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German Pages [432]
Mit Sphaera und Astrolab
Knowledge, Scholarship, and Science in the Middle Ages
Volume 3 General Editor Helen Foxhall Forbes, Durham University Editorial Board Nicholas Everett, University of Toronto Giles Gasper, Durham University Christina Lee, Nottingham University Immo Warntjes, Trinity College, Dublin Antony Watson, Archaeological Institute of the Academy of Sciences, Kazakhstan Jonas Wellendorf, University of California, Berkeley Previously published volumes in this series are listed at the back of the book.
Mit Sphaera und Astrolab ‚Die Entdeckung der Natur‘ in südostdeutschen Klöstern im hohen Mittelalter
Michael Schonhardt
F
British Library Cataloguing in Publication Data. A catalogue record for this book is available from the British Library.
© 2022, Brepols Publishers n.v., Turnhout, Belgium. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise without the prior permission of the publisher. D/2022/0095/279 ISBN 978-2-503-59890-1 E-ISBN 978-2-503-59891-8 DOI 10.1484/M.KSS-EB.5.127725 Printed in the EU on acid-free paper.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 9 Danksagung 11 Kapitel 1: Einleitung: Von französischen Kathedralschulen ins monastische Milieu des Südostens Kapitel 2: Methodologische Grundlagen und Quellenkorpus Begriffsklärung: Kosmoswissen als analytisches Konzept Methodologische Grundlagen einer Wirkungschronologie Quellen einer Wirkungschronologie Vom Diskurs zur Praxis: Methodologische Grundlagen praxeologischer Wissenssysteme Quellen praxeologischer Wissenssysteme Gliederung der vorliegenden Arbeit Kapitel 3: Die Formierung des Kosmoswissens im Südosten bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Inhaltliche Auswertung der erfassten Wissensbestände Die Bestände des primären Wissens Die Bestände des sekundären Wissens Wirkungschronologie der südostdeutschen Wissenslandschaft Von der Antike ins frühe Mittelalter: Der Südosten als postkolonialer Raum Das 9. und 10. Jahrhundert: Integration und Rezeption Das 11. Jahrhundert: Gorzer Reform und Astrolab Das 12. Jahrhundert: Neue Klöster, neues Wissen Die hochmittelalterliche Wissenslandschaft des Südostens Die tragenden Institutionen der Wissenslandschaft Inhaltliches Profil Analyse der gesammelten Daten Kapitel 4: Der Kosmos im Wandel: Innovationsprozesse in Regensburger Klöstern Ursachen: Innovation durch Irritation
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Das Astrolab und seine Konstruktion in St. Emmeram Das Wissen um den eigenen Breitengrad Das Wissen um die Zeit Observative Astronomie und die Sphaera von St. Emmeram Analytisches Zwischenfazit Bedingungen: Institutionalisierung und Professionalisierung Die soziale Dimension kosmologischer Innovationsprozesse Astronomie und Zeitmessung Kosmologisches Wissen im Dienst des Experten Analytisches Zwischenfazit
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Kapitel 5: Schluss 297 Zusammenfassung297 Fazit und Ausblick 300 Anhang 307 Fragmente der Astronomia 307 Tabellen332 Erweitertes Handschriftenregister 370 Literaturverzeichnis 379 Archivquellen379 Handschriften379 Primärquellen383 Sekundärquellen389 Handschriftenindex 421 Personen-, Orts-, Sachindex
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Abbildungsverzeichnis
Figur 3.1. Figur 3.2. Figur 3.3. Figur 3.4. Figur 3.5. Figur 3.6. Figur 3.7. Figur 3.8. Figur 3.9. Figur 3.10. Figur 3.11. Figur 3.12. Figur 3.13. Figur 3.14. Figur 3.15. Figur 3.16. Figur 3.17. Figur 3.18. Figur 3.19. Figur 3.20. Figur 3.21. Figur 3.22. Figur 3.23. Figur 3.24.
Hyginus, De astronomia. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 51 Plinius, Naturalis historia. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 54 Macrobius, Commentarii in Somnium Scipionis. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 57 Calcidius, Timaeus. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 60 Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 63 Isidor von Sevilla, Etymologiae. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 66 Isidor von Sevilla, De natura rerum. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 69 Beda, De natura rerum. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 71 Beda, De temporibus. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 74 Beda, De temporum ratione. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 76 Hrabanus Maurus, De computo. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 78 Helperich von Auxerre, Computus. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 80 Kosmologisch-komputistische Fachenzyklopädien. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 85 Illustrierte Aratea-Handschriften. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 87 Hermann von Reichenau, Computistica. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 92 Astrolabica. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 100 Arabica. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 104 Honorius Augustodunensis, Imago mundi. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 107 Wilhelm von Conches, Philosophia mundi. Chronologische Verteilung der Überlieferung. 111 Kartographische Aufstellung über das Kosmoswissen der Region. 173 Kartographische Darstellung der institutionellen Zugehörigkeit der Zentren. 173 Kartographische Darstellung des EW. 175 Kartographische Darstellung des IW. 175 Kartographische Darstellung des GW. 176
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a bbi l dun gs ve r z e i c h n i s
Figur 3.25. Akkumulierte Gesamtüberlieferung des PW. 178 Figur 3.26. Akkumulierte Überlieferung des PW für den Südosten. 178 Figur 3.27. Vergleich des europaweiten prozentualen Anstiegs von PW und Klöstern. 181 Figur 3.28. Anteil des Kosmoswissens am Gesamtbestand der Bibliotheken. 185 Figur 3.29. Anteil der einzelnen Wissenszeugen der Reformorden am Gesamtbestand. 186 Figur 3.30. Anteil Wissensbestände traditioneller Institutionen am Bibliotheksbestand. 187 Figur 4.1. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. 199 Figur 4.2. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. 199 Figur 4.3. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. 200 Figur 4.4. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. 200 Figur 4.5. Fertiges Tympanon. 200 Figur 4.6. Die Konstruktion der Rete nach Hermann von Reichenau. 200 Figur 4.7. Konstruktion des Zodiak. 201 Figur 4.8. Verzeichnung der Sterne. 201 Figur 4.9. Fertige Rete. 201 Figur 4.10. Rekonstruktion des fertigen Astrolabs, Vorderseite. 204 Figur 4.11. Rekonstruktion des fertigen Astrolabs, Rückseite. 204 Figur 4.12. Wilhelms Instrument zur Messung und Konstruktion des status mundi. 209 Figur 4.13. Schematische Darstellung des durch die Methode gefundenen Dreiecks. 209 Figur 4.14. Die sogenannte Sphaera von St. Emmeram, Regensburg, Historisches Museum. 224 Figur 4.15. Schematische Darstellung von figura und Vorderseite der Sphaera. 232 Figur 4.16. Segmentierter Kreises mit Quadranten. 233 Figur 4.18. Übertragung der Kreise nach Hyginus. 233 Figur 4.17. Übertragung von status mundi und Achse. 233 Figur 4.19. Endprodukt. 233 Figur 4.20. Blick durch die Sphaera auf den Nachthimmel. 238 Figur 4.21. Bestimmung des Meridiandurchlaufs eines Sternes mit dem Astrolab. 239 Figur 4.22. Bestimmung des Ortes von Sonne und Nadair. 259 Figur 4.23. Bestimmung der Tageszeit mit dem Astrolab. 260 Figur 4.24. Bestimmung des Sonnenaufgangs (hier am Tag des Wintersolstitiums). 266 Figur 4.25. Bestimmung des Sonnenuntergangs. 267 Figur 4.26. Rekonstruktion der Sonnenstandsmessung anhand der Sphaera. 269
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3.1. Tabelle 3.2. Tabelle A.1. Tabelle A.2. Tabelle A.3. Tabelle A.4. Tabelle A.5. Tabelle A.6. Tabelle A.7. Tabelle A.8. Tabelle A.9. Tabelle A.10. Tabelle A.11. Tabelle A.12. Tabelle A.13.
Auszug aus den beiden Prüfeninger Bibliothekskatalogen. Wissensbestände des Kosmoswissens der Bibliothekskataloge bis ca. 1225. In den Bibliothekskatalogen verzeichnete Texte des Kosmoswissens. Anonym in den Bibliothekskatalogen verzeichnete Wissensbestände. Die mittelalterlichen Bibliothekskataloge des Südostens bis etwa 1225. KW in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen des Südostens. Handschriftliche Überlieferung des PW aus dem Südosten bis ca. 1225. Handschriftliche Überlieferung von PW vom frühen bis ins hohe Mittelalter. Anteil Südosten an der gesamteuropäischen Überlieferung im 12. Jahrhundert. Verteilung des PW auf die Institutionen des Südostens. Wissensbestände des Südostens differenziert nach Anzahl und Institution. Akkumulierte Europäische Gesamtüberlieferung PW im 12. Jahrhundert. Wissensbestände des PW im Südosten im 12. Jahrhundert. Regionale und gesamteuropäische Wachstumsraten von PW und Klöstern. Datengrundlage für die Gesamtüberlieferung der identifizierten Texte.
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Danksagung
Zu Beginn seiner Astronomia sendet Wilhelm von Hirsau Worte des Dankes wie vergiftete Pfeile auf seinen Mitbruder Otloh. Diesem sei er zu Dank verpflichtet, nicht nur, weil er ihn darin bestärkt habe, seine wissenschaftlichen Studien zu verschriftlichen, Otloh habe sogar die eigentliche Niederschrift übernommen, um Wilhelm die Arbeit an Instrumenten, Sphären und Diagrammen zu ermöglichen – ein ganz und gar sarkastischer Dank, war Otloh doch einer der schärfsten Kritiker dieser Studien! Rund tausend Jahre später ist es an mir, all jenen herzlich zu danken, die an der Entstehung dieses Buches vielfältig beteiligt waren und es mir ermöglichten, mich ebenfalls der Arbeit mit Instrumenten und Sphären sowie der Kontemplation der Sterne zu widmen – im Gegensatz zu Wilhelm meistens mehr ratlos irrend als genial erfindend. Nun bin ich froh, durchwegs nur aufrichtigen Dank verteilen zu dürfen. Statt zankender Klosterbrüder begegneten mir auf dieser langen Reise ausschließlich herzliche und wohlwollende Menschen, von denen mir viele Freunde geblieben sind – von Hochzeit und Nachwuchs ganz zu schweigen. Besonderer Dank gilt zuerst den Betreuer*innen und Gutachter*innen dieser Arbeit. Frau Prof. Dr. Birgit Studt für die herzliche und bestärkende Betreuung und die angenehme Atmosphäre an ihrem Lehrstuhl; Prof. Dr. Immo Warntjes für seine Bereitschaft, aus weiter Ferne zu betreuen und schließlich zu gutachten und für die vielen intensive Gespräche über mittelalterliche Astronomie, die Einführung in den illustren und freundlichen Kreis der Computus Conference in Galway, und vieles mehr; Herrn Prof. Dr. Felix Heinzer für die geweckte Freude an der Arbeit mit Handschriften und für Rat und Hilfe auch aus dem Ruhestand. Abschließend gilt mein Dank Frau Prof. Dr. Veronika Lipphardt für ihre bereichernden Impulse, ohne die der Blick über den Tellerrand des Mittelalters schwierig geworden wäre. Da diese Studie nicht außerhalb der Welt in einer Klosterzelle angefertigt wurde, gilt mein Dank gleich an zweiter Stelle den verschiedenen Geld- und Arbeitgebern, die mich bei der Abfassung dieser Dissertation begleitet haben. Zuerst der Landesgraduiertenförderung, deren Stipendium ich drei Jahre beziehen durfte. Außerdem dem Erzbischöflichen Archiv Freiburg, namentlich Dr. Christoph Schmider, dem Prüfungsamt der GeKo Freiburg, insbesondere Annette Ehinger, dem Seminar für Lateinische Philologie des Mittelalters unter der damaligen Leitung von PD Dr. Lenka Jiroušková sowie Dr. Jonathan Rubin, in dessen Editionsprojekt ich in der Endphase dieser Dissertation arbeiten konnte. Dr. Helen Foxhall Forbes danke ich stellvertretend für die Heraussgeber*innen für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe ‚Knowledge, Scholarship, and Science in the Middle Ages (KSS)‘ sowie Rosie Bonté für die hervorragende Betreuung durch den Verlag Brepols. Besonderen Dank schulde ich auch einer Reihe von Institutionen
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und Personen, die ganz praktisch das Entstehen dieser Arbeit ermöglicht haben. Zuvorderst habe ich der Familie Borst und dem Universitätsarchiv Konstanz, namentlich Dr. Daniel Wilhelm zu danken, die mir unkompliziert und kostenlos das Typoskript von Arno Borst digital zur Verfügung stellten, ohne das diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Zu ähnlichem Dank bin ich den Mitarbeiter*innen der MGH-Bibliothek verpflichtet, die Scans von Handschriften dann besonders zügig erstellten, als es dringend war. Außerdem danke ich der Bayerischen Staatsbibliothek für den reibungslosen Zugang zu Handschriften, Katalogen und Digitalisaten. Daneben bin ich einer langen Reihe von Wissenschaftler*innen zu Dank verpflichtet, die diese Arbeit in verschiedener Hinsicht unterstützt haben. Hervorheben möchte ich Prof. Dr. Giles Gasper, der in meinem Erasmus-Jahr an der Durham University nicht nur den Grundstein für mein Interesse an der Wissenskultur des hohen Mittelalters gelegt hat, sondern mich gerade in der Anfangsphase der Dissertation durch Kommentare und Korrekturen zu meinem Exposé unterstützte. Gleiches gilt für Prof. Dr. Thomas McCarthy und Prof. Dr. Rodney Thomson, deren Bestärkung gerade in der Frühphase meines Projektes überaus wertvoll war. Besonderer Dank gilt außerdem Dr. Philipp Nothaft, der mich nicht nur mit Rat und Kommentaren zum Text unterstützte, sondern in ausgesprochen kollegialer Art und Weise eigene Funde in Handschriften mit mir teilte. Zwar blieb mir die eigenständige Niederschrift dieses Buches anders als Wilhelm nicht erspart, gleichwohl darf ich vielen fleißigen Helfer*innen für die Korrektur des Textes danken: Yvonne Antoni, Silvio Fischer, Daniel Gneckow, Christoph Hörner, Alexander Preker und Ina Serif. Für inhaltliche Anregungen und entstandene Freundschaften danke ich außerdem Antonio Chemotti, dessen – leider gute – Ideen mir sicherlich ein Jahr zusätzlicher Arbeit an der Dissertation beschert haben, Christoph Mauntel, Jakob Frohmann, Philipp Winterhager und den Kolleg*innen am Lehrstuhl Studt und in der Graduiertenschule Humanities. Außerdem gilt mein Dank denjenigen, die – neben den bereits genannten – durch irdische Ablenkung dafür gesorgt haben, dass ich mich in der Arbeit an Diagrammen und Instrumenten nicht verloren habe: Ferdinand Mayer und Matthias Menzel, Fritz Dunkel und Schwede Wald, Beatrice Bützinger und der Nordtribüne des Sport-Club Freiburg sowie der Mannschaft des SCF dafür, dass ich noch vor Drucklegung des Manuskripts ein DFB-Pokal Finalspiel erleben durfte. Von ganzem Herzen danke ich meinen Eltern, Andreas und Brigitta Schonhardt für ihre fortwährende Unterstützung. Besonders dankbar bin ich aber, dass ich in meinem Studium der Mittelalterlichen Geschichte, das in diesem Buch seinen Abschluss findet, nicht nur den Doktorgrad erhalten habe, sondern darüber hinaus das Wichtigste in meinem Leben: Meine Familie, Eva Ferro und Luca Schonhardt. Eva, Dir danke ich für jahrelange Unterstützung, Kritik und Hilfe, aber vor allem dafür, dass Du Dich dazu entschieden hast, mit mir das Leben zu verbringen. Luca, Dir danke ich einfach für den Reichtum, den Du in unser Leben bringst. Papa hat jetzt wieder Zeit zum Spielen.
Kapitel 1.
Einleitung: Von französischen Kathedralschulen ins monastische Milieu des Südostens
Seit etwa zweihunderttausend Jahren vollzieht sich das Leben des Menschen im selben Universum. Im Gegensatz zur äußerst schnelllebigen Geschichte des Homo sapiens auf der Erde wirkt der Kosmos mit seinen Naturgesetzen daher nach menschlichen Maßstäben fast unveränderlich und ewig: Jahr um Jahr zieht die Erde ihre Bahn um die Sonne, Monat um Monat kreist der Mond um die Erde, Tag um Tag dreht sich die Erde um sich selbst. Der Kosmos und seine Phänomene sind daher die beständigsten Konstanten der Menschheitsgeschichte. Eine Grundkonstante ganz anderer Qualität stellt der Wunsch des Menschen dar, Wissen über diesen Kosmos in all seinen Facetten zu generieren. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass der Stabilität der kosmischen Naturerscheinungen und des menschlichen Interesses daran eine unglaubliche Dynamik und Heterogenität des Wissens darüber gegenüberstehen. Beda, ein angelsächsischer Vertreter der mittelalterlichen Mönchs-Gelehrsamkeit, beschreibt den Kosmos in Anlehnung an Plinius folgendermaßen: Mundus est universitas omnis, quae constat ex caelo et terra, quattuor elementis in speciem orbis absoluti globata: igne, quo sidera lucent; aere, quo cuncta uiuentia spirant; aquis, quae terram cingendo et penetrando communiunt; atque ipsa terra, quae mundi media atque ima. Librata uolubili circa eam universitate pendet immobilis.1 (Die Welt ist das ganze All, das aus Himmel und Erde besteht, gerundet aus vier Elementen zur Form einer vollkommenen Sphäre: aus dem Feuer, durch welches die Sterne leuchten; aus Luft, durch welches alle Lebewesen atmen; aus den Gewässern, die die Erde befestigen, indem sie sie umringen und durchdringen sowie aus der Erde selbst, die der mittlere und untere Teil der Welt ist. Sie hängt schwebend, unbeweglich mit dem Weltall kreisend um sie.) Ein ruhender Globus in einem begrenzten Universum aus Erde, Wasser, Luft und Feuer? Man kann es modernen Gesellschaften nicht verübeln, dass ihnen dieses Weltbild heute – Jahrhunderte nach Galileo, Kepler und Kopernikus – gleichermaßen faszinierend wie inhaltlich absurd erscheint. Vor allem in der breiten Öffentlichkeit provoziert es oft die Vorstellung eines dunklen Mittelalters. So wurde diese Meistererzählung 2004
1 Beda, De natura rerum, hg. von Jones, 3, S. 194.
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pupulärwissenschaftlich mit dem Slogan The Closing of the Western Mind auf einen griffigen Begriff gebracht. „By the fifth century“, so Charles Freeman, „not only has rational thought been suppressed, but there has been a substitution for it of ‚mystery, magic and authority‘.“2 Aber auch die Forschung begegnet dem Wissen dieser Epoche zuweilen abwertend und setzt es in einen besonders deutlichen, normativen Kontrast zu den Errungenschaften der Neuzeit und ihrer wissenschaftlichen Revolution.3 So entwirft John Schuster im Companion to the History of Modern Science eine klassische Geschichte der Sieger und genialer Helden,4 die die moderne Wissenschaft „upon the discredited ruins of the medieval world-view“ errichteten.5 Diese Perspektive, die die mittelalterlichen Weltentwürfe im Dienste einer Idealisierung der eigenen Moderne herabwürdigt,6 hat der polnische Wissenschaftstheoretiker Ludwik Fleck bereits in den 1930er Jahren vehement kritisiert: „Man kann doch nicht den Altertümern der vergangenen Epochen lediglich mit einem hilflosen Lachen begegnen und den Entdeckungen sowie den wissenschaftlichen Arbeiten mit ebenso hilfloser Bewunderung!“7 – oder besser gesagt: Verwunderung. Tatsächlich lohnt die Überwindung dieser Verwunderung gerade hinsichtlich der wissenschaftlichen Erzeugnisse des Mittelalters im Bereich des Kosmoswissens gleich mehrfach. So eröffnet das Studium dieser ‚wunderlichen‘ Zeit, wie David Lindberg betont hat, den Blick auf die intellektuellen Vorläufer der modernen Wissenschaften, aus denen sie sich – teils evolutionär, teils revolutionär – entwickelten.8 Gleichzeitig ermöglicht die offenkundige Alterität mittelalterlicher Methoden und Inhalte der Welterklärung nach Peter Burke die Bewusstmachung der eigenen Wissenssysteme, die ansonsten in der Regel absolut gesetzt würden.9 Erschwert wird dieser Prozess dadurch, dass sich die von Fleck monierte Verwunderung keineswegs auf eine moderne und primär naturwissenschaftlich geschulte Wissenschaftsgeschichte beschränkt, sondern seit den Anfängen der Geschichtswissenschaft das Fach prägte.10 Im damaligen intellektuellen Milieu musste 2 Freeman, The Closing of the Western Mind, S. xviii. 3 Als besonders hartnäckig stellt sich in diesem Zusammenhang das Vorurteil dar, das Mittelalter sei von einer flachen Erde ausgegangen, vgl. Bernhard, ‚Der Eingang des Mythos der flachen Erde‘. 4 Vgl. Lutter, Geschlecht & Wissen, S. 42; Thomson, ‚Richard Southern and the Twelfth-Century Intellectual World‘, S. 271; Zur Rolle der Helden vor allem Ravetz, ‚The Copernican Revolution‘, S. 202: „The revolution required men of great genius and also courage for its making“. 5 Schuster, ‚The Scientific Revolution‘, S. 217. 6 Vgl. Speer, Die entdeckte Natur, S. 2–4. 7 Zitiert nach Fehr, ‚Vielstimmigkeit und der wissenschaftliche Umgang damit‘, S. 33. 8 Vgl. Lindberg, The Beginnings of Western Science, S. 5. 9 Vgl. Burke, A Social History of Knowledge, S. 2. 10 Seit Petrarcas beißender Kritik an den Inhalten und Methoden der Scholastik stand es auch in der klassischen Geschichtswissenschaft lange Zeit schlecht um den Ruf der mittelalterlichen Philosophie und Kultur. Vgl. Hankins, ‚Humanism, Scholasticism, and Renaissance Philosophy‘, S. 39–40; die Lesart dieser Kritik als grundsätzlichen Konflikt zwischen Scholastik und Humanismus allerdings einschränkend Kristeller, ‚Petarca‘. Der französische Historiker Jules Michelet bezeichnet diese Kultur 1855 als einen von der Vernunft undurchdringlichen Nebel (Michelet, Histoire de France au seizième siècle, S. 97), der sich – ganz im Sinne des fünf Jahre jüngeren Werkes von Jacob Burckhardt (Burckhardt, Die Cultur der Renaissance in Italien) – erst im Zuge der Renaissance lichten sollte.
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1927 der Titel des Buches des amerikanischen Mediävisten Charles Homer Haskins eine regelrechte Provokation darstellen: The Renaissance of the Twelfth Century.11 Hier etablierte er das bis dato negativ konnotierte hohe Mittelalter als Bühne einer eigenen kulturellen Wiedergeburt und dessen intellektuelle Erzeugnisse erstmals als lohnenswerte Untersuchungsobjekte. In deutlicher Anspielung auf John Symonds proklamierte er: „This century, the very century of St. Bernard and his mule, was in many respects an age of fresh and vigorous life.“12 Haskins’ damals kühner Schritt stellt sich heute als wissenschaftlicher Durchbruch dar. Die Annahme einer kulturellen Blüte in dieser Zeit hat sich in den verschiedenen Forschungsdisziplinen sukzessive durchgesetzt, so in Kunst- und Literaturgeschichte, besonders aber auch durch Richard Southerns Arbeiten zum Scholastic Humanism im Bereich der Theologie- und Philosophiegeschichte.13 Dabei wurde mitunter unterschätzt, dass sich Haskins’ Renaissancevorstellung nicht ausschließlich auf die schönen Künste konzentrierte, sondern ganz wesentlich von seinen früheren Studien über die Naturwissenschaften des Mittelalters geprägt war, zu denen er bereits 1924 noch heute zentrale Forschungen veröffentlichte.14 Zu etwa gleicher Zeit veröffentlichte mit Lynn Thorndike ein weiterer Vertreter der amerikanischen Mediävistik die ersten zwei Bände seiner monumentalen History of Magic and Experimental Science,15 die sich, im Gegensatz zu Pierre Duhems zehn Jahre älterem Gewaltstreich Le système du monde,16 ausschließlich der mittelalterlichen Epoche bis ins 13. Jahrhundert widmeten. In der deutschsprachigen Forschung ist hier sicherlich auch Ernst Zinners Geschichte der Sternkunde von 1931 (neben weiteren Forschungen dieses Autors) hervorzuheben.17 Trotz dieser bemerkenswerten Vorarbeiten ist die Idee, im 12. Jahrhundert habe sich auch ein „Wandel im Verständnis von Natur als auch im Verhältnis zur Natur“18 abgezeichnet – bereits 1959 von Marie-Dominique Chenu ins Spiel gebracht19 –, mit Blick auf kosmologisches Wissen erst recht spät aufgegriffen worden. Tina Stiefel monierte 1976 das Fehlen entsprechender Studien,20 und Richard Southern betonte noch 1995, dass die Naturwissenschaften
Vgl. zu dieser Konzeption Tollebeek, ‚„Renaissance“ and „Fossilization“‘. Auch die angelsächsische Forschung schloss sich diesem Verdikt an. So fällte beispielsweise John A. Symonds 1875 sein bildhaftes Urteil über das Hohe Mittelalter, das er als Zeitalter des weltabgewandten und religiösen Fundamentalismus charakterisierte. Vgl. Symonds, Renaissance in Italy, S. 14. 11 Haskins, The Renaissance of the Twelfth Century; Haskins selbst war sich dieser Provokation bewusst: „Do not the Middle Ages, that epoch of ignorance, stagnation, and gloom, stand in the sharpest contrast to the light and progress and freedom of the Italian Renaissance which followed?“, hier S. v. 12 Haskins, The Renaissance of the Twelfth Century, S. vi. 13 Southern, Scholastic Humanism. 14 Haskins, Studies in the History of Mediaeval Science. 15 Thorndike, A History of Magic and Experimental Science. 16 Duhem, Le système du monde. 17 Zinner, Die Geschichte der Sternkunde. 18 Speer, Die entdeckte Natur, S. 1. 19 Chenu, La théologie au douzième siècle. 20 Stiefel, ‚Science, Reason and Faith‘, S. 1.
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keine nennenswerte Rolle im Rahmen der ideengeschichtlichen Entwicklungen des hohen Mittelalters gespielt hätten.21 Seit dieser Bestandsaufnahme hat sich die Forschung aber auch dieses Desiderats angenommen, so dass „das naturwissenschaftliche Wissen des Mittelalters recht gut aufgearbeitet ist“,22 wie Hans-Werner Goetz 2012 festgestellt hat. Auch das hohe Mittelalter ist spätestens mit Andreas Speers Studie Die entdeckte Natur gebührend gewürdigt worden.23 Seine Zusammenfassung des Forschungsstandes zur Kosmologie des 12. Jahrhunderts, dass zu eben dieser Zeit ein „Interesse an der Struktur, Konstitution und Eigengesetzlichkeit der physisch-physikalischen Realität“24 symbolisch-spekulative Naturinterpretationen ersetzt habe, besitzt sicherlich noch heute Gültigkeit. Dass gerade das hochmittelalterliche Wissen über den Kosmos heute zu einem allgemein anerkannten Forschungs- und Studienzweig der Mediävistik gezählt wird, zeigt sich auch in einer ganzen Reihe umfangreicher Studienbücher und Publikationen seit Ende der 1990er Jahre, die sich ganz oder in relevantem Maße auch dieser Zeit widmen, so im Bereich der Naturphilosophie etwa von Edward Grant25 oder im Bereich der Wissenschaftsgeschichte,26 zum Beispiel im unlängst erschienenen zweiten Band der Cambridge History of Science, der sich umfassend mit den mittelalterlichen Naturwissenschaften (‚Medieval science‘) befasst und mit gleich zwei Beiträgen von Charles Burnett auf die geistesgeschichtlichen Entwicklungen des 12. Jahrhunderts im Bereich des naturwissenschaftlichen und kosmologischen Wissens eingeht. Neben einer durchaus kritischen Würdigung der Idee einer Renaissance im Bereich der kosmologischen Wissenschaften des 12. Jahrhunderts postuliert Burnett darin zu den Übersetzungsbewegungen des 12. und 13. Jahrhunderts die Notwendigkeit einer Einbettung dieser abendländischen Entdeckung der Natur in den größeren globalen Kontext.27 Der Austausch von Wissen zwischen Orient und Okzident – oder besser gesprochen dem Islamikat und dem lateinischen Kulturkreis –, der im 12. Jahrhundert einen Höhepunkt erreichte, markiere „a symptom and a cause of one of the greatest shifts in Western science, comparable in importance with the parallel importation of scientific works into Arabic in Baghdad in the ninth century and the Scientific Revolution in seventeenth-century Europe.“28 Das 12. Jahrhundert, so scheint es, stellt eine deutliche Zäsur in der so dynamischen Geschichte des Wissens über den Kosmos dar, in der sich Fragen, Interessen und Methoden der mittelalterlichen Gesellschaften tiefgreifend wandelten. 21 Southern, Scholastic Humanism, S. 35–45; vgl. hierzu auch die kritischen Anmerkungen von Thomson, ‚Richard Southern and the Twelfth-Century Intellectual World‘. 22 Goetz, Gott und die Welt, i.2, S. 13, vergleiche auch den Literaturüberblick in Fußnote 8, ebd. 23 Speer, Die entdeckte Natur. 24 Speer, Die entdeckte Natur, S. 1. 25 Grant, The Foundations of Modern Science; Grant, A History of Natural Philosophy. 26 2007 zum Beispiel durch Lindberg, The Beginnings of Western Science. 27 Burnett, ‚The Twelfth-Century Renaissance‘. 28 Burnett, ‚Translation and Transmission‘, S. 341. Die wichtigen und umfangreichen Studien Burnetts zu diesen Themenkomplexen können den beiden Aufsätzen entnommen werden. Burnetts Arbeit fügt sich dabei in eine transkulturelle Perspektive, die gerade in der englischen Forschung fest verankert ist.
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Kulturgeographisch verortet die ideengeschichtliche Forschung diesen „shift in Western science“ vor allem in den Städten Nordfrankreichs, im Bereich der Kosmologie und Naturphilosophie insbesondere im Umfeld der Kathedralschule von Chartres.29 Tatsächlich wirkten die großen Autoren der hochmittelalterlichen Naturphilosophie wie Bernhard von Chartres, Wilhelm von Conches oder Thierry von Chartres in der Kathedralstadt, andere Autoren standen in engem Kontakt zur Schule, so Bernardus Silvestris. Darüber hinaus lässt sich die früheste Überlieferung der Werke von Adelard von Bath und Raymond von Marseille hier nachweisen.30 Im Gegensatz zu diesem intellektuellen Hotspot im Herzen Frankreichs galten die deutschsprachigen Gebiete östlich des Rheins lange als intellektuelle Peripherie.31 Diese Einschätzung wird seit kurzer Zeit aber vermehrt relativiert und infrage gestellt. Die Kritik, die Rodney Thomson in verschiedenen Beiträgen programmatisch umrissen hat,32 basiert dabei im Wesentlichen auf der Tatsache, dass die eindeutige Verortung der Blüte kosmologischen Wissens in Nordfrankreich auch – so Nadja Germann – das Ergebnis einer inhaltlichen Beschränkung der Forschung auf „eine bestimmte Form von Rationalität und Wissenschaftlichkeit [ist, nämlich] die der scholastischen Universitätswissenschaft, als deren hervorragendster Repräsentant Thomas von Aquin galt und nach deren Möglichkeitsbedingungen man fahndete.“33 Aus dieser traditionellen Perspektive muss man für das 12. Jahrhundert in der Tat zugestehen, „that Germany produced no major scholastic figure working on German soil“.34 Diese Konzeption der Geschichte des kosmologischen Wissens als Geschichte der scholastischen Naturphilosophie ist aber aus verschiedenen Gründen durchaus fragwürdig. Zum einen, weil Naturphilosophie bereits vor dem 12. Jahrhundert gepflegt wurde, wie die umfangreichen Studien von Nadja Germann zu Autoren der Spätantike und des frühen Mittelalters zeigen.35 Zum anderen ist diese Perspektive zweifelhaft, weil die Beschränkung des Interesses auf eine spekulative Naturphilosophie eine ganze Reihe anderer, zum Teil empirischer Formen der Wissensproduktion ausschließt, die vor allem außerhalb der Universitäten (und ihrer Vorgängerinstitutionen) praktiziert wurden, wie etwa Richard Southern bemerkt.36 Gerade die deutschsprachigen Regionen waren im hohen Mittelalter aber noch in besonderer Weise von einer dezidiert benediktinischen Klosterkultur geprägt. Gleichwohl widmeten sich diese aber in hohem Maß der Rezeption neuen Wissens, 29 Southern stellte seinem Werk sogar entsprechende geographische Vorbemerkungen und Karten voran, siehe Southern, Scholastic Humanism. 30 Vgl. Burnett, ‚The Twelfth-Century Renaissance‘, S. 371. 31 Vgl. jüngst Moeglin, ‚Träger und Modalitäten des Austauschs‘, S. 50. 32 Thomson, ‚Richard Southern and the Twelfth-Century Intellectual World‘; Thomson, ‚The Place of Germany‘; Thomson, ‚The Place of Germany. Books, Scriptoria and Libraries‘. 33 Vgl. Germann, De temporum ratione, S. 17. 34 Thomson, ‚The Place of Germany‘, S. 36. 35 Germann, ‚Natural Philosophy in Earlier Latin Thought‘; Germann, De temporum ratione. 36 Vgl. Southern, Scholastic Humanism, S. 39, freilich ignoriert er selbst eben diese Orte kosmologischen Forschens geflissentlich, wie Rodney Thomson in einer Rezension monierte: Thomson, ‚Richard Southern and the Twelfth-Century Intellectual World‘, S. 272.
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wie Fallstudien von Constant Mews für die Rezeption der scholastischen Theologie belegen.37 Auch im Bereich der mathematischen und auf die Natur bezogenen Wissenschaften spielten sie noch im hohen Mittelalter eine wichtige Rolle. Thomas McCarthy konnte die wichtige Rolle süddeutscher Klosterzirkel im Rahmen der mittelalterlichen Musiktheorie beleuchten,38 und die innovativen Ansätze astronomischer Studien süddeutscher Mönche wie Hermann von Reichenau oder Wilhelm von Hirsau sind schon seit den umfangreichen Forschungen vor allem von Arno Borst bekannt.39 Das beeindruckende Niveau und das Interesse an arabischen Wissenschaften konnte außerdem unlängst Philipp Nothaft nachweisen.40 Das vorherrschende Meisternarrativ der nordfranzösischen Renaissance konnten solche Studien freilich nicht verändern. Eben dies versuchen allerdings in jüngerer Zeit einige neuere Arbeiten. Zu nennen ist hier in erster Linie der wichtige Sammelband Manuscripts and Monastic Culture von Alison Beach, der sich mit der Wissenskultur im österreichischen Kloster Admont befasst.41 Die Studien dieses Sammelbandes werden durch einen einrahmenden Beitrag von Rodney Thomson an die Frage nach dem Place of Germany in the Twelfth-Century Renaissance rückgebunden.42 Gemein ist diesen neuen Ansätzen, dass sie sich nicht in geistes- und ideengeschichtlicher Tradition in erster Linie inhaltlich mit den Texten beschäftigen, sondern über die Verbreitung und Materialität der Handschriften deren konkrete Rezeption erforschen. Entsprechend weist Thomson auf den Reichtum deutscher Bibliotheken und das dynamische intellektuelle Milieu der Klöster des deutschsprachigen Raumes hin, der allerdings bereits im 11. Jahrhundert eine Renaissance erlebt habe: „It is possible, and perhaps profitable, to see it as more a question of France, England and Italy ‘catching up’, rather than of Germany falling away or failing to gain speed.“43 Dieser Hinweis auf alternative Datierungen und Lokalisierungen des tiefgreifenden Wandels in der kosmologischen Wissenskultur des Mittelalters darf allerdings nicht dazu führen, die postulierte Renaissance des 12. Jahrhunderts lediglich geographisch neu zu verorten. Vielmehr erscheint es notwendig, die bislang monolithische Wissensgeschichte des hohen Mittelalters geographisch in eine vergleichende Geschichte verschiedener Wissenslandschaften zu fragmentieren, von denen Nordfrankreich nur eine ist. „Space matters“, überschreibt David Livingstone ein Unterkapitel seines Werkes Putting Science in its Place.44 Dabei steht eine solche Verschiebung nicht nur für ein Interesse an der trivialen Verortung von Wissen. Stattdessen geht sie einher mit einer eingehenderen Untersuchung des Charakter dieses Wandels der hochmittelalterlichen Wissenskultur, der offensichtlich differenzierter betrachtet werden muss als bislang
37 Mews, ‚Monastic Educational Culture‘; Mews, ‚Scholastic Theology‘. 38 McCarthy, Music, Scholasticism and Reform. 39 An dieser Stelle seien lediglich stellvertretend genannt Borst, Astrolab und Klosterreform; Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘. 40 Nothaft, ‚The Reception and Application‘. 41 Beach, Hg., Manuscript and Monastic Culture. 42 Thomson, ‚The Place of Germany‘. 43 Thomson, ‚The Place of Germany‘, S. 42. 44 Livingstone, Putting Science in its Place, S. 5.
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geschehen: Denn mit der Fokussierung auf die Erzeugnisse nordfranzösischer Magister hat die Forschung lediglich einen sehr kleinen – gesamtgesellschaftlich betrachtet vielleicht sogar marginalen – sozialen Bereich in den Blick genommen und die dort festgestellten Entwicklungen ideengeschichtlich verabsolutiert. Grund hierfür ist vermutlich die Tatsache, dass diesem (proto-)universitären Bereich, den man mit einiger begriffsgeschichtlicher Vorsicht als wissenschaftlich, sicherlich aber als gelehrt bezeichnen kann, retrospektiv eine Funktionsäquivalenz zu den heute institutionell etablierten Formen der Wissensproduktion zugeschrieben wird. Allerdings ist diese Absolutsetzung nicht gerechtfertigt, wenn man grundsätzlich nach der Konstruktion des Kosmos in der mittelalterlichen Gesellschaft fragt. Da sich die nordfranzösischen urbanen Kathedralschulen soziokulturell erheblich von anderen Milieus, zum Beispiel den südostdeutschen Klöstern, unterscheiden, ist dieses ideengeschichtliche Bild verzerrt und nicht repräsentativ für die mittelalterliche Gesellschaft, die mit Blick auf ihre Wissenskulturen in hohem Maße fragmentiert war. Die Prominenz scholastischer Inhalte in der von der Forschung als maßgeblich definierten Wissensliteratur der Zeit darf daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der mittelalterlichen Gesellschaft auch andere Gruppen und soziale Systeme gegeben hat, die mit fundamental anderen Methoden andere Fragen an den Kosmos stellten und diese anders beantworteten.45 Eine Beschränkung auf das naturphilosophische Kosmoswissen der Frühscholastik, das dann als typisch für die Entwicklungen Lateineuropas im 12. Jahrhundert konzipiert wird, ist daher nicht nur Folge einer methodisch fragwürdigen retrospektiven Teleologie. Vor allem übersieht ein solcher Ansatz eine ganze Reihe von bemerkenswerten Vorgängen im Bereich der kosmologischen Wissensproduktion, die im benediktinischen Milieu des Südostens zu verorten sind und bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. Die Frage nach den wissenskulturellen Entwicklungen außerhalb der institutionell besonderen Kathedralschulen Nordfrankreichs ist daher vor allem eine Frage nach den Entwicklungen außerhalb scholastischer Kontexte und ermöglicht ein differenzierteres Bild der Wissensgeschichte des hohen Mittelalters. In diesem Sinne möchte die vorliegende Studie die neueren, kritischen Überlegungen zur Renaissance im 12. Jahrhundert mit einem Fokus auf das Wissen über den Kosmos prüfen und weiterführen. In Zentrum der Arbeit soll die Frage stehen, inwiefern die von Speer postulierte ‚Entdeckung der Natur‘ im hohen Mittelalter auch in anderen geographischen und sozialen Räumen abseits der nordfranzösischen Kathedralstädte festzustellen ist und wie sie sich dort äußerte. Besonders ist dies mit Blick auf die Gebiete östlich des Rheins zu prüfen, die zuweilen als intellektuelle Peripherie gedeutet wurden. Konkret beschränkt sich die folgende Studie auf den 45 Wissen fand und findet sich natürlich auch abseits des akademischen Milieus, wie wir spätestens seit den 1950er Jahren wissen, etwa durch die auf Gilbert Ryle zurückgehende Unterscheidung von Wissen und Können, vgl. Ryle, The Concept of Mind, S. 25–60, oder die Arbeiten von Michael Polany, der unter dem Begriff des tacit knowledge auf die impliziten und dadurch schwer zugänglichen Formen dieser Wissensbestände aufmerksam machte, Polanyi und Sen, The Tacit Dimension. Auch Berger und Luckmann haben darauf hingewiesen, dass das Wissen einer Gesellschaft sich nicht auf theoretisches Wissen beschränken lässt. Vgl. Berger und Luckmann, The Social Construction of Reality.
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deutschsprachigen Südosten des hochmittelalterlichen Reiches, der in etwa das heutige Bayern und Österreich umfasste und der im Folgenden als Landschaft des Kosmoswissens rekonstruiert werden soll. Die Fokussierung auf gerade diesen Raum ist dabei nicht willkürlich. Vielmehr bezeugen verschiedene Studien den Reichtum der dort existierenden Bibliotheken, insbesondere aus dem gut vernetzten Milieu der benediktinischen Klöster, und ein Interesse an den zeitgenössischen geistigen Strömungen aus dem Westen Europas.46 Gleichzeitig scheinen sich die Mönche der bayerischen und österreichischen Klöster nicht nur mit scholastischer Gelehrsamkeit beschäftigt zu haben, sondern auch und gerade mit der seit dem 11. Jahrhundert zunehmend in Erscheinung tretenden angewandten Astronomie und arabischen Kalenderwissenschaft. Daher mehren sich in jüngerer Zeit die Stimmen, gerade dem Südosten ein weit höheres Innovationspotential zuzugestehen, als dies bislang geschehen ist. So betonte Philipp Nothaft besonders die bislang nahezu unerforschte Rolle der Diözese Regensburg im Transfer arabischer Wissenschaften nach Lateineuropa.47 Olivier Desbordes, Alain Hairie und Cathèrine Jacquemard legen darüber hinaus einen wichtigen Beitrag der bayerischen Klöster für die Neuentwicklung innovativer astronomischer Instrumente in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts nahe.48 Auf die im Folgenden besonders zentralen astronomischen Studien von Wilhelm von Hirsau im Regensburger Kloster St. Emmeram wies erst vor Kurzem Cathèrine Jacquemard hin.49 Der Südosten zwischen Alpen und Main erscheint daher als lohnenswertes Untersuchungsobjekt in der Frage nach einer Entdeckung der Natur außerhalb französischer Kathedralschulen. Die genaue Begrenzung und Bezeichnung dieses Untersuchungsgebiets orientiert sich dabei weniger an exakten politischen Grenzen. Da sich diese Arbeit ihrem Gegenstand in besonderer Weise über die mittelalterlichen Handschriften nähern möchte, folge ich der von Bernhard Bischoff etablierten Definition einer deutlich konturierten und zusammenhängenden ‚südostdeutschen‘ Schrift- und Buchkultur, die sich durch eine im engen Austausch stehende Schrift- und Kulturlandschaft auszeichnet und die „alte bayerische Kirchenprovinz mit der Metropole Salzburg und den Suffraganbistümern Freising, Regensburg, Passau und Säben-Brixen, vermehrt um die Diözesen Augsburg […] und Eichstätt […] umfaßt.“50 Hinzu kommen das erst im 11. Jahrhundert gegründete Bistum Bamberg sowie die Diözese Würzburg, deren Institutionen und Protagonisten vielfache Verbindungen in die Kirchenprovinz Salzburg pflegten und daher mit einem intensiven Wissenstransfer zu rechnen ist.51 Aus stilistischen Gründen wird dieser Untersuchungsraum Bischoff folgend etwas vereinfacht als Südosten bezeichnet. Dieser Südosten stellte nicht nur aus kodikologisch-paläographischer Hinsicht ein zusammenhängendes Gebiet dar, 46 Siehe etwa Classen, ‚Zur Geschichte der Frühscholastik‘, S. 253–54. 47 Nothaft, ‚The Reception and Application‘. 48 Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘. 49 Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘. 50 Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 2. 51 Ein Beispiel hierfür ist die Gründung des Regensburger Klosters Prüfening durch den Bamberger Bischof Otto I.
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sondern bildete durch das gesamte Mittelalter einen bedeutsamen und sich über wechselnde politische Grenzen erstreckenden Sozialraum. Gleichzeitig zeichnet er sich durch eine hohe soziale Verdichtung aus, da hier auf recht engem Raum Städte, Klöster bzw. regelrechte Klosternetzwerke, Bistümer und weltliche Herrschaften wie das Herzogtum Bayern existierten, die jeweils dynamische Entwicklungen antrieben. Für Fragen, die die Untersuchung anhand eines konkreten Fallbeispiels erfordern, wird aus dieser sehr umfangreichen und weitläufigen Region aus Gründen, die weiter unten noch genauer zu besprechen sein werden, die Stadt Regensburg herangezogen. Zeitlich beschränkt sich diese Arbeit in ihrem Interessensschwerpunkt auf die Zeit zwischen 1050 und 1200. Diese Epoche des Mittelalters eignet sich gerade für die Frage nach der Entwicklung des Kosmoswissens in besonderer Weise, da sie sich, wie bereits erwähnt, durch eine große Dynamik im Bereich des Naturwissens auszeichnete, in deren Folge das Wissen der griechischen Antike, die arabischen Wissenschaften und das christlich-lateinische Erbe zum Nukleus dessen verschmolzen, was in der longue durée zur Etablierung der modernen Naturwissenschaften führen sollte. Gleichzeitig hat die Beschränkung auf die Zeitspanne von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts auch pragmatische Gründe. Zum einen ist sie weit genug, um unter Berücksichtigung des von Thomson im Reich vermuteten Wissensvorsprungs im 11. Jahrhundert einen Vergleich zu den Vorgängen in Nordfrankreich zu ermöglichen. Zum anderen ist sie eng genug, um die Untersuchung nicht durch die Vereinheitlichung des kosmologischen Wissens im Zuge der Wiederentdeckung des Aristotelismus im 13. Jahrhundert zu verzerren. Gleichzeitig bietet dieser Zeitraum vor dem Aufkommen der Bettelorden eine homogene und überschaubare institutionelle Landschaft, die neben den Bischofssitzen vor allem aus dem benediktinischen Mönchtum bestand.
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Kapitel 2.
Methodologische Grundlagen und Quellenkorpus
Begriffsklärung: Kosmoswissen als analytisches Konzept Auch wenn gerade für den Bereich des mittelalterlichen Naturwissens die Warnung vor dem Gebrauch anachronistischer Kategorien und Begriffe wichtig ist,1 greift die vorliegende Studie bewusst auf moderne Begrifflichkeiten und analytische Kategorien zurück. Im Fokus dieser Arbeit steht in Anlehnung an Andreas Speer das Wissen über „Struktur, Konstitution und Eigengesetzlichkeit der physisch-physikalischen Realität“2 des mittelalterlichen Kosmos. Konkret bezieht sich dies in dieser Arbeit vor allem auf Vorstellungen über die Zusammensetzung des Universums aus den vier Elementen, seinen Aufbau in verschiedenen Sphären mit den darin befindlichen Himmelskörpern und deren astronomischen Bewegungen sowie daraus resultierende Phänomene wie zum Beispiel Sonnenfinsternisse oder die Erfahrung von Zeit. Mit der analytischen Kategorie des physikalischen Kosmos soll versucht werden, das äußerst heterogene Wissen sichtbar zu machen, das in mittelalterlichen Wissenskulturen über diese Aspekte der Welt vorhanden war oder gebildet wurde. Aufgrund dieser Heterogenität war der Kosmos bis in die europäische Neuzeit nicht Gegenstand einer umfassenden und einheitlichen Wissensordnung, die sich all seinen Erscheinungen gleichermaßen widmete und in einen theoretischen und methodischen Zusammenhang brachte. Stattdessen war dieses Wissen in unterschiedliche und zuweilen fluide Disziplinen und Wissensordnungen fragmentiert, deren genaues Verhältnis zueinander nicht einfach zu bestimmen ist und das gesamte Mittelalter hindurch – bzw. über verschiedene Orte der Wissensproduktion hinweg – einem konstanten Wandel unterworfen war:3 Zu nennen sind hier vor allem das Quadrivium,4 der als einheitliche Naturphilosophie im 12. Jahrhundert entstehende Bereich der Physik5 und die Komputistik, die zur Berechnung des korrekten Ostertermins auf astronomischen Beobachtungen und kalendarischen Kalkulationen beruhte.6
1 So etwa deutlich und fundiert Goetz, Gott und die Welt, i.2, S. 16 sowie Kintzinger, ‚Universitas‘, S. 17. 2 Speer, Die entdeckte Natur, S. 1. 3 Cadden, ‚The Organization of Knowledge‘, S. 240. 4 Vgl. hierzu vor allem Englisch, Die Artes liberales im frühen Mittelalter. 5 Vgl. Speer, Die entdeckte Natur, S. 119–29. 6 Vgl. Wallis, ‚Introduction‘, S. xviii; McCluskey, ‚Natural Knowledge‘, S. 294.
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Welches dieser Konzepte nun die Realitäten des Wissens bis zum hohen Mittelalter am besten beschreibt, darüber herrscht in der Forschung keineswegs Einigkeit.7 Dies liegt insbesondere in einer gewissen Gleichzeitigkeit ungleichzeitiger Wissensordnungen begründet, da gerade die spätantiken und frühmittelalterlichen Texte mit ihren jeweiligen Wissensordnungen auch im hohen Mittelalter vielfältig rezipiert und genutzt wurden.8 So lässt sich das Quadrivium zum Beispiel eindeutig als die Wissensordnung identifizieren, die der Konzeption des spätantiken Werkes De nuptiis Philologiae et Mercurii des Martianus Capella zugrunde liegt, die Wissensordnungen im mittelalterlichen Kloster, in dem dieser Text – neben vielen anderen Texten mit anderen Wissensordnungen – überliefert war, sind damit aber noch lange nicht erschöpfend erfasst.9 Auch wenn die verschiedenen mittelalterlichen Wissensordnungen durchaus einer gewinnbringenden Analyse unterzogen werden können, scheint ihre Eignung zur Bildung analytischer Kategorien damit fraglich. Für eine Analyse dieser Wissenskultur bedarf es vielmehr übergeordneter Kategorien, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Wissensbeständen des Mittelalters und ihren jeweiligen Wissensordnungen ermöglichen. Besonders geeignet scheint mir hierfür der Ansatz von Stephen McCluskey, der die mittelalterlichen Vorstellungen über den Kosmos in einem breiten und inklusiven Verständnis des Wortes als ‚Wissen über den Kosmos‘ konzipieren möchte und sich dabei vom Begriff der Wissenschaft löst – ihn letztlich aber auch nicht ausschließt: „If we redirect our attention from the narrow concept of natural philosophy to the broader concept of natural knowledge, we find an understanding of nature that reflect the intellectual concerns and practical needs of early-medieval society. […] Knowledge of the natural world was an integral part of a broader kind of learning.“10 In dieser allgemeinen Konzeption von natural knowledge, die man im speziellen Kontext dieser Arbeit als Wissen über die physikalische Dimension des Kosmos oder kurz: Kosmoswissen engführen kann, bietet sich eine Begrifflichkeit an, die als oberste Ordnungskategorie die mittelalterlichen Konzepte für unsere modernen Vorstellungen sicht- und analysierbar zu machen vermag, ohne sie zu sehr zu verzerren.11
7 So kritisiert etwa Warntjes, ‚Irische Komputistik‘, S. 1–3 die häufige Fokussierung der Forschung auf das Quadrivium: „Die einzige Naturwissenschaft, die in den monastischen und Kathedralschulen des ‚dunklen Zeitalters‘ (also zwischen dem fast vollständigen Verlust der griechischen Sprache im 6. Jahrhundert und der allmählichen Rezeption fundamentaler griechischer und arabischer Texte seit dem elften Jahrhundert) gelehrt wurde, war somit die Komputistik“. 8 Diesen Umstand übersieht zum Beispiel Klinkenberg, wenn er die Vorstellungen verschiedener Autoren aus Antike und Mittelalter chronologisch nach ihrer Schaffenszeit sortiert, ohne deren Überlieferung im Mittelalter zu würdigen, vgl. Klinkenberg, ‚Der Verfall des Quadriviums‘. 9 Besonders deutlich wird das am Beispiel der Musik, die sich im Mittelalter zunehmend von einer allgemeinen Lehre von den Verhältnissen zu einer speziellen Theorie der Melodie und Komposition entwickelte. McCarthy, Music, Scholasticism and Reform, S. 4. 10 McCluskey, ‚Natural Knowledge‘, S. 286. 11 Wissen verstehe ich im Folgenden im Sinne eines kognitiven Prozesses synonym zur sprachlich sperrigeren Begrifflichkeit der Konstruktion epistemischer Objekte durch ein Individuum. Der Begriff steht also nicht, wie das üblicherweise der Fall ist, für Produkte dieses Prozesses. Diese Produkte, also Informationen, Ideen, Theorien, Aussagen und Texte, bezeichne ich vielmehr als Wissensbestand. Die konkreten Manifestationen dieser Wissensbestände in Form körperlicher Medien, etwa Handschriften oder Instrumente, bezeichne ich als Wissensträger.
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Ausgehend vom Begriff des Kosmoswissens lässt sich diese Analysekategorie weiter in zwei größere Bereiche teilen, die den unterschiedlichen möglichen Funktionen dieses Wissens Rechnung tragen, nämlich in primäres Wissen (PW) und sekundäres Wissen (SW). Als primäres Wissen verstehe ich all diejenigen Wissensbestände, die Aussagen über den Kosmos aufgrund eines expliziten Interesses an diesem Kosmos zu treffen versuchen, zum Beispiel kosmologische Fachtexte oder Methoden zur Messung der Zeit (verstanden als ein von astronomischen Bewegungen erzeugtes Phänomen). Sekundäres Kosmoswissen unterscheidet sich hiervon insofern, als dass der Kosmos nicht das primäre Objekt dieses Wissens darstellt. Dies betrifft zum Beispiel die vielfältigen Kommentare und Auslegungen zur Genesis – zuweilen abwertend als ‚Kirchenväterphysik‘ bezeichnet. Zwar stützten sie sich wesentlich (wenn auch nicht ausschließlich) auf die Heiligen Schriften und dienten deren Verständnis, produzierten in diesem Rahmen aber neben dem religiösen Wissen auch Aussagen über die physikalische Dimension des Kosmos, die wissenschaftliche Gültigkeit für sich in Anspruch nehmen konnten.12 Der Bereich des primären Wissens lässt sich nun weiter in drei Unterbereiche teilen: In epistemisches Wissen (EW), instrumentelles Wissen (IW) und Gerätewissen (GW). Diese Wissensbereiche unterscheiden sich im Wesentlichen durch den epistemischen Status, den sie dem Kosmos zusprechen. Während der Kosmos im ersten Bereich als epistemisches Ding fungiert, also als „Wissensobjekt“, dem „die Anstrengung des Wissens gilt“,13 ist er im zweiten Bereich Teil eines (kultur-) technischen Komplexes mit dem Ziel einer wie auch immer gearteten Anwendbarkeit. Das instrumentelle Wissen lenkt den Blick vom Kosmos als solchem hin zu den vielfältigen Möglichkeiten der Nutzbarmachung seiner Phänomene. Da sich viele Bereiche des alltäglichen Lebens der Vormoderne in direkter Abhängigkeit zur Natur und den Mechanismen des Kosmos vollzogen, kam der Entwicklung und Aneignung von Kulturtechniken, die sich das Wissen um die kosmischen Phänomene zunutze machten, um den Alltag zu bewältigen, eine hohe Bedeutung zu. Klassische Anwendungsgebiete solchen Wissens waren die Navigation anhand der Sterne oder die Vermessung von Raum und vor allem Zeit. In diesen Zusammenhang fällt wohl am prominentesten die Komputistik, die sich als angewandte Wissenschaft mit der Berechnung des Kalenders im Allgemeinen und des beweglichen Osterfests im Besonderen befasste und hierfür auf mathematisch-astronomische Kalkulationen zurückgriff. Die Messung der Zeit führt nun direkt zum Gerätewissen, also Wissen über die Herstellung und Anwendung von Geräten und Instrumenten, mit deren Hilfe eine auf Kosmoswissen basierende Anwendung durchgeführt werden konnte. Neben der Konstruktion klassischer Sonnen- und Wasseruhren entwickelte sich besonders im 11. und 12. Jahrhundert – gerade auch in Regensburg – ein gesteigertes Interesse an immer komplexeren Instrumenten. Prominent kommt dieses Interesse im Wirken des süddeutschen Mönches Hermann von Reichenau zum Ausdruck, dessen Anleitung
12 Vgl. Holländer, ‚Kirchenväterphysik‘; McCluskey, ‚Natural Knowledge‘, S. 290–92. 13 Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 24.
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zum Bau und zur Nutzung des Astrolabs schnell zum viel kopierten Werk avancierte.14 Als eine Art Schweizer Taschenmesser unter den astronomischen Instrumenten des Mittelalters erlaubte das Astrolab auf der Grundlage einer Projektion des Kosmos auf eine Scheibe nicht nur die Abbildung des Kosmos, sondern durch einen beweglichen Mechanismus auch die Kalkulation astronomischer Phänomene zur exakten Bestimmung der Zeit. Gerade das Astrolab verdeutlicht aber auch die Grenzen solcher Kategorisierungen von Wissen. Zwar diente es primär der konkreten Anwendung, gleichzeitig konnte aus dieser Anwendung durchaus Epistemisches Wissen über den Kosmos gewonnen und vermittelt werden.15 Wissensbestände lassen sich daher nicht immer eindeutig in einer der genannten Kategorien fixieren, sondern oszillieren zuweilen zwischen einer epistemischen und instrumentellen Funktion – ein Wechselspiel,16 das gerade im 11. und 12. Jahrhundert als Antrieb zur Wissensbildung über den Kosmos fungierte, wie ich später noch zeigen werde. Eine weitere Schwierigkeit bei der eindeutigen Zuordnung von Wissensbeständen liegt in den textuellen Trägern von Wissen über den Kosmos, die durchaus mehrere Wissensbestände unterschiedlicher Kategorien enthalten können oder zwischen verschiedenen Kategorien wechseln.17 So ist es möglich, dass Texte eines bestimmten Entstehungszusammenhanges in einem anderen Kontext einer Umfunktionalisierung unterzogen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Kommentar des Macrobius zu einer Passage aus Ciceros De re publica, in denen die Schilderung des Kosmos eigentlich der Darlegung einer Seelenlehre diente, und damit dem Bereich des sekundären Wissens zugerechnet werden müsste. In der Realität des Mittelalters diente der Text aber primär der Erschließung des Kosmos. In solchen Fällen wird in dieser Arbeit versucht, sofern möglich, das Interesse der mittelalterlichen Zeitgenossen als Maßsstab für die Bewertung und Kategorisierung der Wissensbestände anzulegen. Trotz dieser Einschränkungen scheinen mir die entwickelten Kategorien ein geeignetes Ordnungsschema für eine Bestandsaufnahme des Wissens über den Kosmos in der gewählten Untersuchungsregion – von der Ideengeschichte zur Wirkungschronologie.
Methodologische Grundlagen einer Wirkungschronologie Nachdem die analytischen Kategorien geklärt wurden, mit denen das Kosmoswissen des Südostens im hohen Mittelalter identifiziert und geordnet werden soll, ist ein Blick auf die Objekte dieser Analyse sinnvoll. Dabei geht es um die Frage, was als Wissen des hohen Mittelalters zu gelten hat und wie es identifiziert werden kann. Traditionell orientiert sich die Forschung hierfür an den zur jeweiligen Zeit entstandenen Texten, in denen sich Diskurse spiegeln, die das tradierte Wissen 14 Von Hermann selbst stammte tatsächlich wohl nur die Anleitung zum Bau des Astrolabs, vgl. Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘. 15 Vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 30, S. 158–62. 16 Vgl. Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 26. 17 Ein Beispiel hierfür wäre die Naturgeschichte des Plinius, die neben Epistemischem Wissen auch potentiell anwendungsfähiges Wissen enthielt.
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über den Kosmos rezipiert und neu verhandelt haben. Dieses Wissen wird dann in der Regel durch ein sogenanntes close reading in all seinen Facetten und Varianten erschlossen, bewerten, interpretiert und mit dem Wissen aus anderen historischen Kontexten verglichen. Diese Methode des close reading helfe dabei nicht nur bei der Interpretation von Wissensbeständen, sondern auch bei der Identifikation besonders bemerkenswerter Ideen. Mit Blick auf kosmologische Wissensbestände legt die ideengeschichtliche Forschung vor allem die Originalität der Inhalte, die Rationalität der Argumentation, die Geschlossenheit des Denkens sowie eine empirisch geleitete Nähe zur physikalischen Realität als Kriterien zur Bewertung der Würdigkeit bestimmter Wissensbestände an. Diese als wertvoll erachteten Wissensbestände werden aufeinander bezogen und zu einem einheitlichen Diskurs zusammengefügt, einer Symphonie von Ideen, wie es Peter Gordon treffend ausgedrückt hat,18 die dann als das relevante Wissen einer Zeit gilt. Dabei spiegelt sich in dieser diskursiven Symphonie aus abstrakten Texten, mag sie noch so ansprechend klingen, keineswegs das Wissen einer Zeit. Vielmehr benötigt dies konkrete materielle Träger und Überlieferungsmedien, um Wirkung zu erzeugen. Da der wichtigste Wissensträger des Mittelalters bis ins 15. Jahrhundert der handgeschriebene Kodex war, sind mittelalterliche Diskurse handschriftenvermittelte Diskurse und unterliegen fundamental anderen Gesetzmäßigkeiten als die moderne Druck- bzw. in zunehmenden Maße Digitalkultur, in der Wissensbestände zwischen einem Autor und seinem Publikum verhältnismäßig ungehindert kommuniziert werden können.19 Handschriften-Diskurse setzen die in ihnen vermittelten Wissensbestände hingegen einem höheren Widerstand aus und führen zu einem in Zeit und Raum fragmentierten Diskurs. Einfach gesprochen lassen sich Wissensbestände nicht eindeutig anhand des Zeitpunkts ihrer ersten Abfassung in einem Text datieren, sondern sind durch ihre jeweiligen Abschriften, die als Wissensträger fungieren, in Zeit und Raum fragmentiert. Jede dieser Abschriften legt sie immer wieder neu als intellektuelles Sediment in den Bücherkisten des Mittelalters ab. Bedas Ausführungen über den Kosmos aus dem 8. Jahrhundert waren zum Beispiel nicht nur seinen Zeitgenossen präsent, sondern ausweislich der überlieferten Handschriften noch bis weit ins späte Mittelalter (und im Druck darüber hinaus) neben den neueren Erklärungsversuchen weit verbreitet.20 Die Wissensbestände des hohen Mittelalters sind damit das Ergebnis eines Akkumulations- oder Sedimentierungsprozesses, in dem sich auch in vergangenen Zeiten produzierte Wissensbestände abgelagert haben und daher Teil des Diskurses des hohen Mittelalters über den Kosmos waren. Die intellektuelle Kultur des Mittelalters zeichnet sich also weniger durch ein kontinuierliches Ablösen veralteter Wissensbestände aus, sondern eher durch deren potenzielle Gleichzeitigkeit. Diese synchronen Wissensbestände können dabei aus verschiedenen Zeiten und Kontexten stammen und eine jeweils unterschiedliche
18 Vgl. Gordon, ‚What Is Intellectual History?‘. 19 Vgl. Nichols, ‚What Is a Manuscript Culture?‘, S. 35. 20 Vgl. etwa die Aufstellung bei Westgard, ‚Bede and the Continent‘.
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Wirkungsdauer aufweisen.21 Diese Wirkungsdauer lässt sich durch die geisteswissenschaftliche Methode des textinhärenten close reading allerdings nur begrenzt bestimmten. Mit Jacques Le Goff lässt sich vielmehr feststellen, dass es einer „wissenschaftliche[n] Chronologie [bedarf], welche die historischen Phänomene nach der Dauer ihrer Wirksamkeit in der Geschichte datiert, statt nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens.“22 Übertragen auf die kosmologischen Wissensbestände des 12. Jahrhunderts bedeutet dies, dass sich diese Bestände nicht mehr ausschließlich über die Analyse zu dieser Zeit entstandener Texte rekonstruieren lassen, sondern nur über das Ausheben der bis zu diesem Zeitpunkt sedimentierten Wissens-Schichten auf Grundlage der Überlieferung handschriftlicher Wissensträger. Die Chronologie der Entstehung von Wissensbeständen muss daher durch die Chronologie ihrer Überlieferung oder, anders formuliert, einer Wirkungschronologie ergänzt werden. Eine solche Chronologie der Wirkung von Wissensbeständen macht einen Perspektivwechsel notwendig, nämlich vom Text zur konkreten Handschrift bzw. der handschriftlichen Überlieferung, und damit von qualitativen zu quantitativen Methoden, oder wie Franco Moretti betont hat, vom close reading zum distant reading auf der Grundlage größerer Mengen an Daten,23 die anhand der jeweils überlieferten Handschriften gewonnen werden müssen. Besonderes Augenmerk kommt in diesem Zusammenhang der Lokalisierung und Datierung dieser Wissensträger zu, über die eine Wirksamkeit an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten geprüft werden kann.24 Die Gesamtheit dieser so erschlossenen Wissensträger erlaubt darüber hinaus auch die Bestimmung von wissensgeschichtlichen Mustern und Tendenzen. Die chronologische Verteilung einzelner Wissensträger eines Wissensbestandes in der Zeit führt also zu seiner Entgrenzung über den Zeitpunkt seiner Herausbildung hinaus. Im Gegensatz dazu geht die Verteilung der Bruchstücke im Raum mit seiner Begrenzung einher. Denn obwohl sich Wissen auch im Mittelalter rasant verbreiten konnte, sind handschriftenbasierte Diskurse doch in hohem Maße begrenzte Diskurse, die zur Rezeption einer Idee in der Regel die materielle Anwesenheit des Kodex an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit voraussetzen.25 Tatsächlich verdeutlicht der Vergleich der weiter unten dargestellten Überlieferung der Handschriften mit der Zahl der im 12. Jahrhundert bestehenden Klöster, dass die Anwesenheit von Kosmoswissen keineswegs per se unterstellt werden kann. Selbst ein beliebter Grundlagentext wie Bedas De temporum ratione war mit seinen circa 130 bis zum Ende des 12. Jahrhunderts überlieferten Handschriften auch bei vorsichtig geschätzten Überlebensraten wohl lediglich in einem Bruchteil der mittelalterlichen Klöster vorhanden.26 So kann als gesichert gelten, dass im Lichte der Überlieferung – vielleicht mit Ausnahme der
21 Diese Vorstellung der Sedimentschichten folgt in Ansätzen der Koselleck’schen Idee der Zeitschichten. Vgl. Koselleck, Zeitschichten, S. 9. 22 Le Goff, ‚Neue Geschichtswissenschaft‘, S. 49. 23 Vgl. hierzu Morettis programmatische Streitschrift Moretti, Graphs, Maps, Trees. 24 Zu den Möglichkeiten und Methoden vgl. Kwakkel, ‚Decoding the Material Book‘, S. 60. 25 Darauf wies bereits 1926 Haskins hin, vgl. Haskins, ‚The Spread of Ideas‘. 26 Vgl. die Übersicht und Einschätzung bei Buringh, Medieval Manuscript Production, S. 179–252; zur Verbreitung von Bedas Texten siehe Westgard, ‚Bede and the Continent‘, S. 211.
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Etymologien Isidors – lediglich ein begrenzter Teil der im 12. Jahrhundert bestehenden Klöster Zugang zum hier vorgestellten kosmologischen Wissen besaß. Entscheidend ist daher nicht in erster Linie die Existenz von Wissen im Rahmen eines abstrakten und sich chronologisch wandelnden Diskurses, entscheidend ist der spezifische Zugang dazu (oder Ausschluss davon), der im Wortsinne räumlich zu denken ist.27 Demgegenüber orientieren sich ideengeschichtliche Zugänge meist auf einer abstrakten Makroebene: Entweder als Geistesgeschichte im Grunde entlokalisierter Texte des Mittelalters oder als eine Geschichte des überregionalen intellektuellen Austausches und Wissenstransfers auf dieser Ebene. Dieser Transfer wird daher oft als raumzeitlicher Transfer von Wissen aus der Antike oder dem arabischen Raum in das lateinische Europa des Mittelalters verstanden. Diese Modelle beruhen auf der Annahme, dass der Transfer von Wissen ein Transfer von Texten in einen räumlich absolut gedachten Diskurs sei. Wissen wurde aber nicht wirklich in den Diskurs der westlichen Wissenschaften transferiert, etwa durch eine Übersetzung von Gerhard von Cremona. Weil Wissen an Objekte gebunden ist, in diesem Fall an handschriftliche Bruchstücke, wird es immer aus konkreten Zusammenhängen und Orten in konkrete Zusammenhänge und Orte transferiert: in die Vorlesung eines Pariser Scholaren zum Beispiel oder in die Bibliothek eines Regensburger Klosters.28 Anstatt die Anwesenheit eines Wissensbestandes einfach diskursiv zu unterstellen, muss sie im Einzelnen konkret und mit Blick auf das Material geprüft werden, eine Aufgabe, die für den österreichischen Raum bereits 1964 durch Alphons Lhotsky unter dem Stichwort der Wissenschaftspflege skizziert worden ist29 und bis heute besonders in der österreichischen Forschung zu einer ganzen Reihe wertvoller Fallstudien zum Handschriftenbestand einzelner Klöster geführt hat.30 In diesem Sinne basiert die inhaltliche und quantitative Bestandsaufnahme der Landschaft des hochmittelalterlichen Kosmoswissens im Südosten in dieser Studie auf der einen Seite auf den aus der Region bis ins frühe 13. Jahrhundert überlieferten handschriftlichen Wissensträgern, auf der anderen Seite auf den Spuren, die diese Träger in den von Zeitgenossen angelegten mittelalterlichen Bibliothekskatalogen (bis circa 1225) hinterlassen haben. Diese Quellen sollen im Folgenden mit ihren Chancen und Problemen charakterisiert werden.
Quellen einer Wirkungschronologie Heute ist es leider kaum möglich, selbst mit dem Finger über die Rücken der Folianten einer mittelalterlichen Bibliothek zu fahren und den Inhalt einer Sammlung vor 27 Aus der Menge der zahlreichen Publikationen zum Konzept des Raumes sei hier verwiesen auf Döring und Thielmann, ‚Was lesen wir im Raume?‘ sowie die jüngere Einführung in das RaumKonzept von Rau, Räume. 28 Vgl. zum Beispiel Egger, ‚The Scholar’s Suitcase‘. 29 Lhotsky, Umriß einer Geschichte der Wissenschaftspflege. 30 Mit Blick auf naturwissenschaftliches Wissen, das Lhotsky selbst eher vernachlässigt hat, ist hier vor allem zu nennen Rzihacek-Bedö, Medizinische Wissenschaftspflege.
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Ort zu inspizieren und zu vermessen. Nur die wenigsten Institutionen haben ihren hochmittelalterlichen Bibliotheksbestand bis in die heutige Zeit erhalten. Häufig wurde der Bestand durch Kriege, wirtschaftlichen Niedergang, Säkularisierung oder andere Gründe erheblich dezimiert und bis zur Unkenntlichkeit zersplittert.31 Zwar teilen auch Institutionen des Südostens dieses Schicksal, insgesamt zeichnet sich die Region aber durch eine gute Überlieferungssituation aus, die vor allem durch moderne Handschriftenkataloge gut erschlossen und nutzbar ist. Eine große Zahl mittelalterlicher Bibliotheksverzeichnisse (für eine Auflistung siehe Tabelle A.3 im Anhang) ergänzen diese überlieferten Quellen und ermöglichen in Kombination die Rekonstruktion der mittelalterlichen Wissenslandschaft des Südwestens. Im Folgenden sollen diese beiden Quellenarten und das damit verbundenen Vorgehen dieser Arbeit skizziert und reflektiert werden. Eine zentrale Quelle für die Rekonstruktion der Wissenslandschaft stellen diejenigen Handschriften dar, die Kosmoswissen beinhalten und sich noch heute mit einiger Sicherheit in die Region verorten und in den Unteruschungszeitraum datieren lassen. Diese Überlieferung wurde in einem ersten Schritt grob umrissen. Hierfür diente die elektronische Version der Bibliothecae codicum medii aevi von Sigrid Krämer als Ausgangspunkt zur Erstellung einer Liste von Institutionen der Region, aus denen sich Handschriften aus der Zeit vor 1225 erhalten haben.32 Handschriften des 13. Jahrhunderts, die in den Katalogen nicht genauer datiert sind und auch nach anderen Kriterien nicht genauer datiert werden konnten, wurden nicht berücksichtigt. In einem nächsten Schritt wurden dann die modernen Handschriftenkataloge der heute diese Handschriften besitzenden Bibliotheken hinsichtlich der oben entwickelten Wissenskategorien ausgewertet. Handschriften, die Wissensbestände des Kosmoswissens enthielten, wurden in eine Datenbank aufgenommen und die darin enthaltenen Wissensbestände verzeichnet, sofern sie einen gewissen Umfang aufwiesen und darüber hinaus identifiziert werden konnten. Kleinere Exzerpte oder lediglich isoliert stehende Wissenssplitter wurden aus Gründen der Handhabbarkeit nicht aufgenommen. Außerdem wurden für die identifizierten Texte auch die vorhandenen Editionen und Handschriftenlisten geprüft und dort enthaltene Handschriften aus der Untersuchungsregion gegebenenfalls ergänzt. In einem letzten Schritt wurden auch Handschriften aus der einschlägigen und jeweils angegebenen Fachliteratur ergänzt. Das Ergebnis dieser Sammlung ist ein Datensatz, der sowohl die Wissensbestände des Kosmoswissens im Südosten verzeichnet als auch die heute noch vorhandenen Wissensträger (siehe Tabelle A.5 im Anhang). Der Datensatz kann über das Repositorium Figshare dauerhaft auch als CSV-Datei abgerufen werden.33 Auch wenn durch diesen Ansatz versucht wurde, ein möglichst verlässliches Bild der Überlieferung zu gewinnen, so geht er doch notwendigerweise mit einigen 31 Ein anschauliches Beispiel für den Werdegang einer mittelalterlichen Bibliothek liefert das Kloster Prüfening, vgl. Kellner, ‚Durch Zersplitterung erhalten‘. 32 Krämer, ‚Bibliothecae codicum medii aevi‘. Dass dieses Nachschlagewerk sowohl in seiner analogen wie auch digitalen Form nicht unbedenklich ist, betonen Klein, Rezension zu Krämer, Handschriftenerbe und Graf, Rezension zu Krämer, Handschriftenerbe. 33 https://doi.org/10.1484/A.21673829.
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methodischen und pragmatischen Beschränkungen einher, die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen. So darf die angestrebte Vollständigkeit bei der Erschließung der Überlieferung nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich ein mutmaßlich nicht unerheblicher Bestand an Handschriften aus dem Südosten heute nicht mehr als solche lokalisieren lassen. Auch wenn sich der Untersuchungsraum durch eine relativ große Menge noch in der Region vorhandener Handschriften auszeichnet, hat sich in den Wirren der Jahrhunderte auch hier vieles versprengt, das heute unerkannt in den großen europäischen Bibliotheken, etwa der Bibliotheca Apostolica Vaticana oder der französischen Nationalbibliothek, lagert. Deren Bestände konnten aus praktischen Gründen nicht vor Ort gesichtet werden, sondern wurden über bestehende Kataloge erschlossen. Handschriften, deren Identifizierung nicht aus der Literatur oder einschlägigen Katalogen hervorging, konnten im Einzelnen daher nicht erfasst werden. Ein mit dieser Thematik in Zusammenhang stehendes Problem betrifft die Qualität und Katalogisierungspraxis der Handschriftenkataloge, die von Region zu Region und innerhalb verschiedener Zeiträume sehr unterschiedlich ist. Dies führt zu zwei Problemen: Zum einen führen unterschiedliche Standards zu unterschiedlichen Verzeichnistiefen und -dichten. So erschließen moderne Kataloge mittelalterliche Handschriften in einem standardisierten und dokumentierten Verfahren verhältnismäßig tief.34 Auf diesem Wege fördern sie z. B. eine Vielzahl kleinerer Exzerpte und Wissenssplitter zu Tage und tragen dadurch dem kompilativen Charakter vieler wissenschaftlicher Handschriften besser Rechnung. Demgegenüber vertreten ältere Kataloge, insbesondere des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in der Regel ein traditionelles Verständnis vom Autorentext, das auf viele Handschriften mitunter verzerrend oktroyiert wurde und deren Inhalt recht holzschnittartig wiedergibt.35 Dieser Umstand führt dazu, dass moderne Kataloge in der Regel mehr Texte identifizieren, als es in älteren Katalogen der Fall ist. Zwar ist dies problematisch, weil es zu einer Verzerrung der Bestandsaufnahme führen kann, lässt sich letztlich aber nur durch eine lückenlose moderne Katalogisierung lösen, die im Rahmen dieser Arbeit natürlich nicht geleistet werden kann und trotz großer Fortschritte in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Bei der Bestandsaufnahme der Handschriften beachte ich folgende Regel: Liegen für eine Handschrift modernen Standards entsprechende Handschriftenbeschreibungen vor, richtet sich die Bestandsaufnahme der Handschriften nach der jeweils neuesten Beschreibung, ohne auf ältere oder abweichende Meinungen einzugehen, die dort aber in der Regel angegeben und diskutiert werden. Entsprechen die vorliegenden Kataloge (oder Handschriftenbeschreibungen aus Editionen) nicht modernen Standards, wird die einschlägige kodikologisch-paläographische Fachliteratur, etwa
34 Seit den 60er Jahren orientiert sich diese Beschreibung nach den mittlerweile in fünfter Auflage vorliegenden Richtlinien der DFG: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung, DFG-Richtlinien Handschriftenkatalogisierung. 35 Ein gutes Beispiel hierfür stellen die handschriftlichen Kataloge der Abteien Admont und Salzburg, St. Peter dar. Vgl. Wichner, Hg., Catalogus codicum.
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Bischoffs Südostdeutsche Schreibschulen36 oder Hoffmanns Bamberger Handschriften37 konsultiert und angegeben. Hierzu zählen auch die verschiedenen Publikationen von Arno Borst, in denen er sich insbesondere den naturwissenschaftlichen Handschriften in unterschiedlicher Beschreibungsdichte gewidmet hat,38 sowie seiner im Nachlass befindlichen maschinenschriftlichen Handschriftenbeschreibung.39 Zwar ist Borst aus kodikologisch-paläographischer Sicht nicht unbedingt Vorrang gegenüber anderen Größen der Zunft zu geben, allen voran natürlich Bischoff oder Hoffmann, und seinen mitunter sehr weitreichenden Schlussfolgerungen ist durchaus mit Vorsicht zu begegnen. Allerdings besticht Borst im Bereich der naturwissenschaftlichen Handschriften des 11. und 12. Jahrhunderts durch eine unvergleichliche Kenntnis des Materials, von dessen Ausmaß sein heute in den MGH bewahrtes Handschriftenarchiv eindrücklich Zeugnis gibt.40 Findet sich auch hier keine belastbare Information, konsultiere ich die jeweils zur Verfügung stehende Literatur. Die nach dieser Regel jeweils als maßgeblich erachtete Literatur wird aus Platzgründen in einem erweiterten Register der ins Untersuchungsgebiet gehörenden Handschriften (siehe hierzu das erweiterte Handschriftenregister im Anhang) im Anhang genauer verzeichnet, nicht aber in der Bestandsaufnahme in Kapitel 3. Eine Ausnahme stellen die wenigen Handschriften dar, deren Lokalisierung und Datierung derart umstritten und unsicher sind, dass sich aus der vorliegenden Literatur keine eindeutige Festlegung ableiten lässt. In diesen Fällen werden strittige Punkte im Text unter Angabe der Literatur diskutiert und im Anhang mit Angabe der Seiten vermerkt. Die für die Statistik und Bestandsaufnahme notwendige eindeutige Festlegung von Datierung und Lokalisation erfolgt dann nach dem meiner Ansicht nach wahrscheinlichsten Szenario. Auf diese Weise wird versucht, den methodischen Schwierigkeiten mit der größtmöglichen Transparenz zu begegnen. Da die Analyse der überlieferten Handschriften allein aufgrund des anzunehmenden Überlieferungszufalles methodisch nicht ausreicht, um ein quantitativ verlässliches Bild der Wissenslandschaft zu zeichnen, wurden zusätzlich die mittelalterlichen Bibliothekskataloge der Region ausgewertet, die vor circa 1225 angelegt worden sind. Auch hier erweist sich der Südosten als geeignetes Untersuchungsgebiet, da dessen mittelalterliche Bibliothekskataloge in einer systematisch edierten Form vorliegen: Zum einen die Mittelalterlichen Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz (MBK), die in den Bänden zwei bis vier die heute bayerischen Diözesen des Südostens abbilden, daneben deren österreichisches Pendant, die Mittelalterlichen
36 Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i und ii. 37 Hoffmann, Bamberger Handschriften. 38 Zum Beispiel in seinen bei den MGH erschienenen Editionen Der karolingische Reichskalender, i, hg. von Borst und Schriften zur Komputistik, i, hg. von Borst. 39 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Beschreibung der Handschriften, S. 1–85 (die Paginierung entspricht hier und im Folgenden nicht der Seitenfolge des Ordners und wurde durch Borst als Binnenpaginierung der Texte erstellt. Handschriftliche Änderungen, z.B. des Titels, werden jeweils in Klammern angegeben). Eine Kopie befindet sich auch in den Beständen der MGH. 40 Das bislang unter gespeicherte Findbuch war zum 23.01.2020 leider nicht mehr abrufbar.
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Bibliothekskataloge Österreichs (MBKÖ), in denen der österreichische Bestand enthalten ist. In diesen Korpora finden sich 82 Kataloge unterschiedlichsten Umfangs, die den Bücherbestand des Südostens bis zum Ende des hohen Mittelalters für 43 unterschiedliche Institutionen – vor allem Pfarrkirchen, Dom- und Chorherrenstifte sowie Benediktiner-, Prämonstratenser- und Zisterzienserklöster – abbilden.41 Diese Kataloge sind im Anhang einzeln aufgelistet. Dieser einfache Zugang zu den mittelalterlichen Katalogen darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine quantitative Auswertung dieser Quellengattung mit methodischen Schwierigkeiten und Begrenzungen verbunden ist. Was die Überlieferung der Kataloge angeht, so ist zunächst festzuhalten, dass nicht grundsätzlich von einer vollständigen Katalogisation der jeweiligen Bestände durch die Institutionen des Mittelalters ausgegangen werden kann.42 In noch höherem Maße trifft dies auch auf die Chance ihrer Überlieferung zu. Da mittelalterliche Bibliothekskataloge vor dem späten Mittelalter in der Regel in handschriftlicher Form überliefert sind – sei es, dass sie in eine bereits bestehende Handschrift eingetragen wurden, sei es, dass ein ursprünglich unabhängig existierender Katalog sich nur in einer solchen Abschrift erhalten hat –, korreliert ihre Überlieferungschance in erheblicher Weise mit der übrigen Überlieferung des handschriftlichen Bestandes einer Institution. Das bedeutet, dass gerade für Institutionen mit einer schlechten handschriftlichen Überlieferungslage auch die Chance auf die Existenz eines erhaltenen Kataloges gering ist, umgekehrt vor allem Institutionen mit einer großen Überlieferung auch eher über einen oder mehrere überlieferte Kataloge verfügen. 41 Für den Raum Bayern sind hier die entsprechenden Bände der Mittelalterlichen Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz zu nennen: Ruf, Hg., Bistum Augsburg; Ruf, Hg., Bistum Eichstätt; Ruf, Hg., Bistum Bamberg; Ineichen-Eder und Bischoff, Hgg., Bistümer Passau und Regensburg; Bistum Freising, Glauche und andere, Hgg., Bistum Würzburg; für Österreich die entsprechenden Publikationen aus der Reihe der Mittelalterlichen Bibliothekskataloge Österreichs: Gottlieb, Hg., Niederösterreich; Möser-Mersky, Hg., Steiermark; Möser-Mersky, Hg., Salzburg; Paulhart, Hg., Oberösterreich. 42 Gerade die umfangreicheren Kataloge der Region, etwa aus dem Bamberger Kloster Michelsberg oder aus Prüfening, erweisen sich oft als das Werk besonders engagierter Bibliothekare während kultureller Blütezeiten und waren wohl nicht selbstverständlich. Entsprechend liegen für solche Kataloge in der Regel auch eingehendere Untersuchungen vor, in diesem Fall von DenglerSchreiber, Scriptorium und Bibliothek und Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert. Häufig sind die angefertigten Listen eher kleineren Umfangs und wurden jeweils spontan in Reaktion auf ganz bestimmte Umstände angelegt. Ein Beispiel hierfür wäre die Notiz über eine umfangreiche Bücherschenkung des Bruders Heinrich an das Kloster Göttweig (oder Lambach), die etwa 50 Bücher ausweist. Bücherschenkung des Bruders Heinrich (Nr. 3), hg. von Gottlieb. Dieser Katalog wurde mitunter als Schenkung des Honorius Augustodunensis gedeutet und das Kloster Lambach als Empfänger ins Spiel gebracht, da es im Gegensatz zu Göttweig auch den Großteil der verzeichneten Handschriften besitzt. Flint, ‚The Career of Honorius Augustodunensis‘. In der vorliegenden Studie wurden allerdings die Zuweisungen der MBK und MBKÖ beibehalten, da eine gründliche Prüfung der mehr als 80 Kataloge im Einzelfall nicht geleistet werden konnte. Dass dieser Bestand schriftlich festgehalten wurde, lag wohl weniger an der Einmaligkeit der Schenkung an sich, sondern eher an ihrem Umfang. Die Existenz einer entsprechenden Liste ist daher bis zu einem gewissen Grad das Produkt des Zufalls.
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Neben dieser Verzerrung erschwert auch der Quellentypus selbst eine quantitative Analyse. Anders als durch die einheitliche Bezeichnung als Bibliothekskatalog suggeriert, handelt es sich bei dieser Quellengattung nämlich nicht um einen homogenen und standardisierten Korpus.43 Vielmehr verbergen sich dahinter ganz unterschiedliche Typen von Listen, deren kleinster gemeinsamer Nenner eigentlich nur darin besteht, dass sie in irgendeiner Form und mit den unterschiedlichsten Motiven Bücher verzeichnen.44 Vor allem mit Blick auf die angestrebte Vollständigkeit unterscheiden sich diese verschiedenen Typen mitunter erheblich.45 Die Kataloge geben aus diesen Gründen niemals Auskunft über den tatsächlichen Wissensbestand ihrer Institution, sondern können grundsätzlich nur für positive Informationen genutzt werden, wie Rzihacek-Bedö betont.46 Das Fehlen eines bestimmten Wissensbestandes an einem Ort können sie nicht hinreichend belegen. Neben den bereits angeführten Schwierigkeiten hinsichtlich der Repräsentativität der überlieferten Daten aufgrund des Überlieferungsverlustes liegt dies auch am gegenteiligen Problem, nämlich der potenziellen Doppelüberlieferung von Wissensbeständen. Nicht nur ist es möglich, dass verschiedene gleichzeitig erstellte Verzeichnisse einer Institution ganz oder in Teilen die gleichen Wissensbestände verzeichnen – zum Beispiel eine Schenkungsnotiz, eine Leihliste und ein Gesamtkatalog –, vor allem besteht diese Gefahr bei Katalogen mit unterschiedlichen Entstehungszeiten und einem unterschiedlichen Verzeichnungsgrad. Hier lässt sich nicht immer feststellen, ob die Einträge aus Katalogen sich auf unterschiedliche oder identische Wissensbestände beziehen, ein Umstand, der zu erheblichen Verzerrungen bei den Ergebnissen der quantitativen Analyse führen kann. Ein weiteres Problem stellt die Erschließung dieser Quellen dar, die zu einer möglichst vergleichbaren Datengrundlage führen muss, um eine solche Analyse methodisch sauber zu ermöglichen. Da sich die Katalogisierung des Buchbestandes im Detail nicht an einem systematisch entwickelten Standard orientierte – etwa wann und wie Anfang und Ende einer Verzeichniseinheit markiert werden –, lassen sich die Kataloge oft nicht exakt und nur mit erheblichem Aufwand in ihre einzelnen Verzeichniseinheiten zerlegen. Bei der Aufnahme so großer Bestände wie für die Analyse des gesamten Südostens ist
43 Maßgeblich zu den verschiedenen Typen mittelalterlicher Bibliothekskataloge sowie den damit verbundenen Problemen immer noch Derolez, Les catalogues de bibliothèques. 44 Vgl. Milde, ‚Mittelalterliche Bibliothekskataloge als Quellen der Bildungsgeschichte‘, S. 478. 45 Viele Listen zielten gar nicht darauf ab, den gesamten Buchbestand einer Institution zu verzeichnen, sondern waren Teilverzeichnisse, etwa Schenkungs- oder Schreibernotizen oder Ausleihverzeichnisse, die per Definition nur einen Ausschnitt der Bibliothek wiedergeben. Zwar gab es auch Gesamtverzeichnisse, allerdings sind diese mitunter nur schwer von umfangreichen Teilverzeichnissen zu unterscheiden. Auch wenn sich eine Liste sicher als Gesamtkatalog identifizieren lässt, so entspricht der daraus resultierende Anspruch an Vollständigkeit nicht immer auch der Realität. Nicht überall wurde mit gleichem Fleiß der Buchbestand verzeichnet und die (Gebrauchs-)Anforderungen, die in den Institutionen an das Katalogisat gerichtet wurden, scheinen sich in hohem Maße unterschieden zu haben. Während einige Katalogisatoren die ihnen vorliegenden Handschriften bis auf den letzten enthaltenen Text verzeichneten, scheinen andere lediglich den ersten oder umfangreichsten Text eines Kodex aufgenommen zu haben. 46 Vgl. Rzihacek-Bedö, Medizinische Wissenschaftspflege, S. 20.
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daher mit einer gewissen Ungenauigkeit zu rechnen, weshalb die ermittelten Zahlen nicht als exakt verstanden werden dürfen, sondern lediglich möglichst sorgfältige Annäherungen darstellen können. Diesen Schwierigkeiten stehen die erheblichen Potentiale dieser Quellengattung gegenüber: Im Gegensatz zu den überlieferten Handschriften sind sie relativ einfach zu erschließen, da die enthaltenen Informationen durch den Katalogisator bereits reduziert und strukturiert wurden und durch moderne Editionen als Gesamtbestand zugänglich und handhabbar sind. Gleichzeitig liefern sie eine für die Verhältnisse mittelalterlicher Quellen ausgesprochen umfangreiche Datengrundlage, die die Unsicherheiten im Detail – etwa mit Blick auf einzelne Einträge – aus quantitativer Sicht einigermaßen ausgleichen kann und belastbare statistische Auswertungen ermöglicht. Entscheidend ist, dass die Erwartungen an eine solche Analyse den Aussagemöglichkeiten der Quellen angepasst werden. So wird es nicht möglich sein, anhand der mittelalterlichen Bibliothekskataloge ein verlässliches Abbild der tatsächlichen historischen Wissenslandschaft zu zeichnen, wohl aber ein Panorama der bezeugten Wissensbestände. Hinsichtlich der einzelnen Institutionen wird es auf der Grundlage der Kataloge nicht möglich sein, ein genaues Profil des dortigen Wissens zu erzeugen; möglich ist aber der positive Nachweis, dass ein bestimmter Wissensbestand vorhanden war. Und mit Blick auf statistische Analysen ist festzuhalten, dass die Daten keine exakten Aussagen zulassen, in ihrer Masse aber durchaus bestimmte Tendenzen und Entwicklungen andeuten, die dann anhand weiterer qualitativer Untersuchungen vertieft werden können. Im Sinne der geschilderten Schwierigkeiten und Potentiale einer quantitativen Analyse der mittelalterlichen Bibliothekskataloge wurde für die vorliegende Arbeit ein zweistufiges Verfahren entwickelt, das die Ergebnisse der Handschriftenanalyse ergänzt. Zunächst wurden die überlieferten Bibliothekskataloge aus dem frühen und hohen Mittelalter (bis etwa 1225) gesammelt. In einen nächsten Schritt wurden dann die Verzeichniseinheiten dieser Kataloge identifiziert und analog zu den Handschriften der Region inhaltlich hinsichtlich des verzeichneten Wissens geprüft. Einträge, die Kosmoswissen verzeichneten wurden identifiziert und gezählt. Das Ergebnis stellt einen Datensatz dar, der die Wissensbestände des Südostens anhand der damals verzeichneten Wissensträgern inhaltlich wie quantitativ erschließbar macht (siehe Tabelle A.3 im Anhang). Dieser Datensatz kann in Form von CSV-Dateien über das Repositorium Figshare unter https://doi.org/10.1484/A.21673829 dauerhaft abgerufen, nachgenutzt und nachvollzogen werden. Der Datensatz umfasst insgesamt 82 Kataloge, die sich auf 43 Institutionen verteilen. Diese Kataloge stammen vor allem aus Pfarrkirchen, Dom- und Chorherrenstiften sowie Benediktiner-, Prämonstratenser- und Zisterzienserklöstern. Diese Kataloge verzeichnen in ihrer Gesamtheit 5415 Einheiten, unterscheiden sich in ihrem Umfang allerdings beträchtlich.47 Während der überwiegende Teil dieser Kataloge – 52
47 Gezählt wurden zunächst die einzelnen Katalogeinträge (4223 Einträge), wobei diese Zahl aufgrund der mitunter schwierigen Identifikation der einzelnen Einheiten mit Vorsicht zu genießen ist. Unter Berücksichtigung von Einträgen, die auf mehrere Handschriften hinweisen – etwa „Missalia III“
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Kataloge oder 63% – weniger als 50 Einheiten umfasst, listen lediglich 13 Kataloge (6%) 50 bis 100 Einträge, 18 Kataloge (22%) mehr als 100 Titel auf. Zwei Kataloge, aus St. Emmeram48 und dem Bamberger Michelsberg49 bilden eine deutlich abgesetzte Spitzengruppe mit mehr als 450 Verzeichniseinheiten. Auch wenn sich diese deutliche Diskrepanz durch einen extremen Unterschied im mittelalterlichen Buchbestand der Institutionen erklären ließe, ist es wahrscheinlicher, dass ein Großteil der aufgenommenen Kataloge lediglich einen kleinen Teil des Buchbestandes einer Institution verzeichnen sollte und damit nur einen Ausschnitt dieses Bestandes wiedergibt. Dieser Verdacht erhärtet sich mit Blick auf die Tatsache, dass viele dieser kleineren Kataloge im Zusammenhang mit Institutionen erscheinen, die gleichzeitig über einen umfangreicheren Katalog verfügen, etwa am Bamberger Dom, Blaubeuren, Freising oder St. Emmeram in Regensburg. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass neben einem größeren Gesamtkatalog aus verschiedenen Gründen kleinere Listen angefertigt wurden, deren Inhalt sich mit den Angaben der umfangreicheren Kataloge decken kann. Daher kann der Bestand der Bibliothekskataloge zwar als eine geeignete heuristische Grundlage für eine qualitative Untersuchung der Wissenspraktiken im Südosten genutzt werden, da sie auf bestimmte Auffälligkeiten hinweisen können, als Grundlage einer statistischen Auswertung sind sie aufgrund der vorhandenen Dopplungen und Unsicherheiten in dieser Form aber ungeeignet. Um eine solche statistische Auswertung zu ermöglichen, wurde der Datensatz in einem zweiten Schritt so bearbeitet, dass die institutionelle Zugehörigkeit der bislang isoliert voneinander ausgewerteten Kataloge berücksichtigt wurde. Dazu wurden Kataloge eines gleichen Zeitraums (das bedeutet aus dem gleichen Jahrhundert) und aus der gleichen Institution hinsichtlich inhaltlicher Überschneidungen ausgewertet und zusammengeführt. Kataloge aus früheren oder späteren Jahrhunderten unterliegen weiterhin der getrennten Betrachtung, da der Buchbestand über die Zeiten Verluste erlitten haben könnte. Zeigten Kataloge eindeutige inhaltliche Überschneidungen auf, wurde mit Blick auf den Gesamtbestand der Institution ein Mittelwert erzeugt, bildeten sie erkennbar unterschiedliche Bereiche des Buchbestandes einer Institution ab, wurden sie addiert. Potenzielle Überschneidungen aus dem Bereich des Kosmoswissens wurden im Detail geprüft. Zwar sind die so gebildeten Bestände einer Institution mitunter das Ergebnis einer Interpolation und können daher vom tatsächlich bezeugten Bestand eines Kataloges leicht abweichen, allerdings ermöglichen sie in der Masse eine belastbarere Grundlage für statistische Berechnungen.50 Anhand dieser Daten kann eine Analyse des Kosmoswissens im Südosten auf mehreren Ebenen erfolgen. Zum einen kann der gemeinsame Datenbestand der – lassen sich die genannten 5415 Einheiten identifizieren. 48 Adbreviatio librorum (Nr. 25), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff. 49 Prior Burchards Bericht (Nr. 90), hg. von Ruf. 50 Deutlich wird dies am Beispiel der Kataloge Prüfenings, die sich in erheblicher Weise überschneiden, allerdings auch distinkte Unterschiede wie einen leicht abweichenden Umfang aufweisen. Für die statistische Analyse wurde daher für den Gesamtbestand jeder Institution jeweils ein Mittelwert errechnet, der unter dem tatsächlichen Bestand des umfangreicheren Kataloges liegen kann. Mit Blick
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überlieferten Handschriften und unbearbeiteten Kataloge inhaltlich mit Blick auf die Frage analysiert werden, welche Wissensbestände im Südosten vorhanden waren. Zum anderen ermöglichen sie eine Bestandsaufnahme der Wissensträger dieser Bestände anhand derer ihre Wirkungschronologie im Südosten und insbesondere am Fallbeispiel Regensburg erfasst werden kann. Zum dritten kann der bearbeitete Datenbestand der mittelalterlichen Bibliothekskataloge etwaige Trends und Entwicklungen in der Geschichte dieses Kosmoswissens sichtbar machen.
Vom Diskurs zur Praxis: Methodologische Grundlagen praxeologischer Wissenssysteme Ein wesentlicher Ansatz dieser Arbeit besteht darin, die Vorgänge in der Wissensgeschichte des hohen Mittelalters nicht nur diskursiv zu fassen, sondern in ihren verschiedenen sozialen Kontexten zu untersuchen, die hinter den Diskursen stehen. Vorbild für diesen Ansatz ist ein Forschungszweig, der sich spätestens seit den 1970er Jahren unter dem Schlagwort der science studies etabliert hat und der Wissenschaft weniger als ein Gefüge inhaltlicher Aussagen versteht, sondern primär als soziales, kulturelles und immer häufiger auch materielles System einer sozialen Wirklichkeit, die den Texten vorgelagert ist. Wissen gilt heute daher nicht allein als das Produkt von Diskursen, sondern als Folge einer fortwährenden sozialen Konstruktion,51 in der epistemische Objekte durch soziale Praktiken hervorgebracht werden.52 Im Zuge dessen vollzog sich vor allem in der Wissenschaftsforschung ein Perspektivwechsel from science as knowledge to science as practice. Dahinter stand die Überzeugung,53 dass Ideen und Texte ihre jeweilige Bedeutung innerhalb eines Wissenssystems nur im Zusammenspiel von kulturellen Praktiken, Artefakten sowie handelnden Akteur*innen und Aktanten entfalten. Die konstitutive Rolle von Praktiken im Rahmen der Wissensproduktion lässt sich dabei nicht nur theoretisch fundieren, sondern wird auch in den hochmittelalterlichen Quellen reflektiert. In seiner kleinen Schrift über die tieferen Bedeutungen der Zahl Drei gibt der Mönch Otloh etwa zur Mitte des 11. Jahrhunderts einen Einblick in die wissenschaftlichen Bemühungen seiner Mitbrüder im Regensburger Kloster St. Emmeram. Mit deutlichem Groll berichtet er davon, dass unter seinen Mitbrüdern
auf die statistische Vergleichbarkeit des Bestandes ist diese Methode der reinen Akkumulation der beiden Kataloge mit all ihren Dopplungen aber vorzuziehen, da sie zu einer geringeren Verzerrung des tatsächlichen Wissensbestandes der Institution führt. 51 Auf den Konstruktionscharakter von Wissen haben erstmals Berger und Luckmann hingewiesen und dafür plädiert, die Prozesse in den Blick zu nehmen, „by which any body of ‚knowledge‘ comes to be socially established as ‚reality‘.“ Berger und Luckmann, The Social Construction of Reality, S. 13. 52 Diesen Begriff entlehne ich Rheinbergers Konzept des epistemischen Dings: „Epistemische Dinge sind die Dinge, denen die Anstrengung des Wissens gilt – nicht unbedingt Objekte im engeren Sinn, es können auch Strukturen, Reaktionen, Funktionen sein.“ Vgl. Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 24. 53 Pickering, ‚From Science as Knowledge to Science as Practice‘.
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viele Freunde der weltlichen Wissenschaften seien, die sich ausgiebig mit Sphären, Uhren und dem Astrolab beschäftigten und sich in fast schon religiöser Anschauung dem Lauf der Sterne widmeten. Er, Otloh, habe sich hingegen der spirituellen Einsicht verschrieben, die er in seinen Büchern zu finden hoffte: Haec igitur ac his similia spiritualis intelligentiae dicta, quae in libris meis inveniri possunt scripta, et investigare et scribere studui, cum multos prudentiae saecularibus amatores cernerem occupatos in sphaerae et horologii et astrolabii labore, nec non in varia stellarum contemplatione.54 (Ich pflegte diese und ähnliche Themen, die die geistliche Erkenntnis betreffen und die man in meinen Bücher geschrieben finden kann, zu untersuchen und zu behandeln, als ich merkte, dass es viele Liebhaber der Erkenntnis in den weltlichen Dingen gab, die mit der Arbeit an Sphären, Uhr und Astrolab und nicht weniger auch in der vielfältigen Beobachtung der Sterne beschäftigt waren.) Diese kurze Äußerung ist nicht nur aus mediävistischer Perspektive interessant, sondern gibt auch einen Einblick in das Innenleben des Konstruktionsprozesses epistemischer Objekte. Dabei nimmt Otlohs explizite Darstellung der Tätigkeiten der Mönche anstelle der diesen zugrundeliegenden Theorien den Hinweis von Clifford Geertz vorweg: „If you want to understand what a science is, you should look in the first instance not at its theories or its findings, and certainly not at what its apologist say about it; you should look at what the practitioners of it do.“55 Die in Otlohs Abhandlung (und obigen Zitat) beschriebenen Vorgänge weisen genau auf diese Ebene der konkreten Tätigkeiten wissenschaftlichen Arbeitens im Rahmen einer vordiskursiven sozialen Praxis: Er erwähnt viele Liebhaber der weltlichen Wissenschaften („prudentiae saecularibus amatores“), die schwer mit der Arbeit mit an Sphären, Uhren und dem Astrolab sowie der Beobachtung der Sterne beschäftigt seien. Diese Akteure sind dabei eben nicht nur der Ausgangspunkt von abstrakten Ideen, im Gegenteil: Sie sind „occupatos […] in labore“, beschäftigt mit einer mühsamen Arbeit, ganz anders als Otloh, der seine Welt über Studium und Anfertigung von Büchern erschließt (was letztlich aber auch eine körperliche Arbeit darstellt). Die unterschiedlichen Akteure vollziehen also unterschiedliche Praktiken, die sich durch eine unhintergehbare Materialität und Körperlichkeit auszeichnen, wie Andreas Reckwitz bemerkt.56 Er macht deutlich, dass sich Praktiken nicht auf die bloße Handlung beschränken lassen, sondern komplexe soziale, kulturelle, aber auch materiale Systeme darstellen. Auch in St. Emmeram lässt sich dies feststellen, handeln doch die Brüder nicht irgendwie, sondern bezogen auf Objekte, seien es astronomische Instrumente oder Bücher, oder aber auf die natürlichen Phänomene selbst – in diesem Fall den Lauf der Sterne. Gleichzeitig lassen sich diese Objekte nicht ohne ein implizites oder explizites Vorwissen benutzen, das von grundlegenden 54 Otloh von St. Emmeram, Summa dictorum, hg. von Migne, Sp. 136. Eigene Übersetzung. 55 Geertz, ‚Thick Description‘, S. 5. 56 Reckwitz, ‚Die Materialisierung der Kultur‘, S. 23.
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kulturellen Fertigkeiten wie dem Entziffern und Verstehen einer bestimmten Schriftart zu sehr detaillierten Fachkenntnissen reichen kann, etwa über die Anwendung und Funktion des Astrolabs. Die Konstruktion des Kosmos als epistemisches Objekt ist also als ein Netzwerk zu verstehen, das aus körperlichen Akteuren, Objekten, Handlungen und vorgelagerten expliziten oder impliziten Wissensbeständen, oder kurz Praktiken besteht.57 Die Frage nach dem Wandel der kosmologischen Wissenskultur des hohen Mittelalters kann daher nicht allein über diskursive oder quantitative Entwicklungen erfasst werden, sondern nur durch eine Rekonstruktion der praxeologischen Systeme erfolgen, die ihr zugrunde lagen. Der hier vertretene Ansatz, Wissen nicht von den „Endprodukt[en] gelehrter Arbeit, also d[en] Texte[n]“58 her zu begreifen, sondern über seine Praktiken und sozialen Räume, ist sicher nicht neu und bereits seit den späten 1970er und frühen 1980er Jahren in der Sociology of Scientific Knowledge etabliert. Hier waren es vor allem die sogenannten Laborstudien, die das Labor als konkreten sozialen Raum verstanden, dessen wissenschaftliche Wissensproduktion primär über Praktiken und deren ethnographische Beobachtung zu erfassen sei.59 Vor allem Bruno Latour, Steve Woolgar und Karin Knorr-Cetina formten das methodologische Instrumentarium dieses Ansatzes in ihren einflussreichen Studien Laboratory Life60 und The Manufacture of Knowledge,61 der von konkreten Gruppen in konkreten settings ausgeht, die es dann ähnlich einer ethnographischen Feldstudie zu beobachten gelte.62 Ausgehend von der oben skizzierten Untersuchungslandschaft, dem Südosten, bieten sich für die Untersuchung eines solchen settings im hohen Mittelalter in besonderer Weise die Stadt Regensburg und ihre geistlichen Institutionen an. Grund dafür ist zum einen die politische Bedeutung dieser alten, noch in römischer Zeit gegründeten Stadt. Als Sitz des Regensburger Bischofs war sie nicht nur ein diözesanes Machtzentrum,63 sondern spielte gerade im hohen Mittelalter auch eine wichtige Rolle für das Königtum.64 Gleichzeitig übten die zu dieser Zeit erstarkenden Bürger einen großen Einfluss aus,65 nicht zu vergessen auch die Herzöge von Bayern, die vor allem das Umland kontrollierten und ein Auge auf die Donau-Metropole warfen.66 Neben diesem politischen Gewicht ist vor allem die wirtschaftliche Stärke Regensburgs zu nennen,67 die sich im 12. Jahrhundert durch den Bau der berühmten steinernen Brücke über die Donau noch verstärkte.68 Regensburg avancierte auch nicht zuletzt aufgrund seiner geographischen Lage im Zentrum Europas zu einem bedeutenden 57 Vgl. Reckwitz, ‚Die Materialisierung der Kultur‘, S. 22. 58 Zedelmaier und Mulsow, ‚Einführung‘, S. 1. 59 Hanke und Höhler, ‚Epistemischer Raum‘, S. 313. 60 Latour und Woolgar, Laboratory Life. 61 Knorr-Cetina, The Manufacture of Knowledge. 62 Latour und Woolgar, Laboratory Life, S. 28. 63 Vgl. Frauenknecht, ‚Der Bischof und die Stadt‘. 64 Vgl. Schmid, ‚Civitas regia‘. 65 Vgl. Schmid, ‚Die Bürgerschaft auf dem Weg zur Reichsfreiheit‘. 66 Vgl. Schmid, ‚Ratispona metropolis Baioriae‘. 67 Vgl. Wagner-Braun, ‚Wirtschaftliches Leben im Früh- und Hochmittelalter‘. 68 Vgl. Volkert, ‚Steinerne Brücke‘.
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Umschlagplatz des Fernhandels in alle Himmelsrichtungen, insbesondere nach Osten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich hier auch die Wissenschaften in besonderer Weise entfalteten. Nicht nur im Rahmen der bereits angedeuteten beobachtungsorientierten Astronomie in St. Emmeram im 11. Jahrhundert, deren zentrale Rolle besonders in jüngerer Zeit betont wird,69 auch für den Bereich der Komputistik im 12. Jahrhundert stellte Philipp Nothaft unlängst eine hohe Innovationskraft fest.70 Dabei darf der hier verwendete Begriff eines ‚Zentrums‘ nicht in die Irre führen: Regensburg zeichnete sich im 12. Jahrhundert gerade nicht durch eine homogene, sondern im Gegenteil äußerst heterogene geistliche Topografie aus. Neben dem Dom und diversen anhängenden Gemeinschaften im Herzen der Stadt71 wurde diese vor allem durch das alte Benediktinerkloster St. Emmeram geprägt, das zu jener Zeit bereits innerhalb der Stadtmauern lag.72 Seit dem frühen 11. Jahrhundert bereicherten die vor den Mauern gelegenen Benediktinerklöster Prüll und die sogenannten Schottenklöster das nahe Umland sowie St. Paul (Mittelmünster) den Innenbereich der Stadt. Im 12. Jahrhundert (1109) gründete darüber hinaus der Bamberger Bischof das Eigenkloster Prüfening etwas westlich der Stadt.73 Aufgrund der Überlieferungslage stützt sich diese Studie vor allem auf die Klöster St. Emmeram mit seinem umfangreichen Handschriftenbestand und kleineren bibliothekarischen Notizen sowie Prüfening und Prüll, aus denen zwar wenige, aber wichtige Handschriften sowie umfangreiche hochmittelalterliche Bibliothekskataloge erhalten sind. Diese beiden Institutionen erlauben die Rekonstruktion eines wichtigen Wissensraumes der Stadt in besonderer Weise. Zum einen geben sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Gründungsdaten Auskunft über die einzelnen Sedimente kosmologischen Wissens. Die Institutionen waren darüber hinaus in unterschiedliche und dynamische Beziehungen eingebunden und partizipierten hierdurch an verschiedenen Netzwerken des Wissenstransfers. Gleichzeitig eint sie spätestens ab der Mitte des 12. Jahrhunderts die Zugehörigkeit zur Hirsauer Reformbewegung und damit die Übernahme der Hirsauer Gewohnheiten und Liturgie, weshalb von einem ähnlichen sozialen Hintergrund ausgegangen werden kann.74 Die Quellen dieser praxeologischen Fallstudie gilt es im Folgenden kurz vorzustellen.
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Vgl. Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘; Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 53. Vgl. Gruber, ‚Obermünster‘; Weber, ‚Niedermünster‘; Mai, ‚Die Kanonikatstifte‘. Vgl. in Auswahl Fuchs, ‚Das Reichsstift St. Emmeram‘; Mai, ‚St. Emmeram‘. Vgl. den zusammenfassenden Überblick über die genannten Klöster in Hilz, ‚Benediktiner, Kartäuser, Iroschotten, Mendikanten‘. 74 Vgl. hierzu zusammenfassend Schreiner, ‚Hirsau und die Hirsauer Reform‘. Außerdem der konzise Forschungsüberblick bei Drumm, Das Hirsauer Geschichtsbild, S. 26–28 sowie Heinzer, ‚Klösterliche Netzwerke und kulturelle Identität‘. Grundlegend für die Vorstellung der Hirsauer Reform als Klosterverband immer noch das statische Modell von Hallinger, Gorze–Kluny sowie darauf aufbauend Jakobs, Die Hirsauer; kritisch zu Hallingers Modell Wollasch, ‚Neue Methoden‘, S. 540–42; Wollasch, ‚Spuren Hirsauer Verbrüderungen‘. Im Kontext der vorliegenden Arbeit außerdem hervorzuheben ist der Überblick über die Buchkultur Hirsaus durch Heinzer, ‚Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus‘; daneben Heinzer, ‚Der Hirsauer „Liber ordinarius“‘. Zur Geistesgeschichte des Klosters vgl. außerdem Mews, ‚Monastic Educational Culture‘. Die
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Quellen praxeologischer Wissenssysteme Gerade für Klöster stehen die Chancen einer Rekonstruktion von Wissenssystemen sehr gut, zum einen, weil diese Institutionen durch das ganze Mittelalter hindurch Orte der Schriftproduktion waren. Diese Schriftlichkeit erlaubt je nach Überlieferungsrate eine mehr oder weniger umfassende Rekonstruktion historischer Kontexte, etwa durch narrative Quellen wie Klosterannalen oder Heiligenviten: So lässt sich zum Beispiel die Sichtung eines Kometen dokumentieren oder das überdurchschnittliche naturwissenschaftliche Interesse eines Klosterinsassen und die von ihm genutzten Methoden und Instrumente. Zum anderen findet sich in Klöstern eine besondere Form der normativen Schriftlichkeit, die es ermöglicht, das sehr streng reglementierte Leben im Kloster nachzuvollziehen. Darunter fallen Klosterregeln, aber auch die umfangreicheren Gewohnheiten, die diese Regeln für die konkreten Lebenszusammenhänge präzisierten und dadurch besonders die in hohem Maße institutionalisierten Praktiken – oder zumindest Handlungspotentiale – überliefern.75 Durch die spätestens seit dem ausgehenden frühen Mittelalter zumindest in den einzelnen monastischen Gruppierungen weitestgehend normierten Lebensweisen ist es außerdem möglich, Praktiken zu interpolieren, sollten sie für ein bestimmtes Kloster nicht mehr nachweisbar sein. Auch wenn damit keine exakte Rekonstruktion des vielschichtigen sozialen Raums Kloster möglich ist, so lassen sich anhand dieser Texte zumindest vorsichtige Beobachtungen über die wesentlichen Akteure und ihre Handlungen treffen. Solche Quellen normativer oder deskriptiver Schriftlichkeit sind vor allem aufgrund der darin enthaltenen Beschreibung von Praktiken interessant. Allerdings begrenzt sich ihre Aussagekraft auf diejenigen Praktiken, deren schriftliche Explikation von der Klostergemeinschaft aus verschiedenen Gründen als wichtig erachtet wurde. Selbstverständliche, marginale oder informelle Handlungen wurden eher selten oder nur zufällig erfasst und müssen daher anderweitig erschlossen werden, zum Beispiel über ihren materiellen Überrest, der im Rahmen eines material turns auch innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften zunehmend Beachtung findet.76 Mit Blick auf die Konstruktion von Wissen handelt es sich hierbei vor allem um Objekte, an denen sich dieser Prozess ablesen lässt, im vorliegenden Fall also zum Beispiel astronomische Messinstrumente wie das Astrolab oder Sonnenuhren. Auch wenn gerade für die mittelalterlichen Wissenschaften das Urteil verbreitet ist, sie seien eher „‚bookish‘ or textual in nature“,77 so hat die bereits angeführte Kritik Otlohs gezeigt, dass im Bereich der Astronomie durchaus auch die Beobachtung (und
Gewohnheiten sind ediert als Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert. Vgl. hierzu auch Reimann, ‚Die Konstitutionen des Abtes Wilhelm von Hirsau‘; Elvert, ‚Eine bislang unerkannte Vorstufe‘; Der Hirsauer Liber ordinarius verbirgt sich hinter Der Rheinauer Liber ordinarius, hg. von Hänggi. 75 Für die Regensburger Klöster sind hier ab dem 12. Jahrhundert in erster Linie die Hirsauer Gewohnheiten entscheidend, ediert in Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert. 76 Siehe etwa Reckwitz, ‚Die Materialisierung der Kultur‘. 77 Shank und Lindberg, ‚Introduction‘, S. 7.
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Problematisierung) unterschiedlicher Phänomene am Himmel eine gewisse Rolle spielte, für die eben nicht nur auf Bücher zurückgegriffen wurde, sondern in erheblichem Maße auch auf Instrumente. Auch wenn man diesen technologischen Objekten im Gegensatz zu den biologischen Akteuren eine längere Haltbarkeit zu unterstellen geneigt ist, so haben sich doch außerordentlich wenige Objekte bis heute in ihrem ehemaligen Nutzungskontext erhalten. Besonders für die astronomischen Instrumente des Mittelalters geht diese Rekonstruktion daher mit der großen Schwierigkeit einher, dass sie sich durch eine ausnehmend schlechte Überlieferung auszeichnen, wobei die Gründe hierfür vielfältig sind: Neben dem natürlichen Verfall des verwendeten Materials, vor allem Holz, spielen auch Kriegszerstörungen, die vor klösterlichen Gütern nicht haltmachen, eine unheilvolle Rolle. So bezeugt für St. Emmeram der Abt Coelestin Vogel, der gegen Ende seines Lebens bereute, dass die Schweden im Dreißigjährigen Krieg „neben anderen auch die alte und kunstreiche Instrumenta Mathematica, die ich als Novitius vorhero zwar, aber nit genugsamb hab verbergen helfen“,78 als Beute aus dem Kloster entwendet hätten. Die Überlieferungslage für das frühe und hohe Mittelalter ist derart desolat, dass sich selbst weit verbreitete Gerätschaften nur noch über zufällig überlieferte Beschreibungen oder Abbildungen mühsam rekonstruieren lassen.79 Gerade St. Emmeram zeichnet sich aber durch eine glückliche Überlieferungslage aus, die es erlaubt, diese Schwierigkeiten zu umgehen oder zumindest abzumildern. Nicht nur lassen sich die dort verwendeten Instrumente aufgrund einer Vielzahl erhaltener Beschreibungen recht verlässlich digital rekonstruieren und auf ihre Affordanz, also ihren praxeologischen Angebotscharakter, hin untersuchen. Vor allem hat sich gerade in St. Emmeram doch ein außergewöhnliches Zeugnis mittelalterlicher Instrumente erhalten, die sogenannte steinerne Sphaera von St. Emmeram.80 Für die vorliegende Arbeit wurden daher von diesen und anderen Instrumenten digitale 3D-Modelle und Videos erstellt, mit denen die Funktionsweise der Instrumente sowie die dazu gehörigen Praktiken untersucht werden können. Sie stehen auf dem Repositorium Figshare dauerhaft zur Verfügung.81 Anhand dieser Quellen erfolgt der Versuch einer Rekonstruktion der Objekte, die in das praxeologische System in Regensburg eingebunden waren.82 Gerade aus Klöstern ist auch eine weitere Quellengattung überliefert, die in der Regel eher als Träger von Texten und weniger von Praktiken verstanden wird: Die mittelalterlichen Handschriften. Dabei fasst spätestens durch den jüngst erschienenen 78 Vogel, Mausoleum, S. 364. 79 Ein schönes Beispiel ist Joachim Wiesenbachs Identifizierung der Sternenuhr des Pacificus von Verona: Wiesenbach, ‚Der Mönch mit dem Sehrohr‘. 80 Vgl. hierzu vor allem die umfangreiche Studie von Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘; Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau und die Sphaera‘; bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts hat auch Zinner dem Instrument einen Beitrag gewidmet, vgl. Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, später findet sich die Sphaera verstreut in vielen seiner astronomiehistorischen Beiträgen; eine neuere Studie liefert auch Hedenus, ‚Zur Deutung der Sphaera‘, die allerdings an verschiedenen Punkten nicht überzeugen kann; besser Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘, die das Gerät an die wissenschaftlichen Studien in St. Emmeram rückbindet. 81 https://doi.org/10.1484/A.21673829. 82 Die Rekonstruktion ist beschrieben bei Schonhardt, ‚Zur Digitalisierung der Materialität‘.
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Sammelband The Medieval Manuscript Book83 in jüngerer Zeit auch im Bereich der mediävistischen Handschriftenforschung eine erweiterte Perspektive Fuß. Unter dem Schlagwort material philology werden Handschriften schon seit den 1990er Jahren nicht mehr nur als reine Speicher eines Textes verstanden, sondern zunehmend als ganzheitliche Überlieferungsträger in den Blick genommen, die sich jeweils individuell in Raum und Zeit situieren lassen.84 Inspiriert durch jüngere und dezidiert kulturwissenschaftliche Ansätze, insbesondere der Akteur-Netzwerk-Theorie, interessiert sich die Forschung für das „social life of manuscripts“,85 deren konkrete Erscheinung immer auch als Ausdruck spezifischer Praktiken, Räume und Kontexte gelesen werden kann, die tief in der Materialität der Handschrift selbst eingelagert sind, als „society […] present in the books.“86 Jede Handschrift ist das komplexe und einmalige Ergebnis einer Reihe von Entscheidungen ihrer Urheber und Nutzer, die bei der Auswahl des Beschreibstoffes beginnt und beim Anbringen von Blattweisern durch einen späteren Nutzer enden kann (aber nicht muss). Diese Entscheidungen sind dabei immer Reaktionen auf (antizipierte oder veränderte) Nutzungskontexte und Praktiken, die sich von Ort zu Ort und Zeit zu Zeit erheblich unterscheiden können. Die Forschung kann daher, wie es Hanns Peter Neuheuser mit Blick auf liturgische Handlungen formuliert hat, im günstigsten Fall über den „umgekehrten Weg“ der Handschrift den Nutzungskontext der Zeitgenossen beschreiten und die Praktiken erschließen, die darin vollzogen wurden.87 Diese Methode, die ich als kodikologische Praxeologie bezeichnen möchte, hat daher das Ziel, die inneren Merkmale eines […] Buches mit den zugehörigen […] Handlungen zu verknüpfen, für deren Begleitung das Werk einmal konzipiert wurde. Dabei sind sowohl ausdrückliche Hinweise auf den […] Gebrauch, aber auch andere Indizien auszuwerten, welche eher beiläufig oder zufällig das Werk und seine Gebrauchsumstände charakterisieren.88 Die Möglichkeiten, eine Handschrift über den Text hinaus zu lesen, sind dabei sehr vielfältig und reichen von äußerst konkreten zu subtileren Hinweisen.89 Sie beginnen bei der Schrift des oder der Schreiber, die nicht nur Ort und Zeit der Kopie bestimmen lassen, sondern auch Aussagen über den sozialen Zusammenhang von Schreiber und Objekt ermöglichen. So kann eine makellose Schrift auf einen geübten und damit professionellen Schreiber hinweisen, der in Auftrag handelt, oder im umgekehrten Fall auf einen privaten Schreiber, der für den Eigenbedarf kopiert. Spuren späterer Nutzung wie Glossen weisen zum Beispiel darauf hin, dass eine Handschrift tatsächlich in Gebrauch war und nicht nur ungelesen im Regal 83 84 85 86 87 88 89
Johnston und van Dussen, Hgg., The Medieval Manuscript Book. Vgl. Nichols, ‚Why Material Philology?‘, S. 15. Johnston und van Dussen, ‚Introduction‘, S. 12, zur ANT S. 2 f. Vgl. Kwakkel, ‚Decoding the Material Book‘, S. 60, Zitat S. 73. Neuheuser, ‚Typologie und Terminologie liturgischer Bücher‘, S. 46. Neuheuser, ‚Liturgische Bücher‘, S. 243. Vgl. Neuheuser, ‚Liturgische Bücher‘, S. 243.
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lag. Auch die kodikologische Anlage selbst kann die Praktiken der Nutzung einer Handschrift nahelegen. Die Größe mag ein Indiz für einen persönlichen Gebrauch auf Reisen oder einen öffentlichen Gebrauch an einem festen Ort wie dem Chor sein.90 Jan Keupp hat in diesem Zusammenhang von der immanenten „Affordanz des Objektes“ gesprochen, „seinem physisch codierten Angebotscharakter, der bestimmte menschliche Praktiken und Deutungen ausschließt bzw. sie erst ermöglicht.“91 Auch wenn sich die Praktiken und Räume des Wissens also nicht in actu beschreiben lassen, so sind sie doch – neben den wenigen erhaltenen Objekten – eingeschrieben im Pergament der Handschrift. Damit ermöglichen sie nicht nur die Rekonstruktion der Wissensbestände eines Ortes, sondern vor allem die Rekonstruktion von Mikro-Räumen, in denen diese Bestände in einem vordiskursiven Bereich erst wirksam werden. Dieser Mikro-Bereich, der sich durch eine wesentlich materielle Kultur auszeichnet, in denen körperliche Praktiken die Konstruktion des Kosmos ermöglichen und bedingen, lässt sich für das hochmittelalterliche Kloster retrospektiv vor allem durch eine kodikologische Praxeologie der Handschriften betreten und durch ethnologische Methoden entschlüsseln und interpretieren.
Gliederung der vorliegenden Arbeit Zum Abschluss der Einleitung sollen im Folgenden die einzelnen Arbeitsschritte dieser Arbeit und die daraus resultierende Gliederung verdeutlicht werden. Ziel der Untersuchung ist, anhand der gerade ausgearbeiteten methodologischen Grundlagen die Frage zu klären, ob sich im Verlauf des hohen Mittelalters auch im vorwiegend monastisch geprägten Südosten eine ‚Entdeckung der Natur‘ feststellen lässt. Daran anschließend ist zu fragen, worin diese bestand und wodurch sie ausgelöst wurde. Zur Beantwortung dieser Frage vollzieht diese Arbeit im Anschluss an Einleitung (Kapitel 1) und diese methodische Einführung (Kapitel 2) zwei Schritte, die sich in verschiedenem Ausmaß sowohl quantitativer als auch qualitativer Methoden bedienen. Zunächst wird die Formierung des Kosmoswissens im Südosten von den ersten Anfängen im 8. Jahrhundert bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet (Kapitel 3). Dabei gilt es, zunächst die in den Handschriften und mittelalterlichen Bibliothekskatalogen fassbaren Wissensbestände zu identifizieren, in ihrem Entstehungszusammenhang zu charakterisieren und inhaltlich hinsichtlich des enthaltenen Kosmoswissens zu erschließen. Diese Bestände werden dann mit Blick auf die Überlieferung ihrer Wissensträger untersucht und eine Wirkungschronologie erstellt, die in drei zeitlichen Abschnitten vom frühen Mittelalter bis zum Ende des 12. Jahrhunderts erfolgt. Im Zentrum steht hierbei in erster Linie die Etablierung und Überlieferung von Kosmoswissen in den Institutionen des Fallbeispiels Regensburg. Gleichzeitig wird die Überlieferung dieses Ortes jeweils zunächst regional und dann europaweit kontextualisiert. Dieser Beschreibung der chronologischen Entwicklung
90 Vgl. für eine Vielzahl detaillierter Beispiele Kwakkel, ‚Decoding the Material Book‘. 91 Keupp, ‚Wo liegt der Mehrwert des Materiellen?‘.
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des Kosmoswissens im Südosten schließt sich eine synchrone Bestandsaufnahme der bis zum Ende des hohen Mittelalters akkumulierten Wissensträger an. Hier wird nun nicht nur der Versuch unternommen, anhand dieser Daten ein Profil des Südostens als Wissenslandschaft zu skizzieren, sondern anhand quantitativer Analysen auch die Frage nach sichtbar werdenden Tendenzen in der Geschichte des Kosmoswissens gestellt. Hierbei zeigt sich, dass der Südosten im Verlauf des hohen Mittelalters der herausgehobene Schauplatz einer Entwicklung war, die tatsächlich als ‚Entdeckung der Natur‘ charakterisiert werden kann und die mit erheblichen Änderungen in der Zusammensetzung des Kosmoswissens einherging. Im Anschluss an diese Bestandsaufnahme stehen mögliche Gründe für diese Entwicklung im Mittelpunkt der Analyse (Kapitel 4). Hierbei wird versucht, die festgestellten Veränderungen im Bestand des Kosmoswissens über einen soziokulturellen Wandel in den monastischen Institutionen des Fallbeispiels Regensburg praxeologisch zu erklären. In diesem Zuge sind zunächst in Regensburg feststellbare Innovationsprozesse zu beschreiben und deren Ursachen zu erfragen. Neben einer Untersuchung von astronomischen Studien in St. Emmeram wird hier auch die Frage nach den Funktionen des in diesen Prozessen gewonnenen Wissens im monastischen Bereich gestellt. Dabei wird sich zeigen, dass besonders das benediktinische Mönchtum des deutschsprachigen Südostens im Zentrum einer Entdeckung der Natur im hohen Mittelalter stand, die daher nicht nur als ein urbanes Phänomen im Bereich der scholastischen Naturphilosophie gedeutet werden darf, sondern ihre Wurzeln ganz wesentlich in den Praktiken der monastischen Zeitmessung hatte.
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Kapitel 3.
Die Formierung des Kosmoswissens im Südosten bis zum Ende des 12. Jahrhunderts
Kosmoswissen kann auf zwei Ebenen erschlossen werden. Zum einen auf der Ebene der Texte oder anderer Medien (Wissensbestände), zum anderen auf der Ebene der konkreten Träger dieses Wissens, verstanden als die einzelnen handschriftlichen Exemplare solcher Texte. Um valide Aussagen über das Kosmoswissens im 12. Jahrhundert treffen zu können, ist es wichtig, beide Ebenen in ihren jeweiligen Entwicklungen vom frühen ins hohe Mittelalter zu untersuchen. Im Folgenden ist diese Entwicklung zunächst inhaltlich auf der Ebene der Wissensbestände zu erschließen. Anschließend werden die Wissensträger in ihrer räumlichen und zeitlichen Ausbreitung im Südosten erfasst. Abschließend gilt es, auf dieser Grundlage ein Panorama der hochmittelalterlichen Wissenslandschaft im Südosten zu skizzieren.
Inhaltliche Auswertung der erfassten Wissensbestände In diesem Abschnitt sind die Wissensbestände des Kosmoswissens zu erschließen, die im Südosten bis zum Ende des 12. Jahrhunderts verfügbar waren. Hierfür wurden zunächst die mittelalterlichen Bibliothekskataloge bis ins Jahr 1225 nach denjenigen Inhalten ausgewertet, die als Kosmoswissen identifiziert werden können.1 Wichtig ist, dass sich die Auswahl der hier gesammelten Texte nicht nach der Zugehörigkeit zu einem als naturwissenschaftlich erachteten Genre richtet, also zum Beispiel alle Texte aus dem Bereich der Komputistik erfasst sind. Stattdessen wurden sie jeweils individuell hinsichtlich ihrer Inhalte geprüft.2 Das Ergebnis dieser Identifikation ist ein Korpus von Texten oder Textgruppen, die die Zeitgenossen als eigenständige Wissensbestände
1 Dazu zählen im Sinne der in der Einleitung etablierten Definition Texte, in denen die physikalische Dimension des Kosmos, also sein Aufbau, seine stoffliche Zusammensetzung oder die Eigenschaften und Bewegungen seiner Bestandteile, in unterschiedlichem Umfang und aus unterschiedlichen Gründen thematisiert werden. 2 Dies hat zur Folge, dass Texte, die für die Geschichte eines solchen Genres eine eigentlich zentrale Rolle spielten, in der folgenden Aufstellung eventuell nicht enthalten sind, weil das darin enthaltene Wissen nicht dieser engen Definition des physikalischen Kosmoswissens entspricht. Dies betrifft vor allem (aber nicht ausschließlich) kleinere Texte und Tabellenwerke aus dem engeren Bereich der Komputistik, die sich zwar qua Genre theoretisch auf die kosmischen Bewegungen von Sonne und Mond als Grundlage der Osterberechnung beziehen, in der Praxis aber rein mathematisches Wissen um die korrekte Berechnung von Algorithmen und Kalenderzyklen vermitteln. Hierzu zählen zum Beispiel die Argumenta des Dionysius Exiguus oder der irische Computus Graecorum sive Latinorum. Zu den Argumenta vgl. vor allem Warntjes, ‚The Argumenta‘ sowie die kurze Zusammenfassung bei Borst, Die karolingische
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wahrnahmen und in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen verzeichneten. In einem nächsten Schritt wurde dieser Korpus anhand der handschriftlichen Überlieferung geprüft und ggf. um wichtige Texte ergänzt, die in den mittelalterlichen Katalogen nicht enthalten sind, im Südosten aber in nennenswertem Umfang vorhanden waren.3 Lediglich unikal oder marginal in den Handschriften vorhandene Texte erscheinen nach Möglichkeit in den Fußnoten genannt, sind aus Gründen der Handhabbarkeit aber nicht ausführlich beschrieben. Gleiches gilt für Exzerpte oder Fragmente sowie lediglich unspezifisch und nicht näher zu identifizierende Wissenssplitter. Insgesamt lassen sich so etwa 41 Wissensbestände in Form von Texten oder Kompilationen identifizieren, die von 30 Autoren stammen. Diese Texte sind in Tabelle A.1 im Anhang entsprechend ihrer Wissenskategorie aufgelistet und in Tabelle A.4 im Anhang hinsichtlich der überlieferten Kataloge aufgeschlüsselt. Hinzu kommt eine große Zahl anonym in den Katalogen verzeichneter Texte, die sich nicht näher identifizieren lassen (Tabelle A.2 im Anhang): Von 260 Verzeichniseinheiten kosmologischen Wissens betrifft dies etwa 30%, vor allem aus den Bereichen Komputistik und Exegese. Daneben finden sich noch Weltkarten, die wohl nicht Teil eines literarischen Werkes waren, sondern als unabhängiges Medium in den Bibliotheken aufbewahrt wurden. Diese Bestände werden im Folgenden jeweils chronologisch geordnet und in ihrem ideengeschichtlichen und historischen Entstehungszusammenhang kurz vorgestellt, wobei dies lediglich für die Bestände des primären Wissens ausführlicher geschehen soll. Daneben wird Art und Umfang des darin enthaltenen Kosmoswissens beschrieben und abschließend eine Übersicht über die im Südosten vorhandenen Wissensträger im Vergleich zur Gesamtüberlieferung gegeben.4 Im Anschluss daran gilt es die Bestände des sekundären Wissens knapp zu behandeln, da sie zum einen recht zahlreich vorliegen, und zum anderen lediglich kleinere und nachgeordnete Splitter von Kosmoswissen enthalten, die für die Beantwortung der Frage nach der Entdeckung der Natur im Südosten nur bedingt hilfreich sind. Die Bestände des primären Wissens Das Kosmoswissen der Antike
Es ist eine Besonderheit mittelalterlicher Wissenskulturen, dass sie ganz wesentlich auf den Schultern antiker Riesen gegründet sind. Nicht nur die Kirchenväter, sondern
Kalenderreform, S. 177. Der Text ist ediert bei Krusch, Studien zur christlich-mittelalterlichen Chronologie, S. 63–86. Zum Computus Graecorum sive Latinorum siehe Jones, ‚Development of the Latin Ecclesiastical Calendar‘, S. 111–13 sowie die knappe Übersicht bei Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 181–82. 3 Beispiel hierfür sind die karolingischen Enzyklopädien, die in den Katalogen der Zeit in der Regel nicht zu identifizieren sind, aber eine bedeutende Überlieferung vorweisen können. 4 Die dieser Auswertung zugrunde liegenden Daten basieren hinsichtlich der lokalen Überlieferung auf den Recherchen des Autors, die im Handschriftenanhang sowie im jeweiligen Abschnitt verzeichnet ist. Die Gesamtüberlieferung wurde einschlägigen Handschriftenlisten, Editionen oder der Fachliteratur entnommen, die in Tabelle A.13 im Anhang angegeben ist. Hier sei außerdem nochmal auf die digitalen Listen verwiesen, die unter https://doi.org/10.1484/A.21673829 dauerhaft eingesehen werden können.
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auch weltliche Autoren spielten für diese Tradierung antiken Wissens gerade im Bereich der Kosmologie eine wichtige Rolle. Dabei sind es bis ins 12. Jahrhundert hinein vor allem die Vertreter der sogenannten Römischen Wissenschaften, die sich in den bayerisch-österreichischen Bibliotheken finden lassen.5 Hyginus – De astronomia
Der früheste dieser römischen Autoren, der sich in den Bibliothekskatalogen und Handschriften nachweisen lässt,6 ist Gaius Julius Hyginus (64 v. Chr.–17 n. Chr.), Verfasser des Texts De astronomia, der sich mit dem Kosmos befasst.7 Dieser Text8 kann nicht isoliert betrachtet werden, denn er ist Teil einer umfangreichen literarischen Tradition mythographischer Sternbildbeschreibungen, die die mediävistische Forschung als Aratea bezeichnet, im Einzelnen aber erhebliche Unterschiede aufweisen.9 Zurückzuführen ist diese Tradition auf den namensgebenden griechischen Dichter Aratos von Soloi, der im 3. Jahrhundert vor Christus unter dem Namen Phainomena Beschreibungen über die Konstellationen des nächtlichen Sternenhimmels verfasste und diese mit mythischen Erzählungen tränkte.10 In den folgenden zwei Jahrhunderten wurde der Text zum Nukleus eines astronomisches Korpus, um den sich verschiedene Texte gruppierten, die auf Arat oder sein Gedicht Bezug nahmen.11 Drei Übersetzungen ins Latein sind heute noch erhalten, von denen im Mittelalter vor allem die Fassungen von Cicero und Germanicus von Bedeutung waren. Neben diesen antiken Textfassungen entstanden allerdings auch genuin mittelalterliche Übertragungen des Textes, der Aratus latinus zum Beispiel, eine schwer verständliche Übersetzung des griechischen
5 Der Begriff „Roman Science“ wurde geprägt von Stahl, dem sich bis heute der konziseste Überblick über diese schwierige Kategorie verdankt. Vgl. Stahl, Roman Science, S. 3. 6 Noch früher ist freilich Vitruvs De architectura zu datieren, dessen Werk über die Architektur auch Wissen über den Kosmos enthält, insbesondere aus den Bereichen des instrumentellen Wissens und des Gerätewissens, das aber lediglich singulär in einem Bamberger Bibliothekskatalog zu finden ist. Zu Vitruv vgl. den konzisen Überblick bei Stahl, Roman Science, S. 92–96 sowie Baldwin, ‚The Date, Identity, and Career of Vitruvius‘. Seine Rezeption und Verbreitung im Mittelalter ist erschlossen durch Schuler, Vitruv im Mittelalter. Eine Einzelstudie bietet überdies Tcherikover, ‚A Carolingian Lesson‘. Die bislang maßgebliche Edition bietet Vitruv, De architectura, hg. von Kohn. 7 Allerdings ist die Identifizierung des Gaius Julius als Autor umstritten. Einige Forscher sehen darin eher ein Produkt des zweiten Jahrhunderts, auch wenn diese – mitunter vehement verteidigte – Spätdatierung in jüngerer Zeit zunehmend an Boden verliert. Da im Kontext dieser Arbeit das Werk und die darin beinhalteten Wissensbestände wichtiger sind als die genaue Identifikation des Autors, soll diese Frage hier nicht weiterverfolgt werden, im Folgenden spreche ich aus Gründen der Einfachheit wertfrei von der Astronomia des Hyginus. Vgl. zur Biographie Dolan, Astronomical Knowledge Transmission, S. 105; Hard, ‚Introduction‘, S. xxvi–xxvii; eine umfassende Diskussion der Identifikation des Autors liefert Hyginus, L’astronomie, hg. von LeBoeuffle, S. 31–46; deutlich kritisch gegenüber einer Frühdatierung äußert sich Cameron, Greek Mythography. 8 Hyginus, De astronomia, hg. von Viré; Hyginus, L’astronomie, hg. von LeBoeuffle. 9 Vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 23; eine gelungene Einführung in die Texttradition liefert Lippincott, ‚Textual and Pictorial Tradition‘. 10 Die jüngste und umfassenste Darstellung von Autor und Werk sowie der dazugehörigen Forschung liefert Dolan, Astronomical Knowledge Transmission, S. 1–21. 11 Vgl. Lippincott, ‚The Aratus latinus‘, S. 1.
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Originals aus dem 8. Jahrhundert, oder die sogenannte Recensio interpolata, die diese Übersetzung sprachlich verbesserte und durch Exzerpte anderer Autoren ergänzte, vor allem von Plinius, Hyginus oder Isidor.12 Obgleich keine Übersetzung des griechischen Stoffs, fügt sich auch Hyginus’ Astronomia nahtlos in diese Aratea-Tradition ein, ist davon gleichzeitig aber in inhaltlicher und formaler Hinsicht abzugrenzen. Der in Prosa verfasste Text diente als ein „systematisch angelegtes Handbuch“13, das die verschiedenen Fassungen von Arats Gedicht ergänzen und sein Verständnis erleichtern konnte.14 Zu diesem Zweck gliedert Hyginus seine Astronomia in vier Bücher, in denen er den Kosmos, seine Teile und Grenzen definiert und beschreibt, insbesondere „die Himmelssphäre mit ihren Fundamentalkreisen und den beiden Polen sowie [die] Erde und ihre[] Klimazonen.“15 Die folgenden Bücher handeln von den Sternzeichen, im vierten Buch werden darüber hinaus die Himmelskreise und ihr Verlauf in Relation zu diesen Zeichen beschrieben, dazu die im Zusammenhang stehenden Auf- und Untergänge der Sternbilder und die Bewegung der Himmelskugel bzw. die Dauer von Tag und Nacht und der Lauf der Planeten. Hyginus bietet in seinem Text also vor allem epistemisches Wissen, da er die Erkenntnis der Struktur des Kosmos und seiner Bewegungen zum Ziel hat. Da neuere Untersuchungen allerdings nahelegen, dass sich Hyginus bei der Beschreibung der Sternbilder an einem Himmelsglobus orientierte, und – wie für St. Emmeram weiter unten zu zeigen sein wird – Teile seines Werkes durchaus zur Herstellung eines solchen Globus oder anderer Instrumente herangezogen werden konnten, können die enthaltenen Wissensbestände bei entsprechender Nutzung durch den Leser durchaus in den Bereich des Geräte-Wissens oszillieren. Da Hyginus’ Absicht aber in der Vermittlung von Wissen über den Kosmos lag, wofür die Nutzer im Mittelalter sein Werk schätzen, zähle ich das Werk zur Kategorie des epistemischen Wissens.16 Anders gelagert ist diese Einschätzung bei den vielen Kompendien, in denen die verschiedenen Texte der Aratea-Tradition mit anderen Inhalten vermischt wurden und die je nach Kontext einen durchaus deutlichen instrumentellen Hintergrund aufweisen können. Die tiefe Verwurzelung der Astronomia in der weiteren Aratea-Tradition, die im Mittelalter oft zu Kompendien zusammengefasst wurde, erschwert nicht nur die Einschätzung des darin enthaltenen Wissens, sondern auch die Analyse der Überlieferung im Südosten. Zwar lassen sich die Handschriften, die den Text in substantiellem Umfang enthalten, recht gut durch die Vorarbeiten von Viré eruieren, allerdings kann so eigentlich nur ein Teil der Überlieferung dieses Wissensbestandes erfasst werden. Da die verschiedenen Texte der Tradition gerade im Mittelalter vermischt, zusammengebunden und sogar verwechselt wurden,17 müssen eigentlich Vgl. die Übersicht bei Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 23–36. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 31. Vgl. Lippincott, ‚Textual and Pictorial Tradition‘, S. 2. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 31–32; eine detaillierte Übersicht bietet Lippincott, ‚Textual and Pictorial Tradition‘, S. 6–11. 16 Vgl. Dekker, Illustrating the Phaenomena, S. 80–84; LeBoeuffle, ‚Introduction‘, S. ix. 17 Vgl. Dolan, Astronomical Knowledge Transmission, S. 106.
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die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts
Figur 3.1. Hyginus, De astronomia. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
auch – wie weiter unten geschehen wird – die vielen Kompendien Berücksichtigung finden, die aus der Astronomia schöpfen, um ein verlässliches Bild zu gewinnen. Auch mit Blick auf die mittelalterlichen Bibliothekskataloge führt diese Tendenz zur Vermischung und Verwechslung der Texte innerhalb der Tradition zu Problemen. So lässt sich auch bei expliziter Nennung der Astronomia nicht immer garantieren, dass es sich dabei in Wahrheit nicht um ein anderes Werk der Tradition gehandelt hat. Umgekehrt ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei einem guten Teil der anonym verzeichneten Texte aus dem Bereich des Computus um entsprechende Enzyklopädien oder Kompendien handelt, in denen Hyginus und andere Texte der Aratea-Tradition enthalten waren. Die hier isoliert erfasste Überlieferung der Astronomia ist vor diesem Hintergrund daher mit Vorsicht zu deuten. So lässt sich das Werk einwandfrei lediglich in drei Katalogen nachweisen. Was die handschriftliche Überlieferung betrifft, enthalten europaweit gesehen 88 Handschriften den Text, von denen sich lediglich drei ins Untersuchungsgebiet lokalisieren lassen. Die deutliche Rezeption des Textes in astronomischen Studien ab dem 11. Jahrhundert, die später am Beispiel Regensburgs nachgewiesen werden wird, deutet hier aber auf eine größere Verbreitung hin (Fig. 3.1). Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Higinus in astronomiam. Macrovius in eodem volumine“. (MBK 3 Nr. 91) 2. Freising, Saec. 12: „Heinricus Yginum“. (MBK 4 Nr. 77) 3. Weihenstephan, Saec. 11: „Yginus super spera“. (MBK 4 Nr. 87)
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Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 13084, Saec. 9, Freising (Dom) 2. Wolfenbüttel, HAB, MS Guelf.18.16.Aug.4°, Saec. 12/13, Umkreis Regensburg 3. London, BL, MS Arundel 339, Saec. 12/13, Kastl Plinius – Naturalis historia
Nur unwesentlich später wirkten Seneca, dessen Quaestiones naturales sich allerdings lediglich in einer Bamberger Abschrift des siebten Buches über Kometen aus dem 12. Jahrhundert nachweisen lassen und im Untersuchungsgebiet keine nennenswerte Rezeption erfuhren,18 sowie Plinius der Ältere.19 Um das Jahr 77 verfasste er die Naturalis historia, eine monumentale Naturgeschichte und eine der reichhaltigsten Enzyklopädien überhaupt. In siebenunddreisig thematisch jeweils abgeschlossenen Büchern deckte er das gesamte Feld des antiken Naturwissens in der Breite ab: Von der Kosmologie über Biologie und Anthropologie bis hin zur Metallurgie reichten seine Interessensgebiete.20 Wissen mit Bezug zum Kosmos findet sich vor allem im ersten Abschnitt, der die Bücher zwei bis sechs umfasst, insbesondere in Buch zwei über die Kosmologie, in dem Aufbau und Phänomene des Kosmos und seiner Elemente bis hin zur Erde geschildert werden. Das beinhaltet vor allem Wissen über die grundlegende Struktur des Weltalls, planetare Astronomie und die verschiedenen meteorologischen Phänomenen auf der Erde.21 Inhaltlich lässt sich dieses Buch nach den Grundbestandteilen der Welt sortieren, nämlich nach den vier Elementen Feuer (für den Bereich der Kosmographie), Luft (für die Phänomene der Meteorologie), Erde (für die allgemeine Geographie) und Wasser (für den Bereich der Hydrographie), ein Schema, das über Jahrhunderte Bestand haben sollte und auch in den mittelalterlichen Enzyklopädien Anwendung fand.22 Die folgenden Bücher drei bis sechs bieten dann einen detaillierten Überblick über die Geographie der bekannten Erde inklusive einer Darstellung der verschiedenen Klimazonen. Eine weitere, auf den ersten Blick unerwartete Quelle für Wissen über den Kosmos stellt außerdem sein 18. Buch über den Ackerbau dar, in dem im Rahmen der Saatzeiten der sich übers Jahr verändernde Sternenhimmel und andere zeitangebende Phänomene, wie die Winde, sowie als
18 Bamberg, SB, MS Class 1. Zur Handschriftlichen Überlieferung im Mittelalter vgl. Gercke, SenecaStudien, S. 10–48; die maßgebliche Edition ist Seneca, Naturalium quaestionum libri, hg. von Hine. Zu Autor und Werk Gauly, Senecas Naturales Quaestiones, insbesondere zur Kosmologie S. 135–91; hierzu außerdem Williams, The Cosmic Viewpoint. Eine knappe Übersicht bietet Stahl, Roman Science, S. 98–100. 19 Einen aktuellen biographischen Überblick bietet Healy, Pliny the Elder on Science and Technology, S. 1–23; einen Überblick aus mediävistischer Perspektive Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 17–24; daneben der knappe Überblick in der Tusculum-Ausgabe Plinius, Naturalis historia, i, hg. von König und Winkler, S. 347. Ausführlich auch bei Stahl, Roman Science, S. 101–20. 20 Vgl. die tabellarische Übersicht bei Plinius, Naturalis historia, i, hg. von König und Winkler, S. 357; außerdem Locher, ‚The Structure of Pliny the Elder’s Natural History‘. 21 Zur Astronomie bei Plinius vgl. insbesondere Pedersen, ‚Some Astronomical Topics in Pliny‘. 22 Plinius, Naturalis historia, ii, hg. von König und Winkler, S. 348–50.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts
prognostica verschiedene Wetterzeichen ausführlich beschrieben werden.23 Daneben sei noch auf zwei kleinere Wissenssplitter verwiesen, in denen Plinius verschiedene Methoden zur Zeitmessung und Sonnenuhren beschreibt, einmal in Kapitel 60 seines achten Buches zur Anthropologie, daneben in Buch 36 über die Steine, in dem er das Kapitel 15 dem Obelisken vom Marsfeld widmet, der als Sonnenstands-Anzeiger diente.24 Mit Blick auf die ausgearbeiteten Kategorien des Kosmoswissens ist eine Bewertung dieser Inhalte nicht ganz einfach. Auf der einen Seite zielt die gesamte Enzyklopädie des Plinius darauf ab, das Wissen der Zeit zu sammeln, als Handbuch war es nicht gedacht.25 Aus dieser Perspektive ist es daher dem Bereich des epistemischen Wissens zuzuordnen, besonders gilt dies für die ersten Bücher zur Kosmologie und Geographie. Gleichzeitig lassen sich die kosmologischen Inhalte der anderen Bücher durchaus in einen Anwendungsbezug bringen. Nicht nur die Ausführungen zum Ackerbau, auch die dort enthaltenen prognostica und die Beschreibungen der Zeitmessung und ihrer Geräte sind potentiell anwendungsfähig und wurden im Mittelalter auch so verstanden. Einzelne astronomische Wissensbestände ließen sich daher auch dem Bereich des instrumentellen Wissens zuordnen.26 Da das Werk im Ganzen aber als epistemische Wissenssammlung gedacht ist, wird es in dieser Untersuchung nur dem Bereich des epistemischen Wissens zugerechnet. Mit Blick auf die beeindruckende inhaltliche Fülle der Naturgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass sich die Enzyklopädie auch im Mittelalter äußerster Beliebtheit und breiter Rezeption erfreute.27 Diese Rezeption, die hier nur in Ansätzen nachgezeichnet werden kann, erfolgte dabei vor allem auf drei verschiedenen Wegen, die einen großen Einfluss auf die Überlieferung des Textes nehmen sollten, zum einen durch das Kopieren von Handschriften der Naturgeschichte, die weiter unten in den Blick genommen werden. Vor allem griffen auch gewichtige Schriftsteller des frühen Mittelalters auf den Text zurück, besonders Isidor von Sevilla und Beda, und trugen so zur Verbreitung plinianischer Inhalte bei. Besonders in der Karolingerzeit erfreute sich Plinius daher größter Beliebtheit, auch wenn die Gelehrten dieser Epoche nur selten Zugang zu einer Gesamtausgabe des Textes hatten. Eine große Rolle spielten daher Exzerpte aus dem astronomischen Bestand der Enzyklopädie,28 die Einzug in die großen komputistisch naturwissenschaftlichen Kompendien der Zeit hielten. Berücksichtigt man diese Exzerpte und Fragmente, so kommt man nach Borst auf die durchaus beeindruckende Anzahl von 307 Textzeugen,29 die Interesse 23 Plinius, Naturalis historia, xviii, hg. von König und Winkler. 24 Plinius, Naturalis historia, vii, hg. von König und Winkler, 144ff; Plinius, Naturalis historia, xxxvi, hg. von König und Winkler, S. 57–59. 25 Vgl. Healy, Pliny the Elder on Science and Technology, S. 40. 26 Hierzu zählt zum Beispiel die Anwendung der astronomischen Inhalte für die Organisation der Landwirtschaft, vgl. Pedersen, ‚Some Astronomical Topics in Pliny‘, S. 168. 27 Vgl. hierzu ausführlich Borst, Das Buch der Naturgeschichte; daneben die zahlreichen Veröffentlichungen von Eastwood, ‚The Astronomies‘; Eastwood, ‚Plinian Astronomy‘; Eastwood und Graßhoff, Planetary Diagrams; Eastwood, Ordering the Heavens. 28 Vgl. Eastwood, ‚The Astronomies‘, S. 162–63. 29 Zur Frage der unterschiedlichen Zählungen der Textzeugen Reeve, ‚The Editing of Pliny’s Natural History‘, S. 161; Borst selbst liefert leider nur ein unzureichendes Register dieser Handschriften in Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 360–74.
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Figur 3.2. Plinius, Naturalis historia. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
und Wertschätzung der mittleren Zeit gleichermaßen zum Ausdruck bringen, von denen allerdings lediglich 116 den Text zur Gänze enthalten. Im Südosten waren vor allem Exzerpte im Rahmen der später noch zu behandelnden karolingischen Enzyklopädien verbreitet. Lediglich ein Kodex überliefert vor 1225 mehrere Bücher der Naturgeschichte. In den mittelalterlichen Katalogen wird das Werk allerdings fünf Mal genannt und war wohl in drei unterschiedlichen Institutionen vorhanden (Fig. 3.2). Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Dom), Saec. 11/12: „Plinius unus“. (MBK 3 Nr. 83); Saec. 12/13: „Gaius Plinius“ sowie „Plinius“. (MBK 3 Nr. 86) 2. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12/13: „Plinius de naturali historia I.“ (MBK 3 Nr. 91) 3. Tegernsee, Saec. 12: „Plinium de naturali historia“, (MGH Epp. 8, Briefsammlung, Brief LXXXIII). Handschriften: 1. Bamberg, SB, MS Class. 42, Saec. 10, Bamberg (Dom), (Auszug) Macrobius – Commentarii in Somnium Scipionis
Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung antiken Kosmoswissens ins Mittelalter spielten spätantike Kommentatoren des vierten und fünften Jahrhunderts, insbesondere
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der neoplatonische Autor Macrobius,30 der sich im Mittelalter größter Beliebtheit erfreute.31 Er verfasste wohl zwischen 420 und 430 einen kosmologisch-philosophischen Kommentar zu einem Kapitel aus Ciceros De re publica, die Commentarii in Somnium Scipionis.32 Dabei befasst sich Macrobius nicht nur mit den kosmologischen Inhalten seiner Vorlage, sondern integriert diese in ein Gesamtkonzept neoplatonischer Philosophie und Anthropologie.33 Inhaltlich widmet sich der Kommentar einem kosmologischen Abschnitt in Ciceros Werk über das Gemeinwesen, De re publica, der in mittelalterlichen Handschriften dem Kommentar selbst in der Regel vorangestellt ist. Hier schildert Cicero einen Traum des Scipio, in dem dieser anhand der Ewigkeit und Größe des Universums die für Herrscher so wichtige Tugend der Demut erfahren habe. In diesem Zusammenhang kommt auch der Aufbau des Kosmos in neun Sphären, deren Musik, die Abfolge der Planeten sowie die Milchstraße zur Sprache. Außerdem die allgemeine Gestalt der Erde, deren klimatische Zonen sowie die Geographie ihres bewohnbaren Bereichs, auch hier mit dem Ziel, die Demut des Herrschenden im Angesicht der Weite der Welt zu erzeugen. In einem dritten Schritt wird dem Protagonisten nach der geographischen Begrenzung seines Ruhms auch dessen zeitliche Beschränktheit im Angesicht der natürlichen Zeit und der Ewigkeit der Schöpfung vor Augen geführt. Der Traum des Scipios ist damit also in seinem Ursprung eher eine Abhandlung über die Ewigkeit der Seele und die Tugenden des Staatsmannes. Kosmoswissen wird daher nicht systematisch, geschlossen und didaktisch aufbereitet vermittelt, sondern immer wieder in die Erzählung eingeflochten. Nicht nur diese kosmologischen Wissenssplitter, auch die Verbindung zwischen Seele und Kosmos erschließt sich dem Leser damit nicht zwangsläufig direkt, weshalb Macrobius einen Kommentar darüber verfasste. Auch in diesem Kommentar geht es in erster Linie nicht um die Vermittlung kosmologischen Wissens, sondern um ein tieferes Verständnis der Seelenlehre, die im Zentrum der Traumsequenz steht. Macrobius kommentiert den originalen Text Stück für Stück in seinem Wortlaut. Da sich hierdurch die Organisation der einzelnen Inhalte dem Urtext anpassen muss, sind die kosmologischen Inhalte auch im Kommentar auf verschiedene Stellen im Werk verteilt und mit anderen Inhalten verwoben. Kleinere im Text verteilte Wissenssplitter betreffen die Elementenlehre, die verschiedenen Kreise von Mond und Sonne und deren Auswirkungen auf den
30 Vgl. zur ausführlichen Diskussion um den Namen des Autors Cameron, The Last Pagans of Rome, S. 231 ff. 31 Vgl. zur Biographie des Macrobius die ausführliche Diskussion des Forschungsstandes als Einleitung zur maßgeblichen und neusten Edition in Armisen-Marchetti, ‚Introduction‘, hier noch nicht berücksichtig Cameron, The Last Pagans of Rome. Einen ausführlichen Überblick bietet außerdem Stahl, Roman Science, S. 151–69. 32 2003 wurde die ungenügende Edition Macrobius, Commentarii, hg. von Wallis durch die nun maßgebliche Ausgabe von Armisen-Marchetti ersetzt: Macrobius, Commentaire, i, hg. von ArmisenMarchetti; Macrobius, Commentaire, ii, hg. von Armisen-Marchetti; eine Übersetzung ins Englische liefert Macrobius, Commentary, hg. von Stahl. 33 Vgl. Hättig, Macrobius im Mittelalter, S. 9.
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Wechsel von Tag und Nacht, den Monatsrythmus sowie die Jahreszeiten. Außerdem den Zodiak und die darunter liegenden Planetensphären. Neben diesen kleineren Wissenssplittern finden sich allerdings auch größere und zusammenhängende Kapitel mit kosmologischen Inhalten, die sich im Wesentlichen an Ciceros Dreischritt Beschreibung der Himmel – Beschreibung der Erde – Beschreibung der Zeit orientieren. Dieser Abschnitt beginnt in Kapitel 14 mit der Klärung verschiedener astronomischer Begriffe wie Stern, Sternbild, Planet, Sphäre und Kreise, die zum Verständnis des Folgenden notwendig sind. Kapitel 15 widmet sich der Milchstraße und den zehn anderen Himmelskreisen, also Zodiak, Ekliptik, den fünf Parallelkreisen, den Koluren, Meridian und Horizont, sowie damit in Verbindung stehenden Phänomenen, etwa der Eklipse von Sonne und Mond. Kapitel 16 behandelt die Gestalt der Erde, deren Position und Größe im Vergleich zum übrigen Kosmos. Weiterhin erläutert Macrobius, wie die Kugelgestalt der Erde bestimmte Bereiche des Himmels (in unserem Fall des südlichen Himmelspols) verbirgt. Besonders wichtig sind die Abhandlungen in den Kapiteln 17 bis 22 über die Sphären und Planeten. Darunter am wichtigsten sind die Bewegung und Reihenfolge der Sphären und der sich darin befindlichen Planeten und deren jeweilige Beschaffenheit. Hierbei beschränkt sich Macrobius aber nicht auf die Wiedergabe einer ihm plausibel erscheinenden Theorie, zum Beispiel über die Positionen von Sonne, Merkur und Venus im Sphärensystem, sondern er diskutiert auch ausführlich verschiedene Ansätze und sucht eine Synthese zwischen diesen herzustellen. Diese Kapitel sind aus kosmologischer Sicht sicherlich am dichtesten und gehaltvollsten. Diesen Betrachtungen schließt sich bis Kapitel 10 eine ausführliche wissenschaftliche Geographie der Erde und ihrer bewohnten Teile sowie deren klimatische und astronomische Grundlagen an, also die Einteilung in Klimazonen, etc. Nach einem kurzen Abschnitt (Kapitel 11) über die Zeit widmen sich die letzten sechs Kapitel wieder exklusiv der Seelenlehre. Durch diese hohe narratologische Komplexität lässt sich der Kommentar des Macrobius nicht einfach einem der vier Bereiche des Kosmoswissens zuteilen. Ursprünglich als eine Einführung in die platonische Seelenlehre gedacht, müssten sie strenggenommen als sekundäres Wissen über den Kosmos verstanden werden. Gleichzeitig ist die Tiefe der Durchdringung kosmologischer Wissensbestände besonders im Kommentarteil des Textes enorm. Entsprechend wurden sie gerade im Mittelalter in erster Linie als Speicher von Kosmoswissen gedeutet und geschätzt.34 Daher werden sie in dieser Arbeit zum Bereich des epistemischen Wissens gezählt. Gleichwohl eröffnete der Text keinen einfachen oder direkten Zugang zu den vielfältigen kosmologischen Themen, die er behandelt. Dafür bringt Macrobius diese Inhalte zum einen in einen größeren Zusammenhang, zum anderen dringt er tief in die Materie ein. Statt knapper Fakten diskutiert er, wo nötig, verschiedene Theorien zu einem Thema und verdeutlicht unterschiedliche Ansätze. Es diente besonders im Mittelalter daher wohl eher fortgeschrittenen Studien als zur einführenden Anfängerlektüre. Trotzdem oder gerade deswegen entwickelte sich der Kommentar 34 Vgl. Eastwood, ‚Early-Medieval Cosmology‘, S. 304.
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Figur 3.3. Macrobius, Commentarii in Somnium Scipionis. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
des Macrobius im Mittelalter zu einem äußerst einflussreichen Text. Entsprechend dieser Bedeutung fällt die handschriftliche Verbreitung des Werkes im Mittelalter äußerst umfangreich aus. Schon Barker-Benfield sprach in seiner unpublizierten Doktorarbeit 1975 von 230 Handschriften, von denen er allerdings lediglich ca. 150 nannte und noch weniger kodikologisch beschrieb.35 Hüttig ging von einer weit größeren Zahl an Handschriften aus als von Barker-Benfield angenommen.36 1994 zählte Eastwood 231 Handschriften.37 Im Untersuchungsraum finden sich davon 14 bis ins frühe 13. Jahrhundert, auch die Kataloge nennen das Werk häufig. Insgesamt lässt es sich für elf unterschiedliche Institutionen nachweisen (Fig. 3.3). Bibliothekskataloge: 4. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Macrobii duo“ und „Glose super Macrobium et arithmeticam in uno volumine“ und „Plato et Macrobius in uno volumine“ (MBK 3 Nr. 90); Saec. 12/13: „Higinus in astronomiam. Macrovius in eodem volumine“ und „Item Macrovius“ und „Item Macrovius semiscriptus“. (MBK 3 Nr. 91) 5. Blaubeuren, Saec. 11/12: „Macrobius“. (MBK 1 Nr. 4); saex. 11/12: „Macrobium“. (MBK 1 Nr. 6) 6. Passau (Dom), Saec. 13: „Item Macrobium“. (MBK 4 Nr. 6)
35 Barker-Benfield, ‚The Manuscripts of Macrobius’ Commentary‘. 36 Hättig, Macrobius im Mittelalter, S. 27. 37 Eastwood, ‚Manuscripts of Macrobius‘, S. 139.
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7. Wessobrunn, Saec. 12: „Macrobius“. (MBK 3 Nr. 62) 8. Würzburg (Neumünster), Saec. 13: „Macrobius de re publica“. (MBK 4 Nr. 134) Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 6364, Saec. 10, Freising (Dom) 2. München, BSB, MS Clm. 29360(1, Saec. 10/11, Regensburg (St. Emmeram) 3. Bamberg, SB, MS Class. 38, Saec. 11, Bamberg (Dom)38 4. Bamberg, SB, MS Class. 55, Saec. 11, Bamberg (Dom)39 5. München, BSB, MS Clm. 6362, Saec. 11, Freising (Dom) 6. München, BSB, MS Clm. 14353, Saec. 11, Regensburg (St. Emmeram)40 7. München, BSB, MS Clm. 14436, Saec. 11, Regensburg (St. Emmeram) 8. Admont, SB, MS Cod. 514, Saec. 12, Admont 9. Cologny, FMB, MS 111, Saec. 12, Admont41 10. München, BSB, MS Clm. 4612, Saec. 12, Benediktbeuern 11. München, BSB, MS Clm. 29360(2 und (3, Saec. 12, Regensburg (St. Emmeram) 12. München, BSB, MS Clm. 14619, Saec. 12, Regensburg (St. Emmeram) 13. München, BSB, MS Clm. 18208, Saec. 12, Tegernsee 14. München, BSB, MS Clm. 19471, Saec. 12, Tegernsee Calcidius – Timaeus
Ein weiterer Vertreter des spätantiken Platonismus, der sich in den Beständen des Südostens nachweisen lässt, ist Calcidius. Er übersetzte und kommentierte Platons Text Timaeus, der sich mit der Werdung des Kosmos befasste. In lateinischer Sprache lag dieser ursprünglich griechische Text lediglich in Auszügen vor. Weite Verbreitung fand der Timaeus ausweislich der handschriftlichen Überlieferung erst im 11. Jahrhundert und vollends im 12. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert wird diese Rezeption dann schlagartig durch das neu entdeckte Corpus aristotelicum ersetzt.42 Dass der eigentlich griechische Timaeus im Mittelalter überhaupt Beachtung fand, verdankt sich seiner gleich doppelt erfolgten Übersetzung ins Latein, die noch in der Antike stattfand: Zum einen durch Ciceros Übertragung der Abschnitte 27D bis 47B, die allerdings keine nennenswerte Verbreitung erfahren hat, zum anderen durch Calcidius (17A bis 53C), der auch einen umfangreichen und beliebten Kommentar beisteuerte.43
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Entstanden im 10./11. Jahrhundert, in Bamberg seit dem 11. Jahrhundert. Entstanden im 9. Jahrhundert, in Bamberg seit dem 11. Jahrhundert. Entstanden im 10. Jh. im Mittelrheingebiet, seit dem 11. Jahrhundert in St. Emmeram. Entstanden im 10. Jahrhundert, in Admont spätestens seit dem 12. Jahrhundert. Vgl. Speer, ‚Lectio Physica‘, S. 214–15. Dieser Kommentar ist penibel ediert in Calcidius, Timaeus a Calcidio translatus, hg. von Waszink; eine englische Übersetzung bietet Calcidius, On Plato’s ‚Timaeus‘, hg. von Magee.
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Platos ursprünglicher Text handelt von einem fiktiven Vortrag des Timaeus über Aufbau und Werden des Kosmos. Dabei stellt der Timaeus kein enzyklopädisches, sondern ein in sich geschlossenes naturphilosophisches Werk dar, das neben der reinen Kosmologie auch andere philosophische Diskurse, etwa zur Ethik oder der Anthropologie, bedient und diese jeweils in ein argumentativ eigentlich untrennbares Verhältnis zueinander stellt.44 Es ist daher auch hier nicht ganz einfach, den kosmologischen Gehalt des Werkes zu isolieren. Zunächst erklärt Timaeus die Entstehung und Form des materiellen Kosmos (31B bis 34B) und dessen Seele (34B bis 37C). Hieran schließen sich die Abschnitte 37C bis 39E an, die das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit behandeln. Diese Abschnitte enthalten Informationen über die Planeten, zu denen hier auch Sonne und Mond zählen, durch deren Bewegungen die Zeit erst erfahrbar wird (38C bis 39D). Ein größerer Abschnitt über die Erschaffung der Lebewesen (39E bis 47E) schließt diesen ersten Teil ab, wobei Plato auch Fixsterne (40A und B) und Erde (40c) unter Lebewesen subsumiert und beschreibt. Die Abschnitte 48E bis 53C behandeln im Zusammenhang mit naturphilosophischen Fragen die Grundstoffe des Universums, die vier Elemente und deren Eigenschaften. An dieser Stelle endet die Übertragung des Calcidius, während der griechische Originaltext diese Beschreibungen weiter ausführt und dann den Dialog mit einem letzten Teil über den menschlichen Körper beendet. Da sich der Vortrag des Timaeus durch seine enorme argumentative und diskursive Komplexität dem Leser nicht einfach erschließt und erhebliches Vorwissen in allen Künsten des Quadriviums erfordert, fügte Calcidius seiner Übersetzung auch einen – unvollendet gebliebenen – Kommentar an. Aus Sicht des Kosmoswissens sind aus diesem Kommentar kleinere Wissenssplitter relevant, vor allem in den Kapitel 20 bis 22, die sich näher mit den Elementen beschäftigen. Ab Kapitel 56 widmet sich Calcidius ausführlich der Astronomie, und zwar bis zum Ende dieses Teiles nach Kapitel 118. Da dieser Abschnitt bereits durch Eastwood äußerst ausführlich und detailliert beschrieben ist, sei hier nur das Nötigste zusammengefasst:45 Zunächst widmet sich der Kommentar den Fixsternen und Planeten (56 bis 97). Bis Kapitel 64 thematisiert das Werk die Gestalt und Position der Erde, daran anschließend die Himmelskreise (bis 68). Die Kapitel 69 bis 97 enthalten ausführliche Beschreibungen der Himmelskörper, ihrer Bewegung, Reihenfolge, Eigenschaften und Größe, und verdeutlichen zudem das Entstehen von Konjunktionen. In einem zweiten Abschnitt befasst sich Calcidius mit den Himmeln und der Zeit. Die Kapitel 98 bis 101 behandeln im Wesentlichen die Verbindung von Kosmos und Seele. Nach einem erkenntnistheoretischen Einschub (102 bis 107) geht es um das Verhältnis von Zeit und den beobachtbaren Bewegungen der Planeten (108 bis 118). Da Plato sowohl die Erde als auch die Sterne als erschaffene, göttliche Lebewesen konzipiert hat, leitet Calcidius seinen Teil Ba mit entsprechenden Ausführungen darüber ein (120 bis 126). Der Rest dieses Teils enthält kein kosmologisches Wissen. Den dritten Teil des Kommentars bildet ein sehr umfangreiches Buch über die Materie, die vier
44 Vgl. Gregory, ‚Introduction‘, S. ix. 45 Vgl. Eastwood, Ordering the Heavens, S. 427–31.
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Figur 3.4. Calcidius, Timaeus. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Elemente werden ausführlich in den Kapiteln 317b, 318 sowie 323 bis 327 behandelt. Insgesamt lässt sich der Text aus den gleichen Gründen wie der Kommentar des Macrobius dem Bereich des epistemischen Wissens zuordnen. Was das Interesse des Mittelalters anbelangt, so gilt besonders das 12. Jahrhundert als Höhepunkt der Rezeption, das nach Peter Dronke sogar unter dem „Spell of Calcidius“46 läge. Tatsächlich zeigt eine Aufstellung der Überlieferung, dass hier differenziert werden muss, ob der originale Text und sein Kommentar gemeinsam oder getrennt überliefert werden. Der spell des Calcidius lässt sich eigentlich eher für das 11. Jahrhundert feststellen, in dem die Anzahl der überlieferten Kommentare ein deutliches Maximum erreicht, das 12. Jahrhundert lenkte sein Interesse dann offensichtlich eher auf den Text Platos.47 Im Untersuchungsgebiet verteilt sich die Überlieferung ab dem 10. Jahrhundert chronologisch relativ gleichmäßig, bis ins frühe 13. Jahrhundert befand sich der Text nachweisbar in zwölf Institutionen, zwölf Handschriften sind erhalten (Fig. 3.4). Bibliothekskataloge: 9. Bamberg (Dom), Saec. 12/13: „Calcidius“. (MBK 3 Nr. 86) 10. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Plato et Macrobius in uno volumine.“ (MBK 3 Nr. 90); Saec. 12/13: „Timaeus Platonis“. (MBK 3 Nr. 91) 11. Göttweig, Saec. 12: „Thimeus Platonis“. (MBKÖ 1 Nr. 3) 12. Salzburg (St. Peter), Saec. 12: „Plato.“ (MBKÖ 2 Nr. 13) 13. Tegernsee, Saec. 11: „Librum Platonis cum Calcidio“. (MBK 4 Nr. 107) 46 Dronke, The Spell of Calcidius. 47 Vgl. zu diesem Prozess auch Somfai, ‚The Eleventh-Century Shift‘ deren Zahlen der unten stehenden Aufstellung zu Grunde liegen; daneben auch Dutton, ‚Material Remains‘.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts
Handschriften: 1. Bamberg, SB, MS Class. 18, Saec. 11, Bamberg (Dom)48 2. London, BL, MS Add. 19968, Saec. 11, Augsburg (St. Ulrich und Afra) 3. London, BL, MS Harley 2610, Saec. 11, Augsburg (St. Ulrich und Afra) 4. München, BSB, MS Clm. 6365, Saec. 11, Freising (Dom) 5. Austin, UT, MS HRC 029, Saec. 11, Tegernsee 6. Admont, SB, MS Cod. 514, Saec. 12, Admont 7. Berlin, SPKB, MS Lat. qu. 202, Saec. 12, Augsburg (St. Ulrich und Afra) 8. München, BSB, MS Clm. 13021, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) 9. München, BSB, MS Clm. 14663, Saec. 12, Regensburg (St. Emmeram) 10. München, BSB, MS Clm. 29350(1, Saec. 12, Windberg49 11. Wien, ÖNB, MS Cod. 176, Saec. 12, Tegernsee 12. London, BL, MS Arundel 339, Saec. 12/13, Kastl Martianus Capella – De nuptiis Philologiae et Mercurii
Ein weiterer Autor der Spätantike, der eine wichtige Rolle für die Vermittlung des antiken Wissens ins Mittelalter spielte, ist Martianus Capella. Sein einzig überliefertes Werk De nuptiis Philologiae et Mercurii – im Folgenden De nuptiis – verfasste er wohl zwischen 484 und 523.50 De nuptiis stellt eine recht eigensinnig anmutende Verbindung von Mythologie und Gelehrsamkeit, von Prosa und Lyrik nach dem Vorbild der spätantiken Gattung der Satire dar, das einen mitunter befremdlichen Eindruck hinterlässt: Eingebettet in die immer wiederkehrende Erzählung von der Hochzeit von Merkur und Philologia, widmet sich der Verfasser den Sieben Freien Künsten, die in den nun folgenden Büchern der Reihe nach in jeweils einem Buch dargelegt werden. Auch wenn die sprachliche Ausgestaltung zuweilen das Verständnis des Inhaltes erschwert, so zeichnet sich der Text doch durch eine äußerst klare Gliederung aus.51 Nach zwei einleitenden Büchern, die die mythologische Rahmenhandlung setzen, folgen drei Bücher mit den Disziplinen des Triviums. Die Bücher 6 bis 9 bearbeiten jeweils ein quadriviales Fach: Zunächst die Geometrie (Buch 6), dann die Arithmetik
48 Entstanden im 10. Jahrhundert, in Bamberg spätestens seit dem 11. Jahrhundert. 49 Entstanden im 10. Jahrhundert, in Windberg seit dem 12. Jahrhundert. 50 Das Werk wurde mehrfach ediert und übersetzt, in seiner Gesamtheit zuletzt bei Martianus Capella, De nuptiis, hg. von Willis, der damit die Vorgängeredition Martianus Capella, De nuptiis, hg. von Dick ablöste. Gegenwärtig befindet sich eine Neuedition und französische Übersetzung der einzelnen Bücher in Arbeit, von der bislang allerdings erst vier Bände erschienen sind: Martianus Capella, Les noces, vii, hg. von Guillaumin; Martianus Capella, Les noces, ix, hg. von Guillaumin; Martianus Capella, Les noces, iv, hg. von Ferré; Martianus Capella, Les noces, vi, hg. von Ferré. Eine deutsche Übersetzung bietet Zekl, De nuptiis, seit Mitte der 1970er Jahre ist das Werk auch ins Englische übersetzt, Martianus Capella, Martianus Capella and the Seven Liberal Arts, hg. von Stahl und Johnson. 51 Stahl, Roman Science, S. 170–89.
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(Buch 7), die Astronomie (Buch 8) sowie abschließend (Buch 9) die Harmonia, also die Musik verstanden als Wissenschaft der Proportionen. Aus kosmologischer Perspektive sind entsprechend lediglich die Bücher des Quadriviums von Belang, die in jeweils unterschiedlichem Umfang kosmologisches Wissen oder Wissenssplitter enthalten. In recht großem Umfang trifft dies auf das sechste Buch, De geometria zu. Nach einer Einleitung, die den fachlichen Abschnitt in die mythologische Rahmenhandlung integriert (575 bis 589), folgt ein überproportional großer Abschnitt zur Geographie (590 bis 703), gefolgt von einem kurzen mythologischen Zwischenspiel und einer kürzeren Darstellung der mathematischen Geometrie (706 bis 724). Die Geometrie hat für Martianus also nicht nur eine mathematische Komponente, sondern wird in diesem Buch besonders als Kunst der Erdvermessung, als Geographie verstanden und erhält dadurch eine dezidiert kosmologische Dimension. Zunächst werden allgemeine Informationen über die Erde gegeben, etwa ihre Gestalt als Kugel, die Martianus anhand verschiedener astronomischer Gedankenspiele und Argumente ausführlich darlegt (590 bis 595). Es folgen Angaben über deren Ausmaße (596 bis 598) sowie ihre genaue Lage im Kosmos (599 bis 601). Hierauf folgt eine genauere Beschreibung der Erde und ihrer verschiedenen klimatischen und geographischen Zonen (602 bis 608), eine Vermessung der Erdoberfläche (609 bis 616) und die Beschreibung der Meere und Ozeane (617 bis 621). Eine äußerst umfangreiche und detailierte Beschreibung (622 bis 703) der bewohnten Kontinente schließt diesen geographischen Abschnitt. Die weiteren Paragraphen widmen sich der rein mathematischen Geometrie. Das 8. Buch über die Astronomie steht fest auf dem Boden der Kosmologie. Nach einer knappen Einleitung (803 bis 813) schildert die personifizierte Astronomie den Aufbau des Kosmos und gibt eine Beschreibung der Himmelskugel, -achse, -pole und der zehn Himmelskreise (814 bis 837). Daran schließt sich eine Abhandlung über die Fixsterne an (838 bis 849): Hier thematisiert Martianus deren Anzahl, Position und Verhältnis der Sternbilder zueinander und beschreibt den Zodiak und die Dauer des Sonnendurchlaufes durch dessen einzelne Sternbilder. In den Paragraphen 850 bis 887 stellt Martianus den Fixsternen die beweglichen Sterne, also die Planeten gegenüber: Zunächst wird ihr Erdumlauf mit Dauer, Größe und Reihenfolge beschrieben, dann die Stellung der Erde bzw. der Erdachse zu den Planetenkreisen. Dann kommen die jeweiligen Eigentümlichkeiten der einzelnen Planetenbewegungen zur Sprache. Ab 859 widmet sich Martianus dem Mond, dessen Größe er im Verhältnis zur Sonne berechnet und dessen Finsternis er erklärt. 872 bis 878 verdeutlichen den Lauf der Sonne und die daraus resultierenden Folgen für Zeitmessung und Klima. Martianus fügt sich in seinem De nuptiis streng dem starren Korsett der artes, die mit Ausnahme weniger fachbedingter Verbindungen (etwa zwischen Astronomie und Geographie) lediglich durch die Rahmenhandlung verbunden sind, die diese gleichzeitig durch den nacheinander erfolgenden Auftritt der einzelnen Künste gliedert. Dieser Umstand hat weitreichende Konsequenzen für die Rezeption des Werkes. Darin liegt – neben der unterhaltsamen Rahmenhandlung – eine Erklärung für die Beliebtheit von De nuptiis als Schulbuch,52 da es dem Lehrer „a well portioned 52 Vgl. Grebe, Martianus Capella, S. 36.
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Figur 3.5. Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
and comprehensive treatment“ für das jeweils zu unterrichtende Fach bot.53 Aber auch außerhalb der Unterrichtssituation ließ sich dieser Umstand nutzen: Die klare Gliederung des Werkes ermöglichte, inhaltlich geschlossene Abschnitte aus dem Gesamtzusammenhang heraus in neue Kontexte zu transferieren. So ließen sich die einzelnen Bücher mit anderen Texten zu Fachkompendien kombinieren und dadurch in besonderer Weise für die persönlichen Interessen nutzbar machen. Auch wenn der Text nicht nur Kosmoswissen enthielt, so ist er doch dem Bereich des epistemischen Wissens zuzuordnen, da die darin enthaltenen Passagen dieses Wissens mehr oder weniger in sich geschlossen darbringen und durch entsprechend interessiertes Publikum rezipiert werden konnten. Bezeichnenderweise überliefern lediglich circa 50 Handschriften das gesamte Werk, während die übrigen Handschriften lediglich Abschnitte enthalten. Insgesamt finden sich in 131 Textzeugen quadriviale Inhalte. Bis ins 13. Jahrhundert befanden sich nachweisbar 13 Institutionen des Südostens im Besitz des Textes von Martianus Capella. Die globale Überlieferung des Textes beläuft sich nach Leonardi54 bis ins 15. Jahrhundert auf 235 nachweisbare Handschriften, die sich chronologisch wie folgt verteilen (Fig. 3.5): Bibliothekskataloge: 14. Bamberg (Dom), Saec. 12/13: „Marciani Memii Felicis Capelle“. (MBK 3 Nr. 86) 15. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12/13: „Martiani III“. (MBK 3 Nr. 91) 16. Passau (Dom), Saec. 10: „libros Martiani Minei Felicis Capelle pleniter in VII liberales artes“. (MBK 4 Nr. 5) 53 Stahl, Martianus Capella and the Seven Liberal Arts, S. 22. 54 Leonardi, ‚I codici di Marziano Capella‘.
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17. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Marcianus philosophus“. (MBK 4 Nr. 40) 18. Regensburg (St. Emmeram), Saec. 10: „Marcianus de nuptiis Philologiae“. (MBK 4 Nr. 26); „Marcianus de astrologia, aritmetica, musica“. (MBK 4 Nr. 25). 19. Salzburg (St. Peter), Saec. 12: „Marcianus et commentum super ipsum“. (MBKÖ 2 Nr. 13) 20. Tegernsee, Saec. 11: „Librum Martiani“. (MBK 4 Nr. 107) 21. Weihenstephan, Saec. 11: „De nuptiis Philologie et Mercurii cum commento“. (MBK 4 Nr. 87) 22. Wessobrunn, Saec. 12: „Martianus“. (MBK 3 Nr. 62); „Liber de nuptiis Mercurii et Philologie“. (MBK 3 Nr. 63) 23. Würzburg (Neumünster), Saec. 13: „Item Marcianus de nuptiis philosophiae et Mercurii“. (MBK 4 Nr. 134) Handschriften: 1. Kremsmünster, SB, MS Frag. 1/20, Saec. 9, Freising (Dom), (Fragment) 2. München, BSB, MS Clm. 13084, Saec. 9, Freising (Dom), (Exzerpt) 3. München, BSB, MS Clm. 14070c, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram), (Auszug) 4. München, BSB, MS Clm. 14729, Saec. 10, (Regensburg St. Emmeram), (Gesamt)55 5. Bamberg, SB, MS Class. 9, Saec. 11, Bamberg (Dom), (Auszug)56 6. Bamberg, SB, MS Class. 39, Saec. 11, Bamberg (Dom), (Gesamt)57 7. München, BSB, MS Clm. 29362(1, Saec. 11, Passau (St. Nikola), (Fragment) 8. München, BSB, MS Clm. 29362(2, Saec. 11, Tegernsee, (Fragment) 9. Admont, SB, MS Cod. 390, Saec. 12, Admont, (Auszug) Das Kosmoswissen des frühen Mittelalters Isidor von Sevilla – Etymologiae
Auch das 6. und 7. Jahrhundert hatte Zugriff auf die Bestände des antiken Wissens, rezipierte es aber vor dem Hintergrund geänderter religiöser und kultureller Vorzeichen. So verfasste Gregor von Tours, Bischof der französischen Stadt und Vertreter des sogenannten gallo-römischen Senatsadels mit Bezug zur römischen Vergangenheit im 6. Jahrhundert ein kleines Werk zur Beobachtung des Sternenhimmels, allerdings nicht aus eruditem Anspruch, sondern mit dem instrumentellen Interesse, die Gebetszeiten einhalten zu können.58 Während sich Gregors Schrift lediglich in einer Bamberger Handschrift des 8. Jahrhunderts erhalten hat,59 die darüber hinaus erst im 11. Jahrhundert
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Entstanden im 9. Jahrhundert, in St. Emmeram nach 993. Entstanden im 10. Jahrhundert, in Bamberg spätestens seit dem 11. Jahrhundert. Entstanden im 9. Jahrhundert, in Bamberg spätestens seit dem 11. Jahrhundert. Gregor von Tours, De cursu stellarum ratio, hg. von Krusch; dazu Loose, Astronomische Zeitbestimmung. Bamberg, SB, MS Patr. 61.
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nach Bayern gelangte, war anderen Autoren dieser Zeit mehr Erfolg beschieden. Hier ist vor allem der spanische Bischof Isidor von Sevilla mit seinen Etymologien zu nennen,60 die mit einer gesicherten Überlieferung in 18 Institutionen des Südostens einen der am weitesten verbreiteten Speicher kosmologischer Wissensbestände im südostdeutschen Raum darstellen. In zwanzig Büchern fasste der spanische Bischof im siebten Jahrhundert das Wissen seiner Welt zusammen und bereitete es in einfach zugänglicher Weise enzyklopädisch für pastorale und pädagogische Zwecke auf.61 Die in dieser großen Verbreitung zum Ausdruck kommende Beliebtheit im Südosten entspricht durchaus einer allgemeinen Tendenz des Mittelalters mit nahezu tausend überlieferten vollständigen Handschriften.62 Geographisch ist schon im 9. Jahrhundert mit einer Verbreitung der Etymologien in allen kulturellen Zentren Europas zu rechnen, wo es eine „wichtige Grundlage des mittelalterlichen kosmologischen Verständnisses“ lieferte.63 Tatsächlich enthalten die Etymologien ein durchaus geschlossenes und umfassendes kosmologisches Weltbild, das allerdings aus verschiedenen und im Werk verstreuten Beständen zusammengesetzt werden muss. Diese Bestände reichen von kleineren kosmologischen Wissenssplitter bis zu umfangreichen und ausgefeilten Abschnitten über die natürliche Welt. Einen großen zusammenhängenden Abschnitt über kosmologische Themen liefert besonders das dritte Buch der Etymologien, das sich den mathematischen Fächern, dem Quadrivium, widmet.64 Hier ist besonders der ausführliche Abschnitt über die Astronomie (Kapitel 27 bis 71) interessant, in denen nach allgemeinen, einleitenden Bemerkungen in erster Linie die Bewegungen, Eigenschaften und Benennungen der Himmelskörper thematisiert werden.65 Vereinzelt finden sich auch in den Abschnitten zur Arithmetik, Geometrie und Musik kosmologische Wissenssplitter. Buch 5 De legibus et temporibus vereint in sich zwei recht unterschiedliche Wissensbereiche, Recht und Zeit, von denen hier nur letzterer relevant ist.66 Die eigenartige und kommentarlose Verbindung dieser zwei Bereiche scheint dabei eine spätere Abwandlung zu sein, denn sie findet sich nicht in den ältesten Handschriften, die hier zwei getrennte Abschnitte aufweisen.67 In den Kapiteln 29 bis 36 erläutert Isidor die unterschiedlichen Einheiten der natürlichen Zeit und ihre astronomischen Grundlagen von der kleinsten (momentum) zur größten (annus). Auch die Sonnwenden und Tagundnachtgleichen finden Betrachtung. Die Zeit wird daher weniger aus der Perspektive einer angewandten und kalkulierenden Komputistik behandelt, sondern in ihrer kosmologischen Dimension. 60 Zu Leben und Umfeld Isidors vgl. Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Isidor)‘, S. 3–9 sowie Barney und andere, ‚Introduction‘. 61 Vgl. die bislang maßgebliche Einführung von Díaz y Díaz, ‚Introduccion general‘; darauf aufbauend auch Barney und andere, ‚Introduction‘. 62 Vgl. Anspach, Taionis et Isidori nova fragmenta, S. 31; die Katalogisierung der fragmentarischen Überlieferung muss allerdings als unzureichend angesehen werden, vgl. Cardelle de Hartmann, ‚Exzerpte als Rezeptionszeugnisse‘, S. 31. 63 Goetz, Gott und die Welt, i.2, S. 63. 64 Isidor von Sevilla, Etymologiae, iii, hg. von Gasparotto. 65 Grundlegend zu den Quellen dieser Abschnitte Fontaine, Isidore de Seville; außerdem Isidor von Sevilla, Etymologiae, iii, hg. von Gasparotto, S. xxv–xxvii. 66 Isidor von Sevilla, Etymologiae, iv, hg. von Santos und Urquiola. 67 Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae, iv, hg. von Santos und Urquiola, S. 7–15.
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Figur 3.6. Isidor von Sevilla, Etymologiae. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Während im dritten Buch vor allem die Astronomie im Sinne einer Bewegung der Himmelskörper verdeutlicht wurde, konzipiert Isidor Buch 13, De mundo et partibus,68 als Übersicht über die verschiedenen Bestandteile des Weltgebäudes.69 Die Erläuterung des allgemeinen Aufbaus der Welt (mundus) und ihrer kleinsten und größeren Bestandteile (von den Atomen über die vier Elemente bis zu den Regionen des Himmels) wird dabei durch die Schilderung verschiedener Naturphänomene wie Blitz und Donner ergänzt. Der Erde selbst widmen die Etymologien das vierzehnte Buch, De terra et partibus.70 Zunächst behandelt Isidor hier die allgemeine Kugelgestalt der Erde und ihren Sitz im Weltgebäude. Daran schließt sich eine geographische Beschreibung der bewohnbaren Welt und ihrer drei Kontinente Asien, Europa und Afrika an. Aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive sind die Etymologien also durchaus ergiebig: Auch wenn der Leser die verschiedenen über das Werk verteilten Abschnitte, die vornehmlich einführenden Charakter besitzten, etwas mühsam zusammensuchen muss, so bietet sich darin doch ein geschlossenes kosmologisches Weltbild, das bei entsprechend gelagertem Interesse rezipiert werden konnte. Der Text muss daher zum Bereich des epistemischen Wissens zählen. Insgesamt lässt er sich in 18 Institutionen nachweisen und stellt damit nach der Imago mundi des Honorius Augustodunensis das am zweitweitesten verbreitete Werk mit kosmologischen Wissensbeständen dar. Die Etymologiae des Isidor sind in den Katalogen von 13 Institutionen überliefert, die handschriftliche Überlieferung fällt ähnlich aus (Fig. 3.6).71 68 69 70 71
Isidor von Sevilla, Etymologiae, xiii, hg. von Gasparotto. Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae, xiii, hg. von Gasparotto, S. 4. Isidor von Sevilla, Etymologiae, xiv, hg. von Spevak. Fernández Catón, ‚Las Etimologias‘.
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Bibliothekskataloge: 24. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Ysidorus ethimologiarum“. (MBK 3 Nr. 90) 25. Blaubeuren, Saec. 11: „Isidorum etimologiarum“. (MBK 1 Nr. 3); Saec. 11: „Isidorum sententiarum atque eundem ethimologiarum pariformiter et testimoniorum scintillarum librum“. (MBK 1 Nr. 6) 26. Benediktbeuern, Saec. 13: „Isidorus ethymologiarum“. (MBK 3 Nr. 23) 27. Ebersberg, Saec. 12: „Ysidorus ethimologiarum“. (MBK 4 Nr. 74) 28. Klosterneuburg, Saec. 12/13: „Ysidorus ethimologiarum“. (MBKÖ 1 Nr. 13) 29. St. Lambrecht, Saec. 12/13: „Ysidorus ethimologiarum“. (MBKÖ 2 Nr. 12) 30. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Item libellus excerptus de libro ethimologiarum eiusdem“. (MBK 4 Nr. 40); Saec. 12: „Ysydorus ethymologie“; „Libellus excerptus de libro ethymologiarum eiusdem“. (MBK 4 Nr. 41) 31. Regensburg (Prüll), Saec. 12: „Pars ethymologiarum Ysidori episcopi“. (MBK 4 Nr. 39) 32. Wessobrunn, Saec. 13: „Ethimoloya“ und „Ysidorus ethimoloiarum“. (MBK 3 Nr. 63) 33. Windberg, Saec. 12: „Subscripta vero VII volumina, hoc est Ysidorum ethimologiarum unum“. (MBK 4 Nr. 63) 34. Würzburg (Dom), Saec. 10/11: „Ysidorus de ethimologiis“. (MBK 4 Nr. 129) 35. Würzburg (Neumünster), Saec. 13: „Ysidorus Ethimoliarum“. (MBK 4 Nr. 134) 36. Zwettl, Saec. 13: „Isydorus ethimoloiarum“. (MBKÖ 1 Nr. 73) Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 29410(272, Saec. 8/9, St. Emmeram 2. München, BSB, MS Clm. 4541, Saec. 9, Benediktbeuern 3. München, BSB, MS Clm. 6250, Saec. 9, Freising (Dom) 4. Würzburg, UB, MS M.p.th.f. 143, Saec. 9, Würzburg (Dom) 5. München, BSB, MS Clm. 21557, Saec. 11, Freising, später Weihenstephan 6. Admont, SB, MS Cod. 278, Saec. 12, Admont 7. Chicago, NL, MS f. 11, Saec. 12, Admont 8. München, BSB, MS Clm. 17739, Saec. 12 Regensburg, St. Mang 9. Erlangen, UB, MS 186, Saec. 12, Heilsbronn 10. München, BSB, MS Clm. 13031, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) 11. Zwettl, SB, MS Cod. 53, Saec. 12, Zwettl Isidor von Sevilla – De natura rerum
Mit der enormen Verbreitung der Etymologien kann Isidors genuin naturwissenschaftliches Werk De natura rerum sicherlich nicht mithalten. Dieser Umstand darf
72 Ehemals München, BSB, MS Clm. 29051b. Neben diesem Fragment haben sich vom ehemaligen Kodex noch die Fragmente New York, GA, MS Plimpton collection s. n. sowie Harvard, HL, MS Type 613 erhalten. Vgl. The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. clxxxvii–clxxxviii, die hier aus Gründen des Layouts nicht eigens in der Tabelle verzeichnet sind.
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allerdings nicht über die ideengeschichtliche Bedeutung des um 613 verfassten Textes hinwegtäuschen, der sich erheblich von den Etymologien unterscheidet. Während letztere einen universellen Anspruch verfolgten, ist De natura rerum eher als eine Art spezialisiertes Handbuch zur Kosmologie zu verstehen, erweitert um die Phänomene Zeit und Meteorologie.73 Hierfür strukturierte Isidor sein Werk auf eine sehr römisch-antike Art und Weise, indem er nach einigen Kapiteln zur Zeit und ihrer astronomischen Grundlagen die vertikale Struktur des Universums literarisch nachbildete (9 bis 48).74 In den einzelnen Kapiteln erklärt Isidor dann die zu den jeweiligen kosmischen Zonen gehörenden Phänomene, etwa die Natur, Größe und Bahn der Sonne (Kapitel 15 bis 17), oder Donner und Blitz (Kapitel 29 und 30) als Phänomene der Atmosphäre. Damit liefert Isidor eine umfassende Darstellung des Kosmos als Ganzes und seiner Teile. Begleitet wird der Text durch eine Reihe charakteristischer Raddiagramme, denen das Werk seinen alternativen Titel liber rotarum, Buch der Räder, verdankt, auch wenn sie wohl auf ältere, heute verlorene Modelle zurückgehen. Diese Diagramme stellen neben der zeitlichen (rota mensium, rota anni) und räumlichen (rota circulorum mundi, rota planetarum, rota ventorum) Dimension des Kosmos auch die Eigenschaften der Elemente (cybus elementorum) sowie das Verhältnis von Kosmos, Zeit und Mensch dar (rota mundi, anni, hominis). Sie können daher auch als eine Art kartographische Abbildung der verschiedenen Dimensionen des Kosmos verstanden werden.75 Inhalt und Vermittlungsform von De natura rerum scheinen ein weit verbreitetes Bedürfnis gerade im frühen Mittelalter befriedigt zu haben. So konstatiert Michael Gorman nach Sichtung und Vergleich der überlieferten Handschriften: „Isidore’s De natura rerum was extraordinarily popular in the period 650–800.“76 Nicht von ungefähr modellierte Beda trotz inhaltlicher Differenzen seinen gleichnamigen Traktat anhand des Werkes des spanischen Gelehrten. Der Text ist dem Bereich des epistemischen Wissens zuzuordnen. Auch wenn die Überlieferung des Werkes deutlich im Schatten der Etymologien steht, ist sie objektiv betrachtet durchaus umfangreich. Insgesamt ist der Text in 127 Handschriften vom 7. bis ins 15. Jahrhundert überliefert, wobei insbesondere das 9. Jahrhundert als Schwerpunkt hervorsticht.77 Im Untersuchungsraum war De
73 Das Werk ist ediert und ins Französische übersetzt in Isidor von Sevilla, Traité de la nature, hg. von Fontaine; eine kommentierte Übersetzung ins Englische liefert Isidor von Sevilla, On the Nature of Things, hg. von Kendall und Wallis. Vgl. daneben den knappen Überblick bei Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 179–80. Ausführlicher Englisch, Die Artes liberales im frühen Mittelalter, S. 228–42. 74 Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Isidor)‘, S. 15. 75 Vgl. knapp zusammenfassend Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Isidor)‘, S. 28–29; ausgiebiger und grundlegend befasste sich Barbara Obrist mit den Diagrammen Isidors, vgl. Obrist, ‚Le diagramme isidorien‘; Obrist, ‚Wind Diagrams‘. Zur Überlieferung der frühen Diagramme siehe Gorman, ‚The Diagrams‘; die in der Edition von Fontaine Isidor von Sevilla, Traité de la nature, hg. von Fontaine gegebenen Diagramme sind der Emmeramer Handschrift entnommen. Außerdem Stevens, ‚The Figure of the Earth‘. 76 Gorman, ‚The Diagrams‘, S. 535. Zum Nachwirken des Textes im Mittelalter außerdem Eastwood, ‚The Astronomies‘, S. 174–77. 77 Vgl. Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Isidor)‘, S. 66–97.
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Figur 3.7. Isidor von Sevilla, De natura rerum. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
natura rerum bis zum 12. Jahrhundert in mindestens sechs Handschriften aus sechs Institutionen überliefert (Fig. 3.7). Bibliothekskataloge: 37. Regensburg (St. Emmeram), Saec. 10: „Isidori de natura rerum“. (MBK 4 Nr. 25) 38. Würzburg (Neumünster), Saec. 13: „Epistola Ysidor Sisebuto“. (MBK 4 Nr. 134) Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 16128, Saec. 8, Salzburg (im 9. Jh. In Passau (St. Nikola) 2. München, BSB, MS Clm. 14300, Saec. 8, Salzburg78 3. Basel, UB, MS Lat. F.III15k, Saec. 9, Benediktbeuern 4. Bamberg, SB, MS Nat. 1, Saec. 11, Bamberg (Dom)79 5. Bamberg, SB, MS Patr. 61, Saec. 11, Bamberg (Dom)80 6. Erlangen, UB, MS 186, Saec. 12, Heilsbronn Beda – De natura rerum
Nicht nur in Spanien bestand weiterhin ein Interesse am Kosmos und seinen Phänomenen, sondern auch an den nördlichen Rändern der damals bekannten Welt. So bezeugt der
78 Entstanden im 8. Jahrhundert in Salzburg, ab dem 10. Jh. in St. Emmeram. 79 Entstanden im 9. Jahrhundert, in Bamberg spätestens seit dem 11. Jahrhundert. 80 Entstanden im 8. Jahrhundert, in Bamberg spätestens seit dem 11. Jahrhundert.
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angelsächsische Mönch Beda seine umfangreichen Studien auf diesem Gebiet zum Abschluss seiner Kirchengeschichte der Angelsachsen und nennt drei naturwissenschaftliche bzw. komputistische Werke: „De natura rerum, et de temporibus libros singulos; item de temporibus librum I maiorem“81, also ein Buch über die Natur der Dinge und zwei über die Zeitrechnung.82 In De natura rerum, dessen heute noch maßgebliche Edition 1975 von Jones vorgelegt wurde,83 kompilierte Beda 703 aus spätantiken Texten kosmologisches Grundlagenwissen.84 Neben Plinius griff er dabei vor allem auf Isidors gleichnamigen Traktat zurück, den er allerdings an vielen Stellen korrigierte. Wallis spricht daher auch von einer „revised version of Isidore’s cosmology“85. Beda schrieb sein Werk über die Natur mit einem ethisch-religiösen Hintergedanken, es ging ihm letztlich um das Lob des Schöpfers. Trotzdem vermittelte das Werk auf einfache und kompakte Weise epistemisches Wissen über den Kosmos, das über eine Exegese des Schöpfungsberichtes hinausgeht und sich an einer rationalen Erklärung kosmologischer Naturphänomene abarbeitet. Kendall und Wallis bringen den Inhalt auf den Punkt: In On the Nature of Things, starting with creation and the universe as a whole, Bede reads the cosmos downwards from the heavens, through the atmosphere, to the oceans and rivers of earth. He takes up the four basic elements – earth, air, fire, and water, the heavenly bodies and their orbits, meteorological phenomena like thunder and lightning, rainbows, hail and snow, apparent disruptions of the natural order like eclipses, earthquakes and volcanoes, and plagues, and the fact that the earth is a globe, and its zones and climates.86 Das Werk eignete sich aufgrund seiner Kompaktheit besonders für die didaktische Vermittlung im Unterricht.87 Dass der Text aus diesen Gründen zu Beginn des 9. Jahrhunderts in die karolingischen Enzyklopädien Aufnahme fand, sorgte dafür, dass er auch auf dem Kontinent eine umfassende Verbreitung fand. Trotz dieser Integration stellt De natura rerum ein in sich abgeschlossenes Werk dar, wurde von Beda allerdings zusammen mit dem komputistischen Text De temporibus als didaktische Einheit konzipiert und findet sich nach dem 9. Jahrhundert auch häufig gemeinsam in der handschriftlichen Überlieferung, die hier nach Westgard dargestellt ist.88 Mit 95,5 Handschriften – die krumme Zahl ergibt sich aus Westgards Zählung
81 Beda, Histoire ecclésiastique, hg. von Crépin und andere, v, 24, S. 22. 82 Eine aktuelle Übersicht über Bedas Biographie bietet Brown, ‚Bede’s Life in Context‘; zu seinem wissenschaftlichen Werk vgl. Contreni, ‚Bede’s Scientific Works‘; zum Text Englisch, Die Artes liberales im frühen Mittelalter, S. 71–80 und S. 242–62; vgl. außerdem Jones, ‚The Computistical Works of Bede‘, S. 125–29; daneben Stevens, ‚Bede’s Scientific Achievement‘, S. 6–16 sowie den knappen Überblick bei Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 182–83. 83 Beda, De natura rerum, hg. von Jones. 84 Zu den verwendeten Quellen vgl. vor allem die akribische Studie im Zusammenhang einer jüngst erschienenen Übersetzung in Beda, De natura rerum, hg. von Tinelli. 85 Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Beda)‘, S. 2. 86 Vgl. Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Beda)‘, S. 3. 87 Zur didaktischen Nutzung vgl. Jones, ‚Bede’s Place in Medieval Schools‘; Lipp, ‚The Carolingian Commentaries‘; Bober, ‚An Illustrated Medieval School-Book‘. 88 Vgl. Westgard, ‚Bede and the Continent‘.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts
Figur 3.8. Beda, De natura rerum. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
von Handschriften an Jahrhundertwenden als jeweils halbe Handschriften, die im Folgenden beibehalten wird – stellt De natura rerum nach Bedas komputistischem Hauptwerk De temporum ratione zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert seinen am zweitweitesten verbreiteten Text dar. In Detail ergibt sich unten stehende europaweite Verbreitung nach Westgard, die besonders mit Blick auf den deutlichen Rückgang der Überlieferung im 13. Jahrhundert bemerkenswert ist.89 Im Südosten lässt sich das Werk in 12 Handschriften vom 9. bis ins 13. Jahrhundert nachweisen und war damit in mindestens 14 Institutionen verbreitet (Fig. 3.8). Bibliothekskataloge: 1. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Beda de natura rerum et de temporibus in 1 volumine“. (MBK 4 Nr. 41) 2. Regensburg (Prüll), Saec. 12: „Liber Bede de natura rerum“. (MBK 4 Nr. 39) 3. Wessobrunn, Saec. 13: „Beda de naturis rerum“. (MBK 3 Nr. 63); Saec. 13: „Beda de naturis rerum“. (MBK 3 Nr. 64) Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 210, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram)90 2. Wien, ÖNB, MS Cod. 387, Saec. 9, Salzburg (Dom)
89 Allerdings wurde für die hier gegebene Aufstellung die von Westgard zusammengefassten Handschriften des 8. und 9. Jahrhunderts nach der Liste von Jones in Beda, De natura rerum, hg. von Jones getrennt. Da die Datierung dieser frühen Handschriften nicht immer einwandfrei zu treffen ist, ist die angegebene Zahl für diese Zeit allerdings mit Vorsicht zu genießen. 90 Entstanden in Salzburg, noch im 9. Jahrhundert in St. Emmeram.
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3. Wien, ÖNB, MS Cod. 522, Saec. 10, Salzburg (Dom) 4. Admont, SB, MS Cod. 111, Saec. 11, Admont 5. Bamberg, SB, MS Patr. 101, Saec. 11, Bamberg (Dom)91 6. München, BSB, MS Clm. 21557, Saec. 11, Freising (später Weihenstephan) 7. München, BSB, MS Clm. 17145, Saec. 12, Schäftlarn 8. Graz, UB, MS Cod. 297, Saec. 12, St. Lambrecht 9. Melk, SB, MS Cod. 348, Saec. 12, Melk 10. Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) 11. Klosterneuburg, SB, MS Cod. 685, Saec. 12/13, Klosterneuburg 12. Zwettl, SB, MS Cod. 296, Saec. 12/13, Zwettl Beda – De temporibus
Das frühe Mittelalter zeichnet sich auch durch die Schöpfung genuin eigener Wissensbestände aus, vor allem der Komputistik und der damit eng verbundenen Enzyklopädistik. Die Komputistik ist eine wissenschaftliche Disziplin, die versucht, ein komplexes, für den mittelalterlichen Alltag aber zentrales mathematisches Problem zu lösen, nämlich die Berechnung des Osterfestes.92 In ihrer frühen Phase beschränkte sich die Komputistik daher auf die Kalkulation und Nutzung von Ostertafeln, für die es seit ihrer Frühzeit konkurrierende Systeme und Versionen gab,93 bis sie spätestens im 8. und 9. Jahrhundert im Zuge der karolingischen Reformbemühungen vereinheitlicht wurden – ein Prozess, der sich gerade und recht früh im Regensburger Kloster St. Emmeram beobachten lässt. Dieses ausgeprägte Interesse am Computus äußerte sich daher alsbald auch in einer vermehrten Hinwendung zu seinen naturwissenschaftlichen Grundlagen und in der Folge zu einer Öffnung der bis dahin eher mathematisch-theologischen Disziplin. Auch wenn diese Kunst in erster Linie einem konkreten Zweck zu dienen hatte, so erschöpfte sich komputistische Literatur nur selten in der reinen Kalenderwissenschaft,94 sondern widmete sich spätestens seit dem frühen Mittelalter auch grundsätzlichen, von der Neugierde getriebenen Fragen nach den kosmologischen Grundlagen von Zeit. Hierfür schöpften die Autoren des Genres aus ganz verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen, darunter Astronomie und Naturphilosophie.95 Diese Öffnung des Computus, des vormals sehr eng definierten Wissenskanons, der lediglich der operativen Anwendung von Ostertafeln zur Bestimmung des Osterdatums diente, begann in der Mitte des 7. Jahrhunderts.96
91 Entstanden in Italien, wohl im 11. Jahrhundert in St. Emmeram. 92 Zur Einführung in Technik und Geschichte dieser komplexen mittelalterlichen Wissenschaft vgl. Krusch, Studien zur christlich-mittelalterlichen Chronologie; Jones, ‚Development of the Latin Ecclesiastical Calendar‘, S. 3–122; Borst, ‚Einleitung‘, S. 1–130; Wallis, ‚Introduction‘, S. xxx–lvi; Warntjes, ‚Introduction‘, S. xxx–li. 93 Vgl. den Überblick bei Borst, ‚Einleitung‘. 94 So etwa charakterisiert bei Wallis, ‚Introduction‘, S. xviii. 95 Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 35. 96 Vgl. Warntjes, ‚Introduction‘, S. xxxiii–xxxiv.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts
Komputistische Texte sind seit dieser Zeit in der Regel auch Fundgruben kleinerer oder größerer Wissenssplitter über den allgemeinen Charakter von Zeit und die kosmologischen und astronomischen Hintergründe dieses Phänomens. Sie oszillieren daher, je nach Interesse der Nutzer, zwischen epistemischem und instrumentellem Wissen. Besonders im 8. und 9. Jahrhundert formierte sich im Rahmen dieser Komputistik daher auch ein intensives astronomisches Studium, das sich auf Grundlage der römischen Astronomie und der kosmologischen Werke Isidors und Bedas in mittelalterlichen Abhandlungen niederschlug, die erst im Verlauf des 11. Jahrhunderts durch neuere Entwicklungen überholt wurden, allerdings bis weit ins späte Mittelalter bedeutsam blieben. Wenngleich Immo Warntjes mit Blick auf anonym überlieferte Vorläufer zurecht darauf hinweist, dass die Bedeutung Bedas für die Entwicklung der Komputistik tendenziell überschätzt wird,97 so müssen seine Schriften angesichts ihrer großen Verbreitung im Mittelalter doch als zentrale Beiträge zur Formierung dieser Disziplin gelten. Zunächst ist der komplementär zu De natura rerum konzipierte kleinere Text Bedas über die Zeit, De temporibus, zu nennen. Neben einem deutlichen Fokus auf eine komputistische Anwendbarkeit vermittelte er zu diesem Zweck auch allgemeines Wissen über die kosmologischen Grundlagen der Zeit.98 Gleich das erste Kapitel thematisiert die unterschiedlichen Facetten von Zeit, die sowohl eine kulturelle als auch natürliche Dimension besitzt,99 der sich zehn der zweiundzwanzig Kapitel des Textes widmen (Kapitel 1 bis 9 sowie 12), in dem sie die astronomischen Grundlagen der einzelnen Einheiten der Zeit thematisieren bzw. auf daraus resultierende Besonderheiten verweisen. Die übrigen Abschnitte befassen sich mit der Kunst, diese astronomischen Regelmäßigkeiten für die Osterberechnung nutzbar zu machen und den dabei auftretenden Schwierigkeiten. Das Werk schließt mit einer historischen Beschreibung der sechs Zeitalter ab. Bedas Büchlein über die Zeit ist als ein einführendes Lehrbuch in die Zeitrechnung zu verstehen und daher dem Bereich des instrumentellen Wissens zuzurechnen. Gerade Schüler sollten sich damit die ersten Grundlagen der Zeitberechnung und der dem Phänomen Zeit zugrunde liegenden kosmologischen Ursachen aneignen, auch wenn diese Inhalte entsprechend der Intention Bedas, mit De natura rerum und De temporibus zwei komplementäre und zusammengehörige Texte zu verfassen, eher gering ausfallen. In dieser propädeutischen Funktion scheint sich das Werk, das im Untersuchungsraum in sechs Handschriften und sieben Institutionen überliefert ist, zunächst einiger Beliebtheit erfreut zu haben, im zwölften und 13. Jahrhundert aber nicht mehr in großem Maße verbreitet worden zu sein. Zumindest für das 13. Jahrhundert entspricht dies auch der globalen Überlieferung, die bis zu diesem Zeitpunkt 63 Handschriften umspannt. Da der Text in den mittelalterlichen Katalogen
97 Vgl. Warntjes, ‚Irische Komputistik‘, S. 10. 98 Ediert in Beda, De temporibus, hg. von Jones; eine Übersicht zum Text bieten Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 185; außerdem Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Beda)‘. 99 Vgl. Beda, De temporibus, hg. von Jones, 1, S. 585.
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Figur 3.9. Beda, De temporibus. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
häufig gleich bezeichnet wird, wie das umfangreichere De temporum ratione, wird beiden Texten die gleiche Auflistung beigegeben (Fig. 3.9). Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Beda de temporibus II, virtutibus I“. (MBK 3 Nr. 91) 2. Regensburg (St. Emmeram), Saec. 10/11: „Beda I de temporibus“. (MBK 4 Nr. 26) 3. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Item de temporibus“. (MBK 4 Nr. 40); Saec. 12: „Beda de natura rerum et de temporibus in 1 volumine“. (MBK 4 Nr. 41) 4. Regensburg (Prüll), Saec. 12: „Ipse de temporibus“. (MBK 4 Nr. 39) 5. Weihenstephan, Saec. 11: „Beda compotista“. (MBK 4 Nr. 87) 6. Würzburg (Dom), Saec. 10/11: „Beda de temporibus et computatione“. (MBK 4 Nr. 129) 7. Zwettl, Saec. 13: „Beda de temporibus“. (MBKÖ 1 Nr. 73) Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 14746, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram) 2. Bamberg, SB, MS Patr. 101, Saec. 11, Bamberg (Dom)100 3. München, BSB, MS Clm. 29790(2, Saec. 11, Freising (Dom) 4. München, BSB, MS Clm. 21557, Saec. 11, Freising, später Weihenstephan 5. Zwettl, SB, MS Cod. 296, Saec. 12/13, Zwettl 6. Klosterneuburg, SB, MS Cod. 685, Saec. 12/13, Klosterneuburg
100 Entstanden in Italien, wohl im 11. Jahrhundert in St. Emmeram.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts Beda – De temporum ratione
De temporum ratione ist im Wesentlichen als Erweiterung von De temporibus angelegt, um die große Nachfrage nach komputistischem Wissen zur Berechnung des Osterfestes zu stillen,101 und enthält daher ebenfalls instrumentelles Wissen. Auch wenn in De temporum ratione der Fokus klar auf der komputistischen Nutzung liegt, überführt Beda trotzdem auch die kosmologischen Wissensbestände aus De natura rerum in neuer Ordnung in das Werk, das im Gegensatz zu den Vorgängern als in sich abgeschlossen konzipiert ist. Das Ergebnis seiner Bemühungen ist im Grunde nicht weniger als ein neues Genre, das Komputistik mit kosmologisch-astronomischen Wissensbeständen ergänzt und dieses Wissen in einem dritten Schritt mit historischen Wissensbeständen in eine religiös-eschatologische Beziehung setzt.102 Entsprechend dieser Zielsetzung ist der Text nicht nach den vier Elementen gegliedert, sondern Bedas Dreischritt unterworfen: Nach technischen Präliminarien, wie das Zählen mit den Fingern (Kapitel 1 bis 4), folgt ein großer komputistisch-kosmologischer Block (Kapitel 5 bis 65), in denen die kosmologischen und astronomischen Grundlagen der Zeit sowie die mathematischen Regeln und Techniken der wichtigen komputistischen Zyklen im Mittelpunk stehen. Informationen über den Aufbau des Kosmos sind dabei im Gegensatz zur De natura rerum und De temporibus klar dem bestimmenden Phänomen der Zeit nachgeordnet: Die Beschreibung der Welt in den Kapiteln 33 und 34 schließt sich quasi als Erklärung den Ausführungen über die wechselnde Länge des Tages an, während die gleiche Thematik in De natura rerum einen deutlich zentraleren und eigenständigeren Platz einnimmt. Die Kapitel 66 bis 71 beenden das Werk mit historischen Ausführungen zu den sechs Weltaltern und einem eschatologischen Ausblick auf die Endzeit.103 Aus einer kosmologischen Perspektive finden sich vor allem in den Kapiteln 5 bis 65 vielfältige Aussagen über den Aufbau des Kosmos in den Dimensionen von Raum und Zeit. Nach Jones ist allerdings festzuhalten, dass die praktischen und theoretischen Teile des Textes bereits früh auch getrennt überliefert wurden.104 Gleiches gilt für die historischen Abschnitte, die sich mitunter isoliert finden lassen. Diese Teilüberlieferung muss mit Blick auf den kosmologischen Gehalt der Handschriften beachtet werden. De temporum ratione ist der verbreitetste naturwissenschaftliche Text Bedas mit circa 130 Handschriften bis zum Ende des 12.
101 Vgl. Beda, De temporum ratione, hg. von Jones, S. 264 (in der Ausgabe von 1975). Der Text ist durch Jones in zwei Druckfassungen ediert, Beda, De temporum ratione, hg. von Jones 1943 sowie Beda, De temporum ratione, hg. von Jones 1975. Zum Text vgl. (in Auswahl) Jones, ‚The Computistical Works of Bede‘; Stevens, ‚Bede’s Scientific Achievement‘, S. 1–44; Borst, Computus, S. 42–58; Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 104–08; Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 184–85; Englisch, Die Artes liberales im frühen Mittelalter, S. 291–396. 102 Vgl. Wallis, ‚Introduction‘, S. lxviii. 103 Diese chronikalen Notizen sind ediert bei Beda, Generationum regnorumque laterculus Bedanus, hg. von Mommsen. 104 Beda, De temporum ratione, hg. von Jones, S. 242 (in der Ausgabe von 1975).
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Figur 3.10. Beda, De temporum ratione. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Jahrhunderts.105 Auch im Südosten hat sich das Werk einiger Beliebtheit quer durch die Institutionen erfreut (Fig. 3.10). Bibliothekskataloge (siehe auch Aufstellung zu De temporibus): 1. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Beda de temporibus II, virtutibus I“. (MBK 3 Nr. 91) 2. Regensburg (St. Emmeram), Saec. 10/11: „Beda I de temporibus“. (MBK 4 Nr. 26) 3. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Item de temporibus“. (MBK 4 Nr. 40); Saec. 12: „Beda de natura rerum et de temporibus in 1 volumine“. (MBK 4 Nr. 41) 4. Regensburg (Prüll), Saec. 12: „Ipse de temporibus“. (MBK 4 Nr. 39) 5. Weihenstephan, Saec. 11: „Beda compotista“. (MBK 4 Nr. 87) 6. Würzburg (Dom), Saec. 10/11: „Beda de temporibus et computatione“. (MBK 4 Nr. 129) 7. Zwettl, Saec. 13: „Beda de temporibus“. (MBKÖ 1 Nr. 73) Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 210, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram)106 2. München, BSB, MS Clm. 14725, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram) 3. Würzburg, UB, MS M.p.th.f. 46, Saec. 9, Salzburg (Dom)107
105 Vgl. Westgard, ‚Bede and the Continent‘, S. 211, dessen Angaben für die unten stehende Analyse unter Rückgriff auf Jones, ‚The Computistical Works of Bede‘, S. 144–61 für das 8. und 9. Jahrhundert differenziert wurden. 106 Entstanden in Salzburg, noch im 9. Jahrhundert in St. Emmeram. 107 Entstanden in St. Amand, vor 828 in Salzburg.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts
4. Wien, ÖNB, MS Cod. 522, Saec. 10, Salzburg (Dom) 5. Admont, SB, MS Cod. 111, Saec. 11, Admont 6. München, BSB, MS Clm. 18158, Saec. 11, Tegernsee 7. München, BSB, MS Clm. 21557, Saec. 11, Freising, später Weihenstephan 8. Graz, UB, MS Cod. 297, Saec. 12, St. Lambrecht 9. Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) 10. Klosterneuburg, SB, MS Cod. 685, Saec. 12/13, Klosterneuburg Hrabanus Maurus – De computo
Die enzyklopädische Masse sehr anspruchsvollen Wissens, das Beda vermittelte, mag für den Nutzer zuweilen erschlagend gewesen sein. Daher wurde sie schon bald zu didaktisch handlicheren Einheiten reduziert. Trotzdem enthielten auch diese Lehrbücher Kosmoswissen, die über die reine Berechnung des Osterfestes hinausgingen. Ein im Untersuchungsraum fassbares Beispiel dieser auf bedanischen Grundlagen aufbauenden Komputistik stellt das Werk De computo des Hrabanus Maurus dar.108 Hraban, der um 780 geboren wurde und später zunächst Mönch, dann Leiter der Klosterschule und letztlich Abt des Klosters Fulda war, bis er dann zum Erzbischof von Mainz aufstieg, kann wohl als klassischer Vertreter der karolingischen Reformgelehrsamkeit gelten, deren intellektuelles Bemühen immer auch eine praktische Komponente beinhaltete, die auf die korrekte Durchführung religiöser Handlungen abzielte. In diesem Zusammenhang verfasste er um 820 als Reaktion auf die Anfrage eines gewissen Marcharius mit der Bitte um Erklärung einiger schwieriger Sachverhalte ein komputistisches Handbuch.109 Dabei schöpfte Hraban selbst in erster Linie aus den bereits besprochenen Werken Bedas, daneben auch aus Isidors De natura rerum und dessen Etymologien.110 Er gruppierte sein Handbuch in fünf Abschnitte, die aufsteigend die relevanten Wissensgebiete besprachen, die zur Berechnung der Zeit und des Kalenders erforderlich waren. Aus kosmologischer Perspektive sind hier vor allem die Abschnitte zwei und drei relevant, die zunächst in das Phänomen Zeit einführen (Kapitel 9 bis 36) und dann die Gestirne und ihre Bewegungen thematisieren (37 bis 53): Hraban introduces celestial phenomena: sun, moon, planets, stars, and their relative motions. He named the seven planets, told how to recognize them, and mentioned some characteristics of their movements in the heavens. Then he led
108 Hrabanus Maurus, De computo, hg. von Stevens. Zum Text außerdem Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 322; Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 179–81; Englisch, Die Artes liberales im frühen Mittelalter, S. 397–469; Wiesenbach, ‚Einleitung‘, S. 55; Stevens, ‚Introduction to Hrabani De computo liber‘. Zu Hrabans im Südosten nicht überlieferten Hauptwerk De rerum naturis vgl. Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 313–17. 109 Vgl. zum historischen Kontext Stevens, ‚Introduction‘. 110 Vgl. Stevens, ‚Introduction‘, S. 177.
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Figur 3.11. Hrabanus Maurus, De computo. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
his students into an elementary acquaintance with the zodiac, describing the movement of all the planets but especially the sun and the moon through various constellations within and without the zodiac circle. The unusual phenomena of eclipses and comets were described, but more important were the regular solstices and equinoxes; and he supplied the general concepts of the heavenly sphere and the projected regions into which two spheres of heaven and earth are divided.111 Hrabans Computus bewegt sich damit völlig im Wissenshorizont der karolingischen Enzyklopädien und oszilliert in den entsprechenden Wissensbeständen zwischen epistemischem und instrumentellem Wissen. Seine Nutzung in der Vermittlung komputistischer Fertigkeiten rechtfertigt allerdings eine Gruppierung in den Bereich des instrumentellen Wissens. Insgesamt haben sich 16 Handschriften erhalten, drei davon aus dem Untersuchungsgebiet (Fig. 3.11). Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Liber Rabani de compoto“. (MBK 3 Nr. 90) Handschriften: München, BSB, MS Clm. 14221, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram) München, BSB, MS Clm. 14523, Saec. 10, Regensburg (St. Emmeram) München, BSB, MS Clm. 17145, Saec. 12, Schäftlarn
111 Stevens, ‚Introduction‘, S. 181.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts Helperich von Auxerre – Computus
Deutlich größerer Erfolg war dem inhaltlich ähnlichen Computus des Helperich von Auxerre beschieden. Für diesen mit 80 bekannten Handschriften „nach De temporum ratione erfolgreichste[n] Computus“ des frühen und hohen Mittelalters112 liegt allerdings bis heute keine angemessene moderne Edition vor.113 Auch Helperich war Schulleiter, zunächst in Auxerre, später in Grandvalle im Juratal, und verfasste diesen Text im Jahre 903 als Einführung in die ars compoti für seine Schüler. Inhaltlich basiert auch dieser Computus im Wesentlichen auf Beda, von dem Helperich nur selten abweicht. Helperich teilt seinen Computus in siebenunddreißig Kapitel und behandelt neben den erforderlichen Kalkulationen für das Osterfest zumindest in Grundzügen den Aufbau des Himmels (in erster Linie des Zodiaks) sowie die Bewegung der Gestirne (Kapitel 1 bis 4), später widmet er sich auch den Bewegungen bzw. Finsternissen von Sonne und Mond (Kapitel 19 bis 21). Besonderes Augenmerk legt Helperich in einem sehr ausführlichen Kapitel (31) auf die Beobachtung der Sonnwenden und Tagundnachtgleichen. Dem karolingischen Wissenshorizont blieb also auch dieser Text verpflichtet, erweiterte ihn aber um ein observierendes Element, das wohl in erster Linie eine epistemologisch-didaktische Funktion aufwies. Auch in diesem Fall erlaubt die Nutzung zur anwendungsorientierten Vermittlung komputistischen Wissens allerdings eine Identifikation als instrumentelles Wissen. Was die Überlieferung des Werkes anbelangt, so ist festzustellen, dass es sich bereits kurz nach seiner Abfassung einer im 11. und 12. Jahrhundert rasant steigenden Beliebtheit erfreute, die dann ab dem 13. Jahrhundert plötzlich abfällt. Insgesamt haben sich bis ins 15. Jahrhundert 79 Handschriften erhalten, von denen sich sieben im Südosten lokalisieren lassen. Insgesamt war es mindestens in 9 Institutionen vorhanden (Fig. 3.12).114 Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Michalsberg), Saec. 12: „Helberici II.“ (MBK 3 Nr. 91) 2. Blaubeuren, Saec. 11: „Elbericum calculatorium artis“. (MBK 1 Nr. 6) 3. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Compotus Alberici et Wierammi“. (MBK 4 Nr. 40) 4. Wessobrunn, Saec. 13: „Helphericus de arte calculatorum“. (MBK 3 Nr. 63)
112 Wiesenbach, ‚Einleitung‘, S. 52; für die wesentlichen Studien vgl. Wright, ‚Inedited Notices‘; Traube, ‚Computus Helperici‘; Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur, i, S. 446–49; van de Vyver, ‚Les œuvres inédites d’Abbon de Fleury‘; McGurk, ‚Computus Helperici‘. Daneben wird der Text behandelt in Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 323–24; Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 194–95; Borst, ‚Ein Forschungsbericht Hermanns des Lahmen‘, S. 411; Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 122; Wiesenbach, ‚Einleitung‘, S. 52–58. 113 Vgl. Warntjes, ‚Irische Komputistik‘, S. 24; der Text findet sich bislang nur als Abdruck in der Patrologia Latina: Helpericus, Liber de computo, hg. von Migne, Sp. 17–48. 114 Vgl. Jullien, ‚Helperic‘.
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Figur 3.12. Helperich von Auxerre, Computus. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 4563, Saec. 11, Benediktbeuern 2. München, BSB, MS Clm. 14070c, Saec. 11, Regensburg (St. Emmeram)115 3. München, BSB, MS Clm. 4622, Saec. 11/12, Benediktbeuern 4. Bamberg, SB, MS Lit. 160, Saec. 12, Bamberg (Dom) 5. München, BSB, MS Clm. 17145, Saec. 12, Schäftlarn 6. Nürnberg, GNM, MS 7062, Saec. 12, Bamberg (Michelsberg) 7. Zwettl, SB, MS Cod. 255, Saec. 12, Zwettl Kosmologisch-komputistische Fachenzyklopädien
Die bislang vorgenommene Ordnung konzipierte die verzeichneten Wissensbestände vor allem als, mit den Worten Arno Borsts, „literarische Werke persönlich verantwortlicher Autoren“.116 Dieses Vorgehen hat seine Berechtigung – erstens, weil die mittelalterlichen Kataloge, die die Basis dieser Analyse bilden, das in den Bibliotheken gelagerte Wissen in der Regel auf diese Weise verzeichnet haben und zweitens, weil diese literarischen Autorentexte als ein wichtiges Rückgrat der mittelalterlichen Wissenskultur gesehen werden müssen, etwa Beda, Isidor oder die genannten antiken Autoren. Drittens erlaubt dieses Vorgehen, der extremen Komplexität der handschriftlichen Realität Herr zu werden und damit eine handhabbare Analyse
115 Entstanden im 10. Jahrhundert, seit dem 11. Jahrhundert in St. Emmeram. 116 Borst, ‚Einleitung‘, S. 132.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts
zu gewährleisten. Dieses Vorgehen stößt aber spätestens bei der Aufnahme des Wissens aus dem Kontext der Komputistik an seine Grenzen, da namentlich identifizierbare Autoren(-texte) lediglich einen kleinen Teil des Gesamtbestandes ausmachen. Lediglich 14-mal lassen sich die im Südosten verzeichneten compoti mit den Autoren identifizieren, mit 40 Einträgen ist der überwiegende Teil dieser Wissensbestände in den Katalogen anonym verzeichnet. Dieser Befund muss in doppelter Hinsicht besondere Berücksichtigung erfahren. Zum einen deutet er darauf hin, dass die oben genannten Texte tatsächlich häufiger im Untersuchungsgebiet überliefert waren, als aus den Katalogen explizit hervorgeht, dort aber anonym verzeichnet waren. Zum anderen verweist diese Art der Verzeichnung aber auch auf den besonderen Charakter komputistischen Wissen, zu dessen Besonderheiten ab dem frühen Mittelalter die „Namenlosigkeit der Verfasser, Speicherung in Sammelhandschriften und Neigung zur Fortschreibung“117 zählten und die darüber hinaus allzu häufig verstreut in „herrenlosen Fragmenten“118 oder kleinsten Splittern in den Handschriften anzutreffen sind. Ein Beispiel für einen solchen Splitter ist der in Katalogen aus Salzburg und Prüfening verzeichnete Computus des Wichram, der nach Bοrst 882, nach Manitius 903 in St. Gallen für einen didaktischen Kontext entstand.119 Sein geringer Umfang von einigen wenigen Blättern spricht dafür, dass der Text hier nur stellvertretend für eine umfangreichere Handschrift verzeichnet wurde, vielleicht weil er auf den ersten Folia des Bandes geschrieben stand. Tatsächlich finden sich komputistische Wissensbestände nur selten isoliert in den Handschriften überliefert, sondern in der Regel im größeren Zusammenhang einer Sammelhandschrift, entweder in Form eines geplant angelegten Florilegiums bzw. Kompendiums oder aber – mit Borst bereits angedeutet – in sukzessive erweiterten Mischkodizes, die von Faith Wallis unlängst mit dem treffenden Begriff Album of Science belegt wurden.120 In beiden Fällen hätten diese Manuskripte lediglich als ein nicht näher spezifizierter computus Einzug in die Kataloge gehalten. Nicht nur geht das in diesen Kompendien und Mischkodizes enthaltene Wissen weit über die bloße Applikation mathematischer Formen zur Kalenderberechnung hinaus – erinnert sei hier nur an die bereits zitierte, breite Definition der frühmittelalterlichen Komputistik nach Warntjes –,121 vor allem schöpften diese Handbücher in hohem Maße aus der antiken Literatur, deren Autoren – etwa die bereits genannten Plinius, Macrobius, Hyginus oder Arat – zunächst vor allem solchen Exzerpten ihren mittelalterlichen Durchbruch verdankten.122 Wer diese schwer zu fassende, anonyme und äußerst fluide Handbuchliteratur des frühen Mittelalters
117 Borst, ‚Einleitung‘, S. 142. 118 Borst, ‚Einleitung‘, S. 174. 119 Vgl. zum Text Borst, ‚Einleitung‘, S. 261; Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 323; Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 184; Wiesenbach, ‚Einleitung‘, S. 56; Stevens, ‚Introduction to Hrabani De computo liber‘, S. 172; Stevens, ‚Introduction‘, S. 172–73; Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur, ii, S. 727–29; der Text ist nach der Emmeramer Handschrift gedruckt bei Braunmüller, ‚Wichrammi, Opusculum‘. 120 Wallis, ‚Albums of Science‘. 121 Vgl. Warntjes, ‚Introduction‘, S. xxxiii–xxxiv. 122 Vgl. Borst, ‚Einleitung‘, S. 177.
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zugunsten der großen Autorentexte nicht berücksichtigt, lässt ein besonders reiches Feld kosmologischen Wissens außen vor. Schon der sogenannte Münchner Computus – ein Erzeugnis der vorkarolingischen Komputistik, singulär überliefert im Emmeramer Kodex München, BSB, MS Clm. 14456 – beginnt nicht in medias res calculatoris, sondern fast philosophisch: „Tempus, quid est?“ – Was ist Zeit? Besonders im dritten Teil der Handschrift streift diese Frage den Bereich der Astronomie, vor allem in den Kapiteln 37 bis 39 über den Einfluss der Sonnenbahn auf die vier Jahreszeiten und die wechselnde Länge von Tag und Nacht,123 44 und 47, über den Aufbau des Weltalls und den vier Himmelsrichtungen der Welt,124 sowie zwei kleineren Abschnitten über den Mond (46 und 48).125 Besonders auffällig sind darüber hinaus eine Reihe von Kreisdiagrammen (rotae), die ab Folio 70r visuell Informationen über den Kosmos vermitteln, etwa über die 12 Winde (71v), den Kurs von Sonne und Mond ab 72r und 73r oder die verschiedenen klimatischen Zonen der Erde (73v).126 Auch wenn die im vierten Teil der Handschrift gegebenen großen Regensburger Annalen (Annales Sancti Emmerammi Ratisponensis Maiores) bis auf den Hinweis auf zwei kalte und trockene Winter gänzlich auf Angaben über natürliche und astronomische Phänomene verzichten,127 wird deutlich, dass besonders solche didaktisch aufbereiteten Texte einen besonderen Stellenwert bei der Vermittlung kosmologischer Wissensbestände hatten. Mit den karolingischen Fachenzyklopädien des frühen 9. Jahrhunderts erreichte dieser kosmologisch-astronomische Gehalt des Computus sowohl qualitativ als auch quantitativ eine neue Dimension. Diese Steigerung lässt sich sicherlich auf das zunehmende Interesse der karolingischen Könige und Kaiser, vor allem Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, an astronomischen Phänomenen zurückführen, dem die Gelehrten des Hofes mit der Rezeption römischer Astronomie begegneten, die dann auch Eingang in die Komputistik fand.128 Diese wurde in den großen Enzyklopädien nun nicht nur „auf antike Grundlagen gestellt“,129 sondern auch in einen so umfassenden kosmologischen und astronomischen Kontext eingebettet, dass sie die Gattung der Komputistik im Grunde sprengten: „Am ehesten“ waren diese Enzyklopädien „eine Synthese von Naturverständnis und Zeitbewußtsein, eine
123 Vgl. The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. 101–15. 124 Vgl. The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. 142–54, S. 160–62. 125 Vgl. The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. 154–65. 126 Vgl. Obrist, ‚La représentation carolingienne du zodiaque‘, S. 3–12; zur Ikonographie vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 41. Zur Diagrammatik der Handschrift außerdem Graff, ‚The Thirteenth Figure‘, außerdem Kühnel, The End of Time, S. 151–67. 127 Vgl. Annales sancti Emmerammi, hg. von Pertz, für das Jahr 763: „Hiemps magnus erat“ und für das Jahr 823: „Hiemps magnus, similiter siccitas grandis et famis valida“. 128 Vgl. die maßgebliche Studie von Eastwood, Ordering the Heavens. Außerdem Eastwood, ‚The Astronomies‘; Eastwood, ‚The Revival of Planetary Astronomy‘. Ein weiteres Erzeugnis dieses kaiserlich forcierten Interesses am Kosmos ist auch die kosmographische Erdbeschreibung des irischen Gelehrten Dicuil, die aufgrund ihrer singulären handschriftlichen Überlieferung in einer Handschrift des 9. Jahrhunderts aus dem Bamberger Kloster Michelsberg (Dresden, LB, MS Dc. 182), wo sie allerdings erst später gelegen haben kann, in dieser Studie nicht weiter berücksichtigt wird. 129 Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 160.
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Naturalis Historia.“130 Ein besonderes Denkmal dieser karolingischen Naturgeschichte ist sicherlich die Aachener Enzyklopädie, die 809 am Kaiserhof entstand, und Borst zufolge früher als 7-Buch-Computus, heute als libri computi bezeichnet wird. Diese umfangreiche Fachenzyklopädie – erstmals als Einheit in Borsts Schriften zur Komputistik im Frankenreich ediert131 – entstand 809 wohl im Umfeld des Hofes Karls des Großen, der die Gelehrten Europas um sich versammelte und dem im Zuge seiner Reformen auch an einer Standardisierung und Verbesserung der Zeitberechnung gelegen war.132 Die Enzyklopädie von 809 stand nun am vorläufigen Ende einer langen Beschäftigung mit dem Computus und den dieser Disziplin zugrunde liegenden Wissensbereichen. Das Ergebnis war „ein Mammutwerk, in sieben Bücher unterteilt und etwa 150 umfangreiche Kapitel zerlegt […]. Da entstand keine traditionelle Sammelhandschrift mehr, es sollte ein umfangreicher Kodex mit kanonischer Geltung werden.“133 Gleichzeitig bildete die so erstellte Enzyklopädie keine literarische Einheit. Vielmehr war sie das Ergebnis eines umfangreichen Kompilationsprozesses, in dem „zahlreiche ältere Werke, zumal Sammelhandschriften, durch[ge]sehen und exzerpier[t]“134 wurden, nicht nur Texte der frühmittelalterlichen Komputistik, sondern vor allem auch antiker Kosmologie: Hyginus, der Aratus latinus, Macrobius, Martianus Capella sowie die römischen Feldvermesser, nun erstmals ergänzt durch didaktische Diagramme und Illustrationen.135 Dadurch vermittelten diese Enzyklopädien nun nicht nur das Wissen zur korrekten Berechnung des Kalenders, sondern boten „so etwas wie eine Kartographie des Universums“ und vermittelten dadurch „eine umfassende Vorstellung vom Aufbau des Kosmos“.136 Während sich das erste und zweite Buch dieser Fachenzyklopädie vor allem mit dem Kalender und den zur Kalendererstellung notwendigen mathematischen Formeln und Einheiten befasste und dabei wenig kosmologisches Wissen vermittelte, stieg der kosmologische Gehalt in den folgenden Bücher an: Zunächst stand das Sonnenjahr im Mittelpunkt (Buch 3), dann der Mondmonat (Buch 4). Außerdem wird eine rudimentäre Methode zur Zeitmessung nach Palladius vorgestellt, mit der die Zeit etwas grob anhand der eigenen Schattenlänge bestimmt werden konnte. Das fünfte Buch befasste sich dann ausgiebig mit den kosmologischen Grundlagen der Zeit und führte in die Astronomie der Planeten und Fixsterne ein. Hier bezog man sich vor allem auf die bereits genannten antiken Autoren, die man exzerpierte und in die Kosmologie integrierte. Damit ist ein weiterer Punkt angesprochen, der besondere Berücksichtigung verdient. Die komputistischen Enzyklopädien der Karolingerzeit schöpften eben nicht
130 Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 164. 131 Libri computi, hg. von Borst. 132 Zur naturwissenschaftlichen Komponente dieser Reform vgl. in Übersicht Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 232–44; Eastwood, Ordering the Heavens, S. 1–30. 133 Die Aachener Enzyklopädie, hg. von Borst, S. 1055. 134 Die Aachener Enzyklopädie, hg. von Borst, S. 1057. 135 Vgl. Die Aachener Enzyklopädie, hg. von Borst, S. 1058; besonders zur Diagrammatik Eastwood, Ordering the Heavens. 136 Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 45.
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nur aus dem engeren Pool an komputistischem Wissen, sondern besonders mit Blick auf die astronomischen Wissensbestände auch auf Exzerpte antiker Autoren. Besonders Plinius war im frühen Mittelalter in erster Linie über solche Exzerpte verfügbar, die sich mit den kosmologischen Inhalten seiner Naturgeschichte befassten, und damit bei der Bewertung der Überlieferung des antiken Autors zu berücksichtigen sind.137 Wie viele der in den mittelalterlichen Katalogen lediglich als Computus bezeichneten Kodizes auch solche Exzerpte enthielten, darüber lässt sich in der Rückschau leider nur spekulieren. Dieser antiken Blütenlese schloss sich in Buch 6 eine Metrologie an. Sie thematisierte Gewichte und Maße, darunter auch den Durchmesser der Erde oder die Größenverhältnisse der Himmelskörper. Auch die Messung der Zeit fand hier Berücksichtigung. Als 7. Buch fügte man dieser Enzyklopädie dann vollständig Bedas De natura rerum an.138 Damit vermittelten diese Enzyklopädien ihren Lesern ein zwar heterogen aufbereitetes, insgesamt aber durchaus umfassendes Wissen vom Kosmos, der Zeit und den Grundlagen ihrer Messung. Aufgrund dieser Fülle und der Konzeption als programmatische Nachschlagewerke sind diese Enzyklopädien daher dem Bereich des epistemischen Wissens zuzurechnen. Es verwundert nicht, dass sich die Aachener Enzyklopädie von 809 heute noch in 205 Textzeugen fassen lässt, von denen allerdings nur ein kleiner Teil – fünf Handschriften – das Werk in Gänze überliefert. 42 Handschriften bieten immerhin eine gekürzte Fassung des Stoffes, weitere 40 schöpfen lediglich aus weniger als drei Büchern der sieben. 118 Handschriften übernahmen nur kleinere Splitter, etwa einzelne Kapitel. Diese letzte Gruppe wurde in der folgenden Aufstellung nicht berücksichtigt. Da sich die Enzyklopädien aufgrund ihrer anonymen Überlieferung nicht in den Bibliothekskatalogen identifizieren lassen, kann für die Identifikation von Exemplaren in der Untersuchungsregion nur auf den handschriftlichen Überrest zurückgegriffen werden. Hier lassen sich 9 Handschriften nachweisen, die wohl aus 7 verschiedenen Institutionen stammen und zumindest Auszüge aus der Enzyklopädie von 809 enthalten (Fig. 3.13). Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 210, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram) 2. München, BSB, MS Clm. 13084, Saec. 9, Freising (Dom) 3. München, BSB, MS Clm. 14456, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram) 4. Wien, ÖNB, MS Cod. 387, Saec. 9, Salzburg (Dom)
137 Diese Exzerpte sind in der Handschriftenliste von Arno Borst gekennzeichnet, wurden aber aufgrund der nicht erfolgten Datierung der Handschriften dieser Liste nicht berücksichtigt. Es handelt sich um circa siebzig Kodizes, die durch Borsts Edition der komputistischen Enzyklopädien weitgehen abgedeckt sind. Vgl. Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 360–74; zu den als Yorker Exzerpten bekannten Auszüge vgl. Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 162–63; ediert und in ihrem Überlieferungskontext untersucht von King, ‚An Investigation of Some Astronomical Excerpts‘; zum Verhältniss der Exzerpte zu den in der Karolingerzeit entstehenden astronomischen Diagrammen vgl. Eastwood und Graßhoff, Planetary Diagrams, S. 3–6. 138 Vgl. Die Aachener Enzyklopädie, hg. von Borst, S. 1058–64.
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Figur 3.13. Kosmologisch-komputistische Fachenzyklopädien. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
5. Bamberg, SB, MS Class. 55, Saec. 11, Bamberg (Dom)139 6. Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 3101, Saec. 11, Illmünster 7. München, BSB, MS Clm. 14836, Saec. 11/12, Regensburg (St. Emmeram) 8. Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 643, Saec. 12, Melk 9. Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) Besonders mit Blick auf die regionale Überlieferung der Aachener Enzyklopädie muss auch auf ein Derivat dieses Handbuches hingewiesen werden, das auf dessen Grundlage nur wenig später wohl zwischen 810 und 818 unter dem Salzburger Erzbischof Arn entstand: Die sogenannte Salzburger Enzyklopädie von 818,140 die den Aachener Vorläufer nochmal in Umfang und Vollständigkeitsanspruch übertraf und in drei Bücher mit 115 Kapitel gegliedert war, von denen der kosmologische Bestand im letzten Viertel größtenteils aus der Aachener Vorlage stammt.141 Da sich allerdings mit München, BSB, MS Clm. 210 und Wien, ÖNB, MS Cod. 387 zwei vollständige Exemplare dieser Enzyklopädie im Untersuchungsgebiet – und Regensburg selbst – befanden, sei der Text hier nochmal hervorgehoben. Mit diesen reich illustrierten Handschriften ist außerdem ein wesentlicher Punkt angesprochen, der bislang nur am Rande Erwähnung gefunden hat. Nicht nur schöpften die karolingischen Enzyklopädien aus antiken Autorentexten, sondern besonders mit Blick auf die Astronomie der Sternbilder auf die Text- und Bild-Tradition der Aratea-Schriften, die bereits im Kapitel zu Hyginus angesprochen wurde. So 139 Entstanden im 9. Jahrhundert in Fleury, seit dem 11. Jahrhundert in Bamberg. 140 Der Text ist ediert als Liber calculationis, hg. von Borst. 141 Die Salzburger Enzyklopädie, hg. von Borst, S. 1370.
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schöpfte die Salzburger Enzyklopädie aus den Sternbildbeschreibungen des Aratus latinus, die in einen illustrierten Sternbildkatalog (De ordine ac positione stellarum in signis) überführt wurden.142 Auf diese Weise vermischten sich die verschiedenen Textfassungen und Bilderzyklen dieser Tradition in jeweils individueller Art und Weise mit den komputistischen Inhalten der Enzyklopädien und wurden so zum festen, aber inhaltlich durchaus fluiden Bestandteil komputistisch-astronomischer Kompendien, in denen die Kompilatoren eigenständig Text- und Bildelemente der Tradition miteinander vermischten.143 So entstanden äußerst komplexe Rezeptionszusammenhänge der Arateatradition (inklusive der Astronomia des Hyginus), die sich detaillierter darstellen ließen.144 Für den vorliegenden Zweck ist allerdings entscheidend, dass sich die überlieferten Handschriften der Aratea in ihrer genauen Textzusammensetzung erheblich unterscheiden und neben längeren Textpassagen der jeweiligen Arat-Fassung in der Regel auch eine hohe Dichte an kompilierten Exzerpten aufweisen.145 Ebenso heterogen ist die Tradition der im Zusammenhang mit den Texten überlieferten Illustrationen, die in der Regel aus kosmologischen Diagrammen,146 Karten des Sternenhimmels147 sowie Abbildungen einzelner Sternzeichen bestehen.148 Zwar lassen sich hier gewisse Überlieferungs-Gruppen bilden und Zusammenhänge mit bestimmten Texttraditionen herstellen, häufig bedienten sich die Urheber der Kompendien aber recht frei dieser Auswahl an Illustrationen und kombinierten sie unter Auslassung oder Hinzufügung bestimmter Abbildungen mit den verschiedensten Texten der oben beschriebenen Aratea-Tradition.149 In der Folge gleichen sich nur selten zwei Handschriften sowohl in Text, Bild und dem kodikologischen Überlieferungskontext. Auch in diesem Fall lässt sich daher festhalten, dass sich hinter einem anonym als computus verzeichneten Kodex in größerem Umfang Inhalte dieser komplexen und reichhaltigen Aratea-Tradition verbergen könnten, die sich dann allerdings über die kryptischen Angaben der Kataloge nur schwer fassen und näher charakterisieren lassen. Auch die überlieferten Handschriften lassen sich aufgrund dieser hohen Individualität nur schwer klassifizieren, verschiedene Auflistungsversuche zeigen aber die durchaus große Verbreitung dieser astronomischen Sammlungen. Während Dolan lediglich die beiden Textfassungen von Cicero und Germanicus bis ins 15. Jahrhundert mit 63 Handschriften verzeichnet,150 sammeln Blume, Haffner und 142 Vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 44. 143 Vgl. Dolan, Astronomical Knowledge Transmission, S. 106. 144 Vgl. hierzu Einführung und Katalog bei Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i sowie aktuell Dolan, Astronomical Knowledge Transmission. 145 Vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 23. 146 Vgl. hierzu vor allem Eastwood, Ordering the Heavens. 147 Vgl. zu diesem Komplex vor allem Dekker, Illustrating the Phaenomena. 148 Vgl. zu diesem Bereich vor allem Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i. Verwiesen sei auch auf das umfangreiche Text- und Bildmaterial von Kirsten Lippincott unter . 149 Dolan, Astronomical Knowledge Transmission, S. 385. 150 Vgl. Auflistung und Beschreibung bei Dolan, Astronomical Knowledge Transmission, S. 379–416.
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Figur 3.14. Illustrierte Aratea-Handschriften. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Metzger textübergreifend die 68 illustrierten Handschriften der Tradition bis ins 13. Jahrhundert.151 Besonders bei dieser illustrierten Gruppe fällt auf, dass sie häufig gemeinsam mit oder im Rahmen der karolingischen Enzyklopädien und ihrer Derivate überliefert sind (Fig. 3.14). Überlieferung illustrierter Aratea-Handschriften: 1. Wien, ÖNB, MS Cod. 387, Saec. 9, Salzburg (Dom) 2. München, BSB, MS Clm. 210, Saec. 9, Regensburg (St. Emmeram) 3. Austin, UT, MS HRC 029, Saec. 11, Tegernsee 4. Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 643, Saec. 12, Melk 5. Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) 6. Klosterneuburg, SB, MS Cod. 685, Saec. 12/13, Klosterneuburg 7. London, BL, MS Arundel 339, Saec. 12/13, Kastl 8. Wolfenbüttel, HAB, MS Guelf.18.16.Aug.4°, Saec. 12/13, Umkreis Regensburg 9. Zwettl, SB, MS Cod. 296, Saec. 12/13, Zwettl Das Kosmoswissen des hohen Mittelalters Hermann von Reichenau – Computistica
Der Computus des Mittelalters war mehr als ein Werkzeug zur Berechnung des Kalenders. Besonders im frühen Mittelalter stellte er außerdem einen Rahmen dar,
151 Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i.
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in dem ganz verschiedene kosmologische Wissensbestände aus unterschiedlichen Traditionen in eine Beziehung gesetzt wurden und so ab dem 8. Jahrhundert zu einer Art naturwissenschaftlicher Kanonbildung auf der Grundlage der römischen Astronomie führten, dessen Ergebnis mindestens bis ins 11. Jahrhundert Bestand haben sollte. Erst die Zeitgenossen des hohen Mittelalters stellten die Inhalte dieses Kanons unter dem Eindruck des nun rezipierten Wissens aus dem islamischen Herrschaftsgebiet in Frage, insbesondere auch im engeren Bereich der Komputistik, die sich nun vermehrt mit exotischen Kalendersystemen befasste und zunehmend den aus der Karolingerzeit tradierten Wissensbestand hinterfragte. Besonders in der hier untersuchten Region um Regensburg scheint dieser Prozess eine wichtige Rolle gespielt zu haben.152 Dieses lebendige wissenschaftliche Klima im Südosten, in dem die neuen und innovativen Inhalte aus dem Islamikat begierige Aufnahme fanden,153 bestand bereits seit der Mitte des 11. Jahrhunderts. Eine wichtige Rolle spielte hierbei Hermann von Reichenau.154 Mit Blick auf seinen Beitrag zum Kosmoswissen der Zeit sind vor allem zwei Bereiche seiner Studien bedeutsam: Zum einen seine als astrolabica bezeichneten Texte zur Zeitmessung anhand astronomischer Instrumente – hiervon wird später noch zu reden sein – und zum anderen seine Schriften zur Komputistik, in denen er unter Berücksichtigung der Tradition durchaus innovative Wege beschritt und damit als Brücke oder „Eckstein“ zwischen der bereits thematisierten karolingischen Wissenschaft und den Weiterentwicklungen des 12. Jahrhunderts fungierte.155 So unklar die Biographie des Mönches im Einzelnen erscheint,156 so klar tritt sein Werk hervor: Drei Beiträge widmete Hermann der Komputistik, die sich zwar durchaus auf die Tradition bezogen, diese aber – anders als etwa Hraban oder Helperich – nicht einfach neu formulierten, sondern durch eigene Ideen und
152 Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 53. 153 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Rolle des in Bamberg weilenden Spaniers Bernhard im Rahmen der dort gepflegten komputistischen Studien in Weikmann, ‚Einleitung‘, S. 4–6; Meyer, ‚Weltchronistik und Computus‘, S. 781–83. 154 Die bisherige Forschung zu Hermann und seinem Wirken ist konzise dargestellt in Heinzer und Zotz, ‚Vorwort‘; hervorheben muss man sicherlich die umfangreichen Studien von Arno Borst, die in einem leider unvollendet gebliebenen Editionsvorhaben zu Hermanns Schriften der Zeitberechnung und Zeitmessung mündeten, das gegenwärtig durch Immo Warntjes zum posthumen Druck gebracht wird und mir im Vorfeld dankenswerterweise zur Verfügung gestellt wurde. Einen vorläufigen Höhepunkt der Forschung bildet der 2016 erschienene Sammelband Heinzer und Zotz, Hgg., Hermann der Lahme, der das Bild Hermanns und seines Schaffens an vielen Stellen korrigiert und vor allem ergänzt. 155 Vgl. Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 281, Zitat ebd., der in seinem Fazit allerdings davor warnt, hierin einen das alte Wissen gleichsam revolutionär ablösenden Wendepunkt zu sehen, vgl. S. 321. 156 Eine knappe Übersicht über Leben und Tod Hermanns bieten Borst, ‚Hermann der Lahme, Oblate in Reichenau‘ sowie Borst, ‚Der Tod Hermanns des Lahmen‘; Borst, ‚Ein Forschungsbericht Hermanns des Lahmen‘; neuere Thesen zur Biographie sind zusammengefasst bei Berschin, ‚Ego Herimannus‘; bereits etwas älter Oesch, Berno und Hermann von Reichenau, S. 117–34; das familiäre Umfeld Hermanns beleuchtet Zotz, ‚Hermann und seine Familie‘; zum klösterlichen Kontext seines Wirkens Maurer, ‚Hermanns des Lahmen Kloster‘.
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Innovationen erheblich weiterentwickelten. Hierzu zählt vor allem sein Hauptwerk, die 1042 verfasste Abbrevatio compoti, sowie die wohl zeitgleich zu datierende Epistola ad Herrandum. Etwas später, zwischen 1049 und 1054, also kurz vor seinem Ableben, verfasste er außerdem den kleineren, aber wichtigen Text Prognostica.157 Seine Abbrevatio konzipierte Hermann erkennbar in zwei getrennten Teilen, von denen der zweite sich mit Spezialproblemen der Komputistik befasste, der erste aber als eine Art Handbuch fungierte. Dieser Teil beschränkte sich auf „die technisch-funktionale Ebene“158 dieser Disziplin und eignete sich daher hervorragend als Lehrbuch, in dessen Rahmen Hermann vor allem im ersten Kapitel die „allgemeinen kosmologisch-astronomischen Hintergründe“159 des Faches vermittelte: Damit einher geht eine knappe Schilderung des Aufbaus des Universums sowie der Bewegung der Himmelskörper, insbesondere von Sonne und Mond. Diesen Passagen des Kosmoswissens folgt zunächst eine Einführung in die zur Zeitberechnung notwendigen Größen, insbesondere mit Blick auf das Sonnenjahr. Danach widmet sich Hermann den Grundlagen und Größen der Mondkomputistik, vor allem der Berechnung des Mondalters. Den Abschluss dieses ersten Teils liefert die klassische Berechnung des Osterfestes auf der Grundlage der vermittelten Inhalte.160 Mit Blick auf die Kategorien von Wissen enthält dieser erste Teil also vor allem klassisches kosmologisches Wissen, das aber in einem Anwendungsbezug zur Komputistik steht. Etwas schwieriger stellt sich die Bewertung des zweiten Teils der Abbreviatio sowie seiner komputistischen Epistola dar, die sich beide einem von Hermann aufgeworfenen Spezialproblem der Komputistik widmen, nämlich der exakten Länge des synodischen Mondmonates, also der exakten Zeitspanne zwischen zwei Neumonden. In der Bewertung dieser Frage nimmt Hermann dabei eine Haltung ein, die Germann zu Recht als traditionskritisch bezeichnet hat, wirft er doch der älteren Komputistik und insbesondere Beda einen schwerwiegenden Irrtum vor, wenn dieser die Dauer einer Lunation mit genau 29,5, jener mit etwas weniger als 29,5 Tagen angibt. Demgegenüber ermittelte Hermann eine Dauer, die 29,5 Tage um knapp eine ¾ Stunde überstieg, und reformierte auf dieser Grundlage den Mondkalender seiner Zeit, den er zurecht nicht im Einklang mit der astronomischen Realität sah. Zwar verzichtete Hermann darauf, diese Ergebnisse für eine Korrektur
157 Vgl. für eine aktuelle Einschätzung und Darstellung dieser Werke Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘; außerdem ausführlich bei Germann, De temporum ratione, S. 177–285, hier auch Transkriptionen der – bis zum baldigen Erscheinen der Edition von Borst und Warntjes – noch unedierten Abbreviatio sowie den Prognostica, S. 311–50; daneben immer noch grundlegend Borst, ‚Ein Forschungsbericht Hermanns des Lahmen‘, nicht zuletzt wegen der darin enthaltenen Edition der Epistola, S. 474–77. Eine insbesondere mit Blick auf das Nachleben umfangreiche Einordnung dieser Texte in die Geschichte der Komputistik bei Borst, ‚Einleitung‘, S. 99–108. Zur Besprechung von Bergmann, ‚Chronographie‘; vgl. hierzu die Kritik von Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 291, Anm. 17. Außerdem die älteren Studien von Cordoliani, ‚Le computiste Hermann de Reichenau‘, sowie die Übersicht bei Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 329–34. 158 Germann, De temporum ratione, S. 199. 159 Germann, De temporum ratione, S. 200. 160 Für eine umfassende inhaltliche Analyse vgl. Germann, De temporum ratione, S. 199–213; außerdem Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 304–09.
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der Osterberechnung zu nutzen, doch dafür übertrug er seinen Ansatz in seinen Progonostica auf ein anderes, naturwissenschaftlicheres Gebiet, nämlich auf die Prognose von Sonnen- und Mondfinsternissen.161 Diese Vorberechnung basierte auf der seit dem frühen Mittelalter bekannten Regel, dass Finsternisse jeweils nur bei Voll- (Mondfinsternis) bzw. Neumond (Sonnenfinsternis) eintreten können, und zwar nur dann, wenn die Mondbahn die Ekliptik schneidet. Diese Gesetzmäßigkeit schilderte Hermann und nahm sie noch einmal zum Anlass, seinen Mondkalender zu verfeinern, indem er eine historisch bezeugte Sonnenfinsternis – und damit einen exakt datierbaren Neumond als dessen Basis wählte. Zum anderen versuchte er sich an der schwierigen „mathematischen Modellierung […] der Ekliptikschnittpunkte des Mondumlaufs“.162 Einig ist sich die Forschung in der Bewertung dieser kritischen Studien und ihrer wichtigen Rolle für die Komputistik der Zeitgenossen und des hohen Mittelalters, denn „sie schätzten Hermanns Werk als Denkanstoß, als Streitschrift über die möglichst exakte mathematische Modellierung der synodischen Mondphasen. Einige […] versuchten Hermanns Ansatz zu verfeinern und zu präzisieren, andere ließen sich eher durch Hermanns versteckte Grundsatzkritik inspirieren und suchten nach Alternativen“,163 die sie letztlich in die exotischen Gefilde der arabischen und jüdischen Kalenderwissenschaften und Mathematik führen würde, die insbesondere und früh auch in Bayern Rezeption erfuhr, und dabei in einen handschriftlichen Kontext zu Hermanns Schriften gestellt wurde.164 Uneinigkeit herrscht allerdings in der Bewertung von Hermanns Methodik und dem Charakter des in seinen komputistischen Texten enthaltenen Wissens sowie über den Innovationsgrad desselben. So betont Bergmann, Hermann habe seine Kritik an den hergebrachten Wissensbeständen auf der Grundlage empirischer Beobachtungen und astronomischer Messungen formuliert.165 Dem widerspricht insbesondere Warntjes vehement und hebt hervor, dass es sich bei Hermanns Ergebnissen „nicht um einen auf Beobachtungen fußenden oder auf neuen Daten empirisch bestimmten Wert“ handelt, „sondern einzig um eine Rechenaufgabe auf Grundlage allseits und seit Jahrhunderten bekannten Parameter.“166 Auch wenn Hermann in seinen Studien tatsächlich mit der augenscheinlichen Abweichung des berechneten Mondalters zum sichtbaren argumentiert,167 kann sein Schaffen im Rahmen seiner computistica jedoch kaum als empirisch grundierte Astronomie gedeutet werden.168 161 Vgl. zur inhaltlichen Analyse der Epistola Germann, De temporum ratione, S. 185–98 sowie S. 214–18; außerdem Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 294–304. 162 Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 293. 163 Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 313. 164 Vgl. zu diesem Nachwirken Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 313–20 sowie Nothaft, ‚The Reception and Application‘. 165 Bergmann, ‚Chronographie‘, S. 106. 166 Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 289. 167 Vgl. Germann, De temporum ratione, S. 214. 168 Zu diesen Nachkommen ist auch der Computist Gerland zu zählen, dessen Computus sich ebenfalls in der Region nachweisen lässt, allerdings lediglich in zwei Handschriften, Erlangen, UB, MS 186 sowie Zwettl, SB, MS Cod. 255. Dass diese Handschriften neben Gerland auch Hermann überliefern,
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Stattdessen basierten Hermanns Erkenntnisse in komputistischer Tradition vor allem auf arithmetischen Operationen, mit denen er die genaue Länge des synodischen und siderischen Monats berechnete. Dementsprechend mahnt besonders Warntjes zur Vorsicht, dem Mönch vom Bodensee zu viel Innovationskraft zuzusprechen, dessen zweifellos wichtige Studien letztlich doch eng der komputistischen Tradition verhaftet blieben.169 Demgegenüber betont Germann, dass Hermanns Studien aus einem ganz anderen Grund als innovativ zu gelten haben, nämlich was ihren epistemischen Anspruch angeht. Nicht nur zeige sich in Hermanns Denken eine beeindruckende Bereitschaft zur Kritik an seinen Vorgängern, auch äußere sich in seinem Werk ein bis dato ungekanntes Maß an Bereitschaft und Fähigkeit zum modellhaften Denken über den Kosmos und der Erkenntnis, dass die „mathematische Modellierung“170 der kosmischen Phänomene durch die Komputistik letztlich ein Sprechen über die kosmische Wirklichkeit darstellt.171 Hermanns Innovationskraft liegt daher nicht in einer offenkundigen Abkehr von den Methoden seiner Vorgänger, etwa hin zur empirischen Observation, sondern ist subtiler und in einer epistemologischen Verschiebung des wissenschaftlichen Instrumentariums der Komputistik zu suchen, hin zur Mathematik, die damit die Adaption der mathematischen Astronomie aus dem arabischen Raum im 12. Jahrhundert epistemisch vorbereitet. Aus dieser Feststellung ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit mit Blick auf die Kategorisierung des bei Hermann vermittelten Wissens, nämlich die Frage, ob es sich bei diesem Wissen überhaupt um kosmologisches Wissen im Sinne dieser Untersuchung handelt, oder ob es dabei letztlich nicht vielmehr um die Lösung eines rein mathematischen Problems oder um die Formulierung eines mathematischen Modells geht, dessen Bezug zur physikalischen Realität lediglich im Hintergrund besteht. Dem lässt sich – abgesehen von den eindeutig kosmologischen Wissensbeständen im ersten Teil der Abbrevatio – entgegenhalten, dass auch eine mathematische formulierte Aussage über den Kosmos eine Aussage über den Kosmos bleibt. Hermanns Berechnungen der Dauer einer Lunation oder dem Auftreten einer Eklipse sind damit durchaus als Kosmoswissen zu verstehen, zumal er diese Berechnungen letztlich nicht für die kalendarische Osterberechnung nutzt, sondern ein genuines Interesse an der mathematischen Durchdringung dieser kosmischen Phänomene zeigt. In diesem Sinn könnte das bei Hermann vertretene Wissen sogar als epistemisches Wissen gedeutet werden. Da er letztlich aber ein konkretes Ziel vor Augen hat, nämlich die Schaffung eines verlässlichen Mondkalenders sowie die Prognose von Eklipsen, und mit der von ihm vertretenen Methode der mathematischen Wirklichkeitsbeschreibung ein besonders ab dem 12. Jahrhundert zunehmend genutztes Instrumentarium der Astronomie propagiert, rechne ich Hermanns computistica im Folgenden zum Bereich des instrumentellen Wissens. verdeutlicht, dass die inhaltliche Nähe der beiden Computisten auch durch die Zeitgenossen erkannt wurde. Zu Gerland siehe Gerland, Der Computus Gerlandi, hg. von Lohr; Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 336–37; Borst, ‚Ein Forschungsbericht Hermanns des Lahmen‘, S. 465–66; Wiesenbach, ‚Einleitung‘, S. 102–03; Moreton, ‚Before Grosseteste‘, S. 562–69. 169 Vgl. Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 293. 170 Warntjes, ‚Hermann der Lahme und die Zeitrechnung‘, S. 287. 171 Vgl. Germann, De temporum ratione, S. 190–95.
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Figur 3.15. Hermann von Reichenau, Computistica. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Die Überlieferung der komputistischen Werke im Untersuchungsgebiet ist nicht ganz eindeutig. Die mittelalterlichen Bibliothekskataloge der Region verzeichnen Hermanns computistica lediglich im Bamberger Kloster Michelsberg, hier allerdings gleich drei Mal und etwas unscharf als Hermanns compotus bezeichnet. Inhaltlich eingrenzen lässt sich diese Angabe allerdings durch die umfangreiche handschriftliche Überlieferung, von der sich acht Handschriften in Bayern und Österreich lokalisieren lassen, drei davon lediglich ungenau. Da keine dieser Handschriften Hermanns singulär erhaltene epistola enthalten, allerdings fünf, darunter eine Bamberger Handschrift Michelsberger Provenienz, die Abbrevatio gemeinsam mit den Prognostica überliefern, verbirgt sich hinter dem verzeichneten Compotus Hermanni wohl ein Ensemble beider Schriften. Insgesamt beläuft sich die Überlieferung dieser beiden Werke auf 21 Handschriften, die besonders im 11. und 12. Jahrhundert kopiert wurden (Fig. 3.15). Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Compotus Hermanni et mensura astrolabii in uno volumine, Compotus Hermanni cum regulis ipsius in abacum“ sowie „Compotus Hermanni et mensura astrolabii“. (MBK 3 Nr. 90) Handschriften: 1. London, BL, MS Arundel 356, Saec. 11, Augsburg (AC+P) 2. München, BSB, MS Clm. 14708, Saec. 11, Regensburg (St. Emmeram) (AC+P) 3. Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 3101, Saec. 11, Illmünster (AC+P) 4. Karlsruhe, BLB, MS 504, Saec. 11/12, Bamberg (St. Michelsberg) (AC+P) 5. Bamberg, SB, MS Lit. 160, Saec. 12, Bamberg (Dom) (AC) 6. Rochester, S. ML, MS 1, Saec. 12, Umkreis Würzburg (AC+P)
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7. Wien, ÖNB, MS Cod. 2453, Saec. 12, Salzburg, St. Peter (AC) 8. (Leipzig, UB, MS 328, Saec. 12, Südostdeutschland? (AC)) Astrolabica: Das ältere und jüngere Korpus der Astrolabliteratur
Nicht nur im Computus, auch im engeren Bereich der Astronomie trat etwa ab der Jahrtausendwende ein tiefgreifender Wandel ein. Im Gegensatz zur Komputistik revolutionierte dieser ungleich radikaler den oben dargelegten Kanon des frühmittelalterlichen Wissens über den Kosmos und seine Phänomene, der, wie gezeigt, vor allem auf in der Karolingerzeit verbreiteten Texte der römischen Antike, komputistischen Kompilationen und patristischen Kommentaren basierte. Diese Texte vermittelten eine Astronomie, die, mit Bruce Eastwood gesprochen, vor allem eine qualitative Astronomie war, die den Kosmos als eine geometrische Struktur konzipierte. Die mathematische Durchdringung oder exakte Beobachtung dieser Phänomene – von den arithmetischen Formeln und Tabellen der Komputistik einmal abgesehen – lässt sich zwar bereits im frühen Mittelalter beobachten,172 war in dieser Form aber weniger verbreitet. Wer vor dem Jahr 1000 in den Himmel blickte, der fragte in der Regel nach der korrekten Reihenfolge der Planeten oder suchte eine Erklärung für eine auftretende Mondfinsternis.173 Gerade astronomische Instrumente spielten in dieser geometrischen Astronomie daher eine eher untergeordnete Rolle.174 Dies änderte sich grundlegend mit der Rezeption der arabischen Astronomie im 11. Jahrhundert. Hier fanden die Gelehrten des Mittelalters nicht nur neue Antworten auf alte Fragen, sondern auch eine völlig neuartige Konzeption der Astronomie und der dahinterliegenden Vorstellung des Kosmos, die sich auf die mathematische Astronomie der griechischen Antike stützte. Sie begnügte sich nicht mehr mit der Frage nach der Reihenfolge der Planeten, ihrer Umlaufbahn oder der ungefähren Lage von Sternzeichen. Sie strebte nach der präzisen Vermessung des Alls „mit Zahlen und Gradangaben“, und beginnt, „den Himmel mit Koordinaten zu überziehen.“175 Im Zentrum dieser Entwicklung steht die Adaption des Prinzips der Einteilung des Himmels in Höhengrade von neunzig Grad, ausgehend vom eigenen Horizont, mit deren Hilfe sich die exakte Höhe eines Gestirnes anhand einer entsprechenden Messvorrichtung bestimmen lässt. Verbreitung fand dieses Prinzip vor allem ab dem 11. Jahrhundert im Kontext der Rezeption zweier astronomischer Instrumente aus dem arabischen Raum: Astrolab und Sonnenquadrant. Das Astrolab stellt sicherlich das komplexere und vielseitigere dieser beiden Geräte dar. Es ist im Grunde ein bewegliches Modell des Kosmos, wie er sich von einem bestimmten Breitengrad auf der Erdoberfläche aus beobachten lässt, und hatte die Form einer aus mehreren Teilen zusammengesetzten Scheibe, die an einem
172 Juste, ‚Neither Observation nor Astronomical Tables‘; Juste, ‚Horoscopic Astrology‘. 173 Eastwood, ‚Early-Medieval Cosmology‘; Pedersen, ‚Astronomy‘. 174 Dass allerdings bereits im frühen Mittelalter Sonnenuhren für ernstzunehmende Beobachtungen genutzt werden konnten, belegt Nothaft, ‚Bede’s horologium‘. 175 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 146.
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kleinen Ring auf Augenhöhe gehalten werden konnte.176 Basis des Geräts war die sogenannte mater, eine Scheibe, die auf der Vorderseite einen erhöhten Rand und in der Mitte ein Loch aufwies. So konnten kleinere Scheiben eingelegt und durch ein Haltestiftchen fixiert werden, auf denen ein stereographisch und damit ortsabhängiges Koordinatensystem, mit Meridian, Horizontkreis, Höhenkreise, Äquator, die Wendekreise sowie Stundenlinien eingetragen war. Durch die Abhängigkeit vom Breitengrad konnte dieses System nur an einem bestimmten Ort korrekt verwendet werden, daher ließen sich die als Tympanon bezeichneten Scheiben in der Regel austauschen. Über dieses Koordinatensystem legte der Nutzer eine ebenfalls stereographisch projizierte Karte des Himmels, die sogenannte rete oder Spinne. Auf dieser vielfach durchbrochenen und filigranen Scheibe waren die Position besonders lichtstarker Fixsterne und die Sonnenbahn durch kleine Zeiger bzw. einen Ring markiert. Diese Positionen waren so auf die rete projiziert, dass die kartographische Präsentation des Himmelspols mit dem Zentrum des Astrolabs übereinstimmte. Da sich die rete um das Stiftchen im Zentrum der mater rotieren ließ, entsprach die Bewegung der auf ihr repräsentierten Himmelskörper ihren tatsächlich wahrnehmbaren Bewegungen am Himmel. Nutzbar wurde diese bewegliche Himmelskarte nun durch die Rückseite des Astrolab. Neben verschiedenen Skalen war hier vor allem eine Kreisskala von 360 Grad angebracht, die durch zwei Linien in Quadranten zu je neunzig Grad geteilt waren. Durch eine bewegliche Visiervorrichtung in der Mitte des Astrolabs ließ sich so die Höhe der auf der Vorderseite dargestellten Himmelskörper in Graden bestimmen, und seine Repräsentation auf der rete durch das Koordinatensystem des Tympanons in eine entsprechende Position gebracht werden – Astrolab und Kosmos waren nun in Einklang. Nicht nur der jeweils aktuelle Zustand des Kosmos war dadurch bestimmbar, vor allem war es möglich, auch den Lauf der Gestirne in Vergangenheit und Zukunft zu simulieren.177 Auf einem ähnlichen Prinzip basierte der sogenannte Quadrant, der sich gleichzeitig mit und auf ähnlichem Wege wie das Astrolab ab dem 11. Jahrhundert im lateinischen Kulturkreis verbreitete und dort in verschiedenen Phasen Weiterentwicklungen erfuhr. Die frühesten Stufen dieser Entwicklung können als eine Art in Funktion und Erscheinung reduziertes Astrolab gelten. Während diese Scheibe eine Kreisskala von 360 Grad aufweist, reicht für die bloße Messung der Höhe eines Himmelskörpers über dem Horizont im Grunde eine Skala von 90°, also ein Viertel des Astrolabs. Wohl aus Gründen der Bequemlichkeit in der Anwendung und einer einfacheren Konstruktion verzichteten einige Zeitgenossen auf die Ausführung eines vollen Astrolab und beschränkten sich auf quarta pars astrolabii, wie der Quadrant in den frühen Quellen oft bezeichnet wird, also den vierten Teil eines Astrolab. Zwar konnten damit die Bewegungen der Gestirne nicht mehr simuliert werden, die 176 Als Einstieg in die Funktionsprinzipien des Astrolabs empfiehlt sich besonders North, ‚The Astrolabe‘; eine ausführliche Darstellung bei Turner, Catalogue of the Collection, ii; unlängst auch bei Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 34–62. 177 Zwei vom Autor auf Grundlage des Regensburger Modells erstellte Videos zur Funktionsweise des Astrolabs finden sich online in Schonhardt, ‚Zur Digitalisierung der Materialität‘ sowie unter https:// doi.org/10.1484/A.21673829.
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Messung ihrer Höhe war allerdings ein Leichtes. Hierzu war am runden Ende des Kreissegments eine Skala von neunzig Grad angebracht, an einer der geraden Seiten aber eine Visiervorrichtung. An der Spitze war ein Lot befestigt. Durch das Anvisieren eines Himmelsköpers bewegte sich die Skala hinter dem von der Schwerkraft zur Senkrechten gezogenen unbeweglichen Lot, mit dessen Hilfe nun die gesuchte Höhe des Körpers bestimmt werden konnte. Durch verschiedene Skalen auf dem Quadranten, die sich im Laufe seiner Entwicklung erheblich änderten, konnte diese Höhe dann für weitere Fragen funktionalisiert werden, insbesondere für die Zeitmessung.178 Durch ihren vielseitigen Nutzen, von der Zeitrechnung über die Erdvermessung zu Astronomie und Astrologie, avancierten beide Instrumente schnell zu den wohl meistgebrauchten astronomischen Instrumenten des Mittelalters, die weit bis ins 17. Jahrhundert genutzt wurden.179 Nicht nur stellten sie dabei die Praxis der Astronomie auf eine neue instrumentelle Grundlage. Durch die ihnen zugrundeliegenden Prinzipien führten sie auch in der longue durée zu einem fundamentalen epistemischen Wandel der Naturwissenschaften selbst, der sich bereits im hohen Mittalter abzeichnet und der in der Verbindung von Astronomie und Mathematik bestand.180 Mit dem Siegeszug dieser Astronomie änderte sich der Kosmos selbst. Der Blick in den Himmel sollte sich im Laufe des hohen Mittelalters zum Blick durch das Visier entwickeln, die grobe Beschreibung der kosmischen Strukturen zum präzisen Ablesen einer Kreisskala. Bis zum Abschluss dieser epistemischen Transformation des Kosmos war es zu Beginn des 11. Jahrhunderts allerdings noch ein langer Weg. Obschon im fernen Spanien wohl bereits Ende des 10. Jahrhunderts der Kontakt der drei Buchreligionen zu einem Transfer dieses neuen Wissens führte – im Südosten und in Regensburg ahnten die Mönche von alledem um die Jahrtausendwende wohl noch wenig. Erst im Laufe des Jahrhunderts sollten sie an den neuartigen Entwicklungen partizipieren, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhundert im lateinischen Westen Europas ein völliges Novum darstellten. Aus den östlichen Gebieten des muslimischen Machtbereichs war die Kenntnis um das Astrolab über das muslimische Spanien im späten 10. Jahrhundert auch in den lateinischen Kulturkreis gelangt, wo sich – vermutlich in Katalonien – um das Jahr 1000 das erste lateinische Exemplar in der Überlieferung nachweisen lässt.181 Verschiedene Quellen belegen eine Nutzung durch lateinische Gelehrte zwischen 1010 und 1025, etwa durch Ekkerhard IV. von St. Gallen oder Fulbert von Chartres.182
178 Eine gute und knappe Übersicht bietet Zinner, Deutsche und niederländische astronomische Instrumente, S. 154–63 sowie Turner, Catalogue of the Collection, ii, S. 202–10, der auch einen umfangreich bebilderten Katalog liefert. 179 Vgl. North, ‚The Astrolabe‘, S. 96; King, ‚A vetustissimus Arabic Treatise‘, S. 237. 180 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 146. 181 Kunitzsch, ‚Les relations scientifiques‘; dieses frühe Exemplar wurde von Destombes entdeckt und zunächst als karolingisch interpretiert, vgl. Destombes, ‚Un astrolabe carolingien‘; nach intensiver Analyse dieses Astrolabs scheint heute ein Katalanischer Ursprung wahrscheinlicher, vgl. die bei Stevens und andere, ‚The Oldest Latin Astrolabe‘ gesammelten Beiträge. 182 Burnett, ‚King Ptolemy‘, S. 334; Borst, Astrolab und Klosterreform, S. 72–73.
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Heute lässt sich diese Rezeption anhand der Literatur nachvollziehen, die diese Astronomie und ihre verschiedenen Instrumente einem lateinischen Publikum zugänglich machte.183 Erschwert wird dieser Versuch allerdings durch die Tatsache, dass diese Literatur und vor allem auch deren handschriftliche Überlieferung besonders in der Frühphase dieses Kulturtransfers kein einheitliches Bild darstellt. Es handelt sich vielmehr um ein Konglomerat verschiedener Inhalte und Textbausteine, die in den überlieferten Handschriften oft in unterschiedlicher Zusammensetzung zu finden sind. Auch wenn in diesem Textkonglomerat und in der Folge auch in der Forschung das Astrolab und seine astronomischen Grundlagen eindeutig die zentrale Rolle spielen, so findet sich bereits in der frühen Phase des Wissenstransfers auch andere, zumeist kleinere Inhalte arabischen Ursprungs. Hierzu gehören etwa verschiedene Beschreibungen des Sonnenquadranten184 oder eines dreidimensionalen Instruments, das wohl als Himmelsglobus zu deuten ist.185 Auch finden sich in den Handschriften Texte aus dem Bereich der Landvermessung, die zumindest in Teilen auf arabischen Ursprüngen basieren, etwa die Geometria incerti auctoris, die diese Inhalte aber mit einer genuin lateinischen Tradition verbindet.186 Diese heterogenen Texte stellen also ein sehr weites und komplexes Feld dar, weshalb ihre genauen Verbindungen untereinander sowie ihre Geschichte nur schwer abschließend zu klären sind.187 Einigen konnte sich die Forschung auf dieser Grundlage allerdings auf die Annahme, dass der erste Kontakt zwischen dem lateinischen Kulturkreis und der arabischen Astronomie in das späte 10. Jahrhundert fällt und im muslimischen Teil Spaniens seinen Ausgang nahm. Wie genau dieses Wissen dann seinen Siegeszug durch das christliche Europa antrat, darüber herrscht heute bereits weniger Sicherheit, die handschriftliche Überlieferung legt aber ein monastisches Netzwerk nahe, das an seiner Verbreitung wesentlich beteiligt war. Hierzu gehören laut Borrelli das katalonische Kloster Ripoll, Fleury, Micy und Chartres in Nordfrankreich, das englische Kloster Ramsey sowie ein süddeutscher Zirkel in Augsburg, auf der Reichenau und in Regensburg.188 Auch wenn die Textüberlieferung der Astrolabliteratur im 11. Jahrhundert recht verworren erscheint, so lässt sie sich mit einigem Recht in zwei Phasen ordnen: In eine Anfangsphase bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts, die geprägt ist durch eine sehr heterogene Textüberlieferung, und in eine spätere Phase bis zum Ende des Jahrhunderts, in der sich bereits eine gewisse Standardisierung und Kanonisierung des
183 Was das Astrolab betrifft, so bietet Kunitzsch, ‚Glossar der arabischen Fachausdrücke‘, S. 475–508 einen hilfreichen ersten Überblick über die mittelalterliche Literatur zum Thema. 184 Vgl. Assaig d’historia, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 304–08. 185 Vgl. Assaig d’historia, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 289–92. 186 Vgl. zu Komposition und Herkunft dieses Texts vor allem Jacquemard, ‚Recherches sur la composition‘. 187 Zwei gelungene Überblicke liefern Juste, Les Alchandreana primitifs, S. 1–8 sowie Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 79–98, die sich auch eingehend mit den Schwierigkeiten und Grenzen dieser Ansätze befasst. 188 Vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 66.
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Materials feststellen lässt. Die Texte der ersten Phase entstanden etwa ab dem Ende des 10. Jahrhunderts. Sie werden von der Forschung als gegenseitige Überarbeitungen gedeutet, und daher mit einem etwas gewöhnungsbedürftigen, aber durchgehend verwendeten Siglensystem bezeichnet: The first Latin texts include (1) crude Latin versions of Arabic material on the construction and use of the astrolabe (De mensura astrolapsus h”, and Sententientie astrolabii J’) and (2) elaborate Latin remaniements of the same material (De mensura astrolabii h’ and De utilitatibus astrolabii J), which are accompanied in some manuscripts by a prologue in the same elaborate style (beginning ‘Ad intimas summe Philosophie…’) setting out the contents of an astronomical Korpus which contains these works, some of which the writer of the prologue says he has translated from Arabic.189 Hinzu kommen noch kleinere Texte zur Nutzung des Astrolabs zur Höhen- und Tiefenmessung, die im Rahmen der sogenannten Geometria incerti auctoris überliefert wurden. Wenngleich die handschriftliche Überlieferung dieser Texte eher nach Frankreich weist,190 deutet viel auf Katalonien als eigentlichen Ursprungsort hin.191 Gleichwohl soll die Frage ihrer tatsächlichen Herkunft an dieser Stelle nicht entschieden werden. Wichtig ist, dass sie ab dem 11. Jahrhundert zu handbuchartigen Sammlungen zusammengestellt wurden,192 deren „zehn bis fünfzehn Einzelteile“ sich allerdings „jeweils anders gemischt in den acht Sammelhandschriften [befanden], die aus dem 11. Jahrhundert und dem Raum zwischen Ebro und Donau übriggeblieben sind.“193 Die frühesten handschriftlichen Zeugnisse dieser Handbücher finden sich in der katalonischen Abtei Ripoll sowie in den Klöstern Fleury und Micy an der Loire. Allerdings überschritten sie auch früh den Rhein. Dies belegen zum einen äußerst frühe Fragmente von der Reichenau, die bereits um das Jahr 1000 herum am Bodensee entstanden und damit einen Teil der älteren Überarbeitungen aus Frankreich vorwegnahmen.194 Außerdem ist ein um das Jahr 1030 verfasster Traktat eines Ascelinus aus Augsburg über die Konstruktion des Astrolabs (auf der Basis von h’) überliefert, der seinerseits über gute Kontakte nach Micy verfügte.195 Mit dem Reichenauer Fragment und Ascelinus’ Traktat findet sich die Kenntnis des Astrolabs nun nicht nur im bzw. in unmittelbarer Nähe zum Untersuchungsgebiet, sondern erhält in den 1030er und 1040er Jahren auch eine neue Qualität. Wohl aus 189 Burnett, ‚King Ptolemy‘. 190 Vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 89. 191 Vgl. etwa Samsó Moya, ‚Els inicis de la introducció de la ciència àrab‘; Viladrich, ‚La transmission des idées scientifiques‘. 192 Herausgegeben bei Assaig d’historia, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 271–302; zur Analyse von Inhalt, Zusammenhang und Verbreitung der Texte vgl. van de Vyver, ‚Les premières traductions latines‘; Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 66–174; insbesondere mit Bezug zum Reichenauer Fragment Borst, Astrolab und Klosterreform, S. 30–77; Burnett, ‚King Ptolemy‘; Borrelli, Aspects of the Astrolabe. 193 Borst, Astrolab und Klosterreform, S. 41. 194 Vgl. Borst, Astrolab und Klosterreform, S. 44–45. 195 Ediert in Burnett, ‚King Ptolemy‘.
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Frustration über die mangelnde Verständlichkeit der ihm vorliegenden älteren Sammlung machte sich etwa zu dieser Zeit Hermann von Reichenau an eine weitgehende Überarbeitung der alten Sammlung zu einem neuen Korpus. Dabei verfasste er, der in Augsburg ein Schüler des Ascelinus gewesen sein könnte,196 den Text De mensura astrolabii (h)197, „das bis dato verständlichste Werk über die Konstruktion des Astrolabs“198 und schaltete ihn dem älteren Text De utilitatibus astrolabii ( J)199 vor, der das Gerät selbst nur grob beschreibt und sich vor allem auf dessen Anwendungsmöglichkeiten konzentriert. Der lange Zeit ebenfalls Hermann zugeschriebene Text über die Herstellung einer transportablen Sonnenuhr (De horologio viatorum hv)200 gilt heute zwar als Werk eines Berengarius, wurde allerdings wohl im Austausch mit Hermann verfasst. Neben der Beschreibung dieser Sonnenuhr enthält es in vielen Handschriften auch Passagen zur Erdvermessung und über den Sonnenquadranten. Da in jüngerer Zeit die Vermutung geäußert wurde, Teile von hv seien zusammen mit einer anderen Arbeit in St. Emmeram verfasst worden, wird dieser Text später noch näher zu untersuchen sein. Bis dahin bleibt festzuhalten, dass Hermann zumindest als Initiator und Kompilator dieser Dreiersammlung gilt, die sich zu einem der meist verbreitetsten Textkorpora über Konstruktion und Anwendung des Astrolabs bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts entwickeln sollte.201 Auch wenn die Anwendung und Herstellung dieser Geräte ein umfassendes Verständnis vom Kosmos und seiner Phänomene voraussetze, vermittelten die Texte dieser beiden Korpora in erster Linie spezialisiertes Geräte-Wissen über die Konstruktion verschiedener astronomischer Geräte und ihrer instrumentellen Anwendung im Kontext der Zeitmessung.202 Neben recht komplizierten geometrischen Verfahren zur Herstellung der benötigten Skalen und Koordinatensysteme enthielten sie genaue Handlungsanweisungen zur Lösung bestimmter Probleme des alltäglichen Gebrauchs, etwa wie die Stunden des Tages oder der Nacht zu bestimmen seien, oder wie man das Verhältnis der Länge von Tag und Nacht wissen könne.203 Zwar vermitteln solche Inhalte implizit sowohl epistemisches Kosmoswissen (zum Beispiel, dass sich die Dauer von Tag und Nacht über das Jahr hin ändert) als auch instrumentelles Wissen (zur Messung der Zeit), allerdings stehen all diese Inhalte in einem konstitutiven Zusammenhang zu den beschriebenen Geräten, die explizit konstruiert, in die Hand
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Vgl. Werner, ‚Zur Überlieferung der Briefe Gerberts von Aurillac‘, S. 105–09. Ediert bei Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘. Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘, S. 282. Ediert als De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov. Ediert als zweites Buch von De utilitatibus astrolabii in der Patrologia Latina als Hermann von Reichenau, De horologio viatorum, hg. von Migne, Sp. 405–12. 201 Vgl. den mit Bezug auf die Autorschaft Hermanns erheblich erweiterten Forschungsstand bei Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘. 202 Auch wenn Borrelli auf den epistemologischen Aspekt der Anwendung des Astrolabs hinweist, so scheint mir das primäre Interesse ausweislich der überlieferten Texte und Kommentare doch eindeutig in der zumindest potentiellen Anwendung des Gerätes zu liegen. Vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 158–62. 203 Dieses Wissen wurde vor allem in den mit J bezeichneten Texten vermittelt, vgl. Assaig d’historia, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 280–84.
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genommen, gedreht, eingestellt und abgelesen werden mussten. Aus diesem Grund subsumiere ich diese Texte unter der Kategorie des Gerätewissens. Bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts zirkulierten also ein knappes Dutzend Texte über Grundlagen, Konstruktion und Anwendung des Astrolabs und verwandter Geräte in Europa, die die Skriptorien in Klöstern und Domschulen bereitwillig kopierten. Gerade dort regten diese neuen Inhalte mitunter zu eigenen wissenschaftlichen Studien oder der Konstruktion von Geräten an. Dies wird auch im Regensburger Kloster St. Emmeram deutlich, wo sich – leider singulär – der fragmentarische Rest eines Textes von Wilhelm von Hirsau erhalten hat, in dem der Mönch entsprechende Forschungen beschreibt.204 Zwar ist die bereits erwähnte Scheidung dieser Texte in ein neues und ein altes Korpus aus textgeschichtlicher Sicht sinnvoll, mit Blick auf die Überlieferung dieser Texte suggeriert sie allerdings eine Einheitlichkeit, die es so nicht gegeben hat. Besonders in der frühen Überlieferung, etwa in den Emmeramer Handschriften, finden sich die Texte des alten und neuen Korpus in mitunter chaotischer Art und Weise vermischt und mitunter zu neuen Fassungen kompiliert. Daher lassen sich diese Texte in der handschriftlichen Überlieferungspraxis nicht immer so sauber voneinander trennen, wie sie in den Editonen erscheinen.205 In der Folge fällt es schwer, die in den mittelalterlichen Katalogen verzeichneten Astrolabschriften zweifelsfrei zu identifizieren und dem alten oder neuen Korpus bzw. einzelner Texte daraus zuzuteilen. Für die Zwecke dieser Arbeit scheint es daher ratsam, die Gesamtheit dieser frühen Astrolabschriften ohne Rücksicht auf ihre Gruppenzugehörigkeit gemeinsam zu behandeln und zu zählen. Die unten stehenden Zahlen beziehen sich – bei einer Ergänzung – auf die Bestandsaufnahmen von Borrelli und Juste, die hinsichtlich ihrer Überschneidungen geprüft wurden (Fig. 3.16).206 Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Compotus Hermanni et mensura astrolabii in uno volumine, Compotus Hermanni et mensura astrolabii, Regule super astrolabium und Regule de abaco, medicine, mensura horologii in uno volumine“. (MBK 3 Nr. 90) 2. Salzburg (St. Peter), Saec. 12: „Heremannus Contractus super astrolabium“. (MBKÖ 2 Nr. 13) 3. Wessobrunn, Saec. 13: „Astrolabium“ und „Astrolabium“. (MBK 3 Nr. 63). Handschriften: 1. Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 3101, Saec. 11, Illmünster 2. Karlsruhe, BLB, MS 504, Saec. 11/12, Bamberg (Michelsberg)
204 In der Handschriften München, BSB, MS Clm. 14689. 205 Eine hervorragende Problematisierung der Konstitution dieser Texte durch die Forschung findet sich bei Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 82–98. 206 Vgl. Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘, S. 283–84; Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 226–37.
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Figur 3.16. Astrolabica. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
3. München, BSB, MS Clm. 14836, Saec. 11/12, Regensburg (St. Emmeram) 4. Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356, Saec. 12, Diözese Augsburg 5. München, BSB, MS Clm. 13021, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) 6. München, BSB, MS Clm. 14689, Saec. 12, Regensburg (St. Emmeram) 7. München, BSB, MS Clm. 14763, Saec. 12, Regensburg (St. Emmeram) 8. Salzburg St. Peter, SB, MS a V 2, Saec. 12, Salzburg (St. Peter) 9. Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7, Saec. 12, Salzburg (St. Peter) 10. Salzburg St. Peter, SB, MS a V 32, Saec. 12, Salzburg (St. Peter) 11. Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) Arabica: Mathematische Astronomie und Astrologie
Auch wenn die Rezeption arabischen Wissens durchaus in die Anfänge des 11. Jahrhunderts zurückreicht, fand der wirkliche Durchbruch dieses Wissenstransfers von Ost nach West erst im Verlaufe des 12. Jahrhunderts statt, nicht zuletzt bedingt durch die sich ändernden soziologischen Bedingungen der Wissensproduktion im urbanen Kontext, der sich zunehmend von den Klosterstuben unterschied. Neben den weiter unten noch zu thematisierenden frühscholastischen Gehversuchen in Paris oder Chartres äußert sich dies auch in der zunehmenden Erweiterung des Horizontes christlicher Gelehrter, die sich nun in besonderer Weise im 12. und 13. Jahrhundert in Sizilien und Spanien der Übersetzung sogenannter arabischer Wissenschaften widmeten. Allerdings verließen diese Übersetzungen recht bald den Ort ihrer Entstehung und gelangten nördlicher, nach England, Frankreich und
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in die monastische Landschaft der Untersuchungsregion, vor allem in den Raum Regensburg.207 Zum einen findet sich ein sogenannter liber Mesahelle secretorum astrorum im Katalog von Wessobrunn, zum anderen ein als Algorismus bezeichnetes Werk, das in Würzburg und Salzburg vorlag. Aus Bamberg ist darüber hinaus der Eintrag eines Liber Sarracenus de mathematica überliefert. Während dessen Inhalt nicht näher spezifiziert ist, lassen sich die beiden erstgenannten Titel mehr oder weniger eindeutig identifizieren. Der liber Meshahelle nimmt Bezug auf das Incipit einer in Toledo angefertigten Übersetzung der astrologischen Werke von Māšā’a llāh ibn Aṯarī durch Johannes Hispalensis,208 das heute als De receptione planetarum sive de interrogationibus bekannt ist.209 Dieser Text ist dem vierten Zweig der Astrologie, der sogenannten interrogativen Astrologie gewidmet, die sich mit der Beantwortung von Fragen anhand astrologischer Horoskope für den Zeitpunkt der Fragestellung befasst.210 Māšā’a llāh war ein jüdischer Gelehrter aus Basra, der sich mit „virtually every aspect of astrology“ befasste, im 8. Jahrhundert nach Christus wirkte und wohl mindestens 28 Texte verfasste.211 Darunter war auch das hier verzeichnete Werk, dessen arabisches Original heute nicht mehr erhalten ist, im Mittelalter aber einen der einflussreichsten Texte dieser Art darstellte und in mindestens 59 Handschriften überliefert war.212 Das Werk in zwölf Kapiteln präsentiert sich als die Kompilation eines gewissen Mannes („quidam vir“) aus dem Buch der Weisen und dem Buch der Geheimnisse der Sterne, das sogar von Königen geschätzt sei. Inhaltlich zeichnet es sich vor allem durch eine detaillierte Analyse ganz verschiedener Fragen unter Rückgriff auf beispielhafte Horoskope aus.213 Der Text hat damit einen deutlichen Anwendungsbezug, lässt sich also im Bereich des instrumentellen Wissens einordnen, auch wenn zunächst offenbleiben muss, inwiefern er im monastisch geprägten Südosten tatsächlich zur Beantwortung solcher Fragen zur Rate gezogen wurde. Auch der zweite Eintrag, algorismus, lässt sich mit einiger Sicherheit einem Werk zuordnen, entspringt die Bezeichnung doch einer mittelalterlichen Verballhornung des Namens des Autors. Es handelt sich um den Liber ysagogarum Alchorismi in artem astronomicam, der bislang nicht einwandfrei zugeordneten lateinischen Adaption des heute verlorenen Textes al-Ḫwārizmīs, eines persischen Astronomen und Mathematiker aus dem 8. und 9. Jahrhundert.214 Zwar ist denkbar, dass sich hinter
207 Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘. 208 Vgl. Lindberg, Hg., Science in the Middle Ages. 209 Vgl. Thorndike, ‚The Latin Translations of Astrological Works‘; Carmody, Arabic Astronomical and Astrological Sciences, S. 26–27. 210 Vgl. zu diesem Zweig der Astrologie Pingree, ‚Astrology‘; Pingree, From Astral Omens to Astrology, S. 47; Thomas, Hg., Religion and the Decline of Magic; Boudet, ‚Astrology‘. 211 Vgl. Pingree, ‚Masha’allah‘, Zitat S. 160. 212 Vgl. Juste, ‚The Impact of Arabic Sources‘, S. 177 zum Text, vgl. S. 189. 213 Carey, ‚Judicial Astrology‘, S. 95. 214 Das Werk ist in seiner Gesamtheit ediert in Dickey, ‚Adelard of Bath‘, der es Adelard von Bath zuschreibt; die ersten drei mathematischen Bücher außerdem bei Allard, Le calcul indien, S. 23–61.
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der kryptischen Bezeichnung eine der drei weiteren bekannten Überarbeitungen des Stoffes verbirgt, etwa der Liber alchorismi eines gewissen magister Iohannes. Da sich in den Handschriften des Untersuchungsgebiets aber nur der Liber ysagogarum gleich in mehreren Handschriften nachweisen lässt (s.u.), scheint eine entsprechende Identifikation vertretbar. Bekannt ist dieser Text vor allem für die im lateinischen Kulturkreis neuartige Anwendung indisch-arabischer Zahlen im Rahmen des Dezimalsystems, die in den ersten drei Kapitel des Buches eingeführt werden, während sich das vierte Kapitel der euklidischen Geometrie zuwendet. Das abschließende fünfte Buch diente als eine knappe Einführung in die Astronomie, wobei immer wieder Bezug zu chronologischen Wissensbeständen genommen wird, die im Rahmen der Komputistik Anwendung finden konnten.215 Größtenteils besteht gerade dieses fünfte Buch aber aus einführenden Aussagen zur Gestalt von Erde und Kosmos und den Bewegungen der Himmelskörper.216 Mit Blick auf den mathematischen Gehalt dieses Textes und der erkennbar exotischen Form der enthaltenen Ziffern ist es sicherlich nicht abwegig, darin auch den Inhalt des in Bamberg erwähnten Kodex über die arabische Mathematik zu sehen. Tatsächlich erlaubt die handschriftliche Überlieferung aber auch weitergehende Schlüsse. Denn der hier verzeichnete Algorismus erscheint dort selten isoliert, sondern in der Regel zusammen mit einer anderen, der Astronomie verpflichteten Textgattung, nämlich astronomischen Tabellen – sogenannte Toledaner Tafeln – und dazugehörenden Texten. Nothaft geht daher sogar davon aus, dass dieses Werk von Anfang an als „primer for those who intended to work with astronomical tables“ geplant war.217 Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sich die Einträge in den Katalogen auch auf diese Inhalte bezogen.218 Toledaner Tafeln sind Ausdruck eines umfassenden Wandels der mittelalterlichen Astronomie, der sich bereits ab dem 11. Jahrhundert mit der Einführung des Astrolabs andeutet und in der langsamen Aneignung der mathematischen Grundlagen der ptolemäischen Astronomie besteht. Besonders deutlich manifestiert sich diese Entwicklung in der Aneignung astronomischer Tabellen aus dem arabischen Raum, die dort als zīj bezeichnet wurden und neben anderen Informationen die Bewegungen der Planeten (einschließlich von Sonne und Mond) verzeichneten und in die Zukunft projizierten.219 Dafür greifen die Tabellen auf ein System zurück, das die Position der Himmelskörper nicht abhängig vom lokalen Horizont angibt, sondern in Relation zur Ekliptik setzt. Dieses Verfahren eignet sich vor allem für die Kalkulation der absoluten Position von Planeten auf ihrer Bahn – ein klassisches Anwendungsgebiet war vor allem die Kalkulation von Sonnen- und Mondfinsternissen oder von astro-
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Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 40–41. Vgl. Dickey, ‚Adelard of Bath‘, S. 319–28. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 40. Diese Einheit lässt sich für das Untersuchungsgebiet zum Beispiel im Kodex München, BSB, MS Clm. 13021 nachweisen. 219 Vgl. die Einführung zur maßgeblichen Studie und Edition bei Pedersen, The Toledan Tables, i, S. 11–20.
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logischen Horoskopen.220 Damit führen diese Tabellen die bei Hermann begonnene epistemische Verschiebung weiter, indem sie astronomische Realitäten nicht nur beschreiben, sondern durch mathematische Algorithmen auch modellieren. Diese Tabellen und ihre Nutzung waren in dieser Form für die Astronomie des Mittelalters weitgehend Neuland.221 Daher begleiteten diese Tabellen verschiedene Texte, sogenannte canones, die ihre Funktion und mögliche Anwendungsgebiete beschrieben. Neben den trigonometrischen Grundlagen dieser Astronomie thematisieren die Texte vor allem chronologische Inhalte – insbesondere auch mit Blick auf den ehemals fremden arabischen Kalender –, und Inhalte aus dem Bereich der Zeitmessung – zum Beispiel die Berechnung des Tagbogens, Methoden zur Feststellung des eigenen Breitengrades sowie zur Berechnung von Sonnen- und Mondfinsternissen und anderer Planetenkonstellationen. Auch wenn die Präzision dieser frühen Daten wohl mitunter in Frage zu stellen ist,222 so stehen Tafeln und Texte zumindest prinzipiell für eine anwendungsorientierte Astronomie und gehören damit in den Bereich des instrumentellen Wissens. Ein anderes Anwendungsgebiet solcher Tabellen über die Messung und Berechnung von Zeit hinaus war die Astrologie, die auf der Kenntnis der Positionen der Himmelskörper zu einem bestimmten Zeitpunkt beruhte. In diesem Kontext ist interessant, dass besonders die frühe Überlieferung der Tafeln häufig in einem kodikologischen Zusammenhang mit entsprechenden astrologischen Schriften zu bringen ist.223 Dies lässt sich auch in den Handschriften der Region nachweisen, insbesondere in den Kodizes München, BSB, MS Clm. 13021 und München, BSB, MS Clm. 18927. Da zumindest letzterer auch Auszüge aus Māšā’a llāhs Buch über die Geheimnisse der Sterne enthalten, scheint fraglich, ob die verschiedenen Einträge in den mittelalterlichen Katalogen tatsächlich auf jeweils verschiedene Werke verweisen oder ob sich dahinter – ähnlich wie im Kontext der Astrolabliteratur – nicht auch Kompendien oder Sammelhandschriften verbergen könnten, die die verschiedenen Texte dieser zweiten Übersetzungswelle arabischer Texte in unterschiedlichen kodikologischen Anordnungen und Auswahl enthielten.224 Aus diesem Grund wurden die in den Katalogen zu findenden Verweise in der folgenden Aufstellung zusammengefasst. Ein Problem stellt der Umgang mit der Überlieferung dieser Texte respektive ihrer Analyse dar. Nimmt man die jeweiligen Texte für sich, dann fällt deren
220 Die Position eines Planeten wird hierfür jeweils durch zwei Werte angegeben: durch die ekliptikale Breite, die die Höhe des Planeten über oder unter der Ekliptik angibt sowie durch die ekliptikale Länge, die die Entfernung des Planeten vom Frühlingsäquinoktium angibt, also dem Ort, an dem sich Ekliptik und Äquator schneiden. Vgl. zur Einführung in sphärische Astronomie und die dafür verwendeten Koordinatensysteme Karttunen und andere, Fundamental Astronomy, S. 11–46; Chabás und Goldstein, A Survey of European Astronomical Tables bietet eine umfassende Bearbeitung der Materie mit Blick auf die verschiedenen mittelalterlichen Texte und Tafeln. 221 Vgl. Mercier, ‚Astronomical Tables‘, S. 87. 222 Vgl. die Einführung zur maßgeblichen Studie und Edition bei Pedersen, The Toledan Tables, i, S. 18. 223 Vgl. Pedersen, The Toledan Tables, i, S. 12. 224 Auch hier wäre München, BSB, MS Clm. 13021 ein entsprechendes Beispiel.
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Figur 3.17. Arabica. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Verbreitung äußert gering aus. So ist der Liber ysagogarum Alchorismi lediglich in acht Handschriften erhalten, von denen sich fünf ins 12. Jahrhundert datieren lassen.225 Die Überlieferung Māšā’a llāhs Liber receptionis beläuft sich insgesamt auf 59 Textzeugen, die allerdings unterschiedliche Fassungen beinhalten.226 Komplexer erweist sich die Überlieferung der Toledaner Tafeln nebst Canones, die ebenfalls in unterschiedliche Fassungen und Überarbeitungsstufen zerfällt. Berücksichtigt man nur die in der Untersuchungsregion nachweisbare archaische Version (von Pedersen als Cc bezeichnet), so lassen sich lediglich fünf Textzeugen nachweisen, zu denen noch ein neugefundenes Fragement aus München, BSB, MS Clm. 14353 gehört. Berücksichtigt man allerdings auch die übrigen Fassungen, so erweist sich die Überlieferung mit 164 Handschriften als äußerst reichhaltig und verdeutlicht ein ungebrochenes, sogar steigendes Interesse an dieser Form der mathematischen Astronomie.227 Da die Toledaner Tafeln als methodischer und häufig auch kodikologischer Kern dieser neuen Inhalte gelten können, scheint ihre Überlieferung in besonderer Weise als hermeneutische Sonde für die Überlieferungsanalyse dieser Wissensbestände geeignet zu sein, die sich in den Bibliothekskatalogen hinter der Bezeichnung Algorismus verbirgt. Aufgrund der geringen Überlieferung im Untersuchungsgebiet wurde darauf verzichtet, eine regionale Aufstellung zu geben. Stattdessen beziehen sich beide Diagramme auf die Angaben bei Pedersen
225 Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 40. 226 Vgl. Juste, ‚The Impact of Arabic Sources‘, S. 177; Carmody verzeichnet 17 Handschriften, vgl. Carmody, Arabic Astronomical and Astrological Sciences, S. 27, eine nach den verschiedenen Incipit sortierte Liste liefert Thorndike, ‚The Latin Translations of Astrological Works‘. 227 Vgl. Pedersen, The Toledan Tables, i, S. 13.
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zur europaweiten Überlieferung, wobei einmal das dort genutzte chronologische System übernommen wurde, rechts die hier bislang vertretene Einteilung in volle Jahrhunderte (Fig. 3.17). Bibliothekskataloge: 1. Bamberg (Michelsberg), Saec. 12: „Liber Sarracenus de mathematica“. (MBK 3 Nr. 91) 2. Salzburg (St. Peter), Saec. 12: „Alchorismus“. (MBKÖ 2 Nr. 13) 3. Wessobrunn, Saec. 13: „liber Mesahelle secretorum astrorum“. (MBK 3 Nr. 63) 4. Würzburg (Neumünster), Saec. 12: „Algorismus“. (MBK 4 Nr. 134) Handschriften: 1. München, BSB, MS Clm. 13021, Saec. 12, Regensburg (Prüfening) 2. München, BSB, MS Clm. 14353, Saec. 12, Regensburg (St. Emmeram) (Fragment) 3. München, BSB, MS Clm. 18927, Saec. 12, Tegernsee 4. (Wien, ÖNB, MS Cod. 2453, Saec. 12, Salzburg, St. Peter (arabische Ziffern)) Honorius Augustodunensis – Imago mundi
Mit der Rezeption der mathematischen Astronomie aus dem arabischen Kulturkreis ist die Bestandsaufnahme des kosmologischen Wissens nun in einer Zeit angelangt, die unter dem Schlagwort einer Renaissance oftmals als intellektueller Höhepunkt des Mittelalters gedeutet wird, nämlich im 12. Jahrhundert. In dieser Zeit sorgten gesellschaftliche, politische und ökonomische Veränderungen im Zusammenhang mit einer zunehmenden Urbanisierung für einen intellektuellen Aufschwung, der sich neben vielen anderen Bereichen auch in einem gesteigerten Interesse an der Natur bemerkbar machte. Vor allem an den nordfranzösischen Kathedralschulen führte dies zu einer Wiederentdeckung der Naturphilosophie nach antikem Vorbild, aber unter christlichen Vorzeichen. Auch wenn sich viele Autoren dieser frühscholastischen Renaissance tatsächlich im urbanen Milieu verorten lassen, beschränkte sich die Rezeption dieses Wissens aber keineswegs auf den städtischen Kontext. Auch in der monastisch geprägten Untersuchungsregion lassen sich bereits im 12. Jahrhundert Spuren dieser Philosophie fassen, wobei sich die Rezeption im Wesentlichen auf zwei Autoren des Genres beschränkt, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein könnten: Der tief in der benediktinischen Reform verwurzelte Mönch Honorius Augustodunensis auf der einen und der im städtischen Umfeld Nordfrankreichs wirkende Magister Wilhelm von Conches auf der anderen Seite. Tatsächlich ist besonders die Biografie des Honorius geeignet, um die postulierte Renaissance aus dem nordfranzösischen Bereich näher in den Untersuchungsraum zu rücken. Denn nicht nur finden sich hier außergewöhnlich viele handschriftliche Träger seiner Texte, vor allem zog es den wohl aus Irland stammenden Gelehrten selbst um 1126 nach Bayern, wo er sich irgendwann als Inkluse nach Regensburg
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zurückzog.228 Während die Stationen im Leben des Honorius bis heute weitestgehend im Dunkeln bleiben,229 ist die enorme inhaltliche Bandbreite des Autors und seine Rolle als „Vermittler bedeutender geistiger Strömungen in Philosophie, Theologie und Naturkunde“230 unbestritten.231 Dies trifft auf diejenigen Werke zu, die noch im Bereich des sekundären Wissens angesprochen werden, vor allem aber auf sein – zumindest in wesentlichen Teilen – naturkundliches Hauptwerk, der Imago mundi,232 das sich nicht nur im Untersuchungsgebiet größter Beliebtheit erfreute und in vier Fassungen in mindestens 116 Handschriften überliefert ist.233 Die Imago mundi ist als Enzyklopädie konzipiert, in denen die „natürlichen, diesseitigen Bedingungen der menschlichen Existenz, nämlich Raum und Zeit“234 zur Darstellung kommen und die zu diesem Zweck in drei klar voneinander geschiedene Bücher geteilt ist. Während sich das erste Buch der Darstellung des Kosmos widmet, thematisiert Buch zwei den Kalender und Buch drei die Weltgeschichte. Besonders das erste Buch vermittelt in eingängiger Weise relativ simples epistemisches Wissen über die Gestalt des Kosmos und seiner Bestandteile, wobei diese Inhalte durch das Schema der Elemente und damit auch nach ihrem Ort im Universum gegliedert sind: Zur Erde thematisiert Honorius deren Kugelgestalt, ihre fünf Zonen und deren genauere Geographie (bis Kapitel 37). Wasser beinhaltet ganz verschiedene Phänomene, die seiner Ansicht nach mit dem Element in Verbindung stehen, wie etwa Erdbeben, aber auch eine Übersicht über die großen Gewässer der Welt (bis 57). Es folgen Kapitel über die Luft, die sich etwa mit den verschiedenen Winden und Wetterphänomenen befassen (darunter Schnee, Nebel oder Pest bis Kapitel 71). Am Schluss steht ein Abschnitt über Feuer, der sich mit der Struktur des astronomischen Himmels und den einzelnen Planeten, Sternzeichen und anderen Himmelserscheinungen befasst, etwa der Milchstraße oder Kometen (einschließlich Kapitel 147). Insgesamt bietet die Imago mundi des Honorius also eher tradierte enzyklopädische Wissensbestände, die ihrem Leser ein umfassendes Allgemeinwissen über den Kosmos vermitteln sollten und kein Spezialwissen, wie es seit dem späten 11. Jahrhundert aus Spanien nach Europa gelangte. Ob gerade in dieser konservativen Grundhaltung die Attraktivität der Imago mundi für die monastischen Institutionen der Untersuchungsregion lag, muss dahingestellt bleiben. Dafür spricht die Tatsache, dass sich der Text auch an Orten nachweisen lässt, die ansonsten nur ein geringes 228 Da die Frage nach dem Ort (und Zeitpunkt) der Abfassung seiner kosmologischen Werke bislang nicht geklärt werden konnte, kann Honorius für die unten folgende Frage nach den Praktiken der Wissensproduktion in Regensburg leider keine Rolle spielen. 229 Einen auf älteren Arbeiten basierenden konzisen Überblick über Biographie und Werk des Honorius bietet Flint, ‚Honorius Augustodunensis‘, S. 89–157; abweichend zu Flints These einer möglichen Identifikation des Honorius mit Heinrich von Augsburg vgl. McCarthy, ‚The Identity of Master Henry‘; eine aktuellere Übersicht bietet Schwarzbauer, Geschichtszeit, S. 39–43. 230 Schwarzbauer, Geschichtszeit, S. 40. 231 Vgl. zur dieser Einordnung in die religionspolitischen Vorgänge seiner Zeit Flint, ‚The Place and the Purpose‘; Mierke, Riskante Ordnungen, S. 52. 232 Das Werk ist ediert bei Flint, ‚Honorius Augustodunensis‘. 233 Vgl. die Aufstellung bei Flint, ‚Honorius Augustodunensis‘, S. 165–67. 234 Vgl. Schwarzbauer, Geschichtszeit, S. 46.
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Figur 3.18. Honorius Augustodunensis, Imago mundi. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Interesse an kosmologischen Wissensbeständen zeigen. Gleichzeitig überliefern drei Handschriften mit Abschriften der Imago mundi auch das – im Kontext der Zeit – ausgesprochen progressive Werk Wilhelm von Conches (Fig. 3.18). Bibliothekskataloge: 1. Baumgartenberg, Saec. 13: „Augustinus de magisterio et actus Alexandri et Honorius de imagine mundi et cronica in uno volumine“. (MBKÖ 5 Nr. 1) 2. Ebersberg, Saec. 12: „Honorius de imagine mundi“. (MBK 4 Nr. 74) 3. Göttweig, Saec. 12: „Imago mundi, in quo totus mundus describitur“. (MBKÖ 1 Nr. 3) 4. Klosterneuburg, Saec. 13: „Ymago mundi“. (MBKÖ 1 Nr. 13) 5. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Honorius de imagine mundi“. (MBK 4 Nr. 41); „Liber Honorii inclusi de imagine mundi“. (MBK 4 Nr. 40) 6. Regensburg (Prüll), Saec. 12: „Honorius de ymagine mundi“ im Bibliothekskatalog aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. 7. Salzburg (St. Peter), Saec. 12: „Honorius de imagine mundi“. (MBKÖ 2 Nr. 13) 8. Würzburg (Neumünster): „Liber magnus de natura mundi“. (MBK 4 Nr. 134) 9. Zwettl, Saec. 13: „Augustinus de magisterio et Cassiodorus de illustribus viris ce Albericus monachus de barbarismo et soloecismo et gesta Alexandri Magni et Honorius de imagine mundi in uno volumine“. (MBKÖ 1 Nr. 74) Handschriften: 1. Admont, SB, MS 400, Saec. 12, Admont 2. Göttweig, SB, MS XII 46, Saec. 12, Göttweig 3. Graz, UB, MS Cod. 290, Saec. 12, St. Lambrecht
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4. Klosterneuburg, SB, MS Cod. 1051, Saec. 12, Klosterneuburg 5. Melk, SB, MS Cod. 248, Saec. 12, Melk 6. München, BSB, MS Clm. 536, Saec. 12, Regensburg (Prüll) 7. München, BSB, MS Clm. 7974, Saec. 12, Kaisheim 8. München, BSB, MS Clm. 11336, Saec. 12, Polling 9. München, BSB, MS Clm. 14731, Saec. 12, Regensburg (St. Emmeram) 10. München, BSB, MS Clm. 18918, Saec. 12, Tegernsee 11. München, BSB, MS Clm. 22225, Saec. 12, Windberg 12. New Haven, BL, MS 482,54, Saec. 12, Lambach 13. Wien, ÖNB, MS Cod. 539, Saec. 12, Heiligenkreuz 14. Wien, ÖNB, MS Cod. 818, Saec. 12, Mondsee 15. Zwettl, SB, MS Cod. 386, Saec. 12, Zwettl 16. München, BSB, MS Clm. 7793, Saec. 12/13, Indersdorf 17. München, BSB, MS Clm. 14348, Saec. 12/13, Regensburg (St. Emmeram) 18. München, BSB, MS Clm. 16103, Saec. 12/13, Passau (St. Nikola) Wilhelm von Conches – Philosophia mundi
Es waren beileibe nicht nur die konservativeren Erzeugnisse der Frühscholastik, die im Südosten Beachtung fanden. Auch ein im Verständnis der Zeitgenossen progressiverer Autor fand seinen Weg noch im 12. Jahrhundert in den Raum zwischen Alpen und Main: Wilhelm von Conches, der als ein typischer Vertreter der frühscholastischen Naturphilosophie chartrescher Prägung gelten muss. Wie Honorius noch in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts in Conches in der Normandie geboren, wirkte er ab den 20er Jahren als Magister wohl in Chartres und/oder Paris. Die letzten Jahre seines Lebens – er starb 1154 – verbrachte er am Hof des Herzogs der Normandie, wo er dessen Sohn unterrichtete, der später als Heinrich II. den Thron Englands besteigen sollte.235 Zwar kann es Wilhelms Werk im quantitativen Umfang sicher nicht mit Honorius Augustodunensis aufnehmen, mit Blick auf dessen Breite und Bedeutung aber durchaus: Während sich Honorius eher mutmaßlich monastischen Inhalten widmete, verschrieb sich Wilhelm einer weiten Bandbreite der urbanen Gelehrsamkeit, die in den Städten Nordfrankreichs entstand, weshalb ihn Jeauneau nicht zu Unrecht als encyclopédiste bezeichnet, der allen Wissensbereichen seine Aufmerksamkeit gewidmet habe.236 Vor allem verfasste er eine Reihe von Kommentaren, etwa zu Priscian, Juvenal und Boethius, aber auch zu naturphilosophischen Autoren, allen voran Plato, daneben Macrobius und Martian.237 Besonders diesem letzten Bereich 235 Vgl. zur Biographie Wilhelms den Überblick bei Jeauneau, ‚Préface‘. Für einen ausführlicheren Überblick sei auf die älteren Studien von Gregory, Anima mundi, S. 1–40 sowie Jeauneau, ‚Introduction‘, S. 9–31 (von 1965) und Jeauneau, ‚Introduction‘, S. xix–xxvi verwiesen, daneben Ricklin, Der Traum der Philosophie, S. 125–53. Zur Frage Chartres oder Paris vgl. Dutton, The Mystery of the Missing Heresy Trial, S. 20–22, dort mit Hinweis auf die weitere Diskussion. 236 Vgl. Jeauneau, ‚Préface‘, S. ix. 237 Eine gute Übersicht liefert Jeauneau, ‚Introduction‘, S. xix–lxi.
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des Kosmoswissen widmete Wilhelm darüber hinaus auch zwei umfangreichere Werke mit naturphilosophischem Anspruch und enzyklopädischem Ausmaß, seine Philosophia mundi sowie das Dragmaticon Philosophiae. Es ist besonders die Philosophia mundi,238 auf der sein Nachruhm gründet, ein Werk, das heute in drei Versionen vorliegt: Zunächst in einer versio prior, der ursprünglichen Fassung die Wilhelm in jungen Jahren, also etwa um 1125 verfasste. Diese Fassung erweiterte Wilhelm offenbar später, etwa zu Beginn der 40er Jahre des 12. Jahrhunderts, zu einer Version, die Dutton als eine Art second edition charakterisiert, die an verschiedenen Stellen substantielle Änderungen aufweise.239 Abschließend entstand eine als Summa philosophiae bezeichnete Kompilation des Stoffes durch eine unbekannte dritte Person.240 Wilhelm teilt seinen Text in vier Bücher, von denen sich das Erste mit den unsichtbaren Dingen befasst, dem „Schöpfergott, […] der Weltseele, den Dämonen sowie den Seelen der Menschen“241. Die Bücher 2 bis 4 handeln von den sichtbaren Phänomenen der Natur, geordnet nach den Elementen: Buch 2 von der Astronomie, Buch 3 von der Meteorologie und Buch 4 von der Anthropologie. Entsprechend massiert sich Wissen über den Kosmos im zweiten und dritten Buch. Buch 2 referiert nach einem abschließenden Abschnitt im ersten Buch über die vier Elemente zunächst den Aufbau des Kosmos. Dann widmet Wilhelm sich den verschiedenen Himmelskreisen – darunter die Parallelkreise, Zodiak, Koluren, Horizont und Meridian –, danach den einzelnen Planeten und ihren Eigenschaften und abschließend den Bewegungen von Sonne und Mond und deren Auswirkung auf Jahreszeiten und die Entstehung von Eklipsen. Das dritte Buch vereint die Phänomene der Elemente Luft und Wasser zu einer Meteorologie: Behandelt werden verschiedene Wettererscheinungen wie die Winde, aber auch Kometen, die im Mittelalter als atmosphärische Phänomene galten. Außerdem thematisiert es Erscheinungen in Verbindung mit Wasser, etwa die Strömungen der Meere oder wieso es Salz- und Süßwasser gibt. Das vierte Buch beginnt mit einer Beschreibung der Erde und ihrer Geografie. Besonderes Augenmerk legt Wilhelm bei all diesen Themen immer wieder auf das Zusammenspiel der Elemente, die den menschlichen Körper in einem durchaus medizinischen Sinne an die Phänomene des Kosmos rückbinden und das er auch in den Diagrammen der Philosophia zum Ausdruck bringt.242 Wilhelms Philosophia ist daher durchaus mehr als ein rein enzyklopädischer Wissensspeicher, sondern entwickelt – auch mit Blick auf sein weiteres Werk – zum ersten Mal im europäischen Mittelalter eine zusammenhängende Philosophie der Welt.243
238 Neben drei Ausgaben des 16. Jahrhunderts, die unter verschiedenen Namen in den Bänden 90 und 172 der Patrologia Latina abgedruckt wurden, ist die bislang maßgebliche Edition Wilhelm von Conches, Philosophia, hg. von Maurach; eine neue Edition wird für das CCCM durch Paul Dutton vorbereitet. 239 Vgl. Dutton, The Mystery of the Missing Heresy Trial, S. 24–25. 240 Vgl. Dutton, ‚The Little Matter of a Title‘, S. 468. 241 Speer, Die entdeckte Natur, S. 140. 242 Vgl. zur wichtigen Rolle der Elemente in Wilhelms Werk Caiazzo, ‚The Four Elements‘. 243 Obrist und Caiazzo, ‚Introduction‘, S. xx.
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Diese Philosophie beschränkt sich aber nicht auf eine Theorie der natürlichen Welt, sondern ist besonders in der Philosophia mundi als eine Art Erkenntnisphilosophie zu verstehen, geht es Wilhelm doch vor allem um die Grenzen und Möglichkeiten der (Gott)erkenntnis, oder in den Worten Wilhelms um die vera comprehensio von Schöpfer und bzw. durch dessen Schöpfung, die er in erster Linie durch die von der Theologie geschiedenen Philosophie erreichen möchte.244 Gleichwohl erfordert der enzyklopädische Zuschnitt des Textes eine Einordnung in den Bereich des epistemischen Wissens. Diese Ideen waren im 12. Jahrhundert durchaus umstritten und mussten ihre Leser provozieren. Tatsächlich konnte sich Wilhelm nur knapp einem drohenden Prozess entziehen, indem er mit der versio altera eine theologisch entschärfte Fassung der Philosophia vorlegte. Gleichzeitig zog er an den Hof des Herzogs der Normandie, wo er einem etwaigen Zugriff seiner Kritiker entzogen war. Dort verfasste Wilhelm eine zum Lehrgedicht erweiterte Fassung dieser Inhalte, für die er nun auch die neu übersetzte Kosmologie und Medizin aus der arabischen Welt rezipierte.245 Dieser Text ist im Untersuchungsgebiet im 12. Jahrhundert allerdings nur in einer Handschrift überliefert, nämlich im Biburger Kodex München, BSB, MS Clm. 564 und findet sich dann erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts auch in Aldersbach (München, BSB, MS Clm. 2596), was wohl in der späteren Abfassungszeit des Textes begründet liegt. Wilhelms Philosophia erfreute sich trotz dieser scharfen Kritik auch in monastischen Institutionen einiger Beliebtheit und weist für das Untersuchungsgebiet eine handschriftliche Überlieferung von sechs Zeugen auf, von denen interessanterweise drei Kodizes auch die inhaltlich konservativere Imago mundi überliefern. Dies spricht dafür, dass die Rezipienten der Region in Wilhelms Text vor allem enzyklopädisches Wissen suchten und die – aus theologischer Sicht vielleicht problematischen – philosophischen Diskurse nicht beachteten oder zumindest tollerierten. Im gleichen Überlieferungszusammenhang findet sich darüber hinaus das Werk De mundi celestis terrestrisque constitutione, das nicht nur genuin kosmologische Fragen behandelt, sondern darüber hinaus vermutlich in Tegernsee entstanden ist. Da der Text im Untersuchungsgebiet aber lediglich singulär in einer Tegernseer Handschrift überliefert ist und sich sonst auch nicht in den Katalogen des Untersuchungsraumes finden lässt, wird er an dieser Stelle nicht berücksichtigt.246 Die globale und regionale Überlieferung der Philosophia gestaltet sich wie folgt (Fig. 3.19):247
244 Vgl. Speer, Die entdeckte Natur, S. 140. 245 Die trifft vor allem für sein Dragmaticon zu, vgl. Obrist, ‚Guillaume de Conches: Cosmologie, physique du ciel et astronomie‘; Obrist, ‚William of Conches, Masha’allah, and Twelfth-Century Cosmology‘. 246 PS-Beda, De mundi caelestis, hg. von Pradel-Baquerre und andere. Der Text findet sich im Überlieferungsgebiet in München, BSB, MS Clm. 18918. 247 Eine aktuelle Übersicht über die Handschriften liefert Dutton, ‚The Little Matter of a Title‘, S. 477–86. Aufgrund der mangelnden Datierung in Duttons Liste bezieht sich die folgende Aufstellung auf Vernet, ‚Un remaniement de la Philosophia‘ von 1946, wieder abgedruckt als Vernet, ‚Un remaniement de la Philosophia‘ 1981.
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Figur 3.19. Wilhelm von Conches, Philosophia mundi. Chronologische Verteilung der Überlieferung. Diagramm des Autors.
Bibliothekskataloge: 1. Regensburg (Prüfening), Saec. 12: „Willehalmus de phylosophia“. (MBK 4 Nr. 40) Handschriften: Admont, SB, MS 400, Saec. 12, Admont München, BSB, MS Clm. 564, Saec. 12, Biburg Erlangen, UB, MS 229, Saec. 12, Heilsbronn Wien, ÖNB, MS Cod. 1736, Saec. 12, Reichersberg München, BSB, MS Clm. 18918, Saec. 12, Tegernsee München, BSB, MS Clm. 16103, Saec. 12/13, Passau (St. Nikola) Die Bestände des sekundären Wissens
Während der vorangegangene Abschnitt die Bestände des primären Kosmoswissens aus dem Untersuchungsgebiet schildert und verzeichnet, gilt es im Folgenden, das sekundäre Wissen über den Kosmos überblicksartig zusammenzufassen, das sich in den Katalogen des Südostens nachweisen lässt. Dabei handelt es sich um Wissen, das zwar in unterschiedlichem Maß Aussagen über den Kosmos enthält, sie aber letztlich anders ausgerichteten Diskursen oder Funktionen unterordnet. Diese Diskurse und Funktionen sind gerade im Mittelalter aufgrund der weitreichenden metaphysischen Rückbindung der Gesellschaft und ihrer kulturellen Grundlagen an die Vorstellung der göttlichen Schöpfung äußerst vielseitig, in sich heterogen und nicht selten implizit.
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Ein erster Speicher dieses Wissens war die Liturgie. Zwar mag es aus einem modernen Verständnis verwundern, Spuren kosmologischer Wissensbestände gerade in diesem religiösen Bereich zu suchen, allerdings waren die buchbesitzenden Institutionen des Südostens vor allem Klöster oder weltgeistliche Einrichtungen. Diese pflegten einen dezidiert liturgischen Alltag, in dem Bezüge zur physikalischen Schöpfung allgegenwärtig waren. So begann jeder Tag für die Mönche mit dem gemeinsamen Gebet der Psalmen 148 bis 150 während der Laudes, die gleich zu Beginn ein explizites Lob der physikalischen Schöpfung beinhalten. Die dort zum Ausdruck kommende Würdigung der Natur und ihrer Gesetzmäßigkeiten blieb dabei nicht auf eine spirituelle Ebene beschränkt, sondern war von den Mönchen direkt nachzuvollziehen. Da die Laudes zum Sonnenaufgang stattfanden, musste ihr Zeitpunkt entsprechend des unterschiedlichen Sonnenaufgangs durch die Jahreszeiten neu berechnet werden. Während ihres Lobes erlebten die Mönche daher die ehernen Gesetze der physikalischen Schöpfung im täglichen Untergang der Sterne (während der Matutin) und im Aufgang der Sonne also ganz konkret und waren so schon am Beginn ihres Tages mit der Schöpfung konfrontiert. Dass zumindest in einigen Institutionen des Südostens dieser Zusammenhang von Kosmos und Liturgie auch explizit präsent war, bezeugt das Kosmos-Mosaik des Klosters Tegernsee aus dem 11. Jahrhundert, das den Aufbau des Universums aus den vier Elementen – alle genannt im zitierten Psalm – im Boden des Chors verankerte und den Mönchen zu Gesicht und durch eine entsprechende Inschrift zu Gemüt brachte.248 Für Regensburger Klöster lassen sich solche Baudenkmäler allerdings nicht nachweisen. Der Kosmos ist aber auch an anderen Stellen im Psalter präsent, den monastische Gemeinschaften jede Woche komplett beteten, etwa in Psalm 8. Aber auch die anderen Bücher der Bibel enthielten eine Vielzahl kleinerer und größerer Bezüge zur physikalischen Schöpfung und den Phänomenen des Kosmos, die hier nicht im Einzelnen verfolgt werden können. Exemplarisch soll allerdings die Genesis mit der darin enthaltenen Schöpfungsgeschichte untersucht werden, die in jedem Kloster zur Verfügung stand. Auch in diesem Zusammenhang ist es wichtig, auf die Rezeptionspraktiken des Textes zu schauen, um dessen diskursive Funktion zu eruieren. Denn die Bibel wurde im monastischen Kontext weniger studiert, sondern vor allem rezitiert, und zwar im Rahmen der Liturgie.249 Auch die Genesis war daher Teil eines liturgischen Arrangements, das zumindest für die zur Hirsauer Reform gehörenden Regensburger Klöster St. Emmeram, Prüfening und Prüll anhand des Hirsauer Liber ordinarius und liturgischer Handschriften rekonstruierbar ist.250 Die Bibel spielte in allen Bereichen der monastischen Liturgie eine wichtige Rolle, besonders aber in Messe und der Matutin, in denen sie innerhalb eines Jahres
248 Vgl. Schwenk, ‚Das Mosaik‘; Dubielzig, ‚Ein kleines Tegernseer Weltgedicht‘. 249 Vgl. zu diesen Praktiken Boynton, ‚The Bible and the Liturgy‘. 250 Der Rheinauer Liber ordinarius, hg. von Hänggi; die Identifizierung dieses Textes als Hirsauer Liber ordinarius gelang einige Jahrzehnte später Felix Heinzer, vgl. Heinzer, ‚Der Hirsauer Liber ordinarius‘.
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in Gänze zu lesen war.251 Dabei waren die Zeitpunkte, an denen die jeweiligen Bücher zu lesen waren, genauestens geregelt. In Hirsauer Klöstern gab der Liber ordinarius an, dass mit dem Lesen der Genesis am ersten Sonntag der Septuagesima zu beginnen sei,252 ein beweglicher Feiertag, der vom jeweiligen Datum des Osterfests – also von astronomischen Gegebenheiten – abhing und vom Bibliothekar zu bestimmen war, dem die Vorbereitung der liturgischen Bücher oblag.253 Dieser Sonntag, der meist im Februar liegt, begann bereits mit der Vesper am Vorabend, die allerdings keinen Bezug zum Kosmos aufweist. Erst die Matutin, also die Gebetszeit kurz vor der Morgendämmerung, enthält einen solchen: Noch während der Nacht versammelten sich die Mönche und Novizen im Chor, um wie jeden Tag die Liturgie des jeweiligen Fests zu feiern. Für den Fastensonntag bezeugt der Liber ordinarius, dass die Mönche die historia (also eine zusammengehörige Reihe von Gesängen für ein spezifisches Fest) In principio beten, und dies jeden Tag für die nächsten zwei Wochen.254 Auch diese historia lässt sich über die Incipit im Liber ordinarius rekonstruieren und findet sich in noch erhaltenen Handschriften des 12. Jahrhunderts aus Hirsauer Klöstern, zum Beispiel in der Zwiefaltener Handschrift Stuttgart, WLB, MS Aug. LX,255 wo sich ab fol. 58v der Ablauf der historia nachvollziehen lässt.256 Bereits der Beginn der historia stellt einen Bezug zur Schöpfung dar. Gemeinsam sangen die Mönche das Invitatorium: „Adoremus dominum qui fecit nos alleluia“. Dem schlossen sich der täglich zu singende Psalm 94 sowie der übliche fastenzeitliche Hymnus an.257 Danach hoben die Mönche einen liturgischen Gesang aus sogenannten Antiphonen und Psalmen an, der vermutlich aber aus den sonntäglich üblichen Psalmen bestand, die keinen besonderen Bezug zur materiellen Schöpfung aufweisen. Nach sechs Psalmen mit zugehörigen Antiphonen beginnt die Lesung der Genesis im Chor, die eigentlich mehr als eine Art liturgische Kantillation verstanden werden muss.258 Auch die Genesis war nach Auskunft des Liber ordinarius über die kommenden Wochen verteilt zu lesen. Da sie aber mit dem Schöpfungsbericht beginnt, ist klar, dass dieser noch am Septuagesima-Sonntag vorgetragen wurde.259 Dabei wurde dieser Text nicht am Stück verlesen, sondern in zwölf kurze Abschnitte
251 Vgl. Boynton, ‚The Bible and the Liturgy‘, S. 22–24. 252 Vgl. Der Rheinauer Liber ordinarius, hg. von Hänggi, S. 94. 253 Zu den Pflichten des Hirsauer Bibliothekars vgl. Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, ii, 18, S. 113–31. 254 Vgl. Der Rheinauer Liber ordinarius, hg. von Hänggi, S. 93: „Ad mat. historiam in principio incipimus et per duas ebdomadas eam canimus“. 255 Unter der Sigle D-KA Aug. LX verzeichnet in Cantus (online: [letzter Zugriff 29 März 2018]). 256 Online: [letzter Zugriff 29 März 2018]. 257 Zum Ablauf der Matutin vgl. Pascher, Das Stundengebet der Römischen Kirche, S. 191–224, daneben auch mit tabellarischer Übersicht Gy, ‚Bible et liturgie‘, Tabelle auf S. 543. 258 Vgl. Boynton, ‚The Bible and the Liturgy‘, S. 22. 259 Vgl. Der Rheinauer Liber ordinarius, hg. von Hänggi, S. 94.
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aus etwa 150 bis 200 Wörtern geteilt,260 die jeweils von einem Gesang aus der historia begleitet waren. Dieser bestand aus sogenannten Responsorien und Versen, die gerade zu Beginn einen inhaltlichen Bezug zum Schöpfungstext und der physikalischen Schöpfung herstellten und gegen Ende den Sündenfall und die Ermordung Abels thematisierten. Der Text der gesungenen historia paraphrasiert dabei den verlesenen Bibeltext der Genesis und führt so zu einer performativen Doppelpräsenz des Schöpfungsberichts und der darin vermittelten rudimentären Kosmologie sowohl in der lectio als auch im cantus.261 Das Ende dieser Gebetsstunde war nun – etwa seit der Mitte des 11. Jahrhunderts mit Hilfe des Astrolabs – so berechnet, dass es mit dem Beginn der Morgendämmerung zusammenfiel und damit die zu Beginn des Offiziums thematisierten Himmelskörper erfahrbar machte. Damit endete zunächst der liturgische Bezug zur Schöpfung, bis zur Mittagszeit, wenn die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte. Vor der Hauptmesse beteten die Mönche erneut die historia In principio während einer Stationsliturgie zu den verschiedenen Altären des Klosters, kamen mit der historia also auch außerhalb des Offiziums in Kontakt.262 Diese historia sangen sie übrigens nicht nur am ersten Sonntag der Septuagesima, sondern auch die folgenden zwei Wochen hindurch, wodurch auch andere Abschnitte der Genesis in einen Kontext zur Schöpfung gestellt wurden. Deutlich wird die Zentralität des biblischen Textes, um den das Lob der Schöpfung in der monastischen Liturgie angeordnet war. Dies kann kaum verwundern, da die Bibel der Grundtext des klösterlichen Lebens war. Sie erzählt in erster Linie vom heilsgeschichtlichen Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen, ist also kein genuin kosmologisches Werk. Trotzdem halten viele Stellen relevante und zuweilen erklärungswürdige Informationen über den Kosmos und seine Phänomene bereit, um im Rahmen dieser Heilsgeschichte das wundervolle Handeln Gottes zu verdeutlichen, das sich oft in dezidiert astronomischen Naturphänomenen manifestierte.263 Diese Phänomene erschienen noch wundersamer, da sie oft gegen die bekannten Naturgesetze verstießen, denn Gott hatte die Welt ausweislich der Psalmen regelmäßig und nach Maß, Zahl und Gewicht erschaffen. Mit dem Bericht dieser „Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde“ (Genesis 2,4)264, also der sechs Tage dauernden Schöpfung des Kosmos, beginnt denn auch das Alte Testament in den ersten zwei Kapiteln der Genesis (Genesis 1,1 bis Genesis 2,5). Vier Tage formte und ordnete Gott die Welt, die er am fünften und sechsten Tag bevölkerte, ehe er ruhte. Wie alle biblischen Schriften, so war auch der Schöpfungsbericht in hohem Maße interpretationsbedürftig, vor allem, wenn er mit dem Blick auf philosophische und kosmologische Fragen gelesen wurde. Hier stellte sich zum Beispiel die Frage, wie es Zeit oder Licht vor der Erschaffung der Gestirne geben kann, oder was es mit dem Abgrund (Vulgata: super faciem abyssi) auf sich hatte, über dem die Finsternis lag. Diese 260 Vgl. Boynton, ‚The Bible and the Liturgy‘, S. 23. 261 Zur performativen Repräsentation des Bibeltextes im Rahmen der Liturgie vgl. Heinzer, ‚Figura zwischen Präsenz und Diskurs‘. 262 Vgl. Der Rheinauer Liber ordinarius, hg. von Hänggi, S. 95. 263 McCluskey, ‚Natural Knowledge‘, S. 290. 264 Vulgata Genesis 2,4: „Istae generationes caeli et terrae quando creatae sunt“.
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teils philologischen, teils theologisch/philosophischen Fragen beschäftigten bereits die Kirchenväter, die ihre Heilige Schrift aus den unterschiedlichsten Gesichtspunkten analysierten und kommentierten und damit zum prägenden Vorbild auch für mittelalterliche Autoren wurden, die ihnen darin nacheiferten. Zwar beziehen sich diese genuin theologischen Texte nicht in erster Linie auf Kosmoswissen, vermitteln aufgrund der inhärenten Verschränkung von Theologie und Kosmologie im christlichen Schöpfungsgedanken besonders in der Auslegung der ersten zwei Kapitel der Genesis aber auch Wissen über die Erschaffung und den Charakter des Kosmos und diskutieren hierfür mitunter auch zeitgenössische Kosmologie. Die wichtigsten Autoren dieser exegetischen Werke waren die Kirchenväter, allen voran Ambrosius – der in seinem Hexaemeron auch „um eine Harmonisierung philosophisch-kosmologischer Lehren mit dem Schriftsinn bemüht war“265– und Augustinus, mit seinen Werken De Genesi ad litteram – in dem er der Kosmologie ebenfalls umfangreichen Platz einräumt266 – und De Genesi contra Manichaeos267. Neben Augustinus und Ambrosius, deren Kommentare erst später in Regensburg zu fassen sind, widmete sich auch Origenes, ein griechischer Gelehrter des 3. nachchristlichen Jahrhunderts, dieser Aufgabe. Neben einem heute verschollenen Kommentar legte er die Genesis dem Kirchenvolk in seinen berühmten Predigten aus, die Rufinus durch seine Übersetzung auch ins westliche Mittelalter überlieferte. Seine erste Predigt handelt De initio mundi et omnium rerum, also vom Ursprung der Welt und aller Dinge. Damit ist der Schöpfungsbericht gemeint, den Origenes Satz für Satz auslegt und erklärt. Gleichwohl ist festzuhalten, dass sich Origenes im Gegensatz zu anderen Stellen seines Werkes kaum kosmologischen oder gar naturwissenschaftlichen Fragen widmet, sondern versucht, die Schrift durch die Methode der Allegorese zu interpretieren. Die Schöpfung des Kosmos beleuchtet Origenes vor allem mit Blick „auf den Menschen und sein sittliches Betragen“, bedient sich aber durchaus astronomischer Analogien.268 Diese drei Autoren stellen für die Untersuchungsregion so etwas wie das Rückgrat der exegetischen Literatur zur Schöpfung dar. Daneben finden sich natürlich eine ganze Reihe weiterer Autoren, vor allem des Mittelalters, die lediglich in geringer Zahl überliefert wurden, etwa Bedas Hexaemeron, Hugo von St. Viktors erster Teil seines umfangreichen Werkes De sacramentis oder De neocosmo des Honorius. Insgesamt lassen sich nach Auskunft der mittelalterlichen Bibliothekskataloge 14 Werke – und damit der überwiegende Teil des sekundären Wissens – diesem exegetischen Bereich zuweisen. Auch zwei weitere Werke aus dem Bereich des sekundären Wissens haben in gewisser Weise einen exegetischen Hintergrund, nämlich Johannes Scottus, genannt Eriugena, Periphyseon oder auch De divisione naturae sowie der Clavis physice des Honorius, eine „umfangreiche Paraphrase von Eriugenas Hauptwerk“269. Zwar ist De 265 Simons, Dracontius und der Mythos, S. 25; ediert in Ambrosius, Exameron, hg. von Schenkl. 266 Ediert in Augustinus, De Genesi ad litteram, hg. von Zycha, zur Einführung und Rezeption vgl. Teske, ‚Art. Genesi ad litteram‘. 267 Augustinus, De Genesi contra Manichaeos, hg. von Weber. 268 Vgl. Origenes, Die Homilien zum Buch Genesis, hg. von Habermehl, S. 12–13, Zitat auf S. 12. 269 Rohstock, Der negative Selbstbezug des Absoluten, S. 10.
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divisione naturae in erster Linie „eine theologische Schrift“270, gleichwohl widmet sie sich an verschiedenen Stellen, vor allem in der zweiten Hälfte des dritten Buches,271 der expliziten Beschreibung kosmischer Phänomene: Sie nimmt zum Beispiel die vier Elemente, die physischen Aspekte des Schöpfungsvorganges, verschiedene astronomische Erscheinungen oder den Umfang der Erde in den Blick. Gleichzeitig interessiert sich Eriugena nicht in erster Linie für diese Phänomene selbst, sondern stellt sie fest in den Dienst einer besonderen Form der Exegese, die sich nicht auf die Schrift bezieht, sondern die Natur selbst theologisch deuten möchte. Lemanski spricht daher von einer Hermeneutik, die letztlich der Klärung theologisch-philosophischer Fragen diente, und Ähnliches muss wohl auch für den Clavis physice gelten.272 Etwas anders gelagert sind die vier weiteren Werke dieser Kategorie, so der Elucidarius des Honorius, der als eine Art theologisches Handbuch die „Inhalte der christlichen Glaubenslehre“273 vermitteln möchte. Dafür beschreibt er gleich zu Beginn auch die Schöpfung des physikalischen Kosmos, bietet dabei aber nur wenig mehr als kleine kosmologische Wissenssplitter. Ähnlichen Anspruch haben auch die Institutiones des Cassiodor und das Didascalicon Hugos von St. Viktor. Auch sie sind als Einführungen gedacht, allerdings nicht allein in die Grundlagen der christlichen Glaubenslehre, sondern in die Wissenschaften ihrer Zeit, und zwar sowohl in die geistlichen als auch weltlichen Wissenschaften. In diesem Sinne verfasste Cassiodor bereits im 6. Jahrhundert seine Institutiones für die Mitglieder des von ihm gegründeten Klosters Vivarium, wo er die aus seiner Sicht relevanten Autoren dieser beiden Wissensbereiche aufzählt und hinsichtlich ihres Wertes für ein religiöses Leben im Kloster kommentiert. So thematisiert er zum Beispiel, welche Kosmographen die Mönche lesen sollten, um die Orte der heiligen Schrift kennenzulernen. Besonders im zweiten Buch finden sich kleinere kosmologische Wissensbestände in den beiden Abschnitten zur Geometrie (hier verstanden als Landvermessung) und Astronomie. Vor allem fanden seine Leser aber Hinweise auf die verschiedenen Autoren – darunter Ptolemäus – in denen sie bei Bedarf das geweckte Interesse befrieden konnten.274 Einen ganz ähnlichen Zuschnitt hat auch das mehr als ein halbes Jahrtausend später verfasste Didascalicon Hugos von St. Viktor.275 Auch er konzipiert dieses Studienbuch vor allem als eine Art Einführung in die verschiedensten wissenschaftlichen Bereiche seiner Zeit und streift dabei gelegentlich auch kosmologische Inhalte und Disziplinen. Auch hier ist aber eher von kleineren Wissenssplittern zu reden. Zwei Sonderfälle schließen diesen sekundären Bereich des Wissens über den Kosmos ab, die gleichzeitig – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen – zeigen, wie schwierig es ist, diese Kategorie zu begrenzen. Zum einen ist hier die De consolatio philosophiae des spätantiken Autors Boethius zu nennen, zum anderen die Cosmographia des sogenannten Aethicus aus dem frühen Mittelalter. Besonders 270 Lemanski, Christentum im Atheismus, i, S. 124. 271 Johannes Scottus Eriugena, Periphyseon, hg. von Jeauneau. 272 Vgl. Lemanski, Christentum im Atheismus, i, S. 124. 273 Flint, ‚The Elucidarius‘; Gottschall, Das Elucidarium, S. 1. 274 Cassiodor, Institutiones, hg. von Mynors. 275 Hugo von St. Viktor, Didascalicon, hg. von Buttimer.
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der Trost der Philosophie erfreute sich durch das gesamte Mittelalter einer großen Beliebtheit, was sich auch in der häufigen Nennung in den Katalogen der Region widerspiegelt. Boethius verfasste seinen Text in der Gefangenschaft des Gotenkönigs Theoderich, die letztlich in seiner Exekution endete. In dieser Situation findet er laut Text Trost in der Philosophie und widmet sich dabei ganz existentiellen Fragen etwa nach der Vergänglichkeit des Irdischen, der göttlichen Vorsehung oder dem Guten.276 Unterbrochen werden diese Abschnitte in Prosa durch Verspartien, die eine ganze Reihe von verschiedenen Anspielungen auf den Kosmos und seine Ordnung enthalten, etwa die verschiedenen Winde oder die Sterne: „In the Consolatio the natural order of the cosmos, while not a predominant ingredient […] is often aluded to by the author as a contrast to […] the human world.“277 Diese Anspielungen auf die kosmischen Phänomene vermitteln zwar nicht wirklich geschlossenes Wissen über den Kosmos, sind aber doch so deutlich, dass etwa Wilhelm von Conches seinen Kommentar zur Consolatio mit umfangreichen naturphilosophischen Erklärungen anreicherte.278 Alle bislang vorgestellten Texte zeichneten sich dadurch aus, dass sie kosmologisches Wissen zumindest in Ansätzen und kleineren Splittern enthielten bzw. zumindest die Phänomene des Kosmos, wenn nicht erschöpfend erklärten, so doch in ihrer Existenz und Erklärungsbedürftigkeit vor die Augen ihrer Leser brachten und eine Berücksichtigung als sekundäres Wissen damit rechtfertigen. Mit der Cosmographia des Aethicus tritt nun zum Abschluss dieser Wissenskategorie ein interessanter Sonderfall auf den Plan, der es wert ist, ein wenig ausgiebiger besprochen zu werden.279 Das Werk stellt vor dem Hintergrund der Frage nach dem Wissen über den Kosmos ein merkwürdiges Problem dar: Es handelt sich dabei um eine angebliche Weltbeschreibung eines gewissen Aethicus, die von keinem geringerem als Hieronymus ins Lateinische übertragen worden sei. Der Text gliedert sich in einen kosmographischen und einen geographischen Abschnitt, wobei letzter eher die Form eines Reiseberichtes hat. Nach Herren begründet und erläutert der kosmographische Vorspann die später auf der Reise erlebten und geschilderten Merkwürdigkeiten.280 Diese Reise führt Aethicus durch die – aus damaliger Perspektive – gesamte bewohnte Welt, und durch die entlegensten Winkel Europas, Asiens und Afrikas.281 Das Problem: Sowohl die geschilderte Reise als auch die vorangestellten kosmologischen Theorien (Aethicus propagiert etwa die Erde als Scheibe) entspringen ganz und gar dem Reich der Fantasie. Prinz charakterisiert den Text daher als „Reise- und Abenteuerroman“, Herren spricht von einem „farrago of science fiction, travel adventure, litterary criticism, and prophecy, with just a dash of historical detail and
276 Boethius, Philosophiae consolatio, hg. von Bieler. 277 Wilhelm von Conches, Glosae super Boetium, hg. von Jeauneau, S. xliii. 278 Vgl. zu Wilhelms naturphilosophischen Anmerkungen zur Consolatio vgl. Wilhelm von Conches, Glosae super Boetium, hg. von Jeauneau, S. 63–101. 279 Der Text liegt in zwei modernen Ausgaben vor: Aethicus, The Cosmography of Aethicus Ister, hg. von Herren sowie Aethicus, Die Kosmographie des Aethicus, hg. von Prinz. 280 Vgl. Herren, ‚Introduction‘, S. xx. 281 Vgl. zum Inhalt Prinz, ‚Einleitung‘, S. 18–22 sowie ausführlicher Herren, ‚Introduction‘, S. xx–xxxii.
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scientific investigation.“282 Versteckt hinter einem Pseudonym verspotte ein anonymer Autor die Idiotien seiner Zeit: „flat-earth cosmography, literal interpretation of the scriptures, censorship of heathen fables, and human gullibility in general.“283 Auch wenn es diesem namenlosen Autor gerade nicht um die Vermittlung korrekten kosmologischen Wissens ging, stellt sich die Frage nach der Rezeption dieses Werkes durch seine Leser. Die angebliche Übersetzung durch den Kirchenvater Hieronymus, der ja schon die Bibel übersetzt hatte, „gab der Kosmographie Ansehen und Glaubwürdigkeit“.284 Ob die Leser der Cosmographia also ihr satirisches Potential erkannten und lediglich aus Gründen der Unterhaltung rezipierten, oder aber dem Text den Anspruch unterstellten, Aussagen über den Kosmos zu vermitteln, muss dahingestellt bleiben. Immerhin stützte sich noch im 15. Jahrhundert der Humanist und spätere Papst Piccolomini in seiner Untersuchung der Herkunft der Völker von Gog und Magog auf den obskuren Text, den der geschulte Philologe für ein authentisches Werk hielt.285 Auf alle Fälle enthielt das Werk das Potential zur erheblichen Irritation des zeitgenössischen Wissens über den Kosmos, das es rechtfertigt, die Cosmographia zum Bestand des sekundären (Nicht-)Wissens über den Kosmos zu zählen. Damit lässt sich zusammenfassen, dass der Südosten des Reiches bis zum Ende des hohen Mittelalters über ein umfangreiches Tableau an Wissensbeständen des primären Kosmoswissens aus den unterschiedlichsten Epochen und Bereichen der Ideengeschichte verfügte, das von den Texten der römischen Antike über die Erzeugnisse des christlichen Frühmittelalters zu den exotischen Wissensbeständen aus dem arabischen Raum und der Scholastik französischer Kathedralstädte reichte. Ähnlich heterogen stellt sich das sekundäre Wissen dar, das im Südosten in erster Linie auf religiöses Schriftgut entfiel, welches sich dem Wissen über den Kosmos vor allem aufgrund der wichtigen Rolle des Schöpfungsberichtes und der Notwendigkeit dessen Auslegung bediente. Daneben finden sich aber auch kleinere Wissenssplitter in sehr unterschiedlichen Kontexten und Lebensbereichen, in religiöser und propädeutischer Handbuchliteratur ebenso wie in lyrischen Versen oder der satirischen Unterhaltungsliteratur. Im Ergebnis stellen diese Bestände eine äußerst vielseitige diskursive Symphonie des Kosmoswissens dar, deren konkrete Anwesenheit im Südosten im folgenden Kapitel anhand ihrer Wissensträger näher geprüft werden soll.
Wirkungschronologie der südostdeutschen Wissenslandschaft Im voranstehenden Kapitel wurden die bis zum Ende des 12. Jahrhunderts verfügbaren Bestände des Kosmoswissens im Südosten aus einer inhaltlichen Perspektive
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Prinz, ‚Einleitung‘, S. 52; Herren, ‚Introduction‘, S. xi. Herren, ‚Introduction‘, S. xi. Prinz, ‚Einleitung‘, S. 51. Vgl. Gründer, ‚Liebe deine Feinde!‘, S. 71.
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chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer Abfassung verzeichnet und charakterisiert. Auch wenn dieses Vorgehen eine notwendige Grundlage für die Untersuchung des Kosmoswissens im Südosten darstellt, so reicht es allein nicht aus, um das historische Werden der Wissenslandschaft der Region in ihrer Individualität angemessen darzustellen. Vielmehr ist es notwendig, eine Wirkungschronologie zu erstellen, also eine Übersicht darüber, wie sich der Wissensbestand der Landschaft durch die sukzessive Akkumulation von konkreten Wissensträgern in den Institutionen des Südostens über die Zeit verändert und entwickelt hat. Hierfür ist konkret zu fragen, wann welche Wissensbestände durch Wissensträger wo verfügbar waren und somit konkret in Erscheinung treten konnten. Im Folgenden soll diese Wirkungschronologie anhand der überlieferten handschriftlichen Wissensträger und der mittelalterlichen Bibliothekskataloge erstellt werden.286 Um das historische Werden der Wissenslandschaft des Südostens in seiner Dynamik abbilden zu können, wird die Überlieferung der Wissensbestände in vier Zeitschichten unterteilt, die sich jeweils grob an historischen Zäsuren von der Spätantike bis zum Ende des 12. Jahrhunderts orientieren. Für diese Schichten erfolgt jeweils eine Rekonstruktion der lokalen Wissensträger und darauf aufbauend der Wissensbestände in den Institutionen des Fallbeispiels Regensburg. Aufgrund der Quellenlage wird sich dieses Fallbeispiel zunächst auf die Abtei St. Emmeram beschränken, im 12. Jahrhundert dann das Kloster Prüfening und aufgrund der Überlierferung in sehr kleinem Umfang Prüll in den Blick nehmen. Die Ergebnisse werden dann mit der Überlieferung der gesamten Untersuchungsregion sowie den europäischen Beständen verglichen und historisch kontextualisiert. Auf diese Weise sollen nicht nur die im Südosten verfügbaren Bestände des Kosmoswissens geprüft werden, sondern auch die wechselnden Netzwerke, die durch Transfer und Rezeption dieses Wissens dessen Entwicklung als Wissenslandschaft ermöglichten. Abschließend soll auf der Grundlage der in dieser chronologischen Bestandsaufnahme erhobenen Daten die Wissenslandschaft des Südostens zum Ausgang des 12. Jahrhunderts skizziert werden. Hier soll zum einen das institutionelle Gefüge dieses Raumes geklärt werden, zum Beispiel ob sich erkennbare Zentren dieses Wissens im Südosten etablierten. Zum anderen wird das inhaltliche Profil dieser Landschaft nachgezeichnet und wiederum in einen europäischen Vergleichskontext gesetzt. In einem dritten Schritt werden die aus den Bibliothekskatalogen gesammelten Gesamtbestände des Kosmoswissens einer tieferen Analyse unterzogen und die Frage nach etwaigen Entwicklungen innerhalb des Kosmoswissens gestellt. Vor allem soll hierbei geprüft werden, ob sich die vielfach geäußerte These einer kulturellen Blüte im Bereich des Kosmoswissens im hohen Mittelalter auch in einer Wissenslandschaft außerhalb Nordfrankreichs feststellen lässt, und welche Rolle der Südosten und insbesondere das Fallbeispiel Regensburg in den wissenshistorischen Entwicklungen der Zeit spielte.
286 Angaben zu Handschriften beziehen sich soweit nicht anders angegeben auf die im Anhang verzeichnete Literatur.
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Von der Antike ins frühe Mittelalter: Der Südosten als postkolonialer Raum
Regensburg ist eine alte Stadt: Spuren einer festen Besiedlung der sogenannten Regensburger Bucht, die durch das Zusammentreffen von Bayerischem Wald, Fränkischer Alb und den Hügeln des Donau-Isar-Landes gebildet wird, reichen bis in die Steinzeit zurück.287 Drei Flüsse münden hier auf kleinem Raum in die Donau, die um Regensburg herum eine auffällige Schleife bildet. Auch der fruchtbare Löß im Osten machte diese Gegend früh zu „eine[m] der wichtigsten Altsiedelgebiete Süddeutschlands“.288 In antiker Zeit – noch im Laufe des 1. Jahrhunderts n. Chr. – kamen die Römer an diese Regensburger Bucht. Deren Interesse an diesem Gebiet entsprang wohl weniger ihrer Liebe zum Wein, für dessen Anbau entlang der Donau noch heute hervorragende Bedingungen herrschen, sondern wie so oft militärischen Gesichtspunkten: Die Donau stellte die natürliche Grenze des Imperiums nach Nordosten dar, das hier mit den beiden Provinzen Raetien und Noricum endete. Regensburg entwickelte sich im Laufe der Römerzeit zu einem befestigten Lager mit angeschlossener ziviler Siedlung.289 Zwar brachte die Lage des Südostens als Grenzgebiet eine Reihe teils verheerender Konflikte mit sich, die heute als Markomannenkriege bekannt sind, gleichzeitig zeichnete sich die Region durch eine ethnische und kulturelle Vielfalt der Bevölkerung aus. Gerade im Verlauf der Spätantike kann zum Beispiel für die nunmehr aus dem ehemaligen Feldlager entstandene Stadt eine zunehmend ‚germanische‘ Prägung festgestellt werden, auch wenn sich der römische Bevölkerungsanteil wohl bis ins frühe Mittelalter seine Tradition und Eigenständigkeit erhalten konnte. Der „Zustand der Gesamtanlage [der Stadt bzw. der Befestigung, Anm. d. V.] im 7. Jahrhundert [legt] eher eine friedlich-kontinuierliche Entwicklung des Übergangs von der Spätantike über die Völkerwanderungszeit bis in das frühe Mittelalter nahe.“290 Der Südosten war daher seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. ein fester Bestandteil der antiken Welt, auch wenn er sich durch seine landschaftlichen, ethnischen und kulturellen Besonderheiten von vielen Provinzen des Imperiums unterschied. Auf der anderen Seite bestand gerade in dieser individuellen Situation ein einendes Band zu den übrigen Regionen des antiken Großreiches: Das Römische Reich war in vielerlei Hinsicht ein heterogenes Imperium, das sich vielleicht am besten als koloniales Gebilde deuten lässt. In diesem wurden kulturell höchst unterschiedliche Regionen eher durch ein administratives und politisches Zentrum zusammengehalten als durch kulturelle Homogenität, ein Umstand, der sich auch auf das Wissen über den Kosmos auswirkte: „We tend to forget the Roman Empire’s enormous cultural and human diversity, a fact that deeply shaped the history that followed, including the facets of its science.“291 287 Vgl. Dallmeier, ‚Spurensuche‘, S. 3. 288 Dietz und Fischer, ‚An der Grenze des Imperiums‘, S. 13. 289 Vgl. zur äußerst komplexen römischen Siedlungsgeschichte Dietz und Fischer, ‚An der Grenze des Imperiums‘, S. 27 und S. 40. 290 Vgl. Dietz und Fischer, ‚An der Grenze des Imperiums‘, S. 41–42, Zitate ebd. 291 Shank und Lindberg, ‚Introduction‘, S. 19.
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Bereits William Stahl wies 1962 in Roman Science daher darauf hin, dass der monolithische Begriff des ‚antiken Wissens‘ ein Fehlschluss ist. Tatsächlich unterschied sich das in den jeweiligen Regionen der antiken Welt gepflegte und produzierte Wissen in Qualität und Inhalt: Während gerade der Griechisch sprechende und vor allem schreibende Osten ein Zentrum naturphilosophischer und astronomischer Studien war, entwickelte der lateinische Westen eher handbuchartige Werke (die freilich gerade für das Wissen des Mittelalters einen wichtigen Beitrag leisten sollten).292 Viele der berühmten Vertreter der griechischen Wissenschaften, etwa Ptolemäus, waren im Westen auch während der Antike lediglich dem Namen nach bekannt293 und wurden in römischen Handbüchern zuweilen nur nach dem Hörensagen zitiert. Die direkte Rezeption ihrer Texte blieb freilich auf den Osten beschränkt.294 Das römische Imperium war daher bereits zur Zeit seines politischen Bestehens ein in verschiedene Landschaften mit jeweils individuellen Bedingungen fragmentierter Wissensraum. Dies gilt auch mit Blick auf die anzunehmende Quantität der Wissensbestände in den einzelnen Landschaften. Auch hier muss wohl von unterschiedlichen Gegebenheiten ausgegangen werden. Während gerade im administrativen Zentrum des Westens, also Rom, gewaltige Wissensschätze in öffentlichen und privaten Bibliotheken versammelt waren,295 so ist dies sicher nicht überall zu erwarten und eher auf urbane Ballungsräume beschränkt. Von einem einheitlichen Wissenskanon, der in allen Provinzen des Reiches von Syrien bis zum Hadrianswall gleichermaßen und in gleichem Umfang verfügbar gewesen wäre, darf nicht ausgegangen werden. Daher stellt sich die Frage, über welche Wissensbestände der Südosten in römischer Zeit in welchem Umfang verfügte. Besonders in den Grenzregionen des heutigen Bayerns, in den Provinzen Rätien und Noricum, erscheint es fraglich, ob der Bestand an Abhandlungen über den Kosmos in der Römerzeit besonders groß war. Auch wenn römische Bildung sowie lateinische Sprache und Schriftlichkeit bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. zum Allgemeingut geworden war,296 und man sich gerade in den größeren Städten – etwa Iuvavum als Vorgänger der Stadt Salzburg – sicherlich eine Bibliothek vorstellen kann, so ist dies an den militärischen Grenzposten entlang der Donau doch eher unwahrscheinlich.297 Wenn sich im Südosten zur Zeit der Römer Wissen über den Kosmos befand, dann wird sich dies entsprechend der oben beschriebenen Vorliebe für Handbuchliteratur im Westen des Römischen Reiches vermutlich auf enzyklopädische Texte der Kaiserzeit beschränken, etwa die Naturgeschichte des Plinius. Eine zeitgenössische Rezeption der kosmologischen Kompendien der Spätantike ist dagegen eher unwahrscheinlich, da der Südosten zum Zeitpunkt ihrer Abfassung bereits im Zuge 292 Vgl. Stahl, Roman Science, S. 68. 293 Vgl. Stahl, Roman Science, S. 114. 294 Vgl. Stahl, Roman Science, S. 242–56. 295 Vgl. Lapidge, The Anglo-Saxon Library, S. 5–15. 296 Kellner, ‚Die Zeit der Römischen Herrschaft‘, S. 83. 297 Vgl. etwa zur militärischen Rolle Regensburgs in dieser Zeit Dietz und Fischer, ‚An der Grenze des Imperiums‘.
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kriegerischer Auseinandersetzungen nur noch locker mit dem Imperium verbunden war.298 Anzunehmen ist sicherlich anwendbares Wissen über den Kosmos, so zum Beispiel über die Nutzung des Sonnenstandes für die Landvermessung299 und im Bereich des Bauwesens oder zur Bestimmung der Zeit, wie etwa bei Vitruv bezeugt ist.300 Überliefert ist von diesen mutmaßlich vorhandenen antiken Wissensbeständen – bis auf die Fragmente einer astronomischen Uhr aus Salzburg301 – freilich nichts, was mit Blick auf die durchaus turbulenten und zuweilen kriegerischen Ereignisse an der Donaugrenze des Reiches am Ausgang der Spätantike nicht verwundert. Steine überdauern Imperien: Im 7. und 8. Jahrhundert, als vom Reich der Römer nur noch Name und Idee übriggeblieben waren, erinnerten in Regensburg und dem Südosten allein die steinernen Gebäude an die römische Zeit. An die Stelle des römischen Imperiums traten im Westen die frühmittelalterlichen regna und Herzogtümer. Das heutige Bayern (sowie das heutige Österreich und Tirol) war nun die Heimat der namensgebenden Bajuwaren geworden, und Regensburg die Hauptstadt der agilolfingischen Herzöge.302 Diese Herzogtümer waren in einer Situation, die sich der Einschätzung Shanks und Lindbergs folgend am besten als postkolonial charakterisieren lässt: After Constantine moved the imperial administration to Constantinople, the city of Rome faded as a political center, and the peoples in the occupied territories eventually found themselves in a post-colonial situation. They cobbled together political, institutional, and legal structures that drew eclectically on elements from tribal traditions, the former Roman colonizers, immigrants, new invaders, and their own innovations.303 Diese Situation hatte erhebliche Auswirkungen auf die Überlieferung kosmologischen Wissens ins Mittelalter. Auch wenn dieses Wissen im 5. und 6. Jahrhundert keineswegs restlos barbarischen Horden zum Opfer fiel, sondern in einigen Gegenden durchaus auch in dieser Zeit in umfangreichen Bibliotheken zu finden war, von denen etwa Boethius, Cassiodor oder noch im 7. Jahrhundert Isidor von Sevilla zeugen,304 so vertiefte die zunehmende Regionalisierung des ehemaligen Großreiches die bereits in der Antike bestehende Fragmentierung des europäischen Wissensraumes in regionale Wissenslandschaften, von denen der Südosten nur eine war. Antike Buchbestände oder einzelne Handschriften überdauerten zwar durchaus diese Transformationsperiode und wurden mitunter zum Nukleus monastischer oder bischöflicher Bibliotheken,
298 Vgl. für Regensburg Dietz und Fischer, ‚An der Grenze des Imperiums‘. Für Bayern insgesamt Kellner, ‚Die Zeit der Römischen Herrschaft‘, S. 88–96. 299 Vgl. etwa den auf einer antiken Vorlage basierenden Agrimensoren-Kodex Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1564. Außerdem Mütherich, ‚Der karolingische Agrimensoren-Codex‘ und Haffner, ‚Die spätantiken Vorlagen‘. 300 Vgl. Wolkenhauer, Sonne und Mond, Kalender und Uhr, S. 94–101. 301 Vgl. Schaldach, ‚Measuring the Hours‘, S. 81–83. 302 Vgl. Schmid, ‚Ratispona metropolis Baioriae‘, S. 52. 303 Shank und Lindberg, ‚Introduction‘, S. 21. 304 Vgl. Lapidge, The Anglo-Saxon Library, S. 15–21.
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vorwiegend in Italien, wie das Beispiel Verona belegt:305 „[I]n spite of the turmoil and the (presumed) attendant destruction and dispersal of libraries, some number of books must have been in circulation […].“306 Aber diese Zirkulation war ohne die Klammer des Imperiums mit seinen gefestigten Bildungsinstitutionen und überregionalen Netzwerken arbiträr und bis ins 9. Jahrhundert überwiegend lokal. Gleichzeitig war die Überlieferung dieser Wissensbestände durch eine doppelte Sprachbarriere erschwert. Auch wenn die zumeist klerikalen Eliten der neu entstehenden mittelalterlichen Gesellschaft schnell das Latein als Sprache von Religion und Wissenschaft übernahmen, blieb Griechisch auch den meisten Gelehrten fremd.307 Während spätantike Gelehrte, etwa Calcidius oder Boethius, die wenigen wissenschaftlichen Texte der Griechen, die zu ihrer Zeit in Italien zumindest in geringem Umfang verfügbar waren, aufgrund ihrer Sprachkenntnisse noch rezipieren und übersetzen konnten, waren diese Wissensbestände in Nordeuropa im 7. und 8. Jahrhundert (und vermutlich auch zuvor) sowohl physisch als auch intellektuell kaum zugänglich.308 Die frühmittelalterlichen Eliten konnten daher von vorneherein nicht ‚das Wissen der Antike‘ rezipieren, sondern lediglich, was in den nunmehr aus einem imperialen und damit gesamteuropäischen Kontext herausgerissenen Regionen (noch) vorhanden war. Der Marktplatz des Wissens im frühen Mittelalter hatte im Norden Europas einen ganz und gar lokalen Horizont, der nur langsam, dafür aber stetig, erweitert werden konnte.309 Diese Erweiterung nahm ihren vorsichtigen Anfang im nordeuropäischen Raum im 7. und 8. Jahrhundert im Zuge der irischen und angelsächsischen Missionen, die in der Gründung einer Vielzahl von Klöstern mündeten, die neben Liturgie auch Kultur und Bildung pflegten. In Regensburg lässt sich diese Erweiterung im 8. Jahrhundert erstmals fassen und fällt mit der Gründung des Klosters St. Emmeram zusammen.310 Nachdem der Heilige Emmeram den Märtyrertod gestorben war und vor den Toren Regensburgs in der Friedhofskirche St. Georg begraben wurde, bildete sich an dieser Stelle eine religiöse Gemeinschaft: Das Römerlager war zur bayerischen Stadt und zur Residenz des Herzogs geworden, als es durch die Stiftung eines Klosters am Grabe des hl. Emmeram wohl um das Jahr 700 einen Sammelplatz geistlichen und geistigen Lebens erhielt. Was man an Bildung, auch an Schrifterziehung, in der Stadt vermuten darf und was vorher von einigen Priestern und Notaren vermittelt worden sein mag, wird sich nun um das heranwachsende Kloster konzentriert haben.311
305 Vgl. für Verona Bischoff, ‚Biblioteche‘ (zweifach erschienen); für eine allgemeine Bestandsaufnahme der Rolle des benediktinischen Mönchtums in der Überlieferung der antiken Literatur vgl. Bischoff, ‚Das benediktinische Mönchtum‘; auf Englisch erschienen als Bischoff, ‚Benedictine Monasteries‘. 306 Lapidge, The Anglo-Saxon Library, S. 24. 307 Shank und Lindberg, ‚Introduction‘, S. 21. 308 Wobei die Kenntnis um diese und von dieser Sprache niemals ganz verschwand, vgl. Bischoff, ‚Das griechische Element in der abendländischen Bildung des Mittelalters‘. 309 Eine faszinierende Ausnahme dieser Regel scheint bereits im 8. Jahrhundert der sogenannte Liber Nemroth zu sein, der deutliche orientalische Einflüsse aufweist. Vgl. Grebner, ‚Der Liber Nemroth‘, S. 287. 310 Zur Datierung vgl. Fuchs, ‚Das Reichsstift St. Emmeram‘, S. 730 nebst Anm. 4 ebd. 311 Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 218.
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Seit 739 der angelsächsische Missionsbischof Bonifatius die Organisation der bayerischen Diözesen zu einem erfolgreichen Ende gebracht hatte, war St. Emmeram zum Kathedralkloster geworden, dem ein Abtbischof in Personalunion vorstand.312 Auch der (Buch-)Besitz von Kathedrale und Kloster wurde bis zur Auflösung dieser Union im späten 10. Jahrhundert gemeinsam genutzt, wobei sich in dieser Zeit lediglich für das Kloster Handschriften nachweisen lassen. Ob auch der Dom über einen eigenen Bestand verfügte, der über die notwendigen liturgischen Bücher hinausging, muss offen bleiben.313 Fragmente deuten darauf hin, dass in diesen Zentren bereits im 7. Jahrhundert eine Buchkultur herrschte,314 wobei dieser frühe Buchbestand zunächst aus anderen Produktionszentren zusammengetragen werden musste, mitunter aus England oder Italien: „Die Beziehung zu Bonifaz erklärt es, daß einige der ältesten Handschriften angelsächsisch geprägt oder aus England importiert waren […]. Eine Abschrift der Briefe Papst Leos […] weist in ihrer Schrift unverkennbar oberitalienischen, wahrscheinlich Veroneser Einfluß auf.“315 In Regensburg konnten die Nachfahren der römischen Herrschaft offenbar nur schwerlich auf eine eigene Tradition zurückgreifen. Gleiches gilt für das Kosmoswissen, dessen Rezeption sich in Regensburg und auch im Südosten erstmals im späten 8. Jahrhundert fassen lässt, und auch dann nur in sehr geringem Umfang (vgl. hierzu und zum Folgenden die Aufstellung der primären Wissensbestände für das 8. Jahrhundert in Tabelle A.6 sowie Tabelle A.12 im Anhang). Lediglich 2,5 entsprechende Wissensträger der Region – in die Jahrhundertwende zu datierende Handschriften werden jeweils pro Jahrhundert als halbe Einheit gezählt – sind aus dieser Zeit erhalten, für die darüber hinaus nicht eindeutig geklärt werden kann, wann genau sie in die Region gelangten. Anders sieht die europäische Gesamtüberlieferung dieser Bestände aus, die mit 69,5 Textzeugen des primären Wissens bereits vor dem 9. Jahrhundert einen gewissen Umfang erreicht. Hiervon fällt lediglich ein geringer Anteil auf antike Autoren, vor allem auf Plinius, Macrobius und Martianus. Stattdessen sind besonders die Autoren des frühen Mittelalters, marginal Beda, vor allem aber Isidor mit seinen Etymologien und De natura rerum in der Überlieferung des 8. Jahrhunderts vertreten. Im Gegensatz zum westeuropäischen Gesamtkontext, wo sich bereits im Verlauf des 8. Jahrhunderts primäres Wissen fassen lässt, muss damit konstatiert werden, dass die physikalische Dimension des Kosmos in Regensburg und der erweiterten Region vor der Integration des Südostens in das karolingische Herrschaftsgebiet im Grunde keine nachweisbare Rolle gespielt hat. Mit Blick auf dessen geographische Lage an den ehemaligen Grenzen des Römischen Reiches sowie der damit verbundenen wechselhaften Geschichte ist dies letztlich aber nicht verwunderlich und wohl eine Folge der oben geschilderten postkolonialen Situation. Während
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Vgl. Fuchs, ‚Das Reichsstift St. Emmeram‘, S. 731–32. Vgl. Ineichen-Eder, ‚Benediktinerkloster St. Emmeram‘, S. 99–100. Vgl. zur frühen Phase des Skriptoriums Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 172. Vgl. zur Bibliotheks- und Bestandsgeschichte St. Emmerams Ineichen-Eder, ‚Benediktinerkloster St. Emmeram‘, S. 100–01, außerdem Kyle, ‚St. Emmeram as a Center of Culture‘, S. 35–36.
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sich in den mediterranen Gebieten des ehemaligen römischen Reichs noch bis ins frühe Mittelalter eine vergleichsweise hohe und durch urbane Zentren getragene Produktion von Handschriften feststellen lässt,316 auf deren Erzeugnisse auch spätere Generationen noch zurückgreifen konnten, war dies im Südosten und Regensburg nicht möglich. Entweder, weil eine Tradition kosmologischer Wissensbestände nie vorhanden war, oder weil diese Tradition den kriegerischen Wirren im Zuge der Transformationszeit zum Opfer gefallen war. Das 9. und 10. Jahrhundert: Integration und Rezeption
Dies änderte sich grundlegend mit der Integration des Südostens in den Machtbereich der Karolinger. Diese stellten ab der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die Könige der Franken und hatten spätestens seit 788 auch das agilolfingische Bayern unter ihre Kontrolle gebracht. Besonders am Aachener Hof Karls des Großen, der später sogar den Kaisertitel für sich in Anspruch nahm, bemühte man sich verstärkt um einen kulturellen Aufschwung, den die Forschung häufig als karolingische Renaissance, Reform, correctio oder renovatio bezeichnet.317 Von diesen Entwicklungen profitierte man auch in Regensburg. Nicht nur stärkte die zunehmende Verehrung des Heiligen Emmeram die Wirtschaftskraft des gleichnamigen Klosters, auch die gute Beziehung zu den neuen karolingischen Herrschern wirkte sich positiv auf dessen kulturelle Entwicklung aus.318 In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts führte Abtbischof Baturich (817–848), der gute Kontakte zu anderen geistigen und politischen Zentren des Reiches pflegte, das Kloster zu einer ersten Blüte, die erst durch die Ungarneinfälle in den ersten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts ein vorläufiges Ende finden sollte.319 Mit der erwähnten Doppelstruktur von Kloster und Dom reihte sich Regenburg unter ihm in die nun christlich geprägte kulturtopographische Landschaft des frühen Mittelalters ein, die sich wie überall auch auf dem Gebiet des Südostens auf ein Gewebe von Klöstern und (teilweise damit verbundenen) Bischofssitzen stützte, so auch in Passau, Freising, Augsburg und Salzburg, das ab 798 zum Erzbistum und damit zum kirchenrechtlichen Zentrum der Region erhoben wurde.320 An diesen Orten legten Äbte und Bischöfe unter dem Einfluss der karolingischen Reform mitunter „mustergültige Bibliothek[en]“ an,321 für deren Bestandserweiterung sie zunehmend die neu entstehenden Netzwerke ins
316 Vgl. zur Produktion von Handschriften im frühen Mittelalter Buringh, Medieval Manuscript Production, S. 316–28. 317 Vgl. als Einführung in die ausufernde Literatur zum Thema McKitterick, ‚Die karolingische Renovatio‘ sowie McKitterick, ‚The Carolingian Renaissance‘. Zur Begrifflichkeit vgl. Schramm, ‚Karl der Große‘, Fleckenstein, ‚Bemerkungen zu den Bildungserlassen‘. Zu Karls Bildungsstand vgl. Fried, ‚Karl der Große‘. 318 Vgl. zur kulturellen Entwicklung in St. Emmeram insbesondere Kyle, ‚St. Emmeram (Regensburg) as a Center of Culture‘. 319 Vgl. Mai, ‚St. Emmeram‘, S. 1787–88. 320 Vgl. Kyle, ‚St. Emmeram (Regensburg) as a Center of Culture‘, S. 19. 321 Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 1.
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fränkische Reich bemühten. In diesen sammelten sie im Rahmen der karolingischen Bemühungen um Wissenschaft und Computus seit der Mitte des 8., vor allem aber im 9. Jahrhundert zunehmend auch kosmologisch-astronomische Literatur und antike lateinische Klassiker.322 Auch im Regensburger Kloster St. Emmeram entstand eine stattliche Bibliothek. Eine wichtige Quelle für den Emmeramer Wissensbestand dieser Zeit stellen zwei Buchlisten dar, die ins ausgehende 10. Jahrhundert datieren und – neben anderen Wissensbereichen – auch Auskunft über das Kosmoswissen des Klosters geben können. Zum einen die sogenannte Adbreviatio librorum, eine Aufstellung der Bücher des Klosters, die Abt Ramwold im späten 10. Jahrhundert in ein Evangelistar verzeichnen ließ, zum anderen ein Verzeichnis der Bücher, die unter dessen Abbatiat zusätzlich angeschafft wurden. Da Ramwold 975 Vorsteher des Klosters wurde, die Adbreviatio aber bereits 993 durch das Zuwachsverzeichnis ergänzt wurde, spiegelt sich in ihr wohl mehr oder weniger der Gesamtbestand des Klosters vor dessen Abbatiat, kann also als eine Art Zeugenliste für den Umfang und ersten Höhepunkt der Wissenserweiterung des frühen Mittelalters dienen.323 Die Adbreviatio zeichnet mit über 500 Einträgen das Bild einer durchaus stattlichen Bibliothek, die in der Region ihresgleichen sucht und erst im 12. Jahrhundert von den Beständen des Klosters Michelsberg übertroffen wird. Sie ist damit wohl als das Ergebnis einer intensiven Sammeltätigkeit zu sehen, deren Beginn wahrscheinlich noch ins späte 8. Jahrhundert gesetzt werden muss, die ihren vorläufigen Höhepunkt aber in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts unter Abt Baturich erreichte. Insgesamt tritt in den Beständen dieser frühen Bibliothek ein eindeutiger Fokus auf religiöses Schrifttum zu Tage. Fast die Hälfte der verzeichneten Titel bezieht sich auf biblische Texte, Kommentare sowie liturgisches Material, daneben sind auch Heiligenviten gut vertreten.324 Kosmoswissen ist vergleichsweise marginal vorhanden. Nur acht Einträge verweisen auf entsprechende Bestände einschließlich des sekundären Wissens: 1. „Bibliothecas II, in una vetus, in altera novum testamentum continentur“ 2. „Geneseos I.“ 3. „Omeliae Origenis super geneseos“ 4. „De compoto XVII libri“ 5. „Isidori de natura rerum“ 6. „Marcianus de astrologia, aritmetica, musica“ 7. „Liber Ethici“ 8. „Liber Diomedis ad Adthanasium de VII liberalibus artibus“
322 Vgl. stellvertretend für die umfangreiche Forschungsliteratur die Beiträge des einschlägigen Sammelbands Butzer, Hg., Science in Western and Eastern Civilization sowie für die Rezeption römischer Astronomie und Kosmologie Eastwood, Ordering the Heavens, S. 1–30. Für den Bereich der Komputistik siehe Schriften zur Komputistik, iii, hg. von Borst. 323 Adbreviatio librorum (Nr. 25), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff; vgl. Kyle, ‚St. Emmeram (Regensburg) as a Center of Culture‘, S. 60–65. 324 Vgl. Kyle, ‚St. Emmeram (Regensburg) as a Center of Culture‘, S. 71–75.
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Gleich drei verschiedene Bereiche des Kosmoswissens werden hier verzeichnet: Während die Einträge 1 bis 3 sowie 7 dem Bereich des sekundären Wissens zuzuordnen sind, bezieht sich Eintrag 4 auf instrumentelles Wissen. 5 und 6 verzeichnen epistemisches Wissen. Die ersten beiden Einträge verweisen auf den Schöpfungsbericht, dessen Anwesenheit im Kloster als biblischer Text selbstverständlich ist. In St. Emmeram besaß man offenkundig sowohl eine zweibändige Vollbibel (1), in der der kosmologische Wissensbestand nur einen ganz kleinen Teil des Textes ausmachte, daneben aber auch eine eigenständige Abschrift der Genesis (2), die so im Rahmen der Liturgie Einsatz fand, wo der Schöpfungsbericht einmal jährlich verlesen wurde.325 In diesem Zusammenhang ist auch der exegetische Text des Origenes (4) zu sehen, der ebenfalls im Rahmen von Liturgie und Paraliturgie Anwendung finden konnte. Auf primäres Wissen verweist der nächste Eintrag (4), der gleich 17 komputistische Bücher nennt. Dies ist eine beachtliche Zahl, die den rein funktionalen Bedarf des Klosters bei weitem überschritt und ein ausgeprägtes Interesse der Regensburger an der Komputistik als Wissenschaft und der damit verbundenen kosmologischen Dimension bezeugt.326 Dass sich dieses Interesse offenbar gerade in der durch die Adbreviatio abgedeckten Karolingerzeit manifestiert, ist dabei sicherlich kein Zufall. Im späten 8. und 9. Jahrhundert war die Komputistik Gegenstand einer laufenden wissenschaftlichen Debatte geworden, zu der auch Protagonisten aus dem Südosten beitrugen, darunter der bereits erwähnte Salzburger Bischof Arn. Diese Debatte zeichnete sich zwar durch inhaltlichen Dissens der beteiligten Parteien aus, führte aber im Ergebnis zu einer zunehmenden Vereinheitlichung der Zeitberechnung.327 Dieser Prozess lässt sich gerade und recht früh in St. Emmeram beobachten und schlägt sich neben dem Hinweis des Katalogs auch in einer ganzen Reihe erhaltener Handschriften nieder, die im Folgenden kurz beschrieben und in die Entwicklung der Komputistik eingebettet werden sollen. Bereits Ende des 8. Jahrhunderts gelangten Texte irischen Ursprungs nach St. Emmeram, die im frühen 8. Jahrhundert wohl über Frankreich schon 737 nach Köln gebracht und von dort nach Regensburg gelangten.328 Von diesen frühen und seltenen Texten ist heute noch eine Abschrift aus dem frühen 9. Jahrhundert aus St. Emmeram überliefert, München, BSB, MS Clm. 14456, die größtenteils zwischen 817 und 823 geschrieben wurde, aber in Teilen auf einer bereits vorhandenen Vorlage basiert haben muss, die wohl bereits um 800 in Regensburg exzerpiert worden ist.329 Clm. 14456 ist aus einer genuin komputistischen Sicht bemerkenswert. Gerade der darin enthaltene sogenannte Münchner Computus stellt laut Warntjes das älteste sicher datierbare Beispiel eines umfassenden komputistischen Lehrbuches dar und
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Vgl. zur Nutzung des biblischen Textes Boynton, ‚The Bible and the Liturgy‘. Vgl. hierzu auch Germann, De temporum ratione, S. 34–35. Vgl. den Überblick bei Schriften zur Komputistik, i, hg. von Borst, S. 63–82. Vgl. zur komplizierten Überlieferungsgeschichte des Texts The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. xcvii–cvi. 329 Vgl. zur Beschreibung der Handschrift und den einschlägigen kodikologischen Untersuchungen des Kodex The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. ccxiv–ccxxv. Auf Anwesenheit um 800 weisen Exzerpte in einem heute in Harvard liegenden Fragment, vgl. ebd. S. clxxxvii–cxci.
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ist darüber hinaus lediglich in dieser Handschrift überliefert.330 Diese spärliche Überlieferung lässt sich leicht erklären, denn der Text entsprach einer älteren, durch irische Missionare auf dem Kontinent verbreiteten irofränkischen Tradition, die zu Beginn des 9. Jahrhunderts durch eine zunehmend normierte und auf den Lehren des Mönchs Beda basierende angelsächsisch-karolingische Komputistik ersetzt wurde. Diese Verdrängung lief nicht ohne Konflikte ab, wie unter anderem ein am Ende der Handschrift überlieferter Protestbrief von 809 belegt,331 der „entschlossen Partei für die irofränkischen Traditionen gegen die angelsächsischkarolingischen Neuerungen“ ergriff.332 Diese Neuerungen gingen zurück auf Reformbestrebungen am Hofe Karls des Großen, die nach einer „Epoche der Kontroverse“333 im Bereich der Komputistik das Ziel einer im ganzen fränkischen Reich einheitlichen Osterberechnung auf hohem Niveau hatten, und sich prominent im Kontext der sogenannten karolingischen Bildungsreform einreihten,334 so etwa in Karls Admonitio generalis von 789, in der der Frankenkönig unter anderem den allgemeinen Unterricht dieser Dinge anmahnte.335 Neben der Sorge um das Niveau der Zeitrechnung in seinem Reich war hierbei vor allem der Gedanke nach Einheitlichkeit und Verbindlichkeit der Zeit- und Osterberechnung zentral.336 Nicht zuletzt unter dem Einfluss des gelehrten Angelsachsen Alkuin, der eine zentrale Position im Rahmen der Bildungsbemühungen ausübte, gelang tatsächlich eine Vereinheitlichung der Zeitrechnung, die nun vor allem die Werke des ‚ehrwürdigen‘ – und ebenfalls angelsächsischen – Mönchs Beda rezipierte.337 Den End- oder Höhepunkt dieser Bemühungen um Einheit stellten die karolingischen Enzyklopädien dar, die im Umfeld des Kaiserhofes (zunächst Karls, dann seines Sohnes Ludwig) entstanden, also die Aachener Enzyklopädie von 809 sowie die darauf aufbauende, aber noch umfangreichere Salzburger Enzyklopädie von 818, die unter dem dortigen Bischof Arn entstand. Letztere gelangte während des 9. Jahrhunderts in Gestalt von München, BSB, MS Clm. 210 auch nach St. Emmeram, wo sie die erwähnten älteren Formen der irofränkischen Komputistik abgelöst haben mag. Clm. 210 entstand nicht in Regensburg, sondern wurde nach 810, vermutlich 818, unter der Ägide des Bischofs Arn von Salzburg von einer älteren Vorlage abgeschrieben – eventuell direkt für St. Emmeram, wie Blume vermutet338 –, kam aber auf jeden Fall vor 890 nach Regensburg.339 Da in Salzburg zu Beginn des 9. Jahrhunderts mit Wien, ÖNB, MS Cod. 387 eine weitere, leicht verbesserte Version der Enzyklopädie (Borst 330 Vgl. The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. liv. 331 Von Borst ediert und beschrieben als Der Regensburger Protestbrief, hg. von Borst. 332 Borst, ‚Einleitung‘, S. 261. 333 Borst, ‚Einleitung‘, S. 74. 334 Vgl. Fleckenstein, Die Bildungsreform Karls des Großen; Fleckenstein, ‚Bemerkungen zu den Bildungserlassen‘. 335 Vgl. Admonitio generalis, hg. von Boretius, S. 60. Eine Neuedition des Textes nebst Übersetzung bietet Die Admonitio generalis, hg. von Mordek und andere. 336 Vgl. Borst, ‚Einleitung‘, S. 83. 337 Zur Rolle Alkuins vgl. Lohrmann, ‚Alcuins Korrespondenz‘; Borst, ‚Alkuin und die Enzyklopädie von 809‘; Borst, Das Buch der Naturgeschichte, S. 121–65; vor allem aber Springsfeld, Alkuins Einfluß. 338 Vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 71. 339 Vgl. Borst, ‚Einleitung‘, S. 257–58.
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nennt sie eine Reinschrift) von der gleichen Vorlage geschrieben wurde, ist es nicht ganz abwegig, tatsächlich von einem frühen Transfer von Clm. 210 nach St. Emmeram auszugehen, eventuell bewusst im Rahmen der angestrebten Vereinheitlichung unter dem Primat der bedanischen Komputistik bzw. der Regensburger Vorbehalte dagegen.340 Entsprechend beinhalten beide Enzyklopädien auch Bedas De natura rerum sowie eine neuarrangierte Blütenlese seiner komputistischen Texte. Dass diese Komputistik bereits im frühen 9. Jahrhundert (also zeitgleich zu München, BSB, MS Clm. 14456) im Umkreis von St. Emmeram bekannt war, verdeutlicht die Abschrift eines chronikalischen Auszuges aus Bedas kleinem Werk über die Zeitrechnung (De temporibus) in München, BSB, MS Clm. 14746.341 Ob der Rest dieses Werkes aufgrund von inhaltlichen Vorbehalten bewusst nicht kopiert wurde, oder aber lediglich die Auszüge zu Verfügung standen, lässt sich nicht entscheiden. In einem ähnlichen Zusammenhang mag auch München, BSB, MS Clm. 14725 stehen,342 der wohl um 800 in der nordfranzösischen Abtei St. Amand geschrieben wurde, deren Abt Arn von Salzburg vor seiner Berufung auf den Salzburger Bischofssitz, wo er an der Spitze der den Südosten dominierenden Kirchenprovinz stand, war. Die Handschrift enthält eine Kopie von Bedas großem Buch über die Zeitrechnung (De temporum ratione), das als eine der wichtigsten Grundlagen der neuen karolingischen Komputistik zu gelten hat und auch für die Kompilation der großen Enzyklopädien genutzt wurde. Dem Haupttext des Kodex vorgelagert sind eine Reihe kleinerer, als computus grecorum bezeichnete Schriften, darunter ein Alkuin zugeschriebener Text namens Calculatio Albini magistri sowie eine Version der Argumenta des Dionysius aus dem 7. Jahrhundert.343 Auch wenn sich nicht feststellen lässt, ab wann der Kodex in St. Emmeram zur Verfügung stand, so klingt es doch plausibel, dass Arn ihn zunächst für seinen neuen Wirkungsort Salzburg kopieren ließ und dieser später im Gefolge der Enzyklopädie Clm. 210 nach St. Emmeram gelangte, was dann ebenfalls vor 890 der Fall gewesen sein dürfte. Alle Bemühungen um Einheitlichkeit und Synthese des komputistischen Wissens durch die Schaffung dieser Enzyklopädien vereinfachten die Materie nicht. Selbst gebildete und fähige Lehrer verzweifelten zuweilen an den komplexen Problemen und ihrer didaktischen Vermittlung. Es darf daher nicht verwundern, dass sich um 890 auch Hrabans didaktisch orientierter Computus in St. Emmeram fassen lässt (nämlich in München, BSB, MS Clm. 14221), wo er vermutlich von einer recht frühen Fuldaer Handschrift kopiert wurde. Dieser Kodex fügt der Kopie aus Fulda kleinere Abschnitte aus der Salzburger Enzyklopädie (Clm. 210) hinzu, etwa einen
340 Vgl. Borst, ‚Einleitung‘, S. 313. 341 Vgl. Kendall und Wallis, ‚Introduction On the Nature of Things (Beda)‘, S. 59; ediert zusammen mit der Chronik aus De temporum ratione bei Beda, Bedae chronica maiora, hg. von Mommsen. 342 Zu Bischoffs Datierung und Lokalisierung der Handschrift vgl. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 253; mit abweichender Datierung und Lokalisierung nach Regensburg Beda, Bedae opera de temporibus, S. 146. 343 Zur Calculatio vgl. Springsfeld, Alkuins Einfluß, S. 80–89, 183–84, 313–28; zur Geschichte der Argumenta vgl. Warntjes, ‚The Argumenta‘; außerdem die Edition bei Krusch, Studien zur christlichmittelalterlichen Chronologie, S. 75–83.
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umfangreichen Mondzykluskalender. Im 10. Jahrhundert ergänzte man in dieser Handschrift den Computus des Wichram, der ebenfalls für einen didaktischen Kontext gedacht war. Außerdem kopierte man erneut Hrabans Text in München, BSB, MS Clm. 14523. Ein weiteres Lehrbuch von 903 überliefert München, BSB, MS Clm. 14070c, nämlich den Computus des Helperich von Auxerre. Der in St. Emmeram in München, BSB, MS Clm. 14070c auf fol. 47r–62v vorliegende Text wurde laut annus präsens 977 an unbekanntem Ort geschrieben und war spätestens in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhundert in St. Emmeram, da sich Glossen aus der Hand Otlohs, dem damaligen Leiter der Schule, darin finden lassen. In diesen Handschriften spiegelt sich sehr schön die oben geschilderte Entwicklung der Komputistik im frühen Mittelalter wider, die durch eine zunehmende Verdrängung oder zumindest Erweiterung lokaler Besonderheiten und einen Hang zur Vereinheitlichung und Kanonisierung charakterisiert ist. Vor diesem Hintergrund ist zum Beispiel nicht selbstverständlich, dass sich gerade der irisch beeinflusste Kodex München, BSB, MS Clm. 14456 erhalten hat, dessen computistischer Inhalt zwar den karolingischen Ansätzen nicht fundamental entgegenstand, von diesen aber doch abgelöst wurde. Zwei Gründe mögen hier eine Rolle gespielt haben. Zum einen deutet vieles auf ein ausgeprägtes Interesse der Emmeramer Mönche an der Komputistik hin, das weit über deren bloße Anwendung hinausreichte. Immerhin listet die Adbreviatio librorum ganze 17 komputistische Bücher auf, von denen sich neben den bereits genannten Handschriften auch ein kleineres Fragment eines anonymen Computus aus der letzten Hälfte des 9. Jahrhundert erhalten hat, München, BSB, MS Clm. 29790(1. Diese beeindruckende Zahl belegt ein Interesse an den wissenschaftlichen Grundlagen der Zeitrechnung, das weit über den Bedarf des alltäglichen Gebrauchs hinausgeht und in diesem Zusammenhang auch veralteten Formen der Zeitberechnung gegolten haben mag, die die Mönche vielleicht in komparatistischer Absicht weiterhin studierten oder zumindest bewahrten. Dies spricht nicht nur für ein ausgeprägtes Interesse an instrumentellen Wissensbeständen, zu denen komputistisches Material eigentlich zuzurechnen ist, sondern deutet auch eine Öffnung für den Bereich des epistemischen Wissens an, indem sich die Komputistik zunehmend für das „Naturganze“ interessiert.344 Tatsächlich lässt sich diese Öffnung auch explizit in der Adbreviatio fassen, etwa im Verweis auf Isidors De natura rerum (5). Die in St. Emmeram nachzuweisende Abschrift des Textes in München, BSB, MS Clm. 14300 datiert noch in das ausgehende 8. Jahrhundert, entstand allerdings in Salzburg, von wo sie nach ihrer Nennung im Katalog spätestens vor dem letzten Viertel des 10. Jahrhunderts nach St. Emmeram gelangte. Nach Bischoff wurde die Handschrift mit ihrer nur etwas jüngeren Schwesterhandschrift München, BSB, MS Clm. 16128 von einer nach Salzburg gelangten französischen Handschrift kopiert.345 Da in Salzburg somit ein Exemplar vorhanden gewesen sein muss, scheint es nicht abwegig, dass Clm. 14300 direkt für St. Emmeram kopiert wurde und damit bereits kurz nach Fertigung an
344 Germann, De temporum ratione, S. 13. 345 Vgl. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, ii, S. 91.
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die Donau gelangte. Ob hier ebenfalls der aus Frankreich kommende Salzburger Erzbischof Arn eine Rolle spielte, muss zunächst offenbleiben. Deutlich wird hier aber die Notwendigkeit der Beschaffung von Wissen von Zentren außerhalb des Südostens, insbesondere westlich des Rheins. Auch deutet sich bereits die wichtige Rolle der Stadt Salzburg für diesen Transfer an. Das kirchenpolitische Zentrum der Region fungierte wohl als Brückenkopf und Verteilerzentrum für Wissensbestände des Kosmoswissens aus dem karolingischen Kernland in die Untersuchungsregion, in der es bis zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht verfügbar war. Ebenfalls ins späte 8. Jahrhundert datiert ein Emmeramer Fragment mit Isidors Etymologien, München, BSB, MS Clm. 29410(2. Seltsamerweise nennt keine der späteren Bücherlisten des Klosters dieses Standard-Werk ausdrücklich, nur die Adbreviatio librorum enthält gegen Ende den etwas rätselhaften Eintrag „De voce et littera et aliis questionibus multis“.346 Da die Etymologien mit einem Buch zur Grammatik beginnen, in dem sich die ersten Kapitel mit den Buchstaben verschiedener Alphabete und ihrer phonetischen Eigenheiten befassen, also voce et littera, und danach in der Tat über viele weitere Fragen Auskunft geben, scheint es nicht abwegig, hinter diesem Eintrag die Etymologien zu vermuten. Epistemisches Wissen verzeichnet auch ein anderer Eintrag der Liste: „Marcianus de astrologia, aritmetica, musica“ (6). Hier tritt in Regensburg nun zum ersten Mal genuin antikes Wissen auf den Plan, nämlich Martianus Capellas De nuptiis. Der Emmeramer Kodex München, BSB, MS Clm. 14729, der im 9. Jahrhundert wohl in Sankt Gallen kopiert wurde,347 kann mit diesem Eintrag allerdings eher nicht gemeint sein, da dieser eine vollständige Abschrift der insgesamt neun Bücher des Werkes enthält. Die Handschrift ist daher wohl erst nach 993 nach St. Emmeram gelangt. Auch eine weitere Abschrift in München, BSB, MS Clm. 14070c aus dem dritten oder vierten Viertel des 9. Jahrhunderts aus der „Umgebung Regensburg“348 lässt sich nicht mit dem Eintrag in Einklang bringen, auch weil diese Abschrift lediglich zwei Bücher aus dem Bereich des Quadriviums (hier sechs und sieben) wiedergibt. Der Eintrag scheint sich damit auf eine heute verlorene Handschrift zu beziehen, die einer sehr engen Auswahl quadrivialer Wissensbestände verpflichtet war und in dieser Beschränkung vielleicht zur Akquise einer vollständigen Ausgabe gegen Ende des 10. Jahrhunderts geführt haben mag. So oder so scheint sich der Text in St. Emmeram bereits früh einiger Beliebtheit erfreut zu haben, im 11. Jahrhundert finden sich zudem Abschriften der ersten zwei Bücher (in München, BSB, MS Clm. 14271 sowie München, BSB, MS Clm. 14792). Diese weisen keinen Bezug zu kosmologischem Wissen auf, bezeugen allerdings eine umfangreiche Lehrtätigkeit. An letzter Stelle bezeugt die Adbreviatio einen „Liber Ethici“ (7), also die sogenannte Kosmographie des Aethicus. Der Text aus der Mitte des 8. Jahrhunderts ist auch in
346 Adbreviatio librorum (Nr. 25), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff, S. 146. 347 Zur Handschrift Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 223; mit Nachträgen im zweiten Band Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, ii, S. 240–41; zur Lokalisierung Préaux, ‚Un nouveau manuscrit de Saint-Gall‘, S. 224. 348 Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 227–28.
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Wolfenbüttel, HAB, MS 80.6 Aug 8° überliefert, einer in St. Amand entstandenen Handschrift aus dem späten 8. oder frühen 9. Jahrhundert, die wohl später nach St. Emmeram gelangte.349 Wie bereits erwähnt stellt die Kosmographie vor dem Hintergrund der Frage nach dem Wissen über den Kosmos einen Sonderfall dar, weil letztlich nicht entschieden werden kann, ob die Regensburger Mönche das Werk als ernstzunehmenden Wissensbestand oder als satirische Unterhaltung schätzten. Da ihre Abschrift aber lediglich eine Kurzfassung des Textes ohne den unterhaltsamen Reisebericht darstellt, scheint plausibel, dass die Kopie zumindest initiativ mit Blick auf Wissensbildung motiviert war.350 Verblüffend ist auch der letzte Eintrag des Katalogs, der auf Wissen über den Kosmos deutet, und einen „Liber Diomedis ad Adthanasium de VII liberalibus artibus“ (8) benennt. Hierbei handelt es sich wohl um den antiken Grammatiker Diomedes, der im 4. Jahrhundert eine ars grammatica verfasste und einem gewissen Athanasius widmete. Da diese Grammatik in einer frühmittelalterlichen Handschrift aus St. Emmeram überliefert ist (München, BSB, MS Clm. 14467), liegt hier wohl eine ungenaue Zuschreibung des Katalogisators vor; kosmologische Inhalte liefert der Text nicht.351 Aus dem Bereich des sekundären Wissens überliefert München, BSB, MS Clm. 14324 aus dem 9. Jahrhundert Boethius’ De consolatio philosophiae. Für St. Emmeram ergibt sich aus dieser Bestandsaufnahme bis zum Ende des 10. Jahrhunderts ein durchaus ambivalentes Bild. Zum einen ist zu konstatieren, dass spätestens gegen Ende des 8. Jahrhunderts, vor allem aber im Verlaufe des 9. Jahrhunderts in Regensburg das Interesse am Kosmos in seinen verschiedenen Facetten und entsprechenden Wissensbeständen deutlich anwuchs. Dieses Interesse scheint in besonderer Weise der Komputistik gegolten zu haben, die in auffallender Häufigkeit überliefert ist. Gleichzeitig fand durch dieses Interesse aber auch ein solider Grundstock an epistemischem Wissen seinen Weg nach Regensburg, nach Isidors Texten vor allem in Gestalt der Enzyklopädistik. Auf der anderen Seite erscheint der Umfang dieser Wissensbestände verglichen mit der Größe der Bibliothek eher gering, weshalb sich die Frage nach der Relevanz dieses Wissens für die Emmeramer Mönche stellt. Einen Hinweis darauf geben die Provenienzen der überlieferten Handschriften kosmologischen Inhalts. Obwohl sich für St. Emmeram eine bedeutende Schreibschule nachweisen lässt,352 entstanden viele Handschriften aus dem Bereich des Kosmoswissens außerhalb Regensburgs. Dieser Umstand bestätigt die Vermutung, dass in Regensburg keine vorkarolingische Tradition kosmologischer Wissensbestände existierte. Entsprechendes Wissen musste also mühsam von außerhalb der Stadt besorgt werden, wobei die Tatsache, dass dies trotz der damit verbundenen Kosten und Mühen geschah, für ein reges Interesse spricht.
349 Vgl. zur Handschrift Prinz, ‚Einleitung‘, S. 57–58; Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 259; Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, ii, S. 203–04. 350 Vgl. Herren, ‚Introduction‘, S. 100. 351 Vgl. Schmidt, ‚Diomedes, Ars grammatica‘. 352 Vgl. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 174–83.
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Aufgrund der wichtigen Rolle dieses frühen Wissenstransfers für die Entwicklung des Kosmoswissens in Regensburg ist eine Analyse der möglichen Kanäle dieses Transfers angebracht. Mit Blick auf das komputistische Wissen sind hier zunächst die bedeutenden kulturellen karolingischen Zentren Köln und Fulda zu nennen. Nach Köln weist vor allem der Münchner Computus in München, BSB, MS Clm. 14456,353 wobei besonders die Abbildungen der Regensburger Handschrift signifikante Ähnlichkeiten mit Zeugen Fuldaer Provenienz zeigen.354 Auf dieses Zentrum deutet außerdem auch die frühe Abschrift von Hrabans Computus hin, nicht nur, da Hraban selbst in Fulda wirkte, sondern auch, weil die Emmeramer Handschrift des späten 9. Jahrhunderts einer Fuldaer Handschrift nahe steht.355 Bei ihrer Suche nach Kosmoswissen orientierten sich die Mönche daher offenbar nach Nordwesten. Eine noch deutlichere Verbindung lässt sich allerdings in den Süden ziehen, genauer nach Salzburg, wo mit München, BSB, MS Clm. 210 und München, BSB, MS Clm. 14300 zwei wichtige Zeugen kosmologischen Wissens entstanden, die später ihren Weg nach Regensburg finden sollten. In die Stadt an der Salzach waren diese Texte ebenfalls aus dem karolingischen Kernland gelangt, nämlich aus St. Amand, wo auch die Emmeramer Cosmographia entstanden ist. Dass dieses Wissen noch zu Lebzeiten und unter Mitwirkung Arns nach Regensburg gelangte, ist wahrscheinlich, doch belegen lässt sich dies freilich nicht. Mit Fulda und Salzburg rückt aber die Rolle Baturichs ins Zentrum dieses Wissenstransfers. Mit Fulda verband ihn seine eigene Biographie,356 da er dort seine Ausbildung genossen hatte und ihn mit Hraban außerdem eine „persönliche Freundschaft“ verband, in der Bernhard Bischoff die „guten Beziehungen zwischen Regensburg und Fulda“ begründet sieht, die sich auch in den Handschriften feststellen ließen.357 Vor diesem Hintergrund scheint es nicht abwegig, dass Baturich aus seiner alten Heimat komputistisch-kosmologisches Material beschaffen ließ.358 Auch nach Salzburg reichten Baturichs Verbindungen. 831 gelangte mit der Schenkung des Klosters Mondsee an den Bischofssitz in Regensburg ein Kloster in unmittelbarer Nähe zu Salzburg unter den Einfluss Baturichs.359 Darüber hinaus wären auch direkte Verbindungen des Regensburger Bischofs ins kirchenpolitische Zentrum der Region qua Amt wenig erklärungsbedürftig. Einiges deutet also darauf hin, den ersten Transfer bedeutender Bestände von Kosmoswissen in die Amtszeit Baturichs zu setzen und den Ursprung dieses Wissens im karolingischen Kernland zu suchen. Zusammenfassend deutet dieser Umstand darauf hin, dass die St. Emmeramer Mönche seit der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert zwar ein ausgeprägtes und wissenschaftliches Interesse am Kosmos an den Tag legten, dafür aber – wie bereits
353 Vgl. The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. cvi. 354 Vgl. Obrist, ‚La représentation carolingienne du zodiaque‘, S. 9. 355 Vgl. Stevens, ‚Introduction‘, S. 193. 356 Vgl. Obrist, ‚La représentation carolingienne du zodiaque‘, S. 9; Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 77. 357 Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 169. 358 München, BSB, MS Clm. 14221 wäre dann als eine spätere Abschrift dieses Materials anzusehen. 359 Vgl. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, i, S. 183.
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vermutet – offenbar nicht auf eine eigene Tradition kosmologischen Wissens zurückgreifen konnten. Stattdessen mussten sie dieses Wissen aus anderen Zentren rezipieren, wobei sie hier anscheinend sowohl nach Fuldar ausgriffen, sich vor allem aber auf regionale Netzwerke mit Salzburg als Zentrum verließen. Dabei eröffnete sich ihnen ab dem 9. Jahrhundert im näheren Umfeld eine kleine, aber zunehmend vielfältige Wissenslandschaft. Deutlich zeigt sich in den Daten (vgl. Tabelle A.6 sowie Tabelle A.12 im Anhang) ein Anstieg des primären Wissens im 9. Jahrhundert: Während aus dem späten 8. Jahrhundert lediglich 2,5360 entsprechende Textzeugen im Südosten überliefert sind, haben sich aus dem 9. Jahrhunderts bereits 21,5 Zeugen erhalten, darunter zum ersten Mal auch antike Wissensbestände – wenngleich in bescheidenem Umfang: Singulär ist Hyginus vertreten, daneben Martianus Capella mit drei Abschriften. Verbreiteter war das christliche Wissen des frühen Mittelalters, nämlich die Kosmologien Isidors und Bedas, die bedanische Komputistik sowie die karolingischen Enzyklopädien und Kompendien. Dieses Verhältnis kippte bereits im 10. Jahrhundert: Nun befand sich das antike Wissen auf dem Vormarsch. Nicht nur sammelten die Institutionen der Region weiterhin Martianus Capella (1 Abschrift), vor allem erweiterte sich das Interesse um den bis dato nicht fassbaren Autoren Macrobius (1,5 Abschriften). Die breite Rezeption des antiken Wissens beginnt im Südosten damit erst im 10. Jahrhundert. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich mit Blick auf die bedanische Kosmologie und Komputistik bzw. die darauf basierenden karolingischen Enzyklopädien: Sie finden im 10. Jahrhundert keine nennenswerte Verbreitung mehr, wobei dies, wie gleich noch zu schildern ist, nicht mit einem nachlassenden Interesse verwechselt werden darf. Auffallend ist mit nur 3,5 nachweisbaren Abschriften im Untersuchungsgebiet der geringe Bestand an Isidors Etymologien. Insgesamt zeigen die Bestände eine langsame Anpassung an das inhaltliche Profil des karolingischen Kerngebiets. Ein Blick auf den europäischen Gesamtbestand zeigt insgesamt ähnliche Tendenzen, aber auch Unterschiede im Detail. Zunächst ist festzustellen, dass die Überlieferung antiker Wissensbestände im 9. Jahrhundert überall deutlich ansteigt. Besonders sei auf die Überlieferung von Plinius hingewiesen (mit 4 Abschriften im 8. und 6 Abschriften im 9. Jahrhundert), die sich im Südosten zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststellen lässt. Auch für Macrobius zeigt sich eine deutliche Steigerung im 9. und 10. Jahrhundert (9 Abschriften und 12,5 Abschriften). Eine geringe Überlieferung zeigt sich für Calcidius. Aber auch im europäischen Maßstab nimmt sich die Überlieferung antiken Wissens vergleichsweise gering aus. Der überwiegende Teil des Wissens basierte im 9. und 10. Jahrhundert auf den frühmittelalterlichen Autoren, vor allem Isidor und Beda, sowie den darauf aufbauenden Enzyklopädien. Eine Ausnahme stellt Martianus Capella dar, dessen Werk es mit 42 (9. Jahrhundert) bzw. 23 (10. Jahrhundert) Abschriften durchaus mit den christlichen Autoren des frühen Mittelalters aufnehmen konnte. Insgesamt überliefern für das 9. Jahrhundert 502,5
360 An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Handschriften, die in die Jahrhundertwende datiert werden, jeweils zu halben Teilen (als 0,5) gezählt werden.
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Wissensträger primäres Wissen, deren Zahl sich im 10. Jahrhundert auf 254 Abschriften etwa halbierte, wobei die Gründe hierfür später zu analysieren sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Kosmoswissen des frühen Mittelalters im Südosten und anderswo besonders in der Karolingerzeit zu einer ersten Entfaltung gelangte, die neben den Autoren des frühen Mittelalters nun zunehmend auch auf antiken Texten beruhte. Während sich dieser Aufschwung im karolingischen Kerngebiet bereits im 8. Jahrhundert nachweisen lässt, war er im Südosten offenbar erst mit der Eingliederung der Region in die fränkischen Netzwerke möglich. Das 11. Jahrhundert: Gorzer Reform und Astrolab
Der Ausgang des 10. Jahrhunderts brachte in vielerlei Hinsicht den Wandel nach Regensburg: Für das Kloster St. Emmeram begann dieser 975 mit der Berufung Ramwolds zum Abt durch den neuen Bischof Wolfgang, der 972 die Kathedra bestiegen hatte und gleich im nächsten Jahr die Personalunion von Abt und Bischof auflöste. Fortan gingen das Kloster und der Bischofssitz getrennte Wege, wobei Wolfgang diese nicht dem Zufall überließ. Stattdessen berief er mit Ramwold einen befreundeten Vertreter der sogenannten Gorzer Reform aus Trier an die Spitze des Klosters, das seit dem 10. Jahrhundert innerhalb der neu errichteten Stadtmauern lag. Unter Ramwold entwickelte sich St. Emmeram zu einem Zentrum dieses Reformzweiges in Bayern und beeinflusste andere Klöster der Region, darunter Tegernsee und St. Peter in Salzburg. Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass sich das gute Verhältnis zwischen Bischof und Kloster nach dem Tod Wolfgangs rasch verschlechterte; gleiches gilt auch für die wirtschaftliche Situation des Klosters.361 Zunächst „bedeutete diese Zeit [aber] entschieden ein geistiges Aufleben des Klosters“, das sich nicht nur in der Fülle teils prächtiger Handschriften manifestiert.362 Auch das Kosmoswissen erfuhr unter Ramwold eine Bereicherung, wenngleich in den bereits durch Baturich beschrittenen Bahnen. So bezeugt das Zuwachsverzeichnis der Bibliothek unter seiner Regierungszeit nicht nur die Beschaffung von drei weiteren „compoti“, sondern auch von Bedas Texten zur Zeitrechnung, als „Beda I de temporibus“ bezeichnet. Daneben wurde auch die Sammlung der Martianus-Abschriften durch „Marcianus de nuptiis Philologiae“ ergänzt, was für eine ausgiebige Nutzung des Textes spricht.363 Insgesamt zeigt sich in Ramwolds Zuwachsverzeichnis ein ungebrochenes Interesse an kosmologischen Inhalten, das sich aber eher in einem quantitativen Anstieg des bereits Bekannten äußerte. Das änderte sich mit Beginn des 11. Jahrhunderts, das sich hinsichtlich des Kosmoswissens bis in dessen zweite Hälfte hinein durch ein erstes und deutliches Ausgreifen des Emmeramer Konvents über den regionalen Horizont hinaus auszeichnete. Dies manifestiert sich besonders in den ersten drei Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts
361 Vgl. Fuchs, ‚Das Reichsstift St. Emmeram‘, S. 731–33; Kyle, ‚St. Emmeram (Regensburg) as a Center of Culture‘, S. 47–59. 362 Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 79. 363 Zuwachsverzeichnis (Nr. 26), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff, S. 148.
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in den „Beziehungen zu einem der bedeutendsten damaligen Bildungszentren Frankreichs, nämlich zu Chartres. Dort genoss „[d]er Emmeramer Mönch Hartwic […] den Unterricht des gefeierten Lehrers und Bischofs Fulbert“364 und brachte von dort auch Handschriften naturwissenschaftlichen Inhalts nach Emmeram mit. Besonders ist hier der Kodex München, BSB, MS Clm. 14436 zu nennen, der neben einer Abschrift von Macrobius auch Plinius-Exzerpte nach Art der karolingischen Enzyklopädien enthält. Mit Macrobius eröffnete sich den Regensburgern ein für sie bis dato neuer Wissenshorizont, denn bis auf Martianus stand ihnen dieses antike Wissen im frühen Mittelalter nicht zur Verfügung.365 Auch die Qualität der verfügbaren Wissensbestände wurde durch diesen Text auf ein neues Niveau gehoben.366 Zwar deuten Funde eines Emmeramer Fragments der Kommentare des Macrobius in der Handschrift München, BSB, MS Clm. 29360(1, das sich grob auf die Wende vom 10. ins 11. Jahrhundert datieren lässt, auf die Möglichkeit hin, dass der Text bereits vor Hartwic in Regensburg verfügbar gewesen sein könnte. Gleichwohl bestätigt der Transfer aus Nordfrankreich das zunehmende Interesse der St. Emmeramer Brüder an antiken Wissensbeständen. Interessant ist der genaue Vorgang dieses Wissenstransfers, den Bernhard Bischoff nachzeichnen konnte: So deutet das kodikologische Material darauf hin, dass Hartwic bewusst teils fragmentarische Texte an seinen Studienorten erwarb und diese dort selbst vollendete, so auch im Fall der Kommentare des Macrobius. Seine Erwerbungen brachte er dann nicht zufällig mit nach St. Emmeram, sondern schenkte sie bewusst dem Heiligen Emmeram als Personifikation des Klosters, wie aus einer Miniatur in München, BSB, MS Clm. 14272 hervorgeht.367 Hartwics Handschriften weisen darüber hinaus darauf hin, dass er auch die Gegend um Reims bereiste – auch dies ein Zentrum naturkundlicher Studien, an dem der berühmte Gelehrte Gerbert wirkte. Lattin geht sogar davon aus, dass Hartwic gezielt den Wirkungsort Gerberts aufgesucht habe, „to talk with those who had also known that other great teacher, Gerbert, and to acquire copies of works which Gerbert had thought important, perhaps even some parts of Gerbert’s MSS.“368 Auch wenn dies Spekulation bleiben muss, so gibt es Hinweise, dass Hartwic auf seinen Reisen mit mehr naturkundlich bedeutsamen Inhalten in Kontakt gekommen sein muss als Macrobius und Plinius: Eine Buchliste in Hartwics München, BSB, MS Clm. 14436 bezeugt wohl das Curriculum einer der von ihm besuchten Schulen – vermutet wurde Reims –, wo der Mönch außerdem Bekanntschaft mit Hygin und Vitruv
364 Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 105; zitiert nach dem Neudruck Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 80. 365 Den Emmeramer Mönchen konnte nicht bewusst gewesen sein, dass Textstellen in ihrem Müncher Computus, die heute als Disputatio Chori et Praetextati bekannt sind, auf die Saturnalia des Macrobius zurück gehen. Vgl. hierzu The Munich Computus, hg. von Warntjes, S. lxvii; Nothaft, Scandalous Error, S. 22–26. 366 Vgl. zu Hartwic und zur Handschrift Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 80–84; Bischoff, ‚Hartwic von St. Emmeram‘; Lattin, ‚The Eleventh Century MS Munich 14436‘. 367 Vgl. Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 80. 368 Lattin, ‚The Eleventh Century MS Munich 14436‘, S. 225.
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machte.369 Ob Hartwic auch dieses Wissen mit nach Emmeram brachte, lässt sich mangels Textzeugen nicht belegen, es würde aber einige wissenschaftliche Ideen Emmeramer Mönche im Verlauf des 11. Jahrhunderts erklären. Die Bildungsreise Hartwics markiert nicht nur den Zugang zu den nordfranzösischen Zentren des Wissens, sondern fällt darüber hinaus in eine Phase, in der das Wissen über den Kosmos durch die beginnende Rezeption der arabischen Wissenschaften einem entscheidenden Wandel unterworfen war, der inhaltlich bereits weiter oben geschildert wurde. Auch in Regensburg faszinierte die neue Astronomie aus dem islamischen Herrschaftsgebiet, die sich vor allem im Astrolab manifestierte, was angesichts der langen Tradition des ausgeprägten Interesses am Kosmos nicht verwundern kann. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts finden sich hier mindestens fünf Handschriften mit Bezug zum Astrolab, davon drei sicher in St. Emmeram, nämlich München, BSB, MS Clm. 14836, München, BSB, MS Clm. 14689 und München, BSB, MS Clm. 14763. Vielleicht stammt auch München, BSB, MS Clm. 560 von hier, dessen Provenienz ist allerdings umstritten. Diese Kodizes kommen aus dem 11. und frühen 12. Jahrhundert und enthalten sowohl Texte des alten als auch des neuen Korpus der Astrolabliteratur. Aus Prüfening stammen darüber hinaus die Handschriften Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 sowie München, BSB, MS Clm. 13021, die beide im 12. Jahrhundert entstanden sind und das neue Korpus enthalten – entweder ganz oder in Teilen. Diese beiden Handschriften werden später noch eine wichtige Rolle spielen; für den Moment soll das Augenmerk aber auf St. Emmeram und seinen Kodizes liegen, da hier die Einführung des Astrolabs in Regensburg zu verorten ist. Dieses Ereignis lässt sich dabei zumindest über einen terminus ante quem datieren, da sowohl der Emmeramer Mönch Otloh als auch sein Mitbruder Wilhelm von der Arbeit mit dem Astrolab in Texten berichten, die etwa in den 50er Jahren des 11. Jahrhunderts entstanden sein müssen. Ein Exemplar und erläuternde Texte müssen daher bereits vor diesem Zeitpunkt verfügbar gewesen sein. An Möglichkeiten, Gerät und Handschriften zu besorgen oder zumindest Kenntnis davon zu erlangen, bestand in Regensburg sicherlich kein Mangel. Gleich mehrere Verbindungen kämen für eine Rezeption in Frage, nicht nur in die Region, nach Augsburg oder zur Reichenau, sondern auch durch Beziehungen nach Lothringen und Chartres, beides weitere Zentren der Astrolabrezeption. Nach Lothringen weist die Zugehörigkeit des Klosters zur Gorzer Reformbewegung, einer Gruppe von Klöstern, die sich lose um zwei lothringische Klöster, Gorze und St. Maximin in Trier, gruppierten.370 Besonders für Gorze lassen sich sowohl ein Interesse an der Beobachtung des Sternenhimmels nachweisen als auch konkrete und enge Verbindungen zu Gelehrten der Astronomie in Córdoba: 953 reiste der Gorzer Abt Johannes im diplomatischen Auftrag nach Córdoba. Dort blieb er drei Jahre und trat unter anderem in Kontakt zu einem christlichen Offiziellen des Kalifen, der sich intensiv mit arabischer Astronomie beschäftigt hatte und sich etwas später selbst für kurze Zeit in Gorze aufhielt. Stephen McCluskey vermutet daher in dieser
369 Vgl. Lattin, ‚The Eleventh Century MS Munich 14436‘, S. 222. 370 Vgl. Klueting, Monasteria semper reformanda, S. 19–21.
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Verbindung einen möglichen Kanal für den Transfer des neuen Wissens: „Given the similar interests and astronomical approaches at Gorze and Córdoba, the travels of John of Gorze and Recemund of Elvira probably provided one early channel for the transmission of elements of Arabic astronomy to the Latin West.“371 Auch wenn sich Arno Borst vehement gegen eine mögliche Rolle Gorzes für den Transfer arabischen Wissens nach Süddeutschland ausspricht – er charakterisiert Gorze als „eine Hochburg asketischer Meditation und Aktion, [die] kein Forschungsinstitut für Naturkunde war“372 –, so scheint mir in dieser Verbindung doch ein plausibler potentieller Berührungspunkt zwischen Regensburg und dem Astrolab bzw. der zugrundeliegenden arabischen Astronomie zu liegen. Gegen diese Vermutung spricht allerdings, dass sich die konkrete Rezeption des Astrolabs in Gorze zum einen nicht nachweisen lässt, vor allem aber, dass die Einführung der Reform in Regensburg durch den Abt Ramwold direkt aus Trier und nicht über Gorze erfolgte.373 Eine weitere Verbindung nach Nordfrankreich ist belastbarer, nämlich über den bereits erwähnten Hartwic zu Fulbert von Chartres. Fulbert nutzte das Astrolab vermutlich nicht nur selbst, sondern rezipierte auch das ältere Korpus der Astrolabliteratur, die auf diesem Wege ebenfalls nach St. Emmeram hätte gelangen können. In diesem Zusammenhang ist nun die Handschrift München, BSB, MS Clm. 560 bedeutend, die aus dem frühen 11. Jahrhundert stammt. Werner Bergmann wies bereits Mitte der 80er Jahre darauf hin, dass dieser Kodex Texte des alten Korpus enthält und seiner Ansicht nach – zumindest mit Blick auf diese Texte – als Abschrift einer französischen Vorlage über Hartwic seinen Weg nach Emmeram genommen habe. Allerdings konnte er die Herleitung einer Emmeramer Provenienz nicht wirklich überzeugend belegen.374 Einen anderen Weg dieser frühen Texte nach St. Emmeram vermutet Arno Borst, der München, BSB, MS Clm. 560 erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts in Regensburg sehen möchte. Seiner Ansicht nach stammen die enthaltenen Texte über das Astrolab womöglich ursprünglich aus Lothringen, „vielleicht aus dem Umkreis von Lüttich“. Sie seien im frühen 11. Jahrhundert auf die Reichenau gelangt und erst später von dort „nach Regensburg weitergereicht worden“.375 Die Rezeption der Astrolabtexte über Chartres oder Reims scheint vor dem historischen Hintergrund zwar durchaus möglich, belegen lässt sie sich freilich nicht. Allerdings geht auch Borst in seinem unvollendeten Typoskript zu den Werken Hermanns des Lahmen von einer sehr frühen Rezeption der älteren Astrolabliteratur in Regensburg aus. Dabei hält er vor allem die Verbindungen zur Reichenau für bedeutsam, die insbesondere auch durch die Berufung des Reichenauer Lehrers Burchard zum Abt in St. Emmeram im Jahre 1030 gefördert worden seien.376 Es ist
371 Vgl. McCluskey, Astronomies and Cultures, S. 166–71, Zitat S. 170. 372 Borst, Astrolab und Klosterreform, S. 58. 373 Vgl. Klueting, Monasteria semper reformanda, S. 21. 374 Bergmann argumentiert vor allem über den späteren Besitzer der Handschrift, Hartman Schedel, in dessen Besitz sich auch eine weitere Handschrift aus Emmeram befunden hat, vgl. Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 83–94. 375 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 39. 376 Vgl. Borst, ‚Ein Forschungsbericht Hermanns des Lahmen‘, S. 409.
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durchaus wahrscheinlich, dass Burchard als Lehrer des Bodenseeklosters einen herausgehobenen Zugang zur dort seit dem Jahr 1000 gepflegten Astrolabliteratur hatte. Dass er zumindest die Kenntnis darüber ins Kloster an der Donau brachte, scheint vor diesem Hintergrund plausibel. Interessant ist Borsts sehr konkreter, wenngleich leider nicht mehr nachzuvollziehender Hinweis, dass neben der Rezeption französischer Schriften zur Astronomie durch Hartwic „[n]ach 1036 […] unter einem von der Reichenau stammenden Abt weitere Texte hinzu [kamen], die aus Fleury auf die Reichenau gebracht worden waren.“377 Es wären dann also vor allem die Verbindungen an den Bodensee und damit in die Region gewesen, die zur Rezeption des neuen Wissens genutzt wurden. Klären lässt sich diese Frage wohl nicht, es bleiben verschiedene Wege des Wissenstransfers denkbar, wobei aus praktischen Gründen wohl die regionalen Verbindungen zu einem so wichtigen Zentrum wie der Reichenau als heißeste Spur gelten dürfen. Was den Zeitpunkt angeht, so scheinen sich in beiden Fällen die 30er Jahre des 11. Jahrhunderts als Zeitraum des ersten Kontakts mit dem Gerät und der dazugehörenden Literatur anzudeuten. Ein Blick auf die überlieferten Handschriften scheint diese Datierung – abgesehen vom zweifelhaften Kodex München, BSB, MS Clm. 560378 – zunächst eher zu widerlegen: Alle drei sicher aus St. Emmeram stammenden Handschriften sind erst in späteren Zeiten kopiert worden. Sie alle enthalten darüber hinaus sowohl Texte des alten und neuen Korpus und markieren daher eher das Ende der frühen Rezeptionsphase. Aufgrund ihrer wichtigen Stellung in der Geschichte des Astrolabs in Regensburg sollen diese komplexen Handschriften zunächst im Detail betrachtet werden. München, BSB, MS Clm. 14836 stellt den ältesten Kodex dieser Gruppe dar.379 Er besteht heute aus mehreren, später zusammengebundenen Teilen, die entgegen den Angaben bei Bubnov nicht zur Gänze aus dem 11. Jahrhundert stammen, sondern in Teilen auch aus dem 12. Jahrhundert.380 Die Abschnitte aus der Mitte des 11. Jahrhunderts enthalten seltsamerweise keine Texte der älteren Sammlung, sondern lediglich Teile des neuen Korpus: Hermanns De mensura astrolabii (h) über die Konstruktion des Astrolabs und Berengars Text zur transportablen Sonnenuhr (hv). J, also De utilitatibus astrolabii über die Anwendung des Geräts, ist nicht enthalten, bzw. erst im späteren Bestand des Kodex (fol. 144–59) aus dem 12. Jahrhundert. Der Kodex ist insgesamt bedeutsam für die Forschung zu Hermanns Texten, da er nach Drecker den „wohl älteste[n] und beste[n]“ Textzeugen von De mensura astrolabii darstellt, den er auch für seine Edition heranzog. Seiner Ansicht nach wurden zumindest die relevanten Teile der Handschrift noch zu Lebzeiten Hermanns, also
377 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 25. 378 Die Handschrift enthält mit Blick auf die Astrolabliteratur eine Sternentafel vom Typ III, den Prolog pa, Teile von J, J’ sowie J’a, vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 228–29, dort auch mit einschlägiger Literatur. 379 Die Handschrift enthält im älteren Bestand die Texte h, hv, eine Sternentafel vom Typ III sowie Teile der GIA. Im jüngeren Bestand finden sich außerdem h’ und J ( J wird nicht benannt bei Borrelli). Vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 229, hier auch mit einschlägiger Literatur. 380 Vgl. Opera mathematica, hg. von Bubnov, S. 46–48; Korrektur bei Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘, S. 283, Anm. 30.
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vor 1054 geschrieben, eher auf der Reichenau als in Regensburg.381 Wann der Kodex nach St. Emmeram gelangte, lässt sich zunächst nicht feststellen. Im älteren Bestand der Handschrift finden sich nun weder Texte des alten Korpus, vor allem fehlt dort das wichtige Werk J zum Gebrauch des Astrolabs. Mit diesem Abschnitt konnten die Mönche daher das Astrolab zwar prinzipiell herstellen, ihnen fehlten aber wichtige Informationen zu dessen Nutzung. Tatsächlich finden sich auch Texte des älteren Korpus in St. Emmeram, allerdings erst in zwei jüngeren Handschriften aus dem späten 11. und frühen 12. Jahrhundert, zum einen in München, BSB, MS Clm. 14689382 (frühes 12. Jahrhundert), zum anderen in München, BSB, MS Clm. 14763383 (spätes 11. bis frühes 12. Jahrhundert). Damit ergibt sich die etwas paradoxe Überlieferungssituation, dass die ältere Handschrift lediglich neuere Texte überliefert, die jüngeren Handschriften aber ihrerseits ältere Texte. Drei Szenarien könnten diesen Befund erklären: 1. Der ältere Kodex München, BSB, MS Clm. 14836 könnte erst deutlich nach seiner Abschrift auf der Reichenau nach Regensburg gelangt sein, vielleicht im Laufe des 12. Jahrhunderts. Die beiden Emmeramer Handschriften des späten 11. und frühen 12. Jahrhunderts, also München, BSB, MS Clm. 14689 sowie München, BSB, MS Clm. 14763, müssten als die früheste Stufe der Rezeption der Astrolabliteratur in St. Emmeram verstanden werden. Diese wäre erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts nach Regensburg gelangt. 2. München, BSB, MS Clm. 14836 könnte bereits in der Mitte des 11. Jahrhunderts, also kurz nach seiner Abschrift auf der Reichenau nach Emmeram gelangt sein. Dort hätte man sich dann wohl um 1100 um die fehlenden Texte des älteren Korpus und um die Anwendung des Astrolabs bemüht. 3. Die jüngeren Abschriften des älteren Korpus könnten auf einer älteren Vorlage beruhen, die vielleicht schon zur Mitte des 11. Jahrhunderts in St. Emmeram vorhanden gewesen sein könnte. Auf dieser Grundlage wäre dann das neuere Korpus in München, BSB, MS Clm. 14836 rezipiert worden. Später wären aus zunächst unbekannten Gründen zwei neuere Abschriften der heute verschollenen Vorlage(n) erstellt worden. Das erste Szenario kann recht schnell ausgeschlossen werden. Da Otloh bereits um 1055 eine wie auch immer geartete Arbeit mit dem Astrolab bezeugt,384 und damit doch eine gewisse Vertrautheit mit dem im 11. Jahrhundert noch exotischen Instrument an den Tag legt, ist eine so späte Rezeption der Astrolabliteratur in St. Emmeram kaum wahrscheinlich. Auch die zur Mitte des 11. Jahrhunderts zur Schau gestellte
381 Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, S. 203. 382 Die Handschrift enthält mit Blick auf die Astrolabliteratur h sowie Teile von J, pa sowie J’a, vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 229, hier mit einschlägiger Literatur. 383 Die Handschrift enthält mit Blick auf die Astrolabliteratur h, Teile von h’’, Teile von J, hv sowie eine Sternentafel des Typ III und einen unedierten Text n (Sigle Borrelli) zur Konstruktion des Astrolabs (inc.: In compositione astrolabii tres circuli sunt necessarii), vgl. Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 229, hier mit einschlägiger Literatur. 384 Vgl. zur Datierungsfrage Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 109 mit weiteren Angaben in Anm. 1.
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Sachkenntnis Wilhelms von Hirsau, die weiter unten noch thematisiert wird, spricht eindeutig dagegen. Zumindest die Texte des älteren Korpus mussten bereits vor 1055 vorhanden gewesen sein, eigentlich auch bereits Hermanns Anleitung zum Bau des Geräts (h), für den die älteren Texte wohl nicht ausreichten.385 Dann ist aber auch Szenario zwei eher unwahrscheinlich. Denn wenn sich die Regensburger Mönche bereits Mitte des 11. Jahrhunderts auf der Reichenau nach Texten zum Astrolab erkundigten (oder darüber informiert wurden) und diese kopierten, dann hätten sie ohne Probleme auch Zugang zum fehlenden Text J über die Anwendung des Astrolabs gehabt. Das Fehlen dieses Textes im älteren München, BSB, MS Clm. 14836 mag zwar der frühen Überlieferungsphase geschuldet sein, ist mit Blick auf die von Hermann intendierte komplementäre Konzeption der drei Texte (h+J+hv) aber recht merkwürdig und darüber hinaus auch selten in der weiteren handschriftlichen Überlieferung.386 Die einfachste Erklärung für diese merkwürdige Überlieferung liegt damit in Szenario drei, dass den Emmeramer Mönchen De utilitatibus astrolabii ( J) im Zusammenhang mit dem älteren Korpus bereits in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts vorlag. Entweder stützten sie sich tatsächlich auf München, BSB, MS Clm. 560 oder, wie ich eher vermute, auf eine heute verschollene Handschrift, die später den Emmeramer Abschriften in München, BSB, MS Clm. 14689 und München, BSB, MS Clm. 14763 als Vorlage dienen würde. Allerdings fehlte den Regensburger Mönchen, wie sie vielleicht nach einigen Versuchen feststellten, eine erfolgsversprechende Anleitung zum Bau des Gerätes. Über ihre vielfältigen Reichenauer Kontakte mussten sie zwangsläufig von den dort entwickelten Neuerungen erfahren oder gehörten teilweise sogar zum Kreis der Freunde Hermanns, die ihn nach eigener Aussage zur Abfassung des klärenden Traktats bewogen hätten.387 Vom Bodensee erhielten sie in München, BSB, MS Clm. 14836 dann, was ihnen zur Vollständigkeit noch fehlte: Hermanns De mensura astrolabii h und De horologio viatorum hv, wobei gerade für letzteren Text unlängst auch eine Urheberschaft in Regensburg selbst ins Spiel gebracht worden ist, die aus weiter unten zu diskutierenden Gründen aber unwahrscheinlich ist.388 Tatsächlich stärken eine ausführlichere Analyse und ein Vergleich der beiden jüngeren Handschriften München, BSB, MS Clm. 14689 und München, BSB, MS Clm. 14763 diese These und fördern ein ausgesprochen komplexes Abhängigkeitsverhältnis der beiden Kodizes zu Tage.389 Zunächst ist festzuhalten, dass beide Handschriften sowohl Texte des älteren als auch des neueren Korpus enthalten, die teilweise zu einer zusammenhängenden Kompilation vereint wurden. Unterschiede weist die
385 Ein weiterer Grund für eine frühe Anwesenheit von München, BSB, MS Clm. 14836 liegt außerdem in der Tatsache, dass München, BSB, MS Clm. 14689 an anderer Stelle identische und sehr seltene Zusätze zu einem geometrischen Text aufweist. 386 Vgl. die Auflistung bei Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘, S. 282–84. 387 Siehe Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, Vorrede, S. 203–04. 388 Vgl. Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘, S. 106. 389 Der Vergleich erfolgte anhand der nicht immer verlässlichen Beschreibungen bei Borst in Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Beschreibung der Handschriften, S. 41–43 sowie Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 237–40. Die Beschreibungen wurden anhand der Digitalisate überprüft.
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Überlieferung des neueren Korpus auf: Während München, BSB, MS Clm. 14689 Hermanns Konstruktionsbeschreibung (h) enthält (fol. 81v–84v), überliefert München, BSB, MS Clm. 14763 lediglich das Werk des Berengar über die Säulchenuhr (hv) (fol. 214r–215r).390 Auch für das ältere Korpus weisen die Handschriften zuweilen unterschiedliche Texte bzw. Zusammenstellungen auf. So enthält München, BSB, MS Clm. 14763 die älteren Konstruktionsanleitungen h’ und h’’ sowie andere kleinere Texte (204r–214r) – Borst vermutete hier übrigens eine zusammenhängende Compilatio sangallensis391 –, in München, BSB, MS Clm. 14689 fehlen diese. Dafür überliefert diese Handschrift wiederum auf fol. 71r–72v den Prolog Ad intimas phylosophiae (pa), eine Art anonymes Vorwort zum älteren Korpus.392 Neben diesen deutlichen Unterschieden weisen beide Handschriften allerdings auch distinkte Gemeinsamkeiten auf, vor allem mit Blick auf die Texte zur Anwendung des Astrolabs. Beide überliefern nämlich nicht nur die gleichen Texte, eine Frühfassung von J, eine als J’a bekannte Anleitung zum Bau einer Uhr sowie mehrere Ausschnitte aus J’ (München, BSB, MS Clm. 14689, Folia 73r–81v; München, BSB, MS Clm. 14763, Folia 196r–207r), sondern werden vor allem in beiden Handschriften als eine zusammenhängende Texteinheit betrachtet und kopiert. Gleichzeitig weisen beide Handschriften aber auch hier kleinere, wenngleich entscheidende Unterschiede auf, etwa die gegenseitige Auslassung oder Umstellung von einzelnen Abschnitten. Aufgrund dieser Unterschiede ist eher auszuschließen, dass diese Textgruppe von der einen Handschrift in die andere kopiert wurde, vielmehr dürften beide Kodizes auf eine (oder mehrere) gemeinsame und heute verschollene Vorlage(n) zurückgehen, derer sie sich selektiv bedienten. Diese verschollene Vorlage lässt sich nun dadurch etwas näher bestimmen, dass beide Handschriften wiederum einige (teils unterschiedliche und nicht alle) Textabschnitte mit einer St. Galler Handschrift des frühen 11. Jahrhunderts teilen, nämlich mit Zürich, UB, MS Car. C. 172, weshalb Bergmann sie zu einer eigenen Überlieferungsgruppe C zählte.393 Besonders zu München, BSB, MS Clm. 14763 sei die Ähnlichkeit mitunter so groß, dass sich die beiden Kodizes teilweise „bis in kleinste Einzelheiten der Orthographie“ folgten.394 Außerdem überliefern beide Handschriften ein anonymes Derivat von h’’. Auch Borst sieht die Handschriften „durch höchstens eine Zwischenstufe getrennt[:] Neben Verderbnissen erscheinen stichhaltige Korrekturen [im Emmeramer Kodex, Anm. d. V.], die den Einsichten Hermanns [also den Texten des neuen Korpus, Anm. d. V.] manches verdankten.“395 Die drei Handschriften stehen damit mit Bezug auf die enthaltenen Texte des alten
390 Gegen Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 229, die in ihrer Beschreibung der Handschriften h auch in Clm 14763 auflistet. Allerdings finden sich unter den angegebenen Folia lediglich Kapitel aus J. 391 Vgl. Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 24–30; ediert in Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–2, iii. (viii.) Compilatio Sangallensis de astrolapsu, S. 1–40 (auch hier mit neubeginnender Seitenzählung durch Borst). 392 Ediert in Assaig d’historia, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 271–75. 393 Vgl. Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 87–88. 394 Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 88. 395 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 29.
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Korpus in einer engen Verbindung, lassen sich als Gruppe aber auch mit dem bereits genannten München, BSB, MS Clm. 560 und Vatikan, BAV, MS Reg. Lat. 1661 in Verbindung bringen, die ihrerseits Zeugen einer frühen Überlieferungstradition des alten Korpus darstellen und ihren Ursprung wohl in Lothringen haben.396 Zusätzlich lässt sich auch ein Zusammenhang zwischen München, BSB, MS Clm. 14763 und Vatikan, BAV, MS Reg. lat. 1661 herstellen, da beide Handschriften singulär eine fragmentierte Beschreibung zum Bau eines mechanischen Uhrenantriebs enthalten. Zusammenfassen lässt sich diese komplexe Überlieferungslage mit Blick auf die Einführung des Astrolabs in St. Emmeram folgendermaßen: Es muss in St. Emmeram entweder eine oder mehrere Vorlagen mit Texten des alten Korpus gegeben haben, die Ähnlichkeiten sowohl zur St. Galler Handschrift als auch zur älteren, lothringischen Tradition des Korpus aufweisen, die allerdings über regionale Vermittlung den Weg ins Kloster gefunden haben könnten. Die Emmeramer Kodizes München, BSB, MS Clm. 14689 und München, BSB, MS Clm. 14763 können daher als selektive Abschriften einer oder mehrerer Handschriften des frühen 11. Jahrhunderts gelten, die heute nicht mehr erhalten sind.397 Fügt man die in den beiden Regensburger Handschriften überlieferten Texte des alten Korpus zusammen, so erhält man alle wesentlichen Bestandteile dieser Sammlung aus dem späten 10. oder frühen 11. Jahrhundert, die um 1050 dann um die Texte des neuen Korpus ergänzt wurden:398 1. Den Prolog ‚Ad intimas‘ 2. De mensura astrolapsus (h‘‘) 3. De mensura astrolabii (h‘) 4. Sententie astrolabii ( J‘) 5. De utilitatibus astrolabii ( J) 6. De mensura astrolabii (h) 7. De horologio viatorum (hv) Insgesamt möchte ich Bergmann also darin zustimmen, dass „in St. Emmeram schon im 11. Jahrhundert“, und vermutlich sogar bereits bis zur Mitte des Jahrhunderts, „nicht nur der Traktat Hermanns, sondern auch die Mehrzahl der Werke des Korpus der älteren Astrolabtraktate“399 vorhanden waren, und Regensburg daher durchaus als „Zentr[um] der Beschäftigung mit dem neuen Zeitmeßinstrument Astrolab [] neben Lothringen [… und] der Reichenau“ verstanden werden muss, eine These, die sich in Kapitel 4 bestätigen wird.400
396 Vgl. Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 87–88. 397 In diesem Zusammenhang ist Borsts unveröffentlichte Rekonstruktion einer als Compilatio Sangallensis de astrolapsu bezeichneten Kompilation auf Grundlage der hier besprochenen Handschriften interessant, deren Ursprung er in St. Gallen sieht, wo sie um 1025 im Umfeld Ekkerhards IV. von aus Frankreich stammenden Texten erstellt worden sei und dann im Südwesten schnell Verbreitung gefunden habe. Der von ihm rekonstruierte Inhalt reicht allerdings nicht aus, um die in St. Emmeram verfügbaren Texte und Inhalte zu erklären. Vgl. Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 24–30. 398 Vgl. die Übersicht bei Juste, Les Alchandreana primitifs, S. 8. 399 Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 91. 400 Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 95.
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Vor diesem Hintergrund mag folgender Weg des Astrolabs nach Regensburg plausibel erscheinen: Bereits um 1030 berichtete der von seinen Reisen zurückgekehrte Hartwic von dem exotischen Gerät, das er bei seinem Lehrer Fulbert kennengelernt und von dem man in St. Emmeram vielleicht auch schon über die Kontakte nach Lothringen gehört hatte. Eine erste Anleitung zu dessen Nutzung könnte er mit München, BSB, MS Clm. 560 und/oder anderen heute verschollenen Vorlagen eventuell gleich aus Frankreich mitgebracht haben. Eine andere, vielleicht wahrscheinlichere Möglichkeit ist, dass man sich in Emmeram das ältere Korpus erst aus der erweiterten Bodensee-Region organisierte, wo es ausweislich des Konstanzer Fragments, der St. Galler Handschrift sowie des Traktats des Ascelinus bereits im ersten Drittel des 11. Jahrhunderts präsent war. Zunächst hätten sich die Regensburger mit dem ungenügenden alten Korpus zufriedengeben müssen, bis dann Mitte des 11. Jahrhunderts ihre Kontakte zur Reichenau die Akquise des dort kurz zuvor entstandenen De mensura astrolabii Hermanns ermöglichten, auf dessen Grundlage die Konstruktion des Gerätes erfolgen konnte. Diese Texte wurden dann bis ins 12. Jahrhundert hinein gepflegt und in verschiedenen Zusammenhängen abgeschrieben. Die erste Rezeptionsphase der neuartigen Wissensbestände aus dem arabischen Raum wäre daher zur Mitte des 11. Jahrhunderts abgeschlossen. Im direkten Zusammenhang dazu lässt sich etwa zu dieser Zeit eine Rollenverschiebung St. Emmerams feststellen, das zunehmend eine eigene Produktivität im Bereich des Kosmoswissens entfaltete, die wohl mit der von Otloh bezeugten Gruppe von Astronomen in Zusammenhang steht. Tatsächlich lässt sich diese neue Produktion auch mit einer Person in Verbindung bringen, nämlich dem späteren Hirsauer Abt Wilhelm von Hirsau, der – um 1030 geboren – bereits als Kind ins Kloster gegeben wurde und sich dort bis zum Ende der 60er Jahre an die Spitze der astronomiekundigen Szene der Region setzte. Wilhelm, dessen aufsehenerregende Studien in Kapitel 4 im Detail analysiert werden, verdankt sich das einzige schriftliche Zeugnis der wissenschaftlichen Umtriebe dieser Zeit in St. Emmeram, das aber leider lediglich fragmentarisch im Clm. 14689 überliefert ist.401 Zusätzlich wurde in jüngerer Zeit die These aufgestellt, dass auch andere zentrale Texte dieser Zeit in St. Emmeram lokalisiert werden müssten. So stellten Jacquemard, Desbordes und Hairies 2007 fest, dass die bislang in der Regel Hermann von Reichenau zugeschriebene Anleitung zur Konstruktion einer Säulchensonnenuhr ursprünglich einem gewissen Berengarius zuzusprechen sei, der diesen Text wohl zusammen mit der Beschreibung eines äußerst fortschrittlichen Quadranten in einem Brief einem als W. bezeichneten Mitbruder mitteilte. Beide Beschreibungen hätten sich dann aber getrennt überliefert.402 Bei diesem Quadranten handelt es sich um ein Exemplar, das Desbordes et al. als quadrans vetustior charakterisierten und das bereits eine veritable Weiterentwicklung der älteren Quadranten darstellt, die später noch eingehender zu besprechen sein werden. Desbordes et al. weisen darauf hin, dass Berengar in Tegernsee oder St. Emmeram gewirkt haben könnte,403 von wo er die
401 Vgl. hierzu ausführlich die Bemerkungen zum Text-Anhang. 402 Dieser Brief ist ediert in Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘. 403 Vgl. Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘, S. 106.
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Früchte seiner Arbeit an einen heute gemeinhin als Werinher identifizierten Mönch gesendet habe, der in engem Kontakt zu Hermann von Reichenau gestanden haben soll.404 Gesichert ist diese Zuschreibung an Berengar freilich nicht. Tatsächlich schlug Arno Borst in seiner unveröffentlichten Edition des Textes vor, im Empfänger des Briefes – den er allerdings noch nicht mit der Säulchenuhr in Verbindung brachte und ungerechtfertigterweise pauschal als „inhaltlich […] enttäuschend“ bezeichnete405 – eben den Emmeramer Wilhelm von Hirsau zu sehen, der sich selbst als Kopf einer größeren Gruppe interessierter Gelehrter bezeichnete.406 Der Brief sei dann nicht in St. Emmeram entstanden, hätte dort aber zur Zeit Wilhelms vorgelegen und das Regensburger Kloster in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts als explizites Zentrum astronomischer Studien der Region in Erscheinung treten lassen. Damit stellte das 11. Jahrhundert einen Wendepunkt in der Geschichte der Stadt Regensburgs dar, die sich mit dem Wirken Wilhelms vom bloßen Rezipienten kosmologischen Wissens zum regionalen Zentrum dessen Produktion gewandelt hatte. Dieser eindeutige Befund eines zunehmenden Interesses am primären Wissen auf der lokalen Ebene in Regensburg lässt sich nicht ohne Weiteres auch auf den Südosten übertragen. Hier zeigt ein Blick auf die handschriftliche Überlieferung ein ambivalentes Bild. Zwar lässt sich auch im regionalen Kontext ein Zuwachs an primärem Wissen im 11. Jahrhundert feststellen und insgesamt 39 Textzeugen entsprechenden Inhalts identifizieren. Hierzu zählen zum einen die regionalen Erzeugnisse aus dem 11. Jahrhundert, Hermanns Computistica und die erst zu dieser Zeit verfügbaren Astrolabica, die in der Region bereits seit dem 11. Jahrhundert vergleichsweise häufig überliefert werden. Zum anderen ist auch auf die zunehmende Beliebtheit der Kommentare von Calcidius und Macrobius mit 5 sowie 5,5 Textzeugen hinzuweisen. Die übrige Überlieferung der Region unterscheidet sich hingegen nicht wesentlich von vorangegangenen Jahrhunderten. Eindeutiger ist der Vergleich der regionalen Bestände mit der gesamteuropäischen Überlieferung (vgl. Tabelle A.12 im Anhang). Auch hier lässt sich eine Zunahme an kosmologischen Handschriften feststellen. Mit 323 Textzeugen des 11. Jahrhunderts im Vergleich zu den 254 des 10. Jahrhunderts fällt diese allerdings bei weitem nicht so deutlich aus wie im Südosten. Anders als dort kann auf gesamteuropäischer Ebene auch nicht mehr an die Produktionsraten des 9. Jahrhunderts angeknüpft werden, wobei die möglichen Gründe hierfür später noch zu diskutieren sind. Auch auf der gesamteuropäischen Ebene tragen natürlich vor allem die Autoren und Texte des späten 10. und 11. Jahrhunderts zum Anstieg des primären Wissens bei. Deutlich wird dies zum Beispiel an der nun von 3 auf 25 Zeugen hochschnellenden Überlieferung des Helpericus. Aber auch der Bereich der Naturphilosophie wuchs spürbar, zum einen durch eine Verdopplung der überlieferten Kommentare des Macrobius, vor allem aber durch den explosionsartigen Anstieg der Timaeus-Übersetzung des
404 Vgl. Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘, S. 218. 405 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 73. 406 Vgl. Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 73.
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Calcidius von 2 auf 23 Textzeugen. Die Naturkunde des Plinius hingegen fand als eigenständiger Text wohl nur noch marginal Beachtung. Differenziertere Aussagen lässt der Vergleich der regionalen und gesamteuropäischen Ebenen zu, wodurch sich teils eklatante Unterschiede der Überlieferung zeigen. Vor allem trifft dies auf Texte zu, die im späten 10. und 11. Jahrhundert entstanden. So zeigt sich zum Beispiel für den ‚regionsfremden‘ Computus des Helperich, dass dessen Überlieferung im Südosten bis zum Ende des Jahrhunderts noch deutlich unterrepräsentiert ist. Umgekehrt liegt der Fall bei Autoren im Umfeld der Region, wie das Beispiel der Computistica Hermanns von Reichenau bezeugt, der relativ häufig im Untersuchungsgebiet zu finden war – ein Beleg für die Latenz und Raumgebundenheit mittelalterlicher Wissensdiskurse. Verwunderlicher ist die Diskrepanz der Überlieferung im Bereich der frühmittelalterlichen Wissensbestände. Während gerade die Texte Bedas verhältnismäßig häufig in Bayern überliefert sind, muss das genaue Gegenteil für Isidors Etymologien gelten, deren Überlieferung im Südosten nicht mal ansatzweise an den Umfang der gesamteuropäischen Bestände heranreicht. Eine letzte Auffälligkeit liegt in der Überlieferung der Kommentare des Macrobius, die relativ gesehen deutlich häufiger im Südosten (oder zumindest in Regensburg) kopiert wurden als im Rest des lateinischen Kulturkreises. Trotz dieser Unterschiede im Detail lässt sich feststellen, dass das kosmologische Wissen im 11. Jahrhundert auf allen Ebenen, lokal in Regensburg, regional im Südosten und im gesamteuropäischen Kontext einer ersten und deutlichen Horizonterweiterung unterworfen war, die inhaltlich vor allem durch die Rezeption arabischen Wissens die Grenzen der frühmittelalterlichen Kosmologie und Komputistik zunehmend zu sprengen drohte. Das 12. Jahrhundert: Neue Klöster, neues Wissen
Die Wirkungschronologie der Wissensbestände in Regensburg war bislang in erster Linie eine Wirkungsgeschichte des Klosters St. Emmeram. Zwar existierten in und um die Stadt bereits im frühen Mittelalter auch andere religiöse Institutionen. Deren Wissensbestände lassen sich vor dem 12. Jahrhundert aber entweder nicht erschließen oder enthalten keinen Bezug zu kosmologischem Wissen. Dies änderte sich grundlegend im 12. Jahrhundert, als weitere umfangreiche Buchbestände der Klöster Prüll und Prüfening in Erscheinung traten.407 Prüll ist das ältere der beiden Klöster vor den Toren der Stadt. Bereits zur Jahrtausendwende gründete der Nachfolger Wolfgangs, Bischof Gebhard, das Kloster und setzte es in Beziehung zu St. Emmeram: Nicht nur befand sich Prüll auf ehemaligen Grund St. Emmerams, den Gebhard durch Tausch erworben hatte, vor allem stammten mindestens zwei der Äbte dieser Gründungszeit aus dem älteren Kloster innerhalb der Regensburger Stadtmauern. Dieser Umstand kann nicht verwundern, da sich die Gründung Prülls im Kontext der Gorzer Reform vollzog, zu deren südostdeutschem Zentrum sich St. Emmeram schnell entwickelt
407 Eine konzise Übersicht über die kulturelle Landschaft der religiösen Institutionen Regensburgs bietet Sheffler, Schools and Schooling, S. 14–21.
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hatte.408 Von St. Emmeram bezog man in Prüll offenbar auch einige Bücher. Ein gewisser Aufschwung vollzog sich wohl erst in der Mitte des 12. Jahrhunderts mit der Berufung des Admonter Bibliothekars Wernher als Abt in Prüll.409 Durch diese Berufung erfolgte gleichzeitig auch eine enge Bindung an die sogenannte Hirsauer Reform, ein reformorientiertes Klosternetzwerk mit Zentrum im schwäbischen Hirsau, das von Admont ausgehend zunehmend auch in Südostdeutschland Fuß fasste: 1116 etwa in Melk und Salzburg (St. Peter), zur Mitte des Jahrhunderts dann in Weihenstephan (1147), St. Lambrecht (1154) und bereits 1143 auch in St. Emmeram.410 Nach Regensburg war diese Reform allerdings nicht erst mit Abt Wernher gelangt; bereits 1109 lässt sich mit Prüfening ein Kloster des Hirsauer Netzwerkes fassen, allerdings mit einem ganz anderen Hintergrund. Denn Prüfening stand, wenngleich nur unweit der Stadt an einem verkehrsgünstigen Flussübergang gelegen, institutionell in keinem Zusammenhang zu Regensburg, sondern war eine Gründung des Bamberger Bischofs Otto I., der sich zu Beginn des Jahrhunderts der Ausbreitung der Hirsauer Reform verschrieben hatte und hierfür Mönche aus dem Mutterkloster Hirsau an die Donau brachte.411 Im Gegensatz zu Prüll vollzog sich in Prüfening allerdings gleich von Beginn an eine enorme kulturelle Entwicklung, die sich in einem ungewöhnlich starken und schnellen Anwachsen der Bibliothek äußerte, die mit einigem Recht als „furios“ bezeichnet wurde.412 Schmitz, dem eine umfassende Bestandsaufnahme dieser Bibliothek zu verdanken ist, liefert eine ähnlich superlative Bewertung der Bestände: „Vor allem die Vielfalt der Autoren und Meinungen und der erstaunlich reichhaltige Querschnitt durch das, was zu dieser Zeit gelesen wurde, lassen Prüfening aus der Masse der übrigen Klosterbibliotheken weit herausragen. Und auch die Reihe der vorhandenen Schulautoren bestätigt den hohen Standard der Bibliothek.“413 Während aus dem älteren St. Emmeram ein großer Teil seiner Bestände noch heute als Gesamtbestand erhalten ist, ist die Lage für Prüll und Prüfening deutlich schlechter. So hat das Kloster Prüll „fast alle seine Handschriften schon vor der Säkularisation eingebüßt“414, und auch der Bestand aus Prüfening hat sich im Verlauf seiner weiteren Geschichte in alle Winde verstreut.415 Dafür haben sich glücklicherweise aber drei Quellen erhalten, die wiederum in St. Emmeram für diese Zeit nicht nachweisbar sind, nämlich drei Bibliothekskataloge aus der Mitte bzw. der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die den Bestand der Klöster Prüll und Prüfening mehr oder weniger vollständig abdecken und daher als belastbare Quellen für dortige Wissensbestände gelten können. Der Prüller Katalog wurde wohl zur Mitte des 12. Jahrhunderts im Zuge der Einführung der Hirsauer Reform unter Wernher angelegt und verzeichnet mehr
408 Zur Gründungsgeschichte des Klosters vgl. Eder, ‚Prüll‘, S. 1720–21. 409 Vgl. Ineichen-Eder, ‚Benediktinerkloster (Karthause) Prüll‘, S. 393. 410 Vgl. Jakobs, Die Hirsauer, S. 69–71. 411 Vgl. den geschichtlichen Abriss bei Schmid, ‚Prüfening‘, S. 1681–92. 412 Kellner, ‚Durch Zersplitterung erhalten‘, S. 46. 413 Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 71. 414 Ineichen-Eder, ‚Benediktinerkloster (Karthause) Prüll‘, S. 399. 415 Kellner, ‚Durch Zersplitterung erhalten‘.
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oder weniger den Gesamtbestand der zum Zeitpunkt seiner Entstehung 150 Jahre alten Bibliothek.416 Nur etwas später sind die zwei Kataloge der Abtei Prüfening zu datieren. Für beide Kataloge zeichnete sich der umtriebige Bibliothekar des Klosters, Wolfger, verantwortlich. Sie unterscheiden sich aber in Umfang und Anspruch. Der ältere von beiden wurde wohl etwa zwischen 1146 und 1165 in den Traditionskodex des Klosters eingetragen, über den genauen Zeitpunkt herrscht Uneinigkeit.417 Eindeutiger ist das Abfassungsdatum des zweiten Kataloges, da er sich selbst datiert: „Anno Domini millesimo centesimo sexagesimo quinto“ – 1165.418 Während der ältere Katalog wohl eher als eine Art Arbeitsfassung zu sehen ist, stellt der Jüngere Wolfgers Reinschrift dar, die er auch mit einer selbstbewussten Vorrede versah und in ein repräsentatives Buch kopieren ließ. Das Vorliegen zweier Kataloge aus einem kurzen Zeitraum erlaubt es somit, ein differenziertes Bild von der Entwicklung der Bibliothek des Klosters im Verlauf des 12. Jahrhunderts zu zeichnen. Die rasche Verzeichnung der Bibliothek nur wenige Jahrzehnte nach ihrer Gründung 1108 vermittelt darüber hinaus ein authentisches Bild der Interessen der Zeitgenossen des 12. Jahrhunderts, da die darin verzeichneten Wissensbestände keine Relikte früherer Zeiten darstellten, sondern zeitnah kopiert und erworben sein mussten. Aufgrund dieser Quellenbasis wird die Bestandsaufnahme des Regensburger Kosmoswissens für das 12. Jahrhundert zunächst aus der Perspektive des Klosters Prüfening erfolgen und dann nach Möglichkeit durch Beobachtungen aus St. Emmeram und Prüll ergänzt. Die beiden Kataloge Prüfenings zeichnen das Bild einer umfangreichen Bibliothek. So verzeichnet der ältere Katalog (MBK-Nr. 40) circa 176 Titel, der Jüngere (MBK-Nr. 41) 166 Titel, wobei die Differenz aus der noch zu thematisierenden Verzeichnungspraxis resultiert. Insgesamt zeigen beide Kataloge die enorme Umtriebigkeit, mit der die Prüfeninger Mönche sich um die Akquise einer reichhaltigen Bibliothek bemühten, die zwar fünfzig Jahre nach Gründung noch nicht mit den Emmeramer Beständen mithalten konnte, die Nachbarn in Prüll aber deutlich in den Schatten stellte. Deren Katalog verzeichnete lediglich 100 Einheiten, und das bei einer deutlich längeren Sammlungstätigkeit.419
416 Auch wenn der Katalog selbst nur als Abschrift des 14. Jahrhunderts überliefert ist, so deuten inhaltliche Gesichtspunkte auf diese Datierung. Vgl. Ineichen-Eder, ‚Benediktinerkloster (Karthause) Prüll‘, zur Datierung vgl. S. 394–95. Der Katalog ist ediert als Bibliothekskatalog (Nr. 39), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff. 417 Bibliothekskatalog (Nr. 40), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff, zur Datierung des Katalogs vgl. Ineichen-Eder, ‚Benediktinerkloster Prüfening‘, S. 416, Anm. 1. Schmitz datiert den Katalog überzeugend als sukzessive um 1158 angelegt, vgl. Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 70. 418 Bibliothekskatalog (Nr. 41), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff, der Katalog ist außerdem erschlossen und ediert bei Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 74–106. 419 Ob er den Gesamtbestand des Klosters wiedergibt, ist nicht gesichert, der Katalog selbst spricht aber von den „libri infra annotati in liberia in Pruol“, was eine gewisse Vollständigkeit suggeriert. Da der Katalog auch Literatur verzeichnet, die üblicherweise der Schulbildung der Novizen diente, zum Beispiel die spätantiken Bibeldichter Prosper, Iuvencus, Aratus und Prudentius in mehreren Ausgaben (vgl. hierzu Putter, ‚Prudentius and the Late Classical Biblical Epics‘), scheint dieser Angabe auch zu trauen zu sein. Die typischerweise in der Sakristei aufbewahrten liturgischen Bücher finden sich nicht im Katalog, hier könnte sich also noch komputistisches Material verbergen. Vgl. Bibliothekskatalog (Nr. 39), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff, S. 401.
die formierung des kosmoswissens im südosten bis zum ende des 12. jahrhunderts Der ältere Prüfeninger Katalog (vor 1158), MBK-Nr. 40 et questiones eiusdem [Albini] in genesim ad litteram per interrogationes et responsiones (418) Item de temporibus (418) Item libellus excerptus de libro ethimologiarum eiusdem (419) Item omelie super genesim et exodum et leviticum in uno volumine (418) Routpertus super genesim libri novem (419)
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Alkuin
Interrog. et resp. in Genesim
SW
Beda Isidor
DTR/DT Etymologiae
IW EW
Origenes
Homilien zur Genesis
SW
Rupert von Deutz Compotus Alberici et Wierammi (420) Helpericus Wichram Liber Honorii inclusi de imagine mundi (420) Honorius Hugo von Item Hugo de mundi creatione et de tabernaculo, de operibus trium dierum, et in ecclesiasten libri VIII in uno St. Viktor volumine (420) Hugo von St. Viktor Willehalmus de phylosophia (420) Wilhelm von Conches Elucidarium (420) Honorius Marcianus philosophus (420) Martianus Capella Der jüngere Prüfeninger Katalog (von 1165), MBK-Nr. 41 Ambrosius in exameron et Ambrosius de paradyso in uno Ambrosius volumine (423) Augustinus super genesim ad litteram (424) Augustinus questiones eius in genesim (424) Alkuin Origenes super genesim et exodum et leviticum in 1° Origenes volumine (425) Ysydorus ethymologie (425) Isidor Libellus excerptus de libro ethymologiarum eiusdem Isidor (425) Beda de natura rerum et de temporibus in 1° volumine Beda (425) Routpertus super genesim (425) Rupert von Deutz Honorii liber, qui dicitur elucidarius (426) Honorius Honorius de imagine mundi (426) Honorius Dydascalicon Hugonis (426) Hugo von St. Viktor Hugo de creatione mundi, de decalogo legis, de operibus Hugo von trium dierum (426) St. Viktor Hugo von St. Viktor
Liber Genesis (De operibus) SW De computo De computo De imago mundi Dialogus de creatione mundi
IW IW EW SW
De tribus diebus
SW
Philosophia mundi
EW
Elucidarium De nuptiis
SW EW
Hexaemeron
SW
De genesi ad litteram Interrog. et resp. in Genesim Homilien zur Genesis
SW SW SW
Etymologiae Etymologiae
EW EW
DTR/DT
IW
Liber Genesis (De operibus) SW Elucidarius De imago mundi Didascalicon
SW EW SW
Dialogus de creatione mundi SW De tribus diebus
Tabelle 3.1. Auszug aus den beiden Prüfeninger Bibliothekskatalogen. Legende: Die Tabelle stellt einen Auszug aus Tabelle A.4 im Anhang dar. Sie verzeichnet die Prüfeninger Bestände des Kosmoswissens entsprechend der beiden Prüfeninger Bibliothekskataloge. Auflösung Kürzel: KW = Kosmoswissen, SW = Sekundäres Wissen, EW = Epistemisches Wissen, IW = Instrumentelles Wissen, GW = Gerätewissen.
SW
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Inhaltlich zeigen die Prüfeninger Kataloge ein deutliches Übergewicht des sekundären Wissens. Der frühere Katalog aus der Jahrhundertmitte verzeichnet das Elucidarium des Honorius, Alkuins didaktischen Text über die Genesis420 sowie Origenes’ Homilien. Daneben lassen sich exegetische Werke von Hugo von St. Viktor und Ruperts von Deutz fassen, deren Werk insgesamt in Prüfening recht umfangreich vorhanden war.421 Demgegenüber bietet der Katalog von 1165 zwei patristische Zuwächse, das Hexaemeron des Ambrosius sowie Augustinus Auslegung der Genesis nach dem Wortlaut. Gerade für dieses sekundäre Wissen ist wichtig, dass es in der Rezeptionspraxis des Mittelalters nicht ausschließlich als gelehrtes Wissen verstanden werden darf, sondern in liturgischen, paraliturgischen oder erbaulichen Rezeptionszusammenhängen stand. Dies trifft zum Beispiel auf die in Prüfening bezeugten Homilien des Origenes zu. Ein anderer Rezeptionskontext war die Tischlesung im Refektorium, besonders an den Tagen, an denen die auf die Schöpfung zugeschnittene historia In principio in der Liturgie gesungen wurde. Dann wurde der Prolog des Hieronimus gelesen: „sed prologus in refectorio tantum legitur“422, der sich aber nicht inhaltlich mit dem Text der Genesis auseinandersetzte. Gerade die Lesung bei Tisch bot spätestens ab dem 11. Jahrhundert zunehmend Gelegenheit zur Rezeption anderer Texte, die auf das jeweilige Fest abgestimmt waren – insbesondere Texte der Kirchenväter: The effect by at least the end of the twelfth century was a programme of reading that operated in dialogue with the liturgical calendar and readings. First, it provided a means of fulfilling (in principle if not wholly in practice) the prescriptions for the reading of the Bible in the Night Office by delivering (if only partially) in the refectory whatever, for reasons of time, could not be read within the Office. Second, it allowed further reflection on the liturgical lessons of the Office and the Mass by means of readings from patristic biblical commentary and gospel homilies, and third, it could be used to extend the observance of a saint’s feast beyond the liturgy with additional readings from the lives, miracles and translation of the saint, or permit the commemoration at mealtime of a saint whose feast was recorded in the martyrology but was not celebrated liturgically by that particular community.423 Darauf, dass man es in Prüfening nicht beim Verlesen dieses Prologs beließ, deuten die beiden Handschriften München, BSB, MS Clm. 14399 (12. Jahrhundert, aus Prüfening, wohl aber früh nach St. Emmeram gelangt) und München, BSB, MS Clm. 13079 (laut Katalog ab dem 12. Jahrhundert in Prüfening), die jeweils das Hexaemeron des Ambrosius überliefern, der zu Beginn auch physikalische Fragen beleuchtet, etwa zur Frage nach der Erschaffung des Lichts und der Himmelskörper.
420 Alkuin, Interrogationes et responsiones in Genesin, hg. von Migne. 421 Vgl. Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 223, hier auch zum Einfluss dieser Texte auf Prüfeninger Autoren. 422 Vgl. Der Rheinauer Liber ordinarius, hg. von Hänggi, S. 94. 423 Webber, ‚Reading in the Refectory‘, S. 18.
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Im Fall der Kirchenväter ist die Forschung oft geneigt, deren Texte lediglich in einem gelehrten Diskurs zu verorten, dabei aber den tatsächlichen Rezeptionskontext außer Acht zu lassen. Dies formulierte unlängst sehr kritisch Teresa Webber, die betont, dass die Texte der Patristik „have generally been studied within the context of the history of personal study and devotion (lectio divina), and have been interpreted primarily as witnesses to [their] intellectual impact […]“.424 Gerade München, BSB, MS Clm. 14399 zeigt nun aber dezidierte Spuren eines anderen, eher öffentlichen Gebrauchs. So finden sich bereits auf den ersten Seiten neben einer speziell für das Vorlesen entwickelten Interpunktion über bestimmten Wörtern angebrachte Striche, die dem Vorleser deren korrekte Betonung erleichtern sollten.425 Solche Betonungshilfen finden sich besonders häufig in Kodizes von stattlichem Format, die Texte der Kirchenväter enthalten. In der Regensburger Handschrift finden sie sich in verschiedenen Zusammenhängen, häufig aber über griechischen Wörtern, deren Aussprache vielleicht ein Problem darstellen konnte, daneben aber auch bei gewöhnlichen Begriffen.426 Dieser Befund macht es sehr wahrscheinlich, dass die Lesung der Genesis zu Beginn der Septuagesima im Rahmen des Stundengebets und unter Einbeziehung einer entsprechenden historia während der Mahlzeit durch eine öffentliche Lesung erklärender Texte begleitet wurde, die im Falle des Hexaemerons zu Beginn durchaus kosmologische Inhalte vermittelte und missverständliche Passagen des Schöpfungsberichts mit kosmologischem Wissen unterfütterte. Ein Beispiel hierfür wäre die Klärung der Frage, wie es Licht vor der Erschaffung von Sonne und Mond geben konnte. Die Feststellung einer oralen Vermittlung dieses Wissens im Rahmen der Tischlesung ist entscheidend für die Funktion und Reichweite dieser Wissensbestände. Zum einen bedeutet dies, dass sie mindestens einmal im Jahr einer klosterweiten Öffentlichkeit zugänglich wurden und durch den Einbezug in die Liturgie einen hohen Stellenwert erhielten. Gleichzeitig ist wichtig, dass in diesem Rahmen explizit keine Praktiken der Gelehrsamkeit Anwendung finden konnten: Die Passagen wurden öffentlich verlesen und gesungen, konnten dadurch aber nicht im Detail analysiert oder bei Nichtverstehen erneut gelesen werden. Gleichwohl brachten diese Praktiken zentrale Wissensbestände ins Bewusstsein der Klostergemeinschaft, nämlich die Schöpfung des physikalischen Kosmos (wie er im biblischen Text dargestellt ist) sowie damit im Zusammenhang stehende – potenziell wissenschaftliche – Fragen. Diese Lese-Situationen waren damit angetan, Interesse am Kosmos und seiner Phänomene zu wecken, das dann im Rahmen der privaten lectio oder aber im Unterricht weiterverfolgt werden konnte. Eine im Kontext von Gelehrsamkeit diskursive Funktion konnten diese Texte in diesem praxeologischen Zusammenhang allerdings nur bedingt ausüben. Auch wenn die gerade beschriebenen Wissensbestände dem Bereich des sekundären Wissens zuzuordnen sind, die physikalische Dimension des Kosmos also lediglich
424 Webber, ‚Reading in the Refectory‘, S. 6. 425 Zur Entwicklung dieser Interpunktion vgl. Palmer, ‚Simul cantemus, simul pausemus‘; vgl. Webber, ‚Reading in the Refectory‘, S. 4–5. 426 Nachvollziehbar etwa auf Folio 2r, online einsehbar unter [letzter Zugriff 26 Juli 2021].
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indirekt thematisieren, ist anzunehmen, dass sie bei den Prüfeninger Mönchen ein Interesse am Kosmos und seinen Phänomenen wecken konnten, das dann durch die Rezeption von epistemischen Wissensbeständen befriedigt wurde. Dass sie dieses Wissen nicht nur als anregend, sondern durchaus auch als notwendig empfanden, belegen die Kataloge Prüfenings, die bereits sehr früh nach Gründung des Klosters entsprechende Wissensbestände bezeugen: Verzeichnet sind Isidors Etymologien und Bedas kosmologisch-komputistische Werke. Letztere sind noch heute als Kopie von Bedas De natura rerum in Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 überliefert, die außerdem einen Sternenkatalog enthält, der diese Wissensbestände, wie später noch zu zeigen sein wird, insgesamt aber in einen Kontext der instrumentellen Anwendung überführt. Aufgrund der raschen Akquise nach Gründung des Klosters ist davon auszugehen, dass all diese Texte den Status von Grundlagenwerken hatten, die es möglichst rasch zu besorgen galt. In einem ähnlichen Zusammenhang scheint auch der Text Imago mundi des Honorius zu verorten zu sein, der sich nicht nur im Prüfeninger Katalog findet, sondern sich im ganzen Südosten und insbesondere Regensburg großer Beliebtheit erfreute.427 Sicherlich ist diese Verbreitung dem Umstand geschuldet, dass Honorius vermutlich selbst in Regensburg gewirkt hatte.428 Allerdings deutet die Ubiquität des Textes in der Region auch auf seinen Stellenwert als historisches und kosmologisches Nachschlagewerk hin, als das es der Autor ja auch intendiert hatte. Im älteren Katalog lassen sich außerdem die Philosophia mundi Wilhelms von Conches sowie Martianus Capellas De nuptiis finden. Während die Anwesenheit des Werks De nuptiis vor dem Hintergrund seiner Verbreitung seit dem frühen Mittelalter nicht wirklich überraschen kann, ist die frühe Anwesenheit Wilhelms Philosophia mundi bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts mit Blick auf dessen Abfassungszeit, dem intendierten Publikum und dem offenbar zur theologischen Kontroverse geeigneten Inhalt doch bemerkenswert. Auch wenn aufgrund der mangelnden Überlieferung einer dazugehörigen Handschrift nicht geklärt werden kann, welche Version sich hinter der Philosophia verbirgt, die frühere oder spätere, muss man doch mit Sicherheit konstatieren, dass dieser Text mit Blick auf die latenten Diskurse des Mittelalters äußerst rasch seinen Weg nach Prüfening gefunden hat. Dies verdeutlicht die Offenheit der Prüfeninger Bibliothek gegenüber dem scholastischen Wissen aus Frankreich.429 Dass diese Offenheit nicht auf Prüfening beschränkt war, belegen Funde in den Handschriften St. Emmerams und Prülls. So überliefert der Emmeramer Kodex München, BSB, MS Clm. 14557 aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert die Glosae super Macrobium des Wilhelm von Conches, die Helen Lemay als „particularily fruitful source for information on the science of the stars“ charakterisierte.430 Für Prüll lässt sich entsprechendes Material in München, BSB, MS Clm. 540b nachweisen. Zum einen 427 Er lässt sich in allen untersuchten Regensburger Klöstern nachweisen, in St. Emmeram (München, BSB, MS Clm. 14731, Saec. 12 sowie München, BSB, MS Clm. 14348, Saec. 13), Prüll (München, BSB, MS Clm. 536). 428 Vgl. z. B. Flint, ‚Honorius Augustodunensis‘. 429 Vgl. hierzu Mews, ‚Scholastic Theology‘. 430 Vgl. Lemay, ‚The Science of the Stars‘, S. 197. Diese Handschrift stammt allerdings ursprünglich nicht aus St. Emmeram, sondern kann nur allgemein in den süddeutschen Raum verortet werden.
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durch die Überlieferung eines Kommentares zu Platos Timaeus, die heute Bernhard von Chartres zugeschrieben wird,431 zum anderen aber auch durch die Rezeption der Glossen Wilhelms von Conches zum Timaeus, die in drei kleineren Fragmenten in die Handschrift kopiert wurden und damit die Kontakte der Regensburger Mönche zu diesem zeitgenössischen Text belegen.432 Dass sich dieses Interesse nicht auf Regensburg beschränkte, sondern auch auf andere Institutionen des Südostens erstreckte, belegt der Kastler Kodex 339, der ebenfalls Spuren einer Rezeption der Werke Wilhelms von Conches aufweist. So finden sich neben zwei dort kopierten Texten, Hygins De astronomia sowie dem Timaeus, Glossen, die sich eindeutig auf Wilhelms Philosophia mundi sowie seinen Plato-Kommentar zurückführen lassen.433 Auf welchen Wegen diese scholastischen Texte in die hier genannten Klöster gelangten, lässt sich heute nicht mehr gesichert sagen. Neben regionalen Netzwerken deutet aber die von Constant Mews in seiner Studie zu Admont und Zwiefalten festgestellte Offenheit des Hirsauer Reformnetzwerkes im Bereich der scholastischen Theologie die Möglichkeit an, dass auf diesen Rezeptionswegen auch zeitgenössiche Texte aus dem Bereich der Naturphilosophie in den monastischen Kontext gelangten. Die Rezeption dieses Wissens könnte daher keine südostdeutsche Besonderheit sein, sondern die Interessen des gesamten Hirsauer Netzwerks widerspiegeln, eine These, die auf der hier untersuchten Datengrundlage allerdings nicht belegt werden kann.434 Neben den zeitgenössischen Formen der scholastischen Naturphilosophie lässt sich ab dem 12. Jahrhundert auch die Rezeption der antiken Texte dieses Genres nachweisen, wenngleich diese in Prüfening eher gering ausfällt. So überliefert lediglich der Prüfeninger Kodex München, BSB, MS Clm. 13021 aus den späten 60er Jahren des 12. Jahrhunderts eine Abschrift des Timaeus in der Übersetzung des Calcidius. Da etwa zur gleichen Zeit auch in St. Emmeram eine Abschrift des Textes erstellt wurde, scheint die Rezeption dieser Texte allerdings erst gegen Ende des Jahrhunderts erfolgt zu sein.435 Mit Blick auf die antike Naturphilosophie halten die Prüfeninger Kataloge durchaus eine Überraschung bereit, die allerdings nicht in der Anwesenheit eines bestimmten Textes, sondern vielmehr in dessen Abwesenheit liegt. Völlig entgegen dem deutlichen Trend der Zeit verfügte das Kloster über keine Abschrift der Kommentare des Macrobius, die sich in St. Emmeram größter Beliebtheit erfreuten.436 Für Regensburg lässt sich damit ab der zweiten Hälfte des 12. 431 Vgl. Bernard von Chartres, Glosae super Platonem, hg. von Dutton, zur Handschrift insbesondere S. 112–13. 432 Vgl. Jeauneau, ‚Introduction‘, S. lxxvi–lxxvii. 433 Vgl. Wilhelm von Conches, Glosae super Platonem, hg. von Jeauneau, S. 329–30. 434 Vgl. Mews, ‚Monastic Educational Culture‘; Mews, ‚Scholastic Theology‘. 435 Es handelt sich um München, BSB, MS Clm. 14663 aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts aus St. Emmeram, der aber nach Klemm wohl nicht in Regensburg, sondern im süddeutschen Raum kopiert wurde. Vgl. Klemm, Hg., Die romanischen Handschriften, Bistumer Regensburg, Passau und Regensburg. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts findet sich der Text übrigens auch im bereits erwähnten Kodex London, BL, MS Arundel 339 aus Kastl. 436 Hier besaß man bereits ab dem 11. Jahrhundert eine reichhaltige Überlieferung des Textes, die im hohen Mittelalter durch zwei zusätzliche Abschriften weiter ergänzt wurde, in München, BSB, MS Clm. 29360(2, ein Fragment aus dem 12. Jahrhundert, sowie München, BSB, MS Clm. 14708 aus
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Jahrhunderts eine Zunahme an epistemischen Beständen aus dem engeren Bereich der Naturphilosophie identifizieren. Die Regensburger und anderen Institutionen des Südostens waren daher früh aktiv an der Rezeption scholastischer Wissensbestände aus dem Bereich des epistemischen Wissens aus den urbanen Zentren Nordfrankreichs beteiligt. Dieses Wissen lässt sich in zwei funktionale Bereiche teilen, zum einen in Grundlagenwissen, das vor allem aus den christlichen Kosmologien des frühen Mittelalters sowie Martianus Capellas De nuptiis bestand, und mit einer hohen Priorität möglichst früh rezipiert wurde. Zum anderen gehörten fortgeschrittene und anspruchsvollere Texte dazu, die wohl als Expertenwissen gedeutet werden müssen und zu einem eher späteren Zeitpunkt ins Kloster gelangten.437 In Prüfening war dies vor allem der Timaeus, in St. Emmeram darüber hinaus auch der Kommentar des Macrobius. Instrumentelles Wissen und Gerätewissen Auch wenn epistemisches Wissen in Prüfening offenbar einen so hohen Stellenwert hatte, dass man versuchte, die neuesten Erzeugnisse der Zeit aus fernen Regionen zu rezipieren, stellt dies nicht den einzigen Wissensbereich dar, den die Mönche ausgiebig pflegten. Tatsächlich lässt sich dies auch für instrumentelles Wissen und Gerätewissen nachweisen. Die Prüfeninger Kataloge bezeugen hier vor allem komputistisches Grundlagenwissen, Bedas De temporum ratione sowie die didaktischen Texte Helperichs und Wichrams. Die Anwesenheit dieses Wissens ist dabei wenig erklärungsbedürftig, stellte es doch die notwendige Vorbedingung für eine korrekte Pflege der Liturgie dar. Die ausschließliche Nennung der beiden letzten Texte im älteren Katalog bezeugt außerdem eine didaktische Vermittlung dieses Wissens in der Schule. Interessant ist, dass zumindest in Prüfening offenbar kein Interesse an den zeitgenössischen Innovationen der Region im Bereich der Komputistik bestand. So fanden Hermanns Studien hier keine Rezeption, anders als das zum Beispiel in St. Emmeram der Fall war. Auch in den überlieferten Handschriften kommen diese Wissensbestände zum Ausdruck. In Prüfening handelt es sich dabei aber ausschließlich um sehr komplexe Sammelhandschriften, die Wissen aus verschiedenen Wissensbereichen enthalten. Ein Beispiel hierfür stellt die Handschrift Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 dar, die in verschiedenen kodikologischen Einheiten Texte aus den Bereichen Zeitberechnung, Zeitmessung und Astronomie enthält. Ab wann diese Texte in Prüfening vorhanden waren, ist umstritten, da die vier kodikologischen Einheiten von der Forschung unterschiedlich datiert werden.438 Teil 1 (fol. 1r–21v) enthält verschiedene Annalen, komputistische Tabellen und Texte sowie – neben kleineren Texten – Hermanns Anleitung zum Bau des Astrolabs. Teil 2 (22r–31v) beinhaltet verschiedene Exzerpte dem 13. Jahrhundert. 437 Zu Expertenwissen vgl. Rexroth, ‚Systemvertrauen und Expertenskepsis‘, S. 19–25. 438 Vgl. Borst, ‚Einleitung‘, S. 315–16. Borst datiert die einzelnen Faszikel des Kodex in die 30er Jahre des 12. Jahrhunderts. Anders Klemm, ‚Chronologische und astronomische Sammelhandschrift‘, die die einzelnen Faszikel der Handschrift unterschiedlich datiert, von der Mitte bis zum Ende des 12. Jahrhunderts.
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karolingischer Enzyklopädien, vor allem Pseudo-Bedas Anleitung zum Rechnen mit den Fingern, einen Sternbildkatalog sowie astronomisch-komputistischen Exzerpte und Tabellen. Teil 3 (32r–41v) dominiert ein Nekrolog, enthält aber auch komputistische Tabellen. Teil 4 (42r–137v) gibt dann Bedas Werke De temporum ratione sowie De natura rerum in Gänze wieder, schließt allerdings mit verschiedenen Exzerpten astronomischer Natur. Da dieser letzte Abschnitt eine eigene Lagenzählung besitzt, verstehen Teile der Forschung ihn als ursprünglichen Kodex, dem die restlichen Lagen erst nach und nach vorangesetzt worden seien.439 Dieser Deutung ist allerdings nur insofern zuzustimmen, dass es sich bei diesem Abschnitt tatsächlich um einen ehemals eigenen Kodex gehandelt haben muss: Ursprünglicher als die anderen Teile muss er deswegen nicht sein. Tatsächlich lohnt es sich, die Datierung der einzelnen Faszikel genauer zu prüfen – entweder nach Borst in die 30er Jahre des 12. Jahrhunderts oder nach Klemm ab der Hälfte des 12. Jahrhunderts –, da sie entscheidend ist für den Beginn der Rezeption kosmologischen Wissens in Prüfening. Während sich der Großteil der Handschrift lediglich über die verwendeten Stile von Schrift und Illustrationen datieren lässt, bietet vor allem das erste Faszikel wertvolle Hinweise auf eine genauere Datierung durch die Überlieferung der sogenannten Prüfeninger Annalen, die auf den Blättern 1r–6v historische Ereignisse Jahr für Jahr verzeichnen. Dabei wechseln zu bestimmten Zeitpunkten die Schreiber der Einträge: Zunächst sind die Annalen bis zum Eintrag für das Jahr 1130 in einem Zug geschrieben, dann setzt eine weitere Hand bis zum Jahr 1152 an, anschließend folgen Einträge wechselnder Hände (fol. 6r und v). Klemm interpretiert diesen Befund wie folgt: „Ein Schrifteinschnitt findet sich bei 1152 (danach wechselnde Einträge bis 1167). Ein vorangehender Schriftwechsel bei 1130 ist dagegen wahrscheinlich auf das Ende der zugrundeliegenden Vorlage, die von einer ersten Hand abgeschrieben wurde, zurückzuführen. Hand 2 fügte daran die zeitlich folgenden Ereignisse bis 1152 an.“440 Klemms Interpretation erscheint mir allerdings wenig wahrscheinlich. Nicht nur bestünde bei einem Abbruch der Vorlage kein zwingender Bedarf für einen Wechsel des Schreibers. Vor allem ist seit Fichtenaus Studie zur Handschrift bekannt, dass es sich bei dem Schreiber der Einträge zwischen 1130 und 1152 um Wolfger, den Bibliothekar des Klosters, handelte, der wohl „einen Mitbruder mit der Abschrift des Annalenwerkes [von einer heute verschollenen Vorlage, Anm. d. V.] betraute […], und dann […] die weiteren Ergänzungen selbst in die Hand nahm“, deren „Duktus und Tinte mehrmals wechseln.“441 Der Handwechsel spricht daher eher gegen Klemms Datierung und macht eine Herstellung des Faszikels um 1130 wahrscheinlich, bei der entsprechend Platz für etwaige Nachträge der Annalen gelassen wurde. Damit scheint sich zumindest für diesen Teil der Handschrift Borsts verschiedentlich geäußerte Datierung in die 30er Jahre des 12. Jahrhunderts zu bestätigen.442 Zwar möchte er diese
439 Vgl. Klemm, ‚Chronologische und astronomische Sammelhandschrift‘, S. 57 sowie darauf aufbauend Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 550. 440 Klemm, ‚Chronologische und astronomische Sammelhandschrift‘, S. 57. 441 Vgl. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 322. 442 So in Borst, ‚Einleitung‘, S. 316.
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Datierung – ohne Angabe von Gründen – auf alle Teile der Handschrift erweitern, allerdings scheint eine stilistische Bewertung der Illustrationen der restlichen Faszikel dies nicht zu erlauben. Stattdessen weisen die Illustrationen des zweiten Teils auf die Zeit um 1200,443 die Zierbuchstaben in Faszikel vier „zeigen die in Prüfening gegen und um die Mitte des 12. Jahrhunderts übliche Form“.444 Das dritte Faszikel kann lediglich grob ins 12. Jahrhundert datiert werden. Diese Datierung bestätigt damit die bereits oben geäußerte Vermutung einer gestaffelten Adaption kosmologischen Wissens in Prüfening. Bestimmte Texte erachteten die Mönche offenbar als so notwendig, dass sie sie möglichst zeitnah nach Gründung des Klosters herbeischafften, weil sie eine wichtige Funktion im monastischen Alltag besaßen, wie dies im Bereich der Komputistik und Zeitmessung der Fall war. Dass dies nun nicht mehr nur auf die bedanische Komputistik, sondern im 12. Jahrhundert offenbar auch auf die Astrolabliteratur zutraf, weist auf einen geänderten Status dieser Literatur hin: Vom exotischen Objekt zum grundlegenden Instrument der monastischen Zeitmessung. Gerade die Astrolabliteratur in Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 erlaubt darüber hinaus, Aussagen über die Rezeptionswege zu treffen, auf denen dieses Grundlagenwissen nach Prüfening gelangte. Hierfür ist ein Blick auf den Prüfeninger Astrolabtext nötig, um die Verbindungslinien zu bestimmen, auf denen dieses Wissen im 12. Jahrhundert im Südosten zirkulierte. Für Arno Borst, der die Abhängigkeit der Textfassungen in seiner unveröffentlichten Edition des Textes skizziert hat, ist die Prüfeninger Fassung in Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 mit zwei weiteren Handschriften des 12. Jahrhunderts – Salzburg St. Peter, SB, MS a V 32 sowie Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356 – ein „‚östliche[r]‘ Ableger“ einer Gruppe von Handschriften der Textfassung α „aus dem bayerisch-österreichischen Raum“, die sich von den übrigen Handschriften dieser Gruppe durch eine Auslassung des Prologs auszeichnet.445 Während sich die Vatikanische Handschrift lediglich grob in die Diözese Augsburg lokalisieren lässt, ist die Provenienz der Salzburger Handschrift gesichert. Sie entstammt dem Salzburger Kloster St. Peter, in dem 1116 die Reform Hirsauer Prägung durch den Prior Reginbert von Admont durchgeführt wurde.446 Salzburg St. Peter, SB, MS a V 32 ist eigentlich eine Handschrift homiletischen Inhalts des späten 11. Jahrhunderts, in die allerdings eine Hand des frühen 12. Jahrhunderts unter anderem Hermanns Text zur Konstruktion des Astrolabs nachgetragen hat, was damit zeitlich sehr genau mit der Einführung der Hirsauer Reform in St. Peter zusammenfällt. Die Gründe und Konsequenzen dieser Verbindung der bayerisch-österreichischen Handschriftengruppe zur Hirsauer Reformbewegung wird weiter unten noch ausgiebig zu besprechen sein, schon jetzt legt die Verbindung dieser drei Handschriften durchaus einen Zusammenhang zwischen dem Hirsauer Netzwerk und der Rezeption der Astrolabliteratur in Bayern und Österreich im hohen Mittelalter nahe. Dieser
443 Vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 551. 444 Vgl. Klemm, ‚Chronologische und astronomische Sammelhandschrift‘, S. 57. 445 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 52. 446 Vgl. Jakobs, Die Hirsauer, S. 77.
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Verdacht erhärtet sich, wenn auch die Überlieferung der von Borst als zweite Fassung bezeichneten Überarbeitung der Konstruktionsanleitung des Astrolabs in den Blick genommen wird: Unterdes entstand, was die Ausgabe als zweite Fassung bündelt. Sie knüpfte an die Regensburger Versionen (neben M3 [München, BSB, MS Clm. 13021] M8 [München, BSB, MS Clm. 14836] auch M4 [München, BSB, MS Clm. 14689] V5 [Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356]) an und machte sie durch formale Vereinfachung und inhaltliche Ausweitung, durch Worterklärungen und Sachzusätze auch jenseits von Hermanns Gesichtskreis verwendbar. Vermutlich wurde diese Fassung nicht von einem einzigen Bearbeiter formuliert, sondern schälte sich während des frühen 12. Jh. in Süddeutschland allmählich heraus. Ihre endgültige Form empfing sie möglicherweise im Salzburger Umkreis. Dorthin führen nämlich die tragenden Hss. der Fassung β (G2 [Göttingen, SUB, MS Cod. phil. 42] S1 [Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7] S3 [Stuttgart, WLB, MS Cod. math. qu. 33]).447 Erneut lässt sich also eine Handschrift der Salzburger Trias lediglich grob nach Süddeutschland lokalisieren, für die beiden anderen Kodizes liegt die Sache klarer. Auch in diesem Fall stammt die Salzburger Handschrift aus St. Peter, weswegen Borst eine entsprechende Provenienz der Textfassung selbst annimmt. Instruktiv ist nun die von Borst erwähnte Stuttgarter Handschrift, die sich eigentlich nicht wirklich als aus dem Salzburger Umkreis stammend bezeichnen lässt. Vielmehr kommt sie aus Südwestdeutschland, genauer gesagt aus dem Kloster Comburg in der Diözese Würzburg, dessen einzig bekannte Verbindung nach St. Peter die Zugehörigkeit zur Hirsauer Reformbewegung darstellt.448 Es liegt daher nahe, dass man sich in Prüfening bei der Beschaffung von Wissen neben den regionalen Verbindungen vor allem auf die Netzwerke des Reformverbundes verließ, die mitunter über den Regensburger und sogar über den regionalen Horizont hinausreichten. Ein ähnliches Bild zeigt sich im zweiten Prüfeninger Kodex, der Texte der Astrolabliteratur enthält, nämlich München, BSB, MS Clm. 13021, der der zweiten Textfassung β nahesteht. Gerade dieser Kodex ist darüber hinaus ein bemerkenswertes Zeugnis des Wissensdranges, der in Prüfening in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts geherrscht haben muss und die Mönche des Klosters weit über den Wissenshorizont des lateinischen Europas blicken ließ: Der äußerlich wie inhaltlich auffällige Sammelband aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts enthält neben genuin lateinischen Werken und nunmehr etablierten Astrolabica gleich eine ganze Reihe von Arabica, also neuere Übersetzungen und Überarbeitungen von Texten arabischen Ursprungs. Besonders bekannt ist die Handschrift überdies für die äußerst frühe Anwendung des arabischen Zahlensystems für die Berechnung astronomischer und chronologischer Phänomene im Zusammenhang mit den
447 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 52, Signaturen in eckigen Klammern vom Verfasser ergänzt. 448 Spätestens seit 1080 war das Kloster Comburg unter Hirsauer Einfluss, vgl. Jakobs, Die Hirsauer, S. 44.
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sogenannten Toledaner Tafeln und dem Liber ysagogarum Alchorismi.449 Aufgrund der Relevanz dieser Texte für die weitere Fragestellung und der teils ungesicherten Datierung soll diese Handschrift im Folgenden ausführlicher beschrieben werden, bevor die Rezeptionswege der enthaltenen Arabica näher untersucht werden. Der Kodex ist recht groß (Überfolio mit 38 cm auf 29 cm) und besteht heute aus drei Bestandteilen, die im 15. Jahrhundert neu gebunden wurden, durchaus aber schon zuvor eine Einheit gebildet haben könnten. Der erste Teil umfasst die Folia 1–96 sowie 164–211 und enthält verschiedene Texte zur Mathematik und Astronomie. Der zweite Teil wurde bei einer späteren Bindung zwischen die Lagen des ersten gebunden und umfasst heute die Blätter 97–163. Er enthält Texte zur Musiklehre, vor allem von Boethius und Guido von Arezzo. Der dritte Teil besteht aus den Folia 212–83 und enthält ausschließlich die Plato-Übersetzung des Calcidius. Die Struktur des Kodex lässt sich daher wie folgt darstellen: Teil 1a Mathematische und astronomische Texte (Fol. 1–96) Teil 2 Musiktheoretische Texte (Fol. 97–163) Teil 1b Fortsetzung der mathematischen und astronomischen Texte (Fol. 164–211) Teil 3 Timaeus in der Übersetzung des Calcidius (Fol. 212–83) Aus der Perspektive des Transfers neuen Wissens ist besonders der erste Teil des Kodex interessant. Dieser ist von einer Hand geschrieben und äußerst sorgfältig angelegt worden, besonders was die vielfältigen Tabellen und Diagramme angeht. Verglichen mit anderen Handschriften ähnlichen Inhalts ist der Kodex mit seinem Folioformat außerdem ziemlich groß. Inhaltlich besteht er im Detail aus recht unterschiedlichen Texten aus dem Gebiet der Astronomie und Mathematik. Zunächst wurde Boethius’ Buch über die Arithmetik kopiert, ein seit dem frühen Mittelalter beliebtes Standardwerk.450 Es folgt der sogenannte Liber ysagogarum Alchorismi in artem astronomicam, eine erweiterte Überarbeitung in Latein eines Werkes des arabischen Gelehrten al-Ḫwārizmī und Adaptionen astronomischer Tabellen, hier in einer sogenannten ‚archaic version‘, die sich vor allem in frühen Handschriften findet.451 Dabei fungierte der Liber ysagogarum als eine Einführung in die Mathematik für die Anwendung der darauffolgenden astronomischen Tafeln, für die der Text auch die notwendigen Kenntnisse anderer mathematischer Disziplinen vermittelte, wie der Geometrie, aber auch der Komputistik.452 Text und Tabellen verdeutlichen die Anwendung arabischer Ziffern. Diesen im 12. Jahrhundert durchaus exotischen Texten schließt sich die wohlbekannte Dreiergruppe der Astrolabliteratur Herrmann’scher Prägung an, also Texte, die sich mit der Konstruktion und den Anwendungsmöglichkeiten des Astrolabs und der Säulchensonnenuhr für den Bereich der Zeitmessung befassen: h, J sowie
449 Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 35; Burnett, ‚Indian Numerals‘, S. 241–42. 450 Vgl. zu Inhalt und Bedeutung des Textes Guillaumin, ‚Boethius’s De institutione arithmetica‘. 451 Vgl. zur Einführung Pedersen, The Toledan Tables, i, S. 11–23, Zitat S. 13; die in der Handschrift kopierte Fassung des Textes ist ediert und übersetzte bei Pedersen, The Toledan Tables, ii, S. 571–736. 452 Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 40–41.
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hv. Während diese Texte in den St. Emmeramer Handschriften des 11. und frühen 12. Jahrhunderts sowie in Ansätzen auch noch der Prüfeninger Handschrift Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 deutliche Spuren eines etwas chaotisch erscheinenden Prozesses der langsamen Formierung eines festen Korpus aufweisen, präsentieren sich die Texte in München, BSB, MS Clm. 13021 bereits in Gestalt eines festen Kanons. Darüber hinaus bedienen sich alle drei Texte entgegen der bisherigen Texttradition arabischen Ziffern. Diesen genuin süddeutschen Texten schließt sich das zweite Werk mit Ursprung in den Übersetzungsbewegungen des 12. Jahrhunderts an, das sich mit Fragen der Astrologie auseinandersetzt. Entgegen der Identifizierung in der Handschrift handelt es sich allerdings nicht um Māšā’a llāhs Liber iudiciorum, sondern um Teile eines astrologischen Korpus des arabischen Astrologen Sahl ibn Bishr, der in der ersten Hälfte des 9. Jahrhundert wirkte und dem lateinischen Kulturkreis als Zael bekannt war.453 Dieser Korpus, der bereits im 12. Jahrhundert vermutlich von Johannes von Sevilla ins Latein übertragen wurde, gliedert sich in fünf Bücher (I: Introductorium, II: Quinquaginta precepta, III: De interrogationibus, IV: De electionibus, V: Liber temporum), von denen hier (wie auch in anderen Handschriften) nur die ersten drei kopiert wurden. Die Texte liefern eine allgemeine Einführung in die Prinzipien der Judical-Astrologie.454 Diesen astronomisch-astrologischen Texten schließen sich einige geometrische Texte an, beginnend mit einer über das Arabische vermittelte Fassung von Euklids Elementen, einem Lehrbuch zur Geometrie. Dieser ursprünglich griechische Text wurde in verschiedenen Fassungen ins Lateinische übertragen, bei der vorliegenden handelt es sich um die weitverbreitete sogenannte Version II, die lange Zeit als eine Übersetzung Adelards von Bath galt, heute aber Robert von Chester zugeschrieben wird. Dabei handelt es sich weniger um eine Übersetzung, sondern vielmehr um eine Kompilation aus älteren Übersetzungen, die wohl kurz vor 1141 entstand.455 Auch dieser Text enthält eine Vielzahl fein gearbeiteter Diagramme und nutzt arabische Ziffern. Es folgen drei kürzere Texte, die dem lateinischen Kulturkreis entstammen und nicht arabisch vermittelte Inhalte rezipieren: Gerberts Geometria aus dem 10. Jahrhundert,456 die sogenannte Geometria II des Pseudo-Boethius aus dem 11. Jahrhundert457 sowie die Practica geometriae des Hugos von St. Viktor, ein Lehrbuch zur angewandten Geometrie aus dem 12. Jahrhundert.458 Diese Texte enthalten zwar ebenfalls Diagramme und im Fall des Peudo-Boethius eine Übersicht über arabisch anmutende Ziffern, in der Anwendung greifen alle Texte allerdings auf römische Ziffern zurück.459
453 Vgl. Juste, Hg., Les manuscrits astrologiques latins, S. 31, Anm. 20. 454 Identifizierung bei Juste, Hg., Les manuscrits astrologiques latins; vgl. Carmody, Arabic Astronomical and Astrological Sciences, S. 40–46; Sezgin, Astrologie, S. 125–26. 455 Vgl. zur Autorschaft und Edition Busard und Folkerts, Redaction of Euclid’s ‚Elements‘. 456 Gerbert, ‚Geometria‘. 457 Folkerts, ‚Boethius‘ Geometrie, ii. 458 Nach dieser Handschrift Curtze, ‚Practica Geometriae‘; maßgebliche Edition bei Hugo von St. Viktor, ‚Practica Geometriae‘. 459 Vgl. zum Gebrauch dieser Ziffern in diesem Text Folkerts, ‚Boethius‘ Geometrie, ii, S. 82–94.
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1. 1v–26v: Boethius, De institutione arithmetica 2. 27r–68v: Liber ysagogarum Alchorismi mit Toledaner Tafeln 3. 69r–81r: Neues Astrolab-Korpus (h+J+hv) 4. 81v–96r: Zael, Introductorium, Quinquaginta precepta und De interrogationibus) 5. 164r–187r: Robert von Chester, Euklids Elemente (Version II) 6. 188r–194r: Gerbert, Geometria 7. 194r–202r: Pseudo.-Boethius, Geometria II 8. 202r–211r: Hugo von St. Viktor, Practica geometriae Bevor im Folgenden zunächst die Rezeptionswege der Handschrift und schließlich ihr soziales Setting Betrachtung finden können,460 ist eine exakte Datierung dieses wichtigen Zeugnisses für den Transfer arabischen Wissens in einem ausführlicheren kodikologisch-paläographischen Exkurs notwendig. Dies ist umso wichtiger, da sich gleich eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien mit dem Kodex oder seiner Teile befasst haben, ohne zu einer einheitlichen Aussage über seine Entstehungszeit zu gelangen, die bis heute nicht eindeutig geklärt ist. Stattdessen stehen verschiedene, sich teilweise widersprechende Datierungsversuche der älteren Forschung nebeneinander, die dann zahlreiche neuere Beiträge aufgriffen und somit reproduzierten. Tatsächlich basieren aber einige dieser älteren Datierungsversuche auf einem etwas verwirrenden Missverständnis. In den folgenden Absätzen soll daher zunächst versucht werden, die verschiedenen Ansätze und Argumentationen zu entwirren und kritisch zu prüfen. Der – nach den Recherchen des Autors – älteste noch heute in der Forschung verbreitete Datierungsversuch stammt von Maximilian Curtze, einem bedeutenden Mathematikhistoriker des späten 19. Jahrhunderts. Ihm folgen zum Beispiel Paul Kunitzsch,461 Charles Burnett,462 Hubert Busard und Menso Folkerts.463 Curtze identifizierte den Schreiber der Handschrift mit dem Prüfeninger Mönch Sigboto, der sich dort zwischen 1163 und 1168 nachweisen lässt und so eine entsprechende Datierung nahelegt. Diese Zuschreibung vertrat Curtze zunächst ohne Angabe von Gründen in einer Rezension in der Philologischen Rundschau von 1881464 und präzisierte diese Angabe in Nachschriften zu zwei späteren Aufsätzen von 1897 und 1898.465 Nachschrift vom Mai 1897: Der Schreiber des ersten Theiles fraglicher Handschrift, Clm. 13021 (Rat. civ. 21), ist der unter dem Abte Eberhard des Klosters Prüfening bei Regensburg (1163–1168) schreibende Frater Sigiboto, welcher auch den Cassiodorus des Clm. 13072 gefertigt hat. Dadurch ist die Zeit des Kodex fest bestimmt.466
460 Vgl. Nichols, ‚Why Material Philology?‘, S. 12. 461 Vgl. Kunitzsch, Typen von Sternverzeichnissen, S. 75. 462 Vgl. Burnett, ‚Indian Numerals‘, S. 241. 463 Vgl. Busard und Folkerts, Redaction of Euclid’s ‚Elements‘, S. 60. 464 Vgl. Curtze, Rezension von Weißenborn, Die Übersetzung des Euklid. 465 Vgl. Curtze, ‚Practica Geometriae‘; Curtze, ‚Über eine Algorismus-Schrift‘. 466 Curtze, ‚Practica Geometriae‘, S. 224.
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Nachschrift vom November 1898: Es ist nachträglich gefunden worden, dass der Schreiber des Clm. 13021 für den hier in Frage kommenden Theil der unter dem Abte Eberhard des Klosters Prüfening bei Regensburg (1163–1168) schreibende Frater Sigsboto [sic!] gewesen ist, welcher auch den Cassiodorius des Clm. 13027 [sic!] gefertigt hat. Dadurch ist die Entstehungszeit des Kodex auf die Mitte des XII. Jahrhunderts fest bestimmt.467 Dass Curtze also bereits 1881 über die Information verfügte, die er knapp 15 Jahre später als nachträglichen Fund präsentierte, ist schon für sich genommen etwas verwunderlich. Noch seltsamer sind allerdings die Angaben selbst. Denn Curtzes Datierung basiert auf einer ganz offensichtlich falschen paläographischen Identifikation des Schreibers von Teil 1 der Handschrift München, BSB, MS Clm. 13021 mit dem in München, BSB, MS Clm. 13072 (13027 ist wohl ein Fehler Curtzes oder des Setzers) auf fol. 181r namentlich als Schreiber genannten Sigboto. Dass Sigboto den ersten Teil von München, BSB, MS Clm. 13021 geschrieben hat, ist paläographisch auszuschließen und wirft die Frage auf, wie ein geübter Paläograph wie Curtze zu seinem Schluss gelangen konnte. Einen Hinweis darauf liefert ein Beitrag in der Münchner Allgemeinen Zeitung vom November 1903, in der unter dem Kürzel LR – Fichtenau vermutete dahinter den ehemaligen Leiter der Münchner Handschriftenabteilung, Georg Leidinger – zu Recht gesagt wird: Curtze befindet sich im Irrtum. Daß Sigboto der Schreiber der CassiodorHandschrift ist, steht fest. Doch die Schrift in dem Teil des Clm. 13021, der die arabischen Ziffern enthält, ist eine von Sigbotos Schrift völlig verschiedene […]. Nur [der] dritte Teil (des Chalcidius Kommentar zu Platos Timäus) zeigt die gleichen Schriftzüge wie Sigibotos Cassiodor-Handschrift und ist damit zeitlich bestimmbar.468 Da die drei verschiedenen Teile der Handschrift vermutlich erst später zusammengebunden wurden, ließe sich diese Identifikation auch dann nicht für die Datierung des hier interessanten ersten Teiles heranziehen, wenn sie denn korrekt wäre. Denn auch Leidinger – oder LR – irrte, wie Heinrich Fichtenau einige Jahrzehnte später bemerkte, und dabei auf kleine, aber recht eindeutige Unterschiede der Schrift hinwies, so „das Hauptmerkmal von Sigbotos Hand, der schon auf der Schaftmitte beginnende, schräg nach aufwärts geführte Ansatz des r-Häkchens.“469 Fichtenau selbst bringt – an gleicher Stelle, aber in anderem Zusammenhang – eine mögliche Erklärung für das paläographische Missverständnis an. Der zum Vergleich der Hände herangezogene München, BSB, MS Clm. 13072 enthält neben Sigbotos Abschrift von Cassiodors Variae auch eine Kopie von Augustinus De consensu evangelistarum, die von einem gewissen Boto geschrieben wurde. Dessen Hand wiederum weist eine deutliche Ähnlichkeit zur Schrift des dritten Teils von München, BSB, MS Clm.
467 Curtze, ‚Über eine Algorismus-Schrift‘, S. 27. 468 Georg Leidinger, ‚Die Einführung der Ziffern in Deutschland‘. 469 Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 318.
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13021 auf.470 Der Irrtum von Curtze und Leidinger (?) könnte dann ganz einfach darauf zurückgeführt werden, dass die in München, BSB, MS Clm. 13072 genannten Schreiber Sigboto und Boto verwechselt wurden, wie es in der älteren Literatur häufiger geschehen ist.471 Mit der paläographischen Identifikation des tatsächlichen Schreibers des dritten Teils von München, BSB, MS Clm. 13021 mit Boto lässt sich dieser Teil der Handschrift letztlich im Sinne Leidingers und Curtzes datieren, da Boto ebenso wie Sigboto seit den 50er Jahren im Prüfeninger Scriptorium unter der Leitung des Bibliothekars Wolfger aktiv war und wohl um 1170 starb.472 Die Datierung des arabisch beeinflussten ersten Teils München, BSB, MS Clm. 13021 bringt diese Erkenntnis allerdings nicht weiter, da die drei Teile eventuell erst später zusammengebunden wurden. Curtzes Datierung in die Jahre 1163–1168 ist zumindest in ihrer hier dargelegten Argumentationskette nicht haltbar. Entsprechend legte in den 1970er Jahren Hans-Georg Schmitz in seiner umfangreichen Studie zur Bibliotheksgeschichte Prüfenings einen weiteren Datierungsversuch vor, der allerdings auf einer fehlerhaften Zuordnung der Toledaner Tafeln mit einer Übersetzung des Gerhard von Cremona basierte. So gelangte er zu einem terminus post quem um das Jahr 1180, was sich durchaus mit dem Schrift-Charakter in Einklang bringen ließe, nach dem heutigen Wissen über die Textgeschichte der Übersetzungen aber nicht haltbar ist.473 Aufgrund des durchaus jünger anmutenden Schriftcharakters folgten 2002 Fritz Pedersen sowie jüngst Philipp Nothaft dieser Spätdatierung ins Ende des 12. Jahrhunderts, auch wenn ihnen der Fehler in Schmitz Argumentation durchaus bewusst war.474 Allerdings stört ein kleines, aber entscheidendes Detail diese paläographische Datierung ins Ende des 12. Jahrhunderts, das bislang übersehen wurde. Auf Folio 4r findet sich in der linken Spalte für weniger als drei ganze Zeilen (Z. 18–21) ein sehr kurzer, aber paläographisch eindeutiger Zusatz einer zweiten Hand, die sich trotz des geringen Vergleichsmaterials eindeutig der Prüfeninger Schreiberschule unter dem Bibliothekar Wolfger, also den 1150er und 1160er Jahre zuordnen lässt.475 Zwar lässt sich dieser Befund nur schwerlich sinnvoll und eindeutig erklären, möglich wäre aber, dass zu dieser Zeit ein älterer Prüfeninger Schreiber einen jüngeren oder auswärtigen Hauptschreiber der Handschrift für einige Zeilen ablöste oder korrigierte. Dieser paläographische Befund stimmt im Grunde auch mit der Analyse der mise en page der drei Teile der Handschrift überein. Auch wenn diese ursprünglich wohl tatsächlich getrennt voneinander gefertigt wurden, so weisen sie eine hohe Übereinstimmung 470 Zum Vergleich der Schreiberhände siehe etwa fol. 2r in München, BSB, MS Clm. 13072 ( [letzter Zugriff 26 Juli 2021]) sowie fol. 280r in München, BSB, MS Clm. 13021 ( [letzter Zugriff 26 Juli 2021]). 471 Vgl. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 318; dort Verweis auf Endres, ‚Boto von Prüfening‘, S. 608. 472 Zu Boto grundlegend Endres, ‚Boto von Prüfening‘. 473 Vgl. Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 117–21; vgl. zur Identifikation Pedersen, The Toledan Tables, i, S. 15. 474 Vgl. Pedersen, The Toledan Tables, i, S. 15 und 135; Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 58, Anm. 36. 475 Vgl. zu den einzelnen Schreibern mit Schriftbeispielen Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 65–66.
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auf, was Format, Schriftraum und Linierung betrifft. Diese Befunde legen nahe, dass die drei Teile des Kodex der gleichen Phase des Prüfeninger Scriptoriums entstammen und nicht in einem Abstand von zwei oder drei Jahrzehnten entstanden. Da der dritte Teil des Kodex paläographisch einem Schreiber der 1160er Jahre zuzuordnen ist, und sich auch im ersten Teil des Kodex kleinere Spuren dieser Schule finden lassen, liegt für den gesamten Kodex eine entsprechende Datierung nahe. Eine rein paläographische Argumentation ist immer mit einer Reihe von potenziellen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten verbunden. Allerdings lässt sich die oben etablierte Datierung auch durch andere Indizien stützen. Hierfür dient vor allem der terminus ante quem für den Gebrauch arabischer Ziffern in Prüfening, der sich über das sogenannte Notizbuch des Hugo von Lerchenfeld gewinnen lässt. Hugo († um 1217), später ein Mitglied des Regensburger Domkapitels, verbrachte kurz nach der Mitte des 12. Jahrhunderts einige Zeit in Prüfening, wo er sich auch den riesigen Beständen der Abtei widmete und diejenigen Texte, die ihn interessierten, in ein Buch (München, BSB, MS Clm. 14733) kopierte und exzerpierte, das er mit sich trug und Zeit seines Lebens ergänzte.476 Neben vielen anderen Dingen interessierte sich Hugo als Kind seiner Zeit auch für Geschichte, weshalb er in Prüfening auch Abschriften der dort gepflegten Annalen anfertigte, die er ab 1174 dann eigenständig bis ins Jahr 1201 fortführte. Schon Fichtenau wies darauf hin, dass Hugo bei dieser Gelegenheit mit den arabischen Ziffern in Kontakt gekommen sein muss, da er diese in einer für seine Zeit ganz und gar untypischen Weise für die Jahreszahlen der einzelnen Einträge verwendete: Hugo trieb als geistig interessierter Mann weltlichen Standes in den verschiedenen Klosterbibliotheken seine Studien und wurde in Prüfening auf die neuen Ziffern aufmerksam, die er bei der Annalenabschrift verwendete. Wie wenig er aber ihren wahren Wert erkannte, zeigt die Tatsache, daß er bei seinen späteren Nachträgen, die nicht mehr unter Prüfeninger Einfluß entstanden, wieder auf die alten römischen Zahlzeichen zurückgriff.477 Leider konstatierte Fichtenau fälschlicherweise, Hugo habe die Prüfeninger Annalen bis 1174 abgeschrieben, ehe er dann – nun wieder fern des Klosters – eigene Einträge ergänzte.478 Tatsächlich kopierte Hugo nämlich nur die Einträge bis ins Jahr 1167 in Prüfening. In einem ganz anderen Zusammenhang bemerkte Bernhard Bischoff, Hugo habe wohl etwa im Jahr 1167 oder 1168 „die Annalen in einem Zuge geschrieben“, dann ließ er eine Lücke von wenigen Jahre und führte sein historisches Interesse erst 1174 fort – deutlich erkennbar am plötzlichen Wechsel des Duktus.479 Da auch die arabischen Ziffern lediglich in den Einträgen bis zum Jahr 1167 Anwendung fanden, müssen diese bereits vor diesem Zeitpunkt, bzw. spätestens 1168 in Prüfening bekannt gewesen sein.480 Zusammen mit dem paläographischen Befund deutet damit eine 476 477 478 479 480
Eingehend beschrieben bei Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 322–24. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 324. Vgl. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 323. Vgl. Bischoff, ‚Regensburger Beiträge‘, S. 157, Zitat Anm. 10 ebd. Die Nähe der von Hugo verwendeten Ziffern zu Clm. 13021 betont Kunitzsch, vgl. Kunitzsch, Zur Geschichte der ‚arabischen‘ Ziffern, S. 28.
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recht stabile Indizienkette auf eine Entstehung des ersten Teils von München, BSB, MS Clm. 13021 in den 1160er Jahren, und zwar spätestens in das Jahr 1168. Curtzes ursprüngliche Datierung, wenngleich in der Begründung mangelhaft, stellt sich daher zumindest als terminus ante quem letztendendes doch als richtig heraus. Schwieriger wird die Erschließung eines gesicherten terminus post quem. Zwar nennt der große Prüfeninger Katalog von 1165 keinen der in der Handschrift kopierten Texte, allerdings sind hier auch nicht alle Bücher der Abtei verzeichnet. Gerade der Schulbuchbestand wurde ausgespart und vielleicht galt dies auch für weitere Buchbestände, die außerhalb der eigentlichen Bibliothek lagerten (hierzu siehe unten). Im Gegensatz hierzu ist im älteren Prüfeninger Katalog der Gesamtbestand des Klosters verzeichnet, und auch dort fehlen Hinweise auf München, BSB, MS Clm. 13021. Dieser Katalog kann mit einiger Vorsicht an den Anfang der 1140er Jahre datiert werden, was mit Blick auf die teilweise erst 1141 verfassten Texte von vorne herein zu früh wäre.481 Auch vor diesem Hintergrund scheinen eher die 60er Jahre des 12. Jahrhunderts als Entstehungszeitraum wahrscheinlich. Damit lässt sich zum Abschluss dieses paläographisch-kodikologischen Exkurses festhalten, dass die Rezeption von Arabica in Prüfening weitaus früher anzusetzen ist als bislang vermutet. Tatsächlich interessierten sich die Mönche des Klosters bereits kurz nach der Jahrhundertmitte so sehr für das neue Wissen aus dem islamischen Kulturkreis, dass sie sich früh um Abschriften bemühten. Aufgrund der wichtigen Rolle dieser Rezeption für die Wissensgeschichte des Mittelalters sollen im Folgenden die Transferprozesse untersucht werden, in denen die Handschrift und ihre Vorlagen im 12. Jahrhundert den Weg aus dem kulturellen Schmelztiegel Spaniens über Frankreich in das monastische Milieu des Südostens gefunden haben. Eine zentrale Rolle in diesem Transfer muss qua Amt der Bibliothekar Prüfenings gespielt haben. Zur Zeit der Anlage von München, BSB, MS Clm. 13021 war dies der bereits erwähnte Wolfger, unter dessen Leitung die Buchkultur des Klosters bereits kurz nach seiner Gründung erblühte. Wolfger kam ursprünglich aus Bamberg. Dort trat er nach seiner Ausbildung in das Hirsauer Kloster auf dem Michelsberg ein. Ab 1130 scheint er im Kloster Prüfening aktiv gewesen zu sein, das aufgrund seines Bamberger Gründers Bischof Otto I. nicht nur enge Verbindungen nach Bamberg unterhielt, sondern ebenfalls Mitglied des Hirsauer Reformkreises war. In Prüfening wurde Wolfger ab der Mitte des Jahrhunderts Bibliothekar, kehrte zwischen 1151 und 1153 aber für ein kurzes Intermezzo in den Dienst Bischof Eberhards II. nach Bamberg zurück, vermutlich, weil er ein geschickter Urkundenschreiber war. Nach diesem kurzen Gastspiel ging er endgültig zurück nach Prüfening, wo er etwas nach 1173 verstarb.482 Es ist wichtig, sich den Bibliothekar eines mittelalterlichen Klosters nicht als zurückgezogenen Bücherwurm vorzustellen, sondern eher als den Leiter einer großen Verwaltungseinheit: Er war nicht nur zuständig für die Ordnung und Pflege der Bibliothek, sondern hatte auch die Leitung des Skriptoriums inne, wo mit viel Aufwand und Geld das Schriftgut des Klosters produziert wurde. Gleichzeitig war er
481 Vgl. Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 69–73. 482 Vgl. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 351.
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auch verantwortlich für die Durchführung der Liturgie, musste die entsprechenden Bücher bereitlegen und den Gesang leiten.483 Wolfger war darüber hinaus auch für die sichere Verwahrung des Kirchenschatzes, etwa kostbare Gewänder oder Kelche, sowie für das Archiv des Klosters zuständig.484 Neben diesen vielfältigen Aufgaben stand aber natürlich die Pflege der Bibliothek sowie der darin verwahrten Bildungsgüter im Zentrum des Amtes. In Prüfening kümmerte sich Wolfger mit bemerkenswerter Hingabe und Sorgfalt um die noch junge Bibliothek, deren Aufbau er in einem geplanten und bewussten Prozess in kürzester Zeit forcierte. Gegen Ende seiner Amtszeit verfügte das Kloster vor den Toren der Stadt über eine Bibliothek, die andere Zentren der Region deutlich überstrahlte. Ein markantes Denkmal dieser aktiven Pflege von Wissen und Kodex ist München, BSB, MS Clm. 13002, ein – inhaltlich wie physisch – beeindruckend umfangreicher Band, der unter Wolfgers Ägide als Nachschlagewerk geplant und geschrieben wurde. Während sich der Schreiber Swicher im wahrsten Sinne des Wortes um die Kodifizierung des Wissens kümmerte, war Wolfger der „geistige Leiter der Arbeit“,485 der das notwendige Wissen nach eigener Aussage „arte et ingenio“, also mit Geschick und Verstand, besorgte. Wolfgers Aufgabe lag also nicht nur in der Verwahrung von Wissen, sondern vor allem in dessen Beschaffung.486 Es war vor allem der Bibliothekar, der den eigentlichen Transfer initiierte und dessen Aufgabe darin bestand, über sein verzweigtes Netzwerk neues Wissen nach Prüfening zu bringen. Im Folgenden soll die Anwendung arabischer Zahlen in den Toledaner Tafeln und dem Liber Alchorismi als hermeneutische Sonde genutzt werden, um zu untersuchen, wie Wolfger an dieses Wissen gelangen konnte und wie man sich den tatsächlichen Transfer ins Kloster konkret vorzustellen hat. Um diese Frage beantworten zu können, ist es sinnvoll, einen Schritt von Prüfening zurückzutreten und die weitere Region des Südostens in den Blick zu nehmen. Wie Philipp Nothaft bemerkt hat, lässt sich die frühe Überlieferung dieser zwei Wissensbestände arabischen Ursprungs vor allem in der Diözese Regensburg verorten. Dies gilt vor allem für München, BSB, MS Clm. 13021 aus Prüfening, aber auch für weitere handschriftliche Zeugen: Wien, ÖNB, MS Cod. 275, eine vielleicht etwas ältere Abschrift aus dem etwa 30 km nordöstlich von Regensburg gelegenen Kloster Reichenbach am Regen.487 Ein erst unlängst entdecktes und bislang nicht rezipiertes Fragment der Toledaner Tafeln aus dem 12. Jahrhundert (nach dem Katalog jünger als die Abschrift in München, BSB, MS Clm. 13021) stammt wiederum aus St. Emmeram und ist dort München, BSB, MS Clm. 14353 vorgebunden.488 Einen weiteren Nachweis der Anwendung arabischer Zahlen liefert das bereits erwähnte Notizbuch des Regensburgers Hugo von Lerchenfeld (München, BSB, MS Clm. 14733), in dem die Anwendung der Zahlen aber einen rein chronologischen und nicht
483 484 485 486 487 488
Vgl. Heinzer, ‚Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus‘, S. 261–62. Vgl. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 314–17. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 313. Vgl. die Vorrede zum Glossar in München, BSB, MS Clm. 13002, fol. 8r. Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 47–48. Vgl. Einleitung zu Helmer, Die Handschriften aus St. Emmeram, S. xi sowie das Katalogisat der Handschrift. Das Fragment enthält die Tabellen für die mittlere Bewegung in Anomalie des Planeten Venus. Für die Identifikation dieser Tabelle danke ich Philipp Nothaft.
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astronomischen Zweck erfüllt. Da all diese Abschriften eine ungewöhnliche Form für die Ziffern zwei und drei teilen, stehen sie nicht nur in einem geographischen Zusammenhang, sondern hängen wohl mehr oder weniger direkt voneinander ab.489 In der Tat deuten diese Handschriften also „to the diocese of Regensburg as an important centre of computistical and mathematical learning during the twelfth Century“490, wie Philipp Nothaft in seiner textorientierten Analyse der Überlieferung betont. Eine mögliche Transferlinie ließe sich dann über Salzburg ziehen, dessen Bischof Eberhard I. von Salzburg in Frankreich studiert hatte. Er könnte nicht nur deshalb eine wichtige Rolle in diesem Transfer arabischen Wissens nach Bayern gespielt haben, weil seine Kirchenprovinz die Diözese Regensburg umfasste, sondern auch, weil Eberhard I. von Salzburg vor seiner Berufung (von 1129 bis 1133) Mönch in Prüfening war, „the monastery where Clm. 13021 was later produced.“491 Tatsächlich listet der Katalog des Salzburger Benediktinerstifts St. Peter aus dem 12. Jahrhundert (nach 1164) einen „Alchorismus“, und es scheint zumindest nicht abwegig, diesen Eintrag mit Wien, ÖNB, MS Cod. 2453 zu identifizieren, der sich grob in die Salzburger Region lokalisieren lässt und seine komputistischen Inhalte zum Teil mit arabischen Ziffern präsentiert.492 Allerdings fällt Eberhards Studienzeit in Frankreich wohl in die 20er Jahre des 12. Jahrhunderts, weshalb er kaum die nach dieser Zeit entstandenen Texte direkt rezipiert haben konnte.493 Spuren einer solchen Rezeption finden sich allerdings auch in einem anderen wichtigen diözesanen Zentrum, nämlich in Bamberg. Hier listet Ruotgers Bücherliste ein „liber Sarracenus de mathematica“, also ein Buch über arabische Mathematik.494 In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts liegt daher eine Art austro-baiuwarische Transfer-Achse vor, mit der Diözese Regensburg als Zentrum und den Domstädten Salzburg und Bamberg auf jeweils gegenüberliegenden Seiten. Um den genauen Weg des arabischen Wissens auf dieser Achse verfolgen zu können, lohnt sich ein erneuter Blick auf München, BSB, MS Clm. 13021, allerdings nicht auf die einzelnen darin enthaltenen Texte, sondern auf den Kodex als strukturelle Einheit. Besonders die Anwendung der arabischen Ziffern ist aus dieser Perspektive aufschlussreich. Nicht nur die Texte arabischen Ursprungs verwenden diese Ziffern, also Toledaner Tafeln, der Liber alchorismi, Zaels De interrogationibus oder Euklids Elemente. Auch die genuin lateinischen Texte zum Astrolab (2, 4 und 5) verwenden diese Ziffern
489 Vgl. Kunitzsch, Zur Geschichte der ‚arabischen‘ Ziffern, S. 23. 490 Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 53. 491 Nothaft selbst zieht diese Rezeptionsmöglichkeit nicht in Betracht, betont aber, dass sich Eberhards Kaiserfeindliche Einstellung in Wien, ÖNB, MS Cod. 2453 spiegeln könnte. Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘, S. 42, Zitat ebd. 492 Katalog des 12. Jahrhunderts (Nr. 13), hg. von Paulhart, S. 72, zur Datierung S. 67. 493 Vgl. Feuchtner, ‚St. Eberhard – Erzbischof von Salzburg‘, S. 148–49. 494 Ruotgers Bücherliste (Nr. 91), hg. von Ruf, S. 367. Es muss allerdings betont werden, dass die Zusammensetzung der Liste mit Blick auf die Provenienz der verzeichneten Inhalte bislang noch Fragen aufwirft. Es ist möglich, dass sich hier auch ehemalige Bestände der Dombibliothek finden. Die Liste datiert aller Wahrscheinlichkeit nach aus den Jahren 1172 bis 1201, vgl. Ruotgers Bücherliste (Nr. 91), hg. von Ruf, S. 366 sowie Dengler-Schreiber, Scriptorium und Bibliothek, S. 3–4.
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entgegen der Überlieferungstradition. Demgegenüber wenden die Texte 1, 8, 9 und 10 das klassische Ziffernsystem an. 1. 1v–26v: Boethius, De institutione arithmetica (RZ) 2. 27r–68v: Liber ysagogarum Alchorismi mit Toledaner Tafeln (AZ) 3. 69r–81r: Neues Astrolab-Korpus (h+J+hv) (AZ) 4. 81v–96r: Zael, Introductorium, Quinquaginta precepta und De iudiciis (= De interrogationibus) (AZ) 5. 164r–187r: Robert von Chester, Euklids Elemente (Version II) (AZ) 6. 188r–194r: Gerbert, Geometria (RZ) 7. 194r–202r: Ps.-Boethius, Geometria II (RZ) 8. 202r–211r: Hugo von St. Viktor, Practica geometriae (RZ) Das bedeutet, dass die Handschrift aus Sicht des angewandten Ziffernsystems in drei distinkte Teile zerfällt: Es gibt zwei Abschnitte mit römischen Ziffern zu Beginn und am Ende der Handschrift sowie einen mittleren Teil mit arabischen Ziffern. Dieser Bruch im System macht aus einer inhaltlichen Perspektive eigentlich keinen Sinn, denn wenn der Schreiber sich schon die Mühe gemacht hat, einige lateinische Texte konsequent und sorgfältig an das arabische System anzupassen, dann würde man eine durchgehende Einheitlichkeit erwarten. Sinn macht dieses Vorgehen aus Sicht des Schreibers eigentlich nur dann, wenn er diese Anpassungen gar nicht selbst durchführte, sondern bereits in seiner Vorlage vorgefunden hatte. Der Bruch des Systems wäre dann ein Hinweis auf unterschiedliche Vorlagen, die jeweils eine Gruppe von Texten überlieferten und vom Schreiber zu einer einzigen Handschrift kompiliert wurden: Eine Handschrift A mit Text 1, der Arithmetik des Boethius mit römischen Ziffern; eine Handschrift B in denen die Texte 2 bis 7 mit arabischen Ziffern versehen waren; und eine Handschrift C rein geometrischen Inhalts mit römischen Ziffern. Zu dieser These passt, dass gerade die geometrischen Texte der mutmaßlichen Handschrift C in exakt der gleichen Reihenfolge in zwei anderen Handschriften zu finden sind, nämlich Paris, BNF, MS Lat. 7185 und London, BL, MS Arundel 339. Bereits Schmitz hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Prüfeninger und Londoner Handschrift aus einer gemeinsamen Vorlage kopiert wurden. Arundel 339 wiederum lässt sich wie bereits erwähnt mit einiger Sicherheit nach Kastl lokalisieren, ein zwischen Bamberg und Regensburg gelegenes Kloster der Hirsauer Reformbewegung, das zwar in der Diözese Eichstätt lag, dessen Kirche aber aus politischen Gründen vom Bamberger Bischof Otto I. geweiht wurde. Von Kastl aus wurde seinerseits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts das bereits erwähnte Kloster Reichenbach gegründet, wo sich ebenfalls arabisches Wissen überliefert hat.495 Damit verschiebt sich der Schwerpunkt der Überlieferungsachse Bamberg – Regensburg – Salzburg deutlich Richtung Norden, in Richtung Bamberg. Aufgrund der geographischen und sozialen Verbindungen in die fränkische Domstadt ist es nicht abwegig, die in Kastl und Prüfening genutzte(n) Vorlage(n) nach Bamberg zu 495 Vgl. Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 121; zur Einbindung Kastls ins Netzwerk der Hirsauer Reform vgl. Jakobs, Die Hirsauer, S. 64 und 71; zur Rolle Ottos I. vgl. Weigl, Die Verfassung, S. 9–11.
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verorten. Wolfger könnte sie bei seinem Aufenthalt am Hof des Bamberger Bischoffs 1151 und 1152 zu Gesicht bekommen haben. Als bibliophiler Sammler allen neuen und interessanten Wissens hätte er wohl sowohl den Wert der Texte erkannt als auch um das Interesse des für die Zeitmessung verantwortlichen Bruders (dazu siehe unten) an diesen Inhalten gewusst oder war sogar von diesem um die Besorgung entsprechenden Materials aus der als wissenschaftliches Zentrum bekannten Metropole gebeten worden.496 Die Domstadt an der Regnitz als einen geeigneten Umschlagplatz für dieses neue Wissen aus dem Westen zu vermuten, deckt sich darüber hinaus mit Beobachtungen aus anderen Wissensbereichen, allen voran der frühscholastischen Theologie und Rechtswissenschaften. Dieses Wissen wurde in Bamberg und Umgebung nicht nur passiv rezipiert, sondern von gleich einer ganzen Reihe Bamberger Persönlichkeiten praktiziert, darunter zum Beispiel Meinhard von Bamberg, der im 12. Jahrhundert in Frankreich studiert hatte. Unter solchen Studenten war vermutlich auch Bischof Eberhard II. von Bamberg, an dessen Hof Wolfger für kurze Zeit wirkte.497 Unter seinem Episkopat wurden in Bamberg nicht nur französische Ideen rezipiert, sondern „ab dem Beginn der ersten Hälfte des 12. Jh. [die in Nordfrankreich] geschaffenen Bücher als neue Vorbilder eingeführt und nachgeahmt“498. Dieser Vorgang, der bislang vor allem für glossierte Bibelausgaben erforscht ist, mag auch im Bereich des kosmologischen Wissens zum Tragen gekommen sein, etwa in der Anfertigung einer mit arabischen Ziffern arbeitenden mathematisch-astronomischen Handschrift. Dass unter Bischof Eberhard II. von Bamberg neben frühscholastischer Theologie und Rechtwissenschaft auch naturwissenschaftliches Wissen nach Bamberg und von dort aus nach Bayern gelangte, ist somit nicht unwahrscheinlich. Tatsächlich wäre dieser Transferweg auch für die bereits beschriebenen Erzeugnisse der scholastischen Naturphilosophie im Südosten einleuchtend. Gleichzeitig muss betont werden, dass sich diese Verbindung streng genommen lediglich für die Vorlage der Texte 6, 7 und 8 in München, BSB, MS Clm. 13021 etablieren lässt. Die Texte arabischen Ursprungs können auch auf anderen Wegen besorgt worden und dann später aus Prüfening nach Bamberg gelangt sein. Die Tatsache, dass das St. Emmeramer Fragment der Toledaner Tafeln eventuell auch früher als die Prüfeninger Handschrift datiert werden kann – wenngleich sich hier eine eindeutige Datierung aufgrund des geringen Vergleichsmaterials wohl verbietet –, lässt auch das Regensburger Stadtkloster als mögliches ursprüngliches Zentrum der
496 Wolfger selbst rühmte die Stadt als Zentrum der Gelehrsamkeit in seiner Vita des Bischofs Otto, vgl. Fried, ‚Die Bamberger Domschule‘, S. 166; einen Überblick über die naturwissenschaftlichen Studien vor Ort bietet Meyer, ‚Weltchronistik und Computus‘, daneben die Einleitung zur Edition des komputistischen Werkes Heimos in Heimo von Bamberg, De decursu temporum, hg. von Weikmann, S. 5–6. 497 Zur Rolle Bambergs im Rahmen der Vermittlung der Scholastik Fried, ‚Die Bamberger Domschule‘, insbesondere S. 171–72. Zum möglichen Studium Eberhards in Frankreich äußert sich Fried in Anmerkung 59 mit Verweis auf die Literatur etwas vorsichtiger; bestimmter Moeglin, ‚Träger und Modalitäten des Austauschs‘, S. 66. 498 Moeglin, ‚Träger und Modalitäten des Austauschs‘, S. 66.
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Rezeption ins Licht treten. Rund hundert Jahre nach dem noch zu thematisierenden Beitrag Wilhelms von Hirsau zur Adaption des Astrolabs erscheint Regensburg auf alle Fälle erneut als bestimmender Faktor in der Aneignung und Verbreitung innovativer Wissensbestände, wobei sich diese Rolle vor allem auf St. Emmeram und Prüfening beschränkte. Regensburg avancierte nun vollends zu einem zentralen Knoten in den Transfernetzwerken kosmologischen Wissens in den und innerhalb des Südostens. Zusammenfassend lässt sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts auf der lokalen Ebene in Regensburg ein deutlicher Anstieg in der Quantität des Kosmoswissens feststellen. Dieser Anstieg lässt sich zum einen auf die Erweiterung des Gesamtbestandes von Wissen zurückführen, der durch die Gründung neuer Institutionen ausgelöst wurde, gleichzeitig ging er aber auch mit einem Wandel der Interessen einher und führte zu einer Veränderung der inneren Zusammensetzung dieser Wissensbestände. Neben dem kanonisierten Grundlagenwissen des frühen Mittelalters, insbesondere Bedas Texten, die im 12. Jahrhundert nichts von ihrer Relevanz verloren hatten, finden sich nun zunehmend auch vielfältige Spuren von regelrechtem Expertenwissen. Nicht nur wurde das Astrolab offenbar zu einem so festen Bestandteil des Klosteralltags, dass rasch und in standardisierter Form Kopien entsprechender Texte entstanden, auch zeigt der Buchbestand die Bereitschaft der Regensburger Mönche, den nächsten Schritt in der Erweiterung ihres Wissenshorizontes zu gehen: Zum einen durch ein größeres Interesse an der zeitgenössischen Naturphilosophie; zum anderen aber auch durch die Rezeption der arabischen Mathematik und Astronomie, die nun auch die Aneignung potentiell kontroverser Wissensformen wie der Astrologie beinhaltete. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich das Regensburger Kosmoswissen innerhalb von etwa 500 Jahren von spärlichen Einzelbeständen zu einer respektablen Fülle entwickelte und die gesamte Bandbreite des Kosmoswissens seiner Zeit abdeckte. Die Regensburger Klöster Prüfening und St. Emmeram brauchten sich im Verlauf des hohen Mittelalters keinesfalls vor den Wissenszentren ihrer Zeit zu verstecken, auch nicht vor nordfranzösischen Schauplätzen der sogenannten Renaissance des 12. Jahrhunderts. Regensburg partizipierte aufgrund seiner vielfältigen Netzwerke, in denen seine Institutionen eingebunden waren – vor allem das Klosternetzwerk der Hirsauer Reform und die überregionalen Verbindungen der Kathedralstädte der Region – an den Diskursen dieser Zeit. Mehr noch: Die Stadt an der Donau, die noch im frühen Mittelalter völlig auf die Vermittlung von Kosmoswissen durch Dritte angewiesen war, scheint sich im Verlauf des 11., vor allem aber des 12. Jahrhunderts zum wichtigen Knotenpunkt und Akteur für die Verbreitung von Kosmoswissen im Südosten entwickelt zu haben. Die hier skizzierte lokale Überlieferung des 12. Jahrhunderts soll abschließend in die Überlieferung des Südostens und des gesamteuropäischen Kontexts eingeordnet und analysiert werden. Hierbei zeigt sich, dass das 12. Jahrhundert nicht nur in Regensburg als Phase außerordentlichen kulturellen Wachstums gelten muss, sondern die gesamte Region einen Zuwachs kosmologischen Wissens verzeichnete (vgl. Tabelle A.12 im Anhang). Mit mindestens 86,5 produzierten Textzeugen verdoppelte sich in der Region der Bestand des primären Wissens im Verlauf des 12. Jahrhunderts. Eine wichtige Triebfeder dieser Entwicklung stellten dabei die Autoren des 12. Jahrhunderts dar. Vor allem die Handschriften der Imago mundi des
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in der Region wirkenden Honorius Augustodunensis stellten mit 16,5 Textzeugen fast die Hälfte der gesamteuropäischen Überlieferung dieses Textes (38,5 Zeugen). Auch dies ist ein Hinweis auf die wichtige Rolle lokaler Rezeptionsnetzwerke und begrenzter Diskurse. Gleichzeitig deutet die Überlieferung der Werke des Frühscholastikers Wilhelm von Conches darauf hin, dass sich die Region bereits früh offen für die Neuerungen aus Frankreich zeigte. Neben den verschiedenen von ihm verfassten Kommentaren offenbart sich dieser Umstand insbesondere in seiner Philosophia mundi, deren regionale Überlieferung von 5,5 Handschriften etwa ein Drittel der globalen Überlieferung von 16,5 Textzeugen im 12. Jahrhundert ausmacht und damit überproportional vertreten ist. Nicht berücksichtigt wurden hierbei die oben erwähnten kleineren Glossen und Kommentare, die in der Regel nur in schmalem Umfang rezipiert wurden und schwer zu fassen sind. Auch für andere Wissensbestände hält ein Vergleich mit der gesamteuropäischen Überlieferung einige Überraschungen bereit. Zunächst lässt sich festhalten, dass sich auch auf dieser Ebene eine markante Steigerung des Gesamtbestandes fassen lässt. Insgesamt beläuft sich diese Überlieferung für das 12. Jahrhundert auf 714,5 Textzeugen kosmologischen Inhalts, wobei die Steigerungsrate nahezu identisch zur Entwicklung im Südosten ist: Hier von 323 zu 714,5 Textzeugen, dort von 39 auf 86,5 (und damit jeweils ca. 120%). Erhebliche Unterschiede zeigen sich allerdings im Detail: Auf der Ebene der gesamteuropäischen Überlieferung lassen sich in nahezu allen Bereichen des kosmologischen Wissens Steigerungen feststellen, insbesondere was den Bereich des frühmittelalterlichen Grundlagenwissens anbelangt, dessen Produktionsraten sich nahezu durchgehend verdoppeln: Isidors Etymologien steigen von 100 auf 185 produzierte Handschriften, Bedas De natura rerum von 11 auf 28,5, sein Werk De temporum ratione von 17,5 auf 30,5, Helperichs Computus von 25 auf 36 und Martianus Capellas De nuptiis von 27,5 auf 50,5. Ähnliches gilt für antike und naturphilosophische Schriften. Die vergleichsweise umfangreiche Kopiertätigkeit von zeitgenössischen Texten wurde bereits erwähnt, gleiches gilt aber auch für antike Wissensbestände: Erstmals lässt sich eine nennenswerte Verbreitung der Naturkunde des Plinius mit 16 Handschriften nachweisen sowie eine Verdoppelung der Kopien der Plato-Übersetzung des Calcidius von 23 auf 53 Textzeugen. Ganz erheblich und auffallend steigt die Produktion der Kommentare des Macrobius, nämlich von 26 auf 102,5 Textzeugen, dessen Überlieferung im 12. Jahrhundert damit nur noch von Isidors Enzyklopädie übertroffen wurde, ein Hinweis darauf, dass das 12. Jahrhundert weniger – wie zuweilen postuliert – unter dem spell of Calcidius stand,499 sondern das platonische Denken eher in den macrobianischen Kommentaren suchte. Seltsamerweise lässt sich gerade diese deutliche Tendenz nicht in der Überlieferung des Südostens fassen. Hier erreichte der Text seinen anteilsmäßigen Rezeptionshöhepunkt bereits im 11. Jahrhundert, was die These Thomsons stärkt, nach der den deutschsprachigen Gebieten bereits im 11. Jahrhundert eine kulturelle Blüte zuzusprechen ist, auf die sie sich dann im 499 Dronke, The Spell of Calcidius.
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12. Jahrhundert ausruhen konnten. Aber nicht nur der Kommentar des Macrobius war im 12. Jahrhundert, relativ gesehen, seltener überliefert als im globalen Kontext. Zumindest für das 12. Jahrhundert gilt dies auch für Martianus Capellas Text De nuptiis, der nicht mehr an die umfangreiche regionale Überlieferung des frühen Mittelalters anknüpfen kann. Noch deutlicher gilt dies für die Etymologien Isidors. Während sich dieser Text im gesamteuropäischen Kontext einer unvergleichlichen Beliebtheit erfreute, muss seine Überlieferung in der Region als unterdurchschnittlich betrachtet werden. Auf der anderen Seite lässt sich eine ganze Reihe von Wissensbeständen feststellen, deren Überlieferung in der Region deutlich ausgeprägter ist als im gesamteuropäischen Kontext (vgl. Tabelle A.7 im Anhang). Da der Anteil der regionalen Textzeugen an der globalen Überlieferung etwa 12% beträgt (86,5 von 714,5) müsste bei einer gleichmäßigen Überlieferung auch der Anteil der regionalen Wissensbestände etwa diesen Wert betragen. Tatsächlich trifft dies aber lediglich auf einen Text zu, nämlich auf Helperichs Computus. In zehn Fällen liegt der Anteil der regionalen Überlieferung an der gesamten Überlieferung unter zwölf Prozent, in acht Fällen deutlich darüber. Neben den geographisch erklärbaren Ausschlägen, etwa bei der Imago mundi des Honorius, deutet dieser Umstand darauf hin, dass sich kosmologisches Wissen im Südosten, wo es im frühen Mittelalter noch nahezu inexistent war, im Verlauf des 11. und 12. Jahrhunderts einer überdurchschnittlichen Beliebtheit erfreute, und zwar sowohl Grundlagenwissen als auch Expertenwissen aus dem Bereich der angewandten Astronomie.
Die hochmittelalterliche Wissenslandschaft des Südostens In den vorangegangenen Abschnitten stand die chronologische Entwicklung der Wissensbestände des Kosmoswissens im Südosten und insbesondere auf der lokalen Ebene in Regensburg im Fokus. Hierfür wurden im Sinne einer Wirkungschronologie die für den jeweiligen Zeitabschnitt nachweisbaren handschriftlichen Wissensträger in der Region verortet, chronologisch verzeichnet und mit der europäischen Gesamtüberlieferung außerhalb des Untersuchungsgebiets verglichen. Zum Abschluss dieses Kapitels gilt es nun, die Wissenslandschaft des Südostens zu skizzieren, wie sie sich im 12. Jahrhundert aus den bis dahin sedimentierten oder akkumulierten Wissensbeständen gebildet hatte.500 Zunächst soll auf der Grundlage der nachweisbaren
500 Bemerkungen zur Basis der Berechnungen und Aufstellungen in der folgenden Analyse: Für diese Untersuchung wurde die in Kapitel 3 für die jeweiligen Texte verzeichnete handschriftliche Überlieferung der Wissensbestände des Südostens mit den ebenfalls dort verzeichneten Angaben aus den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen kombiniert (bibliographische Angaben zu den jeweiligen Katalogen und Handschriftenlisten ebd.). Auf dieser Grundlage wurde dann der Umfang der Wissensbestände der jeweiligen Institutionen berechnet. Dabei wurde jeder Wissensbestand pro Institution nur einmal berücksichtigt, auch wenn er in mehreren Wissenszeugen überliefert sein sollte. Eine differenzierte Aufstellung über die Wissenszeugen bietet Tabelle A.9 im Anhang. Die Angaben der gesamteuropäischen Überlieferung der Wissensträger wurde anhand der in Kapitel 3
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Bestände des primären Wissens in den Institutionen des Südostens das institutionelle Rückgrat dieser Landschaft kartiert werden. Danach soll ihr inhaltliches Profil ergründet und erneut mit dem gesamteuropäischen Kontext in Vergleich gesetzt werden. In einem dritten Schritt sollen die im Rahmen der Wirkungschronologie erhobenen Daten analysiert und auf dieser Grundlage die Rolle des Südostens für die Entwicklung des Kosmoswissens im Verlauf des hohen Mittelalters bestimmt werden. Anhand dieser Daten ist die in der Ideengeschichte vorherrschende These einer kulturellen Blüte und Renaissance im Allgemeinen bzw. einer Entdeckung der Natur im Besonderen im 12. Jahrhundert zu prüfen. Die tragenden Institutionen der Wissenslandschaft
Primäres Wissen über den Kosmos lässt sich im gesamten Untersuchungsgebiet nachweisen. Es verteilte sich in sehr heterogenem Umfang auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Institutionen: 40 Institutionen verfügten ausweislich der handschriftlichen Überlieferung oder nach Auskunft der mittelalterlichen Bibliothekskataloge über Bestände des primären Wissens (Tabelle A.5 sowie Tabelle A.6 im Anhang verzeichnen eine Aufstellung über die genaue Verteilung). Der Umfang dieser Bestände variiert von Institution zu Institution mitunter erheblich, wobei der Median bei drei Wissensbeständen verläuft. Für 21 Institutionen der Region lassen sich lediglich Bestände unter diesem Wert belegen, das dort vorhandene Kosmoswissen muss daher als gering gelten. 19 Institutionen verfügten nachweislich über einen darüber hinausreichenden Bestand, zählen also zu den Zentren kosmologischen Wissens im Südosten (Fig. 3.20 sowie Tabelle A.8). An der Spitze dieser Zentren liegen das Regensburger Kloster St. Emmeram (16 Bestände), gefolgt vom Bamberger Kloster Michelsberg (12 Bestände) und Prüfening (12 Bestände), aber auch der Bamberger Dom (10 Bestände) verfügt über einen stattlichen Umfang an primärem Wissen. Geographisch sind diese Zentren sehr regelmäßig im Südosten verteilt. Sozialgeographisch fällt ein deutliches Übergewicht des urbanen Raumes innerhalb dieser Landschaft auf, insbesondere von Kathedralstädten. Vor allem sind hier Regensburg und Bamberg zu nennen, aber auch Freising, Salzburg und Würzburg verfügten in großem Umfang über primäres Wissen. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass sich all diese Orte nicht nur durch Urbanität auszeichneten, sondern vor allem dadurch, dass sich dort Kathedralsitze gemeinsam mit benediktinischen Klöstern befanden (Fig. 3.21). Dieses Muster legt nahe, dass sich die für Regensburg getroffenen Feststellungen bezüglich der Rezeption der arabischen Wissenschaften in München, BSB, MS Clm. 13021 mit einiger Vorsicht verallgemeinern lassen: Dass die an die urbanen Zentren des lateinischen Europas vielfach angebundenen und offenen Kathedralsitze die Partizipation der Region an überregionalen Diskursen
für die jeweiligen Texte verzeichneten Handschriftenlisten berechnet, chronologische Einteilungen anhand der dort jeweils gegebenen Datierung der Handschriften erstellt. Die Berechnungen der Gesamtbestände der Institutionen der Region basieren auf dem anhand der mittelalterlichen Kataloge erstellten Datensatz, der über https://doi.org/10.1484/A.21673829 einsehbar ist.
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Figur 3.20. Kartographische Aufstellung über das Kosmoswissen der Region. Die Karte verzeichnet die überlieferten Wissensbestände des Kosmoswissens des Südostens, aufgeschlüsselt nach den besitzenden Institutionen. Karte des Autors.
Figur 3.21. Kartographische Darstellung der institutionellen Zugehörigkeit der Zentren. Schwarz = Chorherren, Weiß = Benediktiner, Grau = Zisterzienser, Kreuz = Kathedrale, Kreis mit Punkt = Zentrum überlappender Institutionen. Karte des Autors.
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ermöglichten, das daraus gewonnene Wissen dann aber vor allem über regionale Kloster-Netzwerke verbreitet und in monastischen Institutionen gespeichert wurde. Gleichzeitig muss aber auch betont werden, dass sich kosmologisches Wissen in erheblichem Umfang auch in den ländlichen Klöstern der Region finden lässt, vor allem in Admont, Tegernsee, Wessobrunn und Weihenstephan. Analog zu den Ergebnissen der Rezeptionsanalyse der arabischen Wissenschaften in Bayern waren es hier wohl vor allem die monastischen Netzwerke, die die Verbreitung kosmologischer Wissensbestände ermöglichten. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich kein Zufall, dass es sich bei den hier prominent vertretenen Klöstern ausschließlich um benediktinische Häuser handelt, die in der Region über ein etabliertes und festes Netzwerk verfügten. Gleichzeitig deutet sich hier aber auch die Offenheit dieses Ordens für weltliche Formen des Wissens an. Einen tieferen Einblick in die Wissenslandschaft des Südostens erlaubt die Aufschlüsselung des primären Kosmoswissens in seine drei Unterkategorien. Zunächst sei der Bereich des epistemischen Wissens angesprochen, auf den der überwiegende Teil der in den Institutionen vorhandenen Bestände fällt (Fig. 3.22 sowie Tabelle A.8 im Anhang). Deutlich wird die breite Verteilung dieses Wissens, das im gesamten Südosten verfügbar war. Auch hier lassen sich markante Zentren identifizieren. In absteigender Reihenfolge sind dies St. Emmeram, Prüfening, Admont und der Bamberger Dom, dann die Klöster Tegernsee und der Bamberger Michelsberg sowie der Freisinger Dom, St. Peter in Salzburg und das Würzburger Neumünster. Eine Überraschung hält der Blick auf das instrumentelle Wissen bereit (Fig. 3.23). Auch hier zeigt sich zunächst, dass es regelmäßig in der Region verbreitet war. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da dieses Wissen – etwa in Form der Komputistik – in allen religiösen Institutionen von Nutzen war. Betrachtet man allerdings nur Institutionen mit mindestens drei Beständen des instrumentellen Wissens, dann ändert sich das Bild. In diesem Umfang findet sich dieses Wissen lediglich in 5 Institutionen an 3 Orten, nämlich (in absteigender Reihenfolge) in St. Emmeram, dem Bamberger Michelsberg, Prüfening, dem Bamberger Dom sowie – etwas überraschend – Zwettl. Während sich die meisten Institutionen der Region offenbar mit der reinen Anwendung dieses Wissens zufriedengaben, lässt sich an diesen Zentren ein darüber hinausgehendes, wissenschaftliches Interesse unterstellen, wie das bereits im Zuge der Bestandsaufnahme der St. Emmeramer Bibliothek vermutet wurde. Für den Südosten lässt sich damit feststellen, dass sich diese Wissenslandschaft bereits in Ansätzen in Zentren der Forschung und Orte der reinen Anwendung ausdifferenziert hatte. Ein abschließender Blick gilt dem Gerätewissen, das aufgrund der Zusammenfassung kleinerer Texte zu einem Korpus der Astrolabliteratur jeweils nur einmal pro Institution berechnet werden kann (vgl. ebenfalls Tabelle A.8, Fig. 3.24). Auch hier zeigt sich ein eindeutiges und instruktives Bild: Astrolabica waren gegen Ende des 12. Jahrhunderts regelmäßig, aber nicht ubiquitär verbreitet. Dieses Wissen lässt sich ausschließlich im Umfeld von überregional bedeutenden Städten nachweisen, in Augsburg, Bamberg, (bei) Freising, Regensburg und Salzburg. Gleichzeitig ist es lediglich im monastischen Kontext überliefert, genauer gesagt in benediktinischen
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Figur 3.22. Kartographische Darstellung des EW. Die Größe der Punkte entspricht dem Umfang der Bestände. Karte des Autors.
Figur 3.23. Kartographische Darstellung des IW. Die Größe der Punkte entspricht dem Umfang der Bestände. Karte des Autors.
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Figur 3.24. Kartographische Darstellung des GW. Die Größe der Punkte entspricht dem Umfang der Bestände. Karte des Autors.
Institutionen. Dies erlaubt eine dreifache Schlussfolgerung. Zum einen legt diese Verteilung nahe, dass das Gerätewissen über das Astrolab und dessen Derivate gegen Ende des 12. Jahrhunderts kein exotisches Nischenwissen mehr darstellte; allerdings war die Rezeption entsprechender Texte offenbar nicht selbstverständlich und bedurfte der überregionalen Infrastruktur der Domstädte. Dass dieses Wissen ausschließlich in Klöstern verwahrt wurde, spricht dafür, dass das Astrolab auch im 12. Jahrhundert überwiegend für die Messung der Zeit im Dienst der nächtlichen Liturgie Verwendung fand, die im monastischen Kontext möglicherweise umfangreicher und intensiver gepflegt wurde als an Institutionen des Weltklerus. Andere monastische Institutionen bedienten sich zumindest im Südosten offenbar anderer Methoden, wobei die Gründe hierfür im Dunkeln bleiben. Der Südosten war gegen Ende des 12. Jahrhunderts also eine Wissenslandschaft, in der Kosmoswissen in kleinem Umfang allgemein verbreitet war, an Zentren aber durchaus in großer Zahl vorlag. Dass sich diese Zentren nicht nur durch bloße Quantität des Wissens auszeichneten, belegt eine Aufstellung der genauen Überlieferung der Wissenslandschaft in den einzelnen Institutionen, aufgeschlüsselt nach den Trägern dieses Wissens (Tabelle A.9 im Anhang). An den Zentren der Region lassen sich vergleichsweise häufig mehrere Textzeugen des gleichen Wissensbestandes nachweisen, so am Bamberger und Freisinger Dom sowie den Benediktinerklöstern Admont, St. Emmeram, Prüfening, Tegernsee und Salzburg St. Peter. Da es sich bei der Mehrzahl dieser mehrfach in einer Institution vorhandenen Wissensbestände aus einer inhaltlichen Perspektive um fortgeschrittenes
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Wissen handelt – etwa um den Kommentar des Macrobius, Astrolabica oder Calcidius Timaeus-Übersetzung –, liegt der Grund für diese Häufung wohl in der Anwesenheit einer größeren Gruppe von Experten kosmologischen Wissens in diesen Institutionen, die damit das institutionelle Rückgrat kosmologischer Studien im Südosten bildeten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Südosten als eine durchaus reiche Wissenslandschaft hervortritt, in der Kosmoswissen an vielen Orten vorhanden war und gepflegt wurde. Diese Landschaft wurde vor allem durch regelmäßig auftretende Zentren im urbanen Raum getragen, insbesondere von den die Region im Bereich des Kosmoswissens überstrahlenden Kathedralstädten Bamberg und Regensburg. Insgesamt waren es in erster Linie die ins frühe Mittelalter zurückreichenden traditionellen Institutionen der Kathedralsitze und Benediktinerklöster, die das institutionelle Rückgrat des Südostens bildeten. Diese reiche und dynamische Landschaft soll im Folgenden mit Blick auf den Inhalt ihrer Bestände profiliert werden. Inhaltliches Profil
Nachdem die tragenden Institutionen der Wissenslandschaft identifiziert sind, soll es im Folgenden darum gehen, die bis ins 12. Jahrhundert akkumulierten Wissensbestände dieser Landschaft genauer zu erschließen und in einen Vergleich zur globalen Überlieferung zu setzen. Mit letzterer sei begonnen. Die gesamte, europaweite Überlieferung des primären Wissens, das in den Beständen des Südostens identifiziert wurde, beläuft sich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts auf 1863,5 Textzeugen. Diese lassen sich, wie in Tabelle A.10 im Detail beschrieben und Fig. 3.25 sowie Tabelle A.12 im Anhang dargestellt, auf die einzelnen Wissensbestände aufteilen. Deutlich werden dabei die erheblichen Unterschiede mit Blick auf den Umfang des jeweiligen Wissens: So zeichnen sich Isidors Etymologien durch eine enorme Überlieferung mit mehr als 600 Wissensträgern aus, die damit fast die Hälfte des Gesamtbestandes ausmachen. Im Gegensatz hierzu bewegt sich die übrige Überlieferung zwischen 6 und 151 Zeugen pro Wissensbestand, wobei der Median bei 63,5 Textzeugen pro Text verläuft. Dieses Feld lässt sich wiederum in zwei Gruppen unterteilen, nämlich in eine Gruppe verhältnismäßig häufig überlieferter Wissensbestände (zwischen 62 und 151 Textzeugen) und eine Gruppe selten überlieferter Wissensbestände (6 bis 38,5 Textzeugen). Inhaltlich besteht die erste Überlieferungsgruppe vor allem aus dem in der Karolingerzeit kanonisierten kosmologisch-komputistischen Wissen der Spätantike und des frühen Mittelalters, Helperichs Computus und – in diesem Umfang vielleicht überraschend – Astrolabica, die offenbar sehr früh und rasch Verbreitung fanden. Im 12. Jahrhundert entstandene Texte nehmen lediglich eine marginale Rolle ein. Vor diesem gesamteuropäischen Hintergrund entfalteten sich verschiedene regionale Wissenslandschaften, darunter der Südosten. Dessen Wissenslandschaft bestand bis zum Ende des hohen Mittelalters aus 157 Textzeugen des primären Wissens, deren Verteilung im Wesentlichen dem globalen Profil entspricht, im Detail aber eine veränderte Reihenfolge im Umfang der jeweiligen Bestände aufweist
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Figur 3.25. Akkumulierte Gesamtüberlieferung des PW. Das Diagramm stellt den Umfang der bis ins 12. Jahrhundert akkumulierten gesamteuropäischen Überlieferung der Bestände des primären Wissens (PW) differenziert nach Wissensbeständen dar. (Detaillierte Darstellung in Tabelle A.10). Diagramm des Autors.
Figur 3.26. Akkumulierte Überlieferung des PW für den Südosten. Das Diagramm stellt die Anzahl der die jeweiligen Wissensbestände des primären Wissens (PW) besitzenden Institutionen des Südostens im 12. Jahrhundert differenziert nach Wissensbeständen dar. Detaillierte Darstellung in Tabelle A.11. Diagramm des Autors.
(vgl. Tabelle A.11 im Anhang und Fig. 3.26): Zum einen fällt der deutlich geringere Stellenwert der Etymologien auf, deren regionale Überlieferung sich anders als im globalen Kontext nicht deutlich absetzen kann. Allerdings lässt sich ohne Kenntnis der Überlieferungsraten nicht feststellen, ob dieser Umstand für ein geringeres Interesse der Zeitgenossen an Isidors Nachschlagewerk spricht oder für ein gesteigertes
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Interesse an den übrigen Wissensbeständen. Zum anderen sticht die große Beliebtheit des Textes Imago mundi des Honorius Augustodunensis ins Auge, der noch vor den Etymologien auf Platz eins der überlieferten Wissensbestände der Region rangiert. Der Text lässt sich in ganzen 22 Institutionen und in 16,5 Textzeugen der Region nachweisen, und das innerhalb von nur 80 Jahren nach seiner ersten Abfassung. Die Ursache dieser Erfolgsgeschichte liegt auf der Hand: Nicht nur befriedigte der Text in niederschwelliger und eingängiger Weise das Interesse an kosmologischen Fragen, vor allem erleichterte die Zugehörigkeit des Autors zum monastischen Milieu der Region die Verbreitung seiner Werke. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Landschaft des Kosmoswissens auch im 12. Jahrhundert noch in erster Linie auf das kanonisierte Wissen des frühen Mittelalters stützte, und zwar sowohl aus gesamteuropäischer wie regionaler Perspektive. Gleichzeitig waren auch antike und zeitgenössische Wissensbestände verbreitet, wenngleich in von Region zu Region unterschiedlichem Umfang. Die bei einigen dieser Wissensbeständen teils erheblichen Unterschiede in der regionalen und gesamteuropäischen Überlieferung verdeutlichen, dass sich die unterschiedlichen Landschaften von ihrem inhaltlichen Profil her zwar im Grundsatz glichen, im Detail aber eigene Schwerpunkte und Vorlieben ausbildeten. Analyse der gesammelten Daten Quantitative Auswertung der Wissensbestände
Im vorherigen Abschnitt wurde das inhaltliche Profil der Landschaft des Südostens und des europaweiten Kontextes über die handschriftliche Überlieferung und die mittelalterlichen Bibliothekskataloge erschlossen. Im Folgenden sollen die aus diesen Quellen gewonnenen Daten einer genaueren Analyse unterzogen werden, um die Frage zu beantworten, ob sich die Charakterisierung des hohen Mittelalters als eine Zeit des kulturellen Aufschwungs, ja sogar einer Renaissance, auch quantitativ begründen lässt bzw. welche Vorgänge, Strukturen und Entwicklungen in diesen Daten zu Tage treten. Als hermeneutische Sonde für diese Fragen soll zunächst die gesamteuropäische und regionale Überlieferung der im Südosten identifizierten Wissensbestände in den Blick genommen werden, in einem weiteren Schritt dann die mittelalterlichen Bibliothekskataloge der Region. Zunächst verdeutlichen die oben dargestellten Zahlen, dass die Überlieferung kosmologischen Wissens insgesamt recht gering ausfällt. Dies wirft die Frage auf, inwiefern man überhaupt von einem Vorkommen kosmologischer Wissensbestände in mittelalterlichen Institutionen ausgehen kann. Diese Frage soll mit dem folgenden – durchaus spekulativen und holzschnittartigen – Gedankenexperiment reflektiert werden (vgl. Tabelle A.10 im Anhang). Für dieses Experiment soll ein Referenzwert gefunden werden, von dem aus sich die Verluste der jeweiligen Wissensbestände schätzen lassen. Dafür wird ein Wissensbestand benötigt, dem am ehesten eine ubiquitäre Anwesenheit in den hochmittelalterlichen Institutionen unterstellt werden kann. Hierfür bieten sich vor allem Isidors Etymologien an. Nicht nur deutet darauf die im Vergleich exorbitant hohe Überlieferung hin, auch spricht der Charakter
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des Texts als Nachschlagewerk für Allgemeinwissen für eine breite Rezeption. Unterstellt man diesem Text, dass er in nahezu allen Bibliotheken vorhanden war, also eine Besitzrate von 100% aufwies, so entspräche dies einer Verlustrate von rund 97% seit dem Mittelalter.501 Dieser Wert lässt sich dann auf die gesamteuropäische Überlieferung der übrigen Wissensbestände übertragen und es können in einem weiteren Schritt die Besitzraten der übrigen Wissensbestände extrapoliert werden (vgl. Tabelle A.10 im Anhang). Es zeigt sich, dass die Anwesenheit entsprechender Wissensbestände im Kloster keinesfalls selbstverständlich war: Selbst beliebte Texte wie der Kommentar des Macrobius waren im 12. Jahrhundert höchstens in 24% der Klöster vorhanden, am unteren Ende bewegen sich die Toledaner Tafeln mit knapp 1%. Summiert man diese hypothetischen Zahlen zu einem kosmologischen Gesamtbestand, so ist mit rund 55.500 Textzeugen im 12. Jahrhundert zu rechnen. Da die Bestandsaufnahme der lokalen Verteilung der kosmologischen Überlieferung gezeigt hat, dass einzelne Klöster häufig mehrere Wissensbestände besaßen – im Durchschnitt 5, im Median 3 Bestände –, ergibt diese Modellrechnung, dass lediglich in etwas mehr als der Hälfte der mittelalterlichen Bibliotheken des 12. Jahrhunderts überhaupt mit kosmologischen Wissensbeständen aus dem Bereich des PW zu rechnen ist. Auch wenn diese Berechnungen auf spekulativen Annahmen beruhen und lediglich Modellcharakter besitzen, zeigen sie, dass mit Sicherheit nicht von einer Ubiquität entsprechender Wissensbestände auszugehen ist. Auch wenn die Rolle des Kosmoswissens für die Institutionen des hohen Mittelalters insgesamt also nicht allzu hoch angesetzt werden darf, bedeutet dieser Umstand freilich nicht, dass sich keine Bedeutungssteigerung dieses Wissens feststellen ließe. Hierfür muss der Blick auf die Makroebene der Wissensbestände gerichtet werden. Der Bestand der gesamteuropäischen Überlieferung der im Südosten verbreiteten Texte des primären Wissens beläuft sich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts wie erwähnt auf knapp 1863,5 Textzeugen.502 Eine chronologische Differenzierung dieser Überlieferung verdeutlicht den sukzessiven Anstieg dieses Bestandes über die Jahrhunderte, der zu verschiedenen Zeiten allerdings unterschiedlich deutlich ausfällt (vgl. Tabelle A.12 im Anhang). Dabei lassen sich zwei Spitzen erkennen, die in Epochen fallen, die gemeinhin als Zeiten kultureller Blüten oder ‚Renaissancen‘ verstanden werden und diese Deutungen damit zunächst zu bestätigen scheinen: Eine 501 Diese Modellrechnung basiert auf den Angaben bei Buringh, Medieval Manuscript Production, S. 90: 639 Textzeugen entsprechen bei ca. 20.125 Institutionen einer Verlustrate von 97,43%. Diese Rate liegt tatsächlich recht nahe an den Werten, die Uwe Neddermayer vorgeschlagen hat (zwischen 95% und 97%), vgl. Neddermeyer, Von der Handschrift zum gedruckten Buch, S. 79–80. Allerdings wurden diese Berechnungen durchaus kontrovers diskutiert. Über die tatsächlich anzunehmenden Verlustraten besteht bis heute keine Einigkeit, vgl. die Zusammenfassung der Diskussion, Kritik und eigene Berechnungen von Buringh, Medieval Manuscript Production, S. 179–252. Die hier berechneten Quoten haben also lediglich modellhaften Charakter und dienen nur einer ungefähren Näherung. 502 Zwar muss an dieser Stelle betont werden, dass der tatsächliche Bestand des Kosmoswissen höher gewesen sein kann, da sich außerhalb des Südostens dort nicht überlieferte Wissensbestände identifizieren lassen. Als statistischer Richtwert einer ungefähren Entwicklung lassen sich die ermittelten Werte aber durchaus nutzen, da in der Region die wichtigsten Autoren der Zeit vorhanden waren.
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Figur 3.27. Vergleich des europaweiten prozentualen Anstiegs von PW und Klöstern. Die Abbildung setzt den in Tabelle A.12 im Detail verzeichneten prozentualen Anstieg von PW europaweit und im Südosten mit dem gesamteuropäischen Anstieg der Klöster in einen Vergleich. Die angegebenen Werte sind Angaben in Prozent. Aufgrund der teilweise extremen Abweichungen wurde die Skala zwischen den Werten 125 und 600 unterbrochen. Diagramm des Autors.
erhebliche Steigerung der Bestände in der Karolingerzeit um 502,5 Textzeugen sowie im 12. Jahrhundert um ca. 714 Zeugen. Insgesamt verdoppeln sich die kosmologischen Wissensbestände im Verlauf des hohen Mittelalters. Ein Blick auf die prozentuale Steigerung der Bestände relativiert diesen Befund ein wenig. Während das 9. Jahrhundert mit einer deutlichen Steigerung von knapp über 723% aufwartet, bleibt die Wissenssteigerung des 12. Jahrhunderts mit 62% im Vergleich zu anderen Zeiten zwar überdurchschnittlich, fällt aber weit hinter den Impetus des 9. Jahrhunderts zurück. Eine regelrechte Renaissance können diese Daten daher nicht belegen. Aber auch aus einer methodologischen Perspektive eignen sich diese Ergebnisse nicht für eine Bewertung des hohen Mittelalters als Phase des kulturellen Aufschwungs. Der Begriff der Renaissance oder der kulturellen Blüte impliziert eben nicht nur einen absoluten Anstieg des Wissens an sich, sondern unterstellt auch ein genuin steigendes Interesse der Zeitgenossen an bestimmten Wissensbeständen. Neben der Möglichkeit eines zunehmenden Interesses könnte eine andere Erklärung für den quantitativen Anstieg auch ganz einfach in einer zunehmenden Anzahl sammelnder Institutionen in Folge eines wirtschaftlichen und sozialen Wachstums liegen. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Entwicklung des Klosterwesens aufschlussreich, wie sie in Tabelle A.12 nach Buringh angegeben und mit der Entwicklung der Wissensbestände in einen Vergleich gesetzt ist.503 Fig. 3.27 visualisiert dieses Verhältnis. 503 Vgl. Buringh, Medieval Manuscript Production, S. 90.
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Der Vergleich dieser Daten macht deutlich, dass ein wirklich herausragender Anstieg an Kosmoswissen eigentlich nur im 9. Jahrhundert verortet werden kann, wo die Zuwachsrate des Wissens den Zuwachs der Klöster um ein Vielfaches übertrifft. Gerade im 10. und 12. Jahrhundert entsprach der Anstieg der Bestände dann in etwa der allgemeinen Vergrößerung der Klosterlandschaft und dem damit gestiegenen Bedarf an Wissenszeugen in Form von Handschriften. Die gestiegene Nachfrage resultierte hier also aus der Beschaffung von Beständen durch neugegründete Institutionen bei einem an sich gleichgebliebenen Bedarf, und nicht aus einem gestiegenen Interesse. Im 11. Jahrhundert lässt sich europaweit sogar eine deutliche Sättigung dieses Interesses feststellen: Die Kopien der Texte bleiben hinter der Gründung neuer Klöster zurück. Vor diesem quantitativen Hintergrund ist es letztlich daher nicht gerechtfertigt, von einer europäischen Renaissance des Wissens im hohen Mittelalter zu sprechen: An den deutlichen Impetus der Karolingerzeit bei der Beschaffung und Bewahrung kosmologischer Wissensbestände reichte die Produktion späterer Jahrhunderte nicht mehr heran. Ganz anders stellt sich die Situation im Südosten dar. Tabelle A.12 und Fig. 3.27 verdeutlichen auch die dortige Entwicklung und setzten sie mit den gesamteuropäischen Vorgängen in einen Vergleich. Dabei zeigt sich, dass die Zuwachsraten kosmologischer Wissensbestände im Südosten ungleich höher ausfallen als im gesamteuropäischen Kontext. Dies lässt sich vor allem für das 9. Jahrhundert feststellen, wobei dieser Unterschied wohl dadurch zu erklären ist, dass man in der Region nachholen musste, was in den schon länger zum Reich der Karolinger gehörenden Regionen bereits im 8. Jahrhundert kopiert wurde. Auffällig ist vor dem Hintergrund der gesamteuropäischen Analyse aber der hohe Anstieg kosmologischer Wissensbestände im 11. und 12. Jahrhundert. Hier verzeichnet die Region enorme Zuwachsraten von 124% bzw. 123%, die damit weit über den gesamteuropäischen Werten liegen. Lediglich im 10. Jahrhundert entsprechen sich die Werte der Region und des gesamteuropäischen Kontexts grob. Setzt man diese Daten mit der allgemeinen Entwicklung der Anzahl von Klöstern in Bezug (vgl. ebenfalls Tabelle A.12), so wird deutlich, dass der hochmittelalterliche Anstieg des Kosmoswissens im Südosten nicht allein durch die Steigerung des zu erwartenden Bedarfs durch Klostergründungen erklärt werden kann. Vielmehr belegen die Daten einen genuinen Anstieg des Interesses an den Beständen des Kosmoswissens, den man aus quantitativer Sicht daher durchaus als kulturelle Blüte bezeichnen könnte. Da sich diese Blüte in der Region bereits im 11. Jahrhundert andeutet, in dem die Zuwachsraten des Kosmoswissens über denen des gesamteuropäischen Kontexts liegen, liefern die Daten einmal mehr einen Hinweis auf die Richtigkeit der These von Rodney Thomson, der die Anfänge der Renaissance des 12. Jahrhunderts zumindest in Deutschland bereits im 11. Jahrhundert verorten möchte. Die quantitative Entwicklung des primären Wissens im Verlauf des frühen und hohen Mittelalters lässt sich anhand der gesammelten Daten zusammenfassend wie folgt beschreiben: Zum Ausgang der Antike existierten kosmologische Wissensbestände zumindest in den Gebieten des heutigen West- und Mitteleuropas nur in äußerst geringer Zahl. Erst ab dem 8. Jahrhundert, vor allem aber im Laufe des 9. Jahrhunderts wurde im Zuge des heute als karolingische Erneuerung oder Renaissance bezeichneten
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kulturellen Aufschwungs die Basis des mittelalterlichen Wissens gelegt. Deutlich zeigen die Zahlen ein gestiegenes Interesse der Zeitgenossen an entsprechenden Wissensbeständen, die in vielen Institutionen der Zeit in hoher Zahl kopiert wurden. Besonders für das 9. Jahrhundert lässt sich hier eine Kopiertätigkeit nachweisen, die – relativ gesehen – bis ins späte Mittelalter unübertroffen blieb und das Narrativ einer kulturellen Blüte auch im Bereich des Wissens in der Karolingerzeit durchaus bestätigt. Die Institutionen des Südostens schlossen sich dieser Entwicklung an, wenngleich mit einer wohl politisch und geographisch begründeten Verspätung. Mit der Integration in das institutionelle und politische Geflecht des Fränkischen Reichs unter karolingischer Vorherrschaft lässt sich dann rasch ein umso stärkerer Anstieg der Produktion kosmologischer Wissensbestände feststellen, der im 10. Jahrhundert von einem gewissen Einbruch dieser Entwicklung gefolgt wird, ein Rückgang, der allerdings wohl eher als Normalisierung infolge einer kulturellen Sättigung zu sehen ist. Da sich der Anstieg der Wissensbestände in dieser Zeit genau mit dem Anstieg monastischer Institutionen deckt, und zwar sowohl im globalen Kontext als auch in der Region, ist davon auszugehen, dass sich die Zeitgenossen in dieser Phase damit begnügten, die in der Karolingerzeit gelegte Wissensbasis zu pflegen und in neu gegründeten Klöstern gegebenenfalls zu reproduzieren. An einer Erweiterung des Wissenshorizontes war ihnen offenbar nicht gelegen, was dafürspricht, dass der im 9. Jahrhundert etablierte Wissenskanon ausreichte, um die wichtigsten Interessen der Zeitgenossen zu befriedigen und die Lösung alltäglicher Probleme, etwa im Bereich der Kalenderberechnung, zu ermöglichen. Im Verlauf des hohen Mittelalter lässt sich erneut eine unterschiedliche Entwicklung im Südosten und im gesamteuropäischen Kontext feststellen, wenngleich nun mit umgekehrten Vorzeichen (vgl. Tabelle A.12). Während die Region noch im frühen Mittelalter als Nachzügler zu gelten hat, fällt der Anteil der Wissensbestände im Rest Europas seit dem 11. Jahrhundert hinter dem nun rasanten Anstieg der Klostergründungen zurück. Lediglich der Anstieg der Wissensbestände des Südostens konnte in Ansätzen mit den Gründungen von Klöstern mithalten. Als dann im Verlauf des 12. Jahrhunderts die Entwicklung der gesamteuropäischen Wissensbestände langsam wieder Schritt mit dem Anstieg der sammelnden Institutionen zu halten vermochte, lagen die Zuwachsraten der Region bereits weit darüber. Für diese Region kann man daher auch aus einer quantitativen Sicht durchaus von einer ‚Renaissance‘ oder Blüte kosmologischer Wissensbestände sprechen. Auch wenn die genaue Bestimmung der Rolle des Südostens für die Entwicklung des Wissens über den Kosmos bis ins hohe Mittelalter erst auf der Grundlage vergleichender Daten aus anderen Regionen des lateinischen Europas getroffen werden kann, so deuten also bereits die erhobenen Daten auf eine gewisse Sonderrolle des Südostens hin (vgl. Tabelle A.12). Während diese im frühen Mittelalter mit Blick auf die Größe der Region zunächst einen unter- und dann durchschnittlichen Anteil am globalen Gesamtbestand aufwies, wuchs dieser ab dem 10. Jahrhundert kontinuierlich auf ein Maß an, das im Verhältnis zur Größe der Region als außerordentlich umfangreich gelten muss. Besonders deutlich wird dies im 11. Jahrhundert, in dem der Südosten fast ein Viertel aller gesamteuropäisch vorhandenen kosmologischen
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Kategorie Anzahl Anteil am Gesamtbestand
SW 88 1,8%
EW 94 1,9%
IW 55 1,1%
GW 9 0,02%
Tabelle 3.2. Wissensbestände des Kosmoswissens der Bibliothekskataloge bis ca. 1225. Die Tabelle verzeichnet den aus den Bibliothekskatalogen des Südostens gewonnenen Gesamtbestand des Kosmoswissens differenziert nach den vier Unterkategorien des Wissens nebst ihrem Anteil am Gesamtbestand der in den Katalogen verzeichneten Bibliotheken. Diese Daten wurden anhand einer eigenen Bestandsaufnahme der MBK und MBKÖ ermittelt. Die genauen Angaben zum Kosmoswissen finden sich pro Text in Kapitel 3 aufgelistet. Abkürzungen: SW = Sekundäres Wissen, EW = Epistemisches Wissen, IW = Instrumentelles Wissen, GW = Gerätewissen.
Wissenszeugen in seinen Bibliotheken bewahrte. Dass dieser Wissensvorsprung im 12. Jahrhundert durch die restlichen Regionen des lateinischen Europas vergleichsweise wieder eingeholt wurde – der Südosten leistet aber auch in dieser Zeit seinen überdurchschnittlichen Beitrag –, mag die These Thomsons bestätigen, dass die Gebiete rechts des Rheins eine moderate kulturelle Blüte bereits im 11. Jahrhundert vorwegnahmen. Unbestritten ergeben die Daten der Überlieferung aber eine außergewöhnlich wichtige Rolle der Region für die Produktion und Verbreitung kosmologischen Wissens. Zumindest im Südosten muss das hohe Mittelalter also durchaus als eine Zeit des Wandels verstanden werden, in denen sich Status und Umfang kosmologischer Wissensbestände erheblich veränderten. Im Folgenden soll anhand der mittelalterlichen Bibliothekskataloge der Region geprüft werden, ob sich dieser Wandel neben der Quantität der Überlieferung auch inhaltlich fassen lässt. Quantitative Auswertung der Bibliothekskataloge des Südostens
Die mittelalterlichen Bibliothekskataloge der Region enthalten wie bereits erwähnt ca. 5000 Verzeichniseinheiten, von denen sich ca. 250 dem Bereich des Kosmoswissens (inklusive des sekundären Wissens) zuordnen lassen. Insgesamt betrug der Anteil des kosmologischen Wissens am Gesamtbestand bis zum Ende des 12. Jahrhunderts damit lediglich 5%, ein durchaus geringer Wert. Noch geringer fällt diese Bestandsaufnahme aus, wenn die identifizierten Wissensbestände in die vier oben ausgearbeiteten Wissenskategorien differenziert werden (Tabelle 3.2). Selbst die beiden mutmaßlich wichtigen Kategorien des sekundären und epistemischen Wissens bleiben quantitativ eher Randerscheinungen. Instrumentelles Wissen, vor allem aber das Wissen über Geräte ist quasi nicht vorhanden. Der Kosmos, so scheint es zunächst, spielte im Südosten, wenn überhaupt, eine eher untergeordnete Rolle. Trotz dieses geringen Umfangs lassen sich aber dennoch einige wichtige und signifikante Beobachtungen über den sich wandelnden Status dieses Wissens im Verlauf des frühen und hohen Mittelalters feststellen. Hierzu ist es notwendig, die einzelnen Katalogeinträge chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer Verzeichnung zu
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Figur 3.28. Anteil des Kosmoswissens am Gesamtbestand der Bibliotheken. Das Diagramm verzeichnet den Anteil des Kosmoswissens am Gesamtbestand in Prozent differenziert in die Jahrhunderte der Abfassung der verzeichnenden Kataloge, wobei für das 13. Jahrhundert lediglich Kataloge bis ca. 1225 berücksichtigt wurden. Diagramm des Autors.
ordnen. Fig. 3.28 verdeutlicht den prozentualen Anteil der jeweiligen kosmologischen Wissensbestände am Gesamtbestand des verzeichneten Wissens aufgeteilt auf die jeweiligen Jahrhunderte, wobei für das 13. Jahrhundert lediglich Kataloge bis zum Jahr 1225 berücksichtigt wurden. Außerdem ist hier zu beachten, dass die Kataloge in der Regel retrospektiv verzeichnen. In den Katalogen des frühen 13. Jahrhunderts manifestieren sich also Entwicklungen des späten 12. Jahrhunderts, Entwicklungen in den Katalogen des 12. Jahrhunderts können ins 11. Jahrhundert zurückreichen, und so weiter. Die chronologische Differenzierung der Wissensbestände zeigt einen eindeutigen Befund: Bis zum Beginn des hohen Mittelalters bleibt der Anteil des Kosmoswissens am Gesamtbestand relativ konstant bei etwa 4%, bis die Kataloge des 12. Jahrhunderts einen moderaten Anstieg auf 5% bezeugen. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts hingegen lässt sich ein signifikanter Sprung auf fast 8% feststellen, was eine Verdopplung des Anteils im Verlauf des hohen Mittelalters bedeutet. Zunächst kämen verschiedene Gründe für diesen deutlichen Anstieg in Frage. So wäre es möglich, dass er mit der Etablierung der neuen Reformorden zusammenhängt, die vor dem 12. Jahrhundert schlicht nicht existierten. Da man diesen Orden mit einigem Recht ein gesteigertes Interesse an religiösem Wissen in Folge der sich dort entwickelnden monastischen Theologie unterstellen könnte,504 wäre es naheliegend, den dargestellten Trend mit einem gesteigerten
504 Vgl. zur Übersicht Moeglin, ‚Träger und Modalitäten des Austauschs‘, S. 61–63.
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Figur 3.29. Anteil der einzelnen Wissenszeugen der Reformorden am Gesamtbestand. Das Diagramm setzt den jeweiligen Anteil der vier Bereiche des Kosmoswissens für die Reformorden in einen Vergleich mit dem Anteil aller Institutionen des Südostens. Abkürzungen: SW = Sekundäres Wissen, EW = Epistemisches Wissen, IW = Instrumentelles Wissen, GW = Gerätewissen.
Interesse an sekundärem Wissen, etwa exegetischer Natur, in diesen Orden in Verbindung zu bringen. Im Südosten handelte es sich hierbei um Zisterzienser und Prämonstratenser, deren Interessen in überlieferten Katalogen greifbar werden.505 Auch in diesem Fall ist die Datenlage eindeutig (Fig. 3.29). Instrumentelles Wissen und Gerätewissen lässt sich für diese Institutionen überhaupt nicht nachweisen, tatsächlich finden sich in den Katalogen dieser Orden nur Wissensbestände aus den Bereichen des sekundären und epistemischen Wissens. Während gerade die Prämonstratenser auch dort lediglich marginales Interesse zeigen, bestätigt sich im Falle der Zisterzienser der oben geäußerte Verdacht: Mit 6% war es bei diesem Orden vor allem der Bereich des sekundären Wissens, der als Quelle von Wissen über den Kosmos diente. Da 6,4% aber unter dem allgemeinen Anteil kosmologischen Wissens aller Institutionen von 7,8% liegt, scheiden die Reformorden als Triebfedern des festgestellten Trends aus. Die Triebfeder dieses Anstiegs muss daher in den traditionellen Institutionen der Region zu finden sein, also bei Benediktinern, Chorherren und Dombibliotheken. Fig. 3.30 verdeutlicht den Anteil des Kosmoswissens in diesen Institutionen 505 Zwei Kataloge geben Einblick in die Bestände der regionalen Prämonstratenserklöster: Bücherverzeichnis (Nr. 103), hg. von Glauche und andere; Bücherliste (Nr. 72), hg. von Gottlieb; vier Kataloge stehen für die zisterziensischen Häuser zur Verfügung: Verzeichnis der Bibliothek (Nr. 63), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff; Liste der Bücher (Nr. 123), hg. von Glauche und andere; Katalog zwischen 1134 und 1147 (Nr. 6), hg. von Gottlieb; Verzeichnis der Klosterbibliothek (Nr. 1), hg. von Paulhart.
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Figur 3.30. Anteil Wissensbestände traditioneller Institutionen am Bibliotheksbestand. Das Diagramm vergleicht den Anteil der vier Wissensbereiche des Kosmoswissens traditioneller Institutionen am Gesamtbestand der Bibliotheken differenziert nach dem frühen (Kataloge des 8. bis 11. Jahrhunderts) und hohen Mittelalter (Kataloge des 12. und 13. Jahrhunderts). Abkürzungen: SW = Sekundäres Wissen, EW = Epistemisches Wissen, IW = Instrumentelles Wissen, GW = Gerätewissen.
differenziert nach den vier Wissenskategorien jeweils für das frühe und hohe Mittelalter. Dabei wird deutlich, dass es vor allem der Bereich des epistemischen Wissens ist, der einem deutlichen Anstieg unterworfen ist, von 1% auf fast 3%. Geringer wächst das sekundäre Wissen, das instrumentelle Wissen verliert hingegen an Relevanz, was für eine gewisse Sättigung dieses Wissensbereiches spricht. Wissen über Geräte findet sich insgesamt zwar nur in äußerst geringen Mengen, verglichen mit dem frühen Mittelalter ist allerdings festzustellen, dass es nun zum ersten Mal überhaupt eine Verbreitung findet. Bedenkt man, dass dieses Wissen wohl einer kleinen Gruppe von Experten vorbehalten war – vom Hirsauer apocrisarius wird noch zu sprechen sein –, kommt dieser geringen Zahl doch ein gesteigertes Gewicht zu. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bibliothekskataloge der Region das aus der handschriftlichen Überlieferung gewonnene Bild eines zunehmenden Interesses am Kosmos im Verlauf des hohen Mittelalters bestätigen, auch wenn dieses Interesse in Relation zu den Gesamtbeständen der Bibliotheken eher gering ausfällt. Etwa ab der Mitte des 11. Jahrhunderts lässt sich eine deutliche Zunahme kosmologischer Wissensbestände identifizieren, die ihre Spuren in den Bibliothekskatalogen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts hinterlassen hat. Träger dieser Zunahme waren weniger die neuen, im 12. Jahrhundert entstandenen Orden, sondern gerade die traditionelle Wissenslandschaft, bestehend aus Kathedralen und dem benediktinischen Mönchtum, dessen Rolle für die Wissenskultur des hohen Mittelalters in der Nachfolge Haskins zuweilen als im Niedergang begriffen beschrieben
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wurde.506 Entgegen dieser These muss zumindest für den Südosten betont werden, dass vor allem diese Institutionen – etwa das im Fallbeispiel vorgestellte Kloster Prüfening – die Triebfedern einer kulturellen Blüte im Bereich des Kosmoswissens im hohen Mittelalter darstellten. Dass diese Blüte inhaltlich nicht nur aus religiösem und konservativem Wissen bestand, wie besonders der deutschen Klosterlandschaft gerne unterstellt wurde,507 zeigt die wichtige Rolle des epistemischen Wissens, das zunehmend ins Zentrum des Interesses rückte, also Wissen aus dem Bereich der Naturphilosophie oder Astronomie. Dieser Befund ließe sich ganz im Sinne der von Andreas Speer herausgearbeiteten „Entdeckung der Natur“ in der Naturphilosophie des 12. Jahrhunderts deuten: An die Stelle der symbolisch-spekulativen Interpretation der Natur […] tritt zunehmend ein originäres Interesse an der Struktur, Konstitution und Eigengesetzlichkeit der physisch-physikalischen Realität, welche die Vernunft ohne Rückgriff auf traditionelle, theologisch bestimmte Deutungsmuster als in sich sinnvolle Größe zu erfassen vermag.508 Die anhand der mittelalterlichen Bibliothekskataloge gewonnenen Daten sprechen nun dafür, dass sich diese als Entdeckung der Natur bezeichnete Entwicklung auch (und vielleicht gerade) im Klostermilieu des Südostens vollzog. Gleichzeitig geht aus den Daten auch ein weiteres Phänomen hervor, das als wesentlich für die wissenschaftshistorischen Entwicklungen des 12. Jahrhunderts bezeichnet wurde, nämlich die Nutzung aus dem arabischen Raum importierter und weiterentwickelter Instrumente, die den ehemals theoretisch ausgerichteten astronomischen Teil des Quadriviums zunehmend mit einer praktischen und instrumentalen Komponente versahen.509 Auch wenn der absolute Umfang entsprechender Wissensbestände mit 0,3% im Südosten im hohen Mittelalter sehr gering ausfällt, so belegt er doch, dass die Transformation althergebrachter Methoden auch in der Region einen Wandel in bestimmten Bereichen des Kosmoswissens auslöste. Sowohl die quantitative Analyse der Überlieferung als auch der mittelalterlichen Bibliothekskataloge zeigen damit sehr deutlich, dass das hohe Mittelalter im Bereich des Kosmoswissens zumindest im Südosten nicht nur als das Zeitalter einer – moderaten – kulturellen Blüte zu gelten hat, sondern auch den Schauplatz eines qualitativen Wandels des kosmologischen Wissens darstellte, der in einem zunehmend praktischen Interesse an der physikalischen Struktur des Kosmos mündete. Dieser Wandel und seine Konsequenzen sollen in den folgenden Abschnitten anhand eines Fallbeispiels aus dem Regensburger Kloster St. Emmeram genauer beleuchtet werden.
506 Vgl. Haskins, The Renaissance of the Twelfth Century, S. 47; ihm folgt etwa Grant, The Foundations of Modern Science, S. 20. 507 Vgl. Thomson, ‚The Place of Germany‘, S. 20. 508 Speer, Die entdeckte Natur, S. 1. 509 Vgl. zur Übersicht über das einschlägige Instrumentarium Poulle, ‚Les instruments astronomiques‘; zur Rolle dieser Instrumente für die Transformation des Quadriviums im 12. Jahrhundert vgl. Beaujouan, ‚The Transformation of the Quadrivium‘, S. 471–72.
Kapitel 4.
Der Kosmos im Wandel: Innovationsprozesse in Regensburger Klöstern
Ziel der vorangegangenen Abschnitte war es, die Paradigmen der Forschung über Rolle und Stellung des hohen Mittelalters und des Südostens in der Wissensgeschichte des Kosmos zu prüfen. Dabei sollte die Frage, ob sich in dieser Zeit eine kulturelle Blüte oder gar Renaissance abspielte, und ob es in diesem Zuge zu einer Entdeckung oder zumindest Neubewertung der Natur kam, statt auf Grundlage eines close readings einschlägiger Texte durch quantitative Methoden analysiert werden. Hierfür standen die handschriftliche Überlieferung kosmologischer Wissensbestände sowie deren Verzeichnung in mittelalterlichen Katalogen im Fokus. Wenngleich sich der absolute Anteil des Kosmoswissens auf eine eher geringe Zahl beschränkte, so zeigte diese Analyse besonders für die Untersuchungsregion einen signifikanten Anstieg kosmologischer Wissensbestände im Verlauf des hohen Mittelalters. Dabei beschränkte sich diese Entwicklung nicht auf den Umfang des Wissens, auch dessen Zusammensetzung änderte sich zugunsten des primären Wissens (vor allem epistemisches Wissen und Gerätewissen). Auch wenn mit dieser Feststellung noch nicht die Charakterisierung der Zeit als Renaissance oder Epoche der Naturentdeckung begründet werden kann, so deuten diese Befunde darauf hin, dass sich im hohen Mittelalter ein Innovationsprozess vollzog, der auch auf der qualitativen Ebene zu Veränderungen des bis dato etablierten Kosmoswissens führte.1 Im Folgenden soll daher versucht werden, diesen Prozess zu identifizieren und seine Ursachen und Wirkungen zu analysieren. Dabei soll zunächst geprüft werden, ob sich tatsächlich Innovationsprozesse fassen lassen, die als Ursache der quantitativen Veränderungen im Bestand des Kosmoswissens gelten können, worin diese Neuerungen bestanden, und was als ihre Ursache und Triebfeder zu gelten hat. Daran anknüpfend geht
1 An dieser Stelle sei betont, dass der Innovationsbegriff in dieser Arbeit nicht normativ gedeutet wird. Innovation wird hier nicht im Sinne eines stets positiv konnotierten und teleologisch aufgeladenen Fortschritts verstanden, also als „die zeitliche Abfolge von Zuständen, die eine stets höhere Vollkommenheit erlangen“ und somit aus der „Unvollkommenheit des Lebens“ einer defizitären Vergangenheit führen. Vgl. hierzu vor allem Hesse und Oschema, ‚Aufbruch im Mittelalter‘ sowie Schmidt, ‚Einleitung: Ist das Neue das Bessere?‘, die vorangegangenen Zitate dort, S. 9. Stattdessen bezeichnet der Begriff Innovation in dieser Arbeit wertneutral und im Bewusstsein der möglichen Kontingenz der weiteren historischen Entwicklung die Entstehung und zumindest zeitweilige Durchsetzung sozialer und technischer Neuerungen, die in verschiedenen Formen – neue Methoden, Instrumente oder Theorien zum Beispiel – und mit unterschiedlichen Auswirkungen auftreten können: als revolutionärer Paradigmenwechsel, aber auch in kleinerem Maßstab im Rahmen der begrenzten Erweiterung etablierten Wissens. Vgl. hierzu Heinze und Münch, ‚Intellektuelle Erneuerung‘, S. 18–19. Ob diese Neuerungen tatsächlich zu einer Optimierung eines bestehenden Zustandes führen, ist hierfür nebensächlich und letztlich eine Frage des Betrachters.
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es um die Frage, wie tiefgreifend dieser Prozess gewesen ist, sprich, ob es sich dabei um eine begrenzte Erweiterung des bestehenden Wissens durch die behutsame Integration von Neuem handelte, um eine signifikante Transformation des Tradierten oder gar um einen radikalen Paradigmenwechsel. Und weiter: Welche soziale Reichweite muss diesem Prozess zugesprochen werden? Beschränkten sich die Entwicklungen auf das enge Feld des Kosmoswissens oder hatten sie Auswirkungen auf andere soziale Felder? Klar ist, dass sich diese Fragen nicht alleine durch die Lektüre und Interpretation von Texten klären lassen, in denen sich neues Wissen zwar diskursiv manifestiert – zum Beispiel in Texten über das Astrolab oder Astrologie –, die Entwicklung von neuem Wissen aber in der sozialen Praxis diesen Texten vorgelagert ist:2 Hier kämen – vorerst mutmaßlich – als Auslöser zum Beispiel geänderte Ressourcen und Reichweiten zur Erweiterung des Wissenshorizontes infrage, die die Rezeption arabischen Wissens erst ermöglichten; oder eine veränderte institutionelle Einbettung dieses Wissens, etwa durch sich verändernde Netzwerke und das Aufkommen der neuen Orden; oder eine veränderte Funktion des Wissens. Auch geänderte Praktiken, etwa die Nutzung des Astrolabs für kosmologische Fragestellungen sind in diesem Zusammenhang auffällig. Prozesse von Innovation müssen daher dort untersucht werden, wo sie sich in ihrer ganzen Dynamik abspielen, nämlich auf der soziokulturellen Ebene. Hierfür ist es – wie in der Einleitung herausgearbeitet – notwendig, die Untersuchung auf ein konkretes und örtlich begrenztes Fallbeispiel zu beschränken, dessen soziokulturelles System beschrieben und interpretiert werden kann. Dieses Fallbeispiel muss verschiedene Kriterien erfüllen. Zunächst muss sichergestellt sein, dass sich die vermuteten Innovationsprozesse tatsächlich vollzogen. Die quantitativen Entwicklungen des Kosmoswissens lassen sich zwar vor allem im Verlauf des 12. Jahrhunderts fassen, allerdings scheint dies eher eine Folge der zunehmenden Durchsetzung von bereits initiierten Innovationsprozessen zu sein. Deren Entstehung ist daher bereits ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts zu suchen, weshalb sich die folgende Fallstudie auf diese Zeit konzentrieren wird. Als lohnendes Untersuchungsobjekt erscheint erneut das Regensburger Kloster St. Emmeram. Nicht nur wurde bereits nahegelegt, dass diese Institution bereits im 11. Jahrhundert ein Zentrum kosmologischen Wissens war, das den verschiedenen Neuerungen der Zeit offen gegenüberstand. Vor allem bietet das Kloster innerhalb der Mauern Regensburgs eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Quellen, durch die sich das soziokulturelle System, in dem sich etwaige Innovationsprozesse vollzogen, rekonstruieren lässt.
Ursachen: Innovation durch Irritation Das Astrolab und seine Konstruktion in St. Emmeram
Die Untersuchung führt also erneut innerhalb der Stadtmauern Regensburgs, nach St. Emmeram. In der Mitte des 11. Jahrhunderts befand sich das Kloster in
2 Fleck, ‚Zur Krise der Wirklichkeit‘, S. 50; Geertz, ‚Thick Description‘, S. 5.
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einer schwierigen und dynamischen Situation. Um die Jahrhundertwende hatte Bischof Wolfger nicht nur den Abt Ramwold, sondern auch die Gorzer Reform nach St. Emmeram gebracht, und sich auch sonst sehr um das Kloster verdient gemacht. Im Lauf der nächsten Jahrzehnte verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Kloster und Bistum allerdings zusehend und führte zu ökonomisch und politisch motivierten Konflikten. Trotz dieser Widrigkeiten muss konstatiert werden, dass das 11. Jahrhundert aus kultureller Sicht einen Höhepunkt in der Geschichte des Klosters darstellte.3 Dieser Aufschwung im literarischen und künstlerischen Leben St. Emmerams manifestiert sich in vielen unterschiedlichen Bereichen und literarischen Erzeugnissen,4 führt wie bereits geschildert aber auch zu einer zunehmenden Horizonterweiterung im Bereich des Kosmoswissens: Geographisch vervollständigten die Reisen Hartwics nach Frankreich die Wissensbestände, von wo er bislang unerreichbare Texte ins Kloster brachte, aber auch inhaltlich führte die Rezeption der neu in den lateinischen Kulturkreis gelangten Texte im Zusammenhang mit dem Astrolab zu einer Intensivierung des Wissens. Die Motivation zu dieser Wissenserweiterung entsprang wohl aus der Klostergemeinschaft selbst, in der ein reges Interesse am Kosmos und seiner Erschließung vorhanden gewesen sein muss. Die Suche nach ersten Hinweisen auf dieses Interesse führt in den Kreuzgang des Klosters, wo der berühmte Autor und Lehrer Otloh – Bischoff bezeichnet ihn gar als den „interessantesten Schriftsteller[…] des 11. Jahrhunderts“5 – etwa um das Jahr 1055 mit deutlicher Verbitterung die bereits in der Einleitung zitierten Zeilen auf Pergament bannte: „Haec igitur ac his similia spiritualis intelligentiae dicta, quae in libris meis inveniri possunt scripta, et investigare et scribere studui, cum multos prudentiae saecularibus amatores cernerem occupatos in sphaerae et horologii et astrolabii labore, nec non in varia stellarum contemplatione.“6 (Ich pflegte diese und ähnliche Themen, die die geistliche Erkenntnis betreffen und die man in meinen Bücher geschrieben finden kann, zu untersuchen und zu behandeln, als ich merkte, dass es viele Liebhaber der Erkenntnis in den weltlichen Dingen gab, die mit der Arbeit an Sphäre, Uhr und Astrolab und nicht weniger auch in der vielfältigen Beobachtung der Sterne beschäftigt waren.) Es habe also in seinem Kloster eine Reihe von Liebhabern der weltlichen Wissenschaften gegeben, die sich mit Sphären, Horologien – damit können verschiedene Instrumente gemeint sein7 –, dem Astrolab und der genauen Beobachtung der Sterne beschäftigt hätten. Diese nicht weiter präzisierten Bemerkungen lassen sich durch weitere Quellen aus dem Kloster näher beleuchten, insbesondere durch die Beschreibungen wissenschaftlicher Tätigkeiten durch Wilhelm von Hirsau, den Otloh gewohnt kritisch als besonders missbilligendes Beispiel für die Umtriebe dieser Gruppe hervorhebt, freilich ohne seinen Namen
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Vgl. Fuchs, ‚Das Reichsstift St. Emmeram‘, S. 734. Vgl. Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 79–107. Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 88. Otloh von St. Emmeram, Summa dictorum, hg. von Migne, Sp. 136. Vgl. zu den verschiedenen Begrifflichkeiten Poulle, ‚Astrolabium, astrolapsus, horologium‘.
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zu nennen und eher als mahnendes und abschreckendes Beispiel:8 Er, Otloh, kenne einen besonders aufgeweckten Bruder, den er selbst in den verschiedensten Disziplinen und insbesondere der Musik (als Teil des naturwissenschaftlichen Quadriviums) unterwiesen habe. Alsbald habe dieser aber das überkommene Wissen der Väter verachtet (contempsit), und nach eigener Kenntnis und Überheblichkeit korrigiert (emendavit) – ein für den konservativen Klosterlehrer offenbar ganz und gar ungehöriger Vorgang.9 Mit Wilhelm lässt sich nun ein Akteur der von Otloh geschilderten Vorgänge in St. Emmeram namentlich fassen, dem eine gewichtige Rolle im Rahmen des zu untersuchenden Innovationsprozesses zugetraut werden kann. Schließlich galt er als eine herausragende Gestalt der Geschichte des benediktinischen Mönchtums im hohen Mittelalter. Ab 1069, nach seiner Zeit in St. Emmeram, machte er als Abt des schwäbischen Reformklosters Hirsau von sich reden und gilt heute als Begründer der sogenannten Hirsauer Reformbewegung, deren Bedeutung für die hochmittelalterliche Geschichte Süddeutschlands kaum zu überschätzten ist. Glücklicherweise war er seinen Zeitgenossen nicht nur als kirchenpolitisch wichtiger Abt in Erinnerung geblieben, sondern auch aufgrund seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistungen, die er noch in St. Emmeram erbracht hatte und von denen sie berichten. So schildert der Chronist Bernold von Konstanz – und ihn zitierend Wilhelms Biograph Haimo – kurz nach dessen Tod im Jahre 1091 die umfassenden und herausragenden Kenntnisse des Abtes auf den verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaft: Hic etiam multa monimenta sui naturalis ingenii nobis reliquit. Nam naturale horologium ad exemplum celestis hemisperii excogitavit, naturalia solsticia sive equinoctia et statum mundi certis experimentis invenire monstravit, quae omnia quidam eius familiaris etiam literis mandare curavit. Multas etiam questiones de compoto probatissimis rationibus enodavit. Hic in musica peritissimus fuit, multaque illius artis subtilia, antiquis doctoribus incognita, elucidavit. Multos etiam errores in cantibus deprehensos satis rationabiliter ad artem correxit. In quadruvio sane omnibus pene antiquis videbatur praeminere.10 (Er hat uns auch viele Denkmäler seiner natürlichen Begabung [gemeint ist wohl: Begabung für naturwissenschaftliche Fragestellungen, Anm. d. V.] hinterlassen. Er ersann nämlich nach dem Vorbild der Halbkugel des Himmels ein natürliches Horologium; er demonstrierte, wie man durch zuverlässige Versuche die natürlichen Sonnenwenden oder Tagundnachtgleichen und den Stand der Erde findet; und dies alles hat ein gewisser Vertrauter von ihm schriftlich aufzuzeichnen sich bemüht; auch viele Fragen aus der Komputistik hat er auf die trefflichste Weise gelöst. In der Musik war er sehr erfahren und
8 Vgl. Dümmler, ‚Über den Mönch Otloh von St. Emmeram‘, S. 1079, Anm. 5; Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 110, Anm. 4. 9 Vgl. Otloh von St. Emmeram, Summa dictorum, hg. von Migne, Sp. 136. 10 Bernold von Konstanz, Bernoldi Chronicon, hg. von Robinson, a. 1091, S. 486 in der Ausgabe von 2003; fast wortgleich zitiert bei Haimo von Hirsau, Vita Willihelmi, hg. von Pertz, 1, S. 211.
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hellte viele Feinheiten in dieser Kunst auf, die den alten Lehrern unbekannt waren, auch viele Irrtümer, die er in Gesängen vorfand, verbesserte er sehr vernünftig und kunstgemäß. Jedoch im Quadrivium schien er fast allen Alten überlegen zu sein.)11 Neben Otlohs Tadel und Bernolds Panegyrik erlaubt auch eine dritte Quelle einen Einblick in die Interessen Wilhelms und die Vorgänge im Kloster: Wilhelms eigener Bericht, die sogenannte Astronomia, die sich allerdings nur fragmentarisch erhalten haben und ursprünglich Teil eines umfassenderen Textes waren, dessen Textgeschichte im Anhang ausführlich diskutiert und die erhaltenen Überreste herausgegeben und übersetzt werden (vgl. Text-Anhang, S. 307). Sie beinhalten einen zweigeteilten fiktiven Dialog zwischen Wilhelm und Otloh über die Disziplinen der Astronomie und Musik, der, anders als durch Bernold suggeriert, wohl doch aus Wilhelms eigener Feder stammen dürfte. Während sich besonders der zweite Teil dieses Werkes, über die Musik, großer Beliebtheit erfreute und in mehreren Handschriften noch heute erhalten ist, liegt seine Astronomia im Vergleich zur Musica nur als kurzer Auszug in einer einzigen Handschrift vor, nämlich im bereits im Kontext der Astrolabliteratur genannten München, BSB, MS Clm. 14689. Der Text selbst, der wie auch das Schwesterwerk Musica etwas vor 1069 verfasst worden sein muss,12 geriert sich als eine getreue Niederschrift eines realen Gesprächs zwischen einem W. und einem O., die sich – obgleich in den Quellen meist anonymisiert – dank verschiedener Bemerkungen in den Musica recht sicher als Wilhelm und Otloh identifizieren lassen.13 Als Wilhelm sich demnach eines Tages nach dem Gottesdienst zur eingehenden inneren Prüfung zurückzog, sei es vor allem sein intensives Interesse am Quadrivium und der Astronomie gewesen, das sein Gewissen schwer belastet habe. Da sein liebster Freund Otloh dies zufällig bemerkt, setzt dieser – man beachte die Ironie angesichts Otlohs bitterer Klage über die Zustände in seinem Kloster – zu einer umfassenden Verteidigung und Begründung dieser Studien an, und bewegt Wilhelm schließlich dazu, ihm seine umfangreichen Kenntnisse nicht nur zu vermitteln, sondern sie auch festhalten zu dürfen. Wilhelm willigt ein und legt seinem Freund in zwei Tagen zunächst seine Kenntnisse im Bereich der Astronomie und dann über die Musik dar, die dieser angeblich eifrig verschriftlicht: „Sed ea mercede obtempero ut, quia ego figuris adhuc et pluribus instrumentis ad ista pertinentibus graviter occupandus sum, tu collationem nostram literis quemadmodum promisisti replicatam expedias“14 (Aber 11 Bernold von Konstanz, Bernoldi Chronicon, hg. von Robinson, a. 1091, S. 377 (WBG-Ausgabe von 2002). 12 Eine Prüfeninger Quelle des 12. Jahrhunderts berichtet, Wilhelm habe die Musik aufgrund seiner Berufung nach Hirsau nicht vollenden können, eine Einschätzung, die die Forschung heute teilt, vgl., den Forschungsstand zusammenfassend, Worstbrock, ‚Art. Wilhelm von Hirsau OSB‘, Sp. 1104–06; zur Frage des Abfassungszeitpunktes vor allem Bultot, ‚Quadrivium, natura et ingenium naturale‘, S. 19 insbesondere Anm. 39. 13 Vgl. mit Verweis auf vorangegangene Forschungsdiskussion Bischoff, ‚Literarisches und künstlerisches Leben‘, S. 94–95. 14 Text-Anhang, S. 314.
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ich gehorche mit Blick auf den Lohn, dass du nämlich unser Gespräch wiedergibst und niederschreibst, so wie du versprochen hast, weil ich mich mit den Diagrammen und verschiedenen Instrumenten, die zu diesen Themen passen, immer noch schwer beschäftigen muss.)15 Auch wenn Bernolds Bemerkung, ein Freund habe Wilhelms Ergebnisse niedergeschrieben, diesen Anspruch zu bestätigen scheint, so ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass sich gerade der kritische Otloh mit solchem Eifer der Verbreitung von Wilhelms Forschungen widmete.16 Wahrscheinlicher ist, dass sich Wilhelm durch die Inszenierung des Texts als reales Zwiegespräch eines rhetorischen Tricks bediente: Nicht nur gab diese Inszenierung ihm die Möglichkeit, die Rechtfertigung seines Tuns einem inhaltlichen Widersacher selbst in den Mund zu legen, vor allem konnte er so die eigenen Leistungen unbefangener loben, eine Möglichkeit, von der er ausgiebig Gebrauch machte.17 Dass sich Wilhelm mit Otlohs Kritik auseinandersetzte, zeigt zum Beispiel dessen Einwilligung in das fiktive Angebot Otlohs, die Niederschrift des Gesprächs zu übernehmen, weil er sich gerade mit astronomischen Diagrammen und Instrumenten beschäftigen müsse. Gerade die begriffliche Parallelität zu Otlohs Kritik (occupatus und occupandus) verdeutlicht den geradezu ironischen Umgang mit den Vorwürfen, denen sich Wilhelm wohl von einigen Mitbrüdern ausgesetzt sah. Es ist also durchaus Vorsicht geboten, wenn sich Wilhelm in diesem Text als der intellektuelle Kopf und Lehrer einer Gruppe astronomisch interessierter Personen vorstellt und dies aufgrund der damit einhergehenden Ablenkung von seinen Aufgaben (wohl unter Krokodilstränen) gleich zu Beginn des Prologs wortreich bedauert: Interque speciale doloris augmentum ceterisque passionum oneribus quodammodo gravius illud occurrit animo, quod, nescio qua violenti divini nutus potentia coactus, ad totius, quid est quadruvii maxime autem ad astronomie studium me penitus contulerim et quod interim, dum in eadem disciplina mihi soli laborare proposueram, inopinata quorundam etiam peritissimorum inquietarer frequentia quodque, dum his singulis a me, ut ad ipsam artem introducantur, exigentibus obedire studuerim, non solum a superne contemplationis celsitudine, sed et a debito cottidiane servitutis dei gradu me viderim deiectum. (Dabei empfand ich in der Seele einen zunehmenden Schmerz und es fiel mir unter der weiteren Last des Leidens noch gravierender auf, dass ich mich nicht nur von der Höhe der göttlichen Kontemplation, sondern auch von der Stufe des täglich geschuldeten Gottesdienstes gestürzt sah, weil – ich weiß nicht durch welche Kraft der gewaltigen göttlichen Fügung gezwungen –, ich mich ganz und gar dem Studium des gesamten Quadriviums, insbesondere der Astronomie, gewidmet hatte, und weil ich – obwohl ich mir vorgenommen 15 Text-Anhang, S. 318. 16 Vermutlich hatte der Chronist Bernold den Text des Prologs nebst Astronomia selbst vor Augen, bedient er sich doch in recht auffälliger Weise der Fachterminologie, die sich auch bei Wilhelm findet, etwa die recht eigenartige Begrifflichkeit des status mundi. 17 Vgl. zur bisher maßgeblichen Analyse dieser Rechtfertigung Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 142–54.
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hatte, mich alleine mit dieser Disziplin zu beschäftigen –, mittlerweile durch das ungefragte Drängen von irgendwelchen Menschen gestört wurde, die, obgleich sehr kundig, von mir verlangten, in diese Kunst eingeführt zu werden, und ich versuchte, diese Einzelnen zu befriedigen.)18 Da Wilhelm etwa 1030 geboren wurde und bereits als Kind nach St. Emmeram kam, ist es durchaus wahrscheinlich, dass er bereits vor der Jahrhundertmitte Teil einer astronomisch interessierten Gruppe im Kloster gewesen war. Etwas später, vielleicht in den 60er Jahren des 11. Jahrhunderts, konnte er wohl wirklich eine gewichtige Lehr- und Leitungsposition innerhalb dieser Gruppe in Anspruch nehmen.19 Wilhelms Interessen galten wohl weniger einer Astronomie, wie sie die Karolingerzeit kannte, sondern vor allem der Herstellung astronomischer Instrumente. Dies bezeugt er selbst, indem er – Otloh für die Niederschrift seiner Worte dankend – betonte, dass der Bau von Instrumenten und die Herstellung von Diagrammen ihn, wie bereits zitiert, ganz und gar in Anspruch nehme. Bedenkt man, dass es neben einer Hinwendung zum epistemischen Wissen gerade das Auftreten von Gerätewissen war, welches als wesentliches Merkmal der kosmologischen Wissenskultur des hohen Mittelalters zu gelten hat, ist Wilhelm und seinen Mitbrüdern in Regensburg eine gewichtige Rolle in den damit in Zusammenhang stehenden Innovationsprozessen zuzutrauen. Auch neuere Untersuchungen zur Geschichte der astronomischen Instrumente im 11. Jahrhundert legen dies nahe.20 Wilhelm nennt einige dieser Instrumente selbst im Zusammenhang mit seinen Interessen und bestätigt damit Otlohs Bericht weitgehend: Vor allem die Sphären, Horologien und das Astrolab hatten es ihm laut Prolog angetan, wenngleich seine Bemühungen zunächst nicht vom Erfolg gekrönt waren: Igitur a solstitiis et equinoctiis ordo adinventionum nostrarum sumit exordium, quia horum adhuc naturalem terminum ignorans multa fateor et in spericis rationibus et in horologicis institutionibus et in astrolabicis subtilitatibus et in illa, ad quam modo tendimus, mundani status diversitate frustra laborabam. (Nun aber nimmt die Darlegung unserer Erfindungen ihren Anfang mit den Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen, weil ich, das bekenne ich, aufgrund meiner bisherigen Ignoranz des Zeitpunkts ihres natürlichen Auftretens sowohl in der Lehre der Sphäre als auch in der Wissenschaften der Uhren und in den Feinheiten des Astrolabs sowie bezüglich jener Unterschiedlichkeit der 18 Text-Anhang, S. 312. 19 Vgl. zur Biographie Wilhelms vor allem die lexikalischen Überblicke bei Worstbrock, ‚Art. Wilhelm von Hirsau OSB‘; Bischoff, ‚Art. Wilhelm von Hirsau‘; Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur, iii, S. 220–26; dazu die jüngsten Überblicke bei McCarthy, Music, Scholasticism and Reform, S. 31–33; Engelbert, ‚Wilhelm von Hirsau und Gregor VII‘; Pfaff, ‚Abt Wilhelm von Hirsau‘. Wenig ergiebig ist die Biographie Urban, Wilhelm von Hirsau, sowie die älteren und tendenziösen Studien von Kerker, Wilhelm der Selige, Abt von Hirschau; Helmsdörfer, Forschungen zur Geschichte des Abtes Wilhelm von Hirschau; Aus’m Thal, ‚Wilhelm von Hirschau‘. 20 So vermuten Jacquemard et al. eine wichtige Rolle St. Emmerams für die Weiterentwicklung des Quadranten und der Säulchensonnenuhr, vgl. Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘.
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Lage der Welt [gemeint ist der Breitengrad, Anm. d. V.], die wir herausfinden wollten, vergeblich arbeitete.)21 Während die Identifikation der anderen Instrumente vorerst noch unklar bleiben muss, lässt sich das Astrolab eindeutig identifizieren. Spätestens ab Mitte des 11. Jahrhunderts, vielleicht bereits in dessen ersten Hälfte, verfügten die Liebhaber der weltlichen Wissenschaften in Regensburg offenbar über Kenntnis dieses Geräts. Ihre erste Begegnung mit der Astrolabliteratur dürfte entsprechend der weiter oben etablierten These zu deren Überlieferung wohl durch eine frühe Fassung von De utilitatibus astrolabii gewesen sein, wie sie heute noch in den Emmeramer Handschriften München, BSB, MS Clm. 14736 und München, BSB, MS Clm. 14689 überliefert ist. Sie beinhaltete also einen vorangestellten Prolog, den eigentlichen Text J, angereichert mit Auszügen der älteren Fassungen J’a und J’, und außerdem Derivate der frühen Anleitungen zu dessen Konstruktion sowie Auszüge aus der Geometria incerti auctoris. Bereits der Prolog Ad intimas versprach den Mönchen Exotisches: Ein Instrument mit dem fremden Namen Wazzalcora, das die Lateiner plana spera – flache Sphaera – oder auch Astrolab nannten und das eine flache und modelhafte Abbildung der Himmelssphäre darstellen sollte, die wohl auf Ptolemäus zurückgeht.22 Viel stellte auch der unbekannte Autor des Astrolabtexts23 etwas später über dieses Wundergerät in den Handschriften in Aussicht: Nicht nur könne es den Lauf von Sonne und Sternen realistisch simulieren, vor allem – hier horchten die Regensburger Mönche sicherlich interessiert auf – ermögliche es die genaue Berechnung der Zeit bei Tag und bei Nacht, was äußert nützlich sei für die korrekte Ausübung des Stundengebets, bei dem man sich keinesfalls auf falsche Uhren verlassen dürfe.24 Diese Wazzalcora, so beschreibt es der Autor weiter im Detail, sei eine gerundete Scheibe, die mit einem Ring als Aufhängung versehen war, damit man sie zur Anpeilung eines Himmelskörpers hochheben könne. Auf der Vorderseite habe sie eine erhöhte Umrandung, die auf Arabisch Alnogiza heiße, in deren Hohlraum verschiedene dünne Scheiben eingelegt werden könnten.25 Auf diesen Scheiben seien verschiedenen Kreise und Linien eingezeichnet, die den Himmel für ein bestimmtes clima, also Breitengrad, repräsentierten bzw. seine Beobachtung erleichterten. Drei Kreise stünden für den Lauf der wichtigsten Sternbilder der Ekliptik: Ganz innen der Wendekreis des Krebses, in dem die Sonne im Sommer ihren höchsten Stand am Himmel einnimmt, ganz außen der Wendekreis des Steinbocks, der den niedrigsten Aufgang der Sonne im Winter markiert, und in der Mitte der Kreis der Tagundnachtgleiche, der durch den Beginn der Sternbilder Widder und Waage verläuft.26 Außerdem seien zwischen diesen Kreisen Stundenlinien eingezeichnet,
21 Text-Anhang, S. 319. 22 Vgl. Ad intimas summe philosophie, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 274. 23 In den beiden Emmeramer Handschriften sind Prolog, J und J’a als Einheit kopiert worden, den Emmeramer Mönchen war also nicht klar, dass hier unterschiedliche Texte kompiliert waren. 24 Vgl. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 1.2, S. 115–16. 25 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 2.5 und 2.6, S. 120. 26 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 2.2, S. 118–19.
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über die die Zeit abgelesen werden könnte, sogenannte Hototalzagad. Über dem Horizont befänden sich zudem Höhenkreise, arabisch Almucantarat, anhand derer sich die Position der Sonne am Himmel einfach ablesen ließe.27 Auf diese kleineren Scheiben könne dann die Alhancabut aufgelegt werden, ein um das Zentrum rotierbares Objekt, über das sich die Bewegung der Himmelskörper vor dem Hintergrund der bereits beschriebenen Scheibe simulieren lasse. Der Zodiak sei darauf mit einzelnen Sternzeichen als Ring dargestellt, die einzelnen Fixsterne durch kleinere Zähnchen (denticuli) markiert.28 Auf der Rückseite des Geräts befänden sich verschiedene für die Nutzung notwendige Skalen und die Alhidada, eine Art Visiervorrichtung, mit der die Höhe der Himmelskörper habe gemessen werden können.29 All diese Teile hätten genau in der Mitte ein kleines Loch, sodass sie durch ein hierdurch gestecktes Stiftchen (Alchintob) und eine Spange, dem sogenannten Pferd (Alferaz), zusammengehalten werde.30 Zur Klärung dieser exotischen Begriffe diente den Regensburger Mönchen übrigens ein Glossar, in denen die wichtigsten Fachbegriffe nebst lateinischer Übersetzung gegeben waren (München, BSB, MS Clm. 14763, fol. 213v–214r sowie München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 73v).31 Hier fanden sie auch rudimentäre Erklärungen der fremden arabischen Begrifflichkeiten. Den Bestandteil des Astrolabs „Almucantarat“ erklärte das Glossar etwa als „orbiculi vel progressionarii solis“, also als Kreis- oder Laufbahnen der Sonne.32 Nun wussten die Emmeramer Mönche also von den wundersamen und für das Klosterleben sehr praktischen Möglichkeiten des Astrolabs. Auch über dessen Aufbau waren sie in Grundzügen informiert. Um selbst ein solches Gerät konstruieren zu können, waren die Angaben aber zu ungenau, besonders, was die komplexe Konstruktion von Tympanon und rete anbelangte, die ja den Himmelskreisen und den Bewegungen der Himmelskörper ortsgenau entsprechen mussten. Auch wenn mit Hermanns De mensura astrolabii recht bald eine verhältnismäßig verständige Anleitung vorlag, so wird man doch bezweifeln müssen, dass das Instrument allein nach dieser Vorlage, quasi vom Blatt weg, konstruiert werden konnte, zumal sich in den Emmeramer Handschriften entgegen der späteren Tradition keinerlei Illustrationen des Gerätes finden.33 Die Regensburger Forschergruppe verfügte daher wohl über ein Muster, oder zumindest über den Zugang zu einer kundigen Person, die ihnen beratend zur Seite stand. In diesem Zusammenhang muss nochmal auf die engen Verbindungen zur Reichenau hingewiesen werden, in deren Zuge zum Beispiel der
De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 2.4, S. 119–20. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 2.9, S. 121–22. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 2.11 und 2.12, S. 122–23. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 2.13, S. 123. Borst vermutet sogar eine Entstehung dieses Glossars in Regensburg als Teil einer von ihm postulierten und edierten Regensburger Exzerptsammlung zum Astrolab, vgl. Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 76–78. 32 München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 73v. 33 Hier ist Hess und Conzelmann im Grundsatz zu folgen, auch wenn ihr Beitrag meiner Ansicht nach an verschiedenen Stellen deutlich zu negativ das Potential der Astrolabsammlung und Hermanns Leistung einschätzt. Vgl. Hess und Conzelmann, ‚Zur Bedeutung des Astrolabs‘. 27 28 29 30 31
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Reichenauer Mönch Heinrich vor 1054 mehrfach Gast in Regensburg war, wo er Otloh als Gesprächspartner diente. Auch der in den 1030er Jahren von der Reichenau kommende Abt Burchard, der dort zuvor als Lehrer tätig war, käme als Vermittler des neuen Wissens in Frage.34 Dass über diese beiden Mönche oder weitere Kontakte, die heute nicht mehr bekannt sind, ein Astrolab zum Nachvollzug nach Regensburg kam oder anderweitig Verständnis-Hilfe geleistet wurde, ist nicht unwahrscheinlich.35 Auch die leihweise Überlassung eines Gerätes wäre denkbar. Die Konstruktion des Astrolabs in Regensburg wird daher nicht allein vom Reißbrett aus erfolgt sein, sondern mit einer Vorlage des Gerätes (zumindest aus der Erinnerung) vor Augen, womöglich auch unter Aufsicht. Die Konstruktion eines Astrolabs ist erst an zweiter Stelle ein materieller Vorgang. Natürlich musste das Gerät zur Nutzung stofflich hergestellt werden. Der wichtigste und anspruchsvollste Teil der Konstruktion lag aber in der korrekten Ausarbeitung von Tympanon und rete, also den Scheiben, auf denen die von Breitengrad zu Breitengrad verschiedene Himmelstopographie eingetragen war.36 Die anspruchsvollste Aufgabe der Mönche bestand daher in der Konstruktion dieser Bestandteile des Astrolabs nach Hermanns Anleitung. Dies war eigentlich ein Vorgang, der zunächst wenig mit beobachtender Astronomie zu tun hatte, sondern rein geometrisch mit Zirkel, Griffel und Lineal vollzogen wurde. Das liegt zum einen in der Natur des Geräts begründet, denn das Astrolab basiert auf einer stereographischen Projektion, also dem geometrischen Versuch, Punkte und Kreise auf einer Kugel – in diesem Fall der Himmelskugel – auf eine Ebene zu übertragen. Hierfür werden aus der Perspektive des jeweiligen Himmelspols alle relevanten Punkte (die Sterne der rete) und Kreise (Äquator, Wendekreise, Ekliptik sowie Horizont und Höhenlinien) winkelgerecht auf die Fläche der Ekliptik übertragen.37 Auch aus einem anderen Grund fällt die Konstruktion des Astrolabs eher in den Bereich der Geometrie, als der Astronomie. Denn Hermann beschreibt in seiner Anleitung nicht die Projektion des Kosmos, sondern geht vom fertigen Objekt aus, das es zu kopieren galt. Besonders deutlich wird dies in seiner Anleitung zum Bau der rete. Hier definiert er nicht die Position der Sterne auf dem Gerät über ihre Position am Himmel, die es dann auf das Astrolab zu übertragen galt, sondern er maß durch ein trigonometrisches Verfahren die Position der Zeiger auf der rete eines bereits existierenden Astrolabs.38 Das Ergebnis dieser Projektion wurde auf das Tympanon geritzt bzw. zur rete geschmiedet. Dabei ist kaum anzunehmen, dass dieser Vorgang direkt erfolgte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass zunächst, vor allem beim ersten Versuch, eine Vorlage auf Wachstafeln oder Pergament gefertigt wurde. Hermann selbst spricht
34 Vgl. Borst, Das mittelalterliche Zahlenkampfspiel, S. 135; Hiley, ‚Einführung‘, S. xxii–xxiii. 35 Vgl. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur, ii, S. 85. 36 Die vorliegende Beschreibung orientiert sich eng an den in Emmeram verfügbaren Texten, für eine moderne Beschreibung des Konstruktionsvorganges anhand späterer Anleitungen vgl. Eisner, ‚Building Chaucer’s Astrolabe‘, S. 18–29, S. 125–32, S. 219–27; ein sehr einfacher Bausatz findet sich bei Ford, ‚Building a Model Astrolabe‘. 37 Vgl. die schön illustrierte Erklärung bei Turner, Catalogue of the Collection, ii, S. 2–3. 38 Vgl. Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 48.
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Figur 4.1. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. Die einzelnen Arbeitsschritte sind farblich kodiert: Schwarz: Schritt 1, Rot: Schritt 2, Blau: Schritt 3, Grün: Schritt 4. Diagramm des Autors.
Figur 4.2. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. Schwarz: Schritt 1, Rot: Schritt 2, Blau: Schritt 3, Grün: Schritt 4. Diagramm des Autors.
von einer tabula, das könnte auf ein solches Täfelchen verweisen, bezeichnet in De utilitatibus astrolabii aber auch allgemein eine Scheibe oder ein Brett. Entsprechend des ersten Kapitels von Hermanns Anleitung musste der für die Konstruktion verantwortliche Emmeramer Mönch zunächst die drei Hauptkreise, also Äquator, Winter- und Sommerwendekreis finden (vgl. Fig. 4.1–4.9).39 Hierfür zog er mit dem Zirkel einen beliebigen Kreis, der den Äquator markierte und Ausgangspunkt für die weitere Konstruktion war. Das Zentrum des Kreises wurde mit dem Buchstaben A gekennzeichnet. Jeweils gleichweit vom Zentrum entfernt waren die Buchstaben B (links), C (rechts), D (unten) und E (oben) anzubringen und durch diese jeweils eine vertikale und horizontale Linie zu ziehen. Die so entstandenen vier Quadranten wurden der Einfachheit halber in kleine Segmente zu je 6° geteilt. Um die korrekte Position der Wendekreise zu ermitteln, mussten von der horizontalen Linie aus jeweils 24° (das entspricht der damals bekannten Neigung der Ekliptik) abgemessen und mit F und G bezeichnet werden. Nun konnte von D je eine Linie durch diese Punkte gelegt werden, deren Schnittpunkte (I und H) mit der Horizontalen jeweils
39 Ich folge Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, der seine Anleitung aus der St. Emmeramer Handschrift München, BSB, MS Clm 14836 ediert hat.
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Figur 4.3. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. Schwarz: Schritt 1, Grün: Schritt 2. Diagramm des Autors.
Figur 4.4. Konstruktion des Tympanon nach Hermann von Reichenau. Schwarz: Schritt 1, Grün: Schritt 2. Diagramm des Autors.
Figur 4.5. Fertiges Tympanon. Diagramm des Autors.
Figur 4.6. Die Konstruktion der Rete nach Hermann von Reichenau. Rot: Schritt 1, Grün: Schritt 2. Diagramm des Autors.
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Figur 4.7. Konstruktion des Zodiak. Diagramm des Autors.
Figur 4.8. Verzeichnung der Sterne. Rot: Schritt 1, Grün: Schritt 2. Diagramm des Autors.
Figur 4.9. Fertige rete. Diagramm des Autors.
den Radius der beiden Wendekreise markierten. Letztere konnten dann um das Zentrum A gezogen werden: eine im Grunde einfache Übung in vier Schritten, die von jedem mit soliden geometrischen Grundkenntnissen durchgeführt werden konnte. Die drei Kreise boten dann die Grundlage für das weitere Vorgehen, wobei der Schwierigkeitsgrad nun erheblich stieg: Als nächstes mussten die Mönche nämlich die sogenannten Almukantarate, also den Horizont und die dazu parallelen Höhenkreise ziehen. Hermann schildert dies im zweiten Kapitel mit der Angabe der örtlichen Breite von 48°, für andere Breitengrade musste die Konstruktion entsprechend
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korrigiert werden. Wieder ging man hierfür vom Äquator aus, von dem nun statt 24° entsprechend des Breitengrades 48° von C nach E und D nach B abgezählt, und die so gefundenen Punkte mit L und K markiert wurden. Nun waren wiederum zwei die mittlere Achse schneidende Linien zu zeichnen: Eine kurze von C nach L, und eine lange von C durch K. Die Punkte, wo diese Linien die Vertikale schnitten, wurden dann mit M und N gekennzeichnet. Durch Ziehen eines Kreises durch M und N konnte nun die Horizontlinie gefunden werden. Dann war dieser Vorgang jeweils im Abstand von 5° des mittleren Kreises zu wiederholen, bis man bei 90° den höchsten Höhenkreis bzw. Punkt als Zenit eintragen konnte. Nun fehlten nur noch die Stundenlinien, um das Tympanon zu komplettieren. Hermann beschränkt sich darauf, die ungleichen Stunden der Nacht zu definieren, also unterhalb der Horizontlinie. Hierfür war es seiner Auskunft nach notwendig, die entsprechenden Abschnitte der drei Hauptkreise in zwölf gleiche Partitionen zu teilen und diese durch ein Kreissegment zu markieren – nicht ganz korrekt, für die praktische Anwendung aber ausreichend. Damit war das Tympanon konstruiert und konnte auf ein Brett oder eine dünne Scheibe aus Metall übertragen werden. Nach dem Tympanon erfolgte die Konstruktion der rete, die um den Himmelspol im Zentrum des Tympanons gedreht werden konnte (vgl. Fig. 4.8 und 4.9). Dieser Vorgang war erheblich aufwendiger, weswegen Hermann ihm gleich drei Kapitel widmete. Er wurde vor dem Hintergrund des Tympanons durchgeführt. Zunächst mussten die Regensburger Astronomen die Lage der Ekliptik, also der Sonnenbahn, auf dem Astrolab finden. Hierfür wurde auf der senkrechten Linie die Strecke zwischen dem obersten Schnittpunkt des Winterwendekreises und des niedrigsten Punktes des Sommerwendekreises halbiert, um um einen so gefundenen Mittelpunkt einen etwas breiteren Kreis mit dem Zirkel zu ziehen. Auf diesem, zum Zentrum etwas versetzten, Kreis wurden nun die einzelnen Abschnitte des Zodiaks mit einer Breite von jeweils 30° eingetragen. Auch hier ist Hermann ein kleiner Fehler unterlaufen, da der Tierkreis nicht in exakt gleich große Abschnitte geteilt wird, sondern einige Zeichen etwas mehr, andere etwas weniger als 30° umfassen.40 Die Grenzen der einzelnen Zeichen des Zodiaks wurden nach Hermann dann mit dem Lineal vom Zentrum ausgehend gezogen. Auf die gleiche Weise wurde auch eine feinere Gradeinteilung erstellt (von Abschnitten zu jeweils 5°). Nun hatte der aufwendigste Teil der Arbeit zu erfolgen, das Auftragen der korrekten Sternpositionen auf die rete. Hierfür konnten die Mönche sich an einer Liste orientieren, die Hermann der älteren Astrolabliteratur entlehnt hatte und die 27 helle Sterne der Nordhalbkugel verzeichnete.41 Dabei dienten diese Listen weniger der unmittelbaren Identifikation der tatsächlichen Sterne am Himmel, sondern gaben vor allem ihre Position auf der rete des Astrolabs an. Dieser Vorgang gleicht damit eher dem Abpausen einer Vorlage als der Beobachtung astronomischer Phänomene.42 Mit den Daten aus den Tabellen konnten die Emmeramer also ohne
40 Vgl. Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, S. 214. 41 Bei Kunitzsch ediert als Typ III, Kunitzsch, Typen von Sternverzeichnissen. 42 Vgl. Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 50–54.
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eigene Beobachtungen die Position der Sterne auf der rete markieren. Wie genau, das verdeutlichte Hermann am Beispiel des Sterns Almarech. Drei Werte nannte die Tabelle: Das Zeichen des Tierkreises, in dessen Bereich sich der Stern etwa befand, eine genaue Grad-Angabe dieses Zeichens und einen trigonometrischen Wert, der den Stern markierte. Almarech fand sich laut Tabelle nun bei 24° des Sternzeiches Libra, womit allerdings nur die grobe Lokalisierung auf der rete beschrieben ist, nicht dessen tatsächliche Zugehörigkeit zum Sternbild. Als zweiter Wert war 65° angegeben. Nun musste eine Linie vom Mittelpunkt aus durch den 24° der Libra gezogen werden. Anschließend galt es vom Schnittpunkt dieser Linie mit der äußeren Skala 65° jeweils in beide Richtungen abzuzählen und zu markieren. Dort, wo eine Linie durch diese beiden Punkte die Linie durch Libra kreuzte, lag die Position des projizierten Sterns auf der rete. Auch in diesem Fall mussten sich die Regensburger daher eher in geometrischen Operationen üben und weniger in der Kontemplation der Sterne, wie Otloh es nannte. War dieser Vorgang für alle 27 Sterne durchgeführt, konnte die rete hergestellt werden. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Emmeramer Handschriften wohl einen Fehler in der Sterntabelle aufweisen. Für den siebten Stern Albadib ist nämlich das Sternbild Taurus als Ausgangpunkt für den trigonometrischen Wert 111° angegeben. Bereits Drecker ist in seiner Edition von einem Schreibfehler ausgegangen, er hält Capricornus und einen Wert von 61° für realistisch. Ob den Mönchen in St. Emmeram dieser Fehler bewusst war, muss später am Beispiel der Astrolabnutzung diskutiert werden, da Hermanns Anleitung keine Beobachtung der Sterne vorsah, ist aber anzunehmen, dass der Fehler auch auf das St. Emmeramer Astrolab-Exemplar übertragen wurde.43 So zusammengestellt fehlten lediglich noch die verschiedenen Skalen auf der Rückseite, die wiederum durch recht simple geometrische Konstruktionen erstellt wurden, und das Astrolab war fertig (Fig. 4.10 und 4.11).44 Als Material dürfte in der Regel wohl für das ganze Astrolab ein weiches Metall oder Holz in Frage gekommen sein, so spricht ein von Borst nach Regensburg lokalisierter Kompilator von einer Konstruktion „in tabula vel in quolibet aeramento“, also aus einer Holztafel oder einem beliebigen Erz.45 Hierzu passt Hermanns Empfehlung, die rete sorgfältig zu durchbrechen und dann auszufeilen, „diligenter facias perforari et perpoliri“46. Andere Texte legen allerdings die Möglichkeit nahe, ein Astrolab auch aus Pergament zu fertigen. Technisch gesehen konnte die Herstellung dieses Instrumentes, also das Anfertigen und Ausfeilen der Scheiben, die Regensburger Mönche und die für das Kloster tätigen Handwerker kaum vor unüberwindbare Herausforderungen gestellt haben. Schwieriger
43 Vgl. Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, S. 217. 44 Anhand dieser Texte wurde im Rahmen dieser Arbeit ein digitales 3D Modell des St. Emmeramer Astrolabs erstellt, das unter https://doi.org/10.1484/A.21673829 zugänglich ist. Zur Herstellung vgl. Schonhardt, ‚Zur Digitalisierung der Materialität‘. 45 Vgl. seine Edition einer Kompilation mutmaßlich Regensburger Provenienz in Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–3, xix. Excerpta horologica et astrolabica Ratisbonensia (Astrolabica Ratisbonensia), S. 59. Da der hier zitierte Abschnitt allerdings nur in einem Kodex aus Ilmünster enthalten ist, Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 3101, ist diese Lokalisierung nicht gesichert. 46 Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, 6, S. 210.
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Figur 4.10. Rekonstruktion des fertigen Astrolabs, Vorderseite.
Figur 4.11. Rekonstruktion des fertigen Astrolabs, Rückseite.
war schon die exakte Konstruktion der darauf gravierten Informationen. Aber auch auch diese geometrischen Operationen dürften die darin geschulten Mönche leicht gemeistert haben. Wilhelm betont seine eigenen Fähigkeiten in diesem Bereich durch die Bemerkung, er erstelle außer vielen Instrumenten auch figurae, also wissenschaftliche Diagramme, von denen sich noch heute Spuren in München, BSB, MS Clm. 14689 finden lassen. Die von Wilhelm geschilderten Probleme hatten an anderer Stelle gelegen und betrafen nicht nur das Astrolab. So schrieb er von einer ganzen Reihe von Feldern, die ihm, wie erwähnt, wohl längere Zeit Kopfzerbrechen bereitet hatten, nämlich „in spericis rationibus et in horologicis institutionibus et in astrolabicis subtilitatibus et in illa, ad quam modo tendimus, mundani status diversitate frustra laborabam“47 (in der Lehre der Sphäre als auch in den Wissenschaften der Uhren und in den Feinheiten des Astrolabs sowie bezüglich jener Unterschiedlichkeit der Lage der Welt), also im Umgang mit verschiedenen Instrumenten, aber auch in der Bestimmung des eigenen Breitenkreises. Als Ursache dieser Schwierigkeiten benennt der Mönch die natürlichen Wendepunkte der Sonne – „naturalem terminum“ –, die er lange ignoriert habe, und in denen sich alle Astronomen täuschen würden: „In quibus et consequenter errare omnes astrologos, qui certa predictorum temporum meta instructi non sunt, postea liquebit, cum de eisdem rebus, statu scilicet et spera et horologio et astrolabio, plenius disseremus.“48 (Wenn wir diese Themen behandeln werden, wird sich zeigen, dass sich in diesen Fragen auch alle Astrologen irren, die in der sicheren Terminierungen der oben genannten Wendepunkte nicht unterwiesen 47 Text-Anhang, S. 319. 48 Text-Anhang, S. 319.
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sind.) Gemeint sind die exakten Zeitpunkte der Äquinoktien und Solstitien, über die im 11. Jahrhundert unterschiedliche und von der Realität abweichende Angaben kursierten. Wilhelms Bemerkung lenkt so den Blick auf gleich zwei wichtige Irritationen und Probleme des tradierten Kosmoswissens im hohen Mittelalter: Zum einen die bislang ungekannten Funktionen und Anforderungen der im Umfeld des Astrolabs nach Europa gelangten Astronomie, zum anderen die auf dieser Grundlage deutlich werdende Fehlerhaftigkeit tradierter Annahmen über den Kosmos. Der neue Charakter des aus den islamischen Herrschaftsgebieten kommenden Astrolab bestand vor allem in einer Rückbindung der Astronomie zu Mathematik, die sich zum Beispiel in der Vermessung – und damit letztlich auch Konzeption – des Kosmos in Graden unter Zuhilfenahme neuer und komplexer Koordinatensysteme äußert. Schon Joachim Wiesenbach hat entsprechend darauf hingewiesen, dass die Rezeption des Astrolabs den Emmeramer Mönchen nicht nur innovative Anwendungsmöglichkeiten bescherte, sondern zunächst eine ganze Kaskade von Problemen auslöste: Dabei stellten die neuen Instrumente, vorweg das Astrolab, vor weitere Aufgaben. Des Verständnisses und der Konstruktion, der Vertrautheit mit neuen Begriffen und Vorstellungen. Nicht nur die Sternbilder am Himmel mußten bekannt sein, dazu all die Linien, die den Himmel unterteilten. Auch z. B. der eigene Ort auf dieser Erdkugel, sonst ließ sich kein Tympanon konstruieren, ließ sich der Sternenhimmel über dem Horizont nicht mit Hilfe der Sternenzeiger simulieren. Also wurde der eigene Breitengrad benötigt – wie wurde er gemessen? Andere Detailprobleme kamen hinzu. Wollte man all die Messungen durchführen, vor allem der Sonnenhöhen im Kulminationspunkt, wie wurde dieser bestimmt, wie etwa eine exakte Nord-Süd-Linie festgelegt?49 Diese und andere Fragen hätten die Mönche auf eine Weise zu lösen versucht, die – obgleich durchaus auch ältere Ansätze weiterführend – „die Grenzen des karolingischen Schulbetriebs überschritten“50 habe und vor allem auf der Beobachtung astronomischen Phänomene beruhte. Es ist dieses Vorgehen, das Wilhelm von Hirsau in seiner Astronomia als physica indagatio bezeichnete, und damit „die neue Qualität dieser Astronomie“ beschrieb, „die er und die Emmeramer Mönche mit Hingabe betrieben“.51 Im Folgenden soll versucht werden, diese ‚physikalischen‘ Forschungen zu rekonstruieren und nach ihrer Rolle für die Innovationsprozesse im Kosmoswissen des hohen Mittelalters zu befragen. Das Wissen um den eigenen Breitengrad
Eine wichtige Voraussetzung für die Konstruktion eines funktionierenden Astrolabs oder eines Quadranten war die Kenntnis des eigenen Breitengrades, da von diesem
49 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 115. 50 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 146. 51 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 153.
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der Stand der Sonne oder die Lage der Sterne im Verhältnis zum Betrachter abhing. Das gesamte Mittelalter hindurch kannte man das Konzept der unterschiedlichen Breiten, die letztlich eine logische Konsequenz aus der Kugelgestalt der Erde sind, konzipierte sie aber in Anlehnung an die römische Antike eher als Klima-Zonen.52 Neu war eine gradgenaue Abmessung dieser Zonen und die damit einhergehende exakte Selbstverortung (der Abstand zwischen zwei Breitengraden beträgt 111 km). Erst im Zuge der Rezeption der Astrolabschriften setzte sich auch im lateinischen Europa das Konzept der exakten latitudo durch: „Dans tous les cas, c’est avec la première diffusion de l’astrolabe dans l’Occident latin que l’on assiste à la fois à l’apparition de la latitude en tant que telle, ainsi qu’à une première tentative d’application géographique.“53 In Regensburg war man spätestens mit De utilitatibus astrolabii und Hermanns Anleitung zur Konstruktion des Astrolabs mit der exakten Bemessung der Breitengrade konfrontiert: Beide Texte berufen sich auf die aus der Antike überlieferten Klimazonen der nördlichen Hemisphäre, ergänzten diese jeweils aber mit exakten Gradangaben: 15° für das erste Klima, 23° für das zweite, 30° für das dritte, 34° für das vierte, 41° für das fünfte, 45° für das sechste und 48° für das siebte, welches etwa Nordeuropa umfasste. Die angegebenen Grade konnten sich nicht auf die Lage der Zonen selbst beziehen, sondern nur auf deren Grenzen. Das erste Klima lag also nicht auf dem fünfzehnten Breitengrad, sondern erstreckte sich zwischen dem fünfzehnten und dreiundzwanzigsten Breitengrad.54 Dass man sich in St. Emmeram zur siebten Klimazone rechnete, steht außer Frage. Die Mönche konnten schlicht keine Hinweise auf weitere Zonen in der zur Verfügung stehenden Literatur finden. Sowohl die neue Astrolabliteratur als auch der tradierte Kanon legten nahe, dass sich die von Hermann erwähnte Zone über St. Emmeram hinaus bis weit in den Norden erstreckte. So nannte De utilitatibus astrolabii etwa die weit im Norden liegenden Länder Britannien, Schottland und England als Grenzen der siebten Zone,55 und auch Beda, der Plinius folgte, ließ diese Klimazone sich in etwa von Norditalien über Teile Germaniens erstrecken.56 Entsprechend der Notwendigkeit einer exakten Selbstverortung für die Konstruktion des Astrolabs nennt Hermann eine exakte Zahl, nämlich 48° Breite für die Reichenau.57 Diese Zahl entspricht auf den Grad genau der astronomischen Realität auf der Klosterinsel. Wie genau er zu diesem Wert gelangte, darüber schweigt sich der Mönch aber aus. Auch wenn dem bereits den Zeitgenossen als Wunder seiner Zeit bekannte Mönch gerne eine rege Messtätigkeit unterstellt wird: Dass Hermann durch empirische Observation auf diesen Wert kam, ist längst nicht gesichert und aufgrund
52 Zum Gesamtkomplex immer noch grundlegend Honigmann, Die sieben Klimazonen, eine neuere Zusammenfassung mit besonderen Bezug auf das Mittelalter bietet Gautier Dalché, ‚Connaissance et usage géographiques‘. 53 Gautier Dalché, ‚Connaissance et usage géographiques‘, S. 407. 54 Vgl. Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, 2, S. 205; De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 18–19, S. 138–46; Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 134. 55 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 19.7, S. 146. 56 Vgl. Beda, De natura rerum, hg. von Jones, S. 229–31. 57 Vgl. Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, 2, S. 205.
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seines schwerwiegenden Krankheitsbildes auch unwahrscheinlich. Zwar kannte bereits die frühe Astrolabliteratur Methoden, mit denen der Breitengrad bestimmt werden konnte. Da Hermann aber den Zeitpunkt der Äquinoktien, an denen diese Messungen stattfinden mussten, etwas falsch bestimmte, hätten seine Messung eigentlich 46° ergeben müssen, sofern man ihr überhaupt eine solche Genauigkeit unterstellen darf.58 Die auffallende Nähe von Hermanns Wert zu den in der Literatur gegebenen Grenzen der siebten Klimazone macht es meiner Ansicht nach vielmehr plausibel, dass Hermann diesen Wert schlicht übernommen hat. Immerhin entsprach das Ergebnis der astronomischen Realität, führte also zu korrekten Messungen.59 Noch wichtiger für die Untersuchung der Innovationsprozesse in Regensburg ist das Vorgehen der Emmeramer Mönche um Wilhelm. Auch sie kannten in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ihren Breitengrad. Dies belegt die überlieferte Sphaera und Abbildungen, wonach Wilhelm und seine Mitbrüder diesen Breitengrad ebenfalls nahezu korrekt mit 48° (Regensburg liegt etwa auf dem neunundvierzigsten Breitengrad) bestimmt hatten. Auch wenn Wiesenbach ein bloßes Abschreiben des Wertes ohne stichhaltige Begründung kategorisch ausschließen möchte, so besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Regensburger Mönche diesen Wert angesichts der Nähe der Reichenau für ihre eigenen Zwecke schlicht übernahmen. Überdies hätte die leichte Abweichung um etwa ein Grad wohl auch nicht zu inakzeptablen Ergebnissen in der Nutzung geführt. Gleichwohl legen die Quellen nahe, dass sich Wilhelm intensiv mit der Problematik des Breitengrades auseinandersetzte. So spricht Bernold davon, Wilhelm habe den „status mundi“ durch „certis experimentis“ gefunden, eine Redewendung, hinter der Wiesenbach entsprechende Messungen sieht. Nun lägen solche Messungen durchaus im Bereich der Interessen Wilhelms und die in St. Emmeram verfügbare Astrolabliteratur enthielt Anleitungen hierfür.60 Tatsächlich stützen neuere und im Text-Anhang herausgegebene und kommentierte Funde von bis vor kurzem unbekannten Überresten der Astronomia Bernolds Zeugnis, etwa eine als De statu mundi bezeichnete Passage, die sich in mindestens zwei Handschriften findet.61 Die identifizierten Passagen eröffnen nun einen Einblick in den Themenbereich, den Wilhelm (mutmaßlich) durch eigene Messungen zu bewältigen versuchte, die er unter dem Betreff „Ad inveniendum diversum mundi statum“62 ([z]ur Bestimmung des unterschiedlichen status mundi), gemeint ist der von der jeweiligen Position des Betrachters abhängige Breitengrad bzw. dazu komplementäre
58 Am 18. März, dem von Hermann terminierten Zeitpunkts des Frühlingsäquinoktiums, erreichte die Sonne auf der Reichenau ihren Zenit mit 44° über dem Horizont. 59 So unterstellt etwa Bergmann, ‚Chronographie‘, S. 106 Hermann einen „neugierigen Geist“, der auch auf „die Beobachtung und das Messen von Abläufen; man könnte überspitzt sagen: das naturwissenschaftliche Experiment“ zurückgriff. Kritisch hierzu Warntjes in Hermann von Reichenau, Schriften zur Zeitrechnung, hg. von Borst und Warntjes, der in seiner Einleitung zu Hermanns Abbreviatio compoti S. 335 betont, dass es für die Annahme von beobachtenden Messungen keine Belege gibt. 60 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 134. 61 Zur Text- und Forschungsgeschichte vgl. die Diskussion im Textanhang. 62 Text-Anhang, S. 325.
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Sonnenstand – beschreibt. Dabei gibt er sich als umfassender Kenner der Gnomonik zu erkennen, also der Lehre vom Schattenfall und vor allem der dahinterliegenden Geometrie. Das Konzept des Breitengrades fasste er aber etwas anders auf. Unter dem Begriff status mundi verstand er zunächst nicht den Breitengrad eines jeden Ortes, der ja als clima oder latitudo bezeichnet wurde, sondern genau genommen die Höhe der Sonne am Tag des Äquinoktiums.63 Der status mundi in St. Emmeram wäre dann nicht 48° (korrekt wären allerdings 49° gewesen), sondern 42° (48° + 42° = 90°), was die Anwendungsmöglichkeit und Wichtigkeit des Wertes aber nur unwesentlich einschränkte: Wer diese Höhe ignorierte, so Wilhelm, der könne weder über den Nabel der Welt, die äußerste Höhenlinie auf den Astrolab, die sich wandelnde Länge von Tag und Nacht, noch über die natürlichen Hintergründe von Astrolabien oder Sonnenuhren etwas wissen: „umbilicum terre nec varietates ultimi almucantarath nec alternas longitudines sive brevitates dierum et noctium nec ullam astrolabii vel horologii naturalem structuram“64. Wie dieser Sonnenstand zu messen war, darüber gab im Grunde bereits die in den St. Emmeramer Handschriften vorhandene Astrolabliteratur wie De utilitatibus astrolabii Auskunft.65 In ihr wurden verschiedene und simple Methoden geschildert. Diese basierten alle auf dem Prinzip, am Tag des Äquinoktiums den Grad der Sonnenhöhe anhand der Kreisskala auf der Rückseite des Astrolabs zu messen, indem die bewegliche Alhidade auf die Sonne gerichtet wurde. So konnte man die Höhe der Sonne in Grad direkt ablesen und von 90° subtrahieren, um den Wert des Breitengrads zu erlangen.66 Dass dieses Prinzip in St. Emmeram zur Zeit Wilhelms Anwendung fand, belegt auch die sogenannte Sphaera aus den 1050er und 60er Jahren,67 ein Instrument, dass allerdings erst nach der Bestimmung des jeweiligen Breitengrades hergestellt wurde, sowie die explizite Nennung der Methode in den Fragmenten der Astronomia. Hier zeigt Wilhelm im Zusammenhang mit der Herstellung eines Himmelsglobus, wie ein Kreis in 360° einzuteilen ist, „si autem et singulos gradus solis desideres scire“, wenn der Nutzer damit also den Stand der Sonne gradgenau bestimmen wolle.68
63 „Per ypotenusam enim equinoctialis linea deprehenditur, qua, sola inventa, totius spere colligitur mensura. Per lineam vero, que a superiore puncto ad centrum circuli in directum descendit, que et kathetus id est deorsum pendens linea dicitur, altitudo clymatis ostenditur, hoc est quam alte a terra sol libratus in equinoctialis diei meridie feratur.“ (Durch die Hypothenuse kann man nämlich die Linie der Tagundnachtgleichen finden, von welcher alleine man die ganze Konstruktion der Sphaere ableiten kann. Durch die Linie, die vom oberen Punkt zum Zentrum führt – das ist die Kathete oder auch die Linie, die von oben nach unten fällt – wird die Höhe des Klimas gezeigt, also wie hoch die Sonne am Tag der Tagundnachtgleiche am Mittag von der Erde entfernt steht.) Text-Anhang, S. 325. 64 Text-Anhang, S. 325. 65 Etwa De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 18.2, S. 140. Weitere Beispiele in Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 134. 66 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 134. 67 Vgl. die Datierung auf paläographischer Grundlage von Neumüller-Klauser in Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 154–56. 68 Text-Anhang, S. 325.
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Figur 4.12. Wilhelms Instrument zur Messung und Konstruktion des status mundi. Bild des Autors.
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Figur 4.13. Schematische Darstellung des durch die Methode gefundenen Dreiecks. Diagramm des Autors.
Es muss zunächst verwundern, dass Wilhelm zur Findung der ‚Lage der Welt‘ eine eigene und ungewöhnliche Methode vorschlägt, die auf den ersten Blick deutlich aufwendiger zu sein scheint und anderen Prinzipien folgt. Sie soll daher im Folgenden kurz beschrieben und analysiert werden (Fig. 4.12 und 4.13). Um die Lage des Himmels zu finden, so Wilhelm, solle man auf ein flaches Brett einen Kreis zeichnen und ihn, ganz wie zur Konstruktion eines Astrolabs, mit zwei Linien in vier gleichmäßige Quadranten teilen. Dann müsse man einen längeren Schattenstab senkrecht zur Platte im oberen rechten Quadranten anbringen. Die Tafel sei dann auf der Meridianlinie aufzustellen, und zwar so, dass ihre flachen Seiten nach Osten bzw. Westen zeigen: Ad inveniendum diversum mundi statum sume tabulam diligenter planatam et circulum in ea fac ad libitum. Et hunc in iiii equas partes [dividens] ad distinctionem partium a puncto in punctum per centrum circuli duas duc lineas ipsarumque linearum alteram, que ad longitudinem tabule magis spectet, per medium circulum in finem tabule usque perducito. Et sic, stilo parum infra circuli summitatem iuxta eandem lineam orthogonaliter affixo, ipsam tabulam equinoctiali die ante eius meridiem in meridiana linea tali cautela erige, ut, perpendiculo in summo tabule adhibito, predictam lineam, que medium circulum secans, longitudinem tabule peragat iuxta quam et stilum affigendum diximus ipsius perpendiculi fimbria totam obumbret sicque equalem tabule erectionem probet. (Um die unterschiedliche Neigung der Welt [gemeint ist in Abhängigkeit vom eigenen Breitengrad, Anm. d. V.] zu finden, nimm ein sorgfältig abgeflachtes Brett und ziehe einen beliebigen Kreis. Nun teilst du diesen Kreis in vier gleiche Teile und ziehst, um diese zu unterscheiden, zwei Linien durch das Zentrum des Kreises. Von diesen zwei Linien ziehe die horizontale Linie bis dahin, wo
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die Tafel endet. Und fixiere einen Stab im oberen Teil des Kreises senkrecht neben dieser Linie, und stelle diese Tafel an der Tagundnachtgleiche kurz vor Mittag auf der Mittagslinie so sorgfältig auf, dass, wenn du ein Lot an der Spitze der Tafel anbringst, der Saum dieses Lotes die oben genannte vertikale Linie, die den Kreis in der Mitte teilt und neben der auch der Stab einzustechen war, ganz beschattet, was beweist, dass die Tafel richtig aufgestellt ist.)69 Am Tag der Äquinoktien zur Mittagszeit würde dieser Stab dann einen Schatten so werfen, dass er beide Linien schneide. Diese Punkte seien zu markieren und entsprechend des Schattens eine schräge Linie so zu zeichnen, dass sich ein rechtwinkliges Dreieck ergebe, „[i]n qua nimirum horologice, astrolabice, sperice et totius astronomice rationis summa consistit“ (Dieser Figur enthält ohne Zweifel das Wichtigste der Wissenschaft der Uhren, des Astrolabs, der Sphaere sowie der gesamten Astronomie),70 das also die Grundlage von Uhren, Astrolabien, Sphären und der Astronomie insgesamt bilden würde. Tatsächlich entsprechen die Seiten und Proportionen dieses Dreiecks dem Aufbau und der Lage der Welt. So bildet die Hypotenuse, wie Wilhelm ausführt, die Linie des Äquinoktiums ab. Die Kathete aber, die vom Schattenstab zum Zentrum des Kreises führt, entspricht der Höhe des Breitengrades.71 Anstatt einer exakt quantifizierbaren Angabe in Graden präsentiert Wilhelm also eine geometrische Figur, in der sich der Aufbau und die Lage des Universums widerspiegeln. 69 Text-Anhang, S. 325. 70 Text-Anhang, S. 325. 71 „Post hoc cautissime observa certam meridiem et ubi stilus memoratam lineam, prope quam positus est, vel ubi inferiorem l[ineam], que per latitudinem tabule ducta circulum similiter partitur, umbra sua in meridie tetigerit puncto utrimque designa. Et ab uno puncto in alterum obliquam lineam, que ypotenusa dicitur, regulariter perducens inter hec duo puncta e diverso locata necnon inter horum punctorum superius et interius centrum circuli itemque inter inferius punctum ac idem centrum triangularem, quandam mirabiliter invenies figuram. In qua nimirum horologice, astrolabice, sperice et totius astronomice rationis summa consistit. Per ypotenusam enim equinoctialis linea deprehenditur, qua, sola inventa, totius spere colligitur mensura. Per lineam vero, que a superiore puncto ad centrum circuli in directum descendit, que et kathetus id est deorsum pendens linea dicitur, altitudo clymatis ostenditur, hoc est quam alte a terra sol libratus in equinoctialis diei meridie feratur. Ideoque, qui hanc altitudinem ignorat, nec umbilicum terre nec varietates ultimi almucantarath nec alternas longitudines sive brevitates dierum et noctium nec ullam astrolabii vel horologii naturalem structuram scire potest. Per lineam quoque, que ab inferiori puncto hypotenuse similiter in centrum dirigitur, que basis dicitur, quantum a meditullio terre, ubi sol in equinoctio circumvolvitur, quisque locus remotus sit, intelligitur. Cuius rei noticia ad verum orizontem, ad erectionem artici et depressionem antartici, ad discretionem habitabilis aut inh[abitabilis] zone, ad illam intellectualem sambuce [triangularitatis] mundi formam, ad omnem status mundi diversitatem pervidendam necessaria est, maxime cum in paratione ipsius katheti ad basim summam huius artis contineri antiqui tradiderunt. Sciendum est autem, quia hec triangularis figura, que hypotenusam, kathetum et basim complectens, ad omnem, ut docuimus, astronomicam rationem utilissima ac pernecessaria est, ita quidem, sicut diximus, in meridie equinoctii est invenienda. Sed, si ea alicubi ad informandum illius loci statum uti volueris, oportet te ipsam a sinistro tabule semicirculo dextrorsum transferre. Nam te ad orientem contra planitiem verso, cum radius solis ad meridiem ductus est, planiciem tabule petens, umbram stili, id est hypotenusam, sinistrorsum hoc est in aquilonem, mittat et cum basis ab ulteriore puncto, in quod hypotenusa descendit, incipiens, a centro circuli una cum katheto finiatur, cumque hec tota figura effectu radii solis sic tibi ad sinistram cadat.“ Vgl. Text-Anhang, S. 325–26.
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Wie diese Figur nun zu nutzen sei, bleibt zunächst unklar. Allerdings beschreibt Wilhelm im Detail, wie sich diese Figur auf ein Instrument übertragen ließe. Hierfür müsste man das Dreieck so übertragen, dass zum einen dessen Proportionen bestehen blieben, zum anderen aber die gesamte Figur so nach rechts verschieben, dass Hypotenuse und Basis vom Zentrum eines Kreises ausgehen. Man zeichne also erneut einen Kreis in der Größe des Instruments, teile ihn durch zwei Linien in vier Quadranten und messe dann vom Zentrum nach rechts genau die Länge der Basis ab. Von dort übertrage man dann die genaue Länge der Kathete nach oben. Zog man nun die Hypotenuse, so war der status mundi erfolgreich auf das neue Instrument übertragen.72 Aus Sicht der instrumentgestützen Astronomie hatte Wilhelm daher eine seltsame, doch absolut funktionale Bestimmung des Breitengrads unter Verzicht auf arithmetische Quantifizierung entfaltet, die allein auf den Proportionen eines durch Sonnenstandsmessung gefundenen Dreiecks basierte. Auch ein Astrolab ließe sich unter Verzicht auf die Quantifizierung des Breitengrades über ein solches Dreieck konstruieren. Die korrekt übertragene Kathete markiert dann die entsprechende Stelle, durch den der vom Breitengrad abhängige Horizont gezogen werden muss. Dass Wilhelm auch seine eigenen Instrumente auf diese Weise konstruierte, belegt eine bislang als Lot interpretierte Linie auf der St. Emmeramer Sphaera und der dazugehörigen Abbildung, bei der es sich tatsächlich um eben jene Kathete des Dreiecks handelt, dessen Konstruktion er in seiner Astronomia beschrieb. Die Tatsache, dass gerade die Sphaera über eine Kreisskala verfügte, anhand der der arithmetisch ausgedrückte Breitengrad ganz einfach abgezählt werden konnte, führt nun zu der Frage, wieso Wilhelm diesen umständlich wirkenden Weg beschritt und der direkten Messung des Grades der Sonnenhöhe die Proportionen eines Dreiecks vorzog. Hierfür kommen verschiedene Gründe in Betracht, die mangels näherer Angaben zwar spekulativ sind, trotzdem aber interessante Hinweise liefern. Eine mögliche Erklärung
72 „Si eadem figura sic necesse est ad inclinationem, statum cuiuslibet loci quovis instrumento erigendum ut desideres, ita eam a tabula, qua primum inventa est, ad intrumentum transfer, ut, circulo eodem instrumento secundum quantitatem eius circinato ipsoque in iiii equas partes, sicut predictum est, diviso, basim, que in sinistro sive aquilonari hemisperio sita est, in dextrum et meridianum instrumenti hemisperium, a centro circuli eiusdem instrumenti incipiens, consimili longitudine, qualem in tabula habueris extendas. Et kathetum similiter in centrum tabularis circuli deorsum desinit a fine istius basis distantem eque ac altitudinem prioris habentem erigas. A cuius katheti summitate usque in idem centrum, unde basis incipit, oblique, sicut prius, dimittenda est hypotenusa. Et si vis scire, quomodo kathetum, qui et stilus et umbilicus dicitur, a media linea eque distantem erigas, relaxa circinum ad longitudinem iam extense basis, in cuius fine kathetum incipiendum esse diximus. Ac prius eidem linee, que et in tabula kathetus erat, secundum inventam ipsius stili altitudinem sursum a centro punctum imprimens et in ipso puncto unum pedem circini ad basis longitudinem relaxati ponens, econtra cum altero pede parum circina et ubi circuitum eius e regione puncti latissimum sentias, illo et eandem altitudinem et equalem erectionem gnomonis pertingere scias. Illud etiam expedit te nosse, quod, si memorata sepiusque memoranda triangularis figura scilicet hypotenusa, kathetus et basis, a tabula prime inventionis ad quodlibet instrumentum pro statu loci erigendo secundum pristinam quantitatem translate, circulum instrumenti aut maior excesserit aut minor non tetigerit, licebit tibi eam vel contrahendo vel dilatando coequare instrumenti circulo, ita tamen ut katheti ad basim, id est stili ad umbram, comparatio eadem permaneat, que primo in tabula fuerat deprehensa.“ Vgl. Text-Anhang, S. 326.
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liegt darin, dass sich Wilhelms Interesse aus der Praxis des Instrumentenbaus ergab. Ihm war in erster Linie daran gelegen, die Ergebnisse seiner Forschung in anwendungsfähige Geräte umzusetzen. Die Nutzung der Proportionen eines Dreiecks, die bequem mit einem Faden oder anderen Messinstrumenten abgenommen und auf das zu bauende Instrument übertragen werden konnten, war in diesem Zusammenhang einfacher und präziser als die Übertragung eines Grades, wofür zunächst ein Kreis mit dem Zirkel in 360° geteilt werden musste, was nur schwierig exakt und gleichmäßig umzusetzen war. Gleichzeitig war der Vorgang auch ungeschultem Personal leichter zu vermitteln, etwa einem Schmied, der das Tympanon eines Astrolabs anfertigen sollte oder den Steinmetzen der St. Emmeramer Sphaera, die von Winkeln und deren Angaben in Graden vielleicht weniger verstanden als von den Proportionen eines Dreiecks, die Wilhelm auch in Form von entsprechend bemessenen Fäden genau weitergeben konnte. Allerdings ist Wilhelms Vorgehen auch auf andere Gründe zurückzuführen: Es manifestiert sich darin der für die Zeitgenossen zunächst irritierende Bruch mit den Methoden und Grundlagen der astronomischen Tradition der Karolingerzeit zugunsten der zunehmend mathematisch operierenden arabischen Astronomie, die auf völlig neuen Grundlagen und Methoden basierte und die Mönche zunächst vor einige Probleme gestellt zu haben scheint: „On soupçonne, d’autre part, que les traducteurs ou adaptateurs latins jugeaient la notion de climat d’une compréhension malaisée.“73 Das 11. Jahrhundert ist aus wissenschaftshistorischer Sicht vor allem eine Phase des Übergangs, in der die Gelehrten der Zeit dieses neue Wissen erstmals rezipieren, integrieren und schlussendlich anwenden konnten. Ein solcher Vorgang, bei dem bislang unbekannte Konzepte kognitiv verarbeitet und in das eigene Wissens- und Methodenarsenal integriert werden müssen, ist in der Regel mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und vollzieht sich meist graduell als prozesshafte „transition from one category into another“.74 Wilhelms Werk, insbesondere seine Beschreibung der Bestimmung des Breitengrads, erlaubt nun einen genaueren Einblick in diesen Konzept- und Methodenwechsels und die Integration der neuen Methoden in die Gedankenwelt eines Gelehrten des 11. Jahrhunderts. Während solche Wechsel häufig als abrupt verstanden werden, bestätigt sich an seinem Beispiel die These Peter Barkers, dass sich konzeptueller Wandel auch auf der Ebene des Individuums häufig langsam vollzieht und dass sich dabei kleinere Phasen graduellen Wandels über einen längeren Zeitraum akkumulieren.75 In Wilhelms Umweg, von den Proportionen eines Dreiecks zum Breitengrad zu gelangen, spiegelt sich eine graduelle Aneignung des neuen Konzepts des exakt quantifizierbaren Breitengrades, etwas, das er durchaus verstand und später selbst zur Anwendung brachte. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit deutlich, das neue Wissen zunächst vor dem Hintergrund der tradierten Konzepte und den bestehenden kognitiven frames zu erfassen. Als Kind des 11. Jahrhunderts und Schüler des konservativen Otlohs waren dies aber zunächst noch die Denkmuster der karolingischen Tradition von Computus
73 Gautier Dalché, ‚Connaissance et usage géographiques‘, S. 407. 74 Vgl. Barker, ‚Cognitive Structure of Scientific Revolutions‘, S. 463. 75 Vgl. Barker, ‚Cognitive Structure of Scientific Revolutions‘, S. 448.
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und Quadrivium, mit denen er das neue Wissen erfassen musste, bevor er es vollständig aneignen konnte. Dies erklärt auch die eigenartige Begrifflichkeit des status mundi, die dafürspricht, dass er die neuen Konzepte zu Beginn seiner Studien – die Auseinandersetzung mit dem Breitengrad war ja Vorbedingung für alles weitere – begrifflich noch nicht ganz klar und eindeutig fassen konnte. Auch das Hantieren mit exakten Zahlen im Zuge astronomischer Studien scheint ihm zumindest anfänglich eher fremd gewesen zu sein. Immerhin verzichtet er in seinem Text konsequent auf die Quantifizierung von Breitengrad oder Sonnenstand. Auch dies ließe sich mit seinen mutmaßlichen Denkmustern erklären. Da Wilhelm neben seinen astronomischen Interessen in erster Linie Musiker war – dies bezeugen Otloh und Wilhelms Schrift Musica –, war er es gewohnt, in relativen Proportionen zu denken: Im Rückgriff auf die Proportionen eines Dreiecks spiegelt sich daher wohl der Versuch, die neuen Konzepte der mathematischen Astronomie mit den ihm zur Verfügung stehenden Denkmustern zu begreifen, ehe der von Wiesenbach geschilderte Konzeptwechsel hin zur exakten mathematischen Astronomie vollständig abgeschlossen war. Dieser kognitiv anspruchsvolle Vorgang bedarf aber konzeptueller Brücken, die die Anschlussfähigkeit neuer Konzepte aus fremden Wissenssystemen ermöglichen. Wilhelms Vorgehen legt nahe, dass auch die Rezeption und Integration des Astrolabs über solche Brücken erfolgte. Dabei half die Tatsache, dass das Astrolab nicht nur für komplizierte Astronomie genutzt wurde, sondern auch in der praktischen Höhen- und Entfernungsmessung seinen Einsatz fand, die in erster Linie geometrische Regeln wie Proportionen von Dreiecken nutzte. Besonders die frühen Kompendien der Astrolabliteratur überlieferten zu diesem Zweck regelmäßig Passagen aus geometrischen Texten. Dazu zählte besonders Gerberts Geometrie und die damit in Verbindung stehende Geometria incerti auctoris, in denen entsprechende Methoden beschrieben waren und die sowohl auf arabische wie lateinische Quellen zurückgriff: „The extant manuscript collections of geometric material can be seen as the final result of a process of knowledge transfer, assimilation and production taking place simultaneously on more than one front.“76 Der Text vermittelte demnach eingängige Beispiele aus der Praxis, etwa zur Messung der Höhe eines Gegenstands durch dessen Schatten und einer geometrischen Skala auf der Rückseite des Astrolabs, in der explizit und mit Rückgriff auf die von Wilhelm benutzte Begrifflichkeit die Rolle der Proportionen der Seiten des aus Schattenfall auf der geometrischen Skala des Astrolabs gebildeten Dreiecks betont wird,77 das auch Wilhelm zu konstruieren versuchte.78
76 Vgl. vor allem Jacquemard, ‚Recherches sur la composition‘; außerdem Borrelli, Aspects of the Astrolabe, S. 92–98, Zitat S. 94. 77 „Et omnino cujuscunque proportionis triangulum halhidada in quadrato ipso effecerit, ejusdem proportionis triangulum umbra cujuslibet erecti corporis in planitie stantis formabit. In quo videlicet triangulo ipsa inumbrata planities basis est, erecta altitudo cathetus, radius solis umbram transversim limitans hypotenusae vicem dinoscitur habere.“ Zitiert nach Bubnov, Geometria incerti auctoris, hg. von Bubnov, S. 322, der Abschnitt findet sich in der St. Emmeramer Handschrift München, BSB, MS Clm. 14836, fol. 109r. 78 Vgl. zu den mathematischen Hintergründen Gericke, Mathematik im Abendland, S. 68–74.
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Andere Stellen vermittelten ebenfalls Methoden, die nicht nur wegen der verwendeten Begrifflichkeit an Wilhelms Vorgehen erinnern, sondern alle auf der gleichen geometrischen Grundlage basieren, dass sich die Höhe oder Entfernung eines Gegenstands über die Proportionen eines zwischen dem Objekt, seiner Senkrechten und dem Betrachter gebildeten Dreiecks erschließen lässt. Eine ganze Reihe von Abbildungen begleiteten diese Probleme, um das den Lösungen zugrundeliegende Prinzip zu veranschaulichen.79 Eigentlich komplexe Vorgänge wurden so in die einfache geometrische Form des Dreiecks heruntergebrochen und aus dem Problem der Höhenmessung mit Gradangaben ein geometrisches Problem der Proportionen gemacht, das den Zeitgenossen des 11. Jahrhunderts bereits aus der karolingischen Tradition vertraut war. Wilhelms Rückgriff auf diese Methoden belegt, dass diesen vermessungstechnischen Passagen neben ihrer praktischen Anwendbarkeit vor allem die Rolle einer Brücke zukam, über die sich die Gelehrten die neuen Konzepte der arabischen Astronomie mit Hilfe tradierter Wissensbestände Stück für Stück aneignen konnten. Sein Konzept des status mundi scheint vor diesem Hintergrund eine begriffliche Manifestation dieses graduellen Innovationsprozesses. Wilhelms geschilderte Bemühungen um die Bestimmung des status mundi und analog dazu des eigenen Breitengrads fallen damit zwar etwas anders aus als gedacht. Gleichwohl führten sie zu einem Ergebnis, mit dessen Hilfe Astrolabien und andere Instrumente so konstruiert werden konnten, dass sie für den St. Emmeramer Breitengrad funktionierten. Auch wenn sich kein entsprechend konstruiertes Astrolab aus Regensburg erhalten hat, so wird dies an der sogenannten Sphaera von St. Emmeram deutlich, in der über das beschriebene Dreieck Himmelspol und Äquator entsprechend des Breitengrades eingezeichnet wurden. Zwar deutet das Ergebnis darauf hin, dass Wilhelms Dreieck – entweder aufgrund leicht fehlerhafter Messungen oder durch Probleme bei der Übertragung der Proportionen – mit 48° nicht ganz genau war (Regensburg liegt tatsächlich auf 49° nördlicher Breite), doch fällt diese Abweichung immer noch beeindruckend gering aus. Wilhelms Instrumente konnten für damalige Verhältnisse also exakte Messungen durchführen. Das Wissen um die Zeit
Die Regensburger Mönche hatten mit diesen Erfolgen wichtige Hürden für die Nutzung der neuen Astronomie aus dem islamischen Herrschaftsgebiet überwunden. Gelöst waren ihre Probleme damit noch nicht. Studiert man Wilhelms oben zitierte Anmerkungen über die Gründe für sein anfängliches Scheitern, so wird deutlich, dass dies gar nicht in der Berechnung des Breitengrades lag, sondern diesem vorgelagert war. Neben der Nutzung, Anwendung und Einrichtung astronomischer Instrumente und der Genauigkeit des Astrolabs sei er nämlich auch in der Berechnung des status mundi zunächst gescheitert, weil er die natürlichen Daten der Wendepunkte der
79 Eine entsprechende Abbildung konnte Wilhelm z. B. der Handschrift München, BSB, MS Clm. 14836, fol. 47v entnehmen, siehe [letzter Zugriff 26 Juli 2021].
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Sonne nicht beachtet habe („horum adhuc naturalem terminum ignorans“80). Als aller erstes habe er daher in seiner Astronomia von diesen Wendepunkten gesprochen, die Vorbedingung für alle weiteren Betätigungen seien. Außerdem seien auch andere Astronomen seiner Zeit diesem Fehler aufgesessen und könnten daher – wie bereits zitiert – seine Forschungsergebnisse im Bereich dieser neuen astronomischen Methoden nicht nachvollziehen.81 Mit seinem Verweis auf die korrekten Termine der Äquinoktien und Solstitien spricht Wilhelm einen Konstruktionsfehler des julianischen Sonnenkalenders an, dessen Folgen im 11. Jahrhundert zunehmend offensichtlicher wurden.82 Da dieser auf der fehlerhaften Annahme basierte, dass das Sonnenjahr genau 365,25 Tage lang sei (es ist in Wirklichkeit mit 365,2422 Tagen ein wenig kürzer), verlor er langsam aber sicher seine Synchronität mit der astronomischen Realität, die ihn eigentlich strukturieren sollte. Dies war seit der Antike in erster Linie die jährliche Sonnenbahn. Da die Ekliptik um circa 23,5 Grad zum Erdäquator gekippt ist, nimmt die Sonne jeden Tag eine leicht geänderte Position zur Erde ein, steht zur Mittagszeit mal höher (im Sommer) und mal tiefer (im Winter) am Himmel. Dieser Effekt erzeugt jenseits des Äquators nicht nur ein über das Jahr schwankendes Klima, sondern auch die ungleichen Tageszeiten. Lediglich an zwei Terminen im Jahr, in März und September, sind Tag und Nacht jeweils gleich lang, man spricht daher von den Äquinoktien. Nach diesen Zeitpunkten werden die Tage länger (Richtung Sommer) bzw. kürzer (Richtung Winter), bis die Sonne in ihrer Bahn die sogenannten Wendepunkte im Juni und Dezember erreicht und sich der Effekt auf die Dauer des Tages umkehrt. Diese Oszillation hat aber Auswirkungen auf den Ort des Sonnenauf- bzw. untergangs, der im Laufe eines Jahres zwischen den beiden Wendekreisen von Nordosten nach Südosten deutlich wahrnehmbar hin und her wandert. Mit der Ablösung eines Mondkalenders durch den julianischen Sonnenkalender machte sich Julius Cäsar die astronomischen Besonderheiten des Sonnenjahres zu Nutze. Indem er den vier Wendepunkten bzw. Tagundnachtgleichen ein festes Datum zuwies – in heutige Konventionen umgerechnet den 25. März, 24. Juni, 24. September und den 25. Dezember – sorgte er dafür, dass die astronomischen Phänomene und damit auch die Jahreszeiten mit ihren klimatischen Besonderheiten immer zur gleichen Zeit des Kalenders auftraten, was die Organisation des religiösöffentlichen, aber auch landwirtschaftlichen Lebens erheblich vereinfachte. Auch die christliche Liturgie übernahm diesen Sonnenkalender seit der Spätantike – noch heute am Datum des Weihnachtsfestes zu erkennen, das auf die julianische Wintersonnwende fällt –, kombinierte ihn allerdings aus religiösen Gründen mit einem Mondkalender. Das wichtige Osterfest hatte jeweils auf den ersten Sonntag nach dem der Frühjahrestagundnachtgleiche folgenden Vollmond zu fallen. Die vier Wendepunkte hatten daher aus verschiedenen Gründen eine erhebliche Bedeutung für
80 Text-Anhang, S. 319. 81 Ebd. 82 Zum Folgenden grundlegend Nothaft, Scandalous Error, S. 14–41 sowie zusammenfassend Nothaft, ‚Bede’s horologium‘, S. 1082–83.
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Religion, Alltag und Wissenschaften: So basierte der viele Jahre im Voraus berechnete Festkalender auf ihnen, die tägliche Zeitmessung und die angenommene Dauer des Tages hing davon ab, sowie die Korrektheit astronomischer Beobachtungen und die Eichung des astronomisch-wissenschaftlichen Instrumentariums. Vor diesem Hintergrund war es äußerst problematisch, dass Kalender und astronomisches Sonnenjahr aus dem Takt gerieten, bedeutete es doch, dass die tatsächlichen Solstitien und Äquinoktien jedes Jahr ein kleines bisschen früher eintreten würden. Zwar fiel diese minimale Abweichung über kürzere Zeiträume gesehen kaum ins Gewicht. Auf lange Sicht führte sie aber zum Wandern der Wendepunkte durch das Kalenderjahr. Nach dem deren Termine bereits im 4. Jahrhundert um knapp vier Tage korrigiert wurden, waren die tatsächlichen Daten der Wendepunkte im 11. Jahrhundert bereits auf den 15. bzw. 16. der Monate März, Juni, September und Dezember gefallen, und die Diskrepanz zwischen den verschiedenen überlieferten Daten und der Realität zumindest für kundige Beobachter nicht mehr zu ignorieren.83 Neben den tradierten und ihrerseits schon in Konkurrenz zueinander stehenden Terminen der Antike (25. März bzw. 21. März für das Frühlingsäquinoktium) traten weitere Versuche, die korrekten Daten zu bestimmen. Hermann von Reichenau nennt in seinen in St. Emmeram zur Verfügung stehenden Texten zum Astrolab zum Beispiel den 18. März als korrekten Termin. Im Zusammenhang mit den in Astrolabtexten überlieferten Tabellen wiederum war der 16. eines jeden Monats angegeben.84 So erklärt sich auch die Prominenz, die Wilhelm den ‚natürlichen Daten‘ der Wendepunkte in seinem Werk einräumte: Astronomische Messungen und die Anwendung von Instrumenten und Uhren mussten zunächst durch die Korrektur dieser fehlerhaften oder zumindest unklaren Termine auf eine korrekte Grundlage gestellt werden, sollten sie nicht zu ebenso fehlerhaften Ergebnissen führen. So hingen zum Beispiel die in De utilitatibus astrolabii erwähnten Anwendungsmöglichkeiten des Astrolabs von der Position der Sonne auf der Ekliptik ab, die durch die Wendepunkte leicht zu bestimmen war. Um diese Position genau zu bemessen, teilte man die Bahn der Sonne bereits seit den Anfängen der Astronomie in zwölf Segmente, denen zur besseren Erkennung jeweils ein Sternzeichen zugeordnet war, das zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Erde aus gesehen hinter der Sonne lag und dadurch deren Ort markierte. Diese Kreisbahn der Sonne, als Zodiak bezeichnet, konnte dann in 360° geteilt werden, um ihre Position noch genauer zu bestimmen. Über eine Kreisskala auf der Rückseite des Astrolabs, die die 360° des Zodiaks mit den 365 Tagen des Kalenderjahres korrelierte, ließ sich die Position der Sonne nun, ohne zu messen, für jeden Tag des Jahres eruieren, durch einen Zeiger auf die rete übertragen und der Sonnenbogen des gewünschten Tages simulieren. Durch Vergleich dieser Simulation mit der tatsächlichen Höhe der Sonne war es so möglich, die exakte Stunde des Tages zu bestimmen. Damit diese nützliche Anwendung funktionierte, musste die Kreisskala auf der Rückseite aber den Ort der Sonne im Zodiak mit dem Jahreskalender in die
83 Vgl. Hedenus, ‚Zur Deutung der Sphaera‘, S. 12. 84 Zu verschiedenen Berechnungen und Terminvorschlägen im 11. Jahrhundert vgl. Nothaft, Scandalous Error, S. 35–40.
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richtige Relation bringen, was unter Rückgriff auf die mittlerweile verschobenen Wendepunkte und Äquinoktien nicht der Fall war: Astrolab und Himmel waren so nicht mehr synchron. Die Ausmaße dieses Problems lassen sich besonders am Beispiel der Tagundnachtgleiche verdeutlichen, die für verschiedene Anwendungsgebiete des Astrolabs eine besondere Rolle spielte – unter anderem zur Berechnung des Breitengrades. An zwei Tagen im Jahr, in Herbst und Winter, schneidet die Sonne auf ihrem Weg durch den Zodiak den Äquator, geht daher morgens exakt im Osten auf und im Westen unter. Tag und Nacht sind daher genau gleich lang, die Temporalstunden entsprechen den natürlichen Stunden mit einer Länge von 15° (360/24). Eine der mit Blick auf das Astrolab wichtigsten Messungen, die an diesem Tage durchgeführt werden konnte, war die Bestimmung des eigenen Breitengrads über den Sonnenhöchststand am Mittag. Da die Sonne sich dann auf dem Himmelsäquator befindet, ergibt sich der eigene Breitengrad aus der Differenz dieses Sonnenstandes zu 90°. Für Regensburg ließe sich so an den korrekten (aber eben unbekannten) Äquinoktien am 15. März und September ein Breitengrad von ca. 49° ermitteln (bei einem Sonnenstand von 41°). Da sich der Sonnenstand zur Zeit der Äquinoktien von Tag zu Tag sehr deutlich unterscheidet, musste eine Messung an den verschiedenen – fehlerhaften – Terminen der Überlieferung sehr unterschiedliche Ergebnisse erzeugen: am 25. März (dem Termin, der sich etwa in Isidors Etymologien finden ließ85) betrug der gemessene Sonnenstand in Regensburg 45°, am 21. März (der Termin aus Bedas De temporum ratione86) 43° und am 18. März (Hermanns Datum87) 42,5°.88 Diese unterschiedlichen Messergebnisse hätten gleich auf zweifache Weise die Konstruktion und Anwendung eines Astrolabs erschwert: Zum einen würde eine stereographische Projektion unter Zuhilfename dieser Breitengrade nicht mit den Gegebenheiten in Regensburg übereinstimmen, zum anderen hätte eine nach diesen Terminen konstruierte Skala auf der Rückseite des Astrolabs in der praktischen Anwendung zur Zeitmessung zu erheblichen und wahrnehmbaren Unstimmigkeiten geführt. Im extremen Fall, wenn nämlich der 25. März als Referenzdatum gewählt würde, musste das Astrolab vom tatsächlichen Stand des Himmels um fast 4° abweichen, was zur Zeit der Äquinoktien etwa zwanzig modernen Minuten entspricht. Zum Zeitpunkt der Äquinoktien entspräche dies also dem Drittel einer Stunde, im Sommer immerhin dem Viertel einer Stunde, im Winter sogar einer halben Stunde. Wollte man mit einem so kalibrierten Astrolab etwa die exakte Mittagszeit bestimmen, so würde der gefundene Zeitpunkt also um eine deutlich wahrnehmbare Zeitspanne von der Zeitangabe einer Sonnenuhr abweichen. Auf die Genauigkeit des Astrolabs, für das es den Regensburgern in De utilitatibus astrolabii ja angepriesen wurde, war unter diesen Umständen also kein Verlass.
85 Isidor von Sevilla, Etymologiarum, hg. von Wallace, 34 (keine Seitenzählung). 86 Vgl. Beda, De temporum ratione, hg. von Jones, S. 374–75 aus dem Jahr 1975. 87 Vgl. Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, 8, S. 211. 88 Diese Werte wurden mit der Software Stellarium simuliert.
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Die Überprüfung und Korrektur der zur Auswahl stehenden Daten der Wendepunkte war daher nicht nur eine Voraussetzung zum Bau des Astrolabs, sondern vor allem ein notwendiger Beitrag zur Genauigkeit seiner Anwendung. Wilhelm selbst spricht explizit von „astrolabicis subtilitatibus“, die ihm Probleme bereitet haben, was hier wohl am besten mit Feinheiten oder Genauigkeiten zu übersetzen ist.89 Auch in diesem Fall wird damit die Irritation des tradierten Wissensbestandes durch die neuen Methoden aus dem islamischen Herrschaftsbereich deutlich. Diese Methoden und damit einhergehenden Instrumente versprachen einen bislang ungekannten Grad an Präzision, konnten aufgrund der fehlerhaften Grundlagen der lateinischen Astronomie aber nur zu erheblichen Ungenauigkeiten führen, die durch die von den neuen Instrumenten erforderte präzise Explikation umso deutlicher wurden: Der eigene Breitengrad konnte nun nicht mehr ungefähr bleiben, sondern musste – im Falle des Astrolabs – exakt in Erz gegossen werden. Blickte man nun durch die Alhidade dieses fehlerhaften Astrolabs gen Himmel, mussten Fehler und Abweichungen schonungslos zu Tage treten. In diesem Umstand liegt meiner Ansicht nach auch ein weiterer Grund für Wilhelms ungewöhnliches Vorgehen zur Messung des Breitengrades. Sollte der Mönch zunächst den Angaben der Astrolabliteratur gefolgt sein und den Breitengrad am Äquinoktium mit Hilfe der Alhidade des Astrolabs in Grad zu bestimmen versucht haben, so musste das so konstruierte Astrolab unweigerlich zu Abweichungen der damit getätigten Messungen von der astronomischen Realität führen. Erklären ließ sich diese Abweichung zunächst nicht, weshalb Wilhelm den Fehler wohl nicht im tradierten Wissen, sondern bei der Unbekannten des Verfahrens gesucht haben dürfte: Der exotischen und neuen Methode der Höhenmessung in Graden. Diese war tatsächlich insofern anfällig für Fehler, weil die verwendeten Geräte sehr klein waren, was eine präzise Einteilung in 360° ungemein erschwerte.90 Durch den Rückgriff auf das von ihm entwickelte Verfahren, das ohne die Nutzung von Graden auskam, klammerte Wilhelm diesen Quell der Ungenauigkeit kurzerhand aus, nur um festzustellen, dass das Ergebnis immer noch nicht überzeugen konnte. Der Fehler musste also an einer anderen Stelle zu suchen sein. Da ein Vergleich der ihm vorliegenden Literatur schnell ergab, dass die arabischen Quellen auf einen anderen Termin für die Äquinoktien zurückgriffen und auch Hermann von der lateinischen Tradition abwich,91 musste die Ursache des Fehlers also an einer inkorrekten Terminierung des Äquinoktiums liegen – eine enorme Irritation des tradierten und seit Jahrhunderten kanonisierten Wissens. Erst nach einer Messung der korrekten Relation zwischen Sonnenbahn und Kalenderjahr, so musste es ihnen dämmern, war es Wilhelm und seinen Regensburger Mitbrüdern möglich, ein genaues und damit verlässliches Astrolab zu konstruieren und für Fragen der Astronomie und Zeitberechnung zu nutzen. Hierfür entwickelt Wilhelm eine simple wie clevere Methode zur Bestimmung der tatsächlichen
89 Text-Anhang, S. 319. 90 Vgl. Gericke, Mathematik im Abendland, S. 70. 91 Vgl. Nothaft, Scandalous Error, S. 35–37.
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Wendepunkte, die sich als unedierter Abschnitt seines Dialogs erhalten hat und im Anhang als Teil seiner Astronomia angegeben ist:92 Anno, quem bissextilem vocant, statim post insertum bissextum, elige tibi edem satis altam, utpote que radium solis per fenestras e longinquo summittat. Et quem locum in aquilonari pariete sive columna sive pavimento eiusdem edis radium solis circa meridiem semper petere noveris. In ipso loco regulariter fac lineam deorsum longius tendentem, ita ut radius eam singulis diebus, quibus nubes non obsistant, in ipso puncto meridiei tangat. Ideo autem eandem lineam deorsum longius duci iubemus, quia, sole tunc ad estivum solsticium ascendente, radius descendit et ipso, post solsticium descendente, radius ascendit, ne in utrolibet motu radii linea circa meridiem tangenda desit. Quotquot ergo diebus, obscuritate non impediente, radius ipsam lineam ante solsticium descendendo tetigerit, mox ut eam tangere inceperit, inferiorem radii extremitatem lineola, in directum ducta, nota et huic kalendas presentis diei ascribe. Et que kalendarum asscriptiones in descensu vel ascensu radii econtrario sibi proxime convenient, pro comparibus diebus habeto. Hec, donec, transacto solsticio, radium per eandem lineam ascendendo reverti sentias. In cuius ascensu non minore diligentia observa sicubi contra kalendas prius in descensu eius asscriptas lineam tangat et extremitatem eius, lineola transversa, ut super docuimus, ex altera parte linee denota, ibique rursus presentis diei kalendas asscribe. Cumque hac physica indagatione compares dies inveneris, computa quot dies transierint inter singulos compares et, hos in duo dividens, medietatem eorum pro vero solstitio absque omni retractione teneto. (Finde in einem Jahr, das man Bissextil, also Schaltjahr, nennt, sofort nach dem Einfügen des Schalttages, ein Gebäude mit ausreichender Höhe, sodass die Sonne weite Strahlen durch ein Fenster werfen kann. Und du wirst den Ort an der nördlichen Wand oder Säule oder Boden dieses Raumes bestimmen, den der Strahl der Sonne an jedem Mittag aufsucht. An genau diesem Ort ziehe eine regelmäßige Linie, die weit nach unten geht, so dass der Sonnenstrahl jene Linie an jedem einzelnen Tag um die Mittagszeit in diesem berührt, sofern keine Wolken es verhindern. Wir haben deswegen empfohlen, diese Linie lange nach unten auszuführen, weil der Sonnenstrahl hinabwandert, während die Sonne zur Sommersonnwende heraufsteigt, und wenn sie nach dem Solstitium absteigt, der Strahl nach oben wandert, und damit bei keiner dieser Bewegungen am Mittag dem Sonnenstrahl eine Linie zur Berührung fehlt. An allen diesen Tagen nämlich, wenn die Dunkelheit es nicht verhindert, wird der Strahl dieselbe Linie beim Absteigen vor dem Solstitium berührt haben. Sobald der Strahl anfängt, diese Linie zu berühren, markiere den unteren Rand des Strahls mit einer kleinen geraden Linie, und notiere dort das Datum des jeweiligen Tages. Und jene Markierungen des Datums, die sich beim Ab- und Aufgehen des Strahls gegenüberliegen, behandele als
92 Vgl. dazu ausführlich Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 124–26. Außerdem unlängst Nothaft, Scandalous Error, S. 37–38 sowie Nothaft, ‚Bede’s horologium‘, S. 1095–99.
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zusammengehörige Tage. (Verfahre) so bis Du nach der Sonnenwende wahrnimmst, dass der Strahl auf derselben Linie wieder herabsteigend zurückkehrt. In dessen Aufstieg beobachte mit gleicher Genauigkeit, wo immer der Strahl die Linie gegenüber den bereits bei seinem Abstieg markierten Terminen berührt, und markiere mit einer kleinen waagrechten Linie seinen unteren Rand, wie bereits erklärt, auf der gegenüberliegenden Seite und vermerke dort wiederum das aktuelle Datum. Sobald du die zusammengehörigen Tage durch diese naturwissenschaftliche Untersuchung gefunden haben wirst, zähle, wie viele Tage zwischen den einzelnen zusammengehörenden Tagen vergangen sind, teile diese in zwei und halte deren Mitte für den wahren Wendepunkt ohne jede Minderung.)93 In einem hoch gelegenen Raum mit einem kleinen südlich gelegenen Fenster wurde an der gegenübergelegenen Wand eine lange vertikale Linie so gezogen, dass die Strahlen der Sonne jeweils zur Mittagszeit diese Linie berühren. Je höher die Sonne im Verlauf des Jahres mittags stieg, desto weiter wanderte der Strahl auf der Linie nach unten, bzw. nach dem Sommersolstitium wieder herauf. Ab dem Schalttag im Februar – die Beobachtung war also nur im Schaltjahr möglich, was Wilhelm auch explizit erklärt – waren jeweils die Stellen mit Datum zu markieren, an der zur Mittagszeit der durch das Fenster fallende Strahl der Sonne die Linie traf. Im Jahresverlauf lassen sich so jeweils Paare von Tagen mit derselben Länge bilden, aus deren Tagesdifferenz sich das Datum des wahren Sommer-Solstitiums und davon abgeleitet der anderen Wendepunkte rechnerisch ermitteln lässt. So bestimmte Wilhelm jeweils den 16. der Monate Juni, September, Dezember und März als die im 11. Jahrhundert korrekten Termine der Wendepunkte:94 Estivo igitur solstitio taliter invento hiemale solsticium et duo equinoctia ex hoc uno facilius deprehendes. Ab ipso enim estivo totam anni computationem in duo dividens, medietatem eius pro hiemali solsticio certissime habeto. In quo, si quid dubitas, arte qua predixi circa ipsum hiemale solsticium proba, si libeat. Item, utraque anni medietate in duo equaliter divisa, in utrique medietatis medio equinoctium sine dubio invenies. (Nun, dass der Sommerwendepunkt auf diese Art und Weise bestimmt worden ist, wirst du die Wintersonnwende und die zwei Tagundnachtgleichen aus diesem einen Datum einfacher berechnen können. Von dieser Sommerwende aus den gesamten Jahreskalender teilend, erhältst du mit der Hälfte das sichere Datum der Wintersonnwende. Solltest du Zweifel haben, kannst du auf die bereits beschriebene Weise an der Wintersonnwende [das Ergebnis] überprüfen. Ebenfalls kannst du ohne Zweifel die Tagundnachtgleichen bestimmen,
93 Text-Anhang, S. 319. 94 Nothaft betont, dass einige der Formulierungen Wilhelms darauf hindeuten, dass dieser für die Monate September und Dezember vom 15. Tag ausging, was noch näher an der astronomischen Realität seiner Zeit herankam. Nothaft, Scandalous Error, S. 39; vgl. auch Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 126.
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nachdem eine beliebige Hälfte des Jahres in zwei Hälften gleichermaßen geteilt worden ist, und zwar in der Mitte von beiden Hälften.)95 Wilhelm war sicherlich nicht der erste Gelehrte des Mittelalters, der sich mit der Problematik der Jahrespunkte auseinandersetzte. So regten die frühmittelalterlichen Gelehrten Beda und Helperich an, zur Bestätigung – nicht zur Korrektur! – der tradierten Termine die Sonne zu beobachten. Ein korrigiertes Datum des Äquinoktiums hatte außerdem Hermann von Reichenau in seiner Anleitung zum Astrolab erwähnt, nämlich den 18. März als Termin für das Frühjahr.96 Dieser Umstand verleitete die Forschung teilweise dazu, in Wilhelms Methode keinen „sensationelle[n] Einzelfall“ zu sehen, sondern lediglich die Nähe seines Ergebnisses zur astronomischen Realität zu würdigen.97 Dabei unterschätzt dieses Urteil meiner Ansicht nach die durchaus einzigartige und innovative Leistung der Regensburger Mönche um Wilhelm, die nur sekundär im Ergebnis begründet liegt, sondern in erster Linie auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Methodik. Nicht nur stellte diese nämlich eine erhebliche Präzisierung der Sonnenstandsmessung dar, wie Philipp Nothaft betonte.98 Vor allem stellte sie die wissenschaftliche Untersuchung astronomischer Phänomene – zumindest im Bereich der abendländischen Astronomie – auf bislang ungekannte epistemische Grundlagen, die eine durchaus erkennbare Nähe zu den Ansätzen moderner Naturwissenschaften zeigen. Gerade im Vergleich zu Hermanns Korrektur zeigt sich der Unterschied deutlich. Dessen Datum, der 18. März, basierte nämlich nicht auf einer Neuberechnung oder Messung des Äquinoktiums, sondern auf einer Neuinterpretation bereits tradierten Buchwissens. Aus De utilitatibus astrolabii konnte Hermann die Information entnehmen, dass das Äquinoktium durch den Eintritt der Sonne in die Sternzeichen Widder und Waage entstünde: „Dicuntur horae aequinoctiales, quae solum modo duobus diebus in anno coaequantur, illis scilicet, quibus sol est in prima parte Arietis et Librae.“99 Der Eintritt der Sonne in diese Zeichen ist allerdings bereits seit dem frühen Mittelalter, etwa in Bedas De temporibus, auf die 15. Kalenden eines jeden Monats (also den 18. Tag des März) terminiert und so auch in den liturgischen Kalendern vermerkt worden.100 Hermanns Feststellung, das Äquinoktium der Modernen falle auf den 18. März, entsprach also nicht einer ergebnisoffenen und empirischen Prüfung der astronomischen Realität, sondern war im Grunde eine ausgleichende Zusammenführung – vielleicht auch Neubewertung – tradierter Wissensbestände. Seine Leistung in diesem Bereich bestand daher eher im Transfer von Wissen und nicht in dessen empirischer Produktion.101 Ganz anders ist die Situation bei Wilhelm, der nicht aus bereits gegebenen Informationen ein mehr oder weniger passendes Ergebnis wählt, sondern den Weg
95 Text-Anhang, S. 320. 96 Vgl. die Übersicht bei Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 114–24. 97 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 127. 98 Vgl. Nothaft, ‚Bede’s horologium‘, S. 1097. 99 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 3, S. 132. 100 Vgl. Beda, De temporibus, hg. von Jones, 7, S. 590 (Ausgabe von 1975). 101 Vgl. Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, 8, S. 211.
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der ergebnisoffenen empirischen Beobachtung geht – und das zum ersten Mal in der abendländischen Geschichte in einer Weise, die den Prinzipien der modernen Naturwissenschaft zumindest in nuce entspricht. Aufgrund eines sich stellenden Problems wählte er eine zur Lösung geeignete Methode – die Messung des täglich wechselnden Schattenwurfes der Sonne – und schuf eine künstliche Apparatur zur Umsetzung dieser Methode – die Anordnung von Fenster, Wand, Meridian-Linie und Kreidemarkierungen. Das dem Problem oder der Frage zugrundeliegende astronomische Phänomen wurde also nicht direkt beobachtet, sondern in einer Art Labor künstlich erzeugt und unter idealisierten Bedingungen untersucht. Auf diese Weise gelangte er – anders als seine Vorgänger – zur Entdeckung eines vormals unbekannten Sachverhalts. Diese Entdeckung konnte nun als sicheres Fundament (quasi fundamentis) für die weiteren Arbeiten mit der Konstruktion von Sphären, Uhren, den Feinheiten des Astrolabs und den wechselnden Breitengraden dienen: „in spericis rationibus et in horologicis institutionibus et in astrolabicis subtilitatibus et in illa, ad quam modo tendimus, mundani status diversitate“.102 Observative Astronomie und die Sphaera von St. Emmeram
In wenigen Jahren hatten Wilhelm und seine Regensburger Mitstreiter damit nicht nur die Grundlagen für die Konstruktion eines funktionierenden Astrolabs gelegt, sondern auch eine der drängendsten komputistischen Fragen der Zeit geklärt: Die korrekte Datierung der Äquinoktien. Ausruhen konnten sie sich darauf aber nicht. Vielmehr waren weitere Arbeiten mit dem Astrolab notwendig, wie Otloh berichtet, die unter anderem in einer genauen Beobachtung der Sterne, in varia stellarum contemplatione, bestand. Dies war insonfern wichtig, da ein korrekt konstruiertes Astrolab allein noch keine erfolgreiche Nutzung beinhaltet. Um das Instrument zu beherrschen, müssen zuvor die darauf verzeichneten Himmelskörper zweifelsfrei identifiziert werden können. Dies musste die Regensburger Mönche vor größere Schwierigkeiten gestellt haben, zum einen, weil die Position der Sterne nun ungewohnt mathematisch ausgedrückt wurde, wie Joachim Wiesenbach betonte.103 Zum anderen war diese Aufgabe aber auch problmatisch, weil sich Hermanns Angaben über die genaue Position dieser Sterne nicht ohne weiteres auf den eigenen Himmel übertragen ließen, sondern sich primär auf ihre Position auf der rete des Astrolabs bezogen. Beim direkten Blick in den Nachthimmel halfen den Mönchen daher wohl lediglich einige kleinere und ungenaue Abschnitte aus De utiliatibus astrolabii: „In scorpione Calbalagrab, id est cor scorpionis“104 (im Sternbild des Skorpions findet sich der Stern Calbalagrab, dies ist das Herz des Skorpions), zum Beispiel. Gemeint ist der Stern Antares, der hellste Stern des Sternbildes Skorpion, der auf der rete des Astrolabs ganz außen, nahe des Winterwendekreises sitzt. Zwar hilft diese Angabe, einen bereits identifizierten Stern wiederzufinden, für die erstmalige und eindeutige
102 Text-Anhang, S. 319. 103 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 146. 104 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 17, S. 137.
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Identifikation dieser Sterne reichte sie aber nicht, zumal nur etwa die Hälfte der Astrolabsterne näher beschrieben ist. Die Identifikation der einzelnen Sterne des Astrolabs war daher eine notwendige, wenngleich aufwendige und anspruchsvolle astronomische Arbeit. Das Astrolab half daher nicht nur dabei, den Himmel zu vermessen, sondern es machte diese Vermessung zur Voraussetzung seiner Nutzung. Es ist sicherlich nicht abwegig, Otlohs Verweis auf die genaue Beobachtung der Sterne durch die Brüder in Regensburg auf diesen Vorgang zu beziehen, der zeitlich um 1055 zu verorten ist. Wie die Brüder versuchten, aus dem nächtlichen Sternenmeer die wenigen Sterne des Astrolabs zu erkennen, darüber gibt ein einzigartiges Instrument Auskunft: Die sogenannte Sphaera von St. Emmeram (vgl. Fig. 4.14), ein steinernes Monument, meist als Sphaera oder Astrolab bezeichnet, das heute im Regensburger Stadtmuseum zu bewundern ist. Das Monument ist paläographisch „ziemlich genau“ zu datieren, denn „man wird [die darauf befindlichen Inschriften] verlässlich nach den Emmeramer Portalfiguren, d. h. nach der Jahrhundertmitte ansetzen müssen. Eine Entstehung nach 1065/70 dagegen ist unwahrscheinlich […].“105 Es kann wohl als hervorragendstes Überbleibsel der „multa monimenta“ gelten, die Wilhelm von Hirsau ausweißlich des Chronisten Bernold seiner Nachwelt hinterlassen hat.106 Hiermit waren nicht nur geistige Andenken gemeint, etwa die bereits erwähnte Korrektur der astronomischen Tradition, sondern auch sehr konkrete Überreste seines wissenschaftlichen Schaffens. Wilhelms eigene Bemerkung in der Astronomia legt nahe, dass es sich hierbei um astronomische Instrumente handelte. Er sei, klagt er dort, durch die Herstellung von Abbildungen und Instrumenten ganz und gar beschäftigt – „figuris adhuc et pluribus instrumentis ad ista pertinentibus graviter occupandus sum“107. Umso erstaunlicher ist es, dass sich keines dieser vielen Instrumente bis heute erhalten hat, obwohl ihre Spuren in St. Emmeram noch bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Dies belegt eine Bemerkung des ehemaligen Abtes Coelestin Vogel, den es ärgerte, dass die Schweden im Dreißigjährigen Kriege „neben anderen auch die alte und kunstreiche Instrumenta Mathematica, die ich als Novitius vorhero zwar, aber nit genugsamb hab verbergen helfen“, als Beute aus dem Kloster entwendet hatten.108 Nur eines dieser vielen Instrumente lässt sich noch heute namentlich fassen, nämlich die von Bernold bezeugte natürliche Uhr nach dem Vorbild der Himmelshalbkugel – „naturale horologium ad exemplum celestis hemisperii“.109 Der Hinweis auf eine solche Uhr und die durch Zeitgenossen genährte Hoffnung, dass sich doch noch eines von Wilhelms Instrumenten erhalten habe, veranlassten gegen Ende des 18. Jahrhunderts den jungen Emmeramer Mönch Bernhard Stark dazu, sich auf die Suche nach diesem
105 Vgl. die penible paläographische Analyse der Inschriften auf der Scheibe durch Neumüller-Klauser im Anhang zu Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 156. 106 Bernold von Konstanz, Bernoldi Chronicon, hg. von Robinson, a. 1091, S. 486 (Ausgabe von 2003). 107 Text-Anhang, S. 314. 108 Vogel, Mausoleum, S. 364; der Verweis auf diese Stelle findet sich bereits bei München, Bayerische Staatsbibliothek, Starkiana 5d. 109 Bernold von Konstanz, Bernoldi Chronicon, hg. von Robinson, a. 1091, S. 486 (Ausgabe von 2003).
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„Sphärischen Uhrwercke“ und anderen Zeugnissen des großen Abts zu machen.110: Vorzüglich aufmerksam machten mich die Worte des Fürst Abts Anselm Godin de Tampezo [Fürstabt von 1725–1742, Anm. d. V.]: ‚Von Wilhelms Astrologischen und anderen hohen Wissenschaften […] seynd in unserem Kloster noch lebhafte Zeichen vorhanden‘. Und was sind dann das für lebhafte Zeichen, fragte ich mich selbst? Sind es Instrumente? Es sind zwar einige dagewesen die von ihm haben seyn können, allein sie wurden im 30jährigen Kriege eine Beute der Schweden […].“111 Und tatsächlich: Trotz der schwedischen Plünderungen machte Stark 1783 im Klostergarten des Stifts eine glückliche Entdeckung, „wie einst das Grabmal des Archimedes […] vom Cicero bey seinem Figur 4.14. Die sogenannte Sphaera Aufenthalt in Sicilien aufdekt wurde. von St. Emmeram, Regensburg, […] [ J]ahrhunderte wenig geachtet von Historisches Museum. Foto von Rosenstöcken umwachsen“ stand dort Zdeněk Kratochvíl, CC BY-SA 4.0, via „ein altes astronomisches Instrument“, Wikimedia Commons. die Sphaera von St. Emmeram.112 Dieses steinerne und trotz Witterungsspuren noch heute prächtige Monument, das zuweilen als „gütige Himmelsgabe“ bezeichnet wurde, als „Meisterwerk, das so vollkommen ist, daß es die Antike zwar anders, aber nicht schöner hervorgebracht haben würde“,113 ist ca. zweieinhalb Meter hoch und besteht aus einer Scheibe, die scheinbar von einer knienden Figur gehalten wird und auf einer eckigen Säule steht (Fig. 4.14). Auf der Vorderseite der Scheibe findet sich eine schematische Zeichnung des Kosmos,114 der in die Meridianebene projiziert ist. Kleinere Löcher deuten außerdem auf Stiftchen aus Metall hin, die an bestimmten Punkten des Monuments eingelassen waren.115 Was Funktion und Bezeichnung dieses Monuments betrifft, so herrscht bis heute Unklarheit, wenn nicht sogar Verwirrung. Während Bernhard Stark davon ausging, er habe die ‚Natürliche Uhr‘ Wilhelms gefunden, die – hier folgte er der Begrifflichkeit
110 München, Bayerische Staatsbibliothek, Starkiana 5d, fol. 2r. 111 München, Bayerische Staatsbibliothek, Starkiana 5d fol. 2v–3r. 112 München, Bayerische Staatsbibliothek, Starkiana 5d 2v. 113 Zitiert nach Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 279. 114 Eine detaillierte Beschreibung mit Abbildungen in Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 135–39. 115 Vgl. Zinner, Die ältesten Räderuhren, S. 16.
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eines spätmittelalterlichen Emmeramer Kodex – eine Art Nachtuhr gewesen sein könnte,116 findet sich bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert die irrige Vorstellung, es handle sich bei der Scheibe um ein steinernes Astrolab. Da Starks Dissertatio nie im Druck erschien, scheint sich der früheste publizierte Hinweis auf das Monument in Sebastian Günthners Geschichte der literarischen Anstalten in Baiern zu finden, der sich aber, wie mir scheint, auf Starks Manuskript beruft. Er bezeugt gleich zwei steinerne Säulen, die im Garten von St. Emmeram stünden und auf Wilhelm zurückgehen würden. Zwar solle eine Zeichnung der Säulen „mit einer Abhandlung im Druck erscheinen“, allerdings scheint dies nie verwirklich worden zu sein, was den Bezug zu Stark nahelegt, dessen Text die Druckreife nie erreichte.117 Noch 1849 betonte Joseph Schuegraf, keine entsprechende Veröffentlichung gefunden zu haben, gab aber eine eigene Interpretation der Säule: Die dermalen im alten Domkreuzgange aufbewahrte steinerne Säule, worauf die damalige Lehre der Gnomonik und Horologiographie kunstlich dargestellt wird, ist noch ein Werk [Wilhelms], und verdient um so mehr vor künftigen Unbilden geschützt zu werden, als sie selbst große Kenner bisher mehr für ein Werk der Römer, als der Teutschen, gehalten haben. Sie war früher in dem Conventgarten des berührten Klosters aufgestellt, und erst nach dessen Aufhebung in den Domkreuzgang übersetzt worden.118 Im ersten Teil seines Werkes identifiziert Schuegraf die Säule darüber hinaus als Sonnenuhr, die vom „Emmeramer Prior Wilhelm (nachmaligen Abte von Hirschau in Schwaben, 1069) beil. 1055 verfertigt wurde.“119 Einen schlechten Eindruck hinterließ diese Deutung des Monuments im ein Jahrzehnt später erschienenen Band über die Künstler und Kunstwerke der Stadt Regensburg von Andreas Niedermayer. Auf ihn geht offenbar auch die früheste Zuschreibung des Monuments als Astrolab zurück.120 Mit Bezug auf „einen Forscher“ kritisiert er Schuegraf dahingehend, dass „[a]llein ein Blick auf die durch zweckmäßige Stellung der Säule nun offen vor Augen stehende Zeichnung der Scheibe [sogleich] überzeugt […], daß hier nicht von Sonnenuhren u. dgl. die Rede sein könne. Die einzelnen in einen Kreis eingeschriebenen Linien dienen nur zur Erläuterung der ersten astronomischen Sätze. Die zu diesem Behufe gezogenen Linien entsprechen dem Horizont, der Axe, den Wende- und Polarkreisen und der Ekliptik. […].“121 Außerdem gibt er an gleicher Stelle eine recht fehlerhafte Lesart der Inschriften wieder, die die Scheibe zierten. Obwohl also bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts drei recht unterschiedliche Deutungen der Säule zirkulierten, als
116 München, BSB, MS Clm. 14892, fol. 217v. Stark stellte sogar die nicht ganz abwegige Vermutung auf, bei Bernold sollte „nocturnali“ statt „naturali“ gelesen werden, vgl. München, Bayerische Staatsbibliothek, Starkiana 5d, fol. 1r. 117 Günthner, Geschichte der litterarischen Anstalten in Baiern, S. 391–92. 118 Schuegraf, Geschichte des Domes von Regensburg, ii, S. 51. 119 Schuegraf, Geschichte des Domes von Regensburg, i, S. xiv. 120 Vgl. Niedermayer, Künstler und Kunstwerke der Stadt Regensburg, S. 111–13. 121 Niedermayer, Künstler und Kunstwerke der Stadt Regensburg, S. 113.
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Nachtuhr, Sonnenuhr und Astrolab,122 hat sich in der Folge vor allem die Interpretation als Astrolab durchgesetzt, die sich teils bis in die jüngere Forschung finden lässt,123 obwohl Ernst Zinner sie bereits in den zwanziger Jahren widerlegt hat. In der Tat hat das Monument bei näherer Betrachtung nichts mit einem Astrolab gemein, es fehlen hierfür wesentliche Merkmale.124 Zinner legte im gleichen Aufsatz und einem später erschienenen Handbuch über Uhren auch die erste fachliche Expertise des Geräts vor, das er als „Lehrgerät für Sternenkunde“125 und für den „Unterricht und zur Erlernung der Himmelseinteilung“ deutete,126 eine Einschätzung, der die Forschung allerdings lange nur wenig Aufmerksamkeit schenkte. Erst durch die umfangreiche Studie von Joachim Wiesenbach gelang eine Umbenennung des Monuments, nun auf seine Anregung hin Sphaera genannt, wobei er sich hierbei auf eine entsprechende spätmittelalterliche Identifizierung in einer Emmeramer Handschrift bezieht.127 Wiesenbach bestätigt im wesentlichen Zinners Deutung, betont aber den symbolischen Charakter des Monuments, in dem die Regensburger Mönche ihre wissenschaftlichen Erfolge selbstbewusst in Stein meißeln wollten.128 Da sich auch die beiden jüngeren Studien von Dekker129 und Hedenus130 dieser Terminologie und Funktionsdeutung der Sphaera anschließen, scheinen sich die Thesen Zinners und Wiesenbachs heute in der Forschung durchgesetzt zu haben. Wie ich im Folgenden zeigen möchte, basieren diese Thesen allerdings auf verschiedenen Fehldeutungen sowohl über den Charakter der astronomischen Studien in St. Emmeram, als auch des Funktionsangebotes des Instruments selbst. Zunächst werden hierfür die Positionen von Zinner und Wiesenbach dargestellt und problematisiert. Daran anschließend werden die Konstruktion und das Vorbild des Monuments geklärt, um dann in einem letzten Schritt die Funktionen des Gerätes zu eruieren. Zunächst zu Ernst Zinners durchaus wegweisender Studie zum Monument, das seiner Ansicht nach eine didaktische Funktion im Rahmen des Unterrichts einnahm. Diese These hatte er erstmals in seinem 1923 erschienenen Aufsatz Das mittelalterliche Lehrgerät zu Regensburg und seine Beziehung zu Wilhelm von Hirsau entwickelt.131 In
122 So nennt etwa Mahers Kunstführer alle drei damals für möglich erachtete Funktionen, vgl. Maher, ‚Die Sammlungen des historischen Vereins‘, S. 23. 123 So ärgerlicherweise bei Fuchs, der die korrigierende Studie von Wiesenbach (s.u.) eigentlich kennt, vgl. Fuchs, ‚Das Reichsstift St. Emmeram‘, S. 735; außerdem in verschiedenen Beiträgen, etwa Pongratz, ‚Naturforscher im Regensburger und ostbayerischen Raum‘, S. 8; Karlinger, ‚Das Astrolabium aus St. Emeram‘; Wentzel, ‚Art. Astrolabium‘; Endres, ‚Führer durch die mittelalterliche und neuzeitliche Sammlung‘, S. 12; einzig Menath greift die älteren Deutungen wieder auf, vgl. Menath, ‚Über astronomische Beobachtungen in Regensburg‘. 124 Vgl. Zinner, Die ältesten Räderuhren, S. 16. 125 Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 279. 126 Vgl. Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘; Zitate bei Zinner, Die ältesten Räderuhren, S. 15–16. 127 Etwas prägnanter liest sich eine erneute Veröffentlichung der wesentlichen Punkte in Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau und die Sphaera‘; Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘. 128 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 133–39. 129 Dekker, Illustrating the Phaenomena, S. 199–201. 130 Hedenus, ‚Zur Deutung der Sphaera‘. 131 Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘.
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diesem Beitrag legte er nicht nur die erste fachkundige Beschreibung und Deutung des Monuments vor, sondern bestärkte auch ihre bereits früher geäußerte Rückführung auf Wilhelm von Hirsau. Zwar zögerte Zinner aufgrund einer damals geläufigen, aber fehlerhaften kunsthistorischen Datierung der Säule ins 13. Jahrhundert, die Sphaera selbst auf Wilhelm zurückzuführen, er hielt es aber für wahrscheinlich, „daß ein von Wilhelm stammendes Gerät als Vorbild diente“.132 Bereits 1939 präzisierte Zinner diese Aussage mit Blick auf neuere Datierungen des Monuments in das 11. Jahrhundert dahingehend, dass er nun die Urheberschafts Wilhelms als gesichert sah.133 Diese Urheberschaft leitete Zinner über Wilhelms überlieferte Interessen her. Nicht nur ließen sich mit dem Monument einige der von Bernold und Heimo genannten Arbeiten Wilhelms in Verbindung bringen, auch stelle dessen eigenes Werk Astronomia „eine Besprechung des ‚Himmelsgerüstes‘, der Himmelskugel, der Sonnenuhr und des Astrolabs in Aussicht“, wobei sich insbesondere der Begriff des Himmelsgerüstes (bei Wilhelm als mundanus status bezeichnet) auf die Sphaera beziehen lasse, da das Gerät auf den örtlichen Breitengrad hin ausgerichtet ist.134 Verstärkt werde diese Annahme dadurch, dass der Emmeramer Handschrift der Astronomia auf fol. 1v ein Diagramm vorangestellt ist, welches der schematischen Abbildung auf der Sphaera bis auf wenige Details gleicht und wohl zu den von Wilhelm im Gespräch mit Otloh erwähnten figurae zählt.135 In seinem späteren Beitrag fasste Zinner – dem Germanenkitsch seiner Zeit verhaftet – seine Ergebnisse zusammen: Innerhalb dieser Inschrift (Abb. 3) ist der Meridianschnitt des Himmels zu sehen: die waagrechte Horizontlinie, die senkrechte Zenitlinie, schräg die Weltachse und dazu senkrecht die Schnittlinien der Polar- und Wendekreise, des Äquators sowie des Tierkreises. Auch sind noch Reste der Kupferbolzen in der Mitte und am oberen Rande zu sehen. Wenn die Bildsäule im Freien so aufgestellt wird, daß der Jüngling zur Sonne nach Süden schaut, so zeigt die Weltachse zum Nordpol des Himmels. Dann konnte ein Blick von der Mitte zu den Stiften am Rand die Lage der Himmelskreise erkennen lassen […]. Die Regensburger Bildsäule stellt also ein Lehrgerät dar, von Wilhelm in Regensburg vor seinem Weggang 1069 entworfen. […] So diente […] Wilhelms „Nachtuhr“ zum Unterricht und zur Erlernung der Himmelseinteilung. Im Regensburger Lehrgerät hat dieser Lerneifer seine künstlerisch vollendete Form gefunden. Schöner als in dem zur Sonne schauenden Jüngling konnte der wißbegierige germanische Jüngling nicht dargestellt werden.136 Zwar lag Zinner richtig mit seiner Zuschreibung des Gerätes zur Regensburger Forschergruppe um Wilhelm. Er täuscht sich aber – zumindest in dieser Engführung – in der primär didaktischen Funktion des Monuments. Seine Funktionszuschreibung basierte
132 Vgl. Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 280, Zitat ebd. 133 Vgl. Zinner, Die ältesten Räderuhren, S. 15. 134 Vgl. Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 280, Zitat ebd. 135 Vgl. Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 281. 136 Zinner, Die ältesten Räderuhren, S. 15–16.
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nämlich auf gleich zwei Missverständnissen. Zum einen folgte er einer fehlerhaften Lesart der Inschrift auf der Vorderseite der Scheibe, die er wie folgt transkribiert und frei übersetzt: „Clima cicli cardo celi locas extimi signi mult’ ad haec usus patet hinc sub acumine visus“ (Die Breitenkreise, die Hauptpunkte des Himmels, die Lage der äußersten Tierzeichen; Alles dies wird beim Blick auf die Stifte offenbar).137 Zinners Übersetzung gibt dabei zwar recht elegant die Aufforderung wieder, die Scheibe zur Beobachtung der genannten Phänomene zu gebrauchen, unterschlägt aber einen wichtigen Abschnitt des Satzes, der explizit auf viele Gebrauchsmöglichkeiten für diese Observationen hinweist (auf der Scheibe: „multus ad hec usus“). Von einer primär didaktischen Funktion ist also keinesfalls die Rede, etwa, um „sich leicht die Lage des Nordpols und der Hauptkreise am Himmel einprägen“ zu können,138 stattdessen werden viele verschiedene Möglichkeiten der Anwendung gepriesen. Überdies ist es recht zweifelhaft, dass Wilhelm überhaupt Bedarf an einem didaktischen Gerät hatte. Zinners Unterstellung einer Lehrtätigkeit im Rahmen der Klosterschule – dies lässt sich wohl aus seinem Verweis auf den „germanischen Jüngling“ ableiten – basiert auf dem Missverständnis, dass er die Astronomia als „Zwiegespräch zwischen dem Lehrer W. und dem Schüler O.“139 charakterisiert, die jedoch eindeutig ein fiktiver Dialog zwischen zwei gleichrangigen Gelehrten ist. Ironischerweise lässt sich gerade der von Zinner als Schüler bezeichnete O. als Otloh identifizieren, der Wilhelms Lehrer war und der Schule des Klosters vorstand.140 Für die Unterweisung der Novizen war also gerade nicht Wilhelm, sondern Otloh zuständig, dessen Skepsis gegenüber der beobachtenden Astronomie bereits deutlich geworden ist. Zwar spricht auch Wilhelm davon, dass ihn vielfach Interessierte mit dem Wunsch nach einer Einführung in die Astronomie aufsuchten. Da diesen Interessierten aber wohl bereits eine gewisse grundlegende Vorkenntnis zu unterstellen ist, scheint fraglich, was die Darstellung dieser astronomischen Grundlagen ihnen aus didaktischer Sicht zu bieten gehabt hätte. Überhaupt stellt sich die Frage, welche Informationen sich etwaige Schüler, wie Zinner postulierte, mit Hilfe des Monuments besser hätten einprägen können als durch eine herkömmliche, durch einen Lehrer angeleitete Beobachtung. Da das Monument dem darauf abgebildeten Schema entsprechend entlang einer Nord-SüdLinie aufgestellt werden musste, konnten Himmelsobjekte damit nur im Moment ihres höchsten Stands am Himmel anvisiert werden, also dann, wenn sie den Meridian überschritten, im Fall der Sonne in der Mitte des Tages. Da die drei Metallstiftchen auf der südlichen Seite des Instruments den Höchst- bzw. Tiefststand der Sonne in Sommer und Winter sowie ihren Stand zum Zeitpunkt des Äquinoktiums markieren, würde sich die Sonne an diesen Tagen genau über die Metallstifte anvisieren lassen, wobei eine solche Praxis aufgrund der gleißenden Helligkeit wohl auszuschließen ist. Natürlich ließe sich auch der nächtliche Sternenhimmel beobachten, der im
137 Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 279. 138 Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 279. 139 Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 280. 140 Vgl. Schauwecker, Otloh von St. Emmeram, S. 11.
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Mittelalter aufgrund des fehlenden elektrischen Lichts mit bloßem Auge gut erkennbar war. Aber auch in diesem Fall ist ein didaktischer Mehrwert aus verschiedenen Gründen fraglich. Theoretisch ließen sich mit den Stiftchen des Monuments fünf Stellen auf dem Meridian des Nachthimmels anpeilen, zum einen über den zweiten Stift im Norden bei etwa 48° über dem nördlichen Horizont gelegen der ruhende Himmelspol, um den sich der Sternenhimmel scheinbar drehte. Zwar ist dieser Ort heute durch den Polarstern deutlich markiert, in der Mitte des 11. Jahrhunderts aber blickte man auf einen recht leuchtschwachen und daher nur schwer zu erkennenden Stern, um den sich unser Polarstern in geringer Entfernung drehte. Aus didaktischer Sicht wäre es daher sicherlich deutlich sinnvoller und ausreichend gewesen, die Lage des Himmelspols anhand dieses markanteren Sternes zu vermitteln, von dem ein Gelehrter des 8. Jahrhunderts zum Beispiel sagte, er stünde von allen Sternen dem Himmelspol am nächsten.141 Über den zweiten Stift konnte der südlichste Punkt des Polarkreises auf dem Meridian angepeilt werden. Dieser Kreis markiert eigentlich diejenigen Sterne, deren Bahn gerade noch über dem Horizont liegt und die daher niemals untergehen bzw. von der Erdkugel verdeckt werden. Korrekterweise müsste dieser Kreis also den Horizont tangieren und ist abhängig vom jeweiligen Breitengrad. Da der Stift auf Wilhelms Monument aber auf eine Stelle verweist, die 36° vom Himmelsmittelpunkt entfernt lag (richtig wären aus Sicht der Regensburger Mönche 48°), ist dieser Kreis falsch lokalisiert.142 Zeigen ließen sich also lediglich einige leuchtstarke Sterne in ihrem Kulminationspunkt, etwa einige Sterne des großen Bären, von denen zum Beispiel der Stern Mizar exakt durch das Stiftchen markiert wird, Alioth, Merak und Phekda immerhin mit einer nur leichten Abweichung. Zwar waren diese Sterne täglich irgendwo auf dem Polarkreis am Nachthimmel zu sehen, ihre Sichtbarkeit hing aber von der Position der Sonne auf der Ekliptik ab und änderte sich damit im Lauf eines Jahres. So erreichten die genannten Sterne des großen Bären den markierten Punkt von Juni bis November bei Tageslicht, konnten in dieser Zeit also gar nicht anvisiert werden. Auch in den anderen Monaten war eine Beobachtung durch das Monument erheblich erschwert, da diese Sterne an diesem Punkt nur einmal alle vierundzwanzig Stunden und zu täglich wechselnden Zeiten beobachtet werden konnten. Auch in diesem Fall scheint es daher sinnvoller, den durchaus markanten großen Bären als zusammenhängendes Sternzeichen und ohne Umweg durch das Monument direkt zu beobachten, wollte man sich die Lage des Polarkreises einprägen. Gleiches gilt für die drei Stiftchen auf der rechten Seite des Geräts, die nach Süden auf die Wendepunkte der Sonnenbahn und den Himmelsäquator zeigen. Da die Bahn der Sonne durch die Sternzeichen des Zodiaks am Himmel kartographiert wird, macht es durchaus Sinn, die Lage dieser Himmelskreise anhand anzupeilender Sternzeichen zu vermitteln. Entsprechend orientierte sich die Benennung der Wendekreise an den Sternbildern, die ihre Bahn beschränkten. Allerdings ist auch die Sichtbarkeit dieser Sternzeichen in noch höherem Maße eingeschränkt, als dies beim Polarkreis der Fall
141 Vgl. Wiesenbach, ‚Der Mönch mit dem Sehrohr‘, S. 380–82. 142 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 139–41.
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war. Denn die Sternbilder des Zodiaks sind jeweils nur für einen Teil des Jahres am Nachthimmel zu sehen und niemals gleichzeitig auf der Meridianlinie, auf die die Stiftchen zeigten. Auch wenn die durch die Inschrift angekündigten Punkte und Kreise des Himmels – oder besser gesagt verschiedene Sterne auf diesen Kreisen – tatsächlich angepeilt werden konnten, so bot das Monument daher aus didaktischer Perspektive wohl kaum einen größeren Nutzen als eine angeleitete Beobachtung mit dem bloßen Auge oder einem flexibel ausrichtbaren Sehrohr. Zinners These einer in erster Linie didaktischen Funktion des Monuments kann bei näherer Betrachtung also nicht überzeugen.143 Auch Joachim Wiesenbach folgt Zinner, in der Sphaera ein Lehrinstrument zu sehen, das zu „Demonstrations- und Unterrichtszwecken“ diente. In diesem Punkt ergänzte er Zinners Vorstellungen um die Feststellung, dass sich durch die Stiftchen nicht nur Objekte am Himmel anvisieren ließen, sondern gerade auch der „Stand der Sonne zur Zeit der Äquinoktien und Solstitien im Kulminationspunkt“ durch ihren Schatten verdeutlicht werden konnte. „Die Lichtstrahlen bzw. Schatten fielen dann (fast) genau entlang der eingeritzten Linien“, konstatierte Wiesenbach.144 Diese Feststellung entspricht allerdings nicht den Tatsachen, wie weiter unten zu zeigen sein wird. Seiner Ansicht nach bezog sich diese Demonstration nicht nur auf das üblicherweise tradierte astronomische Grundlagenwissen, sondern vor allem auf die in St. Emmeram entwickelten Innovationen im Zusammenhang mit der Einführung des Astrolabs und der arabisch beeinflussten mathematischen Astronomie, mit dem sich die St. Emmeramer Astronomen um Wilhelm die Vorgänge am Himmel zunehmend durch Beobachtung und Berechnung erschlossen: Jetzt aber waren, ein weiterer Schritt, die am Himmel gedachten Linien auf den eigenen Ort zu beziehen: Welche Höhen hatten diese Kreise über dem jeweiligen Horizont? Die Werte waren exakt in einer 360°-Einteilung festzulegen. Die Grad-Einteilung war ungewohnt. […] Vor allem, wie wurde der eigene Ort, der Breitengrad auf der Erdkugel bestimmt? Welche Höhen hatten dann Äquator und Wendekreise, in welcher Beziehung standen Breitengrad und Himmelspol? […] Diesen Aufgabenbereich beschreibt Wilhelm als sperice rationes. Das Ergebnis entsprechender Begriffsklärungen, Beobachtungen und Berechnungen bezeichnet er als mundanus status: das Weltall oder Himmelsgerüst in Grad-Angaben für den eigenen Ort berechnet.145 Die Ergebnisse dieser Berechnung und beobachtenden Forschung seien dann selbstbewusst in einem Monument verewigt worden, an dem sie auch gleich demonstriert werden konnten: Offenbar war die Genugtuung über das Erreichte bei den Emmeramer Astronomen so groß, daß sie einige ihrer Erkenntnisse in Stein gemeißelt der Nachwelt verkünden wollten: Wir haben gemessen und wissen, daß wir auf dem 48. Breitengrad leben, 143 Ähnliches deutete bereits Hedenus an, vgl. Hedenus, ‚Zur Deutung der Sphaera‘, S. 18. 144 Beide Zitate Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 139. 145 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 133.
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daß der Breitengrad gleich der Höhe des Himmelspols ist, welche Höhen die Sonne für unseren Ort, Kloster und Stadt Regensburg, zur Zeit der Äquinoktien und Solstitien erreicht.146 Zwar kann man Wiesenbach darin folgen, die steinerne Sphaera als selbstbewusstes Monument des Erfolges zu deuten, schwieriger ist allerdings die Aussage, das Instrument sei das Ergebnis vielseitiger Berechnungen. Nach seiner Vorstellung wandte die Gruppe um Wilhelm verschiedene anspruchsvolle und bislang unbekannte Verfahren an, mit denen der Kosmos astronomisch und mathematisch vom eigenen Breitengrad ausgehend und mit Hilfe einer Gradeinteilung erschlossen, berechnet und vermessen werden sollte: „die Polhöhe und Parallelkreise waren vorher zu berechnen (wie mit der figura Clm. 14689, fol. lv ausgeführt), dann konnten die Linien mitsamt Horizont und Zenit“ als Herzstück in die steinerne Sphaera, dem Ergebnis dieser Forschungen eingeritzt werden.147 Für diese Interpretation stützt sich Wiesenbach nicht nur auf das Gerät selbst, sondern vor allem auf Wilhelms Astronomia. In ihr bekennt der Mönch die anfängliche Vergeblichkeit seiner Studien.148 Wiesenbachs Interpretation dieser Stelle lautet: „Wilhelm beschäftigte sich also mit der Sphaera („sphärischen Berechnungen“), Sonnenuhren, dem Astrolab und dem Bau des Weltalls bzw., dies dürfte mundani status diversitas noch näher kommen, den – in Abhängigkeit von der Position des Beobachters – unterschiedlichen Höhen der Himmelskreise.“149 Zwar basierte die Sphaera durchaus auf den bereits geschilderten Messungen von Breitengrad und der Wendepunkte. Von darüberhinausgehenden sphärischen Berechnungen kann aber keine Rede sein. Den Kern des Emmeramer Monuments stellt eine schematische Darstellung des Kosmos dar, die sich auch an anderer Stelle erhalten hat, nämlich in der St. Emmeramer Handschrift München, BSB, MS Clm. 14689 (fol. 1r). Dort wird sie von einer Hand des späten Mittelalters als figura bezeichnet. Damit entspricht das Monument den von Wilhelm in seiner Praefatio genannten Forschungsinteressen, die ihn laut eigener Aussage so beschäftigt hielten. Die figura basiert auf der Projektion des Kosmos auf die Meridianebene, also der Ebene, die von Norden durch den jeweiligen Zenit nach Süden verläuft (vgl. Fig. 4.15). Darauf projiziert sind die fünf Himmelskreise (jeweils der nördliche und südliche Polarkreis, Sommer- und Winterwendekreis der Sonne und des Himmelsäquators) sowie die Himmelsachse. Zusätzlich sind Horizont- und Zenitlinien eines lokalen Beobachters für 48° nördliche Breite gegeben. Umgeben ist dieses Modell durch eine gleichmäßige und in Grade eingeteilte Maßeinheit von insgesamt 360°, bestehend aus einer feinen Einteilung zu je einem Grad und einer gröberen Einteilung in Segmente zu je sechs Grad. Dank dieser Einteilung konnte das Modell anhand der zuvor gemessenen Daten so auf den Regensburger Breitengrad eingestellt werden, dass es den realen Vorgängen am Himmel entsprach. Entgegen Wiesenbachs Suggestion waren dafür allerdings keine weiteren Berechnungen oder Messungen notwendig, die benötigten Angaben 146 147 148 149
Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 136. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 142. Text-Anhang, S. 319. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 111.
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konnten (weitgehend) aus bestehenden Quellen übernommen werden. Hierfür bot sich vor allem der Text De astronomia von Hyginus an, dessen Beschreibung einer Sphaera sich wie eine Blaupause zum St. Emmeramer Monument liest. Bereits Zinner150 und Wiesenbach wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass München, BSB, MS Clm. 14689 nicht nur eine bildliche Darstellung der figura des Monuments enthält, sondern auch ein kurzes Hyginus-Exzerpt. Allerdings verfolgten sie diese Spur aufgrund der sicherlich richtigen Datierung der Handschrift ins 12. Jahrhundert nicht weiter, da sie damit ja Figur 4.15. Schematische Darstellung nicht als direkte Vorlage für das Monument von figura und Vorderseite der Sphaera. gedient haben konnte.151 Nicht nur entpuppt Diagramm des Autors. sich diese Stelle bei näherer Betrachtung als eine nahezu exakte Anleitung zur Konstruktion der figura, der, wie gleich zu Beginn betont wird, nur noch Wort für Wort Folge geleistet werden musste.152 Auch basiert das von Borst identifizierte vierte Kapitel von Wilhelms Astronomia in weiten Teilen auf Hyginus’ Anleitung, wenngleich diese deutlich kunstvoller überarbeitet und mit Exzerpten anderer Texte kombiniert wurde (siehe Anhang). München, BSB, MS Clm. 14689 überliefert damit wohl eine Vorarbeit Wilhelms, der offenbar zunächst die ihm zur Verfügung stehende Literatur exzerpierte und diese Blütenlese erst später zu einem zusammenhängenden Text ausformulierte. Im Zuge dessen hatte er seine Vorlage dann aber unter dem Eindruck der neusten technologischen Entwicklungen mit eigenen Ideen angereichert und die Wissensbestände der römischen Tradition mit denen aus dem Orient originell ergänzt. Wo Hyginus seine Konstruktionsanleitung auf einen Himmelsglobus bezog, so deutet der Hinweis auf die feinere Gradeinteilung am Rand zur Messung des Sonnenstandes („Si autem et singulos gradus solis desideres scire, harum quintarum singulas in sex divide.“153) eindeutig auf die figura des – bis dato unbekannten – Monuments, die genau eine solche Einteilung zeigt. Die Entwicklung der Sphaera war also nicht das Ergebnis komplizierter Berechnungen. Auf Grundlage der obenstehenden Angaben konnte durch eine einfache geometrische Konstruktion ein Modell der wichtigen Himmelskreise und Punkte erstellt werden (vgl. Fig. 4.16–4.19). Zunächst war es hierfür notwendig, mit dem Zirkel einen Kreis 150 Vgl. Zinner, ‚Das mittelalterliche Lehrgerät‘, S. 281. 151 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 142, Anm. 208. 152 München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 23v und 23r. Die Blätter befinden sich heute in einer falschen Reihenfolge. 153 Text-Anhang, S. 329. Auch wenn betont werden muss, dass in diesem Kontext eigentlich vom Ort der Sonne im Zodiak die Rede ist und nicht von ihrer Höhe am Himmel.
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Figur 4.16. Segmentierter Kreises mit Quadranten. Diagramm durch Autor.
Figur 4.17. Übertragung von status mundi und Achse. Diagramm durch Autor.
Figur 4.18. Übertragung der Kreise nach Hyginus. Diagramm durch Autor.
Figur 4.19. Endprodukt. Diagramm durch Autor.
zu ziehen und diesen in dreißig Segmente zu teilen, die jeweils 6° umfassen. Hierzu wurde er durch zwei Geraden zunächst in vier gleiche Viertel unterteilt, von denen eine Linie die Achse des Kosmos durch die Pole darstellte, die andere den Äquator. Diese Viertel wurden wiederum in drei Segmente geteilt, und diese wiederum in fünf Abschnitte zu je 6°. Dann musste nach Wilhelms Anleitung und mithilfe der Proportionen eines Dreiecks der status mundi auf die Scheibe übertragen werden – in der Forschung fälschlich als Lot bezeichnet – und senkrecht zu dieser Geraden die Himmelsachse, an deren Enden die Pole zu finden waren. Von den zwei Polen konnte nun entsprechend der Anleitung des Hyginus (oder Wilhelms) die Lage der fünf restlichen Himmelskreise einfach abgezählt werden, sechs Segmente bis zu den
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Polarkreisen, weitere fünf Segmente bis zu den Wendekreisen. Eine schräge Linie zwischen den Wendekreisen gab die Lage des Zodiaks an – fertig war das auf die Lage St. Emmerams bezogene Abbild des Universums. Zwar legt Wilhelms Hinweis auf die Messung des Sonnenstands eine Nutzung der Sphaera bei Tage nahe, das Gerät selbst beinhaltet aber recht explizit einen Hinweis auf seine Rolle für die Erschließung des nächtlichen Sternenhimmels. Nicht von ungefähr lautet die Umschrift auf der Rückseite des Gerätes: „Sydereos motus radio percurrit Aratus“ (Den Lauf der Sterne hat Arat mit dem Stab gezeigt). Damit war nicht nur ein direkter Bezug zu den nächtlichen Gestirnen hergestellt, sondern auch auf den antiken Dichter Arat, dessen Lehrgedicht Phaenomena über die Sternzeichen im Mittelalter sehr beliebt war.154 Gleichzeitig passt dieser Hinweis inhaltlich zur figura, die sich, wie oben bereits angedeutet, recht eindeutig mit Hyginus Astronomia identifizieren lässt, einem auf der Grundlage Arats in Prosa gefasstes und erweitertes Handbuch über die Erscheinungen am Himmel.155 Es sollte „möglicherweise zugleich als Hilfe zur Anwendung von Himmelsgloben und Armillarsphären dienen“.156 Gleichwohl stellen sich einige Fragen: Wieso wurde bei einem so engen inhaltlichen Bezug des Instruments zu Hyginus statt diesem Arat durch die Verse der Inschrift gewürdigt? Und wieso lässt sich keiner der beiden Autoren in der Überlieferung des Klosters nachweisen? Eine Reihe von kodikologischen Indizien liefern Antworten auf diese Fragen. Da sich Wilhelm in seiner Astronomia auf Passagen aus Hyginus stützte, ist es auf den ersten Blick seltsam, dass die St. Emmeramer Handschrift München, BSB, MS Clm. 14689 zwar sowohl das Exzerpt als auch Wilhelms Astronomia überliefert, allerdings nicht in einem kodikologischen Zusammenhang, sondern in unterschiedlichen Faszikeln. Das Exzerpt aus Hyginus findet sich im Kontext einer kleinen als Epistula ad Silvestrum II papam bezeichneten geometrischen Schrift des Adalbold über das Bemessen von Kugel und Kreis,157 die auch im bereits im Zusammenhang mit den Astrolabschriften erwähnte Emmeramer Kodex München, BSB, MS Clm. 14836 überliefert wird, hier allerdings ohne das Exzerpt. Dafür teilen beide Handschriften exklusiv zwei kleinere Hinzufügungen, einen Abschnitt aus der Geometria incerti auctoris („Spere cuius sit pedum …“) sowie einen ansonsten unbekannten Zusatz zur Berechnung der Fünfeckzahl.158 Beide Passagen stehen dem Exzerpt in München, BSB, MS Clm. 14689 voran. Daher ist anzunehmen, dass der Brief Adalbolds in dieser Handschrift aus dem älteren Kodex München, BSB, MS Clm. 14836 oder einer gemeinsamen Vorlage kopiert wurde und man ihn bei dieser Gelegenheit um das Exzerpt aus Hyginus ergänzte. Als Vorlage käme dann eigentlich nur eine in St. Emmeram vorhandene oder für kurze Zeit verfügbare Handschrift in Betracht,
154 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 139, hier auch Übersetzung. 155 Vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 31–32, zur mittelalterlichen Rezeption S. 119–27. 156 Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 31. 157 Ediert bei Opera mathematica, hg. von Bubnov, S. 302–09. 158 München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 20v–23v, Zusätze auf 23v; München, BSB, MS Clm. 14836, fol. 128r–132v, Zusätze auf 132v. Vgl. die Untersuchung von Curtze, ‚Die Handschrift No 14836‘, S. 131–36; der Auszug findet sich bei Gerbert, ‚Geometria‘, S. 347.
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die die Astronomia des Hyginus oder zumindest Exzerpte davon enthielt, vielleicht im Rahmen eines Kodex der Aratea-Tradition.159 Der vermutete Zusammenhang zwischen dem St. Emmeramer Monument und einem entsprechenden Kompendium lässt sich über die Umschrift auf der Rückseite des Monuments weiter stärken. Sie verweist nämlich nicht einfach allgemein auf Arat, sondern auch darauf, dass der Dichter den Lauf der Sterne mit dem Stab erfasst hätte („Sydereos motus radio percurrit Aratus“). Die Benutzung des Stabs als Instrument der Kartographie des Himmels ist ein Detail, das sich nicht in den Texten der Aratea-Tradition findet und daher aus anderer Quelle stammen muss. Wiesenbach vermutet hier eine Anspielung auf den 171. Brief des Alkuin („radio Arati caeli describere signa“).160 Diese Verbindung scheint mir allerdings unwahrscheinlich, da die Urheber des Monuments sicherlich eine Formulierung näher am Original gewählt hätten. Vor allem aber enthielt die St. Emmeramer Handschrift der Episteln Alkuins gerade diesen Brief nicht. Eine Kenntnis der Passage in Regensburg ist daher nicht ohne weiteres zu postulieren.161 Für die Umschrift des Monuments kommt aber noch eine weitere Quelle in Betracht,162 die sich mühelos mit der hier vertretenen These eines Kompendiums der Aratea-Handschriften verbinden lässt. Seit der Antike existierte nämlich eine dem Text entsprechende Bildtradition, die sich auch in zwei überlieferten ArateaHandschriften des 11. und 12. Jahrhunderts nachweisen lässt, nämlich in Aberystwyth, NLW, MS 735C (Fleury, 11. Jahrhundert) und Madrid, BNE, MS 19 (Montecassino, 12. Jahrhundert).163 Gezeigt ist Arat, der mit einem Stab unter der Anleitung der Muse Urania an einer Art Himmelsglobus die Kreise des Himmels zeichnet oder nachfährt. Da beide Handschriften insgesamt einen komputistischen Hintergrund haben, ist es denkbar, eine ähnliche Handschrift auch in St. Emmeram zu vermuten. Sie enthielt neben einer Aratea auch den Text des Hyginus oder wenigstens Auszüge davon, und könnte sich im mittelalterlichen Bibliothekskatalog des Klosters zum Beispiel ohne weiteres hinter einer der vielen komputistischen Handschriften verborgen haben, die
159 Die Annahme einer solchen Handschrift in Regensburg ist naheliegend, da sich Hyginus De astronomia spätestens seit dem frühen 10. Jahrhundert im Südosten nachweisen lässt (München, BSB, MS Clm. 13084 aus Freising), in der gesamten Alpenregion sogar bereits im 9. Jahrhundert (St. Gallen, SB, MS Cod. Sang. 250). Für das 11. Jahrhundert bezeugt der Bibliothekskatalog aus Weihenstephan einen „Ygin super spera“ und im 12. Jahrhundert finden sich gleich eine ganze Reihe von Abschriften im Südosten, die mit einer wohl Konstanzer Handschrift des 11. Jahrhunderts (St. Paul i. Lavanttal, SB, MS 16/1) in Verbindung stehen: London, BL, MS Arundel 339 (Kastl), Wien, ÖNB, MS Cod. 51 sowie Wolfenbüttel, HAB, MS Guelf. 18.16.Aug 4°, vgl. Hyginus, De astronomia, hg. von Viré, S. 28; außerdem verzeichnet Ruotgers Bamberger Katalog ebenfalls eine entsprechende Handschrift. 160 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 139. 161 Vgl. Alkuin, ‚Alcuini sive Albini epistolae‘, S. 5. 162 Wiesenbach verweist in Anm. 192 auf eine entsprechende Darstellung, ohne diese Spur weiter zu verfolgen. Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 139. 163 Vgl. Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 106. Die Abbildung in Aberystwyth, NLW, MS Ms. 735C (fol. 11v) kann online unter eingesehen werden, letzter Zugriff 27.07.2021.
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an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert unter Abt Ramwold angeschafft worden waren.164 Hierfür spricht auch, dass Blume verschiedene illustrative Besonderheiten einiger Handschriften der süddeutschen Hyginus-Gruppe mit dem aus Fleury stammenden Kodex Aberystwyth, NLW, MS 735C in Verbindung bringen konnte: Diese gemeinsamen Merkmale der französischen und süddeutschen HyginusIllustrationen lassen sich nur mit einem gemeinsamen Ursprung erklären. Eine Reihe von Indizien sprechen dafür, dass man die Vorlagen für die Bebilderung des antiken Textes einer Himmelskarte in der Art einer Planisphäre entnommen hat. […] Eine um 1000 in Fleury gezeichnete Planisphäre zeigt nun bezeichnenderweise die meisten jener ikonographischen Besonderheiten, welche die Hyginus-Handschriften auszeichnen. (Aberystwyth, Ms. 735 C, fol. 10v)165 Die heute verschollene Emmeramer Handschrift, die meiner Ansicht nach als Vorlage zur Konstruktion und Beschriftung der Sphaera gedient hatte, ließe sich daher mit einigem Recht auf eine spätestens im 11. Jahrhundert (ausweislich der zu dieser Zeit erfolgten Konstanzer Abschrift des Hyginustexts in St. Paul i. Lavanttal, SB, MS 16/1) in Süddeutschland vorhandene Vorlage beziehen. Neben einer Version des Arat und einem illustrativen Zyklus mit Nähe zur Handschrift Aberystwyth, NLW, MS 735C enthielt sie auch eine Abschrift von Hyginus Astronomia oder zumindest einige Auszüge daraus. Wilhelm konsultierte diese unter dem Eindruck des Astrolabs neu und rezipierte sie für sein eigenes Werk. Wie bereits bei der Messung des status mundi handelt es sich auch hier um den Rückgriff auf bereits Bekanntes zur Integration neuen Wissens, in diesem Fall vertreten durch die römische Astronomie im Werk des Hyginus. Ein weiteres Detail in Aberystwyth, NLW, MS 735C legt außerdem nahe, wieso sich Wilhelm zur Konstruktion seiner figura auf ein solches astronomisches Kompendium aus der Aratea-Tradition stütze. Die Handschrift überliefert nämlich neben den Illustrationen und einer Planisphäre auch Abbildungen der sogenannten Sommer- und Winterhemisphären. Diese Himmelskarten, die ansonsten noch in elf weiteren Handschriften überliefert sind, verzeichnen die Lage der Sternzeichen in Relation zu einem astronomischen Koordinatensystem: In most hemispheres the constellations are marked against the background of a grid consisting of a circle that frames the map and represents the equinoctial colures, a vertical line that runs through the middle of the map that represents the solstitial colure, and five straight lines perpendicular to the latter colure which represent respectively the ever-visible circle, the Tropic of Cancer, the Equator, the Tropic of Capricorn, and the ever-invisible circle.166 Diese Hemisphären gleichen sehr deutlich der figura des St. Emmeramer Monuments und einige dieser Handschriften, unter anderem aus dem Alpenvorraum, überliefern im Kontext zu diesen Hemisphären Abbildungen von Himmelsgloben, die bereits
164 Vgl. Zuwachsverzeichnis (Nr. 26), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff. 165 Blume und andere, Sternbilder des Mittelalters, i, S. 123. 166 Vgl. Dekker, Illustrating the Phaenomena, S. 118–42, Zitat S. 122.
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gekippt und mit einem Horizont versehen waren.167 Sie waren also ganz so, wie es Wilhelm für seine figura schließlich umsetzte. Das St. Emmeramer Monument stellte diese Karte nicht nur dar. Seine durchdachte Konstruktion erlaubte es, diese Sternenkarten einfach und präzise auf den realen Sternenhimmel zu übertragen und vereinfachte durch die Visierfunktion der Stiftchen enorm das Auffinden der verzeichneten Sternzeichen. Hierin liegt nun auch eine Erklärung für die fehlerhafte Lage der Polarkreise auf dem Emmeramer Monument, die mit 36° zwar Hyginus folgte, für den Breitengrad St. Emmerams aber nicht zutrafen.168 Wilhelm ging es nicht darum, die Grenzen der immerwährend sichtbaren Sterne zu verdeutlichen, sondern seine Sphaera möglichst exakt mit den vorliegenden Himmelskarten in Einklang zu bringen. Eine Korrektur auf 48° Polabstand hätte eine komplizierte Korrektur dieser Karten notwendig gemacht. Insgesamt zeichnet die Untersuchung der Quellen des Regensburger Monuments also ein ambivalentes Bild der Sphaera. Der Einfluss des neuen Wissens aus dem islamischen Machtbereich ist unverkennbar. Dies veranschaulicht insbesondere das deutlich sichtbare Wissen über den Breitengrad und die zugrundeliegende Methode einer beobachtungsorientierten Astronomie, die sich in den Stiftchen manifestiert. Neben den einschlägigen Astrolabtexten scheint Wilhelms Arbeit zudem durch die Geometria incerti auctoris inspiriert zu sein, deren Rolle für den Transfer des AstrolabWissens sicherlich eine eingehendere Untersuchung verdient.169 Nicht nur zieht sich das hier vertretene Prinzip der Messung der Höhe eines Objekts durch das Werk Wilhelms, auch die dort häufig (und ebenso im Rahmen der Abbildung) verwendete Begrifflichkeit eines visus findet sich prominent übernommen in der Umschrift des Monuments.170 Festzuhalten bleibt aber, dass die Sphaera ganz wesentlich ein Produkt der tradierten römischen Astronomie ist. Sie basierte insbesondere auf den Aratea und Hyginus, denen man sich unter dem Eindruck des neuen Wissens unter geänderten Vorzeichen erneut zuwendete und zur instrumentellen Anwendung durch Geräte brachte. Die Genialität dieser instrumentellen Umsetzung tradierten Wissens wird besonders deutlich, wenn sie im Kontext der Probleme mit dem Astrolab gesehen wird. Anders als von Zinner und Wiesenbach vermutet ging es im Fall der St. Emmeramer Sphaera nämlich nicht um das Verdeutlichen astronomischen Grundlagenwissens. Vielmehr sollte sie die Identifizierung bestimmter Astrolab-Sterne an einem sich bewegenden Nachthimmel ermöglichen. Hierfür musste die ungefähre Position des Sternes und auch der genaue Zeitpunkt bekannt sein, an dem er diese Position einnehmen würde. Den Stern Aldebaran zum Beispiel hatten Wilhelm und seine Mitbrüder im Sternbild des
167 Siehe etwa den St. Galler Kodex (, bzw. [letzter Zugriff 26 Juli 2021]). 168 Vgl. Dekker, Illustrating the Phaenomena, S. 201; ebenso Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 139–41. 169 Diese Neubewertung scheitert bislang an der ungünstigen Editionslage, die sich hoffentlich bald durch die Neuedition durch Cathèrine Jacquemard verbessern wird. Vgl. auch deren einschlägigen Vorstudien in Jacquemard, ‚Recherches sur la composition‘; Jacquemard, ‚Niveaux de langue et tradition‘. 170 Vgl. Geometria incerti auctoris, hg. von Bubnov, S. 328–30 und S. 333.
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Figur 4.20. Blick durch die Sphaera auf den Nachthimmel. Der Bereich links des Meridians (grüne Linie in der Mitte) wurde durch das Monument verdeckt. Die roten Kreisausschnitte stehen für die Wendekreise, der gelbe Kreisausschnitt für die Tagundnachtgleiche. Die roten Kreise markieren jeweils den Fokuspunkt der nach Süden zeigenden Stifte. Abbildung durch Autor mit der Software Stellarium.
Stiers zu suchen: „In Tauro est una lucidior ita [es folgt die schematische Zeichnung eines Sternbildes, Anm. d. V.], quam dicunt aldebaram“ (Im Sternzeichen Stier ist ein leuchtstarker Stern, den sie Aldebaran nennen) –, so De utilitatibus astrolabii.171 Sichtbar war dieser Stern in den Regensburger Breiten lediglich im Winterhalbjahr und zu wechselnden Zeitpunkten mit einer unterschiedlichen Höhe über dem Horizont. Auch die Sterntabellen der Astrolabliteratur waren für die Identifikation der Astrolabsterne am Nachthimmel keine große Hilfe. In ihnen fanden sich zwar Koordinaten für jeden Stern, sie verzeichneten aber lediglich deren Lage auf dem Astrolab und standen nur insofern in einem Zusammenhang zum tatsächlichen Nachthimmel, als dass sie das Tierkreiszeichen angaben, das etwa gleichzeitig mit dem verzeichneten Stern den Meridian überquerte.172 Den Stern Aldebaran mussten die St. Emmeramer Mönche also erst einmal am Himmel identifizieren, für andere Sterne fehlte ihnen sogar die Information des dazugehörigen Sternbildes, da nur knapp die Hälfte der siebenundzwanzig Astrolabsterne in De utilitatibus astrolabii genauer beschrieben sind. Vor der Anwendung des Astrolabs mussten die St. Emmeramer Mönche also zunächst ausgiebig den nächtlichen Himmel beobachten. Es ist dieser Kontext, den Otloh als contemplatio stellarum bezeichnet, in dem die Sphaera zu deuten ist. Sie half den 171 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 17, S. 137; zur Identifikation dieser Sterne vgl. Kunitzsch, Arabische Sternnamen, S. 59–96. 172 Vgl. Drecker, ‚Hermannus Contractus über das Astrolab‘, S. 215; Bergmann, Innovationen im Quadrivium, S. 50–54.
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Mönchen, ihren Himmel wie Arat zu vermessen, und zwar im Zusammenspiel mit dem neuen Astrolab, der in der Geometria incerti auctoris beschriebenen Methode der Höhenmessung und den tradierten Himmelskarten. Das Instrument ermöglichte es den Mönchen, feste Orientierungspunkte auf den Himmel zu übertragen. Da die Sphaera exakt und fest auf einer NordSüd-Linie ausgerichtet war, konnte mit ihr die Meridianlinie am Himmel dauerhaft beobachtet und dadurch der Zeitpunkt des Höchststandes eines jeden Himmelskörpers genau bestimmt werden: Dieser war erreicht, sobald ein Stern beim Blick durch die Sphaera ins Figur 4.21. Bestimmung des Blickfeld des Beobachters geriet. Darüber Meridiandurchlaufs eines Sternes hinaus konnte anhand der Stiftchen mit dem Astrolab. Die roten Kreise auch die Höhe des Sterns zumindest markieren die Wendepunkte, der gelbe annäherungsweise bestimmt werden. Kreis die Tagundnachtgleiche. Der mit Der Blick durch die Stiftchen markierte einem weißen Kreis markierte Zacken die wichtigsten Orientierungspunkte markiert den Stern Aldebaran im Moment am Himmel, den Äquator (gelb), die des Meridiandurchlaufs. Der genaue Wendekreise (rot) sowie den Himmelspol Zeitpunkt kann anhand der Stundenlinien und den Polarkreis (außerhalb des und des Sonnenzeigers bestimmt werden. Ausschnittes) (vgl. Fig. 4.20). Diese Abbildung durch Autor. Orientierungspunkte fanden sich auf der Sphaera und als Kreise dargestellt auch auf dem Astrolab (vgl. Fig. 4.21). Dadurch war es möglich, die Lage der durch die jeweiligen Zacken auf dem Astrolab repräsentierten Sterne einfach am Himmel zu finden. Da der Zacken des Aldebaran auf dem Astrolab zum Beispiel nahe des Sommerwendekreises lag, konnte die ungefähre Lage des Sternes ermittelt werden, indem der Sommerwendekreis durch das entsprechende Stiftchen anvisiert wurde. Etwas darunter fand sich die Bahn des gesuchten Sterns. Zur Identifizierung des Sterns am Himmel fehlte nun nur noch der ungefähre Zeitpunkt, an dem er den Meridian übertreten und ins Blickfeld der Sphaera geraten würde. Diesen Zeitpunkt konnten Wilhelm und seine Mitbrüder einfach am Astrolab ablesen, indem sie den Zacken des gesuchten Sterns auf die Meridianlinie des Astrolabs schoben. Bei bekannter Position der Sonne auf ihrer Jahresbahn konnte nun die Uhrzeit dieses Höchststands anhand der Stundenlinien des Geräts ermittelt und mit einer Wasseruhr gemessen werden. An den Äquinoktien, die sich in besonderer Weise für astronomische Messungen anboten, da hier die gleichlangen Tag- und Nachtstunden einfach und exakt durch eine Wasseruhr gemessen werden konnten, gab das Astrolab den Meridiandurchlauf für Aldebaran ungefähr mit 3:45
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Uhr (moderner Zeit) an. Blickten Wilhelm und seine Mitbrüder nun zu dieser Zeit durch die Visierstiftchen der Sphaera, konnten sie den auffälligen Stern eindeutig identifizieren. Durch die Kreisskala wäre es dann im Grunde sogar möglich, die Höhe des gefundenen Sternes exakt zu bestimmen und mit den Angaben des Astrolabs abzugleichen. Damit war die Sphaera von St. Emmeram deutlich mehr als ein Lehrgerät und Monument wissenschaftlicher Eitelkeit, sondern ein astronomisches Instrument zur Vermessung des nächtlichen Himmels in einer bis dato unbekannten Präzision. Den Mönchen in St. Emmeram erlaubte sie nicht nur endlich die vollständige und erfolgreiche Nutzung des Astrolabs, sondern im Zuge der Bemühungen um diese Nutzung auch eine bislang ungekannte Kenntnis um den Aufbau ihres Kosmos und die Vermessung der Welt in Zahlen und Graden. Die Sphaera von St. Emmeram stellt daher das erste festinstallierte Observatorium zur exakten Vermessung des Sternenhimmels des lateinischen Mittelalters dar. Analytisches Zwischenfazit
Die Entwicklung der Sphaera in den 50er oder 60er Jahren des 11. Jahrhunderts stellte nicht nur einen qualitativen Höhepunkt der Regensburger Astronomie dar, sondern markierte auch den erfolgreichen Abschluss eines astronomischen Großforschungsprojekts, nämlich der Integration des arabischen Wissens, das sich in einer kleinen Scheibe aus Metall mit der ungewöhnlichen Bezeichnung Astrolab manifestierte. Bevor nun die Motivation der Mönche ergründet werden soll, ist es an der Zeit für ein analytisches Zwischenfazit mit Blick auf die Frage nach den vermuteten Innovationsprozessen im Regensburger Kloster. Tatsächlich lassen sich die Spuren eines solchen Prozesses auf gleich mehreren Ebenen fassen: Einmal die Einführung neuer Instrumente, die neue Formen und Methoden der Anwendung mit sich brachten; zum zweiten neues Wissen, das aus der Korrektur und Präzisierung des tradierten Bestandes im Zuge dieser Einführung geschöpft wurde; und zum dritten – nach erfolgreicher Adaption des Geräts – zumindest partiell geänderte epistemische Grundlagen des kosmologischen Wissens an sich: Unter der Führung Wilhelms widmeten sich in St. Emmeram interessierte Mönche einer zunehmend angewandten Astronomie, die sich erheblich von den Wissensformen der Karolingerzeit unterschied. Angestoßen wurde dieses Interesse in erster Linie durch die Rezeption des Astrolabs und der damit in Verbindung stehenden astronomischen Literatur, insbesondere der Geometria incerti auctoris. Das wohl zur Mitte des 11. Jahrhunderts nach Emmeram gelangte Gerät ließ sich nicht mehr auf der Basis des tradierten Wissens verstehen und anwenden, sondern erforderte die Lösung bislang ungeahnter Fragen und Probleme. Vor allem waren dies eine Korrektur der tradierten Terminierung der Wendepunkte der Sonnenbahn, die Messung des eigenen Breitengrades sowie eine präzise Vermessung des Sternenhimmels. Dabei billigten Wilhelm und seine Brüder der Observation astronomischer Phänomene im Rahmen der Erschließung des Kosmos einen in dieser Form bis dato unerreichten Stellenwert zu. Sowohl die Vermessung des Sternenhimmels als auch die Messung der Wendepunkte basierten auf diesem für die modernen Wissenschaften
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grundlegenden Prinzip.173 Grundsätzlich war diese Praxis der Wissensgewinnung auch im 11. Jahrhundert nicht neu. Die Welt mit den eigenen Sinnen zu erschließen ist eine anthropologische Grundkonstante der menschlichen Existenz. Auch die Beobachtung astronomischer Phänomene lässt sich in fast allen Epochen und Kulturen nachweisen, selbst in der römischen Antike und dem frühen Mittelalter war sie verbreitet. So schildert Plinius die Praxis der Observation von Wettervorzeichen und Gregor von Tours beschrieb im 6. Jahrhundert, wie man die nächtliche Zeit anhand der Beobachtung des Sternenhimmels feststellen könne. Pacificus von Verona wiederum entwickelte ein eigenes Instrument zur Beobachtung der polnahen Sterne zur Zeitmessung.174 Auch die Karolinger und die Gelehrten ihres Hofes beobachteten den Kosmos genau. So bezeugen verschiedene Briefe zwischen Kaiser Karl und seinem engen Vertrauten Alkuin, dass der scheinbar unregelmäßige Lauf einiger Himmelskörper dem Kaiser Sorge und dem Gelehrten Kopfzerbrechen bereitete.175 Der Blick zu den Sternen war also auch Wilhelms Vorfahren nicht fremd. Und doch unterschieden sich diese Praktiken erheblich von den seinen. Dies betraf die angestrebte Präzision der Beobachtung, die die entwickelten Geräte wie die festinstallierten Sphaera auf ein neues Niveau hob und sich eines mathematisch und damit exakt formulierbaren Koordinatensystems aus Graden bediente. Ausgehend vom bloßen Augenschein entwickelte sich so ein präzises, ausgefeiltes und instrumentengestütztes Beobachtungsverfahren. Wissenschaftlich bedeutender als diese qualitative Verbesserung der Beobachtungspräzision ist aber der veränderte epistemische Status, den Wilhelm der Observation zugesteht. Bis dahin hatte die Observation astronomischer Phänomene einen anwendungsbezogenen und damit instrumentellen Charakter. Wer Sterne oder Planeten beobachtete, wollte diese Beobachtung konkret nutzen, meist zur Vorhersage bestimmter Ereignisse. Im Mittelalter geschah dies bis weit ins 12. Jahrhundert hinein fast ausschließlich zur Bestimmung und Vorhersage der Zeit.176 Zur Erklärung der Phänomene selbst gab man dem Blick ins Buch den Vorzug.177 In Regensburg tritt nun eine Form der Beobachtung zur Beantwortung von epistemisch orientierten Fragen nach der Struktur des Kosmos zu Tage, die Park als „observation as inquiry“ bezeichnet.178 In den Regensburger Forschungen manifestierte sich dadurch bereits vor dem 12. Jahrhundert ein Wandel von der instrumentellen zur epistemischen Observation mit dem primären Ziel der Erkenntnisgewinnung, einer physica indagatio, wie Wilhelm es selbst treffend bezeichnet.179
173 Vgl. Daston und Lunbeck, ‚Introduction: Observation Observed‘, S. 1. 174 Vgl. Park, ‚Observation in the Margins‘, S. 21–22; zur Sternuhr des Pacificus vgl. Wiesenbach, ‚Pacificus von Verona‘; Wiesenbach, ‚Der Mönch mit dem Sehrohr‘ sowie Stella, ‚The Sense of Time‘. 175 Vgl. Springsfeld, Alkuins Einfluß, S. 50–52. 176 Vgl. Park, ‚Observation in the Margins‘, S. 21–26. 177 Auch hierfür liefert Alkuin ein schönes Beispiel, wenn er die Fragen Karls zum erratisch erscheinenden Verhalten der Himmelskörper nicht ohne Weiteres beantworten kann, da ihm die passende Literatur nicht zur Verfügung stand. Eigene Beobachtungen mit dem Zweck der Wissensgewinnung kamen ihm nicht in den Sinn. Vgl. Springsfeld, Alkuins Einfluß, S. 52. 178 Vgl. Park, ‚Observation in the Margins‘, S. 27. 179 Text-Anhang, S. 319.
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In den Regensburger Bemühungen zeigt sich aber nicht nur eine StatusVeränderung der Beobachtung, sondern auch eine erhebliche Weiterentwicklung des methodologischen Instrumentariums. Dies wird besonders in den Messungen der natürlichen Wendepunkte deutlich. Hierfür waren andere Methoden erforderlich als bei der Identifikation der Astrolabsterne. Während es dort noch möglich war, die Himmelskörper direkt zu beobachten und die Hilfe eines Instruments lediglich aus Gründen der Präzision in Anspruch genommen wurde, musste hier das das abstrakte Phänomen der jährlichen Sonnenbahn zunächst wahrnehmbar gemacht werden, um auf dieser Grundlage eine Frage zu beantworten. Hierfür entwickelte Wilhelm eine geeignete neue Methode, indem er sich der täglichen Messung der Sonnenhöhe über ihren wechselnden Schattenwurf bediente, und er designte unter Rückgriff auf eine Apparatur eine künstliche Umgebung zur Umsetzung dieser Methode: Das Arrangement bestehend aus einem Raum mit Wand, einem in einer bestimmten Weise angeordneten Fenster und einer künstlich gezogenen Linie. Damit erzeugte er also „stabile Umgebungen, die man als Experimentalbedingungen oder als technische Dinge bezeichnen kann; die epistemischen Dinge werden von ihnen eingefaßt und dadurch in übergreifende Felder von epistemischen Praktiken und materiellen Wissenskulturen eingefügt.“180 Erst durch ein solches System – Wand, Fenster und Linie – ließ sich ein komplexer astronomischer Sachverhalt wie die exakte jährliche Sonnenbahn als handhabbares epistemisches Ding erzeugen, nämlich als die simple Bewegung eines Schattens auf einer Linie, der beobachtet, notiert, berechnet und gedeutet werden konnte. Statt einer direkten Beobachtung vollzog Wilhelm einen bis dato einmaligen Dreischritt, der mit der Materialisierung des Phänomens (durch den Schattenwurf eines künstlichen Objekts) begann und über die Reduktion von Komplexität (der Darstellung des Sonnenlaufs als Markierungen auf einer Linie) führte. Durch die so ermöglichten kontrollierbaren und wiederholbaren Messungen ließen sich dann im Rahmen einer regelrechten Untersuchungsreihe Daten gewinnen, aus denen der gesuchte Termin mathematisch berechnet werden konnte. Hinter dieser „‚Degeneration‘ einer komplexen Erscheinung“181 stand ein Vereinfachungsprozess, der zwar nicht vergleichbar mit den Prozessen eines heutigen Labors und seiner Experimentalsysteme ist, historisch aber durchaus als eine Vorstufe gedeutet werden kann. Auch wenn das St. Emmeramer Experimentalsystem noch nicht „zur Materialisierung einer Fragen diente“, sondern lediglich ihrer Überprüfung und Beantwortung, so mussten sich die Regensburger Mönche doch durch eine – zumindest im Vergleich zu den bis dato verwendeten Beobachtungsverfahren des frühen Mittelalters – „komplexe Experimentallandschaft hindurchschlagen, bis sich wissenschaftlich relevante einfache Dinge abzeichne[te]n“.182 Die methodische Neuerung zur Gewinnung eines gesicherten Datums der Wendepunkte stellt Wilhelms Ansatz ebenfalls in die Ahnenreihe moderner Experimentalsysteme. Während seine Vorgänger von Beda
180 Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 25. 181 Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 22. 182 Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 22.
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bis Hermann von Reichenau sich darauf beschränkten, bestehende Informationen zu bestätigen oder aus einer gegebenen Anzahl an möglicherweise korrekten Antworten eine zu wählen, basierte Wilhelms Untersuchung auf dem Prinzip der Kontingenz. Er wählte nicht aus einer bereits gegeben Information ein mehr oder weniger passendes Ergebnis, sondern ging den Weg der ergebnisoffenen empirischen Beobachtung. Zum ersten Mal in der Geschichte des lateinischen Mittelalters werden so die Prinzipien der modernen Naturwissenschaft in erkennbaren Ansätzen angewendet. Insofern wäre dem Chronisten Bernold durchaus zuzustimmen, wenn er in seinem Kalender das von Wilhelm gefundene Datum als „equinoctium modernorum“ (Tagundnachtgleiche der Modernen) bezeichnet,183 wenngleich dieses Adjektiv dann wohl in einem erheblich umfassenderen Sinne zutreffend ist als von ihm intendiert. Die Messungen und Experimente der Regensburger Mönche wiesen mithin bereits im 11. Jahrhunderts zumindest Ansätze einer evidenzbasierten Wissenschaft auf, deren Anfänge eigentlich frühestens im 12. Jahrhundert, im Grunde sogar erst mit der wissenschaftlichen Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Das Ergebnis dieses radikalen Methodenwechsels war nicht nur eine erfolgreiche Konstruktion und Anwendung der neuen Geräte, sondern auch eine erweiterte und präzisere Kenntnis des Kosmos, die wiederum neue Fragen provozieren konnte. Die durch den Transfer fremder Geräte – Astrolab und Quadrant – und den damit in Zusammenhang stehenden Wissensbeständen ausgelösten Innovationen lassen sich nicht allein durch diesen materiellen Transfer erklären, sondern sind vor allem Folge einer hierdurch ausgelösten Irritation des traditionellen Wissens in Regensburg. Vom frühen Mittelalter bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts griff man dort vor allem auf einen tradierten und kanonisierten Bestand an Buchwissen zurück, vor dessen Hintergrund Phänomene des Kosmos gedeutet und erklärt wurden. Dieses Wissen genügte, um den Kosmos und seine Phänomene angemessen zu beschreiben, beinhaltete allerdings auch strittige Punkte, wie die verschiedenen Datierungen der Sonnwenden. Diese Widersprüche wurden in der Regel diskursiv aufgelöst oder schlicht beibehalten, indem beide Daten angegeben wurden.184 Zwar konnte dieses Vorgehen nicht zum Einklang der Theorie mit der Realität führen, da die in der Literatur vertretenen Daten aus den Zeitgenossen unbekannten Gründen nicht mehr korrekt waren, in der Praxis spielte dies allerdings keine Rolle, da die bis zu diesem Zeitpunkt üblichen Beobachtungspraktiken eine messtechnisch bedingte Unschärfe aufwiesen, die diesen Fehler nicht deutlich zu Tage treten ließen. Zwar diskutierten die Gelehrten die verschiedenen Termine kritisch, aber weniger, weil man ihnen Fehlerhaftigkeit unterstellte, sondern vielmehr, weil der Widerspruch tradierter Autoritäten als Problem galt. Eigene Messungen entsprachen nicht dem buchwissenschaftlichen Vorgehen des frühen Mittelalters. Das verändert sich grundlegend mit der Ankunft des Astrolabs. Mit diesem Instrument lag plötzlich ein Apparat vor, der aufgrund seiner Konstruktion Präzision
183 Kuithan und Wollasch, ‚Der Kalender des Chronisten Bernold‘, S. 500. 184 Vgl. Nothaft, Scandalous Error, S. 26–34.
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ermöglichte, gleichzeitig aber Eindeutigkeit einforderte. Vor diesem Hintergrund offenbarte der Blick durch die Alhidade eines auf Grundlage des tradierten Wissens konstruierten Astrolabs Irritierendes: Der Kosmos, der mit dem Gerät in Einklang stehen sollte, unterschied sich erheblich von den Angaben des Astrolabs, sei es der Stand der Sonne oder die Lage eines Sternes. Es fungierte also als eine Art „generator of surprises“, das es ermöglichte, bislang undenkbares als epistemische Dinge zu konstruieren, die dann Gegenstand näherer Erforschung werden konnten.185 Zunächst mussten die sichtbar werdenden Abweichungen der Realität vom tradierten Wissen die wissenschaftlichen Überzeugungen der Regensburger Mönche in ihren Grundfesten erschüttern. In den Worten Thomas Kuhns bedeuteten sie, dass „die Natur in irgendeiner Weise die von einem Paradigma erzeugten, die normalen Wissenschaften beherrschenden Erwartungen nicht erfüllt hat.“186 Wilhelm selbst deutet an, mit welch schwerwiegenden Konsequenzen diese Irritation der tradierten Wissensbestände einherging. Frustra laborabam, mit großen und vergeblichen Mühen, versuchten sich die Regensburger Mönche einen Reim auf die Ungenauigkeiten und Fehler des von ihnen konstruierten Astrolabs zu machen. Die Folge war wohl ein zweistufiges Verfahren. Zunächst prüften sie das neue und fremde Wissen dahingehend, ob Fehler in der neuen Methode oder aber ihrer fehlerhaften Umsetzung bestünden. Hierfür sprechen der zeitweilige Verzicht Wilhelms auf die in der Astrolabliteratur eigentlich propagierte Anwendung von Graden und der Rückgriff auf althergebrachte geometrische Methoden zur Prüfung des eigenen Breitengrades. Nach dem Auschluss dieser Fehlerquelle dämmerte den Mönchen in Regensburg, dass der Fehler im tradierten Wissen selbst steckte. Vor dem Hintergrund dieser Einsicht war es folgerichtig, die bereits umstrittenen Termine der Wendepunkte einer Prüfung zu unterziehen. Tatsächlich ergaben die aufwendigen Messungen der Astronomen in St. Emmeram, dass keiner der tradierten Termine stimmte, und die Autoritäten das ‚natürliche‘ Datum der Wendepunkte falsch benannt hatten. Das Astrolab führte somit im Kuhn’schen Sinne zu einer Anomalie, die Irritationen im tradierten Paradigma auslöste und zu einem Anpassungsdruck führte, in dessen Folge eine Korrektur und Verfeinerung des bestehenden Wissens erfolgte. Auch wenn diese neuen Termine in den Worten Wiesenbachs im 11. Jahrhundert „unerhört“ gewesen waren,187 so handelte es sich bei der Neuterminierung nicht um einen fundamentalen Paradigmenwechsel.188 Vielmehr können diese Vorgänge auch als eine Korrektur und damit Verfeinerung des bestehenden Paradigmas gedeutet werden. Das kosmologische Weltbild als Ganzes stellte man im 11. Jahrhundert auch in Regensburg nicht infrage. Schwenkt man den Blick aber von den Inhalten
185 Vgl. Rheinberger, ‚Experiment, Difference, and Writing‘, S. 307. 186 Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, S. 66. 187 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 111. 188 Gegen die Annahme eines Paradigmenwechsels spricht vor allem der in der Sphaera zum Ausdruck kommende Rückgriff auf traditionelle Wissensbestände, in die das neue astronomische Wissen integriert, oder in der Diktion von Kuhn „assimiliert“ wurden. Gleichwohl deutet sich hier ein Wissenswandel von epistemischer Tragweite an. Vgl. hierzu Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, S. 65–78.
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auf die Methode, wird die Tragweite der Vorgänge deutlich, die weitreichende Konsequenzen für die Wissenschaftsgeschichte nach sich zogen. Die eigentliche Irritation bestand nämlich weniger darin, dass sich tradierte Wissensbestände als fehlerhaft herausstellten. Die Korrektur der Autoritäten war eigentlich auch im Mittelalter kein unerhörter Vorgang, solange sie mit einer gewissen Demut erfolgte.189 Irritationen musste vielmehr die Tatsache auslösen, dass das Studium tradierten Buchwissens als Methode nicht in der Lage war, die festgestellten Anomalien zu erklären und zu beseitigen. Während Hermann von Reichenau nur wenige Jahre zuvor noch diesen Weg gegangen war, indem er das in den Bücher vorgefundene Wissen in einer neuen Weise zusammenfügte, und damit den 18. März als Zeitpunkt der Wendepunkte bestimmte,190 mussten Wilhelm und seine Mitstreiter feststellen, dass sich die Lösung nicht in den Büchern verbarg, sondern diese vielmehr Teil des Problems waren. Stattdessen kamen sie zum Ergebnis, dass eine Entscheidung der Frage nach den Wendepunkten durch ein beobachtendes Verfahren erfolgen musste, gaben der Empirie also den Vorrang vor der Theorie. Der innovative Charakter der Regensburger Forschungen lag damit in der Einsicht, dass die Lösung astronomischer Probleme nicht mehr durch eine bloße Weiterentwicklung des bestehenden Wissens zu erreichen war, sondern einen radikalen Methodenwechsel erforderlich machte. Zusammengefasst fungierte das Astrolab daher als eine Art Anomalie im Kuhn’schen Sinne, die vielleicht nicht einen umfassenden und unumkehrbaren, gleichwohl aber partiellen Paradigmenwechsel auslöste und die Mönche zu innovativen – im Sinne von noch nicht dagewesenen – Methoden der Problemlösung herausforderte und sie ermutigte, Beobachtungen nicht mehr nur durch Buchwissen zu erklären, sondern Buchwissen durch Beobachtungen zu bilden. Die Innovationsprozesse, die in Regensburg in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts abliefen, haben ihre Ursache eindeutig in den vielfältigen Irritationen, die die Ankunft des Astrolabs im tradierten Wissensbestand auslöste. Gleichwohl ist festzuhalten, dass dieser Prozess nicht auf die passive Übernahme allochthonen Wissens beschränkt werden darf. Vielmehr führten die ausgelösten Anomalien zu einem komplexen und graduellen Prozess, in dem die Regensburger Mönche tradiertes und fremdes Wissen in eigenständige Innovationsleistungen überführten und transformierten: Das Zusammenführen von der beobachtungsorientierten arabischen Astronomie mit den strukturorientierten Ansätzen der römischen Kosmologie führte in der instrumentellen Umsetzung dieser Wissensstränge in der Emmeramer Sphaera zu einer genuin lateinisch-mittelalterlichen Weiterentwicklung, deren Eigenständigkeit weitere Beachtung und Untersuchung verdient. Zusammenfassend lässt sich bestätigen, dass sich in Regensburg ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts weitreichende Innovationsprozesse fassen lassen. Unter dem irritierenden Eindruck des Astrolabs verknüpften die Mönche traditionelle und
189 Die nach dem Zeugnis Otlohs gerade dem jungen Wilhelm abgegangen sein dürfte, der ‚hochmütig‘ und ‚überheblich‘ die alten Gesängen korrigierte. Vgl. Otloh von St. Emmeram, Summa dictorum, hg. von Migne. 190 Vgl. Nothaft, Scandalous Error, S. 39.
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fremde Wissensbestände zu eigenständigen methodischen und technologischen Neuerungen, in deren Zuge sie sich verstärkt dem epistemischen Wissen über den Kosmos sowie dem Wissen über den Bau hierfür geeigneter Geräte zuwendeten. Bei den Forschungen Wilhelms und der Liebhaber der weltlichen Wissenschaften scheint es sich um außergewöhnliche Vorgänge gehandelt zu haben,191 die nicht ohne weiteres verallgemeinert werden dürfen, doch legt die Rezeptions- und Überlieferungsgeschichte der Astrolabliteratur (und ähnlich gelagerter Texte) des 11. und 12. Jahrhunderts nahe, dass das Instrument auch an anderen Zentren der Region zu Irritationen und Innovationen geführt habe. Es ist daher gerechtfertigt, den quantitativ messbaren Anstieg des Interesses an epistemischen Wissensbeständen über den Kosmos, also das, was Speer in einem qualitativen und ideengeschichtlichen Kontext als Entdeckung der Natur bezeichnet und auf die französische Frühscholastik zurückführt, auch ins benediktinische Milieu des 11. Jahrhunderts zu verorten. Die soziokulturellen Ursachen und Bedingungen dieser Prozesse gilt es, im folgenden Abschnitt zu klären.
Bedingungen: Institutionalisierung und Professionalisierung Nachdem im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde, dass die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts zumindest in St. Emmeram durch Innovationsprozesse im Bereich des Wissens über den Kosmos geprägt war, die durch die Ankunft des Astrolabs ausgelöst wurden, stellt der folgende Abschnitt die daran anschließende Frage nach den soziokulturellen Ursachen, Bedingungen und Folgen dieser Prozesse. Dabei ist zunächst zu untersuchen, welche Auswirkung die Integration neuen Wissens auf die Akteure der Institution des Klosters hatte, und dann, unter welchen sozialen Bedingungen diese Prozesse stattfinden konnten. In diesem Zusammenhang soll auch gefragt werden, welche Rolle das institutionelle Setting des Klosters hierbei spielte, ob es Innovationsprozesse ermöglichte oder vielmehr erschwerte. In einem dritten Schritt stehen die Beweggründe der beteiligten Akteure im Mittelpunkt, diese Neuerungen überhaupt zu forcieren, um abschließend die Frage nach den Mechanismen hochmittelalterlicher Innovationsprozesse zu klären. Auch diese Untersuchung wird an den Vorgängen ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erfolgen, dabei aber auch den Blick ins 12. Jahrhundert wagen, in der die zuvor begonnenen Entwicklungen einem vorläufigen Abschluss zugeführt wurden. Die soziale Dimension kosmologischer Innovationsprozesse
Erneut führt die Untersuchung der sozialen Dimension der sich in St. Emmeram entfaltenden Innovationsprozesse also in den Kreuzgang des Klosters, zum verstimmten Klosterlehrer Otloh. Dessen Bericht bezeugt nämlich nicht nur die wissenschaftlichen Vorgänge im Regensburger Kloster, sondern auch das erhebliche Konfliktpotential, das in der neuen Astronomie und den damit verbundenen Praktiken lag. Otloh betont 191 Immerhin veranlassten sie den Chronisten Bernold zu einem überschwänglichen Lob.
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in seiner Klage den fundamentalen Gegensatz frommer Studien – die durchaus das Quadrivium miteinschließen konnten, in dem er selbst bewandert war – zu der neuen Astronomie, die auf der praktischen Arbeit mit Instrumenten basierte und in einer contemplatio stellarum gipfelte, ein Begriff, der in der mittelalterlichen Deutung eigentlich der religiösen Einkehr vorbehalten war und dadurch eine Verächtlichmachung dieser Praxis impliziert.192 Die hier zum Ausdruck kommenden Vorbehalte gegenüber den neuen Formen der Astronomie um das Astrolab sind keineswegs auf den streitbaren Klosterlehrer beschränkt, sondern finden sich im 11. und 12. Jahrhundert auch an anderen Orten. Berühmt ist noch heute der Spott des Petrus Damiani über den Astronomen, der wegen seiner fortwährenden Himmelsbeobachtungen in eine Grube fällt. Auch die Fundamental-Kritik Manegolds von Lautenbach an den weltlichen Wissenschaften bezog sich nach Wiesenbach offenbar direkt auf die neuen Praktiken der Himmelsvermessung durch (und für) das Astrolab, wie sie auch in Regensburg Anwendung fanden.193 Es wäre naheliegend, zu vermuten, dass diese und ähnliche Einwürfe Wilhelm dazu bewogen, seiner Astronomia einen umfangreichen Prolog voranzustellen, in der er sein eigenes Tun geschickt aus den Väterschriften rechtfertigt.194 Zuvor gesteht er dem Gesprächspartner seine Befürchtungen, die ihn bislang von der von Otloh angeblich angeregten Abfassung eines Textes über diese schwierigen Themen abgehalten hätten, nämlich, dass seine Ausführungen, „die ja wegen ihrer Schwierigkeit von den antiken Philosophen entweder unangetastet blieben oder erwähnt und ohne Antwort gelassen“ wurden – auch dies ein Hinweis auf den innovativen Charakter seiner Studien –, „von manchen mit Verachtung, nicht mit Interesse verstanden werden, und mehr verdreht als wirklich begriffen, voreilig verurteilt werden würden, besonders da diese behaupten, dass uns Mönchen nichts der freien Wissenschaft gestattet sei, außer dem Psalter.“195 Wilhelms Prolog wehrt sich überzeugend gegen diese Beschränkung der mönchischen curiositas, indem er theologisch geschickt die weltlichen Wissenschaften
192 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 152, der die einschlägigen Stellen bei Gregor und Cassian verzeichnet. 193 Vgl. zur Kritik an den zeitgenössischen Wissenschafen ausführlich Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 145. 194 Zu Wilhelms Prolog vgl. Bultot, ‚Quadrivium, natura et ingenium naturale‘, S. 11–18; darauf aufbauend, aber ausführlicher Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 141–52. 195 „‚Memini‘, inquam, ‚te, karissime frater, hoc mihi salubre antea etiam dedisse consilium, sed quia presens etas inter innumeras vitiorum furias maximam Erinin patitur invidiam, timui, fateor, ne, si tante res, utpote ab antiquis philosophis pro difficultate sui aut intacte aut tacte et in dubio relicte, aut tacte et tractate sed minus cauta probatione finite, sub persona vilitatis mee proferantur, quibusdam fastidio sint non studio et magis depravate, quam vere deprehense, temere ab eis iudicentur, presertim cum nobis monachis nihil liberalis scientie preter psalterium licere asserant.‘“ (‚Ich erinnere mich‘, sagte ich, ‚dass Du, O., geliebter Bruder, mir früher diesen vernünftigen Rat gegeben hattest, aber weil die heutige Zeit unter den unzähligen Rasereien der Sünden am meisten unter dem Neid der Furien leidet, befürchtete ich – gebe ich zu –, dass, wenn so große Dinge von meiner bescheidenen Person ausgesprochen werden, die ja, wegen ihrer Schwierigkeit von den antiken Philosophen entweder unangetastet blieben, oder erwähnt und ohne Antwort gelassen, oder erwähnt und behandelt wurden, aber ohne sicheren Beweis abgeschlossen wurden, diese Dinge von manchen
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und insbesondere die Astronomie aus der Mönchstheologie der Väterschriften und dem Buch der Weisheit herleitet und legitimiert.196 Wilhelms Formulierung „uns Mönchen“ belegt allerdings, dass er seinen Prolog nicht in den Dienst eines Kulturkampfes um die legitimen Praktiken der Welterschließung stellt. Ihm geht es nicht darum, zu belegen, dass auch der physikalische Himmel Gegenstand einer contemplatio werden dürfe. Vielmehr formuliert er seine Apologie entlang der Dichotomie von Kloster und Welt. Er fragt daher nicht in erster Linie, ob die auf Instrumente gestützte und beobachtende Astronomie als solche legitim ist, sondern vor allem, für wen, eine Frage, die er durch die Konstruktion einer „monastische[n] Tradition“ solcher Studien klären möchte, die seiner Auffassung nach seit Cassian und Gregor, im Grunde aber seit Adam selbst bestünde:197 „Der Mönchsvater, aus dessen Collationes gemäß der Benedicti regula in abendlichem Kreise vorzulesen war, wird zum Zeugen mönchischen Wissensdranges. Ebenso Hieronymus und Benedikt selbst, mit Bedacht gewählte Autoritäten – quia monachi fuerant.“198 Wilhelms Prolog ist daher vor allem eine Streitschrift für das Recht der Mönche auf die weltlichen Wissenschaften. Dies könnte dazu verleiten, seine Adressaten oder zumindest Antagonisten außerhalb des Klosters zu suchen, wie es Bultot vermutet: „Ceci semble bien indiquer que Guillaume ne se defend pas contre une tendance rigoriste a l’interieur du milieu monastique, mais se trouve aux prises avec une contestation exterieure: le monde des clercs et des chanoines, celui des ecoles episcopates.“199 Nach dieser Lesart richtet sich Wilhelm also gegen urbane und weltgeistliche Intellektuelle an den Kathedralschulen, die den Mönch auf seinen Psalter beschränken wollten und das Aufarbeiten der neuen Methoden und Instrumente für sich beanspruchten. Gegen diese Vermutung spricht allerdings nicht nur der Umstand, dass sich besonders die bereits dargestellte Rezeption der frühen Astrolabliteratur nicht auf eine dieser Sphären – Kloster und Welt – beschränken lässt, sondern sich im Gegenteil als lebendiger Austausch zwischen beiden darstellt. Auch die Aufarbeitung der Netzwerke im Südosten konnte nahelegen, dass das Ineinandergreifen dieser sozialen Felder gerade konstitutiv für den Wissenstransfer im 11. und 12. Jahrhundert zu gelten hat. Bei näherer Betrachtung zeigt Wilhelms Prolog eine andere Konfliktlinie, die mitten durch das Kloster selbst verläuft, und in der Otloh und Wilhelm zwei gegenüberliegende Positionen vertreten. Gleich an verschiedenen Stellen des Prologs zeigt sich, dass dieser sich nicht mit irgendwelchen Vorwürfen auseinandersetzt, sondern explizit mit den Vorbehalten des Klosterlehrers. Zu Beginn des Textes wird dies deutlich, in dem Wilhelm diese Kritik bis auf die Formulierung genau widerspiegelt.
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mit Verachtung, nicht mit Interesse verstanden werden, und – mehr verdreht als wirklich begriffen – voreilig verurteilt werden würden, besonders da diese behaupten, dass uns Mönchen nichts von der freien Wissenschaft gestattet sein, außer dem Psalter.‘) Text-Anhang, S. 313. Hierzu ausführlich Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 141–52. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 153. Siehe die entsprechende Textstelle im Anhang, S. 313. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 152. Bultot, ‚Quadrivium, natura et ingenium naturale‘, S. 15.
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So sei er bei eingehender Prüfung seines Tuns nach dem täglichen Gottesdienst von einem tiefen Schmerz erfasst worden: Interque speciale doloris augmentum ceterisque passionum oneribus quodammodo gravius illud occurrit animo, quod, nescio qua violenti divini nutus potentia coactus, ad totius, quid est quadruvii maxime autem ad astronomie studium me penitus contulerim et quod interim, dum in eadem disciplina mihi soli laborare proposueram, inopinata quorundam etiam peritissimorum inquietarer frequentia quodque, dum his singulis a me, ut ad ipsam artem introducantur, exigentibus obedire studuerim, non solum a superne contemplationis celsitudine, sed et a debito cottidiane servitutis dei gradu me viderim deiectum. (Dabei empfand ich in der Seele einen zunehmenden Schmerz und es fiel mir unter der weiteren Last des Leidens noch gravierender auf, dass ich mich nicht nur von der Höhe der göttlichen Kontemplation, sondern auch von der Stufe des täglich geschuldeten Gottesdienstes gestürzt sah, weil – ich weiß nicht durch welche Kraft der gewaltigen göttlichen Fügung gezwungen –, ich mich ganz und gar dem Studium des gesamten Quadriviums, insbesondere der Astronomie, gewidmet hatte, und weil ich – obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich alleine mit dieser Disziplin zu beschäftigen –, mittlerweile durch das ungefragte Drängen von irgendwelchen Menschen gestört wurde, die, obgleich sehr kundig, von mir verlangten, in diese Kunst eingeführt zu werden, und ich versuchte, diese Einzelnen zu befriedigen.)200 Es ist naheliegend, in dieser Begrifflichkeit eine Anspielung auf Otlohs verächtliche Klassifizierung der Forschungen um Wilhelm als contemplatio stellarum zu sehen, die den Vorwurf impliziert, die Liebhaber der weltlichen Wissenschaften widmeten ihren Forschungen mehr Aufmerksamkeit als der religiösen Einsicht und der Liturgie. Die Vermutung, in Wilhelms Text eine direkte Antwort auf die Vorwürfe Otlohs zu sehen, bestätigt sich auch am Ende des Prologs, wo sich Wilhelm für das Angebot des Freundes bedankt, seine Worte aufzuzeichnen, da er völlig von seinen Studien zu den Instrumenten und Diagrammen eingenommmen sei: „Sed ea mercede obtempero ut, quia ego figuris adhuc et pluribus instrumentis ad ista pertinentibus graviter occupandus sum, tu collationem nostram literis quemadmodum promisisti replicatam expediam.“201 Auch dies eine deutliche Parallellisierung der von Otloh gewählten Begrifflichkeit, der wie oben zitiert davon spricht, dass die Mönche seines Klosters eben von diesen Dingen („occupatos“) in Anspruch genommen seien. Einiges spricht also dafür, dass Wilhelm seinen fiktiven Dialogpartner in Otloh nicht zufällig gewählt hatte, sondern in Reaktion auf dessen Kritik, die er sicherlich nicht nur gelesen hatte, sondern der er auch im Alltag begegnete.202 Wilhelms Prolog ist
200 Text-Anhang, S. 312. 201 Text-Anhang, S. 314. 202 Liest man den Prolog konsequent als satirische Darstellung des Verhältnisses der beiden Mönche, so kann die Tatsache des aufbauenden Zuredens Otlohs auf die Zweifel Wilhelms durchaus auf eine gegenteilige Realität hinweisen, in der sich Wilhelm, noch dazu als ehemaliger Schüler der
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damit als direkte und raffinierte Erwiderung auf Vorwürfe aus seinem eigenen Kloster zu deuten, die den Mönch an seine erste Pflicht erinnern wollten: Der Pflege von Liturgie und spirituellen Studien. Gerade diesen Kreisen um Otloh ließ Wilhelm – durch dessen fiktives Selbst – mit Verweis auf das Buch der Weisheit darlegen, dass die beobachtende Astronomie und die Arbeit mit entsprechenden Instrumenten, also die von ihnen gepflegten wissenschaftlichen Praktiken, eben keine Verletzung der monastischen Pflicht darstellt, sondern Teil des göttlichen Schöpfungswillens sei: Dominus dedit mihi eorum, que sunt, scientiam veram, ut sciam dispostionem orbis terrarum et virtutes elementorum, initium et consummationem et medietatem temporum, vicissitudinum inmutationes et divisiones temporum, annorum cursus et stellarum dispositiones, naturas animalium et iras bestiarum, vim spirituum et cogitationes hominum, differentias arborum et virtutes radicum et quecumque sunt abscondita inpromptu cognovi. Ecce ex quam limpidissimo fonte nos totius quadruvii disciplinam per naturale ingenium quasi per quedam spiramina etiam inviti adtrahimur! Ideoque omnibus, qui maligna locuntur, plane confusis in nomine eius, qui numerat multitudinem stellarum et omnibus eis nomina vocat, astronomiam nostram proposito dialogice confabulationis itinere percurramus. (Der Herr verlieh mir die wahre Erkenntnis aller Dinge, dass ich die Ordnung der Welt verstünde und die Wirksamkeit der Elemente, Anfang, Ende und Mitte der Zeiten, den Wechsel und die Unterteilung der Zeiten, den Ablauf der Jahre und die Stellung der Gestirne, die Natur der Lebewesen und die Triebe der wilden Tiere, die Macht der Geisterwelt und das Denken der Menschen, die Unterschiede der Bäume und die Heilkräfte der Wurzeln – was immer verborgen ist, ich kannte es. Sieh, aus welcher klaren Quelle wir zur Wissenschaft des ganzen Quadriviums aufgefordert werden, angetrieben von unserem natürlichen Verstand, fast widerwillig wie durch einen Geist. Lass uns daher mit allen, die böse Sachen sagen, aber verwirrt sind, im Namen dessen, der die unermessliche Zahl der Sterne bestimmen kann, und ihnen allen Namen gibt, unsere Astronomie mit der vorgenommenen Reise eines Zwiegesprächs durchlaufen.)203 Wilhelms Prolog ist damit nicht nur ein ideengeschichtliches Zeugnis für die Frage nach den verschiedenen Legitimierungsversuchen von Astronomie im hohen Mittelalter, sondern spiegelt einen realen sozialen Konflikt in seinem Kloster wider, der durch die Ankunft des Astrolabs und der Umsetzung damit in Verbindung stehender Praktiken ausgelöst wurde. Bereits Wiesenbach hat betont, dass die Ursache dieses Konfliktes weniger in unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Ansätzen der zwei Parteien im Kloster begründet läge, also zum Beispiel in einer prinzipiellen Ablehnung der neuen Astronomie durch Otloh aus inhaltlichen Gründen. Stattdessen vermutete er Otlohs Zorn vor allem an der Tatsache entzündet, dass die neuen Praktiken und Studien die Teilnahme der Forschenden am täglichen liturgischen Stundengebet
fortwährenden Korrektur durch den älteren Mönch ausgesetzt sah. 203 Text-Anhang, S. 314.
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verhinderten. Diese Vermutung wird durch Wilhelms Eröffnung seiner Apologie verstärkt, in der er sich selbst kasteit (quasi als verzerrtes Echo seiner Kritiker), weil er, wie gerade zitiert, ob seiner Studien „nicht nur von der Höhe der göttlichen Kontemplation, sondern auch von der Stufe des täglich geschuldeten Gottesdienstes gestürzt“ sei.204 Ein erneuter Blick auf die von ihm durchgeführten Forschungen mag diesen Vorwurf verdeutlichen, insbesondere auf seine Messung der natürlichen Termine der Wendepunkte. Für diese Messungen musste nicht nur ein eigener Raum bereitgestellt werden, sondern, über einen längeren Zeitraum im Sommer, auch entsprechendes Personal. Wilhelms Text gibt einen Eindruck von der möglichen Dauer dieser Messungen: Verbi gratia, si vi kal. iulii contra non. iunii vel ii kal. iulii contra kal. iunii sive idus iulii contra xvi kal. iunii secundum institutam descendentis et ascendentis radii annota(87r)tionem venerint, vide quot dies transacti computentur inter hos econtrario sibi convenientes et in ipsorum dierum medio solsticium vere fuisse ne dubites. Et si forte omnis hec computatio unam eandemque medietatem non ostendat, magis te incautum quam artis fictione scias esse deceptum. Sed, ut hec lucidius pateant, lineam, de qua diximus, cum radio et kalendarum asscriptione figuraliter exprimamus in hunc modum. (Wenn der 26. Juni gegenüber dem 5. Juni oder der 30. Juni gegenüber dem 1. Juni, oder der 15. Juli gegenüber dem 17. Mai gemäß der etablierten Anmerkungsmethode des ab- oder austeigenden Sonnenstrahls angekommen sind, sorge dafür, dass die zwischen diesem und dem dazugehörigen Datum vergangenen Tage gezählt werden und zweifle nicht daran, dass in der Mitte von diesen Tagen wirklich der Wendepunkt gewesen ist. Wenn aber diese Zählung nicht immer das gleiche Datum als Mitte ergibt, wisse, dass du eher unaufmerksam gewesen bist, als dass du durch die Methode getäuscht worden bist. Damit dies aber klarer wird, werden wir die Linie, von der wir schon gesprochen haben, den Strahl und die Anmerkungen des Datums in der nebenstehenden Zeichnung darstellen.)205 In dieser Zeichnung in München, BSB, MS Clm. 14689 ist sogar bereits der 21. April markiert, hier wohl aufgrund der fragmentarischen Überlieferung des Textes ohne entsprechend komplementäres Datum im Sommer. Daher ist mindestens von einem Beobachtungszeitraum von zwei Monaten, vielleicht sogar fünf Monaten (in Symmetrie zu einem Beobachtungsanfang am 21. April) auszugehen, der im Falle einer signifikanten Schlechtwetterperiode sogar vier Jahre später, im nächsten Schaltjahr, wiederholt werden musste. Über diesen Zeitraum mussten eine oder mehrere Personen täglich ihre reguläre Aufgabe rechtzeitig unterbrechen, den Raum aufsuchen und den Sonnenstand markieren: War dies sicherlich schon mit Blick auf die klösterliche Arbeitsökonomie problematisch, so kam für diese Messungen noch hinzu, dass sie exakt
204 Text-Anhang, S. 315. 205 Text-Anhang, S. 319–20.
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zur Mittagszeit durchgeführt werden musste, die eigentlich dem liturgischen Gebet im Chor vorbehalten war, wie Wiesenbach betont hat: „Während also ein Teil der Brüder in der Kirche sang und betete, saßen andere vor ihren Sonnenuhren oder visierten mit dem Astrolab, der Alhidade“206, und das zu einer Gebetszeit, die immerhin seit Cyprian symbolisch mit der Kreuzigung in Verbindung gebracht wurde.207 Ähnliches galt für die Berechnung des Breitengrades, die allerdings lediglich an einem Tag zu erfolgen hatte, dem Äquinoktium in Herbst oder Winter. Auch die Identifikation der Sterne des Astrolabs am Nachthimmel kollidierte mit den religiösen Pflichten der Mönche, denn genauso wie der Tag war auch die Nacht in die verschiedenen Gebetsstunden geteilt. Zwar erlaubten Astrolab und Sphaera eine gewisse Flexibilität, was die Beobachtungszeiten anbelangt: Die Messungen konnten über das Jahr verteilt und zu passenden Uhrzeiten erfolgen, die nicht mit den liturgischen Zeiten kollidierten. Aus astronomischer Sicht boten sich für diese Messungen allerdings in erster Linie die beiden Äquinoktien in Frühjahr und Herbst an, nicht nur, weil an diesen beiden Tagen alle auf dem Astrolab abgebildeten Sterne identifiziert werden konnten (jeweils die Hälfte im Laufe einer Frühjahrs- bzw. Herbstnacht), sondern auch, weil dann die Äquinoktialstunden eine exakte und vergleichbare Messung ermöglichten. In beiden Fällen machte es die Messung aber für eine oder mehrere Personen erforderlich, die Nacht im Umfeld der Sphaera zu verbringen, um rechtzeitig den Meridiandurchlauf eines Sternes messen zu können. Die dafür zuständigen Brüder konnten daher nicht am liturgischen Stundengebet teilnehmen, wollten sie die Messungen korrekt ausführen, und das zumindest im Falle der Wendepunktmessungen über mehrere Wochen hinweg. Die Forschungen der Gruppe um Wilhelm hielten die Mönche also tatsächlich und im wörtlichen Sinn vom Psalter ab. Fraglich ist, wie groß die Gruppe der Liebhaber der weltlichen Wissenschaften in Regensburg war, die den Blick in den Himmel der Anbetung Gottes vorzogen. Abgesehen von Wilhelm, dem im Verlauf des 11. Jahrhunderts eine gesteigerte Prominenz zukam, bleibt das Bild dieser Gruppe äußerst vage. Otloh spricht lediglich von vielen Liebhabern der weltlichen Wissenschaften und benennt Wilhelm als einen dieser Brüder.208 Der nächste Hinweis auf eine regelrechte wissenschaftliche Gemeinschaft in St. Emmeram stammt nun von diesem selbst in Gestalt einer seiner Astronomia vorangestellten Wehklage über die vielen Ablenkungen vom klösterlichen Leben, denen er sich ausgesetzt sah, insbesondere durch das „ungefragte Drängen von irgendwelchen Menschen gestört wurde, die, obgleich sehr kundig, von mir verlangten, in [die Astronomie] eingeführt zu werden“.209
206 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 146. 207 Vgl. Martimort, ‚The Liturgy of the Hours‘, S. 168. Dass diese Gebetsstunde explizit auch mit der Sonnenfinsternis zum Zeitpunkt der Kreuzigung in Verbindung gebracht wurde, ist vor dem Hintergrund der Sonnenstandsmessungen Wilhelms nicht ohne Ironie. 208 Otloh von St. Emmeram, Summa dictorum, hg. von Migne, Sp. 136. 209 „[…] dum in eadem disciplina mihi soli laborare proposueram, inopinata quorundam etiam peritissimorum inquietarer frequentia quodque, dum his singulis a me, ut ad ipsam artem introducantur, exigentibus obedire studuerim, non solum a superne contemplationis celsitudine, sed et a debito cottidiane servitutis dei gradu me viderim deiectum.“ Text-Anhang, S. 312.
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Um wen genau es sich bei diesen Wissbegierigen handelte, die ihn drängten, in der Astronomie unterrichtet zu werden, und ob sie von außerhalb oder innerhalb des Klosters stammten, lässt sich aus diesen Zeilen nicht schließen. Auch ist Wilhelms soziale Stellung in St. Emmeram nicht gesichert. Ein Amt ist nicht bekannt, und auch die inoffizielle Position innerhalb des wissenschaftlichen Netzwerkes lässt sich nur indirekt erschließen. Dass seine herausragenden wissenschaftlichen Fähigkeiten von verschiedenen – bereits mehrfach zitierten – Seiten explizit hervorgehoben werden, und er selbst immerhin die Verschriftlichung der Forschungsergebnisse übernahm, deutet zwar auf eine hervorgehobene Rolle hin, gleichzeitig stellt sich in diesem Zusammenhang aber die Frage, wann genau die Anfänge der astronomischen Forschung um das Astrolab zu setzen sind. Während sich das Ende dieser Bemühungen aufgrund von Wilhelms Weggang nach Hirsau recht verlässlich in die 1060er Jahre datieren lässt, so hängt ihr möglicher Beginn mit der Datierung der frühen Rezeption des alten Korpus in St. Emmeram zusammen, die durchaus bereits um 1030 erfolgt sein kann (s.o.). Spätestens um 1055, nach der Ankunft des neuen Korpus und dem Zeugnis Otlohs, waren die wissenschaftlichen Tätigkeiten in vollem Gange, auch die Sphaera lässt sich etwa in diese Phase datieren. Einen Endpunkt dieser produktiven Aneignungsphase markiert dann Wilhelms Astronomia, in denen vor 1069 die vergeblichen Mühen bei der Anwendung des Astrolabs sowie die Schritte zur Überwindung der Probleme bereits in der Vergangenheit geschildert werden. Wilhelm, wohl um 1030 geboren und bereits als Kind ins Kloster gegeben,210 kann damit – bei der Annahme einer Rezeption bereits ab den 1030er Jahren – kaum als Initiator der Astrolabrezeption gelten.211 Erst für deren ‚heiße Phase‘ in den 1050er und 1060er Jahren ist eine prominente Rolle des dann etwa Zwanzig- bis Dreißigjährigen anzunehmen, nicht nur, weil Otloh ihn ungefähr zu dieser Zeit aufgrund seiner wissenschaftlichen Tätigkeit namentlich hervorhebt, sondern auch, weil seine genaue Beschreibung der Messung des Sonnenstandes im Zuge der Korrektur der Wendepunkte eine Schilderung aus erster Hand nahelegen.212 Da erst diese Messungen die Grundlage der erfolgreichen Astrolabrezeption gelegt hatten, ist es wohl statthaft, im späteren Abt zwar tatsächlich den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Anstrengungen in St. Emmeram zu sehen, der sich aber auf das Erbe seiner unmittelbaren Vorgänger stützen konnte. Diese Schlussfolgerung legt nahe, dass es sich bei den Liebhabern der weltlichen Wissenschaften tatsächlich um eine umfangreichere Gruppe mehrerer Generationen handelte. Hier wird also deutlich, dass die Rezeption des Astrolabs und die damit in Verbindung stehenden Forschungen nicht als das ambitionierte Freizeitprojekt eines interessierten Mönches verstanden werden darf. Stattdessen erweisen sich die Vorgänge in Regensburg als ein wissenschaftliches Großprojekt, das über mehrere Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte hinweg umfangreiche Ressourcen band – und
210 Vgl. Worstbrock, ‚Art. Wilhelm von Hirsau OSB‘. 211 Für diese Zeit kämen Personen wie der nach Frankreich reisende Hartwic oder der von der Reichenau kommende Burchard in Frage. 212 Vgl. Nothaft, ‚Bede’s horologium‘, S. 1097.
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das, angesichts der Probleme und Misserfolge, die Wilhelm nicht verschweigt, bei offenem Ausgang. Der Konflikt zwischen Wilhelm und Otloh stellt sich vor diesem Hintergrund als Konflikt um die wichtigste Ressource des monastischen Lebens dar, dem Gebet der Mönche im Offizium, das in der tief religiös fundierten Gesellschaft des Mittelalters nicht nur kulturelles Kapital bedeutete, sondern durch Stiftungen und Schenkungen zu genau diesem Zweck durchaus ökonomischen Wert besaß. Die hier getroffenen Feststellungen könnten nun fälschlicherweise dazu verleiten, in Wilhelms Prolog den Versuch zu sehen, den skizzierten Konflikt innerhalb des Konvents zu seinen Gunsten zu lösen. Da aber seine Astronomia (und nebenbei bemerkt auch Otlohs Bericht) astronomische Praktiken schildern, die bereits realiter vollzogen wurden, hatte Wilhelm diesen Konflikt ganz offenkundig längst für sich und seine Sache entschieden. Das mittelalterliche Kloster war eine streng hierarchisch geordnete und in hohem Maß reglementierte Institution, in der es kaum möglich war, den Alltag nach Belieben und eigenem Gutdünken zu gestalten. Der Tagesablauf war streng normiert und durch die Benedikts-Regel und spezifizierende Gewohnheiten geregelt. Zwar ist für andere Bereiche des Klosterlebens nachweisbar, dass das tägliche Gebet zugunsten anderer Arbeiten zurückgestellt werden konnte, insbesondere für das Schreiben der Bücher.213 Da sich eine solche Regelungen mit Bezug auf die Astronomie allerdings nicht in den Emmeramer Gewohnheiten des 11. Jahrhunderts feststellen lässt, bedurften diese Tätigkeiten einer ausdrücklichen Genehmigung des Abtes. Überhaupt legte die Benediktsregel fest: „Artifices si sunt in monasterio cum omni humilitate faciant ipsas artes, si permiserit abbas.“ (Sind Brüder im Kloster, die ein Handwerk verstehen, so sollen sie es in aller Demut betreiben, falls es der Abt erlaubt).214 Mit Blick auf den notwendigen Dispens vom täglichen Gebet ist ausgeschlossen, dass es sich bei diesen wissenschaftlichen Arbeiten um das Privatvergnügen Wilhelms und einer kleinen Gruppe handelte. Auch lassen die St. Emmeramer Gewohnheiten vor Einführung des apocrisarius in der Mitte des 12. Jahrhunderts keinen Schluss auf ein Amt zu, in dessen Rahmen Wilhelm seine Interessen hätte ausleben können. Im Gegenteil ist es wahrscheinlicher, dass sein Amt, über das wir nur spekulieren können, seine Forschungen erschwerte. Sicher ist, dass er nicht der Lehrer des Klosters war – das war Otloh –, auch Abt und Prior war er vor seiner Berufung nach Hirsau nicht. Andere Ämter, die in Frage kommen, hatten qua Amt eine unerlässliche Funktion im Rahmen der Liturgie. Dies betraf ausweislich der überlieferten Gewohnheiten aus St. Emmeram eine ganze Reihe von Ämtern, neben dem Abt etwa Diakon und Subdiakon, den provisor oratorii, der für ausreichend Licht für die Lesung bei Nacht zu sorgen hatte, vor allem aber ebdomadarius, cantor und den armarius, den Bibliothekar.215 Da diese Ämter regelmäßige Funktionen ausübten, konnten die sie ausführenden Personen entweder
213 Vgl. Heinzer, ‚Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus‘, S. 262. 214 La Règle de Saint Benoît, ii, hg. von Neufville, 57, S. 624. 215 Vgl. die detaillierte Diskussion der Ämter mit Bezug zur Liturgie bei Fassler, ‚The Office of the Cantor‘, S. 39–43 auf der Grundlage einer älteren Edition der Emmeramer Gewohnheiten. Die maßgebliche Edition findet sich in Redactio sancti Emmerami, hg. von Hallinger.
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nicht – oder zumindest nicht maßgeblich – an den Forschungen beteiligt gewesen sein, oder sie wurden dafür ausdrücklich für einen längeren Zeitraum freigestellt. Da es eher unwahrscheinlich ist, dass ein so fähiger und insbesondere in der Musik bewanderter Mönch wie Wilhelm kein wichtiges Amt im Kloster ausgeübt haben soll – vielleicht als Bibliothekar oder Cantor –, zumal dies doch als Voraussetzung für seine spätere Berufung zum Abt gelten muss, kommt eigentlich nur folgendes Szenario in Frage: In St. Emmeram muss sich spätestens zur Jahrhundertmitte und unter ausdrücklicher Zustimmung der Klosterführung eine informelle Gruppe zusammengefunden haben, die sich der Lösung eines wissenschaftlichen Problems widmen sollte. Diese Gruppe wurde nicht aufgrund der Funktionen und Ämter ihrer Mitglieder zusammengestellt, sondern nach Maßgabe der zur Lösung der Aufgabe notwendigen Fähigkeiten. Es handelt sich daher um eine Art spezialisierte Task-Force zur Lösung eines virulenten Problems. Für die Lösung dieses Problems zeigt sich überraschenderweise auch, was Felix Heinzer für das Schreiben liturgischer Bücher festgestellt hatte, zu dessen Gunsten die Teilnahme an der Liturgie eingeschränkt werden konnte: „Eine Ausnahmeregelung in einem so zentralen Bereich des monastischen Lebens wie der Liturgie dokumentiert diese Sonderstellung mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit.“216 Dies bedeutet nicht nur, dass Wilhelms Studien bereits in einem frühen Stadium von höchster Stelle unterstützt und angeordnet wurden, sondern auch, dass seinen Studien eine Wichtigkeit zugesprochen wurde, die eine solche Ausnahmeregelung rechtfertigten. Tatsächlich erklärt sich die Ausnahmeregelung für Wilhelms Studien gerade durch ihre Rolle für die Liturgie. Für deren korrekte Aussübung benötigte man nämlich nicht nur sorgfältig erstellte Bücher, sondern auch eine verlässliche Methode zur Messung der Tages- und Nachtzeit. Liturgie war gerade im Kloster nicht nur von außerordentlicher religiöser Wichtigkeit, vor allem war sie mit erheblichen Einschnitten in den Tagesablauf der Mönche verbunden, da die einzelnen Gebetszeiten über den Tag und vor allem die Nacht zu genau bemessenen Zeitpunkten verteilt waren.217 Da die Mönche also ihr Tagwerk, aber vor allem ihren Schlaf, zu unterbrechen hatten, konnte eine unpräzise oder gar fehlerhafte Zeitmessung durchaus zu Konflikten oder im schlimmsten Fall zur Vernachlässigung der religiösen Pflichten führen, besonders im Sommer, wenn die Tage lang, die Nächte aber kurz waren. Eine verlässliche und nach Möglichkeit genaue Zeitmessung war daher Voraussetzung für das funktionierende Klosterleben. Diese Anforderungen des Klosterlebens erklären auch das große Interesse der St. Emmeramer Mönche an den neuen Instrumenten aus dem Orient, insbesondere am Astrolab. Denn gerade dieses Gerät versprach eine bislang ungekannte Präzision und Verlässlichkeit. Darauf wies sie der in St. Emmeram überlieferte Prolog zur
216 Heinzer, ‚Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus‘, S. 262. 217 Zu diesen Gebtszeiten und den daraus resultierenden Auswirkungen auf die Zeitmessung vgl. Borst, Computus, S. 31–37; Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 35–45; Borst, Die karolingische Kalenderreform, S. 172–74; Bilfinger, Die mittelalterlichen Horen und die modernen Stunden, S. 1–8; eine Rekonstruktion dieser Gebetszeiten bietet zum Beispiel Biarne, ‚Le temps du moine‘.
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Astrolabliteratur hin,218 noch deutlicher benannte es gleich zu Beginn seines Textes der Autor von De utilitatibus astrolabii: Mit dem Astrolab ließen sich der Auf- und Untergang und Positionen bzw. Höhe der Himmelskörper, insbesondere der Sonne und der Fixsterne bestimmen, um bei Tage und bei Nacht die korrekte Zeit in Temporal- oder Äquinoktialstunden sowie den Beginn der Monate und den Wechsel von Uhren und der Breitengrade („horas certissimas, naturales sive artificiales […] et initia mensium mutationesque horologiorum et climatum“)219 – gemeint ist wohl die notwendige Anpassung von Uhren an den Breitengrad, z. B. im Kontext von Reisen – zu bestimmen. Dies war besonders relevant für die korrekte, also pünktliche, Ausübung des Gottesdienstes, bei der man sich nicht auf falsche Uhren („pseudohorologia“) verlassen dürfe.220 Die Kenntnis von Inhalten und Methoden der anwendungsbezogenen Astronomie stand in der das Astrolab begleitenden Literatur also explizit im Dienst der Liturgie und war eine wesentliche Stütze der monastischen Disziplin. Während bei Tage eine einfache Sonnenuhr genügte und vom dräuenden Morgen der Hahnenschrei kündigte, war man des Nachts auf andere Methoden der Zeitmessung angewiesen. Gerade die Sterne dienten daher bereits früh zur Messung der Nachtzeit im Kloster. Bereits Cassian empfahl, die Gebetszeiten am Lauf der Gestirne zu bestimmen, eine Aufforderung, die im 6. Jahrhundert Gregor von Tours dazu veranlasste, ein Werk über die Auf- und Untergänge der Sterne und ihrer Zeichen zu verfassen – und die Wilhelms Verweis auf den Mönchsvater erklären kann. Auch einige für das Klosterleben normative Texte bezeugen dieses Vorgehen, im 11. Jahrhundert wird es als Horologium stellare monasticum genauer beschrieben:221 Über den Verlauf eines Jahres waren die Stellungen der Sternzeichen oder einzelner Sterne zu bestimmten Uhrzeiten in Relation zur Klosterarchitektur verzeichnet. Wenn am 23. November Schwert und Scheide des Orion zwischen dem dritten und vierten Fenster des Refektoriums zu sehen war, war es zum Beispiel an der Zeit, die Mönche zu wecken: „In sancti Clementis dum signum Orionis inter terciam et quartam refectorii fenestram uideris, ita tamen ut gladius et uagina, te uideri possit simul, tunc prepara te ad excitandos fratres.“222 Diese (und andere) Methoden waren nicht nur unpräzise, sondern auch anfällig für Fehler. Es kann daher nicht verwundern, dass die Astrolab-Literatur ausgerechnet die Vorteile des Instruments für die Messung der genauen Tag- und Nacht-Zeit betont („Inveniet autem […] noctium et dierum horas certissimas, naturales sive artificiales […]“) und diese explizit in den Kontext der Liturgie stellte („in divinis ministeriis“).223
Ad intimas summe philosophie, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 273–74. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 1, S. 116. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 1, S. 116. Vgl. McCluskey, ‚Gregory of Tours‘; außerdem McCluskey, Astronomies and Cultures, S. 97–113; Gregors Text ist ediert bei Gregor von Tours, De cursu stellarum ratio, hg. von Krusch; dazu Loose, Astronomische Zeitbestimmung; das Horologium ist ediert bei Constable, Horologium stellare monasticum. 222 Horologium stellare monasticum, hg. von Constable, S. 18. 223 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 1, S. 115–16. 218 219 220 221
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Vor diesem Hintergrund erklärt sich der große Aufwand, den die Regensburger Forscher in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhundert unter ausdrücklicher Genehmigung ihres Abtes betreiben konnten, diente er doch der Aufrechterhaltung oder Verbesserung der monastischen Disziplin, die man vielleicht durch mangelhafte Verfahren oder fehlerhafte pseudohorologia in Gefahr sah. Im folgenden Abschnitt ist diese Vermutung anhand der Anforderungen der monastischen Zeitmessung und den Ergebnissen der Regensburger Bemühungen zu prüfen. Dabei wird sich zeigen, dass sich diese nicht darauf beschränkten, das Astrolab für die Zeitmessung nutzbar zu machen, sondern in erheblicher Weise auch die dahinterliegende Astronomie für eigenständige Entwicklungen nutzten. Astronomie und Zeitmessung
Zeitmessung basiert – nicht nur im Kloster und nicht nur im Mittelalter – auf zwei komplementären Prinzipien. Das erste Prinzip wird heute als time-finding bezeichnet, und basiert auf der Beobachtung der kosmischen Bewegungen. Es stellt die ursprünglichste Form der Zeitmessung dar und beobachtet oder visualisiert die Bewegungen der zeitkonstituierenden Himmelskörper, am Tag den Lauf der Sonne, des Nachts den Lauf der Sterne oder des Mondes. Dieses Prinzip reicht von der primitiven Observation des eigenen Schattens bis zu komplexen Sonnenuhren oder dem Astrolab. Solche Uhren oder Geräte werden daher auch als time-finder bezeichnet.224 Ihren Vorteil haben diese Methoden aufgrund der Einfachheit ihrer Handhabung und ihrer Verlässlichkeit. All dies half allerdings wenig, wenn der Blick in den Himmel nur Wolken, Regen oder gar Schneegestöber eröffnete oder die Lichtstrahlen der Sonne den Stab einer Sonnenuhr nicht erreichten. Uhren, die der Beobachtung der Zeit dienten, waren vor allem Schönwetterhorologien. Daher mussten im Kloster auch weitere Uhren verfügbar sein, die in der Regel ebenfalls recht undifferenziert als horologia bezeichnet wurden.225 Diese Uhren basierten auf einem völlig anderen, wenngleich komplementären Prinzip, nämlich der Modellierung und künstlichen Imitation der Bewegungen des Kosmos, die dann unabhängig von ihrer tatsächlichen Sichtbarkeit gemessen werden konnten. Hierfür nutzte man in der Regel einen sich gleichmäßig verflüchtigenden Stoff, der meist in einem Gefäß bewahrt und dort kontrolliert ein- oder ausgelassen wurde. Daher bezeichnet man diese Uhren auch als time-keeper.226 Diese time-keeper funktionierten unabhängig vom Wetter, waren dabei aber keineswegs zuverlässiger als time-finder, da sie aus ganz verschiedenen Gründen über längere Zeiträume schnell und merklich aus dem Takt gerieten.227 Korrekturen waren dann nur mit Hilfe eines time-finders möglich.
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Vgl. Turner, ‚Essential Complementary‘, S. 15. Vgl. Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 56. Vgl. Turner, ‚Essential Complementary‘, S. 15. Vgl. Turner, ‚Essential Complementary‘, S. 16.
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It is in this fundamental distinction of time-keeping and time-finding between clocks and sundials, that their complementarity lies. Sundials are essential to clocks because they can find time when it is lost, something that no clock can do. Equally important, since even the best made clocks are subject to some variation in their functioning and so to errors in the time they count, the sundial can serve as a standard, a regulator for clocks, checking their time and allowing it to be corrected.228 Zeitmessung war – mindestens bis zur Erfindung der mechanischen Räderruhr – daher nur unter Rückgriff auf beide Prinzipien möglich, erforderte daher auch ein ganzes Bündel unterschiedlicher Instrumente, Fähigkeiten und Wissensbestände, das die Grenzen des Quadriviums bei weitem überschritt: Dazu gehörten technologisches Wissen, das die Konstruktion, Wartung und korrekte Anwendung der unterschiedlichen Geräte ermöglichte, kosmologisches Wissen, das dem Verständnis der kosmologischen Grundlagen der Zeitmessung diente, sowie die Fähigkeit, diese beiden Wissensbereiche miteinander zu verknüpfen, etwa um die Korrektheit einer Wasseruhr am Lauf der Sterne zu prüfen. Typisch für den Kontext der Zeitmessung ist, etwa im Gegensatz zur klassischen Naturphilosophie, die konstitutive Verbindung und Verschränkung dieser Wissensbereiche und der dazugehörigen Technologie. Sie tritt nicht nur im Werk Wilhelms deutlich zu Tage, wenn er das kosmologische Wissen in seiner Astronomia dezidiert um die Herstellung, Entwicklung und Anwendung astronomischer Instrumente konzipiert, sondern besonders seit dem 11. Jahrhundert gerade auch in den überlieferten Handschriften der Astrolabliteratur. Time-finding – die Messung der Zeit anhand der Sterne
Das Astrolab ermöglichte mehr als nur die Vermessung des Sternenhimmels. Vor allem war es ein präziser time-finder, dessen Methoden zur Zeitmessung in den aus St. Emmeram überlieferten Texten zum Gerät, insbesondere des Prologs Ad intimas229, De utilitatibus astrolabii ( J)230 sowie Auszügen aus den Sententie astrolabii ( J‘)231 ersichtlich sind. In der praktischen Anwendung unterschied es sich erheblich von den üblichen Methoden der Zeitbestimmung.232 Es konnte sowohl tagsüber als auch nachts verwendet werden, erforderte aber ein ausgeprägtes Vorwissen. Dabei hatte sich der zuständige Mönch, etwa der apocrisarius, am Stand bestimmter Himmelskörper zu orientieren, also an der Sonne – wobei hier auch einfache Sonnenuhren den Zweck erfüllten, die dann aber vielleicht mit Hilfe des Astrolabs auf ihre Genauigkeit geprüft wurden –, und an den Sternen. Zentral für die Bestimmung der Zeit war es, den genauen Ort der Sonne in ihrem Jahreslauf zu bestimmen. Außerdem kam
228 229 230 231 232
Turner, ‚Essential Complementary‘, S. 15–16. Ad intimas summe philosophie, hg. von Millàs Vallicrosa. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov. Sententie astrolabii (J’), hg. von Millàs Vallicrosa. Eine Animation seiner Anwendung findet sich als Video auf dem Repositorium Figshare unter https://doi.org/10.1484/A.21673829. Die Erstellung ist beschrieben in Schonhardt, ‚Zur Digitalisierung der Materialität‘.
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der nadair zum Einsatz, ein abstrakter Punkt exakt 180° gegenüber der Sonne: „Si certissime horas naturales sive artificiales diei et noctis cupis scire, oportet inprimis, ut scias in quo signo sit sol et in quo decano aut gradu ejusdem signi“ (Wenn du die exakten Uhrzeit bei Tage oder bei Nacht Wissen möchtest, dann musst du zunächst herausfinden, in welchen Tierkreiszeichen, und dort in welchem Grad, sich die Sonne befindet).233 Hierfür konnten die Regensburger Mönche die Kreistabelle auf der Rückseite des Astrolabs nutzen, die die einzelnen Tage des Jahres mit den 360° des Zodiaks in Relation setzte. Dies setzte allerdings voraus, dass der Lauf der Sonne durch das Jahr korrekt dargestellt war. Dies war seit den Figur 4.22. Bestimmung des Ortes von Forschungen Wilhelms zur Terminierung Sonne und Nadair. Abbildung durch Autor. der Wendepunkte der Fall, wobei auch die vorhergehende Astrolabliteratur funktionierende Angaben bot. Häufig fanden sich in den Handschriften der Astrolabliteratur entsprechende Tabellen, etwa gleich zu Beginn der Astrolabtexte in der Handschrift München, BSB, MS Clm. 14763. Der so gefundene Grad der Sonne konnte nun auf der Ekliptik der rete markiert werden. Der nadair, der sich im Tierkreis genau gegenüber der Sonne befand, war entweder rechnerisch zu ermitteln, oder graphisch abzulesen, indem der Ort der Sonne auf der rete so positioniert wurde, dass die das Tympanon halbierende horizontale Linie den Kreis des Zodiaks schnitt und so den gegenüberliegenden Punkt markierte.234 Für den 16. März, den Wilhelm als Datum des Äquinoktiums gemessen hatte,235 konnten die Mönche zum Beispiel ablesen, dass die Sonne im ersten Grad des Tierkreiszeichens Widder stand. Über ein entsprechendes Einstellen der rete über der horizontalen Linie des Tympanons konnte der nadair im ersten Grad von Waage gefunden werden. Beide Positionen konnten dann durch den beweglichen Zeiger dauerhaft markiert werden (vgl. Fig. 4.22).236 Nun war das Astrolab so eingestellt, dass die Mönche die Stunden des Tages und der Nacht für den 16. März bestimmen konnten, für die anderen Tage des Jahres war der Ort der Sonne entsprechend anzupassen. Zur Bestimmung der Zeit am Tag musste der zuständige Mönch die Höhe der Sonne am gesuchten Zeitpunkt
233 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 3, S. 124. 234 Vgl. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, S. 127. 235 In Wirklichkeit trat in der Mitte des 11. Jahrhunderts die Tagundnachtgleiche bereits am 15. März ein. 236 https://doi.org/10.1484/A.21673829.
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bestimmen (vgl. Fig. 4.23).237 Hierfür hielt er das Astrolab am Ring auf Augenhöhe und richtete die alhidade auf die Sonne aus, wodurch über die Gradeinteilung auf der Rückseite die genaue Höhe in Grad gefunden werden konnte.238 Im Jahre 1055 maßen die Mönche auf diese Weise um 9 Uhr moderner Zeit eine Höhe der Sonne von ca. 25°–26°. Auf der Vorderseite des Astrolabs mussten sie nun die rete so drehen, dass der für diesen Tag gefundene Ort der Sonne im Tierkreis etwa auf der fünften Höhenlinie (also 25° über dem Horizont) platziert war. Da die Stundenlinien aufgrund der besseren Übersicht nur unterhalb des Horizontes markiert waren, musste die Tageszeit Figur 4.23. Bestimmung der Tageszeit mit durch den nadair abgelesen werden, der dem Astrolab. Abbildung durch Autor. – im ersten Grad der Waage – zu diesem Zeitpunkt gerade die dritte Stundenlinie überschritten hatte: An den Tagundnachtgleichen entsprach das tatsächlich der modernen Uhrzeit 9 Uhr, die Tageszeit war gefunden. Nachts funktionierte die Zeitmessung gleich, nur dass statt der Höhe der Sonne die Höhe der auf der rete markierten Sterne gemessen und auf das Astrolab übertragen wurde. Die Uhrzeit wurde dann durch den markierten Ort der Sonne abgelesen.239 Wichtiger als die spontane Messung der aktuellen Zeit war im Kontext der Klosterliturgie aber die Vorausplanung der täglichen Gebetszeiten, insbesondere während der Nacht, so dass die Mönche sich rechtzeitig zur jeweiligen Uhrzeit im Chor einfinden konnten. Die Hirsauer Gewohnheiten, die im Verlauf des 12. Jahrhunderts in den behandelten Regensburger Klöstern Verbreitung gefunden hatten, benennen genau diese Praxis mit ihrem Verweis auf die Verantwortung des apocrisarius, „ut fratres surgere faciat ad horam competentem“ (damit er die Brüder veranlasse, zur rechten Zeit aufzustehen).240 Diese korrekten Zeiten waren natürlich nicht beliebig, sondern festgelegt und mit symbolischer Bedeutung aufgeladen. So betete man die sogenannten Laudes kurz vor und während der Morgendämmerung, um die Auferstehung des Herrn zu feiern.241 Da sich der Zeitpunkt des Sonnenaufgangs durch das Jahr von Tag zu Tag verschiebt und die Mönche rechtzeitig davor geweckt 237 https://doi.org/10.1484/A.21673829. 238 Vgl. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 5, S. 128–30. 239 Vgl. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 6, S. 130–31. 240 Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, ii, 29, S. 162. 241 Zum symbolischen Gehalt der jeweiligen Gebetsstunden vgl. Martimort, ‚The Liturgy of the Hours‘, S. 157–70.
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werden mussten, war es notwendig, den Anbruch des Tages (oder natürlich eines anderen Zeitpunktes während der Nacht) bereits im Vorfeld bestimmen zu können. Auch für dieses Problem hielt die Astrolabliteratur eine Lösung für die Regensburger Mönche bereit und widmete ihm zwei eigene Kapitel, die in den Regensburger Handschriften als „Quam tempore sit aurora“ (Wann die Morgendämmerung sei) und „Quod signum vel stella oriatur aut occidat“ (Welches Zeichen oder welcher Stern wann auf- und untergehe) bezeichnet werden.242 Dabei musste der für die Zeitmessung zuständige Mönch den Ort der Sonne auf dem Astrolab zur gesuchten Uhrzeit drehen und konnte dann ablesen, welche Höhe die auf der rete verzeichneten Sterne zu diesem Zeitpunkt einnehmen würden. Durch die alhidade konnte gemessen werden, wann die Sterne die für diesen Zeitpunkt vorhergesagte Höhe erreichten. Umgekehrt konnten die Auf- und Untergänge bzw. der Höchststand und die Bahn jedes auf der rete verzeichneten Sternes vorherbestimmt werden.243 Hierdurch ermöglichte das Astrolab und die damit verbundene Literatur nicht nur das Bestimmen der Zeit, sondern befähigte in besonderer Weise zur Entwicklung weiterer Methoden und Instrumente zur Zeitbestimmung, sei es für die Organisation des Alltags oder für astronomische Messungen. So endet De utilitatibus astrolabii geradezu mit einer Aufforderung an den Leser: „Sed tu lector, si diligenter animadvertere quaeris, tu ipse per praedictam walzagoram, id est planam sphaeram, diversa poteris fabricare horologia“ (Aber Du, Leser, wirst bemerken, dass Du durch das Astrolab verschiedene Uhren herstellen kannst).244 Tatsächlich dürfte diese Aussicht nicht unattraktiv für die Mönche in Regensburg gewesen sein. Zwar war das Astrolab ein nicht zu überschätzender Fortschritt gegenüber den hergebrachten Methoden der Zeitmessung, gleichzeitig brachte es aber auch einige Nachteile mit sich. Zum einen waren die frühen Exemplare, wie bereits bemerkt, aufgrund der geringen Größe eher ungenau, zumal das Gerät, das vor den Kopf gehalten werden musste, nur schwer stabilisiert werden konnte. Erschwerend kam die nicht ganz einfache Handhabung des Gerätes hinzu. Nicht nur musste der Nutzer in der Lage sein, sicher durch die hochkomplexen Koordinaten und Skalen zu navigieren, auch die vielen Einstellungsmöglichkeiten des Gerätes konnten ungelernte Personen überfordern: Für die alltägliche Zeitmessung war das Gerät mit seinen vielen Möglichkeiten eigentlich viel zu komplex. Daher kann es nicht überraschen, dass bereits die frühe Astrolabliteratur einfachere Formen der Zeitmessung in den Blick nahm, die das vielseitige Astrolab auf einfachere, aber monofunktionale Instrumente herunterbrach. Als Beispiel hierfür sind vor allem zwei Geräte zu nennen, die in jüngerer Zeit mit St. Emmeram in Verbindung gebracht worden sind, der sogenannte ältere (vetustior) Quadrant und die Säulchensonnenuhr. Zwar passen beide Geräte durchaus in das wissenschaftliche Profil der Regensburger Mönche um Wilhelm, allerdings spricht meiner Ansicht nach die oben etablierte
242 München, BSB, MS Clm. 14763, fol. 199v. 243 Vgl. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 15, S. 135–36. 244 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 21, S. 147.
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zeitliche Abfolge der Forschungen in St. Emmeram gegen eine Entwicklung im Regensburger Kloster.245 Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Regensburger Mönche sich der Anregung aus De utilitatibus astrolabii zum Bau eigener Uhren verwehrten. Dass besonders Wilhelm eigene Uhren entwickelte, bezeugt Bernold, der berichtet, Wilhelm habe eine natürliche Uhr nach dem Vorbild der Sphäre erschaffen, „[n]am naturale horologium ad exemplum celestis hemisperii excogitavit“.246 Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts vermutete Bernhard Stark, im Emmeramer Monument diese Uhr gefunden zu haben, und stützte sich dabei vor allem auf das Zeugnis einer spätmittelalterlichen Quelle des Klosters. Eine Sammlung von St. Emmeramer Inschriften des 15. und 16. Jahrhunderts, die auch die Umschrift der Scheibe verzeichnet, bezeichnet das Monument dezidiert als Nachtuhr: „Metra in statua marmorea in viridario nocturnalis horologii descripta“ ([Die hier verzeichneten Verse] sind auf der Marmorstatue der Nachtuhr im Pflanzengarten eingraviert).247 Stark stellte daher sogar die nicht ganz abwegige Vermutung auf, auch Bernold könnte ursprünglich von „nocturnali“ gesprochen haben, was durch spätere Schreiber zum naheliegenden „naturali“ verballhornt geworden sei.248 Auch wenn die jüngere Forschung dem spätmittelalterlichen Zeugnis keinen Glauben schenken möchte – Wiesenbach kommentiert diesen Eintrag lapidar mit der Bemerkung, dass „der Verwendungszweck […] den Emmeramer Mönchen nicht mehr klar [war], wie die Beschreibung als ‚Nachtuhr‘ zeigt“249–, so wird bei näherer Analyse von Quellenlage und Affordanz des Monuments deutlich, dass dieses Gerät entsprechend seiner selbst beworbenen Vielseitigkeit durchaus auch als Nachtuhr intendiert und genutzt worden sein kann. Gerade die von Wiesenbach als Ausweis des wissenschaftlichen Stolzes interpretierte, auf Dauerhaftigkeit ausgelegte Materialität des steinernen Monuments belegt, dass sich die Funktionen des Monuments, wie bereits gezeigt, nicht auf die bloße wissenschaftliche Beobachtung reduzieren lässt. Mit der Identifikation der Astrolabsterne hatte es sich dieser Daseinsberechtigung durch Erfüllung beraubt,
245 Da Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘, S. 88–100 belegen konnten, dass die heute getrennt überlieferten Konstruktionsbeschreibungen beider Geräte einen gemeinsamen Ursprung haben, der aber ausweislich der frühsten Überlieferung in München, BSB, MS Clm. 14836 früher als 1054 anzusetzen ist, ist kaum wahrscheinlich, dass die komplexen Geräte in St. Emmeram entwickelt wurden, wo man zu diesem Zeitpunkt noch mit der erfolgreichen Rezeption des Astrolabs beschäftigt war. Da die umfassende Kenntnis der Grundlagen des Astrolabs aber die Voraussetzung für den Bau des Quadranten war, und auch dessen Konstruktionsbeschreibung von einer gewissen Erfahrung und Sicherheit mit dem Gerät die Rede ist („Et nisi astrolabica nos fallat experientia, parum errati in hac invenitur regula“, ebd. S. 118), scheidet St. Emmeram als Urheber dieser Geräte eigentlich aus. Hierfür spricht auch, dass München, BSB, MS Clm. 14836 als frühster Textzeuge der Konstruktionsbeschreibung der Säulchensonnenuhr nachträglich von der Reichenau nach St. Emmeram gelangte. Es ist kaum sinnvoll zu erklären, wieso man in St. Emmeram lediglich eine fragmentarische Abschrift eines Textes aus einem anderen Kloster besaß, den man selbst verfasst hatte. 246 Bernold von Konstanz, Bernoldi Chronicon, hg. von Robinson, a. 1091, S. 486 (Ausgabe von 2003). 247 München, BSB, MS Clm. 14892, fol. 217v. 248 München, Bayerische Staatsbibliothek, Starkiana 5d, fol. 1r. 249 Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 139, Anm. 189.
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da sowohl die Bestimmung des eigenen Breitengrades als auch die Bestimmung der korrekten Termine der Wendepunkte sowie die Identifikation der Astrolabsterne ein einmaliges oder zumindest zeitlich begrenztes Unterfangen war.250 Auch wenn diese wissenschaftlichen Vorhaben, wie dargelegt, mit Abschluss der Messungen in den 60er Jahren des 11. Jahrhunderts erfolgreich bestritten waren, so hatte das Monument offensichtlich eine weitere, alltäglichere Funktion. So kündigt die Umschrift von verschiedenen Möglichkeiten der Nutzung des Geräts, ermöglicht durch die Stifte. Der Blick durch diese Stifte eröffnete dem Betrachter nun vor allem einen geordneten und kartographierten Sternenhimmel, an dem sich schnell bestimmte Sterne identifizieren ließen. Dies war möglich mithilfe der Sternenkarten, die als Meridianschnitt auf die Scheibe des Monuments projiziert waren. Da diese Karten jeweils die in Winter oder Sommer sichtbare Hälfte des Himmels darstellten, firmierten sie in den Handschriften auch häufig unter der Bezeichnung hemispherium oder semispherium.251 Dass der Chronist Bernold seine Begrifflichkeit einer natürlichen Uhr nach dem Vorbild der Himmelshalbschale diesen – ihm wohl sehr bekannten – Karten entlehnte, scheint wahrscheinlicher als Wiesenbachs Annahme, der hier einen Verweis auf eine verschollene Hohlkugelsonnenuhr nach antikem Vorbild sieht.252 Der bei Bernold anklingende Bezug von Uhr, Sternenkarten und Monument lässt die im Spätmittelalter bezeugte Bezeichnung als Nachtuhr daher durchaus plausibel erscheinen. Eine solche Nutzung würde darüber hinaus auch erklären, wieso das Monument an einem festen Platz und in Stein errichtet wurde, obwohl für die einmalige Vermessung des Himmels zum Zweck der Astrolabnutzung auch eine einfachere und kostengünstigere Lösung aus Holz ausreichend gewesen wäre. Wilhelm selbst spricht in seiner Astronomia an anderer Stelle ja von einer Tafel, die man errichten und später wieder umstellen könne. Die tägliche Nutzung des Gerätes für die Zeitmessung bei Nacht würde eine Festinstallation aber nicht nur erklären, sondern im Grunde auch voraussetzen. Vollziehen konnten die Mönche diese Messungen auf die gleiche Weise, wie sie zuvor auch die Sterne des Astrolabs identifizierten: Mit dem Astrolab bestimmten sie einen markanten Stern, der zur gesuchten Stunde der Nacht den Meridian überschreiten würde, und verifizierten dann dieses astronomische Phänomen mit Hilfe des Monuments. Die Vorteile dieses Vorgehens gegenüber dem Astrolab ergeben sich vor allem aus den Anforderungen des monastischen Lebens. Hier im Kloster war es nicht notwendig, jede beliebige Zeit der Nacht bestimmen zu können. Stattdessen waren es die einzelnen Gebetsstunden, deren Zeitpunkt vorherbestimmt und dann möglichst präzise und mit geringem Aufwand gemessen werden musste, falls die eigentliche Uhr – zum Beispiel im eisigen Winter – nicht verlässlich zu nutzen war. Während das Astrolab hierfür zumindest über einen gewissen Zeitraum erforderlich machte, die Bewegungen der Sterne kontinuierlich zu verfolgen und auf das Instrument zu übertragen, bedurfte das Monument nach der Identifikation eines Leitsterns für den gesuchten Zeitpunkt nur eines sporadischen
250 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘. 251 Vgl. Dekker, Illustrating the Phaenomena, S. 118–22. 252 Vgl. Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 130–31.
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Blicks durch die Visiere. Das Monument sorgte durch seine feste Position und die verlässliche Beobachtungsperspektive daher erneut nicht nur für eine gesteigerte Präzision der Zeitmessung, sondern vor allem für eine bequemere und weniger zeitintensive Handhabung als das Astrolab – ein Mehrwert, der die aufwendige Konstruktion sicherlich rechtfertigte. Time-keeping und die Eichung von Uhren
Auch wenn den Regensburger Mönchen um Wilhelm mit der von ihm entwickelten Himmelsuhr nun ein äußerst bequemer und präziser time-finder zur Verfügung stand, konnten sie sich nicht darauf ausruhen. Der Nutzen eines noch so genialen time-finders schwand rasch, wenn am Himmel Wolken aufzogen oder Regen und Schnee die Beobachtung der Gestirne unmöglich machten. Eine verlässliche Zeitmessung musste sich daher auch auf andere Prinzipien stützen. „Primo horologium dirigit et ordinat“, umreißen die bereits zitierten Hirsauer Gewohnheiten späterer Jahrzehnte daher die dringlichste Aufgabe des apocrisarius, die darin bestand, die Uhr zu ordnen und zu richten. Obwohl der Begriff des horologiums besonders im frühen und hohen Mittelalter ein sehr umfangreiches Bedeutungsspektrum aufweist – von der Sonnenuhr zur Wasseruhr bis zur Sternen- und Monduhr –, lässt sich aus der verwendeten Terminologie zumindest ansatzweise das zugrunde liegende Prinzip ableiten: Die Verben dirigere und ordinare sowie – an anderer Stelle – temperare253 weisen eindeutig in den Bereich des time-keepings, da Sonnen- oder andere Uhren aus dem Bereich des time-findings keiner Anpassung oder Korrektur bedurften. Neben Kerzenwachs254 oder Öl verwendete man für solche Horologien vor allem Wasser, das bereits seit der Antike zur Zeitmessung diente,255 und die den Mönchen bereits bei Cassiodor ob ihrer hohen Verlässlichkeit empfohlen wurden: Quapropter horologium vobis unum, quod solis claritas indicet, praeparasse cognoscor; alterum vero auqatile, quod die noctuque horarum iugitur indicat quantitatem, quia frequenter nonnullis diebus solis claritas abesse cognoscitur, moroque modo in terris aqua peragit, quod solis flammeus vigor desuper modulatus excurrit. (Aber auch über die Stundenweiser wollte ich euch keineswegs in Unkenntnis lassen, die ja zu großem Nutzen für das Menschengeschlecht erfunden wurden. Ich habe deshalb für euch einen Stundenweiser konstruieren lassen, der mit Sonnenlicht arbeitet; daneben einen anderen, mit Wasser betriebenen, der
253 Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, ii, 57, S. 315; hierzu auch Dohrnvan Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 63. 254 Dass auch in St. Emmeram Kerzen zur Messung der Nacht verwendet wurden, darauf könnte eine Beschreibung auf fol. 22r in München, BSB, MS Clm. 14689 verweisen, die sich mit der Herstellung von Kerzen befasst, die trotz Wind und Regen nicht ausgehen würden. 255 Vgl. einführend Turner, Catalogue of the Collection, i, zu den Wasseruhren siehe S. 1–44, insbesondere zum Mittelalter 25–31, zu Feuer- und Kerzenuhren S. 117–22; außerdem Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 56–69.
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euch ständig, Tag und Nacht, die Stundenzahl anzeigt. Bekanntlich fehlt ja an manchen Tagen der Sonnenschein, und wunderbarerweise fällt dann Regen, weil die sengende Sonne – von oben in Schranken gehalten – verschwunden ist.)256 Solche Wasseruhren konnten dabei von einfachen Ein- oder Auslaufuhren bis hin zu äußerst komplexen Apparaturen reichen, die besonders in der Antike auch mit den hydraulischen Eigenheiten von Wasser arbeiteten.257 Alternativ entwickelte sich gerade im Mittelalter auch das Prinzip von gewichtsgetriebenen Uhren, die den Auslauf von Wasser durch die kontrollierte Bewegung von Gewichten ersetzten. Auch in Regensburg experimentierte man vor Einführung der Hirsauer Gewohnheiten bereits im Zuge der Rezeption der Astrolabliteratur mit diesen Technologien, wie die bereits erwähnten Texte und Nachträge in München, BSB, MS Clm. 14689 und München, BSB, MS Clm. 14763 belegen. All diesen Typen gemein ist die Tatsache, dass sie fortwährend geprüft und angepasst werden mussten, wofür technologisches Wissen allein allerdings nicht ausreichte. Um die Zeit zuverlässig zu messen, war darüber hinaus ein ausgeprägtes Wissen um deren kosmischen Hintergründe von Nöten. Dies trifft nicht nur auf time-finder zu, deren Funktion sich unmittelbar aus diesen Hintergründen ableitet, sondern auch und gerade auf time-keeper. Dabei ergibt sich diese Abhängigkeit nicht nur aus der Anfälligkeit eines time-keepers für Fehler – eine Wasseruhr konnte zum Beispiel einfrieren und musste anhand eines time-finders wieder in Takt gebracht werden –, sondern auch aus seinem zugrunde liegenden Prinzip: Die kontrollierte Änderung eines Zustandes – sei es das Verbrennen von Wachs, das Auslaufen von Wasser aus einem Gefäß oder das Herabsinken eines Gewichtes –, war so zu manipulieren, dass sie sich in einer genau bemessenen Zeitspanne, etwa einer Stunde, vollzieht. Wiederholte man diesen Vorgang, so wiederholte sich auch die zuvor bestimmte Zeitspanne. Damit dies korrekt funktionierte, waren Uhren, die dieses Prinzip befolgten, aber zunächst auf eine gewünschte Zeitspanne zu eichen. Da die im frühen und hohen Mittelalter genutzten Uhrzeiten auf Temporalstunden basierten,258 reichte es nicht, diese Eichung einmalig durchzuführen. Stattdessen mussten die Uhren im Verlauf des Jahres fortwährend an die unterschiedliche Länge der Tag- und Nachtstunden angepasst werden. Im Sommer waren die Stunden des Tages absolut gesehen erheblich länger als im Winter, die Stunden der Nacht entsprechend kürzer. Lediglich an den Äquinoktien entsprachen sie sich, der Tag konnte dann in vierundzwanzig exakt gleichlange Stunden geteilt werden, die den heutigen Stunden von sechzig Minuten entsprachen. Für die Eichung von Wasseruhren und ähnlichen Mechanismen reichte es daher nicht, dass der apocrisarius, der laut Hirsauer Gewohnheiten ab dem 12.
256 Die Übersetzung folgt Cassiodor, Institutiones, hg. von Bürsgens, i, 30, S. 273–75. Lateinischer Text nach Cassiodor, Institutiones, hg. von Mynors, i, 30, S. 77–78. 257 Vgl. Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 31–34. 258 Das bedeutet, dass die Stunden keine absolute Länge besitzen, sondern von der jeweiligen Länge des Tages oder der Nacht an einem bestimmten Datum abhingen, die jeweils in zwölf gleichlange Stunden geteilt wurden. Eine Tagstunde war im Winter daher kürzer als im Sommer.
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Jahrhundert die Zuständigkeit hierfür hatte, oder seine Regensburger Vorgänger einen technischen Vorgang ausführten. Vor allem mussten sie die jeweilige absolute Dauer des Sonnentages und der Nacht bestimmen, die vom Ort der Sonne auf ihrer jährlichen Bahn abhing. Auch dieses astronomische Problem stellte sich in Regensburg nicht erst im Zuge der Einführung der Hirsauer Gewohnheiten, die die Nutzung einer Uhr explizit vorschrieben, sondern war bereits den St. Emmeramer Astronomen um Wilhelm geläufig. Er selbst behandelt diesen Themenkomplex, also die „alternas longitudines sive brevitates dierum et noctium“ (die wechselnde Länge oder Kürze von Tag und Nacht)259 in seiner Figur 4.24. Bestimmung des Astronomia im Zusammenhang mit dem Sonnenaufgangs (hier am Tag des Breitengrad, dessen Kenntnis für den Wintersolstitiums). Abbildung durch Autor. Erfolg dieser Messungen unerlässlich sei. Um die jeweilige Länge der Stunden zu berechnen, mussten die Mönche den Tag- bzw. Nachtbogen der Sonne für den eigenen Ort bestimmen, also wieviel Grad ihrer täglichen Sonnenbahn über respektive unter dem Horizont verliefen. Dies hatte nicht nur Auswirkung auf die absolute Länge des Tages, sondern auch auf die absolute Länge der ungleichen Stunden, daher hatte die Kenntnis dieser Länge eine wichtige Rolle für die tägliche Zeitmessung mit einem time-keeper. Dieser Umstand erklärt den prominenten Platz, den dieser Problembereich in der Astrolabliteratur des 11. Jahrhunderts einnimmt, die sich ausgiebig mit der Berechnung des Sonnenbogens und der absoluten Bestimmung der jeweils gültigen Stundenlänge befasst. So widmet De utilitatibus astrolabii gleich mehrere Kapitel dieser Problematik.260 Mithilfe dieser Anleitungen und dem Astrolab war es den Mönchen möglich, sowohl die exakte Länge der Tag- und Nachtkreise für einen jeden Tag zu berechnen als auch die absolute Länge der jeweils gültigen Stunden zu bestimmen. Hierzu genügte es, nach den Angaben auf der Rückseite des Astrolabs den Ort der Sonne in der Ekliptik zu markieren und den Verlauf ihrer Bahn auf dem Astrolab nachzuverfolgen (Fig. 4.24). Vom Ort des jeweiligen Sonnenaufgangs bis zum Ort des Untergangs waren dann mithilfe der Gradskala am Rand des Astrolabs die Länge der Tag- und Nachtbögen zu bestimmen. Zum Zeitpunkt des Sommersolstitiums betrug die Länge des Tagbogens auf dem 48. Breitengrad 240° und der Nachtbogen 120°, an den Äquinoktien 180°
259 Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘, 2, S. 206. 260 Vgl. De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 7–15, S. 131–35.
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und 180° und am Wintersolstitium 120° und 240°.261 Auf ähnliche Weise konnten sie mit dem Astrolab die absolute Länge der Stunden bestimmen (Fig. 4.25). Für die Äquinoktien war dies besonders einfach, da man hier den gesamten Sonnenbogen von 360° lediglich durch 24 teilen musste.262 Die so ermittelten 15° entsprachen dann der Strecke, die ein beliebiger Himmelskörper in einer Stunde hinter sich brachte. Etwas komplizierter war die Berechnung der Stundenlängen an den anderen Tagen des Jahres. Im Prinzip mussten die Mönche dafür den über das Astrolab ermittelten Tag- bzw. Nachtbogen jeweils durch 12 teilen, allerdings konnten sie auch hierfür Figur 4.25. Bestimmung des das Astrolab analog zur Bestimmung Sonnenuntergangs. Der Tagbogen des Sonnenbogens nutzen, wobei sie entspricht der dazwischenliegenden lediglich die Anzahl der Grade zwischen Kreisstrecke. Abbildung durch Autor. zwei Stundenlinien messen mussten. Am Sommersolstitium betrug die Anzahl der Grade einer Tagstunde 20. Zog man diesen Wert von 30° ab (also der Dauer von zwei Äquinoktialstunden), so entsprach der ermittelte Wert von 10° der Länge einer Nachtstunde.263 Mit dieser Kenntnis ließ sich nun der Tag- bzw. Nachtbogen entweder in ungleiche Stunden einteilen oder seine Länge in Äquinoktialstunden umrechnen. Im Sommer dauerte der Tag dann entweder zwölf Stunden von 20° Länge oder sechzehn Äquinoktialstunden, die Nacht zwölf Stunden von 10° Länge oder acht Äquinoktialstunden. Zum Wintersolstitium kehrte sich das Verhältnis um. Zwischen diesen Werten oszillierten also die Tages- und Stundenlängen, wobei sie aufgrund der Sonnenbahn in zeitlicher Nähe der Äquinoktien deutlich schneller zu- oder abnahmen als im Sommer und Winter. Mit Hilfe dieser Werte konnten die Regensburger Mönche den time keeper ihres Klosters an die jeweiligen astronomischen Realitäten anpassen, indem sie – je nach Technologie – entweder die Gewichte entsprechend der Werte erhöhten oder reduzierten, die Menge an Wasser anpassten oder die verwendete Skala veränderten. Im Gegensatz zum reinen Ablesen einer Uhr war diese Eichung also ein recht anspruchsvoller und aufwendiger Vorgang, in dem die astronomischen Realitäten in Zahlen und Mengen auf einen technischen Prozess übertragen werden mussten. Wenigstens in St. Emmeram konnten die Mönche neben dem Astrolab auch hierfür auf die Forschungen der Astronomen um Wilhelm zurückgreifen, die offensichtlich
261 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 9–13, S. 133–34. 262 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 7, S. 131. 263 De utilitatibus astrolabii, hg. von Bubnov, 10, S. 133.
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darum bemüht waren, diesen mühsamen Prozess zu vereinfachen. Auch in diesem Zusammenhang spielt das Emmeramer Monument eine entscheidende Rolle. Dies scheint zunächst paradox, da das Emmeramer Monument von seinem Prinzip her eindeutig ein time-finder war, nicht nur, weil es die Vermessung des Sternenhimmels ermöglichte, sondern anhand der Gradeinteilung am Rand der Scheibe sowie eines mittigen Sonnenstabes auch den Lauf der Sonne. Als Sonnenuhr konnte das Monument allerdings nicht fungieren, da die figura auf der Scheibe nach Westen zeigte. Daher konnten mit dem Gerät nicht die Stunden des Tages wie bei einer gewöhnlichen Sonnenuhr abgelesen werden. Der Schatten der Sonne fiel erst zur Mittagszeit auf die Scheibe, wenn die Sonne den Meridian überschritten hatte, aber auch danach ließ sich anhand des Sonnenschattens und der figura keine sinnvolle Uhrzeit ablesen. Dies war auch nicht notwendig, da sich die Zeit bei Tage mit den herkömmlichen Sonnenuhren, Hermanns Säulchenuhr oder – falls vorhanden – mit einem Astrolab sehr zuverlässig bestimmen ließen. Den wirklichen Mehrwert des Monuments verdeutlicht ein Zufallsfund aus der frühen Neuzeit. In Johannes Stöfflers 1534 gedrucktem Kommentar zu Proclos findet sich nämlich nicht nur eine Abbildung der Regensburger figura, die mit einem langen Schattenstab versehen ist. Das Gerät wird darüber hinaus dezidiert als „Gnomon horologiorum meridiei“ bezeichnet, also als Mittagsuhr, anhand der sich der übers Jahr wechselnde Schatten der Sonne und damit deren Höhe bestimmen lässt.264 Grundlegend für eine solche Messung war neben der Skala ein Stab, der einen Schatten so auf die Scheibe wirft, dass dieser die Höhe der Sonne auf der Skala markiert. Dieser Stab musste daher im Zentrum der Scheibe angebracht werden, wo sich im Emmeramer Monument tatsächlich ein entsprechendes Loch findet,265 und mindestens so lang sein, dass der Schatten die äußere Skala erreicht (vgl. Fig. 4.26). Durch die Ausrichtung des Monuments nach Süden zeigte der Schattenstab nach Westen, wodurch anders als bei einer herkömmlichen Sonnenuhr nicht die tägliche Bewegung der Sonne anhand des Schattens gemessen werden konnte, sondern der jeweils täglich wechselnde Höchststand der Sonne zur Mittagszeit.266
264 Stöffler, In Procli Diadochi, fol. 9v [letzter Zugriff 26 Juli 2021]. Da Stöffler sich insbesonderer mit dem Bau und der Anwendung von Instrumenten auseinandersetzte und lange Jahre im schwäbischbayerischen Raum als Uhrmacher und Priester wirkte, ist es durchaus möglich, dass er die Sphaera in St. Emmeram oder ein heute verlorenes Exemplar aus einem anderen Kloster der Hirsauer Reform persönlich gesehen hatte. Die Nähe der Sphaera Wilhelms zu Stöfflers Werk ist vor allem daher interessant, da Stöffler eine dezidiert nachscholastische Astronomie (und damit zusammenhängend: Geographie) vertrat, die Kosmos und Erdglobus primär über Instrumente vermessen wollte und in der Tradition von Instrumentenbauern und Uhrmachern stand. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Stöffler damit an Traditionen anknüpfte, die bis dato nicht in der Universität, wohl aber seit dem 11. Jahrhundert in den Klöstern des Südwestens beheimatet waren. Vgl. zu Stöffler Oestmann und andere, Schicksalsdeutung und Astronomie; Oestmann, ‚Melanchthons Lehrer in Tübingen‘; Betsch, ‚Die Anfänge der mathematischen Wissenschaften‘; van Duzer, ‚The Reluctant Cosmographer‘. 265 Dass dort auch tatsächlich ein Schattenstab angebracht war, darauf deutet Wilhelms Vorschlag hin, mit einem solchen Gerät auch die Höhe der Sonne zu messen: „Si autem et singulos gradus solis desideres scire, harum quintarum singulas in sex divide.“ Text-Anhang, S. 329. 266 Siehe auch die Animation der Sphaera unter https://doi.org/10.1484/A.21673829.
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Figur 4.26. Rekonstruktion der Sonnenstandsmessung anhand der Sphaera. Abbildung durch Autor.
Zwar ist diese Messung im Prinzip auch mit der alhidade eines Astrolabs möglich, das fest installierte Monument erleichterte den Vorgang allerdings enorm und ermöglichte das bequeme, schnelle und präzise Ablesen der korrekten Werte auch durch ungeübte Personen ohne größeren Aufwand. Doch welchen Nutzen konnte dieses erleichterte Ablesen des täglichen Sonnenstandes zur Mittagszeit im Alltag der St. Emmeramer Astronomen des 11. Jahrhundert oder des apocrisarius des 12. Jahrhundert haben? Die Antwort liegt im komplementären Verhältnis der zwei Prinzipien der Zeitmessung, also dem time-finding und time-keeping. Mit Bezug auf die oben geschilderten Wasser- oder Gewichtsuhren des Klosters ergeben sich für das Monument vor allem zwei Anwendungsmöglichkeiten, die im Bereich der Eichung eines time-keepers anzusiedeln sind: Zum einen konnte das Monument dazu dienen, um die Menge an Wasser (oder eines anderen Stoffes) zu bestimmen, die nötig war, um eine oder mehrere Stunden zu messen. Hierfür mussten die Mönche lediglich mit dem Astrolab zwei Himmelskörper bestimmen, zwischen deren Meridiandurchlauf die zu bemessende Dauer verstrich, und dann so lange Wasser in bzw. aus einer Wasseruhr laufen lassen, bis der zweite Stern durch die Sphaera zu sehen war. Alternativ konnte die Menge an Wasser gemessen werden, die im Verlaufe eines Tages von 24 Stunden verbraucht wurde. Hierzu musste die Spanne von Mittag zu Mittag gemessen werden. Dieser einmal zu ermittelnde Wert konnte dann als Ausgangspunkt für die Berechnung der im Verlauf des Jahres notwendigen Anpassungen der Uhr dienen. Durchliefen im Verlaufe eines Tages von 24 Stunden etwa 24 Liter Wasser die Uhr, so entsprachen an den Äquinoktien jeweils 12 Liter der Dauer von Tag und Nacht. An den Solstitien betrug das Verhältnis am 48. Breitengrad
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hingegen jeweils 1/3, also 8 Liter für den Wintertag bzw. für die Sommernacht und 16 Liter für den Sommertag bzw. die Winternacht.267 Da es mit Blick auf die für den Klosteralltag erforderliche Präzision der Zeitmessung nicht notwendig war, die der Dauer einer Nacht entsprechenden Menge an Wasser (oder Wachs) täglich anzupassen, ist davon auszugehen, dass der apocrisarius oder die im 11. Jahrhundert zuständigen Mönche die Uhr mit im Vorfeld für bestimmte Perioden berechneten Mengen korrigierten, die jedes halbe Jahr erneut Anwendung finden konnten. Für sie war es daher lediglich notwendig, die Zeitpunkte zu kennen, an denen vordefinierte Anpassungen vollzogen werden mussten. Zwar war es für die vier Wendepunkte ein leichtes, den time-keeper korrekt zu stellen, leider ließ sich dieses Prinzip nicht ohne weiteres auf das weitere Jahr ausweiten. Da sich die Höhe der Sonne zur Mittagszeit und davon abhängig die Dauer von Tag und Nacht nicht gleichmäßig ändert, sondern im Umfeld der Äquinoktien deutlich schneller als an den Wendepunkten, war es nicht möglich, ein festes Intervall befolgen, in dem die Uhr um einen gleichmäßig veränderten Wert angepasst wurde, also im obigen Beispiel jeden Monat um etwa 1,6 Liter Wasser. Es war vielmehr notwendig, unregelmäßige Intervalle für die Anpassung der Uhr zu finden. Hier kommen nun die Segmente auf der Kreisskala des Monuments ins Spiel. Sie umfassen jeweils 6°, was am 48. Breitengrad der Zu- bzw. Abnahme einer ungleichen Stunde um fünf moderne Minuten entspricht, und damit einem für die alltägliche Zeitmessung absolut ausreichenden Anpassungsintervall.268 Erreichte der Sonnenschatten das jeweils nächste Segment auf der Kreisskala, so wussten der apocrisarius oder sein Stellvertreter, dass der geeignete Moment für die Anpassung der Uhr gekommen war, sei es durch eine Anpassung der Wassermenge oder den Wechsel von Gewichten. In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass das Erreichen eines neuen Segments zumindest für den Breitengrad von St. Emmeram recht genau mit dem Zu- bzw. Abnehmen von Tag und Nacht um genau eine Äquinoktialstunde einhergeht (12*5). Damit bliebe die zur Korrektur der Uhr benötigte Menge Wasser pro Anpassungsvorgang gleich und könnte sehr einfach aus der bereits gemessenen notwendigen Wassermenge für vierundzwanzig Stunden abgeleitet werden. Im obigen Beispiel müssten die Mönche zum Wechsel des Segments der Uhr also einen Liter Wasser entnehmen oder zuführen. Das Monument diente daher nicht nur der Zeitfindung. Vor allem erleichterte es die komplexe und aufwendige Übersetzung des kosmologischen Wissens über den Sonnenstand in eine technische Anwendung im Bereich der Eichung von Uhren, eine alltägliche Aufgabe, die dem Monument eine langfristige Daseinsberechtigung
267 Nach demselben Prinzip konnten auch andere time-keeping-Uhren angepasst werden, zum Beispiel Gewichtuhren. Hier wären dann die Gewichte zu bestimmen, die in genau vierundzwanzig Stunden an einem Flaschenzug auf den Boden sinken würden. Auch Kerzenuhren konnten entsprechend geeicht werden, dann über deren Länge. 268 Der Einwand von Hedenus, dass mit Hilfe dieses Gerätes keine exakten Messungen durchgeführt werden konnten, lässt sich nicht halten. Tatsächlich ist eine gradgenaue Messung ohne weiteres möglich, sofern die Spitze des Schattenstabes spitz zuläuft. Vgl. Hedenus, ‚Zur Deutung der Sphaera‘, S. 18.
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verlieh. Es half, das kosmologische Wissen um den täglich wechselnden Stand der Sonne einfach und präzise für die instrumentelle Nutzung durch Uhren nach dem time-keeping-Prinzip nutzbar zu machen. Auch im Nachgang der astronomischen Messungen hatte das Emmeramer Monument also eine wichtige, ja geradezu alltägliche Funktion, indem es die durch Wilhelm und seine Gruppe ermöglichte Präzisierungen des astronomischen Wissens für die tägliche Zeitmessung nutzbar machte. Dieser Funktionsbereich erklärt auch die Prominenz, die den St. Emmeramer Bestrebungen zugesprochen wurde und die es den Mitgliedern der Gruppe erlaubte, der Liturgie zumindest zeitweilig und zum Missfallen einiger anderer Brüder die Kontemplation der Sterne vorzuziehen. Zeitmessung war dabei ein aufgrund seiner Bedeutung für die Disziplin des Klosters herausgehobener Bereich, dessen Verantwortung hierfür in der Benedikts regel direkt dem Abt übertragen wurde, der sie allerdings an einen geeigneten Stellvertreter delegieren konnte.269 Dass ein Emmeramer Abt des 11. Jahrhunderts Wilhelm mit der Sorge um die Zeitmessung betraute, scheint angesichts seines Talents und Interessenprofils alles andere als unwahrscheinlich, und erklärt auch den außergewöhnlichen Aufwand, den er und seine Mitarbeiter in ihre Forschungen investieren konnten. Ziel dieser Forschungen war dann aber nicht in erster Linie die Generierung von epistemischem Wissen über den Kosmos, sondern vor allem die Entwicklung eines zuverlässigen Instruments, das allen Anforderungen der täglichen Zeitmessung bei Tag und Nacht gewachsen war. Das Ergebnis ihrer Bemühungen, das St. Emmeramer Monument, war ein beeindruckendes und multifunktionales Gerät, das die Messung der Zeit nicht nur erleichterte, sondern auch mit einer bislang ungekannten Präzision einherging. Es war daher vor allem instrumentelles Wissen, das die Regensburger Mönche umtrieb und die Bereitstellung erheblicher Ressourcen rechtfertigte. Gleichwohl belegen die Quellen, dass sich im Zuge dieses instrumentellen Interesses auch das epistemische Wissen über den Kosmos in erheblicher Weise erweiterte. Dass diese wechselseitige Abhängigkeit dieser Wissenspole und der Einfluss dieser Dynamik auf wissenschaftliche Innovationsprozesse nicht nur auf die Studien Wilhelms beschränkt waren, soll im folgenden Kapitel untersucht werden. Kosmologisches Wissen im Dienst des Experten
Im vorhergehenden Abschnitt wurde gezeigt, dass in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts im Kloster St. Emmeram eine ganze Reihe von Innovationsprozessen im Bereich des kosmologischen Wissens abliefen, und zwar unter Aufwendung erheblicher Mühen und Ressourcen. Diese Prozesse entfalteten sich zwar unter der expliziten Billigung der Obrigkeit des Klosters, vollzogen sich aber außerhalb der monastischen Ordnung durch die Bildung einer außerordentlichen task force ohne dauerhafte institutionelle Bindung. Im folgenden Kapitel steht die Frage im Vordergrund, wie diese Innovationsprozesse verbreitet und etabliert wurden. Es 269 La Règle de Saint Benoît, hg. von Neufville, ii, 48, S. 596.
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beruht auf der These, dass eine zunehmende Institutionalisierung kosmologischer Wissensbestände im Verlauf des 12. Jahrhunderts zur nachhaltigen Durchsetzung der Innovationen führte und darüber hinaus auch einen entscheidenden Beitrag für den Anstieg epistemischer Wissensbestände im hohen Mittelalter leistete. Die Institutionalisierung des Kosmoswissens im Zuge der Hirsauer Reform
1069 hieß es Abschied nehmen im Regensburger Kloster St. Emmeram: Wilhelm folgte dem Ruf der Grafen von Calw in den Schwarzwald, wo er Ordnung in die Verhältnisse des dortigen Klosters Hirsau bringen sollte.270 Nicht nur die Sorge um die Geschicke seines eigenen Klosters hielt ihn dort beschäftigt, auch war er führend auf Seiten des Papstes im Investiturstreit involviert und avancierte so zur treibenden Kraft in der süddeutschen Kirchenpolitik. Von nachhaltiger Bedeutung war vor allem seine Sorge um die Reformierung des benediktinischen Mönchtums im Sinne der Gregorianik. Auch wenn sein politisches Wirken ihn daher aus dem Südosten führte, so war es paradoxerweise genau diese Entwicklung, die sich als folgenschwer für die Regensburger Klöster entpuppen sollte. Ausgehend vom Mutterkloster Hirsau entspann er durch Klosterreformen und Neugründungen ein Klosternetzwerk, das heute als die sogenannte Hirsauer Reform bekannt ist.271 Zwar hatte diese Reform ihren Ausgangspunkt im Schwarzwald, breitete sich aber bald auch nach Bayern und Regensburg aus: Zunächst durch die Gründung des Klosters Prüfening 1109, wenig später durch die Einführung der Hirsauer Reform in Prüll und zur Mitte des Jahrhunderts, in den 40er Jahren, endlich auch in St. Emmeram.272 Durch den Zuzug von Mönchen aus von Hirsau geprägten Klöstern, vor allem aber durch die Übernahme der Hirsauer consuetudines, war Wilhelm zumindest ideell nach etwa einem halben Jahrhundert nach Regensburg zurückgekehrt.273 Die Innovationsprozesse, die Wilhelm ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Regensburg einleitete und die in der Aneignung und Entwicklung ungekannter Methoden und Formen der Zeitmessung mündeten, blieben dem Kloster freilich auch nach dessen Fortgang erhalten. Nach Wilhelms umfangreichen Studien standen in Regensburg nicht nur ein korrekt funktionierendes Astrolab zur Verfügung, auch andere Uhren und Hilfsmittel ermöglichten eine bislang nicht dagewesene Präzision in diesem Bereich. Dass diese neue Form der instrumentenbasierten Astronomie
270 Ob dieser Ruf tatsächlich von den Grafen von Calw, oder nicht doch eher vom Hirsauer Konvent ausgegangen ist, ist heute in der Forschung durchaus umstritten. Vgl. hierzu unlängst Drumm, Das Hirsauer Geschichtsbild, S. 130–31. 271 Grundlegend zur Konzeption einer Hirsauer Reformbewegung vgl. Hallinger, Gorze – Kluny; außerdem Jakobs, Die Hirsauer; zur Charakterisierung dieser Bewegung überblicksartig Schreiner, ‚Hirsau und die Hirsauer Reform‘; einen aktuellen, ausführlichen und problematisierenden Forschungsüberblick bietet Drumm, Das Hirsauer Geschichtsbild, S. 19–35. 272 Vgl. Jakobs, Die Hirsauer, S. 71. 273 Zwei Handschriften aus Regensburg haben sich erhalten, aus Prüfening (München, BSB, MS Clm. 13106) und St. Emmeram (München, BSB, MS Clm. 14442), vgl. Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, i, S. xi–xxix.
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auch nach Wilhelms Zeiten in St. Emmeram fortbestand, dafür sprechen die bereits mehrfach erwähnten Astrolabica-Handschriften des frühen 12. Jahrhunderts, München, BSB, MS Clm. 14689 sowie München, BSB, MS Clm. 14763. In ihnen ist das Wissen des 11. Jahrhunderts durch erneutes Kopieren aktualisiert worden, insbesondere mit Texten zum Astrolab, dem Sonnenquadranten und der bereits genannten Säulchenuhr. Auch Wilhelms Astronomia findet sich in München, BSB, MS Clm. 14689, allerdings in fragmentierter Form, denn sie enthält nur den Prolog und die Passage zur Messung der natürlichen Wendepunkte. Das Wissen um die Nutzung der Sphaera wurde entweder mündlich oder in heute verlorenen Handschriften vermittelt. Eigene Forschungen der Nachkommen Wilhelms sind nicht überliefert, was dafürspricht, dass man in Regensburg mit dem erreichten Grad an Zuverlässigkeit und Präzision der Zeitmessung zufrieden war. Dies bedeutet aber nicht, dass kosmologisches Wissen keinen Platz mehr im Kloster-Alltag hatte. Im Gegenteil deutet vieles darauf hin, dass die vollzogenen Innovationsprozesse nicht nur eine verlässlichere Zeitmessung ermöglichten, sondern in der Folge auch dazu führten, dass dieses Maß an Verlässlichkeit innerhalb der Institutionen zunehmend obligatorisch wurde. Die normative Kraft des Faktischen führte gegen Ende des 11. Jahrhunderts zu einer erkennbaren Anpassung der klösterlichen Regeln und Gewohnheiten im Bereich der Zeitmessung. Während Wilhelms eigene Bemühungen in diesem Bereich des instrumentellen Wissens im 11. Jahrhundert noch keiner fixierten Reglementierung durch die Klostergewohnheiten unterworfen waren, änderte sich dieser Umstand grundlegend im 12. Jahrhundert: Astronomische und chronographische Praktiken wurden zunehmend normiert. Bereits gegen Ende des 11. Jahrhunderts mehren sich die Beispiele, in denen die Sorge um den korrekten Zeitpunkt von Gottesdienst und Stundengebet auch Eingang in die normativen Texte des Klosterlebens fand. Sie benannten nun genau und verbindlich, wie und vor allem durch wen die Zeit zu messen war. Das früheste Beispiel für einen solchen Vorgang aus dem Umfeld Regensburgs stammt aus der Jahrhundertwende um 1100. Es handelt sich um einen Ämterkatalog, der entweder aus dem Kloster Garsten oder Göttweig stammt. Dieser betraute nun den secretarius mit der Sorge um eine Uhr und legte genau fest, was dieser hierfür zu tun hatte.274 Es ist sicher nicht abwegig, die St. Emmeramer Handschriften München, BSB, MS Clm. 14689 und München, BSB, MS Clm. 14736 in einem ähnlichen Zusammenhang zu sehen, versammeln sie doch in umfassender Weise das zur Zeitmessung benötigte Rüstzeug. Besonders einflussreich waren die Bestimmungen des Klosters Cluny, aus dessen Gewohnheiten auch Wilhelm in seiner Zeit als Hirsauer Abt schöpfte und mit Bezug zur Zeitmessung fast wörtlich in die Hirsauer Gewohnheiten übernahm, indem er das Amt des apocrisarius schuf:275 „Quod ad apocrisarium solum pertinet
274 Consuetudines Fructuarienses IIIb, hg. von Spätling, S. 153; zu diesem und weiteren Beispielen vgl. auch Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, allerdings mit fehlerhafter Interpretation und Datierung der wissenschaftlichen Tätigkeit Wilhelms von Hirsau in St. Emmeram. 275 Bernardi ordo cluniacensis, hg. von Herrgott, S. 246.
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uel, si ille non affuerit, ad eius uicarium: Primo horologium dirigit et ordinat. De quo cum fieri possit, ut aliquando fallat, ipse notare debet et in caereo et in cursu stellarum uel etiam lunae, ut fratres surgere faciat ad horam competentem.“276 Der sogenannte apocrisarius oder sein Stellvertreter hatten die Uhr des Klosters zu eichen und zu prüfen. Außerdem mussten sie, sollte die Uhr nicht richtig funktionieren oder ausfallen, zu anderen Methoden der Zeitmessung greifen, damit die Brüder zur rechten Zeit geweckt würden.277 Bei diesen Alternativen, die wiederum in den Hirsauischen Gewohnheiten genau geregelt waren, handelte es sich neben der Nutzung von Kerzen in erster Linie um die Beobachtung der nächtlichen Gestirne, also von Sternen und Mond. Damit konzentrieren die Hirsauer Gewohnheiten einen bedeutenden Teil der kosmologischen Wissensbestände in der Hand eines Experten.278 Dieser Umstand mag auf den ersten Blick nicht besonders bedeutsam erscheinen, zumal diese Passage über die Messung der Zeit in der Masse an detaillierten Regelungen des Klosterlebens in den Gewohnheiten Wilhelms fast untergeht. Auch belegen Wilhelms Studien, dass bereits im 11. Jahrhundert eine Gruppe besonders fähiger Mönche die hier verschriftlichten Praktiken pflegte. Bedeutsam ist aber weniger der Umstand, welche Methoden der Zeitmessung hier geregelt werden, sondern vor allem die Tendenz, sie in den Gewohnheiten schriftlich zu fixieren und in einem eigenen Amt zu institutionalisieren. Gerade diese Institutionalisierung hatte erhebliche Auswirkungen auf das Wissenssystem der Hirsauer Klöster im Südosten und die Entwicklung der Wissenslandschaft im 12. Jahrhundert. Sie bedeuteten nämlich eine klare Verantwortung dieses Bereiches, die zu Wilhelms Zeiten nicht gegeben war. Während seine Studien noch zu Konflikten führten, die wohl nur durch ein Machtwort des St. Emmeramer Abtes entschieden wurden, waren nun Rechte und Pflichten im Bereich des angewandten Kosmoswissens klar einer Personengruppe zugeordnet, deren Praktiken dadurch legitimiert waren und einen festen Rahmen erhielten, die im Falle einer mangelhaften Einhaltung der Gebetszeiten auf der anderen
276 Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, ii, 29, S. 162. 277 Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, ii, 29, S. 162. 278 Ich folge hier der Definition von Rexroth, ‚Systemvertrauen und Expertenskepsis‘, S. 22: „Unter einem Experten verstehen wir im Rahmen unserer Forschungen einen sozialen Rollentypus, der sich durch die Verheißung passgenauen Wissens in einer bestimmten Kommunikationssituation auszeichnet. Diese Kommunikationssituation wird erstens konstituiert durch die Erfahrung, dass Nichtwissen – ebenso wie Nichtkönnen – die Meisterung konkreter Lebensaufgaben behindert, dass es aber durch die gezielte Hinzuziehung von Trägern spezifischen Sonderwissens bzw. spezifischer Fertigkeiten kompensiert werden kann. Sie wird zweitens getragen von der Überzeugung, dass dieses Sonderwissen auch über den aktuellen Einzelfall hinaus relevant ist, mithin etwas zur Bewältigung allgemeiner Herausforderungen, Krisen und Gefahren beiträgt. Drittens sollte man nur in dem Fall von Experten sprechen, wo deren Sonderwissen im Rahmen von sozialen Institutionen weiter gegeben, mithin institutionell verstetigt wird.“ Zu den Experten in der Vormoderne vgl. vor allem Rexroth, Expertenweisheit; Rexroth, ‚Systemvertrauen und Expertenskepsis‘; Rexroth und SchröderStapper, ‚Woran man Experten erkennt‘; Mulsow, ‚Expertenkulturen‘; Reuvekamp-Felber, ‚Experten und Expertenwissen am Fürstenhof ‘.
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Seite aber auch zur Verantwortung gezogen werden konnte. Gleichzeitig führte die Schaffung dieses Amtes aber auch zu einer Institutionalisierung bestimmter Wissensbestände des Kosmoswissens, die nötig waren, um die normierten Praktiken auszuführen. Diese lagen nun im Aufgabenbereich des apocrisarius und standen ihm zur Verfügung. Die Aneignung des Kosmoswissens durch Experten der Zeitmessung
Zum einen betraf dies Wissensbestände, die bereits im Kloster vorhanden waren. Dieser Prozess der Vereinnahmung der Tradition lässt sich zum Beispiel in St. Emmeram feststellen, wohin die Hirsauer Gewohnheiten erst in der Mitte des 12. Jahrhunderts gelangten, also lange Zeit, nachdem der dortige Bestand des Kosmoswissens sich etabliert hatte. Hier hatte der mit der Aufgabe betraute Mönch Mitte des 12. Jahrhunderts leichtes Spiel, konnte er doch auf das umfangreiche Wissen und Instrumentarium zurückgreifen, das die Liebhaber der weltlichen Wissenschaften ihm vermacht hatten. So belegt die zu Beginn des Jahrhunderts angelegte St. Emmeramer Handschrift München, BSB, MS Clm. 14689 die Aneignung der im Kloster bereits vorhandenen Wissensbestände um das Astrolab durch den apocrisarius. Dieser Kodex enthielt nicht nur das zur Nutzung und Fertigung des Astrolabs benötigte Wissen, sondern auch eine Zeichnung der Sphaera sowie Fragmente Wilhelms astronomischer Studien dazu. Dass sich der apocrisarius genau dieses Wissen aneignete, dafür spricht ein Nachtrag in der Handschrift aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, also nach der Einführung der Reform, in der eine weitere Hand das Rezept zur Herstellung einer besonders robusten Kerze verzeichnete, „que non extinguatur pluvia aut vento“,279 die bei Regen also nicht ausgehen würde. Da die Nutzung von Kerzen in den Hirsauer Gewohnheiten explizit Erwähnung findet, scheint es naheliegend, dass er das Rezept zu dieser Kerze zur späteren Verwendung in einer Handschrift niederschrieb, die im Kontext seines Amtes genutzt wurde.280 Das Interesse des apocrisarius an den Astrolabica-Handschriften des Klosters – dazu gehörten dann wohl auch die Handschriften München, BSB, MS Clm. 14736 und München, BSB, MS Clm. 14836, auch wenn sich darin keine expliziten Spuren der Aneignung finden lassen – ist vor dem Hintergrund der in den Regeln niedergeschriebenen Anforderungen seines Amtes offensichtlich. Darin befanden sich in erster Linie Texte aus dem Bereich des time-findings, genauer zum Bau und der Anwendung von Astrolab, Quadrant und Säulchenuhr, also Instrumenten, mit denen präzise und bequeme Zeitmessung möglich war. Auch für die Uhr des Klosters, offensichtlich ein time-keeper, für deren Funktion der apocrisarius Sorge zu tragen hatte, was explizit deren Eichung und Kontrolle einschloss, boten diese Handschriften interessante Inhalte, die die Nutzung von Gewichten und Hydraulik zur Messung der Zeit thematisierten. Eingeschoben in die frühe Astrolabliteratur
279 München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 22r. 280 Vgl. zur Anwendung dieser Kerzen Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 60–62; einen Überblick über verschiedene, vornehmlich neuzeitliche Kerzenuhren bietet Turner, Catalogue of the Collection, ii.
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enthält der bereits vielfach diskutierte Kodex München, BSB, MS Clm. 14763 die fragmentarische Beschreibung eines mit Gewichten und Flaschenzügen arbeitenden Mechanismus zum Antrieb einer Uhr, die die bislang bekannten ersten Zeugnisse dieser Technologie um über ein Jahrhundert vorwegnimmt.281 Über ein System aus Gewichten und Gegengewichten aus Steinen und wohl mit Wasser gefüllten Gefäßen wurde die Winde eines Flaschenzuges in eine regelmäßige Bewegung versetzt, die dann zur Messung der Zeit verwendet werden konnte. Wie diese regelmäßige Bewegung hierfür genau genutzt wurde, ist nicht überliefert.282 Auch lässt sich anhand dieses Fragmentes nicht abschätzen, ob eine solche Uhr tatsächlich in Regensburg betrieben wurde. Gleichwohl ist anzunehmen, dass entsprechende Wissensbestände durch den apocrisarius im 12. Jahrhundert zumindest geprüft, rezipiert und für die eigene Arbeit nutzbar gemacht worden sind. In den St. Emmeramer Astrolabica-Handschriften eröffneten sich dem apocrisarius also genau diejenigen Wissensbestände, die etwa hundert Jahre zuvor zu einer veritablen Irritation geführt hatten, die von Wilhelm und seinen Mitstreitern nicht nur überwunden, sondern auch zu eigenen Weiterentwicklungen wie der Sphaera genutzt wurden. Vieles spricht nun dafür, dass dem apocrisarius auch die Ergebnisse dieser Studien zur Verfügung standen. So enthält bezeichnenderweise gerade München, BSB, MS Clm. 14689 die fragmentarische Abschrift der Astronomia, in denen Wilhelm ausführlich Rechenschaft über seine Forschungen ablegte und die zur Nutzung des Astrolabs notwendigen Korrekturen sowie eigene Weiterentwicklungen beschrieb.
281 Borst sah in diesem Abschnitt das erste Kapitel einer vom ihm vermuteten Kompilation Regensburger Exzerpte, vgl. Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–3, xix. Excerpta horologica et astrolabica Ratisbonensia (Astrolabica Ratisbonensia), S. 55. Der Text findet sich daneben noch in Vatikan, BAV, MS Reg. lat. 1661, fol. 77v und Trier, BA, MS Abteilung 95 Nr. 6, fol. 96v. Der Text ist nicht identisch mit der bereits bekannten Beschreibung in Kodex Ripoll, SB, MS 225, die in Assaig d’historia, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 316–18 ediert ist; Übersetzung bei Maddison und andere, ‚An Early Medieval Waterclock‘; Beschreibung bei Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 66–67; Farré-Olivé, ‚A Medieval Catalan Clepsydra‘. Zu einem anderen Mechanismus vgl. FarréOlivé, ‚A Medieval Catalan Clepsydra‘, S. 379–80. Zur Entstehung der Räderuhr vgl. Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 49–120. 282 „De tercio vel quarto canali que circum capsam proclivi sunt disposita, capit lapis in troclee foramen, quod tenet quartam partem eius, et sic stat opposito fundo quodam, quod in eodem loco superiorem capse dividit ab inferiori. Sed troclee sunt duo fila annexa, unum ante, id est versus imaginem. Aliud retro, in anteriori pendet vasculum. In tribus partibus. Posterius filum brachio ligatur. Sed vase immergente, filum, in quo pendet vas, trocleam revolvit, lapique egrediens cadit in supposito canali perveniens in mentum imaginis aperto ore pondere suo dex-tram deponit, qua in curvante filum posteriusque ei annexum est trocleam revolvit et sic alium lapidem recipit. In clavo autem illo annexum est pondus quod dexteram revelat, liga tum est filum in quo pondet vas et quando dextera lapidem deponit, revelat vas. Que omnia in momento fieri necesse est.“ München, BSB, MS Clm. 14763, fol. 213v. Der Mechanismus hat vage Ähnlichkeit mit einer bei Vitruv beschreibenen Wasseruhr. Auch ähneln sich einige verwendete Begrifflichkeiten. Vgl. Vitruv, De architectura, hg. von Kohn, 9, S. 8–11. Eine Rekonstruktion dieses Mechanismus findet sich bei Bilfinger, Die Zeitmesser der antiken Völker, S. 43–44. Gewisse Ähnlichkeiten scheinen mir überdies zum sogenannten Turm der Winde vorzuliegen, vgl. Noble und Solla Price, ‚The Water Clock‘. Allerdings ist festzuhalten, dass im überlieferten Fragment keine Rede von Wasser ist, sondern lediglich fallende Steine erwähnt werden. Ohne eine tiefergehende Analyse bleibt das Fragment überaus mysteriös.
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Zwar enthält der Kodex in seiner heutigen Form lediglich eine Abschrift des Prologs und der Neudatierung der Wendepunkte, die besonders wichtig für die korrekte Anwendung des Astrolabs war. Allerdings belegt diese Abschrift, dass noch im 12. Jahrhundert eine Vorlage von Wilhelms Text im Kloster vorhanden war, auf die sich der apocrisarius stützen konnte. Beim vorliegenden Kodex könnte es sich daher um einer der auch im Anhang postulierten Exzerptabschriften der Astronomia handeln. Immerhin belegt die spätmittelalterliche Identifizierung der Sphaera als Nachtuhr, dass das Wissen um ihre Nutzung im Kloster noch für Jahrhunderte vorhanden war, entweder im Text oder durch orale Vermittlung.283 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der St. Emmeramer apocrisarius sich noch in der Mitte des 12. Jahrhunderts auf das Wissen stützen konnte, das im 11. Jahrhundert gebildet, nun aber in einem institutionell geregelten Rahmen nutzbar gemacht und damit verstetigt wurde. Gleichzeitig lassen sich diese günstigen Bedingungen nicht ohne Weiteres auf andere Klöster übertragen. Insbesondere Neugründungen wie Prüfening konnten nicht auf den Handschriften- und Erfahrungsschatz zurückgreifen, der sich in St. Emmeram über Jahrhunderte angesammelt hatte, sondern mussten sich dieses Wissen erst besorgen. Dies wird insbesondere im Wiener Kodex Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 deutlich. Zwar widmen sich die einzelnen Teile dieser Handschrift auch genuin kalenderwissenschaftlichen Fragen – Arno Borst charakterisiert sie als komputistisch-astronomisch284 –, gleichwohl bedient der Kodex zu weiten Teilen dezidiert die Anforderungen eines apocrisarius, vor allem mit Blick auf die Zeitmessung in cursu stellarum uel etiam lunae. Die kodikologische Untersuchung legt nahe, dass zumindest der erste und letzte Teil des heutigen Kodex bereits verhältnismäßig rasch nach Gründung des Klosters in Prüfening angelegt worden sind.285 Dies geschah vermutlich während der Regierungszeit des Abtes Ebro, der sich zusammen mit dem Bibliothekar Wolfger um das kulturelle Niveau des Klosters verdient machte, was auch die Sorge um die Zeitmessung einschloss. Der erste Teil scheint dabei noch früher besorgt worden zu sein als der vierte, nämlich um 1130, also innerhalb von einundzwanzig Jahren nach Gründung des Klosters und damit für mittelalterliche Verhältnisse recht zügig. Der Inhalt des ersten Teiles mag dieses Interesse erklären, handelt es sich doch vor allem um das grundlegendste komputistische Material zur Berechnung des Osterfestes.286 Arno Borst hat daher auch mit Blick auf die weiteren Bestandteile der Handschrift von einem „fast ganz komputistischen Kodex“ gesprochen.287 Allerdings geht seine Charakterisierung zumindest in dieser Engführung meiner Ansicht nach fehl, enthält die Handschrift doch auch Texte, die für die Osterberechnung 283 München, BSB, MS Clm. 14892, fol. 217v. 284 Vgl. Borst, ‚Einleitung‘, S. 316. 285 Sie enthält komputistische Texte und Hermanns Anleitung zum Bau des Astrolabs in Teil 1, Bedas Werke De temporum ratione, De natura rerum und verschiedene Exzerpte astronomischen Inhalts in Teil 4. 286 Es handelt sich dabei vor allem um eine abbonische Ostertafel, aber auch Auszüge aus komputistischen Enzyklopädien. 287 Der karolingische Reichskalender, i, hg. von Borst, S. 237.
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keinen Mehrwert aufweisen. Dazu gehört insbesondere Hermanns Anleitung zum Bau des Astrolabs, dessen Beschaffung man offensichtlich als dringender erachtete als Bedas komputistisches Handbuch De temporum ratione im vierten Teil der Handschrift und sie daher deutlich früher kopierte. Das Astrolab verweist nun aber eindeutig in den Verantwortungsbereich des apocrisarius, der damit die Zeit am Lauf der Sterne verfolgen konnte, eine Aufgabe, die ebenso wichtig war wie die Berechnung des liturgischen Kalenders. Immerhin regeln die Hirsauer Gewohnheiten lediglich die Zeitmessung und gehen auf die Osterberechnung überhaupt nicht ein. Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 bezeugt daher, dass man sich im Zuge des raschen Aufbaus einer vorbildlichen Bibliothek in Prüfening offenkundig verhältnismäßig schnell um die Rezeption des Wissens bemühte, das den apocrisarius zur Ausübung seiner Pflichten befähigte. Tatsächlich sprechen Nachträge in der Wiener Handschrift dafür, dass sogar das traditionell komputistische Wissen in den Anwendungsbereich des apocrisarius überging. Nicht nur beinhaltete die Handschrift im zweiten Teil, eingebettet in Exzerpte aus den karolingischen Enzyklopädien, die in erheblichem Umfang aus Emmeramer Handschriften schöpfen, auch eine Beschreibung der Sternzeichen, mit denen der apocrisarius sich am Himmel orientieren konnte.288 War er damit für die Messung in cursu stellarum also bereits um 1130 ausreichend ausgestattet, fehlte noch das notwendige Rüstzeug für die in den Regeln vorgesehene Beobachtung des Mondes. Dieses Wissen stand ihm spätestens zur Mitte des Jahrhunderts mit Bedas Schriften De temporum ratione sowie De natura rerum im vierten Teil des Kodex zur Verfügung. Dass gerade diese Texte, die ja vor allem als Grundlagentexte der Osterberechnung bekannt sind, in Prüfening mit Bezug auf neue Methoden der Zeitmessung mit dem Astrolab gelesen wurden, darauf deuten Marginalien einer Hand des – vermutlich späten – 12. Jahrhunderts auf fol. 45r zu Bedas De temporum ratione hin, die den Text aus dem engen Feld der Komputistik in den Aufgabenbereich des apocrisarius rücken. So finden sich von seiner Hand Bemerkungen zu Bedas Erklärung der Einteilung des Sonnentages in zwölf Stunden von wechselnder Länge, mithin einer der grundlegendsten Wissensbestände im Kontext der Zeitmessung.289 Diesen klassischen Wissensbestand des frühen Mittelalters bringen die Marginalien nun in eine direkte Verbindung zur Neuerung des hohen Mittelalters, dem Astrolab. Damit könne diese wechselnde Dauer der Stunden gezeigt werden: „Hec astrolabica ratione probanda sunt“.290 In dieser unauffälligen Bemerkung kommt eine Übertragung und Aktualisierung des tradierten Wissens aus dem frühen Mittelalter in den Wissenshorizont und Anwendungsbereichs des apocrisarius zum Ausdruck. Dies wird auch in einem weiteren Kommentar deutlich: Mit Blick auf Bedas Einteilung der Stunde in verschiedene Einheiten klärt der Schreiber die ambige Bedeutung des Begriffes partes, der bei Beda nämlich nicht nur ein Teil der Stunde ist, sondern auch als Abschnitt des Zodiaks verstanden wird. In einer Glosse erklärt
288 Entweder, der Datierung Borsts folgend, bereits um 1130, oder erst um 1200. 289 Vgl. Beda, De temporum ratione, hg. von Jones, 3, S. 182–84 (Ausgabe von 1943). 290 Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, fol. 45r.
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er diese Ambiguität und stellt darüber hinaus einen Bezug zu den Kapiteln 17 bis 19 in Bedas De temporum ratione her, in denen der Lauf des Mondes durch den Zodiak in Relation zum Lauf der Sonne sowie deren mathematische Berechnung verdeutlicht wird.291 Dieses Wissen konnte nun nicht nur für komputistische Berechnungen relevant sein, sondern auch die Messung der Stunde anhand des Erdtrabanten, also in cursu lunae, ermöglichen, indem die gefundene Position analog zur Messung anhand der Sonne mit dem Zeiger auf die Ekliptik des Astrolabs übertragen wurde. Der Methodenkoffer des apocrisarius war nun in Prüfening spätestens zur Mitte des Jahrhunderts so gefüllt, dass er den Hirsauer Gewohnheiten Rechnung tragen konnte. Dass die hier zum Ausdruck kommende hohe Priorisierung der für die Zeitmessung nutzbaren Wissensbestände des Kosmoswissens nicht nur dem apocrisarius zugute kam, sondern vielmehr in der Institutionalisierung seines Amtes begründet lag, wird auch an weiteren Beispielen deutlich. Auch in anderen bereits bestehenden Klöstern des Südostens erforderte die Einführung dieses Amtes die Ergänzung des bestehenden Wissensbestands durch dezidiert anwendungsfähige Astronomie. Deutlich wird dies zum einen in den bereits erwähnten Überlieferungsnetzwerken der südostdeutschen Handschriften der Astrolabliteratur, deren Verbreitung sich offenbar wesentlich auf Hirsauer Reformnetzwerke gestützt hatte. Gerade diese Netzwerke scheinen im Verlauf des 12. Jahrhunderts zu einer Normierung des neuen Korpus der Astrolabliteratur beigetragen zu haben. Dies lässt sich an einer Reihe von Handschriften aus der Mitte des 12. Jahrhunderts fassen, die mit den etwas kruden und wohl ad hoc zusammengestellten Handschriften der ersten Generation, in denen die Inhalte sukzessive ergänzt wurden, wenig gemein hatten. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellt sicherlich die Prüfeninger Handschrift München, BSB, MS Clm. 13021 dar, die das neue Korpus in seiner Gesamtheit in einer geradezu formvollendeten kodikologischen Darstellung präsentiert.292 Diese normierte Neufassung hat Borst im Zuge seiner Edition als zweite Überarbeitungsstufe des neuen Korpus charakterisiert, die sich im Laufe des 12. Jahrhunderts im benediktinischen Milieu Süddeutschlands entwickelt hätte und sie einem „Salzburger Umkreis“ zugeordnet, auf den die Handschriften Göttingen, SUB, MS Cod. phil. 42, Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7 (davon abhängig auch London,
291 Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, fol. 45r: „Partes nihil aliud dicimus quam cottidianos solis in celo progressus ut in argumentatione lunaris computi. Ideo ut scias per etatem cuiuslibet lune per tetragonum ducte eisque summa numeri iterum per trigonum ducte monstrare tibi tot partibus lunam a sole distare.“ Beda, De temporum ratione, hg. von Jones, S. 337–46; auch andere Autoren des Mittelalters vertieften auf Beda aufbauend diesen Sachverhalten, insbesondere Alkuin und Hraban. Vgl. hierzu Stevens, ‚Compotistica et astronomica‘; außerdem Springsfeld, Alkuins Einfluß, S. 218–43, die sich neben Alkuins Ausführungen auch ausgiebig Bedas Aussagen erläutert. 292 Während Handschriften der Astrolabica in der Regel deutliche Spuren einer intensiven Nutzung sowie späterer Überarbeitungen und Ergänzungen aufweisen, finden sich im Prüfeninger Kodex keine Nachträge, Glossen, oder Ähnliches. Auch die vergleichsweise prächtige Ausgestaltung der Handschrift – man beachte die Größe, das sorgfältig eingehaltene Layout und die konsistente Gestaltung der einzelnen enthaltenen Texte – deuten darauf hin, dass München, BSB, MS Clm. 13021 weniger für den alltäglichen Gebrauch gedacht war, sondern vielmehr zur Speicherung, Sammlung und Kodifizierung von Wissen.
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BL, MS Royal 15 B IX) und Stuttgart, WLB, MS Cod. math. qu. 33 verweisen.293 Diese handschriftliche Überlieferung spricht nun dafür, dass sich die Entwicklung dieser zweiten Bearbeitungsstufe im Umfeld des Hirsauer Reformverbundes vollzog. So lassen sich mindestens München, BSB, MS Clm. 13021 (Herkunft Prüfening), Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7 (Herkunft St. Peter in Salzburg) und Stuttgart, WLB, MS Cod. math. qu. 33 (Herkunft laut Borst vermutlich in einem südwestdeutschen Benediktinerkloster, eventuell Comburg)294 in Klöstern der Hirsauer Reform verorten. Da die in diesen Handschriften zum Ausdruck kommende Kanonisierung des neuen Korpus ein hohes Maß an Planung und Gestaltungswillen voraussetzt, ist es naheliegend, die treibende Kraft dieses Prozesses in der Person des apocrisarius zu sehen, dem aufgrund seiner Pflichten an der komfortablen und umfassenden Rezeption seiner bis dato in verschiedenen Handschriften verstreuten Fassungen vorliegenden Grundlagentexte gelegen war. Natürlich blieb die Rezeption dieser Astrolabica nicht auf Klöster der Hirsauer Reformbewegung beschränkt. Auch andere Klöster oder Institutionen interessierten sich für den Text und die damit verbundenen astronomischen Anwendungsmöglichkeiten. Nicht nur in St. Emmeram selbst, sondern auch in Bamberg besaß man ihn bereits vor Einführung der Hirsauer Reform und dem damit in Beziehung stehenden Amt des apocrisarius. Vor allem das ältere Korpus war bereits seit dem frühen 11. Jahrhundert in verschiedenen Fassungen verbreitet.295 Gleichwohl deutet der geschilderte Befund darauf hin, dass die Anforderungen der Hirsauer Gewohnheiten, die eben erst ab dem 12. Jahrhundert zu einer gewissen Verbindlichkeit in der Praxis der Zeitmessung in den Hirsauer Klöstern der Region führten, als Katalysator dafür fungierten, dass dieses Wissen nun auch in der Breite der benediktinischen Klosterlandschaft rezipiert wurde. Hierin läge eine Erklärung der Ergebnisse der Analyse der Wissenslandschaft im vorangegangenen Kapitel. In diesem Umstand spiegeln sich zwei wichtige Entwicklungen für die Geschichte des Kosmoswissens im hohen Mittelalter. Zum einen deutet er an, dass die Prozesshaftigkeit der Innovationen zu einem vorläufigen Abschluss gelangte. Weder konnte das Astrolab nach der Pionierarbeit Wilhelms noch irritieren, noch erforderte und initiierte es umfangreiche Forschung und Weiterentwicklungen. Stattdessen konnten die rezipierenden Institutionen Dank der Vorarbeiten des 11. Jahrhunderts direkt zur konkreten Anwendung übergehen. Zum anderen bedeutet dieser Vorgang nicht das Ende von Innovation, sondern eine zweite, wesentliche Phase, in der die zu Beginn dynamischen und labilen Prozesse geronnen, etabliert und verbreitet wurden. Erst durch dieses „breitenwirksame[] Auftreten[] einer Neuerung“ konnten innovative
293 Vgl. Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 52–56. 294 Gleichwohl ist festzuhalten, dass Borst seine Lokalisierung nicht näher begründet. Im unveröffentlichten Katalogisat von Wolfgang Irtenkauf, das er bei seiner Beschreibung verwendet hat, ist sie nicht zu finden. Sollte Borst die Handschrift aufgrund der darin beinhalteten Texte nach Süddeutschland lokalisiert haben, läge ein Zirkelschluss vor. 295 So belegt der Katalog des Klosters Michelsberg, dass der vor 1103 verstorbene Frutolf Hermanns Texte zum Astrolab mit eigener Hand geschrieben und dem Kloster vermacht habe, vgl. DenglerSchreiber, Scriptorium und Bibliothek, S. 178.
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Prozesse aus gesellschaftlicher Perspektive in Innovationen münden.296 Die kosmologischen Innovationsprozesse des hohen Mittelalters sind daher nicht nur der Verdienst einer kleinen Gruppe genialer Wissenschaftler, sondern vor allem Folge einer institutionalisierten Gruppe von Experten, die die erzielten Forschungsergebnisse einer konkreten und alltäglichen Anwendung zuführten. Tatsächlich belegen die genannten Handschriften nicht nur die Kanonisierung der Astrolabtexte im Rahmen einer planvollen Rezeption dieses Wissens in einem zunehmend institutionalisierten Kontext. Auch zeigen sich darin Spuren dieser zweiten Phase des Innovationsprozesses, indem sich darin eine bewusste und gesteuerte Erweiterung dieses Wissenskanons ausdrückt, in der verschiedene Inhalte aus den Bereichen der Geometrie, Astronomie und Gnomonik, die zur instrumentengestützten Zeitmessung benötigt wurden, zunehmend in einen Zusammenhang gebracht wurden. Eine solche kodikologische Verbindung dieser Wissensbereiche ist an sich nicht neu und deutet sich bereits in den Handschriften des 11. und frühen 12. Jahrhunderts an. In den Handschriften aus dem Verlauf des 12. Jahrhunderts zeigt sich aber auf verschiedenen Ebenen ein völlig neues Niveau. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung stellt der Salzburger Kodex Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7 dar, in dem etwa zur Mitte des 12. Jahrhunderts ganz verschiedene Texte und Textsplitter aus den genannten Bereichen so zu einer zusammenhängenden Kompilation zusammengeführt wurden, dass sogar Editoren späterer Zeiten sie zuweilen als einheitliche Texte auffassten.297 Der Kodex enthält zum einen das neue Korpus der Astrolabliteratur (1v–33v) und dazugehörender Exzerpte (33v–39r), die hier nun als Einheit und mit Erweiterungen kopiert wurden.298 Es folgen auf gleicher Lage und von gleicher Hand Texte der Geometria Gerberts (39v–63r) und lange Passagen der geometria incerti auctoris (63r–95v) sowie eine Passage mit Exzerpten zu Geometrie und Bau astronomischer Instrumente (95v–109v). Diese Inhalte mögen zwar auf den ersten Blick disparat erscheinen, stellen aber notwendige Grundlagenkenntnisse für die Konstruktion und Anwendung astronomischer Instrumente dar, etwa Sonnenuhren oder Quadranten, die in der Handschrift auch an verschiedenen Stellen sorgfältig abgebildet sind. Die geometrischen Passagen werden damit, wie es schon bei Wilhelms Studien der Fall war, in den Dienst der instrumentellen Zeitmessung genommen: Nicht nur waren die hier geschilderten Inhalte wesentlich für die Höhenmessung der Himmelskörper mit dem Astrolab, auch ließen sich die verschiedenen Uhren nur auf Grundlage dieser Inhalte konstruieren und in ihrer Funktionsweise verstehen. Auf diese Indienstnahme deuten aber auch Glossen eines zeitgenössischen Nutzers hin, die sich durch die gesamte Handschrift ziehen und den Inhalt in den Kontext der instrumentbasierten Zeitmessung stellen. So setzt er sich am Rand von Passagen
296 Hesse und Oschema, ‚Aufbruch im Mittelalter‘, S. 24. 297 So zum Beispiel durch Pez, der nach der Salzburger Handschrift die Exzerpte zu De utilitatibus astrolabii dazu druckt. Erneut abgedruckt in Hermann von Reichenau, De utilitatibus astrolabii libri duo, hg. von Migne. 298 Vgl. auch Juste, ‚Hermann der Lahme und das Astrolab‘, S. 279.
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der Geometria incerti auctoris, die sich mit der Messung des Erdumfanges durch Erathostenes befassen, mit der Konstruktion der Mittagslinie auseinander, die eine wesentliche Grundlage der Zeitmessung darstellt und bereits in Wilhelms Studien eine entscheidende Rolle gespielt hatte.299 Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7 zeigt damit eindeutige Spuren einer Anwendung im Bereich der fortgeschrittenen Zeitmessung, wofür offenbar verschiedene Inhalte zu einem sorgfältig angelegten und zusammenhängenden Handbuch der Zeitmessung kompiliert wurden, in dem sie, anders als in den etwas chaotischen Handschriften des 11. Jahrhunderts, einfach und schnell konsultiert werden konnten. Da diese planvolle Kompilation ein großes Maß an Expertise in den enthaltenen Wissensbereichen erfordert, erscheint es abwegig, hinter der Anlage dieses Kodex jemand anderen als den apocrisarius des Klosters St. Peter zu sehen, der dadurch die Grundlagen seiner Amtsführung zu verbessern oder überhaupt erst zu schaffen trachtete. Tatsächlich erlaubt die Salzburger Handschrift neben der Identifikation des Expertenwissens eines apocrisarius auch einen Einblick in die soziale Praxis dieser Rezeption. Er kopierte nämlich nicht nur die aus dem 11. Jahrhundert bereits bekannte Astrolabliteratur, sondern bemühte sich als Experte des Klosters aktiv um neue Wissensbestände, für die er offenbar auf ein regionales Netzwerk zurückgriff. Eingebettet in einen zusammenhängenden Text kompilierter Exzerpte zur Konstruktion astronomischer Instrumente finden sich nämlich Auszüge aus der Astronomia Wilhelms von Hirsau, die die Konstruktion einer Sphaera beschreiben (siehe Text-Anhang, S. 329). Diese Passage lässt sich zwar durch die eigentümliche Begrifflichkeit des status mundi eindeutig Wilhelms Werk zuordnen, ist hier allerdings völlig aus dem originären Zusammenhang und der Dialogform herausgelöst und in das Handbuchformat integriert.300 Dass diese Rezeption kein Einzelfall war, das belegt die Augsburger Handschrift Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356, die ebenfalls mit anderen Texten zur Zeitmessung zusammenkompilierte Passagen der Astronomia enthält.301 Zu nennen ist in diesem Kontext außerdem London, BL, MS Royal 15 B IX,302 die ähnliche Texte enthält, allerdings von der Salzburger Handschrift abhängt und aus einem anderen geographischen Raum stammt. Dies belegt, dass im 12. Jahrhundert Splitter der Astronomia Wilhelms im Südosten kursierten, die mit ähnlichen Inhalten mutmaßlich anderer Provenienz einen Wissenspool über die Zeitmessung bildeten.303 Aus diesem konnten sich die apocrisarii der Region 299 Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7, fol. 94r–95v. Wilhelms Astronomica stellt zumindest in der Abschrift in München, BSB, MS Clm. 14689 die frühste Abbildung einer Mittagslinie im Kontext der Messung der Wendepunkte dar, vgl. Nothaft, ‚Bede’s horologium‘, S. 1095. Eine wichtige Rolle spielte sie wie erwähnt auch für die Sphaera, da das Instrument nur funktionierte, wenn es danach ausgerichtet wurde. 300 Die zusammenkompilierten Passagen erscheinen in der Handschrift als Abschnitte eines Textes und wurden daher durch Cantor als Einheit transkribiert. Vgl. Cantor, Die römischen Agrimensoren. 301 Auf fol. 101r–101v findet sich Wilhelms Passage zum Auffinden des status mundi, die in Unkenntnis dieser Handschrift auch bei Jacquemard ediert ist, vgl. Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘. 302 Die Passage findet sich hier, ebenfalls eingereiht in eine zusammenhängende Kompilation anderer Inhalte, auf fol. 72v–71r. 303 Weitere Überlieferungszeugen sind im Text-Anhang aufgelistet.
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individuell bedienen. Diese Zersplitterung ist dabei kein Beleg für ein Desinteresse am Werk des Abtes, sondern im Gegenteil direkte Folge einer regen, wenngleich vor allem anwendungsorientierten Rezeption, die weniger dem Text als den darin vermittelten praktischen Inhalten galt.304 Dass sich Passagen der Astronomia ausschließlich in anwendungsbezogenen Kompilationen mit ähnlichem Zuschnitt, aber unterschiedlicher Ausführung finden, deutet darauf hin, dass sich ihre Rezeption im 12. Jahrhundert bereits auf in Regensburg angefertigte Exzerpte stützte, die die apocrisarii des Südostens als kritische und inhaltlich bewanderte Kopisten in einem professionellen Netzwerk kompilierten.305 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Verlauf des 12. Jahrhunderts im Südosten Handschriften entstanden, die das neue Korpus der Astrolabliteratur, Gerberts Geometrie, Teile der Geometria incerti auctoris sowie kleinere Auszüge über die Herstellung astronomischer Instrumente zu einer Art Handbuch zusammenstellten. Zwar ist zu betonen, dass all diese Handschriften erhebliche Unterschiede aufweisen. Sie bezeugen aber die Entstehung eines zunehmend normierten Pools ursprünglich heterogener Wissensbestände, die in verschiedenen Konfigurationen, aber mit einer gewissen Einheitlichkeit rezipiert wurden. Sie sind daher als Werk einer planvollen Zusammenstellung entsprechender Experten zu sehen, die sich im Gegensatz zu den Liebhabern der weltlichen Wissenschaften im 11. Jahrhundert nun als institutionalisierte Gruppe mit ganz bestimmten funktionalen Bedürfnissen herausbildeten: Die apocrisarii der Hirsauer Klöster im Südosten. Die Entstehung einer kritischen Masse von Experten des Kosmoswissens
Die Institutionalisierung der Zeitmessung, die sich mit den Hirsauer Gewohnheiten im Verlauf des 12. Jahrhunderts im Südosten durchsetzte, erforderte aber nicht nur die Rezeption von Expertenwissen im Kloster. Wichtiger war die Anwesenheit der Experten selbst, also einer Gruppe von Personen, die zur Ausübung dieses Amtes zumindest in Grundzügen befähigt waren. Dies galt nicht nur für das Amt des apocrisarius, sondern auch für seinen Stellvertreter (vicarius), der einspringen musste, falls jener von der Ausübung seines Amtes abgehalten werden sollte.306 Die Anwesenheit dieser Personen durfte also nicht dem Zufall überlassen werden und musste nachhaltig geregelt sein, wollte man die monastische Disziplin auch in diesem Bereich vorbildlich befolgen.
304 Leider ist es aufgrund dieses Vorgehens heute nur schwer möglich, den Umfang der einzelnen Vorlagen zu bestimmen. Es ist daher nicht zu beantworten, ob sich dieser Pool auf ein breites Wissen bezog oder lediglich auf die Astronomia selbst, die mutmaßlich alle relevanten Bereiche der Zeitmessung abdeckte und selbst auf der Grundlage von Exzerpten erstellt wurde. 305 Da sich die Astronomia sonst nicht erhalten hat, scheint es naheliegend, dass die Exzerpte bereits dort im Rahmen der Aneignung des Kosmoswissens durch den apocrisarius erstellt wurden. Da außerdem die Augsburger Handschrift Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356 auf fol. 95v–99v Auszüge aus den von Borst in seinem Nachlass identifizierten Rengensburger Exzerpten enthält, scheint diese Verbindung nahezu gesichert. 306 Vgl. Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, ii, 29, S. 162.
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In der Nennung eines vicarius lässt sich bereits eine erste Strategie zur Sicherung der kontinuierlichen Amtsführung feststellen. Es ist anzunehmen, dass es sich bei diesem Stellvertreter um einen jüngeren Mönch handelte, vielleicht auch um einen Novizen, der dem erfahreneren Amtsträger zur Ausbildung anvertraut wurde und von diesem in die Kunst der Zeitmessung eingeführt wurde. Nach dessen Ausscheiden konnte dieser dann das Amt des apocrisarius übernehmen und somit die Einhaltung der regelkonformen Gebetszeiten sicherstellen. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass sich das Expertenwissen des apocrisarius wohl kaum lediglich im Rahmen einer praktischen Ausbildung vermitteln ließ. Vielmehr erforderte diese ein erhebliches theoretisches Vorwissen. Um ein Gnomon korrekt zu errichten, ist es zum Beispiel unerlässlich, die geometrischen Grundlagen des Schattenfalls zumindest in gewissen Grenzen zu beherrschen. Hierfür war allerdings ein umfassendes Verständnis vom Kosmos und seinen astronomischen Phänomenen wie der Sonnenbahn notwendig.307 Gerade dieses Wissen war allerdings keineswegs selbstverständlich, da es der monastische Unterricht zumindest in der erforderlichen Breite nicht vermittelte: Dessen Aufgabe bestand zunächst darin, die Schüler durch den Lateinunterricht für die korrekte Ausübung ihrer aktuellen und späteren liturgischen Aufgaben vorzubereiten: des gesungenen oder gesprochenen Vortrages der lateinischen Meßliturgie und der Choräle, der Tischlesung im Refektorium, der fehlerfreien Aussprache von Weihe- und Segensformeln, auch der Predigttätigkeit. Hinzu kamen die Schreiberaufgaben im Rahmen der Buchabschriften, der Briefkorrespondenzen des Klosters oder der administrativen Buchführung. Hierfür bedurfte es lediglich der Grammatik und in Anfängen der Rhetorik, schon kaum mehr der Dialektik/ Logik und zweifellos nicht der mathematischen Disziplinen des Quadriviums.308 Gerade die Unterweisung der Novizen war keine klassische Unterrichtssituation, in der ein Lehrer seinen Schüler entsprechend eines theoretischen Curriculums Bildung vermittelte. Stattdessen zielte die Ausbildung der Novizen darauf ab, ihnen die für den monastischen Alltag wichtigsten Fertigkeiten beizubringen.309 Zum einen gehörte dazu die Kenntnis um die Disziplin des Klosters, also eines äußerst komplexen Regelwerkes, dessen Einhaltung der Magister und andere Personen vermittelten und überwachten. Zu diesem Zweck begleitete der Lehrer die Novizen nicht nur durch die verschiedenen Phasen ihres Tages, er verbrachte mit ihnen einen großen Teil ihrer ‚Freizeit‘ in einer Zelle, die ihnen als Lebensmittelpunkt und Ausbildungsstätte diente.310 Neben dem Erlernen der Disziplin ging es dort um die Befähigung der Novizen zur Teilnahme an der Liturgie, was neben dem Erlernen von Gesang und dem komplizierten liturgischen Regelwerk zunächst einmal das Erlernen von Lesen
307 Vgl. zu diesen Grundlagen Schaldach, Römische Sonnenuhren, S. 5–16. 308 Kintzinger, ‚Monastische Kultur und die Kunst des Wissens‘, S. 38–39. 309 Vgl. hierzu die grundlegenden Arbeiten von Cochelin, ‚Besides the Book‘; Boynton, ‚Training for the Liturgy‘, in denen Beispiele aus den Gewohnheiten cluniazensisch ausgerichteter Häuser ausgewertet wurden, zu denen auch die Hirsauer Bewegung zählte. 310 Vgl. Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, i, 2, S. 180.
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und Schreiben in Latein erforderlich machte.311 Der Unterricht im Kloster war daher eher eine Art Training für Liturgie und Klosteralltag als ein auf theoretische Bildung ausgerichtetes Studium. Allerdings lassen sich in den Prüfeninger Bibliothekskatalogen des 12. Jahrhunderts Hinweise finden, die nahelegen, dass die Anforderungen der Institution des apocrisarius Auswirkungen auf die Ausbildung der Novizen hatte, die in einer zunehmenden naturwisswissenschaftlichen Förderung des Nachwuchses mündete. Da seit Schmitz bekannt ist, dass der ältere Katalog des Klosters auch die Bücher der eigenständigen Schulbibliothek verzeichnet, die im jüngeren Katalog nicht enthalten sind,312 ist es möglich, diesen Bestand genauer zu bestimmen. Vor allem handelt es sich dabei um Bücher für den Spracherwerb, also Texte zur Grammatik und zur religiösen Dichtung.313 Zu diesem im jüngeren Katalog fehlenden Block an Schulbüchern zählte auch Martianus Capellas De nuptiis, was mit Blick auf dessen didaktische Anwendbarkeit nicht überraschen kann. Verblüffen mag allerdings, dass die Prüfeninger Kataloge des 12. Jahrhunderts auch die Integration von fortgeschrittenem Kosmoswissen in den Unterricht belegen, nämlich des Computus Helperici sowie der Philosophia mundi Wilhelms von Conches.314 Während sich die Vermittlung komputistischer Inhalte im Rahmen der Ausbildung zur Liturgie noch erklären lässt, fällt dies für ein naturphilosophisches Werk der Frühscholastik schwerer. Immerhin handelt es sich um einen hoch spezialisierten philosophischen Text, der für einen ebenso spezialisierten scholastischen und urbanen Diskurs gedacht war.315 Auf der anderen Seite ließe sich die Philosophia mundi durchaus als rein enzyklopädischer Text über den Kosmos im Unterricht lesen und verwenden.316 311 Vgl. Kintzinger, ‚Monastische Kultur und die Kunst des Wissens‘, S. 38–39; Wendehorst, ‚Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben?‘. 312 Vgl. Schmitz, Kloster Prüfening im 12. Jahrhundert, S. 69. 313 Vgl. Putter, ‚Prudentius and the Late Classical Biblical Epics‘. 314 Auch diese Texte sind lediglich im ersten Katalog verzeichnet, die Philosophia mundi noch dazu als Teil eines Nachtrages von anderer Hand, die auch andere Texte ergänzte, die im jüngeren Katalog aber zu finden sind. Ihre Nichterwähnung im jüngeren Katalog spricht daher auch für eine Nutzung in der Schule. Vgl. Bibliothekskatalog (Nr. 40), hg. von Ineichen-Eder und Bischoff, S. 417 und 420, bzw. Anm. 16 und 17 auf S. 419. 315 Vgl. Dutton, The Mystery of the Missing Heresy Trial, S. 8–9. 316 Eine Integration der Philosophia mundi in den monastischen Unterricht belegt übrigens auch der bislang unbekannte Textzeuge Leipzig, UB, MS 1306 aus dem sächsischen Zisterzienserkloster Altzella. Die Handschrift findet sich in keiner der publizierten Listen, vgl. Dutton, The Mystery of the Missing Heresy Trial; Dutton, ‚The Little Matter of a Title‘; Vernet, ‚Un remaniement de la Philosophia‘. Bei diesem Kodex handelt es sich nach Autopsie um einen Sammelband des frühen 13. Jahrhunderts, der neben verschiedenen Texten auch eine Abschrift der Philosophia mundi enthält. In der vorliegenden Form wurde die Handschrift um 1225 gebunden, wobei in diesem Zusammenhang verschiedene ehemals getrennte ältere Handschriften aus der Zeit um 1200 mit einer französischen Kopie der Philosophia mundi zusammengebunden wurden. Der Inhalt dieser beigebundenen Texte (fol. 2r–118r: Historiarum adversum paganos libri VII des Orosius; fol. 121r–131r: Prospers Epigrammata; fol. 131v–147r: Philosophia mundi; fol. 151v: unediertes metrisches Gedicht über die Rolle der Freude für das erfolgreiche Lernen und die hierzu förderliche Beziehung zwischen Lehrer und Schüler; fol. 152r–170r: Sammlung poetischer Texte, die Aratus (fol. 152r–158v), Prudentius (fol. 158v–163v) und Petrus von Riga (fol. 163v–170r) beinhalten) belegt eine Nutzung in der Schule. Gerade die Abschrift der Philosophia mundi verdeutlicht diese Nutzung, da sie einen kleinen zensierenden Eingriff
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Wilhelm selbst kam dieser Nutzung entgegen, indem er seinen Text einer konzisen und zugänglichen Ordnung und Sprache unterwarf. Die Philosophia mundi ist also durchaus beides: Provokativ und fordernd in ihrem philosophisch-theologischen Gehalt, gleichzeitig aber auch ein zugängliches Buch, das seinem Leser „quick and complete answers“317 zu fast allen Fragen der Naturkunde lieferte. Gleichwohl war die Philosophia mundi ein Text, der vor allem fortgeschrittenes Wissen über den Kosmos vermittelte. Es wird daher wohl eher in der Ausbildung älterer Novizen Anwendung gefunden haben, sofern diese bereits Lesen und Schreiben konnten.318 Tatsächlich deuten darauf auch die Hirsauer Gewohnheiten hin: „Si quis eorum scribendi uel libros ligandi est sciolus, in cella nouiciorum potest a magistro illis iniungi hoc opus, si tamen rogauerit eum armarius.“319 Sollte ein Novize also bereits über Grundfähigkeiten im Lesen und Schreiben verfügen, so durfte er ein vom Bibliothekar abgesegnetes Buch in der Zelle der Novizen studieren – offenbar parallel zum regulären Unterricht. Diese kleine Stelle ermöglicht weitreichende Schlussfolgerungen. Zunächst ist festzuhalten, dass sie nicht den Regelfall beschreibt, sondern eher eine Ausnahme. Gerade im Hirsauer Kontext ist mit Blick auf die Novizen von einem sozial durchaus gemischten Kreis auszugehen – Arme, aber gerade auch Personen hohen Standes –, von denen nur wenige über Vorkenntnisse des Lateins, geschweige denn der Freien Künste verfügten.320 Das Erlernen rudimentärer Sprachkenntnisse in Wort und Schrift stand daher an erster Stelle. Gleichwohl belegt diese Stelle, dass unter den Novizen durchaus Einzelfälle zu beobachten sind, die in besonderer Weise zur Rezeption fortgeschrittenen Wissens befähigt waren, darunter offenbar auch aus dem Bereich des Kosmoswissens. Entweder handelte es sich um Oblaten, die bereits von Kindesbeinen an eine monastische Ausbildung genossen – wobei gerade die Hirsauer Reformbewegung dieser Institution zunächst äußerst ablehnend gegenüberstand321 – oder aber um Novizen, die eine entsprechende Vorbildung mitbrachten, zum Beispiel durch den Besuch einer Kathedralschule. Dass gerade letzteres im Rahmen des Möglichen war, beweist der Fall des Prüfeninger Mönchs Wolfger, der nach einer Schulbildung in Bamberg ins dortige Kloster Michelsberg eintrat und später als Bibliothekar in Regensburg wirkte.322 Klöster waren regelrecht auf diese Personen angewiesen, da
enthält. Auf fol. 138r ist eine Passage zum humoralmedizinischen Einfluss des Planeten Venus auf den menschlichen Körper und seine Lust an der Ausschweifung (luxuria) geschwärzt. Es scheint naheliegend, dass diese Information gerade jüngeren Novizen vorenthalten werden sollte, die dem hohen asketischen Anspruch im Kloster vielleicht noch nicht ausreichend entsprechen konnten. 317 Dutton, The Mystery of the Missing Heresy Trial, S. 8. 318 Boynton betont den Unterschied in der Ausbildung zu Kindern, die eher nicht anhand von Büchern erfolgte, vgl. Boynton, ‚Training for the Liturgy‘, S. 11. 319 Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, i, 2, S. 189. 320 Zum sozialen Profil der Hirsauer und der großen Rolle der Laien für diese Reformbewegung vgl. Schreiner, ‚Hirsau und die Hirsauer Reform‘, S. 70–81; Wollasch, ‚A propos des fratres barbati de Hirsau‘; Mettler, ‚Laienmönche, Laienbrüder, Conversen‘; vgl. zur Frage des Zusammenhangs von Latinität und Bildung Grundmann, ‚Litteratus–illitteratus‘. 321 Vgl. Schreiner, ‚Hirsau und die Hirsauer Reform‘, S. 72–73. 322 Vgl. Fichtenau, ‚Wolfger von Prüfening‘, S. 350.
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nur sie über Fähigkeiten verfügten, die sie – entsprechend kultiviert – zum Ausüben besonders wichtiger Ämter befähigte. So betonen die Gewohnheiten, dass niemand Bibliothekar werden dürfe, der nicht von Kindesbeinen an im Kloster oder zumindest – wie Wolfger – in besonderer Weise dazu geeignet sei: „nisi uel nutritus sit uel alius quilibet ad hoc officium idoneus“.323 Die Nutzung der Philosophia mundi sowie Helperichs Computus im Unterricht deutet nun darauf hin, dass dieser auch dafür genutzt wurde, individuell interessierte bzw. begabte und vorgebildete Novizen durch die Vermittlung theoretischer Wissensbestände aus dem Bereich des epistemischen und instrumentellen Wissens so zu fördern, dass sie den hohen Anforderungen des Amtes eines apocrisarius gerecht werden konnten und als dessen Stellvertreter einer praktischen Ausbildung in der angewandten Zeitmessung gewachsen waren. Professionalisierung als Motor von Innovation
Durch die Integration des Kosmoswissens in den Unterricht des Klosters sowie die darin zum Ausdruck kommende Förderung begabter Personen war es den Klöstern der Hirsauer Reformbewegung möglich, den durch die Institutionalisierung der Zeitmessung entstandenen Bedarf an Experten dauerhaft sicherzustellen. Gleichzeitig hatte diese Förderung erhebliche Konsequenzen auf das Sozialprofil des Kosmoswissens in diesen Klöstern. Im 11. Jahrhundert hatte noch der Zufall darüber entschieden, ob eine monastische Institution geniale Ausnahmeerscheinungen wie Hermann von Reichenau oder Wilhelm von Hirsau zu ihren Mitgliedern zählen konnte, die ihre Neigungen außerhalb des regulären Klosterbetriebs ausleben mussten.324 Nun etablierte sich in diesen Klöstern um das Amt des apocrisarius herum ein institutionalisiertes Expertensystem, in dessen Rahmen Kosmoswissen gesammelt, vermittelt und angewandt wurde. Dieses Wissen wurde daher im Verlauf des 12. Jahrhunderts zumindest im Hirsauer Kontext unter weitaus besseren Bedingungen gepflegt, als es im 11. Jahrhundert der Fall gewesen war. Begabte und naturwissenschaftlich interessierte Schüler mussten sich nun nicht mehr gegen konservative Lehrer behaupten, sondern erhielten Förderung. Ihnen war es möglich, sich zunehmend auch theoretisches Wissen anzueignen, bevor sie als Stellvertreter des apocrisarius an dessen Erfahrungswissen partizipieren konnten. Dieser konnte wiederum im Austausch mit seinen Amtskollegen das Wissen aus anderen Klöstern eigenständig rezipieren und zu individuellen Handbüchern gestalten. Dieses neue institutionelle Setting hatte zwangsläufig Auswirkungen auf das Niveau des Kosmoswissens innerhalb der Klöster. Nicht nur führte die nun intensivierte und gezielte Ausbildung des Nachwuchses zu einer wissenschaftlichen Leistungssteigerung der Experten. Vor allem ermöglichte sie die Herausbildung einer auf die Anwendung und Weiterentwicklung des Kosmoswissens ausgerichteten peer group innerhalb
323 Wilhelm von Hirsau, Constitutiones Hirsaugienses, hg. von Engelbert, ii, 18, S. 113. 324 Für Hermann war eine Teilnahme am regulären Klosterbetrieb aufgrund seiner Krankheit ausgeschlossen, Wilhelm konnte seinen Neigungen wohl vor allem durch eine Sondererlaubnis des Abtes nachgehen.
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und zwischen den Hirsauer Klöstern der Region. Diese war in einem geteilten und durch Ausbildung verinnerlichten kollektiven Denkstil325 verbunden sowie durch einen Expertensystemen inhärenten Drang zur zunehmenden Systematisierung, Professionalisierung und Fortentwicklung des eigenen Wissens und Handelns. Dies wird zum Beispiel in einem wohl Anfang der 1140er Jahre im Umkreis Salzburgs entstandenen Kommentar zum Astrolab deutlich, den bereits Borst als Commentarius horoscopi Salisburgensis bezeichnete und in seinem Nachlass aus der Handschrift Stuttgart, WLB, MS Cod. math. qu. 33, fol. 37v–40v edierte.326 2012 publizierte und kommentierte Caiazzo den Text unter der Bezeichnung De astrolabio.327 Dieser Text bietet unter anderem eine selbstbewusste Integration der Zeitmessung in eine regelrechte Wissenschaftstheorie, in der die instrumentelle Astronomie der Zeitmessung als Teil der Physik konzipiert wird.328 Dieser Kommentar verdeutlicht damit, dass die Expertengruppe der Hirsauer Klöster sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts zunehmend als Vertreter einer eigenständigen Disziplin verstanden, deren Methoden und Wissenskanon sich nicht mehr in das Korsett von Computus und Quadrivium zwingen ließen. Die hier zum Ausdruck kommende theoretische Fundierung der eigenen Tätigkeit belegt eine zunehmende Professionalisierung, die nicht nur mit einer Systematisierung der Grundlagen der Zeitmessung, sondern auch mit dem Streben nach deren kontinuierlichen Verbesserung einherging. Dies illustrieren zum Beispiel die bereits erwähnten Marginalien der Prüfeninger Handschrift Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, in denen auch der Versuch einer zunehmenden Präzisierung der Methodik des apocrisarius zum Ausdruck kommt: „Horologium cum punctis, minutis partibus et momentis, hoc modo erit“329 überschreibt eine Hand des späten 12. Jahrhunderts die Zeichnung zweier Sonnenuhren mit einer auf die mittelalterliche Minute genauen Einteilung der Stunden.330 Das Verb „erit“ in der Überschrift deutet darauf hin, dass es sich hierbei um mehr als eine rein didaktische Illustration handelte, und dass die Uhren durchaus in die Realität übertragen werden sollten.331 Dabei gehörten solch präzise und detaillierte Sonnenuhren eigentlich gar nicht zum unabdingbaren Standardrepertoire der monastischen Zeitmessung. Eine Kenntnis
325 Der Begriff geht zurück auf Ludwig Fleck, vgl. z. B. Fleck, ‚Über die wissenschaftliche Beobachtung und die Wahrnehmung im Allgemeinen‘. 326 Der Text findet sich im dritten Band des Nachlasses als Text xx (xxv) und weist die Paginierung S. 63–109 auf. Leider ist der Text im Ordner verstreut. Ein Teil findet sich ganz am Ende des Ordners (paginiert als S. 63–64 und S. 89–109), der Rest etwa in der Mitte (paginiert als S. 65–88), Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–3. Zu den Handschriften Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–1, Einleitung, S. 84. 327 Caiazzo, ‚Sur l‘astrolabe‘. 328 „Ad quam partem phylosophie spectet, planum est, ad physicam scilicet, utpote cuius naturali dispositioni nulla ratio est [Hinzufügung durch Borst], nullo argumento quicquam potest addi vel minui, plus minusve, quam natura instituit.“ Stuttgart, WLB, MS Cod. math. qu. 33, fol. 40v. 329 Wien, ÖNB, MS Cod. 12600, fol. 45r. 330 Die Glosse findet sich erneut im Zusammenhang mit Bedas Kapitel über die Zeiteinheiten. Vgl. Beda, De temporum ratione, 3, S. 182–84. 331 Dabei handelte es sich offenkundig um eine horizontale Sonnenuhr, bei der mit Hilfe eines Gnomons ein Schatten auf ein auf den Boden gezeichnetes Koordinatensystem projiziert wird. Vgl. Turner, ‚Sun-Dials‘.
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der Tageszeit auf die Minute war auch für den genau getakteten Alltag im Kloster nicht notwendig und in der Praxis wohl auch schwer zu messen. Man denke nur an etwaige Unebenheiten des Bodens, die das Ergebnis der Beobachtung verfälschen könnten. Die Marginalien des Prüfeninger Kodex geben daher weniger über die dort tatsächlich genutzten Methoden der Zeitmessung Auskunft. Wohl stehen sie aber für den gewandelten Umgang und das Interesse an der Messung der Zeit. In ihnen lässt sich eine Entwicklung der Zeitmessung von einer bloßen Notwendigkeit des Alltags hin zu einer regelrechten Wissenschaft einiger Experten feststellen, die sich nun aus einem professionellen Interesse um eine zunehmende Exaktheit ihrer Methoden bemühten. Die Institutionalisierung von Experten im Bereich des Kosmoswissens im Amt des apocrisarius führte in Klöstern der Hirsauer Reform im Verlauf des 12. Jahrhunderts also zur Bildung einer kritischen und vernetzten Masse gleichermaßen interessierter wie befähigter Personen, die sich qua Amt der Erweiterung und Verbesserung des eigenen Wissens verpflichtet fühlten. Vieles deutet darauf hin, dass diese institutionell begründete und geförderte Neugierde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Südosten darüber hinaus auch zur Rezeption von Wissensbeständen führte, die die Innovationskraft des erst im 11. Jahrhundert unter großen Schwierigkeiten integrierten Astrolabs noch in den Schatten stellen sollte. Dies belegt der Prüfeninger Kodex München, BSB, MS Clm. 13021, in dem sich eine ungebremste Nachfrage nach neuen und exotischen Wissensbeständen ausdrückt. Nicht nur enthielt die Handschrift eine sorgsam zusammengestellte und kanonisierte Fassung des neuen Korpus der Astrolab-Literatur, vor allem finden sich darin besonders frühe Abschriften von Texten arabischen Ursprungs, die der Übersetzungsbewegung des 12. Jahrhunderts entspringen: Der Liber ysagogarum Alchorismi mit Toledaner Tafeln, Werke der arabischen Astrologie sowie die euklidische Geometrie der griechischen Antike. Besonders die Toledaner Tafeln und die inhaltlich dazugehörenden astrologischen Teile der Handschrift führen zur Frage nach dem Sinn dieser Rezeption im monastischen Kontext. Sternentabellen und astrologische Texte gehören wohl kaum zu den Wissensbeständen, die in Klöstern des 12. Jahrhunderts zu erwarten sind. Im Gegenteil, noch im 11. Jahrhundert verwahrte sich der berühmte Abt Bern von Reichenau vehement gegenüber diesen neuartigen Praktiken.332 Lässt man aber zunächst die astrologischen Texte (inklusive der Toledaner Tafeln) außen vor, dann erscheint die Handschrift als Sammlung von Wissensbeständen, die genau in das Repertoire des apocrisarius passten, also einer Verbindung von Arithmetik, praktischer Geometrie, Astronomie und Instrumentenkunde, wie sie unter anderem der Salzburger Kommentar konzipierte. Auch die Prüfeninger Handschrift München, BSB, MS Clm. 13021 entspricht im Grunde dem standardisierten Curriculum der Zeitmessung. Gleichzeitig glänzt sie aber auch durch eine erhebliche Weiterentwicklung der Inhalte, durch die Integration der Mathematik, Astronomie und Astrologie der Araber sowie der griechischen Geometrie Euklids. 332 Vgl. Bern von Reichenau, De nigromantia, hg. von Marxreiter, S. 116–18.
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Offenbar reichte es den Experten des Klosters bereits in den 60er Jahren des 12. Jahrhunderts nicht mehr, aus Gerberts Geometrie zu schöpfen, die römische Astronomie zu rezipieren und mit deren Buchstaben zu rechnen, auch wenn dies den Anforderungen der Zeitmessung nach den Hirsauer Gewohnheiten genüge tat. In München, BSB, MS Clm. 13021 zeigt sich vielmehr – ähnlich wie in den bereits erwähnten Glossen zum Prüfeninger Kodex Wien, ÖNB, MS Cod. 12600 – das Bedürfnis eines professionellen Expertensystems, das eigene Instrumentarium auch dann fortwährend zu verbessern, wenn es seine eigentlichen Kernaufgaben bereits erfüllte. So verstanden ist die Integration dieser neuartigen Wissensbestände aus dem Islamikat in den monastischen Gelehrtenkosmos eigentlich kaum verwunderlich. Sie entspricht genau diesem Bedürfnis an fortwährender Weiterentwicklung: Nicht nur die mathematische Astronomie der Toledaner Tafeln, die eine bislang ungekannte Präzision versprach, sondern auch die begleitenden Texte dieser Tafeln, die Methoden der Zeitmessung erklärten und auf eine mathematische Grundlage stellten. Es bleibt noch die Frage zu klären, wie sich die dezidiert astrologischen Wissensbestände der Handschrift in dieses soziale Setting der monastischen Zeitmessung integrieren lassen. Tatsächlich findet sich auch im Salzburger AstrolabKommentar ein letztlich auf Isidor zurückgehender Hinweis auf Astrologie, die sich in Naturwissenschaft, die den Lauf der Himmelskörper untersucht („partim naturalis […] dum exequitur solis ac lunae cursum et stellarum“) und Aberglaube teilen lasse, dem die Wahrsager nachfolgen („partim est superstitiosa […] quam mathematici sequuntur, qui in stellis auguriantur“).333 Die Anwesenheit von Astrologie bleibt daher befremdlich. Plausibel erklären ließe sie sich aber mit der bereits besprochenen kodikologischen Rezeptionssituation von München, BSB, MS Clm. 13021, für den die These etabliert wurde, dass er als Abschrift von drei verschiedenen, jeweils zur Gänze kopierten Vorlagen gelten muss. Da die entsprechende kodikologische Vorlage, die das arabische Material enthält, aber mit Texten beginnt, die für den apocrisarius von Interesse waren – Toledaner Tafeln und dazugehörige Texte sowie das durch arabische Ziffern ergänzte neue Korpus –, und diese auch den größten Teil der Handschrift einnehmen, kann die Übernahme der astrologischen Texte ganz am Ende dieses Abschnittes als unbeabsichtigte Begleiterscheinung dieser Rezeption gedeutet werden. Die astrologischen Wissensbestände, die in einem anderen soziokulturellen Kontext vielleicht noch bewusst gemeinsam mit den inhaltlich dazugehörenden Toledaner Tafeln in eine der Vorlagen von München, BSB, MS Clm. 13021 kopiert wurden, wären dann eher durch den kodikologischen Zufall ins Kloster gelangt. Sie wären aber gerade dann eine Folge der Anwesenheit einer kritischen Masse von Experten der Zeitmessung, die nicht mehr nur das rezipierten, was sie für ihre Aufgabe benötigten, sondern die in zunehmendem Maße auch ein professionelles Interesse an wissenschaftlichen Kuriositäten befriedigten.
333 Caiazzo, ‚Sur l‘astrolabe‘, S. 36. Isidor: „Astrologia vero partim naturalis, partim superstitiosa est“, vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae, iii, hg. von Gasparotto, 28,1.
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Zusammengefasst zeigt sich in den Beständen des Südostens und Regensburgs, wie die zunehmende Institutionalisierung der monastischen Zeitmessung und der damit betrauten Experten im Laufe des 12. Jahrhunderts eine erneute Rezeption innovativer Wissensbestände aus den Bereichen der angewandten Astronomie und Astrologie auslöste. Die weitere Entwicklung des Regensburger Buchbestandes zeigt außerdem, dass das fortwährende Interesse dieser Experten an der Verfeinerung ihres instrumentellen Wissens ab einem bestimmten Punkt auch die Rezeption neuartiger Wissensbestände aus dem Bereich des epistemischen Kosmoswissens begünstigte. Dies belegt die zunehmende Anwesenheit der scholastischen Naturphilosophie im Hirsauer Reformverbund. Die vergleichsweise späte Rezeption vor allem antiker Texte – die TimaeusÜbersetzung des Calcidius ist in Regensburg bezeichnenderweise erst im München, BSB, MS Clm. 13021 verfügbar –, die erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts greifbar wird, deutet darauf hin, dass es sich bei diesem Kosmoswissen nicht um Grundlagentexte handelt, die schnell verfügbar sein mussten. Stattdessen handelte es sich bei Macrobius, Calcidius und den naturphilosophischen Kommentaren Wilhelms von Conches um Spezialliteratur. Diese wurde erst dann notwendig oder nutzbar, als ein Kloster über eine gewisse kritische Masse an Brüdern verfügte, die dieses Wissen zur Ausübung ihrer Pflichten benötigte und die Fähigkeiten besaß, es angemessen zu rezipieren. Diese Experten waren in St. Emmeram bereits im 11. Jahrhundert vorhanden, was das ausgeprägte Interesse an Macrobius im Kloster erklären mag. Sie mussten sich in jüngeren Klöstern der Hirsauer Reform, etwa in Prüfening, aber erst etablieren. Dass auch in diesen Prozessen ab dem 12. Jahrhundert die Institutionalisierung astronomischer Studien im Amt des apocrisarius eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte, scheint nahe zu liegen und würde das ausgeprägte Interesse an entsprechender Literatur in Hirsauer Klöstern erklären. Hier hatte sich im Zuge der zunehmenden Institutionalisierung der Zeitmessung eine Klientel gebildet, die sich nicht mehr nur für die instrumentelle Anwendung von Kosmoswissen zur Zeitmessung im Dienste der Liturgie interessierte, sondern zunehmend und selbstbewusst auch die physikalischen Eigengesetzlichkeiten der machina superna für sich entdeckte und vermessen wollte.334 Analytisches Zwischenfazit
Zum Abschluss dieses Kapitels über die Ursachen, Bedingungen und Auswirkungen von Innovationsprozessen bleibt festzuhalten, dass sich der in den statistischen Daten angezeigte Anstieg des Interesses an Kosmoswissen aus dem Bereich des epistemischen Wissens und dem Wissen um Geräte nicht nur auf der qualitativen 334 So die Begrifflichkeit im Salzburger Kommentar. Caiazzo, ‚Sur l‘astrolabe‘, S. 37. Zur Begrifflichkeit der machina superna vgl. Wegmann, Naturwahrnehmung im Mittelalter, S. 90–96; Popplow, ‚Setting the World Machine in Motion‘; Smolak, ‚Dum tremet mundi machina‘. Der Kommentar rezipierte den Begriff wohl nicht über Lukrez, sondern eher aus Calcidius, vgl. Calcidius, Timaeus a Calcidio translatus, hg. von Waszink, S. 25 oder dem Prolog zum Alten Korpus Ad intimas, vgl. Assaig d’historia, hg. von Millàs Vallicrosa, S. 272.
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Ebene bestätigt, sondern seine Ursache im soziokulturellen Wandel hat, der sich im Verlauf des hohen Mittelalters vollzog. Ermöglicht wurde dieser Wandel durch die Irritationen, die das neue Wissen um das Astrolab in der Mitte des 11. Jahrhunderts auslöste und die vor allem im Kloster eine Reihe von zunächst außerordentlichen Innovationsprozessen initiierte, die nicht nur die Aneignung des fremden Wissens zur Folge hatte, sondern insgesamt ein neues Niveau instrumenteller Astronomie ermöglichte. Die in der Schaffung des Amtes eines apocrisarius zum Ausdruck kommende institutionelle Reaktion auf die neuen Möglichkeiten der Zeitmessung leitete dann eine zweite Phase dieser Prozesse ein, in der sich die zunächst noch begrenzt rezipierten Ergebnisse verbreiteten, nachhaltig etablierten und durch weitere neuartige Wissensbestände ergänzt wurden. Mit Blick auf das in der Forschung vorherrschende Narrativ einer primär urbanen Entdeckung der Natur im hohen Mittelalter stellt sich die Frage, ob die Tatsache, dass sich diese Prozesse – nicht ausschließlich – aber im hier untersuchten Beispiel doch im Wesentlichen im Kloster abspielten, als Zufall zu sehen ist oder gar als Ausnahme, die die Regel bestätigt. Demgegenüber möchte ich hier argumentieren, dass das Kloster nicht nur eine wichtige, sondern sogar essentielle Rolle für die festgestellten Entwicklungen einnahm, die in großen Teilen auf die „institutionellen Arrangements“ im Kloster zurückzuführen ist, das „zur Integration und zur Verbreitung von sozialen und technischen Neuerungen“ geradezu prädestiniert war.335 Diese These soll zunächst unter Rückgriff auf Ansätze der soziologischen Innovationsforschung erläutert werden, wie sie Heinze und Münch zusammengefasst haben und die vor allem in den beiden Fragen münden, ob „bestehende institutionelle Arrangements zur Integration und zur Verbreitung von sozialen und technischen Neuerungen überhaupt geeignet“ sind, und zweitens, wie „institutioneller Wandel die Integration und Verbreitung von sozialen und technischen Neuerungen“ ermöglichen.336 Wie anhand der Vorgänge im Südosten verdeutlicht, bestehen erfolgreiche Innovationsprozesse aus zwei Phasen, einer kreativen Phase der Entstehung neuer Ideen und einer Phase der Verbreitung dieser Ideen. Zwar sind beide Phasen als komplementär zueinander zu sehen, gleichwohl benötigen sie idealerweise sehr unterschiedliche, wenn nicht sogar gegenläufige Bedingungen. Phase eins vollzieht sich idealerweise in einer „löchrige[n] Netzwerkstruktur“, deren Offenheit „die Entstehung von kreativen Ideen befördert“,337 hierdurch gleichzeitig aber auch deren effektive Verbreitung erschwert. Phase zwei benötigt daher ein gegensätzliches Arrangement, in der dichte Netzwerke vorherrschen, die sich zur Verbreitung von Ideen eignen, aber selbst nur selten kreative Ideen hervorbringen.338 Da sich beide Arrangements gegenseitig mehr oder weniger ausschließen, gibt es im Grunde keine Institution, die beiden Anforderungen gleichermaßen Rechnung trägt.
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Heinze und Münch, ‚Intellektuelle Erneuerung‘, S. 15. Heinze und Münch, ‚Intellektuelle Erneuerung‘, S. 15. Heinze und Münch, ‚Intellektuelle Erneuerung‘, S. 15. Vgl. Heinze und Münch, ‚Intellektuelle Erneuerung‘, S. 16.
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Die monastische Klosterlandschaft des Südostens war im Zuge der Aneignung und Durchsetzung einer neuen Klostergewohnheit durch die Hirsauer Reform allerdings in zwei Phasen geteilt. Es gab eine Phase der geringeren Regelungsdichte vor und eine Phase einer sehr hohen Regelungsdichte nach Einführung der Reform. Aus einer diachronen Perspektive bot das monastische Milieu des Südostens daher beide Arrangements, noch dazu in einer günstigen chronologischen Abfolge. Im 11. Jahrhundert ermöglichte es die Regelungslücke der Gewohnheiten, dass Wilhelm und seine Mitstreiter in einer außerordentlichen task force kreative und neuartige Wege beschritten, um die Lösung für ein wissenschaftliches Problem zu finden. Dabei waren sie auf eigene Arbeiten angewiesen, da die ihnen zur Verfügung stehenden Netzwerke die Irritationen durch das Astrolab nicht auflösen konnten. Gleichzeitig zeigt die geringe und zerstückelte Überlieferung seines Werkes, dass die Verbreitung der gefundenen Lösungen zunächst schwierig und planlos war, und gleiches galt eigentlich auch für die gesamte frühe Überlieferung der Astrolab-Literatur. Dies ändert sich fundamental in der zweiten Phase der Innovationsprozesse, und zwar in dem Moment, in dem die geänderten institutionellen Bedingungen der Hirsauer Reform feste Netzwerke bereitstellten, in denen der Austausch dieser Inhalte nicht nur zur Voraussetzung des regelgerechten Lebens wurde, sondern auch effektiv gestaltet werden konnte. Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass in dieser Phase der Institutionalisierung das Interesse oder die Möglichkeit an kreativer Forschung spürbar schwand. Die apocrisarii des 12. Jahrhunderts begnügten sich offenbar in der Rezeption von Wissensbeständen, die andere erforscht hatten. Die Entstehung und Etablierung der Innovationen des 11. Jahrhunderts sind also in hohem Maße auf den institutionellen Wandel zurückzuführen, der sich in vielen Klöstern des Südostens vollzog. Gleichzeitig stellt aber auch der unveränderliche Kern des Klosterlebens einen wichtigen Faktor für die große Fähigkeit dieser Institution zur Aneignung intellektueller Neuerungen dar, die paradoxerweise gerade in deren rigider und hierarchischer Lebensweise angelegt ist. Da Innovationen auf einer soziologischen Ebene immer auch mit einer Neuverteilung von unterschiedlichsten Kapitalformen und Ressourcen verbunden sind, gehen sie in der Regel mit einem „Spannungsverhältnis zwischen innovativen und beharrenden Kräften“ einher, ein Umstand, der in St. Emmeram ganz prominent im Konflikt zwischen Otloh und Wilhelm literarisch zur Schau gestellt wurde,339 also zwischen Akteuren, „die sich von gewohnten Denkweisen entfernen und etablierte Lehrmeinungen überwinden wollen und Akteure[n], die die Konformität zur disziplinären Forschung suchen und innerhalb eines bestehenden Problemhorizonts arbeiten.“340 Die Frage nach dem Innovationspotential einer Institution ist daher mit der Frage verbunden, wie effektiv und nachhaltig sie dieses Spannungsfeld zu Gunsten neuer Ansätze auflösen kann. Hier belegen die Vorgänge in St. Emmeram, dass die hierarchische Struktur des Klosters ermöglichte, diese Konflikte eindeutig und rasch zu lösen. Otloh mochte seine Verbitterung über die neuen Methoden im zugigen Kreuzgang seines Klosters
339 Heinze und Münch, ‚Intellektuelle Erneuerung‘, S. 16–18, Zitat S. 17. 340 Heinze und Münch, ‚Intellektuelle Erneuerung‘, S. 16.
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sitzend noch so bitterlich beklagen, dass gleichzeitig die Mönche um Wilhelm mit Segen des Abtes seit Jahren den Himmel vermaßen, verhinderte er dadurch nicht. Wenn sich eine monastische Institution also der Durchsetzung von Neuerungen verschrieben hatte, dann war es ein Leichtes, schnell und nachhaltig erhebliche Ressourcen darauf zu verwenden und zum Beispiel wissenschaftliche Großprojekte über Jahre aufrecht zu erhalten, eine Ausgangsbasis, die urbanen Studien aufgrund der prekären sozialen Bedingungen abging. Vor diesem Hintergrund scheint es alles andere als ein Zufall zu sein, dass die Innovationsprozesse des hohen Mittelalters ihren Ausgang im Kloster genommen haben, sondern im Gegenteil, eine wesentliche Bedingung. Gleichzeitig ist zu betonen, dass die monastischen Institutionen keinen Sinn für die Freiheit der Wissenschaften hatten. Innovationsprozesse ermöglichte diese Institution nur dann, wenn sie sich einen Nutzen davon versprach, im vorliegenden Fall zum Beispiel durch die Präzision, die das Astrolab und die damit in Verbindung stehenden neuen Methoden für die Zeitmessung und die Verbesserung der klösterlichen Disziplin und Liturgie bedeutete. War dieses Ziel erreicht, dann entzogen sich die Innovationsprozesse durch Erfüllung dieser Erwartung ihre Grundlage. Die Folge hierfür wird im 12. Jahrhundert deutlich, wo die apocrisarii Hirsauer Klöster zwar weiterhin und in größerem Umfang als ihre Vorgänger Wissen rezipieren konnten, eigene Forschungen, die an die physica indagatio Wilhelms heranreichen würden, aber nicht unternehmen konnten oder wollten. Die Organisationsmerkmale des mittelalterlichen Klosters mögen erklären, wieso gerade dort wichtige Innovationsprozesse stattfanden. Gleichzeitig stehen sie als soziologische Strukturen außerhalb der eigentlichen Prozesse, und können ihren inhärenten Verlauf für sich genommen nicht erklären. Im Folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, die black box dieser Prozesse analytisch zu durchdringen. Bereits im vorangegangenen Kapitel wurde gezeigt, dass der Auslöser der Innovationsprozesse in Regensburg in engem Zusammenhang mit der Ankunft des Astrolabs stand. Ziel der Mönche war die Aneignung dieses Gerätes und seine instrumentelle Anwendung im Rahmen der Zeitmessung. Das Astrolab fungiert hier also in der Diktion von Hans-Jörg Rheinberger als technologisches Objekt, mit dessen Hilfe die Zeit – besser gesagt die jeweils aktuelle Position der Himmelskörper im Kosmos – als epistemisches Objekt erzeugt werden konnte, also als Objekt, über das erkenntnisorientierte Aussagen getroffen werden sollen und können.341 Notwendig war hierfür zunächst lediglich die Umsetzung von Gerätewissen, wie es die Astrolabica-Handschriften des 11. Jahrhundert vermittelten. Das Problem bestand darin, dass die Anwendung fehlschlug, da der durch das Astrolab beobachtete Kosmos nicht den Erwartungen bzw. Anforderungen der intendierten Nutzung entsprach. Dies löste in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts eine längere Phase aus, in der Wilhelm das Astrolab offenbar selbst einer eingehenden Prüfung unterzog und somit als epistemisches Ding konstruierte.
341 Zur Definition und Verhältnis von epistemischen und technischen Dingen vgl. die Studien zu Experimentalsystemen von Hans-Jörg Rheinberger, an dessen Modell die folgende Analyse angelehnt ist, insbesondere Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 21–30 sowie Rheinberger, ‚Experiment, Difference, and Writing‘.
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Allerdings konnten diese Überprüfungen nicht zum gewünschten Erfolg führen, da das Scheitern ja gar nicht im Gerät begründet lag, sondern in den fehlerhaften Annahmen über die kosmischen Bewegungen. Diese Einsicht führte dann zu einer erneuten Statusveränderung, in der wiederum die kosmischen Bewegungen ins Zentrum des Interesses rückten. Das Astrolab konnte hierbei allerdings nicht als technisches Objekt dienen, mit dessen Hilfe das zugrundeliegende Problem sicht- und handhabbar gemacht werden konnte, da es den Fehler in Form falsch konstruierter Skalen in sich trug. Daher entwickelten die Mönche um Wilhelm in Anlehnung an das Astrolab Technologien, die die Bewegungen des Kosmos so als epistemisches Ding hervorbringen konnten, dass sich eine Lösung der im Weg stehenden Probleme eröffnete: Zunächst eine Art Experimentalsystem zur Bestimmung der Sonnenhöhe, daran anschließend die Entwicklung der Sphaera zur Vermessung des Sternenhimmels. Vordergründiges Ergebnis dieser Bemühungen war zum einen die Erweiterung des epistemischen Wissens über den Kosmos, zum anderen die erfolgreiche instrumentelle Anwendung des Astrolabs. Allerdings hatten diese Vorgänge auch Auswirkung auf einer anderen Ebene. Mit Blick auf den Status der Objekte ist festzuhalten, dass das Astrolab erneut eine Statusveränderung erfuhr und wieder zum technischen Objekt wurde, mit dessen Hilfe der Kosmos nunmehr erfolgreich als epistemisches Ding erzeugt werden konnte. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass sich dieser Kosmos hierdurch fundamental verändert hatte. Astrolab, Sphaera und die damit im Zusammenhang stehenden Methoden, die auch als technische Objekte fungieren können,342 erzeugten bei näherer Betrachtung nicht nur ein verändertes Wissen über den Kosmos, sondern konstruierten ihn eigentlich als ein neues epistemisches Ding, das sich nun in ein exaktes und mathematisch formulierbares Koordinatensystem fügen lässt. Die Veränderungen auf der Ebene der technischen Objekte hatten daher auch „Auswirkungen […] auf die neue Generation epistemischer Dinge“, nämlich „die Eröffnung neuer Möglichkeiten der Untersuchung.“343 Zugleich lässt sich gerade im Verlauf des 12. Jahrhunderts feststellen, dass diese neuen Möglichkeiten auch zu neuen Anforderungen an die technischen Objekte führten, mit denen der Kosmos als epistemisches Objekt erzeugt wurde. Zwar reichte das Astrolab und das davon abgeleitete Instrumentarium aus, die ursprünglich intendierte Anwendung der Zeitmessung zu gewährleisten, als technisches Objekt gelangte es angesichts des immer feiner zu vermessenden und damit komplexer werdenden Kosmos aber zunehmend an seine Grenzen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass sich die apocrisarii des 12. Jahrhunderts offenbar rasch auf die Suche nach Wissen begaben, das geeignet war, den Kosmos zunehmend exakter zu beschreiben und in diesem Zuge auf technische Objekte stießen, die den Kosmos nun endgültig als durch und durch mathematisches Objekt hervorbringen konnten, nämlich die arabische Mathematik und die auf trigonometrischen Operationen basierende Astronomie der Toledaner Tafeln.
342 Vgl. Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 27. 343 Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 26.
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Die Innovationsprozesse des hohen Mittelalters sind damit deutlich mehr als die bloße sukzessive Erweiterung von Wissen. Tatsächlich basieren sie auf einem dynamischen Wechselspiel zwischen technischen und epistemischen Objekten, „in dessen Verlauf sie sich ineinanderschieben, auseinanderstreben und auch ihre Rollen tauschen können.“344 Im hohen Mittelalter führte die Dynamik dieses Wechselspiels über die Entwicklung und Adaption technischer Objekte zu einer kontinuierlichen Erneuerung des Kosmos als neues epistemisches Objekt, das wiederum nach neuen technischen Objekten verlangte: Vom karolingischen Kosmos geometrischer Strukturen über das von Graden und Höhenlinien durchzogene Weltall des 11. Jahrhunderts zum Universum trigonometrischer Berechnungen am Ende des hohen Mittelalters. Es war genau diese durch die Rezeption des Astrolabs ausgelöste Dynamik im Verhältnis zwischen technischen und epistemischen Objekten, die bis zum Ende des hohen Mittelalters als kräftige und nachhaltige Triebfeder im Zentrum der Innovationsprozesse wirkte. Genau diese Dynamik vermag nun aber auch den in den statistischen Daten aus dem Südosten feststellbaren Anstieg des Gerätewissens und epistemischen Wissens zu erklären: Die fortwährende Veränderung von technischen und epistemischen Dingen erzeugte nicht nur einen volatilen, sondern im vorliegenden Fall auch immer komplexeren und exakter erschließbaren Kosmos. Daher führten die dynamischen Veränderungen auch zu jeweils neuen und ebenso komplexen Problemen und Fragen, die die nun institutionell etablierten Experten im Kloster interessierten, zu deren Lösung und Beantwortung sie aber auf immer neue und anspruchsvollere Wissensbestände zurückgreifen mussten.
344 Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, S. 26.
Kapitel 5.
Schluss
Die Wissensgeschichte des Mittelalters wird in der Regel als die Geschichte der Herausbildung der Scholastik und der damit im Zusammenhang stehenden Entstehung der Universitäten geschrieben. Als ein zentraler Moment dieser Entwicklung gilt das 12. Jahrhundert, in dem sich die Universitäten als urbane Institutionen mit ihren als progressiv gedeuteten Ansätzen gegenüber einer eher konservativen Klostergelehrsamkeit durchsetzten und in der Folge zu einer kulturellen Renaissance führten. Mit Blick auf das Kosmoswissen ist häufig im Besonderen die Rede von einer Entdeckung der Natur im Kontext dieser Renaissance. Nun interessierten sich frühscholastische Naturphilosophen und Übersetzer von Texten der arabischen Wissenschaften zunehmend für die Eigengesetzlichkeiten des Kosmos. Mit dieser Deutung setzt die Forschung aber diesen auf die nordfranzösische Region und das dortige urbane Milieu begrenzten naturphilosophischen Diskurs in einer unreflektierten Weise mit der Wissensgeschichte des Mittelalters insgesamt gleich. Die vorliegende Arbeit versuchte sich daher an einer Korrektur dieses Bildes der Naturentdeckung im Mittelalter. Anstatt einer rein ideengeschichtlichen Analyse absolut gesetzter Diskurse wurde in dieser Studie versucht, die Geschichte des Kosmoswissens im Mittelalter zu regionalisieren. Hierfür wurde eine Wissenslandschaft außerhalb der nordfranzösischen Zentren der Scholastik in den Blick genommen und an dieser die These einer Entdeckung der Natur im 12. Jahrhundert geprüft und weiterentwickelt. Dabei handelte es sich um den monastisch geprägten Südosten des Reiches und insbesondere um das Fallbeispiel Regensburg, eine Region, die sich sozial durch eine dezidiert monastische Prägung erheblich von den Zentren der Renaissance in Nordfrankreich unterschied. Bevor die hier anhand dieser distinkten Wissenslandschaft getroffenen Ergebnisse in einem Fazit in den größeren Kontext eingeordnet und in einem Ausblick perspektiviert werden, seien die einzelnen Schritte dieser Arbeit noch einmal kurz zusammengefasst.
Zusammenfassung Die Untersuchung teilte sich in zwei große Bereiche. Zunächst standen in Kapitel 3 die Formierung und der Umfang der Wissensbestände der Region im Zentrum, in Kapitel 4 dann die dort gepflegten Praktiken der Kosmoserschließung im hohen Mittelalter. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, ob sich auch im Südosten eine Entdeckung der Natur im hohen Mittelalter feststellen lässt, worin diese gegebenenfalls bestand und wie sie sich von den Entwicklungen anderer Regionen des lateinischen Europas unterschied. Kapitel 3 begann mit einer Aufnahme der im
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Südosten verfügbaren Wissensbestände bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. Anhand der mittelalterlichen Bibliothekskataloge konnten über vierzig unterschiedliche Texte identifiziert werden, die in einem nennenswerten Umfang in der Region zirkulierten. Diese Texte entstammten den unterschiedlichsten Bereichen des Kosmoswissens sowie den unterschiedlichsten ideengeschichtlichen Perioden, die sich von der römischen Kaiserzeit bis zu zeitgenössischen Texten der Frühscholastik und der arabischen Astronomie erstrecken. Damit lässt sich festhalten, dass der Südosten den im Mittelalter entstandenen Kanon des Kosmoswissens im vollem Umfang rezipierte und sich auch für die neusten wissenschaftlichen Strömungen interessierte. Kapitel 3 versuchte dann, diese umfangreiche Rezeption mit Blick auf die Überlieferung der konkreten Wissensträger näher zu beleuchten und so eine Wirkungschronologie der Wissensbestände zu erstellen. Außerdem sollte auf diese Weise die historische Entwicklung der Region zur Wissenslandschaft des Kosmoswissens nachgezeichnet werden. Hier wurde daher gefragt, wann welches Wissen wo konkret in der Region vorhanden war und unter welchen historischen Bedingungen es Rezeption und Verbreitung erfuhr. Diese Chronologie wurde zunächst anhand des Fallbeispiels Regensburg im Detail erstellt und die dortigen Ergebnisse mit der dargestellten Überlieferung in einen regionalen und europaweiten Vergleich gesetzt. Es zeigt sich, dass die Wissenslandschaft des Südostens trotz einer Siedlungskontinuität bis in römische Zeit erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts langsam entstand und erst mit der Integration in das Frankenreich der Karolinger einen nennenswerten Umfang erreichte. Bis ins 11. Jahrhundert hinein blieb die Region und insbesondere Regensburg abhängig von ihren Verbindungen ins karolingische Kernland und rezipierte zunächst das Wissen des frühen Mittelalters und – in Ansätzen – auch der Spätantike. Dies änderte sich im Verlauf des 11. Jahrhunderts: Nicht nur griff der Südosten in dieser Zeit über den europäischen Horizont hinaus, indem zunehmend Astrolabica aus der arabischen Welt sowie antike Naturphilosophie Aufmerksamkeit erhielten. Auch entstanden nun Zentren innerhalb der Region, die sich – wie Regensburg – von reinen Rezipienten zum regionalen Verteiler und Produzenten von Kosmoswissen entwickelten. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im 12. Jahrhundert. Dies geschah nicht nur durch eine erneute Horizonterweiterung durch die Integration der scholastischen Naturphilosophie sowie der mathematischen Astronomie und Astrologie aus dem arabischen Raum in das eigene Kosmoswissen. Vor allem legen die mittelalterlichen Bibliothekskataloge sowie die handschriftliche Überlieferung nahe, dass der Südosten – insbesondere Regensburg – nun eine im europäischen Vergleich prominente Rolle in der Rezeption und Verteilung dieser Wissensbestände einnahm. Diese chronologische Analyse der einzelnen Zeitschichten des Kosmoswissens im Südosten wurde dann in einem abschließenden Abschnitt in eine synchrone Untersuchung der Wissenslandschaft überführt, wie sich diese gegen Ende des 12. Jahrhunderts darstellte. Hierfür wurde nicht nur die in Kapitel 3 gesammelte Überlieferung berücksichtigt, sondern auch die mittelalterlichen Bibliothekskataloge der Region einer quantitativen Analyse unterzogen. Diese Analyse ermöglichte nicht nur die Quantifizierung des Anteils, den der Südosten am gesamteuropäischen Kosmoswissen hatte und der besonders im 12. Jahrhundert als überdurchschnittlich
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gelten muss, sondern bot auch die Grundlage für eine Skizze der institutionellen Grundlagen dieser Wissenslandschaft. Diese bestand im 12. Jahrhundert vor allem aus einigen herausragenden Zentren des Kosmoswissens, die in benediktinischen Klöstern urbaner Räume zu suchen sind. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Städte Regensburg und Bamberg, in denen Kosmoswissen gleich in mehreren Institutionen in einem außergewöhnlichen Umfang vorhanden war, vor allem im Benediktinerkloster St. Emmeram. Der erhebliche Umfang des Kosmoswissens, der sich bis ins 12. Jahrhundert im Südosten akkumulierte, scheint durch ein günstiges institutionelles Setting begründbar zu sein, in dem urbane Kathedralstädte die Partizipation am internationalen Wissensmarkt ermöglichten und in dem ein festes Netzwerk benediktinischer Klöster, die zum Teil eng mit diesen diözesanen Zentren verbunden waren, dieses Wissen dann innerhalb der Region verbreitete und speicherte. Abschließend wurde dieses Wissen anhand der Überlieferung und der mittelalterlichen Bibliothekskataloge einigen quantitativen Analysen unterzogen. Diese verdeutlichten zum einen, dass aus der Perspektive der Überlieferung keineswegs von einer Renaissance im gesamteuropäischen Kontext gesprochen werden kann, wohl aber für die Kirchenprovinz Salzburg. Hier ließ sich darüber hinaus feststellen, dass sich der Anteil des Kosmoswissens am Gesamtbestand der Bibliotheken der Region im Verlauf des hohen Mittelalters von etwa 3,5% auf 8% mehr als verdoppelte. Da dieser Anstieg vor allem durch Wissensbestände aus dem Bereich des primären Wissens und Gerätewissens in traditionellen Institutionen getragen wurde, scheint sich die Vermutung dieser Arbeit, eine Entdeckung der Natur auch in den benediktinischen Klöstern des Südostens des Reichs feststellen zu können, zu bestätigen. Zusammenfassend konnte das dritte Kapitel zeigen, dass der Südosten, der sich im frühen Mittelalter noch durch das völlige Fehlen von Kosmoswissen auszeichnete, spätestens im hohen Mittelalter als reiche Wissenslandschaft einen erheblichen Anteil an der sogenannten Renaissance des 12. Jahrhunderts hatte und insbesondere auch Schauplatz einer Entdeckung der Natur war. Kapitel 4 diente der Überprüfung dieser Ergebnisse auf der Ebene der Praktiken. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, ob die aufgezeigten Entwicklungen im Bereich des Kosmoswissens, die als Innovationsprozesse gedeutet wurden, eine feststellbare Ursache in gewandelten Praktiken der Kosmoserschließung innerhalb der Institutionen des Südostens hatten. Hierfür wurden die monastischen Institutionen Regensburgs genauer untersucht, für die bereits die Wirkungschronologie eine hervorgehobene Stellung innerhalb der Region nahelegte. Zunächst standen die wissenschaftlichen Studien der St. Emmeramer Mönche um Wilhelm von Hirsau aus der Mitte des 11. Jahrhunderts im Vordergrund. Hierbei zeigte sich in der Tat, dass die Rezeption von Astrolabica aus dem arabischen Raum zur Mitte des 11. Jahrhunderts eine Reihe von astronomischen Problemen auslöste, die die bisherigen Vorstellungen der Mönche erheblich herausforderte. Diese Irritation des wissenschaftlichen Weltbildes überwanden Wilhelm und seine Mitbrüder durch eine innovative Weiterentwicklung der eigenen Methodik im Bereich der Astronomie produktiv. Seine Studien markieren daher einen Übergang von der karolingischen Kosmologie zu einer zunehmend mathematisch und empirisch arbeitenden Astronomie, der auch mit einem durch das Astrolab ausgelösten methodologischen Paradigmenwechsel einherging. Dieser führte zu einer
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Erschließung des Kosmos durch zunehmend empirische Observationen und zu dem Bewusstsein um die Kontingenz wissenschaftlicher Ergebnisse. Steingewordenes Beispiel hierfür ist die Sphaera von St. Emmeram, ein mit dem Ziel der Identifikation der Astrolabsterne unter Rückgriff auf Wissensbestände der römischen Antike entwickeltes Beobachtungsinstrument, das als erstes festinstalliertes Observatorium des lateinischen Mittelalters gelten muss. In einem zweiten Schritt wurden die Motive und Bedingungen dieser Innovationsprozesse in den Blick genommen und deren Verstetigung untersucht. Hier zeigte sich, dass es vor allem das Interesse an der Zeitmessung im Dienste des monastischen Alltags war, das die Mönche des Südostens zur Rezeption des Astrolabs und zu damit verbundenen eigenen Studien anregte. Tatsächlich erwies sich diese Rezeption nicht als willkürlich, sondern war offenbar das Ergebnis eines institutionellen Settings in den benediktinischen Klöstern des Südostens. Zwar musste Wilhelm seine Studien außerhalb des monastischen Alltags durchführen, doch deutet vieles darauf hin, dass sie explizit vom Abt gefördert wurden. Das Kloster wurde somit zu einem Innovationsraum, in dem enorme Ressourcen zur Verfolgung von wissenschaftlichen Ideen bereitgestellt werden konnten, sofern sie der verbesserten Durchführung zentraler Aufgaben im Kloster dienten, in diesem Fall der präziseren Bestimmung der liturgischen Gebetszeiten. Daran anschließend wurden die Verbreitung und weitere Anwendung dieser Innovationen im Verlauf des 12. Jahrhunderts untersucht. Hier konnte festgestellt werden, dass die Institutionalisierung der Zeitmessung im Amt des apocrisarius in den Klöstern der Hirsauer Reform einen wesentlichen Beitrag zur Durchsetzung der im 11. Jahrhundert eingeleiteten Innovationsprozesse im Südosten leistete. Während diese Prozesse zuvor an bestimmten Zentren wie St. Emmeram noch außerhalb der monastischen Ordnung vollzogen wurden und auf die Anwesenheit fähiger Mönche angewiesen waren, mithin also als labil und begrenzt zu deuten sind, resultierten die soziokulturellen Änderungen des Klosterlebens in der Schaffung einer Gruppe von Experten. Diese konnten die Innovationsprozesse im Klosteralltag etablieren und in den ihnen zur Verfügung stehenden professionellen Netzwerken verbreiten. Das Astrolab und die damit in Verbindung stehenden Innovationen im Bereich des Kosmoswissens waren nun endgültig im Südosten angekommen.
Fazit und Ausblick Die vorliegende Studie konnte zeigen, dass die Wissensgeschichte des hohen Mittelalters nicht auf die französische Scholastik reduziert werden darf. Anstatt nur die Erzeugnisse und Interessen einzelner Milieus zu verabsolutieren, ist vielmehr eine Fragmentierung und Regionalisierung der Wissenskulturen des geographisch und sozial äußerst heterogenen europäischen Mittelalters in einzelne Wissenslandschaften notwendig. Dabei verdeutlicht gerade die eben erwähnte Integration des Astrolabs in die aus der Karolingerzeit tradierte Wissenskultur, dass diese Idee einer Fragmentierung nicht bedeutet, den intellektuellen Austausch zwischen den verschiedenen Regionen zu leugnen. Gerade der Südosten hatte, wie gezeigt, ganz erhebliche Verbindungen
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unterschiedlichster Art, die sich im Verlauf des Mittelalters dynamisch entwickelten. So war er zum Beispiel in überregionale Klosternetze oder sich wandelnde politische und klerikale Machtzusammenhänge eingebunden. Die Idee einer Regionalisierung der Wissensgeschichte gründet vielmehr in der im Rahmen dieser Arbeit bestätigten Annahme der Abhängigkeit von Wissen und Wissensdiskursen von sozialen Praktiken und Kontexten sowie von konkreten Rezeptionsmöglichkeiten im Rahmen von Überlieferungsnetzwerken. Zwar sind beide Bedingungen streng genommen nicht an geographische, sondern soziale Räume geknüpft. Als historisch gewachsene Räume weisen auch diese jedoch eine dezidiert regionale Verwurzelung auf. Die Regionalisierung der Wissensgeschichte bietet daher einen sinnvollen hermeneutischen Ansatz, für den in dieser Arbeit eine methodische Blaupause entwickelt wurde, die in der Zusammenführung von quantitativen wie qualitativen Ansätzen auf der Datengrundlage von überlieferten Handschriften, Bibliothekskatalogen sowie Objekten besteht. Unter Rückgriff auf diese Methoden ist es möglich, ein differenziertes Bild der europäischen Renaissance des hohen Mittelalters zu zeichnen, das nicht mehr nur auf dem close reading seltener Texte, sondern auch auf der realen sozialen Wirksamkeit des Kosmoswissens basiert. Zum Abschluss dieses Versuchs stellt sich zum einen die Frage nach der sozialen Wirksamkeit des Kosmoswissens in der Untersuchungsregion, zum anderen aber auch nach der besonderen Rolle des Südostens im Vergleich zu anderen Regionen der Zeit. Auch wenn diese Frage letztlich erst aufgrund einer Bestandsaufnahme dieser Landschaften erfolgen kann – vor allem des deutschsprachigen Südwestens, Oberitaliens, Englands sowie der urbanen Regionen Nordfrankreichs und den Kontaktzonen in Süditalien und Spanien –, lassen sich hier doch vorsichtige Aussagen wagen.1 Eine zunächst paradoxe Besonderheit der Wissenslandschaft des Südostens scheint mir im Ungleichgewicht von in- und output zu liegen, das bereits Rodney Thomson mit seinem Verweis auf das Fehlen scholastischer Autoren angemerkt hat.2 Während die Bibliotheken der Region – auch im Vergleich mit anderen Landschaften – umfassende Bestände von überliefertem und zeitgenössischem Kosmoswissens enthielten, blieb ihr eigener Beitrag zu den geführten Diskursen zumindest quantitativ gering. Zwar lässt sich mit Honorius Augustodunensis
1 Die hierzu notwendige Aufarbeitung des handschriftlichen Materials, das eine Rekonstruktion dieser Landschaften erlaubt, steht allerdings erst am Anfang. Auch im Rahmen dieser Arbeit konnten die komplexen Entstehungszusammenhänge und Abhängigkeiten der Überlieferung, insbesondere auch der hochmittelalterlichen Kompilationen, nur im Ansatz erfasst werden. Sie müssten zunächst inhaltlich entwirrt, hinsichtlich ihrer Quellen untersucht und in ihren Abhängigkeiten zu anderen Handschriften im Detail geprüft werden. Ein guter Anknüpfungspunkt hierfür stellt sicherlich das von Arno Borst zusammengestellte Material aus seinem Nachlass dar, dessen Vorarbeiten hierfür allerdings einer gründlichen und kritischen Prüfung unterzogen werden müssten. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass die zunehmende Digitalisierung der europäischen Handschriftenüberlieferung eine Sichtung des weiträumig verstreuten und nahezu unerschlossenen Materials ermöglicht: Dessen Wert für die Entwicklung des Kosmoswissens im Südosten im Besonderen, auch aber für die Geschichte der Naturwissenschaften im Allgemeinen, kann kaum zu hoch eingeschätzt werden. 2 Thomson, ‚The Place of Germany‘, S. 36.
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ein einflussreicher Autor ab einem gewissen Punkt in der Region fassen, seine Imago mundi scheint er aber im Wesentlichen vor seiner Ankunft in Regensburg verfasst zu haben. Gerade die innovativen Studien Wilhelms, die er in einem aufwendig durchkomponierten Text niederschrieb, sind selbst in der Region nur wenig rezipiert worden. Auch wenn sich gerade für das 12. Jahrhundert durchaus innovative Beiträge besonders im Bereich der Computistik nachweisen lassen,3 ist insgesamt zu konstatieren, dass dieser Beitrag bislang deutlich hinter der Vielzahl der in Nordfrankreich und auf den britischen Inseln verfassten oder übersetzten naturphilosophischen und astronomischen Texten zurückbleibt. Der Grund hierfür scheint mir vor allem im sozialen Setting zu liegen, das im monastisch geprägten Südosten vorherrschte. Hier standen mit den Bibliothekaren der Klöster und Domstifte institutionalisierte Netzwerke der Wissensvermittlung zur Verfügung, die – das zeigt das Beispiel Wolfgers für Prüfening oder die Kataloge Burchards für Bamberg– die Erweiterung und Vervollständigung der eigenen Bibliothek vor allem im Reformkontext mit Nachdruck forcierten und hier über das enge Netz an überregional eingebundenen Bischofssitzen auch Möglichkeiten zur Partizipation an räumlich weit entfernten Diskursen hatten.4 In diesem Zusammenhang ist allerdings zu betonen, dass sich ähnliche Bedingungen auch in anderen Landschaften nachweisen lassen, etwa im cluniaziensisch geprägten Süden Frankreichs und Teilen Italiens. Gerade für Süditalien wäre eine Vergleichsstudie auch mit Blick auf die im 11. Jahrhundert mit dem Wirken des Constantinus Africanus in Montecassino einsetzende Übersetzung und Zirkulation medizinischer Texte sinnvoll.5 Mit Blick auf die Hirsauer Reform müsste aber auch der deutschsprachige Südwesten systematisch untersucht werden, da sich hier ja vielfältige Verbindungen in den Südosten über das Reformnetzwerk etablieren lassen und vor allem von ähnlichen sozialen Bedingungen ausgegangen werden kann. Entsprechend haben die Arbeiten von Constant Mews auch für diesen Raum eine große Offenheit für scholastische Literatur gezeigt, und auch die hier untersuchten Überlieferungsnetze der Kompilationen des 12. Jahrhunderts weisen mit einzelnen Textzeugen nach Schwaben.6 Sorgte das Klosterleben also für beste Voraussetzungen für die Sammlung und Verbreitung von Texten, erschwerte es gleichzeitig die Autorschaft solcher Texte. Im reglementierten Kloster war es schwer, den eigenen Interessen über einen längeren Zeitraum frei nachzugehen. Sowohl kosmologische Forschung als auch Autorschaft war hier nur begründet und zielgerichtet möglich und aus einer Perspektive der sozialen Praxis nicht mit den Freiräumen Pariser Scholaren vergleichbar.7 Ein Gegenbeispiel
3 Vgl. Nothaft, ‚The Reception and Application‘. 4 Zu Burchard vgl. insbesondere Dengler-Schreiber, Scriptorium und Bibliothek. 5 Hierfür ließe sich an erste Studien zu den Wissensnetzwerken von Kloster und Region anknüpfen, z. B. Meeder, ‚Monte Cassino’s Network of Knowledge‘; Newton, ‚Arabic Medicine‘. 6 Vgl. Mews, ‚Monastic Educational Culture‘; Mews, ‚Scholastic Theology‘. 7 Insofern ist Southern zu widersprechen, wenn er meint, dass Gelehrte sich im 12. Jahrhundert von den Schulen den Höfen oder Klöstern zuwandten, wollten sie sich mit astronomischen oder komputistischen Fragen befassen. Vielmehr befanden sie sich bereits genau dort. Vgl. Southern, Scholastic Humanism, S. 39.
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aus dem monastischen Kontext – wenngleich aus Schwaben –, Hermann von Reichenau, bestätigt im Grunde diese Regel, da der Mönch vom Bodensee durch seine körperliche Einschränkung gerade nicht Teil des regulären Klosterbetriebs sein konnte und so vermutlich einige Freiräume genoss. Diese Bedingungen erklären nicht nur das Fehlen einer aus quantitativer Sicht nennenswerten Textproduktion im Südosten, sondern auch die Richtung der inhaltlichen Entwicklungen, die in Wilhelms Umfeld entstanden. Auch wenn diese Entwicklungen eine epistemische Reichweite hatten und das Wissen über den Kosmos – etwa in der Korrektur der Wendepunkte – erheblich erweiterten, hatten sie letztlich einen konkreten Anwendungsbezug im Kontext der Zeitmessung. Hierdurch hatten sie eine klare Funktion im Rahmen des Klosteralltags, der in besonderer Weise auf der korrekten Bestimmung der Tag- und Nachtzeit basierte. Der hier zum Ausdruck kommende Utilitarismus monastischer Forschung bedeutet freilich nicht, dass diese keine epistemischen Auswirkungen haben konnte. Gerade Wilhelms Begrifflichkeit der physica indagatio sowie die in seinen Forschungen zum Ausdruck kommenden Methoden von Versuch und Beobachtung verdeutlichen dies. Im monastischen Milieu des Südostens im hohen Mittelalter lassen sich damit in der Mitte des 11. Jahrhunderts Innovationsprozesse feststellen, die die Erschließung des Kosmos auf eine instrumentbasierte und empirische Grundlage stellten und sich vom reinen Buchwissen vergangener Zeiten erheblich unterschieden. Diese Vorgänge, die über die bloße Aneignung des Astrolabs weit hinausreichen, lassen sich sicherlich nicht auf den Südosten begrenzen, finden hier aber äußerst früh und in einer systematischen Art und Weise statt, wie sie zu dieser Zeit für andere Landschaften nicht nachweisbar ist. So lassen sich die wegweisenden Studien Walchers von Malvern, der sich im englischen Südwesten mit Mond und Sonnenfinsternissen befasste und hierfür auch Messungen mit dem Astrolab unternahm, erst ab der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert nachweisen.8 Gleichwohl stellt gerade Walcher einen besonders interessanten Vergleichspunkt für die Studien Wilhelms dar, da der englische Benediktiner nicht nur in einem ähnlichen sozialen Kontext, sondern auch mit Rückgriff auf ähnliche Praktiken forschte, gleichzeitig aber mit einem ganz anderen Ziel und Gegenstand, nämlich der Bestimmung von Mond- und Sonnenfinsternissen aus einem epistemischen Interesse oder eventuell auch mit Blick auf medizinische Anwendbarkeit, die im Kloster durchaus eine Rolle gespielt haben dürfte.9 Ob dieser Unterschied zwischen den Studien im Südosten und den Ansätzen im Westen Englands zufälliger Natur ist oder aber strukturelle Wurzeln hat, kann letztlich nur eine Analyse der dortigen Wissensbestände und Praktiken entscheiden. Klar ist aber, dass der anwendungsorientierte Charakter von Wilhelms Studien schwerwiegende wissensgeschichtliche Folgen hatte, da der Kontext der Zeitmessung die Anwendung empirischer Methoden ohne das Vorhandensein einer entsprechenden Wissenschaftstheorie ermöglichte. Die Beobachtung der Natur zum Zweck der bloßen
8 Walcher von Malvern, ‚De lunationibus‘ and ‚De dracone‘, hg. von Nothaft. 9 Vgl. hierzu Walcher von Malvern, ‚De lunationibus‘ and ‚De dracone‘, hg. von Nothaft, S. 55–60.
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Zeitmessung war seit Urzeiten selbstverständlich und nicht erklärungsbedürftig, sondern ergab sich vielmehr am Phänomen der Zeit selbst, das durch den Lauf der Himmelskörper konstituiert wurde. Die in diesen Beobachtungen erzeugte Irritation des Kosmoswissens konnte auf diese Weise auch ohne wissenschaftstheoretische Grundierung von der instrumentellen Anwendung in den epistemischen Bereich überführt werden, wo er in Form der Neuberechnung der Wendepunkte zu auch aus der Sicht der Zeitgenossen spektakulären Ergebnissen führte. Gleichzeitig ist zu betonen, dass gerade in diesem Höhepunkt der monastischen Naturwissenschaft des Südostens auch ihr vorläufiges Ende begründet lag – nicht nur, da ein auf die Verbesserung der Zeitmessung konzentrierter Ansatz im Moment der Weiterentwicklung seine Begründung verlor und im Südosten daher nicht über die bloße Anwendung der Ergebnisse hinaus gepflegt wurde. Vor allem verschob die sich zusammen mit dem Sozialraum Universität durchsetzende Scholastik den Fokus bereits im 13. Jahrhundert erneut in Richtung einer textorientierten und auf Dialektik basierenden aristotelischen Naturphilosophie, in der „anderen Quellen wissenschaftlichen Wissens, der überlieferten Autorität und der Logik, fast immer ein klarer Vorrang zukam.“10 In diesen neuen Sozialräumen außerhalb des Klosters bestand wenig Interesse am vorerst gelösten Problem der Zeitmessung. Hier knüpfte man offenbar lieber an die Studien Walchers an und erforschte die Bewegungen der Planeten, ein Themengebiet, das mit der entstehenden Naturphilosophie besser kompatibel war als die Uhrenkunde Wilhelms. Selbst im Südosten beschränkte man sich nun auf die Anwendung der entwickelten Instrumente und Methoden, bis der technische Fortschritt neue Formen der Zeitmessung durch mechanische Uhren ermöglichte. Astronomische Beobachtung im Kloster waren daher auf lange Sicht nicht mehr notwendig.11 Gleichwohl besteht eine inhaltliche Kontinuität von den monastischen Studien des hohen Mittelalters zur angewandten Astronomie der frühen Neuzeit, die sich erneut der exakten Vermessung von Raum und Zeit durch den Bau von Uhren,
10 Sarnowsky, ‚Expertus – experientia – experimentum‘, S. 53. Eine Ausnahme stellt allerdings die unmittelbare Sinneswahrnehmung dar, die durchaus eine Rolle spielte: „Im Gegensatz zur modernen Physik ist die aristotelische Physik und ihre mittelalterliche, vor allem spätscholastische Kommentierung durch die unmittelbare Zuwendung zur alltäglichen Sinneserfahrung gekennzeichnet. Wie Buridans Feststellung deutlich macht, konnte dies unmittelbar oder mittelbar, d. h. aus der Erinnerung oder aus im allgemeinen Bewusstsein verbreitetem Wissen, in den Erkenntnisprozess eingehen.“ Ebd., S. 52. Tatsächlich war diese Sinneserfahrung auch und gerade im Bereich der Naturphilosophie ab dem 12. Jahrhundert der Nukleus einer sich im Rahmen der Frühscholastik ausbildenden spekulativen Physik: „Demnach kann die Physik, will man einen vollständigen Begriff ihres Wissenschaftscharakters gewinnen, als eine beschreibende Naturwissenschaft nicht hinreichend begriffen werden; sie ist im eigentlichen Sinne Naturphilosophie, welche die phänomenale Natur zusammen mit ihren durch Beobachtung allein nicht zu erkennenden Ursachen und Prinzipien bedenkt.“ Mit der instrumentbasierten physica indagatio Wilhelms und des Salzburger Kommentars aus dem Umfeld Hirsauer apocrisarii hat diese scholastische Physik allerdings nichts gemein. 11 Vgl. Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 49–120.
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astronomischen Instrumenten und Globen verschrieb. Hier zeigt sich, dass die im 11. Jahrhundert in südostdeutschen Klöstern entwickelten Ansätze einer empirischen Erschließung des Kosmos mit dem Siegeszug der Scholastik zwar überlagert wurden, dabei aber niemals ganz verloren gingen. Hier wäre nicht nur eine Bestandsaufnahme notwendig, vor allem müsste ein Vergleich der im hohen Mittelalter gepflegten Methoden und Praktiken mit denen des 16. und 17. Jahrhunderts prüfen, ob die in der Wissenschaftlichen Revolution der frühen Neuzeit beginnende Leonardo-Welt, in der sich Episteme und Technik zur modernen Naturwissenschaft vereinten, ihre Wurzeln nicht viel früher hatte, nämlich in der physica indagatio Wilhelms von Hirsau: Der Untersuchung – oder Entdeckung – der Natur mit Sphaera und Astrolab.12
12 Zum Begriff der Leonardo-Welt vgl. Mittelstraß, Leonardo-Welt, in diesem Zusammenhang insbesondere S. 105–07.
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Anhang
Fragmente der Astronomia Bereits der Chronist Bernold bezeugt, dass sich Wilhelm von Hirsau nicht nur mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen – dies schließt auch die Musik mit ein – befasste, sondern der Nachwelt auch einen Bericht darüber hinterlassen habe, angeblich niedergeschrieben von einem Freund. Tatsächlich haben sich Spuren dieses Berichts bis in die heutige Zeit erhalten, die erhebliche Rückschlüsse auf seine ursprüngliche Gestalt ermöglichen. Neben einem unikal und fragmentarisch überlieferten Prolog, in dem Wilhelm eine umfassende und als Dialog zwischen einem W. und einem O. – als Wilhelm und Otloh zu identifizieren – konzipierte Abhandlung astronomischer Themen ankündigt und anschneidet, hat sich bis heute seine komplementäre Musica in mehreren Handschriften erhalten, die die gleiche dialogische Form aufweist.1 Nun bietet der überlieferte Prolog nicht nur interessante Einblicke in die Wissenschaftsoziologie des Klosters, sondern auch eine der umfassendsten Naturwissenschaftstheorien des 11. Jahrhunderts, die sich prägnant auf den Begriff der physica indagatio reduzieren lässt. Auch der nur fragmentarisch überlieferte Beginn der Astronomia, den Pez in seiner auch in der Patrologia Latina erschienenen Ausgabe unterschlug, ermöglicht wertvolle Einblicke in den Fortgang des Textes, da dort intendierte Themenbereiche zumindest angedeutet werden: Wilhelm befasst sich vor allem mit Sphären, Uhren – vermutlich Sonnen-, Nachtuhren und Quadranten –, dem Astrolab sowie mit dem Breitengrad, den er mit einer in diesem Kontext einmaligen Begrifflichkeit des status mundi bezeichnet. Diesen vier Bereichen, die in erster Linie in das Feld der Zeitmessung fallen, stellte er direkt nach der Vorrede eine Methode zur korrekten Bestimmung der Wendepunkte und Tagundnachtgleichen voran. Über deren Datum war im 11. Jahrhundert Zweifel aufgekommen, sie waren aber wichtige Grundlagen für eine erfolgreiche Astronomie. Da auch die Kenntnis des eigenen Breitengrades, oder nach Wilhelm des status mundi, eigentlich Vorbedingung für Bau und Anwendung der genannten Instrumente war, ist
1 Der Prolog zu diesen Dialogen wurde nach Pez aus der einzig überliefernden Handschrift München, BSB, MS Clm. 14689 herausgegeben in Wilhelm von Hirsau, Praefatio, hg. von Migne, ungedruckt blieb der in jener Handschrift auf den Blättern 86 und 87 erhaltene Beginn der Astronomia, die nur fragmentarisch überliefert ist; Wilhelms Musik ist maßgeblich ediert in Wilhelm von Hirsau, Musica, hg. von Harbison; eine Übersetzung ins Deutsche findet sich in Wilhelm von Hirsau, Die Musik, hg. von Müller; zur aktuellen Übersicht über das Verhältnis der beiden Texte vgl. mit weiteren Angaben Worstbrock, ‚Art. Wilhelm von Hirsau OSB‘.
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anzunehmen, dass Wilhelm auch diesen Themenbereich voranstellte, und vermutlich kurz nach der Bestimmung der Wendepunkte platzierte, die ihrerseits Vorbedingung für den Breitengrad waren. Aus dieser Feststellung lässt sich zumindest eine grobe Struktur des ursprünglichen Lehrdialogs ableiten: 1) Prolog 2) Astronomia a. Bestimmung der Wendepunkte b. Bestimmung des status mundi c. Konstruktion und Anwendung von Sphären d. Konstruktion und Anwendung von Uhren e. Konstruktion und Anwendung von Astrolabien 3) Musica Geht man davon aus, dass Wilhelm die Astronomia in Umfang und Anspruch analog zu seinem umfangreichen und ausführlichen Text über die Musik verfasste, so wird das Ausmaß des anzunehmenden Verlusts deutlich, der umso mehr verwundert, als die Inhalte von den Zeitgenossen ja überaus großes Lob erhielten. Vor diesem Hintergrund ist es kaum vorstellbar, dass ausgerechnet diese Inhalte aus der Feder einer so prominenten Figur des Mittelalters verloren gegangen sind. Tatsächlich mehren sich seit einigen Jahren die Hinweise, dass die Nachwelt doch über weitere Überreste verfügt, die bislang aber nicht mit ihrem tatsächlichen Autor in Verbindung gebracht wurden. So konnte Catherine Jacquemard 2015 in der Londoner Handschrift London, BL, MS Royal 15 B IX Passagen identifizieren, die sie aufgrund der verwendeten Begrifflichkeit – absolut zu Recht – als Teile der Astronomia deutete.2 Bereits viele Jahre zuvor hatte Arno Borst in seiner unpubliziert gebliebenen Edition der Astronomia im Zuge der geplanten Herausgabe des Hermann’schen Gesamtwerkes über Computus und Zeitmessung nicht nur diese Passage ediert (unter Berücksichtigung einer weiteren, Jacquemard unbekannt gebliebenen Handschrift). Er identifizierte daneben noch eine ganze Reihe weiterer Passagen, die er Wilhelm von Hirsau zusprach.3 Auch wenn seine Rekonstruktion des Textes mit erheblichen methodischen Problemen verbunden ist und erkennbar vorläufigen Charakter besitzt,4 macht seine
2 Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘. 3 Vgl. Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–3, xviii. Wilhelm von Hirsau, Astronomica, S. 8–16. Den Abschnit zum status mundi fand Borst neben der bereits bekannten Londoner auch in Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356 (mit dem Abschnitt zum status mundi auf fol. 101r und 101v). Sie ist auch in der Handschrift Madrid, BN, MS 10053 überliefert, wie Philipp Nothaft entdeckte und dankenswerterweise mitteilte. Eine Passage zum Bau einer Sphaera identifiziert er in Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7. Diese Passage hat sich – ihm unbekannt – auch in der Londoner Handschrift sowie dem Breslauer Kodex Breslau, UB, MS R. 55 erhalten, daneben in den Handschriften Oxford, BL, MS Digby 191, Oxford, JC, MS 4 und Rostock, UB, MS philol. 18. Den Hinweis auf diese Handschriften verdanke ich ebenfalls Philipp Nothaft. 4 Durch das Fehlen eines einführenden Kapitels zum Text lassen sich viele Gedankengänge und die zugrunde liegende Idee seiner Textrekonstruktion leider nicht mehr nachvollziehen. Gleiches gilt für die vielfältigen handschriftlich verzeichneten Korrekturen und Änderungen. Ein grundlegendes Problem liegt in der Tatsache begründet, dass der von ihm als zusammenhängender Block
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Verknüpfung der getrennt überlieferten Passagen aus inhaltlicher und sprachlicher Sicht zumindest in einigen Fällen durchaus Sinn. So identifizierte Borst in seinen Anmerkungen einige kleinere Gemeinsamkeiten mit Wilhelms Musica, wobei diese meiner Ansicht nach nicht für eine Identifizierung der Passagen als Werk Wilhelms ausreichen. Eindeutiger ist dagegen der Gebrauch bestimmter Phrasen, die sich auch im Prolog der Astronomia finden lassen. Vor allem Wilhelms ungewöhnliche Formulierung für die Abhängigkeit astronomischer Phänomene vom jeweiligen Breitengrad fällt hier ins Auge. Im Prolog werden sie als mundani status diversitas bezeichnet,5 eine Begrifflichkeit, die mit Bernolds Paraphrase „statum mundi certis experimentis invenire monstravit“ in Einklang zu bringen ist.6 Jacquemard betont völlig zurecht, dass es sich hierbei um eine ansonsten ungebräuchliche Begrifflichkeit handelt, die aber gerade in den neu gefundenen Passagen häufig vorkommt.7 So zu Beginn des Abschnittes mit der einleitenden Zeile „Ad inveniendum diversum mundi statum […]“,8 die als Vorlage für Bernolds Zeugnis gedient haben könnte, oder an dessen Ende („[…] ad omnem status mundi diversitatem pervidendam omnino necessaria est […]“).9 Auch die im Prolog mehrfach genannte Trias der Tätigkeitsfelder (also Sphären, Uhren und das Astrolab), wird hier in nahezu identischer Formulierung aufgegriffen: „In qua nimirum horologicae, astrolabicae, spericae et totius astronomia rationis summa consistit.“10 Darüber hinaus nimmt
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rekonstruierte Text mit laufenden Kapitelnummern so in keiner Handschrift in einer Gesamtheit überliefert ist. Stattdessen fügte Borst verschiedene Passagen aus verschiedenen Handschriften zusammen, und versah sie mit teils künstlichen Überschriften. Während die ersten drei Kapitel (die Zählung bezieht sich auf Borst) – von ihm als „Praefatio“, „Partes anni solares“ sowie „Partes zodiaci“ bezeichnet – in der bekannten St. Emmeramer Handschrift München, BSB, MS Clm. 14689 überliefert sind, findet sich sein Kapitel 4 (ebenfalls von ihm als „Mensura sperae“) seines Wissens nach nur in einer Salzburger Handschrift, Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7. Diese Handschrift teilt das fünfte Kapitel, nach Borst „Astrolabii quarta“, mit der Londoner Handschrift London, BL, MS Royal 15 B IX, die nun wiederum die Verbindung zu den restlichen beiden Kapiteln darstellt, nämlich Kapitel 6 „Tabula status mundi“ und Kapitel 7 „Instrumentum status mundi“. Diese beiden Kapitel entsprechen dem Text, der von Jacquemard in vier Paragraphen ediert worden ist, vgl. Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘. Auch diese Kapitelüberschriften gehen auf Borsts eigene Schöpfung zurück. Lediglich die Londoner Handschrift enthält überhaupt eine entsprechende Überschrift zu Kapitel 6, nämlich „De statu mundi“. Kapitel 6 und 7 finden sich auch in der ehemals Augsburger Handschrift Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356. Aus der Überlieferung selbst lassen sich daher eigentlich keine Hinweise auf die Zusammengehörigkeit dieser Passagen ziehen, zumal sie dort in einen jeweils neuen Textzusammenhang gebracht sind. Aus Regensburg selbst stammt überdies nur die bereits bekannte Handschrift, so dass sich ein solcher Zusammenhang auch nicht über die Provenienz herstellen ließe. Bezeichnenderweise weisen die von Borst als bislang verschollener Überrest der Astronomia identifizierten Abschnitte auch keine Dialogform auf, die ja als narratives und strukturelles Rückgrat sowohl der bislang bekannten Passagen als auch seiner komplementär verfassten Musica gelten muss. Vor diesem Hintergrund scheint die Rekonstruktion auf den ersten Blick also fragwürdig. Im Text als „mundani status diuersitate“, vgl. München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 86v. Bernold von Konstanz, Bernoldi Chronicon, hg. von Robinson, a. 1091, S. 486 (Ausgabe von 2003). Vgl. hierzu auch die unten stehende Bestandsaufnahme der einzelnen Fragmente. Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘, S. 206. Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘, S. 207. Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘, S. 206.
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der Abschnitt durch den Verweis auf ein instrumentum hemisperium direkt Bezug auf die St. Emmeramer Sphaera. Aufgrund dieser signifikanten Formulierungen scheint Borsts und Jacquemards Identifizierung des Abschnitts über den status mundi als Überrest der Astronomia nahezu sicher. Gleiches gilt auch für den von Borst als Kapitel 4 edierten Abschnitt Mensura sperae – der Jacquemard nicht bekannt ist. Hier geht es um die Konstruktion eines Himmelsglobus, der Abschnitt weist aber auch eindeutige Ähnlichkeiten zur figura in München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 1r auf, die Wilhelm eindeutig zugeschrieben werden kann. Zumindest an einer Stelle verwendet der Urheber auch hier die Begrifflichkeit des status mundi. Ein weiterer Hinweis auf den gemeinsamen Ursprung der Passagen liefert darüber hinaus die im hohen Mittelalter ungewöhnliche und dazu als Dopplung erscheinende Formulierung „in meditullio terre“, die sich sowohl hier als auch im Abschnitt zum status mundi findet. Zumindest für die von Borst als Kapitel 4, 6 und 7 bezeichneten Abschnitte ist daher anzunehmen, dass es sich um Überreste der Astronomia handelt. Ein von ihm als fünftes Kapitel gedeuteter Abschnitt sowie die von ihm nachträglich und handschriftlich im Typoskript als Bestandteile der Astronomia markierten Passagen, die er zunächst als Texte Thiemos von Bamberg deutete,11 scheint mir zu gewagt, solange sich Borsts Gedankengang nicht mehr nachvollziehen und verifizieren lässt. Für die identifizierten Abschnitte gilt, dass sie wohl bereits in einem frühen Stadium der Überlieferung aus dem ursprünglichen dialogischen Kontext gelöst und je nach Interesse in astronomischen Handbüchern neu kompiliert und dort mit Texten fremder Provenienz vermischt wurden.12 Einen Hinweis darauf gibt der Abschluss der Passage über die Konstruktion einer Sphaera, die sehr unvermittelt abbricht und mit der Beschreibung des Äquators fortfährt, die auf diese Weise ohne Kontext allerdings nahezu unverständlich erscheint und so keinesfalls vom Autor intendiert gewesen sein kann. Während zwei Handschriften (zu den Handschriften siehe unten) diesen Übergang weder kommentieren noch als Bruch graphisch deutlich machen, expliziert eine Salzburger Handschrift das offenkundige Fehlen einiger Passagen (siehe unten) – offenbar Folge der Auflösung des ursprünglichen dialogischen Gesamtkontexts der Astronomia in kleinere Abschnitte, deren häufige Verwendung des Imperativs oder der zweiten Person Singular noch Spuren des Dialogs in sich tragen.13 Aus diesen Beobachtungen lässt sich eine Textgeschichte rekonstruieren, die meiner Ansicht nach typisch für eine Vielzahl der in ähnlichem Zusammenhang überlieferten Texte der Zeit sein könnte.14 Wilhelm stütze sich für seinen Text
11 Konstanz, Universitätsarchiv, N Borst 35–3, xviii. (xx.) Thiemo von Bamberg, Rationesa horologicae, S. 54–56. 12 Vgl. auch Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe‘, S. 203–05. 13 Gleichwohl ist zu bedenken, dass diese Form der direkten Anrede durchaus üblich für die Astrolabliteratur des 11. Jahrhunderts ist. 14 Man denke zum Beispiel an die Trias der Texte des neuen Korpus, die erst in einer etwas späteren Überlieferungsstufe als kanonisierte Texte überliefert werden und für deren dritten Text über die kleine Säulchensonnenuhr neue Studien nahelegen, dass sie ursprünglich Teil eines anderen Textes waren, aus dessen Zusammenhang sie herauskompiliert wurden. Vgl. Desbordes und andere, ‚Du quadrant vetustior‘.
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wohl vor allem auf Hyginus, Vitruv sowie das gesamte alte und neue Korpus der Astrolabliteratur sowie damit in Zusammenhang stehenden geometrischen Texten und Textsplitter, wie sie bei Bubnov in Ansätzen ediert sind.15 Diese Texte exzerpierte Wilhelm, wie die unter Text B wiedergegebene Passage aus München, BSB, MS Clm. 14689 verdeutlicht, und integrierte sie gemeinsam mit eigenen Ideen in einen sorgsam durchkomponierten Urtext, der wohl mit den Musica vergleichbar war. Aus praktischen Gründen wurde sein Dialog durch die Nachwelt wiederum exzerpiert und fragmentiert und die herausgelösten Abschnitte in zusammenhangsloser Weise gemeinsam mit Auszügen aus bereits länger bestehenden Texten in Notizsammlungen übertragen. Diese anzunehmenden Notizsammlungen, die aufgrund ihrer kodikologischen Flüchtigkeit heute verloren sind, wurden dann im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert – nun als zusammenhängende Texte – in mitunter sorgfältig angelegte Kodizes kopiert, die ihnen somit eine zumindest in der Form zunehmend kanonisierte Form gaben und auf diese Weise kompilative Spuren, die sich im Inhalt noch deutlich zeigen, auf den ersten Blick weitgehend verwischten. Diese neue Form ermöglicht heute zwar eine einfache Konsultation der jeweils erwünschten Einzelaspekte der ursprünglichen Texte, führt aber dazu, dass sich dadurch nur noch schwer eruieren lässt, welche Textabschnitte welchen ideengeschichtlichen Schichten zuzuordnen sind, die ja gerade im 11. Jahrhundert äußerst nahe beieinanderliegen. Im konkreten Fall ist es schwer zu entscheiden, welche Textsplitter als Vorlage für oder vielmehr Derivat der Astronomia zu gelten haben. Gerade daher ist zu betonen, dass eine Bestandsaufnahme des gesamten Kontexts der frühen Astrolabliteratur, wie sie Borst intendierte, dringend notwendig ist, da die vielfach in immer wieder neue Kontexte integrierten Vorlagen – wenn überhaupt – nur auf diese Weise rekonstruiert und in der Folge ediert werden können. Auch aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Ausgabe Abstand vom Versuch einer Edition genommen. Stattdessen wurden die meiner Ansicht nach sicheren Überreste der Astronomia unter der Angabe paralleler Überlieferung bzw. Ausgaben aus jeweils einer Handschrift transkribiert, emendiert und übersetzt. Wilhelm von Hirsau: Astronomia Prolog (transkribiert nach M) Überlieferung: München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 85r–86v [M]. Druck: Bernhard Pez, Thesaurus anecdotorum novissimus (6,1), Augsburg 1729, S. 259, Nachdruck in Jacques-Paul Migne, PL 150, Sp. 1639–1642; Typoskript im Nachlass Borst; Auszüge nebst Teilübersetzung in Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 109–54, S. 149–50.
15 Opera mathematica, hg. von Bubnov.
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Text: (85r) Divini operis quadam die completa synaxi, optate quietis gratia secretiorem locum petii, ubi me ipsum mihi ante oculos mentis ponere et miserabilis vite superfluitatem quasi iudiciaria districtione examinare liceret. Discussa ergo morum qualitate, multa in me reprehensibilia, multa merore et luctu dignissima, multa sane prava et aspera vieque domini minus composita deprehendi. Interque speciale doloris augmentum ceterisque passionum oneribus quodammodo gravius illud occurrit animo, quod, nescio qua violenti divini nutus potentia coactus, ad totius, quid est quadruvii maxime autem ad astronomie studium me penitus contulerim et quod interim, dum in eadem disciplina mihi soli laborare proposueram, inopinata quorundam etiam peritissimorum inquietarer frequentia quodque, dum his singulis a me, ut ad ipsam artem introducantur, exigentibus obedire studuerim16, non solum a superne contemplationis celsitudine, sed et a debito cottidiane servitutis dei gradu me viderim deiectum. Itaque, cum hec mecum anxia pervolverem, sollicitudine karissimus et valde unicus mihi O. superveniens meque solite dilectionis intuens alacritate continuo tristicie causam inquirit. Cui ego rem fateri metuens, eo quod ipse primus secreti mei delator ad publicam predicte arcis occupationem potenti flamma, utpote intima sibi devinctus17 karitate, maxime incenderit, ambage quadam dissimulare et ab eo abscondere temptavi. Sed quia rei veritatem subita et extra habundanciam cordis ficta similitudine coram sapiente [abscondere]18 difficile est, ille mox sentiens et fraudis arguens amica cepit inportunitate, quid haberem queritare. Et, ne multis morer, consueta tandem karitatis violentia verum extorsit. Qui cognita re statim subridens ait: „In hac fluctuacione tua, karissime, tacitus considero, qualiter antiquus coluber omnia semper celestis gratie munera invidie venenis inficiendum oberrans, hec quoque nobis divinitus donata violandum, arrepserit. Me enim iamdiu oportunum tempus, ad id querere presentiens, ut ea, que in eadem arte mira et ab humana subtilitate usque modo indeprehensa deus tibi revelavit, iocundissima collatione perdiscerem et omnia litteris commendari sicque communi studiosorum usui transfundi darem consilium, econtra ipsius propositi intentione huc post te modo invenientem calliditate sua preoccupavit, sub pretextu religionis innocentie tue volens suggerere, quatenus dominicam pecuniam humo malles infodere quam humanis profectibus multiplicandam tradere. Quin age et errorum eius sinuamine virilis constantie orbita transito, sepe propositum dyalogi cursum adgrediamur! Quem ego, si iusseris, ita ut hodie deo inter nos medio consummatus fuerit, divina item annuente gracia scriptis exponam sicque et diuturne desiderii mei satisfaciam expectationi et theoretice quam totus intendis securitati reddam expeditum. Quia (85v) enim illas vere mirandas adinventiones tuas probabilibus iam deformasti instrumentis, si easdem litteris
16 studuerim] studuerunt M, studuerim Pez 17 devinctus] devinctum M 18 abscondere] Pez
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quoque exprimi feceris, maximam19 studiosorum20 gratiam et beneplacitam pro sancta quiete veniam ipsorum dignam mercaberis.“ „Memini“, inquam, „te, karissime frater, hoc mihi salubre antea etiam dedisse consilium, sed quia presens etas inter innumeras vitiorum furias maximam Erinin patitur invidiam, timui, fateor, ne, si tante res, utpote21 ab antiquis philosophis pro difficultate sui aut intacte aut tacte et in dubio relicte, aut tacte et tractate sed minus cauta probatione finite, sub persona vilitatis mee proferantur, quibusdam fastidio sint non studio et magis depravate, quam vere deprehense, temere ab eis iudicentur, presertim cum nobis monachis nihil liberalis scientie preter psalterium licere asserant.“ Tum ille: „Quid tu“, ait, „eorum vel ullam facis mentionem, qui inimici crucis Christi nil putant auctorale, nisi quod ipsi secundum se statuunt volentes lucem professionis nostre sanctissimorum patrum iubare ortam caliginosa dogmatis sui mutatione obfuscare? Nam si psalmorum sola nobis peritia sufficiat, unde, queso, vetus et novum testamentum, unde vitas22 patrum, unde collationes patrum, unde dyalogum Gregorii aliosque ex precepto scilicet B. per anni23 circulum legendos codices intellegere poterimus? Nonne summus ille post Apostolos ecclesie plantator Hieronimus in omeliis et expositionibus suis sepius eisdem usus huius venee metallum purissime divini eloquii masse conflat? Si dulcisonus ille celestis verbi tubicen Gregorius dialectice artis expers in universali rerum essentia triplicem vim anime ignorasset, quid de illo evangelico euntes in mundum universum predicate evangelium omni creature eque iocundum intonuisset? Exponens namque ait: lapides sunt, sed nec vivunt nec sentiunt. Arbusta sunt, vivunt quidem, sed non sentiunt. Bruta animalia sunt, vivunt, sentient, sed non discernunt. Angeli sunt, vivunt, sentiunt et discernunt. Omnis autem creature aliquid habet homo. Habet enim commune esse cum lapidibus, vivere cum arboribus, sentire cum animalibus, intellegere cum angelis. Si igitur commune habet aliquid cum omni creatura homo, iuxta aliquod omnis creatura homo. Omni ergo creature predicatur evangelium cum soli homini predicatur. Licet nimirum et vere decet nos secularem philosophiam investigando aurum in luto querere, Egyptum spoliare, odoriferos fructus in spinis carpere, si tamen effossum ibi metallum ad purgatissimum sacri eloquii thesaurum transferamus, si evulsa ibi plantaria inter pigmentiferas arbores agri pleni, quem benedixit dominus, decenti ordine conseramus24. Et si profana illorum, quos dicis, eousque prorumpat insania, ut sacrosanctam tantorum virorum ideo quia monachi fuerant auctoritatem nausiant, validiore adhuc ratione os eorum obstru(86r)amus, ut penitus muta fiant labia dolosa, que locuntur adversus iusticiam iniquitatem in superbia et in abusione. Omnibus catholicis etiam idiotis liquido patet quia excepto filio hominis, qui super omnes est, in omni humana propagine illo protoplasto Adam nihil umquam sanctius fuerit nec 19 20 21 22 23 24
maximam] maxima M studiosorum] studisorum M utpote] utpute M vitas] vita M anni] annuum M conseramus] consecramus M
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erit scilicet, qui ante transgressionem bonum naturaliter sciens, malum nesciebat. Siquidem tante erat sanctitatis, ut postquam, illo in huius mundi exilio procul dubio pro culpa damnato, ingenita mentis eius puritas a posteritatis ipsius malignitate cepit depravari, pius factor dolens ab originali divine rationis dignitate facturam suam denobilitare. Primo patriarchis25, deinde lege, ex prophetis, novissimo proprio filio suo et eius evangelio, signis et prodigiis eius discipulorumque eius necnon omnium ecclesie doctorum verbis et exemplis, ad id humanum genus provocaverit, quatenus celestem vitalis spiraculi et similitudinis dei sublimitatem26 hereditaria animi virtute velit repossidere. Verum etiam cuius innatam sanctitatem imitari debemus, phisicum quoque scientie eius acumen studio, quo possumus, sequi non solum licet, sed et omnibus, qui practice27 viventes talentum ingenii a domino consecuti sunt, ab hoc exercitio subsistere fas non est. Videamus autem, si sapientie eius plenitudini hec, de qua agimus, disciplina defuerit. In libro collationum, qui maxime auctoritatis habetur, ita scriptum est: Ab illa vera phisice philosophie disciplina homines exciderunt, quam primus homo ille, qui universarum naturarum institutione e vestigio subsecutus est, potuit evidenter attingere et suis posteris certa ratione transmittere. Quippe qui mundi ipsius infantiam adhuc teneram et quodammodo palpitantem rudemque conspexerat et in quem tanta fuit non solum sapientie plenitude, sed etiam gratia prophetie divine illa in sufflatione transfuse, ut non solum omnigenarum bestiarum atque serpentium furores virusque discerneret, sed etiam virtutes herbarum et arborum lapidumque naturas ac temporum necdum expertorum vicissitudines partiretur, ita ut potuerit efficaciter dicere: Dominus dedit mihi eorum, que sunt, scientiam veram, ut sciam dispositionem orbis terrarum et virtutes elementorum, initium et consummationem et medietatem temporum, vicissitudinum inmutationes et divisiones temporum, annorum cursus et stellarum dispositiones, naturas animalium et iras bestiarum, vim spirituum et cogitationes hominum, differentias arborum et virtutes radicum et quecumque sunt abscondita inpromptu cognovi. Ecce ex quam limpidissimo fonte nos totius quadruvii disciplinam per naturale ingenium quasi per quedam spiramina etiam inviti adtrahimur! Ideoque omnibus, qui maligna locuntur, plane confusis in nomine eius, qui numerat multitudinem stellarum et omnibus eis nomina vocat, astrono(86v)miam nostram proposito dialogice confabulationis itinere percurramus.“ Tum ego: „Validissimis“, inquam, „assertionibus me, frater dilectissime, et contra adversarios animasti et, ne iussis tuis ultra resistere audeam, potenter obligasti. Sed ea mercede obtempero ut, quia ego figuris adhuc et pluribus instrumentis ad ista pertinentibus graviter occupandus sum, tu collationem nostram literis quemadmodum promisisti replicatam28 expedias29.“
25 26 27 28 29
patriarchis] patriarchas M sublimitatem] sublimitate M, sublimitatem Pez practice] bractice M replicatam] replicata M, replicatam Pez expedias] expediam M
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Übersetzung: Eines Tages, nachdem die gemeinsame Liturgie zu Ende war, suchte ich, um Ruhe zu finden, einen abgelegeneren Ort, wo ich mich einer geistigen Prüfung unterziehen konnte, und wo es möglich war, das, was in diesem kläglichen Leben unnütz und entbehrlich ist mit gleichsam richterlicher Strenge zu untersuchen. Nachdem ich meine Gewohnheiten reflektiert hatte, nahm ich wahr, dass es in mir viel Verwerfliches, viel Schmerzhaftes und Trauriges sowie viel Dummes und Widerwärtiges gab, das vom geordneten Weg des Herrn abwich. Dabei empfand ich in der Seele einen zunehmenden Schmerz und es fiel mir unter der weiteren Last des Leidens noch gravierender auf, dass ich mich nicht nur von der Höhe der göttlichen Kontemplation, sondern auch von der Stufe des täglich geschuldeten Gottesdienstes gestürzt sah, weil – ich weiß nicht durch welche Kraft der gewaltigen göttlichen Fügung gezwungen –, ich mich ganz und gar dem Studium des gesamten Quadriviums, insbesondere der Astronomie, gewidmet hatte, und weil ich – obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich alleine mit dieser Disziplin zu beschäftigen –, mittlerweile durch das ungefragte Drängen von irgendwelchen Menschen gestört wurde, die, obgleich sehr kundig, von mir verlangten, in diese Kunst eingeführt zu werden, und ich versuchte, diese Einzelnen zu befriedigen. Und so, als ich diese Sorgen mit mir selbst eifrig wälzte, überraschte mich mein liebster und einziger Freund O., sah mich an mit üblicher Zuneigung und fragte mich nachdrücklich nach dem Grund meiner Trauer. Ich fürchtete mich, ihm diese Sache zu erzählen, weil er selbst, der am meisten mit mächtiger Flamme für die öffentliche Beschäftigung mit der genannten Kunst brannte, zu dem ersten Verräter meines Geheimnisses würde, wenn auch von inniger Liebe bewegt, und ich versuchte, diese Sache vor ihm zu verstecken und mit irgendeiner Täuschung zu verheimlichen. Da es aber schwer ist, die Wahrheit vor einem weisen Mann mit einer spontan in der Aufregung ausgedachten Ausrede zu verstecken, begann jener, den Betrug sofort spürend, freundlich, aber bestimmt zu fragen, was ich hatte. Um es kurz zu machen, er erpresste das Wahre mit der üblichen Gewalt der Liebe. Und nachdem er die Sache verstanden hatte, sagte er lachend: „In diese deiner Unstetigkeit, oh Lieber, überlege ich schweigend, auf welche Art und Weise die alte Schlange sich einschlich, neidisch herumschlängelnd, um alle Gaben der göttlichen Gnade mit ihrem Gift zu zerstören, und um die Gaben, die uns von Gott geschenkt worden sind, zu verletzen. Vorausahnend, dass es schon lange Zeit war, dass ich Dich dazu befrage, um die bewundernswerten und vom menschlichen Geist bislang völlig unverstandenen Sachen, die dir Gott in dieser Kunst enthüllte, in einem unterhaltsamen Gespräch zu erlernen, und dir den Rat zu geben, all diese Dinge zu verschriftlichen, und sie so zum gemeinschaftlichen Nutzen der Gelehrten zu vermitteln, bemühte sie sich gegen die Absicht des Vorhabens desjenigen, der hier zu dir gekommen ist, mit ihrer Verschlagenheit, indem sie dir unter dem Vorwand deiner religiösen Rechtschaffenheit einflüstert, den herrschaftlichen Lohn in der Erde zu vergraben, anstatt ihn zur Mehrung des menschlichen Fortschritts weiterzugeben. Warum sollen wir denn nun nicht, nachdem wir das Geschlängele ihrer Irrtümer auf dem Weg mannhafter Festigkeit hinter uns gelassen haben, den Gang des Zwiegesprächs, den wir uns schon so oft vorgenommen haben, endlich in Angriff nehmen?
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Diesen Dialog werde ich, wenn du so befiehlst, so schriftlich darlegen, wie er heute mit Gott in unserer Mitte stattgefunden hat, und so werde ich sowohl die lang dauernde Erwartung meines Verlangens erfüllen als auch das, was du mir darlegst mit wissenschaftlicher Sicherheit, die du mit deinem ganzen Wesen anstrebst, wiedergeben. Weil Du nämlich bereits deinen bewundernswerten Ideen in anerkennenswerten Instrumenten eine Form gegeben hast, wirst Du, wenn Du sie auch in Buchstaben auszudrücken gestattest, die höchste Gnade der Gelehrten und die würdige und wohlgefällige Gunst derselben für die heilige Ruhe verdienen.“ „Ich erinnere mich“, sagte ich, „dass Du, O., geliebter Bruder, mir früher diesen vernünftigen Rat gegeben hattest, aber weil die heutige Zeit unter den unzähligen Rasereien der Sünden am meisten unter dem Neid der Furien leidet, befürchtete ich – gebe ich zu –, dass, wenn so große Dinge von meiner bescheidenen Person ausgesprochen werden, die ja, wegen ihrer Schwierigkeit von den antiken Philosophen entweder unangetastet blieben, oder erwähnt und ohne Antwort gelassen, oder erwähnt und behandelt wurden, aber ohne sicheren Beweis abgeschlossen wurden, diese Dinge von manchen mit Verachtung, nicht mit Interesse verstanden werden, und – mehr verdreht als wirklich begriffen – voreilig verurteilt werden würden, besonders da diese behaupten, dass uns Mönchen nichts von der freien Wissenschaft gestattet sein, außer dem Psalter.“ Und dann jener: „Warum“, sagte er, „erwähnst Du nicht jene, die, als Feinde des Kreuzes Christi, nichts als Autorität akzeptieren, außer das, was sie selbst behaupten, und die das Licht unseres Gelübdes, entstanden aus dem Glanz der sehr heiligen Väter, verdunkeln wollen, mit einer dunklen Veränderung seines Dogmas? Denn, wenn uns allein die Kenntnis der Psalmen reicht, wie, frage ich, werden wir das alte und neue Testament, das Leben der Väter, die Collationes Patrum, wie den Dialog des Gregorius, und die anderen Bücher, die nach der Benediktsregel im Laufe des Jahres zu lesen sind, verstehen? Gießt nicht Hieronymus, jener höchste Errichter der Kirche nach den Aposteln, in seinen oft verwendeten Predigten und Traktaten das Metall derselben Ader zu einem reinsten Klumpen des göttlichen Redens? Wenn jener wohlklingende Trompeter des himmlischen Wortes, Gregorius, erfahren in der Kunst der Dialektik, die dreifache Kraft der Seele in der universellen Essenz der Dinge ignoriert hätte, warum ließ er ebenso gerne jenes Zitat aus dem Evangelium laut ertönen: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen Kreatur“? Als Beweis hierfür sagte er: „Die Steine existieren ja, doch Leben sie nicht, noch empfinden sie etwas. Die Bäume aber existieren und Leben, empfinden jedoch nichts. Die vernunftlosen Tiere existieren, leben, empfinden, aber unterscheiden nicht. Die Engel existieren, leben, nehmen war und unterscheiden. Der Mensch besitzt nun aber etwas von jedem Geschöpf. Er besitzt ja gemeinsam mit den Steinen das Dasein, mit den Bäumen das Leben, mit den Tieren das Empfinden, mit den Engeln die Einsicht. Wenn also der Mensch mit jedem Geschöpf etwas gemeinsam besitzt, dann ist in gewisser Hinsicht jedes Geschöpf ein Mensch. Das Evangelium wird also jedem Geschöpf verkündet, wenn es allein dem Menschen verkündet wird. Es ist freilich gestattet und gehört sich, das Gold im Schmutz zu suchen, indem wir die weltliche Wissenschaft untersuchen. Wir dürfen die Ägypter plündern, die gutriechenden Früchte aus den Dornen greifen, solange wir das dort ausgegrabene
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Metall in den reinen Schatz der Heiligen Sprache übertragen, und solange wir die dort herausgegrabenen Pflänzlinge zwischen die wohlriechenden Bäume des vollen Feldes, das der Herr segnete, in guter Ordnung pflanzen. Und wenn die gottlose Verrücktheit jener, die du meinst, bis zu der Zeit ausbricht, dass sie Ekel bekommen an der heiligen Auctoritas solcher Menschen, weil sie Mönche gewesen sind, lass uns den Mund dieser Menschen, die gegen die Gerechtigkeit in Hochmut und Verachtung die Ungerechtigkeit aussprechen, mit einer besseren Vernunft schließen, sodass die trügerischen Münder völlig schweigen werden. Allen30 rechtgläubigen Christen und selbst den gänzlich ungebildeten ist klar und einsichtig, dass, ausgenommen der Menschensohn, der über allen steht, keiner aus dem ganzen Menschengeschlecht je heiliger war noch sein wird als der urgeschaffene Adam. Dieser kannte vor dem Sündenfall von Natur das Gute, das Böse kannte er nicht. Ja, Adam war von solcher Gottähnlichkeit, dass es – nach seiner zweifellos selbstverschuldeten Verdammung ins Exil dieser Welt, als die angeborene Reinheit seines Denkens durch die Bosheit seiner Nachkommen verderbt wurde – den gütigen Schöpfer schmerzte, als sein Geschöpf die ursprüngliche Würde göttlicher Vernunft einbüßte. Und so rief er das Menschengeschlecht auf, zuerst durch die Patriarchen, dann durch das Gesetz und die Propheten, schließlich durch seinen eigenen, noch nicht dagewesenen Sohn und dessen Evangelium, durch seine Zeichen und Wunder, durch die Worte und Beispiele seiner Jünger und nicht zuletzt durch Wort und Tat aller Kirchenlehrer, dass es die himmlische Erhabenheit des göttlichen Lebensodems und die göttliche Ebenbildlichkeit mit der fortvererbten Kraft seines Geistes zurückzugewinnen. Aber wenn wir Adams angeborener Heiligkeit nachfolgen sollen, dann ist es nicht nur erlaubt, die Klarheit seiner naturwissenschaftlichen Kenntnis mit all unserem Eifer anzustreben, nein, niemandem, der gottgefällig lebt und von Gott eine Begabung empfangen hat, ist es gestattet, von diesem Streben abzulassen. Lass uns aber sehen, ob die Disziplin, über die wir sprechen, nicht an der Gesamtheit dieser Weisheit teilhat. Im Buch der Collationes, das höchstes Ansehen genießt, steht folgendes geschrieben: Die Menschen verloren jene wahre Wissenschaft von der Natur, die der erste Mensch, der der Schöpfung aller Natur unmittelbar folgte, zweifellos erwerben und seinen Nachkommen unverfälscht vermitteln konnte. Denn er hatte die Welt ja noch in ihrer Kindheit erblickt, zart und sozusagen zuckend und neugeboren, und nicht nur die Fülle der Weisheit, auch die Gnade der Prophetie war ihm durch Gottes Hauch gegeben. Und so unterschied er nicht nur die Triebe und Gifte aller wilden Tiere und der Schlangen, er unterteilte auch die Kräfte der Kräuter und der Bäume, die Gesteinsarten und selbst den Wechsel der zukünftigen Zeiten. Zu Recht konnte er sprechen: Der Herr verlieh mir die wahre Erkenntnis aller Dinge, dass ich die Ordnung der Welt verstünde und die Wirksamkeit der Elemente, Anfang, Ende und Mitte der Zeiten, den Wechsel und die Unterteilung der Zeiten, den Ablauf der Jahre
30 Die Übersetzung der folgenden Passage „Allen rechtgläubigen Christen […] angetrieben von unserem natürlichen Verstand“ orientiert sich – mit Eingriffen – an der bestehenden Übersetzung bei Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘, S. 150.
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und die Stellung der Gestirne, die Natur der Lebewesen und die Triebe der wilden Tiere, die Macht der Geisterwelt und das Denken der Menschen, die Unterschiede der Bäume und die Heilkräfte der Wurzeln – was immer verborgen ist, ich kannte es. Sieh, aus welcher klaren Quelle wir zur Wissenschaft des ganzen Quadriviums aufgefordert werden, angetrieben von unserem natürlichen Verstand fast widerwillig wie durch einen Geist. Lass uns daher mit allen, die böse Sachen sagen, aber verwirrt sind, im Namen dessen, der die unermessliche Zahl der Sterne bestimmen kann, und ihnen allen Namen gibt, unsere Astronomie mit der vorgenommenen Reise eines Zwiegesprächs durchlaufen.“ Und ich sagte: „Du, geliebter Bruder, hast mich mit den stärksten Argumenten sowohl gegen die Feinde ermuntert als auch kräftig gezwungen, dass ich mich nicht länger traue, Deinen Befehlen zu widerstehen. Aber ich gehorche mit Blick auf den Lohn, dass du nämlich unser Gespräch wiedergibst und niederschreibst, so wie du versprochen hast, weil ich mich mit den Diagrammen und verschiedenen Instrumenten, die zu diesen Themen passen, immer noch schwer beschäftigen muss.“
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Bestimmung der Wendepunkte (transkribiert nach M) Überlieferung: München, BSB, MS Clm. 14689, fol. 86v–87v. [M] Druck: Auszüge bei Nothaft, ‚Bede’s horologium‘; Auszüge bei Wiesenbach, ‚Wilhelm von Hirsau‘; Typoskript im Nachlass Borst. Text: (86v) W.: „Igitur a solstitiis et equinoctiis ordo adinventionum nostrarum sumit exordium, quia horum adhuc naturalem terminum ignorans multa fateor et in spericis rationibus et in horologicis institutionibus et in astrolabicis subtilitatibus et in illa, ad quam modo tendimus, mundani status diversitate frustra laborabam. In quibus et consequenter errare omnes astrologos, qui certa predictorum temporum meta instructi non sunt, postea liquebit, cum de eisdem rebus, statu scilicet et spera et horologio et astrolabio, plenius disseremus. Interim de istis, quibus cetera quasi fundamentis innituntur, quomodo naturaliter inveniantur, dicamus. Anno, quem bissextilem vocant, statim post insertum bissextum, elige tibi edem satis altam, utpoteque radium solis per fenestras e longinquo summittat. Et quem locum in aquilonari pariete sive columna sive pavimento eiusdem edis radium solis circa meridiem semper petere noveris. In ipso loco regulariter fac lineam deorsum longius tendentem, ita ut radius eam singulis diebus, quibus nubes non obsistant, in ipso puncto meridiei tangat. Ideo autem eandem lineam deorsum longius duci iubemus, quia, sole tunc ad estivum solsticium ascendente, radius descendit et ipso, post solsticium descendente, radius ascendit, ne in utrolibet motu radii linea circa meridiem tangenda desit. Quotquot ergo diebus, obscuritate non impediente, radius ipsam lineam ante solsticium descendendo tetigerit, mox ut eam tangere inceperit, inferiorem radii extremitatem31 lineola32, in directum ducta, nota33 et huic kalendas presentis diei ascribe. Et que kalendarum asscriptiones in descensu vel ascensu radii econtrario sibi proxime convenient, pro comparibus diebus habeto. Hec, donec, transacto solsticio, radium per eandem lineam ascendendo reverti sentias. In cuius ascensu non minore diligentia observa sicubi contra kalendas prius in descensu eius asscriptas lineam tangat et extremitatem eius, lineola transversa, ut super docuimus, ex altera parte linee denota, ibique rursus presentis diei kalendas asscribe. Cumque hac physica indagatione compares dies inveneris, computa quot dies transierint inter singulos compares et, hos in duo dividens, medietatem eorum pro vero solstitio absque omni retractione teneto. Verbi gratia, si vi kal. iulii contra non. iunii vel ii kal. iulii contra kal. iunii sive idus iulii contra xvi kal. iunii secundum institutam descendentis et ascendentis radii annota(87r)tionem venerint, vide quot dies transacti computentur inter hos econtrario
31 extremitatem] extremitate M 32 lineola] lineolam M 33 nota] notato M
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sibi convenientes et in ipsorum dierum medio solsticium vere fuisse ne dubites. Et si forte omnis hec computatio unam eandemque medietatem non ostendat, magis te incautum quam artis fictione scias esse deceptum. Sed, ut hec lucidius pateant, lineam, de qua diximus, cum radio et kalendarum asscriptione figuraliter exprimamus in hunc modum. Estivo igitur solstitio taliter invento hiemale solsticium et duo equinoctia ex hoc uno facilius deprehendes34. Ab ipso enim estivo totam anni computationem in duo dividens, medietatem eius pro hiemali solsticio certissime habeto. In quo, si quid dubitas, arte qua predixi circa ipsum hiemale solsticium proba, si libeat. Item, utraque anni medietate in duo equaliter divisa, in utrique35 medietatis medio equinoctium sine dubio invenies.“ O.: „Rem valde obscuram et ab ipsis necdum plene deprehensam philosophis apertissime protulisti, quam non solum omnino concedenda ratione, sed et inmutabilis nature satis affirmasti probatione. Illud tamen, volo, breviter exponas, cur argumentum, quo solsticia et equinoctia invenienda sunt, potius bissextili anno quam in alio et statim post insertum bissextum fieri iusseris et cur de eodem anno dixeris, quem bissextilem vocant, quasi tu nolles eum ita nominari et cur non solum tempus, verum etiam ipsum punctum meridiei observari preceperis et cur pro comparibus diebus kalendarum asscriptiones, que proxime sibi convenient, habendas docueris, quasi nulle umquam equaliter sibi concurrant.“ W.: „Hic breviter libet subiungere, quod dudum tibi de cottidiano bissexti augmento queritanti me dixisse memini. Zodiacus, quo solis cursus notatur in firmamento, in tot partes ab antiquis per circuitum dividitur, quot diebus annus peragitur id est ccclxv. Ideoque sicut in computatione nostra singuli dies anni singulis nonis aut idibus aut kalendis pronuntiantur, ita eis in Zodiaco singule partes asscribuntur, non ut solem cottidie unam earundem partium ex integro preterire quemque credere oporteat, sed ut per eas non solum annuus et menstruus, verum cottidianus solis cursus probabili ratione deprehendatur. Unde et eedem partes gradus nominantur, quia solaris ascensus et descensus a tropico in tropicum per easdem gradatim in intellectu deducitur. Eisdem etiam gradibus, astrolabici volvelli laterculo per circuitum lineolarum inpressionibus formatis, cottidianum per ipsas [partes] ascensum sive descensum solis humana scire nititur, industria, dum, quotiens pro invenienda hora (87v) noctis vel diei sive pro alia qualibet astronomica racione querendum est in qua parte signi sit sol, tot gradibus, quot dies ab initio eiusdem signi transactos putat, enumeratis, in sequenti eum gradu esse pronuntiat. Sed hoc quantum a veritate deviet, satis in sequentibus clarebit. Ergo magnopere volo, intendas et memoriter teneas, quia Zodiaco, ita ut dictum est, in partes sive gradus non materialiter, sed intellectualiter diviso, sol singulis diebus eorum singulos non ex integro transeat, sed aliqua ei cottidie presentis gradus particula remaneat, quod non percurrat. Quod ut exemplo facilius intellegatur, sol illum gradum, sub cuius initio primum conditus, locatus est, prima sui die, hoc est xii
34 deprehendes] deprehendens M 35 utrique] utrisque M
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kal. aprilis, totum non preterit, nec statim in sequentis diei ortu id est xi kal. aprilis, secundum ingressus est gradum scilicet adhuc ei aliquantula primi gradus remanente particula. In tercio autem ortu, qui est x kal. aprilis, tanto maior particula secundi gradus ei peragranda superfuit, quanto serius et quanto longius post ortum secundi diei ad eundem gradum pervenit. Et, ut transcursim hec singula perstringam, ex diurna solaris cursus tarditate et ex cottidiano semperque in dies maiore remanentium particularum augmento contigit, ut post anni dimidium vix quarte hore inicio sol, hesternum gradum exiens, sequentem intraret, post annum meridie, post annum et semissem viiii hora, post duos annos vespere, post duos semis annos noctis medio, post iiiior annos diem integrum id est xxiiii horas remanentibus hesterni gradus peragrandis insumeret. Quem diem qualiter antiqui, annue computacioni superfluum, quarto semper anno accrescere senserint et qualiter eum vi kal. martii bis pronunciando interkalari ideoque bissextum appellari statuerint, vulgo notatum est. Unde his, que hic necessaria non sunt, omissis, proposita prosequamur. Igitur Zodiaco, ut dictum est in tot gradus, quot dies anni sunt, diviso, singulis gradibus singulis diebus deputatis, si sol unum ipsorum graduum cottidie totum peragraret, nullus error, dubitatio nulla, nullum esset bissextile incrementum. Sed iam, nisi fallor, intellegis, quia cum gradus Zodiaci et dies anni pares habeantur numeros36, sicut unum gradum sol unius diei spacio non preterit, ita nec totum Zodiacum toto anni circuitu percurrit, quia sol sicut singulos Zodiaci gradus singulis diebus non peragrat, sed aliquantulam cottidie relinquit particulam, ita nec medietatem Zodiaci medio anni spacio id est clxxx et tercio semis diebus percurrit, nec totum Zodiacum diei. Ac primum de hoc, cur solsticia et equinoctia bissextili anno potissimum querenda sint. Hec omnia, que proponis, notabilia et questione digna esse fateor. Alia tamen possunt breviter solvi, ut postulas, alia minime. Unde karitati tue sufficiat, si ea, que modo exponi facilius possunt, exponam, que autem exponenda sunt difficilia ideoque in inicio nostri operis tediosa partim tangam, partim in sequentibus largius explananda, disseram. Übersetzung: W.: Nun aber nimmt die Darlegung unserer Erfindungen ihren Anfang mit den Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen, weil ich, das bekenne ich, aufgrund meiner bisherigen Ignoranz des Zeitpunkts ihres natürlichen Auftretens sowohl in der Lehre der Sphäre als auch in den Wissenschaften der Uhren und in den Feinheiten des Astrolabs sowie bezüglich jener Unterschiedlichkeit der Lage der Welt [gemeint ist der Breitengrad, Amn. d.Ü.], die wir herausfinden wollten, vergeblich arbeitete. Wenn wir diese Themen – nämlich den Breitengrad, die Sphaera, die Uhr und das Astrolab – behandeln werden, wird sich zeigen, dass sich in diesen Fragen auch alle Astrologen irren, die in der sicheren Terminierung der oben genannten Wendepunkte nicht unterwiesen sind. Zunächst möge ich erklären wie jene, auf welchen die übrigen Dinge gleichsam als Grundlage aufbauen, auf natürliche Weise zu finden sind. 36 numeros] numero M
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Finde in einem Jahr, das man Bissextil, also Schaltjahr, nennt, sofort nach dem Einfügen des Schalttages, ein Gebäude mit ausreichender Höhe, sodass die Sonne weite Strahlen durch ein Fenster werfen kann. Und du wirst den Ort an der nördlichen Wand oder Säule oder Boden dieses Raumes bestimmen, den der Strahl der Sonne an jedem Mittag aufsucht. An genau diesem Ort ziehe eine regelmäßige Linie, die weit nach unten geht, so dass der Sonnenstrahl jene Linie an jedem einzelnen Tag um die Mittagszeit in diesem berührt, sofern keine Wolken es verhindern. Wir haben deswegen empfohlen, diese Linie lange nach unten auszuführen, weil der Sonnenstrahl hinabwandert, während die Sonne zur Sommersonnwende heraufsteigt, und wenn sie nach dem Solstitium absteigt, der Strahl nach oben wandert, und damit bei keiner dieser Bewegungen am Mittag dem Sonnenstrahl eine Linie zur Berührung fehlt. An allen diesen Tagen nämlich, wenn die Dunkelheit es nicht verhindert, wird der Strahl dieselbe Linie beim Absteigen vor dem Solstitium berührt haben. Sobald der Strahl anfängt, diese Linie zu berühren, markiere den unteren Rand des Strahls mit einer kleinen geraden Linie, und notiere dort das Datum des jeweiligen Tages. Und jene Markierungen des Datums, die sich beim Ab- und Aufgehen des Strahls gegenüberliegen behandele als zusammengehörige Tage. (Verfahre) so, bis Du nach der Sonnenwende wahrnimmst, dass der Strahl auf derselben Linie wieder herabsteigend zurückkehrt. In dessen Aufstieg beobachte mit gleicher Genauigkeit, wo immer der Strahl die Linie gegenüber den bereits bei seinem Abstieg markierten Terminen berührt, und markiere mit einer kleinen waagrechten Linie seinen unteren Rand, wie bereits erklärt, auf der gegenüberliegenden Seite und vermerke dort wiederum das aktuelle Datum. Sobald du die zusammengehörigen Tage durch diese naturwissenschaftliche Untersuchung gefunden haben wirst, zähle, wie viele Tage zwischen den einzelnen zusammengehörenden Tagen vergangen sind, teile diese in zwei und halte deren Mitte für den wahren Wendepunkt ohne jede Minderung. Zum Beispiel: Wenn der 26. Juni gegenüber dem 5. Juni oder der 30. Juni gegenüber dem 1. Juni, oder der 15. Juli gegenüber dem 17. Mai gemäß der etablierten Anmerkungsmethode des ab- oder austeigenden Sonnenstrahls angekommen sind, sorge dafür, dass die zwischen diesem und dem dazugehörigen Datum vergangenen Tage gezählt werden und zweifle nicht daran, dass in der Mitte von diesen Tagen wirklich der Wendepunkt gewesen ist. Wenn aber diese Zählung nicht immer das gleiche Datum als Mitte ergibt, wisse, dass du eher unaufmerksam gewesen bist, als dass du durch die Methode getäuscht worden bist. Damit dies aber klarer wird, werden wir die Linie, von der wir schon gesprochen haben, den Strahl und die Anmerkungen des Datums in der nebenstehenden Zeichnung darstellen. Nun, dass der Sommerwendepunkt auf diese Art und Weise bestimmt worden ist, wirst du die Wintersonnwende und die zwei Tagundnachtgleichen aus diesem einen Datum einfacher berechnen können. Von dieser Sommerwende aus den gesamten Jahreskalender teilend, erhältst du mit der Hälfte das sichere Datum der Wintersonnwende. Solltest du Zweifel haben, kannst du auf die bereits beschriebene Weise an der Wintersonnwende [das Ergebnis] überprüfen. Ebenfalls kannst du ohne Zweifel die Tagundnachtgleichen bestimmen, nachdem eine beliebige Hälfte des Jahres in zwei Hälften gleichermaßen geteilt worden ist, und zwar in der Mitte von beiden Hälften.“
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O.: „Du hast mir sehr deutlich einen sehr komplizierten Sachverhalt verdeutlicht, der von den Philosophen selbst nie gänzlich verstanden worden ist, den du nicht nur mit durch ein völlig nachvollziehbares Argument, sondern auch mit dem Beweis der unveränderlichen Natur genügend belegt hast. Nun möchte ich, das du dies kurz erklärst, nämlich wieso du wolltest, dass diese Beweisführung, durch welche die Wendepunkte und Tagundnachtgleichen zu finden sind, ausgerechnet in einem Schaltjahr und nicht in einem anderen und direkt nach der Einfügung des Schalttages geschieht, und warum du über dieses Jahr sagtest, dass man es Schaltjahr nennt, als ob du es nicht so nennen wollen würdest, und warum du vorgegeben hast, nicht nur die Zeit, sondern auch den Punkt selbst am Mittag zu beobachten, und warum du erklärt hast, dass jene Datumsmarkierungen als zusammengehörende Tage zu nehmen sind, welche am nächsten zusammenfallen, ganz so als ob keine (zwei) von ihnen je völlig übereinstimmten.“ W.: „Hier ist es wohl erlaubt hinzuzufügen: Ich erinnere mich, was ich dir vor einiger Zeit sagte, als du nach der Zunahme des Schaltjahres um einen Tag fragtest. Der Zodiak, mit welchem die Bahn der Sonne am Himmel markiert wird, wurde von den Alten im Kreis in so viele Teile geteilt, wie viele Tage ein Jahr hat, nämlich in 365. Deswegen werden, so wie die einzelnen Tage des Jahres in unserer Rechnung mit den einzelnen Nonen oder Iden oder Kalenden bezeichnet werden, diesen Tagen einzelne Teile im Zodiak zugesprochen, nicht, weil man glauben sollte, dass die Sonne jeden Tag im ganzen einen von jenen Teilen durchläuft, sondern, weil man durch diese Teile nicht nur die Jahre und Monate, sondern auch die tägliche Bahn der Sonne annäherungsweise erfassen kann. Daher werden auch diese Teile als Grade bezeichnet, weil durch sie das Auf- und Absteigen der Sonne von einer Tropik zur anderen stufenweise im Geist nachvollzogen werden kann. Anhand von diesen Graden, die durch die Einkerbungen der kleinen Striche um die rete des Astrolabs herum gebildet sind, strebt die menschliche Eifrigkeit nämlich danach, den täglichen Auf- oder Untergang der Sonne durch diese Teile zu bestimmen. Sie [i.e. die Eifrigkeit] entscheidet, wenn es notwendig ist zu wissen, in welchem Teil eines Zeichens sich die Sonne befindet – entweder um die Uhrzeit der Nacht oder des Tages zu finden oder aus irgendeinem anderen astronomischen Grund – nach dem so viele Grade gezählt worden sind, wie Tage vom Beginn desjenigen Zeichens vergangen sind, dass [die Sonne] im folgenden Grad ist. Wie viel dies aber von der Wahrheit abweicht, wird sich im Folgenden zeigen. Daher will ich sehr, dass du verstehst und im Gedächtnis behältst, dass die Sonne im Zodiak – der, so wie gesagt worden ist, nicht physisch, sondern nur gedanklich in Teile oder Grade geteilt ist –, an jedem einzelnen Tag die einzelnen Grade nicht im Ganzen überschreitet, sondern dass ihr ein kleiner Teil des aktuellen Grades übrigbleibt, den sie nicht überschreitet. Um dies mit einem Beispiel einfacher zu verstehen: Die Sonne durchläuft jenen Grad, unter dessen Beginn sie sich nach ihrem Aufgang befindet, an ihrem ersten Tag, das ist der 21. März, nicht im Ganzen, und hat auch nicht zu Beginn des folgenden Tages, welcher der 22. März ist, den zweiten Grad betreten, denn es ist noch ein kleines Teilchen des ersten Grades übrig. Am dritten Aufgang aber, dies ist der 23. März, bleibt der Sonne ein so großes Teilchen des zweiten Grades übrig, je später und länger nach dem Aufgang des zweiten Tages sie im selben Grad ankam.
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Und, um die Einzelheiten überfliegend zusammenzufassen, geschieht es durch die tägliche Verspätung der Sonnenbahn und aus der täglichen und fortwährend größer werdenden Zunahme der übrigbleibenden Partikel, dass die Sonne nach einem halben Jahr kaum zu Beginn der vierten Stunde aus dem gestrigen Grad herauskommt und den folgenden Grad betritt, nach einem Jahr zur Mittagsstunde, nach eineinhalb Jahren zur neunten Stunde, nach zwei Jahren zur Vesper, nach zweieinhalb Jahren mitten in der Nacht, nach vier Jahren braucht sie einen ganzen Tag, also 24 Stunden, um die übrigbleibenden Teile des gestrigen Tages zu durchwandern. Es ist landläufig bekannt, wie die Alten zu der Erkenntnis gelangten, dass jener Tag, welcher in der Jahresberechnung übrigbleibt, mit jedem vierten Jahr aufläuft und wie sie festlegten, dass er einzuschalten sei, indem man den sechsten Tag vor den Kalenden des März zweimal begeht und ihn dementsprechend den ‚bissextilen‘ nennt. Und so, nachdem wir die Themen übersprungen haben, die nicht nötig sind, machen wir weiter mit dem, was wir uns vorgenommen hatten. Wenn bei einem Zodiak, der, wie vorher gesagt, in so viele Grade geteilt ist wie es Tage im Jahr gibt (und) jedem Tag ein einzelner Tag zugewiesen wird, die Sonne täglich einen solchen Grade durchwanderte, gäbe es keinen Fehler, keinen Zweifel, kein Auflaufen des Schalttages. Doch, wenn ich mich nicht irre, verstehst du bereits, dass, da es ja gleich viel Grade des Zodiaks und Tage des Jahres gibt, die Sonne in dem Maße wie sie einen Grad nicht innerhalb eines Tages zurücklegt, auch nicht den ganzen Zodiak innerhalb eines ganzen Jahres durchschreitet, da die Sonne, so wie sie einzelne Grade des Zodiaks nicht an einzelnen Tagen durchmisst, sondern jeden Tag ein kleines Teilchen übriglässt, in ebensolcher Weise auch weder die Hälfte des Zodiaks in einem halben Jahr, das sind 182 1/2 Tage, durchläuft, noch den ganzen Zodiak in einem Tag. Und zuerst [soll behandelt werden], warum die Wendepunkte und Tagundnachtgleichen am besten in einem Schaltjahr zu suchen sind. Ich behaupte, dass alle Dinge, die Du vorschlägst, bemerkenswert und würdig sind, untersucht zu werden. Allerdings können einige davon schnell gelöst werden, so wie du forderst, andere kaum. Und daher soll deiner Zuneigung reichen, wenn ich die Themen behandle, die einfach erläutert werden können, die Themen aber, die schwieriger zu behandeln sind, am Anfang unseres langwierigen Werkes nur zum Teil berühre, zum Teil im Folgenden ausführlicher erörtere.
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Bestimmung des status mundus (transkribiert nach V) Überlieferung: London, BL, MS Royal 15 B IX, 72v–73r; Madrid, BN, MS 10053 (olim Toledo 98–21), fol. 76r;37 Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356, fol. 101r–101v [V]. Druck: Jacquemard, ‚La réinvention de l’astrolabe au Moyen Âge‘. [nach der Londoner Handschrift ohne Kenntnis von Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356 und Madrid, BN, MS 10053]; Typoskript im Nachlass Borst. Text: (101r) Ad inveniendum diversum mundi statum sume tabulam diligenter planatam et circulum in ea fac ad libitum. Et hunc in iiii equas partes [dividens] ad distinctionem partium a puncto in punctum per centrum circuli duas duc lineas ipsarumque linearum alteram, que ad longitudinem tabule magis spectet, per medium circulum in finem tabule usque perducito. Et sic, stilo parum infra circuli summitatem iuxta eandem lineam orthogonaliter affixo, ipsam tabulam equinoctiali die ante eius meridiem in meridiana linea tali cautela erige, ut, perpendiculo in summo tabule adhibito, predictam lineam, que medium circulum secans, longitudinem tabule peragat iuxta quam et stilum affigendum diximus ipsius perpendiculi fimbria38 totam obumbret sicque equalem tabule erectionem probet. Post hoc cautissime observa certam meridiem et ubi stilus memoratam lineam, prope quam positus est, vel ubi inferiorem l[ineam], que per latitudinem tabule ducta circulum similiter partitur, umbra sua in meridie tetigerit puncto utrimque designa. Et ab uno puncto in alterum obliquam lineam, que ypotenusa dicitur, regulariter perducens inter hec duo puncta e diverso locata necnon inter horum punctorum superius et interius centrum circuli itemque inter inferius punctum ac idem centrum triangularem, quandam mirabiliter invenies figuram. In qua nimirum horologice, astrolabice, sperice et totius astronomice rationis summa consistit. Per ypotenusam enim equinoctialis linea deprehenditur, qua, sola inventa, totius spere colligitur mensura. Per lineam vero, que a superiore puncto ad centrum circuli in directum descendit, que et kathetus id est deorsum pendens linea dicitur, altitudo clymatis ostenditur, hoc est quam alte a terra sol libratus in equinoctialis diei meridie feratur. Ideoque, qui hanc altitudinem ignorat, nec umbilicum terre nec varietates ultimi almucantarath nec alternas longitudines sive brevitates dierum et noctium nec ullam astrolabii vel horologii39 naturalem structuram scire potest. Per lineam quoque, que ab inferiori puncto hypotenuse similiter in centrum dirigitur, que basis dicitur, quantum a meditullio terre, ubi sol in equinoctio circumvolvitur, quisque locus remotus sit, intelligitur. Cuius rei noticia ad verum orizontem, ad erec-
37 Nach Abschluss der Arbeiten am Manuskript identifizierte Philipp Nothaft diesen Überlieferungsträger des 13. Jahrhunderts aus Toledo, der vor Drucklegung leider nicht mehr eingesehen werden konnte. 38 fimbria] fimbriam V 39 horologii] horologi V
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tionem artici et depressionem antartici, ad discretionem habitabilis aut inh[abitabilis] zone, ad illam intellectualem sambuce [triangularitatis] mundi formam, ad omnem status mundi diversitatem pervidendam necessaria est, maxime cum in paratione ipsius katheti ad basim summam huius artis contineri antiqui tradiderunt. Sciendum est autem, quia hec triangularis figura, que hypotenusam, kathetum et basim complectens, ad omnem, ut docuimus, astronomicam rationem utilissima ac pernecessaria est, ita quidem, sicut diximus, in meridie equinoctii est invenienda. Sed, si ea alicubi ad informandum illius loci statum uti volueris, oportet te ipsam a sinistro tabule semicirculo dextrorsum transferre. Nam te ad orientem contra planitiem verso, cum radius solis ad meridiem ductus est, planiciem tabule petens, umbram stili, id est hypotenusam, sinistrorsum hoc est in aquilonem, mittat et cum basis ab ulteriore puncto, in quod hypotenusa descendit, incipiens, a centro circuli una cum katheto finiatur, cumque hec tota figura effectu radii solis sic tibi ad sinistram cadat. Si eadem figura sic necesse est ad inclinationem, statum cuiuslibet loci quovis instrumento erigendum ut desideres, ita eam a tabula, qua primum inventa est, ad intrumentum transfer, ut, circulo eodem instrumento secundum quantitatem eius circinato40 ipsoque in iiii equas partes, sicut predictum est, diviso, basim, que in sinistro sive aquilonari hemisperio sita est, in dextrum et meridianum instrumenti (101v) hemisperium, a centro circuli eiusdem instrumenti incipiens, consimili longitudine, qualem in tabula habueris41 extendas. Et kathetum similiter in centrum tabularis circuli deorsum desinit a fine istius basis distantem eque ac altitudinem prioris habentem erigas. A cuius katheti summitate usque in idem centrum, unde basis incipit, oblique, sicut prius, dimittenda est hypotenusa. Et si vis scire, quomodo kathetum, qui et stilus et umbilicus dicitur, a media linea eque distantem erigas, relaxa circinum ad longitudinem iam extense basis, in cuius fine kathetum incipiendum esse diximus. Ac prius eidem linee, que et in tabula kathetus erat, secundum inventam ipsius stili altitudinem sursum a centro punctum imprimens et in ipso puncto unum pedem circini ad basis longitudinem relaxati ponens, econtra cum altero pede parum circina et ubi circuitum eius e regione puncti latissimum sentias, illo et eandem altitudinem et equalem erectionem gnomonis pertingere scias. Illud etiam expedit te nosse, quod, si memorata sepiusque memoranda triangularis figura scilicet hypotenusa, kathetus et basis, a tabula prime inventionis ad quodlibet instrumentum pro statu loci erigendo secundum pristinam quantitatem translate, circulum instrumenti aut maior excesserit aut minor non tetigerit, licebit tibi eam vel contrahendo vel dilatando coequare instrumenti circulo, ita tamen ut katheti ad basim, id est stili ad umbram, comparatio eadem permaneat, que primo in tabula fuerat deprehensa. Übersetzung: Um die unterschiedliche Neigung der Welt [gemeint ist in Abhängigkeit vom eigenen Breitengrad, Anm. d.Ü.] zu finden, nimm ein sorgfältig abgeflachtes Brett und ziehe
40 circinato] circinate V 41 habueris] habuerit V
anhang
einen beliebigen Kreis. Nun teilst du diesen Kreis in vier gleiche Teile und ziehst, um diese zu unterscheiden, zwei Linien durch das Zentrum des Kreises. Von diesen zwei Linien, ziehe die horizontale Linie bis dahin, wo die Tafel endet. Und fixiere einen Stab im oberen Teil des Kreises senkrecht neben dieser Linie, und stelle diese Tafel an der Tagundnachtgleiche kurz vor Mittag auf der Mittagslinie so sorgfältig auf, dass, wenn du ein Lot an der Spitze der Tafel anbringst, der Saum von diesem Lot die oben genannte vertikale Linie, die den Kreis in der Mitte teilt und neben der auch der Stab einzustechen war, ganz beschattet, was beweist, dass die Tafel richtig aufgestellt ist. Danach pass auf, dass genau Mittagszeit ist, und beobachte, wo der Schatten des Stabes am Mittag die bereits erwähnte Linie berührt, neben der er fixiert ist und wo er die untere waagrechte Linie, die den Kreis teilt, mit seinem Schatten berührt, und mache hier wie dort ein Zeichen. Und ziehe von einem Punkt zu anderen eine schrägliegende Gerade, die man Hypotenuse nennt. Zwischen diesen zwei Punkten, die sich gegenüberstehen und zwischen dem höheren dieser beiden Punkte und der Mitte des Kreises sowie parallel zwischen dem unteren Punkt und dem Zentrum wirst du eine wundersame dreieckige Figur finden. Dieser Figur enthält ohne Zweifel das Wichtigste der Wissenschaft der Uhren, des Astrolabs, der Sphaere sowie der gesamten Astronomie. Durch die Hypotenuse kann man nämlich die Linie der Tagundnachtgleichen finden, von welcher alleine man die ganze Konstruktion der Sphaere ableiten kann. Durch die Linie, die vom oberen Punkt zum Zentrum führt – das ist die Kathete oder auch die Linie, die von oben nach unten fällt – wird die Höhe des Klimas gezeigt, also wie hoch die Sonne am Tag der Tagundnachtgleiche am Mittag von der Erde entfernt steht. Wer aber diese Höhe nicht kennt, kann weder die Mitte der Erde, noch die unterschiedliche Polhöhe, noch die wechselnde Länge oder Kürze von Tag und Nacht und auch gar nichts von der natürlichen Struktur eines Astrolabs oder einer Uhr kennen. Durch die Linie nämlich, die von dem unteren Punkt der Hypotenuse ebenso in der Mitte hochgeht – gennant Basis – versteht man, wie weit ein Ort von der Mitte der Erde entfernt ist, also dort, wo die Sonne bei den Tagundnachtgleichen steht. Und die Kenntnis von dieser Sache ist nötig, um den wahren Horizont, die Höhe bzw. Tiefe der Polarkreise zu finden und um die bewohnbare von der unbewohnbaren Zone zu trennen, um jene abstrakte Form der Welt als Dreiecksharfe zu verstehen sowie um den jeweils unterschiedlichen status mundi herauszufinden, besonders, weil die Antiken vermittelt haben, das die Gesamtheit der astronomischen Wissenschaft im Vergleich von Kathete und Basis enthalten ist. Man muss wissen, dass diese dreieckige Figur, die aus der Hypotenuse, der Kathete und der Basis besteht, überaus nützlich und notwendig ist, um die ganze astronomische Wissenschaft zu verstehen – so wie wir gezeigt haben – und dass sie – wie wir gesagt haben – am Mittag der Tagundnachtgleiche zu finden ist. Wenn du sie aber benutzen möchtest, um die örtliche Lage [gemeint ist der Breitengrad] herauszufinden, ist es nötig, dass du diese Figur von der linken Hälfte der Tafel auf die rechte Hälfte überträgst. Wenn du nämlich in Richtung Süden der Tafel gegenüber stehst und der Sonnenstrahl zur Mittagszeit die Fläche der Tafel erreicht, wirft der Stab seinen Schatten – also die Hypotenuse – nach links Richtung Norden. Die Basis
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beginnt von dem unteren Punkt, zu dem die Hypotenuse heruntergeht, und endet in der Mitte des Kreises zusammen mit der Kathete. Und so wird diese ganze Figur aufgrund des Sonnenstrahls auf deine linke Seite fallen. Wenn es aber nötig ist, dass du diese Figur benutzt, um die Neigung und Lage eines Ortes durch ein Instrument zu finden, transferiere diese Figur von der Tafel, auf der sie zunächst gefunden worden ist, auf das Instrument, wo du – nachdem ein Kreis auf dem gleichen Instrument entsprechend seiner jeweiligen Größe gezogen und in vier gleiche Teile geteilt worden ist –, wie ich schon gesagt habe, die Basis (die sich auf der Tafel auf der linken Seite oder der nördlichen Hälfte befand) vom Mittelpunkt des Hemisphaeren-Instruments aus nach rechts bzw. in Richtung Süden genau soviel verlängerst, wie es auf der Tafel war. Und die Kathete, die ebenso in der Mitte der Tafel endete, führst Du vom [rechten] Ende der Basis [des neuen Instruments] in gleicher Länge und mit gleicher Höhe nach oben. Von der Spitze der Kathete ist die Hypotenuse zu ziehen bis ins Zentrum, wo die Basis beginnt, und zwar schräg, wie davor. Und wenn du wissen willst, wie du eine Kathete (die man sowohl Stift als auch Nabel nennt) in gleicher Entfernung von der mittleren Linie emporziehst, musst du den Zirkel auf die Länge der bereits gezogenen Basis ausweiten, an dessen Ende – wie wir sagten – die Kathete anfangen soll. Und zuerst stichst du oben auf der gleichen Linie, die auch auf der Tafel die Kathete war, einen Punkt ein, entsprechend der bereits gefundenen Höhe der gleichen Kathete. Und in diesem Punkt solltest du einen Fuß des Zirkels setzen, der auf die Länge der Basis erweitert ist. Mit dem anderen Fuß des Zirkels hingegen kreise nicht ganz, und, wenn Du merkst, dass der Kreis, den Du ziehst, am weitesten von der Lage des Punktes entfernt ist, dann wisse, dass Du dort sowohl dieselbe Höhe als auch die gleiche Aufrichtung des Schattenstabs erreichst. Wenn die bereits erwähnte und noch mehr zu erwähnende dreieckige Figur – nämlich die Hypotenuse, die Kathete und die Basis – beim größengemäßen Übertragen von der Tafel, die wir zunächst erfunden haben, zu irgendeinem Instrument, um die Lage eines Ortes zu errichten, den Kreis des Instruments entweder – weil sie größer ist – überschreitet oder – weil sie kleiner ist – nicht berührt, ist es wichtig, dass du weißt, dass es dir gestattet ist, diese Figur – entweder durch Verkleinerung oder Vergrößerung – dem Kreis des Instruments so anzupassen, dass das Verhältnis von Kathete zu Basis, also von Stilus zum Schatten, so bleibt, wie es auf der Tafel war.
anhang
Konstruktion eines Himmelsglobus (Sphaera) (transkribiert nach S) Überlieferung: Breslau, UB, MS R. 55, ab 74r–75r; Oxford, BL, MS Digby 191, fols 77v–78r, Oxford, JC, MS 4, fol. 92r–v; London, BL, MS Royal 15 B IX, fol. 68v–69r; Rostock, UB, MS philol. 18 (Blattangabe unbekannt); Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7, fol. 98r–99v [S].42 Druck: Cantor, Die römischen Agrimensoren, S. 224–25; Typoskript im Nachlass Borst. [beide nach der Salzburger Handschrift ohne Kenntnis der weiteren Überlieferung] Text: Primum observandum est in spera, ut ex omni parte eque sit rotunda, deinde puncto pro libito uno pede circini infixo. Quod nos tamen solemus inprimere in illo loco, quo et artificiosus tornator, quasi idem punctum prefigurans vel demonstrans, solet circumvolvere, dum primo incipit eam formare. Alter circini pes in tantum relaxetur usque dum mensori medietatem grossitudinis spere se comprehendisse videatur et circulus circumducatur. Tunc eadem latitudine circini punctum aliud, priori tamen oppositum, tamdiu huc et illuc est impondenum, donec alter circini pes aut iam facti circuli observet vestigium aut equaliter excedat aut equaliter intus remaneat. Si ergo indesinenter sectatur tramitem eiusdem circuli, equinoctialem circulum, quod rato fiet, facillime invenisti. Si vero aut eque excedendo aut eque infra remanendo ab eo deviat, medietas duorum circulorum equinoctialem obtineat. Quo (98v) huiusmodi arte invento, per duos coluros, qui ab imperfectione sua nomen accepere, est dividendus. Sic igitur in iiii quadrantes corpus tocius est spere partitum. Et si lx sexagesimas tocius spere cupias facillime reperire, singulos quadrantum in tria divide. Quippe in quolibet polo incipiens et per coluros usque ad equinoctialem circulum ascendens et ab eodem equinoctiali circulo per coluros in tria parciendo quadrantes ad alterum polum descendens, singulas harum tertiarum in v partire et invenisti lx sexagesimas spere. Sed priusquam circinum mittes, ad inveniendas sexagesimas quadrantes equinoctialis circuli sexagesimarum in tria dividas sicut et partes paralellorum divisisti. Si autem et singulos gradus solis desideres scire, harum quintarum singulas in sex divide. Igitur his ita inventis, excipe quintas de gradibus solis in excellentioribus lineis. Insuper et hoc in memoria teneatur, quod eedem sexagesime quinte et sexqui(99r) pertita intervalla vocantur, de sex gradibus, quo se complectuntur. Tunc a quolibet et per sexagesimas parciens in sexta circulum arcticum circumducas et ad inveniendum antarticum similiter facias. Deinde ad quemlibet tropicum inveniendum per v sexagesimas ab arctico et ab antartico partire et zonas tropicorum circumducito. Circuli vel zone dicuntur paralelle id est eque distantes circuli, quia per quot quintas arcticus, per totidem est et antarticus inventus, per quot tropicus hiemalis, per totidem tropicus estivus. Post hec quemlibet duorum colurorum velis, habe pro solstitiali, in quo solsticia sunt, alium pro equinoctiali, id est in quo duo equinoctia sunt. 42 Die Hinweise auf die Oxforder und Rostocker Handschriften verdanke ich Philipp Nothaft.
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[Randnotiz in S bemerkt Auslassung: „Hic forsitan aliquid deest. Commendat enim equinoctialem de quo nihil dixerat“] Ecce primus et principalium principalis altissimus et mediterraneus, id est in meditullio terre positus, ille famosus et omnibus pene phylosophis ammirabilis mundi status, in omnibus hic solus equalis, semper inaccessibilis ac ideo omni humana cultura inhabitabilis, quod in media perusta zona positus sit. Solus hic neque ad dexteram neque ad sinistram vere nusquam inclinatur et (99v) ex eo quod per omnia equaliter est statutus, omni tempore anni equales dies noctesque, scilicet perpetuum equinoctium habere manifestatur. In hoc polus uterque libratur equaliter, quod in aliis minime invenitur. Hic non per numerum, ut arithmetica testatur, sed in ipsa rerum machina mirum in modum deprehenditur, quomodo omnis inequalitas ab equalitate procedat et recedat. Übersetzung: Zunächst ist bei der Sphaera zu beachten, dass sie von allen Seiten gleichmäßig rund sein soll, dann wird ein Fuß des Zirkels an einem beliebigen Punkt fixiert. Wir sind nämlich gewohnt, diesen an jenem Ort einzustechen, um den auch der kunstfertige Drechsler herumdreht, als wolle er eben diesen Punkt vorherbilden oder zeigen, wenn er beginnt, eine Kugel zu gestalten. Der andere Fuß des Zirkels wird so weit geöffnet, bis es dem Abmessenden erscheint, dass er die Hälfte der Sphäre umfasst. Dann soll ein Kreis gezogen werden. Danach wird der Zirkel mit gleicher Breite an einem anderen Punkt, der dem ersten gegenüberliegt [also auf der anderen Seite der Kugel, Anm. d. V.], eingestochen, bis der andere Fuß des Zirkels dem bereits gemachten Kreis entspricht oder ihn gleichmäßig überschreitet oder gleichmäßig darin bleibt [den bereits gezogenen Kreis also nicht schneidet]. Wenn der Fuß des Zirkels konstant und zuverlässig dem Pfad des gleichen Kreises folgt, hast du sehr einfach den Äquinoktialkreis gefunden. Wenn er aber von diesem Kreis abweicht, entweder, weil ein größerer oder kleinerer Kreis gezogen wurde, dann ergibt die Mitte zwischen den Kreisen den Äquinoktialkreis. Nachdem dies so gefunden worden ist, ist [die Sphaera] in zwei ‚Koluren‘ zu teilen, die nach ihrer Unvollständigkeit benannt worden sind. So ist der Körper der ganzen Sphäre in vier Quadranten geteilt. Und wenn du die 60 Sechzigstel der ganzen Sphaera sehr einfach finden willst, teile die einzelnen Quadranten in drei. Indem du bei irgendeinem beliebigen Pol beginnst und durch die Koluren bis zum Äquinoktialkreis hochgehst und von diesem wieder durch die Koluren zum anderen Pol heruntergehst und die Quadranten jeweils in drei Teilst teilst, und diese einzelnen Drittel wiedrum in fünf Teile geteilt hast, hast du die 60 Sechzigstel der Sphäre gefunden. Aber bevor Du den Zirkel entsendest, um die Sechzigstel zu finden, teile die Viertel des Äquinoktialkreises in drei, so wie Du auch die Teile der Parallelkreise geteilt hast. Wenn du aber auch den einzelnen Grad der Sonne kennen willst, teile die einzelnen von diesen Fünftel in sechs [kleine Teile]. Wenn Du diese so gefunden hast, zeichne jeweils die Fünftel der Sonnengrade mit aufälligeren Linien besonders aus. Behalte außerdem im Gedächtnis, dass die sechzig Fünftel auch sechsgeteilte Abstände genannt werden, aus den sechs Graden, die sie umfassen. Dann ziehe den nördlichen Polarkreis durch das sechste Sechzistel und
anhang
mache das gleiche, um den südlichen Polarkreis zu ziehen. Um dann beliebige Tropen zu finden, gehe vom nördlichen und südlichen Polarkreis fünf Sechzigstel aus und ziehe dort die Zonen der Tropen. Die Kreise oder Zonen werden parallel genannt – das heißt gleich entfernt von einem Kreis – weil der nördliche Polarkreis durch genauso viele Fünftel gefunden wird, wie der südliche Polarkreis, und der Winterwendekreis durch genauso viele Fünftel, wie der Sommerwendekreis gefunden wird. Geht es Dir danach um die Großkreise (Koluren), welchen der beiden du auch immer willst, so handhabe den als Solstitialkolur, auf dem die Punkte der Sonnenwenden liegen, und als Äquinoktialkolur den, auf dem Frühlings- und Herbstpunkt liegen. [Hier offenbar Auslassung und Abhandlung zum Äquator] Und siehe: der erste und vornehmste, höchste und mitten in der Erde – das bedeutet in der Mitte der Erde – gelegene, jener berühmte und von allen Philosophen bewunderte mundi status, in Allem gleichbleibend, immer unzugänglich und von jeder menschlichen Kultur unbewohnbar, weil er in der mittleren verbrannten Region gelegen ist. Allein dieser beugt sich niemals, weder nach rechts oder links, weil er durch alle Dinge gleichmäßig begründet ist, und deswegen sind dort Tag und Nacht zu allen Jahreszeiten gleichlang, das bedeutet, dass dort eine immerwährende Tagundnachtgleiche herrscht. An diesem Ort sind beide Pole gleichweit entfernt, was an den anderen Orten nicht der Fall ist. Hier wird nicht wie in der Arithmetik durch Zahlen, sondern in der ‚Weltmaschine‘ selbst, auf staunenswerte Weise erfassbar, wie jedwede Ungleichheit von Gleichheit ausgeht und wieder zu ihr zurückkehrt.
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Tabellen
GW SW
Kosmoswissen
IW
PW
EW
Kategorie
Autor
Titel
Beda Calcidius Honorius Hyginus Isidor Isidor Macrobius Martianus Capella Plinius Wilhelm von Conches Beda Gerland Helpericus Hermann von Reichenau al-Chwārizmī/ Māšā’a llāh Hrabanus Maurus Wichram Hermann von Reichenau (et al.) Vitruv Aethicus Alkuin Ambrosius Angelomus von Luxeuil Arno von Reichersberg Augustinus Augustinus Basilius Beda Boethius Cassiodor Honorius Honorius Honorius Hugo von St. Viktor Hugo von St. Viktor Hugo von St. Viktor Hugo von St. Viktor Johannes Scot. Eriugena Origenes Remigius von Auxerre Rupert von Deutz
De natura rerum Timaeus De imago mundi De astronomia De natura rerum Etymologiae In somnium Scipionis De nuptiis Naturalis historia Philosophia mundi DTR/DT Computus De computo Computistica LYA/TT/LR De computo De computo Astrolabica De architectura Cosmographia IRG Hexaemeron In Genesim Hexaemeron De genesi ad litteram De Genesi contra Manichaeos Hexaemeron Hexameron Consolatio philosophiae Institutiones Clavis physice Elucidarius De neocosmo De sacramentis christianae fidei Didascalicon Dialogus de creatione mundi De tribus diebus Periphyseon Homilien zur Genesis Expositiones super genesim De operibus
anhang Tabelle A.1. In den Bibliothekskatalogen verzeichnete Texte des Kosmoswissens. Die Tabelle verzeichnet das in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen des Südostens gefundene Kosmoswissen anhand der identifizierten Texte und Autoren, differenziert nach der jeweiligen Kategorie von Kosmoswissen. Abkürzungen: Abgekürzte Kategorien: EW (= Epistemisches Wissen), IW (= Instrumentelles Wissen), GW (= Gerätewissen). Abgekürzte Werke: DTR (= De temporum ratione), DT (= De temporibus), LYA (= Liber ysagogarum Alchoarismi), TT (= Toledaner Tafeln) LR (= Liber receptionis), IRG (= Interrogationibus et responsoribus in Genesim).
Text
MBK
Computus
40
Genesiskommentar
13
Weltkarte
6
Text zu den Artes liberales
2
Text zur Astronomie
2
Glossar
1
Kommentar zu Macrobius
1
Text zum Astrolab
1
Text zur Kosmologie
1
Text zur Kosmologie oder Medizin
1
Tabelle A.2. Anonym in den Bibliothekskatalogen verzeichnete Wissensbestände. Die Tabelle verzeichnet die anonym und nicht näher zu identifizierenden Bestände des Kosmoswissens nebst Angabe der Anzahl ihrer Nennungen in den Katalogen des Südostens.
333
Institution
Augsburg (Dom)
Augsburg (St. Stephan)
Augsburg (St. U. & A.)
Bamberg (Dom)
Bamberg (Michelsberg)
Baumgartenberg
Benediktbeuern
Bibereck
Blaubeuren
Ebersberg
Nr
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
4
3
63
157
427
126
13
9
8
8
3
24
50
Ben.
Ben.
29
49
35
35
37
Pfarr. 4
Ben.
Zis.
Ben.
Dom
Ben.
Stift
Dom
Zghr. GB
2
4
2
3
1
0
0
0
6
12
26
9
0
1
0
0
0
0
0
KW
TV?
GV?
TV
TV
TV
GV
TV
TV
GV?
TV?
TV?
GV
TV
TV
TV
TV
TV
TV
TV
Art
1200
1127
1100
1000
1130
1172
1096
1063–1075
Datierung
1172–1201
Katalog der Stiftsbibliothek unter Abt Azelinus (1085–1101) Bücherverzeichnis des 12. Jahrhunderts
Liste der von Bruder Hugo gestifteten Bücher
74 (4,2)
6 (1)
1085–1102 12ex
5 (1)
4 (1)
3 (1)
83a (4,2)
22 (3,2)
21 (3,2)
1 (5Ö)
Nr. 91 (3,3)
Nr. 90 (3,3)
Nr. 86 (3,3)
Nr. 84 (3,3)
Nr. 83 (3,3)
Nr. 82 (3,3)
17 (3,2)
16 (3,2)
3 (3,2)
2 (3,2)
Sigle
11
Bücher der Pfarrkirche Bibereck bei der Investitur des 842 Vogtes Pilgrim Verzeichnis der von Azelinus 1085 mitgebrachten 1085–1101 und […] geschriebenen Bücher Liste der unter Azelinus geschriebenen Bücher 1085–1102
Verzeichnis der Klosterbibliothek, Anfang des 13. 13in Jahrhunderts Verzeichnis der von Abt Ellinger aus Tegernsee 1031 mitgebrachten Bücher Schatz- und Bücherverzeichnis unter Abt Gothelm 1052 1052
Ruotgers Bücherliste 1172–1201
Bericht des Priors Burchard über die Bibliothek […] 1112–1147
Bücherverzeichnis um 1200
Bücher des Domschatzes 1127
Bücherverzeichnis um 1100
Bücherverzeichnis Kaiser Ottos III. um 1000
Schenkung Werinhers um 1130
Schenkung des Pfarrers Theoderich
Schatzverzeichnis der Domkirche
Bücherverzeichnis des Bischofs Embrico
Katalog
334 a n ha n g
Institution
Freising (Dom)
Füssen
Göttweig
Heiligenkreuz
Klosterneuburg
Kremsmünster
Lambach
Maria Wörth
Mauern
Mondsee
Nr
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
64
53
8
51
12
4
3
7
4
16
86
43
62
85
24
Ben.
12
Pfarr. 5
Pfarr. 33
Ben.
Ben.
Chor. 15
Zis.
Ben.
Ben.
Dom
Zghr. GB
0
0
1
2
1
3
8
0
0
4
11
0
2
0
1
0
0
0
1
KW
TV
GV
GV
GV?
TV
TV
TV
TV
TV
GV?
TV
TV
TV
TV
TV
TV
TV
TV
TV
Art
Ausleihverzeichnis, letztes Viertel des 12. Jahrhunderts
Bücherverzeichnis des Abtes Sigmar, 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts Bücherverzeichnis des Abtes Gerhard, Mitte des 11. Jahrhunderts Zwei Verzeichnisse des Gotschalk von Lambach, um 1210 Bücher der Pfarrkirche Maria Wörth (Kärnten), frühes 11. Jahrhundert Bücher der Pfarrkirche Mauern
Verzeichnis vom Anfang des 13. Jahrhunderts
Die Schulbibliothek um das J. 1200
Verzeichnis des 12. Jahrhunderts
Katalog zwischen 1134 und 1147
Bücherschenkung des Bruders Heinrich, 12. Jahrh.
Katalog um 1114
Schatzverzeichnis Ende des 11. Jahrhunderts
Ausleihliste, frühes 13. Jahrhundert
Ausleihliste, 12. Jahrhundert
Ausleihliste, späteres 11. Jahrhundert
Schenkung des Priesters Egino
Teilverzeichnis mit Schulbüchern, späteres 10. Jahrhundert Schenkung des Priesters Waldperth in Pfettrach
Katalog
12ex
899
11
1210
11med
11in
13in
1200
12
1134–1147
12
1114
11
13
12
11ex
842
828
10ex
Datierung
16 (5Ö)
84 (4,2)
85 (4,2)
14 (5Ö)
6 (5Ö)
5 (5Ö)
12 (1Ö)
14 (1Ö)
11 (1Ö)
6 (1Ö)
3 (1Ö)
2 (1Ö)
31 (3,2)
78 (4,2)
77 (4,2)
76 (4,2)
82b (4,2)
82a (4,2)
75 (4,2)
Sigle
anhang 335
Institution
Oberaltaich
Passau (Dom)
Passau (St. Nikola)
Regensburg (Prüfening)
Regensburg (Prüll)
Regensburg (St. Emme.)
Salzburg (Dom)
Salzburg (St. Peter)
Schäftlarn
Schöntal
St. Florian
Nr
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
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50
51
52
53
54
55
56
28
50
5
259
28
16
16
77
157
11
96
164
174
9
2
Chor. 8
Zis.
Präm. 31
Ben.
Dom
Ben.
Ben.
Ben.
Chor. 112
Dom
Ben.
Zghr. GB
1
0
0
0
0
15
1
0
0
3
6
0
9
13
13
0
5
0
KW
TV
TV
TV
TV
TV
GV
GV
TV
TV
TV
GV
GV
GV
GV
GV
GV
TV
GV
Art
1165
1146–1165
12med
903
vor 1115
Datierung
1153–1160
12
12
12ex
vor 990
1162–1163
bis 993
vor 993
864–891
Bücherschenkung des Priesters Arbo von 1160–1162 Hebertshausen, ca. 1160–1162 Liste der Bücher, die Heinricus mitgebracht hat, Ende 12ex des 12. Jahrhunderts Ausleihverzeichnis, Anfang des 13. Jahrhunderts 13in
Bücherverzeichnis, Mitte des 12. Jahrhunderts
Ausleihverzeichnis des 12. Jahrhunderts
Bücherverzeichnis der Dombibliothek, Ende des 12. Jahrhunderts Katalog des 12. Jahrhunderts
Zuwachsverzeichnis von Bibliothek […] unter Abt Ramwold […] und Nachträge Bücherschenkung des Abtes Gotfrid von Prüfening (1162–1163) Bücher Perharts, vor 990
Übergabe von Gütern und Kirchenbesitz […] zugunsten von St. Emmeram ‘Adbreviatio librorum’ des Abtes Ramwold
Bibliothekskatalog aus der Mitte des 12. Jahrhunderts nach 1144
Bibliothekskatalog aus dem Jahre 1165
Bibliothekskatalog aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts Tauschvertrag zwischen Bischof Burchard von Passau und Chorbischof Madalwin Bücherverzeichnisse aus der Mitte des 12. Jahrhunderts Bibliothekskatalog aus der Mitte des 12. Jahrhunderts
Katalog
22 (5Ö)
123 (4,2)
104 (4,2)
103 (4,2)
14 (4Ö)
13 (4Ö)
5 (4Ö)
4 (4Ö)
28 (4,1)
26 (4,1)
25 (4,1)
24 (4,1)
39 (4,1)
41 (4,1)
40 (4,1)
11 (4,1)
5 (4,1)
17 (4,1)
Sigle
3 36 a n ha n g
Institution
St. Lambrecht
Staffelsee
Tegernsee
Thankirchen
Vorau
Weihenstephan
Weltenburg
Wessobrunn
Windberg
Würzburg (Dom)
Nr
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
8
4
33
16
70
5
147
70
25
41
26
24
58
41
Dom
36
Präm. 103
Ben.
Ben.
Ben.
Chor. 28
Pfarr. 20
Ben.
Ben.
Ben.
Zghr. GB
0
3
12
2
0
0
0
0
4
3
0
1
2
0
4
0
3
3
KW
TV?
GV
TV?
TV?
TV
TV
TV
TV
GV
GV?
TV
GV
TV
TV
TV
GV
GV?
TV
Art
vor 1186
12
11ex
810
1200
12
Datierung
11ex
vor 1000
11ex
1200
Verzeichnis der nach dem Brande (um 1221) vorgefundenen Bücher Verzeichnis der Bibliothek unter Abt Gerhard (1141–1191) Katalog der Dombibliothek
800
nach 1165
1221
Verzeichnisse der von Diemot geschriebenen Bücher 12 (A) Verzeichnisse der von Diemot geschriebenen Bücher 12 (B) Bücherverzeichnis um 1180 1180
Bücherverzeichnis Ende des 11. Jahrhunderts
Bücher- und Schatzverzeichnis aus der Zeit vor 1000
Bücherverzeichnis, spätes 11. Jahrhundert
Verzeichnis von 1200
Bücher der Pfarrkirche Thankirchen bei der Investitur 855 des Chorbischofs Herolf Die Bücherliste des Goppoldus, 12. Jahrhundert 12
Briefsammlung des 12. Jahrhundert (Brief 230)
Bücherschenkung des Reginfred, 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts Ausleihliste, 12. Jahrhundert
Bücherverzeichnis von Staffelsee um 810
Verzeichnis aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Verzeichnis um ca 1200
Katalog
126 (4,2)
63 (4,1)
63 (3,1)
62 (3,1)
61 (3,1)
60 (3,1)
59 (3,1)
61 (4,1)
87 (4,2)
17 (3Ö)
16 (3Ö)
230 (MGHep8) 83b (4,2)
108 (4,2)
107 (4,2)
54 (3,2)
12 (3Ö)
11 (3Ö)
Sigle
anhang 337
Würzburg (Neumünst.)
Zwettl
75
76
77
78
79
80
81
82
3
6
222
7
8
Zis. 20
48
Chor. 136
Zghr. GB
3
2
14
0
0
9
0
0
KW
TV
TV
GV
TV
TV
GV
TV
Art
1000
850
830/840
Datierung
Bücherliste aus den ersten Jahrzenten des 13. Jahrhunderts
Bücherliste vom Ende des 12. Jahrhundert
Schatz- und Bücherverzeichnis
Schenkung des Electus Gottfried von Hohenlohe
13in
12ex
1233
1197
Schenkung des Scholastikus Johannes, etwa 1176–1179 1176–1179
Katalog der Dombibliothek
Bücherliste, etwa 850
Domschatzverzeichnis um 830/840
Katalog
74 (1Ö)
72 (1Ö)
134 (4,2)
131 (4,2)
130 (4,2)
129 (4,2)
128 (4,2)
127 (4,2)
Sigle
Tabelle A.3. Die mittelalterlichen Bibliothekskataloge des Südostens bis etwa 1225. Die Tabelle verzeichnet die mittelalterlichen Bibliothekskataloge des Südostens bis ca. 1225 aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Bibliotheken. Spalte 3 (Zghr.) gibt die institutionelle Zugehörigkeit der Institutionen an (Ben. = Benediktiner, Chor. = Chorherren, Dom = Kathedrale, Pfarr. = Pfarrkirche, Präm. = Prämonstratenser, Zis. = Zisterzienser), Spalte 4 (GB) gibt den Gesamtbestand der im jeweiligen Katalog verzeichneten Bibliothek an, Spalte 5 (KW) Bestände des Kosmoswissens. Spalte 6 (Art) charakterisiert den Katalog (GV = Gesamtverzeichnis, TV = Teilverzeichnis). Die Spalten 7 und 8 geben Bezeichnung und Datierung der Kataloge nach den MBK(Ö), Spalte 9 die dortigen Siglen.
Institution
Nr
338 a n ha n g
I. Compotum I. Ipacta (642)
Marcianum (626) Anonym Boethius Martianus Capella Anonym Anonym
compotus cum cyclo pleno (25)
Libros Martiani Minei Felicis Capelle pleniter in VII liberales artes (26)
explanatio in genesis (26)
expositio in genesis (26) Anonym Beda Martianus Capella
III compoti (148)
Beda I de temporibus (148)
Marcianus de nuptiis Philologiae (148)
Unbekannt Anonym Martianus Capella
Liber Diomedis ad adthanasium de VII liberalibus artibus (146)
Marcianus de astrologia, aritmetica, musica (146)
Isidor
Isidori de natura rerum (145)
De creatione vel super Matheum (146)
Origenes Anonym
Omeliae Origenis super geneseos (144)
De compoto XVII libri (145)
Regensburg (St. Emmeram), Nr. 46
Martianus Capella
Anonym
opus Boecii de consolatione Philosophie bene glosatum (26)
Regensburg (St. Emmeram), Nr. 47
Passau (Dom), Nr. 40
Freising (Dom), Nr. 20
10. Jahrhundert
Thankirchen, Nr. 63
9. Jahrhundert
De nuptiis
Genesiskommentar
Unbekannt
De natura rerum
Computus
Homilien zur Genesis
De nuptiis
DTR/DT
Computus
Genesiskommentar
Genesiskommentar
De nuptiis
Consolatio philosophiae
Computus
De nuptiis
Computus
EW
SW
Unbekannt
EW
IW
SW
EW
IW
IW
SW
SW
EW
SW
IW
EW
IW
anhang 339
Isidor
Ysidorus de ethimologiis (988)
Plinius unus (340)
In somnium Scipionis
Isidor Macrobius Helpericus
Isidorum sententiarum atque eundem ethimologiarum (20)
Macrobium (20)
Elbericum calculatorium artis, sanctigallensem monachum (21)
Boethius Helpericus Macrobius
Boetii consolationum liber (19)
Albericus (19)
Macrobius (19)
Boethius Anonym
Boetii consolationum liber (19)
Regulae computi (20)
Blaubeuren, Nr. 17
Computus
Consolatio philosophiae
In somnium Scipionis
De computo
Consolatio philosophiae
De computo
Etymologiae
Augustinus
De genesi ad litteram
Naturalis historia
Etymologiae
De computo
DTR/DT
Institutiones
Augustinus parvum super genesin ad litteram (20)
Blaubeuren, Nr. 16
Blaubeuren, Nr. 18
Plinius
Beda Hrabanus Maurus
Beda de temporibus et computatione (986)
Cassiodor
Cassiodori liber institutionum (986)
Liber Rabani de computatione (986)
Origenes
Hieronimi: Orienis Omelias XV (985)
Isidori itemm exameron (985)
De Genesi contra Manichaeos Homilien zur Genesis
Augustinus
Hexaemeron De genesi ad litteram
Ambrosius Augustinus
Ambrosii exmeron (985)
Augustini in uni volumine, XII libri ad litteram continentur, eiusdem contra Manichaeos, II libri de genesi (985)
Bamberg (Dom), Nr. 6
Würzburg (Dom), Nr. 77
11. Jahrhundert SW
IW
SW
EW
IW
SW
IW
EW
EW
SW
EW
EW
IW
IW
EW
SW
SW
SW
340 a n ha n g
Isidorum etimologiarum (18) ? ?
super astronomiam et musicam (118)
Anonym Anonym
B: expositionem genesis (33)
exameron (33)
Exameron (34)
Expositio super genesim (643)
Anonym
Duas mappas mundi (751)
Martianus Capella Beda Anonym
De nuptiis Philologie et Mercurii cum commento (650)
Beda compotista (650)
Mappa mundi (650)
Hyginus
Yginus super spera (650)
Weltkarte
DTR/DT
De nuptiis
De astronomia
Weltkarte
Computus
De nuptiis
Martianus Capella Anonym
Librum Martiani (750)
Timaeus
Genesiskommentar
Genesiskommentar
Genesiskommentar
Genesiskommentar
Genesiskommentar
?
?
Etymologiae
Calcidius
Anonym
Librum de computo (750)
Librum Platonis cum Calcidio (750)
Weihenstephan, Nr. 66
Tegernsee, Nr. 60
Maria Wörth, Nr. 36
Anonym
Anonym
A: expositio super genesim (33)
Kremsmünster, Nr. 34
Isidor
Walfridus in exameron (118)
Kremsmünster, Nr. 33
Füssen, Nr. 26
Blaubeuren, Nr. 15
EW
IW
EW
EW
EW
IW
EW
EW
SW
SW
SW
SW
SW
EW
anhang 341
Martianus Capella Johannes Scot. Eriugena Isidor Solinus
Marcianus Felix Capella (343)
Isidorus de astris caeli (343)
Julius Solinus (343)
Vitruv
Liber de architectura (343)
Liber III periphision (343)
Solinus Calcidius
Solinus de situ orbis terrarum et de singulis mirabilibus (343)
Martianus Capella
Marciani Memii Felicis Capelle (343)
Calcidius (343)
Plinius
Plinius (343)
Anonym Anonym Boethius Unbekannt
Item alius liber de compoto (359)
Figure in compotum (359)
Boecium unus de consolacione (359)
Glosarius distinctus per alfabetum, de figuris nunerorum, de anno et partibus eius in uno volumine (359)
Hexaemeron
Basilius Hrabanus Maurus
Isidor
Ysidorus ethimologiarum (359)
Basilius in genesim (359)
Unbekannt
Glose super Macrobium et erithmeticam in uno volumine (358)
Liber Rhabani de compoto (359)
Etymologiae
Macrobius
Macrobii duo (358)
EW
SW
SW
SW
EW
SW
EW
GW
EW
SW
EW
EW
Glossar
Consolatio philosophiae
Computus
Computus
De computo
SW
SW
IW
IW
IW
SW
EW
Kommentar zu Macrobius EW
De Genesi contra Manichaeos In somnium Scipionis
Augustinus Augustinus
Augustinus ad litteram super genesim (357)
De genesi ad litteram
De mirabilibus mundi
De natura rerum
Periphyseon
De nuptiis
De architectura
Timaeus
De mirabilibus mundi
De nuptiis
Naturalis historia
Augustinus de operibus septem dierum (357)
Bamberg (Michelsberg), Nr. 9
Bamberg (Dom), Nr. 8
12. Jahrhundert
342 a n ha n g
In somnium Scipionis
Macrobius
Anonym
Mappae mundi III. (367)
Timaeus
Calcidius Unbekannt
Timaeus Platonis (367)
Liber Sarracenus de mathematica (367)
In somnium Scipionis
Macrobius
Item Macrovius semiscriptus (367)
De astronomia
Liber ysagogarum Alchoarismi Weltkarte
In somnium Scipionis
Hyginus Macrobius
Higinus in astroniam. Macrovius in eodem volumine (367)
Item Macrovius (367)
Martianus Capella
Martiani III. (367)
De nuptiis
Homilien zur Genesis Timaeus
Origenes Calcidius
Origines super genesim et exodum (364)
Plato et Macrobius in uno volumine (365)
Bamberg (Michelsberg), Nr. 10
Timaeus In somnium Scipionis
Calcidius
Plato et Macrobius in uno volumine (362)
Homilien zur Genesis
Macrobius
Origenes
Origines super genesim et exodum (361)
Text zum Astrolab
Horologium viatorum
De mensura astrolabii
Hermann von Reichenau Hermann von Reichenau
Computus Regulae in computum
Anonym Hermann von Reichenau
Figure compoti (360)
Compotus Hermanni et mensura astrolabii (360)
Unbekannt
Computus Regulae in computum
Anonym Hermann von Reichenau
Regule de compoto (360)
Compotus Hermanni cum regulis ipsius in abacum (360)
Regule de abaco, medicine, mensura horologii in uno volumine (360)
De mensura astrolabii
Hermann von Reichenau
Regule super astrolabium (360)
Regulae in computum
Hermann von Reichenau
Compotus Hermanni et mensura astrolabii in uno volumine (360)
EW
EW
EW
EW
EW
EW
EW
EW
EW
SW
EW
EW
SW
GW
GW
GW
IW
IW
IW
IW
GW
IW
anhang 343
Honorius
Honorius de imagine mundi (616)
Yginum (627)
Anonym Unbekannt
Martyrilogium, in quo diverse pagine computi (12)
Anonym Anonym
Computus Dyonisii grece, in quo abacus et mappa mundi (12)
Rodale, in quo VII liberales artes depicte (12)
Computus Weltkarte
Martianus Capella
Excerpta de Martiano (12)
Timaeus
EW
IW
EW
IW
EW
IW
EW
EW
SW
SW
SW
EW
EW
EW
IW
IW
SW
SW
Text zu den Artes liberales SW
Computus
De nuptiis
Computus
Calcidius Gerland
Thimeus Platonis (12)
Abacus Gerlandi (12)
De imago mundi
De neocosmo
Honorius Honorius
Neocosmus de VI primis diebus (11)
Honorius
Elucidarium bene correctum (11)
Imago mundi, in quo totus mundus describitur (12)
Elucidarius
Honorius
Clavis physice
De astronomia
De imago mundi
Etymologiae
DTR/DT
Clavis phisice, scilicet de perifision excerptus (11)
Göttweig, Nr. 28
Hyginus
Isidor
Ysidorus ethimologiarum (616)
Freising (Dom), Nr. 4
Ebersberg, Nr. 19
Beda
Beda de temporibus II. (368)
De computo
De mirabilibus mundi
Solinus Helpericus
Solini II. (367)
Helberici II. (367)
Naturalis historia Periphyseon
Plinius Johannes Scot. Eriugena
Plinius de naturalis historia (367)
Perifeseon II. (367)
344 a n ha n g
Origenes Hugo von St. Viktor Honorius
Liber omeliarum eius [Origines] in genesim (21)
Item III libri Hugonis de sacramentis (21)
Item Lucidarius (21)
Augustinus
Idem super genesim ad figuram contra Manicheos (20)
Etymologiae Etymologiae
Augustinus Alkuin Origenes Isidor
Augustinus super genesim ad litteram (424)
questiones eius in genesim (424)
Origenes super genesim et exodum et leviticum in 1° volumine (425)
Ysydorus ethymologie (425)
Didascalicon
Honorius Honorius Hugo von St. Viktor Hugo von St. Viktor
Honorii liber, qui dicitur elucidarius (426)
Honorius de imagine mundi (426)
Dydascalicon Hugonis (426)
Hugo de creatione mundi, de decalogo legis, de operibus trium dierum (426)
Hugo von St. Viktor
De imago mundi
Rupert von Deutz
Routpertus super genesim (425)
Dialogus de creatione mundi De tribus diebus
Liber Genesis (De operibus) Elucidarius
DTR/DT
Isidor Beda
Libellus excerptus de libro ethymologiarum eiusdem (425)
Beda de natura rerum et de temporibus in 1° volumine (425)
Interrog. et resp. in Genesim Homilien zur Genesis
De genesi ad litteram
Ambrosius
Hexaemeron
De sacramentis christianae fidei Elucidarius
De Genesi contra Manichaeos Homilien zur Genesis
Ambrosius in exameron et Ambrosius de paradyso in uno volumine (423)
Regensburg (Prüfening), Nr. 43
Heiligenkreuz, Nr. 29
SW
SW
SW
EW
SW
SW
IW
EW
EW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
anhang 345
Etymologiae
De computo De imago mundi
Helpericus Wichram Honorius Hugo von St. Viktor
Compotus Alberici et Wierammi (420)
Liber Honorii inclusi de imagine mundi (420)
Item Hugo de mundi creatione et de tabernaculo, de operibus trium dierum, et in ecclesiasten libri VIII in uno volumine (420)
De imago mundi Elucidarius
Honorius Honorius Beda
Honorius de ymagine mundi (402)
Elucidarius (402)
Liber Bede de natura rerum (402)
DTR/DT
De natura rerum
Etymologiae
Beda Isidor
Pars ethymologiarum Ysidori episcopi (402)
Hexameron
Beda
Item grandiusculus liber, in quo continentur explanacio sex dierum et exameron Bede et liber questionum super octateucum ex dictis diversorum patrum collectus (401) Ipse de temporibus (402)
De nuptiis Genesiskommentar
Martianus Capella
Marcianus philosophus (420)
Elucidarium
Philosophia mundi
Dialogus de creatione mundi De tribus diebus
Anonym
Wilhelm von Conches Honorius
Willehalmus de phylosophia (420)
Elucidarium (420)
Hugo von St. Viktor
Liber Genesis (De operibus) De computo
Rupert von Deutz
Routpertus super genesim libri novem (419)
Homilien zur Genesis
Isidor Origenes
Item libellus excerptus de libro ethimologiarum eiusdem (419)
Beda
Interrog. et resp. in Genesim DTR/DT
Alkuin
Item omelie super genesim et exodum et leviticum in uno volumine (418)
et questiones eiusdem [Albini] in genesim ad litteram per interrogationes et responsiones (418) Item de temporibus (418)
Regensburg (Prüll), Nr. 44
Regensburg (Prüfening), Nr. 42
EW
SW
EW
EW
IW
SW
SW
EW
SW
EW
SW
SW
EW
IW
IW
SW
SW
EW
IW
SW
346 a n ha n g
Exameron Ambrosii (20)
Text zur Astronomie
De imago mundi
Calcidius Calcidius Unbekannt
Plato (72)
Plato (72)
Alchorismus (72)
Martianus Capella Isidor
Marcianus et commentum super ipsum (72)
Ysidorus ethimologiarum (72)
Hermann von Reichenau
Heremannus Contractus super astrolabium (72)
De computo
Wichram Boethius
Compotus Gerlandi (71)
Compotus Wicberti (71)
Computus
Gerland
Solinus (71)
Anonym Boethius
Expositio super genesim (82)
Liber de consolatione phylosophie (82)
Consolatio philosophiae
Genesiskommentar
Liber ysagogarum Alchoarismi
Timaeus
Timaeus
Etymologiae
De nuptiis
De mensura astrolabii
Consolatio philosophiae
De mirabilibus mundi
Unbekannt Solinus
Duo volumina de operibus VI dierum cum interrogationibus et responsionibus suis (70) Libellus de astronomia (70)
Cosmographia
Honorius Aethicus
In Genesim
Honorius de imagine mundi (69)
Boetius de consolatione (72)
SW
SW
SW
SW
SW
EW
EW
EW
EW
EW
GW
SW
IW
IW
SW
EW
SW
EW
SW
Exposition super genesim SW
Hexaemeron
De sacramentis christianae fidei Consolatio philosophiae
Cosmographia (70)
Remigius von Auxerre Angelomus von Luxeuil
Remigius super genesim (69)
Item Angeosmus diaconus super genesim (69)
St. Lambrecht, Nr. 57
Salzburg (St. Peter), Nr. 51
Ambrosius
Boethius
Boecii II, de phylosophica consolacione et glose (402)
Salzburg (Dom), Nr. 50
Hugo von St. Viktor
Hugo de sacramentis (402)
anhang 347
Rupert von Deutz Isidor Anonym
Ysidorus ethimoologiarum (84)
Expositio super genesim (84) Plinius
Plinium de naturali historia (261)
vel Ptolomeum de cosmographia (261) Boethius Anonym
Elucidarium (98)
Boetius consolationum (99)
Liber compoti (99) Macrobius Martianus Capella
Macrobius (185)
Martianus (185)
Genesiskommentar
Anonym Boethius
Boetius de consolatione et glose eius singillatim (581)
Augustinus Augustinus
Super genesim ad litteram (511)
Super genesim ad figuram contra Manicheos (511)
De Genesi contra Manichaeos
De genesi ad litteram
Consolatio philosophiae
Etymologiae
Isidor
De nuptiis
In somnium Scipionis
Computus
Consolatio philosophiae
Naturalis historia
Genesiskommentar
Liber Genesis (De operibus) Etymologiae
In somnium Scipionis
Subscripta vero VII volumina, hoc est Ysidorum ethimologiarum unum (580) Expositionem in genesim librum item unum (580)
Zwettl, Nr. 81
Windberg, Nr. 73
Wessobrunn, Nr. 71
Vorau, Nr. 65
Macrobius
Roudpertus super genesim (84)
Tegernsee, Nr. 62
St. Lambrecht, Nr. 58
Liber somnium Ciceronis Sciionis (82)
SW
SW
SW
SW
EW
EW
EW
IW
SW
EW
SW
EW
SW
EW
3 48 a n ha n g
Augustinus Remigius von Auxerre
Item Augustinus super genesim (95)
Item Rutbertus in genesim (95)
Honorius
Elucidarius (58)
Roudmar physicam (101)
Remigius von Auxerre
Remigius super genesim (57)
St. Florian, Nr. 56
EW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
SW
Elucidarius
SW
Exposition super genesim SW
De Genesi contra SW Manichaeos Exposition super genesim SW
Elucidarius
Clavis physice
Honorius Honorius
Claves phisice (94)
Hugo von St. Viktor
Didascalicon eiusdem (94)
Item elucidarius (95)
De sacramentis christianae fidei Didascalicon
Arno von Reichersberg Hugo von St. Viktor
Exameron Arnonis (94)
Hexaemeron
Consolatio philosophiae
Idem de sacramentis christiane fidei (94)
Exameron eiusdem (94)
Lambach, Nr. 35
Clavis physice De mirabilibus mundi
Hexaemeron
Boethius
Boetius consolationum glosatus (18)
De imago mundi De sacramentis christianae fidei Genesiskommentar
Ambrosius
Honorius Solinus
Liber qui scribitur clavis phisice in uno (18)
Anonym
Exameron (17)
Solinus (18)
Honorius Hugo von St. Viktor
Honorius de imago mundi (16)
Duo volumina Hugonis de sacramentis (17)
Klosterneuburg, Nr. 32
Baumgartenberg, Nr. 11
13. Jahrhundert
anhang 349
Etymologiae De computo
Isidor
Ethimoloya (186)
De mirabilibus mundi
Etymologiae Liber receptionis Astrolab
Isidor Māšā’a llāh ( Joh. Hisp.)
Ysidorus ethimoloiarum (187)
Liber Mesahelle secretorum astrorum (187)
Astrolabium (187)
Astrolab
Astrolabium (187)
De nuptiis
Sisebut Isidor
Epistola Ysidori Sisebuto (1001)
Ysidorus Ethimoloiarum (1001)
Unbekannt Anonym
Algorismus (1001)
Libri VI de compoto diverso (1001)
Computus
Anonym Unbekannt
Kalendarii compoti (1001)
Liber magnus de natura mundi (1001)
Consolatio philosophiae
Boethius
Boetius de consolatione quatuor (1001)
Liber ysagogarum Alchoarismi Computus
Text zur Kosmologie
De nuptiis
Martianus Capella Martianus Capella
Martcianus prosaicus et alter metricus (1001)
Item Marcianus de nuptiis philosophiae et Mercurii (1001)
Epistola Sisebuto Etymologiae
Ambrosius
Liber exameron incipiens a genesi (1000)
Hexaemeron
De nuptiis
Helpericus Martianus Capella
Helphericus de arte calculatorum (187)
Liber de nuptiis Mercurii et Philologie (187)
Elucidarius
Solinus Honorius
Phisica Juii Solini (186)
Hexaemeron
De natura rerum
De mirabilibus mundi
Elucidarius (186)
Beda Ambrosius
Beda de naturis rerum (186)
Exameron Ambrosii (186)
Solinus
Solinus (186)
Würzburg (Neumünster), Nr. 80
Wessobrunn, Nr. 72
IW
EW
EW
IW
SW
EW
EW
EW
EW
SW
GW
EW
EW
GW
EW
IW
EW
SW
SW
SW
EW
SW
3 50 a n ha n g
Unbekannt Unbekannt Macrobius
Liber de motibus firmamenti (1001)
Liber antiquus de VII liberalibus artibus (1002)
Macrobius de re publica (1002) Augustinus Augustinus Honorius
In genesim ad litteram libri XII in uno volumine (515)
In genesim contra Manicheos libri duo (516)
Honorius de imagine mundi (516)
EW
EW
De Genesi contra Manichaeos De imago mundi
De genesi ad litteram
In somnium Scipionis
EW
SW
SW
EW
Text zu den Artes liberales SW
Text zu Kosmologie oder Medizin Text zur Astronomie
Tabelle A.4. KW in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen des Südostens. Die Tabelle verzeichnet das Kosmoswissen (KW) der Kataloge des Südostens, die jeweils mit ihrer Nummer aus Tabelle A.3 angegeben sind. Das KW wird mit Angabe der Seite in den MBK(Ö) in Klammern als Originaleintrag gegeben und dann nach Möglichkeit identifiziert und einer Unterkategorie des KW zugewiesen. Auflösung Kürzel: KW = Kosmoswissen, SW = Sekundäres Wissen, EW = Epistemisches Wissen, IW = Instrumentelles Wissen, GW = Gerätewissen.
Zwettl, Nr. 82
Unbekannt
Liber physicus (1001)
anhang 35 1
3 52
Seit Jh.
a n ha n g
Signatur
Wissensbestand
Wissen
Macrobius, Commentarii
EW
12
Cologny, FMB, MS 111 (ehemals Admont, SB, MS 582) Admont, SB, MS Cod. 111
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporum ratione
IW
12
Admont, SB, MS Cod. 278
Isidor, Etymologiae
EW
Admont 12
12
Admont, SB, MS Cod. 390
Martianus Capella, De nuptiis
EW
12
Admont, SB, MS Cod. 400
Honorius, Imago mundi
EW
Wilhelm v. Conches, Philosophia
EW
12
Admont, SB, MS Cod. 514
Macrobius, Commentarii
EW
Calcidius, Timaeus
EW
12
Chicago, NL, MS f. 11
Isidor, Etymologiae
EW
Hermann, Computistica
IW
Augsburg (St. Ulrich und Afra) 11
London, BL, MS Arundel 356
11
London, BL, MS Harley 2610
Calcidius, Timaeus
EW
12
Berlin, SPKB, MS Lat. qu. 202
Calcidius, Timaeus
EW
Bamberg (Dom) 11
Bamberg, SB, MS Class. 18
Calcidius, Timaeus
EW
11
Bamberg, SB, MS Class. 38
Macrobius, Commentarii
EW
11
Bamberg, SB, MS Class. 39
Martianus Capella, De nuptiis
EW
11
Bamberg, SB, MS Class. 42
Plinius, Naturalis historia (Auszüge)
EW
11
Bamberg, SB, MS Class. 55
Enzyklopädie
EW
11
Bamberg, SB, MS Class. 55
Macrobius, Commentarii
EW
11
Bamberg, SB, MS Class. 9
Martianus Capella, De nuptiis
EW
11
Bamberg, SB, MS Nat. 1
Isidor, De natura rerum
EW
11
Bamberg, SB, MS Patr. 101
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporibus
IW
11
Bamberg, SB, MS Patr. 61
Isidor, De natura rerum
EW
12
Bamberg, SB, MS Lit. 160
Helpericus, De computo
IW
Hermann, Computistica
IW
Hermann, Computistica
IW
Bamberg (Michelsberg) 11/12
Karlsruhe, BLB, MS 504
Astrolabica
GW
12
Nürnberg, GNM, MS 7062
Helpericus, De computo
IW
Isidor, De natura rerum
EW
Benediktbeuern 9
Basel, UB, MS Lat. F.III15k
anhang
35 3
Seit Jh.
Signatur
Wissensbestand
Wissen
9
München, BSB, MS Clm. 4541
Isidor, Etymologiae
EW
11
München, BSB, MS Clm. 4563
Helpericus, De computo
IW
11
München, BSB, MS Clm. 4612
Macrobius, Commentarii
EW
11/12
München, BSB, MS Clm. 4622
Helpericus, De computo
IW
München, BSB, MS Clm. 564
Wilhelm v. Conches, Philosophia
EW
Biburg 12
Freising (Dom) 9
Kremsmünster, SB, MS Frag. 1/20
Martianus Capella, De nuptiis (Frag.)
EW
9
München, BSB, MS Clm. 13084
Hyginus, De astronomia
EW
Enzyklopädie
EW
9
München, BSB, MS Clm. 6250
Isidor, Etymologiae
EW
10
München, BSB, MS Clm. 6364
Macrobius, Commentarii
EW
11
München, BSB, MS Clm. 29790(2
Beda, De temporibus (Frag.)
IW
11
München, BSB, MS Clm. 6362
Macrobius, Commentarii
EW
11
München, BSB, MS Clm. 6365
Calcidius, Timaeus
EW
11
München, BSB, MS Clm. 21557
Isidor, Etymologiae
EW
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporibus
IW
Beda, De temporum ratione
IW
Göttweig, SB, MS XII 46
Honorius, Imago mundi
EW
Honorius, Imago mundi
EW
Isidor, Etymologiae
EW
Göttweig 12
Heiligenkreuz 12
Wien, ÖNB, MS Cod. 539
Heilsbronn 12
Erlangen, UB, MS 186
Isidor, De natura rerum
EW
12
Erlangen, UB, MS 229
Wilhelm v. Conches, Philosophia
EW
Illmünster 11
Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 3101
Enzyklopädie
EW
Hermann, Computistica
IW
Astrolabica
GW
München, BSB, MS Clm. 7793
Honorius, Imago mundi
EW
München, BSB, MS Clm. 7974
Honorius, Imago mundi
EW
Indersdorf 12 Kaisheim 12
3 54
a n ha n g
Seit Jh.
Signatur
Wissensbestand
Wissen
London, BL, MS Arundel 339
Hyginus, De astronomia
EW
Kastl 12/13
Calcidius, Timaeus
EW
Enzyklopädie
EW
Klosterneuburg 12
Klosterneuburg, SB, MS Cod. 1051
Honorius, Imago mundi
EW
12/13
Klosterneuburg, SB, MS Cod. 685
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporibus
IW
Beda, De temporum ratione
IW
Enzyklopädie
EW
New Haven, BL, MS 482,54
Honorius, Imago mundi
EW
12
Melk, SB, MS Cod. 248
Honorius, Imago mundi
EW
12
Melk, SB, MS Cod. 348
Beda, De natura rerum
EW
12
Vatikan, BAV, MS Vat. lat. 643
Enzyklopädie
EW
Wien, ÖNB, MS Cod. 818
Honorius, Imago mundi
EW
Martianus Capella, De nuptiis
EW
Lambach 12 Melk
Mondsee 12
Passau (St. Nikola) 11
München, BSB, MS Clm. 29362(1
12/13
München, BSB, MS Clm. 16103
Honorius, Imago mundi
EW
Wilhelm v. Conches, Philosophia
EW
München, BSB, MS Clm. 11336
Honorius, Imago mundi
EW
Polling 12
Regensburg (Prüfening) 12
München, BSB, MS Clm. 13021
Calcidius, Timaeus
EW
Astrolabica
GW
Algorismus/Toledaner Tafeln
IW
12
München, BSB, MS Clm. 13031
Isidor, Etymologiae
EW
12
Wien, ÖNB, MS Cod. 12600
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporum ratione
IW
Enzyklopädie
EW
Astrolabica
GW
Honorius, Imago mundi
EW
Regensburg (Prüll) 12
München, BSB, MS Clm. 536
anhang
Seit Jh.
Signatur
35 5
Wissensbestand
Wissen
Isidor, Etymologiae
EW
Regensburg (St. Emmeram) 8/9
München, BSB, MS Clm. 29410(2
9
München, BSB, MS Clm. 14070c
Martianus Capella, De nuptiis
EW
9
München, BSB, MS Clm. 14221
Hrabanus, De computo
IW
9
München, BSB, MS Clm. 14456
Enzyklopädie
EW
9
München, BSB, MS Clm. 14725
Beda, De temporum ratione
IW
9
München, BSB, MS Clm. 14746
Beda, De temporibus
IW
9
München, BSB, MS Clm. 210
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporum ratione
IW
Enzyklopädie
EW
10
München, BSB, MS Clm. 14300
Isidor, De natura rerum
EW
10
München, BSB, MS Clm. 14523
Hrabanus, De computo
IW
10/11
München, BSB, MS Clm. 29360(1
Macrobius, Commentarii
EW
11
München, BSB, MS Clm. 14070c
Helpericus, De computo
IW
11
München, BSB, MS Clm. 14436
Macrobius, Commentarii
EW
11
München, BSB, MS Clm. 14708
Hermann, Computistica
IW
11
München, BSB, MS Clm. 14729
Martianus Capella, De nuptiis
EW
11/12
München, BSB, MS Clm. 14836
Enzyklopädie
EW
Astrolabica
GW
12
München, BSB, MS Clm. 14353
Algorismus/Toledaner Tafeln
IW
Macrobius, Commentarii
EW
12
München, BSB, MS Clm. 14619
Macrobius, Commentarii
EW
12
München, BSB, MS Clm. 14663
Calcidius, Timaeus
EW
12
München, BSB, MS Clm. 14689
Astrolabica
GW
12
München, BSB, MS Clm. 14731
Honorius, Imago mundi
EW
Astrolabica
12
München, BSB, MS Clm. 14763
12
München, BSB, MS Clm. 29360(2 und (3 Macrobius, Commentarii
EW
GW
12/13
München, BSB, MS Clm. 14348
Honorius, Imago mundi
EW
Isidor, Etymologiae
EW
Wilhelm v. Conches, Philosophia
EW
Regensburg, St. Mang 12
München, BSB, MS Clm. 17739
Reichersberg 12
Wien, ÖNB, MS Cod. 1736
Salzburg (Dom) 8
München, BSB, MS Clm. 16128
Isidor, De natura rerum
EW
9
Wien, ÖNB, MS Cod. 387
Beda, De natura rerum
EW
356
a n ha n g
Seit Jh.
Signatur
Wissensbestand
Wissen
Enzyklopädie
EW
9
Würzburg, UB, MS M.p.th.f. 46
Beda, De temporum ratione
IW
10
Wien, ÖNB, MS Cod. 522
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporum ratione
IW
Salzburg (St. Peter) 12
Salzburg St. Peter, SB, MS a V 2
Astrolabica
GW
12
Salzburg St. Peter, SB, MS a V 32
Astrolabica
GW
12
Salzburg St. Peter, SB, MS a V 7
Astrolabica
GW
12
Wien, ÖNB, MS Cod. 2453
Arabica (Ziffern)
??
Hermann, Computistica
IW
München, BSB, MS Clm. 17145
Beda, De natura rerum
EW
Schäftlarn 12
Hrabanus, De computo
IW
Helpericus, De computo
IW
St. Lambrecht 12
Graz, UB, MS Cod. 290
Honorius, Imago mundi
EW
12
Graz, UB, MS Cod. 297
Beda, De natura rerum
EW
Beda, De temporum ratione
IW
Austin, UT, MS HRC 029
Beda, De natura rerum
EW
Tegernsee 11
Calcidius, Timaeus
EW
Enzyklopädie
EW
11
London, BL, MS Add. 19968
Calcidius, Timaeus
EW
11
München, BSB, MS Clm. 18158
Beda, De temporum ratione
IW
11
München, BSB, MS Clm. 29362(2
Martianus Capella, De nuptiis
EW
12
München, BSB, MS Clm. 18208
Macrobius, Commentarii
EW
12
München, BSB, MS Clm. 18918
Honorius, Imago mundi
EW
Wilhelm v. Conches, Philosophia
EW
12
München, BSB, MS Clm. 18927
Algorismus/Toledaner Tafeln
IW
12
München, BSB, MS Clm. 19471
Macrobius, Commentarii
EW
12
Wien, ÖNB, MS Cod. 176
Calcidius, Timaeus
EW
12
München, BSB, MS Clm. 22225
Honorius, Imago mundi
EW
12
München, BSB, MS Clm. 29350(1
Calcidius, Timaeus
EW
Windberg
Würzburg (Dom)
anhang
35 7
Seit Jh.
Signatur
Wissensbestand
Wissen
9
Würzburg, UB, MS M.p.th.f. 143
Isidor, Etymologiae
EW
Zwettl 12
Zwettl, SB, MS Cod. 255
Helpericus, De computo
IW
12
Zwettl, SB, MS Cod. 386
Honorius, Imago mundi
EW
12
Zwettl, SB, MS Cod. 53
Isidor, Etymologiae
EW
12/13
Zwettl, SB, MS Cod. 296
Beda, De temporibus
IW
Enzyklopädie
EW
Tabelle A.5. Handschriftliche Überlieferung des PW aus dem Südosten bis ca. 1225. Die Tabelle verzeichnet das primäre Wissen der Handschriften des Südostens, das einer Institution zugeordnet werden kann. Ort und Zeitangabe bezieht sich auf den Zeitpunkt der Bibliotheksheimat im Südosten und ist im Detail aus dem erweiterten Handschriftenregister ersichtlich.
3 58
a n ha n g
Texte
Gesamt
Regional
Lokal
Plinius, Historia naturalis
4
-
-
Macrobius, Somnium Scipionis
1
-
-
Martianus, De nuptiis
1,5
-
-
Isidor, Etymologiae
42
0,5
0,5
Isidor, De natura rerum
14
2
-
Beda, De natura rerum
1,5
-
-
Beda, De temporum ratione
3,5
-
-
Hyginus, De Astronomia
7,5
1
-
Plinius, Historia naturalis
6
-
-
Macrobius, Somnium Scipionis
9
-
-
Calcidius, Timaeus
3
-
-
Martianus, De nuptiis
42
3
1
Isidor, Etymologiae
187
3,5
0,5
Isidor, De natura rerum
44,5
1
-
Beda, De natura rerum
41,5
2
1
Beda, De temporibus
26,5
1
1
Beda, De temporum ratione
57,5
3
2
Hrabanus, De computo
5,5
1
1
Enzyklopädie
49,5
4
2
Illustrierte Aratea
21
2
1
Hyginus, De Astronomia
6,5
-
-
Plinius, Historia naturalis
-
1
-
Macrobius, Somnium Scipionis
12,5
1,5
0,5
Calcidius, Timaeus
2
-
-
Martianus, De nuptiis
23
1
-
Isidor, Etymologiae
125
-
-
Isidor, De natura rerum
11
-
1
Beda, De natura rerum
13
1
-
Beda, De temporibus
11,5
0
-
Beda, De temporum ratione
24,5
1
-
Hrabanus, De computo
3,5
1
1
Helpericus, De computo
3
-
-
8. Jahrhundert
9. Jahrhundert
10. Jahrhundert
anhang
Texte
Gesamt
Regional
Lokal
Aachener Enzyklopädie
7,5
-
-
Illustrierte Aratea
10
1
-
Astrolabica
1
-
-
Hyginus, De Astronomia
8,5
-
-
Plinius, Historia naturalis
1
-
-
Macrobius, Somnium Scipionis
26
5,5
1,5
Calcidius, Timaeus
23
5
-
Martianus, De nuptiis
27,5
4
1
Isidor, Etymologiae
100
1
-
Isidor, De natura rerum
16,5
2
-
Beda, De natura rerum
11
3
-
Beda, De temporibus
12
3
-
Beda, De temporum ratione
17,5
3
-
Hrabanus, De computo
1
-
-
Helpericus, De computo
25
2,5
1
Aachener Enzyklopädie
16,5
2,5
0,5
Illustrierte Aratea
10
11. Jahrhundert
2
-
Hermann von Reichenau, Computistica 8
3,5
1
Astrolabica
19,5
2
0,5
Hyginus, De Astronomia
14,5
1
1
Plinius, Historia naturalis
16
-
-
Macrobius, Somnium Scipionis
102,5
7
3
Calcidius, Timaeus
53
6,5
2
Martianus, De nuptiis
50,5
1
-
Isidor, Etymologiae
185
6
2
Isidor, De natura rerum
22
1
-
Beda, De natura rerum
28,5
5
1
Beda, De temporibus
12
1
-
Beda, De temporum ratione
30,5
2
1
Hrabanus, De computo
4
1
-
Helpericus, De computo
38
4,5
-
Enzyklopädie
10,5
2,5
1
Illustrierte Aratea
20
4
2
12. Jahrhundert
359
36 0
a n ha n g
Texte
Regional
Lokal
Hermann von Reichenau, Computistica 11
Gesamt
4,5
-
Astrolabica
43,5
11
4,5
Toledaner Tafeln (‚Archaic version‘)
6
3
2
Honorius, De imago mundi
38,5
16,5
2,5
Wilhelm v. Conches, Philosopia mundi
16,5
5,5
-
Tabelle A.6. Handschriftliche Überlieferung von PW vom frühen bis ins hohe Mittelalter. Die Tabelle verzeichnet die Überlieferung von PW aufgeschlüsselt nach Jahrhunderten und dem Überlieferungskontext, wobei „Gesamt“ den europäischen Gesamtbestand kennzeichnet, „Regional“ die regionale Überlieferung im Südosten und „Lokal“ die Überlieferung in den Institutionen der Stadt Regensburg. Die Angaben beziehen sich auf die in Kapitel 3 zu jedem Text jeweils angegebenen Handschriftenlisten.
Wissensbestand
Gesamt überlieferung
Überlieferung Südosten
Prozentualer Anteil (gerundet)
Toledaner Tafeln Honorius, De imago mundi Hermann von Reichenau, Computistica Wilhelm v. Conches, Philosopia mundi Hrabanus, De computo Astrolabica Calcidius, Timaeus Illustrierte Aratea Beda, De natura rerum
6 38,5 11
3 16,5 4,5
50 43 42
16,5
5,5
33
4 43,5 53 20 28,5
1 11 6,5 4 5
21 20 14 14 12
Aachener Enzyklopädie Helpericus, De computo Macrobius, Som. Scipionis Beda, De temporibus Beda, De temporum ratione Hyginus, De Astronomia Isidor, De natura rerum Isidor, Etymologiae Martianus, De nuptiis Plinius, Historia naturalis
10,5 38 102,5 12 30,5 14,5 22 185 50,5 16
2,5 4,5 7 1 2,5 1 1 6 1 0
11 11 9 8 7 5 6 2 2 0
Median 11%
Tabelle A.7. Anteil Südosten an der gesamteuropäischen Überlieferung im 12. Jahrhundert. Die Tabelle verzeichnet den Anteil der Textzeugen des Südostens differenziert nach Texten am gesamteuropäischen Bestand im 12. Jahrhundert in Prozent nach der Größe sortiert. Die Angaben beziehen sich auf die in Kapitel 3 zu jedem Text jeweils angegebenen Handschriftenlisten.
361
anhang
Institution
Institution
PW
EW
IW
GW
Regensburg (St. Emmeram)
Benediktiner
16
9
6
1
Bamberg (Michelsberg)
Benediktiner
12
6
5
1
Regensburg (Prüfening)
Benediktiner
12
8
3
1
Bamberg (Dom)
Dom
10
7
3
0
Freising (Dom)
Dom
9
7
2
0
Tegernsee
Benediktiner
9
7
2
0
Admont
Benediktiner
8
7
1
0
Wessobrunn
Benediktiner
7
4
2
1
Zwettl
Zisterzienser
7
4
3
0
Klosterneuburg
Augustinerchorherren
6
4
2
0
Salzburg (St. Peter)
Benediktiner
6
3
2
1
Würzburg (Neumünster)
Chorherren
6
5
1
0
Benediktbeuern
Benediktiner
4
3
1
0
Melk
Benediktiner
4
4
0
0
Weihenstephan
Benediktiner
4
2
2
0
Passau (St. Nikola)
Augustinerchorherren
4
4
0
0
Regensburg (Prüll)
Benediktiner
4
3
1
0
Salzburg (Dom)
Dom
4
3
1
0
Benediktiner
4
3
1
0
St. Lambrecht
Median PW (3)
Augsburg (St. Ulrich u. Afra) Benediktiner
3
1
1
1
Blaubeuren
Benediktiner
3
2
1
0
Heilsbronn
Zisterzienser
3
3
0
0
Illmünster
Chorherren
3
1
1
1
Kastl
Benediktiner
3
3
0
0
Schäftlarn
Prämonstratenser
3
1
2
0
Windberg
Prämonstratenser
3
3
0
0
Würzburg (Dom)
Dom
3
1
2
0
Ebersberg
Benediktiner
2
2
0
0
Göttweig
Benediktiner
2
2
0
0
Passau (Dom)
Dom
2
2
0
0
Baumgartenberg
Zisterzienser
1
1
0
0
Biburg
Benediktiner
1
1
0
0
Heiligenkreuz
Zisterzienser
1
1
0
0
Indersdorf
Augustinerchorherren
1
1
0
0
Kaisheim
Zisterzienser
1
1
0
0
362
a n ha n g
Institution
Institution
PW
EW
IW
GW
Lambach
Benediktiner
1
1
0
0
Mondsee
Benediktiner
1
1
0
0
Polling
Benediktiner
1
1
0
0
Regensburg, St. Mang
Augustinerchorherren
1
1
0
0
Reichersberg
Augustinerchorherren
1
1
0
0
176
124
45
7
Summe:
Tabelle A.8. Verteilung des PW auf die Institutionen des Südostens. Die Tabelle verzeichnet die Anzahl der nachweisbaren Wissensbestände des primären Wissens (PW) sowie dessen Unterkategorien epistemisches Wissen (EW), instrumentelles Wissen (IW) und Gerätewissen (GW) für die besitzenden Institutionen des Südostens nebst Angabe über deren institutionelle Zugehörigkeit. Die Angaben beziehen sich auf die in Kapitel 3 zu jedem Text jeweils angegebenen Handschriftenlisten sowie auf deren ebenfalls dort angegebene Nennung in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen.
Wissensbestände
K K, H
Bamberg (Michelsberg)
Baumgartenberg
Biburg
Blaubeuren
Ebersberg
Freising (Dom)
Hyginus
Bamberg (Dom)
Plinius
Macrobius
Benediktbeuern
H, H
K
K
H, H
K
K, H
H
Calcidius H
K
K, H
H, H, H
Martianus Capella
H, H
K, H, H K
Isidor, Etymologien
H, H
K
K
K
K, H
Isidor, De natura rerum
H, H
H
Beda, De natura rerum
Augsburg (St. Ulrich und Afra)
H
H, H
K
H
H
Beda, De temporibus H
H
Beda, De temporum ratione
K
Hrabanus, De compoto
H
H
H
K
K, H
H, H H
Helperic, De computo
Aachener Enzyklopädie
H, H
Illustrierte Aratea
H
K, H
H
H
Hermann v. Reich., Com.
H
K, H
H
Astrolabica
H, H
K
H
K
H
H
K
Toledaner Tafeln
Honorius, Imago mundi
W.v. Conches, Philosophia m.
Admont
Institutionen
anhang 363
Illmünster
Indersdorf
Kaisheim
Regensburg (Prüll)
H
Regensburg, St. Mang
Regensburg (Prüfening)
H
H, H, H, H, H
K, H K
H
K
H
K, H, H
K H
K
K
H
Regensburg (St. Emmeram)
Polling
K
Mondsee
Melk
Passau (Dom)
St. Lambrecht
Passau (St. Nikola)
H
Lambach
H
Kastl
K
Klosterneuburg
Heiligenkreuz
Heilsbronn
Wissensbestände
Göttweig
Institutionen
K, H
H
K, H K
H
H H
H
H
K, H
H
K, H K
K, H, H
H
H
H, H
K
H
H
H, H, H
H
H
H
H, H
H
H
H
H
H
H, H
H, H, H
H
H
H
K, H
K
H, H
H
H
H
H
H
K, H H
H
H
K, H H
K
H
H
364 a n ha n g
Wessobrunn
Windberg
Würzburg (Neumünster)
Würzburg (Dom)
Zwettl
K
H
K
K, H, H
H, H
K
K
K K, H K, H
K
K
K
K
K
K, H
K
H
K
H
K
H, H
K, H
K
K
K
K
H
H, H
H
H
K
H
H
H
H
H
H
H
K
K, H, H, H
K
K
H
K
K, H
K
H
H
K
H
H
Tabelle A.9. Wissensbestände des Südostens differenziert nach Anzahl und Institution. Die Tabelle verzeichnet die Anzahl der jeweiligen Wissensbestände pro Institution. H verzeichnet einen handschriftlichen Textzeugen, K eine Nennung in den mittelalterlichen Handschriftenkatalogen der Institution. Die Angaben beziehen sich auf die in Kapitel 3 zu jedem Text jeweils angegebenen Handschriftenlisten sowie auf deren ebenfalls dort angegebene Nennung in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen.
K
Weihenstephan
Schäftlarn
Salzburg (St. Peter)
Tegernsee
Salzburg (Dom)
Reichersberg
Wissensbestände
Institutionen
anhang 365
36 6
a n ha n g
Text
PW Textzeugen
Anteil Institutionen
Isidor, Etymologiae
639
100% (Referenzwert)
Macrobius, Somnium Scipionis
151
24%
Martianus, De nuptiis
146,5
23%
Beda, De temporum ratione
133,5
21%
Isidor, De natura rerum
108
17%
Beda, De natura rerum
95,5
15%
Aachener Enzyklopädie
84
13%
Calcidius, Timaeus
81
13%
Helpericus, De computo
66
10%
Astrolabica
64
10%
~ Median (63,5) Illustrierte Aratea
63
10%
Beda, De temporibus
62
10%
Honorius, De imago mundi
38,5
6%
Hyginus, De Astronomia
37
6%
Plinius, Historia naturalis
27
4%
Hermann von Reichenau, Computistica Wilhelm v. Conches, Philosopia mundi Hrabanus, De computo
19
3%
16,5
3%
14
2%
Toledaner Tafeln
6
1%
Tabelle A.10. Akkumulierte Europäische Gesamtüberlieferung PW im 12. Jahrhundert. Die Tabelle verzeichnet das bis einschließlich ins 12. Jahrhundert akkumulierte primäre Wissen (PW) im gesamteuropäischen Kontext aufgeschlüsselt nach den einzelnen Wissensbeständen und sortiert nach Häufigkeit. Die Spalte „PW Textzeugen“ gibt die Anzahl der jeweiligen Textzeugen, die Spalte „Anteil Institutionen“ den extrapolierten Anteil der Institutionen, die den jeweiligen Wissensbestand besaßen, ausgehend von einem hypothetischen Referenzwert von 100% Anwesenheit der Etymologien Isidors. Die Angaben beziehen sich auf die in Kapitel 3 zu jedem Text jeweils angegebenen Handschriftenlisten.
anhang
Textzeugen PW
Institutionen PW
Text
Anzahl Text
Anzahl
Honorius, De imago mundi
16,5
Honorius, Imago mundi
22
Macrobius, Somnium Scipionis
14
Isidor, Etymologien
18
Astrolabica
13
Beda, De natura rerum
13
Calcidius, Timaeus
11,5
Martianus Capella
13
Beda, DNR
11
Beda, DTR
12
Isidor, Etymologiae
11
Calcidius
12
Beda, DTR
9,5
Macrobius
11
Aachener Enzyklopädie
9
Helperic, De computo
9
Illustrierte Aratea
9
Illustrierte Aratea
8
Martianus, De nuptiis
9
Aachener Enzyklopädie
7
Hermann v. R., Computistica
8
Astrolabica
7
Helpericus, De computo
7
Beda, De temporibus
7
Isidor, De natura rerum
6
Hermann v. R., Computistica
7
Wilhelm v. C., Philosopia
5,5
Toledaner Tafeln
7
Beda, De temporibus
5
Wilhelm v. C., Philosophia
7
Hrabanus, De computo
3
Isidor, De natura rerum
6
Toledaner Tafeln
3
Hyginus
4
Hyginus, De Astronomia Plinius, Historia naturalis
2 1
Plinius Hrabanus, De compoto
3 3
Tabelle A.11. Wissensbestände des PW im Südosten im 12. Jahrhundert. Die Tabelle gibt eine Übersicht über die Bestände des primären Wissens (PW), die sich bis einschließlich ins 12. Jahrhundert im Südosten akkumuliert haben, sortiert nach der Häufigkeit ihres Auftretens. Die linke Spalte verzeichnet die Textzeugen dieser Bestände, die rechte Spalte kombiniert die Anzahl der Textzeugen mit den Nennungen in den mittelalterlichen Katalogen zu einer Gesamtzahl der besitzenden Institutionen der jeweiligen Texte. Die Angaben beziehen sich auf die in Kapitel 3 zu jedem Text jeweils angegebenen Handschriftenlisten sowie auf deren ebenfalls dort angegebene Nennung in den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen.
367
36 8
a n ha n g
Berechnung Zeitraum 8. Jh. 9. Jh. 10. Jh. 11. Jh. Anstieg des PW in der europäischen Gesamtüberlieferung (absolut) Progressiv 69,5 502,5 254 323 Kumulativ 69,5 572 826 1149 Anstieg des PW im Südosten (absolut) Progressiv 2,5 21,5 7,5 39 Kumulativ 2,5 24 31,5 70,5 Anteil PW Südosten an PW Gesamtbestand (prozentual) Progressiv 3,6% 4,3% 3% 12% Anstieg monastischer Institutionen in Europa (absolut) Progressiv 1074 1217 1958 6142 Kumulativ 3168 4385 6343 12485 Anstieg PW und Klöster (prozentual) PW Europa 723% 44% 39% PW Region 860% 31% 124% Klöster 31% 38% 45% 97% Europa
12. Jh. 714,5 1863,5 86,5 157 12% 7640 20125 62% 123% 61%
Tabelle A.12. Regionale und gesamteuropäische Wachstumsraten von PW und Klöstern. Die Tabelle verzeichnet die progressiven und kumulativen Wachstumsraten des primären Wissens (PW) im Südosten und der europäischen Gesamtüberlieferung sowie den Anteil der Bestände des Südostens am Gesamtbestand neu kopierter Textzeugen. Außerdem zeigt die Tabelle den Anstieg der Klostergründungen in absoluten und prozentualen Werten und setzt ihn mit der Entwicklung des PW in Vergleich. Die Angaben wurden anhand der in Kapitel 3 zu jedem Text jeweils angegebenen Handschriftenlisten berechnet.
anhang
Umfangreich überlieferte Text
Ursprung Überlieferungsdaten
Hyginus: De astronomica Plinius: Naturalis historia Macrobius: Commentarii in Somnium Scipionis Calcidius: Timaeus Martianus Capella: De nuptiis Philologiae et Mercurii Isidor von Sevilla: Etymologiae Isidor von Sevilla: De natura rerum Beda: De natura rerum Beda: De temporibus
Viré 1983 (L) Reeve 2007 (L) Eastwood 1994 (L) Dutton 1998 (L) Leonardi 1959–1960 (L)
Fernández Catón 1965 (L) Kendall/Wallis 2016 (L) Kendall/Wallis 2010 (L) Kendall/Wallis 2010 (L)/Jones 1943b (E) and Jones 1975b (E) Beda: De temporum ratione Westgard 2010 (L)/Jones 1943b (E) Jones 1975c (E) Hrabanus Maurus: De computo Stevens 1989 (E) Helperich von Auxerre: Computus Jullien 2010 (L) Enzyklopädie von 809 Borst 2006 (E) Aratea Blume 2012 (K)/Dolan 2017 (K) Hermann von Reichenau: Computistica Borst / Warntjes 2023 (E) Astrolabica Borelli 2008 (L)/Juste2016a (L) Arabica Pedersen 2002a (E) Honorius Augustodunensis: Imago mundi Flint 1995 (L) Wilhelm von Conches: Philosophia mundi Vernet 1946/1981 (L) Tabelle A.13. Datengrundlage für die Gesamtüberlieferung der identifizierten Texte. Die Tabelle verzeichnet die Datengrundlage der Gesamtüberlieferung der identifizierten Texte, die jeweils in Kapitel 3 zur Einordnung der lokalen Überlieferung zu Rate gezogen wurde und auch für die weiteren statistischen Überlegungen genutzt wurde. L bezeichnet eine Handschriftenliste, K einen Katalog sowie E eine Edition.
369
3 70
a n ha n g
Erweitertes Handschriftenregister Signatur Admont, SB, MS Cod. 111
Maßgebliche Literatur
Wichner, Catalogus, S. 80.1 Admont, SB, MS Cod. 278 Wichner, Catalogus, S. 142. Admont, SB, MS Cod. 390 Wichner, Catalogus, S. 179. Admont, SB, MS Cod. 400 Wichner, Catalogus, S. 179. Admont SB, MS Cod. 514 Wichner, Catalogus, S. 214. Austin, UT, MS HRC 029 Blume, Sternbilder, S. 188–92. Bamberg, SB, MS Class. 9 Suckale-Redlefsen, Bamberg 1,1, S. 73–74. Bamberg, SB, MS Class. 18 Bamberg, SB, MS Class. 38 Bamberg, SB, MS Class. 39 Bamberg, SB, MS Class. 42 Bamberg, SB, MS Class. 55 Bamberg, SB, MS Lit. 160
Ort
Datierung
Admont*2
11. Jh.*
Admont*
12. Jh.*
Admont*
12. Jh.*
Admont*
12. Jh.*
Admont*
12. Jh.
Tegernsee
11. Jh.
Bamberg, Dom (Entstanden in Lothringen, Schenkung Kaiser Heinrich*) Suckale-Redlefsen, Bamberg, Dom (Entstanden Bamberg 1,1, in Würzburg, Schenkung S. 160–62. Kaiser Heinrich*) Suckale-Redlefsen, Bamberg, Dom (Entstanden Bamberg 1,1, S. 58–59. in Italien, Schenkung Kaiser Heinrich) Suckale-Redlefsen, Bamberg, Dom (Entstanden Bamberg 1,1, S. 41. in Fleury, Schenkung Kaiser Heinrich) Bischoff, Bamberg, Dom (Entstanden Hofbibliothek, S. 182. am Hof Ludwigs d. Frommen, Schenkung Kaiser Heinrich*) Suckale-Redlefsen, Bamberg, Dom (Entstanden Bamberg 1,1, S. 61–62. in Fleury, Schenkung Kaiser Heinrich) Borst, Reichskalender, Bamberg, Dom S. 325–26.
11. Jh. (10. Jh.)3 11. Jh. (10. Jh.) 11. Jh. (10./11. Jh.) 11. Jh. (9. Jh.) 11. Jh. (9. Jh.) 11. Jh. (9. Jh.) 12. Jh.
1 Aufgrund des für heutige Maßstäbe unzureichenden Erschließungszustands der Admonter Handschriften im Katalog von Wichner müssen die hier angegebenen Informationen mit Vorsicht verwendet werden. Lokalisierung und Datierung der hier verzeichneten Admonter Handschriften sind in der Literatur bislang aber nicht in Frage gestellt worden. 2 Informationen, die wahrscheinlich, aber nicht mit absoluter Sicherheit nachweisbar sind, werden mit * gekennzeichnet. Unsichere Annahmen werden mit ** ausgedrückt. 3 Bei Handschriften mit veränderter Bibliotheksheimat erfolgt Datierung nach Zeitpunkt der Ankunft im Untersuchungsgebiet, Angabe der Entstehung in folgt in Klammern.
anhang
Signatur Bamberg, SB, MS Nat. 1
Maßgebliche Literatur
Ort
Suckale-Redlefsen, Bamberg, Dom (Entstanden Bamberg 1,1, S. 24–26. in Ostfrankreich, Schenkung Kaiser Heinrich) Bamberg, SB, MS Patr. 61 Suckale-Redlefsen, Bamberg, Dom (Entstanden Bamberg 1,1, S. 3–10. in Montecassino, Schenkung Kaiser Heinrich) Bamberg, SB, MS Patr. 101 Hoffmann, Bamberg, Dom (Entstanden Handschriften, S. 161. in Italien, Schenkung Kaiser Heinrich* [Vermutung nicht bei Hoffmann]) Basel, UB, MS Lat. F.III15k Bischoff, Festl. Benediktbeuern Handschriften I, Nr. 282. Berlin, SPKB, MS Lat. qu. Glauche, Augsburg, St. Ulrich und Afra 202 Schuluntericht, S. 161. Chicago, NL, MS f. 11 Saenger, Newberry Admont Library, S. 21–22. Cologny, FMB, MS 111 Pellegrin, Manuscrits Admont (Entstanden (ehemals Admont, SB, latins, S. 227–30. in Südostdeutschland/ MS 582) Österreich) Erlangen, UB, MS 186 Fischer, Erlangen, Heilsbronn S. 207–09. Erlangen, UB, MS 229 Fischer, Erlangen, Heilsbronn S. 276–78. Göttweig Göttweig, SB, MS XII 46 Manuscripta4 Graz, UB, MS Cod. 290 Online-Katalog der St. Lambrecht UB Graz5 St. Lambrecht Graz, UB, MS Cod. 297 Online-Katalog der UB Graz6 Karlsruhe, BLB, MS 504 Borst / Warntjes, Bamberg, Michelsberg Hermann, S. 192–98. Klosterneuburg Klosterneuburg, SB, Manuscripta7 MS Cod. 685 Klosterneuburg, SB, Flint, Honorius, S. 161, Klosterneuburg MS Cod. 1051 162, 165. Kremsmünster, SB, Bischoff, Freising MS Frag. I/20 Schreibschulen 2, S. 220
4 5 6 7
37 1
Datierung 11. Jh. (9. Jh.) 11. Jh. (8. Jh.) 11. Jh.* (9./10. Jh.) 9. Jh. 12. Jh. 12. Jh. 12. Jh.* (10. Jh.) 12. Jh. 12. Jh. 12 Jh. 12 Jh. 12. Jh. 11./12. Jh. 12./13. Jh. (Um 1200) 12. Jh. 9. Jh.
[letzter Zugriff 24 Oktober 2019]. [letzter Zugriff 24 Oktober 2019]. [letzter Zugriff 24 Oktober 2019]. [letzter Zugriff 24 Oktober 2019].
3 72
a n ha n g
Signatur
Maßgebliche Literatur
Ort
Datierung
Leipzig, UB, MS 328
Borst / Warntjes, Hermann, S. 202–03. Glauche, Schuluntericht, S. 164. Juste, MS London.
Südostdeutschland*, später Altzella Tegernsee
12. Jh. 11. Jh.
Kastl
12./13. Jh.
Augsburg
11. Jh.
London, BL, MS Add. 19968 London, BL, MS Arundel 339 London, BL, MS Arundel 356 London, BL, MS Harley 2610 Melk, SB, MS Cod. 248 Melk, SB, MS Cod. 348 München, BSB, MS Clm. 210 München, BSB, MS Clm. 536 München, BSB, MS Clm. 564 München, BSB, MS Clm. 4541 München, BSB, MS Clm. 4563 München, BSB, MS Clm. 4612 München, BSB, MS Clm. 4622 München, BSB, MS Clm. 6250 München, BSB, MS Clm. 6362 München, BSB, MS Clm. 6364
Borst / Warntjes, Hermann, S. 198–200. Hörberg, Libri, S. 83–84. Glaßner, Inventar, S. 134–37. Glaßner, Inventar, S. 167. Manuscriptamedievalia8 Klemm, Rom. Handschriften 2, S. 202–03. Klemm, Rom. Handschriften 2, S. 204–05. Glauche, Benediktbeuern, S. 58–59. Glauche, Benediktbeuern, S. 97–101. Klemm, Rom. Handschriften 2, S. 136. Glauche, Benediktbeuern, S. 219–26. Glauche, Freising 1, S. 91–93. Glauche, Freising 2, S. 113–16. Glauche, Freising 2, S. 116–19.
Augsburg, St. Ulrich und Afra 11. Jh. Melk
12. Jh.
Melk
12. Jh.
Regensburg, St. Emmeram (Entstanden in Salzburg) Regensburg, Prüll
9. Jh. (9. Jh.) 12. Jh.
Biburg* (oder Aldersbach)
12. Jh.
Benediktbeuern
9. Jh.
Benediktbeuern
11. Jh.
Benediktbeuern*
12. Jh.
Benediktbeuern
11./12. Jh.
Freising (Dom)
9. Jh.
Freising (Dom)*
11. Jh.
Freising (Dom)
10. Jh.
8 [letzter Zugriff 24 Oktober 2019].
anhang
37 3
Signatur
Maßgebliche Literatur
Ort
Datierung
München, BSB, MS Clm. 6365 München, BSB, MS Clm. 7793 München, BSB, MS Clm. 7974
Glauche, Freising 2, S. 119–20. Flint, Honorius, S. 166.9 Klemm, Rom. Handschriften 2, S. 189–90. Klemm, Rom. Handschriften 2, S. 186. S. 157–68.
Freising (Dom)*
11. Jh.
Indersdorf
12./13. Jh.
Kaisheim
12. Jh.
Polling*
12. Jh.
Prüfening
12. Jh.
München, BSB, MS Clm. 11336 München, BSB, MS Clm. 13021 München, BSB, MS Clm. 13031 München, BSB, MS Clm. 13084 München, BSB, MS Clm. 14070c München, BSB, MS Clm. 14221 München, BSB, MS Clm. 14300 München, BSB, MS Clm. 14436 München, BSB, MS Clm. 14348 München, BSB, MS Clm. 14353
München, BSB, MS Clm. 14456 München, BSB, MS Clm. 14523
Klemm, Regensburg, Prüfening Rom. Handschriften 1, S. 64–65. Bierbrauer, Karol. Freising (Dom) Handschriften S. 145 S. 130–31. Teil I: Regensburg, St. Emmeram (Entstehung unbekannt); T II: Regensburg, St. Emmeram Neske, St. Emmeram Regensburg, St. Emmeram 2, S. 202–04. Helmer, St. Emmeram Regensburg, St. Emmeram 3, S. 120–22. Klemm, Ottonische Regensburg, St. Emmeram Handschriften, S. 38–39. Helmer, St. Emmeram Regensburg, St. Emmeram 3, S. 289–304. Helmer, St. Emmeram I. Fragment: Regensburg, 3, S. 313–19. St. Emmeram, II. Macrobius: Entstanden im Mittelrheingebiet, mit Hartwic nach St. Emmeram S. 127–34. Regensburg, St. Emmeram Manuscriptamedievalia10
Regensburg, St. Emmeram*
9 Handschrift durch Autorin vor Ort untersucht. 10 [letzter Zugriff 24 Oktober 2019].
12. Jh. 9. Jh. I: 11. Jh. (10. Jh.); II: 9. Jh. 9. Jh. Vor 933 Jh. (8./9. Jh.) 11. Jh. 12./13. Jh. I.: 12. Jh. II: 11. Jh. (10. Jh.) 9. Jh. 10. Jh.
3 74
a n ha n g
Signatur
Maßgebliche Literatur
München, BSB, MS Clm. 14619
Klemm, Regensburg, St. Emmeram* Rom. Handschriften 1, S. 21–22. Klemm, Regensburg, St. Emmeram* Rom. Handschriften 1, S. 41. S. 137–44. Regensburg, St. Emmeram
München, BSB, MS Clm. 14663 München, BSB, MS Clm. 14689 München, BSB, MS Clm. 14708 München, BSB, MS Clm. 14725 München, BSB, MS Clm. 14729 München, BSB, MS Clm. 14731 München, BSB, MS Clm. 14746 München, BSB, MS Clm. 14763 München, BSB, MS Clm. 14836 München, BSB, MS Clm. 15957 München, BSB, MS Clm. 16103 München, BSB, MS Clm. 16128 München, BSB, MS Clm. 17145
Borst / Warntjes, Hermann, S. 216–17. Bierbrauer, Karol. Handschriften S. 126–27. Bierbrauer, Karol. Handschriften S. 146.
Ort
Datierung 12. Jh. 12. Jh. 12. Jh.
Regensburg, St. Emmeram
11. Jh.
Regensburg, St. Emmeram
Vor 890*11 (9. Jh.)
Regensburg, St. Emmeram (Entstanden im Bodenseegebiet) Regensburg, St. Emmeram
Nach 993*12 (9. Jh.)
Klemm, Rom. Handschriften 1, S. 31–32. Bischoff, Festl. Regensburg, St. Emmeram Handschriften II, Nr. 3258. S. 137–44. Regensburg, St. Emmeram
12. Jh.
S. 137–44.
11. Jh.-12. Jh
Hauke, Handschriften, S. 815–17. Klemm, Illum. Handschriften, S. 283–84. Bierbrauer, Karol. Handschriften S. 71–72. Ruf, Handschriften, S. 22 und 60.
11 Siehe Diskussion S. 129. 12 Siehe Diskussion S. 131. 13 Siehe Diskussion S. 130.
12. Jh. 9. Jh.
Süddeutschland, später in St. Emmeram Salzburg, St. Peter
12. Jh.
Passau, St. Nikola
12./13. Jh.
Passau, St. Nikola (Entstanden in Salzburg)
9. Jh.*13 (8. Jh.)
Schäftlarn
12. Jh.
anhang
37 5
Signatur
Maßgebliche Literatur
Ort
Datierung
München, BSB, MS Clm. 17739 München, BSB, MS Clm. 18158 München, BSB, MS Clm. 18208 München, BSB, MS Clm. 18918
Manuscriptamediaevalia14 Klemm, Ottonische Handschriften, S. 149. Manuscriptamediaevalia15 Klemm, Rom. Handschriften 2, S. 37–38. Juste, manuscrits, S. 147–49. Halm, Catalogus, S. 248. Klemm, Ottonische Handschriften, S. 93–94. Klemm, Rom. Handschriften 1, S. 98–99. Hauke, Fragmente I, S. 322. Hauke, Fragmente I, S. 335. Hauke, Fragmente I, S. 336. Hauke, Fragmente I, S. 336. Hauke, Fragmente I, S. 337. Hauke, Fragmente I, S. 337. Hauke, Fragmente I, S. 398. Hauke, Fragmente II, S. 131.
Regensburg, St. Mang (Entstanden in Italien) Tegernsee
12. Jh.** (12. Jh.) 11. Jh.
Tegernsee (Entstanden in Oberitalien) Tegernsee
12. Jh** (12. Jh.) 12. Jh.
Tegernsee
12. Jh.
Tegernsee*
12. Jh.*
Freising, später Weihenstephan
11. Jh.
Windberg
12. Jh.
Windberg (Entstehung unbekannt) Regensburg, St. Emmeram
12. Jh.* (10. Jh.) 10./11. Jh.
Regensburg, St. Emmeram
12. Jh.
Regensburg, St. Emmeram
12. Jh.
Passau, St. Nikola
11. Jh.
Tegernsee
11. Jh.
Regensburg, St. Emmeram
8./9. Jh.
Freising (Dom)*
11. Jh.
München, BSB, MS Clm. 18927 München, BSB, MS Clm. 19471 München, BSB, MS Clm. 21557 München, BSB, MS Clm. 22225 München, BSB, MS Clm. 29350(1 München, BSB, MS Clm. 29360(1 München, BSB, MS Clm. 29360(2 München, BSB, MS Clm. 29360(3 München, BSB, MS Clm. 29362(1 München, BSB, MS Clm. 29362(2 München, BSB, MS Clm. 29410(2 München, BSB, MS Clm. 29790(2
14 [letzter Zugriff 24 Oktober 2019]. 15 [letzter Zugriff 24 Oktober 2019].
3 76
Signatur
a n ha n g
Maßgebliche Literatur
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Ort
Datierung
Lambach (sehr wahrscheinlich) Bamberg, Michelsberg
12. Jh. 12. Jh.
Umkreis Würzburg
12. Jh.
Salzburg, St. Peter
12 Jh.
Salzburg, St. Peter
12 Jh.
Salzburg, St. Peter
12 Jh.
Diözese Augsburg
12. Jh.
Melk
12. Jh.
Ilmmünster
11. Jh.
Tegernsee
12. Jh.
Salzburg (Dom)
9. Jh.
Salzburg (Dom)
10. Jh.
Heiligenkreuz
12. Jh.
Mondsee
12. Jh.
Reichersberg Salzburg, St. Peter* Prüfening
12. Jh. 12. Jh. 12. Jh.
Umkreis Regensburg*
12./13. Jh.
16 [letzter Zugriff 24 Oktober 2019]. 17 [letzter Zugriff 24 Oktober 2019].
anhang
Signatur
Maßgebliche Literatur
Ort
Würzburg, UB, MS M.p.th.f. 46
Thurn, Dombibliothek, S. 35–36. Thurn, Dombibliothek, S. 69. Ziegler, Zwettl, S. 106–08. Ziegler, Zwettl, S. 130–44. Manuscripta18
Salzburg (Dom) (Entstanden Vor 828 in St. Amand) (9. Jh.)
Würzburg, UB, MS M.p.th.f. 143 Zwettl, SB, MS Cod. 53 Zwettl, SB, MS Cod. 255 Zwettl, SB, MS Cod. 296 Zwettl, SB, MS Cod. 386
Ziegler, Zwettl, S. 279–82.
Datierung
Würzburg (Dom)
9. Jh.
Zwettl
12. Jh.
Zwettl
12. Jh.
Zwettl
37 7
12./13. Jh. (um 1200) Zwettl (Ursprung unbekannt) 12. Jh.*
18 [letzter Zugriff 24 Oktober 2019].
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419
Handschriftenindex
Aberystwyth, NLW, MS 735C: 235–36 Admont, SB, MS 400: 107, 114 ———, MS Cod. 111: 72, 77 ———, MS Cod. 278: 67 ———, MS Cod. 390: 64 ———, MS Cod. 514: 58, 61 Austin, UT, MS HRC 029: 61, 87 Bamberg, SB, MS Class. 1: 52 ———, MS Class. 9: 64 ———, MS Class. 18: 61 ———, MS Class. 38: 58 ———, MS Class. 39: 64 ———, MS Class. 42: 54 ———, MS Class. 55: 58, 85 ———, MS Lit. 160: 80, 92 ———, MS Nat. 1: 69 ———, MS Patr. 61: 64, 69 ———, MS Patr. 101: 72, 74 Basel, UB, MS Lat. F.III15k: 69 Berlin, SPKB, MS Lat. qu. 202: 61 Breslau, UB, MS R. 55: 308, 329 Chicago, NL, MS f. 11: 67 Cologny, FMB, MS 111: 58 Dresden, LB, MS Dc. 182: 82 Erlangen, UB, MS 186: 67, 69, 90 Erlangen, UB, MS 229: 111 Göttingen, SUB, MS Cod. phil. 42: 157, 279 Göttweig, SB, MS XII 46: 107 Graz, UB, MS Cod. 290: 107 ———, MS Cod. 297: 72, 77
Harvard, HL, MS Type 613: 67 Karlsruhe, BLB, MS 504: 92, 99 Klosterneuburg, SB, MS Cod. 1051: 108 ———, MS Cod. 685: 72, 74, 77, 87 Kremsmünster, SB, MS Frag. 1/20: 64 Leipzig, UB, MS 1306: 285 ———, MS 328: 93 London, BL, MS Arundel 339: 52, 61, 87, 153, 167, 235 ———, MS Arundel 356: 92 ———, MS Harley 2610: 61 ———, MS Royal 15 B IX: 280, 282, 308–09, 325, 329 Madrid, BNE, MS 19: 235 ———, MS 10053: 308, 325 Melk, SB, MS Cod. 248: 108 ———, MS Cod. 348: 72 München, BSB, MS Clm. 210: 71, 76, 84–85, 87, 128–29, 133 ———, MS Clm. 536: 108, 152 ———, MS Clm. 540b: 152 ———, MS Clm. 560: 137–39, 141, 143–44 ———, MS Clm. 564: 110–11 ———, MS Clm. 2596: 110 ———, MS Clm. 4541: 67 ———, MS Clm. 4563: 80 ———, MS Clm. 4612: 58 ———, MS Clm. 4622: 80 ———, MS Clm. 6250: 67 ———, MS Clm. 6362: 58 ———, MS Clm. 6364: 58 ———, MS Clm. 6365: 61
422
ha n d s c hr if t e n i n d e x
———, MS Clm. 7793: 108 ———, MS Clm. 7974: 108 ———, MS Clm. 11336: 108 ———, MS Clm. 13002: 165 ———, MS Clm. 13021: 61, 100–01, 103, 105, 137, 153, 157, 159–62, 164–66, 168, 172, 279–80, 289–91 ———, MS Clm. 13027: 161 ———, MS Clm. 13031: 67 ———, MS Clm. 13072: 160–62 ———, MS Clm. 13079: 150 ———, MS Clm. 13084: 52, 64, 84, 235 ———, MS Clm. 13106: 272 ———, MS Clm. 14070c: 64, 80, 130–31 ———, MS Clm. 14221: 78, 129 ———, MS Clm. 14271: 131 ———, MS Clm. 14272: 136 ———, MS Clm. 14300: 69, 130, 133 ———, MS Clm. 14324: 132 ———, MS Clm. 14348: 108, 152 ———, MS Clm. 14353: 58, 104–05, 165 ———, MS Clm. 14399: 150 ———, MS Clm. 14436: 58, 136 ———, MS Clm. 14442: 272 ———, MS Clm. 14456: 82, 84, 127, 129–30, 133 ———, MS Clm. 14467: 132 ———, MS Clm. 14523: 78, 130 ———, MS Clm. 14557: 152 ———, MS Clm. 14619: 58 ———, MS Clm. 14663: 61, 153 ———, MS Clm. 14689: 99–100, 137, 140–44, 157, 193, 196–97, 204, 231–32, 234, 251, 264–65, 273, 275–76, 282, 307, 309–11, 319 ———, MS Clm. 14708: 92, 153 ———, MS Clm. 14725: 76, 129 ———, MS Clm. 14729: 64, 131 ———, MS Clm. 14731: 108, 152 ———, MS Clm. 14733: 163, 165 ———, MS Clm. 14736: 196, 273, 275 ———, MS Clm. 14746: 74, 129 ———, MS Clm. 14763: 100, 137, 140–43, 197, 261, 265, 273, 276 ———, MS Clm. 14792: 131
———, MS Clm. 14836: 85, 100, 137, 139–41, 157, 199, 213–14, 234, 262, 275 ———, MS Clm. 14892: 225, 262, 277 ———, MS Clm. 16103: 108, 111 ———, MS Clm. 16128: 69, 130 ———, MS Clm. 17145: 72, 78, 80 ———, MS Clm. 17739: 67 ———, MS Clm. 18158: 77 ———, MS Clm. 18208: 58 ———, MS Clm. 18918: 108, 110–11 ———, MS Clm. 18927: 103, 105 ———, MS Clm. 19471: 58 ———, MS Clm. 21557: 67, 72, 74, 77 ———, MS Clm. 22225: 108 ———, MS Clm. 29051b: 67 ———, MS Clm. 29350(1: 61 ———, MS Clm. 29360(1: 58, 136 ———, MS Clm. 29360(2: 58, 154 ———, MS Clm. 29360(3: 58 ———, MS Clm. 29362(1: 64 ———, MS Clm. 29362(2: 64 ———, MS Clm. 29410(2: 67, 131 ———, MS Clm. 29790(1: 130 ———, MS Clm. 29790(2: 74 New Haven, BL, MS 482,54: 108 New York, GA, MS Plimpton collection s. n.: 67 Nürnberg, GNM, MS 7062: 80 Oxford, BL, MS Digby 187: 308, 329 Oxford, JC, MS 4: 308, 329 Paris, BNF, MS Lat. 7185: 167 Ripoll, SB, MS 225: 276 Rochester, S. ML, MS 1: 92 Rostock, UB, MS philol. 18: 308, 329 Salzburg St. Peter, SB, MS a V 2: 100 ———, MS a V 7: 100, 157, 279–82, 308–09, 329 ———, MS a V 32: 100, 156 St. Gallen, SB, MS Cod. Sang. 250: 235 St. Paul i. Lavanttal, SB, MS 16/1: 235–36
hand schri f t e ni nd e x
Vatikan, BAV, MS Pal. lat. 1356: 100, 156–57, 282–83, 308–09, 325 ———, MS Pal. lat. 1564: 122 ———, MS Reg. lat. 1661: 143, 276 ———, MS Vat. lat. 643: 85, 87 ———, MS Vat. lat. 3101: 85, 92, 99, 203
———, MS Cod. 539: 108 ———, MS Cod. 818: 108 ———, MS Cod. 1736: 111 ———, MS Cod. 2453: 93, 105, 166 ———, MS Cod. 12600: 72, 77, 85, 87, 100, 137, 152, 154, 156, 159, 277–79, 288, 290 Wolfenbüttel, HAB, MS 80.6 Aug 8°: 132 Wolfenbüttel, HAB, MS Guelf.18.16. Aug.4°: 52, 87 Würzburg, UB, MS M.p.th.f. 143: 67 ———, MS M.p.th.f. 46: 76
Wien, ÖNB, MS Cod. 51: 235 ———, MS Cod. 522: 72, 77 ———, MS Cod. 176: 61 ———, MS Cod. 275: 165 ———, MS Cod. 387: 71, 84, 86–87, 128
Zürich, UB, MS Car. C. 172: 142 Zwettl, SB, MS Cod. 53: 67 ———, MS Cod. 255: 80, 90 ———, MS Cod. 296: 72, 74, 87 ———, MS Cod. 386: 108
Stuttgart, WLB, MS Aug. LX: 113 ———, MS Cod. math. qu. 33: 157, 280, 288 Trier, BA, MS Abteilung 95 Nr. 6: 276
423
Personen-, Orts-, Sachindex
Adalbold: 234 Adelard von Bath: 17, 104, 159 Admont: 18, 31, 58, 61, 64, 67, 72, 77, 107, 111, 147, 153, 156, 174, 176 Aethicus: 116–17, 131 Aldersbach: 109 al-Ḫwārizmī: 101, 158 Alkuin: 128–29, 150, 235, 241, 279 Ambrosius: 115, 150 apocrisarius: 187, 254–300 Aratea: 49–51, 86–87, 234–37 Aratus: 49, 234–39, 284 Arn, Bischof von Salzburg: 94, 127–34 Ascelinus von Augsburg: 97–98, 144 Astrolab: 26, 38–39, 41, 94–100, 102, 139–44, 154, 156–58, 166–74, 176–77, 190–223, 225–26, 230, 231, 236–283, 258–59, 292–296, 298, 300, 303, 305 Augsburg: 92, 96–98, 125, 137, 174 Diözese: 20, 100, 156 St. Ulrich und Afra: 61 Augustinus: 97, 115, 150, 161 Bamberg: 49, 52, 58, 61, 64, 69, 85, 88, 101–02, 164–74, 177, 280, 286, 299, 302, 310 Bischof: 20, 40 Diözese: 20 Dom: 36, 54, 58, 60, 61, 63, 64, 69, 72, 74, 80, 85, 92, 172, 174, 176 Michelsberg: 33, 36, 51, 54, 57, 60, 63, 67, 74, 76, 78–82, 92, 99, 105, 126, 164, 172, 174, 280, 286 Baturich, Bischof von Regensburg: 125–26, 133, 135 Baumgartenberg: 108
Beda: 13, 27, 28, 53, 69–77, 79, 84, 89, 115, 124–35, 146–54, 169–70, 206, 217, 221, 242, 277–79, 288 Benediktbeuern: 58, 67, 69, 80 Berengar: 98, 139, 142–45 Bern von Reichenau: 289 Bernardus Silvestris: 17 Bernhard Stark: 223–24, 262 Bernhard von Chartres: 17, 153 Bernold von Konstanz: 215, 216, 231, 249, 271, 295, 346, 349 Biburg: 110–11 Blaubeuren: 36, 57, 67, 79 Boethius: 108, 116–23, 132, 158–60, 167 Bonifatius: 124 Boto von Prüfening: 161–62 Burchard von Reichenau, Abt von Regensburg: 138–39, 198, 253 Burchard, Bibliothekar von Michelsberg: 302 Calcidius: 58–60, 123, 134, 145, 153, 158, 170, 177, 291 Cassiodor: 116, 122, 160–61, 264–65 Chartres: 17, 95, 96, 100, 108, 136, 137, 138 Cicero: 26, 49, 55, 56, 58, 86, 224 Cluny: 273 Coelestin Vogel: 42, 223 Comburg: 157, 280 Constantinus Africanus: 302 Córdoba: 137–38 Cyprian: 252 Dicuil: 82 Diomedes: 132 Dionysius Exiguus: 47, 129
426
p e r s o n e n -, o rt s - , s ac h i n d e x
Eberhard I., Bischof von Salzburg: 166 Eberhard II., Bischof von Bamberg: 164, 168 Ebersberg: 67, 107 Ebro, Abt von St. Emmeram: 277 Ekkerhard IV.: 95, 143
Hrabanus Maurus: 77–78, 88, 129, 130, 133, 279 Hugo von Lerchenfeld: 163–65 Hugo von St. Viktor: 115–16, 150, 159–60 Hyginus: 49–52, 81, 83, 86, 134, 136, 153, 232–38, 311
Johannes Scotus Eriugena: 115–16
Illmünster: 85, 92, 99 Indisch-arabische Ziffern: 102, 158–59, 163, 165–68 Isidor von Sevilla: 50, 53, 65, 122, 124, 134, 146, 152, 170–71, 177–79, 217 Iuvencus: 148
Fleury: 85, 96–97, 139, 235–36 Freising: 36, 51, 52, 58, 61, 64, 67, 72, 74, 77, 84, 125, 172, 174, 176, 235 Diözese: 20 Fulbert, Bischof von Chartres: 95, 136, 138, 144 Fulda, Kloster: 77, 129, 133–34 Garsten: 273 Gebhard, Bischof von Regensburg: 146 Gerbert von Aurillac: 136, 159, 160, 167, 213, 281, 283, 290 Gerhard von Cremona: 29, 162 Germanicus: 49, 86 Gorze: 40, 135–38, 146, 191 Göttweig: 34, 60, 107, 273 Gregor von Tours: 64, 241, 256 Guido von Arezzo: 158 Haimo von Hirsau: 192 Hartwic von St. Emmeram: 136–39, 144, 191 Heilsbronn: 67, 69, 108, 111 Heinrich II., König von England: 108 Heinrich von Reichenau: 198 Helperich von Auxerre: 79, 88, 130, 146, 154, 170, 171, 177, 221, 287 Hermann von Reichenau: 18, 25, 87–92, 98–99, 103, 138–46, 154, 156–57, 197–207, 216–22, 238, 243, 245, 268, 278–81, 287, 303, 308 Hirsau: 147, 192, 253, 254, 272 Hirsauer Reformbewegung: 40, 156, 157, 167, 192, 280, 286, 287 Honorius Augustodunensis: 33, 66, 105–08, 115, 116, 150, 152, 170, 171, 179, 301
Johannes Stöffler: 268 Johannes von Sevilla: 179 Johannes, Abt von Gorze: 137 Juvenal: 108 Karl der Große: 82–83, 125, 128, 241 Kastl: 52, 61, 87, 153, 167, 235 Klosterneuburg: 67, 72, 74, 77, 87, 107–08 Lambach: 34, 108 Lothringen: 137–38, 143–44 Ludwig der Fromme: 82 Lüttich: 138 Macrobius: 54–58, 60, 81, 83, 108, 124, 134, 136, 145, 146, 153, 154, 170–71, 177, 180, 291 Manegold von Lautenbach: 247 Marcharius: 77 Martianus Capella: 24, 61–64, 83, 109, 124, 131, 134, 136, 152, 171, 285 Māšā‘a llāh: 101–04, 159 Meinhard von Bamberg: 168 Melk: 72, 85, 87, 108, 147 Micy: 96–97 Montecassino: 235, 302 Origenes: 115, 127, 150 Otloh von St. Emmeram: 37–38, 130, 137, 140, 144, 191–95, 198, 203, 213, 222–23, 227–28, 239, 246–54, 293, 307
p e r so ne n-, o rt s-, sachi nd e x
Otto I., Bischof von Bamberg: 20, 147, 164, 167 Pacificus von Verona: 42, 241 Paris: 29, 100, 108 Passau: Diözese: 20 Dom: 57, 63 St. Nikola: 64, 69, 108, 111 Petrus Damiani: 247 Plato: 58–60, 108, 153, 158, 161, 170 Plinius: 13, 26, 50, 52–54, 70, 81, 84, 121, 124, 134, 136, 146, 170, 206, 241 Priscian: 108 Prosper: 148, 285 Prudentius: 148, 285 Ptolemäus: 116, 121, 196 Ramsey: 96 Ramwold, Abt von St. Emmeram: 126, 135, 138, 191, 236 Raymond von Marseille: 17 Regensburg: 21, 25, 37, 39–40, 42, 44, 45, 51–52, 85, 87–88, 95–96, 101, 105–06, 115, 119––56, 165, 167, 169, 171–72, 174, 177, 190, 195–196, 198, 203, 208–09, 214, 217, 223, 225, 227, 231, 235, 240–47, 252–53, 261, 265–66, 272–73, 276, 283, 286, 291, 294, 297–02, 309 Diözese: 20, 167 Dom: 125 Prüfening: 20, 30, 33, 36, 40, 61, 64, 67, 71, 72, 74, 76, 77, 79, 81, 85, 87, 100, 105, 107, 111, 112, 119, 137, 146–76, 188, 193, 272, 277–80 Prüll: 40, 67, 71, 74, 76, 107–08, 112, 119, 146–48, 152, 272 Schottenkloster: 40 St. Emmeram: 20, 36–45, 50, 58, 61, 64, 67, 69, 71, 72, 74, 76, 78, 80, 82, 84, 85, 87, 92, 98–100, 105, 108, 112, 119, 123–54, 159, 165, 168, 169, 172, 174, 176, 188–300 St. Mang: 67 St. Paul (Mittelmünster): 40
Reichenau: 96–97, 137–44, 197–98, 206–17, 253, 262 Reichenbach am Regen: 165, 167 Reichersberg: 111 Reims: 136, 138 Ripoll: 96–97 Robert von Chester: 159–60, 167 Rom: 121 Rufinus: 115 Ruotger: 166, 235 Rupert von Deutz: 150 Sahl ibn Bishr: 159 Salzburg: 69, 71, 76, 81, 101, 121–22, 125, 130–35, 166–67, 172–74 Dom: 71–72, 76–77, 84, 87 Kirchenprovinz: 20, 129, 166, 299 St. Peter: 31, 60, 64, 93, 99–100, 105, 107, 135, 147, 156–60, 166, 174, 176, 279–82 Schäftlarn: 72, 78, 80 Scipio: 55 Seneca: 52 Sigboto von Prüfening: 160–62 Sphaera von St. Emmeram: 42, 207–14, 222–45, 261, 268–82, 295, 300, 305, 310 St. Amand: 76, 129, 132–36 St. Gallen: 81, 131, 143 St. Lambrecht: 67, 72, 77, 107, 147 Status mundi: 211–14, 230–36, 282 Swicher von Prüfening: 165 Tegernsee: 54, 58, 60, 61, 64, 77, 87, 105, 108, 110, 111, 112, 135, 144, 174, 176 Theoderich, König der Goten: 117 Thierry von Chartres: 17 Thomas von Aquin: 17 Toledaner Tafeln: 102, 104, 158–68, 279–90, 295 Trier: 135, 137 Vitruv: 49, 122, 136, 276, 311 Walcher von Malvern: 303–04 Weihenstephan: 51, 64, 67, 72, 74, 76, 77, 147, 174, 235
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Wessobrunn: 58, 59, 67, 71, 79, 99, 101, 105, 174 Wichram: 81, 130, 154 Wilhelm von Conches: 17, 105, 107, 108–11, 117, 152–53, 170, 285 Wilhelm von Hirsau: 18, 20, 99, 137, 141, 144, 145, 191–310 Windberg: 61, 67, 108 Wolfgang, Bischof von Regensburg: 135 Wolfger von Prüfening: 148, 155, 162–65, 168, 191, 277, 286–87 Würzburg: 92, 101, 157, 172
Diözese: 20 Dom: 67, 74, 76 Neumünster: 58, 64, 67, 69, 105, 107 Zael: 159–60, 166–67 Zeitmessung: 25, 26, 39, 45, 50, 53, 56, 59, 62, 82–84, 88, 95, 98, 103, 122, 154–58, 168, 196, 197, 204, 208, 212, 229, 241, 253, 255–95, 300, 304, 307–08 Zwettl: 67, 72, 74, 76, 80, 87, 90, 107, 108, 174
Knowledge, Science, and Scholarship in the Middle Ages
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Titles in Series Faith and Knowledge in Late Medieval and Early Modern Scandinavia, ed. by Karoline Kjesrud and Mikael Males (2020) Travelling Wisdom: Medieval Science in the North, c. 1000–1500, ed by Christian Etheridge and Michele Campopiano (2021)