Die Vertragsstrafe: Ein unerkanntes Mittel privater Genugtuung [1 ed.] 9783428478422, 9783428078424


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German Pages 262 Year 1993

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Die Vertragsstrafe: Ein unerkanntes Mittel privater Genugtuung [1 ed.]
 9783428478422, 9783428078424

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Claus Hess • Die Vertragsstrafe

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 163

Die Vertragsstrafe Ein unerkanntes Mittel privater Genugtuung

Von

Claus Hess

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Hess, Claus: Die Vertragsstrafe : ein unerkanntes Mittel privater Genugtuung / von Claus Hess. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 163) Zugl.: Kiel, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07842-X NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-07842-X

Vorwort Die vorliegende Schrift wurde im Wintersemester 1992/93 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Horst-Eberhard Henke, möchte ich an dieser Stelle zum einen für seine engagierte und stets ermutigende Förderung und Begleitung der Arbeit danken. Zum anderen möchte ich ihm meinen Dank dafür aussprechen, daß er es in unzähligen während meiner zweijährigen Assistenz an seinem Lehrstuhl geführten Gesprächen verstanden hat, meinen Blick dafür zu schärfen, daß das Verständnis des Rechts neben aller notwendigen Technik auch und vor allem eine stete Einbeziehung der philosophischen und soziologischen Bezüge des Faches erfordert. Zu Dank bin ich auch Herrn Prof. Dr. Dieter Reuter verpflichtet, der es trotz hoher Arbeitsbelastung übernommen hat, die Dissertation als Zweitgutachter zu betreuen.

Kiel, im Frühjahr 1993 Claus Hess

Inhaltsverzeichnis Einleitung A.

B.

13

Über die Notwendigkeit, den Begriff "Vertragsstrafe" herauszuarbeiten

13

I.

Die besonderen Schuldnerschutzvorschriften des Vertrags strafenrechts

13

II.

Die praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede - dargestellt am Beispiel des § 550 a BGB

16

Die fehlende gesetzliche Begriffsbestimmung der Vertragsstrafe

19

I.

Das Schweigen der jüngeren Gesetze

20

II.

Die Umschreibung in den §§ 339 ff. BGB

20

C.

Der Vertragsstrafenbegriff des historischen Gesetzgebers

22

D.

Derzeitiger Forschungsstand und Gang der Untersuchung

27

Erster Teil

Die Vertragsstrafe als Steuerungsmittel des Gläubigers A.

B.

30

"Echte" und "unechte" Vertragsstrafe - eine berechtigte Unterscheidung?

30

I.

Die sog. "echte" Vertragsstrafe

30

II.

Die sog. "unechte" Vertragsstrafe

31

Die Ausgrenzung von Abredetypen im Wege einer Subtraktionsmethode

35

I.

Die konditionale Struktur des Strafversprechens

35

1.

Vertragsstrafe und Garantiezusage

35

2.

Vertragsstrafe und vergleichsähnliche Absprachen

37

Inhaltsverzeichnis

8

II.

C.

Vertragsstrafe und Erleichterung der Vertragsaufsage

38

1.

Vertragsstrafe und Reugeld i.S.d. § 359 BGB

38

2.

Befreiung des Schuldners durch Entrichtung der "Strafe"

45

3.

Untergang des Erfüllungsanspruchs mit Verwirkung der "Strafe"

48

4.

Vertragsstrafe und ein verständliche Vertragsaufhebung

57

5.

Lösungsabsprachen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

60

III. Das Gewicht des in Aussicht gestellten Nachteils

66

Zusammenfassung

70

Zweiter Teil

Der pauschalierte Schadensersatz Entstehungsgeschichte und Begriff A.

Die Herausbildung der Rechtsfigur "pauschalierter Schadensersatz" durch Kautelarpraxis, Rechtsprechung und Gesetzgebung I.

II.

73

73

Das Aufkommen von Schadensersatzabreden in der Kautelarpraxis - dargestellt am Beispiel von Zahlungsverzugs- und Nichtabnahmeklauseln

74

1.

Allgemeine Geschäftsbedingungen in den zwanziger und dreißiger Jahren

74

2.

Der Siegeszug von Schadensersatzabreden nach Ende des Zweiten Weltkriegs

76

Die Reaktion der Rechtsprechung

78

1.

Die - unausgesprochene - Differenzierung des Reichsgerichts

78

2.

Die Behandlung von Nichtabnahmeklauseln durch die Instanzgerichte

79

3.

Die Ausfoimung der Figur "pauschalierter Schadensersatz" durch die höchstrichterliche Rechtsprechung

80

III. Der Einzug des pauschalierten Schadensersatzes in die lex scripta

87

IV. Die Eigenständigkeit des pauschalierten Schadensersatzes - eine überholte Fragestellung?

89

Inhaltsverzeichnis

B.

9

Der pauschalierte Schadensersatz - ein Begriff mit vielen Facetten

92

I.

93

Die konstitutiven Merkmale der Schadenspauschalierung 1.

2.

3. II.

Schadenspauschalierung als in der Abrede fixierte Leistungspflicht des Schuldners

94

Vertragswidriges Schuldnerverhalten als Anknüpfungspunkt der Schadenspauschalierung

95

Die Struktur der Pauschalierungsabrede

Voraussetzungen und Umfang der Ersatzpflicht des Schuldners 1.

2.

110 112

Vom Gläubiger zu beweisender Schadenseintritt als Voraussetzung der Ersatzpflicht

112

Die Auswirkungen des tatsächlichen Schadensverlaufs auf die Leistungspflicht des Schuldners

113

III. Schadenspauschalierung und Ersatzfähigkeit des Schadens

117

1.

Die Einbeziehung von Nichtvermögensschäden in die Pauschale

118

2.

Die Einbeziehung nicht ersatzfähiger Vermögensschäden in die Pauschale

120

IV. Schadenspauschalierung und haftungsbegründender Tatbestand

122

Dritter Teil

Der pauschalierte Schadensersatz Vertragsstrafe oder eigenständiges Rechtsinstitut? A.

B.

125

Der Aspekt des Schuldnerschutzes - ein brauchbarer Ausgangspunkt der Diskussion?

125

Die Gegenüberstellung von "monofunktionaler" Schadenspauschalierung und "bifunktionaler" Vertragsstrafe - ein unzulänglicher Differenzierungsansatz

132

I.

Die gesetzlich angeordnete Schadensersatzpflicht - ein Instrument der Erfüllungssicherung?

134

1.

135

Die psychologische Wirkung der drohenden Schadensersatzpflicht

Inhaltsverzeichnis 2.

II. C.

Abschreckung als mittelbare Wirkung oder (Sekundär-)Funktion der Schadensersatzpflicht?

Erfüllungssicherung als Zweck der Schadenspauschalierung

Erfüllungszwang und Struktur des Leistungsversprechens I.

II.

136 137 139

Die Vertragsstrafe: Verwirkungsvoraussetzungen und richterliche Herabsetzbarkeit nach Verfall der Strafe

140

1.

Die Verwirkungsvoraussetzungen der Vertragsstrafe

141

2.

Die Herabsetzbarkeit der verwirkten Vertragsstrafe nach § 343 BGB

143

Erfüllungszwang und Struktur der Schadenspauschalierungsmethode

149

III. Die Schadenspauschalierung mit Gegenbeweismöglichkeit des Schuldners nur eine atypische Vertragsstrafe?

151

IV. Die Gegenbeweismöglichkeit des Schuldners - zur praktischen Handhabung

V.

des Unterscheidungsmerkmals

154

1.

Die Prüfungs schritte

154

2.

Auslegungsmaßstäbe zur Feststellung der Gegenbeweismöglichkeit

155

Die Schadenspauschalierung ohne Gegenbeweismöglichkeit - stets eine Vertragsstrafe? - Über die Grenzen des unterscheidenden Ansatzes -

Vierter

Teil

Die Vertragsstrafe - Mittel zur Erfüllungssicherung und zugleich ein Instrument zur Vereinfachung des Schadensausgleichs oder zur Verfolgung privater Strafzwecke? A.

159

162

Der erleichterte Schadensausgleich - keine notwendige Funktion der Vertragsstrafe, wohl aber des pauschalierten Schadensersatzes

162

I.

Der pauschalierte Schadensersatz als bifunktionales Rechtsinstitut

163

II.

Vertragsstrafe und Strafverfall an Dritte

163

III. Vertragsstrafe und fehlende Schadenserwartung

166

IV. Vertragsstrafe und fehlende Vorausschätzbarkeit des Schadens

167

Inhaltsverzeichnis V.

B.

Pauschalierter Schadensersatz als Vorabfixierung der erwarteten Einbußen, Vertragsstrafe als beabsichtigte Zusatzsanktion?

170

VI. Vertragsstrafe und immaterielle Einbußen - eine Präzisierung des Begriffs "Zusatzsanktion"

173

Die Zusatzsanktionsmöglichkeit - eine der Rechtfertigung bedürftige Erscheinung ...

176

I.

II.

C.

Rechtfertigung der Zusatzsanktionsmöglichkeit durch den Institutszweck der Erfüllungssicherung

177

Erfüllungssicherung als ausschließliche Rechtfertigung der Zusatzsanktionsmöglichkeit?

179

Die Vertragsstrafe - eine (Privat-)Strafe?

181

I.

182

Die Strafe - ein schwer faßbarer Begriff 1.

2.

II.

Strafe als Übelszufügung in Reaktion auf ein Fehlverhalten des zu Bestrafenden - eine Begriffsbestimmung ohne ausreichende Trennschärfe

183

Strafe als ausschließlich staatliche Sanktion - eine rechtshistorisch nicht zu rechtfertigende Begriffsverengung

184

Vertragsstrafe und Kriminalstrafe - nicht zu vergleichende Erscheinungen? 1.

188

Vergeltung, Sühne, sozialethische Mißbilligung - Kennzeichen der Kriminalstrafe, nicht aber der Vertragsstrafe

189

Spezial- und Generalprävention - nicht nur Aufgabe der Kriminalstrafe, sondern auch zweite Rechtfertigung der Zusatzsanktionsmöglichkeit

193

Die Vertragsstrafe - im Ergebnis keine der öffentlichen Strafe vergleichbare Erscheinung

197

III. Die Übertragbarkeit der die öffentliche Strafe kennzeichnenden Merkmale auf das Privatrecht - eine Gegenüberstellung von Kriminal-, Vereins- und Vertragsstrafe

198

Die Vertragsstrafe als Privatgenugtuung - über die mehr gefühlsmäßig als rational faßbare Seite des Instituts

204

2.

3.

D.

\ 1

I.

II.

Genugtuung oder Satisfaktion - eine in der älteren Literatur angedeutete Funktion der Vertragsstrafe

206

Die Genugtuung - ein von der Strafe einerseits und dem Ersatz immateriellen Schadens andererseits abzugrenzender Sanktionszweck?

208

Inhaltsverzeichnis 1.

Genugtuung und Strafe

209

2.

Genugtuung und Ersatz immateriellen Schadens - die im Deliktsrecht geübte Unterscheidung

210

III. Die Berechtigung des Genugtuungsgedankens im Veitragsrecht 1.

Die psychologischen Wiikungen des Vertragsbruchs

213

2.

Das Verlangen nach Genugtuung - eine von der Rechtsordnung unterdrückte Gefühlsregung des Gläubigers?

216

Das Verlangen nach Genugtuung - eine nur bei frivolem Vertragsbruch zu berücksichtigende Gefühlsregung?

219

IV. Die Genugtuungsfunktion der Vertragsstrafe - ein Schlüssel zum besseren Verständnis des Vertragsstrafenrechts

222

3.

E.

F.

213

1.

Genugtuung und richterliche Herabsetzungsmöglichkeit

222

2.

Genugtuung und Vertragsstrafenverbote

225

3.

Genugtuung und Vorbehaltserfordemis (§ 341 I I I BGB)

228

Pauschalierter Schadensersatz als Vorabfixierung der erwarteten Einbußen, Vertragsstrafe als beabsichtigte Zusatzsanktion - eine berechtigte Unterscheidung

232

Die Vertragsstrafe - Zusatzsanktion und zugleich Mittel des erleichterten Schadensausgleichs?

233

G. Vertragsstrafe und pauschalierter Schadensersatz in praktischer Abgrenzung

Fünfter

Teil

Begriffliche Arbeit

Literaturverzeichnis

238

243

246

Einleitung

A. Über die Notwendigkeit, den Begriff 11 Vertragsstrafe" herauszuarbeiten Die vorliegende Untersuchung widmet sich dem Rechtsinstitut1 der Vertragsstrafe. Ihr Anliegen besteht darin, die das Institut prägenden Merkmale herauszuarbeiten. Eine solche Aufgabenstellung muß überraschen, zählt die Vertragsstrafe doch gewiß nicht zu den Instituten, um die sich aktuell ausgetragene grundsätzliche Streitfragen ranken. Der hier gewählte Ansatz verspricht auf den ersten Blick auch deshalb wenig neue Erkenntnisse, weil die Merkmale einer Vertragsstrafe bereits eine umfassende monographische Untersuchung erfahren haben.2 Der Eindruck, sich mit der aufgeworfenen Fragestellung in einem wenig problemträchtigen Bereich zu bewegen, verflüchtigt sich indes, wenn man sich der Vertragsstrafe nicht von der Seite der Dogmatik, sondern der Rechtsprechungspraxis her nähert. Schwierigkeiten bereitet den Gerichten aller Instanzen zwar nicht die Begriffsbestimmung der Vertragsstrafe, wohl aber die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem so oder anders bezeichneten Leistungsversprechen der Sache nach um eine Vertragsstrafe handelt.

I. Die besonderen Schuldnerschutzvorschriften des Vertragsstrafenrechts Der Feststellung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede kommt deshalb eine große praktische Bedeutung zu, weil das Vertragsstrafenrecht eine Reihe spezieller Schuldnerschutzvorschriften kennt. 3

1 Den Begriff des Rechtsinstituts als einer rechtlich geregelten Einrichtung stellt Medicus, Allgemeiner Teil, RdNr. 60 heraus. 2 Zu nennen sind hier insbesondere die 1972 von Walter F. Lindacher unter dem Titel "Vertragsstrafe, Schadensersatzpauschalierung und schlichter Schadensbeweisvertrag" vorgelegte Habilitationsschrift sowie die im Jahre 1982 unter dem Titel "Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalierung" veröffentlichte Dissertation von Detlev Fischer. 3 Medicus, Schuldrecht I, § 39 I I (S. 207) bezeichnet den Schuldnerschutz mit Recht als wichtigste Aufgabe des Vertragsstrafenrechts; ihm zustimmend Soergel/Lindacher, Vor § 339 RdNr. 11.

14

Einleitung

Zum einen sind in diesem Zusammenhang Vorschriften zu nennen, die auf bestimmten Gebieten sowohl individual- als auch formularvertraglichen Strafversprechen jegliche Wirksamkeit versagen. Neben den in der Gerichtspraxis, gemessen an der Zahl veröffentlichter Entscheidungen, weniger bedeutsamen Regelungen4 des § 5 I I Nr. 2 BBiG 5 , der die Nichtigkeit von Vertragsstrafenversprechen in Berufsausbildungsverhältnissen bestimmt, sowie des § 2 V Nr. 1 FernUSG 6, der Vertragsstrafenversprechen zu Lasten des Teilnehmers am Fernunterricht für unwirksam erklärt, ist hier insbesondere die Schranke des § 550 a BGB zu erwähnen, wonach Vereinbarungen, durch die sich der Vermieter von Wohnraum vom Mieter eine Vertragsstrafe versprechen läßt, unwirksam sind.7 Abreden, die dem Wohnraummieter eine Zahlungspflicht für den Fall der Nicht- bzw. nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit (vergl. § 339 S. 1 Hs. 1 BGB) oder der Vornahme bzw. Unterlassung einer Handlung (vergl. § 343 I I BGB) auferlegen, werden den Begriff "Vertragsstrafe" möglichst zu vermeiden suchen, um sich nicht von vornherein dem Vorwurf der Unwirksamkeit nach § 550 a BGB auszusetzen. Als wohl bekannteste Schuldnerschutzvorschrift ist zum anderen § 343 BGB zu nennen; eine Norm, die die richterliche Herabsetzung unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen ermöglicht. 8 Läßt sich der Vertragsstrafencharakter einer Abrede bejahen, so erlaubt dies dem Richter, auf Antrag des Schuldners gestaltend in den Vertrag einzugreifen. 9 Während sich bei den §§ 550 a, 343 BGB lediglich die Frage stellt, ob eine Abrede als Vertragsstrafe zu bewerten und damit die einzig in Betracht kommende Schuldnerschutzvorschrift zur Anwendung zu bringen ist, sind bei einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Klausel zusätzliche Überlegungen anzustellen. Ein an eine Störung in der Vertragsabwicklung anknüpfendes Leistungsversprechen ist hier nämlich unterschiedlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterworfen, je nachdem ob es sich um eine an § 10 4 Das Verbot einer Vertragsstrafe mit dem Ziel, die Eheschließung wenigstens mittelbar zu erzwingen (§ 1297 I I BGB), wird hier als anachronistisch nur noch anmerkungsweise verzeichnet. 5 Berufsbildungsgesetz vom 14.8.1969, BGBl. I, S. 1112. 6 Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Femunterricht vom 24.8.1976, BGBl. I, S. 2525. 7 Beachte im Zusammenhang mit der Wohnraummiete auch § 4 WoVermittG, wonach Vertragsstrafen wegen Nichterfüllung der Vertragspflichten nur innerhalb bestimmter Höchstgrenzen (10 v.H. des erfolgsabhängigen Entgelts, höchstens jedoch 50 DM) wirksam vereinbart werden können. 8 Zu beachten ist, daß § 343 BGB gemäß § 348 HGB auf von einem (Voll-)Kaufmann im Bereich seines Handelsgewerbes versprochenen Vertragsstrafen keine Anwendung findet. 9 Die Herabsetzung unverhältnismäßig hoher Strafen auf Antrag des Schuldners - also nicht von Amts wegen - wird durch Gestaltungsurteil ausgesprochen, man lese RGRK-Ballhaus, § 343 RdNr. 2; MünchKomm-Sö//ner, § 343 RdNr. 1.

A. Die Notwendigkeit der Arbeit am Begriff

15

Nr. 7 AGBG zu messende Nutzungs- oder Aufwendungspauschale, um eine an § 11 Nr. 5 AGBG zu messende Schadenspauschale oder aber um eine nach § 11 Nr. 6 AGBG zu beurteilende Vertragsstrafe handelt. Immer wieder betonte 10 Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang insbesondere die Abgrenzung zwischen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen weithin unzulässigen Vertragsstrafenversprechen 11 und der grundsätzlich zulässigen12 Schadenspauschalierung. Während sich für einen Teil der Literatur das Abgrenzungsproblem im Bereich der §§ 550 a, 343 BGB nicht stellt, da die genannten Schuldnerschutzvorschriften im Wege der Analogie auf Schadenspauschalierungen ausgedehnt werden, machen die im AGB-Gesetz normierten unterschiedlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen eine exakte Unterscheidung erforderlich. Da sich der Bundesgerichtshof gegen eine entsprechende Anwendung des § 343 BGB auf Schadenspauschalierungen ausgesprochen hat 13 , besitzt die Abgrenzungsfrage aber auch in diesem Bereich nach wie vor nicht nur eine dogmatische, sondern ebenso eine praktische Bedeutung. Letzteres muß auch für die Wohnraummiete gelten, da sich die eine analoge Anwendung des § 550 a BGB befürwortenden 14 und die eine Analogie ablehnenden Stimmen 15 seit Schaffung der Vorschrift 16 ohne greifbaren Erkenntnisfortschritt gegenüberstehen, und der schlichte Hinweis auf den sozialen Schutzzweck der Norm, der die Einbeziehung von Schadenspauschalen gebiete 17 , auch in Zukunft kaum auf breiten Konsens hoffen darf. Bei der Herausarbeitung der die Vertragsstrafe prägenden Merkmale wird daher besondere Beachtung der Fra10 So etwa von MünchKomm-förtz, § 11 Nr. 5 AGBG RdNr. 34; Frank/Werner, DB 1977, S. 2172; Bartl, NJW 1978, S. 731. 11 § 11 Nr. 6 AGBG enthält ein generelles Vertragsstrafenverbot für die in den Fällen typischerweise auftretenden LeistungsStörungen, in denen der Kunde die Geldleistung zu erbringen hat, siehe hierzu MünchKomm-Äöfz, § 11 Nr. 6 AGBG RdNr. 51 f. Von der Vorschrift nicht erfaßte Vertragsstrafenversprechen unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, siehe hierzu (m.w.N.) MünchKomm-^/z, § 11 Nr. 6 AGBG RdNr. 53-55. 12 § 11 Nr. 5 AGBG läßt formularvertragliche Schadenspauschalierungen zu, sofern die Pauschale dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht, und der Schuldner zudem die Möglichkeit besitzt, sich durch den Nachweis eines fehlenden bzw. wesentlich niedrigeren Schadens von der Pauschale zu befreien. 13 BGH NJW 1970, 29 (32). Zugunsten einer analogen Anwendung des § 343 BGB sprechen sich demgegenüber Palandt/Heinrichs, § 343 RdNr. 2 in Verbindung mit § 276 RdNr. 55; Soergel/Linäacher, Vor § 339 RdNr. 27; Staudinger/Kaduk, § 343 RdNr. 13 sowie - beschränkt auf den Fall eines eklatanten Mißverhältnisses zwischen Schaden und Pauschale - Bötticher, ZfA 1970, S. 37 aus. 14 So Stemel, Mietrecht, RdNr. III 289; Hans, § 550 a Anm. 3; Soergell Kummer, § 550 a RdNr. 4. Siehe weiterhin auch Emmerich in: Emmerich!Sonnenschein, § 550 a BGB RdNr. 2 sowie Blank, W u M 1985, S. 275, denenzufolge zumindest solche Schadenspauschalierungen unter § 550 a BGB fallen, die denselben Zweck und dieselbe Wirkung wie ein Vertragsstrafenversprechen haben. 15 So Graf von Westphalen, DB 1984, Beilage 8, S. 7; PalandtlPutzo, § 550 a RdNr. 1; Ermanl Schopp, § 550 a RdNr. 3. 1 § 550 a BGB wurde durch ein Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 14.7.1964 (BGBl. I, S. 457) in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt. 17 Emmerich in: Emmerich!Sonnenschein, § 550 a BGB RdNr. 2.

16

Einleitung

ge zu schenken sein, wie sich die Schadenspauschalierung von der Vertragsstrafe abgrenzen läßt. Hierbei wird insbesondere der These Fischers nachzugehen sein, wonach die Abgrenzungsschwierigkeiten darauf beruhen, daß es sich beim pauschalierten Schadensersatz gar nicht um ein von der Vertragsstrafe zu unterscheidendes Institut handelt, die Schadenspauschale vielmehr in der Vertragsstrafe aufgeht. 18

II. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede dargestellt am Beispiel des § 550 a BGB Um die Darstellung nicht im Abstrakten zu belassen, seien die Schwierigkeiten, die die Bestimmung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede in der Rechtspraxis bereitet, einleitend am Beispiel des Wohnraummietrechts näher beleuchtet. Seit Einfügung des § 550 a BGB im Jahre 1964 19 sind Klauseln, in denen der Mieter ausdrücklich die Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall der Nicht- bzw. nicht gehörigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten (vergl. § 339 S. 1 BGB) oder der Vornahme bzw. Unterlassung einer Handlung (vergl. § 343 I I BGB) verspricht, in der Vertragspraxis, soweit ersichtlich, kaum mehr anzutreffen. Verbreitet sind demgegenüber zahlreiche Klauseln, die zwar kein ausdrückliches Strafversprechen enthalten, in denen der Mieter aber gleichwohl eine "Leistung" für den Fall der Nicht- bzw. nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit oder der Vornahme bzw. Unterlassung einer Handlung zusagt. Einige der Klauseln, die trotz ihres abweichenden Wortlauts in jüngerer Zeit in Rechtsprechung oder Literatur unter Vertragsstrafengesichtspunkten gewürdigt wurden, seien an dieser Stelle exemplarisch genannt.

18 Fischer, Vertragsstrafe, S. 175. 19 Die Verwirkung einer Vertragsstrafe schon bei geringfügigen Verstößen des Mieters gegen die Hausordnung wurde bereits im Jahre 1934 von den Spitzenverbänden der Grundbesitzer- und Mietervereine zur sog. "mißbilligten Klausel" erklärt (siehe hierzu Weimar, MDR 1965, S. 349; EnnecceruslLehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 546; Roquette, § 550 a RdNr. 6). Bei diesen handelte es sich um solche Abänderungen des vom Reichsjustizmini sterium unter Mitwirkung der Verbände im Jahre 1934 ausgearbeiteten Deutschen Einheitsmietvertrags (abgedruckt bei Soergel/ Mezger (10. Aufl.), vor § 535 RdNr. 64), die von den Grundbesitzer- und Mieterorganisationen übereinstimmend als unerwünscht angesehen wurden (Roquette, JW 1935, S. 1672; Weimar, ZMR 1976, S. 65). Der Deutsche Einheitsmietvertrag stellte aber nur einen Vertragsentwurf dar (Weimar, ZMR 1976, S. 65; dies übersieht Fischer, Vertragsstrafe, S. 44 Fußnote 13), dessen Zielsetzung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Vermieter- und Mieterinteressen durch Verwendung zahlreicher abweichender Vertragsformulare weithin vereitelt wurde (vergl. hierzu Sonnenschein, NJW 1980, S. 1490).

A. Die Notwendigkeit der Arbeit am Begriff

17

Angeknüpft wird dabei an das Verhalten, das die Leistungspflicht des Mieters auslöst. Als erster Anlaß zusätzlicher Beschwerung kommt der Verzug des Mieters mit der Entrichtung des Mietzinses in Betracht. Schwierigkeiten bereitet der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang die Behandlung von Klauseln, die eine Leistungspflicht des Mieters für vom Vermieter erstellte Mahnschreiben vorsehen. 20 Während einerseits "Mahngebühren" von l 2 1 , 5 2 2 oder 10 D M 2 3 für jedes Schreiben als nach § 550 a BGB unwirksame Vertragsstrafenversprechen qualifiziert werden, erblicken andere Gerichte in derartigen Vereinbarungen eine Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen, die nur in Formularverträgen der Schranke des § 11 Nr. 5 AGBG unterliege. 24 Als zweites Beispiel für die bei der Bestimmung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede auftretenden Schwierigkeiten seien Klauseln erwähnt, die an eine einverständliche, jedoch vorzeitige Vertragsaufhebung auf Wunsch des Mieters anknüpfen. Hier sind in der Vertragspraxis zum einen solche Klauseln gebräuchlich, in denen sich der Vermieter bereits im Mietvertrag die Zahlung einer Geldsumme für den Fall der einverständlichen, vorzeitigen Vertragsbeendigung versprechen läßt. 25 Anzutreffen sind aber auch Klauseln, in denen dem Vermieter nicht bereits im Miet-, sondern erst im Aufhebungsvertrag eine Leistung des Mieters zugesagt wird. 2 6 Derartige Abreden werden

20 Vergl. etwa die vom AG Köln W u M 1969, 183 (184) mitgeteilte Klausel: "Bei Zahlungsverzug ist der Vermieter berechtigt, für jeden Mahnbrief eine Mahn- und Verwaltungsgebühr von ... D M zu erheben". 21 AG Köln Z M R 1977,179 (180). 22 AG Köln W u M 1969,183 (184). 23 AG Charlottenburg W u M 1981, 227 (228); AG Darmstadt W u M 1988,109. 24 AG Freiburg W u M 1986, 368 bzgl. einer Mahngebühr von 3 DM; hinsichtlich der Einordnung als Schadenspauschalierung ebenso AG Tübingen Z M R 1984,323; AG Wedding W u M 1988, 120 sowie OLG Celle W u M 1990, 103 (109) im Hinblick auf eine Pauschale von 10 D M pro Schreiben. Eine Gebühr von 3 D M pro Schreiben sieht auch § 3 I I I des vom Bundesminister der Justiz herausgegebenen und bei RGRK-Gelhaar, Vor § 535 RdNr. 87 abgedruckten Mustermietvertrags '76 (Fassung I) vor. 25 Man lese etwa die folgende, in den Urteilen LG Lübeck W u M 1981, 104; AG Norderstedt W u M 1985, 112; AG Hamburg W u M 1985, 113 mitgeteilte Klausel: "Endet das Mietverhältnis ... vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer im gegenseitigen Einvernehmen (Mietaufhebungsvertrag), so kann der Vermieter vom Mieter zum Ausgleich aller durch die vorzeitige Vertragsbeendigung entstehenden Kosten wie z.B. Insertion, Abrechnung, Buchung, Wohnungsabnahme, eine pauschale Unkostenabgeltung ohne Einzelnachweis in Höhe einer Monatsmiete verlangen". 26 Als exemplarisch kann die den Entscheidungen AG Pinneberg W u M 1979, 214; LG Itzehoe W u M 1980, 247 zugrunde liegende Vertragsbestimmung gelten: "Die Vermieter sind mit einer Aufhebung Ihres Vertrages unter Verzicht auf die vereinbarte Laufzeit und Kündigungsfrist unter nachstehenden Bedingungen einverstanden: Für den erhöhten Verwaltungs- und neuen Vermietungsaufwand zahlen Sie eine Pauschalabgeltung in Höhe einer Monatsmiete, ohne besonderen Nachweis des Vermieters". 2 Hess

18

Einleitung

in Rechtsprechung 27 und Literatur 28 einmal als nach § 550 a BGB unwirksame Vertragsstrafenversprechen bewertet. Andere Gerichte und Autoren erblicken in derartigen Formularvereinbarungen nach § 10 Nr. 7 AGBG unwirksame Aufwendungsersatzabreden bzw. nach § 11 Nr. 5 AGBG unwirksame Schadenspauschalierungen. 29 Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch noch Entscheidungen30 und literarische Stellungnahmen31 zu nennen, die in den hier in Rede stehenden Vertragsbestimmungen weder Vertragsstrafen noch Schadens- oder Aufwendungspauschalen, sondern originäre Leistungspflichten des Mieters sehen. Als drittes und abschließendes Beispiel für die bei der Bestimmung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede auftretenden Schwierigkeiten seien Klauseln angeführt, die dem Mieter zusätzlich zu den während der Laufzeit des Vertrags turnusmäßig durchzuführenden Schönheitsreparaturen eine weitere Endrenovierung bei seinem Auszug auferlegen. 32 Während Rechtspre27 So für Leistungsversprechen im Mietvertrag AG Hamburg W u M 1979, 190; AG Bremen Z M R 1983, 22; AG Kamen, W u M 1988, 109. Eine ebensolche, jedoch nicht in einem Miet-, sondern in einem Pachtvertrag enthaltene Klausel ordnet auch die Entscheidung BGH NJW 1985, 57 (57 f.) als Vertragsstrafe ein. Im Aufhebungsvertrag enthaltene Leistungsversprechen bewerten die Entscheidungen AG Wuppertal W u M 1981, 105; AG Pinneberg W u M 1979, 24; AG Bremen ZMR 1983,22, als Vertragsstrafenversprechen. 28 Schmidt-Futterer/Blank,, RdNr. B 98; Stemel, Mietrecht, RdNr. III 289, IV 347; W. Köhler, Wohnraummiete, § 71 RdNr. 2. 29 So für Leistungsversprechen im Mietvertrag LG Lübeck W u M 1981, 104; AG Hannover W u M 1987, 147; AG Neukölln GE 1990, 1093; anders AG Norderstedt W u M 1985, 112, das die Klausel zwar als Schadenspauschalierung einordnet, aber deren Vereinbarkeit mit § 11 Nr. 5 AGBG bejaht. Hinsichtlich der Leistungsversprechen im Aufhebungsvertrag siehe LG Itzehoe W u M 1989, 176 und zur Einordnung als Schadenspauschalierung auch AG Neumünster WuM 1989, 555 sowie Palandt/Putzo, § 550 a RdNr. 1. Die in jüngerer Zeit ergangene Entscheidung OLG Hamburg (RE) W u M 1990, 244 (245) bewertet ein in einem Aufhebungsvertrag enthaltenes Leistungsversprechen als Aufwendungsersatzpauschale, die - da nicht an ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht anknüpfend - nicht am Maßstab des § 10 Nr. 7 b AGBG, sondern an der Generalklausel des § 9 AGBG zu messen sei. Eine "pauschale Unkostenabgeltung" in Höhe einer Nettokaltmiete findet dabei die Anerkennung des Gerichts. 30 So für mietvertragliche Abreden AG Hamburg W u M 1985, 113; LG Berlin GE 1987, 135 (135, 137) sowie für Abreden im Aufhebungsvertrag LG Itzehoe WuM 1980, 247 (248); AG Reinbek W u M 1985,112; LG Lübeck W u M 1985,114. 31 Schmid, W u M 1981, S. 99 f. sowie MimchKomm-Voelskow, § 550 a RdNr. 2, die bei formularvertraglichen Abreden freilich einen Verstoß gegen § 9 II Nr. 1 AGBG annehmen. Siehe hierzu auch Emmerich, der derartige Klauseln zunächst wegen ihrer vertragsstrafengleichen Wirkung in den Anwendungsbereich des § 550 a BGB einbezog {Staudinger/Emmerich, § 550 a RdNr. 6, 8), in einer Stellungnahme jüngeren Datums aber "in engem Rahmen" deren Wirksamkeit bejaht {Emmerich in: Emmerich/Sonnenschein, (5. Aufl.), § 550 a BGB RdNr. 3). In seiner allerneuesten Stellungnahme bewertet Emmerich derartige Mieterwechselgebühren als an den §§9, 10 Nr. 5 AGBG zu messende "echte" Schadenspauschalen, die in angemessener Höhe unbedenklich seien {Emmerich in: Emmerich!Sonnenschein, (6. Aufl.), § 550 a BGB RdNr. 3). 32 Als exemplarisch kann die folgende vom OLG Hamm (RE) W u M 1981, 77 mitgeteilte Klausel gelten: "Der Mieter verpflichtet sich, die Räume renoviert zurückzugeben, wobei es unberücksichtigt bleibt, in welchem zurückliegenden Zeitpunkt die letzte Schönheitsreparatur stattgefunden hat. Im einzelnen hat der Mieter folgende Arbeiten ausführen zu lassen...".

B. Die fehlende gesetzliche Begriffsbestimmung der Vertragsstrafe

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chung 33 und weite Teile der Literatur 34 das Vertragsstrafenrecht in diesem Zusammenhang unberücksichtigt lassen, finden sich ebenso Stimmen, die in der Vorschrift des § 550 a BGB eine Schranke für die Übertragung derartiger Pflichten erblicken. Die Belastung des Mieters mit einer zusätzlichen Endrenovierung wirke sich nämlich im Ergebnis als eine für den Fall der Kündigung ausbedungene Vertragsstrafe aus.35 Dieser Sichtweise kann zumindest nicht mit dem Hinweis auf den Inhalt der Leistungspflicht widersprochen werden, kann die Strafe nach § 342 BGB doch auch in einer anderen Leistung als der Zahlung einer Geldsumme bestehen. Die hier an der Vorschrift des § 550 a BGB exemplarisch aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede belegen die Notwendigkeit, Klarheit über den Begriff der Vertragsstrafe zu gewinnen. Die angeführten Beispielsfälle zeigen zugleich, daß ein weites Vertragsstrafenverständnis die Regelung des § 550 a BGB in den Rang einer bedeutsamen, den Mieter vor einer Vielzahl von Belastungen bewahrenden Schulderschutzvorschrift erhebt.

B. Die fehlende gesetzliche Begriffsbestimmung der Vertragsstrafe Kennzeichnet Unsicherheit bei der Bestimmung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede das Bild von Rechtsprechung und Literatur, so drängt sich die Frage auf, worauf diese am Beispiel des § 550 a BGB sichtbar gewordenen Schwierigkeiten beruhen.

33 In den Entscheidungen LG Karlsruhe W u M 1984,126 (127); OLG Hamm (RE) W u M 1981, 77; OLG Frankfurt a.M. (RE) W u M 1981, 272 wird die dem Mieter auferlegte Endrenovierungspflicht lediglich am Maßstab des § 9 AGBG gemessen und in Fonnularveiträgen für unwirksam erklärt, ohne daß die Vorschrift des § 550 a BGB überhaupt Erwähnung findet. 34 Keine Beachtung findet das Vertragsstrafenrecht im Zusammenhang mit der Überwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter beispielsweise bei MilnchKomm-Voelskow, §§ 535, 536 RdNr. 114 ff.; RGRK-Gelhaar, §§535, 536 RdNr.90ff.; Soergel/Kummer, §§535-536 RdNr. 350 ff. 35 Staudinger/Emmerich, §§ 535, 536 RdNr. 143 e; Stemel, Mietrecht, RdNr. I I 414; HeUgreß, W u M 1983, S. 84; im Ergebnis ebenso Emmerich in: Emmerich!Sonnenschein, §§535, 536 BGB RdNr. 40.

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Einleitung

I. Das Schweigen der jüngeren Gesetze Eine erste Antwort ergibt sich aus dem Wortlaut der die Vertragsstrafe betreffenden Vorschriften jüngeren Datums. Die §§ 550 a BGB, 5 I I Nr. 2 BBiG 3 6 , 2 V Nr. 1 FernUSG 37 , 11 Nr. 6 AGBG 3 8 verwenden zwar den Ausdruck "Vertragsstrafe", enthalten aber keine Begriffsbestimmung. Sie ist auch nicht den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, der Begriff der "Vertragsstrafe" wird dort vielmehr als vorgegeben behandelt.39

IL Die Umschreibung in den §§ 339 ff. BGB Findet sich in den neueren Gesetzen keine Begriffsbestimmung, so richtet sich der Blick unwillkürlich auf die §§ 339 ff. BGB als der umfassendsten die Vertragsstrafe betreffende Regelung. Den einzelnen Vorschriften der §§ 339 ff. BGB kommt für das Verständnis der Vertragsstrafe eine unterschiedliche Bedeutung zu. Am aufschlußreichsten ist die Norm des § 339 S. 1 Hs. 1 BGB. Obwohl § 339 S. 1 Hs. 1 BGB vom Aufbau der Norm her lediglich Tatbestandsvoraussetzungen für die in Hs. 2 angeordnete Rechtsfolge der Strafverwirkung enthält, gibt die Vorschrift zugleich Hinweise auf die das Institut kennzeichnenden Merkmale. Geltungsgrund der Vertragsstrafe ist nach dem Wortlaut des § 339 S. 1 Hs. 1 BGB ein "Versprechen" des Schuldners an den Gläubiger, womit aber keine einseitige Erklärung des Schuldners, sondern eine vertragliche Vereinbarung gemeint ist. 40

36 § 5 II BBiG besitzt auszugsweise den folgenden Wortlaut: "Nichtig ist eine Vereinbarung über... 2. Vertragsstrafen...". 37 § 2 V FernUSG lautet folgendermaßen: "Unwirksam sind Vereinbarungen zu Lasten des Teilnehmers über 1. Vertragsstrafen ...". 38 § 11 AGBG lautet im hier interessierenden Teil: "In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam ... 6. (Vertragsstrafe) eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, daß der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird;...". 39 Ich verweise auf die Begründung des RegE zu § 550 a BGB (BT-Drucks. IV/806, S. 9) sowie den Bericht des Rechtsausschusses (zu BT-Drucks. IV/2195, S. 4); ebenso die Begründung zum RegE eines FernUSG (BT-Drucks. 7/4245, S. 15) und die Begründung zum RegE eines AGBGesetzes (BT-Drucks. 7/3919, S. 30); man lese auch die dem § 5 I I Nr. 2 BBiG vorausgegangenen Gesetzesentwürfe der SPD-Fraktion (BT-Drucks. V/887, S. 4) sowie der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP (BT-Drucks. V/1009, S. 5). 40 So bereits in aller Deutlichkeit Motive II, S. 275 (= Mugdan, S. 153).

B. Die fehlende gesetzliche Begriffsbestimmung der Vertragsstrafe

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Inhalt des Versprechens ist nach dem Wortlaut des § 339 S. 1 Hs. 1 BGB die Zahlung einer Geldsumme. § 342 BGB stellt indes klar, daß die Geldleistung in § 339 S. 1 Hs. 1 BGB nur exemplarisch angefühlt wird und nicht als unerläßliches Erfordernis der Vertragsstrafe zu verstehen ist. Wie der Vorschrift des § 339 S. 1 Hs. 1 BGB weiterhin zu entnehmen ist, wird die Leistung vom Schuldner für den Fall der Nicht- oder der nicht gehörigen Erfüllung seiner Verbindlichkeit versprochen. Nach der einleitenden Vorschrift des Vertragsstrafenrechts ist das Leistungsversprechen insoweit unselbständig, als es an den Bestand einer (Haupt-)Verbindlichkeit anknüpft, sog. Akzessorietät der Vertragsstrafe. 41 Darüber hinaus weist der Wortlaut des § 339 BGB das Leistungsversprechen als bedingtes aus, wird doch die Zahlung einer Geldsumme nur "für den Fall" einer Leistungsstörung zugesagt. Eine unbefangene Lektüre des § 339 S. 1 Hs. 1 BGB läßt schließlich noch ein weiteres Merkmal zutage treten. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift verspricht nämlich der Schuldner dem Gläubiger nicht einfach die Zahlung einer Geldsumme für den Fall der Nicht- oder der nicht gehörigen Erfüllung seiner Verbindlichkeit, sondern die Leistung wird dem Gläubiger "als Strafe" zugesagt. Gibt § 339 S. 1 Hs. 1 BGB damit erste Hinweise auf die die Vertragsstrafe charakterisierenden Merkmale, so regeln die Hs. 2 und 3 der Vorschrift lediglich die Verwirkung einer versprochenen Strafe, setzen mithin ein Vertragsstrafenversprechen voraus. Letzteres gilt auch für die §§ 340, 341 BGB. Knüpft das Vertragsstrafenversprechen an eine Hauptverbindlichkeit des Schuldners an, so schließt sich daran die Bestimmung des Verhältnisses der Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche des Gläubigers zum Anspruch auf die verwirkte Vertragsstrafe an. In einem engen Zusammenhang mit den in den §§ 339 S. 1 Hs. 1, 342 BGB enthaltenen Begriffsmerkmalen steht demgegenüber die Vorschrift des § 343 I I BGB. Sie dehnt den Anwendungsbereich des § 343 I BGB auf Strafversprechen aus, die sich durch das Fehlen einer Hauptverbindlichkeit von der akzessorischen Strafe im Sinne des § 339 BGB unterscheiden. 42 41 Daß das Strafversprechen in seiner Wirksamkeit vom Bestehen der Hauptverbindlichkeit abhängt, kommt auch in der Norm des § 344 BGB zum Ausdruck. 42 Im Gegensatz zur akzessorischen Vertragsstrafe wird diese Form der Strafabrede auch als "selbständiges Strafversprechen" oder "-gedinge" bezeichnet, siehe BGHZ 105, 24 (27); MünchKomm-Söllner, Vor § 339 RdNr. 2, § 343 RdNr. 19. Verbreitet ist auch die Bezeichnung der akzessorischen Vertragsstrafe als "echte" und des selbständigen Strafversprechens als "unechte" Ver-

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Einleitung

Als Ergebnis dieses Überblicks schält sich eine zweite Antwort auf die Frage heraus, warum der Charakter einer Vertragsstrafe schwer zu bestimmen ist. Nach dem Wortlaut der §§ 339 S. 1 Hs. 1, 342, 343 BGB läßt sich die Vertragsstrafe zunächst als das Versprechen einer Leistung für den Fall der Nichtoder Schlechterfüllung einer Verbindlichkeit oder, wenn man das selbständige Strafgedinge einbezieht, für den Fall der Vornahme oder Unterlassung einer geschuldeten oder nicht geschuldeten Handlung verstehen. Orientiert man sich am Wortlaut der Normen, so ist eine Eingrenzung dieser weiten Begriffsbestimmung nur über das Merkmal des Versprechens einer Leistung "als Strafe" möglich. Was aber ein bedingtes Leistungsversprechen zur "Strafe" werden läßt, ist den §§ 339 ff. BGB nicht mehr zu entnehmen. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein ausfüllungsbedürftiges Merkmal, welches der Zivilist zudem primär dem Strafrecht und nicht seinem eigenen Rechtsgebiet zuordnet. Läßt sich damit selbst den §§ 339 ff. BGB als der umfassendsten Regelung des Vertragsstrafenrechts allenfalls eine erste Umschreibung, aber keineswegs eine abschließende Begriffsbestimmung der Vertragsstrafe entnehmen43, so sind die aufgezeigten praktischen Schwierigkeiten eine natürliche Folge des Schweigens des Gesetzes.

C. Der Vertragsstrafenbegriff des historischen Gesetzgebers Da sich weder den jüngeren die Vertragsstrafe betreffenden Gesetzen und deren Materialien noch den §§ 339 ff. BGB eine Begriffsbestimmung der Vertragsstrafe entnehmen läßt, lohnt der Versuch, aus den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Aufschluß über das Verständnis des historischen Gesetzgebers zu gewinnen. Über den Sinn der Vertragsstrafe äußern sich die Motive in einem knappen Resümee: Der Entwurf beruhe auf der Auffassung, daß sich das Wesen der Konventionalstrafe 44 aus ihrer doppelten Funktion erschließt, "einmal als Zwangsmittel gegen den Schuldner zu dienen, sodann dem Gläubiger die Intragsstrafe; man lese BGHZ 105, 24 (27); MiinchKomm-Söllner, Vor § 339 RdNr. 2, § 339 RdNr. 6, § 343 RdNr. 19. 43 Die fehlende Begriffsbestimmung in den §§ 339 ff. BGB betont auch Fischer, Vertragsstrafe, S. 29 f. A.A. freilich Horschitz, Vereinsstrafe, S. 111, für den sich Wesen und Zweck der Vertragsstrafe unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. 44 Der Begriff "Konventionalstrafe" wurde erst von der 2. Kommission im Zuge einer Verdeutschung der Gesetzessprache durch den der "Vertragsstrafe" ersetzt, siehe hierzu Protokolle I, S. 775 (= Mugdan, S.717).

C. Der Vertragsstrafenbegriff des historischen Gesetzgebers

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teresseforderung zu erleichtern und zu sichern". 45 Dieses ausdrückliche Bekenntnis zu einem zwei Funktionen in sich vereinigenden Vertragsstrafenbegriff schien der 1. Kommission deshalb angezeigt, um der Kontroverse, ob die Vertragsstrafe des preußischen Allgemeinen Landrechts lediglich als Vorabfixierung des Gläubigerinteresses zu verstehen sei 46 , für das Bürgerliche Gesetzbuch den Boden zu entziehen.47 Der Ausdruck "Zwangsmittel" wird in den Motiven selbst nicht näher erläutert. 48 Was die Gesetzesverfasser hierunter verstanden haben, erschließt aber der von ihnen gegebene Hinweis 49 auf ein Urteil des Reichsoberhandelsgerichts aus dem Jahre 1875, das bereits die Vertragsstrafe des Allgemeinen Landrechts als Mittel der Bestärkung und Sicherung der Vertragserfüllung deutete.50 Die durch ein Vertragsstrafenversprechen bewirkte Sicherung der Interesseforderung wird in der Entwurfsbegründung dahingehend konkretisiert, daß der Schadensersatz verlangende Gläubiger die Strafe als vom Beweis des Daseins und der Höhe des Schadens unabhängigen Mindestbetrag einfordern könne. 51 Im Gegensatz zu den Motiven findet sich in den Protokollen keine - erneute grundsätzliche Stellungnahme zum Wesen der Vertragsstrafe. Schlüsse auf das Vertragsstrafenverständnis der 2. Kommission ermöglicht indessen die in den Protokollen nachgezeichnete Diskussion 52 über das Für und Wider der Einführung eines richterlichen Ermäßigungsrechts 53 sowie der vom Richter bei der Handhabung eines solchen Rechts zu berücksichtigenden Umstände.54

45 Motive II, S. 275 (= Mugdan, S. 152). 46 Ein schadensersatzrechtliches Verständnis der Vertragsstrafe legte hier der Wortlaut der einleitenden Vorschrift nahe, da A L R I . 5, § 292 folgendermaßen lautete: "Das Interesse, welches ein Kontrahent dem Anderen, bei nicht gehörig geleisteter Erfüllung des Vertrages, zu vergüten hat, kann durch Verabreden einer Strafe im Voraus bestimmt werden", siehe hierzu m.w.N. Lindacher, Phänomenologie, S. 51 f.; Fischer, Vertragsstrafe, S. 22 f. Einen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der Vertragsstrafe vom babylonischen Recht bis zur Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs gibt Fischer, a.a.O., S. 19-27. 47 Motive II, S. 275 (= Mugdan, S. 152). 48 In welche Richtung das Zwangsmittel zielt, machen die Motive (a.a.O., S. 279 (= Mugdan, S. 155)) allenfalls am Rande mit der Bemerkung deutlich, daß die Konventionalstrafe infolge ihrer akzessorischen Natur nicht dazu benutzt werden könne, indirekt eine Leistung zu erzwingen, zu welcher eine Verbindlichkeit nicht begründet werden kann. 49 A.a.O., S. 275 (= Mugdan, S. 152). 50 ROHG 16, 397 (399-401). 55 Motive II, S. 276 (= Mugdan, S. 153). 52 Protokolle I, S. 780-786 (= Mugdan, S. 720-725). 53 Der Entwurf der 1. Kommission sah noch kein richterliches Ermäßigungsrecht vor, sondern überließ die Strafhöhe - in den durch den Wucher gezogenen Grenzen - der freien Vereinbarung durch die Parteien, siehe Motive II, S. 278 (= Mugdan, S. 154). 54 Daß in der Diskussion das Vertragsstrafenverständnis der 2. Kommission sichtbar wird, hebt auch Fischer, Vertragsstrafe, S. 33 f. hervor.

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Die Auseinandersetzung mit dem sowohl aus der Mitte der Kommission als auch in sonstigen Stellungnahmen55 vorgetragenen Einwand, wonach die Zulassung eines Ermäßigungsrechts zu richterlicher Willkür führe, da es dem Richter zumute, dem Vertrag einen neuen Inhalt zu geben, ohne daß ihm seitens des Gesetzes ein Anhalt für seine Entscheidung gegeben werden könne 56 , zeigt, daß den Verfassern des Zweiten Entwurfs verschiedene Vertragsstrafentypen vor Augen standen. Indem die Kommission den von ihr referierten Vorschlag Rocholls, das Ermäßigungsrecht auf solche Fälle zu beschränken, in denen der Richter deshalb einen Anhaltspunkt für seine Entscheidung besitze, weil die Strafe nur zur Fixierung des voraussichtlichen vermögensrechtlichen Interesses bestimmt sei, als zu eng verwirft 57 , bringt sie zum Ausdruck, daß unter den Begriff der Vertragsstrafe zum einen solche Abreden fallen, bei denen der Strafbetrag den im Falle einer Leistungsstörung zu erwartenden Vermögensschäden des Gläubigers entspricht. Fischer spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einem "schadensersatzrechtlichen Vertragsstrafentyp". 58 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, daß die Vertragsstrafe des Bürgerlichen Gesetzbuchs stets nur einen Mindestschadensersatz darstellt Der Gläubiger wird durch das Strafversprechen nicht gehindert, einen den Strafbetrag übersteigenden und von ihm nachzuweisenden Schadensersatz zu fordern. Das Prinzip des Mindestschadensersatzes stellt eine bewußte Abkehr 59 von der Vertragsstrafenkonzeption des preußischen Allgemeinen Landrechts 60 sowie des französischen Code civil 6 1 dar, wonach dem Gläubiger auch im Falle eines nachweislich höheren Schadens kein über den versprochenen Betrag hinausgehender Schadensersatz zugesprochen werden darf. Zum anderen werden in den Protokollen solche Fälle erwähnt, in denen die Vertragsstrafe dem Gläubiger vorzugsweise als "Kompelle", d.h. als Zwangsmittel dienen soll. 62 Daß der Gläubiger 55 Die Frage der Einführung eines richterlichen Ermäßigungsrechts war, worauf Fischer, a.a.O., S. 33 mit Fußnote 18 sowie Protokolle I, S. 784 (= Mugdan, S. 723) hinweisen, im Jahre 1889 Beratungsgegenstand des 20. Deutschen Juristentages. 56 Siehe Protokolle I, S. 783 (= Mugdan, S. 722). 57 A.a.O., S. 783 f. (= Mugdan, S. 722 f.). 58 Vertragsstrafe, S. 35. Daß der vorweggenommenen Schadensschätzung dienende Abreden unter den Vertragsstrafenbegriff des historischen Gesetzgebers fallen, betonen weiterhin Lindacher, Phänomenologie, S. 55-57 sowie Hager, Rechtsbehelfe, S. 183 f. 59 Siehe Motive II, S. 276 (= Mugdan, S. 153). 60 Vergl. A L R I . 5, § 293: "Wo dergleichen Strafe festgesetzt worden, da findet die Forderung eines höheren Interesses nicht statt". 61 Angesprochen ist Art. 1152 Ce: "Lorsque la convention porte que celui qui manquera de l'exécuter payera une certaine somme à titre de dommages-intérêts, il ne peut être alloué à l'autre partie une somme plus forte, ni moindre". Siehe zu diesem sog. Foifait-Prinzip des Code civil und dessen Durchbrechungen (m.w.N.) Lindacher , Phänomenologie, S. 43-46 sowie Fischer , Vertragsstrafe, S. 118 f. 62 Protokolle I, S. 783, 785 (= Mugdan, S. 722,724).

C. Der Vertragsstrafenbegriff des historischen Gesetzgebers

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sich hier einen über den erwarteten Schaden hinausgehenden Strafbetrag auszubedingen vermag, bringen die Redaktoren unmißverständlich mit dem Hinweis zum Ausdruck, daß solchenfalls ein gewisses Maß an Härte gegen den Schuldner geboten sei, allerdings ein ungemessenes Recht zur Verhängung von Vermögensstrafen nicht geduldet werden könne. 63 Neben schadensersatzrechtlich geprägten Abreden, bei denen sich die Strafhöhe am zu erwartenden Vermögensschaden orientiert und solchen, bei denen die Strafhöhe nicht am Restitutionsinteresse des Gläubigers ausgerichtet ist, finden in den Protokollen schließlich noch solche Klauseln Beachtung, bei denen mit Hilfe des versprochenen Strafbetrags die Erfüllung von Hauptverbindlichkeiten ohne Vermögenswert gesichert werden soll. 64 Wegen der Vorschrift des (heutigen) § 253 BGB bilde die Vertragsstrafe nämlich fast das einzige Mittel, um einer auf eine Leistung ohne Vermögenswert gerichteten Obligation rechtliche Wirksamkeit zu verschaffen. 65 Unterzieht man die herausgestellten Abredetypen einer Gesamtschau, so läßt sich feststellen, daß sie sich allesamt auf die von der 1. Kommission als für die Vertragsstrafe wesensbestimmend herausgestellten Funktionen eines Zwangsmittels sowie eines Mittels zur Erleichterung und Sicherung der Interesseforderung zurückführen lassen. Hierin dürfte auch der Grund dafür zu sehen sein, daß die dem Vertragsstrafenrecht gewidmeten Monographien Lindachers und Fischers bei ihrer Interpretation der Gesetzesmaterialien zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangen, der BGB-Gesetzgeber sei von einem doppelfunktionalen Vertragsstrafenbegriff ausgegangen.66 Ob eine solche Sichtweise, die der dem Institut vom Gesetzgeber gegebenen Bezeichnung Vertrags-"Strafe M keinerlei Beachtung schenkt 67 , den Vorstellungen insbesondere der 2. Kommission gerecht wird, muß indes bezweifelt werden. Diesbezügliche Zweifel gründen sich auf dem Umstand, daß die Vertragsstrafe in den Protokollen mehrfach als "Privatstrafe" bezeichnet wird. 6 8 Von der Unterwerfung unter eine "Privatstrafe" spricht ebenfalls das Reichsoberhandelsge-

63 A.a.O., S. 786 (= Mugdan, S. 724). Daß die Vertragsstrafe es dem Gläubiger nach der Vorstellung des Gesetzgebers eimöglicht, sich einen über den erwarteten Schaden hinausgehenden Betrag versprechen zu lassen, betonen auch Lindacher, Phänomenologie, S. 55-57 sowie Fischer, Vertragsstrafe, S. 37. 64 Protokolle I, S. 785 (= Mugdan, S. 724). 65 A.a.O. 66 Lindacher, Phänomenologie, S. 56; Fischer, Vertragsstrafe, S. 31, 36 f.; ebenso MünchKomm-Söllner, Vor § 339 RdNr. 3. 67 So explizit Fischer, a.a.O., S. 30, wenn er ausführt, aus der Wortwahl dürfe nicht hergeleitet werden, daß die Vertragsstrafe eine (Privat-)Strafe sei, die den vertragsuntreuen Partner mit einem Übel belege, um damit dem Gläubiger Genugtuung für erlittenes Unrecht zu verschaffen. 68 Protokolle I, S. 783, 785 (= Mugdan, S. 722,724).

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rieht in dem von der 1. Kommission zur Verdeutlichung ihres Vertragsstrafenbegriffs herangezogenen Urteil. 69 Der Kontext, in dem der Begriff "Privats träfe" Verwendung findet, könnte freilich den Schluß nahelegen, der Gesetzgeber habe hiermit lediglich die Beugefunktion der Vertragsstrafe umschreiben wollen. 70 Eine solche Interpretation fügte sich nahtlos in einen bifunktionalen Vertragsstrafenbegriff ein und gestattete es, der Spielart der "Privatstrafe" keine weitere Beachtung zu schenken. 71 Bedenken gegen eine Gleichsetzung der Begriffe "Privatstrafe" und "Zwangsmittel" muß indes bereits die Wendung in dem soeben angeführten Urteil des Reichsoberhandelsgerichts hervorrufen, wonach die Vertragsstrafe "als ein Bestärkungsmittel bez. als die Unterwerfung unter eine Privatstrafe zu beurtheilen (sei)". 72 Daß der Gesetzgeber mit dem Ausdruck "Privatstrafe" nicht nur die Beugefunktion der Vertragsstrafe bezeichnet hat, belegt am deutlichsten die in den Protokollen enthaltene Aussage, wonach die Vertragsstrafe dem Gläubiger in solchen Fällen, in denen sie mehr den Charakter einer Privatstrafe trage, "das Mittel gewähre, böswilligem und frivolem Vertragsbruche vorzubeugen oder Genugthuung für derartigen Vertragsbruch zu erlangen". 73 Die hier angesprochene Genugtuung hebt sich dadurch von der Beugefunktion der Vertragsstrafe ab, daß sie erst nach Eintritt der Leistungsstörung und damit nach Verfall der Strafe wirksam wird. Angesichts dieser Tatsache verdient die These, der Gesetzgeber habe mit der Vertragsstrafe ein doppelfunktionales, lediglich der Sicherung der Vertragserfüllung sowie der erleichterten Schadloshaltung dienendes Institut schaffen wollen, keine Zustimmung. Die Materialien legen vielmehr den Schluß nahe, daß der BGB-Gesetzgeber in der Vertragsstrafe auch ein Mittel zur Verfolgung privater Strafzwecke gesehen hat.

69 ROHG 16, 397 (401) unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des preußischen Obertribunals aus dem Jahre 1846. 70 In diesem Sinne läßt sich der folgende, in den Protokollen I, S. 783 (= Mugdan, S. 722) enthaltene Satz deuten: "... in den vorzugsweise in Betracht kommenden Fällen, in denen die Strafe ... als Zwangsmittel, als Privatstrafe dienen soll... ". 71 So Fischer, Vertragsstrafe, S. 35, der zwar die Verwendung des Begriffs "Privatstrafe" in den Protokollen registriert, derartige Abreden dann aber dem Vertrags strafentyp zuordnet, bei dem die Strafe vorzugsweise als "Kompelle" dienen soll. 72 ROHG 16, 397 (401) unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des preußischen Obertribunals. 73 Protokolle I, S. 785 (= Mugdan, S. 724).

D. Derzeitiger Forschungsstand und Gang der Untersuchung

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D. Derzeitiger Forschungsstand und Gang der Untersuchung Das Vertragsstrafenverständnis des Gesetzgebers deckt sich insoweit mit dem heutigen Erkenntnisstand in Rechtsprechung 74 und Literatur 75 , als sich der Begriff der Vertragsstrafe nach allgemein geteilter Auffassung über die dem Institut innewohnende(n) Funktion(en) erschließt. Den derzeitigen Forschungsstand in der Frage, welche Funktion(en) das Institut kennzeichnen, gibt Lindacher ebenso kurz wie prägnant wieder, wenn er feststellt, für die Vertragsstrafe gelte negativ, sie sei nicht Privatstrafe in dem Sinne, daß sie dem Gläubiger Genugtuung für vom Schuldner zugefügtes Unrecht verschaffen soll. 76 Positiv stehe außer Diskussion, daß die Vertragsstrafe ein Instrument der Erfüllungssicherung in Bezug genommener vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen darstellt. 77 Streitig sei hingegen, ob der Vertragsstrafe darüber hinaus auch eine Schadensersatzfunktion zukommt. 78 Am gesicherten Erkenntnisstand, wonach sich die Vertragsstrafe durch die ihr innewohnende Funktion einer "Kompelle", d.h. eines Zwangsmittels auszeichnet 79 , zu rütteln, besteht kein Anlaß, da sich diese Sichtweise nicht nur mit der Auffassung des BGB-Gesetzgebers deckt, sondern im Gesetz selbst ihre Bestätigung findet. Die Vorschrift des § 339 BGB weist die Vertragsstrafe als ein vom Schuldner für den Fall abgegebenes Leistungsversprechen aus, daß er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt, wobei die Strafe mit Eintritt des Verzuges als eines in der Zukunft liegenden Ereignisses verwirkt sein soll. Die Nicht- bzw. nicht ordnungsgemäße Erfüllung einer Verbindlichkeit stellt ein dem Gläubiger unerwünschtes Verhalten dar. Durch Ausbedingung einer Vertragsstrafe verknüpft der Gläubiger das ihm unerwünschte Verhalten mit einem den Schuldner in Gestalt des Strafverfalls treffenden Nachteil. Hierdurch wird ein psychologischer Druck auf den Schuldner 74 In einer Auswahl seien zum Beleg die Entscheidungen RGZ 103, 99; RG JW 1913, 319 (321); BGH GRUR 1953, 262 (263); BGHZ49, 84 (89); BGHZ63, 256 (259); BGHZ85, 305 (312 f.) genannt. 75 Siehe aus der älteren Literatur Siber, Rechtszwang, S. 31, 33, 35; Oertmann, Vorbem. zu §§ 339-45 Anm. 2 sowie aus dem jüngeren Schrifttum anstatt vieler Lindacher, Phänomenologie, S. 57 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 24 II a (S. 376 f.); MünchKomm-Söllner, Vor § 339 RdNr. 3. 76 Soergel/Lindacher, Vor § 339 RdNr. 2. 77 A.a.O. 78 A.a.O. 79 Siehe hierzu Heck, Schuldrecht, S. 151; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 159 f.; Planck!Siber, § 339 Anm. 1; Esser/Schmidt, Schuldrecht I, § 16 I I I 1 (S. 236); Erman! HP. Westennann, Vor §§ 339-345 RdNr. 1; RGRK-Ballhaus, Vorbem. zu §§ 339-345 RdNr. 1, die freilich allesamt statt von "Kompelle" von der Beuge-, Erzwingungs- oder Druckmittelfunktion der Vertragsstrafe sprechen.

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Einleitung

ausgeübt, den Eintritt des Nachteils durch ein vertragskonformes Verhalten abzuwenden. Ein Vertragsstrafen versprechen bedeutet damit - ganz wie eine Drohung im Sinne des strafrechtlichen Nötigungstatbestands80 - das Inaussichtstellen eines Übels, dessen Verwirklichung davon abhängen soll, daß der Schuldner nicht nach dem Willen des Gläubigers reagiert. Die einleitende Vorschrift des Vertragsstrafenrechts weist die Vertragsstrafe damit als Druckmittel in der Hand des Gläubigers aus. Zeichnet sich die Strafe positiv durch die ihr zukommende Funktion eines Druckmittels aus, so ist im Gegenschluß gleichsam im Wege einer Subtraktionsmethode - das Vorliegen einer solchen überall dort zu verneinen, wo mit einer Abrede nicht wenigstens auch der Zweck verfolgt wird, den Schuldner durch Schaffung eines Druckmittels von einem dem Gläubiger unerwünschten Verhalten abzuhalten. Gilt es beispielsweise eine in einem Wohnraummietvertrag enthaltene Klausel auf ihren Vertragsstrafencharakter hin zu überprüfen, so ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob der Gläubiger mit der Abrede den Zweck verfolgt, den Schuldner von einem ihm unerwünschten Verhalten abzuschrecken. Keine ausschlaggebende Bedeutung kann dabei der Bezeichnung der Abrede zukommen. Da sich die rechtliche Qualifikation einer Zahlungsklausel nicht nach ihrer Bezeichnung, sondern nach dem mit ihr verfolgten Zweck richtet81, sehen sich Judikatur und Literatur mit Recht nicht gehindert, auch ein anders bezeichnetes Leistungsversprechen als Vertragsstrafe zu bewerten und damit dem Vertragsstrafenrecht zu unterwerfen. Die hier vorgelegte Arbeit bemüht sich in einem ersten Abschnitt um die folgerichtige Umsetzung der Erkenntnis, daß es sich bei der Vertragsstrafe um ein Druckmittel in der Hand des Gläubigers handelt. Im Mittelpunkt steht dabei die Benennung von Auslegungskriterien, die es gestatten, zahlreiche von 80 Daß der strafrechtliche Begriff der Drohung das Inaussichtstellen eines Übels bezeichnet, dessen Verwirklichung davon abhängen soll, daß der Bedrohte nicht nach dem Willen des Täters reagiert, stellt Schänke! Schröder! Eser, Vorbem. §§ 234 ff. RdNr. 30 heraus. R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 21 spricht zutreffend von einer "Nötigung zur Pflichterfüllung", wenn für ein bestimmtes Verhalten ein Nachteil in Aussicht gestellt und dadurch ein psychologischer Zwang auf den Betroffenen ausgeübt wird. 81 Besonders klar wird der genannte Gesichtspunkt in der Entscheidung BGH BB 1953, 301 herausgestellt: "Daß in einem Vertrage die Parteien eine Vertragsstrafe vereinbarten, kann auch festgestellt werden, wenn nach dem Vertragswortlaut für den Fall, daß die eine Vertragspartei ihrer Verpflichtung nicht nachkomme, "Schadensersatz" und nicht "Vertragsstrafe" versprochen worden ist; denn für eine solche Feststellung ist entscheidend, ob objektiv die Voraussetzungen einer Vertragsstrafe vorhanden sind". Daß es bei der Auslegung nicht entscheidend auf die von den Vertragsschließenden gewählte Bezeichnung ankommt, betonen ebenso Larenz, Schuldrecht I, § 24 II c (S. 384); Fikentscher, Schuldrecht, § 25 II 2 (S. 96); MünchKomm-Söllner, Vor § 339 RdNr. 3; Palandt!Heinrichs, Vorbem. v. § 339 RdNr. 3 sowie im Hinblick auf in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Zahlungsversprechen MünchKomm-Äö/z, § 11 Nr. 6 AGBG RdNr. 49; Soergel! Stein, § 11 AGB-Gesetz RdNr. 49; Hensen in: JJlmer! Brandner!Hensen, § 11 Nr. 6 RdNr. 6; Coester-Waltjen in: Schlosser!COester-Waltjen/Graba, § 11 Nr. 5 RdNr. 21.

D. Derzeitiger Forschungsstand und Gang der Untersuchung

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Rechtsprechung und Literatur als Vertragsstrafen bewertete, indes nicht der Steuerung eines zukünftigen Verhaltens dienende Abredetypen vom Institut der Vertragsstrafe abzugrenzen. Da die Anstrengung des Begriffs dort ohne Wert ist, wo die Anschauung fehlt 82 , wird dabei eine Vielzahl von Klauseln im Wortlaut wiedergegeben werden. In einem zweiten Abschnitt wird die Untersuchung die Herausbildung der Rechtsfigur "pauschalierter Schadensersatz" nachzeichnen und darlegen, daß es sich bei "dem" pauschalierten Schadensersatz keineswegs um einen einheitlichen Abredetyp handelt. Anschließend wird sich die Arbeit der Abgrenzung der Institute "Vertragsstrafe" und "pauschalierter Schadensersatz" zuwenden. Nach Zurückweisung der These, daß es sich beim pauschalierten Schadensersatz gar nicht um ein von der Vertragsstrafe zu unterscheidendes Institut handelt, steht im Mittelpunkt der dann folgenden Überlegungen die Frage, ob eine funktionale Abgrenzung auch hinsichtlich solcher Abreden möglich ist, die dem Schuldner eine Leistungspflicht unabhängig von der tatsächlichen Schadensentwicklung auferlegen. Eine solche Abgrenzung läßt sich nicht ohne Klärung der Frage durchführen, ob der Vertragsstrafe ausschließlich die Aufgabe der Erfüllungssicherung zufällt oder ob in der dem Gläubiger durch das Institut eröffneten Möglichkeit, sich einen über den zu erwartenden Schaden hinausgehenden Strafbetrag versprechen zu lassen, weitere Funktionen zum Vorschein kommen. Die vorgelegte Untersuchung deutet die Vertragsstrafe nicht im Sinne einer Privatstrafe, sondern sieht in ihr ein der emotionalen Seite der Vertragsverletzung Rechnung tragendes Instrument der Privatgenugtuung.

82 So die zutreffende Feststellung Gernhubers im Vorwort zu Lange, Schadensersatz (1. Aufl.), S. VI.

Erster Teil

Die Vertragsstrafe als Steuerungsmittel des Gläubigers A. "Echte" und "unechte" Vertragsstrafe eine berechtigte Unterscheidung? Bisher wurde die Vertragsstrafe sowohl als Druckmittel bzw. Zwangsmittel ("Kompelle") als auch als Mittel der Erfüllungssicherung charakterisiert, obgleich das richterliche Herabsetzungsrecht nach dem oben Ausgeführten 1 auf zwei unterschiedliche Arten von Strafversprechen Anwendung findet. Um keine begrifflichen Unklarheiten aufkommen zu lassen, gilt es, den von einem Strafversprechen ausgehenden Druck näher zu beleuchten.

L Die sog, "echte" Vertragsstrafe Keine Schwierigkeiten bereitet die genaue begriffliche Erfassung des von einem Strafversprechen im Sinne des § 339 BGB ausgehenden Drucks. Das durch Vereinbarung einer akzessorischen Vertragsstrafe angestrebte Schuldnerverhalten läßt sich als ordnungsgemäße Erfüllung einer klagbaren und im Verletzungsfalle schadensersatzbewehrten Hauptverbindlichkeit vertraglichen oder gesetzlichen Ursprungs beschreiben. Die Vertragsstrafe schafft hier einen zusätzlichen Erfüllungszwang 2 , ihre Druckmittelfunktion läßt sich genauer als Erfüllungssicherung erfassen.

1 Ginleitung, B II. 2 Heck, Schuldrecht, S. 151; Lindacher , Phänomenologie, S. 66 f.

A. "Echte" und "unechte" Vertragsstrafe

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n. Die sog. "unechte" Vertragsstrafe Wie bereits erwähnt 3 unterscheiden die Rechtsprechung sowie die überwiegende Literatur von der erfüllungssichernden akzessorischen Vertragsstrafe das sog. "selbständige Strafgedinge". Dieses zeichne sich dadurch aus, daß es nicht die Erfüllung einer Hauptverbindlichkeit sichere, sondern ein nicht geschuldetes und damit auch weder direkt erzwingbares noch schadensersatzbewehrtes Verhalten mit einem mittelbaren Zwang versehe. 4 Der skizzierten Zweiteilung in akzessorische Vertragsstrafen und selbständige Strafgedinge tritt Lindacher entgegen. Seiner Auffassung zufolge gibt es nicht zwei Arten von Vertragsstrafen, sondern nur Rechtspflichten verschiedener Zwangsintensität, deren Erfüllung durch Vertragsstrafen gesichert werden kann.5 Ein Verhalten, das zwar nicht eingeklagt werden könne und dessen Nichtbeachtung auch keine Schadensersatzpflicht auslöse, werde nämlich durch Vereinbarung einer Sanktion für den Fall der Zuwiderhandlung zu einem rechtlich gesollten Tun oder Unterlassen. 6 Jede Vertragsstrafenabrede habe deshalb eine akzessorische Natur: auch bei den von der h.M. so bezeichneten selbständigen Strafgedingen gehe es um die Sicherung einer Rechtspflicht. 7 Dieser von Lindacher entwickelten Gleichstellung sog. echter und unechter Vertragsstrafen kann insoweit zugestimmt werden, als sich unter dem Gesichtspunkt des Zwecks in der Tat kein gravierender Unterschied zwischen akzessorischen und sog. selbständigen Strafgedingen feststellen läßt. Auch derjenige, der sich eine Strafe für das Ausbleiben eines nicht einklagbaren und nicht schadensersatzbewehrten Verhaltens versprechen läßt, verfolgt das Ziel, das Verhalten des Versprechenden in eine bestimmte Richtung zu lenken.8 Man denke in diesem Zusammenhang etwa an den immer wieder genannten Schulfall eines selbständigen Strafversprechens, in dem der Strafschuldner zu seinem eigenen Besten dazu motiviert werden soll, in Zukunft nicht mehr zu rauchen oder keinen Alkohol mehr zu trinken. 9 Um die Steuerung eines zukünftigen Verhaltens geht es - um ein zweites Beispiel zu benennen - ebenso

3 Einleitung, B II. 4 MünchKomm-Söllner, § 343 RdNr. 20, §344 RdNr. 8; ErmanlHJ\ Westermann, Vor §§ 339- 345 RdNr. 1,6; RGRK-Ballhaus, § 343 RdNr. 18. 5 Phänomenologie, S. 68; Soergel!Lindacher, Vor § 339 RdNr. 10. 6 Lindacher, Phänomenologie, S. 67 f.; Soergel!Lindacher, Vor § 339 RdNr. 9 f. 7 Lindacher, Phänomenologie, S. 69; ihm folgend Esser ¡Schmidt, Schuldrecht I, § 16 I I I 1 b (S. 238). 8 Plastisch insoweit Bötticher, ZfA 1970, S. 8, wonach das selbständige Strafversprechen "in der Wolle gefärbt (sei) durch den Zweck, ein Druck- und Zwangsmittel für ein Verhalten des Schuldners in die Hand zu bekommen". 9 Das Beispiel findet sich bei Lorenz, Schuldrecht I, § 24 I I b (S. 381 f.); MünchKomm-&?//ner, § 339 RdNr. 7 i.V.m. § 344 RdNr. 21.

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Erster Teil: Die Vertragsstrafe als Steuengsmittel

der Produktionsfirma, die sich von einem Film- oder Fernsehstar die Zahlung einer Strafe für den Fall versprechen läßt, daß der Künstler während der Produktion gefahrträchtige Sportarten ausübt. 10 Diese Funktion der Steuerung eines zukünftigen Verhaltens begründet auch, warum eine Qualifikation als nur bedingtes Leistungsversprechen dem selbständigen Strafgedinge nicht gerecht wird. 1 1 Ob aber die insoweit bestehende Übereinstimmung der Ziele den von Lindacher geforderten "Abschied vom selbständigen Strafgedinge" 12 gebietet, erscheint zweifelhaft. Denn selbst wenn man den Zweck der Herbeiführung eines künftigen Verhaltens mit dem der Sicherung eines Leistensollens des Schuldners gleichsetzte 13 , fehlt es bei den hier in Rede stehenden Abreden an einer klagbaren und schadensersatzbewehrten Hauptverbindlichkeit. 14 Warum aber der Unterschied, daß die Vertragsstrafe einmal (nämlich im Falle eines akzessorischen Strafversprechens) einen zusätzlichen Erfüllungszwang schafft und ein anderes Mal (nämlich beim sog. selbständigen Strafgedinge) das einzige Mittel der Einflußnahme auf den Schuldner darstellt, durch die Berufung auf zu sichernde Rechtspflichten verschiedener Intensität eingeebnet werden soll, ist nicht unmittelbar einsichtig. Die praktische Bedeutung einer Aufgabe der Zweiteilung sieht Lindacher freilich darin, daß es hierdurch ermöglicht werde, Vertragsstrafenrecht unmittelbar und umfassend und nicht nur entsprechend und partiell auf sog. selbständige Strafgedinge anzuwenden.15 Der von ihm herausgestellte Vorteil der umfassenden Anwendbarkeit der §§ 339 ff. BGB auf nicht akzessorische Strafgedinge, die Lindacher gleichwohl als akzessorisch ansieht, kann sich indessen kaum einstellen. Dies zeigt sich schon an den §§ 340 II, 341 I I BGB, die zum Schutze des Schuldners eine Anrechnung des verwirkten Strafbetrags auf den Schadensersatzanspruch des Gläubigers vorsehen. 16 Wo wie bei den von Lindacher beschworenen Pflichten minderer Intensität ein Schadensersatzanspruch schon dem Grunde

10 Auf die Existenz derartiger Strafversprechen weist Söllner, ArbuR 1981, S. 101 hin. Für ihre Einordnung als selbständige Strafgedinge spricht, daß der Künstler sich kaum seiner persönlichen Freiheit begeben und einer - etwa auf Unterlassung des Skilaufens gerichteten - Leistungsklage aussetzen will. 11 Siber, Rechtszwang, S. 31; Leonhard, Schuldrecht, S. 397; R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 166 f. 12 Lindacher, Phänomenologie, S. 66. 13 So Siber, Rechtszwang, S. 36, dem sich Lindacher, a.a.O., S. 67, anschließt. 14 So auch Siber, a.a.O., S. 36 f.; Lindacher, a.a.O., S. 66 ff. 15 Soergell Lindacher, Vor § 339 RdNr. 10. 16 Den Schuldnerschutzcharakter der §§ 340, 341 BGB betonen Palandt/Heinrichs, § 340 RdNr. 1; Knütel, AcP 175, S. 45.

A. "Echte" und "unechte" Vertragsstrafe

33

nach ausscheidet, stellt sich die von den §§ 340 II, 341 I I BGB geregelte Anrechnungsfrage überhaupt nicht. In diesem Zusammenhang ist weiterhin auf § 3401 BGB hinzuweisen, der zum Schutze des Schuldners 17 eine Kumulation von Straf- und Erfüllungsanspruch des Gläubigers ausschließt. Eines solchen Schutzes bedarf der Schuldner nur dort, wo der Gläubiger den Erfüllungsanspruch mit den Mitteln der Klage und der anschließenden Zwangsvollstreckung auch gegen den Willen des Schuldners durchzusetzen vermag. Hieran fehlt es aber gerade bei den von Lindacher so bezeichneten Rechtspflichten minderer Intensität, womit sich der von ihm behauptete Vorteil der umfassenden Anwendbarkeit des Vertragsstrafenrechts verflüchtigt. Schließlich ist auch der Regelungsbereich des § 3411 BGB, der bei nicht gehöriger Erfüllung eine Kumulation von Strafanspruch und klagbarem Erfüllungsanspruch zuläßt, bei den sog. Rechtspflichten minderer Intensität überhaupt nicht betroffen. Die Konzeption Lindachers erweist sich aber nicht nur im Hinblick auf die von ihm behauptete Anwendbarkeit des gesamten Vertragsstrafenrechts als unpraktikabel, sondern bietet auch sonst keine Fortschritte. Wo sich nämlich bei Strafabreden mit bzw. ohne klagbarer Hauptverbindlichkeit vergleichbare Regelungsprobleme ergeben, ist die Analogiefähigkeit der auf klagbare Hauptverbindlichkeiten zugeschnittenen Vorschriften nie in Zweifel gezogen worden. Dies gilt zum einen für den in § 339 S. 1 BGB geregelten Grundsatz, daß die Verwirkung der Strafe die schuldhafte Verletzung einer Handlungspflicht voraussetzt. Dieser zunächst von der Literatur 18 und später auch von der Rechtsprechung 19 auf die Verletzung von Unterlassungspflichten ausgedehnte Grundsatz wird, da er dem vermuteten Parteiwillen Rechnung trägt, seit jeher auch auf die selbständigen Strafgedinge angewandt.20 Dies gilt zum anderen auch für die Vorschrift des § 344 BGB, derzufolge die Unwirksamkeit der Hauptverbindlichkeit die Unwirksamkeit der Strafvereinbarung nach sich zieht. Scheidet bei Unwirksamkeit des Leistungsversprechens ein direkter Erfüllungszwang ohnehin aus, so besteht die ratio legis des 17 Vergl. hierzu Palandt/Heinrichs, § 340 RdNr. 1 u. 7. 18 Lehmann, Unterlassungspflicht, S. 2%; Reichel, DJZ 1912, S.858f.; Kreß, Schuldrecht, S. 360 mit Fußnote 32; Leonhard, Schuldrecht, S. 400. 19 BGH NJW 1972, 1893 (1894 f.) unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung. 20 Siehe aus älterer Zeit RGZ95, 199 (203); Siber, Rechtszwang, S. 37; Lehmann, Unterlassungspflicht, S. 298 f.; Leonhard, Schuldrecht, S. 398 sowie aus jüngerer Zeit anstatt vieler Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 785; Larenz, Schuldrecht I, § 24 I I b (S. 382). 3 Hess

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Erster Teil: Die Vertragsstrafe als Steuerungsmittel

§ 344 BGB gerade darin, auch die Ausübung eines mittelbaren Erfüllungszwangs auszuschließen.21 Dieser Zweck gebietet die Unwirksamkeit selbständiger Strafgedinge in entsprechender Anwendung des § 344 BGB dort, wo eine erzwingbare Hauptverbindlichkeit kraft Gesetzes (angesprochen sind hier insbesondere die §§ 125, 134, 138 BGB, aber auch Spiel und Wette 22 ) überhaupt nicht wirksam zu begründen wäre. 23 Auch hier bedarf es mithin nicht der Lindacherschen Konstruktion eines stets akzessorischen Strafversprechens zur Sicherung von Rechtspflichten stärkerer bzw. minderer Intensität, um über eine direkte Anwendung des § 344 BGB die gebotenen Ergebnisse zu erzielen, zumal auch für Lindacher die Gründe, die der Entstehung einer einklagbaren Verbindlichkeit einerseits sowie einer Rechtspflicht minderer Intensität andererseits entgegenstehen24, dieselben sind. 25 Resümierend läßt sich damit feststellen, daß sich die Funktion des sog. selbständigen Strafgedinges nicht in der eines bedingten Leistungsversprechens erschöpft, sondern es ebenfalls der Steuerung eines zukünftigen Verhaltens dient. Der an diese zutreffende Erkenntnis anknüpfende Versuch Lindachers, das zukünftige Verhalten in den Rang einer Rechtspflicht minderer Intensität zu erheben, wirkt nicht nur überkonstruiert, sondern vermag auch in seinen praktischen Ergebnissen nicht zu überzeugen. An der bewährten Unterscheidung zwischen akzessorischen und selbständigen Strafversprechen sollte daher festgehalten werden. Da beide Arten von Vertragsstrafen der Steuerung eines zukünftigen Verhaltens dienen, bedarf es andererseits bei der Benennung von Kriterien, die es gestatten, zahlreiche in Rechtsprechung und Literatur als Vertragsstrafen bewertete, indes nicht dem genannten Zweck dienende Abredetypen vom Institut der Vertragsstrafe abzugrenzen, keiner Unterscheidung zwischen akzessorischen und selbständigen Strafversprechen.

21 Motive II, S. 279 (= Mugdan, S. 155); ErmanJHP. Westermann, § 344 RdNr. 1; RGRK-Ballhaus, § 344 RdNr. 1. 22 Zu letzteren vergl. EnneccerustLehman, Recht der Schuldverhältnisse, S. 160; Larenz, Schuldrecht I, § 24 II b (S. 382). 23 RG HRR 1929, Nr. 1204; BGH NJW 1970, 1915 (1916); BGH NJW 1971, 93 (94); BGH NJW 1980,1622 (1623); Bötticher, ZfA 1970, S. 14,17; PalandtlHeinrichs, § 344 RdNr. 1; MünchKomm-Söllner, § 344 RdNr. 8. 24 Angesprochen sind die §§ 125,134,138,762 BGB. 25 Lindacher, Phänomenologie, S. 69; Soergell Lindacher, § 344 RdNr. 1.

B. Die Ausgrenzung von Abredetypen durch Subtraktion

35

B. Die Ausgrenzung von Abredetypen im Wege einer Subtraktionsmethode I. Die konditionale Struktur des Strafversprechens Wie oben ausgeführt 26, wird die Steuerung eines zukünftigen Verhaltens vom Gläubiger dadurch beabsichtigt, daß die Strafabrede das unerwünschte Verhalten mit einem Nachteil in Form einer (zusätzlichen) Leistungspflicht des Schuldners verknüpft. Faßt man den von der Struktur der Strafabrede ausgehenden psychologischen Zwang in zivilrechtliche Begriffe, so stellt sich diese als aufschiebend bedingtes Leistungsversprechen dar. 27 Diese Feststellung mutet nicht nur banal an, nach Gernhuber verbindet sich mit ihr auch keinerlei praktische Konsequenz.28 Ein Blick auf die veröffentlichte Rechtsprechung, insbesondere auch aus dem Bereich des zu Beginn beispielhaft herangezogenen Wohnraummietrechts, läßt indes eine solche Aussage als voreilig erscheinen. Denn schon die Erkenntnis, daß die Vertragsstrafe ihren Verfall an ein zukünftiges ungewisses Ereignis, nämlich die Nichtbeachtung des vom Gläubiger angestrebten Verhaltens, knüpft, erlaubt eine Ausgrenzung von Abreden, bei denen die Leistungspflicht des Schuldners nicht in diesem Sinne aufschiebend bedingt ist. 29 1. Vertragsstrafe

und Garantiezusage

Der die Vertragsstrafe prägende Zweck der Steuerung eines zukünftigen Verhaltens fehlt zum einen dann, wenn die Leistungspflicht des Schuldners nicht an dessen zukünftiges Verhalten, sondern an in der Vergangenheit liegende Umstände anknüpft, die er nach Abgabe des Leistungsversprechens überhaupt nicht mehr zu beeinflussen vermag. Diese Einsicht ermöglicht, für den Fall abgegebene Leistungsversprechen, daß sich eine Zusicherung über in der Vergangenheit liegende Umstände als unrichtig erweist, trotz der von den Parteien gewählten Bezeichnung "Vertragsstrafe" als vertragsstrafenfremde Garantiezusagen einzuordnen. 30 Hierbei 26 Einleitung, D. 27 Allgemeine Auffassung, vergl. Medicus, Schuldrecht I, § 39 vor I (S. 206); Blomeyer, Schuldrecht, S. 204; Horschitz, NJW 1973, S. 1958. 28 Schuldverhältnis, S. 756. 29 Zum Begriff der Bedingung, die die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig macht, vergl. anstatt aller Flume, Rechtsgeschäft, S. 677 f. 30 RGRK-Ballhaus, Vorbem. zu §§ 339-345 RdNr. 5; Erman/Hl>. Westermann, Vor §§ 339345 RdNr. 9; MünchKomm-Sö/M*r, Vor § 339 RdNr. 12.

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Erster Teil: Die Vertragsstrafe als Steuerungsmittel

ist nicht nur an Umstände objektiver Art zu denken 31 , sondern insbesondere auch an die Zusicherung eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens des Versprechenden. Dieser Gesichtspunkt gewinnt Bedeutung für die rechtliche Einordnung solcher Klauseln, die von öffentlichen Auftraggebern bei der Vergabe von Werkleistungen zur Bekämpfung unzulässiger Submissionsabsprachen eingesetzt werden. 32 Obwohl derartige Abreden eine privatrechtliche Sanktion für ein dem Versprechensempfänger unerwünschtes Verhalten beinhalten, handelt es sich trotz ihrer Bezeichnung nicht um eine Vertragsstrafe, weil der Gläubiger gerade nicht den Zweck verfolgt, mit Hilfe eines aufschiebend bedingten Leistungsversprechens ein zukünftiges Verhalten des Schuldners zu steuern. 33 Die anscheinend banale Einsicht, daß die Vertragsstrafe ein aufschiebend bedingtes Leistungsversprechen darstellt, hätte damit sowohl das Oberlandesgericht Frankfurt 34 als auch Lindacher in seiner Besprechung des Urteils 35 davon abhalten können, derartige Bietererklärungen unreflektiert als Vertragsstrafenversprechen zu qualifizieren. Letzterer verteidigt seine Sichtweise in einer Stellungnahme jüngeren Datums freilich mit dem Hinweis darauf, daß die Nichtoffenbarung der in der Vergangenheit getroffenen wettbeweibsbeschränkenden Absprachen den Tatbestand der culpa in contrahendo erfülle. Die hier in Rede stehenden Bietererklärungen sicherten die Einhaltung vorvertraglicher Pflichten und seien daher als Vertragsstrafenversprechen zu bewerten. 36 Hierbei übersieht Lindacher indes, daß die Bietererklärungen den Schuldner nicht zu einem obligationskonformen Verhalten zu motivieren vermögen. Im Gegensatz zur Vertragsstrafe, wo ein vertragswidriges Verhalten den Verfall der Strafe auslöst, versetzt bei den Bietererklärungen gerade die nachträgliche Offenbarung der Absprachen und damit ein obligationskonformes Verhalten den Gläubiger in die Lage, den versprochenen Betrag einzufordern. Da die dem Oberlandesgericht Frankfurt zur Entscheidung unterbreitete

31 Vergl. den Fall des OLG Hamburg OLGRspr. 16, S. 373: Versprechen einer "Vertragsstrafe" für den Fall, daß sich die Zusicherung, eine Filtermasse komme bisher im Handel nicht vor, als unrichtig erweist. 32 Vergl. die der Entscheidung BGHZ 105, 24 zugrunde liegende Bietererklärung: "Ich versichere ..., daß ich ... aus Anlaß dieser Ausschreibung ... an keiner wettbewerbsbeschränkenden Absprache oder Abstimmung insbesondere über ... beteiligt war. Falls sich herausstellt, daß meine ... vorstehenden Erklärungen unrichtig oder unvollständig waren, verpflichte ich mich ... zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3 v.H. der Endsumme meines ... Angebots". 33 So auch BGHZ 105,23 (27 f.). 34 OLG Frankfurt a.M. BauR 1987, 325 (326). 35 Lindacher, ZIP 1986, S. 817 ff; widersprüchlich Palandt/Heinrichs, der die der Entscheidung BGHZ 105, 24 zugrundeliegende Klausel einmal als garantieähnliches Versprechen (Voibem. v. § 339 RdNr. 1) und ein anderes Mal (AGBG 11 RdNr. 32) als Vertragsstrafenversprechen einordnet. 36 SoergeHLindacher, Vor § 339 RdNr. 42.

B. Die Ausgrenzung von Abredetypen durch Subtraktion

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Klausel ein Leistungsversprechen sowohl für den Fall der Unrichtigkeit einer Zusicherung über in der Vergangenheit liegende Umstände als auch für den Fall der Vornahme künftiger Preisabsprachen enthielt 37 , wäre die Klausel mithin nur in ihrer zweiten Alternative als Vertragsstrafenversprechen zu bewerten gewesen. 2. Vertragsstrafe

und vergleichsähnliche Absprachen

Die Erkenntnis, daß der prägende Zweck der Steuerung eines zukünftigen Verhaltens in der Vereinbarung eines aufschiebend bedingten Leistungsversprechens zum Ausdruck kommt, erlaubt es weiterhin, solche Abreden dem Vertragsstrafenrecht zu entziehen, die zwar nicht an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten anknüpfen, bei denen aber bereits durch das Versprechen selbst eine unbedingte Leistungspflicht des Schuldners begründet wird. Eine unmittelbare praktische Nutzanwendung erfahrt dieser Gedanke in der innerhalb der Rechtsprechung wie auch der mietrechtlichen Literatur geführten Kontroverse 38 über den Vertragsstrafencharakter von Zahlungsversprechen, die ein Mieter in einem Mietaufhebungsvertrag abgibt. 39 Ein Mieter, der mit dem Wunsch nach einer vorzeitigen Vertragsbeendigung an den Vermieter herantritt und anschließend ein Aufhebungsangebot (§ 150 I I BGB) des soeben wiedergegebenen Inhalts annimmt, begründet durch dieses Verhalten eine unbedingte Leistungspflicht. Auch hier bewährt sich die Frage nach dem Vorliegen eines aufschiebend bedingten Leistungsversprechens als Kriterium für die Feststellung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede. Wo durch das Versprechen selbst eine unbedingte Leistungspflicht des Schuldners begründet wird, ist die Anwendbarkeit des Vertragsstrafenrechts zu verneinen, da der Abrede der Zweck der Steuerung eines zukünftigen Verhaltens fehlt. Dies gilt, um die aus dem angeführten Beispiel gewonnene Erkenntnis auf eine breitere Grundlage zu stellen, insbesondere dann, wenn die dem Schuldner auferlegte Leistungspflicht der 37 Vergl. OLG Frankfurt a.M. BauR 1987, 325: "Die Bewerber sind veipflichtet, sich nicht an Preisabreden aus Anlaß dieser Vergabe zu beteiligen. Die Abgabe eines Angebots gilt als Erklärung des Bieters, daß er dieser Verpflichtung nicht zuwider gehandelt hat Für den Fall, daß diese Erklärung unwahr ist oder daß er nach Abgabe der Erklärung sich an einer Preisabrede aus Anlaß dieser Vergabe beteiligt, verspricht der Bieter, an die Bundesbahn eine Strafe in Höhe von 3 % seiner Angebotssumme zu zahlen, auch wenn er den Auftrag nicht erhält...". 38 Vergl. hierzu Einleitung, A II. 39 Erinnert sei an die den Entscheidungen AG Piimeberg WuM 1979, 214; LG Itzehoe W u M 1980, 247 zugrunde liegende Abrede: "Die Vermieter sind mit einer Aufhebung Ihres Vertrages unter Verzicht auf die vereinbarte Laufzeit und Kündigungsfrist unter nachstehenden Bedingungen einverstanden: Für den erhöhten Verwaltungs- und neuen Vermietungsaufwand zahlen Sie eine Pauschalabgeltung in Höhe einer Monatsmiete, ohne besonderen Nachweis des Vermieters".

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Erster Teil: Die Vertragsstrafe als Steuerungsmittel

Beilegung eines gegenwärtigen Regelungskonfliktes dient und daher einen vergleichsähnlichen Charakter 40 annimmt.

II. Vertragsstrafe und Erleichterung der Vertragsaufsage Der bisher herausgestellte Auslegungsmaßstab, das Vorliegen einer Vertragsstrafe dort zu verneinen, wo kein aufschiebend bedingtes Leistungsversprechen vorliegt, darf nicht zu Umkehrschlüssen verleiten. Insbesondere wäre ein dahingehender Schluß unzulässig, eine Vertragsstrafe könne immer dann angenommen werden, wenn nach der Partei Vereinbarung ein zukünftiges ungewisses Ereignis, dessen Eintritt dem Gläubiger unerwünscht ist, eine Leistungspflicht des Schuldners auslösen soll. Bei dem aufschiebend bedingten Leistungsversprechen handelt es sich vielmehr nur um das technische Mittel, mit dessen Hilfe der Gläubiger den die (akzessorische) Vertragsstrafe prägenden Zweck der Erfüllungssicherung verfolgt. Dieser Sicherungszweck kann gerade dort fehlen, wo ein dem Gläubiger unerwünschtes Verhalten eine bedingte Leistungspflicht in eine unbedingte verwandelt. Wie sogleich am Beispiel des Reugeldes zu zeigen sein wird, kann die aufschiebend bedingte Leistungspflicht nämlich auch mit einer Privilegierung des Schuldners verbunden sein, welche die Anwendung des Vertragsstrafenrechts ausschließt. Die Frage nach der konditionalen Struktur des Leistungsversprechens stellt daher nur einen ersten Schritt auf dem Wege zur Feststellung des Vertragsstrafencharakters einer Abrede dar. Die weiteren Auslegungsbemühungen haben dann unmittelbar an dem die Vertragsstrafe kennzeichnenden Sicherungszweck anzusetzen. 1. Vertragsstrafe und Reugeld i.S.d. §359 BGB Die Notwendigkeit einer solchen Vorgehensweise zeigt sich am Beispiel des in § 359 BGB geregelten Reugeldes. Die dort vorausgesetzte Ausübung eines vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts läßt sich aus der Sicht des Gläubigers im Regelfall eines gegenseitigen Vertrags als unerwünschtes Verhalten qualifizieren, beseitigt es doch die Erfüllungsansprüche, die ihn zum 40 Im Beispielsfall käme sogar ein Vergleich im technischen Sinne des § 779 BGB in Betracht, da der lösungswillige Mieter einen Nachmieter benannt hatte (vergl. das insoweit ausführlichere Berufungsurteil des LG Itzehoe W u M 1980, 247 (248)) und daher Streit über die Pflicht des Vermieters zum Abschluß eines AufhebungsVertrags bestanden haben könnte; siehe zu diesem sog. "Parteistellen" Emmerich in: Emmerich/Sonnenschein, § 552 BGB RdNr. 8 ff.; Sonnenschein in: Emmerich/Sonnenschein, § 564 BGB RdNr. 38 f.

B. Die Ausgrenzung von Abredetypen durch Subtraktion

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Vertragsschluß veranlaßten. Entgegen einer z.T. vertretenen Auffassung, wonach das Reugeld nicht geschuldet werde und deshalb keine Vertragsstrafe darstelle 41 , wird durch eine Reugeldvereinbarung auch ein - durch Ausübung des Rücktrittsrechts - aufschiebend bedingter Anspruch begründet. Die Wirksamkeit des Rücktritts hängt nämlich nicht von der Zahlung des Reugeldes bei Abgabe der Rücktrittserklärung ab. Die unterbliebene Entrichtung des Geldbetrags ermöglicht dem Gläubiger lediglich die sofortige Vernichtung des wirksamen - Rücktritts. Macht er von dem Recht zur unverzüglichen Zurückweisung keinen Gebrauch, so hat er zwar die Möglichkeit der Vernichtung des Rücktritts versäumt, aber keineswegs den Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Reugeldes eingebüßt. 42 Enthält eine Reugeldvereinbarung damit alle technischen Merkmale eines Vertragsstrafenversprechens, so fehlt ihr gleichwohl der die Vertragsstrafe prägende Sicherungszweck. a) Wie bereits oben 43 angesprochen, wird durch die Vereinbarung einer akzessorischen Vertragsstrafe ein zusätzlicher Druck in Richtung ordnungsgemäßer Erfüllung der Hauptverbindlichkeit geschaffen. Im Hinblick auf die gesicherte Hauptverbindlichkeit führt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe dabei stets zu einer Verbesserung der Rechtsposition des Gläubigers. Im Falle einer für den Fall nicht gehöriger Erfüllung versprochenen Vertragsstrafe liegt dies auf der Hand, gibt § 3411 BGB dem Gläubiger doch die Möglichkeit, die verwirkte Strafe neben dem weiterhin bestehenden Erfüllungsanspruch geltend zu machen. Die These, die Vereinbarung einer Vertragsstrafe führe hinsichtlich der gesicherten Hauptverbindlichkeit stets zu einer Verbesserung der Rechtsposition des Gläubigers, könnte indes mit einem Hinweis auf § 3401 BGB entgegengetreten werden, der zum Schutze des Schuldners eine Kumulation von Strafund Erfüllungsanspruch ausschließt. Ein solcher Einwand wäre indes nur dann berechtigt, wenn die Vorschrift des § 3401 BGB es dem Schuldner ermöglichte, von sich aus den Erfüllungsanspruch des Gläubigers durch einseitige Erklärung zum Erlöschen zu bringen. Eine nur dem Gläubiger eröffnete Wahlmöglichkeit zwischen dem Erfüllungs- und dem Strafverlangen stellt eine klare Verbesserung seiner Rechtsposition dar. aa) Eine Möglichkeit, den Erfüllungsanspruch des Gläubigers von sich aus zum Erlöschen zu bringen, wäre dem Schuldner eröffnet, wenn die dem Gläu41 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 172 mit Fußnote 2; dem folgend OLG München NJW 1969, 1630 (1631). 42 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 754; Palandt!Heinrichs, § 359 RdNr. 1; Jauernig/Vollkomme r, § 359 Anm. 1; Soergel/Lindacher, Vor § 339 RdNr. 43; MünchKomm-/an£