Die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe: Ein Beispiel richterlichen Schutzeingriffs in Privatrechtsverhältnisse [1 ed.] 9783428543007, 9783428143009

Christos Chasapis befasst sich mit der richterlichen Herabsetzung unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen im deutschen P

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German Pages 544 Year 2014

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Die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe: Ein Beispiel richterlichen Schutzeingriffs in Privatrechtsverhältnisse [1 ed.]
 9783428543007, 9783428143009

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 435

Die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe Ein Beispiel richterlichen Schutzeingriffs in Privatrechtsverhältnisse

Von

Christos Chasapis

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOS CHASAPIS

Die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 435

Die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe Ein Beispiel richterlichen Schutzeingriffs in Privatrechtsverhältnisse

Von

Christos Chasapis

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-14300-9 (Print) ISBN 978-3-428-54300-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84300-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Dem Andenken meines Vaters Meiner lieben Mutter

=stim %qa t¹ d_jaiom !m\koc|m ti (Das Recht ist demnach etwas Proportionales) (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1131a) Ka· l]som t¹ d_jaiom toOt’ 1st_, t¹ paq± t¹ !m\kocom: t¹ c±q !m\kocom l]som, t¹ d³ d_jaiom !m\kocom (Und dieses Gerechte ist das Mittlere zwischen dem, was der Proportionalität zuwiderläuft. Denn das Proportionale ist die Mitte, und das Gerechte ist das Proportionale) (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1131b) M]som %qa ti t¹ d_jaiom, eUpeq ja· b dijast^r. j d³ dijastµr 1pamiso?…ntam d³ d_wa diaiqeh0 t¹ fkom, t|te vas·m 5weim t¹ artoO ftam k\bysi t¹ Usom… Di± toOto ja· amol\fetai d_jaiom, fti d_wa 1st_m, ¦speq #m eU tir eUpoi d_waiom, ja· b dijastµr diwast^r (So ist denn das Recht ein Mittleres, wie es ja auch der Richter ist. Der Richter stellt die Gleichheit her… Wenn aber das Ganze in zwei Teile geteilt ist, so sagt man; „jeder hat sein Teil“, wenn sie gleiches bekommen haben… Darum heißt es auch „dikaion“ (gerecht), weil es „dicha“ (zweiteilig) ist, wie wenn man sagte „dichaion“ und statt „dikastes“ (Richter) „dichastes“ (Zweiteiler)) (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1132a)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2013 von der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen und mit dem Fakultätspreis der Juristischen Fakultät ausgezeichnet. Sie wurde im März 2013 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand vom November 2013. Vereinzelt wird auch griechische Literatur zitiert. Mein herzlichster Dank gilt meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Stephan Lorenz, der die Arbeit angeregt und gefördert hat und mir bei der Themenwahl sowie bei der Ausarbeitung größten Freiraum ließ. Ich empfand es als besondere Ehre, unter ihm wissenschaftlich arbeiten zu dürfen. Ebenfalls herzlich danken möchte ich dem Korreferenten Herrn Professor Dr. Peter Kindler. Herr Professor Dr. Michael Lehmann hat mir die Ehre bereitet, unter seiner Leitung als Lehrbeauftragter an dem Fachsprachenzentrum der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität tätig zu werden. Die Arbeit wurde durch ein großzügiges Stipendium der Alexander S. Onassis Stiftung finanziell unterstützt, wofür ich mich bei der Stiftung herzlich bedanken möchte. In Gegenwart der schlimmen griechischen Finanzkrise erlangt diese Unterstützung besondere Bedeutung, da sie mir eine recht sorgenfreie Promotionszeit gewährt hat. Dankenswerterweise hat die Stiftung auch die Kosten für die Drucklegung dieser Arbeit in vollem Umfang übernommen. Zutiefst möchte ich mich weiterhin für die profunde und vielseitige wissenschaftliche Ausbildung bei meinen akademischen Lehrern in Griechenland bedanken. Ihnen verdanke ich einen höchstwichtigen Teil meines wissenschaftlichen Fundamentes. Zunächst Herrn Professor Dr. Panagiotis Papanikolaou für den nötigen Drill, der mich stets veranlasst hat, mich weiter zu entwickeln und meine Arbeitsweise zu verbessern. Mein aufrichtiger Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Antonios Karampatzos, der mich seit meinem Studium in Athen in jeder Hinsicht gefördert und unterstützt hat. Er war mir als Vorbild ein steter Ansporn. Ferner möchte ich meinem sehr geschätzten Herrn Professor Dr. Dimitrios Liappis für seine dauerhafte Hilfsbereitschaft und Freundschaft herzlich danken. Den Professoren Herrn Dr. Dr. h.c. mult. Apostolos Georgiades, Herrn Dr. Dr. h.c. mult. Michael Stathopoulos, Herrn Dr. Philippos Doris, Herrn Dr. Ioannis Karakostas, Herrn Dr. Georgios Leventis und Herrn Dr. Nikolaos Rokas möchte ich für ihr Interesse an meiner Arbeit und ihre moralische Unterstützung an dieser Stelle meinen großen Dank aussprechen. Herrn Dr. Athanasios Kritikos, Stellvertretender Vorsitzender Richter des griechischen Areopags a. D., Frau Professor Dr. Dimitra Pa-

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Vorwort

padopoulou-Klamari, Herrn Professor Dr. Georgios Mentis, Frau Professor Dr. Alexandra Mikroulea und Herrn Professor Dr. Dimitrios Tsikrikas möchte ich für ihr wohlwollendes Interesse herzlich danken. Für die wissenschaftliche Ausbildung und vielseitige Ermunterung möchte ich mich schließlich zutiefst bei all meinen weiteren Lehrern in Griechenland und Deutschland bedanken. Profitiert habe ich außerdem von der unermüdlichen Gesprächs- und Hilfsbereitschaft meiner besten Freunde und Mentoren in Athen sowie in München. Großen Dank schulde ich Herrn Universitätsdozenten Dr. Dimitrios Ladas, der mir seit vielen Jahren und ganz besonders während der Promotionszeit als guter Freund und wertvoller Gesprächspartner zur Seite gestanden hat. Für seine tiefe Freundschaft, Unterstützung und Ermutigung gilt meinem sehr guten Freund Herrn Juniorprofessor Dr. Timoleon Kosmides mein herzlichster Dank. Ich möchte auch Herrn Dr. Alexandros Rokas sowie Herrn Regierungsrat Alfred-Alexander Gaßner für ihre moralische Unterstützung danken. Ebenfalls gebührt mein Dank Herrn Christof Wahner für die Korrekturarbeit. Ich danke weiter allen Freunden in München, Athen, Thessaloniki, Chalkis und Aidipsos auf Euböa, die mir bei der Anfertigung dieser Arbeit mit Ermutigung und Beistand zur Seite gestanden haben. Ein besonderer Dank gilt den Familien Komianou und Xirogianni für ihre Gastfreundschaft während meines jeweiligen kurzen Aufenthalts in Athen. Es ist mir ein besonderes Bedürfnis, an dieser Stelle meine Eltern zu erwähnen, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite standen. Leider konnte mein frühverstorbener Vater Stephanos meinen Schulabschluss nicht erleben; diese Arbeit ist seinem Andenken und meiner geliebten Mutter Evgenia in Dankbarkeit gewidmet. München, im November 2013

Christos Chasapis

Inhaltsübersicht Einführender Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Teil 1 Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

41

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe . . . . . . . . . . . . . 41 B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur von Privatverhältnissen . 62

Teil 2 Die Anwendungsvoraussetzungen der Herabsetzung exzessiver Vertragsstrafen 127 A. Die materiellen Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . 127 B. Die prozessrechtlichen Aspekte des richterlichen Ermäßigungsrechts von Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Teil 3 Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

259

A. Die Institution der Strafherabsetzung als genereller Kontrollmechanismus anderer Rechtsinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe und ihr Verhältnis zum Ermäßigungsrecht des § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 C. Die internationalrechtlichen Aspekte der Ermäßigung der Vertragsstrafen . . . . . . . . . 433 Schlusskapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 A. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

12

Inhaltsübersicht

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538

Inhaltsverzeichnis Einführender Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Allgemeiner sozioökonomischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Problemstellung und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Teil 1 Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

41

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe . . . . . . . . . . . . . 41 I. Die historische Betrachtung der Institution und ihre Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Altgriechisches Recht (attisches und hellenistisches Recht) . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Antikes römisches Recht und Corpus Juris Civilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 IV. Oströmisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 V. Römisches Recht im westlichen Mittelalter (Glossatoren und Postglossatoren) . . 48 VI. Die großen Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Code civil (1804) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von Österreich (1812) . . . . . . . . . . . . . 52 5. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (1861) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6. Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen (1865) . . . . . . . . . . . . . 54 7. Schweizerisches Bundesgesetz über das Obligationenrecht (1883) . . . . . . . . . 55

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Inhaltsverzeichnis

VII. Die rechtliche Situation im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VIII. Die Entstehungsgeschichte des § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Der Vorentwurf v. Kübels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Die Erste Kommission (Motive) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. 20. Deutscher Juristentag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Die Zweite Kommission (Protokolle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5. Das Abzahlungsgesetz (1894) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IX. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur von Privatverhältnissen

62

I. Das Problem und seine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Die Vertragsfreiheit als Grundprinzip der Privatrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Vertragsfreiheit und Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Der Grund der Vertragsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Die Vertragsfreiheit als Wertentscheidung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . 64 aa) Die Vertragsfreiheit als Instrument ökonomischer Effizienz . . . . . . . 65 bb) Die Vertragsfreiheit als Mittel zur freien Entfaltung der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Die Ausübung und der Missbrauch der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Die besonderen Formen der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Die generellen Grenzen der Vertragsfreiheit im System des individuellen Schutzes des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Die Vertragsfreiheit: Von einem individualistischen Prinzip zu einer Institution mit sozialer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Die Vertragsideologie des BGB aus einer historischen Sicht . . . . . . . 74 (1) Die klassische Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (2) Der Ausnahmecharakter der Grenzen der Vertragsfreiheit im System des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) In Richtung einer materiellen Vertragsfreiheit und einer sozialen Funktion des Vertragsinstitutes heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (1) Die Krise des Dogmas der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (2) Die Gründe der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 cc) Der Inhalt der modernen Vertragskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Inhaltsverzeichnis

15

e) Die sozioökonomische Funktion der Vertragsfreiheit als Abgrenzungskriterium der Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Der Vertrag als Mechanismus gerechter autonomer Regelung . . . . . . 83 bb) Das Versagen des Vertragsmechanismus als Grund des richterlichen Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 cc) Die missbräuchliche Gestaltung des Vertragsinhaltes . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Der Massenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Der Individualvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Die Pathologie der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Begriff und typische Erscheinungsformen der Pathologie der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Faktoren der Störung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Faktoren, die zur Störung der Fähigkeit zur rationalen Entscheidung führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Faktoren, die eine Störung der Grundlagen einer rationalen Abwägung herbeiführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Faktoren, die eine Störung der Vertragsfreiheit durch Zwang mit sich bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen aus der Sicht der Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Die Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Die aristotelische Zweiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Die Präzisierung der hier behandelten Problematik nach der aristotelischen Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Die gerechte Zuteilung der vertraglichen Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Die Festsetzung der Grenzen der Gestaltungsfreiheit in Verbindung mit dem Grundsatz der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Das bewegliche System und die zwei Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Das dialektische Verhältnis der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Die vielgestaltige Antwort der Rechtsordnung auf die Störung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Die Begründung des richterlichen Eingriffs in die Privatrechtsverhältnisse in der Form der Inhaltskontrolle anhand spezieller Vorschriften des BGB . . . . . 104 a) Die im BGB geregelten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Die Rechtsfolgen der gestörten Vertragsfreiheit bei Individualverträgen . . 106

16

Inhaltsverzeichnis IV. Die Einordnung des § 343 BGB in das System der Inhaltskontrolle des BGB . . . 111 1. Ergebnis bzw. Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Die ökonomische Analyse des Rechts der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Die Vertragsstrafe in der Literatur: The Merchant of Venice and a pound of flesh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Teil 2 Die Anwendungsvoraussetzungen der Herabsetzung exzessiver Vertragsstrafen 127

A. Die materiellen Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Inhalt und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Positive und negative Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Positive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Bestehen eines gültigen Strafversprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Definition der Vertragsstrafe; Arten von Vertragsstrafen . . . . . . . . . . 129 bb) Die Wirksamkeit der versprochenen Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Der Verfall der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Unverhältnismäßige Höhe der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Einführung zum Begriff der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Der Begriff der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Verschiedene Erscheinungsformen der Verhältnismäßigkeit . . . . 137 (2) Die Einwirkung der Grundrechte in den Bereich des Privatrechts 137 (a) Die gegen die staatlichen Organe gerichtete Wirkung . . . . . . 137 (b) Die mittelbare und die unmittelbare Drittwirkung . . . . . . . . . 138 (c) Die besonderen Auswirkungen der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Die Behandlung des § 343 BGB als vorkonstitutionelles Recht . . . . 140 dd) Die Konzeption des § 343 BGB als Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Allgemeines zu den Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (2) Die Charakterisierung von § 343 BGB als Generalklausel . . . . . . 143 ee) Die Konkretisierung unbestimmter Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 ff) Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der richterlichen Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . 148 gg) Die drei Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Kontrolle der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Inhaltsverzeichnis

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hh) Die Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Allgemeines zur Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (2) Die Besonderheit des § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (3) Die Identität der bei der Anwendung des § 343 BGB zu berücksichtigenden Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 ii) Der Justizsyllogismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 jj) Die maßgeblichen Kriterien der Unverhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . 161 (1) Die Schwere der Verwirkungshandlung und das Verschulden des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (2) Das immaterielle und das Vermögensinteresse des Gläubigers . . 165 (3) Das Mitverschulden des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (4) Die Folgen der Tat, die den Schuldner betreffen . . . . . . . . . . . . . 169 (5) Die Gegenleistung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (6) Die Wiederholungsgefahr der Zuwiderhandlung . . . . . . . . . . . . . 170 (7) Die wirtschaftliche Lage der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 kk) Die Einbeziehung der maßgeblichen Gesichtspunkte in ein bewegliches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 ll) Der maßgebliche Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 mm) Das Ergebnis der richterlichen Kontrolle: Prüfung in einem oder in zwei Schritten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Negative Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Nichtvorliegen einer Entrichtung gemäß § 343 Abs. 1 S. 3 BGB . . . . . . . . 195 b) Nichtbestehen einer Kaufmannseigenschaft gemäß § 348 HGB . . . . . . . . . 198 aa) Die Vorschrift und ihr Entstehungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (2) Der Kaufmannsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (a) Der Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (b) Der Scheinkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (c) Die Nichtkaufleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (d) Der kritische Beurteilungszeitpunkt und die Beweislast der Kaufmannseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (3) „Im Betriebe seines Handelsgewerbes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (4) Abdingbarkeit der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 cc) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 dd) Unwirksamkeit der Vertragsstrafe aus anderen Gründen . . . . . . . . . . 206 c) Keine Vereinbarung über die Nichtanwendbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

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B. Die prozessrechtlichen Aspekte des richterlichen Ermäßigungsrechts von Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Die prozessrechtliche Natur des Ermäßigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Der Begriff des Gestaltungsklagerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Die Charakterisierung des Herabsetzungsrechts als Gestaltungsklagerecht . . . 214 II. Die richterliche Ausübung des Herabsetzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Die eigenständige Klage des Schuldners auf Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Prozessvoraussetzungen im Hinblick auf das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Prozessvoraussetzungen im Hinblick auf die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Prozessvoraussetzungen, die die Klage betreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 d) Andere Elemente, die den Prozessverlauf betreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Die Widerklage als Weg zur Geltendmachung des Ermäßigungsrechts . . . . . 222 4. Die Geltendmachung des Herabsetzungsrechts durch Einrede . . . . . . . . . . . . 224 5. Die mittelbare Herabsetzung der Verfallklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Die Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 IV. Das richterliche Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 V. Die Erschöpfung des Rechtsweges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Die Berufungsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Die Revisionsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Die Revisibilität der unbestimmten Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Die Kontrolle der Ermessensentscheidung der Tatgerichte von der Revisionsinstanz am Beispiel der Herabsetzung der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . 239 c) Zusammenfassung – Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 VI. Die Eröffnung eines Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Teil 3 Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

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A. Die Institution der Strafherabsetzung als genereller Kontrollmechanismus anderer Rechtsinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Problemerörterung und -bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

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II. Die Qualifikationsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Allgemeines über das Qualifikationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Der Beitrag der Qualifikation zur Lückenausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Die Lückenausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4. Selbstqualifikation des Vertrages durch die Parteien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 5. Die Kriterien der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Das Kriterium der Regelungsabsicht, der Zwecke und der Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Der Wille des historischen Gesetzgebers am Beispiel der Vertragsstrafe . . 266 c) Die Stellungnahme der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 d) Die Folgen einer nicht richtigen Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 6. Die Bezeichnung eines Vertrages als gesetzlich nicht geregelt und dessen Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 7. Der Begriff der Leistungspflicht und dessen Beitrag zur Lösung des Qualifikationsproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 8. Die Ermittlung der vertragstypischen Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III. Die Prüfung der Anwendung des § 343 BGB auf besondere Rechtsinstitute des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Grundlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Die Draufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Die Schadenspauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Die Kriterien: Ein Versuch theoretischer und praktischer Klarheit . . . . . . . 288 c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 d) Entsprechende Anwendung der §§ 339 ff. BGB auf die Schadenspauschalierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 4. Die Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Die Verfallklausel: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) Die Vorfälligkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 c) Die Obliegenheit nach § 28 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 d) Die Rückzahlungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5. Das Reugeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

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Inhaltsverzeichnis 6. Das Entgelt für in Anspruch genommene Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 7. Der Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 8. Die Vereins- und generell die Verbandsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 9. Die arbeitsrechtlichen Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 10. Die durch staatlichen Akt in Kraft tretenden Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Die durch gesetzliche Vorschriften auferlegten Sanktionen . . . . . . . . . . . . 318 aa) Die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, Fernwärme, elektrischem Strom und Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 cc) Die Fangprämien bei Ladendiebstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 dd) Die Strafen in den Investitions-, Subventions- und Ausbildungsförderungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 b) Die durch gerichtliches Urteil auferlegten Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 aa) Die Strafen des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 bb) Das Ordnungsgeld nach § 890 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 IV. Zusammenfassung der Erkentnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe und ihr Verhältnis zum Ermäßigungsrecht des § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 I. Das Problem und seine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 II. Die Vorschriften, deren Anwendung die Strafabrede beiseite schiebt . . . . . . . . . . 334 1. Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Die besonderen Verbote der Vereinbarung einer Vertragsstrafe . . . . . . . . . 336 aa) Familien- und Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 bb) Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 cc) Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (2) Die generelle Zulässigkeit der Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen: Problem und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (3) Die Vorschläge zur Regelung der Strafklauseln in Arbeitsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (4) Die besonderen Beschränkungen der Vereinbarungsfähigkeit von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Inhaltsverzeichnis

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(5) Die Unterscheidung zwischen individuell vereinbarten und vorformulierten Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 (6) Die besonderen Erfordernisse für die Zulässigkeit von individuell vereinbarten Strafabreden im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 dd) Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 ee) Unterrichtsvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 ff) Transportrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 c) Das Verhältnis zwischen §§ 134 und 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe aufgrund eines Verstoßes gegen die Vorschriften des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 a) Einführung in die AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 b) Die gesetzliche Grundlage der Kontrolle der vorformulierten Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 c) Der sachliche Anwendungsbereich nach § 310 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . 355 d) Die Einbeziehung der vorformulierten Strafklauseln in die Verträge nach § 305 Abs. 2 und 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 e) Die Kontrolle der überraschenden Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB . . . . 357 f) Die Auslegung der in AGB enthaltenen Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . 358 g) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit: Das Paradigma des § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 bb) Die Anwendungsvoraussetzungen des Verbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 h) Die Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 aa) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 bb) Die Inhaltskontrolle der Strafhöhe gemäß § 307 BGB . . . . . . . . . . . . 365 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 (2) Die Kontrolle der Unbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (3) Die Kontrolle der Unangemessenheit der Strafhöhe . . . . . . . . . . . 369 (4) Der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs . . 372 (5) Das besondere Erfordernis einer Obergrenze: Die Frage der formularmäßigen Strafklauseln in Bauverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 374 (6) Die AGB-Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . 383 (a) Die Zulässigkeit vorformulierter Strafklauseln in Arbeitsverträgen: Das Problem der Nichtanwendung des § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 (b) Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB bei Angemessenheit der Strafhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

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Inhaltsverzeichnis (7) Die Verwendung vorformulierter Strafklauseln gegenüber Unternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 i) Die Folgen der Unwirksamkeit: Die generell vertretene Meinung . . . . . . . 394 j) Das Verhältnis der AGB-Kontrolle zur Herabsetzung nach § 343 BGB . . . 396 aa) Die Unterschiede zwischen der Kontrolle nach § 307 und § 343 BGB 396 bb) Die Diskussion in der Lehre und der Stand in der Rechtsprechung

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cc) Eigene Stellungnahme: Die Doppelkontrolle der vorformulierten Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 3. Die Unwirksamkeit der Strafabrede aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 b) Die Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 aa) Die Sittenwidrigkeit aufgrund der Strafhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 bb) Die sich aus dem Verhältnis zur gesicherten Pflicht ergebende Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 c) Das Verhältnis zwischen §§ 138 Abs. 1 und 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 410 d) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 III. Die Vorschriften, deren Anwendung die Strafvereinbarung modifiziert . . . . . . . . 412 1. Die Störung der Geschäftsgrundlage als Kontrollgrundlage der Vertragsstrafen gemäß § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 b) Das Verhältnis zwischen §§ 313 und 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 2. Die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe nach §§ 315, 317 BGB . . . . . . 416 a) Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 b) Die Bestimmung der Leistung durch den Gläubiger (§ 315 BGB) . . . . . . . 417 c) Die Bestimmung der Leistung durch einen Dritten (§ 317 BGB) . . . . . . . . 418 d) Das Verhältnis zwischen §§ 315 ff., 317 ff. und 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . 421 3. Die Kontrolle der Vertragsstrafen aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 b) Die Zulässigkeit einer Kontrolle der Vertragsstrafen nach § 242 BGB . . . . 424 aa) Der Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 bb) Die Behandlung des Problems durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . 426

Inhaltsverzeichnis

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c) Stellungnahme im Hinblick auf das Verhältnis zwischen § 242 BGB und § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 d) Die Kontrolle der Vertragsstrafen nach § 242 BGB in der Praxis: Bildung von Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 C. Die internationalrechtlichen Aspekte der Ermäßigung der Vertragsstrafen . . . . . . . . . 433 I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 II. Die Ermäßigung der Strafklauseln in internationalen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . 434 1. Die Arbeit der „Groupe der Travail: contrats internationaux“ . . . . . . . . . . . . 435 2. Die Arbeit der Arbeitsgruppe von UNCITRAL bezüglich der Strafklauseln

436

3. Die Vertragsstrafe in den internationalen Standardverträgen des Industrieanlagenbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 4. Das Internationale Privatrecht der Ermäßigung der Vertragsstrafe . . . . . . . . . 439 a) Das für Vertragsstrafen geltende Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 b) Die Charakterisierung der Herabsetzung der Vertragsstrafe als Eingriffsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 c) Die Qualifikation des § 343 BGB als Fall des ordre public . . . . . . . . . . . . 445 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 III. Übernationale Entwürfe und Regelungen zur Rechtsvereinheitlichung des Rechts der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 1. Rechtsvereinheitlichungsversuche im europäischen Raum . . . . . . . . . . . . . . . 456 a) Die Konvention der Benelux-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 b) Die Resolution des Europarates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 c) Die Herabsetzung von Vertragsstrafen in den „Principles of European Contract Law“ (Vorschlag der sog. „Lando-Kommission“) . . . . . . . . . . . . . 459 d) Die Ermäßigung der Vertragsstrafen in dem „Draft Common Frame of Reference“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 e) Meuere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 2. Rechtsvereinheitlichungsversuche auf internationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . 469 a) Das UN-Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 b) Die Principles of International Commercial Contracts (PICC) von UNIDROIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 c) Die Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance von UNCITRAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

24

Inhaltsverzeichnis 3. Zusammenfassung: Perspektiven einer Rechtsvereinheitlichung in der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475

Schlusskapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 A. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538

Abkürzungsverzeichnis a. A. a.a.O. ABGB Abl. Abs. Abschn. AbzG AcP ADHGB AEG AEUV a. F. AG AGB AGBG AGG AiB AKB AktG ALR Alt. Anm. AP.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt Absatz Abschnitt Abzahlungsgesetz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Allgemeines Eisenbahngesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft; Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Aktiengesetz Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alternative Anmerkung(en) Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (seit 1954, vorher: Arbeitsrechtliche Praxis) ApBetrO Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung) ArbG Arbeitsgericht ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz ArbRB Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) ArbVG Arbeitsvertragsgesetz Art. Artikel AT Allgemeiner Teil AuA Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Aufl. Auflage AuR Arbeit und Recht (Zeitschrift) AVBFernwärmeV Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme AVBWasserV Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser AvtL Lag om avtal och andra rättshandlingar på förmögenhetsrättens område (Gesetz über Verträge) Az. Aktenzeichen BAföG Bundesausbildungsförderungsgesetz

26 BAG BAGE Bas. BauR BayObLG BayObLGZ BB BBiG Bd. BDSG Bearb. BefBedV Beil. Beschl. BetrVG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BKartA BLE bspw. BStBl BT-Drucks. BuchPrG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BvS BW BWaldG bzw. C. CaS CC Cc CDCJ CESL CFR CISG

Abkürzungsverzeichnis Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Basiliken Baurecht (Zeitschrift) Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Berufsbildungsgesetz (Zeitschrift) Band Bundesdatenschutzgesetz Bearbeitung Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen Beilage Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskartellamt Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung beispielsweise Bundessteuerblatt Deutscher Bundestag: Drucksachen Buchpreisbindungsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben Burgerlijk Wetboek Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Forderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) beziehungsweise Codex Iustinianus Causa Sport (Zeitschrift) Código Civil Code civil Comité Européen de Coopération Juridique Common European Sales Law Common Frame of Reference Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf v. 11. April 1980 (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods)

Abkürzungsverzeichnis CMR Co. CoPECL CR CˇR D. DAR DB DCFR DCESL DDR ders. d. h. dies. Diss. DJT DJZ DM DNotZ DÖD DÖV DStR DVA DVBl DWW DZWir eBAnz. ECC Ed./Eds. EG EGBGB EGV Einf. Einl. EnWG ErbbauRG ErmAK EU EuGH EuGVVO

e. V. EVO

27

Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr v. 19. Mai 1956 Company Common Principles of European Contract Law Computer und Recht (Zeitschrift) Cˇeská Republika (Tschechische Republik) Digesta Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) Draft Common Frame of Reference Draft Common European Sales Law Deutsche Demokratische Republik derselbe das heißt dieselbe; dieselben Dissertation Deutscher Juristentag (Zeitschrift) Deutsche Juristenzeitung Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift (Zeitschrift) Der Öffentliche Dienst (Zeitschrift) Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Vergabe- und Vertragsauschuss für Bauleistungen Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Wohnungswirtschaft (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) elektronischer Bundesanzeiger European Civil Code Editor(s) Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einleitung Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz) Gesetz über das Erbbaurecht Ermineia Astikou Kodikos (Kommentar zum griechischen Zivilgesetzbuch) Europäische Union Europäischer Gerichtshof EG-Verordnung Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 22. Dezember 2000 („Brüssel I-Verordnung“) eingetragener Verein Eisenbahn-Verkehrsordnung

28 EVÜ EWG EWiR f. FactÜ FamFG FamRZ FernUSG ff. FIDIC FMStFV Fn. FS FS ECL GasGVV gem. GesR GewO GG GmbH gr. GRUR GuT GVG GWB Halbs. HausratsVO HeimG Hex.Harm HGB Hl h.M. HRefG HRR Hrsg. HZÜ IBR IHR i. H. v.

Abkürzungsverzeichnis Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v. 19. Juni 1980 (Europäisches Schuldvertragsübereinkommen) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) folgende Seite UNIDROIT-Abkommen über das internationale Factoring Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Familienverfahrensgesetz) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht (Zeitschrift) Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht folgende Seiten Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes Fußnote Festschrift Feasibility Study for a Future Instrument in European Contract Law Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz gemäß GesundheitsRecht (Zeitschrift) Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung griechisch Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewerbemiete und Teileigentum (Zeitschrift) Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Halbsatz Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats Heimgesetz Hexabiblos von Harmenopoulos Handelsgesetzbuch Hektoliter herrschende Meinung Handelsrechtsreformgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift) Herausgeber Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen v. 15. November 1965 Immobilien- und Baurecht (Zeitschrift) Internationales Handelsrecht (Zeitschrift) in Höhe von

Abkürzungsverzeichnis insbes. InVorG IPRax IPRspr. i.S. ITRB i.V.m. JA JArbSchG Jb. JBl. JherJb JR jur. Jura JurionRS jurisPR-ArbR jurisPR-HaGesR JuS JW JZ Kap. Kfz KG Krit. Vjschr. KSchG LAG LAGE LG lit. Lkw LM LPartG L. R. Ch. D. L. R. Eq. LuftVG . m. Anm. MarkenG MarktStrG MDR MedR MietRB

29

insbesondere Gesetz über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts (Rechtsprechungssammlung) im Sinne Der IT-Rechts-Berater (Zeitschrift) in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend Jahrbuch Juristische Blätter (Zeitschrift) Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) juristisch Jura (Zeitschrift) Jurion Rechtsprechung Juris PraxisReport Arbeitsrecht Juris PraxisReport Handels- und Gesellschaftsrecht Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Kapitel Kraftfahrzeug Kammergericht Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschrift) Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungssammlung der Landesarbeitsgerichte Landgericht litera Lastkraftwagen Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Law Reports, Chancery Division English Law Reports, Equity (1866 – 1875) Luftverkehrsgesetz mit Anmerkung Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) Gesetz zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes (Marktstrukturgesetz) Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Medizinrecht (Zeitschrift) Der Miet-Rechts-Berater (Zeitschrift)

30 MilchFettG MMR MontÜG MTV m. w. N. m. W. v. NachwG n. Chr. NJW NJW-RR Nr. NVwZ NWB NZA NZA-RR NZBau NZG NZM OLG OLGE OLGR OR ORGALIME p. a. PBefG PDLV PECL PEL PflVG PICC pr. ProdHaftG ProstG RabelsZ RdA reg. RG RGZ RiA RICO

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten (Milchund Fettgesetz) Multimedia und Recht (Zeitschrift) Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz Manteltarifvertrag mit weiteren Nachweisen mit Wirkung von Nachweisgesetz nach Christus Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht (Loseblattsammlung) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht, Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Baurecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Mietrecht (Zeitschrift) Oberlandesgericht Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (ab 1929 aufgegangen in HRR) OLG Report Obligationenrecht Organisme de Liaison des Industries Métalliques Européennes pro anno Personenbeförderungsgesetz Postdienstleistungsverordnung Principles of European Contract Law Principles of European Law Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Principles of International Commercial Contracts Principium Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte Prostitutionsgesetz Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Recht der Arbeit (Zeitschrift) regiert Reichsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht im Amt (Zeitschrift) Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act

Abkürzungsverzeichnis RIW Rn. RVG S. s. SächsArch SAE SchuldRAnpG SchuldRModG SektVO SeuffA SeuffBl SGB SGECC sog. Sp. SpuRt StBGebV SteinkohleFinG StGB StromGVV st. Rspr. StVO Tit. TKG TranspR TVG u. a. UCC UFITA UKlaG UNCITRAL UNIDROIT UrhG Urt. usw. u. U. UWG

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Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Randnummer Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) Satz; Seite siehe Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß (Zeitschrift) Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsanpassungsgesetz) Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Zeitschrift) Seufferts Blätter für Rechtsanwendung, zunächst in Bayern (Zeitschrift) Sozialgesetzbuch Study Group on a European Civil Code sogenannte/er/es Spalte Zeitschrift für Sport und Recht (Zeitschrift) Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (Steuerberatergebührenverordnung) Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz) Strafgesetzbuch Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz ständige Rechtsprechung Straßenverkehrs-Ordnung Titel Telekommunikationsgesetz Transportrecht (Zeitschrift) Tarifvertragsgesetz und andere(s); unter anderem Uniform Commercial Code Archiv für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift) Unterlassungsklagengesetz United Nations Commission on International Trade Law Institut International pour l’Unification du Droit Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Urteil und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

32 v. VAHRG v. Chr. VersR VerwArch vgl. VgV VIZ VO VOB/A VOB/B Vol. Vorbem. VRÜ VuR VVG VwGO VwVfG WarnR WEG WiB WiRO WiStG WM WoVermG WRP WuM ZAP z. B. ZEuP ZfA ZfBR ZGB ZGR ZGS ZIP ZMGR ZPO ZWE ZZP

Abkürzungsverzeichnis versus; von Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vor Christus Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) vergleiche Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht (Zeitschrift) Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Volume Vorbemerkung(en) Verfassung und Recht in Übersee (Zeitschrift) Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Zeitschrift) Wirtschaftsstrafgesetz Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für die Anwaltspraxis (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (Zeitschrift) Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht (Zeitschrift) Zivilprozessordnung Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Zivilprozess (Zeitschrift)

Einführender Teil A. Einleitung I. Allgemeiner sozioökonomischer Rahmen Thema der vorliegenden Arbeit ist die Herabsetzung der unverhältnismäßigen Vertragsstrafe1 im deutschen Privatrecht. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Auslegung und Anwendung der Regel des § 343 BGB, die das Recht der Vertragsstrafe wie kaum eine andere Vorschrift prägt. Die Rolle der Vertragsstrafe im heutigen sozialen und ökonomischen Leben ist schwer zu beschreiben. Es handelt sich um ein Leistungsversprechen, dessen Erbringung von der Voraussetzung der Verwirkung, nämlich der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung einer anderen Pflicht, abhängig ist. Obwohl sie üblicherweise als Nebenvereinbarung und nicht als Hauptvertrag abgeschlossen wird, überschreitet ihre Funktion die Grenzen einer einfachen Nebenabrede. Sie ist ein Sicherungsmittel, das nicht mit der Belastung eines bestimmten Gegenstandes (wie beispielsweise bei Hypothek und Pfandrecht) oder mit der Verteilung der Schulden auf mehrere Personen (wie beispielsweise bei der Bürgschaft), sondern mit der Entstehung einer neuen vertraglichen Pflicht als Absicherung einhergeht2. Die herausragende Rolle der Vertragsstrafe wird deutlich, wenn man die Zahl der Vertragstypen berücksichtigt, die von einer solchen Abrede begleitet werden. Kauf-3, 1 Die Institution ist auch unter den Namen Konventionalstrafe, Strafversprechen und Strafgedinge bekannt. Vgl. Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 1. 2 Zu den generellen Charakteristika der Vertragsstrafe siehe Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I 1, § 16 III; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, Rn. 544 ff.; NK-BGB/Walchner, § 339 Rn. 1 ff.; Bamberger/Roth/Janoschek, § 339 Rn. 1; Erman/Schaub, Vor §§ 339 – 345 Rn. 1 ff.; Hk-BGB/ Schulze, § 339 Rn. 1 ff.; Jauernig/Stadler, § 339 Rn. 1 ff.; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 1; PWW/Medicus/Stürner, Vor §§ 339 bis 345 Rn. 1 ff.; RGRK/Ballhaus, Vorbem. zu §§ 339 – 345 Rn. 1 ff.; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 1 ff.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 1 ff.; Tilp, Jura 2001, 441 ff.; Loewenheim, NWB 2008, 753 ff.; Plum, JW 1913, 299 ff.; Stammler, Schuldverhältnisse, § 47; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, Bd. II, § 285. Mehr zu den Funktionen der Vertragsstrafe (sog. Bifunktionalität) und den ökonomischen Aspekten des Instituts siehe unten Teil 1 B. IV. 2.; Teil 2 A. II. 1. c) jj) (2); Teil 3 A. III. 3. a). 3 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rn. 184; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79 CISG Rn. 51; Fülbier, Gegenkauf, S. 65 ff.; Steckler, BB 1995, 469, 475 f. Hinsichtlich des Unternehmenskaufs siehe Semler, in: Hölters, Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 65; Hilgard, BB 2008, 286 ff.; Drygala, DZWir 1996, 101 ff.; Geyrhalter/Zirngibl/Strehle, DStR 2006, 1559 ff.; Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625 ff. Hinsichtlich des Grundstückskaufs siehe Hagen/Krüger,

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Einführender Teil

Darlehens-4, Miet-5, Arbeits-6, Werk-7, Gesellschafts-8, Versicherungs-9, Dauerlieferungs-10, Wettbewerbs-11, Lizenz-12 und IT-Verträge13 sind typische Beispiele für derartige Vereinbarungen, die Strafklauseln enthalten. Ihre zentrale Rolle für das sozioökonomische Leben ist daher einzigartig. Aus der Vielfalt und den unterschiedlichen Charakteristika dieser Vertragstypen, die als die wichtigsten Schuldverhältnisse für die Entwicklung der Wirtschaft angesehen werden, ergibt sich auch die Flexibilität der Vertragsstrafen, die in so verschiedenartigen Verträgen zu finden sind. Die Vereinbarung von Strafklauseln ist für viele Abreden wirtschaftlich so unverzichtbar, dass sie ohne eine solche Vereinbarung kaum vorstellbar sind. Die Bedeutung wird zudem immer größer, wenn man die Verwendung von Vertragsstrafen im grenzüberschreitenden Geschäfts- und Rechtsverkehr ebenfalls berück-

in: Hagen/Brambring/Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, Rn. 364 ff. Bezüglich der Lieferung von Software siehe Sorge, Softwareagenten, S. 20 f. 4 Z. B. Canaris, ZIP 1980, 709, 717 ff. 5 Schmidt-Futterer/Blank, § 555 Rn. 1 ff.; Weimar, MDR 1965, 349, 350, da das Verbot des § 555 BGB nur die Wohnraummiete betrifft. Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 1. b) bb). 6 Statt vieler Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 423 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 1 ff. („Die praktische Bedeutung von Vertragsstrafenvereinbarungen in der betrieblichen Vertragspraxis ist groß. In nahezu jedem vierten Arbeitsvertrag finden sich Vertragsstrafenklauseln.“) m. w. N. Mehr dazu unten § 7 B I 2.3. Zum Gebrauch von Vertragsstrafen in den Verträgen der Lizenzfußballspieler mit den Fußballvereinen siehe Schütz, Rechtliche Folgen, S. 86 ff. 7 Zu erwähnen sind vor allem die Bauverträge. Vgl. vor allem Oberhauser, Vertragsstrafe, passim; Bschorr/Zanner, Die Vertragsstrafe im Bauwesen, S. 2 („Die Vertragsstrafenvereinbarung stellt damit eine zentrale Regelung von besonderer Bedeutung in jedem Bauvertrag dar.“). Hinsichtlich des Industrieanlagenvertrags siehe Aedtner, Vertragsstrafe, passim. Mehr dazu unten § 7 B II 8.2.5. 8 Vgl. schon Drabig, Kann die im Statut (…)?, passim; Maurer, Nebenvereinbarungen, S. 99 f. 9 Hähnchen, Obliegenheiten und Nebenpflichten, S. 269 f.; Liening, Versicherungsvertragliche Obliegenheiten, S. 96 ff. Mehr dazu unten Teil 3 III. 4. c). 10 Zeller (Hrsg.), Bierlieferungsrecht, S. 127 ff. 11 Vgl. Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, passim; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 8 Rn. 17 ff., Kap. 20, Kap. 35; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, Kap. 32 Rn. 7 ff.; Jestaedt, Wettbewerbsrecht, Rn. 1053 ff.; Köhler, in: FS v. Gamm, S. 57 ff.; FA-GewRS/Retzer, Kap. 6 Rn. 1173 ff.; Nees, WRP 1983, 200 ff. („In der praktischen Anwendung des Wettbewerbsrechts kommt der durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherten Unterlassungserklärung eine überragende Bedeutung zu.“). 12 Hilty, Lizenzvertragsrecht, S. 243, 557, der die Geheimnisverletzung durch den Lizenznehmer und die Verletzung der Pflicht des Lizenzgebers, Verletzungen des Schutzrechts durch Dritte zu verfolgen, als Beispiele von Verwirkungsfällen ausführt; Groß, Der Lizenzvertrag, B IX Rn. 97, der zwar die Einbeziehung von Vertragsstrafen in Lizenzverträge vertragsgestaltend nicht empfiehlt, aber er anerkennt, dass diese in den letzten Jahren immer häufiger Teil solcher Verträge werden. Besonders für die Know-how-Verträge vgl. Wiemer, Die Bedeutung der Vertragsstrafe für Know-how-Verträge, S. 96 ff. 13 Kosmides, Providing-Verträge, S. 176.

A. Einleitung

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sichtigt14. In diesem Zusammenhang und Umfeld braucht man die Vorteile der Vertragsstrafen für das Wirtschaftsleben (Druck- und Ausgleichsfunktion) nicht besonders hervorzuheben15. Jedoch birgt die Vereinbarung von Strafklauseln ein hohes Risiko in sich. Dieses Risiko bezieht sich insbesondere auf die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe. Da der jeweilige Gläubiger Interesse an einer möglichst hohen Vertragsstrafe hat, befindet sich der Schuldner in einer schutzbedürftigen Lage (sog. Druckfunktion). Die maximale Höhe der Vertragsstrafe beträgt nicht selten 10 % oder sogar 15 % des Vertragspreises (z. B. bei Bau- oder IT-Verträgen). Wenn man bedenkt, dass der Vertragspreis häufig bei mehreren Millionen Euro liegt, so wird klar, dass die Strafe dann ebenfalls mehrere Millionen Euro beträgt. Der deutsche Gesetzgeber hat darauf Rücksicht genommen und die Vorschrift des § 343 BGB in Kraft gesetzt, die eine Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag vorschreibt. Die praktische Anwendung der Vorschrift bringt jedoch erhebliche Probleme mit sich. Vor allem schränkt sie die wirtschaftlichen Vorteile ein, die sich aus der Institution der Vertragsstrafe ergeben. Wenn die Rechtsordnung eine Institution einerseits anerkennt, andererseits aber gleichzeitig einschränkt, müssen besondere Gründe vorliegen, die eine solche Beschränkung rechtfertigen können. Da die Vertragsstrafe bestimmte rechtliche und ökonomische Interessen befriedigt, müssen diese Gründe sowohl rechtlicher und als auch ökonomischer Natur sein. Die vorliegende Arbeit befasst sich deshalb im Wesentlichen mit der praktischen Anwendung des § 343 BGB. Die Vorschrift ordnet zum einen die Herabsetzung der übermäßigen Konventionalstrafe an und wirft zum anderen rechtsdogmatische Fragen auf, die bei der Anwendung der Regelung entstehen können.

II. Problemstellung und methodisches Vorgehen Die Herangehensweise an eine derartige Aufgabenstellung ist allerdings wegen der Komplexität der heutigen Vertragsgestaltung nicht immer einfach. Die Bedeutung einer Ermäßigungskontrolle hat der deutsche Gesetzgeber erkannt und daher in § 343 BGB vorgesehen. In Anbetracht dieser Regelung, welche auf die eine oder andere Weise einen Eingriff in die Privatautonomie darstellt, ist insbesondere auf die Vertragsinhaltskontrolle einzugehen. Es geht dabei vor allem darum, ob und wann der deutsche Richter in bestimmte Verträge (wie beispielsweise in Vertragsstrafen) eingreifen und diese ändern darf. Grundsatz des deutschen Privatrechts ist die Privatautonomie, deren grundlegender Bestandteil die Vertragsfreiheit ist. Die Vertragspartner können den Inhalt 14

Statt vieler Tilp, Jura 2001, 441, 445 f. Mehr dazu unten Teil 3 C. II. 3., 4. a). Hinsichtlich der Vertragsgestaltung siehe Langenfeld, Grundlagen der Vertragsgestaltung, S. 51 f.; Schmittat, Einführung in die Vertragsgestaltung, Rn. 167 ff.; Junker/Kamanabrou, Vertragsgestaltung, Rn. 38 f.; Schramm, NJW 2008, 1494 ff. 15

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Einführender Teil

ihres Vertrages frei gestalten, da die Gestaltungsfreiheit ebenfalls ein grundlegender Bestandteil der Vertragsfreiheit ist. „Pacta sunt servanda“ lautet der Grundsatz, der die Vertragstreue, also das Festhalten der Vertragspartner am unveränderten Vertrag als Ausprägung der Privatautonomie, charakterisiert. Ein Rechtsgeschäft kann aber nur dann bindend sein, wenn es dem freien Willen der Parteien entspricht und ihnen erlaubt, die eigenen Angelegenheiten frei und ohne den Eingriff von anderen zu regeln (sog. Selbstbestimmung). Folgende Grenzfälle sind typischerweise denkbar: – Vertragsformulierung und -abschluss unter Zeitnot oder fahrlässiger Zeitverknappung, – Vertragsformulierung und -abschluss unter Mangel an elementaren Informationen, – Vertragsformulierung und -abschluss unter „freiwilligem“ einseitigem Grundrechtsverzicht, – Vertragsformulierung und -abschluss unter Aussicht auf weit reichende negative Konsequenzen, so dass die Unterschrift noch das „geringere Übel“ darstellt, – Vertragsformulierung und -abschluss unter Verwendung nebulöser Begrifflichkeiten, die je nach Situation oder je nach Geschmack und Denkrichtung völlig unterschiedlich auszulegen sind, – Vertragsformulierung und -abschluss unter mangelnder Differenzierung mehrerer Lebensbereiche, für die mehrere separate Verträge erstellt werden müssten, um Konfusion zu vermeiden, – Vertragsformulierung und -abschluss unter unklarer Bezugnahme, z. B. als „Nachfolgevertrag“. Sofern eine derartige Fallgestaltung gegeben ist, muss der Vertragspartner, dessen Wille nicht frei gebildet wurde, geschützt werden16. Eines der Mittel, welche die Rechtsordnung zum Schutz der freien Willensbildung zur Verfügung stellt, ist die richterliche Korrektur des Vertragsinhaltes. Dies stellt allerdings eine grobe Beschränkung der Gestaltungsfreiheit dar. Das Paradigma der Herabsetzung der Vertragsstrafe ist charakteristisch. Ein zentraler Aspekt bei der rechtlichen Bewertung einer Strafkorrektur ist daher die Frage, ob der gerichtliche Eingriff verhältnismäßig ist, also geeignet und erforderlich, um diesen Schutz zu gewähren. Diese Einschätzung erlaubt jedoch keineswegs die Schlussfolgerung, dass das deutsche positive Recht die einzige richtige und gerechte Lösung hierfür vorsieht. Einerseits ist die historische Entwicklung der Institution zu berücksichtigen, da es große Uneinigkeit darüber gab, ob die Gestaltungsfreiheit der Parteien bei der Bestimmung der Strafhöhe unbegrenzt sein soll. Im Gegensatz zum römischen Recht, das keine Korrekturmöglichkeit vorsah, hat sich die deutsche Rechtsordnung nach einer langen 16 Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 1 („Eine Rechtsordnung, welche auf der Bindungswirkung der lex contractus aufbaut, muss gleichzeitig Korrektive vor einem Missbrauch der Freiheit enthalten.“).

A. Einleitung

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und heißen Diskussion für ein richterliches Ermäßigungsrecht des Strafschuldners im Rahmen der Entstehung des BGB entschieden17. Beispielsweise schreibt Bernhard im Jahre 1843: „Die Conventionalstrafe könne ebensowohl auf das Doppelte, als auch Drei- und Vierfache (des Interesses des Gläubigers) gestellt werden. (…) Die Größe der Conventionalstrafe sei ganz in der Paciscenten Willkühr gestellt.“18

Andererseits ist das angloamerikanische Rechtssystem feindlich gegenüber Vertragsstrafen (sog. penalty clauses) eingestellt. Es handelt sich dabei um keine Beschränkung der Vereinbarungsmöglichkeit, sondern um ein absolutes Verbot der Einbeziehung von Strafklauseln in Verträge. Die verschiedenen Betrachtungen und Ansätze zeigen, dass sich die Konzeptionen über die Kontrolle der Vertragsstrafen zeitlich und örtlich voneinander unterscheiden. Nach Beantwortung der grundlegenden Fragestellung, wie die konkrete Regelung des § 343 BGB als bewusste Entscheidung des historischen Gesetzgebers gerechtfertigt werden kann, sind anschließend auch noch weitere Aspekte der Problematik in dieser Arbeit zu klären. Vor allem sind hierfür die Voraussetzungen, unter denen § 343 BGB eingreift, maßgeblich. Die Einordnung der Norm in das System des Zivilrechts ermöglicht es, diese Regelung „völlig, nämlich nicht nur als Einzelerscheinung, sondern als Teil eines Ganzen“ anzusehen19. Die systematische Einordnung der Norm ebnet den Weg zur Aufklärung ihres teleologischen Gehalts, da die gegenwärtige Rechtswissenschaft vor allem teleologisch argumentiert20. In diesem Sinne ist das teleologische System als wichtiger Erkenntnismechanismus bei der Auslegung von Rechtsvorschriften zu betrachten21. Nimmt man Rücksicht darauf, dass die Rechtswissenschaft eine charakteristisch praktische Wissenschaft ist, so muss man auch dafür Sorge tragen, dass die jeweiligen Ergebnisse praxisrelevante Verwendung finden können. Die kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung ist deshalb conditio sine qua non für die Berücksichtigung der Rechtswirklichkeit. Dieser Rückgriff auf die umfangreiche Rechtsprechung kann dabei helfen, Mängel in der Argumentation der Literatur zu beseitigen. Genau diese praktische Anwendung der Rechtsvorschrift ist nicht nur aus einer materiell-rechtlichen, sondern auch aus einer prozessrechtlichen Sicht zu prüfen, um ihre dogmatischen Unklarheiten zu erleuchten. Darüber hinaus setzt die Herabsetzung der Strafhöhe ein Strafversprechen voraus. Gegenstand der Arbeit wird ebenfalls der Sinn und Zweck des Strafversprechens sein. Die gegenwärtige Wirtschaftspraxis wird von der Vielfalt der modernen Ver17

Mehr dazu unten Teil 1 A. VIII. Bernhard, Conventionalstrafe, S. 17 f. 19 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 90. 20 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 88 ff. 21 Siehe Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 90 ff. („Auslegung aus dem inneren System des Gesetzes“). 18

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Einführender Teil

tragsverhältnisse geprägt. Folglich ist es notwendig, den Begriff der Vertragsstrafe zu definieren, um so zu bestimmen, ob andere Vertragstypen unter diesen Begriff subsumiert werden können. Der Anwendungsbereich des § 343 BGB könnte auf diese Art und Weise erweitert werden. Die Überprüfung von Vertragsstrafen ist auch mit anderen Kontrollmechanismen verknüpft. Dies führt in der Praxis dazu, dass Unklarheiten hinsichtlich der Anwendung dieser Rechtsvorschriften bestehen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zur Ermäßigungsmöglichkeit nach § 343 BGB. Verallgemeinerungen dazu werden häufig genannt, diese entsprechen der Rechtswirklichkeit aber nicht immer. Die Berücksichtigung methodologischer Erkenntnisse kann jedoch dazu beitragen, das Problem der dogmatischen Unbestimmtheit und Unklarheit befriedigend zu lösen. Die vorliegende Untersuchung ist nicht rechtsvergleichend strukturiert. Ihr Inhalt ist dem deutschen Recht gewidmet. Dennoch können Darstellungen des internationalen Rechts bei den Ausführungen nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Insbesondere trifft dies beim deutschen Kollisionsrecht für die Herabsetzung von Vertragsstrafen zu, wenn es sich dabei um grenzüberschreitende Verträge handelt. Darüber hinaus kann eine detaillierte Herausarbeitung der Rechtsvereinheitlichungsversuche auf europäischer und internationaler Ebene nicht unberücksichtigt bleiben. In diesem Zusammenhang können dem angloamerikanischen Recht wichtige Aspekte hinsichtlich der Behandlung der sog. liquidated damages und penalty clauses entnommen werden22.

III. Zielsetzung Vor dem soeben beschriebenen Hintergrund erweist sich folgende Formulierung von Larenz heute aktueller denn je: „Heute wissen wir, daß die meisten Gesetze ihre letzte Ausprägung und damit ihre Anwendbarkeit auf einzelne Fälle erst durch ihre Konkretisierung in dem andauernden Prozeß der Rechtsprechung erfahren, und daß viele Rechtssätze durch die Rechtsprechung Eingang in das geltende Recht gefunden haben. (…) Das heißt aber nicht, daß methodisches Vorgehen für den Juristen entbehrlich wäre, oder auch nur, daß die bisher geübten Methoden sämtlich unbrauchbar wären. (…) Richterliche Entscheidungen, gerade dann, wenn Werturteile in sie einfließen, dürfen nicht unbesehen übernommen werden; sie sind darauf zu überprüfen, ob sie sich mit anderen Entscheidungen und anerkannten Rechtsgrundsätzen vereinbaren lassen, und ob sie „sachgerecht“ sind. Ohne die Beachtung bestimmter methodischer Erfordernisse geht das jedoch nicht.“23

Diese kombinierende Auslegung, die sowohl die Entscheidungen der Rechtsprechung als auch die Ergebnisse der Literatur berücksichtigt, ist für die Anwendung des § 343 BGB maßgeblich, da die Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe (wie 22 23

Vgl. unten Teil 1 B. IV. 2.; Teil 3 C. II. 4. Larenz, Methodenlehre, S. 6.

A. Einleitung

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beispielsweise den Begriff der unverhältnismäßigen Höhe) enthält, deren Konkretisierung dogmatisch und zugleich praxisorientiert stattfinden soll. Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, bestehende Unklarheiten auszuräumen, und die unbestimmten Begriffe mithilfe der Rechtstheorie und der Rechtsprechung auszulegen und zu konkretisieren. Darüber hinaus sind die Ergebnisse in Einklang mit den Bedürfnissen der Rechtspraxis zu bringen, damit die bestehenden Lücken bei der Behandlung von entsprechenden Problemen geschlossen werden können.

IV. Gang der Untersuchung Die Vorgehensweise der Untersuchung ergibt sich freilich aus dem Unterabschnitt II. Die einzelnen Teile der Struktur der Untersuchung seien an dieser Stelle grob skizziert. Der einführende Teil besteht aus der Einleitung des Werkes (A.). In diesem Zusammenhang werden sozioökonomischer Bezugsrahmen, Problemstellung, methodischer Vorgang und Zielsetzung der Arbeit beschrieben. Der erste Teil widmet sich den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Institution der Herabsetzung übermäßiger Vertragsstrafen. Im Abschnitt A. wird die Geschichte der Ermäßigung dargestellt. Die Entwicklung der Institution wird vom griechischen und römischen Altertum bis hin zur Entstehung des § 343 BGB am Ende des 19. Jahrhunderts eingehend erläutert. Im Abschnitt B. wird die Problematik des richterlichen Eingriffs in Privatrechtsverhältnisse und ihre dogmatische Begründung behandelt. Es ist im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand notwendig, die dogmatische Kohärenz des BGB aufzuzeigen und auf die Frage zu antworten, ob die richterliche Kontrolle und Modifizierung eines bereits abgeschlossenen Vertrages mit dem System des BGB vereinbar ist. Dieser Aspekt ist elementar, weil er mit zwei prima facie, miteinander kollidierenden Kräften des Privatrechts, der Vertragsfreiheit und der Vertragsgerechtigkeit, verbunden ist. Dies erweckt einen Eindruck von Widersprüchlichkeit. Im Anschluss daran wird die Konzeption der Inhaltskontrolle auch auf einer ökonomischen und literarischen Basis dargestellt. Nachdem die theoretischen Grundlagen aufbereitet wurden, soll im zweiten Teil auf die Voraussetzungen der Herabsetzung exzessiver Konventionalstrafen eingegangen werden. Die Gewichtigkeit dieses zweiten Teils liegt darin begründet, dass das Problem aus einer praktischen Sicht behandelt wird. Im Abschnitt A. werden die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 343 BGB analysiert. Eine besondere Problematik ergibt sich in diesem Zusammenhang aus dem Begriff der Unverhältnismäßigkeit. Angesichts der verfassungsrechtlichen Herkunft dieses Grundsatzes und seiner Bedeutung auch für das Privatrecht beschäftigt sich hiermit ein gesonderter Unterabschnitt des Abschnitts A. Anschließend werden die prozessrechtlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB behandelt, da es

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Einführender Teil

sich um eine Vorschrift handelt, die den gerichtlichen Eingriff als Mittel vertraglicher Inhaltskorrektur vorsieht. Der dritte Teil befasst sich mit Spezialfragen zur Kontrolle der Vertragsstrafen. Im Abschnitt A. wird die Möglichkeit geprüft, ob § 343 BGB als genereller Kontrollmechanismus auch bei anderen Rechtsinstituten funktioniert. Darin sollen die Grundzüge für die zivilrechtliche Qualifikation verschiedener qualifizierungsrelevanter Vereinbarungen, Klauseln und sonstiger Institute aufgestellt werden. Die rechtliche Bewertung als Vertragsstrafe ist sehr eng mit einer direkten oder zumindest analogen Anwendung des § 343 BGB in Form der Herabsetzung der vereinbarten Leistung verbunden. Elementar ist allerdings nicht nur die Anwendung des § 343 BGB auf andere Rechtsinstitute. Es kommt vielmehr noch ein bedeutender Aspekt in Betracht. Der Abschnitt B. wird sich gerade damit beschäftigen, wie andere Rechtsvorschriften, auf deren Basis eine Kontrolle der Vertragsstrafen erfolgen kann, anzuwenden sind, und in welchem Verhältnis diese Kontrollmechanismen zur Ermäßigung nach § 343 BGB stehen. Eine weitere wichtige Problematik im Zusammenhang mit der Herabsetzung ist die Einbeziehung von Strafklauseln in internationale Verträge. Der grenzüberschreitende Geschäfts- und Rechtsverkehr wirft in diesem Bereich viele Fragen auf. Es stellt sich dabei die Frage, wie deutsche Kollisionsnormen das Thema regeln und ob § 343 BGB als Eingriffsnorm oder Vorschrift des ordre public bezeichnet werden kann. Darüber hinaus werden im Abschnitt C. die Vereinheitlichungsversuche beim Recht der Vertragsstrafe sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene erörtert. Zum Schluss werden die gewonnenen Erkenntnisse im Abschnitt A. des vierten Teils zusammengefasst.

Teil 1

Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen In diesem Teil werden die theoretischen Fundamente gelegt, auf welche sich die konkrete Auseinandersetzung mit der Problematik der Ermäßigung übermäßiger Vertragsstrafen stützt. Im Abschnitt A. wird die historische Entwicklung der Konventionalstrafen dargestellt. Dabei wird vor allem der Weg von einer liberalen Konzeption der Vertragsstrafe im römischen Recht bis hin zum Begriff der Herabsetzung im 19. Jahrhundert eingehend erläutert. Der Abschnitt B. geht im Anschluss auf die dogmatische Frage ein, welche theoretischen und praktischen Gründe zu dieser Änderung geführt haben, die auch die Existenzgrundlage des heutigen § 343 BGB bildet.

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe I. Die historische Betrachtung der Institution und ihre Bedeutung Die Geschichte der richterlichen Kontrolle und der darauf folgenden Mäßigung der Vertragsstrafe ist zugleich die Geschichte der Vertragsstrafe selbst, wie es zu Recht geschrieben wurde1. Die historische Betrachtung der vorliegenden Institution lässt bedeutende Ergebnisse über die Konzeption der richterlichen Vertragsgestaltung in verschiedenen Zeitperioden erkennen. Außer den absolut rechtshistorischen Ergebnissen, die an die Vergangenheit anknüpfen und auf jeden Fall einen eigenen Wert haben, besitzt die rechtshistorische Untersuchung aber noch eine weitere Funktion. Sie dient der historischen Auslegung des Gesetzes, das heißt der Suche nach der wahren Regelungsabsicht des konkreten Gesetzgebers, als er die jeweilige Rechtsnorm in Kraft gesetzt hat2. Die Entstehungsgeschichte jeder einzelnen Norm spielt bei der Auslegung eine gewisse Rolle, im Fall des § 343 BGB ist sie jedoch besonders interessant. Diese Norm war dem römischen und dem während des 19. Jahrhunderts geltenden gemeinen Recht unbekannt. Ihr Inkrafttreten ist deshalb auf 1

HKK/Hermann, §§ 336 – 345 Rn. 11. Zum historischen Auslegungselement siehe umfassend Larenz, Methodenlehre, S. 328 ff., der als gesetzgeberischen Willen zwar nur die Regelungsabsicht und die Vorstellungen der gesetzgebenden Körperschaften betrachtet, aber auch die Vorstellungen der tatsächlichen Gesetzesverfasser und der Mitglieder der Beratungskommissionen für wichtig hält. 2

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

viel Kritik und Verständnisprobleme gestoßen. Die Diskussion über die Nützlichkeit der Vertragsstrafenherabsetzung aus der Sicht des früher geltenden Rechts, das die Väter des BGB im Auge hatten, ist noch heute von Bedeutung, weil sie zur dogmatischen Begründung der Vorschrift beitragen kann. Bevor man aber näher auf die Entstehungsgeschichte des § 343 BGB eingeht, sollte das vorliegende Rechtsphänomen in noch früheren Zeiten, genauer gesagt im griechischen und römischen Altertum, untersucht werden.

II. Altgriechisches Recht (attisches und hellenistisches Recht) Wenn man nach dem bemerkenswertesten Merkmal des altgriechischen Rechts sucht, dann stellt man dessen Mannigfaltigkeit und Zersplitterung fest, so dass tatsächlich von mehreren Rechtsordnungen gesprochen werden muss. Jeder Staat (egal, ob es um Königreiche oder demokratisch oder oligarchisch organisierte Stadtstaaten ging) verfügte im Laufe der Jahrhunderte, die das griechische Altertum währte, über eine eigene Rechtsordnung, die viele Unterschiede auch zu den Rechtssystemen der Nachbarstaaten aufwiesen. Zudem erweist sich die griechische Rechtsgeschichte arm an Rechtsquellen. Die heutigen Kenntnisse über die jeweiligen Rechtssysteme basieren insbesondere auf archäologischen Funden (z. B. Stelen mit rechtlichen Epigraphen) und literarischen Werken (wie z. B. Reden vor Gerichten und anderen Staatsorganen); sie sind meist fragmentarisch. Nur über das öffentliche und das private Recht von Athen und der Gesamtregion von Attika sind die Informationen ausreichend, um ein klares Bild vom Rechtsleben der alten Athener zeichnen zu können. Das attische Recht der klassischen Zeit (5. und 4. Jahrhundert v. Chr.) zeigt, dass die Konventionalstrafe (unter dem Namen 1p_tilom oder 1pit_lia) als Pflicht des Schuldners, dem Gläubiger eine bestimmte Leistung im Falle einer nicht gehörigen Erfüllung des Hauptvertrages zu erbringen, nicht unbekannt war und Gebrauch in verschiedenen Rechtsgeschäften fand. Oft reichte ihre Höhe bis auf das Doppelte oder auf das Anderthalbe (Bli|kiom) der Höhe der Hauptleistung3. Dennoch spricht keine Quelle von einer Befugnis des Richters, die Höhe eines Strafgedinges zu kontrollieren. Als Ergebnis scheint die Herabsetzung der vereinbarten übermäßigen Vertragsstrafe der attischen Rechtspraxis fremd zu sein. Auch das ptolemäische Recht, das heißt das vielstufige Recht des von der Ptolemäerdynastie regierten Ägypten, kennt die Vertragsstrafe, obwohl darüber ter-

3 Biscardi, Archaio helliniko dikaio, S. 282, mit Hinweisen auf die Werke von Demosthenes, Pq¹r Voql_yma rp³q dame_ou, Pq¹r Mij|stqatom peq· !mdqap|dym !pocqav/r und Jat± Diomusod~qou bk\bgr.

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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minologische Unklarheit in den erhaltenen Papyrusurkunden herrscht4. Der Höhe der Strafvereinbarung stehen aber keine rechtlichen Grenzen entgegen. In den Papyri ist kein Verhältnis zwischen der Hauptleistung und dem vereinbarten 1p_tilom sichtbar. Dies führt zu dem logischen Schluss, dass auch das hellenistische bzw. gräkoägyptische Recht nicht grundsätzlich gegen die Verhängung extrem hoher Vertragsstrafen war. Nur der Parteienwille bestimmt die Strafhöhe entscheidend5.

III. Antikes römisches Recht und Corpus Juris Civilis Der Geschichte des römischen Rechts stellen die Rechtsquellen viele Informationen über die Vertragsstrafe zur Verfügung6. Die Institution ist nicht nur bekannt (unter dem Namen stipulatio poenae7), sondern auch im Rechtsverkehr sehr weit verbreitet8. In der Literatur herrscht Einstimmigkeit über die Nichtexistenz einer Regel, die dem heutigen § 343 BGB entspricht. Anders ausgedrückt war die Höhe der Konventionalstrafe nur vom Willen der Parteien abhängig, ohne dass der Schuldner einen gerichtlichen Schutz im Falle einer durch eine Vertragsstrafe durchgesetzten Belastung beantragen konnte9. Die Römer kannten also kein richterliches Ermäßigungsrecht der Stipulationsstrafe. Die vorgenannte Situation bedeutete in einem gewissen Maße, dass der Schuldner dem Gläubiger auf Gnade und Ungnade ausgeliefert war. Kontrollmechanismen wie das heutige Ermäßigungsrecht gab es damals nicht. Das geschriebene Recht sah keine bestimmten Obergrenzen vor. Dies ist jedoch nicht in allen Quellen sichtbar und klar erkennbar. Eine doppelt so hohe Konventionalstrafe war oft festzusetzen:

4 Zu den Strafklauseln in den Papyrusurkunden siehe Berger, Strafklauseln, passim. Mach Platschek, Das Edikt De pecunia constituta, S. 61 f. war die Bliok_a die hellenistische Vertragsstrafe schlechtin. 5 Vgl. Berger, Strafklauseln, S. 6, der über eine „volle Freiheit“ der Parteien bei der Höhebestimmung schreibt und konkrete Paradigmata hoher Vertragsstrafen erwähnt. 6 Hauptquelle sind die Pandekten (Digesta), die 533/534 dank der juristischen Tatkraft des oströmischen Kaisers Justinian (482 – 565, reg. seit 527 n. Chr.) zusammengefasst wurden. 7 Zu der stipulatio poenae, ihren Funktionen, ihren Erscheinungsarten und ihren Verfallsvoraussetzungen siehe das grundlegende Werk von Knütel, Stipulatio poenae, passim, als auch v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. II, S. 272 ff.; v. Vangerow, Pandekten, Bd. III, S. 337 ff.; Hägerström, Der römische Obligationsbegriff, Bd. II, S. 187 ff.; Jörs/Kunkel, Römisches Privatrecht, S. 180 f.; Rabel, Grundzüge des römischen Privatrechts, S. 152 f.; Kaser, Das römische Privatrecht, S. 519 ff.; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 220 f.; HRG/Schlinker/ Willoweit, Bd. V, Sp. 858 (Wort: Vertragsstrafe). 8 Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 11. 9 v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. II, S. 281 f.; v. Vangerow, Pandekten, Bd. III, S. 339; Zimmermann, The Law of Obligations, S. 106 f.; Knütel, Stipulatio poenae, S. 16, 184.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

D.21.2.56 pr. (Paulus): „(…) Non tamen, ut vulgus opinatur, etiam satisdare debet qui duplam promittit (…)“10, D.21.2.2 (Paulus): „Si dupla non promitteretur et eo nomine agetur, dupli condemnandus est reus.“11, D.4.8.32 pr. (Paulus): „Non distinguemus in compromissis, minor an maior sit poena quam res de qua agitur.“12, D.19.1.13 (Ulpianus): „Ibidem Papinianus respondisse se refert, si convenerit, ut ad diem pretio non soluto venditori duplum praestaretur (…).“13 Die ratio der Konventionalstrafe und des Werts der Hauptleistung belief sich nicht nur auf 2 zu 1, sondern auch auf 3 oder 4 zu 1: D.21.2.56 pr. (Paulus): „Si dictum fuerit vendendo, ut simpla promittatur, vel triplum aut quadruplum promitteretur ex empto perpetua actione agi poterit.“14 Die Vertragsstrafe betrug üblicherweise nur das Doppelte, konnte aber sicher auch auf das Dreifache und Vierfache vereinbart werden15. Bis zu einem gewissen Grad musste der Gläubiger aber das Verbot des Zinswuchers respektieren. Zunächst war es nicht erforderlich, dass die vereinbarte Vertragsstrafe im angemessenen Verhältnis zur Hauptleistung stand16. Dies bedeutete aber keinesfalls, dass der durch Konventionalstrafe geschützte Gläubiger das Zinsübermaßverbot übersehen und umgehen konnte:

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Alle Übersetzungen sind nach Knütel/Kupisch/Seiler/Behrends (Hrsg.), Corpus Juris Civilis, Text und Übersetzung. „Doch braucht entgegen der allgemeinen Meinung nicht auch noch Sicherheit durch Bürgen zu leisten, wer den doppelten Kaufpreis verspricht.“ 11 „Wenn der doppelte Kaufpreis (für den Fall der Eviktion) nicht versprochen wurde und deswegen geklagt wird, ist der Beklagte zur Zahlung des doppelten Kaufpreises zu verurteilen.“ 12 „Wir unterscheiden bei Schiedsverträgen nicht, ob die Strafe geringer oder höher als der Wert des Gegenstands ist, um den gestritten wird.“ 13 „An der gleichen Stelle berichtet Papinian, er habe gutachtlich entschieden, wenn vereinbart worden sei, dass der Käufer dem Verkäufer den doppelten Kaufpreis zu zahlen habe.“ 14 Wenn bei einem Verkauf erklärt worden ist, es werde (für den Fall der Eviktion) der einfache Kaufpreis versprochen, oder wenn der drei- oder vierfache Kaufpreis versprochen werden sollte, kann mit der Klage aus Kauf unbefristet (auf Abgabe des Versprechens) geklagt werden. 15 Vgl. Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 11 ff., der auch zum Schluss kommt, dass weder Ermäßigungsrecht noch per Gesetz festgelegte Obergrenzen dem Schuldner zur Verfügung standen. 16 Siehe das Beispiel der donatio Synthropi in Knütel, Stipulatio poenae, S. 281 ff. und in Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 221: Der Freigelassene Aithales (Schuldner) schließt einen Vertrag mit seinem früheren Herrn Flavius Synthropus (Gläubiger) ab, der durch eine Vertragsstrafe abgesichert wird. Falls der Schuldner gegen den Vertrag verstößt, muss er nicht nur das dadurch verletzte Interesse vergüten, sondern auch zur Strafe noch 50.000 Sesterzen zahlen.

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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D.22.1.44 (Modestinus): „Poenam pro usuris stipulari nemo supra modum usurarum licitum potest.“17 Dieses Umgehungsverbot blieb ausnahmslos über Jahrhunderte so bestehen. Im Mittelpunkt der Diskussion standen nur die Zulässigkeit und die Höhe der Zinsen. Schwierige Auslegungsfragen wirft der Justinianische Kodex C.7.47.1 des Jahres 531 n. Chr. auf18. Die Rechtsnorm hatte jedoch nicht mit der Konventionalstrafe, sondern mit der Höhe des zu ersetzenden Interesses des Gläubigers zu tun. Sie legte als Obergrenze des Schadensersatzes das Doppelte (duplum) des Wertes des Vertragsgegenstandes fest, sofern es sich um ein dingliches Recht handelte19. Ganz unklar und zweifelhaft blieb aber die Frage, ob diese Restriktion auch auf Vertragsstrafen Anwendung fand. Das Ergebnis dieser Diskussion ergibt, dass die Rechtsnorm – fragmentarisch, dunkel in ihrer Konzeption und Formulierung – als Grenze der Höhe der Strafstipulation auf das Doppelte (duplum) des entstandenen Schadens nicht anwendbar sein könne, weil sie in Disharmonie mit anderen ganz klar formulierten und in der Anzahl überlegenen Vorschriften der Digesta stand, selbst wenn die Begrenzung der Höhe das erklärte Ziel des Gesetzgebers gewesen ist20. Als frühester Versuch, die Uferlosigkeit eines Strafversprechens zu beschränken und den Schuldner vor den sich daraus ergebenden Gefahren zu schützen, wird die sog. Verfallsbereinigung erwähnt21. Wie war also die Rechtslage, wenn die Verwirkungsvoraussetzungen erfüllt waren, aber der Schuldner nachträglich die Leistung anbot, um den Strafverfall zu bereinigen? Nach D.4.8.23 pr. (Celsus/Ulpianus): „Semel commissa poena non evanescit“22, die Verfallsbereinigung war ausgeschlossen. Dennoch wurde diese Norm dank flexibler Interpretation oft zugunsten des Schuldners (celsianische Erfindung) oder der Erhebung der exceptio doli beseitigt. Dies führte zur Verpflichtung des Gläubigers, die angebotene Hauptleistung

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„Niemand kann sich anstelle von Zinsen eine Vertragsstrafe über den erlaubten Zinsfuß hinaus versprechen lassen.“ Vgl. auch D.19.1.13.26 (Ulpianus) und C.4.32.15 (Kaiser Gordianus) und aus den neueren Werken v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. II, S. 282; v. Vangerow, Pandekten, Bd. III, S. 339; Knütel, Stipulatio poenae, S. 39 und 354; Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 14 f.; HKK/Hermann, §§ 336 – 345 Rn. 27. 18 Zu dem Text und seiner Übersetzung siehe statt vieler Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 15 f. 19 Medicus, Id quod interest, S. 289; Lange, Privatstrafe, S. 56 ff.; Wieling, Interesse, S. 89 ff. (er ist der Meinung, dass die Konstitution schwierig mit den schon erwähnten Digestenstellen vereinbar sei, praktische Anwendung weder im Westen noch im Osten gefunden habe und erst von den Glossatoren wieder entdeckt worden sei). 20 Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 20 (dort kann man Argumente für und gegen dieses Endergebnis finden). Aus der älteren Literatur siehe v. Vangerow, Pandekten, Bd. III, S. 339. 21 Knütel, AcP 175 (1975), 44, 47. 22 „Die einmal verwirkte Vertragsstrafe fällt niemals weg.“

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

noch nach dem Verfall der Vertragsstrafe anzunehmen und nicht die Vertragsstrafe als Anspruchsgrundlage geltend zu machen23. Kurz gefasst gilt für das klassische römische Recht als Hauptregel die Vertragsfreiheit bei der Vereinbarung einer Konventionalstrafe, ohne dass Ermäßigungsmöglichkeiten vorgesehen sind. Allerdings haben andere Rechtsinstitutionen (z. B. das Zinsverbot und die Verfallsbereinigung) dazu beigetragen, dass die Überbelastung des Schuldners durch eine hohe Vertragsstrafe beschränkt wurde.

IV. Oströmisches Recht Unter dem Namen oströmisches oder byzantinisches Recht versteht man die Rechtsordnung des byzantinischen Reichs, die von dessen Entstehung Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. bis zu seinem Untergang galt. Basis dieser Rechtsordnung war das klassische römische Recht, wie es im Corpus Juris Civilis kodifiziert wurde24. Nach dem Untergang des Reiches mit dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453 lebte das byzantinische Recht in der Rechtspraxis der griechischen Bevölkerung und der orthodoxen Kirche innerhalb des osmanischen Reiches fort. Die wichtigste Quelle des byzantinischen Rechts sind die Basiliken, eine im 9. Jahrhundert durch die Initiative des Kaisers Leo VI. des Weisen (866 – 912, reg. ab 886 n. Chr.) entstandene Rechtssammlung, die im Wesentlichen eine griechische Übersetzung von Texten aus dem Corpus Juris Civilis darstellt25. Erwähnenswert ist außerdem die Hexabiblos, ein Rechtskompendium, das von dem Richter Konstantinos Harmenopoulos aus Thessaloniki im Jahr 1345 verfasst wurde26. Von der Konventionalstrafe (poimµ oder pq|stilom genannt) machten die Byzantiner generellen Gebrauch. Es war aber nicht immer deutlich, wann es sich um eine zwischen den Parteien vereinbarte Privatstrafe oder um eine richterlich verhängte, dem Fiskus im Fall des Vertragsbruches zufallende Strafe (mulcia), handelte27. Die Verträge ohne Strafklausel wurden als xik± s}lvyma bezeichnet28. 23 So Knütel, Stipulatio poenae, S. 147 ff., 182 ff.; ders., AcP 175 (1975), 44, 47 ff.; Zimmermann, The Law of Obligations, S. 110 ff.; HKK/Hermann, §§ 336 – 345 Rn. 29. 24 Eingehend zu den Quellen des byzantinischen Rechts siehe Troianos, Oi piges tou vyzantinou dikaiou, passim. Obwohl das Corpus Juris Civilis in der byzantinischen Zeit entstanden ist, bewegt es sich am epochalen Übergang, weil sein Inhalt hauptsächlich die Kodifikation des klassischen römischen Rechts darstellt. Deswegen befasst sich dieser Abschnitt nur mit dem nachjustinianischen Recht. 25 Zachariä v. Lingenthal, Geschichte des Griechisch-Römischen Rechts, S. 23; Troianos, Oi piges tou vyzantinou dikaiou, S. 252 ff. 26 Näheres dazu in Zachariä v. Lingenthal, Geschichte des Griechisch-Römischen Rechts, S. 43; Plagianakos, Die Entstehungsgeschichte des griechischen Zivilgesetzbuches, S. 7 f.; Troianos, Oi piges tou vyzantinou dikaiou, S. 386 ff. und Stolleis/Burgmann, Juristen, S. 49. 27 Sjögren, Römische Conventionalstrafe, S. 42 ff. 28 Hex.Arm.A.7. Spanos (Hrsg.), Konstantinou Armenopoulou Procheiron, to legomenon Hexabiblos (Proheiron, sog. Hexabiblos von Konstantinos Armenopoulos).

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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Erwähnenswert ist die Novelle 17 des Kaisers Romanos II. Lakapenos (938 – 963, reg. ab 959) „peq· pqost_lym“, welche die Bedeutung der Vertragsstrafen im laufenden Geschäftsverkehr und die Notwendigkeit, dass sie gezahlt werden, betont29. Dennoch enthalten die Basiliken keine Vorschrift, die dem Schuldner das Recht einräumt, die Herabsetzung der Vertragsstrafe zu beantragen. Die einzige Begrenzung ist das Zinsumgehungsverbot: „Es ist verboten, Strafe über den gesetzlichen Zinssatz zu verlangen.“30

Der Gläubiger darf die per Gesetz bestimmte Zinshöhe durch verdeckte Konventionalstrafe nicht umgehen. Die gleiche Vorschrift findet man auch in der Hexabiblos31. Die im byzantinischen Recht einzige und zugleich überhaupt älteste Erwähnung eines Ermäßigungsrechts befindet sich in der Sammlung Pe_qa (Peira) des Richters Eustathios Romaios, ein Werk des 11. Jahrhunderts32. Dort liest man im Kapitel „peq_ sulv~mym ja· pqost_lym“: „nti t± 1lveq|lema 1m to?r sulv~moir, Vma pq\tty t|de ja· t|de, eQ d³ paqab_ 4m to}tym, . Vma paq]wy k|cou w\qim k_tqar ¸, 5kecem b l\cistqor !poq_am eWmai t_m molij_m lµ wq/mai c±q di± lijq±m p\mu paq\bas_m timor pq\clator ovty lec\koir pqost_loir rpob\kkeim t¹m sulvym^samta, !kk’ 1pisjope?m tµm paq\basim ja· ovty poie?shai ja· tµm pqost_lysim.“33

Die hohe Bedeutung dieser Aussage liegt darin begründet, dass es sich um den Ausschnitt eines Urteils des obersten Gerichtes des Reiches handelt. Daraus lässt sich der Beweis erbringen, dass es für die Praxis der byzantinischen Gerichte üblich war, die Vertragsstrafen zu kontrollieren und sie auf eine angemessene Höhe herabzusetzen34. 29 Zepos, Basiliken, Bd. II, S. 745 Fn. 2. Gleichen Inhalts ist die Novelle des Kaisers Andronikos II. Palaiologos (1259/1260 – 1332, reg. 1228 – 1328) des Jahres 1306 (siehe Text auch in der vorigen Fundstelle). 30 Bas.23.3.44 und Bas.23.3.63. 31 Hex.Arm.A.7.13. 32 Zachariä v. Lingenthal, Geschichte des Griechisch-Römischen Rechts, S. 30; Troianos, Oi piges tou vyzantinou dikaiou, S. 295 ff.; Troianos/Velissaropoulou-Karakosta, Historia dikaiou, S. 185; Stolleis/Simon, Juristen, S. 200. Diese Sammlung von Urteilen und Gutachten ist von besonderem Interesse, weil sie die einzige erhaltene Rechtsprechungssammlung eines byzantinischen Staatsgerichts und zwar des Obersten ist. Obwohl sie üblicherweise nur Fragmente enthält, ist sie als Informationsquelle bedeutend. 33 Peira XLV.2 in Zachariä v. Lingenthal, Jus Graeco-romanum, Pars I, S 208. „Wenn das Vereinbarte in den Verträgen (war), das und das zu tun, aber wenn ich etwas von diesen missachte, (dem Gläubiger) 10 Liter beispielsweise zu erbringen, sagte der Magistros (Richter), dass das nicht gerecht sei. Denn dürfe der Magistros den Vertragspartner für eine sehr kleine Verletzung nicht zu großen Strafen verurteilen, sondern er müsse von der Missachtung die Bestrafung abhängig machen.“ 34 Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 21, ist der Ansicht, dass „Vertragsstrafen auch in der Folgezeit (nach Erlass der justinianischen Kodifikation) zunächst einmal keiner Beschränkung unterlagen.“ Aus den Quellen ergibt sich genau das Gegenteil.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Der Vollständigkeit halber besteht die Notwendigkeit, sich auch mit der Geschichte der Strafermäßigung nach dem Ende des oströmischen Reiches im Jahr 1453 auseinanderzusetzen. Das byzantinische Recht galt für die Griechen unter der osmanischen Herrschaft fort. Die Kleriker der östlichen Kirche waren die Organe der Anwendung dieses Rechts in Form der Hexabiblos35. Im 19. Jahrhundert begannen die ersten gesetzgeberischen Entwicklungen innerhalb des hellenischen Raumes. Die bayerische Regentschaft an Stelle des Königs Otto erließ die Verordnung vom 23. Februar 1835. Diese Verordnung, die bis zum Inkrafttreten des griechischen Zivilgesetzbuchs 1946 galt, regelte das Privatrecht im griechischen Staat. Sie sah zwar vor, dass die bürgerlichen Gesetze der byzantinischen Kaiser gelten sollten, welche in der Hexabiblos enthalten waren, bis ein bürgerliches Gesetzbuch publiziert wäre. Jedoch hatte sich die Ansicht der Pandektisten durchgesetzt, dass nicht nur die Hexabiblos, sondern auch das ganze römische Recht und insbesondere das Corpus Juris Civilis damit gemeint seien36. Dies hatte zur Folge, dass die Rechtsprechung und die Rechtslehre im griechischen Staat jede Tendenz zu einer richterlichen Ermäßigung der Vertragsstrafe ablehnten37. Art. 1145 des Ionischen Zivilgesetzbuches von 1841 und Art. 1394 des Zivilgesetzbuches von Samos aus dem Jahre 1899 räumten dem Richter ein Ermäßigungsrecht der Vertragsstrafe nur im Falle der Teilerfüllung der Hauptverbindlichkeit unter Beeinflussung des Art. 1231 des französischen Code civil ein. Art. 799 des Kretischen Zivilgesetzbuches von 1903 stellte dagegen eine Kombination des französischen Art. 1231 Code civil und des deutschen § 343 BGB dar. Im griechischen Zivilgesetzbuch, das am 23. Februar 1946 in Kraft trat, ist Art. 409 zu finden, der eine der deutschen Rechtsnorm vergleichbare Regelung enthält38.

V. Römisches Recht im westlichen Mittelalter (Glossatoren und Postglossatoren) Das Recht der germanischen Stämme (Westgoten, Langobarden, Franken) hatte sowohl die Institution der Konventionalstrafe als auch ihre Restriktionen vom römischen Recht übernommen, wie es im italienischen Gebiet galt39. 35 Einen geschichtlichen Überblick siehe in Plagianakos, Die Entstehungsgeschichte des Griechischen Zivilgesetzbuches, S. 3 ff. 36 Darstellung des Problems in Plagianakos, Die Entstehungsgeschichte des Griechischen Zivilgesetzbuches, S. 26 ff. 37 Berufungsgericht Athen 272/1935, Themis (gr. jur. Zeitschrift) LST4, 880; Berufungsgericht Athen 1065/1933, Themis LE4, 221; Berufungsgericht Athen 1649/1928, Themis L4, 479. 38 Vgl. ErmAK/Sontis, Art. 409 Rn. 1. 39 Eingehend zur Anknüpfung der germanischen Konventionalstrafe an das römische Recht Sjögren, Römische Conventionalstrafe, S. 89 ff. Zur Herabsetzungsmöglichkeit siehe Simon, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 35; Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 21 ff.

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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Im 12. und anfänglichen 13. Jahrhundert wurden die Texte des Corpus Juris Civilis in Italien, vornehmlich in Bologna, wiederentdeckt und von Rechtsgelehrten (Glossatoren) kommentiert. Die Epoche wurde durch die Frage geprägt, ob die Grenze des Schadensersatzes auf das Doppelte der Hauptleistung nach der justinianischen Vorschrift C.7.47.1 auch auf Vertragsstrafen anwendbar sei. Der unbekannte Verfasser der Summa Trecensis (Mitte des 12. Jahrhunderts) hielt die Anwendbarkeit auch auf die Vertragsstrafe für gegeben, während die großen Gelehrten Placentinus, Azo von Bologna40, Odofredus des Denariis und Accursius41 der Meinung waren, dass die Höhe der Vertragsstrafe frei vereinbart werden könne und nur das Zinsumgehungsverbot zu beachten sei42. Zwischen dem späten 13. und dem Ende des 15. Jahrhunderts entstand die Schule der Kommentatoren. Sie waren Rechtsgelehrte, die sich wie die Glossatoren mit der Auslegung der Texte des Corpus Juris Civilis beschäftigten. Nach Accursius schrieben die Juristen keine Glossen (kleine Anmerkungen, die in der Regel an den Rand oder zwischen die Zeilen des Gesetzestextes verfasst werden) mehr43, sondern ausführlichere Erläuterungen zu den einzelnen Gesetzesstellen des Corpus Juris Civilis. Diese Erläuterungen werden Kommentare genannt. Die Vertreter dieser neueren Richtung in der Rechtswissenschaft bezeichnete man als Postglossatoren (weil sie den Glossatoren zeitlich nachfolgen) oder Kommentatoren (im Hinblick auf die von ihnen hervorgebrachten Texte). Die Diskussion und der Streit um die Herabsetzungsmöglichkeit auf der Basis des justinianischen Kodex dauerten jedoch fort. Ein Teil der Rechtsliteratur (Jacobus de Ravanis44, Baldus de Ubaldis45, Angelus de Ubaldis46 und Alexander de Tartagnis47) folgte der Meinung von Accursius, wonach die Vertragsstrafe nur dem Parteiwillen zu unterstellen sei, aber das Vierfache der Hauptleistung nicht überschreiten dürfe, wenn sie als Vielfaches vereinbart wurde. Dagegen lehnten andere (Petrus de Bellapertica48, Cino da Pistoia49) eine Obergrenze ab und erkannten den Vertragspartnern die unbeschränkte Freiheit zur Bestimmung der Strafhöhe zu. Bartolus à Saxoferrato50 unterschied Folgendes: Wenn die Parteien die Vertragsstrafe als eine bestimmte Geldsumme oder als Vielfaches eines festen Wertes vereinbart hätten, sei diese Vereinbarung richterlich nicht zu kontrollieren. 40

Stolleis/Weimar, Juristen, S. 53 f. Stolleis/Weimar, Juristen, S. 18 f. 42 Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 26 ff. (besonders S. 37 ff.). Genauer gesagt hält Accursius die Strafhöhe für unbegrenzt, wenn es um die Vereinbarung eines bestimmten Betrages geht, aber für herabsetzbar auf das Vierfache bei der Vereinbarung eines Vielfachen. 43 Mehr zu Accursius und den Glossen in Lohsse, ZeuP 2011, 366 ff. 44 Stolleis/Weimar, Juristen, S. 329. 45 Stolleis/Weimar, Juristen, S. 58 f. 46 Stolleis/Weimar, Juristen, S. 58. 47 Stolleis/Weimar, Juristen, S. 29 f. 48 Stolleis/Weimar, Juristen, S. 493. 49 Stolleis/Weimar, Juristen, S. 133 f. 50 Stolleis/Weimar, Juristen, S. 67 f. 41

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Wurde aber die Strafe in Bezug auf eine unbestimmte Summe vereinbart, so dürfe sie das Doppelte des Interesses des Gläubigers nicht überschreiten, wie die Vorschrift C.7.47.1 vorsah. Charakteristisch für diese Periode war der Meinungsstreit der Rechtsgelehrten, ob die Vertragsstrafe ohne Höchstgrenze vereinbart werden konnte. Ursächlich für diesen Streit war die Zersplitterung der Quellen des klassischen römischen Rechts51.

VI. Die großen Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts In der Periode der Renaissance fuhren die Rechtswissenschaftler damit fort, die justinianische Gesetzgebung zu interpretieren, da keine neue Vorschrift über das vorliegende Thema in Kraft gesetzt wurde52. Die Epoche der Aufklärung, welche die Richtung der europäischen Geschichte im 18. Jahrhundert änderte, hat auch das Gebiet des Rechts maßgeblich beeinflusst. Die üblicherweise von absoluten Herrschern zustande kommenden großen Kodifikationen haben die Vorherrschaft des römischen Rechts in einem großen Teil Europas beendet. Dies galt demzufolge auch bezüglich des Rechts der Vertragsstrafe. 1. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (4 Teile und mehr als 800 Paragrafen) trat 1756 unter der Regierung des Kurfürsten Maximilian III. Joseph im bayerischen Staat in Kraft. Sowohl das Werk als auch seine Kommentare waren die Arbeit des Vizekanzlers Wiguläus Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr53. Obwohl diese erste Kodifikation der Neuzeit eine Regelung über die poena conventionalis enthielt54, sah sie nichts über die Herabsetzungsmöglichkeit der außerordentlich hohen Konventionalstrafe vor. Das führte mithin zum logischen Schluss, dass sich die Vertragsstrafe keiner anderen Begrenzung als dem Zinsübermaßverbot unterwarf55. 2. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) entstand unter der Herrschaft Friedrichs des Großen und Friedrich Wilhelms II. als deutsche Antwort auf das römische Recht. Seine Redakteure waren die Rechtsgelehrten Svarez und 51 Die lange Diskussion in der glossatorischen und postglossatorischen Wissenschaft kann man in Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 26 ff. finden. 52 Eingehend dazu Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 64 ff. 53 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 326 f.; Stolleis/Stolleis, Juristen, S. 361. 54 Danzer, Das Bayerische Landrecht, Vierter Teil, Erstes Kapitel, § 11 Abs. 2. 55 Strauss, Konventionalstrafe, S. 36; Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 139.

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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Klein unter der Führung des Justizreformators Johann Heinrich von Carmer. Das Allgemeine Landrecht trat im Jahre 1794 in Kraft56. Das ALR regelte die Konventionalstrafe in den §§ 292 ff. des fünften Titels seines ersten Teils57. § 301 zog eine Grenze auf die Höhe der Vertragsstrafe, da er anordnet: „Wird jedoch dadurch der doppelte Betrag des wirklich auszumittelnden Interesses überstiegen, so muß der Richter die Strafe bis auf diesen doppelten Betrag ermäßigen.“ Diese Vorschrift folgte der justinianischen Regel C.7.47.1 der DuplumGrenze (des Doppelten des nachweislichen Interesses) und räumte dem Richter ein Ermäßigungsrecht auf den Höchstbetrag ein, wenn die Vertragsstrafe das Doppelte überstieg58. Nur bei Darlehensverträgen führte das ALR eine strengere Regelung ein, da: „Konventionalstrafen, zu welchen sich der Schuldner, statt der Zinsen, auf den Fall, wenn die Rückzahlung des Kapitals zur bestimmten Zeit nicht erfolgte, schriftlich verbunden hat, in soweit gültig sind, als sie nicht über Sechs, oder bei Kaufleuten und Juden nicht über Acht vom Hundert betragen.“ (§ 825 des elften Titels des ersten Teils)59

3. Code civil (1804) Der Code civil (Cc)60, das französische Zivilgesetzbuch, ein Meilenstein in der europäischen Rechtsgeschichte, trat 1804 unter Herrschaft und persönlicher Mitwirkung des Kaisers Napoléon Bonaparte in Kraft61. Bezüglich der Herabsetzungsmöglichkeit einer hohen Vertragsstrafe ordnete der Code civil die Aufrechterhaltung der unveränderten Parteienvereinbarung (Grundsatz der irréductibilité) an: „Lorsque la convention porte que celui qui manquera de l’exécuter payera une certaine somme à titre de dommages intérêts, il ne peut être alloué à l’autre partie une somme plus forte, ni moindre.“ (Art. 1152 a. F.)

56 Mehr zur Entstehungsgeschichte dieser Kodifikation, als auch eine generelle Würdigung in Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 327 ff.; Luig, AcP 194 (1994), 521, 524, 542. 57 Koch, Allgemeines Landrecht, Teil I, Bd. I, S. 327 ff. 58 Dernburg, Preußisches Privatrecht, § 40, S. 101 f.; Neuenfeldt, Conventionalstrafe, S. 50 ff.; Strauss, Konventionalstrafe, S. 34 f.; Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. I, § 107, S. 732 f.; Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 140 f. 59 Koch, Allgemeines Landrecht, Teil I, Bd. I, S. 945. Diese Vorschrift, die den Schutz des Darlehensnehmers durch ihre Restriktion zum Ziel hatte, behielt ihre Bedeutung bis 1866. Nach dem Inkrafttreten einer preußischen Verordnung (1866) und eines Gesetzes des Norddeutschen Bundes (1867) ist die Vertragsstrafe auch bei Darlehen von der Zinshürde frei geworden. 60 Er galt auch in Baden als Badisches Landrecht. Die Bestimmungen über die Konventionalstrafe waren dort unverändert anwendbar. 61 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 339 ff.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Die Begründung der Redakteure überrascht, weil sie fest an der Vertragsfreiheit nach dem römischen Recht und dem Liberalismus der französischen Revolution verankert war: „(…) Si on eût donné aux juges le droit de réduire la somme convenue, il eût aussi fallu leur donner celui de l’augmenter en cas d’ insuffisance. Ce serait troubler la foi doue aux contracts. La loi est faite pour les cas ordinaires, et ce n’est pas pour quelques exceptions que l’on devrait ici déroger à cette règle fondamentale, que les conventions sont la loi des parties.“62

Art. 1231 a. F. sah ein Ermäßigungsrecht nur im Falle einer Teilerfüllung der Hauptverbindlichkeit vor63. Nach langer Diskussion in der Literatur und einer Krise der Institution der Vertragsstrafe selbst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde ein Reformgesetz (Loi no 75 – 597 du 9 juillet 1975) erlassen, das beide Artikel modifiziert und dem Richter ein Herabsetzungsrecht (aber auch Heraufsetzungsrecht) eingeräumt hat64. Die Modifizierungsrechte aus Art. 1152 und 1231 kann der Richter seit 1985 (Loi n8 85 – 1097 du 11 octobre 1985) von Amts wegen ausüben65. Zuletzt hat das französische Recht demnach die Vertragsstrafe nach langem Reformprozess einer richterlichen Kontrolle unterstellt. 4. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von Österreich (1812) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) wurde als kaiserliches Gesetz am 1. Juni 1811 kundgemacht und trat am 1. Januar 1812 in der Österreichischen Donaumonarchie in Kraft. Franz von Zeiller66 war Verfasser dieses bis heute geltenden und das Zivilrecht Österreichs zusammenfassenden Gesetzeswerkes. § 1336 sah vor: „Die vertragsschließenden Theile können eine besondere Uebereinkunft treffen, daß, auf den Fall des entweder gar nicht, oder nicht auf gehörige Art, oder des zu spät erfüllten 62 Motifs et discours prononcés lors de la publication du Code civil, par les divers orateurs du Conseil d’ État et du Tribunat, Tome Ier, S. 431. 63 „La peine peut être modifiée par le juge, lorsque l’obligation principale a été exécutée en partie.“ 64 Zum Art. 1152 wurde ein zweiter Absatz hinzugefügt: „Néanmoins, le juge peut, même d’office, modérer ou augmenter la peine qui avait été convenue, si elle est manifestement excessive ou dérisoire. Toute stipulation contraire sera réputée non écrite.“ Art. 1231 wurde wie folgend neu formuliert: „Lorsque l’engagement a été exécuté en partie, la peine convenue peut être diminuée par le juge à proportion de l’intérêt que l’exécution partielle a procuré au créancier, sans préjudice de l’application de l’article 1152. Toute stipulation contraire sera réputée non écrite.“ Detaillierte Beschreibung der Geschichte der Reform siehe in Loksaier, La clause pénale, S. 137 ff.; Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 116 ff.; Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 144 ff.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 148 ff. 65 Dieses zweite Reformgesetz hat beide Vorschriften um die Phrase „même d’ office“ ergänzt. 66 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 335 ff.; Stolleis/Kohl, Juristen, S. 687 f.

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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Versprechens, anstatt des zu vergütenden Nachtheiles ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle (§ 912). Doch darf bei Darleihen der Betrag, worauf der Richter erkennet, wegen verzögerter Zahlung die höchsten rechtlichen Zinsen nicht übersteigen. In anderen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von dem Richter allenfalls nach Einvernehmung der Sachverständigen, zu mäßigen. Die Bezahlung des Vergütungsbetrages befreiet, außer dem Falle einer besonderen Verabredung, nicht von der Erfüllung des Betrages.“67

Die Vorschrift verschaffte dem Schuldner eine wichtige Schutzwehr gegen Ausbeutung seitens des Gläubigers, indem der Richter über das Recht verfügte, den vereinbarten Vergütungsbetrag zu mäßigen, wenn er (der Schuldner) die Übermäßigkeit des Strafgedinges beweisen konnte68. Auf jeden Fall war die Vereinbarung der Parteien unbeschränkt und nur bei Darlehensverträgen mussten sie die Zinshöchstgrenze beachten. Ein Gesetz vom 14. Juni 1866 hatte jedoch die Zinsbeschränkung aufgehoben69. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die Literatur dazu neigte, die Grenze des Doppelten des entstandenen Schadens gemäß dem preußischen ALR zwecks der Übermäßigkeitskontrolle in das österreichische Recht zu übertragen70. 5. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (1861) Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB), die erste Handelsrechtskodifikation in Deutschland, ist das Vorgängergesetz des heute geltenden Handelsgesetzbuches (HGB). Am 31. Mai 1861 wurde das ADHGB von der Bundesversammlung des Deutschen Bundes beschlossen. 1869 wurde das ADHGB zum Reichsgesetz erklärt. Es galt bis zum Inkrafttreten des Handelsgesetzbuches am 1. Januar 1900 in Deutschland und bis zum Jahr 1938 in Österreich71.

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Stubenrauch, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. III, S. 566. Stubenrauch, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. III, S. 568. 69 § 1336 ABGB gilt heute nach weiteren Veränderungen wie folgend: „(1) Die vertragsschließenden Teile können eine besondere Übereinkunft treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens ein bestimmter Geldoder anderer Betrag entrichtet werden solle (§ 912). Der Schuldner erlangt mangels besonderer Vereinbarung nicht das Recht, sich durch Bezahlung des Vergütungsbetrages von der Erfüllung zu befreien. Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der Erfüllung gefordert werden. (2) In allen Fällen ist der Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird, von dem Richter, allenfalls nach Einvernehmung von Sachverständigen, zu mäßigen. (3) Der Gläubiger kann neben einer Konventionalstrafe den Ersatz eines diese übersteigenden Schadens geltend machen. Ist der Schuldner ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 KSchG, so muss dies im Einzelnen ausgehandelt werden.“ 70 Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 147 ff., 150. 71 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 463. 68

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Art. 284 Abs. 1 bestimmte: „Die Konventionalstrafe unterliegt keiner Beschränkung in Ansehung des Betrages; sie kann das Doppelte des Interesses übersteigen.“72

Die Verfasser des ADHGB hatten nicht vor, die landesgesetzlichen Vorschriften aufzuheben. § 301 des fünften Titels des ersten Teils des ALR blieb als generelle Regel weiter wirksam, weil das ADHGB besondere Streitfragen nur im Handelsverkehr löste73. In einem so wichtigen Lebensbereich, wie den Handelsgeschäften, galt demgemäß kein richterliches Ermäßigungsrecht. Außerdem haben zwei Rechtsvorschriften (preußische Verordnung vom 12. Mai 1866 und Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 14. November 1867) die Höchstgrenze des Zinses bei Darlehen abgeschafft. Dies hat in der Folge die Vereinbarung der Höhe von Vertragsstrafen von dem § 825 des elften Titels des ersten Teils ALR befreit. In diesem Sinne blieb die Duplum-Grenze des ALR nur bei Zivilsachen außer Darlehen gültig. In allen anderen Fällen (Handelsgeschäfte und Darlehen) war keine Beschränkung der Strafhöhe anwendbar74. 6. Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen (1865) Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen (kurz: Sächsisches BGB), die letzte der großen Kodifikationen des bürgerlichen Rechts, trat am 1. März 1865 im Königreich Sachsen in Kraft. Verkündet wurde das Sächsiche BGB allerdings bereits am 2. Januar 1863. Es galt bis zum 1. Januar 1900, dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches seinerseits unter anderem auch durch das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch beeinflusst wurde. Es sind beispielsweise auch wörtliche Übernahmen aus dem Sächischen BGB im BGB nachweisbar, da das Sächsische BGB die modernste Kodifikation seiner Zeit im deutschen Raum war. Die Konventionalstrafe wurde in §§ 1428 ff. geregelt. Näher bezeichnet sah § 1430 vor: „Die Größe der Strafe hängt von dem Uebereinkommen der Vertragsschließenden ab. Wird sie wegen verspäteter Entrichtung einer Geldschuld versprochen, so darf sie mit Einschluß der etwa versprochenen Zinsen den Betrag der Zinsen, welche von der bestimmten Erfüllungszeit bis zur Entrichtung der Schuld erlaubter Weise versprochen werden dürfen, nicht übersteigen.“75

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Vgl. Keyßner, Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, S. 273 f. Neuenfeldt, Conventionalstrafe, S. 53; Strauss, Konventionalstrafe, S. 44; Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 142. 74 Keyßner, Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, S. 274; Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. I, § 107, S. 733; Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 142 f. 75 Siebenhaar, Das Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, S. 280; Wengler/ Brachmann, Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, Bd. I, S. 580. 73

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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Die Vorschrift schrieb keine Beschränkung des Konventionalstrafmaßes vor. Die Vertragsparteien mussten nur das gesetzliche Zinsmaximum bei einer Geldschuld respektieren. Auf diese Weise erweist sich die Regel als an das römische Recht angeknüpft, da die Konventionalstrafe mit wenigen Ausnahmen durch Bestimmungen des römischen Rechts geregelt wurde76. 7. Schweizerisches Bundesgesetz über das Obligationenrecht (1883) Das Schweizerische Obligationenrecht, abgekürzt OR, ist der fünfte Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB). Es wurde 1881 veröffentlicht, aber erst 1883 in Kraft gesetzt. Das Obligationenrecht regelte die Konventionalstrafe in den Art. 179 ff. seiner originalen Fassung. Nach dem Inkrafttreten der Neufassung (1912) hat sich die Nummerierung geändert, die Artikel über die Konventionalstrafe sind jedoch inhaltlich unberührt geblieben. Art. 182 ordnete an: „(…) Jedoch ist der Richter befugt, übermäßige Strafen nach billigem Ermessen herabzusetzen.“

Die Neufassung unter dem Art. 163, der bis heute fort gilt, sieht vor: „(1) Die Konventionalstrafe kann von den Parteien in beliebiger Höhe bestimmt werden. (…) (3) Übermäßig hohe Konventionalstrafen hat der Richter nach seinem Ermessen herabzusetzen.“

Daraus ergibt sich, dass das schweizerische OR bereits seit dem 19. Jahrhundert vom römischen Recht abwich und dem Schuldner freundlicher gesonnen war als vergleichbare Regelungen anderer Rechtsordnungen. Der Richter wurde zum Hüter des Interesses des Schuldners vor Missbrauch bei der Bestimmung der Strafhöhe erhoben, falls die Parteien ihre im Voraus unbeschränkte Vertragsfreiheit beiderseits nicht gerecht ausüben konnten77.

VII. Die rechtliche Situation im 19. Jahrhundert Aus dem vorhergehend Dargestellten ergibt sich, dass die Gesetzgebung keine einheitliche Lösung zum Problem der Herabsetzung der hohen Vertragsstrafe im 18. und 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum vorweisen konnte. Die Kodifikationen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: 76

Neuenfeldt, Conventionalstrafe, S. 54 f.; Strauss, Konventionalstrafe, S. 41 f. Haberstich, Handbuch des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, S. 173; Strauss, Konventionalstrafe, S. 42 ff.; Loksaier, La clause pénale, S. 181 ff.; Bentele, Die Konventionalstrafe nach Art. 160 – 163 OR, S. 109 ff., 111. Vgl. auch Santoro, Die Konventionalstrafe im Arbeitsvertrag, S. 109 ff. 77

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

– Zum einen gibt es die Gruppe, die den Vertragsschließenden die unbeschränkte Freiheit anerkennt, die Strafhöhe willkürlich zu vereinbaren, und jeden richterlichen Eingriff ablehnt (Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, Code civil78, ADHGB79). – Zum anderen gibt es die Gruppe, die dem Richter ein beschränktes (ALR) oder ein unbeschränktes (ABGB, Sächsisches BGB, OR) Herabsetzungsrecht einräumt. Außer dieser Rechtszersplitterung ist die Behandlung des Themas von der romanistischen Rechtsschule bei der Auslegung des gemeinen Rechts von Bedeutung. Bei den Pandektisten80 ist die These erkennbar, dass die Vertragsfreiheit den Vorrang genießen müsse und keine Beschränkung (z. B. Herabsetzung der vereinbarten Strafhöhe durch Anwendung des C.7.47.1) außer dem Zinsumgehungsverbot zulässig sei81. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat sich zweimal für eine freie Strafhöhe entschieden und damit eine Herabsetzung abgelehnt82. Alles in allem erweist sich die Problematik der Vertragsstrafenreduktion als ein heikles Gebiet und ein sehr umstrittenes Thema im Laufe des 19. Jahrhunderts. Gesetzgebung und Literatur haben keine einheitliche Antwort auf diese Frage geben können. Dies hatte während der Entstehung des BGB gegen Ende des 19. Jahrhunderts hitzige Diskussionen zur Folge.

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Er galt damals in großen Teilen Deutschlands. Auf die Handelssachen anwendbar. 80 Siehe Bernhard, Conventionalstrafe, S. 15 ff.; v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. II, § 80, S. 275; v. Vangerow, Pandekten, Bd. III, S. 339; Randa, Zinsen, S. 38 („Diese eben so willkürliche als maßlose Beschränkung der Höhe der Conventionalstrafe (§ 1336 ABGB) beruht augenscheinlich auf falschen Billigkeitsrücksichten; sie begünstigt einseitig den Schuldner zum Nachtheil des Gläubigers und beeinträchtigt wesentlich die Sicherheit des gesetzlichen Calculs.“); Neuenfeldt, Conventionalstrafe, S. 11 ff.; Wendt, JherJb 22 (1884), 398, 409 f.; Pergament, Konventionalstrafe, S. 93 ff.; Seckel, Krit. Vjschr. 40 (1898), 393, 411 ff.; Geiershöfer, SeuffBl 61 (1896), 49, 51 ff. (er erkennt zwar die Nichtexistenz einer Herabsetzungsmöglichkeit im gemeinen Recht an, aber befürwortet eine solche Institution); Deus, Vertragsstrafe, S. 31; Schleipen, Konventionalstrafe, S. 25 ff.; Schöntag, Vertragsstrafe, S. 14; Strauss, Konventionalstrafe, S. 21 f.; Dernburg, Preußisches Privatrecht, § 40, S. 101; ders., Schuldverhältnisse, § 102, S. 227; Fuld, SächsArch 9 (1899), 337, 345 ff.; Lübbe, Vertragsstrafe, S. 21 f.; Freytag, Unterschiede, S. 51 ff.; Kunze, Arrha, S. 63 ff. Vgl. auch Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 153 ff. 81 Sehr interessant ist die Behandlung des Problems von Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 161 ff.. Er ist der Ansicht, dass die These der Pandektistik gegen den richterlichen (staatlichen) Eingriff in die Rechtsverhältnisse der Bürger durch den Liberalismus der Wirtschaft und die Ablehnung sozialer und sozialistischer Praktiken zu erklären sei. Vgl. auch unten Teil 1 B. II. 1. d) aa) (1). 82 RG v. 05. 02. 1890, RGZ 26, 85, 93; RG v. 08. 03. 1884, RGZ 12, 23, 25. 79

A. Die Geschichte der Minderung der übermäßigen Konventionalstrafe

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VIII. Die Entstehungsgeschichte des § 343 BGB 1. Der Vorentwurf v. Kübels Franz Philipp von Kübel war Mitglied der Ersten Kommission83, das die Redaktion des zweiten Buches des neuen Gesetzes (Obligationenrecht) übernahm. §§ 6 – 10 des Abschn. I Titel 2 enthielten die Regeln über die Konventionalstrafe84. Es fehlte an jedweder richterlichen Herabsetzungsmöglichkeit. Seine Begründung war von grenzenlosem Liberalismus gekennzeichnet85. 2. Die Erste Kommission (Motive) Der erste Entwurf, das Gesamtwerk der Ersten Kommission wurde im Jahre 1888 veröffentlicht. Er wurde von den Motiven86 und den Protokollen87 der Beratungen der Kommission (erst im Jahre 1978 veröffentlicht) begleitet. Der erste Entwurf regelte die Konventionalstrafe in den §§ 420 – 425, enthielt aber keine Regelung zum Umgang mit einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe. Die Begründung dieses Mangels fügte zu der Darstellung v. Kübels nichts mehr hinzu88. 83 Aus elf Mitgliedern bestehend und von 1874 bis 1887 arbeitend. Mehr dazu in Jakobs/ Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432, Einleitung. 84 v. Kübel, Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 321 f. 85 v. Kübel, Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 346: „Das Schweigen des Gesetzes über diesen Gegenstand hat dann die Bedeutung, daß auch hier, bei der Bestimmung des Betrages der Konventionalstrafe, die allgemeine Regel der unbeschränkten Vertragsfreiheit der Vertragsschließenden eintritt, welche insbesondere bezüglich des Verhältnisses der Konventionalstrafe zur Verzinsung einer Geldschuld nur limitiert ist, durch die Beschränkungen, welche die Reichsgesetze bezüglich des Wuchers auferlegen. Dem Richter hier ein auch im gemeinen Recht nicht begründetes Ermäßigungsrecht zu gestatten, dazu liegt kein genügender Grund vor. (…) allein in Österreich scheint man damit keine guten Erfahrungen gemacht zu haben, da sowohl Stubenrauch (III S. 439 Note 1) wie auch Hasenöhrl (S. 514 Note 23) und andere (z. B. Randa) sich dagegen aussprechen, und es denn auch in der That nicht wohl einzusehen ist, weshalb jemand, der sich vertragsmäßig zu einer bestimmten Leistung verpflichtet hat, vom Richter lediglich aus einseitigen Billigkeitsrücksichten von dieser Leistung theilweise solle befreit werden können.“ 86 Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899. 87 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 241 bis 432, Berlin u. a. 1978. 88 Mugdan, Materialien, Bd. II, S. 154 (= Motive, Bd. II, S. 278): „Eine Beschränkung der Strafe in Ansehung der Größe (…), sei es durch ein absolutes Verbot, sei es durch Bestimmung eines richterlichen Ermäßigungsrechtes, ist nicht angezeigt. Die Festsetzung der Höhe unterliegt für alle Fälle der freien Vereinbarung der Parteien, vorbehaltlich der reichsgesetzlichen Bestimmungen über den Wucher.“

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In den Protokollen der Beratungen gab es dagegen keine Erwähnung der Problematik. 3. 20. Deutscher Juristentag Der erste Entwurf war wegen der mangelnden Berücksichtigung sozialer Ideen und seiner Lebensfremdheit auf heftige Kritik gestoßen89. Brennpunkt dieser Kritik war auch das richterliche Ermäßigungsrecht der Vertragsstrafen. Viele Diskussionen haben im Rahmen des 20. Deutschen Juristentages 1889 in Straßburg stattgefunden. Die zwei Referenten Koffka90 und Simon91 haben sich durch ihre de lege ferenda Gutachten auf die Seite der Vertragsfreiheit gestellt. Die wichtigsten Argumente Koffkas für die Richtigkeit des ersten Entwurfs waren, – dass das gemeine Recht keine Ermäßigungsmöglichkeit anerkannte92, da C.7.47.1 auf Vertragsstrafen nicht anwendbar war93, – dass kein öffentliches wirtschaftliches Interesse die Beschränkung der Vertragsfreiheit in diesem Fall rechtfertigen konnte94, – dass der Richter nicht in der Lage war, die tatsächliche Verhältnisse der Parteien festzustellen95, – dass Ungerechtigkeit zulasten des Gläubigers dadurch entstehen konnte96, dass die Strafe nachträglich reduziert wurde, – dass eine extrem hohe Vertragsstrafe an sich gesehen nicht unsittlich war97 und – dass der Unterschied zwischen Bürgerlichem Recht und Handelsrecht (Art. 284 ADHGB) beseitigt werden sollte98. Simon stimmte ihm bedingungslos zu, mit der Begründung, dass die Institution der Vertragsstrafe durch die bloße Hoffnung der Herabsetzung seitens des Schuldners 89

Statt vieler siehe Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 469 f. Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 3 ff. 91 Simon, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 33 ff. 92 Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 4. 93 Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 4 f. 94 Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 20 ff. 95 Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 24: „Aufgabe des Richters ist es, das bestehende Gesetz auf die Rechtsverhältnisse der Parteien in Anwendung zu bringen, nicht aber in gewisser Weise durch sein Ermessen erst selbst Recht für die Parteien zu schaffen. Mit einer solchen Aufgabe wird der Richter von dem, was ihm zu thun nach der Natur der Sache obliegt, entfernt. (…)“ 96 Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 25: „Der vermeintlich dadurch bewirkte Schutz des Schuldners kann zu einer großen Härte gegen den Gläubiger führen, und nicht in jedem Falle ist es ja der Schuldner, welcher des Schutzes würdig und bedürftig ist.“ 97 Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 26 f. 98 Koffka, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 29 ff. 90

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unterminiert würde99, die Selbstverantwortlichkeit des Schuldners auf jeden Fall für die Einhaltung seiner Pflichten bedeutend war100 und es an jedem Maßstab für eine richterliche Ermäßigung fehlte101. Die scharfe Antwort kam schnell seitens v. Gierkes102. Er setzte sich den Referenten mit der Behauptung entgegen, dass die schrankenlose Vertragsfreiheit keinesfalls den obersten Grundsatz des Schuldrechts darstellen sollte103. Aber auch die festen gesetzlichen Grenzen (z. B. die Beschränkung auf das Doppelte) waren seiner Meinung nach bei einem immateriellen Schaden inadäquat104. Die tatsächlich existierende Gefahr der falschen Ausübung der richterlichen Macht war seiner Ansicht nach durch das Beweisrecht zu bekämpfen105. Zum Schluss seines Referats schlug er die Einführung eines richterlichen Ermäßigungsrechts nicht nur im BGB, sondern auch im Handelsrecht vor106. Wilke ergriff das Wort, um die Meinung v. Gierkes zu unterstützen. Die strenge Einhaltung des Grundsatzes „pacta servanda sunt“ könne zu Ungerechtigkeiten führen107. Er ging auch von einem richterlichen Ermäßigungsrecht als der relativ betrachtet passabelsten Lösung aus108. Korreferent Makower erwiderte die Argumentation beider Gutachter mithilfe von Argumenten aus den Gebieten des Arbeits-, Versicherungs- und Mietrechts, indem er sehr eindeutig und klar das Unrecht beschrieb, das die hohen Vertragsstrafen her99

Simon, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 40. Simon, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 41 f.: „Ein Mann, ein Wort.“ 101 Simon, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. II, S. 43 ff. 102 v. Gierke, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 60. 103 v. Gierke, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 62 f.: „Freiheit, aber Freiheit innerhalb sittlicher Schranken, Freiheit zum vernunftgemäßen und gesellschaftsfreundlichen Gebrauch; aber nimmermehr Freiheit zu culturwidrigem und gesellschaftsfeindlichen Mißbrauch.“ 104 v. Gierke, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 63 f. 105 v. Gierke, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 65. 106 v. Gierke, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 66: „Ich meine aber, daß schon jetzt, so gut wie das Wuchergesetz zugleich auf Handelsgeschäfte ausgedehnt ist, auch die Einführung des richterlichen Ermäßigungsrechts der Conventionalstrafe auf alle Handelsgeschäfte, auf alle Rechtsgeschäfte überhaupt erstreckt werden muß.“ 107 Wilke, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 67: „(…) mit anderen Worten, es wird die Consequenz gezogen aus dem Grundsatz summum jus, summa injuria, ein Grundsatz, der immer angeführt wird gegen die Juristen und gegen die Rechtsgelehrten, daß sie etwas anderes zum Recht machen wollen, als was in der That wirklich Recht ist.“ Zum Begriff von summum ius summa iniuria im römischen Recht vgl. Eisser, in: Summum ius summa iniuria, S. 1 ff. Vgl. auch unten Teil 1 B. III. 3. b). 108 Wilke, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 69: „Ich bin keiner Freund vom richterlichen Ermessen, ich übersetze richterliches Ermessen mit richterlicher Willkür. Ich habe nicht die Ueberzeugung, daß die Richter immer das Richtigste finden werden, denn sie sind ebenso gut Menschen, wie Andere; aber sie können doch nun die Conventionalstrafe herabsetzen, sie können es in keinem Falle schlimmer machen, als wenn es bei der Conventionalstrafe bleibt.“ 100

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beiführen konnten, und ein richterliches Ermäßigungsrecht für alle Vertragsstrafen verlangte109. Oberlandesgerichtsrat Heinsheimer setzte sich ebenfalls für ein solches Recht ein110. Schließlich wurde der Antrag v. Gierkes auf Einführung eines richterlichen Modifizierungsrechts fast einstimmig von den Mitgliedern des Juristentages angenommen. 4. Die Zweite Kommission (Protokolle) Das Reichsjustizamt nahm auf die geübte Kritik Rücksicht und bildete im Jahre 1890 eine Zweite Kommission, die den zweiten Entwurf mit Protokollen nach fünfjähriger Arbeit im Jahre 1895 veröffentlichte und diesen dem Bundesrat vorlegte111. Der zweite Entwurf regelte die Vertragsstrafe in den §§ 291 – 297. Die Herabsetzung wurde im Entwurf in § 295 geregelt: „(1) Eine verwirkte Strafe kann, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, auf Antrag des Schuldners durch Urtheil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurtheilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen. Die Herabsetzung einer entrichteten Strafe ist ausgeschlossen. (2) Das Gleiche gilt auch außer den Fällen der §§ 291, 294, wenn Jemand eine Strafe für den Fall versprochen hat, daß er Handlung vornimmt oder unterläßt.“112

Die Kommission beschloss den 8. Antrag anzunehmen, der ein richterliches Ermäßigungsrecht empfohlen hatte, unter der Voraussetzung, dass die Strafe unverhältnismäßig war. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit wäre nicht nur das vermögensrechtliche Interesse des Gläubigers zu berücksichtigen, sondern auch der 109

Makower, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 73 ff. Heinsheimer, in: Verhandlungen des 20. DJT, Bd. IV, S. 80 ff.: „Soll da der Richter nicht einschreiten, und, wenn es einmal zum Proceß kommt, trotz der gerühmten Vertragsfreiheit sagen können: „Auf die Conventionalstrafe von 100.000 Mark gegenüber einem untergeordneten Chemiker, der 2.000 Mark Gehalt hat, der gar keinen Theil an dem Gewinn der Gesellschaft hat, der kaum das sauere Brot gehabt hat, auf die 100.000 Mark erkenne ich nicht; das ist und bleibt eine unsaubere Geschichte, die zwischen den verschiedenen Brotherren, die ihn hätten gewinnen können, sich abgespielt hat, ich ermäßige diese Conventionalstrafe auf das Verhältnis, welches den Einkommensverhältnissen, dem Interesse des Bediensteten entspricht“?“ 111 Aus zehn ständigen und zwölf nicht ständigen (besonders Menschen der Wirtschaftspraxis) bestehend. Mehr dazu sowie eine umfassende Kritik des zweiten Entwurfs in Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 471. 112 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 546 ff.; Mugdan, Materialien, Bd. II, S. 720 ff. (= Protokolle, Bd. I, S. 780 ff.). Die Formulierung der Vorschrift hat die Kommission besonders beschäftigt. Die neun Anträge, die gestellt worden sind, hatten zwar den gleichen Zweck, die Vertragsfreiheit zugunsten des Schuldnerschutzes zu beschränken, wichen aber in der Formulierung voneinander ab. 110

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Ausschluss der nachträglichen Ermäßigung der bereits verwirkten und bezahlten Strafe. Zu diesem Ergebnis kamen die Mitglieder der Kommission, seit sie das dringende Bedürfnis anerkannt hatten, die missbräuchlichen Vertragsstrafen durch ein Ermäßigungsrecht zu bewältigen. Sie hatten die gleichen Bedenken gegen ein solches Recht wie die Gutachter des 20. Juristentags und sie zögerten nicht, diese Bedenken ausführlich auszudrücken. Dennoch waren die Einwendungen nicht groß genug, um die Vorschrift § 295 nach dem Entwurf zu blockieren. Die Kommission zog die Kritik der Befürworter einer ähnlichen Regelung (v. Gierke u. a.) sehr ernst in Betracht und überwand somit ihre anfänglichen Bedenken gegenüber einem Ermäßigungsrecht. Die Kommission führte das unbeschränkte Ermäßigungsrecht ein und verzichtete gleichzeitig bewusst auf jede Richtlinie für den Richter, da die Herabsetzungskriterien im Entwurf grob beschrieben wurden113. Außerdem sah der Entwurf den Ausschluss der Herabsetzung bereits entrichteter Vertragsstrafen aus Rechtssicherheitsgründen in § 295 Abs. 1 S. 2 und die Anwendung der Herabsetzung auch auf unechte Vertragsstrafen in § 295 Abs. 2 vor114. Im Justizausschuss des Bundesrates brachten Bayern und Schaumburg-Lippe ihre Bedenken gegen ein solches Recht zum Ausdruck und Bayern stellte im Anschluss den Antrag auf eine Änderung der Formulierung. Der Antrag wurde zurückgewiesen115. Der Entwurf wurde dem Reichstag 1896 nach geringfügigen Veränderungen vom Bundesrat als dritter Entwurf vorgelegt. Die Vorschrift wurde vom Reichstag fast unverändert als § 343 BGB angenommen116. Das neue Gesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich, wurde nach Vollendung des gesetzgeberischen Prozesses am 18. August 1896 verkündet und trat erst am 1. Januar 1900 in Kraft. 5. Das Abzahlungsgesetz (1894) Ein wichtiges Argument für die Aufnahme der Vertragsstrafenherabsetzung in das BGB war das Abzahlungsgesetz (AbzG). Dieses Gesetz betraf Abzahlungsgeschäfte, trat am 16. Mai 1894 in Kraft und wurde erst durch das Verbraucherkreditgesetz vom 113 Mugdan, Materialien, Bd. II, S. 723 (= Protokolle, Bd. I, S. 785): „Bei Erwägung der Umstände werde der Richter nicht nur die Verschiedenheit der Interessen des Gläubigers zu den verschiedenen in Betracht kommenden Zeiten, die Höhe des möglichen und des wirklichen Schadens, sondern auch die wirtschaftliche Lage beider Theile, den Grad des Verschuldens auf Seiten des Schuldners und sonstige Momente gebührend berücksichtigen können. Dabei lasse sich erwarten, daß der deutsche Richter von dem Ermäßigungsrecht einen nicht zu weitgehenden Gebrauch machen werde, so daß man nicht etwa eine Beförderung der Vertragsuntreue von der Vorschrift zu befürchten brauche.“ 114 „(…) Strafe(n) für den Fall (…), daß jemand eine Handlung vornimmt oder unterläßt.“ Vgl. Billmann, Vertragsstrafe, S. 32 ff. 115 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 549 f. 116 Zur Diskussion im Ausschuss und die noch zwei Lesungen siehe Sossna, Geschichte der Begrenzung, S. 172 f. Siehe auch Schulte-Nölke, Reichsjustizamt, S. 315.

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17. Dezember 1990 aufgehoben. § 4 Abs. 1 AbzG117 kann als Wegbereiter des § 343 BGB bezeichnet werden, da es die erste Reichsrechtsvorschrift war, die ein richterliches Herabsetzungsrecht (noch vor dem BGB) festlegte. Die Verfasser des Abzahlungsgesetzes hatten natürlich die Diskussion im Rahmen der Vorarbeiten zum BGB im Auge und haben die Entscheidung getroffen, eine solche Regelung bei Abzahlungsgeschäften unbedingt und bewusst einzuführen.

IX. Zusammenfassung Die obigen Darstellungen zeigen, dass die Einbeziehung eines richterlichen Reduktionsrechts in das BGB zwar notwendig war, aber nicht ohne fundamentale Einwände stattfinden konnte. Die Argumente der Gegner stützten sich dennoch auf geschichtlich überholte Grundlagen des gemeinen Rechts, die nichts mit den sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen des kommenden 20. Jahrhunderts gemein hatten. Die Bedenken gegen eine solche Regelung basierten auch auf einer falschen ultraliberalen Wahrnehmung des Vertragsfreiheitsgrundsatzes, die zu ungerechten Lösungen zulasten des Schuldnerinteresses führte. Die Erörterungen führen zu dem Schluss, dass die Verfasser des BGB eine soziale, ethisch und ökonomisch orientierte Regelung nach reiflicher Überlegung ins Leben gerufen haben.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur von Privatverhältnissen I. Das Problem und seine Bedeutung Die geschichtliche Entwicklung der Institution der Ermäßigung der Konventionalstrafe hilft bei der historischen Auslegung des § 343 BGB. Die Feststellung vom Sinn und Zweck (Telos) der Rechtsnorm ist dabei von herausragender Bedeutung für seine teleologische Interpretation. Nach einer von Rieble vertretenen Ansicht sei § 343 BGB „ein Fremdkörper im Vertragsrecht des BGB“. Es gehe um eine Ausnahmeregelung, deren charakteristisches Merkmal der Umstand sei, dass sie das System der Vertragsautonomie des BGB breche. Die nachträgliche Korrektur von Privatverhältnissen sei eine Verletzung der Vertragsfreiheit, weil das Gericht die Interessen der Vertragsparteien nicht 117 „Eine wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen verwirkte Vertragsstrafe kann, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, auf Antrag des Käufers durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Die Herabsetzung einer entrichteten Strafe ist ausgeschlossen.“ Mehr dazu in Klauss, Abzahlungsgeschäfte, § 4 Rn. 312 ff.; Crisolli/ Ostler, Abzahlungsgesetz, § 4 Anm. 1 ff.; Ostler/Weidner, Abzahlungsgesetz, § 4 Anm. 1 ff. Vgl. auch Schmidt, Verwirkungsklausel, passim; Betz, Abänderung des Vertragsinhalts, S. 26 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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besser als diese wissen könne. Deswegen solle der Vorschrift ein Ausnahmecharakter zuerkannt werden und die Anwendung müsse folglich eng sein118. In diesem Abschnitt der vorliegenden Arbeit werden die theoretischen Fundamente gelegt, auf die sich die Institution der Herabsetzung übermäßiger Vertragsstrafen stützt. Ob die Charakterisierung des § 343 BGB als „Fremdkörper“ im System des BGB richtig ist, wird im Abschnitt B. dargestellt. Darunter versteht man eine Bezeichnung (lat. corpus alienum), die vor allem in der Biologie anzutreffen ist und etwas meint, das von außen in einen Organismus oder Körper eindringt. Hier sollen der Inhalt der Vertragsfreiheit, der Begriff und die Möglichkeit des Schutzeingriffs des Richters in den Inhalt des bereits abgeschlossenen Vertrages dargestellt werden. Ein wichtiger Grundpfeiler für die Rechtfertigung der richterlichen Korrektur und die Beantwortung der vorgestellten Frage über den Existenzgrund der Vorschrift ist die ökonomische Analyse der Institution der Vertragsstrafe und ihrer Ermäßigung. Auch darauf wird im Folgenden näher eingegangen.

II. Die Vertragsfreiheit als Grundprinzip der Privatrechtsordnung 1. Vertragsfreiheit und Privatautonomie a) Der Grund der Vertragsbindung Die Vertragsfreiheit ist die charakteristische Ausprägung der Privatautonomie. Die Privatautonomie als Form des Grundsatzes der menschlichen Selbstbestimmung119 bedeutet die anerkannte und von der Rechtsordnung geschützte Möglichkeit des Individuums, seine Rechtsverhältnisse nach seinem Willen zu gestalten120. Diese autonome Gestaltung der Lebensverhältnisse der Person, die in der Regel durch auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges gerichtete Willenserklärungen vollgebracht wird, ist von der Rechtsordnung anerkannt. Das Recht verleiht ihr den rechtlichen Zwang. Demzufolge ist der Grund der Bindung eines Rechtsgeschäfts die autonome Bestimmung und zugleich die Rechtsordnung, die sie durch Rechtszwang

118 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 12. Vgl. auch Zimmermann, Richterliches Moderationsrecht, S. 90. 119 Zur Verbindung zwischen der Privatautonomie und der Persönlichkeit siehe Wolf/ Neuner, AT, § 10 Rn. 27 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 1; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 19 ff.; Medicus, AT BGB, Rn. 172 ff.; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 18 ff.; Papanikolaou, Peri ton orion, S. 61 ff. 120 Zum Begriff der Privatautonomie vgl. statt vieler Wolf/Neuner, AT, § 10 Rn. 28 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 1; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 15 ff.; Emmert, Grenzen, S. 109 ff.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

bewaffnet121. Anders gesagt handelt es sich um ein dualistisches Verhältnis, auf das sich die Rechtsbindung des Rechtsgeschäfts stützt und das die Anerkennung der Autonomie (das heißt das Rechtsgeschäft) durch die Heteronomie (das heißt die Rechtsordnung) voraussetzt. Die Frage nach dem Grund der Vertragsbindung hat nicht nur rechtsphilosophische, sondern auch rechtsdogmatische Aspekte, weil sie daran anknüpft, wie sich der Grundsatz der Privatautonomie in das gesamte System der Rechtsordnung integriert. Der Vertrag ist nicht nur eine Institution für die Verwirklichung des Willens der Parteien, ihre persönlichen Interessen zu befriedigen. Er erfüllt auch eine andere Funktion. Die Willenserklärung jeder Partei birgt das Versprechen in sich, dass diese ihren Pflichten nachkommen wird122. Das sich daraus ergebende Vertrauen der anderen Partei auf dieses Versprechen darf von der Rechtsordnung nicht übersehen werden, da das soziale Zusammenleben andernfalls nicht friedlich wäre123. Der Schutz des Vertrauens der Gegenpartei wird durch die rechtliche Bindung der abgegebenen Willenserklärung gewährleistet. Das Versprechen muss erfüllt werden. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, ist es erforderlich, dass die entsprechenden Sanktionen verhängt werden können und vor allem der Anspruch auf Schadensersatz eintritt. Die Gewährung des aus dem Vertrag entstandenen schutzwürdigen Interesses wird dadurch zu einer grundlegenden Funktion des Privatrechts. Schließlich ist das Vertrauensprinzip das grundsätzliche kulturelle Element der modernen Gesellschaft, das zusammen mit dem Grundsatz der Privatautonomie den tatsächlichen Grund der vertraglichen und generell der rechtsgeschäftlichen Bindung bildet124. Zu betonen ist jedoch, dass diese Ansicht nur dann gilt, wenn das Rechtsgeschäft das Ergebnis des wirklich freien Willens ist. b) Die Vertragsfreiheit als Wertentscheidung des Gesetzgebers Systematisch ist davon auszugehen, dass die Vertragsfreiheit auf zwei Rechtfertigungsgründen basiert. Einerseits handelt es sich um die ökonomische und andererseits um die ethische Begründung des Vertragsfreiheitsgrundsatzes.

121

Vgl. Wolf/Neuner, AT, § 10 Rn. 28 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 2; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 23 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 66 ff.; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 32 ff. 122 Mehr dazu in Stathopoulos, AcP 194 (1994), 543, 545 ff. 123 Vgl. Wolf/Neuner, AT, § 10 Rn. 11 f. Mehr zur Diskussion über den Grund der Vertragsbindung in Emmert, Grenzen, S. 114 ff. 124 Die Kombination beider Grundsätze befürworten Wolf/Neuner, AT, § 10 Rn. 23 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 25 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 66 ff.; Kling, Sprachrisiken, S. 180 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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aa) Die Vertragsfreiheit als Instrument ökonomischer Effizienz Die erste Basis der Vertragsfreiheit hat überwiegend praktischen Charakter und verkörpert Charakteristika ökonomischer Effizienz und zugleich sozialer Effektivität in sich125. Grundlage dieser Betrachtung ist die Bemerkung, dass die Menschen ihre Lebensbedürfnisse erkennen, ihre eigenen Interessen am besten schützen und ihren Wohlstand als rationale Wesen maximieren können. Diese grundlegende Bemerkung darf die Rechtsordnung nicht gering schätzen. Sie erkennt und gewährleistet die Vertragsfreiheit der Privatpersonen in der Gesellschaft an, damit so ein Mechanismus freiwilligen Austausches von Waren entsteht. Durch diese Waren können die Menschen ihre Lebensbedürfnisse befriedigen und ihre Wünsche erfüllen. Auf diese Weise wird auch der gesamte soziale Wohlstand größer126. Funktioniert der Vertrag tatsächlich als Institution freien und autonomen ökonomischen Austausches, dann verleiht er dem Individuum die Möglichkeit, seine Nutzen (z. B. wenn es Verbraucher betrifft) oder Gewinne (z. B. wenn es Unternehmen betrifft) bei gegebenen Restriktionen (Warenknappheit, Preise, Einkommen) zu maximieren. Damit kann das Ziel der Effizienz, also der Maximierung der zur Bedürfnisbefriedigung verfügbaren Güter im Zusammenhang mit der Optimierung des eigenen Wohlstands, erreicht werden. Im Rahmen des Vertrages teilen beide Parteien diese Tendenz und durch die Zusammensetzung beider Willenserkärungen wird das Ziel der Maximierung realisiert. In diesem Zusammenhang nimmt auch der gesamte Wohlstand der Gesellschaft zu, da dieser aus dem Wohlstand der einzelnen Mitglieder besteht127. Konzipiert im Rahmen der freien Marktwirtschaft führt die Vertragsfreiheit langfristig zu der effizientesten Verteilung der Waren in der Gesellschaft, zur Befriedigung der menschlischen Bedürfnisse und zu friedlichem Zusammenleben und sozialem Zusammenhalt. Außerdem funktioniert die Vertragsfreiheit auch zugunsten des Individuums. Um ihren Wohlstand durch die Institution des Vertrages zu maximieren, ist die einzelne Person dazu verpflichtet, ihre Kräfte zu mobilisieren. Diese Mobilisierung ist zugleich eine Befreiung aller Produktionskräfte der Gesellschaft und bringt sozialen Fortschritt mit sich128.

125

Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 19 ff. Vgl. Posner, Economic Analysis, S. 115 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 17 ff.; Adams, Ökonomische Theorie, S. 73 ff.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S. 30 ff.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen, S. 81 ff.; Georgakopoulos, Principles and Methods, S. 20 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 393 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 I. 127 Zum Wohlstand der Gesellschaft siehe Posner, The Economics of Justice, S. 60 ff. 128 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 19 ff. 126

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

bb) Die Vertragsfreiheit als Mittel zur freien Entfaltung der Persönlichkeit Die Bedeutung des Grundsatzes der Privatautonomie und insbesondere der Vertragsfreiheit erschöpft sich nicht nur in der Funktion als Mittel zur effizienten Befriedigung der menschlichen Lebensbedürfnisse und zur rationalen Verteilung der Waren in der Gesellschaft. Die Vertragsfreiheit wird auch dadurch gekennzeichnet, dass sie unabhängig von der Einwirkung des Staates oder Dritter zur freien Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne der Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben und der Gestaltung der eigenen Privatrechtsverhältnisse beiträgt. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist ein Grundrecht, das in Art. 2 Abs. 1 GG garantiert wird. Sie wird aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) hergeleitet, die das Grundgesetz als höchstes Prinzip der Rechtsordnung anerkennt129. Nur durch diese Verbindung des Grundsatzes der Privatautonomie mit dem Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Menschenwürde wird das ethische Element der Vertragsfreiheit als Prinzip in der Rechtsordnung deutlich gemacht130. Diese liberale Betrachtung des Vertragsfreiheitsgrundsatzes als ein Raum, in dem die Personen ihren Willen frei und unabhängig von der Einwirkung des Staates oder Dritter bilden können, ohne ihre Entscheidungen begründen zu müssen, ist vor allem eine moralische Konzeption. Die Vertragsbindung kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn sie auf dem freien Willen des Menschen basiert. Gleichzeitig ist diese Betrachtung auch demokratisch legitimiert, weil sie einerseits die Vorstellungen und Beschlüsse der Person respektiert, sich andererseits aber auf die Gleichheit aller Personen stützt. Art. 2 Abs. 1 GG sieht vor, dass jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat. Jeder kann seine Entscheidungen nach freiem Willen und durch eigene Haftung treffen, vorausgesetzt, er verletzt nicht die Rechte Anderer und verstößt nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz. Das Prinzip der Vertragsfreiheit ist ein grundsätzlich individualistischer Grundsatz der Rechtsordnung. Individualismus bedeutet aber per se keine egoistische Befriedigung eigener Interessen. Er ist eine Lebensform, deren Kernpunkt zwar die Unterscheidung zwischen dem eigenen und dem fremden Interesse bildet, ohne dass aber übersehen wird, dass das eigene Interesse nur dann respektiert werden muss, soweit auch die anderen Mitglieder der Gesellschaft die gleiche Möglichkeit zur Selbstbestimmung haben. Das egoistische und skrupellose Streben nach den persönlichen Interessen ist mit einem altruistischen sozialen Bild nicht vereinbar. Das

129 Vgl. generell zum Schutz der Menschenwürde Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Grundrechte, § 7 Rn. 363 ff. und zur freien Entfaltung der Persönlichkeit Pieroth/ Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Grundrechte, § 8 Rn. 384 ff. 130 Vgl. Wolf/Neuner, AT, § 10 Rn. 27 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 19 f. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 18 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Prinzip des Altruismus kann zwar kein realistisches Ziel der Rechtsordnung sein131. Jedoch liegt es im Kernpunkt des Vorbehaltes nach Art. 2 Abs. 1 GG („Rechte Anderer“) und zugleich des Begriffs der Sozialstaatlichkeit, wie dieser die soziale Solidarität gewährleistet (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG)132. Es ist zu betonen, dass jedes Bedürfnis nach sozialer Kontrolle der Gestaltung der Privatrechtsverhältnisse entbehrlich ist, soweit die vertragliche Regelung aus einer wirklich freien Entscheidung der Parteien resultiert. Der Grundsatz der Privatautonomie wird im BGB nicht ausdrücklich erwähnt. Es steht allerdings außer Zweifel, dass dieser Grundsatz den ganzen Bereich der Rechtsgeschäfte und vor allem der Schuldverträge betrifft. Zu beachten ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der aus § 311 Abs. 1 BGB hergeleitet wird, ohne aber gesetzlich festgeschrieben zu sein133. Das Rechtsgeschäft ist das technische Mittel, das die Rechtsordnung der Person zur Verfügung stellt, damit diese die eigenen Privatverhältnisse selbst gestalten kann. Auch dieser Grundsatz wird im Grundgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Es ist aber herrschende Meinung, dass er sich auf die Grundrechte und vor allem auf die nach Art. 2 Abs. 1 GG garantierte freie Entfaltung der Persönlichkeit stützt. Aus diesem Prinzip leitet er seine Legitimation her134. Privatautonomie und folglich Vertragsfreiheit genießen Schutz und Gewährleistung als Institutsgarantien nach Art. 2 Abs. 1 GG135. Sie stehen aber unter dem Vorbehalt des Nichtverstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung, die Rechte Anderer und das Sittengesetz136. Im geltenden Recht wird die Vertragsfreiheit zu einem Grundrecht, dessen Ausübung der Gesetzgeber nicht so beschränken darf, dass der Wesensgehalt des Rechts angetastet wird137. Innerhalb der Grenzen des Vorbehaltes nach Art. 2 Abs. 1 GG darf die Legislative solche Schranken einführen, damit das öffentliche Interesse geschützt wird. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Vertragsfreiheit können jedoch keine wesentlichen Kriterien über die Ausgestaltung des Inhalts abgeleitet werden. Es ist vielmehr eine Aufgabe des Privatrechts, den Inhalt und die Formen der

131 Vgl. zum Grundbegriff des Personalismus als Grundlage des BGB Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 2 ff. 132 In Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 20 ff. ist die Rede von einer „solidarischen Rücksichtnahme“. Vgl. auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 21. 133 Generell zur Vertragsfreiheit siehe Erman/Kindl, § 311 Rn. 1 ff.; Erman/Westermann, Einl. § 241 Rn. 10 ff.; Erman/Armbrüster, Vor § 145 Rn. 26 ff. 134 Vgl. BVerfG v. 03. 04. 2001, NJW 2001, 1709 = JuS 2001, 906; BVerfG v. 09. 10. 2000, GRUR 2001, 266 = NJW 2001, 3406; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 IV; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 10 a; Erman/Armbrüster, Vor § 145 Rn. 26 ff. 135 Mehr zum Begriff der Institutsgarantie in Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Grundrechte, § 4 Rn. 88 ff. 136 Analyse des Vorbehaltes in Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Grundrechte, § 8 Rn. 407 ff. Vgl. auch Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 10 a. 137 Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 IV.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Vertragsfreiheit festzusetzen138. Dabei muss auch angemerkt werden, dass die Grenzen der Vertragsfreiheit aus der Sicht der missbräuchlichen Ausübung mit den Schranken des verfassungsrechtlich geschützten Wesensgehalts des Grundrechts nicht identisch sind. Die Schranken des Grundrechts bilden die äußersten Grenzen, in denen sich der Gesetzgeber bewegen darf, um den Wesensgehalt des Grundrechts der Vertragsfreiheit unberührt zu lassen. In den Verhältnissen zwischen den Vertragsschließenden ist es aber nicht erforderlich, dass eine Verletzung des Wesensgehalts der Vertragsfreiheit vorliegt, damit man von missbräuchlicher Ausübung der Vertragsfreiheit sprechen kann. Der Gesetzgeber hat damit einen weiteren Eingriffsraum in die Vertragsfreiheit als der Privatmensch139. Hinsichtlich der Problematik der Inhaltsbestimmung des Grundsatzes ist davon auszugehen, dass Einstimmigkeit darüber herrscht, dass die Vertragsfreiheit unter den Begriff der freien Entfaltung der Persönlichkeit fällt. Umstritten ist hingegen, welche Eingriffe staatlicher Organe (vor allem des Gesetzgebers) den Wesensgehalt des Grundrechts verletzen und welche dagegen gerechtfertigt sind140. Die Auslegung ist auch für den Richter ambivalent. Dies kann zur Bejahung der Legitimität des Eingriffs in die Vertragsfreiheit führen. Das Zitat von Sir George Jessel, dem berühmtesten Befürworter der Vertragsfreiheit im 19. Jahrhundert scheint eine liberale und zugleich einseitige Antwort auf das Problem zu sein: „If there is one thing more than another which public policy requires, it is that men of full age and competent understanding shall have the utmost liberty in contracting, and that their contracts, when entered freely and voluntarily, shall be held sacred and shall be enforced by the Courts of Justice.“ (aus dem Rechtsfall Printing and Numerical Registering Co. v. Sampson (1875) L.R. 19 Eq. 462, 465)

Die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem unantastbaren Wesensgehalt der Privatautonomie und der Peripherie, in der die Eingriffe zulässig sind, können nicht durch generelle Kriterien gemäßigt werden. Wirksame Kriterien können nur die drei ausdrücklichen Elemente des Art. 2 Abs. 1 GG sein, die den entsprechenden Vorbehalt bilden (Rechte Anderer, verfassungsmäßige Ordnung, Sittengesetz). Das öffentliche Interesse oder das Gemeinwohl können nicht unter den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung subsumiert werden. Die Einführung eines amorphen Begriffs als Schranke des Grundrechts erlaubt keine sichere Abwägung der zwei Rechtsgüter (Privatautonomie und öffentliches Interesse) durch objektive Konkretisierungskriterien141. Dies verdeutlicht die Gefahr der missbräuchlichen Geltendmachung des Gemeinwohlbegriffs zur Einschränkung der Vertragsfreiheit, so dass die entsprechende Bindung des einfachen Gesetzgebers sinnlos wird. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die staatliche Gewalt als dem Gemeinwohl unter-

138 139 140 141

Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 21 ff. Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 55 ff. Vgl. die Beispiele von Busche, Privatautonomie, S. 113 ff. Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 IV.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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worfen142. Das Gericht geht davon aus, dass der Eingriff in ein Grundrecht nur dann als gerechtfertigt angesehen werden kann, soweit der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlinteressen verfolgt143. Auf jeden Fall ist der Rechtsbegriff unbestimmt und bedarf folglich der Auslegung. Der einfache Gesetzgeber hat die Aufgabe, das Gemeinwohlkriterium in verschiedenen Gesetzen zu positivieren. Diese werden aber aus der Sicht der Verfassungsmäßigkeit überprüft. Die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist ein charakteristisches Beispiel dafür, dass der Gesetzgeber ein Gemeinwohlziel von hinreichendem Gewicht verfolgen muss, damit die Verhältnismäßigkeitskontrolle stattfinden kann144. c) Die Ausübung und der Missbrauch der Vertragsfreiheit aa) Die besonderen Formen der Vertragsfreiheit In der Regel werden die Privatrechtsverhältnisse des Individuums durch Verträge autonom gestaltet. Für Schuldverhältnisse wird das in § 311 Abs. 1 BGB ausdrücklich vorgesehen. Dies entspricht dem Wesensgehalt des Begriffs der autonomen Regelung. Jede Person kann ihre Entscheidungen über Rechtsbindungen selbst treffen145. Die Institutsgarantie der Vertragsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG erfasst die Vertragsautonomie beider Vertragsparteien. Sowohl der einfache Gesetzgeber als auch der Richter sind verfassungsrechtlich verpflichtet, die Privatrechtsordnung so zu gestalten, dass ein Minimum von Selbstregelungsmöglichkeit für beide Parteien unantastbar bleibt146. Diese Feststellung kommt besonders bei solchen Fällen in Betracht, bei denen der eine Vertragsschließende seine wirtschaftliche oder geistige Machtlage ausbeutet und dadurch seinen Vertragspartner zu einer heteronomen Vertragsregelung zwingt147. Obwohl zweifelsfrei ist, dass der Menschenwille neben der gesetzlichen Anordnung als Rechtfertigungsgrund der vertraglichen Bindung

142 BVerfG v. 22. 02. 2011, DÖV 2011, 325 = JuS 2011, 665: „Grundrechtsgebundene staatliche Gewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG ist danach jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen, weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt.“ 143 BVerfG v. 24. 11. 2010, NJW 2011, 441 = NVwZ 2011, 94. 144 Vgl. BVerfG v. 01. 02. 2011, GesR 2011, 241 = ZMGR 2011, 113; BVerfG v. 30. 07. 2008, JA 2008, 906, 907 = NJW 2008, 2409: „Um vor der Garantie der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Bestand haben zu können, müssen Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. (…) Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen der Berufsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. (…)“ 145 Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 I. 146 Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 IV; Erman/Armbrüster, Vor § 145 Rn. 26. 147 Mehr dazu unten Teil 1 B. II. 1. e) bb) f., § 3 B I 5.2. f., Teil 1 B. II. 2.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

anzusehen ist, stellt die Erkenntnis, ob dieser Wille auch tatsächlich frei ist, heute eine der größten Schwierigkeiten in der Lehre des Vertragsrechts dar148. Beim Inhalt der Vertragsfreiheit unterscheidet man zwischen Vertragsabschlussund Vertragsgestaltungsfreiheit. Die erstere Form erfasst sowohl die Entscheidungsfreiheit149 der Person, ob sie einen Vertrag abschließen wird (sog. positive Abschlussfreiheit) oder nicht (sog. negative Abschlussfreiheit), als auch die Freiheit, den Vertragspartner zu wählen. Sie betrifft das „Ob“ und „Mit wem“. Die letztere Form geht mit der freien Bestimmung des Inhalts des Vertrags (sog. lex contractus) einher. Sie betrifft das „Wie“ des Vertrages150. Dazu gehört auch die Freiheit der Parteien, den Inhalt des abgeschlossenen Vertrags zu ändern oder diesen völlig aufzuheben (§ 311 Abs. 1 BGB) sowie die sog. Typenfreiheit, nach der die im Besonderen Teil des Schuldrechts vorgesehenen und geregelten Vertragstypen keinen numerus clausus darstellen; die Vertragschließenden können im Rahmen der Vertragsfreiheit sowohl andere Vertragstypen schaffen, als auch die geregelten Typen modifizieren151. Die Gestaltungsfreiheit setzt logischerweise die Abschlussfreiheit voraus, weil diese ohne Inhalt bleibt, soweit es die Abschlussfreiheit (besonders im Fall des sog. Kontrahierungszwangs) gar nicht gibt152. Umgekehrt ist es aber möglich, dass die Abschlussfreiheit besteht, aber die Parteien (oder nur die eine) über keine Inhaltsgestaltungsmöglichkeit verfügen. Grund dafür ist einerseits die Geltung einer großen Zahl von Vorschriften zwingenden Rechts im BGB (z. B. § 343 BGB153) und in anderen Gesetzen, die durch den Privatwillen nicht umgangen werden dürfen und andererseits die strukturelle Ungleichgewichtslage, die verschiedene Vertragstypen (z. B. Verbraucher-, Individualarbeitsverträge) charakterisiert und die der einen Partei erlaubt, ihre Interessen insbesondere durch vorformulierte Klauseln in einer gewissen Einseitigkeit durchzusetzen. Es steht außer Frage, dass die vorgenannte Unterscheidung nicht nur rechtstheoretische Bedeutung hat. Jede Form der Vertragsfreiheit hat eigene Charakteristika und knüpft an unterschiedliche Interessen an154. Zugleich ist auch die Intensität der Vertragsfreiheit in jeder dieser Formen unterschiedlich. Die Ausübung der Vertragsfreiheit in der Form der Gestaltungsfreiheit verbindet sich insbesondere 148

Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 I; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 9; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 101 ff. („Schutz der Entscheidungsfreiheit“); Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 88 ff. 149 Generell zur Entscheidungsfreiheit siehe Medicus, AT BGB, Rn. 51 ff. 150 Eingehend dazu Wolf/Neuner, AT, § 10 Rn. 33 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 8; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 113 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 66 ff. Erman/Kindl, § 311 Rn. 1 ff.; Erman/Westermann, Einl. § 241 Rn. 10 ff.; Erman/ Armbrüster, Vor § 145 Rn. 26 ff.; Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 1 ff. 151 Vgl. Erman/Kindl, § 311 Rn. 3 ff. 152 Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4. 153 Mehr dazu siehe unten Teil 2 A. II. 2. c). 154 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 118 ff.

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mit der Ausgleichung der gegenüberstehenden Interessen der Parteien. Hier ist nämlich die gerechte Regelung von Rechten und Pflichten im Rahmen des Vertrages von Bedeutung. Deswegen spielt die ausgleichende Gerechtigkeit (sog. iustitia commutativa) im Sinne der aristotelischen Konzeption die Hauptrolle155. Im Gegensatz dazu geht die Abschlussfreiheit insbesondere mit dem Genuss eines Guts als Leistung und mit der Auswahl des Gegenpartners einher. Dabei handelt es sich um die Verteilungsgerechtigkeit (sog. iustitia distributiva)156 und andere Grundsätze (Gleichheitsgrundsatz, Vertrauensprinzip). Die Behandlung des Problems führt weiter zu Differenzierung dieser zwei grundlegenden Formen der Vertragsfreiheit hinsichtlich ihrer Erscheinungsintensität. Diese Differenzierung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Gestaltungsfreiheit im Rahmen eines frei abgeschlossenen Vertrages grundsätzlich eine Mitbestimmungsfreiheit beider Vertragsschließenden widerspiegelt. Sofern es jedoch um die Abschlussfreiheit, also um das „Ob“ des Vertrages (Auswahl der Leistung oder der Person des Partners) geht, wird die entsprechende Entscheidung nur einseitig getroffen. Aus dieser Sicht ist der Ansicht zuzustimmen, dass die Mitberücksichtigung der Interessen der anderen Partei bei Ausübung der Abschlussfreiheit logischerweise schwächer ist als bei der Gestaltungsfreiheit157. Demzufolge wird die Pathologie des freien Willens in jeder der zwei Erscheinungsformen der Vertragsfreiheit an prima facie unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben gemessen. Der historische Gesetzgeber hat sich für unterschiedliche rechtspositive Grundlagen für den Schutz des Individuums entschieden158. Gemeint sind damit vor allem § 138 BGB für die Fälle der Störung der Vertragsgestaltungsfreiheit und § 826 BGB für die Fälle der Abschwächung der Abschlussfreiheit durch die ungerechtfertigte Verweigerung der anderen Partei. bb) Die generellen Grenzen der Vertragsfreiheit im System des individuellen Schutzes des BGB Historisch gesehen wurde die Vertragsfreiheit niemals und in keinem privatrechtlichen System ohne Grenzen konzipiert. Selbstverständlich sind diese Grenzen entsprechend der Intensität der Ideen des politischen und ökonomischen Liberalismus, welche die Basis dieses Rechtsprinzips darstellen, in jeder Zeit verschiedenartig159. Soweit diese Freiheit der Person eingeräumt wird, in dem Sinne, dass sie 155

Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 II, § 6 I. Mehr zum aristotelischen Begriff der Gerechtigkeit siehe in Teil 1 B. III. 1. a). 157 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 116 ff. 158 Zum System der im BGB enthaltenen Beschränkungen der Vertragsfreiheit zugunsten des Schutzes der schwächeren Partei siehe Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 II; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 I, II. 159 Zur historischen Entwicklung der Vertragsfreiheit Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 547 ff. 156

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

nicht nur Individuum, sondern auch Mitglied der staatlich organisierten Gesellschaft ist, kann die Freiheit vom Gesetz nicht als grenzenlos verstanden werden. Die Rechtsordnung selbst setzt solche Grenzen, die für ein friedliches Zusammenleben erforderlich sind. Die Funktion der Vertragsfreiheit ist nur innerhalb der gesamten Rechtsordnung denkbar. Vor allem wird diese Freiheit durch die identische Freiheit des anderen Vertragspartners begrenzt. Aus dem Mechanismus des Vertrages ergibt sich, dass die vertragliche Selbstbestimmung jedes Vertragspartners durch die entsprechende Selbstbestimmung des anderen Partners beschränkt wird, da der Vertrag seine Regelungsfunktion als Mittel zur gerechten Ausgleichung nur dann erfüllen kann, wenn sein Inhalt dem Willen beider Parteien tatsächlich entspricht160. Allgemein ist davon ausgehen, dass jede rechtliche Befugnis des Einzelnen immanenten Schranken unterliegt. Diese Schranken sind durch das Ziel definiert, warum die Rechtsordnung dem Einzelnen diese Befugnis eingeräumt hat. Eine immanente Schranke kann auch die Freiheit des Anderen sein. Durch die gegenseitige Anerkennung wird die Gleichheit in der Gesellschaft verstärkt und die Gemeinverträglichkeit befestigt161. Dieses Gegenseitigkeitsprinzip ist eine moralische Regel der westlichen Zivilisation. Einen derartigen Grundsatz kann man auch hinsichtlich der Gewährleistung von Gleichheit der Vertragspartner und Erreichung eines gerechten vertraglichen Ergebnisses nicht übersehen. In den Fällen wirtschaftlicher oder organisatorischer Ungleichgewichtslagen, in denen eindeutig ist, dass die autonome Selbstbestimmung zur Befriedigung eigener Interessen nicht am gleichen Maß für beide Partner gilt, tritt die Funktion des Vertrages als soziale Institution in den Vordergrund. Im Verfassungsrecht drückt die Formulierung des Art. 2 Abs. 1 GG („Rechte Anderer“) diese Existenz immanenter Schranken aus. Dies gilt auch für die Vertragsfreiheit162. In diesem Sinne gewährleistet das Grundgesetz die Vertragsfreiheit als eine relativierte Befugnis. Im System des BGB setzt eine Reihe von Vorschriften generelle Grenzen für die Vertragsfreiheit mit dem Ziel des Schutzes der Entscheidungsfreiheit des Individuums sowohl beim Abschluss als auch bei der inhaltlichen Gestaltung des Vertrages. Lorenz kategorisiert diese Rechtsvorschriften und unterscheidet zwischen zwei Untergruppen. Typisierten Schutz im Sinne der Nichtberücksichtigung von Kriterien des Einzelfalls, sondern in typisierender Weise bieten die §§ 104 – 113 BGB hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit163, § 125 BGB, der die Nichtigkeit wegen Formmangels anordnet164, und § 134 BGB hinsichtlich der Nichtigkeit wegen Gesetzeswidrigkeit165. Hinzu kommen die Vorschriften, die die Nichteinbeziehung und 160 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 81 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4. 161 Weber-Grellet, Rechtsphilosophie, Rn. 135. 162 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Grundrechte, § 8 Rn. 410. 163 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 88 ff. 164 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 103 ff. 165 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 115 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorsehen (z. B. §§ 305, 305a, 305c, 308, 309 BGB), sowie die, die ein Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften (§ 312 BGB)166, Fernabsatzverträgen (§ 312d BGB)167 und Verbraucherdarlehensverträgen (§ 358 BGB)168 anordnen. Individualisierter Schutz der Entscheidungsfreiheit wird vor allem präventiv durch Verhinderung des Vertragsschlusses (z. B. bei Dissens) erreicht169. Dazu zählt man auch die Auflösungsrechte wie z. B. die Irrtumsanfechtung (§§ 119 ff. BGB)170, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 f. BGB)171 und die Anfechtung wegen Drohung (§ 123 BGB)172. Auch deliktsrechtlich wird die Entscheidungsfreiheit nach §§ 823173, 826174 BGB geschützt. Zusätzlich wird die Vorschrift des § 311 Abs. 2 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB, die die sog. culpa in contrahendo einführt, als Schutzinstrument zur Lösung von unerwünschten Verträgen angesehen175. Dem Schutz der Entscheidungsfreiheit soll auch § 138 BGB dienen, der aber durch die generelle Formulierung und die Verwendung der Generalklausel der guten Sitten keinen bestimmten Ansatzpunkt für die Kontrolle von Ungleichgewichtslagen bietet176. Charakteristisches Merkmal der Kategorie der typisierten Schutz bietenden Vorschriften ist, dass sie Situationen typischer Unterlegenheit (z. B. Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis) oder als in der Regel gefährlich betrachtete Vertragstypen (z. B. Haustürgeschäfte) betreffen. Die Untergruppe des individualisierten Schutzes erfasst dagegen solche Mechanismen, die eine Entscheidungsfreiheit der Person gewährleisten, genauer gesagt auf der Basis bestimmter Gesichtspunkte des Einzelfalls und nicht generell ungerechter Verhältnisse. Daher kommt man zu der Schlussfolgerung, dass ein umfangreiches Netz von Schutzvorschriften für die Entscheidungsfreiheit im Recht des BGB enthalten ist. d) Die Vertragsfreiheit: Von einem individualistischen Prinzip zu einer Institution mit sozialer Funktion Der Rechtstheoretiker, der sich mit den Grenzen der Vertragsfreiheit beschäftigt, darf die historische Entwicklung der Institution im Laufe der Zeit nicht übersehen. Es handelt sich dabei um eine Konzeption, die von Natur aus mit ideologischen, politischen, ökonomischen und sozialen Abwägungen verbunden ist. Aufgrund des 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176

Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 122 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 204 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 171 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 213 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 260 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 314 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 348 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 380 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 384 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 387 ff. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 245 ff.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Wandels dieser Verhältnisse ändern sich zeitlich auch der Charakter und der Inhalt der Vertragsfreiheit. Aus dieser Sicht wird die Betrachtung der Entwicklung des Vertragsrechts im 18. und 19. Jahrhundert erforderlich. Denn das Prinzip der Vertragsfreiheit basiert auf wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen in dieser Periode. Die Umwandlung der Lebensverhältnisse im 20. Jahrhundert durch die Industrialisierung und Technologiesierung der Produktionsverhältnisse hat bedeutende Folgen auch im traditionellen Vertragsrecht mit sich gebracht177. Einerseits liegt eine Beschränkung des Bereichs der Privatautonomie wegen der Regulierung sozial wichtiger Räume durch verwaltungsrechtliche Vorschriften vor. Andererseits wird der Liberalismus, dessen Ergebnis die Vertragsfreiheit ist, nach Anspruch weiterer Schichten der Gesellschaft sozialer gestaltet178. Im modernen Vertragsrecht kann die Vertragsfreiheit nicht alle Vorschriften (z. B. § 313 BGB) dogmatisch rechtfertigen179. Es wäre aber sinnlos zu behaupten, dass das Prinzip der Privatautonomie keine zentrale Rolle im heute geltenden Privatrecht mehr spielt, sondern durch andere Prinzipien (z. B. die Vertragsgerechtigkeit) ersetzt worden ist180. aa) Die Vertragsideologie des BGB aus einer historischen Sicht (1) Die klassische Vertragstheorie Das BGB stellt einen Kodifikationsversuch des sog. Pandektenrechts auf eine abstrakte und systematische Weise dar. Ziel der Verfasser war die systematische Reinheit der Kodifikation in dem Sinne, dass sie dualistisch geprägt war. Die neuen sozialen und wirtschaftlichen Probleme (z. B. im Miet- und Arbeitsrecht) sollten durch spezielle Gesetze und nicht im BGB selbst geregelt werden, damit die Vertragsfreiheit als zentrale Entscheidung des Gesetzgebers intakt blieb181. Der klassische Begriff des Vertrages mit seinen kulturellen und rechtlichen Dimensionen hat sich vor allem in den Werken von Savigny, Puchta und Windscheid entwickelt182. Charakteristika dieser Theorie sind die Tendenz zu Abstraktion und die Konzeption der sozialpolitischen Neutralität der Vorschriften des Vertragsrechts183. 177 Wieacker, Industriegesellschaft, S. 23 ff.; ders., Privatrechtsgeschichte, S. 514 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 35 ff.; Papanikolaou, Peri ton orion, S. 96 ff. 178 Vgl. Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 35 ff.: „Vom klassisch liberalen zum liberal-sozialen Privatrecht“. 179 Bydlinski, Privatautonomie, S. 122 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 35 ff. 180 Vgl. auch Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 9; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 35 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 131 ff.; Hönn, Kompensation, S. 302 ff. 181 Wolf, AcP 182 (1982), 80, 84 ff. Überblick über die Diskussionen im 19. Jahrhundert in Hofer, Freiheit, passim. 182 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 14 ff.; Bürge, Rechtsdogmatik, S. 127 ff. 183 Wieacker, Industriegesellschaft, S. 9 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Erwähnenswert sind die Einflüsse der kantischen Philosophie über die Freiheit des Menschen184 und der klassischen ökonomischen Theorie des laissez-faire185. Das soziale Vorbild, auf das sich die klassische Vertragstheorie stützt, ist der mittelbürgerliche Eigentümer und Unternehmer, welcher der Eigentums-, Vertrags- und Unternehmensfreiheit bedarf, um seine wirtschaftlichen Aktivitäten zu erweitern186. Dieses Vorbild setzt aber eine Person voraus, die sich autonom und vernünftig im Rahmen der Gesellschaft verhält. Das charakteristische Merkmal der abstrakten und generellen Formulierung von Regeln und Begriffen ist eine bewusste Entscheidung der Verfasser des BGB. Die abstrakte Regelung erlaubt eine Ausdrucksgenauigkeit, logische Kohärenz, begriffliche Disziplin und systematische Harmonie. Sie trägt auch zur Harmonisierung des Gesetzes nach den sich verändernden Lebensverhältnissen und zur Gleichbehandlung aller Rechtssubjekte bei187. Daran knüpft die Idee an, dass das Recht neutral sein müsse. Die Berücksichtigung sozialpolitischer und ökonomischer Aspekte sei auszuschließen. Unvertretbar sei auch die Möglichkeit des Richters, die vertragliche Regelung zu prüfen. Die gerechte Ausgleichung der Interessen der Parteien solle ausschließlich nach ihrem Willen erreicht werden188. Auf der Basis der vorgenannten formalistisch positiven Konzeption des Vertragsbegriffes über die Neutralität des Vertragsrechts liegt die kantische Philosophie189. Unter Beeinflussung der Lehre Kants über den freien Willen der Person haben Savigny und die anderen Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts die Vertragsfreiheit als einen rein typischen Begriff gebildet und die vorkantische Ethik des Naturrechts beseitigt190. Die Pandektentheorie, deren geistiges Werk das BGB ist, hat nicht nur philosophische, sondern auch ökonomische Elemente. Der entscheidende Faktor der ideologischen Richtung der klassischen Vertragstheorie ist die Idee des ökonomischen Liberalismus. Obwohl die Verfasser des BGB die Kodifikation durch die

184 Mehr dazu in Wieacker, Industriegesellschaft, S. 10 ff., 58 ff.; ders., Privatrechtsgeschichte, S. 375 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 37 ff. 185 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 14 ff. 186 Vor allem Wieacker, Industriegesellschaft, S. 14 ff. 187 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 52 f.; ders., Privatrechtsgeschichte, S. 477 f. 188 Diese Ideen von Savigny und Windscheid sind in Wieacker, Industriegesellschaft, S. 58 ff. und ders., Privatrechtsgeschichte, S. 431 ff. erörtert, der die Phrase Windscheids „ethische, politische oder volkswirtschaftliche Erwägungen sind nicht Sache des Juristen als solchen“ erwähnt; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 8 ff.; Hönn, Kompensation, S. 5 ff. 189 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 431 ff. Zum Begriff der Freiheit bei Kant siehe Huda, Freiheit, S. 91 ff. 190 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 10 ff., 58 ff.; Hönn, Kompensation, S. 5 ff.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

ökonomische und soziale Situation ihrer Zeit nicht prägen wollten191, ist davon auszugehen, dass die pandektistische Konzeption des Vertrages liberal ist192. Das 19. Jahrhundert wird als die Periode betrachtet, in der die liberale Ideologie auf politischer und wirtschaftlicher Ebene herrscht. Dies führt zu einer individualistischen Organisation der Gesellschaft. Der Individualismus als Gesellschaftsform steht in voller Blüte, weil der Mensch seine Probleme nur durch die eigenen Kräfte lösen kann. Einerseits wird das Deutsche Reich industrialisiert und die Menschen lassen sich in den Industriezentren des Staates nieder. Andererseits bleiben die Agrargesellschaft und der Kleinbetrieb noch immer die Regel. Die Arbeitsverteilung, die erhöhte Spezialisierung, die gesichtslosen Verhältnisse des Marktes und des Wettbewerbes haben diese individualistische soziale Situation geschaffen. Der Einzelne muss für sich selbst sorgen193. Die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts betrachtet die Vertragsfreiheit und andere Rechtsinstitute (z. B. das Privateigentum) als Werte, die sich auf das Selbstbewusstsein und die Selbstverantwortung des Individuums stützen. Die Ablehnung der sozialen Gerechtigkeit ist nicht aus materialistischen Gründen, sondern aus der Ansicht zu erklären, dass der gesunde Wettbewerb das geeignete Mittel zur Erreichung dieser Gerechtigkeit ist. Der Anspruch auf Vertragsgerechtigkeit erschöpft sich in der Regulierung eines fairen Spiels. Die Verfasser des BGB sind auf solche liberalen Regeln (z. B. § 138 Abs. 2 BGB), die den Wettbewerb gewährleisten können, stolz194. Diese Konstellation, die auf der Ideologie des Liberalismus basiert, hat den Begriff der Vertragsfreiheit nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beeinflusst. Die Herrschaft der liberalen Ideen ist nicht nur im kontinentaleuropäischen Raum, sondern auch in England ersichtlich. Die Vertragsfreiheit wird als absolutes Prinzip angesehen und die Vertragsbindung ist heilig, soweit sie einen volljährigen und geistig gesunden Vertragsschließenden betrifft. Der Schwächere, der Unkundige, der Unerfahrene, der Schwachsinnige sind nicht schutzbedürftig und die Gerichte vermeiden es, die Gerechtigkeit des Vertragsinhaltes zu überprüfen. Die Formulierung von Sir George Jessel erscheint aussagekräftig: „I am not, as I consider, to decide cases in favour of fools or idiots, but in favour of ordinary English people, who understand English when they see it, and are not deceived by any difference in type, but who have before them a very plain statement.“ (Zitat aus dem Fall Singer Manufacturing Co. v. Wilson (1876) L.R. 2 Ch. Div. 434, 447)

In diesem Rahmen kann man die Ablehnung jeder Kontrolle der Vertragsstrafe als Tendenz der Entwurfsdiskussion des BGB verstehen195. 191

Statt vieler Wieacker, Industriegesellschaft, S. 56 ff. Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 14 ff.; Hönn, Kompensation, S. 5 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 8 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 37 ff. 193 Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 38. 194 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 22 ff. 195 Vgl. oben Teil 1 A. VII., VIII. 192

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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(2) Der Ausnahmecharakter der Grenzen der Vertragsfreiheit im System des BGB Im System des Vertragsrechts des BGB, dessen Grundgedanke die aus den Vorstellungen des Wirtschaftsliberalismus entstandene Vertragsfreiheit darstellt, ist logisch, dass die jeweils denkbaren Grenzen dieser Freiheit als Ausnahmen betrachtet werden. Aus dieser Sicht heraus ist leicht zu erklären, warum die generellen Schranken der Vertragsfreiheit nur für Grenzsituationen vorgesehen worden sind (z. B. Verstoß gegen das Gesetz nach § 134 BGB, Verstoß gegen die guten Sitten nach §§ 138, 926 BGB)196. Diese Vorbehalte dienen auch dem moralischen Ziel der Beschränkung des Missbrauchs der Freiheit. Als Ausnahmeregeln werden auch die Vorschriften formuliert, die den Vertragsschluss betreffen197. Nur in den Fällen der Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) und der Willensmängel (§§ 116 ff. BGB) wird angenommen, dass die Voraussetzungen der gerechten Funktion des Vertragsmechanismus fehlen, und der Gesetzgeber es verweigert, der vertraglichen Regelung Wirksamkeit zu verleihen, um den Vertragsschließenden vor den Gefahren eines nicht gewollten Ergebnisses zu schützen198. Dagegen bleibt die Störung der Entscheidungsfreiheit, die sich aus der wirtschaftlichen oder geistigen Unterlegenheit der einen Partei im Rahmen der heutigen Marktwirtschaft ergibt, grundsätzlich außer Betracht des historischen Gesetzgebers des BGB199. bb) In Richtung einer materiellen Vertragsfreiheit und einer sozialen Funktion des Vertragsinstitutes heute (1) Die Krise des Dogmas der Vertragsfreiheit Seit Anfang des 20. Jahrhunderts und vor allem nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat eine allmähliche und tiefgreifende Änderung der sozialen und ökonomischen Verhältnisse stattgefunden. Diese Wandlung bildet die Basis der traditionellen Vertragstheorie und erschüttert deren Grundlagen. Als falsch erweist sich dabei die Vorstellung, dass die Selbstregulierung des Marktes zum individuellen und kollektiven Wohlstand führen könne200. Das größte Problem daran ist, dass die Entscheidungsfreiheit beider Vertragsparteien durch die klassische Konzeption der Vertragsfreiheit für gegeben gehalten wird, während man von einer faktischen Ungleichheit der Vertragspartner in der Praxis ausgehen muss201. Es ist festzustellen, dass die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Geschäftsverkehr die Tatsache beweist, dass der Markt durch ökonomische, soziale und organisatorische 196 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 25; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 480 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 40. 197 So Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 II. 198 Vgl. statt vieler Erman/Armbrüster, Vor § 145 Rn. 39 ff. 199 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 144 ff. 200 Kritik aus dieser Sicht Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 9 ff. 201 So auch Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 9 ff.

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Ungleichgewichtslagen charakterisiert wird. Infolgedessen wird selbst das Minimum der Verhandlungsfähigkeit des schwächeren Partners aufgehoben. In solchen Fällen, in denen der schwächere Partner keine andere Möglichkeit hat als den Vertrag unverändert und ohne Verhandlungen abzuschließen („take it or leave it“), wird offensichtlich, dass der vertragliche Inhalt nicht der Entscheidungsfreiheit dieses Partners entspricht. Dies schließt folglich ein gerechtes vertragliches Ergebnis für beide Vertragsschließenden aus. Dieser Unterschied zwischen dem formellen und dem materiellen Begriff der Vertragsfreiheit hat die grundlegende Schwäche der klassischen Vertragstheorie aufgezeigt, die sich auf die Idee einer typischen Gleichheit der Vertragspartner gestützt hat202. So wird die sog. Krise des Dogmas der Vertragsfreiheit bezeichnet. Die Ungleichgewichtslagen haben den Glauben an die Privatautonomie als Legitimationsbasis des Vertragsinstitutes erschüttert. Welchen Umfang diese Krise hat, ist eine Frage, die im Fortgang der vorliegenden Arbeit noch analysiert werden muss. (2) Die Gründe der Änderungen Es gibt vor allem zwei Gründe, die zum Scheitern der Struktur der klassischen Vertragstheorie geführt und eine neue Konzeption der Vertragsfreiheit erforderlich gemacht haben. Ein Grund sind die Änderungen der Strukturen sozialer Verhältnisse, welche hauptsächlich das Ergebnis der Entstehung großer Unternehmen sind. Der zweite wichtige Grund liegt in der Entwicklung der Verbrauchergesellschaft, welche das Problem der strukturellen Ungleichheit der Vertragspartner und die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen mit sich bringt203. Die Industriegesellschaft des 20. und die Dienstleistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts werden durch die Konzentration großer Kapitalien und die Entstehung enormer wirtschaftlicher Einheiten gekennzeichnet. Die technologische Innovation, die massive Produktion und der Wettbewerb erfordern eine rationale Organisation des Unternehmens. Diese Anforderungen erfüllt heute die Rechtsform der juristischen Person (üblicherweise Kapitalgesellschaft). Dies führt oft zur Bildung von Konzernen. Gleichzeitig werden Handels- und Unternehmensvereinigungen gegründet, die bei den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ereignissen mitwirken. Diese soziale Umstrukturierung, die seit Jahrzehnten ersichtlich ist, hat aber auch eine Umwandlung der sozialen Hierarchie herbeigeführt. In den modernen Massenproduktions- und Massenverbrauchsverhältnissen ist das Individuum entweder als Arbeitnehmer oder als Verbraucher von der organisierten Form der sozialen und wirtschaftlichen Aktivität, die Unternehmen, Verein oder Vereinigung heißt, abhängig. Dadurch ändert sich aber auch das traditionelle theoretische Vorbild, nach dem das Recht der Schuldverhältnisse entstanden ist. An die Stelle des unabhängigen mittelbürgerlichen Eigentümers oder Unternehmers tritt nun der schwache 202 203

Vgl. Hönn, Kompensation, S. 7 ff., 16 ff., 298 ff. Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 23 ff.

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vertragsschließende Arbeitnehmer und Verbraucher, dessen Entscheidungsfreiheit durch einen Mangel an Verhandlungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten beschränkt wird204. Aus diesem Grund wird das Bedürfnis des sozialen Staates, der sich durch soziale Schutzvorschriften verwirklicht, höher. Das traditionelle Vertragsmodell, auf dem das ganze Vertragsrecht basierte und das nach den Vorstellungen des Wettbewerbs imstande war, alle Missbräuche zu beseitigen, wird stark unterminiert. Die Konzentration solcher wirtschaftlichen Kräfte birgt Gefahren in sich, wie z. B. den Missbrauch von Monopolstellungen, Kollusionen, Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen. Bei solchen Herausforderungen kann aber die staatliche Ordnung nicht teilnahmslos bleiben. Maßnahmen in Form von Schutzvorschriften treten als Antwort in Kraft205. Noch bedeutender ist aber ein anderes charakteristisches Merkmal der heutigen Gesellschaft. Empfänger der Endprodukte und Dienstleistungen sind danach auch mittlere und untere Klassen der Gesellschaft. Der Lebensstandard wird immer besser, die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen steigt und die Befriedigung aller Bedürfnisse des Verbrauchers wird ein Ziel der Marktfunktion. Das wichtigste Problem, das sich aus dieser Entwicklung ergibt, ist die Tatsache, dass die Willensbildung der Einzelperson durch verschiedene Faktoren (z. B. Werbung, Standardisierung von Produkten) erschwert wird. Katexochen aber wird die Entscheidungsfreiheit der Person durch die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen beschränkt. Dieses Phänomen, also der Gebrauch vorformulierter Klauselwerke, trägt zur Standardisierung, Beschleunigung und Vereinfachung des Geschäftsverkehrs bei. Betroffen ist vor allem die Seite des Angebotes. Die Massennachfrage, welche die Verbrauchergesellschaft charakterisiert, ist mit der Massenproduktion und folglich dem standardisierten Vertrag verbunden. Heute wird eine große Anzahl von Verträgen (z. B. Bank-, Versicherungs-, Beförderungs-, Kaufverträge) mithilfe Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf der Basis der Geschäftspraxis „take it or leave it“ abgeschlossen206. Dadurch tritt der Verwendungsgegner in eine Situation struktureller Unterlegenheit im Vergleich zum Verwender solcher Klauseln ein, die seine autonome Willensbildung beschränkt und die Möglichkeit eines gerechten Vertragsergebnisses mehr oder weniger beseitigt. Die Rechtsordnung hat aber das Problem früh erkannt und die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. cc) Der Inhalt der modernen Vertragskonzeption Die soziale und wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst das moderne Vertragsrecht tiefgreifend in zwei Dimensionen. 204

Vgl. Hönn, Kompensation, S. 6 f.; Wieacker, Industriegesellschaft, S. 26 ff.; Larenz/ Wolf, AT, § 2 Rn. 41 ff. 205 Vgl. etwa Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4 I. 206 Mehr zum Gebrauch vorformulierter Vertragsklauseln und vor allem Vertragsstrafen siehe unten Teil 3 B. II. 2.

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Einerseits handelt es sich um das Bedürfnis der Einwirkung des sozialen Staates. Dieser verpflichtet sich, entsprechende Normen in Kraft zu setzen, damit besondere Regelungszwecke erreicht werden. Der Privatautonomie wird damit ein Regelungsraum durch Vorschriften zwingenden Rechts entnommen. Charakteristische Bereiche, in denen dieses Bedürfnis groß ist, sind z. B. das Arbeits- und Mietrecht. Diese stellen Paradigmata sozialstaatlicher Einflüsse auf das Privatrecht dar207. Die Feststellung, dass es Schuldverhältnisse gibt, die durch sozialtypische Ungleichheit der Vertragspartner gekennzeichnet werden sowie das Bedürfnis, dass der in der Regel schwächere Partner (Arbeitnehmer, Verbraucher, Mieter) geschützt werden muss, haben zu solchen paternalistischen Lösungen geführt208. In der Tat bleibt die Abschlussfreiheit der Vertragspartner unberührt, aber ihre Gestaltungsfreiheit wird durch Vorschriften unabdingbaren Rechts beschränkt. Eine andere Gruppe von Vorschriften, welche die Vertragsfreiheit einschränken, sind die, die das sog. Wirtschaftsrecht bilden. Es handelt sich um Regeln, die in Kraft treten, um die Funktion des Marktes zu regeln. Diese Normen sind meistens in speziellen Gesetzen und nicht im BGB enthalten (z. B. Gesetze über die Finanzpolitik, den Außenhandel, den Schutz des Wettbewerbs), in denen Abwägungen genereller Politik und öffentlichen Interesses überwiegen. Dies verleiht ihnen einen öffentlich-rechtlichen Charakter. Anders gesagt erfüllen diese Vorschriften andere Funktionen als das Vertragsrecht des BGB. Deswegen kann man nicht behaupten, dass das moderne Vertragsrecht nur in Abhängigkeit vom Wirtschaftrecht zu verstehen ist. Die systematische Reinheit des Vertragsrechts des BGB bleibt intakt, so dass die Bedeutung der aus der Entwicklung des Wirtschaftsrechts resultierenden Änderungen für den Begriff der Vertragsfreiheit des BGB gering bleibt. Andererseits handelt es sich um eine qualitative Änderung der Vertragsstruktur. Sie geht mit der Gestaltung einer gerechteren vertraglichen Ordnung in Hinblick auf eine neue raffinierte Konzeption des Vertragsfreiheitsbegriffes einher209. Diese Entwicklung ist für die vorliegende Darstellung wichtiger. Für den Dogmatiker des Zivilrechts betrifft diese Frage den Kernbegriff der Vertragsfreiheit selbst, die von der pandektistischen Rechtstheorie und der Ideologie des klassischen Liberalismus als ein individualistischer und typischer Begriff konzipiert worden ist. Die Schwierigkeit des Individuums, seine Entscheidungen frei und verantwortlich in der Welt des heutigen Marktes zu treffen, der Bruch des Vertrauens auf die wirtschaftlichen Kräfte des Marktes und die Ansicht, dass sich das individuelle Wohl nicht automatisch aus dem kollektiven ergibt, haben zu einer Umstrukturierung der Vertragsfreiheit ge-

207

Vgl. Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 41 ff. Zum Problem des Paternalismus im Vertragsrecht vgl. eingehend Enderlein, Rechtspaternalismus, passim. Zur fehlenden Entscheidungskompetenz als Rechtsfertigung paternalistischen Schutzes vgl. Enderlein, Rechtspaternalismus, S. 41 ff. 209 Vgl. zu den zwei Tendenzen Hönn, Kompensation, S. 7 ff.; Wieacker, Industriegesellschaft, S. 23 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 10 ff. 208

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führt210. Der Begriff der Vertragsfreiheit wird zunehmend materiell. Ihre Funktion verliert den individualistischen ökonomischen Charakter und nimmt soziale Elemente auf. Materiell wird das Verständnis der Vertragsfreiheit in dem Sinne, dass heute in der Geschäftspraxis die nicht freie Willensbildung der Vertragsschließenden vorherrscht. Der Vertrag wird nicht mehr als bloßes Verfahren von Übereinstimmung beider Willenserklärungen wahrgenommen. Dies stellte eine Grundregel unter Beeinflussung der Pandektentheorie im traditionellen Vertragsrecht dar. Vielmehr ist die Vertragsbindung von dem tatsächlichen Vorliegen und der Ausübung der Entscheidungsfreiheit abhängig. Die wesentliche Disparität hinsichtlich der Verhandlungsmöglichkeit und damit der Entscheidungsfreiheit ist der Faktor, der die Vertragsbindung beeinflusst211. Daraus ergibt sich eine Abweichung zwischen dem formellen und dem materiellen Begriff der Vertragsfreiheit. Auf dieser Basis kann die Rechtsordnung nicht jede Privatvereinbarung lediglich anerkennen, weil diese einfach das Vereinbarte von den Parteien wiedergibt. Sie muss die Vertragsbindung vielmehr verneinen, falls der Vertrag unter Umständen abgeschlossen worden ist, die indizieren, dass der Vertragsmechanismus keine autonome Regelung der Interessen der Vertragspartner und folglich kein gerechtes Ergebnis für beide Seiten gewährleisten kann212. Dieser Gedanke, dass der Vertrag die Interessen beider Partner ausgleichen muss, bezieht sich auf die soziale Funktion, die der Vertrag in der heutigen Praxis zu erfüllen hat. Dies bedeutet, dass die streng individualistische Ideologie, die die Vertragsfreiheit im klassischen Vertragsrecht charakterisierte, verlassen wurde und diese Freiheit nunmehr die Form der Selbstbestimmung angenommen hat, damit der Vertragsmechanismus kein Mittel zur Ausnutzung der schwächeren Partei wird213. Das Bedürfnis einer Ausgleichung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragspartner wird damit größer. Diese Aussage trifft den Kern des Begriffs der Vertragsgerechtigkeit214. Zugleich steigt die Notwendigkeit der Gewährleistung der Teilnahme am wirtschaftlichen Leben, damit ein Minimum von Lebensqualität garantiert wird215. 210 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 23 ff.; ders., Privatrechtsgeschichte, S. 514 ff.; Hönn, Kompensation, S. 7 ff., 16 ff., 238 ff.; Erman/Armbrüster, Vor § 145 Rn. 26. 211 Zum Begriff der materiellen Vertragsfreiheit vgl. vor allem Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung, S. 266 ff., 294; v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S. 46; Barnert, Die formelle Vertragsethik des BGB, S. 17 ff. 212 Mehr zum Vertrag als Mechanismus gerechter Regelung und zu den materiellen Voraussetzungen seiner Funktion in Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 81 ff. 213 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 302 ff.; Wieacker, Industriegesellschaft, S. 23 ff., 44 ff. 214 Zum Verhältnis der Vertragsfreiheit zur Vertragsgerechtigkeit durch das Verständnis des Vertrages als Mechanismus, der eine sog. Richtigkeitschance bietet, vgl. vor allem Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 67 ff., 81 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4; Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 145 Rn. 13. 215 Vgl. Wieacker, Industriegesellschaft, S. 44 ff.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

An diese Bedürfnisse knüpft die Idee der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Staates an, der der Gefahr von Missbräuchen wegen der strukturellen Disparität zwischen beiden Partner nicht gleichgültig bleiben darf216. Die Vertragsgerechtigkeit ist mit der materiellen Gleichheit der Vertragspartner vor allem im Sinne einer Chancengleichheit verbunden. Die traditionell individualistische Betrachtung der Privatautonomie im Vertragsrecht wird heute nicht befürwortet und gleichzeitig werden Prinzipien, wie das Vertrauensschutzprinzip und die ausgleichende Gerechtigkeit, als mitbestimmende Faktoren des Systems des Schuldrechts beobachtet217. In diesem System der materiellen Vertragsethik, der sozialen Selbstverantwortlichkeit und der Solidarität können die Mechanismen, die das traditionelle Vertragsrecht dem Schutz vor missbräuchlicher Ausübung der Vertragsfreiheit zur Verfügung stellt (z. B. §§ 138, 242, 826 BGB), einen neuen Charakter vorstellen. Dabei können sozialethische Kriterien eine wichtige Rolle spielen. Im Verfassungsrecht kann dieser Übergang von individualistischen zu sozialen Charakteristika die Berücksichtigung der drei Vorbehalte des Art. 2 Abs. 1 GG rechtfertigen, damit die Kontrolle des Missbrauchs der Vertragsfreiheit stärker wird. Dabei sollten die Rechte Anderer und vor allem die verfassungsmäßige Ordnung in den Vordergrund treten. Im Lichte dieser Ordnung, deren Element die Sozialstaatlichkeit ist, gewinnt die dialektische Synthese der Grundsätze der Vertragsfreiheit und der Vertragsgerechtigkeit an Bedeutung in dem Sinne, dass sich die Freiheit des einen, autonom an dem Austauschverfahren des Vertrages teilzunehmen, durch die Freiheit des anderen immanent beschränkt218. Diese Synthese erleichtert das dogmatische Verständnis der neuen, materiellen und raffinierten Vertragsfreiheit als Institution mit sozialer Funktion und ist eine Errungenschaft der kapitalistischen Gesellschaft219. Es ist zu betonen, dass die jeweiligen Abwägungen, die sich aus dem Begriff des sozialen Staates ergeben, nicht zu direkt anwendbaren Lösungen der privatrechtlichen Probleme führen können. Eine dogmatische Verarbeitung der technischen Mittel des Zivilrechts und vor allem der Generalklauseln (z. B. §§ 138, 242, 826 BGB) ist notwendig. Dies ist durch die sog. mittelbare Drittwirkung der im Grundgesetz angedeuteten Abwägungen möglich220. Es wäre aber unhaltbar zu behaupten, dass die Verbindung der Vertragsfreiheit mit der Vertragsgerechtigkeit, die im heutigen Vertragsrecht vollzogen wurde, eine Krise des traditionellen Dogmas der Vertragsfreiheit sei. Sozialisierung des Begriffs der 216

Zum Verhältnis zwischen der sozialen Funktion des Vertrages, der sozialen Gerechtigkeit und der Sozialstaatlichkeit siehe Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 619 ff. 217 Vgl. etwa Bydlinski, Privatautonomie, S. 122 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 44 ff.; Hönn, Kompensation, S. 36 ff. 218 Vgl. vor allem Wieacker, Industriegesellschaft, S. 44 ff. 219 Wieacker, Industriegesellschaft, S. 26 ff. 220 Mehr dazu unten Teil 2 A. II. 1. c) bb) (2) (b).

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Vertragsfreiheit bedeutet nicht ohne Weiteres, dass die Gerechtigkeit des vertraglichen Ergebnisses bei jedem Vertragsabschluss nachgeprüft werden muss221. Dagegen ist diese Kontrolle nur dann erforderlich, wenn die Vertragsfreiheit nicht existiert oder so weit beschränkt ist, dass die Vertragsbindung nicht legitimiert werden darf. Dann greift der Grundsatz der Vertragsgerechtigkeit korrigierend ein, um Missbräuche zu bekämpfen. Obwohl diese Fälle heute vorliegen, stellen sie keine Regel dar222. Der tatsächliche Grund, warum sich die Ausübung der Vertragsfreiheit als missbräuchlich erweisen kann, ist einfach die Schwierigkeit der Privatautonomie als Legitimationsgrundlage des Vertragsergebnisses zu funktionieren. Deswegen wird die Einwirkung der Rechtsordnung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, dass die Privatautonomie des schwächeren Partners geschützt werden muss. Die schwächere Partei ist diejenige, deren Entscheidungsfreiheit nicht besteht oder überwiegend beschränkt wird. Es geht um eine liberale Forderung, die mit der Beschränkung der Freiheit des einen zugunsten der Freiheit des anderen einhergeht223. Dieses Phänomen, ein Ergebnis der dialektischen Synthese der Vertragsfreiheit mit der Vertragsgerechtigkeit, birgt keinen Widerspruch in sich, soweit man die soziale Funktion des Vertragsinstitutes mitberücksichtigt224. Aus diesem Grund ist im heutigen Recht der Schuldverhältnisse die Rede von einem raffinierten Begriff der Vertragsfreiheit. e) Die sozioökonomische Funktion der Vertragsfreiheit als Abgrenzungskriterium der Gestaltungsfreiheit aa) Der Vertrag als Mechanismus gerechter autonomer Regelung Wie bereits erwähnt, erfüllt die Vertragsfreiheit heutzutage im Vertragsrecht auch eine soziale Funktion. Es handelt sich um die Gewährleistung der Möglichkeit, dass beide Vertragspartner zur Gestaltung des Vertragsinhaltes autonom mitwirken. Auf diese Weise wird die Vertragsfreiheit nicht mehr als status negativus (nämlich als Schutzbereich vor den staatlichen Eingriffen), sondern als dasjenige Institut angesehen, das die freie vertragliche Entscheidung schützen kann. Der Schwerpunkt liegt vor allem in der Sicherung der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung der Person. Nach der entsprechenden Lehre Schmidt-Rimplers sei der Vertrag seiner Natur nach ein Mechanismus225, der imstande sei, gerechte Lösungen zu schaffen. Gerecht sei die Lösung, die der Gerechtigkeit und zugleich der sozialen Zielsetzung entspreche. Die Zweckmäßigkeit könne aber nur dann akzeptiert werden, solange sie der 221 Vgl. auch Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 6 a; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 47 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 106 ff., 151 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 19 ff., 35 ff., 61 ff., 67 ff. 222 Vgl. Bydlinski, Privatautonomie, S. 131 ff. 223 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 302 ff. 224 Vgl. vor allem Wieacker, Industriegesellschaft, S. 26 ff., 44 ff. 225 Mehr zum Begriff des Mechanismus, der noch heute Bedeutung hat, siehe in Kling, Sprachrisiken, S. 200 f.

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Gerechtigkeit nicht entgegenstehe. Schmidt-Rimpler betont die Notwendigkeit einer freien Mitwirkung beider Parteien zur inhaltlichen Gestaltung des Vertrages. Die frei gebildete Entscheidung beider Vertragsschließenden könne die einzige Richtigkeitsgewähr sein. Wenn diese wesentliche Voraussetzung entweder sozialtypisch sei oder im konkreten Fall fehle, könne der Vertragsmechanismus seine Rolle als Mittel autonomer Regelung nicht spielen und deswegen müsse die Rechtsordnung korrigierend in das Privatverhältnis eingreifen226. Die Ansicht Schmidt-Rimplers über die Verbindung des Vertragsmechanismus mit der gerechten Ausgleichung der Interessen beider Vertragspartner hat Wolf in seinem klassischen Werk „Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich“ weiterentwickelt. Durch dieses Werk, das einen Versuch dogmatischer Aufklärung der Probleme der Disparität der Vertragspartner darstellt, hat die Lehre Schmidt-Rimplers über den Vertrag als Mechanismus gerechter Regelung einen Schritt nach vorne gemacht. Wolf geht davon aus, dass der Vertrag an sich keine Richtigkeitsgewähr bieten könne. Diese Funktion aber setze wirtschaftliche Gleichheit und Gleichgewicht bei den Verhandlungen voraus, deren Fehlen den Vertragsmechanismus hindere, Richtigkeitsgewähr zu werden. Aus diesem Grund sei die Vertragsbindung an die Möglichkeit einer gerechten Ausgleichung beiderseitiger Interessen angeknüpft. Aus dieser Sicht könne dieser Mechanismus nur eine Richtigkeitschance bieten. Wenn der eine Vertragspartner keinen richtigen Gebrauch dieser Chance im konkreten Fall gemacht habe, obwohl er könne, sei der abgeschlossene Vertrag nicht anders als bindend zu betrachten. Wenn aber keine objektive Möglichkeit zur Ausübung dieser Freiheit bestehe, dann sei es die Aufgabe der Rechtsordnung, den Inhalt des Vertrages zu korrigieren227. Inzwischen hat diese grundlegende Stellungnahme Wolfs, die den Privatautonomiegrundsatz in den Vordergrund des privatrechtlichen Systems stellt, Resonanz in der Lietaratur gefunden228. Kritik kommt aber seitens Fastrichs. Dieser setzt sich zu Recht gegen die generelle Akzeptanz des Elements der Entscheidungsfreiheit als eine weitere rechtsgeschäftliche Wirksamkeitsvoraussetzung ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ein, weil die Betrachtung mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht vereinbar sei229. Fastrich versucht den seiner Meinung nach scheinbaren Widerspruch zwischen der Privatautonomie und dem richterlichen Eingriff dadurch zu lösen, dass er zwei verschiedene Systemgedanken der Selbstbestimmung 226

Vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 ff. Vgl. auch Kling, Sprachrisiken, S. 196 ff. und Lobinger, in: Krebs (Hrsg.), Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 1995, S. 77, 85 ff. („Man muß auch hier, bis zur wirklichen Einsicht durchaus gesetzestreu, davon ausgehen, dass die Rechtsfolge erst dann gerecht ist, wenn sie auch gewollt ist.“). Zum Problem und zu den Einwirkungsmöglichkeiten auf den vertraglichen Ausgleich Medicus, AT BGB, Rn. 472 ff. 227 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 59 ff., 69 ff., 81 ff., 101 ff. und passim. 228 Statt aller Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 30 f.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 9. 229 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 39 ff.

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einerseits und der Ordnungsaufgabe anderseits für Elemente der Privatautonomie hält. Die Privatrechtsordnung habe nämlich auch eine Schutz- und Ordnungsfunktion als Aufgabe. Dadurch teilt Fastrich den Gedanken der fehlenden Richtigkeitsgewähr als Begründungselement für die richterliche Kontrolle, wie ihn auch die Rechtsprechung akzeptiert hat230. Dennoch sei der Ansicht Schmidt-Rimplers, dass die gerichtliche Inhaltskontrolle abzulehnen sei und der schützende Eingriff der Rechtsordnung nur die Form einer hoheitlichen Gestaltung, das heißt die Unwirksamkeit des entsprechenden Vertrages, haben müsse231, nicht zu folgen. Es sei zu berücksichtigen, dass diese eher paternalistisch sei. Diese gehe auf die nationalsozialistischen Forderungen nach Einordnung des Willens der Person unter den staatlichen Willen zurück232. Dagegen respektiere die Inhaltskontrolle die Privatautonomie der Vertragspartner mehr und führe zu flexibleren Lösungen233. bb) Das Versagen des Vertragsmechanismus als Grund des richterlichen Eingriffs Die bisherige Behandlung des Problems hat gezeigt, dass die Frage der vertraglichen Selbstherrlichkeit und Selbstbestimmung als mit der Vertragsgerechtigkeit verbunden betrachtet werden muss. Dieses Ergebnis bedeutet aber nicht, dass der Inhalt jedes einzelnen Vertrages hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit nachgeprüft werden muss. Es beweist nur die Art und Weise, auf die der Vertrag als Institution mit sozialer Funktion seine Bindung entfalten kann234. Im Rahmen dieser funktionalen Betrachtung der Vertragsinstitution ist davon auszugehen, dass der Vertragsmechanismus nur dann funktioniert, wenn beide Partner die Möglichkeit haben, frei bei der Gestaltung des vertraglichen Inhalts in Richtung der Ausgleichung der beiderseitigen Interessen mitzuwirken235. Nur in diesem Fall kann sich die Privatautonomie beider Seiten durch den Vertragsabschluss verwirklichen. Dies soll das maßgebliche Kriterium der Richtigkeit einer vertraglichen Regelung sein. Im System des Vertragsrechts ist dann etwas gerecht, wenn es gewollt ist. Auf diese Weise kann die Privatautonomie, die den Kernbegriff des gesamten Privatrechts darstellt, das Vertragsergebnis legitimieren. Diese Grundlage der Legitimation der Vertragsregelung drückt Flume in der Formel „stat pro ratione 230

Vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 57 ff. Vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157, 167. 232 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 51 ff. 233 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 56 f. 234 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 59 ff., 69 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 106 ff. 235 Vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 155 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 69 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 62 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 37 2. 231

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voluntas“ aus236. Es ist anzunehmen, dass eine Richtigkeitschance nur dann vorliegt, wenn der Vertragsmechanismus ordnungsgemäß funktioniert. Für die Vertragsfreiheit ist demgemäß die Verhandlungsgleichheit maßgeblich. Dies bedeutet, dass jeder Vertragspartner grundsätzlich die gleiche Möglichkeit hat, an der Gestaltung des Vertragsinhaltes nach seinen Vorstellungen und Interessen teilzunehmen. Ohne diese Verhandlungsgleichheit wird die Vertragsfreiheit abgeschwächt, da sie die freie und rationale Entscheidung des schwächeren Partners nicht mehr zu wahren vermag237. In solchen Fällen wird der schützende Eingriff der Rechtsordnung notwendig, damit der Missbrauch der Vertragsfreiheit durch den stärkeren Partner beschränkt wird238. Es ist selbstverständlich, dass der Vertragspartner, der sich in einer überlegenen Situation befindet, seinen Willen und die Bedingungen, die seine Interessen einseitig befriedigen, durchsetzen will. Für den schwächeren Vertragschließenden liegt deswegen ein Mechanismus heteronomer Bestimmung des Vertragsinhaltes vor. Daraus ergibt sich eine Lage, in der der Stärkere seinen Willen durch den Vertrag als unbeweglich realisiert. Wenn die Rechtsordnung ein solches Versagen der vertraglichen Funktion (durch Aushöhlung von Innenschranken, die der Vertragsfreiheit entgegenstehen239) übersähe, gäbe sie sich dadurch selbst auf240. Die soziale Funktion der Vertragsinstitution legitimiert in diesem Sinne den schützenden Eingriff der Rechtsordnung. cc) Die missbräuchliche Gestaltung des Vertragsinhaltes (1) Der Massenvertrag Das Bedürfnis nach Kontrolle der Vertragsfreiheit gegen Missbrauch besteht vor allem bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB). Dabei besteht die Gefahr, dass der Massencharakter der abgeschlossenen Verträge zu einer enormen Anzahl ungerechter Situationen führt241. Aus diesem Grund stellt sich der Missbrauch der Vertragsfreiheit in den Mittelpunkt. Ihrer Natur nach ist die Institution der AGB für die Änderung der Vertragsfunktion bestimmend242. Charakteristisch für AGB sind die Vorformulierung und die einseitige Durchsetzung (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB) sowie das Nichtvorliegen von Aushandlungen zwischen den 236

Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 5. Zum Schutz der schwächeren Partei siehe unter anderem Somma, in: Schulze (Ed.), New Features in Contract Law, S. 25 ff.; Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren, passim. 238 Vgl. Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, S. 145, 161 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 69 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 41 ff.; Simitis, Gute Sitten, S. 26 f. 239 Vgl. Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, S. 145, 161 ff. 240 So Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, S. 145, 163. 241 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 39 ff. 242 Vgl. schon Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 158. 237

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Vertragsparteien über die entsprechenden Klauseln (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB). Problematisch ist auch ihre Einbeziehung in den Vertrag, da oft die Gefahr besteht, dass der Verwendungsgegner von ihrem Inhalt keine Kenntnis nimmt (§ 305 Abs. 2 BGB). Daraus folgt ihre strukturelle Ungeeignetheit, als Mechanismus gerechter Regelungen zu funktionieren243. Gemeint ist dabei strukturelle Unterlegenheit, da der Mangel an Mitgestaltungsmöglichkeiten selbst die Natur der AGB, unabhängig von der Person des Verwendungsgegners, charakterisiert. Da aber ihr Gebrauch im Geschäftsverkehr viele wirtschaftliche Vorteile hat und folglich unvermeidlich ist, muss man den goldenen Schnitt auf der Basis der ausgleichenden Gerechtigkeit finden, damit ein Missbrauch der Vertragsfreiheit bekämpft werden kann. Diese strukturelle Verhandlungsunterlegenheit des Verwendungsgegners stellt den Abwägungsgrund dar, der die Rechtsordnung dazu veranlasst hat, die richterliche Inhaltskontrolle des Missbrauchs der Vertragsfreiheit in Massenverträgen ausdrücklich vorzusehen. Zweifelsohne könnte der Vertrag seine Funktion sozialtypisch und unter solchen Umständen ohne die gesetzgeberische Regelung des Problems nicht erfüllen244. (2) Der Individualvertrag Dieselbe dogmatische Begründung, dass der AGB enthaltende Vertrag einer drastischen richterlichen Inhaltskontrolle zu unterstellen ist, weil andernfalls die Gefahr des Scheiterns der Entscheidungsfreiheit für den einen Vertragspartner zu groß ist, gilt heutzutage auch für den Individualvertrag245. Die Tatsache, dass es sich um einen individuell abgeschlossenen Vertrag nach entsprechenden Verhandlungen handelt, bedeutet aber nicht unbedingt, dass materielle Gleichheit und ungestörte Entscheidungsfreiheit für beide Vertragspartner tatsächlich bestehen. Es existieren viele Fälle, in denen sich die Vertragsfreiheit eines Vertragsschließenden wegen seiner Unterlegenheit als beschränkt erweist. Dies verkürzt seine Selbstbestimmungsmöglichkeit erheblich. Das BGB, für das der nach detaillierten Verhandlungen abgeschlossene Vertrag ursprünglich der anzunehmende Regelfall war, enthält allerdings Vorschriften, die solche Situationen regeln246. In diesen Fällen ist das Schutzbedürfnis des schwächeren Vertragspartners vor einer ungerechten vertraglichen Regelung, die heteronom gestellt wurde, gleichermaßen groß. Die richterliche Kontrolle des Vertragsinhaltes in Hinsicht auf seine Vereinbarkeit mit der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit ist sozial erforderlich247. 243

Vgl. statt vieler Flume, Das Rechtsgeschäft, § 37 2. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 158; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 14 ff., 125 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 37 2; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung, S. 18 ff. und passim. 245 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 38 ff., 121 ff., 257 ff. 246 Mehr dazu unten Teil 1 B. III. 3. a). 247 Vgl. vor allem Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 38 ff., 59 ff. Vgl. auch die Leitentscheidung BVerfG v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, 214 = JuS 1994, 251 = NJW 244

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Nicht zu übersehen ist dabei der folgende Unterschied: Die Frage nach der missbräuchlichen Ausübung der Vertragsfreiheit in Form der Gestaltungsfreiheit kann bei vorformulierten und individuell vereinbarten Verträgen nicht einheitlich beantwortet werden. In den Ersteren bildet die Pathologie der Entscheidungsfreiheit ein strukturelles und sozialtypisches Phänomen, während sie in den Letzteren gelegentlich und zufällig ist. Das System des BGB kennt beide Formen der Pathologie und sieht die entsprechenden Bekämpfungsmittel (z. B. §§ 138, 305 ff. BGB) vor, weil der Gesetzgeber auf das jeweilige Problem so reagieren muss, wie es die Charakteristika des entsprechenden Regelungsgegenstands dogmatisch verlangen248. 2. Die Pathologie der Vertragsfreiheit a) Allgemeines Hinsichtlich der Pathologie, also dem Missbrauch der Vertragsfreiheit, stellt sich die Rechtstheorie sehr ambivalent dar, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, wann die Vereinbarung von beiden Parteien tatsächlich gewollt war. Die Frage ist das zentrale Element der Privatautonomie. Es ist davon auszugehen, dass die Grenzen zwischen dem gewollten und dem nicht gewollten Vertragsinhalt nicht a priori und auf jeden Fall festsetzbar sind. Die Rechtsordnung setzt diese heteronom. Die Grenzen ändern sich im Laufe der Zeit nach den jeweils geltenden ökonomischen, sozialen, ethischen und politischen Verhältnissen. Jede Generation findet eine andere Lösung und stellt damit eine eigene Grenzlinie zwischen der legalen und der missbräuchlichen Ausübung der Vertragsfreiheit fest. Der folgende Teil befasst sich mit den rechtstheoretischen Voraussetzungen, nach denen der Vertragsmechanismus als Mittel einer gerechten Regelung funktionieren kann, und mit der Abgrenzung derjenigen Fälle, die man mit relativer Sicherheit als Missbrauch der Vertragsfreiheit charakterisieren kann. Im Mittelpunkt steht dabei die Möglichkeit des Vertrages seine soziale Funktion, die mit der Wahrung und der gerechten Ausgleichung der Interessen beider Partner einhergeht, zu erfüllen. Ist dies nicht der Fall, dann ist ein Eingriff der Rechtsordnung in Form der richterlichen Kontrolle des Vertragsinhaltes gerechtfertigt249. Es handelt sich somit um eine Untersuchung, die mit Schwierigkeiten verbunden ist, weil die Faktoren, die das Phänomen der Pathologie der Entscheidungsfreiheit beeinflussen, sehr unterschiedlich sind und ihre Intensität nicht immer gleich ist. 1994, 36 („Bürgschaftsentscheidung“). Demgemäß ergibt sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG die Pflicht der Zivilgerichte zur Kontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind. Vgl. statt vieler Drygala, in: Krebs (Hrsg.), Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 1995, S. 63 ff. 248 Vgl. etwa Hönn, Kompensation, S. 278 ff. 249 Vgl. schon Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Dies bringt eine gewisse Relativität mit sich250. Die Relativität erschwert die Festsetzung objektiver Kriterien, welche die Konkretisierung des Begriffs der Pathologie ermöglichen und folglich die Rechtssicherheit steigern könnten. Die Gestaltung eines dogmatisch geschlossenen Systems von Kriterien würde die Weiterentwicklung des Vertragsrechts bremsen. Auf der anderen Seite darf sich der Rechtsanwender nicht auf die Umstände des Einzelfalls oder auf Abwägungen ex aequo et bono stützen. Es ist diesbezüglich erforderlich, dass einige Kriterien festgesetzt werden, die der Richter verwenden kann, um den Vertragsinhalt zu korrigieren, wenn ein Missbrauch der Vertragsfreiheit durch den stärkeren Vertragspartner vorliegt. Es ist auch selbstverständlich, dass die Entwicklung solcher Kriterien die Werteund Interessenabwägung im Rahmen der modernen Rechtsdogmatik nicht übersehen darf251. An dieser Stelle müssen die Grundsätze der Privatautonomie und der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit hinsichtlich des Schutzes des schwächeren Vertragspartners und der Unwirksamkeit des Vertrages mitberücksichtigt werden. Dagegen spricht das Prinzip der Selbstverantwortung der Person252 und vor allem der Rechts- und Geschäftsverkehrssicherheit in Form des Vertrauensschutzes des Gegenpartners für die Aufrechterhaltung des Vertrages253. Die Abwägung dieser Kriterien entspricht einem relativen Verhältnis254. Gleichzeitig ist sie ein bewegliches Element im Sinne der Theorie Wilburgs255. Diese objektiven Kriterien sollen in den typischen Formen der Störung der Vertragsfreiheit aufgefunden werden, die als typisch nur nach einer teleologisch-funktionalen Betrachtung charakterisiert werden256. Aus diesem Grund kann nicht jede Ungleichgewichtslage als pathologischer Fall der Vertragsfreiheit angesehen werden257. Auf der anderen Seite setzt die Störung der Entscheidungsfreiheit des einen Vertragspartners keine ungerechtfertigte Einwirkung des Gegenpartners oder eines Dritten voraus.

250

Zur Relativität der vertraglichen Unterlegenheit siehe auch Hönn, Kompensation, S. 273. 251 Vgl. auch Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 125 ff., 137 ff.; Hönn, Kompensation, S. 261 ff., 285 ff. 252 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 75 ff., 138 ff.; Hönn, Kompensation, S. 254 ff. 253 Bydlinski, Privatautonomie, S. 122 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 144 ff., 266 ff.; Hönn, Kompensation, S. 295 ff. 254 So etwa Hönn, Kompensation, S. 273. 255 Mehr zum Begriff der Beweglichkeit eines Elements nach dem Wilburg’schen Modell siehe unten Teil 1 B. III. 2. a); Teil 2 A. II. 1. c) kk). Zur Beweglichkeit insbesondere des Elements der Selbstbestimmung vgl. Bydlinski, Privatautonomie, S. 122 ff. 256 So auch Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 124 f. 257 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 104 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 I 1.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Die notwendige Typisierung der Pathologie der Entscheidungsfreiheit ist nur auf einer systematischen Basis durchzuführen. Dann kann man vom Gewinn der Konkretisierungskriterien sprechen. Orientierungspunkte sind dabei vor allem die Vorschriften des BGB. b) Begriff und typische Erscheinungsformen der Pathologie der Vertragsfreiheit Es ist logisch auf einer rechtstheoretischen Ebene anzunehmen, dass der Vertrag seine sozioökonomische Funktion nur dann erfüllt, wenn beide Partner die Möglichkeit einer freien Entscheidung haben, die auf ausreichender Information basiert und die eine richterliche Vertragshilfe überflüssig macht258. Umgekehrt ist als Pathologie der Vertragsfreiheit ein Phänomen zu verstehen, das an die Überlegenheit des einen und die gleichzeitige Unterlegenheit des anderen Vertragspartners anknüpft. Dies hindert den Letzteren daran, seine Interessen durch den Vertrag autonom zu befriedigen259. In diesem Fall spricht man von verdünnter Vertragsfreiheit260, weil der Vertrag seine soziale Funktion als Mechanismus, der die Richtigkeitschance der privaten Regelung gewährleistet, nicht erfüllen kann, wenn der überlegene Partner seinen Willen einseitig durchsetzt. Im Rahmen dieser funktionalen Betrachtung werden beide Begriffe, also Vertragsfreiheit und Entscheidungsfreiheit261, synonym verwendet. Der Begriff der Pathologie wird ebenfalls im funktionalen Sinne eingesetzt, das heißt als Unvermögen des Vertragsmechanismus, als Mittel gerechter Regelung von Lebensverhältnissen zu funktionieren. Schwieriger ist der Übergang vom abstrakt-generellen Begriff der Pathologie der Entscheidungsfreiheit zu konkreten Tatbeständen, deren Beschreibung den Inhalt des Begriffes erleuchten kann. Eine erste Unterscheidung von pathologischen Fällen ist die aus der Irrtumslehre bekannte Differenzierung der Störungen bei Willenserklärung und Willensbildung262. Für die Ziele dieser Untersuchung ist nur die letztere Art der Pathologie von Bedeutung. Die erste betrifft lediglich das Problem des Irrtums bei der Erklärung und wird dadurch charakterisiert, dass die Erklärung dem tatsächlichen Willen nicht entspricht. Obwohl es sich auch hier um einen Fall der fehlerhaften Funktion des Vertragsmechanismus handelt, nimmt dieser keinen Bezug auf die Willensbildung und die Frage, ob sie tatsächlich frei ist. 258

Vgl. die charakteristische Formulierung von Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 I 2: „Oberste Richtschnur ist die Verwirklichung des beiderseitigen Parteiwillens.“ 259 Vor allem Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 101 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, S. 126 ff.; Hönn, Kompensation, S. 253 ff. 260 So Raiser, in: FS DJT, Bd. I, S. 101, 126. 261 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, passim, der aber den Begriff nur betreffs der Gestaltungsfreiheit verwendet, weil nur diese Form der Vertragsfreiheit seine Untersuchung interessiert. 262 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 254 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Im Rahmen der Störung der Willensbildung selbst sind zwei besondere Gruppen pathologischer Fälle zu erkennen. Einerseits handelt sich es um die Fälle, die mit dem Unvermögen des schwächeren Partners einhergehen, eine rationale Abwägung aller Umstände des Vertrages vorzunehmen (Mangel an Urteilsvermögen z. B. in § 138 Abs. 2 BGB). Andererseits gibt es Fälle, in denen der unterlegene Partner seine Interessen zwar erkennen kann, er jedoch wegen eines unangemessenen Zwanges, der oft aus einer Not resultiert, nicht imstande ist, diese Vorstellungen auch zu verwirklichen263. Die erste Gruppe kann wiederum in zwei Untergruppen unterteilt werden. Man unterscheidet einerseits Mängel in der Fähigkeit zur rationalen Abwägung. Diese betreffen die Charakteristika und die Natur der Einzelperson (subjektive Störung). Andererseits gibt es Mängel in den Grundlagen der rationalen Abwägung, die von den Eigenschaften der Person unabhängig sind und sich auf die Willensbildung beziehen (objektive Störung). c) Faktoren der Störung der Vertragsfreiheit Faktoren, die eine Störung der Vertragsfreiheit in allen drei vorgenannten Formen herbeiführen, können erklären, wann und warum der Vertrag als Mittel gerechter Regelung nicht funktionieren kann. Diese Faktoren wurden nicht von irgendeiner Theorie erfunden, sondern sind vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Sie stellen bewegliche Elemente in dem Sinne dar, dass sie nicht immer die gleiche Intensität aufweisen und entweder vereinzelt oder insgesamt im konkreten Fall berücksichtigt werden müssen264. aa) Faktoren, die zur Störung der Fähigkeit zur rationalen Entscheidung führen Zu dieser Gruppe gehören vor allem die Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 ff. BGB), die Unerfahrenheit, der Mangel an Urteilsvermögen und die erhebliche Willensschwäche nach § 138 Abs. 2 BGB sowie das Formerfordernis als Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrages265. In diesen Fällen bezweifelt die Rechtsordnung die Fähigkeit der Person, eine rationale Abwägung ihrer Interessen vorzunehmen. Der schützende Eingriff der Rechtsordnung erscheint in zwei Formen: Eher paternalistisch als Unwirksamkeit des entsprechenden Vertrages oder lediglich als richterliche Inhaltskontrolle, welche die Bejahung der Zulässigkeit des jeweiligen Vertrages nicht ausschließt. Diese Differenzierung ist aus Sicht der Allmächtigkeit des Gesetzgebers zu rechtfertigen. Die Betrachtung der einzelnen Faktoren der Pathologie beweist, dass das System des BGB Formen von Ungleichgewichtslagen kennt, die den Status der Person be263 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 101 ff.; Hönn, Kompensation, S. 256 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 I 1. 264 Mehr dazu in Papanikolaou, Peri ton orion, S. 204 ff. 265 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 256 f.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

treffen. Dies gilt aber nur für Minderjährige und Betreute (§§ 1896 ff. BGB), deren Schutz aus besonderen Gründen notwendig ist. Da es sich um eine abschließende Anzahl von Fällen handelt, die zugleich Ausnahmecharakter besitzen, darf sich diese systematische Abwägung auf andere Fälle, die sozialtypische ähnliche Unterlegenheitsmerkmale aufweisen, nicht erstrecken. Gemeint sind damit der bedürftige Schuldner und der Verbraucher. Beide können Schutz auf der Basis anderer Vorschriften (z. B. §§ 242, 305 ff. BGB) genießen. Im deutschen Recht ist der rechtspolitisch notwendige Schutz des Schwächeren nicht von den persönlichen Eigenschaften des Vertragsschließenden als Mitglied einer Gruppe abhängig, sondern von dem jeweiligen Vertragstypus unter Berücksichtigung der besonderen Gründe, welche die Störung der Selbstbestimmungsmöglichkeit des einen Partners verursachen. Die bloße Eigenschaft des Vertragspartners kann die Pathologie nicht begründen und den Weg zur Inhaltskontrolle nicht eröffnen. Als Beispiel reicht es aus, den Verbraucherschutz zu erwähnen. Allein die Eigenschaft des Verbrauchers nach § 13 BGB kann keine Inhaltskontrolle begründen. Diese ist nur nach dem Vertragstypus (z. B. vorformulierter Vertrag, Fernabsatzvertrag) zulässig. bb) Faktoren, die eine Störung der Grundlagen einer rationalen Abwägung herbeiführen Fälle, die zu dieser Gruppe gehören, werden durch eine objektive Unmöglichkeit einer rationalen Abwägung gekennzeichnet. Der Vertragsschließende ist zwar generell fähig, rationale Entscheidungen zu treffen. Im konkreten Fall treten aber Umstände ein, die ein solches Verfahren verhindern, weil der Vertragspartner vor unwahren Vorstellungen steht. Typische Beispiele sind der Motivirrtum und die arglistige Täuschung sowie die Ungleichheit beim Zugang zu Informationen266. Die Rechtsordnung sieht hinsichtlich des Vorliegens von Informationen als Basis einer rationalen Entscheidung keine allgemeine Transparenz- und Aufklärungspflicht vor. Eine solche Pflicht muss sich ausdrücklich aus Rechtsvorschriften oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben. Der asymmetrische Besitz von Informationen kann nur dann die Pathologie in Form einer objektiven Störung der Entscheidungsfreiheit zur Folge haben, wenn die Rechtsordnung bei dem Vertragsschluss Transparenz fordert267.

266

Vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 188 ff.; Hönn, Kompensation, S. 257 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 I 1. 267 Mehr zu den Informationen und den Pflichten zu Aufklärung siehe in Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, passim.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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cc) Faktoren, die eine Störung der Vertragsfreiheit durch Zwang mit sich bringen Zu dieser typischen Pathologie der Entscheidungsfreiheit gehört vor allem die Drohung (§ 123 BGB), die Zwangslage (§ 138 Abs. 2 BGB), die nicht nur im Rahmen der Wucher-, sondern auch der Knebelungsverträge entscheidend ist268, und der Vertragsabschluss durch Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen269. Rechtspolitisch wird diese Pathologie durch einen unangemessenen Zwang charakterisiert, der die Entscheidung nach den gebildeten Vorstellungen erschwert. Selbstständigkeit kann auch der wirtschaftlichen Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag und seinem Arbeitsbedürfnis270 sowie dem Bedürfnis des Mieters im Wohnraummietvertrag271 zuerkannt werden. Darüber hinaus ist die Monopolstellung oder die bloß machtbeherrschende Stellung eines Unternehmens auf dem Markt ein Faktor von Disparität, welcher die Funktion des Vertragsmechanismus paralysieren kann272. Diese Situation geht über den Abschluss eines Vertrages mit ungerechtem Inhalt hinaus, weil die Machtstellung auch zur Abschlussverweigerung des einen Partners führen kann (§ 19 UWG). Bei näherer Betrachtung des Elements der Zwangslage nach § 138 Abs. 2 BGB und der Ungleichgewichtslage, die sich aus der Verwendung von AGB ergibt, lässt sich feststellen, dass es sich um eine zufällige Situation im ersteren Fall handelt, während die Disparität ein strukturelles Element des letzteren Falles darstellt. Gemein haben beide Fälle aber, dass die Wahlmöglichkeit des einen Vertragspartners wesentlich beschränkt ist. Diese Beschränkung ist das Ergebnis einer Koppelung des Vertragsabschlusses mit dem ungerechten Inhalt. Der abzuschließende Vertrag hat solche Bedeutung für den sich in der Notlage befindenden Partner, der auf die Hauptleistung des anderen Partners angewiesen ist, dass er bereit ist, sich auf den einseitig durchgesetzten Inhalt des Vertrages zu einigen. Es handelt sich um den Fall des „take it or leave it“273. Die Wichtigkeit des durch den Abschluss befriedigten Interesses ist so hoch, dass die Rechtsordnung diesen Abschluss als unvermeidlich anerkennt und den Verzicht des Betroffenen darauf nicht anordnet274. 268

Vgl. vor allem Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 13 ff., 126 ff., 258 ff. So schon Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 f., sowie Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 101 ff., 230 ff.; Hönn, Kompensation, S. 258 ff. 270 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 196 ff.; Hönn, Kompensation, S. 261 ff. 271 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 126 ff. 272 Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 104 ff.; Hönn, Kompensation, S. 260 f. 273 Mehr zum Begriff der Koppelung in Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 126 ff. 274 Der Gesetzgeber sieht die „harte“ Rechtsfolge der Unwirksamkeit ohne Wertungsmöglichkeit nur für die Klauseln des § 309 BGB vor. Für die Klauseln des § 308 BGB gilt eine Wertungsmöglichkeit, was gemäß § 307 BGB auch die Regel darstellt. 269

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Die gleiche Struktur (Vertragsabschluss durch Drohung und Anerkennung der Vertragsbedingungen wegen der Bedeutung des Abschlusses für den Bedrohten) weist auch die Drohung als Störung der Entscheidungsfreiheit auf275. Dieser Fall wird ausdrücklich als Willensmangel in §§ 123 f. BGB geregelt. Fraglich ist nur, ob der wirtschaftliche Zwang als Störung der Entscheidungsfreiheit des Strafschuldners zu qualifizieren ist. Dieser Zwang ist eine Folge der Institution der Vertragsstrafe und kann die richterliche Kontrolle nach § 343 BGB rechtfertigen. Bevor man sich jedoch mit dem Problem der richterlichen Korrektur von Strafabsprachen näher beschäftigt, ist es notwendig, dass man zunächst die generellen Merkmale des richterlichen Eingriffs in die Privatverhältnisse erläutert.

III. Die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen aus der Sicht der Vertragsgerechtigkeit Die Fälle, in denen der Schutz des schwächeren Vertragspartners mit echt paternalistischen Charakteristika angeordnet wird (z. B. Geschäftsunfähigkeit) oder der Mangel in der Entscheidungsfreiheit das „Ob“ des Vertrages betrifft (z. B. Drohung, arglistige Täuschung), bilden eine Ausnahme. In allen anderen Fällen der Pathologie der freien Willensbildung ist die Feststellung der in concreto verdünnten Vertragsfreiheit nicht genug, um den Eingriff des Richters in den Vertrag und dessen Korrektur zugunsten des betroffenen Partners zu legitimieren276. Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass die Störung der Vertragsfreiheit zum Abschluss eines objektiv ungerechten Vertrages führen kann. Anders gesagt eröffnet das Vorliegen eines pathologischen Elements in der Entscheidungsfreiheit lediglich den Weg zur gerichtlichen Inhaltskontrolle des Vertrages aus Sicht der Vertragsgerechtigkeit. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit sowohl den Begriff der Vertragsgerechtigkeit zu erläutern, als auch das Verhältnis zwischen beiden Prinzipien (Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit) im System des geltenden Vertragsrechts näher zu beleuchten. 1. Die Vertragsgerechtigkeit a) Die aristotelische Zweiteilung Der Gerechtigkeitsbegriff ist nicht monolithisch. Die Gerechtigkeit ist ein absoluter Wert, da sie nicht von anderen Werten abhängt277. Das verwendete Kriterium, mit dem der Begriff und sein wesentlicher Inhalt beschrieben werden, kann aber 275

Vgl. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 119 f., 128 f. Mehr zur richterlichen Korrektur in Titze, Richtermacht, S. 7 ff. Vgl. auch Papanikolaou, Peri ton orion, S. 246 ff. 277 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 124. Mehr zum Begriff der wirtschaftlichen Gerechtigkeit in Emmert, Grenzen, S. 165 ff. 276

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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unterschiedlich ausfallen. Daher haben sich im Laufe der Geschichte verschiedene Gerechtigkeitskonzeptionen und -theorien entwickelt278. Unter allen, die über die Gerechtigkeit geschrieben haben, zeichnet sich Aristoteles aus, weil er der Erste war, der die Verschiedenheit der Arten des Begriffes wahrgenommen und diese analysiert hat. Im fünften Buch seines Werks „Nikomachische Ethik“279 erkennt er neben dem generellen moralischen Gerechtigkeitsbegriff (iustitia universalis), auch einen anderen an, der die Lebensverhältnisse zwischen den Menschen regelt (iustitia particularis). Bei dieser letzteren Art der Gerechtigkeit unterscheidet er zwischen der Verteilungsgerechtigkeit (iustitia distributiva) und der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa). Die Verteilungsgerechtigkeit steht vor allem im Zusammenhang mit der Zuerteilung von Ehrenämtern, Honoraren oder anderen Gütern, die unter den Staatsangehörigen zur Verteilung gelangen können280. Die Verteilung zwischen den Bürgern ist nicht für alle gleich, sondern sie hängt von der Staatsform ab. Die Demokratie begünstigt z. B. den Grundsatz der Gleichheit, während die Aristokratie die Anteile geometrisch ordnet. Je höher der Verdienst des Menschen ist, desto höher ist sein Anteil. Die andere Art der partikulären Gerechtigkeit nennt Aristoteles ausgleichend. Sie erfüllt vor allem eine korrigierende Funktion281. Sie betrifft den Verkehr (sumakk\clata) und wird in zwei Gruppen unterteilt. Einerseits gibt es die korrigierende Gerechtigkeit des Deliktsrechts (iustitia correctiva), welche die sog. !jo}sia sumakk\clata (unfreiwilliger Verkehr) charakterisiert, die zwar der Wiedergutmachung dient, aber unfreiwillig ist. Dazu gehören Delikte wie Diebstahl, Ehebruch, Giftmischerei, Kuppelei, Sklavenverführung, Meuchelmord, falsches Zeugnis, Misshandlung, Freiheitsberaubung, Totschlag, Raub, Verstümmelung, Scheltreden oder Herabwürdigung. Andererseits gibt es die sog. 2jo}sia sumakk\clata (freiwilliger Verkehr). Dazu gehören die zivilrechtlichen Tauschverträge (z. B. Kauf, Verkauf, Darlehen, Bürgschaft, Nießbrauch, Hinterlegung, Miete)282. In diesen Fällen funktioniert die ausgleichende Gerechtigkeit auf einer arithmetischen Basis. 278 Analyse dieser Theorien in Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 5 ff.; WeberGrellet, Rechtsphilosophie, Rn. 6 ff., 102 ff. 279 Aristoteles, Nikomachische Ethik. Im Internet unter gutenberg.spiegel.de/buch/2361/1 (Stand: 30. 11. 2013) abrufbar. Generell zum Begriff der Gerechtigkeit bei Aristoteles siehe Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, passim; Gordon, Aristoteles über Gerechtigkeit, passim; Salomon, Der Begriff der Gerechtigkeit bei Aristoteles, passim; Haacke, Zuteilen und Vergelten, S. 22 ff.; Waldstein, in: FS Mayer-Maly, Bd. III, S. 1, 5 ff.; Christodoulidou-Mazaraki, in: FS Dimakis, S. 167, 174 ff.; Oechsler, Gerechtigkeit, S. 55 ff. 280 Im Originaltext: „t/r d³ jat± l]qor dijaios}mgr ja· toO jat’ aqtµm dija_ou 4m l]m 1stim eWdor t¹ 1m ta?r diamola?r til/r C wqgl\tym C t_m %kkym fsa leqist± to?r joimymoOsi t/r pokite_ar (…)“ (Nikomachische Ethik, 5. Buch, 1130b). 281 „4m d³ t¹ 1m to?r sumakk\clasi dioqhytij|m“ (Nikomachische Ethik, 5. Buch, 1131a). 282 Vgl. Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 14 ff., 192 ff.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Sie fordert, dass die Leistung der Gegenleistung und der Schadensersatz dem Schaden entsprechen. Demzufolge liegt eine Ungerechtigkeitssituation vor, wenn jemand mehr verlangt, als ihm das Recht eigentlich zuerkennt283. Es ist Aufgabe des Richters, die gestörte Gerechtigkeit im Sinne des rechtlich anerkannten Teils wiederherzustellen. Die Interpreter und Forscher des aristotelischen Werkes im Mittelalter und in der Neuzeit haben die Ansicht vertreten, dass die iustitia commutativa vor allem zwei Menschen in einem Gleichheitsverhältnis zueinander betreffe, während sich die iustitia distributiva hauptsächlich auf Dreieckverhältnisse mit Hoheitscharakteristika beziehe284. Die Letztere ist die Gerechtigkeit vor allem des öffentlichen Rechts. Die Erstere regelt dagegen die Rechtsverhältnisse des Privatrechts285. Dieses Prinzip zwingt die Vertragspartner zu einer gleichseitigen und paritätischen Zuteilung der vertraglichen Vor- und Nachteile. In diesem Sinne spricht man auch von einer ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit286. b) Die Präzisierung der hier behandelten Problematik nach der aristotelischen Struktur Die Grenzen der vorgenannten Zweiteilung sind nicht immer festzusetzen. Die Begrenzung zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht ist ebenfalls oft keine leichte Aufgabe. Da die ausgleichende Gerechtigkeit Rechtsverhältnisse gleicher Personen betrifft, setzt sie deren Gleichheit voraus. Anders gesagt setzt sie die rechtliche Anerkennung des Status der gleichen Stellung im Verkehr voraus287. Voraussetzung der Verteilungsgerechtigkeit ist zudem, dass der richterliche oder gesetzgeberische Eingriff in einem Sozialstaat vorgesehen ist, damit der sozial und wirtschaftlich Schwächere geschützt wird288. Aus dieser Sicht heraus ist zu verstehen, warum Rechtstheoretiker von der Verteilungsgerechtigkeit (iustitia distributiva) als Ausgleichungsfaktor in den Fällen der

283

Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 123 ff. Aristoteles hat den Begriff der iustitia distributiva im Rahmen der griechischen Polis (des Staates) analysiert. Die Idee kann jedoch auf jede Menschengruppe Anwendung finden. Vgl. statt vieler Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 193 ff. 285 Vgl. vor allem Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 123 ff.; Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 193 ff. 286 Vgl. Bydlinski, Privatautonomie, S. 103 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 2 Rn. 44 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 32 ff.; Hönn, Kompensation, S. 103 f. 287 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 57 ff.; Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 193 ff. 288 So vor allem Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 227 ff. Zur Verteilungsgerechtigkeit als die soziale Dimension der Gerechtigkeit siehe Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 193 ff.; Hönn, Kompensation, S. 103 ff. 284

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Vertragsdisparität schreiben289. Freilich wird prima facie hinsichtlich der Fälle einer Disparität der Vertragspartner der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit kein Raum zur Wiederherstellung des vertraglichen Gleichgewichts gegeben. Hier erhebt sich der Anspruch auf die Ausgleichung eines anfänglichen Ungleichgewichts durch die heteronome Verteilung der vertraglichen Vorteile. Dennoch gibt es zwei grundlegende Argumente, warum sich diese Darstellungen auf die iustitia commutativa als Basis der richterlichen Korrekturbefugnis stützen müssen. Zum einen ist daran festzuhalten, dass die hier behandelten Fragen als Probleme des Privatrechts und durch Mittel des Privatrechts gelöst werden müssen. In diesem Rechtsbereich herrscht nach der aristotelischen Konzeption die ausgleichende Gerechtigkeit290. Zum anderen setzt die ausgleichende Gerechtigkeit voraus, dass der eine Vertragspartner keine Vorteile zulasten des anderen genießt. Die iustitia commutativa erlaubt keine einseitige Belastung des einen Partners ausschließlich durch Nachteile. Ob diese von Anfang an existiert haben und ungerechtfertigt aufgebürdet wurden (z. B. §§ 812 ff., 823 ff. BGB) oder ob sie erst mit Vertragsabschluss entstanden sind, ist für die Funktion des Prinzips nicht von Bedeutung. Gewiss hat es jedoch auch eine korrigierende Funktion, weil es die gestörte Parität so wiederherstellt, als hätten die Parteien den Vertrag mit echter Freiheit abgeschlossen. Unter diesem Prisma wird deutlich, dass die Betrachtung der Funktion des Vertrages als Institution, die Selbstbestimmung und Gleichheit verwirklicht, aus beiden Säulen des aristotelischen Gerechtigkeitsbegriffs vorstellbar ist. Der Versuch, die Störung der Vertragsfreiheit in das dualistische aristotelische System einzubeziehen, wird durch die Ansicht begründet, dass „sich die alte Zweiteilung jedenfalls für die vorliegende Thematik weitgehend bewährt hat, obwohl sich mit den beiden aristotelischen Gerechtigkeitsformen leider nicht alle Probleme angemessen einordnen lassen.“291 c) Die gerechte Zuteilung der vertraglichen Vorteile Bei dem hier behandelten Problem der missbräuchlichen Gestaltung des Vertragsinhalts ist der Grundsatz der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit das Kriterium, das der Richter verwenden muss, um die Richtigkeit der vertraglichen Regelung zu messen und die in concreto Nichtbeachtung der sozioökonomischen Vertragsfunktion zu diagnostizieren292. Dieser Grundsatz, der vor allem für die synallagmatischen Verträge gilt, bedeutet, dass die vertraglichen Rechte und Pflichten zwischen beiden Partnern auf einer Äquivalenzbasis geteilt werden. Auf 289 So z. B. Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, S. 13 ff.; Hönn, Kompensation, S. 250 f. 290 Dagegen stellt das Sozialrecht den Rechtsbereich dar, in dem sich die Verteilungsgerechtigkeit durch die Sozialleistungen verwirklicht. 291 Canaris, Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, S. 123. 292 Zum Begriff der Richtigkeit siehe Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 132 ff.; Hönn, Kompensation, S. 94 f. Vgl. auch Wahner, Ideologischen Positionen im vertragsrechtlichen Kontext, passim.

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diese Art und Weise werden die Interessen beider Vertragsparteien berücksichtigt. Im engeren Sinne bedeutet er die Gleichwertigkeit der Hauptleistungen zwischen den Partnern hinsichtlich ihres objektiven Wertes293. Damit man sich dem Grundgedanken der Vertragsgerechtigkeit nähert, ist die sachgerechte Zuteilung der vertraglichen Lasten und Vorteile nach der gesetzgeberischen Entscheidung über den Ausgleich der mit jedem Vertragstypus verbundenen sozialtypischen Interessen zu beachten. Diese werden von den Vorschriften des dispositiven Rechts herauskristallisiert (sog. Leitbildfunktion des dispositiven Rechts)294. Obwohl die Vertragspartner nicht verpflichtet sind, sich in eigener Sache als Gesetzgeber zu betätigen295, muss die Abweichung vom gesetzlichen Vorbild des Ausgleichs der für jeden Vertragstypus charakteristischen Interessen im Ergebnis eine frei abgewogene und informierte Entscheidung der Person sein. Nur unter dieser Voraussetzung wird der Privatautonomie die Möglichkeit zuerkannt, die Vorschriften dispositiven Rechts zu beseitigen. Genau diese Voraussetzung liegt nicht in den Fällen vor, in denen der Richter die Richtigkeitschance des Vertragsinhaltes nach dem Kriterium der abdingbaren Vorschriften des BGB beurteilt, weil sein schützender Eingriff durch die Pathologie der Entscheidungsfreiheit des einen Vertragspartners legitimiert wird. Schwieriger wird die Behandlung solcher Fälle aus der Sicht der Vertragsgerechtigkeit besonders dann sein, wenn der in Frage gestellte Vertrag im Gesetz nicht geregelt ist oder die jeweilige gesetzliche Regelung nicht erschöpfend ist. Es fehlt dann an einem ausdrücklichen gesetzlichen Vorbild für den Interessenausgleich. Dabei ist dem Richter ein Ermessensspielraum eröffnet, in dem dieser die Rolle des Gesetzgebers übernehmen muss. Die Rechtsordnung darf an dieser gesetzgeberischen Funktion der Judikative nicht zweifeln. Diese Rolle hat der Richter bereits im Rahmen der sog. ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB)296. Für die hier gestellte Frage der Konkretisierung des Grundsatzes der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit empfiehlt es sich daher, den typischen Zweck jedes Vertragstypus nach Treu und Glauben und den Verkehrssitten als maßgebliches Kriterium heranzuziehen. Demgemäß ist eine Verletzung der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit besonders dann anzunehmen, wenn die Erreichung des Vertragszweckes durch die Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten in Gefahr gerät. Diese Rechte und Pflichten ergeben sich aus der Natur des Vertrages. Ein solches Argument ist auch de lege lata aus der Formulierung des § 307 Abs. 2 Nr. 2 293

Vgl. vor allem Bydlinski, Privatautonomie, S. 103 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 42 Rn. 1 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 31 ff.; Oechsler, Gerechtigkeit, S. 54 ff. und passim. 294 Zur Leitbildfunktion des abdingbaren Rechts, die auch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB für die Inhaltskontrolle der AGB maßgeblich ist, siehe Wolf/Neuner, AT, § 3 Rn. 8 f.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 35; Hönn, Kompensation, S. 189 ff.; Esser/ Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 10 II 3. Kritisch aber Oechsler, Gerechtigkeit, S. 138 ff. 295 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 4. 296 Vgl. statt aller Larenz, Methodenlehre, S. 300 f.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 16 4.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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BGB zu ziehen. Die Schlussfolgerung beruht darauf, dass die hier gestellte Frage der Kontrolle missbräuchlicher Inhaltsgestaltung von Individualverträgen und die Inhaltskontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen in ihrer Basis grundsätzlich gleich sind. In beiden Gruppen findet die Zuteilung vertraglicher Nebenpflichten und -rechte (z. B. Sicherungsmittel zugunsten des stärkeren Partners) nur am Rand der Vereinbarung statt. Hinsichtlich der Verhandlungsmacht trifft der Schwächere seine Entscheidung vor allem unter Berücksichtigung der Hauptpflichten, ohne sie von solchen Klauseln abhängig zu machen. Aus dieser Sicht unterscheidet sich der Individualvertrag kaum vom vorformulierten Vertrag297. Unter den verschiedenen Rechtsvorschriften, die das Verbot der missbräuchlichen Inhaltsgestaltung von Individualverträgen positivieren, kristallisieren vor allem § 138 Abs. 2 BGB (Wuchergeschäfte) und § 655 BGB (unverhältnismäßig hoher Maklerlohn) das Prinzip der objektiven Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung heraus. Dagegen stellen Vorschriften wie § 343 BGB (unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe), § 619 BGB (Aufhebung oder Beschränkung der Fürsorgepflichten des Dienstberechtigten) und § 1229 BGB (Verbot der Verfallsbereinigung) die Ausprägung des Grundsatzes der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit dar, da die Störung des Gleichgewichts nicht mit dem Verhältnis der Leistung zur Gegenleistung, sondern mit der Verteilung der vertraglichen Nebenrechte und -pflichten einhergeht. 2. Die Festsetzung der Grenzen der Gestaltungsfreiheit in Verbindung mit dem Grundsatz der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit Im Rahmen der dogmatischen Begründung der Eingriffsmöglichkeit des Richters in Privatrechtsverhältnisse wird deutlich, dass der Begriff der Vertragsfreiheit im Mittelpunkt der Argumentation steht. Aus der Vertragsfreiheit ergibt sich, dass eine möglichst geschützte Gleichheit bei der Verhandlungsmacht anerkannt wird, damit beide Partner zur inhaltlichen Gestaltung mitbestimmen und sich dadurch selbstbestimmen können. Daraus resultierend ergibt sich auch der soziale Charakter des Vertragsinstitutes, da dieser eine Richtigkeitschance für einen gerechten Ausgleich beiderseitiger Interessen schafft, wenn er wie vom Gesetzgeber geplant funktioniert. Das Verhältnis der Privatautonomie zur ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit ist deswegen funktionell beweglich im Sinne der Konzeption Wilburgs298 und vor allem dialektisch.

297

Vgl. vor allem Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 38 f., 121 f., 257 ff. Generell zur Wilburg’schen theoretischen Konstruktion des beweglichen Systems siehe Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, S. 28 ff.; Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 12 ff.; Koller, in: Wertung und Interessenausgleich, S. 1 ff.; Bydlinski, in: Bydlinski u. a. (Hrsg.), Das Bewegliche System, S. 21 ff. Vgl. auch unten Teil 2 A. II. 1. c) kk). 298

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

a) Das bewegliche System und die zwei Grundsätze Als beweglich kann das Verhältnis der vorgenannten Grundsätze im folgenden Sinne bezeichnet werden: Je gestörter die Entscheidungsfreiheit ist, desto tiefer muss die Vereinbarkeit des Vertragsinhaltes mit der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit kontrolliert werden. Im umgekehrten Fall, das heißt je weiter der Abstand des Vertragsinhaltes von der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit ist, desto strenger muss die Kontrolle des Vorliegens der Entscheidungsfreiheit in concreto sein299. Die Beweglichkeit des Verhältnisses der beiden Grundsätze ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Dennoch ist davon auszugehen, dass das bewegliche System eine Theorie ist, die zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe und vor allem der Generalklauseln beitragen kann. In der hier behandelten Problematik sind die Pathologie der freien Willensbildung und die Störung der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit die konkretisierungsbedürftigen Rechtsbegriffe. Es ist lediglich zu berücksichtigen, dass die Bindung des Richters an die grundlegenden gesetzlichen Bewertungen nicht beseitigt wird300. Im Recht der Schuldverhältnisse ist die Flexibilität von Lösungen zu erreichen, wenn man beide Begriffe (Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit) nicht als statische und konträre Aspekte, sondern als bewegliche und sich einander ergänzende Elemente versteht301. Beispielsweise kann man von einer vollständigen Beachtung der Vertragsfreiheit sprechen, wenn der Vertragsschließende geschäftsfähig ist, seinen Willen ohne Mängel und nach rationaler Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte bildet und diesen nach außen hin erklärt302. Im umgekehrten Fall, wenn z. B. der Vertragsschließende das siebente Lebensjahr nicht vollendet hat, steht die Vertragsfreiheit nach § 104 Nr. 1 BGB am Abgrund. Hinsichtlich der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit ist anzumerken, dass sich diese möglichst effektiv verwirklicht, wenn z. B. in einem Kaufvertrag der Kaufpreis dem Marktpreis entspricht. Dies gilt solange der Wettbewerb auf dem Markt gesund ist. Daraus folgt, dass die Bindungswirkung der Verträge auf die freie Entscheidung, also die Vertragsfreiheit, zurückgeht. Funktioniert diese frei von pathologischen Mängeln, dann kann auch der gesamte Vertrag seine sozioökonomische Funktion als Instrument sachgerechter Lösungen erfüllen303. Die ungestörte Funktion schließt jedoch die richterliche Inhaltskontrolle aus, da die Rechtsordnung in diesem Fall keinen Anlass hat, sich in den Vertragsinhalt einzumischen. Zudem würde dies eine unzulässige Abschaffung der Privatautonomie bedeuten.

299

Vgl. vor allem Bydlinski, Privatautonomie, S. 124 ff. Hönn, Kompensation, S. 301 ff. 301 Vgl. Bydlinski, Privatautonomie, S. 122 ff. 302 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 93 ff. 303 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 6; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 35 ff., 67 ff. 300

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Soweit der Grundsatz der Privatautonomie als der bedeutendste Wert im System des Vertragsrechts anerkannt wird, besteht das grundsätzliche Interesse der Rechtsordnung vor allem auch darin, dass der Vertragsmechanismus wie vorgesehen funktioniert. Dies bedeutet, dass beiden Vertragspartnern in der Praxis die Möglichkeit zur autonomen Selbstbestimmung gewährt wird304. Wie bereits erläutert, ist dies dann nicht der Fall, wenn die Entscheidungsfreiheit des einen Vertragsschließenden aus irgendeinem Grund beschränkt wird. Insbesondere gilt dies bei informationeller oder wirtschaftlicher Unterlegenheit in der Verhandlungsmacht. Aus dieser ungleichen und folglich unfreien Verhandlungssituation kann sich eine Ausnutzung in Form einer einseitigen Belastung des unterlegenen Partners durch Pflichten zugunsten der Interessen des Überlegenen ergeben. Erst dann entsteht die Notwendigkeit einer korrigierenden Intervention der Rechtsordnung305. Anders gesagt wird die ausgleichende Vertragsgerechtigkeit in diesen Fällen der verdünnten Freiheit einberufen, als Kriterium der Richtigkeitschance des Vertragsinhaltes zu funktionieren und die jeweiligen Missbräuche zu korrigieren306. Bereits aus dem bereits Gesagten ergibt sich die Unzulänglichkeit des beweglichen Verhältnisses beider Größen. Die Beweglichkeit ergibt sich daraus, dass zwischen diesen Grundsätzen eine bestimmte Werthierarchie gemäß dem System des geltenden Vertragsrechts besteht, die ihre gegenseitige Abwechslung hindert, obwohl sie grundsätzlich als abstufbare Begriffe konzipiert werden können307. Das bedeutet, dass nur der Grundsatz der Privatautonomie eine eigenständige Rolle im System des Vertragsrechts des BGB besitzt. Nur die Privatautonomie kann das Vertragsergebnis rechtfertigen. Ist sie jedoch gestört, dann schließt dieser Mangel den Eintritt der gewollten Rechtsfolge grundsätzlich nicht aus. Der Eintritt der gewollten Rechtsfolge ist nur bei Unwirksamkeit (z. B. wegen Geschäftsunfähigkeit), aber nicht in den anderen Fällen einer Pathologie der Vertragsfreiheit angeordnet. Das Vorliegen solcher Elemente eröffnet wiederum den Weg zur Inhaltskontrolle des Vertrages hinsichtlich der Gerechtigkeit. Der Grundsatz der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit hat vor allem eine ergänzende und korrigierende Funktion im System des Vertragsrechts. Ergänzend und korrigierend ist diese Funktion hinsichtlich der Privatautonomie. Eine selbstständige Rolle besitzt dieser Grundsatz allerdings nicht, da ein Vertrag mit per se ungerechtem Inhalt nicht sinnvoll vorstellbar ist. Selbst wenn der Vertragsinhalt entweder auf der Basis der aristotelischen Konstruktion des Ausgleichs bei der Verteilung von Rechten und Pflichten oder auf der Basis der Funktion des Marktes objektiv als ungerecht betrachtet wird, kann die Frage, ob diese asymmetrische Verteilung ein an der Wurzel zu packendes Übel darstellt, nur mithilfe der Funktionsweise der Vertragsfreiheit im 304

Vgl. Larenz/Wolf, AT, § 42 Rn. 12 ff. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 155 ff. 306 Vgl. vor allem Bydlinski, Privatautonomie, S. 106 ff., 151 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 31 ff., 67 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 42 Rn. 12 ff. 307 Vor allem Hönn, Kompensation, S. 301 f. 305

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konkreten Fall beantwortet werden. Nur die Untersuchung der Umstände, unter denen der Wille des vom Vertrag benachteiligten Partners gebildet und erklärt wurde, kann zeigen, ob die Ungleichgewichtslage der vertraglichen Vorteile tatsächlich gerecht oder ungerecht ausgestaltet ist. Es ist nicht auszuschließen, dass der objektiv ungerechte Vertragsinhalt tatsächlich so gewollt ist. Dies muss als Folge der Privatautonomie respektiert werden. Falls jedoch, durch die gestörte Freiheit eines Vertragspartners bedingt, der Vertragsinhalt gegen die ausgleichende Vertragsgerechtigkeit verstößt, bedeutet dieser vertragliche Tatbestand eine Überschreitung der Freiheit des anderen Partners. Dies wird von der Rechtsordnung missbiligt. Auf diese Weise entsteht die funktionelle Synthese von Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit im Rahmen des geltenden Rechts der Schuldverhältnisse. Aus dieser Synthese kann sich auch die Antwort auf die uralte zentrale Frage ergeben, wann ein Vertrag tatsächlich ungerecht ist. Zum Schluss ist daran festzuhalten, dass sich die hier befürwortete Lösung weder mit der liberalen klassischen Vertragstheorie, die die Fehlerhaftigkeit von mangelndem Konsens des Vertragspartners abhängig macht, noch mit der Tendenz, die ausschließlich der aristotelischen ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit folgt, deckt. b) Das dialektische Verhältnis der Grundsätze Die funktionelle Synthese von Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit ist auch eine dialektische Konzeption. Dieser Begriff ist als gegenseitige Abhängigkeit zu verstehen in dem Sinne, dass der Inhalt des einen in concreto im Lichte des anderen Grundsatzes deutlich werden kann. Trotz der Selbstständigkeit sowohl der dogmatischen Kategorie der Pathologie der Vertragsfreiheit als auch des Begriffs der Störung der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit ist der Inhalt des einen Begriffs nur mithilfe der Rolle des anderen Faktors zu erklären. Larenz spricht wohl zutreffend von einer „„Zirkelstruktur“ des Verstehens“308. Dadurch vermag der Rechtsanwender jeden der beiden Wertfaktoren im Einzelfall näher zu bestimmen. Beispielsweise kann sich der Kaufpreis eines Grundstücks in einer bestimmten Region, der doppelt so hoch wie der übliche Marktpreis angesetzt wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ergebnis der Unerfahrenheit oder des mangelnden Urteilsvermögens des Käufers erweisen. Dagegen kann der hohe Mietzins für eine Büroanlage, auf den sich der Stellvertreter einer Gesellschaft nach juristischer Beratung einigt, nicht als ungerecht bezeichnet werden.

308 Larenz, Methodenlehre, S. 206 ff. m. w. N. auf das berühmte Zitat von Engisch über das „Hin- und Herwandern des Blicks“. Vgl. auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 658 ff.

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c) Die vielgestaltige Antwort der Rechtsordnung auf die Störung der Vertragsfreiheit Aufgrund der obigen Ausführungen kann festgehalten werden, dass Faktoren, die das Phänomen der Pathologie der Vertragsfreiheit herbeiführen, vielfältig sind und durch unterschiedliche Intensität in jedem konkreten Fall charakterisiert werden. Das Problem der Störung der Vertragsfreiheit weist aus diesen Gründen eine solche Relativität und Vielgestaltigkeit auf, dass eine einheitliche Behandlung nicht denkbar ist. Auf diese polymorphe Struktur reagiert die Rechtsordnung nicht einheitlich, sondern durch eine große und aufgespaltene Anzahl von Vorschriften, die das System des Individualschutzes zwar komplex und überschaubar machen, aber dennoch das Bedürfnis einer effektiven Lösung für jeden besonderen Fall und alle speziellen Merkmale bestimmter Vertragssituationen berücksichtigen309. Die Untersuchung aller Fälle und Vorschriften, die den Individualschutz gegen den Missbrauch der Vertragsfreiheit regeln, geht über die Grenzen und den Zweck dieses Werkes hinaus, da nur § 343 BGB im Mittelpunkt unseres Interesses steht. Trotz allem wird die folgende Unterscheidung für bedeutend gehalten. Vorschriften, die eine Störung der Vertragsfreiheit regeln, können in zwei Gruppen unterteilt werden. Zur ersten Gruppe gehören diejenigen Vorschriften, die die Geschäftsunfähigkeit und die Willensmängel als besondere Situationen vorsehen. Es handelt sich dabei um solche Personengruppen, deren Schutz auf einer paternalistischen Basis beruht310. Bei Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit hat der Gesetzgeber Gründe, dem Urteilsvermögen des Vertragsschließenden und seiner Selbstbestimmungsfähigkeit zu misstrauen. Deswegen schließt er jede Gegenbeweismöglichkeit, dass der konkrete Vertrag mit dem Geschäftsunfähigen dennoch das Ergebnis freier Entscheidung ist, aus. Liegen Willensmängel vor, ist der Gesetzgeber dazu veranlasst, die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit aus Gründen anzuordnen, welche vor allem mit der Pathologie der Entscheidungsfreiheit als generelle ratio legis einhergehen. Außerdem ist das Verhalten eines Anderen bei der arglistigen Täuschung und der Drohung als widerrechtlich zu qualifizieren, da dessen Einwirkung auf die freie Selbstbestimmung den getäuschten oder bedrohten Vertragspartner schutzbedürftig macht311. Hinzu kommt die Vorstellung, dass die Drohung eine so starke Beeinträchtigungsform der Vertragsfreiheit ist, dass der Gesetzgeber die Schutzbedürftigkeit des Bedrohten nicht übersehen darf312. Damit wird gezeigt, dass nicht nur die Rechtstradition, sondern auch besondere Schutzgründe den Gesetzgeber zur Schaffung eines Systems individualisierten Schutzes veranlasst haben. Dieser wird mithilfe der verschiedenen Auflösungsrechte 309 310 311 312

Vgl. Hönn, Kompensation, S. 278 f. Vgl. statt vieler Enderlein, Rechtspaternalismus, S. 173 ff., 189 ff. Statt vieler Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 314 f., 348 f. So Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 348.

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erreicht, die unabhängig von dem in concreto gerechten oder ungerechten Vertragsinhalt ausgeübt werden können. Der numerus clausus solcher Rechte beweist deren Ausnahmecharakter, welcher grundsätzlich mit der Geltung des Privatautonomiegrundsatzes vereinbar ist313. Die zweite Gruppe besteht aus Fällen, in denen der Gesetzgeber die Möglichkeit einer richterlichen Inhaltskontrolle einführt, weil sich der eine Vertragspartner in einer sozialtypisch so schwachen Verhandlungslage befindet, dass sich die Vorstellung, dass seine Entscheidung in concreto frei und ungestört ist, in der Regel als falsch erweist. Dazu gehören z. B. §§ 138 Abs. 2, 343, 619, 655, 1229 BGB, die als besondere Ausprägung des Verbots der missbräuchlichen Inhaltsgestaltung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstanden werden314. 3. Die Begründung des richterlichen Eingriffs in die Privatrechtsverhältnisse in der Form der Inhaltskontrolle anhand spezieller Vorschriften des BGB Die funktionelle Synthese von Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, auf deren Basis die Grenzen der Vertragsfreiheit im System des Privatrechts näher bestimmt und gerechtfertigt werden, ergibt sich induktiv aus dem BGB, das heißt aus Vorschriften ohne systematische Kohärenz, die den Grundsatz der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit positivieren315. Die Erkenntnis, die daraus gezogen werden kann, ist die Antwort auf die von Anfang an gestellte Frage, ob sich § 343 BGB als Fremdkörper im System des BGB darstellt oder nicht. Die in diesen Vorschriften enthaltenen Regelungen haben nach den Vorstellungen des BGB-Gesetzgebers einen Ausnahmecharakter. Jedoch stellen sie im Lichte der Dogmatik Konkretisierungen eines generellen Grundsatzes dar, der die missbräuchliche Gestaltung des Vertragsinhaltes verbietet. Die Anerkennung eines solchen Grundsatzes im System des Vertragsrechts kann die Existenz der besonderen Vorschriften im Rahmen der Zirkelstruktur des Verstehens begründen, indem er ihre gemeine ratio legis ist316. a) Die im BGB geregelten Fälle Ein charakteristisches Beispiel ist das in § 138 Abs. 2 BGB geregelte wucherische Rechtsgeschäft317. Charakteristisch für die Vorschrift ist, dass sie aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand besteht. Neben ihrer Allgemeingültigkeit, da sie jedes Tauschgeschäft erfasst, ist zu betonen, dass sie beide Elemente der Miss313

Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 259 ff. Mehr zum Verhältnis des § 343 BGB zu § 242 BGB siehe unten Teil 3 B. III. 3. 315 Vgl. Papanikolaou, Peri ton orion, S. 287 ff. 316 Vgl. auch Esser, Grundsatz und Norm, S. 219, 287. 317 Statt vieler vgl. Erman/Palm/Arnold, § 138 Rn. 10 ff.; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 65 ff. 314

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bräuchlichkeit der Vertragsfreiheit enthält. Subjektiv ist eine unterlegene Lage, also eine Schwächesituation des Bewucherten erforderlich (in Form von Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndem Urteilsvermögen oder erheblicher Willensschwäche), welche sich der Wucherer bewusst zunutze macht318. Objektiv wird ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorausgesetzt, der den mangelnden Ausgleich der beiderseitigen Interessen beweist319. Aus der Sicht der sozialen und ökonomischen Funktion erweist sich das Wuchergeschäft damit als Störung der Vertragsfreiheit. Ein anderes Beispiel aus dem BGB ist § 655 BGB (Herabsetzung des Mäklerlohns)320. Auch hier ist die Korrektur eines Individualvertrages vorgesehen. Folglich ist auch diese Vorschrift mit § 343 BGB verwandt. Die Basis dafür liegt in einer ähnlichen Begründung wie bei § 343 BGB. Bei § 655 BGB handelt es sich ebenfalls um eine rechtsgestaltende richterliche Herabsetzung321. Selbst wenn man die Herabsetzungsmöglichkeit als Ausprägung des generellen Grundsatzes von Treu und Glauben versteht (was nicht falsch ist), so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie stärker mit dem Verbot der missbräuchlichen Gestaltung des Vertragsinhaltes als Konkretisierung des generelleren Grundsatzes von § 242 BGB verbunden ist. Verwandtschaft mit § 343 BGB besitzt auch § 619 BGB (Unabdingbarkeit der Fürsorgepflichten). Hier findet sich der Arbeitnehmer sozialtypisch in einer unterlegenen Situation, die auch von der Abhängigkeit des Lebensstandards vom Lohn bestimmt wird. Die Verbotsregel zielt auf den Schutz der Rechte gemäß § 617 BGB (Pflicht des Arbeitgebers zur Krankenfürsorge) und § 618 BGB (Pflicht zu Schutzmaßnahmen) ab, deren Verletzung wiederum eine Störung der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit bedeutet322. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch § 1149 BGB (unzulässige Befriedigungsabreden bei einer Hypothek) und § 1229 BGB (Verbot der Verfallsbereinigung beim Pfandrecht). Diese Vorschriften sind gleichwohl das Ergebnis einer Kombination aus (a) ausgleichender Vertragsgerechtigkeit, die von der Vereinbarung gestört wird, nach welcher dem Gläubiger, falls er nicht oder nicht rechtzeitig befriedigt wird, das Eigentum an der belasteten Sache zufallen oder übertragen werden soll oder ihm das Recht eingeräumt wird, die Veräußerung der Sache auf andere Weise als die im BGB vorgesehene zu bewirken,

318

Vgl. Erman/Palm/Arnold, § 138 Rn. 18 ff.; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 69 ff. Vgl. Erman/Palm/Arnold, § 138 Rn. 12 ff.; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 66 ff. 320 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 13; Betz, Abänderung des Vertragsinhalts, S. 30 ff. 321 Palandt/Sprau, § 655 Rn. 1; Ibold, Maklerrecht, Rn. 118 ff.; Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, Rn. 747 ff., 765 ff.; Koch, Provisionsanspruch, S. 138 ff., 143 ff.; Fischer, Maklerrecht, S. 165 f. 322 Vgl. Palandt/Weidenkaff, § 619 Rn. 1. 319

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

(b) und Vertragsfreiheit, die wegen der Notlage des finanzierungsbedürftigen Schuldners beschränkt ist. Es liegt ein Missbrauch der Vertragsfreiheit des Gläubigers vor, ohne dass noch weitere zu missbilligende Elemente des Verhaltens des Gläubigers erforderlich sind323. Eine Betrachtung der in diesen Vorschriften enthaltenen Regeln erweckt prima facie den Eindruck, dass der Grundsatz der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit eine selbstständige Rolle einnimmt. Die jeweilige Störung kann die vertragliche Bestimmung mangelhaft machen. Dieser Eindruck entspricht jedoch nicht der Wahrheit, wenn man versucht, den Grund jeder Regelung, die ratio legis, zu finden. Dann kann festgestellt werden, dass das Vorliegen einer Unterlegenheit des vom Vertrag betroffenen Partners neben dem Missverhältnis der ausgetauschten Vermögensvorteile das gemeinsame Merkmal all dieser Vorschriften ist. Diese Unterlegenheit kann sozialtypisch in einer schweren wirtschaftlichen Notlage oder Unerfahrenheit oder Willensschwäche des einen Vertragspartners liegen und damit seine Willensbildung nach rationaler Abwägung seiner Interessen erheblich erschweren. Genau dieses Ungleichgewicht hat der Gesetzgeber als eine unwiderlegbare Vermutung der Störung der Vertragsfreiheit des einen Partners konzipiert. Alle bislang dargestellten Fallgestaltungen stellen sich als Beispiele missbräuchlicher Vertragsgestaltung seitens des verhandlungsstärkeren Partners dar. Unwiderlegbarkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich die Möglichkeit eines richterlichen Eingriffs in das Rechtsverhältnis aus einem so paternalistischen Anlass ergibt, dass dem Gegenpartner jede Beweismöglichkeit, dass die konkrete vertragliche Bestimmung dennoch das Ergebnis der freien Entscheidung des als unterlegen vermuteten Partners sei, genommen wird. Die Tendenz des überlegenen Partners, die Rechtsverhältnisse ausschließlich nach seinen Vorstellungen zu regeln, charakterisiert all die Vorschriften, die als Verbot der missbräuchlichen Gestaltung des Vertragsinhaltes in Kraft getreten sind. Dies ist Grundlage des vielgestaltigen Systems des Individualschutzes des BGB. Bevor aber man die Einordnung des § 343 BGB in diese Dogmatik näher betrachtet, wird es als notwendig erachtet, dass zunächst die Rechtsfolgen der Störung der Vertragsfreiheit bei Individualverträgen näher beschrieben werden. b) Die Rechtsfolgen der gestörten Vertragsfreiheit bei Individualverträgen Genau wie die Vertragsparität auf verschiedene Weise gestört werden kann, sieht die Rechtsordnung verschiedene Mittel vor, um diese wiederherzustellen. Hönn spricht von Kompensationsmitteln324. Dieses Ziel wird vor allem durch Vorschriften zwingenden Rechts erreicht325. 323 324 325

Vgl. Palandt/Bassenge, §§ 1149 Rn. 1 f., 1229 Rn. 1 f. Hönn, Kompensation, passim; ders., JZ 1983, 677, 679 ff. Vgl. Hönn, Kompensation, S. 134.

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Der Ausschluss des eigenen privatautonomen Handelns bei Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) in Verbindung mit den Regeln über die gesetzliche Vertretung (§§ 107 ff., 1629, 1643, 1793 ff. BGB) entspricht dem charakteristischen Fall des Schutzes der Person vor der Gefahr einer unfreien Selbstbestimmung326. Die Hauptkategorie von Vorschriften, welche den einen Partner vor der gestörten Vertragsparität schützen, sind diejenigen, die die Unwirksamkeit des entsprechenden Vertrages anordnen. Die Rechtsordnung toleriert weder die Selbst- oder Partnergefährdung (z. B. §§ 248 Abs. 1, 311b BGB)327 noch die Ausnutzung von Machtpositionen (§ 138 Abs. 2 BGB)328. In diesen Fällen ist die Nichtigkeit des Vertrages als Rechtsfolge bestimmt329. Totalnichtigkeit sieht auch § 138 Abs. 1 BGB als Rechtsfolge vor. Für deren Eintritt ist allerdings selbst ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht ausreichend. Es müssen zusätzliche Elemente bestehen, die den Vertrag als gegen die guten Sitten verstoßend erweisen330. Ein anderes Mittel zur Bekämpfung von Ungleichgewichtslagen sieht die Billigkeitskontrolle nach §§ 242, 315 ff. BGB vor331. Die Anwendung der Billigkeit auf Fälle gestörter Vertragsparität kann zu verschiedenen Lösungen führen. Darunter sind die Total- oder Teilunwirksamkeit und die richterliche Moderation des betroffenen Vertrages zu zählen332. Zum Schutz vor Übereilung, welche die Lage des unterlegenen Partners oft charakterisiert, tragen darüber hinaus solche Vorschriften bei, die einen Formzwang einführen. Gemäß § 125 Abs. 1 BGB ist Nichtigkeit hier ebenfalls die daraus resultierende Rechtsfolge. Zu diesen Vorschriften gehören beispielsweise §§ 492 Abs. 1, 518, 761, 766, 780, 781 BGB. Dagegen fällt die Pflicht zu notarieller Beurkundung des Vertrages, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, nicht darunter, denn die Schutzbedürftigkeit betrifft nicht nur einen, sondern beide Partner, genauer gesagt 326 Hönn, Kompensation, S. 140 ff.; v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S. 116 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 13; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 451 ff.; Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren, S. 35 f. 327 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 142 ff. 328 Hönn, Kompensation, S. 144 ff. 329 Vgl. aber die Diskussion über eine mögliche Ausnahme in die Richtung einer richterlichen Anpassung im Fall wucherischer Mietverträge in Zimmermann, Richterliches Moderationsrecht, S. 32 ff. 330 Hönn, Kompensation, S. 146 f. Unwirksamkeit ist die Rechtsfolge auch der AGBKlauseln, die gegen §§ 307 ff. BGB verstoßen. Für den Gesamtvertrag gilt aber § 306 BGB. Vgl. Hönn, Kompensation, S. 147 ff. Zur Diskussion über die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion der betroffenen Klausel siehe mehr unten Teil 3 B. II. 2. j) cc). 331 Vgl. zum Begriff der Billigkeit Rümelin, Die Billigkeit im Recht, passim; v. HoyningenHuene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, passim; Esser, in: Summum ius summa iniuria, S. 22 ff.; Gernhuber, in: Summum ius summa iniuria, S. 205 ff.; Esser, in: Ermessensfreiheit und Billigkeitsspielraum des Zivilrichters, S. 5 ff.; Rittner, in: Ermessensfreiheit und Billigkeitsspielraum des Zivilrichters, S. 21 ff. 332 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 158 ff.; ders., JZ 1983, 677, 680 f., 683 ff.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

den einen hinsichtlich des Verlusts des Eigentums an dem Grundstück, den anderen hinsichtlich der Übernahme einer schweren Zahlungspflicht333. Bei Vorliegen einer Willenserklärung, die als Ergebnis von Irrtum, Täuschung oder Drohung abgegeben wurde, erkennt der Gesetzgeber zwar die Wirksamkeit der entsprechenden Erklärung an. Diese ist aber gemäß §§ 119, 123 BGB anfechtbar. Der Betroffene erhält trotz der Bindungswirkung das Gestaltungsrecht, sich einseitig ex tunc vom Vertrag zu lösen334. Anders ist dagegen die Rechtslage bei Dauerschuldverhältnissen einzuordnen. Diese werden von einem zeitlichen Charakter bestimmt. Die Gefahr hier ist doppelseitig angelegt. Einerseits handelt es sich um die Änderung der beim Vertragsschluss vorhandenen Umstände im Laufe der Zeit. Andererseits betrifft es auch das schutzbedürftige Vertrauen beider Partner in die rechtliche Begründung ihrer Leistungen. Um diese zwei Interessen abzuwägen, sieht der Gesetzgeber ein außerordentliches Kündigungsrecht in einer Reihe von Vorschriften (z. B. §§ 314, 626, 671 Abs. 3, 723 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB, 89a HGB) vor. Voraussetzung für das außerordentliche Kündigungsrecht ist das Bestehen eines wichtigen Grundes. Die Rechtsfolge wirkt jedoch nur ex nunc335. In zwei bestimmten Vertragstypen, bei denen die Unterlegenheit des einen Partners in stärkster Intensität gegeben ist (Wohnraummiet- und Arbeitsvertrag), hat der Gesetzgeber ein ganzes Netz von Vorschriften in Kraft gesetzt, um die Ausübung des Kündigungsrechts zu gewährleisten336. Damit der sozialtypisch und strukturell unterlegene Vertragspartner ausreichend geschützt wird, setzt die Rechtsordnung selbst den Inhalt bestimmter Vertragstypen fest. Auf diese Weise schränkt der Typenzwang die Gestaltungsfreiheit der Parteien ein. Erwähnenswerte Beispiele solcher Verträge sind einerseits der Dienstvertrag (insbesondere die bereits erwähnten §§ 617 ff. BGB), dessen zwingende Vorschriften vor allem den Dienstverpflichteten schützen, und andererseits der Reisevertrag (§§ 651a ff., 651k BGB), der Fernunterrichtsvertrag (§ 10 FernUSG) und der Heimvertrag (§§ 3, 4 HeimG), die ebenfalls auf die Gewährung der Interessen des Dienstberechtigten abzielen337. Nichtbeachtung des zwingenden Gesetzesrahmens bringt die Unwirksamkeit der jeweiligen Abrede mit sich. Aus Gründen, die mit der Vorstellung des Gesetzgebers einhergehen, dass Preisabreden bei Unwirksamkeit eines Teils nicht aufgespalten werden dürfen, ist in 333 Hönn, Kompensation, S. 160 f. Vgl. auch § 305 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB in den Vertrag. 334 Statt vieler Hönn, Kompensation, S. 162 ff. 335 Vgl. Hönn, Kompensation, S. 165 ff. 336 Vgl. §§ 573, 573c, 574 ff. BGB. Mehr zum Wohnraummieterschutz in Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren, S. 24 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 7; Hönn, Kompensation, S. 175 ff. und zum arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz in Hönn, Kompensation, S. 179 f. 337 Hönn, Kompensation, S. 168 ff., 170 ff.

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zwei Fällen (§§ 343, 655 BGB) ein Herabsetzungsrecht vorgesehen. Die Ausübung dieses Gestaltungsklagerechts führt zu einer richterlichen Kontrolle, deren Ergebnis bei unverhältnismäßiger Höhe der Vertragsstrafe oder des Mäklerlohns die Moderation auf den angemessenen Betrag und gerade nicht die Totalnichtigkeit oder die Nichtigkeit des übermäßigen Betrages ist338. Eine nachträgliche Korrektur des Vertragsinhaltes sieht auch § 313 BGB vor. Dabei handelt es sich um eine Vorschrift, die die Anpassung des Vertrages anordnet, wenn sich Umstände, welche die Geschäftsgrundlage bilden, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Weitere Voraussetzungen sind, dass die Parteien den Vertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten, und dass einem Teil das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Die Rechtsfolge ist hier also die Anpassung des Vertrages. Das Gesetz gewährt dem durch die Störung Benachteiligten einen entsprechenden Anspruch auf Anpassung. Die Auflösung des Vertrages wird nur dann gestattet, wenn dessen Fortsetzung unzumutbar ist (§ 313 Abs. 3 BGB)339. Eine Reihe von Vorschriften sieht die Begründung eines Rechtsverhältnisses durch rechtliche Verpflichtung des einen Partners vor (sog. Kontrahierungs- oder Abschlusszwang). Als Ausnahme vom Grundsatz der Privatautonomie ist der Kontrahierungszwang nur aus besonderen Gründen zu rechtfertigen (z. B. Wichtigkeit der Leistung für den Interessenten, die aber der Anbieter anzubieten verweigert). Beispiele solcher Vorschriften sind solche, die die Verkehrsbetriebe340, die Apotheken341, die Post-342 und Telekommunikationsdienstleistungen343 erbringenden Unternehmen, die öffentlichen Sparkassen344, die Versicherer hinsichtlich der KfzHaftpflichtversicherung345, die gesetzlichen Krankenkassen346, die Gas- und Elektrizitätsversorgungsunternehmen347 und die Molkereien348 betreffen. Problematischer ist die Rechtslage, wenn der Kontrahierungszwang die marktbeherrschende Stellung des eine Leistung anbietenden Unternehmens voraussetzt (so z. B. §§ 19 f.

338

Hönn, Kompensation, S. 172; Sieg, NJW 1951, 506, 508. Erman/Hohloch, § 313 Rn. 1 ff.; Palandt/Grüneberg, § 313 Rn. 1 ff. 340 §§ 453 HGB, 10 AEG (Eisenbahnen), 21 Abs. 2 LuftVG (Luftlinien), 22, 47 PBefG (Personenbeförderungsunternehmen). 341 § 17 Abs. 4 und 8 ApBetrO. 342 § 3 PDLV. 343 § 84 TKG. 344 Dies wird in den Sparkassengesetzen der verschiedenen Länder geregelt. 345 § 5 PflVG. 346 § 5 SGB V. 347 § 36 EnWG. 348 § 1 MilchFettG. 339

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

GWB). Es wird in der Literatur darüber diskutiert, unter welchen Voraussetzungen der Monopolist zum Abschluss von Verträgen verpflichtet werden kann349. Schließlich ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu erwähnen, das Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen soll (§ 1 AGG). In Verbindung mit der hier behandelten Problematik der Vertragsdisparität findet das Gesetz Anwendung auf die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie für den beruflichen Aufstieg, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, auf den Zugang zu Berufsberatung, Berufsbildung, Berufsausbildung beruflicher Weiterbildung sowie Umschulung und praktischer Berufserfahrung, auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung in Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen und Vereinigungen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, auf den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, auf die sozialen Vergünstigungen, auf die Bildung und auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum (§ 2 Abs. 1 AGG). Im Arbeitsrecht sind die Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen (§ 7 Abs. 2 AGG), die Entstehung eines Beschwerderechts des Beschäftigten (§ 13 AGG), die Entstehung von Pflichten auf der Seite des Arbeitgebers, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen (§ 12 AGG), die Begründung eines Leistungsverweigerungsrechts des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen nicht ergreift (§ 14 AGG), und die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs hinsichtlich der Vermögensschäden (§ 15 Abs. 1 AGG) und eines Entschädigungsanspruchs hinsichtlich der Nichtvermögensschäden (§ 15 Abs. 2 AGG) gegen den Arbeitgeber als Rechtsfolgen der Ungleichbehandlung bestimmt. Im Zivilrecht, genauer gesagt bei der Begründung, Durchführung und Aufhebung von Verträgen, sind Diskriminierungen ebenfalls unzulässig (§§ 19 ff. AGG). Der Anwendungsbereich ist aber hier enger gezogen, da nur der Abschluss von Massengeschäften, die typischerweise ohne Ansehen der Person abgeschlossen werden, und der Abschluss von Versicherungsverträgen grundsätzlich davon erfasst werden (§ 19 Abs. 1 AGG). Die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bringt für den Benachteiligten Beseitigungs-, Unterlassungs- sowie materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche mit sich (Art. 21 AGG). Zusammenfassend ist daran festzuhalten, dass die Rechtsordnung unterschiedliche Rechtsfolgen für die Störung der Vertragsfreiheit vorsieht. Die Total- oder Teilunwirksamkeit des betroffenen Vertrages ist insbesondere dann zu beachten, wenn diese Rechtsfolge bei Vorliegen eines Verstoßes gegen Vorschriften zwin349 Vgl. zum Kontrahierungszwang statt vieler Busche, Privatautonomie, passim; Hönn, Kompensation, S. 180 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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genden Rechts angeordnet wird. In anderen Fällen wird die Vereinbarung als wirksam angesehen, dem Benachteiligten wird jedoch ein Gestaltungsrecht eingeräumt, damit er sich davon befreien kann. Die Ausübung des Gestaltungsrechts kann durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung (z. B. Anfechtung, Kündigung) oder durch Klage (Herabsetzung) erfolgen. Der Fall des Kontrahierungszwangs betrifft nicht die Kontrolle des bereits abgeschlossenen, sondern die des Abschlusses des Vertrages. Rechtsfolge ist der Zwangsabschluss des Vertrages entweder durch Anwendung der jeweiligen Vorschrift oder durch Anwendung des § 826 BGB als Naturalrestitution. Verschiedene Rechtsfolgen als Schutzmechanismen sieht auch das AGG, ein Gesetz europarechtlicher Herkunft, vor.

IV. Die Einordnung des § 343 BGB in das System der Inhaltskontrolle des BGB 1. Ergebnis bzw. Problemlösung Für die Problemlösung und die Beantwortung der gestellten Frage, ob sich § 343 BGB mit dem System der Inhaltskontrolle des BGB harmonisiert oder ob es sich bei der Vorschrift um einen Fremdkörper handelt, sind folgende Argumente zu beachten. Ausgangssituation ist der Gedanke, dass die Vorschrift zwingenden Charakter hat und darauf abzielt, den Schuldner vor Missbräuchen des Gläubigers zu schützen. Dies ergibt sich aus der vorgenannten Begründung des historischen Gesetzgebers350. Diese zugrunde liegende Idee wird als nichtpaternalistisch betrachtet, wenn man sich lediglich auf den Schutz des Schuldners konzentriert. Die Geltung anderer Schutzvorschriften genauer gesagt solcher, welche die Abrede von Vertragsstrafen in bestimmten Vertragstypen verbieten351, könnte die Anwendung des § 343 BGB prima facie überflüssig und entbehrlich machen352. Der Schuldner ist aus besonderen Gründen auf eine paternalistische Weise schutzbedürftig. Dies folgt aus dem Vergleich zu § 348 HGB. Demgemäß wird der Vollkaufmann vor exzessiver Strafhöhe durch eine Ermäßigungsmöglichkeit nicht geschützt, weil dieser seine Teilnahme am Geschäftsverkehr fachkompetenter als der Nichtkaufmann abwägen und die Folgen seiner Versprechen würdigen kann353. Der Gesetzgeber geht dabei von einer Unerfahrenheit oder Leichtfertigkeit des Schuldners bei dem Versprechen von Vertragsstrafen aus. Darin liegt eine struktu350 Vgl. oben Teil 1 A. VIII 1. ff. Vgl. auch Mugdan, Materialien, Bd. II, S. 722 („Daß ein Bedürfnis bestehe, den schweren Uebertreibungen und Ausschreitungen, zu welchen das Ausbedingen von Strafen in erfahrungsgemäß nicht seltenen Fällen mißbraucht worden sei, nach Möglichkeit durch eine besondere Vorschrift des bürgerlichen Rechtes vorzubeugen, könne nicht in Abrede gestellt werden.“). 351 Vgl. unten Teil 3 B. II. 352 Vgl. Enderlein, Rechtspaternalismus, S. 316 f. 353 Vgl. auch Mugdan, Materialien, Bd. II, S. 722.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

relle Unterlegenheit seiner Position im Gesamtvertrag. Das „unbedachte Handeln“, wie die Rechtsprechung es formuliert, ist genau diese Gefahr, die mit der Person des jeweiligen Schuldners bei der Vereinbarung von Vertragsstrafen verbunden ist354. Außerdem ist die Vertragsstrafe nur ein Sicherungsmittel, dessen Inhalt die Entstehung einer Pflicht im Falle der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung der Hauptpflicht ist. Die Abschreckungsfunktion überwiegt dabei. Diese Abschreckung und die sich daraus ergebenden Gefahren kann der Schuldner aber übersehen oder unterschätzen, insbesondere beim Abschluss synallagmatischer Verträge, weil er die Gegenleistung vor seinen Augen hat. In besonderen Vertragstypen (z. B. bei Arbeits-, Verbraucherverträgen) ist dies ganz offensichtlich. Diese psychische Notlage, welche Druck auf die Entscheidungen des Schuldners ausübt, ist allerdings bei jeder Strafabrede ersichtlich. Außer dieser persönlichen Last, die gemeinhin jedem Sicherungsmittel anhängen kann, sind auch die objektiven Merkmale des Instituts und die Gefahren, welche sich darauf beziehen, zu berücksichtigen. Erstens ist die Vertragsstrafe ein Leistungsversprechen, das unter der Bedingung der Verwirkung steht. Dieses Ereignis ist aber ungewiss und zukünftig. Darin liegt die besondere Gefahr, dass der Schuldner dies im Zeitpunkt des Vertragsschlusses leichtsinnig übersieht, weil er sicher ist, dass dieses Ereignis niemals eintritt. Sollte sich jedoch diese Vorstellung oder Hoffnung als falsch erweisen, ist der Schuldner mit der leichtsinnig vereinbarten Strafsumme konfrontiert. Es handelt sich demgemäß um optimistische Betrachtungen, die den Schuldner jedoch übermäßig belasten können. Zweitens ist zu beachten, dass dieser Optimismus auch die Höhe der Strafe selbst betrifft. In einer großen Anzahl von Verträgen (z. B. Bauverträge) ist die Strafsumme nicht pauschaliert, sondern sie wird im Laufe der Zeit (z. B. Überschreitung von Fristen) immer größer. Auf diese Gefahr, die mit der Natur der Vertragsstrafe selbst immanent verbunden ist, hat der Gesetzgeber durch die Regelung des § 343 BGB Rücksicht genommen355. In diesem Sinne kann der Schutz des Strafschuldners vor einer übereilten und nicht tatsächlich freien Risikofehleinschätzung als ratio der Vorschrift angenommen werden. Wie allerdings bereits gezeigt, sind solche gesetzgeberische Überlegungen und Abwägungen nichts Fremdes im System des BGB. Sie sind als Grundlage in einer großen Anzahl von Vorschriften zu finden356. Versteht man diese Vorschriften (und darunter § 343 BGB) als Ausprägung des richterlichen Eingriffs in die Privatrechtsverhältnisse, damit die gestörte Vertragsfreiheit des einen Vertragspartners, welche wegen der Umstände des Abschlusses überwiegend beschränkt war, wie354 BGH v. 13. 02. 1952, NJW 1952, 623, 624. Vgl. auch Enderlein, Rechtspaternalismus, S. 317. 355 Vgl. Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 f.; Enderlein, Rechtspaternalismus, S. 317 f.; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 1; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 9. 356 Vgl. auch die Beispiele zweier Vorschriften außerhalb des BGB, die eine Herabsetzung der vereinbarten Leistung vorsehen, in Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 13. Es geht um § 3a Abs. 2 RVG hinsichtlich des Anwaltshonorars und § 4 Abs. 2 StBGebV hinsichtlich des Steuerberaterhonorars. Vgl. auch Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 11 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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derhergestellt wird, dann kann keine Rede von einem Bruch im System des BGB oder von einer „Rarität im Vertragsrecht“357 sein. Genauer gesagt verkörpert auch diese Vorschrift die Idee der Vertragsgerechtigkeit im Einzelfall. Genau diese Gerechtigkeit fordert, dass die übermäßige Vertragsstrafe nicht völlig beseitigt und als nichtig erklärt wird. Die Modifizierung der missbräuchlichen Vereinbarung in Form der Herabsetzung auf den angemessenen Betrag hat der Gesetzgeber als die ideale Lösung konzipiert, damit die Interessen sowohl des Gläubigers, der sein Sicherungsmittel nicht verlieren will, als auch des Schuldners, der nicht überlastet werden soll, abgewogen werden358. Jedoch spricht auch ein ökonomisches Argument für diese Regelung. Der Schuldner ist gewöhnlich als der wirtschaftlich aktivere und somit „bedürftigere“ Partner im Vertragskontext zu betrachten, während ein jeweiliger Geldgeber (soweit es Geldleistungen betrifft) in der Regel über eine etwas längere Zeit auf sein Kapital verzichten kann. Aus der jahrhundertelangen Erfahrung von Fronherrschaft und Feudalismus hat sich die Bevorzugung von Geldgebern als gesellschaftlich und ökonomisch kontraproduktiv herausgestellt, da viele Geldgeber ihre Schuldner durch finanzielle Schikane von wirtschaftlicher Produktivität abhielten. Diese ökonomische Verhältnislage wurde in der „Philosophie des Geldes“ von Georg Simmel im Jahr 1900 erörtert, also im gleichen Jahr, in dem das BGB in Kraft trat359. Genau wegen dieser Verhältnislage erweist sich der Schuldner als schutzbedürftiger. Soweit schließlich im Hinblick auf die Einordnung des § 343 BGB in das System des BGB die Charakterisierung als Schuldnerschutzvorschrift ausschlaggebend ist, können daneben auch zwei weitere Aspekte für diese Problemlösung sprechen. Einerseits die ökonomische Analyse des Herabsetzungsrechts und andererseits die literarische Konzeption der Inhaltskontrolle der Vertragsstrafe. 2. Die ökonomische Analyse des Rechts der Vertragsstrafe Die ökonomische Analyse des Rechts (Law and Economics) ist eine Methode, die zur Auslegung des geltenden Rechts beiträgt. Sie geht von einer Konstruktion aus, 357

So aber Schellhammer, Schuldrecht, Rn. 1498. Zur Betrachtung des § 343 BGB als eine Vorschrift, die die Vertragsgerechtigkeit durch den Schutz des Schuldners gewährleistet, vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II a; Esser/ Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 16 III 4; Eckert, Schuldrecht AT, Rn. 193; Enneccerus/ Lehmann, Schuldverhältnisse, § 37 V; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 824; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, Rn. 547, 549; Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 713. 359 Simmel, Philosophie des Geldes, S. 571: „Man hat deshalb geradezu dem schlechteren – neben dem besseren – Geld eine Nützlichkeit zugesprochen: es sei richtig, Schulden mit schlechterem Gelde abzahlen zu lassen, weil in der Regel die Schuldner die aktiven wirtschaftlichen Produzenten seien, die Gläubiger dagegen passive Konsumenten, denen der Verkehr sehr viel weniger Leben als jenen verdanke.“ 358

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

die diese Methode mithilfe der Prinzipien der ökonomischen Theorie zu erklären versucht. Einerseits handelt es sich um die Auswirkung der Rechtsvorschriften auf das ökonomische Leben des Menschen. Andererseits zielt sie darauf ab, mit der Verwendung ökonomischer Werte effektive Rechtsnormen zu schaffen360. Kernpunkt der ökonomischen Analyse des Rechts ist das Verhaltensmodell, das als homo oeconomicus bezeichnet wird. Zugrunde liegt der Theorie die Annahme, dass das menschliche Verhalten (bei Unternehmen und Haushalten) rational ist und die Menschen ihre Gewinne und Nutzen maximieren wollen361. Sind sie vollständig informiert, so treffen sie die beste Entscheidung für ihre Interessen362. Darüber hinaus trägt das ökonomische Verhaltensmodell zur Vorhersehbarkeit des menschlichen Verhaltens bei, indem berücksichtigt wird, wie sich Rechtsvorschriften auf die Entscheidungen der Person auswirken. Hier ist auch die Pareto-Effizienz zu erwähnen, wonach bei der Umverteilung der Güter niemand besser gestellt werden kann, ohne dass ein Anderer schlechter gestellt wird363. Die Pareto-Effizienz ist somit der maßgebliche Bewertungsmaßstab, da genau diese Umverteilung durch eine Gesetzesänderung erreicht wird. Sowohl bei der Rechtsanwendung der Judikative als auch bei der Legislative ist die Effizienzabwägung als Argumentation zu berücksichtigen364. Dennoch ist die ökonomische Analyse des Rechts nicht zu überschätzen. Außer der Absolutheit des Pareto-Kriteriums wird der Theorie vorgeworfen, dass im System des Privatrechts die Gerechtigkeit eine höhere Stelle als die Effizienz besitzt365. Die soziale Marktwirtschaft strebt aber danach, beide Werte (soziale Gerechtigkeit und Markteffizienz) in Einklang miteinander zu bringen. Hinsichtlich der ökonomischen Analyse der Institution der Vertragsstrafe selbst wird in der Literatur eine Rechtsvergleichung der zwei großen Rechtskreise (civil law und common law) vorgenommen, da die Law and Economics aus dem Gebiet der US-Rechtsordnung stammen. Einerseits erachten die common-law-Rechtsordnungen die penalty clauses als unwirksam, während nur die liquidated damages als Schadenspauschalierungen zulässig sind. Das Problem besteht allerdings darin zu erkennen, wann es um penalty clauses oder um liqidated damages geht. Dagegen werden beide Rechtsinstitute von den Rechtsordnungen des civil law als zulässig

360 Posner, Economic Analysis, S. 3 ff.; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen, passim; Georgakopoulos, Principles and Methods, S. 9 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, S. 11 ff. 361 REMM: Resourceful, Evaluating, Maximizing Man. 362 Statt vieler Eidenmüller, Effizienz, S. 28 ff. 363 Vgl. Behrens, Die ökonomischen Grundlagen, S. 84 f.; Eidenmüller, Effizienz, S. 48 ff. 364 Vgl. Staudinger /Honsell, Eckpfeiler, Einl. zum BGB Rn. 71. 365 Vgl. Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S. 213 ff.; Staudinger/Honsell, Eckpfeiler, Einl. zum BGB Rn. 71.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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erachtet. Beim Vorliegen von Strafvereinbarungen wird jedoch in der Regel auch eine Herabsetzungsmöglichkeit bei exzessiver Höhe vorgesehen366. Die Problematik der Unzulässigkeit der penalty clauses hat die Rechtstheorie im angloamerikanischen Rechtsraum lange Zeit beschäftigt. Ein Teil ist kritisch gegen das Verbot eingestellt367, während ein anderer Teil der Literatur das Verbot befürwortet, weil die penalties den sog. efficient breach of contract erschweren oder völlig beseitigen können368. Möchte man beide Systeme auf einer ökonomischen Basis und aus Sicht der Effizienz vergleichen, dann sollten die nachfolgenden Gesichtspunkte und Argumente berücksichtigt werden. Die Praxis der amerikanischen und englischen Gerichte unterzieht solche Klauseln, die die Zahlung einer vereinbarten Summe für den Fall der Verletzung einer Hauptpflicht vorsehen, einer strengen Kontrolle. Bei dieser Kontrolle wird das Verhältnis zwischen der vereinbarten Summe und dem normalen Schaden geprüft, der in solchen Fällen üblicherweise eintritt. Sofern ein grobes Missverhältnis zwischen diesen zwei Summen besteht, handelt es sich um eine penalty clause, die gerichtlich nicht anerkannt wird. Die Klausel wird demnach als nichtig erachtet. Dem Gläubiger steht dann nur ein regulärer Schadensersatz zu. Der Grund dafür liegt in der Ablehnung des Strafcharakters des Schadensersatzes bei Vertragsbruch. Der Vertragspartner, dem ein Schaden aus der Leistungsstörung zugefügt wurde, soll nicht besser gestellt werden als im Falle der Erfüllung der Leistungspflichten. Der Schadensersatz für die Leistungsstörungen darf nur eine Ausgleichs-, aber keine Abschreckungs- oder Straffunktion haben369. Diese paternalistische Ansicht der Rechtsprechung hat zu heftiger Kritik der Literatur geführt und bemerkenswerte Gegenargumente hervorgebracht. Die Vereinbarung von penalty clauses hat den Vorteil, dass der Wille der Parteien widergespiegelt wird. Die Parteien können ihre Interessen besser als jeder andere erkennen und schützen370.

366

Vgl. unten Teil 3 C. II. Umfassende Rechtsvergleichung in McKenna, The Critical Path (Spring 2008) (Im Internet unter http://www.lexology.com/library/detail.aspx?g=d413e9e1 – 6489 – 439e-82b9 – 246779648efb abrufbar. Stand: 30. 11. 2013). 367 So z. B. Goetz/Scott, Columbia Law Review 77 (1977), 554 ff. 368 De Geest/Wuyts, in: Bouckaert/De Geest (Eds.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. III, S. 141 ff. Vgl. auch Posner, Economic Analysis, S. 159 ff., der gegen die penalty clauses argumentiert, aber ihre Effizienz schließlich anerkennt. 369 Vgl. Restatement (Second) of Contracts § 356, comment a: „The central objective behind the system of contract remedies is compensatory, not punitive.“ Vgl. Hatzis, International Review of Law and Economics 22 (2002), 381, 383 ff.; ders., in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 181 f.; Schöne, Leistungs- und Zahlungsverzögerung, S. 140 ff. 370 Goetz/Scott, Columbia Law Review 77 (1977), 554, 558 ff.; Hatzis, International Review of Law and Economics 22 (2002), 381, 390 ff.; ders., in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 183.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Selbst wenn die Vereinbarung die Höhe des zu erwartenden Schadens übersteigt (im angloamerikanischen Recht als penalty clause bezeichnet), kann man von einem insurance premium sprechen. Das bedeutet, dass das Strafversprechen als Versicherungsvertrag für den Fall der Pflichtverletzung anzusehen ist und der Strafschuldner die Rolle des Versicherers spielt. Anstatt dass ein Dritter diese Rolle übernimmt (Folge: Transaktionskosten), wird der Schuldner der beste Versicherer für sich selbst371. Die Kosten dieses Vertrages sind aber im Gesamtvertrag inklusive. Das bedeutet, dass der Strafschuldner die Pflicht übernimmt, bei seinem Verhalten vorsichtiger als normalerweise erwartet zu sein, und der Strafgläubiger eine höhere Gegenleistung als der Durchschnitt zu erbringen verspricht. Wenn das Gericht die Strafvereinbarung als nichtig erklärt, damit der Schuldner nicht belastet wird, erfährt zugleich der Gläubiger eine Belastung, da er eine Versicherung durch seine Gegenleistung gezahlt hat, die er aber niemals in Anspruch nehmen kann372. Die Anerkennung der penalty clauses, die vom civil law als selbstverständlich angesehen wird, aber beim common law kaum vorstellbar ist, hat viele praktische Vorteile. Erstens können die Parteien das jeweilige Risiko berechnen. Dies trägt zur entsprechenden Steuerung des Verhaltens und zur Rechts- und Geschäftsverkehrssicherheit bei, da die vereinbarte Summe den tatsächlich entstandenen Schaden üblicherweise übersteigt. Zweitens schreckt die Strafsumme den Schuldner von opportunistischem Verhalten und unnötigen Vertragsmodifizierungen ab. Drittens reduziert sie die sog. Transaktionskosten (transaction costs) und vor allem die Administrativkosten, die Kosten für die Schadensberechnung und litigation sowie die Kosten für die Umgehung einer ineffizienten Vertragslösung von den Partnern und ihren Rechtsberatern. Darüber hinaus vereinfacht die Vertragsstrafe den efficient breach of contract, da der Schuldner genau weiß, was er bei einer Leistungsstörung zu zahlen hat und dadurch eine klare Entscheidung treffen kann373. Zudem ist daran festzuhalten, dass der Schuldner seine Bonität und Vertrauenswürdigkeit durch dieses Versprechen und zugleich seine Sicherungsmittel zu stärken und die Zweifel des Gläubigers zu umgehen vermag374. 371 Vgl. Cooter/Ulen, Law & Economics, S. 321 f.; Goetz/Scott, Columbia Law Review 77 (1977), 554 ff.; Hatzis, International Review of Law and Economics 22 (2002), 381, 390 ff.; ders., in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 183. 372 Vgl. Hatzis, International Review of Law and Economics 22 (2002), 381, 390 ff.; ders., in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 183. 373 Dieser Begriff der Law and Economics-Theorie bezeichnet den freiwilligen und bewussten Vertragsbruch des Schuldners und die Zahlung von Schadensersatz aus der Kalkulation eines ökonomischen Verlustes, der beim Festhalten am Vertrag größer wäre als beim Vertragsbruch. Vgl. statt vieler Goetz/Scott, Columbia Law Review 77 (1977), 554, 558 ff.; Posner, The Economic Analysis, S. 118 ff. Zu den Schwierigkeiten des civil law diesen Begriff zu übernehmen siehe eingehend Scalise Jr., The American Journal of Comparative Law 55 (2007), 721 ff. 374 Argumentation von Hatzis, International Review of Law and Economics 22 (2002), 381, 393 f.; ders., in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 184. Vgl. auch Cooter/Ulen, Law & Economics, S. 321 f.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Diese begründete Argumentation hat einen Teil der Literatur zur ökonomischen Analyse des Rechts dazu gebracht, das Verbot der penalty clauses im common law als ineffizient zu betrachten und die Anerkennung der Vertragsstrafen mit der begleitenden Herabsetzungsmöglichkeit des civil law zu billigen375. Eine Tendenz hat sich dabei herauskristallisiert, die die vereinbarten Summen für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung, in Gruppen unterteilt. Einerseits gebe es solche Klauseln, die kein Ergebnis freier Vereinbarung und vor allem nicht der Mitbestimmung des Schuldners seien. Sie rührten nicht aus freien Verhandlungen her, sondern sie seien vorformuliert. In solchen Fällen gebe es keine frei abgeschlossene Vereinbarung zwischen den Partnern. In der Praxis bedeutet das eine Ausnutzung der Machtstellung des einen Partners. Die Geltendmachung einer solchen Vertragsstrafe, die sich nur als ineffiziente Vertragsklausel bezeichnen lasse, sei missbräuchlich und beschränke die Möglichkeit eines effizienten Vertragsbruchs. Andererseits spreche man von solchen Vertragsstrafen, die eine besondere wirtschaftliche Rolle spielten. Diese seien im Rahmen des freien Marktes frei vereinbart und die Parteien hätten vollständige Entscheidungsfreiheit. Würden die angloamerikanischen Rechtsordnungen solche Klauseln nicht anerkennen, so übersähen sie eine gewollte vertragliche Regelung, die von den Parteien in den Vertrag freiwillig miteinbezogen worden sei. Zu dieser Gruppe seien auch die Vertragsstrafen zu zählen, die zwar bei dem Abschluss ökonomisch effizient seien, aber sich ex post als übermäßig exzessiv erweisen. Auch diese schützten die Interessen des Gläubigers und bedürften wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit einer besonderen Behandlung376. Die Lösung des Problems der Vertragsstrafen ist für die Rechtsordnungen des common-law-Rechtskreises schwierig. Die Wirtschaftswissenschaftler und die Rechtstheoretiker bringen Argumente für und gegen die Zulässigkeit hervor, welche sich einander teilweise aufheben377. Hatzis geht davon aus, dass sich diese Meinungsverschiedenheiten aus der Existenz der zwei vorgenannten Gruppen ergebe. Die effizienten Strafklauseln (zweite Kategorie) dienten einem ökonomischen 375 Vgl. Hatzis, International Review of Law and Economics 22 (2002), 381, 393 f.; ders., in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 184; DiMatteo, American Business Law Journal 38 (2001), 633 ff.; Mattei, The American Journal of Comparative Law 43 (1995), 427, 443 f.; Cooter/Ulen, Law & Economics, S. 321 ff. Vgl. aber die Argumentation der Gegenmeinung, die die Ansicht des common law befürwortet und die penalty clauses als ineffizient betrachtet, in De Geest/Wuyts, in: Bouckaert/De Geest (Eds.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. III, S. 147 ff. Diese setzen sich für ein generelles Verbot der penalty clauses mit zwei Ausnahmen ein: Zulässigkeit der Vertragsstrafen gegen den Verwender von AGB, wenn diese den größten möglichen Schaden decken, und Vertragsstrafen für die rechtzeitige Zahlung von Geldsummen. 376 Vgl. Hatzis, International Review of Law and Economics 22 (2002), 381, 396 ff.; ders., in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 185 f. 377 Vgl. z. B. Talley, Stanford Law Review 46 (1994), 1195 ff., der für die Nichtanerkennung der penalties plädiert. Vgl. auch Che/Chung, The RAND Journal of Economics 30 (1999), 84 ff. In die Gegenrichtung bewegt sich die Kritik von Schwartz/Scott, The Yale Law Journal 113 (2003), 541, 616 ff., die die Ansicht vertreten, dass die penalties frei und zwar ohne richterliche Kontrolle oder gesetzliche Grenzen vereinbart werden sollen.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Zweck, während die ineffizienten Strafklauseln (erste Kategorie) irrational und willkürlich seien. Aus dieser Unterscheidung sei auch eine entsprechende Differenzierung der Behandlung durch die Rechtsprechung zu folgern, weil die ausnahmslose Nichtanerkennung der Wirksamkeit der penalty clauses von den USamerikanischen und den englischen Gerichten den Vertragspartnern schade. Sie hätten Kosten und Zeit investiert, um sich auf die Höhe der liquidated damages zu einigen, und nachträglich erweisen sie sich als unzulässiges Strafversprechen. Aus diesem Grund sei empfohlen, dass die Gerichte nur zwischen effizienten und ineffizienten Strafklauseln unterscheiden sollten, indem sie die Zulässigkeit der Institution grundsätzlich anerkannten und nur diese Klauseln als unwirksam betrachteten, die missbräuchlich seien378. Die Behandlung der penalty clauses durch das common law kann nur als rigid und inflexibel bezeichnet werden. Dagegen sind die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen praxisnäher und daher auch effizienter379. Im System des civil law und vor allem im deutschen Recht sind beide Institutionen (Schadenspauschalierungen und Vertragsstrafen) anerkannt. Auch die exzessiven Vertragsstrafen sind geltend zu machen. Eine Herabsetzungsmöglichkeit ist in diesem Fall vorgesehen, aber nur der Schuldner und nicht das Gericht von Amts wegen kann den Rechtsweg eröffnen. Nur erwünschte Folgen im common law stellen die übliche Praxis im Rahmen des civil law dar. Die Herabsetzungsmöglichkeit, wie sie in den zwei wichtigsten Kodifikationen des kontinentaleuropäischen Rechts geregelt ist (§ 343 BGB und Art. 1152 Cc), ermöglicht eine weite Kontrolle, die eine Abwägung beiderseitiger Interessen (nicht nur der ökonomischen) voraussetzt. In die gleiche Richtung bewegen sich auch internationalrechtliche Gesetzestexte (z. B. Art. 7.4.13 der UNIDROIT-Prinzipien, Art. 9:509 PECL, Art. III.–3:712 DCFR)380. Die Herabsetzung betrifftt nicht den tatsächlich entstandenen Schaden. Dieser wird zwar als ein maßgeblicher Gesichtspunkt für die Interessenabwägung angesehen, der Richter verpflichtet sich jedoch nicht dazu, die Strafe auf diesen Betrag zwingend herabzusetzen. Aus diesen Gründen erweist sich die Regelung des civil law als effizienter als die des common law, weil sie die Augen vor der Vertragsstrafe nicht verschließt, sondern eine kritische Stellung dazu einnimmt. Die Institution wird zwar anerkannt und geregelt, aber gleichzeitig ist eine umfassende und flexible Kontrolle mit vielen wirtschaftlichen Elementen vorgesehen381. Zum Schluss ist die Bemerkung Di378 Vgl. Hatzis, in: Grundmann/Schauer (Eds.), The Architecture of European Codes, S. 161, 187. Zu einer Unterscheidung zwischen reasonable und unreasonable damages vgl. auch Rea Jr., The Journal of Legal Studies 13 (1984), 147, 159 ff. 379 DiMatteo, IHR 2010, 193, 195 ff. 380 Mehr dazu vgl. unten Teil 3 C. III. 1. c) f., 2. b). Umfassend auch in DiMatteo, IHR 2010, 193, 199 f. 381 Vgl. Pejovic, Victoria University of Wellington Law Review 43 (2001), 817, 826: „The common law distinction between liquidated damages and penalties often causes confusion and creates problems of interpretation.“; Mattei, The American Journal of Comparative Law 43 (1995), 427, 441 ff. Dagegen geht Benjamin, International and Comparative Law Quarterly 9

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Matteos zu berücksichtigen, nach dem die deutschen Verträge kürzer und umfassender als die amerikanischen sind. Grund hierfür ist die Rolle des Grundsatzes von Treu und Glauben im deutschen Recht und die Gefahr, dass die amerikanischen Gerichte die no penalty rule anwenden und dadurch die liquidated damages als unzulässige penalties qualifizieren. Dies zwingt die Partner dazu, übermäßig vorsichtig bei der Formulierung zu sein382. Die Überlegenheit des deutschen Rechts in diesem Bereich ist der Meinung DiMatteos nach so eindeutig, dass er nicht zögert zu empfehlen, dass die Vertragspartner die Anwendung des common law bei der Vertragsgestaltung vermeiden sollten383. 3. Die Vertragsstrafe in der Literatur: The Merchant of Venice and a pound of flesh Kaum ein Werk der Weltliteratur hat die Rechtstheorie so viel beschäftigt wie die Komödie William Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ (englischer Titel: The Comical History of the Merchant of Venice, or Otherwise Called the Jew of Venice)384. Das Werk entstand zwischen den Jahren 1596 und 1598 und wurde im Jahr 1600 veröffentlicht. Am 10. Februar 1605 wurde die Komödie vor König Jakob I. selbst erstmals aufgeführt385. Die vorliegende Untersuchung interessiert sich nicht für die Gedanken hinter dem Werk. Beispielsweise wird heiß darüber diskutiert, ob es sich um ein antisemitisches Theaterstück handelt oder nicht386. Dies hat mit der Person des Darlehensgebers (1960), 600, 627 davon aus, dass die englische Rechtsordnung die penalties zu Recht nicht anerkennt („It is respectfully submitted that these clauses, which appear so attractive at first sight, are a deadly weapon, due to the confusion and uncertainty engendered thereby in commercial relations.“). 382 DiMatteo, IHR 2010, 193, 202 m. w. N. („Unfortunately, the increase in transactions costs in negotiating and drafting a customized clause, and more importantly, the uncertainty of enforcement in the common law may breed as much litigation as in the case where there are no pre-agreed damages.“). 383 DiMatteo, IHR 2010, 193, 200 („The simplest way to enhance the enforceability of a penalty clause between parties from civil and common law countries is through the strategic use of choice of law, forum selection, and arbitration clauses. (…) The surest way would seem to be to provide for arbitration in a non-American forum with a pro-penalty choice of law.“). 384 Vgl. Posner, Law and Literature, S. 139: „The most celebrated of Shakespeare’s ,legal‘ plays“; Hartman, Law and Literature 23 (2011), 71 ff. Vgl. auch die Fachtagung des Forschungsprojekts „Shylock und der (neue) deutsche Geist: Shakespeares Der Kaufmann von Venedig nach 1945“ mit dem Titel „We all expect a gentle answer? Shakespeares Kaufmann von Venedig zwischen „Wiedergutmachung“ und Integrationsdebatte“, die vom 26. bis 28. Juni 2009 an der Freien Universität Berlin stattgefunden hat. 385 Shakespeare, Der Kaufmann von Venedig (Im Internet unter www.digbib.org/Willi am_Shakespeare_1564/De_Der_Kaufmann_von_Venedig_.pdf abrufbar. Stand: 30. 11. 2013). 386 Statt vieler Tritter, Cardozo Studies in Law and Literature 5, (1993), 330 ff.; Oldrieve, Cardozo Studies in Law and Literature 5, No. 1, A Symposium Issue on „The Merchant of Venice“ (1993), 87, 89 f.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Shylocks zu tun. Die Frage, ob er die Verkörperung des Bösen in der Gestalt eines Antihelden darstellt oder eine gequälte Figur, Opfer ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft ist, geht über die Grenzen dieser Arbeit hinaus. Im Mittelpunkt der vorliegenden Darstellung stehen nur der Vertrag zwischen Shylock und Antonio, dem Kaufmann von Venedig, sein Ablauf und der entsprechende gerichtliche Prozess am Ende des Werkes. Nur diese Vereinbarung und vor allem die richterliche Lösung des Missbrauchsproblems weisen auf solche Elemente hin, die mit dem Problem der Vertragsgerechtigkeit und der Kontrolle der Vertragsstrafe einhergehen. Andere rechtliche Probleme, die ebenfalls interessant sind (z. B. die rechtliche Stellung der Juden im Staat der Renaissance, die Unterschiede des Familienrechts bei Christen und Juden und die Zwangstaufe), müssen außer Acht gelassen werden. Im Zentrum des Werkes steht ein Darlehensvertrag zwischen dem venezianischen Kaufmann Antonio und dem jüdischen Geldverleiher Shylock. Antonio will seinem Freund Bassanio helfen, da dieser sich in die reiche junge Adelige Portia verliebt hat und um sie werben will. Das Verhältnis zwischen Antonio und Shylock erweist sich als gespannt. Shylock wird als Opfer des Hasses der venezianischen Christen präsentiert, während er seinerseits Antonio hasst. Der Inhalt der Vereinbarung dreht sich um ein zinsloses Darlehen in Höhe von dreitausend Dukaten. Antonio aber haftet mit seinem ganzen Vermögen für die nicht rechtzeitige Rückzahlung der Geldsumme387. Dies hofft er jedoch vermeiden zu können, da seine Handelsschiffe mit voller Ladung unterwegs sind und bald nach Venedig zurückfahren. Der Vertrag wird auch beurkundet. Problematisch ist bei dem zugrunde liegenden Vertrag jedoch auch ein Sicherungsmittel, das Shylock388 durchsetzt und Antonio389 aufnimmt. Nicht nur das Vermögen Antonios unterliegt einer Zwangsvollstreckung, sondern auch sein Leben, indem er Shylock ein Pfund seines Körperfleisches verspricht390 ! Genauer gesagt handelt es sich tatsächlich nicht um eine Vertragsstrafe, sondern um das sog. Fleischpfand391. Dennoch ist die Ähnlichkeit beider Institute insbesondere wegen ihrer Druckfunktion offensichtlich. Diese dramaturgische und zugleich dramatische Erfindung Shakespeares entspricht einem rechtlichen Anachronismus, da ein solches 387 388

156 ff. 389

153 ff.

Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 193. Zum Charakter Shylocks siehe Wolpers, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 150, Zum Charakter Antonios siehe Wolpers, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 150,

390 Zur Rhetorik von „Flesh and Blood“ vgl. Koelb, Cardozo Studies in Law and Literature 5, No. 1, A Symposium Issue on „The Merchant of Venice“ (1993), 107 ff. Mehr zu den Sitten und Gebräuchen des venezianischen Vertragsrechts in Spinosa, Cardozo Studies in Law and Literature 5, No. 1, A Symposium Issue on „The Merchant of Venice“ (1993), 65, 73 ff. 391 Zur Vorgeschichte des Werks Shakespeares und besonders zu den Ähnlichkeiten zu dem früheren Werk „Kaiser Lucius’ Tochter“ (z. B. Finanzierung mit Verpfändung eines aus dem Körper zu schneidenden Fleischstückes) siehe Grubmüller, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 94, 98 ff.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Institut weder nach venezianischem noch nach englischem Recht in der Zeit des Werkes zulässig war392. Was bedeutet aber dieses juristisches curiosum nun? Es handelt sich um ein Motiv, das oft in der Literatur und in der Volkserzählung zu finden ist393. Es ist als das ZurVerfügung-Halten verschiedener Körperteile bekannt, welche für den Fall der Nichteinhaltung einer Pflicht (üblicherweise Zahlungspflicht) abgegeben werden394. Als Beispiel gesetzlicher Anerkennung dieses Instituts ist eine Erwähnung im römischen Zwölftafelgesetz zu berücksichtigen. Das Zwölftafelgesetz hat das Vollstreckungsverfahren im republikanischen römischen Recht in der Tafel III geregelt. Hatte der Schuldner das Recht des Verfolgers vor Gericht anerkannt oder war er rechtskräftig zur Zahlung verurteilt worden, dann findet das Verfahren der sog. manus iniectio erst dreißig Tage nach der Anerkennung oder der Verurteilung statt (Tafel III 1). Der Gläubiger führt den haftenden Schuldner vor den Prätor und ergreift die Gewalt über seine Person auf eine symbolische Weise (Auflegung der Hand auf den Schuldner, bestimmte Wortformel) (Tafel III 2). Hat der Prätor die Erfüllung der Voraussetzungen der manus iniectio festgestellt, dann erwirbt der Gläubiger durch prätorische addictio Recht über Leben und Tod auf den Schuldner. Er darf damit den Schuldner bei sich in Privathaft für eine Dauer von sechzig Tagen nehmen. Er darf ihn auch mit einer Schnur oder mit Fußfesseln (nicht schwerer als fünfzehn Pfund) fesseln (Tafel III 3). Der inhaftierte Schuldner darf auf eigene Kosten leben. Auf jeden Fall muss sich der Gläubiger um dessen Unterhalt kümmern (ein Pfund Brot pro Tag) (Tafel III 4). Nach der Haftzeit von sechzig Tagen findet eine öffentliche Ausrufung der Schuld an drei aufeinander folgenden Markttagen statt; bleibt diese aber erfolglos, dann sollen sie (mehrere Gläubiger) ihn (den Schuldner) am dritten Markttag in die Sklaverei trans Tiberim verkaufen oder töten395. Das Problem der Auslegung dieser Vorschrift ist, dass einerseits Tafel III 5 nicht in originaler Fassung erhalten ist (nach literarischen Ausführungen sollte die Tafel das Tötungsrecht des einzelnen Gläubigers regeln396) und andererseits Tafel III 6 dunkel und sibyllinisch

392

Vgl. Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 197. Niemeyer, Michigan Law Review 14 (1915), 20, 28 f. geht davon aus, dass die Geltendmachung eines solchen Anspruchs, den er als penalty bezeichnet, nach dem englischen Recht des 16. Jahrhunderts nicht möglich war. Dennoch war es üblich, dass der Schuldner eine so hohe Vertragsstrafe versprach, dass sie die Höhe des Darlehens oft überstieg. Solche Schulden waren gerichtlich weit anerkannt und vollstreckbar. Auf diese Weise könnte die Erfindung Shakespeares vom Publikum als bindend für Antonio betrachtet werden. Niemeyer, Michigan Law Review 14 (1915), 20, 30 zitiert aber drei Fälle im 13. Jahrhundert aus Genua, Köln und Schlesien, in denen nicht nur das Abschneiden eines Körperteils, sondern auch der Tod des Schuldners als Strafe vereinbart wurde! 393 Vgl. z. B. Schamschula, Fabula 25 (1984), 277 ff. 394 Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138. 395 Tafel III 6: „tertiis nundinis partis secanto. si plus minusve secuerunt, se (=sine) fraude esto.“ 396 Vgl. Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 145.

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

ist. Dies hat zu verschiedenen Interpretationen geführt397. Einer Meinung nach gehe es um das Recht mehrerer Gläubiger, den Leichnam des Schuldners zu zerstückeln. Als Basis des Fleischpfandes könne dies funktionieren, indem man die Zerstückelung des Leibs und die Übertragung des Stücks vom Gläubigerkollektiv auf den einzelnen Gläubiger berücksichtige398. Dass dies sehr umstritten ist, ist kaum zu erwähnen, da andere Stimmen die Aufteilung nicht hinsichtlich des Leichnams, sondern des Schuldnervermögens verstehen, ohne dass aber eine klare Antwort gegeben wird399. Der Faktor des psychologischen Drucks eines solchen Vollstreckungsmittels darf nicht unterschätzt werden. Druck wird in drei Richtungen ausgeübt: Auf den Schuldner, der sich dazu bereit erklärt hat, für seine Schulden nicht nur mit seinem Vermögen, sondern mit seiner Persönlichkeit, seinem Körper zu haften; auf andere Schuldner, damit auch diese ihre Schulden ordnungsgemäß begleichen400; und auf die Angehörigen und Freunde des Schuldners, den oder die Gläubiger zu befriedigen und damit die Freigabe des Leichnams für die Bestattung zu erwirken401. Das in der Literatur überlieferte Motiv, wonach der Schuldner einen Teil seines Körpers „verpfändet“, könnte dazu passen402. Dass kein konkreter Fall der Zerstückelung des Schuldners bekannt ist, führte zum Schluss, die Sanktion sei nur so schrecklich gefasst, weil und damit sie nie verhängt werde403. Dies befriedigt als Antwort nicht404. Diederichsen, der dieses „Rechtsinstitut“ als „juristisches Monstrum“ bezeichnet, geht davon aus, dass das Fleischpfand viele dogmatische Probleme mit sich bringe. Die Möglichkeit, dass der Schuldner seine Hinrichtung abwende, sei offenbar vorgesehen, da der Haftende trans Tiberim als Schuldknecht verkauft werden dürfe, damit der Gläubiger befriedigt werde405. Diese Auswahl könne aber nicht erklären, warum der Gläubiger, der Eigentümer des zur Sache gewordenen zahlungsunfähigen Schuldners sei, auch ein Pfandrecht auf den Körper des Menschen haben müsse. Außerdem könne ein Pfandrecht nur an der gesamten Sache und nicht an seinen unselbstständigen Bestandteilen begründet werden. Darüber hinaus entspreche der Inhalt des Fleischpfandes dem Begriff des Pfandrechts nicht, da dieses die Veräußerung des Gegenstands und die Auszahlung der Geldsumme aus dem Erlös voraussetze. Deswegen sei die Konzeption des 397 „Am dritten Markttag sollen sie (mehrere Gläubiger) ihn (den Schuldner?) untereinander verteilen. Wenn einer etwas mehr oder weniger erlangt, soll das kein Unrecht sein.“ 398 Vgl. etwa Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 145 f. 399 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 405. 400 Vgl. Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 142. 401 So Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 405; Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 140. 402 Z. B. „Kaiser Lucius’ Tochter“, „The Merchant of Venice“, aber auch in Märchen. Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 146. 403 So Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 405 m. w. N. 404 Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 140. 405 Vgl. Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 146. Siehe auch Kaser/ Knütel, Römisches Privatrecht, S. 405.

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

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Fleischpfandes aus der juristischen Sicht nur metaphorisch zu verstehen406. Literarisch aber handelt es sich um eine dramatisch-psychologische Erfindung des Schriftstellers, der den Leser oder Zuschauer zum Teilnehmer an den Leiden des Helden machen will. Dies wird dadurch erreicht, dass der Autor die Existenzberechtigung des Schuldners mit der Einhaltung eines wirtschaftlichen und juristischen Versprechens verknüpft. Die dramatischste Szene des Theaterstücks ist am Schluss zu finden407. Das Drama Antonios erreicht seinen Höhepunkt, als seine Schiffe verschollen sind und er seine Hoffnung, dass er Shylock das Darlehen zurückzahlt, verliert. Shylock tritt vor Gericht und macht seinen Anspruch geltend. Antonio verspricht einen doppelten Betrag zurückzuzahlen, also insgesamt sechstausend Dukaten, aber Shylock lehnt ab. Er will ein Pfund Fleisch. Das Gericht gibt dem Antrag statt. Antonio wird von dem jungen Advokat Balthasar vor der Hoffnungslosigkeit und dem Tod gerettet. In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser Person um die verkleidete Portia408, die gekommen ist, um Antonio zu helfen. Als deus ex machina präsentiert sie die Lösung. Antonio habe zwar Shylock ein Pfund Fleisch versprochen. Der Anspruch Shylocks bestehe darin, dass er das Fleisch herausschneide, ohne jedoch das Blut Antonios zu vergießen. Da Shylocks Antrag gegen das Leben eines Bürgers gerichtet sei, müssten die Gesetze Venedigs Anwendung finden. Ihm drohe die Todesstrafe, die Hälfte seines Vermögens müsse er an sein Opfer Antonio verlieren und die andere Hälfte sei vom Staat zu konfiszieren. Shylock wird völlig zerschmettert. Doch zeigt der Doge Milde und verschont dessen Leben. Antonio lehnt es ab, die Hälfte des Vermögens Shylocks zu bekommen, wenn dieser Christ werde409. Der besiegte und gebrochene Shylock stimmt zu und verlässt das Gericht. Die Gerichtszene hat in der Rechtsliteratur für heiße Diskussionen gesorgt. Von Jhering geht davon aus, dass das Vertrauen Shylocks auf die Durchsetzbarkeit seines Anspruchs enttäuscht sei. Das stelle eine Rechtsbeugung, einen Betrug um das Recht dar, den das Recht so nicht akzeptieren dürfe410. Ein anderer Rechtsgelehrter des 19. Jahrhunderts, Kohler, betrachtet das Ergebnis des Prozesses als „Sieg des geläuterten Rechtsbewusstseins über die finstere Nacht“, also als Sieg der Gnade und der Gerechtigkeit411. Die verschiedenen Stellungnahmen darüber, ob das Ergebnis des Prozesses als Triumph der Gerechtigkeit oder als Rechtsverletzung zu verstehen sei, 406

Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 138, 146 ff. Wolpers, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 150, 163 ff. 408 Zum Charakter Portias siehe Wolpers, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 150, 159. 409 Zur Konvertierung Shylocks vgl. Oldrieve, Cardozo Studies in Law and Literature 5, No. 1, A Symposium Issue on „The Merchant of Venice“ (1993), 87, 95 ff. 410 v. Jhering, Der Kampf um’s Recht, S. 57 ff., 59. 411 Beide zitiert nach Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186 f. Vgl. auch Niemeyer, Michigan Law Review 14 (1915), 20 f. Zum Meinungsstreit siehe Pepper, The American Law Register and Review, Vol. 40, No. 4, (First Series) Volume 31 (Second Series, Volume 5) (1892), 225, 227. 407

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

sind kaum zu zählen. Der Kaufmann von Venedig ist ein beliebtes Thema der Disziplin „Law and Literature“412. Der Gerichtsprozess „Shylock v. Antonio“ findet in einem fremden Ort, in Venedig, statt. Beide Prozessparteien sind persönlich anwesend, jedoch ohne Rechtsbeistand. Der Vergleichsversuch Antonios scheitert am sturen Festhalten Shylocks an seinem Anspruch413. Damit eröffnet sich die Hauptverhandlung. Die Lage Shylocks stützt sich auf zwei bemerkenswerte Argumente. Erstens gehe es um die staatliche Anerkennung der Durchsetzbarkeit der Verträge. „Pacta sunt servanda“ laute die Regel und, wenn der Staat es verweigere, seine Gesetze anzuwenden, die das Fleischpfand anordneten, schaffe er sich selbst ab414. Das zweite Argument Shylocks ist eher zivilrechtlich. Er beruft sich auf die Rechtssicherheit, da sein Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages nicht enttäuscht werden dürfe. Außerdem bestreite Antonio die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Fleischpfandversprechens nicht415. Die Überzeugungskraft der Argumentation Shylocks ist so groß, dass sich der Doge, Vorsitzender des Gerichts, dazu verpflichtet, dem Antrag des Gläubigers stattzugeben. Er hat aber zwei prozessrechtliche Möglichkeiten, die er ergreifen kann: Den Termin des Urteils zu vertagen oder um die Meinung eines Rechtssachverständigen zu bitten. Genau zu diesem Zeitpunkt erscheint der Rechtsgelehrte Balthasar (die verkleidete Portia) vor Gericht und gibt dem Prozess eine andere Richtung416. Der Prozess „Shylock v. Antonio“ ist vor allem als equity-Verfahren zu verstehen. Seit dem 14. Jahrhundert hat sich ein System im englischen Recht entwickelt, das die Anwendung des strikten common law kontrollierte. Diese Kontrolle bezeichnete man als equity, Billigkeit im Recht, die zwar nicht geschrieben war, aber die Ergebnisse einer rigiden Anwendung des common law in Form von rechtsethischen Prinzipien abmilderte und korrigierte. Bis zum 19. Jahrhundert waren die equity-Verfahren einer besonderen Gerichtsbarkeit, der sog. Court of Chancery, unterstellt417. Die Argumentation von Portia ist zunächst juristisch, da sie auf der Auslegung des Wortlauts des Versprechens (nur Fleisch und „no jot of blood“) beruht418. Aber sie verkörpert auch den Geist der equity. Die Organisation und die Funktion der Gesellschaft setzen zwar strenge Regeln voraus, diese entsprechen jedoch einer pri412

Vgl. Posner, Law and Literature, S. 139 ff. Vgl. Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 198. 414 So Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 199 f. 415 Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 200 ff.; Spinosa, Cardozo Studies in Law and Literature 5, No. 1, A Symposium Issue on „The Merchant of Venice“ (1993), 65, 78 f. 416 Wolpers, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 150, 168 ff.; Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 202 ff. 417 Mehr dazu in v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 6 ff.; Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 205 ff. 418 So Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 209; Spinosa, Cardozo Studies in Law and Literature 5, No. 1, A Symposium Issue on „The Merchant of Venice“ (1993), 65, 79 ff. 413

B. Die dogmatische Rechtfertigung der richterlichen Korrektur

125

mitiveren Gesellschaftsform419. Die Entwicklung eines Rechtssystems, welches flexible und effektive Lösungen darbieten kann, hat nichts mit einer starren und unbeweglichen Konzeption der Rechtsanwendung gemein. Zu beachten ist die Rede von Portia über die equity in der ersten Szene des vierten Aufzugs (184 – 203). Sie bittet um die Gnade Shylocks durch eine hochemotionale Rede, die eine ewige Hymne für die Billigkeit darstellt420. Da aber Shylock erbarmungslos und gnadenlos bleibt, scheitert der Versuch von Portia. Aus diesem Grund beginnt sie damit, rein juristisch zu argumentieren. Ihre Erklärung basiert darauf, dass Shylock zwar einen rechtlich anerkannten Anspruch habe, aber seine Handlungen für die Vollstreckung dieses Anspruchs das Recht der venezianischen Republik nicht verletzen dürften. Der direkte oder indirekte Versuch eines Fremden wie Shylock, dem Bürger Antonio das Leben zu nehmen, sei eine Straftat, die nach den Gesetzen Venedigs mit Vermögenseinziehung und Todesstrafe bestraft werde421. Das Blutvergießen sei im Vertrag ausdrücklich nicht vorgesehen und Shylock dürfe die Grenzen seines Anspruchs auf das Fleischpfand nicht überschreiten. Der Zweck der Vereinbarung sei nämlich nicht die Tötung Antonios, sondern die Sicherung des Hauptanspruchs Shylocks auf Rückzahlung von dreitausend Dukaten. Da aber Shylock diesen Zweck übersehen und die Rückzahlung von sechstausend Dukaten abgewiesen habe, verhielt er sich missbräuchlich. Die Verwendung eines Mittels für andere Zwecke (z. B. Rache) müsse vom Recht missbilligt werden. Dadurch wird Shylock der tragische Held des Werkes, da seine Unterlegenheit in der Gesellschaft nur durch die Bindung an die Rigidität der Rechtsvorschriften und Vereinbarungen auf eine gewisse Weise geschützt werden kann. „A punctilious legalism is the pariah’s protection. But he who lives by the letter of the law may perish by it.“422

419

Vgl. das aussagekräftiges Beispiel von Posner, Law and Literature, S. 148. „But mercy is above this sceptred sway/It is enthroned in the hearts of kings/It is an attribute to God himself/And earthly power doth then show likest God’s/When mercy seasons justice. Therefore, Jew,/Though justice be thy plea, consider this,/That, in the course of justice, none of us/Should see salvation: we do pray for mercy. (…)“ Vgl. Pepper, The American Law Register and Review, Vol. 40, No. 4, (First Series) Volume 31 (Second Series, Volume 5) (1892), 225, 232 ff. 421 Mehr zum Prozess „Republic of Venice vs. Shylock“ in Diederichsen, in: Mölk (Hrsg.), Literatur und Recht, S. 186, 222 ff. Zum Strafrecht und zur Bestrafung in Venedig der Renaissance vgl. Ruggiero, The Journal of Criminal Law and Criminology (1973-) 69 (1978), 243 ff. Zum Recht und Politik in Venedig der Renaissance siehe Stern, The American Journal of Legal History 46 (2004), 209 ff. 422 Posner, Law and Literature2, S. 110. Das Ergebnis des Prozesses ist auch nach Pepper, The American Law Register and Review, Vol. 40, No. 4, (First Series) Volume 31 (Second Series, Volume 5) (1892), 225, 235 korrekt. In der 3. Aufl. hat Posner die Charakterisierung Portias als Personifizierung der Gerechtigkeit aufgegeben. Nunmehr wirft er ihr Skrupellosigkeit vor. Diese Ansicht hat er auf dem Umstand basiert, dass Portia wie Shylock das Recht als Mittel versteht. „Shylock and Portia understand that the law is something to be used – by Shylock to revenge himself against Antonio and by Portia to foil Shylock and save money – rather than supinely to yield to.“ Vgl. Posner, Law and Literature3, S. 149 f. 420

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Teil 1: Rechtshistorische und dogmatische Grundlagen

Welche Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen? Einerseits wird die Law and Literature-Bewegung als Law in Literature wahrgenommen. Die Präsentation von Rechtssituationen und -fällen in der Literatur kann zum Verstehen der menschlichen Lebensverhältnisse beitragen. Die fiktionalen Situationen, die in der Literatur zu finden sind, bieten Informationen über politische und soziale Bedingungen. Andererseits wird es auch die Ansicht vertreten, Law als Literature zu betrachten. Der stilistische Ausdruck im Recht kann durch literarische Einflüsse aufschlussreicher und aussagekräftiger werden423. Hinsichtlich der Problematik der richterlichen Kontrolle der Privatverhältnisse zeigt uns das Werk Shakespeares, dass die Idee der richterlichen Nachprüfung und Korrektur einer Sicherungsabrede aus Gerechtigkeits- und Billigkeitsgründen erforderlich ist. Selbst wenn dieser Schluss literarisch vorliegt, wird deutlich, dass die Rechtsordnung (sowohl der angelsächsischen als auch der kontinentaleuropäischen Tradition) Erwägungen von Billigkeit nicht übersieht. Die Gnade wird dadurch als ein Prinzip naturrechtlicher Herkunft verstanden, das aber positivrechtliche Anerkennung findet. Im deutschen Recht wird dieses Resultat durch die Generalklauseln und im angloamerikanischen Recht durch den Begriff der equity erreicht. Das Zusammentreffen ist Ergebnis der allgemeinen Ansicht, dass missbräuchliche Abreden rechtlich nicht anerkannt werden können, weil sich das Recht dadurch selbst abschaffen würde.

423 Vgl. Posner, Law and Literature, S. 21 ff., 273 ff. („literary texts als legal texts“ und „legal texts als literary texts“); White, Harvard Law Review 102 (1989), 2014 ff.; Weisberg, Cardozo Studies in Law and Literature 6 (1994), 157, 159.

Teil 2

Die Anwendungsvoraussetzungen der Herabsetzung exzessiver Vertragsstrafen Aus dem ersten Teil der vorliegenden Arbeit ergibt sich, dass die Institution der Herabsetzung der übermäßig hohen Vertragsstrafe eine dogmatische und systematische Stütze im deutschen Privatrecht findet. Dieses Ergebnis gilt als Ausgangspunkt und gleichzeitig theoretische Grundlage für die konkrete Auseinandersetzung mit der praktischen Anwendung der Vorschrift des § 343 BGB im zweiten Teil. Die Grundlage dafür wird im Abschnitt A. gelegt. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Herabsetzung solcher Strafabreden werden hier näher erläutert. Der Problematik der prozessrechtlichen Voraussetzung der Ermäßigung einer Vertragsstrafe wird anschließend mit B. ein gesonderter Abschnitt gewidmet.

A. Die materiellen Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB I. Inhalt und Zweck der Vorschrift Die die Herabsetzungsmöglichkeit vorsehende Gesetzesnorm (§ 343 Abs. 1 BGB) lautet: „Ist eine verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen. Nach der Entrichtung der Strafe ist die Herabsetzung ausgeschlossen.“

Aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Schuldnerschutz als Zweck der Regelung bestimmt1. Bei der Vereinbarung und der 1

Vgl. BGH v. 22. 05. 1968, NJW 1968, 1625 = DB 1968, 1266 = MDR 1968, 751 („Die Herabsetzung der Vertragsstrafe bedeutet einen Schutz des wirtschaftlich Schwächeren. (…) Im Ergebnis ist sie eine Auswirkung der in § 242 BGB verankerten Grundsätze von Treu und Glauben. (…)“); NK-BGB/Walchner, § 343 Rn. 1; Hk-BGB/Schulze, § 343 Rn. 1; Jauernig/ Stadler, § 343 Rn. 1; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 1; JurisPK-BGB/Beater, § 343 Rn. 1.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Verwirkung der Vertragsstrafe kollidieren die Interessen der zwei Vertragspartner. Das Interesse des Gläubigers liegt darin, die Erbringung der als Vertragsstrafe vereinbarten Leistung wie festgelegt durchzusetzen. Im Gegensatz dazu will der Schuldner auf jeden Fall, dass die Vertragsstrafe eine möglichst niedrige Höhe erreicht. Es handelt sich hierbei um eine nicht durchdachte Gefahr, die dem Schuldner droht, da er einer niedrigen Strafhöhe hätte zustimmen können, die aber später nach einer unerwarteten Verwirkung ein unüberschaubares Maß annimmt2. Das Gesetz hält an der Regel „pacta sunt servanda“ fest. Der Schuldner hat die Vertragsstrafenpflicht nicht wie gewollt, sondern wie vereinbart zu erfüllen, obwohl er davon ausgeht, dass sie jetzt ungerecht sei. Die Lösung, die ihm zur Verfügung steht, ist die richterliche Entscheidung über die unverhältnismäßige Höhe der bereits verwirkten Strafe (sog. nachträgliche Korrektur). Andere strenge und enge Kontrollmechanismen (z. B. die Schriftform als Gültigkeitsvoraussetzung des Strafgedinges oder gesetzlich vorgeschriebene prozentuale Grenzen) werden vom Gesetzgeber abgelehnt3. Die Vorschrift ist ein Paradigma der Einzelfallgerechtigkeit (Billigkeit) des BGB4. Die Rechtsinstitution der Vertragsstrafe ist nicht von vornherein gesetzeswidrig. Umstände, die bereits bei der Strafvereinbarung bestehen oder später eintreten, erweisen sich als für den Schuldner belastend. Die einzige Person, die eine Strafvereinbarung überprüfen darf und die bei übermäßiger Strafhöhe korrigieren kann, ist bei Vorliegen des üblichen Rechtsweges der Richter. Er wendet zwar generelle Kriterien an, die von Literatur und Praxis herauskristallisiert wurden, aber er darf sich nur nach dem Antrag des Schuldners richten und sich nicht von Amts wegen einmischen. Der Gedanke des Schuldnerschutzes entspringt der Idee des Sozialstaates (Art. 20 Abs. 1 GG), die eine Gegenwehr gegen unbillige Missbräuche verlangt5. In diesem Sinn entwickelt sich dieser Schutz zu „der wichtigsten Regelungsaufgabe bei der Vertragsstrafe“6 und § 343 BGB zur „zentralen Norm des Vertragsstraferechts“7.

2 Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 11; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 81 („Damoklesschwert der drohenden Vertragsstrafe“). 3 Dies bedeutet aber nicht, dass die Vertragsstrafe in jedem Vertrag zulässig ist. Zu den gesetzlichen Restriktionen und Verboten zum Schutz besonderer Gruppen (z. B. Verbraucher) siehe unten Teil 3 B. II. 1., 2. 4 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 79. 5 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 99. Vgl. eingehend dazu oben Teil 1 B. II. 1. b) bb). 6 Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, Rn. 547. 7 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 1.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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II. Positive und negative Anwendungsvoraussetzungen Als positive Voraussetzungen für die Anwendung des § 343 BGB werden diese bezeichnet, die bestehen müssen, damit der Tatbestand der Vorschrift erfüllt wird. Darunter fallen das Vorliegen einer gültigen Vertragsstrafe [unten 1. a)], die Verwirkung dieser Strafe [1. b)] und die Unverhältnismäßigkeit ihrer Höhe [1. c)]. Die negativen Voraussetzungen, die eine Anwendung von § 343 BGB ausschließen, sind die bereits erfolgte Entrichtung der Strafe gem. § 343 Abs. 1 S. 3 BGB [2. a)] und die kaufmännische Eigenschaft beider Vertragsschließenden gem. § 348 HGB [2. b)]. Fraglich ist schließlich, ob die Vorschrift nach dem Willen der Vertragspartner abbedungen werden kann [2. c)]. Diese Voraussetzungen sind vom Gericht vor der Herabsetzung der Vertragsstrafe zu prüfen. Die Strafe lässt sich nicht reduzieren, falls die Voraussetzungen nicht vorliegen. 1. Positive Voraussetzungen a) Bestehen eines gültigen Strafversprechens aa) Definition der Vertragsstrafe; Arten von Vertragsstrafen Herabsetzbar sind grundsätzlich alle Vertragsstrafen. Als Vertragsstrafe kann man das Versprechen des Schuldners definieren, nach dem sich dieser verpflichtet, dem Gläubiger eine Leistung zu erbringen, falls die Hauptleistung, die sie absichert, nicht (§ 340 BGB) oder nicht gehörig (§ 341 BGB) erbracht wird. In diesem Sinne wird nur das Geschäft zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner und nicht das einseitige Versprechen als Vertragsstrafe verstanden8. Eine Ausnahme gilt nur, solange die Hauptpflicht aus einem einseitigen Geschäft entsteht (z. B. Belastung des Erben oder des Vermächtnisnehmers durch letztwillige Verfügung), etwas zu tun oder zu unterlassen9. Auch in diesen Fällen wird die Meinung vertreten, dass § 343 BGB anwendbar sei10. Vom sachlichen Anwendungsbereich werden an erster Stelle Vertragsstrafen erfasst, die als Geldsumme vereinbart worden sind11.

8 BGH v. 18. 05. 2006, ZIP 2006, 1777, 1778 = GRUR 2006, 878; BGH v. 04. 10. 1956, BGHZ 21, 370, 372 = NJW 1956, 1793; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 II 1; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 4; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 26 ff. 9 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 37 I; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 II 1; Staudinger/Rieble, § 339 ff. Rn. 39 f.; RGRK/Ballhaus, § 339 Rn. 2. 10 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 40; a. A. Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 37 I. 11 § 339 BGB: „Zahlung einer Geldsumme als Strafe (…)“ MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 5.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Darüber hinaus werden Strafen von § 343 BGB erfasst, die einen anderen Leistungsgegenstand als Geldsumme aufweisen (Sachstrafen)12. Es kann sich buchstäblich um die Übertragung einer Sache oder eines Rechts, die Vornahme bestimmter Handlungen oder die Minderung der Gegenleistung bei synallagmatischen Verträgen handeln. Die Tatsache, dass der Gegenstand der Strafleistung nicht nur Geld, sondern auch eine Sache oder eine Handlung sein kann, bringt Probleme mit sich. Weil die als Strafe versprochene Leistung unteilbar sein kann (z. B. ein unteilbarer Gegenstand), wird darüber gestritten, auf welche Weise die Herabsetzung durchzuführen ist. Eine Meinung setzt sich absolut gegen die Herabsetzbarkeit solcher Strafen ein und hält § 138 BGB für das einzige Schutzmittel13. An dieser Ansicht ist zu beanstanden, dass sie auf Basis der Unteilbarkeit der zu erbringenden Leistung zu übermäßigen Ergebnissen führt. Der Meinung, dass nicht alle Vertragsstrafen herabsetzbar seien, steht die Vorschrift des § 343 BGB entgegen, die auf alle Strafen unabhängig von ihrem Gegenstand Anwendung findet. Der Gegenmeinung nach sei der Richter dazu befugt, die Strafe auf einen ideellen Anteil herabzusetzen. Dies würde zur Gemeinschaft führen. Der Gläubiger dürfe stattdessen einen Geldausgleich bieten14. Diese Lösung (Herabsetzung auf einen Bruchteil oder Ausgleichszahlung des Gläubigers mit Einverständnis des Schuldners) scheint plausibler, da sie dem Richter eine breitere Variation von Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Absatz 2 ordnet an: „Das Gleiche gilt auch außer in den Fällen der §§ 339, 342, wenn jemand eine Strafe für den Fall verspricht, dass er eine Handlung vornimmt oder unterlässt.“

Hier handelt es sich um die sog. unechte oder selbstständige oder uneigentliche Vertragsstrafe, das heißt das Leistungsversprechen für den Fall eines Tuns oder Unterlassens, ohne dass aber eine Rechtspflicht zu diesem Tun oder Unterlassen besteht15. Diese selbstständige Vertragsstrafe hat zwar die gleiche doppelte Funktion

12 Die Vorschrift § 342 BGB, die den Titel „Andere als Geldstrafe“ trägt, weist zwar nur auf die §§ 339 bis 341 hin, aber auch diese Strafen werden von § 343 BGB erfasst. Charakteristisch ist die Formulierung des § 343 Abs. 2 BGB („außer in den Fällen der §§ 339, 342“). So Soergel/ Lindacher, § 343 Rn. 3; RGRK/ Ballhaus, § 343 Rn. 1; JurisPK-BGB/Beater, § 343 Rn. 4; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 5; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 1 a („Das offensichtlich allein die vertragliche Geldstrafe bedenkende Gesetz ist gleichwohl nicht auf sie zu beschränken; es handelt sich nicht um eine Regelungsgrenze, sondern um eine verkürzte Sicht, die fehlerhaft den Regelfall mit dem Ganzen identifiziert.“). 13 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 1 a. 14 Erman/Westermann11, § 343 Rn. 6; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 6. Vgl. aber Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 21 f., der bemerkt, dass „die Vereinbarung einer solchen unteilbaren Strafe Risiken für beide Seiten mit sich bringt.“ Er befürwortet die Lösung der Herabsetzung auf Null nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Dass aber dieses Prinzip abzulehnen ist, siehe unten Teil 2 B. V. 15 Statt vieler Schmidt, in: FS Heinrichs, S. 529, 535 ff. und Bötticher, ZfA 1970, 3, 6 ff.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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wie die echte Strafe (Bifunktionalität)16, allerdings bricht sie mit dem Akzessorietätsprinzip17, da sie keiner Hauptverbindlichkeit folgt. Die Herabsetzung solcher Strafgedinge ist jedoch gleichfalls möglich. Dies wird vom Gesetz ausdrücklich bestimmt18. Im öffentlich-rechtlichen Bereich unterscheidet man zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Strafen. Auf privatrechtliche Strafen werden die §§ 339 ff. BGB angewendet. Darunter fällt speziell § 343 BGB in unmittelbarer Weise. Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Strafen ist insbesondere § 62 S. 2 VwVfG an dieser Stelle zu erwähnen19. Dank dieser Vorschrift ist auch § 343 BGB anwendbar. In dieser Konstellation entsteht allerdings ein Kollisionsproblem von § 343 BGB und § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG, das durch die Begrenzung beider Vorschriften voneinander nach ihrem Ziel zu lösen ist20. Zusammenfassend fallen alle Arten von Vertragsstrafen entweder direkt (als die Definition der Vertragsstrafe erfüllend) oder indirekt (durch Gesetzesverweis) unter den sachlichen Anwendungsbereich des § 343 BGB. Hiervon abgesehen gibt es weitere Rechtsinstitute (z. B. die Draufgabe, das Reugeld), die ihrer Natur nach Ähnlichkeiten zur Vertragsstrafe aufweisen. Darauf ist jedoch § 343 BGB nicht analog anzuwenden. Die Erläuterung dieses Problems wird nachstehend im Abschnitt A. des Teils 3 genauer behandelt. bb) Die Wirksamkeit der versprochenen Strafe Die Vertragsstrafe wird – wie jeder Vertrag – nach den generellen Regeln des BGB abgeschlossen (§§ 145 ff. BGB), sei es als Klausel des Hauptvertrages, sei es als 16 BGH v. 23. 06. 1988, BGHZ 105, 24, 27 f. = NJW 1988, 2536. Zur Bifunktionalität siehe unten Teil 2 A. II. 1. c) jj) (2); Teil 3 A. III. 3. a). 17 Siehe unten Teil 3 A. II. 5. b). Mehr zum Prinzip siehe in Sieveking, Trennung, S. 39 ff. 18 Schmidt, in: FS Heinrichs, S. 529, 539, ist der Meinung, dass der Gesetzgeber den Analogiebedarf ex ante erkannt und die entstehende Lücke selbst geschlossen habe. Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 35 4. 19 „Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.“ Die Vorschrift sieht entsprechende Anwendung der Regelungen des BGB vor. Tatsächlich geht es um einen verweisenden Rechtssatz und um keine „entsprechende“ Anwendung. Mehr dazu in Larenz, Methodenlehre, S. 260 f. 20 Durch § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG ist die Angemessenheit der Vertragsstrafe selbst im öffentlich-rechtlichen Vertrag zu kontrollieren, während § 343 BGB nur auf die Strafermäßigung von den Verwaltungsgerichten anzuwenden ist. Vgl. Schlette, Verwaltung, S. 532; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 18. Dieser Meinung steht die Ansicht entgegen, dass sich § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG nicht anwenden lasse, weil die Vertragsstrafe keine Gegenleistung für den Erlass der staatlichen Maßnahme sei. § 343 BGB sei ebenfalls nicht anzuwenden, weil „die Praktikabilität der Vertragsstrafe damit illusorisch wird“, was zur Kontrolle des Strafversprechens nur mithilfe der §§ 134, 138 BGB führe. So Kessler/Kortmann, DVBl 1977, 690, 691 f. Vgl. auch die Meinung von Meyer, JZ 1996, 78, 81, der für die Anwendung des § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG auf subordinations-rechtliche Verträge mit Vertragsstrafenvereinbarung und nicht des § 343 BGB plädiert.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Nebenvertrag, der nach dem Hauptvertrag geschlossen wird21. Damit sind nicht nur privatrechtliche, sondern auch öffentlich-rechtliche Verträge gemeint. Die vertragliche Primärpflicht entsteht üblicherweise früher oder gleichzeitig mit der Vertragsstrafe22. Die Vertragsstrafe setzt eine vertragliche (oder gesetzliche) Primärpflicht voraus, von deren Bestehen und Durchsetzbarkeit ihre Wirksamkeit abhängt23. Wenn die Hauptverbindlichkeit von Anfang an oder nachträglich nichtig ist, dann ist die Vertragsstrafe ebenfalls unwirksam24. Diese Regel ist in § 344 BGB verankert. In diesem Sinne sind folgende Fälle denkbar: – Die Hauptverbindlichkeit ist wegen § 134 BGB nichtig, sie verstößt gegen ein gesetzliches Verbot. Die Vertragsstrafe ist somit auch nichtig, weil diese Institution nicht zur Befreiung von gesetzlichen Bestimmungen und Pflichten führen darf (Umgehungsverbot)25. – Die zu sichernde Primärpflicht ist gemäß § 138 BGB sittenwidrig und damit unwirksam. Die Wirksamkeit des Strafversprechens wird mitgerissen26. – Der Hauptvertrag ist zwar gültig, wird aber später voraussichtlich aufgelöst, z. B. wegen Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung27. – Gleiches gilt bei Vorliegen einer anfänglichen Leistungsunmöglichkeit, wenn der Schuldner eine Leistung verspricht, die er von Anfang an nicht erbringen kann28. – Der Hauptvertrag mag wirksam sein, aber ohne Schuldpflicht nach dem Gesetzeswortlaut (sog. Naturalobligationen). Typische Beispiele sind § 656 BGB (Heiratsvermittlung) und § 762 BGB (Spiel und Wette)29. – Der Hauptvertrag kann nichtig sein, weil die gesetzlichen Formvorschriften (z. B. §§ 125, 311b Abs. 1, 518 BGB) nicht eingehalten wurden. Die Unwirksamkeit 21 LAG Hamm v. 24. 01. 2003, DB 2003, 2549 = NZA 2003, 499; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 26 ff.; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 4; Berling, Vertragsstrafe, S. 22 ff. Zur Begründung der Vertragsstrafe durch einseitige Willenserklärung siehe oben Teil 2 A. II. 1. a) aa). 22 Auch die Vereinbarung einer Strafe vor dem Hauptvertrag ist nicht logisch ausgeschlossen. BGH v. 29. 11. 1973, BauR 1974, 206 = WM 1974, 105. 23 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 5 erkennt zu Recht an, dass die Vertragsstrafe nicht Sicherung von Vertragspflichten, sondern vertragliche Sicherung entweder gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten sei. Dennoch betrifft die vorliegende Darstellung nur den Fall der Sicherung vertraglicher Pflichten. 24 Die herrschende Meinung betrachtet diese Konsequenz als Folge des Akzessorietätsprinzips. So z. B. Erman/Schaub, § 339 Rn. 3; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 14 ff.; PWW/ Medicus/Stürner, Vor §§ 339 bis 345 Rn. 2; Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 10 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 2 – 3; v. Seeler, Conventionalstrafe, S. 23 ff. Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 94 betrachtet das Problem als Fehleridentität, wenn die Vertragsstrafe bereits im Hauptvertrag enthalten ist, und nicht als Auswirkung der Akzessorietät. 25 RGRK/Ballhaus, § 344 Rn. 4. 26 BGH v. 31. 01. 1973, NJW 1974, 2089, 2090 = WM 1974, 1042. 27 Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 11; RGRK/Ballhaus, § 344 Rn. 11. 28 Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 11. 29 RGRK/Ballhaus, § 344 Rn. 6.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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erstreckt sich auch auf das Strafversprechen. Die Vertragsstrafe, die zum Ziel hat, einen formnichtigen Vertrag über ein Grundstück zu sichern, ist nichtig30. Wenn der Formmangel nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt wird, dann wird die Strafe ex nunc wirksam31. In diesen Fällen trifft die Unwirksamkeit des zu sichernden Vertrages die Vertragsstrafenvereinbarung und führt deren Unwirksamkeit herbei. Außerdem kann die Vertragsstrafe wegen eigener Mängel nichtig sein. Bezüglich der Ungültigkeitsgründe eines Strafversprechens gelten die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts. § 139 BGB regelt die Wirkung der Nichtigkeit der Vertragsstrafe auf die Gesamtwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Diese Fälle können wie folgt beschrieben werden: – Die Vertragsstrafe kann in besonderen Fällen gesetzlich verboten sein. Infolgedessen ist die entgegen gesetzlichem Verbot vereinbarte Strafe gemäß § 134 BGB nichtig. Der Gesetzgeber geht in diesen Fällen davon aus, dass Vertragsstrafen ein gefährliches Druckmittel in den Händen des Gläubigers darstellen. Dies ist mit dem sozialen Charakter einiger Vertragstypen nicht vereinbar. Daher bestehen Regelungen, die das Vertragsstrafenversprechen ohne Weiteres außer Kraft setzen32. – Die Vertragsstrafe kann auch dann nichtig sein, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB). Ihre Höhe ist nach dem Vertragsfreiheitsprinzip frei zu vereinbaren. Dies schließt die Anwendung des § 138 BGB grundsätzlich aus. Die übermäßige Strafhöhe selbst führt nicht zur Nichtigkeit. Nur zusätzliche Umstände im Verhältnis zu der Übermäßigkeit können dieses Ergebnis mit sich bringen33. – Sehr üblich in der Wirtschafts- und Rechtspraxis ist das Phänomen, dass die Vertragsstrafenvereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und nicht in Individualvereinbarungen enthalten ist. In diesem Fall sind §§ 305 ff. BGB anzuwenden. Hier sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Ist der Verwender der Strafklausel Unternehmer, der andere Vertragsteil jedoch nicht, dann ist § 309 Nr. 6 BGB anwendbar. Die Strafklausel ist somit unwirksam, wenn sie für den Fall der Nichtabnahme, der verspäteten Abnahme, des Zahlungsverzugs oder der Lösung vom Vertrag einbezogen wird. Ist der andere Vertragsteil jedoch Unternehmer, dann schließt § 310 Abs. 1 S. 1 BGB die Anwendung des § 309 BGB ausdrücklich aus. In diesem Konzept (nämlich unter Kaufleuten) sind die vorformulierten Strafklauseln in der Regel zulässig. Der Prüfungsmaßstab wird dann 30 BGH v. 01. 07. 1970, NJW 1970, 1915, 1916 = DB 1970, 1825; RGRK/Ballhaus, § 344 Rn. 5; Erman/Schaub, § 344 Rn. 3. 31 BGH v. 18. 12. 1981, BGHZ 82, 398, 406 = NJW 1982, 759; Reinicke/Tiedtke, NJW 1982, 1430, 1433 ff. 32 Z. B. § 555 BGB bei Wohnungsmietverträgen, § 1297 Abs. 2 BGB bei Eheschließungen. Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 1. 33 Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 3.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

von den Generalklauseln des § 307 BGB gesetzt. Genügt die Strafklausel also den Ansprüchen des AGB-Rechts nicht, so ist sie unwirksam34. – Die Vertragsstrafenvereinbarung muss genügend bestimmt sein. Diese Bestimmtheitspflicht erstreckt sich nicht nur auf die Primärpflicht und deren Verletzung, welche zur Verwirkung der Strafe führt, sondern auch auf die Strafhöhe selbst35. Das Bestimmtheitsbedürfnis ist im ersteren Fall nicht streng. Die Formulierung „Verstoß gegen den Vertrag“ oder „jeder Vertragsbruch“, die die Partner oft verwenden, um jede Primärpflicht zu sanktionieren, werden als genügend bestimmt betrachtet36. Die Bestimmtheit der Vertragsstrafenleistung selbst betrifft vor allem die Strafhöhe. Die unbestimmte Strafe ist nicht von vornherein unwirksam, sondern mithilfe der §§ 315 ff. BGB konkretisierbar. Ihre nähere Bestimmung darf dem Gläubiger (§ 315 BGB) oder einem Dritten (§ 317 BGB) überlassen werden. Die Bestimmung hat nur nach billigem Ermessen stattzufinden und kann auf jeden Fall richterlich korrigiert werden (§ 315 Abs. 3 BGB, wenn der Gläubiger die Leistung konkretisiert, § 319 BGB, falls ein Dritter sie bestimmt). Streitig ist, ob die Vertragsparteien die Bestimmung der Strafhöhe einem Gericht von Anfang an überlassen können37. Die Prüfung, ob die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgt ist, kann freilich einem Schiedsgericht überlassen werden. – Thematisch anders gelagert als die Form des Hauptvertrags ist die Form der Vertragsstrafe selbst. Die Formfreiheit des BGB umfasst auch das Vertragsstrafenversprechen, solange die Hauptverbindlichkeit aus einem formfreien Vertrag entsteht38. Sofern aber der zu sichernde Vertrag einer bestimmten Form unterliegt, muss auch die Vertragsstrafabrede von derselben Form erfasst werden, da es sich um eine nicht eigenständige Nebenabrede handelt. Bei unechten Vertragsstrafen entfällt die nach § 780 BGB erforderliche Schriftform39. 34

Eingehend dazu unten Teil 3 B. II. 2. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 32. Generell zum Bestimmtheitserfordernis der Leistung siehe Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 2 I. 36 Vgl. etwa BGH v. 13. 03. 1975, LM Nr. 19 zu § 339 BGB = WM 1975, 470, mit der Begründung, dass die strengen Bestimmtheitsanforderungen des Grundgesetzes nur für strafrechtliche und strafrechtsähnliche Sanktionen und nicht für privatrechtliche Sanktionen gelten. Zustimmend dazu Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 33 ff., der davon ausgeht, dass die jeweilige Unbestimmtheit durch ergänzende Auslegung vom Gericht beseitigt werden und die Vertragsstrafe durchsetzbar werden könne. So auch Fischer, in: FS Piper, S. 205, 209 f. und Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 37 f.; a. A. kann man in BAG v. 18. 09. 1991, NZA 1992, 215, 217 = BB 1992, 144 und in OLG Düsseldorf v. 18. 10. 1991, DB 1992, 86 finden. Vgl auch unten Teil 3 B. III. 2. 37 Sog. „Hamburger Brauch“. Siehe OLG Hamburg v. 11. 07. 1962, JZ 1963, 172. Vgl. unten Teil 3 B. III. 2. 38 MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 22. Zustimmend und gleichzeitig kritisch ist Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 51 („Spezielle gesetzliche Formvorschriften für Strafabreden gibt es nicht – obwohl Anlaß zu einer Warnung des nicht-kaufmännischen Schuldners besteht.“). 39 MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 22; Bötticher, ZfA 1970, 3, 8; a. A. vertritt Wendt, Die selbständigen Strafversprechen, S. 13. 35

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Die vorgenannten Unwirksamkeitsgründe bedürfen der näheren Prüfung. Jedoch hat die Darstellung der Anwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB an dieser Stelle Vorrang. Auf jeden Fall sind sie von besonderer Bedeutung, da sie in der Praxis als Kontrollmechanismen im Verhältnis zur Höhe der Vertragsstrafe funktionieren können. Ihre richterliche Anwendung und ihre spezielle Beziehung zu § 343 BGB sollen den Inhalt eines besonderen Abschnitts darstellen40. b) Der Verfall der Vertragsstrafe41 Nur eine verwirkte Strafe darf herabgesetzt werden. Das Bestehen des Strafverfalls als Voraussetzung der Herabsetzung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 343 BGB selbst42. Hinsichtlich des Grundes dieser ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung wird die Meinung vertreten, dass dieses Erfordernis der Rechtssicherheit diene, weil eines der wichtigen Beurteilungskriterien der richterlichen Herabsetzung, das heißt das Maß des Verschuldens des Schuldners, niemals vor dem Strafverfall vorliegen könne43. Man geht auch gerne davon aus, dass kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien vor dem Verfall bestehe, das die Herabsetzung ausschließen könne44. Richtig ist hingegen die Meinung, dass der Schuldner keinen Schaden vor der Verwirkung durch ein bloß übermäßiges Strafversprechen erleidet und folglich nicht schutzbedürftig ist. Nur durch den Verfall entsteht der Strafanspruch des Gläubigers, der den Schuldner belastet, falls das Versprechen übermäßig ist45. An diese Problematik schließt das Thema an, ob der Schuldner eine Feststellungsklage bereits vor der Verwirkung erheben kann, damit die Vertragsstrafe als unverhältnismäßig hoch anerkannt wird. Einigkeit herrscht darüber, dass eine solche Klage nicht zulässig ist46. Dennoch ist die Klage, die auf die Feststellung der Ver40

Mehr dazu unten Teil 3 B. Ziel der folgenden Darstellung ist nicht die erschöpfende Behandlung des Verwirkungsproblems, sondern nur die Ausführung derjenigen besonderen Themen, die mit dem Verfall der Vertragsstrafe als Voraussetzung der Herabsetzung zu tun haben. Grundlegend zum Verfall siehe Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 267 ff.; Dörner, Verfall, S. 12 ff.; Gronemann, Vertragsstrafe, S. 27 ff.; Weber, Verfall, passim; Lehmann, Unterlassungspflicht, S. 295 ff. 42 „Ist eine verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch, (…)“. 43 Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 13. 44 Dies stimmt aber nicht, weil der Gesetzgeber die Herabsetzung einer Vertragsstrafe noch vor der Verwirkung theoretisch einführen könnte. Wie dargestellt fehlt es aber nicht an einem Rechtsverhältnis, sondern an der Klagebefugnis. Vor der Verwirkung erleidet der Schuldner keine Verletzung in eigenen Vermögensrechten, um klagebefugt zu sein. 45 So auch Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 62. 46 RG v. 14. 03. 1913, JW 1913, 604; Bötticher, ZfA 1970, 3, 25; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 1; Bamberger/Roth/Janoschek, § 343 Rn. 6; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 15; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 5; PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 3 (Medicus und Stürner bemerken, dass weder eine vorsorgliche richterliche Herabsetzung des 41

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

tragsstrafennichtigkeit aus irgendeinem Grund gerichtet ist, zulässig. Sofern der Schuldner dem Gericht den Antrag auf Herabsetzung vorzeitig, das heißt vor der Verwirkung, stellt, ohne die Verwirkung zu behaupten, so ist dieser gerichtliche Antrag unzulässig. Behauptet er die Verwirkung, ohne diese aber beweisen zu können, so ist seine Klage unbegründet. Falls die Vertragsstrafe für den Fall nicht gehöriger Erfüllung vereinbart wird und verfällt, kann der Gläubiger die Strafe neben der Erfüllung verlangen. Das ergibt sich aus § 341 Abs. 1 BGB. Bietet der Schuldner die Hauptleistung jedoch zur Annahme an und nimmt der Gläubiger diese tatsächlich auch an, dann geht sein Anspruch auf die Vertragsstrafe verloren. Eine Ausnahme liegt nur vor, wenn der Gläubiger die Leistung mit Vorbehalt annimmt (§ 341 Abs. 3 BGB). Die vorbehaltlose Annahme ist dagegen ein gesetzlicher Verlustgrund und schließt den Strafanspruch aus. In der Folge besteht keine herabsetzbare Strafe mehr47. c) Unverhältnismäßige Höhe der Vertragsstrafe aa) Einführung zum Begriff der Verhältnismäßigkeit Der Begriff „unverhältnismäßig hoch“ ist das umfangreichste Merkmal des Tatbestandes von § 343 BGB. Zugleich ist es am problembehaftetsten, da der Begriff der Verhältnismäßigkeit viele Fragen methodologischer Natur aufwirft. Die folgenden Darstellungen sind deshalb dem Versuch der Konkretisierung dieser Generalklausel gewidmet, nachdem einige generelle Bemerkungen über die Konzeption des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorangestellt werden. Generell wird angenommen, dass das Prinzip aus dem Bereich des Öffentlichen Rechts herrührt48. Demgemäß muss jede staatliche Maßnahme, die die Grundrechte einer Person beschränkt, einen legitimen Zweck verfolgen und geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (oder angemessen) sein, um diesen Zweck zu erreichen49. Diese drei Elemente (Geeignetheit, Erforderlichkeit50, Angemessenheit51) bilden den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das gesamte Gebot, das in der Regel als Übermaßverbot funktioniert (wie eben auch in § 343 BGB), steuert das staatliche Handeln, das heißt die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Rechtsprechung. Daraus kann man folgern, dass alle Mittel staatnoch nicht verwirkten Strafe noch eine Feststellungsklage zulässig ist); RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 9; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 9; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 62. 47 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 66 f. Mehr zum Vorbehalt in Reinicke/Tiedtke, DB 1983, 1639 ff. 48 Grundlegend dazu Bieder, Das ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsprinzip, S. 1; Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 6 ff. und passim. 49 Vgl. zum Prinzip und zum Inhalt seiner Elemente statt vieler Degenhart, Staatsrecht I, Staatsorganisationsrecht, § 4 Rn. 415 ff. 50 Vgl. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 117 ff. 51 Mehr dazu in Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 96 ff.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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licher Gewalt, also das Gesetz, der Verwaltungsakt und das gerichtliche Urteil an diese Grundregel gebunden sein müssen. Hier aber taucht die Frage auf, wie dieses Gerechtigkeitsgebot des Rechtsstaates, das alle staatlichen Organe unmittelbar bindet, im Privatrecht ebenfalls gilt und Rechtsfolgen entfaltet. Anders gesagt bleibt darüber zu entscheiden, ob das aus dem Rechtsstaatsbegriff stammende Prinzip der Verhältnismäßigkeit eine Regel ist, die unmittelbar auch unter Privatpersonen so gilt, dass ihre Geltung gerichtlich kontrollierbar ist, oder ob sie nur eine Auslegungsrichtlinie darstellt, welche nur das Gericht dazu zwingt, die Rechtsnormen des Privatrechts demgemäß auszulegen. bb) Der Begriff der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht (1) Verschiedene Erscheinungsformen der Verhältnismäßigkeit Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist auch im Privatrecht zu finden, jedoch erscheint hier es unter verschiedenen Formen und Funktionen. Zunächst sind die Vorschriften des Privatrechts zu erwähnen, in denen der Gesetzgeber die Lebensverhältnisse so regelt, dass er die gegenseitigen Interessen angemessen abwägt, ohne dies aber ausdrücklich anzuordnen52. Diese Fälle der sog. „verdeckten“ Verhältnismäßigkeit sind in der vorliegenden Darstellung nicht von Bedeutung, da der Gesetzgeber eine ausdrückliche Formulierung des Prinzips in § 343 BGB normiert hat. Im Mittelpunkt dieses Abschnitts stehen solche Vorschriften, die das Element der Verhältnismäßigkeit oder der Unverhältnismäßigkeit, ebenso wie § 343 BGB, in ihrem Tatbestand enthalten. Hier muss man jedoch unterscheiden. Es gibt Normen, die das Wort „verhältnismäßig“ oder „unverhältnismäßig“ nur im Sinne einer proportionalen, anteilsmäßigen Berechnung wahrnehmen53. § 343 BGB fällt nicht unter diese Gruppe, da die Norm die „unverhältnismäßige Höhe“ nicht nur als einen rechnerischen Begriff, sondern wie auch andere Vorschriften als eine Interessenabwägung anordnet54. (2) Die Einwirkung der Grundrechte in den Bereich des Privatrechts (a) Die gegen die staatlichen Organe gerichtete Wirkung Wie bereits oben dargestellt geht die Funktion des Grundsatzes vor allem mit der Bestimmung an alle Organe einher, die die staatliche Gewalt tragen und ausüben. Zweifelsohne sind der Gesetzgeber und der Richter die hauptsächlichen Adressaten des Gebotes. Der Gesetzgeber ist nämlich dazu verpflichtet, die Grund- und Frei52 Siehe Medicus, AcP 192 (1992), 35, 37, der als charakteristisches Beispiel solcher Fälle die Regel der Risikoverteilung erwähnt. Der Ansicht von Medicus, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung jeder Norm gegenseitige Interessen abwäge, steht Bieder, Das ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsprinzip, S. 125 f. kritisch gegenüber. 53 So z. B. §§ 320, 366, 467, 2089, 2090 BGB, 182 Abs. 4 AktG, 92 ZPO. 54 Z. B. §§ 138 Abs. 2, 251 Abs. 2 S. 1, 904 S. 1, 1666a BGB, 18 Abs. 3 MarkenG.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

heitsrechte der Individuen nicht so zu beschränken, dass bei der Regelung von Lebensverhältnissen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überschritten wird. Andererseits ist der Richter demnach befugt und zugleich verpflichtet, die tatsächliche Überschreitung des Grundsatzes durch den Gesetzgeber zu überprüfen. In diesem Sinne funktioniert das Prinzip als Abwehrrecht des Einzelnen gegen den Staat und zeigt, was er gerichtlich geltend machen kann. (b) Die mittelbare und die unmittelbare Drittwirkung Problematischer und somit sehr umstritten ist die sog. Drittwirkung der Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsprinzips in das Privatrecht. Dies hat die Literatur und die Rechtsprechung lange Zeit beschäftigt55. Zwei Tendenzen hinsichtlich des Einflusses der verfassungsrechtlichen Institute auf das Privatrecht haben sich dabei entfaltet: Die eine Position nimmt die Grundrechte, das Gleichheits- und das Verhältnismäßigkeitsgebot als den Richter bindende Vorschriften an. Er müsse sie bei der Auslegung und Anwendung von Regelungen des Privatrechts berücksichtigen, insbesondere dann, wenn ihm ein Ermessensspielraum zuerkannt werde. Charakteristisches Beispiel sei die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln. Diese Einwirkung nennt man mittelbar, weil sie sich nur vor dem Richter entfaltet werden kann. Heute wird sie generell akzeptiert mit der Begründung, dass die Verfassungsnormen das gesamte Rechtssystem ausprägen. Diese Tendenz heißt auch verfassungsorientierte Auslegung. Sie verlangt, dass der Richter eine Vorschrift immer an den Wertungskriterien der Verfassung misst, da die gesamte Rechtsordnung nichts anderes als eine Wertordnung, also eine Abwägung von Interessen, ist56. Die andere Position hingegen dreht sich um die an sich bedenkliche Frage, ob die Grundrechte und vor allem das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine unmittelbare Drittwirkung entfalten können. Es stellte sich die Frage, ob die Grundrechte nicht nur den staatlichen Rechtsanwender (z. B. den Richter), sondern auch die Individuen unmittelbar binden, ob also die Grundrechte horizontal (das heißt unter den Privatpersonen) nicht nur als Wertentscheidungen, sondern auch als Schutzgebote einwirken. Obwohl die Befürworter einer solchen Tendenz bemerkenswerte Argu55

Grundlegend dazu Wolf/Neuner, AT, § 5 Rn. 4 ff. Vgl. BVerfG v. 15. 01. 1958, BVerfGE 7, 198, 205 ff. („Lüth-Urteil“) spricht von einer Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht: „Ebenso richtig ist aber, dass das Grundgesetz, das keine wertneutrale Ordnung sein will (…), in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Rechtsordnung aufgerichtet hat und dass gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt (…) keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm (dem Wertsystem) stehen, jede muss in seinem Geiste ausgelegt werden. (…)“ Zur sog. mittelbaren Drittwirkung siehe auch Canaris, AcP 184 (1984), 201, 210 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 53; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 178 ff. (m. w. N. über die Unterscheidung zwischen verfassungskonformer und verfassungsorientierter Auslegung); Papanikolaou, in: FS H. P. Westermann, S. 563, 564 ff. 56

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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mente hervorbrachten57, wird die unmittelbare Wirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnisse in der Literatur allgemein abgelehnt58. Die Kritik der Gegner basiert zu Recht auf dem Charakter der Grundrechte als ein System, welches gegen den Staat funktioniert. Die Träger von Grundrechten dürfen diese gegeneinander durch direkte Anwendung des Grundgesetzes nicht geltend machen. Nur der Gesetzgeber hat die Befugnis, die Privatverhältnisse zu regeln und die gegenüberstehenden Interessen durch die Privatrechtsvorschriften abzuwägen. Der Richter darf nur überprüfen, ob diese Vorschriften mit den Wertvorstellungen des Verfassungsgesetzgebers vereinbar sind (z. B. ob eine Vorschrift nur die Interessen eines Individuums zulasten der Anderen berücksichtigt). Die Privatperson kann sich aber nicht auf die Grundrechte gegenüber anderen Privatpersonen berufen, da die Adressaten der verfassungsrechtlichen Gebote nur Staatsorgane sind. Dies sieht der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich vor („Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“). Eine andere Konzeption würde die Privatautonomie übermäßig beschränken59. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine unmittelbare Bindung der Grundrechte in Form einer präventiven Regulierung der Verhältnisse unter den Individuen nicht akzeptiert werden kann. Dagegen ist ihre Auswirkung auf die richterliche Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Privatrechts gegeben. (c) Die besonderen Auswirkungen der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Privatrecht Wie oben bereits dargestellt, bindet die in der Verfassung verankerte Verpflichtung zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips alle Organe, die staatliche Gewalt tragen. Freilich sind der Gesetzgeber und der Richter Hauptadressaten im Privatrecht. Beim Gesetzgebungsverfahren ist der Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Grundrechte nur soweit zu beschränken, dass die durch das Verhältnismäßigkeits57

Vgl. vor allem die Darstellung der Theorie in Canaris, AcP 184 (1984), 201, 202 f. Siehe aber den Art. 25 Abs. 1 der griechischen Verfassung, der nach der Reform von 2001 lautet: „Die Rechte des Menschen als Person und Mitglied der Gesellschaft und das Prinzip des sozialen Rechtsstaats werden vom Staat gewährleistet. Alle Staatsorgane sind verpflichtet, deren ungehinderte und effektive Ausübung sicherzustellen. Diese Grundrechte gelten auch in den angepassten Privatverhältnissen. Die Einschränkung dieser Rechte gemäß der Verfassung sollen entweder in der Verfassung selbst oder in dem Gesetz, wenn ein Gesetzesvorbehalt existiert, vorgesehen sein und das Verhältnismäßigkeitsprinzip respektieren.“ In diesem Rahmen ist eine unmittelbare Drittwirkung im griechischen Recht denkbar (z. B. in den Arbeitsverhältnissen), weil dies aber ausdrücklich in der Verfassung vorgesehen ist. Grundlegend dazu Georgiades, in: FS H. P. Westermann, S. 209, 215 ff.; Doris, in: FS Canaris, Bd. II, S. 535 ff.; Koutnatzis, VRÜ 2011, 32, 38 ff. Zu den Bedenken gegen eine sog. Konstitutionalisierung des Privatrechts siehe Georgiades, in: FS H. P. Westermann, S. 209, 223 ff.; Papanikolaou, in: FS H. P. Westermann, S. 563, 577 ff. 59 Vgl. die Kritik von Canaris, AcP 184 (1984), 201, 203 ff. und Medicus, AcP 192 (1992), 35, 43. 58

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

prinzip festgelegten Grenzen respektiert werden. Auf der anderen Seite ist dem Richter die Pflicht auferlegt, die Entscheidungen des Gesetzgebers anzuwenden, solange diese mit dem vorgenannten Prinzip vereinbar sind. Die Funktion des Grundsatzes als Schranken-Schranke, das heißt als Schranke der Grundrechtsbeschränkung, ist daher nicht nur im öffentlichen Recht, sondern auch im Privatrecht von Bedeutung60. Dieser Grundsatz greift insbesondere dann ein, wenn eine Vorschrift des Privatrechts eine Beschränkung von Grundrechten einführt. Darüber hinaus ist dieser Leitgedanke ausschlaggebend bei der Anwendung und Auslegung privatrechtlicher Vorschriften durch den Richter. Dies ist speziell dann der Fall, wenn dem Gericht ein Ermessensspielraum bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln eingeräumt wird. Gestaltet der Gesetzgeber eine Rechtsnorm aus, die dem Richter einen Ermessensspielraum eröffnet, bedeutet die Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass der Richter dazu verpflichtet ist, die Abwägung der jeweiligen Interessen im Rahmen des Ermessensspielraums vorzunehmen und auf die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien und Grundrechte Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung bedeutet, dass der Richter jede Vorschrift auf Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kontrollieren muss. Verstößt eine vorkonstitutionelle Vorschrift gegen das Prinzip, so ist sie verfassungswidrig und der Richter darf sie nicht anwenden. Verletzt eine nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes entstandene Vorschrift das Prinzip, dann findet die Prüfung durch eine konkrete Normenkontrolle statt. Eine Gerichtsentscheidung, die selbst gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstößt, ist falsch und durch die rechtlich vorgesehenen Rechtsmittel anzufechten. Der weiteste Spielraum, in welchem der Richter den Grundsatz überprüfen kann, findet sich in den Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen. Hier hat der Gesetzgeber ein besonderes Maß von Unbestimmtheit bewusst ausgewählt. cc) Die Behandlung des § 343 BGB als vorkonstitutionelles Recht Die bisherige Auseinandersetzung mit der Problematik der Wirkung der Grundrechte und speziell des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Schranken-Schranke auf die Konkretisierung unbestimmter Begriffe wirft eine kritische Frage auf: Wie kann ein Grundsatz, der erst seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 gilt, Einfluss auf die Auslegung einer Vorschrift haben, die bereits seit Jahrzehnten bis dato galt? Anders gesagt: Welche Bedeutung hat das Grundgesetz für die Fortgeltung und die Auslegung des vorkonstitutionellen Rechts (hierzu zählt selbstverständlich auch das BGB)? Eine Antwort auf die Frage bietet Art. 123 Abs. 1 GG, wonach das Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages fort gilt, soweit es dem Grundgesetz

60

Eingehend dazu Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 51 ff.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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nicht widerspricht61. Durch diese Vorschrift hat der Verfassungsgesetzgeber bestätigt, dass das vorkonstitutionelle Recht wie früher gilt. Da das BGB ein formelles Gesetz ist, das von deutschen Organen nach dem damals geltenden Verfahren im deutschen Kaiserreich in Kraft trat, wird es vom Wortlaut der Regelung erfasst. Der Begriff der Vorkonstitutionalität weist dabei keine Schwierigkeiten auf, da das BGB bereits seit 1. Januar 1900 gilt und der Bundestag erst am 7. September 1949 zusammentrat. Art. 123 Abs. 1 GG sieht das Fortgelten von vorkonstitutionellem Recht vor. Folge dieser Regelung ist, dass das Grundgesetz den Fortbestand des vorher geltenden Rechts grundsätzlich nicht berühren wollte. Ausnahmsweise erfasst diese Regel die dem Grundgesetz widersprechenden Vorschriften nicht, da diese erst seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 automatisch außer Kraft traten. Als Widerspruch versteht Art. 123 Abs. 1 GG einen inhaltlichen materiellen Verstoß gegen die Verfassungsvorschriften (z. B. die Grundrechte). Das BGB ist aber mit solchen Problemen nicht konfrontiert. Das BGB ist ein Gesetz mit mehr als zweitausend Vorschriften, deshalb wird die jeweilige Verfassungsmäßigkeit in Einzelfällen geprüft. Es wird dabei lediglich beurteilt, ob eine bestimmte Vorschrift oder eine Institution gegen das Grundgesetz verstößt. Es ist aber somit offensichtlich, dass die Herabsetzung als Schranke der Privatautonomie nicht verfassungswidrig ist62. § 343 BGB verstößt nicht gegen das Grundgesetz und gilt nach dessen Inkrafttreten fort. Anders formuliert ist die Vorschrift so auszulegen, als ob diese erst nach 1949 entstand. Alle Rechtsnormen, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes Bestand haben, können einer Verfassungsmäßigkeitskontrolle nicht entgehen. Insbesondere das vorkonstitutionelle Recht kann jedes Fachgericht auf seine Verfassungsmäßigkeit inzident überprüfen und es für den Einzelfall unangewendet lassen, wenn es von dessen Verfassungswidrigkeit überzeugt ist. Für die vorliegende Arbeit ist die sog. verfassungsorientierte Auslegung von besonderem Interesse. Diese Auslegungsmethode als Unterfall der systematischen Auslegung betont die Bedeutung der Verfassung bei der Anwendung des einfachen Rechts. Sie fordert die Berücksichtigung der Grundrechte und allgemein der verfassungsrechtlichen Entscheidungen bei der Auslegung jeder Vorschrift unteren Rangs. Basis dieser Methode ist, dass das einfache Recht so auszulegen ist, dass die Abwägungen, die sich im Grundgesetz befinden, den Rechtsanwender binden63. Auf der Grundlage der obigen Ausführung lässt sich der Begriff der Unverhältnismäßigkeit, der bereits seit 1900 in § 343 BGB enthalten ist, durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip aufklären. Die Tatsache, dass sich der Begriff im Grundgesetz erst nach fünf Jahrzehnten etabliert hat, soll dabei keine Rolle spielen. Das Prinzip 61

Vgl. Holtkotten, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 123; Maunz, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 123. 62 Mehr dazu oben Teil 1 B. IV. 1. 63 Mehr zur verfassungsorientierten Auslegung und zu ihren Unterschieden zur verfassungskonformen Auslegung in Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 178 ff.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

hat eine so starke Ausstrahlungskraft, dass es auch vorkonstitutionelle Vorschriften erfassen muss. Vielmehr ist dieser Ansicht der Vorzug zu geben, da das vorliegende Prinzip bei der Konkretisierung nicht irgendeiner Generalklausel oder eines unbestimmten Begriffes, sondern des einfachrechtlichen Begriffes mit dem gleichen Namen und Inhalt („unverhältnismäßig hoch“) zu berücksichtigen ist. dd) Die Konzeption des § 343 BGB als Generalklausel Die kritische Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt, ist Folgende: Ist der Begriff „unverhältnismäßig hoch“ – eigentlich das dogmatisch schwierigste Tatbestandsmerkmal der Vorschrift – eine Generalklausel? Sofern dies zutrifft, kann das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Auslegung und Anwendung eine Rolle spielen. (1) Allgemeines zu den Generalklauseln Unter dem Begriff Generalklauseln sind solche Tatbestandsmerkmale zu verstehen, die gesellschaftliche Wertvorstellungen wiedergeben und durch eine vom Gesetzgeber gewollte Unbestimmtheit geprägt sind, um diese Wertvorstellungen auszudrücken und eine unbestimmte Zahl von Fällen zu erfassen64. Viele Beispiele sind im BGB, aber auch in anderen Gesetzen zu finden (z. B. „Treu und Glauben“, „gute Sitten“, „wichtiger Grund“, „angemessenes Verhältnis“, „billiges Ermessen“). Den Kern der Generalklauseln bildet der Begriff der normativen Tatbestandselemente. Das positive Recht verwendet nicht nur die sog. deskriptiven Tatbestandsmerkmale, das sind Wörter, die die Wirklichkeit beschreiben (z. B. „Körper“, „Bienenschwarm“, „Gebäude“)65. Eigentlich sind auch diese Merkmale üblicherweise auslegungsbedürftig. Sie erfordern eine nähere Bestimmung. Beispielsweise darf man auch beim noch nicht Geborenen von „Körper“ sprechen? Falls dies so ist, wann beginnt ein menschlicher „Körper“ überhaupt zu existieren? Den Gegenpol 64 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 223 f., der die sog. ausfüllungsbedürftigen Maßstäbe als Kernpunkt der Generalklauseln ansieht; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 213 ff. (der den Terminus „wertausfüllungsbedürftig“ einführt); Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 66 ff. Zum Gebrauch von Generalklauseln als ein das BGB ausprägendes Charakteristikum siehe Larenz/Wolf, AT, § 3 Rn. 84. Allgemein zu den Generalklauseln, ihren Gefahren, aber auch ihrer Unentbehrlichkeit als Regelungsmittel vgl. Weber, AcP 192 (1992), 516, 520 ff.; Garstka, in: Koch (Hrsg.), Methodenlehre, S. 96 ff. Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 70 ff. nennt die Generalklauseln „,open texture‘-Elemente der Gesetzgebung“ und „,Fenster‘ der Gesetzgebung auf den dieser zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Wertungshorizont.“ Vgl. auch Beater, AcP 194 (1994), 82 ff., der die Ausfüllung von Generalklauseln durch Fallgruppen als unverzichtbar für den Rechtsanwender betrachtet. 65 Zu dieser Hauptfrage der Methodenlehre, das heißt der Begrenzung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandelementen, siehe Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 70 f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 58 ff.; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 27 ff., 37 ff. Röthel anerkennt, dass die deskriptiven Begriffe durch eine Legaldefinition oder eine Umschreibung einen rechtlichen Inhalt erhalten können (z. B. der Begriff „Verbraucher“). Kramer befürwortet aber die Qualifikation dieser Begriffe als normativ.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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dazu bilden die normativen Tatbestandsmerkmale. Sie werden durch ihren Verweis auf Wertvorstellungen gekennzeichnet. Der Gesetzgeber entscheidet, dass er die Abstraktion der jeweiligen Rechtsnorm nicht anders als durch den Gebrauch unbestimmter Begriffe ausdrücken kann. Einige von diesen Begriffen haben eine absolut juristische Bedeutung (z. B. „Eigentum“, „Kündigung“, „Sachmangel“, „Vertretung“, „Wohnung“), obwohl sie auch im Alltagsleben verwendet werden können. Außer den bereits genannten Begriffen kennt das Recht auch solche, die auf soziale Wertvorstellungen hinweisen. Die Beispiele sind zahlreich und stammen aus dem gesamten Privatrecht. Als typische Merkmale sind an dieser Stelle „Wohl des Kindes“ (§ 1686 BGB), „offenbare Unbilligkeit“ (§ 319 BGB), „wesentliche Eigenschaft“ (§ 119 Abs. 2 BGB), „besondere Umstände“ (§ 281 Abs. 2 BGB), „erhebliche Beeinflussung“ (§ 311 Abs. 3 BGB), „unbillige Härte“ (§ 595 Abs. 7 BGB) zu erwähnen66. Darüber hinaus unterscheidet die Rechtstheorie die Gruppe der Generalklauseln von der Obergruppe der generell genannten normativen Tatbestandmerkmale. Als Generalklauseln werden nur normative Begriffe bezeichnet, die generell formuliert sind, um flexibel zu sein, aber deren Unbestimmtheit so groß ist, dass sie besonders ausfüllungsbedürftig sind. Sie werden durch „besonders qualifizierte Vagheit“ gekennzeichnet und können nicht als irgendein beliebiges ausfüllungsbedürftiges Merkmal charakterisiert werden, sondern stellen den Kernpunkt der jeweiligen Vorschrift dar67. Differenzierendes Charakteristikum der Begriffe ist die Eigenschaft, dass ihre Abstraktion die ganze Vorschrift ausprägt (wie z. B. Treu und Glauben die Rechtsnorm § 242 BGB). Die Qualifikation eines Tatbestandsmerkmals als normatives Element oder als Generalklausel ist eigentlich nicht von besonderer Bedeutung, da es sich auf jeden Fall um einen abstrakten, unbestimmten und konkretisierungsbedürftigen Begriff handelt. Die Konkretisierungsversuche sind für den Rechtsanwender unentbehrlich68. (2) Die Charakterisierung von § 343 BGB als Generalklausel Das Merkmal, das § 343 BGB prägt, ist der Begriff „unverhältnismäßig hoch“. Seine Bedeutung liegt darin, dass der Richter nicht nur dieses Merkmal näher bestimmen, sondern auch die Vertragsstrafe gemäß dieser Konkretisierung herabsetzen 66

Vgl. mehr zum schwierig zu definierenden Begriff der normativen Merkmale in Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 194 ff. und Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 37 ff. 67 Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 66 f.; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 33 f. („Der Unterschied zwischen Generalklauseln und der allgemeinen Gruppe der normativ-unbestimmten Rechtsbegriffe liegt daher nicht im qualitativen, sondern lediglich im quantitativen Bereich.“). 68 Etwa zögernd Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 34. Larenz, Methodenlehre, S. 288 ff. unterscheidet zwischen normativen Begriffen und Generalklauseln nicht, sondern sie spricht nur von Ausfüllungsbedürftigkeit.

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muss. Die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe begrenzt die Entscheidung des Richters (das „Ob“) und ihre Weite (das „Inwieweit“). Der Rechtsanwender und vor allem der Richter kann die Vorschrift nicht anwenden, bevor er die Strafhöhe als unverhältnismäßig anerkannt hat. Darüber hinaus hat die Bezeichnung dieses Elements als Generalklausel zur Folge, dass die ganze Theorie der Normkonkretisierung, welche die Methodenlehre entfaltet hat, zur Konkretisierung des § 343 BGB beitragen kann. Wie bereits oben gezeigt, nimmt der Gesetzgeber die Verhältnismäßigkeit im Rahmen des § 343 BGB nicht als einen mathematischen Begriff wahr69. Historisch betrachtet hätte er die Begrenzung der Vertragsstrafe als ein rigoroses System konzipieren können, wonach die Strafe eine feste und konkrete Obergrenze nicht übersteigen dürfte. Darauf hat der Gesetzgeber aber bewusst verzichtet, da früher geltende Rechte eine solche Grenze ausdrücklich vorsahen (z. B. das ALR), er das Gericht jedoch zum einzigen Verantwortlichen für die Nachprüfung und die Korrektur der Privatautonomie ernennen wollte. Dies wollte er mithilfe einer Vorschrift erreichen, die durch Flexibilität und bis zu einem gewissen Grad auch durch Abstraktion gekennzeichnet sein sollte. Möchte man die Vorschrift des § 343 BGB und speziell den Begriff der unverhältnismäßigen Höhe auslegen, besteht die Verpflichtung, die üblichen Interpretationsmethoden zu berücksichtigen. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich nicht, was tatsächlich unverhältnismäßig bedeutet. Der Begriff bedarf der Auslegung. Das ist aber nicht genug, um das Tatbestandsmerkmal als normativen Begriff zu bezeichnen. Die Auslegungsbedürftigkeit ist kein taugliches Kriterium, da auch die deskriptiven Begriffe üblicherweise auslegungsbedürftig sind. Die differenzierende Eigenschaft, die zur Bejahung der Frage führt, ob die Unverhältnismäßigkeit einen normativen Begriff darstellt, ist die Konzeption der Abwägung. Anders gesagt versteht der Gesetzgeber selbst die Unverhältnismäßigkeit als etwas so Unbestimmtes, dass er den Rechtsanwender auf ein Konkretisierungsverfahren mithilfe besonderer Kriterien verweist70. Der Gesetzgeber wollte keine rechtssichere, aber dennoch strikte und zementierte Regel schaffen. Er hat die Unverhältnismäßigkeit als ein Merkmal konzipiert, für dessen Konkretisierung einige Kriterien (die Interessen des Gläubigers und andere Kriterien, die soziale Wertvorstellungen widerspiegeln) maßgeblich sind. In diesem Sinne muss der Begriff als charakteristisch normativ bezeichnet werden71. 69

Vgl. hierzu oben Teil 2 A. II. 1. c) bb) (1). Beachte die Formulierung „Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen.“ 71 Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 39 ff., kategorisiert die Fälle der normativen Begriffe. Zu den beschriebenen Fallgruppen zählen die Merkmale, die Gegenrechte begründen, das heißt Begriffe, wie z B. „wesentlich“ und „unwesentlich“, „erheblich“ und „unerheblich“, „verhältnismäßig“ und „unverhältnismäßig“. Tatsächlich räumt der Gesetzgeber dem Schuldner ein Gegenrecht durch § 343 BGB ein. Das Herabsetzungsrecht, das dem Schuldner zuerkannt wird, kann als ein Ausnahme-, ein Gegenrecht bezeichnet werden, weil es 70

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Als Generalklausel kann die Unverhältnismäßigkeit nicht bezeichnet werden. Wie bereits erläutert, ist der Begriff zwar unbestimmt. Man kann verstehen, dass das Element „unverhältnismäßig hoch“ mindestens so ausfüllungsbedürftig wie „Treu und Glauben“ ist. Der differenzierende Faktor, der die unbestimmte normative Formulierung zu einer Generalklausel macht, ist allerdings nicht vorhanden. Der Begriff hat nicht die zentrale Stelle in der Vorschrift. Es handelt sich bei der unverhältnismäßigen Höhe zwar um ein Merkmal, das großes Gewicht und eine Vielzahl an Folgen hat und die Vorschrift charakteristisch prägt, dennoch kann der Begriff den Status einer großen Generalklausel, wie Treu und Glauben oder die guten Sitten, nicht erreichen. Auf jeden Fall sind die Grenzen fließend und das Endergebnis relativ unbedeutend, da eine Konkretisierung im Allgemeinen notwendig bleibt72. ee) Die Konkretisierung unbestimmter Begriffe Eines der im Kernpunkt der privatrechtlichen Methodenlehre liegenden Probleme ist die Ausfüllung der unbestimmten normativen Begriffe und speziell der Generalklauseln. Die Konkretisierung abstrakter Rechtsbegriffe ist nicht einfach. Montesquieu hat es sich durch sein weitbekanntes Motto zwar anders vorgestellt73, aber die Formulierung einer Vorschrift ist selten so hinreichend bestimmt, dass die bloße Lektüre des Richters ausreicht. Die Annäherung der normativen Tatbestandsmerkmale abstrakter Normen, die wertausfüllungsbedürftig sind, setzt eine Bewertung seitens des Richters voraus74. Vor den Augen des Richters richtet sich eine Frage auf, die dilemmatische Ausmaße annimmt. Sie wird von einem Paar von Werten begrenzt und der Richter soll sich persönlich für die eine oder die andere Lösung entscheiden. Einen dritten Weg gibt es nicht. Beispielsweise kann ein Vertrag sittenwidrig sein oder nicht, ein Grund wichtig oder unwichtig sein, eine Leistung billig oder unbillig sein. In einer solchen Bewertung ist der Richter gezwungen, eindeutig Stellung zu nehmen75. Hinsichtlich der Normenkonkretisierung sind verschiedene Theorien in der Rechtsliteratur zu finden. Ziel des Rechtsanwenders soll es nicht sein, die einzige

dem Hauptrecht aus der Strafvereinbarung gegenübersteht. Das kann auch als Einrede ausgeübt werden. Vgl. dazu unten Teil 2 B. II. 4. Siehe auch Medicus, AcP 192 (1992), 35, 37 f. 72 Vgl. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 26 Fn. 126; a. A. Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 127 ff. 73 Vgl. Montesquieu, De l’esprit des lois, L. XI, Ch. 6: „Mais les juges de la nation ne sont, comme nous avons dit, que la bouche qui prononce les paroles de la loi; des êtres inanimés qui n’en peuvent modérer ni la force ni la rigueur.“ 74 Im Fall des § 343 BGB macht es der Wortlaut klar („Bei der Beurteilung der Angemessenheit (…)“). 75 Zur richterlichen Bewertung als Stellungnahme siehe Larenz, Methodenlehre, S. 290 ff.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

„richtige“ Lösung zu finden, sondern die verschiedenen Theorien so zu harmonisieren, um dadurch die tatsächliche Bedeutung zu ermitteln76. Als erste Lösung kommt die Lückenausfüllung durch Analogie in Betracht. Das charakteristische Merkmal der normativen Begriffe (unbestimmt zu sein), wird manchmal als Lücke (Lücke intra legem, auch intra verba legis genannt) betrachtet77. Diese Ansicht überzeugt nicht und wird zu Recht abgelehnt. Eine abstrakte Norm, die der Gesetzgeber bewusst generell und unbestimmt formuliert hat, bedient einen konkreten Zweck, genauer gesagt die Delegation an den Richter, sie so anzuwenden, wie die jeweilige soziale Wirklichkeit es erfordert78. Über Gesetzeslücken spricht man dann, wenn das Gesetz eine planwidrige Unvollständigkeit enthält. Im Fall der normativen Rechtsbegriffe liegt weder eine gesetzliche Unvollständigkeit (das Gesetz enthält eine Vorschrift – und sei diese noch so unbestimmt) noch eine Planwidrigkeit (die Unbestimmtheit ist gewollt) vor79. Aus diesem Grund sind die normativen Begriffe keine Lücken des Gesetzes und ihre abstrakte Formulierung darf nicht durch eine Analogie korrigiert werden. Diese Ansicht steht daher außer Frage. Die andere Methode der Lückenausfüllung, die teleologische Extension und Reduktion, kommt aber ebenfalls nicht in Betracht80. Die effektivere Lösung ist die Gesetzesauslegung, das heißt die Verwendung der traditionellen Auslegungsmethoden, damit die Bedeutung der unbestimmten Begriffe erleuchtet wird81. Die grammatische82, die systematische83, die historische

76 Sehr deskriptiv ist Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 125: „Gerade für die Normkonkretisierung gilt also: Die Methode, verstanden als eine einzige Methodenanweisung zur Normkonkretisierung gibt es nicht (…), so kann eine Methode der Normkonkretisierung nur eine Verbindung verschiedener Methoden sein; ein „Methodenpluralismus“ ist unausweichlich. Gemeinsam ist den Methoden der Normkonkretisierung, dass sie Argumentformen darstellen. (…)“ 77 Vgl. dazu Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 183 f. m. w. N. auf das schweizerische Recht. Vielleicht stammt dieser Charakterismus aus der Tatsache, dass sowohl die Lückenfüllung als auch die Normkonkretisierung Fälle der zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung darstellen. Mehr zu diesem Begriff in Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 52 ff., 63 f.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 81 ff. 78 Zur Delegationsfunktion der Generalklauseln siehe Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 49 ff. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 26 ff. verbindet die Delegationsfunktion mit jeder Form gesetzlicher Unbestimmtheit. 79 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 28 f.; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 127 f.; Zitelmann, in: Gängel/Mollnau (Hrsg.), Gesetzesbindung, S. 37 ff. 80 Mehr zum Begriff der teleologischen Korrektur des Wortlauts des Gesetzes siehe in Larenz, Methodenlehre, S. 391 ff.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 493 ff.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 44, 89 f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 224 ff. 81 Zur Betrachtung der Konkretisierung als eine Art Auslegung der normativen Begriffe vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 223 f. Zu den Sinnbestimmungsmitteln, wie v. Savigny die Auslegungskriterien nennt, siehe v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, S. 212 ff. Vgl. auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 696 ff.

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(subjektive)84 und die objektiv-teleologische85 Auslegung sollen auf die Konkretisierung Anwendung finden, da der Gesetzgeber die unbestimmten Begriffe als Delegation an den Richter formuliert hat. Anders gesagt ist der Richter daran gebunden. Beispielsweise weist die grammatische Auslegung des Begriffs „Unverhältnismäßigkeit“ oder „Angemessenheit“ darauf hin, dass mindestens zwei Größen miteinander verglichen werden müssen. Hier setzt der Gesetzgeber also eine Abwägung, das heißt eine Bewertung voraus86. Die Gesetzgebungsgeschichte deutet auf die Konzeption der Vorschrift als ein flexibles Instrument hin, das die Gerechtigkeit bei der Strafvereinbarung der Parteien wiederherstellen will87. Die systemkonforme Auslegung kann zur Einbeziehung verfassungsrechtlicher Prinzipien (charakteristisch ist z. B. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) in das Privatrecht beitragen, genauer gesagt als verfassungsorientierte Auslegung funktionieren88. Die objektivteleologische Auslegung als Methode, die nach dem rechtspolitischen Zweck der Schaffung jeder Norm sucht (sog. ratio legis), ist auch heranzuziehen, um die Kriterien zu finden, nach denen die Interessenabwägung stattfinden soll, nach der der Gesetzgeber bestimmte Wertungen und Interessenkonflikte durch eine Vorschrift regeln will89. 82 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 437 ff.; ders., Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 26 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 137 ff.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 59 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 39 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 15 ff., 37 ff.; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, Rn. 731 ff. 83 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 442 ff.; ders., Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 31 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 140 ff.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 88 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 324 ff.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 55 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 744 ff. 84 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 449 ff.; ders., Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 34 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 144 f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 121 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 328 ff.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 65 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 41 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 778 ff. 85 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 453 ff.; ders., Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 41 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 142 ff.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 152 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 333 ff.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 69 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 41 ff. 86 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 214 ff. („Gewichtungsbegriffe“); Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 134 f. 87 Mehr dazu oben Teil 1 A. VIII. 4. 88 Ausführlich zur verfassungsorientierten Auslegung Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 178 ff. 89 Der Gesetzgeber nimmt die normativen Begriffe als Wertungsentscheidungen wahr, die der Richter treffen muss. Die Wertung ist im Fall des § 343 BGB („unverhältnismäßig hoch“) wie erwähnt dilemmatisch. Überschreitet die Strafhöhe die angemessene Höhe, so ist sie herabsetzbar. Überschreitet sie diese nicht, so bleibt sie unberührt und die Strafvereinbarung ist vom Privatautonomiegrundsatz geschützt. Die angemessene und die unangemessene Höhe sind die Antworten auf die Frage der Wertung, die in § 343 BGB gestellt wird.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Bei der Konkretisierung der ausfüllungsbedürftigen Gesetzesbestimmungen spielt die rationale Begründung des jeweiligen Verfahrens die zentrale Rolle. Es genügt nicht, dass der Richter irgendeinen Schluss zieht, sondern dieser Schluss muss rational sein, also eine logische, deduktive Basis haben. Neben der Auslegung darf der Richter Argumente vorbringen, insbesondere dann, wenn die vorgenannten Auslegungsmethoden zu keinem sicheren Ergebnis führen. Dies ist bei den unbestimmten normativen Begriffen üblich90. Die Argumentation, die als Begründung funktionieren und der Konkretisierung helfen kann, hat drei Richtungen: Man spricht über Argumente aus der Auslegung, aus der Abwägung und aus den Folgen. Die Argumentation für oder gegen eine bestimmte Lösung kann Argumente aus den drei vorgenannten Kategorien enthalten91. Die Rechtsprechung versteht die Auslegung als eine Reihe logischer Argumente92. Der Schwerpunkt liegt daher nicht im Ergebnis, das widerlegbar sein kann, sondern in der Bildung eines logischen Verfahrens ohne Antinomien und Lücken. Die Auslegungsargumente basieren auf den Auslegungsmethoden, wie die Literatur sie bis heute gebildet hat93. Die Auslegungskriterien und ihr Beitrag zur Konkretisierung des § 343 BGB wurden bereits erwähnt. Hilfreicher ist aber die Rechtsgüterund Interessenabwägung. ff) Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der richterlichen Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Bezug auf die Bestimmung der Strafhöhe kann bereits auf der Gesetzgebungsebene bei der Abwägung gegensätzlicher Interessen und Rechte erfolgen. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Gesetzgeber die Bemessung einer Höhe ganz objektiv vorgesehen hat. Charakteristisches Beispiel stellen solche Fälle dar, in denen der Gesetzgeber Mindestentschädigungsbeträge im Gesetz festgelegt hat. Beispielsweise ordnet § 546a Abs. 1 BGB an, dass die Entschädigung des Vermieters die vereinbarte Miete oder 90

Zum Bedürfnis einer logischen Begründung des richterlichen Ergebnisses siehe Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, passim; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 139 f. 91 Mehr zu dieser Kategorisierung in Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 144 ff. 92 Vgl. BVerfG v. 05. 04. 1990, BVerfGE 82, 30, 38 = JuS 1991, 243 = NJW 1990, 2457: „Die Auslegung (…) hat den Charakter eines Diskurses, in dem auch bei methodisch einwandfreier Arbeit nicht absolut richtige, unter Fachkundigen nicht bezweifelbare Aussagen dargeboten werden, sondern Gründe geltend gemacht, andere Gründe dagegengestellt werden und schließlich die besseren Gründe den Ausschlag geben sollen. In dieser wissenschaftlichen Arbeitsweise ist es angelegt, daß der Autor bereit ist, seine Auffassungen auch im Bereich des mit guten Gründen Vertretbaren in Frage zu stellen und seine Rechtsansicht gegebenenfalls zu ändern.“ 93 Zur Bewertung der Auslegungsargumente siehe Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 146.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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die für vergleichbare Sachen ortsübliche Miete bei verspäteter Rückgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses betragen kann. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 sieht vor, dass der Passagier bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung (Art. 4) oder Annullierung des Fluges (Art. 5) Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 250 EUR für eine Flugstrecke kürzer gleich 1.500 km, 400 EUR für eine weitere Strecke innerhalb der EG oder kleiner gleich 3.500 km und 600 EUR bei Flugstrecken länger als 3.500 km unabhängig von anderen Ansprüchen hat94. Gemäß Art. 22 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens95 und § 2 MontÜG96 haftet der Luftfrachtführer für Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung bei der Beförderung von Reisegepäck nur bis zu einem Betrag von 1.000 Sonderziehungsrechten je Reisendem. § 8 Abs. 3 BDSG ordnet an, dass die Schadensansprüche des Betroffenen wegen einer unzulässigen oder unrichtigen automatisierten Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der personenbezogenen Daten von einer verantwortlichen öffentlichen Stelle insgesamt auf einen Betrag von 130.000 EUR begrenzt sind97. In diesen Fällen, in denen der Gesetzgeber Ober- oder Untergrenzen ausdrücklich vorgibt, die die vorgesehene Sanktion oder Entschädigung festlegen, darf man von einer Interessenabwägung aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips bereits im Stadium der Gesetzgebung sprechen. Der Gesetzgeber hat die aufeinandertreffenden Rechtsgüter und Interessen durch die Schaffung starrer Tatbestände abgewogen, nachdem er ihre besondere Stellung im Rechtssystem berücksichtigt hat, wie dies in der Verfassung aufgenommen ist. Dadurch ist die Ermessensfreiheit des Gerichts in den vorgenannten Fällen auf den gesetzgeberisch festgesetzten Rahmen beschränkt. Eine richterliche Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre somit nicht haltbar. In solchen Fällen wendet der Richter lediglich die entsprechenden Vorschriften an, die das Prinzip bereits konkretisiert haben. Außer diesen Fällen, die durch die ausdrückliche gesetzgeberische Bestimmung von Grenzen charakterisiert werden, innerhalb deren sich der Rechtsanwender bewegen muss, ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip dort anzuwenden, wo Generalklauseln oder generell unbestimmte Rechtsbegriffe eingreifen. Wenn der Gesetz94

Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, Abl. Nr. L 46 vom 17. Februar 2004 S. 1. 95 Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 2004 II S. 458) (Montrealer Übereinkommen). 96 Gesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 6. April 2004 (Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz – MontÜG) (BGBl. 2004 I S. 550). 97 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) geändert worden ist.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

geber sich dafür entscheidet, einen unbestimmten Rechtsbegriff und vielmehr eine Generalklausel zu verwenden, nimmt er eine Interessenabwägung auch hier vor. Diese Rechtsbegriffe müssen als Einbruchstellen für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes betrachtet werden. In diesen Fällen liegt jedoch der Unterschied darin, dass eine richterliche ad hoc-Kontrolle unentbehrlich ist. Das bedeutet, dass der Richter den Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz überprüft, wenn er die entsprechende Vorschrift anwendet, die einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält. Wenn er dazu gerufen wird, den Betrag einer angemessenen Vertragsstrafe nach § 343 BGB festzusetzen, wendet er das Verhältnismäßigkeitsprinzip in dem vom Gesetzgeber bereits vorgegebenen Rahmen an, genauer gesagt nach einer Abwägung der Interessen der Beteiligten, die durch die entsprechende Vorschrift betroffen sind. Nur solange eine Generalklausel oder ein unbestimmter Rechtsbegriff vorliegt, ist der Richter in der Lage, eine konkrete Überprüfung dieses Grundsatzes vorzunehmen. Dies wird vom Gesetzgeber als unvermeidlich betrachtet, damit gerechte Erwägungen für den jeweiligen Fall erreicht werden. Der Grundgedanke, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Konkretisierung der unbestimmten Begriffe eine Hauptrolle spielt, ist für die vorliegenden Ausführungen von besonderem Interesse, da der Begriff der unverhältnismäßigen Strafhöhe unbestimmt und daher ausfüllungsbedürftig ist. Die Ausfüllung ist mithilfe objektiver Kriterien möglich. Für die Ermittlung dieser Kriterien sind die nun folgenden Darstellungen notwendig98. Die Ansicht, die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur als eine bloße Auslegungsrichtlinie betrachtet, so dass diese das geeignete Mittel zur Erreichung des konkreten Normzweckes bei der teleologischen Konkretisierung der anzuwendenden Rechtsnorm wird, lehnt die unbestrittene Tatsache ab, dass die Verhältnismäßigkeit als ein axiologisches Kennzeichen die ganze Rechtsordnung prägt. Sie ist omnipräsent, das heißt nicht nur im öffentlichen Recht, sondern auch im materiellen Zivil- und Strafrecht zu finden. Selbst das Prozessrecht bleibt davon nicht unbeeinflusst. Bei Gesetzesvorschriften, die eine selbstständige Regelung mit eigenem Tatbestand und einer Generalklausel oder einem unbestimmten Rechtsbegriff darin enthalten, ist der Richter und generell der Rechtsanwender bei der Begegnung der vorliegenden Unbestimmtheit gezwungen, auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen (Ausnahme: objektive Abwägungskriterien, die aus der Vorschrift selbst hervorgehen). Diese Berücksichtigung ist für die notwendige praktische Anwendung der Norm geboten. Die Hauptfrage bei der Vertragsstrafenbemessung gemäß § 343 BGB ist die Auffindung des Maßes, das einerseits ausreichend ist, die Interessen des Gläubigers durch die Druck- und die Ausgleichsfunktion der Vertragsstrafe zu schützen, ohne jedoch den Schuldner finanziell in seiner Existenzgrundlage zu gefährden. Wenn sich das Gericht in dem ihm gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum bewegt, bietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dieses Maß an, so wie dieser verfassungsrechtlich 98

Vgl. dazu unten Teil 2 A. II. 1. c) jj).

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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gewährleistet ist und im unbestimmten Begriff der angemessenen Strafhöhe verankert wird. Es ist genau das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das dazu zwingt, dass nicht nur die Rechtsgüter und allgemein die Interessen des einen Partners, des Gläubigers (wie es der Wortlaut des § 343 BGB anordnet), sondern auch die Rechtsgüter und Interessen des anderen Partners, des Schuldners, mitberücksichtigt und abgewogen werden, da auch die Schuldnerinteressen verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte darstellen. Beispielsweise ist das Interesse des Schuldners an der Aufrechterhaltung eines finanziellen Mindestniveaus Ausdruck der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. Aus diesem Grund gehen die maßgeblichen Gesichtspunkte, die diese Untersuchung bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs beschäftigen werden, aus dem einfachen Recht nicht ohne Weiteres hervor, sondern sie basieren auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der das angemessene Maß bei der Abwägung der hier kollidierenden Gegeninteressen widerspiegelt. Hinsichtlich der praktischen Bedeutung der bisherigen Ausführungen ist daran festzuhalten, dass diese die Bildung des Justizsyllogismus betreffen99. In all diesen Fällen, in denen der Gesetzgeber den Richter mit der Bestimmung des angemessenen Maßes nach der in concreto Abwägung aller Umstände des Einzelfalles beauftragt, muss man akzeptieren, dass das axiologische Kriterium der Verhältnismäßigkeit dem Tatbestand der jeweiligen Vorschrift nach der Natur der Sache innewohnt. Das Prinzip wird dadurch mittelbar zu einem Tatbestandselement der anzuwendenden Norm und schließlich zu einer Generalklausel auch des Privatrechts. Typische Beispiele dieser Tendenz stellen die Fälle der Konkretisierung der privatrechtrechtlichen Generalklauseln (z. B. gute Sitten, Treu und Glauben) und der unbestimmten Rechtsbegrriffe sowie die Bestimmung von Leistungen „auf einen angemessenen Betrag“ oder „nach billigem Ermessen“ dar. Die Folgen dieser Betrachtung sind insbesondere dann sichtbar, wenn das Revisionsgericht die Rechtsfrage von der Tatfrage zu unterscheiden hat. Dies wird aber als prozessrechtliches Problem im Folgenden näher geprüft100. Wie bereits erwähnt, besteht das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus drei besonderen Grundsätzen: der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engen Sinn oder Angemessenheit, die das Verhältnis zwischen einem Mittel und einem Ziel bestimmen. Ob aber diese drei Elemente auch bei der Herabsetzung der Vertragsstrafe ohne Weiteres eingreifen, ist eine Frage, die genau an dieser Stelle beantwortet werden muss.

99 100

Vgl. unten Teil 2 A. II. 1. c) ii). Vgl. unten Teil 2 B. V. 2.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

gg) Die drei Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Kontrolle der Vertragsstrafe Ausgangspunkt für die folgenden Erörterungen ist die These von Lindacher. Er betont: „Rechtsprechung und Lehre sind weit davon entfernt, dem unbestimmten Rechtsbegriff „unverhältnismäßige Höhe der Vertragsstrafe“ klare Konturen gegeben zu haben. Dieser einer Billigkeitsrechtsprechung im Sinne einer aus dem subjektiven Rechtsgefühl gespeisten Kadijustiz Tür und Tor öffnende Zustand ist mehr als mißlich. Er birgt die Gefahr ständiger Verstöße gegen das Grundpostulat der Rechtssicherheit im Sinne von Rechtsbestimmtheit und Rechtsgleichmäßigkeit. Gleichgelagerte Fälle werden unterschiedlich entschieden.“101

Soweit das urteilende Gericht diesen unbestimmten Rechtsbegriff konkretisieren will, so soll es diesen so weit wie möglich nicht nur im Sinne der Angemessenheit, sondern auch der Geeignetheit und Erforderlichkeit konzipieren. Sofern eine Vertragsstrafe vorliegt, deren Verhältnismäßigkeit in Frage gestellt wird, ist nach Ansicht Lindachers eine umfassende gerichtliche Kontrolle durchzuführen. Dieser Prüfung nach sei die Vertragsstrafe nur dann angemessen, wenn auch ihre Drohung erforderlich sei. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne differenziert sich Lindacher von den anderen Autoren nicht, da er die Kontrolle der Angemessenheit der Strafhöhe selbst durch eine Interessenabwägung empfiehlt102. Die Notwendigkeit einer Prüfung der Strafdrohung, ob die vereinbarte Strafe erforderlich sei, um ihre Ziele zu erreichen, ergebe sich aus der Natur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes selbst. Da die Vertragsstrafe nichts anderes als ein Sicherungsmittel des Privatrechts darstellt, die aus besonderen Funktionen gekennzeichnet wird103, beschränke sie die Freiheit des Schuldners, seine Verbindlichkeiten nicht zu erfüllen. Diese Freiheit als Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne nur nach dem Prinzip „pacta servanda sunt“ eingeschränkt werden. Der Schuldner sei nämlich absolut frei, zu entscheiden, ob er seine Pflichten erfülle oder nicht, aber er müsse berücksichtigen, dass er die Kosten seiner Nicht- oder nicht ordnungsgemäßen Erfüllung tragen müsse. Wenn aber diese Bindung durch zusätzliche Sicherungsmittel enger werde, die auch das Vermögen des Schuldners belasten, dann sei zu prüfen, ob sie wie jede Schranke einer Freiheit mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar sei. Genauer gesagt sei zu prüfen, ob die in jedem bestimmten Fall gedrohte Strafe geeignet sei, die Erreichung ihres legitimen Zieles (die Sicherung von anderen Obligationen und die Erleichterung der Befriedigung des 101

Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 109. Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 15 f. 103 Eigentlich lehnt Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 3 ff. die wohl herrschende Meinung der Bifunktionalität ab. Seines Erachtens nach könne die als monofunktional verstandene Vertragsstrafe nur einem Zweck dienen: der Absicherung der Hauptobligationserfüllung. 102

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Gläubigers) kausal zu bewirken oder zu fördern. Außer der Geeignetheit sei auch die Erforderlichkeit zu kontrollieren, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung stehe, das in gleicher Weise geeignet sei, denselben Zweck zu erreichen, und den betroffenen Schuldner weniger belaste. Schließlich sei die Vertragsstrafe angemessen, wenn die Nachteile, die damit verbunden seien und den Schuldner belasten, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie auf der Seite des Gläubigers bewirke. Lindacher schlägt Effizienzgesichtspunkte vor, wonach die Erforderlichkeit der Strafdrohung zu messen ist, z. B. die ständige Neigung des Schuldners, Verbindlichkeiten wie die abgesicherte nicht zu erfüllen104. Die Ansicht Lindachers hat den Vorteil, dass sie das Verhältnismäßigkeitsprinzip treu und konsequent anwendet. Eine Abweichung von den drei besonderen Elementen des Grundsatzes scheint seiner Meinung nach nicht gerechtfertigt. Das Übermaßverbot verbiete die Geltendmachung nicht erforderlicher Vertragsstrafen, also Strafen, die den Schuldner stärker belasten, als es die Institutszwecke verlangen. Wenn der Gläubiger das gleiche Ergebnis durch eine niedrigere Belastung des Schuldners erreichen könne, also eine niedrigere Strafe den Schuldner an die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit binden könne, dann verstoße diese Strafvereinbarung gegen das Erforderlichkeitselement des Verhältnismäßigkeitsprinzips. An dieser Ansicht wird die Kritik geübt, dass die Verhältnismäßigkeitskontrolle die Prüfung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit nicht enthalten könne. Eine solche Prüfung entkomme der richterlichen Ermäßigungsbefugnis, die sich nur auf eine Angemessenheitskontrolle beschränken solle105. Diese Meinung mag zwar richtig sein, aber man muss sie sachlich fundiert begründen. Wie bereits erwähnt106, geht Rieble davon aus, dass § 343 BGB einen Fremdkörper in der Logik und dem System des BGB darstelle. Aus diesem Ausnahmecharakter der Vorschrift folge, dass der Richter diese so begrenzt anwenden dürfe, dass sie nicht überstrapaziert werde107. Gegen diese Ansicht spricht der Einklang der Vorschrift mit generellen Prinzipien des Privatrechts (z. B. Schutz des schwächeren Vertragspartners), der dazu führt, dass sie die passende Rolle im BGB schließlich findet und nicht systemwidrig bleibt. Die Einreden gegen eine umfassende Kontrolle, die nicht nur die Angemessenheit, sondern auch die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Vertragsstrafe als Sicherungsmittel umfasst, sollten auf der Zweckmäßigkeit einer solchen Prüfung basieren. Anders gesagt hat eine Geeignetheits- oder Erforderlichkeitskontrolle nicht stattzufinden, weil sie nichts zum Schutz des Gläubigers beitragen kann. Im Gegensatz dazu beschränkt sie die Privatautonomie der Parteien überwiegend. Zunächst muss bemerkt werden, dass der Gesetzgeber selbst die Vertragsstrafenkontrolle durch die Formulierung des § 343 BGB als Interessenabwägung kon104 105 106 107

Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 12 ff.; ders., Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 110 ff. Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 4, 14. Mehr dazu oben Teil 1 B. I. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 12.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

zipiert hat. Der Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, dass der Rechtsanwender nur eine Angemessenheitskontrolle durchführen kann. Der Gesetzgeber hat auf eine umfassende Kontrolle verzichtet, obwohl der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Inkrafttreten des BGB nicht wie heute herauskristallisiert war. Dennoch hätte er die Kontrolle auch als Auswahl des milderen unter mehreren Mitteln, also umschreibend, formulieren können. Gerechtfertigt wird dieser Verzicht durch die Vergegenwärtigung, dass die Vertragsstrafe ein per definitionem geeignetes und erforderliches Mittel zur Bindung des Schuldners an die ordnungsgemäße Leistungserbringung ist. Bezüglich der Geeignetheit ist anzunehmen, dass eine Kontrolle auf jeden Fall entfallen muss. Eine Vertragsstrafe, ganz gleich, ob sie niedrig oder hoch ist, übt psychologischen Druck auf den Schuldner aus und zwingt ihn zur Leistungsbewirkung. Es ist eine Tatsache, dass nicht alle Vertragsstrafen über die gleiche Wirksamkeit verfügen. Entscheidender Faktor ist die Höhe. Je höher die Vertragsstrafe ist, desto mehr fühlt sich der Schuldner dazu verpflichtet, die Hauptverbindlichkeit in gehöriger Weise zu erfüllen. Wenn also eine Vertragsstrafe nicht so geeignet ist, als Druckmittel zu fungieren, dann darf der Gläubiger durch die Kontrolle, die zur Anerkennung der Ungeeignetheit führt, nicht absolut ungeschützt bleiben. Man muss berücksichtigen, dass es viele Gründe gibt, um die Vereinbarung einer niedrigen, also die Interessen des Gläubigers nicht schützenden, Strafe herbeizuführen. Die schwächere Verhandlungsposition des Gläubigers ist einer dieser Gründe. Das bedeutet aber nicht, dass die schlechte Situation des Strafgläubigers durch die vollständige Beseitigung der „ungeeigneten“ Vertragsstrafe noch schwächer werden muss. Diese Behandlung würde die Interessen des Gläubigers sehr stark veletzen und dem Schuldner die Möglichkeit eröffnen, seinen Pflichten ohne Kostaufwendung zu entkommen. Damit wäre auch die Gleichheit der Vertragspartner gestört, da der Schuldner einen breiten Schutz zulasten des Gläubigers genießen könnte. Die Ungeeignetheit der Vertragsstrafe kann nur durch Korrektur, das heißt Heraufsetzung auf einen höheren Betrag, und nicht durch Vernichtung bekämpft werden. Dennoch sieht das deutsche Recht keine solche Möglichkeit vor. In diesem Fall hat der Richter keine gesetzgeberische Befugnis, in die Strafvereinbarung korrigierend einzugreifen, da er die Privatautonomie ohne ausdrückliche Ermächtigung nicht beschränken darf. Das andere Element des Verhältnismäßigkeitsprinzips im weiten Sinne, die Erforderlichkeit, soll ebenfalls außer Betracht bleiben. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Parteien eines Vertrages frei sind, sich auf die Art und Weise und das Mittel zur Sicherung der primären Verbindlichkeiten zu einigen. Aus mehreren Sicherungsmitteln, die das Recht vorsieht, können die Vertragspartner auswählen, welches die Rechte des Gläubigers am besten schützt, und eine Vereinbarung darüber treffen. Eine rechtliche Pflicht, sich auf das mildeste Mittel zu einigen, könnte ihre Privatautonomie ungerechtfertigt beschränken. Üblicherweise ist die Konventionalstrafe aber tatsächlich das mildeste Sicherungsmittel, zumindest für den Schuldner. Auch dem Gläubiger kann die Vertragsstrafe als das wohl geeignetste

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Mittel scheinen, um seine Interessen am effektivsten zu schützen. Die Institution der Vertragsstrafe zielt darauf ab, den Schuldner zur Bewirkung der abgesicherten Leistung durch die Androhung einer neuen Leistung zu zwingen. Diese wird nur dann fällig, wenn die Hauptverbindlichkeit nicht oder nicht gehörig erfüllt wird. Hier kann von einer Vermehrung der Leistungen die Rede sein. Vorteil der Vertragsstrafe ist, dass sie akzessorisch ist und damit von den gleichen Formerfordernissen wie die Hauptvereinbarung abhängig ist. Andere Sicherungsmittel belasten die Vertragspartner mit weiteren Pflichten. Die persönliche Sicherung der Bürgschaft verpflichtet den Schuldner nach einem kreditwürdigen Bürgen zu suchen, da sie auf der Basis der Vermehrung der haftenden Vermögen funktioniert. Außerdem unterliegt sie der Schriftform nach § 766 BGB. Dies kann ein Grund für die Nichtigkeit sein. Die dinglichen Sicherheiten haben andererseits den Nachteil, dass sie einen Teil des Vermögens des Schuldners belasten und bei Grundstücken auch notarieller Beurkundung und Eintragung ins Grundbuch bedürfen. In diesem Sinne ist die Vertragsstrafe als eine Nebenvereinbarung das mildeste oder – genauer gesagt – das mit den wenigsten Voraussetzungen und Belastungen verbundene Sicherungsmittel. Eine abstrakte Erforderlichkeitskontrolle scheint keine Begründung zu haben. Aus den obigen Darstellungen folgt das Ergebnis, dass sich die Bemessung der Vertragsstrafen nur auf die Angemessenheit der Höhe beziehen kann. Jede andere Kontrolle, etwa der Geeignetheit und der Erforderlichkeit, ist in der Tat eine Kontrolle der Zweckmäßigkeit und nicht zu akzeptieren. Dies würde die Privatautonomie in Form der freien Auswahl des Sicherungsmittels zu stark beschneiden. Außerdem übersieht die Ansicht, die eine Ergänzung der Kontrolle des § 343 BGB um das Element der Erforderlichkeit befürwortet, die Tatsache, dass eine solche Lösung die Wirksamkeit der Druckfunktion der Strafe entkräften könnte und damit die vertragliche Stellung des Gläubigers verschlechtern würde108. hh) Die Interessenabwägung Nachdem der Begriff der Verhältnismäßigkeit in der Vorschrift des § 343 BGB beleuchtet wurde, kommt man zum Schluss, dass dieser nur im Sinne der Angemessenheit eng verstanden werden muss. Die Konkretisierung dieses Begriffes aber setzt die folgenden Ausführungen voraus, da bereits deutlich geworden ist, dass die Interessenabwägung das bedeutendste Instrument zur Ausfüllung der Unbestimmtheit ist109. (1) Allgemeines zur Interessenabwägung Unter dem Namen Abwägung im weiten Sinne versteht man „jede Entscheidung, die aufgrund einer Sammlung, Gewichtung und einem abschließenden wertenden 108 109

Vgl. Bieder, Das ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsprinzip, S. 234 ff. Mehr dazu oben Teil 2 A. II. c) gg).

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Vergleich von Gesichtspunkten ergeht“110. Der Hinweis auf eine solche Lösung des Konkretisierungsproblems ergibt sich aus dem Wortlaut der hier geprüften Vorschrift selbst, weil sie von dem Antrag des Schuldners und den Interessen des Gläubigers spricht, indem sie die Kollision zweier gegenüberstehender Kräfte voraussetzt. Diese Kollision ist mithilfe einer Angemessenheitsbeurteilung aufzuheben. Die Methode der Interessenabwägung wird als ein geeignetes Konkretisierungsinstrument nicht nur zur Interpretation der Verfassungsregeln, sondern auch zur Auslegung anderer ausfüllungsbedürftiger Vorschriften beschrieben111. Die Interessenabwägung kann in drei Stadien vorgenommen werden: Abwägung bei der Bildung des Obersatzes, des Untersatzes und der Subsumtion. Zunächst ist die Abwägung bei der Bildung des Obersatzes von Bedeutung112. Dabei geht es besonders darum, welche Auslegungskriterien der Rechtsanwender verwenden muss und in welchem Verhältnis zueinander dies geschehen muss. Beispielsweise ist die Argumentation bei teleologischer Auslegung ein ständiger Versuch zur Auffindung der Interessen, die der Gesetzgeber selbst bei der Schaffung jeder einzelnen Norm abwägt. Darunter sind die Interessen der Parteien, die Schutzbedürftigkeit und ökonomische Erwägungen zu verstehen. Die Obersätze sind unterschiedlich zu qualifizieren, da diese aus verschiedenen Tatbestandsmerkmalen bestehen können113. Es gibt Obersätze, die nur aus deskriptiven Tatbestandsmerkmalen bestehen. In solchen Obersätzen ist die Subsumtion ganz empirisch und hat mit einer Abwägung nichts zu tun. Die Obersätze, die mindestens ein normatives Tatbestandsmerkmal enthalten, sind jedoch selbstverständlich schwieriger zu behandeln. Bei ihnen verhindert die abstrakte ausfüllungsbedürftige Konstellation des normativen Tatbestandsmerkmals (sog. Konkretisierungsdefizit) eine Subsumtion ohne eingehende Abwägung. Der Rechtsanwender muss alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, um die Abwägung durchzuführen. Die Komplexität solcher Obersätze liegt darin, dass das normative Tatbestandsmerkmal in verschiedenen Abstufungen vorliegen kann. Im vorliegenden Fall kann die Vertragsstrafe unverhältnismäßig 110 Definition in Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 7 ff. Als Abwägung im engen Sinn definiert der Autor „die spezifische Form der Rechtsanwendung für den Fall der Kollision von Rechtsprinzipien (im Gegensatz zu Rechtsregeln)“. Während der Begriff im engen Sinn nur die Kollision von Rechtsprinzipien (meistens verfassungsrechtlicher Herkunft) betrifft, umfasst der Begriff im weiten Sinn jede Kollision von Grundrechten, Prinzipien, tatsächlichen Indizien und Einzelfallumständen. 111 Grundlegend dazu Larenz, Methodenlehre, S. 158, 404 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 48 ff., 57 f.: „Insgesamt stellt sich die Gesetzesinterpretation als ein argumentativer Auswahl- und Entscheidungsprozeß dar, der sich oft an verschiedenen, miteinander konkurrierenden Zielen orientiert und in der Regel einen Kompromiss zwischen konkurrierenden Interessen anstrebt, der als gerecht erscheint und mit dieser Bedingung den Nutzen optimiert.“ 112 Zu den Stufen des juristischen Syllogismus, das heißt der Obersatzbildung, der Untersatzbildung und seiner Subsumtion unter den Obersatz und dem Deduktionsschluss siehe statt vieler Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 369 ff. 113 Mehr dazu in Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 26 ff.

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hoch sein oder nicht, aber diese Unverhältnismäßigkeit kann manchmal intensiv und manchmal gering sein. Auch die gleiche Strafhöhe kann in einem Fall als akzeptabel betrachtet werden, aber in einer andersartigen Konstellation als unverhältnismäßig bewertet werden. Aus der Teleologie der jeweiligen Rechtsnorm ergibt sich, welche Gesichtspunkte bei der Abwägung zu berücksichtigen sind. Das Gebot, sachfremde Erwägungen zu vermeiden, ist generell hilfreich, aber somit nur bei konkret geprüften Vorschriften anzuwenden114. Einige Rechtsvorschriften beinhalten eine Formulierung, die darauf hinweist, auf welche Gesichtspunkte der Rechtsanwender Rücksicht nehmen muss. § 343 BGB ist eine solche Vorschrift. Die Wortwahl, die den Richter dazu verpflichtet, jedes berechtigte Interesse des Gläubigers in Betracht zu ziehen, weist darauf hin, dass der Richter zuerst und insbesondere die Interessen des Gläubigers berücksichtigen muss. Aber welche Interessen sind damit gemeint? Die Antwort findet sich ebenfalls im Wortlaut des § 343 BGB Abs. 1 S. 2 BGB. Es ist nicht nur das Vermögensinteresse des Gläubigers ausschlaggebend. Gleiches gilt ebenfalls für den Schuldner. Die Vorschrift verlangt nicht nur die Berücksichtigung von vermögensrechtlichen, sondern auch von personenbezogenen Interessen. Neben der Bildung des Obersatzes ist die Bildung des Untersatzes, das heißt die Ermittlung des Sachverhaltes, an dieser Stelle zu erwähnen115. Das Streben nach einem interessenabwägenden Prozess liegt grundsätzlich im Prinzip der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO), da diese Würdigung nichts anderes als die Gewichtung des Wertes jedes erbrachten Beweismittels ist116. Die Subsumtion des Sachverhalts unter den Obersatz (unter den Tatbestand der Gesetzesnorm) stellt die Basis für die Herbeiführung der bestimmten Rechtsfolgen her. Sie ist Teil der logischen Arbeit des Rechtsanwenders117. Bei einem Obersatz wie dem des § 343 BGB, der nicht nur aus deskriptiven, sondern auch aus normativen Merkmalen besteht, darf der Rechtsanwender nicht nur den Sachverhalt mit den Begriffen des Obersatzes vergleichen. Hier ist die Rede von einer wertenden Zuordnung des Sachverhaltes zum jeweiligen Tatbestandsmerkmal118. In jedem Fall existieren solche Gesichtspunkte, die für oder gegen die Subsumtion des Sachverhaltes unter das einzelne normative Merkmal sprechen. Beispielsweise hat der Richter zu beurteilen, ob die Strafhöhe unverhältnismäßig ist oder nicht. Nachdem er die genaue Höhe durch das Beweisverfahren konkret festgestellt hat, muss er alle Gesichtspunkte abwägen, die für oder gegen die Charakterisierung dieser Strafhöhe 114

59 f. 115 116 117 118

Vgl. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 32 f., Vgl. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 36 ff. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 113 Rn. 1 ff. Eingehend dazu Bung, Subsumtion, S. 37 ff. Vgl. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 43 f.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

als unverhältnismäßig sprechen. Dies entspricht dem Kern der rechtlichen Würdigung. Um diesem noetischen Problem zu begegnen, haben die Literatur und die Rechtsprechung die Lösung der sog. Güterabwägung gefunden. Da die Grenzen der normativen Merkmale beweglich und fließend sind und ihre Weite nicht von vornherein festzusetzen ist, hat der Richter die Rechtsgüter und generell die Interessen, die vom normativen Begriff erfasst werden, zu gewichten. Der historische Gesetzgeber hat den normativen Begriff der unverhältnismäßigen Höhe ausgewählt, weil er auf zementierte feste Strafgrenzen verzichten wollte. Unter bestimmten Bedingungen kann eine Strafe normal sein, aber unter anderen Umständen als übermäßig hoch bewertet werden. Die Interessen des Schuldners, der Opfer der übermäßigen Strafe ist, und des Gläubigers, der daraus Gewinn zieht, sind jedoch gegeneinander abzuwägen. Dieser Prozess, den die Praxis des Staatsrechts bei der Kollision der Grundrechte gebraucht, findet auch Anwendung auf die Bestimmung normativer Begriffe des Privatrechts. Gemeint ist die Methode der „Güterabwägung unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles“119. Die Bewertung soll sich an der konkreten Situation und nicht an allgemeinen Maßstäben orientieren. Beispielsweise kann man zu Recht nicht pauschal behaupten, dass eine Strafe in Höhe von 1.000.000 EUR auf jeden Fall hoch ist. Bei der Abwägung der kollidierenden Interessen bei Vorliegen einer hohen Vertragsstrafe kann man von keiner festen Rangordnung aller Güter und Rechtswerte sprechen. Da die Vertragsstrafe eine Institution des Schuldrechts ist (ein Zweig des Vermögensrechts), sind vor allem die vermögensrechtlichen Interessen der Beteiligten ausschlaggebend. Es handelt sich um gleichrangige Rechtsgüter und Interessen. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass nicht auch personenbezogene Interessen relevant sind120. Es ist eine Tatsache, dass normative Begriffe weitgehend relativ sind. Die Strafhöhe, die von einem Gericht als übermäßig beurteilt wird, kann von einem anderen als akzeptabel angesehen werden. Es geht hier um eine begründete Argumentation für die eine oder für die andere Lösung. Hierbei wird die ganz konkrete Frage gestellt: Ist die vorliegende Vertragsstrafe unter Berücksichtigung aller Umstände des geprüften Falles unverhältnismäßig hoch oder nicht? Der Richter beantwortet die Frage durch eine „Ja oder Nein“-Entscheidung, indem er eine logische Argumentation entfaltet, die auf Begründungen basieren muss, die keine Widersprüche beinhalten und auf der Überzeugungskraft jedes einzelnen Gesichtspunktes beruhen121.

119 120 121

Vgl. statt vieler Larenz, Methodenlehre, S. 404 ff. Mehr dazu unten Teil 2 A. II. c) jj) (2). Vgl. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 44.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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(2) Die Besonderheit des § 343 BGB Bei der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der beiderseitigen Interessen reicht es aus, dass der Richter auf die vorliegende Frage der Erfüllung des normativen Tatbestandsmerkmals mit einem bloßen „Ja oder Nein“ antwortet. Für das urteilende Gericht gibt es nur zwei Alternativen. Bei der Anwendung des § 314 Abs. 1 BGB hat der Richter beispielsweise keine weitere Möglichkeit. Liegen Umstände vor, die für die Wichtigkeit des Kündigungsgrundes sprechen, muss er diese Wichtigkeit anerkennen und die Rechtsfolgen einer gültigen Kündigung aus wichtigem Grund feststellen. Bei der Herabsetzung der Vertragsstrafe handelt es sich dagegen um eine Korrektur der Strafhöhe, eine Rechtsfolge, die mehrere Stufen haben kann. Zweifelsohne ist dies ein Fall der Verknüpfung der Tatbestands- mit der Rechtsfolgenkonkretisierung. Diese Verknüpfung liegt darin, dass der Richter zunächst das Verhältnismäßigkeitsverhältnis feststellen muss. Gleichzeitig aber stellt diese Grenze, über der die betreffende Vertragsstrafe als unerträglich beurteilt wird, auch die Grenze der Herabsetzung dar. Der Richter ist in kurzen Worten verpflichtet, diese Höhe auch als Höhe der neuen, nach der Herabsetzung anzuwendenden Vertragsstrafe festzusetzen. In diesem Sinne läuft die Tatbestandskonkretisierung (Feststellung der Verhältnismäßigkeitsgrenze) auf die Rechtsfolgenkonkretisierung (Herabsetzung der Strafe auf eine bestimmte Höhe) hinaus122. Schwierigkeiten verursacht dabei die Tatsache, dass die Strafhöhe eine abstufbare Größe ist und unzählige Unterteilungen besitzt. Es handelt sich um einen weiten Beurteilungsspielraum, in dem sich der Richter bewegen kann. Der Herabsetzungsprozess kann grob so umschrieben werden: Da der Tatbestand des § 343 BGB aus normativen Begriffen (z. B. Vertragsstrafe, Verwirkung, Nichtentrichtung) besteht, ist der Richter dazu berufen, auch diese Merkmale auszulegen und ihnen den jeweiligen Sachverhalt zuzuordnen. Diese Subsumtion wirft keine schweren Probleme auf. Der Kernpunkt der Anwendungsschwierigkeit liegt im Verhältnismäßigkeitsbegriff. Für die Festsetzung der Strafhöhe ist ein bloßes „Ja“ auf die Frage, ob diese Höhe unverhältnismäßig ist, nicht ausreichend. Wie bereits erläutert, gibt die Formulierung der Vorschrift die Grundsätze für die Feststellung dieser Unverhältnismäßigkeit vor. Sofern ermittelt wird, dass die Strafe herabsetzbar ist, entsteht für den Richter ein weiter Rahmen, da er sie theoretisch bis auf Null reduzieren kann123. Den Ausschlag nach oben oder unten bestimmen die jeweiligen Abwägungsgesichtspunkte: Je mehr diese zugunsten des Schuldners funktionieren und überwiegen, desto niedriger liegt die neue Strafhöhe124. Außerdem ist eine abstrakte Gewichtung der Gesichtspunkte nicht möglich, da die jeweiligen Gesichtspunkte bidirektional funktionieren können. Beispielsweise wirkt 122 Vgl. Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 175 f. Mehr zum relevanten Thema der einstufigen oder zweistufigen Herabsetzung unten Teil 2 A. II. c) mm). 123 Mehr dazu unten Teil 2 B. V. 124 Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 52 ff.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

der Gesichtspunkt des Verschuldens des Schuldners bei der Strafverwirkung nicht nur zu dessen Gunsten (wenn er nämlich die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen hat), sondern auch zu dessen Lasten (bei Vorsatz)125. (3) Die Identität der bei der Anwendung des § 343 BGB zu berücksichtigenden Gesichtspunkte Die Feststellung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ist von herausragender Bedeutung für die Anwendung des § 343 BGB und die damit verbundene richterliche Entscheidung. Die Bestimmung sowohl der Unverhältnismäßigkeit als auch der nach der Herabsetzung anzuwendenden Strafhöhe erfolgt ausschließlich im Wege der Auffindung und Gewichtung konkreter Maßstäbe. Diese Elemente, die unter den Begriff „alle Umstände des Einzelfalles“ fallen, sind nicht restriktiv zu enumerieren. Anders gesagt gibt es keinen numerus clausus. Eine abschließende Aufzählung ist nicht möglich und auch nicht erwünscht, weil die besonderen Merkmale von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen. Während § 343 BGB von Interessen des Gläubigers spricht, schweigt er sich über die entsprechenden Interessen des Schuldners aus. Daraus folgt zwar, dass die Vorschrift eine Interessenabwägung voraussetzt. Dennoch bedeutet dieses Schweigen nicht, dass die Interessen des Schuldners nicht zu beachten sind. Es ist vielmehr selbstverständlich, dass die Institution der Strafherabsetzung den Schuldner bedient. Die Betonung der Interessen des Gläubigers ist mithilfe der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zu erklären. Da ihr Ziel nicht von allen Seiten (und besonders von den Liberalen) Akzeptanz fand und es gegnerische Stimmen gab, weil die Herabsetzung die Vertragsfreiheit verletzen würde und die Stelle des Gläubigers im Vertrag abschwächen könnte, wurde es als notwendig erachtet, diese Benachteiligung zumindest durch den ausdrücklichen Hinweis an den Richter zu vermeiden126. Gemeint ist ein ausdrückliches Berücksichtigungsgebot, das aber den Richter nicht dazu verleiten darf, die Umstände des Einzelfalls zu übersehen. Dem Richter steht es frei, auf alle Verhältnisse und Bedingungen des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen, solange diese Gesichtspunkte nicht sachfremd sind127. Bevor jedoch näher auf die einzelnen Kriterien eingegangen werden kann, soll zunächst als Vorbereitung eine Beschreibung der Bildung des Justizsyllogismus im Beispiel des § 343 BGB vorgenommen werden.

125

Mehr dazu unten Teil 2 A. II. c) jj) (1). RG v. 04. 10. 1935, JW 1936, 179 (m. Anm. Lehmann); RG v. 01. 05. 1912, Das Recht 1912 Nr. 1760. 127 Vgl. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 59, der den sachlichen Bezug als einen sachlichen Begründungszusammenhang zum Entscheidungsergebnis beschreibt. 126

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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ii) Der Justizsyllogismus Der juristische Syllogismus ist die Basis, auf der die ganze Rechtsanwendung steht. Als logischer Prozess besteht er aus den folgenden Elementen: – Obersatz (immer wenn der Tatbestand einer Rechtsnorm erfüllt wird, dann gilt die Rechtsfolge dieser Vorschrift), – Untersatz (der vorliegende Sachverhalt ist unter den Tatbestand zu subsumieren) und – Schluss (für den konkreten Sachverhalt tritt die Rechtsfolge der Vorschrift ein)128. Im vorliegenden Fall kann der Syllogismus die folgende Form annehmen: – Obersatz: die Vorschrift des § 343 BGB, die wie folgt konkretisiert werden kann. Die Vertragsstrafe ist unverhältnismäßig hoch und daher herabzusetzen, solange die Gesichtspunkte a, b, c, … (Kriterien der Unverhältnismäßigkeit) vorliegen. – Untersatz: Die zu prüfende Vertragsstrafe ist unter Berücksichtigung der Tatsachen a, b, c, … unverhältnismäßig hoch. – Schluss: Im Ergebnis ist die Strafe auf die Höhe X herabzusetzen. Nach näherer Betrachtung des § 343 BGB ergibt sich, dass dieser nicht nur einen, sondern zwei normative ausfüllungsbedürftige Begriffe enthält: Der eine, der zum Tatbestand gehört, ist die unverhältnismäßige Höhe und der andere der angemessene Betrag, der als Rechtsfolge zu qualifizieren ist. Voraussetzung der Herabsetzung der Strafe auf einen angemessenen Betrag ist ihre Charakterisierung als unverhältnismäßig hoch. Auf den ersten Blick scheint die Besonderheit der Anwendung dieser Vorschrift darin zu liegen, dass der Richter die Vertragsstrafe beim Schlussverfahren zunächst als unverhältnismäßig hoch bewertet und den angemessenen Betrag, auf den diese Strafe reduziert wird, in einem zweiten Stadium zu finden versucht. Ob aber dieser Eindruck der Richtigkeit entspricht ist im Folgenden näher zu untersuchen. jj) Die maßgeblichen Kriterien der Unverhältnismäßigkeit Die Abwägungsinteressen, die der Richter zu berücksichtigen hat, um herauszufinden, ob die Vertragsstrafe mit der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar ist, werden von der Literatur und der Rechtsprechung erarbeitet129. Dass der historische Gesetzgeber eine Erwägung aller Umstände des Einzelfalls zum Ziel hatte, ist bereits

128 Mehr zur Bildung des Syllogismus siehe statt vieler in Larenz, Methodenlehre, S. 271 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 89 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 677 ff. 129 Vgl. beispielsweise aus der älteren Literatur Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 6 ff.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

in der vorliegenden Arbeit dargelegt130. Eine abschließende Aufzählung ist nicht möglich. Darüber hinaus ist der Richter nicht verpflichtet alle hier erörterten Gesichtspunkte zu gewichten, da jeder Fall einzigartig ist und nicht immer alle Kriterien vorhanden sind. Auch die Darstellungsreihe, die hier verfolgt wird, indiziert die Bedeutung des einzelnen Kriteriums nicht, weil sich die Prüfung stets an den Verhältnissen des konkreten Falles orientieren muss. Hier muss betont werden, dass der Richter nur solche Gesichtspunkte zu beachten hat, die die Partner des Vertrages betreffen. Nur ihre Interessen sind wegweisend; andere Interessen, die mit diesen Personen nichts zu tun haben (z. B. eine Generalprävention, die zugunsten der Allgemeinheit funktioniert), sind nicht maßgebend131. Die vorgeschlagenen Kriterien können in folgende Gruppen eingeteilt werden: – die Bedingungen des Verhaltens des Schuldners, das heißt die Verwirkungshandlung (Tun oder Unterlassen), ihre Schwere und das Verschulden des Schuldners, das diese begleitet [siehe (1)], – das aus der Verwirkung verletzte Interesse des Gläubigers, sowohl das materielle als auch das immaterielle [siehe (2)], – das jeweilige Mitverschulden des Gläubigers bei der Verwirkung, das den Strafverfall herbeiführt [siehe (3)], – die Folgen der Tat, die den Schuldner betreffen, wie z. B. Nutzen aus mangelhafter Leistungserbringung [siehe (4)], – die Höhe der Strafe im Vergleich zu den Interessen des Gläubigers, die diese absichert [siehe (5)], – die Gefährlichkeit der Zuwiderhandlung [siehe (6)] und

130 Siehe oben Teil 1 A. VIII. 4. In den Protokollen, Bd. I, S. 786 liest man die Kriterien „Verschiedenheit der Interessen des Gläubigers“, „Höhe des möglichen und des wirklichen Schadens“, „wirtschaftliche Lage beider Theile“, „Grad des Verschuldens auf Seiten des Schuldners“ und „sonstige Momente“, was die Auflistung nicht restriktiv macht. Das Weitere wird dem Richter überlassen („Bei vorsichtiger Handhabung werde die richterliche Praxis trotz der vorhandenen Schwierigkeiten das richtige Maß für die im gegebenen Falle zulässige Höhe der Vertragsstrafe zu finden wissen.“). Dennoch müssen die Kriterien fallbezogen sein, damit das richterliche Urteil begründet ist („Da nach dem Wesen solcher Interessen die Werthschätzung etwas Subjektives sei, müsse der Richter bei der Bestimmung der zulässigen Höhe der Strafe für die Bethätigung der subjektiven Anschauung Raum lassen, wenn er freilich auch nicht absonderlichen Launen und Phantasien freie Bahn zu öffnen brauche.“). 131 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 105.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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– die wirtschaftliche Lage beider Parteien [siehe (7)]132. Die Aufzählung der Kriterien ist wegen der Fallbezogenheit demonstrativ. Es ist nicht erforderlich, dass der Richter alle diese Kriterien berücksichtigt. Es gibt also Sachverhalte, bei denen nicht alle diese Gesichtspunkte zutreffend sind. Die Kriterien weisen weder auf Abschließlichkeit noch auf Verbindlichkeit hin. Die Grenzen des richterlichen Urteils werden daher weit gefasst. (1) Die Schwere der Verwirkungshandlung und das Verschulden des Schuldners Der Hauptzweck einer Vertragsstrafe ist es, den Schuldner von einer Pflichtverletzung abzuschrecken. Eckstein der Herabsetzungsprüfung muss deshalb die Ermittlung sein, inwieweit der Schuldner seinen Pflichten nachgekommen ist133. Die Pflichtverletzung wird vom Gewicht durch die mit der Strafe abgesicherten Pflicht (z. B. Hauptpflicht oder Nebenpflicht) und die Intensität der Verletzung (z. B. Dauer) bestimmt. Die Geringfügigkeit der Pflichtverletzung kann zur Herabsetzung führen134. In diese Richtung ist die Unmöglichkeit stärker als der (kurze) Verzug oder die Schlechterfüllung zu missbilligen. Genauso ist das vollständige Ausbleiben einer Leistung stärker als eine teilweise Nichterfüllung oder eine mangelhafte Erfüllung zu kritisieren. Bei einem Dauerschuldverhältnis spricht die langzeitige ordentliche Erfüllung der Pflichten für eine Herabsetzung. Demgegenüber ist die Strafe gar nicht oder nicht erheblich zu reduzieren, falls das pflichtwidrige Verhalten im Verhältnis zur Zeit der Erfüllung lange angedauert hat135. Falls aber die Dauer der Pflichtverletzung nur kurz ist und der Schuldner die Leistung schließlich erbringt (Verfallsbereinigung), dann muss der Richter die Strafe herabsetzen136. Hinsichtlich des Verschuldens des Schuldners gibt es keinen Zweifel darüber, dass es einen besonderen Vorwerfbarkeitsfaktor darstellt137. Wenn der Schuldner seinen Pflichten vorsätzlich nicht nachkommt (charakteristisches Beispiel dafür ist die beabsichtigte Verletzung der Geheimhaltungspflicht), eröffnet sich keine Her132

Vgl. BGH v. 30. 09. 1993, NJW 1994, 45, 47 = DB 1993, 2584 (wonach die Schwere und das Ausmaß der Zuwiderhandlung, der Sanktionscharakter der Vertragsstrafe, deren Funktion, weitere Zuwiderhandlungen zu verhüten, die Gefährlichkeit der Zuwiderhandlung für den Gläubiger, das Verschulden des Verletzers und die Funktion der Vertragsstrafe als pauschalierter Schadensersatz die maßgeblichen Kriterien seien); BGH v. 07. 10. 1982, NJW 1983, 941, 942 f. = MDR 1983, 289. 133 BGH v. 31. 05. 2001, NJW-RR 2002, 608 = GRUR 2002, 180; OLG Brandenburg v. 08. 11. 2006, BauR 2007, 897, 898 („Zudem ist zu berücksichtigen, dass für die Vertragsstrafe kein Gebot der schuldangemessenen Strafe gilt. Zwar ist das Ausmaß der Verantwortung des „Täters“ in die Strafkontrolle einzubeziehen, aber nur als einer von mehreren Gesichtspunkten.“) Vgl. NK-BGB/Walchner, § 343 Rn. 8; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 106; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 3. 134 RG v. 04. 10. 1935, JW 1936, 179. 135 BAG v. 30. 04. 1971, NJW 1971, 2007, 2008 = MDR 1971, 955. 136 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 119. 137 RG v. 14. 02. 1931, HRR 1931, Nr. 1126.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

absetzungsmöglichkeit. Tatsächlich verstößt das Verhalten des Schuldners, der die Strafverwirkung vorsätzlich herbeiführt, gegen Treu und Glauben. Es handelt sich um einen Fall widersprüchlichen Verhaltens, wenn der Schuldner die Vertragsstrafe zuerst mit Vorsatz verwirkt und hinterher gerichtlichen Schutz beantragt (Verbot des venire contra proprium factum)138. Anders liegt der Fall bei Vorliegen von Fahrlässigkeit. Dabei wird zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit differenziert. Bei der ersteren scheint der Schuldner nicht so schutzwürdig zu sein. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Arbeitnehmer, der an ein Wettbewerbsverbot gebunden ist, eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen will, die er für ungefährlich hält. Er muss mit seinem Vertragspartner darüber verhandeln und darf sich nicht eigenmächtig über das Verbot hinwegsetzen. Unterlässt er dies, dann kann er nicht nachträglich eine Herabsetzung der vereinbarten Vertragsstrafe geltend machen mit der Begründung, er habe die Bedeutung seines vertragswidrigen Verhaltens verkannt139. Diese Behandlung betrifft nicht nur den Schuldner selbst, sondern auch seinen Erfüllungsgehilfen. Neben dem Verschulden ist auch der hypothetische Schadensverlauf zu beachten. Obwohl dieser für die Frage, ob eine Vertragsstrafe verwirkt ist keine Bedeutung hat, entscheidet er mitunter darüber, ob eine verwirkte Vertragsstrafe nach § 343 BGB herabzusetzen ist. Der Umstand, dass auch bei Vertragstreue des Schuldners die Ansprüche des Gläubigers, die durch die Vertragsstrafe gesichert werden sollten, später ohne sein Verschulden entfallen würden, kann bei der Beurteilung, ob die verwirkte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist, eine Rolle spielen140. Es wird zudem die Meinung vertreten, dass auch die Persönlichkeit des Schuldners und besonders seine Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu berücksichtigen seien. Der Schuldner, der seine Pflichten mit Konsequenz und Gewissenhaftigkeit erfüllt, sei günstiger als ein Leichtsinniger zu behandeln141. Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen, da nur solche Gesichtspunkte bei der Strafkontrolle maßgeblich sein müssen, die den konkreten Fall betreffen. Anders als § 46 StGB funktioniert § 343 BGB nicht als eine Vorschrift, die das ganze Leben, die Fehler und die Leichtlebigkeit des Charakters des Täters-Schuldners zu bestrafen vorhat. Ob dieser seinen Pflichten im Allgemeinen nicht nachkommen will oder kann, ist ein Problem, das nicht durch die Institution der Vertragsstrafe gelöst werden darf, da sie eine Sanktion des die Pflichtverletzung beim einzelnen Vertrag herbeiführenden Verhaltens und keine Sanktion der Persönlichkeit selbst darstellt.

138

Im Ergebnis so Staudinger/Rieble, § 343 BGB Rn. 108. BAG v. 21. 05. 1971, NJW 1971, 2007 = MDR 1971, 956; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 107. 140 BGH v. 17. 09. 1974, NJW 1974, 2089, 2091 = DB 1974, 2048; BGH v. 27. 11. 1968, NJW 1969, 461, 462 = DB 1969, 169 = MDR 1969, 303. 141 So Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 8. 139

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(2) Das immaterielle und das Vermögensinteresse des Gläubigers Die Vertragsstrafe als Institution des Privatrechts trägt vor allem dazu bei, den Schuldner an die Erfüllung seiner Pflichten zu binden. Deshalb schützt sie insbesondere die Interessen des Gläubigers. Eine hohe Strafsumme kann den Gläubiger sowohl materiell als auch immateriell befriedigen, aber gleichzeitig auch überschützen. Die Interessen des Gläubigers betreffen vor allem die Funktionen der Institution. Man spricht von der Bifunktionalität der Vertragsstrafe142. Einerseits ist sie ein Druckmittel, mit dem Ziel, den Schuldner dazu zu zwingen, seine Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (sog. Präventiv- oder Abschreckungsfunktion). Andererseits dient sie dazu, dass der Gläubiger einen Anspruch jedenfalls bis zur Höhe der Vertragsstrafe bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten ohne Einzelnachweis, genauer gesagt ohne Vorliegen eines besonderen Schadens geltend machen kann (sog. Schadensersatzfunktion). Ob die versprochene und verlangte Strafsumme dem tatsächlichen Schaden nicht entspricht oder diesen übersteigt, ist dabei ohne Belang. Aus den obigen Darstellungen ergibt sich, dass die Strafvereinbarung den Gläubiger und seine Interessen per definitionem bedient. Andere Zwecke (z. B. Generalprävention) kommen nicht in Betracht, weil eine Privatvereinbarung normalerweise nur inter partes Rechtsfolgen entfaltet. Der Ansicht, dass die Vertragsstrafe nicht lediglich Ersatz, sondern in erster Linie Strafe darstelle143, ist nicht zu folgen, weil die Vertragsstrafe einen ebenso präventiven wie restitutiven Charakter hat. Deswegen kann man zwar von punitiven Charakteristika sprechen, sie stehen jedoch nicht im Vordergrund und sind auf jeden Fall privatrechtlicher Natur. Es ist davon auszugehen, dass die Funktion der Vertragsstrafe zugunsten der Gläubigerinteressen berücksichtigt werden muss. Sofern die Interessen des Gläubigers nicht schwerwiegend sind, kann das Vorliegen anderer Kriterien, die den Schuldner begünstigen, zu einer Ermäßigung führen. Das Interesse des Gläubigers, dass die Strafe so hoch wie möglich bleibt, ist ohnehin gegeben und kann nicht aus sich selbst heraus einen Ausschluss der Herabsetzung herbeiführen144. In diesem Sinne müssen die jeweiligen Interessen des Gläubigers eine besondere Begründung haben. Unter dem Begriff „Interesse“ ist jede rechtliche, wirtschaftliche oder tatsächliche Lage zu verstehen, aus der der Gläubiger Nutzen zieht und dessen Verschlechterung ihm Schaden zufügt. Darunter fällt vor allem das wirtschaftliche Interesse oder Vermögensinteresse. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass jedes berechtigte (nämlich rechtlich anerkannte oder zumindest nicht missbilligte) Interesse vom Richter zu beachten ist. Folgen immaterieller Natur (z. B. Liebhaberwerte, Interesse 142

Vgl. statt vieler BGH v. 20. 01. 2000, NJW 2000, 2106, 2107 = BauR 2000, 1049. Vgl. auch Berling, Vertragsstrafe, S. 9 ff. 143 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. III, Schuldrecht, S. 376 Fn. 101. 144 Das tatsächliche Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung kann nicht maßgebend sein. Vgl. MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 21.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

des Arbeitgebers an Arbeitsdisziplin) müssen mitberücksichtigt werden145. Im Allgemeinen ist auf alle beeinträchtigenden Folgen Rücksicht zu nehmen (z. B. kann der Schaden des Gläubigers in der Schädigung seiner Kreditwürdigkeit liegen, da er seinen eigenen Pflichten nach der Vertragsverletzung seines Schuldners nicht nachkommen kann). Eine andere Frage, die an diesem Punkt entsteht und mit dem Inhalt der Interessen des Gläubigers einhergeht, ist, ob die Ermäßigungsmöglichkeit mit dem Vorliegen eines Schadens verbunden werden muss. Sofern die Strafe niedriger ist als der beim Gläubiger eingetretene Schaden, dann ist diese Tatsache zu berücksichtigen, so dass der Richter die Vertragsstrafe nicht herabsetzen darf146. Der umgekehrte Fall (wenn die Vertragsstrafe den erlittenen Schaden übersteigt oder gar kein Schaden entsteht) scheint problematischer zu sein, weil sich die Ermäßigungsmöglichkeit an die Frage der Kumulation der zwei Größen (Vertragsstrafe und Schaden) anschließt. Ein Teil der Literatur ist der Ansicht, dass der Richter diesen Schadensbetrag als eines (nicht als vorrangiges) unter mehreren anderen Kriterien zu beachten habe. Auf jeden Fall solle die Höhe des eingetretenen Schadens nicht als Mindestbetrag für die Vertragsstrafe gelten, sondern der Richter sei berechtigt, die Strafe weiter nach unten zu reduzieren147. Ihr Hauptargument zieht diese Meinung aus § 340 Abs. 2 BGB. Da § 340 Abs. 2 S. 1 BGB eine Kumulierung von Vertragsstrafe und Schadensersatz nicht erlaube, sondern die Strafe auf den Schadensersatz anzurechnen sei, könnte man dieses Verbot umgehen, falls man den Schaden als Basis der angemessenen Strafe betrachten würde. § 340 Abs. 2 S. 2 BGB setze voraus, dass der tatsächliche Schaden des Gläubigers höher als die Vertragsstrafe sein könne. Dies wäre jedoch sinnlos, wenn man den tatsächlichen Schaden stets als Mindestbetrag der Strafe ansehe. Dieser Meinung ist nicht zuzustimmen. Zunächst entwaffnet diese die Effektivität und die Wirksamkeit der Vertragsstrafe selbst. Wenn der Schuldner, der einer hohen Vertragsstrafe unterworfen ist, vorhersieht, dass er dem Gläubiger einen Schaden durch sein Verhalten zufügen kann, aber die Strafhöhe unter den Schadensbetrag herabzusetzen ist, wird er sich sicher dafür entscheiden seine Pflichten zu verletzen. Diese Ansicht befördert die Pflichtverletzung und beseitigt die Präventionswirkung der Vertragsstrafe148. § 340 Abs. 2 BGB geht zudem davon aus, dass der Schaden höher als die Vertragsstrafe ist. Der Gläubiger kann mithin die verwirkte Strafe als Mindestbetrag des Schadens verlangen und noch einen weiteren Schaden geltend 145 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 111; Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 7. Der Letztere versteht das „berechtigte Interesse“ als solches Interesse, das die Vernunft, die Sitten und die Gesetze anerkennen (z. B. Religion, Ehre, Affektionsinteresse). 146 Vgl. OLG Nürnberg v. 28. 03. 1968, MDR 1968, 920; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 21; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 112. 147 Köhler, GRUR 1994, 260, 262 f.; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 183, 184. 148 MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 21; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 112.

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machen, soweit der Schadensersatz die Strafe übersteigt. Ein ähnliches Problem kommt im umgekehrten Fall (Überschreitung des Schadensersatzes durch die Vertragsstrafe) nicht in Betracht, da der Gläubiger die Geltendmachung der höheren Vertragsstrafe und nicht des niedrigen Schadensersatzes auswählen wird. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe ist darüber hinaus vom Beweis tatsächlichen Schadens unabhängig. Obwohl also der Schaden des Gläubigers kein Kriterium gegen die Herabsetzung selbst ist149, trägt er dazu bei, die Mindesthöhe der Vertragsstrafe zu bestimmen. (3) Das Mitverschulden des Gläubigers Ein anderer zu berücksichtigender Maßstab ist, ob und inwieweit das Verhalten des Gläubigers zur Verwirkung der Vertragsstrafe beigetragen hat150. Sofern dieser den Schuldner vorsätzlich zur Vertragsverletzung und dadurch zur Strafverwirkung veranlasst hat, wird sein Verhalten als rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB beurteilt. Wenn er dann die Strafsumme verlangt, so verstößt er gegen Treu und Glauben (Verbot des venire contra proprium factum). Die Geltendmachung der Strafe muss entfallen151. Bei synallagmatischen Verträgen kann der Schuldner die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Leistung des Gläubigers gemäß § 320 BGB verweigern. In diesem Fall wird die Vertragsstrafe nicht einmal verwirkt. Gleiches gilt für § 273 BGB, der auf nichtsynallagmatische Verträge Anwendung findet. Die Erhebung dieser Einreden schließt bereits die Verwirkung aus152. Auch bei einem fahrlässigen Verhalten kann der Gläubiger die Vertragsstrafe nicht verlangen, da die Strafe als nicht verwirkt gilt153. Problematisch ist aber die Beantwortung der Frage, wann dem Gläubiger fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann. Ein typisches Beispiel liegt vor, wenn er die Gefahr einer Strafverwirkung durch das Verschulden des Schuldners vorhersieht, aber nichts tut, um diese Gefahr abzuwenden oder zumindest die Höhe des Schadens zu verringern154. Gemäß 149

St. Rspr.: BGH v. 01. 06. 1983, MDR 1984, 199, 200 = NJW 1984, 919; BGH v. 27. 11. 1968, MDR 1969, 303, 304 = NJW 1969, 461; BGH v. 13. 03. 1953, LM Nr. 2 zu § 339 BGB; RG v. 28. 10. 1921, RGZ 103, 99; RG v. 20. 12. 1935, JW 1936, 917. 150 OLG Köln v. 24. 04. 1974, NJW 1974, 1952, 1953. 151 BGH v. 23. 01. 1991, NJW-RR 1991, 568, 569 = DB 1991, 1373 = ZIP 1991, 315; BGH v. 01. 06. 1983, NJW 1984, 919, 920 = MDR 1984, 199; BGH v. 23. 03. 1971, NJW 1971, 1026 = MDR 1971, 658; RG v. 01. 04. 1935, RGZ 147, 228, 233. Vgl. aus der Literatur Staudinger/ Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 660; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 819; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 220. Siehe auch unten Teil 3 B. III. 3. d). 152 So zutreffend Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 342 ff. 153 Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 26; a. A. Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 221; Erman/ Westermann11, § 339 Rn. 5. Die Letzteren schlagen vor, dass § 254 BGB anzuwenden sei, weil er zu flexiblen Lösungen und nicht nur zum Ausschluss des Strafverfalls führen könne. 154 Das Vorliegen von Fahrlässigkeit verneint BGH v. 01. 06. 1983, GRUR 72, 74 = MDR 1984, 199 = NJW 1984, 919, da „es mit dem Zweck der Vertragsstrafe vereinbar und auch aus anderen Gründen nicht zu missbilligen ist, wenn der Gläubiger eines Strafversprechens in

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

einer rechtstheoretischen Meinung braucht es hier eine Unterscheidung: Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Schuldners sei der Gläubiger nicht dazu verpflichtet, die Zuwiderhandlung zu verhindern, sondern lediglich sich und seine Interessensphäre vor den Folgen der Zuwiderhandlung zu schützen. Bei nur leichter Fahrlässigkeit aber müsse der Gläubiger die Verwirkung selbst oder ihre Folgen nach Treu und Glauben verhüten155. Zunächst ist eine allgemeine Pflicht des Gläubigers, das Verhalten des Schuldners zu kontrollieren und zu korrigieren, abzulehnen. Es ist ausschließlich Sache des Schuldners, durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen, dass er seine Pflichten gehörig erfüllt und dadurch den Strafverfall vermeidet. Das gilt zu Recht, solange ihn keine besondere gesetzliche oder vertragliche Informations- oder Aufsichtspflicht (oder Obliegenheit) belastet156. Nur in einem solchen Fall kann seine Unterlassung als fahrlässig betrachtet werden und die Verwirkung wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben verhindern. Das Wort „Verschulden“ in § 254 BGB beschreibt einen umfangreichen Begriff. Davon erfasst wird „jedes persönlich zurechenbares Verhalten, das geeignet ist, eine Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (hier des Gläubigers) für seinen Schaden zu begründen“157.

Nimmt man den Fall eines eigentlichen Mitverschuldens davon aus (wie oben bereits beschrieben, verhindert dies bereits die Verwirkung), dann fällt darunter jedes Verhalten des Gläubigers, das für die Pflichtverletzung mitverursachend, aber seinem Verschulden nicht vorzuwerfen ist. Die Mitverursachung kann darin liegen, dass der Gläubiger die Verwirkung durch positives Tun erleichtert oder unterlässt, sie oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern158. Beispielsweise kann ein solcher Fall bei der verschuldensunabhängigen Haftung gegeben sein. Die Mitverursachung funktioniert mildernd und zugunsten des Schuldners.

einem Fall wie dem vorliegenden zunächst den weiteren Verlauf der auf Initiative des Schuldners begonnenen Abwerbungsgespräche abwartet, um sowohl ausreichende Beweise für ein vertragswidriges Verhalten des Vertragsgegners in die Hand zu bekommen, als auch zu sehen, wie weit dieser geht und mit welchen Methoden seines Vorgehens (eventuell auch in Zukunft) gerechnet werden muss.“ So auch OLG Koblenz v. 26. 03. 1992, GRUR 1992, 884, 886. 155 Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 221. 156 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 110. 157 Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 31 I. 158 Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 31 I. Vgl. auch Rinken, Der Schuldnerverzug, S. 115 ff., 120. Die Vertragsstrafe verfällt auch dann, wenn der Gläubiger nicht bereit ist, die Leistungshandlung des nicht rechtzeitig vornehmenden Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt anzunehmen. In diesem Fall aber ist diese Tatsache der Nichtannahmebereitschaft des Gläubigers bei der Abwägung nach § 343 BGB zu berücksichtigen.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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(4) Die Folgen der Tat, die den Schuldner betreffen Die Folgen des Verhaltens des Schuldners, die ihn selbst treffen, sollen ebenfalls als Herabsetzungskriterium betrachtet werden. Der Nutzen, den er aus seinem Verhalten (nämlich aus der Pflichtverletzung) zieht, ist ein bedeutender Faktor, da der Grundsatz von Treu und Glauben nicht erlaubt, dass man seine Pflichten verletzt, um etwas zu gewinnen. Die Herabsetzung darf zu keinem Umgehungsmechanismus der durch die Vertragsstrafe abgesicherten Pflichten umgestaltet werden. Ein solcher Fall liegt z. B. dann vor, wenn der Schuldner seine Geldleistung nicht bewirkt, um Gewinne aus der Nutzung dieser Geldsumme auf andere Weise zu ziehen. In diesem Fall funktioniert der Gewinn des Schuldners zulasten der Strafzumessung. Im Gegensatz dazu müssen sich die Verluste, die der Schuldner wegen der Pflichtverletzung erleidet, positiv auf die Herabsetzung auswirken. Beispielsweise kann dies beim Verlust seines Anspruches auf die Gegenleistung in einem synallagmatischen Vertrag vorliegen159. (5) Die Gegenleistung des Gläubigers Bei gegenseitigen Verträgen stellt sich zudem die Frage, ob und inwieweit die Vertragsstrafe den Wert der Leistung des Gläubigers übersteigt. Das Recht und folglich der Richter missbilligen Strafen, die zu einer riesigen Bereicherung des Gläubigers führen können. Wenn also der Schuldner eine hohe Vertragsstrafe zu leisten hat, während die Leistung des Gläubigers bei Weitem hinter dem Betrag der Strafe zurückbleibt, dann entsteht ein Missverhältnis zwischen der Leistung des Schuldners (Vertragsstrafe) und der Gegenleistung160. Hier muss man beachten, dass die Vertragsstrafe besonderen Zwecken dient. Hierunter fällt die Erleichterung der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches, da der Gläubiger nur die Pflichtverletzung darlegen und beweisen muss. Bei Nichterfüllung der Verbindlichkeit, die sie schützt, kann der Gläubiger zurücktreten, ohne dass dieser Rücktritt den Schadensersatzanspruch ausschließt (§ 325 BGB). Dann steht dem Gläubiger ein Wahlrecht zu, entweder den Schadensersatz oder die Vertragsstrafe zu verlangen, wie es § 340 BGB vorsieht. Während aber der Schadensersatz einen Ersatz des Leistungsanspruchs darstellt und diese Leistung dem Wert der Gegenleistung mehr oder weniger entspricht (zumindest, wie es die Vertragspartner gewollt haben), kann die Vertragsstrafe die Gegenleistung überschreiten. Ein Missverhältnis kann im Allgemeinen wie beim Verhältnis Leistung-Gegenleistung akzeptiert werden. Die Vertragsstrafe darf zunächst zur Bereicherung des Gläubigers führen161. Dieses Missverhältnis wird durch das Interesse des 159

Siehe auch Staudinger/Rieble, § 343 BGB Rn. 115 ff., der die Berücksichtigung anderer dem Schuldner auferlegten Sanktionen (z. B. des Strafrechts) befürwortet. 160 Hier geht es selbstverständlich um Fälle, in denen der Gläubiger von seiner Leistung nicht befreit wird (z. B. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB). 161 Vgl. MünchKomm/Gottwald, § 340 Rn. 16.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Gläubigers gerechtfertigt, dass die Strafe auch ihrem anderen Zweck, das heißt der Abschreckungsfunktion, dient. Je höher die Strafe bestimmt wird, desto mehr bleibt der Schuldner an die ordentliche Erfüllung gebunden. Sofern aber die Vertragsstrafe dieses Interesse des Gläubigers, das er durch seine Gegenleistung zu übernehmen entscheidet, so bedeutend übersteigt, dass man über ein grobes, unerträgliches Missverhältnis sprechen darf, dann ist die Strafe herabzusetzen. (6) Die Wiederholungsgefahr der Zuwiderhandlung Die Doppelfunktion der Vertragsstrafe (Sicherungs- und Schadensausgleichsfunktion) ist die Grundlage für die Erklärung aller Probleme, die sich daraus ergeben. Je höher die Vertragsstrafe vereinbart wird, desto mehr überwiegt die Sicherungsfunktion, die durch Abschreckung zu erreichen ist. Es ist nicht notwendig, dass die Strafhöhe dem tatsächlichen Schaden des Gläubigers entspricht162. Bei Dauerschuldverhältnissen und insbesondere bei wettbewerbsrechtlichen Vereinbarungen kann der Schuldner seine Pflichten mehrmals verletzen. Das bedeutet aber nicht, dass die anfängliche Vereinbarung nicht mehr gültig ist. Eine Entbindung des Schuldners von seinen vertraglichen Pflichten kann nur dann erfolgen, wenn der Gläubiger den Vertrag kündigt. Sein Interesse kann jedoch darin liegen, dass der Schuldner an den Vertrag gebunden bleibt und seine Pflichten so gut es geht erfüllt. Das kann durch hohe Strafen, welche Druck auf den Schuldner ausüben, erreicht werden. Verstößt er gegen seine Pflichten, dann hat er die Strafe zu entrichten, die den tatsächlich entstandenen Schaden übersteigen kann oder nicht. Es besteht dabei allerdings die sog. Wiederholungsgefahr, das heißt die Gefahr, dass sich er nochmals pflichtverletzend verhält163. Ziel des Gläubigers ist es dann, die Vertragsstrafe so hoch wie möglich zu erhalten, um diese Gefahr wiederholter Zuwiderhandlungen aus dem Weg zu räumen oder zumindest zu verringern. Sowohl die Rechtsprechung164 als auch das Schrifttum165 betrachten die Sicherungsfunktion als maßgeblich. Eine offensichtliche Wiederholungsgefahr, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, funktioniert zugunsten des Gläubigers und kann auch die Herabsetzung unter Berücksichtigung der anderen Umstände ganz 162

Vgl. statt vieler Ahrens/Achilles, Wettbewerbsprozess, Kap. 7 Rn. 22 ff. Siehe aber Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 57 ff., der gegen die herrschende Meinung die Vertragsstrafe als monofunktional, das heißt zur Sicherung des Erfüllungsinteresses, versteht. 163 Hier interessieren nicht solche Vereinbarungen, die den Schuldner zwar für eine gewisse Dauer binden, aber der Verstoß nur einmal stattfinden kann (z. B. Geheimhaltungspflichten). Dabei ist sinnlos über Wiederholung zu sprechen. 164 BGH v. 30. 09. 1993, NJW 1994, 45, 47 = DB 1993, 2584 = WM 1994, 114; BGH v. 01. 06. 1983, MDR 1984, 199, 200 = NJW 1984, 919; BGH v. 13. 02. 1952, BGHZ 5, 133, 136 f. = NJW 1952, 623; OLG Hamburg v. 11. 07. 1962, JZ 1963, 172, 173. 165 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 3 d; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 18; Ahrens/Achilles, Wettbewerbsprozess, Kap. 7 Rn. 22; Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.138 ff.; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, Kap. 32 Rn. 9; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, Rn. 630 ff.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

171

ausschließen. Die Gegenmeinung, dass der Wiederholungsgefahr kein strafschärfendes Gewicht zukomme und schärfende Funktion nur bei der Bemessung der Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens haben könne166, überzeugt nicht. Zunächst kann man nicht von einer Strafverschärfung sprechen, da die Vereinbarung die Strafhöhe bereits bestimmt und das Recht nur eine Herabsetzung vorsieht. Es ist offensichtlich, dass sich der Schuldner, der seine Pflichten zum zweiten Mal verletzt, in einer schwierigen Lage befindet. Seine Pflichtwidrigkeit und sein Verschulden werden leichter als gegeben anerkannt. Allerdings muss die Wiederholungsgefahr auch als eigenständiges Kriterium bewertet werden, da die Präventionsfunktion der Vertragsstrafe, das heißt die Beseitigung neuer Zuwiderhandlungen, nicht in Gefahr zu bringen ist167. (7) Die wirtschaftliche Lage der Parteien Für die Entscheidung, ob die Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist, wird die Vermögenslage der Parteien als elementar angesehen168. Vereinzelt wird die Meinung vertreten, dass die wirtschaftliche Lage wegen der Gleichheit aller vor dem Gesetz nicht berücksichtigt werden dürfe169. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, da das Gleichheitsprinzip, welches heute in Art. 3 GG verankert ist, nicht Ausgleichung, sondern Gleichbehandlung des wesentlich Gleichen bedeutet. Zweifelsohne ist die in § 343 BGB enthaltene Regelung eine Ausprägung des in § 242 BGB gewährleisteten Grundsatzes von Treu und Glauben. Die erforderliche Konkretisierung des unbestimmten Begriffes der unverhältnismäßigen Höhe ist nicht durch erneute Zurückführung auf den Grundsatz von Treu und Glauben zu erreichen. Vielmehr muss der Rechtsanwender von Kriterien niedriger Abstraktionsstufe Gebrauch machen. Dazu gehört auch die Vermögenslage als wirtschaftliches Kriterium der Parteien. Will man diese Situation verdeutlichen, so muss man von einem quantitativen Kriterium ausgehen. Dabei ist nicht zu bezweifeln, dass es sich um den Vergleich zweier ökonomischer Größen handelt, genauer gesagt das Wertverhältnis des Vermögens des Schuldners zu dem des Gläubigers. Beispielsweise darf die schwache Lage des Schuldners durch eine riesige Strafe nicht weiter zugunsten eines finanzstarken Gläubigers verschlechtert werden. Umgekehrt darf der starke Schuldner die finanzielle Not des Gläubigers nicht ausnutzen, um die Wirksamkeit der Vertragsstrafe zu entkräften. Allerdings darf diesem quantitativen Kriterium nur eine indizielle Bedeutung zukommen. Der Rechtsanwender soll dazu neigen, das quantitative Element nicht als einziges Kriterium zu beachten, sondern dieses in Zusammenhang mit anderen 166

So Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 114. Wie hier Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 183. 168 Vgl. MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 18; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 12; Planck/ Siber, § 343 Bem. 2 d; Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 8. 169 Dernburg, Schuldverhältnisse, Bd. II, S. 254: „Das Recht soll für arm und reich gleich sein.“ 167

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Wertungsmaßstäben zu berücksichtigen. Demgemäß soll die wirtschaftliche Lage der Parteien nicht eng (bloß als zwei Geldwerte) betrachtet werden. Vielmehr muss man sie mit der generellen Lage der nationalen und der internationalen Wirtschaft in Einklang bringen. In Zeiten von Finanzkrisen ist es leichter, eine Vertragsstrafe als übermäßig hoch zu bewerten. Die ungünstige wirtschaftliche Lage des Schuldners spielt aber keine Rolle, soweit dieser kraft Rechtsverhältnisses die Strafe auf einen leistungsfähigen Dritten abwälzen kann170. Außerdem ist die Beurteilung der Grenzen der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit des Schuldners ausschlaggebend. Die Vertragsstrafe bedeutet auf jeden Fall eine finanzielle Aufopferung. Diese nimmt der Schuldner zwar in Kauf, ohne jedoch damit seinen wirtschaftlichen Selbstmord zu wollen. Die Strafe, die so enorm hoch ist, dass der Schuldner vom Ruin bedroht wird, kann nicht anders bewertet werden wie ein übermäßig belastendes Sicherungsmittel, das nur auf die Interessen des Gläubigers Rücksicht nimmt. Andererseits reicht es nicht aus, dass der Schuldner einen Schaden durch die Strafe erleidet oder diese ihm lediglich gewisse Zahlungsschwierigkeiten bereitet. Die Lage des Schuldners ist zu schützen, aber dieses Schutzbedürfnis kann nicht der einzige entscheidende Faktor sein171. kk) Die Einbeziehung der maßgeblichen Gesichtspunkte in ein bewegliches System Die vorgenannten Gesichtspunkte, die im Schrifttum und in der Rechtsprechung zu finden sind, sollen nicht als starre Begriffe konzipiert werden. Die Besonderheit der Rechtsfolge des § 343 BGB wurde bereits erwähnt, da sich die Herabsetzung der unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag in einem weiten Beurteilungsspielraum bewegen kann. Die Faktoren und die Kräfte, die die Höhe der herabzusetzenden Strafe nach oben oder nach unten schieben, sind nichts anderes als die jeweiligen Gesichtspunkte172. Dieses charakteristische Merkmal der Beweglichkeit greift auf die Lehre des sog. beweglichen Systems zurück. Der Vater dieser Lehre ist Walter Wilburg. Die Theorie des beweglichen Systems hat er in seinen Werken „Die Elemente des Schadensrechts“173 und „Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht: Rede, gehalten bei der Inauguration als Rector magnificus der Karl-Franzens-Universität in Graz am 22. November 1950“174 entfaltet. Um dem Richter bei der Bestimmung der Schadensersatzhöhe zu helfen, hat er verschiedene Elemente vorgeschlagen, aus dessen Zusammentreffen und Stärkegrad sich das besondere Bild jedes einzelnen Falles ergibt. 170

86, 28. 171 172 173 174

RG v. 17. 11. 1914, Das Recht 1915 Nr. 178 = JW 1915, 136; RG v. 17. 11. 1914, RGZ RG v. 17. 11. 1914, Das Recht 1915 Nr. 178 = JW 1915, 136. Vgl. oben Teil 2 A. II. c) jj) (2). Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, S. 28 ff. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 12 ff.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Wilburg hat darauf verzichtet, die Elemente des Systems abschließend aufzuzählen, sondern er hat Gruppen formuliert. Bei der Schadensersatzberechnung sind diese: „1. Ein für das Schadensereignis kausaler Mangel, der auf der Seite des Haftenden liegt. Dieser Mangel hat verschiedene Schwere, je nachdem ob er vom Haftenden oder von dessen Gehilfen verschuldet oder überhaupt ohne Verschulden, so z. B. ein unerkennbarer Materialfehler einer Maschine, entstanden ist. 2. Eine Gefährdung, die der Schädiger durch ein Unternehmen oder durch den Besitz einer Sache geschaffen hat und die zum Eintritt des Schadens führte. 3. Die Nähe des Kausalzusammenhangs, der zwischen den haftungsbegründenden Ursachen und dem eingetretenen Schaden besteht. 4. Die soziale Abwägung der Vermögenslage des Beschädigten und des Beschädigers (…) Die Kräfte sind nicht absolute, starre Größen, sondern es entscheidet die Gesamtwirkung ihres variablen Spiels.“175

Darüber hinaus sind die Ranggleichheit und die wechselseitige Austauschbarkeit der Bewertungsgesichtspunkte ausprägende Merkmale des Systems176. Die Gruppierung von Gesichtspunkten findet insbesondere dann statt, wenn die Rechtsfolgen beweglich sind. Das wird bei der Schadensersatzberechnung deutlich. Genau dies war der erste Fall, bei dem die Theorie im Schrifttum Anwendung fand. Die Kriterien-Elemente des Systems bieten vor allem das geschriebene Recht selbst (z. B. spricht § 254 BGB über Umstände, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist), aber auch das Richterrecht, die Literatur und die Rechtsvergleichung an. In diesem Sinne sind sie nichts anderes als Wertungen, die für die eine oder die andere Lösung bei der Interessenabwägung sprechen. Allmählich hat das System auch Befürworter für die Auslegung anderer Vorschriften gefunden. Es gibt selbstverständlich Rechtsgebiete (z. B. das Sachenrecht, das Prozessrecht), in denen die Rechtssicherheit ein starres System abgewickelt hat, dessen Gebrauch unentbehrlich ist177. Jedoch enthalten andere Rechtsgebiete (z. B. das Schuldrecht) Vorschriften, die durch ein gewisses Maß von Unbestimmtheit in der Formulierung entweder des Tatbestandes oder der Rechtsfolgen charakterisiert werden. Darunter fallen vor allem die Generalklauseln178. Wie bereits dargestellt, 175 Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems, S. 12 f. Vgl. auch Deutsch, in: Bydlinski u. a. (Hrsg.), Das Bewegliche System, S. 43 ff. 176 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 75; Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S. 17.; Bydlinski, in: Bydlinski u. a. (Hrsg.), Das Bewegliche System, S. 21 ff.; Koller, in: Wertung und Interessenausgleich, S. 1 ff. 177 Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S. 65 ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 534. Vgl. auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 78. 178 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 534; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 79 f.; Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S. 64.

174

Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

kann der Begriff der unverhältnismäßigen Höhe – oder des angemessenen Betrages, wenn man die andere Seite der Medaille betrachtet – kaum als Generalklausel bezeichnet werden179. Dennoch sprechen der hohe Grad von Unbestimmtheit des § 343 BGB und die Ähnlichkeit der Strafherabsetzung mit der Schadensersatzberechnung, die nach einer Abwägung mehrerer Kriterien erfolgt, dafür, dass die Gesichtspunkte auch in diesem Fall als Elemente eines beweglichen Systems qualifiziert werden müssen. Folgt man der Meinung, dass die Bewertung der maßgeblichen Gesichtspunkte bei der Strafzumessung nach dem beweglichen System vorzunehmen ist, dann gilt Folgendes für die Gewichtung: Zunächst muss betont werden, dass die Kriterien selbst beweglich sind, ihre Größe also abstufbar ist (z. B. das Verschulden, die Vermögenslage usw.). Darüber hinaus funktionieren sie nach der Wenn-dann-Beziehung. Überwiegen die Argumente für die Herabsetzung im Verhältnis zu deren Gegenargumenten, so ist die Strafe herabzusetzen. Je mehr diese überwiegen, desto sicherer tritt die Rechtsfolge (die Herabsetzung) ein mit einer Intensität, welche die Strafhöhe nach unten drängt. Diese Formel kann mit dem beweglichen System kombiniert werden180. Aussagekräftig sind die besonderen Eigenschaften, die das Verhältnis der Gesichtspunkte zueinander prägen, das heißt die Austauschbarkeit und die Ranggleichheit der mehreren Kriterien. Welche praktische Folgen hat aber die Anwendung des Systems für den Richter? Die zutreffende Antwort ist, dass es für den Richter leichter wird, eine Überzeugung bei der Interessenabwägung zu finden. Beispielsweise kann der Richter anstatt des Mitverschuldens des Gläubigers die schlechte Vermögenslage des Schuldners berücksichtigen; die leichte Mitverantwortlichkeit des Gläubigers in Verbindung mit der schlechten finanziellen Lage des Schuldners kann zu einer gleich so großen Herabsetzung führen genau wie die grobe Mitverantwortlichkeit. Hier zeigt sich die Austauschbarkeit der Kriterien, durch die das bewegliche System gekennzeichnet wird. Die Rede kann dabei nicht von festen Kriterien sein, denn der Richer ist bei der Überzeugungsbildung frei. Diese Freiheit bedeutet nicht nur, dass jedes Kriterium vom Vorliegen einer übermäßigen Höhe überzeugen kann oder nicht, ohne dass der Richter von besonderen Regeln gebunden ist, sondern auch, dass die jeweiligen Gesichtspunkte kein geschlossenes System bilden. Wie bereits erläutert, sind die Kriterien nicht abschließend, sondern demonstrativ aufgezählt, da nicht alle in jedem einzelnen Fall vorhanden sein können. Das bedeutet aber nicht, dass der Richter auf jede Tatsache des Einzelfalls Rücksicht nehmen darf. Irrelevante Eigenschaften (z. B. das Alter der Vertragspartner) sind nicht zu beachten, solange sie keine Beziehung zum Vertragsstrafenverhältnis erweisen. Diese Gesichtspunkte werden zwar als generelle Kriterien formuliert, deren Berücksichtigung wird jedoch seit Langem in den Materialien des Bürgerlichen Gesetzbuches, in der Literatur und in der Rechtsprechung als gegeben beschrieben181. 179

Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) dd) (2). Zu dieser Kombinationsmöglichkeit vgl. Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, S. 17. 181 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 78. 180

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Diese Erläuterungen deuten schlussendlich daraufhin, dass das bewegliche System die Mitte zwischen festen Tatbeständen und Generalklauseln darstellt182. Außer Diskussion bleibt, dass seine Bedeutung für die Gesetzgebung nur in bestimmten Gebieten in Betracht kommt, da die Rechtssicherheit in vielen Fällen ein großes Maß von Bestimmtheit verlangt. Dennoch verliert die Anwendung eines Systems mit dem charakteristischen Merkmal der Beweglichkeit bei der Auslegung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe, bei dem die Konkretisierung durch eine Interessen- und Kriterienabwägung erreicht werden kann, nichts an Gewicht. Die obige Übersicht der Konkretisierung des Unverhältnismäßigkeitsbegriffes zeigt, worin das Problem der Diskussion tatsächlich besteht: Die vorhandenen Gesichtspunkte können als Kräfte betrachtet werden, welche den Richter vom Vorliegen einer übermäßigen Vertragsstrafe mehr oder weniger überzeugen. Die Problemstellung wird anhand der richerlichen Praxis über die Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte beim Herabsetzungsprozess erhellt. In einer Reihe von Urteilen hat die Rechtsprechung bisweilen wiederholt sehr detaillierte Grundsätze formuliert und je nach Einzelfall ein mehr oder weniger engmaschiges Kriteriennetz formuliert. Daher erscheint es an dieser Stelle der vorliegenden Arbeit interessant, besondere Beispiele aus der Rechtsprechung näher zu betrachten, um herauszufinden, wie die Gerichte die Unverhältnismäßigkeit begreifen. Charakteristisch ist das Urteil des OLG Koblenz v. 29. 08. 2012183. Die Parteien, Ärzte von Beruf, waren Geschwister. Obwohl verfeindet betrieben sie gemeinsam eine Praxis für Allgemeinmedizin. In einem Vorprozess vor dem LG Trier schlossen sie einen Vergleich ab, durch den sie sich wechselseitig verpflichteten, künftig jede „Diffamierung“ des anderen „gegenüber Patienten und sonstigen Dritten“ zu unterlassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung war eine Vertragsstrafe zu leisten, die im Fall des einmaligen Verstoßes 10.000 EUR betrug. Unter Darlegung zahlreicher Verstöße des Beklagten hat die Klägerin für drei Verstöße jeweils den Höchstbetrag, mithin insgesamt 30.000 EUR nebst Zinsen begehrt. Das LG hat nach der Befragung von Zeugen die begehrte Vertragsstrafe für 3 Verstöße insgesamt zuerkannt. Der Beklagte habe mehrfach die Buchstabenkombination „KK“ bzw. „kK“ auf in der Praxis ausgelegten Schriftstücken angebracht. Nach dem Sprachgebrauch des Beklagten, der dem Praxispersonal bekannt sei, bedeute das Kürzel „Kotz – Kacke“. Dadurch habe er die Klägerin diffamiert und daher die Vertragsstrafe in drei Fällen verwirkt, da die unflätigen Kommentare zumindest dem Praxispersonal zugänglich gewesen seien. Mit seiner Berufung hat der Beklagte die umfassende Abweisung der Klage erstrebt. Nach dem Urteil des OLG habe das LG der Klage im Ergebnis wegen dreier Verstöße des Beklagten gegen die vertragliche Wohlverhaltenspflicht dem Grunde nach zu Recht stattgegeben. Allerdings seien die zuerkannten Vertragsstrafen übersetzt und daher auf zweimal 4.000 EUR und einmal 2.000 EUR, mithin insgesamt 10.000 EUR zu reduzieren. Hinsichtlich der vom LG zuerkannten Höhe 182 183

Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 85. OLG Koblenz v. 29. 08. 2012, JurionRS 2012, 22090.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

(30.000 EUR) ist das OLG mit bemerkenswerter Begründung von einer Herabsetzung ausgegangen. Demgemäß komme es bei der Bemessung der Vertragsstrafen auf den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und deren Funktion, weitere Zuwiderhandlungen zu verhindern, auf Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihre Gefährlichkeit für den Gläubiger, letztlich aber auch auf den Grad des Verschuldens des Verletzers an. Die Parteien hätten eine Vertragsstrafe vereinbart, die im Fall eines einmalign Verstoßes 10.000 EUR betrage. Das gelte nach dem Vertragswortlaut für Diffamierungen gegenüber Patienten gleichermaßen wie für Diffamierungen gegenüber sonstigen Dritten. Das dürfe aber nicht an der Erkenntnis vorbeiführen, dass die Diffamierung gegenüber Patienten ein anderes, nämlich weitaus bedeutsameres Gewicht haben könne als die Diffamierung gegenüber sonstigen Dritten, soweit es sich dabei – wie im vorliegenden Fall – um Praxispersonal handele. Dass die Angestellten der Praxis vom tief zerrütteten Verhältnis der Parteien Kenntnis hätten, sei durch den Inhalt der teils schriftlichen Zeugenaussagen hinreichend belegt. Daraus ergebe sich auch, dass die Angestellten bemüht seien, durch geflissentliches „Weghören“ und „Wegsehen“ die Widrigkeiten einer derart belastenden Arbeitsumfeldes nicht an sich heranzulassen. Der Aufmerksamkeitswert der Entgleisungen des Beklagten sei demnach für die Praxisangestellten erheblich geringer als für Patienten oder sonstige uninformierte Dritte. Im Fall der dritten Zuwiderhandlung komme hinzu, dass der Beklagte durch den nicht beweisbaren Vorwurf gereizt worden sei, seinerseits gegen das Postgeheimnis verstoßen zu haben. Unter Würdigung dieser Umstände hat das Gericht es daher für angemessen gehalten, die Vertragsstrafe in den ersten beiden Fällen auf je 4.000 EUR und im dritten Fall auf 2.000 EUR, mithin insgesamt 10.000 EUR herabzusetzen. Auf der anderen Seite hat das OLG noch weitere Gesichtspunkte im Rahmen des beweglichen Systems und zwar zulasten des Beklagten mitberücksichtigt. Trotzdem seien sie nach seiner Ansicht nicht ausreichend, die Strafe auf den vereinbarten Betrag zu halten. Dass der Beklagte vorsätzlich handelte, hat das Gericht bereits in Betracht gezogen. Ob die von der Klägerin ins Feld geführte gute wirtschaftliche Lage des Beklagten straferhöhend wirken kann, hat der Senat nicht entschieden, nachdem die Parteien diesen Umstand bereits bei der im Vorprozess erfolgten Bestimmung der allgemeinen Strafhöhe berücksichtigt haben. Dass die vom Gericht als angemessen erachteten Strafen mit Blickrichtung auf das von der Klägerin in erster Linie erstrebte künftige Wohlverhalten ihres Bruders zu gering bemessen sind, ist nicht zu ersehen. Das OLG Köln hat z. B. in einem Urteil über die Herabsetzung einer Vertragsstrafe im Rahmen eines notariellen Grundstückskaufs entschieden, dass sie auf einen Betrag von 4.000 EUR herabzusetzen sei, da sie gegen das Übermaßberbot verstoße184. Die Klägerin hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung einer Konventionalstrafe im Rahmen eines notariellen Grundstückskaufvertrags in Anspruch genommen. Das LG Köln hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass die Höhe der Vertragsstrafe von 20 % des Grund184

OLG Köln v. 23. 02. 2011, BauR 2011, 1212, 1213.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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stückskaufpreises in Anbetracht der seitens der Klägerin an die Beklagten im Rahmen der Veräußerung gewährten Subvention nicht unverhältnismäßig hoch sei. Gegen das Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Der Ansicht des OLG nach sei das Betreiben einer Heilpraktikerpraxis durch einen Dritten in den von ihm angemieten Wohnräumen des Grundstücks als gewerbliche Nutzung und daher als Verstoß der Beklagten gegen die kaufvertraglich vereinbarte Nutzungsbeschränkung zu qualifizieren. Die Klägerin hätte eine höhere Zahlung als die eines Betrages von 4.000 EUR nicht verlangen dürfen. Demgemäß stehe den Beklagten gemäß § 343 BGB ein Anspruch auf Herabsetzung der nach dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung verwirkten Strafe zu. In Hinsicht auf ein bewegliches System hat das OLG verschiedene Kriterien mitberücksichtigt, um diesen Schluss zu ziehen. Bei der Bemessung der konkret von den Beklagten bewirkten Strafe hat das Maß der Zuwiderhandlung, nämlich der Nutzung der Wohnung durch den Dritten für seine beruflichen Zwecke, die Hauptrolle gespielt. Das Gericht hat die gewerbliche Nutzung nicht als erhebliche Zuwiderhandlung der Beklagten gegen die von ihnen übernommenen Verpflichtungen angesehen. Die Tatsache, dass die gewerbliche Nutzung nicht durch die Beklagten selbst, sondern durch einen Dritten erfolgt ist, die Geringfügigkeit der konkret entstandenen Beeinträchtigungen (Benutzung der gemieteten Räume auch als Hauptwohnung, Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit auf Teile der Wohnung, geringer Publikumsverkehr), der beschränkte Zeitraum, in dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat, und der Ablauf eines nicht unerheblichen Teils der Zeit, für die die Parteien eine Nutzungsbeschränkung vereinbart hatten, haben beim Gericht dazu geführt, dass die Vertragsstrafe in Höhe des Betrages von 4.000 EUR als notwendig und ausreichend betrachtet wurde, um die von der Klägerin mit der vertraglichen Regelung in legitimer Weise verfolgten Zwecke zu erfüllen. Mit dieser Begründung und Abwägung hat das OLG verschiedene Gesichtspunkte in Betracht genommen, um seine Meinung zu bilden. Den Umfang und die Dauer der Zuwiderhandlung hat auch ein Urteil des OLG Düsseldorf als maßgebliche Kriterien herangezogen185. Die Parteien hatten einen Gaststätten-Pachtvertrag abgeschlossen, nach der bei jeder Zuwiderhandlung gegen eine Getränkebezugsverpflichtung eine Vertrgasstrafe in Höhe von 2.500 EUR verwirkt sein sollte. Der Gastwirt hat zweimal gegen das Verbot verstoßen. Das LG Duisburg hat die Klage teilweise abgewiesen. Es hat nur einen Betrag von 1.000 EUR für die Verwirkung der vereinbarten Strafe in den zwei Fällen – 500 EUR je Verstoß – zuerkannt. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Ansicht des OLG nach sei das Vertragsstrafversprechen gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam gewesen. Es hat aber weiter als obiter dictum angenommen, dass die Herabsetzung der vereinbarten Strafe gemäß § 343 Abs. 1 BGB von 2.500 EUR je Verstoß auf 500 EUR auch im Fall der Wirksamkeit des Versprechens im Ergebnis nicht zu beanstanden wäre. Im Fall der Wirksamkeit der Klausel wäre jedenfalls die Herabsetzung der Strafe auf – wie vom LG erkannt – jeweils 500 EUR gerechtfertigt. 185

OLG Düsseldorf v. 08. 06. 2007, MDR 2008, 136, 137 = NZM 2008, 611.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Die Argumentation des OLG hat sich auf mehrere Gesichtspunkte gestützt. Vor allem hat die doppelte Zielrichtung der Institution die Hauptrolle gespielt. Zum einen solle die Vertragsstrafe als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten. Zum anderen eröffne sie dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis. Unangemessen sei die Höhe einer Vertragsstrafe auch im Hinblick auf diese doppelte Zielrichtung allerdings dann, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner stehe. Dies sei grundsätzlich der Fall, wenn die Höhe der Vertragsstrafe nicht an das Gewicht des Verstoßes anknüpfe, sich mit fortschreitender Dauer des vertragswidrigen Zustandes kontinuierlich steigere und weder eine zeitliche noch eine summenmäßige Beschränkung vorgesehen sei. Dann bestehe die Gefahr, dass die ständig wachsende Vertrgasstrafe seine eigenen Vertragsansprüche aufzehre, außer Verhältnis zum möglichen Schaden des Vertragsstrafengläubigers gerate und diesem sogar eine von seinem Sachinteresse nicht mehr gedeckte Geldquelle eröffne. Im vorliegenden Fall werde für jeden Einzelfall des Getränkebezugs von einem Drittlieferanten sogleich ein Betrag von 2.500 EUR fällig. Selbst minimalste Getränkemengen seien vom Wortlaut der Strafklausel erfasst. Überdies trete im Falle wiederholten Getränkebezugs von Drittlieferanten ein Summierungseffekt ein, der zum Umfang und der wirtschaftlichen Bedeutung des Pachtverhältnisses völlig außer Verhältnis stehe. Bei jeglichem Verstoß gegen die Bezugsverpflichtung werde ein Betrag fällig, der das Fünffachte des Betrages der für angemessen gehaltenen Monatspacht (486 EUR) übersteige. Aus der Abwägung aller Umstände (Geringfügigkeit der Verstöße, Missverhältnis zwischen der Monatspacht und der Strafhöhe, Gefahr des Summierunsgeffekts) hat sich eine Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe nach der zutreffenden Ansicht des OLG ergeben. Elemente eines beweglichen Systems kann man auch in einem Urteil des OLG Hamburg erkennen186. Die Parteien waren Wettbewerber bei dem Vertrieb von russischem Wodka in Deutschland. Im Rahmen eines zwischen ihnen anhängig gewesenen Rechtsstreits hatte sich die Beklagte in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, „bei Meidung einer Vertragsstrafe, deren Höhe in das Ermessen der Antragstellerin gestellt wird und im Streitfall durch das Landgericht Hamburg zu überprüfen ist, es zu unterlassen, für einen nicht in Russland abgefüllten Wodka mit den Merkmalen „echter russischer Wodka“ und/oder „importiert aus Russland“ und/oder „destilliert in Russland“ und/oder „hergestellt und auf Flaschen gefüllt in Russland“ anzubieten, feilzuhalten und/oder zu bewerben sowie anbieten, feilhalten und/oder bewerben zu lassen“.

Auch nach Abgabe dieser Unterlassungserklärung bewarb die Beklagte ihr Produkt in TV-Werbespots umfangreich mit dem Slogan „M. – der echte Russe“. Dieses Verhalten hat die Klägerin als Verstoß gegen den Kernbereich der mit dem Vergleich übernommenen Unterlassungsverpflichtung beanstandet. Daher hat sie 186

OLG Hamburg v. 17. 12. 2003, ZGS 2004, 237, 238.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

179

eine Vertragsstrafe von 50.000 EUR geltend gemacht. Das LG Hamburg hat die Beklagte zur Zahlung der gesamten Summe verurteilt. Hiergegen hat sich die eingelegte Berufung der Beklagten gerichtet, die aber vom Berufungsgericht als unbegründet abgewiesen wurde. Hinsichtlich des besonderen Problems der Strafhöhe hat das OLG das Urteil des LG als begründet erachtet und das Endergebnis im Rahmen einer gesonderten Abwägung wiederbestätigt. Der Betrag von 50.000 EUR schien dem Gericht schuld- und verletzungsangemessen. Hierbei hat das OLG vor allem den erheblichen Werbeaufwand berücksichtigt, den die Beklagte zur Unterstützung ihrer Produkte unternommen hat. Es soll sich um ein Volumen in Höhe von 482.683 EUR gehandelt haben. Diese Zahl belege nachdrücklich das Gefährdungspotenzial der Verletzung. Das Verschulden der Beklagten sei als erheblich anzusehen. Erschwerend wirke sich insbesondere aus, dass ihr Geschäftsführer bei der Vergleichsprotokollierung in dem vorangegangenen Verfahren persönlich anwesend gewesen sei. Deshalb könnte ein zeitliches oder inhaltliches Defizit bei der Informationsvermittlung zwischen Prozessbevollmächtigem und Partei hier gerade nicht eintreten. Daher könnte die Beklagte nicht im Unklaren darüber sein, welches Unterlassen von ihr erwartet würde. Deshalb sei die Fortsetzung der unzulässigen Werbung nach Sachlage vorsätzlich erfolgt. Es sei im Übrigen ein im Rechtsleben alltäglicher Vorgang, dass die Rechtswirkungen unmittelbar mit der Abgabe (und Annahme) der Unterwerfungserklärung einträten. Im Streitfall habe die Beklagte ihr rechtsverletzendes Verhalten aber noch nicht einmal nach Erhalt der ersten Vertragsstrafenanforderung der Klägerin eingestellt, sondern es fortgesetzt. Dieser Umstand funktioniert im Rahmen des beweglichen Systems erheblich verschäfernd. Zudem habe die Beklagte bereits gewusst, welches rechtsverletzende Verhalten ihr vorgeworfen würde, so dass ihr hinreichend Zeit zur Verfügung stünde, ihre Werbekampagne umzustellen. Ihr sei insbesondere bekannt gewesen, dass von der Klägerin die Wendung „echt“ beanstandet würde. Alle genannten Umstände (großes wirtschaftliches Interesse der Klägerin, Verschulden der Beklagten, Dauer und Art der Zuwiderhandlung) haben als Faktoren im Rahmen einer umfassenden Abwägung eine Rolle gespielt und dazu geführt, dass sich das Verlangen einer Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 EUR als ermessensfehlerfrei und angemessen i. S. v. § 343 BGB dargestellt hat. Zum Schluss, dass für die Angemessenheit der Strafe vor allem die Schwere und das Ausmaß der Zuwiderhandlung und das Verschulden des Verletzers entscheidend sind, ist auch das OLG Koblenz in einem Urteil vom 25. 05. 1994 gekommen187. Mit 187 OLG Koblenz v. 25. 05. 1994, JurionRS 1994, 22178. Vgl. auch OLG Koblenz v. 22. 02. 2012, 5 U 1233/11. Nach dem Urteil sei ein räumlich auf neun Kilometer und zeitlich auf zwei Jahre beschränktes Wettbewerbsverbot im Übertragungsvertrag einer Zahnarztpraxis verfassungsrechtlich unbedenklich. Als Vertragsstrafe für den Verstoß gegen dieses Wettbewerbsverbot sei die Rückerstattung des gesamten Kaufpreises im konkreten Fall unangemessen, die konkret verwirkte Strafe könne aber durch gerichtliche Herabsetzung korrigiert werden. Damit hat das OLG das erstinstanzliche Urteil des LG Mainz v. 14. 09. 2011 bestätigt. Die Kläger hatten die Zahnarztpraxis des Beklagten gegen ein Entgelt von 225.000 EUR, das in Höhe von 210.000 EUR auf den ideellen Wert der Praxis entfiel, übernommen. In dem Vertrag ver-

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

einem Vertrag übertrug der Beklagte seine Zahnarztpraxis zu einem Kaufpreis von insgesamt 210.000 DM auf den Kläger. Im Rahmen des Vertrages hatten die Parteien vereinbart, dass der Veräußerer sich verpflichtet, sich für die Dauer von fünf Jahren in einem Umkreis von 20 km der Praxis nicht wieder in eigener Praxis niederzulassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde eine sofort fällige Konventionalstrafe in Höhe von 70.000 DM vereinbart. Gleichwohl ließ der Beklagte sich in einer Entfernung von etwa 16,8 km (Luftlinie) als Zahnarzt nieder. Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung der vereinbarten Konventionalstrafe in Anspruch genommen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB auf 5.000 DM herabzusetzen. Das LG Koblenz hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat sich die Berufung des Beklagten gerichtet. Das OLG hat die Berufung abgewiesen, da das LG zu Recht die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Konventionalstrafe bejaht und auch deren Höhe nicht beanstandet hat. Von einer Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB hat das Gericht abgesehen, da die verwirkte Strafe nicht unverhältnismäßig war. Das Urteil hat die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Interesse des Gläubigers an der Verhinderung des Verstoßes, die Art des Verstoßes und der Verschuldensgrad sowie die wirtschaftliche Lage des Schuldners, aber auch die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel, als maßgeblich erachtet. Das OLG hat zu Recht angenommen, das das Interesse des Klägers an der Einhaltung des Konkurrenzverbotes groß war, da gerade die ungestörte Möglichkeit der Übernahme des vorhandenen Patientenstammes der Grund für die Vereinbarung der Zahlung für den „individuellen Wert der Praxis“ war. Darüber hinaus hat sich die Zuwiderhandlung als schwer dargestellt, da der Verstoß binnen eines Jahres erfolgte, also während eines Zeitraums, in dem die mögliche Bindung ehemaliger Patienten an den Beklagten noch pflichtete sich der Beklagte, innerhalb von zwei Jahren nach dem Übergabezeitpunkt im Umkreis von 9 km Luftlinie vom Praxissitz keine zahnärztliche Tätigkeit auszuüben, dies sollte auch auch für eine nicht nur gelegentliche Vertretung bei einem Kollegen im geschützten Gebiet gelten. Bei einer Zuwiderhandlung gegen das Rückkehrverbot sah der Vertrag die Rückerstattung des Kaufpreises für den ideellen Praxiswert vor. Noch vor Ablauf des ersten Jahres ist der Beklagte als mehrmals wöchentliche Vertretung in einer Praxis in den Sperrbereich zurückgekehrt, erst im Zusammenhang mit einer strafbewährten Unterlassungserklärung stellte er seine Tätigkeit nach etwa einem halben Jahr wieder ein. Die Kläger verlangten von ihm die Auskehr von 210.000 EUR. Der Beklagte wandte dagegen die Nichtigkeit der vertraglichen Wettbewerbsabrede sowie die Unangemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe ein. Sowohl das LG als auch das OLG haben das Tätigkeitsverbot für rechtswirksam gehalten. Der Beklagte hatte dieses Verbot mit der Übernahme einer regelmäßigen, mindestens sechs Monate andauernden Vertretungstätigkeit im Sperrbereich verletzt und somit die Vertragsstarfe verwirkt. Allerdings war die Höhe der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB in angemessener Weise nach unten zu korrigieren. Da kein den Klägern entstandener Schaden feststellbar war, war jedenfalls nicht die volle vereinbarte Summe verwirkt. Für die Berechnung der Höhe der Strafe kann nach Ansicht des LG als auch des OLG weder das isolierte Vermögensinteresse des Gläubigers noch eine mathematische Verknüpfung mit der Dauer der Vertragsverletzung als Parameter herangezogen werden, zumal die tatsächliche Dauer auch nicht feststand. Das LG hielt, bestätigt durch das OLG, eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 EUR für angemessen. Siehe auch Rieger, MedR 2012, 679.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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besonders groß sein konnte. Weiter ist hinzugekommen, dass die Störung nicht nur in einem einmaligen Verletzungsakt bestand, sondern über den Zeitpunkt der Niederlassung des Beklagten hinaus andauerte. Der Umstand, dass der Beklagte eine andere Praxis mit vorhandenem Patientenstamm übernommen hatte, hat keine Rolle gespielt, da dies die zahnärztliche Betreuung früherer Patienten nicht ausschloß. Schließlich hat auch das Verschulden des Beklagten schwer gewogen. In diesem Zusammenhang hat das OLG auch berücksichtigt, dass er durch ein Schreiben des Klägers ausdrücklich auf die Vertragswidrigkeit seiner Absicht, sich in der Nähe niederzulassen, hingewiesen wurde. Das Verschulden des Beklagten konnte auch der Umstand nicht mindern, dass in dem neuen Niederlassungsort eine zahnärztliche Unterversorgung zu befürchten gewesen wäre, falls er sich nicht dort niedergelassen hätte. Das LG hat schon ausgesprochen, dass eine Gefährdung der ärtzlichen Versorgung der Bevölkerung nicht zu erwarten war. Im Rahmen des beweglichen Systems hat das OLG auch strafmindernde Gesichtspunkte abgewogen. Beispielsweise hätte die schlechte wirtschaftliche Lage des Beklagten zur Herabsetzung der Strafe führen können. Trotzdem war keine solche Lage ersichtlich. Das Urteil hat die verschiedenen Gesichtspunkte als Elemente des beweglichen Systems konsequent abgewogen. Die Beweglichkeit des Abwägungssystems hat sich in einem anderen Urteil erwiesen, in dem die vorgenannten Elemente zu einem anderen Ergebnis, das heißt zur Herabsetzung der Vertrgasstrafe, geführt haben188. Mit einem Vertrag pachtete der Kläger von der Beklagten ein Seehotel zum monatlichen Pachtzins von 18.500 EUR zuzüglich Nebenkosten und gesetzlicher Mehrwertsteuer auf die Dauer von 7 Jahren und 8 Monaten. Nach dem Vertrag war eine Kaution in Höhe von 153.387,56 EUR an den Verpächter zu bezahlen. Hierauf zahlte der Kläger in Höhe von 76.693,78 EUR. In zwei Ergänzungen zum Pachtvertrag wurde hinsichtlich der noch ausstehenden zweiten Hälfte der Pachtkaution Folgendes vereinbart: „Die noch ausstehende Kaution in Höhe von 76.693,78 EUR wird durch Herrn T. bis spätestens 26. 03. 2003, eingehend bei der K. GbR auf dem bekannten Konto, bezahlt. Im Gegenzug wird das Pachtobjekt sofort übergeben. Für den Fall, dass Herr T. die zweite Hälfte der Kaution nicht fristgerecht an die K. GbR bezahlt, führt dies zur sofortigen Auflösung des Pachtvertrages. Herr T. verpflichtet sich in diesem Falle, das Objekt in vertragsgemäßen Zustand an die K. GbR am 31. 03. 2003 herauszugeben. Als pauschale Abgeltung für den der K. GbR durch eine derartige rasche Vertragsauflösung entstehenden Schaden, verbleibt in diesem Fall die bereits bezahlte Kautionshälfte in Höhe von 76.693,78 EUR bei der K. GbR.“

Wegen diverser Mängel des Pachtobjekts erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die fristlose Kündigung des Pachtvertrags. Zur Zahlung der zweiten Kautionshälfte kam es in der Folgezeit nicht mehr. Daher hat der Kläger Klage erhoben und damit beantragt, den Beklagten zu verurteilen an ihn die erste Kautionshälfte (76.693,78 EUR) zu bezahlen. Das LG München II hat die Klage insgesamt 188

OLG München v. 06. 04. 2005, MietRB 2006, 7, 8.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

abgewiesen, da ein Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers nicht bestehe. Gegen das Urteil des LG hat sich die Berufung des Klägers gerichtet, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt hat. Die Berufung des Klägers hatte insoweit Erfolg, als er vom Beklagten die Rückzahlung eines Teilbetrags der hingegebenen Mietsicherheit in Höhe von 65.000 EUR verlangen konnte, im Übrigen erwies sich das Rechtsmittel als unbegründet. Der Kläger hatte in Höhe von 65.000 EUR Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Kaution, da die Regelung über den Verfall des geleisteten Teils der Kaution als Vertragsstrafe zu bewerten war, deren Höhe auf einen angemessenen Betrag von 11.693,78 EUR herabzusetzen war. Das OLG München hat die Klausel zuerst als Vertragsstrafe qualifiziert. Das Gericht hat die Strafe der Billigkeitskontrolle nach § 343 BGB unterzogen. Sie erwies sich dabei als unverhältnismäßig hoch und war unter Berücksichtigung aller Umstände auf das rechte Maß von 11.693,78 EUR herabzusetzen. Bei der Ermittlung der Angemessenheit hat es für das Gericht schwer gewogen, dass der Schaden des Beklagten aufgrund des Wegfalls künftiger Pachtzinszahlungen aufgrund einer Reserveursache auch bei Vertragstreue des Klägers eingetreten wäre. Daher war die Angemessenheit der Strafe unter Einbeziehung des Pachtzinses für einen halben Monat und der durch die Rücknahme des Pachtobjekts entstandenen Kosten zu bestimmen, woraus sich der vorgenannte Betrag ergab. Beispiele der Verwendung eines beweglichen Systems bei der Kontrolle der Strafhöhe kann man auch in der Rechtsprechung der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit finden189. In dem Urteil des BAG vom 30. 11. 1994 handelte es sich um einen Rechtsstreit um die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Beklagte betrieb Lebensmittelgeschäfte. Dabei war der Kläger als Metzger beschäftigt. Er verdiente zuletzt monatlich 4.377 DM brutto. Der Arbeitsvertrag enthielt unter anderem folgende Bestimmung: „Tritt der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er das Arbeitsverhältnis unter Vertragsbruch oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Mitarbeiters zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der Mitarbeiter an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe eines Brutto-Monatsgehaltes zu zahlen. Der Arbeitgeber kann einen weitergehenden Schaden geltend machen.“

Der Kläger, der mit der Fleischzubereitung im Vorbereitungsraum eingesetzt war, kündigte sein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte widersprach der Kündigung unter Hinweis auf die einzelvertraglichen Kündigungsfristen. Sie forderte ihn auf, die Arbeit bei ihr fortzusetzen. Dem kam der Kläger nicht nach. Er stand schon im Dienste eines Konkurrenzunternehmens der Beklagten. Daraufhin kündigte die Beklagte das Dienstverhätnis fristlos. Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung 189

Die Urteile sind vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gefällt worden. Im nunmehrigen Anwendungsbereich des § 307 BGB, das heißt bei Regelungen in Formulararbeitsverträgen, ist fraglich, ob die Anwendung des § 343 BGB schließlich ausscheidet. Bei Individualvereinbarungen bleibt § 343 BGB wie früher anwendbar. Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 2. j).

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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seines Lohns für die erste Augusthälfte 1992 verlangt. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsverdiensts wegen der vertragswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit der Revision hat die Beklagte ihren Widerklageantrag weiterverfolgt. Das BAG hat ihr stattgegeben. Hinsichtlich der besonderen Frage der Straföhe hat das Gericht angenommen, dass die verwirkte Strafe nicht nach § 343 BGB herabzusetzen sei. Den nach dieser Vorschrift erforderlichen Antrag hat der Schuldner erst in der Revisionsinstanz gestellt. Es blieb dahingestellt, ob der Antrag noch in der Revisionsinstanz gestellt werden könnte. Denn die verwirkte Strafe in Höhe eines Monatsverdienstes sei jedenfalls nicht unverhältnismäßig hoch. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Strafe hat das BAG alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt. Darunter falle vor allem jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, nach dem Wortlaut des § 343 Abs. 1 BGB. Insbesondere komme es auf die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel an, ferner auf die Art des Verstoßes, den Verschuldensgrad und die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Das Fehlen eines Schadens rechtfertige allein eine Herabsetzung nicht; entscheidend sei, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können. Selbst wenn man zugunsten des Klägers von der kürzeren Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende ausgehe, sei er einen halben Monat zu früh ausgeschieden. Dadurch könnte der Beklagten durchaus ein erheblicher Schaden entstehen. Zudem sei der Kläger trotz ausdrücklichen Hinweises auf die vereinbarten längeren Kündigungsfristen vorzeitig ausgeschieden, ohne sich um diesen Hinweis zu scheren oder sich rechtlich beraten zu lassen. Auch das Verschulden des Klägers hat eine wichtige Rolle gegen die Herabsetzung gespielt. Dagegen hat sich das Gericht im Rahmen des beweglichen Systems bereit erklärt, auch weitere Umstände abzuwägen, die eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nahelegen könnten. Diese aber waren weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Bereitschaft des BAG, eine umfassende Abwägung verschiedener Gesichtspunkte vorzunehmen, hat sich auch in einem Urteil vom 25. 10. 1994 erwiesen190. Die Parteien haben über eine Vertragsstrafe gestritten. Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung, als Büroleiter zu einem monatlichen Gehalt von 5.500 DM brutto angestellt. Im schriftlichen Anstellungsvertrag war unter anderem bestimmt: „Scheidet der Arbeitnehmer aus den Diensten der Firma R. aus, gleichgültig wodurch das Ausscheiden bewirkt wurde, so darf er für ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in die Dienste eines Unternehmens treten, das als Konkurrenz zu der Firma R. bezeichnet werden kann, sich daran an Kapital beteiligen oder es in anderer Weise unterstützen. Er darf während der gleichen Frist kein selbständiges Konkurrenzunternehmen gründen, betreiben oder leiten. Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes hat die Firma R. eine monatliche Entschädigung von 50 % der letzten Bezüge zu zahlen. Die Entschädigung wird zugleich dafür gezahlt, dass H. auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Geschäfts190

BAG v. 25. 10. 1994, JurionRS 1994, 16678.

184

Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

und Betriebsgeheimnisse wahrt, die während seiner Tätigkeit bei der Firma R. bekannt geworden sind. Im Übrigen gelten für das Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigung die §§ 74 bis 75c HGB. Handelt der Arbeitnehmer dem Wettbewerbsverbot zuwider, so kann die Firma R. unbeschadet ihrer sonstigen Rechte, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 6 Bruttomonatlöhnen verlangen.“

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis schriftlich. Ab dem nächsten Tag war er bei einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten tätig. Der Kläger hat mit seiner Klage Urlaubsabgeltung verlangt. Außerdem hat er Zahlung einer zusätzlichen Prämie begehrt. Die Beklagte hat widerklagend eine Vertragsstrafe von 33.000 DM verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage zur Urlaubsabgeltung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der Widerklage hat es in Höhe von 16.500 DM stattgegeben. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Landesarbeitsgericht den Kläger verurteilt, 33.000 DM an die Beklagte zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit seiner Revision hat der Kläger weiterhin die Abweisung der Widerklage verlangt. Das BAG hat sie als unbegründet zurückgewiesen, da die Beklagte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot hatte. Die Entscheidung des LAG über die Vertragsstrafe wurde revisionsrechtlich bestätigt. Das BAG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB vom Revisionsgericht lediglich daraufhin zu überprüfen war, ob das Berufungsgericht von falschen Rechtssätzen ausgegangen war oder die Umstände des Falles unrichtig oder unvollständig gewürdigt hatte191. Die Ausführungen des LAG haben der Revisionskontrolle standgehalten. Nach der Auffassung des BAG gebe es keinen Rechtssatz, dass eine Vertragsstrafe die Höhe des für die Kündigungsfrist zu zahlenden Gehalts nicht übersteigen dürfe. Die angemessene Höhe einer Vertragsstrafe könne nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden. Zutreffend habe das LAG beurteilt, dass das Fehlen eines Schadens im Einzelfall die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nicht rechtfertige. Die Vertragsstrafe bezwecke in erster Linie, einen wirkungsvollen Druck auf den Schuldner zur Einhaltung seiner Verpflichtung auszuüben. Bei der Festsetzung der Höhe der Vertragsstrafe sei der Umstand, welchen Schaden der Vertragsbruch herbeiführen könnte, zu berücksichtigen. Damit hat sich das LAG eingehend auseinandergesetzt. Es hat ausgeführt, dass der Kläger die entscheidende Kontaktperson für die Arbeitnehmer gewesen sei und bei einem Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung Gefahr bestünde, dass mit dem Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen auch einzelne Unternehmen den Arbeitgeber wechselten. Zu Recht hat das LAG das Interesse der Beklagten an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots als hoch bewertet. Zum gleichen Ergebnis ist auch das BAG gekommen. Die Einwendung des Klägers, ein Schaden habe nicht entstehen können, weil er solche vertragswidrigen Handlungen nie vorgenommen habe und dies auch in Zukunft nicht getan hätte, hat das Gericht zurückgewiesen. Auf konkrete Verletzungshandlungen komme es nicht an. Die konsequente Verwendung des bewegli191

Mehr zu diesem beschränkten Prüfungsmaßstab siehe unten Teil 2 B. V. 2. b).

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

185

chen Systems hat es verlangt, dass auch andere Gesichtspunkte (und zwar zugunsten des Schuldners) berücksichtigt werden. Jedoch hatte der Kläger in den Tatsacheninstanzen nichts zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und zu etwaigen Unterhaltsverpflichtungen vorgetragen. Der Vortrag des Klägers erst in der Revisionsinstanz, er sei seiner Ehefrau und insgesamt drei Kindern unterhaltsverpflichtet, hat keine Beurteilung ermöglicht, ob die Vertragsstrafe ihn unverhältnismäßig hart traf. Wie das BAG zutreffend beurteilt hat, wäre auch ein Vorbringen zu seinen allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und zur Höhe der bei dem Konkurrenzunternehmen erzielten Vergütung erforderlich. Umfassend war die Abwägung auch in einem anderen Streit, mit dem sich das BAG auseinandergesetzt hat192. Die Parteien stritten in der Revisionsinstanz über die Höhe der Vertragsstrafe, welche die Klägerin vom Beklagten wegen Nichtantritts der Arbeit verlangt hat. Die Parteien schlossen am 28. 01. 1989 einen Dienstvertrag ab, wonach der Beklagte mit Wirkung vom 01. 04. 1989 für die Klägerin als Prokurist gegen ein monatliches Bruttogehalt von 6.000 DM tätig werden sollte. Für den Fall der Nichtaufnahme seiner Tätigkeit sollte der Beklagte den Betrag des dreifachen monatlichen Bruttogehaltes als Vertragsstrafe zahlen. Mit Schreiben vom 17. 02. 1989 teilte der Beklagte mit, dass er den Dienstvertrag aufgrund eines privaten Ereignisses auflösen möchte. In der Folgezeit kam es nicht zu dem vereinbarten Dienstantritt des Beklagten. Daraufhin nahm ihn die Klägerin auf Zahlung von drei Monatsgehältern als Vertragsstrafe in Anspruch. Sie hat vorgetragen, dass ihr durch den Nichtantritt der Arbeit seitens des Beklagten ein erheblicher weiterer Schaden entstanden sei. Sie hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 18.000 DM zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 6.000 DM zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen hat sich die Revision gewendet, mit der die Klägerin ihr Klageziel der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe von insgesamt 18.000 DM weiterverfolgt hat. Die Revison hatte aber keinen Erfolg. Das LAG hat sein Urteil auf den Umstand gestützt, dass bei Vertragsbruch oder Nichtaufnahme der Tätigkeit ein Monatsverdienst des Arbeitnehmers regelmäßig für angemessen erachtet wurde. Dies aber war nicht richtig, da die Rechtsprechung keine solche Faustregel festgesetzt hatte. Es blieb daher dahingestellt, ob das angefochtene Urteil, wenn es sich ausschließlich an die allenfalls als Faustregel zu verstehende Obergrenze von einem Monatsbezug gehalten hätte, als fehlerhaft anzusehen wäre. Das LAG hat nämlich darüber hinaus verschiedene weitere Gesichtspunkte hervorgehoben und gegeneinander abgewogen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Vertragsstrafe von einem Monatsverdienst entspreche in Wirklichkeit dem Nettoverdienst für die (bisherige) gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende. Es hat dann weiter in fallbezogener Abwägung die behauptete Überdimensionierung der Büroräume und das Fehlen eines Fachmanns durch das 192

BAG v. 06. 10. 1993, JurionRS 1993, 16482.

186

Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Verhalten des Beklagten als weitere Umstände bedacht. Das LAG ist ferner davon ausgegangen, die Abwägung aller Umstände des Falles ergebe nach seiner Überzeugung, dass eine Vertragsstrafe in Höhe eines zwischen den Parteien vereinbarten Bruttomonatsverdienstes den Belangen beider Seiten angemessen Rechnung trage. Das Berufungsgericht hat anerkannt, dass es jedes berechtigte Interesse der Parteien in Betracht ziehen sollte. Wesentliche Umstände waren nicht außer Acht gelassen. Es bestand auch keine Pflicht für das LAG, jeden Gesichtspunkt, den die Klägerin vorgebracht hat, in seine Abwägung einzubeziehen. Wie das BAG zutreffend bemerkt hat, entscheidend sei nur gewesen, ob das Urteil des LAG die wesentlichen Umstände des Einzelfalls erkannt und gegeneinander abgewogen habe. Das sei geschehen. Bei der Frage der Unverhältnismäßigkeit habe die Tatsacheninstanz hinsichtlich der Gewichtung der Einzelumstände einen Beurteilungsspielraum. Dass das LAG bei der Wahrnehmung dieses Spielraumes in rechtsfehlerhafter Weise verfahren wäre, lasse sich nicht feststellen. Die Abwägung bei der Kontrolle der Vertragsstrafe und die Einbeziehung verschiedener Gesichtspunkte in ein bewegliches System hat das BAG auch in dem Urteil v. 27. 05. 1992 vorgenommen193. Die Parteien stritten darüber, ob der beklagte Pilot eine Vertragsstrafe zu zahlen hatte. Die Klägerin betrieb ein Linienflugunternehmen und beschäftigte etwa 500 Arbeitnehmer. Der Beklagte war bei ihr als CoPilot auf dem Flugzeugtyp ATR 42 gegen ein Monatsgehalt von zuletzt 4.125 DM tätig. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. 08. 1989 zum 31. 12. 1989 gekündigt. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, die fristgerechte Kündigung habe erst zum 31. 03. 1990 erklärt werden können, weil in § 2 Abs. 3 des Dienstvertrages vereinbart war: „Die ordentliche Kündigung ist für jede Vertragspartei unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten nur jeweils zum Monatsletzten eines solchen Monats zulässig, in dem ein Hauptflugplan (Sommer- und Winterflugplan) der Fluggesellschaft N. endet (derzeit März und Oktober eines jeden Jahres).“

Deswegen verlangte die Klägerin vom Beklagten eine Vertragsstrafe aufgrund des § 14 Abs. 1 des Dienstvertrages, der wie folgt lautete: „Für den Fall der rechtswidrigen und schuldhaften Nichtaufnahme der Arbeit oder der vertragswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet sich der Mitarbeiter, als pauschalierten Schadensersatz und Vertragsstrafe einen Betrag in Höhe von 50 % seines durchschnittlichen Bruttogehalts für diejenige Zeit zu bezahlen, in der er seine Dienste nicht vertragsgerecht geleistet hat, mindestens jedoch 10.000 DM.“

Die Klägerin hat diesen Mindestbetrag vom Beklagten verlangt und daher beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.000 DM zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Vertragsstrafe herabzusetzen. Das ArbG hat diesem Antrag entsprochen und den Beklagten zur Zahlung von 6.225 DM verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der er 193

BAG v. 27. 05. 1992, JurionRS 1992, 16300.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

187

die Abweisung der Klage in vollem Umfang erstrebt hat. Das LAG hat die Berufung als unbegründet abgwiesen. Seine Revision hat das BAG ebenfalls abgewiesen. Das BAG hat berücksichtigt, dass die Vertragsstrafe zur Sicherung einer Kündigungsfrist vereinbart worden sei, die über die gesetzliche Kündigungsfrist hinausgehe. Eine Vertragsstrafenvereinbarung in einem Arbeitsvertrag, die das Ziel verfolge, den Arbeitnehmer zur Einhaltung von Kündigungsfristen anzuhalten, verstoße gegen keine rechtlichen Bedenken. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit sei es zulässig, längere Kündigungsfristen und weiter hinausgeschobene Kündigungsfristen als in § 622 BGB geregelt unter Beachtung des § 622 Abs. 5 BGB zu vereinbaren. Daraus ergibt sich zu Recht, dass die Einhaltung von Kündigungsfristen durch den Arbeitnehmer ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers darstellt. Auf der anderen Seite haben noch weitere Gesichtspunkte eine Rolle bei der Herabsetzung gespielt. Das BAG hat als Revisionsgericht nur geprüft, ob die Tatsacheninstanz bei der Herabsetzung einer Vertragsstrafe zutreffend die Rechtsbegriffe der unverhältnismäßig hohen Strafe und des angemessenen Betrages im Sinne von § 343 Abs. 1 BGB erkannt und für die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung alle in Betracht kommenden tatsächlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei erwogen hat. Das LAG hat die Erwägungen des ArbG übernommen. Die Herabsetzung der Strafe wurde damit begründet, dass ein halbes Monatsgehalt für jeden Monat nicht eingehaltener Vertragstreue nach § 14 Abs. 1 des Dienstvertrages regelmäßig geschuldet sein sollte. Außerdem sei die wirtschaftliche Situation des Beklagten für die Herabsetzung entscheidend gewesen, denn nach der Entlassung aus der Bundeswehr habe er erhebliche Eigenmittel aufwenden müssen, um die Musterberechtigung zu erwerben. Darüber hinaus müsse bedacht werden, dass der Beklagte bei der Klägerin kein so erhebliches Gehalt bezogen habe, dass er damit merklich seine Schuldenlast hätte verringern können. Der Beklagte habe die Klägerin auch nicht kurzfristig im Stich gelassen, sondern er hat eine Ankündigungsfrist von viereinhalb Monaten eingehalten. Das BAG hat diese Darlegungen des ArbG, die sich das LAG zu eigen gemacht hat, als in sich schlüssig und widerspruchsfrei bewertet. Dagegen hat der Beklagte keine Gesichtspunkte zu seinen Gunsten vorgebracht. Deswegen ist eine weitere Herabsetzung der Vertragsstrafe nicht in Betracht gekommen. Bei Arbeitsverhältnissen ist es üblich, dass das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung des Vertrages mithilfe des Bruttolohns bemessen wird, den der Arbeitnehmer bei rechtmäßigem Alternativverhalten (Antritt der Arbeit) bezogen hätte194. Dennoch hat die Basis des Bruttomonatslohns in der Rechtsprechung nicht immer Akzeptanz gefunden. Ein charakteristisches Beispiel liegt vor, wenn die Kündigungsfrist in der Probezeit weniger als einen Monat beträgt. In diesem Fall bestehe das Interesse des Arbeitgebers vor allem in den Vorteilen, die ihm die Arbeitsleistung, wenn auch nur für kurze Zeit, bringen könnte. Entsprächen die Vorteile dem Bruttolohnbetrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht, so sei 194

Vgl. auch unten Teil 3 B. II. 2. h) bb) (6).

188

Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

die Vertragsstrafe unter Berücksichtigung der Schwere des Vertragsverstoßes und des Verschuldensgrades des Arbeitnehmers analog herabzusetzen195. Das Gleiche wird auch geurteilt, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag vor Dienstantritt kündigt. Die vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von einem Bruttomonatslohn sei unverhältnismäßig hoch, da der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis bereits am vierten Tag seit Dienstantritt vertragsgerecht hätte beenden können. Demnach gelte eine Festsetzung der Vertragsstrafe in Höhe der Bruttovergütung für vier Kalendertage als angemessen196. In einem anderen Fall aber wurde geurteilt, dass eine Vertragsstrafe von 2,5 Bruttomonatsgehältern (insgesamt 5.000 DM) der Höhe nach nicht unverhältnismäßig sei, weil die besonderen Umstände des Vertragsschlusses und das besondere Interesse des Arbeitgebers an der Vertragstreue des Arbeitnehmers zu berücksichtigen seien. Insbesondere im Hinblick auf die erheblichen Kosten in Höhe von 7.000 DM, die aus Anlass der Anwerbung eines koreanischen Kochs aus dem Ausland entstehen, und der Gefahr, dass diese Kosten für den Fall einer Abwerbung des Kochs ohne den gewünschten Erfolg eingesetzt werden, rechtfertige es, die Vertragsstrafe so hoch festzusetzen197. In dieser langen Reihe von Urteilen lässt sich erkennen, dass die Gerichte bei der Anwendung des § 343 BGB die Elemente und Gesichtspunkte des Begriffs der unverhältnismäßigen Höhe herausfiltrieren. Die Lösung liegt in einem beweglichen System von begrifflichen Beschreibungen und Gesichtspunkten, mithilfe deren sich je spezifisch auf die unterschiedlichen Einzelfälle reagieren lässt. In der Praxis ist sich die Rechtsprechung der theoretischen Konstellation des beweglichen Systems nicht bewusst. Dennoch hat die praktische Rechtsanwendung, das heißt die Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte, die für oder gegen die Herabsetzung der Strafhöhe sind, den Charakter der Beweglichkeit inne. Die Idee des beweglichen Systems beruht auf der Vorstellung, dass sich den unterschiedlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Rechtsfolgen zuordnen lassen. Die Typisierung zwischen unverhältnismäßigen und verhältnismäßigen Vertragsstrafen versteht sich nicht als starr, sondern als durchlässig und situationsabhängig. Die sich ausbildende Differenzierung der Vertragsstrafe in die übermäßige Strafe, die einer Herabsetzung bedarf, und die verhältnismäßige Strafe ruht auf der Vorstellung, dass sich der Typisierung unterschiedliche Werte zurechnen lassen. Dadurch entwickelt sich ein situationsbedingtes Rechtsmodell, das in der Rechtsprechung sowohl der Zivil- als auch der Arbeitsgerichte zu finden ist. Das differenzierte Wertesystem, das Gesichtspunkte verschiedener Intensität und Wirkung enthält, lässt sich als Ausgangspunkt für die Errichtung des beweglichen Systems des Verhältnismäßigkeitsbegriffs verstehen. Je nach Situation reicht die Auswirkung jedes einzelnen Gesichtspunktes unterschiedlich weit. Das auf- und absteigende Maß jedes Elementes korreliert mit der auf- und absteigenden Höhe der Vertragsstrafe. Die Rechtsprechung nimmt das 195

197. 196 197

LAG Düsseldorf v. 08. 01. 2003, DB 2003, 2552, 2554 = NZA 2003, 382 = ZGS 2003, ArbG Köln v. 24. 03. 1999, JurionRS 1999, 28033. LAG Schleswig-Holstein v. 30. 06. 1988, JurionRS 1988, 14597.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

189

theoretische System als eine Pflicht wahr, eine weite Kontrolle vorzunehmen und alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Im Modell des beweglichen Systems zeigt sich die Abhängigkeit des richterlichen Urteils von jedem einzelnen Umstand in aller Deutlichkeit. Jeder Gesichtspunkt bleibt in seinen Wirkungen nicht symbolisch, sondern er entfaltet eine rechtliche, allenfalls eine faktische, Wirkung. ll) Der maßgebliche Zeitpunkt Sehr wichtig ist die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes, an welchem der Richter das Vorliegen der Unverhältnismäßigkeit beurteilen muss198. Schwieriger wird die Situation dadurch, dass eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der Angemessenheit oder der Unangemessenheit der Vertragsstrafe nachträglich entstehen kann. Für die Entscheidung, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung maßgeblich ist, kommen die folgenden Lösungen in Betracht: Der Zeitpunkt der Strafvereinbarung, der Verwirkung, der Geltendmachung des Strafanspruchs vom Gläubiger und der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht. Diese Meinungen stützen sich auf verschiedene Begründungen und Argumente. Die erste Lösung (Zeitpunkt der Vereinbarung) findet zu Recht keine Stütze in der Literatur199. Wenn der Richter die Verhältnismäßigkeit der Strafhöhe wie gefordert zu einem späteren Zeitpunkt (nach der Verwirkung) prüft, aber diese gleichzeitig auf einen früheren Zeitpunkt zurückführen muss, dann kann er die mögliche Veränderung der Verhältnisse in der Zwischenzeit nicht berücksichtigen. Anders gesagt befindet sich dieser Zeitpunkt zu weit vom Moment der Prüfung entfernt. Nach einer Anzahl von Autoren sei die Verfallszeit zu beachten, weil die Urteilserlasszeit von Zufälligkeiten abhängig sein könne200. Der seitens des Gläubigers geltend gemachte Strafanspruch (z. B. durch Klageerhebung) wird von anderen Vertretern der Literatur als maßgeblicher Zeitpunkt betrachtet201. Andere sprechen sich für die letzte mündliche Verhandlung als letzten Schritt vor der Urteilsfälligkeit aus202. Schließlich wird auch die Meinung vertreten, dass dem Richter ein weiterer 198 Andere Frage ist die Bestimmung des Zeitpunktes, an dem der Schuldner prozessrechtlich berechtigt ist, die Herabsetzung geltend zu machen. Mehr dazu oben Teil A. II. 1. b). 199 Vgl. z. B. Bötticher, ZfA 1970, 3, 25. 200 Aus der älteren Literatur Fuld, SächsArch 9 (1899), 337, 345; Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, S. 152 f. und aus der neueren Bötticher, ZfA 1970, 3, 25; Jauernig/Stadler, § 343 Rn. 6; PWW/Medicus5, § 343 Rn. 9. Anders aber in der 8. Aufl. PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 9. Vgl. auch RG v. 01. 05. 1912, Das Recht 1912, Nr. 1761. 201 Vgl. Sieg, NJW 1951, 506, 508; Hk-BGB/Schulze, § 343 Rn. 5; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 7. 202 Schottländer, Vertragsstrafe, S. 40 f.; Hölder, Das Recht 1912, 161, 163 f.; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 2; Schollmeyer, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 2 c; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 343 IV 4; NK-BGB/Walchner, § 343 Rn. 9; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 19; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 123; Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 154.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Spielraum eröffnet werden solle, da der historische Gesetzgeber auf eine ausdrückliche Lösung bewusst verzichtet habe203. Dieser Ansicht nach dürfe keine der obigen Lösungen Autorität beanspruchen. Der Richter sei berechtigt, entweder den einen, andernfalls den anderen oder eine Kombination der vorgeschlagenen Zeitpunkte auszuwählen204. Die Argumente jeder Betrachtung sind erwägenswert, aber die gefolgerten Ergebnisse sind manchmal problematisch. Es ist vor allem davon auszugehen, dass dem Urteilsfällungsmoment ein Vorrang zuerkannt werden muss, ohne dass jedoch der Verwirkungsmoment außer Betracht bleiben darf. Am Zeitpunkt der letzten Verhandlung sind alle maßgeblichen Gesichtspunkte, die die Unverhältnismäßigkeit begründen, vorhanden. An diesem Punkt ist es auch möglich, dass der Zweck der Vertragsstrafe, also die Absicherung des Rechts des Gläubigers, effektiv erfüllt wird. Wie bereits erwähnt, hat der Richter solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die ihre Intensität allmählich entfalten. Die Folgen der Zuwiderhandlung für beide Vertragspartner und die den Gläubiger nach der Verwirkung benachteiligende Situation können nur im Laufe der Zeit geprüft werden, da der Richter alle Informationen nur dann (am Ende des mündlichen Verfahrens) zur Verfügung hat, um zu beurteilen, welche Strafhöhe weder die Interessen des Gläubigers ungeschützt lässt noch den Schuldner übermäßig belastet. Die Kontrolle kann auf diese Weise am umfangreichsten sein und keine in der Zwischenzeit geschehene Entwicklung außer Acht lassen. Hinter der Meinung, die für die Verwirkungszeit eintritt, verbirgt sich ständig die Gefahr, dass die Rechtssicherheit, die die Festsetzung des maßgeblichen Zeitpunktes verlangt, gestört wird. Die Verwirkungszeit ist nicht immer eindeutig, da es Probleme des mehrfachen Verstoßes gegen die Hauptpflichten geben kann. Diese Situation trägt zur Rechtssicherheit nicht bei, da die daraus entstehenden Streitigkeiten nur gerichtlich ausgelöst werden können, solange eine entsprechende Vereinbarung der Parteien vorliegt. Folgt man aber der hier vertretenen Ansicht, so wird deutlich, dass die Parteien die bedeutenden Tatsachen, die deren Behauptungen stützen, bis zum Ende der mündlichen Verhandlung unabhängig von der Verwirkungszeit vorbringen können.

203

Protokolle, Bd. I, S. 784: „Der Zeitpunkt der Vereinbarung könne nicht immer entscheidend sein. (…) Auch auf den Zeitpunkt der Verwirkung der Strafe könne es nicht unter allen Umständen ankommen. Es sei denkbar, daß der Schuldner in Folge der Nichterfüllung Vortheile gehabt habe, deren Nichtberücksichtigung bei Schätzung der zulässigen Höhe der Strafe zu unbilligen Ergebnissen führen könne. Daher werde der Richter häufig eine noch spätere Zeit, die der Klagerhebung oder des Urtheils zu Grunde legen müssen.“ 204 RG v. 23. 04. 1932, HRR 1932, Nr. 1645; RG v. 16. 11. 1906, RGZ 64, 291, 293. In der Theorie ist diese Ansicht in Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 9 ff.; Bamberger/ Roth/Janoschek, § 343 Rn. 9; Erman/Schaub, § 343 Rn. 4; Erman/Westermann11, § 343 Rn. 4; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 13; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 37 Fn. 16, zu finden.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Ein Gegenargument ist, dass der Richter daher gezwungen sei, frühere Tatsachen am Zeitpunkt der Urteilsfällung zu berücksichtigen. Richtig ist aber, dass die Unverhältnismäßigkeit erst in der Zeit der Behauptung der jeweiligen Fakten bemessen werden muss. Im Kern des deutschen Prozessrechts steht der Grundsatz der Einheit, wonach jede Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden grundsätzlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorbringen darf (§§ 282 ff. ZPO)205. Diese Annahme ist besonders deswegen wichtig, weil das Ermäßigungsrecht oft als Einrede ausgeübt wird. Da die Parteien die Möglichkeit haben, neue Fakten bis zur letzten Verhandlung darzulegen und zu beweisen, würde eine ausschließliche Berücksichtigung der Verwirkungszeit die Angriffs- und Verteidigungsrechte der Parteien drastisch verkürzen. Einem weiteren Gegenargument, dass die Urteilsfällungszeit von Zufälligkeiten charakterisiert werde, ist ebenfalls nicht zuzustimmen206. Typisches Beispiel ist das Schadensersatzrecht, wonach die letzte mündliche Tatsachenverhandlung auch für die Schadensberechnung maßgeblich ist207. Eine unterschiedliche Behandlung der zwei Institutionen ist nicht zu empfehlen, da die Vertragsstrafe eine starke Ausgleichsfunktion besitzt. Beide Fälle (Schadens- und Vertragsstrafenberechnung) sind mit der hoheitlichen Befugnis des Richters verbunden, der frei sein muss, dieses Recht bis zum Ende des Verfahrens auszuüben. Aussagekräftig ist zudem der Wortlaut der Vorschrift. Die Unterscheidung zwischen der Vergangenheit („verwirkte Strafe“) und der Gegenwart („Ist… unverhältnismäßig hoch, so kann sie…“) weist darauf hin, dass der Richter die Unverhältnismäßigkeit zu einem späteren Zeitpunkt als der Verwirkung prüfen muss. Dennoch können einige der maßgeblichen Gesichtspunkte (z. B. die Schwere der Zuwiderhandlung oder der Verschuldensgrad) ihrer Natur nach nur ab dem Zeitpunkt der Verwirkung geprüft werden. Der Richter ist dazu verpflichtet, eine retrospektive Prüfung durchzuführen, da dem deutschen Recht die rückwirkende Beurteilung eines Sachverhaltes (oft ex post genannt) nicht fremd ist. Beispielsweise läuft die Anwendung des § 242 BGB häufig in die Vergangenheit zurück. Zum Schluss wird deutlich, dass der Richter über eine weite Eingriffsbefugnis verfügt. Er kann die Strafhöhe einer bereits festgesetzten Vertragsklausel modifizieren. Daraus ergibt sich, dass er Gesichtspunkte berücksichtigen darf, die in der Vergangenheit, genauer gesagt im Verfallsmoment, vorhanden sind. Auf jeden Fall gilt die letzte mündliche Verhandlung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Angemessenheit.

205 206 207

Mehr dazu in Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 79 Rn. 42 ff. So aber Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, S. 152 f. Vgl. statt aller Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 1 IV 2.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

mm) Das Ergebnis der richterlichen Kontrolle: Prüfung in einem oder in zwei Schritten? Es steht aufgrund der obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der Bildung des Justizsyllogismus bei der Anwendung der Vorschrift § 343 BGB fest, dass der Richter nicht übersehen darf, dass das Ziel der Herabsetzung der Schutz des Schuldners vor übermäßigen und ungerechtfertigten Belastungen ist208. Andererseits ist die Vertragsstrafe eine Institution, die die Rechte des Gläubigers stärken und absichern soll. Diese Funktion ist nicht durch die Herabsetzung zu unterminieren oder zu umgehen. Die generelle Abwägung der Interessen des Schuldners und des Gläubigers, welche der Gesetzgeber selbst durch die Schaffung der Vorschrift getroffen hat, ist für den Rechtsanwender bindend. Der Richter darf weder von dieser gesetzgeberischen Idee absehen noch eine andere Lösung finden. Er ist nur dazu befugt, diese generelle Vorschrift zu konkretisieren und auf den einzelnen Fall anzuwenden, solange die Anwendungsvoraussetzungen vorliegen. Die Bifunktionalität der Vertragsstrafe und ihr Ziel in Verbindung mit der Gefahr, die der Schuldner übernimmt, rechtfertigen eine weite Haftung des Letzteren. Dadurch bleibt der Grundsatz der Vertragsbindung so weit wie möglich unberührt. Die Nichtveränderung der vereinbarten Strafhöhe, egal wie hoch sie ist, stellt eine Pflicht des Richters dar, obwohl sich das aus der Formulierung des § 343 BGB nicht eindeutig ergibt. Dass aber der Vertragspartner an das Vereinbarte in der Regel gebunden bleibt, ist der logische Schluss der Privatautonomie. Ohne dass ein vom Recht besonders anerkannter und geregelter Grund vorhanden ist, kann der Schuldner von seiner Pflicht, die Strafe zu zahlen, ganz oder teilweise nicht befreit werden. Diese Funktion erfüllt die Vorschrift § 343 BGB. Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie dem Richter den Weg ausdrücklich eröffnet, in bereits abgeschlossene Verhältnisse einzugreifen und diese einseitig zu modifizieren. Schwierigkeiten und Zweifel, die aus der Strafminderung durch Anwendung der Generalklausel von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entstehen könnten, werden durch die spezielle Regelung des § 343 BGB beseitigt. Die letztere Vorschrift ist daher nichts anderes als die spezielle gesetzgeberische Grundlage für die Konkretisierung der vorgenannten Generalklausel. Bezüglich der Weite und der Grenzen dieser richterlichen Kontrolle ist zu berücksichtigen, dass der Tatbestand des § 343 BGB nicht nur einen, sondern zwei wertausfüllungsbedürftige normative Begriffe enthält: „unverhältnismäßig hoch“ und „angemessener Betrag“. Der erste Begriff wird in dieser Darstellung behandelt, da er ein Tatbestandselement beinhaltet. Der zweite aber ist in der Rechtsfolge enthalten, da der Richter die Vertragsstrafe auf den angemessenen Betrag nur dann herabsetzen darf, solange sie als unverhältnismäßig hoch bewertet wird. Die Frage, die sich nun hinsichtlich des Strafkontrollverfahrens stellt, ist, ob der Richter die Strafe ein- oder zweiaktig herabsetzt. Anders gesagt geht es an dieser 208

Vgl. Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 f.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Stelle um die Problemstellung, ob das Gericht den Begriff der unverhältnismäßigen Höhe zuerst konkretisiert und den angemessenen Betrag, auf den es die Strafe reduziert, in einem zweiten Schritt festsetzt. Dies ist der Eindruck, den die Bildung des Justizsyllogismus auf den ersten Blick erwecken kann. Dennoch erscheint diese Konzeption zu formalistisch. Tatsächlich findet die Anwendung des § 343 BGB anders statt209. Um die Vertragsstrafe als übermäßig hoch zu beurteilen, ist der Richter verpflichtet, zuerst die Höhe festzustellen, in der die Strafe als unakzeptabel hoch scheint. Die umgekehrte Behandlung des Problems (Charakterisierung der Höhe als unverhältnismäßig und danach Herabsetzung auf den angemessenen Betrag) ist auf jeden Fall eine widersinnige Konzeption, da die Qualifikation der Strafe als übermäßig hoch die Bestimmung des Betrages voraussetzt, über den sie so hoch wird. Lindacher vertritt die Meinung, dass die Kontrolle zweiaktig stattfinden müsse. Außerdem solle der Richter bei der Festsetzung der Strafhöhe frei sein, indem er eine Höhe als angemessen und eine weitere als Ergebnis der Herabsetzung so bestimme, dass die Letztere auch unter der Ersteren, nämlich der akzeptablen Grenze, liegen könne210. Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Neben der Tatsache, dass diese Meinung die Kontrolle unnötig verkompliziert, birgt sie auch Widersprüchlichkeit in sich. Der Richter, der eine andere Höhe als angemessen betrachtet, aber die Vertragsstrafe gerade auf eine abweichende Höhe herabsetzt, kann diese Unterscheidung nicht rechtfertigen. Die Herabsetzung ist als die möglichst geringfügigste Modifizierung des bereits Vereinbarten anzusehen. Eine übermäßige Herabsetzung unter den angemessenen Betrag würde zugleich eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Gläubigers bedeuten. Obendrein sind die zwei normativen Begriffe der unverhältnismäßigen Höhe und des angemessenen Betrages entgegengesetzt in dem Sinne, dass sie das Gleiche unter einem anderen Namen benennen. Eigentlich kennzeichnen beide die Vertragsstrafe selbst und können zu einer „unverhältnismäßigen“ und „angemessenen“ Vertragsstrafe umgebildet werden. Der eine Begriff schließt den anderen aus, weil eine übermäßig hohe Vertragsstrafe nicht gleichzeitig angemessen sein kann. Wenn der Richter eine Überzeugung vom Vorliegen der Unverhältnismäßigkeit in der Praxis zu bilden versucht, wird deutlich, dass er vom Betrag der Angemessenheit bereits überzeugt ist. Die Bildung der Überzeugung beider Elemente findet gleichzeitig statt. In der Tat bestimmt der Richter die angemessene Strafhöhe in jedem Einzelfall durch die Abwägung der vorgenannten maßgeblichen Gesichtspunkte. Da beide Begriffe den gleichen Inhalt haben, so dass definitiv nicht eindeutig ist, wann diese 209 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 99; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 180; Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 152 ff. 210 Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 21; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 106 f. Vgl. auch Enderlein, Rechtspaternalismus, S. 318 f., der beide Begriff entgegen der herrschenden Meinung als nicht deckungsgleich charakterisiert.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Bestimmung Teil des Tatbestandes oder der Rechtsfolge ist, kann man den logischen Schluss ziehen, dass sie zugleich eine Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit darstellt. Wenn die tatsächliche Höhe den bereits als angemessen erachteten Betrag erheblich übersteigt, dann ist die Strafe herabzusetzen, genauer gesagt auf diesen festgesetzten Betrag. Herabsetzbar ist nicht jede Strafe, die höher als dieser Betrag ist, sondern nur diese, die außer Proportionalität steht. Die Strafe, die so hoch wie der angemessene Betrag oder noch niedriger ist, kann keiner Herabsetzung unterstellt werden211. Die Unproportionalität, das heißt die Unangemessenheit, wird in jedem Fall vereinzelt beurteilt. Darin besteht die Bedeutung der maßgeblichen Gesichtspunkte. Der Richter nimmt auf die Charakteristika des konkreten Falles Rücksicht, um sowohl den angemessenen Strafbetrag als auch die Unverhältnismäßigkeit der geprüften Strafe im Vergleich zur idealen Höhe zu ermitteln. Nur solange die Strafe diese Unverhältnismäßigkeitsprüfung nicht bestehen kann, greift die richterliche Herabsetzung ein. Die Einführung des Begriffs der unverhältnismäßigen Strafhöhe bestätigt die Absicht des Gesetzgebers, dass alle Strafen der Ermäßigungskontrolle unterliegen können, aber nur die ermäßigt werden müssen, die die Grenzen einer nach den maßgeblichen Gesichtspunkten des Einzelfalls geduldeten Höhe überwiegend überschreiten. Das bloße Überschreiten ist ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber geht nach den Funktionen der Konventionalstrafe davon aus, dass der Respekt vor der Privatautonomie die Hauptregel bleibt. Die Herabsetzung muss als eine mehr oder weniger außerordentliche Situation behandelt werden, die trotz ihres Ausnahmecharakters ins System des deutschen Privatrechts aufgenommen wird. Darüber hinaus könnte man zu Recht behaupten, dass auch diese Strafen, die den angemessenen Betrag zwar übertreffen, ohne aber unverhältnismäßig hoch zu sein, als akzeptabel behandelt werden müssen. Die Tatsache, dass sich die Vertragsstrafe je nach den Umständen auf einem hohen Niveau und innerhalb einer großen Spanne bewegen kann, ist für den Gesetzgeber eine Selbstverständlichkeit, da das Strafversprechen andernfalls nicht imstande ist, seine Funktion als Druckmittel zu erfüllen212. Die obigen Ausführungen zeigen deutlich, dass sich die Vorgehensweise zur Ermittlung der angemessenen Strafhöhe vor allem an den vorbeschriebenen Kriterien orientieren muss. Um zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen, hat sie außerdem ihren Ausgang von einer Gesamtbetrachtung und -bewertung aller Bedingungen des 211

Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 100 f., der den angemessenen Betrag nicht als einen Punkt, sondern als einen Spielraum versteht, dessen Höchstgrenze die Basis für die Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit ist. 212 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 100 f. behandelt die Ermäßigung zu Recht als Vertretbarkeitskontrolle. Seine Behauptung, dass die Strafe genau auf diesen ideellen Punkt herabgesetzt werden müsse, an dem sie in die Unverhältnismäßigkeit „umkippt“, steht mit der vorgenannten elastischen Kontrolle im Einklang, da solche Strafen, die die Akzeptanzgrenze nicht übermäßig übersteigen, keinesfalls als unverhältnismäßig und daher als herabsetzbar beurteilt werden dürfen.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Einzelfalls zu nehmen. Zugleich aber dienen die gleichen Kriterien dazu, dass die Ausprägung der Unverhältnismäßigkeit bemessen wird, da sie darüber Auskunft geben, wann die vereinbarte Strafe den vorgenannten Betrag unerträglich überschreitet. Demzufolge deckt sich der Zeitpunkt, an dem der angemessene Betrag geprüft wird, mit dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Bemessung der Unverhältnismäßigkeit. 2. Negative Voraussetzungen a) Nichtvorliegen einer Entrichtung gemäß § 343 Abs. 1 S. 3 BGB § 343 Abs. 1 S. 3 BGB schließt die Herabsetzungsmöglichkeit für den Fall der Entrichtung der Strafe ausdrücklich aus. Der Rechtfertigungsgrund ist in den Materialien des BGB zu finden. Dort ist zu lesen: „Was schließlich die Herabsetzung einer bereits gezahlten Vertragsstrafe anlange, so sei, wenn man dem richterlichen Ermäßigungsrechte die Auffassung zu Grunde lege, daß der Richter zur Verwirklichung einer der Sittlichkeit widerstreitenden und deshalb vom Gesetze gemißbillgten Vereinbarung oder Geltendmachung einer übermäßigen Vertragsstrafe sein Amt nicht zur Verfügung stellen dürfe, eine nachträgliche Ermäßigung und die Rückforderung des gezahlten Uebermaßes (condictio ob injustam causam § 747) nicht ausgeschlossen. Aber es empfehle sich im Interesse der Rechtssicherheit, in einem solchen Falle durch eine positive Vorschrift die Rückforderung zu versagen, zumal sich annehmen lasse, daß ein allzu großes Uebermaß nicht bestanden habe werde, wenn der Schuldner gutwillig die ganze Strafe gezahlt habe.“213

Diese „positive Vorschrift“ zielt auf § 343 Abs. 1 S. 3 BGB ab. Als ihr Entstehungsgrund wird die Rechtssicherheit betont, da der Schuldner, der freiwillig die ganze Strafe zahlt, damit anerkannt hat, dass sie nicht übermäßig ist214. Genauer gesagt ist die Vorschrift eine Ausprägung des Verbots „venire contra proprium factum“, da der Schuldner (der Herabsetzungsberechtigte) einer übermäßigen Strafe durch die Zahlung gegenüber dem Gläubiger den Eindruck erweckt, dass er die Vertragsstrafe nicht für unverhältnismäßig hoch hält215. Um die hermeneutischen Probleme zu vermeiden, kann man die Entrichtung als jede Handlung seitens des Schuldners definieren, die nach der Verwirkung der Strafe 213 Mugdan, Materialien, Bd. II, S. 724 (= Protokolle, Bd. I, S. 786). Dieselbe Regelung konnte man in § 4 Abs. 1 S. 2 AbzG finden. 214 So MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 16. Dennoch kritisiert Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 2 c diese gesetzgeberische Lösung als „Fallstrick“, weil sie den Rechtsunkundigen, also denjenigen, der erst die Strafe erbringe und danach von der Existenz einer Herabsetzungsmöglichkeit Auskunft erhalte, nicht schütze. Er verkennt aber, dass „jus civile vigilantibus scriptum est.“ 215 Einfassend zu diesem Prinzip siehe Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 10 II.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

und mit dem Ziel des Erlöschens der Strafschuld freiwillig vorgenommen wird216. Zuallererst gilt die Strafleistungserfüllung (§ 362 BGB) als Entrichtung. Gleich behandelt wird die Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB). Die Erfüllungssurrogate, das heißt die Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB) und die vom Schuldner vorgenommene Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) führen zum selben Ergebnis, da sie den Strafanspruch zum Erlöschen führen217. Dennoch schließen die Anerkenntnis, das Schuldversprechen, die Leistung erfüllungshalber und die Sicherheitsleistung (z. B. Wechselschrift) die Herabsetzungsmöglichkeit nicht aus, weil sie das Strafverhältnis nicht zum Erlöschen bringen218. Der Untergang der Leistung, die als Vertragsstrafe vereinbart worden ist, befreit den Schuldner von seiner Pflicht (§ 275 BGB)219. Dies ist zwar bei Geldstrafen logisch gesehen undenkbar, aber bei Sachstrafen schon. In einem solchen Fall wird die Vertragsstrafe unmöglich und ihre Herabsetzung gewiss ausgeschlossen220. Die Erbringung der Strafleistung, die einem vorläufig vollstreckbaren Titel folgt oder zur Abwendung seiner Zwangsvollstreckung stattfindet, hindert die Herabsetzung nicht, weil sie unter dem Vorbehalt steht, dass das Bestehen der Schuld rechtskräftig festgestellt wird. Dieser Vorbehalt lässt die Schuldtilgung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Schwebe221. Die Tilgung nach einem rechtskräftigen Leistungsurteil, das den Schuldner zur Zahlung der ganzen Vertragsstrafe verpflichtet, schließt jedoch die Herabsetzung wegen der Rechtskraft des Urteils aus222. Die Vollstreckung der Verfallklauseln, die als Vertragsstrafen abgeschlossen werden, gilt nicht als Entrichtung. Dies bedeutet, dass der Schuldner nach dem Verfall, das heißt nach dem Untergang seines Rechts oder Anspruchs, die Herabsetzung beantragen darf223. Ist der Verfall einer auf den Kaufpreis vereinbarten 216

Etwas so RG v. 01. 03. 1913, JW 1913, 487. Siehe Rehbein, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. II, S. 241; Planck/Siber, § 343 Bem. 5 und aus der neueren Literatur Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 10; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 68 ff. 218 Rehbein, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. II, S. 241; Planck/Siber, § 343 Bem. 5. 219 Hier interessiert das Vertretenmüssen nicht, weil es Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ist. 220 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 66 f. 221 St. Rspr.: BGH v. 22. 05. 1990, DB 1990, 1865 = MDR 1991, 46 = NJW 1990, 2756; BGH v. 24. 06. 1981, NJW 1981, 2244, 2245; BGH v 22. 04. 1968, WM 1968, 923; BGH v. 31. 05. 1965, WM 1965, 1022; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 16; PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 5; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 10; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 76. 222 Diese (richtige) Meinung vertritt Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 76 und PWW/Medicus/ Stürner, § 343 Rn. 5. Nach MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 16 sei die Herabsetzung zwar ausgeschlossen, aber wegen der Entrichtung der Strafe. 223 Vgl. Erman/Schaub, § 343 Rn. 6; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 5; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 75. Mehr zum Begriff der Verfallklauseln und zu ihrer Herabsetzungsmöglichkeit siehe unten Teil 3 A. III. 4. a). 217

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

197

Anzahlung als Vertragsstrafe abgeschlossen und bei nicht rechtzeitiger Abbezahlung des Restes verwirkt worden, so ist die Anzahlung nicht als Entrichtung zu betrachten, was allerdings die Herabsetzung der bereits bezahlten Summe nicht ausschließt224. Die Aufrechnung, die seitens des Gläubigers vorgenommen wird, ist nicht der vom Schuldner geltend gemachten Aufrechnung gleichzustellen. Sie ist keine Entrichtung, weil die unabhängig vom Willen des Schuldners erklärte Aufrechnung des Gläubigers nicht als freiwillige Handlung zuzurechnen ist225. Der Schuldner kann sein Herabsetzungsrecht trotz der Entrichtung retten, wenn er sich dieses Recht bei der Zahlung vorbehält226. Nach erfolgreicher Herabsetzung verliert die über die zulässige Höhe hinaus erbrachte Leistung ihren rechtlichen Grund, der jedoch während der Erbringung bestand (condictio ob causam finitam, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB). Sie ist daher kondizierbar. Wenn der Schuldner einen Teil der ihn belastenden Strafe abbezahlt, hindert diese Teilleistung die Herabsetzung nur im Hinblick auf diesen Teil. Der Gläubiger darf das Geleistete behalten. Für das noch nicht Geleistete besteht eine Herabsetzungsmöglichkeit. Wenn der angemessene Betrag durch die Teilleistung bereits erreicht ist, besteht die Herabsetzung der Vertragsstrafe darin, dass der noch nicht gezahlte Teil ganz wegfällt. Auf jeden Fall ist die Strafe als Ganzes im Hinblick auf ihre Angemessenheit zu betrachten227. Die letzte Fragestellung, die mit der Entrichtung einhergeht, ist die Leistungserbringung durch einen Dritten, wenn z. B. der Bürge entsprechend seiner Bürgenverpflichtung an den Gläubiger leistet. Diese Leistung bringt die Strafe nicht zum Erlöschen, vielmehr gilt das Strafverhältnis zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner weiterhin fort, da der Strafanspruch gemäß § 774 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Ersteren übergeht. Wegen des Schuldnerschutzes, der die Verschlechterung der Schuldnerstelle verbietet, wird anerkannt, dass dieser sein Ermäßigungsrecht auch gegen den Bürgen und generell gegen den jeweiligen Dritten ausüben darf228. 224 RG v. 01. 03. 1913, JW 1913, 487; Planck/Siber, § 343 Bem. 5; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 10. Nach Rehbein, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. II, S. 241, 242 ist auch der Fall der Beibehaltung der Kaution durch den Vermieter, wenn der Mieter die Miete nicht pünktlich zahlt, nicht als Entrichtung zu bewerten. 225 OLG Schleswig v. 23. 05. 1997, MDR 1997, 914; Erman/Schaub, § 343 Rn. 6; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 76. 226 Ganz herrschende Meinung: Rehbein, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. II, S. 241; Erman/Schaub, § 343 Rn. 6; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 16; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 5; Planck/Siber, § 343 Bem. 5; PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 5; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 10; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 77. 227 RG v. 14. 06. 1907, JW 1907, 512 (diese Entscheidung betrifft zwar § 655 BGB, aber die Herabsetzung des Maklerlohns erfolgt auf die gleiche Weise); Rehbein, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. II, S. 242; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 2 Fn. 83; MünchKomm/ Gottwald, § 343 Rn. 16; Planck/Siber, § 343 Bem. 5; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 10; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 69. 228 So Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 72.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

b) Nichtbestehen einer Kaufmannseigenschaft gemäß § 348 HGB aa) Die Vorschrift und ihr Entstehungsgrund § 348 HGB ordnet an, dass „eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, nicht auf Grund der Vorschriften des § 343 des Bürgerlichen Gesetzbuchs herabgesetzt werden kann.“

Diese Regel geht auf das Handelsrecht des 19. Jahrhunderts zurück, das die Vertragsstrafenhöhe unter Kaufleuten als frei vereinbart zuließ229. Im Handelsverkehr findet die Konventionalstrafe verbreiteten Gebrauch230, allerdings kennt der jeweilige Strafschuldner die Gefährlichkeit des Instituts schon, solange er Kaufmann, das heißt ein an in der Regel riskanten Rechtsgeschäften Beteiligter, ist. Folglich scheint er weniger schutzbedürftig zu sein, da die Schnelligkeit des Handelsverkehrs und die sich daraus ergebende Prozessvermeidung von großer Bedeutung sind231. bb) Anwendungsvoraussetzungen (1) Sachlicher Anwendungsbereich § 348 HGB bringt nicht alle Vorschriften der §§ 339 ff. BGB, sondern nur die Herabsetzungsmöglichkeit gemäß § 343 BGB zum Wegfall. Im Übrigen bleiben sämtliche Vorschriften des BGB unberührt und auch im Handelsverkehr anwendbar. § 348 HGB hat exakt den gleichen Anwendungsbereich wie § 343 BGB. Nur die Vertragsstrafen, die nach dieser Regel herabsetzbar sind, werden von § 348 HGB erfasst, solange die anderen Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind. Da die Herabsetzung des selbstständigen Strafversprechens nach § 343 Abs. 2 BGB zulässig ist, findet § 348 HGB auch darauf Anwendung232. Eine Ausnahme besteht nur für Vertragsstrafen in Bauverträgen. Obwohl der Versprechende Kaufmann sein 229

Mehr dazu siehe oben Teil 1 A. VI. 5. Zur Rolle der Vertragsstrafe im unternehmerischen Verkehr und ihren zwei Funktionen (Abschreckungs- und Ausgleichsfunktion) dabei siehe nur Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 348 HGB Rn. 5. 231 Vgl. hierzu Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT Rn. 549; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 24; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 2; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 9. 232 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 31 f.; Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 21; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 3; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 2. Gleiches (Anwendung des § 348 HGB nur, solange § 343 BGB anwendbar ist) gilt auch für andere Institute, soweit sie der Vertragsstrafe gleichstehen. Der Richter soll zuerst prüfen, ob das jeweilige Rechtsinstitut (z. B. die Vereinsstrafe) Rechtsähnlichkeit zur Vertragsstrafe aufweist. Mehr dazu unten Teil 3 A. III. Wenn die Höhe dieser Leistung nach analoger Anwendung des § 343 BGB herabzusetzen ist, dann ist auch § 348 HGB anzuwenden, soweit die anderen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. 230

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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kann, ist davon auszugehen, dass § 11 Abs. 1 VOB/B die Vorschrift des § 348 HGB abbedingt. Dann ist eine richterliche Herabsetzung gemäß § 343 BGB möglich233. (2) Der Kaufmannsbegriff (a) Der Kaufmann Zunächst ist an dieser Stelle zu betonen, dass zumindest der Strafschuldner die Kaufmannseigenschaft besitzen muss. Ob der Versprechensempfänger auch Kaufmann ist oder nicht, ist grundsätzlich unerheblich234. Hinsichtlich dieser Eigenschaft ist die Handelsrechtsreform aus dem Jahr 1998235 dafür bedeutend, dass sie den Kaufmannsbegriff ausgedehnt hat. Folglich hat die Neuregelung dieses Begriffes in §§ 1 ff. HGB auch den Anwendungsbereich des § 348 HGB erweitert. Damit sind der Istkaufmann (§ 1 HGB), der Kannkaufmann (§§ 2, 3 Abs. 2 und 3 HGB), dessen kaufmännische Eigenschaft von der tatsächlichen Eintragung ins Handelsregister abhängig ist, und der Formkaufmann, das heißt die Handelsgesellschaften (§ 6 HGB), gemeint236. Auch der eingetragene Fiktivkaufmann (§ 5 HGB) fällt darunter237. (b) Der Scheinkaufmann Als Scheinkaufmann wird bezeichnet, wer nicht dem Kaufmannsbegriff nach §§ 1 bis 6 HGB zu unterstellen ist (subsidiäre Funktion), aber gegenüber Dritten durch

233

Vgl. Wolfensberger/Langhein, BauR 1982, 20 ff. Mehr zur Abdingbarkeit des § 348 HGB siehe unten Teil 2 A. II. 2. b) bb) (4). 234 Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 12. 235 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) v. 22. 06. 1998, BGBl. I S. 1474 (Geltung ab 01. 07. 1998). Siehe statt vieler Oetker, Handelsrecht, S. 5 f. 236 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 30 ff.; Baumbach/Hopt/Hopt, § 348 HGB Rn. 6; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 24; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 3; Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 15; Koller/Roth/Morck, § 348 HGB Rn. 3; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 4; Röhricht/v. Westphalen/Wagner, § 348 HGB Rn. 3; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 10; Straube/Kramer, § 348 HGB Rn. 6 (für das österreichische Recht). Was den Kleingewerbetreibenden (§§ 1 Abs. 2, 2 HGB) betrifft, ist er nach seiner Registereintragung echter Kaufmann. Solange er sich nicht eingetragen hat, bleibt er durch § 343 BGB geschützt. Für Handlungsgehilfen siehe die Sondervorschrift des § 75c HGB, wonach aber die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe unberührt bleiben. Mehr dazu in Schiller, Die Vertragsstrafe zur Sicherung von Wettbewerbsverboten nach Par. 75c HGB, S. 44 ff. 237 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 24. Die Firma, die die Kaufmannseigenschaft gemäß § 5 HGB erhält, ist kein Scheinkaufmann, da die Gutgläubigkeit des Dritten, Element des Rechtsscheinsphänomens, keine Anwendungsvoraussetzung des § 5 HGB darstellt. Vgl. Oetker, Handelsrecht, S. 32.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

sein Auftreten im Geschäftsverkehr den Eindruck erweckt, er sei Kaufmann238. Die Rechtsprechung239 und die Literatur240 haben die Konstruktion entwickelt, dass die Person, die sich auf diese Weise verhält, die ihn belastenden Folgen der Kaufmannseigenschaft gegen sich wegen des Vertrauensschutzprinzips gelten lassen müsse. Die Voraussetzungen einer solchen Zurechnung (ausdrückliches oder konkludentes zurechenbares Verhalten und Herbeiführung schutzwürdigen Vertrauens bei einem Dritten) sind nicht umstritten, sondern von der Literatur und der Praxis weithin anerkannt. Im Gegensatz dazu herrscht Streitigkeit darüber, welche Rechtsfolgen die Bejahung der Scheinkaufmannseigenschaft mit sich bringt. Das Problem wird bei der Anwendung der Vorschriften (z. B. § 343 BGB) lokalisiert, die einen besonderen Schutz des Nichtkaufmanns vorsehen. Gibt man dem Vertrauensschutz des Dritten den Vorrang, dann ist die Anwendung des § 348 HGB gegeben und der Scheinkaufmann-Strafschuldner bleibt ungeschützt. Herrschend in der Literatur ist die Meinung, dass der Verkehrsschutz, das heißt der Schutz des Glaubens der Dritten an die Kaufmannseigenschaft des Handelnden, von größerer Bedeutung sei und das bloße Auftreten als Kaufmann genüge, um die Anwendung des § 348 HGB herbeizuführen241.

238 Z. B. die Person, deren Unternehmen, kein handelsrechtliches Gewerbe darstellt (z. B. Freiberufler), oder der Kleingewerbebetreibende, der sich ins Handelsregister nicht eingetragen hat. 239 BGH v. 29. 11. 1956, BGHZ 22, 234, 238 = MDR 1957, 155 = NJW 1957, 179. 240 Siehe das grundlegende Werk von Canaris, Vertrauenshaftung, § 16, S. 180 ff. als auch Canaris, Handelsrecht, § 6 Rn. 1 ff.; Schmidt, Handelsrecht, § 10 VIII; Oetker, Handelsrecht, S. 34 ff. 241 Zur Behandlung des im Geschäftsleben als Kaufmann Auftretenden als solchen siehe BGH v. 11. 01. 1962, BGHZ 36, 273, 278 = MDR 1962, 296 = NJW 1962, 868. Die Urteile OLG Stuttgart v. 16. 12. 2004, MDR 2005, 518, 519 und OLG Hamburg v. 02. 03. 1927, JW 1927, 1109, 1110 stimmen darin überein, dass der Scheinkaufmann den §§ 343 ff. HGB zu unterstellen ist. Dennoch lässt BGH v. 13. 02. 1952, BGHZ 5, 133, 135 = NJW 1952, 623 diese Frage unbeantwortet („Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine Vertragsstrafe dann nicht ermäßigt werden darf, wenn der Versprechende im Rechtsverkehr als Kaufmann aufgetreten ist, oder ob einer derartigen Anwendung des § 348 HGB HGB die zwingende Vorschrift des § 343 BGB entgegensteht. (…)“). Einstimmend auf den Vorrang des Verkehrsschutzes Schmidt, Handelsrecht, § 10 VIII 4 a; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 25; Baumbach/Hopt/Hopt, § 348 HGB Rn. 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 24; Ensthaler/Schmidt, § 348 HGB Rn. 20; Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 12; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 10; Röhricht/v. Westphalen/Wagner, § 348 HGB Rn. 4; Straube/Kramer, § 348 HGB Rn. 6 (für das österreichische Recht). Differenzierend wird das Problem von Großkomm.HGB/ Koller, § 348 HGB Rn. 4 behandelt, da die Kannkaufleute (§§ 2, 3 HGB) zwar dem § 348 HGB zu unterstellen seien, aber anderen Personen der Schutz des § 343 BGB nicht entzogen werden kann. In die gleiche Richtung sieht das Thema auch Koller/Roth/Morck, § 348 HGB Rn. 3. Damit § 348 HGB angewendet werden könne, verlangt MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 4, dass die Vertragsstrafe im Rahmen eines „Schein-Handelsgeschäfts“ vereinbart werde.

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Ein kleiner Teil der Literatur lehnt die Anwendung des § 348 HGB auf Scheinkaufleute mit der Begründung ab, dass das bloße Auftreten als Kaufmann kein vorrangiges Interesse des Strafgläubigers an der übermäßigen Strafleistung durch den Scheinkaufmann gewähren könne. Das bedeutet, der Scheinkaufmann sei in diesem Fall nicht als Kaufmann nach § 348 HGB zu bewerten242. Der Grund des Verkehrsschutzes spricht auf jeden Fall dafür, der herrschenden Meinung zu folgen. Der Scheinkaufmann soll also hinsichtlich der Herabsetzungsmöglichkeit als Vollkaufmann behandelt werden. Der Verkehrsschutz hat solche Bedeutung, dass er zur Konzeption des Begriffes der sog. Scheinkaufmannseigenschaft geführt hat. Der Dritte, der eine Vertragsstrafe mit einem als Kaufmann Auftretenden vereinbart, ist schutzwürdig, solange er selbst gutgläubig ist. Folglich sind die Vertragsstrafen, die ein Scheinkaufmann verspricht, nicht herabsetzbar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Scheinkaufmann absolut ungeschützt bleibt. Zunächst ist § 348 HGB im Gegensatz zu § 343 BGB abdingbar. Die Parteien können trotz der kaufmännischen Eigenschaft ein Ermäßigungsrecht ausdrücklich vereinbaren. Außerdem bestehen noch andere Schutzmöglichkeiten des Scheinkaufmanns, wie sie bei jedem Vertragspartner existieren (z. B. die Vertragsunwirksamkeit wegen Unsittlichkeit)243. In diesem Sinne scheint es nicht unangemessen, dass jeder Einzelne für das eigene Verhalten geradestehen muss, insbesondere dann, wenn daraus Gewinn gezogen wird. (c) Die Nichtkaufleute Im Allgemeinen wird die Ansicht vertreten, dass die Freiberufler (z. B. Rechtsanwälte, Ärzte) nicht in den Anwendungsbereich des § 348 HGB fielen und jede analoge Anwendung dieser Vorschrift darauf ausgeschlossen sei244. Diese Ansicht ist richtig, weil der Gesetzgeber diese Gruppen trotz ihrer Tätigkeit, die dem kaufmännischen Gewerbe oft ähneln, bewusst aus dem Kaufmannsbegriff ausgenommen hat. Kleingewerblichen Nichtkaufleuten (§ 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 HGB)245 steht dagegen ein freies Wahlrecht zu. Falls sie dieses Recht durch ihre Eintragung ins Handelsregister ausüben, erlangen sie die Kaufmannseigenschaft. In der Folge bringt dies 242 Canaris, Vertrauenshaftung, § 16, S. 181; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 33 f.; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 186. Dennoch ist hier zu betonen, dass Canaris in seinem späteren Werk Handelsrecht, § 6 II 6 b seine Ansicht, dass zwingende Schutzvorschriften (z. B. § 343 BGB) auf jeden Fall Vorrang vor der Scheinkaufmannslehre hätten, aufgegeben hat und ist der differenzierenden Lösung (siehe in der vorigen Fn.) beigetreten. 243 Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 2. 244 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 35; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 24; Ensthaler/Schmidt, § 348 HGB Rn. 20; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 5. Zurückhaltend aber MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 8. 245 Zum Umfang des Begriffs siehe Canaris, Handelsrecht, § 3 I 2. Zur Anwendung des § 348 HGB auf diese Gruppe siehe Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 31; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 6; Schmidt, Handelsrecht, § 3 II 3 c.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

auch die Anwendung des § 348 HGB mit sich246. Solange der Kleingewerbetreibende nicht eingetragen ist, gilt er nicht als Kaufmann und der Schutz des § 343 BGB und des gesamten Bürgerlichen Rechts steht ihm weiterhin zu247. Bei Vorliegen eines Kommissions- (§ 383 Abs. 2 S. 2 HGB), Fracht- (§ 407 Abs. 3 S. 2 HGB), Speditions- (§ 453 Abs. 3 S. 2 HGB) und Lagergeschäftes (§ 467 Abs. 3 S. 2 HGB) ist der nicht eingetragene Kleingewerbetreibende zwar den §§ 343 – 372 HGB zu unterstellen. Es gilt aber die ausdrückliche Ausnahme der Anwendung der §§ 348 bis 350 HGB. Dies eröffnet den Weg zur Herabsetzungsmöglichkeit. Auf jeden Fall kann die Herabsetzung wegen einer Scheinkaufmannseigenschaft ausgeschlossen werden. Ein beachtlicher Teil der Literatur lehnt die analoge Anwendung des § 348 HGB auf Nichtkaufleute grundsätzlich ab. Wegen des Schutzzweckes, den § 343 BGB bedient, setzen sie sich für eine restriktive Anwendung des § 348 HGB ein248. In einem bedeutenden und viel diskutierten Urteil hat der BGH § 348 HGB auf Nichtkaufleute analog angewendet249. Es ging um ein Wettbewerbsverbot, das durch einen gerichtlichen Vergleich vereinbart wurde. Die eine Partei war Vollkaufmann, die anderen waren die beiden alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Diese haben das Verbot gebrochen und die Vertragsstrafe wurde daher verwirkt. Die Streitigkeit war unter Anderem darüber entbrannt, ob die verwirkte Strafe herabsetzbar war oder nicht. Das Revisionsgericht ging davon aus, dass weder die Gesellschafter noch die Geschäftsführer einer GmbH die Kaufmannseigenschaft besäßen. Dennoch war die Vertragsstrafe durch Anwendung des § 343 BGB nicht herabzusetzen, weil das Verbot auch auf die Geschäfte der GmbH auszudehnen war. Die alleinigen Gesellschafter waren nur für sich selbst durch das Strafversprechen gebunden, da sie eine Kontrollstelle in ihr hatten. Eigentlich handelt es sich um eine Versagung der Herabsetzung wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies würde aber zum gleichen Ergebnis wie die Anwendung des § 348 HGB führen250. Diese Ansicht findet in der Literatur Zuspruch, mit der Bemerkung, dass dieser Fall nur eine Ausnahme bildet251. Es fehlt jedoch auch an der Gegenmeinung nicht. 246

Sog. Kannkaufleute. Vgl. hierzu oben Teil 2 A. II. 2. b) bb) (2) (a). Durch das Reformgesetz von 1998 wurde § 4 HGB, das heißt der Begriff des Minderkaufmanns, abgeschafft. Für die vor dem Inkrafttreten (01. 07. 1998) dieses Gesetzes abgeschlossenen Strafklauseln gilt der Minderkaufmannsbegriff weiter, aber dieser bleibt durch § 343 BGB geschützt. Vgl. RG v. 14. 01. 1908, JW 1908, 148, 149. 248 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 35; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 24; Ensthaler/Schmidt, § 348 HGB Rn. 20; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 7; Koller/Roth/Morck, § 348 HGB Rn. 3. 249 BGH v. 13. 02. 1952, BGHZ 5, 133, 136 = NJW 1952, 623. 250 „Unter allen diesen Umständen widerspricht es dem Sinn des Gesetzes und der Gerechtigkeit, den § 348 HGB nicht anzuwenden und den Beklagten die Berufung auf § 343 BGB zu verstatten.“ 251 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 35; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 24; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 7; Ensthaler/Schmidt, § 348 HGB 247

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

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Solche Urteile seien nicht hilfreich. § 343 BGB sei in einem solchen Fall wie üblich anzuwenden, da der Gesellschafter oder der Geschäftsführer einer GmbH nicht Kaufmann sei, und der unter besonderen Umständen vorliegende Rechtsmissbrauch bei der Interessenerwägung, die diese Vorschrift vorsieht, zu berücksichtigen sei252. Diese Ansicht ist überzeugend, da sie die Rechtssicherheit gewährleistet und die Verwässerung der Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten verhindert. (d) Der kritische Beurteilungszeitpunkt und die Beweislast der Kaufmannseigenschaft Einstimmig wird anerkannt, dass der maßgebliche Zeitpunkt, an dem der Strafschuldner die kaufmännische Eigenschaft zur Anwendbarkeit von § 348 HGB besitzen soll, der Abschluss der Strafvereinbarung sein muss. Der Zeitpunkt der Verwirkung sei dagegen nicht relevant253. Sofern der Strafversprechende die Kaufmannseigenschaft später (vor oder nach der Verwirkung) erlangt (z. B. ein Arbeitnehmer, der die Strafe im Rahmen eines Wettbewerbsverbots verspricht und das Verbot danach bricht), dann ist die Anwendung des § 343 BGB nicht ausgeschlossen254. Umgekehrt hat der spätere Verlust der Kaufmannseigenschaft keine Auswirkung auf die Anwendung des § 348 HGB. Die Herabsetzungsmöglichkeit bleibt auch dann ausgeschlossen, obwohl inzwinschen ein Nichtkaufmann beteiligt ist. Nach dem allgemeinen Beweislastverteilungsprinzip liegen die Darlegungs- und die Beweislast bei der Partei, für die § 348 HGB günstig ist. Anders gesagt sollte der Strafgläubiger sein, wer die Kaufmannseigenschaft des Strafschuldners beweisen müsste, weil § 348 HGB die Herabsetzung verhindert und damit zu dessen Gunsten funktioniert. Dennoch gilt in dem hier behandelten Fall § 1 Abs. 2 HGB. Ein Gewerbebetrieb ist demgemäß nur dann kein Handelsgewerbe, wenn das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert („es sein denn“). Es wird nach dem Gesetz bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass jedes Gewerbe ein Handelsgewerbe ist. Durch die negative Formulierung wird also eine Beweislastumkehr begründet, das heißt wer ein GeRn. 21; Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 13; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 10; Straube/Kramer, § 348 HGB Rn. 8 (für das österreichische Recht). Abweichend aber MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 9. 252 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 2 b. 253 BGH v. 13. 02. 1952, BGHZ 5, 133, 136 = NJW 1952, 623; RG v. 14. 01. 1908, JW 1908, 148, 149; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 3; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 40; Baumbach/ Hopt/Hopt, § 348 HGB Rn. 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 348 HGB Rn. 25; Ensthaler/Schmidt, § 348 HGB Rn. 20; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 8; Heymann/ Horn, § 348 HGB Rn. 12; Koller/Roth/Morck, § 348 HGB Rn. 3; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 4; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 12; Straube/Kramer, § 348 HGB Rn. 7 (für das österreichische Recht). 254 Vgl. BGH v. 01. 06. 1983, NJW 1984, 919, 921 = MDR 1984, 199 = ZIP 1983, 1463; LAG Berlin v. 24. 06. 1991, BB 1991, 1867 = DB 1992, 744; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 40; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 12.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

werbe betreibt, aber nicht ins Handelsregister eingetragen ist, muss darlegen und beweisen, dass die Eintragung nach Art oder Umfang des Unternehmens auch nicht erforderlich ist. Der Gewerbetreibende muss also im Zweifel beweisen, dass er kein Kaufmann ist und damit das Handelsrecht für ihn nicht gilt255. Sofern der Strafgläubiger auf die Zahlung der Strafe klagt, ist er nicht dazu verpflichtet, das Fehlen der Kaufmannseigenschaft darzulegen. Dies gehört nicht zum Tatbestand des § 343 BGB. § 348 HGB hat vielmehr den Charakter eines Ausnahmetatbestandes, auf den sich eine rechtshindernde Einrede stützt. Wenn der Strafgläubiger also klagt und der Strafschuldner die Einrede aus § 343 BGB als Beklagter erhebt256, dann genügt es, dass der Kläger die Kaufmannseigenschaft des Beklagten darlegt. Die Vermutung des § 1 Abs. 2 HGB funktioniert gegen den Letzteren, dieser kann jedoch das Gegenteil beweisen. Im umgekehrten Fall (der Strafschuldner klagt von Anfang an auf Strafherabsetzung) kann der Strafgläubiger eine Einrede aus § 348 HGB erheben. Er muss allerdings nicht die Kaufmannseigenschaft beweisen, da § 1 Abs. 2 HGB nochmals eingreift und der Kläger das Fehlen der Kaufmannseigenschaft beweisen muss. Aus diesem Grund trägt der Strafschuldner die Beweislast in beiden Fällen257. (3) „Im Betriebe seines Handelsgewerbes“ Der Strafversprechende muss nicht nur Kaufmann sein, sondern auch die Vertragsstrafe im Rahmen eines Handelsgeschäfts vereinbart haben, damit § 348 HGB eingreift. Anders gesagt muss das Strafversprechen selbst ein Handelsgeschäft darstellen. Nach dem subjektiven System des § 348 HGB basiert der Handelsgeschäftsbegriff auf der Kaufmannseigenschaft, da Handelsgeschäfte alle Geschäfte eines Kaufmanns sind, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Dabei gilt allerdings die widerlegliche Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig gelten. Wegen dieser Vermutung ist jedes Rechtsgeschäft des Kaufmanns ein Handelsgeschäft, der Kaufmann trägt jedoch die Beweislast des Gegenteils258. Das Strafversprechen kann auch ein einseitiges Handelsgeschäft sein, solange der Versprechende Kaufmann ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist auch hier die Versprechensabgabe. Gründungs-, Auflösungs- und Veräußerungsverträge gehören zum Betriebe des Handelsgewerbes259. Daraus folgt, dass ein Strafversprechen, das ein dabei verein255

Vgl. Canaris, Handelsrecht, § 3 I Rn. 11; Schmidt, Handelsrecht, § 10 IV 2 bb. Vgl. hierzu § 5 B IV. 257 Eingehend dazu Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 141 f. 258 RG v. 23. 04. 1932, HRR 1932, Nr. 1645. Generell zur vorliegenden Vermutung siehe Canaris, Handelsrecht, § 20 II. 259 Die Geschäftsveräußerung wird als letzter Betriebsakt betrachtet. Vgl. Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 26; Staudinger/Rieble, § 343 BGB Rn. 36 ff., 39; Heymann/Horn, § 348 HGB 256

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

205

bartes Wettbewerbsverbot bewehrt, unter § 348 HGB fällt und die Herabsetzung damit ausgeschlossen ist260. (4) Abdingbarkeit der Vorschrift Nach einer in der Literatur gefestigten Meinung ist § 348 HGB abdingbar. Die Parteien können sich auf die Herabsetzbarkeit der Vertragsstrafe einigen, obwohl der Schuldner Kaufmann ist261. Durch eine solche Vereinbarung, die klar und eindeutig sein muss, wird § 348 HGB beseitigt und eine Strafherabsetzung gemäß § 343 BGB bleibt weiterhin möglich. Besonderes Interesse erlangt die Disponibilität dieser Vorschrift bei den strafbewehrten Unterlassungserklärungen des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Solche Erklärungen enthalten regelmäßig hohe Vertragsstrafen, um die Wiederholungsgefahr zu reduzieren262. Dabei entsteht die Frage, ob die Abbedingung des § 348 HGB von einem Kaufmann im Rahmen einer Unterwerfungserklärung die Abschreckungskraft des Strafversprechens in Gefahr bringt oder nicht. Der Weg zur Herabsetzung nach § 343 BGB wäre somit wieder eröffnet. Die ganz überwiegende Anzahl von Autoren ist der Ansicht, dass das Strafversprechen trotz der Herabsetzungsmöglichkeit nicht an Abschreckungskraft verliere263. Überzeugende ArguRn. 14; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 5; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 13. 260 Vgl. RG v. 23. 01. 1926, RGZ 112, 362, 366; RG v. 31. 03. 1909, RGZ 70, 439, 442. 261 Es fehlt an höchstrichterlicher Rechtsprechung über dieses Thema. Aus den vielen Vertretern dieser Meinung in der Literatur siehe nur Rieble, WM 1995, 828, 832; Staudinger/ Rieble, § 343 Rn. 41; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 7; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 14. 262 Zur Einbeziehung von Strafklauseln in Wettbewerbsverbote und in Unterwerfungserklärungen, die in Abmahnungen zu treffen sind und gleichzeitig als Sicherungsmittel und als Mindestschadensersatz funktionieren, siehe Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 8 Rn. 15, 17 ff.; Ahrens/Deutsch, Wettbewerbsprozess, Kap. 1 Rn. 59 ff.; Ahrens/Achilles, Wettbewerbsprozess, Kap. 7 Rn. 22 ff.; Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.138 ff.; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, Kap. 32 Rn. 7 ff.; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, Rn. 630 ff.; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 222 ff.; Selbach, Vertragsstrafe bei mehrfachen Verstößen, passim; Hess, WRP 2004, 296 ff.; Heckelmann/Wettich, WRP 2003, 184 ff.; Bernreuther, GRUR 2003, 114 ff.; Ulrich, WRP 1997, 73 ff.; Mankowski, WRP 1996, 1144 ff.; Köhler, GRUR 1996, 231 ff.; ders., WiB 1994, 97 ff.; ders., WRP 1993, 666 ff.; ders.; Anm. zu BGH, EWiR § 339 BGB 2/93, 1169 f.; Engler, NJW 1995, 2185 ff.; Teplitzky, WRP 1994, 709 ff.; ders., WRP 1990, 26 ff.; Steinbeck, GRUR 1994, 90 ff.; Gruber, WRP 1992, 71 ff.; Rau/Köhler, WRP 1990, 460 ff.; Kiethe, WRP 1986, 644 ff.; Ahrens, GRUR 1985, 938 f.; Völp, GRUR 1984, 486, 490 ff.; Krüger, GRUR 1984, 785 ff.; Körner, WRP 1982, 75 ff.; Bandt, WRP 1982, 5; Lindacher, BB 1978, 270 f.; ders., GRUR 1975, 413 ff.; ders., WRP 1975, 7 f.; Heinz/Stillner, WRP 1977, 248 ff.; Friehe, WRP 1977, 158 f. 263 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 42, sowie Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 8 Rn. 30b m. w. N.; Ahrens/Achilles, Wettbewerbsprozess, Kap. 7 Rn. 37; Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.145; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, Rn. 633 (Fn. 1); Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 240.

206

Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

mente dafür sind, dass der Schuldner dadurch nur auf eine nicht zwingende Vorschrift verzichte und die Anwendung einer ihn schützenden Rechtsnorm beanspruche, der Kaufmann auf jeden Fall vor unangemessen hohen Vertragsstrafen geschützt werden müsse und eine Kontrolle auf der Basis des § 242 BGB auch dann denkbar sei, wenn § 348 HGB eingreift, um Missbilligkeiten zu hindern. Darüber hinaus werde die Ernsthaftigkeit des Unterlassungswillens des Schuldners ebenso wenig gefährdet wie bei einer nach billigem Ermessen zu bestimmenden Strafleistung gemäß § 315 BGB264. cc) Rechtsfolgen Einzige Rechtsfolge des § 348 HGB ist der Ausschluss der Herabsetzung gemäß § 343 BGB. Die Vertragsstrafe bleibt bestehen, unabhängig davon, ob sie angemessen oder unangemessen hoch ist265. Verbürgt sich ein Kaufmann für die Strafschuld eines Nichtkaufmanns, so wirkt die Herabsetzung der Vertragsstrafe auch zu seinem Gunsten. Er kann diese Einrede selbst geltend machen (§ 768 BGB)266. Auch im umgekehrten Fall (ein Nichtkaufmann verbürgt sich für die Strafschuld eines Kaufmanns) greift § 343 BGB ein267. Es erscheint deshalb sinnvoll, wenn der soziale und zwingende Charakter der Vorschrift den nichtkaufmännischen Schuldner schützt, obwohl er kein Hauptschuldner ist. dd) Unwirksamkeit der Vertragsstrafe aus anderen Gründen Der Ausschluss der Herabsetzbarkeit nach § 348 HGB bedeutet nicht, dass alle Schutzvorschriften des Privatrechts dem Strafversprechenden entzogen werden. Es gelten die generellen Bestimmungen des BGB und anderer Gesetze. Es folgt an dieser Stelle eine kurze Darstellung. Eine tiefere Beschreibung ist im Abschnitt B. des dritten Teils der vorliegenden Arbeit zu finden. § 348 HGB ist nicht in der Lage, andere Einwendungen auszuschließen. Infolgedessen kann die Hauptverbindlichkeit oder die Vertragsstrafe selbst gesetzeswidrig sein (§ 134 BGB). In diesem Fall findet jedoch keine Ermäßigungskontrolle statt268. Ein besonderer Fall von Gesetzeswidrigkeit ist der Verstoß gegen die Kar264 Vgl. katexochen Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.145a; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 8 Rn. 30b; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 240 und Rieble, WM 1995, 828, 832. A. A. vertritt Aigner, GRUR 2007, 950 ff. mit der Begründung, dass die Abbedingung des § 348 HGB bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung eines Kaufmanns der Beseitigung der Wiederholungsgefahr schade. 265 Statt vieler MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 10. 266 Siehe Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 49; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 10; Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 12. 267 So Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 12; a. A. Staudinger/Rieble, § 343 BGB Rn. 49; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 10. 268 Vgl. unten Teil 3 B. II. 1. c).

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

207

tellrechtsvorschriften (Art. 101 AEUV269 und § 1 GWB), ohne dass eine Freistellung gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV270 und § 2 GWB zulässig wäre271. Der Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) ist ebenfalls denkbar (z. B. wucherischer Vertrag)272. Die Vertragsstrafe selbst oder die Verbindlichkeit, die sie absichert, kann wegen Formmangels nichtig sein273 oder einer Anpassung gemäß § 313 BGB wegen späteren Wegfalls der Geschäftsgrundlage bedürfen274. Eine Festsetzung der unbestimmten Strafleistung gemäß § 315 Abs. 1 oder § 317 Abs. 1 BGB (und §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB bei der richterlichen Kontrolle des billigen Ermessens) kann durch § 348 HGB nicht ausgeschlossen werden275. Hinsichtlich des Verhältnisses des § 348 HGB zur AGB-Kontrolle plädiert die im Schrifttum herauskristallisierte Tendenz für den Gebrauch von Strafklauseln auch

269

Ex-Art. 81 EGV. Ex-Art. 81 Abs. 3 EGV. 271 Vgl. statt vieler Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 3. Daran anknüpfend soll man den Bereich der Buchpreisbindung betrachten. Dabei gilt das Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) seit 2002. Bis 2002 wurden die Buchpreise durch einen Vertrag zwischen Verlagern und Buchhändlern, den sog. Sammelrevers, geregelt. Der Sammelrevers 2002 schreibt im Teil A („Vertragsstraferegelung“) vor, dass die beteiligten Buchhändler die Verpflichtung gegenüber den beteiligten Verlegern übernehmen, eine Konventionalstrafe für jeden Fall des vorsätzlichen oder fahrlässigen Anbietens oder Gewahrens unzulässiger Nachlässe zu vereinbaren. Die Vertragsstrafe hat die Höhe des Rechnungsbetrages des angestrebten oder vollzogenen Geschäftes. Sie beträgt bei Verstößen von durchschnittlicher Schwere mindestens 1.500,00 EUR für den ersten Verstoß, 2.500,00 EUR für jeden weiteren Verstoß und 5.000,00 EUR für unzulässige Nachlassangebote an eine Mehrzahl von Abnehmern. Gleiches gilt bei Überschreitung des Ladenpreises. Die Vertragsstrafe ist unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Absprache mit den betroffenen Verlagen geltend zu machen. Der Betrag ist, sofern die Verlage nicht ausnahmsweise Zahlung an sich wünschen, an das Sozialwerk des Deutschen Buchhandels oder eine andere von den Partnern zu bestimmende soziale gemeinnützige Einrichtung des deutschen Buchhandels zu zahlen. Nach dem neuen Gesetz ist der Sammelrevers nicht außer Kraft getreten; er gilt für die Preisbindung von Zeitungen und Zeitschriften weiter (§ 30 GWB, also § 15 GWB a. F.). § 1 GWB verbietet den Gebrauch des Sammelreverses 2002 und damit die Vereinbarung von Konventionalstrafen auch nach dem BuchPrG trotz einiger Bedenken des BKartA nicht. Die Effektivität der gesetzlichen Durchsetzung der Preisbindung wird durch diese vertragliche Sanktionsmöglichkeit verstärkt und nicht gefährdet. Mehr in Franzen/Wallenfels/Russ, Preisbindungsgesetz, § 9 Rn. 21 ff. 272 Vgl. unten Teil 3 B. II. 3. 273 Vgl. oben Teil 2 A. II. 1. a) bb). 274 BGH v. 18. 10. 1995, NJW-RR 1996, 362, 363 = DB 1996, 979; BGH v. 17. 04. 1969, BGHZ 52, 55, 59 f. = NJW 1969, 1810; BGH v. 12. 07. 1961, WM 1961, 1194, 1196 = DB 1961, 1690; BGH v. 24. 03. 1954, NJW 1954, 998 = DB 1954, 346 = JZ 1954, 397; KG Berlin v. 17. 10. 1994, NJW 1995, 264, 268; OLG Karlsruhe v. 19. 01. 1967, BB 1967, 1181. Vgl. in der Literatur Baumbach/Hopt/Hopt, § 348 HGB Rn. 7; Großkomm.HGB/Koller, § 348 HGB Rn. 13; Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 15; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 14; Weber, Treu und Glauben, Rn. E 745. 275 Vgl. unten Teil 3 B. III. 2. 270

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

unter Kaufleuten276. Obwohl § 309 Nr. 6 BGB (bis SchuldRModG § 11 Nr. 6 AGBG) die Einbeziehung von Strafklauseln in Rechtsgeschäfte ohne Wertungsmöglichkeit ausdrücklich verbietet, greift § 310 Abs. 1 S. 1 BGB (früher § 24 AGBG) ein, solange die Allgemeinen Geschäftsbedingen gegenüber einem Unternehmer verwendet werden. Aus § 307 BGB (früher § 9 AGBG) ergibt sich kein allgemeines Verbot der Vertragsstrafen gegenüber Kaufleuten. § 348 HGB, der auch nach dem AGBG und nach der Schuldrechtsmodernisierung noch gilt, ist der Ausdruck der Zulassung von Strafklauseln in Handelsgeschäften mit weniger Schranken als bei den Nichtkaufleuten, da der Kaufmann nicht so schutzwürdig wie der Nichtkaufmann erscheint. Der Ausschluss des § 309 Nr. 6 BGB bedeutet aber nicht, dass der Kaufmann-Strafschuldner gar ungeschützt bleibt. § 307 BGB ist auf jeden Fall anwendbar277, ohne dass § 309 Nr. 6 BGB eine Indizwirkung, das heißt eine Wirkung als Maßstab bei der Anwendung des § 307 BGB, darauf hat278. Wenn die Vertragsstrafe nichts mit der gewerblichen Tätigkeit zu tun hat (§ 14 BGB), dann greift § 309 Nr. 6 BGB (und subsidiär § 307 BGB) ein. Neben der Vereinbarung der Vertragsstrafe als Teil Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann die Strafe auch als Individualvereinbarung der Vertragspartner ausgestaltet sein. Die Ansicht der Literatur über eine unvermeidbare Ermessenskontrolle der Vertragsstrafe gemäß § 242 BGB auch dann, wenn die Anwendung des § 343 BGB wegen § 348 HGB ausgeschlossen ist, teilt der BGH in einem neueren Urteil279, wonach eine im Betrieb des Handelsgewerbes eines Kaufmanns verspro-

276

Siehe unten Teil 3 B. II. 2. h) bb) (7). Vgl. aus der Rechtsprechung: BGH v. 07. 05. 1997, NJW 1997, 3233, 3234 = BB 1997, 1380 = JZ 1997, 1122; BGH v. 18. 11. 1982, BGHZ 85, 305, 314 f. = NJW 1983, 385 = MDR 1983, 302 (Dieses Urteil enthält die Begründung, dass sowohl § 343 BGB, als auch § 348 HGB nur Individualstrafvereinbarungen betreffen). Noch dazu BGH v. 26. 05. 1999, NJW 1999, 2662 = MDR 1999, 1052; BGH v. 03. 04. 1998, NJW 1998, 2600, 2602 = DB 1998, 1508 = MDR 1998, 825; BGH v. 30. 09. 1992, NJW 1993, 64, 66 = ZIP 1992, 1573; BGH v. 21. 03. 1990, NJW-RR 1990, 1076 = DB 1990, 1323 = WM 1990, 1198; BGH v. 30. 06. 1987, NJW-RR 1988, 39, 41; BGH v. 18. 04. 1984, NJW 1985, 57 = MDR 1985, 50; BGH v. 12. 03. 1981, NJW 1981, 1509 f. = MDR 1981, 748; OLG München v. 26. 05. 1993, BB 1993, 1687 = NJW-RR 1993, 1334 (alle Urteile haben mit der vorgenannten Vorschrift § 9 AGBG, zu tun). In der Literatur wird die Ansicht unter anderem von Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 100; Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 16 ff.; Koller/Roth/Morck, § 348 HGB Rn. 4; MünchKommHGB/Schmidt, § 348 HGB Rn. 12; Röhricht/v. Westphalen/Wagner, § 348 HGB Rn. 9 ff. vertreten. 278 Vgl. BGH v. 12. 03. 2003, NJW 2003, 2158, 2161 = JuS 2003, 918. Siehe auch Heymann/Horn, § 348 HGB Rn. 16; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 101. 279 BGH v. 17. 07. 2008, NJW 2009, 1882 = BauR 2009, 501 = WRP 2009, 182 („Kinderwärmekissen“) (mit Anm. von Glotzbach, jurisPR-HaGesR 4/2009 Anm. 2). Siehe auch Schulte-Nölke, ZGS 2009, 57 (Anm. zum BGH, Urt. v. 17. 7. 2008 – I ZR 168/05). Mehr dazu unten Teil 3 B. III. 3. 277

A. Materielle Rechtsanwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB

209

chene Vertragsstrafe in Ausnahmefällen280 nach § 242 BGB herabgesetzt werden könne. Eine sehr hohe Vertragsstrafe (es ging um eine Strafe von 53 Millionen Euro!) sei herabzusetzen, „wenn sie in einem solchen außerordentlichen Missverständnis zu der Handlung steht, gegen die sie absichert, dass ihre Durchsetzung einen Verstoß gegen den das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben darstellt.“

In diesem Sinne steht das Urteil mit vorigen Urteilen im Einklang, die einen Verstoß gegen Treu und Glauben auch im Fall einer vom Gläubiger selbst bezweckten oder zugelassenen Herbeiführung des Verhaltens des Schuldners, das die Verwirkung der Strafe auslöst281, oder einer „Sammlung“ von Verstößen seitens des Vertragsstrafgläubigers, um so einen möglichst hohen, wirtschaftlich bedrohlichen Vertragsstrafanspruch geltend zu machen, feststellen282. Hinsichtlich der Rechtsfolgen des § 242 BGB setzt sich der BGH nicht für eine Herabsetzung der Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß ein, sondern fordert einen Betrag, der unter Würdigung aller Umstände im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben noch hingenommen werden kann. Da diese Formel jedoch zu allgemein ist und den Unterschied zum § 343 BGB nicht aufdeckt, benutzt der BGH die Verdoppelung des angemessenen Betrages einer festen Vertragsstrafe als Anhaltspunkt auch bei Rahmenvertragsstrafenvereinbarungen283. Der Richter ist dazu berechtigt, die Strafhöhe nicht unbedingt auf den nach § 343 BGB angemessenen Betrag, sondern auf eine solche Höhe zu reduzieren, bei der die Strafe als nicht missbräuchlich gilt284. Dennoch wendet sich ein Teil der Literatur gegen diese Teilherabsetzung mit der Behauptung, dass Rechtsfolge des § 242 BGB das absolute Ausbleiben des Strafanspruchs sein müsse. Eine Teilherabsetzung verstoße gegen das Alles-oder-Nichts-Prinzip, das den Ausschluss des Vertragsstrafenanspruchs herausfordere. Jede andere Rechtsfolge funktioniere als Umgehung des Verbots nach § 348 HGB285. Diese Ansicht kann nicht recht überzeugen. Allgemein wird ange280

Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 154, der richtigerweise über „krasse Fälle“ schreibt. „Die Wertung des § 348 HGB darf aber nicht mit einer ausufernden Treuwidrigkeitskontrolle umgangen werden.“ 281 Vgl. BGH v. 01. 06. 1983, GRUR 1984, 72, 74 = MDR 1984, 199 = NJW 1984, 919 („Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung“). 282 BGH v. 18. 09. 1997, GRUR 1998, 471, 474 = BB 1998, 73 = NJW 1998, 1144 („Modenschau im Salvatorkeller“). 283 BGH v. 12. 07. 1984, GRUR 1985, 157 = MDR 1985, 116 = NJW 1985, 191 („Vertragsstrafe bis zu … I“). Vgl. auch BGH v. 14. 02. 1985, GRUR 1985, 937, 938 = MDR 1985, 733 – 734 = NJW 1985, 2021 („Vertragsstrafe bis zu … II“), der diesen Grundsatz relativiert hat. Eingehend dazu Ahrens/Achilles, Wettbewerbsprozess, Kap. 7 Rn. 35 ff. 284 In dieselbe Richtung OLG Hamm v. 05. 07. 1994, BauR 1995, 548, 549 f. (mit krit. Anm. Rieble); LG Frankfurt v. 16. 04. 1975, NJW 1975, 1519, als auch Schlegelberger/Hefermehl, § 348 HGB Rn. 14. 285 Besonders kritisch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 III 5 Fn. 67 und Staudinger/ Rieble, § 343 Rn. 155.

210

Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

nommen, dass § 242 BGB auch eine flexible Korrekturfunktion hat, die besonders bei Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs entfaltet werden kann286. Eine formalistische Betrachtung des § 242 BGB wird deswegen abgelehnt. Ziel der Vorschrift ist die Bekämpfung des Missbrauchs und nicht die übermäßige Belastung des Strafgläubigers durch die gänzliche Undurchsetzbarkeit seines Strafanspruchs. c) Keine Vereinbarung über die Nichtanwendbarkeit? § 343 BGB ist keine abdingbare Vorschrift287. Sie gehört zum jus cogens. Eine Vereinbarung der Parteien, durch die diese sich auf die Nichtanwendung der Vorschrift einigen, oder der einseitige Verzicht des Schuldners auf deren Anwendung ist ungültig. Sie binden den Strafschuldner nicht. Grund dafür ist der Charakter der Norm als Schutzvorschrift des Schuldners288. Eine Ausnahme hat der BGH in einem Fall fehlender Schutzwürdigkeit des Schuldners bejaht. Es ging um eine Vereinbarung, die vor Gericht und durch die Anwälte der Parteien geschlossen worden ist und damit ein unbedachtes Handeln des Schuldners ausschloss289. Dennoch hindert die Eigenschaft des § 343 BGB als unabdingbare Rechtsnorm den Verzicht nach der Verwirkung nicht290. Der Schuldner ist dazu berechtigt, die Vertragsstrafe nachträglich als angemessen anzuerkennen. Diese Anerkennung ist mit einem Verzicht auf das Ermäßigungsrecht gleichzustellen. Der Verzicht kann vertraglich oder einseitig ausgestaltet sein291. Sofern die Anerkennung der Strafhöhe vertraglich vereinbart wird, greift § 781 BGB (Notwendigkeit der Schriftform) ein, solange § 782 BGB oder § 350 HGB nicht anzuwenden sind292. Ist die Anerkennung 286

Zur korrigierenden Funktion des Grundsatzes von Treu und Glauben, die sich auch als Änderung schon bestehender Verträge verstehen lassen kann, siehe statt vieler Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 88; Erman/Hohloch, § 242 Rn. 18, 128 ff. (insbes. 130); Jauernig/Mansel, § 242 Rn. 8, 40. 287 Einstimmig vertretene Meinung: BGH v. 22. 05. 1968, NJW 1968, 1625 = DB 1968, 1266 = MDR 1968, 751; BGH v. 13. 02. 1952, BGHZ 5, 133, 136 = NJW 1952, 623. Vgl. auch Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 37 V; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 16 III 4; Bamberger/Roth/Janoschek, § 343 Rn. 3; Hk-BGB/Schulze, § 343 Rn. 1; Jauernig/ Stadler, § 343 Rn. 1; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 2; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 9; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 3; Planck/Siber, § 343 Bem. 7; RGRK/ Ballhaus, § 343 Rn. 1; Schollmeyer, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 4; Soergel/ Lindacher, § 343 Rn. 2; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 23; JurisPK-BGB/Beater, § 343 Rn. 14. 288 Vgl. oben Teil 2 A. I. Grundlegend zur Tendenz des Schuldrechts, den typischerweise Schwächeren zu schützen, siehe Larenz/Wolf, AT, § 3 Rn. 102 f. Sie erwähnen die Vorschriften, die die Privatautonomie mit dem Ziel beschränken, dass grobe Ungerechtigkeiten beseitigt oder soziale Anforderungen befriedigt werden. Unter diese Fallgruppe fällt § 343 BGB. Vgl. auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, Rn. 544 ff. 289 BGH v. 13. 02. 1952, NJW 1952, 623, 624. 290 JurisPK-BGB/Beater, § 343 Rn. 15. 291 Vgl. statt vieler Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 26, 81 ff. (er hält auch einen Teilverzicht auf die Herabsetzung für möglich). 292 Erman/Wilhelmi, § 780 Rn. 5 ff.; PWW/Buck-Heeb, § 780 Rn. 9 ff.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

211

der Strafhöhe als ein einseitiger Verzicht auf das Ermäßigungsrecht zu bewerten, so muss § 781 BGB analog angewendet werden293. Die prozessuale Handlung des Anerkenntnisses (§ 307 ZPO), das heißt wenn der beklagte Strafschuldner gerichtlich erklärt, dass der vom Kläger geltend gemachte Strafanspruch auf einer bestimmten Höhe bestehe, ist anders als das Schuldanerkenntnis des § 781 BGB zu behandeln. Der Schuldner darf später (nach dem Anerkenntnis) keine Ermäßigungsklage oder Unangemessenheitseinrede mehr erheben (Verbot des venire contra proprium factum). Darüber hinaus sind die Vertragspartner berechtigt, sich auf eine angemessene Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Herabsetzungsrechts zu einigen294.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte des richterlichen Ermäßigungsrechts von Vertragsstrafen I. Die prozessrechtliche Natur des Ermäßigungsrechts Die Auseinandersetzung mit der Anwendung des § 343 BGB betraf bislang nur die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Vorschrift. Praktisch relevant sind allerdings für die Anwendung des § 343 BGB auch die Voraussetzungen mit prozessrechtlichem Charakter. Es handelt sich dabei um den Antrag des Schuldners an den Richter, dass dieser die materiellen Voraussetzungen und besonders die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe prüft und sie nach einer Interessenabwägung auf einen angemessenen Betrag herabsetzt. Die Hauptrolle bei der Kontrolle und Herabsetzung einer Vertragsstrafe spielt daher der Richter. Eigentlich ist die Herabsetzung ohne richterliche Einwirkung nicht denkbar. Dies geschieht, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nur das richterliche Urteil eine Beschränkung des auf bestimmte Weise ausgedrückten Vertragspartnerwillens rechtfertigen kann. Wenn der Schuldner behauptet, dass die vereinbarte Strafhöhe seine Interessen schädigt, sich mit dem Gläubiger darüber jedoch nicht einig ist, die Strafvereinbarung gemeinsam neu zu gestalten, dann kann nur ein unparteilicher Dritter eine entsprechende Entscheidung treffen. Die richterliche Beurteilung bietet die sichersten Garantien von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Deshalb hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die Herabsetzung nur unter engen prozessrechtlichen Voraussetzungen zu möglichen. Die Herabsetzung kann somit nur durch ein gerichtliches Urteil erfolgen. Diese so enge Anknüpfung des materiellen Rechts auf Herabsetzung an das richterliche Urteil prägt den Charakter des Strafermäßigungsrechts als Gestaltungsklagerecht (sogleich unten 1. und 2.). 293 294

So auch Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 82 aus Rechtseinheitsgründen. JurisPK-BGB/Beater, § 343 Rn. 15.

212

Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

1. Der Begriff des Gestaltungsklagerechts Unter dem Begriff Gestaltungsklagerechte sind die Rechte zu verstehen, die zwar Gestaltungsrechte sind, aber nur gerichtlich geltend gemacht werden können, mit der Folge, dass ihre Existenz ohne Eröffnung des Rechtsweges nicht vorstellbar ist. Den Oberbegriff bilden daher die Gestaltungsrechte. Die Gestaltungsrechte sind materiell-rechtliche, insbesondere privatrechtliche Rechte, die den Personen durch besondere Vorschriften oder Vereinbarungen so eingeräumt werden, dass ihre Ausübung die Begründung eines neuen Rechts oder die Änderung eines bestehenden Rechtsverhältnisses oder dessen Aufhebung herbeiführt. Kürzer beschrieben ist das Gestaltungsrecht ein subjektives Recht, dessen Ausübung eine neue Gestaltung der Rechtsverhältnisse mit sich bringt295. Als typisches Merkmal der Gestaltungsrechte lässt sich die Nichtangewiesenheit weder auf gerichtliche Hilfe noch auf die Mitwirkung des Gestaltungsgegners erwähnen296. Dennoch liegt der Schwerpunkt bei der letzteren und nicht bei der ersteren Eigenschaft. Es gibt freilich Gestaltungsrechte, die von jeder richterlichen Hilfe unabhängig sind (z. B. Kündigung, Rücktritt). Sofern eine richterliche Beurteilung stattfindet, geht diese nur mit der Feststellung einer gültigen Änderung oder Begründung von Verhältnissen einher und nicht mit der Gestaltung selbst. Dennoch enthält das Privatrecht auch Vorschriften, deren Ausübung eine neue Gestaltung bereits bestehender Rechtsverhältnisse zwar herbeiführt, aber diese lediglich gerichtlich konzipiert (z. B. Ehescheidung). Daraus folgt, dass die Neugestaltung von Rechtsverhältnissen ohne Berücksichtigung des Willens des Gestaltungsgegners als kennzeichnendes Grundelement gilt, welches die Einstufung eines Rechts als Gestaltungsrecht erlaubt297. Bezüglich des prozessrechtlichen Charakters der Gestaltungsklagerechte handelt es sich um etwas Komplexeres. Die ausschließlich gerichtliche Ausübung dieser Rechte wirft die Frage auf, ob diese Erforderlichkeit auch ihr inneres Element darstellt. In Betracht kommen nach den in der Literatur vertretenen Auffassungen prinzipiell zwei Antworten. Nach der einen Meinung stelle das Gestaltungsklagerecht ein öffentlich-rechtliches Recht dar, da es den Gegner ohne staatlichen (also gerichtlichen) Eingriff nicht verpflichten könne. Eigentlich gehe es um ein Recht, das gegen den Staat gerichtet werde, weil nur er die Akzeptanz der neuen rechtlichen Situation vom Gestaltungsgegner erzwingen könne298. Diese Ansicht aber, die den prozessualen Charakter dieser Rechte betont, stößt auf Kritik. Zunächst wären alle Rechte des Privatrechts Gestaltungsrechte, da die Befriedigung des Berechtigten schließlich immer vom Richter abhängig ist, falls sich der Verpflichtete nicht frei295 Allgemein zum Begriff und Wesen der Gestaltungsrechte siehe Adomeit, Gestaltungsrechte, S. 13 ff.; Bydlinski, Die Übertragung, S. 5 ff.; Steinbeck, Die Übertragbarkeit, S. 18 ff. 296 Bötticher, in: FS Dölle, Bd. I, S. 41, 42 ff. 297 Vgl. Staab, Gestaltungsklage, S. 83 f. 298 Vgl. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 366 ff.; Dölle, in: FS Bötticher, S. 93, 97 ff.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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willig nach seinen Pflichten richtet. Es ist selbstverständlich, dass der Gesetzgeber die Vollziehung von Rechten durch Selbsthilfe nur ausnahmsweise anerkennt. Die richterliche, also die staatliche Unterstützung bei diesem Vollzug ist immer erforderlich. Diese Tatsache kann die Gestaltungsklagerechte von anderen Rechten nicht differenzieren. Sie führt zum Schluss, dass ihr Kernpunkt ein privatrechtliches Recht ist. Mit dem Ziel, den Rechtsverkehr zu sichern, wählt der Gesetzgeber aus, die Rechtsänderung, das heißt die Begründung, die Umgestaltung oder die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses, mit der Erhebung einer Klage (sog. Gestaltungsklage) und einem stattgebenden Urteil (sog. Gestaltungsurteil) zu verbinden. Die Grundlage stellt jedoch das materiell-rechtliche Recht dar, das Gegenstand der Klage ist. Die Form der Ausübung ist unerheblich. Relevant ist die gesetzliche Anerkennung des subjektiven Rechts, die der Privatperson erlaubt, die Rechtsverhältnisse neu zu gestalten299. Juristisches Vehikel zur Verwirklichung des materiellen Rechts ist daher die Klage. Die Gestaltungsklagen werden in zwei Gruppen geteilt. Differenzierungsfaktor ist die Möglichkeit der Parteien, dieselbe Gestaltung auch durch eine vertragliche Vereinbarung zu erreichen. Einerseits ist die Rede von unechten Gestaltungsklagen, wenn die Parteien die Gestaltung auch rechtsgeschäftlich verwirklichen können. Da aber die eine Partei die mitwirkende Willenserklärung oft verweigert, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die andere Partei die Möglichkeit haben muss, die erwünschte Gestaltung durch die Gestaltungsklage einseitig herbeizuführen. In solchen Fällen spricht man von der Hilfsfunktion der Gestaltungsklage. Darunter fallen z. B. die Gestaltungsklagen des HGB300. Andererseits gibt es solche Gestaltungsklagen, die sog. echten, deren Erhebung der einzige Weg zur Neugestaltung einer rechtlichen Situation ist. Es handelt sich hier um Fälle, deren Regelung nur gerichtlich stattfinden kann, weil die Sicherheit des Rechtsverkehrs und ein Minimum von Öffentlichkeit dies verlangen. Typisch sind Beispiele wie die Klagen des Eherechts (z. B. die Ehescheidungsklage), wobei die Parteien keine vertragliche Regelung wegen des Interesses der Allgemeinheit an soliden Lebensverhältnissen treffen dürfen301. Außer der vorgenannten Unterscheidung wird noch eine weitere Kategorisierung der Gestaltungsklagen in der Rechtslehre vorgenommen. Unter die erste Gruppe fallen solche Klagen, die die Rechtsänderung durch ein rechtskräftiges stattgebendes Urteil nur für die Zukunft bewirken (sog. ex-nunc-Wirkung). Die Klage auf Ehescheidung ist dafür ein typisches Beispiel. Fälle, in denen die Neugestaltung für die 299 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 2 f.; Bötticher, in: FS Dölle, Bd. I, S. 41, 55. Vgl. auch Staab, Gestaltungsklage, S. 67 ff., 119 ff., der diese Ansicht nur betreffs der handelsrechtlichen und insgesamt der vermögensrechtlichen und nicht der eherechtlichen Klagen teilt. 300 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 4; Staab, Gestaltungsklage, S. 118 ff., 122. 301 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 4; Staab, Gestaltungsklage, S. 118 ff., 122 f.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Vergangenheit wirkt (sog. ex-tunc-Wirkung), bilden die zweite Gruppe. Erwähnenswertes Beispiel ist die Klage auf Anfechtung der Vaterschaft gem. §§ 1599 ff. BGB. Die dritte Gruppe bilden Fälle, in denen das Gericht über eine Ermessensbefugnis verfügt, zu beurteilen, inwieweit die Gestaltung wirken kann. Differenzierungsmerkmal im Hinblick auf die zwei vorgenannten Gruppen ist das Vorliegen von richterlichem Ermessen. Es erstreckt sich auf das Wie der Gestaltung, aber nicht auf das Ob. Wenn also die Voraussetzungen der Rechtsänderung vorliegen, ist der Richter verpflichtet, diese auch vorzunehmen. Er ist aber frei, das Ausmaß der Gestaltung unter Berücksichtigung der vom Gesetz vorgegebenen Grenzen selbst auszuwählen. §§ 315 Abs. 3 S. 2 und 319 Abs. 1 S. 2 BGB, die die richterliche Festsetzung der Leistung vorsehen, zählen hierzu302. Nach dieser generellen Beschreibung der Begriffe des Gestaltungsklagerechts und der Gestaltungsklage ist weiter zu untersuchen, ob das Ermäßigungsrecht der Vertragsstrafen als Gestaltungsklagerecht in dem vorgenannten Sinne qualifiziert werden kann. 2. Die Charakterisierung des Herabsetzungsrechts als Gestaltungsklagerecht Es besteht im Schrifttum weitgehende Einigkeit darüber, dass das Vertragsstrafenherabsetzungsrecht ein Gestaltungsklagerecht ist303. Das Recht auf Herabsetzung wird zwar dem Schuldner eingeräumt, es muss aber richterlich ausgeübt werden. Die entsprechende Klage kann als unechte Gestaltungsklage bezeichnet werden, da das gleiche Ergebnis, also die Modifizierung der bestehenden Strafe, auch durch eine Privatvereinbarung erreicht werden kann. Dabei handelt es sich um ein konstitutives, rechtsgestaltendes Urteil. Die richterliche Entscheidung betrifft das Rechtsverhältnis selbst nicht. Nur die Strafhöhe, die den angemessenen Betrag übersteigt, wird als unverhältnismäßig hoch festgestellt und zugleich auf den angemessenen Betrag herabgesetzt. Das Urteil weist gleichzeitig einen deklaratorischen und einen konstitutiven Charakter auf. Der Letztere aber überwiegt, weil der Erstere nur eine notwendige Vorstufe der Rechtsänderung ist. Zudem gehört dieser Fall zur Gruppe der Gestaltung aufgrund richterlichen Ermessens, da die Vorschrift des § 343 BGB dem Gericht ein Maß an Ermessensfreiheit einräumt, wie es die Gestaltung ausführen will304. Die Gegenmeinung ist der Ansicht, dass es um eine bloße Feststellungsklage

302

Mehr dazu in Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 5 ff. Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 1 b; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 37 V; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II a; Bötticher, ZfA 1970, 3, 34 f.; HkBGB/Schulze, § 343 Rn. 5; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 1; PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 10 f.; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 16; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 8; Staudinger/ Rieble, § 343 Rn. 50. Aus der älteren Literatur siehe Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 15 ff.; Planck/Siber, § 343 Bem. 1; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 3. 304 Generell zum richterlichen Ermessen siehe Rothe, AcP 151 (1951), 33 ff. 303

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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gehe305 und die Herabsetzung nichts anderes als eine durch Klage vollzogene Anfechtung des unverhältnismäßig hohen Betrages sei306. Dies überzeugt indes nicht. Das Herabsetzungsurteil, wie jedes konstitutives Urteil, besteht aus zwei Elementen: der Feststellung und dem Vollzug der Rechtsänderung. Diese Feststellung betrifft aber nur das Recht auf Änderung und nicht das geänderte Recht. Außerdem gibt der klare und eindeutige Wortlaut der hier geprüften Vorschrift den Ton an. Die Strafe kann „durch Urteil“ herabgesetzt werden. Dies bedeutet, dass das stattgebende Urteil das einzige Mittel ist, um die Herabsetzung herbeizuführen. Dies spricht für den konstitutiven Charakter der Klage selbst307. Im Zusammenhang mit der Natur des Ermäßigungsrechts geht Rieble davon aus, dass es zwar um ein Gestaltungsklagerecht gehe, aber kein subjektives Privatrecht auf Ermäßigung existiere308. Wie bereits erwähnt, führt diese Ansicht zum Ergebnis, dass ein öffentlich-rechtlicher gegen den Staat gerichteter Anspruch die Basis des Gestaltungsklagerechts darstelle309. Nach den obigen Ausführungen kann diese Meinung nicht akzeptiert werden. Gegenstand der Gestaltungsklage ist ein privatrechtliches Recht, das gegen den Gläubiger gerichtet ist. Die von Rieble vertretene Meinung, dass der Gesetzgeber ein subjektives Recht einführen könnte, aber darauf bewusst verzichtet habe, geht auf die Entstehungsgeschichte des BGB zurück. Tatsächlich steht in den Materialien des § 343 BGB, dass der Gesetzgeber andere Mittel zur Bekämpfung der übermäßigen Vertragsstrafen abgelehnt hat. Grund dazu war aber nicht die Absicht, dem Schuldner ein subjektives Privatrecht (z. B. automatische Teilunwirksamkeit) zu verweigern, sondern die Zielvorstellung, dieses Recht durch die Sicherheit einer richterlichen Beurteilung zu bewaffnen310. Ein Recht auf Ermäßigung besteht, solange die materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Es kann allerdings nur richterlich ausgeübt werden.

305

Hölder, Das Recht 1900, 161, 162; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 138 ff. Vgl. Hölder, Das Recht 1900, 161. 307 Vgl. Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, S. 151. A. A. vertritt Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 140, der der gesetzlichen Formulierung einen Irrtum des Gesetzgebers über die tatsächlichen Strukturen des von ihm geschaffenen Instituts aber ohne weitere Begründung zuschreibt. 308 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 51. 309 Vgl. oben Teil 2 B. I. 1. 310 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 547: „Der Vorschlag, das Strafversprechen insoweit für unwirksam zu erklären, als die Strafe in auffälligem Mißverhältnisse zu dem berechtigten Interesse des Gläubigers stehe, fand nicht Zustimmung, da daraus, die nicht angemessene Konsequenz sich ergeben würde, daß der Richter die Strafe von Amtswegen herabsetzen könne und daß auch die bezahlte Strafe unter Umständen mit der condictio indebiti zu dem betreffenden Theile zurückgefordert werden könne. Eine solche Regelung entspreche auch nicht dem französischen Rechte und dem Schweizer Obligationenrechte.“ 306

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

II. Die richterliche Ausübung des Herabsetzungsrechts 1. Allgemeines In Fällen wie z. B. der §§ 315 Abs. 3 S. 2, 319 Abs. 1 S. 2 BGB, in denen man von der richterlichen Festsetzung der Leistung spricht, oder auch der §§ 343, 655 BGB, in denen die Rede von einer richterlichen Herabsetzung der Leistung ist, kann die Rechtsgestaltung auf zwei Arten eintreten: entweder durch direkte Klage des Berechtigten auf die Gestaltung oder durch die Antwort des Beklagten auf die Klage. Es ist daher nicht notwendig, dass der zur Herabsetzung berechtigte Schuldner eine Klage oder Widerklage gegen die Leistungsklage des Gläubigers erhebt. Die Rechtsgestaltung kann auch durch Ausübung des Ermäßigungsrechts einredeweise stattfinden, da der Richter nicht verpflichtet ist, sie in den Tenor des Urteils ausdrücklich aufzunehmen. Dies entspricht dem Kern der sog. verdeckten Gestaltung. Klagt der Gläubiger beispielsweise auf die Erbringung der vereinbarten Strafsumme und erhebt der beklagte Schuldner die Einrede der Herabsetzung, dann tritt die Gestaltung durch die Stattgebung der Einrede und die Verurteilung zu einer niedrigeren Strafe ein311. Neben der typischen Fallgestaltung der Ausübung des Rechts durch die Erhebung einer Gestaltungsklage gibt es demgemäß andere Alternativen, die dem Schuldner zur Verfügung stehen. Er kann sein Recht nicht nur angriffsweise, also durch selbstständige Gestaltungsklage, sondern auch verteidigungsweise, das heißt durch Einrede, ausüben, wenn ihn der Gläubiger auf Erbringung der Strafleistung verklagt. Dem Schuldner eröffnen sich mehrere Möglichkeiten: Er kann eine eigenständige Klage auf Herabsetzung (unten 2.) oder eine Widerklage (unten 3.) erheben. Außerdem ist er berechtigt, die Einrede der Herabsetzbarkeit der Strafe zu erheben, falls der Gläubiger zuerst den Rechtsweg beschreitet (unten 4.). Soweit schließlich Gegenstand der Strafvereinbarung keine Leistung, sondern der Verlust eines Rechts ist (bei Vorliegen einer sog. Verwirkungs- oder Verfallklausel), dann übt der Schuldner sein Ermäßigungsrecht aus, indem er auf sein Recht klagt (unten 5.). 2. Die eigenständige Klage des Schuldners auf Herabsetzung Bereits ein kurzer Blick auf § 343 BGB ergibt, dass der Antrag des Schuldners Voraussetzung für die Herabsetzung ist. Antrag bedeutet aber nicht nur eine eigenständige Klage. Diese entspricht zwar dem üblichen Fall, es gibt daneben jedoch auch die Möglichkeit zur Ausübung des Herabsetzungsrechts in verteidigender Weise. Daraus ergibt sich, dass man von Herabsetzung sprechen darf, soweit ein Antrag seitens des Schuldners vor Gericht im Rahmen eines Prozesses gestellt wird. In diesem Sinne kann der Antrag nur prozessualer und nicht materiell-rechtlicher Natur sein312. Es spielt dabei keine Rolle, welche Form (Klage oder Einrede) dieser 311 312

Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 12. So auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 1 b; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 85.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Antrag hat313. Das Erfordernis eines Antrags betont den Schutzcharakter der Vorschrift zugunsten des Schuldners. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Richter auch von Amts wegen in die Strafvereinbarung einmischen darf. Nur der Schuldner hat die Befugnis, die eigenen Interessen zu schützen und der Strafmilderung den Weg zu eröffnen314. Da der „Antrag“ den Oberbegriff bildet, gelten die folgenden Darstellungen nicht nur für die Klage, sondern für jeden Herabsetzungsantrag, der vor Gericht gestellt wird. Solange Differenzierungen anhand der jeweiligen Form notwendig sind, werden sie gesondert behandelt. a) Prozessvoraussetzungen im Hinblick auf das Gericht Hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Prozess vor Gericht (Gerichtsbarkeit, internationale, sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit) gelten die Regelungen des Zivilprozessrechts. Näher betrachtet ist Folgendes festzustellen: Für die sachliche Zuständigkeit der Herabsetzungsklage sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 23 und 71 GVG für die Zuständigkeit der Amtsgerichte und der Landgerichte anzuwenden. Die Wertberechnung findet gemäß §§ 2 – 9 ZPO statt. Hier muss betont werden, dass kein bestimmter Streitgegenstand vorliegt, dessen Wert nach einem Antrag des Klägers berechnet werden kann. Wie im Weiteren erwähnt wird315, kann der Antrag des klagenden Schuldners unbeziffert sein. Er muss also nur die Neugestaltung des Strafverhältnisses ohne nähere Angabe des erwünschten Betrages, auf den die Strafe herabzusetzen ist, verlangen. Der Wert dieser Gestaltung ist nicht zu berechnen. Die Lösung, die Rechtssicherheit gewährleisten und den Richter von einer Streitwertberechnung befreien kann, ist die Betrachtung der Gesamthöhe der Vertragsstrafe als Streitwert, da in Wirklichkeit dieser Gesamtbetrag zur Prüfung ansteht316. Die örtliche Zuständigkeit wird nach §§ 12 ff. ZPO geregelt. Da der allgemeine Gerichtsstand einer Person durch seinen Wohnsitz bestimmt wird (§ 13 ZPO), sind die Gerichte des Wohnsitzes des beklagten Strafgläubigers örtlich zuständig. Für die juristischen Personen gilt der allgemeine Gerichtsstand des Sitzes gemäß § 17 ZPO317. Maßgeblich ist auch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach 313

Vgl. RG v. 01. 05. 1903, DJZ 1903, 429 Nr. 86, als auch MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 12 und Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 84. 314 St. Rspr.: BGH v. 22. 01. 1993, NJW-RR 1993, 464 = MDR 1994, 252; BGH v. 22. 05. 1968, NJW 1968, 1625 = DB 1968, 1266. Anders aber Art. 163 Abs. 3 OR, wonach der Richter die Angemessenheit der Konventionalstrafe auch von Amts wegen prüfen darf, solange die Strafhöhe bestritten wird. Mehr dazu in Bentele, Die Konventionalstrafe nach Art. 160 – 163 OR, S. 126 f. 315 Mehr dazu unten Teil 2 B. II. 2. c). 316 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 87. 317 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §§ 34 f.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

§ 29 ZPO. Die Vorschrift gilt für alle Klagen aus Vertragsschuldverhältnissen. Der Erfüllungsort betrifft die Strafleistung selbst und nicht das Herabsetzungsrecht. Für die Herabsetzungsklage ist aber der Erfüllungsort der Vertragsstrafe maßgeblich318. Dieser wird nach dem materiellen Recht (§§ 269, 270 BGB) bestimmt. Wegen der Akzessorietät der Vertragsstrafe ist schließlich der Erfüllungsort der gesicherten Hauptverbindlichkeit bestimmend319. Jedenfalls können sich die Parteien auf einen besonderen Gerichtsstand für die Vertragsstrafe einigen. b) Prozessvoraussetzungen im Hinblick auf die Parteien Für die Prozesshandlungsvoraussetzungen, genauer gesagt die Prozessvoraussetzungen im Hinblick auf die Parteien (besonders die Partei- und die Prozessfähigkeit), gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO. Die Prozessführungsbefugnis, das heißt die Befugnis, einen Rechtsstreit im eigenen Namen über ein eigenes oder ein fremdes Recht als Partei zu führen, besitzt für die Herabsetzungsklage grundsätzlich der Schuldner. Der Nachfolger anstelle des Strafschuldners durch Schuldübernahme320, Erbfolge321 oder generell Universalsukzession (z. B. Nachfolge in einem Unternehmen)322 erwirbt das Ermäßigungsrecht, wie es dem anfänglichen Schuldner zustand, und kann es autonom ausüben. Sofern aber ein Sicherungsgeber (z. B. Bürge) neben dem Hauptschuldner haftet, dann kann er die Ermäßigungsklage nicht erheben. Er darf aber dieses Recht gegen den Strafgläubiger einredeweise gemäß §§ 768, 770, 1211 BGB geltend machen323. 318 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 58: „Die Herabsetzungsklage hat keinen eigenen Erfüllungsort, weil die Herabsetzung wie jeder Gestaltungsakt nicht durch Zutun des Schuldners „erfüllbar“ ist, sondern sich selbst vollstreckt. Deshalb ist für sie der Erfüllungsort derjenigen Vertragspflicht maßgeblich, die durch die Entscheidung umgestaltet werden soll.“ 319 RG v. 29. 05. 1908, RGZ 69, 9, 12; OLG Hamm v. 20. 01. 1989, NJW 1990, 652, 653; Bengelsdorf, BB 1989, 2390, 2395; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 90; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 13; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 24; RGRK/Ballhaus, § 339 Rn. 32; a. A. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 448, der die Ansicht eines eigenen Erfüllungsorts für die Vertragsstrafe vertritt. Hinsichtlich ausschließlicher oder besonderer Zuständigkeiten siehe Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 449 f.; ders., JZ 2009, 716. 320 Vor dem Strafverfall ist die isolierte Schuldübernahme ohne die abgesicherte Pflicht wegen des Akzessorietätsprinzips nicht möglich. Nach dem Verfall ist sie denkbar. Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 408 ff.; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 36; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 84. 321 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 412. 322 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 413 ff.; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 37 ff. 323 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 435; § 343 Rn. 52, 97. Vgl. auch Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 31 ff. Seiner Ansicht nach soll die folgende Unterscheidung stattfinden: ein Gläubigerwechsel ist durch Abtretung des Strafanspruchs nach Strafverfall denkbar, da es um einen autonomen Anspruch nach der Verwirkung geht. Dagegen ist ein Gläubigerwechsel als Abtretung eines künftigen Anspruchs vor dem Verfall nicht möglich, da das Akzessorietätsprinzip es ausschließt.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Passiv erhebt der Schuldner das Ermäßigungsrecht gegen den Strafgläubiger. Da ein Personenwechsel jedoch auch auf der Gläubigerseite stattfinden kann, darf der Schuldner von dieser Entwicklung nicht beeinträchtigt werden. Daraus folgt, dass das Herabsetzungsrecht gegen den jeweiligen Träger des Strafanspruchs ausgeübt werden kann324. c) Prozessvoraussetzungen, die die Klage betreffen Im Hinblick auf diese Prozessvoraussetzungen wurde bereits erläutert, dass das Ermäßigungsrecht einklagbar ist. Bezüglich der Rechtshängigkeit eines anderen gleichgerichteten Verfahrens ist zu betonen, dass die Klage gegen den Schuldner auf Erbringung der Strafleistung die Herabsetzungsklage ausschließt. Der Schuldner kann sein Recht jedoch durch Einrede im Rahmen des eröffneten Rechtsweges geltend machen. Umgekehrt verhindert die Erhebung der Herabsetzungsklage die Erhebung der Strafklage aufgrund von Rechtshängigkeit325. Darüber hinaus darf noch nicht rechtskräftig über den Strafanspruch entschieden sein. Liegt ein Feststellungs- oder ein Leistungsurteil vor, das den Strafanspruch auf eine bestimmte Höhe anerkennt oder den Schuldner zu einem konkreten hohen Strafbetrag verurteilt326, dann greift § 767 Abs. 2 ZPO ein. Demgemäß muss der beklagte Schuldner die Einrede der Herabsetzbarkeit bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung erheben. Andernfalls ist Präjudiziabilität gegeben und eine Herabsetzungsklage ist nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr zulässig. Das Gleiche gilt auch für eine Vollstreckungsabwehrklage, die aufgrund der Unverhältnismäßigkeit der Strafe gegen das Strafleistungsurteil gerichtet ist327. Das wird dadurch erklärt, dass das Ermäßigungsrecht, das dem Schuldner zusteht, so eng mit dem Strafanspruch verbunden ist, dass das jeweilige Urteil (Ver- oder Ausurteilung) hinsichtlich dieses Anspruchs gemäß § 767 Abs. 1 ZPO alle entsprechenden Einwendungen deckt, die im Erkenntnisverfahren vorgebracht werden könnten, aber nicht vorgebracht wurden. Soweit jedoch der Grund der Herabsetzbarkeit erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden ist, kann eine Vollstreckungsgegenklage zulässig erhoben werden. Strittig ist dabei die Frage, ob die Gestaltungsrechte (z. B. Anfechtung, Rücktritt, Widerruf, Minderung) auch noch nach Eintritt der Rechtskraft ausgeübt werden können, obwohl ihre Ausübung, das heißt die Abgabe der jeweiligen Willenserklärung, auch während des Prozesses hätte erfolgen können. Die herrschende Meinung lehnt die Einräumung einer solchen

324

Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. a). Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 56. 326 Ein und dasselbe Schuldverhältnis (hier die Vertragsstrafe) kann die Basis sowohl einer Leistungs- als auch einer Feststellungs- oder einer Gestaltungsklage sein. 327 In der älteren Literatur vgl. schon Planck/Siber, § 343 Bem. 1. Aus den neueren Autoren siehe Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 57, 91. 325

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Freiheit zu Recht ab328. Die Ausübung eines Gestaltungsrechts, das bereits vor Ende der letzten Tatsachenverhandlung existent war und dessen Träger es unterlassen hat, dieses auszuüben, ist wegen des Grundsatzes der Konzentration nicht mehr zulässig. Die Gegenmeinung, die den Akzent auf die Ausübung und nicht auf die Entstehung setzt329, ist nicht zu akzeptieren, da das Prozessrecht die Ausübung materieller Rechte begrenzen darf, um Interessen des Prozesses (z. B. die Beschleunigung des Verfahrens) zu schützen und missbräuchliches oder fahrlässiges Verhalten (wie im Fall des Beklagten, der ein Recht hat, aber es vorsätzlich oder fahrlässig nicht geltend macht) zu sanktionieren. Gestaltungsklagerechte haben grundsätzlich die gleiche Natur wie alle anderen Gestaltungsrechte, deshalb gibt es keinen Grund zu einer differenzierten Behandlung330. Solange die Herabsetzungsklage vor der Strafleistungsklage erhoben wird, schließt die Rechtskraft des Gestaltungsurteils die Leistungsklage nicht aus. Die Strafhöhe ist allerdings bereits richterlich bestimmt, daher darf das urteilende Gericht diese nicht erneut bemessen, sondern den Schuldner nur zum bestimmten Strafbetrag verurteilen. Die Klage selbst ist an die Voraussetzungen des § 253 ZPO gebunden, um ordnungsgemäß erhoben zu sein. Demgemäß muss sie als Klageschrift eingereicht und zugestellt werden. Hinsichtlich der bestimmten Angabe des Prozessgegenstandes muss die Klageschrift die Personen des Strafanspruchs (Gläubiger und Schuldner), den Inhalt dieses Anspruchs, dessen Höhe und eine Beschreibung des abgesicherten Rechts erhalten, solange ein unselbstständiges Strafversprechen vorliegt. Erforderlich ist außerdem ein bestimmter Antrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Bestimmtheit ist immer dann gegeben, wenn der Kläger deutlich vorbringt, welchen Rechtsschutz er verlangt, wenn eine Leistung, eine Feststellung oder eine Gestaltung stattfinden muss. Fraglich ist aber, ob der Kläger auch einen bezifferten Klageantrag stellen muss. Bei der richterlichen Ermäßigung der Vertragsstrafe kann die endgültige Höhe der Strafleistung erst durch das Herabsetzungsurteil nach Ermessen des Richters bestimmt werden. Wäre der Kläger verpflichtet, die Herabsetzung auf einen nach seinen Vorstellungen bestimmten Betrag zu begehren, dann hätte das richterliche Ermessen keinen Sinn mehr, da das Gericht die Strafe nur auf die begehrte Höhe herabsetzen müsste. Außerdem wäre der Kläger mit der Last beschwert, das richterliche Urteil vorwegzunehmen. So hat der Kläger die unbestrittene Freiheit, eine Herabsetzung nach richterlichem Ermessen zu verlangen, ohne die erwünschte Höhe der Strafminderung vorab oder während des Verfahrens zu beziffern331. Die 328

St. Rspr.: BGH v. 21. 04. 1980, NJW 1980, 2527 = MDR 1980, 826; BGH v. 22. 01. 1964, BGHZ 41, 30, 37 = NJW 1964, 811; BGH v. 24. 10. 1962, BGHZ 38, 122, 123 = JZ 1963, 475 = NJW 1963, 244; BGH v. 16. 02. 1961, BGHZ 34, 274 = NJW 1961, 1067; BAG v. 20. 06. 1990, JurionRS 1990, 17503; BAG v. 06. 05. 1956, BAGE 3, 17, 19 = NJW 1956, 1007. In der Literatur siehe statt vieler Zöller/Herget, § 767 ZPO Rn. 14 m. w. N. 329 Vgl. nur Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 155 Rn. 4 m. w. N. 330 So auch Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 91. 331 BGH v. 18. 03. 2010, DB 2010, 8; BGH v. 22. 05. 1968, NJW 1968, 1625, 1626 = MDR 1968, 751. In der Literatur vgl. Erman/Schaub, § 343 Rn. 6; Hk-BGB/Schulze, § 343 Rn. 3;

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Rechtsprechung hat jedoch das Prinzip eingeführt, dass der Kläger eine gewisse Größenordnung angeben muss332. Konkret bedeutet das, der klagende Schuldner sei verpflichtet, die Unter- und Obergrenze des Spielraums festzusetzen, in dem sich der Richter bewegen müsse. Diese Ansicht ist bei der Strafermäßigung abzulehnen, da eine solche Begrenzung das Ermessen des Richters beschränken könnte333. Zudem müsste der Schuldner die richterliche Beurteilung von vorherein erraten. Die Anforderung an diese Angabe hat sich durch die neuere Rechtsprechung relativiert, da sie keine Zulässigkeitsvoraussetzung mehr darstellt334 und, selbst wenn sie vorhanden ist, für den Richter nicht als bindend betrachtet wird335. Die Herabsetzungsklage folgt der Regel der Unzulässigkeit der außerprozessualen Bedingungen. Eine interprozessuale Bedingung ist jedoch zulässig, indem das Erheben einer Gestaltungsklage von der richterlichen Anerkennung einer wirksamen Vertragsstrafe abhängig gemacht werden kann336. d) Andere Elemente, die den Prozessverlauf betreffen Der Prozess im ersten Rechtszug verläuft nach §§ 253 ff. ZPO. Der Strafanspruch kann getrennt vom abgesicherten Recht geltend gemacht werden337. Liegen beispielsweise die Voraussetzungen des Urkundenprozesses (insbesondere der durch Urkunden gelieferte Beweis einer Geldstrafe und ihre Verwirkung) vor, dann ist der Strafanspruch nach diesem Prozess geltend zu machen. Da der Herabsetzungsprozess die Gestaltung der Strafhöhe betrifft, muss die gleiche Prozessart auch die Ermäßigung decken, so dass eine Einheit sichergestellt wird. Die Klagerücknahme wird nach § 269 ZPO geregelt. Bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung ist die Einwilligung des Beklagten daher nicht erforderlich (Abs. 1), während sie vorhanden sein muss, falls die Rücknahme bis zur Rechtskraft des Urteils erfolgt (Abs. 2). Die Rücknahme schließt die Erhebung einer neuen Klage mit dem gleichen Inhalt nicht aus (Abs. 6), solange sie nicht als Verzicht auf das Herabsetzungsrecht charakterisiert werden kann.

Jauernig/Stadler, § 343 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 5; PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 10; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 14; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 8; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 87; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 40. 332 Vgl. statt vieler BGH v. 01. 02. 1966, BGHZ 45, 91, 93 = JZ 1966, 276 = MDR 1966, 494. 333 In diese Richtung Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 87. 334 BGH v. 02. 02. 1999, BGHZ 140, 335, 341 = MDR 1999, 545 = NJW 1999, 1339; BGH v. 30. 04. 1996, BGHZ 132, 341, 351 f. = NJW 1996, 2425; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 39. 335 BGH v. 30. 04. 1996, BGHZ 132, 341 = NJW 1996, 2425. 336 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 85; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 23 ff. 337 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 443.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Dagegen führt der Klageverzicht gemäß § 306 ZPO, das heißt der Verzicht des vom Kläger geltend gemachten prozessualen Anspruchs, zu einem Endurteil, das die Klage als unbegründet abweist. Dieses Urteil verhindert eine neue Klage, sofern es rechtskräftig wird. Der Verzicht kann nur einen Teil der Gestaltungsklage betreffen, aber das Gericht ist gemäß § 308 ZPO an den Teilantrag gebunden. Ein abgeschlossener Prozessvergleich nach §§ 278 Abs. 6, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, der die Strafhöhe betrifft, beendet den Rechtsstreit und die Rechtshängigkeit prozessual ohne gerichtliche Entscheidung. Ihm kommt keine Rechtskraftwirkung zu. Er wirkt insbesondere materiell-rechtlich, da er die Strafvereinbarung modifiziert. Aus diesem Grund liegt eine neue Klage des Schuldners ohne Gegenstand vor, da die Strafe bereits gemindert worden ist. Das streitige Endurteil ist nicht das einzige Mittel zur Beendigung des Prozesses. Außer einem stattgebenden (Gestaltungs-) oder einem abweisenden Urteil kann auch ein Anerkenntnis (§ 307 ZPO) oder ein Verzicht zu einem Urteil führen. Das Anerkenntnis, das heißt die Erklärung des Beklagten gegenüber dem Gericht, dass das geltend gemachte Ermäßigungsrecht ganz oder teilweise besteht, bindet den Richter. Dieser muss dem Antrag gemäß urteilen. Wird das über die Höhe der Vertragsstrafe erlassene Anerkenntnisurteil rechtskräftig, so kann keine Herabsetzungsklage mehr erhoben werden. 3. Die Widerklage als Weg zur Geltendmachung des Ermäßigungsrechts Das Herabsetzungsrecht kann auch durch die Erhebung einer Widerklage ausgeübt werden338. Wenn der Strafgläubiger auf Bezahlung der Vertragsstrafe klagt, dann kann der beklagte Schuldner sein Gegenrecht, nämlich das Ermäßigungsrecht, im Rahmen des anhängigen Prozesses ausüben. Der Strafanspruch kann durch Erhebung einer Feststellungs- oder Leistungsklage geltend gemacht werden. Die Widerklage des Schuldners, dessen Antrag auch Gegenstand einer selbstständigen Klage sein könnte, stellt jedoch ein Angriffsmittel dar, das aus prozessökonomischen Gründen zusammen mit der Klage zu behandeln ist. Die für die Klage geltenden Regelungen finden auch auf die Widerklage ohne besondere Erwähnung Anwendung. Die wirksame Erhebung der Widerklage hängt deshalb wie jede Klage vom Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen ab, wie sie bereits für die selbstständige Ermäßigungsklage beschrieben wurden. Infolgedessen gilt die Forderung nach einer Bezifferung des Klageantrags auch für die Widerklage nicht. Im Folgenden werden nur die Prozessvoraussetzungen erörtert, die bei Widerklagen besondere Probleme aufwerfen339. 338

Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 55. Umfassend die Voraussetzungen in Zöller/Vollkommer, § 33 ZPO Rn. 1 ff.; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 96 Rn. 7 ff. 339

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Zunächst ist die sachliche Zuständigkeit nach dem Prinzip geregelt, dass das Gericht, bei dem die Klage angebracht wurde, auch für die Widerklage sachlich zuständig sein muss. Des Weiteren greift § 33 Abs. 1 ZPO für die örtliche Zuständigkeit ein. Wenn der Gegenstand der Widerklage mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch in sachlichem Zusammenhang steht, dann wird der besondere Gerichtsstand der vorgenannten Vorschrift begründet. Darüber hinaus muss eine andere Klage (sog. Hauptklage) schon und noch rechtshängig sein. Die Widerklage kann nicht denselben Gegenstand haben. Wenn also der Gläubiger auf Erbringung der Strafleistung klagt, dann kann auch der beklagte Schuldner auf sein eigenes Recht klagen. Unterschiedliche Streitgegenstände sind bei der Widerklage auf Herabsetzung der Vertragsstrafe gegenüber einer Klage auf Feststellung oder Leistung der Vertragsstrafe anzunehmen. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in erster Instanz darf diese erhoben werden. Sie kann weder als Angriffs- noch als Verteidigungsmittel im Sinne des § 296 ZPO charakterisiert werden. Sie stellt den Angriff selbst dar und fällt damit nicht unter § 296 ZPO340. In der Berufungsinstanz ist die Widerklage nur unter Berücksichtigung des § 533 ZPO zulässig, wenn der Gegner (der Strafgläubiger) einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und die Widerklage sich auf Tatsachen stützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. In der Revisionsinstanz ist eine solche Klage jedoch unzulässig. Neben der vorausgesetzten Rechtshängigkeit der Hauptklage muss die Widerklage in der gleichen Prozessart zulässig sein. Falls sich die Klage auf den Strafanspruch beispielsweise in einem Urkundenprozess bezieht, dann ist die Widerklage gar unzulässig (§ 595 Abs. 1 ZPO). Die letzte Prozessvoraussetzung betrifft die sog. Konnexität. Konnexität oder Sachzusammenhang ist dann gegeben, wenn „Ansprüche und Gegenansprüche aus demselben Tatbestand hergeleitet werden, oder, soweit sie aus verschiedenen Tatbeständen sich ergeben, diese in einem Bedingungsverhältnis zueinander stehen, oder, wenn Anspruch und Gegenanspruch verschiedenen Rechtsverhältnissen entspringen, diese nach ihrem Zweck und nach der Verkehrsanschauung wirtschaftlich als ein Ganzes, als ein innerlich zusammengehöriges Lebensverhältnis erscheinen.“341

Nach dieser Definition ist die Konnexität jeder Herabsetzungswiderklage mit der entsprechenden Hauptklage gegeben, da das Ermäßigungsrecht auf dem gleichen Lebensverhältnis beruht und getrennt vom Strafanspruch nicht konzipiert werden kann.

340 Vgl. BGH v. 23. 04. 1986, NJW 1986, 2257 = MDR 1986, 843; BGH v. 12. 02. 1981, NJW 1981, 1217 = MDR 1981, 664. 341 BGH v. 21. 02. 1975, NJW 1975, 1228 = MDR 1975, 566.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

4. Die Geltendmachung des Herabsetzungsrechts durch Einrede Die einfachste Art der Geltendmachung des Ermäßigungsrechts gemäß § 343 BGB ist die Erhebung der entsprechenden Einrede. Diese Ausübung setzt allerdings die Erhebung einer Feststellungs- oder Leistungsklage seitens des Strafgläubigers voraus. Ohne Klage, das heißt ohne bereits eröffneten Prozessweg, kann man nicht von dieser Einrede sprechen342. Die Einrede ist für den Beklagten kostenlos und kann ihm genau wie die Gestaltungsklage einen effektiven Schutz bieten. Allgemein gesagt basiert die Einrede auf einer Gegennorm, die der sog. Grundnorm, der rechtsbegründenden Norm, entgegensteht. Wird der Tatbestand dieser Gegennorm erfüllt, dann tritt die entsprechende Rechtsfolge ein, welche die Wirksamkeit der Rechtsfolge der Grundnorm so beseitigt, dass die Klage teilweise oder vollständig als unbegründet abgewiesen werden muss. Auf die Klage des Gläubigers kann der Schuldner freilich durch Leugnung des Klagegrundes antworten. Er kann nämlich behaupten, dass der Strafanspruch nicht existiert oder eine niedrigere Höhe hat. Die Einrede bringt jedoch die Last mit sich, dass der Beklagte seine Behauptung selbst beweisen muss. Hilfreich für das konkrete Verständnis der Wirkung der Einreden ist die Darstellung der entsprechenden Gruppen, in die die Literatur die Einreden teilt. Traditionell sind rechtshindernde, rechtsvernichtende und rechtshemmende Gegennormen und folglich Einreden zu unterscheiden. Die rechtshindernden Einreden entfalten ihre Wirkung bei der Geburt des jeweiligen Rechts von der rechtsbegründenden Norm. Sie hindern den Eintritt der Rechtsfolgen, die diese vorsieht (z. B. die Einreden der Gesetzes- und der Sittenwidrigkeit nach §§ 134, 138 BGB). Eine weitere Gruppe bilden die rechtsvernichtenden Einreden, die nach dem Eintritt der Rechtsfolgen der rechtsbegründenden Norm wirken und diese beseitigen. So wirkt z. B. die Erfüllung (§ 362 BGB) rechtsvernichtend. Rechtshemmende Einreden verhindern weder die Begründung eines Rechts noch vernichten sie es nach seiner Entstehung. Sie verhindern lediglich die Ausübung des Hauptrechts, ohne jedoch seine Existenz zu berühren. Macht der Beklagte z. B. geltend, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch verjährt ist, dann verliert der Kläger sein Recht nicht, aber kann es nicht mehr ausüben343. Bei der Natur der Einrede der Herabsetzbarkeit einer Konventionalstrafe handelt es sich um eine rechtsvernichtende Einrede. Während §§ 340 Abs. 1, 341 Abs. 1 BGB das Recht auf eine Vertragsstrafe begründen, funktioniert § 343 BGB vernichtend. Das bedeutet, dass die erfolgreiche Geltendmachung der Einrede die Begründung des Strafanspruchs nicht verhindert, da diese Einrede von anderen Voraussetzungen (z. B. Verwirkung) und nicht von der Strafhöhe abhängig ist. Die Einrede des § 343 BGB wirkt sich ebenfalls nicht hemmend aus, da man von keiner 342 343

Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 98. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 102 Rn. 5 ff.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Paralyse der Ausübung des Hauptrechts, sondern von einem Verlust spricht. Eigentlich steht man vor einer teilweisen Vernichtung des Strafanspruchs: Falls der Richter der erhobenen Einrede stattgibt, dann ist er verpflichtet, den Strafanspruch herabzusetzen und die Klage entsprechend zurückzuweisen. Demzufolge verliert der Gläubiger seinen Anspruch endgültig bis auf den angemessenen Betrag, auf den die Strafe herabgesetzt wird. Wie jede Einrede muss auch diese vom Beklagten vorgebracht werden. Eine besondere Form für diese Geltendmachung gibt es jedoch nicht. Er kann die Einrede ausdrücklich, also in einem Schriftsatz, oder während der mündlichen Verhandlung, geltend machen. Die Einrede kann aber auch konkludent erhoben werden. Auf jeden Fall muss der beklagte Schuldner solche Tatsachen in den Prozess einführen, die sein Ermäßigungsrecht begründen, und dem Gericht seine Absicht klarmachen, dass er eine Herabsetzung erwartet344. Die bloße Bestreitung der Strafhöhe kann aber üblicherweise nicht als Einrede qualifiziert werden und schließt damit die Anwendung des § 343 BGB aus345. Keinen Antrag stellt die Einrede der Nichteinhaltung der Formerfordernisse bei der Vereinbarung der Strafklausel und der Verjährung des Strafanspruchs dar. Hinsichtlich der Bezifferung der Einrede gilt das Gleiche wie beim Klageantrag. Die Einrede kann nur im Rahmen des Prozesses erhoben werden. Das hat zur Folge, dass das Recht vor der Eröffnung des Prozesses, also außergerichtlich, nicht ausgeübt werden kann346. Wenn der Gläubiger die verwirkte Strafe verlangt, dann kann der Schuldner das Bewirken der Leistung nicht verweigern (wie z. B. bei der Einrede des nicht erfüllten Vertrages), weil diese seiner Meinung nach zu hoch sei. Einzige Ausnahme bildet der Fall der Sicherung seitens einer dritten Person. Wenn ein Sicherungsgeber (z. B. Bürge, Pfandgeber, Eigentümer eines durch Hypothek belasteten Grundstücks zur Sicherung einer Forderung gegen den persönlichen Schuldner) neben dem Hauptschuldner haftet und das Sicherungsmittel auch die

344 BGH v. 22. 01. 1993, NJW-RR 1993, 464 = DB 1993, 1280; RG v. 01. 05. 1903, DJZ 1903, 429; OLG Karlsruhe v. 07. 11. 1906, Das Recht 1907, Nr. 3062. Mehr zur Möglichkeit des Schuldners, sein Recht einredeweise auszuüben, siehe in Hölder, Das Recht 1900, 161, 162; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 3 a; Rehbein, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Bd. II, S. 241; Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, S. 150; Planck/Siber, § 343 Bem. 1 (anders aber in der 3. Aufl.); Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 34 ff. In der neueren Literatur vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 1 b; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 138 ff.; Bötticher, ZfA, 3, 40; NK-BGB/Walchner, § 343 Rn. 5; Bamberger/Roth/Janoschek, § 343 Rn. 7; Erman/Schaub, § 343 Rn. 6; Hk-BGB/Schulze, § 343 Rn. 3; Jauernig/Stadler, § 343 Rn. 4; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 12 f.; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 5; PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 10; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 14; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 8; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 93 ff. A. A. ist vereinzelt nur in älteren Werken zu finden. So z. B. Schollmeyer, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 2 a. 345 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 86; a. A. Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 343 Rn. 3 a. 346 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 98.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Vertragsstrafe deckt347, ist er nicht befugt, eine Ermäßigungsklage zu erheben348. Wenn er auf Zahlung beklagt wird oder sein dingliches Recht zur Befriedigung des Gläubigers versteigert wird, kann er sich jedoch auf die Herabsetzungseinrede berufen. Die Erbringung der Leistung in vollem Umfang kann er auch außergerichtlich verweigern, falls der Strafgläubiger diese fordert. Die Erhebung der Einrede ist wie jedes Vorbringen von Tatsachen und Anträgen vor Gericht zeitlich begrenzt. Der Beklagte ist verpflichtet, die Unangemessenheit der Vertragsstrafe bis zum Schluss der letzten Verhandlung in erster Instanz geltend zu machen und die entsprechende Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage zu beantragen. § 296 ZPO bindet ihn nicht, da es sich zwar um eine Einrede handelt und die Einreden generell als Verteidigungsmittel nach § 282 ZPO charakterisiert werden, hier jedoch ein Gestaltungsklagerecht vorliegt, dessen Ausübung von den Beschränkungen der vorgenannten Vorschriften befreit wird349. Die gleiche Behandlung ist auch in der zweiten Instanz erforderlich. Wenn der Beklagte den Antrag erstmals in der Berufungsbegründung stellt, kann ein derartiger Antrag in Form einer Einrede nicht als prozessual verspätet zurückgewiesen werden. Der Antrag auf Strafermäßigung ist kein Verteidigungsmittel im Sinne von §§ 282, 296, 530 ff. ZPO, das rechtzeitig vorzutragen ist, sondern ein selbstständiges Gestaltungsklagerecht350. Der Ermäßigungsantrag ist daher auch zu beachten, wenn er erstmals in zweiter Instanz gestellt wird351. In der Revisionsinstanz darf die Einrede nicht erhoben werden, da diese Instanz keine Tatsachen, sondern nur die Verletzung des materiellen oder des formellen Rechts zum Prüfungsgegenstand hat.

347 Das Pfand deckt die Vertragsstrafe gemäß § 1210 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Hypothek sichert nicht nur die Hauptforderung, sondern auch die Nebenleistungen, unter welche die Vertragsstrafe fällt, solange die Voraussetzung der Grundbucheintragung nach § 1115 Abs. 1 BGB erfüllt wird. Was die Bürgschaft betrifft, gilt § 767 Abs. 1 BGB. Demgemäß sichert die Bürgschaft die Hauptverbindlichkeit in ihrem jeweiligen Bestand ab. Nach Abs. 2 sind auch die Ansprüche aus der Rechtsverfolgung gesichert, zu denen auch die Vertragsstrafe als Sicherungsmittel selbst gehört. Vgl. Staudinge/Rieble, § 339 Rn. 431 ff. 348 Vgl. oben Teil 2 B. II. 2. b). 349 Vgl. MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 12; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 89. Die Ansicht, dass die Ausübung eines Gestaltungsrechts unbegrenzt sein müsse, wird von Prütting/ Gehrlein/Deppenkemper, § 296 ZPO Rn. 7 vertreten. Die Befreiung aber betrifft nur die Pflicht des Beklagten, eine bestimmte Frist nach § 296 ZPO einzuhalten. Dagegen wird die Einrede nach dem Eintritt der Rechtskraft präkludiert, solange die entsprechende Tatsachenbehauptung vor diesem Zeitpunkt schon existent war. Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) ll). 350 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 89. 351 OLG Koblenz v. 29. 08. 2012, JurionRS 2012, 22090. Vgl. zum Einwand der beschränkten Erbenhaftung BGH v. 02. 02. 2010, NJW-RR 2010, 664, 665 = MDR 2010, 649 und zur Verjährung BGH v. 23. 06. 2008, BGHZ 177, 212 ff. = NJW 2008, 3434.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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5. Die mittelbare Herabsetzung der Verfallklauseln Aus der Konstruktion der Vertragsstrafe selbst ergibt sich bereits, dass das vom Schuldner angenommene Übel nicht nur in der Übernahme einer Pflicht zu einer Leistung im Sinne einer Handlung, sondern auch im Verlust eines Rechtes liegen kann352. Diesen Fall, der dadurch gekennzeichnet wird, dass die Herabsetzung nicht durch die Reduktion der Vertragsstrafe auf den angemessenen Betrag erfolgt, kann man als inzidente Ermäßigung bezeichnen. Der Schuldner klagt auf sein verlorenes Recht und nicht auf irgendeine Herabsetzung. Innerhalb der hauptsächlichen Prüfung der bestimmten Rechtsfrage, ob das erloschene Recht wiederbelebt werden muss, ist das Gericht dazu berufen, eine andere rechtliche Frage zu beantworten: Ist dieser Verlust angemessen oder nicht? Die vorliegende Situation zeigt diese Idiomorphie hinreichend auf, deshalb liegt die einzige Ausnahme in der hier vertretenen Auffassung darin, dass eine Herabsetzung auf Null wegen der dadurch bewirkten Vernichtung der Druckfunktion der Vertragsstrafe nicht zulässig ist353. Dies ist mit der folgenden Differenzierung zu bejahen: Ist das Recht, das die Verfallklausel betrifft, unteilbar, dann kann keine teilweise Verurteilung oder Ausurteilung stattfinden. Der Richter ist demnach verpflichtet, die Existenz des Rechts in vollem Umfang anzuerkennen, wenn er die Verfallklausel als übermäßig bewertet. Ist das Recht jedoch teilbar, dann kann eine Herabsetzung in der Form der teilweisen Anerkennung oder Verurteilung des Beklagten in der Art und Weise erfolgen, dass der Charakter der Verfallklausel als Druckmittel nicht vernachlässigt wird.

III. Die Beweislast Die Frage, wie die Beweislast zwischen den Parteien verteilt wird, betrifft den gesamten Prozess. Es gibt einerseits die objektive bzw. materielle Beweislast (Feststellungslast). Diese beschreibt, welche Partei das Risiko der Nichterweislichkeit einer Beweisbehauptung trägt. Andererseits besteht die subjektive bzw. formelle Beweislast (Beweisführungslast). Diese besagt, welche Partei es in einem bestimmten Stadium des Prozesses obliegt, Beweis für ihre Behauptung anzubieten. Hinsichtlich der Verteilung dieser beiden Beweislastarten gilt die Grundregel, dass jede Partei die Tatsachen im streitigen Zivilprozess darlegen und beweisen muss, die zum Tatbestand einer ihr günstigen Rechtsnorm gehören354. Aus diesem Grund ist die Verteilung nach dem materiellen Zivilrecht begründet, denn dieses enthält Anspruchsgrundlagen, Hilfsnormen, Einreden und Einwendungen. Infolgedessen sind die Tatsachen, die den Tatbestand der den Strafanspruch begründenden Norm 352

Zur Qualifikation der Verfallklauseln als Vertragsstrafen siehe unten Teil 3 A. III. 4. a). Vgl. unten Teil 2 B. V. 354 Vgl. statt vieler Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115 Rn. 3 ff. zur Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Beweislast und Rn. 7 ff. zur Grundregel der Verteilung. 353

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

(§§ 340 Abs. 1 S. 1, 341 Abs. 1 BGB) ausfüllen, von dieser Partei (also vom Gläubiger) vorzutragen, die den Anspruch daraus herleitet und – wenn der Gegner sie bestreitet – zu beweisen. Der Gegner (also der Schuldner) hat dagegen darzulegen und zu beweisen, dass ihm die Einrede der Herabsetzbarkeit gemäß § 343 BGB zusteht. Die gleiche Last betrifft ihn selbstverständlich auch dann, wenn er das Ermäßigungsrecht durch Klage oder Widerklage geltend macht. Absolut herrschend ist die Meinung, dass der Strafschuldner alle Tatbestandselemente des § 343 BGB darlegen und beweisen muss. Diese Last umfasst auch den Begriff der Unverhältnismäßigkeit, der zwar eine Rechts- und keine Tatfrage darstellt355, aber auf Tatsachen basiert, die selbst Beweisgegenstände sind356. Bezüglich der negativen Voraussetzungen der Anwendung des § 343 BGB (Nichtentrichtung, Nichtvorliegen der kaufmännischen Eigenschaft) ist zu differenzieren: Die Nichtentrichtung schließt die Herabsetzbarkeit gemäß § 343 Abs. 1 S. 3 BGB aus. Bestreitet der Gläubiger die Ermäßigungsmöglichkeit wegen der Entrichtung der verwirkten Strafe, so hat er diese auch zu beweisen, da sie zu dessen Gunsten funktioniert. Dagegen ist das Nichtvorliegen der kaufmännischen Eigenschaft nur vom Schuldner zu beweisen, weil der Gläubiger diese zwar darlegen muss, aber in diesem Fall die Vermutung des § 1 Abs. 2 HGB gilt. Das bedeutet, dass der Gläubiger das Vorliegen eines Gewerbebetriebs darlegen und beweisen muss. Dies führt nach der Vermutung zur Bejahung eines Handelsgewerbes. Bestreitet der Schuldner die widerlegbare Vermutung, so trägt dieser die Beweislast357. Außer dieser allgemein akzeptierten Meinung sind zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen der vorliegenden Frage in der Literatur zu finden. Lindacher nimmt in Bezug auf den Beweis Differenzierungen speziell der Tatsachen vor, die den Begriff der Unverhältnismäßigkeit begründen. Das Gericht müsse prüfen, „ob ein „Normalgläubiger“ ein verständliches und verständiges ex ante-Erfüllungssicherungsinteresse in Höhe des Strafbetrags haben kann.“ Weiter schlägt Lindacher die folgende Unterscheidung in Hinsicht auf das Merkmal der Unverhältnismäßigkeit vor: Die Beweislast trage der Schuldner grundsätzlich für die Tatsachen, die zu dessen Gunsten seien (z. B. Mitverursachung des Gläubigers, kein Vorliegen von Schaden). Dagegen solle der Gläubiger solche Tatsachen darlegen und beweisen, die die Verhältnismäßigkeit stützen (z. B. grobe Schuld des Schuldners, gute Vermögenslage des Schuldners usw.)358. Für diese Ansicht spricht freilich der Wortlaut des 355

Mehr dazu unten Teil 2 B. V. 2. Siehe BGH v. 13. 03. 1953, GRUR 1953, 262, 264 = LM Nr. 2 zu § 339 BGB; RG v. 04. 10. 1935, JW 1936, 179 (mit Anm. Lehmann); LAG Baden-Württemberg v. 14. 05. 1963, DB 1963, 1224. Vgl. auch Enneccerus/Lehmann, § 37 V Fn. 15; Baumgärtel/Eyinck, Beweislast, § 343 Rn. 1; NK-BGB/Walchner, § 343 Rn. 15; Bamberger/Roth/Janoschek, § 343 Rn. 9; Erman/Schaub, § 343 Rn. 5; Hk-BGB/Schulze, § 343 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 7; PWW/Medicus/Stürner, § 343 Rn. 11; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 17. 357 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 2. b) bb) (2) (d). 358 Vgl. Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 17; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 126 f. So auch JurisPK-BGB/Beater, § 343 Rn. 10. 356

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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§ 343 BGB und die Grundregel der Beweislast, wonach jede Partei (hier der Gläubiger) die Beweislast für das Vorhandensein aller ihr günstigen Tatsachen (hier jedes berechtigte Interesse, das die Erhaltung der ursprünglichen Strafhöhe rechtfertigt) zu tragen hat. Dieser Auffassung ist dennoch nicht zu folgen. Berücksichtigt man die zwei Funktionen der Vertragsstrafe (Präventiv- und Schadensersatzfunktion), die sog. Bifunktionalität, wie diese die Natur der Institution bestimmen, dann kommt man zu dem Schluss, dass eine Belastung des Gläubigers durch die Beweislast diese Funktionen unzulässig beschränkt. Die Schadensersatzfunktion wird insbesondere dadurch geprägt, dass sie dem Gläubiger bei Leistungsstörungen die Schadensersatzforderung erleichtert und ein beweisfreies Schadensminimum gewährleistet359. Außer der unakzeptablen Verkürzung der Ersatzfunktion muss man Rücksicht darauf nehmen, dass die Institution der Herabsetzung auf jeden Fall dem Schutz des Schuldners dient. Das bedeutet aber nicht, dass die Herabsetzung andere Grundregeln des Privatrechts beeinträchtigen darf. Sie soll als ein Ganzes betrachtet werden. Dies hilft dem Schuldner, verpflichtet ihn aber zugleich, die Beweislast zu tragen. Jedenfalls soll die Herabsetzung nicht als ein Hilfsmittel angesehen werden, das die Regeln der Beweislastverteilung zulasten des Gläubigers teilweise beseitigen kann. Würde man der hier widerlegten Meinung folgen, dann käme man zu dem absurden Ergebnis, dass die Person, die durch eine bestimmte Vorschrift geschützt wird, die Beweislast der jeweiligen Tatsachen nicht tragen müsste. Dies ist aber nicht der Fall, wie z. B. die Anwendung des § 242 BGB oder des gesamten Verbraucherrechts zeigt, da der Schuldner oder der Verbraucher, der die entsprechenden Rechte geltend macht, selbstverständlich auch durch die Beweislast belastet wird360. Neben dieser differenzierenden Betrachtung, die dem Gläubiger die Beweislast teilweise aufbürdet, wird auch die Meinung vertreten, dass § 287 Abs. 2 ZPO auf die Berechnung der angemessenen Strafhöhe anzuwenden sei361. Nicht anwendbar sei § 287 Abs. 1 ZPO dagegen bei Ansprüchen auf Vertragsstrafe. In diesem Fall sei aber stets zu prüfen, ob nicht eine Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO möglich sei. Demgemäß sei § 287 Abs. 1 ZPO auch dann entsprechend anwendbar, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig sei. Vorliegend sei dies der Fall. Ein solcher Ansatz, der die Ermittlung nicht nur der Schadenshöhe, sondern jeder streitigen Forderung umfasse, überlasse dem richterlichen Ermessen die Berechnung der Anspruchshöhe unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Gemäß § 287 Abs. 2 ZPO sei das Gericht auch frei, zu schätzen, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder die Begutachtung durch Sachverständige von Amts wegen anzuordnen sei. Eine Parteivernehmung sei zwar nur nach den engen Voraussetzungen des § 448 ZPO (Subsidiarität gegenüber anderen Beweismitteln, Erfordernis einer gewissen Wahrscheinlichkeit) möglich, weil § 287 Abs. 2 ZPO nur 359 360 361

Vgl. unten Teil 3 A. III. 1., 3. Vgl. Baumgärtel/Eyinck, Beweislast, § 343 Rn. 3. Siehe Prütting/Gehrlein/Laumen, § 287 ZPO Rn. 3.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

auf die S. 1 und 2 des Abs. 1 verweise und dementsprechend die Schätzungsvernehmung des § 287 Abs. 1 S. 3 ZPO ausgeschlossen sei362. Für eine Relativierung der Beweislastverteilung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger plädiert auch Rieble. Seiner Meinung nach solle das Gericht einen Schluss nach eigenem Ermessen und eigener Einschätzung der tatsächlichen Umstände ziehen363. Auch diese Meinung ist aus folgenden Gründen abzulehnen: Zunächst ist zu betonen, dass ein Verzicht auf die Darlegungslast kaum vorstellbar ist. Der Beibringungsgrundsatz, wonach die Parteien verpflichtet sind, alle relevanten Tatsachen vorzubringen, auf deren Grundlage das Gericht dann eine Entscheidung fällt, erstreckt sich auch auf den Prozess der Strafherabsetzung. Von sich aus darf das Gericht Tatsachendarlegungen nicht verlangen364. Neben der Darlegungslast, die den Schuldner bezüglich der die Unangemessenheit stützenden Tatsachen freilich belastet, sollte auch die Beweislast in Betracht gezogen werden. Die Beweislast ist grundsätzlich Sache der Parteien. Diese sind verpflichtet, die Beweismittel in den Prozess zum Beweis der jeweiligen Tatsachen einzuführen, ohne dass das Gericht hierdurch gehindert wird, von Amts wegen zusätzliche Beweise zu erheben365. Auf jeden Fall ist es jedoch erforderlich, dass Beweise erbracht werden, ohne dass Tatsachen vorgetragen werden und diese vom Gegner bestritten werden. Aus diesem Grund darf das Gericht weder die Unangemessenheit der Vertragsstrafe von Amts wegen prüfen noch solche Tatsachen berücksichtigen, die nicht zulässig vorgebracht wurden. Außerdem entspricht die Regel des „non liquet“ einem allgemeinen Prinzip der Logik, da derjenige, der nach den Regeln der Beweislast (die negative Grundregel der Beweislast) die streitige Tatsache nicht beweist, den Rechtsstreit verliert366. Der Schuldner bleibt dann hinsichtlich aller Umstände beweislastig, die sich auf die Unverhältnismäßigkeit stützen. Der Gläubiger ist nicht beweispflichtig, weil er mit den Nachteilen des Beweisversagens gar nicht belastet ist. Da der Schuldner die darlegungs- und beweispflichtige Partei ist, genügt es, dass der Gläubiger dessen Tatsachenbehauptungen einfach bestreitet. Er darf den Klage-, den Widerklage- oder den Einredegrund auch substantiiert bestreiten. Dies kehrt die Beweislast allerdings nicht um. Stellt der Schuldner einen Antrag auf Herabsetzung der übermäßig hohen Strafe, so muss er solche Tatsachen vortragen, die seinen Antrag begründen. Andernfalls wird die Klage oder die Einrede mit den entsprechenden Folgen abgewiesen. Macht der Schuldner unter anderem geltend, dass beispielsweise seine Vermögenslage schlecht sei oder die Verwirkung auch der Mitwirkung des Gläubigers zuzurechnen sei, kann der Gläubiger behaupten, dass sich die Vermögenslage beider Parteien anders darstellt oder der Schuldner selbst vorsätzlich oder grob 362

Prütting/Gehrlein/Laumen, § 287 ZPO Rn. 15. Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 125 ff.; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 184 f. 364 Vgl. statt vieler Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 12. 365 So z. B. bei Sachverständigen, Augenschein usw. Mehr dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 110 Rn. 29 ff. 366 So auch Baumgärtel/Eyinck, Beweislast, § 343 Rn. 4. 363

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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fahrlässig gehandelt hat. Er darf auch andere Umstände erstmals ausführen (z. B. seine wirtschaftlichen Interessen). Der Gläubiger ist jedoch nicht verpflichtet, diese Tatsachen in dem Sinne darzulegen, wie die Darlegungslast den Schuldner mit der Folge der Abweisung des Antrages betrifft. Er verliert lediglich die Möglichkeit, den Richter von dem Erfordernis der Aufrechterhaltung einer so hohen Strafe zu überzeugen, wenn er diese strafschärfenden Tatsachen darlegt, ohne sie auch zu beweisen. Zuletzt ist die Beweislast bei der Versprechung einer Vertragsstrafe zur Sicherung eines Unterlassungsanspruches darzustellen. Die allgemeine Regel, dass der Anspruchsteller die ihm günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss, findet auch dann Anwendung, wenn die Höhe der Vertragsstrafe bestritten wird. Der Gläubiger ist im Hinblick auf die Strafhöhe darlegungs- und beweispflichtig367. Darüber hinaus wird er mit der Beweislast auch der Strafverwirkung belastet. Einzige Ausnahme bildet § 345 Halbs. 1 BGB. Der Schuldner ist dann belastet, die Erfüllung, genauer gesagt die rechtzeitige und ordnungsgemäße Leistungserbringung darzulegen und zu beweisen, solange die abgesicherte Leistung in einem positiven Tun liegt368. Der 2. Halbsatz führt allerdings eine Ausnahme in die Ausnahme des 1. Halbsatzes ein, wonach der Gläubiger die Strafverwirkung darlegen und beweisen muss, falls die strafbewehrte Leistungspflicht in einer Unterlassung liegt. Der Verfall einer z. B. wettbewerbsrechtlichen Strafe durch die Zuwiderhandlung des Schuldners ist vom Gläubiger zu beweisen369. Ihn belastet der Beweis jedes einzelnen Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht. Bestreitet der Schuldner aber die Zahl der Zuwiderhandlungen (Folge: Minderung der zu leistenden Strafhöhe), dann ist er hinsichtlich der Tatsache beweispflichtig, dass weniger Verstöße eingetreten sind, da diese Angemessenheitsfrage wie in den anderen Fällen (durch Belastung des Schuldners) beantwortet werden muss370.

IV. Das richterliche Urteil Besondere Probleme am Ende des Erkenntnisverfahrens sind bereits aus Anlass der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit behandelt worden. Insbesondere betrifft dies die Bildung der richterlichen Überzeugung, nach der alle Tatbestandselemente des 367

So auch Baumgärtel/Eyinck, Beweislast, § 339 Rn. 10; Staudinger/Rieble, § 345 Rn. 3. BGH v. 29. 01. 1969, NJW 1969, 875 = DB 1969, 567; Staudinger/Rieble, § 345 Rn. 4 ff. 369 OLG Saarbrücken v. 12. 06. 2002, JurionRS 2002, 21293; Staudinger/Rieble, § 345 Rn. 7. Vgl. aber Reichel, DJZ 1912, Sp. 857 ff., der dafür plädiert, dass der Schuldner den Nachweis zu führen habe, dass seine Zuwiderhandlung auf einem von ihm nicht zu vertretenden Umstand beruhe. Sei aber dieser Entlastungsbeweis angetreten und erbracht, so könne nicht die Rede von einer Verurteilung zu der Strafe sein. 370 RG v. 04. 10. 1935, JW 1936, 179 (mit zustimmender Anm. Lehmann); Baumgärtel/ Eyinck, Beweislast, § 339 Rn. 10, § 343 Rn. 5. Die Gegenmeinung, die in Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 18 und Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 135 f. zu finden ist, basiert auf der Vorstellung, dass die hier vertretene Meinung den Charakter des § 343 BGB als Schuldnerschutzvorschrift verwässere. Diese Ansicht ist aber oben erwidert. 368

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

§ 343 BGB so vorliegen müssen, dass die vorgesehene Rechtsfolge der Herabsetzung eintreten muss371. Der Grund dafür ist die Deckung der zwei unbestimmten Begriffe („unverhältnismäßige Höhe“ und „angemessener Betrag“), bei denen der Erstere Tatbestandsmerkmal und der Letztere Rechtsfolge ist. Die Bildung der Überzeugung von der Unverhältnismäßigkeit der Strafhöhe funktioniert zugleich als Bestimmung des geeigneten Betrages, auf den die Strafe herabzusetzen ist. Wie der Justizsyllogismus mit der Besonderheit der einaktigen Korrekturentscheidung gebildet wird, wurde bereits erläutert372. Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit dem Ermessen des Richters liegt darüber hinaus in der Fragestellung, welche maßgeblichen Gesichtspunkte dieser zu berücksichtigen hat, um den ausfüllungsbedürftigen Begriff der Unverhältnismäßigkeit zu konkretisieren373. Zudem wurde auch der maßgebliche Zeitpunkt zur Berücksichtigung der Gesichtspunkte bereits aufgestellt374. Bezüglich der Natur des Urteils als das einzige Mittel zur ordnungsgemäßen Herabsetzung ist anzumerken, dass es konstitutiv, rechtsgestaltend wirkt375. Dem Richter werden zwei Wege eröffnet: Entweder wird er nicht davon überzeugt, dass die in Frage gestellte Strafe unverhältnismäßig hoch ist (Folge: Abweisung des Antrags des Schuldners als unbegründet) oder er bildet die gegenteilige Überzeugung, dass es sich um eine übermäßig hohe Strafe handelt (Folge: Stattgabe der Klage). Tertium non datur. Obwohl sich auch eine zu niedrige Höhe der Vertragsstrafe aus dem Beweisverfahren ergeben kann, ist er nicht zu einer Heraufsetzung der Strafe berechtigt. Er muss die Klage als unbedingt unbegründet abweisen. Das deutsche Recht kennt keine andere Möglichkeit, da die Vorschrift des § 343 BGB eine Ausnahme in der Regel der Privatautonomie darstellt, die ausdrücklich vorgesehen sein muss. Selbst wenn der Gläubiger auf die Modifizierung der Vertragsstrafe nach oben klagt, hat der Richter keine gesetzliche Befugnis, eine solche Erhöhung auch vorzunehmen376. Sofern der Gesetzgeber einen solchen Rahmen hätte einführen wollen, dann wäre er in der Lage gewesen, eine Regelung in Kraft zu setzen, die analog zu anderen Rechtsordnungen ein Heraufsetzungsrecht zugunsten des Strafgläubigers vorsieht377. 371

Vgl. hierzu oben Teil 2 A. II. 1. c). Vgl. hierzu oben Teil 2 A. II. 1. c) ii). Vgl. auch Esser, Vorverständnis, S. 50 ff., 131 ff. und passim; Larenz, Methodenlehre, S. 206 ff. 373 Siehe oben Teil 2 A. II. 1. c) jj). 374 Vgl. oben Teil 2 A. II. 1. c) ll). 375 Vgl. nur Hölder, Das Recht 1912, 161, 162, der die Meinung vertreten hat, dass es um ein Feststellungsurteil gehe. Erwiderung aber siehe bereits in Nirschl, Die Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 15 ff. Außerdem betrifft das Urteil nur den Betrag und nicht den Grund des Anspruchs, was ein Zwischenurteil im Sinne des § 304 Abs. 1 ZPO außer Betracht lässt. 376 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 28, 128. 377 So z. B. das französische (Art. 1152 Cc): Loksaier, La clause pénale, S. 171 ff.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 151 f., das schwedische (§ 36 AvtL): Steltmann, Vertragsstrafe, S. 157 und das niederländische Recht (Art. 6:94.2 BW): Steltmann, Vertragsstrafe, S. 207; Schelhaas, ZEuP 2004, 386, 389 f. Neben der deutschen Rechtsordnung erkennt auch die österreichische 372

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Entscheidet sich der Richter für die andere Alternative, weil seine Überzeugung es verlangt, dann muss er die Strafe unbedingt herabsetzen. Die Bestimmung der angemessenen Höhe, auf die die Ermäßigung stattfindet, ist aus Anlass der Prüfung des Unverhältnismäßigkeitsbegriffs bereits behandelt worden. Hier ist nur die Ansicht zu wiederholen, dass eine Herabsetzung nur nach unten erfolgen kann, ohne dass sie aber bis auf Null reduziert werden kann. Der Wortlaut der Vorschrift spricht über „Herabsetzung“. Dies kann nur als Reduktion, Senkung, Ermäßigung, Einschränkung und nicht als Vernichtung ausgelegt werden. Da dieser Mechanismus die Interessen des Gläubigers zugunsten des Schuldners beeinträchtigt, wäre eine unangemessene Benachteiligung, eine vollständige Beseitigung der Vertragsstrafe zu akzeptieren. In diesem Fall würde die Strafe ihre Abschreckungs- und Druckfunktion verlieren und ihr Charakter als Sicherungsmittel wäre abgeschwächt. Das Argument, dass zumindest ein fühlbarer Teil der Strafvereinbarung am Leben bleiben muss, damit die Institution ihre Funktion erfüllen kann, wurde bereits erörtert378.

V. Die Erschöpfung des Rechtsweges 1. Die Berufungsinstanz Soweit Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil statthaft und zulässig eingelegt wird, ist ein Erkenntnisverfahren in zweiter Instanz eröffnet. Ausschlaggebend ist, dass die Berufung gegen das Endurteil des in erster Instanz tätig gewordenen Gerichts zu einer rechtlichen und tatsächlichen Überprüfung des Streitgegenstandes führt. Die Berufung kann somit darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder dass die zu berücksichtigenden Tatsachen eine mehr oder weniger andere Entscheidung rechtfertigen379. In der Folge führt die Berufung zu einem Erkenntnisverfahren auch in zweiter Instanz, das die Durchführung einer umfassenden Kontrolle der Verhältnismäßigkeit zum Gegenstand haben darf.

(§ 1336 Abs. 2 ABGB), die schweizerische (Art. 163 Abs. 3 OR): Loksaier, La clause pénale, S. 181 ff.; Bentele, Die Konventionalstrafe nach Art. 160 – 163 OR, S. 109 ff., die spanische (Art. 1154 CC): Leible, Finanzierungsleasing, S. 325; ders., ZEuP 2000, 322, 327 ff.; Rau, RIW 1978, 23, 25; Sacher, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung im spanischen Recht, S. 74 ff. und die griechische (Art. 409 gr. ZGB): ErmAK/Sontis, Art. 409 Rn. 1 ff. kein Heraufsetzungsrecht des Gläubigers an. 378 Vgl. auch unten Teil 3 B. II. 2. h) bb) (7). Siehe auch OLG München v. 28. 11. 1967, UFITA 1970, 332, 334. In diesem Urteil, das auch von Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 132 zitiert wird, hat das Gericht eine Herabsetzung von 84 % der anfänglichen Strafhöhe vorgenommen! Dennoch hat es dem Gläubiger eine so hohe Vertragsstrafe gewährleistet, damit sie ihre Druckfunktion erfüllen konnte. 379 Zur sog. Präklusion und zum Vorbringen neuer Tatsachen erst in der zweiten Instanz („Novenrecht“) siehe oben Teil 2 A. II. 1. c) ll).

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

2. Die Revisionsinstanz a) Die Revisibilität der unbestimmten Rechtsbegriffe Die Revision als Rechtsmittel gegen Urteile, welches teilweise einer gesonderten Zulassung bedarf380, eröffnet keine Tatsacheninstanz. Anders als bei einer Berufung werden daher grundsätzlich keine Beweise erhoben. Die Revision kann sich nicht auf neue Tatsachen, sondern nur auf einen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils, also auf eine Verletzung des formellen oder des materiellen Rechts stützen (§ 545 ZPO). Eine Rechtsverletzung liegt dann vor, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 546 ZPO). Das Revisionsgericht ist jedoch nicht befugt, die Tatsachenfeststellung unterer Gerichte nachzuprüfen (§ 559 Abs. 2 ZPO). Daraus folgt, dass die Trennung der revisiblen Rechts- von den irrevisiblen Tatfragen den Kernpunkt des gesamten Revisionsrechts darstellt. Bei § 343 BGB handelt es sich um eine Vorschrift des materiellen Privatrechts, genauer gesagt eines Gesetzes im formellen Sinne. Die Norm ist also ein revisibles Recht. Die Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO kann in zwei Formen auftreten: Als unrichtige Interpretation, die die Auffindung und die Auslegung einer Rechtsnorm betrifft, oder als unrichtige Subsumtion, die mit der Unterstellung der konkret festgestellten Tatsachen unter den Tatbestand der einschlägigen Rechtsnorm einhergeht381. Dabei entsteht die Frage, ob die Nachprüfung der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe von Vorinstanzen, worunter auch die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe fällt, eingeschränkt werden soll. Es wird im Schrifttum sowie in der Rechtsprechung des BGH über die Nachprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe und der Generalklauseln davon ausgegangen, dass auch diese Begriffe einer Revisionskontrolle unterliegen. Nur anhand einer solchen Kontrolle ist der Zweck der Rechtseinheit, auf den die Revision vor allem abzielt, zu erreichen382. Was den Umfang dieser Nachprüfbarkeit betrifft, ist zu akzeptieren, dass die Unterordnung des festgestellten Sachverhaltes unter den wertausfüllungsbedürftigen Begriff in vollem Umfang stattfinden soll. Eine Ausnahme ist jedoch diese, die den Revisionszweck betrifft. Zweck dieses Rechtsmittels ist die Wahrung der Rechtseinheit, deshalb sind grundsätzlich alle unbestimmten Rechtsbegriffe dieser Kontrolle zu unterstellen. Die Grundregel setzt voraus, dass es sich um einen unbestimmten Begriff handelt, der eine Wertausfüllungsbedürftigkeit aufweist. Diese kann derart durch die Erwägungen des Revisionsgerichts ausgefüllt werden, dass sie auch auf andere Rechtsstreitigkeiten übertragbar sind. Solange die revisionsgerichtlichen Begründungen aber über keine 380

Mehr zur Zulassung in Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 141 Rn. 2 ff. BAG v. 26. 01. 1973, DB 1973, 1130. Vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 142 Rn. 24 ff. 382 Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 177. 381

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Beispielswirkung verfügen, weil entweder die Rede von einem individuellen, nicht verallgemeinerungsfähigen Beurteilungsmaßstab ist383 oder solche Begriffe des Grades384 oder des Maßes385 vorliegen, die dem Richter einen solchen Beurteilungsspielraum eröffnen, dass die Entscheidung für jeden einzelnen Sachverhalt einzigartig ist, sind sie irrevisibel. Grundlage der hier erbrachten Darstellung soll die Unterscheidung zwischen Tatund Rechtsfrage sein. Die Tatfragen sind Beweisgegenstand für die unteren Instanzen und bleiben außerhalb der revisionsgerichtlichen Nachprüfbarkeit, während die Rechtsfragen grundsätzlich nachprüfbar sind, damit die erwünschte Rechtseinheit und -sicherheit erreicht wird. Um die Formulierung von Larenz zu benutzen, behandelt die Tatfrage, „was tatsächlich geschehen ist“, während die Rechtsfrage beantwortet, „wie das Geschehene gemäß den Kriterien der Rechtsordnung einzuordnen ist.“386 Die Rechtsfrage ist vor allem als Subsumtion zu verstehen387. Außerdem ist sie mit der Deutung menschlichen Verhaltens388 und der Berücksichtigung sozialer Erfahrungen389 und Wertmaßstäben390 insbesondere dann verbunden, wenn dem Richter ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird391. Die Unterscheidung ist dabei nicht immer eindeutig zu treffen, sondern bringt Probleme mit sich, da einige Rechtsbegriffe einen tatsächlichen Charakter besitzen392. Ganz objektiv betrachtet ist 383 BGH v. 15. 12. 1954, BGHZ 16, 17, 20 = NJW 1955, 499 (Kündigung aus „wichtigem Grund“); Henke, Die Tatfrage, S. 258 ff., 262 ff. 384 BGH v. 11. 05. 1953, BGHZ 10, 14, 16 = NJW 1953, 1139; BGH v. 05. 11. 2002, NJW 2003, 1384, 1386 = MDR 2003, 633 = WM 2003, 1574 (Begriff der „groben Fahrlässigkeit“); Henke, Die Tatfrage, S. 280 ff. 385 BGH v. 15. 04. 1959, WM 1959, 624 („Angemessenheit“); BGH v. 26. 10. 1951, BGHZ 3, 270, 283 = NJW 1952, 660 („Verhältnismäßigkeit zwischen Mittel und Zweck“); Henke, Die Tatfrage, S. 288 ff. 386 Larenz, Methodenlehre, S. 307. 387 Generell zur Subsumtion siehe Rothfuß, Logik, passim. 388 Larenz, Methodenlehre, S. 285 f. 389 Larenz, Methodenlehre, S. 286 ff. 390 Larenz, Methodenlehre, S. 288 ff. 391 Zum Begriff des Ermessensspielraums vgl. statt vieler Larenz, Methodenlehre, S. 293 ff. 392 Um das Zusammenspiel von Rechts- und Tatfragen zu zeigen, schildert Prütting/ Gehrlein/Ackermann, § 546 ZPO Rn. 2 das folgende Beispiel: Einen Kernbegriff des Markenrechts stellt die Verwechslungsgefahr dar. Diese ist nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs. 2 MarkenG unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen. Die Rechtsprechung hat maßgebliche Gesichtspunkte (z. B. Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, Kennzeichnungskraft des klägerischen Kennzeichens, Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, wirtschaftlicher Abstand der Tätigkeitsgebiete der Parteien) gebildet. Die Begriffe der Verwechslungsgefahr und der vorgenannten Faktoren sind rechtlicher Natur, aber die Letzteren basieren auf solchen tatsächlichen Feststellungen (BGH v. 13. 10. 2004, GRUR 2005, 61, 62 = WRP 2005, 97), dass diese außerhalb revisionsgerichtlicher Nachprüfbarkeit bleiben müssen. Die jeweilige Nachprüfung muss sich nur darauf beschränken, „ob ihr ein unzutreffender Rechtsbegriff zugrunde liegt, sie gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt

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die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe ein Rechtsbegriff. Dennoch basiert sie auf Gesichtspunkten, ohne die eine Unverhältnismäßigkeit an sich nicht konzipiert werden kann. Das Urteil, die Vertragsstrafe sei unverhältnismäßig hoch, enthält zugleich die Beschreibung der Tatsachen, die die Basis der jeweils berücksichtigten Gesichtspunkte bilden. Dieses Problem kann allerdings nach den vorigen Darstellungen überwunden werden. Trotz der erforderlichen Revisibilität bei allen Rechtsfragen ist die obige Ausnahme des Fehlschlagens des Revisionszwecks auch hier zu akzeptieren. Da es für die Beantwortung der Frage, ob eine konkrete Strafhöhe übermäßig hoch ist, auf von Fall zu Fall so verschiedene Kriterien und Gesichtspunkte ankommt, so dass Rücksicht auf die besonderen Charakteristika des jeweiligen Einzelfalls zu nehmen ist, steht der Tatrichter im Vergleich zum Revisionsrichter an einer vorteilhaften Stelle. Der Erstere kann die einzelnen notwendigen Gesichtspunkte der Unverhältnismäßigkeit aufklären. Das Revisionsgericht ist dagegen von den Übermittlungen der unteren Instanzen abhängig. Zudem bilden die Gesichtspunkte, die die Unverhältnismäßigkeit erweisen, keinen numerus clausus. Sie sind nicht starr ausgerichtet, vielmehr hat der Tatrichter den Spielraum zu entscheiden, welche Gesichtspunkte er berücksichtigen will und welche überwiegen. In diesem Sinne scheint das jeweilige Urteil ohnegleichen und unwiederholbar zu sein und entspricht damit dem Zweck der Rechtseinheit ohne weitere Bedeutung. Aus diesem Grund muss der Inhalt der vorinstanzlichen Beurteilung außerhalb der revisionsgerichtlichen Nachprüfbarkeit bleiben393. Handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen revisionsgerichtlicher Nachprüfung keine Leitbildfunktion zu erwarten ist, so bleibt die Entscheidung des Tatrichters irrevisibel und der Revisionsantrag muss als unbegründet zurückgewiesen werden394. sind.“ (BGH v. 02. 04. 2009, JurionRS 2009, 14087; BGH v. 27. 11. 2003, GRUR 2004, 514, 516 = WRP 2004, 758). 393 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 310 f., der zu diesem Schluss kommt und gleichzeitig anmerkt, dass die Beantwortung der Frage der Nachprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe nichts mit der Unterscheidung zwischen Rechts- und Tatfrage zu tun habe. In die gleiche Richtung auch Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 179 f. Wie hier Henke, Die Tatfrage, S. 266 ff. Beide Ansichten, das heißt diejenige, die für eine logische Trennung der Tat- von der Rechtsfrage spricht, und diejenige, die teleologische Abwägungen der Zwecke der Revision vornimmt, kommen allerdings zum gleichen Ergebnis, also zur Verneinung der Revisibilität. 394 Anders aber Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 142 Rn. 27 ff. Die in der 16. Aufl. vertretene Meinung, die im Anschluss an Henke war, wurde aufgegeben. Nun befürwortet Gottwald die volle Nachprüfbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe. Zum Schluss aber erkennt er an, dass die Revisibilität solcher Begriffe nicht grenzenlos sein könne. Zum Ergebnis seien Grenzen aus praktischen Gründen zu bejahen. Die hier vertretene Meinung der begrenzten Revisibilität, die aber in bestimmten Fällen erweitert werden muss, führt zum gleichen Ergebnis. Wie hier Prütting/Gehrlein/Ackermann, § 546 ZPO Rn. 14 f.; Zöller/Heßler, § 546 ZPO Rn. 12.

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Dass dem Tatrichter ein grundsätzlich nicht revisibler Beurteilungsraum eingeräumt wird395, bedeutet aber nicht, eine revisionsrichterliche Nachprüfung sei überhaupt entbehrlich. Die Rechtstheorie und die Rechtsprechung gehen einstimmig davon aus, dass bestimmte Grenzen zu ziehen sind. Generell spricht man von einem offensichtlichen Fehler der vorinstanzlichen Entscheidung396. Das Rechtsstaatsprinzip setzt durch, dass die richtige Anwendung des Rechts auf jeden Fall gewährleistet werden muss. Offenkundig willkürliche, oberflächliche und ungleichbehandelnde Entscheidungen sollen keinen Platz in der juristischen Welt haben. Die Revision als Rechtsmittel ist der einzige Weg, derartige Entscheidungen zu beseitigen. Typischerweise liegen Fehler vor, die das Revisionsgericht zu einer Nachprüfung führen, wenn der Tatrichter wesentliche Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat, Erfahrungssätze verletzt oder Verfahrensfehler begangen hat397. Anders gesagt ist eine Rechtsverletzung nur dann gegeben, wenn bei der Subsumtion gegen Rechtsvorschriften, gegen allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden ist, insbesondere wenn das Gericht bei der Bewertung offensichtlich fehlerhaft geurteilt hat, etwa die Notwendigkeit einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht erkannt oder die einzelnen zugunsten oder zulasten der Parteien sprechenden Gesichtspunkte und die von ihnen geltend gemachten Umstände durchaus unzureichend berücksichtigt worden sind398. Das Revisionsgericht kann insbesondere dann die vorinstanzliche Entscheidung nachprüfen, wenn sich das Tatgericht auf einen unrichtigen, nicht bestehenden allgemeinen Erfahrungssatz oder einen besonderen Erfahrungssatz ohne Angabe von Quellen gestützt hat399. Abgesehen von dem Streit darüber, ob das richterliche Ermessen in der Revisionsinstanz überhaupt nachprüfbar ist oder nicht400, soll der Gedankengang darauf abzielen, dass das Revisionsgericht so beschränkt ist, dass es nicht prüfen darf, ob der Tatrichter sein Ermessen zweckmäßig und richtig ausgeübt hat. Die Zweckmäßigkeitskontrolle ist dem Revisionsgericht grundsätzlich entzogen401. Dieses Hindernis betrifft Vorschriften sowohl des Prozessrechts als auch des materiellen Rechts. Al395 BGH v. 18. 04. 2007, MDR 2007, 1064, 1065 = NJW 2007, 2177 = NZM 2007, 439 („Zumutbarkeit“); BAG v. 05. 02. 1959, NJW 1961, 44; BGH v. 30. 11. 1951, NJW 1952, 461, 462 = BGHZ 4, 108 („wichtiger Grund“). 396 Vgl. nur Prütting/Gehrlein/Ackermann, § 546 ZPO Rn. 14 f. 397 BGH v. 25. 10. 2006, NJW 2007, 211, 212 = MDR 2007, 455. 398 BAG v. 18. 12. 1970, MDR 1971, 519 = BAGE 23, 151 („Verschuldensgrad“); BAG v. 19. 03. 1959, BAGE 7, 290, 301 = NJW 1959, 1796 („grobe Fahrlässigkeit“); BAG v. 02. 11. 1955, BAGE 2, 175, 181 = DB 1956, 68 („grobe Pflichtverletzung“). 399 BVerwG v. 03. 05. 1974, JZ 1974, 132 = MDR 1974, 957. 400 Darstellung beider Meinungen in der Literatur in Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 267 m. w. N. 401 BGH v. 24. 02. 1982, NJW 1982, 1765 = MDR 1982, 653; RG v. 21. 03. 1938, JW 1938, 1540.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

lerdings wird angenommen, dass eine Kontrolle darüber stattfinden darf, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens tatsächlich vorliegen, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt worden ist (Ermessensausfall oder -nichtgebrauch), ob die zulässigen Ermessensgrenzen überschritten worden sind (Ermessensüberschreitung) und ob wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind oder irrelevante Gesichtspunkte bei der Entscheidung berücksichtigt wurden (Ermessensfehlgebrauch oder -missbrauch). Dies bedeutet, dass der Richter etwas berücksichtigt hat, was überhaupt nicht berücksichtigt werden durfte, oder umgekehrt, dass etwas nicht berücksichtigt wurde, obwohl eine Pflicht dazu bestand. Ein Ermessensmissbrauch liegt insbesondere dann vor, wenn die der Entscheidung zugrunde gelegten Erwägungen überhaupt nicht eingestellt werden durften (sog. zweck- oder sachfremde Erwägung), wenn sonstige logische Fehler begangen wurden, indem die Denkgesetze von Logik und Erfahrung nicht beachtet worden sind, wenn die Gewichtung der betroffenen Gesichtspunkte, die sich aus den festgestellten Tatsachen ergeben, durch eine Überbewertung, eine Unterbewertung oder eine gänzliche Nichtberücksichtigung der Tatsachen auf der Ebene der Interessenabwägung verkannt wurde (sog. Ermessensfehlgewichtung) und wenn ein oder mehrere Gesichtspunkte ohne Grund bei der Entscheidung überwogen haben (sog. Ermessensdisproportionalität)402. Das Revisionsgericht kann sich nur auf tatrichterliche Feststellungen und Argumenten stützen. Dies verpflichtet das Tatgericht dazu, in seinem Urteil in nachvollziehbarer und verantwortungsvoller Weise sein Ermessen auszuüben, so dass ersichtlich ist, welche Erwägungen für eine Ermessensausübung maßgeblich waren403. In diese Richtung wird auch auf Grundlage des § 114 VwGO argumentiert. Die Vorschrift räumt dem Gericht die Möglichkeit ein, die Ausübung des Ermessens seitens einer Verwaltungsbehörde bei Erlass, Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Trotz der Kritik, dass diese Vorschrift nur im Rahmen des Verwaltungsprozessrechts Anwendung finden müsse, setzt sich ein Teil der Literatur für eine Analogie zu § 114 VwGO ein404. Dieser Meinung ist zu folgen. Abgesehen von der Tatsache, dass die 402 St. Rspr. betreffs der Fälle der Ermessensausübungskontrolle: BGH v. 19. 11. 2008, ZGS 2009, 6, 7 = NJW 2009, 502 = ZIP 2009, 323; BGH v. 14. 11. 2007, MDR 2008, 134, 135 = NJW 2008, 218; BGH v. 27. 09. 2006, MDR 2007, 353 = NJW 2007, 2414; BGH v. 24. 06. 1999, NJW 1999, 3050; BGH v. 15. 01. 1992, NJW 1992, 1513; BGH v. 13. 03. 1985, NJW 1986, 1493 = WM 1985, 764; BGH v. 29. 04. 1981, WM 1981, 799 = MDR 1981, 1012; BGH v. 24. 10. 1973, NJW 1974, 56; BGH v. 29. 01. 1957, BGHZ 23, 175, 183. Aus der Literatur siehe Zöller/ Heßler, § 546 ZPO Rn. 14; Prütting/Gehrlein/Ackermann, § 546 ZPO Rn. 16; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 142 Rn. 32; Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 199 ff., 267. 403 Vgl. nur BGH v. 13. 04. 1994, NJW-RR 1994, 1143, 1144 = WM 1994, 1545. 404 Siehe statt vieler Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 200 f. Fn. 22; Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 268 ff.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Frage der Ermessenskontrolle vom Revisionsgericht in der ZPO nicht geregelt wird, weist die vorliegende Situation große Ähnlichkeit zur Ausübung des verwaltungsbehördlichen Ermessens auf, da es sich um Interessenabwägung und Entscheidung nach maßgeblichen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten in beiden Fällen handelt. Fraglich ist auch, ob das Revisionsgericht überhaupt eine eigene Ermessensentscheidung treffen kann. Die höchstrichterliche Rechtsprechung bejaht diese Möglichkeit einstimmig405. Hauptvoraussetzung für eine Ermessensentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO ist jedoch das Vorliegen einer „zweifelsfreien Sachlage“. Diese ist dann gegeben, wenn alle maßgeblichen Tatsachen zur Verfügung des Revisionsgerichts stehen und irgendwelche abweichenden Entscheidungen des Tatgerichts ermessensfehlerhaft wären406. Folge ist freilich, dass eine Rückverweisung an den Tatrichter stattfinden muss, so dass dieser den Fall erneut schätzen und abwägen kann. b) Die Kontrolle der Ermessensentscheidung der Tatgerichte von der Revisionsinstanz am Beispiel der Herabsetzung der Vertragsstrafe Anders kann die Sachlage bei der revisionsinstanzlichen Nachprüfbarkeit des Begriffs der unverhältnismäßigen Strafhöhe nicht beurteilt werden. Das Revisionsgericht lehnt die Kontrolle der Abwägung des Tatgerichts ab407, es nimmt aber eine Nachprüfung der Ermessensausübung selbst folgerichtig vor. Bei der Abwägung der entsprechenden Gesichtspunkte von dem Tatgericht kann kein Rechtsverstoß darin erblickt werden, dass z. B. das Berufungsgericht die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens nicht berücksichtigt hat. Denn die Strafe ist normalerweise nicht übermäßig hoch, wenn sie das mögliche Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung nicht übersteigt. Selbst wenn das Tatgericht bei Prüfung des Herabsetzungsbegehrens des Schuldners nicht mitberücksichtigt hat, ob dieser infolge eines unverschuldeten Irrtums über den Inhalt der Vereinbarung einen 405 BGH v. 25. 09. 1996, MDR 1997, 128, 129 = NJW 1996, 3338; BGH v. 12. 01. 1994, MDR 1994, 613 = NJW-RR 1994, 379; BGH v. 27. 02. 1992, NJW 1992, 2235, 2236 = MDR 1992, 707. Besonders zum hier besprochenen Fall vgl. BGH v. 01. 06. 1983, NJW 1984, 919, 921 = ZIP 1983, 1463 („Denn die hier versprochene und in vier Fällen verwirkte Strafe von je 50.000,– DM ist nicht unverhältnismäßig hoch, sondern den berechtigten und schützenswerten Interessen der Klägerin angemessen. Dies kann das Revisionsgericht selbst beurteilen, da alle für diese – auch schon vom Landgericht vorgenommene – Würdigung maßgeblichen Tatsachen in den Vorinstanzen bereits – insoweit rechtfehlerfrei – festgestellt worden sind.“); BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782. 406 Vgl. Zöller/Heßler, § 546 ZPO Rn. 14; Prütting/Gehrlein/Ackermann, § 546 ZPO Rn. 16; a. A. Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 270 ff. Betreffs der Beurteilung der Angemessenheit der Vertragsstrafe von der Revisionsinstanz selbst siehe Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 135; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 22. 407 BGH v. 17. 09. 1974, NJW 1974, 2089, 2091 = MDR 1975, 748; BGH v. 13. 03. 1953, LM Nr. 2 zu § 339 BGB = DB 1953, 313; BAG v. 21. 05. 1971, NJW 1971, 2007 = BAGE 23, 350.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Teil der Schuld nicht rechtzeitig gezahlt hat, besteht für das Tatgericht kein Anlass, sich bei der Untersuchung der Angemessenheit der Vertragsstrafe erneut mit der Verschuldensfrage auseinanderzusetzen, soweit der Schuldner keinen Irrtum in der zweiten Instanz geltend macht408. Dies gilt für alle Gesichtspunkte (z. B. die tatsächliche Vermögenslage beider Parteien). Solange im Streitfall der Schuldner nichts in die Richtung dargetan hat, dass für ihn die Erbringung der Vertragsstrafe wirtschaftlich untragbar ist, ist das Berufungsgericht weder verpflichtet noch berechtigt, von Amts wegen entsprechende Ermittlungen anzustellen. Daraus folgt, dass das Ergebnis der Abwägung nicht vom Revisionsgericht nachgeprüft werden kann. Als Rechtsfehler kann nur die Ausübung des Ermessens bezeichnet werden. Das Tatgericht prüft, ob die von den Parteien bestimmte Strafhöhe angemessen ist. Bei dieser Entscheidung sind die bereits erwähnten Kriterien zu beachten. Die Begründung des Urteils muss alle Gesichtspunkte aufzeigen, die bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt worden sind. Das Gericht ist vielmehr verpflichtet, von Amts wegen seinen Ermessensspielraum auszuschöpfen. Eine pflichtgemäße Ermessensausübung liegt vor, wenn das Tatgericht das ihm eingeräumte Ermessen wahrgenommen hat, das heißt die in Betracht kommenden Alternativen ermittelt, eine ziel- und zweckgerichtete Entscheidungsfindung vorgenommen oder deutlich gemacht und die widerstreitenden Belange gewichtet und gegeneinander abgewogen und aufgrund der Abwägung der für und gegen die Strafhöhe sprechenden Umstände geprüft hat. Nach dem Vorgesagten kann die Rede von folgenden Untergruppen sein: Das Revisionsgericht prüft gelegentlich, ob das Tatgericht es unterlassen hat, sein Ermessen auszuüben409. Die wirksame Sicherung erheblicher wirtschaftlicher Interessen ist in der Regel nur durch hohe Vertragsstrafen möglich. Ein Ermessensnichtgebrauch entsteht stets dann, wenn nicht erkannt wurde, dass eine Ermessensentscheidung möglich gewesen wäre. Dieser Fall ist eher selten, da § 343 BGB die Inhaltskontrolle auf der Basis eines Ermessensspielraums ausdrücklich anordnet. Soweit der Schuldner sein Recht geltend macht, muss das Gericht auf den Antrag des Schuldners antworten. Denkbar ist der Fall nur dann, wenn das Tatgericht die Strafe ohne Weiteres als angemessen betrachtet. Eine Ermessensüberschreitung liegt als zweite Gruppe vor, wenn das Gericht eine Rechtsfolge wählt, die von der Vorschrift des § 343 BGB nicht gedeckt ist. Eine Möglichkeit der Überschreitung wäre theoretisch die Erteilung einer Ermessensentscheidung, obwohl als Rechtsfolge eine Ermessensentscheidung nicht zulässig war. Auch diese Gruppe ist für die Praxis irrelevant, da § 343 BGB die Ermessensentscheidung des Gerichts als einzige Rechtsfolge anordnet. Häufigster Fehler bei der Ausübung des Ermessens ist der Ermessensfehlgebrauch. Wenn die Entscheidung des Gerichts auf Gründen beruht, die nicht vom Zweck des § 343 BGB gedeckt sind, wird von Ermessensmissbrauch gesprochen. Hauptsächlich sind damit die Fälle gemeint, in denen Fehler durch die Berück408 409

So BGH v. 13. 03. 1953, LM Nr. 2 zu § 339 BGB = DB 1953, 313. BGH v. 22. 05. 1968, MDR 1968, 751 = NJW 1968, 1625.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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sichtigung sachfremder Erwägungen auftreten. Falsche oder nur unvollständig aufgeklärte oder berücksichtigte Sachverhalte führen zum Fehlgebrauch und somit zu einer nicht ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung. Die ordnungsgemäße Ermessensentscheidung ist nur unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände möglich. Aus der Rechtsprechung des BGH sind folgende typische Beispiele dieser am häufigsten auftretenden fehlerhaften Ermessensausübung zu schildern: In einem Urteil aus dem Jahre 1998 hat der BGH die Verhängung eines Ordnungsgeldes (§ 890 ZPO) gegen den Schuldner neben der Vertragsstrafe als Anlass für eine gerichtliche Herabsetzung der Vertragsstrafe betrachtet410. Was den Sachverhalt betrifft, handelte es sich um die Pacht eines Jagdreviers. Die Parteien schlossen den folgenden gerichtlichen Vergleich im Rahmen eines vorangegangenen Rechsstreits ab: „Der Beklagte verpflichtet sich, bei Meldung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von 1.000 DM, wobei ein Fortsetzungszusammenhang ausgeschlossen ist, die Wildbeobachtung und die Jagdausübung im Jagdrevier der Eheleute U. und Dr. W. Pf. in P. nicht zu stören, insbesondere …“

Im April 1994 beantragte die Klägerin beim Prozessgericht des ersten Rechtszuges, den Beklagten wegen Zuwiderhandlung gegen die in dem Vergleich übernommene Unterlassungsverpflichtung in 28 Fällen zu einem der in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen. Während dieser Antrag noch anhängig war, erhob die Klägerin wegen derselben 28 und 14 weiterer Fälle gegen den Beklagten Klage auf Zahlung der in dem Vergleich vorgesehenen Vertragsstrafe von 1.000 DM für jeden Einzelfall. Das Landgericht Deggendorf hat den Beklagten zur Zahlung von 24.000 DM verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht München die Verurteilung auf 3.000 DM, nämlich jeweils 500 DM für sechs als erwiesen angesehene Zuwiderhandlungen, herabgesetzt. Das Oberlandesgericht hat die Revision, mit der der Beklagte seinen Antrag auf völlige Klageabweisung weiterverfolgte, zugelassen, aber der BGH hat sie zurückgewiesen. Er hat zutreffend anerkannt, dass die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO und die Verwirkung einer Vertragsstrafe nicht miteinander vergleichbar seien, da das Ordnungsgeld im Sinne von § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Verletzung des gerichtlichen Verbotes darstelle, während die Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und zur Schadenspauschalierung sei. Da die zwei Rechtsinstitute andere Zwecke hätten, das heißt einerseits die Sicherung des gerichtlichen Verbots und andererseits die Vertragserfüllung bzw. Schadensersatzleistung, seien beide Sanktionen nebeneinander durchaus sinnvoll und sie könnten daher nebeneinander geltend gemacht werden. Jedoch erscheine es sachgerecht, die jeweils früher verhängte Sanktion bei der Höhe der jeweils späteren mitzuberücksichtigen. So könne sich die 410

BGH v. 05. 02. 1998, MDR 1998, 489, 490 = NJW 1998, 1138 = ZIP 1998, 485.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Titulierung einer Vertragsstrafe auf die Höhe eines zusätzlich zu verhängenden Ordnungsgeldes mindernd auswirken; ebenso könne ein bereits verhängtes Ordnungsgeld Anlass für eine gerichtliche Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB sein. In diesem Fall handelt es sich freilich um die ausdrückliche Berücksichtigung eines bestimmten Gesichtspunktes, das heißt der Verhängung anderer Sanktionen hinsichtlich der gleichen Pflichtverletzungen. Der BGH hat für die Berücksichtigung plädiert, da es sich um einen wesentlichen Gesichtspunkt ging. Das Urteil des Berufungsgerichts wurde auf diese Weise bestätigt, weil die Ermessensausübung nicht fehlerhaft war. Die Nichtmitberücksichtigung sachbezogener Gesichtspunkte hat der BGH auch in einem Urteil des Jahres 1993 als Ermessensmissbrauch beurteilt411. Was den Sachverhalt angeht, waren beide Parteien im Textilhandel tätig. Die Beklagte, ein Modehaus mit Filialen in mehreren Städten, verpflichtete sich gegenüber der Klägerin zur Unterlassung des Vertriebs von Bekleidungsstücken unter der Bezeichnung „T.“ für die Zeit nach dem 31. März 1987 und zur Zahlung einer für jeden Fall schuldhafter Zuwiderhandlung von der Klägerin nach billigem Ermessen zu bestimmenden, im Streifall vor dem Landgericht Hamburg zu überprüfenden Vertragsstrafe. Die Beklagte hat ihre Pflicht verletzt, indem sie Jeanskleidung mit einem Etikett „T.“ vertrieben. Die Klägerin hat wegen angenommener 14 Verletungsfälle eine Vertragstrafe von je 10.000 DM, insgesamt 140.000 DM, gegenüber der Beklagten festgesetzt, deren Zahlung nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juli 1988 sie mit einer Klage beantragt hat. Ihre Behauptung lautete, die Beklagte habe nach Wirksamwerden der Vertragsstrafenerklärung die den Gegenstand der Unterlassung bildende Ware verkauft. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 70.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Danach haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Vertragsstrafe neu in Höhe von 10.000 DM nebst Zinsen festgesetzt. Es hat angenommen, dass die Beklagte schuldhaft gegen die vertraglich übernommene Verpflichtung verstoßen habe. Nach dem Urteil des BGH war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit hat der BGH das Kriterium des Sanktionscharakters der Vertragsstrafe zu Recht betont. In erster Linie komme es auf diesen Charakter der Strafe und auf ihre Funktion der Vermeidung weiterer Zuwiderhandlungen an, das heißt auf die Beurteilung der Schwere und des Ausmaßes der begangenen Zuwiderhandlungen, auf deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, auf das Verschulden des Verletzers und auf dessen zu beseitigendes Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen. Den danach maßgeblichen Grad des beträchtlichen Verschuldens der Beklagten habe das Berufungsgericht zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise beurteilt. Jedoch fehlten Feststellungen für die nähere Prüfung der anderen genannten Bemessungskriterien. Sowohl für 411 BGH v. 30. 09. 1993, DB 1993, 2584, 2585 = NJW 1994, 45 („Vertragsstrafenbemessung“).

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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die Gefährlichkeit des begangenen Verstoßes für die Klägerin als auch für das wirtschaftliche Interesse der Beklagten daran bzw. an Wiederholungen von Verletzungshandlungen könne es auf die Größe des Unternehmens der Beklagten, insbesondere auch auf seinen Charakter als Filialunternehmen mit jedenfalls zahlreichen, aber weder ihrer Zahl noch ihrer Größe nach näher festgestellten Verkaufsstätten ankommen. Neben dem Sanktionsgesichtspunkt komme es für die nachträgliche Bestimmung der Höhe einer der Zuwiderhandlung angemessenen Vertragsstrafe auch auf deren weitere Funktion als pauschalierter Schadensersatz an. Das Berufungsgericht habe aber auch diesen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt. Der BGH hat damit seine Ansicht nochmal bestätigt, dass die Nichtberücksichtigung wichtiger Gesichtspunkte vom Tatgericht dessen Entscheidung fehlerhaft macht. Derselbe Gesichtspunkt, das heißt die Größe der wirtschaftlichen Tätigkeit des Gläubigers, hat die Hauptrolle auch im Rahmen eines anderen Urteils des BGH gespielt412. Die Beklagte war ein Kaufhausunternehmen, das mehr als 150 Verkaufshäuser betrieb. Am 20. April 1979 warb ihre T. Filiale in der T. Kreiszeitung im Rahmen einer Werbung für Tennisartikel mit der Ankündigung: „… wir bespannen Ihren Schläger kostenlos …“. Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung und Förderung der gewerblichen Belange des Sportartikeleinzelhandels gehörte, hat die Beklagte durch Schreiben vom 02. Mai 1979 darauf hingewiesen, dass diese Werbung gegen die Zugabeverordnung verstoße, und sie unter Fristsetzung aufgefordert, sich ihm gegenüber mit Wirkung für ihre sämtlichen Filialen zu verpflichten, es bei Meidung einer Vertragsstrafe von 50.000 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, in ihrer Werbung die kostenlose Bespannung von Tennisschlägern anzubieten. Auf die Abmahnung des Klägers vom 02. Mai 1979 hat die Beklagte mit Schreiben vom 08. Mai 1979 erwidert, sie verpflichte sich dem Kläger gegenüber, es bei Meidung einer Vertragsstrafe von 5.000 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, in ihrer Werbung im Zusammenhang mit dem Angebot von Tennisschlägern deren kostenlose Bespannung anzukündigen. Von dem Inhalt dieses Schreibens hat sie durch Rundschreiben vom 11. Mai 1979 allen Geschäftsleitungen ihrer Verkaufshäuser Kenntnis gegeben. Sie hat darin nochmals gebeten, die beanstandeten Angaben sowohl in der Werbung als auch beim Verkauf zu unterlassen, das Bespannen künftig gesondert zu berechnen und die Abteilungsleiter entsprechend anzuweisen. Der Kläger hat geltend gemacht, dass bei einem Unternehmen von der Größenordnung und Finanzstärke der Beklagten eine Sicherung der Unterlassungserklärung mit einem Betrag von nur 5.000 DM unzureichend sei. Denn die Unterlassungsverpflichtung müsse ihn bzw. seine Mitglieder nicht nur vor einem neuen Verstoß der T. Filiale, sondern darüber hinaus vor einer auf sämtliche Verkaufshäuser der Beklagten bezogenen bundesweiten Werbung sichern. Die Beklagte hat die Höhe der Vertragsstrafe für ausreichend gehalten. Im Hinblick hierauf und auf den nur sehr geringen bei einer Zuwiderhandlung des T. Verkaufshauses zu erwartenden Gewinn im 412

BGH v. 07. 10. 1982, MDR 1983, 289 = NJW 1983, 941 („Vertragsstrafeversprechen“).

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Tennisschlägergeschäft sei auch der Betrag von 5.000 DM, der im oberen Bereich der im Einzelhandel üblichen Sätze liege, zur Sicherheit des Klägers vollauf ausreichend. Das Landgericht Essen hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei begründet, weil die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt habe. Seinen Ausführungen nach sei eine Wiederholungsgefahr grundsätzlich erst dann beseitigt, wenn der Verletzer eine hinreichend gesicherte Unterwerfungserklärung abgegeben habe. Die von der Beklagten angebotene Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 DM sei unzureichend gewesen und daher vom Kläger zu Recht abgelehnt worden. Der Betrag einer angemessenen Vertragsstrafe habe nicht deshalb geringer bemessen werden können, weil eine Funktion des Strafversprechens, das heißt der Schadensausgleich, für den Kläger als Verein nicht in Betracht komme. Denn die Sicherung der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungserklärung durch ein Vertragsstrafeversprechen diene in erster Linie dazu, künftige Wettbewerbsverstöße zu verhindern. Die Sicherung von Schadensersatzansprüchen sei nur ein Nebenzweck. Für die Bemessung der Höhe einer als Druckmittel geeigneten Vertragsstrafe komme es auf die Umstände des Einzelfalles an. Ein ausreichender Druck sei in der Regel dann gegeben, wenn die eventuellen Vorteile, die dem Kläger bei einer erneuten Zuwiderhandlung zufließen würden, hinter der versprochenen Vertragsstrafe zurückblieben. Dies sei hier aber deshalb unsicher, weil nicht allein auf die der T. Filiale zufließenden Vorteile abgestellt werden dürfe, sondern in Betracht werden müsse, dass wegen der nicht ausschließlich zentralen Werbung der Beklagten Wettbewerbsverstöße dieser Art in jeder ihrer Filialen vorkommen könnten. Für eine entscheidende Verringerung oder gar Beseitigung der Wiederholungsgefahr reichten daher die von der Beklagten getroffenen Maßnahmen nicht aus. Um eine lückenlose und wirksame Kontrolle ihrer von den mehr als 150 Filialen eigenständig in Auftrag gegebenen Werbung zu gewährleisten, bedürfe es vielmehr – sicherlich zusätzlichen Aufwand und zusätzliche Kosten erfordender – organisatorischer Maßnahmen der Beklagten, zu denen diese auch im Zusammenhang mit der angebotenen, durch ein Strafgedinge in Höhe von 5.000 DM abgesicherten Unterlassungserklärung bislang nicht gewesen sei. Diese Argumentation des Berufungsgerichts hat der BGH als fehlerfrei betrachtet. Die Begründung des Berufungsurteils sei ohne Rechtsverstoß, weil das Gericht alle Gesichtspunkte und vor allem die Druckfunktion der Vertragsstrafe im Zusammenhang mit dem Interesse des Gläubigers berücksichtigt habe. Der Ansicht des BGH nach könne die Frage, wie hoch eine Vertragsstrafe bemessen sein müsse, um ihrer maßgeblichen Funktion als Druckmittel gerecht zu werden, nicht allgemein, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles beantwortet werden. Dabei habe es rechtsfehlerfrei in erster Linie auf den Umstand abgestellt, dass es sich bei der Beklagten um ein großes Unternehmen mit zahlreichen Filialen handele und dass deshalb das Risiko der Vertragsstrafe nicht allein im Verhältnis zum möglichen Gewinn aus dem neuerlichen Verstoß einer einzelnen Filiale, sondern zu dem aus einer erneuten Zuwiderhandlung mehrerer Filialen oder

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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gar des ganzen Unternehmens gesetzt werden müsse. Das Berufungsgericht habe weiter auch nicht verkannt, dass es für die Vertragsstrafenhöhe auf die Art des Wettbewerbsverstoßes und seines Zustandekommens sowie auf das übrige im Zusammenhang mit dem Verstoß – auch nachträglich – an den Tag gelegte Verhalten des Verletzers ankommen könne. Es habe dazu festgestellt, dass der Wettbewerbsverstoß nicht nur auf das Versagen eines einzelnen Filialleiters zurückzuführen sei, sondern auch auf einem Organisationsmangel der Beklagten beruhe, der sich bei über 150 Filialen auswirken könne, und dass die von der Beklagten anschließend getroffenen Maßnahmen – zwei Rundschreiben an die Filialen – nicht ausreichend seien, um die Gefahr von Wiederholungen auszuschließen. Dabei habe es berücksichtigt, dass die Zentrale der Beklagten ihren Filialen M. zukommen lasse, in denen ganze Anzeigenfelder von den Verkaufshäusern frei – der Kontrolle durch die Zentrale entzogen – gestaltet werden könnten, und dass es daneben eine frei gestaltete Eigenwerbung der Filialen gebe. Weiter habe es festgestellt, dass Direktoren und Abteilungsleiter der Filialen untereinander in einem ständigen Leistungsvergleich stünden und deshalb die Gefahr einer Wiederholung der zugkräftigen, wenngleich unzulässigen Werbung in anderen Verkaufshäusern nicht von der Hand zu weisen sei. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit von Maßnahmen, die über die in Rundschreiben gegebenen Hinweise und die zusätzlich gegebene Anweisung des T. Filialleiters hinausgingen. Diese tatrichterliche Würdigung habe keinen Rechtsverstoß erkennen lassen. Der Betrag von 5.000 DM erscheine im Hinblick auf die Größe, den Umsatz und Ertrag sowie auf die Kapitalausstattung eines Großunternehmens wie der Beklagten so gering, dass die Annahme der Gefahr einer Vernachlässigung des dadurch bewehrten Unterlassungsversprechens mindestens durch einzelne besonders erfolgsorientierte Filialleiter nicht als erfahrungswidrig angesehen werden könne, solange den Filialen über bloße Hinweise in Rundschreiben hinaus nicht ernsthaft Sanktionen für Wiederholungsfälle angedroht würden. Das Urteil des BGH ist für seine Begründung beispielhaft, da wichtige fallbezogene Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind. Dies hat auch das Berufungsgericht vorgenommen. Einen solchen Gesichtspunkt hat ein Urteil des OLG Karlsruhe nicht berücksichtigt und wurde vom BGH aufgehoben, da es sich um Ermessensmissbrauch handelte413. Karl D. betrieb auf einem eigenen Grundstück eine Gaststätte. Mit einem Vertrag übernahm die Klägerin, eine Brauerei, die seit Jahren mit ihm in Geschäftsbeziehungen stand, die Kosten für Instandsetzungsarbeiten an dem Grundstück bis zum Betrag von 6.000 DM. Als Gegenleistung verpflichtete sich Karl. D., von der Klägerin außer 385,42 hl Bier, die er aufgrund früherer Verträge noch zu beziehen hatte, weitere 3.000 hl ausschließlich und ununterbrochen zu beziehen. Diese Pflicht wurde durch eine Strafklausel gesichert, die vorsah, dass Karl D. ein Drittel des jeweiligen Hektoliterpreises als Strafe bezahlen musste für jeden hl Bier, welcher während der Vertragsdauer in Faß oder Flaschen aus einer anderen Brauerei bezogen werden sollte. Die gleiche Strafe hatte Karl D. an die Brauerei zu bezahlen, 413

BGH v. 27. 11. 1968, DB 1969, 169, 170 = NJW 1969, 461.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

wenn er durch Schließung oder Zweckentfremdung der Wirtschaft die abzunehmende Biermenge von insgesamt 3.385,42 hl nicht bezog. Die Biebezugsverpflichtung erstreckte sich auch jeden Rechtsnachfolger des Wirtes. Später kaufte die beklagte Stadtgemeinde das Grundstück von Karl D. aus Gründen der Stadtplanung. Der Kaufvertrag sah unter anderem vor, dass die Stadt von Verpflichtungen zur Abnahme von Bier frei war. Der Bierausschank wurde eingestellt und zu diesem Zeitpunkt belief sich die restliche Abnahmeverpflichtung auf 1.805,67 hl Bier. Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung der Vertragsstrafe in Anspruch. Das Landgericht Karlsruhe hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe) hat die Berufung der beklagten Gemeinde zurückgewiesen. Nach der Auffassung des BGH könne der Einwand der Beklagten, das Grundstück wäre, hätte sich Karl D. nicht zum Verkauf bereit erklärt, enteignet worden, nicht von Bedeutung sein. Der Meinung der Beklagten nach wäre das gleiche Ergebnis, das heißt der Fortfall des Bierbezuges, eingetreten, wie er durch die tatsächlich erfolgte Veräußerung entstanden ist, selbst wenn das Grundstück später enteignet worden wäre, ohne dass dann die Nichterfüllung des Bierbezugsvertarges vom Gastwirt D. zu vertreten gewesen wäre. Nach der richtigen Ansicht des BGH berühre dieser Einwand, die Vetragsansprüche, deren Nichterfüllung geltend gemacht wird, wären, auch wenn D. sich vertragsgemäß verhalten hätte, späterhin entfallen, die im Schadensersatzrecht behandelte Frage der hypotetischen Schadensverursachung. Im vorliegenden Fall handele es sich aber nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern nach der zutreffenden Auslegung des Berufungsgerichts um einen Vertragsstrafenanspruch. Berücksichtige man auch die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, so spiele der Umstand, ob und in welcher Höhe dem Gläubiger ein Schaden entstanden sei, keine Rolle bei der Entscheidung, ob eine Vertragsstrafe verwirkt sei. Infolgedessen seien Erwägungen über den hypothetischen Schadensverlauf ohne Gegenstand. Daraus, dass der hypothetische Schadensverlauf für die Frage, ob eine Vertragsstrafe verwirkt sei, keine Bedeutung habe, folge jedoch nicht, dass er auch für die Entscheidung, ob eine verwirkte Vertragsstrafe nach § 343 BGB herabzusetzen sei, außer Betracht bleiben müsse. Der Umstand, dass auch bei Vertragstreue des Schuldners die Ansprüche des Gläubigers, die durch die Strafe gesichert werden sollten, später entfallen wären, könne bei der Beurteilung, ob die verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch sei, eine Rolle spielen. Das Berufungsgericht hat aber diesen Geischtspunkt bei der Prüfung der Herabsetzung der Vertragsstrafe nicht beachtet. Die Tatsache, dass das Berufungsgericht das Herabsetzungsverlangen nicht auch unter dem Blickwinkel betrachtet hat, wie sich die Ansprüche der Klägerin gegen Karl D. bei einer Enteignung gestaltet hätten, mache sein Urteil problematisch. Der BGH hat also beurteilt, dass das Berufungsgericht alle in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen habe und der hypothetische Schadensverlauf einer davon sei. So verfährt gemeinhin die ständige Rechtsprechung des BGH, wenn es zur richterlichen Kontrolle der Ermessensausübung bei der Herabsetzung der Vertragsstrafen von den Tatgerichten kommt. Paradigmatisch ist auch das Urteil des

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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BGH vom 23. 05. 2003414. Mit einem notariell beurkundeten Vertrag vom 30. 06. 1993 veräußerte die N. B. G. GmbH, vertreten durch die Treuhandanstalt, den Beklagten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein 11.081 m2 Grundstück zum Preis von 925.000 DM. Der Kaufvertrag bestimmte unter anderem: „Der Käufer beabsichtigt, den Kaufgegenstand für Planungs-, Entwicklungs- sowie Ausführungsarbeiten für gebäudetechnische Anlagen mit Schulung von Fachpersonal zu nutzen. (…) Der Käufer sichert bzw. schafft die im Vorhabenplan genannte Anzahl von 30 Arbeitsplätzen bis zum 01. 06. 1996 und verpflichtet sich, diese für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren zu erhalten. (…) Sofern der Käufer sich im Rahmen seines Vorhabenplanes zur Sicherung/Schaffung von Arbeitsplätzen verpflichtet, steht dem Verkäufer der Anspruch auf Rückübertragung des Verkaufsgegenstandes auch zu, wenn der Käufer seine insoweit übernommene Verpflichtung nicht erfüllt. Der Treuhandanstalt steht dann eine Vertragsstrafe in Höhe von 36.000 DM pro nicht geschaffenen oder nicht gesicherten Arbeitsplatz und Jahr zu. Die vorgenannten Verpflichtungen des Käufers bestehen nicht, wenn die Nichtdurchführung oder wesentliche Änderung des Vorhabens auf zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbare dringende betriebliche Erfordernisse zurückzuführen sind und das Vorhaben nachhaltig begonnen wurde.“

Die auf dem Kaufgrundstück tätigen Unternehmen, deren Gesellschafter die Beklagten waren, beschäftigten im Juli und November 1995 sowie im Februar und April 1996 jeweils 28 Arbeitnehmer, im Oktober und Dezember 1995 jeweils 29 Arbeitnehmer, im Januar 1996 26 Arbeitnehmer, im Dezember 1997 29 Arbeitnehmer, im März und April 1998 jeweils 25 Arbeitnehmer und im Mai 1998 24 Arbeitnehmer. Wegen Nichteinhaltung der Arbeitsplatzzusage hat die Treuhandanstalt (Klägerin) von den Beklagten die Zahlung von 51.000 DM (3.000 DM pro nicht besetztem Arbeitsplatz und Monat) verlangt. Die Klage ist sowohl in der ersten (LG Potsdam) als auch in der zweiten Instanz (OLG Brandenburg) erfolglos geblieben. Der Revision der Klägerin hat der BGH stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Verwirkung der Vertragsstrafe seien erfüllt, denn die Mindestzahl der Arbeitnehmer habe den vereinbarten Umfang während des gesamten vertraglichen Zeitraums von zwei Jahren unstreitig nicht erreicht. Der von den Beklagten hervorgehobene Umstand, dass über viele Monate hinweg mehr als 30 Arbeitsplätze besetzt waren, berühre die Verpflichtung der Vertragstrafe nicht. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Unterschreiten der Mindestzahl von besetzten Arbeitsplätzen in einigen Monaten durch das Überschreiten dieser Zahl in anderen Monaten kompensiert werden könne. Die mit der Arbeitsplatzzusage bezweckte Entlastung des Arbeitsmarktes könne in dem vereinbarten Umfang durch eine solche Kompensation nicht erreicht werden. Die Höhe der Vertragsstrafe hat der BGH geprüft und den Schluss gezogen, dass eine Herabsetzung nicht in Betracht komme, weil die Strafe unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unverhältnismäßig hoch sei. Ein solcher Umstand darf auf jeden Fall der Zweck der Strafe sein, das heißt die Sicherung von Arbeitsplätzen. Die generelle Formulierung des Urteils

414

BGH v. 23. 05. 2003, MDR 2003, 1040 = WM 2003, 1967.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

nennt aber andere Gesichtspunkte nicht und der Leser fragt sich, welche Umstände das Gericht gewürdigt hat. Solche Fragen von Unklarheit wirft das Urteil des BGH vom 01. 06. 1983 nicht auf415. Der Beklagte war für die Klägerin im Bereich Niedersachsen als Landesdirektor tätig. Gemäß Vertrag schied er gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 150.000 DM bei ihr aus und gründete eine GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer er war und die in gleicher Weise wie die Klägerin Versicherungsverträge, Bausparverträge und Fondsanteile vermittelte. Während die Klägerin sich in dem Vertrag bereit erklärte, auf ein Konkurrenzverbot zu verzichten, verpflichtete sich der Beklagte, es zu unterlassen, Kunden und Mitarbeiter der Klägerin auszuspannen bzw. abzuwerben und sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Branche und in seinem Kollegenkreis alles zu unterlassen, was der Klägerin oder ihren Mitarbeitern zu Schaden gereichen könnte. Auf einen Verfügungsantrag der Klägerin, die glaubhaft gemacht hatte, dass der Beklagte planmäßig versucht habe, verschiedene ihrer Mitarbeiter für sein neues Unternehmen zu gewinnen, untersagte das Landgericht Hannover dem Beklagten persönlich oder mittelbar durch dritte Personen Außendienstmitarbeiter der Klägerin abzuwerben, diese der Klägerin auszuspannen oder diese zum Vertragsbruch gegenüber der Klägerin zu verleiten oder dies alles zu versuchen. Eine Verpflichtung desselben Inhalts, durch die das Verbot des Urteils ersetzt werden sollte, übernahm der Beklagte durch Erklärung wenige Monate später. Ferner erklärte sich der Beklagte bereit, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die durch den ersten Vertrag begründeten Pflichten an die Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 DM zu zahlen. In ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass der Beklagte die Vertragsstrafe in vier Fällen verwirkt habe. Er habe nämlich ein vertragswidriges Verhalten aufgenommen und – sowohl selbst wie durch seine Mitarbeiter – erneut versucht, vier besonders tüchtige Mitarbeiter für seine Tätigkeit zu gewinnen. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 200.000 DM als Vertragsstrafe zu zahlen. Der Beklagte hat hingegen vorgetragen, er habe Mitarbeiter der Klägerin weder abgeworben noch abzuwerben versucht. Vielmehr seien die Vertreter der Klägerin von dieser angewiesen worden, ihn zu vertragswidrigem Verhalten zu verleiten. Jeder von ihnen habe eine Erklärung unterzeichnet, nach der er ihn aus eigenem Antrieb aufgesucht habe. Das Landgericht Hannover hatte dem Klageantrag stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht Celle unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen. Mit der Revision hat die Klägerin ihren Klageantrag weiterverfolgt. Die Revision hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte hatte aufgrund seiner vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtung gemäß § 339 BGB an die Klägerin als Vertragsstrafe einen Betrag in Höhe von 200.000 DM zu zahlen. Das Urteil des BGH enthält eine bemerkenswerte und plausible Begründung über das Thema der Strafhöhe. Laut BGH bestehe im vorliegenden Fall kein Grund für die Herabsetzung nach 415

BGH v. 01. 06. 1983, NJW 1984, 919 = ZIP 1983, 1463.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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§ 343 BGB. Die hier versprochene und in vier Fällen verwirkte Strafe von je 50.000 DM sei nicht unverhältnismäßig hoch, sondern den berechtigten und schützenswerten Interessen der Klägerin angemessen. Dieser Gesichtpunkt hat die wichtigste Rolle bei der Prüfung gespielt. Dies hat das Revisionsgericht selbst beurteilt, da alle für diese auch bereits vom Landgericht vorgenommene Würdigung maßgeblichen Tatsachen festgestellt worden sind. Die Klägerin hatte aus mehreren Gründen ein erhebliches Interesse an einer hohen Vertragsstrafenverpflichtung. Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass die von dem Beklagten übernommene Unterlassungsverpflichtung eine durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigte einstweilige Verfügung ersetzen sollte, durch die dem Beklagten bereits verboten worden war, die Abwerbung von Vertretern der Klägerin zu versuchen. Ziel der einstweiligen Verfügung war den Beklagten davon abzuhalten, die Vertreter der Klägerin für sein neu gegründetes oder noch zu gründendes Unternehmen zu gewinnen. Die damit schon einmal erkennbar gewordene Bereitschaft des Beklagten zum Vertragsbruch stellte einen bedeutenden Grund für die Vereinbarung einer hohen Strafe als Schutz vor nicht fernliegenden erneuten Vertragsverletzungen dar. Neben diesem Grund war auch von Bedeutung, dass es sich bei den Mitarbeitern, deren Abwerbung der Beklagte versucht hat, um Vertreter handelte, deren Abwerbung wegen ihrer Stellung in der Vertriebsorganisation der Klägerin und wegen ihres möglichen Einflusses auf andere Mitarbeiter (Untervertreter) zu erheblichen Störungen und Einbußen im Vertriebssystem der Klägerin hätte führen können, während andererseits die genannten Möglichkeiten der Abgeworbenen für den Beklagten beträchtliche wirtschaftliche Chancen eröffnen und ihn veranlassen konnten, eine nicht abschreckend hohe Vertragsstrafe bewusst in Kauf zu nehmen. Daher konnte nur eine hohe Vertragsstrafe einen angemessenen Schutz gewährleisten, da die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Interessen hatte und der Beklagte seine Bereitschaft zu vertragswidrigem Verhalten schon einmal erwisen hatte. Die vereinbarte Höhe von 50.000 DM, die sich als nicht einmal ausreichend zur Verhinderung weiterer Versuche erwiesen hat, sollte nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Die Nichtberücksichtigung dieser Umstände von dem Berufungsgericht hat ein charakteristisches Beispiel von Ermessensmissbrauch dargestellt. Dem Urteil ist genau dieser wichtige Anhaltspunkt für die hiesige Problematik zu entnehmen. Dem Urteil des BGH vom 10. 07. 1974 zur Bemessung der Vertragsstrafe liegen folgende tatsächlichen Umstände zugrunde416 : Zum Abbau der großen Lagerbestände an Butter ermächtigte die Kommission der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Bundesrepublik Deutschland, 7.500 Tonnen Butter zur Verarbeitng zu Butterschmalz zu einem um 4 DM je kg herabgesetzten Preis abzugeben. Mit dem Absatz der freigegebenen Butter betraute der Bundesminister für Landwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft die Klägerin. Die Klägerin machte in Ausführung der

416

BGH v. 10. 07. 1974, JurionRS 1974, 12624.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

Auflagen der EWG-Kommission den Bezug von Butter von folgenden Bedingungen, die sie den Verkaufsbestätigungen beifügte, abhängig: „Die Käufer verfplichten sich, folgende Auflagen zu erfüllen: a) Die Butter sofort nach der Auslieferung zu Butterschmalz verarbeiten zu lassen. (…) c) Das Butterfett im Verarbeitungsbetrieb in … Bechern mit 500 g Nettoinhalt abpacken zu lassen. (…) e) Das abgepackte Butterfett unverzüglich über Groß- und Einzelhandel unmittelbar an den Verbraucher abzugeben. f) Sowohl die verbilligt abgegebene Butter als auch das daraus hergestellte Butterfett weder zu exportieren noch für gewerbliche oder industrielle Weiterverarbeitung abzugeben. g) Die Käufer gewähren der … (Klägerin) oder den von ihr beauftragten Stellen das Recht, die Einhaltung dieser Bedingungen anhand ihrer Geschäftsunterlagen zu prüfen und verpflichten ihre Abnehmer, eine entsprechende Prüfung ihrer Geschäftsunterlagen zuzulassen. h) Die Auflagen e), f) und g) beim Weiterverkauf des fertiggestellten Butterfetts auch dem jeweiligen Nacherwerber mit Ausnahme der Einzelhandelssufe aufzuerlegen. Die Käufer haben bei Verstößen gegen diese Auflagen unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens eien Konventionalstrafe bis zu einer Höhe von 8 DM/kg auflagewidrig verwendeter Ware an die … (Klägerin) zu zahlen.“

Die Klägerin verkaufte größe Mengen Butter zur Herstellung von Butterfett an den Kaufmann Josef H., der ein Butterschmelzwerk betrieb. Anfang Februar 1968 suchte der Handelsvertreter H., der damals für Josef H. tätig war, den Beklagten in seinen Geschäftsräumen auf und fragte ihn, ob er Interesse an verbilligtem Butterfett habe. Dieser erklärte sich bereit, solches Butterfett abzunehmen. Der Kaufmann Josef H. lieferte an den Beklagten mehrere Mengen Butterfett. Die Ware war in allen Rechnungen als „Aktionsbutterfett“ bezeichnet. Der Beklagte verkaufte das von Josef H. erworbene Butterfett alsbald an eine Firma weiter. Die Ware war auf den Rechnungen für die genannten Lieferungen als „Butterfett“ bezeichnet. Die Firma schmolz das Butterfett um und verkaufte es im Inland und im Ausland. Als die Klägerin davon erfuhr, setzte sie gegen den Beklagten unter Hinweis auf die Verkaufsbedingungen eine Vertragsstrafe von 153.600 DM fest. Sie ging dabei von einer Gesamtmenge von 51.200 kg auflagenwidrig verkauften Butterfetts und einem Betrag von 3 DM je kg Butterfett aus. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision hat der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiterverfolgt. Im Mittelpunkt des Falles stand die Beantwortung der Frage, ob die Höhe der verwirkten Strafe angemessen war. Der Ansicht des BGH nach habe die Revision des Beklagten verkannt, dass durch die Bemessung einer Vertragsstrafe jedem Interesse des Gläubigers Rechnung getragen werden könne. Im vorliegenden Fall handelte es sich darum, den Bestimmungszweck einer staatlichen Subvention zu sichern und deshalb musste die Vertragsstrafe in Beziehung zu dem Subventionsbetrage stehen. Der Argumentation der Revision, die vorgesehene Strafe habe außerhalb jeder vernünftigen Erwartung gelegen, hat der BGH zu Recht und mit richtiger Begründung nicht gefolgt und sie zurückgewiesen. Soweit die Revision auf das Verhältnis der vereinbarten Vertragsstrafe zu dem Warenwert verwies, habe sie übersehen, dass es hierauf nicht entscheidend ankomme. Bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe könne, wie aus § 343 Abs. 1 S. 2 BGB hervorgehe, jedes berechtigte Interesse

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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des Gläubigers in Betracht gezogen werden. Durch die Weitergabebedingungen der Klägerin sollte aber gerade erreicht werden, dass die durch staatliche Subvention erzielte Verbilligung des Butterfetts dem Endverbraucher zugute kam. Die Klägerin hatte deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass derjenige, der dieses Ziel vereitelte, mit dem Subventionsbetrag belastet wurde. Die Bemessung des Höchstbetrages und die von der Klägerin getroffene Bestimmung haben sich in einem entsprechenden Rahmen gehalten. Diesen Gesichtspunkt hat das Urteil des Berufungsgerichts bei der Ermessensausübung berücksichtigt. Dies hat keinen Raum für Missbrauch gelassen. Der BGH spricht also im Zusammenhang mit der Herabsetzungskontrolle der Vertragsstrafe von Berücksichtigung sachbezogener Gesichtspunkte. Die Nichtberücksichtigung dieser Gesichtspunkte oder – umgekehrt – die Berücksichtigung nicht sachbezogener Gesichtspunkte werden als Kriterien der Ermessensausübung von den Tatgerichten betrachtet. So ist z. B. das Urteil des BGH vom 27. 09. 1967 zu erwähnen417. Was den Sachverhalt betraf, betrieb die Klägerin eine Mühle, der Beklagte eine Bäckerei. Die Klägerin gewährte dem Beklagten ein Darlehen, um es ihm zu ermöglichen, Verpflichtungen gegenüber einem Dritten abzulösen. Die Parteien schlossen einen Darlehensvertrag über 40.000 DM ab. Das Darlehen sollte mit 9 % jährlich verzinst, durch Grundschulden gesichert und in 20 Halbjahresraten von je 2.000 DM zurückgezahlt werden. Diesem Vertrag folgte eine auch von der Ehefrau des Beklagten unterzeichnete schriftliche Vereinbarung, in der beide Eheleute als Darlehensnehmer bezeichnet waren. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte, von der Klägerin auf die Dauer von 10 Jahren mindestens 80 % des von ihm benötigten Roggen- und Weizenmehls bzw. Backschrotes zum jeweiligen Tagespreis abzunehmen. Bei Verstoß gegen diese Verpflichtung sollte die Klägerin berechtigt sein, eine Vertragsstrafe von 10 DM für jeden Doppelzentner anderweitig eingekauften Mehles zu verlangen. Die Mehlabnahmeverpflichtung war von dem Beklagten auch einem Rechtsnachfolger im Bäckereibetrieb aufzuerlegen. Der Rest des Darlehens ist nach zwei Jahren zurückbezahlt worden. Mit der erhobenen Klage forderte die Klägerin Beträge, die der Beklagte im Laufe des Rechtsstreites beglichen hat, und als Vertragsstrafe 6.450 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung des genannten Betrages nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist vom Oberlandesgericht Braunschweig zurückgewiesen worden. Mit der Revision hat er die Abweisung der Klage hinsichtlich der als Vertragsstrafe geforderten Beträge erstrebt. Sie ist auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen worden. Der BGH hat die Strafhöhe als angemessen hoch betrachtet. Seiner Ansicht nach seien gemäß § 343 BGB Interessen des Gläubigers auch insoweit zu berücksichtigen, als es sich nicht bloß um Vermögensinteressen handelt. Der Umstand, dass der Beklagte das Darlehen zurückbezahlt habe, könne jedenfalls eine Herabsetzung der vereinbarten Vertragsstrafe nicht rechtfertigen. Selbst wenn man in ihr einen pauschalierten Schadensersatzanspruch erblicken müsste, wären die Einwendungen 417

BGH v. 27. 09. 1967, JurionRS 1967, 12946.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

des Beklagten zur Höhe deshalb abzulehnen, weil nichts dafür vorliege, dass die Klägerin in ihren Umsätzen durch die Verletzung der Bezugsverpflichtung nicht beeinträchtigt worden sei, was der Beklagte behaupten und darlegen müsste. Das Urteil analysiert die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht weiter. Aus dem Vorgesagten lässt sich aber ergeben, dass der wichtigste davon das Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung ist. Die dem Urteil des BGH vom 29. 01. 1957 zugrunde liegende Rechtsfrage betrifft die zu untersuchende Problematik über die Herabsetzungskontrolle der Vertragsstrafe direkt418. Der Kläger bewohnte zusammen mit seiner Mutter eine Wohnung. Die Mutter hat das Grundstück an den Kläger veräußert, der als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist. Die Wohnung war an die Stromleitung des Werkes der Beklagten angeschlossen. Im Herbst 1945 veranlasste der Kläger einen Elektriker, eine Überbrückungsleitung zu legen, die es gestattete, Kraftstrom zu entnehmen, ohne dass er über den Zähler lief. Nur die Lichtleitung blieb an den Zähler angeschlossen. Über diese Schwarzleitung wurde vom 14. 11. 1945 bis zum 24. 09. 1951 Strom bezogen. Sie wurde aus Anlass einer Auswechslung des Zählers entdeckt und der Strom für die gesamte Anlage gesperrt. Der Kläger ist wegen Entziehung elektrischer Arbeit zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und zu einer Geldstrafe von 2.000 DM rechtskräftig verurteilt worden. Der Kläger hat mit seiner Klage von der Beklagten die Wiederbelieferung mit elektrischem Strom begehrt. Die Beklagte hat widerklagend einen Anspruch auf Vertragsstrafe von 10.000 DM gemäß Nr. VII 4 der Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens erhoben. Das Landgericht Hamburg hat der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht Hamburg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Beklagten ist ihr ein weiterer Betrag von 10.000 DM, um den sie ihre Widerklage erhöht hatte, zugesprochen worden. Mit der Revision hat der Kläger seinen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiterverfolgt. Auch diese wurde vom BGH zurückgewiesen. Die Revision wendete sich dagegen, dass das Berufungsgericht eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB abgelehnt hat. Nach der Ansicht des BGH würde eine Herabsetzung an sich auch bei einer Vertragsstrafe möglich sein, die auf einer durch Rechtsverordnung zum Vertragsinhalt gewordenen Bestimmung beruhe. Auch hier könne sich nach Verwirkung der Strafe die Notwendigkeit ergeben, sie zum Schutz des wirtschaftlich Schwachen durch richterliche Gestaltung auf einen angemessenen und billigen Betrag zurückzuführen. Das Berufungsgericht hatte den von der Beklagten als Vertragsstrafe geforderten Betrag von 20.000 DM nicht als unverhältnismäßig hoch angesehen. Der BGH ging davon aus, dass die Strafhöhe einer verwirkten Vertragsstrafe Tatfrage sei und in der Revisionsinstanz nur in der Richtung nachgeprüft werden könne, ob der Tatrichter bei Ausübung seines Ermessens von zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen sei. Die Revision habe zu Unrecht gemeint, dass das Berufungsgericht von 418

BGH v. 29. 01. 1957, BGHZ 23, 175.

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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dem wirklichen ungezählten Stromverbrauch habe ausgehen müssen, wie er nach den Erfahrungen des Lebens zu schätzen sei. Es sei vielmehr maßgebend, welchen Schaden der Vertragsbruch des Klägers überhaupt herbeiführen könne. Die Vertragsstrafe solle gerade dem Gläubiger die Verfolgung des ihm durch die Vertragsverletzung des Schuldners entstehenden Schadens erleichtern und zugleich auf den Schuldner einen mittelbaren Zwang ausüben, die ihm obliegenden Verpflichtungen ordnungsmäßig zu erfüllen. Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts zutreffend bestätigt, da das OLG Hamburg im Rahmen der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit der geforderten Vertragsstrafe den möglichen Stromverbrauch während der unerlaubten Stromentnahme geschätzt habe und es dabei zu dem Ergebnis gelangt sei, dass ernsthaft die Möglichkeit bestanden habe, dass der Kläger 40 Kilowattstunden täglich verbraucht habe, was einer Strafe von etwa 20.000 DM entsprechen würde. Es habe dabei nicht die in Nr. VII 4 der Versorgungsbedingungen vorgesehene zehnstündige Benutzung aller Geräte zu Grunde gelegt, sondern aus technischen Gründen wegen des Umschalthebels nur eine fünfstündige Dauer. Auf die übliche Gebrauchsdauer der angeschlossenen Geräte komme es bei der Erörterung der Unverhältnismäßigkeit nicht an. Die Vertragsstrafe ziele darauf ab, dass jedes berechtigte Interesse des Gläubigers an der gehörigen Erfüllung des Vertrages geschützt werde. Selbst der Nachweis, dass ein Schaden tatsächlich in geringerer Höhe oder überhaupt nicht entstanden sei, würde nicht zu einer Herabsetzung der Strafe führen müssen. Durch die Zulassung des Gegenbeweises, dass kein Schaden entstanden sei, würde die Sicherung, welche dem Gläubiger daraus erwachse, dass sich der Schuldner durch die ihm aus der Strafabrede drohenden Nachteile von einem Vertragsbruch abhalten lasse, wieder in Frage gestellt werden. Das Berufungsgericht habe zu Recht außer Acht gelassen, wie lange üblicherweise in einem derartigen Haushalt ein Waschtopf benutzt werde, wie hoch bei normaler täglicher Benutzung der Stromverbrauch eines Heißwasserspeichers sei und ob der Elektroherd nur 6 Monate im Jahr benutzt worden sei. Die Schwarzleitung sei im Übrigen, wie das Berufungsgericht festgestellt habe, auch gerade deshalb angelegt worden, um für eine Raumheizung Strom entnehmen zu können. Der Kläger habe sich jedenfalls die Möglichkeit verschafft, unbezahlt jederzeit Strom für solche Anschlusswerte zu entnehmen, dass ein Stromverbrauch von täglich 40 Kilowattstunden als im Rahmen des Möglichen liegend angesehen werden könne. Das Berufungsgericht sei auch berechtigt, aus dem Gesamtverhalten des Klägers Schlüsse darauf zu ziehen, dass sich der Kläger bei der Ausnutzung der Möglichkeit unbefugter Stromentnahme keine Beschränkungen auferlegt haben werde. Ob die Vertragsstrafe bei nur üblichem Gebrauch der Geräte das 22 – 40fache des Stromverbrauchs ausmache, sei also für die rechtliche Beurteilung, ob die Vertragsstrafe als unangemessen hoch anzusehen sei, ohne Belang. Der Hauptzweck der Vertragsstrafe sei die Erzwingung redlichen Verhaltens der Abnehmer, weil eine große und unübersehbare Gefahr der Schädigung der Versorgungsunternehmen bestehe, wenn die Abnehmer dazu übergingen, durch schwer zu entdeckende Schwarzleitungen oder Vorrichtungen zur Beeinflussung der Zähler unkontrollierbare Strommengen zu entnehmen. Das Strafübel der kriminellen Strafe reiche, wie der vorliegende Fall zeige, zu der er-

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

strebten Schütze nicht aus. Wenn der Bemessung der Vertragsstrafe bei derartigen Unredlichkeiten eine erhebliche Ausnutzung des unbefugten Strombezuges zugrunde gelegt werde, so sei dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die schematische Festlegung der Strafe auf einen täglich zehnstündigen Betrieb der Geräte möge zwar in erster Linie auf gewerbliche Unternehmen zugeschnitten sein, während in einem Privataushalt ein solcher Gebrauch auch bei unbefugter Entnahme für manche Geräte weniger wahrscheinlich sein könnte. Es gebe aber keinen Grund, die aus besonderen Gründen bereits nur nach fünfstündiger Benutzung berechnete Summe als unangemessen hoch zu betrachten. Es könne auch für die Berechnung der höchste zulässige Tarif angewendet werden, weil die günstigeren Tarife Sonderabreden zugunsten vertragstreuer Partner darstellten. Wer sich etwa sechs Jahre lang die Möglichkeit des unkontrollierten Strombezuges für hohe Anschlusswerte, insbesondere für Heißwasserbereitung, Kochen und Heizung, verschaffe, müsse mit einer erheblichen Vermögenseinbuße, die im Einzelfall auch seine wirtschaftliche Existenz bedrohe oder gar vernichte, rechnen. Es könne auch nicht außer Betracht bleiben, dass nicht eine beliebige, etwa auf Unachtsamkeit beruhende Vertragsverletzung, sondern eine vorsätzlich begangene unerlaubte und strafbare Handlung und damit ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die Pflicht zur redlichen Einhaltung des Vertrages vorliege, dessen Folgen der Abnehmer ohne Weiteres vermeiden könne, indem er verbotene Eingriffe in die Anlage unterlasse. Der Gesichtspunkt der „Opfergrenze“, den die Revision noch anführe, betreffe das Maß der vom vertragstreuen Schuldner für die Erfüllung der Verbindlichkeit zu machenden Aufwendungen und scheide hier aus. Somit könne die Vertragsstrafe in Höhe von 20.000 DM als nicht unverhältnismäßig hoch angesehen werden. Die lobenswerte Argumentation des Urteils des BGH erwähnt eine Reihe von Gesichtspunkten, die dieses Ergebnis gestützt haben. Kriterien wie das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers, das Verschulden des Schuldners und die Dauer der Vertragsverletzung finden in dem Urteil ausdrückliche Erwähnung. Da das Berufungsgericht diese nicht verkannt hat, ist sein Urteil ebenfalls begründet. Aus einer zusammenfassenden Gesamtbetrachtung der in der Lehre vertretenen Begriffsbestimmungen wird die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe als eine Tatfrage verstanden, die grundsätzlich außerhalb der Nachprüfbarkeit der Revisionsinstanz bleiben müsse. Die Revisibilität sei nur in den Fällen des Ermessensmissbrauchs oder der Ermessensüberschreitung zu bejahen, nämlich wenn das Tatgericht wesentliche Umstände nicht berücksichtigt, nicht sachbezogene Gesichtspunkte mitberücksichtigt oder seine Entscheidung auf falsche Tatsachen gestützt habe419. Dieses Zusammentreffen von Rechtslehre und Rechtsprechung lässt 419 Vgl. NK-BGB/Walchner, § 343 Rn. 6; Bamberger/Roth/Janoschek, § 343 Rn. 9; Erman/ Schaub, § 343 Rn. 5; Hk-BGB/Schulze, § 343 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 7; PWW/ Medicus/Stürner, § 343 Rn. 11; RGRK/Ballhaus, § 343 Rn. 15; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 23; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 133 f. MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 22 differenziert sich bei der Charakterisierung der Angemessenheit. Er hält sie für eine Rechtsfrage, aber er kommt zum gleichen Schluss der beschränkten Revisibilität.

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sich durch die Konzeption des Herabsetzungsspielraums als Ermessen mit den oben beschriebenen Folgen erklären. c) Zusammenfassung – Stellungnahme Auf der Grundlage der obigen Ausführungen lässt sich der Begriff der Unverhältnismäßigkeit, soweit eine Strafhöhenkontrolle in Betracht kommt, wie folgt verstehen: Sie entspricht einem unbestimmten Rechtsbegriff, der wegen seiner Unbestimmtheit ausfüllungsbedürftig ist. Bei der Konkretisierung ist der Richter verpflichtet, die vorbeschriebenen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Gleichzeitig aber eröffnet sich dem Gericht ein mehr oder weniger breiter Ermessensspielraum. Es ist hinreichend anerkannt, dass von einem Ermessen die Rede ist, wenn der Rechtsanwender über einen Spielraum für eigene Entscheidungen trotz Vorliegens aller tatbestandlichen Voraussetzungen verfügt. Das Ermessen betrifft inhaltlich die Rechtsfolgenseite. Zum Begriff Beurteilungsspielraum gehört ein Spielraum im Bereich des Tatbestandes selbst. Deswegen wird er auch Tatbestandsermessen genannt. Anders als beim tatsächlichen Vorliegen von Ermessen lässt hier die Rechtsfolgenseite der Norm jedoch keinen Handlungsspielraum zu. Der Gesetzgeber hat in diesem Fall Tatbestände unbestimmt und weit gehalten, so dass für den Rechtsanwender ein Beurteilungsspielraum bei der Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter den Tatbestand der jeweiligen Norm verbleibt. Die unbestimmten Rechtsbegriffe fallen darunter und lassen sich nicht als Ermessensfälle bezeichnen. Anders gesagt beschränkt sich der Beurteilungsspielraum auf die sog. Tatbestandsebene, während sich das Ermessen nur auf die Rechtsfolgenseite bezieht420. Bei der Strafherabsetzung ist der Richter nicht berechtigt zu entscheiden, ob er seine Befugnis ausüben wird oder nicht (sog. Entschließungsermessen, über das die Verwaltungsbehörden in bestimmten Fällen verfügen). Ein Auswahlermessen ist ihm aber anzuerkennen, da er bei der Herabsetzungsentscheidung frei ist, eine von mehreren (tatsächlich unzählbaren) Alternativen im Sinne der Bestimmung einer Strafhöhe zu wählen. Dies bedeutet, dass die Besonderheit vorliegt, dass ein und dasselbe Element gleichzeitig sowohl einen unbestimmten Rechtsbegriff als auch eine Ermessensbefugnis darstellt. Obwohl dieser Fall eher unüblich ist421, muss die Doppelnatur des Begriffs hier bejaht werden. Als Grundlage für dieses Ergebnis lässt sich die obige Darstellung heranziehen, wonach der Begriff der unverhältnismäßigen Höhe im Tatbestand und des angemessenen Betrages in der Rechtsfolgenseite ein 420

Vgl. Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 248 f. So z. B. Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens, S. 248 f., wonach die zwei Kategorien voneinander zu trennen seien. Das ist grundsätzlich richtig, wie die von ihr erwähnten Paradigmata von guten Sitten oder Treu und Glauben beweisen, da diese dem Entscheidungsträger keine Wahlmöglichkeit eröffnen. Ein Vertrag kann sittenwidrig sein oder nicht und das hängt von der Konkretisierung des Begriffs ab. 421

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

und derselbe ist422. Dieser Faktor ist entscheidend und spricht für die Bejahung des Doppelcharakters. Folglich gelten alle oben dargestellten Bemerkungen über die Nachprüfbarkeit grundsätzlich auch für die revisionsgerichtliche Kontrolle der Herabsetzung. Einerseits bedeutet die Bezeichnung der richterlichen Herabsetzungskontrolle als Ermessen, dass die revisionsgerichtliche Nachprüfbarkeit der Ermessensausübung nur im Bereich der Ermessensfehler beschränkt ist. Aus diesen Fehlern muss die Ermessensüberschreitung ausgenommen werden. Bei der Herabsetzung ist der Richter frei, seine Überzeugung bezüglich der Höhe zu bilden. Warum die angemessene Strafe in einem weiteren Rahmen auf 10.000 EUR und nicht auf 11.000 EUR lauten muss, ist eine Frage, die unter die Ermessensentscheidung des Tatrichters fällt. Eine Ermessensgrenzüberschreitung ist daher nicht vorstellbar. Die anderen Ermessensausübungsfehler sind freilich nachprüfbar423. Auf der anderen Seite bringt das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffes eine prinzipiell umfassendere Nachprüfbarkeit mit sich. Falls der Tatrichter die rechtlichen Maßstäbe verkennt, die an einen unbestimmten Rechtsbegriff gestellt werden, dann liegt eine Verkennung des Rechtsbegriffes vor und damit eröffnet sich der Weg zur unbeschränkten revisionsgerichtlichen Nachprüfbarkeit424. Dieses Prinzip gilt für die Kontrolle des Obersatzes. Es ist aber nicht frei von Ausnahmen. Eine Ausnahme liegt bei der Bildung von Richtlinien mit bloß partikulärem oder örtlichem Charakter vor425. Hinsichtlich der Subsumtion selbst wird die Nachprüfbarkeit des Revisionsgerichts auch als uneingeschränkt betrachtet. Wie bereits erwähnt, ist die Subsumtion in einigen Fällen ausnahmsweise irrevisibel, insbesondere dann, wenn es sich um Rechtsbegriffe des Grades oder des Maßes handelt426. Rechtsbegriffe des Grades oder des Maßes werden durch die Besonderheit charakterisiert, dass sie den Richter verpflichten, eine differenzierte, auf den Einzelfall zugeschnittene Beurteilung vorzunehmen. Die Abstufung und das Verhältnis der jeweiligen Größen zueinander bringen Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich, die die Bemessung der Quantitäten nicht leicht machen. Die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe fällt auf dieser Grundlage ebenfalls darunter, da der Gesetzgeber der richterlichen Konkretisierung dieses Begriffs einen Beurteilungsspielraum eröffnet hat. Sie entspricht einem Steigerungsbegriff des Maßes in dem Sinne, dass der Tatrichter ein Missverhältnis zwischen der Strafhöhe und den Interessen des Gläubigers und den anderen maßgeblichen Gesichtspunkten auffinden muss. Deswegen ist die

422

Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) mm). So auch Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 134. 424 Umfassend Henke, Die Tatfrage, S. 191 ff., der von dem „Grundsatz voller Revisibilität unbestimmter Begriffe“ spricht. 425 Paradigmata in Henke, Die Tatfrage, S. 259 ff. 426 Mehr dazu oben Teil 2 B. V. 2. a). 423

B. Die prozessrechtlichen Aspekte

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Bezeichnung der unverhältnismäßigen Strafhöhe als Tatfrage nicht korrekt427. Wäre dieser Begriff eine Tatfrage, so stünde er außerhalb der revisionsrechtlichen Kontrolle. Dies ist jedoch nicht richtig. Das Revisionsgericht kann die Anwendung der Denk- und Erfahrungssätze auf jeden Fall nachprüfen. So ist der Begriff der unverhältnismäßigen Strafhöhe freilich eine Rechtsfrage, die grundsätzlich uneingeschränkt revisionsrechtlich nachprüfbar sein müsste, wenn dieser Begriff nicht mit der Bestimmung einer konkreten Höhe vom Tatrichter einherginge. Aus der bis hier ausgeführten Darstellung folgt schließlich, dass eine Kombination der Lösungen in den Fällen der revisionsgerichtlichen Kontrolle der unbestimmten Begriffe und des Ermessens vorzuschlagen ist. Dies lässt sich durch die ähnlichen Ergebnisse beider Fälle rechtfertigen. Die ähnlichen Resultate liegen dabei in der Beschränkung der Nachprüfbarkeit auf bestimmte Aspekte. In diesem Sinne ist der Schluss der tatgerichtlichen Urteile nur beschränkt nachzuprüfen und die jeweilige Kontrolle muss lediglich die Ermessensfehler und die Nichtberücksichtigung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen zum Gegenstand haben428.

VI. Die Eröffnung eines Schiedsverfahrens Vereinbarungen zur Herabsetzungskontrolle durch Verfahren vor einem Schiedsgericht, das heißt einem privaten Zivilgericht, sind statt eines Rechtsweges zu den staatlichen Zivilgerichten denkbar und zulässig429. Die generell akzeptierte Unabdingbarkeit der Vorschrift berührt die Möglichkeit einer schiedsgerichtlichen Herabsetzungskontrolle nicht430. Das Verfahren wird nach §§ 1025 ff. ZPO geregelt. Bei Arbeitsstreitigkeiten greifen die §§ 101 ff. ArbGG ein. Hinsichtlich der Wirkung des Schiedsspruchs selbst ist die Anwendung von § 1055 ZPO unvermeidlich. Danach ist der Schiedsspruch einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil gleichzustellen. Allgemein ist 427

BGH v. 28. 11. 1967, LM Nr. 2 zu § 339 BGB; BGH v. 13. 03. 1953, LM Nr. 2 zu § 339 BGB = DB 1953, 313 („Ob die verwirkte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist, ist Tatfrage und kann in der Revisionsinstanz nur in der Richtung nachgeprüft werden, ob der Tatrichter bei Ausübung seines Ermessens von zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist.“); RG v. 23. 04. 1932, HRR 1932, Nr. 1645; RG v. 17. 11. 1914, RGZ 86, 28; BAG v. 01. 10. 1963, NJW 1964, 123 = BAGE 15, 11. 428 Vgl. auch Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 135, der die Formulierung des BGH v. 17. 07. 2008, GRUR 2009, 181, 183 = BauR 2009, 501 = JuS 2009, 1148 („Kinderwärmekissen“), dass „aufgrund der im Revisionsverfahren feststehenden Tatsachen aber bereits jetzt davon auszugehen ist, dass eine 200.000 E übersteigende Vertragsstrafe auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls unangemessen hoch ist“, wegen Überschreitung der zulässigen Grenzen der Nachprüfbarkeit zu Recht kritisiert. 429 Vgl. Bötticher, ZfA 1970, 3, 33; MünchKomm/Gottwald, § 343 Rn. 14; Staudinger/ Rieble, § 343 Rn. 148. Anderes Thema ist die unmittelbare Festsetzung der Strafhöhe durch ein Schiedsgericht. Mehr dazu unten Teil 3 B. III. 2. c). 430 Umfassend in Bötticher, ZfA 1970, 3, 33.

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Teil 2: Anwendungsvoraussetzungen

anzunehmen, dass dies nicht bei der Verurteilung zu einer Leistung oder Unterlassung gilt. Dabei fehlt es an der Vollstreckbarkeit, die nur unter Beachtung der §§ 1061 f. ZPO, das bedeutet durch Entscheidung der staatlichen Gerichte, verliehen werden kann. Gemäß einer der vertretenen Meinungen ist diese gerichtliche Vollstreckbarkeitserklärung auch für die gestaltenden Schiedssprüche erforderlich431. Diese Ansicht ist abzulehnen. Die Vollstreckung betrifft die Gestaltungsschiedssprüche nicht. Die Wirkung der Letzteren tritt einfach mit dem Erlass des Schiedsspruchs und unabhängig von einer Vollstreckbarkeitserklärung ein432. Ein Berichtigungs-, Auslegungs- oder Ergänzungsantrag gemäß § 1058 ZPO und ein Aufhebungsantrag gemäß § 1059 ZPO sind in jedem Fall angreifbar.

431

BayObLG v. 24. 02. 1984, BayObLGZ 1984, 47 = MDR 1984, 496; Schmidt, ZGR 1988, 523, 535 f. 432 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 180 Rn. 31 ff., 36; Zöller/Geimer, § 1055 ZPO Rn. 1 f.; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 149.

Teil 3

Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen Die Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Bestimmung der Anwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB (oben Teil 2) können zur Beantwortung einiger spezieller Fragen beitragen. In diesem dritten Teil der Arbeit werden folgende Problembereiche erörtert: Abschnitt A. befasst sich mit der Funktion der Strafherabsetzung als genereller Kontrollmechanismus anderer Rechtsinstitute. Anschließend werden im Abschnitt B. die wesentlichen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe und ihr Verhältnis zum Ermäßigungsrecht des § 343 BGB dargestellt. Die internationalrechtlichen Aspekte der Ermäßigung der Vertragsstrafen sind Gegenstand der im Abschnitt C. durchgeführten Untersuchung.

A. Die Institution der Strafherabsetzung als genereller Kontrollmechanismus anderer Rechtsinstitute I. Problemerörterung und -bedeutung Dieser Abschnitt behandelt die Stellung einzelner Vertragsmodelle im Rahmen des Rechtsgewinnungsverfahrens. Die Problemstellung betrifft im Einzelnen die Frage, ob und inwieweit man sich auf die Vorschrift des § 343 BGB stützen kann, um eine Kontrolle und eine damit verbundene Herabsetzung bei anderen Rechtsinstituten vorzunehmen. Diese Problemstellung ist vor allem für die Rechtsgewinnung bei schuldvertraglichen Rechtsverhältnissen elementar, da die Weiterentwicklung und Vielfalt der Institute, die einen Strafcharakter aufweisen, bemerkenswert ist. In allen unten dargestellten Fällen kann die Einordnung in den gesetzlich geregelten Typus der Vertragsstrafe nicht ohne Weiteres erfolgen. Anhand dieser Feststellung stellt sich folgende schwerwiegende Frage: Ist eine Unterordnung solcher Verträge mit Charakter sui generis unter den Typus der Vertragsstrafe erlaubt oder sogar notwendig? Die Beantwortung dieser Frage ist gerade von der Problematik der Qualifikation abhängig.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

II. Die Qualifikationsfrage 1. Allgemeines über das Qualifikationsproblem Als Qualifikation lassen sich die juristische Bewertung, die Einschätzung des konkreten Falls oder der Situation und die methodische Zuordnung des Falls nach Rechtsnormen, das heißt die Nennung der Rechtsgrundlage, nach der bewertet wird, definieren. Darüber hinaus bedeutet Qualifikation die Einordnung nicht nur eines Sachverhaltes, sondern auch eines Vertrages in die gesetzlichen Vertragstypen. Damit die Qualifikationsfrage gelöst wird, also das in Betracht kommende Schuldverhältnis zum bestehenden gesetzlichen Vertragstypus der Vertragsstrafe zugeordnet wird, ist die Subsumtion auf den ersten Platz zu stellen1. Maßgebliches Kriterium sind die Hauptleistungspflichten, die den Tatbestand des jeweiligen Vertragstypus eingrenzen. Es ist daher zu prüfen, ob die vorliegende Vereinbarung unter den Tatbestand der Vertragsstrafe subsumiert werden kann2. Dabei ist die folgende Formulierung zu beachten: Der in Frage gestellte Sachverhalt oder Vertrag ist als ein bestimmter Vertragstypus zu qualifizieren, soweit seine charakteristischen Merkmale in dem relevanten Sachverhalt zu finden sind3. Bei vielen Verträgen führt diese Formel zum Erfolg. § 433 BGB enthält z. B. solche vertragstypische Merkmale, die imstande sind, die Qualifikation eines Vertrages als Kauf ausreichend leicht zu machen. Als (Sach-)Kaufvertrag ist ein solcher Vertrag zu bezeichnen, durch den sich der eine Partner verpflichtet, dem anderen Partner eine Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der andere Vertragspartner übernimmt die Pflicht, dem ersteren Partner den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die Sache abzunehmen. Das ist nicht immer der Fall. Beispielsweise weisen die Vertragstypen „Werkvertrag“ und „Dienstvertrag“ keine begriffliche Klarheit auf, da das Gesetz keine Definition enthält4. Die Schwierigkeit, dass der gesetzliche Tatbestand keine Definition eines Begriffs umfasst, kann anhand der Berücksichtigung der Begriffsbildung durch die Rechtsliteratur und die höchstrichterliche Rechtsprechung überwunden werden. Zudem wird die Ansicht vertreten, dass eine Gesamtbetrachtung der getroffenen Vereinbarung vorzunehmen sei. Dabei seien nicht nur die Haupt-, sondern auch die Nebenleistungen zu berücksichtigen5. Auf jeden Fall ist auch auf die Nebenleistungspflichten Rücksicht zu nehmen, im Vordergrund müssen jedoch die vertragstypischen Hauptleistungen stehen. Bei dieser Betrachtung spielen der wirtschaftliche 1 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 301 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 12 I; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 7 IV; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 79 ff.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 16; Bung, Subsumtion, S. 37 ff. 2 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 IV. 3 Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 273 ff. 4 Larenz, Methodenlehre, S. 301 f. Erörterung des Problems in Kosmides, Providing-Verträge, S. 14 f. 5 So Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 12 I.

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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Zweck, den die Parteien verfolgen, ihre Interessen und die Verkehrssitte als objektives Kriterium eine ausschlaggebende Rolle6. Hinsichtlich der Bedeutung des Qualifikationsverfahrens, das heißt der Einordnung in gesetzlich geregelte Vertragstypen, ist anzumerken, dass die Rechtsnatur der entscheidende Faktor ist, der die jeweiligen Rechtsfolgen ermittelt. Diese Faktoren können sich nur aus der Qualifikation, aus der Charakterisierung des einzelnen Vertrages als ein bestimmter Vertragstypus ergeben7. Die Bezeichnung einer Vereinbarung als Vertragsstrafe bringt vorliegend die Anwendung von §§ 339 ff. BGB und folglich eine Herabsetzungskontrolle mit sich. Für die Anwendung anderer Vorschriften des Allgemeinen Teils des Schuldrechts kann die Bestimmung des Vertragstypus allerdings maßgeblich sein. Typisches Beispiel hierfür ist § 309 Nr. 6 BGB. 2. Der Beitrag der Qualifikation zur Lückenausfüllung Sucht man nach einem Grundsatz des deutschen Privatrechts, der als die Seele dieses Rechtsbereichs charakterisiert werden kann, dann darf man den Grundsatz der Privatautonomie im Sinne der Vertragsfreiheit nach § 311 Abs. 1 BGB nicht übersehen8. Trotz des Bemühens der Parteien, ein Lebensverhältnis erschöpfend zu regeln, ist das Verbleiben ungeregelter Punkte jedoch unvermeidlich. Diese Unvollständigkeit ist auch bei den Sicherungsabsprachen häufig sichtbar, die andere Pflichten begleiten9. Schuldner und Gläubiger einigen sich darauf, dass der Erstere dem Letzteren eine Leistung erbringen muss, solange er einer Pflicht (sog. Hauptpflicht) nicht nachgeht. In solchen Fällen ist die Rechtslage unsicher, weil nicht immer eindeutig ist, ob es um sich eine Vertragsstrafe im Sinne von §§ 339 ff. BGB handelt. Diese macht die gerichtliche Aufklärung der Privatvorstellungen erforderlich10. Das Problem wird vom Gesetzgeber grundsätzlich durch die Regeln des sog. dispositiven Rechts gelöst. Diese Regeln werden in den Allgemeinen und den Besonderen Teil des Schuldrechts unterteilt. Die Ersteren gelten für alle Schuldverhältnisse, die Letzteren greifen nur für Verträge ein, die besondere Merkmale aufweisen. Die Anwendung solcher Regeln setzt jedoch die Existenz einer Lücke im Vertrag voraus. Eine solche Lücke liegt dann vor, wenn die Vertragsparteien Bereiche 6 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 301; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 7 IV; Oechsler, Gerechtigkeit, S. 298 ff. 7 Larenz, Methodenlehre, S. 301. 8 Zur Privatautonomie und zur Vertragsfreiheit vgl. statt vieler Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 4; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 15 ff. Vgl auch oben Teil 1 B. II. 1. 9 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 16 III. 10 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 12.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

des Vertrages nicht geregelt haben mit der Absicht, dass die dispositiven gesetzlichen Vorschriften eingreifen, oder wenn sie daran überhaupt nicht gedacht haben11. Liegt eine Lücke vor, dann muss diese ausgefüllt werden. Ein Kernproblem ist dabei die Feststellung, ob das fragliche Schuldverhältnis in einen gesetzlich vorgesehenen und geregelten Vertragstypus (z. B. Vertragsstrafe in unserem Fall) eingeordnet werden kann. 3. Die Lückenausfüllung Lückenausfüllung bedeutet Erläuterung, Feststellung und Verwirklichung des dem Vertrag zugrunde liegenden Regelungsplans der Parteien. Sowohl bei der Feststellung als auch bei der Ausfüllung von Vertragslücken sind in jedem Fall die Umstände der Verhandlungen und des gesamten Vertragsschlusses zu berücksichtigen. Nicht extra betont werden muss dabei, dass die Unvollständigkeit der vertraglichen Vereinbarung eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Bei der richterlichen Lückenbehandlung muss allerdings die Erweiterung des Vertragsinhaltes vermieden werden, falls sie die Privatautonomie der Parteien in dem Sinne beschränkt, dass diese das Ausfüllungsergebnis abzulehnen hätten12. Kann der in Betracht kommende Vertrag als ein gesetzlich geregelter Vertrag qualifiziert werden, dann eröffnet sich die Möglichkeit, dass die unvollständige rechtsgeschäftliche Vereinbarung durch Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften des Allgemeinen und des Besonderen Teils des Schuldrechts ergänzt wird. In diesem Fall spricht man von einem direkten Eingreifen der dispositiven Normen des Schuldrechts, das dadurch zu einem zwingenden Konfliktlösungsmittel des Rechtsanwenders wird. Die Vorschriften des ius cogens (z. B. § 343 BGB) sind jedoch ebenfalls unmittelbar anwendbar13. Neben dieser direkten Ausfüllungsfunktion der gesetzlichen Vertragstypenordnung gibt es die Möglichkeit, dass das in Betracht kommende Schuldverhältnis in keinen gesetzlich geregelten Vertragstypus eingeordnet werden kann. Als gesetzlich geregelte oder kodifizierte Verträge werden solche Verträge bezeichnet, deren Inhalt im BGB14 oder in Sondergesetzen15 vorgesehen und geregelt wird. Das Gegenteil 11 Anderes Thema ist das Vorliegen offener oder versteckter Einigungsmängel, welche nach §§ 154, 155 BGB zu prüfen sind. Zum Begriff der echten und unechten Vertragslücke siehe Wolf/Neuner, AT, § 35 Rn. 57 ff. m. w. N.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 12 I. Zur Anlehnung der Vertragslückendefinition an den Begriff der Gesetzeslücke vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 180; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 16 f. 12 Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 120 f. im Rahmen der Darstellung über die ergänzende Auslegung als geeignetes Mittel zur Ermittlung des sog. hypothetisch-normativen Willens der Parteien. 13 Eingehend dazu Kosmides, Providing-Verträge, S. 21. 14 Damit sind freilich nicht nur die Verträge des 8. Abschnitts des 2. Buches des BGB, sondern auch Vertragstypen des Allgemeinen Teils des Schuldrechts gemeint. Dazu zählt die Vertragsstrafe. So Kosmides, Providing-Verträge, S. 57 f.

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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sind die nicht geregelten Verträge, deren Merkmale von den gesetzlich kodifizierten Verträgen abweichen16. Auf diese Verträge kann keine direkte Anwendung des dispositiven Rechts des BGB stattfinden. Die Qualifikation kann aber dazu führen, dass die einschlägigen Regeln des nachgiebigen Rechts analoge Anwendung finden. Die Qualifikation gewinnt an Bedeutung auch in Bezug auf die Anwendung des zwingenden Rechts. Solange der zu prüfende Vertrag als ein bestimmter Vertragstypus charakterisiert werden kann, greifen die entsprechenden Vorschriften des jus cogens ein. Von dieser Rechtssituation kann die Gültigkeit des in Betracht kommenden Vertrages abhängig sein. Beispielsweise kann die entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 309 Nr. 6 BGB nichtig sein, falls es sich um eine Vertragsstrafe handelt. Auf die Kontrollfunktion der Regeln des zwingenden Rechts (z. B. § 343 BGB) muss generell Rücksicht genommen werden, wenn die Qualifizierung zu diesem Ergebnis führt. 4. Selbstqualifikation des Vertrages durch die Parteien? Zur Durchführung eines methodengerechten Qualifizierungsverfahrens muss festgestellt werden, ob die Vertragsbezeichnung durch die Parteien, die oft durch Vertragswahlklauseln vorgenommen wird, bindend für alle und speziell für die Gerichte ist. Das Problem betrifft die sog. Qualifikationshoheit der Parteien17. Die höchstrichterliche Rechtsprechung lehnt eine Selbstqualifikation des Vertragsverhältnisses durch die Parteien grundsätzlich ab18. In die gleiche Richtung bewegt sich auch die Rechtsliteratur, in der die Meinung vorherrscht, dass die Parteien eines Vertrages über keine Qualifikationshoheit verfügen19. Diese herrschende Auffassung kann nicht ignoriert werden. Zunächst kann sie die Rechtssicherheit gewährleisten, da die vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen unabhängig von der – oft falschen – Etikettierung der Parteien eintreten müssen20. Von der Bekämpfung des Gesetzesumgehungsphänomens kann aber hier nicht die 15

Z. B. HGB, VVG usw. Vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 16 4; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 12; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Verträge, S. 11 ff. 17 Darstellung des Problems in Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Verträge, S. 192 ff. Vgl. auch Kosmides, Providing-Verträge, S. 23 ff. 18 St. Rspr.: BGH v. 08. 11. 1979, BGHZ 75, 299, 301= MDR 1980, 303; BGH v. 10. 05. 1979, BGHZ 74, 258, 268 f. = NJW 1979, 2207; BGH v. 05. 04. 1978, BGHZ 71, 189, 191 = NJW 1978, 1383. Vgl. auch BVerfG v. 13. 01. 1982, NJW 1447 (Art. 5 GG – Rundfunkfreiheit). 19 Vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 20 2; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 12; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 IV; Kosmides, Providing-Verträge, S. 25 ff. Abweichend aber Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Verträge, S. 192 ff., der der herrschenden Meinung vorwirft, dass sie den Parteiautonomiegrundsatz nicht beachte, und der Ansicht ist, dass die Ausschöpfung des vertraglich Vereinbarten den Vorrang haben müsse. 20 Vgl. Kosmides, Providing-Verträge, S. 25. 16

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Rede sein21. Das Umgehungsgeschäft ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig und die umgangene Vorschrift ist anzuwenden22. Hingegen kann die ungenaue Qualifizierung den Inhalt des Vertrages nicht beeinträchtigen. Die falsche Einordnung soll nur als nicht vereinbart bezeichnet werden. Auf jeden Fall ist die Selbstqualifikation mithilfe des Grundsatzes von Treu und Glauben zu prüfen. Auf das Argument, dass die auch hier vertretene Ansicht die Reichweite der Parteiautonomie einschränken könne, kann man antworten, dass diese Schranke dem deutschen Privatrecht nicht fremd ist. Das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte und Zwangsverträge sind Beispiele derartiger Beschränkungen. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber und nicht die Parteien die Qualifikationshoheit in dem Sinne hat, dass er die jeweiligen Vertragstypen, ihre Merkmale und Rechtsfolgen bestimmen kann. Die am Rechtsverkehr Beteiligten können über den Abschluss des Rechtsgeschäftes und dessen Inhalt zwar frei entscheiden, ohne aber dabei die rechtlich festgesetzte Vertragstypenordnung beeinflussen zu können. Eine solche Annahme ist unvermeidlich, da sich aus der Beachtung der für die einzelnen Vertragstypen geltenden unabdingbaren Rechtsnormen ergibt, dass dem Grundsatz der Vertragsfreiheit selbst für das die Schuldverhältnisse regelnde Recht die vom Gesetz aufgestellten und mit bindenden Rechtsregeln erfüllten Vertragstypen vorgeordnet sind23. Diese Darstellung bestätigt das Geschriebene, dass „die deutschen Gerichte in eigener Verantwortung über die rechtliche Einordnung befinden.“24 Dennoch taucht oft die Behauptung in der Literatur und in der Rechtsprechung auf, der X-Vertrag sei als Vertragsstrafe zu bezeichnen und müsse deshalb die Anwendung des entsprechenden Rechts des BGB herbeiführen. Dieser Verallgemeinerung ist nicht zu folgen. Die Beteiligten am Rechtsverkehr können eine Vereinbarung abschließen, die von den üblichen Vertragskonstrukten abweicht und deren Qualifizierung im Voraus nicht einfach ist. Aus diesem Grund hat die rechtliche Einordnung nur in concreto und nur auf der Basis des Inhalts der geprüften Vereinbarung stattzufinden. Der BGH hat zu Recht in einem Urteil, das die Rechtsnatur von Unterlassungsverpflichtungen betraf, die Folgen einer begangenen Verletzungshandlung formuliert: „Sie (die Rechtsnatur) kann im Blick auf den für sie geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht generell und einheitlich festgelegt werden, sondern hängt maßgeblich vom Inhalt der getroffenen Vereinbarung ab.“25 21

BAG v. 12. 10. 1960, BAGE 10, 65, 70 ff. = AP Nr. 16 zu § 620 BGB. Das BAG definiert als Gesetzesumgehung die Situation, dass „der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, daß andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich verwendet werden.“ 22 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 20 2. 23 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1 8. 24 OLG Karlsruhe v. 08. 07. 1970, NJW 1970, 1977. Zitiert auch von Kosmides, ProvidingVerträge, S. 27. 25 BGH v. 12. 07. 1995, NJW 1995, 2788, 2789 = BB 1995, 2284 = DB 1995, 2367. Vgl. Kosmides, Providing-Verträge, S. 29.

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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Diese Betrachtung des konkreten Qualifikationsmaterials vom Rechtsanwender, die am Punkt Null beginnen muss, bedeutet aber nicht, dass dieser die Bedeutung der sog. verkehrstypischen Verträge, die zwar als gesetzlich nicht geregelte Verträge bezeichnet werden, aber einen eigenen Typus im Rechts- und Wirtschaftsverkehr herausgebildet haben, übersehen darf. Als Beispiele können der Leasing-, der Factoring- und der Garantievertrag genannt werden. Die Verkehrstypizität kann deren Eigenschaft als nicht geregelte Verträge zwar nicht abschaffen, aber zum Rechtsgewinnungsverfahren dadurch beitragen, dass die geprüfte konkrete Vereinbarung inhaltlich zu einem solchen vorhandenen Vertragstypus zuzuordnen ist26. 5. Die Kriterien der Qualifikation Das Rechtsgewinnungsverfahren ist vor allem ein logisch-hermeneutisches Vorgehen, das die Einordnung einer bestimmten Vertragsgestaltung in einen Vertragstypus bezweckt, damit sich die Rechtsnatur und die Rechtsfolgen dieses Vertrages daraus ergeben. Deshalb können die heranzuziehenden Kriterien nur aus der Methodenlehre entspringen. a) Das Kriterium der Regelungsabsicht, der Zwecke und der Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers Soweit der Wortlaut der einzugreifenden Rechtsnorm und ihre Einbeziehung in die Systematik eines Gesetzes (z. B. des BGB) keine klare Lösung ermitteln können, sind die Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers und seine Normvorstellungen als Auslegungskriterium zu berücksichtigen27. Die historischen Gesetzgeber des BGB haben vertragliche Gestaltungen geregelt, die vom früher geltenden gemeinen Recht seit der römischen Zeit bekannt waren und wirtschaftliche und soziale Bedeutung besaßen. Dazu gehörte freilich auch die Konventionalstrafe. Diese gesetzliche Regulierung darf nicht als abschließend bezeichnet werden. Im Laufe der Zeit entstanden weitere Vertragstypen, die von den Rechtsparteien frei auswählbar sind. In diesem Sinne erlangt der gesetzliche Typenkatalog vor allem einen modellhaften Charakter28. § 311 Abs. 1 BGB, in welchem der Grundsatz der Parteiautonomie verankert ist, lässt die zwei Dimensionen der Gestaltung der Rechtsverhältnisse erkennen. Einerseits haben die Personen die Möglichkeit, neue vertragliche Konstruktionen zu erfinden, um ihre Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Dennoch ist dieses Phänomen der Schaffung neuer Vertragstypen, der sog. typenfremden Verträge, eher selten 26 Mehr zu den verkehrstypischen Verträgen siehe in Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Verträge, S. 15; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 IV 5. 27 Vgl. statt aller Larenz, Methodenlehre, S. 328. 28 So Kosmides, Providing-Verträge, S. 33.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

anzutreffen, da der Gesetzgeber die praktischen Bedürfnisse der Personen bereits berücksichtigt hat und eine breite Palette von Lösungen zur Verfügung stellt29. Darin liegt jedoch auch das zweite Merkmal der Parteiautonomie. Man darf von keiner absoluten Macht der Vertragspartner sprechen. Der Zweck der gesetzlichen, sozialen und wirtschaftlichen Rechtssicherheit verlangt, dass ein Minimum an Rechtsgestaltung außerhalb der privatautonomen Entscheidung bestehen bleibt, damit ein Mindestschutz zugunsten der unterlegenen Partei erreicht wird. Genau diese Sicherheit kann nur durch die Bildung einer möglichst festen vertraglichen Typenordnung gewährleistet werden30. Da es der Wille des historischen Gesetzgebers ist, dass möglichst viele Fälle von einem jeweils relevanten Vertragstypus erfasst werden, um ein Mindestniveau von Rechtssicherheit zu schützen, darf man eine weite Auslegung der Begriffe der in den Eingangsparagrafen dargestellten Vertragstypen bevorzugen. Beispielsweise erfasst die Anwendung der §§ 611 ff. BGB alle Dienstleistungen enthaltenden Verträge31. Im Folgenden soll der Auffangwille des Gesetzgebers am Beispiel der Vertragsstrafe nach §§ 339 ff. BGB dargestellt werden. b) Der Wille des historischen Gesetzgebers am Beispiel der Vertragsstrafe Will man den Begriff der Vertragsstrafe32 näher untersuchen, dann ist eine Betrachtung der Gesetzesmaterialien des BGB unvermeidlich. Der historische Gesetzgeber hat zwar darauf verzichtet, eine Legaldefinition zu bilden. Dennoch bedeutet dieser Verzicht nicht, dass er die Vertragsstrafe anders als die bis dorthin übliche Theorie und Praxis konzipieren wollte. Die folgende Definition ist im ersten Entwurf zu lesen: „Hat der Schuldner für den Fall, dass er eine ihm obliegende Leistung nicht bewirken werde, dem Gläubiger eine andere Leistung als Strafe versprochen (Konventionalstrafe), …“33.

In der Endfassung des Gesetzes fehlt diese Definition. Auf keinen Fall bedeutet diese Streichung, dass es sich nunmehr um eine andere Rechtsstruktur handelt. Der Grund dafür ist freilich, dass diese Institution bereits seit dem römischen Altertum 29

Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht BT Bd. II/2, § 63 IV 1 a. Mehr zum Begriff des Typus in Kuhlen, in: Koch (Hrsg.), Methodenlehre, S. 53 ff. Eingehend zum Vertragstypus vgl. Roth, AcP 190 (1990), 292 ff. 31 Kosmides, Providing-Verträge, S. 35. 32 Die Termini Vertragsstrafe, Konventionalstrafe, Strafgedinge, Strafversprechen und Strafvereinbarung sind identisch zu gebrauchen. Terminologische Bemerkungen, dass die heutige Vertragsstrafe „stipulatio poenae“ oder einfach „poena“ bis in die Neuzeit hieß, das Wort „Konventionalstrafe“ im 19. Jahrhundert herrschte und sich die Zweite Kommission für den Terminus „Vertragsstrafe“ als germanischer eingesetzt hat, kann man in HKK/Hermann, §§ 336 – 339 Rn. 13 m. w. N. finden. 33 § 420 E I. Mugdan, Materialien, Bd. II, S. XLVIII. 30

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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bekannt ist und weit verbreitet gebraucht wird. Dies macht eine Legaldefinition aufgrund der Verarbeitung des Begriffes durch die Rechtsprechung und die Rechtslehre entbehrlich. In diesem Sinne versteht die Literatur die Vertragsstrafe als das Versprechen einer Leistung einer Person, solange diese eine Pflicht zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verletzt34. Aus dieser Konzeption heraus ergeben sich nachfolgende Merkmale als notwendige Elemente für das Vorliegen einer Vertragsstrafe. Zunächst handelt es sich um das Versprechen einer Leistung. Dieses muss so weit wie möglich konzipiert werden. Gemeint sind vor allem eine Geldsumme (§ 339 BGB), aber auch eine sonstige Leistung (§ 342 BGB). Versprechen bedeutet Vertrag; es funktioniert als vertragliche Sicherung von Pflichten35. Demgemäß kann niemand gegen seinen Willen verpflichtet werden, eine Strafleistung zu erbringen. Für die Wirksamkeit der Vereinbarung genügt es, dass die Strafhöhe nach §§ 315 ff. BGB bestimmbar ist36. Empfänger der Leistung kann nicht nur der Versprechensempfänger selbst, sondern auch ein Dritter sein37. Hinsichtlich der abgesicherten Pflichten ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber selbst den Sicherungsbegriff weit abgefasst hat. Freilich fällt die vertragliche Verpflichtung darunter, gleich ob es sich um vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten handelt. Dies entspricht dem klassischen Fall der echten oder akzessorischen oder unselbstständigen Vertragsstrafe. Die dadurch gesicherte Pflicht kann in einem positiven Tun oder einem Unterlassen bestehen38. Wohl treffend aber wird bemerkt, „die Vertragsstrafe muss nicht stets ein vertragliches Schuldverhältnis sichern, auch ein gesetzliches genügt. Weil mit der Vertragsstrafe jede Verhaltenspflicht sanktioniert werden kann, ist sie nicht Sicherung von Vertragspflichten, sondern vertragliche Sicherung von Pflichten.“39

In diesem Sinne kann die Vornahme oder die Unterlassung einer selbst nicht geschuldeten und rechtlich nicht erzwingbaren Handlung Gegenstand einer sog. selbstständigen oder unechten Vertragsstrafe sein (§ 343 Abs. 2 BGB). Diese kann jedes vom Gesetz nicht missibilligtes Verhalten sein, gleich ob es vertrags-, deliktsoder außerrechtlicher (z. B. Obliegenheit, Naturalobligation) Natur ist. Dieser umfangreiche einheitliche Strafbegriff, der einfach ein Verhalten des Strafversprechenden als abgesicherten Gegenstand voraussetzt, kann die ohne konkrete 34 Vgl. statt vieler Staudinger/Rieble, Vor §§ 339 ff. Rn. 1, der von einem Leistungsversprechen mit der aufschiebenden Bedingung des Nichteintritts einer abgesicherten Hauptleistung spricht. Vgl. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 1. 35 Staudinger/Rieble, Vor §§ 339 ff. Rn. 5; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I 1, § 16 III 1. 36 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 1. 37 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 3; Staudinger/Rieble, Vor §§ 339 ff. Rn. 10. 38 Mehr dazu in Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34. 39 Staudinger/Rieble, Vor §§ 339 ff. Rn. 5.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Rechtsfolgen getroffene Unterscheidung zwischen echter und unechter Vertragsstrafe beseitigen und die zwei Erscheinungsformen unter den gleichen Oberbegriff systematisieren40. Der gesetzgeberische Zweck der §§ 339 ff. BGB ist auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen darin zu sehen, dass ein Rechtsinstitut festgelegt wird, das durch die zwei folgenden Elemente charakterisiert wird: Vertragliche Vereinbarung und Absicherung eines gewollten Verhaltens, unabhängig davon, ob es vertraglich vereinbart ist oder nicht. Dieses normative Konzept, wie es von der Rechtsliteratur verstanden und ausgelegt wird, muss als logischer Kompass beim Verfahren der Rechtsgewinnung funktionieren. c) Die Stellungnahme der Rechtsprechung Es stellt sich jetzt die Frage, wie die Stellungnahme der Rechtsprechung in Hinsicht auf die Bildung des Vertragstypus der Vertragsstrafe ausfällt. Wie diese nach den Konstellationen der Recht sprechenden Staatsorgane konzipiert wird und ob eine Distanz zwischen Theorie und Praxis zu finden ist, soll nun Gegenstand der Arbeit sein. In einem Urteil vom 16. November 2004 geht der BGH ausdrücklich von folgender Situation aus: „Ob eine vertragliche Bestimmung ein Vertragsstrafeversprechen enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Denn ein solches kann nicht nur dann vorliegen, wenn die Parteien eine für den Eintritt bestimmter Umstände ausbedungene Zahlung als Vertragsstrafe bezeichnet haben. Andererseits muss nicht jede von den Parteien so bezeichnete Zahlung eine Vertragsstrafe im Rechtssinne darstellen. Die Beurteilung der Vertragsbestimmung erfordert –

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Gegen eine einheitliche Konzeption des Vertragsstrafbegriffs setzen sich folgende Theoretiker ein: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 35 I (er prüft das selbstständige Strafversprechen zwar getrennt von der unselbstständigen Vertragsstrafe); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 141; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II b, S. 381 ff.; RGRK/Ballhaus, Vor §§ 339 ff. Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 3; Nodoushani, Vertragsstrafe und vereinbarter Schadensersatz, S. 56 f. Dagegen scheint die zwischen abgesicherter vertraglicher Pflicht und abgesichertem nicht klagbarem Verhalten nicht differenzierende Meinung überzeugend zu sein, da kein wesentlicher Grund zur unterschiedlichen Behandlung der zwei Fallgruppen besteht. Vgl. Bötticher, ZfA 1970, 3, 6 ff., 17 ff.; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe der Vertragsstrafe, S. 66 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 16 III 1 b; Erman/Schaub, Vor §§ 339 ff. Rn. 2; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 2 („Bei akzessorischer und selbständiger Strafabrede handelt es sich daher nur um unterschiedliche Ausformungen eines im Ansatz einheitlichen Instituts.“); Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 10; Staudinger/Rieble, Vor §§ 339 ff. Rn. 9 ff. Der Grund zur Entstehung dieser unterschiedlichen Formen der Vertragsstrafe ist rein geschichtlich zu erklären, da das selbstständige Strafversprechen die Regel aufgrund der Geldkondemnationsprinzips im römischen Altertum darstellte, während im Laufe der Zeit die unselbstständige Strafabrede eine herrschende Stellung gewann. Mehr dazu in MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 4 f.; Staudinger/Rieble, Vor §§ 339 ff. Rn. 11.

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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anders als die Deutung einfacher, auch in der Alltagssprache gängiger Rechtsbegriffe – eine rechtliche Bewertung.“41

Dadurch erkennt der BGH an, dass die Vertragsstrafe ein Rechtsbegriff ist und nur die Judikative das Qualifikationsmonopol über die jeweiligen Vereinbarungen besitzt. In einem früheren Urteil hatte der BGH zu beurteilen, ob eine im Rahmen der Ausschreibung von Bauvorhaben vom Ausschreibenden verlangte vorformulierte Erklärung, wonach sich die Bieter verpflichteten, bei Beteiligung an einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache aus Anlass der Ausschreibung eine „Vertragsstrafe“ in Höhe von 3 % der Endsumme ihres Angebotes zu zahlen, wirksam war oder nicht. Das Gericht setzt sich für ein Garantieversprechen trotz des Wortlautes der Vereinbarung ein, der die Zahlung als „Vertragsstrafe“ bezeichnet. §§ 133, 157 BGB basieren seinem Schluss nach darauf, dass beide Erscheinungsformen der Vertragsstrafinstitution eine doppelte Funktion besitzen. Der Druck des Versprechens sei auch bei der selbstständigen Vertragsstrafe gegeben. Ist diese Druckfunktion bei der in Frage gestellten Vereinbarung nicht vorhanden, dann gehe es nicht um eine Vertragsstrafe. „Wenn die Erklärung (…) vom Bieter vorgelegt wird, kann sie nicht mehr ein zukünftiges Verhalten des Wettbewerbers absichern und damit Druck auf ihn ausüben. Denn zugesichert wird nur ein bestimmtes Wohlverhalten in der Vergangenheit… Eine so begründete „Zwangslage“ hat nichts mit der Druckfunktion einer Vertragsstrafevereinbarung zu tun, die alle ihre Wirkungen, wie sich beispielsweise aus § 343 Abs. 2 BGB ergibt, erst von dem Zeitpunkt an entfaltet, in dem das Versprechen abgegeben worden ist, nicht schon davor. Die Erklärung, die lediglich ein bestimmtes Verhalten in der Vergangenheit gewährleistet, kann somit nur als Garantieversprechen oder eine ihm ähnliche Erklärung angesehen werden. (…)“42

Bei seinem Versuch, die vereinbarte Rückzahlung eines Restkaufpreises als Vertragsstrafe für die Nichterfüllung von Renovierungsarbeiten einzuordnen, legt das OLG Düsseldorf den § 340 BGB im Lichte der §§ 133, 157 BGB aus und gelangt zu folgendem Ergebnis: „Auch wenn der Wortlaut des Vertrages den Terminus Vertragsstrafe nicht verwendet, haben die Parteien den Fall der Nichterfüllung abgesichert. Dafür sprechen Strafhöhe, Art und Umfang der übernommenen Fertigstellungspflichten, die finanziellen Auswirkungen der Terminüberschreitung, der Gesichtspunkt der mit einer Vertragsstrafe einhergehenden Druckwirkung und die Absicherung eines weiteren Erfüllungsinteresses (Kellertausch).“43

Auf diese Weise sind alle vom Urteil erörterten Kriterien nichts Anderes als Indizien für das Vorliegen einer vertraglichen Pflicht, die als Fall eines vertraglichen Verhaltens Element der Vertragsstrafe ist. 41 42 43

BGH v. 16. 11. 2004, MDR 2005, 507, 508 = NJW 2005, 279 = WRP 2005, 236. BGH v. 23. 06. 1988, MDR 1988, 953, 954 = NJW 1988, 2536 = ZIP 1988, 1126. OLG Düsseldorf v. 13. 11. 2000, JurionRS 2000, 20073.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Im Anschluss daran kann auch ein anderes Urteil des OLG Düsseldorf an dieser Stelle erwähnt werden. Obwohl die Parteien in ihrer Individualvereinbarung die Begriffe „Schadensersatz“ und „pauschal“ verwendet haben, kommt das OLG zum Schluss, dass die Vereinbarung eine Vertragsstrafe enthält, mit der folgenden Begründung: „Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und in einem zweiten Auslegungsschritt sind sodann die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH, NJW 1998, 2966 [BGH 18. 05. 1998 – II ZR 19/97]; NJW 1995, 1212; NJW 1994, 188). Auch die Auslegung einer Vertragsstrafevereinbarung richtet sich nach diesen allgemein gültigen Regeln. (…) Zwar mag der Wortlaut der in Ziffer 4.3.2 lit. a + b MV getroffenen Regelung mit der zweifachen Verwendung der Wörter „Schadensersatz“ und „pauschal“ auf den ersten Blick nach allgemeinem Sprachverständnis eher auf eine gewollte Schadenspauschalierung als auf eine Vertragsstrafe hindeuten, wenngleich auch der Vertragsstrafe ein schadenersatzrechtliches Moment innewohnt, weil sie auch dazu dient, dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis zu eröffnen (NJW 1983, 385). Auch ist nicht zu verkennen, dass auf beiden Seiten bei der Vertragsgestaltung geschäfts- und rechtserfahrene Partner beteiligt waren, es mithin zu erwarten gewesen wäre, dass eine etwa gewollte Vertragsstrafabrede auch ausdrücklich so bezeichnet wird. Das Landgericht hat jedoch mit Recht ausgeführt, dass für die Abgrenzung von Vertragsstrafe und Schadenspauschale nicht allein die von den Parteien gewählte oder nicht gewählte Bezeichnung maßgeblich ist. Es gehört zu den anerkannten Grundsätzen für die Auslegung einer Individualvereinbarung, dass zwar der Wortlaut einer Vereinbarung den Ausgangspunkt der Auslegung bildet, dass jedoch der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht (z. B. BGH, Beschl. v. 18. 6. 2007, II ZR 89/06; Beschl. v. 20. 9. 2006, VIII ZR 141/05; NJW 1994, 1528 [BGH 20. 01. 1994 – VII ZR 174/ 92]). Dies gilt selbst dann, wenn das übereinstimmende Verständnis in der erstellten Urkunde keinen oder nur einen unvollkommenen Niederschlag gefunden hat (BGH, NJW-RR 2004, 630). Hieran gemessen ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Parteien aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls ungeachtet der Nichtverwendung des Wortes „Vertragsstrafe“ in Ziffer 4.3.2 MV nicht eine Schadenspauschale, sondern in Wirklichkeit eine Vertragsstrafe vereinbaren wollten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Vertragsstrafe vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zielrichtung geschaffen worden. Sie ist zum einen Druckmittel zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und zum anderen eine erleichterte Möglichkeit zur Schadloshaltung (BGHZ 63, 256 [BGH 27. 11. 1974 – VIII ZR 9/73]; NJW 1983, 385; NJW 1975, 163, NJW 1961, 115). Eine Vertragsstrafenregelung i. S. der §§ 339 ff. BGB ist danach anzunehmen, wenn die Zahlung des versprochenen Betrages in erster Linie die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sichern und auf den Vertragspartner einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, die übernommenen Pflichten einzuhalten, während eine Schadenspauschalabrede vorliegt, wenn sie der vereinfachenden Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruches dienen soll und sich die Höhe des pauschalierten Ersatzes an dem geschätzten

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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Ausmaß des typischerweise entstehenden Schadens orientiert (BGH, NJW 1983, 1542 [BGH 25. 11. 1982 – III ZR 92/81]; OLG München, OLGR 2007, 3).“44

Aus diesem und dem zuvor genannten Urteil ergeben sich folgende Schlüsse: Die Rechtsprechung hält zu Recht in der vertraglichen Natur der Vertragsstrafe fest, gleich ob diese als Allgemeine Geschäftsbedingung oder als Individualvereinbarung abgeschlossen wird. Darüber hinaus benutzt die Judikative die Interpretationsmechanismen der §§ 133, 157 BGB, ohne am buchstäblichen Sinne des gewählten Ausdrucks gebunden zu sein. Als entscheidendes Kriterium betrachtet sie die Funktionen der Institution und vor allem die Druckfunktion, da diese die Hauptrolle bei der Absicherung des jeweiligen Schuldnerverhaltens spielt. In diesem Sinne lässt sich im Allgemeinen sagen, dass die Rechtsprechung dem gesetzlich normierten Typus der Vertragsstrafe einen hohen Stellenwert bescheinigt und sie auf jeden Fall genau so versteht, wie sie ist: sowohl Vertrag, als auch Strafe. Auf der anderen Seite darf man jedoch nicht übersehen, dass die Rechtsprechung eine Abgrenzung zwischen der Vertragsstrafe und anderen Instituten nicht ganz abstrakt, sondern anhand bestimmter Fälle vornimmt. Aus diesem Grund werden die jeweiligen Urteile im besonderen Teil dieses Kapitels erörtert, wo die konkrete Anwendung des Abgrenzungsverfahrens stattfinden wird. d) Die Folgen einer nicht richtigen Subsumtion Eine falsche rechtliche Charakterisierung beim Rechtsgewinnungsverfahren kann schwere Folgen mit sich bringen. Da die Vertragsstrafe als Vertragstypus gesetzlich geregelt und den Regeln zwingenden Rechts unterstellt ist (z. B. §§ 309 Nr. 6, 343, 555 BGB), kann die Nichtqualifizierung einer Vereinbarung als Vertragsstrafe die Anwendung der für diesen Vertragstypus charakteristischen Regeln auslassen. Diese Ausschaltung des dem Typus der Konventionalstrafe zugehörigen ius cogens birgt die Gefahr in sich, dass die gesetzlich ausgedrückten Ziele des Gesetzgebers ohne Basis bleiben und umgangen werden. Auf der anderen Seite kann die Bezeichnung eines Vertragsverhältnisses als atypischer Vertrag auch die Anwendung des entsprechenden dispositiven Rechts beeinträchtigen. Ein falsch qualifizierter Vertrag kann wie alle Verträge Lücken aufweisen. Diese aber werden nicht, wie es zutreffend wäre, durch Anwendung der entsprechenden Regeln des dispositiven Rechts, sondern durch ergänzende Auslegung des als atypisch qualifizierten Vertrages ausgefüllt. Nebenfolge der Gesetzesumgehung, das heißt der Vermeidung der Anwendung einer Vorschrift zwingenden oder dispositiven Rechts entgegen den gesetzgeberischen Vorstellungen, ist die Bildung einer trüben Situation von Unsicherheit. Das ist das Ergebnis der oft erfolglosen Versuche der Gerichte, neue Lösungen zu erfinden. Diese Versuche werden deswegen als gescheitert angesehen, weil die Rechtsordnung ein Netz von Vertragsgerechtigkeit und Rechtsschutz des schwächeren Kontrahenten 44

OLG Düsseldorf v. 16. 08. 2007, GuT 2007, 384.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

vorsieht, welches durch erfinderische richterliche Rechtsbildung grundsätzlich nicht ersetzt werden darf. Auf diese Weise können Lücken entstehen, die der schwächeren Vertragspartei (hier dem Strafschuldner) den Schutz entziehen und ihre Interessen benachteiligen. Dies ist jedoch mit dem Grundsatz des Schuldnerschutzes nicht zu vereinbaren. e) Zwischenergebnis Um derartig unerwünschte und dogmatisch instabile Ergebnisse so weit wie möglich zu vermeiden, muss man sich am folgenden Schluss festhalten: Da die Vertragsstrafe einen ausdrücklich im Gesetz vorgesehenen und geregelten Vertragstypus darstellt, der unter anderem aus der Geltung besonderer Regeln zwingenden Rechts gekennzeichnet wird, ist zunächst zu prüfen, ob eine Einordnung des in Frage kommenden Schuldverhältnisses in diesen Vertragstypus möglich ist. Man spricht dabei von einer normorientierten Qualifikation45. Zwar ist unter Qualifikation nichts Anderes als ein Subsumtionsverfahren zu verstehen, wonach die Unterstellung der konkreten Elemente des jeweiligen Sachverhaltes unter die abstrakten Elemente des Vertragsstrafbegriffes vorzunehmen ist. Ist diese Einordnung möglich, dann greift das für die Vertragsstrafe einschlägige Recht mit den entsprechenden Rechtsfolgen ein. Dieses Verfahren setzt aber die Interpretation des im Einzelfall vorkommenden Schuldverhältnisses voraus und erfordert die Anwendung der §§ 133, 157 BGB, wie die Rechtsprechung ausdrücklich hervorhebt. Normorientierung bedeutet vor allem, dass der Rechtsanwender bei der Qualifizierung möglichst am System der normierten Vertragstypen festzuhalten hat. Die Privatautonomie stellt gemäß § 311 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG die Basis des gesamten Vertragsrechts dar. Dennoch hat die Vertragsfreiheit ihre eigenen Grenzen46. Diese Grenzen werden vom Recht selbst gesetzt. Der Vorrang der Privatautonomie darf nicht als ausschließend betrachtet werden. Einerseits darf die vertragliche Vereinbarung nicht durch einen Rückgriff auf die Vertragstypenordnung manipuliert werden. Andererseits muss der Vorrang der Privatautonomie die Sonderstellung des Vertragstypensystems respektieren. Der Vertragstypenordnung muss beim Rechtsgewinnungsverfahren eine Sonderstellung zuerkannt werden. Die Rechtsordnung schafft keinen numerus clausus gesetzlich geregelter Vertragstypen47. Dies hat zur Folge, dass die Individuen den dem Gesetz zugrunde liegenden Sozialschutz als Erscheinung der Vertragsgerechtigkeit beachten müssen, soweit sie gesetzlich typische Verträge abschließen. Daher spricht man von einem Span-

45

Den Begriff verwendet Kosmides, Providing-Verträge, S. 50 ff. BVerfG v. 19. 10. 1993, BVerfGE 89, 214, 231 ff.; BVerfG v. 07. 02. 1990, BVerfGE 81, 242, 254 ff.; BGH v. 24. 11. 1992, BGHZ 120, 272, 274 ff.; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Verträge, S. 103. 47 Dellios, Rechtsfindungsmethode bei gemischten Verträgen, S. 42, der die Offenheit des Schuldvertragssystems präsentiert; Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 126. 46

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nungsverhältnis zwischen dem Prinzip der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit und der ausdrücklichen Bestimmung konkreter Vertragstypen im Gesetz48. Dieses Verhältnis bringt die Pflicht mit sich, die Parteiautonomie im Sinne der vertraglichen Vereinbarung stets im Lichte des normativen Typensystems zu bemessen. So kann die Rede von einem „Zusammenspiel von dem vertraglich Vereinbarten und der Sonderstellung der normativen Vertrgastypenordnung im Interpretationsgeschehen“ sein49. Folglich sind die gesetzlichen Vertragstypen beim Qualifizierungsverfahren zu berücksichtigen und somit die dem zwingenden und dispositiven Recht zugrunde liegenden gesetzlichen Wertungen zu beachten. Aber auch im Fall von Vertragslücken ist der Vertragstypenordnung ein Vorrang zuzuerkennen. Die Sonderstellung der Vertragstypenordnung im Qualifizierungsprozess bedeutet, dass für die Bestimmung der Rechtsnatur eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses zunächst zu kontrollieren ist, ob eine Einordnung in die gesetzlich vorgesehenen Vertragstypen möglich ist. Die Qualifikation soll immer als normorientiert angesehen werden. Selbst wenn das in Betracht kommende Vertragsverhältnis von den gesetzlich geregelten Typen abweicht, kann das Gesetz zur Anwendung gelangen50. Demgemäß ist es grundsätzlich notwendig, an der gesetzlichen Vertragstypenordnung bei dem Rechtsgewinnungsverfahren nach Möglichkeit festzuhalten51. Dies deutet darauf hin, dass die Qualifizierung des in Frage kommenden Vertrages als typenfremd nur dann erlaubt ist, soweit keine Möglichkeit mehr besteht, an den gesetzlichen Vertragsformen festzuhalten. Als Grundprinzip gilt, dass die Rechtsfolgen der jeweiligen Qualifizierung nach Möglichkeit aus der normativen Vertragstypenordnung abzuleiten sind. Wenn die normorientierte Zugangsweise zu einem typischen Vertrag anhält, taucht kein Problem auf, da im Falle einer Vertragslücke das gesetzlich festgeschriebene Recht direkt herangezogen wird. Berücksichtigung der normativen Vertragstypenordnung bedeutet grundsätzlich, dass der Rechtsanwender prüfen muss, ob die konkreten Begriffe des Sachverhalts (der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung) unter die abstrakten Begriffe des Eingangsparagraphen des jeweiligen Vertragstypus subsumiert werden können. Selbst wenn die normorientierte Qualifizierung nicht zum einem typischen Vertrag anhält, muss man die Geltung dieses Grundprinzips in Hinsicht auf die Ermittlung der Rechtsfolgen bejahen. Auch bei Verträgen sui generis kommt dem gesetzlichen Typenrecht eine gewisse mittelbare Bedeutung zu. Die strikte klassenlogische Trennung von Begriffen ist im Rahmen der Qualifizierung abzulehnen52. Das typologische Denken ist stets durch seine Offenheit cha48 So Dellios, Rechtsfindungsmethode bei gemischten Verträgen, S. 41; Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 126 ff. 49 So zutreffend Kosmides, Providing-Verträge, S. 52. 50 Vgl. nur Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 177. 51 Vgl. Kosmides, Providing-Verträge, S. 53. 52 Vgl. Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 133 f.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

rakterisiert. Die Vertragstypenordnung besitzt eine Bedeutung im Rahmen des Rechtsgewinnungsverfahrens bei typischen Verträgen. Eine geminderte Bedeutung hat sie aber auch im Rahmen der Rechtsgewinnung bei atypischen Verträgen53. 6. Die Bezeichnung eines Vertrages als gesetzlich nicht geregelt und dessen Bedeutung Einige der in Betracht kommenden Schuldverhältnisse können nicht als gesetzlich nicht geregelt charakterisiert werden, da sie bereits eine anderweitige gesetzliche Verankerung gefunden haben54. Wie vorangehend erwähnt, gehören solche Schuldverhältnisse zur Gruppe der gesetzlich nicht geregelten Verträge, deren Tatbestand der Gesetzgeber nicht ins Gesetz übernommen hat55. Im Zusammenhang mit dem hier behandelten Problem ist zu betonen, dass einige Verträge zwar gesetzlich geregelt sind, aber das Gesetz hinsichtlich der Frage der Ermäßigungskontrolle schweigt. In diesem Sinne können die folgenden Unterfälle typologisiert werden: Erstens gibt es Verträge, die zwar keine Vertragsstrafe darstellen, aber bei denen der Gesetzgeber eine entsprechende Anwendung des § 343 BGB (tatsächlich handelt es sich um einen gesetzlichen Verweis und nicht um eine Analogie) vorgesehen hat. Liegt eine solche Regelung vor, dann greift sie ein. Es kann nicht von einer Gesetzeslücke gesprochen werden. Diese Fälle bringen die wenigsten Probleme mit sich. Zweitens kann von denjenigen Verträgen gesprochen werden, die unter keine direkte Regelung fallen. Betrachtet man sie aber näher, so kann man feststellen, dass sie gemäß ihrer typologischen Merkmale als Vertragsstrafen qualifiziert werden müssen. Diese Gruppe wird von den nicht klassischen Vertragsstrafen gebildet. Die Pflicht zur Erbringung einer Leistung und die Entstehung einer solchen Pflicht nur nach dem Willen der Parteien sind Kriterien, die eine solche Qualifizierung zulassen. Nach einer weiten Auslegung findet § 343 BGB direkte und nicht analoge Anwendung.

53

Siehe Kosmides, Providing-Verträge, S. 54 und Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II/ 2, § 63 I 3 c, die die Ermittlung der Rechtsfolgen bei fremdtypischen Verträgen von dem typologisch nächststehenden Vertrag oder der problemnächsten Norm befürworten. 54 Z. B. die Draufgabe in §§ 336 ff. BGB oder das Reugeld in § 353 BGB. Hierzu ist aber das selbstständige Strafversprechen nicht zu zählen, da es um eine Art von Vertragsstrafe selbst und nicht um irgendeinen anderen Vertrag geht, dessen Qualifikation in Betracht kommt. Die ausdrückliche Regelung dieser Institution und zwar in Hinsicht auf deren Herabsetzung gemäß § 343 Abs. 2 BGB verstärkt diese Ansicht und entfernt die Möglichkeit eventueller Streitigkeiten. 55 Vgl. statt vieler Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Verträge, S. 11 ff.

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Schließlich gibt es auch Verträge, die keinesfalls als Vertragsstrafen bezeichnet werden können. Sie besitzen typische Merkmale, die ihre Qualifizierung als Vertragsstrafen nicht erlauben. Da diese Vertragstypen aber nicht geregelt sind, liegt eine Lücke vor, die durch eine Analogie zu füllen ist. In diesem Fall ist es wichtig, zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 343 BGB vorhanden sind, damit eine Herabsetzungskontrolle der betreffenden Institution stattfinden kann. Beim Verhältnis zwischen der typologischen Zuordnung und der Analogie stellt man fest, dass beide eine gemeinsame Grundlage haben: Den Grundsatz formaler Gerechtigkeit, ungleiche Fälle ungleich und gleiche gleich zu behandeln. Sowohl die typologische Zuordnung als auch die Analogie versuchen, „das Regelungsprogramm von Normen (die in einem Normstrukturtypus systematisiert sind) auf alle „gleichen“ (rechtsähnlichen, einschlägigen) Parteivereinbarungen „gleich“ anzuwenden und es gegenüber allen „ungleichen“ (unähnlichen) abzugrenzen. Jedoch steht anders als bei der Analogie nicht die Rechtsähnlichkeit im Hinblick auf einzelne Rechtsfragen im Vordergrund der Überlegungen, sondern statt dessen die Ähnlichkeit eines gesamten Normenkomplexes (Parteivereinbarung) zu einem anderen (im Gesetz geregelten Häufigkeitstypus). Dennoch sind die Unterschiede in der praktischen Fallanwendung denkbar gering.“56

In diesem Sinne darf die Prüfung als zweistufig konzipiert werden. Die erste Phase entspricht der Kontrolle, ob die geprüfte Institution durch solche Vorschriften geregelt ist, die auf eine Herabsetzungskontrolle gemäß § 343 BGB ausdrücklich verweisen. Ist keine solche Vorschrift im System des deutschen Privatrechts zu finden, dann folgt die zweite Phase, das heißt die Einordnung des konkret-faktischen Schuldvertrages in den vom Gesetz vorgesehenen Typus der Vertragsstrafe. Die zweite Phase kommt aber nur dann zur Anwendung, wenn der in Betracht kommende Schuldvertrag in Hinsicht auf die essentialia negotii mit dem entsprechenden Vertragstypus (hier der Vertragsstrafe) völlig übereinstimmt. Die Tatsache, dass ein Rechtsgeschäft per se im Gesetz nicht benannt wird, bedeutet nicht, dass es sich um einen gesetzlich nicht geregelten Vertrag handelt. Ausschlaggebend ist nur, ob das konkrete Schuldverhältnis einem gesetzlich geregelten Vertragstypus zugeordnet werden kann oder nicht. Bei dieser typologischen Zuordnung eines Vertrages unter einen gesetzlichen Vertragstypus, die den Kern der Qualifikation selbst darstellt, ist es nur von Bedeutung, ob die Hauptleistung des in Frage kommenden Schuldverhältnisses mit der Hauptleistung in den jeweiligen Vertragstypen deckungsgleich ist57. Kann das als lückenhaft erwiesene Rechtsgeschäft unter den Typus der Vertragsstrafe (und alle anderen gesetzlichen Typen) nicht subsumiert werden, dann stellt sich die Frage, ob § 343 BGB auf der Basis einer Analogie Anwendung findet. 56

Oechsler, Gerechtigkeit, S. 303. So auch Larenz, Methodenlehre, S. 381; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 548. 57 Der Name „vertragsstrafenähnliche Rechtsinstitute“, den Ebert, Pönale Elemente, S. 260, verwendet, scheint wohl treffend zu sein.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Hinsichtlich der Ermittlung des anzuwendenden Rechts beim Vorliegen eines gesetzlich nicht geregelten Schuldverhältnisses ist zwischen dem dispositiven und dem zwingenden Recht zu unterscheiden. Bei der Ermittlung des dispositiven Rechts im Fall eines gesetzlich nicht geregelten Vertrages ist hier betonen, dass die Lückenfüllung wegen der Abweichung von den kodifizierten Vertragstypen in der Literatur umstritten ist. Einer Ansicht nach ist die Vertragslücke durch ergänzende Auslegung, solange eine erhebliche Abweichung des zu prüfenden Vertrages vom gesetzlich vorgesehenen Typus besteht, und durch direkte Anwendung des dispositiven Rechts zu füllen, falls die Abweichung unerheblich ist58. Die Gegenmeinung, die eine ergänzende Auslegung der zu beurteilenden Vereinbarung mit dem Ziel der Lückenfüllung durch Berücksichtigung von Treu und Glauben gemäß § 157 BGB verneint, orientiert sich an der Anwendung dispositiven Rechts59. Flume setzt sich für die erstere Ansicht mit der Begründung ein, dass die Vereinbarung der Vertragsparteien der Ausgangspunkt sein müsse, was bedeute, dass die Verkehrssitten und Treu und Glauben neben den konkreten Vertragsbestimmungen eine Rolle bei der Ermittlung einer sinngemäßen Lösung spielen müssten60. Dabei kann die ergänzende Auslegung auf die gesetzgeberischen Tendenzen, wie diese den Inhalt der Begriffe von Treu und Glauben und Verkehrssitten durch Regelungen des dispositiven Rechts widerspiegeln, Rücksicht nehmen. Der Streit über das Verhältnis der ergänzenden Auslegung zu den dispositiven Rechtsnormen scheint sinnlos zu sein: Wenn das Geschäft die für einen gesetzlich geregelten Vertragstypus charakteristischen Merkmale aufweist, dann greifen die entsprechenden dispositiven Rechtsnormen ohne Weiteres ein. Sofern jedoch eine Abweichung besteht, die eine Einordnung unter die kodifizierten Vertragstypen nicht zulässt, dann spricht man von ergänzender Auslegung, das heißt von einem logischen Verfahren, wodurch der Rechtsanwender mithilfe des § 157 BGB (Treu und Glauben, Verkehrssitte) den eigentlichen Willen der Parteien zu ermitteln versucht. Dieses Verfahren soll die ausdrücklich ausgewählten Lösungen, die der Gesetzgeber als Normen des dispositiven Rechts, genauer gesagt als Konkretisierungen des Begriffs von Treu und Glauben konzipiert hat, berücksichtigen. Daher kann die ergänzende Auslegung als normorientiert charakterisiert werden61. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich allerdings mit dem Problem der Auffindung des geltenden Rechts, wenn es sich um zwingende Rechtsnormen handelt. Genau dieser Schluss wird durch die Natur der Institution der Vertragsstrafermäßigung als Vorschrift unabdingbaren Rechts gerechtfertigt. Das oben dargestellte Ergebnis, dass die Gesetzesvorschriften beim Rechtsfindungsverfahren einen Vorrang genießen sollen, ist auch mit der Anwendung des zwingenden Rechts

58 59 60 61

Larenz, NJW 1963, 737, 741; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I 1, § 12 I. Henckel, AcP 159 (1960/1961), 106 ff. Vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 16 4 b. Vgl. Kosmides, Providing-Verträge, S. 89.

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zu verbinden. Dies bringt z. B. die Folge mit sich, dass die die Form und die Inhaltskontrolle betreffenden Vorschriften ihre Anwendung beanspruchen. Bei dieser Normorientierung, die die Anwendung der Normen zwingenden Rechts unentbehrlich macht, kommt es jedoch auf den Grad der Abwandlung von einem gesetzlich geregelten Vertragstypus an, da es um solche Vereinbarungen geht, die zwar mit einem gesetzlichen Vertrag (hier: der Vertragsstrafe) nicht völlig kongruent sind, aber ein Maß von Vergleichbarkeit zu einem gesetzlichen Typus aufweisen. Dieser unbestimmte Begriff soll als eine Unterscheidung der konkreten Vertragsgestaltung von den essentialia negotii des jeweiligen Vertragstypus verstanden werden. Ist die Entfernung vom gesetzlichen Typus gering, das heißt die Typusnähe erheblich, dann greift das Recht des entsprechenden Vertragstypus ohne Probleme analog ein. Ist dagegen die Entfernung vom gesetzlichen Leitbild groß, so spielt bei der Ermittlung des geltenden Rechts der Wille der Parteien die zentrale Rolle, wie er sich aus der Auslegung der Willenserklärungen mit Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitten gemäß § 157 BGB und der gesetzlichen Rechtssätze normierter Vertragstypen ergibt62. Da eine starre Typisierung wegen der Trennungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten des logisch kategorisierenden Denkens unmöglich erscheint, wird empfohlen, dass der Rechtsanwender alle Stufen einer fortschreitenden oder schwindenden Typisierung mit ihrer jeweiligen Stärke beachtet63. Bei der Anwendung des den besonderen Vertragstypus charakterisierenden Rechts ist zu betonen, dass diese nur analog stattfinden kann. Wann die Analogie als Lückenfüllungsmethode eingreift, ist ein Thema, das sowohl die Rechtsprechung64 als auch die Literatur65 seit Langem aufgeklärt haben. Demnach ist eine Analogie nur dann zulässig, „wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (…) und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen, wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungser62 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 IV 6, der die Analogie nur dann für erforderlich hält, soweit der Zweck einer an sich nur für einen bestimmten Vertragstypus geltenden Norm Geltung auch bei atypischen Gestaltungen folgerichtig fordere. 63 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 IV 6: „Unverkennbar ist vollkommene Rechtssicherheit (i. S. der Vorhersehbarkeit) nie gegeben, doch ist die Praxis ihren Aufgaben bislang stets gewachsen gewesen.“ 64 Vgl. z. B. BGH v. 23. 02. 2010, BB 2010, 837 = JZ 2010, 311; BGH v. 14. 12. 2006, JurionRS 2006, 29545 Rn. 15; BGH v. 16. 07. 2003, BGHZ 155, 380, 389 f. = NJW 2003, 2601; BGH v. 13. 11. 2001, BGHZ 149, 174; BGH v. 20. 11. 1992, BGHZ 120, 239, 252 = NJW 1993, 925; BGH v. 31. 01. 1990, BGHZ 110, 183, 193 = NJW 1990, 2546; BGH v. 13. 07. 1988, BGHZ 105, 140, 143 = NJW 1988, 2734. 65 Vor allem Larenz, Methodenlehre, S. 381 f.; Canaris, in: FS Bydlinski, 47, 82 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 55 f.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

gebnis gekommen (…). Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem – dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden – Regelungsplan ergeben.“66

Die Voraussetzung der Unvollständigkeit ist selbstverständlich, weil der Gesetzgeber angesichts einer Vielfalt von Privatvereinbarungen, die bestimmte Lebensverhältnisse regeln, nichts vorgesehen hat. Man spricht von einer Lücke, soweit diese Unvollständigkeit planwidrig ist. Wenn der Gesetzgeber diese Lücke erkannt hätte, dann würde er die entsprechenden Regeln schaffen. Das Vorliegen einer Lücke ist oft gegeben, da viele Institutionen erst im Laufe der Zeit und jedenfalls nach dem Inkrafttreten des BGB entstanden sind. Andererseits ist die Ansicht nicht vertretbar, dass der historische Gesetzgeber alle Lebensverhältnisse im Privatrecht erschöpfend regeln kann67. Die zweite Voraussetzung, das heißt die Ähnlichkeit mit einem bereits im Gesetz verankerten Vertragstatbestand, ist jedoch nicht immer vorhanden. Sind die Unterschiede zwischen dem geregelten und dem nicht geregelten Vertrag erheblich, dann kann die Analogie keinen Boden finden. Wenn aber die Unterschiede nicht so gewichtig sind, dass die Rede von einem atypischen Vertrag (in unserem Fall von einer atypischen Vertragsstrafe) sein kann, dann sind die gesetzlichen Rechtsfolgen heranzuziehen68. Wie Larenz es wohl treffend formuliert hat, geht es um zwei Feststellungen, da die Begriffe „Identität“ und „Nichtidentität“ schwer zu bestimmen sind: Zum einen handelt es sich um die positive Feststellung, dass der konkrete Sachverhalt dem gesetzlich geregelten Vertragstypus in allen für die rechtliche Bewertung maßgebenden Hinsichten gleicht; zum anderen handelt es sich um die negative Feststellung, dass die verbleibenden Unterschiede nicht so stark sind, um den Ausschluss der gesetzlichen Wertung herbeizuführen. 7. Der Begriff der Leistungspflicht und dessen Beitrag zur Lösung des Qualifikationsproblems Nur solange die vertragstypischen Leistungspflichten in einem Schuldvertrag festgestellt werden, kann auch seine rechtliche Einordnung erfolgen. Dies geschieht, weil – wie bereits gezeigt – die Qualifizierung nichts Anderes als ein Subsumtionsverfahren ist. Das bedeutet, dass die im konkreten Vertrag geschuldeten typischen Leistungspflichten mit denen der Vertragsstrafe, das heißt dem vertraglichen Versprechen irgendwelcher Leistungen zum Erreichen eines Sicherungs- und zugleich Schadensbeweiserleicherungszweckes, zu vergleichen sind, damit die Entscheidung getroffen werden kann, ob sie aneinander kongruent sind oder nicht. Zudem ist von Bedeutung, wie man die vertragstypischen Leistungspflichten im Einzelfall feststellen kann. 66 67 68

So z. B. BGH v. 13. 03. 2003, ZIP 2003, 1204, 1206 = NJW 2003, 1932. Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 15 ff. Larenz, Methodenlehre, S. 381 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 55.

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Gemäß § 241 BGB a. F. war der Begriff der aus einem Schuldverhältnis herauskommenden Pflicht mit dem Begriff der Leistungspflicht identisch69. Die Leistung war, wie auch heute, als ein Tun oder Unterlassen zu verstehen. Die sog. Schutzpflichten fanden vor der Schuldrechtsmodernisierung ihre Grundlage in § 242 BGB. Nach dem SchuldRModG hat der Gesetzgeber ein dualistisches System von Pflichten aus Schuldverhältnissen geschaffen70. Einerseits umfasst das Schuldverhältnis Leistungspflichten (§ 241 Abs. 1 BGB), andererseits sind die Schutzpflichten, das heißt die Pflichten, die keine Leistung, sondern die Wahrung der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils als Inhalt haben, nunmehr ausdrücklich vom Gesetz erfasst (§ 241 Abs. 2 BGB). Diese wesentlich ungleichen Arten von Pflichten stellen die aus einem Schuldverhältnis herauskommenden Pflichten dar und sind voneinander zu unterscheiden71. Es ist nebensächlich zu erwähnen, dass nur die Leistungspflichten für die Qualifikation eines Schuldverhältnisses bedeutend sind. Versucht man sich dem Begriff der Leistungspflicht zu nähern, so stößt man auf den Grundbegriff der Leistung. Wenn die Norm des § 241 Abs. 1 S. 2 BGB näher betrachtet wird, dann stellt man fest, dass auch ein Unterlassen Gegenstand einer Leistung sein kann. Dies führt folglich zum Schluss, dass das Tun der selbstverständliche Gegenstand der Leistung ist72. Die herrschende Meinung im Schrifttum geht jedoch noch weiter und definiert die Leistung als Verhalten des Schuldners, das dem Gläubiger in irgendeiner Weise (nicht nur bezüglich des Vermögens) von Vorteil ist73. Die Leistungspflichten werden traditionell in zwei Gruppen eingeteilt: Einerseits bestehen Primärpflichten, also die Pflichten, deren Anbahnung zu der durch das Rechtsgeschäft geschaffenen Ordnung gehört74. Als sekundäre Pflichten werden andererseits solche Pflichten bezeichnet, die erst aus der Nichtbeachtung der ursprünglichen primären Pflichten entstehen. Ihr typisches Merkmal ist, dass sie die 69 Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 2 I; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 26; Kosmides, Providing-Verträge, S. 120. 70 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 37. 71 Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 2 I; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III Kosmides, Providing-Verträge, S. 120 f. 72 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 34. Was mit dem Tun gemeint ist, ist seit Langem in der Theorie geklärt. Darunter fällt sowohl die bloße Tätigkeit, als auch der Leistungserfolg entsprechend der Vereinbarung der Parteien und der Natur des Vertrages. Der Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) hat z. B. die bloße Tätigkeit des Schuldners als Leistungsgegenstand, während es im Fall des Werkvertrages (§§ 631 ff. BGB) um einen Leistungserfolg geht. Vgl. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 33. 73 Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 2 I; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III ; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 34; Erman/Westermann, § 241 Rn. 6; PWW/ Schmidt-Kessel, § 241 Rn. 15 ff.; MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 19. 74 So Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 35; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 2 I; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III. Siehe aber PWW/Schmidt-Kessel, § 241 Rn. 21, der diese Einteilung als veraltet und anachronistisch betrachtet.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Primärpflichten vollständig ersetzen (z. B. Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 3 BGB) oder neben sie treten können (z. B. Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 2 BGB)75. Die primären Leistungspflichten werden wiederum in Haupt- und Nebenleistungspflichten gegliedert. Die Ersteren sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die vertragstypischen, essentiellen Pflichten des Schuldners in Anlehnung an die Vertragstypik, das heißt die Gliederung des BGB in Paragraphen mit charakteristischen Titeln, sind76. Beispielsweise beim Kauf (§§ 433 ff. BGB) sind die Hauptleistungspflichten des Verkäufers die Übereignung und Übergabe der Sache, während sich der Käufer zur Bezahlung des Kaufpreises und zur Abnahme der Sache verpflichtet. Anders gesagt kennzeichnet die Hauptleistungspflicht das Schuldverhältnis in seiner Eigenart77. Aus ihrem charakteristischen Merkmal, dass sie die essentialia negotii jedes einzelnen Vertragstypus bilden, ergibt sich, dass sie für die Einordnung und die Qualifikation der Verträge von grundlegender Bedeutung sind. Das Vorliegen mindestens einer Hauptleistungspflicht ist bei jedem Schuldverhältnis unabhängig vom synallagmatischen Charakter gegeben78. Die Nebenleistungspflichten prägen die Natur des Schuldverhältnisses hingegen nicht. Sie haben nur eine Assistenzrolle bei der Vorbereitung, Durchführung und Sicherung des Pflichtenprogramms, also den Hauptleistungspflichten. Sie ergeben sich hauptsächlich aus der vertraglichen Vereinbarung und nur vereinzelt aus dem Gesetz. Der Schluss daraus ist, dass die Nebenleistungspflichten für das Qualifikationsverfahren ohne Relevanz bleiben, solange sie durch Vereinbarung der Parteien nicht zu Hauptleistungspflichten aufgewertet sind79. 8. Die Ermittlung der vertragstypischen Leistungspflichten Bevor man sich etwa präziser mit der Möglichkeit beschäftigt, bestimmte Rechtsinstitutionen als Vertragsstrafe zu qualifizieren, damit eine richterliche Ermäßigungskontrolle bejaht oder verneint wird, ist die Zugangsweise zur Ermittlung der jeweils vertragstypischen Pflichten in die folgenden Stadien festzusetzen. Grundlage für die Ermittlung ist die Feststellung der vertraglichen Pflichten, welche die Vereinbarung zwischen den Parteien enthält. Von Bedeutung sind für die 75

Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 35; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 2 I; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III. 76 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 36. 77 Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 2 I; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 4; Esser/ Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 6 III. 78 Vgl. nur Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 4; a. A. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 36. 79 Generell zu den Nebenleistungspflichten in Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 2 I; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 4; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 36; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 6 III.

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Qualifikation aber nur die ausdrücklich vereinbarten Pflichten, weil nur diese die Eigenschaft besitzen, das Vertragsprogramm der Parteien zu stützen. In einem zweiten Schritt werden die Leistungs- von den Schutzpflichten unterschieden, da normalerweise nur die Ersteren den Vertragstypus prägen können. Demzufolge sind die Schutzpflichten beim Qualifikationsverfahren zu ignorieren. Die Leistungspflichten wiederum sind in einem weiteren Schritt in Haupt- und Nebenleistungspflichten einzuteilen. Daraus werden die Hauptleistungspflichten herausgegriffen, da nur diese für die typologische Einordnung des jeweiligen Vertrages bedeutend sind. In einem letzten Schritt werden die festgestellten Hauptleistungspflichten der infrage stehenden vertraglichen Vereinbarung unter die essentialia negotii der Vertragsstrafe subsumiert. Bei einer Bejahung hat dies zur Folge, dass eine Ermäßigungskontrolle möglich ist.

III. Die Prüfung der Anwendung des § 343 BGB auf besondere Rechtsinstitute des Privatrechts 1. Grundlinien An dieser Stelle muss betont werden, dass die hier vorgestellten Institutionen keine abschließende Aufzählung bilden, sondern nur einen Anhalt geben, was typischerweise und mit einer bemerkenswerten Häufigkeit in der Praxis und im Geschäftsverkehr vorkommt und worauf zumindest geachtet werden muss, wenn man einer solchen vertraglichen Vereinbarung begegnet. Zu beachten hat man hier, dass verschiedene Kriterien zur Abgrenzung zwischen der Vertragsstrafe und anderen Instituten sanktionierenden Charakters diskutiert wurden. Die ganz vereinzelt betrachtete Druckfunktion, die die Vertragsstrafe entfaltet, kann kein adäquates Abgrenzungskriterium sein. Alle Institute, die als Sanktionen funktionieren (z. B. Schadenspauschalierungen, Garantieverträge), lösen eine Druckfunktion mittelbar aus. Wichtig ist jedoch, dass diese Funktion nur bei der Vertragsstrafe das Charakteristikum und Hauptziel ist. Nur die Vertragsstrafe wird als solche von den Parteien vereinbart, damit sie den Schuldner zur Beachtung der vertraglichen Pflichten zwingt. Andere Institute (z. B. Schadenspauschale) haben abweichende Ziele (z. B. die Ermöglichung der Schadensberechnung) und können nur indirekt eine ähnliche Funktion haben80. 80 BGH v. 24. 04. 1992, NJW 1992, 2625 = DB 1992, 1774; BGH v. 25. 11. 1982, NJW 1983, 1542, 1543 = ZIP 1983, 36 („Eine Vertragsstrafenregelung im Sinne der §§ 339 ff. BGB ist anzunehmen, wenn die Zahlung des versprochenen Betrages in erster Linie die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sichern und auf den Vertragspartner einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, die übernommenen Pflichten einzuhalten.“); BFH v. 28. 02. 1992, BFHE 168, 67 = NJW 1993, 552; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 43, 50.

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Ein weiteres Kriterium, welches zur Abgrenzung vorgeschlagen wird, ist das Verhältnis zwischen dem Schuldnerverhalten und der Intensität sowie der Natur der Leistung. Wenn z. B. die Höhe der versprochenen Leistung die Höhe des möglichen Schadens deutlich übersteigt, dann liegt keine Schadenspauschalierung wegen dieses Missverhältnisses vor. Vielmehr wäre dann eine Vertragsstrafe anzunehmen. Dieses Kriterium ist allerdings nicht unwiderleglich, da die Vertragsparteien frei sind, sich auf eine beliebige Höhe zu einigen. Genauer gesagt ist die Abhängigkeit der Leistung vom fehlerhaften Schuldnerverhalten, das heißt der Störung einer Hauptpflicht, lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer Vertragsstrafe81. Die Unabhängigkeit vom Schuldnerverschulden ist hingegen ein sichereres Abgrenzungskriterium. Die verschuldensunabhängige Haftung ist mit dem Verfall der Vertragsstrafe nicht vereinbar; eine andere Institution (z. B. Garantievertrag) ist jedoch nicht auszuschließen82. Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung gemäß § 133 BGB, das heißt nach dem wirklichen (tatsächlichen oder auch mutmaßlichen) Willen der Parteien, kann dazu führen, dass die Kenntnis der Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung z. B. wegen § 309 Nr. 6 BGB indiziert, dass die Parteien eine andere Institution (z. B. eine Vorfälligkeitsklausel) vereinbaren wollen83. Die Tatsache, dass viele Institute außer der Vertragsstrafe ein gewisses Maß an Druck neben ihren anderen Funktionen aufweisen, wirft die Frage auf, wie sie als typengemischte Verträge zu behandeln sind84. Nach der sog. Absorptionsmethode ist der gesamte typengemischte Vertrag nach dem den Gesamtcharakter des Vertrages am stärksten prägenden Recht zu beurteilen. Dies führt in jedem Fall zur Anwendung von nur einer Vorschriftengruppe (z. B. §§ 339 ff. BGB). Die Kombinations- oder Kumulationsmethode setzt sich für die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Tatbestandselemente und folglich aller relevanten Normen ein. Sowohl in der Rechtsprechung85 als auch in der Literatur86 hat sich die Ansicht der abgrenzenden Lösung durchgesetzt. Das Argument Riebles, das diese Meinung stützt und auf die vom Gesetz vorgenommene Differenzierung der zwei Institute (Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung) zurückgreift, ist begründet. Gewiss unter81 Mehr zur Frage, wie die Beendigung des Hauptverhältnisses im Fall einer Leistungsstörung zu bewerten ist, also entweder als Vertragsstrafe oder als Verwirkungsklausel gem. § 354 BGB oder als Kündigung, im Urteil BGH v. 19. 09. 1985, BGHZ 95, 362, 372 = NJW 1986, 46; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 51. 82 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 52. 83 BGH v. 19. 09. 1985, BGHZ 95, 362, 372 f. = NJW 1986, 46; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 53. 84 Generell zur Behandlung der typengemischten Verträge siehe Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Verträge, S. 153 ff. 85 BGH v. 19. 09. 1985, BGHZ 95, 362, 372 f. = NJW 1986, 46; BGH v. 08. 10. 1969, NJW 1970, 29, 32 = MDR 1970, 227; BAG v. 14. 12. 1966, NJW 1967, 751 = BB 1967, 333. 86 Beuthien, in: FS Larenz, S. 495, 498 ff.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 14; RGRK/Ballhaus, Vor § 339 Rn. 6; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 44 ff.

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scheidet der Gesetzgeber selbst in einer Reihe von Vorschriften zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, was wiederum bedeutet, dass die jeweilige Vorschrift die andere Institution nicht deckt87. Dennoch könnten die folgenden Einwendungen gegen die von Rieble vertretene Meinung vorgebracht werden: „Vertragsstrafevorschriften sind kein Allheilmittel gegen falsche oder schlechte Sanktionen. (…) Für Allgemeine Geschäftsbedingungen bietet § 307 hinreichende Möglichkeiten“88.

Erstens können weder die Vorschriften, die die Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln, Allheilmittel sein, da die Individualvereinbarungen enthaltenden Verträge offensichtlich nicht darunter fallen. Zweitens ist offensichtlich, dass die strikte gesetzliche Abgrenzung nur die Schadenspauschalierung und deren Verhältnis zur Vertragsstrafe betrifft. Es ist eine unzulässige Verallgemeinerung zu behaupten, dass der Gesetzgeber eine ähnliche strikte Abgrenzung in jedem Fall gewollt habe, weil die meisten Institutionen, die diese Untersuchung beschäftigen werden, ohne gesetzliche Regelung sind89. Schließlich ist zu betonen, dass die Abgrenzungstheorie selbst auf scharfe Kritik gestoßen ist. Im Schrifttum herrscht die Ablehnung der Absorptionsmethode, weil das Erachten einer einzigen Leistung als Hauptleistung und die Zusammenfassung aller anderen Leistungspflichten in den Nebenleistungspflichten, einfach nicht zutrifft90. Das Dilemma „Rechtssicherheit aufgrund starrer Rechtsgewinnungsmethoden oder elastische Lösungen durch gesetzes- und gleichzeitig sachbezogene Konstellationen?“ lässt sich nur durch Berücksichtigung der in der jeweiligen Vertragsgestaltung zusammengefügten Lebensvorgänge und Rechtsverhältnisse beantworten91. Verallgemeinerung und schematisierte Zuordnung kann nur dann akzeptiert werden, solange die typologische Erfassung des Sachverhalts der Aus87 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 45 f. Das von Rieble zitierte Urteil BGH v. 24. 04. 1992, NJW 1992, 2625 = DB 1992 hat die Klausel, wonach sich der Käufer eines Grundstücks verpflichtet hat, auf den Kaufpreis Zinsen ab Fälligkeit in Höhe von 10 % p. a. zu zahlen, als Fälligkeitszinsen charakterisiert. Diese seien Teil der Leistung und trotz des Drucks, die auf den Schuldner ausübten, nicht als Vertragsstrafe zu qualifizieren. 88 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 47. 89 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 48 vertritt außerdem die Meinung, dass die einseitig nach unten orientierte Korrektur nach § 343 BGB nur auf einseitige Sanktionen anwendbar sei. Das charakteristische Beispiel sei die Vertragsstrafe, die nicht beiderseitige Interessen zum Ausgleich bringe, sondern auf einseitige Bestrafung abziele. Entgegen dieser Meinung ist aber ein Hinweis auf die Regelung des § 340 Abs. 1 BGB zu geben, die zum Schutz des Schuldners eine Kumulation von Straf- und Erfüllungsanspruch außer Betracht lässt. Dies bedeutet, dass sie auch die Interessen des Schuldners befriedigt. 90 So z. B. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 V; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT Bd. II/ 2, § 63 I 3 a; Dellios, Rechtsfindungsmethode bei gemischten Verträgen, S. 190 f.; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 154 f. 91 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 100 B; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 V; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 157.

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gangspunkt ist92. Alle Umstände des Einzelfalls, die zu den unterschiedlichsten Vertragsgestaltungen führen können, sollen berücksichtigt werden. Es fällt z. B. der wirtschaftliche Zweck des Rechtsgeschäfts, die Interessenlage der Parteien, der Geltungsanspruch und die Funktion der hingehörenden Regeln darunter93. Die jeweilige Betrachtung des Einzelfalls kann nicht lückenhaft sein, sondern muss als Ganzes in Anknüpfung an die gesetzlich normierte Typenordnung erfolgen94. Die Entwicklung gesetzlich nicht vorgesehener Verträge kann aber ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, da diese nicht einfach die Summe verschiedener Teile bilden, sondern etwas anderes (ein Aliud) sind95. Von überwiegender Bedeutung ist die Abwägung der widerstreitenden Privatinteressen, wie diese als Wertentscheidungen der Gesetzgebung herauskristallisiert sind. Dabei spielen die Interessen der Allgemeinheit, die jede Regel verwirklichen soll (Sicherheit, Praktikabilität, Prävention unerwünschter oder Erleichterung wünschenswerter Ergebnisse) im Rechtsverkehr die zentrale Rolle96. Letztlich ist diese als pragmatisch oder interessengerecht bezeichnete Rechtsanwendung die Lösung des Problems der Rechtsfindung bei gemischten Verträgen. Die Möglichkeit, dass eine einfache Theorie entwickelt wird, die alle unterschiedlichen Fälle zum richtigen Ergebnis führt, ist als unrealistisch zu bewerten. Nur die nähere Prüfung der Einzelfälle mit ihren eigenen Besonderheiten kann hilfreich sein97. 2. Die Draufgabe Die Draufgabe (auch Angeld, Draufgeld, Handgeld oder Arrha genannt) ist ebenso wie die Vertragsstrafe eine Nebenvereinbarung. Die praktische Bedeutung dieser Institution ist nicht mehr so groß wie in vergangener Zeit98. Ihre Funktion liegt darin, dass die als Draufgabe hingegebene Leistung von Geld oder jedem anderen Gegenstand den Abschluss eines Vertrages zeichnet. Sie begründet dadurch eine widerlegbare Vermutung für den Abschluss (§ 336 Abs. 1 BGB). Die erste Funktion ist als Abschlussbestätigung zu bezeichnen. Wenn man jedoch § 338 BGB Abs. 1 BGB berücksichtigt, dann geht man davon aus, dass diese Vereinbarung auch der Sicherung von Pflichten dient. Da der Empfänger die Draufgabe bei einem Vertragsbruch des Gebers behalten darf, besitzt sie eine gewisse Abschreckungsfunktion. Fraglich ist allerdings, ob diese Ähnlichkeit mit der Vertragsstrafe den gege92

Dellios, Rechtsfindungsmethode bei gemischten Verträgen, S. 215 ff. Vgl. Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 100 B. 94 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 100 B; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 V. 95 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT Bd. II/2, § 63 3. 96 Vgl. Dellios, Rechtsfindungsmethode bei gemischten Verträgen, S. 224, 273 ff. 97 Vgl. nur Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 7 V 4. 98 MünchKomm/Gottwald, § 336 Rn. 5. Einer Meinung nach solle die Institution keinen Platz mehr im BGB haben. So HKK/Hermann, §§ 336 – 345 Rn. 9 f.; Staudinger/Rieble, § 336 Rn. 4. 93

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benen Unterschied, dass die Draufgabe ein re und nicht solo consensu abgeschlossener Vertrag ist, unbedeutend machen kann. Es besteht das Problem, ob eine übermäßig hohe Draufgabe, die im offenen Missverhältnis zum Wert der abgesicherten Leistung steht, durch die Anwendung des § 343 BGB herabgesetzt werden kann. Der Wortlaut des Gesetzes lässt diese Frage offen, da es keine entsprechenden Verweise gibt. Die historische Betrachtung des Problems setzt sich mit der Entstehung der §§ 336 ff. BGB auseinander. Obwohl es der anfängliche Wille des historischen Gesetzgebers war, eine Herabsetzung nach dem Vorbild der Vertragsstrafe einzuführen, hat die Zweite Kommission eine solche Möglichkeit abgelehnt. Es wurde gleichwohl ein entsprechender Antrag auf Aufnahme eines Ermäßigungsrechts auch für die Draufgabe in das BGB gestellt, damit die Vorschriften, die die Vertragsstrafe beschränken oder verbieten, nicht umgangen werden können. Die Begründung der Zweiten Kommission lautete wie folgt: „Die Kommission vermochte sich nicht davon zu überzeugen, daß ein Bedürfnis vorliege, dieser Anregung Folge zu geben. Sie war der Ansicht, der Gesetzgeber thue genug, wenn er die Konventionalstrafe so ordne, daß eine Ausbeutung des Schuldners durch den Gläubiger möglichst vorgebeugt werde. Dagegen sei es nicht nothwendig, der Gefahr einer Umgehung der bezüglichen Vorschriften durch eine besondere Bestimmung für die Draufgabe entgegenzutreten. Die Rechtsprechung werde, auch wenn die Vertragschließenden die Bezeichnung „Draufgabe“ wählen, nicht verkennen, daß es sich thatsächlich um eine Konventionalstrafe handele; sie werde deshalb das Verhältnis aus dem Gesichtspunkte der Draufgabe, sondern aus dem der Konventionalstrafe beurtheilen.“99

Daraus folgt, dass der Gesetzgeber von einer ausdrücklichen Regelung bewusst Abstand genommen hat. Der Grund dafür fußt auf der Ansicht, dass die Draufgabe einen Strafcharakter besitzt, der sie der Vertragsstrafe nahe bringt, wenn der Empfänger der Draufgabe diese wegen der schuldhaften Nichtdurchführung des Vertrages behalten darf. Das bedeutet, dass man eine Herabsetzungskontrolle gemäß § 343 BGB für gegeben halten muss100. Eine solche direkte und nicht analoge Anwendung ist sowohl erforderlich als auch erlaubt, weil im Zusammenhang mit der Kontrolle der Höhe einer Draufgabe die Institution anhand ihrer Funktion als Vertragsstrafe im weiteren Sinne beurteilt werden darf.

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Protokolle, Bd. I, S. 775. Diese Ansicht stellt die herrschende Meinung in der Literatur dar. Vgl. Schollmeyer, Recht der Schuldverhältnisse, § 338 Rn. 3; MünchKomm/Gottwald, § 338 Rn. 1; Staudinger/ Rieble, § 338 Rn. 3. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, Rn. 543; NK-BGB/Walchner, § 338 Rn. 4. Erman/Schaub, § 338 Rn. 2 und PWW/Medicus/Stürner, § 338 Rn. 6 setzen sich für eine analoge Anwendung des § 343 BGB ein. Die Auffassung, dass die Vorschrift auf Draufgabe unanwendbar sei, ist nur vereinzelt vertreten. So z. B. Erman/Westermann11, § 338 Rn. 1 und aus der älteren Literatur Planck/Siber, § 338 Bem. 2; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 338 Rn. 5. 100

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3. Die Schadenspauschale a) Die Problemstellung Die Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen ist eine jüngere Institution als die Vertragsstrafe selbst. Erst in den 1920er Jahren kam sie in der Praxis auf. Der Gesetzgeber hat diese allerdings über lange Zeit ohne Regelung gelassen. Im Jahre 1976 war das AGB-Gesetz die erste gesetzgeberische Anerkennung der Schadenspauschalierung. Bis dann hatte sie die Gerichte mehrmals beschäftigt, es herrschte jedoch Unklarheit darüber, ob sie von der Vertragsstrafe zu unterscheiden war101. Der Gesetzgeber hat die Schadenspauschalierung in § 11 Nr. 5 AGBG als eigenständiges Rechtsinstitut konzipiert und ihre Vereinbarung durch AGB wie bei der Vertragsstrafe eingeschränkt102. Heute wird sie in § 309 Nr. 5 BGB geregelt103. Was den Begriff angeht, so kann man als Schadenspauschalierung eine ex-anteFixierung der Höhe desjenigen Schadensersatzes betrachten, der bei einer potentiellen Leistungsstörung eintreten kann104. Sie entspricht einer Vorabfestsetzung eines künftigen Schadensersatzanspruches. Das Problem ergibt sich erst dadurch, dass die Schadenspauschalierung ihre wesentlichen Merkmale mit der Vertragsstrafe gemein hat. Diese Rechtsinstitute befinden sich nicht nur in den jeweiligen Rechtsnormen (§ 309 Nr. 5 und 6 BGB)105, sondern auch funktionell in direkter Nachbarschaft. Die Vertragsstrafe ist nach herrschender Meinung eine Institution, die durch eine Bifunktionalität gekennzeichnet wird. Einerseits hat sie eine Druckfunktion im Sinne eines Pressionsmittels, das ein bestimmtes Verhalten, genauer gesagt die Beachtung einer vertraglichen oder sonstigen Pflicht, erzwingt. Der Begriff „Straffunktion“ bedeutet Aufbau des präventiven Drucks und nicht Vergeltung oder Bestrafung, wie eine bloß repressive Strafkonzeption verlangen würde. Gleichzeitig kommt der Konventionalstrafe eine Schadensbeweisfunktion zu. Sie befreit den Schuldner vom 101 Vgl. Belke, DB 1969, 559 ff. und 603 ff.; v. Brunn, NJW 1967, 712 f.; Frank/Werner, DB 1977, 2171. Zur formularmäßigen Anspruchspauschalierung siehe Schmidt-Salzer, NJW 1969, 289 ff. 102 Vgl. statt vieler Gerth/Panner, BB 1984, 813 ff.; Reich, NJW 1978, 1570, 1571. 103 Zur Entwicklung des pauschalierten Schadensersatzes vgl. Hess, Die Vertragsstrafe, S. 73 ff.; Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 42 ff., 92 ff. Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 167 ff. geht davon aus, dass die institutionelle Abgrenzung nur den AGB-Bereich betrifft, und lehnt daher ihre Eigenständigkeit ab. Diese Ansicht teilt der größte Teil der Literatur nicht. Die Begründung ist, dass der Gesetzgeber selbst die Differenzierung gewollt hat. Vgl. z. B. Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 22; Staudinger/ Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 45. 104 Statt vieler siehe Beuthien, in: FS Larenz, S. 495, 509; ders., BB 1973, 92, 93 ff.; Hess, Die Vertragsstrafe, S. 92 ff.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 34; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 22; Nodoushani, ZGS 2005, 330 f. Aus der Rechtsprechung vgl. BGH v. 25. 11. 1982, NJW 1983, 1542, 1543 = ZIP 1983, 36. 105 Auch in diesem semiologischen Sinn Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 54.

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Beweis der Schadensentstehung und der Schadenshöhe. Wesensmerkmal der Vertragsstrafe ist der Vorrang der Sicherungs- im Verhältnis zur Ersatzfunktion106. Mit der Vertragsstrafe ist das wirtschaftliche Ziel der Schadenspauschale zu vergleichen. Das Abgrenzungsproblem beginnt genau an diesem Punkt, an welchem man die jeweiligen Funktionen miteinander vergleicht. Auch die Schadenspauschalierung ist ein Leistungsversprechen mit dem Ziel, die Befriedigung des Gläubigers bei Vorliegen eines Fehlverhaltens zu erleichtern, indem dieser die Entstehung und die Höhe des Schadens nicht darzulegen und zu beweisen braucht. Diese Schadensersatzfunktion erzeugt auch Druck, da die Schadenspauschalierungsklausel die Verletzung einer Pflicht des Schuldners voraussetzt. Von einer Sicherungsfunktion kann man dabei nicht sprechen (sog. Monofunktionalität der Schadenspauschalierung), als Nebenfolge der Schadenspauschale ist ein gewisser Druck jedoch ersichtlich107. Die Unterscheidung basiert darauf, dass hier anders als bei der Vertragsstrafe die Schadensersatzfunktion im Vordergrund steht. Diese Betrachtung, die sich auf die Bifunktionalität der Vertragsstrafe und die Monofunktionalität der Schadenspauschalierung stützt, kann nur als gescheitert angesehen werden. Der BGH folgt ihr in gewissem Maße108. Die These, dass eine Klausel Vertragsstrafe sei, weil sie vornehmlich auf den Schuldner einen Druck ausübe, damit er seine Verpflichtungen einhalte, oder als Schadenspauschale zu qualifizieren sei, wenn sie der Durchsetzung 106 Mehr dazu oben Teil 3 A. III. 1. Vgl. auch schon Oertmann, Das Recht 1913, 186, 188; Planck/Siber, § 339 Bem. 1; Leonhard, Allgemeines Schuldrecht, Bd. I, S. 401. Jedoch nimmt Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 355 ff. die Vertragsstrafe zwar als doppelfunktionell wahr, aber er betont das schadensersatzrechtliche Element so stark, dass die Vertragsstrafe als Schadensersatzvereinbarung gelte. Etwa vermittelnd ist die Ansicht von Knütel/ Rieger, NZBau 2010, 285 ff. Die Differenzierung zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschale sei nur dann logisch, wenn die Pönale AGB sei und gegenüber einem Verbraucher verwendet werde. § 309 Nr. 5 und 6 BGB seien bloß eine Ausnahmeregelung. In den Individualvereinbarungen sei zwischen beiden Instituten kein Unterschied ersichtlich. Für beide Rechtsinstitute gelten die §§ 339 ff. BGB und § 348 HGB. Im unternehmerischen Verkehr sei keine Herabsetzung möglich. Die jeweilige Vereinbarung könne nach § 138 BGB (Individualvereinbarung) oder nach § 307 BGB (AGB) geprüft werden. Obwohl diese Stellungnahme der herrschenden Meinung gegenübersteht und die herrschende Druckfunktion der Vertragsstrafe nicht berücksichtigt, beweist sie die extreme Schwierigkeit beide Institute voneinander abzugrenzen. 107 Hess, Die Vertragsstrafe, S. 93 ff. (Dieser definiert die in der Abrede fixierte Leistungspflicht des Schuldners und das vertragswidrige Schuldnerverhalten als konstitutive Merkmale der Schadenspauschalierung); Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 145 ff.; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 35; Nodoushani, Vertragsstrafe und vereinbarter Schadensersatz, S. 65 ff.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 35 ff.; Beuthien, in: FS Larenz, S. 495, 498 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 7 d; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II c; Schlechtriem, in: Leser/Marschall von Bieberstein, Das Haager Einheitliche Kaufgesetz, S. 51, 53 ff.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 54; Engel, Konventionalstrafen, S. 13 ff.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 65 ff. 108 Z. B. BGH v. 08. 10. 1969, NJW 1970, 29, 31 = MDR 1970, 227; BGH v. 06. 11. 1967, NJW 1968, 149, 150 = MDR 1968, 404.

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eines Vertragsanspruchs diene, birgt einen Zirkelschluss in sich. Die Unterscheidung darf nicht durch bloße Wiederholung der Funktionen beider Institute erfolgen109. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie die zwei Institute voneinander abzugrenzen sind, obwohl sie einige wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Der Gesetzgeber hat eindeutig beantwortet, dass sich die Schadenspauschale von der Vertragsstrafe unterscheidet110. Das „Wie“, das heißt die Kriterien, die eine folgerichtige Abgrenzung beider Rechtsinstitute stützen können, bleibt gesetzlich unklar. Es ist die Aufgabe der Rechtsprechung und der Literatur die Grundlagen einer Abgrenzung zu finden. b) Die Kriterien: Ein Versuch theoretischer und praktischer Klarheit Als erstes Abgrenzungskriterium wird die grammatikalische Formulierung der jeweils in Betracht kommenden Klausel vorgeschlagen. Die Verwendung der Wörter „Schaden“, „Entschädigung“, „Schadensersatz“, „Ausgleich“ indiziere den schadensersatzrechtlichen Charakter der Abrede, während das Wort „Strafe“ eine Qualifizierung als Vertragsstrafenvereinbarung erforderlich mache111. Diese Ansicht, die großes Gewicht auf den Wortlaut legt, hat auch ein Teil der Rechtsprechung im Laufe der Zeit geteilt112. Der Grund dafür war, dass die Schadenspauschale nicht geregelt war. Jede Klausel, die von einem geregelten Rechtstypus (z. B. Vertragsstrafe) abwich, wurde nach dem damaligen Stand der Rechtsprechung für unwirksam erklärt, was freilich auch für die Schadenspauschalen galt. Nach der gesetzgeberischen Entscheidung, dass diese Institution der Kautelarpraxis durch das AGBG (und heute das BGB) geregelt werden müsse, entfiel der Rechtfertigungsgrund einer solchen Betrachtung. Die Schadenspauschale darf daher nicht mehr als Imitation der Vertragsstrafe, sondern als eine zulässige eigenständige Klausel angesehen werden113. 109 Ebenso Beuthien, in: FS Larenz, S. 495, 497. Hier ist auch die Auffassung von Hess, Die Vertragsstrafe, S. 132 ff., 170 zu erwähnen. Da auch die Schadenspauschale eine Beugefunktion habe, könne dieses Merkmal keine Abgrenzungsbasis darstellen. Weiter sei auch die Ausgleichsfunktion der Vertragsstrafe zu verneinen und daraus ergebe sich, dass genau diese Schadensersatzfunktion als ausschließliches Charakteristikum der Schadenspauschalierung das taugliche Abgrenzungskriterium sei. 110 Diese ausdrückliche Unterscheidung übersieht aber Stoll, Haftungsfolgen, S. 223 f. Seiner Meinung nach solle der Richter § 343 BGB auf jeden Fall anwenden. Maßgeblich sei der Parteiwille und der Sinn der Vereinbarung. Die Qualifikation könne aber nur im Rahmen einer Angemessenheitskontrolle nach § 343 BGB erfolgen. Eine Vorprüfung könne dazu führen, dass Vereinbarungen, die mit dem Ersatzinteresse des Gläubigers zu tun hätten, dem Anwendungsbereich des § 343 BGB entzogen würden. 111 Vgl. Beuthien, in: FS Larenz, S. 495, 501; Zugehör, NJW 1967, 1895. 112 LG Berlin v. 25. 04. 1966, NJW 1966, 1818, 1819; LG Wuppertal v. 08. 04. 1965, MDR 1965, 657; LG Ravensburg v. 24. 11. 1964, NJW 1965, 637; LG Tübingen v. 13. 12. 1963, NJW 1964, 1798. 113 Nodoushani, Vertragsstrafe und vereinbarter Schadensersatz, S. 121 ff.; ders., ZGS 2005, 330, 331.

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Daraus ist zu schließen, dass der Wortlaut zwar eine Bedeutung für die Qualifikation hat, diese jedoch nur gering ist114. Das inhaltliche Abgrenzungskriterium ist heute herrschend. Es handelt sich dabei um die Abrechnung der Höhe der versprochenen Leistung. Wenn die Höhe des versprochenen Schadens den zu erwartenden Schaden nach der Prognose der Parteien übersteigt, dann steht die Erfüllungssicherungsfunktion im Vordergrund. In diesem Fall liegt eine Vertragsstrafe vor. Entspricht dagegen die vereinbarte Summe der Höhe eines mutmaßlichen Schadens, so ist die Rede von der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes und eine Schadenspauschalierungsklausel ist anzunehmen115. Charakteristisch für die Abgrenzungsproblematik ist § 252 Abs. 2 BGB. Ebenso wie der Gewinn als entgangen betrachtet wird, wenn er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, genauso gilt der zu erwartende Schaden bei einer Leistungsstörung als Bemessungsbasis für das Vorliegen einer Vertragsstrafe oder einer Schadenspauschale. Welchen Inhalt der Begriff des typischen Schadens hat, ist eine Frage, die nach den Maßgaben der Vertragsart (z. B. Kauf-, Mietvertrag), der Art des Leistungsgegenstandes (z. B. neue oder alte Sache), der Branche, zu der das Rechtsgeschäft gehört (z. B. Versandhandel, Lagerverkauf)116, und der Art der Leistungsstörung (Nichterfüllung, Verzug, Schlechterfüllung)117 zu ermitteln ist. Dieser typische Schaden muss die Basis darstellen, mit der die Höhe der vereinbarten Leistung verglichen werden muss. Eine Überschreitung des typischen Schadens bedeutet Erfüllungssicherung und besitzt einen strafrechtlichen Zweck. Diesem Kriterium ist aber entgegenzuhalten, dass sich die Parteien ganz willkürlich auf eine Leistungshöhe einigen können, ohne von vornherein den typischen Schaden ernsthaft mitberücksichtigt zu haben. In diesen Fällen ist es mit der Rechtssicherheit nicht vereinbar, aus einem hypothetischen Willen und einem Zufall (Über- oder Unterschreitung des typischen Schadens) zu einem unwider-

114 Vgl. Schwerdtner, in: FS Hilger/Stumpf, S. 631, 634; Söllner, AuR 1981, 97, 98; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 35; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: ArbeitsrechtBlattei SD 1710 Rn. 41 f. 115 BGH v. 26. 05. 1999, NJW 1999, 2662, 2663 = ZIP 1999, 1266; BGH v. 25. 11. 1982, NJW 1983, 1542 = ZIP 1983, 36; BGH v. 30. 06. 1976, NJW 1976, 1886, 1887 = MDR 1977, 134; BGH v. 08. 10. 1969, MDR 1970, 227, 228 = DB 1969, 2173; BGH v. 06. 11. 1967, NJW 1968, 149, 150 = MDR 1968, 404; OLG München v. 06. 04. 2005, NZM 2006, 378; BAG v. 14. 12. 1966, BB 1967, 333 = NJW 1967, 751; LAG Berlin v. 19. 05. 1980, NJW 1981, 480. Aus der Literatur vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 IV 7 d; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 181 f.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 36; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 23; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 35; Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 26; Staudinger/ Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 57; Schwerdtner, in: FS Hilger/Stumpf, S. 631, 634; Preis/ Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 37 ff. 116 BGH v. 10. 11. 1976, NJW 1977, 381, 382 = MDR 1977, 393; Schlechtriem, in: Leser/ Marschall von Bieberstein, Das Haager Einheitliche Kaufgesetz, S. 51, 64 f. 117 BGH v. 20. 01. 2000, MDR 2000, 827 = NJW 2000, 2106, BGH v. 29. 03. 1994, NJW 1994, 1532, 1533 = MDR 1994, 791; BGH v. 31. 10. 1984, MDR 1985, 839 = NJW 1985, 320. Vgl. auch Nodoushani, ZGS 2005, 330, 331 f.

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leglichen Schluss über die Rechtsnatur der in Frage kommenden Abrede zu gelangen118. Ein weiteres Kriterium, das für die Ermittlung der Abgrenzung beider Institute vorgeschlagen wird, ist das Verhältnis zwischen der versprochenen Leistung und dem Eintritt des Schadens. Da der Strafverfall von keinem Schaden abhängig ist, was sich aus den §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB ergibt, stellt die Tatsache, dass die Parteien eine Erbringung der Leistung unabhängig von einem Schadenseintritt vereinbart haben, das Merkmal für das Vorliegen einer Vertragsstrafe dar119. Dagegen ist der tatsächliche Eintritt eines Schadens die Voraussetzung für die Begründung eines Anspruchs auf Schadenspauschalierung120. Im Schrifttum herrscht Streit darüber, ob die Nachweismöglichkeit eines höheren Schadens ein taugliches Abgrenzungskriterium sein kann. Diese Meinung stützt sich auf den Wortlaut der §§ 340 Abs. 2 S. 2, 341 Abs. 2 BGB, wonach der Strafgläubiger einen Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich des Schadens, der die Strafhöhe übersteigt, geltend machen darf. Wird dem Gläubiger nach der Absprache der Parteien ein solches Recht eingeräumt, dann liegt eine Vertragsstrafe vor121. Ob ein solches Kriterium jedoch tatsächlich zur Abgrenzung beitragen kann, ist umstritten. Ein Teil des Schrifttums erkennt ein solches Recht auf Geltendmachung des weiteren Schadens auch bei einer Schadenspauschalierung an. Dies führt dazu, dass man zwischen diesen zwei Instituten nicht differenzieren kann122. Der Gegenmeinung nach ist aber die Schadenspauschalierung eine unüberwindbare Hürde für den Nachweis und die Geltendmachung eines über der Pauschale liegenden Schadens123.

118 So aber OLG Köln v. 24. 04. 1974, NJW 1974, 1952, 1953. Vgl. auch Engel, Konventionalstrafen, S. 16. Dass der Nachweis einer Differenz zwischen dem vereinbarten und dem typischen Schadensbetrag kein ausschließliches Kriterium sein kann, ist eine Ansicht, die man auch in Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II c und Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 7 finden kann. 119 Engel, Konventionalstrafen, S. 16 f. 120 BGH v. 08. 10. 1969, MDR 1970, 227, 228 = DB 1969, 2173; BGH v. 06. 11. 1967, NJW 1968, 149, 150 = MDR 1968, 404; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II c; Beuthien, in: FS Larenz, S. 495, 498; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 141; a. A. Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 173 f.; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 23. Dieser Mindermeinung ist aber nicht zuzustimmen. § 309 Nr. 5 lit. b BGB sieht zwar vor, dass dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet werden muss, den Nichteintritt des Schadens zu beweisen. Diese Regelung setzt aber voraus, dass für die Begründung des Anspruchs auf Pauschale ein Schaden auf jeden Fall tatsächlich eintreten muss. 121 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 5 Rn. 37. 122 Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 5 AGBG Rn. 39; Koch/Stübing, § 11 Nr. 5 AGBG Rn. 18; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 5 AGBG Rn. 42. Vgl. auch BGH v. 16. 06. 1982, NJW 1982, 2316, 2317 = MDR 1983, 223; OLG Hamm v. 13. 06. 1986, NJW-RR 1987, 311, 312 = MDR 1987, 324. 123 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 5 Rn. 31 („Wer pauschaliert, bindet sich. Andernfalls würde zu Lasten des Kunden der Durchschnittsschaden zum Mindestschaden gemacht, und die Vorteile der Schadenspauschalierung kämen dem Verwender

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Grundgedanke soll hier sein, dass die vertragliche Haftung vom Grundsatz des vollen Schadensersatzes (Totalreparation) ausgeht. Inhalt dieses Grundsatzes ist, dass der Verantwortliche alle nachteiligen Wirkungen der Nichterfüllung seiner Primärpflichten für den Gläubiger ersetzen muss. Sinn und gleichzeitig Zweck einer Schadenspauschalierung ist es, bei einer Vertragsverletzung den Streit über die Entstehung und die Höhe des Schadens zu vereinfachen. Es besteht ein praktisches Bedürfnis, die Beweislage des Gläubigers zu verbessern. Die erleichterte und vereinfachte Schadensermittlung durch Pauschalierungsabsprachen reduziert im Streitfall überdies das Kostenrisiko des Schuldners und liegt deshalb auch in seinem wirtschaftlichen Interesse. Der Gläubiger trägt das Risiko, dass der tatsächlich entstandene Schaden höher als die Pauschale ist. Dieses Risiko kann aber wie die Schadenspauschalierungskonzeption selbst nur den Beweis betreffen. Er kann jetzt den weiteren Schaden wie üblich nachweisen. Ein Verlust dieser Möglichkeit darf nicht durch die Tatsache gerechtfertigt werden, dass der Gläubiger die entsprechende Klausel verwendet hat124. Diese Einschränkung kann die Interessen des Gläubigers und die Verwendung von Pauschalierungsklauseln generell gefährden, weil die entsprechende Absprache nur einen Teil des künftigen Schadens decken kann, falls er den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Folglich steht dem Gläubiger nach allgemeiner gesetzlicher Regel ohnehin das Recht zu, im Einzelfall einen höheren Schaden geltend zu machen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Gegenbeweismöglichkeit des Schuldners kein taugliches Abgrenzungskriterium sein kann. Bei der Suche nach einer effektiven Abgrenzung zwischen der Vertragsstrafe und der Schadenspauschalierung wird die Maßgeblichkeit eines weiteren Kriteriums berücksichtigt. Dieses Kriterium liegt in der Person, die durch die in Frage gekommene Absprache begünstigt wird. Die Leistung, die als Vertragsstrafe versprochen wird, kann nicht nur an den Gläubiger, sondern auch an einen Dritten (z. B. eine karitative Einrichtung) erbracht werden125. Eine entsprechende Absprache indiziert den Strafcharakter der Klausel. Die Schadensausgleichsfunktion der Schadenspauschalierung ist dagegen mit der Person des Gläubigers eng verbunden. Sie kann nicht getrennt von ihm konzipiert werden. Dies führt zur Bejahung einer Konventionalstrafe, falls die Person des Leistungsempfängers und des Strafgläubigers unterschiedlich sind. c) Schlussfolgerung Die Privatautonomie soll im Mittelpunkt jeglicher Vertragsgestaltung stehen. Die Parteien sind nicht dazu verpflichtet, sich auf die ihnen von Gesetzes wegen zur im Übermaß zugute.“); Engel, Konventionalstrafen, S. 17 f.; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 37. 124 So aber Engel, Konventionalstrafen, S. 18. 125 Vgl. Knütel, AcP 175 (1975), 44, 45 Fn. 4 m. w. N.; Engel, Konventionalstrafen, S. 18 f.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 35; RGRK/Ballhaus, § 339 Rn. 1. Siehe auch OLG Hamm v. 08. 08. 1966, MDR 1967, 42 = NJW 1967, 58.

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Verfügung gestellten Vertragsmuster und -typen zu beschränken. Den Vorrang genießt auf jeden Fall der verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz der Privatautonomie. Aus diesem Grundsatz ist das Institut der Schadenspauschalierung, ein früher nicht geregelter Typus, abgeleitet. Da der Gesetzgeber mit Einführung des AGBG jedoch für die gesetzliche Anerkennung der Schadenspauschale als getrennte Rechtsfigur gesorgt hat, ergibt sich, dass die zwei Institute voneinander bereits gesetzlich unterschiedlich geregelt sind. Diese gewollte Differenzierung kann sich nicht nur auf den Bereich des AGB-Rechts einschränken, sondern erstreckt sich auf das ganze Privatrecht, weil die Einheit der Rechtsbegriffe der Rechtssicherheit dient126. Die Parteien können sich auf eine solche Klausel im Rahmen einer Individualvereinbarung oder einer Allgemeinen Geschäftsbedingung einigen. Es ist eine Frage der Vertragsauslegung diese als Vertragsstrafe oder als Schadenspauschale zu qualifizieren. Der Vorrang der Privatautonomie bedeutet nicht, dass die vertragliche Vereinbarung ausschließlichen Vorrang genießt. Sie darf nicht durch einen Rückgriff auf die Vertragstypenordnung manipuliert werden. Auf der anderen Seite darf der Vorrang der Privatautonomie die Sonderstellung der Vertragstypenordnung beim Rechtsgewinnungsverfahren nicht aufheben, sondern muss diese respektieren. Das Streben nach einer Faustformel, die die unwiderlegliche Abgrenzung der zwei Institute aus einem der vorgenannten Kriterien ableiten kann, scheint gescheitert zu sein. Die Höhe des jeweiligen Leistungsversprechens spielt zwar die Hauptrolle, weil sie die Straffunktion und dadurch den Strafcharakter indiziert. Die anderen tauglichen Abgrenzungskriterien dürfen dabei aber nicht übersehen werden. In diesem Sinne wird der Abgrenzungsversuch eine Bewegung im Rahmen eines Systems, in dessen Grenzen die zwei Institute stehen. Die Kriterien besitzen den Charakter von Indizien, die die Überlegenheit der Druckfunktion (folglich Vertragsstrafe) oder der Ersatzfunktion (folglich Schadenspauschale) indizieren. Die Abgrenzung setzt nunmehr eine Gesamtbetrachtung aller Umstände und Parameter des Einzelfalls voraus, indem der Rechtsanwender die §§ 133, 157 BGB in concreto bei der Auslegung der in Frage stehenden Klausel mitberücksichtigt127. Grenzfälle sind freilich nicht auszuschließen128. 126 Siehe aber OLG Celle v. 12. 02. 2004, TranspR 2005, 261, 262, wonach die in Frage kommende Strafklausel gegen § 309 Nr. 5 und 6 BGB gleichzeitig verstoße! 127 MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 34; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 3; Nodoushani, Vertragsstrafe und vereinbarter Schadensersatz, S. 126 ff.; ders., ZGS 2005, 330, 331. „Daß sowohl die Schadenspauschale Vertragsstrafenelemente enthält als auch die Vertragsstrafenklausel schadensersatzrechtliche Überlegungen beinhaltet, hindert eine derartige nach Prioritäten zu ziehende Abgrenzung nicht.“ Diese Ansicht von Frank/Werner, DB 1977, 2171, 2172 ist richtig und deswegen muss man die umfassende Betrachtung der Charakteristika des Einzelfalls als Lösung des Abgrenzungsproblems ansehen. 128 Nach der Ansicht von Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 5 Rn. 38 ist im Zweifel eine Schadenspauschale anzunehmen. Zurückhaltend aber Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 5 Rn. 12. Frank/Werner, DB 1977, 2171, 2172 plädieren dagegen im Zweifel für eine Vertragsstrafe. Eine Abgrenzung wäre mit einer Re-

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d) Entsprechende Anwendung der §§ 339 ff. BGB auf die Schadenspauschalierung? Die Schlussfolgerung, dass die Schadenspauschalierung nicht als Vertragsstrafe qualifiziert werden kann, schließt zwar die direkte Anwendung der §§ 339 ff. BGB aus129. Ein Teil der Literatur geht aber davon aus, dass eine entsprechende Anwendung der vorgenannten Vorschriften auf die Schadenspauschalen möglich sei130. Diese Ansicht basiert darauf, dass der Schuldner einer Schadenspauschalierung so schutzbedürftig wie der Schuldner einer Vertragsstrafe sei. Da das Verhältnismäßigkeitsprinzip generelle Anwendung finde, könne die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes einer Angemessenheitskontrolle nicht entgehen. Dabei seien die in § 343 BGB enthaltenen Kontrollmaßstäbe zu berücksichtigen und als Billigkeitskriterien für die Herabsetzung der unangemessen hohen Pauschalierung anzuwenden. Die herrschende Meinung lehnt eine solche Betrachtung zu Recht ab131. Die Kritik gegen die Meinung, die eine analoge Anwendung der §§ 339 ff. BGB befürwortet, kann sich um zwei Achsen drehen. Erstens setzt die Analogie als Regelungslückenfüllung einen rechtsähnlichen Tatbestand voraus. Die Rechtsnorm, deren analoge Anwendung in Betracht kommt, soll einen vergleichbaren Regelungsgehalt besitzen. Die Interessenlage kann als vergleichbar beschrieben werden. Die Situation ist bei den §§ 339 ff. BGB jedoch anders zu beurteilen. Diese Vorschriften weisen als charakteristisches Merkmal auf, dass sie die Vertragsstrafe als Druckmittel konzipiert haben. Da der Schuldner von dieser Druckfunktion überbelastet werden kann, taucht die Frage des Schuldnerschutzes auf, der in § 343 BGB verkörpert wird. Die reine Schadenspauschale, bei der die Schadensersatzfunktion unabhängig vom jeweiligen Druck, den sie als Nebenfolge ausüben kann, im Vordergrund steht, bedroht die Interessen und die Rechtslage des Schuldners nicht tiefgreifend. Die Leistung, die als Schadensersatz funktioniert, fügt dem Schuldner keinen Schaden und keine Belastung zu, sondern stellt das Recht wieder her. Sie kann nicht als „unverhältnismäßig hoch“ oder gelung wie des § 90 Abs. 3 S. 2 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes 2006, wonach die Vereinbarung eines pauschalen Schadensersatzes als Vereinbarung einer Vertragsstrafe gelte, auf jeden Fall entbehrlich. 129 So aber Belke, DB 1969, 559, 562; Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 167 ff.; ders., in: FS Piper, S. 205, 218 f. (Fischer meint aber nur für die Schadenspauschalierungen, die nicht in AGB enthalten sind). 130 Vgl. LAG Düsseldorf v. 15. 11. 1972, DB 1973, 85, 86; Schlechtriem, in: Leser/Marschall von Bieberstein, Das Haager Einheitliche Kaufgesetz, S. 51 ff.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 35 ff., 38; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 27, 32 ff.; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 168 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 16 III 4. 131 Vgl. BGH v. 24. 04. 1992, NJW 1992, 2625 = DB 1992, 1774; BGH v. 08. 10. 1969, NJW 1970, 29, 31 = MDR 1970, 227; BAG v. 14. 12. 1966, NJW 1967, 751 = BB 1967, 333; Hess, Die Vertragsstrafe, S. 238 ff.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 34; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 56 f.; Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 26.

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„unangemessen“ beurteilt werden. In diesem Sinne kann nicht von der Vergleichbarkeit der zwei Rechtslagen gesprochen werden132. Neben der Unmöglichkeit, beide Institute zu vergleichen, schließt auch die Natur der Schadenspauschalierung die analoge Anwendung aus. Die Notwendigkeit einer richterlichen Ermäßigung ist nicht zweckdienlich. Nimmt man an, dass sich die Parteien auf eine „unverhältnismäßig hohe Schadenspauschale“ geeinigt haben, so liegt eine Vertragsstrafe und keine Schadensauschale vor. Diese Klausel betrifft keinen Schadensersatz, sondern die Sicherung durch Druck auf den Schuldner. Selbst wenn diese Abrede als Pauschalierung beurteilt würde, ständen dem Schuldner andere Hilfsmittel zum effektiven Schutz zur Verfügung, um das Verbot der Bereicherung durch den Schadensersatz durchzusetzen. Demnach könnte er die Nichtigkeit der entsprechenden Klausel wegen Verstoß gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB oder ihre Geltendmachung auf der Basis des § 242 BGB einschränken. Falls das Missverhältnis zwischen der zu erbringenden Leistung und dem typischen Schaden jedoch grob ist, kommt eine Vertragsstrafe in Betracht, worauf § 343 BGB anzuwenden ist, weil eine Schadenspauschale nur den typischen Schaden herauskristallisieren darf. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass das richterliche Ermäßigungsrecht immer im Zusammenhang mit der Sicherungsfunktion steht. 4. Die Verfallklausel a) Die Verfallklausel: Allgemeines Unter dem Begriff Verfall- oder Verwirkungsklausel kann jede Klausel verstanden werden, die vorsieht, dass der Schuldner ein eigenes Recht automatisch verliert, falls er seiner Hauptpflicht nicht oder nicht gehörig nachkommt. Hinsichtlich der Abgrenzung zur Vertragsstrafe ist offensichtlich, dass hier keine Leistung im traditionellen Sinne vorliegt. Gegenstand der Verfallklausel ist der Verlust eines Anspruchs, eines Gestaltungsrechts oder auch das Erlöschen des gesamten Vertrages133. Hier sind zwei Unterfälle zu unterscheiden: Falls die Klausel einzelne Rechte betrifft, liegt eine echte Verfallklausel vor. Es stellt sich die Frage, wie diese zu qualifizieren ist134. 132

Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 66 f.; Beuthien, in: FS Larenz, S. 495, 502. Generell zur Verfallklausel in Erman/Schaub, Vor §§ 339 – 345 Rn. 6; MünchKomm/ Gottwald, Vor § 339 Rn. 36; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 4; PWW/Medicus/Stürner, Vor §§ 339 – 345 Rn. 5; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 17; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 363; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 13. 134 Der Verfall einzelner Rechte ist zulässig und keinesfalls unter § 354 BGB zu subsumieren. Vgl. z. B. BGH v. 22. 01. 1993, MDR 1994, 252 = NJW-RR 1993, 464 („Es handelt sich mithin um eine Verfallklausel, die im Gegensatz zum Vertragsstrafenversprechen keine zusätzliche Zahlung für den Fall der Abwicklung des Vertragsverhältnisses wegen Nichterfüllung, sondern nur den Verlust der gezahlten Monatsraten vorsieht, und zwar unabhängig davon, welches Recht die Verkäufer aus § 326 BGB geltend machen. (…) Derartige Klauseln sind zulässig. Die Bestimmung hat, anders als im Fall des § 360 BGB, nicht die Wirkung eines Rücktrittsvorbehaltes, sondern die einer Verwirkungsabrede zur Folge.“). 133

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Regelt die Klausel jedoch, dass das ganze Schuldverhältnis mit sämtlichen daraus ableitbaren Rechten erlischt, dann ist diese Abrede als Totalverfallklausel zu betrachten. Dies führt zur Anwendung des § 354 BGB (früher § 360 BGB). Die Klausel tritt dann nicht automatisch in Kraft, vielmehr ist die Ausübung des Rücktrittrechts seitens des Gläubigers erforderlich. In diesem Sinne eröffnen sich dem Gläubiger zwei Alternativen, soweit die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit als Grund zum Verlust der Rechte aus dem Vertrag bestimmt wurde. Der Gläubiger kann entweder auf Erfüllung bestehen oder vom Vertrag durch Rücktritt oder Kündigung befreit werden. Die Vorschrift ist kein zwingendes Recht und kann abbedungen werden, was die automatische Rückwirkung des Vertrages herbeiführt135. Für das Vorliegen einer Verwirkungsklausel ist entscheidend, ob der Schuldner ein eigenes Recht völlig oder teilweise verliert136. Wenn dagegen der Schuldner kein zugestandenes Recht verliert, sondern einfach in seinen Interessen beeinträchtigt wird, dann kann keine Verfallklausel gegeben sein137. Typisches Beispiel einer solchen Beeinträchtigung ist das Vorenthalten einer Belohnung138. Der Verfall dinglicher Rechte kann nur eingeschränkt akzeptiert werden. Beispielsweise ist der Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken nach § 925 Abs. 2 BGB unwirksam, wenn dies unter einer Bedingung erfolgt und den entsprechenden automatischen Verfall verhindert. Einen ähnlichen Fall regelt § 1149 BGB. Generell sind Vorschriften, die die Aufzeichnung von Rechten an Grundstücken anordnen, ein Hindernis für eine ohne Weiteres bestehende Verwirkung. Für bewegliche Sachen gelten jedoch ähnliche Beschränkungen. Beispielsweise verbietet § 1229 BGB die Verfallsvereinbarung, die das Pfandrecht dadurch umwandelt,

135

Vgl. statt vieler BGH v. 29. 06. 1972, JZ 1972, 663 = NJW 1972, 1893. Paradigmata: BGH v. 24. 04. 1991, MDR 1991, 721 = NJW-RR 1991, 1013 (Verlust einer Garantie, wenn der begünstigte Kfz-Käufer seinen Mitteilungspflichten gegenüber dem Verkäufer nicht nachkommt); BAG v. 30. 03. 1994, NJW 1994, 2911 = NZA 1994, 651 (Verlust des Anspruchs auf das sog. Weihnachtsgeld, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor diesem Zeitpunkt beendet hat); OLG Frankfurt v. 18. 12. 2008, VuR 2009, 72, 75 (Verlust des Weitertransportanspruchs, falls der Passagier nicht alle Flugcoupons in der vorgesehenen Reihenfolge abfliegt). 137 Ausdrücklich BGH v. 24. 04. 1991, MDR 1991, 721 = NJW-RR 1991, 1013 („Das ist grundsätzlich immer der Fall, wenn vereinbart worden ist, daß eine Vertragspartei durch die Verletzung vertraglicher Pflichten ihre an sich bestehenden Ansprüche verlieren soll.“) 138 Vgl. z. B. die Beschleunigungsvergütungen, die als Belohnung für die Unterschreitung bestimmter Fristen bei der Erstellung eines Vorhabens vereinbart sind. § 9 Abs. 5 S. 3 VOB/A (Fassung v. 11. 06. 2010) ordnet an, Beschleunigungsvergütungen (Prämien) sind nur vorzusehen, wenn die Fertigstellung vor Ablauf der Vertragsfristen erhebliche Vorteile bringt. Solche Prämien haben das Charakteristikum, dass sie anders als die Vertragsstrafe eine Begünstigung darstellen. Daher ist die entsprechende Anwendung der §§ 339 ff. BGB nicht möglich. Vgl. Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 23 f.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 27 ff.; Bschorr/Zanner, Die Vertragsstrafe im Bauwesen, S. 25; Schaller, RiA 2002, 69, 71. 136

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dass dem Pfandgläubiger das Eigentum an der Sache vor dem Eintritt der Verkaufsberechtigung zufallen oder übertragen werden soll139. Fraglich ist in erster Linie, wie die Verfallklauseln zu qualifizieren sind. Sowohl in der Rechtsprechung140 als auch in der Literatur141 herrscht die Meinung, dass die Vorschriften der §§ 339 ff. BGB eine entsprechende Anwendung finden sollten. Dieser Ansicht ist zu folgen. Dabei sollte man sogar noch einen Schritt weiter gehen. Der erweiterte Leistungsbegriff entspricht der überwiegend vertretenen Ansicht, dass jedes Verhalten des Schuldners, das dem Gläubiger in irgendeiner Weise, wirklich oder vermeintlich, von Vorteil ist, als Leistung zu verstehen ist142. Aus diesem Verständnis heraus erscheint es dogmatisch konsequent, den Unterschied zwischen beiden Fällen (zusätzliche Leistung des Schuldners und Wegfall eigener Rechte) als geringfügig und ganz formalistisch zu betrachten. Daraus ergibt sich, dass die Verfallklausel unter den Begriff der Vertragsstrafe fällt und nichts Anderes als eine besondere Kategorie davon ist143. Die Gleichbehandlung von Verfallklauseln und Vertragsstrafen kann jedoch nicht nur auf dem weiten Leistungsbegriff basieren, der auch den Rechtsverlust umfasst. Die Feststellung eines Strafcharakters, der vor allem darauf abzielt, eine (Haupt-) Pflicht abzusichern, ist von herausragender Bedeutung für die rechtliche Beurteilung einer Verwirkungsklausel als Vertragsstrafe. Wenn kein solcher Zweck als Primärzielsetzung gegeben ist, dann kann es sich nicht um Vertragsstrafe handeln. Dies führt wiederum zu einer zweistufigen Untersuchung144. Aus diesem Grund kann der Verlust von Ansprüchen wegen der Versäumung einer vereinbarten Ausschlussfrist nicht als Vertragsstrafe einsortiert werden, weil die Ausschlussfrist zur Geltend139

Mehr dazu in Jauernig/Stadler, § 339 Rn. 7; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 38; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 366. 140 BGH v. 22. 01. 1993, NJW-RR 1993, 464, 465 = MDR 1994, 252; BGH v. 08. 10. 1992, NJW-RR 1993, 243, 246 = MDR 1993, 280; BGH v. 24. 04. 1991, MDR 1991, 721 = NJW-RR 1991, 1013; BGH v. 19. 09. 1985, NJW 1986, 46, 48 = MDR 1986, 128; BGH v. 29. 06. 1972, NJW 1972, 1893, 1894 = MDR 1972, 1018; BGH v. 22. 05. 1968, NJW 1968, 1625 = MDR 1968, 751; BGH v. 27. 06. 1960, NJW 1960, 1568 = MDR 1960, 919; BAG v. 18. 11. 1960, BB 1961, 176 = NJW 1961, 698; RG v. 22. 03. 1919, RGZ 95, 199, 203; RG v. 28. 02. 1908, RGZ 68, 41, 42. 141 Vgl. Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 16 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 16 III; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 5 a; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 15; Engel, Konventionalstrafen, S. 22 ff.; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 4; Bötticher, ZfA 1970, 3, 39; Erman/Schaub, Vor §§ 339 – 345 Rn. 6; Hk-BGB/Schulze, § 339 Rn. 6; Jauernig/Stadler, § 339 Rn. 7; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 36; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 4; PWW/Medicus/Stürner, Vor §§ 339 – 345 Rn. 5; RGRK/Ballhaus, Vor §§ 339 – 345 Rn. 4; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 18. A. A. Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, Vor § 339 Rn. 4; NK-BGB/Walchner, § 339 Rn. 10. 142 Mehr dazu oben Teil 3 A. II. 7. 143 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 367 f. 144 Vgl. z. B. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 371.

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machung eines Anspruchs nicht zwingt, sondern auch die eigenen Interessen bedient145. Aus der Tatsache, dass eine Verfallklausel auch eine solche Druckfunktion entfalten kann, ist zu schließen, dass §§ 339 ff. BGB keine analoge, sondern eine unmittelbare Anwendung finden müssen. Dieses Ergebnis hat mithin zur Folge, dass die als Vertragsstrafe betrachtete Verwirkungsklausel unter die besonderen Verbote und Beschränkungen fällt, die für die Vertragsstrafe gelten146. Das Gleiche gilt für das Verschuldenserfordernis147. Besonders interessant ist dabei die Anwendung des § 343 BGB. Diese muss direkt sein. Charakteristisch für die Anwendung ist, dass die Darlegungs- und Beweislast bei den Verfallklauseln anders gestaltet wird. Die Last, die Höhe der Vertragsstrafe darzulegen und zu beweisen, trägt der Gläubiger mit der Ausnahme der Tatsachen, auf die der Schuldner den Herabsetzungsantrag stützt. Beim Vorliegen einer Verfallklausel ist aber der Schuldner derjenige, der die Wiederverschaffung des verlorenen Rechts durch Klage verfolgen muss148. In Urteilen des Reichsgerichts ist festzustellen, dass die Kontrolle der Verfallklauseln nicht durch § 343 BGB, sondern durch §§ 157, 242 BGB vorgenommen wurde149. Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen, weil § 242 BGB eine generelle Vorschrift des gesamten Privatrechts ist. Für die Kontrolle der Vertragsstrafen selbst (bezüglich ihrer Höhe) hat der historische Gesetzgeber ein genau darauf abgezieltes Mittel vorgesehen, genauer gesagt § 343 BGB, der zwar einen Unterfall von § 242 BGB bildet, aber dessen Anwendung auf erster Ebene verdrängt. b) Die Vorfälligkeitsklausel Die sog. Vorfälligkeitsklausel wird in verschiedenen Bereichen verwendet. Hierbei geht es darum, dass bei einem Zahlungsverzug oder bei einer Nichtzahlung einer Forderung automatisch die Pflicht zur sofortigen Zahlung der säumigen Rate sowie sämtlicher anderer offener Forderungen des Gläubigers besteht. Diese Klausel kommt häufig bei Miet-, Leasing- und Darlehensverhältnissen zum Einsatz. Wenn zum Beispiel ein Bankkunde einer vorhandenen Verbindlichkeit gegenüber der Bank nicht nachkommt, dann ist die Bank berechtigt, ein dem Schuldner gewährtes beliebiges Darlehen im Ganzen zu kündigen150. 145

Vgl. RG v. 19. 06. 1934, RGZ 145, 26 ff.; genauso Bötticher, ZfA 1970, 3, 40 f. Andere Beispiele solcher Verfallklauseln, die wegen eines mangelnden Strafcharakters keine Vertragsstrafe darstellen, in Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 371. 146 Z. B. § 555 BGB: Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 369. § 309 Nr. 6 BGB: OLG Frankfurt v. 18. 12. 2008, VuR 2009, 72, 75; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 16 f.; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 4; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 898. 147 Vgl. RG v. 22. 03. 1919, RGZ 95, 199 ff. 148 Mehr dazu oben Teil 2 B. II. 5. 149 RG v. 30. 10. 1936, RGZ 152, 251, 258; RG v. 19. 06. 1934, RGZ 145, 26, 31. 150 Generell MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 36; Wenzel, WM 1997, 2340 ff.

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Wie jedoch solche Klauseln zu behandeln sind, ist ein Thema, das die Rechtsprechung bisher beschäftigt hat. Obwohl der BGH bereits mehrfach die §§ 339 ff. BGB auf einzelne Verfallklauseln entsprechend angewendet hat, wurde die Frage der Charakterisierung der Vorfälligkeitsklauseln als Vertragsstrafen in einer Reihe von Urteilen ausdrücklich offen gelassen151. In einem Urteil hat der BGH jedoch Stellung bezogen, indem er die Anwendung des § 11 Nr. 6 AGBG (jetzt § 309 Nr. 6 BGB) ausgeschlossen hat152. Derartige Klauseln seien nur als besondere Ausformung einer Vertragsbeendigungsregelung und nicht als Vereinbarung einer Vertragsstrafe zu qualifizieren. Wenn eine AGB-Klausel vorsehe, dass es unter bestimmten Voraussetzungen keiner Kündigungserklärung bedürfe, sondern die vorzeitige Fälligkeit automatisch eintreten solle, so rechtfertige dieser rechtstechnische Unterschied allein nicht das strikte Verbot, das sich aus einer Anwendung des § 11 Nr. 6 AGBG (jetzt § 309 Nr. 6 BGB) ergeben würde. Eine Kontrolle nach dem Maßstab des § 9 AGBG (nun § 307 BGB) sei aber möglich. Diese Argumentation ist zu Recht auf Kritik gestoßen. Die Kritik basiert zutreffend darauf, dass die Entscheidung des BGH einen Schutz biete, den nur die Kündigung aus wichtigem Grund gewährleisten könne. Diese Betrachtung übersieht jedoch den Umstand, dass ganz geringfügige Verstöße (z. B. der Zahlungsverzug nur einer Rate), die keinesfalls als wichtiger Grund gelten können, die sofortige Beendigung des Schuldverhältnisses wie vereinbart herbeiführen. Solche Klauseln bleiben gültig und unkontrolliert, obwohl sie dem Schuldnerschutz nicht dienen. Außerdem überzeugt das Urteil des BGH auch deshalb nicht, weil es die Vorfälligkeitsklausel anders als die Verfallklausel (den generellen Begriff) behandelt. Aus diesen Gründen scheint die Anwendung der §§ 339 ff. BGB und des 309 Nr. 6 BGB auf die Vorfälligkeitsklauseln dogmatisch erforderlich153. In der gleichen Gruppe sind die sog. Raten- und Anzahlungsverfallklauseln zu betrachten. In der Praxis (z. B. beim Grundstückskauf) ist üblich, dass der Schuldner einer Geldleistung bei Vertragsschluss eine Anzahlung in Prozent der gesamten Geldsumme vorleistet (Anzahlungsverfallklausel). Scheitert die Durchführung des Vertrages, dann wird vereinbart, dass der Gläubiger diese Summe behalten darf. Außerdem wird oft die Absprache getroffen, dass der Schuldner einer Leistung in Raten anzahlen kann. Soweit aber eine oder mehrere Raten nicht rechtzeitig gezahlt werden und das Dauerschuldverhältnis rückabgewickelt wird, ist der Gläubiger dazu berechtigt, die bereits gezahlten Raten nicht zurückzuzahlen (Ratenverfallklausel). Der Anzahlungsverfall kann unter Umständen als Vertragsstrafe qualifiziert werden, 151 BGH v. 19. 06. 1985, MDR 1985, 930 = NJW 1985, 2329; BGH v. 24. 04. 1985, MDR 1985, 757 = NJW 1985, 1547; BGH v. 21. 02. 1985, MDR 1985, 668 = NJW 1985, 1705. 152 Vgl. BGH v. 19. 09. 1985, NJW 1986, 46, 48 = MDR 1986, 128. Zustimmend Canaris, ZIP 1980, 709, 717; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 899; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 41; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 4. 153 Zum gleichen Ergebnis: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 18 f.; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 5; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 372.

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solange sich aus der Interpretation ergibt, dass sie durch die Gefahr des Verfalls den Vorleistenden zur Vertragstreue anhalten soll. Ohne dass ein anderer Charakter (z. B. Schadenspauschalierung, Reugeld) ausgeschlossen werden kann, muss der Rechtsanwender von einer Vertragsstrafe ausgehen, falls die Sicherungsfunktion gegeben ist154. Das Gleiche gilt für den Ratenverfall. Hier ist die Auslegung der jeweiligen Klausel ebenfalls bedeutend, damit erkannt wird, ob eine Vertragsstrafe oder eine Schadenspauschalierung vorliegt155. c) Die Obliegenheit nach § 28 VVG § 28 VVG ist eine Vorschrift, die den vollständigen oder teilweisen Verlust, das heißt den Verfall des Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers anordnet, falls er seine Obliegenheiten verletzt. Die Regelung trat erst am 01. Januar 2008 in dieser Fassung in Kraft156. Von der vor 2008 geltenden Rechtsnorm (§ 6 VVG a. F.) differenziert sie sich unter anderem nach dem Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers (Vorsatz, grobe und leichte Fahrlässigkeit) hinsichtlich der Verletzung der Obliegenheit.

154

OLG München v. 06. 04. 2005, NZM 2006, 378; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 374. Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 373. In diese Richtung hat sich auch der BGH in seinem Urteil v. 22. 01. 1993, MDR 1994, 252 = NJW-RR 1993, 464 bewegt. Die Klausel in einem Grundstückskaufvertrag, wonach der Kaufpreis i. H. v. 440.000 DM in 48 Monatsraten von 2.000 DM zu entrichten ist und dem Verkäufer das Recht eingeräumt wird, die schon gezahlten Kaufpreisraten bei der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nicht rückzuerstatten, sei nicht als Vertragsstrafe, sondern als Nutzungsentschädigung für die verlaufene Zeit zu behandeln, was eine Strafherabsetzung außer Betracht lasse. 156 § 28 VVG: „Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit: (1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit. (2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer. (3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat. (4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. (5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.“ 155

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In der vor 2008 gültigen Rechtslage hatte eine Diskussion stattgefunden, ob dieser Verfall als Vertragsstrafe charakterisiert werden könne. Dies hätte die Herabsetzung der „Strafe“, der Leistungsfreiheit, zugunsten des Versicherungsnehmers zur Folge gehabt. In der Rechtsprechung157 und der Literatur158 herrschte die Ansicht, dass mit einer Vertragsstrafe der Rechtsverlust des Versicherungsanspruchs zwar verglichen werden durfte, aber § 6 VVG a. F. eine abschließende Regelung war, die keine Kontrolle auf der Grundlage der analogen Anwendung des § 343 BGB erlaubte. Ein Teil der Literatur erkannte die Strenge dieser Ansicht an und hat deshalb versucht, das rigide Eingreifen des Alles-oder-Nichts-Prinzips, das sich aus § 6 VVG a. F. ergab, durch Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu korrigieren159. Eine Mindermeinung hatte sich auf der Basis gebildet, dass der Verfall des Versicherungsanspruchs bei der Verletzung der Obliegenheiten als selbstständige Vertragsstrafe qualifiziert werden musste, damit eine Kontrolle gemäß § 343 BGB erleichtert wurde160. Die Rechtslage nach der VVG-Reform macht die vorgenannte Diskussion überflüssig. § 28 VVG regelt die Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung nunmehr wie folgt: Bei leichter Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers kann der Versicherer weder den Vertrag kündigen (Abs. 1) noch die Erbringung seiner Leistung verweigern (Abs. 2). Kommt der Versicherungsnehmer seiner Obliegenheit grob fahrlässig nicht nach, so ist der Versicherer dazu berechtigt, vor dem Eintritt des Versicherungsfalles den Vertrag zu kündigen (Abs. 1) und nach dem Eintritt seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen (Abs. 2 S. 2). Das Gleiche gilt bei der vorsätzlichen Verletzung mit dem Unterschied, dass sie die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers mit sich bringt (Abs. 2 S. 1). Die vollständige oder teilweise Leistungsbefreiung tritt aber nicht ein, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist (Abs. 3 S. 1). Der Versicherer wird jedoch auch in diesem Fall befreit, wenn eine Arglist des Versicherungsnehmers vorliegt (Abs. 3 S. 2). Die Regelung der Leistungsfreiheit ist nach der VVG-Reform 157

BGH v. 09. 02. 1972, MDR 1972, 401, 402 = VersR 1972, 363; OLG München v. 16. 10. 1975, VersR 1976, 58. 158 Schmidt, Obliegenheiten, S. 300 ff.; Chomse, VersR 1970, 884; Zuther, VersR 1974, 630; Michaelis, DAR 1997, 433, 437 ff.; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 4; Ebert, Pönale Elemente, S. 265 ff. m. w. N. Zum gleichen Ergebnis aber mit anderer Begründung auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 6. 159 So etwa Zuther, VersR 1974, 630; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 40. Vgl. auch BGH v. 14. 10. 1987, NJW-RR 1988, 87 = VersR 1987, 1182; BGH v. 22. 12. 1976, MDR 1977, 480 = NJW 1977, 533; BGH v. 08. 05. 1967, DB 1967, 1085 = NJW 1967, 1756; BGH v. 16. 02. 1967, MDR 1967, 470, 471= NJW 1967, 1226; BGH v. 28. 11. 1963, MDR 1964, 297 = NJW 1964, 645. 160 OLG Düsseldorf v. 20. 11. 1973, VersR 1973, 1157, 1158 = MDR 1974, 145; OLG Koblenz v. 18. 05. 1972, VersR 1972, 921, 922; Jauernig/Stadler, § 339 Rn. 7; Bötticher, ZfA 1970, 3, 41 ff.; Liening, Versicherungsvertragliche Obliegenheiten, S. 96 ff.

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abschließend und erschöpfend. Die abschließende Regelung hat zur Folge, dass der Gesetzgeber dem Rechtsanwender keine Ermessensbefugnis mehr lässt. Die Rechtsfolge (vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit) wird vom Gesetzgeber selbst angeordnet und ist vom Grad und der Schwere des Verschuldens abhängig. Eine Lücke, welche seinerzeit die entsprechende Diskussion ausgelöst hatte, ist nicht mehr erkennbar. In diesem Sinne ist das Problem der Anwendung des § 343 BGB auf die Obliegenheitsverletzung nunmehr ohne Inhalt und damit nicht mehr von Bedeutung161. d) Die Rückzahlungsklausel Als Rückzahlungsklausel bezeichnet man eine vertragliche Klausel, die vorsieht, dass der Schuldner eine Leistung, die er vom Gläubiger als Belohnung erhalten hat, im Falle von Verletzung seiner Pflichten zurückzahlen muss. Solche Klauseln sind oft in Arbeitsverträgen zu finden (z. B. Weihnachtsgeld als Jahresgratifikation, Ausund Fortbildungskosten). Sie verpflichten den Arbeitnehmer die jeweiligen Leistungen bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuzahlen162. An dieser Stelle taucht die Frage auf, ob Rückzahlungsklauseln als Vertragsstrafen zu qualifizieren sind. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat sie nicht als Vertragsstrafen eingeordnet. Eine Kontrolle, die sich auf § 343 BGB stützt, ist nach dieser Rechtsprechung gescheitert. Nur die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers und die freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG können die Höhe der Rückzahlung begrenzen163. Diese Ansicht wird vereinzelt in der Literatur abgelehnt. Bötticher hat die Meinung vertreten, dass die mit der Gratifikation verkoppelte Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers für den Fall des Ausscheidens aus dem Betrieb innerhalb der vereinbarten Frist die wesentlichen Merkmale eines Vertragsstrafenversprechens aufweise, so dass eine Kontrolle dieser selbstständigen Vertragsstrafe nach § 343 Abs. 2 BGB möglich sei. Dieser Schluss wird durch die Ähnlichkeit gerechtfertigt, die die zwei Fälle (Strafversprechen für die Kündigung des Arbeitnehmers und Anspruchsverlust des bereits Empfangenen) aufweisen164. Der Betrachtung Böttichers ist jedoch nicht zu folgen. Insbesondere ist ihr entgegenzuhalten, dass sie die Gratifikation des Arbeitgebers und die Rückzahlung nicht als ganzheitlichen Organismus, sondern zerschnitten betrachtet165. An dem Strafcharakter dieser Klauseln ist nicht zu zweifeln. Bei ihnen liegt ein Vermö161

Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 377 ff. Anders ist die Frage der Vereinbarung von Strafklauseln für die Nichterfüllung von Obliegenheiten. Mehr dazu in Hähnchen, Obliegenheiten und Nebenpflichten, S. 269 ff. 162 Vgl. Engel, Konventionalstrafen, S. 42; Bötticher, AuR 1965, 161 ff.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 380 ff. 163 Vgl. BAG v. 16. 03. 1994, MDR 1995, 74 = NZA 1994, 937; BAG v. 15. 12. 1993, BB 1994, 723, 724 = NZA 1994, 835; BAG v. 24. 07. 1991, MDR 1992, 592 = NZA 1992, 405. Anders aber RG v. 14. 12. 1928, RGZ 122, 260, 263. 164 Bötticher, ZfA 1970, 3, 20; ders., AuR 1965, 161, 167 ff. 165 Engel, Konventionalstrafen, S. 43.

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gensnachteil vor, weil der Arbeitnehmer aus seinem Vermögen etwas opfern muss, was ohne die jeweilige Vereinbarung in seinem Vermögen verbleiben dürfte166. Eine Ausgleichsfunktion ist ebenfalls erkennbar, da die Klausel dann wirkt, wenn der nach dem Parteiwillen gesetzte Zweck der Bindung des Arbeitnehmers verfehlt wird167. Um eine Klausel als Vertragsstrafe zu charakterisieren, ist bereits geklärt, dass ein gewisser Strafcharakter nicht ausreicht, sondern dieser das primäre Ziel der jeweiligen Vereinbarung sein muss. Aus diesem Grund ist eine Abwägung jedes Einzelfalls vorzunehmen, damit erkannt wird, ob die Rückzahlungsklausel als Vertragsstrafe oder als Leistungsstörungsregelung einzuordnen ist. Wenn die dem Arbeitnehmer auferlegte Kündigungsbeschränkung durch die Gratifikationsleistung überwiegt, dann funktioniert die Rückzahlungspflicht im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens vor allem abschreckend und kann daher als Vertragsstrafe charakterisiert werden168. Das Gleiche gilt, wenn die Klausel vorwiegend darauf abzielt, das Verhalten des Arbeitnehmers zu sanktionieren169. Dagegen ist beurteilt worden, dass der Ausbildungszuschlag, den der Empfänger zurückzahlen muss, ausgleichende Klausel sei, wenn damit nachträglich die im Zusammenhang mit der Ausbildung gewährten Vorteile abgegeben werden müssten und wenn der Zuschlag nicht überwiegend als Druckmittel zur Einhaltung der vorvertraglichen Verpflichtung zur Etablierung eines langfristigen Arbeitsverhältnisses dienen solle170. 5. Das Reugeld Als Reugeld (auch als Lösungsklausel und Abfindung bekannt) im Sinn des § 353 BGB (früher § 359 BGB) lässt sich die Gegenleistung bezeichnen, die der eine Vertragspartner dem anderen für den Fall der Ausübung des vertraglich vereinbarten oder gesetzlichen Rücktrittrechts oder der Kündigung verspricht. Das Reugeld funktioniert als pauschalierter Ausgleich für den aus dem Rücktritt entstandenen Nachteil und damit als Gegenleistung für die Lösung vom Vertrag171. 166

Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 31 ff. Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 385. 168 Der Differenzierungslösung zustimmend: Engel, Konventionalstrafen, S. 43 f.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 386 ff.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 37. Zum Ergebnis, dass den Rückzahlungsklauseln kein Strafcharakter zukommt, vgl. Schwerdtner, in: FS Hilger/ Stumpf, S. 631, 653; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 33 f. 169 LAG Berlin v. 14. 07. 1989, BB 1989, 2254 = DB 1990, 639, wonach eine tarifvertragliche Regelung, die die Rückzahlung des Urlaubsgelds wegen Vertragsbruchs vorsieht, als Vertragsstrafe gelte. Siehe auch BAG v. 26. 05. 1993, MDR 1994, 178 = NJW 1994, 213, wonach die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen über den Verkauf von Autos an Werksangehörige enthaltene Klausel, die den Arbeitnehmer zur Zahlung des ihm eingeräumten Preisnachlasses verpflichtet, wenn er binnen eines Jahres nach Auslieferung fristlos entlassen wird, als Vertragsstrafe einzuordnen sei. 170 BFH v. 28. 02. 1992, NJW 1993, 552 = DStR 1992, 1166. 171 BGH v. 04. 10. 1956, BGHZ 21, 370, 372 = NJW 1956, 1793; Hess, Die Vertragsstrafe, S. 38 ff.; Sorge, Softwareagenten, S. 68 ff.; Erman/Röthel, § 353 Rn. 1; MünchKomm/Gott167

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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Hinsichtlich der Abgrenzung zur Vertragsstrafe wird behauptet, dass das wesentliche Unterscheidungsmerkmal in der Erscheinungsform des Reugeldes von der Vertragsstrafe darin besteht, dass Ziel des Reugeldes die Befreiung vom Hauptvertrag ist, während die Vertragsstrafe darauf abzielt, den Schuldner zur Erfüllung des Hauptvertrages zu zwingen172. Zudem schließt das Reugeld den Erfüllungsanspruch aus, die Vertragsstrafe dagegen nicht, weil der Gläubiger ein Wahlrecht zwischen Vertragsstrafe und Erfüllung im Falle von Nichterfüllung hat (§ 340 BGB) und die Vertragsstrafe kumulativ mit dem Erfüllungsanspruch im Falle nicht gehöriger Erfüllung geltend gemacht werden kann (§ 341 BGB)173. Nach Ansicht Gernhubers lassen sich die Rechtsinstitute dadurch voneinander unterscheiden, dass der Schuldner seine Ersetzungsbefugnis durch Willenserklärung im Falle des Reugeldes ausübe, während die Vertragsstrafe durch sein pflichtwidriges Verhalten verwirkt werde174. Dieser Meinung ist nicht zu folgen, weil die Unterscheidung einfach darin besteht, ob sich der Schuldner frei entscheiden kann, den Hauptvertrag nicht zu erfüllen (Reugeld), oder nicht (Vertragsstrafe)175. Wegen der unterschiedlichen Natur des Reugeldes und der Vertragsstrafe ist generell akzeptiert, dass die Vorschriften der §§ 339 ff. BGB weder direkte noch entsprechende Anwendung auf das Reugeld finden können176. Problematisch ist an dieser Stelle die Formulierung des § 309 Nr. 6 BGB (früher § 11 Nr. 6 AGBG), wonach die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel „für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst“ unwirksam ist. Einer Meinung nach gilt das Verbot nur für die Vertragsstrafe in dem im BGB verankerten Sinne, weil die Lösung vom Vertrag lediglich als faktischer Vertragsbruch und nicht als Reugeld oder Abstandsklausel zu verstehen sei177. Folglich seien Lösungsklauseln durch Allgemeine Geschäftsbedingungen frei zu vereinbaren, jedoch könne die Generalklausel des § 307 BGB eingreifen. Der Gegenmeinung, die eine Anwendung wald, Vor § 339 Rn. 42; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 43; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 68. Aus der älteren Literatur vgl. nur Freytag, Die Unterschiede des Reugeldes (der s. g. Wandelpön) von der Vertragsstrafe, passim. 172 MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 42. 173 Sorge, Softwareagenten, S. 71. Auch beim Reugeld besteht eine Ersetzungsbefugnis aber auf der Seite des Schuldners: er kann entweder die Erfüllung oder die Befreiung vom Vertrag auf Kosten einer Gegenleistung, des Reugelds, frei wählen. 174 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 I 3 b. 175 RG v. 17. 02. 1925, JR 1925, Sp. 601 f.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 68. 176 OLG Köln v. 25. 04. 1967, MDR 1968, 48; Freytag, Die Unterschiede des Reugeldes (der s. g. Wandelpön) von der Vertragsstrafe, S. 56; Geilert, Vertragsstrafen in Geschäftsbedingungen, S. 16 f.; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 17; Sorge, Softwareagenten, S. 71; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 42; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 5; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 43; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 68; Stammler, Schuldverhältnisse, § 48. 177 KG Berlin v. 23. 05. 1989, NJW-RR 1989, 1075; Sorge, Softwareagenten, S. 71; Soergel/ Lindacher, Vor § 339 Rn. 43; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 70; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 8; Koch/Stübing, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 5; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 12.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

der Vorschrift auch im Falle des Reugeldes befürwortet178, ist entgegenzuhalten, dass sie das Bedürfnis nach systematisch einheitlicher Konzeption der Rechtsbegriffe, die im gleichen Gesetz verankert sind, übersieht. Genau hier liegt das Problem der Qualifikation, da die Vertragspartner ihre Vereinbarung oft als „Vertragsstrafe“ oder „Reugeld“ bezeichnen. Dies erfordert den Rückgriff auf § 133 BGB. Der Rechtsanwender ist nicht an die von den Parteien verwendete Bezeichnung gebunden. Danach sind folgende Vereinbarungen zu bemessen: – Stornogebühren von Reiseveranstaltern stellen einen typischen Fall von Reugeld dar179. – Zahlungsversprechen einer bestimmten Summe des Schuldners, damit die Vertragsaufhebung im Einvernehmen des Gläubigers geschieht, sind ebenfalls als Reugeld zu qualifizieren, da der Schuldner nicht gezwungen wird, ein vertragsgemäßes Verhalten zu zeigen180. – „Reuprovisionen“, die in Maklerverträgen oft zu finden sind, haben meist die Natur einer Vertragsstrafe181. – „Break-up“ Klauseln erscheinen üblicherweise im Rahmen von Unternehmenskäufen. Die Verhandlungsparteien einigen sich darauf, dass die eine Partei einen Ausgleichsbetrag an die andere im Fall eines Abbruchs der Verhandlungen ohne wichtigen Grund oder im Fall eines Verstoßes gegen andere vorvertragliche Pflichten zu bezahlen hat182. Da aber die rechtliche Qualifikation nur auf dem eigentlichen Willen der Parteien basieren kann, ist diese nicht nur durch den Wortlaut, sondern auch durch das von den Parteien angestrebte Ziel zu ermitteln. Die Möglichkeit, dass sich hinter einer solchen Klausel ein selbstständiges183 oder unselbstständiges184 Strafversprechen versteckt, muss gegeben sein185. 178 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 18; Palandt/Grüneberg, § 309 Nr. 6 Rn. 33; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 900; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn. 20; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 42. 179 MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 42; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 68. 180 Vgl. Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 69. Anders aber BGH v. 18. 04. 1984, NJW 1985, 57 = MDR 1985, 50. 181 BGH v. 01. 07. 1970, NJW 1970, 1915 = DB 1970, 1825. 182 Generell zu diesen Klauseln vgl. Hilgard, BB 2008, 286 ff.; Geyrhalter/Zirngibl/Strehle, DStR 2006, 1559 ff.; Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625 ff. 183 Im Fall einer ausdrücklichen Bindung an die Verhandlungen, zu der sich ein Sanktionscharakter zukommen lässt. Hilgard, BB 2008, 288; Geyrhalter/Zirngibl/Strehle, DStR 2006, 1560; Sieger/Hasselbach, BB 2000, 626. 184 Im Fall der vertraglich vereinbarten Verpflichtung zum Abschluss der Transaktion. Hilgard, BB 2008, 288. Anders aber Geyrhalter/Zirngibl/Strehle, DStR 2006, 1560; Sieger/ Hasselbach, BB 2000, 626, die einen solchen Charakter ablehnen.

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Auf der Suche nach einem adäquaten Abgrenzungskriterium wird die Höhe der versprochenen Leistung als „sicheres Indiz“ bewertet. Wenn die Höhe der zu erbringenden Leistung die Höhe der vertraglich bedungenen Leistung nicht übersteige, dann liegt nach dieser Ansicht ein Reugeld und keine Vertragsstrafe vor186. Dieser Betrachtung ist jedoch nicht zu folgen, weil die vertragliche Übernahme einer solchen Pflicht (unabhängig von deren Höhe) auf die Interessen des Schuldners hinweisen kann, dass er auch auf Kosten einer höheren Leistung den Weg zur Lösung seiner Vertragspflichten offen halten will187. 6. Das Entgelt für in Anspruch genommene Leistungen Unter diesem Begriff ist jede Art von Vereinbarung zweier Personen zu verstehen, wonach eine davon frei ist, eine Leistung zu verbrauchen, aber eine eigene Leistung als Entgelt dafür erbringen muss. Zu dieser Gruppe gehören viele voneinander unterschiedliche Beispiele. Die Frage, die hier beantwortet werden muss, ist, wann dieses Entgelt lediglich die Gegenleistung der in Anspruch genommenen Leistung im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags darstellt (die Qualifizierung als Vertragsstrafe ist dann nicht erlaubt) und wann der Strafcharakter im Vordergrund steht (die Anwendung der §§ 339 ff. BGB ist dann notwendig). Entscheidender Faktor für das Vorliegen einer Vertragsstrafe ist nicht das Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Wert der in Anspruch genommenen Leistung und dem „Entgelt“, das gefordert wird, sondern der Druck, der auf den Schuldner auf die eine oder andere Weise ausgeübt wird. Eine große Kategorie bilden dabei die verschiedenen Zinsklauseln, die im Rahmen von Kreditverträgen vereinbart werden. Die sog. Vorschusszinsen, das heißt die von Banken erhobenen Zinsen, wenn der Kunde über mehr Geld von seiner Spareinlage verfügen will, als ihm nach seinem Vertrag frei zur Verfügung steht, oder wenn er sein festgelegtes Guthaben vorzeitig zurückfordert, werden nicht als Vertragsstrafe, sondern als echte Gegenleistung für die Bereitschaft des Kreditinstituts, das geforderte Geld vorzeitig auszuzahlen, bezeichnet188. Zudem sind Überziehungszinsen Zinsleistungen, die von Kreditinstituten bei der Überziehung vereinbarter Kreditlimits bei Dispositionskrediten oder bei der Überziehung von Girokonten ohne Kreditlimit berechnet werden. Auch diese werden als Entgelt für die in Anspruch genommenen Kontoüberziehungen und nicht als Vertragsstrafe einge185 So aber Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 71, der die „Break-up“ Klauseln als Schadenspauschale bestimmt, da vorvertragliche Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages in der Regel nicht hinreichend bestimmt sei. Dies aber kann in der Praxis nicht ausgeschlossen werden. 186 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 33 2 a. 187 Kritik der Ansicht Gernhubers in Hess, Die Vertragsstrafe, S. 43 ff. 188 MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 43; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 69.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

stuft189. Die Begründung für die Berechnung eines höheren Zinses als der Zins für Inanspruchnahmen innerhalb des Limits basiert darauf, dass Überziehungen vertraglich vereinbarter Kreditlimits normalerweise einen höheren Arbeitsaufwand mit sich bringen und eine differenzierte Risikobewertung sowie zusätzliche Refinanzierung erfordern190. Auch den Fälligkeitszinsen kann kein Strafcharakter zuerkannt werden191. Die Abgrenzung soll nach der primären Zielsetzung der jeweiligen Vereinbarung ohne Bindung an den ausgewählten Wortlaut stattfinden. Es steht fest, dass der Fälligkeitszins einen unverkennbaren Druck auf den Schuldner zur Erbringung seiner Leistung ausübt und die Vertragsstrafe ihrerseits dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis eröffnet. Entscheidend ist aber, dass die Fälligkeitszinsen in erster Linie nicht die Erfüllung der geschuldeten Leistung sichern, sondern eher eine zusätzliche vertragliche Leistung begründen. Dieses Ergebnis bedeutet aber nicht, dass Zinsen mit Strafcharakter kaum vorstellbar sind. Es gibt Fälle, in denen die vereinbarten Zinsen eine Straffunktion aufweisen, indem der Schuldner einer Geldschuld eine erhöhte Summe bei Zahlungsverzug leisten muss192. Aus vier Gründen ist ihre Bedeutung für die Wirtschaftspraxis jedoch gering. Erstens ist § 309 Nr. 6 BGB eine Hürde, die Strafzinsen für den Verzugsfall ausschließt. Zweitens beschränkt § 497 BGB die Höhe dieser Vereinbarungen. Drittens gilt das Zinseszinsverbot (§§ 248, 289 BGB) auch für Strafzinsen. Viertens ist die Druckfunktion, die Strafzinsen ausüben können, nicht enorm, da die Zwangsvollstreckung von Geldansprüchen keine besonderen Schwierigkeiten aufweist193. Die Überziehungsgebühren, die pauschal in einen Kreditvertrag einbezogen werden, sind nach einem Urteil des BGH im Gegensatz zu den Überziehungszinsen als Vertragsstrafe qualifiziert worden. Die Gebühr kann weder als Entgelt für die Kreditgewährung betrachtet werden, weil sie in keinem Zusammenhang mit den Aufwendungen des Kreditinstituts steht, noch als Pauschalierung von Ansprüchen auf Ersatz eines Verzugsschadens, weil sie unabhängig von dem Verzug und der Höhe eines etwaigen Verzugsschadens vorgesehen wird194. Als Flaschenpfand wird darüber hinaus der Geldbetrag bezeichnet, den man bei einem Getränkeanbieter für eine gekaufte Flasche hinterlässt und mit Rückgabe der Flasche wieder zurückerhält. Er kann nicht als Vertragsstrafe qualifiziert werden,

189 Vgl. etwa BGH v. 19. 09. 1985, MDR 1986, 128, 129 = NJW 1986, 46; MünchKomm/ Gottwald, Vor § 339 Rn. 43; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 46, 74. 190 BGH v. 14. 04. 1992, BB 1992, 1088 = MDR 1992, 668 = NJW 1992, 1753. 191 BGH v. 24. 04. 1992, MDR 1992, 965 = NJW 1992, 2625; BGH v. 16. 11. 1990, BB 1991, 293 = NJW 1991, 843. 192 BGH v. 30. 06. 1983, NJW 1983, 2262, 2263 = ZIP 1983, 1128; RG v. 13. 04. 1932, RGZ 136, 74, 76 f. 193 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 353. 194 BGH v. 29. 03. 1994, BB 1994, 1037 = NJW 1994, 1532.

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weil er nicht das Primärziel hat, Druck bezüglich der Rückgabe der Flasche auszuüben. Der Empfänger ist vielmehr frei, diese zu behalten195. Ein anderes Beispiel für ein Entgelt und damit keine Vertragsstrafe ist das sog. Nachporto. Unter dem Begriff Nachporto, Nachgebühr oder Strafporto versteht man die Gebühr, die nicht vom Absender vorausbezahlt ist, sondern vom Empfänger eingezogen werden soll. Die Deutsche Post spricht aktuell von Nachentgelt bzw. Einziehungsentgelt. Nr. 5 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post BRIEF NATIONAL (Stand: 01. Januar 2012) ordnet an, dass der Empfänger bei unfreien Sendungen196 das Beförderungsentgelt zuzüglich eines Einziehungsentgelts mit befreiender Wirkung für den Absender bezahlen kann. Darüber hinaus ist der Absender zur Zahlung eines erhöhten Einziehungsentgelts verpflichtet, wenn er Leistungen der Deutschen Post in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht oder nicht vollständig zu entrichten. Das Einziehungsentgelt kann nicht als Vertragsstrafe bezeichnet werden. Es ist ein Entgelt für die Absendung von einem Dritten, dem Empfänger, der dieses gemäß § 267 BGB freiwillig entrichtet197. Auch das erhöhte Entgelt kann nicht die Natur einer Vertragsstrafe besitzen, weil es sich gegen kein künftiges pflichtwidriges Verhalten widersetzt, sondern ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten sanktioniert. Dagegen kann das erhöhte Beförderungsentgelt in Bahn und Bus nicht als Entgelt bezeichnet werden, da es keine Gegenleistung darstellt, deren Höhe dem Wert der Fahrt entspricht198. Schließlich sieht die Hausordnung der Deutschen Bahn AG vor (Stand: Juni 2011), dass für absichtlich herbeigeführte Verschmutzungen ein Bearbeitungsentgelt (mindestens 40 EUR) als Wiedergutmachung der entstandenen Reinigungskosten in Rechnung gestellt wird. Diese Klausel kann nicht als Vertragsstrafe bestimmt werden, da es an einem Strafcharakter fehlt. Es handelt sich eigentlich um einen pauschalierten Schadensersatz, wie sich aus der Formulierung „für die entstandenen Reinigungskosten“ ergibt. Da die Klausel aber in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 5 BGB als Allgemeine Geschäftsbedingung fällt, ist ihre Gültigkeit problematisch, soweit dem Adressaten nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, dass der entstandene Schaden wesentlich niedriger ist199.

195

Vgl. Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 73. Die Freimachung wird durch Nr. 5 Abs. 2 Post-AGB als Zahlung des Entgeltes vom Absender im Voraus und spätestens bei Einlieferung der Sendung vorgesehen. 197 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 75; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 43. 198 Mehr zum Thema, ob das Entgelt als Vertragsstrafe behandelt und unter welchen Voraussetzungen seine Höhe kontrolliert werden kann, siehe unten Teil 3 A. III. 10. a) bb). 199 Vgl. nur Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 77. 196

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7. Der Garantievertrag Der Begriff „Garantievertrag“ umfasst verschiedene Vereinbarungen. Sie haben gemeinsam, dass ihnen eine Schadensersatzfunktion zuerkannt wird. Diese Vereinbarungen zielen darauf ab, dass eine festgelegte Leistung dem Gläubiger unabhängig vom Verschulden des Schuldners erbracht wird. Gleichzeitig ist aber eine Straf- oder Zusicherungsfunktion nicht auszuschließen200. Nach der Ansicht Schmidts stelle die echte (unselbstständige) Vertragsstrafe „einen akzessorischen, gesetzlich vertypten Garantievertrag“ dar, während die unechte keine Vertragsstrafe, sondern „eine nicht-akzessorische Garantie“ sei, auf die nur §§ 343, 344 BGB anzuwenden seien201. Dieser Meinung ist jedoch nicht zuzustimmen. Zum einen ist vom Begriff der Vertragsstrafe im weiten Sinne auszugehen, wonach beide Arten (echte und unechte) als Kategorien des gleichen Oberbegriffs wahrzunehmen sind202. Zum anderen legt Schmidt den Schwerpunkt auf die Ersatzfunktion und übersieht die mögliche Straffunktion. Hat die Vereinbarung vor allem eine Ersatzfunktion, dann liegt ein Garantievertrag vor, der deswegen nicht als Vertragsstrafe qualifiziert werden kann. Die §§ 339 ff. BGB können somit keine Anwendung darauf finden. Im Gegensatz dazu handelt es sich um eine Vertragsstrafe, wenn eine Straffunktion im Vordergrund steht. Diese Zusicherung kann vergangene Umstände betreffen, wenn der Schuldner eine Leistung verspricht, sofern in der Vergangenheit liegende Umstände nicht wahr sind. Als charakteristisches Beispiel sind die strafbewehrten Bietererklärungen von Teilnehmern an öffentlichen Ausschreibungen an dieser Stelle zu erwähnen. Da in diesem Fall aber keine Rede von der Sicherung eines obligationskonformen Verhaltens sein kann, weil es bereits geschehen ist, entspricht diese Kategorie von Verträgen keiner Vertragsstrafe. Die Anwendung der §§ 339 ff. BGB bleibt folglich außer Betracht203. Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird nicht durch § 309 Nr. 6 BGB, sondern durch § 307 BGB geprüft. Hinsichtlich der Zusicherung künftiger Umstände muss man unterscheiden: Hängt die Erbringung der versprochenen Leistung vom Garant von seinem schuldhaften Verhalten ab, dann handelt es sich um eine unselbstständige Vertragsstrafe, solange diese Vereinbarung einen Verhaltenssteuerungsdruck ausübt. Die

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MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 44. Schmidt, in: FS Heinrichs, S. 529, 534 ff. 202 Mehr dazu oben Teil 3 A. II. 5. b). 203 BGH v. 23. 06. 1988, BGHZ 105, 24, 27 = NJW 1988, 2536. Aus der Literatur siehe Fischer, in: FS Piper, 205, 208; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 22; Hess, Die Vertragsstrafe, S. 35 f.; MünchKomm/ Gottwald, Vor § 339 Rn. 44; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 65. Anders nur Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 40 ff. 201

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§§ 339 ff. BGB finden darauf Anwendung204. Wenn ein Haftungsrisiko aber für künftige Umstände übernommen wird, das vom Vertretenmüssen des Garanten nicht abhängt205, dann können die §§ 339 ff. BGB nicht direkt angewendet werden. Da das echte Strafversprechen ausschließlich verschuldensabhängig ist, liegt kein solches Institut vor206. Der Tendenz der Rechtsprechung, eine „garantieähnliche“ Strafe (eine vom Vertretenmüssen unabhängige Strafe) durch Individualvereinbarung als zulässig anzuerkennen207, wird zu Recht vorgeworfen, dass es eine solche Institution nicht gebe. Die Gesetzesfremdheit könne durch die Parteiautonomie, das heißt durch eine Individualvereinbarung, nicht überwunden werden208. Dieser letzten Ansicht ist zuzustimmen, da die rechtliche Qualifikation eine möglichst feste Bindung an die gesetzlich anerkannten Vertragstypen verlangt. Eine derartige Betrachtung, die solche Garantieverträge als echte Vertragsstrafen nicht ermöglicht, bedeutet jedoch nicht, dass eine Qualifikation als selbstständige Vertragsstrafe unmöglich ist. Dies wiederum bringt die Anwendung der §§ 339 ff. BGB mit sich. Wenn der Garant eine Leistung zur Sicherung einer fremden Leistung verspricht, dann handelt es sich um eine Bürgschaft (§§ 765 ff. BGB) oder, wenn die übernommene Pflicht von der Hauptpflicht nicht akzessorisch formuliert ist, dann handelt es sich um einen Garantievertrag, der einer Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) ähnelt209. Die Anwendung der §§ 339 ff. BGB kommt in diesen Fällen nicht in Betracht. Sofern der Garant die Leistung aber für den Fall verspricht, dass er auf das Verhalten des Dritten trotz seiner Pflicht nicht einwirkt, so liegt eine Vertragsstrafe vor210. Bei der Zusicherung eigener Leistungen, das heißt wenn der Garant die Erbringung eigener Leistungen gewährleistet211, liegt eine Vertragsstrafe vor, falls dieser 204 Paradigmata in Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 62: Mindestabnahmeregeln für den Fall der Abnahme von Waren und Leistungen, Mankohaftung für Arbeitnehmer, denen die Kasse anvertraut ist. 205 BGH v. 20. 05. 1976, WM 1976, 977 (Garantie, dass der Baubetreuer Mieter für den Neubau findet); OLG Köln v. 23. 06. 1995, WM 1995, 1593, 1595 = ZIP 1995, 1636 (Garantie, dass eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen nach einem Unternehmenskauf erhalten wird); OLG Hamm v. 05. 07. 1994, BauR 1995, 548 (m. Anm. Rieble) (Garantie von einem Generalunternehmer, dass eine verzögerte Baufertigstellung durch andere Baufirmen ausgeglichen wird). 206 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 45; a. A. BGH v. 18. 12. 1981, NJW 1982, 759, 760 = BGHZ 82, 398; NK-BGB/Walchner, § 339 Rn. 10. 207 BGH v. 28. 01. 1997, DB 1997, 1560 = MDR 1997, 439; BGH v. 29. 06. 1972, DB 1972, 1912, 1913 = NJW 1972, 1893; BGH v. 11. 03. 1971, DB 1971, 715 = NJW 1971, 883; OLG Köln v. 12. 11. 2003, JurionRS 2003, 19043; OLG Köln v. 23. 06. 1995, BauR 1995, 889 = ZIP 1995, 1636. Zustimmend Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 6 Rn. 26. 208 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 63; § 339 Rn. 316 ff. 209 BGH v. 24. 11. 1989, NJW 1990, 832 = MDR 1990, 326. 210 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 47. 211 BGH v. 10. 02. 1999, NJW 1999, 1542, 1543 = WM 1999, 779 („Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen; seine Ansicht, eine Garantie könne nur dann angenommen

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Vereinbarung nicht nur eine Schadensersatz-, sondern auch eine überwiegende Druckfunktion zusteht212. 8. Die Vereins- und generell die Verbandsstrafe Vereinsstrafen werden in den Satzungen von Vereinen vorgesehen mit dem Ziel, als Sanktionen gegen das satzungswidrige Verhalten des Vereinsmitglieds zu funktionieren213. In diesem Sinne steht ihnen eine Straffunktion zu, von einer Schadensersatzfunktion kann keine Rede sein214. Dabei entsteht aber die Frage, ob dieser ausschließliche Strafcharakter, der eine Vereinsstrafe kennzeichnet, eine Anwendung der §§ 339 ff. BGB erzwingt. Zu betonen ist, dass die Vertragsstrafabreden, die die Vorstandsmitglieder von Vereinen binden, echte Vertragsstrafen sind. Sie sanktionieren vor allem die pflichtwidrige Beendigung des Anstellungsvertrages, die pflichtwidrige Niederlegung der Organstellung, die Nichtleistung der geschuldeten Pflichten, die Veranlassung des Vereins zu außerordentlicher Kündigung, die Verletzung des Konkurrenzverbots im laufenden Anstellungsverhältnis und die Verletzung von Verschwiegenheitspflichten215. Die Anwendung des § 343 BGB darauf ist unproblematisch. Die fehlende legislatorische Regelung216 in Bezug auf die Vereinsstrafen hat zu streitigen Auseinandersetzungen hinsichtlich der Entscheidung über ihre Rechtsnatur geführt. In seiner ständigen Rechtsprechung folgt der BGH der Tendenz, die werden, wenn der Garant eine Einstandspflicht für das Eintreten eines nicht von ihm, sondern von einem Dritten geschuldeten Erfolges oder sonstigen Erfolges übernehme, trifft jedoch nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann auch der Schuldner für seine eigenen Leistungen durch zusätzliche Vereinbarungen die Gewähr übernehmen, wenn der gewährleistete Erfolg weiter geht als die bloße Vertragsmäßigkeit der Leistungen“). 212 Vgl. BGH v. 01. 07. 1970, MDR 1970, 995 = NJW 1970, 1915; BGH v. 23. 05. 1958, NJW 1958, 1483 f. (Es liegt ein Vertragsstrafenversprechen vor, „wenn der Garantiebetrag nicht den etwaigen Schaden des Gläubigers decken soll, der diesem aus der Nichtabwicklung des Geschäfts erwachsen würde, sondern dem Gläubiger die ordnungsgemäße Erfüllung sichern und alle mit dem Geschäft verbundenen Gefahren ohne den Zwang zum Nachweis eines Schadens einbeziehen soll.“); MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 48 (z. B. das Versprechen einer Gutschrift von der Telekom für den Fall der Nichteinhaltung eines zugesagten Termins); RGRK/Ballhaus, Vor § 339 Rn. 5. 213 Z. B. BayObLG v. 24. 11. 1959, BayObLGZ 1959, 457, 463 (Strafe in der Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümereigenschaft); BGH v. 02. 12. 2002, NZG 2003, 230 = MDR 2003, 402 (Strafe im Statut einer Genossenschaft). Vgl. auch Schmid, ZWE 2011, 347. 214 BGH v. 04. 10. 1956, BGHZ 21, 370, 376; Horschitz, Vereinsstrafe, S. 38 f., 132; MeyerCording, Vereinsstrafe, S. 60 ff.; ders., NJW 1966, 225, 227; Ebert, Pönale Elemente, S. 276. 215 Eingehend dazu Grambow, Organe von Vereinen, Rn. 442 ff., 446 ff. 216 Vgl. aber §§ 55 Abs. 2 AktG (Verletzung satzungsmäßiger Nebenpflichten), 63 Abs. 3 AktG (nicht rechtzeitige Zahlung der Einlagen), 18 Abs. 1 Nr. 3 lit. d BWaldG (Anerkennung), 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. e MarktStrG: „Vertragsstrafen bei schuldhaftem Verstoß gegen wesentliche Mitgliedschaftspflichten“.

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Frage anhand der Natur der Satzung zu beantworten217. Diese bis heute einheitliche Rechtsprechung lehnt es ab, Vereinsstrafen, die die Einhaltung der mitgliedschaftlichen Pflichten sichern sollen, als Vertragsstrafen zu charakterisieren, weil sie anders als jene nicht auf Vertrag, sondern auf der Unterwerfung der Mitglieder unter die Satzung beruhen. Dies gelte selbst dann, wenn die Verbandsstrafe nicht nur in einer Geldbuße oder in einer sonstigen auf Geldzahlung gerichteten Vermögensstrafe, sondern auch im Ausschluss aus dem Verband bestehe. Der richterlichen Kontrolle seien sie nur begrenzt zu unterstellen. Die Kontrolle dieser vereinsrechtlichen Disziplinarmaßnahmen solle sich nur darauf erstrecken, ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung habe, ob sie das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachte, damit keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommen seien, und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich sei. Eine umfassendere Prüfung der Maßnahmen, die nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Rechtmäßigkeit (z. B. Verhältnismäßigkeit) beträfe, könne nur bei Vorliegen eines Monopolverbandes oder einer Vereinigung mit einer überrangenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich stattfinden, bei denen die Mitgliedschaft für den Einzelnen aus beruflichen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung ist (sog. Aufnahmezwang)218. Aus diesem Grund darf von einer liberalen Betrachtung des Problems von den deutschen Gerichten gesprochen werden, da sie den Schwerpunkt auf die Vereinsautonomie gemäß Art. 9 GG verlegen. Nach den in der Literatur vertretenen Auffassungen kommen zwei Alternativen in Betracht. Die ältere Literatur ging davon aus, dass die Strafgewalt der Vereine aus Respekt vor der Vereinsautonomie so unbegrenzt wie möglich sein müsste, wonach die Überprüfbarkeit der verhängten Strafen zu beschränken wäre219. Nach der heute im Vordringen befindlichen Auffassung seien alle Vereinsstrafen ohne Differenzierung nach dem Aufnahmezwang gemäß § 343 BGB (Verhältnismäßigkeitskontrolle, aber auch nach § 315 BGB) zu kontrollieren, weil der Unterschied zwischen dem Vertragsschluss (Vertragsstrafe) und dem Unterwerfungsakt des Vereinsbeitritts (Vereinsstrafe) nicht bedeutend sei, um die Anwendung der Vorschrift auszuschließen220. Eine differenzierende Meinung lehnt die direkte Anwendung der 217 BGH v. 02. 12. 2002, MDR 2003, 402 = NZG 2003, 230 (m. Anm. Rieble); BGH v. 09. 06. 1997, BB 1997, 1965, 1966 = NJW 1997, 3368; BGH v. 30. 05. 1983, MDR 1983, 997, 998 = NJW 1984, 906; BGH v. 04. 10. 1956, NJW 1956, 1793, 1794 = JZ 1957, 122. 218 Vgl. schon BGH v. 30. 05. 1983, MDR 1983, 997, 998 = NJW 1984, 906. Zum Begriff des Aufnahmezwangs siehe BGH v. 02. 12. 1974, DB 1975, 592 = NJW 1975, 771 (Monopolverbände); BGH v. 10. 12. 1984, NJW 1985, 1216 = MDR 1985, 385 (Gewerkschaften); BGH v. 04. 03. 1991, NJW-RR 1991, 888 = MDR 1991, 688 (Gewerkschaften); BGH v. 28. 11. 1994, BGHZ 128, 93, 101 = WM 1995, 802 (Sportverbände). 219 Horschitz, Vereinsstrafe, S. 43; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 8 ff.; ders., NJW 1966, 225, 226 ff. 220 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 16 III 2; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 188 ff.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 49; van Look, Vereinsstrafen, S. 134 ff.; ders., in: FS Hadding, S. 539, 545 ff.; Weitnauer, in: FS Reinhardt, S. 179, 187 f.; Flume, in: FS Bötticher,

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§§ 339 ff. BGB auf die Vereinsstrafen ab, bejaht aber eine analoge Anwendung der vorgenannten Vorschriften auf Grundlage der ähnlich gearteten Interessenlage221. Die Gegenansicht, dass die Vereinsstrafen in Hinsicht auf ihre gerichtliche Überprüfbarkeit mit Vertragsstrafen nicht gleichzusetzen, sondern als selbstständiges Rechtsphänomen zu behandeln seien, vertritt dagegen ein Teil der Literatur222. Ähnliches nehmen einzelne Theoretiker an, die hinsichtlich der Überprüfung der Vereinsstrafen genau so differenzieren, wie die Rechtsprechung das Problem zu lösen vornimmt. Demnach seien die Vereinsstrafen der Vereine mit Aufnahmezwang von den staatlichen Gerichten umfassend kontrollierbar, während die Vereinsstrafen anderer Vereine nur begrenzt überprüft werden könnten, weil die Vereinsautonomie den Vorrang genieße223. Ausganspunkt der eigenen Einschätzung ist die Argumentation der in der Literatur herrschenden Lehre. Das Hauptargument der Gegenmeinung, dass die statutarischen Strafen mit den Vertragsstrafen nicht zu vergleichen seien224, kann nicht ernst genommen werden. Basis des Strafversprechens ist eine vertragliche Vereinbarung als Ausprägung der Privatautonomie, die unter den Voraussetzungen des § 343 BGB legitim begrenzt werden darf. Ähnlicher Natur ist die Satzung eines Vereins und generell das Statut eines Verbandes. Dass darin die Offenbarung eines rechtsgeschäftlichen Willens liegt, ist kaum zu bezweifeln225. Dem privatautonomen Vertragsabschluss ähnelt freilich die Unterwerfung im Aufnahmevertrag, die nichts Anderes als eine rechtsgeschäftliche Begründung und eine privatautonome Legitimation besitzt226.

S. 101, 126 ff.; Schlosser, MDR 1967, 961, 963; Bötticher, ZfA 1970, 3, 44 ff. Beuthien, BB 1968, Beilage 12, 1, 6 ff., differenziert sich dadurch, dass er zwar die Vereinsstrafen als Vertragsstrafen nicht qualifiziert, aber die Anwendung des § 343 BGB mit der folgenden Begründung für erforderlich hält: „Träger privater Strafgewalt sollen bei der Strafzumessung nur eine Chance haben. (…) Verfehlen sie das Strafmaß grob, setzt der Staat auf Antrag des Betroffenen die angemessene Strafe fest. Das paßt auch im Vereinsrecht.“ Schlosser, MDR 1967, 884 ff., 961 ff. plädiert für die Unterwerfung taxenmäßig fixierter Vereinsstrafen einer Überprüfung nach § 343 BGB und anderer Vereinsstrafen einer Kontrolle nach § 315 BGB. 221 Vgl. Larenz, in: FS Dietz, S. 45, 49 ff. 222 Erman/Schaub, Vor §§ 339 – 345 Rn. 13; RGRK/Ballhaus, Vor § 339 Rn. 7; Palandt/ Grüneberg, § 339 Rn. 7; NK-BGB/Walchner, § 339 Rn. 10; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 44; Vieweg, JZ 1984, 167. 223 MünchKomm/Reuther, § 25 Rn. 34 ff., 50, 55 ff. Ihm folgend Ebert, Pönale Elemente, S. 285 ff. 224 So aber Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, § 11 Rn. 4. 225 Vgl. statt vieler Larenz/Wolf, AT, § 9 Rn. 12. 226 MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 49; van Look, Vereinsstrafen, S. 60 ff.; ders., in: FS Hadding, S. 539 ff.; Weitnauer, in: FS Reinhardt, S. 179, 186. V. Tuhr, AT, Bd. I, S. 505 bemerkt zu Recht dazu: „Wenn man dagegen die Satzung als Produkt rechtsgeschäftlichen Willens auffaßt, dem sich das Mitglied durch Beitritt unterwirft, so ist die entsprechende Anwendung des § 343 nicht von der Hand zu weisen, denn es handelt sich um eine Strafe, zu welcher sich das Mitglied vielleicht nicht durch Vertrag, aber jedenfalls durch eine Willens-

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Eine Kontrolle durch § 343 BGB bringt den Vorteil mit sich, dass eine umfassende Prüfung der Art und der Höhe der verhängten Strafe ermöglicht wird. An die Stelle des Gläubigers treten der Verein und seine Interessen. Die Berücksichtigung der Vereinsautonomie, zu der die Freiheit des Vereins gehört, Sanktionen vorzusehen und zu verhängen, kann durch die Gesamtbetrachtung und die Interessenabwägung des Einzelfalls erfolgen. Aber auch wenn nicht geschuldetes Verhalten sanktioniert wird, liegt ein unechtes Strafversprechen vor. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Vereinen mit und ohne Aufnahmezwang, wonach die Kontrolle der Strafen bei den Ersteren intensiver als bei den Letzteren sein muss, handelt es sich um eine nicht überzeugende Ansicht, weil sie die Mitglieder von Vereinen ohne Aufnahmezwang ohne wichtigen Grund beeinträchtigt227. Deshalb kann man insgesamt behaupten, dass die Kontrollmechanismen der §§ 315, 343 BGB dem Vereins- und generell dem Verbandsmitglied einen effektiven Schutz gewähren, ohne die Interessenlage und besonders die Vereinsautonomie zu übersehen. 9. Die arbeitsrechtlichen Sanktionen Eine Übersicht über die verschiedenen Sanktionen, auf die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen können, macht deutlich, dass diese in drei Kategorien unterteilt werden können: Vertragsstrafen in Tarifverträgen, Vertragsstrafen in Betriebsvereinbarungen und Betriebsbußen. Tarifverträge können Regelungen mit Strafcharakter enthalten. Diese Regelungen wirken auf die Individualarbeitsverhältnisse. Dass solche Vereinbarungen, die die Arbeitgeberinteressen bedienen, in Tarifverträgen zulässig sind, ist kaum zu zweifeln228. Dies zeigt auch die tarifvertragliche Praxis selbst, in der die Strafklauseln nicht fehlen (z. B. Rückzahlungsverpflichtung für die Gratifikations- oder Sonderzahlungen)229. Außerdem kann die Vertragsstrafenvereinbarung den schuldrechtlierklärung verpflichtet hat und für deren Ermäßigung im Fall der Unverhältnismäßigkeit alle die Gründe sprechen, aus denen der § 343 entstanden ist.“ 227 So auch Soergel/Hadding, § 23 Rn. 61. 228 LAG Baden-Württemberg v. 05. 12. 1995, AiB 1997, 65. 229 Beispiele: § 21 Nr. 6 des Manteltarifvertrags (MTV) für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Niedersachsen in der am 28. 06. 2000 in Kraft getretenen Fassung ordnet an: „Nehmen Beschäftigte nach Abschluss des Arbeitsvertrages schuldhaft die Arbeit nicht auf, dann sind sie verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von 25 % des tariflichen Monatsentgeltes zu zahlen. Verhindert der Arbeitgeber nach Abschluss des Arbeitsvertrages schuldhaft die Arbeitsaufnahme der/des Beschäftigten, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, der/dem Beschäftigten eine Vertragsstrafe in Höhe von 25 % des tariflichen Monatsentgeltes zu zahlen. Wenn einer der Vertragsschließenden ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund das Arbeitsverhältnis beendet, gilt eine Vertragsstrafe in Höhe von 25 % des vereinbarten Monatsentgeltes. (Bei Bedienungspersonal gilt das vereinbarte Garantieentgelt.) Wenn einer der Vertragsschließenden ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund ein Probearbeitsverhältnis beendet, gilt eine Vertragsstrafe in Höhe von 25 % des vereinbarten Monatsentgeltes. (Bei Bedienungspersonal gilt das vereinbarte Garantieentgelt.)“ § 4

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chen Teil, das heißt die Pflichten der Tarifvertragsparteien gegeneinander, betreffen230. Auch Betriebsvereinbarungen, die Vertragsstrafen vorsehen, sind zulässig231. Dieses Ergebnis basiert auf der grundsätzlich umfassenden Regelungskompetenz der Betriebspartner. Nach der Rechtsprechung des BAG steht den Betriebspartnern die gleiche Regelungsbefugnis wie den Tarifvertragsparteien zu. Demnach können sonstige Arbeitsbedingungen Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Nur wenn diese durch Tarifvertrag geregelt seien, werde dadurch die Regelungsbefugnis der Betriebspartner eingeschränkt232. Die Bezugnahme solcher Strafen auf die Individualarbeitsverhältnisse ist gemäß §§ 4 Abs. 1 TVG, 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend. Diese Vertragsstrafen unterliegen den §§ 339 ff. BGB233. Die Betriebspartner und Tarifvertragsparteien können insbesondere § 343 BGB nicht abbedingen. Außerdem haben die Parteien die besonderen arbeitsrechtlichen Vorschriften, die die Zulässigkeit der Vertragsstrafen beschränken oder verbieten, zu beachten234. Die dritte Kategorie von Sanktionen, die Betriebsbußen, regeln gegen Arbeitnehmer vorgesehene Strafen, die darauf abzielen, die Ordnung des Betriebes im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu gewährleisten, das heißt das Zusammenwirken und das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb, während die Vertragsstrafen individuell pflichtwidriges Verhalten sanktionieren. Da die Betriebsbußen Ordnungsstrafen kollektiver Natur sind, ist es notwendig, dass sie einen Tarifvertrag oder eine mit Zustimmung des Betriebsrates vereinbarte Betriebsbußordnung als Rechtsgrundlage haben235. Allerdings ist nicht nur die Erstellung der Bußordnung, sondern auch die Verhängung der Bußen von der Mitbestimmung des Betriebsrates abhängig236. Dass die so geschaffene Betriebsjustiz die rechtsstaatliNr. 3 des Tarifvertrags über Sonderzahlung im Einzelhandel in Hessen (Fassung v. 01. 08. 1998) sieht vor: „Wird das Arbeitsverhältnis aufgrund treuwidrigen Verhaltens (Diebstahl, Unterschlagung, Untreue oder sonstiges strafbares Verhalten im Arbeitsverhältnis) beendet, so entfällt der Anspruch auf Zahlung der tariflichen Sonderzuwendung. Gegebenenfalls für das laufende Kalenderjahr bereits erhaltene Beträge sind als Vorschuß zurückzuzahlen.“ 230 Bötticher, ZfA 1970, 3, 30 ff.; Söllner, AuR 1981, 97, 101; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 200. 231 BAG v. 06. 08. 1991, BB 1992, 427, 428 = NZA 1992, 177 hat zwar das Thema offen gelassen. Bejahend aber LAG Baden-Württemberg v. 05. 12. 1995, AiB 1997, 65. 232 Vgl. statt vieler BAG v. 18. 08. 1987, NJW 1988, 510 = BB 1987, 2161. 233 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 196; Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 64 ff., 67 ff. m. w. N. 234 Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 1. b) cc). 235 BAG v. 17. 10. 1989, AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972 m. w. N.; Ebert, Pönale Elemente, S. 292 ff.; Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 36 ff.; Kraft, NZA 1989, 777, 783; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 197; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 50. A. A. aber Walker, in: FS Kissel, S. 1205 ff., der einen Individualvertrag immer für erforderlich hält. 236 BAG v. 17. 10. 1989, BB 1990, 705, 707 = DB 1990, 483; BAG v. 05. 12. 1975, DB 1975, 2447 = NJW 1976, 909; BAG v. 12. 09. 1967, DB 1967, 1637, 1638 = NJW 1968, 317 (In

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chen Anforderungen (z. B. rechtliches Gehör) nicht missachten darf, ist eine allgemein vertretene Meinung237. Obwohl sie als Institution keine gesetzliche Anerkennung gefunden haben, sind sie in der Praxis sehr verbreitet238. Mündliche oder schriftliche Verwarnung, Verweis, Geldbußen, Kürzung oder Widerruf freiwilliger Leistungen fallen unter den Begriff der Betriebsbuße239. Die Beendigung durch Kündigung kann nicht als Betriebsbuße funktionieren, da die Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht umgangen werden dürfen240. An dieser Stelle wird nur der Frage nachgegangen, ob die Betriebsbuße die Rechtsnatur einer Vertragsstrafe besitzt, so dass die entsprechenden Vorschriften Anwendung finden können, das heißt ob eine gerichtliche Überprüfbarkeit der verhängten Buße anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig ist. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Vertragsstrafe und Betriebsbuße, von der die Anwendbarkeit der §§ 339 ff. BGB abhängt, haben sich im Schrifttum zwei Tendenzen herauskristallisiert. Nach der herrschenden Meinung ist die Betriebsbuße keine Vertragsstrafe, während nach der zweiten Ansicht die Betriebsbuße nichts Anderes als ein Unterfall der Vertragsstrafe ist. Die meisten Autoren gehen davon aus, dass eine sonstige Strafgewalt zugunsten des Arbeitgebers im Rahmen des Betriebes zulässig sei und die Betriebsbuße Ausprägung dieser Strafstruktur sei, ohne aber als Vertrags-, sondern als eine reine Disziplinarstrafe qualifiziert werden zu können241. Nach der Gegenmeinung liege

diesem Urteil werden die Voraussetzungen der Verhängung der Betriebsbußen wie folgend aufgezählt: a) die Bußordnung ist wirksam geschaffen und bekanntgemacht, b) diese legt die die Verhängung von Bußen bedingenden Tatbestände und die entsprechenden Bußen fest, c) ein rechtsstaatliches und ordnungsgemäßes Verfahren vorgesehen und tatsächlich eingehalten wird), d) rechtliches Gehör wird nicht ausgeschlossen und e) der Betriebsrat wird im Sinne der Mitbestimmung bei der Verhängung eingeschaltet.); BAG v. 25. 02. 1966, NJW 1966, 1430, 1431 = MDR 1966, 623; Ebert, Pönale Elemente, S. 292; Kraft, NZA 1989, 777, 783. 237 BAG v. 12. 09. 1967, DB 1967, 1637, 1638 = NJW 1968, 317; Ebert, Pönale Elemente, S. 293; Kraft, NZA 1989, 777, 783 m. w. N. 238 Statt vieler Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 36 ff. 239 Vgl. Ebert, Pönale Elemente, S. 293; Walker, in: FS Kissel, S. 1205; Kraft, NZA 1989, 777, 783. 240 BAG v. 28. 04. 1982, BAGE 39, 31, 35 f.; Ebert, Pönale Elemente, S. 294; Walker, in: FS Kissel, S. 1205, 1206, Fn. 5 m. w. N.; Kraft, NZA 1989, 777, 783; Leßmann, DB 1989, 1769, 1772 f. 241 Vgl. BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782, 783 = VersR 1987, 83; Ebert, Pönale Elemente, S. 292 ff., 326 ff.; Horschitz, Vereinsstrafe, S. 132 ff.; Lemke, Arbeitsstrafen, S. 121 ff.; Loewenheim, NWB 2008, 753, 760; Löwisch/Würtenberger, JuS 1970, 262, 263 ff.; Lohr, MDR 2000, 429, 430; Schul/Wichert, SpuRt 2004, 229, 230; Thüsing/Bodenstedt, AuR 2004, 369, 372; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 50; Hk-BGB/Schulze, § 339 Rn. 7; Erman/ Schaub, Vor §§ 339 – 345 Rn. 13; Jauernig/Stadler, § 339 Rn. 12. Aus der älteren Literatur siehe Grafe, Betriebsstrafen, S. 48 ff.; Weber, Vertragsstrafe, S. 36 ff.

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auch für die Betriebsbuße das Leitbild einer Vertragsstrafe nahe. Dies führt zum Ergebnis, dass eine gerichtliche Prüfung gemäß § 343 BGB stattfinden könne242. Der Rechtsanwender steht im Rahmen der rechtlichen Qualifikation praktisch vor dem grundlegenden Dilemma, ob sich die Betriebsbuße unter den Begriff der Vertragsstrafe einordnen lässt oder nicht. Der Ausweg aus dieser Situation ist vorwiegend auf die Bedeutung des Systems der normierten Vertragstypen für die Rechtsordnung angewiesen. Die Betrachtung soll nach den logischen Grundsätzen des Qualifikationsverfahrens stattfinden, wobei die Bestimmung der Leistung bei der Betriebsbuße die Hauptrolle spielt. Hauptargument derjenigen, die die Übertragbarkeit der § 339 ff. BGB auf Betriebsbußen verneinen, ist, dass diesen arbeitsrechtlichen Sanktionen keine Ersatzfunktion zustehe, da sie nur auf Bestrafung des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers gerichtet seien243. Dieser Meinung ist aber nicht zu folgen. Wie bereits erläutert244, ist die Vertragsstrafe mit zwei Funktionen verbunden. Bei diesen Funktionen steht aber die Abschreckung, die Prävention und nicht die Kompensation im Vordergrund. Das bedeutet, dass nur diese Druckfunktion, das heißt die Sicherung einer primären Pflicht, die Rechtsnatur der Vertragsstrafe prägt. Die Betriebsbuße verfügt in der Tatsache über keine Ersatzfunktion. Sie zielt nur darauf ab, der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Betrieb zu dienen. Es handelt sich um eine Strafe mit Sühnecharakter bezüglich des begangenen Unrechts ohne Kompensationsfunktion. Dies kann die Charakterisierung als Vertragsstrafe aber nicht verhindern245. Ein weiteres Argument ist, dass die Betriebsbußen nicht für den Arbeitgeber nützlich seien, sondern nur einer betrieblichen Sozialeinrichtung oder einem karitativen Zweck zugeführt werden dürften. Auch diese Ansicht überzeugt nicht, weil der Strafcharakter nicht nach der Person des Gläubigers, sondern der des Täters beurteilt wird246. 242 Baur, JZ 1965, 163, 165 f. („Zwar stellt § 339 BGB auf die individuelle vertragliche Regelung ab. Aber man muß sich vergegenwärtigen, daß sich die Betriebsvereinbarung in der Regelung der Arbeitsverhältnisse zwischen den Einzelarbeitsvertrag und das einseitige Direktionsrecht des Arbeitgebers schiebt; d. h. sie nimmt aus den beiden entgegengesetzten Möglichkeiten der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses Bestandteile auf, und zwar Bestandteile, die nach rein bürgerlich-rechtlicher Auffassung entweder der Gestaltung durch Arbeitsvertrag oder der einseitigen Konkretisierungsbefugnis des Arbeitgebers vorbehalten bleiben müßten.“); Bötticher, ZfA 1970, 3, 51; Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 36 ff.; Kraft, NZA 1989, 777, 783; Leinemann, AuR 1970, 134, 141; Luhmann, Betriebsjustiz, S. 150 f.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 197 ff.; Schwerdtner, in: FS Hilger/Stumpf, S. 631, 653 ff.; Weitnauer, in: FS Reinhardt, S. 179, 188 ff.; Zöllner, ZZP 1970, 365, 385 ff. 243 ArbG Frankfurt v. 20. 04. 1999, NZA-RR 2000, 82, 83; Ebert, Pönale Elemente, S. 329; Lohr, MDR 2000, 429, 430; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 50. 244 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) jj) (2) und unten Teil 3 A. III. 3. a). 245 Vgl. nur Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 36 f.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 198 f. 246 Siehe Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 37; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 199.

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Das BAG nimmt die Betriebsbuße als eine reine Betriebsstrafe wahr, die Maßnahme einer sonstigen betrieblichen Strafgewalt ist247. Diese Ansicht, die die Bußordnung als einen Fall von Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die betriebliche Strafgewalt betrachtet, überzeugt indes nicht. Einerseits lässt die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine solche Begründung nicht zu. In dieser Norm ist die Rede vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Dies bedeutet aber selbstverständlich nicht die Existenz von Sanktionen248. Die Anerkennung eines solchen Strafsystems kann mit dem das gesamte Privatrecht steuernden Grundsatz der Privatautonomie nicht vereinbar sein. Diese Strafgewalt kann nur in den Grenzen des Arbeitsvertrages ihre Wirkung entfalten. Eine Überwindung dieser Grenzen, die die Partner selbst durch ihre Willenserklärungen bestimmt haben, überlastet den Arbeitnehmer und kann deshalb nicht akzeptiert werden249. Aus diesem Grund lässt sich die Betriebsbuße nur als eine Vertragsstrafe einordnen250. Die Anwendung der §§ 339 ff. BGB und allgemein aller Vorschriften, die die Zulässigkeit der Vertragsstrafe in den Arbeitsverhältnissen (z. B. § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) beschränken, ist daher unentbehrlich. Mit der Vertragsstrafennatur der Betriebsbußen verknüpft sich insbesondere die Anwendung des § 343 BGB als Grundlage einer richterlichen Kontrolle. In diesem Sinne eröffnet sich der Weg zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht251. Letztendlich scheinen die Versuche, eine starre Unterscheidung zwischen beiden Institutionen mithilfe verschiedener Abgrenzungskriterien vorzunehmen252, wegen des Strafcharakters der Betriebsbußen ohne Folgen zu sein. 10. Die durch staatlichen Akt in Kraft tretenden Strafen Man kann viele Beispiele aufzählen, in denen der Staat eine Sanktion wegen eines als Unrecht beurteilten Verhaltens entweder durch Gesetz oder durch Verwaltungsakt oder durch richterliches Urteil auferlegt.

247 BAG v. 17. 10. 1989, BAGE 63, 169, 175 = NZA 1990, 193; BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782; BAG v. 12. 09. 1967, DB 1967, 1637, 1638 = NJW 1968, 317. 248 Vgl. v. Hoyningen-Huene, RdA 1990, 193, 204. 249 Vgl. nur v. Hoyningen-Huene, RdA 1990, 193, 204 und Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 198. 250 Vgl. v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 190 ff. 251 Zöllner, ZZP 1970, 365, 389. 252 So etwa Ebert, Pönale Elemente, S. 330 f.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

a) Die durch gesetzliche Vorschriften auferlegten Sanktionen aa) Die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, Fernwärme, elektrischem Strom und Gas § 23 AVBWasserV253, § 23 AVBFernwärmeV254, § 10 StromGVV255 und § 10 GasGVV256 sehen Strafen im Fall eines unbefugten Verbrauchs von Wasser, Fern253 § 23 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser v. 20. 06. 1980 (BGBl. I S. 750, 1067), die zuletzt durch die Verordnung v. 13. 01. 2010 (BGBl. I S. 10) geändert worden ist (AVBWasserV) (Stand: 30. 11. 2013): „Vertragsstrafe: (1) Entnimmt der Kunde Wasser unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Meßeinrichtungen oder nach Einstellung der Versorgung, so ist das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, eine Vertragsstrafe zu verlangen. Dabei kann höchstens vom Fünffachen desjenigen Verbrauchs ausgegangen werden, der sich auf der Grundlage des Vorjahresverbrauchs anteilig für die Dauer der unbefugten Entnahme ergibt. Kann der Vorjahresverbrauch des Kunden nicht ermittelt werden, so ist derjenige vergleichbarer Kunden zugrunde zu legen. Die Vertragsstrafe ist nach den für den Kunden geltenden Preisen zu berechnen. (2) Eine Vertragsstrafe kann auch verlangt werden, wenn der Kunde vorsätzlich oder grob fahrlässig die Verpflichtung verletzt, die zur Preisbildung erforderlichen Angaben zu machen. Die Vertragsstrafe beträgt das Zweifache des Betrags, den der Kunde bei Erfüllung seiner Verpflichtung nach den für ihn geltenden Preisen zusätzlich zu zahlen gehabt hätte. (3) Ist die Dauer der unbefugten Entnahme oder der Beginn der Mitteilungspflicht nicht festzustellen, so kann die Vertragsstrafe nach vorstehenden Grundsätzen über einen festgestellten Zeitraum hinaus für längstens ein Jahr erhoben werden.“ 254 § 23 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme v. 20. 06. 1980 (BGBl. I S. 742), die zuletzt durch Artikel 20 des Gesetzes vom 09. 12. 2004 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist (AVBFernwärmeV) (Stand: 30. 11. 2013): „Vertragsstrafe: (1) Entnimmt der Kunde Wärme unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Meßeinrichtungen oder nach Einstellung der Versorgung, so ist das Fernwärmeversorgungsunternehmen berechtigt, eine Vertragsstrafe zu verlangen. Diese bemißt sich nach der Dauer der unbefugten Entnahme und darf das Zweifache des für diese Zeit bei höchstmöglichem Wärmeverbrauch zu zahlenden Entgelts nicht übersteigen. (2) Ist die Dauer der unbefugten Entnahme nicht festzustellen, so kann die Vertragsstrafe über einen festgestellten Zeitraum hinaus für längstens ein Jahr erhoben werden.“ 255 § 10 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz v. 26. 10. 2006 (BGBl. I S. 2391), die durch Artikel 2 Absatz 9 der Verordnung v. 17. 10. 2008 (BGBl. I S. 2006) geändert worden ist (Stromgrundversorgungsverordnung – StromGVV) (Stand: 30. 11. 2013): „Vertragsstrafe: (1) Verbraucht der Kunde Elektrizität unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Messeinrichtungen oder nach Unterbrechung der Grundversorgung, so ist der Grundversorger berechtigt, eine Vertragsstrafe zu verlangen. Diese ist für die Dauer des unbefugten Gebrauchs, längstens aber für sechs Monate auf der Grundlage einer täglichen Nutzung der unbefugt verwendeten Verbrauchsgeräte von bis zu zehn Stunden nach dem für den Kunden geltenden Allgemeinen Preis zu berechnen. (2) Eine Vertragsstrafe kann auch verlangt werden, wenn der Kunde vorsätzlich oder grob fahrlässig die Verpflichtung verletzt, die zur Preisbildung erforderlichen Angaben zu machen. Die Vertragsstrafe beträgt das Zweifache des Betrages, den der Kunde bei Erfüllung seiner Verpflichtung nach dem für ihn geltenden Allgemeinen Preis zusätzlich zu zahlen gehabt hätte. Sie darf längstens für einen Zeitraum von sechs Monaten verlangt werden. (3) Ist die Dauer des unbefugten Gebrauchs oder der Beginn der Mitteilungspflicht nicht festzustellen, so kann die Vertragsstrafe in entspre-

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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wärme, Elektrizität und Gas vor. Diese Rechtsverordnungen regeln die Rechtslage eines Versorgungsverhältnisses. Vorausgesetzt wird, dass dieses Verhältnis besteht. Maßgeblich ist ein Vertragsschluss oder ein konkludentes Handeln (z. B. Leistungsbezug)257. Solche Vorschriften bringen das Problem mit sich, dass die entsprechenden Strafen in die Schuldverhältnisse einbezogen sind, ohne dass sich die Parteien darauf geeinigt haben258. Diese nicht privatautonom geltenden Regelungen bedürfen keiner Einbeziehung gemäß § 305 Abs. 2 BGB, weil sie keine rechtsgeschäftlichen Vertragsbedingungen und damit keine Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen259. Die Anwendung der §§ 339 ff. BGB kann wegen dieses nicht vertraglichen Charakters nicht in Betracht kommen260. Das bedeutet aber nicht, dass diese Regelungen unkontrolliert und außerhalb eines Angemessenheitsrahmens bleiben könnten. Art. 80 GG ist die Stütze der gerichtlichen Kontrolle von Rechtsverordnungen, weil die Grenzen der Ermächtigung dadurch kontrolliert werden müssen261. Aus diesem Grund, der auch die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips fordert, folgt, dass die Allgemeinen Versorgungsbedingungen, die eine Strafe anordnen, grundsätzliche Prinzipien des Vertragsstrafenrechts nicht umgehen chender Anwendung der Absätze 1 und 2 für einen geschätzten Zeitraum, der längstens sechs Monate betragen darf, erhoben werden.“ 256 § 10 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz v. 26. 10. 2006 (BGBl. I S. 2391, 2396), die durch Artikel 2 Absatz 7 der Verordnung vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2006) geändert worden ist (Gasgrundversorgungsverordnung – GasGVV) (Stand: 30. 11. 2013): „Vertragsstrafe: (1) Verbraucht der Kunde Gas unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Messeinrichtungen oder nach Unterbrechung der Grundversorgung, so ist der Grundversorger berechtigt, eine Vertragsstrafe zu verlangen. Diese ist für die Dauer des unbefugten Gebrauchs, längstens aber für sechs Monate, auf der Grundlage einer täglichen Nutzung der unbefugt verwendeten Geräte von bis zu zehn Stunden nach dem für den Kunden geltenden Allgemeinen Preis zu berechnen. (2) Eine Vertragsstrafe kann auch verlangt werden, wenn der Kunde vorsätzlich oder grob fahrlässig die Verpflichtung verletzt, die zur Preisbildung erforderlichen Angaben zu machen. Die Vertragsstrafe beträgt das Zweifache des Betrages, den der Kunde bei Erfüllung seiner Verpflichtung nach dem für ihn geltenden Allgemeinen Preis zusätzlich zu zahlen gehabt hätte. Sie darf längstens für einen Zeitraum von sechs Monaten verlangt werden. (3) Ist die Dauer des unbefugten Gebrauchs oder der Beginn der Mitteilungspflicht nicht festzustellen, so kann die Vertragsstrafe in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 über einen geschätzten Zeitraum, der längstens sechs Monate betragen darf, erhoben werden.“ 257 BGH v. 25. 11. 2009, MDR 2010, 260, 261 = NJW-RR 2010, 516; BGH v. 26. 01. 2005, NJW-RR 2005, 639 = NZM 2005, 356; BGH v. 30. 04. 2003, NJW 2003, 3131 = WM 2003, 1730. 258 Mehr zu den zwingenden Bestimmungen, die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses oder eines vertragsgleichen Benutzungsverhältnisses für den Fall unbefugter Inanspruchnahme einer Leistung gelten, in Stoll, Haftungsfolgen, S. 221 f. 259 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, V Rn. 234; Erman/Roloff, Vor §§ 307 – 309 Rn. 14. 260 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 206. 261 BGH v. 28. 01. 1987, NJW-RR 1987, 945 = MDR 1987, 577; KG Berlin v. 13. 07. 1984, VersR 1985, 288, 289.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

können262. Die Anwendung des § 343 BGB, die eine Ermäßigungsprüfung gebietet, kann nicht unmittelbar sein. Eine analoge Anwendung darf aber nicht ausgeschlossen werden. Dies entspricht zu Recht der Ansicht der Rechtsprechung263. bb) Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen Ein weiteres Beispiel von Strafenregelung kraft staatlichen Geltungsbefehls sind die Allgemeinen Beförderungsbedingungen. § 9 BefBedV sieht eine Geldsanktion bei einer unzulässigen Benutzung des Straßenbahn- und Omnibusverkehrs vor264. Das Gleiche gilt gemäß § 12 EVO für das Schwarzfahren im Eisenbahnverkehr265. 262

So z. B. BGH v. 09. 05. 2007, MDR 2007, 1062 = NJW-RR 2007, 1505 bezüglich der Berücksichtigung des Verschuldensprinzips als Voraussetzung der Verwirkung. 263 BGH v. 29. 01. 1957, BGHZ 23, 175, 182 f. = NJW 1957, 627; BGH v. 09. 10. 1961, MDR 1962, 209 (In diesem Urteil setzt sich BGH für eine direkte Anwendung der §§ 339 ff. BGB ein, weil es um echte Strafe gehe.). Vgl. auch Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 20. 264 § 9 der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen v. 27. 02. 1970 (BGBl. I S. 230), die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 8. November 2007 (BGBl. I S. 2569) geändert worden ist (Beförderungsbedingungenverordnung – BefBedV) (Stand: 30. 11. 2013): „Erhöhtes Beförderungsentgelt: (1) Ein Fahrgast ist zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet, wenn er 1. sich keinen gültigen Fahrausweis beschafft hat, 2. sich einen gültigen Fahrausweis beschafft hat, diesen jedoch bei einer Überprüfung nicht vorzeigen kann, 3. den Fahrausweis nicht oder nicht unverzüglich im Sinne des § 6 Abs. 3 entwertet hat oder entwerten ließ oder 4. den Fahrausweis auf Verlangen nicht zur Prüfung vorzeigt oder aushändigt. Eine Verfolgung im Straf- oder Bußgeldverfahren bleibt unberührt. Die Vorschriften unter den Nummern 1 und 3 werden nicht angewendet, wenn das Beschaffen oder die Entwertung des Fahrausweises aus Gründen unterblieben ist, die der Fahrgast nicht zu vertreten hat. (2) In den Fällen des Absatzes 1 kann der Unternehmer ein erhöhtes Beförderungsentgelt bis zu 40 Euro erheben. Er kann jedoch das Doppelte des Beförderungsentgelts für einfache Fahrt auf der vom Fahrgast zurückgelegten Strecke erheben, sofern sich hiernach ein höherer Betrag als nach Satz 1 ergibt; hierbei kann das erhöhte Beförderungsentgelt nach dem Ausgangspunkt der Linie berechnet werden, wenn der Fahrgast die zurückgelegte Strecke nicht nachweisen kann. (3) Das erhöhte Beförderungsentgelt ermäßigt sich im Falle von Absatz 1 Nr. 2 auf 7 Euro, wenn der Fahrgast innerhalb einer Woche ab dem Feststellungstag bei der Verwaltung des Unternehmers nachweist, daß er im Zeitpunkt der Feststellung Inhaber einer gültigen persönlichen Zeitkarte war. (4) Bei Verwendung von ungültigen Zeitkarten bleiben weitergehende Ansprüche des Unternehmers unberührt.“ 265 § 12 der Eisenbahn-Verkehrsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. April 1999 (BGBl. I S. 782), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 26. Mai 2009 (BGBl. I S. 1146) geändert worden ist (EVO) (Stand: 30. 11. 2013): „Erhöhter Fahrpreis: (1) Der Reisende ist zur Zahlung eines erhöhten Fahrpreises verpflichtet, wenn er a) bei Antritt der Reise nicht mit einem gültigen Fahrausweis versehen ist, b) sich einen gültigen Fahrausweis beschafft hat, ihn jedoch bei einer Prüfung der Fahrausweise nicht vorzeigen kann, c) einer Verpflichtung nach § 9 Abs. 3 Buchstabe a, b oder d nicht nachkommt. (2) Der erhöhte Fahrpreis nach Absatz 1 beträgt das Doppelte des gewöhnlichen Fahrpreises für die vom Reisenden zurückgelegte Strecke, mindestens 40 Euro. Der erhöhte Fahrpreis kann für die ganze vom Zug zurückgelegte Strecke berechnet werden, wenn der Reisende nicht glaubhaft macht, daß er eine kürzere Strecke durchfahren hat. (3) Der erhöhte Fahrpreis ermäßigt sich im Falle des Absatzes 1 Buchstabe b auf 7 Euro, wenn der Reisende innerhalb einer Woche ab dem

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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Diese Sanktionen basieren nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Ein wirksamer Beförderungsvertrag ist auf jeden Fall notwendig. Ein erhöhtes Beförderungsentgelt kann nur dann gefordert werden, sofern die Beförderungsbedingungen der Verkehrsunternehmen es vorsehen. Diese Bedingungen gelten aber nur dann, wenn ein wirksamer Beförderungsvertrag zustande gekommen ist266. Ob ein solcher Vertrag tatsächlich vorliegt, ist nach den Regeln der Auslegung von Willenserklärungen zu prüfen, wobei das konkludente Handeln eine wichtige Rolle spielt267. Des Weiteren besteht die Frage, wie die Verpflichtung des Benutzers zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts in das Beförderungsverhältnis einbezogen wird. Als Allgemeine Geschäftsbedingungen können die vorgenannten Vorschriften nicht bezeichnet werden. Das AGB-Recht kann nicht eingreifen, weil die Einwirkung der Verordnungen auf die Verträge unmittelbar ist268. Aus diesem Ausschluss der besonderen Vorschriften des AGB-Rechts ergibt sich deshalb die Frage, wie dieses Beförderungsentgelt zu qualifizieren ist, damit auch eine entsprechende Kontrolle stattfinden kann. Als Gegenleistung für die Beförderung kann das erhöhte Entgelt wegen des übermäßigen Missverhältnisses zwischen ihm und dem normalen Beförderungspreis nicht bezeichnet werden269. Auch als Vertragsstrafe kann der Entgelt nicht qualifiziert werden, weil keine vertragliche Vereinbarung zugrunde liegt. Eine Ermäßigung durch unmittelbare Anwendung des § 343 BGB bleibt daher außer Betracht270. Dieses Ergebnis verhindert jedoch eine Kontrolle der Vereinbarkeit der Vorschrift selbst mit dem höherrangigem Recht nicht. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip unter dem besonderen Aspekt des Übermaßverbots soll Maßstab einer richterlichen Kontrolle sein271. In diesem Sinn verliert § 343 BGB nicht an Bedeutung, weil er auf der Basis der Drittwirkung die Grundlage einer Herabsetzungsmöglichkeit sein kann. Die analoge Anwendung der letztgenannten Feststellungstag bei einem Bahnhof der befördernden Eisenbahn nachweist, daß er im Zeitpunkt der Feststellung Inhaber eines gültigen Fahrausweises war. (4) Wer sich der Verpflichtung nach § 9 Abs. 3 Buchstabe c entzieht, hat 7 Euro zu zahlen. (5) Der Tarif kann Fälle vorsehen, in denen von der Zahlung des nach den Absätzen 2 bis 4 zu entrichtenden Betrages ganz oder teilweise abgesehen werden kann.“ 266 Vgl. Weth, JuS 1998, 795, 798 f. 267 Zum Abschluss des Beförderungsvertrages siehe Weth, JuS 1998, 795 ff. m. w. N. Zum besonderen Problem der Minderjährigkeit ders., JuS 1998, 795, 797 ff. 268 Weth, JuS 1998, 795, 800 f.; Hensen, BB 1979, 499; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 15; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 211. A. A. Bartl, BB 1978, 1446, 1447. 269 BFH v. 25. 11. 1986, BB 1987, 812 = BStBl II 1987, 228; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 210. Vgl. auch oben Teil 3 A. III. 6. 270 A. A. Konow, DB 1971, 2393, 2397 f. bezüglich der früheren Frachtzuschläge des § 60 EVO. 271 OLG München v. 24. 01. 1980, BB 1980, 496; AG Hannover v. 07. 02. 1991, NJW-RR 1991, 883; AG Düsseldorf v. 11. 04. 1988, NJW 1988, 1988; AG Essen v. 20. 12. 1979, DÖV 1980, 882, 883; Weth, JuS 1998, 795, 801; Vgl. aber AG Aachen v. 02. 07. 1992, NJW-RR 1993, 317, wonach der Anspruch der Bundesbahn auf erhöhtes Beförderungsentgelt im Fall von Schwarzfahren unverhältnismäßig sei. Generell zum Übermaßverbot vgl. BGH v. 04. 02. 1976, BGHZ 66, 62, 66 = NJW 1976, 715.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Vorschrift kann deshalb zur Einzelfallgerechtigkeit und zum Interessenausgleich beitragen272. cc) Die Fangprämien bei Ladendiebstahl Die Einordnung der verschiedenen Fangprämien, die Warenhäuser durch Plakate bei einem Ladendiebstahl androhen, in den Begriff der Vertragsstrafe ist relativ, obwohl es sich hier (anders als beim erhöhten Beförderungsentgelt wegen einer Schwarzfahrt) um keine gesetzliche Sanktion handelt. Das Problem liegt darin, dass keine vertragliche Vereinbarung vorliegt. Wenngleich die Strafandrohung üblicherweise am Orte des Vertragsschlusses aushängt, kommt kein Vertrag zustande, durch welchen die entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen einbezogen werden. Das Verhalten des Täters beweist ja gerade, dass er damit nicht einverstanden ist273. Selbst wenn ein Vertrag zustande käme, wäre die Bedingung wegen § 309 Nr. 6 BGB nichtig. Außerdem ist die Natur der Vertragsstrafe mit der Sicherung einer konkreten (vertraglichen oder nichtvertraglichen) Pflicht gebunden. Strafandrohung mit dem Ziel der Einhaltung der allgemeinen Pflicht gesetzestreuen Verhaltens kann die Bezeichnung als Vertragsstrafe nicht rechtfertigen274. Dass die Fangprämie nicht mit der vertraglichen, sondern vielmehr mit der deliktischen Haftung einhergeht, ist selbstverständlich. Die Fangprämie als Aufwendung für die Entdeckung des Täters und die Erstattung des Schadens darf als charakterisierte Restitution nicht ohne Grenzen sein. Dies ist ein Ergebnis, das sich aus dem Grundprinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt und bis zur Herabsetzung der gesamten Prämie führen kann275.

272 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 212 („Andernfalls würden ganz geringfügige Verstöße – etwa die verlegte Monatskarte – pauschal wie die vorsätzliche Schwarzfahrt mit 40 E geahndet.“) Vgl. auch MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 15, der sich für eine Verhältnismäßigkeitskontrolle gemäß § 242 BGB einsetzt. A. A. aber in RG v. 26. 11. 1927, RGZ 119, 146, 151. 273 Deutsch, in: Verhandlungen des 51. DJT, Bd. I, S. E 1, 34 ff.; Canaris, NJW 1974, 521, 525 ff.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 52; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 9; Soergel/ Lindacher, Vor § 339 Rn. 46; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 29; a. A. nur AG Berlin-Schöneberg v. 17. 04. 1974, MDR 1974, 1823. 274 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 52; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 46. 275 Der BGH in seinem Urteil v. 06. 11. 1979, MDR 1980, 217, 218 = JZ 1980, 99 (m. zust. Anm. Deutsch) geht davon aus, dass eine vor dem Diebstahl ausgesetzte Fangprämie vom Warendieb in an angemessenem Umfang zu erstatten sei; angemessen sei angesichts der Durchschnittskriminalität in einem Lebensmittelmarkt dieser Zeit eine pauschalierte Prämie bis zu 50 DM gewesen. Ersatzfähig könne auch eine höhere Prämie sein, die für besonders umfangreiche Entwendungen verhältnismäßig zugesagt sei; in Bagatellfällen könne die Erhebung der Pauschale unzulässig sein. In der Literatur vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 6 VIII 6; Koenig, MDR 1980, 637 ff.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 29; Zimmermann, JZ 1981, 86 ff.

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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dd) Die Strafen in den Investitions-, Subventionsund Ausbildungsförderungsverträgen Eine weitere Kategorie einseitig auferlegter Sanktionen bilden die Strafen, die in verschiedenen Investitions- und Subventionsverträgen geregelt sind. Gesetzliche Vorschriften sehen vor, dass der Empfänger der Subvention eine Strafe zahlen muss, wenn sein Verhalten gegen den Zweck der Subvention selbst verstößt. Als Beispiele sind folgende Vorschriften zu erwähnen: § 3 Abs. 4 S. 1 SteinkohleFinG, der die Förderung der Steinkohle in Deutschland betrifft276, § 5 Abs. 8 FMStFV277 und die Richtlinien der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) bezüglich der Interventionsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsstellung und zur Preisstützung bestimmter Erzeugnisse, die sich an diejenigen, die Getreide an die BLE verkaufen, wenden und die Bedingungen der Intervention festlegen278. Darüber hinaus sind die öffentlich-rechtlichen Ausbildungsförderungsverträge an dieser Stelle zu nennen, auf deren Basis sich die Behörde zur Finanzierung der Ausbildung verpflichtet und sich der Auszubildende seinerseits bereit erklärt, später unter besonderen Voraussetzungen (z. B. für bestimmte Zeit) im öffentlichen Dienst tätig zu sein279. Die Strafklausel im Vertrag ist der einzige Weg zur Sicherung der Pflicht des Auszubildenden, da sie durch Zwangsgeld gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht durchgesetzt werden kann280. Eine Vorschrift, die Anwendung auf Rückübertragungsan276 § 3 Abs. 4 S. 1 des Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 v. 20. 12. 2007 (Steinkohlefinanzierungsgesetz – SteinkohleFinG) (Stand: 30. 11. 2013): „Die Bergbauunternehmen haben die für das jeweilige Jahr nicht zweckentsprechend verwendeten Plafondmittel zurückzuzahlen.“ 277 § 5 Abs. 8 der Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes v. 20. 10. 2008 (eBAnz. 2008, AT123 V1), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. 07. 2009 (BGBl. I S. 1980) geändert worden ist (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung – FMStFV) (Stand: 30. 11. 2013): „Soweit die Bedingungen vertraglich vereinbart werden, sind auch die Rechtsfolgen eines Verstoßes durch das begünstigte Unternehmen vertraglich zu regeln. Als vertragliche Rechtsfolgen können insbesondere Kündigungsrechte, Schadensersatzansprüche und Vertragsstrafen vorgesehen werden. In den Vertragsbedingungen ist weiter vorzusehen, dass der Fonds berechtigt ist, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht von Verstößen gegen die Vertragsbedingungen in Kenntnis zu setzen.“ 278 Z. B. Nr. 8.4. der Richtlinien zur Durchführung der Intervention von Getreide für das Getreidewirtschaftsjahr 2006/2007 v. 23. 10. 2006 der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE): „Wird festgestellt, dass das Getreide bei Angebotsabgabe nicht in dem im Angebot genannten Lager lagerte, so tritt die BLE vorbehaltlich Nr. 8.5. vom Vertrag zurück und berechnet dem Verkäufer ohne Berücksichtigung der möglichen Minusmarge (Nr. 5.3.1. 2. Unterabsatz) eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR/t 4,00.“ Diese Vorschrift aber wird in den Richtlinien für das Jahr 2010/2011 nicht wiederholt. Vgl. auch BGH v. 14. 11. 1978, DB 1979, 1273 = NJW 1979, 490 (Vertragsstrafe zur Sicherung bestimmter Verwendung von Butterfett). 279 BVerwG v. 06. 03. 1986, BVerwGE 74, 78 = DÖD 1986, 249; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 183. Schilling, VerwArch 85 (1994), 226, 247 f. hält die Vertragsstrafen in den Studienförderungsverträgen für zulässig, aber nur, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich vorgesehen hat. 280 Neben diesen vertraglich vorgesehenen Klauseln sind die Rückzahlungsklauseln für Ausbildungskosten zu erörtern. Vgl z. B. § 20 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der

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sprüche von Grundstücken, Gebäuden und Unternehmen nach dem Vermögensgesetz findet, ist § 8 Abs. 2 und 3 InVorG281. Diese Vermögensgegenstände dürfen nach Maßgabe der Vorschriften des vorgenannten Gesetzes ganz oder teilweise für besondere Investitionszwecke verwendet werden. Außerdem konnte die Treuhandanstalt Investitionsverträge mit Privatpersonen im Rahmen der Privatisierung der ehemaligen staatlichen Unternehmen der DDR abschließen. Damit der Erwerber seine Investitions- und Beschäftigungszusage einhielt (sie betraf die Beschaffung einer konkreten Anzahl von Arbeitsplätzen), sahen diese Verträge Vertragsstrafen und Kaufpreiserhöhungsansprüche als Sanktionen vor282. Wie all diese Klauseln einzuschätzen sind, ist eine Auslegungsfrage. Die ausdrückliche Bezeichnung einer Vereinbarung als „Vertragsstrafe“ oder die Auffindung des Vertragsstrafengehalts einer Regelung erst nach deren Auslegung hat keine Bedeutung. Wenn das Gesetz Fassung der Bekanntmachung v. 06. 06. 1983 (BGBl. I S. 645, 1680), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Oktober 2010 (BGBl. I S. 1422) geändert worden ist (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) (Stand: 30. 11. 2013): „Rückzahlungspflicht: (1) Haben die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen, für den sie gezahlt worden ist, so ist – außer in den Fällen der §§ 44 bis 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – insoweit der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als 1. (Aufgehoben), 2. (Aufgehoben), 3. der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 erzielt hat, das bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden ist; Regelanpassungen gesetzlicher Renten und Versorgungsbezüge bleiben hierbei außer Betracht, 4. Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist. Die Regelung über die Erstattungspflicht gilt nicht für Bankdarlehen nach § 18c. (2) Der Förderungsbetrag ist für den Kalendermonat oder den Teil eines Kalendermonats zurückzuzahlen, in dem der Auszubildende die Ausbildung aus einem von ihm zu vertretenden Grund unterbrochen hat. Die Regelung über die Erstattungspflicht gilt nicht für Bankdarlehen nach § 18c.“ 281 § 8 des Gesetzes über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 04. 08. 1997 (BGBl. I S. 1996), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes v. 19. 12. 2006 (BGBl. I S. 3230) geändert worden ist (Investitionsvorranggesetz – InVorG): „Inhalt des Investitionsvorrangbescheids und des investiven Vertrages: (2) Ist der Vermögenswert ein Grundstück oder Gebäude, muss der Investitionsvorrangbescheid dieses gemäß § 28 der Grundbuchordnung bezeichnen und folgende Bestimmungen enthalten: a) eine Frist für die Durchführung der zugesagten Maßnahmen, b) den Hinweis auf die Fristen nach den §§ 10 und 12, c) bei einer Veräußerung oder der Bestellung eines Erbbaurechts die Auflage, in den Vertrag eine Verpflichtung zur Rückübertragung des Grundstücks oder Gebäudes im Falle des Widerrufs des Investitionsvorrangbescheids aufzunehmen, und d) bei einem privatrechtlichen Verfügungsberechtigten die Auflage, für die Zahlung des Verkehrswertes eine näher zu bezeichnende Sicherheit zu leisten. Der investive Vertrag muss eine in dem Bescheid zu bezeichnende Vertragsstrafenregelung enthalten. (3) Ist der Vermögenswert ein Unternehmen, so ist der Vertrag nur wirksam, wenn er neben einer in dem Bescheid zu bezeichnenden entsprechenden Vertragsstrafenregelung eine Verpflichtung des Erwerbers enthält, das Unternehmen zurückzuübertragen, falls er die für die ersten zwei Jahre zugesagten Maßnahmen nicht durchführt oder hiervon wesentlich abweicht. Die Frist beginnt mit der Übergabe des Vermögenswerts, spätestens mit dem Wirksamwerden des Vertrages. Das gilt auch für Grundstücke und Gebäude, die im Zusammenhang mit einem Unternehmen veräußert oder verpachtet werden.“ 282 Vgl. Staudinger/Rieble (2004), Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 150; Wächter/Stender, NJW 2005, 395.

A. Die Institution der Strafherabsetzung

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selbst die Einbeziehung der Sanktionsklausel in das Schuldverhältnis durchsetzt (z. B. § 8 Abs. 2 und 3 InVorG), dann kann man von einer Vertragsstrafe sprechen. Genauer gesagt erzwingt das Gesetz die Einbeziehung nicht. Die Strafvereinbarung wurde von den Parteien selbst getroffen. Die gesetzliche Vorschrift ernennt das Fehlen dieser Klausel zum Nichtigkeitsgrund. Diese Situation lässt eine direkte Anwendung der §§ 339 ff. BGB zu283. Eine wichtige Stufe der Qualifizierung ist die Prüfung, wann eine Vertragsstrafe und wann eine Rückzahlungsklausel vorliegt. Eine Rückzahlungsklausel liegt vor, wenn der Strafcharakter der Klausel nicht gegeben ist, sondern es sich nur um die Rückabwicklung des Investitions- oder Subventionsverhältnisses handelt, falls der Empfänger gegen den Zweck der Investition verstößt. Die sog. Preiserhöhungsklauseln, die bei Unternehmenskaufverträgen mit der Treuhandanstalt üblich waren, sind als Rückzahlungs- und nicht als Strafklauseln zu bewerten, da sie nichts anderes als die Rückerstattung des normalen Preises des Unternehmens sind, der wegen des Scheiterns des Zweckes der Investition zurückzufordern ist. Dies folgt aus der Tatsache, dass ein Sonderpreis mit der Treuhandanstalt vereinbart worden ist, um einen besonderen Zweck zu verfolgen284. Andererseits ist aber die Charakterisierung einer Klausel als Vertragsstrafe nicht auszuschließen. Entscheidendes Kriterium soll auch hier die Sicherungsfunktion, das heißt die Abschreckung zur Einhaltung bestehender Pflichten, sein. Wenn sich der Zuwendungsempfänger bei Nichteinhaltung seiner Investitionszusage außer und neben der Rückabwicklung auf die zusätzliche Zahlung einer Geldsumme geeinigt hat, dann handelt es sich um eine Vertragsstrafe285. Die Ansicht, dass eine Strafklausel die wirtschaftliche Freiheit des Käufers beeinträchtigen könne, findet zu Recht in der Rechtsprechung keine Anerkennung286. Fraglich ist, ob die Strafvereinbarung eine Primärpflicht absichert. Die Investitions- und Arbeitsplatzgarantien stellen keine durch Klage durchsetzbaren Pflichten des Zuwendungsempfängers dar. 283

Vgl. Staudinger/Rieble (2004), Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 151. Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 216 f. Anders aber OLG Hamm v. 19. 11. 1990, ZIP 1991, A 31. 285 Z. B. BGH v. 06. 12. 2002, MDR 2003, 320 = WM 2003, 839 (Vertragsstrafe von 2. 000 DM pro nicht geschaffenem Arbeitsplatz und Monat); BGH v. 03. 04. 1998, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049 („Bis Ende 1993 hat man etwa 11.700 Verträge mit Arbeitsplatzzusagen und 11.500 Verträge mit Investitionszusagen gezählt. Überwiegend wurden diese Zusagen durch Vertragsstrafeversprechen abgesichert… Typischer Regelungsgehalt ist, dass den Käufer für den Fall der Nichteinhaltung zugesicherter Investitionen ausgleichende Zahlungspflichten in Höhe von 10 % bis 100 % der nicht erbrachten Leistungen treffen… Im Rahmen von Arbeitsplatzzusagen versprochene Vertragsstrafen betragen für jeden zu wenig beschäftigten Arbeitnehmer 2.000 DM bis 3.000 DM pro Monat oder 10.000 DM bis 35.000 DM pro Jahr. Zuweilen wurde auch ein bestimmter Prozentsatz der durchschnittlichen Lohnkosten zugrunde gelegt.“) 286 St. Rspr.: BGH v. 29. 09. 1999, VIZ 1999, 746, 747; BGH v. 26. 05. 1999, DB 1999, 1899, 1900 = NJW 1999, 2662; BGH v. 03. 04. 1998, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049; OLG Stuttgart v. 22. 07. 1999, VIZ 1999, 751, 753; OLG Düsseldorf v. 08. 01. 1998, NZG 1998, 353, 354. 284

326

Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Man kann auch nicht von Ersatzansprüchen sprechen, da die Treuhandanstalt keinen Schaden erleidet. Die Sicherung betrifft keine Hauptpflichten, die eine Charakterisierung der entsprechenden Klausel als unechte Vertragsstrafe erlauben287. Als Druckmittel beschränkt sie aber die wirtschaftliche Freiheit des Investitionsempfängers nicht, weil dieser frei bleibt, seine Zusage nicht zu halten, da diese nicht klagbar ist288. Oft haben sich die Parteien auf eine verschuldensunabhängige Ausgestaltung von Vertragsstrafen geeinigt. Die formularmäßige Abbedingung der Verschuldensvoraussetzung kann die Natur der Klausel als Vertragsstrafe nicht ändern. Fraglich ist nur, ob diese Abbedingung durch Berücksichtigung des allgemeinen Verschuldenserfordernisses auf der Basis des § 307 BGB (früher § 9 AGBG) als zulässig beurteilt werden darf. Die Rechtsprechung hat diese oft in Musterverträgen mit der Treuhandanstalt zu findende Klausel für eine angemessene Benachteiligung gehalten, solange ein wichtiger Grund dafür vorliege289. Dies führt jedoch wegen der hohen sozialpolitischen Bedeutung der Privatisierung und des Erhalts der Arbeitsplätze üblicherweise zur Bejahung der Zulässigkeit verschuldensunabhängiger Vertragsstrafen. Richtigerweise ist die Abbedingung des Verschuldenserfordernisses als unzulässig zu betrachten, weil dieses Prinzip das ganze Recht der Vertragsstrafe prägt290. Gleichzeitig kann die Klausel durch Streichung der Worte „ohne Verschulden“ mit einem zulässigen Inhalt aufrechterhalten werden291. Darüber hinaus haben sich die Gerichte mit der Kontrolle der Höhe der Vertragsstrafe in zahlreichen Fällen beschäftigt. Kontrollkriterium war der Wert des Kaufgegenstandes im Verhältnis zur gesamten Strafhöhe292. Ein Summierungseffekt, das heißt die Verwirkung zweier Strafen wegen der Unterlassung von Investitionen und zugleich wegen der Verfehlung von Arbeitsplatzgarantie, hat dazu geführt, dass der sehr hohe Betrag der gesamten Strafsumme als unverhältnismäßig beurteilt worden ist. Eine Herabsetzung gemäß § 343 BGB komme einer Meinung nach nicht in Betracht, weil die Schuldner Kaufleute sind und dies die Anwendung des § 348 HGB 287

Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 218. Argument von Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 218 aus § 113 BetrVG: Wenn der Unternehmer mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich über eine Betriebsänderung vereinbare, dürfe er von seiner Zusage abweichen. In diesem Fall habe der von der Entlassung getroffene Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf Ausgleich der Nachteile bei zu einem Zeitraum von zwölf Monaten. 289 Vgl. BGH v. 06. 12. 2002, MDR 2003, 320, 321 = VIZ 2003, 307; BGH v. 29. 09. 1999, VIZ 1999, 746, 747; BGH v. 26. 05. 1999, NJW 1999, 2662 = DB 1999, 1899; OLG Stuttgart v. 22. 07. 1999, VIZ 1999, 751 ff.; OLG Köln v. 23. 06. 1995, BB 1923, 1924 = WM 1995, 1593. 290 Vgl. Joussen, Der Industrieanlagen-Vertrag, § 4 Rn. 36: „Aus praktischen Gründen ist es indes zu bevorzugen, die Konventionalstrafe grundsätzlich verschuldensabhängig zu machen, es also insoweit bei der gesetzlichen Regelung des § 339 BGB zu belassen.“; Mann, Gehört…?, S. 40 ff. und passim. Gleiches gilt auch für das Versprechen einer Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungspflicht. S. Rengier, Setzt (…)?, passim. 291 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 102 f., 219. 292 OLG Düsseldorf v. 08. 01. 1998, NZG 1998, 353 ff. Vgl. auch Wächter/Stender, NJW 2000, 395, 398. 288

A. Die Institution der Strafherabsetzung

327

erzwingt293. Neben der Möglichkeit, dass die Parteien § 348 HGB abbedungen haben, ist zu betonen, dass eine Herabsetzung durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze (§ 242 BGB) nicht ausgeschlossen werden darf und die Interessenabwägung gemäß § 343 BGB viel dazu beitragen kann.

b) Die durch gerichtliches Urteil auferlegten Strafen Eine weitere Fallgruppe bilden durch gerichtliches Urteil auferlegte und verhängte Strafen. Anders als die gesetzlich vorgesehenen Strafen setzen sie ein richterliches Urteil voraus, auf das sich ihre Verhängung stützt.

aa) Die Strafen des Strafrechts Hierunter fällt freilich die öffentliche Strafe des Strafrechts. Diese hat mit der Vertragsstrafe gemein, dass auch sie darauf abzielt, ein pflichtwidriges Verhalten zu sanktionieren. Der Präventivcharakter der Vertragsstrafe, die als Druckmittel gegen Pflichtverletzungen und zugleich als Mittel eines vereinfachten Schadensersatzanspruchs funktioniert, liegt vor. Dies bringt sie dem spezialpräventiven Zweck der Strafe für kriminelles Unrecht nahe. Neben aber dem gemeinsamen Merkmal, dass die Verhängung beider Sanktionen vom Verschulden des Bestraften abhängig ist, ist offensichtlich, dass es sich um zwei unterschiedliche Sanktionierungssysteme handelt. Die Vertragsstrafe setzt eine Pflicht zwischen Privatpersonen voraus und kann daher mit der das objektive kriminelle Unrecht abstrafenden Strafe nicht verglichen werden294. Dieser grundlegende Unterschied zwischen der kriminellen und der vertraglichen Strafe erlaubt keine Anwendung der Grundsätze der strafrechtlichen Sanktionierung bei Vorliegen der privatrechtlichen Vertragsstrafe295. Grundsätze, wie das Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa), das Analogieverbot (nulla poena sine lege stricta), das Schuldprinzip (nulla poena sine culpa)296, das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) und die Unschuldsvermutung297, gelten aus diesem Grund für die Vertragsstrafe nicht298. Umgekehrt sind 293

Kiethe, BB 1994, 7, 15; ders., VIZ 1993, 382, 386. Vgl. BVerfG v. 25. 10. 1966, NJW 1967, 195, 196 = MDR 1967, 187; BGH v. 13. 03. 1975, DB 1975, 879, 880 = MDR 1975, 656; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 96; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 51; Horschitz, NJW 1973, 1958. 295 BVerfG v. 23. 04. 1991, NJW 1991, 3139, 3140 = MDR 1992, 190. 296 Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt freilich Verschulden voraus. Verschulden bedeutet nach § 276 BGB Verantwortlichkeit, subjektive Vorwerfbarkeit. Eine Zurechnung von Drittverschulden gemäß § 278 BGB ist vorstellbar. Diese Möglichkeit ist aber mit dem Schuldprinzip des Strafrechts nicht vereinbar. 297 Vgl. § 345 BGB, wonach der Schuldner die Beweislast trägt. 298 Vgl. statt vieler Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 97 ff. 294

328

Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

charakteristische Eigenschaften der Vertragsstrafe (z. B. die Vererblichkeit) nicht in das System des Strafrechts übertragbar. Diese Unterschiede bedeuten allerdings nicht, dass die Strafzumessung keine Ähnlichkeiten aufweist. Die Idee hinter § 46 StGB, dass die Schuld des Täters und die Umstände die Höhe der Strafe bestimmen, weist darauf hin, dass eine Abwägung mit Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Identifizierung der Billigkeit und der Gerechtigkeit im Einzelfall darstellt. Die gleiche Konzeption verkörpert die Vorschrift des § 343 BGB in sich, die die Strafkontrolle anhand einer Interessenabwägung im privatrechtlichen Bereich einführt299. Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion eine Vertragsstrafe nicht ausschließen kann. Der Gesetzgeber darf ein Verhalten, das eine Pflicht des Privatrechts verletzt, gleichzeitig als Straftat definieren300. Klassisches Beispiel ist das Schwarzfahren mit Verkehrsmitteln, das sowohl durch ein erhöhtes Beförderungsentgelt als auch durch eine öffentliche Strafe nach § 265a StGB sanktioniert wird301. Die privat- als auch strafrechtliche Doppelbestrafung kann jedoch die Folge mit sich bringen, dass die Höhe der jeweiligen Strafe milder festgesetzt wird302. Bei der Strafzumessung ist die Vertragsstrafe als Wiedergutmachung des Schadens zu qualifizieren und daher nach § 46 Abs. 2 S. 2 (letzter Fall) StGB zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite kann die strafrechtliche Verfolgung des Schuldners ein Faktor zugunsten der Herabsetzung der vereinbarten Strafe nach § 343 BGB sein303.

bb) Das Ordnungsgeld nach § 890 ZPO Das Ordnungsgeld gemäß 890 ZPO ist ein besonderes Zwangsvollstreckungsmittel zur Erzwingung von Duldungen und Unterlassungen. Typisches Merkmal ist,

299 Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, S. 52 ff.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 79 f., 96. 300 BGH v. 04. 10. 1956, NJW 1956, 1793, 1794 = DB 1956, 1056 („Eine Vereinsstrafe wäre auch dann gesetzwidrig, wenn sie den Boden des Privatrechts verlassen und eine Anmaßung öffentlicher Strafgewalt darstellen würde. (…) So liegt es aber nicht schon dann, wenn der Tatbestand, an den die Vereinsstrafe geknüpft ist, zugleich den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Denn die Rechtsordnung verbietet nicht, Handlungen; die mit öffentlicher Strafe bedroht sind, unter eine privatrechtliche Strafe zu stellen.“); RG v. 09. 07. 1937, WarnR 1937 Nr. 127; a. A. OLG Frankfurt v. 17. 10. 1991, NJW-RR 1992, 620, 621 = GRUR 1993, 997. In der Literatur vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 51; RGRK/Ballhaus, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 9; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 106. 301 Vgl. auch OLG Brandenburg v. 08. 11. 2006, BauR 2007, 158 für den Fall der Strafvereinbarung hinsichtlich der Beschäftigung illegaler Arbeitnehmer. 302 BGH v. 23. 06. 1988, MDR 1988, 953, 954 = NJW 1988, 2536; NK-BGB/Walchner, § 339 Rn. 23; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 51; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 45; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 107. 303 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) jj) (4).

A. Die Institution der Strafherabsetzung

329

dass es als Sanktion nur gerichtlich unter bestimmten Voraussetzungen auferlegt werden darf. Dies indiziert die prozessrechtliche Natur der Institution304. Bezüglich der Abgrenzung zur Vertragsstrafe tauchen zwei Fragen auf: Erstens, ob ein und dasselbe Verhalten, das heißt die Zuwiderhandlung, die eine Unterlassungspflicht verletzt, mehrfach sanktioniert werden darf. Anders gesagt ergibt sich die Problematik der Doppelbestrafung ein und derselben Handlung. Die herrschende Meinung im Schrifttum geht davon aus, dass der Antrag des Gläubigers auch dann zulässig sei, wenn dieselbe Zuwiderhandlung durch eine (einfach vereinbarte oder bereits verwirkte) Vertragsstrafe sanktioniert werde. Umgekehrt könne ein Ordnungsgeld gemäß § 890 ZPO den Verfall der Vertragsstrafe nicht ausschließen305. Die gleiche Ansicht teilt die Rechtsprechung306. Dieser These ist mithilfe folgender Argumente zuzustimmen. Zum einen hat das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem), welches das Strafrecht prägt, keine Beeinflussung auf das Verhältnis Vertragsstrafe-Ordnungsgeld307. Es handelt sich um zwei Institutionen, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Die Vertragsstrafe dient der Sicherung einer Verpflichtung und hat zugleich eine Schadenspauschalierungsfunktion. Das Ordnungsgeld gemäß § 890 ZPO ist eine strafähnliche Sanktion für die Nichtbeachtung eines gerichtlichen Verbots und fließt nicht an den Gläubiger, sondern in die Staatskasse. Diese differenzierten Funktionen können die Konkurrenz beider Sanktionen im gleichen Fall nicht verhindern. Außerdem bestätigt der Wortlaut des 304 Mehr zum Ordnungsgeld in Hildebrandt, Handlungseinheit, S. 90 ff.; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1103, 1108; Zöller/Stöber, § 890 ZPO Rn. 1 ff.; Thomas/ Putzo/Seiler, § 890 ZPO Rn. 1 ff.; Prütting/Gehrlein/Olzen, § 890 ZPO Rn. 1 ff.; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 890 ZPO Rn. 1 ff. 305 Vgl. Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 192 f.; Teplitzky, WRP 1994, 709, 713; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1096; Zöller/Stöber, § 890 ZPO Rn. 7; Thomas/Putzo/Seiler, § 890 ZPO Rn. 10; Prütting/Gehrlein/Olzen, § 890 ZPO Rn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 890 ZPO Rn. 5; Erman/Schaub, Vor § 339 Rn. 11; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 108; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 53; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 10. Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 188 ff. differenziert sich und befürwortet eine wechselseitige Anrechnung auf der Basis, dass die Vertragsstrafe ihrer Höhe nach unter Präventionsgesichtspunkten unzureichend sein könne. Vgl. auch Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 47 f. 306 St. Rspr.: BGH v. 05. 02. 1998, BB 1998, 715, 716 = NJW 1998, 1138; BGH v. 30. 04. 1987, MDR 1988, 23, 24 = NJW 1987, 3253; BGH v. 09. 11. 1979, DB 1980, 535 = NJW 1980, 1843; BGH v. 05. 10. 1951, DB 1951, 956, 957 = NJW 1952, 101; OLG Düsseldorf v. 08. 02. 1988, NJW-RR 1988, 1216 = GRUR 1988, 857; OLG Köln v. 20. 06. 1986, NJW-RR 1987, 360 = GRUR 1988, 241; OLG Köln v. 26. 05. 1986, NJW-RR 1986, 1191= GRUR 1986, 688 f.; OLG Nürnberg v. 21. 12. 1982, MDR 1983, 759; OLG Saarbrücken v. 21. 11. 1978, NJW 1980, 461; OLG Frankfurt v. 21. 12. 1967, MDR 1968, 592; OLG Hamm v. 04. 11. 1966, MDR 1967, 223; a. A. OLG Hamm v. 30. 05. 1984, GRUR 1985, 82; OLG Hamm v. 08. 08. 1966, NJW 1967, 58, 59 = MDR 1967, 42 (Die Vertragsstrafe entnehme dem Ordnungsmittelverfahren das Rechtsschutzbedürfnis.); OLG Köln v. 28. 08. 1968, NJW 1969, 756; LG Frankenthal v. 15. 10. 1991, MDR 1992, 362 (Da der Gläubiger kein schutzwürdiges Interesse habe, beide Sanktionen nebeneinander durchzusetzen, müsse ihm nur ein Wahlrecht eingeräumt werden.). 307 BGH v. 05. 02. 1998, BB 1998, 715, 716 = NJW 1998, 1138. Vgl. auch Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 54.

330

Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Gesetzes selbst diese Stellungnahme. Gemäß § 893 ZPO kann der Gläubiger einen Schadensersatzanspruch unabhängig von den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des § 890 ZPO geltend machen. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber genau diese Kumulierung als Regel einführt und damit den gegenseitigen Ausschluss zur Ausnahme macht308. Wenn der Gesetzgeber eine solche Kumulierung hätte beseitigen wollen, dann könnte er dies ausdrücklich anordnen. Noch treffender ist daher die Ansicht, dass Art. 103 Abs. 3 GG, der die Doppelbestrafung verbietet, von allgemeinen Strafgesetzen spricht. Eine analoge Anwendung im Verhältnis zwischen einer privatrechtlichen und einer öffentlich-rechtlichen Sanktion kann deshalb keine Stütze im Wortlaut des Grundgesetzes finden. Eine Umgehung dieses Kumulierungsverhältnisses ist freilich denkbar, aber nur dann, wenn die Parteien eine entsprechende Vereinbarung schließen. Es kann sich darauf geeinigt werden, dass die Vertragsstrafe oder das Ergreifen von Zwangsvollstreckungsmitteln den Vorrang genießt309. Die zweite Frage betrifft die Einwirkung der Höhe der Vertragsstrafe auf die Höhe des Ordnungsgeldes und umgekehrt. Es wird angenommen, dass bei der Bemessung der Höhe das eine wie das andere zu berücksichtigen sei310. Berücksichtigung bedeutet, dass das Gericht, das die Vertragsstrafhöhe gemäß § 343 BGB (oder auch § 315 BGB) kontrolliert, die Belastung des Schuldners durch ein Ordnungsgeld als maßgeblichen Gesichtspunkt für die Herabsetzung betrachtet. Diese Berücksichtigung wird dadurch gerechtfertigt, dass alle Folgen des die Strafe verwirkenden Verhaltens bei der Interessenabwägung von Bedeutung sind und darunter auch die Verhängung anderer Sanktionen außer der Vertragsstrafe fällt311. Im umgekehrten Fall soll die Strafhöhe bei der Bemessung des Ordnungsgeldes eine Rolle spielen. Mitberücksichtigung bei der Abwägung bedeutet aber nicht, dass die zwei Sanktionen gegenseitig rechnerisch angerechnet werden müssen312.

IV. Zusammenfassung der Erkentnisse Die gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Qualifizierung der verschiedenen Institute als Vertragsstrafe lassen sich summarisch anhand folgender Tabelle veranschaulichen:

308

Argument von Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 109. Statt vieler Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 110. 310 Vgl. BGH v. 05. 02. 1998, BB 1998, 715, 716 = NJW 1998, 1138; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 193; Teplitzky, WRP 1994, 709, 713; Thomas/Putzo/Seiler, § 890 ZPO Rn. 10; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 111; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 10. 311 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) jj) (4). 312 Diese Ansicht wird aber vereinzelt vertreten. Siehe z. B. Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 188 ff. und Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 47 f. 309

A. Die Institution der Strafherabsetzung

331

Rechtsinstitute

Zweck

Anwendbarkeit des § 343 BGB

echte/unselbstständige Vertragsstrafe

Druckfunktion zur Sicherung einer Hauptverbindlichkeit + Erleichterung des Schadensnachweises

direkte Anwendung

unechte/selbstständige Vertragsstrafe

direkte Anwendung (durch Sicherung einer Obliegen- Bejahung eines erweiterten Begriffs der Vertragsheit strafe)

Draufgabe

Vermutung für den Vertragsabschluss + Sicherung von Pflichten

direkte Anwendung (durch Bejahung eines erweiterten Begriffs der Vertragsstrafe)

Schadenspauschalierung

Erleichterung der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs

weder direkte noch analoge Anwendung

Verfallklausel

Druckfunktion zur Sicherung einer Hauptverbindlichkeit + Erleichterung des Schadensnachweises

direkte Anwendung (durch Bejahung eines erweiterten Begriffs der Vertragsstrafe)

Vorfälligkeitsklausel

Druckfunktion zur Sicherung einer Hauptverbindlichkeit + Erleichterung des Schadensnachweises

direkte Anwendung (durch Bejahung eines erweiterten Begriffs der Vertragsstrafe)

weder direkte noch analoVerlust des VersicherungsanSicherung einer Obliegen- ge Anwendung (wegen der spruchs des Versicherungsnehmers heit (§ 28 VVG) ausdrücklichen gesetzli(§ 28 VVG) chen Regelung) Druckfunktion zur Sicherung einer Hauptverbindlichkeit

Anwendung (solange die Klausel als Vertragsstrafe qualifiziert wird): Differenzierungslösung

Reugeld

Erleichterung des Schadensausgleichs

weder direkte noch analoge Anwendung, es sei denn, es handelt sich tatsächlich um eine Vertragsstrafe

Entgelt für in Anspruch genommene Leistungen

Erleichterung des Schadensausgleichs

weder direkte noch analoge Anwendung, es sei denn, es handelt sich um eine Vertragsstrafe

Rückzahlungsklausel

332

Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Vorschusszinsen

Gegenleistung für die Bereitschaft des Kreditinstikeine Anwendung tuts, das geforderte Geld vorzeitig auszuzahlen

Überziehungszinsen

Entgelt für die in Anspruch genommenen Kontoüber- keine Anwendung ziehungen

Fälligkeitszinsen

direkte Anwendung, wenn Druckfunktion + Erleichdie Druckfunktion zur terung des SchadensnachQualifikation als Verweises tragsstrafe führt

Zinsklauseln

Druckfunktion

direkte Anwendung (durch Bejahung eines erweiterten Begriffs der Vertragsstrafe)

Flaschenpfand

Gegenleistung für den Wert der Flasche

keine Anwendung

Nachporto

Entgelt für die Absendung von einem Dritten, dem keine Anwendung Empfänger, der gemäß § 267 BGB freiwillig entrichtet

Bearbeitungsentgelt für absichtlich herbeigeführte Verschmutzungen

Erleichterung des Schadensausgleichs

Garantievertrag

Gläubiger so zu stellen, als ob das angestrebte Ergeb- direkte Anwendung, sonis eingetreten wäre (Er- lange es sich um eine Vertragsstrafe handelt satzfunktion) (+ Sicherung von Pflichten u. U.)

Vereins- und Verbandsstrafe

Druckfunktion zur Sicherung einer Hauptverbindlichkeit + Erleichterung des Schadensnachweises

Überziehungsgebühren

keine Anwendung

direkte Anwendung (durch Bejahung eines erweiterten Begriffs der Vertragsstrafe)

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

Vertragsstrafen in Tarifverträgen arbeitsrechtliVertragsstrafen in Beche triebsvereinbarungen Sanktionen

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Sicherung einer Hauptverbindlichkeit + Erleichdirekte Anwendung terung des Schadensnachweises Sicherung einer Hauptverbindlichkeit + Erleichdirekte Anwendung terung des Schadensnachweises Druckfunktion

direkte Anwendung (durch Bejahung eines erweiterten Begriffs von Vertragsstrafe)

Allgemeine Versorgungsbedingungen

Abschreckung vor unbefugtem Verbrauch + Schadensersatzfunktion

analoge Anwendung

Allgemeine Beförderungsbedingungen

Abschreckung vor unzulässiger Benutzung von Verkehrsmitteln

analoge Anwendung

Fangprämien bei Ladendiebstahl

Abschreckung vor Ladendiebstahl + Aufwendung für die Entdeckung des analoge Anwendung Täters und die Erstattung des Schadens

Strafen des Strafrechts

Sanktionierung des krimi- keine Anwendung (aber nellen Unrechts (General- ähnliche Konzeption besonders der Zumessung) und Spezialprävention)

Ordnungsgeld nach § 890 ZPO

Vollstreckungsmittel zur Unterlassung oder Duldung einer Handlung

Betriebsbußen

keine Anwendung (aber gegenseitige Mitberücksichtigung von Vertragsstrafe und Ordnungsgeld)

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe und ihr Verhältnis zum Ermäßigungsrecht des § 343 BGB I. Das Problem und seine Bedeutung Die Beschäftigung mit den positiven und den negativen Anwendungsvoraussetzungen des richterlichen Ermäßigungsrechts ist von herausragender Bedeutung. Ebenso wichtig ist die Prüfung der Möglichkeit, ob das Recht aus § 343 BGB auch auf andere Rechtsinstitute angewendet werden kann. Die folgenden Ausführungen zielen darauf ab, die Anwendbarkeit anderer Vorschriften bezüglich der Kontrolle

334

Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

einer Konventionalstrafe zu beleuchten. Hierbei geht es gewissermaßen um das Problem, dass sich der Schuldner einer Strafleistung gegen die Möglichkeit eines Anspruchs des Gläubigers auf jeden Fall absichern will. Die Rechtsordnung sieht das Ermäßigungsrecht im System der Vorschriften vor, die die Institution der Vertragsstrafe speziell regeln. Neben dieser Möglichkeit öffnet sich dem Schuldner aber eine ganze Palette von Schutzvorschriften. Einige davon finden nach der gesetzlichen Konzeption konkrete Anwendung auf Vertragsstrafen (z. B. §§ 309 Nr. 6, 343 BGB). Andere sind jedoch generelle Vorschriften, die im Allgemeinen Teil des BGB oder im Schuldrecht zu finden sind, so dass die Strafvereinbarung wie jeder andere Vertrag darunter fällt (z. B. §§ 138, 315 ff. BGB). Das folgende Kapitel befasst sich zunächst mit denn Vorschriften, deren Anwendung zur Nichtigkeit der Strafabrede führen kann (unten II.). Es handelt sich im Einzelnen um solche Rechtsnormen, die dem Schuldner den weitesten Schutzraum durch die völlige Beseitigung der Vertragsstrafe gewährleisten. Im Anschluss daran folgt die Erörterung der Vorschriften, die die Strafvereinbarung nicht beiseite stellen, sondern einfach die Modifizierung von deren Höhe anordnen (unten III.). In jedem Abschnitt wird die Anwendung der jeweiligen Norm festgelegt. In einem weiteren Schritt wird das Verhältnis zum Ermäßigungsrecht des § 343 BGB näher erörtert.

II. Die Vorschriften, deren Anwendung die Strafabrede beiseite schiebt Vorschriften, deren Anwendung die Strafabrede beiseite stellt, sind solche Rechtsvorschriften, deren Anwendung die Strafabrede wegen Unwirksamkeit ohne andere Möglichkeit (z. B. Korrektur) völlig beseitigt. Hierfür können mehrere Beispiele genannt werden. Aus diesem Grund befasst sich der folgende Teil zunächst mit der Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (unten 1.), aufgrund eines Verstoßes gegen die Vorschriften des AGB-Rechts (unten 2.) und schließlich aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten (unten 3.). 1. Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) a) Grundlegendes Das Privatrecht ist ein Teil der Gesamtrechtsordnung, deshalb wäre es widersprüchlich, Rechtsgeschäfte hinzunehmen, deren Inhalt gegen zwingende Verbote verstößt. § 134 BGB ist die Vorschrift, die verbotswidrige Rechtsgeschäfte sanktioniert, ohne aber etwas über irgendwelche gesetzlich verbotenen Inhalte zu erwähnen. Dies bleibt anderen Vorschriften überlassen. Solche Normen sind in allen Bereichen der gesamten Rechtsordnung zu finden. Deswegen kann die Vorschrift als

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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echte oder offene Blankettnorm bezeichnet werden, weil sie lediglich die Rechtsfolge (hier: Nichtigkeit) enthält und hinsichtlich des genauen Verbotsinhaltes auf eine andere Rechtsnorm (formeller oder materieller Natur) Bezug nimmt. § 134 BGB wird als klassisches Beispiel einer solchen Blankettnorm im Privatrecht genannt313. Auf der anderen Seite gibt es viele Verbotsnormen, die die privatrechtliche Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB ausdrücklich anordnen (sog. leges perfectae). Verbieten Normen jedoch bestimmte Verhaltensweisen mit straf- oder öffentlich-rechtlichen Sanktionen, dann können Rechtsgeschäfte, die als ein solches Verhalten anzusehen sind, nach § 134 BGB unwirksam sein. Dies ist allerdings eine Frage der Auslegung. Maßgebliches Auslegungskriterium ist hierbei der Zweck des Verbotsgesetzes nach der Formulierung des § 134 BGB. Die Vorschrift enthält somit einen Normzweckvorbehalt. Die Frage, ob überhaupt und in welcher Weise die Nichtigkeitsfolge gelten soll, ist mithilfe des Zweckes der speziellen Verbotsnorm zu beantworten314. Fraglich ist, ob überhaupt ein Verbotsgesetz vorliegt und welche Rechtsfolge es bei seiner Verletzung vorsieht (Unwirksamkeit des entsprechenden Rechtsgeschäfts oder andere Rechtsfolge). Die Natur einer Vorschrift als Verbotsgesetz hat nicht so viel mit ihrem Wortlaut, sondern vielmehr mit ihrem Sinn und Zweck zu tun. Bedeutung hat dabei der Inhalt des Rechtsgeschäfts, dessen Erfolg, der rechtlich missbilligt wird, und die besonderen Umstände seiner Vornahme. Für die Beantwortung der Frage, ob die Verbotsvorschrift die Nichtigkeit zur Folge hat, ist der Normzweck beherrschend. Hinsichtlich der Vertragsstrafe ist zu betonen, dass es sich um einen gesetzlich vorgesehenen Vertragstypus handelt. Die Regel lautet, dass diese Vereinbarung als Sicherungsnebenabrede zulässig und wirksam ist. Nur sofern eine Vorschrift die Einbeziehung der Strafklausel ausdrücklich verbietet, taucht die Problematik der Gesetzeswidrigkeit auf. Die Vorschriften, die ein solches Verbot vorsehen, sind zahlreich und befinden sich in verschiedenen Bereichen des Privatrechts. Als Rechtfertigungsgrund für all diese Verbotsnormen ist die abstrakte Gefährlichkeit der Konventionalstrafe als Rechtsinstitution zu nennen. Die Vertragsstrafe sichert eine Hauptpflicht ab, indem eine neue Leistungspflicht bei Vorliegen einer Leistungsstörung die anfängliche Pflicht ersetzt oder ergänzt. Weil nun aber die neue Leistungspflicht üblicherweise die anfängliche Leistungspflicht übersteigt, ist sie eine Drohung für den Schuldner. Der psychische und wirtschaftliche Druck kann manchmal enorm sein. Dies hat unter anderem auch etwas mit dem Verlauf der Zeit zu tun, indem z. B. die Strafleistung nach der Anzahl der Verzugstage bemessen wird. Der Schuldner kann sich in einer schwachen Verhandlungsposition befinden, die sich nicht nur aus seinen Verhandlungsschwierigkeiten, sondern auch aus der Natur des Verhältnisses selbst ergibt, sobald es sich um lebenswichtige Gegenleistungen handelt (wie z. B. Nutzung einer Wohnung oder Arbeitsentgelt). Aus diesen Gründen 313

Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, S. 34 f. Vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 17 1. Generell zur Gesetzeswidrigkeit siehe Wolf/ Neuner, AT, § 45 Rn. 1 ff. 314

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

kam der Gesetzgeber zu der Erkenntnis, dass eine Überbelastung durch eine Vertragsstrafe die Interessen des Schuldners objektiv und strukturell in Gefahr bringt. Die folgenden Beispiele von Verboten einer Vertragsstrafe werden die vorgenannten Rechtfertigungsgründe unter Berücksichtigung des konkreten Zweckes jeder Einzelnorm erklären. b) Die besonderen Verbote der Vereinbarung einer Vertragsstrafe aa) Familien- und Erbrecht § 1297 Abs. 2 BGB ordnet an, dass das Versprechen einer Strafe, falls die Eheschließung nach dem Verlöbnis unterbleibt, nichtig ist. Die Vorschrift knüpft an den ersten Absatz an, wonach aus einem gültigen Verlöbnis eine materiellrechtliche Verpflichtung zur Eingehung der Ehe zwar entsteht, diese aber prozessrechtlich nicht einklagbar ist. Das ergibt sich aus der Eheschließungsfreiheit gemäß Art. 6 GG315. Das Verbot eines Eheschließungszwanges wäre sinnlos, wenn die Parteien es durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe mittelbar umgehen könnten. Deswegen ordnet § 1297 Abs. 2 BGB an, dass die entsprechende Klausel unwirksam ist316. Die Vorschrift erfasst Vertragsstrafen nicht nur zwischen den Verlobten, sondern auch zwischen einem Verlobten und einem Dritten317. Analog wird auch die Strafabrede für den Fall des Verstoßes gegen die eheliche Lebensgemeinschaft als unwirksam betrachtet318. Dies kann ebenfalls die Sittenwidrigkeit der Klausel nach sich ziehen. Der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers, dass auch die Testierfreiheit unbeschränkbar ist, findet in § 2302 BGB Verankerung und darf durch Strafabreden nicht übersehen werden319. bb) Mietrecht § 555 BGB sieht vor, dass die Vereinbarung, durch die sich der Vermieter eine Vertragsstrafe vom Mieter versprechen lässt, nichtig ist320. Die Vorschrift erfasst ausschließlich die Wohnraummiete und nur die Vertragsstrafen zulasten des Mieters. Vertragsstrafen des Vermieters sind unter Beachtung der allgemeinen Regeln zulässig. Die Regelung, die zwischen angemessenen und unangemessenen Strafen nicht differenziert, soll den Mieter davor schützen, dass der Vermieter den Wohn-

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BVerfG v. 22. 03. 2004, FamRZ 2004, 765 = NJW 2004, 2008. BGH v. 23. 10. 1962, FamRZ 1963, 83; PWW/Weinreich, § 1297 Rn. 9 f. 317 Vgl. Erman/Kroll-Ludwigs, § 1297 Rn. 2. 318 BGH v. 16. 12. 1960, MDR 1961, 297, 298 = NJW 1961, 504; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 18. 319 BGH v. 09. 02. 1977, NJW 1977, 950; PWW/Deppenkemper, § 2302 Rn. 1; Erman/ Schaub, Vor § 339 Rn. 3; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 18. 320 Die Vorschrift trat am 14. 07. 1964 als § 550a BGB in Kraft und wurde durch das Mietrechtsreformgesetz ohne inhaltliche Änderung als § 555 BGB übernommen. 316

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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raum (eines der lebenswichtigen Güter) als Druckmittel umfunktioniert321. Rechtsfolge ist die gemäß § 134 BGB geregelte Nichtigkeit der entsprechenden Klausel, ohne dass die Wirksamkeit des Gesamtvertrages beeinträchtigt wird. Außerdem finden die §§ 307, 309 Nr. 5 und 6 BGB Anwendung, sofern es sich um Formularverträge mit AGB handelt. Die Rechtsnorm wirft Fragen hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereiches auf. Während sie sich auf die Vertragsstrafe im weiten Sinne (echte und unechte)322, die Verfallklausel323 und das Reugeld324 erstreckt, erfasst sie die Schadenspauschalierung nicht325. Dieser Ansicht ist wegen der grundlegenden gesetzlichen Unterscheidung zwischen den zwei Instituten zu folgen326. Es ist nicht stets eindeutig, wann die in Frage kommende Klausel tatsächlich eine Vertragsstrafe und wann sie eine Schadenspauschale ist. Hier spielt die Rechtsprechung eine wichtige Rolle327. An dieser Stelle ist auch § 4 WoVermG zu erwähnen, wonach der Wohnungsvermittler und der Auftraggeber vereinbaren können, dass bei Nichterfüllung von vertraglichen Verpflichtungen eine Vertragsstrafe gezahlt werden muss. Diese aber darf 10 % des nach § 2 Abs. 1 WoVermG vereinbarten Maklerentgelts, höchstens jedoch 25 EUR nicht übersteigen328. 321

Statt vieler Schmidt-Futterer/Blank, § 555 Rn. 1 f. Erman/Lützenkirchen, § 555 Rn. 2; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 16; PWW/ Riecke, § 555 Rn. 5; Schmidt-Futterer/Blank, § 555 Rn. 3 f. Auch Vertragsstrafenversprechen Dritter werden von der Vorschrift erfasst. 323 BGH v. 22. 05. 1968, MDR 1968, 751 = NJW 1968, 1625 (Verfall von Verwendungsersatzansprüchen bei vom Mieter zu vertretender vorzeitiger Kündigung); BGH v. 04. 05. 1960, NJW 1960, 1568 = MDR 1960, 750; LG Mannheim v. 11. 12. 1975, WuM 1977, 99 (Verfall einer Kaution, falls der Mieter im ersten Jahr nach Vertragsbeginn auszieht); Erman/Lützenkirchen, § 555 Rn. 2; PWW/Riecke, § 555 Rn. 5; Schmidt-Futterer/Blank, § 555 Rn. 3 f. 324 Analoge Anwendung des § 555 BGB. Vgl. PWW/Riecke, § 555 Rn. 5; Schmidt-Futterer/Blank, § 555 Rn. 3 f. 325 OLG Hamburg v. 17. 04. 1990, MDR 1990, 724 = NJW-RR 1990, 909; Staudinger/ Rieble, § 339 Rn. 135; PWW/Riecke, § 555 Rn. 5. A. A. Schmidt-Futterer/Blank, § 555 Rn. 4. Generelle Beschreibung des Abgrenzungsproblems in Hess, Die Vertragsstrafe, S. 16 ff. 326 Mehr zur Wesensdifferenzierung zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung vgl. oben Teil 3 A. III. 3. 327 Als Vertragsstrafen sind die folgenden Klauseln qualifiziert worden: LG Stuttgart v. 30. 04. 1987, WuM 1987, 254 f. (Bestimmung, dass der Mieter beim Verstoß gegen die Anzeigepflicht des § 536c BGB sämtliche Reparaturkosten tragen muss); LG Köln v. 15. 12. 1970, MDR 1971, 929 (Verpflichtung des Mieters bei Unterlassung der Schönheitsreparaturen oder bei einem Verstoß gegen ein Konkurrenzverbot vier Monatsmieten an den Vermieter zu zahlen); AG Frankfurt v. 09. 03. 1990, WuM 1990, 195 (Vereinbarung überhöhter Pauschalen mit Strafcharakter bei Beschädigung der Mietsache); AG Wuppertal v. 08. 09. 1980, WuM 1981, 105; AG Charlottenburg v. 20. 10. 1980, WuM 1981, 227 f. (Klausel, für die der Mieter für jede Mahnung des Vermieters einen Betrag von 10 DM zu zahlen hat); AG Köln v. 06. 05. 1969, WuM 1969, 183 f. 328 MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 16; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 136.; Fischer, Maklerrecht, S. 103 ff. 322

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Das gesetzliche Verbot gemäß § 555 BGB erstreckt sich ausschließlich auf die Wohnraummiete. In Geschäftsraummiet- und Pachtverträgen sind Vertragsstrafen dagegen zulässig, sie unterliegen jedoch einer Kontrolle gemäß §§ 138, 307 und 309 Nr. 6 BGB (die letzteren Kontrollvorschriften werden auf Formularverträge angewendet)329. Die Wirksamkeit von Vertragsstrafen in Autovermietungsverträgen ist von Gesetzes wegen unbestritten330. cc) Arbeitsrecht (1) Allgemeines „Denn statistisch betrachtet mögen die in Arbeitsverträgen vereinbarten Vertragsstrafen gegenwärtig vielleicht nicht sehr stark ins Gewicht fallen.“331

Dass diese Äußerung der Realität der Rechtspraxis nicht mehr entspricht, ist kaum zu bezweifeln332. Die Praxis hat gezeigt, dass die Vertragsstrafe ein sehr wichtiges Instrument bei der Vertragsgestaltung auch im Arbeitsrecht geworden ist. Die Vertragspartei, die sich katexochen durch Vertragsstrafen zu Vertragstreue verpflichtet, ist der Arbeitnehmer. Sehr häufig betreffen in Arbeitsverträgen enthaltene Strafklauseln den unzulässigen Vertragsbruch, nämlich den Nichtantritt der Arbeitsstelle, die Nichteinhaltung der vereinbarten Vertragszeit oder Kündigungsfrist oder den Bruch eines Vorvertrages, die schuldhafte Nichterfüllung des Arbeitsvertrages und den Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot. Nicht nur Haupt-, sondern auch Nebenpflichten (z. B. Verschwiegenheitspflichten, Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen bei Vertragsbeendigung) können durch Strafklauseln abgesichert werden. Die Strafe kann auch für den Fall der vom Arbeitnehmer provozierten Kündigung des Arbeitgebers vereinbart werden333. Die Strafvereinbarung setzt nicht nur eine Hauptpflicht, ohne dass die selbstständigen Strafen außer Betracht gelassen werden, sondern vielmehr auch eine 329

Zur Zulässigkeit der Vertragsstrafen in solchen Verträgen vgl. BGH v. 12. 03. 2003, NJW 2003, 2158; BGH v. 18. 04. 1984, NJW 1985, 57; OLG Düsseldorf v. 23. 11. 1995, MDR 1996, 465; OLG Hamburg v. 06. 01. 1988, DWW 1988, 41 f.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 17; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 137; Schmidt-Futterer/Blank, § 555 Rn. 10 ff. 330 Vgl. BGH v. 21. 11. 2007, MDR 2008, 317 (Vertragsstrafe für die Sicherung der Pflicht eines Kfz-Mieters, den Vermieter im Falle eines Unfalls unverzüglich zu informieren); KG Berlin v. 11. 11. 1998, NJW-RR 1999, 1659 (Vertragsstrafe gegen den Mieter eines Lkw für die Sicherung der in § 9 Abs. 5 StVO vorgesehenen Einweisungspflicht beim Rückwärtsfahren); MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 16; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 137. 331 Söllner, AuR 1981, 97. 332 Vgl. Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 1: „In nahezu jedem vierten Arbeitsvertrag finden sich Vertragsstrafenklauseln.“ 333 Typologie in ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 6, 15 ff.; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 3; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 189 ff.; Weber, AuA 1999, 551, 552 f.

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Vereinbarung voraus. Diese Vereinbarung kann in einem Individualarbeitsvertrag oder einem Formulararbeitsvertrag enthalten sein. Der Letztere ist die Regel. Auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können Vertragsstrafen vorsehen334. Die Strafklauseln bringen Gefahren für den Arbeitnehmer mit sich. Die Überbelastung ist besonders dann eine unangemessene Benachteiligung, wenn die Vertragsstrafe in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung enthalten ist, weil der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen kann. Das Problem der Belastung wird dadurch größer, dass der Arbeitgeber in der Praxis Exzessstrafen durchsetzt, die seine Interessen übermäßig schützen, und die Verfallsvoraussetzungen zulasten des Arbeitnehmers anordnet (z. B. Verwirkung unabhängig von einem Verschulden)335. (2) Die generelle Zulässigkeit der Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen: Problem und Stellungnahme Wegen der Gefährlichkeit der Vertragsstrafe für die Interessen des Arbeitnehmers und wegen des Schutzcharakters des Arbeitrechts hat sich im Schrifttum eine Tendenz herauskristallisiert, wonach Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen unzulässig seien. Die betreffenden Argumente können sich voneinander unterscheiden, aber sie führen zum gleichen Schluss: zum Verbot der Strafklauseln in Arbeitsverträgen. Einer Meinung nach seien die Vertragstsrafen unwirksam, weil sie dem Arbeitgeber eine einseitige Interessenwahrung verschafften. Diese Ungleichgewichtslage, die auch im Wohnraummietrecht herrsche, zwinge den Rechtsanwender, den Arbeitnehmer genauso wie den Mieter (§ 555 BGB) zu schützen336. Ein weiteres Argument wird aus § 888 ZPO abgeleitet. Besonders § 888 Abs. 3 ZPO verbiete, dass die Dienstverpflichteten zur Leistung durch Zwangsgeld und Zwangshaft abgezwungen werden. Da die Vertragsstrafe einem Institut des Zwangsvollstreckungsrechts nahekomme, sei auch sie vom Verbot des § 888 Abs. 3 ZPO erfasst337. Eine weitere Betrachtung bejaht die Zulässigkeit von Vertragsstrafen nur, solange ein „berechtigtes Interesse“ des Arbeitgebers daran bestehe338. Schließlich begründe § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ein generelles Verbot von Strafklauseln im Arbeitsrecht, weil der Gesetzgeber die früher geltende Rechtslage, wonach die AGB-Kontrolle in diesem

334 Vgl. Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 64 ff.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 6 f.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 144 f.; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 26 f. Vgl. auch oben Teil 3 A. III. 9. 335 Beschreibung des Problems in ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 7; Preis/ Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 4. 336 Däubler, Das Arbeitsrecht 2, Rn. 752. 337 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 72; Soergel/Lindacher, Vor § 339 Rn. 16; Langheid, DB 1980, 1219. 338 So Schwerdtner, in: FS Hilger/Stumpf, S. 631.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Bereich nicht möglich war (§ 23 Abs. 1 AGBG)339, bewusst und ausdrücklich reformiert habe. Das partielle Verbot solle nicht nur für die in AGB enthaltenden Strafen gelten, sondern sich auf alle Vertragsstrafenabreden im Arbeitsrecht erstrecken340. Bei einer eigenen Stellungnahme zum Problem der Zulässigkeit der Vertragsstrafe im Arbeitsrecht muss man Folgendes berücksichtigen: Die Rechtslage des Mieters ist mit dieser des Arbeitnehmers nicht ohne Weiteres vergleichbar. Der Vermieter findet sich in Hinsicht auf den Schadensbeweis in besserer Lage als der Arbeitgeber. Dies kann zur Rechtfertigung des Ausschlusses der Vertragsstrafen im Wohnraummietrecht führen341. Weder § 555 BGB noch § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG können eine generelles Verbot von Vertragsstrafen im Arbeitsrecht begründen. Der Grundsatz der Privatautonomie als Vertragsfreiheit hat zur Folge, dass die Beteiligten im Rechtsverkehr einen Vertrag jeden Inhalts abschließen können, soweit dieser Inhalt durch eine Regelung nicht ausdrücklich verboten ist. Die Ausnahmen von der Vertragsfreiheit müssen konkret vorgesehen werden und eine Übertragung von Verboten auf ein anderes Rechtsgebiet (oder außerhalb des ganz speziellen Anwendungsbereichs wie bei § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) ist abzulehnen. Bezüglich des Argumentes aus § 888 Abs. 3 ZPO ist anzumerken, dass sich die Vorschrift nicht auf Privatpersonen, sondern auf staatliche Organe im Hinblick auf die Ordnung der Zwangsvollstreckung bezieht342. Ein Titel, der die Erbringung von Arbeitsleistungen betrifft, vollstreckt sich nach § 887 ZPO, genauer gesagt nach der Ersatzvornahme durch einen Dritten auf Kosten des Arbeitnehmers. Diese Beschränkung auf ein bestimmtes Vollstreckungsmittel kann den Ausschluss von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen jedoch nicht rechtfertigen, weil die Vertragsstrafe anders als das Zwangsgeld nicht nur eine Druck-, sondern auch eine Beweisfunktion erfüllt343. Dass das Verbot des § 888 Abs. 3 ZPO keine Argumente für die Unzulässigkeit der Vertragsstrafen vorbringen kann, entspricht der herrschenden Meinung344. Dagegen wird die Vorschrift heute als eine Besonderheit des Arbeits339 Aber auch im vorherigen Rechtsstand wurde die Meinung vertreten, dass § 23 AGBG die Kontrolle der Vertragsstrafen nicht verhindern konnte. So AG Herford v. 02. 07. 1981, NJW 1982, 1550; Stein, BB 1985, 1402. 340 v. Koppenfels, NZA 2002, 598 ff. 341 Vgl. Söllner, AuR 1981, 97, 102 („Die gegenüber der Wohnungsmiete weitaus größere Vielfalt des Arbeitslebens mahnt zur Vorsicht.“); Engel, Konventionalstrafen, S. 114 f.; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 206; Heinze, NZA 1994, 244, 250; Beisenkötter, Arbeitsvertragsbruch durch den Arbeitnehmer, S. 100 f. 342 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 139. 343 Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 207; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 9. 344 Vgl. BAG v. 21. 04. 2005, NZA 2005, 1053, 1054 f. = BB 2005, 2822; BAG v. 04. 03. 2004, NZA 2004, 727, 728 = BB 2004, 1740 = NJW 2004, 2797; BAG v. 23. 05. 1984, NJW 1985, 91 = NZA 1984, 255; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 9; Engel, Konventionalstrafen, S. 100 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 8; MünchKomm/Gott-

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rechts im Sinne von § 310 Abs. 4 S. 2 BGB verstanden, die die Zulässigkeit von Vertragsstrafen rechtfertigen kann345. Der bedingten Billigung von Vertragsstrafen, soweit der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Einbeziehung der Strafklauseln in den Arbeitsvertrag hat, ist Unklarheit und Ungenauigkeit vorzuwerfen. Die Differenzierung zwischen zulässigen und unzulässigen Strafen auf der Basis eines unzureichenden Kriteriums hilft der Rechtssicherheit in einem Bereich wie dem Arbeitsrecht nicht, indem sie besonders bedeutsam ist346. Hinsichtlich des Argumentes aus § 309 Nr. 6 BGB ist daran festzuhalten, dass das frühere Recht (§ 11 Nr. 6 AGBG) eine andere Regelung vorsah. Da § 23 Abs. 1 AGBG die direkte Anwendung der AGB-Kontrolle in Arbeitsverträgen auschloss, gab es eine Tendenz, die Strafklauseln durch analoge Anwendung des AGBG zu kontrollieren. Dennoch hat die herrschende Meinung diese Betrachtung abgelehnt347. Die Rechtslage nach der Schuldrechtsmodernisierung führt dazu, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 309 Nr. 6 BGB, das heißt die Unwirksamkeit von Strafklauseln, auf Arbeitsverträge erstreckt hat. Aus dieser Neuregelung oder aus anderen Prinzipien (z. B. Treu und Glauben) darf jedoch kein generelles Verbot von Vertragsstrafen abgeleitet werden. Der vorgesehene Ausschluss in einer expliziten Vorschrift beweist, dass der Durchbruch der Vertragsfreiheit in Form des Verbots einer ganzen Kategorie von Verträgen eine solche ausdrückliche Regelung voraussetzt. Darüber hinaus wäre das Verbot der Vertragsstrafen durch diese Einzelvorschrift sinnlos, wenn ein generelles Verbot im ganzen Bereich des Arbeitsrechts geherrscht hätte. Außerdem spricht § 310 Abs. 4 S. 2 BGB von der Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts, welche die Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB beseitigen können348. Eine solche Besonderheit ist die Schwierigkeit des Arbeitgebers, seinen Schaden bei Vertragbruch des Arbeitnehmers nachzuweisen349. Als weitere Besonderheit ist freilich der nach § 888 Abs. 3 ZPO geregelte Ausschluss des Zwangsgeldes und der Zwangshaft als Mittel zur Durchsetzung der Arbeitspflicht zu charakterisieren. Dies schwächt die Stellung des Arbeitnehmers neben den Be-

wald, § 339 Rn. 19; Heinze, NZA 1994, 244, 249; Beisenkötter, Arbeitsvertragsbruch durch den Arbeitnehmer, S. 108 ff.; Tödtmann/Kaluza, DB 2011, 114, 115. 345 BAG v. 21. 04. 2005, NZA 2005, 1053, 1054 f. = BB 2005, 2822. Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 2. h) bb) (6) (a). 346 Vgl. Engel, Konventionalstrafen, S. 125 f.; Beisenkötter, Arbeitsvertragsbruch durch den Arbeitnehmer, S. 116 f. 347 BAG v. 23. 05. 1984, NJW 1985, 91, 92 = NZA 1984, 255; Beisenkötter, Arbeitsvertragsbruch durch den Arbeitnehmer, S. 112 ff.; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 208 ff. 348 Mehr dazu unten Teil 3 B. II. 2. h) bb) (6) (a). 349 Vgl. BAG v. 23. 05. 1984, NJW 1985, 91, 92 = NZA 1984, 255. Ob tatsächlich diese Beweisschwierigkeit eine Besonderheit des Arbeitsrechts darstellt, ist eine Frage, die unten Teil 3 B. II. 2. h) bb) (6) (a) beantwortet wird.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

schränkungen der Kündigung durch das KSchG ersichtlich ab350. Daher rechtfertigen die Besonderheiten des Arbeitsrechts den Gebrauch von Strafklauseln in Arbeitsverträgen351. Aus diesen Gegenargumenten ergibt sich die Schlussfolgerung, dass ein Verbot von Vertragsstrafen konzeptionell nicht überzeugend begründet werden kann. Demgemäß hat man sich an die wohl herrschende Meinung in der Rechtsprechung352 und im Schrifftum353 zu halten, wonach die Vertragsstrafe als Sicherungsmittel auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zulässig ist. (3) Die Vorschläge zur Regelung der Strafklauseln in Arbeitsverträgen Die Frage der Zulässigkeit der Strafklauseln bei Arbeitsverträgen ist Gegenstand aller Vorschläge zur einheitlichen Regelung des Arbeitsrechts geworden354. Hinsichtlich der neuesten Gesetzgebungsversuche ist an dieser Stelle § 12 Abs. 1 des Entwurfs eines Arbeitsgesetzbuches – Allgemeines Vertragsrecht der von der Bundesregierung eingesetzen Arbeitsgesetzbuchskommission aus dem Jahre 1977 zu erwähnen, der vorsah, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Vertragsstrafe vereinbaren können. Diese generelle Vorschrift wurde in den darauf folgenden Absätzen allerdings bemerkenswert eingeschränkt. Die Strafabrede sollte nur dann wirksam sein, sofern sie eine Verletzung einer Wettbewerbsabrede oder einen Vertragsbruch im Sinne von einem rechtswidrigen und vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Nichtantritt oder einer Beendigung der Arbeit (§ 12 Abs. 2) sanktionierte. Bezüglich der Vereinbarung der Strafhöhe sollten die Stellung und die Aufgaben des Arbeitnehmers im Betrieb Berücksichtigung finden. Höchstgrenze bei Vorliegen eines Vertragsbruchs sollte der doppelte Betrag des dem Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt für einen Monat zustehenden regelmäßigen Entgelts und bei der Verletzung einer Wettbewerbsabrede das letzte regelmäßige Jahresarbeitsentgelt sein (§ 12 350

Vgl. statt vieler Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 9. ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 8. 352 St. Rspr.: BAG v. 04. 03. 2004, NZA 2004, 727 = BB 2004, 1740; BAG v. 27. 05. 1992, AuR 1992, 318; BAG v. 13. 06. 1990, JurionRS 1990, 15169; BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782; BAG v. 23. 05. 1984, NJW 1985, 91, 92 = NZA 1984, 255; BAG v. 23. 06. 1982, NJW 1983, 1575 = MDR 1983, 347; OLG Hamm v. 01. 12. 1983, MDR 1984, 404. 353 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 142; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 19; Söllner, AuR 1981, 97, 102 f.; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 8 f.; Engel, Konventionalstrafen, S. 114 ff.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 6 ff.; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 4 ff.; Hoß, ArbRB 2002, 138, 141 f.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 7 ff.; Heinze, NZA 1994, 244, 249 ff.; Beisenkötter, Arbeitsvertragsbruch durch den Arbeitnehmer, S. 100 ff.; Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 211; Schwerdtner, in: FS Hilger/Stumpf, S. 631, 647 ff. (trotz der teilweisen Differenzierung); Fuhlrott/Hoppe, AuA 2012, 576. 354 Siehe Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 9. Informationen über die Entwürfe der Jahre 1923, 1938 und 1971/1972 (Entwürfe eines Zweiten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes) in Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, Erster Teil, A. IV-VIII; Engel, Konventionalstrafen, S. 192 ff. 351

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Abs. 3). Die Schriftform sollte für die Wirksamkeit der Strafenabrede erforderlich sein (§ 12 Abs. 4). Der Arbeitgeber sollte bei der Verletzung des Wettbewerbsverbots ein Wahlrecht zwischen Schadensersatz und Vertragsstrafe haben. Solange der Arbeitgeber aber die Zahlung der Vertragsstrafe wählen würde, sollte der Schadensersatzanspruch entfallen (§ 12 Abs. 5 bb)355. Der Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG) des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit ist 1992 an die Öffentlichkeit getreten. Auch § 101 ArbVG ging von einer generellen Zulässigkeit von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen aus, hatte dieser jedoch viele Beschränkungen im Nachhinein gesetzt. Die Vertragsstrafe zulasten des Arbeitnehmers sollte nur im Fall des Nichtantritts, des verspäteten Antritts oder der vorzeitigen Beendigung der Arbeit, des Verstoßes gegen Verschwiegenheitspflichten und des Verstoßes gegen Wettbewerbsverbote wirksam sein. Die gleiche Vorschrift sah vor, dass die Vertragsverletzung und die Strafhöhe in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen sollten. Weitere Beschränkung war die gesetzliche Höchstgrenze des Doppelten eines durchschnittlichen Monatsentgelts für jeden Verstoß, welche die Vertragsstrafe nicht übersteigen durfte. Eine Herabsetzung übermäßig hoher Vertragsstrafen nach Anwendung des § 343 Abs. 1 BGB sollte aber ebenfalls möglich sein356. Im Jahre 1993 erschien der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerhaftung. Nach § 619a Abs. 2, 3 des Entwurfs sollte diese Haftung die Höhe von drei Nettomonatsvergütugungen nicht überschreiten und ist damit als eine bemerkenswerte Begrenzung der Vereinbarungsfähigkeit von Strafen zu bewerten357. Die vorgenannten Gesetzgebungsvorschläge weisen auf eine vertragsstrafenfeindliche Betrachtung im Arbeitsrecht hin. Dennoch kann keine Rede von solchen Beschränkungen sein, die ein generelles Verbot begründen. De lege lata kann keine solche Meinung vertreten werden. (4) Die besonderen Beschränkungen der Vereinbarungsfähigkeit von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen Als erste Vorschrift des Arbeitsrechts, die Vertragsstrafen ausdrücklich verbietet, kommt § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG in Betracht. Demgemäß sind die von Auszubildenden versprochenen Vertragsstrafen im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses unwirksam. Ziel der Vorschrift ist es, den Auszubildenden von übermäßigem Fest-

355 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 20; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 10; Engel, Konventionalstrafen, S. 200 f. Fast identischen Inhalts war § 29 des Entwurfs für ein Arbeitsverhältnisgesetz des Deutschen Gewerkschaftsbundes im gleichen Jahr. 356 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 21; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 11. 357 Vgl. MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 22.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

halten am Ausbildungsverhältnis zu entlasten358. Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift sind die Parteien eines Vertrages, der die Berufsausbildung im Sinne von § 1 Abs. 3 BBiG und nicht die berufliche Fortbildung und Umschulung zum Gegenstand hat, davon erfasst. Das Verbot gilt nicht für den Bereich rein schulischer Ausbildung359. § 26 BBiG erstreckt den Anwendungsbereich der Schutzvorschrift auf Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen erstmals360 zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne des BBiG handelt. Gemeint sind damit vor allem Anlernlinge, Volontäre und Praktikanten361. Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift geht man generell davon aus, dass nur Vertragsstrafen verboten sind, die sich direkt auf das Ausbildungsverhältnis beziehen362. Wenn sich aber der Auszubildende innerhalb der letzten sechs Monate des Berufsausbildungsverhältnisses dazu verpflichtet, nach dessen Beendigung mit dem Ausbildenden ein Arbeitsverhältnis einzugehen, dann ist diese Vereinbarung wirksam (§ 12 Abs. 1 S. 2 BBiG). § 110 GewO ordnet an, dass die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Vereinbarung beschränken können (Wettbewerbsverbot). In solchen Fällen finden die §§ 74 bis 75 f HGB Anwendung. Hier sind vor allem die Beschränkungen des § 75c HGB interessant. Persönlich betrachtet werden alle Arbeitnehmer gemäß § 110 GewO davon erfasst363. Die für kaufmännische Angestellte geltenden Wettbewerbsregelungen der §§ 74 ff. HGB und darunter § 75c HGB sind wegen des vergleichbaren Schutzbedürfnisses auch auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter (Subunternehmer) anzuwenden364. Wenn aber die Wettbewerbsabrede bereits nichtig ist, dann kommt kein Schutzbedürfnis in Betracht, weil keine abgesicherte Pflicht vorliegt365. Die Vertragsstrafen, die in Formulararbeitsverträgen enthalten sind, unterliegen seit der Schuldrechtsreform zwar der AGB-Kontrolle. Jedoch scheitert die Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB auf Vertragsstrafen wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bereits aufgrund des Wortlauts der Vorschrift. Dies bedeutet, dass für die Inhaltskontrolle nur die Generalklausel des 358

Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 74; Lakies/Malottke, § 12 BBiG Rn. 23 f.; Leinemann/Taubert, § 12 BBiG Rn. 25 ff. 359 BAG v. 16. 10. 1974, BB 1975, 184 = DB 1975, 262. 360 BAG v. 20. 02. 1975, BB 1975, 1206 = DB 1975, 1659; Engel, Konventionalstrafen, S. 63 ff. 361 Vgl. LAG Nürnberg v. 04. 11. 1992, NZA 1993, 507; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 146; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 76. 362 BAG v. 23. 06. 1982, MDR 1983, 347 = NJW 1983, 1575; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 146; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 77; Leinemann/ Taubert, § 12 BBiG Rn. 27. 363 Vgl. schon BAG v. 16. 05. 1969, DB 1970, 257 = NJW 1970, 443. 364 BGH v. 10. 04. 2003, NJW 2003, 1864, 1865 = MDR 2003, 1000. 365 BAG v. 21. 01. 1997, MDR 1997, 1035 = NJW 1998, 99.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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§ 307 BGB maßgeblich ist366. Gemäß Abs. 1 der Vorschrift kann der Arbeitgeber seine Ansprüche nur aus § 340 BGB geltend machen. Es wird ihm ein Wahlrecht zwischen dem Anspruch auf Entrichtung der verwirkten Strafe und dem Anspruch auf Erfüllung des Wettbewerbsverbots eingeräumt. Eine Möglichkeit, die verwirkte Strafe neben der Unterlassung wie bei § 341 BGB zu verlangen, hat er nicht. Besondere Bedeutung hat § 340 Abs. 1 S. 2 BGB, der anordnet, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Erfüllung verliert, solange er den Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe geltend macht. Eine Gestaltung im Sinne des § 341 BGB (Vertragsstrafe neben der Erfüllung) ist ausgeschlossen367. Auch 340 Abs. 2 BGB findet Anwendung. Wenn der Arbeitgeber Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 280 BGB verlangt, dann kann er die Vertragsstrafe als Mindestbetrag des Schadens geltend machen, ohne dass die Geltendmachung des weiteren Schadens ausgeschlossen ist368. Ausschlaggebend für die Strafhöhe ist § 75c Abs. 2 HGB, wonach die Herabsetzungsmöglichkeit einer unverhältnismäßig hohen Strafe unberührt bleibt369. Die Regel hat deklaratorischen Charakter, weil die Herabsetzung ohnehin möglich ist370. Es ist selbstverständlich, dass bei der Angemessenheitskontrolle der Strafhöhe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers eine überwiegende Rolle spielt371. Darüber hinaus ist die Meinung einstimmig, dass § 75c Abs. 2 HGB, der eine Vertragsstrafe betrifft, die ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot absichert, ohne weiteren Gegenstand ist372. § 612a BGB ist die Vorschrift, die eine freie Ausübung der Rechte des Arbeitnehmers gewährleisten will373. Erfasst wird davon jede Form der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer374. Die Vorschrift schützt die Ausübung nur tatsächlich bestehender Rechte in zulässiger Weise (z. B. Erhebung der Kündigungsschutzklage)375. Mit dem Begriff „Vereinbarungen“ werden alle einzel- oder kol-

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Vgl. BAG v. 14. 08. 2007, NZA 2008, 170 = NJW 2008, 1494; BAG v. 18. 08. 2005, NZA 2006, 34 = AuA 2006, 53; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 148; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 47; Diller, NZA 2005, 250, 253; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 925; Bauer/Diller, NJW 2002, 1609, 1614 f.; Großkomm.HGB/Weber, § 75c HGB Rn. 3 ff. 367 Mehr zur Anwendung des § 340 Abs. 1 BGB in Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 149; Großkomm.HGB /Weber, § 75c HGB Rn. 8 ff. 368 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 969; Großkomm.HGB /Weber, § 75c HGB Rn. 14. 369 Diller, NZA 2005, 250, 253 f. Aus der älteren Literatur siehe Schiller, Die Vertragsstrafe, S. 40 ff. 370 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 149; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 946 ff.; Großkomm.HGB /Weber, § 75c HGB Rn. 16 ff. 371 Vgl. Popp, NZA 1988, 455, 457. 372 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 151; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 923; Großkomm.HGB /Weber, § 75c HGB Rn. 22. 373 Vgl. statt vieler Faulenbach, Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, passim. 374 Faulenbach, Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, S. 56 ff. 375 Faulenbach, Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, S. 82 ff.

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lektivrechtlichen Abreden gemeint376. Das Element „Maßnahmen“ hat die Bedeutung der vom Willen des Arbeitgebers erfassten einseitigen Verhaltensweisen mit tatsächlichem, geschäftsähnlichem oder rechtsgeschäftlichem Charakter (z. B. Kündigung)377. Die Vereinbarungen oder die Maßnahmen können nur dann als benachteiligend bezeichnet werden, solange sie die Schlechterstellung des Arbeitnehmers bewirken378 und solange zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung ein Kausalzusammenhang besteht379. An diesem Punkt unterscheidet die Literatur zwischen zulässigen und unzulässigen Vereinbarungen und Maßnahmen. Die Strafvereinbarung in einem Arbeitsvertrag wird als zulässig erachtet, solange sie im Übrigen wirksam vereinbarte Verhaltenspflichten sanktioniert380. Bezüglich anderer gesetzlicher Schranken steht fest, dass diese konkret im Gesetz vorgesehen sein müssen. Ein solches Beispiel war § 134 Abs. 1 GewO a. F., der die Verwirkung des rückständigen Lohnes über den Betrag des durchschnittlichen Wochenlohnes hinaus für den Fall der rechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer untersagte381. Wie bereits erläutert, ist § 888 Abs. 3 ZPO kein Hindernis für die Vereinbarung von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen. Dagegen rechtfertigt die Vorschrift als Besonderheit des Arbeitsrechts die Einbeziehung von Strafklauseln in solchen Verträgen. Daraus folgt, dass die allgemeinen Regeln (§§ 134, 138, 242, 313 BGB) Grenzen in der Vereinbarungsmöglichkeit von Vertragsstrafen setzen382. (5) Die Unterscheidung zwischen individuell vereinbarten und vorformulierten Vertragsstrafen Die Strafklauseln können entweder durch Individualvereinbarung oder durch vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen (sog. Arbeitsbedingungen) in einen Arbeitsvertrag einbezogen werden. Die Formulierung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB erlaubt die Kontrolle der vorformulierten Arbeitsbedingungen nach der 376

Faulenbach, Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, S. 90 ff. Faulenbach, Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, S. 86 ff. 378 Faulenbach, Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, S. 94 ff. 379 Faulenbach, Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, S. 106 ff. 380 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 152. Z. B. ist die Sozialplanklausel, wonach der Arbeitnehmer, der eine Kündigungsschutzklage erhebt, die Abfindung verliert, unzulässig. Die Ausübung gesetzlich oder tarifvertraglich eingeräumter Rechte darf durch Vertragsstrafen nicht beschränkt werden. Solange aber es um besonders vereinbartes Verhalten (z. B. Gratifikationsrückzahlungsklausel) geht, ist die entsprechende Strafklausel wirksam. 381 Die Vorschrift wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24. 08. 2002 (BGBl. I S. 3412) m. W. v. 01. 01. 2003 aufgehoben. 382 BAG v. 04. 03. 2004, DB 2004, 1616 = NJW 2004, 2797; LAG Baden-Württemberg v. 05. 01. 2005, AuA 2005, 236 = ZIP 2005, 1292; Reichenbach, NZA 2003, 309, 310; Joost, ZIP 2004, 1981, 1982; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 23; Engel, Konventionalstrafen, S. 81 ff., 160 ff., 210 ff. 377

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Schuldrechtsreform. Die vorgenannte Differenzierung betrifft vor allem die an unterschiedlichen Maßstäben orientierte Rechtskontrolle. Das Gesetz selbst nimmt diese Differenzierung vor, indem es die Individualvereinbarung in § 305b BGB (früher: § 4 AGBG) erwähnt. Jedoch definiert sie die Individualvereinbarung dort nicht. Es ist davon auszugehen, dass eine solche Vereinbarung vorliegt, wenn beide Parteien diese ausdrücklich oder stillschweigend ausgehandelt haben. Sie ist von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen abzugrenzen, bei denen eine Partei der anderen die Bedingungen stellt. Maßgeblich ist § 305b BGB, wonach eine Individualvereinbarung den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgeht. Es handelt sich demnach um eine Kollisionsnorm. Es ist unerheblich, dass die Vertragsparteien einen eventuellen Widerspruch zu den ebenso vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesehen haben383. Die Auslegung von Individualvereinbarungen erfolgt nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB und nicht nach denen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305c Abs. 2, 306 BGB. (6) Die besonderen Erfordernisse für die Zulässigkeit von individuell vereinbarten Strafabreden im Arbeitsrecht Die Rechtsprechung und die Literatur haben besondere Anforderungen für die Wirksamkeit einer individuell vereinbarten Strafklausel herauskristallisiert, von denen die Kontrolle solcher Klauseln im Arbeitsrecht neben der Nachprüfung nach den vorgenannten generellen Vorschriften abhängt. Als Erstes werden die Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit überprüft. Dies hat zur Folge, dass sowohl das zu sanktionierende Schuldnerverhalten als auch die zu leistende Strafleistung ausreichend klar und bestimmt oder mindestens bestimmbar (mithilfe der §§ 133, 157 BGB) sein müssen, damit sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann384. Beispiele unbestimmter Strafklauseln sind: „Schuldhaftes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung veranlasst hat“385, „im Falle eines gravierenden Vertragsverstoßes“386, „Nichteinhaltung des Vertrags“, „low performance“387, „Verstoß gegen Bestimmungen des Dienstvertrages, Verstoß gegen Weisungen des Arbeitgebers, unberechtigte Beendigung der Tätigkeit oder vorsätzliche Erbringung einer dienstlichen Schlechtleistung“388. 383 Vgl. zur Differenzierung statt vieler PWW/Berger, § 305b Rn. 1 ff. Im Bereich des Arbeitsrechts Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 54 ff. 384 BAG v. 14. 08. 2007, BB 2008, 395 = NJW 2008, 1494; BAG v. 21. 04. 2005, NZA 2005, 1053, 1055 = BB 2005, 2822; BAG v. 14. 12. 1988, JurionRS 1988, 14406; BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782 = VersR 1987, 83; LAG Hessen v. 05. 09. 1967, DB 1968, 987; Engel, Konventionalstrafen, S. 160 ff.; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 57 f.; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 12; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 11; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 212 ff. 385 BAG v. 21. 04. 2005, NZA 2005, 1053, 1055 = BB 2005, 2822. 386 BAG v. 18. 08. 2005, AuA 2006, 53, 54 = NZA 2006, 34. 387 ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 12; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 11. 388 LAG Hessen v. 05. 09. 1967, DB 1968, 987.

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Strafversprechen, die global alle nicht näher bezeichneten arbeitsvertraglichen Pflichten absichern, sind nicht ausreichend bestimmt und daher unwirksam389. Auch Nebenpflichten, die durch eine Vertragsstrafe sanktioniert werden, sind diesem Bestimmtheitsgrundsatz zu unterstellen390. Eine Auflistung von Beispielen von Vertragsverletzungen kann die erforderliche Bestimmtheit gewährleisten391. Dieses verschärfte Bestimmtheitsgebot, auf das es auf die Wirksamkeit der Strafklauseln in den Arbeitsverträgen ankommt, wird vereinzelt als ungerechtfertigt verworfen. Es sei mit der weiten Formulierung der Strafklausel, die auch generalklauselartig gefasst werden könne, unvereinbar392. Diese Ansicht ist aber abzulehnen. Zu den Besonderheiten und gleichzeitig Existenzgründen des Arbeitsrechts zählt das Erfordernis eines erhöhten Schutzes des Arbeitnehmers. Die Rechtsprechung hat auf diese Besonderheit dadurch Rücksicht genommen, indem sie die einseitigen Strafenabreden im Zweifel eng auslegt393. Das Merkmal der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers kann zwar die Unzulässigkeit der Vertragsstrafen im Arbeitsrecht nicht begründen. Jedoch kann es erhöhte Erfordernisse an Bestimmtheit verlangen. Die Problematik der speziellen Behandlung der Vertragsstrafen im Rahmen der Individualvereinbarungen erschöpft sich nicht nur im Bestimmtheits- und Klarheitsgrundsatz. Es handelt sich zudem um die Unzulässigkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung, weil sie das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers einseitig beeinträchtigt. § 622 Abs. 2 BGB ordnet an, dass die Vereinbarung einer längeren Frist für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer als für die Kündigung durch den Arbeitgeber unwirksam ist. Aus diesem Verbot, das nur die Kündigungsfrist betrifft, haben die Rechtsprechung394 und die Literatur395 ein generelles Verbot ungleicher Behandlung des Arbeitnehmers in Hinsicht auf die Kündigung hergeleitet. Solange die Kündigungsfrist für beide Parteien gleich ist, dann ist die Vertragsstrafe zulasten des Arbeitnehmers bei Nichteinhaltung dieser 389

BAG v. 21. 04. 2005, NZA 2005, 1053, 1055 = BB 2005, 2822. BAG v. 04. 09. 1964, DB 1964, 1666. 391 BAG v. 18. 08. 2005, AuA 2006, 53, 54 = NZA 2006, 34. Die Aufzählung besonderer Beispiele, die den Begriff „Vertragsbruch“ konkretisieren, muss aber abschließend sein. Eine „Insbesondere“-Auflistung genügt nicht. So LAG München v. 24. 09. 2009, JurionsRS 2009, 28225. Eingehend dazu Henssler/Moll, AGB-Kontrolle, S. 81. 392 Vgl. Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 97, § 339 Rn. 32. 393 BAG v. 20. 04. 1989, JurionRS 1989, 14495. 394 Vgl. BAG v. 09. 03. 1972, BB 1972, 798 = DB 1972, 1245; BAG v. 11. 03. 1971, BB 1971, 706 = DB 1971, 1068; BAG v. 09. 02. 1956, DB 1956, 503, 504 = NJW 1956, 926; LAG Hamm v. 15. 03. 1989, BB 1989, 1343 = DB 1989, 1191. 395 Vgl. Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 59; ErfK/ Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 13; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 14; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 214 f. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 153 lehnt ein allgemeines Einseitigkeitsverbot zutreffend ab, das Vertragsstrafen zulasten des Arbeitnehmers nur dann zuließe, wenn gleichzeitig auch das Verhalten des Arbeitgebers durch Vertragsstrafe sanktioniert würde, weil es keine entsprechende Regelung im Gesetz gibt. 390

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Frist wirksam396. Die fristgerechte Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer ist die Ausübung eines Rechts, das ihm durch das Gesetz eingeräumt wird. Die Sanktionierung dieses Verhaltens durch Vertragsstrafe erschwert diese Ausübung und die entsprechende Abrede wird daher als unwirksam betrachtet397. Die Ausübung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung, wie § 626 BGB es unter der Voraussetzung des wichtigen Grundes vorsieht, kann durch Vertragsstrafe nicht beschränkt werden398. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung ist eine Besonderheit für den Fall des nicht rechtzeitigen Antritts des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer anzumerken. Wenn sich der Arbeitnehmer in diesem Fall zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, dann verfällt sein Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Dienstantritt. Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist vor dem vereinbarten Dienstantritt gekündigt werden, wenn die Parteien dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben oder sich der Ausschluss der Kündigung aus den Umständen zweifelsfrei ergibt. Besondere Umstände, bei denen vom Ausschluss des Kündigungsrechts auszugehen ist, sind etwa die Zusage einer Lebens- oder Dauerstellung, die Abwerbung aus einer sicheren Arbeitsstelle und die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Im letzten Fall ist die Kündigung des Arbeitsvertrages vor Antritt der Arbeit für beide Parteien ausgeschlossen, weil die Vertragsstrafe als stillschweigende Abbedingung des Kündigungsrechts funktioniert399. Daran anschließend kommt die Höhe der Strafleistung bei der Untersuchung nach den besonderen Erfordernissen der Zulässigkeit der Vertragsstrafe in den Arbeitsverträgen in Betracht. Wie bei der Kontrolle gemäß § 138 BGB kann nur das Vorliegen einer unverhältnismäßigen Höhe nicht zur Unwirksamkeit der Strafklausel führen, soweit keine anderen beeinträchtigenden Umstände vorliegen400. Dies gilt auch im Arbeitsrecht401. Die Zulässigkeit übermäßiger Vertragsstrafen bedeutet aber nicht, dass diese unkontrolliert bleiben dürfen. § 343 BGB ist die Vorschrift, die dem Arbeitnehmer umfassenden und effektiven Schutz vor der Gefahr der Überbelastung gewähren kann. In diesem Sinne wird die Strafhöhe in zwei Stufen nachgeprüft: Erstens auf der Basis der Sittenwidrigkeit, die aber nur in extremen Fällen zu bejahen ist402, und zweitens auf der Basis der Unverhältnismäßigkeit, wobei die Rechtsfolge aber nicht die Unwirksamkeit, sondern die Ermäßigung nach § 343 BGB sein muss. Eine generelle Angemessenheitskontrolle wegen der strukturellen Unterlegenheit 396

BAG v. 27. 05. 1992, AuR 1992, 318. BAG v. 06. 09. 1989, DB 1990, 434 = NZA 1990, 147; BAG v. 09. 03. 1972, BB 1972, 798 = DB 1972, 1245. 398 Vgl. BGH v. 03. 07. 2000, DB 2000, 1807, 1808 = NJW 2000, 2983. 399 BAG v. 13. 06. 1990, JurionRS 1990, 15169. Vgl. Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 64 ff.; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 13. 400 Mehr hierzu unten Teil 3 B. II. 3. b) aa). 401 LAG Berlin v. 19. 05. 1980, NJW 1981, 480; LAG Düsseldorf v. 15. 11. 1972, DB 1973, 85, 86; LAG Baden-Württemberg v. 14. 05. 1963, DB 1963, 1224. 402 LAG Köln v. 09. 04. 1998, NZA-RR 1999, 350. 397

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, wie das BVerfG diese formuliert hat403, ist jedoch abzulehnen, weil jegliche ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür fehlt404. Die vorgenannten Rechtsvorschriften des § 138 BGB und des § 343 BGB bieten dem Arbeitnehmer ausreichenden Schutz. Hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen des § 343 BGB bezüglich Vertragsstrafen in individuell abgeschlossenen Klauseln ist deutlich, dass sich alles, was für andere Verträge gilt, auch auf Arbeitsverhältnisse erstreckt. Die Begriffe der unverhältnismäßigen Höhe und des angemessenen Betrages, die Abwägung der Interessen der jeweiligen Vertragspartner, die maßgeblichen Gesichtspunkte, die dabei berücksichtigt werden müssen, die Darlegungs- und Beweislast, der maßgebliche Zeitpunkt für die Abwägung, die prozessrechtlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Herabsetzung werden im gleichen Sinne wie bei anderen Verträgen des BGB-Rechts wahrgenommen405. Als besondere Bemerkungen hinsichtlich der Herabsetzung der Strafklauseln in den Arbeitsverträgen kann erwähnt werden, dass die Vertragsstrafen in Höhe von einem Monatsgehalt in der Regel als angemessen beurteilt werden406. Auch die Länge der Kündigungsfrist wird als maßgeblicher Gesichtspunkt von den Gerichten mitberücksichtigt407. Zudem ist zu bemerken, dass § 348 HGB die Anwendung des § 343 BGB nicht ausschließen kann, wenn der Schuldner Arbeitnehmer ist. Auch wenn er ein kaufmännisches Handelsgewerbe aufnimmt und dadurch ein Wettbewerbsverbot bricht, welches er während des Arbeitsverhältnisses vereinbart hatte, ist die Herabsetzung möglich, da nicht der Zeitpunkt des Verfalls, sondern des Vertragsschlusses maßgeblich für die Kaufmannseigenschaft ist408. Deswegen hat die Anwendbarkeit des § 343 BGB bei der Kontrolle der individuell vereinbarten Strafen in Arbeitsverträgen nicht an Bedeutung verloren. dd) Kartellrecht Hinsichtlich der Vertragsstrafen in Absprachen, die den Wettbewerb beschränken, ist anzumerken, dass diese grundsätzlich neutral sind409. In der Regel können nur die Primärpflichten bezüglich ihrer Vereinbarkeit mit dem GWB und dem EGV (nun AEUV) kontrolliert werden. Wird die entsprechende Abrede als wettbewerbsbe403

BVerfG v. 19. 10. 1993, NJW 1994, 36 = JuS 1994, 251 = WM 1993, 2199. So Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 143. 405 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 14; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 21 ff.; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 69 ff.; Preis/ Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 21 ff.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 946 ff. 406 BAG v. 30. 11. 1994, DB 1996, 432, 433 = NZA 1995, 695; LAG v. Baden-Württemberg v. 30. 07. 1985, VersR 1986, 692; LAG Berlin v. 19. 05. 1980, NJW 1981, 480; LAG Düsseldorf v. 15. 11. 1972, DB 1973, 85, 86; LAG Düsseldorf v. 07. 10. 1958, BB 1959, 117. 407 LAG Sachsen v. 25. 11. 1997, BB 1998, 797 = DB 1998, 684; LAG Baden-Württemberg v. 03. 01. 1975, BB 1975, 373; LAG Düsseldorf v. 19. 10. 1967, DB 1968, 90. 408 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 2. b) bb) (2) (d). 409 Mehr zum Strafversprechen in den Kartellvereinbarungen in Viertel, Die Vertragsstrafe, S. 15 ff. 404

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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schränkend beurteilt und damit folglich als nichtig bewertet, dann liegt keine Vertragsstrafe vor, da keine Hauptpflicht mehr besteht410. Die Vertragsstrafe kann nur dann unwirksam sein, wenn sie selbst gegen das GWB verstößt411. Ist allerdings das den Wettbewerb beschränkende Verhalten nach dem GWB nicht verboten, dann darf es auch durch Vertragsstrafe abgesichert werden412. Beispiel ist die nach § 30 GWB zulässige Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften. Diese Wettbewerbsbeschränkung kann auch vertragsstrafrechtlich abgesichert werden413. Auf der Ebene des Rechts der Europäischen Union verbietet Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EGV) grundsätzlich jede wettbewerbsbeschränkende Vertriebsbindung. Keine Vertragsstrafe darf diese absichern. Wenn aber eine Verordnung der Europäischen Union eine Kategorie von Bindungen ausnahmsweise für zulässig erklärt hat, dann können die jeweiligen Pflichten auch von Vertragsstrafen zulässig begleitet werden414. ee) Unterrichtsvertragsrecht Ein Verbot von Strafvereinbarungen sieht auch das FernUSG vor. § 2 Abs. 5 Nr. 1 des Gesetzes ordnet an, dass Vertragsstrafen zulasten des Teilnehmers am Fernunterricht unwirksam sind. Auch die Schadenspauschalierungen in solchen Verträgen sind nicht zulässig (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 FernUSG). Die Direktunterrichtsverträge werden vom Verbot jedoch nicht erfasst, da sie nicht in den Anwendungsbereich des FernUSG fallen415.

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Vgl. BGH v. 19. 10. 1993, NJW 1994, 384; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 172. Z. B. gegen §§ 20, 21 GWB. Vgl etwa OLG Frankfurt v. 07. 02. 1985, WRP 1985, 564; Kroitzsch, WRP 1984, 117 ff. 412 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 173, wonach die Zulässigkeit von Vertragsstrafen als Druckmittel zur Sicherung Pflichten aus Wettbewerbsbeschränkungen nicht mehr bestritten werde. 413 Mehr dazu Derleder, MDR 1986, 363; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 174. 414 Solche Verordnungen sind die sog. Gruppenfreistellungsverordnungen, das heißt Verordnungen im Sinne von Art. 288 AEUV, die bestimmte Gruppen von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen oder abgestimmten Verhaltensweisen von Unternehmen und/oder Unternehmensvereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen vom grundsätzlichen Verbot des Art. 101 AEUV ausnehmen. Die Gruppenfreistellungsverordnung konkretisiert dabei für die betroffene Gruppe verbindlich die in Art. 101 Abs. 3 AEUV enthaltenen allgemeinen Voraussetzungen, unter denen eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder Verhaltensweise vom Kartellverbot ausgenommen werden kann. In § 2 Abs. 2 GWB wird direkt auf die Gruppenfreistellungsverordnungen Bezug genommen, so dass die Freistellungsverordnungen auch für rein deutsche Sachverhalte entsprechende Anwendung finden. Paradigma stellt die Verordnung (EU) Nr. 461/ 2010 der Kommission vom 27. Mai 2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor dar. Vgl. auch MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 33. 415 Vgl. BGH v. 08. 03. 1984, BGHZ 90, 280, 284 ff.; KG Berlin v. 23. 05. 1989, NJW-RR 1989, 1075, 1077, das auch ein Reugeld für zulässig erklärt hat. 411

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

ff) Transportrecht Ordnet eine Vorschrift des Transportrechts eine Höchstgrenze der Haftung an und gilt diese als bindend, dann dürfen die Vertragsparteien diese Regelung nicht durch Strafabreden umgehen. Charakteristisches Beispiel ist das CMR für den internationalen Straßentransport. Art. 41 CMR erklärt jede Abrede über eine höhere Haftung als den in Art. 23 CMR festgelegten Haftungshöchstumfang für unwirksam. Erfasst werden freilich auch Vertragsstrafen, aber nur die, die den Schaden bei einer Nicht- oder Schlechterfüllung übersteigen416. Dieses Verbot erstreckt sich weder auf Vertragsstrafen, die nicht die Nicht- oder Schlechterfüllung der Beförderungsleistung betreffen417, noch auf Vertragsstrafen in anderen Transportverträgen, für die keine Höchsthaftungsbegrenzung gilt (z. B. Eisenbahn- und Luftverkehr)418. c) Das Verhältnis zwischen §§ 134 und 343 BGB Die obigen Ausführungen im Hinblick auf die gesetzlichen Verbote der Einbeziehung von Vertragsstrafen in verschiedene Vertragstypen ergeben, dass dieser ausdrückliche Ausschluss dem Schuldner den umfassendsten Schutz bietet. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB scheint zwar weitgehend zu sein. Die Strafklausel wird in vollem Umfang beseitigt (tatsächlich nicht einmal ins Leben gebracht). Die Interessen des Strafgläubigers werden benachteiligt. Diese Schranke wird aber dadurch gerechtfertigt, dass sie von einer abstrakten und generellen Norm, der jeweiligen Verbotsvorschrift, vorgesehen wird. Außerdem richtet sich das Verbot auf die Aufbewahrung der Schuldnerinteressen auf der Grundlage, dass die Vertragsstrafe selbst eine Institution ist, die die wirtschaftliche und rechtliche Lage des Schuldners gefährden kann. Da die Interessen des Schuldners nach den Vorstellungen des Gesetzgebers überwiegen, hat sich dieser dafür eingesetzt, die Strafe als Sicherungsmittel, welches die Freiheit des Schuldners bezüglich des Genusses bedeutender Lebensgüter (z. B. Wohnung) beschränkt, völlig beiseite zu stellen. Denn für das gesetzlich vorgesehene Verbot, das ius cogens ist, bleibt den Vertragsparteien kein Raum für andere Abreden. Anders als bei der Herabsetzung, wobei sich die Gefährlichkeit für den Schuldner aus der Höhe der Vertragsstrafe ergibt, ist hier nur die Existenz der Strafe für seine Interessen bedrohlich. Man kann also von einer abstrakten Gefährlichkeit sprechen. Steht der Rechtsanwender vor einem ausdrücklichen gesetzlichen Verbot, so kann er das jeweilige Strafversprechen nicht ermäßigen. Das Ermäßigungsrecht nach § 343 BGB setzt eine wirksam entstandene Vertragsstrafe voraus419. Deswegen hat eine Kontrolle auf Grundlage der gesetzli416

Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1705. 417 Beispiel: Sicherung der Geheimhaltung von Geheimnissen. Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 170. 418 Vgl. nur Gottwald, in: FS Söllner, S. 379, 382. 419 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. a).

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chen Nichtigkeit stets Vorrang. Problematischer ist der Fall, wenn die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe als Rechtsfolge nicht expressis verbis festgelegt wird (z. B. wenn der Gesetzestext nur eine Obergrenze für die Haftung enthält oder das Abweichen von bestimmten Vorschriften zum Nachteil des Schuldners verbietet). In solchen Fällen wird die Notwendigkeit der Auslegung der entsprechenden Rechtsnorm durchaus ersichtlich. Es handelt sich insbesondere um die Schaffung einer für den Schuldner günstigen Rechtslage, die seine Interessen schützt. Dieser Stand darf durch die Institution der Vertragsstrafe nicht verändert werden und wäre als unzulässige Umgehung zu verstehen. Demzufolge kann man allgemein von einem Verbot der Strafabreden sprechen, wenn der Wille des Gesetzgebers durch Auslegung erkennen lässt, dass die Vertragsparteien keine Befugnis haben, andere Regelungen als die gesetzlichen zulasten des Schuldners zu vereinbaren420. 2. Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe aufgrund eines Verstoßes gegen die Vorschriften des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) a) Einführung in die AGB-Kontrolle Im Zentrum der AGB-Kontrolle finden sich die Rechtsvorschriften der §§ 307 – 309 BGB. Die Angemessenheitskontrolle der AGB basiert vor allem auf der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB. Prüfungsmaßstab für die Inhaltskontrolle der AGB ist die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Gesetz legt den Grundsatz der Klarheit (sog. Transparenzgebot) in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB fest, wonach die AGB klar und verständlich sein müssen. § 307 Abs. 2 BGB bildet die notwendige Ergänzung zum Abs. 1, indem er unter bestimmten Voraussetzungen eine unangemessene Benachteiligung vermutet421. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB konkretisiert den Grundsatz der unangemessenen Benachteiligung, die sich aus dem Verstoß gegen Treu und Glauben ergibt. Demgemäß ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist422. Eine ausführliche Auflistung von Klauselverboten

420 Vgl. die Ansicht von Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 II 2 b. Er erwähnt zwei Gruppen solcher Regeln: diejenigen, deren Ziel die generelle Sicherung von Rechtspositionen ist, welches mithilfe von Vertragsstrafen nicht unterlaufen werden darf (z. B. § 723 Abs. 3 BGB), und diejenigen, die den Rechtszwang gegen den Schuldner bestimmter Pflichten mindern oder gar gänzlich beseitigen (z. B. § 888 Abs. 2 ZPO). 421 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, Einl. Rn. 27. 422 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 3.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

mit (§ 308 BGB) und ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB) vervollständigt die Grundlagen der Inhaltskontrolle. Aus der großen Anzahl von Vorschriften, die die Kontrolle der AGB regeln, entsteht die Frage der Prüfungsreihenfolge. Zunächst sind die Klauselverbote des § 309 BGB zu prüfen. Da sie ohne Weiteres die Unwirksamkeit als Rechtsfolge anordnen, hat der Richter keine Wertungsmöglichkeit der entsprechenden Klausel. Die vorhandene Untersuchung wird sich mit § 309 Nr. 6 BGB besonders beschäftigen, weil diese Rechtsnorn die formularmäßige Vertragsstrafe regelt. Wenn die Klausel eine solche Prüfung überstehen kann, dann findet § 308 BGB Anwendung. Die Prüfung gemäß § 307 Abs. 2 BGB folgt im Anschluss und zuletzt ist § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen423. Logisch ist es dabei, dass eine Prüfung der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Einbeziehungskontrolle (§§ 305 Abs. 2 und 3, 305a BGB) und die überraschenden und mehrdeutigen Klauseln (§ 305c BGB) Vorrang genießen muss. Dieser logische Schluss basiert darauf, dass der Verstoß gegen die vorgenannten Vorschriften zur Folge hat, dass die entsprechenden AGB-Klauseln überhaupt nicht Bestandteil des Vertrages geworden sind. Demzufolge entfällt die Notwendigkeit einer Inhaltskontrolle424. Anders gesagt ist der Umstand, dass die AGB Vertragsbestandteil wurden, Voraussetzung für die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit von AGB ist diesbezüglich nach folgender Rangordnung durchzuführen: Zunächst sind die §§ 305 Abs. 2 und 3, 305c Abs. 1 und 2 BGB425; dann die §§ 309, 308, 307 Abs. 2, 307 Abs. 1 BGB zu prüfen. b) Die gesetzliche Grundlage der Kontrolle der vorformulierten Vertragsstrafen Vertragsstrafklauseln sind häufig in AGB enthalten. Dies entspricht einer Tendenz der Rechtspraxis. Besonders im Arbeits- und Baurecht ist die Verwendung formularmäßiger Vertragsstrafen anzutreffen. Dies bedeutet nicht, dass Individualvereinbarungen nicht mehr abgeschlossen werden können. Da die AGB-Kontrolle die Verwendungsmöglichkeit solcher Klauseln in gewissem Maße beschränkt, was den Vertragsparteien bekannt ist, können diese eine Individualabrede vereinbaren, um die enge AGB-Kontrolle zu umgehen. Die Grundregel der Kontrolle ist in § 309 Nr. 6 BGB zu finden, einer Vorschrift, die die Strafklauseln völlig beseitigt. Gründe für ein solches Verbot sind die großen Risiken für den Verwendungsgegner und die Gefahren, dass die Strafklauseln un-

423

Vgl. Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 2. Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 2. 425 Mehr zum Verhältnis des § 307 BGB zur Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 48. 424

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abhängig vom Verschulden bei leichten Verstößen verfallen426. § 343 BGB wird als eine Rechtsnorm angesehen, die den Schuldner nicht effektiv schützen kann, weil ihre Anwendung von einem Prozess und folglich von damit verbundenen Kosten abhängt427. Außerdem wäre das Verbot der Schadenspauschalierungsklauseln ohne praktische Anwendung, wenn die Vertragsparteien es durch Strafklauseln umgehen könnten. Obwohl das partielle Verbot der Vertragsstrafen wegen der abstrakten Gefährlichkeit des Instituts als überraschend beschrieben wird, was der Gesetzgeber durch ein generelles Verbot hätte vermeiden müssen428, ist davon auszugehen, dass die Rechtsnorm einfach die Formulierung der Vorgängervorschrift des § 11 Nr. 6 AGBG wiederholt. Der Verbotstatbestand des § 309 Nr. 6 BGB ist im Wesentlichen dem Verbot der Nr. 1 lit. d des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 05. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nachgebildet429. Richtig ist es aber die Vorschrift als Umsetzung der Nr. 1 lit. e des Anhangs zu betrachten430. c) Der sachliche Anwendungsbereich nach § 310 Abs. 3 BGB Der Umstand, dass der Verwender die Klausel nicht für eine Vielzahl von Verträgen, sondern zur einmaligen Anwendung vorformuliert hat, spielt trotz § 305 Abs. 1 S. 1 BGB keine Rolle, soweit der Verwender Unternehmer (§ 14 BGB) und sein Vertragspartner Verbraucher (§ 13 BGB) sind und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB greifen auch in diesem Fall die Vorschriften der §§ 305c Abs. 2, 306, 307 – 309 BGB ein. Die Kontrolle dieser Vertragsbedingungen wird ebenfalls nach den Regeln des AGB-Rechts erlaubt. Ganz umstritten ist die Frage, ob diese vorformulierten Einmalbedingungen auch im Rahmen von Arbeitsverträgen kontrolliert werden dürfen. Der Kernpunkt des Problems liegt darin, ob der Begriff des Verbrauchers nach § 13 BGB grundsätzlich den Arbeitnehmer umfasst431. Durch Argumente aus der Vergleichbarkeit der Interessenlagen des Arbeitnehmers und des Verbrauchers, der Systematik des Gesetzes 426

Vgl. statt vieler Stoffels, AGB-Recht, Rn. 901. Ob § 343 BGB von §§ 307 ff. BGB völlig verdrängt wird, ist ein Thema, das uns unten Teil 3 B. II. 2. j) beschäftigen wird. 428 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 1 – 9. 429 v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 7: Fall von Asymmetrie des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. 430 Henke, Enthält die Liste (…)?, S. 69 ff.; Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 448 („Eng mit dem Äquivalenzgedanken ist die Skepsis des Anhangs gegenüber Klauseln mit Sanktionscharakter. Bereits erwähnt wurde Buchstabe 1 e des Anhangs, wonach die klauselmäßige Vereinbarung unverhältnismäßig hoher Entschädigungen missbräuchlich sein kann. Darunter können übermäßige Schadenspauschalen ebenso fallen wie Vertragsstrafen.“). 431 Bejahend: Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, Einl. Rn. 72; Hümmerich, NZA 2003, 753, 764; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn. 1 89 ff.; Singer, RdA 2003, 194, 195; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 43. Verneinend: Hromadka, NJW 2002, 2523, 2524; Löwisch, NZA 2001, 465, 466. 427

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und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift hat die Rechtsprechung die Frage zugunsten der bejahenden Ansicht beantwortet432. Dieser Betrachtung ist auf jeden Fall zuzustimmen. Die Rechts- und Interessenlage des Arbeitnehmers erweist sich genau so schutzbedürftig wie die des Verbrauchers. Demzufolge ist der Verbraucherbegriff im Sinne des § 13 BGB weit auszulegen, damit er auch die Tätigkeit der Arbeitnehmer umfasst433. Dadurch wird die Stelle des Lohnabhängigen nicht schlechter behandelt als diese des Verbrauchers. Die Anwendung des § 310 Abs. 3 BGB auch auf Arbeitsverträge bringt mit sich, dass der sachliche Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB deutlich erweitert wird (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB). Bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB). Dies gilt folglich auch für Arbeitsverträge. d) Die Einbeziehung der vorformulierten Strafklauseln in die Verträge nach § 305 Abs. 2 und 3 BGB Die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag wird nach § 305 Abs. 2 und 3 BGB geregelt434. Diese Vorschriften stellen besondere Regeln im Hinblick auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB dar und beschränken unter anderem die konkludente Einbeziehung. Dies gilt freilich ohne Differenzierung auch für die formularmäßigen Strafklauseln. Problematischer ist die Rechtslage bezüglich der Allgemeinen Arbeitsbedingungen. § 310 Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die vorge432 BAG v. 25. 05. 2005, NJW 2005, 3305, 3308 f. = BB 2005, 2131 = NZA 2005, 1111 = ZIP 2005, 1699 („Danach findet § 310 Abs. 3 BGB auf Arbeitsverträge Anwendung. Die Vorschrift enthält keine einschränkenden Tatbestandsmerkmale. Der Unterscheidung, ob die vorformulierten Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen oder nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, kommt im Individualarbeitsrecht keine größere Bedeutung als im Allgemeinen Vertragsrecht zu. Die Anwendung des maßgebenden Kriteriums der fehlenden Einflussnahmemöglichkeit auf Grund der Vorformulierung macht auch bei Arbeitsverträgen einen guten Sinn. Sondervorschriften oder Besonderheiten des Arbeitsrechts stehen nicht entgegen. Vielmehr spricht gerade der Zweck, den der Gesetzgeber mit der Aufhebung der Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG für das Arbeitsrecht verfolgt hat, dafür, die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch im Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des § 310 Abs. 3 BGB zu erweitern; denn es sollte sichergestellt werden, dass das Schutzniveau der Arbeitsvertragskontrolle nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleibt (vgl. BTDrucks. 14/6857 S. 53 f.).“); BVerfG v. 23. 11. 2006, NJW 2007, 286, 287 = NZA 2007, 85. 433 Dieser Ansicht stimmen auch Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 83 und Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 46 ff. zu. Vgl. auch die Ansicht von Huber, Angemessenheitskontrolle, S. 58 ff. Nach dieser Auffassung sei § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB i. V. m. § 307 BGB auf vorformulierte Einmalbedingungen nicht direkt anwendbar. Grund dazu sei, dass der Verbraucherbegriff nach § 13 BGB teleologisch reduziert werden müsse. Eine analoge Anwendung sei aber durch das vergleichbare typisierte Schutzbedürfnis im Arbeitsrecht gerechtfertigt. 434 Allgemeines zur Einbeziehung der AGB in Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGBRecht, § 305 Rn. 62 ff.

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nannten Rechtsnormen keine Anwendung auf Arbeitsverträge finden. Diese Ausnahme hat der Gesetzgeber selbst durch das Eingreifen des Nachweisgesetzes (NachwG) gerechtfertigt. § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG sieht vor, dass der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen hat. Diese Betrachtung ist allerdings zu Recht auf Kritik gestoßen. Das NachwG zielt auf die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers hinsichtlich der wichtigsten Arbeitsbedingungen ab. Es regelt das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages nicht435. Obwohl diese Ausnahme als misslungen charakterisiert werden kann, darf sie jedoch nicht umgangen werden. Sie hat zur Folge, dass die Einbeziehung Allgemeiner Arbeitsbedingungen nach den generellen Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB (§§ 145 ff.) geregelt wird. Dies kann auch konkludent erfolgen436. e) Die Kontrolle der überraschenden Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB Damit das Vertrauen des Verwendungsgegners darauf geschützt wird, dass die AGB den Erwartungen von Verträgen desgleichen Typus entsprechen, ist in § 305c Abs. 1 BGB Folgendes angeordnet: Kein (zulässiger) Vertragsbestandteil sind derartige Bestimmungen in AGB, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Die Ungewöhnlichkeit der jeweils in Frage kommenden Klausel entsteht aus einer Diskrepanz zwischen dem Inhalt der Klausel und dem Erwartungsbild des redlichen Kunden. Dieser Erwartungshorizont ist objektiv nach den Vorstellungen des durchschnittlichen Kunden im entsprechenden Verkehrskreis zu bemessen437. Hinsichtlich der vorformulierten Strafklausel ist davon auszugehen, dass das Leitbild des Vertrages die Kundenerwartung nur selten enttäuschen kann. Den Typus der Vertragsstrafe, der anhand seiner Bifunktionalität charakterisiert wird, übernehmen die Vertragsparteien, wie dieser im Gesetz und der Rechtspraxis bekannt ist. In vielen Bereichen (z. B. Arbeits-, Bau-, Gewerberaummietverträge) ist die Verbreitung der Strafklauseln ein locus communis, so dass der Kunde mit einer Strafklausel wahrscheinlich rechnen muss. Die Gewöhnlichkeit der Klausel schließt

435 Vgl. BAG v. 23. 01. 2002, MDR 2002, 1071, 1072 = NZA 2002, 800; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 85; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 84, 88. 436 BGH v. 12. 02. 1992, MDR 1992, 447 = NJW 1992, 1232; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 86; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 84. 437 Vgl. statt vieler Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 1 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, AGB-Recht, § 305c Rn. 1 ff., 18 ff.

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dadurch die andernfalls hervorgebrachte Überrumpelung des Kunden aus438. Aber die Klausel kann auch dann überraschend sein, wenn sie im Vertragstext unrichtig eingeordnet und dadurch versteckt ist439. Demzufolge hat das BAG die Stelle der Strafklausel, die sich unter der Überschrift des Arbeitsvertrages mit dem Titel „Geheimhaltung und Wettbewerbsverbot“ am Ende des Absatzes fand, der das Wettbewerbsverbot enthielt, als nicht überraschend beurteilt440. Dagegen entspricht die in dem Absatz des Vertrages „Verschiedenes“441 oder „Arbeitsverhinderung“442 enthaltene Strafklausel den Anforderungen des Überraschungsverbotes nicht. Um solche Ergebnisse zu vermeiden, wird angesichts der Vertragsgestaltung empfohlen, dass der Absatz des Vertrages, in dem sich die Strafklausel findet, die ausdrückliche Überschrift „Vertragsstrafe“ oder Ähnliches trägt443. f) Die Auslegung der in AGB enthaltenen Vertragsstrafen Die in Verträge einbezogenen AGB sind keine Rechtsnormen, sondern Vertragsbedingungen. Aus diesem Grund kommt die Anwendung der generellen Regeln der §§ 133, 157 BGB in Betracht. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur setzt sich für die objektive Auslegung ein. Basis dieser Betrachtung, die nach dem objektiven und typischen Sinn der AGB sucht, ist die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragsgegners des Verwenders, aber hauptsächlich die Verständnismöglichkeit verständiger und redlicher Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise444. Der Wille der konkreten Vertragspartner ist unerheblich445. Der Rechtsanwender geht

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BAG v. 14. 08. 2007, NZA 2008, 170, 171 = NJW 2008, 458; LAG Schleswig-Holstein v. 02. 02. 2005, NZA-RR 2005, 351, 352 = BB 2005, 896; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGBRecht, Anhang zu § 310 Rn. 51; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 87 ff.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 425 f. 439 KG Berlin v. 29. 01. 2001, NJW-RR 2002, 490; OLG Hamm v. 23. 05. 1996, MDR 1997, 132, 133 = NJW-RR 1997, 370; Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 4. 440 BAG v. 14. 08. 2007, NZA 2008, 170 = NJW 2008, 458. 441 ArbG Bremen v. 30. 01. 2003, ArbRB 2003, 98. 442 ArbG Berlin v. 01. 09. 1980, NJW 1981, 479, 480. 443 Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 2; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: ArbeitsrechtBlattei SD 1710 Rn. 90. 444 St. Rspr.: BGH v. 03. 05. 2006, NJW-RR 2006, 1236, 1237 = NZM 2006, 579; BGH v. 23. 11. 2005, MDR 2006, 924, 925 = NJW 2006, 1056; BGH v. 09. 05. 2001, MDR 2001, 865, 866 = NJW 2001, 2165; BGH v. 25. 06. 1992, NJW 2629, 2630 = MDR 1993, 139; BGH v. 23. 06. 1988, MDR 1988, 953, 954 = NJW 1988, 2536; BGH v. 19. 09. 1986, MDR 1987, 130 = NJW 1987, 319; BGH v. 26. 01. 1973, MDR 1973, 396, 397 = NJW 1973, 514; BGH v. 25. 10. 1952, NJW 1953, 21, 22 = JZ 1953, 112. Vgl. auch statt vieler Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 15 f. m. w. N. 445 Die Gegenmeinung, dass beim Vertragsschluss unter Einbeziehung von AGB in aller Regel die individuellen auslegungsrelevanten Besonderheiten zu berücksichtigen sind, was subjektive Auslegung darstellt, wird auch vertreten. Mehr dazu in Erman/Roloff, § 305c Rn. 20;

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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zuerst vom Wortlaut aus446. Als Beispiel sind die Strafklauseln an dieser Stelle zu erwähnen, die das Verschuldenserfordernis als Voraussetzung des Verfalls nicht ausdrücklich enthalten (z. B. Strafklausel, die nur die Zuwiderhandlung als Voraussetzung festsetzt). Rechtsprechung447 und Literatur448 erkennen an, dass das gesetzliche Vorbild der Vertragsstrafe berücksichtigt werden muss. Demzufolge ist die ausdrückliche Erwähnung nicht erforderlich, sondern konkludent gemeint. Damit die Verwirkung aber verschuldensunabhängig wird, was jedoch nur ausnahmsweise wirksam ist449, muss dies ausdrücklich angeordnet sein. Falls der Wortlaut und die systematische Betrachtung der Klausel im gesamten Vertrag allerdings keine sicheren Ergebnisse liefern, ist der wirtschaftliche Zweck einer solchen Klausel bei Verträgen dieser Art zu ermitteln. Dieser wirtschaftliche Zweck ist durch den typischen Sinn zu ermitteln, den redliche Vertragspartner im Allgemeinen durch solche Klauseln verfolgen. Besteht jedoch die Unklarheit hinsichtlich der Auslegung einer Einzelklausel noch weiter fort im Sinne, dass zwei oder mehrere Auslegungslösungen rechtlich gleich vertretbar sind, und der daraus resultierende Zweifel nicht anders behebbar ist, dann greift die sog. Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ein. Demgemäß ist die Auslegungsalternative zu verfolgen, die zulasten des Verwenders geht, oder anders gesagt diejenige, die die günstigste für den Verwendungsgegner ist450. Stützpunkt der Regelung ist der Gedanke, dass es Sache des Verwenders der Klausel ist, sich klar und unmissverständlich auszudrücken451. Grundsätzlich sind die vorformulierten Strafklauseln ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich auch so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen des Strafgläubigers und des Strafschuldners verstanden werden. Dabei kommt vor allem die Bifunktionalität des Instituts zur Geltung: Zunächst die Druck- oder Abschreckungsfunktion und in zweiter Linie die Schadensbeweiserleichtrungsfunktion. Diese charakteristischen Eigenschaften der Vertragsstrafe sind mit ihr so eng gebunden, dass sie auch bei einer formularmäßigen

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, AGB-Recht, § 305c Rn. 105 ff. Vgl. auch BGH v. 14. 12. 2005, MDR 2006, 804, 805 = NJW-RR 2006, 337. 446 BGH v. 14. 07. 2004, NJW 2004, 2961 = NZM 2004, 734. 447 BGH v. 03. 04. 1998, MDR 1998, 825, 826 = NJW 1998, 2600; OLG Köln v. 30. 03. 2007, WRP 2007, 1272. 448 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 111; Staudinger/ Rieble, § 339 Rn. 103. 449 Vgl. nur OLG Oldenburg v. 23. 02. 2000, MDR 2000, 763 = BauR 2001, 812; Palandt/ Grüneberg, § 309 Rn. 39. 450 BGH v. 19. 01. 2005, MDR 2005, 626, 627 = NJW 2005, 1183; BGH v. 03. 07. 2002, MDR 2002, 1361, 1362 = NJW 2002, 3232. Mehr zum Thema der Anwendung der Unklarheitenregel in Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 15 ff.; Erman/Roloff, § 305c Rn. 27 ff.; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, AGB-Recht, § 305c Rn. 124 ff. 451 Vgl. BAG v. 26. 01. 2005, NZA 2005, 655 = JR 2005, 263.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Strafklausel mitberücksichtigt werden sollen. Dies erinnert uns wieder an die Qualifikationsfrage452. g) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit: Das Paradigma des § 309 Nr. 6 BGB aa) Allgemeines § 309 BGB enthält eine Reihe von Klauselverboten, die im dort enthaltenen Katalog aufgelistet sind. Kennzeichen des Katalogs ist es, dass der Rechtsanwender keine Wertungsmöglichkeit besitzt. Die Umstände des Einzelfalls spielen bei der Wertung keine Rolle. Die Vorschrift stützt sich auf den Gedanken, dass die dort aufgelisteten Klauseln nicht nur eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 2 BGB, sondern einen ersichtlichen Verstoß gegen Grundprinzipien der Privatrechtsordnung herbeiführen453. bb) Die Anwendungsvoraussetzungen des Verbotes § 309 Nr. 6 BGB trägt die Überschrift Vertragsstrafe und sieht vor, dass die Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist. Daraus folgt, dass das Verbot nicht absolut, sondern partiell ist. Als Kritik gegen diese Rechtsnorm wird vorgebracht, dass sie weder mit dem System der §§ 339 ff. BGB noch mit dem Leistungsstörungsrecht vereinbar ist454. Es ist festzustellen, dass die Einheit eine Eigenschaft der Rechtsordnung sein soll. Dies ist aber nicht immer der Fall, wenn in ein älteres Gesetz neuere Vorschriften gemeinschaftsrechtlicher Herkunft eingeführt werden. § 309 Nr. 6 BGB, der § 11 Nr. 6 AGBG wörtlich wiederholt, hat die Vertragsstrafe weiter als den traditionellen Begriff der §§ 339 ff. BGB gefasst. Hier ist Nr. 1 lit. e des Anhangs der Klauselrichtlinie 93/13/EWG zu betrachten, wonach Klauseln für missbräuchlich erklärt werden können, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass dem Verbraucher, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, ein unverhältnismäßig hoher Entschädigungsbetrag auferlegt wird. Erfasst werden beide Institute durch diese weite Formulierung: Schadenspauschalierung und Vertragsstrafe455. Die Differenzierung war nicht vom Gesetzgeber der Richtlinie geboten, sondern stellt eine freiwillige und bewusste Entscheidung des nationalen Gesetzgebers dar, der die entsprechende Diskussion im Rahmen des nationalen 452 Mehr dazu oben Teil 3 A. II. Vgl. auch in Hinsicht auf die Interpretation Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Rn. 90, 91. 453 Mehr dazu in Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 1. 454 Statt vieler Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 33. 455 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 448; Henke, Enthält die Liste (…)?, S. 69 ff.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Rechts mitberücksichtigt hat. Die Auslegung des § 309 Nr. 6 BGB darf diese Tendenz, dass der von der nationalen Rechtsordnung konzipierte und anerkannte Inhalt der jeweiligen Institute eine Rolle bei der Interpretation spielt, nicht übersehen. Demgemäß ist der traditionelle Begriff der Vertragsstrafe im weiten Sinne (unselbstständiges und selbstständiges Strafversprechen456) zugrunde zu legen. Die Verfallklausel457 und die Vorfälligkeitsklausel458 fallen freilich darunter. Bezüglich des Reugelds459 und des Garantieversprechens460 gelten die generellen zivilrechtlichen Bemerkungen. Die vorformulierte Schadenspauschale ist nach dem Maßstab des § 309 Nr. 5 BGB nachzuprüfen. Man spricht im Rahmen des § 309 Nr. 6 BGB von einem partiellen Verbot der Vertragsstrafe, weil die Vorschrift nur drei Fallgruppen unzulässiger Strafklauseln vorsieht: Vertragsstrafen für Nichtabnahme oder verspätete Abnahme, Zahlungsverzug und Lösung vom Vertrag. Hinsichtlich der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme der Leistung wird zunächst jede Leistungsart erfasst (Geld-, Sach-, Dienstleistung). Das Verbot betrifft die folgende Konstellation: Der Verwender führt die Strafklausel in den Vertrag als AGB ein, wenn der Kunde dessen Leistung nicht oder verspätet abnimmt. In diesem Fall ist es das Ziel des Verwenders, seinen Anspruch effektiv durch die Vertragsstrafe geltend zu machen. Die Gründe für die endgültige oder verspätete Leistungsabnahme vom Kunden sind gleichgültig461. Die zweite Fallgruppe (Zahlungsverzug) erfasst Zahlungspflichten. Nur Vertragsstrafen, die sich auf Geldleistungen beziehen, fallen unter das Verbot des § 309 Nr. 6 BGB. Dagegen sind die nicht auf die Zahlung von Geld gerichteten Ver-

456 Vgl. in Hinsicht auf das selbständige Strafversprechen Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 33; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 15; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 10. Andere Meinung vertritt Löwe/v. Westphalen/ Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 5, dass § 9 AGBG (heute § 307 BGB) in diesen Fällen anwendbar ist, was aber zu gleichen Ergebnissen führt. 457 So Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 33; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 82; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 17; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 11; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 7. In seinem Urteil v. 24. 04. 1991, MDR 1991, 721 = NJW-RR 1991, 1013 hat aber der BGH direkt § 9 AGBG (§ 307 BGB) und nicht § 11 Nr. 6 (§ 309 Nr. 6 BGB) angewendet. Vgl. auch oben Teil 3 A. III. 4. a). 458 Mehr dazu oben Teil 3 A. III. 4. b). 459 Mehr dazu oben Teil 3 A. III. 5. 460 Mehr dazu oben Teil 3 A. III. 7. Vgl. auch Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 6 (Differenzierung nach dem Inhalt des Garantievertrags). 461 Generell zu den Begriffen der Nichtabnahme und der Verspätung siehe Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 34; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 79; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 31 – 35; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 14; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 13; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 9; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 904; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 21.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

tragsstrafen nur nach § 307 BGB zu kontrollieren462. Das Schuldnerverhalten, das dadurch sanktioniert wird (Verzug), hat die Bedeutung der nicht fristgemäßen Zahlung463. Gemeint ist vor allem der Schuldnerverzug im Sinne der §§ 286 ff. BGB. Aber auch Vertragsstrafen, die an die Vorfälligkeit, nämlich einen Zustand vor dem Verzug, anknüpfen und daher nicht unter den technischen Begriff fallen, werden vom Verbot erfasst. In diesem Sinne erlangt der Begriff Zahlungsverzug die Bedeutung der Zahlungsverzögerung464. Auch der Begriff der Lösung vom Vertrag ist weit auszulegen. Erfasst werden alle Fälle, in denen der Kunde ausdrücklich (durch Rücktritt, Widerruf oder Kündigung) oder konkludent (z. B. durch eine neue Vereinbarung) seinen Willen äußert, den Vertrag loszuwerden465. Der Verwendungsgegner kann zur Lösung vom Vertrag gesetzlich oder vertraglich berechtigt sein. Die Fälle des Rücktrittsrechts (§§ 346 ff. BGB), des Rücktritts vom Kaufvertrag (§ 437 Nr. 2 BGB) und vom Werkvertrag (§ 634 Nr. 3 BGB), des ordentlichen und des außerordentlichen Kündigungsrechts sind charakteristische Beispiele466. Auch die unberechtigte Erfüllungsverweigerung (sowohl die ausdrückliche als auch die konkludente) ist dem Begriff der Vertragslösung gleichzustellen467. Aus den obigen Ausführungen im Zusammenhang mit den Anwendungsvoraussetzungen des § 309 Nr. 6 BGB ergibt sich deutlich, dass nur ein Teil der in AGB enthaltenen Strafklauseln als unwirksam erklärt wird. Zunächst sind die Vertragsstrafen zulässig, die die Erbringung von Sach-, Dienst- oder Werkleistungen be462 Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 35, 37; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 80; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 37; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 14; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 10; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 905; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGBRecht, § 309 Nr. 6 Rn. 22. A. A. Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 15. 463 BGH v. 29. 03. 1994, NJW 1994, 1532, 1533 = DB 1994, 1130. 464 BGH v. 29. 03. 1994, NJW 1994, 1532, 1533 = DB 1994, 1130; OLG Hamburg v. 06. 01. 1988, NJW-RR 1988, 651 = WuM 1988, 124 („Bei Nichteinhaltung dieses Vertrages wird eine Konventionalstrafe in Höhe von DM 10.000 vereinbart.“); LG Verden v. 17. 12. 1986, NJW-RR 1987, 430, 431; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 38; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 15; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe Rn. 10; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 905; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 22; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 15. In dieser Konstellation werden von der Literatur auch die Fälle des erhöhten Beförderungsentgelts und der Fangprämie behandelt, die in AGB enthalten sind. So z. B. Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 39 – 40. Mehr dazu oben Teil 3 A. III. 10. a) bb) f. 465 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 42. 466 Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 36; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 43; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 16; v. Westphalen/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 11; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 907; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 24; Schlosser/CoesterWaltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 16. 467 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 44 – 49.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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treffen und sich auf den Schuldnerverzug beziehen468. Außerdem umfasst das Verbot nur Vertragsstrafen, die zumindest den Verwendungsgegner belasten. Trifft die Strafe nur den Verwender oder auch den Verwender, dann greift das Verbot nicht ein. Der Umstand, dass sich beide Vertragspartner einer Vertragsstrafe unterstellen und die Klausel nur teilweise (nämlich in Hinsicht auf den Kunden) unwirksam ist, nimmt keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Gesamtklausel469. An § 309 Nr. 6 BGB scheitert auch keine Vertragsstrafenklausel, die ein Verhalten anders als Nichtabnahme, Zahlungsverzug oder Lösung vom Vertrag (z. B. Schlechterfüllung) sanktioniert. Zudem ist auch ausschlaggebend, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den vorgenannten Fallgruppen und der Verwirkungsmöglichkeit vorgesehen werden muss in dem Sinne, dass die Nichtabnahme, die verspätete Abnahme, der Zahlungsverzug oder die Vertragslösung als Voraussetzung für den Strafverfall angeordnet werden470. All diese Fälle und Formulierungen, die nicht in die Kontrolle des § 309 Nr. 6 BGB fallen, sind jedoch der Kontrolle gemäß § 307 BGB zu unterstellen. h) Die Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB aa) Einführung Es wird deutlich, dass die Voraussetzungen des § 309 Nr. 6 BGB eng gefasst sind. Daraus folgt, dass die meisten vorformulierten Vertragsstrafen die Schwelle des § 309 Nr. 6 BGB in der Regel ohne Unwirksamkeitsprobleme für den Verwender überwinden471. In diesem Fall bleibt der Verwendungsgegner nicht ohne Schutz, sondern § 307 BGB kann eine Lösung angeben. § 307 BGB wiederholt die Formulierung des § 9 AGBG fast unverändert. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB enthält den allgemeinen Grundsatz der Inhaltskontrolle, die auf einer dem Gebot von Treu und Glauben widersprechenden Benachteiligung basiert. Der durch die Schuldrechtsreform eingeführte Abs. 1 S. 2 ist eine Herauskristallisierung des sog. Transparenzgebots, wonach die unangemessene Benachteiligung Ergebnis auch der Unklarheit und der Unverständlichkeit der jeweiligen Bestimmung sein kann. Absatz 2 sieht zwei Beispielsfälle unangemessener Benachteiligung vor, die zugleich als Konkretisierungen und widerlegliche Vermutungen der Unangemessenheit gemäß Abs. 1 S. 1 funktionieren. Absatz 2 Nr. 1 betrifft den Fall der Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der Regelungen des dispositiven Rechts, während Abs. 2 Nr. 2 sich mit der Einschränkung der vertragswesentlichen Rechte oder Pflichten auseinandersetzt, die in irgendeiner Weise den Vertragszweck

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Vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 37. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 51. 470 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 50. 471 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 87; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 61; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 14. 469

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

gefährdet. Sind diese Tatbestände erfüllt, so wird die unangemessene Benachteiligung nach Abs. 1 indiziert472. Hinsichtlich des Verhältnisses des Abs. 2 zu Abs. 1 ist zu erwähnen, dass die Antwort auch die Prüfungsreihenfolge beeinflusst. Es ist davon auszugehen, dass die Regelbeispiele eine Präzisierung der Generalklausel des Abs. 1 sind, was dazu führt, dass sie vor Abs. 1 geprüft werden müssen473. Bezüglich des Verhältnisses der beiden Tatbestände des Abs. 2 (Nr. 1 und 2) wird angenommen, dass kein gegenseitiger Ausschluss vorliegen kann, sondern dass die Tatbestände ineinander fließen. Ein Vorrang der Nr. 1 ist besonders dann zu bejahen, wenn ein gesetzlich geregelter Vertrag vorliegt, weil die Vorschrift die „gesetzliche Regelung“ erwähnt. Nr. 2 greift insbesondere bei nicht geregelten Verträgen ein474. Das Kontrollsystem ist jedoch nicht starr und unelastisch. Ein Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung kann zugleich auch eine den Vertragszweck gefährdende Einschränkung wesentlicher Rechte oder Pflichten sein und umgekehrt475. Diese Flexibilität des Systems ist auch in der Rechtsprechung sichtbar476. Kommt weder Nr. 1 noch Nr. 2 des Abs. 2 zur Anwendung, was in der Praxis häufig der Fall ist477, dann ist die Inhaltskontrolle nur nach dem Auffangstatbestand des Abs. 1 vorzunehmen. Im Rahmen des Abs. 1 kommt S. 2 vor S. 1 in Betracht, weil er bestimmter ist, indem er eine spezielle Ausprägung der unangemessenen Benachteiligung in Form einer Verletzung des Transparenzgebots regelt. Ein Verstoß der Bestimmung gegen das vorgenannte Gebot liegt vor, wenn die Klausel nicht klar und verständlich ist478. Aber die bloße Unklarheit genügt nicht, sondern sie muss das Risiko beinhalten, dass der Verwendungsgegner inhaltlich benachteiligt wird479. 472 Generell zur Gesetzeskonstruktion des § 307 BGB (früher: § 9 AGBG) vgl. Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 3, 5, 74 ff.; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 1 f.; Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGBG, S. 23 ff. 473 Den Vorrang des Abs. 2 vor Abs. 1 aufgrund des spezielleren Charakters der Vorschrift befürworten auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 97; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 1; v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, Rn. 82, 132. 474 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 97; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, AGB-Recht, § 307 Rn. 197. 475 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 97. 476 Vgl. BGH v. 17. 01. 1989, NJW 1989, 582, 583 = DB 1989, 313; BGH v. 09. 10. 1981, NJW 1982, 1820, 1821 = MDR 1982, 725; BGH v. 09. 04. 1981, NJW 1981, 1510, 1511 = MDR 1981, 837. In diesen Urteilen findet die Kontrolle generell nach dem Grundsatz von Treu und Glauben oder nach § 9 AGBG ohne nähere Differenzierung zwischen Abs. 1 und 2 statt. In neuerer Rechtsprechung gelangt aber § 307 BGB klarer zur Anwendung. Vgl. BGH v. 30. 11. 2004, MDR 2005, 405, 406 = NJW-RR 2005, 1135; BGH v. 30. 11. 2004, MDR 2005, 406, 407 = NJW 2005, 1275. Bestimmte Reihenfolge verlangt auch v. Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, Rn. 132. 477 v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 14. 478 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 21 ff.: Verletzung des Transparenzgebots als Verletzung der einzelnen Grundsätze des Verständlichkeitsgebots, des Bestimmtheitsgebots und des Täuschungsverbots. 479 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 20.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Die Vorschrift des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Auffangstatbestand, in dem die unangemessene Benachteiligung des Verwendungspartners entgegen den Geboten von Treu und Glauben Kernbegriff ist. Die Regel lässt sich als ultimum remedium charakterisieren. Dies wird dadurch begründet, dass die Vorschrift wegen ihrer generellen Formulierung erst nach der Prüfung der Anwendbarkeit der §§ 309, 308, 307 Abs. 2 und 307 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht kommt. Die Inhaltskontrolle nach der unangemessenen Benachteiligung setzt eine Interessenabwägung voraus480. Grundlage der Prüfung ist eine objektive und keine individualisierende Betrachtung der relevanten Klausel. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist die Beantwortung der Frage, welche Wirkung die fragliche Bestimmung auf die Rechtslage des Partners des Verwenders hat. Demzufolge entwickelt sich die Inhaltskontrolle zu einer Nachprüfung der Rechtslage des Kunden nach Einbeziehung der AGB-Klausel im Vergleich zu seiner Rechtsstellung nach der entsprechenden Vorschrift des dispositiven Rechts. Liegt eine unangemessene Benachteiligung vor, so ist die Klausel unwirksam481. Darüber hinaus sieht Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vor, dass die Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, alle den Vertragsschluss begleitenden Umstände und alle anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, mitberücksichtigt werden müssen482. Dieser Pflicht zur Mitberücksichtigung der vorerwähnten Kriterien muss der nationale Rechtsanwender auf der Basis einer richtlinienkonformen Auslegung nachkommen483. bb) Die Inhaltskontrolle der Strafhöhe gemäß § 307 BGB (1) Allgemeines Bei der Anwendung des § 307 BGB als Kontrollvorschrift der formularmäßigen Vertragsstrafen ist die folgende Erläuterung maßgeblich. Die Regelung gibt den Maßstab vor, nach dem die Nachprüfung vorzunehmen ist. Diese kann jedoch verschiedene Aspekte der Strafklausel betreffen. Die Nichtbeachtung des gesetzlichen Verbots der Kumulierung von Vertragsstrafe und Schadensersatz (§§ 340 Abs. 2, 341

480

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 74 ff., 157 ff. BGH v. 26. 01. 1994, NJW 1994, 1069, 1070 = MDR 1994, 664. Vgl. auch Palandt/ Grüneberg, § 307 Rn. 8. 482 Vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 82. 483 Zur richtlinienkonformen Auslegung von Rechtsnormen nationalen Rechts siehe Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, Handbuch, § 14 Rn. 1 ff.; ders., in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, Grundfragen, § 11; Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 36 ff.; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4 Rn. 17 ff.; Nassall, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 6 Rn. 53 f. 481

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Abs. 2 BGB)484, die Abweichung von § 341 Abs. 3 BGB in Hinsicht auf das Erfordernis des Vorbehalts der Vertragsstrafe485, die Möglichkeit einer Schadenspauschalierung anstatt der Vertragsstrafe, was der Schadenspauschale den Vorrang als milderes Mittelgibt486, die Geringfügigkeit des Schadens, die die Einbeziehung einer Strafklausel auch anstelle einer Schadenspauschale erlaubt487, die Abbedingung des Verschuldenserfordernisses hinsichtlich der Strafverwirkung488 und die Umgehung von Vorschriften zur Erfüllung unwirksamer Pflichten489 sind charakteristische Fälle der Unvereinbarkeit mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§ 339 ff. BGB im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Letztendlich führt dies zur Unwirksamkeit der jeweiligen vorformulierten Strafklauseln. Fälle der Unwirksamkeit von Strafklauseln sind in der Praxis oft anzutreffen. Alle Untergruppen ausführlich darzustellen ist praktisch unmöglich. Eine solche Darstellung würde darüber hinaus den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht zudem nur die Kontrolle eines Merkmals der Vertragsstrafe: die Höhe der Strafleistung. Diese betrifft die Nachprüfung gemäß § 343 BGB. Deswegen muss man sich auf die Anwendung des § 307 Abs. 1 und 2 BGB als Basis einer Unverhältnismäßigkeitskontrolle im Rahmen der nachfolgenden Darstellung konzentrieren. 484 BGH v. 21. 11. 1991, MDR 1992, 951 = NJW 1992, 1096; BGH v. 29. 02. 1984, MDR 1985, 223, 224 = NJW 1985, 53; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 64; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 22; Koch/Stübing, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 19; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 39; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 29 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 30; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 19; a. A. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 104. 485 BGH v. 18. 11. 1982, MDR 1983, 302, 303 = NJW 1983, 385, 386; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 65; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 23; Koch/Stübing, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 20; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 39; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 32 ff.; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 31; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 19; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 104. 486 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 66; Staudinger/ Coester-Waltjen, § 309 Nr. 6 Rn. 20. Gründliche Kritik dagegen aber von Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 92 ff. Mehr dazu oben Teil 3 A. III. 3. 487 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 67. 488 BGH v. 06. 12. 2007, MDR 2008, 381, 382 = BauR 2008, 508; BGH v. 24. 04. 1991, MDR 1991, 721 = NJW-RR 1991, 1013 („Zu den Anforderungen für die Verwirkung einer Vertragsstrafe gehört es, daß der Betroffene sein vertragswidriges Versäumnis zu vertreten haben muß. (…) In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann eine abweichend von § 339 BGB verschuldensunabhängige Vertragsstrafe nur hingenommen werden, wenn ausreichende sachliche Gründe die Unwirksamkeitsvermutung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ausräumen.“) Vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 68 ff.; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 21; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 39; v. Westphalen/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe Rn. 23; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 33; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 19; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 103; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 910. 489 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 75 ff.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Die Problematik des Umfangs des Unverhältnismäßigkeitsbegriffs im Anwendungsbereich des § 307 BGB hat die Rechtsprechung bereits beschäftigt. Beispielsweise hat das BAG die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung als milderes Mittel im Vergleich zur Vertragsstrafe betrachtet, was dazu führt, dass der Arbeitgeber durch eine Vertragsstrafe eine Übersicherung erreichen könne, solange er nur ein berechtigtes schutzwürdiges Interesse habe490. Die Literatur teilt in überwiegendem Maße das Verständnis der Rechtsprechung. Aus einer Betrachtung der verschiedenen Ansätze zur Vorgehensweise der Kontrolle formularmäßiger Vertragsstrafen lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Nachprüfung zweistufig ist. Bevor der Rechtsanwender die Angemessenheit der Strafhöhe prüfen könne, habe er die Erforderlichkeit der in AGB enthaltenen Vertragsstrafen zu bewerten. Dabei spiele die wichtigste Rolle, ob ein gesetzlich oder vertraglich vorgesehenes Sanktions- oder Kontrollmittel die Interessen des Verwenders genau so effektiv wie die Vertragsstrafe schützen könne. Sei das Mittel nicht milder, so könne er trotzdem zur Vertragsstrafe greifen, wenn er ein berechtigtes Interesse daran habe491. Dennoch gibt es dazu eine entgegengesetzte Ansicht. Charakteristisch ist die Aussage Riebles: „Daß die Durchsetzung bestehender Vertragspflichten für sich genommen unangemessen sein könnte, ist ein grotesker Gedanke, der nur die Laxheit des Täters schützt und das Erfüllungsinteresse des Gläubigers auf seinen materiellen Schadensgehalt begrenzt, also auf die Verhinderung von Vermögensschäden. Das wiederum steht im Widerspruch zu § 343 Abs. 1 Satz 2, der „jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse“ respektiert. Vertrags- und Rechtstreue ist „an sich“ schon ein Wert. Vollends absurd ist der Gedanke, wenn es um die Abwehr vorsätzlicher Pflichtverletzungen geht-inwiefern kann die Formularstrafe unangemessen sein?“492

Diese Kritik überzeugt. Eine Erforderlichkeitskontrolle findet keine Stütze im Gesetz. Die Ansicht Riebles hat den Vorteil, dass sie die Inhaltskontrolle des § 307 BGB mit der Kontrolle des § 343 BGB in Einklang bringt. Es wäre eine Antinomie, die Kontrolle der Vertragsstrafen nach § 307 BGB anders zu konzipieren493. Darüber hinaus wäre die grundlegende Freiheit der Vertragsparteien, sich auf ein bestimmtes Sicherungsmittel zu einigen, weit beschränkt. Das Erfordernis eines berechtigten Interesses ist einerseits für den Verwender belastend und blockiert die Sicherungsfunktion der Vertragsstrafe selbst. Andererseits ist das Strafversprechen ein weit 490 BAG v. 21. 04. 2005, AuA 2005, 619, 620 = NZA 2005, 1053. Ein berechtigtes Interesse, das die Einbeziehung der Strafklausel in AGB rechtfertigen kann, steht im Mittelpunkt auch der Urteile BGH v. 30. 03. 2006, MDR 2006, 1278, 1279 = NJW 2006, 2555 = NZBau 2006, 504 und LAG Berlin v. 22. 05. 1997, NZA-RR 1998, 53. 491 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 66; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 72; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 31; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe Rn. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 6 Rn. 20. 492 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 92. 493 Argumente siehe oben Teil 2 A. II. 1. c) hh) (2).

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

milderes Mittel im Vergleich zu Kriminalstrafen oder Geldbußen, was die Einbeziehung in vielen Fällen rechtfertigen kann494. Die Unverhältnismäßigkeit ist daher als Angemessenheit und nicht als Erforderlichkeit zu betrachten. (2) Die Kontrolle der Unbestimmtheit In Hinsicht auf die Höhe der Strafleistung übt § 307 BGB zuerst eine Wirkung auf die Bestimmtheit aus. Sowohl die Verwirkungsvoraussetzungen (besonders das Schuldnerverhalten) als auch die Höhe der Leistung selbst müssen genug bestimmt, das heißt konkret aus den AGB erkennbar, sein495. Dieses Bestimmtheitsgebot wird durch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB besonders deutlich. Dazu gehört auch, dass AGBKlauseln wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann496. Infolgedessen müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich beschreibt. Dagegen verletzt sie das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält497. Hinsichtlich der Strafklauseln erfordert eine ausreichende Bestimmtheit wie erwähnt nicht nur, dass die Pflichtverletzung so klar und eindeutig bestimmt ist, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann, sondern auch, dass die zu leistende Strafe ihrer Höhe nach klar und bestimmt ist498. Paradigmata unwirksamer AGB-Strafklauseln wegen Unbestimmtheit sind: – Fälligkeit der Konventionalstrafe „bei Nichteinhaltung des Vertrages“499, – eine Fahrzeugeinsatzvereinbarung, die in AGB die Vertragsstrafe enthält, wonach diese verwirkt wird, falls „der Fuhrunternehmer das Fahrzeug der Spedition nicht fristgerecht zur Verfügung stellt“500, – eine Bestimmung, die vorsieht, dass „der Arbeitgeber für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen BruttoMonatseinkommen verlangen kann“ und gleichzeitig „im Falle einer dauerhaften 494

So auch Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 92. Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 63; Staudinger/ Rieble, § 339 Rn. 96 ff. 496 BAG v. 03. 04. 2007, ArbRB 2007, 295, 296 = NZA 2007, 1045. 497 Vgl. BAG v. 31. 08. 2005, MDR 2006, 522, 523 = NZA 2006, 324. 498 BAG v. 21. 04. 2005, BB 2005, 2822, 2823 = NZA 2005, 1053. 499 OLG Hamburg v. 06. 01. 1988, NJW-RR 1988, 651 = WuM 1988, 124. 500 OLG Celle v. 12. 02. 2004, TranspR 2005, 261, mit der Begründung, dass sich die die Vertragsstrafe auslösende Pflichtverletzung nicht ausreichend bestimmt sei. Kritik gegen das Urteil in Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 63; Staudinger/ Rieble, § 339 Rn. 97. 495

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Wettbewerbsverbotes jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung gilt“501, – Verwirkung der Vertragsstrafe „im Falle eines gravierenden Vertragsverstoßes“502 oder durch „schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst“503. Das Bestimmtheitsgebot bedeutet aber nicht, dass die Strafklausel von Anfang an bezüglich ihrer Höhe unbedingt eindeutig klar sein muss. Es reicht aus, dass diese nach dem Willen der Vertragsparteien unter Beachtung der §§ 315 ff. BGB zumindest bestimmbar ist504. (3) Die Kontrolle der Unangemessenheit der Strafhöhe Das Interesse des Verwenders, das Verhalten seines Vertragspartners durch Strafklauseln zu binden, darf den Letzteren nicht unangemessen überlasten505. Die Wirksamkeit der jeweiligen Klauseln knüpft an eine Angemessenheitskontrolle an. Die Zweck-Mittel-Relation zwischen der Absicherung der Interessen des Verwenders einerseits und der Strafhöhe andererseits muss vernünftig sein506. Die Bejahung der Unangemessenheit setzt eine Interessenabwägung wie im Rahmen des § 343 BGB voraus507. Dabei sind folgende Kriterien zu berücksichtigen: Auf der Seite des Gläubigers das Interesse an Erfüllung der gesicherten Pflicht, das Risiko der Pflichtverletzung und die Wiederholungsgefahr, der bevorstehende Schaden und auf der Seite des Schuldners die Belastung der Strafe, der Fortsetzungszusammenhang, die Wirkung der Strafe auf seine Vermögensverhältnisse sowie sein Verschuldensgrad (Vorsatz oder Fahrlässigkeit)508. Ergibt sich nach Abwägung der vorgenannten Kriterien, das heißt aller Umstände des Einzelfalls, der Schluss, dass die Strafhöhe in keinem angemessenen Verhältnis zur Pflichtverletzung, zum entstandenen Schaden

501

BAG v. 14. 08. 2007, DB 2008, 66, 67 = NJW 2008, 1494. Vgl. BAG v. 18. 08. 2005, AuA 2006, 53, 54 = NZA 2006, 34. 503 BAG v. 21. 04. 2005, BB 2005, 2822, 2823 = NZA 2005, 1053. 504 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 100. 505 BGH v. 03. 04. 1998, NJW 1998, 2600, 2602 = MDR 1998, 825; BGH v. 27. 01. 1988, NJW 1988, 1373, 1374 = MDR 1988, 667. 506 BGH v. 12. 01. 1994, DB 1994, 2283, 2284 = NJW 1994, 1060. 507 Mehr zum Verhältnis des § 307 BGB zum § 343 BGB unten Teil 3 B. II. 2. j). 508 Vgl. vor allem Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 119 f. Generell zur Angemessenheitskontrolle der vorformulierten Strafen nach § 307 BGB siehe Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 71; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 24; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 909; Palandt/Grüneberg, § 309 Nr. 6 Rn. 38; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 15; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 28. 502

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

und allgemein zu dessen Folgen für den Schuldner steht, so liegt ein Verstoß gegen § 307 BGB vor509. Die nationalen Gerichte haben eine umfangreiche Rechtsprechung bezüglich der Inhaltskontrolle der formularmäßigen Strafklauseln entfaltet. Es wird im Folgenden die Rechtslage nach den Urteilen des BGH und der unteren Gerichte dargestellt510: – wirksam ist die in AGB eines Adressenverlages enthaltene Bestimmung, dass der Besteller nur zur einmaligen Verwendung des Adressenmaterials berechtigt ist und die unbefugte Wiederverwendung auch nur einer Adresse eine Vertragsstrafe in Höhe des zehnfachen Betrages der insgesamt vereinbarten Vergütung auslöst511, – die Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 DM für die Abwerbung von Mitarbeitern durch einen Handelsvertreter512, – die Konventionalstrafe in Höhe von 50.000 DM, die ein Wettbewerbsverbot absichert, falls der Klauselverwender ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran hat, dass der von ihm zur Erledigung eines Auftrags als Subunternehmer eingeschaltete Vertragspartner den Kunden, bei dem weitere Großprojekte anstehen, nicht abwirbt513, – die Strafklausel, die die Verpflichtung eines Handelsvertreters sichert, für jede Kundenanschrift, die er nach Beendigung des Vertrags zurückbehält, einen Betrag von 250 DM zu zahlen514, – die Vertragsstrafenregelung, wonach sich die Treuhandanstalt (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) in einem Grundstückskaufvertrag von dem Erwerber versprechen lässt, bestimmte Investitionen zu tätigen und eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen zu schaffen, wenn die Strafe in ihrer Höhe in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu den Folgen für den Vertragspartner steht515, und – die Vertragsstrafenvereinbarung in einem Vertragshändlervertrag, die für die Verletzung unterschiedlicher Vertragspflichten des Händlers einen und denselben Betrag vorsieht, ohne nach Art, Gewicht und Dauer des Vertragsverstoßes zu 509

BGH v. 03. 04. 1998, NJW 1998, 2600, 2602 = MDR 1998, 825; BGH v. 07. 05. 1997, NJW 1997, 3233, 3234 = BB 1997, 1380; BGH v. 12. 01. 1994, DB 1994, 2283, 2284 = NJW 1994, 1060. 510 Umfassende Darstellung der Rechtsprechung in Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 118 ff.; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 20 f. 511 BGH v. 30. 06. 1976, MDR 1977, 134 = NJW 1976, 1886. 512 OLG München v. 26. 01. 1994, NJW-RR 1994, 867, 868 = BB 1994, 1104. 513 OLG Köln v. 15. 05. 1998, IBR 1999, 118. 514 BGH v. 28. 01. 1993, NJW 1993, 1786, 1788 = DB 1993, 1282. 515 BGH v. 03. 04. 1998, NJW 1998, 2600, 2602 = MDR 1998, 825.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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differenzieren, wenn aber der Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen ist516. Dagegen hat die Rechtsprechung in den folgenden Fällen die entsprechenden vorformulierten Klauseln als unangemessen hoch und daher als unwirksam erklärt: – unzulässig ist die Vertragsstrafe in Höhe des zwanzigfachen Entgelts für den Fall der vertragswidrigen Verwendung von Anschriften oder Telefonnummern (sog. Adressenkauf)517, – das Strafversprechen, das den Verstoß des Handelsvertreters gegen ein Wettbewerbsverbots sanktioniert und die doppelte Monatsprovision oder 5.000 DM beträgt518, – die Strafklausel in Höhe von 10.000 DM für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Kundenschutzklausel519, – die Vertragsstrafe im Rahmen eines Automatenaufstellvertrags, nach der der Gastwirt 5.000 DM bei Verlust des Aufstellplatzes der Spielautomaten zu zahlen verspricht520, – das Strafversprechen von 10.000 EUR pro Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot des Inhalts, dass der Vertragspartner eines Spediteurs während des Bestehens des Vertragsverhältnisses und für die Dauer von sechs Monaten nach dessen Beendigung keine eigenen Verträge mit Kunden des Verwenders abschließen darf521, – die Schwarzarbeiterregelung, wonach der Auftragnehmer pro Tag und pro illegal beschäftigtem Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 EUR zu zahlen hat522, – die Klausel in einem Gaststättenpachtvertrag, nach der bei jeder Zuwiderhandlung gegen eine Getränkebezugsverpflichtung eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 EUR verwirkt ist523,

516

BGH v. 07. 05. 1997, DB 1997, 1816, 1817 = NJW 1997, 3233. OLG München v. 26. 05. 1993, BB 1993, 1687 = NJW-RR 1993, 1334. Anders aber OLG Frankfurt v. 21. 05. 1985, MDR 1985, 934 = BB 1985, 1560. 518 OLG München v. 13. 12. 1995, DB 1996, 422 = NJW-RR 1996, 1181; OLG Hamm v. 01. 12. 1983, MDR 1984, 404. 519 BGH v. 12. 05. 1998, NJW-RR 1998, 1508, 1509 = BB 1998, 1554. 520 BGH v. 21. 03. 1990, MDR 1991, 44 = NJW-RR 1990, 1076. 521 OLG Jena v. 26. 11. 2008, JurionRS 2008, 27566. 522 OLG Brandenburg v. 08. 11. 2006, BauR 2007, 897. 523 OLG Düsseldorf, MDR 2008, 136, 137 = NZM 2008, 611. 517

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

– die Vertragsstrafe, die in einem bei Überlassung eines Ponys zu Zuchtzwecken geschlossenen Schutzvertrag vereinbart wurde, wobei der Wert des Strafversprechens den Wert des Ponys um das Zwanzigfache übersteigt524, – die Vertragsstrafe von 35 DM, die für die ganze noch nicht bezogene Menge von Bier in einem Bierlieferungsvertrag fällig ist525, – die Klausel, in der sich der Verpächter auch für den Fall, dass das Pachtverhältnis auf Wunsch des Pächters vorzeitig einvernehmlich beendet wird, eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Monatspachten versprechen lässt526, – die Vertragsstrafe in Höhe von 5.112 EUR, die bei der nicht rechtzeitigen Rückgabe eines geleasten Notebooks verwirkt wird527, und – die Vertragsstrafenklausel in einem Kfz-Versicherungsvertrag, wonach bei unterlassener Mitteilung eines Merkmals zur Beitragsberechnung (z. B. Jahreskilometerleistung) der Versicherungsnehmer zur Zahlung einer zusätzlichen Jahresprämie verpflichtet wird, wenn der Versicherer nicht gleichzeitig auf seine gesetzlichen Rechte wegen Gefahrerhöhung verzichtet528. (4) Der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs Häufig steigt die Höhe der formularmäßigen Strafklausel unangemessen hoch, weil diese die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ausschließt. Es wird vorgesehen, dass jede einzelne Zuwiderhandlung die Verwirkung der Vertragsstrafe mit sich bringt. Das Problem, das besonders im Wettbewerbsrecht anzutreffen ist, hat den BGH seit langer Zeit beschäftigt. In einem Urteil hat er anerkannt, dass der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs im Rahmen einer Vertragsstrafenvereinbarung grundsätzlich zulässig und verbindlich sei. Der uneingeschränkte Verzicht in AGB aber sei mit wesentlichen Grundgedanken des Vertragsstrafenrechts nicht zu vereinbaren und müsse durch besondere Interessen des Verwenders (z. B. Beseitigung der Wiederholungsgefahr) gerechtfertigt werden529. 524

OLG Celle v. 28. 01. 2009, MDR 2009, 857, 858. BGH v. 30. 09. 1992, MDR 1992, 1123, 1124 = NJW 1993, 64. 526 BGH v. 18. 04. 1984, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57. 527 OLG Hamm v. 25. 08. 2003, NJW-RR 2004, 58. 528 OLG Stuttgart v. 25. 07. 2013, JurionRS 2013, 44002. Auch im Falle der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel kommt eine Herabsetzung der vereinbarten Strafe gemäß § 343 BGB in Betracht. Üblich und verhältnismäßig werden Vertragsstrafen bis zur Höhe des Doppelten des berechtigten Jahresbeitrags angesehen, da eine Vertragsstrafe deutlich über der Prämiendifferenz liegen muss, um die bezweckte abschreckende Wirkung zu entfalten. 529 BGH v. 10. 12. 1992, MDR 1993, 635, 636 = NJW 1993, 721 = WRP 1993, 240. 525

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Die Kritik Köhlers gegen diese Ansicht stützt sich darauf, dass die Anerkennung auch einer eingeschränkten Verzichtsmöglichkeit einerseits zu übermäßig hohen Vertragsstrafen und andererseits zu hohen Prozessrisiken und -kosten führen könne530. Daran knüpft auch Kaiser mit der Begründung an, dass der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs den Schuldner sehr stark belaste. Daher sei diese nur dann zulässig, wenn keine milderen Gestaltungsmittel (z. B. neuer Hamburger Brauch) zur Verfügung ständen531. Die vorbeschriebene kritische Betrachtung übersieht indes zwei wichtige Parameter. Zum einen kann der Verwender der Strafklausel, in der auch der Fortsetzungszusammenhang ausgeschlossen wird, erhebliches Interesse an der Wirksamkeit der Strafe haben. Nur der Verzicht kann den Schuldner vor künftigen und zwar vorsätzlichen Zuwiderhandlungen abschrecken, indem die Strafe höher ausfällt532. Zum anderen ist die Kontrolle nach § 307 BGB eine Angemessenheits- und keine Erforderlichkeitskontrolle533. Fraglich ist auch, ob andere Vertragsgestaltungen wie beispielsweise der neue Hamburger Brauch gleich effektiv und weniger belastend für den Schuldner sind, da die Gesamtstrafe, die sich als Summe der vereinzelten Strafen ergibt, niedriger als die von dem Gläubiger oder einem Dritten nach § 315 BGB festgesetzte Strafe sein kann534. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Zulässigkeit der Abbedingung des Fortsetzungszusammenhangs zu bejahen ist. Es ist vor allem zu betonen, dass diese Konstruktion im Strafrecht nicht mehr eingreift535. Nach der Aufgabe dieser strafrechtlichen Konzeption im Strafrecht ist diese auch im Privat- und speziell im Vertragsstrafenrecht aufzugeben536. Wie aber der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung geurteilt hat, sind dabei einige Grenzen zu ziehen. Zunächst sind nur die Verzichtsklauseln zulässig, die vorsätzliche Zuwiderhandlungen betreffen. In diesen Fällen kann der Schuldner durch sein Verhalten auf den Strafverfall und die Strafhöhe Einfluss nehmen. Außerdem wäre es widersprüchlich im Sinne des non venire contra proprium factum, dass er seine Pflichten vorsätzlich und wiederholt verletzt und danach die Unzulässigkeit der Verzichtsklausel geltend macht. Die Unwirksamkeit der Einredeverzichtsklausel lässt die Vertragsstrafenklausel jedoch unberührt, weil die zwei Klauseln voneinander getrennt und unabhängig sind. Dies führt auch zu getrennter Nachprüfung537. Die Abbedingung des Fortsetzungszu530

Köhler, Anm. zu BGH, LM § 339 Nr. 35/36. Vgl. Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 91. 532 Geilert, Vertragsstrafen in Geschäftsbedingungen, S. 107. 533 Vgl. oben Teil 3 B. II. 2. h) bb) (1). 534 Vgl. Geilert, Vertragsstrafen in Geschäftsbedingungen, S. 107 f. 535 BGH v. 03. 05. 1994, NJW 1994, 1663, 1667 = JuS 1994, 1076; Tausch, NJW 1997, 2656 ff. 536 Vgl. Rieble, WM 1995, 828, 829 f., dessen Aufsatz den charakteristischen Titel „Das Ende des Fortsetzungszusammenhangs im Recht der Vertragsstrafe“ trägt. 537 Geilert, Vertragsstrafen in Geschäftsbedingungen, S. 108 f. 531

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sammenhangs ist auch dann als zulässig zu betrachten, wenn die Einzelverstöße vereinzelt gesehen große wirtschaftliche Bedeutung haben538. Nach einem entsprechenden Urteil des BGH kann die Frage, in welchem Umfang bei mehrfachen Verstößen gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung Vertragsstrafen verwirkt sind, nur nach einer Vertragsauslegung im Einzelfall, die auch Elemente einer ergänzenden Vertragsauslegung beinhalten kann, entschieden werden und nicht nach festen Regeln für alle einschlägigen Fälle, wie sie etwa aus einem vorgegebenen Rechtsbegriff des Fortsetzungszusammenhangs abgeleitet werden könnten539. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Abbedingung lässt den Schuldner nicht ohne Schutz. § 138 BGB dient der Kontrolle schwerer Fälle von Unverhältnismäßigkeit, die sich zugleich als sittenwidrig erweisen. Eine Kontrolle nach § 307 BGB ist in der Regel möglich, soweit es sich um eine vorformulierte Klausel handelt. Dabei ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, die die Höhe der Gesamtsumme als Summe mehrerer Strafen berücksichtigt. Dort spielt der Schutz der Interessen des Gläubigers, die Beseitigung der Wiederholungsgefahr und das Verschulden des Schuldners eine bedeutende Rolle. Außerhalb des Anwendungsbereichs des AGB-Rechts ist die Anwendung des § 343 BGB wie üblich möglich. Die entsprechende Kontrolle hat die gleichen Kriterien zu berücksichtigen. Für Vollkaufleute ist die Herabsetzung nach § 348 HGB nicht möglich. Stattdessen können ihnen die generellen Vorschriften (§§ 138, 305 ff. BGB) einen effektiven Schutzraum verschaffen. Darüber hinaus ist auch eine Kontrolle nach § 343 BGB möglich, wenn § 348 HGB abbedungen wird540. (5) Das besondere Erfordernis einer Obergrenze: Die Frage der formularmäßigen Strafklauseln in Bauverträgen Oft hat der Strafschuldner der folgenden Situation zu begegnen: Er steht vor einer unübersehbar hohen Vertragsstrafe, deren Höhe aber nicht aus dem Gewicht des Verstoßes, sondern aus der Dauer des vertragswidrigen Zustandes resultiert. Die andauernde Steigerung der Höhe der Strafleistung ist nur vom Lauf der Zeit abhängig und der Schuldner kann sich davon nur befreien, indem er die versprochene Leistung tatsächlich erbringt, was jedoch nicht immer möglich ist. Aus diesem Grund ist die unbegrenzte Vertragsstrafe in manchen Bereichen (Bau-541 und Vertragshändlerverträge542) besonders gefährlich. 538

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 73. BGH v. 25. 01. 2001, DB 2001, 1242, 1243 = NJW 2001, 2622. 540 So auch Rieble, WM 1995, 828, 831 f. 541 BGH v. 23. 01. 2003, MDR 2003, 804, 805 = NJW 2003, 1805; BGH v. 22. 10. 1987, BauR 1988, 86 = NJW-RR 1988, 146; Kleine-Möller, BB 1976, 442 ff.; Keßler, WiB 1996, 886, 887 ff., 918; Börgers, BauR 1997, 917, 919 ff.; Cuypers, ZfBR 1998, 272, 273 ff.; Kreikenbohm, BauR 2003, 315, 318 ff. Kritisch aber Leinemann, BauR 2001, 1472 ff. („Die ausufernde Beliebtheit der Vertragsstrafeklauseln erweckt den Eindruck, daß im Bauwesen offenbar nur noch mit solchen Regelungen Geld verdient werden soll oder kann.“) Was die Bauverträge angeht, sind die AGB sehr oft anzutreffen. Hier ist die Bedeutung der VOB/B zu betonen. Es geht um einen vorformulierten Klauseltext, der in Bauverträge einbezogen wird, um die Verhältnisse 539

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Um dieses Problem zu lösen, hat die Rechtsprechung einen Mechanismus zeitlicher und summenmäßiger Begrenzung entwickelt543. Die Grundregel besagt, dass die formularmäßige Strafklausel nicht kontinuierlich steigen darf, sondern einer Obergrenze zu unterstellen ist. Die Strafklausel muss eine Obergrenze anordnen, die die zeitliche Dauer oder den Höchstbetrag der Steigerung betreffen kann544. In der einen oder anderen Form muss sie ausdrücklich in der Formulierung der jeweiligen Strafklausel enthalten sein. Ergibt sich aus der Klausel keine Obergrenze, so verstößt sie gegen § 307 BGB und ist daher nichtig545. An diesem Punkt ist auch festzuhalten, dass das Obergrenzenerfordernis zugunsten des Strafschuldners funktioniert. Die Strafklausel, die keiner Obergrenze unterliegt und in AGB enthalten ist, kann durch das AGB-Recht nicht kontrolliert werden, falls sie den Verwender selbst belastet546. Das Gebot der Obergrenze muss sich explizit aus den AGB-Strafklauseln ergeben. Darüber hinaus werden diese Obergrenze sowie der Tagessatz, der die Basis für die Berechnung darstellt, hinsichtlich ihrer Angemessenheit kontrolliert. Es reicht nicht aus, dass irgendeine Grenze vereinbart wurde, sondern diese ist stets auch einer Kontrolle zu unterziehen. Dadurch erfasst das sog. Erfordernis der zweifachen Begrenzung, das heißt sowohl des Tagessatzes als auch der Gesamtstrafe, alle zwischen dem Bauunternehmer und dem Bauherrn zu regeln. VOB/B oder „Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen“, wie der Titel offiziell lautet, ist eine Initiative des Deutschen Vergabe- und Vertragsauschusses für Bauleistungen (DVA). Auf die Bauverträge des privaten Bereichs findet die VOB/B breite Anwendung. Sie hat den Status einer Zusammenfassung von AGB. Die Fassung von 2006 war vom 01. 11. 2006 bis 11. 06. 2010 in Kraft. Ab diesem Datum gilt die Fassung von 2009. Diese jüngste Version differenziert sich von der älteren nur durch die Untergliederung der einzelnen Paragrafen und nicht inhaltlich. Dieser ist der Grund, warum ältere Literatur berücksichtigt werden kann. Als AGB ist sie nach §§ 305 ff. BGB zu kontrollieren. Besonders ist zu prüfen, ob sie Vertragsbestandteil geworden ist und ob die jeweilige Klausel nach §§ 307 ff. BGB unzulässig ist oder nicht. Gegenüber Verbrauchern hat dies der BGH durch sein Urteil v. 24. 07. 2008, MDR 2008, 1151, 1152 = BauR 2008, 1603 bestätigt. Gegenüber Unternehmern aber gilt § 310 Abs. 1 S. 3 BGB, der anordnet, dass § 307 Abs. 1 und 2 BGB hinsichtlich einer Inhaltskontrolle der einzelnen Klauseln der VOB/B keine Anwendung finden, wenn sie in den Vertrag ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist. Jedoch ist in der Praxis selten, dass die Aufnahme als Ganzes ohne Abweichungen erfolgt. Deswegen ist die Inhaltskontrolle die Regel. Vgl. statt vieler Hofmann/Frikell, Unwirksame Bauvertragsklauseln, S. 33 ff.; Korbion/Locher/Sienz/ Sienz, AGB-Gesetz und Bauerrichtungsverträge, D Rn. 1 ff.; Vygen/Joussen/Schubert/ Lang,Bauverzögerung und Leistungsänderung, Teil A Rn. 92 ff. 542 BGH v. 07. 05. 1997, NJW 1997, 3233, 3234 = DB 1997, 1816. 543 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 107 bezeichnet das Urteil BGH v. 18. 11. 1982, BGHZ 85, 305 = MDR 1983, 302 = NJW 1983, 385 als „Leitentscheidung“. Vgl. auch Kapellmann/ Langen/Schiffer, BB 1987, 560 ff.; Rodemann, MDR 2002, 1357 f.; Schlünder, ZfBR 1995, 281 ff.; Vogel, ZfIR 2005, 373, 377 ff. 544 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 107; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGBRecht, § 309 Nr. 6 Rn. 115; Derlin, MDR 2009, 597, 598 ff. 545 BGH v. 10. 03. 2005, 10. 03. 2005, BauR 2005, 1014, 1015 = NJW-RR 2005, 1039. 546 OLG Köln v. 12. 04. 1995, BauR 1995, 708. Vgl. auch Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 108.

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Bauverträge547. Hinsichtlich der Unwirksamkeit der AGB-Strafklausel ist zu erwähnen, dass sie durch die Unangemessenheit der Höhe entweder des vereinbarten Tagessatzes oder der Gesamthöhe herbeigeführt wird548. Die Kontrolle des Gesamtbetrages ist allerdings von der Kontrolle des Tagessatzes unabhängig549. Auf der Grundlage dieses Prüfungsbedürfnisses hat die Rechtsprechung folgende Formeln entwickelt550 : Wenn die Vertragsstrafe auf der Basis einer Zeiteinheit (Tag551 oder Woche552) berechnet wird, was in der Praxis häufig der Fall ist, dann wird dieser Tages- oder Wochensatz durch § 307 BGB kontrolliert. Die folgenden Tagessätze hat die Rechtsprechung als angemessen hoch und daher zulässig erklärt: – 0,1 % der Angebotssumme je Werktag bei einer Obergrenze von 10 % der Angebotssumme553, 0,1 % pro Werktag bei einer Obergrenze von 5 % des Rechnungsendbetrags554,

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BGH v. 11. 05. 1989, NJW-RR 1989, 916 = MDR 1989, 904. Vgl. Kemper, BauR 2001, 1015, 1016 ff. 549 BGH v. 19. 01. 1989, NJW-RR 1989, 527, 528 = DB 1989, 722. 550 Zu den Höhegrenzen der vorformulierten Strafklauseln in Bauverträgen siehe Basty, Der Bauträgervertrag, Rn. 239; Beck’scher VOB-Komm./Wolff B § 11 Abs. 1 Rn. 42 ff.; Bschorr/ Zanner, Die Vertragsstrafe im Bauwesen, S. 59 ff., 149 ff.; Diehr, ZfBR 2008, 768, 770 f.; Englert/Motzke/Wirth/Schalk, Baukommentar, § 11 VOB/B Rn. 29 ff.; Jacob/Ring/Wolf/Fink/ Klein, Freiberger Handbuch zum Baurecht, § 2 Rn. 298 ff.; Hofmann/Frikell, Unwirksame Bauvertragsklauseln, S. 234 ff.; Handkommentar-VOB/Kuffer, § 11 VOB/B Rn. 15 ff.; Ingenstau/Korbion/Döring, § 11 VOB/B Rn. 22 ff., § 11 Abs. 1 VOB/B Rn. 3; Kapellmann/ Messerschmidt/Langen, § 11 VOB/B Rn. 48 ff., 66 ff.; Knacke, Die Vertragsstrafe im Baurecht, S. 42 ff.; Korbion/v. Wietersheim, Baurecht, Teil 23 Rn. 169 ff.; Keldungs/Brück, VOB-Vertrag, Rn. 279 ff.; Korbion/Locher/Sienz/Sienz, AGB-Gesetz und Bauerrichtungsverträge, K Rn. 73 ff.; Neuhaus/Pohlmann, ZAP 2004, 171, 185 f.; Neuhaus, ZAP Fach 5 R, 305, 311 ff.; Nicklisch/Weick/Nicklisch, § 11 VOB/B Rn. 12; Niebuhr, Vertragsstrafe, Rn. 192 ff.; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 232 ff.; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 126 ff.; Werner/Pastor/Werner, Der Bauprozess, Rn. 2578 ff.; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht, Rn. 1703 ff.; Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB, S. 143 ff.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 107 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 115 ff.; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 16 f. 551 Bedeutung hat, welcher Tagesbegriff Basis der Berechnung ist. Als Kalendertag wird jeder Tag des Kalenders (auch Sonn- und Feiertage), als Werktag jeder Kalendertag mit Ausnahme der Sonn- und Feiertagen und als Arbeitstag jeder Kalendertag ausschließlich der Samstage, der Sonn- und der Feiertage gemeint. Im Rahmen der VOB/B ordnet § 11 Abs. 3 1. HS. an, dass nur Werktage zählen, wenn bloß der generelle Begriff Tag benutzt wird. Vgl. statt vieler Kapellmann/Messerschmidt/Langen, § 11 VOB/B Rn. 68; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 136 f.; Derlin, MDR 2009, 597, 598. 552 Zu beachten ist § 11 Abs. 3 Halbs. 2, wonach jeder Werktag angefangener Wochen als 1/ 6 Woche gerechnet wird, wenn die Vertragsstrafe nach Wochen bemessen ist. Vgl. Kapellmann/ Messerschmidt/Langen, § 11 VOB/B Rn. 75 f. 553 BGH v. 25. 09. 1986, NJW 1987, 380 = BB 1986, 2295. 554 OLG Düsseldorf v. 19. 01. 1982, BauR 1982, 582, 583. 548

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– 0,15 % der Auftragssumme je Werktag555, – 0,2 % der Auftragssumme pro Werktag556, 0,2 % der Bruttoauftragssumme je Werktag bei einer Obergrenze von 10 % der Bruttoschlussrechnungssumme557, 0,2 % der Bruttoschlussrechnungssumme pro Kalendertag bei einer Obergrenze von 10 % der Bruttovergütungssumme558, 0,2 % der Bruttoauftragssumme je Kalendertag bei einer Obergrenze von 10 % der nach der Schlussrechnung maßgeblichen Bruttovergütungssumme559, – 0,3 % der Auftragssumme pro Arbeitstag560, 0,3 % der Auftragssumme je Werktag bei einer Obergrenze von 10 % der Abrechnungssumme561, – 0,5 % der Auftragssumme je Werktag bei einer Obergrenze von 5 %562. In den folgenden Fällen haben die Strafklauseln der Kontrolle nach § 307 BGB (oder § 9 AGBG) jedoch nicht standgehalten: – 0,15 % der Auftragssumme pro Werktag bei einer Obergrenze von 10 %563, – 0,2 % bei einer Höchstgrenze von 12 % der Auftragssumme564, 0,2 % der Auftragssumme je Arbeitstag bei einer Obergrenze von 10 %565, – 0,3 % der Bruttoabrechnugssumme je Kalendertag bei einer Obergrenze von 10 % der Bruttoabrechnungssumme566, 0,3 % der Auftragssumme pro Kalendertag bei

555 BGH v. 22. 10. 1987, NJW-RR 1988, 146 = BB 1988, 301. Der Vomhundertsatz wurde als niedrig angesehen, aber die Klausel konnte der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht standhalten, weil sie keine Begrenzung nach oben aufwies. 556 BGH v. 18. 11. 1982, BauR 1983, 80, 83; BGH v. 12. 10. 1978, BauR 1979, 56, 57 = NJW 1979, 69. 557 BGH v. 08. 02. 2001, NJW 2001, 1346 = BauR 2001, 945. 558 OLG Jena v. 10. 04. 2002, MDR 2002, 1245, 1246 = NJW-RR 2002, 1178; OLG Düsseldorf v. 29. 06. 2001, NJW-RR 2001, 1597, 1598 = BauR 2001, 1737. 559 BGH v. 18. 01. 2001, NJW-RR 2001, 738, 739 = BauR 2001, 791. 560 BGH v. 01. 04. 1976, MDR 1976, 834 = NJW 1976, 2259. 561 BGH v. 14. 01. 1999, MDR 1999, 540, 541 = BauR 1999, 645; OLG Jena v. 22. 10. 1996, BauR 2001, 1446, 1447. 562 OLG Dresden v. 01. 09. 1999, BauR 2000, 1881, 1882. Anders aber BGH v. 20. 01. 2000, MDR 2000, 827, 828 = BauR 2000, 1049. 563 BGH v. 23. 01. 2003, MDR 2003, 804, 805 = BauR 2003, 870. In diesem Fall war nicht der Tagessatz, sondern die Obergrenze von über 5 % der Auftragssumme problematisch. 564 OLG Saarbrücken v. 05. 04. 2001, NJW-RR 2001, 1030, 1031 = BauR 2001, 1109. Auch in diesem Fall lag das Problem nicht in dem Tagessatz, sondern in der Obergrenze. 565 BGH v. 08. 07. 2004, NJW-RR 2004, 1463, 1464 = BauR 2004, 1609. Die Klausel war unwirksam, weil sie die Höchstgrenze von 5 %, die sich seit 2003 durchgesetzt hat, überschritt. 566 OLG Dresden v. 09. 02. 2001, BauR 2001, 949 (mit Anm. Althoff).

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einer Höchstgrenze von 10 %567, 0,3 % der Auftragssumme pro Arbeitstag bei einer Höchstgrenze von 10 %568, 0,3 % der Auftragssumme pro Werktag bei einer Höchstgrenze von 10 %569, – 0,5 % der Auftragssumme ohne Höchstgrenze570, 0,5 % der Auftragssumme je Arbeitstag bei einer Obergrenze von 5 %571, 0,5 % der Auftragssumme je Werktag bei einer Obergrenze von 10 % der Auftragssumme572, 0,5 % der Abrechnungssumme je Kalendertag mit einer Obergrenze von 10 % des Nettoendabrechnungswertes573, Tagessatz höher als 0,5 % der Auftragssumme pro Kalendertag574, – 0,7 % der Auftragssumme pro Tag575, – 1,0 % der Abrechnungssumme576, 1,0 % der Abrechnungssumme pro Werktag bei einer Obergrenze von 10 % der Abrechnungssumme577, – 1,5 % der Vertragssumme je Arbeitstag578. Zum Schluss ist auf der Basis der dargestellten Rechtsprechung anzumerken, dass ein Tagessatz in Höhe von 0,3 % pro Arbeitstag nicht zu beanstanden ist, während ein Vomhundertsatz von mehr als 0,5 % auf jeden Fall als unzulässig angesehen werden muss579. Hinsichtlich der Bestimmung eines Vomhundertsatzes als Obergrenze der Vertragsstrafe ist zu betonen, dass diese auf jeden Fall erforderlich ist. Die Rechtsprechung hat dies seit Langem bestätigt, weil das Erfordernis dadurch gerechtfertigt wird, dass die Verzögerungen häufig bei der Durchführung einer Planung entstehen. 567

OLG Hamm v. 10. 02. 2000, MDR 2000, 881 = BauR 2000, 1202. OLG Oldenburg v. 30. 09. 2004, BauR 2005, 887. 569 OLG Schleswig v. 21. 04. 2005, MDR 2007, 253 = BauR 2005, 1641. 570 BGH v. 18. 11. 1982, MDR 1983, 302, 303 = NJW 1983, 385. 571 BGH v. 20. 01. 2000, MDR 2000, 827, 828 = BauR 2000, 1049. Anders aber OLG Dresden v. 01. 09. 1999, BauR 2000, 1881, 1882. 572 BGH v. 17. 01. 2002, NJW-RR 2002, 806, 807 = BauR 2002, 790. Vgl. auch OLG Brandenburg v. 06. 12. 2002, BauR 2003, 1404. 573 OLG Koblenz v. 23. 02. 2000, BauR 2000, 1338 = NJW-RR 2000, 1042. 574 BGH v. 17. 01. 2002, NJW-RR 2002, 806, 807 = BauR 2002, 790. 575 BGH v. 07. 03. 2002, NJW 2002, 2322, 2323 = NZBau 2002, 383. 576 OLG Nürnberg v. 24. 11. 1982, BB 1983, 1307. 577 OLG Naumburg v. 17. 12. 1997, OLGR 1999, 297, 298. 578 BGH v. 12. 03. 1981, BauR 1981, 374, 375. 579 Vgl. Bschorr/Zanner, Die Vertragsstrafe im Bauwesen, S. 67 f.; Englert/Motzke/Wirth/ Schalk, Baukommentar, § 11 VOB/B Rn. 31; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, § 11 VOB/ B Rn. 68 ff.; Knacke, Die Vertragsstrafe im Baurecht, S. 46 ff.; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 242 ff.; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 136 ff.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 111; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 117; v. Westphalen/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 16 f. 568

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Selbst wenn der Tagessatz niedrig ist, kann eine lange Verzögerung zu einer so übermäßigen Vertragsstrafe führen, dass der gesamte Werklohn durch das Strafgeld verloren und manchmal sogar überschritten wird. Effektiven Schutz kann dem Strafschuldner nur die Obergrenze bieten. Wenn diese aber fehlt oder unangemessen hoch bestimmt wird, dann ist die Strafklausel unzulässig, obwohl der Tagessatz vernünftig hoch sein kann. Jahrzehntelang galt die Grenze von 10 % der Angebots- oder der Abrechnungsoder der Schlussrechnungssumme als der goldene Schnitt bei der Berechnung580. Vertragsstrafen, die höher als diese Höchstgrenze ausfielen, wurden konsequent als unzulässig erklärt581. Wendepunkt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war das BGH-Urteil vom 23. Januar 2003582. Nach dieser bedeutenden Änderung der Rechstprechung benachteilige eine in AGB des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel in einem Bauvertrag den Auftragnehmer unangemessen, wenn sie eine Höchstgrenze von über 5 % der Auftragssumme vorsehe583. Weiter hat der BGH hinsichtlich der vor dem Bekanntwerden dieser Entscheidung geschlossenen Verträge beurteilt, dass mit einer Auftragssumme von bis zu ca. 13 Millionen DM grundsätzlich Vertrauensschutz hinsichtlich der Zulässigkeit einer Obergrenze von bis zu 10 % bestehe584. Trotz der Kritik gegen das Urteil, nach der die Obergrenze von 5 % zu niedrig sei und dadurch die Wirksamkeit und besonders die Druckfunktion der Vertragsstrafe beeinträchtigt werde585, ist der Rechtsprechung des BGH zu folgen, weil diese zur

580 Vgl. BGH v. 18. 01. 2001, NJW-RR 2001, 738, 739 = MDR 2001, 562; BGH v. 20. 01. 2000, MDR 2000, 827, 828 = NJW 2000, 2106; BGH v. 14. 01. 1999, MDR 1999, 540, 541 = BB 1999, 1026; BGH v. 25. 09. 1986, NJW 1987, 380 = BB 1986, 2295; OLG Jena v. 10. 04. 2002, NJW-RR 2002, 1178, 1179 = MDR 2002, 1245; OLG Düsseldorf v. 29. 06. 2001, NJWRR 2001, 1597, 1598 = BauR 2001, 1737; OLG Jena v. 26. 01. 1999, OLGR 1999, 193, 195; OLG Düsseldorf v. 10. 06. 1997, NJW-RR 1997, 1516, 1517 = BauR 1997, 1041. 581 OLG Saarbrücken v. 05. 04. 2001, NJW-RR 2001, 1030, 1031 = BauR 2001, 1109: 12 % der Auftragssumme; OLG Zweibrücken v. 10. 03. 1994, BauR 1994, 509, 511 f. = NJW-RR 1994, 1363: 20 % des Bruttovertragspreises; OLG Hamm v. 18. 06. 1990, NJW-RR 1992, 1206, 1207: 40 % der Bruttovergütungssumme. 582 BGH v. 23. 01. 2003, MDR 2003, 804, 805 = NJW 2003, 1805 = BauR 2003, 870. Vgl. auch Schuhmann, ZfBR 2009, 307 ff. 583 In den Urteilen BGH v. 20. 01. 2000, BauR 2000, 1049, 1050 = NJW 2000, 2106 und OLG Dresden v. 01. 09. 1999, BauR 2000, 1881, 1882 hat das entsprechende Gericht die Grenze von 5 % als zulässig angesehen, aber man muss berücksichtigen, dass die damalige Obergrenze 10 % der Auftragssumme war. 584 BGH v. 23. 01. 2003, MDR 2003, 804, 805. Vgl. auch BGH v. 08. 07. 2004, NJW-RR 2004, 1463, 1464 = MDR 2005, 29, wonach die Obergrenze von 10 % der Abrechnungssumme nach der Entscheidung des BGH v. 23. 01. 2003 zwar unzulässig sei, aber sich der Vertrauensschutz bezüglich der vorher abgeschlossenen Verträge bis auf 15 Millionen DM erstrecke. 585 Vgl. vor allem v. Gehlen, NJW 2003, 2961, 2963; Wolter, BauR 2003, 1274, 1275 ff.; Pauly, MDR 2005, 781, 783; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, § 11 VOB/B Rn. 83 ff., 87 f. Vgl. aber die Kritik von Leinemann, BauR 2001, 1472, 1473 ff. gegen die bisherige Recht-

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Rechtsklarheit und Rechtssicherheit beiträgt. Die Obergrenze hat auch in der Literatur Anerkennung gefunden, ein Umstand, der auch angesichts der Vertragsgestaltung nicht übersehen werden darf586. Entspricht die vorgenannte Grenze den Interessen beider Vertragsparteien aber nicht, so bleibt ihnen der Weg zu einer Individualvereinbarung offen587. Eine weitere Frage beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen beiden Kriterien (Tagessatz und Gesamthöhe), ob dieses Verhältnis als weiteres Kriterium anerkannt werden muss. Sie wurde durch die Rechtsprechung in einem Fall bejaht588. Die Begründung, dass der Tagessatz im Vergleich zur Gesamtstrafhöhe auf jeden Fall kontrolliert werden müsse, weil ein niedriger Tagessatz mehr Zeit brauche, um die Obergrenze zu erreichen, ist nicht überzeugend. Die Argumenation lässt kein neues oder selbstständiges Kriterium erkennen, sondern lediglich das vorgenannte Kriterium der einzelnen Zeiteinheit. Solche Erwägungen sind Elemente der Angemessenheitskontrolle des Tagessatzes selbst589. Ein Problem, das an die Frage des Begrenzungsbedürfnisses der vorformulierten Strafklauseln in Bauverträgen anknüpft, betrifft die in kurzen Zwischenterminen verwirkte Vertragsstrafe. Es kann vorgesehen sein, dass nicht nur die Baufertigstellung, sondern auch einzelne Zwischenfristen strafbewehrt sind590. Dies birgt die Gefahr, dass die Nichteinhaltung einer dieser Fristen den Verfall der Strafe herbeiführt. Dies bringt jedoch eine Kettenreaktion mit sich, so dass eine Kumulation von Strafsummen den Schuldner überbelastet, wenn auch die nachfolgenden Fristen nicht eingehalten werden. Objektiv betrachtet ist die Strafbewehrung von Zwi-

sprechung, die die Obergrenze von 10 % ohne jegliche weitere Überlegung für wirksam erachtete. 586 Vgl. Roquette/Laumann, BauR 2003, 1271, 1272 f.; Minuth, NZBau 2003, 315, 316; Bschorr/Zanner, Die Vertragsstrafe im Bauwesen, S. 65 f.; Englert/Motzke/Wirth/Schalk, Baukommentar, § 11 VOB/B Rn. 32; Handkommentar-VOB/Kuffer, § 11 VOB/B Rn. 19; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 246 ff.; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 128 ff., 134; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 109 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGBRecht, § 309 Nr. 6 Rn. 116; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 16. 587 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 588 BGH v. 20. 01. 2000, MDR 2000, 827, 828 = NJW 2000, 2106 („Ein hoher Tagessatz lässt die Vertragsstrafe schneller anwachsen und die Obergrenze erreichen als ein niedriger Tagessatz. Die Bemessung der Zeitspanne, in der eine ansonsten unproblematische Vertragsstrafe ganz oder teilweise verfällt, kann dazu führen, daß die Zwecke der Vertragsstrafe verfehlt werden und diese den Zusammenhang mit den Verzugsauswirkungen verliert. Eine solche Folge ist unzulässig.“). Im Schrifttum vgl. Werner/Pastor/Werner, Der Bauprozess, Rn. 2580. 589 Zutreffend in diesem Sinne Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 237 mit dem Argument, dass der Verwender der entsprechenden Klausel eine höhere Obergrenze zulasten seines Partners durchsetzen möchte, um diese Angemessenheit zwischen Tagessatz und Höchstgrenze zu schaffen. So auch Minuth, NZBau 2000, 322, 323 f. 590 Vgl. Schaller, RiA 2002, 69 ff. Eingehend dazu Hafkesbrink/Schoofs, BauR 2010, 133 ff.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

381

schenterminen grundsätzlich zulässig591. Die Rechtsprechung geht aber zu Recht davon aus, dass eine Angemessenheitskontrolle unentbehrlich ist592. Ein Verstoß gegen das AGB-Recht kann dadurch entstehen, dass der gleiche Tagessatz (0,3 % der Bruttoabrechnungssumme je Kalendertag) für die Überschreitung sowohl der Zwischentermine als auch des Fertigstellungstermins vereinbart ist593 oder eine kurze Überschreitung eines Einzeltermins die Kumulation mehrerer Vertragsstrafen zur Folge hat (sog. Vervielfachung der Vertragsstrafe)594. Auch die Obergrenze spielt besonders dann eine bedeutende Rolle, wenn die Klausel nicht erkennen lässt, ob diese Höchstgrenze pro Termin oder insgesamt gilt595. Erwähnenswert ist, dass der BGH zwar Bedenken gegen die Strafbewehrung der Zwischentermine wegen der Kumulationsgefahr geäußert hat, aber die Frage, ob diese Pönalisierung zulässig ist, offen gelassen wurde596. Die herrschende Meinung in der Literatur setzt sich für eine Angemessenheitskontrolle der Kumulation von Vertragsstrafen angesichts der Überschreitung von Zwischenfristen ein597. Vertragsgestaltend ist zu beachten, dass die Vertragsstrafe für die Fertigstellungsfrist von der Vertragsstrafe für die Zwi591

BGH v. 18. 01. 2001, NJW-RR 2001, 738, 739 = MDR 2001, 562; Kemper, BauR 2001, 1015, 1018. 592 OLG Bremen v. 07. 10. 1986, NJW-RR 1987, 468, 469 („Mit der Zahl der versäumten Zwischentermine vervielfältigt sich die Vertragsstrafe. Wird der Terminplan, wie hier, besonders detailliert, d. h. mit, vielen Zwischenterminen ausgestaltet, so kann bereits ein in einem frühen Ausführungsstadium eintretendes verzögerndes Ereignis in einer Art Kettenreaktion zur Überschreitung weiterer Zwischentermine und evtl. des Endtermins führen, wenn es nicht gelingt, den einmal eingetretenen Zeitverlust wieder auszugleichen. (…) Eine solche Vertragsstrafe kann in ihrer Höhe völlig außer Verhältnis zum Interesse des Auftraggebers an der Termineinhaltung Geraten.“). 593 OLG Dresden v. 09. 02. 2001, BauR 2001, 949 (mit Anm. Althoff). Vgl. aber OLG Dresden v. 01. 09. 1999, BauR 2000, 1881, wonach die Vertragsstrafe in Höhe von 0,5 % je Werktag bei einer Obergrenze von 5 %, die sich sowohl auf Einzelfristen als auch auf die Fertigstellungsfrist beziehe, wirksam sei. 594 OLG Hamm v. 10. 02. 2000, MDR 2000, 881 = BauR 2000, 1202; OLG Jena v. 10. 04. 2002, MDR 2002, 1245, 1246 = NJW-RR 2002, 1178. 595 OLG Koblenz v. 23. 03. 2000, NJW-RR 2000, 1042 = BauR 2000, 1338. 596 BGH v. 18. 01. 2001, NJW-RR 2001, 738, 739 = MDR 2001, 562. Gleiche Behandlung des Problems, das heißt Kontrolle der Vertragsstrafe für die Überschreitung des Endtermins und nicht der Zwischentermine, weil beide Klauseln Trennbarkeit aufwiesen, auch vom BGH v. 14. 01. 1999, MDR 1999, 540, 541 = NJW 1999, 1108. 597 Bschorr/Zanner, Die Vertragsstrafe im Bauwesen, S. 69 ff.; Kemper, BauR 2001, 1015, 1018 f.; Englert/Motzke/Wirth/Schalk, Baukommentar, § 11 VOB/B Rn. 33; HandkommentarVOB/Kuffer, § 11 VOB/B Rn. 20; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 254 ff.; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 139 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 117; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 17; Werner/Pastor/Werner, Der Bauprozess, Rn. 2583; Lau, Jb. Baurecht 2003, 55, 68 f. Vgl. dagegen Kapellmann/Messerschmidt/Langen, § 11 VOB/B Rn. 80, der die Meinung vertritt, dass die Kumulationsgefahr in den meisten der Fälle nicht bedeutend sei. Die Kumulierung von Vertragsstrafen setze Verzug mit Verschulden des Auftragnehmers voraus. Die einfache Überschreitung von Fristen als Fortsetzung des Verzugs aus der Überschreitung einer vorigen Frist reiche nicht aus.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

schenfristen optisch und inhaltlich getrennt sein muss598. Regelt die Strafklausel insgesamt Zwischenfristen und Endtermin und ist sie teilweise wegen des Kumulationsverbots unwirksam, so erstreckt sich die Unwirksamkeit auch auf den Teil, der die Baufertigstellung absichert. Bis jetzt hat sich die vorliegende Darstellung ganz auf Bauverträge konzentriert. Daran knüpft jedoch die Frage an, ob die von der Rechtsprechung geforderte Obergrenze eine allgemeine Geltung in allen Verträgen haben muss. Am Beispiel des gewerblichen Mietvertragsrechts hat der BGH dies ausdrücklich abgelehnt599. Die Rechtsprechung geht von einer restriktiven Auslegung aus, die das Erfordernis der Obergrenze als abhängig vom jeweiligen Vertragstypus betrachtet. Die Ansicht des BGH hat sich darauf gestützt, dass keine Ähnlichkeit zwischen Bau- und Mietverträgen bestehe und die Obergrenze die Wirksamkeit der Druckfunktion entkräfte. Dieser Stellungnahme ist nicht zu folgen. Einerseits differenziert der BGH zwischen Bau- und Mietverträgen ohne weitere Begründung. Richtig ist aber, dass es sich in beiden Fallgruppen um dieselbe Dauerzuwiderhandlung handelt, genauer gesagt den Verzug. Andererseits widerspricht sich der BGH, indem er das Obergrenzenerfordernis als Abschwächung der Druckfunktion ansieht, weil er diese Begrenzung in einer Reihe von Urteilen z. B. im Baurecht angenommen hat600. Aus diesen Gründen und insbesondere wegen der Gefährlichkeit der unbegrenzt steigenden Strafe für die Interessen des Schuldners ist ein allgemeines Obergrenzenerfordernis in allen Konstellationen zu bejahen, in denen dauerhafter Verzug als Verwirkungsgrund eintritt. In Fällen, in denen jedoch der andauernde Verzug nicht der Verfallsgrund ist, sondern es sich nur um eine andauernde Unterlassungspflicht (z. B. Wettbewerbsverbot) handelt, gilt die Obergrenzenregel nicht. Hier betrifft die Dauer die strafbewehrte Leistungs- oder (genauer gesagt) Unterlassungspflicht selbst und nicht die Verletzung der Hauptpflicht. Der Schuldner hat kein Bedürfnis, vor einer kontinuierlich steigenden Vertragsstrafe geschützt zu werden, sondern die Höhe der Strafleistung muss möglichst hoch bleiben, damit sie eine effektive Druckwirkung ausüben kann601. 598

Bschorr/Zanner, Die Vertragsstrafe im Bauwesen, S. 71; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 261; Reuter, Vertragsstrafen im privaten Baurecht, S. 141; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 92 – 94; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, § 11 VOB/B Rn. 79. Vgl. auch BGH v. 18. 01. 2001, NJW-RR 2001, 738, 739 = MDR 2001, 562. 599 BGH v. 12. 03. 2003, BauR 2003, 1267, 1268 = NJW 2003, 2158: Vertragsstrafe von 500 DM für jeden Tag von Verzug der Übergabe der gemieteten Immobilie. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 16. 08. 2007, GuT 2007, 384: Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 EUR pro Tag von Fristüberschreitung. 600 Kritik statt vieler in Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 115; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 115; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 19. 601 BGH v. 28. 01. 1993, NJW 1993, 1786, 1788 = DB 1993, 1282 („Das Vertragsstrafeversprechen ist auch nicht deshalb unwirksam, weil es für jeden Fall der Zurückhaltung einer Kundenanschrift gilt und dadurch eine Vielzahl von Fällen betrifft, so daß sich je nach der Zahl

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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(6) Die AGB-Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen (a) Die Zulässigkeit vorformulierter Strafklauseln in Arbeitsverträgen: Das Problem der Nichtanwendung des § 309 Nr. 6 BGB Das Problem, ob die Einbeziehung von Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträge zulässig ist, hat sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur seit der Schuldrechtsreform beschäftigt. Durch diese Reform wurde die für das Arbeitsrecht bis dahin geltende Bereichsausnahme des § 23 AGBG a. F. abgeschafft602. Besonders problematisch scheint die Einordnung des Vertragsbruchs des Arbeitnehmers, genauer gesagt der Nichtarbeit, als Lösung vom Vertrag. Seit 2002 hat es viele Stimmen für ein Verbot von Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen gegeben. Dies ist zu verstehen, weil sich der Wortlaut selbst als wichtigen Stützpunkt dieser Meinung bot in dem Sinne, dass der Gesetzgeber seine Feindlichkeit gegen die vorformulierten Strafen in § 309 Nr. 6 BGB grundsätzlich deutlich macht603. Trotz der Gegenstimmen in der Literatur604 war die Rechtslage bis zum Jahre 2004 nicht klar, da andere Urteile die Zulässigkeit wiederum bejahten605. Im Jahre 2004 hat das BAG ein Urteil gefällt, das bis heute als Leitentscheidung funktioniert und das Problem zugunsten der Verwendung von Vertragsstrafen gelöst hat606. Seitdem wurde das Ergebnis, das die teleologische Reduktion des § 309 Nr. 6 BGB für die Arbeitsverträge zur Folge hatte, mehrmals höchstrichterlich bestätigt607. Demzufolge kann man von einer herrschenden Meinung in der Rechtsprechung sprechen. Nach dem Urteil des BAG wurde auch im Schrifttum die gleiche Tendenz, das heißt die Ablehnung des Rückgriffs auf das Verbot des § 309 Nr. 6 BGB hinsichtlich der zurückbehaltenen Kundenanschriften die Zahl der Verstöße vergrößert und die zu zahlende Vertragsstrafe erhöht. Daß der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe bei mehreren Verstößen gegen die gleiche Verpflichtung entstehen kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt.“). Vgl. auch Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 116. 602 Vgl. auch oben Teil 3 B. II. 1. b) cc) (2). 603 In der Rechtsprechung siehe LAG Hamm v. 24. 01. 2003, AuA 2003, 54, 55 = NZA 2003, 499; LAG Düsseldorf v. 08. 01. 2003, DB 2003, 2552, 2553 = NZA 2003, 382; ArbG Bochum v. 08. 07. 2002, AuA 2002, 470, 471 = NZA 2002, 978. Die Ansicht haben Klevemann, AiB 2002, 577, 581 f.; v. Koppenfels, NZA 2002, 598, 599 ff.; Gross, Vertragsstrafen des Arbeitnehmers, S. 153 ff.; Hofmann, Die Kontrolle von Arbeitsverträgen nach der Schuldrechtsreform, S. 127 ff.; Ziemann, jurisPR-ArbR 12/2003 Nr. 6 vertreten. 604 Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 955; Hromadka, NJW 2002, 2523, 2528; Rolfs, ZGS 2002, 409, 411; Reichenbach, NZA 2003, 309 ff.; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 44 f.; Conein-Eikelmann, DB 2003, 2546, 2547 f.; Hoß, ArbRB 2002, 138, 141 f.; Singer, RdA 2003, 194, 201 f. 605 So z. B. ArbG Duisburg v. 14. 08. 2002, DB 2002, 1943 = NZA 2002, 1038. 606 BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797 = DB 2004, 1616 = JuS 2004, 1031. 607 So z. B. BAG v. 14. 08. 2007, BB 2008, 395 = NJW 2008, 458; BAG v. 18. 08. 2005, AuA 2006, 53, 54 = NZA 2006, 34; BAG v. 21. 04. 2005, AuA 2005, 619, 620 = NZA 2005, 1053. Vgl. auch LAG Schleswig-Holstein v. 02. 02. 2005, AuA 2005, 370 = NZA-RR 2005, 351; LAG Hamm v. 07. 05. 2004, NZA-RR 2005, 128.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

der Formulararbeitsverträge, herauskristallisiert, was bis heute die wohl herrschende Ansicht in der Literatur ist608. Dieser Stellungnahme ist mit einigen Differenzierungen zu folgen. Der Wortlaut der Vorschrift verbietet nur die formularmäßigen Vertragsstrafen, welche die Nichtabnahme oder die verspätete Abnahme der Leistung, den Zahlungsverzug oder die Lösung vom Vertrag sanktionieren. Daraus folgt, dass das Verbot keinesfalls generell zu verstehen ist. Nur bestimmte Fallgruppen formularmäßiger Strafen sind danach unzulässig, was bedeutet, dass die Zulässigkeit der Vertragsstrafen der Regel entspricht. Demzufolge kann die formularmäßige Strafe, mit der andere Pflichtverletzungen als die vorgenannten bewehrt werden, nicht als unzulässig bezeichnet werden. In diesem Fall wird die Vorschrift tatbestandlich, nicht wörtlich erfüllt. Weitere Bedenken, die die Nichtanwendung des Klauselverbots des § 309 Nr. 6 BGB zu rechtfertigen versuchen, sind daher entbehrlich. Im Arbeitsrecht kann die dritte Fallgruppe („Vertragslösung“) besondere Bedeutung erlangen. Wie bereits erwähnt, ist dieser Begriff weit auszulegen, denn er umfasst jede ausdrückliche oder konkludente Willensäußerung des Arbeitnehmers, den Vertrag loszuwerden609. Folglich ist es eine Frage der Auslegung, wie der durch die Vertragsstrafe sanktionierte Begriff des Vertragsbruchs des Arbeitsvertrages zu verstehen ist, wann also die strafbewehrte Handlung oder Unterlassung des Arbeitnehmers auch einer Vertragslösung entspricht. Es herrscht die Meinung vor, dass nicht jede nicht erbrachte Leistung eine Vertragslösung ist. In Hinsicht auf die verschiedenen Vertragsverletzungen kann weder die fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses (als Ausübung eingeräumten Rechtes) noch die Verletzung einer Hauptleistungspflicht (z. B. durch Schlechtleistung) als Lösung vom Vertrag

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Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 85 f.; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 24; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 10, 15 ff.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 60 Rn. 9 ff.; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 91 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 29; Walker, in: FS Röhricht, S. 1277, 1293 ff.; Methner, CaS 2009, 217, 218 ff.; Winter, BB 2010, 2757, 2759; Brors, jurisPR-ArbR 34/2004 Anm. 1; dies., DB 2004, 1778, 1779 ff.; Joost, ZIP 2004, 1981, 1982 f.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 924 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 96; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 203; Zundel, NJW 2006, 1237, 1241; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 2; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle, S. 78 f.; Thüsing, AGBKontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 427 ff.; Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 152 ff.; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 266 ff.; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, passim; Kriebitzsch, Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Arbeitsbedingungen, S. 141 ff.; Hauck, NZA 2006, 816 f.; Schrader/Schubert, NZA-RR 2005, 225, 231; v. Steinau-Steinrück/Hurek, NZA 2004, 965, 966 f.; Schul/ Wichert, SpuRt 2004, 229, 230 f.; Oberthür, NZA 2003, 462, 464 f.; Oetker, AcP 212 (2012), 202, 242 ff. A. A. auch nach den Judikaten des BAG Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 309 Nr. 6 Rn. 5 ff.; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn. 5 430 ff.; Aretz, Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag, S. 162 ff. 609 Mehr dazu oben Teil 3 B. II. 2. g).

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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bezeichnet werden610. Das Gleiche gilt für die Nichteinhaltung von Nebenvereinbarungen (z. B. Wettbewerbsverbote, Verschwiegenheitspflichten, Nebentätigkeitspflichten)611. In diesen Fällen sind die Strafklauseln deswegen zulässig, weil keine unrechtgemäße Vertragslösung im Sinne des § 309 Nr. 6 BGB vorliegt. Andere Konstellationen sind dagegen ein Vertragsbruch, was die Strafbewehrung nach § 309 Nr. 6 BGB grundsätzlich ausschließt. Es handelt sich generell um Fälle, in denen sich der Arbeitnehmer ohne Recht und endgültig vom Arbeitsverhältnis befreit. Der ungerechtfertigte Nichtantritt612 oder das Verlassen der Arbeitsstelle (z. B. ohne Einhaltung der Kündigungsfrist) und die schuldhafte Veranlassung der fristlosen Kündigung vom Arbeitgeber sind typische Beispiele eines Vertragsbruchs, die eine Lösung vom Vertrag zur Folge haben613. Infolgedessen kann das Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB eingreifen. Dem grundsätzlichen Strafklauselverbot, das für die Fälle der Vertragslösung normalerweise gelten müsste, ist jedoch nicht zuzustimmen. Auch wenn der Tatbestand des § 309 Nr. 6 BGB wörtlich erfüllt wird, so ist die Vorschrift dennoch nicht anzuwenden. Die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BGB ist der hierfür erforderliche Rechtfertigungsgrund. Die höchstrichterliche Rechtsprechung kommt ohne die ausgeführte methodologische Differenzierung zum gleichen Ergebnis (Nichtanwendung des Klauselverbots auf Formulararbeitsverträge)614. Trotz der Überschrift des § 309 BGB „Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit“, die jede Abwägung untersagt, ist die Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten nach der speziellen Regelung des § 310 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BGB geboten. Sie gilt für den gesamten Abschnitt (§§ 305 ff. BGB)615. Als „im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten“ sind die innerhalb des Arbeitsrechts geltenden Abweichungen von der Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Grundätze, die rechtlicher (z. B. normative Rechtsgrundsätze, Rechtsprinzipien 610 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 85 f.; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 15 ff.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 12; Winter, BB 2010, 2757, 2759; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 203; Singer, RdA 2003, 194, 202; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 429; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 189 ff. 611 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 925; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 18 ff. 612 Eingehend zum Nichtantritt der Arbeit vgl. Bengelsdorf, BB 1989, 2390 ff., 2393. 613 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 86; Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 189 ff. 614 Vor allem BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797. 615 BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797; v. Steinau-Steinrück/ Hurek, NZA 2004, 965. Vgl. auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift in BT-Drucks. 14/ 6857, S. 54: „Allerdings sollten vor allem die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Vielmehr sollten hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können.“.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

und Maßstäbe) und tatsächlicher Art sein können, gemeint616. Die Besonderheiten sind im Rahmen eines Zweck-Mittel-Verhältnisses zu überprüfen, in dem die für den Arbeitnehmer infolge einer Vertragsstrafe entstehenden Nachteile durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden können. Erste Besonderheit, die eine grundsätzliche Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB modifizieren kann, ist die fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO617. Diese Vorschrift schließt die Vollstreckbarkeit von persönlich zu erbringenden Diensten durch Zwangsgeld oder Zwangshaft generell aus. Dadurch stellt sich die Frage, ob diese Ausnahme eine Besonderheit des Arbeitsrechts ist. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass sie nicht nur Arbeitsverträge, sondern auch Dienstverträge umfasst. Besonderheit bedeutet aber nicht einzigartige, exklusive Geltung im Arbeitsrecht. Es reicht einfach aus, dass es sich um eine Eigentümlichkeit handelt, die von allgemeinen Grundsätzen im Zivilrecht abweicht. Der Umstand, dass diese Differenzierung auch auf Dienstverträge zutrifft, kann die Charakterisierung als Besonderheit nicht ausschließen. In diesem Sinne entspricht die Nichtvollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO einer arbeitsrechtlichen Besonderheit. Aus diesem Grund ist die Verwendung vorformulierter Strafklauseln gerechtfertigt, weil dem Arbeitgeber kein anderes Mittel zur Verfügung steht, um den Arbeitnehmer zur Einhaltung seiner Pflichten zu zwingen618. Eine zweite Besonderheit liegt nach einem Teil der Rechtsprechung619 und der Literatur620 in den Schwierigkeiten des Arbeitgebers, den Schaden bei einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nachzuweisen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Pflichtverletzung (z. B. Vertragsbruch) dem Arbeitgeber Schaden zufügt, der sich nur schwer berechnen lässt. Diese Berechnungs- und Beweisschwierigkeit charakterisiert aber nicht ausschließlich das Arbeitsrecht. Es handelt sich um ein Phänomen, das das ganze Schuldrecht kennzeichnet. Beispielsweise sind auch Werkverträge mit

616 Vgl. statt vieler Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 154 ff.; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 65 ff., 102 f. (mit der Differenzierung, dass die Besonderheiten nur rechtlicher Art sein könnten; Besonderheiten tatsächlicher Art seien aber auch zu berücksichtigen). 617 BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797; ArbG Duisburg v. 14. 08. 2002, DB 2002, 1943 = NZA 2002, 1038. Vgl. auch ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 9; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 96; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 428; v. Steinau-Steinrück/Hurek, NZA 2004, 965, 966 f.; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 11 f.; Tödtmann/Kaluza, DB 2011, 114, 115. 618 Ausführlich in Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 156 ff.; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 117 ff., 177 ff. 619 ArbG Duisburg v. 14. 08. 2002, DB 2002, 1943 = NZA 2002, 1038. A. A. LAG Hamm v. 24. 01. 2003, NZA 2003, 499, 502 = AuA 2003, 54. 620 Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 954. A. A. v. Koppenfels, NZA 2002, 952, 954.

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solchen Schwierigkeiten befasst. Daraus folgt, dass dieser Umstand keinesfalls als eine im Arbeitsrecht geltende Eigentümlichkeit bezeichnet werden darf621. Als Besonderheit kann möglicherweise auch die weite Verbreitung der vorformulierten Strafklauseln in Arbeitsverträgen und ihre Billigung vom BAG erachtet werden622. Dieser Ansicht ist jedoch nicht zuzustimmen. Außer dem Argument, dass es nicht die Rechtsprechung des BAG623, sondern die damalige Rechtslage (§ 23 AGBG) war, die die Zulässigkeit vorformulierter Strafklauseln zur Folge hatte624, stellt der Versuch, die Zulässigkeit selbst durch die auch heute (nach der Schuldrechtsreform) höchstrichterlich anerkannte Zulässigkeit zu begründen, eine petitio principii dar und ist aus diesem Grund abzulehnen. Die in der Praxis vorherrschende Üblichkeit solcher Klauseln kann nicht als Besonderheit angesehen werden; jedoch kann sie als Indiz für eine Zulässigkeit bewertet werden625. Schließlich ist davon auszugehen, dass Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen nicht unwirksam sind. Entspricht das strafbewehrte Verhalten einer Vertragslösung, dann würde § 309 Nr. 6 BGB eingreifen, wenn § 888 Abs. 3 ZPO keine arbeitsrechtliche Besonderheit wäre, was letztlich die Nichtanwendung des § 309 Nr. 6 BGB mit sich bringt. In allen anderen Fällen wird der Tatbestand der Verbotsvorschrift schlicht nicht erfüllt. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber vor allem den zahlungspflichtigen Kunden im Rahmen von Kauf- und Werkverträgen vor Augen hatte626. In Arbeitsverträgen sind die Sicherungsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Unterschied zu den vorgenannten Vertragstypen so beschränkt, dass dieser ein erhöhtes Interesse an der Bekämpfung der Vollstreckungsschwierigkeiten hat. Dies muss zur Bejahung der Zulässigkeit der Vertragsstrafen in den formularmäßigen Arbeitsvertragsbedingungen führen. (b) Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB bei Angemessenheit der Strafhöhe Die Tatsache, dass § 309 Nr. 6 BGB die Zulässigkeit vorformulierter Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen nicht ausschließen kann, bedeutet nicht, dass diese in

621 Vgl. Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 159 ff.; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 119 ff.; Hofmann, Die Kontrolle von Arbeitsverträgen nach der Schuldrechtsreform, S. 132. 622 So z. B. ArbG Duisburg v. 14. 08. 2002, DB 2002, 1943 = NZA 2002, 1038. 623 BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782; BAG v. 23. 05. 1984, NJW 1985, 91, 92 = MDR 1984, 1049. 624 Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 115 f. 625 Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 161. 626 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 15 ff.; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 92 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 29; ders., Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 471 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 203; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 428.

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jedem Fall wirksam sind. § 307 BGB gibt den Maßstab vor, nach dem diese Klauseln nachgeprüft werden können627. Allgemein ist festzustellen, dass der Begriff der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB den Kern der Inhaltskontrolle bildet. „Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird.“628

Die Angemessenheitskontrolle basiert auf der wechselseitigen Abwägung und Bewertung der rechtlich anerkannten Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung des Gebotes von Treu und Glauben. Die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch die Strafklausel ergibt sich nicht nur aus der Natur der Vertragsstrafe als grundsätzlicher Nachteil des Schuldners. Es ist auch das Nichtvorliegen eines berechtigten Interesses des Strafgläubigers, das die Unangemessenheit begründet. Ein solches Interesse liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die Vertragsstrafe nicht auf die Sicherung der vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bereicherung des Arbeitgebers durch die Belastung des Arbeitnehmers wegen irrelevanter Geldforderungen abzielt629. Das Erfordernis des berechtigten Interesses als Grund, der die Angemessenheit rechtfertigen kann, ist im Schrifttum des Arbeitsrechts weithin anerkannt630. In den Fällen des Arbeitsvertragsbruchs und der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geheimhaltungspflichten ist das Interesse gegeben631. Dagegen liegt kein solches Interesse in den Fällen der Schlechtleistung632 und der Veranlassung des Arbeitgebers zu fristloser

627 St. Rspr.: BAG v. 28. 05. 2009, BB 2010, 447 = NZA 2009, 1337; BAG v. 14. 08. 2007, BB 2008, 395 = NJW 2008, 458; BAG v. 18. 08. 2005, AuA 2006, 53, 54 = NZA 2006, 34; BAG v. 21. 04. 2005, AuA 2005, 619, 620 = NZA 2005, 1053; BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797. 628 BAG v. 28. 05. 2009, BB 2010, 447 = NZA 2009, 1337. 629 BAG v. 21. 04. 2005, AuA 2005, 619, 620 = NZA 2005, 1053. 630 Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 15; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: ArbeitsrechtBlattei SD 1710 Rn. 97 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 30 ff.; ders., Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 476 ff.; Winter, BB 2010, 2757, 2759 f.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 921; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 205 f.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 430 ff.; Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 162 ff.; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 183 ff. 631 BAG v. 21. 04. 2005, AuA 2005, 619, 620 = NZA 2005, 1053; BAG v. 27. 05. 1992, AuR 1992, 318; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 477 f.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 921; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 206; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 430. 632 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 206; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 430.

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Kündigung vor633. Dieses Erfordernis deutet darauf hin, dass beim Arbeitsrecht im Vergleich zum Zivilrecht erhöhte Wirksamkeitserfordernisse zu stellen sind. Der Begriff der unangemessenen Benachteiligung wird in § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert. Bedeutung für die Inhaltskontrolle der Vertragsstrafen hat die in Nr. 1 vorgesehene Nichtvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird (Unangemessenheitsfall). Charakteristisches Beispiel ist die Abbedingung des Verschuldenserfordernisses als Verwirkungsvoraussetzung. Wie bereits erwähnt634, ist die Strafklausel, die verschuldensunabhängig verfällt, unwirksam, weil sie vom das Recht der Vertragsstrafe prägenden Verschuldensprinzip abweicht, was sowohl im Schuldrecht als auch im Arbeitsrecht als unangemessene Benachteiligung betrachtet wird635. Neben der Inhaltskontrolle kennt das Gesetz die spezielle Art der Transparenzkontrolle, in der die Klarheit und die Verständlichkeit der Strafklauseln der maßgebliche Prüfungsmaßstab sind636. Die Einhaltung des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB bedeutet für den Arbeitgeber, dass er den Vertrag so gestalten muss, dass der Durchschnittsarbeitnehmer die Bedeutung und die Folgen der jeweiligen Klausel verstehen kann, ohne das Verständnis eines Fachmanns, insbesondere eines Juristen, in Anspruch nehmen zu müssen637. Besondere Ausprägung des Gebotes ist der Bestimmtheitsgrundsatz, wonach sowohl das sanktionierte Verhalten als auch die Sanktion selbst von vornherein präzise und bestimmt oder zumindest nach §§ 133, 157, 315 ff. BGB bestimmbar sind638. Dies gilt auch für Individualvereinbarungen und bei Unbestimmtheit ist die ganze Klausel wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. 633 BAG v. 21. 04. 2005, AuA 2005, 619, 620 = NZA 2005, 1053; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 206; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 432. 634 Mehr zur Anwendung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB oben Teil 3 B. II. 2. h) bb) (1). 635 Vgl. BGH v. 29. 06. 1972, JZ 1972, 663 = NJW 1972, 1893; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 10; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 17; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 101 ff.; Reichenbach, NZA 2003, 309, 313; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 188. 636 Mehr dazu oben Teil 3 B. II. 2. h) aa) (1). 637 BAG v. 18. 08. 2005, NZA 2006, 34, 36 = AuA 2006, 53; BGH v. 24. 11. 1988, MDR 1989, 235 = NJW 1989, 222; BAG v. 14. 12. 1988, LNR 1988, 14406; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 127 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 35; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 207; Haas/ Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 2; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 438; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 186 f. 638 Mehr dazu oben Teil 3 B. II. 2. h) bb) (2). Vgl. auch Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 129 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 207; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 2; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 438 f.; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 187; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 11; Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 164 f.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 934 ff.; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 12.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Die Erörterung der Problematik der Inhaltskontrolle formularmäßiger Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen nach § 307 BGB muss sich auch mit der Strafleistungshöhe auseinandersetzen. Es wird sowohl in der Praxis639 als auch in dem Schrifttum640 angenommen, dass die Höhe der Strafe dem Grundsatz der Angemessenheit entsprechen muss. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hat die Festsetzung einer Höchstgrenze für die Wirksamkeit der Strafklauseln als notwendig erachtet641. Diese Grenze, deren Überschreitung zur Unwirksamkeit der Klausel führen müsse, solle aber die Effektivität der Absicherung der Interessen des Arbeitgebers nicht beschränken. Eine fühlbare Sanktion müsse auf jeden Fall intakt bleiben, damit sich der Arbeitnehmer an die Einhaltung seiner Pflichten binde. Als generell angemessene Obergrenze wird der Betrag eines Monatslohns angesehen642. Die etablierte Tendenz der Rechtsprechung, ein Monatsgehalt als Obergrenze festzuhalten, findet breite Akzeptanz in der Literatur643. Trotz allgemeiner Geltung der Regel des einen Bruttomonatsgehalts als Orientierungsmaßstab in der Praxis sind Ausnahmen nach oben und nach unten zu bejahen. Einerseits kann das berechtigte Interesse des Arbeitgebers eine höhere Vertragsstrafe rechtfertigen, weil dieser andernfalls ungeschützt bleibt (z. B. Sicherung langfristiger Pflichten)644. Auf der anderen Seite können solche Gründe bestehen, nach denen auch 639

BAG v. 18. 08. 2005, NZA 2006, 34, 37 = AuA 2006, 53; BAG v. 21. 04. 2005, NZA 2005, 1053, 1055 = BB 2005, 2822; BAG v. 04. 03. 2004, NZA 2004, 727, 733 = NJW 2004, 2797; LAG Schleswig-Holstein v. 02. 02. 2005, NZA-RR 2005, 351, 352 = BB 2005, 896; LAG Hamm v. 07. 05. 2004, NZA-RR 2005, 128. 640 ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 14; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 24; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 115 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 32; ders., Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 478 ff.; Walker, in: FS Röhricht, S. 1277, 1295 f.; Methner, CaS 2009, 217, 220 f.; Winter, BB 2010, 2757, 2759 f.; Brors, jurisPR-ArbR 34/2004 Anm. 1; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 934 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 98, 99; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 208 f.; Zundel, NJW 2006, 1237, 1241; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 2; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 433 ff.; Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 163 f.; Han, Zulässigkeit der Vertragsstrafe in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 188 ff. 641 So z. B. LAG Köln v. 26. 09. 1989, DB 1989, 2619. 642 Vgl. BAG v. 18. 08. 2005, NZA 2006, 34, 37 = AuA 2006, 53; BAG v. 21. 04. 2005, NZA 2005, 1053, 1054 f. = BB 2005, 2822; BAG v. 04. 03. 2004, NZA 2004, 727, 733 = NJW 2004, 2797; LAG Köln v. 13. 07. 2006, AuR 2007, 143 = BB 2007, 333; LAG Schleswig-Holstein v. 02. 02. 2005, NZA-RR 2005, 351, 352 = BB 2005, 896. 643 So z. B. ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 14; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 116 ff., 121; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 32; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 208; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 434. 644 ArbG Frankfurt v. 20. 04. 1999, NZA-RR 2000, 82, 83; ArbG Dortmund v. 09. 10. 1992, BB 1993, 1591, 1592 = DStR 1993, 1540; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: ArbeitsrechtBlattei SD 1710 Rn. 122; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 32; Wolf/Lindacher/

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eine niedrigere Strafhöhe angemessen ist, da sie ein effektives Druckmittel sein kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer eine Kündigungsfrist zusteht, die weniger als einen Monat beträgt. Das Beispiel der zweiwöchigen Kündigungsfrist für den Fall des Nichtantritts der Arbeit, die durch eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Monatsgehalt abgesichert wird, ist für eine unangemessene Benachteiligung typisch645. Für den Fall der Probezeit hatte das BAG aber dieselbe Frage über die Angemessenheit des Bruttomonatsgehalts unbeantwortet gelassen646. Erst durch das Urteil vom 23. September 2010 hat das BAG anerkannt, dass eine Abrede in Form einer AGB den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige und deshalb unwirksam sei, wenn sie für den Fall, dass der Arbeitnehmer sein mit zweiwöchiger Kündigungsfrist kündbares Probearbeitsverhältnis vorzeitig vertragswidrig beende, eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes vorsehe. Es liege in diesem Fall eine unzulässige „Übersicherung“ des Arbeitgebers vor647. Als Regel ist demzufolge die Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes anzunehmen. Ausnahmen und Abweichungen von dieser Regel sind jedoch erforderlich, wenn die Interessenabwägung eine niedrigere oder eine höhere Vertragsstrafe rechtfertigen kann. Faktoren, die neben der Dauer der Kündigungsfrist richterlich im Rahmen der Kontrolle berücksichtigt werden, sind die zwei Funktionen der Vertragsstrafe. Hinsichtlich der Schadensausgleichsfunktion ist der Bruttomonatsverdienst eine hilfreiche Basis für die Bemessung des Wertes der Arbeitsleistung648. Dadurch kann der Schaden des Arbeitgebers insbesondere bei Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 208; Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 163 f. 645 BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797. Die Begründung lautete wie folgend: „Zur Feststellung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe ist die maßgebliche Kündigungsfrist von erheblicher Bedeutung. Denn hierin kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat. Da es bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe jedenfalls auch um einen vermögensmäßigen Ausgleich nicht erbrachter Vertragsleistungen geht, sind die Kündigungsfristen, die durch den Vertragsbruch vom Arbeitnehmer nicht beachtet wurden, ein relevanter Abwägungsgesichtspunkt zur Feststellung der angemessenen Höhe im Sinne von § 343 Abs. 1 BGB. (…) Die Vertragsstrafe kann in Fällen, in denen typischerweise ein Schaden angesichts der nötigen Einarbeitungszeit nicht groß sein kann, nicht höher sein, als die Arbeitsleistung wert ist. Die Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist liefert somit für den Fall des Nichtantritts der Arbeit angesichts einer Kündigungsfrist von zwei Wochen grundsätzlich einen angemessenen Rahmen für die Vertragsstrafenhöhe zu Gunsten des Arbeitgebers. (…)“ Das BAG hat diese Begründung auch auf die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB übertragen. 646 Vgl. BAG v. 21. 04. 2005, BB 2005, 2822, 2823 = NZA 2005, 1053, 1055. Siehe aber LAG Niedersachsen v. 17. 11. 2004 – 16 Sa 1400/03 (unveröffentlicht), wonach die Vertragsstrafe in Höhe von einem Monatsgehalt für eine zweiwöchige Kündigungsfrist bei der Probezeit unangemessen hoch sei. 647 BAG v. 23. 09. 2010, AuA 2011, 374, 375 = NJW 2011, 408. 648 ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 14; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 117 ff.; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 32; Wolf/

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Vertragsbruch des Arbeitnehmers beziffert werden. Das Fehlen eines tatsächlichen Schadens bedeutet aber nicht, dass die Vertragsstrafe unwirksam ist649. Ausschlaggebend ist die Bemessung des zu erwartenden Schadens. Auch die andere Funktion der Vertragsstrafe, die Druckfunktion, spielt eine bedeutende Rolle. Das Interesse des Arbeitgebers an Sicherung und die Eigenschaften der Pflichtverletzung selbst (Gewicht, Grad des Verschuldens, Folgen für den Arbeitgeber, Vorteile für den Arbeitnehmer) sind Gesichtspunkte, die die Höhe als unangemessen oder angemessen ausweisen können650. (7) Die Verwendung vorformulierter Strafklauseln gegenüber Unternehmern In Hinsicht auf die Kontrolle formularmäßiger Strafklauseln in Verträgen, in denen der Verwendungsgegner Unternehmer (im Sinne des § 14 BGB) ist, muss § 310 Abs. 1 S. 1 BGB beachtet werden. Er schließt die Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB aus. Dennoch bleiben die Strafklauseln nicht unkontrolliert. § 307 BGB findet in vollem Umfang Anwendung651. Der Ausschluss des § 309 Nr. 6 BGB wird einerseits durch das große Bedürfnis für Vertragsstrafen im unternehmerischen Verkehr (Gefahr des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Gläubigers bei Verletzung der Pflichten des Schuldners, Schadensbeweisschwierigkeiten) und andererseits durch die erhöhte Vertrautheit der Unternehmer mit solchen Klauseln gerechtfertigt652.

Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGB-Recht, Anhang zu § 310 Rn. 208; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 437; Ebeling, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 163. Vgl. auch BAG v. 18. 12. 2008, NZA-RR 2009, 519, 524, wonach die Länge der Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung maßgebliche Kriterien seien, weil sie das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers widerspiegelten. Demgemäß könne eine Vertragsstrafe in Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist als angemessen betrachtet werden. Vgl. auch Ebeling, jurisPR-ArbR 39/2009 Anm. 1. 649 BAG v. 04. 03. 2004, NZA 2004, 727, 734 = NJW 2004, 2797; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 45; Reichenbach, NZA 2003, 309, 313. 650 Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 437. Vgl. auch Krause, in: FS Reuter, S. 627 ff., der die grundsätzliche Anerkennung klauselartiger Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen befürwortet mit der Bemerkung, dass ihre Kontrolle auf der Basis des Bestimmtheitsgebots und des Übersicherungsverbots stattfinden solle, damit die Rechtssicherheit gestärkt werde. 651 BGH v. 23. 01. 2003, NJW 2003, 1805, 1808 = MDR 2003, 804; BGH v. 30. 09. 1992, NJW 1993, 64, 66 = MDR 1992, 1123; BGH v. 21. 03. 1990, MDR 1991, 44 = NJW-RR 1990, 1076; BGH v. 30. 06. 1987, NJW-RR 1988, 39, 41; BGH v. 18. 04. 1984, MDR 1985, 50 = NJW 1985, 57; BGH v. 12. 03. 1981, MDR 1981, 748 = NJW 1981, 1509; OLG München v. 29. 07. 2010, BB 2010, 2987; Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 4 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 100; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 41 ff.; Koch/Stübing, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 22; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 28; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 917; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 35 ff. 652 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 101.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Die Kontrolle nach § 307 BGB ist aber wie bereits erwähnt als Inhaltskontrolle zu verstehen. Sie darf kein Mittel zur Umgehung des § 310 Abs. 1 S. 1 BGB werden. Die vorformulierten Strafklauseln gegenüber Unternehmern (z. B. in Bau- oder Lieferungsverträgen) sind zulässig und dem Verbot des § 309 Nr. 6 BGB wird weder Leitbildfunktion noch Indizwirkung bei der Anwendung des § 307 BGB zuerkannt653. Bezüglich des Umfangs der Nachprüfung gemäß § 307 BGB ist anzunehmen, dass keine grundsätzliche Differenzierung von der Kontrolle im nichtunternehmerischen Verkehr gerechtfertigt ist654. Die unangemessene Benachteiligung ist im gleichen Sinn zu übernehmen. Was für Nichtkaufleute als Abweichung von der gesetzlichen Regelung der Vertragsstrafe gilt, soll auch für Kaufleute gelten, das heißt die Abbedingung des Verschuldenserfordernisses655, die Kumulierung der Vertragsstrafe und des Schadensersatzes656 und der Verzicht auf den Vorbehalt der Vertragsstrafe657 sowie das Bestimmtheitsgebot658. Das zuvor erwähnte Erfordernis der Obergrenze betrifft vor allem Verträge des unternehmerischen Verkehrs659. Keine Besonderheiten gibt es im Hinblick auf die Kontrolle der Strafhöhe. Die Anwendung des § 307 Abs. 1 BGB führt zu einer Interessenabwägung nach dem Vorbild des § 343 BGB, wonach die Unangemessenheit bei Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen der Strafhöhe und den Zielen der Strafe (besonders der Druckfunktion) gegeben ist660. § 348 HGB, der die Strafherabsetzung ausschließt, gilt für die AGB-Kontrolle nicht. Diese Vorschrift verhindert die Ermäßigungsmöglichkeit nach § 343 BGB aber nur bei Individualvereinbarungen ausdrücklich. Die Inhaltskontrolle der AGB gegenüber Kaufleuten ist möglich, weil § 310 Abs. 1 BGB nur die Anwendung der §§ 308, 309 BGB und nicht die des § 307 BGB beseitigt. § 343 HGB kann jedoch einen Gesichtspunkt für die Aufrechterhaltung der 653 BGH v. 12. 03. 2003, NJW 2003, 2158, 2161 = MDR 2003, 865; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 91; MünchKomm/Gottwald, Vor § 339 Rn. 13; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 101. 654 Vor allem Stoffels, AGB-Recht, Rn. 917. 655 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 110 ff.; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 44; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 917; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 35 ff. 656 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 104; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 46; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 917; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 39. 657 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 105; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 45; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 917. 658 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 103. 659 Mehr dazu oben Teil 3 B. II. 2. h) bb) (5). 660 BGH v. 12. 03. 2003, NJW 2003, 2158, 2161 = NZM 2003, 476; BGH v. 03. 04. 1998, NJW 1998, 2600, 2602 = MDR 1998, 825; BGH v. 07. 05. 1997, NJW 1997, 3233, 3234 = BB 1997, 1380; OLG Hamm v. 25. 08. 2003, NJW-RR 2004, 58, 59; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 114; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 47.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Strafhöhe darstellen. Die Kaufmannseigenschaft des Schuldners spielt bei der Abwägung der jeweiligen Gesichtspunkte eine Rolle zugunsten des Gläubigers, indem sie zur Bestärkung der Druckfunktion beiträgt, damit die Strafhöhe noch fühlbar bleibt661. i) Die Folgen der Unwirksamkeit: Die generell vertretene Meinung Rechtsfolge des Verstoßes gegen §§ 309 Nr. 6, 307 BGB ist die Unwirksamkeit. Diese ist als Nichtigkeit zu verstehen. Sie wird von Amts wegen berücksichtigt. Nach 306 Abs. 1 BGB bedeutet die Unwirksamkeit der AGB nicht die Unwirksamkeit des ganzen Vertrages. Er bleibt im Übrigen wirksam. Die dadurch entstehende Lücke im Vertrag wird durch die gesetzlichen Vorschriften, das heißt durch das dispositive Gesetzesrecht, gefüllt, wie es § 306 Abs. 2 BGB vorsieht. Die Umdeutung einer unzulässigen Vertragsstrafe in eine wirksame Schadenspauschalierung ist nicht anzunehmen662. Ausschlaggebend ist der Begriff der Unwirksamkeit. Nach der herrschenden Meinung ist sie als Total- bzw. Gesamtnichtigkeit zu verstehen663. An die Totalnichtigkeit knüpft das sog. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion an. Die geltungserhaltende Reduktion der problematischen Klausel auf ein zulässiges Maß würde deren Gültigkeit aufrechterhalten in dem Sinne, dass Rechtsfolge nicht mehr die Unwirksamkeit, sondern die Modifizierung der AGB-Klausel wäre. Das aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB hergeleitete Verbot stützt sich auf zwei Säulen664: Einerseits auf das Präventionsgebot, das das vorgenannte Verbot dadurch rechtfertigt, dass die Reduktion den Klauselverwender vom Risiko der Unwirksamkeit befreien könnte und dieser keine Beschränkung mehr hätte, missbräuchliche Klauseln zu gebrau-

661 Vgl. OLG Frankfurt v. 21. 05. 1985, BB 1985, 1560 = MDR 1985, 934; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 114; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 47; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 917. 662 BGH v. 20. 03. 2003, MDR 2003, 923 = NJW-RR 2003, 1056. Generell bezüglich der Rechtsfolgen Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 38; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGBRecht, § 309 Nr. 6 Rn. 92 – 94; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 26, 50; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe, Rn. 26; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 911; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 26. Zum Verhältnis zwischen der Kontrolle nach AGB-Recht und der Herabsetzung nach § 343 vgl. unten Teil 3 B. II. 2. j). 663 St. Rspr.: BGH v. 25. 01. 2006, NJW 2006, 1059, 1060 = NZM 2006, 254; BGH v. 03. 11. 1999, MDR 2000, 320, 322 = NJW 2000, 1110; BGH v. 13. 01. 1994, MDR 1994, 771, 772 = NJW 1994, 841; BGH v. 17. 05. 1991, MDR 1991, 1038 = NJW 1991, 2141; BGH v. 16. 10. 1984, MDR 1985, 228, 229 = NJW 1985, 319; BGH v. 01. 02. 1984, MDR 1984, 750 = NJW 1984, 1177; BGH v. 17. 05. 1982, MDR 1982, 921, 922 = NJW 1982, 2309; BAG v. 23. 09. 2010, AuA 2011, 374, 375 = NJW 2011, 408. Aus der Literatur vgl. nur Palandt/Grüneberg, § 306 Rn. 5 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, AGB-Recht, § 306 Rn. 26 ff. 664 Umfassend Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 125 f.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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chen665 ; andererseits auf das Transparenzgebot, wonach sich der Verwendungsgegner in einem rechtssicheren Rahmen bewegen muss, indem die zumindest teilweise unzulässige Klausel insgesamt unzulässig ist, was allgemeingültig und von vornherein bekannt ist666. Dem generell anerkannten Verbot wird jedoch vorgeworfen, dass seine starre Anwendung zu ungerechten Ergebnissen führen kann. Deswegen verstärkt sich die Tendenz in dem Schrifttum, die Einführung von Ausnahmen in das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zu befürworten. Als Fallgruppen werden die Nichtberücksichtigung fernliegender atypischer Ausnahmefälle, deren Beachtung nach § 305c Abs. 2 BGB zur Unwirksamkeit führen würde667, die Teilunwirksamkeit teilbarer AGB668 und die ergänzende Vertragsauslegung669 anerkannt. Wichtig für die vorliegende Problematik ist die nach der Rechtsprechung in bestimmten Fällen zulässige Aufrechterhaltung teilbarer Klauseln670. Voraussetzung einer solchen Ausnahme ist, dass die Formulierung aus sprachlich und inhaltlich voneinander abtrennbaren Teilen besteht, so dass der Klauselrest auch ohne den unwirksamen Bestandteil verständlich ist und eine sinnvolle Regelung enthält671. Charakteristisch ist der bereits erwähnte Fall der strafbewehrten Pflicht zur Einhaltung sowohl der 665 Vgl. BGH v. 25. 01. 2006, NJW 2006, 1059, 1060 = NZM 2006, 254; BGH v. 17. 05. 1982, MDR 1982, 921, 922 = NJW 1982, 2309; Palandt/Grüneberg, § 306 Rn. 6. 666 BGH v. 25. 01. 2006, NJW 2006, 1059, 1060 = NZM 2006, 254; BGH v. 24. 09. 1985, MDR 1986, 135, 136 = NJW 1986, 1610. Vgl. auch LAG Niedersachsen v. 15. 09. 2011, JurionRS 2011, 27072 („Es ist aber nicht Aufgabe der Gerichte, für eine den Gegner des Klauselverwenders unangemessen benachteiligende und deshalb unwirksame Klausel eine Fassung zu finden, die einerseits dem Verwender möglichst günstig, andererseits gerade noch rechtlich zulässig ist. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen. Andernfalls liefen insbesondere das Benachteiligungsverbot und das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB weitgehend ins Leere.“). Siehe auch das jüngste Urteil des EuGH v. 30. 05. 2013 (Dirk Frederik, Asbeek Brusse und Katarina de Man Garabito gegen Jahani BV), C-488/11, wonach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen dahin auszulegen sei, dass er einem nationalen Gericht, wenn es die Missbräuchlichkeit einer Vertragsstrafeklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher festgestellt habe, nicht erlaube, die in dieser Klausel dem Verbraucher auferlegte Vertragsstrafe, wie es nach dem betreffenden nationalen Recht zulässig sei, lediglich herabzusetzen, sondern es verpflichte, die Klausel gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet zu lassen. 667 Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 120 ff.; Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 127. 668 Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 149 ff.; Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 127 f. 669 Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 175 ff.; Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 128 f. 670 BGH v. 25. 01. 2006, NJW 2006, 1059, 1060 = NZM 2006, 254; BGH v. 27. 09. 2000, MDR 2001, 144 = NJW 2001, 292; BGH v. 10. 09. 1997, MDR 1997, 1111, 1112 = NJW 1997, 3437; BGH v. 28. 05. 1984, NJW 1984, 2816, 2817 = MDR 1985, 124. 671 Statt aller Palandt/Grüneberg, § 306 Rn. 7.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Zwischentermine als auch des Endtermins im Rahmen eines Bauvertrags672. Für sprachlich und inhaltlich trennbar ist die Klausel zu halten, die für jede Terminüberschreitung eine besondere Vertragsstrafe bestimmt oder das Kumulationsverbot ausdrücklich in einem getrennten Satz ausschließt. Dann führt die Unwirksamkeit des Teiles keine Unwirksamkeit des Ganzen herbei. Dagegen liegt keine sprachliche und inhaltliche Teilbarkeit vor, wenn die Klausel zwar verschiedene Termine nennt, aber einfach vorsieht, dass die Überschreitung jedes einzelnen Termins die gleiche Vertragsstrafe verwirkt673. j) Das Verhältnis der AGB-Kontrolle zur Herabsetzung nach § 343 BGB Im Mittelpunkt dieses Abschnitts steht das problematische Verhältnis der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB zur Ermäßigung nach § 343 BGB. Dies ist von besonderem Interesse in Bezug auf die Rechtsfolgen, die jede Art von Kontrolle mit sich bringt. Das Problem gestaltet sich besonders schwierig, wenn eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stattfinden muss. Wenn die formularmäßige Strafklausel nicht Vertragsbestandteil geworden ist (z. B. nach § 305 Abs. 2 oder nach § 305c BGB), dann ist die Rechtslage nicht kompliziert. Die Herabsetzung einer nicht einbezogenen Vertragsstrafe ist logisch nicht vorstellbar. Das Gleiche gilt auch bei Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Verbot des § 309 Nr. 6 BGB. Die Herabsetzungskontrolle nach § 343 BGB setzt ein wirksam abgeschlossenes Strafversprechen voraus674. Da der Anwendungsbereich der Verbotsvorschrift aber eng ist und im Arbeitsrecht gar keine Anwendung findet, bleibt § 307 BGB diejenige Rechtsnorm, nach der die Kontrolle geregelt wird. Vor allem bestehen an dieser Stelle Konkurrenzprobleme zur Ermäßigung nach § 343 BGB. aa) Die Unterschiede zwischen der Kontrolle nach § 307 und § 343 BGB Es stellt sich die Frage, in welchen Punkten sich die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB von der Herabsetzungskontrolle nach § 343 BGB unterscheidet. Der erste und wichtigste Unterschied ergibt sich aus dem Beurteilungsmaßstab. Das BAG hat dies in der Leitentscheidung aus dem Jahr 2004 in Hinsicht auf die Anwendung des § 307 BGB wohl treffend formuliert: „Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu 672 Vgl. oben Teil 3 B. II. 2. h) bb) (5). Siehe auch BGH v. 18. 01. 2001, NJW-RR 2001, 738, 739 = BauR 2001, 791. 673 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 92 – 94. 674 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. a) bb).

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prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Werden Allgemeine Geschäftsbedingungen für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, so kann die Abwägung zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Sie ist in den Vertrags- oder Fallgruppen vorzunehmen, wie sie durch die an dem Sachgegenstand orientierte typische Interessenlage gebildet werden. (…) Für die Frage nach der angemessenen Höhe der Vertragsstrafe kommt es – anders als bei der Herabsetzung einer bereits verwirkten Vertragsstrafe nach § 343 BGB – wiederum nur auf eine typisierende Betrachtungsweise bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Im Mittelpunkt stehen ein beliebiger Arbeitnehmer oder ggf. eine Arbeitnehmergruppe, die Adressat der jeweiligen Vertragsstrafe sein könnten. Außerdem können bei einer Inhaltskontrolle einer Formularabrede nach § 307 BGB in der Regel nur einer generalisierenden Betrachtungsweise zugängliche Maßstäbe herangezogen werden, wie zum Beispiel die Bruttomonatsvergütung.“675

Dieser abstrakten generellen Kontrolle steht die Ermäßigungskontrolle gegenüber. Diese ist nach den Umständen des Einzelfalls orientiert. Dabei spielen die Merkmale der konkreten Absprache, des konkreten Verfalls und der konkreten Parteien eine Rolle. Der Unterschied ist aufgrund des Wortlauts beider Vorschriften und der Verwendung des Merkmals der Angemessenheit in beiden Fällen nicht leicht ersichtlich. Jedoch ist es erforderlich, diese Differenzierung zwischen der generellen überindividuellen Betrachtung (§ 307 BGB) und der konkreten Nachprüfung (343 BGB) zu bejahen676. Diese Überzeugung stützt sich auch auf die Geschichte des § 307 BGB677. Darüber hinaus liegt ein Unterschied darin, dass die zwei Prüfungssysteme nicht den gleichen Beurteilungszeitpunkt berücksichtigen. Bei der Prüfung, ob eine Klausel nach § 307 BGB nichtig ist, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. In diesem Sinne hat die Vorschrift mit §§ 134, 138 BGB gemein, dass es sich um eine Wirksamkeitskontrolle handelt678. Im Gegensatz dazu nimmt § 343 BGB auf den Moment des Abschlusses des Vertrages keinesfalls Bezug. Das Gericht berücksichtigt Umstände, die nach dem Verfall entstanden sind und jedenfalls am Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorhanden sind. Diese weitreichende Befugnis des Richters ist das typische Merkmal der Prüfung des § 343

675

BAG v. 04. 03. 2004, NZA 2004, 727, 732 f. = NJW 2004, 2797. Dieser Ansicht der typisierenden Betrachtungsweise folgt auch eine Anzahl von Autoren: Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 436; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 14; Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 402 f.; Winter, BB 2010, 2757, 2759 f.; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 106. 676 Statt vieler Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 403. 677 Vgl. BT-Drucks. 13/2713, S. 7 f. Die amtliche Begründung betrifft zwar § 24a Nr. 3 AGBG (nunmehr § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB), aber die Rede ist von „generalisierendem Prüfungsmaßstab“ und „typisierender Betrachtungsweise“. 678 Vgl. statt vieler Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 1, 3.

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BGB679. Es handelt sich dabei um eine Ausübungskontrolle nach dem Vorbild des § 242 BGB. Dies erlaubt die Mitberücksichtigung erst später (das heißt nach dem Vertragsschluss) entstandener oder veränderter Umstände680. Die Charakterisierung des § 307 BGB als eine „Revisionskontrolle“, das heißt als abstrakte Kontrolle der Vereinbarkeit der jeweiligen Klausel mit dem Grundsatz der unangemessenen Benachteiligung, erweist sich als treffend, wenn man auf die Umstände Rücksicht nimmt, dass das Gericht die Nachprüfung unabhängig von der Verwirkung oder der Entrichtung der Vertragsstrafe und ohne Antrag oder sonstige verfahrenseinleitende Maßnahme von sich aus, also von Amts wegen, vornimmt. Darüber hinaus schließt § 348 HGB die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht aus. Dagegen setzt die Anwendung des § 343 BGB Strafverfall, Nichtentrichtung der Strafe und einen entsprechenden Antrag des Schuldners (zumindest Einrede) unbedingt voraus. Außerdem beseitigt seine kaufmännische Eigenschaft die Herabsetzungsmöglichkeit. Fraglich ist, ob und inwieweit diese Unterschiede zwischen den beiden Kontrollmechanismen durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB grundsätzlich relativiert werden. Diese Vorschrift ordnet die Berücksichtung auch der den Vertragsschluss begleitenden Umstände bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung an. Umstände, die dabei eine Rolle spielen können, sind unter anderem die Ausnutzung einer Überrumpelungssituation oder der geschäftlichen Unerfahrenheit des Kunden und das Fehlen der sog. „rollenspezifischen Unterlegenheit“, wie z. B. bei einem erfahrenen Verwendungsgegner (Jurist, Kaufmann)681. Generell ist hier die richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift maßgeblich, wie diese vom BAG vorgenommen wird682. Demgemäß verlangt die Berücksichtigung des 16. Erwägungsgrundes zur Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen eine Umstandskontrolle, das heißt eine Kontrolle der konkret-individuellen Begleitumstände, wozu insbesondere persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation, wie z. B. Überrumpelung, Belehrung, sowie untypische Sonderinteressen des Vertragspartners zählen. Die Berücksichtigung dieser Umstände kann sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen. Sie kann sich in beide Richtungen auswirken683. Der Kernpunkt der Frage liegt darin, ob die vorgenannten Elemente die nach § 307 BGB typisierende Betrachtungsweise 679

Vgl. oben Teil 2 A. II. 1. c) ll). Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 403; Winter, BB 2010, 2757, 2761; Staudinger/ Rieble, § 339 Rn. 106. 681 Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 21. 682 BAG v. 31. 08. 2005, NZA 2006, 324, 328 = MDR 2006, 522. 683 BAG v. 31. 08. 2005, NZA 2006, 324, 328 = MDR 2006, 522; Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 404; Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 21. 680

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der Wirksamkeitskontrolle in eine nach § 343 BGB konkret-individuelle Ausübungskontrolle umwandeln können und die Letztere damit schließlich entbehrlich machen. Diese Frage ist aus zwei entscheidenden Gründen zu verneinen. Erstens liegt der zeitliche Schwerpunkt der Beurteilung nach §§ 307, 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB beim Vertragsschluss. Nachträgliche Änderungen der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse können nicht berücksichtigt werden. Das Problem ist bei Dauerschuldverhältnissen (Dienstverträge, Bauverträge, Wettbewerbsverbote) besonders sichtbar684. Im Laufe der Zeit können sich die den Vertragsschluss begleitenden Umstände so radikal verändern, dass die Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB keinen Sinn mehr ergibt. Nur eine flexible Ausübungskontrolle nach § 343 BGB kann solche Änderungen mitberücksichtigen, weil sie dem späteren Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung Gewicht beimisst685. Zweitens ist zu beachten, dass der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Lage beider Vertragspartner, der für die Interessenabwägung nach § 343 BGB große Bedeutung besitzt, bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht berücksichtigt werden kann. Eine solche Betrachtung würde die Vermögenslage der Parteien anstelle des entscheidenden Faktors der Verhandlungsstärke in den Vordergrund stellen. Darüber hinaus wäre es in der Praxis unmöglich, dass der Verwender einer formularmäßigen Strafklausel die wirtschaftliche Lage seines Vertragspartners zur Kenntnis nimmt, damit die Klausel die Inhaltskontrolle überstehen kann, da er üblicherweise mit einer großen Zahl von Personen (z. B. Kunden in Kaufverträgen, Versicherungsverträgen, Arbeitnehmer usw.) zu verhandeln hat686. Anhand dieser Unterschiede ist folglich die Schlussfolgerung zu ziehen, dass § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB eine Kontrolle nach § 343 BGB nicht ersetzen kann. bb) Die Diskussion in der Lehre und der Stand in der Rechtsprechung Für die Ermittlung des Verhältnisses zwischen den zwei Kontrollinstrumenten werden im Schrifttum verschiedene Ansichten vertreten. Ausgangspunkt ist das von der Rechtsprechung Angenommene, dass § 343 BGB ein wirksames Strafversprechen voraussetze. Sei aber die Strafklausel nach der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB als unwirksam erklärt, so gebe es keinen Anwendungsraum für § 343 BGB mehr. § 307 BGB schließe § 343 BGB aus687. Die Anwendung des § 343 BGB neben 684

Diller, NZA 2005, 250, 254 beschreibt das Problem wohl treffend: „Zwischen der Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots und seinem In-Kraft-Treten liegen oft zehn, zwanzig oder mehr Jahre. Niemand kann bei Vertragsschluss beurteilen, wie gefährlich der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber letztlich werden kann. Deshalb ist es unvermeidbar, dass eine angesichts der Umstände bei Vertragsschluss angemessen erscheinende Vertragsstrafe sich später bei In-Kraft-Treten des Verbots als viel zu hoch oder viel zu niedrig herausstellen kann.“ 685 Vgl. Diller, NZA 2005, 250, 254; Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 404; Winter, BB 2010, 2757, 2761 f. 686 Vgl. Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 405. 687 BAG v. 18. 12. 2008, DB 2009, 2269, 2272 = NZA-RR 2009, 519; BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797; LAG Niedersachsen v. 15. 09. 2011, JurionRS

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§ 307 BGB bringe die Gefahr mit sich, dass der Klauselverwender Klauseln ohne Risiko so weit fasse, dass sie sowohl zulässige als auch unzulässige Fallgestaltungen umfassen und die Korrektur erst im jeweils verwirklichten Einzelfall, bei Vertragsstrafen über § 343 BGB, erfolge688. Es wird angenommen, dass eine verwirkte Strafe, die unverhältnismäßig hoch sei, auf Antrag des Schuldners gemäß § 343 BGB durch Urteil auf den angemessenen Betrag nur dann herabgesetzt werden könne, wenn sie frei ausgehandelt worden sei (z. B. bei Vereinbarung mit Führungskräften im Unternehmen). Die in AGB enthaltene Vertragsstrafenregelung (§§ 305 ff. BGB) sei unwirksam, wenn sie unangemessen hoch sei. Eine geltungserhaltende Reduktion komme daher nicht in Betracht (sog. Kassation). Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, im Rahmen der §§ 305 ff. BGB für eine den Gegner des Klauselverwenders unangemessen benachteiligende und deshalb unwirksame Klausel eine Fassung zu finden, die einerseits dem Verwender möglichst günstig, andererseits gerade noch rechtlich zulässig sei. Wer die Möglichkeit nutzen könne, die der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von AGB eröffne, müsse auch das Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen689. Dieses Bestreben dokumentiert sich in einer Anzahl von Autoren, die die herrschende Meinung in dem Schrifftum bilden. Diese Ansicht stützt sich vor allem darauf, dass die Herabsetzungskontrolle auf Individualvereinbarungen, aber nicht auf Regelungen in Formularverträgen zugeschnitten sei. Als Knotenpunkt gelte das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, wonach der Verstoß gegen § 307 BGB nicht die Teilnichtigkeit, sondern die Gesamtunwirksamkeit der problematischen Klausel zur Folge habe. Einer Herabsetzung könne daher keine Chance eingeräumt werden690. Dasselbe Ergebnis könne auch durch das Verhältnis beider Vorschriften 2011, 27072; LAG Baden-Württemberg v. 13. 06. 2008, JurionRS 2008, 30046; LAG Hamm v. 07. 05. 2004, NZA-RR 2005, 128; LAG Niedersachsen v. 31. 10. 2003, MDR 2004, 638; LAG Baden-Württemberg v. 10. 04. 2003, DB 2003, 2551, 2552; LAG Hamm v. 24. 01. 2003, DB 2003, 2549 = NZA 2003, 499; ArbG Duisburg v. 14. 08. 2002, DB 2002, 1943 = NZA 2002, 1038. 688 BAG v. 25. 09. 2008, DB 2009, 569, 572 = NZA 2009, 370. 689 LAG Niedersachesn v. 15. 09. 2011, 7 Sa 1908/10. 690 Vgl. Klevemann, AiB 2002, 577, 582; Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 956; Rolfs, ZGS 2002, 409, 411; Junker, BB 2007, 1274, 1281; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 45; Brors, jurisPR-ArbR 34/2004 Anm. 1; dies., DB 2004, 1778, 1781; Conein-Eikelmann, DB 2003, 2546, 2548; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 309 Nr. 6 Rn. 15; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 285 ff.; Aretz, Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag, S. 168 ff.; Hoß, ArbRB 2002, 138, 142; Hümmerich, NZA 2003, 753, 762; Kriebitzsch, Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Arbeitsbedingungen, S. 151; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn. 5 467 ff.; Melot de Beauregard, BB 2004, 1746, 1747; Schrader/Schubert, NZA-RR 2005, 225, 231; v. Steinau-Steinrück/Hurek, NZA 2004, 965, 966; Beckmann, jurisPR-ArbR 14/2004, Nr. 5; Geilert, Vertragsstrafen in Geschäftsbedingungen, S. 70 ff.; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 3; Kohte/Weber, jurisPR-ArbR 10/2009 Anm. 6; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 11 Nr. 6 AGBG Rn. 24; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn. 436; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 309 Nr. 6 Rn. 26; Zundel, NJW 2006, 1237, 1241; Ziemann, jurisPR-ArbR 12/2003 Nr. 6; Erman/Schaub, § 343 Rn. 1; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 6;

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begründet werden, wonach § 307 BGB und vor allem das sich aus § 306 Abs. 2 BGB ergebende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion lex specialis zur Herabsetzungskontrolle nach § 343 BGB sei691. Dieser herrschenden Meinung steht die Auffassung gegenüber, dass sich beide Kontrollmechanismen gegenseitig nicht ausschlössen, sondern ergänzten692. Ausgangspunkt ist dabei, dass es um zwei unterschiedliche Kontrollsysteme gehe, deren kumulative Anwendung dem Schuldner einen umfassenden Schutz bieten könne, ohne dass das eine das andere verdrängen könne693. In der Literatur sind verschiedene Variationen dieser Begründung zu finden, die aber jeweils zum gleichen Ergebnis kommen. Nach der von Bauer und Diller vertretenen Auffassung spiele § 310 Abs. 4 S. 2 BGB auch bei der Inhaltskontrolle eine Rolle. Zu den arbeitsrechtlichen Besonderheiten zählt der Umstand, dass selbst bei typisierender Betrachtungsweise auch hohe Vertragsstrafen nach der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB als angemessen erklärt werden könnten. Das Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 307 BGB werde dem Charakter vieler Dauerschuldverhältnisse (z. B. Wettbewerbsverbote) nicht gerecht und erfordere deshalb eine zusätzliche Korrektur nach § 343 BGB694. Etwas differenziert gehen Preis und Stoffels vor. Sie meinen, dass § 307 BGB auf jeden Fall den Vorrang genießen müsse. Eine geltungserhaltende Reduktion komme nur ausnahmsweise in Betracht (wenn z. B. ein Tarifvertrag sehr kurze Kündigungsfristen anordnet). Der Anwendung des § 343 BGB verbleibe somit ein geradezu subsidiärer Raum. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Strafklausel zuerst der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standgehalten habe und dass besondere Einzelfallsumstände die Unangemessenheit begründeten695. Die gleiche Ansicht vertritt auch Rieble. Dieser behauptet, dass die AGB-Kontrolle der Strafklauseln trotz und neben der Herabsetzungskontrolle nach § 343 BGB stattfinden müsse. Die Nachprüfung nach § 343 BGB sei eine bloße Rechtsausübungskontrolle, die die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht ausschließen könne. Umgekehrt aber schließe die Anwendung des § 307 BGB jede ErmäßigungsmögHansen, ZGS 2004, 377, 381; Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 57 Rn. 24; Schwerdtner, ZGS 2004, 121; Walker, in: FS Röhricht, S. 1277, 1296; Bieder, jurisPR-ArbR 50/2011 Anm. 3. 691 Joost, ZIP 2004, 1981, 1985. 692 LAG Köln v. 26. 09. 1989, LAGE Nr. 4 zu § 339 BGB. 693 Reichenbach, NZA 2003, 309, 313; Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 402 ff.; Winter, BB 2010, 2757, 2761; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339 – 345 BGB Rn. 14, 30; NK-BGB/Walchner, § 343 Rn. 4. Vgl. auch Heinze, NZA 1994, 244, 251 für die Periode vor der Schuldrechtsreform, in der das Konkurrenzverhältnis des § 343 BGB und des § 9 AGBG weit anerkannt war. 694 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 938 ff.; Diller, NZA 2005, 250, 254. 695 Vgl. Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 30 Rn. 38; Preis/Stoffels, Vertragsstrafe, in: Arbeitsrecht-Blattei SD 1710 Rn. 124 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 475 f. („Rechtskontrolle geht vor Billigkeitskorrektur im Einzelfall.“); Stoffels, Der Vertragsbruch des Arbeitnehmers, S. 222 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, AGBRecht, Anhang zu § 310 Rn. 210. Vgl. auch Schul/Wichert, SpuRt 2004, 229, 231.

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lichkeit aus, weil diese die Wirksamkeit des Strafversprechens auf jeden Fall voraussetze696. Schließlich geht von Hoyningen-Huene davon aus, dass § 343 BGB eine Sondervorschrift sei, die genau die Kontrolle von Vertragsstrafen regele. Es handele sich um lex specialis zur Vorschrift des § 307 BGB, die ihrerseits alle Fälle der AGB umfasse. Daher finde nur § 343 BGB und nicht auch § 307 BGB Anwendung697. cc) Eigene Stellungnahme: Die Doppelkontrolle der vorformulierten Vertragsstrafen Die Argumente für die Begründung des Kumulationsverhältnisses zwischen der Inhalts- und der Angemessenheitskontrolle sind erwägenswert und überzeugend. Ausgangspunkt des Untersuchungsgangs soll die Prüfung sein, wie beide Vorschriften miteinander konkurrieren. Eine Spezialität liegt nicht vor. Diese hätte zur Folge, dass das spezielle Gesetz dem allgemeinen vorangehen würde. Spezialität bedeutet aber, dass ein Tatbestand sämtliche Merkmale eines anderen und darüber hinaus mindestens ein weiteres Merkmal enthält. Dieses Verhältnis ist hier nicht gegeben. Weder § 307 BGB noch § 343 BGB enthält alle Merkmale der jeweils anderen Vorschrift. Es handelt sich um zwei Kreise, die sich einander kreuzen, also stellenweise überlagern. Jede von diesen Rechtsnormen ist nur teilweise spezieller als die andere und kann damit keinen Vorrang erzeugen. Sie haben vereinfacht gesagt unterschiedlich ausgerichtete Ziele, genauer gesagt die generelle Inhaltskontrolle der vorformulierten Klauseln (und darunter der Vertragsstrafen) und die spezielle und konkret-individuelle Billigkeitskontrolle der Vertragsstrafen. Ein sog. Konsumtionsverhältnis, in dem die generelle und typisierende Kontrolle nach § 307 BGB die konkrete Herabsetzungskontrolle nach § 343 BGB absorbiert und dadurch entbehrlich macht, kann nicht begründet werden. Hier spielen die vorgenannten Unterschiede der zwei Mechanismen, das heißt die unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäbe, die Beurteilungszeitpunkte und bis zu einem gewissen Maße die Beurteilungskriterien die Hauptrolle. Dies führt zur Rechtfertigung des Nebeneinanders der zwei Kontrollsysteme. Das zentrale Argument für diese Betrachtung, die die Kumulation und nicht den Ausschluss der einen durch die andere Rechtsnorm bejaht, ist aus der Rechtsprechung des BAG zu ziehen. Nach der entsprechenden Entscheidung müsse der in AGB enthaltene Widerrufsvorbehalt auf zwei Stufen kontrolliert werden. Zunächst sei die Kontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB durchzuführen. Wenn aber die Klausel dieser Prüfung standhalte, dann stehe neben der Inhaltskontrolle die Ausübungskontrolle gemäß § 315 BGB zur Verfügung. Die Regelungen der §§ 305 ff. BGB hätten daran nichts geändert. Es handele sich um eine in concreto individuelle Kontrolle, ob der 696 697

Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 105 f. v. Hoyningen-Huene, SAE 2005, 155, 156 f.

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Widerruf dem billigen Ermessen entspreche698. Diese Begründung kann freilich auf den Fall der Vertragsstrafen übertragen werden, obwohl das BAG dies abgelehnt hat699, weil der Billigkeits- und Korrekturcharakter auch bei § 343 BGB gegeben ist700. Sie zeigt, dass die Inhaltskontrolle nach §§ 307, 308 BGB die Korrektur nach §§ 315 ff. BGB nicht unbedingt ausschließt. Dies wäre überdies ein logischer und dogmatischer Sprung. Dass die Kumulation methodisch vorstellbar ist, ergibt sich aus dem Vergleich mit der Rechtslage bei individuell vereinbarten Vertragsstrafen. In diesem Fall ist die Kontrolle zweistufig. Es findet zuerst die Wirksamkeitskontrolle nach §§ 134, 138 BGB und nach anderen Rechtsnormen (z. B. § 555 BGB) statt, die die Unwirksamkeit der jeweiligen Strafklausel als Rechtsfolge anordnen. Hält das Strafversprechen dieser Kontrolle jedoch stand, so gibt es keinen Zweifel darüber, dass die Billigkeitskontrolle nach § 343 BGB auf einer zweiten Ebene stattfinden muss. Diese Lösung kann auch im Fall der vorformulierten Strafklauseln gelten. Stellt die Klausel keine unangemessene Benachteiligung nach der generellen Betrachtungsweise des § 307 BGB dar, so ist die konkret-individuelle Nachprüfung gemäß § 343 BGB vorzunehmen, die andere Eigenschaften (Beurteilungsmaßstab und -zeitpunkt) aufweist701. Die nach der abstrakt-generellen Kontrolle des § 307 BGB als angemessen beurteilte Vertragsstrafe kann sich für den konkreten Verwendungsgegner gemäß § 343 BGB als unangemessen erweisen702. Die methodengerechte Behandlung des Konkurrenzproblems der zwei Kontrollmechanismen hat aufgrund der obigen Ausführungen den folgenden Weg zu verfolgen: Wenn der Gesamtvertrag eine vorformulierte Strafklausel enthält, ist diese zuerst auf der Basis der §§ 305 ff. BGB zu kontrollieren. Der Verstoß gegen § 309 Nr. 6 BGB ist unproblematisch, weil es sich um vereinzelte Unwirksamkeitsgründe handelt, deren Vorliegen die Unwirksamkeit der Klausel mit sich bringt. Die Kontrolle nach § 307 BGB ist jedoch problematischer. Ist die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unvereinbar, so ist sie insgesamt unwirksam. Es kann somit keine ergänzende Herabsetzungskontrolle vorgenommen werden, da kein wirksames Strafversprechen vorliegt. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn das Verschuldenserfordernis abbedungen oder eine Kumulation von Vertragsstrafe und Schadensersatz angeordnet wird. Sofern aber die Strafhöhe selbst kontrolliert wird, ist eine Abstufung dieser Größe denkbar. Bezüglich der Strafhöhe ist anzunehmen, dass die Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB hinsichtlich einer unangemessenen Benachteiligung stattfinden muss. Ist die Vertragsstrafe als unangemessen hoch erklärt, so soll nicht die Gesamtunwirksamkeit der Klausel als Rechtfolge eintreten. § 307 698 699 700 701 702

BAG v. 12. 01. 2005, NJW 2005, 1820, 1822 = NZA 2005, 465 = JuS 2005, 574. BAG v. 04. 03. 2004, MDR 2004, 1062, 1063 = NJW 2004, 2797. Wensing/Niemann, NJW 2007, 401. Vgl. Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 403. Vgl. Winter, BB 2010, 2757, 2761.

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BGB muss in diesem Fall in Verbindung mit § 343 BGB Anwendung finden. Diese Kombination der generellen mit der konkreten Kontrolle erlaubt die teilweise Aufrechterhaltung der problematischen Klausel durch die entsprechende Herabsetzung auf den angemessenen Betrag. Wenn die Klausel allerdings der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält, dann ist die Billigkeitskontrolle nach § 343 BGB auf jeden Fall erforderlich, insbesondere aufgrund der Besonderheiten der letzteren Vorschrift703. Der hier vertretenen Auffassung, dass § 343 BGB nicht nur bei Wirksamkeit, sondern auch bei „Unwirksamkeit“ der Strafklausel wegen unangemessener Höhe ergänzend und korrigierend angewendet werden muss, kann vorgeworfen werden, sie verletze das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, das als ein Alles-oderNichts-Prinzip funktioniere. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass das Verbot ein generell anerkanntes Prinzip des AGB-Rechts ist704. Dennoch ist die Ansicht, dass die Unwirksamkeit im Sinne einer Totalnichtigkeit konzipiert werden müsse, umstritten. Seit Jahren hat sich eine Gegenmeinung in der Literatur gebildet, die Kritik an der herrschenden Meinung übt705. Neben dem Umstand, dass Vorschriften wie §§ 343, 655 BGB, 74a Abs. 1 HGB darauf hinweisen, dass das Privatrecht die geltungserhaltende Reduktion kennt706, ist an der Regel der Nichtigkeit der Klausel festzuhalten, gleichzeitig aber ist eine Reduktion auf das angemessene Maß in Ausnahmefällen zu bejahen. Die gemeinschaftsrechtliche Grundlage der §§ 305 ff. BGB, genauer gesagt die Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, die in Art. 6 Abs. 1 anordnet, dass die Mitgliedstaaten die Unverbindlichkeit der missbräuchlichen Klauseln vorsehen, steht dem nicht entgegen. Der Schwerpunkt liegt darin, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. Die als Ausnahme bestehende Anerkennung der geltungserhaltenden Reduktion in Fällen, in denen das Verhältnismäßigkeitsprinzip es verlangt, ist keine 703

Vgl. Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn. 5 470. Mehr dazu oben Teil 3 B. II. 2. i) mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung. Aus der Literatur vgl. Coester-Waltjen, Jura 1988, 113, 116; Bunte, NJW 1982, 2298 f.; Esser/ Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 11 IV; Koch/Stübing, § 9 AGBG Rn. 36; Wolf/Neuner, AT, § 47 Rn. 85 ff.; Lindacher, ZIP 1986, 817, 820; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 5 AGBG Rn. 6, § 6 AGBG Rn. 2; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 6 AGBG Rn. 9; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, AGB-Recht, § 306 Rn. 26 ff.; Zimmermann, Richterliches Moderationsrecht, S. 197; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 330 ff. 705 Canaris, in: FS Steindorff, S. 519, 552 ff.; Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen, S. 79 ff.; Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung, S. 63 ff.; ders., JuS 1985, 264 ff.; Roth, JZ 1989, 411, 416 ff. Vgl. auch Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, passim, die ihre jüngst erschienene Dissertation mit dem Satz abschließt: „Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entpuppt sich als ein Mythos.“ Gegen eine vorbehaltlose Implementierung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion in das Arbeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Vertragsstrafenproblematik Bayreuther, NZA 2004, 953. 706 Vgl. Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 130; Roth, JZ 1989, 411, 417. 704

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Missachtung der Unverbindlichkeitsrechtsfolge nach der Klauselrichtlinie707. Die Sanktion der Gesamtunwirksamkeit kann ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Verletzung entweder des Erforderlichkeits- oder des Angemessenheitsgrundsatzes sein, indem sie eine so starke und inflexible Folge mit sich bringt, die die Privatautonomie des Verwenders übermäßig beschränkt708. Dieses Bedürfnis nach einer gehörigen Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes betont auch das BAG709. Seiner Begründung nach führe die verfassungskonforme, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Auslegung und Anwendung dazu, dass die unwirksame Klausel nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB ersatzlos wegfalle. Dieser Wegfall würde keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragspartner tragende Lösung bieten. Eine ergänzende Vertragsauslegung, wonach die unwirksame Klausel durch den mutmaßlichen Willen der Parteien ersetzt werde, was diese vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre, mildere den § 306 Abs. 2 BGB verfassungskonform ab und trage dem Willen und den Interessen der Parteien Rechnung. Diese Argumentation, die zwar die ergänzende Vertragsauslegung betrifft, ist auch für die geltungserhaltende Reduktion maßgeblich, da sich beide Lösungen einander im Ergebnis annähern710. Folgt man dieser Betrachtung, die sich auf eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 306 Abs. 2, 307 BGB und eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stützt, so gibt es keine Schwierigkeit, das Kombinationsverhältnis zwischen § 307 BGB und § 343 BGB und die damit verbundene Korrekturlösung anzunehmen. Das von Wensing und Niemann Geschriebene, dass das Zusammenspiel zwischen Inhalts-, Umstands- und Ausübungskontrolle komplex sei711, entspricht umfassend der rechtlichen Realität. 3. Die Unwirksamkeit der Strafabrede aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) a) Allgemeines Die Rechtsnorm des § 138 BGB enthält die Generalklausel der guten Sitten, deren Verletzung die Unwirksamkeit der jeweiligen Klausel zur Folge hat. Anders als der 707

Vgl. Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 131 f. Vgl. Canaris, in: FS Steindorff, S. 519, 547 ff.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 109 ff.; Roth, JZ 1989, 411, 419. 709 BAG v. 12. 01. 2005, NJW 2005, 1820, 1822 = MDR 2005, 758 = JuS 2005, 574. 710 Vgl. Canaris, in: FS Steindorff, S. 519, 549 ff.; Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 130; Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung, S. 125 ff., 158 ff.; Jauernig/Stadler, § 306 Rn. 3, 5. 711 Wensing/Niemann, NJW 2007, 401, 405. Vgl. auch Niemann, RdA 2013, 92, 101, der die „stiefmütterliche“ Behandlung der Möglichkeit der Herabsetzung einer Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB in der Rechtsprechung des BAG heftig kritisiert und die Anwendung der Vorschrift auch auf formularmäßige Vertragsstrafen im Rahmen einer individuellen Billigkeitskontrolle befürwortet. 708

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Verstoß gegen eine Vorschrift, die ausdrücklich die Vertragsstrafe für unwirksam erklärt, setzt die Bejahung der Sittenwidrigkeit eine besondere Prüfung voraus. Der Rechtsanwender muss zunächst prüfen, ob eine Strafabrede abgeschlossen worden ist. Wenn der Vertrag nach den generellen Vorschriften des Vertragsabschlusses zustande gekommen ist, dann hat das Gericht eine mögliche Gesetzeswidrigkeit zu prüfen. In diesem Fall hat die Kontrolle, die sich auf § 134 Abs. 1 BGB stützt, den Vorrang. Im Hinblick auf das Verhältnis dieser zwei Vorschriften ist § 134 BGB die speziellere Norm712. Weist ein Rechtsgeschäft Elemente auf, bei denen man von einem Verstoß gegen ein Gesetz und gleichzeitig gegen die guten Sitten sprechen kann, dann verdrängt § 134 BGB die Vorschrift des § 138 BGB. Lässt sich die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht nach § 134 BGB begründen, ist die Anwendbarkeit des § 138 BGB zu prüfen. Die Tatsache, dass sich die zwei Begriffe (Gesetzes- und Sittenwidrigkeit) manchmal überschneiden, bedeutet nicht, dass sie immer nebeneinander eintreten. Der Verstoß gegen § 134 BGB bringt die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäftes nicht ohne Weiteres mit sich713. Umgekehrt kann ein Rechtsgeschäft sittenwidrig sein, ohne dass dieser Verstoß gleichzeitig auch die Gesetzeswidrigkeit herbeiführt. Die Gesetzeswidrigkeit an sich begründet die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäftes nicht. Dafür sind zusätzliche besondere Umstände erforderlich714. Die obige Ausführung im Hinblick auf das Rangverhältnis dieser zwei Begriffe ergibt, dass sie vom Rechtsanwender getrennt und unabhängig voneinander als verschiedene Stufen der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäftes in der hier dargestellten Reihenfolge geprüft werden müssen. Auf ähnliche Weise ist die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung nach §§ 305 ff. BGB, das heißt nach dem AGB-Recht, vorrangig zu prüfen715. Dieser Vorrang stützt sich auf die Natur der §§ 305 ff. BGB als spezielle Normen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Anwendung des § 138 BGB auf jeden Fall ausgeschlossen sein muss. Diese Regeln überschneiden sich, ohne dabei den gleichen Anwendungsbereich zu besitzen. Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB dienen dem Schutz des Vertragspartners vor dem Gebrauch Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Sie können nur dann eingreifen und folglich die Anwendung des § 138 BGB auch nur dann ausschließen, wenn die Vereinbarung Allgemeine Geschäftsbedingungen enthält. Falls allerdings ein Individualvertrag oder ein Rechtsgeschäft vorliegt, das nicht unter den persönlichen oder sachlichen Schutzbereich der §§ 305 ff. BGB fällt, ist § 138 BGB anzuwenden716. 712 Vgl. BGH v. 18. 11. 1982, MDR 1983, 291 = NJW 1983, 868; BAG v. 24. 03. 1993, NJW 1993, 2701, 2703; Erman/Palm/Arnold, § 138 Rn. 10; PWW/Ahrens, § 138 Rn. 5; Palandt/ Ellenberger, § 138 Rn. 13. 713 RG v. 07. 12. 1926, RGZ 115, 320, 325; BAG v. 24. 03. 1993, NJW 1993, 2701, 2703. 714 BGH v. 19. 03. 1998, BGHZ 138, 291, 299 = NJW 1998, 2592; BAG v. 24. 03. 1993, NJW 1993, 2701, 2703. 715 Vgl. BGH v. 26. 04. 2001, NJW 2001, 2466, 2468; BGH v. 18. 09. 1997, BGHZ 136, 347, 355 f. = NJW 1997, 3372. 716 Vgl. Erman/Palm/Arnold, § 138 Rn. 8; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 16.

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b) Die Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe Die Sittenwidrigkeit einer Vertragsstrafe kann in zwei Varianten auftreten: Verstoß gegen die guten Sitten aufgrund unangemessener Strafhöhe und aufgrund des Verhältnisses zur gesicherten Hauptverpflichtung. aa) Die Sittenwidrigkeit aufgrund der Strafhöhe Es wird danach unterschieden, ob sich die Sittenwidrigkeit nur aus dem Inhalt des Rechtsgeschäftes selbst oder aus dem Gesamtcharakter des Rechtsgeschäftes ergibt717. Ständig wird wiederholt, dass der Inhalt der Strafvereinbarung selbst und das Missverhältnis zwischen der Höhe der Vertragsstrafe und der Höhe der gesicherten Pflicht den Verstoß gegen die guten Sitten nicht begründen könnten. Vielmehr sei eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls notwendig und die Sittenwidrigkeit könne nur auf besonderen hinzutretenden Umständen unter Berücksichtigung des Inhalts, der Beweggründe und des Zwecks des Geschäftes basieren718. Diese Ansicht ist überzeugend. Die Strafhöhe an sich kann keinen sittlichen Charakter haben, sie ist neutral. Außerdem eröffnet die Vertragsfreiheit im Sinne der Gestaltungsfreiheit auch den Weg zu einer sehr hohen Vertragsstrafe. Zulässig kann auch eine harte Strafe sein. Es sind deshalb andere Umstände erforderlich, die den Begriff des Exzesses festsetzen können719. Als Beispiele sind die folgenden Umstände zu erwähnen: – die Belastung des Schuldners, die seine Existenz schwer bedroht720, 717 Larenz/Wolf, AT, § 41 Rn. 17 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 18 2; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 7 f. 718 St. Rspr.: BGH v. 30. 03. 1977, WM 1977, 641, 643; BGH v. 05. 10. 1951, LM Nr. 1 zu § 343 BGB; RG v. 22. 09. 1926, RGZ 114, 304, 307; RG v. 23. 04. 1932, HRR 1932, Nr. 1644; RG v. 12. 10. 1926, SeuffA 81 (1927) Nr. 83; RG v. 19. 02. 1921, WarnR 1921 Nr. 90; RG v. 27. 03. 1920, SeuffA 75 (1920) Nr. 209; RG v. 07. 01. 1913, JW 1913, 319, 320; RG v. 09. 07. 1909, JW 1909, 488, 489. Vgl. auch LG Stuttgart v. 20. 03. 2012, 24 O 287/11. In der Literatur vgl. NK-BGB/Walchner, § 339 Rn. 15; Erman/Schaub, § 339 Rn. 3; Hk-BGB/Schulze, § 339 Rn. 10; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 10; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 12; RGRK/ Ballhaus, § 343 Rn. 7 f.; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 5; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 65; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 II 2; Weyer, BauR 1988, 28, 29. 719 Vgl. die Formulierung von Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 65: „Harte Strafen sind zulässig; Exzeßstrafen sind sittenwidrig.“ Staudinger/Rieble, a.a.O. geht davon aus, dass der Vernunftrahmen, in dem sich die zulässige Strafe bewegen kann, nicht als Vielfaches des Gläubigerinteresses festgesetzt werden dürfe. Ein für alle Fälle geltender Typus kann keine Basis haben. 720 RG v. 12. 10. 1926, SeuffA 81 (1927) Nr. 83; RG v. 26. 05. 1914, RGZ 85, 100; RG v. 05. 01. 1906, SeuffA 61 (1906) Nr. 197 (Vereinbarung einer sich mit jedem folgenden Tag verdoppelnden Vertragsstrafe). Charakteristische Paradigmata stellen die Urteile BGH v. 17. 07. 2008, MDR 2009, 251, 252 = NJW 2009, 1882 (Vertragsstrafe i. H. v. 15.000 DM für jedes angebotene, verkaufte oder verbreitete Produkt – „Kinderwärmekissen“) und OLG Düsseldorf v. 08. 06. 2007, MDR 2008, 136 = NZM 2008, 611 (Vertragsstrafe i. H. v. 2.500

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

– die Knebelung und Verpflichtung durch Ehrenwort721, – die Ausnutzung der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Schuldners oder der wirtschaftlichen Macht (z. B. Monopolstellung) des Gläubigers722. Die Sittenwidrigkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die gesamte Strafleistung ohne Grenze und im Laufe der Zeit wächst. Dies ist ein besonders schwerwiegender Fall von Existenzbedrohung723. Sittenwidrig kann auch eine Verfallklausel sein. Ein Beispiel ist das Rückgewährungsverhältnis nach erfolgtem Rücktritt, bei dem als Vertragsstrafe vereinbart wurde, dass der Schuldner alle bereits geleisteten Ratenzahlungen verliert. Die Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn die Gestaltung der Verfallklausel ihren Zwecken nicht gerecht wird. Dies ist der Fall, wenn die verfallende Summe nicht auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist und mit der Höhe der erbrachten Zahlungen wächst. Eine derartige Verfallklausel hat zur Folge, dass der Schuldner im Ergebnis desto besser steht, je weniger er seinen Zahlungspflichten nachkommt, und desto schlechter, je vertragsgetreuer er sich verhält. Dadurch stellt sie nach Inhalt und Zielsetzung eine gänzlich unangemessene Regelung dar, weil sie nach ihrem Gesamtcharakter den Gläubiger einseitig und unverhältnismäßig bevorzugt. Eine solche Klausel kann mit den guten Sitten nicht als vereinbar beurteilt werden724. bb) Die sich aus dem Verhältnis zur gesicherten Pflicht ergebende Sittenwidrigkeit Nicht nur die übermäßige Höhe im Zusammenhang mit anderen Umständen, sondern auch das Verhältnis zwischen der Vertragsstrafe und der gesicherten Pflicht kann zu einem Verstoß gegen die guten Sitten führen. Das wird dadurch gerechtfertigt, dass die Vertragsstrafe generell ein Zwangsmittel ist, das die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Schuldners stark beschränkt. Dies ist der Hauptzweck der Institution. Der Gesetzgeber geht jedoch davon aus, dass die Ausübung mancher Freiheiten so elementar für die gesamte Rechtsordnung ist, dass sie keiner Beschränkung zu unterstellen ist. Typische Beispiele sind die vom Grundgesetz garantierten Freiheiten, genauer gesagt die Grundfreiheiten. Erwähnenswert ist die eheliche oder sonstige LebensEUR für jede Zuwiderhandlung gegen eine Getränkebezugsverpflichtung im Rahmen eines Gaststättenpachtvertrags, die auch nur eine Bierkiste betreffen könnte) dar. Die entsprechenden Gerichte hätten die jeweilige Vertragsstrafe auch als sittenwidrig beurteilen können. 721 Vgl. RG v. 07. 04. 1908, RGZ 68, 229. 722 RG v. 27. 04. 1917, RGZ 90, 181, 182. 723 Z. B. RG v. 12. 10. 1926, SeuffA 81 (1927) Nr. 83 (Vertragsstrafe für jeden täglichen Verstoß gegen die gesicherte Pflicht). 724 BGH v. 17. 10. 2008, MDR 2009, 73, 74 = NJW 2009, 1135 = BGH v. 08. 10. 1992, NJW-RR 1993, 243, 247 = MDR 1993, 280; LAG Köln v. 09. 04. 1998, LAGE Nr. 13 zu § 339 BGB = NZA-RR 1999, 350. Vgl. auch Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 12.

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partnerschaft. Die Entscheidung, eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft einzugehen, beizubehalten oder aufzulösen, muss nach der gesetzlichen Konzeption absolut frei sein (Art. 6 und 2 i. V. m. 1 GG). Jede Belastung mit einer Vertragsstrafe, die diese grundlegende Freiheit verkürzen kann, ist sittenwidrig und somit nichtig725. Außerdem ist die sexuelle Selbstbestimmung als Freiheit, über Ort, Zeit, Form und Partner sexuellen Verhaltens entscheiden zu können, auf Art. 2 Abs. 1 GG basiert. Sie wird nicht nur privatrechtlich anerkannt (z. B. § 1 ProstG), sondern auch strafrechtlich geschützt (z. B. §§ 174 ff. StGB). Eine Vereinbarung, die die Ausübung dieser Freiheit regelt, ist denkbar und verstößt weder gegen das Gesetz noch gegen die Sittenordnung. Eine Abrede (z. B. Vertragsstrafe) aber, die diese Freiheit zwingt und beschränkt, ist als sittenwidrig zu bewerten726. Darüber hinaus ist eine Vertragsstrafe als sittenwidrig zu beurteilen, wenn sie in der Satzung eines Vereins oder generell einer Personengemeinschaft vorgesehen ist und den Austritt der Mitglieder ausschließt oder erheblich erschwert. Die Austrittsfreiheit ergibt sich aus der negativen Vereinigungs- (Art. 9 Abs. 1 GG), der Koalitions- (Art. 9 Abs. 3 GG) und der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) entsprechend der Form der jeweils in Frage kommenden Vereinigung727. Auch die Berufsfreiheit ist eine verfassungsrechtlich geschützte Freiheit, deren Beschränkung nicht gesetzeswidrig (z. B. § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG), sondern sittenwidrig ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es sich um Wettbewerbsverbote von Freiberuflern handelt728. Die strafbewehrten Wettbewerbsverbote sind jedoch nicht der einzige Bereich, in dem die Sittenordnung ihre Auswirkungen entfalten kann. Das Gleiche gilt für die strafbewehrten Wohnsitzklauseln, das heißt die Klauseln, die einen bestimmten Ort als Wohnsitzpunkt einer Person anordnen. Sie beschränken zwar die Freizügigkeit der Personen, sie sind aber zulässig mit dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen die guten Sitten verstoßen729.

725 Vgl. § 1297 Abs. 2 BGB bezüglich der Nichtigkeit eines Strafversprechens. Siehe auch RG v. 03. 11. 1938, RGZ 158, 294, 300; OLG Hamm v. 24. 03. 1987, NJW 1988, 2474 = DNotZ 1988, 712 (bezüglich des Versprechens einer Abfindungssumme für den Fall der Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft). In Hinsicht auf dieses Urteil bemerkt Staudinger/ Rieble, § 339 Rn. 71, dass diese Absprache manchmal als Pauschalierung von Unterhaltspflichten qualifiziert werden könne, was ihre Wirksamkeit nicht berühre. 726 Vgl. Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 72. 727 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 73. 728 Vgl. BGH v. 14. 07. 1997, NJW 1997, 3089, 3090 = WM 1997, 1707, wonach ein im Gesellschaftsvertrag selbstständig praktizierender Tierärzte vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot, nach dem der ausscheidende Gesellschafter „im Umkreis von 30 km vom Sitz der Praxis keinerlei tierärztliche Tätigkeit ausüben“ darf, sittenwidrig und nichtig sei, weil es das notwendige Maß in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Hinsicht überschreite. Gleicher Problematik sind folgende Urteile: OLG Frankfurt v. 15. 09. 2004, MDR 2005, 226, 227; OLG Koblenz v. 25. 05. 1994, JurionRS 1994, 22178. 729 Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 76.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

c) Das Verhältnis zwischen §§ 138 Abs. 1 und 343 BGB Bereits aufgrund des bereits Gesagten im Zusammenhang mit der Natur der guten Sitten als Generalklausel, die einen Kontrollmaßstab für die Wirksamkeit aller Rechtsgeschäfte bilden, steht fest, dass auch die Vertragsstrafe als Vertrag einer solchen Kontrolle zu unterstellen ist730. Wenn man aber der Sittenwidrigkeitskontrolle die Herabsetzungskontrolle gemäß § 343 BGB gegenüberstellt, dann müssen die nachstehenden Folgen in Betracht gezogen werden. Während der Verstoß gegen die guten Sitten die Nichtigkeit, also die Unwirksamkeit des entsprechenden Rechtsgeschäftes mit sich bringt, ist die Herabsetzung eine bloße Neugestaltung eines auf jeden Fall wirksamen Vertrages. Dies birgt die Tatsache in sich, dass die Kontrolle gemäß § 138 BGB eine Feststellung der Rechtssituation ist (Feststellungsklage und -urteil erforderlich), die Herabsetzungskontrolle sich aber in einer Gestaltung verkörpert (Gestaltungsklage und -urteil notwendig). Die der Anwendung des § 343 BGB gesetzten Hindernisse (z. B. Voraussetzung des Strafverfalls, Ausschluss im Fall der Entrichtung oder beim Vorliegen der kaufmännischen Eigenschaft nach § 348 HGB) können auf die Sittenwidrigkeitskontrolle keine Auswirkung haben. Auch der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung ist unterschiedlich, da der Verstoß gegen die guten Sitten immer nach der in der Zeit des Vertragsabschlusses herrschenden Sittenordnung zu messen ist731. Die hier auftretende Frage ist, ob § 343 BGB die Anwendung des § 138 BGB sperren kann. Dies ist zu verneinen. Ziel der Herabsetzungsmöglichkeit ist der Schutz des schutzbedürftigen Teils des Vertrages, genauer gesagt des Schuldners. Im Gegensatz dazu zielt § 138 BGB darauf ab, alle Verstöße gegen die guten Sitten zu beseitigen, soweit nicht nur das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden732, sondern alle sich aus der gesamten Rechtsordnung und besonders aus der verfassungsrechtlichen Ordnung der Grundrechte ergebenden Prinzipien und Werte als Sittenordnung betrachtet werden733. Die zwei Kontrollmechanismen haben eine unterschiedliche Zielsetzung im System des Privatrechts und können sich einander daher nicht ausschließen. Das bedeutet, dass sich der Schuldner entsprechend den Verhältnissen des Einzelfalls auf die eine, die andere oder beide Vorschriften berufen kann734. Beide Mechanismen haben gemein, dass die in Frage gestellte Vertragsstrafe nicht nur auf der Grundlage der Strafhöhe geprüft wird. Damit man die Unangemessenheit 730 Zur Frage, wann die Nichtigkeit der Vertragsstrafe die Totalnichtigkeit des Hauptvertrages herbeiführen kann, siehe BGH v. 17. 10. 2008, MDR 2009, 73, 74 = NJW 2009, 1135; OLG Stuttgart v. 13. 07. 1992, NJW-RR 1993, 654, 655. 731 Vgl. RG v. 04. 10. 1935, JW 1936, 179; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 12; Staudinger/ Rieble, § 339 Rn. 61. 732 RG v. 11. 04. 1901, RGZ 48, 114, 124. 733 Statt vieler vgl. PWW/Ahrens, § 138 Rn. 1 ff. 734 Vgl. auch RG v. 07. 01. 1913, JW 1913, 319 Nr. 5; OLG Hamm v. 01. 12. 1983, MDR 1984, 404; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 II 2 a; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 63.

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der Vertragsstrafe ermitteln kann, darf man sich nicht nur auf eine logistische Berechnung stützen, sondern man muss alle Umstände des Einzelfalls (z. B. den Verschuldensgrad des Schuldners, die gesamte Interessen des Gläubigers) berücksichtigen. Im Hinblick darauf ist die Anwendung des § 138 BGB nicht einfach das Ergebnis einer Kontrolle der Strafhöhe. Wie erwähnt sind weitere Elemente erforderlich, die die Ausprägung der Sittenwidrigkeit widerspiegeln. Ergibt sich die Sittenwidrigkeit nicht etwa aus dem Verhältnis der Vertragsstrafe zur gesicherten Pflicht, so ist auf eine Gesamtwürdigung von Inhalt, Motiv und Zweck sowie von äußeren Umständen bezüglich der Höhe abzustellen. Der Vertrag kann nach § 138 Abs. 1 BGB nur dann nichtig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung (in unserem Fall: Vertragsstrafe und Interessen des Gläubigers) objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht735, das jedoch von mindestens noch einem weiteren Umstand begleitet wird, der das Rechtsgeschäft bei Zusammenfassung der objektiven und subjektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt736. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Das besonders grobe Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (hier: Strafhöhe und Interesse des Gläubigers) beweist nicht, sondern indiziert lediglich die verwerfliche Gesinnung737, es sei denn, diese tatsächliche Vermutung wurde im Einzelfall erschüttert738. Aus diesem Grund haben beide Kontrollverfahren gemein, dass eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls sowohl für die Feststellung der Sittenwidrigkeit als auch für die Herabsetzung erforderlich ist. Neben dieser Problematik taucht die Frage auf, ob die Herabsetzbarkeit einer Vertragsstrafe die Anwendung des § 138 BGB beeinflussen kann. Obwohl eine Meinung diese Möglichkeit für absonderlich hält739, ist anzunehmen, dass der Rechtsanwender eine Herabsetzungsmöglichkeit ex ante und ohne Antrag des Schuldners mitberücksichtigen muss. Dies kann zur Nichtbejahung der Sittenwidrigkeit führen740. Die Ansicht ist nicht zu beanstanden, weil der Rechtsanwender auf alle Umstände des Einzelfalls Rücksicht nehmen muss. Darunter fällt auch die Herabsetzbarkeit als Kontrollmaßnahme. Hier ist auch zu beachten, dass die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe die Interessen des Gläubigers am schwersten belastet, da das Sicherungsmittel völlig beseitigt wird. Da die Herabsetzung dagegen nur die Höhe und nicht die Wirksamkeit selbst trifft, soll dem Ermäßigungsmechanismus ein Vorrang anerkannt werden.

735

BGH v. 18. 12. 2008, MDR 2010, 253, 254 = NJW 2009, 835. BGH v. 29. 06. 2007, MDR 2007, 1121 = NJW 2007, 2841, 2842; BGH v. 19. 01. 2001, JuS 2001, 706, 707 = NJW 2001, 1127. 737 BGH v. 09. 10. 2009, BB 2009, 2601 = NJW 2010, 363; BGH v. 02. 07. 2004, MDR 2005, 27, 28 = DB 2005, 279. 738 BGH v. 09. 10. 2009, BB 2009, 2601 = NJW 2010, 363; BGH v. 19. 01. 2001, BGHZ 146, 298, 305 = NJW 2001, 1127. 739 So Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 II 2 a. 740 Vgl. BGH v. 30. 03. 1977, WM 1977, 641, 643; Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 64. 736

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d) Eigene Stellungnahme Der Ausgangspunkt für die eigene Einschätzung ist die Argumentation von Gernhuber. Er betont zu Recht: „Niemand bestreitet, dass die Anwendung des § 138 sehr kontrolliert zu erfolgen hat mit dem Sicherheitsinteresse des Gläubigers als entscheidendem Maßstab. Auch drastische Vertragsstrafen können mit § 138 zu vereinbaren sein, wenn anders die Gläubigerinteressen nicht zu wahren sind (vgl. BGH DB 1976, 1616 mit dem zehnfachen Betrag des Kaufpreises bei jedem Verstoß gegen die Pflicht, Adressenmaterial nicht zweimal zu verwenden).“741

Diese Ansicht betrifft freilich die Natur der Vertragsstrafe als Sicherungsabrede. Die Notwendigkeit der Bejahung der Sittenwidrigkeit soll sich also nur dann ergeben, wenn entweder die den Verstoß begründenden Elemente so evident sind, dass die rechtliche oder wirtschaftliche Lage des Schuldners unerträglich wird, oder ein Zugriff auf § 343 BGB aus irgendeinem Grund (z. B. kaufmännische Eigenschaft) nicht möglich ist. Es ist eine Tatsache, dass die Sittenwidrigkeit die Beseitigung der Vertragsstrafe zur Folge hat. Dadurch werden die Interessen des Schuldners umfassend geschützt, aber der Gläubiger verliert gleichzeitig an Sicherung. Generell betrachtet ist die Vorschrift des § 138 BGB im Vergleich zur Ermäßigung des § 343 BGB ein effektiveres Schutzmittel. Diese Auswirkung benachteiligt aber den Gläubiger am schwersten und ist nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und besonders nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz zu prüfen. Solange eine Ermäßigung möglich ist, muss sie den Vorrang genießen, da die Interessen beider Parteien auf diese Weise abgewogen werden. Auf jeden Fall ist die Sittenwidrigkeit wegen einer übermäßigen Höhe als ultimum refugium für den Schuldner zu betrachten, weil die Herabsetzung gemäß § 343 BGB die Vertragsstrafe nicht so eng beschränkt. Die Sittenwidrigkeit wegen des Verhältnisses zwischen der Strafe und der gesicherten Pflicht, die nicht die Höhe betrifft, ist jedoch nicht mit dem vorgenannten Grundsatz zu messen, weil die Ermäßigung nur ein Kontrollmechanismus der Höhe und nicht des Zieles der Vertragsstrafe ist.

III. Die Vorschriften, deren Anwendung die Strafvereinbarung modifiziert In diesem Teil werden Vorschriften, deren Anwendung die Unwirksamkeit der Vertragsstrafen mit sich nicht bringt, im Rahmen der konkreten Besprechung der verschiedenen Kontrollmechanismen dargestellt. Es handelt sich um Regeln, die eine Modifizierung nach unten, das heißt eine Ermäßigung der Vertragsstrafe herbeiführen können. Aus der Zusammenstellung der in diesem Teil gewonnenen Erkenntnisse ergibt sich insgesamt die Möglichkeit einer eingehenden Bewertung ihres 741 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 II 2 a. Vgl. auch BGH v. 30. 06. 1976, MDR 1977, 134 = NJW 1976, 1886.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Verhältnisses zum Ermäßigungsrecht aus § 343 BGB. Der Beschäftigung mit der Prüfung der Anwendungsmöglichkeit des § 242 BGB (unten 3.) wird die Kontrolle nach § 313 BGB bei einer Störung der Geschäftsgrundlage (unten 1.) und nach §§ 315 ff. BGB bei einer einseitigen Leistungsbestimmung (unten 2.) vorangestellt. 1. Die Störung der Geschäftsgrundlage als Kontrollgrundlage der Vertragsstrafen gemäß § 313 BGB a) Grundlegendes Die Vorschrift des § 313 BGB hat die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage durch die Schuldrechtsmodernisierung in das BGB übernommen742. Damit die Rechtsfolge des Vertragsanpassungsanspruchs entsteht, sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift zu beachten: Erste Anwendungsvoraussetzung ist das Vorliegen eines Vertrages ungeachtet seines jeweiligen Standortes im Gesetz und ungeachtet der Tatsache, ob es sich um einen zwei- oder einseitig verpflichtenden Vertrag handelt743. Da die Vertragsstrafe eine vertragliche Vereinbarung ist, fällt sie folglich auch in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Die problematischste Voraussetzung ist der sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die Regel ist vor allem als eine Ausnahme in den Prinzipien der Vertragstreue und der Rechtssicherheit wahrzunehmen. Diese Prinzipien gelten unverändert auch nach dem Inkrafttreten des § 313 BGB744. Die Notwendigkeit der Einführung dieser Ausnahme wird durch die Veränderung der Grundlage des Vertrages gerechtfertigt. Die Vertragsgrundlage ist in zwei Dimensionen vorstellbar. Negativ fallen unter den Begriff alle wesentlichen Umstände, die kein Vertragsinhalt geworden sind. Andernfalls wäre ein Rückgriff auf § 313 BGB unnötig745. Positiv sind die Umstände als Grundlage zu bestimmen, die für die Vertragsschließenden solche Bedeutung haben, dass sie den Vertrag überhaupt nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie deren Fehlen oder nachträglichen Wegfall gekannt oder vorausgesehen hätten, genauer gesagt die Umstände, die für den Abschluss dieses konkreten Vertrages eine Kausalität aufweisen746. Weitere Voraussetzung ist die Störung dieser Vertragsgrundlage. Im Abs. 1 hat die Störung den Inhalt einer schwerwiegenden Veränderung, während sie gemäß Abs. 2 einer Veränderung der Umstände gleichsteht, wenn wesentliche 742

Zu der Vorgeschichte, der Entwicklung bis zur Aufnahme ins Gesetz und der heutigen Rechtslage siehe statt vieler Erman/Hohloch, § 313 Rn. 2 ff. 743 Vgl. Erman/Hohloch, § 313 Rn. 11 ff.; PWW/Medicus/Stürner, § 313 Rn. 8 ff.; Eckelt, Vertragsanpassungsrecht, S. 64 ff. 744 Erman/Hohloch, § 313 Rn. 16. 745 BGH v. 27. 09. 1991, NJW-RR 1992, 182, 183 = WM 1992, 153; Erman/Hohloch, § 313 Rn. 18; PWW/Medicus/Stürner, § 313 Rn. 8 f. 746 Vgl. BGH v. 15. 11. 2000, WM 2001, 523, 524 = NJW 2001, 1204; BGH v. 15. 06. 1951, NJW 1951, 836, 837 = JZ 1951, 654; BAG v. 25. 07. 1990, DB 1991, 1733, 1734 = NJW 1991, 1562.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen. Nicht jede Veränderung ist ausreichend. Man spricht von einer Beurteilung nach der Zumutbarkeit der daraus resultierenden Folgen. Die Änderung ist schwerwiegend, „wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann“747. Die Vorhersehbarkeit der Störung ist ein Faktor, der die Zumutbarkeit indiziert748. Die Anwendung der Vorschrift setzt eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls voraus. Insbesondere ist die vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung als solcher Umstand im Gesetz erwähnt. Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Erfüllung des Tatbestandess tritt als Hauptfolge die Anpassung des Vertrages ein749. Diese findet aber nicht automatisch kraft Gesetzes oder durch gerichtliches Urteil von Amts wegen, sondern nur nach dem Willen der benachteiligten Partei statt. Es handelt sich um einen Anspruch auf Anpassung. Die Anpassung findet vor allem außergerichtlich statt. Wenn die Neuverhandlungen aber scheitern, weil eine Partei die Mitwirkung verweigert, dann kann die andere Partei ihren Anspruch auf Anpassung gerichtlich geltend machen. Die Teilnahme an Neuverhandlungen ist allerdings nicht einklagbar. Der Anspruch kann auch direkt eingeklagt werden in dem Sinne, dass die Klage auf die nach dem veränderten Inhalt angepasste Leistung gerichtet wird. Einredeweise kann das Recht auf Anpassung geltend gemacht werden. Die Anpassung kann nicht nur die Form der Minderung der Leistung, sondern auch der Erhöhung der entwerteten Gegenleistung im Fall der sog. Äquivalenzstörung haben. Generell kann alles, was die Parteien in voller Kenntnis der Wirklichkeit hätten vereinbaren können, Gegenstand der Anpassung sein. Hilfsweise und nachrangig kann die benachteiligte Partei vom Vertrag zurücktreten (Abs. 3 S. 1) oder den Vertrag im Fall eines Dauerschuldverhältnisses kündigen (Abs. 3 S. 2)750. Die Nachrangigkeit der Vertragsauflösung wird dadurch gerechtfertigt, dass die Privatautonomie nur einen so tiefgreifenden Bruch erleiden darf, wenn andere mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Dies verlangt die Formulierung der Vorschrift, die einen derartigen Weg nur dann vorsieht, wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich ist oder einem Teil nicht zumutbar ist.

747 Vgl. auch die Formulierung des BGH v. 25. 02. 1993, BGHZ 121, 378, 393 = NJW 1993, 1856: Es handelt sich um eine entscheidende Änderung, wenn „ein Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem untragbaren mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde und das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung für die betroffene Partei deshalb unzumutbar wäre.“ 748 PWW/Medicus/Stürner, § 313 Rn. 14. 749 Mehr zur Rechtsfolge der Anpassung in Erman/Hohloch, § 313 Rn. 40 ff.; PWW/Medicus/Stürner, § 313 Rn. 20 ff. 750 Mehr zur Rechtsfolge des Rücktritts und der Kündigung in Erman/Hohloch, § 313 Rn. 44; PWW/Medicus/Stürner, § 313 Rn. 28 f.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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b) Das Verhältnis zwischen §§ 313 und 343 BGB Aus der obigen Darstellung ergibt sich, dass der Mechanismus des § 313 BGB eine Ausnahme in die Privatautonomie einführt. In diesem Sinne charakterisiert der gleiche Ausnahmecharakter beide Vorschriften. Hinsichtlich ihrer Ähnlichkeiten ist erkennbar, dass beide Korrekturmechanismen Anwendung auf Vertragsstrafen finden können. Sie werden als Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben gekennzeichnet. Als Erscheinungen einer Billigkeitskontrolle sind sie unbedingt einer umfassenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unterworfen. Bezüglich ihrer Unterschiede setzt § 313 BGB den Wegfall der Geschäftsgrundlage voraus. Die Vorschrift sieht die Anpassung als Hauptrechtsfolge vor. Dies führt aber nicht nur zur Ermäßigung, sondern auch zur Erhöhung der Strafleistung nach Veränderung der Umstände. Während die Anpassung außergerichtlich, also durch Vereinbarung der Vertragsparteien, stattfinden kann, sieht § 343 BGB keine derartige Möglichkeit vor. Das Ermäßigungsrecht ist nur gerichtlich geltend zu machen. Die Anpassung ist aber nicht die einzige Rechtsfolge des § 313 BGB. Der Rücktritt und die Kündigung sind Auflösungsalternativen, die die Rechtsregel des § 313 BGB nachrangig anordnet. Demgegenüber sieht § 343 BGB keine derartige Möglichkeit vor, selbst wenn die Vertragsstrafe übermäßig hoch ist. Deswegen stehen dem benachteiligten Vertragspartner durch § 313 BGB mehr Lösungen zur Verfügung, während § 343 BGB nur die gerichtliche Geltendmachung des Herabsetzungsrechts anordnet. Außerdem kennt die Vorschrift § 313 BGB den Ausschluss gemäß § 348 HGB nicht751. Die Vertragsstrafe kann auf der Grundlage des § 313 BGB insbesondere dann kontrolliert werden, wenn sich das Hauptverhältnis verändert, was sich aus der Akzessorietätsnatur der Institution ergibt752. Hinsichtlich des Verhältnisses zu anderen Vorschriften wird eine Reihe spezieller Vorschriften vorgetragen, die das Thema der Geschäftsgrundlage regeln753. Diese Vorschriften schließen die Anwendung des § 313 BGB aus. Es handelt sich um eine generelle Vorschrift, die von den speziellen Regeln verdrängt wird754. Die Literatur und die Rechtsprechung nehmen den Ausnahmecharakter und die Subsidiarität als Charakteristika der Vorschrift wahr. Aus diesem Grund ist auch der Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB ein Vorrang anzuerkennen. § 343 BGB ist die Regel, die nach den 751

Rn. 8.

Vgl. BGH v. 24. 03. 1954, NJW 1954, 998; Röhricht/v. Westphalen/Wagner, § 348 HGB

752 BGH v. 21. 04. 1983, NJW 1983, 2143, 2144 („Vertragsstraferückzahlung“); Erman/ Schaub, § 339 Rn. 3. 753 Z. B. §§ 311a, 321, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 489, 490, 519, 527, 528, 530, 593, 594e, 610, 650, 651j, 723, 775 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 779, 1301, 1612a, 1614 Abs. 2, 2077, 2079 BGB. Vgl. Erman/Hohloch, § 313 Rn. 32; PWW/Medicus/Stürner, § 313 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 313 Rn. 16. 754 Vgl. BGH v. 06. 03. 2002, MDR 2002, 814, 815 = NJW 2002, 2098 (§ 23 SchuldRAnpG).

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Vorstellungen des Gesetzgebers das Problem der übermäßigen Strafen lösen kann. § 313 BGB setzt die schwerwiegende Veränderung der Umstände voraus, was den Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt und den Schuldner nicht so umfassend wie die Ermäßigung schützt. Außerdem ist die Anwendung auch dann ausgeschlossen, wenn die Auslegung einschließlich der ergänzenden Auslegung des Vertrages eine Lösung bieten kann755. Wenn die Parteien z. B. ausdrücklich in der Strafklausel vorgesehen haben, dass der Schuldner sein Recht aus § 343 BGB zu seinem Schutz geltend machen kann, ist daraus zu schließen, dass § 313 BGB nur dann anwendbar ist, soweit keine Anpassungslösung im Vertrag vorhanden ist. Die Subsidiarität bedeutet aber nicht, dass § 313 BGB niemals zur Anwendung gelangen kann. Wenn die Sondervorschriften (hier: § 343 BGB) tatbestandlich oder bezüglich der geltend gemachten Rechtsfolgen nicht eingreifen können, dann ist auf § 313 BGB zuzugreifen756. Tatbestandlich kann dies der Fall sein, wenn der Schuldner Kaufmann ist (§ 348 HGB) oder die Strafe noch nicht verwirkt ist757. In Hinsicht auf die Rechtsfolgen kann die Ermäßigung nicht immer eine zutreffende Lösung sein. Nach Veränderung der Umstände, die die Vertragsstrafe bereits als niedrig erweisen, kann der Gläubiger diesmal die Anpassung des Vertrags gemäß § 313 BGB nach oben geltend machen. 2. Die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe nach §§ 315, 317 BGB a) Grundlage Die üblicherweise in Betracht kommende Vertragsgestaltung ist, dass sich die Parteien auf eine bestimmte Strafhöhe einigen. Dies ist der Fall, wenn der Schuldner beispielsweise die Zahlung einer konkreten Geldsumme oder eines Prozentsatzes der Hauptleistung als Strafe verspricht. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Vertragsschließenden keine bestimmte, sondern eine bestimmbare Leistung vorsehen. Die unbestimmte Strafe ist wirksam, soweit die Voraussetzungen der Leistungsbestimmung gemäß §§ 315 ff. BGB beachtet werden758. Der Schluss, dass

755 Vgl. BGH v. 24. 11. 1998, NJW-RR 1999, 923 = WRP 1999, 323; BGH v. 03. 07. 1981, MDR 1981, 924, 925 = NJW 1981, 2241; OLG Saarbrücken v. 11. 10. 2000, NJW-RR 2001, 752 = NZA-RR 2001, 319. 756 BGH v. 06. 03. 2002, MDR 2002, 814, 815 = NJW 2002, 2098. 757 KG Berlin v. 17. 10. 1994, NJW 1995, 264, 265 = GRUR 1995, 144, wonach kein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach der Verwirkung der Vertragsstrafe möglich ist. Dies bedeutet, dass § 343 BGB den Vorrang nach der Verwirkung hat. Vor der Verwirkung aber ist die Anwendung des § 313 BGB nicht auszuschließen. 758 Die nach Art und Höhe bestimmte Strafe charakterisiert Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 5 als gesetzlichen Regeltypus. Vgl. auch NK-BGB/Walchner, § 339 Rn. 6; Erman/Schaub, § 339 Rn. 2; Hk-BGB/Schulze, § 339 Rn. 13; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 28; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 11; RGRK/Ballhaus, § 339 Rn. 6; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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die Leistung mindestens bestimmbar ist, lässt sich durch Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) ziehen. Diese Unbestimmtheit kann nicht nur die Höhe der Strafleistung, sondern auch andere Elemente des Vertrages betreffen, wie z. B. die Hauptverbindlichkeit und das Vorliegen einer Strafe überhaupt759. Genügende Bestimmtheit ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, falls sich das Versprechen mit einer Pflichtwidrigkeit (z. B. der schuldhaften Nichtaufnahme oder der vertragswidrigen Beendigung einer geschuldeten Tätigkeit) verbindet760, selbst dann wenn die gewählte Formulierung generell lautet (z. B. Aufzählung von Beispielen eines „gravierenden Vertragsverstoßes“)761. Dieses Phänomen der Unbestimmtheit und der Ermittlung des Inhalts des Strafversprechens durch Auslegung wird uns hier nicht in seinem vollen Umfang beschäftigen. Die Institution der Strafherabsetzung betrifft nur die Strafhöhe. Aus diesem Grund befasst sich der folgende Teil nur mit der Unbestimmtheit, die mit der Höhe der geschuldeten Leistung einhergeht und auf der Grundlage der §§ 315 ff. BGB ergänzt wird. b) Die Bestimmung der Leistung durch den Gläubiger (§ 315 BGB) Die Bestimmung der Strafhöhe kann dem Gläubiger nach §§ 315, 316 BGB überlassen werden. Die Rechtsprechung hat diese Vertragsgestaltungsmöglichkeit ständig bestätigt762. Was den Meinungsstand in der Literatur angeht, ist festzustellen, dass die herrschende Ansicht dem Gläubiger ein solches Bestimmungsrecht einräumt. Dies ergibt sich aus dem Vertragsfreiheitsgrundsatz763. Dennoch wird auch die Gegenmeinung vertreten, dass der Gläubiger trotz der Vereinbarung über die Strafhöhe einseitig nicht entscheiden dürfe, weil „eine Unterwerfung des Schuldners unter das „Strafdiktat“ des Gläubigers mit Rücksicht auf die hier stets unvermeidliche Interessenkollision sittenwidrig wäre (§ 138).“764 Dieser Meinung ist nicht zuzustimmen. Sie beschreibt zwar die tatsächliche Gefahr der Parteilichkeit des Strafgläubigers bei der Ausübung seines Bestimmungsrechts und kann zu unangeRn. 98, § 343 Rn. 136; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, Kap. 20 Rn. 10; Oberhauser, Vertragsstrafe, Rn. 198. 759 BGH v. 13. 03. 1975, LM Nr. 19 zu § 339 BGB; OLG Koblenz v. 03. 07. 1986, WRP 1986, 694. 760 Vgl. BAG v. 16. 03. 1994, BAGE 76, 155, 165 ff. = NZA 1994, 937; BAG v. 04. 09. 1964, AP Nr. 3 zu § 339 BGB. 761 BAG v. 18. 08. 2005, NZA 2006, 34, 36 = BB 2006, 720. 762 Vgl. BGH v. 30. 09. 1993, NJW 1994, 45, 46 = WM 1994, 114; BGH v. 31. 05. 1990, BB 1990, 2143 = NJW-RR 1990, 1390; BGH v. 14. 02. 1985, NJW 1985, 2021 = MDR 1985, 733; BGH v. 12. 07. 1984, NJW 1985, 191, 192 = MDR 1985, 116; BGH v. 14. 10. 1977, BB 1978, 12, 13 = DB 1978, 84 („Hamburger Brauch“); BGH v. 23. 11. 1970, WM 1971, 165. 763 Vgl. Horschitz, NJW 1973, 1958, 1960; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 137; Lindacher, Phänomenologie, S. 81 ff.; Fischer, in: FS Piper, S. 205, 214; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 212. 764 Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II a.

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messenen Strafen führen. Es ist aber zu betonen, dass der Gesetzgeber diese Situation berücksichtigt und ausdrücklich geregelt hat. Die Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB ordnet an, dass im Zweifel anzunehmen ist, dass der Gläubiger die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen hat. Dies setzt eine Mitberücksichtigung der Interessen des Schuldners voraus765. Zudem kann die Festsetzung der Leistung nur dann verbindlich sein, soweit sie die Billigkeitsanforderung gemäß § 315 Abs. 3 S. 1 BGB beachtet. Im nächsten Satz erklärt das Gesetz das gerichtliche Urteil als Sicherheitsventil, das dem Schuldner genügend Schutz bietet. Fraglich ist, ob die Abrede der Parteien die Bestimmung der Strafhöhe nicht nach billigem, sondern nach freiem Ermessen des Gläubigers anordnen kann. Eine Meinung geht davon aus, dass die Parteien dem Strafgläubiger eine über das billige Ermessen hinausgehende Gestaltungsmacht einräumen nicht könnten, weil der Schuldner dadurch Opfer der Willkür des Gläubigers werden könne, was Sittenwidrigkeit herbeiführe766. Einer anderen Ansicht nach könne die Vereinbarung, die dem Gläubiger ein Bestimmungsrecht nach freiem Ermessen oder auch Belieben einräumt, nicht auf jeden Fall als willkürlich und daher sittenwidrig charakterisiert werden. Sie sei zulässig, die Grenzen seien aber hinsichtlich der Sittenwidrigkeit oder des Rechtsmissbrauchs anhand bestimmter Tatsachen zu prüfen767. Die Ansicht, nach der die Strafhöhe grundsätzlich auch nach freiem Ermessen oder freiem Belieben des Gläubigers bestimmt werden dürfe, ist zu billigen. Die Tatsache, dass dem Strafgläubiger ein weiter Entscheidungsraum eröffnet wird, bedeutet nicht, dass seine Bestimmungen willkürlich und unkontrolliert bleiben können. Die Vertragsfreiheit ist die Grundlage, die eine derartige Vertragskonstellation rechtfertigen kann. Die Grundregeln des Privatrechts, wie das Verbot der Sittenwidrigkeit und des Rechtsmissbrauchs, stellen die äußersten Grenzen dar, nach denen die Entscheidung des Gläubigers zu messen ist, und sie verschaffen dem Schuldner den gewollten Schutzraum. c) Die Bestimmung der Leistung durch einen Dritten (§ 317 BGB) Die Bestimmung der Leistung durch einen Dritten gemäß § 317 BGB ist ebenfalls zulässig768. Die Parteien können der Person, die die Leistung konkretisieren wird,

765 Mehr zum Begriff des richterlichen Ermessens in Göppinger, Juristen-Jahrbuch 1968/ 1969, S. 86 ff. 766 Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 212; RGRK/Ballhaus, § 315 Rn. 13. 767 Die Zulässigkeit bejahend: Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/1, § 14 III 1; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 41 f.; Soergel/Wolf, § 315 Rn. 41; MünchKomm/ Gottwald, § 315 Rn. 32 f.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 12 II 4. 768 Vgl. BGH v. 14. 10. 1977, BB 1978, 12, 13 = DB 1978, 84 („Hamburger Brauch“); BGH v. 23. 11. 1970, WM 1971, 165 = DB 1971, 381.

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einen Spielraum durch die Bestimmung von Ober- und Untergrenzen eröffnen, ohne dass es erforderlich ist769. Dies ist bei Betriebsbußen und Vereinsstrafen üblich770. Die Ausübung des Bestimmungsrechts seitens des Dritten setzt die Berücksichtigung des § 317 BGB, das heißt des Erfordernisses der Billigkeit, voraus771. Es besteht aber die grundlegende Frage, wer als Dritter bezeichnet werden kann. Ein Schiedsgericht kann als Dritter die Höhe der Strafleistung bestimmen772. Es wäre widersprüchlich, einerseits die Möglichkeit einer richterlichen Nachprüfung der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs. 1 BGB durch ein Schiedsgericht zu bejahen, andererseits aber bereits die primäre Leistungsbestimmungsmöglichkeit zu verneinen. Fraglich kann aber sein, wann ein Schiedsspruch nach §§ 1025 ff. ZPO und wann eine Leistungsbestimmung durch einen Dritten im Sinne von §§ 317 ff. BGB vorliegt. Die Abgrenzungsfrage ist durch die Auslegung der vertraglichen Abrede zu lösen. Wenn die Parteien gewollt haben, dass der Schiedsspruch gerichtlich nur beschränkt kontrolliert werden kann, dann handelt es sich um ein Schiedsgericht nach §§ 1025 ff. ZPO, gegen dessen Spruch nur die Aufhebungsklage erhoben werden kann. Im Zweifel ist aber ein Dritter im Sinne von §§ 317 ff. BGB anzunehmen. Dies führt zur umfassenden Kontrolle durch die Gerichte773. Sehr umstritten ist dagegen, ob ein Zivilgericht die Erstbestimmung der Strafleistung nach der Vereinbarung der Parteien vornehmen kann (sog. „Hamburger Brauch“). Eine Meinung lehnt eine solche Vertragsgestaltung als unwirksam ab774. Das Hauptargument dieser Ansicht ist, dass die Zuständigkeit der Zivilgerichte durch Vorschriften der ZPO, also des öffentlichen Rechts, geregelt werde. Eine sich aus der Vertragsfreiheit ergebende Begründung oder Erweiterung dieser Zuständigkeit sei nicht zulässig. Als weiteres Argument hierfür bietet sich der numerus clausus der Gestaltungsklagen und der Umstand an, dass der Richter nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB nur kontrollierend eingreifen könne775. Die Gegenmeinung geht davon aus, dass die 769

BGH v. 31. 05. 1990, BB 1990, 2143 = NJW-RR 1990, 1390; BGH v. 12. 07. 1984, NJW 1985, 191, 192 = MDR 1985, 116. 770 Vgl. Lohr, MDR 2000, 429, 432. 771 Vgl. BGH v. 26. 05. 1999, NJW 1999, 2662, 2663 = WM 1999, 1529; BGH v. 14. 10. 1977, BB 1978, 12, 13 = DB 1978, 84; RG v. 22. 12. 1936, RGZ 153, 193, 195. 772 Vgl. RG v. 22. 12. 1936, RGZ 153, 193, 195; Bötticher, ZfA 1970, 3, 32 ff. 773 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 146; MünchKomm/Gottwald, § 317 Rn. 12. 774 BGH v. 06. 11. 1997, DB 1998, 876 = NJW 1998, 1388; BGH v. 14. 10. 1977, BB 1978, 12, 13 = DB 1978, 84 („Hamburger Brauch“ m. krit. Anm. Lindacher, BB 1978, 270); OLG Frankfurt v. 15. 07. 1976, WRP 1976, 563, 565; OLG Hamburg v. 16. 05. 1968, WRP 1968, 301, 302; LG München I v. 08. 05. 1974, WRP 1974, 709; BAG v. 25. 09. 1980, NJW 1981, 1799 = DB 1981, 533 = AP Nr. 7 zu § 339 BGB (m. krit. Anm. Lindacher). Aus dem Schrifttum vgl. Bötticher, ZfA 1970, 3, 31, 34; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 2; Erman/Hager, § 317 Rn. 4; RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 2; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 145; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 12 I 5; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 44 ff. 775 Vgl. Bötticher, ZfA 1970, 3, 34 f.; Grunewald, ZZP 1988, 152 ff.

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Parteien frei seien, ihren Vertrag so zu gestalten, dass das Gericht als Dritter im Sinne von §§ 317 ff. BGB bestimmt werde. Diese Ansicht stützt sich vor allem auf das Prinzip der Vertragsfreiheit und auf den Umstand, dass sich die Parteien Kosten und Zeit durch die Erstbestimmung der Strafleistung vom Richter ersparen776. Ausgangspunkt der Problemlösung ist das System der gesetzlichen Regelung. Die Vorschriften der §§ 315 Abs. 3 S. 2, 319 Abs. Abs. 1 S. 2, 343 BGB weisen darauf hin, dass die Parteien die Last tragen, ihre Verhältnisse selbst zu regeln. Die Einbeziehung des Richters ist nach der gesetzlichen Konzeption nur subsidiär und zielt darauf ab, die Vereinbarung der Parteien zu kontrollieren. Eine Abrede, die dem Gericht die Regelungslast auferlegen würde, ist nicht gesetzlich vorgesehen. Darüber hinaus ist sie aber auch unzulässig und unpraktisch. Unzulässig, wie die herrschende Meinung geltend macht, weil die Zuständigkeit der Gerichte als Staatsorgane nur durch Vorschriften des öffentlichen Rechts geregelt werden kann. Unpraktisch, weil die Beteiligten im Rechtsverkehr eine Entscheidung über die Person, die die Leistungshöhe bestimmt, normalerweise in der Phase der Verhandlungen treffen können, ohne dass sie eine richerliches Urteil benötigen. Dieses als Regel geltende Ergebnis kann aber ausnahmsweise übergangen werden. Wie § 319 Abs. Abs. 2 S. 2 BGB anordnet, kann das Gericht die Bestimmung vornehmen, wenn der Dritte selbst diese nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert. Die Parteien und der von ihnen angestellte Dritte können die Bestimmung wegen ihrer Sachnähe und Kenntnisse besser treffen. Dies ist der kürzeste Weg, dem sie folgen müssen, damit sich das Gericht, das heißt ein staatliches Organ, nicht unnötig damit beschäftigt. Wenn aber ein berechtigtes Bedürfnis der Parteien besteht, dann kann die unmittelbare Festsetzung der Leistungsbestimmung ohne vorangehendes Leistungsbestimmungsrecht einer Partei oder eines Dritten erfolgen. Der sog. „neue oder modifizierte Hamburger Brauch“, wonach der Gläubiger das Bestimmungsrecht ausübt, bevor das Gericht diese Bestimmung auf der Grundlage von Billigkeit prüft, ist nur das gesetzliche Vorbild der richterlichen Korrektur in § 315 Abs. 3 BGB und daher zulässig. Schließlich liegt ein noch weitergehendes Bestimmungsrecht vor, wenn der Gläubiger oder der Dritte nicht die Höhe der Strafleistung, sondern das Ereignis, von dem die Auslösung der Strafe abhängt, feststellen. In diesem Fall spricht man nicht von Verwirkung, sondern von Verhängung der Vertragsstrafe777. Eine solche Vereinbarung ist zulässig, wenn der Weg zur gerichtlichen Nachprüfung offen bleibt.

776 Vgl. OLG Karlsruhe v. 26. 03. 1975, WRP 1975, 306; OLG Hamburg v. 11. 07. 1962, JZ 1963, 172, 173; Erman/Schaub, § 339 Rn. 2; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 31; Soergel/ Lindacher, § 339 Rn. 5; Lindacher, WRP 1975, 7, 8; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 286 ff. 777 BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782, 783; Horschitz, NJW 1973, 1958, 1960; Weitnauer, in: FS Reinhardt, S. 179, 182.

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d) Das Verhältnis zwischen §§ 315 ff., 317 ff. und 343 BGB Aufgrund des Charakters der §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB als Korrekturmechanismen haben diese mit § 343 BGB nicht wenig gemein778. Bei beiden Mechanismen handelt es sich um die Korrektur und die Billigkeitskontrolle der Strafleistung. Der grundlegende Unterschied liegt aber darin, dass § 343 BGB ein Kontrollverfahren vorsieht, das auf die Korrektur bereits abgeschlossener Verträge abzielt. Aus diesem Grund bedarf es einer besonderen dogmatischen Rechtfertigung779. Hingegen scheint die einseitige Leistungsbestimmung problematischer zu sein, weil sie zwar eine vertragliche Grundlage besitzt, aber erhöhte Willkürgefahr wegen der Einseitigkeit der Bestimmung durch den Gläubiger oder den Dritten mit sich bringt. Deswegen ist die richterliche Kontrolle in der Regel erforderlich und leichter zu rechtfertigen780. Hinsichtlich des Kontrollmaßstabs wird wie folgt differenziert: Die Kontrolle nach § 343 BGB beschäftigt sich mit dem angemessenen Betrag und der unverhältnismäßigen Höhe. Grundlage der Korrektur ist die Abwägung der Interessen des Gläubigers und des Schuldners. In §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB ist die Rede von billigem Ermessen. Billigkeit bedeutet konkret eine Einzelfallentscheidung, die Elemente und Abwägungen von nicht nur Recht-, sondern auch Zweckmäßigkeit enthält. Da die Grenzen der Willkür bei der einseitigen Leistungsbestimmung weiter sein können, muss auch die Kontrolle umfassender sein781. Ausgangspunkt ist auch hier die Abwägung der beiderseitigen Interessen und die Berücksichtigung aller Umstände, was beide Fälle nahe bringt782. Neben dieser Bemerkung sind folgende Unterschiede zu erwähnen: § 348 HGB schließt die Anwendung des § 343 BGB für Vollkaufleute aus. Dieser Ausschluss hat aber in diesem Fall keinen Sinn, da die einseitige Leistungsbestimmung bei den Vollkaufleuten gleich unbillig und willkürlich sein kann783. Auch die Entrichtung der Vertragsstrafe beseitigt die Herabsetzungsmöglichkeit gemäß § 343 BGB, während 778

Vgl. Ernesti, Herabsetzung, S. 19 ff. Mehr dazu oben Teil 1 B. IV. 1. 780 Vgl. Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 139. 781 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 138. 782 BGH v. 20. 06. 1983, MDR 1984, 123 = WM 1983, 1006; BAG v. 04. 05. 1993, MDR 1994, 698, 699 = NZA 1994, 361; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 188; MünchKomm/Gottwald, § 315 Rn. 28 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 12 III 5; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 215. Nach dem Urteil des OLG Köln v. 01. 06. 2011, MDR 2011, 1062, 1063 = WRP 2011, 1489 entspricht der Betrag von 500 EUR für die Vertragsstrafe billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB, weil durch ihn der eingetretene – immaterielle – Schaden ausgeglichen und auf die Schuldnerin hinreichender Druck ausgeübt wird, ihre Verpflichtung zukünftig einzuhalten. Es ging um eine Versicherung, die sich gegenüber einem Bestandskunden verpflichtet hat, an diesen keine Werbe-Emails auszusenden, und ein erstes Mal schuldhaft gegen diese Vereinbarung verstoßen hat. 783 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 12 III 5; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 139. A. A. Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 215. 779

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§ 315 BGB keinen solchen Ausschluss kennt784. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB sieht eine richterliche Festsetzung auch im Fall der Verzögerung der Bestimmung durch den Gläubiger vor, was dagegen nach § 343 BGB nicht möglich ist. Bei der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB trägt der Gläubiger die Beweislast all dieser Tatsachen, die die Billigkeit seiner Entscheidung begründen, während der Schuldner die Unverhältnismäßigkeit im Falle des § 343 BGB zu beweisen hat785. Als weiterer Unterschied wird der Umstand erwähnt, dass die richterliche Entscheidung anders als bei § 343 BGB in zwei Akten vollzogen werde: Zuerst gehe es um eine feststellende Kassation und danach um eine vertragsgestaltende Neubestimmung, während ein Gestaltungsurteil in beiden Fällen für die Neuordnung des Vertrages erforderlich sei786. Diese Betrachtung, die die Korrektur für zweiaktig und daher im Verhältnis zur Ermäßigung des § 343 BGB verschieden hält, ist wegen ihrer Formalität abzulehnen. Da beide Begriffe („billiges Ermessen“ und „angemessener Betrag“) Ähnlichkeit aufweisen, muss die Kontrolle in beiden Fällen auf ähnliche Weise, also einaktig, stattfinden787. Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass im Fall der vom Gläubiger festzulegenden Vertragsstrafe die Kontrolle gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB den Vorrang als lex specialis genießen müsse788. Diesem Vorrang ist zuzustimmen. Die Begründung kann aber nicht der speziellere Charakter der §§ 315 ff. BGB sein. Dieser Ansicht ist gegenüberzustellen, dass auch § 343 BGB als speziellere Norm charakterisiert werden kann, weil sie nur auf die Vertragsstrafen und nicht auf alle Verträge wie §§ 315 ff. BGB Anwendung findet. Der Vorrang kann durch das praktische Bedürfnis der Bestimmtheit des Vertrages gerechtfertigt werden, was jede Herabsetzungsmöglichkeit nach der richterlichen Bestimmung der Strafhöhe überflüssig und ohne Inhalt macht789. Der Strafschuldner kann nach der richterlichen Leistungsbestimmung nicht mehr behaupten, dass er noch schutzbedürftig ist, da das richterliche Urteil nach den gesetzlichen Vorstellungen von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit charakterisiert wird. 784 Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 189; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 215. A. A. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 142. 785 BGH v. 06. 03. 1986, NJW 1986, 1803, 1805 = ZIP 1986, 698; BGH v. 02. 04. 1964, MDR 1964, 575, 576 = NJW 1964, 1617; Soergel/Wolf, § 315 Rn. 59; MünchKomm/Gottwald, § 315 Rn. 54; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 214; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 189. Vgl. auch oben Teil 2 B. III. 786 Staudinger/Rieble, § 315 Rn. 292 ff., § 343 Rn. 140. Rieble beruft sich auf die Urteile OLG Köln v. 25. 11. 2005, CR 2007, 22 = MMR 2006, 632 und LAG Berlin v. 25. 08. 2004, SpuRt 2005, 75. 787 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) mm). 788 BAG v. 05. 02. 1986, NZA 1986, 782 = VersR 1987, 83; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 189; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 142; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 29; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 7; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 215; Horschitz, NJW 1973, 1958, 1961 f. 789 Anders aber Weitnauer, in: FS Reinhardt, S. 179, 182, der davon ausgeht, dass eine Herabsetzung nach § 343 noch in Betracht komme, wenn eine Bestimmung nicht der Billigkeit im Sinne von § 315 BGB widerspreche.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Einer Meinung nach sei die Anwendung beider Kontrollmechanismen miteinander zu kombinieren. Daraus folge, dass § 343 BGB von § 315 Abs. 3 S. 2 BGB nicht beiseitegeschoben werden könne, weil er die sachnähere Vorschrift hinsichtlich der Überprüfung einer Vertragsstrafe sei790. Diese Ansicht ist abzulehnen und zwar aus folgenden Gründen: Zunächst erklärt sie die praktischen Folgen einer zusätzlichen Strafkontrolle nach § 343 BGB nicht. Es bleibt unklar, welchen zusätzlichen Gewinn der Schuldner nach einer richterlichen Leistungsbestimmung auf der Grundlage des § 343 BGB haben wird. Zudem ist das Maß der Schutzbedürftigkeit bei § 315 BGB wie oben beschrieben größer, weil es sich hier um eine einseitige und keine vertragliche Leistungsbestimmung handelt. Dieser Unterschied hindert die Anwendung beider Vorschriften im gleichen Fall. Die zwei Mechanismen können nur ausnahmsweise konkurrieren. Dies ist dann der Fall, wenn die vertragliche Vereinbarung die Leistungshöhe zwar offen gelassen hat, sich der Gläubiger oder der Dritte aber in einem festgelegten Rahmen zu bewegen hat. Dabei kann die Untergrenze dieses Rahmens aufgrund eines Verstoßes gegen § 343 BGB korrigiert werden, während die Entscheidung des Gläubigers oder des Dritten immer nach §§ 315, 319 BGB kontrollierbar bleibt791. Ferner ist den Vorschriften der §§ 315 ff. BGB ein Vorrang zuzuerkennen, solange der Gläubiger oder ein Dritter die Bestimmung der Strafhöhe übernommen hat. Der von Anfang an vertraglich bestimmte Betrag kann aber nur nach § 343 BGB kontrolliert und bei übermäßiger Höhe ermäßigt werden. Konkludent ist festzustellen, dass beide Kontrollverfahren gemeinsame Eigenschaften aufweisen. Der Begriff des billigen Ermessens öffnet dem bestimmenden Gläubiger, dem Dritten und zuletzt dem Gericht einen Spielraum, in dem sich sie bewegen müssen. Die Beurteilung ist eine nach oben oder nach unten denkbare Bewegung im gezogenen Rahmen, den verschiedene Faktoren begrenzen. Hier sind einerseits die Druck- und Ersatzfunktion der Vertragsstrafe und allgemein die Interessen des Gläubigers und andererseits die des Schuldners zu berücksichtigen792. In diesem Sinne kommen beide Kontrollmechanismen einander sehr nahe, obwohl bedeutende Unterschiede bestehen, wie z. B. der Umstand, dass die §§ 315 ff. BGB dispositives Recht enthalten, anders als dies bei § 343 BGB der Fall ist. Ihre wichtigste Differenzierung liegt aber wie bereits erwähnt darin, dass die Anwendung der §§ 315 ff. BGB eine unbestimmte Leistung voraussetzt. Es ist schließlich eine Frage der Auslegung, ob die Vereinbarung der Parteien einer Person den Weg zur einseitigen Bestimmung eröffnet hat.

790

Vgl. Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 214 f. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 144 nennt diese Vertragsgestaltungen als „Mischformen“. 792 Vgl. statt vieler Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 143 und MünchKomm/Gottwald, § 315 Rn. 29 ff. 791

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

3. Die Kontrolle der Vertragsstrafen aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB a) Einführung Will man sich eine Kontrolle der Strafabreden im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz von Treu und Glauben durchführen, so ist es vonnöten, zwei unterschiedliche Fragen zu beantworten, die ausschlaggebend für jede Beschäftigung mit diesem Thema sind. Der Gedankengang soll darauf abzielen, zuerst das Problem zu lösen, ob die Anwendung des § 242 BGB überhaupt zulässig ist. Solange man die erste Frage bejahend beantwortet, liegt der Schwerpunkt in einer zweiten Phase darin, wie die Kontrolle gemäß § 242 BGB stattfinden soll und welche Rechtsfolgen die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klausel für den Schuldner haben kann. b) Die Zulässigkeit einer Kontrolle der Vertragsstrafen nach § 242 BGB Das Problem kann wie folgt beschrieben werden: § 343 BGB ist spezieller als § 242 BGB. § 343 BGB ist die gesetzliche Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Bereich des Vertragsstrafenrechts. Deswegen verdrängt er die generelle Regel. Besonders problematisch ist der Fall bei Kaufleuten. Wenn der Strafschuldner Vollkaufmann ist, dann kann § 343 BGB keine Anwendung nach § 348 HGB finden793. Es stellt sich folglich die Frage, ob § 348 HGB auch die Kontrolle gemäß § 242 BGB verdrängt oder diese Vorschrift im Geltungsbereich des § 348 HGB wieder auflebt. aa) Der Meinungsstand in der Literatur Das Meinungsbild im Schrifttum ist im Hinblick auf die Konzeption des § 242 BGB als Sonderstrafermäßigungsregel von heftigen Auseinandersetzungen geprägt. Eine verbreitete Meinung geht davon aus, dass auch die Kaufleute auf jeden Fall eine Schutzvorschrift gegen übermäßige Vertragsstrafen benötigen794. Den Gegenpol zur Tendenz, die Vertragsstrafe auf die eine oder die andere Weise nicht unkontrolliert zu lassen, stellt die Ansicht dar, die die Kontrolle nach § 242 BGB insbesondere für Kaufleute ablehnt795. Der Impuls für die entsprechende Diskussion war das Urteil des 793

Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 2. b) cc). Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 III 5; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 42 ff.; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 16; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 27; Erman/Schaub, § 343 Rn. 8; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 220 ff.; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 660 ff.; Röhricht/v. Westphalen/Wagner, § 348 HGB Rn. 8. 795 Vgl. vor allem Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 154 ff.; Rieble, GRUR 2009, 824; SchulteNölke, ZGS 2009, 57. 794

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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BGH vom 17. Juli 2008 – I ZR 168/05 („Kinderwärmekissen“)796. Das Urteil, das den Weg zum Schutz der Kaufleute anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben eröffnet hat, ist auf heftige Kritik gestoßen. Die Argumente der kritisierenden Meinung können wie folgt zusammengefasst werden: Die Methodenlehre setze Unwidersprüchlichkeit voraus. Die Existenz von Antinomien reduziere die Überzeugungskraft der jeweiligen Argumentation. Solche Antinomien enthalten die herrschende Meinung und vor allem das „Kinderwärmekissen“-Urteil des BGH. § 348 HGB ziele ausdrücklich darauf ab, die Strafermäßigung nach § 343 BGB auszuschließen. Wenn man aber eine Kontrolle nach § 242 BGB durchführe, dann umgehe man das Verbot des § 348 HGB. Diese Umgehung, die auf der Konzeption des § 242 BGB als eine generelle und vor allem hilfsweise eingreifende Angemessenheitskontrollvorschrift basiere, sei nicht haltbar. Außerdem habe § 343 BGB Ausnahmecharakter im System des BGB und die Umgehungsversuche durch andere Vorschriften seien unzulässig, wenn sich der Gesetzgeber dafür entschieden habe, diese außer Kraft zu setzen797. Ein Schutz des Strafschuldners vor der Übermäßigkeit der Strafe gemäß § 242 BGB sei „überflüssig und schädlich“798. Die Überflüssigkeit begründe sich darauf, dass der Schutz durch andere Vorschriften erreicht werden könne. Die Schädlichkeit entstehe dadurch, dass die Kontrolle gemäß § 242 BGB umfassender als die nach § 343 BGB sein könne. Der Verstoß gegen Treu und Glauben werde von Amts wegen geprüft. Hingegen setze die Anwendung des § 343 BGB einen Antrag des Schuldners voraus799. Darüber hinaus sei Anwendungsvoraussetzung des § 343 BGB die Nichtentrichtung der Vertragsstrafe, während § 242 BGB eine Kontrolle auch nach der Entrichtung mit der Folge zulasse, dass der Schuldner diese nach §§ 812 ff. BGB zurückverlangen könne800. Zudem könne auch von einer nachträglichen Vertragshilfe des Kaufmanns gesprochen werden801. Daraus ergebe sich ein Zustand, in dem der Kaufmann umfassenderen Schutz vor der übermäßigen Strafe als der Nichtkaufmann genieße und dadurch in günstigerer Lage stehe. Dies sei aber mit dem im Gesetz ausgedrückten Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar802. Als letzter Anhaltspunkt seien ferner die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Treu und Glauben zu erwähnen. Rechtsfolge des jeweiligen Verstoßes könne nur die völlige Unwirksamkeit des entsprechenden Vertrages oder Klausel sein. Es gehe um die Geltung des Alles-oder-Nichts-Prinzips, das jede teilweise Herabsetzung im Fall von Treuwidrigkeit verhindere und nur den Ausfall der Strafe zulasse.

796 Mehr dazu unten Teil 3 B. III. 3. b) bb). Vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.145b f. 797 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 158. 798 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 159. 799 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 161. 800 Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 161. 801 Mehr in Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 160. 802 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 163.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Diese Folge sei jedoch mit den Interessen des Gläubigers und der Funktion der Vertragsstrafe nicht immer vereinbar803. bb) Die Behandlung des Problems durch die Rechtsprechung In Anbetracht der Uneinheitlichkeit im Schrifttum ist die Bedeutung der diesbezüglichen Rechtsprechung überhaupt nicht zu bezweifeln. Erwartet wird auf jeden Fall eine aufklärende dogmatische Durchdringung, welche jedoch nicht immer gegeben ist. Bei der Rechtsprechung der unteren Gerichte ist eine Meinungsspaltung ersichtlich. Ein Teil lehnt die Strafkontrolle auf der Grundlage des § 242 BGB ab804. In diesen Urteilen basiert die Begründung anders als in der Literatur aber nicht auf dem Argument des Umgehungsverbots gemäß § 348 HGB. In einer Reihe von Urteilen gelangt § 242 BGB jedoch zur Anwendung805. Sehr bedeutsam für die Lösung des Problems ist auf jeden Fall das bereits erwähnte „Kinderwärmekissen“-Urteil des BGH806. Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Strafschuldner vertrieben Kinderwärmekissen und schlossen nach einer behaupteten Verletzung des Geschmacksmusters mit der Gläubigerin, der Inhaberin des für Kinderwärmekissen eingetragenen Geschmacksmusters, eine Vereinbarung, wonach eine Vertragsstrafe in Höhe von 15.000 DM für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung, also insbesondere für jedes angebotene, verkaufte oder verbreitete Produkt fällig wäre. Die Beklagten verkauften trotz der Abrede 7.000 der Wärmekissen. Die Rechtsnachfolgerin der Gläubigerin hat von der errechneten 803 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 III 5 Fn. 67; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 155. Dass die Treuwidrigkeit auch eine Korrekturfunktion haben kann, ist nicht zu zweifeln. Es genügt, dass man die Korrektur der Verträge wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor der Schuldrechtsreform berücksichtigt. Vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 205. Dies ist der Grund, warum § 242 BGB zur Kategorie derjenigen Vorschriften gehört, die die Modifizierung der Vertragsstrafe zur Folge haben. 804 OLG Düsseldorf v. 02. 08. 2007, JurionRS 2007, 43297 („Für eine Herabsetzung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB bleibt vor diesem Hintergrund schon im Ansatz kein Raum.“); OLG Brandenburg v. 11. 07. 2007, JurionRS 2007, 35116. 805 Vgl. OLG Hamm v. 05. 07. 1994, BauR 1995, 548, 549. In diesem Fall ging es um einen Bauvertrag, in dessen Rahmen der Baunehmer die Zahlung einer Vertragsstrafe für die jeweilige Bauverzögerung versprochen hatte. Das OLG hat die Strafe nach § 343 BGB zwar nicht kontrolliert, weil der Schuldner Kaufmann war. Eine Kontrolle nach § 242 BGB ist ihm aber als unentbehrlich geschienen. Kritik an der willkürlichen Regel, dass „ein Strafzuschlag zum tatsächlichen Schaden von 20 bis 25 % angemessen ist“, in Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 156. Vgl. auch LG Berlin v. 08. 06. 1995, NJW 1996, 1142 = VersR 1996, 1287, wonach eine verwirkte Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung nach Treu und Glauben zu reduzieren sei, wenn im Verhältnis zur beabsichtigten Wirkung nur ein geringfügiger Verstoß gegeben sei. Es ging um die Herabsetzung einer Strafe von 20.000 DM auf 1.000 DM, weil der Verstoß nur eines von 1470 Werbeplakaten betraf. 806 BGH v. 17. 07. 2008, BauR 2009, 501 = GRUR 2009, 181 = MDR 2010, 369 = NJW 2009, 1882.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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Vertragsstrafe in Höhe von 53.680.000 EUR einen Teilbetrag in Höhe von 1.000.000 EUR eingeklagt. Der BGH hielt eine Strafe in Höhe von nur 200.000 EUR für angemessen. Stützpunkt der richterlichen Entscheidung war § 242 BGB. Das Gericht hat zwar anerkannt, dass eine Herabsetzung der Vertragsstrafe wegen unverhältnismäßiger Höhe nach § 343 BGB gemäß § 348 HGB nicht in Betracht komme. In besonders gelagerten Fällen sei nicht auszuschließen, dass auch bei einer von einem Kaufmann versprochenen Strafe eine Ermäßigung zulässig sei. Wenn eine Strafe die Summe von 53.000.000 EUR übersteige, dann liege ein solches außergewöhnliches Missverhältnis zur Funktion des Instituts vor, dass ihre Durchsetzung nur als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben betrachtet werden dürfe. Das angemessene Maß, auf das die Herabsetzung stattfinden müsse, sei nach § 242 BGB und nicht nach § 343 BGB zu ermitteln. Die Anwendung der letzteren Vorschrift sei zwar wegen des § 348 HGB ausgeschlossen, aber § 242 BGB solle angewendet werden. Das gesetzliche Verbot dürfe keinesfalls durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB umgangen werden. Als Anhaltspunkt für die Bestimmung des zulässigen Betrages sei aber § 343 BGB zu berücksichtigen, indem die Strafhöhe das Doppelte der nach § 343 BGB angemessenen Vertragsstrafe nicht überschreiten dürfe. Weil der von den Beklagten erzielte Nettoumsatz nur 48.215,52 EUR betrage und ihre Zuwiderhandlung nicht in einem Verstoß gegen ein generelles Unterlassungsgebot, sondern lediglich in einer Verkaufsaktion außerhalb des vereinbarten Zeitraums bestehe, sei eine Vertragsstrafe, die 200.000 EUR übersteige, nicht für angemessen zu halten. Nach diesem höchstrichterlichen Urteil, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet, lässt sich im Allgemeinen sagen, dass die Rechtsprechung ausgesprochen unentschieden ist, ob eine Kontrolle der von Kaufleuten versprochenen Strafen nach dem Prinzip von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB vorzunehmen ist oder nicht. Somit spiegelt die Judikatur die Unsicherheit und den Meinungsstand der Literatur wider. In einem aktuellen Urteil v. 31. Mai 2012 hat sich der BGH unter anderem mit der Frage des Einwands des Rechtsmissbrauchs bei Vertragsstrafen beschäftigt807. Gegenstand des Verfahrens war die Verurteilung zur Zahlung einer Vertragsstrafe sowie von Abmahnkosten wegen AGB-Verstößen. Der Beklagte hatte insbesondere den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 UWG) geltend gemacht, unter anderem, dass es offenbar mehrere Abmahnungen mit sehr hohen Streitwerten gab. Der BGH stellte zunächst klar, dass sich der Anwendungsbereich von § 8 Abs. 4 UWG nicht auf vertragliche Ansprüche, wie Vertragsstrafen, beziehe. Vielmehr käme für den Einwand nur der deutlich strengere § 242 BGB, also Treu und Glauben, in Frage. Die zum Rechtsmissbrauch nach § 8 Abs. 4 UWG entwickelten Grundsätze seien danach zwar heranzuziehen, allerdings nur soweit sie auch im Zusammenhang mit der Vereinbarung der Vertragsstrafe stehen. Zum Schluss blieb es somit bei der Verurteilung zu 10.200 EUR Vertragsstrafe für zwei Verstöße. 807

BGH v. 31. 05. 2012, GRUR 2012, 949 = MDR 2012, 982.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

c) Stellungnahme im Hinblick auf das Verhältnis zwischen § 242 BGB und § 343 BGB Der oben aufgeführte Meinungsstand sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung bestätigt das bereits Geschriebene: Der Justizsyllogismus darf keine Antinomien enthalten. Die Missachtung der dogmatischen Klarheit kann praktisch dazu führen, dass die Anwendung des Rechts nicht zur Rechtssicherheit beiträgt. Die Problematik des Verhältnisses der Generalklausel von Treu und Glauben zur Unverhältnismäßigkeit nach § 343 BGB bedarf vorerst einer Lösung nach der Auslegungsregel „lex specialis derogat legi generali“, wonach ein spezielles Gesetz (oder Vorschrift) dem allgemeinen Gesetz (oder Vorschrift) vorgeht und dieses verdrängt. Dass § 343 BGB im Vergleich zu § 242 BGB eine spezielle Regel ist, ist kaum zu bezweifeln808. Zweck beider Vorschriften ist die Einzelfallgerechtigkeit und die Bewältigung von Ungleichgewichtslagen. Der Umstand, dass sich der Anwendungsbereich des § 343 BGB nur auf Vertragsstrafen erstreckt, deutet auf den speziellen Charakter der Vorschrift hin. An dieser Stelle taucht die Frage auf, ob die Herabsetzungsnorm ohne praktische Bedeutung und Folgen ist. In dem Fall, in dem die Ermäßigungsmöglichkeit bei den Vertragsstrafen vom historischen Gesetzgeber nicht eingeführt geworden wäre, könnte § 242 BGB eingreifen. Die Strafkontrolle, die auf dieser Regel basiert, bringt wie bereits erwähnt Vorteile mit sich. Sie setzt keinen Antrag des Schuldners und keine Nichtentrichtung voraus. In diesem Sinne steht der Schuldner besser, wenn § 242 BGB Anwendung findet. Diese Rechtslage ist jedoch vom Gesetzgeber so nicht gewollt. Da § 242 BGB nicht immer die Ermäßigung, sondern häufig den völligen Ausfall der Vertragsstrafe als Rechtsfolge haben kann, hat sich der Gesetzgeber für eine ausdrückliche Regelung der Frage eingesetzt. § 343 BGB entspricht einer gesetzlichen Konkretisierung, einer Spezialisierung der Grundidee von Treu und Glauben. Dennoch sind durch diese Norm feste Grenzen der richterlichen Kontrolle gestellt. Der Antrag des Schuldners, die Verwirkung und die Nichtentrichtung der Strafe, die Pflicht des Richters, die Interessen beider Vertragspartner zu berücksichtigen und abzuwägen, sind solche Grenzen, die genau dem Schutz nicht nur des Schuldners, sondern auch des Gläubigers (vor dem Ausfall der Strafe und der Entziehung ihrer Druckfunktion) dienen. Deswegen erhält die Vorschrift die prägende Eigenschaft der Unentbehrlichkeit. Dies bedeutet, dass sie die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers verkörpert, dass die Vertragsstrafen einer genau bestimmten und begrenzten Kontrolle unterliegen müssen. Folglich kann die Kontrolle nach § 242 BGB keinesfalls den Vorrang genießen. Sie wird von § 343 BGB verdrängt. Aus diesem Verhältnis zwischen beiden Vorschriften folgt grundsätzlich, dass die Vertragsstrafen vor allem durch § 343 BGB und nicht durch § 242 BGB kontrolliert werden. Dies gilt insbesondere für die Nichtkaufleute. Da bei ihnen die Anwendung 808

Vgl. Bötticher, ZfA 1970, 3, 24 ff.; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 4 ff.

B. Die verschiedenen Kontrollmechanismen der Vertragsstrafe

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des § 348 HGB nicht vorgeht, bleibt § 343 BGB die Vorschrift, deren Anwendung katexochen die Strafhöhe ermäßigt. Die Frage, ob im Fall von Nichtanwendung der Grundsatz von Treu und Glauben hilfsweise eine Lösung bieten darf, ist zu verneinen. § 242 BGB darf nicht als eine Vorschrift angesehen werden, die „hinter § 343 BGB“ steht und die Hindernisse der Anwendung dieser letzteren Regel überwindet809. Die Kontrolle der Strafen bei den Kaufleuten steht im Mittelpunkt der folgenden Darstellung. Der Umstand, dass die Strafkontrolle nach § 343 BGB nicht stattfinden darf, darf nicht zum Fehlschluss verleiten, dass die Rechtsprechung berechtigt ist stattdessen § 242 BGB anzuwenden. Die Argumente, die dieses Ergebnis rechtfertigen, können sich zweifelsohne in zwei Richtungen bewegen. Es handelt sich einerseits darum, dass § 348 HGB ein unüberwindbares Hindernis für die Kontrolle der von Kaufleuten versprochenen Strafen ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird nur die Herabsetzung nach § 343 BGB ausdrücklich ausgeschlossen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Schuldner andere Wege finden kann, um das Hindernis zu umgehen. In diesem Punkt enthält das „Kinderwärmekissen“-Urteil Antinomien, die methodologisch nicht haltbar sind. Der BGH hat das Umgehungsverbot wegen § 348 HGB zum einen anerkannt, zum anderen aber verkannt. Der Schluss, dass § 343 BGB zwar keine direkte Anwendung finden könne, sondern Basis für eine Kontrolle nach Treu und Glauben sein müsse, birgt einen Widerspruch in sich. Auch das Ergebnis, dass ein Anhaltspunkt der nach § 242 BGB zulässigen Strafe das Doppelte der nach § 343 BGB angemessenen Vertragsstrafe sein müsse, scheint willkürlich zu sein, weil es an die Grenze des Doppelten nach dem ALR erinnert und bereits vom BGB aufgehoben wurde. Aus diesem Grund kann das Eingreifen des § 242 BGB trotz der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur als ungerechtfertigt charakterisiert werden. Andererseits muss man auch einen Vergleich im Zusammenhang mit der Kontrolle der Vertragsstrafen bei den Nichtkaufleuten vornehmen. Wie bereits erwähnt, hat bei den Nichtkaufleuten die Kontrolle nach § 343 BGB den Vorrang. Berücksichtigt man den Umstand, dass eine Kontrolle nach § 242 BGB für den Schuldner günstiger ist, so steht man vor dem Widerspruch, dass die Kaufleute im Ergebnis besser und umfassender als die Nichtkaufleute geschützt werden810. Dieses Ergebnis ist jedoch mit dem System des Privatrechts nicht vereinbar. Die Teleologie der Vorschrift des § 348 HGB sowie anderer Vorschriften zeigt, dass das Handelsgewerbe eine sehr eng mit Gefahren verbundene Tätigkeit ist. Der Kaufmann ist infolgedessen eine Person, die ein bestimmtes Risiko bewusst übernimmt, wenn er diese Tätigkeit ausübt. Aus diesem Grund ist die Kontrolle nach § 242 BGB mit den Wertvorstellungen des Gesetzgebers und der Logik des § 348 HGB unvereinbar.

809 810

Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 161. So auch Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 161.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Kaufmann, der eine Vertragsstrafe im Rahmen seines Handelsgewerbes verspricht, völlig ungeschützt bleibt. Diese Sorge war vielleicht der Grund, warum der BGH sein Urteil auf diese Weise begründet hat. Hier kommen mehrere Lösungen in Betracht, die dem Strafschuldner einen effektiven Schutzrahmen verschaffen können. In Fällen wie dem des „Kinderwärmekissen“-Urteils, in denen es sich um exzessiv hohe Strafen handelt811, ist die Übermäßigkeit und folglich die Ungerechtigkeit so klar und eindeutig, dass der Schuldner überlastet und in seinen Rechten beschränkt wird. Deswegen ist § 138 BGB und nicht § 242 BGB die erste Vorschrift, die berücksichtigt werden muss. Dies hat der BGH verkannt, indem er die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben ohne Weiteres und mit unsicherem Ergebnis geprüft hat812. Außer in diesen Fällen der extremen Unverhältnismäßigkeit kann dem Schuldner die Vertragsgestaltung selbst einen umfassenden Schutz bieten. Vor allem ist dabei zu betonen, dass § 348 HGB abdingbar ist. Dies hat zur Folge, dass sich die Parteien auf die Anwendbarkeit des § 343 BGB einigen können, obwohl der Schuldner Kaufmann ist813. Darüber hinaus können die Parteien zur Strafleistungsbestimmung nach den §§ 315 ff. BGB greifen. Die von dem Gläubiger oder einem Dritten bestimmte Leistung unterliegt der richterlichen Kontrolle nach den vorgenannten Vorschriften814. Diese Gestaltungsmöglichkeiten können beiden Parteien Schutz vor unerwünschten Situationen gewähren. Auf seiner Seite ist der Schuldner für die Gestaltung seiner Vereinbarung und seinen Selbstschutz verantwortlich. Falls er die notwendige Sorgfalt in den eigenen Angelegenheiten nicht zeigt, dann darf die Judikative keine nachträgliche Hilfe durch § 242 BGB leisten, weil sie dadurch die Gleichbehandlung der Parteien nicht beachtet815. Ferner ist folgendes Missverständnis aufklärungsbedürftig. Ein Teil der Literatur scheint bereit, die Kontrolle der Vertragsstrafe auch wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB zu bejahen816. Um diese scheinbare Antinomie zu rechtfertigen, ist bereits hier zu erwähnen, dass der Ausschluss des § 242 BGB nur bei der Kontrolle der Strafhöhe gelten muss. § 343 BGB ist eine Vorschrift, deren Rechtsfolge nur die Höhe der Vertragsstrafe betrifft. Gleichermaßen schließt § 348 HGB bei Kaufleuten nur die Herabsetzung der Strafe aus. Andere Elemente der Strafe, die nicht mit der Leistungshöhe verbunden sind, können aber grundsätzlich in Hinsicht auf einen Rechtsmissbrauch unter gerichtliche Kontrolle gestellt werden. Darunter fällt vor allem der Strafverfall selbst. Dieser kann nicht nach § 343 BGB bemessen werden. 811 In diesem Fall ging es um eine Einzelstrafe von 15.000 DM für den unzulässigen Vertrieb eines Warens mit Wert von 13, 50 DM! 812 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 159; ders., GRUR 2009, 824, 827 f.; Lindacher, JR 2009, 336, 337. 813 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 2. b) bb) (4). Vgl. auch Rieble, GRUR 2009, 824, 828; Glotzbach, Anm. zum Urt. v. BGH v. 17. 07. 2008, jurisPR-HaGesR 4/2009 Anm. 2. 814 Mehr dazu in Teil 3 B. III. 2. Vgl. auch Rieble, GRUR 2009, 824, 828. 815 Rieble, GRUR 2009, 824, 828. 816 Vgl. statt vieler Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 220 m. w. N.

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Nach anderen Vorschriften und vor allem nach § 242 BGB ist der Verfall jedoch zu beurteilen, was für beide, Kaufleute und Nichtkaufleute, gilt. Zum Schluss lässt sich sagen, dass die ursprüngliche Frage, ob die Strafkontrolle nach § 242 BGB überhaupt zulässig ist, bejaht werden kann, soweit es sich um andere Umstände als die Leistungshöhe handelt. Solange die Strafhöhe relevant ist, muss eine Nachprüfung nur nach § 343 BGB (und anderen Vorschriften) erfolgen, aber nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben. d) Die Kontrolle der Vertragsstrafen nach § 242 BGB in der Praxis: Bildung von Untergruppen Aus dem vorigen Teil ergibt sich, dass die Feststellung, ob im Einzelfall eine Kontrolle der Vertragsstrafe nach Treu und Glauben möglich ist, davon abhängt, ob die Strafhöhe oder andere Umstände heranzuziehen sind. Kommt unter anderem eine Strafverwirkung in Frage, so kann man zwischen verschiedenen Fallgruppen von Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB unterscheiden. Gerade aus diesem Grund wird der Problematik der Rechtsmissbräuchlichkeit mit den folgenden Darstellungen ein gesonderter Abschnitt gewidmet. Als erste Gruppe kann die Funktion der Vorschrift als Umgehungsverbot erwähnt werden817. Dies ist insbesondere der Fall bei Wettbewerbsverboten, wenn die Vertragsstrafe zur Sicherung von Unterlassungsansprüchen vereinbart wird. Versucht der Schuldner das Verbot zu umgehen (z. B. überträgt er das verbotene Geschäft auf einen Familienangehörigen und arbeitet dort mit), so soll das Verhalten als rechtsmissbräuchlich und die Vertragsstrafe als bereits verwirkt gelten. Als zweiter Unterfall kann die sog. Verfallsbereinigung betrachtet werden. Es wird die Ansicht vertreten, dass der Gläubiger durch eine Annahmeobliegenheit bezüglich der gesicherten Leistung belastet sei, solange ihm der Schuldner diese nachträglich, also nach dem Strafverfall, anbiete, was zur Beseitigung des Verfalls führe. Anders gesagt könne der Gläubiger die angebotene Leistung nicht zurückweisen. Voraussetzung der Verfallsbereinigung sei aber, dass der Gläubiger von seinem Wahlrecht nach § 340 BGB noch nicht Gebrauch gemacht habe818. Die Gegenmeinung in der Literatur lehnt ein solches Ergebnis aber zu Recht ab, weil dadurch die Beuge- und Druckfunktion der Vertragsstrafe einen Schlag abbekommen würde, falls der Schuldner Hoffnungen auf Bereinigung hätte819. An dieser Stelle wird vereinzelt eine Differenzierung vorgenommen: Die Verfallsbereinigung sei 817 Vgl. BGH v. 22. 02. 1952, DB 1952, 448 = NJW 1952, 665; RG v. 31. 03. 1909, RGZ 70, 439, 440; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 III 1 a; Erman/Schaub, § 339 Rn. 8; Soergel/ Lindacher, § 339 Rn. 16; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 43. 818 Vertreter der Meinung: Knütel, AcP 175 (1975), 44 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, Bd. I, § 24 II a; Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 24; Erman/Schaub, § 339 Rn. 11. 819 Vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 662; Staudinger/Rieble, § 340 Rn. 27 ff.; RGRK/Ballhaus, § 340 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 340 Rn. 6.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

zwar nicht akzeptabel, aber der Schuldner könne der Ausübung des Strafanspruchs bei geringfügigen Verzögerungen mit § 242 BGB begegnen820. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Die Begründung kann darin liegen, dass auch die geringfügige Zuwiderhandlung zur Verwirkung führen muss, weil dadurch die Druckfunktion der Vertragsstrafe gestärkt wird821. Die Lösung bietet die Herabsetzung gemäß § 343 BGB, indem die Geringfügigkeit als Kriterium für die Ermäßigung berücksichtigt wird822. Als Fall von Rechtsmissbrauch wird auch die vom Gläubiger veranlasste oder mitverursachte Zuwiderhandlung erachtet, wenn sich der Gläubiger für den Verfall mitverantwortlich gemacht hat823. Richtig ist zwar, dass der Ausschluss des Strafverfalls nach § 242 BGB nur bei der vorsätzlichen Veranlassung der Zuwiderhandlung begründet werden kann824. Geht es andererseits aber um Fahrlässigkeit oder einfache Mitverursachung, so gibt es darüber Streit825. Dieser ist zugunsten des § 343 BGB zu lösen. Dass § 343 BGB prozessrechtlich ungünstiger für den Schuldner ist und der Kaufmann wegen § 348 HGB ohne Schutz bleibt, ist nicht zu bezweifeln. Diese Vorschrift betrifft die Strafkontrolle direkt und erlaubt deshalb eine umfassende Prüfung, bei der alle Gesichtspunkte mitberücksichtigt werden können, während § 254 BGB eine generelle Vorschrift ist, die nur mit den Schadensersatzansprüchen einhergeht. Hinsichtlich der sog. gegenseitigen Vertragsuntreue (das ist der im Wettbewerbsrecht häufige Fall, in dem die Vertragsstrafen die gegenseitigen Vertragspflichen beider Parteien absichern) lässt sich sagen, dass das Verhalten und die Zuwiderhandlung jeder Partei grundsätzlich getrennt beurteilt werden muss. Wenn der eine Vertragspartner seine Pflichten aber so schwerwiegend verletzt hat, dann ist die Befreiung des anderen Partners von den eigenen Pflichten und folglich von der Vertragsstrafe zu billigen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben826. 820

So Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 34 III 4. So auch Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 223. 822 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 154; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 168. 823 Mehr dazu oben Teil 2 A. II. 1. c) jj) (3). 824 Andere Meinung vertritt Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 342, wonach kein Strafanspruch entstanden sei, weil es am Bedingungseintritt nach der spezielleren Vorschrift des § 162 Abs. 2 BGB fehle. Wie aber Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 163 f. bemerkt, führt diese Ansicht zum gleichen Ergebnis und sie hat keine praktischen Rechtsfolgen für die Interessierten. 825 Zwei Alternativmöglichkeiten kommen in Betracht. Einer Meinung nach sei § 254 BGB in diesem Fall anzuwenden. So Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 220 f.; MünchKomm/ Gottwald, § 339 Rn. 45; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 165, 185 f. Andere Auffassung vertritt Staudinger/Rieble, § 339 Rn. 349 f., wonach nicht § 254 BGB, sondern § 343 BGB in solchen Fällen Anwendung finden müsse. 826 BGH v. 23. 03. 1971, MDR 1971, 658, 659 = NJW 1971, 1026; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 221 f.; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 45. 821

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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Schließlich kann § 242 BGB als Vorschrift, auf die sich die Verwirkung der Rechte stützt, für den Schuldner hilfreich sein. Die Verwirkung als besonderer Fall widersprüchlichen Verhaltens setzt die lange Untätigkeit des Rechteinhabers voraus, die bei der Gegenpartei den Eindruck erweckt, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wird827. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gläubiger den Strafanspruch trotz mehrfacher Zuwiderhandlungen nicht geltend macht, und zwar in der Absicht, dass die Strafe im Laufe der Zeit so hoch wie möglich wird. In solchen Fällen kann von einer Präklusion der älteren Verstöße wegen Treuwidrigkeit gesprochen werden828.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte der Ermäßigung der Vertragsstrafen I. Grundlegendes Es stellt sich die Frage, ob die Herabsetzung der Vertragsstrafen, wie der deutsche Gesetzgeber diese konzipiert hat und wie sie in § 343 BGB geregelt ist, Bedeutung im internationalen Rechtsverkehr hat. Anhand der bis jetzt erörterten Problematik ist deutlich geworden, dass die Institution der Ermäßigung der Strafabreden im Kernpunkt der §§ 339 ff. BGB steht und das gesamte Recht der Vertragsstrafe prägt. Bei der Fragestellung hinsichtlich der Bedeutung der Strafherabsetzung handelt es sich um eine grundlegende Thematik, die die richterliche Kontrolle und Modifizierung der Vertragsstrafen aus der Sicht des internationalen Rechts betrifft. Es dreht sich dabei um die Ermäßigung von Strafklauseln, die in Verträgen der internationalen Praxis verwendet werden. Aber auch für die Ermäßigungsmöglichkeit auf der Grundlage supranationaler Rechtsnormen können die hier dargebrachten Ausführungen Relevanz besitzen. Die vorgenannte Frage wird nachstehend behandelt. Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung sind die Einbeziehung und die Ermäßigungskontrolle von Strafversprechen in internationalen Verträgen (unten II.). Anschließend wird die Rechtslage anhand von Rechtsnormen übernationalen Rechts präsentiert, das heißt solcher Rechtsvorschriften, die von internationalen Organisationen kraft eigener durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingeräumter Rechtshoheit erlassen werden und Vorrang vor dem nationalen Recht genießen (unten III.).

827

Statt vieler Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 302 ff. BGH v. 18. 09. 1997, NJW 1998, 1144, 1147 = MDR 1998, 554; Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207, 223; MünchKomm/Gottwald, § 339 Rn. 45. 828

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

II. Die Ermäßigung der Strafklauseln in internationalen Verträgen Bevor näher auf die Ermäßigungskontrolle eingegangen wird, ist es erforderlich, den Inhalt des Begriffs der internationalen Verträge zu definieren. Es handelt sich um solche Verträge, die im Unterschied zu denen des nationalen Rechts durch eine Verbindung zu einem anderen Staat charakterisiert werden. Sie werden durch einen Auslandbezug gekennzeichnet, der mindestens eines der Merkmale des Vertrages erfasst. Dazu zählen vor allem der Abschluss und die Durchführung des Vertrages, die Staatsangehörigkeit der Vertragspartner, ihr Wohnsitz und Sitz und der Leistungsort829. Kaum zu erwähnen ist, dass die Vertragsstrafen in internationalen Verträgen vieler Arten (z. B. Warenkauf-, Lizenz-, Bauverträge) enthalten sind. Die Bedeutung nimmt im Rahmen eines globalisierten Wirtschaftsverkehrs stetig zu. Dabei erfüllen sie ihre Funktionen als Druckmittel zur Absicherung von Pflichten und zugleich als Schadensersatzmittel zur Berechnung und Pauschalierung des Schadensersatzes bei Nichteinhaltung der geschuldeten Pflichten. Diese zwei Funktionen spielen auch im Rahmen internationaler Verträge eine wichtige Rolle830. Zur Bifunktionalität kommen folgende Bemerkungen der Arbeitsgruppe von UNCITRAL (United Nations Commission on International Trade Law, das heißt die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht, deren Aufgabe die Vereinheitlichung des internationalen Handelsrechts ist) aus dem Jahre 1979 hinzu: „Certainty as to the extent of damages, and the elimination of the expense of proving loss, can be of special importance in international trade contracts. A plaintiff who has to establish his loss in a foreign court may incur considerable expense, and also be uncertain as to the extent of his recovery. In certain circumstances, stimulating performance can also be of great importance. In contracts between parties from States with centrally planned economies great reliance is placed on receiving performance as the system of planning does not readily permit the existence of a market where damages received may be utilized for purchase of substitutes. Developing countries with scarce convertible currency may also find it difficult to find alternative suppliers. Furthermore, non-fulfillment of one item of a development programme can adversely affect the entire programme, but the loss may be difficult to quantify, and adequate compensation difficult to recover under the normal rules as to damages.“831

Staaten mit zentral geplanten Wirtschaften gibt es heutzutage nicht mehr so oft, aber die Schwierigkeiten des klagenden Gläubigers, seinen Schaden zu beweisen, die 829 Fontaine/De Ly, Drafting International Contracts, S. 299 ff.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 192 m. w. N.; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 56 f. m. w. N. bezüglich der internationalen Industrieanlagenverträge. Vgl. auch die Beispiele in Berger, RIW 1999, 401 f. 830 Vgl. UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 40, 41; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 191. 831 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 40, 41.

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sich aus den tiefgreifenden Unterschieden der verschiedenen Rechtssysteme ergeben und mit eheblichen Prozesskosten verbunden sein können, bestehen unverändert. Aus diesem Grund ist die Bedeutung der Vertragsstrafe für die Wirtschaftspraxis auf einem Weltmarkt so groß wie nie zuvor. 1. Die Arbeit der „Groupe der Travail: contrats internationaux“ Die Arbeitsgruppe „Groupe der Travail: contrats internationaux“ beschäftigt sich als eine wissenschaftliche Vereinigung von Rechtsexperten unterschiedlicher Rechtssysteme seit 1975 mit der systematischen Erforschung der verschiedenen Klauseltypen, die in internationalen Verträgen erscheinen. Die Berichte der Arbeitsgruppe, deren Führung zwischen 1975 und 1992 Marcel Fontaine und seitdem Filip de Ly hat, werden veröffentlicht832. Unter anderem war die Verwendung von Vertragsstrafen im internationalen Geschäftsverkehr Gegenstand der Untersuchung der Arbeitsgruppe und des entsprechenden Berichts. Er enthält eine breite Sammlung von in der grenzüberschreitenden Praxis verwendeten Strafklauseln833. Hinsichtlich der hier dargestellten Ermäßigung der Strafversprechen bemerkt der Bericht, dass sich die Rechtsordnungen in zwei Kategorien unterteilen: Einerseits gibt es die Systeme des common law (England, USA), die keine Vertragsstrafen im Sinne des deutschen Rechts kennen. Die Rede ist von penalty clauses, die darauf abzielen, den Schuldner zu bestrafen und daher als unwirksam betrachtet werden, und von liquidated damages, die eine Schadensberechnungsfunktion erfüllen und der deutschen Schadenspauschalierung gleichstehen. Diese sind zwar wirksam, aber nicht herabsetzbar. Das Problem liegt vor allem darin, zu erkennen, ob die jeweils in Frage kommende Klausel unwirksame penalty clause oder wirksame liqidated damages ist834. Die Rechtsordnungen des civil law enthalten Vorschriften, die die Institution der Vertragsstrafe regeln, wie das deutsche Recht sie kennt. Ihr gemeines Merkmal ist, dass diese kontinentalrechtlichen Rechtsordnungen (unter anderem die französische835, die belgische836, die niederländische837, die schweizerische838, die öster832

Mehr Informationen in Fontaine/De Ly, Drafting International Contracts, S. xvii ff. Vgl. Fontaine/De Ly, Drafting International Contracts, S. 299 ff. 834 Fontaine/De Ly, Drafting International Contracts, S. 342. Vgl. auch für England: Mattei, The American Journal of Comparative Law 43 (1995), 427, 433 ff.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 37 ff.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 120; Gottwald, in: FS Söllner, S. 379, 384 f.; Berger, RIW 1999, 401, 405 f.; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 29 ff.; Schöne, Leistungs- und Zahlungsverzögerung, S. 140 ff.; Bucksch, RIW 1984, 778, 779 f.; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 18 ff.; Miller, The International and Comparative Law Quarterly 53 (2004), 79 ff. und für die Vereinigte Staaten und besonders § 356 (1) des Restatement Second of Contracts und § 2 – 718 (1) des Uniform Commercial Code (UCC): Mattei, The American Journal of Comparative Law 43 (1995), 427, 433 ff.; DiMatteo, IHR 2010, 193, 195 ff.; Berger, RIW 1999, 401, 405 f.; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 36 ff. 835 Art. 1152, 1231 Code civil. Vgl. Loksaier, La clause pénale, passim; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 121; Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 121 ff.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 31 ff., 148 ff.; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, 833

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reichische839, die schwedische840, die tschechische841, die spanische842 und die griechische843) eine Art von Ermäßigung der exzessiv hohen Vertragsstrafe vorsehen, aber mit einzelnen Unterschieden, die sich aus den Vorstellungen des jeweiligen nationalen Gesetzgebers ergeben (z. B. Herabsetzung von Amts wegen oder durch Antrag des Schuldners, Herabsetzung oder auch Heraufsetzung). Aufgrund der Unterschiede zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen und der unterschiedlichen Verbindung des Vertrages mit dem jeweiligen nationalen Rechtssystem hat die Arbeitsgruppe die Frage, ob die Herabsetzung der Vertragsstrafen zum internationalen ordre public gehört, offen gelassen844. Ausschlaggebend ist der Bericht der Gruppe als Sammlung der in der internationalen Praxis verwendeten Strafklauseln, weil sie als Leitbild von den Interessierten verwendet werden kann. 2. Die Arbeit der Arbeitsgruppe von UNCITRAL bezüglich der Strafklauseln Die Arbeitsgruppe von UNCITRAL (United Nations Commission on International Trade Law, das heißt die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht) hat sich zweimal mit dem Recht der Vertragsstrafe beschäftigt. UNCITRAL gliedert sich in Arbeitsgruppen, die jeweils bestimmte Rechtsgebiete bearbeiten oder abhandeln und der Kommission gegenüber diesbezüglich Bericht erstatten. Die Kommission ist aber die Stelle, die die Initiative für S. 39 ff.; Gottwald, in: FS Söllner, S. 379, 385 f., 388; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 20, 24 ff.; Bucksch, RIW 1984, 778, 780; Miller, The International and Comparative Law Quarterly 53 (2004), 79 ff. Vgl. auch oben Teil 1 A. VI. 3. 836 Art. 1231 Code civil belge. Vgl. Schelhaas, ZEuP 2004, 386, 394 f. 837 Art. 6:94 Burgerlijk Wetboek. Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 206 f.; Staudinger/ Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 124; Berger, RIW 1999, 401, 407 f.; Schelhaas, ZEuP 2004, 386, 390 ff. 838 Art. 163 Abs. 3 OR. Siehe Loksaier, La clause pénale, S. 181 ff.; Bentele, Die Konventionalstrafe nach Art. 160 – 163 OR, S. 109 ff., 111; Santoro, Die Konventionalstrafe im Arbeitsvertrag, S. 109 ff.; Berger, RIW 1999, 401, 406 f.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 123; Schelhaas, ZEuP 2004, 386, 396; Bucksch, RIW 1984, 778, 781 f. Vgl. auch oben Teil 1 A. VI. 7. Aus der älteren Literatur Rukes, Die Vertragsstrafe im internationalen Privatrecht, S. 38. 839 § 1336 Abs. 2 ABGB. Siehe Bucksch, RIW 1984, 778, 781. Vgl. auch oben Teil 1 A. VI. 4. 840 § 36 Avtalslag. Eingehend Steltmann, Vertragsstrafe, S. 155 ff.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 122. 841 § 301 Obchodní zákoník (Handelsgesetzbuch). Vgl. Bejcˇek/Fritzche, WiRO 1994, 111. 842 Art. 1154 Código civil. Vgl. Leible, ZEuP 2000, 322, 327 ff.; ders., Finanzierungsleasing, S. 323 ff.; Tassikas, Dispositives Recht, S. 321 ff.; Rau, RIW 1978, 23 ff.; Sacher, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung im spanischen Recht, S. 74 ff.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 125. 843 Art. 409 Astikou Kodika (gr. ZGB). Vgl. ErmAK/Sontis, Art. 409 Rn. 1 ff. 844 Fontaine/De Ly, Drafting International Contracts, S. 344.

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Vorschläge in Hinsicht auf die Harmonisierung und Vereinheitlichung des internationalen Handelsrechts innehat. Erstmals war das Recht der Konventionalstrafe im Jahre 197 9Gegenstand eines Berichts der entsprechenden Arbeitsgruppe von UNCITRAL845. Im Hinblick auf das hier behandelte Thema der Reduktion der Vertragsstrafen hat die Arbeitsgruppe die verschiedenen Rechtssysteme miteinander verglichen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass das common law kein Ermäßigungsrecht vorsieht, während die Rechtsordnungen des civil law eine Reduktion grundsätzlich in drei Fällen anordnen: Wenn die gesicherte Leistung nur teilweise oder nicht ordnungsgemäß erbracht wird oder die Strafleistung unangemessen hoch oder exzessiv oder offenkundig exzessiv ist oder sie unbillig oder ungerecht ist846. Da die meisten Rechtsordnungen diese unbestimmten Rechtsbegriffe nicht näher definieren, ist die Rolle der Jurisprudenz bei der Konkretisierung sehr bedeutsam. Als Kriterien kommen unter anderem die Nutzungen des Schuldners aus der Teilleistung, die Unangemessenheit zwischen der Strafhöhe und dem aus der Pflichtverletzung entstandenen Schaden, die Gut- oder Bösgläubigkeit des Schuldners und sein Verschulden, das Mitverschulden des Gläubigers, die Bereicherung des Schuldners aus seiner Pflichtverletzung, die wirtschaftliche Lage des Schuldners und die berechtigten Interessen des Gläubigers an der Aufrechterhaltung der Vertragsstrafe in Betracht847. Ferner betont der Bericht, dass die gerichtliche Reduktion grundsätzlich durch Antrag des Schuldners, aber in einigen Rechtsordnungen auch von Amts wegen stattfindet848. Darüber hinaus sind die Gründe von Bedeutung, die den Ausschluss der Reduktion rechtfertigen können (z. B. entsprechende Vereinbarungen, Entrichtung der Strafe, Handelsvertrag zwischen Kaufleuten)849. Als Grenze wird in einigen Systemen vorgesehen, dass die Strafe die Höhe des Schadensersatzes für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung nicht übersteigen darf. Die Heraufsetzung ist dagegen in den meisten Rechtsordnungen mit wenigen Ausnahmen nicht anerkannt850. Im Rahmen eines Vereinheitlichungsversuchs des Rechts ist im Bericht zu lesen, dass die Unsicherheit und die Unterschiede zwischen den zwei großen Rechtsfamilien des common und des civil law groß sind. Aufgrund der Unterschiede in der Konzeption der Reduktion auch in den verschiedenen Rechtsordnungen des civil law ist eine 845 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 40 ff. 846 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 43. 847 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 43. 848 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 43. 849 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 43. 850 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 44.

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Vereinheitlichung nur schwerlich zu erreichen. Damit Rechtssicherheit geschaffen wird, sollen die Prävention der ungerechtfertigten Bereicherung des Gläubigers und die Pönalisierung des schuldigen Partners maßgebliche Orientierungsgrundsätze sein851. Auf der Basis der unterschiedlichen Meinungen über die Herabsetzung enthält der Bericht aus dem Jahre 1981852 vier Entwurfsvariationen853. Die Tatsache, dass drei der Entwürfe eine Ermäßigungsmöglichkeit vorsehen, während der vierte diese ausschließt, spiegelt die Unterschiede der verschiedenen Rechtsordnungen und Meinungen in dem Schrifftum wider. Dennoch hat sich die Mehrheit für die Reduktion eingesetzt854. Die Rechtsvereinheitlichungsversuche von UNCITRAL sind schließlich zu einem Vorschlag unter dem Titel „Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance“ gekommen. Die Verabschiedung des Vorschlages fand im Jahre 1983 statt855. 3. Die Vertragsstrafe in den internationalen Standardverträgen des Industrieanlagenbaus Der Bereich des internationalen Baurechts und speziell der Errichtung von Industrieanlagen ist sehr stark von Standardverträgen geprägt. Genau wie im nationalen Geschäftsverkehr mit der VOB/B haben internationale Verbände Musterverträge formuliert, die große Resonanz und Bedeutung in der grenzüberschreitenden 851 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses I (A/CN.9/161), in: Yearbook 1979, Vol. X, S. 46 f. 852 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses II (A/CN.9/WG.2/WP.33), in: Yearbook 1981, Vol. XII, S. 30 ff. 853 UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Liquidated damages and penalty clauses II (A/CN.9/WG.2/WP.33), in: Yearbook 1981, Vol. XII, S. 38: A. „An agreement stipulating a sum payable on breach of the contract shall be void if it is grossly excessive in relationship to both (a) the harm that could reasonably have been anticipated from the breach, and (b) the actual harm caused thereby. The foregoing relationships are not excessive to the extent that such harm cannot be precisely predicted or established.“; B. „The sum stipulated may be reduced by the court when it is manifestly excessive, but only where such sum did not constitute a genuine preestimate by the parties of the damage likely to be suffered by the promise.“; C. A provision to the effect that a court should not have the power to modify the sum stipulated.; D. „Any penalty clause the amount of which, at the time when it was stipulated, was manifestly excessive in relation to the damages which could be foreseen as the consequence of non-fulfilment of the obligation is deemed not to have been written.“ 854 Vgl. Draft Art. G: „(1) The agreed sum shall not be reduced by a court or arbitral tribunal. (2) However, the agreed sum may be reduced if it is shown to be grossly disproportionate in relation to the loss that has been suffered by the obligee, and if the agreed sum cannot reasonably be regarded as a genuine pre-estimate by the parties of the loss likely to be suffered by the obligee.“ Vgl. Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 802 ff. 855 Mehr dazu unten Teil 3 C. III. 2. c).

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Praxis besitzen856. Die bedeutendste Rolle unter diesen Standardverträgen spielen die sog. FIDIC-Verträge, das heißt die Vertragsmuster, die die FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils), der größte internationale Dachverband nationaler Verbände beratender Ingenieure im Bauwesen, veröffentlicht hat. Die Konzeption bietet den Interessierten die Möglichkeit, die vorformulierten Muster zu verwenden, um Großbauvorhaben mit internationalem Charakter zu regeln857. Außer den FIDIC-Verträgen findet der ORGALIME (Organisme de Liaison des Industries Métalliques Européennes) Turnkey Contract for Industrial Works Verbreitung in der Praxis als Alternative zum sog. FIDIC-Silver Book858. Charakteristisch für diese standardisierten Verträge ist, dass sie Klauseln über liquidated damages enthalten. Da sie aus dem Raum des angelsächsischen Rechts stammen, erkennen sie die Institution der Vertragsstrafe nicht an, da diese nur in der Tradition des civil law bekannt ist. Im Fall nicht rechtzeitiger Fertigstellung kann der Bauherr seinen Anspruch auf die liquidated damages geltend machen, die den Charakter eines pauschalierten Schadensersatzes haben. Penalty clauses sind jedoch unwirksam. Grund ist die Feindlichkeit des angloamerikanischen Rechts gegen die Sanktionierung der Vertragsverletzung durch die Pflicht, eine Leistung zu erbringen, die den tatsächlich entstandenen Schaden übersteigt859. Aus diesem Grund kann die Reduktion der Vertragsstrafe nur dann Bedeutung erlangen, wenn sich die Vertragsparteien auf die Anwendung einer civil-law-Rechtsordnung geeinigt haben, die die Vertragsstrafe und deren Reduktion anerkennt860. 4. Das Internationale Privatrecht der Ermäßigung der Vertragsstrafe Die Beantwortung der Frage, welche Rechtsordnung einen Sachverhalt oder einen Vertrag regelt, ist von großer Bedeutung. Es ist kaum zu erwähnen, dass das Problem des anwendbaren Rechts beim Recht der Vertragsstrafe eine wichtige Rolle spielt. Dies ist generell bei jedem Vertrag maßgeblich, weil von der einschlägigen Rechtsordnung zwei Kernprobleme abhängig sind. Einerseits bestimmt das anwendbare Recht die Wirksamkeit der Vertragsstrafe. Dies ist zu betonen, weil die Institution in der Familie des angloamerikanischen Rechts nicht existiert. Ist z. B. das englische Recht anwendbar, so ist die Klausel, die eine Druckfunktion (in terrorem) 856

Vgl. Joussen, Der Industrieanlagen-Vertrag, § 4 Rn. 34 ff. Mehr zu den FIDIC-Vertragsmustern und den verschiedenen Books, die für jede Art von Bauvorhaben geeignet sind, in Le Goff, Vertragsstrafe, S. 109 ff.; Aedtner, Vertragsstrafe, S. 23 ff. Aus der älteren Literatur Goedel, RIW 1982, 81 ff. 858 Le Goff, Vertragsstrafe, S. 112 ff.; Aedtner, Vertragsstrafe, S. 25. 859 In Hinsicht auf den Charakter der FIDIC- und ORGALIME-Verträge als angloamerikanische Konzeptionen siehe mehr in Knutson, in: Knutson (Ed.), FIDIC: An Analysis of International Construction Contracts, S. 60; Henchie, International Construction Law Review 2004, 67, 76 ff.; Aedtner, Vertragsstrafe, S. 23; Goedel, RIW 1982, 81, 85. 860 Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 194 f. 857

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ausübt, also die penalty clause, nichtig. Nur die liquidated damages als Schadenspauschalen (genuine pre-estimate of damages) sind in diesem Rechtssystem akzeptabel861. Andererseits bedeutet die Tatsache, dass die jeweils einschlägige Rechtsordnung die Vertragsstrafe anerkennt, nicht, dass auch die Reduktion auf die gleiche Weise geregelt wird. Große Unterschiede sind auch im Rahmen der civil-lawTradition ersichtlich. Das französische Recht sieht z. B. nicht nur eine Herabsetzungs-, sondern auch eine Heraufsetzungsmöglichkeit vor, das schweizerische Recht kennt die richterliche Reduktion von Amts wegen, das deutsche Recht schließt die Ermäßigung aus, wenn der Schuldner Kaufmann ist, und das spanische Recht ordnet die Herabsetzung nur dann an, wenn der Schuldner bereits irgendetwas zur Erfüllung der Hauptverpflichtung geleistet hat. Auf der Grundlage solcher Unterschiede nimmt die Bedeutung der Bestimmung des anwendbaren Rechts zu. Bevor darauf eingegangen wird, ob die Reduktion der Vertragsstrafe als Eingriffsnorm zu bezeichnen ist [unten b)] und ob sie zum ordre public gehört [unten c)], ist zunächst der Gedankengang zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nach den in der deutschen Rechtsordnung geltenden Kollisionsnormen zu erläutern [unten a)]. a) Das für Vertragsstrafen geltende Kollisionsrecht Bei der Untersuchung der Rechtsvorschriften des deutschen Internationalen Privatrechts, die das für die Reduktion der Vertragsstrafen und insgesamt für die Vertragsstrafen anwendbare Recht bestimmen, ist davon auszugehen, dass es keine besonderen Regeln gibt. Das anwendbare Recht wird nach den Regeln angeordnet, die dem Statut der gesicherten Hauptverpflichtung entsprechen, da es sich lediglich um eine einzelne Vertragsklausel handelt862. Nach diesem Statut wird nicht nur die Wirksamkeit der Vertragsstrafe, sondern auch ihre Ermäßigung beurteilt. Welches Recht aber auf den zugrunde liegenden Vertrag Anwendung findet, ist eine Frage, die Kenntnisse des deutschen Internationalen Schuldrechts voraussetzt. Den Vorrang genießen auf jeden Fall die Regeln des Einheitsrechts (z. B. Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 – United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, CISG863 oder Internationales Übereinkommen über Beförderungs-

861 Umfassende Beschreibung des Problems und der Abgrenzung zwischen penalties und liquidated damages in den common law-Jurisdiktionen siehe in Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1703 f. 862 Vgl. OLG Hamm v. 20. 01. 1989, NJW 1990, 652, 653; OLG Koblenz v. 03. 06. 1976, IPRspr. 1976 Nr. 139; LG Aachen v. 07. 02. 1984, IPRax 1985, 45; Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 339; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 196; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR Art. 12 Rom I-VO Rn. 15. 863 Mehr dazu unten Teil 3 C. III. 2. a).

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verträge auf Straßen, CMR864). Greift das Einheitsrecht nicht ein, so ist das deutsche Internationale Schuldrecht anzuwenden, das für die Schuldvertragsverhältnisse gilt, genauer gesagt die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse einschlägige Recht („Rom IVerordnung“) vom 17. Juni 2008865. Es handelt sich um eine Verordnung, die das Internationale Privatrecht der Europäischen Union im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse regelt. Sie trat am 17. Dezember 2009 in allen EG-Staaten mit Ausnahme Dänemarks in Kraft und löste dort das EVÜ866 ab, welches in Deutschland durch die gleichzeitig aufgehobenen Art. 27 bis 37 EGBGB umgesetzt war. Für die nach dem 17. Dezember 2009 abgeschlossenen Verträge gilt die Rom I-VO (Art. 28) in ihrem sachlichen Anwendungsbereich, das heißt bei vertraglichen Schuldverhältnissen in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten (nicht unbedingt Mitgliedsstaaten) aufweisen (Art. 1 Abs. 1 Rom IVO)867. Die Rom I-VO knüpft an die frühere Rechtslage (Art. 27 EGBGB) an, indem sie die Regel der freien Rechtswahl anerkennt (Art. 3 Rom I-VO)868. Das Prinzip, das dadurch verwirklicht wird, verkörpert die sog. Parteiautonomie in sich. Die Vertragsparteien können das auf den Vertrag anwendbare Recht frei bestimmen. Durch diese freie Rechtswahl können sie die Anwendung zwingender Vorschriften einer Rechtsordnung vermeiden (kollisionsrechtliche Verweisung). Den zwingenden Vorschriften des von ihnen gewählten Rechts unterliegt jedoch der Vertrag869. Die Rechtswahl kann entweder ausdrücklich oder konkludent aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles erfolgen (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO). Eine nachträgliche Rechtsbestimmung ist zulässig (Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO). Die Bedeutung der Rechtswahl für die internationale Rechtspraxis ist kaum zu übersehen. Obwohl die Parteien oft nach einer vollständigen Regelung des Vertrages ohne Bezug auf nationales Recht streben, ist es in der Praxis schwierig, ein solches Ergebnis zu erreichen. Auch wenn es an einer ausdrücklichen Rechtswahl fehlt, ist die stillschweigende Rechtswahl möglich. Soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, bestimmt sich das auf den Vertrag anzuwendende Recht nach Art. 4 Rom I-VO (sog. objektive Anknüpfung). In Hinsicht auf das Recht der Vertragsstrafe ist die Rechtswahl ausschlaggebend. Sowohl die Wirksamkeit der Klausel selbst als 864

Mehr dazu oben Teil 3 B. II. 1. b) ff). Verordnung (EG) Nr. 593 v. 17. 06. 2008, ABl. EU 2008 L 177/6. 866 Das Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. 06. 1980, auch Europäisches Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) genannt, war ein Staatsvertrag, der in Deutschland durch die Art. 27 ff. EGBGB umgesetzt wurde. Für die vor dem 17. 12. 2009 abgeschlossenen Verträge ist das EVÜ, das heißt Art. 27 ff. EGBGB, anwendbar. 867 Vgl. Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1137 ff. 868 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1142 ff. 869 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 26 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 II; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1142 ff. 865

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auch die Anwendung zwingender gesetzlicher Rechtsnormen, deren Abbedingung nicht möglich ist (z. B. § 343 BGB im deutschen Recht), sind von der Bestimmung des anzuwendenden Rechts abhängig. Diese Bedeutung wird immer größer, wenn man berücksichtigt, dass wesentliche Differenzierungen zwischen den Rechtsordnungen im Hinblick auf die Vertragsstrafe bestehen. Es ist auch zu erwähnen, dass in einigen Bereichen oder Vertragstypen die Parteien das Recht bevorzugen, das in der rechtlichen und wirtschaftlichen Praxis vorherrscht (z. B. englisches Recht für Industrieanlagenbauverträge)870. Es besteht weiter die Möglichkeit, dass die Parteien die Klausel der Vertragsstrafe einem anderen Recht unterstellen. Dieses Problem ist im Bereich des Internationalen Privatrechts unter dem Namen dépeçage bekannt. Der Begriff beschreibt die Situation, in der „die Beurteilung eines Vertrages, der Berührungspunkte zu mehreren Rechtsordnungen aufweist, in Einzelfragen aufgespalten und auf diese Weise mehreren Rechtsordnungen zugewiesen wird.“871 Fraglich ist, ob sich die Abspaltung aus einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien ergeben kann. Das deutsche Kollisionsrecht bejaht die Frage (Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO). Die Abspaltung kann auf zwei Arten erreicht werden. Die Parteien können verschiedene Teile des Vertrages unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstellen oder einfach nur für einen Teil des Vertrages ein anzuwendendes Recht auswählen, was wiederum bedeutet, dass für den anderen Teil Art. 4 Rom I-VO eingreift. Die Abspaltung hat zur Folge, dass die Rechtsvorschriften unabdingbaren Rechts aus unterschiedlichen Rechtsordnungen für jeden Vertragsteil stammen können872. Hinsichtlich der Vertragsstrafklauseln ist festzustellen, dass die Vertragsspaltung die Trennbarkeit und Unabhängigkeit der verschiedenen Vertragsteile voraussetzt, so dass die Harmonie des Vertrages nicht verletzt wird. Von einem dépeçage ist bei Vertragsstrafen auszugehen. Die Vertragsstrafe ist eine Klausel, die auf bestimmte Zwecke abzielt und vom Vertrag trennbar ist. Diese Tatsache erlaubt, dass sie einer anderen Rechtsordnung unterstellt wird. Diese zulässige Abspaltung kann die Wirksamkeit der Vertragsstrafe retten. Wenn die Parteien z. B. als anzuwendendes Recht das englische gewählt haben, können sie sich speziell auf deutsches Recht für die Strafklausel einigen, damit diese als wirksam erklärt wird873. Liegt kein Vertrag als Rahmen der Strafklausel vor, weil z. B. diese eine nichtvertragliche Hauptpflicht absichert oder es sich um ein selbstständiges Strafversprechen handelt, dann kann die Rechtswahl nur die Strafklausel betreffen. Haben die Parteien von der Befugnis, das anwendbare Recht selbst zu bestimmen, keinen Gebrauch gemacht, so greift die generelle Vorschrift der objektiven Anknüpfung nach Art. 4 Rom I-VO ein. Die charakteristische Leistung nach Art. 4 Abs. 2 Rom IVO ist im Gesamtvertrag zu suchen. Die speziellen Vorschriften der Art. 5 (Beför870 871 872 873

Eingehend dazu Le Goff, Vertragsstrafe, S. 264 f. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 18 I. Vgl. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 38 f. Vgl. Le Goff, Vertragsstrafe, S. 266 f.

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derungsverträge), Art. 6 (Verbraucherverträge), Art. 7 (Versicherungsverträge) und Art. 8 (Individualarbeitsverträge) der Verordnung kommen vorrangig zur Anwendung. b) Die Charakterisierung der Herabsetzung der Vertragsstrafe als Eingriffsnorm Das Problem der Definition des Begriffs der Eingriffsnormen wurde vom Gesetzgeber selbst ausdrücklich gelöst874. Nach Art. 9 Rom I-VO ist als Eingriffsnorm die zwingende Vorschrift zu verstehen, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, so dass sie ungeachtet des nach Maßgabe der Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Erste charakteristische Eigenschaft der Eingriffsnorm ist der zwingende Charakter. Dies bedeutet aber nicht, dass jede unabdingbare Vorschrift als Eingriffsnorm bewertet werden darf. Zusätzliches Merkmal ist die Bedeutung der Vorschrift für die Sicherung des öffentlichen Interesses. Dazu gehören vor allem politische, soziale oder wirtschaftliche Ziele. Schließlich setzt die Charakterisierung als Eingriffsnorm eine Allgemeingültigkeit für alle Sachverhalte voraus, die in ihren Anwendungsbereich fallen, ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendendes Recht (sog. international zwingende Normen). Dies ergibt sich aus der Auslegung der jeweiligen Norm. Als Beispiele sind an dieser Stelle diese Gesetze zu erwähnen, die die Außenund Militärpolitik, die Wirtschaftspolitik (z. B. Kapitalverkehr, Devisen- und Währungsregelungen), den Kultur- (z. B. Denkmalschutz) und den Umweltschutz regeln875. In Hinsicht auf die Anwendung von Eingriffsnormen auf dem Gebiet des internationalen Vertragsrechts entstehen in zwei Richtungen Probleme. Dies ist mit der grundlegenden Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Eingriffsnormen verbunden876. Einerseits taucht die Frage auf, ob die deutsche Eingriffsnorm auch bei der Anwendung einer anderen Rechtsordnung angewendet werden kann. Entscheidend ist die Einordnung des § 343 BGB als Eingriffsnorm. Zu beachten ist die Regel des Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO, wonach die Anwendung der Eingriffsnormen des Rechts des angerufenen Gerichts nicht berührt wird. Diese Regelung hat zur Folge, dass § 343 BGB auch bei der Anwendung ausländischen Rechts von einem deutschen Gericht angewendet wird, soweit er als Eingriffsnorm bezeichnet ist. Die mögliche Qualifikation der Regelung als Eingriffsnorm ist deswegen von erheblicher Bedeutung. Kropholler weist deshalb zutreffend darauf hin, dass von den Eingriffsnormen die bloß „innerstaatlich“ oder „intern“ zwingenden Normen (ius cogens) zu 874 875 876

Vgl. die Diskussion in Le Goff, Vertragsstrafe, S. 267 ff. Vgl. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 93 f. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 92.

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unterscheiden sind877. Diese Vorschriften unterliegen den Kollisionsregeln der Rom I-VO, das heißt dem Vertragsstatut. Es geht um Zweckmäßigkeitsvorschriften (z. B. Verjährung, Zinseszinsverbot) oder Generalklauseln, die solche Werte enthalten, dass sie zwingender Natur sind878. Zu diesen Vorschriften und nicht zu den Eingriffsnormen muss man auch die Regel der Herabsetzung exzessiver Vertragsstrafen zählen. Eine Qualifizierung als Eingriffsnorm ist nicht überzeugend. Wie bereits erwähnt, ist der zwingende Charakter der Vorschrift kein entscheidender Faktor. Außerdem ist zu beachten, dass eine Eingriffsnorm nicht einfach der Allgemeinheit dient, sondern auch das öffentliche Interesse in einem politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Sinne bewahrt. Die Betrachtung der vorerwähnten Beispiele deutet darauf hin, dass es um Normen des öffentlichen Rechts geht. Man kann nicht ernsthaft behaupten, dass die Herabsetzung der Vertragsstrafen derartige Ziele verfolgt. Folglich ist davon auszugehen, dass die Vorschrift des § 343 BGB nicht als inländische Eingriffsnorm bei der Anwendung ausländischen Rechts bezeichnet werden kann. Andererseits ist auch problematisch, ob Eingriffsnormen ausländischen Rechts, die sich auf den in Betracht kommenden Vertrag beziehen, auch dann angewendet werden, wenn deutsches Recht eingreift. Diese Diskussion hat die Rechtslehre des Internationalen Privatrechts lange Zeit beschäftigt. Trotz der Gegenstimmen war auch vor dem Inkrafttreten der Rom I-VO weithin anerkannt, dass der deutsche Richter ausländische Eingriffsnormen anwenden darf879. Das Problem hat inzwischen eine ausdrückliche Lösung gefunden, indem Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO die Regel des Art. 7 Abs. 1 EVÜ übernommen hat. Dies galt aber bis 2009 wegen eines zulässigen Vorbehalts der Bundesrepublik Deutschland gegen diese Vorschrift nicht880. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO sieht vor, dass den Eingriffsnormen des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Wirkung verliehen werden kann, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden. Die Vorschrift eröffnet dem nationalen Richter einen weiten Ermessensspielraum in Hinsicht auf die Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen. Voraussetzung ist ihre enge Verbindung mit dem Sachverhalt („Staat, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind“). Auf jeden Fall muss es sich, wie bereits oben definiert, um Eingriffsnormen handeln. Aus den gleichen Gründen, die eine Einordnung des § 343 BGB als Eingriffsnorm verbieten, ist jedoch davon auszugehen, dass die Vorschriften der ausländischen Rechtsordnungen, die die Ermäßigung der Vertragsstrafen (z. B. 877

Kropholler, Internationales Privatrecht, § 3 II 1. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 95. 879 Vgl. die frühere Rechtslage in Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 X; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 97 ff. 880 Freitag, IPRax 2009, 109 ff. 878

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im französischen, österreichischen, schweizerischen Recht) vorsehen, keine Eingriffsnormen sind881. Für die Herabsetzung gilt das kollisionsrechtlich anwendbare Vertragsstatut. c) Die Qualifikation des § 343 BGB als Fall des ordre public Das Ergebnis, wonach die Institution der Reduktion unangemessen hoher Vertragsstrafen nicht als Eingriffsnorm bewertet werden kann, gibt Anlass zur Frage, ob die Vorschrift des § 343 BGB zum Begriff des ordre public gehört. Damit ist ein Kernbegriff des Internationalen Privatrechts gemeint, der den Vorbehalt gegenüber der Anwendung ausländischer Normen oder Urteile verkörpert, wenn diese im Widerspruch zu wesentlichen innerstaatlichen Wertvorstellungen stehen. Man unterscheidet zwischen dem kollisionsrechtlichen und dem anerkennungsrechtlichen Vorbehalt. Der Erstere verhindert ausnahmsweise die Anwendung ausländischen Rechts, solange dieses mit wesentlichen Grundsätzen der nationalen Rechtsordnung unvereinbar ist882. Vorgesehen ist die ordre-public-Klausel in Art. 6 EGBGB und Art. 21 Rom I-VO speziell für die Schuldverhältnisse. Die Rolle des ordre public ist dann ersichtlich, wenn die Anwendung ausländischer Rechtsnormen in Betracht kommt, diese aber mit dem Rechtsverständnis der deutschen Rechtsordnung nicht vereinbar sind. Beide Vorschriften, die den kollisionsrechtlichen ordre-public-Vorbehalt enthalten, haben die gleiche Funktion. Artikel 6 EGBGB nennt als herausragendes Beispiel den Verstoß gegen die Grundrechte. Der Vorbehalt zielt darauf ab, die Grundwerte der nationalen Rechtsordnung zu schützen (sog. positive Funktion) und die Anwendung abweichender ausländischer Wertvorstellungen zu verhindern (sog. negative Funktion). Zu betonen ist der Ausnahmecharakter des Vorbehalts. Wie Kropholler bemerkt, die Vorbehaltsklausel sei sicherlich als Notventil unentbehrlich, aber man müsse sich hüten, allzu rasch von ihr Gebrauch zu machen883. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut beider Vorschriften, nach denen die Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des nationalen Rechts (z. B. Grundrechte) offensichtlich sein muss. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Anwendung ist die offensichtliche Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm einer anderen Rechtsordnung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts zu erwähnen, was nur bei schweren Verstößen gegen die in Deutschland geltenden Wertvorstellungen, Fundamentalprinzipien und Grundrechte der Fall ist884. Die Untragbarkeit der Anwendung und zwar nicht abstrakt, sondern hinsichtlich des Ergebnisses der Anwendung im konkreten Fall885 und 881

Vgl. auch Le Goff, Vertragsstrafe, S. 271 ff. Generell zum kollisionsrechtlichen ordre public vgl. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 136 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36. 883 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 II 3. 884 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 149. 885 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 150 f. 882

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ein hinreichender Inlandsbezug des Falles, dessen Verstoß gegen den deutschen ordre public geprüft wird886, sind zusätzliche Voraussetzungen. Rechtsfolge des Verstoßes gegen den kollisionsrechtlichen ordre public ist die Nichtanwendung der betroffenen ausländischen Rechtsvorschrift. Die dadurch entstandene Regelungslücke ist durch Anwendung des ausländischen Rechts (direkt oder analog) zu schließen. Dies trägt zum internationalen Entscheidungseinklang bei. Die lex fori ist nur subsidiär heranzuziehen887. Andererseits bedeutet der anerkennungsrechtliche ordre public, dass ausländische Urteile in der deutschen Rechtsordnung ausnahmsweise nicht anerkannt oder vollstreckt werden können, wenn sie gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts verstoßen888. Geregelt ist der Vorbehalt in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO und Art. 34 Nr. 1 EuGVVO889 für die Anerkennung ausländischer Urteile, in § 723 Abs. 2 S. 2 ZPO und Art. 45 Abs. 1 EuGVVO für die Vollstreckung ausländischer Urteile, sowie in § 1061 ZPO und Art. V Abs. 2 lit. b des New Yorker Übereinkommens vom 10. Juni 1958, das die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche regelt. Als Untergruppen des anerkennungsrechtlichen ordre public unterscheidet man zwischen materiell-rechtlichem ordre public, der die Anerkennung ausländischer Entscheidungen aus inhaltlichen Gründen betrifft, und verfahrensrechtlichem ordre public, wenn die Entscheidungen gegen Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts (z. B. rechtliches Gehör) verstoßen. Trotz der vorgenannten Unterscheidung zwischen dem kollisionsrechtlichen und anerkennungsrechtlichen ordre-public-Vorbehalt sind aber auch bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen ihnen ersichtlich. Die Generalklausel des ordre public ist in beiden Fällen ähnlich zu verstehen, als Vereinbarkeitserfordernis mit der öffentlichen Ordnung, den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts und insbesondere den Grundrechten. Dass die Vorbehaltsklausel eng auszulegen und nur ausnahmsweise anzuwenden ist, wurde bereits dargestellt. Bezüglich des Rechts der Vertragsstrafe ist die Frage des Verstoßes gegen den ordre public besonders bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche wichtig. Wenn ein staatliches Gericht oder ein Schiedsgericht den Schuldner zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt oder die vereinbarte Strafhöhe herabsetzt, kann der gerichtliche Streit einem anderen Pfad folgen, wenn das Urteil oder der Schiedsspruch in einem anderen Staat als dem Staat, in dem sie ausgesprochen wurden, vollstreckt (im Fall der Verurteilung) oder anerkannt (im Fall der Herabsetzung) werden muss. Dieses Anerkennungs- oder Vollstreckungsbe886

v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 152 f. v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 154. 888 Vgl. zum anerkennungsrechtlichen ordre public v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 165 ff., 264 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 60 IV 2. 889 EG-Verordnung Nr. 44/2001, im Wortlaut Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Brüssel I-Verordnung“), vom 22. Dezember 2000 (Abl. EG L 12/2001 S. 1). 887

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dürfnis durch eine ausländische Rechtsordnung hat mit der Beweglichkeit der Urteile und Schiedsurteile zu tun. Dabei taucht die Frage der Vereinbarkeit des in Frage kommenden gerichtlichen oder schiedsrichterlichen Urteils mit dem deutschen ordre public auf, wenn die Anwendung der deutschen Rechtsordnung in Betracht kommt. Hier ist davon auszugehen, dass nicht von ordre public gesprochen werden kann, wenn das von einem deutschen Gericht anzuwendende Recht aus der Tradition des civil law stammt. Diese Rechtsordnungen sehen eine Reduktionsmöglichkeit der Vertragsstrafe vor, abgesehen von einigen nicht tiefgreifenden Differenzierungen untereinander. Wenn der deutsche Richter z. B. spanisches Recht anwenden muss, das eine von Amts wegen angeordnete Herabsetzungsmöglichkeit vorsieht, dann darf er dies nicht ablehnen, da die deutsche Regelung (Antrag des Schuldners) keinen Wertgrundsatz und folglich keinen ordre public vorgibt. Das Gleiche gilt, wenn das deutsche Gericht die Anerkennung oder Vollstreckung eines Urteils (oder Schiedsspruchs) prüft, das nach einer Rechtsordnung gefällt wurde, die ein Reduktionsrecht auf die eine oder andere Weise anerkennt. Das Problem des Verstoßes gegen den ordre public ist insbesondere dann zu beachten, wenn der Fall die Anerkennung eines Urteils des angloamerikanischen Rechtskreises (common law) betrifft. Diese Rechtsordnungen kennen das Institut der Vertragsstrafe wegen seiner Druckfunktion nicht. Aus diesem Grund kann nicht von Anerkennung der penalty clauses durch die deutsche Rechtsordnung gesprochen werden. Dagegen ist die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, die den Schuldner zur Zahlung von liquidated damages verurteilen, nicht problematisch, weil es hier um pauschalierten Schadensersatz geht. Dieser ist auch im deutschen Recht bekannt und weit verbreitet. Fraglich ist nur, ob sich ein Verstoß gegen den deutschen ordre public aus amerikanischen Urteilen ergeben kann, die den Beklagten zur Zahlung von sog. punitive damages verurteilen. Die punitive damages sind eine sehr charakteristische Institution des US-amerikanischen Rechts. Die deutsche Rechtsordnung kennt keine ähnliche Konzeption, die zugleich Schadensersatz und Strafe ist und von einem Gericht verhängt wird890. Es geht dabei um Geldsummen, die der Täter einer unerlaubten Handlung dem Geschädigten nach einem gerichtlichen Urteil zahlen muss. Sie werden in den meisten Bundesstaaten der Vereinigten Staaten anerkannt. Ihr charakteristisches Merkmal ist, dass sie nicht der Höhe des tatsächlich entstandenen Vermögens- und Nicht-Vermögensschadens (sog. compensatory damages) entsprechen. Wenn der Schädiger nicht nur Vorsatz, sondern Bösartigkeit (malice) oder Rücksichtlosigkeit (oder manchmal grobe Fahrlässigkeit – gross negligence) in Hinsicht auf die Ver890 Vgl. Jansen/Rademacher, in: Koziol/Wilcox (Eds.), Punitive damages, S. 75 ff. Siehe auch Calleros, Brooklyn Journal of International Law 32 (2006), 67 ff. Bezüglich der englischen Rechtsordnung, die die sog. exemplary damages vorsieht, die Ausgleichs- und zugleich Bestrafungscharakter haben, siehe Wilcox, in: Koziol/Wilcox (Eds.), Punitive Damages, S. 7 ff.; Sikora, Anerkennung, S. 53 ff. Dass aber auch in England Anerkennungsprobleme der entsprechenden amerikanischen Urteile wegen Verstoß gegen die englische public policy bestehen, ist eine Tatsache. Vgl. Sikora, Anerkennung, S. 68 ff.

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ursachung des Schadens (sog. aggravated circumstances) hat, das heißt ein sozial besonders missbilligtes Fehlverhalten aufweist, dann kann das Gericht oder die Jury ihn nach freiem Ermessen zur Zahlung einer den Schaden weit übersteigenden Geldsumme verurteilen891. Hinsichtlich des Zwecks der Institution können sie wie folgt zusammengefasst werden: Vor allem zielen die punitive damages auf die Bestrafung (punishment) eines verwerflichen Verhaltens des Schädigers durch Mittel des Privatrechts ab. Außerdem erfüllen sie Präventionsfunktion sowohl speziell, das heißt den Schädiger davon abzuhalten, erneut dieses rechtswidrige Verhalten zu setzen, als auch generell, das heißt auch andere davon abzuhalten (special and general deterrence). Man spricht auch von einer Belohnung des Geschädigten in dem Sinne, dass die Institution als Anreiz zu klagen funktioniert. Die Genugtuung für den Verletzten wird durch die moralische Verurteilung des Schädigers erreicht. Dadurch setzt sich das gesamte Haftungsrecht durch und die Gefahr der Selbstjustiz wird eingeschränkt. Schließlich kann dieser Strafschadensersatz auch zur Bereicherung der geschädigten Partei führen und kann die Höhe des Schmerzensgeldes und der Verfahrenskosten, die im US-amerikanischen Recht grundsätzlich nicht ersetzt werden, aufdecken892. Für die Höhe solcher Ansprüche ist es charakteristisch, dass dies eine Entscheidung des richterlichen Ermessens ist. Das Gericht oder die Jury können die punitive damages grundsätzlich frei festsetzen. Die Berücksichtigung bestimmter Faktoren (z. B. des Verschuldensgrads, der Vermögensverhältnisse beider Parteien, der Wiederholungsgefahr) ist aber für die Höhebemessung entscheidend893. Ein Bereich, in dem das deutsche Recht mit den punitive damages in Berührung kommen kann, ist die Zustellung der in den USA erhobenen Klagen gegen in Deutschland ansässige Personen, die in der Bundesrepublik zugestellt werden müssen. Darauf findet das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher 891 Vgl. BVerfG v. 07. 12. 1994, NJW 1995, 649, 651 = JuS 1995, 454; BVerfG v. 03. 08. 1994, NJW 1995, 3281 = JuS 1995, 172; BGH v. 04. 06. 1992, MDR 1992, 1181, 1183 = NJW 1992, 3096. In der Literatur siehe Sebok, in: Koziol/Wilcox (Eds.), Punitive Damages, S. 155 ff.; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 583 ff.; Merkt, Abwehr, S. 64 ff.; Schöne, Leistungsund Zahlungsverzögerung, S. 146 ff.; Mörsdorf-Schulte, Funktion, S. 7 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 525 ff.; Klumpp, Privatstrafe, S. 40 ff.; Ghassabeh, Zustellung, S. 32 f.; Lüke, Punitive damages, S. 5 ff.; Brockmeier, Punitive damages, S. 3 ff.; Müller, Punitive damages, S. 7 ff.; Sikora, Anerkennung, S. 56 ff.; Bentert, Pönale Element, S. 43 ff.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 128; Fritz, Punitive/exemplary damages, S. 18 ff.; Dreier, Kompensation, S. 185 ff., 512 ff.; Grossfeld, Privatstrafe, S. 49 ff.; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829; Stoll, in: FS Rheinstein, S. 569, 572 ff. 892 Vgl. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 583 f.; Ebert, Pönale Elemente, S. 526; Klumpp, Privatstrafe, S. 40 ff.; Grossfeld, Privatstrafe, S. 50 ff.; Lüke, Punitive damages, S. 14 ff.; Brockmeier, Punitive damages, S. 17 ff.; Müller, Punitive damages, S. 11 ff.; Sikora, Anerkennung, S. 64 ff.; Bentert, Pönale Element, S. 49 ff.; Fritz, Punitive/exemplary damages, S. 25 ff.; Dreier, Kompensation, S. 185 ff. 893 Vgl. statt vieler Brockmeier, Punitive damages, S. 10 ff. und Fritz, Punitive/exemplary damages, S. 20 ff.

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und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (HZÜ) Anwendung. Das Problem, ob die punitive damages trotz ihres Strafcharakters als Zivilsache zu qualifizieren sind, wird im Rahmen einer autonomen Auslegung des Übereinkommens gelöst. Das Bundesverfassungsgericht hat aufgeklärt, dass diese Qualifikation nach dem Übereinkommen und der gesamten deutschen Rechtsordnung zulässig ist894. Während aber das Bundesverfassungsgericht die Zustellung der punitive damages-Klagen als vereinbar mit dem deutschen ordre public anerkannt hat, ist der Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung aus dem Jahre 1992 bezüglich der Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines punitive damages-Urteils des Supreme Court of California davon ausgegangen, dass diese wegen eines Verstoßes gegen den ordre public nach §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 723 Abs. 2 ZPO nicht möglich sei. Die Begründung des Urteils ist wie folgt zusammenzufassen: Die Anerkennung verstoße zwar nicht gegen den anerkennungs-, aber gegen den materiell-rechtlichen ordre public. Grundprinzip des deutschen Haftungsrechts sei der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes. Weder die Bereicherung des Geschädigten noch die Bestrafung/ Abschreckung könnten Ziele des Zivilrechts sein. Die Letztere sei nur im Strafrecht zulässig. Das Auftreten des Geschädigten als privater Staatsanwalt sei mit dem Bestrafungsmonopol des Staates unvereinbar. Das deutsche Privatrecht sehe zwar die Institution der Vertragsstrafe vor, die auch Bestrafungsfunktion haben könne, diese setze aber eine Vereinbarung der Parteien voraus und habe nichts mit dem Deliktsrecht zu tun. Die für die punitive damages charakteristische Bestrafungs- und Abschreckungsfunktion könne nicht mit der vom deutschen Recht anerkannten Genugtuungsfunktion vereinbar sein, die bei der Zumessung des Schmerzensgeldes nach § 847 BGB und bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu berücksichtigen sei. Die Genugtuungsfunktion begleite die Ausgleichsfunktion einfach nur. Auch wenn sie in den Vordergrund der Schmerzensgeldbemessung trete, weil angesichts der Unmöglichkeit eines Ausgleichs immaterieller Schäden nur eine zeichenhafte Wiedergutmachung stattfinden könne, ändere sich der Ausgleichscharakter des Schadensersatzes dadurch nicht. Ein Durchbruch der Regel der Nichtvollstreckbarkeit sei aber zulässig, wenn mit der Verhängung von Strafschadensersatz restliche, nicht besonders abgegoltene oder schlecht nachweisbare 894 BVerfG v. 07. 12. 1994, NJW 1995, 649, 651 = JuS 1995, 454; a. A. Merkt, Abwehr, S. 194 ff. Ghassabeh, Zustellung, S. 189 ff. setzt sich ebenfalls für die Vereinbarkeit der Zustellung einer punitive damages-Sammelklage an beklagte deutsche Unternehmen mit dem ordre public ein. Vgl. aber den jüngeren Beschluss BVerfG v. 25. 07. 2003, NJW 2003, 2598 = ZIP 2003, 1625, wonach die Zustellung einer US-amerikanischen Sammelklage an ein deutsches Unternehmen aus Gründen des ordre public unzulässig sei. Nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ sei die Erledigung eines Zustellungsantrags abzulehnen, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet halte, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Nicht jede Zustellung einer Klage auf punitive damages verstoße gegen den deutschen ordre public. Dieser sei jedoch der Fall, wenn die geltend gemachte Forderung der Höhe nach keine substantielle Grundlage habe, was Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), des Eigentums (Art. 14 GG) und des Rechtsstaatsprinzips darstelle. Mehr dazu in v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 124.

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wirtschaftliche Nachteile pauschal ausgeglichen oder vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erzielte Gewinne abgeschöpft werden sollten. In diesem Zusammenhang komme allgemein auch die Abwälzung der Prozesskosten oder anderer nicht selbstständig ersatzfähiger Verzugsschäden auf den Beklagten als Ausnahme in Betracht. Das Fehlen eindeutig nachvollziehbarer Hinweise des ausländischen Gerichts selbst hindere das deutsche Gericht, die tatsächlichen Beweggründe zur Verhängung der punitive damages im Einzelfalle zu erforschen. Das Urteil des USamerikanischen Gerichts könne auf mehreren verschiedenen Motiven jeweils allein oder in Verbindung mit anderen basieren, was mit der Zielsetzung der Institution im jeweiligen US-Bundesstaat zusammenhänge. Der deutsche Richter müsse sich an die Stelle des ausländischen Richters setzen, um den Urteilsinhalt über dessen Begründung zu bestimmen. Nach § 723 Abs. 1 ZPO sei eine solche Urteilsergänzung, die auch die Rechtssicherheit gefährden könnte, jedoch unzulässig. Davon ausgehend, sei es mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar, pauschal zuerkannten Strafschadensersatz von erheblicher Höhe im Inland zu vollstrecken. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche einem wesentlichen Grundsatz des deutschen Rechts, der selbstverständlich auch in der Zivilrechtsordnung gelte. Bei der Schadensersatzrechnung sei der Ausgleich der durch den rechtswidrigen Eingriff gestörten Vermögensverhältnisse das angemessene Ziel des über den Eingriff geführten Zivilprozesses. Sanktionen, die der Bestrafung und Abschreckung dienten, gehörten nach deutscher Auffassung grundsätzlich zum Strafmonopol des Staates. Es erscheine unerträglich, in einem Zivilurteil eine erhebliche Geldzahlung aufzuerlegen, die nicht dem Schadensausgleich, sondern im Wesentlichen dem Interesse der Allgemeinheit diene. Dieser sei insbesondere dann der Fall, wenn die Summe aller Ausgleichsbeträge zusammen mit dem Anwaltshonorar nur gut einem Drittel des verhängten Strafschadensersatzes entspreche. Diese Vollstreckung treffe den Beklagten übermäßig. Es gehe um zivilrechtsfremde Beweggründe, die die gesamten Haftungsmaßstäbe des deutschen Rechts zu sprengen vermöchten. Die Besserstellung von Gläubigern, die aus Staaten stammen, die punitive damages anerkennen, gegenüber inländischen Gläubigern sei nicht gerechtfertigt und könne als untragbares Ergebnis bezeichnet werden. Nach den Erwägungen des BGH können die vorgenannten Gründe den Ausschluss der Vollstreckung rechtfertigen. Offen gelassen wurde daher die Frage vom Gericht, ob die Vollstreckung von Strafschadensersatz den deutschen ordre public noch aus weiteren Gründen verletzt, ob die wenig bestimmbaren Voraussetzungen für den Erlass eines punitive damages-Urteils gegen Art. 103 Abs. 2 GG (Gesetzlichkeitsgrundsatz) verstoßen und ob die Verurteilung zu Strafschadensersatz neben einer Kriminalstrafe Art. 103 Abs. 3 GG („ne bis in idem“) nicht beachtet895. Die Begründung des BGH ist nicht zu übersehen. Zunächst ist zu beachten, dass nicht von einem Zugriff auf § 343 BGB als Kontrollmaßstab der punitive damages 895

BGH v. 04. 06. 1992, BGHZ 118, 312, 338 ff.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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gesprochen werden kann, selbst wenn die Vorschrift als Teil des deutschen ordre public charakterisiert wird. Der Grund einer solchen Ablehnung hat mit der Natur der Institution zu tun. Obwohl der Strafcharakter die punitive damages prägt, setzt die Vertragsstrafe eine Vereinbarung der Parteien voraus. Die Voraussetzung des personalen Fehlverhaltens ohne vorherige Vereinbarung bringt sie bei einer unerlaubten Handlung näher zum Schadensersatz als zur Vertragsstrafe896. Dieses typische Merkmal schließt die Anwendung des § 343 BGB folglich aus. Ferner sind die Argumente der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Nichtanerkennung der punitive damages maßgeblich. Die Stellungnahme, der zugestimmt werden muss, basiert auf der Ablehnung des Schadensersatzes als Privatstrafe im deutschen Privatrecht. Demgemäß ist der Strafschadensersatz ein Fremdkörper im System des kontinentaleuropäischen Rechts. Der Schadensersatz wird vom Ausgleichsprinzip nach § 249 BGB beherrscht897. Neben der dominierenden Ausgleichsfunktion kommt als Nebenfolge auch eine Präventionsfunktion hinzu898. Fraglich ist aber, ob das deutsche Schadensersatzrecht als Privatstrafe funktionieren kann. Anders als die Vertragsstrafe, die auf dem freien Willen des Schuldners basiert, wird die Privatstrafe dadurch gekennzeichnet, dass sie vom Gericht zur Erfüllung von Sanktionszwecken bei Vorliegen eines Delikts verhängt wird899. In Hinblick auf die historische Entwicklung der Privatstrafe im deutschen Privatrecht ist festzustellen, dass der Gesetzgeber auf die Einbeziehung strafrechtlicher Gesichtspunkte in das BGB bewusst und ausdrücklich verzichtet hat900. Gegen dieses Argument wird vorgetragen, dass es mit nachträglichen Grundentscheidungen des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar sei901. Das deutsche BGB, ein Kind des Endes des 19. Jahrhunderts, habe inzwischen solche Änderungen überstanden, dass das Prinzip der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes seit Langem nicht mehr in vollem Umfang gelte. Der Schadensersatz könne den tatsächlichen Schaden übersteigen und zur Sanktionierung des Schuldners in einer Zahl von Fällen führen. Als charakteristische Beispiele solcher Privatstrafen, die die Anerkennung auch der punitive damages rechtfertigen könnten, werden die Geldentschädigung für Persönlichkeitsverletzungen, die Antidiskriminierungsentschädigung nach §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, die § 611a Abs. 2 BGB aufgehoben haben, und die Verdoppelung des Vergütungssatzes im Immaterialgüterrecht (§ 54 f Abs. 3 UrhG) 896

Vgl. Fritz, Punitive/exemplary damages, S. 133 f. Larenz, NJW 1959, 865 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einl. III 2 a; Roussos, Schaden, S. 15 ff.; Schmidt, Schadensersatz, S. 68 ff.; Mertens, Begriff, S. 22; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 778 ff. 898 Statt vieler Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einl. III 2 b. Vgl. auch Ott/Schäfer, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Präventivwirkung, S. 131, 153. 899 Vgl. Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 126. 900 Motive, Bd. II, S. 17 f. Mehr zur Geschichte der Privatstrafe in Ebert, Pönale Elemente, S. 14 ff.; Lange, Schadensersatz, S. 129 ff. Zur früher geltenden Rechtslage siehe Sickel, Bestrafung, S. 88 ff. 901 Ebert, Pönale Elemente, S. 528; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 429 f. 897

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

erwähnt902. Zudem kommt auch die Gewinnabschöpfung nach §§ 10 Abs. 1 UWG in Betracht903. Solche Regelungen sind ein nicht leicht zu übersehendes Argument für die Anerkennung des Strafschadensersatzes (punitive damages). Der Umstand, dass der Gesetzgeber Ausnahmen in das System der Ausgleichsfunktion durch diese und andere Privatstrafen eingeführt hat, ist der Beweis dafür, dass das Prinzip heute nicht ununterbrochen bleibt. Man spricht von „pönalen Elementen“ im System des deutschen Privatrechts904. Aus diesen ausdrücklichen Ausnahmen oder Tendenzen kann jedoch keine Beschränkung der Ausgleichsfunktion und keine Erhebung der Straffunktion geschlossfolgert werden. Es handelt sich nur um ausdrückliche Regelungen, die der deutsche Gesetzgeber im Rahmen seines Gesetzgebungsmonopols geschaffen hat, um bestimmte Zwecke zu erreichen905. Dies bedeutet nicht, dass die Wertentscheidungen des Schadensersatzrechts verlassen worden sind. Auf jeden Fall bestätigen die Ausnahmen die vorgenannte Regel. Bezüglich der punitive damages darf die Judikative das System des Schadensersatzes nicht durchbrechen, weil dieser Bruch nur durch die Entscheidungen der Legislative vorgenommen werden kann. Rieble lehnt die allgemeine Anerkennung von Strafzwecken im Privatrecht zu Recht ab. Seiner Kritik ist zu folgen, weil sie berücksichtigt, dass es um sporadische Ausnahmeregelungen geht, die nach dem Willen des Gesetzgebers unsystematisch in Kraft treten. Sie können aber nur als Fremdkörper im System des Privatrechts bezeichnet werden, weil sie auf die Bereicherung des Berechtigten und zugleich die Sanktionierung des Verletzers und nicht auf die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens abzielen906. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, die zur Errichtung von punitive damages verurteilen, ist aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. Ebert vertritt zwar die Meinung, dass sich das Strafmonopol des Staates nur auf Kriminalstrafen erstrecke. Da aber die punitive damages privatrechtliche Sanktionen seien, stelle das vorgenannte Monopol kein Hindernis dar. Außerdem scheide ein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG und mit dem Doppelbestrafungsverbot nach Art. 103 Abs. 3 GG grundsätzlich deshalb aus,

902 Vgl. Ebert, Pönale Elemente, S. 528 f.; Brockmeier, Punitive damages, S. 41 ff., 206; Müller, Punitive damages, S. 371. 903 Vgl. Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 132. 904 Ebert, Pönale Elemente, S. 247 ff.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397 ff. Mehr zum Begriff der Privatstrafe in Grossfeld, Privatstrafe, S. 75 ff.; Klumpp, Privatstrafe, S. 16 ff. 905 Nur im Fall der Geldentschädigung für Persönlichkeitsverletzungen liegt keine Regelung, sondern eine richterliche Entscheidung vor. Ziel der entsprechenden Rechtsprechung ist der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine solche Tendenz, dass durch ein so effizientes Instrument wie die Privatstrafe bestimmte Zwecke verfolgt werden, ist aber problematisch und zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen. Kritik in Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 131 m. w. N. 906 Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 133. Rieble geht von einer fehlenden Legitimation sowohl der Judikative als auch der Rechtstheorie aus, das System und den Charakter des Schadensersatzes im deutschen Privatrecht zu ändern.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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weil die punitive damages keine Strafen im Sinne dieser Vorschriften seien907. Obwohl auch die Gegenmeinung in der Literatur vertreten wird, dass die Grundrechte aus Art. 103 Abs. 2 und 3 GG gefährdet würden908, ist von Bedeutung, dass die Anerkennung und Vollstreckung von punitive damages-Urteilen (und teilweise die Zustellung von punitive damages-Klagen) vor allem die Eigentumsgewährleistung aus Art. 14 Abs. 1 GG bezüglich des im Inland und in den USA belegenen Eigentums in Gefahr setzt909. Die Vorschrift schützt das Eigentum, das sich sowohl im Inland als auch im Ausland befindet. Die Verletzung kann aus dem exzessiven Eingriff in das Vermögen des Anspruchsgegners entstehen. Darüber hinaus ist die Vollstreckung solcher Urteile schwer mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen. Selbst wenn die Anerkennung und die Vollstreckung als Maßnahmen der Judikative mit dem Strafmonopol des Staates für vereinbar gehalten werden, ist der Eingriff in den Schutzbereich des Eigentums nur schwer zu rechtfertigen. Die Förderung des internationalen Rechtsverkehrs ist zwar ein legitimes Ziel des Staates, aber die Vermögensnachteile, die mit den Maßnahmen verbunden sind, stehen völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen, die sie bewirken (Verletzung der Angemessenheit). Dieses Proportionalitätserfordernis wird durch die punitive damages übersehen, indem sie in keinem Verhältnis zu der Schwere des Fehlverhaltens und dem Verschulden stehen. Die Einhaltung des Prinzips ist jedoch für alle Organe des Staates und somit auch für die Gerichte eine verfassungsrechtliche Pflicht. Dies gilt auch hinsichtlich der echten Kriminalstrafen im Strafrecht bei der Strafzumessung nach § 46 StGB. Ein weiteres Argument gegen die Anerkennung und Vollstreckung ist aus dem materiell-rechtlichen Begriff des ordre public nach Art. 40 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EGBGB zu ziehen. Die Vorschrift wird seit Inkrafttreten der Rom II-VO zwar verdrängt, aber nicht aufgehoben. Sie ist in den Gebieten anwendbar, die vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgenommen sind. Demgemäß ist die Anwendung ausländischen Rechts ausgeschlossen, wenn die geltend gemachten Ansprüche wesentlich weiter gehen als zur angemessenen Entschädigung des Verletzten erforderlich (Nr. 1) oder diese offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzen dienen (Nr. 2). Die Vorschrift trat 1999 in Kraft, zu einem Zeitpunkt, als dem deutschen Gesetzgeber das Problem der punitive damages bereits bekannt war. Dadurch wurde Art. 38 EGBGB a. F. aufgehoben. Aber auch diese Regel schloss die Verurteilung zu punitive damages durch deutsche Gerichte aus910. Wenn man die Begründung des Art. 40 Abs. 3 EGBGB berücksichtigt, begegnet man dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen, durch diese spezielle ordre-public-Norm gegenüber jedermann die Anwendung fremden Rechts zu verbieten, das etwa zu mehrfachem Schadensersatz (Nr. 1) oder Strafschadensersatz 907 Vgl. Ebert, Pönale Elemente, S. 529. Vgl. auch Brockmeier, Punitive damages, S. 105 f., 120 ff.; Müller, Punitive damages, S. 20 f. 908 Vgl. Merkt, Abwehr, S. 180. 909 Merkt, Abwehr, S. 170 ff. 910 Vgl. Ebert, Pönale Elemente, S. 530.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

(Nr. 2) führen würde911. Dieser bewussten Entscheidung des Gesetzgebers steht Ebert mit der Begründung gegenüber, dass es widersprüchlich sei, dass die deutschen Gerichte einerseits Strafschadensersatz (z. B. § 611a Abs. 2, 3 BGB, Geldentschädigung für Persönlichkeitsverletzungen) verhängen, aber andererseits punitive damages-Urteile in Deutschland für nicht vollstreckbar erklären könnten912. Diese Argumentation basiert jedoch auf der hier widerlegten Ansicht, dass das System des ausgleichenden Schadensersatzes nicht mehr im deutschen Privatrecht gelte, weil es sich durch eine große Zahl von Ausnahmen verändert habe. Es wurde jedoch bereits erwähnt, dass dieses Argument die gewisse Begrenztheit dieser Ausnahmen übersieht und die Änderung der herrschenden Stelle der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts als gegeben betrachtet. Diese Meinung ist somit nicht vertretbar. Trotz eines Urteils des BGH aus dem Jahre 2000, das die Frage des Verstoßes der Geltendmachung der punitive damages gegen den deutschen ordre public offen gelassen hat, muss man die Anerkennung und Vollstreckung solcher Urteile aus den vorgenannten Gründen ablehnen. Der Ansicht des BGH im Urteil aus dem Jahre 1992 folgt auch ein Teil der Literatur913. Andere Vertreter der Literatur befürworten die Anerkennung und Vollstreckung der US-amerikanischen punitive damages-Urteile mit der hier bereits abgelehnten Argumentation914. Manche von ihnen akzeptieren jedoch, dass die punitive damages in kolossaler Höhe nicht ohne Weiteres anerkannt werden könnten, sondern diese einer Verhältnismäßigkeitskontrolle nach dem deutschen Recht zu unterstellen seien915. Die hier vertretene Ansicht, welche die Anerkennung und Vollstreckung der amerikanischen punitive damages-Urteile wegen eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public ablehnt, gibt aber keine Antwort auf die Frage, ob § 343 BGB tatsächlich zu diesem ordre public gehört oder nicht. Wie gezeigt, sind die punitive damages nicht als Vertragsstrafe im Sinne der §§ 339 ff. BGB zu qualifizieren und ihr Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ergibt sich nicht aus den Grundsätzen der Vertragsstrafen-, sondern aus denen des Schadensersatzrechts.

911

BT-Drucks. 14/343, S. 12. Ebert, Pönale Elemente, S. 530; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 430. 913 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 53 IV 6, § 60 IV 2; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 126 ff.; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 583 ff.; Dreier, Kompensation, S. 512 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einl. III 2 d; Mörsdorf-Schulte, Funktion, S. 298 f.; Merkt, Abwehr, S. 184 ff.; Fritz, Punitive/exemplary damages, S. 210; Klumpp, Privatstrafe, S. 40 ff.; Sikora, Anerkennung, S. 142 (für das englische Recht). 914 Bentert, Pönale Element, S. 53 ff., 164 f.; Brockmeier, Punitive damages, S. 205 f.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 429 f.; Grossfeld, Privatstrafe, S. 61 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 530 f.; Müller, Punitive damages, S. 360 ff. (der vorschlägt, dass der Betrag von 800.000 DM als zulässige Obergrenze für die Anerkennung und Vollstreckung anzuordnen sei); Lüke, Punitive damages, S. 255 ff. (hinsichtlich der Schiedssprüche); Ghassabeh, Zustellung, S. 293 ff. (bezüglich der Zustellung amerikanischer punitive damages-Sammelklagen). 915 Brockmeier, Punitive damages, S. 107 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 531; Müller, Punitive damages, S. 363 ff. 912

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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Das Problem ist in der Literatur strittig. Die herrschende Meinung nimmt an, dass die Vorschrift Eigenschaften des ordre public aufweist916. Die einzige Entscheidung dazu stammt aus dem Jahre 1902 und hat sich für diesen Charakter der Herabsetzung der Vertragsstrafen eingesetzt. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um anwendbares dänisches Recht als Vertragsstatut. Das Gericht hat die Herabsetzung nach der lex fori vorgenommen917. Dieses Ergebnis, das auf der zwingenden Natur der Vorschrift basiert, ist jedoch nicht überzeugend. Die Unabdingbarkeit der Vorschrift ist zwar eine Eigenschaft der Herabsetzung der Vertragsstrafen im deutschen Recht918. Aus diesem Charakteristikum, wonach die Vertragsparteien die gerichtliche Kontrolle weder ausschließen noch beschränken dürfen, kann sich der Rang des ordre public jedoch nicht ergeben. Eine solche Charakterisierung verlangt, dass es sich um Wert- und Grundentscheidungen des Gesetzgebers handelt. Hinter der Vorschrift steht zwar das Bedürfnis nach Schutz des Schwächeren im deutschen Privatrecht als Legitimation. Im wichtigen Bereich des kaufmännischen Geschäftsverkehrs findet die Vorschrift aber gemäß § 348 HGB keine Anwendung, solange die Parteien keine andere Vereinbarung getroffen haben. Diese Ausnahme muss als Argument gegen die Qualifikation des § 343 BGB als Grundentscheidung des deutschen Gesetzgebers eine wichtige Rolle spielen919. Die Schlussfolgerung, dass die Institution der Ermäßigung kein Teil des deutschen ordre public ist, bedeutet nicht, dass der Strafschuldner ungeschützt bleibt, wenn ausländisches Recht nach den deutschen Kollisionsnormen anzuwenden ist. Die Vorschriften der ausländischen Rechtsordnung, die auf die eine oder andere Weise eine Kontrolle der exzessiven Konventionalstrafen vorsehen, gelangen zur Anwendung. Es ist zu betonen, dass eine große Anzahl von Rechtsordnungen des kontinentaleuropäischen Rechtskreises eine solche Kontrolle anerkennt. Aus diesem Grund verliert die Frage der Charakterisierung des § 343 BGB als ordre-public-Rechtsnorm an Bedeutung. In dem Fall aber, wo das anzuwendende Recht keinen ähnlichen Schutz des Strafschuldners vorsieht, ist die Anwendung des § 138 BGB durchaus hilfreich920. Auf der anderen Seite ist die Institution der Vertragsstrafe (sog. penal damages) den angloamerikanischen Rechtsordnungen nicht bekannt und macht damit die Diskussion über die Natur des § 343 BGB in diesem Zusammenhang entbehrlich.

916 Vgl. Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 37 V; Palandt/Thorn, Rom I-VO 21 Rn. 5; Gottwald, in: FS Söllner, S. 379, 380; Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 339; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 278; Reymann, Sonderprivatrecht, S. 478; a. A. Rau, RIW 1978, 23, 26. 917 OLG Hamburg v. 23. 12. 1902, OLGE 6 (1903), 231 = SeuffA 59 (1904), 63. 918 Vgl. dazu oben Teil 2 A. II. 2. c). 919 Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 196 f.; Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 27. 920 Vgl. Staudinger/Rieble, § 343 Rn. 27. Bezüglich des § 138 BGB als Instrument der privatrechtlichen Missbrauchskontrolle im Rahmen einer ordre public-Kontrolle in BGH v. 19. 03. 1997, MDR 1997, 630, 631 = NJW 1997, 1697; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 IX 1.

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d) Zusammenfassung Im Ergebnis können die oben dargestellten Auffassungen wie folgt zusammengefasst werden: Die Bestimmung des anwendbaren Rechts für die Herabsetzung der übermäßigen Vertragsstrafe wird durch keine autonome Kollisionsnorm geregelt. Sie ist dem Vertragsstatut zu unterstellen, das für die Vertragsstrafe selbst gilt und üblicherweise dem Statut des Gesamtvertrages entspricht. Darüber hinaus ist zu betonen, dass die deutsche Regelung des § 343 BGB weder Eigenschaften einer Eingriffsnorm noch einer ordre-public-Vorschrift aufweist. Deswegen ist die Regelung zu berücksichtigen, die das anwendbare Recht in Hinsicht auf die Kontrolle übermäßiger Vertragsstrafen vorsieht. Nur in dem Ausnahmefall, wo die ausländische Rechtsordnung keine Schutzmöglichkeit bietet, ist auf § 138 BGB als ordre-publicVorbehalt zurückzugreifen.

III. Übernationale Entwürfe und Regelungen zur Rechtsvereinheitlichung des Rechts der Vertragsstrafe In diesem Abschnitt werden die Versuche zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsstrafe dargestellt. Festzustellen ist, dass sich diese Versuche üblicherweise nicht nur mit der Vertragsstrafe selbst, sondern mit einem breiteren Bereich des Rechts beschäftigen (z. B. Schuldrecht, Kaufrecht). Einige Versuche sind lediglich im Entwurfsstadium geblieben, während es bei anderen Versuchen gelungen ist, geltende Vorschriften zu schaffen. In dieser Untersuchung sind nicht alle Vorschriften des jeweiligen Entwurfs oder Abkommens interessant, sondern nur diejenigen, die die Herabsetzung betreffen. Die Ermittlung nimmt ihren Ausgang von den Versuchen, die auf europäischer Ebene stattgefunden haben (unten 1.). Im Anschluss daran wird auf Vereinheitlichungsversuche auf internationaler Ebene eingegangen (unten 2.). 1. Rechtsvereinheitlichungsversuche im europäischen Raum a) Die Konvention der Benelux-Staaten Diese Konvention unter dem Titel „Convention Benelux portant loi uniforme relative l’astreinte“ wurde von den drei Benelux-Staaten (Belgien, Niederlande, Luxemburg) am 26. November 1973 in Den Haag verabschiedet. Im Rahmen eines generelleren Bestrebens dieser drei Staaten, ihre Rechtsordnungen zu vereinheitlichen, wurde die Konvention unterschrieben, weil keines der drei Rechte ein Ermäßigungsrecht exzessiver Vertragsstrafen vorsah921. Dieser Anlass zeigt die zen921 Zur Entstehungsgeschichte der Konvention vgl. Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 153 f.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 202; Baum, Vertragsstrafe, in: Base-

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trale Rolle der Institution der Herabsetzung, die das gesamte Recht der Vertragsstrafe prägt. Der Konventionsentwurf, der acht Artikel enthielt, sah ein Ermäßigungsrecht in Art. 4 vor922. Dieser Artikel ordnete das Ermäßigungsrecht des Gerichts nach Antrag des Schuldners an923. Um den Strafschuldner zu schützen, konnte der Richter die Vertragsstrafe nach unten modifizieren. Ausdrücklich vorgesehen war aber, dass der tatsächlich entstandene Schaden die Untergrenze der Herabsetzung sein sollte. Die Unabdingbarkeit war das typische Merkmal der Regelung. In der Entwurfsbegründung gibt es daher die Bemerkung, dass die vorgeschlagene Regelung Ausnahmecharakter besitzt und die Gerichte zu einer zurückhaltenden und restriktiven Anwendung verpflichtet sein sollten, weil es sich um einen Eingriff in die Vertragsfreiheit handelte924. Außer dem Antrag des Schuldners nannte die Regelung keine andere ausdrückliche Voraussetzung für die Herabsetzung. Insbesondere die zu berücksichtigenden Herabsetzungskriterien ergaben sich weder aus dem Entwurfstext selbst noch aus der Entwurfsbegründung925. Das Ratifizierungsverfahren der Konvention war allerdings schnell gescheitert. Die Konvention trat niemals in Kraft. Grund dafür war die Änderung der belgischen höchstrichterlichen Rechtsprechung in Hinsicht auf die Natur der Institution der clause pénale, was die Ratifikation verhindert habe926. Als erster Versuch einer Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsstrafe mit dem Ermäßigungsrecht als Anlass und Mittelpunkt des Entwurfs ist die Konvention aber bis heute erwähnenswert. b) Die Resolution des Europarates Das Ministerkomitee des Europarates hat am 20. Januar 1978 eine Resolution bezüglich des Rechts der Vertragsstrafe verabschiedet927. Die Rechtswirkung der dow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1704. 922 Den Text in englischer Sprache kann man als Benelux Convention, The Hague, Neth., Nov. 26, 1973, Vol. 1162,1 – 18360 unter untreaty.un.org/unts/60001_120000/3/2/00004081.pdf (Abruf am 30. 11. 2013) finden. 923 Art. 4: „1. A la demande du débiteur, le juge peut, si l’équité l’exige manifestement, modérer les effets de la clause pénale, sans pouvoir allouer moins que les dommages et intérêts dus en vertu de la loi. 2. Toute clause déragatoire est nulle.“ Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 155 hat die Vorschrift als die „wichtigste Bestimmung der Konvention“ bezeichnet. 924 Vgl. Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 156; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 203. 925 Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 156; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 203. 926 Vgl. Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 154. 927 Den Text in englischer Sprache kann man als Resolution (78) 3 Adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 20 January 1978 unter wcd.coe.int/wcd/com.in

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Resolution ist nicht bindend. Es handelt sich um einen Rechtsakt, der für die Harmonisierung und Vereinheitlichung der verschiedenen Rechtsordnungen als Vorbild dient928. Die Resolution war das Werk der Arbeit einer Rechtsexpertenkommission, die im Auftrag der Comité Européen de Coopération Juridique (CDCJ) den Entwurf zwischen den Jahren 1974 und 1977 ausgearbeitet hat929. Die Schwierigkeit in der Diskussion lag darin, dass in der Beratungskommission auch die englische Rechtsordnung vertreten war, die die sog. penal damages als unwirksam anerkennt930. Die Resolution sah die Herabsetzungsmöglichkeit in Art. 7 vor931. Festgehalten werden kann, dass die Vorschrift stark vom französischen Recht geprägt war. Ersichtlich ist die Beeinflussung einerseits bei der Voraussetzung, dass die Vertragsstrafe „manifestement excessive“ sein muss, was auch nach dem Code civil gilt, andererseits bei der Bestimmung, dass die Ermäßigung besonders dann möglich ist, wenn teilweise Leistungserfüllung vorliegt, was ebenfalls in der französischen Rechtsordnung angeordnet wird932. Der Text enthielt keine Konkretisierung des Begriffs der offensichtlichen Übermäßigkeit. Die Materialien, die die Resolution begleiteten, zählten aber eine große Anzahl von Gesichtspunkten auf, die bei der Ausübung des richterlichen Ermessens berücksichtigt werden sollten: – das Verhältnis des vereinbarten Strafbetrages zum tatsächlich entstandenen Schaden, – der zum Vertragsschlusszeitpunkt vorhersehbare Schaden, – die berechtigten materiellen und nichtvermögenswerten Interessen des Gläubigers, – die Natur des Vertrages, – die Umstände beim Vertragsschluss, wozu insbesondere die finanziellen und sozialen Verhältnisse der Vertragsparteien und der Umstand, ob es sich um einen vorformulierten Vertrag handelt, zu zählen sind, stranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=595696&Sec Mode=1&DocId=660588&Usage=2 (Abruf am 30. 11. 2013) finden. 928 Steltmann, Vertragsstrafe, S. 203; Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1704. 929 Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 156. 930 Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 203. 931 Art. 7: „La somme stipulée peut être réduite par le juge lorsqu’ elle est manifestement excessive. En particulier, la réduction peut se faire quand l’obligation principale a été partiellement executée. La somme ne peut être réduite en dessous des dommages et intérêts sanctionnant l’inexécution de l’obligation. Toute stipulation contraire aux dispositions de cette article est nulle.“Auch diese Regelung hat Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 158 als die „wichtigste Bestimmung“ genannt. 932 Vgl. Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 158.

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– der Grund, warum der Schuldner seine Pflichten nicht eingehalten hat, wozu auch das Verschuldensmaß des Schuldners gehört, sind die Gesichtspunkte, die in der Entwurfsbegründung zu finden sind933. Die nicht abschließende Aufzählung der verschiedenen Kriterien und Gesichtspunkte hatte das Ziel, einen flexiblen Raum zu schaffen, in dem der Richter den angemessen Betrag im Einzelfall finden sollte. Als Untergrenze der Ermäßigung sah derselbe Artikel den tatsächlich entstandenen Schaden aus der Nichterfüllung des Hauptvertrages vor. Auf diesem Gesichtspunkt allein sollte keine Herabsetzung basieren, weil die Vertragsstrafe auch als Druckmittel und nicht nur als Schadenspauschalierung funktioniert934. Den zwingenden Charakter der gesamten Vorschrift unterstrich die Regelung, da das gerichtliche Herabsetzungsrecht durch Parteivereinbarung nicht abbedungen werden konnte935. Zusammenfassend ist anzumerken, dass die Resolution in Hinsicht auf die Herabsetzungsmöglichkeit exzessiv hoher Vertragsstrafen der kontinentaleuropäischen Rechtstradition folgt. Dieselbe Bemerkung gilt freilich auch für die vorgenannte Convention Benelux. Diese Schlussfolgerung beweist, wie verankert die Idee einer Inhaltskontrolle der Institution der Vertragsstrafe in der Welt des europäischen Privatrechts des 20. Jahrhunderts war. Dies kann auch die nachträglichen gesetzgeberischen Entwicklungen und Entwürfe in diesem Bereich erklären. c) Die Herabsetzung von Vertragsstrafen in den „Principles of European Contract Law“ (Vorschlag der sog. „Lando-Kommission“) Die Principles of European Contract Law (PECL) (deutsch: Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts) sind eine systematische Sammlung gemeinsamer Grundsätze des Vertragsrechts. Sie entstammen der Arbeit einer Kommission unter der Führung von Ole Lando (sog. „Lando-Kommission“). Mitglieder waren führende Theoretiker des Zivilrechts aus allen Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft. Der erste Teil der Prinzipien wurde im Jahre 1995, der zweite im Jahre 1999936 und der dritte im Jahre 2003 veröffentlicht937. 933

Vgl. eingehend in Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 158. Fischer, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung, S. 158. 935 Steltmann, Vertragsstrafe, S. 204. 936 Lando/Beale (Ed.), Principles of European Contract Law, Parts I and II. 937 Lando/Clive/Prüm/Zimmermann (Ed.), Principles of European Contract Law, Part III. Die deutsche Übersetzung der ersten beiden Teile ist in v. Bar/Zimmermann (Hrsg.), Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts: Teile I und II zu finden. Zur Entstehungsgeschichte und zu den Charakteristika der PECL siehe Zimmermann, ZEuP 2000, 391 ff.; Alpa/Andenas, Grundlagen des Europäischen Privatrechts, S. 207 ff.; Sieburgh, in: Bussani/Werro (Ed.), European Private Law, Vol. I, S. 161 ff.; Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 2 f.; Meyer, Principles of Contract Law, S. 93 ff.; Pfeiffer, ZEuP 2008, 679 ff.; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 2 Rn. 56 ff.; ders., System und Prinzipien, S. 45 ff.; Schulze, in: Schulze (Ed.), 934

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Hinsichtlich des Anwendungsbereiches der Prinzipien ist anzumerken, dass diese nicht rechtsverbindlich sind. Dies folgt aus der Formulierung des Art. 1.101. Nach Abs. 1 gelten die Prinzipien als „allgemeine Regeln des Vertragsrechts in der Europäischen Union“. Sie kommen als Muster für eine europäische Regelung in Betracht. Zur Vereinheitlichung können sie auch als Vorbild für nationale Gesetzesentwürfe beitragen. Nach Abs. 2 und 3 werden die Grundregeln dann angewendet, „wenn die Parteien sich darauf geeinigt haben, sie in ihren Vertrag aufzunehmen oder dass ihr Vertrag diesen Grundregeln unterliegen soll“ oder „wenn die Parteien (a) vereinbart haben, dass ihr Vertrag „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“, der „lex mercatoria“ oder ähnlichen Regeln unterliegen soll oder (b) keine Rechtsordnung oder keine Rechtsregeln für ihren Vertrag gewählt haben.“

Neben der Bedeutung für die Vertragsgestaltung können sie als Auslegungshinweise für die Gerichte eingreifen, da Abs. 4 anordnet, „diese Grundregeln können eine Lösung für Streitfragen bieten, für welche die anwendbare Rechtsordnung oder die anwendbaren Rechtsregeln keine Lösung bereithalten.“938 Die Ähnlichkeit mit der Präambel der UNIDROIT-Prinzipien ist charakteristisch939. Hinsichtlich der Institution der Vertragsstrafe enthalten die Prinzipien den Art. 9:509, der die Bezeichnung „Vertragsstrafe“ vermeidet, obwohl die vorgesehene Institution der „vereinbarten Zahlung wegen Nichterfüllung“ Erfüllungssicherungs- und zugleich Nachweiserleichterungsfunktion besitzt940. Das Herabsetzungsrecht wird in Abs. 2 vorgesehen. Interessant ist, dass die Regelung identische Formulierung mit Art. 7.4.13 der UNIDROIT-Prinzipien aufweist. Dies bedeutet, dass die Lando-Kommission dem Vorbild dieser Prinzipien an dieser Stelle gefolgt ist941. Aus der offiziellen Kommentierung der Vorschrift ergibt sich, dass die Ermäßigung als Beschränkung der Missbräuche der vollständigen Vertragsfreiheit funktionieren soll. Dieses Bedürfnis rechtfertigt auch den zwingenden Charakter der Vorschrift. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es ein exzessives Missverhältnis zwischen der vereinbarten Summe und dem tatsächlichen Schaden gibt. Dieser New Features in Contract Law, S. 3, 12 ff.; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 205; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 253. 938 Statt vieler vgl. Meyer, Principles of Contract Law, S. 96 ff., 99 ff. 939 Vgl. unten Teil 3 C. III. 2. b). 940 Art. 9:509: „Vereinbarte Zahlung wegen Nichterfüllung. (1) Bestimmt der Vertrag, dass eine Partei, die nicht erfüllt, der benachteiligten Partei für diese Nichterfüllung einen bestimmten Betrag zu zahlen hat, so ist der benachteiligten Partei dieser Betrag ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Schaden zuzusprechen. (2) Ungeachtet einer abweichenden Vereinbarung kann jedoch der bestimmte Betrag auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden, wenn er im Verhältnis zu dem aus der Nichterfüllung entstehenden Schaden und den übrigen Umständen gröblich überhöht ist.“ Bezüglich des Art. 9:509 PECL vgl. Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1704; Alpa/Andenas, Grundlagen des Europäischen Privatrechts, S. 231; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 254; Aedtner, Vertragsstrafe, S. 78 f.; Staudinger/Rieble, Vorbem. zu §§ 339 Rn. 119; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 205 f. 941 Le Goff, Vertragsstrafe, S. 254.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

461

Missbrauch kann den richterlichen Eingriff durch Herabsetzung des festgelegten Betrags rechtfertigen. Dennoch hat die Regelung Ausnahmecharakter, da der Richter nur offensichtlich, gröblich überhöhte Summen korrigieren darf. Nach den Vorstellungen der Verfasser ist die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens die Untergrenze der Herabsetzung, damit die vereinabarte Summe ihre Abschreckungsfunktion bei Nichterfüllung erfüllen kann942. Als Grundlage, auf die sich die Kontrolle stützen soll, erwähnt die Begründung das Verhältnis zwischen der vereinbarten Summe und dem tatsächlich vom Gläubiger erlittenen Schaden. Auch die Mitwirkung der benachteiligten Partei zur entstandenen Schadenshöhe soll mitberücksichtigt werden (z. B. unvernünftige Unterlassung des Gläubigers, den Schaden zu beschränken)943. Andere zu berücksichtigende Gesichtspunkte schildern die Materialien nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass die Kontrolle umfassend stattfinden muss. Zu diesem Ergebnis führt der Wortlaut des Abs. 2, wonach alle Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen werden müssen. Die rechtsvergleichende Betrachtung vieler kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen bestätigt die Tatsache, dass die Kontrolle exzessiver Vertragsstrafen eine gemeinsame Eigenschaft der civil law-Tradition ist944. Diese Verbreitung sowie die Anerkennung auch auf internationaler Ebene (UNIDROIT-Prinzipien) zeigen, dass die Bedeutung der Institution der Strafkontrolle beachtlich ist.

942 Die Begründung enthält folgendes Beispiel, um die richterliche Ermäßigung zu erleuchten: „A überlässt B für fünf Jahre eine Maschine zur Miete zu einem Mietzins von £ 50.000 pro Jahr. Die Vereinbarung sieht vor, dass, wenn der Mietvertrag aufgehoben wird, weil B seinen Pflichten nicht nachkommt, B an A im Wege des vereinbarten Schadensersatzes eine Summe in Höhe von 80 % der zukünftigen Mietzinsraten zu zahlen hat. Nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist diese Vereinbarung nicht unangemessen. Ein Jahr später wird der Vertrag aufgehoben, weil B seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt. Als Ergebnis einer unerwarteten Steigerung der Nachfrage nach der Art der nämlichen Maschine kann A, der die Rückgabe der Maschine sichergestellt hat, sie zum Doppelten des ursprünglichen Mietpreises weitervermieten. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes kann das Gericht den vereinbarten Schadensersatz herabsetzen.“ Siehe v. Bar/Zimmermann (Hrsg.), Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts: Teile I und II, Art. 9:509, S. 553. 943 v. Bar/Zimmermann (Hrsg.), Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts: Teile I und II, Art. 9:509, S. 553 f. 944 v. Bar/Zimmermann (Hrsg.), Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts: Teile I und II, Art. 9:509, S. 555 erörtern Informationen über die österreichische, dänische, finnische, schwedische, niederländische, italienische, französische, luxemburgische, griechische, deutsche, belgische, spanische und portugiesische Rechtsordnung. Trotz den einzelnen Unterschieden untereinander (z. B. ist die Herabsetzung unter Kaufleuten im deutschen und österreichischen Recht nicht vorgesehen) kennen alle diese Rechte die Herabsetzung. Die common law-Rechtsordnungen ordnen kein solches Recht an, weil sie die penalty clauses wegen der Abschreckungsfunktion insgesamt verbieten. Dort ist das einzige Problem die Abgrenzung zwischen solchen unzulässigen Klauseln und zulässigen liquidated damages.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

d) Die Ermäßigung der Vertragsstrafen in dem „Draft Common Frame of Reference“ Das Europäische Zivilgesetzbuch (European Civil Code, ECC) ist ein Vorhaben mit dem Ziel der Harmonisierung des Privatrechts im Rahmen der Europäischen Union. Endziel des Projekts ist das Inkrafttreten eines Europäischen Zivilgsetzbuchs, das die Kernpunkte des Privatrechts wie ein nationales Gesetz regelt. Die Harmonisierung beginnt mit dem Schuldrecht. Im Zentrum der Vereinheitlichungsversuche steht vor allem das Vertragsrecht, was freilich mit der wirtschaftlichen und juristischen Zentralrolle der Verträge im gesamten Vermögensrecht zusammenhängt. In der langen Geschichte der Vereinheitlichungsversuche ist die Schaffung der sog. Lando-Kommission im Jahre 1982 ein wichtiger Knotenpunkt. Die Principles of European Contract Law (PECL), deren Veröffentlichung 2003 vollendet wurde, waren das Ergebnis der mehrjärhrigen Arbeit dieser Kommission. Gleichzeitig sind die UNIDROIT-Prinzipien (PICC) ein Beispiel eines Vereinheitlichungsversuchs des Vertragsrechts auf internationaler Ebene. Am 12. Februar 2003 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung an die Öffentlichkeit gegeben, mit der sie sich einen Aktionsplan zur Förderung der Kohärenz des Europäischen Vertragsrechts zum Ziel gesetzt hat945. Von den zahlreichen akademischen Arbeitsgruppen, die in den folgenden Jahren zusammentraten, sind drei zu erwähnen: Nachdem die Lando-Kommission ihre Aufgaben vollendet hatte, führte die 1997 entstandene Study Group on a European Civil Code (SGECC) die Versuche zur Vereinheitlichung des Europäischen Vertargsrechts fort. Die Study Group steht unter der Leitung eines Komitees mit Sitz in Osnabrück (Leitung: Christian von Bar) und ist in sieben Arbeitsgruppen eingeteilt. Ziel dieser einzelnen Arbeitsgruppen ist es, die entsprechenden Gebiete des Privatrechts zu erforschen und Stellung zu künftigen Regeln zu nehmen946. Das Koordinationsteam der Study Group hat diese Grundregeln weiterverarbeitet und veröffentlicht. Sie sind die Grundlagen für den sog. „Draft Common Frame of Reference“ (DCFR), der die Basis für den harmonisierten Entwurf eines Europäischen Zivilgesetzbuches (Common Frame of Reference, CFR) sein könnte947. Zum Vereinheitlichungsprojekt hat auch die European Research Group on Existing EC Private Law (Acquis Group) beigetragen. Die Acquis Group wurde unter 945 Die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis communautaire“ ist unter eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=COM:2003:0071:FIN:DE:PDF (Stand: 30. 11. 2013) zu finden. Vgl. auch Roth, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, S. 13 ff. 946 Principles of European Law (PEL). 947 Bezüglich der Geschichte und der Arbeit der SGECC siehe statt vieler v. Bar/Clive (Ed.), Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law, Draft Common Frame of Reference (DCFR), Vol. I, Intr. 45 ff.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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der Leitung von Hans Schulte-Nölke im Jahre 2002 gegründet. Zweck der Gruppe war der Zusammentritt von Rechtswissenschaftlern aus verschiedenen Staaten der Union, um das geltende Gemeinschaftsrecht zu systematisieren. Werk der Acquis Group sind die Principles of Existing Community Private Law, die sich aber von den PECL und den Prinzipien der SGECC unterscheiden. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Stützpunkt der Forschung der Acquis Group nicht die Rechtsvergleichung der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen ist, sondern das geltende Gemeinschaftsrecht (sog. Acquis Communautaire)948. Tatsächlich verkörpern die zwei Gruppen zwei unterschiedliche Betrachtungen des Phänomens der Rechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene in sich. Die Acquis Group geht davon aus, dass die Grundlage eines Europäischen Vertragsrechts der Acquis Communautaire sein muss. Die Study Group hat sich dagegen auf die Rechtsvergleichung und die Analyse des geltenden Vertragsrechts in den Mitgliedsstaaten der Union gestützt. Beide Betrachtungen haben zahlreiche Befürworter gefunden. Der Aktionsplan hat sich die Vereinheitlichung des Europäischen Vertragsrechts zum Ziel gesetzt. Der veröffentlichte Draft Common Frame of Reference basiert auf der Arbeit beider Arbeitsgruppen, das heißt sowohl der Study Group als auch der Acquis Group. Im Mai 2005 wurde das Joint Network on European Private Law (Common Principles of European Contract Law, CoPECL) gegründet949. In diesem Netzwerk haben sich die zwei vorgenannten Arbeitsgruppen zusammengeschlossen. Mehr als 150 Rechtsexperten aus allen EU-Staaten sind Mitglieder des Network. Werk des Network ist der Enwurf der Common Principles of European Contract Law (CoPECL), die den Untertitel Draft Common Frame of Reference (DCFR) tragen, das heißt Entwurf für einen Gemeinsamen Referenzrahmen, aus zehn Büchern bestehen und am Anfang 2009 veröffentlicht wurden950. Eine dritte Arbeitsgruppe, die einen Entwurf eines Gesetzbuches veröffentlicht hat, ist die Academy of European Private Lawyers (sog. Gandolfi Group). Die Akademie wurde 1992 von Giuseppe Gandolfi in Pavia gegründet. Im Jahre 2001 hat die Gruppe einen Entwurf für ein künftiges Europäisches Vertragsgesetzbuch (Code Européen Des Contrats, Avant-projet, Livre Premier) vorgelegt. Der Avant-projet beinhaltet eine Reihe von Regeln, die als Allgemeiner Teil des Schuldrechts in verschiedenen Ländern der EU und in der Schweiz gelten. Das typische Merkmal des Enwurfs ist, dass es sich um einen Kodifizierungsversuch des Europäischen Vertragsrechts und um keine Sammlung von Grundprinzipien des Europäischen Vertragsrechts handelt. Im Gegensatz zu den PECL und den UNIDROIT-Prinzipien hat der Entwurf den Charakter eines Gesetzesentwurfes. Auf jeden Fall steht heute der 948

Mehr dazu in v. Bar/Clive (Ed.), Principles, Intr. 48. Siehe v. Bar/Clive (Ed.), Principles, S. 25 ff. 950 Vgl. zum DCFR von Bar/Clive (Ed.), Principles, Intr. 1 ff.; Schulze, in: Schulze (Ed.), New Features in Contract Law, S. 3, 15 ff.; Beale, in: Schulze (Ed.), New Features in Contract Law, S. 343 ff.; Pisulin´ski, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, S. 47 ff.; Henninger, Europäisches Privatrecht, S. 32 ff.; Schmidt-Räntsch, in: Riesenhuber (Hrsg.), Entwicklungen, S. 1, 19 ff.; Pfeiffer, ZEuP 2008, 679 ff. 949

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

DCFR und nicht der Avant-projet im Zentrum der Entwicklung und der Vereinheitlichungsversuche951. Der DCFR sieht die Institution der stipulated payment for non-performance in Art. III.–3:712 vor952. Die Verfasser vermeiden es, die Institution als Strafe zu bezeichnen. Sie nehmen an, dass die verschiedenen Rechtsordnungen die Pauschalierung von Schadensersatz unterschiedlich regeln. Einerseits erkennen andere die Schadenspauschalen als zulässig an, es sei denn, die vereinbarte Summe übersteigt den Schaden aus der Nichterfüllung nicht exzessiv. Ist dies der Fall, so liegt eine unzulässige Strafe vor, die wegen der Abschreckungsfunktion unwirksam ist. Andererseits gibt es die Rechtssysteme, die die Wirksamkeit von Strafsummen zulassen. Um allerdings Missbräuche effektiv zu bekämpfen, wird auch ein richterliches Herabsetzungsrecht vorgesehen. Der DCFR setzt sich für das letztere Modell ein, genauer gesagt für eine Konzeption, die auch im deutschen Recht gilt. Demgemäß sind die vereinbarten Summen für Nichterfüllung zulässig, selbst wenn sie den tatsächlichen Schaden übersteigen953. Die Straffunktion ist grundsätzlich akzeptabel954. In diesem Sinne folgt der DCFR dem Beispiel der PECL.

951

Der Text des Avant-projet ist in Schulze/Zimmermann (Hrsg.), Basistexte2, S. 473 ff. zu finden. Vgl. auch Le Goff, Vertragsstrafe, S. 255 ff.; Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/ Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1704. Der Avant-projet regelt die Vertragsstrafe in Art. 170. In Abs. 2 ist das Ermäßigungsrecht im Fall der Unverhältnismäßigkeit vorgesehen. Die Herabsetzung kommt aber auch in Betracht, wenn der Schuldner eine teilweise Erfüllung bewirkt hat, ohne dass der Gläubiger diese zurückgewiesen hat. Art. 170: „Vertragsstrafe: (1) Wenn die Parteien beim Abschluss des Vertrages in einer Strafklausel vereinbart haben, dass im Fall der Nichterfüllung, der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung oder des Verzugs eine bestimmte Leistung von dem Schuldner geschuldet wird, bildet diese den Schadensersatz, den der Schuldner bei Eintritt der angeführten Sachverhalte schuldet, es sei denn, die Ersatzfähigkeit des weiteren Schadens ist nicht von der Vereinbarung umfasst, Abs. 5 bleibt davon unberührt. (2) Die im vorherigen Absatz geregelte Leistung wird geschuldet, ohne dass der Gläubiger das Bestehen und den Umfang des Schadens zu beweisen hat. (3) Der Gläubiger kann nur zugleich die Vertragserfüllung und die Erfüllung der Vertragsstrafe verlangen, wenn die Vertragsstrafe schon allein für den Verzug vereinbart ist. (4) Die Strafe kann gerichtlich nach Billigkeit gemindert werden, wenn der Schuldner eine teilweise Erfüllung bewirkt hat, ohne dass der Gläubiger diese zurückgewiesen hat, oder wenn die Höhe der Strafe in Hinblick auf das Erfüllungsinteresse des Gläubigers offensichtlich unverhältnismäßig ist. (5) In Verträgen unter Beteiligung eines Verbrauchers sind die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertrages enthaltenen Strafklauseln zu Lasten des Verbrauchers stets unwirksam.“ 952 Art. III.–3:712: „Stipulated payment for non-performance (1) Where the terms regulating an obligation provide that a debtor who fails to perform the obligation is to pay a specified sum to the creditor for such non-performance, the creditor is entitled to that sum irrespective of the actual loss. (2) However, despite any provision to the contrary, the sum so specified in a contract or other juridical act may be reduced to a reasonable amount where it is grossly excessive in relation to the loss resulting from the non-performance and the other circumstances.“ Vgl. auch Aedtner, Vertragsstrafe, S. 77 f. 953 Bezüglich des Schadensersatzes im DCFR siehe Schmidt-Kessel, in: Schulze (Ed.), New Features in Contract Law, S. 183 ff.

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Rechtfertigungsgrund der Herabsetzungsmöglichkeit ist die Tatsache, dass die unbeschränkte Vertragsfreiheit zu missbräuchlichen Situationen führen kann955. Infolgedessen ist die Vorschtift zwingender Natur, wie es auch ausdrücklich vorgesehen wird. Außer in den Fällen der Willensmängel liegt eine charakteristische Ausbeutungssituation vor, wenn eine Unangemessenheit zwischen der vereinbarten Summe und dem tatsächlichen Schaden besteht, den der Gläubiger durch die Nichterfüllung erleidet. Dennoch wird dem Gericht keine allgemeine Eingriffsbefugnis zuerkannt. Die Vorschrift besitzt Ausnahmecharakter. Aus diesem Grund muss nicht nur ein Missverhältnis zwischen beiden vorgenannten Größen bestehen, dieses muss vielmehr gröblich sein. Außerdem wird auch eine Untergrenze gesetzt. Diese Grenze bildet der tatsächlich entstandene Schaden und zugleich der Wille der Parteien, der Vereinbarung eine Straffunktion zu verleihen. Der Richter kann deshalb die vereinbarte Summe nicht auf den Betrag des tatsächlichen Schadens reduzieren956. Erwähnenswert ist auch, dass die Regelung nicht nur auf Verträge, sondern auch auf einseitige richterliche Anordnungen Anwendung finden soll. Die Summen, die durch Rechtsvorschriften auferlegt worden sind, können aber von Gerichten nicht herabgesetzt werden, es sei denn, dies ist ausdrücklich angeordnet957. Zum Begriff der exzessiven Höhe enthält der DCFR im Vergleich zu den PECL keine Differenzierung. Gemäß der offiziellen Kommentierung bildet eine Abwägung zwischen der vereinbarten Summe und dem vom Gläubiger tatsächlich erlittenen Schaden die Grundlage der Kontrolle. Dabei ist eine umfassende Nachprüfung aller Merkmale des Einzelfalls durchzuführen. Der Entwurf nennt als Kriterium ausdrücklich die Mitwirkung des Gläubigers bei der Entstehung oder der Steigerung des Schadens (z. B. durch Unterlassung erforderlicher Maßnahmen)958. Es ist aber davon

954 Vgl. die offizielle Kommentierung in v. Bar/Clive (Ed.), Principles, Art. III.–3:712, S. 962. 955 Mehr zum Missbrauch und zum Schutz der schwächeren Partei siehe in Somma, in: Schulze (Ed.), New Features in Contract Law, S. 25 ff.; Gutmann, in: Schulze (Ed.), New Features in Contract Law, S. 49 ff. 956 Vgl. v. Bar/Clive (Ed.), Principles, Art. III.–3:712, S. 962 f. Die Kommentierung illustriert folgendes Beispiel, um die Anwendung der Vorschrift zu erleuchten: „A supplies equipment to B on lease for five years at a rent of E 50000 a year. The agreement provides that in the event of termination because of default by B in performing its obligations B is to pay A by way of agreed damages a sum equal to 80 % of the future rentals. In the light of circumstances existing at the time of the contract this stipulation is not unreasonable. After a year A terminates because of B’s default in payment. As the result of an unexpected increase in the demand for the type of equipment in question A, having secured the return of the equipment, is able to re-let it at twice the rent payable under the original lease. The court may reduce the agreed damages payable so as to take account of this fact.“ Es ist bemerkenswert, dass der DCFR dem Beispiel von PECL folgt, was den Einfluss von PECL auf den Entwurf zeigt. 957 v. Bar/Clive (Ed.), Principles, Art. III.–3:712, S. 963. 958 Vgl. v. Bar/Clive (Ed.), Principles, Art. III.–3:712, S. 963.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

auszugehen, dass alle Gesichtspunkte des Einzelfalls mitberücksichtigt werden müssen, so wie es auch im deutschen Recht akzeptiert wird. Die vorhergehende Ausführung im Zusammenhang mit der Institution der vereinbarten Leistung für Nichterfüllung kann mit folgenden Überlegungen zusammengefasst werden: Der DCFR sieht eine Institution vor, die gleichzeitig Druck- und Ausgleichsfunktion hat. Dies bringt sie dem deutschen Recht nahe. Die Regelung folgt daher dem kontinentaleuropäischen Vorbild. Dagegen kennen die common lawRechtsordnungen (z. B. England, Irland) die bereits erwähnte Differenzierung zwischen penalty clauses und liquidated damages959. Sehr verbreitet ist die Konzeption der richterlichen Ermäßigung der stipulierten Summe. Die meisten Rechtsordnungen in Europa enthalten eine entsprechende Regelung, obwohl es einzelne Differenzierungen (z. B. Ausschluss der Herabsetzung zwischen Kaufleuten) in den jeweiligen Rechtsordnungen gibt960. Diese Verbreitung spricht für die Bedeutung der Institution, welche die Verfasser des DCFR nicht übersehen könnten. Damit hat sich die kontinentaleuropäische Tradition durchgesetzt. Zugleich ist davon auszugehen, dass die Herabsetzung im Mittelpunkt des Rechts der Vertragsstrafe steht. Dies ist auch im Rahmen der Vereinheitlcihungsversuche auf europäischer Ebene (PECL, DCFR) ersichtlich. Das vorliegende Ergebnis weist darauf hin, dass die Ermäßigung auch in einem zukünftigen europäischen Vertragsrecht möglich ist. e) Meuere Entwicklungen Die Europäische Kommission hat eine Expertengruppe (Commission Expert Group on European Contract Law) für einen Common Frame of Reference im Gebiet des Vertragsrechts Ende April 2010 eingesetzt, um den DCFR wieder zu rekonstrualisieren961. Nach der Aufnahme der Arbeit von der Expertengruppe hat die Kommission ein Grünbuch unter dem Titel „Optionen für die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen“ veröffentlicht und damit einen Konsultationsprozess in Gang gesetzt962. Trotz des Ablaufs der Konsultationsfrist hat sich die Kommission für ein „optionales Instrument“ entschieden. Am 03. Mai 2011 erschien das Egebnis der Konsultation der Arbeitsgruppe unter dem Titel „Feasibility Study for a Future Instrument in European Contract Law“ 959 Im schottischen Recht findet aber eine Reform statt, deren Vorbild die Regelung der DCFR ist. Vgl. Penalty Clauses (Scotland) Bill in www.scotland.gov.uk/Resource/Doc/254431/ 0101206.pdf (Stand: 30. 11. 2013). 960 Vgl. umfassend in v. Bar/Clive (Ed.), Principles, Art. III.–3:712, S. 965 f. mit Informationen über die Reduktion im österreichischen, dänischen, finnischen, schwedischen, slowenischen, niederländischen, italienischen, französischen, luxemburgischen, polnischen, griechischen, estnischen, deutschen, tschechischen, belgischen, spanischen, portugiesischen und slowakischen Recht. 961 Beschluss 2010/233/EU der Kommission v. 26. April 2010 zur Einsetzung einer Expertengruppe für einen gemeinsamen Referenzrahmen im Bereich des europäischen Vertragsrechts, ZeuP 2010, 951 ff. 962 Siehe KOM(2010) 348 endgültig. Dazu RabelsZ 2011, 371 ff.

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(Machbarkeitsstudie zu einem optionalen Instrument im europäischen Vertragsrecht) (FS ECL)963. Art. 170 FS ECL trägt den Titel „Stipulated payment for non-performance“ und sein Inhalt lautet: „(1) Where the contract provides that a debtor who fails to perform the obligation is to pay a specified sum tot he creditor for such non-performance, the creditor is entitled to that sum irrespective of the actual loss. (2) However, despite any provision to the contrary, the sum so specified in the contract may be reduced to a reasonable amount where it is grossly excessive in relation to the loss resulting from the non-performance and the other circumstances.“

Die Vorschrift hat die entsprechende Regelung des DCFR (Art. III.–3:712) fast wörtlich übernommen. Dies bestätigt den Willen des europäischen Gesetzgebers einerseits die Unterschiede zwischen der englischen und den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen hinsichtlich der Vertragsstrafe zu überwinden und andererseits eine Herabsetzungsmöglichkeit zu institutionalisieren. Der als Meilenstein in der Entwicklung des europäischen Vertragsrechts bezeichnete Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht wurde am 11. Oktober 2011 publiziert964. Die unübersehbare Bedeutung des Vorschlags liegt genau darin, dass es sich um einen Text handelt, der über die Grenzen der theoretischen Gestaltung des Rechts hinausgeht. Zum ersten Mal wird eine der Kernmaterien des Privatrechts, das heißt das Kaufrecht, durch einen Verordnungsvorschlag einheitlich in der Europäischen Union geregelt965. Hinsichtlich des Anwendungsbereiches soll das Europäische Kaufrecht sachlich zumindest auf grenzüberschreitende Warenkaufverträge Anwendung finden. Betreffs des persönlichen Anwendungsbereiches soll es sowohl für das Verhältnis von Unternehmen zu Verbrauchern (B2C) als auch für das Verhältnis zwischen Groß- und Kleinunternehmen (B2B) gelten. Im Gegensatz zum UNKaufrecht ist das Gemeinsame Europäische Kaufrecht erst durch eine Auswahl der Parteien (opt-in) auch für Verbraucher anwendbar. Das CESL wird durch auffällige Lückenhaftigkeit charakterisiert, die dem zeitlichen Druck der Redaktoren geschuldet sein muss966. Vorschriften über die Vertragsstrafe fehlen. Dies ist ein Mangel, der eher dem Zeitdruck als einem Redakti963 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/contract/files/feasibility_study_final.pdf (zuletzt abgerufen am 30. 11. 2013); abgedruckt auch in Schulze/Zimmermann, Basistexte4, S. 769 ff. 964 KOM(2011) 635 endgültig. Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht (GEK) wird nach seinem englischen Titel (Common European Sales Law) mit dem Akronym CESL bezeichnet, der vorliegende Entwurf (Draft) figuriert als DCESL. Der Verordnungsentwurf, dem das Kaufrecht als Anhang I angefügt ist, wird als PR CESL bezeichnet (Proposal for a Regulation on a European Sales Law). Abrufbar unter: http://gesetzgebung.beck.de/sites/gesetzgebung.beck. de/files/KOM-2011 – 635.pdf (zuletzt abgerufen am 30. 11. 2013). Mehr dazu in Eidenmüller/ Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269. 965 Siehe Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269. 966 Siehe Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 271.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

onsversehen zuzurechnen ist967. Nur im Rahmen der AGB-Kontrolle (Art. 79 ff. DCESL) sieht der Verordungsvorschlag eine Regelung über die Vertragsstrafe vor. Artikel 85 (e) DCESL statuiert eine Vermutung der Unfairness einer Klausel, wenn ihr Zweck oder Wirkung darin besteht, dem Verbraucher, der seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine unverhältnismäßig hohe Entschädigung oder eine festgelegte Zahlung wegen Nichterfüllung abzuverlangen. Die Vorschrift ist eher problematisch, da sie fragmentarisch und irreführend ist. Sie berücksichtigt die Differenzierungen zwischen dem englischen und dem kontinentaleuropäischen Recht nicht. Die Vermutung ist zwar widerleglich. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot bringt gemäß deutschem Recht die Unwirksamkeit intransparenter Vertragsklauseln mit sich und ist auch Bestandteil der Unfairness-Kontrolle im Verordnungsvorschlag. In der Praxis wird es ziemlich schwer sein, die Unfairnessvermutung des DCESL zu widerlegen. Es kann ausnahmsweise jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass solche Klauseln auch gegenüber Verbrauchern erlaubt sind. Dies kann vor allem unter Unternehmen die Regel sein. Darüber hinaus sind individualvertraglich vereinbarte Vertragsstrafen grundsätzlich wirksam. In diesem Bereich unterscheidet sich der Vorschlag von anderen Initiativen nicht, die einfach nichtlegislativer Natur waren (z. B. DCFR). Dennoch wird von einem Verordungsvorschlag, der allgemeine, in allen Teilen verbindliche und unmittelbare Wirkung entfaltet, mehr Klarheit erwartet. Der Vorschlag lässt das Problem der Zulässigkeit der Einbeziehung von Vertragsstrafen in Verträge offen. Die Fragen, ob auch englische Unternehmer Strafklauseln vereinbaren können oder dies für englische Unternehmer nur dann gelten soll, wenn sie das CESL über den Umweg deutschen Rechts wählen, bleiben unbeantwortet. Wenn angenommen wird, dass das CESL die allgemeine Frage der Zulässigkeit von Vertragsstrafen dem nationalen Recht überlässt, wird die europaweit einheitliche AGB-Verwendung schwächer. Auch hinsichtlich der tradierten europäischen Regel der Herabsetzung auf einen angemessenen Betrag schweigt der Vorschlag968. Diese externe Lücke ist nach dem nationalen Recht auszufüllen969. Bevor der europäische Gestzgeber die Zulässigkeit der Strafklauseln in B2B- und B2C-Veträge geregelt hätte, hätte er das Thema der Unterschiede zwischen dem common und dem civil law berücksichigen sollen970. Gleichzeitig und unabhängig von der Vorbereitung des CESL hat die Europäische Kommission eine tiefgreifende Reform des Verbraucher-acquis vorgeschlagen. Zunächst kam der Vorschlag einer Richtlinie über Rechte des Verbrauchers am 08. Oktober 2008 an die Öffentlichkeit971. In der Zwischenzeit haben langwierige 967

Kritisch Zimmermann, JBl. 2012, 2, 10 sowie Looschelders, AcP 212 (2012), 581, 666. Vgl. Jansen, Revision des Verbraucher-acquis? (im Internet unter www.zew.uni-bonn. de/index.htm?/schriften.htm abrufbar. Stand: 30. 11. 2013). 969 Vgl. Looschelders, AcP 212 (2012), 581, 666 f. 970 Umfassende Kritik in Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 278 ff. Vgl. auch Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, Common Market Law Review 2011, 1077, 1095 f. 971 KOM(2008) 614 endgültig. 968

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Beratungen zur Verbraucherrechte-Richtlinie vom 25. Oktober 2011 geführt972. Diese ersetzt die vertriebsbezogenen Richtlinien über Haustür- und Fernabsatzverträge und reformiert die Klausel- und Verbrauchsgüterkauf-Richtlinien nur marginal973. Hinsichtlich der Strafklauseln berührt die Richtlinie die bisherige Rechtslage im Bereich der AGB-Inhaltskontrolle nicht. 2. Rechtsvereinheitlichungsversuche auf internationaler Ebene a) Das UN-Kaufrecht Bedeutend für den internationalen Warenkauf ist das UN-Kaufrecht, genauer gesagt die United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG). Das Wiener Übereinkommen wurde am 11. April 1980 unterschrieben. Es wurde in Deutschland ratifiziert und verkündet und trat am 01. Januar 1991 als Teil des deutschen Privatrechts in Kraft974. Die praktische Bedeutung des Übereinkommens liegt nicht nur in der Tatsache, dass es einen für den grenzüberschreitenden Geschäfts- und Rechtsverkehr sehr wichtigen Bereich regelt, sondern auch in dem Umstand, dass es Vorrang vor dem deutschen Kollisionsrecht als Einheitsrecht genießt. Bezüglich der Vertragsstrafe bleibt festzuhalten, dass das Übereinkommen keine ausdrückliche Regelung enthält, obwohl Strafklauseln in internationalen Warenkaufverträgen häufig anzutreffen sind. Diese Lücke war unvermeidbar, da die zwei großen Rechtsfamilien des common und des civil law einen erheblichen Unterschied in diesem Punkt aufweisen975. Aus diesem Grund wird die Zulässigkeit von Vertragsstrafen nach dem gemäß Kollisionsrecht anwendbaren nationalen Recht und nicht nach dem Übereinkommen beurteilt976. Die Art. 74 ff. CISG regeln die Frage des Schadensersatzes aber als dispositives Recht. Die Festlegung fixer Schadens-

972

Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. 2011 L 304/64 – 88. 973 Siehe Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 271. 974 BGBl. 1989 II S. 588. 975 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79 CISG Rn. 51; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 207; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 248 f.; Aedtner, Vertragsstrafe, S. 78. 976 Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1705; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 CISG Rn. 40. Zum Haager Einheitlichen Kaufgesetz, das durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf ersetzt worden ist, und zur richterlichen Kontrolle von Vertragsstrafen siehe Schlechtriem, in: Leser/Marschall von Bieberstein (Hrsg.), Das Haager Einheitliche Kaufgesetz, S. 51 ff.

470

Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

ersatzsummen kann daher als freie Vereinbarung der Parteien bestimmt werden977. Das Problem der Differenzierung zwischen der common-law-Tradition, die zwischen zulässigen Schadenspauschalierungen (liquidated damages) und unzulässigen Vertragsstrafen (penalties) unterscheidet, und der civil-law-Tradition, die beide Rechtsinstitute für zulässig hält, ist maßgeblich. Anders als andere Rechtsvereinheitlichungsversuche, die beide Institute als einheitliches Institut mit sanktionierender und zugleich ausgleichender Funktion konzipieren und auch eine gerichtliche Herabsetzung bei Vorliegen eines groben Missverhältnisses zwischen der fixierten Summe und dem tatsächlichen Schaden anordnen, um das vorgenannte Hindernis zu überwinden978, enthält das Übereinkommen keine ähnliche Regelung. Es wird aber die Meinung vertreten, dass die gleichen Maßstäbe auch an eine Vertragsklausel, die Art. 74 CISG modifiziert, angelegt werden sollten979. b) Die Principles of International Commercial Contracts (PICC) von UNIDROIT UNIDROIT (International Institute for the Unification of Private Law) ist eine unabhängige Internationale Organisation, deren Zweck die Arbeit für die internationale Vereinheitlichung des Privatrechts ist. Zu den Methoden, die UNIDROIT entwickelt, um dieses Ziel zu erreichen, zählen auch die Grundregeln zur Harmonisierung des Zivil- und insbesondere des Handelsrechts. Zu beachten sind vor allem die „Grundregeln für internationale Handelsverträge“ (Principles of International Commercial Contracts, PICC), deren erste Fassung im Jahre 1994 und die zweite erweiterte im Jahre 2004 veröffentlicht wurde. Im Mai 2006 trat die dritte Arbeitsgruppe zusammen, um mit der Vorbereitung der nächsten Version der Grundregeln zu beginnen. Wiederum soll die alte Version mehr oder weniger unangetastet bleiben und vier bis fünf neue Themenbereiche hinzugefügt werden980. Die dritte Fassung wurde 2010 veröffentlicht. Sie umfasst 211 Artikel und enthält nur in bestimmten Bereichen Änderungen (z. B. Bedingungen, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern)981. Umstritten ist die Rechtsnatur der UNIDROIT-Prinzipien in der Literatur, ob es sich um eine eigenständige Rechtsordnung oder nur Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Liest man die Präambel der UNIDROIT-Prinzipien (2010), so wird der Anwendungsbereich beschrieben. Die Prinzipien können dann angewendet werden, „when the parties have agreed that their contract be governed by them“ 977 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 74 CISG Rn. 58; Soergel/Lüderitz/ Dettmeier, Vor Art. 74 CISG Rn. 13. Eingehend dazu Zeller, Pace International Law Review 23 (2011), 1, 10 ff. 978 Mehr dazu unten Teil 3 C. III. 2. c). 979 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 74 CISG Rn. 59. 980 Vgl. www.unidroit.org/english/workprogramme/study050/s-050-listofdocs2006 – 2010. htm (Abruf: 30. 11. 2013). 981 Vgl. www.unidroit.org/english/principles/contracts/main.htm (Abruf: 30. 11. 2013).

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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(Abs. 2)982, „when the parties have agreed that their contract be governed by general principles of law, the lex mercatoria or the like“ (Abs. 3), „when the parties have not chosen any law to govern their contract“ (Abs. 4). Ferner können sie angewendet werden „to interpret or supplement international uniform law instruments“ (Abs. 5) und „to interpret or supplement domestic law“ (Abs. 6). Die vorgenannte Formulierung eröffnet dem Rechtsanwender, nationalem Richter oder internationalem Schiedsrichter, die Möglichkeit, diese anzuwenden, selbst wenn die Parteien keinen Bezug darauf genommen haben. Dies bedeutet, dass die Prinzipien nicht nur den Charakter Allgemeiner Geschäftsbedingungen haben, die die Parteien im Rahmen internationaler Verträge verwenden können, sondern dass sie einen von den nationalen Rechtsordnungen autonomen Rechtsraum bilden, der eine selbstständige Existenz verlangen kann983. Alle drei Fassungen der UNIDROIT-Principles regeln die Vertragsstrafe in Art. 7.4.13984. Abs. 1 erkennt die Institution des agreed payment for non-performance an. Damit ist die vereinbarte Leistung des Schuldners an den Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung der Hauptpflicht gemeint. Um die Unterschiede zwischen der Ausgleichsfunktion der liquidated damages durch das common law und der überwiegenden Druckfunktion der Vertragsstrafe durch das civil law zu vermeiden, haben die Verfasser des Textes die neutrale Formulierung agreed payment for nonperformance bewusst ausgewählt985. Durch die Anerkennung der Zulässigkeit der vereinbarten Zahlung wegen Nichterfüllung unabhängig vom tatsächlichen Schaden haben sie sich für eine Bifunktionalität eingesetzt, wie diese in der Konzeption der Vertragsstrafe im deutschen Recht ersichtlich ist986. Für die hier behandelte Problematik ist jedoch besonders interessant, dass Abs. 2 ein Ermäßigungsrecht einführt. Voraussetzung dafür ist die Unangemessenheit der Höhe der vereinbarten Summe im Vergleich zum tatsächlichen Schaden und zu anderen Umständen. Daraus 982 Vgl. den Hinweis: „Parties wishing to provide that their agreement be governed by the Principles might use the following words, adding any desired exceptions or modifications: ,This contract shall be governed by the UNIDROIT Principles (2010) [except as to Articles …]‘. Parties wishing to provide in addition for the application of the law of a particular jurisdiction might use the following words: ,This contract shall be governed by the UNIDROIT Principles (2010) [except as to Articles…], supplemented when necessary by the law of [jurisdiction X].‘“ 983 Le Goff, Vertragsstrafe, S. 250 f. m. w. N. in Hinsicht auf Schiedsurteile. 984 Art. 7.4.13: „Agreed payment for non-performance. (1) Where the contract provides that a party who does not perform is to pay a specified sum to the aggrieved party for such nonperformance, the aggrieved party is entitled to that sum irrespective of its actual harm. (2) However, notwithstanding any agreement to the contrary the specified sum may be reduced to a reasonable amount where it is grossly excessive in relation to the harm resulting from the nonperformance and to other circumstances.“ 985 UNIDROIT, Principles of International Commercial Contracts, Comment to Art. 7.4.13; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 208; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 251 ff.; Aedtner, Vertragsstrafe, S. 78; Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1704; Vogenauer/Kleinheisterkamp/McKendrick, Art. 7.4.13 Rn. 1 ff. 986 Steltmann, Vertragsstrafe, S. 208; Le Goff, Vertragsstrafe, S. 252.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

folgt, dass eine umfassende Abwägung aller Umstände und Merkmale des Einzelfalls notwendig ist. Wichtiger Gesichtspunkt ist die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens, ohne dass sie aber das einzige Kriterium ist. Ziel ist die Bekämpfung von Missbräuchen987. Diese Zielsetzung unterstreicht auch den zwingenden Charakter des Abs. 2. Ausdrücklich bemerkt die offizielle Kommentierung, dass die vereinbarte Summe nur herabgesetzt werden darf. Weder die vollständige Beseitigung noch die Heraufsetzung können nach Abs. 2 begründet werden988. Die Regelung stößt jedoch auf Kritik. Es wird die Meinung vertreten, dass das richterliche Herabsetzungsrecht im Hinblick auf Handelsverträge keine effektive Lösung sei. Die Rechtssicherheit werde durch diese rigide Regelung beeinträchtigt, weil die Abreden der Beteiligten am internationalen Handelsverkehr Schnelligkeit und Bestimmtheit benötigten. Aus diesem Grund wäre es besser, wenn das Herabsetzungsrecht keinen zwingenden Charakter besäße, sondern die Parteien dieses ausschließen könnten989. Dieser Tendenz folgt auch der deutsche Gesetzgeber und zwar aus denselben Gründen, die sich auf die Rechtssicherheit der Handelsverträge stützen (§ 348 HGB). Dennoch soll die Bestimmung des Abs. 2 nicht überraschen. Die Principles of European Contract Law (PECL) enthalten die gleiche Formulierung und weisen eine Ähnlichkeit auf990. Darüber hinaus ist die deutsche Regelung des § 348 HGB, die das Ermäßigungsrecht im Handelsverkehr ausschließt, umstritten. In anderen Rechtsordnungen des kontinentaleuropäischen Rechtsraums gilt für Vollkaufleute keine Ausnahme (z. B. Frankreich, Griechenland, Spanien)991. Der Grund liegt darin, dass der Gesetzgeber die Gerechtigkeit durch die Kontrolle unangemessener Situationen statt der Rechtssicherheit im Sinne der Aufrechthaltung des Vereinbarten bevorzugt. Zusammenfassend ist zu betonen, dass Art. 7.4.13 Abs. 2 der UNIDROIT-Principles die Tradition des civil law und nicht des common law widerspiegelt, obwohl in der Organisation von UNIDROIT auch common-law-Länder Mitglieder sind.

987

UNIDROIT, Principles of International Commercial Contracts, Comment to Art. 7.4.13. Vgl. auch Alpa/Andenas, Grundlagen des Europäischen Privatrechts, S. 230 f.; Vogenauer/ Kleinheisterkamp/McKendrick, Art. 7.4.13 Rn. 16 ff. 988 Aufschlussreich für die Anwendung ist die Illustration der Kommentierung von Art. 7.4.13 in UNIDROIT, Principles of International Commercial Contracts: „A enters into a contract with B for the purchase of machinery which provides for 48 monthly payments of 5,000 euros. The contract contains a clause allowing immediate termination in the event of nonpayment by A of one instalment, and authorises B to keep the sums already paid and to recover future instalments as damages. A fails to pay the eleventh instalment. B keeps the 50,000 euros already paid and claims, in addition to the return of the machinery, the 190,000 euros representing the 30 outsatnding instalments. The court will reduce the amount since A’s nonperformance would result in a grossly excessive benefit for B.“ 989 Vgl. Le Goff, Vertragsstrafe, S. 252 f. 990 Vgl. oben Teil 3 C. III. 1. c). 991 Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 208.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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c) Die Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance von UNCITRAL Die Versuche der Arbeitsgruppe von UNCITRAL haben zu einem Vorschlag des Rechts der Vertragsstrafe unter dem Namen Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance im Jahre 1983 geführt992. Die mehrjährigen Vorarbeiten haben sich auch mit dem Problem beschäftigt, ob dieser Vorschlag als Übereinkommen oder als model law verabschiedet werden muss993. Der Vorschlag sah das Ermäßigungsrecht in Art. 8 vor994. Wenn man die zwei Fassungen des Draft Art. G und des Art. 8 vergleicht995, bemerkt man folgende Unterschiede: Erstens ist die zweite Voraussetzung der Ermäßigung nach Art. G Abs. 2 („and if the agreed sum cannot reasonably be regarded as a genuine pre-estimate by the parties of the loss likely to be suffered by the obligee“) in der Endfassung des Art. 8 nicht mehr zu finden. Zweitens wurde die erste Voraussetzung „grossly disproportionate“ in „substantially disproportionate“ umgewandelt. Diese Änderung scheint nicht erheblich zu sein996. Dagegen ist die erste Umformulierung maßgeblich. Die Mitglieder der Kommission wollten die Herabsetzung durch die Streichung der „genuine pre-estimate“-Voraussetzung erleichtern. Dennoch werfen die Diskussionen nicht viel Licht auf die Behandlung des Problems. Im Kernpunkt stand mehr das Problem, ob die zwei Voraussetzungen alternativ oder kumulativ nebeneinander stehen sollten997. Aus diesem Grund ist es schwierig, den tatsächlichen Willen der Verfasser herauszufinden998. 992 Vgl. oben Teil 3 C. II. 2. Vgl. eingehend dazu auch Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 788 ff.; Baum, Vertragsstrafe, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1704 f. 993 Vgl. UNCITRAL, Report of the Commission on its annual session, International Contract Practice: Uniform Rules on Liquidated damages and penalty clauses, II (A/38/17), in: Yearbook 1983, Vol. XIV, S. 5 ff. und Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 804 ff. 994 Art. 8 (früher Draft Art. G): „The agreed sum shall not be reduced by a court or arbitral tribunal unless the agreed sum is substantially disproportionate in relation to the loss that has been suffered by the obligee.“ Der Vorschlag ist als UNCITRAL, Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance (A/38/17, annex I) (A/CN.9/243, annex I), in: Yearbook 1983, Vol. XIV, S. 272 f. zu finden. 995 Vgl. auch eine Zwischenfassung in UNCITRAL, Report of the Secretary-General: Revised Text of Draft Uniform Rules on Liquidated Damages and Penalty Clauses (A/CN.9/ 235), in: Yearbook 1983, Vol. XIV, S. 27 ff. 996 Vgl. Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 811. 997 Vgl. UNCITRAL, Draft Uniform Rules on Liquidated Damages and Penalty Clauses, Summary records of the 255th to 261st meetings, fifteenth session (New York, 26 July-6 August 1982) (A/CN.9/SR.255 – 261), in: Yearbook 1983, Vol. XIV, S. 202, 227 ff. und UNCITRAL, Draft Uniform Rules on Liquidated Damages and Penalty Clauses, Summary records of the 270th to 278th and 282nd to 283rd meetings, sixteenth session (Vienna, 24 May-2 June 1983) (A/CN.9/SR.270 – 278, 282 – 283), in: Yearbook 1983, Vol. XIV, S. 229, 259 ff.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Am 19. Dezember 1983 fand die 101. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen statt. In der entsprechenden Resolution, die erlassen wurde, ist zu lesen: „The General Assembly recommends that States should give consideration to the Uniform Rules on Contract Clauses for An Agreed Sum Due upon Failure of Performance adopted by the United Nations Commission on International Trade Law and, where appropriate, implement them in the form of either a model law or a convention.“999

Trotz der Resolution ist der Versuch von UNCITRAL fehlgeschlagen. Das Verfahren ist seit 1983 stillgelegt worden. Es gibt keine Informationen über nächste Schritte der Staaten in Richtung des Zustandekommens einer Konvention oder eines model law. Aus diesem Grund ist die Frage über das Scheitern des mehrjährigen Vereinheitlichungsversuchs von großer Bedeutung. Die Beantwortung der Frage über die Gründe, die dazu geführt haben, ist wegen der fehlenden Dokumentation nach der Veröffentlichung der Resolution keine leichte Aufgabe1000. Als logische Begründung scheint die unüberbrückbare Kluft zwischen common und civil law in Betracht zu kommen. Obwohl sich alle Mitglieder darauf geeinigt haben, dass die unterschiedlichen Konstellationen der liquidated damages und der Vertragsstrafen eine Hindernis darstellen, die den internationalen Geschäftsverkehr erschweren, waren die Uniform Rules sehr belastend für Staaten, die eine tiefgreifende Kontrolle übermäßiger Klauseln befürworteten. Die Vorstellung, dass die vorgeschlagene Regelung kein genügendes Mittel zum Schutz der schwächeren Partei sei, soll ein Grund zum Scheitern des Vorhabens sein1001. Ein fehlendes Interesse an der Fortsetzung des Gesetzgebungsversuches ist bis heute ersichtlich. Ohne weitreichendere 998

Vgl. ausführlich Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 810 ff. 999 General Assembly Resolution 38/135 (Dec. 19, 1983). Als Erwägungsgründe sind zu lesen: „Recognizing that a wide range of international trade contracts contain clauses obligating a party that fails to perform an obligation under contract to pay an agreed sum to the other party, Noting that the effect and validity of such clauses are often uncertain owing to disparities in the treatment of such clauses in various legal systems, Believing that these uncertainties constitute an obstacle to the flow of international trade, Being of the opinion that it would be desirable for the legal rules applicable to such clauses to be harmonized so as to reduce or eliminate the uncertainties concerning such clauses and remove these uncertainties as a barrier to the flow of international trade, Noting that the United Nations Commission on International Trade Law has adopted Uniform Rules on Contract Clauses for An Agreed Sum Due upon Failure of Performance, Recognizing that there are various ways in which the Uniform Rules on Contract Clauses for An Agreed Sum Due upon Failure of Performance could be implemented by States, and being of the opinion that a recommendation by the General Assembly to states that they should implement the Uniform Rules in an appropriate manner would not prejudice the Assembly from making a further recommendation or taking further action with respect to the Uniform Rules if circumstances so warrant (…)“. 1000 Vgl. Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 813. 1001 Vgl. Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 813 f.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

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Informationen und Dokumentationen ist aber nicht möglich, dieses Ergebnis mit Sicherheit zu belegen1002. 3. Zusammenfassung: Perspektiven einer Rechtsvereinheitlichung in der Zukunft Im internationalen Rechtsverkehr sind zwei Systeme bezüglich des Rechts der Vertragsstrafe ersichtlich. Einerseits erkennen die civil-law-Rechtsordnungen, die im europäischen Raum herrschen, die Zulässigkeit von Strafsummen an. Unabhängig von ihrer Höhe sind diese wirksam und die Druckfunktion, die den Schuldner zur Erbringung der Hauptleistung zwingt, kann Ziel einer Vereinbarung sein. Die Grenze der Vertragsfreiheit wird durch eine gesetzliche Regelung gesetzt, die ein richterliches Ermäßigungsrecht einführt. Andererseits gibt es die Rechtsordnungen der common-law-Tradition, die jede Strafvereinbarung (sog. penalty clause) verbieten. Nur die sog. liquidated damages ohne Modifizierungsmöglichkeit sind zulässig. Dabei entsteht das schwierige Abgrenzungsproblem zwischen beiden Institutionen. Betrachtet man diese Unterschiede sowie die Tatsache, dass die Strafklauseln in der Erscheinungsform der stipulated sum for non-performance weite Verbreitung in der internationalen Praxis finden und Inhalt verschiedener Verträge sind1003, so entsteht die Frage, ob die Rechtsvereinheitlichung überhaupt wünschenswert ist. Dies ist zu bejahen, da die sich aus den unterschiedlichen Konzeptionen der jeweiligen Rechtsordnung ergebenden Hindernisse den internationalen Geschäftsverkehr erschweren können. Diese Notwendigkeit ist seit Jahrzehnten sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene deutlich geworden. Aus diesem Grund wurde sie von vielen Rechtsvereinheitlichungsvorschlägen und Gesetzgebungsversuchen begleitet1004. Beim Streben nach einem einheitlichen Recht der Vertragsstrafe stellt sich ferner die Frage, ob die Vereinheitlichung isoliert erreicht werden kann. Es ist festzuhalten, dass einige Versuche bis heute nur das Recht der Vertragsstrafe zum Gegenstand hatten (z. B. Benelux-Konvention, Resolution des Europarates, UNCITRAL-Vorschlag). Diese Versuche und insbesondere der Versuch von UNCITRAL scheiterten trotz der Bemühungen der jeweiligen Kommission und deren Arbeit. Eine überzeugende Begründung dafür schlägt Steltmann vor. Es bestünden ernste Bedenken gegen diese isolierte Rechtsvereinheitlichung. Das Recht der Vertragsstrafe sei nicht getrennt vom allgemeinen Vertrags- und Haftungsrecht zu betrachten, weil diese neben der Abschreckungs- auch eine Schadensausgleichsfunktion besitze. Daher könne ein Vereinheitlichungsversuch, der sich ausschließlich auf das Recht der 1002 Auch Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779, 813 f. gibt zu, dass es um Vermutungen gehe. 1003 Solórzano, Law and Business Review of the Americas Vol. 15 (2009), 779 ff. 1004 Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 210 f.

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Teil 3: Spezialfragen der Ermäßigung von Vertragsstrafen

Vertragsstrafe konzentriere, zu Brüchen im System des Vertragsrechts führen. Er sei deswegen nur als hilfsweise Lösung, als ultimum refugium zu akzeptieren1005. Dieser Ansicht ist als system- und methodengerecht zu folgen. Sie bietet eine rationale und begründete Antwort auf die Frage, warum die isolierten Vereinheitlichungsversuche zum Scheitern verurteilt sind, und setzt eine umfassende Betrachtung des Rechtsvereinheitlichungsbegriffs voraus, der sich auf das gesamte Vertrags- oder Schuldrecht erstrecken muss. Ob die Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsstrafe überhaupt möglich ist, muss von der Problematik, ob diese Vereinheitlichung auch erforderlich ist, unabhängig betrachtet werden. Obwohl dies wünschenswert wäre, ist davon auszugehen, dass sie nicht zugleich erforderlich ist. Die Rechtsordnungen enthalten vor allem Vorschriften über die Vertragsstrafen, die üblicherweise nicht zwingend sind. Es handelt sich um dispositives Recht. Nur ausnahmsweise müssen die Vertragsparteien die gesetzliche Regelung beachten. Ein typischer Fall ist das Ermäßigungsrecht. Dieser abdingbare Charakter des Rechts der Vertragsstrafe unterstreicht, dass die Vertragsfreiheit den Vorrang genießt. Die gesetzliche Regelung tritt nur hilfsweise ein. Selbst wenn es sich um zwingende Regeln handelt, so gehören diese nicht zum ordre public. Dies bedeutet, dass die Vertragsschließenden die zwingenden Vorschriften einer Rechtsordnung durch freie Rechtswahl umgehen können. Diese Möglichkeit beweist, dass die Erforderlichkeit einer Vereinheitlichung nur als gering angesehen werden kann. Das Fehlen eines einheitlichen Rechts bringt Hindernisse im internationalen Rechts- und Geschäftsverkehr mit sich. Dennoch sind diese nicht so groß, dass ein Vereinheitlichungsbedürfnis dringend wird. Die Vertragsparteien können die Schwierigkeiten, die sich aus den Unterschieden verschiedener Rechtsordnungen ergeben, durch die Wahl des für ihre Verhältnisse geeigneten Rechts verringern1006. Die vorhergehenden Ausführungen können mit folgenden Überlegungen zusammengefasst werden: Die Rechtsvereinheitlichung im Bereich der Vertragsstrafe war bis heute nicht erfolgreich. Dies ist hauptsächlich mit dem auszüglichen und isolierten Inhalt der Versuche zu erklären. Erwähnenswert ist jedoch, dass es kein Vorgehen gibt, das die Herabsetzungsmöglichkeit nicht regelt. Die isolierte Rechtsvereinheitlichung ist aus den vorgenannten Gründen abzulehnen. Dagegen hat ein umfassender Versuch zur Vereinheitlichung des gesamten Schuld- oder Vertragsrechts größere realistische Erfolgschancen. Der DCFR, der heute im Mittelpunkt steht, ist ein gutes Beispiel dafür. Jeder Entwurf sollte jedoch dem Paradigma der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen folgen. Zu berücksichtigen ist, dass die Anzahl derjenigen Rechte, die sowohl die Vertragsstrafe mit Abschreckungsfunktion als auch deren Reduktionsmöglichkeit vorsehen, größer ist, als die Zahl der Rechtsordnungen der common-law-Tradition und insbesondere im europäischen

1005 1006

Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 211 f. Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 212 f.

C. Die internationalrechtlichen Aspekte

477

Raum1007. Außerdem ist diese Konstellation praxisnäher und flexibler als das absolute Verbot von penalty clauses. Zur Annäherung beider Systeme könnte der DCFR beitragen, wie das Beispiel des schottischen Rechts in Richtung der Anerkennung solcher Klauseln und ihrer Herabsetzungsmöglichkeit gezeigt hat.

1007

Vgl. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 213 f.

Schlusskapitel A. Zusammenfassende Thesen 1. Im Rahmen des gegenwärtig komplexen Geschäfts- und Rechtsverkehrs entspricht die Sicherung der übernommenen Pflichten seitens des Schuldners einem Eigenwert. In diesem Zusammenhang kommt Vertragsstrafen, die als Klauseln der wirtschaftlich wichtigsten Verträge vereinbart werden, eine herausragende Bedeutung zu. Die Einbeziehung solcher Abreden in Verträge kann einerseits erhebliche Vorteile mit sich bringen. Andererseits erwächst daraus ein nicht zu unterschätzendes Gefahren- und Schadenspotential für den Strafschuldner. In diesem Moment gewinnt ein System des Schuldnerschutzes vor übermäßig hohen Vertragsstrafen an Bedeutung. Die Möglichkeit des Richters, die Höhe der Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag nach § 343 BGB herabzusetzen, spielt dabei eine wichtige Rolle. Aufgrund einer solchen Modifizierung der Strafvereinbarung werden die Interessen des Schuldners befriedigt. Zugleich werden aber auch die Interessen des Gläubigers und insbesondere die Aufrechterhaltung einer effizienten Vertragsstrafe abgewogen und berücksichtigt. 2. Obwohl die Ermäßigungsmöglichkeit heute für selbstverständlich gehalten wird, gestaltete sich die Rechtslage seit Jahrhunderten anders. Um eine rechtsgeschichtliche Untersuchung vorzunehmen, scheint es geboten, auf das altgriechische und römische Altertum zurückzublicken. Während die Institution der Vertragsstrafe sowohl im antiken griechischen als auch im römischen Recht bekannt war, enthalten die Quellen keine Hinweise auf ein Ermäßigungsrecht. Das byzantinische Recht des Hochmittelalters gibt allerdings Hinweise auf die ersten Elemente einer solchen Möglichkeit. Im westlichen europäischen Raum fand eine Diskussion darüber statt, ob die Grenze des Duplums, die für den Schadensersatz gilt, auch die Konventionalstrafe erfasst. Ohne eine klare Antwort auf die Frage der Strafbegrenzung zu erhalten, kommt man zu den großen Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein Teil davon (Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, Code civil) sind romanistisch geprägt und sehen keine Ermäßigungsmöglichkeit vor. Im Laufe der Zeit hat sich jedoch eine Tendenz herausgebildet, die die richterliche Korrektur der Vertragsstrafen befürwortet. Diese ist gesetzlich beschränkt (z. B. ALR) oder nach den Vorstellungen des Richters unbeschränkt (z. B. ABGB, Sächsisches BGB, OR). Sowohl die Rechtsliteratur der Pandektenwissenschaft, die das gemeine Recht interpretiert, als auch die Rechtsprechung haben sich gegen jede Kontrolle eingesetzt. Nur die Umgehung der Zinsschranken ist ausdrücklich verboten. Bei der Entstehungsgeschichte des BGB ist

A. Zusammenfassende Thesen

479

die Konzeption der Herabsetzung der übermäßigen Vertragsstrafe ein heiß diskutiertes Thema. Der erste Entwurf erwies sich als liberal. Demgemäß wird die Höhe der Strafabrede nur dem freien Willen der Vertragspartner unterstellt. Die Kritik dieser liberalistischen Betrachtung kommt seitens der Rechtsliteratur früh. Die Argumente, die 1889 im Rahmen des 20. Deutschen Juristentags vorgebracht werden, haben den Meinungsstreit bewiesen. Die heftige Kritik, die gegen den gesamten ersten Entwurf geübt wird, führt zu einem neuen gesetzgeberischen Entwurf. Der zweite Entwurf sah deshalb das Ermäßigungsrecht ausdrücklich vor und regelte es. Hinsichtlich der Begründung des historischen Gesetzgebers ist zu beachten, dass es sich um eine Vorschrift handelt, die bewusst zum Schuldnerschutz beitragen sollte. Die Untersuchung der historischen Entwicklung der Institution und besonders die Diskussionen beim Gesetzgebungsverfahren haben gezeigt, dass dies eine hochumstrittene gesetzgeberische Entscheidung war. Dennoch entspricht sie positivem Recht, das Anwendung findet, da der besondere Grund des Schuldnerschutzes zu einer solchen Lösung geführt hat. 3. Der Meinungsstreit hat sich nicht nur im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens entzündet. Der Grundsatz der Privatautonomie und speziell die Vertragsfreiheit sind in der Praxis nur dann sinnvoll, wenn die Vertragspartner ihre Verträge und deren Klauseln ohne Einwirkung Dritter abschließen können. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die richterliche Kontrolle der Vertragsstrafen nach § 343 BGB mit dem gesamten System des BGB vereinbar ist oder es sich um einen Fremdkörper handelt. Ausschlaggebend hierfür ist in erster Linie die Analyse des Inhalts der Vertragsfreiheit als ein Grundprinzip der Rechtsordnung und eine Wertentscheidung des Gesetzgebers. Ökonomische Vorteile hat die Vertragsfreiheit, indem sie der effizienten Verteilung der Güter in der Gesellschaft dient. Der juristische Aspekt ist dabei ebenfalls nicht zu übersehen, da sie ein hervorragendes Mittel zur freien Entfaltung der Persönlichkeit und zur Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben ist. Hinsichtlich der besonderen Formen der Vertragsfreiheit unterscheidet man zwischen Abschluss- und Gestaltungsfreiheit. Sie weisen unterschiedliche Merkmale auf, sind jedoch den gleichen allgemeinen Grenzen unterstellt. Diese Grenzen liegen in den Rechten anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Sittengesetz nach Art. 2 Abs. 1 GG. In einer Reihe von Vorschriften des BGB werden der Vertragsfreiheit Schranken entweder auf einer typisierten oder auf einer individualistischen Grundlage gesetzt, um die Entscheidungsfreiheit der Person zu schützen. Die Frage nach der Begrenzung der Vertragsfreiheit hat die Rechtstheorie seit Jahrzehnten beschäftigt. Das Verlassen des Individualismus als Eigenschaft des BGB ist dabei als Folge festzustellen. Nach der klassischen Vertragstheorie, die zum Inkrafttreten des BGB am Ende des 19. Jahrhunderts vorherrschend war, konnte der Vertragsbegriff nur liberal konzipiert werden. In einem solchen System, in dem die Selbstverantwortlichkeit als gegeben betrachtet wurde, hatten die Grenzen der Vertragsfreiheit lediglich Ausnahmecharakter. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ver-

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Schlusskapitel

änderte sich aber der Vertragsbegriff tiefgreifend und entwickelte zunehmend einen sozialen Charakter. Die Gründe, die zum Scheitern der liberalistischen Vertragskonzeption geführt haben, sind vor allem in der Änderung der sozioökonomischen Lebensbedingungen von der Agrar- hin zur Industrie- und später zur Informationsgesellschaft und der Entwicklung von Massenproduktions- und Massenvertragsverhältnissen, in denen die Person als Verbraucher schutzbedürftig ist, zu finden. Die moderne Vertragskonzeption hält die Verhandlungsgleichheit der Vertragsschließenden nicht für gegeben. Sie geht von einer strukturellen Ungleichgewichtslage des einen Vertragspartners in einer Reihe von Verträgen aus. Es gibt Fälle, in denen der eine Vertragspartner seinen Willen aufgrund seiner wirtschaftlichen, sozialen oder informationeller Machtlage einseitig durchsetzt und die Entscheidungsfreiheit des schwächeren Vertragspartners beschränkt. Dies kann als eine Ausnutzung der Machtstellung des Stärkeren bezeichnet werden. Die Gestaltungsfreiheit als Erscheinungsform der Vertragsfreiheit wird grundsätzlich als ein sozioökonomischer Mechanismus verstanden, der die Chance einer richtigen Entscheidung gewährleistet. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Vertrag ein Ergebnis der freien Selbstbestimmung der Person ist. Bei der strukturellen Ungleichheit versagt dieser Mechanismus jedoch. Der soziale Charakter des Vertragsbegriffes verlangt dann den Eingriff der Rechtsordnung in Form der richterlichen Inhaltskontrolle, um die gestörte Entscheidungsfreiheit und Vertragsparität wiederherzustellen. Eine derartige missbräuchliche Vertragsgestaltung ist sowohl in Massen- (vor allem wegen der Verwendung vorformulierter Geschäftsbedingungen) als auch in Individualverträgen ersichtlich und erhöht die Schutzbedürftigkeit. Bei der Pathologie der Vertragsfreiheit (missbräuchliche Vertragsgestaltung) unterscheidet man drei Untergruppen: i)

Faktoren, die zur Störung der generellen Fähigkeit der Person rational zu entscheiden führen,

ii) Faktoren, die die Störung der Grundlagen einer rationalen Abwägung herbeiführen, und iii) Faktoren, die die Störung der Vertragsfreiheit durch Zwang mit sich bringen. Die Antwort der Rechtsordnung darauf entspricht der jeweiligen Störungsform. Die Vertragsgerechtigkeit bildet die Grundlage, auf die sich die richterliche Inhaltskontrolle stützt. Betrachtet man die aristotelische Zweiteilung der Gerechtigkeit in iustitia distributiva (Verteilungsgerechtigkeit) und iustitia commutativa (ausgleichende Gerechtigkeit), so wird das Verständnis des Begriffs der Vertragsgerechtigkeit erleichtert. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Konkretisierung des Begriffs ist die gerechte Zuteilung der vertraglichen Vorteile und Lasten. Kriterium dafür sind die Vorschriften des dispositiven Rechts, die für die gesetzlich geregelten Vertragstypen gelten, das Prinzip von Treu und Glauben sowie die Verkehrssitten für die nicht geregelten Verträge. Wird die gerechte Teilung der vertraglichen Rechte und Pflichten gestört, so wird auch die Vertragsfreiheit beschränkt. Das Verhältnis beider Grundsätze lässt sich als dialektische Synthese beschreiben. Die Struktur des

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beweglichen Systems zweier sich einander ergänzenden Elemente trägt zur Erklärung des Verhältnisses bei. Die Antwort der Rechtsordnung auf die Störung der Vertragsfreiheit in den Individualverträgen ist dagegen vielfältig, weil verschiedene Arten der Störung entstehen können. In einer großen Anzahl von Vorschriften im BGB sowie in speziellen Gesetzen wird die Beschränkung der Entscheidungsfreiheit festgesetzt und sanktioniert. Zu den Rechtsfolgen der Störung der Entscheidungsfreiheit des schwächeren Vertragspartners zählen die Total- oder Teilnichtigkeit des problematischen Vertrages und die Einräumung eines Gestaltungsrechts, das zur Lösung des Vertrages oder zur Inhaltskontrolle führt und gerichtlich oder außergerichtlich nach der jeweiligen Vorschrift geltend gemacht werden kann. § 343 BGB und die davon vorgesehene Herabsetzung der übermäßigen Vertragsstrafe ist nichts anderes als ein Mittel zum Schutz der Entscheidungsfreiheit des Schuldners. Anhand des vorgenannten Gedankenganges wird deutlich, dass die Strafvereinbarung immanente Gefahren für den Schuldner mit sich bringt, die dessen Stellung strukturell in Gefahr bringen. Die Druckfunktion des Instituts, die Tatsache, dass es um eine ungewisse und künftige Leistung geht, der Optimismus und oft die Leichtsinnigkeit, mit denen der Schuldner die Strafe verspricht, sowie die Not, dass dieser die Gegenleistung im Rahmen eines synallagmatischen Vertrags in Anspruch nimmt, sind Gründe, die die Schutzbedürftigkeit des Versprechenden beweisen. Deswegen wird das Ermäßigungsrecht als Ausprägung der Vertragsgerechtigkeit systematisch gerechtfertigt. Dieses Ergebnis wird auch durch die ökonomische Analyse des Rechts bestätigt, da der Vergleich mit dem angloamerikanischen System der Unterscheidung zwischen liquidated damages und penalty clauses zu der Schlussfolgerung führt, dass die deutsche Lösung auch ökonomisch effizient ist. Die Idee einer Kontrolle der Sicherungsmittel ist auch in der Literatur anerkannt. Besonders hervorzuheben ist das Beispiel des Werks The Merchant of Venice von Shakespeare, in dem die missbräuchliche Abrede aus Billigkeitsgründen für nichtig erklärt wird. Dies entspricht einem Beispiel rechtlicher Missbilligung ungerechter Machtstellungen im Rahmen der englischen Institution der equity. 4. Maßgeblich für die Anwendung des § 343 BGB und die daraus folgende Herabsetzung der übermäßigen Vertragsstrafen ist die Beschreibung der Voraussetzungen des Tatbestands, damit die Rechtsfolge eintreten kann. Zu unterscheiden ist zwischen materiell- und prozessrechtlichen Elementen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen werden weiter in zwei Gruppen unterteilt: positive und negative Tatbestandselemente. Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen eines gültigen Strafversprechens. Der Begriff der Vertragsstrafe ist umfassend. Er bezieht sich auf Geld- und Sachstrafen. Der Begriff erfasst unselbstständige und selbstständige Strafen sowie privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Strafversprechen. Die Herabsetzung ist auch von der

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Gültigkeit der versprochenen Strafe abhängig. Ist diese nach den generellen Vorschriften (z. B. §§ 134, 138 BGB) unwirksam oder verstößt der zu sichernde Vertrag gegen diese Vorschriften, so kann nicht von einer Strafermäßigung ausgegangen werden. Weiterhin wird die Verwirkung der Vertragsstrafe vorausgesetzt. Vor dem Strafverfall ist die Herabsetzung nicht möglich. Die Voraussetzung der unverhältnismäßigen Höhe ist nicht einfach zu bestimmen. Es geht um einen Begriff, der vor allem im Bereich des öffentlichen Rechts anzutreffen ist. Die Kernfrage dreht sich darum, wie der Begriff in den privatrechtlichen Bereich einwirkt. Eine direkte Wirkung richtet sich gegen die staatlichen Organe. Die vorliegende Untersuchung interessiert sich vor allem für die Drittwirkung, die zwei Erscheinungsformen besitzt: i) unmittelbare, wenn die Grundrechte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip horizontal unter den Privatmenschen gelten, und ii) mittelbare, wenn sie eine Ausstrahlungswirkung bei der Auslegung und Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Privatrechts von den Gerichten entfalten. Die erstere ist wegen des Fehlens ausdrücklicher Regelungen abzulehnen; die letztere ist aber allgemein anerkannt. Die Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Schranken-Schranke ist insbesondere dann wichtig, wenn der Richter den Inhalt unbestimmter Rechtsbegriffe näher bestimmen muss. Er ist dann verpflichtet, die Wertentscheidungen der verfassungsrechtlichen Ordnung zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass § 343 BGB eine vorkonstitutionelle Vorschrift ist, wird dabei nicht berücksichtigt. Einerseits gilt sie auch nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes fort, andererseits ist eine verfassungsorientierte Auslegung zu akzeptieren in dem Sinne, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe so auszulegen sind, wie die verfassungsrechtlichen Abwägungen es verlangen. Der Begriff der unverhältnismäßigen Strafhöhe kann zwar nicht als Generalklausel bezeichnet werden, da er über keine „besonders qualifizierte Vagheit“ und vor allem über keine prägende Funktion für die ganze Vorschrift (wie z. B. Treu und Glauben) verfügt. Dennoch handelt es sich um einen unbestimmten und daher ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff. Die Konkretisierung findet nicht durch Analogie, sondern durch Gesetzesauslegung statt. Die Verwendung der klassischen Auslegungsmethoden (grammatische, systematische, historische und teleologische) spielt dabei die Hauptrolle, weil die Bildung der richterlichen Überzeugung eine juristische Argumentation ist, bei der es keine starren Grenzen bei der Konkretisierung gibt. Hinsichtlich der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe durch den Richter ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber selbst den Begriff der Verhältnismäßigkeit in einigen Fällen durch ausdrückliche Vorschriften näher bestimmt hat. Der Richter ist dann verpflichtet, sich innerhalb der gesetzlich festgesetzten Grenzen zu bewegen. In anderen Fällen kann jedoch von der Ausstrahlungswirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgegangen werden.

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Dies ist der Fall, wenn die unbestimmten Rechtsbegriffe konkretisiert werden sollen. Bei der Anwendung des § 343 BGB setzt der Grundsatz eine umfassende und analytische Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen durch. Bezüglich der drei Elemente des Prinzips, wie sie von der Literatur und der Rechtsprechung herausgebildet sind, ist zu betonen, dass weder die Geeignetheit noch die Erforderlichkeit des Strafversprechens geprüft werden dürfen. Dieses Ergebnis folgt aus der fehlenden Zweckmäßigkeit einer solchen Kontrolle. Dagegen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Konkretisierung des Begriffs „unverhältnismäßig hoch“ und „angemessener Betrag“ als Verhältnismäßigkeit im engen Sinn, das heißt als Abwägung, zu verstehen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Vorschrift ist ein dynamisches noetisches Verfahren. Die Besonderheit des § 343 BGB liegt darin, dass die maßgeblichen Gesichtspunkte, die mit den Interessen verbunden sind, zu verschiedenen Lösungen führen können. Es geht um Kräfte, die entsprechend ihrer Intensität in jedem einzelnen Fall für oder gegen die Herabsetzung funktionieren können. Die Aufzählung ist nicht abschließend und die Kriterien bilden kein geschlossenes System. Vor allem sind folgende sachbezogene Gesichtspunkte zu erwähnen: – die Schwere der Verwirkungshandlung sowie das Verschulden des Schuldners, – die materiellen und immateriellen Interessen des Gläubigers, – das Mitverschulden und generell die Mitverursachung des Gläubigers, – die den Schuldner treffenden Folgen des Verfalls außer der Vertragsstrafe selbst, – die Gegenleistung des Gläubigers bei synallagmatischen Verträgen, – die Wiederholungsgefahr der Zuwiderhandlung und – die wirtschaftliche Lage der Vertragspartner. In Anbetracht dieser Gesichtspunkte lässt sich feststellen, dass sie in ein bewegliches System einbezogen werden müssen, wie Wilburg es konzipiert hat. Die Ranggleichheit und die wechselseitige Austauschbarkeit der Bewertungsgesichtspunkte sind ausprägende Merkmale des Systems und sollen auch die Abwägung nach § 343 BGB charakterisieren. Die Beispiele aus der Rechtsprechung haben gezeigt, dass die deutschen Gerichte die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe durch Abwägung der vorgenannten Gesichtspunkte in vielen Fällen anerkannt haben. Es ist hervorzuheben, dass die Rechtsprechung die Unverhältnismäßigkeit als Begriff dynamischer Natur in der Praxis versteht. Die Diskussion über den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit ist nicht neu. Nach einer Auffassung solle der Zeitpunkt der Strafvereinbarung maßgeblich sein. Andere Autoren sprechen in dieser Hinsicht von der Berücksichtigung des Zeitpunkts der Verwirkung oder der Geltendmachung des Strafanspruchs vom Gläubiger. Richtig ist aber anzunehmen, dass nur der Zeitpunkt der letzten mündlichen Prüfung vor Gericht eine umfassende Kontrolle aller Merkmale des Einzelfalls erlaubt. Nur ausnahmsweise kann der Verwirkungszeitpunkt hinsichtlich bestimmter Gesichtspunkte (z. B.

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Verschulden) für bedeutend gehalten werden. Schließlich ist anzumerken, dass der Begriff der unverhältnismäßigen Höhe auf der Seite des Tatbestands mit dem Begriff des angemessenen Betrags auf der Seite der Rechtsfolgen zusammenfällt. Es handelt sich dabei um ein und denselben Begriff, der die richterliche Beurteilung einheitlich gestaltet. Weitere Voraussetzung ist das Nichtvorliegen einer Entrichtung der Vertragsstrafe. Die Entrichtung ist im weiten Sinne, das heißt nicht nur als Erfüllung, sondern auch als Erfüllungssurrogat zu verstehen. Die Freiwilligkeit der Leistungserbringung ist maßgeblicher Faktor für den Ausschluss der Herabsetzungsmöglichkeit. § 348 HGB ist eine Vorschrift, die die Anwendung des § 343 BGB ausschließt, solange der Schuldner Kaufmann ist. Grund dafür ist die Tatsache, dass der Kaufmann am Geschäftsverkehr beteiligt ist, was das Risiko seiner Tätigkeit steigert. Der Kaufmannsbegriff umfasst den Istkaufmann (§ 1 HGB), den Kannkaufmann (§§ 2, 3 Abs. 2 und 3 HGB), den Formkaufmann (§ 6 HGB) und den Fiktivkaufmann (§ 5 HGB). Auch der Scheinkaufmann, der nicht eingetragen ist, fällt darunter. Zu diesem Ergebnis führen das Vertrauensschutzprinzip und die Sicherheit des Rechtsverkehrs trotz der Schutzwürdigkeit des Schuldners selbst. Dagegen ist die analoge Anwendung des § 348 HGB auf Nichtkaufleute (Freiberufler, nicht eingetragene Kleingewerbetreibende und Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH) abzulehnen. Kritischer Beurteilungszeitpunkt für die Kaufmannseigenschaft ist der Abschluss der Strafvereinbarung. Hinsichtlich der Beweislast der Kaufmannseigenschaft ist davon auszugehen, dass der Strafgläubiger diese tragen müsste, da diese Tatsache zu seinen Gunsten funktioniert. Dennoch gilt die Vermutung des § 1 Abs. 2 HGB. Demgemäß ist jeder Gewerbebetrieb Handelsgewerbe, es sei denn, das Unternehmen erfordert nach Art oder Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb. Diese Vermutung begründet eine Beweislastumkehr. Der Schuldner trägt die Beweislast dafür, dass er kein Kaufmann ist, wenn der Gläubiger diese Eigenschaft lediglich darlegt. Ferner muss das Strafversprechen selbst ein Handelsgeschäft sein, das heißt im Rahmen des Betriebes des Handelsgewerbes abgegeben sein. § 348 HGB ist generell abdingbar. Die Abdingbarkeit ist auch bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu bejahen. Sie führt die Herabsetzungsmöglichkeit wieder ein. Rechtsfolge der Anwendung des § 348 HGB ist der Ausschluss der Ermäßigung nach § 343 BGB. Dennoch ist eine Kontrolle nach anderen Vorschriften immer möglich. Gemeint sind vor allem die §§ 134, 138, 313, 315, 317 BGB. Auch § 307 BGB ist im Fall Allgemeiner Geschäftsbedingungen anwendbar. Problematischer ist die Kontrolle nach § 242 BGB. Diese Kontrolle kann die Strafhöhe wegen § 348 HGB nicht betreffen. Andere Merkmale und vor allem die missbräuchliche Geltendmachung der Vertragsstrafe nach einem Verfall, der gegen Treu und Glauben verstößt, sind jedoch nach § 242 BGB zu bemessen. Rechtsfolge muss die Teilherabsetzung und nicht die vollständige Beseitigung der missbräuchlichen Strafklausel sein.

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Die Strafherabsetzung nach § 343 BGB wirkt zwingend. Die Vorschrift darf nicht abbedungen werden. Dennoch kann der Schuldner die Strafhöhe nach dem Verfall als angemessen anerkennen, indem er einseitig oder vertraglich auf das Ermäßigungsrecht verzichtet. 5. Das Ermäßigungsrecht wird durch seine prozessrechtliche Natur geprägt. Das Gesetz sieht vor, dass die Herabsetzung nicht von Amts wegen, sondern nur nach Antrag des Schuldners erfolgen kann. Dogmatisch gesehen kann dieses Recht als Gestaltungsklagerecht bezeichnet werden. Es handelt sich um ein Gestaltungsrecht, weil seine Geltendmachung eine Neugestaltung, also eine Modifizierung der geltenden Rechtslage herbeiführt. Die Abrede der Parteien wird nach unten korrigiert. Klagerecht ist es in dem Sinne, dass die Gestaltung die Erhebung der entsprechenden Klage und die Fällung eines richterlichen Urteils voraussetzt. Grund dafür ist die Rechtssicherheit, die durch die Interessenabwägung von einem staatlichen Organ erreicht werden kann. Die Geltendmachung kann durch selbstständige Herabsetzungsklage, durch Widerklage, durch Erhebung einer Einrede, wenn der Schuldner auf Erbringung der Strafleistung beklagt wird, und durch Klage auf das verlorene Recht, wenn eine Verfallklausel vorliegt, stattfinden. Bei der eigenständigen Klage des Schuldners auf Herabsetzung ist davon auszugehen, dass der Begriff Antrag hauptsächlich aber nicht ausschließlich als Klage zu verstehen ist. Die sachliche Zuständigkeit wird nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 23, 71 GVG, 2 ff. ZPO) geregelt. Die generellen Vorschriften der ZPO (§§ 12 ff.) regeln auch die örtliche Zuständigkeit. Hinsichtlich des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) ist zu betonen, dass der Erfüllungsort der gesicherten Leistung wegen der akzessorischen Natur der Strafvereinbarung maßgeblich ist. Bezüglich der Prozessvoraussetzungen im Hinblick auf die Parteien lässt sich erwähnen, dass die Grundsätze und Regeln der ZPO die Rechtsfrage regeln. Die Befugnis, dass der Kläger den Rechtsstreit im eigenen Namen als Partei führt (sog. Prozessführungsbefugnis), steht grundsätzlich dem Strafschuldner zu. Sein Nachfolger (durch Schuldübernahme, Erbfolge oder Universalsukzession) kann das Ermäßigungsrecht geltend machen. Der Sicherungsgeber hat jedoch keine derartige Befugnis. Er kann das Recht nur einredeweise ausüben. Die Klage wird gegen den Strafgläubiger gerichtet und generell gegen den jeweiligen Träger des Strafanspruchs. Es muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die Rechtshängigkeit einer anderen Klage und die Rechtskraft eines Urteils über den Strafanspruch als Prozesshindernisse für die Ermäßigungsklage funktionieren. Hinsichtlich der Klageschrift ist anzumerken, dass diese den genauen Strafbetrag, auf den die Strafhöhe herabgesetzt werden soll, nicht zu beziffern braucht. Weitere Merkmale des Prozessverlaufs (Klagerücknahme, Klageverzicht, Prozessvergleich, Anerkenntnis) werden nach der ZPO geregelt. Der Schuldner kann sein Recht durch Widerklage im Rahmen eines rechtshängigen Rechtsstreits, der den Strafanspruch betrifft, ausüben. Die Voraussetzung der Konnexität muss dann immer gegeben sein.

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Verteidigungsweise kann das Ermäßigungsrecht als Einrede geltend gemacht werden. Es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einrede. Sie kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erhoben werden. Der beklagte Schuldner muss jedoch die zeitlichen Grenzen der Erhebungsmöglichkeit beachten. Auch von mittelbarer Herabsetzung kann insbesondere dann gesprochen werden, wenn es um Verfallklauseln geht. Klagt der Schuldner auf das ganze verfallene Recht, so kann die Verurteilung als Herabsetzung verstanden werden. Hinsichtlich der Beweislastverteilung ist vom Grundsatz auszugehen, dass jede Partei die Beweislast für den Tatbestand der ihr günstigen Rechtsvorschrift trägt. Demgemäß trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die seinen Antrag auf Herabsetzung stützen. Trotz differenzierender Mindermeinungen, die in der Literatur vereinzelt anzutreffen sind, ist diese Regel auch hinsichtlich der Tatsachen, die den Begriff der Unverhältnismäßigkeit begründen, anzunehmen. Die Bildung der richterlichen Überzeugung findet einaktig statt, da beide Begriffe (unverhältnismäßige Höhe und angemessener Betrag) identisch sind. Bei der Natur des Urteils ist von einem rechtsgestaltenden Urteil auszugehen. Das Ergebnis kann nur die Modifizierung der Strafvereinbarung nach unten festelgen. Eine Herabsetzung auf Null darf nicht angenommen werden, weil die Druckfunktion dadurch völlig beseitigt würde. Eine weitere Rechtsfrage zu diesem Thema ist die Erschöpfung des Rechtsweges. In der Berufungsinstanz kann das Berufungsgericht den Prozess von Anfang an wiederholen und eine umfassende Kontrolle der Verhältnismäßigkeit vornehmen. Anders gestaltet sich die Rechtslage in der Revisionsinstanz. Die Revisionskontrolle kann nur die Rechtsfragen prüfen. Insbesondere ist die unrichtige Interpretation und Subsumption zu kontrollieren. Da es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, sind die Grenzen der Revisibilität solcher Begriffe zu beachten. Die unbestimmten Rechtsbegriffe unterliegen grundsätzlich der Revisionskontrolle. Solange aber die revisionsgerichtlichen Begründungen über keine Beispielswirkung verfügen, weil entweder von einem individuellen, nicht verallgemeinerungsfähigen Beurteilungsmaßstab auszugehen ist oder solche Begriffe des Grades oder des Maßes vorliegen, die dem Richter einen solchen Beurteilungsspielraum eröffnen, dass die Entscheidung für jeden einzelnen Sachverhalt einzigartig ist, dann sind diese irrevisibel. Aufgrund des Charakters der Unverhältnismäßigkeit als Begriff, der mit tatsächlichen Gesichtspunkten eng verbunden ist, lässt sich feststellen, dass dieser außerhalb der Revisionskontrolle steht. Der Revisionszweck der Rechtseinheit verliert seine Bedeutung. Dennoch besitzen diese Schranken ihre eigenen Schranken. Das Revisionsgericht darf auf jeden Fall nachprüfen, ob das tatgerichtliche Urteil gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt oder wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind oder irrelevante Gesichtspunkte bei der Entscheidung berücksichtigt wurden. Diese Relativierung ist allerdings so weit, dass sie zu einer umfassenden Revisionskontrolle führen kann, wie es Beispiele aus der Rechtsprechung des BGH gezeigt haben.

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Die Herabsetzung kann nicht nur durch richterliches Urteil, sondern auch durch Schiedsspruch erfolgen. Das Verfahren wird nach den §§ 1025 ff. ZPO geregelt. Die gerichtliche Vollstreckbarkeitserklärung ist für die gestaltenden Schiedssprüche nicht erforderlich. 6. Eine Bestimmung der Rechtsnatur und der Rechtsfolgen vieler Institutionen, die der Vertragsstrafe ähneln, ist ohne Klarheit über das Qualifikationsproblem undenkbar. Die Bedeutung der zivilrechtlichen Qualifikation ist selbstverständlich, da die Anwendung des § 343 BGB sowie anderer Vorschriften davon abhängt. Als Qualifikation kann man das noetische Verfahren definieren, das sich mit der Unterstellung des fraglichen Vertrages unter einen besonderen Vertragstypus beschäftigt. Diese Einordnung entspricht in der Praxis einem Subsumtionsschluss. Ob der Vertrag die einen Vertragstypus kennzeichnenden Charakteristika aufweist, ist dafür das maßgebliche Kriterium. Bei dieser Zuordnung sind alle Pflichten, die sich aus dem Gesamtvertrag ergeben, der wirtschaftliche Zweck, die Interessenlage beider Vertragspartner, die Verkehrssitte und die gewonnenen Erkenntnisse der Rechtsprechung zu beachten. Die Bedeutung der Qualifizierung liegt vor allem darin, dass sie zur Lückenausfüllung beiträgt, soweit es sich um gesetzlich geregelte Verträge handelt. Aber auch bei der Lückenausfüllung eines gesetzlich nicht kodifizierten Vertrags kann sie helfen. Eine fehlerhafte Qualifizierung bringt Probleme mit sich, da das einschlägige Recht nicht methodengerecht angewendet wird. Deswegen muss man folgende wichtige Gesichtspunkte berücksichtigen: die Qualifikationshoheit des Richters und nicht der Parteien, die Maßgeblichkeit der Rechtspraxis und der Rechtsprechung und die gesetzlich festgesetzte Vertragstypenordnung. Was im Einzelnen die Berücksichtigung der normativen Vertragstypenordnung bedeutet, ist mithilfe der Regelungsabsicht, der Zwecke und der Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers zu ermitteln. Der Gesetzgeber ist derjenige, der die Vertragstypenordnung im BGB und in anderen Gesetzen gebildet hat, indem er zwingende und dispositive Rechtsvorschriften geschaffen und beiderseitige Interessen abgewogen hat. Ohne Beachtung dieses gesetzlichen Typenkataloges ist die nähere Bestimmung der Rechtsnatur und der Rechtsfolgen jedes einzelnen Vertrages nicht möglich. Eine Rechtsgewinnung ohne Orientierung an der normativen Typenordnung ist nicht annehmbar. Dennoch ist auch die Freiheit der Vertragspartner ihre Verhältnisse zu regeln (§ 311 Abs. 1 BGB) vom Gesetz anerkannt. Die Parteiautonomie in Form der Vertragsfreiheit hat zwar den Vorrang, das Festhalten am gesetzlichen Typenkatalog ist aber beim Rechtsgewinnungsverfahren und insbesondere hinsichtlich der nicht geregelten Verträge maßgeblich. Außerdem ist die Charakterisierung eines Vertrages durch die Parteien grundsätzlich nicht von Bedeutung. Sie darf nur als Indiz berücksichtigt werden, da nur das Gericht das Qualifikationsmonopol besitzt.

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Die gesetzlich nicht geregelten Verträge entstehen aus der Vertragsfreiheit in dem Sinne, dass das Recht keinen numerus clausus von Vertragstypen anerkennt. Weichen die Eigenschaften der fraglichen Vereinbarung von den tatbestandlichen vertragstypischen Elementen aller gesetzlich geregelten Verträge ab, so wird von einem gesetzlich nicht kodifizierten Vertrag gesprochen. Die Untersuchung hat sich mit dem Thema der Behandlung solcher atypischen Verträge besonders intensiv beschäftigt. Der Sinn und Zweck des jeweiligen Vertrages ist von Bedeutung, ohne dass der wörtliche Ausdruck bindend ist (§ 133 BGB). Im Gegensatz dazu spielen Treu und Glauben, die Verkehrssitte (nach § 157 BGB) und die normative Vertragstypenordnung die Hauptrolle bei der Rechtsfolgenbestimmung für einen nicht konkret geregelten Vertrag. Wie bereits erwähnt, wird die zivilrechtliche Qualifikation mithilfe eines Subsumtionsverfahrens ermittelt. Ohne Bestimmung der Hauptleistungspflichten kann diese Qualifizierung nicht erfolgen. Unter den Begriff fallen alle vertraglichen Pflichten, die eine Leistung betreffen und so gewichtig im Vertrag sind, dass sie das ganze Vertragsprogramm charakterisieren. Auf dieser Grundlage kann die Vorgehensweise wie folgt dargestellt werden: i)

Bestimmung der geschuldeten vertraglichen Pflichten,

ii) Bestimmung der geschuldeten Leistungspflichten, iii) Feststellung der Hauptleistungspflichten, iv) Zuordnung dieser Pflichten zum jeweiligen Vertragstypus. Daraus folgt, dass nur der Leistungsbegriff zur Feststellung der Leistungspflichten und damit auch der Hauptleistungspflichten führen kann. Diese Bestimmung ist für die vertragstypologische Einordnung von großer Bedeutung. Als Leistung lässt sich das Verhalten des Schuldners definieren, das dem Gläubiger in irgendeiner Weise Vorteile bringt. Die weitere Konkretisierung des Begriffs kann anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung ermittelt werden. Aus der Gegenüberstellung der Rechtsprechung und der Betrachtung der Entstehungsgeschichte der §§ 339 ff. BGB, die in den Materialien zum BGB dargestellt wird, ergibt sich, dass die Institution der Vertragsstrafe folgende Merkmale hat: Leistung im vorgenannten Sinne, die vertraglich vereinbart wird, mit dem Ziel der Sicherung anderer Pflichten und der Beweiserleichterung des Schadens bei Vorliegen einer Störung der gesicherten Leistung. Es ist aber davon auszugehen, dass für die rechtliche Qualifikation nur das Merkmal der Leistung als Sicherung anderer Leistungen entscheidend ist. In der Arbeit werden die gewonnenen Erkenntnisse für die rechtliche Qualifizierung im Hinblick auf besondere Beispiele geprüft. Zu betonen ist, dass die Annahme des vorerwähnten weiten Vertragsstrafenbegriffs dazu führt, dass auch die sog. unechte oder selbstständige Vertragsstrafe, die eine Obliegenheit sichert, darunter fällt. In diesem Fall ist die Ermäßigung auch ausdrücklich nach § 343 Abs. 2

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BGB vorgesehen. In anderen Fällen ist die Rechtslage aber wegen Gesetzeslücke problematischer. Die Draufgabe, die als Vermutung für den Vertragsabschluss funktioniert (§ 336 Abs. 1 BGB), besitzt auch eine Sicherungsfunktion. Deswegen ist sie als Vertragsstrafe zu qualifizieren. § 343 BGB findet direkte Anwendung. Komplexer ist die Situation bei der Schadenspauschalierung. Diese weist beide Funktionen der Vertragsstrafe auf. Sie trägt zur Erleichterung der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs bei und übt zugleich Druck auf den Schuldner aus. Da das Gesetz jedoch beide Institute strikt unterscheidet (§ 309 Nr. 5 und 6 BGB), ist davon auszugehen, dass diese Differenzierung eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers ist. Das bedeutet wiederum, dass eine Vereinbarung entweder Vertragsstrafe oder Schadenspauschale sein kann. Aber wann genau die jeweilige Klausel tatsächlich als Vertragsstrafe oder Schadenspauschalierung qualifiziert wird, ist schwierig zu ermitteln. Für eine Abgrenzung werden in der Literatur verschiedene Kriterien vorgeschlagen. Ausgangspunkt der Abgrenzung muss die herrschende Stelle jeder Funktion sein. Überwiegt die Sicherungsfunktion, dann liegt eine Vertragsstrafe vor. Steht die Schadensbeweisfunktion im Vordergrund, so geht es um eine Schadenspauschale. Die vorgeschlagenen Kriterien können zu keiner sicheren Lösung führen, wenn sie einzeln betrachtet werden. Eine Kombination in Form eines beweglichen Systems kann viel hilfreicher sein. Aufgrund der unterschiedlichen Konzeption und Struktur der Schadenspauschalierung kann die Anwendung des § 343 BGB nicht einmal analog stattfinden. Die Verfallklausel, deren Merkmal der Verlust eines Rechts ist, kann wegen der Druckfunktion zur Sicherung einer Hauptverbindlichkeit als Vertragsstrafe qualifiziert werden. Dies bringt die direkte Anwendung des § 343 BGB mit sich. Dieselbe rechtliche Behandlung ist auch für die Vorfälligkeitsklausel anzunehmen, weil auch diese durch eine Druckfunktion charakterisiert wird. Obwohl der Verlust des Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers nach § 28 VVG als Verfall funktioniert und die vertraglichen Obliegenheiten absichert, kann § 343 BGB nicht zur Anwendung gelangen. Grund dafür, ist die ausdrückliche Regelung der Höhe des Verfalls abhängig vom Grad des Verschuldens. Auch die Rückzahlungsklausel übt Druck auf den Schuldner aus, um eine Hauptverbindlichkeit zu sichern. Ob diese als Vertragsstrafe oder als Leistungsstörungsregelung zu charakterisieren ist, hängt von der Auslegung ab. Die Institution des Reugelds ist keine Vertragsstrafe, weil es vor allem auf die Erleichterung des Schadensausgleichs abzielt. Deswegen kann die Höhe weder durch direkte noch durch analoge Anwendung des § 343 BGB ermäßigt werden. In der Praxis bezeichnen die Vertragspartner die Leistung jedoch als Reugeld, während es sich tatsächlich um eine Vertragsstrafe handelt. In diesem Fall findet die vorgenannte Vorschrift Anwendung. Weder die direkte noch die analoge Anwendung der Ermäßigungsregelung gilt zudem für das Entgelt für in Anspruch genommene Leistungen, weil es nur den

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Schadensausgleich erleichtert. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich eine Vertragsstrafe hinter dem Entgelt versteckt. In dieser Kategorie werden auch die Zinsklauseln geprüft. Die Vorschusszinsen sind keine Strafe, weil sie Gegenleistung für die Bereitschaft des Kreditinstituts sind, das geforderte Geld vorzeitig auszuzahlen. Auch die Überziehungszinsen sind keine Strafe, weil sie lediglich ein Entgelt für die in Anspruch genommenen Kontoüberziehungen sind. Dagegen werden die Fälligkeitszinsen sowohl durch die Druck- als auch die Schadensbeweisfunktion charakterisiert. Die Anwendung von § 343 BGB kommt somit in Betracht, solange die Druckfunktion überwiegt und zur Qualifikation als Vertragsstrafe führt. Die Überziehungsgebühren besitzen üblicherweise eine Druckfunktion. In diesem Fall wird § 343 BGB direkt angewendet, wenn der erweiterte Begriff der Vertragsstrafe akzeptiert wird. Zu dieser Obergruppe gehört auch das Flaschenpfand. Da es aber als Gegenleistung für den Wert der Flasche und nicht als Strafe verstanden wird, ist die Ermäßigungsmöglichkeit ausgeschlossen. Auch das Nachporto kann nicht als Vertragsstrafe qualifiziert werden, da es sich um ein Entgelt für die Absendung handelt, das von einem Dritten, dem Empfänger, gemäß § 267 BGB freiwillig entrichtet wird. Das Bearbeitungsentgelt für absichtlich begangene Verschmutzungen der Deutschen Bahn erleichtert einfach den Schadensausgleich und schließt damit eine Ermäßigung nach § 343 BGB aus. Unter den Namen Garantievertrag fallen verschiedene Vereinbarungen. Als generelles Merkmal jedes Garantievertrages kann der Zweck genannt werden, den Gläubiger so zu stellen, als ob das angestrebte Ergebnis eingetreten wäre. Neben dieser Ersatzfunktion kann die Garantie unter Umständen auch zur Sicherung von Pflichten beitragen. In einem solchen Fall liegt eine Vertragsstrafe vor, die wie üblich herabgesetzt werden kann. Hinsichtlich der Vereins- und Verbandstrafen, die oft in den Satzungen von Vereinen und Verbänden anzutreffen sind, lässt sich erwähnen, dass die Druckfunktion auf die Sicherung einer Hauptverbindlichkeit abzielt. Auch die Erleichterung des Schadensnachweises wird gefördert. Aus dieser überwiegenden Rolle der Sicherungsfunktion kann das Vorliegen einer echten Vertragsstrafe abgeleitet werden, unabhängig davon, dass die Grundlage kein Vertrag, sondern eine Satzung ist. Eine Ermäßigungskontrolle ist dadurch möglich. Die Vertragsstrafen finden sich auch im Arbeitsrecht. Die Einbeziehung in Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen hat keine Auswirkung auf die Natur der Vertragsstrafe. Sie kann nach § 343 BGB ermäßigt werden. Fraglich ist, ob die Betriebsbußen als Strafe zu qualifizieren sind. Dies ist zu bejahen, weil die Druckfunktion zur Einhaltung anderer Pflichten ein Hauptmerkmal dieser Bußen ist. Die Einordnung in die Kategorie der Vertragsstrafe bringt in der Folge die direkte Anwendung des § 343 BGB mit sich. Die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, Fernwärme, elektrischem Strom und Gas werden durch gesetzliche Regelungen normiert. Das Gleiche gilt für die Allgemeinen Beförderungsbedingungen. Da sie ohne vertragliche

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Vereinbarung in den jeweiligen Vertrag einbezogen werden, können die in solchen Bedingungen enthaltenen Sanktionen nicht als Vertragsstrafe qualifiziert werden. Da sich eine Angemessenheitskontrolle aber bereits aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt, ist eine analoge Anwendung des § 343 BGB anzunehmen. Die Fangprämien im Fall eines Ladendiebstahls basieren ebenfalls auf keiner vertraglichen Regelung. Da der Abschreckungscharakter jedoch maßgeblich ist, kann die Ermäßigungsvorschrift analog angewendet werden. Die Strafen in Investitions-, Subventions- und Ausbildungsförderungsverträgen können dagegen als Vertragsstrafe charakterisiert werden. Das Gesetz sieht einfach vor, dass die Nichtvereinbarung einer solchen Klausel zur Nichtigkeit des Vertrages führt. Die Vertragspartner sind die Personen, die sich auf die Einbeziehung einigen. Der Strafcharakter ist nur vom Zweck der Klausel abhängig. Wenn es um die Einhaltung des Zwecks der Investition, der Subvention oder der Ausbildungsförderung geht, dann liegt eine Vertragsstrafe vor, die wie üblich herabsetzbar ist. Sofern es sich aber um eine Rückzahlungsklausel handelt, die als Leistungsstörungsregelung funktioniert, dann kann die Höhe nicht ermäßigt werden. Die Strafen des Strafrechts sanktionieren das kriminelle Unrecht und haben die General- und Spezialprävention zum Ziel. § 343 BGB kann darauf selbstverständlich keine Anwendung finden. Die Systematik für die Strafzumessung ist aber der des § 46 StGB ähnlich. Auch das Ordnungsgeld des § 890 ZPO ist nicht als Vertragsstrafe zu qualifizieren, da es gerichtlich auferlegt wird. Es ist ein Vollstreckungsmittel zur Unterlassung oder Duldung einer Handlung. § 343 BGB kann daher nicht angewendet werden. Eine gegenseitige Mitberücksichtigung von Vertragsstrafe und Ordnungsgeld ist jedoch möglich, wenn der Richter die Höhe des jeweiligen Instituts berechnet. 7. § 343 BGB ist eine Vorschrift, die nicht isoliert betrachtet werden kann. Ihre Einordnung in das generelle System des BGB muss als Herausforderung für den Rechtsanwender angesehen werden. Aus den Vorschriften, die die Strafabrede beiseite stellen, sind vor allem die Normen zu erwähnen, die die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe zur Folge haben. Grund dafür ist die abstrakte Gefährlichkeit der Vertragsstrafe in Verbindung mit dem Charakter einzelner Vertragstypen, die lebenswichtige Leistungen betreffen. Demgemäß sind die Beispiele der §§ 1297 Abs. 2, 2302 BGB aus dem Familien- und dem Erbrecht charakteristisch. Ähnlich funktioniert das Verbot des § 555 BGB bei Wohnraummietverträgen. Auch im Kartell-, Unterrichtsvertrags- und Transportrecht gelten Verbote für die Einbeziehung von Strafklauseln, die nach § 134 BGB zur Nichtigkeit führen. Im Arbeitsrecht gibt es Stimmen in der Literatur, die sich gegen die Einbeziehung von Strafklauseln in Arbeitsverträgen wenden. Die Argumente sind jedoch nicht überzeugend. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Vertragsstrafe als Sicherungsmittel auch im Arbeitsrecht legitim ist. Besondere Beschränkungen gelten nur auf der Grundlage ausdrücklicher Vorschriften (§§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG, 110 GewO, 612a BGB). Individuell vereinbarte Strafabreden im Arbeitsrecht

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sind von besonderen Zulässigkeitserfordernissen abhängig. Darunter fallen das Bestimmtheits- und Klarheitsgebot sowie das generelle Verbot ungleicher Behandlung des Arbeitnehmers hinsichtlich der Kündigung. Letztlich schließt die Unwirksamkeit einer Strafklausel die Herabsetzung aus, da Hauptvoraussetzung für eine Ermäßigung die Wirksamkeit ist. Die Vertragsstrafe ist sehr oft in vorformulierten Verträgen zu finden. Diese in AGB enthaltenen Strafklauseln sind nach §§ 305 ff. BGB zu kontrollieren. Zwei Vorschriften sind dafür maßgeblich: § 309 Nr. 6 BGB, der einige Formen der Vertragsstrafe als unwirksam erklärt, und § 307 BGB, der die Generalklausel der AGBKontrolle bildet. Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschriften ist die Eigenschaft des Unternehmers für den Verwender (§ 14 BGB) und die Eigenschaft des Verbrauchers für den Verwendungsgegner (§ 13 BGB) erforderlich. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist ebenfalls zu beachten. Der Ansicht der Literatur und der Rechtsprechung, die den Arbeitnehmer als Verbraucher betrachten, ist mit Argumenten aus der Vergleichbarkeit der Interessenlagen des Arbeitnehmers und des Verbrauchers und der Systematik des Gesetzes zuzustimmen. Die Kontrolle der Einbeziehung der vorformulierten Strafklauseln erfolgt nach § 305 Abs. 2 und 3 BGB. Eine Ausnahme gilt nur für Arbeitsverträge gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 BGB. Dann finden die generellen Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB (§§ 145 ff. BGB) Anwendung. Auch nach § 305c Abs. 1 BGB sind die vorformulierten Klauseln zu kontrollieren. Überraschend ist die Strafklausel besonders dann, wenn sie im Vertragstext unrichtig eingeordnet und dadurch versteckt ist. In Hinsicht auf die Auslegung der vorformulierten Strafklauseln kommen §§ 133, 157 BGB in Betracht. Die objektive Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragsgegners des Verwenders und hauptsächlich die Verständnismöglichkeit verständiger und redlicher Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise sind maßgeblich. § 305c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregel) löst das Problem des Zweifels der Auslegung zulasten des Verwenders. § 309 Nr. 6 BGB ordnet eine Reihe von Fällen an, in denen die Vertragsstrafe ohne Wertungsmöglichkeit unwirksam ist. Das Verbot hat einen engen Anwendungsbereich, da es nur die Nichtabnahme, die verspätete Abnahme der Leistung, den Zahlungsverzug und die Lösung vom Vertrag erfasst. Alle anderen Klauseln fallen unter § 307 BGB. Der Auffangtatbestand des Abs. 1 S. 1 gelangt nur dann zur Anwendung, wenn Abs. 2 nicht angewendet werden kann. Abs. 1 S. 1 enthält die Generalklausel der unangemessenen Benachteiligung entgegen dem Gebot von Treu und Glauben, die eine umfassende Interessenabwägung voraussetzt. Zu beachten ist auch das Unbestimmtheitsverbot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach die Bestimmung sowohl der Verwirkungsvoraussetzungen als auch der Strafhöhe klar und verständlich sein muss. Bezüglich der Kontrolle der Unangemessenheit der Strafhöhe ist die Interessenabwägung zu beachten, wie sie von der Judikative vorgenommen wird. Der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ist grundsätzlich zulässig, aber die Strafhöhe ist nach den generellen Vorschriften des BGB (§§ 138, 305 ff. BGB) zu kontrollieren. In Bauverträgen hat die Rechtsprechung ein System ent-

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wickelt, wonach die vorformulierte Vertragsstrafe, die keine Obergrenze vorsieht, unwirksam ist. Diese Ansicht teilt auch die Literatur. Wegen der Gefährlichkeit einer im Verlauf der Zeit unbegrenzt steigenden Strafe ist ein allgemeines Obergrenzenerfordernis in allen Fällen zu bejahen, in denen der dauerhafte Verzug des Schuldners der Verwirkungsgrund ist. In Hinsicht auf die Strafklauseln in Arbeitsverträgen ist festzustellen, dass § 309 Nr. 6 BGB keine Hindernis für die Zulässigkeit sein kann. Auch wenn der Tatbestand des § 309 Nr. 6 BGB wörtlich erfüllt wird, ist die Vorschrift nicht anzuwenden. Die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BGB ist der dafür notwendige Rechtfertigungsgrund. Wichtigste Besonderheit ist die fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO. Auf jeden Fall stellt § 307 BGB den Maßstab dar, nach dem diese Klauseln nachgeprüft werden. Die Angemessenheitskontrolle basiert auf der wechselseitigen Abwägung und Bewertung der rechtlich anerkannten Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung des Gebotes von Treu und Glauben. Als generell angemessene Obergrenze wird der Betrag eines Monatslohns angenommen. Ausnahmen und Abweichungen von dieser Regel sind aber erforderlich, wenn die Interessenabwägung eine niedrigere oder eine höhere Vertragsstrafe rechtfertigen kann. In Hinsicht auf die Kontrolle der formularmäßigen Strafklauseln in Verträgen, in denen der Verwendungsgegner Unternehmer ist, gilt § 310 Abs. 1 S. 1 BGB, der die Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB ausschließt. Dennoch bleiben die Strafklauseln nicht unkontrolliert. § 307 BGB findet in vollem Umfang Anwendung. Rechtsfolge des Verstoßes der vorformulierten Klausel gegen §§ 309 Nr. 6, 307 BGB ist die Unwirksamkeit. Nach der herrschenden Meinung ist sie als Total- bzw. Gesamtnichtigkeit zu verstehen. Wichtig ist die nach der Rechtsprechung in bestimmten Fällen zulässige Aufrechterhaltung teilbarer Klauseln, wenn die Formulierung aus sprachlich und inhaltlich voneinander abtrennbaren Teilen besteht, so dass der Klauselrest auch ohne den unwirksamen Bestandteil verständlich ist und eine sinnvolle Regelung enthält. Hinsichtlich des Verhältnisses der AGB-Kontrolle zur Herabsetzung nach § 343 BGB ist die generell vertretene Meinung, dass § 307 BGB die Ermäßigung nach § 343 BGB ausschließe, abzulehnen. Es ist davon auszugehen, dass ein Kumulationsverhältnis zwischen der Inhalts- und der Angemessenheitskontrolle zu bejahen ist. Die Unterschiede beider Mechanismen, das heißt die unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäbe, Beurteilungszeitpunkte und bis zu einem gewissen Maße Beurteilungskriterien, rechtfertigen das Nebeneinander der zwei Kontrollsysteme. Der Verstoß gegen § 309 Nr. 6 BGB ist unproblematisch, weil es um vereinzelte Unwirksamkeitsgründe geht, deren Vorliegen die Unwirksamkeit der Klausel mit sich bringt. Die Kontrolle nach § 307 BGB scheint dagegen problematischer. Ist die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vereinbar, so ist sie insgesamt unwirksam und eine Herabsetzungskontrolle kann nicht ergänzend durchgeführt werden. Wenn die Strafhöhe jedoch selbst kontrolliert wird, dann ist eine Abstufung dieser Größe denkbar. Bezüglich der Strafhöhe ist anzunehmen, dass die Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB hinsichtlich einer unangemessenen Benach-

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teiligung stattfinden muss. Ist die Vertragsstrafe als unangemessen hoch erklärt, so soll die Gesamtunwirksamkeit der Klausel nicht als Rechtfolge eintreten. § 307 BGB muss in diesem Fall in Verbindung mit § 343 BGB Anwendung finden. Diese Kombination der generellen mit der konkreten Kontrolle erlaubt die teilweise Aufrechterhaltung der problematischen Klausel durch die entsprechende Herabsetzung auf den angemessenen Betrag. Wenn die Klausel aber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält, dann ist die Billigkeitskontrolle nach § 343 BGB auf jeden Fall und wegen der Besonderheiten der letzteren Vorschrift erforderlich. Die Sittenwidrigkeit einer Vertragsstrafe nach § 138 BGB kann in zwei Varianten erscheinen: Verstoß gegen die guten Sitten aufgrund der unangemessenen Strafhöhe und aufgrund des Verhältnisses zur gesicherten Hauptverpflichtung. Hinsichtlich der die Strafhöhe betreffenden Sittenwidrigkeit ist anzunehmen, dass die Strafhöhe an sich keinen sittlichen Charakter besitzen kann. Es sind zusätzliche Umstände erforderlich, die den Begriff des Exzesses feststellen können (z. B. Belastung des Schuldners, die seine Existenz schwer bedroht). Die sich aus dem Verhältnis zur gesicherten Pflicht ergebende Sittenwidrigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Strafe die Ausübung wichtiger Freiheiten (z. B. Grundfreiheiten) beschränkt. In Anbetracht des Verhältnisses zwischen § 138 BGB und § 343 BGB ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Sittenwidrigkeit die Beseitigung der Vertragsstrafe zur Folge hat. Dadurch werden die Interessen des Schuldners umfassend geschützt, der Gläubiger verliert aber an Sicherung. Generell betrachtet ist die Vorschrift des § 138 BGB im Vergleich zur Ermäßigung des § 343 BGB ein effektiveres Schutzmittel. Die Sittenwidrigkeit wegen einer übermäßigen Höhe ist als ultimum refugium für den Schuldner zu betrachten, weil die Herabsetzung gemäß § 343 BGB die Vertragsstrafe nicht so eng beschränkt. Der letzteren Vorschrift ist ein Vorrang zu anerkennen. Die Sittenwidrigkeit wegen des Verhältnisses zwischen der Strafe und der gesicherten Pflicht, die nichts mit der Höhe zu tun hat, führt dagegen zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafe und verhindert die Herabsetzungsmöglichkeit. Auf der anderen Seite gibt es die Vorschriften, deren Anwendung die Strafvereinbarung modifiziert. § 313 BGB, der die Störung der Geschäftsgrundlage als Anpassungsgrund vorsieht, ist eine davon. Die Vertragsstrafe kann auf der Grundlage des § 313 BGB insbesondere dann kontrolliert werden, wenn sich das Hauptverhältnis verändert. Dies ergibt sich aus der Akzessorietätsnatur der Institution. Die Vorschrift ist aber allgemein formuliert und wird von speziellen Regeln verdrängt. Literatur und Rechtsprechung nehmen den Ausnahmecharakter und die Subsidiarität deshalb als typische Eigenschaften der Vorschrift wahr. Aus diesem Grund ist auch der Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB ein Vorrang zu anerkennen. § 313 BGB ist schließlich nur dann anwendbar, wenn keine Anpassungslösung im Vertrag vorhanden ist. Da die Vertragsstrafe nicht unbedingt bestimmt sein muss, kann die Bestimmung der Strafhöhe sowie anderer Merkmale dem Gläubiger (§ 315 BGB) oder einem Dritten (§ 317 BGB) überlassen werden. Wenn der Gläubiger die Strafhöhe be-

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stimmt, ist anzunehmen, dass die Festsetzung nach billigem Ermessen zu treffen ist. Ferner kann die Vereinbarung, die dem Gläubiger ein Bestimmungsrecht nach freiem Ermessen oder auch Belieben einräumt, nicht in jedem Fall als willkürlich und daher sittenwidrig charakterisiert werden. Sie ist zulässig, die Grenzen sind aber bezüglich der Sittenwidrigkeit oder des Rechtsmissbrauchs anhand bestimmter Tatsachen zu überprüfen. Die Ausübung des Bestimmungsrechts seitens eines Dritten setzt die Berüksichtigung des § 317 BGB (Erfordernis der Billigkeit) voraus. Ein Schiedsgericht kann als Dritter die Höhe der Strafleistung bestimmen. Die Erstbestimmung der Strafleistung nach der Vereinbarung der Parteien durch ein Zivilgericht (sog. „Hamburger Brauch“) ist jedoch zu verneinen. Es ist festzustellen, dass beide Kontrollverfahren (§§ 315 ff. und § 343 BGB) gemeinsame Merkmale besitzen. Der Begriff des billigen Ermessens öffnet dem bestimmenden Gläubiger, dem Dritten und zuletzt dem Gericht einen Spielraum, in dem diese sich bewegen müssen. Die Beurteilung ist eine nach oben oder nach unten gerichtete Bewegung in einem Rahmen, den verschiedene Faktoren begrenzen. Hier sind einerseits die Druck- und Ersatzfunktion der Vertragsstrafe und allgemein die Interessen des Gläubigers, andererseits jene des Schuldners zu berücksichtigen. In diesem Sinne kommen beide Kontrollmechanismen einander sehr nahe, obwohl bedeutende Unterschiede bestehen, wie z. B. der Umstand, dass §§ 315 ff. BGB dispositives Recht enthalten, anders als dies bei § 343 BGB der Fall ist. Ihre wichtigste Differenzierung liegt aber darin, dass die Anwendung der §§ 315 ff. BGB eine unbestimmte Leistung voraussetzt. Es ist schließlich eine Frage der Auslegung der Vereinbarung der Parteien, ob diese einer Person den Weg zur einseitigen Bestimmung eröffnet haben. Schließlich ist das Verhältnis zwischen § 343 BGB und der Generalklausel von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu betrachten. § 343 BGB ist spezieller als § 242 BGB. Die Norm ist die gesetzliche Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Vertragsstrafenrecht. § 343 BGB entspricht einer gesetzlichen Konkretisierung, einer Spezialisierung der Grundidee von Treu und Glauben. Folglich kann die Kontrolle nach § 242 BGB keinesfalls Vorrang genießen. Dies gilt insbesondere für die Nichtkaufleute. Die Frage, ob im Fall der Nichtanwendung der Grundsatz von Treu und Glauben ersatzweise die Lösung anbieten darf, ist zu verneinen. Hinsichtlich der Kaufleute ist daran festzuhalten, dass die Kontrolle nach § 242 BGB mit den Wertvorstellungen des Gesetzgebers und der Logik des § 348 HGB unvereinbar ist. Dieser Ausschluss des § 242 BGB soll aber nur bei der Kontrolle der Strafhöhe gelten. § 343 BGB ist eine Vorschrift, deren Rechtsfolge nur die Höhe der Vertragsstrafe regelt. Gleichermaßen schließt § 348 HGB bei Kaufleuten nur die Herabsetzung der Strafe aus. Andere Elemente der Strafe, die nicht mit der Leistungshöhe zu tun haben, können aber grundsätzlich in Hinsicht auf Rechtsmissbrauch unter gerichtliche Kontrolle gestellt werden. Darunter fallen vor allem der Strafverfall und seine Merkmale. 8. Probleme ergeben sich aus der Ermäßigung der Vertragsstrafen auf internationaler Ebene. Die Vertragsstrafen sind heutzutage selbstverständlich in vielen Arten internationaler Verträge (z. B. Warenkauf-, Lizenz- und Bauverträge) ent-

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halten. Dabei erfüllen sie ihre Funktionen als Druckmittel zur Absicherung von Pflichten und zugleich als Schadensersatzmittel zur Berechnung und Pauschalierung des Schadensersatzes bei Nichteinhaltung der geschuldeten Pflichten. Die Arbeitsgruppe „Groupe der Travail: contrats internationaux“ ist eine wissenschaftliche Vereinigung von Rechtsexperten unterschiedlicher Rechtssysteme und hat sich mit der Verwendung von Vertragsstrafen im internationalen Geschäftsverkehr beschäftigt. Der entsprechende Bericht kommt zu der Schlussfolgerung, dass sich die Rechtsordnungen in zwei Kategorien unterteilen lassen: Einerseits gibt es die Systeme des common law (England, USA), die keine Vertragsstrafen im Sinne des deutschen Rechts kennen. Die Rechtsordnungen des civil law enthalten andererseits Regeln, die die Institution der Vertragsstrafe regeln, wie das deutsche Recht sie kennt. Wegen der Unterschiede zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen hat die Arbeitsgruppe die Frage, ob die Herabsetzung der Vertragsstrafen zum internationalen ordre public gehört, offen gelassen. Die Arbeitsgruppe von UNCITRAL hat sich zweimal mit dem Recht der Vertragsstrafe beschäftigt. Zwei Berichte gingen in den Jahren 1979 und 1981 an die Öffentlichkeit. Die Rechtsvereinheitlichungsversuche sind schließlich zu einem Vorschlag unter dem Titel „Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance“ gekommen, dessen Verabschiedung im Jahre 1983 stattfand. Der Bereich des internationalen Baurechts und speziell der Errichtung von Industrieanlagen ist sehr stark von Standardverträgen geprägt. Die bedeutendste Rolle spielen dabei die sog. FIDIC-Verträge. Da sie aus dem Raum des angelsächsischen Rechts stammen, kennen sie keine Vertragsstrafen. Aus diesem Grund kann die Reduktion nur dann Bedeutung erlangen, wenn sich die Vertragsparteien auf die Anwendung einer civil-law-Rechtsordnung geeinigt haben, die die Vertragsstrafen und deren Ermäßigung regelt. Die Beantwortung der Frage, welche Rechtsordnung einen Sachverhalt oder einen Vertrag regelt, ist somit ausschlaggebend. Das anwendbare Recht für die Vertragsstrafe wird nach den Regeln angeordnet, die dem Statut der gesicherten Hauptverpflichtung entsprechen, da es sich lediglich um eine einzelne Vertragsklausel handelt. Nach diesem Statut wird nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Ermäßigung der Vertragsstrafe beurteilt. Den Vorrang genießen auf jeden Fall die Regeln des Einheitsrechts. Greift das Einheitsrecht nicht ein, so ist das deutsche Internationale Schuldrecht anzuwenden, das für die Schuldvertragsverhältnisse gilt, genauer gesagt die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse einschlägige Recht („Rom IVerordnung“) vom 17. Juni 2008. Die Rom I-VO knüpft an die frühere Rechtslage (Art. 27 EGBGB) an, indem sie die Regel der freien Rechtswahl anerkennt (Art. 3 Rom I-VO). Fraglich ist, ob die Abspaltung (dépeçage) nach entsprechender Vereinbarung der Parteien zulässig ist. Das deutsche Kollisionsrecht bejaht diese Frage (Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO).

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Bedeutend ist die Einordnung des § 343 BGB als Eingriffsnorm. Zu beachten ist die Regel des Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO, wonach die Anwendung der Eingriffsnormen des angerufenen Gerichts nicht berührt wird. Diese Regelung hat zur Folge, dass § 343 BGB auch im Fall der Anwendung ausländischen Rechts von einem deutschen Gericht angewendet wird, soweit er als Eingriffsnorm bezeichnet wird. Die Qualifizierung als Eingriffsnorm ist jedoch nicht überzeugend. Der zwingende Charakter der Vorschrift ist kein entscheidender Faktor. Außerdem ist zu beachten, dass eine Eingriffsnorm nicht einfach der Allgemeinheit dient, sondern auch das öffentliche Interesse in einem politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Sinne bewahrt. Es handelt sich vor allem um Normen des öffentlichen Rechts. Es ist nicht ernsthaft nachvollziehbar, dass die Herabsetzung der Vertragsstrafen derartige Ziele öffentlichen Charakters besitzt. Folglich ist davon auszugehen, dass die Vorschrift § 343 BGB nicht als inländische Eingriffsnorm im Fall der Anwendung ausländischen Rechts bezeichnet werden kann. Es stellt sich ferner die Frage, ob die Vorschrift des § 343 BGB zum Begriff des ordre public gehört. Vorgesehen ist die ordre-public-Klausel in Art. 6 EGBGB und Art. 21 Rom I-VO speziell für die Schuldverhältnisse. Die Frage des Verstoßes gegen den ordre public ist hinsichtlich der Vertragsstrafe insbesondere für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche bedeutend. Hier ist davon auszugehen, dass nicht von ordre public gesprochen werden kann, wenn das von einem deutschen Gericht anzuwendende Recht aus der Tradition des civil law stammt. Diese Rechtsordnungen sehen eine Reduktionsmöglichkeit der Vertragsstrafe vor, abgesehen davon, dass einige nicht tiefgreifende Differenzierungen untereinander ersichtlich sind. Das Problem des Verstoßes gegen den ordre public ist hauptsächlich dann zu beachten, wenn der Fall die Anerkennung eines Urteils des angloamerikanischen Rechtskreises, nämlich des common law, betrifft. Fraglich ist unter anderem, ob sich ein Verstoß gegen den deutschen ordre public aus amerikanischen Urteilen ergeben kann, die den Beklagten zur Zahlung von sog. punitive damages verurteilen. Die Argumente der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Nichtanerkennung der punitive damages sind maßgeblich. Die zuzustimmende Stellungnahme basiert auf der Ablehnung des Schadensersatzes als Privatstrafe im deutschen Privatrecht. Bezüglich der punitive damages darf die Judikative keinen Durchbruch in das System des Schadensersatzes einführen, weil dieser nur durch die Entscheidungen der Legislative vorgenommen werden darf. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, die zur Errichtung von punitive damages verurteilen, ist aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. Darüber hinaus ist zu betonen, dass die deutsche Regelung des § 343 BGB kein Merkmal einer ordre-public-Vorschrift besitzt. Deswegen ist die Regelung, die das anwendbare Recht in Hinsicht auf die Kontrolle übermäßiger Vertragsstrafen vorsieht, zu berücksichtigen. Nur im Ausnahmefall, wenn die ausländische Rechtsordnung keine Schutzmöglichkeit bietet, ist auf § 138 BGB als ordre-public-Vorbehalt zurückzugreifen.

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Die Versuche zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsstrafe sind bemerkenswert. Im europäischen Raum ist die Konvention unter dem Titel „Convention Benelux portant loi uniforme relative l’astreinte“ zu erwähnen, die von den drei Benelux-Staaten (Belgien, die Niederlande, Luxemburg) am 26. November 1973 in Den Haag verabschiedet wurde. Das Ratifizierungsverfahren der Konvention scheiterte aber schnell und die Konvention trat niemals in Kraft. Ein Herabsetzungsrecht enthielt die Konvention in Art. 4. Das Ministerkomitee des Europarates hat am 20. Januar 1978 eine Resolution bezüglich des Rechts der Vertragsstrafe verabschiedet. Die Resolution sah die Herabsetzungsmöglichkeit in Art. 7 vor. Die Principles of European Contract Law (PECL), eine systematische Sammlung gemeinsamer Grundsätze des Vertragsrechts, enthielten den Art. 9:509, der die Bezeichnung „Vertragsstrafe“ vermied, obwohl die vorgesehene Institution der „vereinbarten Zahlung wegen Nichterfüllung“ Erfüllungssicherungs- und zugleich Nachweiserleichterungsfunktion besaß. Die rechtsvergleichende Betrachtung vieler kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen bestätigt die Tatsache, dass die Kontrolle exzessiver Vertragsstrafen gemeines Merkmal der civil-law-Tradition ist. Der Draft Common Frame of Reference (DCFR) sieht die Institution der stipulated payment for non-performance in Art. III.–3:712 vor, die gleichzeitig eine Druck- und Ausgleichsfunktion bewirkt. Dies bringt sie dem deutschen Recht nahe. Dadurch folgt die Regelung dem kontinentaleuropäischen Vorbild. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Herabsetzung im Mittelpunkt des Rechts der Vertragsstrafe steht. Dies ist auch im Rahmen der Vereinheitlichungsversuche auf europäischer Ebene (PECL, DCFR) ersichtlich. Das vorliegende Ergebnis weist darauf hin, dass die Ermäßigung auch in einem zukünftigen europäischen Vertragsrecht möglich ist. Dennoch löst der Verordungsvorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (GEK) das Problem nur teilweise. Die Verwendung einheitlicher AGB ist schließlich nur dann möglich, soweit einheitliches materielles Recht gilt. Die Inhaltskontrolle darf die Bereiche nicht berühren, die im Common European Sales Law (CESL) nicht ausdrücklich geregelt sind. Der Rückgriff auf nationales Vertragsrecht hinsichtlich der nicht einheitlich geregelten Themen kann die Verwendung einheitlicher AGB aus Unternehmersicht beeinträchtigen. Ein solches Beispiel mangelnder Harmonisierung ist das Recht der Vertragsstrafe. Auf internationaler Ebene ist zunächst die United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG) zu erwähnen, die keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Strafvereinbarung enthält, obwohl Strafklauseln häufig in internationalen Warenkaufverträgen anzutreffen sind. Die Principles of International Commercial Contracts (PICC) von UNIDROIT, deren Ziel die Arbeit für die internationale Vereinheitlichung des Privatrechts ist, regeln die Vertragsstrafe in Art. 7.4.13. Abs. 2 führt das Ermäßigungsrecht ein. Die Vorschrift spiegelt die Tradition des civil law und nicht die des common law wider, obwohl in der Organisation von UNIDROIT auch common law-Länder Mitglieder sind. Die vorbeschriebenen Versuche der Arbeitsgruppe von UNCITRAL haben zu einem Vorschlag des Rechts der Vertragsstrafe unter dem Namen Uniform Rules on Con-

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tract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance im Jahre 1983 geführt. Trotz der Resolution ist der Versuch von UNCITRAL gescheitert. Das Verfahren ruht seit 1983. Die Frage, ob die Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsstrafe möglich ist, muss unabhängig von der Problematik, ob diese Vereinheitlichung auch erforderlich ist, betrachtet werden. Obwohl eine Vereinheitlichung wünschenswert wäre, lässt sich sagen, dass diese nicht unbedingt erforderlich ist. Die Vertragsschließenden können die zwingenden Vorschriften einer Rechtsordnung durch freie Rechtswahl umgehen. Diese Möglichkeit beweist, dass die Erforderlichkeit einer Vereinheitlichung nur als gering angesehen werden kann. Das Fehlen eines einheitlichen Rechts behindert den internationalen Rechts- und Geschäftsverkehr. Dennoch sind diese Hindernisse nicht so groß, dass ein Vereinheitlichungsbedürfnis dringend verwirklicht werden muss.

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Sachwortverzeichnis Abdingbarkeit 199, 205, 484 Abschlussfreiheit 70 f., 80 Abschreckungsfunktion, siehe Druckfunktion 112 Abzahlungsgesetz 61 f. Acquis Group 462 !jo}sia sumakk\clata 95 Akzessorietätsprinzip 131, 218 Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, Fernwärme, elektrischem Strom und Gas 318, 490 Allgemeine Beförderungsbedingungen 320, 490 Allgemeine Geschäftsbedingungen 34, 73, 77 – 79, 86 f., 93, 98, 107 f., 117, 133 f., 207 f., 283, 286 f., 290, 292 f., 296 – 298, 302 – 304, 307 f., 319, 321 f., 334, 337, 339 – 341, 344, 347 f., 353 – 370, 372, 374 – 376, 378 – 397, 400 – 402, 404, 406, 427, 468 f., 471, 484, 492 f., 498 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von Österreich 52 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 53 f. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 110 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten 50 altgriechisches Recht 42 Analogie 146, 238, 274 f., 277 f., 293, 482 angemessener Betrag 161, 192, 194 f., 197, 232, 422, 483, 486 Angemessenheit 60, 127, 131, 136, 144 f., 147, 151 – 153, 155, 179, 182 f., 189, 191, 193, 197, 217, 235, 239 f., 242, 254, 367 f., 375, 380, 387 f., 390 f., 397, 453 Anpassung 107, 109, 207, 414 – 416 anwendbares Recht 439 – 442, 456, 496 f. Anzahlungsverfallklausel 298 Arbeitsrecht 34, 74, 107, 110, 287, 289, 302, 317, 338 – 344, 346 – 350, 355 – 358, 383 – 392, 396 f., 400 f., 404, 490 f., 493

Arbeitsvertrag 34, 55, 93, 108, 182, 187 f., 301, 316, 338 – 343, 346, 348 – 350, 355 f., 367, 383 f., 386 – 392, 400 f., 436, 491, 493 attisches Recht 42 Aufnahmezwang 311, 313 Ausbildungsförderungsvertrag 323, 491 ausgleichende Gerechtigkeit, siehe iustitia commutativa 71 Ausgleichsfunktion 35, 150, 191, 198, 288 f., 302, 449, 451, 454, 466, 471, 498 Auslegung 33, 37 f., 41, 49, 56, 62, 68 f., 113, 121, 124, 134, 138, 140 – 142, 144, 146 – 148, 156, 173, 175, 234, 246, 260, 262, 266, 268, 270 f., 274, 276 f., 282, 292, 299, 321, 324, 335, 347, 353 f., 358, 361, 364 f., 382, 384, 398, 404 f., 416 f., 419, 423, 443, 449, 482, 489, 492, 495 Avant-projet 463 f.

Basiliken 46 f. Baurecht 218, 354, 376, 378, 380 – 382 Bauverträge 34, 112, 198, 374, 376, 380, 382, 399, 434, 492, 495 Bearbeitungsentgelt 307, 332, 490 Beförderungsentgelt in Bahn und Bus 307 Berufsausbildung 110, 344 Berufung 175, 177, 179 f., 182 f., 185 f., 202, 223, 233 f., 241 f., 244, 246, 248, 251 f. Berufungsinstanz 233 Bestimmtheitsgebot 327, 348, 368 f., 393, 452 Betriebsbuße 313 – 317, 419, 490 Betriebsvereinbarung 313 f., 339, 490 bewegliches System 99 f., 172 – 179, 181 – 183, 185 f., 188 f., 481, 483, 489 Beweislast 203 f., 227 – 231, 297, 299, 327, 350, 422, 484, 486 Bifunktionalität 33, 131, 152, 165, 192, 229, 286 f., 357, 359, 434, 471

Sachwortverzeichnis billiges Ermessen 55, 134, 151, 206, 242, 418, 421, 495 Billigkeit 107, 124, 126, 128, 317, 328, 419 – 422, 464, 495 Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen 54 byzantinisches Recht, siehe oströmisches Recht 46 xik± s}lvyma 46 CISG 33, 440, 469 f., 498 civil law 114, 116 – 118, 435, 437, 439, 447, 461, 468 f., 471 f., 474, 496 – 498 Code civil 48, 51 f., 56, 435 f., 458, 478 Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis 50, 56, 478 common law 114, 116 – 119, 124, 435, 437, 440, 447, 461, 466, 470 – 472, 475 f., 496 – 498 Convention Benelux portant loi uniforme relative l’astreinte 456, 498 Corpus Juris Civilis 43 f., 46, 48 f. culpa in contrahendo 73 dépeçage 442, 496 Deutscher Juristentag 58 Dienstvertrag 108, 185, 260, 279 Disparität 81 f., 84, 93, 97 dispositives Recht 98, 261, 263, 271, 276, 363, 365, 480 Draft Common Frame of Reference 118, 462 – 468, 476 f., 498 Draufgabe 131, 274, 284 f., 331, 489 Druckfunktion 35, 112, 120, 122, 150, 154 f., 170, 180, 183 f., 227, 233, 244, 269 – 271, 281 f., 286 f., 292 – 294, 297, 305 – 307, 310, 316, 331 – 333, 335, 340, 359, 379, 382, 392 f., 421, 423, 428, 431, 439, 447, 466, 471, 475, 481, 486, 489 f., 495, 498 efficient breach of contract 115 f. Effizienz 65, 114 f. Eingriffsnorm 40, 440, 443 – 445, 456, 497 Einrede 145, 191, 204, 206, 216, 219, 224 – 226, 228, 230, 372 f., 398, 485 f., 492 2jo}sia sumakk\clata 95

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Entgelt für in Anspruch genommene Leistungen 305, 331, 489 Entrichtung 54, 127, 129, 195 – 197, 228, 345, 398, 410, 421, 425, 437, 484 Entscheidungsfreiheit 63 – 66, 68, 70 – 72, 75 – 77, 79 – 81, 83 – 94, 96, 98 – 101, 103, 117, 408, 479 – 481 1pítilom 42 f. equity 124, 126, 481 Erbrecht 336, 491 Erforderlichkeit 136, 151 – 155, 212, 367 f., 476, 483, 499 ergänzende Vertragsauslegung 98, 374 Ermäßigungskontrolle 35, 194, 206, 274, 280 f., 397, 433 f., 490 Ermäßigungsrecht 37, 43 f., 47 f., 51 f., 54, 57 – 61, 191, 197, 201, 210 f., 214 – 216, 218 f., 222 – 225, 228, 259, 285, 294, 333, 352, 413, 415, 437, 456 f., 464, 471 – 473, 475 f., 478, 481, 485 f., 498 Ermessensspielraum 98, 138, 140, 150, 240, 255, 444 essentialia negotii 275, 277, 280 f. Familienrecht 336, 491 Fangprämie bei Ladendiebstahl 322, 333 Feasibility Study for a Future Instrument in European Contract Law 466 Fernabsatzverträge 73, 92 Fernunterrichtsvertrag 108 FIDIC-Verträge 439, 496 Flaschenpfand 306, 332, 490 Fleischpfand 122 f. Formmangel 72, 207 Formzwang 107 Fortsetzungszusammenhang 241, 369, 372 – 374, 492 freie Entfaltung der Persönlichkeit 66 f. Garantievertrag 265, 282, 308 f., 332, 490 Geeignetheit 136, 151 – 155, 483 Gegenseitigkeitsprinzip 72 geltungserhaltende Reduktion 107, 112, 394 f., 400 f., 404 f. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht 467, 498 Generalklauseln 73, 82, 100, 126, 134, 136, 138, 140, 142 – 146, 149 – 151, 173 – 175,

540

Sachwortverzeichnis

192, 234, 303, 344, 353, 364, 405, 410, 428, 444, 446, 482, 492, 495 Geschäftsfähigkeit 72, 77, 91, 94, 101, 103, 107 Geschäftsgrundlage 109, 207, 413, 415 f., 426, 494 Gesetzeswidrigkeit 72, 206, 335, 406 Gestaltungsfreiheit 36, 70 f., 80, 83, 88, 90, 99, 108, 273, 407, 479 f. Gestaltungsklage 212 – 216, 219, 221 f., 224 f., 410, 419 f. Gestaltungsklagerecht 109, 211 – 215, 220, 226, 485 Gestaltungsurteil 213, 422 Glossatoren 45, 48 f. Groupe der Travail – contrats internationaux 435 Grundgesetz 66 f., 72, 82, 138, 140 f., 408 Grundrechte 66 f., 72, 136 – 141, 158, 410, 445, 453, 482 gute Sitten 73, 77, 107, 133, 145, 207, 255, 294, 334, 405 – 410, 494 Güterabwägung 158 Hamburger Brauch 134, 373, 417 – 420, 495 Haustürgeschäfte 73 Heimvertrag 108 hellenistisches Recht 42 Herabsetzung 33, 35 – 42, 47, 55 f., 58, 60 – 63, 105, 111 – 113, 118, 127, 129 – 131, 135 f., 141, 151, 159 – 161, 163 – 167, 169 – 172, 174, 176 f., 179 – 181, 183 f., 187 – 190, 192 – 199, 202 f., 205 f., 209 – 211, 214, 216, 218, 220, 223, 225, 227, 229 f., 232 f., 239, 241, 246, 248, 251 f., 256, 259, 274, 285, 287, 293, 300, 322, 326, 328, 330, 343, 345, 350, 352, 372, 374, 394, 396 f., 400, 404, 410 – 412, 415, 421 f., 425 – 427, 429 f., 432 f., 436, 438, 440, 443 – 446, 455 – 457, 459, 461, 464, 466, 468, 470, 473, 479, 481 – 483, 485 – 487, 492 – 498 Hexabiblos 46 – 48 homo oeconomicus 114

Individualismus 66, 76, 479 Individualvereinbarung 133, 182, 208, 270 f., 283, 287, 292, 309, 346 – 348, 354, 380, 389, 393, 400 Individualvertrag 87, 99, 314, 406 Inhaltskontrolle 39, 84 f., 87, 91 f., 94, 98 – 101, 104, 111, 113, 240, 277, 344, 353 f., 356, 363 – 365, 367, 370, 375, 377, 383 f., 386 – 391, 393, 396, 398 – 402, 404, 459, 469, 480 f., 494, 498 Interessenabwägung 89, 118, 137, 147 – 150, 152 f., 155 f., 160, 173 f., 211, 238 f., 277, 313, 327 f., 330, 365, 369, 374, 391, 393, 399, 483, 485, 492 Investitionsvertrag 323 – 325, 491 iustitia commutativa 71, 95 – 97, 480 iustitia distributiva 71, 95 – 97, 480 Justizsyllogismus 428

151, 160 f., 192 f., 232,

Kartellrecht 350 Kaufmann 119 f., 124, 198 – 206, 208, 250, 398, 416, 425 – 427, 429 f., 432, 440, 484 Kaufmann von Venedig 119 f., 124 Kaufmannseigenschaft 198 – 204, 350, 394, 484 Kollisionsrecht 38, 440, 442, 469, 496 Konkretisierung 38 f., 89, 98, 100, 105, 136, 138 – 140, 142 – 148, 150 f., 155, 171, 175, 192, 255 f., 424, 428, 437, 458, 480, 482, 488, 495 Konnexität 223, 485 Kontrahierungszwang 70, 109 – 111 Kündigung 111, 132, 143, 159, 181 f., 186, 212, 235, 282, 295, 298, 301 f., 310, 315, 337 f., 342, 346 – 348, 362, 367, 369, 384 f., 389, 414 f., 492 Lando-Kommission 459 f., 462 Law and Economics, siehe ökonomische Analyse 113 Law and Literature 119 f., 123 – 126 Leistungspflicht 115, 231, 278 – 281, 283, 287, 299 f., 335, 488 Liberalismus 52, 56 f., 71, 74 – 76, 80 liquidated damages 38, 114, 118 f., 435, 439 f., 447, 461, 466, 470 f., 474 f., 481

Sachwortverzeichnis Lücke 131, 146, 261 f., 275, 278, 301, 394, 468 f. Lückenausfüllung 146, 261 f., 487 Mäklerlohn 105, 109 Marktwirtschaft 65, 77, 114 Massenvertrag 86 Merchant of Venice, siehe Kaufmann von Venedig 119 Mietrecht 80, 336, 382 Missbrauch 36, 55, 69, 79, 86, 88 f., 103, 106, 251, 461, 465 mittelbare Drittwirkung 82 Mitverschulden 162, 167 f., 174, 437, 483 Motive 57, 451 Nachporto 307, 332, 490 Nikomachische Ethik 95 Bli|kiom 42 Obersatz 156 f., 161 Obliegenheit 168, 267, 299 f., 331, 488 ökonomische Analyse 63, 113 f., 481 Ordnungsgeld 241 f., 328 – 330, 333, 491 ordre public 40, 436, 440, 445 – 447, 449, 451, 453 – 455, 476, 496 f. ORGALIME 439 oströmisches Recht 46 Pandektisten 48, 56 Peíqa 47 penalty clauses 37 f., 114 – 118, 434 f., 437 f., 447, 461, 466, 473, 477, 481 Pflichtverletzung 116, 163 f., 166, 168 f., 237, 368 f., 386, 392, 437 Postglossatoren 48 f. Principles of European Contract Law 118, 459 f., 462 – 466, 472, 498 Privatautonomie 35, 63 f., 66 – 68, 70, 74, 78, 80 – 85, 88 – 90, 96, 98 – 101, 107, 109 f., 139, 141, 144, 153 – 155, 192, 194, 210, 232, 261 f., 272, 291, 312, 317, 340, 405, 414 f., 479 Privatstrafe 45 f., 448, 451 f., 454, 497 Protokolle 60 f., 190, 195, 285 punitive damages 447 – 454, 497

541

Qualifikation 40, 142 f., 193, 227, 259 – 261, 263, 265, 272 – 275, 279 – 281, 288 f., 304, 309, 316, 332, 443, 445, 449, 455, 487 f., 490 Qualifikationshoheit 263 f., 487 Ratenverfallklausel 298 Rechtsfrage 151, 227, 235 f., 252, 254, 257, 275, 485 f. Rechtshängigkeit 219, 222 f., 485 Rechtskraft 196, 219, 221, 226, 485 Rechtsmissbrauch 203, 427, 430 – 432, 495 Rechtssicherheit 84, 89, 124, 135, 152, 173, 175, 190, 195, 203, 217, 263, 266, 277, 283, 289, 292, 341, 380, 392, 413, 428, 438, 450, 472, 485 Reisevertrag 108 Resolution des Europarates 457, 475 Reugeld 131, 274, 299, 302 – 305, 331, 337, 351, 361, 489 Revision 183 – 185, 187, 234, 236 f., 241, 244, 247 f., 250 – 252, 468 Revisionsinstanz 183, 185, 223, 226, 234, 237, 239, 252, 254, 257, 486 Richtigkeitschance 81, 84, 86, 90, 98 f., 101 Richtigkeitsgewähr 84 f. Rom I-Verordnung 441, 496 römisches Recht 43 Rückzahlungsklausel 301 f., 323, 325, 331, 489, 491 Schadenspauschalierung 52, 114, 118, 233, 241, 270, 281 – 283, 286 – 294, 299, 305, 331, 337, 351, 360 f., 366, 394, 435 f., 456 – 459, 470, 489 Scheinkaufmann 199 – 201, 484 Schiedsverfahren 257 Schutzpflicht 279, 281 schweizerisches Obligationenrecht 55 Selbstbestimmung 36, 63, 66, 72, 81, 83 – 85, 87, 89, 97, 101, 103, 107, 409, 480 selbstständige Vertragsstrafe 101, 106, 130, 268, 274, 300, 309, 331, 481, 485, 488 Selbstverantwortung 76, 89 Sittenwidrigkeit 224, 264, 336, 349, 406 – 408, 411 f., 418, 494 f. stipulatio poenae 43, 266

542

Sachwortverzeichnis

Strafrecht 125, 150, 169, 327 – 329, 333, 373, 449, 453, 491 strukturelle Ungleichgewichtslage 70 Study Group on a European Civil Code 462 Subsumtion 156 f., 159, 234 f., 237, 255 f., 260, 271 Subventionsvertrag 323, 491 Summierungseffekt 178, 326 Tarifvertrag 313 f., 339, 401, 490 Tatfrage 151, 228, 234 – 236, 252, 254, 256 f. Transaktionskosten 116 Transparenzgebot 353, 363 f., 389, 395, 468 Transportrecht 352, 491 Treu und Glauben 92, 98, 104 f., 119, 127, 142 f., 145, 151, 164, 167 – 169, 171, 192, 202, 207, 209 f., 255, 264, 276 f., 300, 322, 341, 353, 363 – 365, 388, 415, 424 – 432, 480, 482, 484, 488, 492, 495 Treuhandanstalt 247, 324 – 326, 370 Typenfreiheit 70 Typenzwang 108 Übermaßverbot 136, 153, 321 überraschende Klausel 357 unangemessene Benachteiligung 233, 339, 353, 356, 360, 363 – 365, 388 f., 391, 393, 397 f., 403, 492, 494 Unbestimmtheit 38, 134, 140, 142 f., 146, 150, 155, 173, 255, 368, 389, 417 UNCITRAL 434, 436 – 438, 473 – 475, 496, 498 unechte Vertragsstrafe, siehe selbstständige Vertragsstrafe 130 UNIDROIT Principles 118, 460 – 463, 470 – 472, 498 Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance 438, 473, 496, 499 unmittelbare Drittwirkung 138 f. Unterlassungserklärung 34, 178, 180, 205 f., 243, 484 Unterrichtsvertragsrecht 351 Untersatz 161 unverhältnismäßige Höhe 128, 136 f., 152, 161, 232, 486

Unverhältnismäßigkeit 39, 117, 129, 137, 141, 144 f., 147, 157, 159 – 161, 175, 178, 186, 189 – 191, 193 – 195, 211, 219, 228, 230 f., 234, 236, 253 – 256, 313, 349, 368, 374, 422, 428, 430, 464, 483, 486 Unwirksamkeit 73, 85, 89, 91, 93, 101, 107 f., 110, 132 f., 206, 282, 334 f., 341, 349, 352 – 354, 366, 373, 376, 382, 390, 394 – 396, 398, 403 – 405, 410 – 412, 425, 468, 491, 493 f. Verbandsstrafe 310 f., 332 Verbraucher 53, 65, 70, 73, 78 – 80, 92, 128, 142, 229, 250, 287, 355 f., 360, 464, 466 – 469, 480, 492 Verbraucherdarlehensverträge 73 Vereinsstrafe 310 – 312, 419 Verfall 46, 135, 182, 196, 218, 231, 282, 294 f., 299 f., 329, 337, 380, 397, 431 f., 484 f., 489 Verfallklausel 196, 216, 227, 294 – 298, 331, 337, 361, 408, 485 f., 489 Verfallsbereinigung 45 f., 99, 105, 163, 431 Verhältnismäßigkeit 60, 69, 112, 136 f., 140, 144, 150 – 152, 154 f., 161, 189, 192 f., 207, 228, 233, 235, 311, 317, 394 f., 404 f., 450, 453, 482, 486 Verhandlungsgleichheit 86, 480 Verkehrssitte 98, 276 f., 480 Verlöbnis 336 Vermögensinteresse 60, 127, 144, 157, 165, 180, 183, 367 Vermögenslage 171, 173 f., 228, 230, 240, 399 Verschulden 61, 135, 160, 162 – 164, 167 f., 171, 173 f., 176, 179, 183, 242, 250, 254, 299 – 301, 308, 326 f., 339, 355, 374, 381, 392, 437, 453, 483 f., 489 Verteilungsgerechtigkeit, siehe iustitia distributiva 71 Vertragsbindung 63 f., 66, 76, 81, 83 f., 192 Vertragsfreiheit 35, 39, 46, 52, 55 – 60, 62 – 78, 80 – 83, 86 – 91, 93 f., 97, 99 – 106, 110, 112, 160, 187, 261, 264, 272, 340 f., 395, 400, 407, 418 f., 457, 460, 465, 475 f., 479 – 481, 487 f.

Sachwortverzeichnis Vertragsgerechtigkeit 39, 74, 76, 81 f., 85, 87, 89, 94, 96 – 102, 104 – 106, 113, 120, 271 f., 480 f. Vertragsmechanismus 77, 81, 84 f., 88, 90, 93, 101 Vertragsparität 106 f., 480 Vertragstypus 33 f., 38, 70, 73, 92, 98, 108, 111 f., 133, 260 – 266, 268, 271 – 273, 275 – 278, 280 f., 309, 316, 335, 352, 382, 387, 442, 480, 487 f., 491 Vertrauensschutz 89 Verwirkung 33, 43, 112, 128 f., 134 – 136, 159, 162, 167 f., 177, 189 – 191, 195, 200, 203, 209 f., 218, 221, 224, 230, 237, 241, 247, 252, 295, 320, 326 f., 339, 346, 359, 366, 369, 372, 392, 398 f., 404 f., 415 f., 420, 428, 432 f., 482 f. Verwirkungshandlung 162 f., 483 Verwirkungsklausel 62, 282, 294 – 297 Vorentwurf v. Kübels 57 Vorfälligkeitsklausel 282, 297 f., 331, 361, 489 vorkonstitutionelles Recht 140 Wettbewerbsverbot 164, 179, 184, 199, 202 f., 205, 338, 343 – 345, 350, 358, 370 f., 382, 388, 399, 409, 431

543

Widerklage 183 f., 216, 222 f., 228, 230, 252, 485 Wiederholungsgefahr 170, 205 f., 244, 369, 372, 374, 448, 483 Willensbildung 36, 79, 81, 90 f., 94, 100, 106 Wohnraummiete 34, 336, 338 Wohnraummietvertrag 108 Wuchergeschäft 105 Zeitpunkt 112, 124, 168, 181, 189 – 191, 195, 203 f., 226, 232, 246 f., 269, 295, 320 f., 342, 350, 397, 399, 410, 453, 461, 483 Zinsklausel 305, 332, 490 Zuständigkeit 217, 223, 419 f., 446, 485 Zuwiderhandlung 160, 162 f., 168, 170, 175, 177, 179 f., 184, 190 f., 231, 241 – 243, 248, 326, 329, 359, 368, 371 f., 408, 426, 432, 483 Zwangsgeld 323, 339 f., 386 Zwangsvollstreckung 120, 196, 306, 340 zwingendes Recht 70, 80, 106, 111, 263, 271 f., 276 f., 295 Zwölftafelgesetz 121