 1195 ist die Spongiosa v o n der Schneide z u m N a c k e n g e s t a u c h t u n d zusammengeschoben, ein Beweis, d a ß von der ]
) Schwabedissen, H., Die Bedeutung der Moorarchäologie für die Urgescliichtsforschung. Offa 8, 1949, S. 68 u. Abb. 8. — Schwantes, G., Geschichte Schleswig Holsteins. Bd. 1. Vorgeschichte. Neumünster 1939, S. 120, Abb. 119. — Broholm, H. C., Nye Fund fra den aeldste Stenalder. Holmegaard — og Svaerdborgfundene. Aarbager 1924, S. 59, Abb. 18, Abb. 53. — Hoffmann, R., Eine neue Harpunenfundstelle im Havelland. Manus 33, Leipzig 1941, S. 232, Abb. 6. - Brondsted, J., Danmarks Oltid I, 1938, Abb. 24c.
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
133
Schneide her ein starker Druck darauf ausgeübt wurde. Diese starke Beanspruchung der Schneide bei der Verwendung des Gerätes müßte folgerichtig auch irgendwelche Druck-, Klemm- oder Scheuerspuren am Nacken bzw. an der Nackenpartie zur Folge gehabt haben. Nichts dergleichen ist aber festzustellen. Bei der Kat. Nr. 5350 sind die Schnittspuren an der unteren Schneidenhälfte vollständig durch Benutzung verschwunden, an der oberen Nackenpartie sind diese Spuren aber bis in alle Feinheiten erhalten. Ähnlich ist es bei anderen Stücken. Der Beweis f ü r eine vorhanden gewesene Schäftung irgendwelcher Art konnte bei keinem Stück erbracht werden. Die verschiedenen Überlegungen, die wirkliche Verwendung dieser Werkzeugform betreffend, haben zu dem Ergebnis geführt, daß es nicht unwahrscheinlich ist, daß die Stücke gar nicht geschäftet waren, sondern in der Hand gehalten und in der Art der Stirn' lind Kielhobel aus Feuerstein benutzt wurden. Diese Feststellung gilt nur f ü r die Stücke der Form a, insbesondere für jene Stücke, die eine auffallend steilwinklige Schneide haben und in denen man Glättwerkzeuge sehen möchte. Der Beweis f ü r die Richtigkeit dieser Meinung ist nicht zu erbringen ; der Verfasser sah daher auch keinen Grund, die bereits eingeführte Bezeichnung durch eine andere zu ersetzen. Liste der
Beilklingen
Kat. Nr. 915: Der Beilkörper ist etwas gebogen, und an einer Längsseite wurde eine Ausbuchtung der Geweihstange glattgeschnitten. Die Schneide ist ganz einseitig angespitzt und die Schnittspuren, die beim Abtrennen von der Stange entstanden, sind nicht überarbeitet worden. Länge 15,5 cm, Dm. 4,2 cm. (c) Kat. Nr. 1168 (Taf. 124b): Aus einem starken Geweihstück zurechtgeschnitten, wobei die Rinde der einen Hälfte entfernt wurde. Die Schneide ist in einem verhältnismäßig steilen Winkel einseitig angespitzt worden und beim Gebrauch ausgebrochen. Durch längeren Gebrauch sind die Schnittspuren an der Schneide glattgerieben. Der Nacken ist allseitig stark verjüngt und stumpf zugespitzt. Das Stück ist am Nackenteil etwas angeschmaucht. Länge 16,2 cm, Breite 4,4, cm. gr. Dicke 5 cm. (c) Kat. Nr. 1202: Der Beilkörper ist etwas gebogen. Die Schneide ist ganz einseitig angespitzt und an der Spitze geringfügig ausgebrochen. Der Nacken ist stumpf, aber etwas verjüngt. Länge 18,8 cm, Dm. 2,9 cm. (a) Kat. Nr. 1208 (Taf. 126): Aus einem starken Geweihstück, dessen Perlung vollständig entfernt wurde, hergestellt. Kurze, walzenartige Form. Die Schneide ist halbrund und gewölbt. Sie ist beidseitig zugespitzt, geschliffen und poliert. Der Nacken ist kantig zugearbeitet und stark verjüngt, die Schnitt- und Schlagspuren sind deutlich zu erkennen. Länge 12,7 cm, gr. Breite 4,9 cm, Dicke 3,3 cm. (a) Kat. Nr. 1730 (Taf. 123a): Der ganze Beilkörper ist stark überarbeitet, so daß die Perlung des Geweihs fast vollständig verschwunden ist und an deren Stelle die Schnittspuren getreten sind. Die Schneide ist einseitig angespitzt und beim Gebrauch stark ausgebrochen. Der Nacken verjüngt sich allseitig, er ist stumpf zugespitzt. Länge 13,3 cm, Dm. 3,3 cm. (a) Kat. Nr. 2693: Die Schneide ist einseitig angespitzt, aber stark ausgebrochen. Der Nacken ist stumpf, aber etwas verjüngt. Das Stück ist schlecht erhalten. Länge 16,1 cm, Dm. 2,8 cm. (a) Kat. Nr. 3374 (Taf. 123b): Der Beilkörper ist etwas gebogen. Die Schneide ist einseitig angespitzt. Durch langen Gebrauch ist die Perlung des Geweihs an der Schneidenpartie verschwunden. Der Nacken ist zugearbeitet und hat einen kegelförmigen Abschluß. Länge 13,5 cm, Dm. 2,8 cm. (a) Kat. Nr. 4384 (Taf. 59c): Allseitig verändertes Geweihstück mit einer beidseitig zugespitzten Schneide und einem stumpfen Nacken. Die eine Schmalseite ist in ganzer Länge flach gekehlt. Länge 11,2 cm, gr. Breite 3,5 em. (a) Kat. Nr. 4771 (Taf. 59a): Kleine, meißelartige Klinge mit schmaler Schneide aus einem Geweihende. Die Schneide ist überwiegend einseitig angespitzt. Sie ist 1,2 cm breit und steht etwas schräg. Der Nacken schließt stumpf ab, und die Nackenpartie ist verjüngt. Länge 11,7 cm, mittlerer Dm. 2 cm. (c) Kat. Nr. 5271 (Taf. 123c): Der Beilkörper ist etwas gebogen. Die Klinge ist aus dem dünneren Stangenstück hergestellt worden, so daß der Nacken gegenüber der Sehneide verjüngt ist. Die Schneide ist einseitig angespitzt und nur wenig abgenutzt. Der Nacken ist allseitig beschnitten. Länge 15,3 cm, Dm. 2,5 cm. (b) Kat. Nr. 5324 (Taf. 127): Lange Klinge von walzenartiger Form aus einem starken Geweihstück. Die halbrunde Schneide ist aus dem Rosenstück geschnitten, sie ist beidseitig zugespitzt. Die Schnittspuren sind nur zum Teil geglättet. Der Nackenteil ist allseitig verjüngt, hier sind die Sohnittspuren besonders deutlich erhalten geblieben. Länge 22 em, Dm. 4,2 cm. (a) Kat. Nr. 5350 (Taf. 73 a und 124 a): Ein sehr gut erhaltenes Stück, an dem alle Arbeitsspuren von der Herstellung sichtbar geblieben sind. Die Schneide ist in verhältnismäßig steilem Winkel einseitig angespitzt worden. Die Klinge wurde lange benutzt, sie wurde auch noch verwendet, als die Spitze der Schneide schon ausgebrochen war. Die ganze Schneidenpartie ist stark abgescheuert. Der Nacken ist allseitig verjüngt und hat einen stumpfen Abschluß. Lange 13,2 cm, Dm. 3,7 cm. (b) Kat. Nr. 5775: Im Nackenteil mehrkantig zugeschnitten und am Nacken gerundet. Die Schneide ist einseitig angespitzt und stark verwittert. Länge 16,8 cm, Dm. 3,2 cm. (a)
134
EWALD
SCHULDT
K a t . Nr. Ho. Vi. 135 (Taf. 125b): Kräftige Klinge m i t einer lang zulaufenden Sehneide, die einseitig gespitzt ist und sehr deutliche Abnutzungsspuren aufweist. Der Nacken ist nur geringfügig verjüngt. Das Stück ist im Wasser gerollt, u n d der poröse K e r n daher zerfallen. Länge 15,3 cm, Dm. 4,4 cm. (a) K a t . Nr. Ho. Vi. 710: Kurze Klinge aus einem starken Geweihstück. Der Nacken ist n u r noch zum Teil erhalten. Die flachrunde Schneide ist beidseitig zugespitzt, wobei aber eine Seite erheblich mehr abgearbeitet wurde. Länge 13,2 cm, Dm. 4,5 cm. (a) K a t . Nr. Ho. Vi. 711: Kurze Klinge aus dem Rosenstock vom Rothirschgeweih. Der Nacken ist nicht erhalten. Die flachrunde Schneide ist beidseitig angespitzt und poliert. Erhaltene Länge 10,2 cm, Dm. 2,8 cm. (a)
2. Geweihhacken mit Schaftloch Es sind elf Fundstücke vorhanden, die unter dieser Bezeichnung eingeordnet werden können, darunter befinden sich fünf ganze Exemplare, vier Reste und zwei Vorarbeiten. Alle Stücke sind aus dem Geweih des Rothirsches hergestellt worden. Typologisch sind sie in zwei Formen zu unterteilen: a) kurze gedrungene Hachen Kat. Nr. 230, 461, 1192, 3174 (Taf. 128b), Ho. Vi. 113 (Taf. 128a) 114; b) schlanke Hacken Kat. Nr. 2069 (Taf. 130b), 4436 (Taf. 130a), 4450 (Taf. 129), Ho. Vi. 112, 709. Die Geweihhacken mit Schaftloch sind verhältnismäßig häufig in den Museen zu finden. Man kann annehmen, daß sie nicht nur auf die mesolithische Periode beschränkt sind. Ein typologischer und chronologischer Unterschied kann wohl insofern gemacht werden, daß die Hacken mit querstehender Schneide überwiegend mesolithisch, die Äxte mit gerader Schneide dagegen jünger sind. Unter unserem Material befindet sich kein Stück, das als Axt anzusprechen wäre. Wohl stehen die Schneiden einiger Exemplare (Kat. Nr. 3174, Ho. Vi. 114) schräg zum Schaft, sie sind aber doch als Hacken zu bezeichnen. Hinsichtlich ihrer Verwendung möchte man annehmen, daß die gedrungene Hacke f ü r einen anderen Zweck benutzt wurde als die schlanke Hacke. Es ist aber nicht möglich, eine bestimmte Arbeit zu nennen, die mit einer dieser Formen verrichtet wurde. Dabei hat die gedrungene Hacke eine gewisse Ähnlichkeit mit den späteren oft plumpen Abeitsäxten aus Felsgestein, während man die schlanke Form mit der neolithischen Streitaxt vergleichen möchte. Alle Hacken dieser beiden Formen gehören in Hohen Viechein in die ausgehende Ancyluszeit, da sie nur in den jüngeren Straten des Fundhorizonts vorkamen. Liste der Hacken mit Schaftloch K a t . Nr. 230: Nackenteil einer Hacke aus einem starken Geweih, das vom Schädel abgetrennt ist. Die Augsprosse ist grob entfernt. Das annähernd runde Loch für den Schaft h a t einen Durchmesser von 3,2 cm, es ist von beiden Seiten eingearbeitet worden. Eine Erhöhung in der Mitte des Loches und die Ungleichheit in der Wandung lassen erkennen, daß es nicht gebohrt, sondern geschnitten wurde. Dm. der Stange 7 cm. (a) K a t . Nr. 461: Aus einer Abwurfstange hergestellt und 20,6 cm lang. Die Aug- und Eissprosse sind grob abgeschlagen. Das Schaftloch ist oval und h a t einen größten Dm. von 3,2 cm. Die Schneide ist einseitig angespitzt und geglättet. Dm. der Stange 4,5 cm. (a) K a t . Nr. 1192: Aus einer Abwurfstange hergestellt und in zwei Teile zerbrochen. Die Aug- und Eissprosse sind grob entfernt. Länge 17,4 cm. Die Schneide ist einseitig angespitzt. Das Schaftloch ist kreisförmig und hat einen Durchmesser von 2,8 cm. Das Stück ist im Wasser stark gerollt und daher teilweise deformiert, (a) K a t . Nr. 2069 (Taf. 130b): Vorarbeit für eine Hacke aus einer vom Schädel abgeschlagenen Geweihstange. Die Augund Eissprosse sind abgetrennt. Die Schneide ist einseitig schon grob zugeschlagen. Länge 33 cm. D m . am Rosenstock 7 cm. (b) K a t . Nr. 3174 (Taf. 128b): Stark gedrungene Hacke aus dem Rosenstock. Die Aug- und Eissprosse sind sorgfältig abgetrennt. Das zylindrische Schaftloch hat einen Durchmesser von 4 cm. Die Schneide ist einseitig angespitzt und geschliffen, sie steht etwas schräg zum Schaft. Länge 16,1 cm. (a) K a t . Nr. 4436 (Taf. 130a): Vorarbeit für eine Geweihhacke. Länge 29,5 cm, Dm. der Stange 4 cm, aus einer Abwurfstange gefertigt, von der die Aug- und Eissprosse grob abgetrennt sind. Die Schneide ist einseitig vorgearbeitet. Das Stück ist im Wasser gerollt, (a)
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K a t . Nr. 4450 (Taf. 129): Aus einer Abwurfstange hergestellt und 21,5 cm lang. D m . der Stange 3 cm. Die Augsprosse ist sorgfältig abgetrennt. Die Schneide ist verhältnismäßig stumpfwinklig angespitzt. Das zylindrische Schaftloch von 2 cm Dm. verläuft schräg zur Hacke und so, daß die Schneide nach außen steht. I m Schaftloch sind deutliche Schnittspuren erkennbar, (a) K a t . Nr. Ho. Vi. 112: Aus einer starken Abwurfstange hergestellt und 25 cm lang. Die Augsprosse ist abgetrennt. Die Schneide ist einseitig grob angespitzt und nicht geglättet. Das Schaftloch h a t einen Dm. von 2,8 cm. Die Schneide steht etwas schräge zum Schaft. Dm. der Stange 4 cm. (a) K a t . Nr. Ho. Vi. 113 (Taf. 128a): Aus einer starken Abwurfstange hergestellt, von der die Aug- und Eissprosse abgetrennt sind. Die Schneide ist überwiegend einseitig zugeschlagen und oberflächlich geglättet. Das runde Sehaftloch hat einen Dm. von 3,6 cm und ist nicht gebohrt, da deutliche Schnittspuren an der Wandung erkennbar sind. Länge 16,1 cm. (a) K a t . Nr. Ho. Vi. 114: Rest einer Hacke mit einseitig angespitzter, geschliffener Schneide. Länge 18,6 cm. Dm. des Schaftloches 3,5 cm. Die Schneide steht schräg zum Schaft. Die Durchbohrung ist doppelkonisch, es sind Schnittspuren an der Wandung des Loches zu erkennen, (a) K a t . Nr. Ho. Vi. 709: Hacke aus einer starken Geweihstange. Die Schneide ist einseitig angespitzt. Das Schaftloch h a t einen Dm. von 2,8 cm, es ist ausgebrochen und war etwas schräg gestellt, so daß die Schneide bei dem geschatteten Stück nach innen zu stehen kam. Länge 20 cm, Dm. der Stange 4,2 cm.
3. Spitzhacken
mit natürlichem
Schaft
In diesen Geräten ist noch eine sehr alte Form der Schlagwerkzeuge erhalten geblieben. Sie sind eigentlich nichts anderes als die frühen Hacken aus Rengeweih, die allerdings immer eine verkürzte Sprosse als Hacken- bzw. Beilschneide aufweisen. 1 ) An der K a t . Nr. 1195 (Taf. 131a) kommt der Werkzeugcharakter besonders klar zum Ausdruck. An beiden Schaftenden sind die Schlagspuren von der Herrichtung deutlich zu erkennen, und die Spitze der Eissprosse zeigt Abnutzungsspuren. Bezüglich der Verwendung möchte man annehmen, daß Formen dieser Art als Hacken benutzt wurden. Sämtliche Stücke der folgenden Zusammenstellung stammen aus der Torfstrate des Fundhorizonts und gehören damit zum jüngeren Wohnplatz. Liste der Spitzhacken
mit natürlichem
Schaft
K a t . Nr. 1195: (Taf. 131a): Eine Geweihstange vom Rothirsch ist so zerteilt worden, daß ein 26,5 cm langes Stangenstück m i t der Eissprosse einen großen Haken bildet. Da an beiden Enden des Stangenteils deutliche Schlag- u n d Schnittspuren sichtbar sind und die Spitze der Sprosse stark abgenutzt ist, scheint der Werkzeugcharakter außer Zweifel zu sein. Die Abnutzungsart der Sprosse läßt die Verwendung als Hacke vermuten, für die das Stangenende der natürliche Schaft war. Dm. der Stange 2,5 cm. Länge der Sprosse 14 cm. K a t . Nr. 5722: Eine dünne Geweihstange ist in grober Art auseinandergetrennt worden, so daß ein Stück von 27,5 cm Länge entstand, an dem eine Seitensprosse als Haken erhalten ist. Das Ende der Sprosse ist abgebrochen. K a t . Nr. 5773 (Taf. 131b): Von einer Geweihstange des Rothirsches ist das untere Ende bis zur Eissprosse abgetrennt worden. Auch die Enden der Krone sind grob abgeschlagen, so daß ein 30 cm langer, natürlicher Schaft mit einer hackenartigen Spitze entstand. Am Sprossenende sind geringe Abnutzungsspuren erkennbar. Dm. der Stange 2,7 cm, Länge der Sprosse 18 cm. K a t . Nr. 6251: Unteres Ende einer Abwurfstange vom Rothirsch mit einem Teil der abgebrochenen Augsprosse. Die Stange ist unterhalb der Eissprosse zerlegt worden, so daß ein 22,5 cm langer Schaft mit der Augsprosse als Spitze entstand. Schlagspuren an der Augsprosse lassen erkennen, daß m a n nur ein Ende dieser Sprosse benötigte. An diesem Teil des Schaftes sind einseitig zahlreiche Beschädigungen zu sehen, die von Schlageinwirkungen herrühren müssen.
4. Verzierte Hacke K a t . Nr. 2137 (Taf. 60 und 132): Das nicht vollständig erhaltene Stück ist aus der Stange eines Rothirschgeweihes hergestellt. Der Ansatz einer Schneide ist erhalten geblieben. Das Loch f ü r einen Schaft, das einen Dm. von 1,8 cm hat, ist so angebracht, daß die Schneide gegenüber dem Nacken nach vorn stand. Das Geweih ist an der Schaftlochstelle beiderseitig eingekerbt worden. Erhaltene Länge 18,2 cm, Dm. 3,5 cm. ') Schwantes, G., Geschichte Schleswig Holsteins. Bd. 1. Vorgeschichte, Neumünster 1939, S. 83 Abb. 81 und Abb. 82.
136
E W A L D SCHTTLDT
Die Hacke lag am Übergang von der Schwemmholzschicht zur Gyttja, sie ist im Wasser gerollt und daher nicht sehr gut erhalten. Unmittelbar neben der Fundstelle war das Profil aufgearbeitet, so daß mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden kann, daß die Hacke ursprünglich in der Strate a oder b lag. Unter der Umlagerung haben besonders die Ziermotive gelitten, die die Oberfläche des Werkzeuges bedecken. Sie sind aber noch so erhalten geblieben, daß die zeichnerische Wiedergabe ohne Schwierigkeiten möglich ist. Die Perlung des Geweihs wurde f ü r die Verzierung teilweise entfernt. Die eingeschnittenen Muster sind linear und aus Winkeln und Strichen gestaltet. Sie sind bandartig angeordnet und verlaufen längs des Werkzeugs. Die Bänder sind unterschiedlich gestaltet, und Winkelmuster wechseln mit Rauten ab. Die Oberseite ist nur mit kurzen Winkelstrichen verziert, die unregelmäßig angeordnet sind. Es kann angenommen werden, daß die Muster mit Harz ausgelegt waren, obwohl keine Reste davon mehr festgestellt werden konnten. Da das Stück zweifellos längere Zeit am Ufer im Wasser gelegen hat, ist dies nicht verwunderlich. Es kann nicht mehr festgestellt werden, ob es sich bei diesem Stück nur um eine einfache Spitzhacke oder um eine Doppelspitzhacke gehandelt hat. Die Schnittfläche f ü r den Ansatz einer spitzen Schneide ist an einer Seite deutlich erkennbar. Am gegenüberliegenden Ende kann eine gleiche Schneide vorhanden gewesen sein. Bemerkenswert ist, daß der Schnitt f ü r die Schneide in der gleichen Technik ausgeführt ist wie bei den Doppelspitzhacken aus Geweih, die in den neolithischen Flachgräbern von Ostorf, Kr. Schwerin, vorkommen. 1 ) Ein dem unseren sehr ähnliches Ziermotiv ist auf einem langen Werkzeug aus Geweih zu finden, daß in Svaerdborg gefunden wurde. 2 ) Insbesondere das mit kurzen Strichen gefüllte Winkelband ist auf beiden Stücken bis auf Kleinigkeiten einheitlich, und man kann daher mit gutem Grunde annehmen, daß beide Exemplare zeitlich nicht sehr weit auseinander liegen. 5. Durchföchte
Spitzhacke
K a t . Nr. 1196 (Taf. 59b): Das Stück ist nicht vollständig erhalten. Es ist im Schaftloch zerbrochen, und die eigentliche Hackenspitze fehlt. Da f ü r die Herstellung des Werkzeugs eine Seitensprosse vom Rothirschgeweih benutzt wurde, ist eine Ergänzung des Teils ohne weiteres möglich. Es muß eine Spitze gewesen sein. Der Nacken ist stumpf. Das ovale Schaftloch hatte einen Dm. von 1,4 cm. Dm. des Nackens etwa 2,5 cm. Eine der unseren sehr ähnliche vollständige Spitzhacke befindet sich unter den Funden von dem bekannten dänischen Fundplatz von Svaerdborg. 3 ) Die Schneide ist dort spitz und kantig geformt und der Nackenteil etwas kürzer als bei unserem Stück. 6. Verzierter
Lochstab
Kat. Nr. Ho. Vi. 610 (Taf. 61 und 133): Ein etwa 40 cm langes, hellbraunes Geweihstück vom Rothirsch, von dem die Perlen und Seitensprossen sorgfältig entfernt wurden, ist an seinem stärksten Ende schneidenartig angespitzt und mit einem zylindrischen Loch von 4,2 cm Dm. versehen worden. Die Schneide ist poliert und halbrund, im Gegensatz zu den Schneiden der Beilklingen ist sie nicht scharf, sondern allseitig stumpf gehalten. Der Stab ist mit eingeschnittenen Verzierungen bedeckt, die in Höhe der Durchlochung beginnen und aus linearen Mustern bestehen. Es sind vier verschiedene, zonenartig gegliederte Gruppen zu erkennen, die jeweils durch lange, parallel zueinander verlaufende Rillen voneinander getrennt sind. Die eine Gruppe wird aus zwei Reihen von dichtstehenden, kurzen ') Hollmann, B., Wichtige vorgeschichtliche Funde und Grabungen in Mecklenburg 1934/35. Nachrichtenblatt für Deutsche Vorzeit 1935, S. 176, Tafel 23. 2 ) Broholm, H. C., Nye Fund fra den aeldste Stenalder. Holmgaard- und Svaerdborgfundene. Aarboger 1924, S. 113, Abb. 49. 9 ) Broholm, H. C., a. a. 0. S. 120, Abb. 52.
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
137
Geraden gebildet, die die lange Senkrechte als Grundlinie haben. Eine andere besteht aus zwei Reihen von gleichlaufenden Schrägen, die auch von einer senkrechten Grundlinie ausgehen. Eine dritte setzt sich aus senkrechten Linien zusammen, die aber nicht von oben nach unten durchlaufen, sondern einmal unterbrochen sind, anscheinend an einer Stelle, an der eine Seitensprosse entfernt wurde. Von der vierten Gruppe sind nur wenige Teile erhalten geblieben, sie besteht aus waagerecht und senkrecht eingeschnittenen Linien, die zu Vierecken zusammengefügt sind. Es ist anzunehmen, daß die Eintiefungen mit einem stichelartigen Gerät hergestellt wurden, da sich an der Basis der kurzen wie der langen Linien dichtliegende Absätze befinden. Die eingeschnittenen Muster wurden mit einem dunklen Harz ausgelegt, von dem noch deutliche Reste vorhanden waren. Die Bergung dieses Stückes war sehr mühsam, da es nur 40 cm unter der Oberfläche in einem Torf band lag, das in trockenem Dünensand eingebettet war und nicht mehr vom Grundwasser berührt wurde. Dadurch war die Erhaltung sehr beeinträchtigt worden und besonders der poröse Kern fast vollständig vergangen. Die schneidenartige Spitze, die aus dem Rosenstock des Geweihs genommen wurde, und die harte Rinde waren dagegen noch recht gut erhalten und ließen sich ohne Schwierigkeiten auf einen künstlichen Kern befestigen und damit wieder in die ursprüngliche Form bringen. Ob das Ende scharfkantig oder gerundet abschloß, ist nicht sicher. Die Schäfte dieser Art werden allgemein als Kommandostäbe bezeichnet. Es sind verschiedene bekanntgeworden, die bei Baggerarbeiten und auf Siedlungsplätzen zutage kamen. 1 ) Von diesen Stäben unterscheidet sich unser Exemplar durch das schneidenartige Ende, dem allerdings in Bezug auf die Verwendung wohl kaum ein praktischer Zweck zugesprochen werden kann. Es ist bisher nicht gelungen, eine befriedigende Erklärung zur Verwendung dieser Lochstäbe zu geben, was ja auch durch die Bezeichnung „Kommandostab" ausgedrückt wird. 7. Verzierte
Abwurfstange
Kat. Nr. Ho. Vi. 136 (Taf. 62): Eine abgeworfene Spießerstange vom Rothirsch ist bis auf die Perlung am Rosenstock glattgeschabt und mit einer Anzahl verschiedener Strichritzungen versehen worden. Diese bestehen aus parallelen Reihen, offenen Dreiecken, Leiterbändern und einzelnen Geraden und Schrägen. Die Spitze blieb von den z. T. sehr fein geritzten Motiven unberührt. Länge 40,7 cm, mittlerer Dm. der Stange 2 cm. Das Stück lag im unteren Teil der Torfschicht. Man möchte in dieser Stange ebenfalls eine Art Kommandostab sehen. Ein in der Form sehr ähnliches Stück ist aus Dänemark bekanntgeworden, das reich mit Bohrornamenten verziert ist. 2 ) 8. Durchlochte
Geweihstange
Kat. Nr. 5325 (Taf. 63): Eine etwas gekrümmte Spießerstange vom Rothirsch ist unmittelbar unter der Rose mit einer kleinen, doppelkonischen Durchbohrung von 0,8 cm innerem und 2,9 cm äußerem Dm. versehen. Das Stück ist in der Bohrung zerbrochen und das Ende fehlt. Die ganze Stange ist durch das Abschaben der Oberfläche geglättet. Die Spitze ist zu einer schmalen Schneide einseitig abgeflacht, deren vorderster Teil abgebrochen ist. Länge 32 cm, Dm. der Stange 1,7 cm. Die Stange lag in der Gyttja. ') Schwantes, G., Geschichte Schleswig-Holsteins. Bd. 1. Vorgeschichte. Neumünster 1939, S. 106, Abb. 105, Tafel 4. — Schoetensack, O., Der durchbohrte Zierstab aus Elchhirschgeweih von Klein Machnow. Globus 84 Braunschweig 1903, S. 107ff. — Zotz, L. F., Neue mittelsteinzeitliche „Lochstäbe" aus Norddeutschland, ihre altsteinzeitlichen Vorläufer und ihre Verwandtschaft zu den Spitzhauen. Ipek 13, 1940, S. l f f . (mit weiteren Literaturangaben). 2 ) Müller, S., Stenalderns K u n s t i Danmark. Kopenhagen 1918, Abb. 31. — Brandsted, J., Danmarks Oltid I, 1938, Abb. 39a.
138
EWALD RCHULDT
Der Verwendungszweck ist nicht ohne weiteres erkennbar. Die Diirchlochung am oberen Ende und die schneidenartige Form der Spitze könnten auf eine Benutzung als Hacke deuten, obwohl durcli die geringe Stärke des Schaftes, die durch die kleine Durchbohrung bedingt ist, dieser keine große Beanspruchung zugemutet werden konnte. Ein dem unseren sehr ähnliches Stück, das allerdings verziert ist, stammt aus Gammelby, Kr. Flensburg, und kam zusammen mit einem Beilkopf aus Wurzelholz, Hirschgeweihäxten und 2 Harpunen mit großen Widerhaken beim Torfbaggern zutage. 1 ) Schwabedissen bezeichnet das dortige Stück als „Kommandostab" und enthält sich einer genaueren Gebrauchszuweisung. Von unserem Stück müssen wir annehmen, daß es f ü r eine Tätigkeit gebraucht wurde, bei der man sowohl das „Schaftloch" als auch die „Schneide" benötigte. 9. Blattförmige
Hacken
Kat. Nr. 5351 (Taf. 64 und 134): Aus der Schaufel eines Elchgeweihs herausgetrennt und ursprünglich herzförmig gestaltet. Der Rand ist geradkantig geschnitten und glatt geschliffen. Die Spitze ist einseitig durch Schliff verjüngt. Am Rand sind an zwei Stellen kleine Kerben (7 und 9) eingeschnitten. An dem vorliegenden Stück fehlt ein Teil, der offensichtlich abgetrennt wurde, da deutliche Arbeitsspuren dieses Vorganges sichtbar sind. Ein Schaftloch, von dem noch ein Teil erhalten ist, befand sich am stumpfen Ende, es hatte einen Durchmesser von etwa 2 cm. Länge 12,8 cm, Breite (vollständig) etwa 8,4 cm, Stärke im Durchschnitt 1,6 cm. Es ist anzunehmen, daß das Stück ursprünglich ein hackenartiges Werkzeug war und später für andere Zwecke benutzt wurde. Die beiden eingeschnittenen Strichgruppen sind an den Rändern angebracht und stehen scheinbar mit teilweise Uberarbeiteten Rissen in Verbindung. Man hat die Striche dieser Art als „magische Nähte" bezeichnet und angenommen, daß die Striche einen Faden zum Zusammenhalten der Rißstellen darstellen sollten. 2 ) Das Stück wurde aus der Gyttja geborgen. Eine blattartige Schneide hat die Kat. Nr. 3791 (Taf. 135.) Ein Kronenende ist von einer starken Geweihstange derart abgetrennt worden, daß ein Rest der Stange wie ein Kopf daran blieb. Der Versuch, nur das Ende abzutrennen, ist wohl begonnen, aber nicht beendet worden ; es sind deutliche Schlagspuren von diesem Vorgang erhalten. Die schaufelartige Fläche ist einseitig abgeflacht worden und eine der kurzen Kronenspitzen weggeschnitten. Länge 18,4 cm, Breite der Schaufel 5,2 cm, Dm. des Kopfes 5 cm. Der Verwendungszweck dieses Werkzeugs ist nicht einwandfrei zu bestimmen. Man möchte eine Schäftung vermuten, die wohl durch Festbinden des Schaftes erfolgte. Es sind einseitige Scheuerspuren vorhanden, die diese Art der Schäftung wahrscheinlich machen. Das Stück lag in der Strate c des Fundhorizonts. 10. Schaufelartiges
Werkzeug
aus
Elchgeweih
Kat. Nr. 4762 (Taf. 136): Von einem starken Elchgeweih wurde ein Kronenstück so abgetrennt, daß ein schaufelartiges Werkzeug entstand. Während die eine Kronenspitze abgetrennt wurde, blieb die andere erhalten. Sie zeigt deutliche Druckspuren, die nur von einer Benutzung durch den Menschen herrühren können. Länge einschließlich Spitze 26 cm, gr. Breite 14 cm. Der Fund wurde aus der Gyttja gehoben. 11.
Werkzeugfassungen
Bei der Schäftung der Kern- und Scheibenbeile wurde häufig ein Zwischenfutter aus einem Geweihstück benutzt. Ein auf diese Art geschäftetes Kernbeil wurde im Schnitt 9 ermittelt *) Schwabedissen, H., Die Bedeutung der Moorarchäologie für die Urgeschiehtsforschung. Offa 8, 1949, S. (50, Tafel II, Abb. 1, 3, 4, 6 und Abb. 9,1. ) Hulten, E., Magiska Ornament i mesolithikum ? Eornvännen 1939. S. 195ff. — Clark, J . G. D., The Mesolithic Settlement of Northern Europe. Cambridge 1936, S. 162, Anm. 1.
2
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
139
(Kat. Nr. 5268, Taf. 14 und 98). Es wurden einige Geweihstücke gefunden, die als Vorarbeiten f ü r diese Werkzeugfassungen bezeichnet werden können. Als fertige Fassung darf die K a t . Nr. 6250 (Taf. 65) angesprochen werden. Liste der
Werkzeugfassungen
K a t . Nr. 914 (Taf. 137c): Zylindrisches Stangenstiick von 7,6 cm Länge aus einem Rothirschgeweih. Die Trennschnitte sind an beiden Enden nicht geglättet. Dm. 3,7 cm. K a t . Nr. 918: Rest eines abgetrennten Geweihstückes mit deutlichen Schnittflächen. Länge 5 cm, D m . 3 cm. K a t . Nr. 4452 (Taf. 137 a): Gebogenes Stangenstück aus einem Rothirschgeweih, das an beiden Enden Schnittspuren aufweist. Länge 20,1 cm, Dm. 4,5 cm. K a t . Nr. 4925 (Taf. 137b): Zylindrisches Gcweihstiick von 13,2 cm Länge. Von einer 4,3 cm starken Stange abgetrennt, wobei durch das Auseinanderbrechon an einem Ende ein Teil der Einkerbung stehengeblieben ist. K a t . Nr. 6250 (Taf. 65): Fassung mit Schaftloch aus Rothirschgeweih. Das Stück ist aus einem starken Stangenstück von 11 cm Länge und 5,2 cm Dm. hergestellt. Das zylindrische Schaftloch hat einen D m . von 1,8 cm. Das eine Ende des Stückes ist für die Aufnahme des Werkzeugs ausgehöhlt. Während dieser Teil der Stange an der Schnittfläche besonders überarbeitet ist, ist der Nackenteil roh belassen, so daß die Bruchstellen schartig hervorstehen. (b)
12. Werkzeuge aus Geweihenden Die unter dieser Gruppe zusammengefaßten Werkzeuge sind zu verschiedenen Zwecken benutzt worden. In den Stücken K a t . Nr. 4754 und Ho. Vi. 133 möchte man Druckstäbe f ü r die Feuersteinbearbeitving sehen. Einige andere mögen als Spitzwaffen bei der J a g d benutzt worden sein. Eine ähnliche Verwendung hatten vielleicht auch eine größere Anzahl von Sprossen lind Enden, die an der Spitze keine Bearbeitungs- und Abnutzungsspuren aufweisen und daher nicht mit Sicherheit als Werkzeuge bezeichnet werden können. Es handelt sich um die K a t . Nr. 46, 677, 917, 1198, 1199, 1201, 1206, 1230, 2471, 3168, 3175, 3899, 3953, 4059, 4118, 4297 (Taf. 138g), 4322 (Taf. 138c), 4451, 4647, 4850, 5310, 5401, 5430, 5695, 5696, 5722, 5831, 6032 und 6084. Liste der Werkzeuge aus Geweihenden K a t . Nr. 91(i: Abgetrennte Kronensprosse mit stumpfer Spitze, an der geringe Abnutzungsspuren zu sehen sind. Länge 17 cm. (c) K a t . Nr. 1859: Spitzenrest einer Seitensprosse mit schmaler Schneide. Länge 4,5 cm. (c) K a t . Nr. 2627 (Taf. 73 c und 137 d): Spitze aus einer Eissprosse vom Rothirschgeweih. Das Stück ist mit einem Teil der Stange aus dem Geweih herausgetrennt worden, so daß ein hammerartiger Kopf entstand. Die Spitze ist sehr blank, weist aber keine Abnutzungsspuren auf. Länge 28 cm, Stärke des Kopfes 9 cm. (c) K a t . Nr. 3898: Abgetrennte Seitensprosse, deren Spitze abgebrochen ist. Die Basis ist kantig bearbeitet. Länge 23 cm, Dm. der Basis 3,6 cm. (c) K a t . Nr. 4202 (Taf. 138e): Abgetrennte Seitensprosse mit überarbeiteter Basis. Die Spitze weist keine Gebrauehsspuren auf. Länge 19,5 cm. (b) K a t . Nr. 4754 (Taf. 138d): Abgetrennte Seitensprosse mit zackigem Bruch an der Basis. Die gebogene Spitze weist deutliche Benutzungsspuren auf. Länge 23,5 cm. (c) K a t . Nr. 4928 (Taf. 138f): Abgetrennte lange Seitensprosse mit zugearbeitetein Ende. Die gebogene Spitze ist im vordersten Teil abgebrochen. Es sind in diesem Teil Druckspuren zu erkennen, die bei der Benutzung entstanden sind. Länge 24 cm. (a) K a t . Nr. 5226 (Taf. 138a): Abgetrennte Seitensprosse mit zurechtgeschnittenem, handgriffartigem Ende. Die gebogene Spitze zeigt stärkere Abnutzungsspuren. Länge 16,7 cm. (a) K a t . Nr. 5257 (Taf. 138b): Abgetrennte Seitensprosse mit geglättetem Ende. Die gebogene Spitzenpartie zeigt Bearbeitungsspuren. Länge 21 cm. (b) K a t . Nr. 5431: Abgetrennte Seiteusprosse, deren Spitze weggeschnitten wurde. Die Basis hat eine rechteckige Einarbeitung, in die möglicherweise ein Feuersteinwerkzeug gehört. Länge 21 cm, Breite der Basis 4,5 cm. (b) K a t . Nr. 4549: Abgetrennte Kronensprosse mit stumpfer Spitze. Länge 14,8 cm. (b) K a t . Nr. Ho. Vi. 131 (Taf. 139a): Abgetrennte Seitensprosse, deren Spitze einseitig stark abgeflacht ist. Ein Teil der dabei entstandenen schneidenartigen Spitze ist ausgebrochen. Länge 17,4 cm. (c) K a t . Nr. Ho. Vi. 132: Abgeschlagene Seitensprosse mit gebogener Spitze, deren vorderster Teil weggebrochen ist. Durch zwei seitliche Trennschnitte sollte eine neue Spitze geschaffen werden. Dieses Vorhaben ist jedoch nicht zu E n d e geführt worden. Länge 21 cm. (a) K a t . Nr. Ho. Vi. 133: Abgetrennte Seitensprosse, deren gebogene Spitze von unten und oben aus angespitzt ist und deren vorderster Teil fehlt. Länge 18 cm. (a)
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E W A L D SCHTJLDT
13. Verschiedenes Rest eines durchlochten Werkzeugs aus Rothirschgeweih. K a t . Nr. 3843 (Taf. 128c). Das Stück ist aus dem Rosenstockteil eines schädelechten Geweihs hergestellt und über der Augsprosse abgebrochen. Man hat die Stange mit der Sprosse halbiert ,und in Höhe der Augsprosse ein Loch von 2,5 cm Dm. eingeschnitten. Das ausgebrochene Loch steht schräge zur Stange, an einer Seite ist beim Einschneiden das Geweih eingerissen. Durch kurze Querschnitte über diesem Riß hat man eine „magische N a h t " geschaffen. Die verkürzte Augsprosse ist zugespitzt. Der Verwendungszweck des ganzen Geräts ist aus diesem Bruchstück nicht zu ersehen. Ein ähnliches halbiertes Geweihstück mit Schädelresten liegt unter der K a t . Nr. 5774 vor.
D. W e r k z e u g e u n d S c h m u c k a u s 1. Werkzeuge aus
Zähnen
Biberzähnen
Bei den Ausgrabungen kamen verschiedentlich neben einzelnen Schneidezähnen vom Biber auch solche paarweise vor, die an den Schneiden wie in einem Kiefer zusammenstanden, an den Wurzel teilen jedoch V-förmig auseinandergingen und in diesem Teil mit dunklem Harz verkittet waren. In diesen Stücken muß man Werkzeuge sehen, die wahrscheinlich als Kratzer benutzt wurden. Das Harz sollte die Zähne zusammenhalten und gleichzeitig als Handhabe dienen. U m ein Verschieben der Zähne bei der Arbeit zu verhindern, wurde in das Harz ein Holzstift eingefügt, der quer vor beiden Zähnen liegt. Die schematische Darstellung der Taf. 66 b veranschaulicht die Herstellung. I m Gegensatz zu den Biberzähnen, die in einem Kiefer und auch sonst vereinzelt in den Schnitten gefunden wurden, weisen die Schneiden der Zähne der Werkzeuge Abnutzungsspuren und Ausbrüche auf, die niemals bei einem lebenden Tier auftreten können. 1 ) Die Beschädigungen können nur bei der Verwendung als Arbeitsgerät entstanden sein. Ob die Zähne außer durch Harz auch noch durch Bast oder dergl. zusammengehalten wurden, läßt sich nicht sagen, da keinerlei Anhaltspunkte d a f ü r vorhanden sind. Die Ausbrüche an den Schneiden lassen erkennen, daß mit den Werkzeugen nicht nur weiches Material wie Fleisch und H a u t , sondern auch wohl Holz und Knochen bearbeitet wurde. Aus der zugänglichen Literatur konnte Vergleichsmaterial nicht herangezogen werden, lediglich aus der Ahrensburger Schicht h a t R u s t in Stellmoor drei Hälften von Biberunterkiefern gefunden, in denen die Schneidezähne allerdings abgebrochen sind. R u s t sieht in diesen Kieferteilen Schab- oder Reißgeräte. 2 ) Liste der Werkzeuge aus
Biberzähnen
Kat. Nr. 2607 (Taf. 67b und 140a): Die beiden Unterkiefer-Schneidezähne wurden durch ein dunkles Harz zuBammengekittet, wobei letzteres über das Ende der Zähne hinausgreift. In diesem Teil befindet sich in dem Harz ein rundes Loch. Die Schneideflächen beider Zähne zeigen deutliche, unnatürliche Abnutzungsspuren. Länge 8,2 cm, Breite an der Handhabe 3 cm. Das Stück lag in der Gyttja, ist daher ausgezeichnet erhalten und hat ein marmoriertes Aussehen. Kat. Nr. 3373 (Taf. 67 a und 140 b): Beide Unterkiefer-Schneidezähne werden in der oberen Hälfte durch dunkles Harz zusammengehalten. In dem etwas gewölbten Harz ist am Ende der Zähne ein dünner Holzstab zu erkennen, der quer vor beiden Zähnen liegt. Die Schneideflächen der Zähne weisen unnatürliche Abnutzungsspuren und kleinere Ausbrüche auf. Länge 8,2 cm, Breite an der Handhabe 3,3 cm. Das Stück lag am unteren Rand der Torfschicht. 1
) Der bekannte Biberforscher Prof. Dr. Hinz, Nedlitz, dem die Werkzeuge im Foto und in Zeichnungen vorlagen, äußerte, daß „die unnatürlichen Abnutzungsspuren an den Usurflächen der Zähne ein Beweis für ihre Benutzung als Werkzeuge sind. Beim lebenden Biber kommen solche Anomalien, wie bei dem Stück Kat. Nr. 3373, nicht vor". Ich danke Herrn Prof. Dr. Hinz für die liebenswürdige Auskunft. 2 ) Rust, A., Die mittel- und altsteinzeitlichen Funde von Stellmoor. Neumünster 1943, S. 185, Tafel 81, Abb. 1.
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Kat. Nr. 4763 (Taf. 66 a): Zwei einzelne Unterkiefer-Schneidezähne, die zusammen in der Torfschicht lagen. Im oberen Teil eines Zahns steckt noch ein großes Harzstück. Die Schneiden beider Zähne sind stark abgenutzt. Länge 7,5 cm. Kat. Nr. 1210: Zwei Unterkiefer-Schneidezähne, die nebeneinander in der Torfschicht lagen. Obwohl keine Harzstücke erkennbar sind, darf als sicher angenommen werden, daß auch hier ein Werkzeug vorliegt. Länge 5,8 cm. Kat. Nr. 2572, 3077, 4758: Einzelne Unterkiefer-Schneidezähne, deren Schneiden unnatürliche Abnutzungsspuren aufweisen und die daher als Teile von Werkzeugen aufzufassen sind.
2. Durchbohrte
Zahne
Außer den Biberzähnen kamen vereinzelt Vorderzähne vom Wildschwein (Kat. Nr. 6030; Ho. Vi. 607, Taf. 68b und 122d; 608, Taf. 68c und 122e) und einmal ein Reißzahn vom Fuchs (Kat. Nr. 2338, Taf. 68d und 122c) vor, die am Wurzelende durchlocht sind und als Anhänger getragen wurden. Die Stücke lagen in der Schwemmholzschicht. 3. Spitze aus einem Eberhauer K a t . Nr. 5452 (Taf. 68a): Ein kräftiger Hauerzahn vom Schwein wurde aufgetrennt und angespitzt, so daß eine scharfe Spitze entstand. Es ist anzunehmen, daß das Stück in einer Fassung befestigt war, da das Ende ausgebrochen und schartig ist. Länge 12 cm. Das Stück lag in der Schwemmholzschicht. Ein ähnliches Werkzeug bildet Althin ab. 1 )
E. W e r k z e u g e a u s H o l z u n d 1. Beilkopf aus
Rinde
Wurzelholz
K a t . Nr. 2953 (Taf. 141 und 142): Das Stück hat eine hammerartige Form mit einem flachen, kantigen Nacken, in den eine schräg liegende, ovale Eintiefung von 5,5 cm Länge f ü r ein Feuersteinwerkzeug eingearbeitet ist. Die Oberseite ist gewölbt und h a t einen wenig ausgeprägten Grad zur Spitze hin. Die Unterseite ist flach und nach innen geringfügig eingeholt. Länge 19,5 cm, Höhe 8,3 cm, Breite 8,3 cm. Das zylindrische Loch f ü r den Schaft liegt im vorderen Teil des Kopfes, 7,8 cm von der Spitze entfernt und h a t einen Dm. von 2,7 cm. Reste vom Schaft stecken im Schaftloch. E r ist aus Haselholz und steht an der Vorderseite 4 cm heraus. Der Kopf ist aus knorrigem Wurzelholz geschnitten. Die Maserung und die Struktur des Holzes lassen annehmen, daß es sich um Rüster (Ulmus campestris) handelte. Das Stück lag im Schnitt 4 in 3,9 m Tiefe in der G y t t j a . Von verschiedenen anderen mesolithischen Fundplätzen Norddeutschlands sind ähnliche Köpfe aus Wurzelholz bekanntgeworden, darunter ein Stück aus dem Elb-Travekanal mit einem darin steckenden Kernbeil. 2 ) Ein anderes Stück s t a m m t aus Gammelby, Kr. Flensburg. 3 ) Das Letztere h a t insofern Ähnlichkeit mit unserem Stück, als auch daran ein Nacken f ü r das Kernbeil und eine stumpfe Spitze ausgeprägt sind. Anscheinend wurde bei der Benutzung nicht nur der Nacken, sondern auch die Spitze benötigt. Da die Einarbeitung f ü r das Kernbeil schräge, fast quer zum Nacken erfolgt ist, wurde auch unser Stück ebenso wie die beiden genannten als Hacke geschäftet. Ob das Kernbeil mittels Harz im Kopf gehalten wurde oder nur fest eingeklemmt war, ist nicht mehr festzustellen. I m Verhältnis zu dem schweren Kopf *) Althin, C. A., The chronology of the Stone age Settlement of Scania, Sweden. I. The Mesolithic Settlement. Lund 1954, Tafel 51, Abb. 1. 2 ) Schwantes, G., Geschichte Schleswig-Holsteins. Bd. 1 Vorgeschichte. Neumünster 1939, S. 99 u. Abb. 97 — Kersten, K., Vorgeschichte des Kreises Herzogtum Lauenburg. Neumünster 1951, S. 16, Abb. 8 (Mölln). 3 ) Schwabedissen, H., Die Bedeutung der Moorarchäologie für die Urgeschichtsforschung. Offa 8, 1949, S. 69 u. Abb. 9, 1.
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Ewald Schulht
ist der Schaft recht dünn gewesen, und man kann annehmen, daß er gertenartig biegsam war. Bei dem in einer Geweihfassung geschäfteten Kernbeil (Kat. Nr. 5268, Taf. 14 und 98) wurde die gleiche Feststellung gemacht. 2.
Speerschäfte
Unter den vielen Holzresten befanden sich einige längere Stücke, die deutliche Bearbeitungsspuren aufweisen und aus stärkeren Stammteilen herausgetrennt wurden, da sie keine Marksubstanz enthalten. Darunter befindet sich ein 2 Meter langer Stab aus Kiefernholz (Kat. Nr. 5209, Taf. ß9c), der allseitig bearbeitet ist und sich von einem zum anderen Ende verjüngt. Am dünneren linde befinden sich verschiedene Einkerbungen, die entstanden sein können, als an diesem Teil irgendetwas befestigt wurde. Wir möchten in diesem Holzschaft ein speerartiges Werkzeug sehen, das mit einer Knochenspitze versehen war und auf der Jagd benutzt wurde. Teile ähnlicher Schäfte sind in der K a t . Nr. 1080 erfaßt. Die Stücke stammen aus der Torf- bzw. Gyttjastrate des Fundhorizonts. 3.
Vogelpfeile
Einige andere bearbeitete Holzstücke können mit ziemlicher Sicherheit als Beste von Vogelpfeilen bezeichnet werden. Während bei dem Stück Kat. Nr. 1081 (Taf. 09b) nur ein Teil des Pfeilkopfes mit dem Schaftansatz erhalten ist, liegt von dem zweiten Stück (Kat. Nr. 4755, Taf. (!9a) ein 8,5 cm langes Hude vom Pfeilschaft und ein Teil des Pfeilkopfes vor. An den Schnittspuren ist deutlich der Arbeitsvorgang bei der Herstellung der Pfeile zu erkennen. Mit einer Feuersteinklinge wurde ein Haselstock so hergerichtet, daß der Pfeilkopf die natürliche Stärke des Stockes behielt, der Schaft dagegen wesentlich dünner wurde. Beide Pfeile lagen im Torf. 4. Durchlochte
Rindenstücke
Die Stücke sind aus stärkeren Rindenstücken von 1 bis 2 cm Dicke zurechtgeschnitten worden. Die Mehrzahl hat eine rundliche Form bei einem Durchmesser von 7 bis 8 cm. Daneben gibt es rechteckige, mehrkantige und ovale Exemplare. Alle Stücke sind mit einem mehr oder weniger kreisförmigen Loch von 1 bis 2 cm Durchmesser versehen, das entweder zylindrisch oder doppelkonisch ist und immer gerundete Kanten hat. Man darf annehmen, daß diese Rindenstücke, die in allen Straten des Fundhorizonts vorkommen, beim Fischfang Verwendung gefunden haben. Am einleuchtendsten ist die Deutung als Netzschwimmer. Ähnliche Stücke aus Kork oder Kiefernrinde benutzen die Fischer heute noch als Schwimmer f ü r ihre Netze. Die Löcher in den heutigen Schwimmern sind allerdings wesentlich kleiner; daß die größeren Löcher unserer Stücke aber keine besondere Bedeutung hatten, dürfte durch das Exemplar Kat. Nr. 1470 erwiesen sein. Dieses Stück ist ebenso wie 12 andere zerbrochen, man hat es aber weiter benutzt und in eine Hälfte ein kleines Loch gebohrt. Anscheinend hat also das kleine Loch die gleiche Aufgabe erfüllen können wie die größeren. Schwimmer ähnlicher Art von einem mesolithischen Fundplatz sind aus Finnland bekanntgeworden. 1 ) Die Stücke haben allerdings ein recht kleines Loch an einem Ende. In Hohen Viechein sind keine Reste irgendwelcher Netze gefunden worden. Da aber von anderen gleichaltrigen Fundplätzen geknüpfte netzartige Stücke vorliegen, die zu Stellnetzen gehört haben könnten 2 ), ist die Deutung als Schwimmer gar nicht so abwegig. In Duvensee hat Schwantes zusammengerollte Birkenrindenstücke als Netzschwimmer gedeutet. >) Clark, J . G. D., The Mesolithic Settleinent of Northern Europe. Cambridge 1930, Tafel IV. -) Petersson, M., und Olausson, E., Eine mesolithische Fischreuse aus Johnstorp, Schonen. Meddelanden 1952, S. 141 ff. — Stjernquist, B., Nilsson, T., und Xybelin, O., Sonic Stone Age Fishing Tackle from Scania. Meddelanden 1953, S. 123 ff.
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
Liste der gelochten
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Rindenstücke
K a t . Nr. 998: Rindenstück von flachrunder Form mit zylindrischem Loch von 1,8 cm Dm. Das Stück ist in der Mitte zerbrochen. Länge 10,3 cm, Dicke 2,5 cm. (c) K a t . Nr. 1058 (Taf. 71c): Rindenstück von ovaler Form mit doppelkonischer Durchloclmng von 1,4 cm D m . Länge 9,2 cm, Breite 4,8 cm, Dicke 2 cm. (c) K a t . Nr. 1155: Rindenstück von ovaler Form mit konischer Durchlochung von 1,5 cm D m . Breite 5,5 cm, Länge 9.4 cm, Dicke 2,3 cm. Das Stück ist in der Durchlochung ausgebrochen, (c) K a t . Nr. 1190: Rindenstück von flachrunder F o r m mit konischer Durchlochung von 2,3 cm D m . Länge 8,5 cm, Dicke 2,6 cm. Das Stück ist in der Durchlochung zerbrochen, (a) K a t . Nr. 1470: Rindenstück von flachrunder Form m i t ausgebrochener Durchlochung von 1,8 cm Dm. Das Stück ist für die Wiederverwendung mit einem kleineren Loch von 0,5 cm Dm. versehen worden. Länge 7 cm, Breite 5,8 cm, Dicke 1,2 cm. (a) K a t . Nr. 2521: Rindenstück von mehrkantiger Form mit kantiger Durchlochung von 2,3 cm Dm. Länge 10 cm, Dicke 1,6 cm. Das Stück ist in der Durchlochung zerbrochen, (c) K a t . Nr. 2522: Rindenstück-von flachrunder Form mit ausgebrochener Durchlochung von etwa 1,3 cm Dm., Länge 8,1 cm, Dicke 1,2 cm. (c) K a t . Nr. 2573: Rindenstück von flachrunder Form mit einem Loch von 0,9 cm Dm. Länge 8 cm, Breite 5,4 cm, Dicke 0,9 cm. (c) K a t . Nr. 2890: Rindenstück von rechteckiger Form mit Durchlochung von 2,3 cm Dm., Länge 10,5 cm, Breite 8.5 cm, Dicke 1,1 cm. (a) K a t . Nr. 3176 (Taf. 71a): Rindenstück von mehrkantiger Form mit zylindrischer Durchlochung von 1,8 cm Dm., Länge 8,5 cm, gr. Breite 7,4 cm, Dicke 2,5 cm. (a) K a t . Nr. 4455: Rindenstück mit ausgebrochener Durchlochung von 1,7 cm Dm., Länge 6,4 cm, Dicke 1 cm. (b) K a t . Nr. 4773: Rindenstück von mehrkantiger Form mit ausgebrochener Durchlochung von 0,8 cm Dm., Breit« 6 cm, Dicke 0,8 cm. (c) K a t . Nr. 4774 (Taf. 143a): Rindenstück von flachrunder Form mit Durchlochung von 2 cm Dm., Länge 8,9 cm, Breite 7,5 cm, Dicke 1 cm. (a) K a t . Nr. 4929 (Taf. 143c): Rindenstück von rechteckiger Form mit ausgebrochener Durchlochung von 1,5 cm Dm., Länge 9,2 cm, Dicke 2 cm. (a) K a t . Nr. 4930 (Taf. 143b): Rindenstück von flachrunder Form mit Durchlochung von 1,5 cm, Dm., Länge 7,7 cm, Breite 7,6 cm, Dicke 1,1 cm. (b) K a t . Nr. 4931 (Taf. 143d): Rindenstück von flachrunder Form mit Durchlochung von 1,2 cm Dm., Länge 8,6 cm, Breite 7,8 cm, Dicke 1,5 cm. (b) K a t . Nr. 5200 (Taf. 70a u n d 144e): Rindenstück von runder Form mit großer Durchlochung von 2,3 cm Dm.. Dicke 1,7 em, Dm. 9 cm. (a) K a t . Nr. 5256 (Taf. 70c und 144d): Mehrkantiges Rindenstück von 11,5 cm Länge und 10,5 cm Breite mit Durchlochung von 1,8 cm Dm. Dicke 1,8 cm. (b) K a t . Nr. 5259: Rindenstück von 11,8 cm, Dicke 1,8 cm. (b)
flachrunder
Form mit ausgebrochener Durchlochung von 1,6 em Dm., Länge
K a t . Nr. 5273: Rindenstück von vierkantiger Form mit ausgebrochener, kantiger Durchlochung von 1,3 cm Dm., Breite 8,8 cm, Dicke 1.3 cm. (b) K a t . Nr. 5274: Rindenstück voll flachrunder Form mit ausgebrochener, zylindrischer Durchlochung von 2,2 cm Dm., Länge 8,9.cm, Dicke 2,4 cm. (b) K a t . Nr. 5275 (Taf. 70b und 144c): Rindenstück von rechteckiger Form mit doppelkonischem Loch von 1,5 cm innerem Dm. Länge 7,9 cm, Breite 5 cm, Dicke 1,5 cm. (b) K a t . Nr. 5405: Rindenätück von flachrunder Form mit ausgebrochener Durchlochung von 2 cm Dm. Länge 8,8 cm, Breite 6,7 cm, Dicke 1,5 cm. (b) K a t . Nr. 5428 (Taf. 144b): Rindenstück von mehrkantiger Form mit Durchlochung von 1,3 cm Dm. Länge 10 cm, Breite 7,5 cm, Dicke 1,6 cm. (b) K a t . Nr. 5603 (Taf. 144a): Rindenstück von rechteckiger Form mit zylindrischem Loch von 1,8 cm Dm. Länge 11,2 cm, Breite 7,9 cm, Dicke 1,1 cm. (b) K a t . Nr. Ho. Vi. 861 (Taf. 71b): Rindenstück von langovaler Form mit zylindrischer Durchlochung von 1,3 cm Dm. Länge 12,9 cm, Breite 5,2 cm, Dicke 2,2 cm. (c)
5. Verschiedenes Unter den Holzresten befand sieh eine größere Anzahl Späne, die aus Kiefernstücken gespalten und einseitig angekohlt waren. Die Stücke sind ohne Ausnahme vierkantig und 20 bis 25 cm lang. Typische Späne dieser Art sind die K a t . Nr. 997 (Taf. 69f und 139e) und 5406 (Taf. 69e und 139d).
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E W A L D SCHULDT
Zunderschwämme: Unter den Funden befindet sich eine Anzahl Zunderschwämme (Fomes fomentarius) (Kat. Nr. 921, 1002, 1156, 1166, 2097, 2116, 2356, 2567, 2469, 5020, Ho. Vi. 1012, 1013, 1014). Da eine H ä u f u n g dieser F u n d e in der Nähe des vermuteten Wohnplatzes zu verzeichnen ist, dürfte sicher sein, daß die Stücke f ü r die Unterhaltung des Feuers benutzt wurden. Von einem Teile sind nur noch die H u t h ä u t e erhalten, und es sieht so aus, als h ä t t e man die Röhren entfernt, um sie als Zunder zu benutzen. 1 )
III. Zusammenfassung und Ergebnisse der Einzeluntersuchungen 1. Werkzeuge aus Feuerstein und Oeroll Bei der Betrachtung der aus Hohen Viechein bekanntgewordenen Werkzeuge fällt zunächst auf, daß den 682 Stücken aus Feuerstein nur 6 aus Felsgestein gegenüberstehen. Die letzteren wurden mit einer Ausnahme in der jüngsten Strate des Fundhorizonts aufgefunden, sie sind also dem jüngeren Wohnplatz zuzuweisen. Die zahlenmäßige Gegenüberstellung läßt erkennen, daß dem Felsgestein bzw. dem Geröll als Rohstoff bei der Werkzeugherstellung nur eine sehr geringe Bedeutung zukam und daß man erst im ausgehenden Boreal daranging, bestimmte schwere Werkzeuge aus diesem Material herzustellen. Der Feuerstein hat dagegen eine sehr bedeutende Rolle als Rohstoff gespielt. Man hat anscheinend den am Ufer freigespülten „Strandfeuerstein" benutzt, der überwiegend eine hellgraue Farbe hatte. Es ist nämlich zu sehen, daß alle Werkzeuge aus kleineren Knollen bzw. Knollenbruchstücken hergestellt wurden. Die Gesamtzahl der Feuersteinfunde, die in Form von Abschlägen, Kernsteinen und Werkzeugen in Hohen Viechein katalogisiert wurden, beträgt etwa 10500, unter ihnen sind die 682 Werkzeuge nur ein verhältnismäßig kleiner Komplex. Die gleiche Feststellung wurde auf verschiedenen anderen großen Fundplätzen des Mesolithikums gemacht. 2 ) Hinsichtlich der Technik bei der Herstellung der verschiedenen Werkzeuge sind Unterschiede insofern festzustellen, als beispielsweise bei den Kernbeilen neben sorgfältig bearbeiteten Stücken andere vorhanden sind, die grob und nachlässig zugeschlagen wurden. Bei anderen Werkzeuggruppen kann die gleiche Feststellung gemacht werden. Es ist dabei auffallend, daß die besser gefertigten Stücke überwiegend in der Strate c des Fundhorizonts auftraten und damit zum älteren Wohnplatz gehören. Vereinzelt lagen aber auch in dieser Strate Werkzeuge, die nur oberflächlich und grobmuschelig bearbeitet sind. Die Zuweisung der einzelnen Fundstücke der Werkzeugarten an den jüngeren oder älteren Wohnplatz ist auf Grund der Lagerung der Stücke in den verschiedenen Straten des Fundhorizonts f ü r den Großteil der Werkzeuge möglich. Ein kleinerer Teil muß unberücksichtigt bleiben, da er aus gestörter Lagerung stammt, wobei angenommen werden kann, daß diese Funde überwiegend aus den jüngeren Straten (a, b) des Fundhorizonts stammen. F ü r die Kernbeile ist eine Zuweisung an die Wohnplätze in F o r m einer Statistik bei den Einzeluntersuchungen erfolgt. Daraus ist zu ersehen, daß die überwiegend kleineren Kernbeile mit spitzovalem und rundlichem Querschnitt typisch f ü r den älteren Wohnplatz sind, da sie mit 27 bzw. 11 Stücken in der Strate c vorkommen. Dagegen sind die Kernbeile mit flacher Unterseite und die Scheibenbeile typisch f ü r den jüngeren Wohnplatz. Sie kommen mit 10 bzw. 19 Stücken in den Straten a und b vor. Die Scheibenbeile sind unter den Funden der 1
) Sämtliche Stücke lagen dem Agrobiologischen Institut (Prof. Dr. Rothmaler) der Universität Greifsvvald vor und wurden durch H. Kreisel bestimmt. (Zunderschwämme, Fomes fomentarius L. ex Fr., aus dem Mesolithikum. Wissenschaftl. Zeitschrift der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald VI, 1956/57, Mathematischnaturwissenschaftl. Reihe Nr. 5/6, S. 299 ff.) 2 ) In Magiemose kamen bei den Sarauwschen Untersuchungen im Jahre 1900 etwa 16400 Stücke zutage, unter denen sich 881 Werkzeuge befanden. In Svaerdborg konnte Johansen 1917 etwa 110500 Feuersteinstücke bergen, unter denen sich 8300 Werkzeuge befanden. Reallexikon der Vorgeschichte Bd. 9, Berlin 1927, S. 16ff.
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Zunderschwämme: Unter den Funden befindet sich eine Anzahl Zunderschwämme (Fomes fomentarius) (Kat. Nr. 921, 1002, 1156, 1166, 2097, 2116, 2356, 2567, 2469, 5020, Ho. Vi. 1012, 1013, 1014). Da eine H ä u f u n g dieser F u n d e in der Nähe des vermuteten Wohnplatzes zu verzeichnen ist, dürfte sicher sein, daß die Stücke f ü r die Unterhaltung des Feuers benutzt wurden. Von einem Teile sind nur noch die H u t h ä u t e erhalten, und es sieht so aus, als h ä t t e man die Röhren entfernt, um sie als Zunder zu benutzen. 1 )
III. Zusammenfassung und Ergebnisse der Einzeluntersuchungen 1. Werkzeuge aus Feuerstein und Oeroll Bei der Betrachtung der aus Hohen Viechein bekanntgewordenen Werkzeuge fällt zunächst auf, daß den 682 Stücken aus Feuerstein nur 6 aus Felsgestein gegenüberstehen. Die letzteren wurden mit einer Ausnahme in der jüngsten Strate des Fundhorizonts aufgefunden, sie sind also dem jüngeren Wohnplatz zuzuweisen. Die zahlenmäßige Gegenüberstellung läßt erkennen, daß dem Felsgestein bzw. dem Geröll als Rohstoff bei der Werkzeugherstellung nur eine sehr geringe Bedeutung zukam und daß man erst im ausgehenden Boreal daranging, bestimmte schwere Werkzeuge aus diesem Material herzustellen. Der Feuerstein hat dagegen eine sehr bedeutende Rolle als Rohstoff gespielt. Man hat anscheinend den am Ufer freigespülten „Strandfeuerstein" benutzt, der überwiegend eine hellgraue Farbe hatte. Es ist nämlich zu sehen, daß alle Werkzeuge aus kleineren Knollen bzw. Knollenbruchstücken hergestellt wurden. Die Gesamtzahl der Feuersteinfunde, die in Form von Abschlägen, Kernsteinen und Werkzeugen in Hohen Viechein katalogisiert wurden, beträgt etwa 10500, unter ihnen sind die 682 Werkzeuge nur ein verhältnismäßig kleiner Komplex. Die gleiche Feststellung wurde auf verschiedenen anderen großen Fundplätzen des Mesolithikums gemacht. 2 ) Hinsichtlich der Technik bei der Herstellung der verschiedenen Werkzeuge sind Unterschiede insofern festzustellen, als beispielsweise bei den Kernbeilen neben sorgfältig bearbeiteten Stücken andere vorhanden sind, die grob und nachlässig zugeschlagen wurden. Bei anderen Werkzeuggruppen kann die gleiche Feststellung gemacht werden. Es ist dabei auffallend, daß die besser gefertigten Stücke überwiegend in der Strate c des Fundhorizonts auftraten und damit zum älteren Wohnplatz gehören. Vereinzelt lagen aber auch in dieser Strate Werkzeuge, die nur oberflächlich und grobmuschelig bearbeitet sind. Die Zuweisung der einzelnen Fundstücke der Werkzeugarten an den jüngeren oder älteren Wohnplatz ist auf Grund der Lagerung der Stücke in den verschiedenen Straten des Fundhorizonts f ü r den Großteil der Werkzeuge möglich. Ein kleinerer Teil muß unberücksichtigt bleiben, da er aus gestörter Lagerung stammt, wobei angenommen werden kann, daß diese Funde überwiegend aus den jüngeren Straten (a, b) des Fundhorizonts stammen. F ü r die Kernbeile ist eine Zuweisung an die Wohnplätze in F o r m einer Statistik bei den Einzeluntersuchungen erfolgt. Daraus ist zu ersehen, daß die überwiegend kleineren Kernbeile mit spitzovalem und rundlichem Querschnitt typisch f ü r den älteren Wohnplatz sind, da sie mit 27 bzw. 11 Stücken in der Strate c vorkommen. Dagegen sind die Kernbeile mit flacher Unterseite und die Scheibenbeile typisch f ü r den jüngeren Wohnplatz. Sie kommen mit 10 bzw. 19 Stücken in den Straten a und b vor. Die Scheibenbeile sind unter den Funden der 1
) Sämtliche Stücke lagen dem Agrobiologischen Institut (Prof. Dr. Rothmaler) der Universität Greifsvvald vor und wurden durch H. Kreisel bestimmt. (Zunderschwämme, Fomes fomentarius L. ex Fr., aus dem Mesolithikum. Wissenschaftl. Zeitschrift der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald VI, 1956/57, Mathematischnaturwissenschaftl. Reihe Nr. 5/6, S. 299 ff.) 2 ) In Magiemose kamen bei den Sarauwschen Untersuchungen im Jahre 1900 etwa 16400 Stücke zutage, unter denen sich 881 Werkzeuge befanden. In Svaerdborg konnte Johansen 1917 etwa 110500 Feuersteinstücke bergen, unter denen sich 8300 Werkzeuge befanden. Reallexikon der Vorgeschichte Bd. 9, Berlin 1927, S. 16ff.
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Holien Vieclieln
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Strate c nicht vertreten. Diese letzte Tatsache muß bei der zeitlichen Einordnung insbesondere des jüngeren Wohnplatzes berücksichtigt werden, spielt doch das Verhältnis der Kernbeile zu den Scheibenbeilen in der Abfolge der verschiedenen mesolithischen Kulturen eine wichtige Rolle. Ein hoher Prozentsatz an Kernbeilen auf einem Wohnplatz spricht immer f ü r ein hohes Alter innerhalb des Mesolithikums. Schwabedissen gibt beispielsweise das Verhältnis der Kernbeile zu den Scheibenbeilen in Duvensee mit 88:12% an. 1 ) Auf dem Fundplatz Oldesloe, der zeitlich am Übergang vom Boreal zum Atlantikum liegt, ist das Verhältnis schon 65:35%. Während unser älterer Wohnplatz 100% Kernbeile enthält, sind sie auf dem jüngeren nur noch mit 72%, die Scheibenbeile aber schon mit 28% vertreten. Hinsichtlich der Schäftung und damit der Verwendung der Kern- und Scheibenbeile sind die Kat. Nr. 2953 (Taf. 141, 142), 5208 (Taf. 14 und 98) und 6250 (Taf. 65) sehr aufschlußreich. Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß alle Kern- und Scheibenbeile in ähnlicher Art geschäftet waren. Dabei ist bemerkenswert, daß sowohl die Originalschäftung 5268 wie auch der Beilkopf 2953 und das Zwischenfutter 6250 für die Querschäftung der Beile eingerichtet sind. Daraus kann man schließen, daß der überwiegende Teil der Beile hackenartig geschäftet war und die Schneide quer zum Schaft stand. Die Kernbeile mit flacher Unterseite und die Scheibenbeile sind f ü r diese Schäftung besonders gut geeignet. Bei zahlreichen Beilen mit spitzovalem Querschnitt ist der S c h n e i d e n a n s c h l a g überwiegend einseitig, so daß hier ebenfalls eine Querschäftung beabsichtigt war. Ubersieht man die große Zahl der beilartigen Werkzeuge aus Knochen und Geweih, die von unserem Fundplatz vorliegen, dann stellt man fest, daß hier die querstehende Schneide typisch ist. Wir haben daher allen Grund, diese Querschäftung auch als typisch bei den Kern- und Scheibenbeilen anzunehmen. Damit ist aber nicht gesagt, daß die gerade Schäftung, bei der die Schneide parallel zum Schaft steht, nicht ebenfalls benutzt wurde. Sie war aber f ü r keinen unserer Wohnplätze typisch. Aus diesen Feststellungen muß gefolgert werden, daß die verschiedenen Formen der quergeschäfteten Beile f ü r die Zwecke, für die sie benötigt wurden, besser geeignet waren als die Formen mit gerade stehender Schneide. Wir können den Herstellern unserer Werkzeuge ohne weiteres zutrauen, daß sie diese dem jeweiligen Zweck entsprechend gestalteten und schäfteten. Damit wären wir bei dem Verwendungszweck der Kern- und Scheibenbeile und hätten die Frage zu beantworten, für welche Tätigkeiten sie verwandt wurden. Zunächst darf festgestellt werden, daß sie nicht als Hacken f ü r die Bodenbearbeitung dienten. Sie sind vielmehr echte Beile und wurden als Schlagwerkzeuge benutzt. Ob damit der Verwendung auf der Jagd oder bei handwerklichen Tätigkeiten der Vorzug gegeben werden muß, ist nicht ohne weiteres zu entscheiden. Neuerdings lehnt Schwantes die Bezeichnung Scheibenbeile ab 2 ) und gebraucht dafür wieder den alten Ausdruck Spalter. Uns scheint die dafür angegebene Begründung — Fehlen eines geschäfteten Scheibenbeils und Weiterleben der Form im Neolithikum — nicht so stichhaltig zu sein, daß sie die neuerliche Änderung des Namens rechtfertigt. Zweifellos wurden bei der Herstellung der Werkzeuge aus Knochen, Geweih und Holz in größerem Umfang die Beile benötigt, und sie waren insbesondere bei der Zerlegung der starken Geweihe von Rothirsch und Elch unentbehrlich. An zahlreichen Fundstücken sind die unterschiedlichen Schlagwirkungen der Kern- und Scheibenbeile deutlich nachzuweisen. Mit dieser Feststellung soll die Verwendung der Beile auf der Jagd nicht ausgeschlossen werden, und es darf wohl als sicher gelten, daß man sie dabei als Schlag- und Wurfwalfe benutzte. Vielleicht nahm man sie auch bei der Zerlegung der gejagten Tiere und bei der Zertrümmerung der Markknochen in Anspruch. Für den letzteren Fall möchten wir allerdings eher vermuten, daß die Markknochen mit gewöhnlichen Felsgesteinstücken zerschlagen wurden. Dagegen darf man annehmen, daß die Holzbearbeitung zu einem erheblichen Teil mit Kern- und Scheibenbeilen vorgenommen wurde. Die große Zahl der beilartigen Werkzeuge
') Schwabedissen, H., Die mittlere Steinzeit im westlichen Norddeutsehland. Neumünster 1944, S. 153. 2 ) Schwantes, G., Geschichte Schleswig-Holsteins. Bd. 1. Urgeschichte. Neumünster 1956, S. 189. 10
Hohen Vieclieln
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aus Feuerstein läßt auf jeden Fall erkennen, daß sie f ü r die Bewohner unserer Wohnplätze wichtig und unentbehrlich waren. Gegenüber den Kern- und Scheibenbeilen sind die anderen Gerätegruppen aus Feuerstein weit weniger bedeutend. Die Gruppe der Mikrolithen, die wichtig sein könnte, ist unter den Funden nur mit 8 Stücken vertreten. Es kann keine voll befriedigende Erklärung gegeben werden, warum die Kleinstgeräte, die sonst auf gleichartigen Fundplätzen zu Hunderten vorkommen, in Hohen Viechein fehlen. Vielleicht steht die große Zahl der gekerbten und mit kleinen Widerhaken versehenen Knochenspitzen damit in Verbindung, die zweifellos die gleiche Funktion zu erfüllen hatten wie die an glatten Knochen- oder Holzspitzen befestigten Mikrolithen. Auffallend ist ebenfalls die geringe Zahl der Stichel, die unter den klingenartigen Werkzeugen vorkommen. Man möchte annehmen, daß bei einer so intensiv geübten Knochenund Geweihbearbeitung das stichelartige Werkzeug eine besondere Bedeutung hatte. Anscheinend haben aber die einfachen breiten und schmalen Klingen weitgehend diese xVufgabe erfüllen können. Die Klingen- und Halbrundschaber sind recht zahlreich vertreten und kommen in allen Straten des Fundhorizonts vor, wobei eine Häufung der Klingenschaber in der älteren Strafe (c) festzustellen ist. Beide Werkzeugformen sind verhältnismäßig klein gehalten und die Halbrundschaber verschiedentlich aus Deckenabschlägen hergestellt. Überaus zahlreich sind in den Straten a und b die Kernsteinschaber ermittelt worden. Sie bilden eine Werkzeugform, die f ü r den jüngeren Wohnplatz charakteristisch ist. Dabei ist die Form an sich schon sehr alt, und Rust, hat in Meiendorf ganz ähnliche Handgriffschaber feststellen können. 1 ) Nach den Angaben von Schwantes sind namentlich die Kernsteinschaber auf den Fundplätzen der Gruppe von Oldesloe besonders häufig. 2 ) Die Anwendung dieser Werkzeuge war zweifellos sehr vielseitig, und sie wurden sowohl f ü r die Fell- und Holzbearbeitung wie auch f ü r die Knochenzerlegung benötigt. Die stichelartigen Nasen- und Nutzflächen an manchen dieser Stücke deuten besonders auf ihre Verwendung bei der Knochenbearbeitung. Unter den wenigen Werkzeugfunden aus Felsgestein und Geröll verdienen die Spitzhauen in dieser Zusammenfassung eine besondere Betrachtung. Von den Geröllkeulen darf zunächst noch gesagt werden, daß wir in ihnen Wurfwaffen sehen möchten, die wohl nicht an einem Schaft befestigt waren, vielmehr an einer Schnur gehalten und geschleudert wurden. Die Spitzhauen haben bereits verschiedene eingehende Darstellungen erfahren, auf die bei den Einzeluntersuchungen hingewiesen wurde. Wir möchten uns hier nicht im großen Rahmen mit diesen Werkzeugen befassen, vielmehr versuchen, von unserem gesamten Fundkomplex her eine Zweckbestimmung zu geben. Wir haben in den Hauen die schwersten Geräte unseres Fundplatzes vor uns, die alle aus dem jüngeren Wohnplatzhorizont stammen. Man könnte daraus folgern, daß die Bewohner des älteren Wohnplatzes solche schweren Geräte noch nicht benötigten. Das könnte bedeuten, daß in der Zeit zwischen dem Bestehen des älteren und jüngeren Wohnplatzes eine neue Tätigkeit, die sich aus der ökonomischen Entwicklung ergab, zu den bisherigen hinzukam und ein schweres Werkzeug erforderte. Man möchte hierbei an eine Tätigkeit zur Erdbearbeitung denken, denn als Jagdwaffe dürfte die F o r m ohne weiteres ausscheiden, und auch die handwerkliche Verwendung bei der Holz-, Geweihund Knochenbearbeitung ist zwar möglich, aber nicht gerade überzeugend. Unsere Hauen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den plumpen, durchlochten Geweihhacken des gleichen Horizonts, von denen wir ebenfalls glauben, daß sie f ü r die Erdbearbeitung bestimmt waren. Es scheint durchaus verständlich, daß die Geweihhacken in der trockenen Jahreszeit, in der der Boden hart war, bei der Freilegung von eßbaren Wurzeln oder bei anderen Lockerungen nicht immer widerstandsfähig genug waren und daß man daher an der Schäftung eines schwereren und dauerhafteren Werkzeugs f ü r diese Zwecke interessiert war. Daß diese ersten Schwantes, G., Geschichte Schleswig-Holsteins. B(l. 1, 1939. S. 55, Abb. 43. ) Schwantes, G., a. a. 0 . S. 111.
2
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Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
Stücke noch so unfertig und grob wirken, liegt an dem neuen Rohstoff, dessen Bearbeitungstechnik erst entwickelt werden mußte. Insgesamt gesehen bilden unter den Funden aus Hohen Viechein die Werkzeuge aus Feuerstein und Felsgestein einen wichtigen Komplex, da deutliche Unterschiede in dem Inventar des älteren und jüngeren Wohnplatzes festzustellen sind. 2. Werkzeuge
aus organischen
Stoffen
Neben der ansehnlichen Zahl der verschiedenen Werkzeuge aus Feuerstein und Geröll steht eine nicht minder stattliche Anzahl bearbeiteter Fundstücke, die aus organischen Rohstoffen hergestellt wurden. In Zahlen ausgedrückt ist das Verhältnis 665:521. Dabei liegt die Zahl der gesamten Funde aus organischen Stoffen — Geweih, Knochen, Zähnen und Holz — ebenfalls wie bei dem Feuerstein etwa um 10000, an denen Knochen und Holz den bedeutendsten Anteil haben. Es dürfte sicher sein, daß in den verschiedenen Straten des Fundhorizonts alle Stücke erhalten geblieben sind, die bei der Benutzung der Wohnplätze fortgeworfen wurden oder verloren gingen. Wir möchten daher annehmen, daß in der folgenden Aufstellung ein recht vollständiges Bild von dem ursprünglichen Werkzeugbestand beider Wohnplätze gegeben werden kann.
Werkzeugart
Glatte Spitzen Gekerbte Spitzen Spitzen m. Widerhaken Spitzen aus Rippenknochen Spitzen m. gr. Widerhaken Schmale Meißel Tüllenbeile Verzierte Knochenhacken Knochenschäfte Gelochte Phalange Beilklingen Geweihhacken m. Schaftloch Geweihspitzhacken Verzierte Geweihstäbe
ält.
jüng.
Wohnplatz 8 85 22
15 10 90 15 1 2
2
15 3
3 9 9 13 10 6 2
Werkzeugart
Werkzeuge aus Elchgeweih Fassungen Werkzeuge aus Geweihenden Kratzer aus Biberzähnen Spitze aus Eberhauer Durchlochte Zähne Schulterblattschaber Verzierte Schienbeinknochen Sehädelmasken Hacken aus Röhrenknochen Beilkopf Wurfspeere Vogelpfeile Schwimmer aus Rinde
ält.
jüng.
Wohnplatz
1 4 1 4 2
2 5 10 4
10 1
2
8
2 1 2 2 18
Die Werkzeuge aus Knochen sind unter den aus organischem Material hergestellten Stücken am häufigsten vertreten. Den 347 Exemplaren dieser Art stehen 58 aus Geweih, 5 aus Zähnen und 31 aus Holz gegenüber. Ein charakteristisches Inventar beider Wohnplätze sind die verschiedenen Formen der Knochenspitzen. Es lassen sich deutliche typologische Unterschiede feststellen, die f ü r die Entwicklung dieser wichtigen Werkzeuggruppe von Bedeutung sind. Während die gekerbten Spitzen unseres älteren Wohnplatzes beste Vertreter ihrer Art sind und bisher wohl von keinem anderen Platz übertroffen werden, sind die Formen mit Widerhaken vom jüngeren Wohnplatz weit weniger sorgfältig gearbeitet. Allein schon aus dieser Tatsache könnte ein wesentlicher zeitlicher Abstand zwischen beiden Wohnplätzen angenommen werden. Die Einzeluntersuchungen haben ergeben, daß die Spitzen überwiegend auf der Jagd, aber auch wohl beim Fischfang benutzt wurden und an einem Holzschaft befestigt waren. Den vielen beil- und hackenartigen Geräten aus Stein kann nur eine kleinere Gruppe aus Knochen und Geweih gegenübergestellt werden. Die reichverzierten Hacken mit Schaftloch aus dem radius vom Ur sind darunter am auffallendsten. Sie sind ebensowenig f ü r die Erdbearbeitung geeignet wie die Tüllenbeile; f ü r beide Formen möchte man eher eine Be10*
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Ewald Schuldt
nutzung auf der Jagd annehmen, obwohl die zerbrochenen Hacken eigentlich dagegen •sprechen, da alle Bruchstücke in unmittelbarer Nähe des Wohnplatzes lagen, also bei einer dort geübten Tätigkeit verloren wurden. Dagegen möchten wir in den plumpen Geweih hacken mit Schaftloch Werkzeuge f ü r die Erdbearbeitung sehen, wenn wir auch keine Beweise f ü r diese Behauptung anführen können. Sie sind ebenso wie die Hauen aus Felsgestein eine Entwicklung des jüngeren Wohnplatzes und bilden mit diesen die schwersten Werkzeuge unter allen Formen des Fundplatzes. Diese Geweihhacken haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den späteren schweren Arbeitsäxten aus Felsgestein, während die schlanken Hacken aus Geweih eher den j ungsteinzeitlichen Streitäxten gleichen. Beachtung verdienen auch die aus Geweih geschnittenen Beilklingen, von denen ein Teil zweifellos im Zwischenfutter geschäftet war, ein anderer dagegen wohl ungeschäftet benutzt wurde. Bei den Einzeluntersuchungen ist hierüber schon einiges gesagt worden. In den Formen mit einseitig angeschärfter Schneide und verjüngtem Nacken könnte man eine Parallelentwicklung der Scheibenbeile vermuten. Sozusagen als Neuheiten erscheinen die kratzerartigen Werkzeuge aus den Schneidezähnen vom Biber auf dem jüngeren Wohnplatz, wenn auch zu vermuten ist, daß Vorformen schon lange üblich waren. Ähnliche Funde aus Stellmoor könnten hierfür der Beweis sein. Ob von den aus Holz gefertigten Werkzeugen alle einmal vorhandenen Formen vorliegen, könnte bezweifelt werden, da Holz ja schwimmt und die fortgeworfenen oder verloren gegangenen Stücke nicht immer in Wohnplatznähe auf den Grund des Sees gekommen sind. In dieser Tatsache könnte auch das Fehlen der hölzernen Pfeile und der Bogen, die sicher vorhanden waren, erklärt werden. Der große Beilkopf aus Wurzelholz ist ebenfalls kein Einzelstück gewesen, sondern allgemein gebraucht worden, wie das Vorkommen auf anderen Fundplätzen erkennen läßt. In ihrer Form stehen bisher die zahlreichen Schwimmer aus Kiefernrinde isoliert da. Wohl gibt es von anderen mesolithischen Wohnplätzen ähnliche Stücke, die aber kein so großes Loch haben. Es ist daher auch nicht sicher, ob unsere Stücke wirkliehe Netzschwimmer waren. Obwohl sie keine Werkzeuge im eigentlichen Sinne sind, sollen die Schädelmasken vom Rothirsch hier mit aufgeführt werden. Sie gehören zu den eigenartigsten Fundstücken überhaupt, und die Deutung als Maske dürfte bei unserem fertigen Stück (Kat. Nr. 5853, Taf. 50 und 121) ganz sicher sein. Unter den ähnliehen Stücken aus Star Carr ist kein Exemplar, das auch nur annähernd diese Maskenform erreicht. 1 ) Nicht anders ist es mit dem neuerdings aus Spandau bekanntgewordenen Stück, das ebenfalls einen unfertigen Eindruck macht. 2 ) Sicher dürfte auch sein, daß diese Masken aus Tierschädeln nicht nur auf den mesolithischen Zeitabschnitt beschränkt sind, sondern schon lange vorher und noch lange nachher in Benutzung waren. I n manchen Museen werden besonders unter dem Material neolithischer Siedlungen ähnliche Schädelmasken noch versteckt sein. Über die Verwendung der Masken hat sich Clark eingehend geäußert, und der Verfasser hat bei den Einzeluntersuchungen ebenfalls seine Meinung gesagt. Damit wird aber das letzte Wort über diese interessanten Funde noch nicht gefallen sein. Dasselbe gilt auch f ü r einige andere Stücke, f ü r die eine genaue Zweckbestimmung nicht angegeben werden konnte. Dazu gehören der verzierte Lochstab (Kat. Nr. Ho. Vi. 610, Taf. 61 und 133), die verzierte Abwurfstange (Kat. Nr. Ho. Vi. 136, Taf. 62) und der verzierte Schienbeinknochen vom Schwein (Kat. Nr. 5367, Taf. 55 und 120). Der Verfasser möchte den bisherigen Hypothesen über die Verwendung solcher Funde keine neue hinzufügen; eines Tages wird aus exakten Grabungsbefunden die richtige Zuweisung möglich sein. Uberblickt man den ganzen Bestand an Werkzeugen aus Knochen, Geweih, Zähnen und Holz, der von beiden Wohnplätzen bekannt wurde, dann überrascht zunächst die Vielzahl Clark, J. G. D., Excavations at Star Carr. Cambridge 1954, 8. 170 Tafel X I I XIV. ) Reinbacher, E., Eine vorgeschichtliche Hirschmaske aus Berlin-Biesdorf. Ausgrabungen und Funde 1, Berlin 1956, S. 147 ff.
2
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
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dar Formen. Selbst wenn man in Betracht zieht, daß die Funde von zwei zeitlich weit auseinanderliegenden Wohnplätzen stammen, sind die vielen Varianten doch recht erstaunlich. Vergleicht man beispielsweise die verschiedenen Typen der Geweih- bzw. Knochenspitzen aus Meiendorf und Star Carr mit unseren, dann zeigt sich sehr deutlich mit dem geringeren Alter der Plätze ein Zunehmen der Typen. Während unter den Geweihspitzen von Meiendorf nur 2 Typen — glatte und mit großen Widerhaken — vorkommen, sind es auf unserem älteren Platz schon fünf und auf dem jüngeren gar sieben. Ähnlich ist es mit anderen Werkzeuggruppen. Diese Feststellung findet auch ihre Bestätigung in einer Gegenüberstellung der Werkzeugformen aus organischen Stoffen von beiden Wohnplätzen: 12 auf dem älteren, 21 auf dem jüngeren. Man kann hieraus folgern, daß ältere Universalgeräte in jüngeren Abschnitten in größerem Maße f ü r Spezialfunktionen umgewandelt wurden, wobei andere Typen und völlig neue Werkzeuge entstanden. Daß dabei die ökonomische Entwicklung eine bedeutende Rolle spielte, scheint selbstverständlich zu sein. Neben den charakteristischen Knochenspitzen treten die verschiedenen Formen der hacken- und beilartigen Schlagwerkzeuge am eindrucksvollsten in Erscheinung. Zählt man diesen noch die vielen gleichartigen Exemplare aus Stein hinzu, dann wird offenbar, wie groß der Bedarf an solchen Schlagwerkzeugen gewesen sein muß. Über die Technik bei der Herstellung der Werkzeuge aus Knochen und Geweih wird im folgenden Abschnitt berichtet werden. Hinsichtlich des f ü r die Werkzeugherstellung benutzten Knochenmaterials verdient die Feststellung Beachtung, daß in überwiegendem Maße der Mittelfuß- bzw. Mittelhandknochen bevorzugt wurde. Es dürfte ziemlich sicher sein, daß die Spitzen bis auf wenige Ausnahmen aus diesen Knochen angefertigt wurden. Die schmalen Meißel, die Tüllenbeile und die Knochenschäfte wurden ebenfalls aus diesen Knochen hergestellt. Unter den vielen aufgeschlagenen Röhrenknochen befinden sich nur ganz vereinzelt Knochenreste dieser Art, doch wohl ein Beweis, daß man sie f ü r Werkzeuge dringend benötigte. Daß die Jagdbeute nicht immer ausreichte, um den Bedarf an Rohstoffen f ü r die Werkzeuganfertigung zu decken, beweisen die häufig verarbeiteten Abwurfstangen vom Rothirsch, die man wohl von den Jagdzügen mitbrachte und am Wohnplatz verarbeitete. Insgesamt gesehen bildet der große Bestand an Werkzeugen aus organischen Stoffen von beiden Wohnplätzen ein kulturgeschichtlich außerordentlich wertvolles Material, das als Grundlage f ü r weitere Forschungen noch lange Zeit von Bedeutung sein wird. 3. Die Technik der Geweih- und
Knochenbearbeitung
Bei der Behandlung verschiedener Werkzeugformen, insbesondere der Knochenspitzen, ist schon einiges über die Herstellung der einzelnen Stücke gesagt worden. Es ist aber notwendig, eine zusammenfassende Betrachtung über die verschiedenen Bearbeitungsarten bei der Anfertigung der Werkzeuge aus Knochen und Geweih anzustellen. Dabei k a n n gleich am Anfang eine sehr wesentliche Aussage gemacht werden: in der Geweihbearbeitung ist von den Jägern unseres Platzes die Trenntechnik des Jungpaläolithikums, die R u s t in Meiendorf und Stellmoor so überzeugend nachweisen konnte 1 ), nicht mehr angewandt worden. Während Clark auf dem frühmesolithischen Wohnplatz Star Carr diese alte Technik noch im großen Umfange nachweisen kann 2 ) — alle dort gefundenen Spitzen sind aus Geweihspänen hergestellt — ist bei uns nur noch eine Andeutung vorhanden, die vermuten läßt, daß man diese Technik früher auch hier übte. Der Geweihspan K a t . Nr. 6246 (Taf. 72) ist noch in dieser Art aus einer Stange vom Rothirsch herausgelöst worden und sollte sicher zu einem Werkzeug verarbeitet werden. Unter den Hunderten von Geweihteilen, die Bearbeitungs') Rust, A„ Meiendorf, 1937, S. 92 ff. - Stellmoor 1943, S. 144 ff. ) Clark, J. 0 . D., Excavations at Star Carr. Cambridge 1954, S. 115 ff. — Im Gegensatz dazu sprieht Rust von einem „Rückfall" in dem frühmesolithischen Teil seines Fundplatzes Stellmoor, da dort diese Technik völlig unbekannt ist und die Geweihstangen in grober Art auseinandergesprengt wurden. (Rust, Stellmoor, S. 170f.)
2
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spuren aufweisen bzw. zu Werkzeugen verarbeitet sind, ist es das einzige Stück. Diese alte Technik der Geweihbearbeitung hat aber in Hohen Viechein in der Knochenbearbeitung ihre Fortsetzung erfahren. Sie wird in großem Umfange ausgeübt und ist ohne Zweifel eine Weiterentwicklung und Verbesserung der alten Art. Im Prinzip ist der Trennschnitt bei der Zerlegung der Mittelfußknochen vom Rothirsch und Reh, die im wesentlichen die Aufgaben der Geweihspäne übernommen haben, nichts anderes als die Herauslösung eines Werkstückes aus einer Geweihstange. In der Weiterverarbeitung ist ebenfalls kein großer Unterschied festzustellen. Wollte man der Frage nachgehen, warum die Abkehr vom Rohstoff Geweih und der Übergang zum Rohstoff Knochen bei der Herstellung bestimmter Werkzeugformen erfolgte, dann muß man wohl annehmen, daß einmal der Knochen und speziell der Mittelfußknochen besser f ü r die Anfertigung der Harpunen und Spitzen geeignet war als die nicht immer gerade Geweihstange. Zum anderen war der Knochen auch härter und ließ sich leichter zu gefährlicheren Waffen verarbeiten. Diese letzte Feststellung dürfte eine wesentliche Rolle bei dieser Rohstoffablösung gespielt haben. Der Knochen hat das Geweih aber nicht vollends verdrängen können. Das mag daran gelegen haben, daß er nur in verhältnismäßig kleinen Längen vorkommt und daher beispielweise f ü r die Herstellung von Kommandostäben unbrauchbar ist. Die offene Knochenröhre war f ü r andere Werkzeuge (Beilklingen, Hacken) ebenfalls nicht gerade gut geeignet. Bei der Herstellung der Geweih Werkzeuge sind verschiedene Techniken angewandt worden. Zunächst ist bei der Gewinnung der Werkstücke schon unterschiedlich verfahren worden: die Geweihstange wurde entweder mit einem sehr schartigen Steinwerkzeug mühsam ringartig angepickt und dann zerbrochen (z. B. Kat. Nr. 5773, Taf. 131b) oder mit einem Schlagwerkzeug, das eine ausgeprägte scharfe Schneide besaß, zerlegt. Die erste Art der Bearbeitung ist anscheinend sehr alt, denn Rust spricht in Stellmoor schon von Ringkerben, mit denen die Rengeweihstangen bei der Zerlegung versehen werden. Während man dort die Einkerbung aber verhältnismäßig akkurat vornahm, ist sie bei uns sehr grob und nachlässig erfolgt, und nur bei einzelnen Stücken kann man von „Ringkerben" sprechen (Kat. Nr. 4452, Taf. 137a; 4925, Taf. 137b). Eine Vielzahl der Schläge ist daneben gegangen und läßt so sehr deutlich erkennen, daß bei diesem Vorgang ein schmales, schartiges Schlaginstrument benutzt wurde. Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, daß diese Technik mit Kernbeilen ausgeübt wurde. Die zuletzt genannte Art der Bearbeitung ist sehr häufig zu beobachten, und die dabei entstandenen Schlagflächen sind sehr ausgeprägt, jeder einzelne Hieb ist zu erkennen und vom anderen deutlich abgesetzt. Ein Beispiel zeigt die Taf. 73c (Kat. Nr. 2027), wo eine starke Geweihstange zwischen einem Sprossenansatz auseinandergetrennt wurde. Bei diesen Arbeitsvorgängen muß das Scheibenbeil eine bedeutende Rolle gespielt haben, ist es doch das einzige beilartige Werkzeug mit einer kantigen und scharfen Schneide, das wir von unserem Fundplatz kennen. Eine weitere Art der Bearbeitung eines Geweihstückes ist an der Kat. Nr. 1154 (Taf. 73b) zu sehen, wo von einem zurechtgeschnittenen Schädelstück der Rosenstock mit einem stichelartigen Werkzeug eingeschnitten und dann abgebrochen wurde. Diese Technik, die nur vereinzelt nachzuweisen war, scheint im Gegensatz zur vorher beschriebenen, die fast ausschließlich auf den jüngeren Fundkomplex beschränkt war, sehr alt zu sein, da die hierher gehörenden Stücke nur in der Strate c des Fundhorizonts vorkamen. Die Weiterverarbeitung der Werkstücke aus Geweih geschah ebenfalls auf verschiedene Art. Es ist manchmal nicht sicher zu entscheiden, ob die Begradigung von Kanten oder die Verjüngung bestimmter Teile mit einem Schlag- oder einem Schneidewerkzeug vorgenommen wurde. Dies ist z. B. bei den Beilklingen der Fall, deren Nacken z. T. stark reduziert sind, wobei außerordentlich deutliche Schnittflächen entstanden (z. B. Kat. Nr. 1168, Taf. 124b; Kat. Nr. 5350, Taf. 73a und 124a). Versuche an rezenten Geweihstücken haben ergeben, daß es nicht leicht ist, mit klingenartigen Schneidewerkzeugen so überaus deutliche Schnitte herzustellen. Zu überlegen wäre aber, ob den Jägern nicht eine Methode bekannt war, mit der
Der mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
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sie es ermöglichten, das Werkstück f ü r eine kürzere Zeit f ü r die Bearbeitung weich zu machen. Die angestellten Versuche ermöglichen zwar keine Aussagen, doch möchte der Verfasser diese Möglichkeit hier angedeutet haben. Obwohl bei den Ausgrabungen keine Schleifsteine irgendwelcher Art zutage kamen, dürfte es aber sicher sein, daß der Schliff bei der Herstellung bestimmter Werkzeuge angewandt wurde. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Beilklinge Kat. Nr. 1208 (Taf. 126), deren Schneidenpartie durch Schliff geformt wurde. Die gleiche Klinge ist nach dem Schliff anscheinend noch poliert worden. Dieselbe Beobachtung ist an einer Anzahl weiterer Beilklingen zu machen, wobei nicht immer mit Sicherheit zu entscheiden ist, ob es sich um eine Politur handelt, die bei der Herstellung des Werkzeugs angebracht wurde oder die bei der späteren Benutzung entstand. So ist beispielweise die glänzende Schneidenpartie der Beilklinge Kat. Nr. 5350 (Taf. 73a und 124a) durch lange Benutzung entstanden. Es kann allerdings die Tätigkeit nicht angegeben werden, bei der diese Glätte sich bildete. Die Technik der Knochenbearbeitung gleicht in allen wesentlichen Zügen der Geweihbearbeitung. Über die Trenntechnik ist bei der Behandlung der Knochenspitzen schon das Nötwendige gesagt worden. Die Röhrenknochen wurden auf die gleiche Weise zerlegt wie die Geweihstangen, wobei allerdings auffällt, daß die Werkzeuge, mit denen die Werkstücke auf die richtige Länge gebracht wurden, ohne Ausnahme schartige Schneiden hatten. An zahlreichen Stücken (z.B. Kat. Nr. 1000, Taf. l i l a ; 5717, Taf. 49 a) ist dieses mühsame „Durchhacken'' des Knochens deutlich zu erkennen. An keinem der aufgefundenen Knochen ist eine glatte Schlagfläche festzustellen. An einzelnen Werkzeugen ist zu erkennen, daß man anscheinend nicht in der Lage war, mit einem Feuersteinbeil von einem Knochen solche Späne abzuschlagen, wie es bei den Geweihstangen möglich war. So sind z. B. die Schneiden der Tüllenbeile und der Hacken wahrscheinlich nicht einmal mit einem Werkzeug, sondern mit einem einfachen Geröllstück vorgearbeitet worden. Die schartigen Stellen des Tüllenbeils Kat. Nr. 1204 (Taf. 113) lassen an dieser Feststellung kaum einen Zweifel. Während die Knochenspitzen immer durch Schneide- und Schabewerkzeuge ihre endgültige Form erhielten, wurde bei größeren Werkzeugen der Schliff bei der Formgebung zu Hilfe genommen. Die glatten Schneiden der Beile und Hacken sind auf diese Weise enstanden, wobei nach dem Schliff noch irgendwelche Mittel zum Glätten und Polieren zur Anwendung gelangten. Die Herstellung der Schaftlöcher an den verschiedenen Werkzeugen aus Geweih und Knochen dürfte ausschließlich durch Picken, Sticheln und Schneiden erfolgt sein. An verschiedenen Werkzeugen ist sehr deutlich zu sehen, wie mit klingenartigen Geräten die Rundung des Loches hergestellt worden ist (sehr deutlich Kat. Nr. 6250, Taf. 65). Es ist dabei nicht ausgeschlossen, daß man bei der Herstellung der Öffnung diese Geräte bohrerartig bewegte. Es sind aber keine Anzeichen dafür vorhanden, daß bei der Durchbohrung irgendwelche Fiedelbohrer mit Bohrkappen benutzt wurden. Bei dem Vorhandensein von mehreren hundert Werkzeugen aus Geweih und Knochen auf einem Wohnplatz könnte man gewisse Aussagen über die Art der Herstellung in der Hinsicht erwarten, ob Spezialisten die Stücke anfertigten oder ob jeder einzelne Jäger sich das benötigte Gerät selbst herstellte. Dazu ist zu sagen, daß beispielsweise innerhalb der Typen der Knochenspitzen eine Reihe kleiner Gruppen zu erkennen ist, die zweifellos jeweils von einem Menschen hergestellt wurden. Es gehören aber immer nur zwei oder drei Spitzen zu einer Gruppe, so daß angenommen werden muß, daß sie nicht von Spezialisten angefertigt wurden. Es sind sogar regelrechte Anfänger zu unterscheiden, die ihre Stücke so recht und schlecht zu Ende brachten. Hierfür sind ein gutes Beispiel die beiden Knochenspitzen Kat. Nr. 5230 und 5241 (Taf. 106e). Ähnliche Feststellungen lassen sich bei allen anderen Werkzeugen machen, die in mehreren Exemplaren vorliegen. Wenn es dabei technisch hervorragend gestaltete Geräte neben minderwertigen gibt, dann läßt sich dies damit erklären, daß ein erfahrener Jäger schon eine gewisse Vollkommenheit in der Herstellung seines Jagdgerätes besaß, während der Jungjäger noch Lehrgeld zahlen mußte.
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EWALD SCHULDT
4. Die linearen
Ziermotive.
Unter den vielen Werkzeugen aus Knochen und Geweih befinden sich einige, die mit eingeschnittenen bzw. eingeritzten Ziermotiven versehen sind. Bei den folgenden Betrachtungen sollen uns aber nur solche Werkzeuge interessieren, die mit wirklichen Mustern versehen sind. Einige andere, deren eingeritzte bzw. eingekerbte Linien einen praktischen Zweck
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unn s Abb. 13. Die verschiedenen Muster der L i n i e n o m a m e n t e
hatten (Kat. Nr. Ho. Vi. 32, Taf. 43c) oder eine ,,magische N a h t " darstellten (Kat. Nr. 5351, Taf. 68 und 134; K a t . Nr. 3843, Taf. 128c), bleiben unberücksichtigt. Es stehen 6 Stücke zur Verfügung, von denen drei aus Knochen und drei aus Geweih hergestellt wurden. Hinsichtlich der Art der Ornamente lassen sich drei Gruppen unterscheiden: a) Werkzeuge mit eingeritzten linearen Mustern b) Werkzeuge mit eingeschnittenen linearen Mustern, die mit Harz ausgelegt sind c) Werkzeuge mit Strichgruppen. Zur Gruppe a gehören die beiden Hacken aus dem Speichenknochen (radius) vom Ur (Kat. Nr. 4760, Taf. 52; Ho. Vi. 609, Taf. 51 und 115), deren Strichmuster nur flach eingetieft sind. Der Lochstab aus Geweih (Kat. Nr. Ho. Vi. 610, Taf. 61 und 133) und die Spitzhacke (Kat. Nr. 2137, Taf. 60 und 132) gehören zur Gruppe b. Die linearen Muster dieser Stücke sind eingeschnitten und waren mit dunklem Harz ausgelegt, von dem am Lochstab noch größere Teile vorhanden sind. Während die eingeritzten bzw. eingeschnittenen und ausgelegten langen und kurzen Linien der Gruppen a und b ein wirkliches Muster darstellten, ist dies bei der Gruppe c nicht der Fall. Die Striche auf dem Schienbeinknochen (Kat. Nr. 5367, Taf. 55 und 120) und auf der Abwurfstange (Kat. Nr. Ho. Vi. 136, Taf. 62) sind z. T. sehr flach eingeritzt, sie bilden kein zusammenhängendes Muster, sondern sind unmotiviert als Dreiecke, Rechtecke, Strichgruppen oder Einzelstriche an den verschiedensten Stellen angebracht. Von den Werkzeugen der Gruppe a ist die Hacke K a t . Nr. Ho. Vi. 609 (Taf. 51 und 115) mit einem Muster verziert, das Clark unter seinen geometrischen Motiven der Magiemose
D?r mittelsteinzeitliche Wohnplatz Hohen Viechein
153
Kultur bei a anführt 1 ). Auf verschiedenen weit auseinandergelegenen Wohnplätzen aus Polen 2 ), Schweden 3 ) und Dänemark 4 ) sind nahezu gleichartige verzierte Funde bekanntgeworden. Die aus kurzen, senkrechten Strichen bestehenden horizontalen Bänder der Hacke Kat. Nr. 4760 (Taf. 52) sind mir in dieser Ausführung bisher von mesolithischen Plätzen nicht bekanntgeworden, und die Motivauswahl Clarks kann durch dieses einfache Muster ergänzt werden. Der zur Gruppe b gehörende Lochstab Kat. Nr. Ho. Vi. 610 (Taf. 61 und 133) ist mit Motiven versehen, die Clark zu seinen Mustern a und c zählt. Die Hacke Kat. Nr. 2137 (Taf. 60 und 132) ist mit den Mustern h, k und r verziert. Die Art dieser Motive ist ebenfalls über ein weites Gebiet verteilt. Zu der Technik der Harzeinlage bei den Mustern dieser Gruppe hat neuerdings M. P. Malmer eingehende Betrachtungen angestellt 5 ). Die Verwendung des Harzes f ü r praktische Zwecke bei der Befestigung z. B. von Knochenspitzen an Holzschäften und Mikrolithen an Pfeilspitzen ist sehr alt und schon aus präborealer Zeit bekannt 6 ). Aus der rein funktionellen Verwendung des Harzes ist wohl im Laufe der Zeit die ornamentale Benutzung entstanden, die nach unserem Befunde in frühborealer Zeit beginnt und erst in der Bronzezeit ihr Ende findet. Von der dunklen Harzeinlage in den Mustern des Lochstabes sind noch zahlreiche Reste erhalten, die erkennen lassen, daß die Einlage sich der Oberfläche anpaßte. An einer Hacke aus einem Ellenbogenknochen vom Ur hat Malmer feststellen können, daß die Harzeinlage als Flachrelief über der Knochenoberfläche heraus stand 7 ). Die Ritzungen auf den Werkzeugen der Gruppe c sind z. T. äußerst fein ausgeführt, und man kann in ihnen weder ornamentale noch figürliche Muster erkennen. Sie erscheinen wie Spielereien ohne Sinn und Zweck. Da aber einige Zusammenstellungen, wie z. B. das mit Strichen gefüllte Dreieck, häufig wiederkehren, darf man sie keinesfalls als nebensächlich abtun. Mit der Deutung der verschiedenen Elemente der linear-ornamentalen Verzierung des Mesolithikums haben sich mehrere Forscher beschäftigt. Während Sophus Müller die Meinung vertrat, daß die Flächenornamentik eine Nachbildung von Flecht- und Webmustern darstelle, sieht Rust in den Einzelmotiven z. T. stilisierte Fährten- und Trophäendarstellungen von verschiedensten Jagdtieren. 8 ) Zu den Mustern auf unseren Gruppen a und b möchten wir sagen, daß sie zweifellos aus alten Motiven zusammengesetzt sind, in ihrer Anordnung aber als Zierornamente aufzufassen sind, die man anbrachte, um ein kostbares Werkzeug besonders zu schmücken. Die Gleichmäßigkeit der Linien- und Strichgruppen beispielsweise auf den beiden Hacken Kat. Nr. 4760 (Taf. 52) und Ho. Vi. 609 (Taf. 51 und 115) läßt keine andere Deutung zu. Diese Feststellung trifft für die Motive unserer Gruppe c nicht zu, in denen man keine Ornamente sehen darf, sondern irgendwelche Zeichen, deren Bedeutung noch unklar ist. In seiner bereits zitierten Arbeit macht Malmer den Vorschlag, die Muster der ornamentalen Verzierung auf den mesolithischen Knochen- und Geweihgeräten mehr als bisher für die Datierung heranzuziehen. Der Verfasser möchte ihm hierin zustimmen, es ist allerdings notwendig, noch ein weit größeres Material zusammenzutragen, als das bisher geschehen ist. Clark, J. G. D., The Mesolithic Settlement of Northern Europe. Cambridge 1936, S. 169. ) Kozlowski, L., L'epoque mésolithique en Pologne, Anthropologie, Paris X X X V I 1926, Abb. 5 (Mazowsze, Kr. Konstanynow). 3 ) Stjerna, K., Före Hallkistiden, Antikvarisk Tidskrift Sverige, Del X I X , No. 2, 1911, Abb. 24 (Sollerön, Dalarne). 4 ) Sarauw, G. F. L., En Stenalders Boplads i Magiemose ved Mullerup, Aarboger 1903, Abb. 44 (Mullerup). — Müller, S., Stenalderns Kunst i Danmark. Kopenhagen 1918, S. 6, Abb. 19 (Illebolle, Langeland). 5 ) Malmer, P. M. und Magnusson, E., Mesolithische Harzornamentik. Meddelanden fran Lunds universitets historiska muséum 1955, S. 81 ff. 6 ) Clark, J. G. D., A Preliminary Report on Excavations at Star Carr, Seamer, Scarborough, Yorkshire, Proceedings of the Prehistoric Society 15, 1949, S. 57. 7 ) Malmer, P. M., a. a. O. 8 ) Rust, A., Die mittel- und altsteinzeitlichen Funde von Stellmoor. Xeumünster 1943, S. 222 und Abb. 32.
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154
E W A L D SCHULDT
Mit den z. Z. vorhandenen verzierten Werkzeugen aus datierbaren Schichten ist nicht viel anzufangen. Unsere Stücke stammen sämtlich aus dem T o r f u n d der G y t t j a und gehören damit zum jüngeren Wohnplatz, der zwischen 6000 und 5500 v. u. Z. existierte. 5. Die Jagd und der Fischfang Die eingehenden Untersuchungen aller Werkzeugformen aus Hohen Viechein haben zu dem Ergebnis geführt, daß der Platz sowohl in seinem älteren wie in seinem jüngeren Teil von Jägern, Fischern und Sammlern bewohnt wurde. Es muß daher angenommen werden, daß ein großer Teil der Werkzeuge speziell f ü r die Jagd und den Fischfang bestimmt war. Bevor darüber etwas gesagt wird, scheint es notwendig zu sein, Betrachtungen über die Jagdbeute anzustellen. Unter den vielen Knochenfunden sind ja Reste aller erlegten Tiere erhalten geblieben, so daß es möglich ist, durch dieses Material ein Bild von dem Umfang der J a g d und des Fischfangs zu erhalten und daraus Schlußfolgerungen verschiedenster Art zu gewinnen. Eine Feststellung ist zunächst sehr wichtig. Unter dem umfangreichen Fundmaterial dieser Art nehmen die Fischreste einen sehr bescheidenen Platz ein. Wollte man das Verhältnis der Knochenreste zu den Fischresten in Prozenten ausdrücken, dann würde es etwa 95:5 lauten. Es muß ausdrücklich betont werden, daß es keinen Grund f ü r die Annahme gibt, die Fischreste wären nicht erhalten geblieben. Alle Reste von Fischen, die wir bergen konnten — Kopfteile, Wirbel und Schuppen —, waren ausgezeichnet erhalten. In Betracht muß allerdings gezogen werden, daß ein großer Teil der Fischreste auf dem Wohnplatz blieb und dort an der Oberfläche vergangen ist. Sollte es aber bei den Knochen nicht ähnlich gewesen sein? Wir haben nach diesen Überlegungen allen Anlaß zu der Feststellung, daß der Fischfang auf beiden Wohnplätzen zwar ausgeübt wurde, gegenüber der J a g d aber stark zurücktrat. Nach den Untersuchungen von O. Gehl und E. Soergel dürfte sicher sein, daß alles in der näheren Landschaft um den Wohnplatz lebende Wild bejagt und erlegt wurde. Man schreckte auch vor dem Großwild — Bär, Ur und Elch — nicht zurück. Auf Grund der Menge der Knochen ist zu beweisen, daß Reh- und Rotwild am häufigsten vorkamen und deshalb als Hauptjagdwild zu gelten haben. Die Vogelknochen treten hinter den Resten der Säugetiere stark zurück, und man könnte daraus folgern, daß die J a g d auf Flugwild auch damals schon schwierig war, obwohl die Jäger des jüngeren Wohnplatzes den H u n d als Begleiter auf den Jagdzügen schon zur Verfügung hatten. Auf Grund des großen Bestandes an Knochen der verschiedensten Tiere könnte man erwarten, daß ähnliche Aussagen über die Art der Erlegung des Wildes und über die Durchf ü h r u n g der J a g d möglich sein müßten, wie sie R u s t in Meiendorf und Stellmoor an H a n d der Schußverletzungen an verschiedenen Knochen machen konnte. 1 ) In dieser Beziehung versagen unsere Funde aber vollständig, denn es ist nicht gelungen, auch nur ein einziges Schußloch an einem Schulterblatt oder sonst einem Knochen nachzuweisen. Wir möchten aus dieser Tatsache nicht die Folgerung ziehen, daß wir sagen, die Jagdmethode hätte sich in der Zeit zwischen den Renjägern von Meiendorf und Stellmoor und unseren Jägern geändert. Die vielen Knochenspitzen unserer beiden Wohnplätze beweisen eindeutig, daß die J a g d noch ganz in der Art der Ahrensburger Jäger ausgeübt wurde. Da insbesondere ein Teil der Schulterblätter vom Reh und Rothirsch zerschlagen wurde oder als WTerkzeug diente, sind Schußlöcher nicht erhalten geblieben. Das Fehlen dieses Beweismaterials zwingt uns, den Jagdvorgang an H a n d der Werkzeuge zu rekonstruieren. Wir beginnen dabei mit den sichersten Funden, den Resten der beiden Vogelpfeile (Kat. Nr. 1081, Taf. 69 b; 4755, Taf. 69 a), durch deren Vorhandensein nachgewiesen werden kann, daß die Jagd mit Pfeil und Bogen ausgeübt wurde. Diese hölzernen 1
) Rust, A., Das altsteinzeitliche Rentierjägerlager Meiendorf. Neumünster 1937, S. 123 ff. — Ders., Die mittelund altsteinzeitlichen F u n d e von Stellmoor. Neumünster 1943, S. 132 ff.
Der mittelsteinzeitliche Wolmplatz Hohen Viechein
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Pfeile mit dem verdickten Kopf sind auf der Vogeljagd benutzt worden. Daneben wurden f ü r den gleichen Zweck vielleicht auch die kleinen gekerbten Knochenspitzen benutzt, deren Schaftenden vereinzelt Harzreste aufweisen, die wahrscheinlich von einer Befestigung an einem hölzernen Pfeilschaft herrühren dürften. Der nahezu vollständig erhaltene Holzschaft Kat. Nr. 5269 Taf. 69 und die Reste Kat. Nr. 1080 sind als Speere aufzufassen, an deren dünnem Ende eine knöcherne Spitze mit Kerben oder Widerhaken befestigt war. Mit solcher Waffe konnte man zweifellos durch Stoß oder Wurf das Reh- oder Rotwild tödlich verletzen. Ob dabei der Speer mit einer Spitze bewehrt war oder zwei knöcherne Spitzen hatte, deren Kerben bzw. Widerhaken nach außen standen, ist nicht zu entscheiden. Clark konnte in Star Carr eine solche Schaffung nachweisen. 1 ) Es kann auch angenommen werden, daß bestimmte Knochenspitzen als Spitzen an hölzernen Pfeilen befestigt waren und bei der Jagd auf Säugetiere benutzt wurden. Den gleichen Zweck haben die Holzpfeile mit Elinteinsätzen erfüllt, und einige unserer kleinen Dreiecke aus Feuerstein (Kat. Nr. Ho. Vi. 970—973, Taf. 38a—d) lagen in der Torfschicht in einer Anordnung, die keinen Zweifel daran läßt, daß sie als Widerhaken in einem solchen Holzpfeil befestigt waren. Außer diesen leichten Jagdwaffen, die mit dem Bogen als Pfeile verschossen oder als Speere geworfen wurden, gab es sicher Schlagwaffen zur Tötung verwundeter Tiere, und dazu waren eigentlich alle geschäfteten beil- und hackenartigen Geräte geeignet. Als Wurfwaffen kommen insbesondere die Geröllkeulen in Betracht, daneben mag man einfache Geröllstücke auf die gleiche Art benutzt haben. Es muß angenommen werden, daß das Fangen größerer Tiere in Fallgruben eine bedeutende Rolle spielte. Ein Teil unserer hackenartigen Werkzeuge wird f ü r das Eintiefen solcher Gruben unentbehrlich gewesen sein. Zum Zerlegen der Jagdbeute am Wohnplatz wurden ebenfalls beil- und hackenartige Werkzeuge benötigt, dabei fanden wohl auch die in den Knochenschäften (Kat.Nr. 1045. T a f . l l ö b ; 1191, Taf. 116a) befestigten klingenartigen Feuersteinstücke beim Schneiden und Reißen Verwendung. Die Verarbeitung" der Felle erforderte bestimmte Spezialwerkzeuge, die z. T. wohl aus Geweih hergestellt waren und f ü r die wir eine Form der Beilklingen (z. B. Kat. Nr. 5503, Taf. 73a und 124a) in Anspruch nehmen. Für den Fischfang wurden neben den geschäfteten Knochenspitzen, die man zum Stechen benutzte, wohl auch Stellnetze verwandt, f ü r die vielleicht die zahlreich gefundenen Schwimmer aus Kiefernrinde benötigt wurden. Hinsichtlich der Verwendung der Knochenspitzen beim Fischfang gibt es unter unseren Funden keinen sicheren Anhalt dafür, daß sie bundbzw. reihenweise in der Art der Fischeisen geschäftet waren. Für eine Verwendung als Harpune im Sinne des Wortes käme nur die Kat. Nr. 3272 (Taf. 48 c) in Frage. In begrenztem Umfange sind Aussagen und Andeutungen über bestimmte Jagdbräuche möglich. Bei seinen Ausgrabungen in Meiendorf und Stellmoor hat A. Rust vollständige Renskelette gefunden und diese als Opfertiere gedeutet, die vielleicht „einem Jagdgott (?) geopfert wurden". 2 ) Wenn wir auch kein vollständiges Opfertier vorweisen können, so ist aber doch ein Fundkomplex sehr auffällig, der aus den Vorder- und Hinterläufen eines Rehes besteht. Die dazugehörigen Stücke, von denen keines zerschlagen ist, lagen in der Torfschicht in einer moosartigen Packung. Die intakten Vorder- und Hinterläufe müssen mit Fleisch und Haut dort niedergelegt worden sein. Ob man darin nun ein Opfer sehen muß oder ob die Deponierung eines Fleischvorrats anzunehmen ist, vermögen wir nicht zu entscheiden. In diesem Zusammenhang soll etwas über die gelochten Phalange gesagt werden, zu deren genauer Zweckbestimmung wir insofern beitragen konnten, als es möglich war, verschiedene dieser Stücke ( K a t . N r . 3857 — 3860, Taf. 171a, b) noch im Fußverband aufzufinden und damit zu beweisen, daß die runden Löcher eingeschlagen wurden, als der Fuß noch mit Haut und Sehnen versehen war. Liegt es nicht nahe, hierin einen Jagdbrauch zu sehen? Vielleicht.
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Clark, J . G. D., Excavation at Star Carr. Cambridge 1954, Tafel X I I . ) R u s t , A., Das altsteinzeitliche Rentierjägerlager von Meiendorf. Neumünster 1937, S. 111.
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EWALD
SCHULDT
verbanden unsere Jäger mit dem Einschlagen der Löcher irgendeinen Zauber, den sie auf das lebende Wild übertrugen und der zur Lähmung des flüchtigen Tieres führen sollte. Der Verfasser glaubt zwar nicht, daß diese Prozedur bei gefangenen lebenden Tieren vorgenommen wurde, trotzdem wäre es aber interessant zu wissen, ob es unter den bekanntgewordenen gelochten Phalangen nicht Stücke gibt, deren Lochränder Vernarbungsansätze zeigen. Zu erwähnen wären noch die Schädelmasken vom Rothirsch, die ebenfalls mit der Jagd in Verbindung zu bringen sind. Ob man sie auf der Jagd benutzte oder bei irgendwelchen zauberhaften Veranstaltungen auf dem Wohnplatz, ist nicht zu entscheiden. Der Verfasser ist sich darüber im klaren, daß manche der vorstehenden Ausführungen über die Jagd und den Fischfang hypothetisch sind und noch weiterer Grundlagen bedürfen. Es schien ihm aber notwendig, als Ausgräber und bester Kenner des Materials auch in dieser Hinsicht seine Meinung zu sagen.
Anhang Tafeln 1 - 1 4 4
TAFEL 1
Kernbeile mit spitzovalem Querschnitt. 1:1. a, b älterer Wohnplatz; c, e jüngerer Wohnplatz; d unbestimmt
TAFEL 2
Kernbeile mit spitzovalem Querschnitt. 1:1. b, d älterer Wohnplatz; c jüngerer Wohnplatz; a unbestimmt
TAFEL 3
Kernbeile mit spitzovalem Querschnitt. 1: J. Älterer Wohnplatz
TAFEL 4
Kernbeile mit spitzovalem Querschnitt. 1:1. a, c, d älterer Wohnplatz; b jüngerer Wohnplatz
TAFEL 5
TAFEL 6
Keinbeilc mit rundlichem Querschnitt. 1:1. d älterer Wohnplatz; a, b jüngerer Wohnplatz; c unbestimmt
TAFEL 7
Kernbeile mit spitzovalem (a, b) und rhombischem Querschnitt (c, d). 1 : 1 a, b älterer Wohnplatz; c, d jüngerer Wohnplatz
TAFEL 8
Kernbeile mit rhombischem Querschnitt. 1 : 1. Unbestimmt
TAFEL 9
ICernbeile m i t rhombischem Querschnitt. 1:1. Älterer Wohnplatz
TAFEL 10
Kernbeile mit dreikantigem Querschnitt. 1:1. c älterer Wohnplatz; a jüngerer Wohnplatz; b unbestimmt
TAFEL 11
Kernbeile mit spitzovalem (a) und dreikantigem (b) Querschnitt. 1:1. b älterer Wohnplatz; a unbestimmt
T A F E L 12
Kernbeile mit flacher Unterseite. 1:1. a älterer Wohnplatz; b unbestimmt
TAFEL 13
Kernbeile mit flacher Unterseite. 1 : 1 . a älterer Wohnplatz; b, c unbestimmt
TAFEL 14
Geschattetes Kernbeil. 1:1. Jüngerer Wohnplatz
TAFEL 15
Kern- und Scheibenbeile. 1:1. d älterer Wohnplatz; b, c jüngerer Wohnplatz; a unbestimmt
TAFEL Iß
Scheibenbeile. 1:1. Jüngerer Wohnplatz
TAFEL 17
iScheibenbeile. 1:1. b jüngerer Wohnplatz; a, c, j ü n g e r e r W o h n p l a l z
1:1
T A I ' T L 9«
a HoVi Ç37
C
121Z
a HoVi Ç38
e Hol/iÇil
Kernbeile mit Hacher Unterseite (a, b) und mit spitzovalem Querschnitt (e—e). 1:1 a, e, (1. e älterer Wohnplatz; b unbestimmt
TAFEL 97
Kernbeile mit spitzovalem Querschnitt (a—c) und Scheibenbeile (d—f). 1:1 a, c älterer Wohnplatz; b, d, f jüngerer Wohnplatz; e unbestimmt
TAFEI, 98
Kernbeil in der Geweihfassung. 1:1. Jüngerer Wohnplatx
TAKKL 99
Geröllkeule (a), Vorarbeit für Spitzhacke (b), zerbrochene Spitzhacke (c). a, e 1 : 1 ; b 1:2. Jüngerer Wohnplatz
T A F KL 100
Einfache Knochenspitzen. 1:1. b—f jüngerer Wohnplatz; a unbestimmt
T A F E L 101
a
HoVi
b
Hov/30
C
Z5?0
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