Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 4 Hieb- und stichfest - knistern [1931/1932 ed.] 9783110840087, 9783110065923


168 78 44MB

German Pages [800] Year 1974

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
H
J
K
Recommend Papers

Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 4 Hieb- und stichfest - knistern [1931/1932 ed.]
 9783110840087, 9783110065923

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

HANDWÖRTERBÜCHER ZUR D E U T S C H E N VOLKSKUNDE H E R A U S G E G E B E N VOM DEUTSCHER VEREINE FÜR

VERBAND VOLKSKUNDE

ABTEILUNG I

ABERGLAUBE

BERLIN

UND

LEIPZIG

1931¡1932

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VOBMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG, VERLAGSB U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R . K A R L J. T R Ü B N E R - V E I T & COMP.

HANDWÖRTERBUCH DES DEUTSCHEN ABERGLAUBENS HERAUSGEGEBEN U N T E R B E S O N D E R E R M I T W I R K U N G VON

E. H O F F M A N N - K R A Y E R UND MITARBEIT ZAHLREICHER FACHGENOSSEN VON

HANNS BÄCHTOLD-STÄUBLI

BAND IV

BERLIN

UND

LEIPZIG

1931/1932

WALTER DE G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG · J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TRÜBNER • VEIT & COMP.

Copyright 1932 by Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sehe Verl agshandlung, J. Gattentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Heimer, Karl J . Trühner, Veit & Co., Berlin und Leipzig

Archiv-Nr. 460232 Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W 10

H . hieb- ti. stichfest s. 2, 1 3 5 3 ff-

festmachen

Hilarius, h l . Bischof v o n Poitiers, gest. 367. Sein K u l t ist durch fränkische Mission zu den Alemannen in die Schweiz g e d r u n g e n 1 ) . Sein G e d e n k t a g ( 1 3 . J a nuar) bezeichnet das E n d e der Weihnachtszeit 2 ) und den Beginn der F a s t nachtszeit 3 ). A n ihm wird das Hilaribrot g e b a c k e n 4 ) . In B i n n ( K t . Wallis) ist H. Seelentag; es wird B r o t f ü r die Toten g e o p f e r t 5 ) . In den Vogesen läßt m a n B r o t und Salz weihen und verteilt es unter die Tiere e ). !) H e r ζ ο g - H a u c k 8, 57 ff. ') H i S f l e r Fastnacht 8; H o f f m a n n - K r a y e r 122 f. (es wird auch eine Strohpuppe, der Glarili, vergraben). 3) SchwVk. 13, 4 (Solothurn). *) H ö f 1 e r Fastnacht 8; B i r l i n g e r Schwaben 2, 28. ') SchwVk. 12, 37. *) S e l i g m a n n 2, 327. Sartori. Hilde. Eine Wasserdämonin mit blauen Haaren, deren schöner Schwanengesang die Bewohner des , Hildebrand', einer Gegend bei Gräfendorf, entzückte. Zuletzt habe sie sich selbst verbrannt, woher der F l u r n a m e 1 ) . ') B e c h s t e i n Thüringen 2, 152; s. a. Hille. Hoffmann-Krayer.

Hildegard, hl. 1 . Gemahlin K a r l s d. Gr., Stifterin des Klosters zu K e m p t e n . Manche Sagen werden v o n ihr e r z ä h l t E i n e Quelle bei K e m p t e n trägt ihren N a m e n 2 ) . l ) S c h ö p p n e r Sagen 1, 29 ff. ; 2, 410. 414; R e i s e r Allgäu 1, 441 ff. s) R e i s e r ι , 441. f. 2. Äbtissin des K l o s t e r s auf dem R u p e r t s b e r g e bei Bingen. Gest. 1 7 . September 1179. B e r ü h m t als Seherin, Dichterin, Philosophin, Ärztin und N a turforscherin 3 ). Ihr werden Glossen aus BSchtold-Stiubli, Aberglaube IV.

einer unbekannten Sprache zugeschrieben, bei der es sich jedoch u m spielerische Verdrehungen deutscher und lateinischer Worte handelt 4 ). 3 ) W e t z e r u. W e l t e 5, 2061 ff. Verschiedene Einzelheiten namentlich aus ihren „Physica" berührt z. B. F r a n z Benediktionen 2, 685 (Register). Zu ihrer Auffassung des Schöpfungsberichtes: W o l f Beitr. 2, 349 f. 4 ) G ü n t e r t Göttersprache 29. 78 ff. Sartori. Hille. N a m e der einen J u n g f r a u in einer unvollständigen V a r i a n t e des Dreifrauensegens *). G r i m m 2 ) v e r m u t e t e darin die W a l k ü r e Hilda (s. a. Hilde), E b e r mann denkt wohl mit R e c h t an ein R e i m wort zu „ s t i l l e " und „ S i b y l l e " (s. d.), bringt auch die Parallele „ B r u n h i l l e " (s. d.) in einer ferneren Variante. E i n ähnliches Reimspiel liegt wohl v o r in dem N a m e n des Köhlerinstrumentes „Hillebille"3). Die F r a u des Hintzelmanns heißt Hille Bingels 4 ). ') K u h n u. S c h w a r z 437 Nr. 310; ZfdA. 4, 391 ; E b e r m a n n Blutsegen 85. «) Myth. 2, 1042. 3) ZfVk. 5 (1895), 103 ft. 4 ) G r ä s s e Preußen ι , 646. Jacoby. Hillebille l ). Das in verschiedenen deutschen G e g e n d e n 2 ) bis zur Wende des 19. J a h r h u n d e r t s vorzugsweise bei Waldund Bergarbeitern nachweisbare hochaltertümliche Signalgerät (wahrscheinlich von slavischen Besiedlern eingeführt) 3 ) ist gegenwärtig wohl nur noch in Museen anzutreffen. Weder mündliche noch schriftliche Überlieferungen 4 ) berichten über einst damit v e r k n ü p f t e abergläubische Vorstellungen. Vgl. im übrigen: K l a p p e r , Ratsche. 1 ) Zur Etymologie : A η d r e e in ZfVk. 5 (1895), 105; H o o p s ebd. 328 f. Zuletzt: Manninen in WZfVk. 35 (1930), 146 Anm. 13. ') ZfVk. 5, 103 ff. (Harz, Erzgebirge, Pommern) ; ebd. 327 (Kurland) ; Globus

Himbeere—Himmel

3

83, 52 (Westpreußen); ebd. 196 (Ostpreußen); ZfrwVk. 5 (1908), 174 ff. (Westfalen). Im österreichischen unter der Bezeichnung ,,d i e K l o p f " (ZföVk. ι, 127) ; „ F r e ß g 1 o c k e" (Ebd. 10, 186); „ K l e b e r n " (ZfVk. 12, 2 1 4 ! Vgl. auch 13, 436 f.). 3) WZfVk. a. a. O. 146. 4) Zur Literatur : A η d r e e in ZfVk. 5, 103 ff. ; Ders. Braunschweig 185 f. Dazu: ZfVk. 6 (1896), 444 f.; 8 (1898), 347; 15 (1905), 93; 20 (1910), 257. 263 f.; L i p p e r t Christentum 558; Globus 82, 315; 94, 7 (Bulgarien) ; W Z f V k . a. a. O. 143 ff. (Ost- und Südeuropa). Perkmann.

Himbeere ( R u b u s idaeus). Die H. wird im Gegensatz zur n a h v e r w a n d t e n B r o m beere (s. d.) nur g a n z wenig im A b e r glauben genannt. D e m v e r h e x t e n Pferd bindet man einen Z w e i g der wilden H. u m den Leib 1 ). W i e die H . n reifen, so reift auch das K o r n 2 ). l ) H a l t r i e h Siebenb. Sachsen 278. ') Fis c h e r SchwäbWb. 3, 1585. Marzeil.

Himmel. ι. Allgemeines. — 2. Zum H. weisen. — 3. Einfluß des H.s auf die Erde. — 4. Der H. als Gewölbe. H.söffnungen. Mehrere H. — 5. H. als Ort Gottes und der Seligen. — 6. Weg zum H.

1. Die Vorstellung des H.s als eines D a c h e s ist sehr verbreitet und f ü r primitiveres D e n k e n natürlich *) G r i m m

Myth.

2, 582; 3, 203 f.

2. Z u m H. w e i s e n (vgl. 2, 1483 ff.). W ä h r e n d der Mensch in seiner irdischen U m g e b u n g durch eine bunte Fülle wechselnder Erscheinungen beschäftigt wird, inmitten derer er seinen Lebensunterhalt sucht und mit denen er in persönliche B e r ü h r u n g tritt, bleibt der H. seinem Zugriff entzogen. Deshalb ist das Interesse f ü r ihn ein sekundäres. Andererseits ist der H. die Szene, v o r der die Sonne und der Mond und die Sterne erscheinen, aus dem f r u c h t b a r e Regen und zerstörende Gewitter hervorkommen. D u r c h diese Erscheinungen einerseits, durch die Unbeeinflußbarkeit derselben andererseits und endlich durch seine Gleichmäßigkeit und Größe m a c h t der H. den E i n d r u c k des Majestätischen, v o n dem letzten Endes Alles a b h ä n g t . Diesen E i n d r u c k bestätigt zunächst eine allgemeine Scheu v o r dem H. So heißt es im Erzgebirge : W e r unter freiem

4

H. tanzt, b e k o m m t einst keinen Myrtenkranz, u n d : W e r unter freiem H. spielt, der spielt einst in der Hölle 2 ). Besonders ist das W e i s e n n a c h d e m H. wie den einzelnen himmlischen Erscheinungen verpönt. N a c h dem H. mit den Fingern zu weisen, ist nicht gut, sonst sticht man dem lieben Herrgott nach den A u g e n , heißt es in der Mark 3 ), oder man sticht sonst einem Engel die A u g e n aus 4), oder ihn tot 5 ). T u t man es trotzdem, so wird der Finger steif oder f a u l t ab ®). Diese Folge kann man verhüten, wenn m a n sich alsbald in den Finger beißt (Wetterau) '). Man soll ebensowenig mit dem Finger in die Sonne deuten 8), noch nach dem Mond und den Sternen, man v e r l e t z t sonst den Engeln die A u g e n 9) oder sticht sie t o t 1 0 ) . W e r mit dem Finger auf die Sterne zeigt, dem fällt er ab, oder es fällt ihm der Stern ins Auge, und er wird blind u ) . W e i s t man auf Sternschnuppen, m u ß m a n bald sterben 12 ). W e n n es blitzt, darf man nicht gen H. b l i c k e n 1 3 ) . Strecken beim Blitz die K i n d e r einen Finger gen H., so wird der b ö s e 1 4 ) , oder schlägt es ein 1S ). N a c h Gewitterwolken darf man nicht mit dem Finger weisen 1β ), a u c h nicht auf einen Regenbogen, sonst schlägt es e i n w ) . — E i n Messer darf mit der Schneide nicht n a c h oben liegen, sonst schneidet man G o t t ins Gesicht, sticht G o t t die A u g e n aus l s ), oder die Engel verletzen sich d a r a n 1 9 ) . Es heißt aber auch, daß sonst der T e u f e l darauf sitzt 20), oder H e x e n darauf reiten, oder auch die armen Seelen, oder es heißt, daß sonst der böse Feind G e w a l t habe 21 ). Die Zwerge fürchten es dann 22 ). Eggen, Mistgabeln und alles, was spitzig ist, soll nicht so liegen 23 ). K o m m e n böse L e u t e (Hexen) in ein Zimmer, woselbst ein Messer im R ü c k e n liegt, so müssen^ sie sich zu erkennen geben und fangen ein entsetzliches Geschrei an 21 ). Die letzten Beispiele zeigen, daß man ursprünglich nicht fürchtete, durch Hinweisen m i t dem Finger oder durch einen scharfen Gegenstand einen bestimmten G o t t im H. oder W e t t e r zu beleidigen, sondern d a ß hier eine gefühlsmäßige Scheu v o r dem Oberen, dem H., sich zeigt. S e k u n d ä r

5

Himmel

sind die Erklärungen, daß Gott und die Engel, Zwerge, H e x e n oder Teufel dadurch getroffen würden. Diese A c h t u n g v o r den bedenklichen oberen Mächten konnte nun in das Gegenteil umschlagen, wenn der Mensch in Zorn gegen sie geriet. Im Salzburgischen finden wir die Meinung, daß ein Gewitter herbeigezogen wird, wenn eine E g g e mit den Zähnen nach oben außerhalb der D a c h t r a u f e liegen b l e i b t 2 5 ) . Wenn es aber hagelt, legt der B a u e r die E g g e mit a u f w ä r t s stehenden Zähnen in den H o f 2 e ) , oder er w i r f t Stühle und Tische in den H o f , jedoch so, daß die F ü ß e a u f w ä r t s stehen, oder zum Schutz vor dem Blitz stellt er die E g g e mit den Zähnen nach oben 27 ). Besonders Regen und Gewitter konnten auf den L a n d m a n n wie ein Anschlag auf seine Felder wirken und ihn herausfordern. S o berichtet eine weit verbreitete Sage v o n einem Gutsbesitzer, der bei anhaltendem R e g e n in den H. schoß, weil er seine E r n t e nicht einfahren konnte. E i n Blitzstrahl schlug ihn nach dieser T a t zur H ä l f t e in die E r d e 28) oder zerschlug ihm einen A r m und einen F u ß 29 ), so daß er elend zugrunde ging. E i n Inspektor zielte mit dem Stock in den H. und sagte, er wolle Gott erschießen, als ein Gewitter das E i n f a h r e n unmöglich machte. D a krachte es mit einem Male los, und der Inspektor war verschwunden, an seiner Stelle lag ein großer Stein In der Regenperiode E n d e J u l i 1905 tauchte diese Sage wieder auf. E i n ostpreußischer Besitzer schießt mit einem R e v o l v e r dreimal in den H., da blieb er versteinert stehen. Der Stein w a r halb in die E r d e gesunken und unentfernbar. A n der Stelle des H.s, wohin er geschossen hatte, blieb ein schwarzer F l e c k 3 1 ) . Aber auch bei anhaltender Dürre soll ein Herr v . Reibold mit seinem J a g d g e w e h r zum H. geschossen haben, u m Gott zu bedrohen. Zur S t r a f e ist er irrsinnig geworden und s p u k t nach seinem Tode als schwarzer K a t e r 3 2 ) . E i n verschuldeter Gastwirt bei F r a n k f u r t a. M. h o f f t v o n der Kirchweih große Einnahmen und R e t t u n g . E i n Unwetter zerstört seine

6

H o f f n u n g e n . Da schießt er mit seiner Flinte verzweifelt in den H. Darauf verendet sein Roß, sterben Weib und K i n d , verbrennt sein Anwesen. Bei der nächsten Kirchweih erschießt er sich selber 3 3 ). A u s diesem ins Wetter Schießen entwikkelte sich mit dem Hexenglauben die Meinung, daß dann die H e x e getroffen würde (s. Wetterschießen). E s ist nicht immer ein Unwetter, gegen das der Mensch sich empört. Ein polnischer E d e l m a n n bei Soldau hatte in unrechtmäßiger Weise eine große Viehherde zusammengebracht. Eines Morgens war alles Vieh tot. Darauf schoß er seine Pistole zum H . mit den W o r t e n : Wer das Vieh totgeschlagen hat, der mag es auch fressen. D a wurde er in einen schwarzen H u n d verwandelt und begann, das tote Vieh zu zerfleischen 34 ). In diesen Fällen, in denen L a n d w i r t e geschädigt werden, ist der Schuß nach dem H . besonders motiviert. E r findet sich aber auch noch in Sagen von Spielern, die aus W u t über den Verlust im Spiel nach dem H . schießen. Schon im 1 2 . J h . wird bei T h o m a s Cantipratensis v o n einem Spieler erzählt, der ärgerlich über sein Unglück mit den Würfeln einen Pfeil gen H. schoß. Der Pfeil fiel blutig wieder herunter, der Spieler bereute und tat B u ß e 3 5 ) . Im J a h r 1 5 5 3 warf einer von drei Spielern wütend den Dolch zum H., u m ihn Gott in den L e i b zu stoßen. Der Dolch k a m nicht wieder hernieder, dagegen fielen drei Blutstropfen auf die K a r t e n der Spieler. Der Teufel holte den Lästerer ··). Im Dom zu Schleswig spielten K o s a k e n . Einer, der verlor, rief endlich aus : er wolle Gott die Augen ausstechen, dazu warf er sein Schwert in die L u f t . E s blieb im Gewölbe stecken. Nach ihrem A b z u g wurde es herausgehauen, aber sein Schatten blieb unvertilgbar h a f t e n A u c h ein altersschwacher Greis droht mit der geballten F a u s t zum H., wenn ihn die B ü r d e des Lebens zu schwer drückt 3S ). A u s lauter Ü b e r m u t soll einmal ein Heer aus allen K a n o n e n und Gewehren gegen den H . geschossen haben. Darauf v e r s a n k das Heer in die Erde, ein Mädchen f a n d es später unter der Erde

7

Himmel

schlafend 3 8 ). Ein J ä g e r , der statt eines Rehes seinen Hund geschossen hat, verflucht sich selber: hätte ich doch eher die Sonne vom H. geschossen. Da richtete sich von selber sein Gewehr auf die Sonne, und er starb und verweste in dieser Stellung 40). Diese Sage ist wohl die Abwandlung einer Freischützensage. Um Freischütz zu werden, zielte einer auf die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, ein Blutstropfen fiel nach dem Schuß auf die Hand 4 1 ). Sonst heißt es, daß der Freischütz in die Sonne 4 2 ) oder auf Sonne, Mond und Gott selber 43) schießt. Ein Wilddieb schießt in die helle Sonne, um Gott zu treffen, weil sein K i n d gestorben ist 4 4 ). l ) J o h n Erzgebirge 2 5 1 . Die Scheu vor dem H. und seinen Erscheinungen findet man auch anderwärts. Charakteristisch sind die Vorstellungen der südafrikanischen Bergdama. Auf den Blitz, den Regenbogen oder den H. darf man nicht mit dem Finger weisen. Auch die Folgen, die sich der Unachtsame zuziehen kann, sind ζ. T. Parallelen zu deutschem Aberglauben. Wer auf den Blitz mit dem Zeigefinger weist, den erschlägt er, wer auf ein Grab weist, dem fault der Finger ab. H. V e d d e r Die Bergdama I (Hamburg. Universität. Abhandl. a. d. Gebiet d. Auslandskunde, Bd. 1 1 . Hamburg 1923), 122. s ) E n g e l i e n und L a h n 279. 4 ) ( K e l l e r ) Grab 5, 291. 5) G r i m m Myth. 3, 469 Nr. 937. 947; W o l f Beiträge ι, 2 3 5 ; SAVk. 23 (1921), 220. ·) W u t t 7 k e 13 § Ii. ) Wolf Beiträge 1, 235. 8 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 52. ") G r i m m 10 Myth. 3, 445 Nr. 334. ) W u t t k e 1 3 § 1 1 . ll ) G r o h m a n n 32 Nr. 1 7 5 ; K u h n und S c h w a r t z 458. 1 ! ) W u t t k e 1 3 § 1 1 . 13 ) Meyer Baden 362. l l ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 402. 15 ) S c h r a m e k Böhmerwald 250. " ) Ebd. 17 ) G r o h m a η η 4 1 Nr. 247· 250. ls ) S c h ö η w e r t h Oberpfalz 3, 280; M e i e r Schwaben 2, 501 Nr. 343; SAVk. 19 23 (1921), 220. ) K e l l e r Grab 5, 291. 2 °) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 85. 21

) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 280. ) S c h e l l Bergische Sagen 2 294 Nr. 769 b. 23 ) Schulenburg Wend. Volksthum 85. 24 ) M e i e r Schwaben 2, 5 1 5 Nr. 446. 2 6 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 59. '·') Ebd. 64. " ) Ebd. 65. K u h n und S c h w a r t z 8 f.; W o l f Beiträge 2, 17. " ( K u h n und Schwartz 144 f. ™) K n o o p Posener Märchen 25. 31 ) R a n k e Sagen 2 3 1 f. 285. 32 ) M e i c h e Sagen 64 Nr. 77. 33 ) ZfVk. 23 (1913), 303. 34) W o l f Beiträge 2 , 1 8 f. 35 ) Ebd. 2, 17 f. 3 ·) R o c h h o l z Glaube ι , 44—46; W o l f Beiträge 2, 1 7 ; K o h l r u s c h Sagen 190 f. 3 ') M ö l l e n h o f f Sagen 126 Nr. 163. 22

8

M ) W o l f Beiträge2, 17. 3i ) M e i e r Schwaben I, 122 f. •'J K o r t h Bergheim 16. 41 ) Schell Bergische Sagen2 22 Nr. 54. ") Wolf Beiträge 2, 19. 13 ) R a n k e Sagen 33. 41 ) R o c h h o l z Glaube 1, 42.

3. E i n f l u ß d e s H.s a u f die E r d e . Ehe die Vorstellung von einem Einfluß der einzelnen Erscheinungen des H.s auf das Leben auf der Erde deutlich ins Bewußtsein tritt, entwickelt sich ein Gefühl f ü r die Beziehung zwischen H. und Erde überhaupt. Besegnungen werden deshalb gern unter freiem H. vorgenommen 45 ). Besonders wirksam ist der H. in der Weihnachtszeit. Man muß am Heiligen Abend dem Vieh Futter geben, das vorher unter freiem H. gelegen hat, oder man legt es in der Christnacht unter den H. und gibt dem Vieh am Morgen davon zu fressen oder erst später in Krankheitsfällen. Der sichtbare Träger dieses himmlischen Einflusses ist der Tau, der Christtau, der auf das Futter fallen soll 4e ). Ist in der Weihnachtszeit dieser Einfluß aus nahegelegenem religiösen Grunde heilsam, so ist es in demselben Maße gefährlich, wenn Störungen am H. beobachtet werden. So soll man bei Sonnenfinsternis das Vieh im Stall zurückbehalten, weil alsdann Gift vom H. fällt, ebenso muß man dann die Brunnen zudecken 47 ). Der H. gilt auch als die Quelle für allerlei ungewohnte Dinge, die gelegentlich in größerer Menge auf der Erde gefunden werden. Man denkt dann, daß diese vom H. geregnet seien. Die braunen Knollen von Lathyrus tuberosus gelten in dem Volke als Manna oder H.sbrot, und man glaubt, daß sie vom H. fallen Von derartigem H.sbrot spricht eingehend schon Megenberg 4 9 ). In den meisten Fällen ist nicht ersichtlich, was im einzelnen den Anlaß zu diesen Phantasien gegeben hat. Häufig wirkt sich die Erregung, die bei solchen Gesichten die Menschen befällt, dahin aus, daß die Erscheinungen als Vorzeichen gedeutet werden, in der Regel Vorzeichen von Katastrophen. Im Elsaß soll ein Tau vom H. gefallen sein, der war zäh und süß und wurde H.schweiß genannt. Danach brach eine Viehseuche aus M ). Die Chro-

9

Himmel

n i k e n b e r i c h t e n , d a ß es F i s c h e , G e t r e i d e , S t e i n e 5 1 ) , F l e i s c h 6 2 ) , B l u t oder S c h w e fel 53 ) g e r e g n e t h a b e . G e l e g e n t l i c h w a r das V o r b o t e einer T e u e r u n g . P a r a c e l s u s erk l ä r t solche E r s c h e i n u n g e n m i t d e m t i e f e n E r n s t , m i t d e m sein G e i s t den K o s m o s s a h ; so s t a m m t i h m der B l u t regen v o n dem leichten schwefeligen S c h a u m der M o r g e n r ö t e , der z u e t w a s Festem v e r k o c h t wird usw. Nach ihm h a t es e i n m a l Milch g e r e g n e t , die w i e B l u t a u s s a h . D i e S t o f f e , die a u s d e m Ä t h e r auf die E r d e in s o l c h e n W u n d e r r e g e n fallen, seien v o n d e n N a t u r f o r s c h e r n g e s c h ä t z t w o r d e n , sie h ä t t e n sie H.sb l u m e g e n a n n t 6 4 ) . In seiner W e i s e erklärt Paracelsus weiter Feuer- und Steinr e g e n 6 5 ). B e a c h t e n s w e r t ist die N e i g u n g , solche W u n d e r r e g e n m i t religiösen V o r s t e l l u n g e n z u v e r b i n d e n . W e n n sie als V o r b o t e n v o n K a t a s t r o p h e n gelten, so ist als w e i t e r e M o t i v i e r u n g g e r n die S ü n d h a f t i g k e i t der M e n s c h e n g e g e b e n . D a s f ü h r t dann weiter zu freien Phantasien, d a ß einmal K r e u z e v o n v e r s c h i e d e n e r F a r b e auf die M e n s c h e n 5 e ), oder d a ß ein M a r i e n b i l d v o m H . g e f a l l e n sei 57 ). V o m H . gefallene G ö t t e r b i l d e r k a n n t e schon die A n t i k e S 8 ) , w i e a u c h W u n d e r r e g e n v o n K r e i d e , Milch, A s c h e , W o l l e , B l u t 59 ). Der v o n der N a t u r viel a b h ä n g i g e r e u n d d a h e r ihre E r s c h e i n u n g e n v i e l gespannterbeobachtende primitivereMensch ist g e w o h n t , a u s b e s t i m m t e n H.serschein u n g e n S c h l ü s s e auf z u k ü n f t i g e , v o r a l l e m W e t t e r e r e i g n i s s e z u ziehen. D a s b e z e u g e n die W e t t e r e r g e l n . T r o t z m a n cher r i c h t i g e r B e o b a c h t u n g e n f e h l t e d o c h o f t j e d e K r i t i k , u n d die unsichere S p a n n u n g , m i t der er seine B e o b a c h t u n g e n a n s t e l l t e , g a b e n den B o d e n f ü r ü p p i g e P h a n t a s i e n . So sah m a n M e n s c h e n k ö p f e in d e n W o l k e n eo ) oder f e u r i g e D r a c h e n und brennende aufeinander losgehende H e e r h a u f e n β 1 ) . Meist sind solche Gesichte zu K r i e g s z e i t e n gesehen w o r d e n : die n e r v ö s e S p a n n u n g p r o j i z i e r t e W a f f e n u. ä. a n das F i r m a m e n t . S o b e r i c h t e n die Chroniken v o n Schwertern, Sicheln und S ä b e l n , e i n e m w e i ß e n K r e u z , einem D o p peladler, d e m T o d als G e r i p p e , D e u t s c h e n u n d T ü r k e n , die gesehen w u r d e n 8 2 ) . D i e

IO

G e s i c h t e w e r d e n d a n n g e w ö h n l i c h als V o r z e i c h e n kriegerischer V e r w ü s t u n g ged e u t e t , so ein H . b r e n n e n u n d K r i e g s k n e c h t e , die sich m i t S p i e ß e n u n d S c h w e r tern in der L u f t s c h l a g e n 63 ). S o l c h e Gesichte w u r d e n a u c h i m J a h r e 1870 gesehen e 4 ). Z u B e g i n n des W e l t k r i e g e s g i n g d u r c h die Z e i t u n g e n die N a c h r i c h t , d a ß a n e i n e m b e s t i m m t e n O r t e eine g r o ß e V o l k s m e n g e a m H . einen d e u t s c h e n Sold a t e n u n d d a n e b e n eine 3 gesehen h a b e . D e r D e u t s c h e h a b e den S i e g u n d die Z i f f e r drei M o n a t e K r i e g b e d e u t e t . A u c h a n d e r e K a t a s t r o p h e n e r k a n n t e m a n in e n t s p r e c h e n d e n H . s e r s c h e i n u n g e n . So sah m a n zur P e s t z e i t ein Z e i c h e n gleich einer schwarzen Bohne, dabei B e s e n und R e c h e n . Die S e u c h e hörte n i c h t eher auf, als bis diese Z e i c h e n verschwunden w a r e n 65 ). Oder ein H . b r e n n e n d e u t e t eine Ü b e r s c h w e m m u n g a n 6 e ). Oder m a n s i e h t in ä h n l i c h e n G e b i l d e n Zeichen des j ü n g s t e n T a g e s 67 ). A b e r a u c h auf das S c h i c k sal eines e i n z e l n e n M e n s c h e n k ö n n e n sie h i n w e i s e n . E i n W e i b in K i n d s n ö t e n s a h a m H . ein f e u r i g e s S c h w e r t , w ä h r e n d sie einen K n a b e n gebar. Dieser w u r d e Mörder und Dieb (s. H . s e r s c h e i n u n g e n ) . *5) ZfVk. 23 (1913), 131; Romanusbüchlein 13. " ) S a r t o r i Sitte 3, 32. 47) W o I i Beiträge 1, 235. 4S) K ü h n a n Sagen 3, 448. 4S) M e g e n b e r g Buch der Natur 72. M) S t ö b e r Elsaß ι, 26 Nr. 37. " ) H a u p t Lausitz I, 258—25g. *») K u n z e Suhler Sagen 132 ff. ") H a u p t Lausitz 1, 257 f. ; M ü l l e r Siebenbürgen 71. M ) P a r a c e l s u s 62 f. ··) Ebd. 63 f. «) M e i c h e Sagen 624 Nr. 768. «) M ö l l e n h o f f Sagen 122 Nr. 155. u ) P f i s t e r M) Reliquienkult 1, 346. Stemplinger Aberglaube 31. ">) SAVk. 25 (1925), 50. el) Müller Siebenbürgen 70. ·*) H a u p t Lausitz ι , 273 f. " ) M ü l l e r Siebenbärgen 72. M ) Κ ü h η a u Sagen 3, 45.5. 491. ··) M ü l l e r Siebenbürgen 72. •·) Ebd. 197. " ) ( K e l l e r ) Grab 3, 224. " ) S c h ö η w e r t h Oberpfalz ι, 273. 4. D e r H. a l s Gewölbe. H.sö f f n u n g e n . M e h r e r e H. So w i r k t e der H . d u r c h die S e g n u n g e n u n d V e r h e e r u n g e n , d u r c h seine G r ö ß e u n d F e r n e a u f das m e n s c h l i c h e G e m ü t u n d w u r d e z u d e m O r t , a n d e m der M e n s c h in gespannter Erregung Vorzeichen erb l i c k t e , die ihn w a r n t e n u n d in S c h r e c k e n s e t z t e n . K e i n e p h i l o s o p h i s c h e n Erwä-

II

Himmel

gungen, daß das irdische Geschehen am H. im großen vorgebildet sei, w a r die Quelle f ü r die Verbindlichkeit solcher himmlischen Zeichen, sondern sie sind zunächst nur aus dem A f f e k t e hervorgegangen. E r s t sekundär und in viel bescheidenerem Maße hat sich das Denken des Volkes mit dem H . beschäftigt. Die natürliche Anschauung v o m Wesen des H.s, zu der man dann gelangte, w a r nach irdischen Analogien die eines Deckels, eines hohen Gewölbes, das über der flachen E r d e errichtet war. Diese Vorstellung ist beständig lebendig geblieben. Der H. deckt das L a n d . Man s a g t : der H . ist meine Decke, die E r d e mein B e t t ; der H . ist mein Hut, er ist ein Gewölbe, er kann einbrechen 6 9 ). In der Skaldenpoesie heißt er gelegentlich das schöne Dach, wozu Güntert an die Bezeichnung bunter Deckel im K a i e wala erinnert 7 0 ). Im Salzburgischen stellt m a n sich den H. als eine ungeheure Hohlkugel vor 7 1 ). In Ertingen nennt man die Decke der K i r c h e H. In dieser ist eine L ü c k e mit einem B r e t t verschlossen, auf welches ein A u g e gemalt ist. Man nennt es das. A u g e Gottes. Ganz so, sagt man, sehe unser Herrgott durch die Sonne auf die E r d e herab, weshalb man nicht in die Sonne sehen könne 7 2 ). Im R ä t s e l wird der Himmel mit einem ausgespannten Tuch verglichen: Min Modder heff en L a k e n un k a n n ' t nicht foalen (falten) 7 3 ). Eine andere, freilich k a u m je ins volle Bewußtsein des Volkes gerückte Anschauung, sieht in dem männlichen H. den die weibliche E r d e als B r a u t umfangenden G o t t 7 4 ) . Denkt man sich den H. als eine Decke, so notwendig als eine feste abschließende Schicht, hinter der noch etwas anderes verborgen sein muß, das durch regelmäßige oder gelegentliche Öffnungen dieser Decke zu sehen sein muß. Der stärkste Eindruck, den der H . auslöst, ist der des Lichtes, so ist es ein natürlicher Gedanke, daß man hinter der Schicht des H.s die Fülle des Lichtes vermutet. Nach Oberpfälzer Glauben w a r der H. zuerst ganz ohne Sterne, da w a r f e n die Riesen mit K u g e l n nach der Sonnenscheibe und durchlöcherten dabei den H.

12

A u s diesen Löchern scheint nun das L i c h t des inneren H.s, die Löcher sind die S t e r n e 7 5 ) . Ebendort gilt auch die Sonne als H.söffnung, denn wer in die Sonne schauen kann, sieht den H . o f f e n 7 6 ) . Die gleiche Vorstellung ist es, wenn der Mond als Fenster Gottes bezeichnet wird und v o n einer über den Mond hinziehenden Wolke gesagt wird, G o t t mache sein Fenster zu 7 7 ). In Böhmen gilt der B l i t z als ein teilweises Öffnen des H.s, es ö f f n e t sich dann der Flammenhimmel, hinter welchem man die Engelchöre sehen k a n n 7 8 ) . Derselbe Gedanke liegt wohl dem Schlüssel mancher Sagen zugrunde, der den H. im B l i t z erschließt 7 9 ). Den S o n n e n a u f g a n g empfindet der Kinderreim als H . s ö f f n u n g : Heiland, tu dein Türle auf, L a ß die liebe Sonne raus, L a ß den Schatten d r o b e n M ) , und der Oberpfälzer Glaube, der den Himmel, im Sinne Paradies, in den Osten v e r l e g t 8 1 ) . Ekstatischen Visionären erscheint der H . gelegentlich offen, so einem alten Bauern beim Abendgebet. E r sah f ü r einen kurzen Augenblick eine große schöne Helle 8 2 ). Bei der Pest v o m J a h r e 1 3 4 8 sah ein zwölfjähriges sterbendes Mädchen den H. offen und die Seelen als viele schöne Lichter emporfahren 8 3 ).Einige Mädchen erblickten an einem Sommerabend einen hellen Schein a m H., sie sahen das H.sblau a n einer Stelle durchbrochen und in der L ü c k e lauter golden strahlendes Licht. Mitten in diesem Glänze sahen sie einen Engel schweben, doch bald verschwand er in dem überhellen Licht, und darauf verblich der G l a n z 8 1 ) . Zu bestimmten Zeiten ist der H. offen. So soll man sich nach westfälischem Aberglauben in der Christnacht unter einen A p f e l b a u m stellen, dann sieht man den H. o f f e n 8 5 ) , nach schwäbischem in der Neujahrsnacht auf einem K r e u z w e g , m a n e r f ä h r t dann, w a s sich im kommenden J a h r zutragen wird 8e ). Nach böhmischem Aberglauben ö f f n e t sich am Dreikönigstag um Mitternacht der H., wer es sieht, dem gehen drei Wünsche in Erfüllung 8 7 ). Nach schlesischem Volksglauben ist a m K a r freitag H. und E r d e geöffnet und kann dann Zauber gewirkt werden 8 8 ).

13

Himmel

Seltener v e r s e t z t sich der V o l k s g l a u b e in die W e l t j e n s e i t s des H . s g e w ö l b e s , a b e r a u c h d a n n e m p f i n d e t er die N o t w e n d i g k e i t einer Ö f f n u n g , u m auf die E r d e herabblicken zu können. Nach Paulus D i a c o n u s b l i c k t e W o d a n d u r c h ein F e n ster (per f e n e s t r a m o r i e n t e m versus) auf die E r d e 8 9 ) . N a c h einer s c h w ä b i s c h e n L e g e n d e b l i c k t e einst der H e r r g o t t aus d e m H . s f e n s t e r heraus, als g e r a d e Moses a u s d e m seinigen h e r a u s s c h a u t e 9 0 ) . Die Quelle aller a b e r g l ä u b i s c h e n V o r s t e l l u n g e n sind v o r a l l e m A f f e k t e . D i e L o g i k , die a u c h d e m p r i m i t i v e r e n Menschen nicht abgeht, wird ihm bei a l l e n D e n k o p e r a t i o n e n i m m e r wieder v o n A f f e k t e n a b g e l e n k t , oder dient nur d a z u , verschiedene A f f e k t e miteinander zu verbinden. W o h l h a b e n sich in den K ö p f e n E i n z e l n e r P h a n t a s i e n g e b i l d e t über die S c h i c h t e n u n d die E i n r i c h t u n g des H.s, da diesen P h a n t a s i e n aber die A f f e k t e , a u s denen der A b e r g l a u b e h e r v o r g e h t u n d die ihn t r a g e n , f e h l e n , sind solche M e i n u n g e n nie w i r k l i c h e r B e s i t z des V o l k e s g e w o r d e n . N i e d e r s c h l ä g e solcher S p e k u l a t i o n e n f i n d e n sich freilich in R e d e n s a r t e n , w i e : j e m a n d e n bis in den d r i t t e n H . erheben, o d e r : bis in den s i e b e n t e n H . v e r z ü c k t sein 9 1 ), a b e r d a m i t soll nur ein S u p e r l a t i v ausgedrückt w e r d e n , b e s t i m m t e M e i n u n g e n über die einzelnen H . sind n i c h t v o r h a n d e n . W e n n Snorri g e l e g e n t l i c h e i n m a l drei H . n e n n t , so ist das S k a l d e n g e l e h r s a m k e i t 9 2 ) . E b e n so u n v o l k s t ü m l i c h ist es, w e n n v e r e i n z e l t in einer E x e m p e l s a m m l u n g der P r e d i g e r m ö n c h e aus d e m 13. J h . drei H . a u f g e z ä h l t w e r d e n . E s h e i ß t dort, d a ß i m a l t e n R o m ein H a u s f ü r die S e n a t o r e n — de a u r o et speculis p l e n a — , eines f ü r die P h i l o s o p h e n — de cristallo — u n d eines f ü r die V e t e r a n e n b e s t a n d e n h ä t t e , d e m e n t s p r e c h e n d g ä b e es i m H . drei H ä u s e r : p r i m a p l e n a s p e c u l i s est c e l u m e m p i r e u m , in q u o h a b i t a n t r e c t o r e s ecclesie . . . s e c u n d a d o m u s est c e l u m c r i s t a l l i n u m , in q u o h a b i t a n t r e l i g i o s i . . , tercia d o m u s est c e l u m sidereum, in q u o h a b i t a n t b o n i et iusti seculares, qui deo m i l i t a n t in hoc m u n d o 9 3 ) . S k a l d e n gelehrsamkeit erwähnt auch neun Η.94).

14

Christliche t h e o l o g i s c h e S p e k u l a t i o n r e d e t vereinzelt von ursprünglich zehn H.n, erst seit L u c i f e r s F a l l seien es n e u n 9 5 ) . M e g e n b e r g z ä h l t die z e h n H . a u f . D e r oberste H . h e i ß t a u c h bei i h m E m p y r e u m , in i h m w o h n t G o t t m i t seinen A u s e r w ä h l t e n , der z w e i t e ist der K r i stallh., d a n n f o l g t der F i r m a m e n t u m g e n a n n t e , d a n n die sieben P l a n e t e n H . 9 e ) . Diese o r i e n t a l i s c h - a n t i k e n V o r s t e l l u n g e n h a t t e das C h r i s t e n t u m m i t g e b r a c h t . Sie spielen i m V o l k s g l a u b e n keine Rolle. V o l k s t ü m l i c h k ö n n t e dag e g e n der G ä n s e - Η . sein, den der Schlesier k e n n t , w e n n er s a g t : d u k o m m s t gleich in den G ä n s e - Η . Möglich, d a ß hier a n einen A u f e n t h a l t s o r t der w i l d e n G ä n s e g e d a c h t ist, die der V o l k s g l a u b e sehr a l t w e r d e n oder g a r n i c h t s t e r b e n l ä ß t 9 7 ) . W a h r s c h e i n l i c h e r , d a ß der A u s d r u c k m i t der g r ü n e n W i e s e z u s a m m e n z u b r i n g e n ist, auf die die V e r s t o r b e n e n g e l a n g e n (s. G r ü n e Wiese, Hölle, P a r a d i e s ) . M) G r i m m Myth. 3, 203 f. ">) G ü n t e r t Göttersprache 142. , l ) B a u m g a r t e n Aus

der Heimat 1, 5. " ) Β i r 1 i η g e r

382 Nr. 606. Grimm

î4)

Mythologie

Volksth.

1,

" ) S t r a c k e r j a n 2, 108. Myth. 2, 736 ; G o 1 1 h e r

454 ff.

7S )

Ranke

Sagen

217.

">) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 52. " ) R o c h h o l ζ Sagen 2, 133. ,8) G r o h m a n n 37 7") S c h w a r t z Nr. 207 f. Studien 371. 80) M a n n h a r d t Götter 134. 81) S c h ö n Werth Oberpfalz 2, 53. 8! ) Β a u m g a r t e η Aus der Heimat 1, 6. 8a) Κ r u s ρ e Erfurt 1, 37. 84)

L u c k AIpensagen 77. 85) K u h n Westfalen 2, 106 Nr. 321; W u t t k e 67 § 77. 8e) M e i e r Schwaben 2, 468. 8') Grohmann Sagen 305. M) D r e c h s l e r 1, 83. " ) G r i m m Mvth. ι , n i f . 38:. »») z . B .

Drechsler

") B i r l i n g e r Volksth. 1, H e y 1 Tirol 804 N r . 274;

2, 120. ·») G r i m m

Myth. 2,

674 A n m . 2; M e y e r Germ. Myth. 191 § 257. Klapper Erzählungen 405 f. M ) G r i m m Myth. 664; Golther Mythologie 519. 85) Grimm Myth. 237. M ) M e g e n b e r g Buch der Natur 43. 9 ') D r e c h s l e r 2, 94.

S3)

5. H . a l s O r t G o t t e s u n d der S e l i g e n . Die d e m C h r i s t e n t u m so g e l ä u f i g e A n s c h a u u n g , d a ß der H . der W o h n ort G o t t e s u n d der S e l i g e n sei, ist d u r c h aus n i c h t so n a t ü r l i c h , w i e es s c h e i n e n möchte. Im germanischen Heidentum f i n d e n sich m a n n i g f a c h e L o k a l i s i e r u n g e n der W o h n u n g der G ö t t e r 9 8 ) , d o c h nur v e r e i n z e l t die M e i n u n g , d a ß sie in d e n

Himmel—Himmelfahrt Christi

15

obersten H . s r ä u m e n u m den Zenith w o h n e n " ) . Mit dem Christentum gew a n n der H . eine neue B e d e u t u n g . Dorthin b l i c k t e m a n nun m i t der Gewißheit, daß dort G o t t sei, u n d daß v o n dort aus G o t t die W e l t regiere u n d auf die E r d e h e r a b s c h a u e . B e i der E r k l ä r u n g der himmlischen Vorzeichen s a g t Paracelsus, daß diese a u s d e m inneren H . herausbefohlen w ü r d e n , u m der Zeit die Zuk u n f t zu v e r k ü n d e n 1 0 0 ) . G r i m m Märchen, N r . 35 v e r s e t z t einen Schneider auf den S t u h l des H e r r n im H., v o n w o er auf die E r d e h e r n i e d e r b l i c k t 1 0 1 ) . E s gilt als göttliche G n a d e , den H . schauen zu dürfen, und einem B ü ß e r wird deshalb auferlegt, nicht gen H . zu blicken 1 0 2 ). H . ist als A u f e n t h a l t s o r t der Seligen mit P a r a d i e s gleichbedeutend g e b r a u c h t (s. d.). ") M e y e r Religgesch. 4 1 .

1M

2,

Germ. Myth. ι8γί.; Meyer " ) M e y e r Germ. Myth. 1 8 7 .

) P a r a c e l s u s 63. 133·

Nr. 143.

102

) H e y 1

101

) R o c h h o l z Sagen

Tirol

670 N r . 1 4 6 ;

667

6. W e g z u m H . N a c h d e m m a n im H . einen Ort der W o n n e zu sehen sich g e w ö h n t h a t t e , r ü c k t e der G e d a n k e einer V e r b i n d u n g zwischen dem H . und der E r d e in den V o r d e r g r u n d . Als eine natürliche B r ü c k e z u m H . erschien der R e g e n b o g e n (s. d.). Besonders in religiösen Visionen sah m a n , angeregt durch die J a k o b s l e i t e r , die Möglichkeit dieser V e r b i n d u n g . S o hieß ein H a u s in W ü r z burg H.sleiter, weil dort eine F r a u im T r a u m eine solche gesehen h a t t e 1 0 3 ). Oder ein Priester sieht im T r a u m zwei H.sleitern, zwischen diesen einen lichten S t u h l , auf dem ein B r u d e r v o n den P r e d i g e r n mit v e r m a c h t e n A u g e n saß. L e i t e r n und S t u h l f a h r e n dann z u m H . : der Priester h a t t e den T o d des hl. Dom i n i k u s gesehen 1 0 4 ). I m allgemeinen ist a b e r g e r a d e i m V o l k s b e w u ß t s e i n der Ged a n k e lebendig, daß eine V e r b i n d u n g zu dem f e r n e n H . unmöglich ist. S o berichtet eine Oberpfälzer S a g e v o n einem schönen übermütigen W e i b e S e l a m e n a , daß sie m i t ihrem K i n d e gleich der M u t t e r M a r i a z u m H . f a h r e n wollte. In der M i t t e des W e g e s zwischen H . u n d E r d e w a r d sie gestürzt u n d v o n ihrem K i n d e ge-



trennt. Sie schweben in der L u f t , die M u t t e r als h e u l e n d e r - S t u r m , das K i n d als klagender, winselnder W i n d l o s ) . Weiter ist es wohl ebenfalls die U n m ö g l i c h k e i t einer V e r b i n d u n g z u m H., die S a g e n inspiriert hat, in denen der T e u f e l eine S t r a ß e z u m H . bauen soll. Wie G e b a n n t e n unmögliche A u f g a b e n , z. B . das Zählen des S a n d e s , der T r o p f e n des Meeres anbef o h l e n werden, so v e r p f l i c h t e t ein K ä r n t e r B a u e r den T e u f e l , in 24 S t u n d e n eine Stiege zum H . zu bauen, er wird aber nicht zur rechten Zeit mit der A r b e i t f e r t i g 1 0 e ) . N a c h einer mährischen S a g e v e r s u c h t e der T e u f e l aus Steinen eine S t r a ß e in den H . zu bauen, R ä u b e r störten ihn aber, so entstand der P r a d l stein oder Prallstein (nördl. v o n Müglitz in Mähren) 1 0 7 ). Drastisch illustriert diese U n m ö g l i c h k e i t ein S a l z b u r g e r L ü g e n m ä r c h e n : ein B a u e r m a c h t aus E n t e n f e d e r n eine L e i t e r z u m H., b l i c k t hinein, m a c h t sich aus K l e i e ein Seil u n d s t e i g t d a r a n zur E r d e herab m ) . loa ) ZfdMyth. 3 (1855), 70. 1 M ) H e y 1 Tirol 130 Nr. 20. los ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 108. 106) G r a b e r Kärnten 277. 10 ') V e r n a 1 e k e η Mythen 358. 108) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1 , 5 i. Winkler.

Himmel s. F i n s t e r n i s s e 1509), H o r o s k o p i e , Sternbilder.

Himmelbrand s.

(2,

Sterne,

Königskerze.

Himmelfahrt Christi. I . D e n H a u p t t e i l der kirchlichen F e i e r dieses T a g e s bildete bis tief ins M A . hinein eine P r o z e s s i o n , weil der H e r r seine J ü n g e r aus der S t a d t h i n a u s auf den Ölberg f ü h r t e *). S o sind a n vielen Orten k i r c h l i c h e Prozessionen und namentlich F l u r g ä n g e üblich geblieben 2 ) (s. K r e u z w o c h e ) . A u c h der V o l k s b r a u c h schreibt überall A u s f l ü g e ins Freie, in den W a l d und namentlich auf Berge v o r 3 ) . Man b e o b a c h t e t dabei die a u f g e h e n d e Sonne, wie sie drei F r e u d e n s p r ü n g e m a c h t 4 ). S i e geht ü b e r h a u p t schöner auf als a n a n d e r n T a g e n B ). M a n k a n n a m H . s m o r g e n noch i m m e r sehen, wie der H e i l a n d z u m H i m mel a u f f ä h r t e ). V o n der B u r g bei S t a u -

Himmelíahrt Christi

17

fenburg aus soll das geschehen sein 7 ). Wenn man den Berg hinaufgeht, so geht man das ganze J a h r leicht 8 ). Manche Mai- und Pfingstbräuche haben sich an den H.stag geheftet 9 ). Bei den Siebenbürger Sachsen ist Todaustreiben 10 ). In Waldeck jagt und fängt man Eichhörnchen 1 1 ). s

*) K e l l n e r Heortologie 83. ) S a r t o r i Sitte u. Br. 3, 187. 3) Ebd. 185 f. 4) Ebd. 186 A . 3; ZfdMyth. 2, 240; W ü s t e f e l d Eichsfeld 92. ') M e y e r Baden 505. ·) M e i e r Schwaben 2, 399. ') P r ö h l e Harzsagen 41. 8 ®) Z a h l e r Simmenthai 47. ) Sartori 3, 186 f. 189. 10) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 285; vgl. P e u c k e r t Schles. Vk. 97 f. ") C u r t z e Waldeck 441 ; S a r t o r i 3, 186 A . 2.

2. Ch. H. ist der 40. Tag nach Ostern u n d fällt also immer auf einen D o n nerstag. Der Tag wird daher in mannigfache Beziehung zum Gewitt e r gebracht. An ihm kommt immer eines 1 2 ). Viele Schutzmaßregeln werden empfohlen. Wenigstens ein Familienmitglied muß zum Abendmahl gehen, sonst schlägt der Blitz ein 1 3 ). Ein Begräbnis am H.stage hält schwere Gewitter vom Orte fern 1 4 ). In Schwaben werden zwei Blumenkränze von den weißen und roten Mausöhrlein gewunden und in den Ställen über dem Vieh aufgehängt, damit es nicht einschlage 1 5 ). Manche bringen Kränzchen in die Kirche, die dann, im Hause aufgehängt, es vor Blitz bewahren 1 6 ). In der Schweiz werden zu diesen Tschäppeli ausschließlich Feld- und Flurblumen, keine Gartenblumen verwendet. Die Reste des alten Tschäppeli müssen verbrannt werden 17 ). Vom Getreide schnitt man einige Halme und trug sie zur Segnung gegen Unwetter um den Altar 18 ). K ä s e , der am H.stage gemacht war, wurde in den toskanischen Apenninen, wenn ein Ungewitter heranzog, auf die Haustür gestrichen; auch befestigte man E i e r , die an diesem Tage ausgebrütet waren, an die Dächer 19 ). Ein an H. gelegtes Ei verdirbt nicht leicht M ) und schützt nach thurgauischem Glauben L a n d und Haus vor Unwetter und Hagel; daher wird an diesem Tage auch zuweilen das Spiel des Eierlesens gehalten 2 1 ).

l8

ia ) S a r t o r i 3, 187 Α . 8; Mitteü. Anhalt. Gesch. 14, 15. 20. 13 ) D r e c h s 1 e r ι, 1 1 6 . 14 ) J o h n Erzgeb. 128. l s ) M a n n h a r d t Germ. Myth. 18; M e y e r German. Mythol. 216. le ) M e y e r Baden 505. " ) S t o l l Zauberglauben 55 f. ls ) M e y e r Myth. d. Germ. 32. " ) M e y e r Aberglaube 214. 20) S é b i l l o t Folh-Lore 3, 233 (16. Jh.). 2I ) SchwVk. 1 1 , 42.

3. Wohin das C h r i s t u s b i l d , das beim Gottesdienste zur Veranschaulichung der H. zur Kirchendecke e m p o r g e z o g e n wird, hinsieht, ehe es im „Heiliggeistloche" verschwindet, von dort kommen in diesem Sommer die Gewitter. Es ist ein Segensblick,dem daher die größte Aufmerksamkeit gewidmet wird. Man stellte auch wohl einen Gewittervorgang anschaulich dar, indem man Feuer von oben herabwarf und Wasser nachgoß M ). In Münster i. W. meint man, so oft wie das zum Apostelgange im Dom emporgezogene Kreuz knacke, so viel Taler koste das ganze J a h r hindurch der Malter R o g g e n 2 3 ) . Im Bergischen herrschte der Glaube, daß in der Nacht zum H.stage am Kölner Dom eine seidene Fahne herausgehängt werde; wenn diese steif würde, so gebe es teures Brot 24 ). In Roßhaupten mußte man in den Häusern, wohin der aufgezogene Christus zuletzt sah, Kuchen backen 2 S ). In B a y e r n steckte man die Fetzen der Puppe, die nach dem Aufzug des Heilandbildes als Symbol des seiner Macht beraubten Teufels vom Kirchenboden herabgestürzt wurde, zur Abwehr gegen Hagel auf die Felder 2e ). " ) S a r t o r i Sitte u. Br. 3, 188; A 1 b e r s Das Jahr 2 1 2 ; Z i n g e r l e Tirol 1 5 5 ( 1 3 2 4 ) ; ZfVk. 4, i i o f . ; ZfdMyth. 2, 102; G e r a m b Brauchtum 43; P o l l i n g e r Landshut 2 3 1 ; R e i s e r Allgäu 2, 140; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 396. 8S) S a r t o r i Westfalen 1 1 5 . u) S c h e l l Bergische Volksk. 97. ") R e i s e r Allgäu 2, 140. *·) F r a n z Benediktionen 2, 144 (nach P a n z e r Beitr. 2, 281).

4. Um sich vor Gewitter zu schützen, soll man am H.stage nicht a r b e i t e n oder doch gewisse T ä t i g k e i t e n m e i d e n (s. Arbeit 1, 569, 1 b). Wer arbeitet und strickt, dem ziehen die Gewitter nach Woran gearbeitet wird, danach trachtet das Gewitter M ). Besonders gilt das f ü r das N ä h e n (s. d.). Man soll

19

Himmelfahrt Christi

weder nähen noch flicken, sonst ziehen dem, der das G e w a n d a m Leibe trägt, die Gewitter n a c h 2 9 ) , oder seine Mutter stirbt 3 0 ). W e r etwas n ä h t oder flickt, wird v o m B l i t z erschlagen 3 1 ). Man soll nicht einmal eine Nadel anrühren oder einfädeln 3 2 ). W e n n ein Hausbewohner näht, sind alle S c h u t z m i t t e l gegen Gewitter ums o n s t 3 3 ) . Man soll auch nicht mit dem Bleuel klopfen, sonst schlägt der Hagel und z w a r so weit im Felde, als der Bleuel gehört wurde 34 ). ") B i r l i n g e r Aus Schwaben i, 388. G r i m m Myth. 3, 461 (772 : Osterode am Harz). ") Ebd. 3, 436 (43 : Chemnitzer Rockenphilosophie) ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 270 („an den Himmelfohrtsvörmiddag") ; S c h u 1 e η b u r g Wend. Volkstum 145; Verni30) leken Alpensagen 372. Schuller Progr. d. Gymnas. in Schäßburg 1863, 23 (9). 31) K u h n u. S c h w a r t z 177 f ·; E n g e I i e η u. L a h η 280. 32) Mitt. Anhalt. Gesch. 14, 20; ZfVk. 14, 424; G r i m m Myth. 3, 459 33) J o h n (703: Ansbach). Erzgeb. 27. 34) H a 11 r i c h Siebenb. Sachsen 286. M)

5. Noch mancherlei anderes ist a m H.stage v e r b o t e n . Man soll nicht baden, denn der F l u ß will sein Opfer h a b e n 3 5 ) . W e n n K i n d e r ins Wasser pissen, so w e i n t die Mutter G o t t e s 3 6 ) . Heirat in der H.swoche bringt Unglück 3 7 ) ; das P a a r m u ß bald sterben 3 8 ). Man soll nicht säen 39) und in der H.swoche keine B o h n e n p f l a n z e n 4 0 ) . In Waltersdorf bei S p r o t t a u rührt m a n a m H-.stage den Flachs nicht an, d a m i t keine Brechannen hinunterfallen, sonst bekäme das Vieh L ä u s e 4 1 ) . A m T a g e nach H. geht in Mittelfranken kein B a u e r aufs Feld 42 ). Der Mann im Monde h a t a m H . s t a g e einen Z a u n g e m a c h t 4 3 ) . 35) J o h n Westb. 76; M e i e r Schwaben 2, 400. 3") B i r l i n g e r Volksth. 1, 493. M ") S t r a c k e r j a n 1, 31. ) Hörmann Volksleben 94; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 20. M )JD r e c h s 1 e r 1, 116; vgl. Rantasalo 40) Urquell 5, Ackerbau 2, 28. 31. 173 f.; 4l Strackerjan 2, 79. ) Drechsler 43 Haustiere 12. " ) W u t t k e 78(91). ) Sébillot Folk-Lore 1, 13.

6. D a g e g e n ist der H . s t a g zu andern V e r r i c h t u n g e n wieder besonders geeignet. So f ü r das Setzen v o n G l u c k e n 4 4 ) . In Mecklenburg legt man Gurken, Kürbisse und Wurzeln, w e n n a m

20

A b e n d vor H. das Fest eingeläutet wird 4 5 ). A m T a g e v o r und nach H. gedeiht K r a u t , a u c h wenn m a n es auf Steinhaufen setzt 4e ). Flachs soll m a n a m A b e n d vor H. säen, damit er recht hoch w e r d e 4 ' ) . Welches v o n den läutenden Mädchen in Hildesheim v o n der schwingenden Glocke a m höchsten emporgezogen wird, das b e k o m m t den längsten F l a c h s ω ) . In R u ß l a n d werden Leitern aus T e i g geb a c k e n und auf dem Felde im K o r n aufgestellt, damit es höher wachse 49 ). B u t t e r machen m u ß man a m Morgen des H.stages, weil da die H e x e n nicht buttern k ö n n e n 5 0 ) . Man m u ß es v o r Sonnenaufg a n g tun, aber die B u t t e r nicht salzen, dann ist sie zu vielen Dingen heilsam 5 l ). K r ä u t e r , die im W a l d e gesucht und eingesammelt werden, haben besonders heilsame K r ä f t e 5 2 ) . W e n d e n kommen v o n weither z u m Valtenberg, um die Sprossen des H e x e n k r a u t e s zu pflücken, das g u t gegen bösen Zauber ist 53 ). Ein Zweig v o m H.saltar hilft gegen alle Gichter 54 ). W e r die an H. in der K i r c h e geweihten K r ä n z e das J a h r hindurch nicht in seiner Stube a u f h ä n g t , setzt sich und seine H a b e mutwillig bösen Mächten a u s 5 5 ) . Der Maibusch, mit dem H. ausgemaiet ist, soll, zwischen die Garben gelegt, ein Mittel sein, die Mäuse v o n ihnen fernzuhalten, a u c h z u m R ä u c h e r n v o n k r a n k e m Vieh soll er sich eignen 6e ). K r e u z d o r n wird in drei Stallecken ges t e c k t 57 ). K r a n k e soll man durch die Ö f f n u n g einer Eiche z w ä n g e n 5 8 ) . W ä h rend das B a d e n im Flusse a m H.stage gemieden wird (s. 0. 5), gilt das W a s e h e n im H.stau vor S o n n e n a u f g a n g als gutes Mittel gegen Sommersprossen 5 9 ). A u c h sonst g l a u b t man a n k r ä f t i g e W i r kungen des Wassers in der H.snacht eo ). W e r a m A u f f a h r t s t a g e sein Vieh nicht tränkt, setzt sich bösen Mächten a u s 8 1 ) . Die Brunnen werden bekränzt, und man trinkt daraus ®2). 44) Mitt. Anh. Gesch. 14, 20. 45) B a i t s c h 2, 165. 269; vgl. ZfVk. 7, 363. " ) E b e r h a r d t 3. 47) M e y e r Baden 421; vgl. R a n t a s a l o Ackerbau 2, 31. Sart o r i Sitte u. Br. 3, 189. 4ί) Ζ e 1 e η i η RusM sische Volksk. 369. ) W u t t k e 448 (707). 5I) K u h n Westfalen 2, 159 (446: Neumark).

Himmelfahrtsblümchen—Himmelsbrief

21

") S a r t o r i 3, 186; A l b e r s Das Jahr 2 1 3 f. " ) M e i c h e Sagen 656. M ) M e y e r Baden 38. " ) SchwVk. 1 1 , 42. " ) B a r t s c h Mechl. 2, 269 (1400). 57) H e c k s c h e r 395 (fränk. Niederhessen). M) ZfrwVk. 24, 52. »») M e y e r Baden 549. ·") S a r t o r i 3 , 1 8 8 A . 10. «) SchwVk. Ii, 42. " ) S a r t o r i 3, 187 Α. 7; M e y e r Germ. Myth. 216.

7. Im Hinblick auf den Flug Christi zur Höhe ißt man an manchen Orten nur „ f l i e g e n d e s F l e i s c h " , d. h. Geflügel. Im Allgäu wird das durch Brotvögel ersetzt, die man den Kindern schenkt 6 3 ). •3) S a r t o r i

S. u. Br. 3, 189.

8. A m „Heiig Thôrsdag" sonnt nach nordischem Volksglauben der auf dem Golde liegende Drache seine Schätze M ). Schätze werden am H.stage gehoben 65 ). Auf dem Bielstein bei Ilfeld geht ein kopfloser Schimmelreiter um ββ). In Ilsenburg glaubt man, daß die Prinzessin Ilse an einem H.stage gen Himmel fahren werde OT). M ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 1 5 1 . ) S c h e l l Bergische Sagen 2 53. ··) P r o h l e Harzsagen 226. s?) K u h n u. S c h w a r t z 177. ,ä

9. Wenn es am H.stage r e g n e t , so wird es 40 Tage oder 10 Sonntage regnen 68). Das Heu gerät dann nicht e9 ). Es gibt ein unfruchtbares J a h r 7 0 ) . Verdorren die auf den Weg gestreuten Blätter und Blumen alsbald, so gibt es guten H e u e t 7 1 ) . œ ) V e r n a l e k e n Alpensagen 4 1 5 ; Z i n g e r l e Tirol 1 5 6 ( 1 3 2 6 ) . *') J o h n Westb. 76. 71 "(Bartsch 2, 270 (1402). ) Meyer Baden 435. 505. Sartori.

Himmelfahrtsblümchen s. pfötchen.

Katzen-

Himmelsbrief. I. D e r H. i n d e r Religionsgeschichte. Der H. führt seinen Namen nach der einleitenden Legende, der zufolge er ein vom Himmel gefallener oder gesandter Brief ist. Die H.e wollen schriftliche Offenbarungen des göttlichen Willens sein. Ihrem Inhalte nach sind es Schutzbriefe (s. d.), denen die magische K r a f t innewohnt, gegen W a f fengewalt, vor Krankheiten, Feuersbrunst und andern Unfällen zu schützen.

22

Dieser Schutz ist oft gebunden an die im H. geforderte Heilighaltung des Sonntags. Die älteste erkennbare Gestalt des H.s ist ein als göttliche Offenbarung auftretender Brief, der strenge Sonntagsruhe fordert (s. Sonntagsbrief). Die ursprüngliche Form ist mannigfach erweitert. Der erste Typus, benannt „ G r e d o r i a " (s. d.), verheißt allen Segen und Glück, Schutz gegen Blitz, Feuer, Wasser und einen leichten Tod, die im Brief aufgeführte Gebete sprechen und gewisse moralische Forderungen erfüllen. Für die zweite Gestalt, den „ H o l s t e i n - T y p u s " (s. d.), ist die Verschmelzung mit ehemals selbständigem Schutzspruch kennzeichnend (s. die Art. Olbergspruch, Grafenamulett, Kaiser Karl-Segen). Daneben erscheinen bisweilen noch kleinere Stücke, die teils aus der mittelalterlichen Zauberpraxis stammen, teils biblische Stellen verwenden. Der H. ist ein Stück der Volksreligion ; von der Kirche bald geduldet, bald bestritten, hat er sich Jahrhunderte hindurch im religiösen Volksbrauch erhalten und wird heute noch in Form gedruckter Bilderbogen (Verlag Gustav Kühn in Neu-Ruppin) v e r t r i e b e n 1 ) . Als literarisches Dokument gehört der Himmelsbrief zu den christlichen Pseudepigraphen. Seine Grundlage aber ist die Idee einer unmittelbar von der Gottheit ausgehenden s c h r i f t l i c h e n Off e n b a r u n g , die in der Briefgestalt ihren eigentümlichen literarischen Ausdruck findet 2 ). Während in der Regel die Gottheit zu ihren Propheten und durch sie s p r i c h t , finden wir hier die Vorstellung, daß göttliche Wesen s c h r e i b e n oder Briefe senden. Erst wo ein Volk die Schrift besitzt, ist die anthropomorphe Vorstellung von schreibenden Göttern möglich. Dem entspricht es, daß wir schreibende Götter dort finden, wo die ältesten Schriftsysteme geschaffen sind, d. h. bei Ägyptern, Babyloniern und Chinesen. Die Babylonier bezeichnen Nebo als den „Schreiber der Götter". Ein Text, der unmittelbar von einem Gott stammen soll, ist in der keilschriftlichen Literatur bisher nicht gefunden. In C h i n a ist

23

Himmelsbrief

der H. aus dem 12. Jh. n a c h g e w i e s e n 3 ) . D a s älteste Zeugnis f ü r den H. liegt im ä g y p t i s c h e n „ T o t e n b u c h " v o r 4 ) . Es ist nicht unmöglich, daß Ä g y p t e n die Heimat des H.s ist, wo ihn der Hellenismus übernommen haben kann. Die in den „ H e r m e s b ü c h e r n " vorliegenden Z a u b e r p a p y r i sind eigentlich H.e. Mit Hermes ist der ä g y p t i s c h e G o t t der Wissenschaft und der Schreibkunst, T h o t , identifiziert. W ä h r e n d wir im alten Ä g y p t e n und im semitischen Orient alte Spuren des H.es finden, scheint die Vorstellung einer schriftlichen O f f e n b a r u n g den indogermanischen Völkern u n b e k a n n t zu sein. Die I n d e r nehmen allerdings f ü r den W o r t l a u t der vedischen Lieder göttliche O f f e n b a r u n g a n ; aber die v o n E w i g k e i t her v o r h a n d e n e n T e x t e sind durch Hören vermittelt. Ebenso k e n n t die altpersische Religion nur das W o r t des A h u r a m a z d a , das an den P r o p h e t e n Z a r a t h u s t r a ergeht. A u c h den Griechen und Römern ist in klassischer Zeit die Vorstellung f r e m d , daß die Götter schreiben. A u s der T a t s a c h e , daß sich im vorderen Orient schon sehr alte Spuren des H.s finden, l ä ß t sich vielleicht erklären, daß wir ihm in den religionsgeschichtlichen Kreisen wieder begegnen, die im Orient ihre H e i m a t haben, d. h. im J u d e n t u m , Christentum und Islam. Erst aus semitischen E i n w i r k u n g e n in der antiken K u l t u r erklären sich dann a u c h die späteren Spuren des H.es in der griechischen L i t e r a t u r . Die Vorstellung, daß die Gottheit selbst schreibe, tritt schon im A T . herv o r , w o die zehn Gebote in den jüngeren Schichten des P e n t a t e u c h v o n G o t t selbst geschrieben sind (2. Mos. 20, I ; 32, 15 f . ; 3 4 , 1 ; vgl. 5 . M o s . 4 , 1 3 ; 9,10). In diesen Zus a m m e n h a n g gehört vielleicht der offenbarende Brief Ezech. 3, 1 — 1 3 . Die S y m bolik dieser Stelle ist Offenb. 10, 10 nachgebildet 5 ). In diesen Z u s a m m e n h a n g gehört vielleicht a u c h das Bild II. Cor. 3, 3, w o P a u l u s die Korinthische Gemeinde als einen v o n Christus diktierten, v o n ihm geschriebenen Brief bezeichnet. Im T a l m u d wird ein B u c h genannt, das G o t t an A d a m s a n d t e (Tr. A b o d a zara 6a). In

24

der jüdischen M y s t i k des M A . s wird der Inhalt solches Buches ausführlich angegeben im Sepher Sohar e ). U m 1200 h a t der hebräische G r a m m a t i k e r einen H. v e r f a ß t , in dem er zu strenger B e a c h t u n g des Sabbatgesetzes m a h n t 7 ) . Deutlicher tritt der H. bei der judenchristlichen S e k t e der Elkesaiten im 2. Jh. hervor, deren heiliges B u c h E l x a i v o m H i m m e l auf die Erde gefallen ist 8 ). I n d e n O d e n S a 1 o m o s ist die Idee des H.es in W o r t e n ausgesprochen, die auffallend mit der F u n d s a g e im Holsteiner T y p u s des H.es übereinstimmen: „ D e s Höchsten G e d a n k e w a r wie ein Brief . . . und es stürzten sich auf den Brief viele Hände, um ihn zu fassen, zu nehmen und zu lesen. U n d er entfloh ihren H ä n d e n . . . und der Brief w a r eine große T a f e l , vollständig geschrieben v o m Finger G o t t e s " 9 ) . In den gnostischen „ T h o m a s a k t e n " empf ä n g t Christus selbst einen Brief v o n „seinen göttlichen E l t e r n " in F o r m eines H y m n u s 1 0 ) . Im „ H i r t e n des H e r m a s " (um 130 n. Chr.) erscheint die K i r c h e als Überbringerin eines „ B ü c h l e i n s " , das himmlischer H e r k u n f t i s t 1 1 ) . Ein Brief Jesu selber tritt in der A b g a r s a g e (s. d.) auf. In der A n t i k e ist der H. g a n z vereinzelt. A u f zwei attischen Vasen aus der ersten H ä l f t e des 5. Jhs. ist Isis dargestellt, die einen Brief trägt. Und der Tragiker A c h a i o s (bei A t h e n a e u s 541 C) e r w ä h n t dasselbe in einem Satyrspiel. Sonst überbringt Isis immer nur mündlich A u f t r ä g e der Götter an die Menschen (s. Ilias S 166 ff.). W i e die vereinzelten Denkmäler zu erklären sind, ist u n b e k a n n t 1 2 ) . Erst in hellenistischer Zeit, in der die antike K u l t u r stark v o n orientalischen Einflüssen durchsetzt war, tritt der H. mehrfach auf. Die w u n d e r b a r e Heilung eines Augenleidens durch einen Brief, den Asklepias sendet, berichtet P a u sanias ( X , 38), und der R h e t o r Ä l i u s Aristides ( 1 2 9 — 1 8 9 η. Chr.) behauptet, selbst durch einen Brief des Gottes geheilt zu sein (Orat. 23). A u c h die „ C á n o n e s " des E p i k u r werden als „ v o m H i m m e l g e f a l l e n " (Plutarch,

25

Himmelsbrief

a d n . Colot. 1 9 ; Cicero, D e f i n . I, 19, 63) oder als „ C a e l e s t e v o l u m e n " (Cicero, D e n a t . deor. I, 16, 43) b e z e i c h n e t . M e h r f a c h w e r d e n a u c h H e i l u n g s w u n d e r d u r c h solche B r i e f e b e r i c h t e t , ein M o t i v , das in die christliche H e i l i g e n l e g e n d e ü b e r g e g a n g e n ist ( J u l i a n , E p i s t . 60. 61 ; V i t a S. Martini 19). A l s literarische F o r m t r i t t der H . bei d e m S e m i t e n L u c i a n in seinen „ G ö t t e r b r i e f e n " auf u n d in den S a t i r e n des M e n i p p o s v o n G a i a r a : „ B r i e f e , die sich r ü h m e n v o m A n g e s i c h t der G ö t t e r z u s t a m m e n " . Dieser T i t e l k l i n g t wie w ö r t liche Ü b e r s e t z u n g eines h e b r ä i s c h e n A u s d r u c k s 1 3 ). A u f s e m i t i s c h e m B o d e n h a t die V o r s t e l l u n g v o n einer s c h r i f t l i c h v e r m i t t e l t e n G o t t e s o f f e n b a r u n g ihren s t ä r k s t e n A u s d r u c k i m K o r a n g e f u n d e n . D e r K o r a n ist p r ä e x i s t e n t als eine g ö t t l i c h e O f f e n b a rungsurkunde und wird stückweise „hera b g e s a n d t " ( S u r e 97, 1 ; v g l . 96, 4 7 ; 85, 21) 1 4 ). In j ü n g s t e r Z e i t ist i m Islam ein H . a u f g e t r e t e n , der sich in v i e l e n Z ü g e n mit dem christlichen H. berührt. Der sog. „ M e k k a b r i e f " soll auf d e m G r a b e des P r o p h e t e n g e f u n d e n sein, das f ä l s c h lich n a c h M e k k a v e r l e g t w i r d . D e r Brief ist eine politische A g i t a t i o n s s c h r i f t , die das R e i c h des M a h d i v e r h e i ß t u n d das n a h e E n d e der H e r r s c h a f t der U n g l ä u b i g e n v e r k ü n d e t . E r h a t 1880 in N i e d e r l ä n d i s c h i n d i e n u n d 1908 in O s t a f r i k a s t a r k e E r regungen b e w i r k t 1 5 ) . W i e das Morm o n e n t u m in v i e l e n Z ü g e n muhamm e d a n i s c h ist, so ist a u c h das „ B u c h M o r m o n " v o m H i m m e l g e s a n d t als eine unmittelbar von Gott stammende Schrift1β). 1 ) W . K ö h l e r Himmels- und Teufelsbrief ( = R G G . 3, 29 ff.) ; D e r s. Briefe vom Himmel und aus der Hölle, Die Geisteswissensch. 1 (1914), 588 ff. 619 ff. ; A. A b t Von den Himmelsbriefen, Hess.Bl. 8 (1909), 81 ff.; J. J o r d a n Himmelsbriefe, A R w . 3, 334 ff. ; A. D i e t e r i c h Himmelsbriefe, Bl. f. hess. Vk. 3 (1901), 9 ff.; T . O. R a d l a c h Zur Lit. u. Gesch. d. Himmelsbriefe, ZdVfKirchengesch. der P r o v . Sachsen 5, 238 ff.; Röhricht Ein Brief Christi, ZfKirchengesch. Ii, 436 ff.; S t ü b e Himmelsbrief; Sart o r i 2,19; R e u s c h e l Volkskunde 2, 20; H e 11 w i g Aberglaube 17. 116. 133 f.; G r a b i n s k i Sagen 44; D e r s. Neuere Mystik 60 ff. ; N. L a r s e η Moderner Aberglaube.

26

2)

S t ü b e Himmelsbrief 33 f. ') H . H a c k m a η η Laien-Buddhismus in China. G o t h a 1924, 265; f ü r ältere Zeit (um 450 v . Chr.) k a n n wirklich eine Angabe i m Schi-ki (43, 13a) in F r a g e k o m m e n ; s. F o r k e Lunheng 229. 4) Das ägyptische Totenbuch der 18. bis 20. Dynastie. Herausgeg. v o n E d . N a v i l l e . Berlin 1881. Einl. 25 f. 29 ff. e) B o l l Offenbarung Johannis 7, 2. 142. e) S. Κ a r ρ ρ e Etude sur les origines et la nature du Zoter. Paris 1901, 73 f. 107 f. 356 f. 381 f.; E i s e n m e n g e r Entdecktes Judentum ι (1700), 375 f.; 2, 675. ') M. Β i t t η e r in D e n k s c h r i f t e n d e r Kaiserl. Akad. d. Wiss. Philos.-hist. Kl. B d . 51. Wien 1906. 8) O r í g e n e s bei Eusebius Hist. eccl. VI, 38; A. H a r n a c k Chronologie der altchristl. Lit. 2, 167 f. ; B a r d e n h e w e r Gesch. d. altkirchl. Lit. 1 (1902), 349 f.; J o r d a n Gesch. d. altchristl. Lit. 268. ») O. U η g η a d u n d W . S t a a r k Die Oden Salomes aus dem Syrischen übersetzt. B o n n 1910; A. Harnack Ein jüdisch-christliches Psalmenbuch aus dem 1. Jh. Leipzig 1910; H . J o r d a η Gesch. d. altchristl. Lit. 457—460. l0) Neu testi. A pokryphen. Herausgeg. v o n E d g . H e n n e c k e . Tübingen 1904, 522 f.; H . J o r d a n a. a. O. 465. ll ) Der Hirt des Hermes. Erkl. v. H . D i b e l i u s . Tübingen 1923, 442 f.; Neutestl. Apokryphen 232; H . J o r d a n a. a. O. 478 f. " ) Β i r t N. J a h r b . 19 (1907), 707 f.; vgl. B a u m e i s t e r Denkmäler. Supplt.-Tafel (Monum. d ' I n s t i t u t o 9,46). " ) O . W e i n r e i c h Antike Himmelsbriefe A R w . 10, 566 f.; S t ü b e Himmelsbrief 31 ff. ») T h . Ν ö 1 d e k e Gesch. des Korans. 2. Aufl. v. Fr. Schwally i , 20—34. 74 ff. l5 ) C. H . B e c k e r Materialien zur Kenntnis des Islam in Deutsch-Ostafrika, Der l Islam 2 (1911), 43—48). ") E d. M e y e r Die Mormonen. 2. D e r H . i n d e r G e g e n w a r t . Im V o l k s g l a u b e n u n d - b r a u c h der G e g e n w a r t ist der H . n o c h w e i t v e r b r e i t e t 1 7 ) . E r v e r e i n t die v e r s c h i e d e n e n Z w e c k e in sich, die teils den S p r ü c h e n e n t s p r e c h e n , die m i t d e m H . v e r s c h m o l z e n sind. N o c h i m m e r dient er in der G e s t a l t „ G r e d o r i a " als F o r d e r u n g der S o n n t a g s h e i l i g u n g , m i t der a l l g e m e i n e S e g e n s v e r h e i ß u n g e n v e r bunden werden18). Die häufigste Anw e n d u n g ist die als S c h u t z m i t t e l i m K r i e g e ; der H . m a c h t u n v e r w u n d b a r u n d k u g e l f e s t . S o ist der H . in allen K r i e g e n seit 1793 a u f g e t r e t e n 19 ). S o d a n n t r i t t der H . als G e b e t a u f ; w e r es t ä g l i c h liest, hört oder bei sich t r ä g t , wird n i c h t p l ö t z l i c h s t e r b e n . D a s H a u s wird v o r D o n n e r u n d B l i t z b e w a h r t b l e i b e n ; ferner w e r d e n G e b u r t e n l e i c h t erfolgen *·), w e n n der H . auf die G e -

Himmelskörper—Himmelsrichtungen

27

bärende gelegt wird. Besonders gegen Feuersbrunst und Pest schützt der B r i e f 2 1 ) . Als Schutzmittel gegen alle Krankheiten dient er, besonders Nasenbluten heilt er, wenn man den Brief in die Hand nimmt 22 ). Endlich ist mit dem H. die Verheißung der Sündenvergebung oder Erlösung verbunden. Als heilspendend wird er auch in den Sarg gelegt » ) . Der abergläubische Gebrauch des H.es hat mehrfach den Einspruch der Kirche veranlaßt 24 ). Da der Vertrieb von H.en auch mit Betrug verbunden war, so haben sich auch Gerichte mehrfach mit den H. befaßt 25 ). " ) Aus der großen Masse hierhergehöriger Literatur s. A n d r e e - E y s n Volkskundliches 1 2 3 f.; G ü n t e r t Sprache der Götter 28 40; H a a s u. W o r m Mönchgut 75; A R w 5, 1 4 1 ff.; 16, 566; DG. 10, 65 f.; ZfVk 25, 241 ff.; 26, 327; 29, 78; MschlesVk Heft 3 (1896), 59; H. 4 (1S97), 90; 13/14, 609 ff. i8, 47; 19, 56 ff. 140 ff. ; Alemannia 13 (1885) 200; 24 (1896), 1 5 f.; 37 (1909), 22. 57; Bayr Hefte 2 (1915), 7 1 ; N i d e r b e r g e r Unter walden 3, 595; Sartori Westfalen 74 Ganz lin Sächsische Zauberformeln 15. " ) Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 4; ZfVk. 21 (1911), 2 5 5 ; SAVk. 2, 2 7 7 ; ZfrheinVk. 4 (1907). 1 0 1 ; D r e c h s l e r 2, 268 ff. ») ZfrheinVk. 4 (1907), 95; S t r a c k e r j a n 1, 6 1 ; Seyf a r t h Sachsen 1 4 3 ; Brandenburgia 1916, 1 7 2 ; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 2; M e y e r Baden 239; S a r t o r i 2 , 1 6 9 ; K r o n f e l d Krieg 20 f. 100. 102; B e r t h o l d Unverwundbarkeit 67; K o n d z i e l l a Volksepos 20 159· ) S t r a c k e r j a n 1, 62. 66; S e y f a r t h Sachsen 143 f. ; ZfVk. 1914, 60; H ö h n Geburt 260; Urquell 5 (1894), 2 5 2 ; bei K ü h n e in ZfVk. 24 (1914), 61. " ) H ö h n Volksheilkunde 1, 1 5 1 . " ) S e y f a r t h Sachsen 1 4 3 ; Urquell 2 (1891), 177. " ) S e y f a r t h Sachsen 144; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 395; M ü l l e r Isergebirge 25. 24) V. G. K i r c h n e r Wider die Himmelsbriefe. Leipzig 1908; Z f V k . 19 (1909), 356; S e y f a r t h Sachsen 147. *s) ZfVk. 16 (1906), 422; Brandenburgia 1916, 1 7 2 ; S e y f a r t h Sachsen 145. t Stübe.

Himmelskörper s. die wie

Komet

Sonderartikel

usw.

Himmelsrichtungen. I. B e z e i c h n u n g e n . Bis auf den heutigen Tag haben sich zur Bezeichnung der H. neben Osten, Süden, Westen, Norden in den germanischen Sprachen Morgen, Mittag, Abend und Mitternacht

28

erhalten. Ein schwacher Nachhall aus einer fernen Vergangenheit, da die vier wichtigsten Himmelspunkte nicht ein Begriff des abstrahierenden Geistes waren, mathematisch bestimmt durch den in vier Winkel zu je g o 0 geteilten Kreis; vielmehr offenbart sich darin ein kosmisches Gefühl, indem diesen Bezeichnungen deutlich der Bezug des Menschen und seines Tageslaufs auf den um die Erde kreisenden Sonnenball, d. h. etwas Überirdisches, innewohnt. Das Nebeneinander von zweierlei Bezeichnungen f ü r die H. kann man vielfach in den Sprachen der Kulturvölker feststellen; indessen überwiegt die Benennung nach dem Sonnenlauf !). Bei den GriechenundRömernwurde sehr oft auch die Richtung durch einen Wind, ferner durch Sternbilder bezeichnet; die antike Windrose ist indes nicht auf die vier hauptsächlichen H. beschränkt. Auch die Germanen haben schon früh neben den vier Hauptrichtungen vier Nebenrichtungen gekannt: im Isländischen beispielsweise existieren die Worte: útnordur = Außennord, d. h. N W ; útsudur = Außensüd, d. h. S W ; landnordur = Landnord, d, h. N O ; landsudur = Landsüd, d. h. SO 2 ). K a r l d. Gr. ergänzte diese Skala aus der Kenntnis der lateinischen Windrose — die lat. Namen kannte er aus Isidor. Etymol. X I I I II, 2 — 1 4 — und schuf nach Einhards Bericht in der Vita Caroli (29) die Bezeichnungen f ü r 1 2 Winde, in denen Namen von 1 2 H. enthalten sind. Die Übersetzungen heißen subsolanus eurus euroauster auster austroafricus africus zefyrus caurus (corns) circius septentrio aquilo volturnus

ostroniwint ostsundroni sundostroni sundroni sundwestroni westsundroni westroni westnordroni nordwestroni nordroni nordostroni ostnordroni

Indessen werden diese von K a r l geführten Bezeichnungen wesentlich gentum der Sprache der Gebildeten wesen sein. Das Volk wird selbst

einEigedie

29

Himmelsrichtungen

B e n e n n u n g der H . n a c h d e m S o n n e n lauf noch v i e l e r o r t s n i c h t g e k a n n t u n d eine B e z e i c h n u n g der H . n a c h O r t s n a m e n u n d L ä n d e r n seiner e n g e r n H e i m a t v o r g e z o g e n h a b e n . D e n n n o c h h e u t e ist das ü b l i c h : a m L e c h n e n n t m a n den O s t w i n d noch B a y e r w i n d , g e g e n die W ü r m z u den österreichischen W i n d 3 ) . A u s M ü c k e n l o c h bei H e i d e l b e r g w i r d b e r i c h t e t , d a ß eine F r a u d a s e l b s t sich e i n m a l n a c h der g e o g r a p h i s c h e n L a g e v o n R u m ä n i e n e r k u n d i g t e , w o b e i der G e f r a g t e die H . n a n n t e . Sie v e r s t a n d es indes erst, als m a n m i t der H a n d in die H . wies. Sie g a b z u r A n t w o r t : „ J e t z t w e i ß ich's, s c h r ä g über W i m m e r s b a c h h i n a u s " 4 ) . S c h r ä d e r Reallexikon s. v. 2) ZfVk. 19 (1909), 207. Wahrscheinlich sind es die alten Bezeichnungen eines von Norwegen eingewanderten Volkes, da dieselben an der Ostseite Land, an der Westseite Meer voraussetzen. Die Gebildeten sagten allerdings schon lange 'norBvestur, suBvestur, nor&austur, suBaustur'. — Vgl. M ü l l e n h o f f AItertumshunde 4, 3) L e o p r e c h t i n g 651! Lechrain 151. 4) Alemannia 27 (1899), 246. 2. H . u n d Religion. Es wird w o h l k a u m R e l i g i o n e n geben, die v o n der M y s t i k der H . frei sind. In B a b y l o n i e n beobachtete man am Himmel auftretende Wolken, Sternerscheinungen, Kometen u s w . u n d i n t e r p r e t i e r t e n e b e n ihrer herk ö m m l i c h e n B e d e u t u n g j e w e i l s die R i c h t u n g ihres H e r k o m m e n s 5 ) . In Ä g y p t e n waren vor allem Osten und Westen wicht i g e ) ; O s t e n als P u n k t , v o n d e m alle schaffende K r a f t k o m m t — ganz deutl i c h w i r d die A u f f a s s u n g in d e m K u l t l i e d des K ö n i g s E c h n a t o n ') — , w ä h r e n d i m W e s t e n als der G e g e n d der u n t e r g e h e n d e n S o n n e das R e i c h des T o d e s l a g 8 ) ; in der* Z a u b e r e i w a r alles, w a s mit d e m W e s t e n zu t u n h a t t e , b ö s e 9 ) . E b e n s o ist f ü r die h o m e r i s c h e n G r i e c h e n der W e s t e n das T o t e n r e i c h ; f ü r den D i c h t e r der N e k y i a freilich der N o r d e n oder N o r d w e s t e n ; als O d y s s e u s z u r U n t e r w e l t f u h r , s t e u e r t e er sein S c h i f f z u d e m P u n k t des O k e a n o s , den niemals die Sonne b e s c h e i n t 1 0 ) . D i e s p ä t e r e Z e i t des H e l l e n i s m u s b a u t e die M y s t i k der H . w e s e n t l i c h a u s · u n d l e i t e t e v o n ihnen die B e d e u t u n g der Z a h l 4 a b ; s o w o h l f ü r die A s t r o l o g i e w i e die Gnosis,

30

ferner f ü r die M y s t e r i e n k u l t e w a r e n die v i e r H . die A n g e l p u n k t e der W e l t 1 1 ) . In der A s t r o l o g i e b e s t i m m t e n die i m Osten, Westen, Süden und Norden gelegenen H ä u s e r des H o r o s k o p s (s. H o r o s k o p i e ) w e s e n t l i c h das L e b e n des M e n s c h e n ; die z u g r u n d e liegende A n s c h a u u n g v o n der I d e n t i t ä t des K o s m o s u n d des M e n s c h e n — ihrem Ursprung nach wohl babylonisch — ist d a n n v o r a l l e m in der Gnosis a u s g e b a u t w o r d e n 1 2 ) . U m n u r ein Beispiel z u geben, sei an die L e h r e v o n A d a m als kosm i s c h e m M e n s c h e n e r i n n e r t 1 3 ) ; a u c h der K o s m o s , dessen S y n t h e s e n a c h dieser Interpretation 'Ανατολή (Osten), Δΰαΐζ (Westen), "Αρκτος (Norden), Μεσημβρία ( S ü den) ist, ist ein M e n s c h ( A d a m h e i ß t h e b r . Mensch) ; denn die A n f a n g s b u c h s t a b e n dieser (griechischen !) B e z e i c h n u n g e n d e r H . ergeben z u s a m m e n ΑΛΑΜ ( A d a m ) . D a b e i ü b e r w i e g t die B e d e u t u n g des O s t e n s : geg e n O s t e n w e n d e t e m a n sich im M y s t e r i e n k u l t f l e h e n d u n d b i t t e n d , denn die g u t e den M e n s c h e n h e l f e n d e u n d e r r e t t e n d e Gottheit k o m m t v o m O s t e n 1 4 ) ; gegen W e s t e n m a c h t e m a n nur Z e i c h e n d e r A b w e h r , denn d o r t l i e g t das R e i c h d e r bösen D ä m o n e n , die den U n t e r g a n g des M e n s c h e n w o l l e n 1 5 ) . Bei den R ö m e r n w a r e n die H . e b e n f a l l s u n t e r s c h i e d l i c h g e w e r t e t : bei der B e o b a c h t u n g der H . (ζ. B . bei D o n n e r , B l i t z ) g a l t den H a r u s pices n a c h der u r a l t e n e t r u s k i s c h e n L e h r e u n t e r A n w e n d u n g der S ü d o r i e n t i e r u n g die l i n k e S e i t e des H i m m e l s (Osten) a l s g ü n s t i g , die r e c h t e ( W e s t e n ) a l s u n g ü n stig. D e r N o r d e n spielt in d e m S y s t e m insofern eine Rolle, als er als W o h n u n g der G ö t t e r g e d a c h t w i r d u n d d e m n a c h die Blitze aus Nordosten als ganz besonders g ü n s t i g , die a u s N W als g a n z b e s o n d e r s ungünstig gelten ie). O b a u c h die G e r m a n e n v o r der B e r ü h r u n g m i t den R ö m e r n den H . s a k r a l e B e d e u t u n g e n b e i m a ß e n , ist n i c h t a u s z u m a c h e n . A l s der Z e i t n a c h einzige a u t h e n tische Quelle g l a u b t e der V e r f a s s e r des 3. B a n d e s der G r i m m s c h e n M y t h o l o g i e h i e r f ü r eine A n n a l e n s t e l l e des T a c i t u s ( X I I I 55) h e r a n z i e h e n z u m ü s s e n ; i n d e s ist eine H i m m e l s r i c h t u n g bei d e m d o r t e r w ä h n t e n G e b e t des G e r m a n e n B o i o c a -

3i

Himmelsrichtungen

lus, an Sonne und die Sterne ( !) gerichtet, gar nicht genannt. Das Zitat besagt also nichts; außerdem scheint die Situation, durchaus von römischer Stilkunst aus geschaffen, römische Empfindungen wiederzugeben. Trotzdem ist eine Himmelsrichtungsmystik bei den Germanen, allerdings eben erst in später Zeit (Edda), nachzuweisen: Odin wird gen Osten, Ulfs gen Westen gewandt angerufen 1 7 ). Der Norden aber, wo das alte J ö t u n heimar = Riesenheim liegt, war die Gegend, von der das Böse kam; daher sind Opfer, die gegen Norden gewandt dargebracht werden, Zauberei 1 8 ). Von hier zogen die Riesen aus, um gegen die Götter zu streiten 18 ), hierher wandte sich Thor, als er gegen die Riesen zog. Aber es ist sehr wohl möglich, daß diese Himmelsrichtungsmystik nicht ursprünglich germanisches Gut ist, sondern erst mit der Christianisierung Deutschlands und des Nordens in der germanischen Religion Eingang fand. ·) „ W a s die verschiedenen Seiten anbelangt, auf denen die Omina vor sich gehen, so galt die rechte nicht ohne weiteres als günstig und die linke als ungünstig, sondern ähnlich wie in der römischen Lehre (s. w. u.) bezieht sich die rechte Seite auf die eigenen, die linke auf die fremden und feindlichen Verhältnisse; daher kann ζ. B. ein an und für sich günstiges Omen für den Befragenden schlecht ausgehen, wenn es auf der linken Seite liegt, da dann eben der Feind den Vorteil davon hat, und umgekehrt." B r u n o M e i ß n e r Babylonien und Assyrien 2 (1925), 247. ·) W i e d e m a n n Das alte Ägypten 408 § 293. ') G. R o e d e r Urkunden zur Religion des alten Ägypten 63. e ) Erman-Ranke Ägypten und ägyptisches Leben im AItertum 349. B) H o p f n e r Offenbarungszauber 1 § 50; vgl. P r o c i , in Tim. I 24 d. " ) Odys. X I 1 2 — 2 2 ; vgl. Lehmann-Haupt in P a u l y - W i s s o w a s. v. Kimmerier Sp. 429—434 § 60—66. ") Boll Offenbarung 20. " ) L e i s e g a n g Die Gnosis (Kröner) 1 1 7 f.; vgl. Br. M e i ß n e r a. a. O. 110. 13 ) B o l l Offenba14 rung 63. ) Vgl. 'ex oriente lux' und Clem. Alex. Protrept. p. 80, 25 Stählin: Christus τήν ίΰοιν είς άνατολήν μετήγαγεν και τον θάνατον είς ζωήν άνεαιαύρωσεν. Weiteres Material bei Β o l l Offenbarung 20 Anm. 4. 15 ) Vgl. die Gebräuche, des frühchristlichen Gottesdienstes, wie sie D ö 1 g e r Die Sonne der Gerechtigkeit ». der Schwarze (Münster 1918), 3 ff. 48 beschreibt. " ) P a u l y - W i s s o w a s . v . Haruspices Sp. 2441 § 1 4 ; P l i n . ». h. 2, 1 4 2 t . ; vgl. C i e . de divin. 2, 1 2 ff. 17 ) G r i m m My-

32

thologie ι, 28; 3, 2. u ) Ebd. — Nach Norden soll daher kein Wurf geschehen; ferner heißt in langobardischen Grenzurkunden der nördliche Strich „nulla ora". In Reinhart Fuchs betet der Fuchs christlich, der Wolf heidnisch S. X L I . " ) Stelle: Voluspá 24. 25.

3. A n w e n d u n g e n . Eine wesentliche Beachtung schenkte das germanische R e c h t s z e r e m o n i e 1 1 diesen Auffassungen der H. Richter, Kläger und Beklagter standen hier gleichsam mit der Gottheit in Beziehung, wenn ihnen nach den H. während des Prozeßganges ihre Plätze angewiesen wurden. Der Richtplatz ist nach Osten geöffnet; dem Eingang gegenüber sitzt in Westen mit dem Blick nach Osten der Richter auf erhöhtem Sitz: der Anblick der im Osten sich erneut jeden Tag erhebenden Sonne wird zu der Anschauung geführt haben, daß von dort das Rechte kommt. Überhaupt wendet der Richter sich bei allen feierlichen Zeremonien nach Osten. Rechts vom Richter steht der Kläger, links der Beklagte; er hat die Richtung nach Norden einzuhalten als der Gegend allen Unheils. Nach Norden sprach man den Reinigungseid in peinlichen Sachen; einem Bösewicht, der enthauptet werden soll, wendet man das Gesicht nach Norden 2 0 ). In den vier H. ist die Welt gestützt; ihre Beziehung zum Sonnenlauf bestimmt ihre moralischen Qualitäten. Daher ist es auch verständlich, wenn wir sie im Zauber, jener geheimen Wissenschaft, mit der zu allen Zeiten die Menschen den Kosmos zu meistern unternahmen, wiederfinden. S a g e n u n d N o v e l l e n bieten viele Beispiele, deren einige aus den deutschen Sprachgebieten angeführt seien: Ein Bergmännlein begegnet einem frommen Mann, den es reich machen will. Vor einem kleinen Hügel schwingt es seinen Zauberstab in die vier H. und senkt ihn dann zur Erde. Der Hügel tut sich auf und Gold und Silber quillt wie ein Springbrunnen h e r v o r 2 1 ) . Ein letzter Rest eines Opfers an die Weltgottheiten ist vielleicht in einem erzgebirgischen B r a u c h wieder zu erkennen. Um die Vögel von der Saat fern-

Himmelsriegel, die heiligen sieben

33

zuhalten, behält der Bauer daselbst während der Aussaat drei oder fünf Körner, die er am Schluß kaut und f ü r die Vögel auf den Weg speit; er wirft, in der Mitte des Ackers stehend, nach der Vollendung der Saat eine Hand voll Getreide nach den vier Himmelsgegenden mit den Worten: „ F ü r die V ö g e l " 2 2 ) . Ferner nimmt ein Zauber zur Entfernung von Schnecken auf die H. Bezug: Sind viele Schnecken auf dem Land, so muß man frühmorgens vor Sonnenaufgang hingehen und eine Schnecke an der Ostseite wegnehmen, dann über Norden nach Westen hier eine andere; ähnlich wird jetzt eine im Norden ergriffen und von da über Osten nach Süden gegangen. Hängt man die vier aufgelesenen Schnecken in einem Beutel in den Schornstein, so sollen die übrigen Schnecken vom Land in den Schornstein kommen, wo sie dann sterben 2 3 ). Endlich wird derHimmelsgegenden auch in W e i s s a g u n g e n gedacht : Wie der Blitz wird der Donner gewertet, je nach den H., aus denen er kommt. Die Beispiele s. Art. Blitz, Donner, Gewitter. Hier ein anderes Praesagium: Im Erzgebirge soll man am Silvester mit dem Glockenschlag zwölf vom Kirchturm aus nach den vier Himmelsgegenden spähen; die Häuser, hinter denen sich ein rötlicher Schein zeigt, sollen nämlich im kommenden J a h r abbrennen 2 4 ). Das Gemeinsame aller dieser Vorstellungen und Zauberriten ist die Bezogenheit derselben auf den Kosmos als Ganzes, als dessen Inbegriff die vier Himmelsgegenden verstanden werden. Für die einzelnen Zauberriten jeweils den Ursprung aufzuspüren (germ., röm. oder christlich), dürfte ein schwieriges und wenig aussichtsreiches Unternehmen sein, da die Riten zu ganz verschiedenen Zeiten entstanden sind. Wenn ursprüngliche Mystik der H. bei den Germanen vorauszusetzen ist, so wurde diese durch ein Buch wie die Offenbarung Johannis {vgl. K a p . 7, I. 2) nur unterstützt, wie die Edda zeigt (Voluspá). 2

ι :

°) G r i m m RA. 2, 431—433. die Beschreibung des grausigen B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube IV

Vgl. Saals

34

a m Totenufer in der E d d a (Voluspá 2 5 ) : „ E i n e n S a a l sah ich, der Sonne fern, a m T o t e n strand, das T o r nach N o r d e n ; tropfendes G i f t t r ä u f t durch das D a c h ; Wurmleiber sind die 21 Saalwände". ) Κ ü h η a u Sagen 3 , 7 4 6 . ") J o h n Erzgebirge 2 2 0 . 2 3 ) G r i m m Mythol. 3, 4 7 1 N r . 9 8 2 (aus D e u t s c h l a n d ; M nähere A n g a b e n fehlen). ) J o h n Erzgebirge 1 8 1 . E r w ä h n t sei auch noch ein B r a u c h der Oberpfalz: um ein Gewitter zu bannen, soll man in die Himmelsrichtung, a u s der es heranzieht, beten ( S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 1 7 ) . U b e r die H . im Volksglauben der A n g e l sachsen vgl. F i s c h e r Angelsachsen 20. 3 5 . 42. Stegemann.

Himmelsriegel, die heiligen sieben. So heißt ein Gebet, das ein frommer Einsiedler von seinem Schutzengel erhalten haben soll und das gegen allerlei Schaden hilft. Die Einleitung erzählt die übernatürliche Herkunft und schildert die wunderbare K r a f t des Gebetes, worauf dieses dann im Stil der üblichen volkstümlich-kirchlichen Frömmigkeit folgt; daran schließt sich ein kurzes Reimgebet und die sieben Worte Jesu am Kreuz 1 ). Die Vermutung Meyers 2 ), die H. seien aus den sieben Bußpsalmen der Litanei hervorgegangen, die im I i . J h . beim Gottesgericht gesprochen wurden, ist grundlos, da das Amulett sicher erst neueren Ursprungs ist. Die Siebenzahl — die H. sollen die sieben Riegel des Himmels öffnen; vielleicht ist dabei an die sieben Himmel gedacht — begegnet in der kirchlichen Symbolik häufig 3 ), vgl. auch die sieben Schloßgebete (s. d.). Die Datierung unter Clemens X I I . (1730 bis 1740) 4) — Clemens V I I . ( 1 3 7 8 — 1 3 9 4 ) 8) ist sicher ein Druckfehler — könnte stimmen; aus dieser Zeit etwa sind nun auch die Schloßgebete schon nachweisbar. Die H. haben eine weite Verbreitung gefunden und sollen 1720 bzw. 1750 e ) in Köln zum Druck befördert worden sein. Die Kirche hat sie verboten. ') W u t t k e 192; J o h n Erzgebirge 38. 48. 5 2 . 5 3 . 1 1 8 f. 2 2 7 ; John Westböhmen 1 6 6 . 2 7 9 . 3 0 3 f . ; Z f V k . 2 (1892), 1 7 3 f . ; 6 (1896), 2 5 2 ; 1 3 (1903), 4 4 4 ; 2 2 ( 1 9 1 2 ) , 66 f . ; D r e c h s 1 e r 2, 270 f.; S e y f a r t h Sachsen 145 ff.; L a m m e r t 166; M e y e r Baden 3 8 9 . 5 7 3 ; D e r s. Deutsche Volkskunde 187; B o h n e n b e r g e r 2 5 ; H ö h n Geburt 2 6 0 ; MschlesVk. 4 (1897), 6 8 ; D G . 5 , 7 f . : 10, 7 2 ; 2

Himmelsschlüssel—Himmelsziege

35

H a r t m a n n Dachau und Bruck 221 Nr. 72; SAVk, 24 (1922), 6 1 ; Egerl. 4 (1900), 34; Z f ö V k . 14 (1908), 3 1 ; MittsächsVk. 2 (1902), 362 f f . ; Die Dorfkirche 1 (1908), 283 f.; H a u c k RE. 23, 3g; D a s sechste und siebente B u c h Mosis (Buchversand Gutenberg), 199. 205 f. ; ein Exemplar in meinem Besitz (gedr. von F. C. Wentzel, Weißenburg i. Eis.). 2) Deutsche a) Volkskunde a. a. O. Hauck 4) J o h n RE. 18, 315 ff. Erzgebirge 303; Z f V k . 2, 1 7 3 ; 22, 66. 5) D r e c h s l e r 2, 270. ·) J o h n Erzgebirge 1 1 8 ; Z f V k . 22, 66. Jacoby.

Himmelsschlüssel. Der alte H. ist nach Pfälzer Überlieferung irgendwo v o m Himmel auf den Altar einer Kirche gefallen und wurde täglich gebetet und in hl. K e t t e weitergegeben, weil er den Himmel aufschließt '), vgl. zu diesem Motiv den Himmelsbrief (s. d.). Gemeint ist das alte geistliche Volkslied: „ A l s Jesus in den Garten g i n g " u s w . 2 ) . Der Schluß: „ W e r das Liedlein fein singen kann und alle Wochen recht fleißig thut singen, des Seele k o m m t ins himmlische Paradeis" 3 ), bzw. : „ W e r dies Gebetlein dreimal spricht, erlöst drei Seelen aus dem Fegf e u e r " usw. 4 ) zeigt, wie das Lied zu der Bezeichnung H. gelangt ist. Seine Verwendung erinnert an die des Traumes Marias (s. d.). Mit der Schilderung von Balders Tod, wie Grünenwald anzunehmen scheint, hat es nichts zu tun. *) L . G r ü n e n w a l d Volkstum und Kirchenjahr Mitt. d. Hist. Ver. d. Pfalz 44 (1927), 2 83· ) J- W . B r u i n i e r Das deutsche Volkslied (1914), 7 7 ; H r u s c h k a und T o i s c h e r Deutsche Volkslieder aus Böhmen (1891), 57 Nr. 84 a. 503 (Literatur) ; A . W r e d e Eifeler Volksk. 280. s) H r u s c h k a und Toischer a . a . O . *) K . M e r s c h Die Luxemburger Kinderreime (1884), 36. Jacoby.

Hitnmelsschlüssel blume.

s.

Schlüssel-

Himmelswagens.Sternbilder

II.

Himmelsziege. I. O n o m a s t i s c h e s . Diese Bezeichnung hat eine doppelte Bedeutung. Unter H., daneben auch Donnerziege, Donnerstagspferd1), versteht man zunächst die in der Frühlingszeit gegen A b e n d in den L ü f t e n dahinziehende 2 ) Heerschnepfe (scolopax gallinago), für die noch die Dialektnamen Himmelsgeiß, Haberziege, Haberzicke, Haberbock, Ha-

36

berlämmchen v o r k o m m e n 3 ) (Haber ist ein altes W o r t für „ B o c k " ) . Analogien aus Fremdsprachen: schwed. himmelsget, engl, heather bleater „ H e i d c b l ö c k e r " , bog bleater „ S u m p f b l ö c k e r " , slov. kozica, ital. (Romagna) cavretia „ Z i c k l e i n " , franz. chèvre céleste , , Η . " , chèvre volante „fliegende Ziege". G r i m m 4 ) führt noch an lett. pehrkona kasa „Donnerziege", p. ahsis „ D o n n e r b o c k " . Hiezu teilt mir Prof. S u 0 1 a h t i (Helsingfors) freundlichst folgendes m i t : Im Finnischen findet sich die genaue Übersetzung von schwed. himmelsget: taivaanvuohi. Der Name wird auch volkstümlich gebraucht. Litt, devo ozys, Perkúno ozys sind genau entsprechende Namen des Vogels, devo-ozys = Himmel-Ziege, Perkúno ozys = DonnerZiege, Perkúnas „der Donnergott des heidnischen A l t e r t u m s " = Donner. In Karelien heißt der Vogel auch (finn.) Pyhän lijan vuohi, d. h. die Ziege des heiligen lija [lija als Bezeichnung des Donners). — Die Benennung nach der Ziege beruht auf dem eigentümlichen an das Ziegenmeckern erinnernde Fluggeräusch des Vogels. Von den obigen Namen weichen ab engl, horse gowk (Orkney- u. Shetlandinseln), schwed. horsgjök, isl. hross-agaukr „Pferdekuckuck". Dan. myrehest bedeutet. „ S u m p f p f e r d " 5 ) . In diesen Namen wird das Fluggeräusch des Vogels mit dem Wiehern eines Pferdes verglichen. V o n oldenburgischen Namen seien angeführt Bäwerbuck und Hawerblatte), die bei S u o 1 a h t i ') erklärt werden. 1) Natur und Schule 6, 65. *) S c h e l l Berg. Sagen 161 Nr. 54. 3) M n B ö h m E x c . 33, 58. 4)

5) A · a · G r i m m Myth. 1, 153· ·) S t r a c k e r j a n 2 , 1 6 7 ^ . 3 9 8 . ') Vogelnamen 275 f.

2. M y t h i s c h e s . Die H. ist auch ein mythisches Wesen. Lehrreich für die Mythisierung dieses Vogels ist ein Bericht aus dem Kreise Münsterberg in Schlesien 8 ). Eine alte Frau erzählt nämlich, sie habe einmal als K i n d mit anderen Kindern in der Dunkelheit Ziegen meckern hören, die seien durch die L u f t gekommen, immer eine hinter der anderen und hätten gemeckert. Die anderen

Hindläufte—Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

37

K i n d e r h ä t t e n gesagt, das w ä r e n „ H . n " . S o h ä l t m a n a u c h in W e s t f a l e n den V o g e l f ü r ein G e s p e n s t 9 ) . E n g b e r ü h r t sich die H . mit der a l p e n l ä n d i s c h e n Habergeiß (s d.). N a c h L a i s t η e r 10) ist Habergeiß a u c h ein N a m e der H e e r s c h n e p f e . G r i m m 1 1 ) und Mannhardt12) n e h m e n B e z i e h u n g e n des V o g e l s zu D o n a r an. Sein F l u g v e r k ü n d e t n a h e n d e s Gew i t t e r , daher a u c h die N a m e n W e t t e r vogel, Gewittervogel, Regenvogel13). Er r u f t in der A b e n d d ä m m e r u n g zur E r n t e zeit m i t w i e h e r n d e m T o n (vgl. die v o m P f e r d e g e n o m m e n e n N a m e n ) 1 4 ). A l s rein m y t h i s c h e s W e s e n erscheint die H . (seltener „ H i m m e l s k u h " ) um L e o b s c h ü t z (Schlesien). E i n e s c h e r z h a f t e Verkörperung dieser m y t h i s c h e n Ges t a l t , die a n die H a b e r g e i ß der A l p e n l ä n d e r erinnert, s c h i l d e r t D r e c h s l e r 1 5 ) : E i n e M a g d h a t auf i h r e m R ü c k e n m i t t e l s der S c h ü r z e n b ä n d e r zwei S t ö c k e , gewöhnlich lange Stubenbesen, befestigt, die, w e n n die T r ä g e r i n sich b ü c k t , v o r n u n d h i n t e n ü b e r r a g e n . D a r ü b e r ist ein B e t t u c h gebreitet. Das Gespenst m a h n t die f a u l e n S p i n n e r i n n e n a n ihre P f l i c h t u n d erscheint s o m i t wesensgleich m i t der „ Z o m p e l d r o l l " , „ S p i l l a d r u l l e " oder „ M ü c k e n d r u l l e " (auch „ S p i l l a h ö l e , „ P o p e l h ô l e " ) 1 6 ), in denen l a n d s c h a f t l i c h v e r schiedene E r s c h e i n u n g s f o r m e n der „ F r a u H o l l e " z u sehen sind. B e m e r k t sei noch, d a ß i m H e n n e b e r g i schen eine d u r c h ihre b i z a r r e G e s t a l t a u f f a l l e n d e S p i n n e n a r t , der W e b e r k n e c h t (s. d.), als „ H . " b e z e i c h n e t w i r d 17 ). *) Κ ü h η a u Sagen 3, 454 f. ') W o e s t e Wb. 102. 10) Sphinx 2, 219. 250. n ) G r i m m Myth, ι , 153. 1 ! ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 48. " ) G r i m m a . a . O . 14) W i t z schei Thüringen 2, 220. 1S) Schlesien 1, 172. " ) A. a. O. ») G r i m m Myth. 3, 69. Riegler. H i n d l ä u f t e s.

W e g w a r t e .

Hingerichteter (— H.), Armsünder ( = Α.), Hinrichtung ( = Hg ). I. Der ursprünglich sakrale Sinn der Hg. und die sich daraus ergebenden Vorstellungen und Folgen. — 2. Zauberkraft der A.reliquien. — 3. Spukleben der H. — 4. Hg.sspiele. —

I. D i e H g . eines M e n s c h e n oder T i e r e s v g l . T i e r p r o z e ß — ist f ü r das v o r -

38

christliche g e r m a n i s c h e R e c h t s e m p f i n d e n n i c h t r a c h s ü c h t i g e V e r g e l t u n g oder g a r berechnete A b s c h r e c k u n g gewesen. Ein starrer Grundsatz mechanisch abgezirkelten W i e d e r g u t m a c h e n s erscheint z w a r f ü r die v e r s c h i e d e n s t e n n i c h t t o d e s w ü r d i g e n V e r g e h e n in den a g e r m . V o l k s r e c h t e n a u s geprägt er darf aber n i c h t f ü r die a l t e T o d e s s t r a f e in A n s p r u c h g e n o m m e n werden, v g l . S t r a f e . W i e die rituellen F o r m e n der einzelnen H g . s a r t e n , besonders des H ä n g e t o d e s (s. h ä n g e n § 1) u n d die S t e l l u n g des m i t d e m T a b u des Priesters belegten, d a r a u s s p ä t e r „ u n e h r l i c h " g e w o r denen S c h a r f r i c h t e r s (s. d.) v e r m u t e n lassen u n d der G l a u b e n a n g e h e i l i g t e Z a u b e r k r ä f t e der G e r i c h t e t e n , G e h e n k ten, E n t h a u p t e t e n b e s t ä r k t , ist die H g . eines d u r c h ein „ N e i d i n g s w e r k " ins U n r e c h t V e r f a l l e n e n einst n i c h t als s t r a f e n d e Vernichtung, sondern höchstens als Ausm e r z u n g eines E n t a r t e t e n , v o r a l l e m a b e r als ein reinigendes O p f e r an die g e k r ä n k t e G o t t h e i t u n d so als eine h a ß l o s e Besser u n g , B u ß e der v e r l e t z t e n R e c h t s o r d n u n g , ein S ü h n o p f e r a u f g e f a ß t w o r d e n 2 ). R a c h e u n d V e r g e l t u n g s c h l i e ß t s c h o n die a g e r m . E i n s c h ä t z u n g des V e r b r e c h e r s als eines E n t a r t e t e n , seiner T a t als eines N e i d i n g s w e r k e s a u s 3 ), v g l . D i e b § I, V e r brecher, S t r a f e . F ü r die D e u t u n g der H g . als eines S ü h n o p f e r s s p r i c h t a b e r a u ß e r der schon g e n a n n t e n E i g e n a r t des H e n keramtes und dem Hg.szeremoniell4), zu d e m a u c h das v o r a u s g e h e n d e H e n k e r s m a h l (s. d.), die b e s t i m m t e n V o r s c h r i f t e n über O r t u n d Z e i t der H g . u n d die Ö f f e n t l i c h k e i t der „ O p f e r h a n d l u n g " ( V e r s a m m l u n g der O p f e r g e m e i n d e ) z u r e c h n e n sind, a u c h die A u f f a s s u n g , d a ß die G o t t h e i t , w e n n ihr das O p f e r n i c h t g e n e h m sei, es d u r c h M i ß l i n g e n der H g . z u r ü c k w e i s e , so d u r c h R e i ß e n des S t r i c k s , w e l c h e s f ü r das V o l k s e m p f i n d e n seit a l t e r s einen unb e d i n g t e n B e g n a d i g u n g s g r u n d darstellt, d e n n „ m a n h ä n g t k e i n e n z w e i m a l " 5 ). S o s t e h t die H g . des V e r b r e c h e r s a n f ä n g l i c h auf der gleichen L i n i e m i t a n d e r e n M e n s c h e n o p f e r n , Hg.en von Kriegsgefangenen, Jungfrauen, Königen, wie sie uns a l t e B e r i c h t e u n d S a g e n f ü r d i e g a n z e idg. W e l t u n d n o c h n e u e r e P a r a l -

39

Hingerichteter, Armsiinder, Hinrichtung

lelen f ü r außereuropäische primitive Völker belegen, vgl. Menschenopfer. Dieser s a k r a l e Sinn eines Opfers erklärt uns erst restlos viele dunkle Eigentümlichkeiten des A.aberglaubens, vgl. enthaupten § i, Galgen §§ 2. 4, hängen § § I . 5. Da auch die Selbstrichtung einst vielfach den Charakter eines Opfertodes getragen hat e ), begegnen zahlreiche Vorstellungen für den Selbstmörder und den gerichteten Verbrecher gemeinsam, wohl bewahrt durch ein f ü r beide gleichwertiges christliches Verdammungsurteil, vgl. hängen, Selbstmörder. Die Anschauung, daß jede Hg. ein Sühnopfer sei, ist auch dem christlichen Volksempfinden nicht entschwunden. Deshalb sehen wir alle Folgeerscheinungen dieses Glaubens, die zum großen Teil nur aus vorchristlichen Voraussetzungen erklärbar sind, so zäh sich behaupten. Der religiöse Charakter eines unter kultischer Heiligung vollzogenen gewaltsamen Todes muß natürlich die L e i c h e des e n t s ü h n t e n und der Gottheit geweihten Verbrechers g l e i c h anderen Opfergaben (s. d.) zu einem F e t i s c h erhöhen, der imstande ist, zauberhafte K r ä f t e zu entsenden, Glück anzuziehen und Unheil abzuwehren 7 ). Der B e s i t z v o n A.r e 1 i quien beglückt, ihr Genuß (A.blut) ist h e i l b r i n g e n d wie die Teilnahme an einem Opfermahle, s. § 2. So nimmt die Leiche eines H., oder vielmehr einzelne bevorzugte Teile wie F i n g e r , F e t t , B l u t , einen ersten Platz ein in dem Glauben an f o r t lebende Kräfte im toten Menschen. Diese Vorstellung von einem zweiten Leben nach dem ersten Tode und von glückbringenden Eigenschaften der Mumie wird schließlich von jedem Toten gehegt, aber — ganz abgesehen von der kultischen Heiligung des H. — besonders von einem zu früh, in der Blüte seiner Lebenskraft aus dem sichtbaren Leben g e l ö s c h ten, „außergewöhnlichen" T o t e n 8 ) , vgl. Mord, Toter, Orendismus, Verbrecher, Reliquien. Es zeigt sich hier eine durchaus amoralische Überzeugung,

40

ohne einen näheren Zusammenhang mit dem christlichen Wunderglauben an Heiligenreliquien; denn je kraftvoller, außergewöhnlicher, d. h. meist scheußlicher die Leistung eines Verbrechers gewesen ist, desto versprechender und begehrter sind seine Reliquien. Die frühere Öffentlichkeit der Hg.en brachte auch das Außergewöhnliche d i e s e r T o d e s a r t dem Volke immer wieder zum Bewußtsein 9 ), infolgedessen sich auch seine Erzähllust einst sehr stark mit Hg.sgeschichten ergötzte, zumal mit Berichten über geschickte und ungeschickte Hg.en 10 ), vgl. auch die Geschichte einer geheimnisvoll nächtlichen Hg. u ) . Daß die S t ä r k e der A.r e 1 i q u i e n jedoch nicht nur auf den zuletzt erwähnten Glauben an die noch nicht erloschene Lebenskraft des vorzeitig Getöteten zurückzuführen, sondern wesentlich durch den s a k r a l e n A k t d e r Hg. b e s t i m m t ist, geht ferner auch daraus hervor, daß alles Gerät, das zum Vollzug einer Hg. gedient hat, gleichfalls Träger ähnlicher geheimnisvoller K r ä f t e wird und deshalb für die verschiedensten Zauberhandlungen noch heute lebhaft begehrt ist, also das Opfergerät der Opfergabe an W i r k u n g gleichkommt12). Denn was man nur immer zu einer Hg. gebraucht hat, vermag zu wirken. Wenn man z. B . Hufeisen schmiedet „auss einem Eysen . . damit einer umbbracht worden", so erhält man wendige, behende Pferde 1 3 ). A.strick, Diebsstrang, Galgenstrick, A.kette, Diebskette, Galgenkette, Galgennagel, Galgenholz, Galgenspan s. Galgen § 4 (Galgenamulette). A.nagel s. a. rädern; vgl. Richtschwert. Und ebenso fließt das große K ö n nen des H e n k e r s oder Scharfrichters (s. d.) vorzüglich aus dem sakralen A k t der Hg. 14 ), in dem wie gesagt auch die frühere zur „Unehrlichkeit" gewordene Sonderstellung des für die rechtsprechende Gemeinde waltenden Nachrichters wurzelt, vgl. hängen § 1, unehrlich. Wir haben schließlich noch einen Rest dieser uralten Verbindung der Hg. mit dem Walten der Gottheit in dem

4i

Hingerichteter, Armsünder, H i n r i c h t u n g

überall bewahrten Glauben, unheimliche Mächte umtobten als Wind, als Sturm oder Ungewitter den Tod des Verbrechers 1S) bzw. des Selbstmörders. Man erzählt dies mit Vorliebe vom Galgentod oder wenn einer sich selbst erhängt, vgl. hängen § 4 a (Gehenktenwind). In solchem Sturmeswüten erkennen wir das brausende Seelenheer des Gehenktengottes Wuotan-Odinn, dem einst die Gehenkten als Opfer dargebracht worden sind; i m S t u r m e nimmt der Gott die Seele des Opfers in seine Schar auf. Christliche Umdeut u n g sehen wir später an Stelle des alten Seelenheeres den Teufel, die wilde J a g d und ähnliches setzen 1 6 ) oder von der Entrüstung der beleidigten Natur sprechen, vornehmlich beim Selbstmord — dies letzte wohl eine ganz späte, mehr gelehrte christliche Erklärung. Zu dem Reliquienglauben k o m m t als eine verwandte Vorstellung vom z w e i t e n L e b e n , wenn man nicht nur den Leichenteilen eines mit seltenen Kräften erfüllten H. geheimnisvolle Stärke zuschreibt, sondern auch davon überzeugt ist, daß der H. gleich anderen gewaltsam und verfrüht Verstorbenen unter den Toten vorzüglich weiterdauere, als „ G e i s t " u m g e h e n , spuken müsse •—· s. § 3 — und dies eben nicht als Strafe (vgl. das Umgehen unschuldig zu früh ums Leben Gekommener), sondern einfach a u s ü b e r g r o ß e r Lebensk r a f t . Erst spätere christliche Umdeutung moralisiert auch diese uralte Vorstellung in ein Büßen des v e r d a m m t e n Verbrechers, ohne freilich den eigentlichen Grund des Glaubens in Vergessenheit bringen zu können 17), vgl. W i e d e r g a n g e r. Über V o r b e s t i m m u n g 18) und Vorzeichen einer Hg. s. hängen § 3, Richtschwert. Wir dürfen als Ergebnis unserer Erklärung der Zauberkraft und des Fortlebens, die den H. in erhöhtem Maße vor den anderen Toten zukommen, z w e i G r ü n d e festhalten, einen stets sich erneuernden Grund: den Glauben an die noch u n v e r b r a u c h t e Lebens-

42

k r a f t in dem z u f r ü h G e s t o r b e n e n ; und einen allmählich in Vergessenheit geratenden, jedoch durch den mehr moralisierenden christlichen Sühnegedanken noch erhaltenen Grund: die Vorstellung von einer h e i l i g e n d e n Opferung des A.s. Auch wo die Grundanschauung verblaßt, will sich der Glaube selbst nur langsam verdrängen lassen, zum Teil gerade wegen mancher christlichen Umdeutung. In unserer Zeit schwindet freilich der A.aberglauben mit den H. rascher als zuvor zugunsten anderer Totenfetische. ') A m i r a Grundriß 234 ff. 243 ff. s ) Ders. Grundriß 240 f.; D e r s . Todesstrafen 198 ff. 223 ff. 229 ff. ; G r i m m RA. 2, 526 f f . ; A n g s t m a n n Henker 75 ff. ; W o l f Beiträge 2, 367; M e y e r Germ. Myth. 199 f.; W . § 191 ; Β r u η η e r Deutsche Rechtsgeschichte 2 I, 1 7 5 ; 2, 468. 476. 685; S c h r ö d e r Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte · 95; H ö f 1 e r Organotherapie 9 ff. 20. 3 ) A m i r a Grundriß 233 f. ; D e r s . Todes4 strafen 65 ff. ) Ζ. B. D G . 7, 1 1 9 ; z u m „ S t o ß e n a n den blauen S t e i n " in niederrheinischen S t ä d t e n vgl. H e c k s c h e r 185 f. 435 ; blau § 18; H g . a m Dienstag : Κ o 1 b e Hessen 1 1 2 ; vor S o n n e n u n t e r g a n g : G r i m m RA. 2, 531. 5 ) K. B e y e r l e Von der Gnade im deutschen Recht (1910), 5. 16; Beyerle f a ß t a u c h das einst d e m O p f e r a k t vorausgeschickte Gottesurteil als eine A n f r a g e a n die Gottheit auf, ob d a s Opfer erwünscht sei; s. a. B o c k e l Volkslieder 8 ff. ; J b h i s t V k . ι , 120. ·) T a c i t u s Germania c. 6; weitere Belege s. SAVk. 26, 146. ') A m i r a Todesstrafen 223. *) Joh. Diez E n d e des 17. J h s . : „ D a s ist die gerecht u n d krefftigest M u m i e : der Leib des Menschen, der nicht eines natürlichen Todes stirbt, sondern eines u n n a t ü r l i c h e n Todes s t i r b t , m i t gesundenem Leib u n d ohne Kranckheiten, u n d ehe i h m darzu wehe i s t " , MschlesVk. 21 (1919), 1 1 0 ; vgl. F. P f i s t e r Der Glaube an das „außerordentlich Wirkungsvolle" (Orendismus) in BIBayVk. i r , 24 ff.; P f i s t e r Schwaben 42 ; L i ρ ρ e r t Christentum 461; H ö f 1er Organotherapie 3; N a u m a n n Gemeinschaftskultur 18 ff. 81 f f . ; D e r s . Grundzüge 74 ff. 86 ff. 152 ff. ; N d Z f V k . 5, 92 ff. 97; F e h r 1 e Volksfeste 3 51 ; SAVk. 26, 1 5 1 . ») Vgl. H . F e h r Das Recht im Bilde (1923), 77—101, Abb. 85—130; D e r s . in „Volk u n d R a s s e " Nov. 1926; W . R e η g e r Hinrichtungen als Volksfeste in Süddeutsche M o n a t s h e f t e 10 (1913), 2, 8 ff.; ü b e r die f r ü h e r viel häufigere Tätigkeit der Scharfrichter s. die Tagebücher der Scharfrichter v o n Reutlingen (1563/68): W ü r t t V j h . ι , 85, v o n Ansbach (1575/1603): J b h i s t V e r M i t t e l f r a n k e n 2, i f f . , v o n N ü r n b e r g (1573/1607): S c h m i d t Nachrichter. 10) A n g s t m a n n Henker 104 ff. ;

43

Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

S c h m i d t Nachrichter X I I f. ; wenn eine Hg. übel abläuft, hat der Scharfrichter drei Köpfe gesehen, er hätte aber nach dem mittleren zielen sollen : A n g s t m a n n nof. ; Huß Aberglaube 21; Panzer Beitrag 2, 296; n Bartsch Mecklenburg 1, 4 6 1 . ) J . P. Hebel Schatzkästlein des rhein. Hausfreundes „Heimliche E n t h a u p t u n g " (Scharfrichter von Landau) ; Κ r u s ρ e Erfurt ι, 64 f. " J A m i r a Todesstrafen 224. 1 3 ) S t a r i c i u s (1623), 1 2 5 . l4 ) Angstmann Henker 90 ff. ; über die Ausübung des Henkeramtes vgl. Grimm RA. 2, 5 2 6 ff. 1 5 ) P f i s t e r Schwaben 56; Rochholz Naturmythen 2 S 1 . 18 ) So erfüllt bei der Hg. eines „Teufelsjüngers" Sturmgeheul die L u f t , bis jener verbrannt ist : M e i c h e Sagen 5 1 7 ; vgl. B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1869, 1 2 5 ; die wilde J a g d wird zum „ A . j a g e n " , zum Umzug verstorbener Holzund Waldfrevler : S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 5 0 ; B a v a r i a 2, 236. i ; ) Vgl. N d Z f V k . 5, 2 3 2 f f . ; 7, 8; S A V k . 26, 1 5 1 (weitere Literatur). 18 ) W . § 86: am G r ü n d o n n e r s t a g geborene Kinder sterben auf dem Blutgerüst (Oberpfalz) ; W . § 460 : wenn man ein M e s s e r mit der Schneide nach oben auf den Tisch legt, wird das in dieser Stunde geborene Kind durch das Schwert gerichtet werden (Preußen, Schlesien); s. u. A n m . 1 4 4 ; Belege für das K l i n gen des R i c h t s c h w e r t e s als Vorzeichen einer Hg. s. A n g s t m a n n Henker i n ff.

2. Z a u b e r k r a f t der Leic h e n t e i l e e i n e s H. Da die Hg. früher meist durch Hängen erfolgt ist, findet sich dieser Aberglaube vielfach speziell von Gehenkten ausgesagt. Man vergleiche daher mit dem Folgenden die unter h ä n g e n § 5 aufgeführten Belege. Zunächst werden die K n o c h e n der H. als H e i l m i t t e l gebraucht, zur Vertreibung der Krankheitsgeister, und daher seit alters eifrig gesammelt und verhandelt 1 9 ) — s. u. — wobei natürlich gilt: je frischer, desto besser 20 ). So wird im 17. J h . gegen Ruhr geraten: nimb eine kleine Rippen von einem gehangenen Dieb, pulverisier die, und gib ein Quintlein in Wein oder Essig ein, es hilft gleich in derselben Stund 2 1 ). Dem entsprechen ein von Plinius angegebenes Mittel gegen die Bisse eines tollen Hundes, Pillen, die aus der H i r n s c h a l e (calvaría) eines Gehängten verfertigt werden 22 ), und ein in Dänemark überliefertes Mittel gegen Fallsucht: die Hirnschale einer Mannsperson, die nicht an einer Krankheit ge-

44

storben ist, am liebsten die eines gehenkten Diebes, brenne man in einem heißen Backofen, bis sie ganz weiß ist, stoße sie dann zu Pulver und nehme davon ein Quentchen und drei kleingestoßene Päonienkerne, um dies dem Kranken morgens nüchtern in Lavendelwasser zu geben 23 ). In der Oberpfalz hilft man sich einfacher durch Trinken aus einem A. s c h ä d e 1 24 ) vgl. Schädel. Wunderpulver aus Knochen h. Verbrecher verhandelte man früher bei Gera 25 ), in Schwaben bot 1 6 1 8 die Lauinger Apotheke granium hominis suspensi praeparatum an 2 6 ) und noch vor wenigen Jahrzehnten verordnete ein Quacksalber im badischen Hinterland „ e t w a s von eines A.s Hirnschale" 2 7 ). Man verwendet einen A.schädel aber auch beim Lottoorakel 2 8 ). Um Freikugeln zu erhalten, gießt man Kugeln durch die rechte Augenhöhle eines A.schädels M ). Moos, das auf einem A.schädel gewachsen ist, dient als ein altberühmtes Mittel zum Festmachen vgl. Galgen § 4 b, hängen § 5 a Anm. 136, Schadenzauber s. u. Ein „wertes Hilfsmittel" gegen Drachen und Hexen ist ein A . f i n g e r 3 1 ) . Ein solches Knöchelchen, unter die Hausschwelle vergraben, wehrt daher alles Übel ab und schafft so beständigen Haussegen 32 ). Die Berührung mit einer A.hand vertreibt Kröpf und W a r z e n 3 3 ) . Wenn man einen A.knochen in der Tasche trägt, bekommt man kein Ungeziefer 34 ). Auch im Krieg sucht man sich mit Körperteilen Gerichteter zu schützen 35 ). Neben solchen a b w e h r e n d e n Diensten üben die A. reliquien, besonders von gehängten Dieben, auch eine g l ü c k l i c h e Anz i e h u n g s k r a f t aus, vgl. D i e b s d a u m e n (Dieb § 7). Die große Zehe eines H. in der Tasche, hat man Glück im Kartenspiel 3e ). Ebenso wirkt das Knöchelchen eines H. im Geldbeutel 3 '). Glück und Kunden bringen A.finger oder Diebsdaumen auch den Wirten, die sie ins Faß hängen 3 8 ), den Kaufleuten, die sie zur Ware legen, und den Fuhrleuten für ihre Pferde 39 ), ebenso wie A.blut (s. u.). Sogar in der Küche fehlt die A.hand nicht 4 0 ). Wenn das V i e h nicht fressen will, reibt ein schelmischer Scharfrichter die Krippe

45

Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

mit einem A.daumen rein 4 1 ). Man kratzt das Vieh statt eines Striegels mit einem A.finger, damit es f e t t werden soll 42 ), oder m a n rührt das F u t t e r mit einer A . h a n d um 1 3 ). Entsprechend verrät der Scharfrichter H u ß : A . - H a n d mit drey Körnlein Haber im Stall unter die K r i p p e gegraben, da werden die Pferde in gutten Stand, bey Leib und muthig s e y n ; d a b e y bethen sie f ü r die armen Seelen 44 ). Dies erinnert a n den Oberpfälzer R a t , den ersten Finger eines H . abzuschneiden und schon beim Abschneiden in Gedanken zu einem beliebigen Zweck zu bestimmen, dabei sich aber zu verpflichten, alle T a g e f ü r die R u h e des Toten zu b e t e n 4 5 ) . In Anbetracht all dieser wunderbaren Verwendungsmöglichkeiten hat man ein derartiges A m u l e t t zu allen Zeiten um hohen Preis erstrebt. Deshalb begegnet der Finger eines Erhängten im Verzeichnis eines Scharlatans im J a h r 1602 46), oder wir erfahren v o m Diebstahl von A.gliedern 1582, 1 5 9 3 , 1 6 1 6 in Schlesien 4 7 ). E s sei aber auch auf einen neueren F a l l hingewiesen, wo Gerichteter und Heiliger in einer Person verschmelzen: nach der Hg. Andreas Hofers 1 8 1 0 verbanden sich einige Soldaten, darunter ein nachmaliger Direktor der Strafhäuser in Wien, um sich eines Gliedes seines Leibes zu bemächtigen, sie wurden jedoch ertappt und bestraft 48 ). Noch später sind solche Leichenschändungen wirklich verübt worden, so wurde 1823 in Schneeberg eine A.leiche aller Finger, Zehen und Kleider b e r a u b t 4 9 ) , 1 8 3 7 in Rochlitz der Kopf eines enthaupteten Mörders in der auf die Hg. folgenden Nacht gestohlen 5 0 ). Als in Breslau der alte Rabenstein abgebrochen wurde, trieben die Arbeiter einen sehr einträglichen Handel mit den bei der A u f grabung vorgefundenen K n o c h e n 5 1 ) . E s ist übrigens schon der Anblick der Leiche eines frisch gehenkten A.s gegen das E r blinden der Pferde gut, man f u h r deshalb mit ihnen zu den Hg.en, damit sie hinsehen sollten 52 ). Auch schlimmer S c h a d e n z a u b e r ist schon mit A.gebein versucht worden, wie wir aus den A k t e n eines hessischen Hexenprozesses von 1 5 9 6 erfahren: wenn

46

man einen knochen v o n einem schelmen neme, dasselbig im feuer schwartz ahnbrenne und vergrüebe es (mit einem bestimmten Spruch) under die erden, welcher mensch alsdenn zum ersten darüber trette, der muste v e r l a m e n 5 3 ) . Eine andere H e x e bekennt 1 5 7 5 : j r bul habe sie gelert, sie solte haar nemen v o n todten schelmen, dergleichen auch todten bein oder schelmen bein, dieselbig verklopfen, eine salben darauss machen und den leuten damit v e r g e b e n ; wann sie gehässige leut hett, solt sie jnen nechstberurte salben in jre heuser begraben, davon sie dann auch schaden bekommen wurden; sie solt mit solchem die hend bestreichen, einem darnach an einen arm greiffen, alss solt er beschediget sein 5 4 ). Ähnlich soll 1 6 1 7 in Schlesien die Erde, auf die ein gehängter A. Wasser gelassen hatte, im Stall vergraben worden sein; die verzauberte E r d e wurde „ b l a u wie ein T u c h " und stank sehr, daß alles Vieh starb — wo sie trocken eingestreut wurde, verdorrte das Vieh, wo sie aber benetzt wurde, wurde jenes immer fetter, bis es tot hinfiel 5 5 ). Über eine Verwendung des A . k o p f s im S t r a f z a u b e r gegen Diebe s. Dieb § 5 e 2, 225. Auch im Hexenzwingzauber benötigt man etwas v o n der Hirnschale eines A.s 5 e ). Der greulichste Schadenzauber wird aber mit der zum Diebslicht mißbrauchten A . h a n d oder Galgenhand verübt, s. Dieb § 6 a. Auch die H a u t von H. schnitt man früher in Riemen, trug sie als A m u l e t t (1769) oder legte sie Kreißenden zur E r leichterung um 57 ). Solche R i e m e n aus Menschenleder v e r k a u f t e n die Apotheken zu Dresden 1 6 5 2 und zu Leipzig 1669 f ü r drei Taler das S t ü c k 5 8 ) . E s überrascht daher nicht, wenn wir zufällig erfahren, daß einmal der Leobner F r e i m a n n E n d e des 1 7 . J h s . u m die H a u t eines H. b a t 5 9 ) . Man verfertigte daraus auch Wolfsgürtel, s. d., hängen § 5 a A n m . 1 5 1 . Zu allem gut ist A.f e 1 1 , das sogar überall einst in den Apotheken zu haben war — noch 1 7 6 1 erscheint Menschenfett in der offiziellen Dresdener Medizinalt a x e eo ), — und zuweilen noch heute verlangt werden soll (Franken) β 1 ), da eben

47

Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

A . s c h m a l z j e d e K r a n k h e i t heilt ( W u t a c h tal) 62 ). E s ist f r ü h e r w i r k l i c h v e r w e n d e t w o r d e n , wie zwei Beispiele beweisen m ö g e n , ein Z e u g n i s a u s d e m J a h r e 1568, d a ß einer sich v o m N a c h r i c h t e r Mens c h e n s c h m e r v e r s c h a f f t habe, u m seine B i e n e n b r u t e n d a m i t z u schmieren u n d so v i e l e Bienen a n z u l o c k e n 6 3 ) , u n d die 1 6 1 3 dem Egerer Freimann v o n seinem Stadtr a t erteilte E r l a u b n i s , das F e t t v o n Geh ä n g t e n a b z i e h e n zu dürfen, „ w e i l d a v o n vielenMenschen Hülff geschehen kann"64). So g e b r a u c h t m a n A . f e t t g e g e n B r u c h s c h a d e n 6S) u n d g e g e n F a l l s u c h t 66 ). A u c h w e n n m a n einen D i e b s s e g e n s p r e c h e n will, m u ß m a n die S c h u h e m i t A . s c h m a l z g e s c h m i e r t h a b e n 67 ), ebenso w i c h t i g ist dieses i m S t r a f z a u b e r g e g e n D i e b e , s. D i e b § 5 d 2, 221. A m h ö c h s t e n w i r d a b e r das B l u t eines H . g e s c h ä t z t , g e r a d e w i e einst das B l u t des O p f e r t i e r e s 6 8 ) . D a das B l u t (s. d.) in der R e g e l als T r ä g e r der L e b e n s k r a f t a n g e s e h e n w i r d , überr a s c h t es n i c h t , w e n n es z u n ä c h s t als H e i 1 m i t t e ] eine h e r v o r r a g e n d e R o l l e spielt. M a n e m p f i e h l t n a t ü r l i c h n i c h t nur das B l u t v o n H . , sondern ebenso das a n d e r e r g e w a l t s a m Verstorbener, d o c h f r i s c h e s A . b 1 u t gilt v o r a l l e m als w i r k s a m , v o r z ü g l i c h als Helfer gegen Fallsucht69). Hier vereinigen sich besonders d e u t l i c h der G l a u b e an die heilende f r e m d e L e b e n s k r a f t u n d die V o r s t e l l u n g v o n der b e g l ü c k e n d e n T e i l n a h m e a m O p f e r k u l t durch T r i n k e n des O p f e r b l u t e s , w o b e i f ü r uns diese A n schauung später gegenüber jener zurückg e t r e t e n ist, n a c h d e m sie die B e v o r z u g u n g des A . b l u t e s f ü r i m m e r b e g r ü n d e t hat. G e g e n die F a l l s u c h t t r a n k e n schon die R ö m e r v o m B l u t gefallener G l a d i a t o r e n ro), sie f i n g e n a b e r a u c h auf den R i c h t p l ä t z e n das B l u t e n t h a u p t e t e r V e r b r e c h e r i n S c h a l e n auf, u m es z u trinken 7 1 ). Die Zimmernsche Chronik weiß v o m Beg i n n des 16. Jhs. z u b e r i c h t e n , d a ß ein L a n d f a h r e r eines E n t h a u p t e t e n L e i b erf a ß t , „ w i e der noch nit gefallen, u n d s u p f t d a s B l u t v o n ihm, u n d w i e m a n s a g t , ist er der h i n f a l l e n d e n S i e c h t a g e n

48

d a v o n g e n e s e n " 7 2 ) . Dieser G l a u b e ist bis h e u t e in g r o ß e n T e i l e n D e u t s c h l a n d s e r h a l t e n 6 9 ) . E r s t i m 18. J h . h a t ihn die W i s s e n s c h a f t f a l l e n lassen, Zedier v e r m e r k t i m m e r h i n n o c h : einige r a t h e n d a s B l u t v o n einem D e c o l l i r t e n zu t r i n c k e n 7 3 ) . W i r h a b e n z a h l r e i c h e F ä l l e b e l e g t , w o der Henker Fallsüchtigen s o g l e i c h n a c h der E n t h a u p t u n g Gläser r a u c h e n d e n B l u t e s zum Trinken g e r e i c h t , o f t teuer v e r k a u f t h a t ; gewöhnlich wird berichtet, daß man n a c h d i e s e m T r u n k mit d e m K r a n k e n in wilder F l u c h t d a v o n l ä u f t oder ihn gar m i t P e i t s c h e n h i e b e n w e g t r e i b t , v o n zwei R e i t e r n f o r t r e i ß e n l ä ß t , bis er o h n m ä c h t i g z u B o d e n sinkt, eine r i c h t i g e G e w a l t k u r z u r A u f f r i s c h u n g der k r a n k e n L e bensgeister 74 ). D e r a r t i g e H e i l v e r f a h r e n sind uns a u c h aus neuerer Z e i t g l a u b h a f t ü b e r l i e f e r t : n o c h mit offizieller G e n e h m i g u n g 1755 in D r e s d e n 7 5 ) , ferner 1812 bei einer H g . zu N e u s t a d t im hessischen O d e n w a l d 7 6 ) , 1823 in S c h n e e b e r g bei Z w i c k a u 7 5 ) , i m gleichen J a h r a u c h in Dänemark77), 1829 in Reutlingen78), 1844 im O l d e n b u r g i s c h e n u n d 1859 in G ö t t i n g e n 7 5 ) , j a noch s p ä t e r in H a n a u (1861), M a r b u r g (1865), K a s s e l 7 9 ) u n d D r e s d e n 8 0 ) . N o c h 1862 erhielt d a h e r ein an F a l l s u c h t leidendes W e i b in einem A r m e n h a u s in A p p e n z e l l v o m V o r s t a n d die E r l a u b n i s , z u einer H g . zu reisen u n d dieses H e i l m i t t e l zu v e r s u c h e n , w o b e i ihr g e r a t e n w i r d , drei S c h l u c k unter A n r u f u n g der drei h ö c h s t e n N a m e n w a r m h i n u n t e r z u t r i n k e n 8 1 ) . Solch offizielle E r l a u b n i s v e r w u n d e r t nicht, w e n n wir neben den obigen N a c h r i c h t e n a u c h in einem 1842 erschienenen s y m p a t h e t i s c h e n B u che diese K u r noch als e t w a s S e l b s t v e r s t ä n d l i c h e s a n g e f ü h r t f i n d e n 82 ). D a ß der G l a u b e a u c h h e u t e n i c h t a u s g e s t o r b e n ist, beweisen neuere V o r k o m m n i s s e in Freiberg und Braunschweig83). Die Vors c h r i f t , das B l u t z u t r i n k e n , ist o f t v e r gessen, u n d es h e i ß t dann, das B l u t heile die K r a n k h e i t a u c h , w e n n m a n es in e i n e m S c h n u p f t u c h aufg e f a n g e n bei sich t r ä g t 8 4 ) . U m 1850 b e n e t z t e n d a h e r die L e u t e in W o l f e n b ü t t e l T ü c h e r m i t d e m B l u t eines H . , u m

49

Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

diese Fallsüchtigen zu geben 8 5 ), ebenso 1859 bei einer Hg. in G ö t t i n g e n 7 5 ) ; 1864 tauchten in Berlin die Scharfrichtergehilfen eine Menge weißer Schnupftücher in das B l u t zweier Mörder und v e r k a u f t e n jedes für 2 Taler 8 6 ). In den unteren Schichten der Mainzer Bevölkerung glaubte man zur Zeit des Bischofs K e t t e i e r fest daran, daß dieser ein Mittel gegen Fallsucht besitze, das aus dem B l u t eines H. hergestellt sei 8 7 ). Dieser Glaube an das A . b l u t ist natürlich auch außerhalb Deutschlands weit verbreitet M ) ; den Gebrauch v o n Herz, Leber, Galle und B l u t h. Verbrecher findet man ζ. B. auch heute noch in China 8 9 ). Nur vereinzelt tritt als Mittel gegen Fallsucht an Stelle v o n A . b l u t der A.strick, der Strick des Selbstmörders 9 0 ), vgl. Galgen § 4 b. Seltener spricht man bei uns dem A. b 1 u t Heilkraft f ü r a n d e r e K r a n k h e i t e n z u 9 1 ) , so soll das Essen v o n in A . b l u t g e t a u c h t e m B r o t die Gicht vertreiben 9 2 ). Es fehlt selbst die Ü b u n g nicht, das Vieh gegen K r a n k h e i t d a m i t zu bestreichen 9 3 ). A u c h als ein Zaubermittel, mittelst dessen zu binden und zu lösen ist, erscheint A . b l u t 9 1 ). So sind B l u t s t r o p f e n H. überhaupt stets als s e g e n b r i n g e n d erstrebt gewesen 9 5 ). Man schreibt ihnen wie den Diebsdaumen besonders in ostdeutschem und slawischem Gebiet die Z a u b e r k r a f t zu, zwischen Getränke oder E ß w a r e n gelegt, K ä u f e r anzuziehen, weshalb früher nach einer Hg. gierig der blutbefleckte Sand aufgegriffen worden ist 9 6 ). A b e r auch in B a d e n benützte man ,,A.t ü c h 1 e i η " (weiße Tüchlein, in die A.blut aufgefangen worden), man trug sie bei sich als Mittel gegen den E i n f l u ß böser Geister, man legte sie in die F r u c h t truhen, um die F r u c h t zu bewahren, man schob sie unter das K o p f k i s s e n der Sterbenden zur Erleichterung des Todeskampfes, man versuchte damit den Blutf l u ß der Frauen zu stillen oder gar sich die Zuneigung oder Treue einer geliebten Person zu erwerben, indem man das A.tuch in ein G e t r ä n k eintauchte, das man dann jener a n b o t 9 7 ) . Vierblättriger Klee, der unter dem Galgen mit dem B l u t eines

50

H. befeuchtet worden, ist v o n besonderer Stärke gegen H e x e n k ü n s t e 9 8 ) . So sind alle A . d i n g e „ e r p r o b t e M i t t e l " 9 9 ) , f ü r die zuweilen nur die Einschränkung gemacht wird, daß ihre wunderbare K r a f t bloß bis ins dritte Glied reiche I0°). Die Z a u b e r k r a f t der H. geht a u c h auf ihre K l e i d u n g über 101 ), vgl. hängen § 5 b. Es ist eine spätere christliche Einschränkung, wenn die Slowenen glauben, die K l e i d e r der H. hülfen gegen allerlei Übel nur dann, wenn jene bußfertig gestorben seien — eine typische Verchristlichung des altheidnischen Sühnegedankens 102 ). W i e A.finger und A . b l u t bringen auch Fetzen eines A.kleides G l ü c k i m H a n d e l 103 ). Ein Schuster wischt daher seine Stiefel 1 0 4 ), ein Hafner sein Geschirr mit einem solchen „ A . f l e c k l " 105 ), j a sogar vor dem B u t t e r n reibt man den Rührstecken damit ab 10e ). Ferner schützen A . l ä p p e n ebensogut wie A . f i n g e r Haus, Mensch und Vieh vor Hexerei v n ) . W e n n man solche L a p p e n Pferden anhängt, werden sie gleich blank 108), und das V i e h wird satt (fett), wenn man es (täglich) mit einem A . l ä p p e n putzt, über den R ü c k e n streicht 1 0 9 ) oder wenigstens mit einem A . l ä p p e n die K r i p p e auswischt u 0 ) . Es sind n a t u r g e m ä ß zuvörderst die Scharfrichter gewesen, die früher im Besitz all dieser trefflichen Mittel ihre K ü n s t e übten, und dies mitunter a u c h noch in einer Zeit, wo sie selbst nicht mehr an ihre Mittel glaubten m ) . Sie waren daher immer sehr erpicht auf den offiziellen Zuspruch v o n allem, w a s der Delinquent „ u m - und a n h a t " , dies bildete einen Teil ihres Lohnes, mit dem sie wuchern konnten 1 1 2 ) im Verein mit A b deckern, Wasenmeistern, Schäfern und Hirten 1 1 3 ). Heute sind alle diese Glücksspender mit der verminderten Gelegenheit seltener geworden, doch noch immer nicht ganz vergessen, wie mancher Scharfrichter bezeugen kann u 4 ) . " ) A m i r a Todesstrafen 224 (Literatur); S c h ö n b a c h Berthold υ. R. 148 f. ,0 ) MÉ1) schlesVk. 21 (1919), n o . Staricius 1623, 128. " ) P l i n i u s 2 8 , 1 , 7 . ") H o vorka u. K r o n f e l d 2, 211 (nach T r o e l s - L u n d Gesundheit) ; vgl. Alemannia

5i

Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

12, 29 (18. Jh.); zum Gebrauch der Päonienwurzel vgl. Z e d i e r 8, 1405. M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 204 = H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 2 1 1 ; A m i r a Todesstrafen 223. «) K ö h l e r Voigtland 418 f. *«) B i r l i n g e r Schwaben 2, 508. 27) Hmtl. 1 1 , 13. M ) S c h ö n w e r t h 3, 152; vgl. B o l t e P o l i v k a 3, 480. S8) S c h ö n w e r t h 3, 204; SAVk. 19, 227; K ü h n a u Sagen 3, 420 f. 30) S t a r i c i u s 1623, 104 f.; D r e c h s l e r 2, 241 (Beleg von 1667) ; B e c k e r Bezauberte Welt (1693) = K r o n f e l d Krieg 87; A l b e r t u s M a g n u s 4. Teil 49 Nr. 1 7 2 ; L a m m e r t 84; S c h i n d l e r Aberglaube 178. 31 ) ZföVk. 6, 123 = H u ß Aberglaube 40. 32) W. § 188; Urquell 4, 99; H e c k s c h e r 362 Anm. 190. 33) K e l l e r Grab d. Abergl. 3, 172; 5, 445. 3i ) K u h n u. S c h w a r t z 460. 3S) Brandenburgia 1916, 178. 3e) ZfVk. 20, 382 (Dithmarschen) ; Urquell 5 , 2 6 1 . 37) D r e c h s l e r 2,240; H e l l w i g Aberglaube 72. 3S) G r i m m Myth. 3, 474 Nr. 1065 ; D r e c h s l e r 2, 239 ; G r ò l i ni a n n 229; vgl. S t o r m Im Brauerhause. *·) S t r a c k Blut 46; H o v o r k a u. K r o n f e l d I, 86 f.; A m i r a Todesstrafen 223; F r i s c h b i e r Hexenspr. 106; D r e c h s l e r 2 , 2 4 1 ; H e l m Religgesch. 1, 167; K e l l e r Grab 1, 85 f.; B o c k e l Volkslieder 31 Anm. ι ; s. weitere Belege unter Diebsdaumen! 40

) Β a u m g a r t e η Aus der Heimat 2, 96. ) V o g e s Braunschweig 74. 42) S c h ö n w e r t h 3, 204. 43) D r e c h s l e r 2, 241. " ) ZföVk. 6, 1 1 9 = H u ß Aberglaube 17 = J o h n Westböhmen 285 ; F r i s c h b i e r 106; Hovorka u. K r o n f e l d 1, 86 f. 45 ) Schönwerth 3, 205. 4C) L ü t o l f Sagen 234. 47) MschlesVk. 27 (1926), 146. *") S t r a c k Blut 43 = H o v o r k a u. K r o n f e l d 1 , 8 7 . 49) S e y f a r t h Sachsen 50 287. ) D e r s . 286; Η e 1 1 w i g Aberglaube 65 ff. «) W. § 188. «) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 6; D e r s . Heimat 1869, 139 (2, 96). 53) ZfdMyth. 2, 71. 51 ) Ebd. 2, 69. sä ) D r e c h s l e r 2, 260. ä·) Geistl. Schild 155 = S c h r a m e k Böhmerwald 265. 57 ) Seyfarth Sachsen 286 = Amira s8 Todesstrafen 224. ) Marshall Arzneikästlein 31 = S e y f a r t h a. a. O. 59) JbhistVk. I, 92. " ) M a r s h a l l a . a . O . 1 1 = S e y f a r t h a. a. O. " ) W. § 190 = L ö w e n s t i m m Abergl. 108 = A m i r a a. a. O.; L i p p e r t Christentum 464. °2) Hmtl. i l , 135. " ) D r e c h s l e r 2, 242; vgl. BlPommVk. 2, 26 (1708). ··) J o h n Westböhmen 284. · 5 ) L a m m e r t 257. ··) Ebd. 271. " ) S c h r a m e k a . a . O . 267. M) A m i r a Todesstrafen 224 (Literatur!). ββ) S t r a c k Blut 43 ff.; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1 , 85 ff. (1, 87: Zusammenhang zwischen der fallenden Sucht und dem fallenden Kopfe des H.) ; 2, 216 f.; H ö h n Volhsheilkunde 1 , 1 3 1 ; H ö f l e r Volksmedizin 1893, 216; D e r s . Organotherapie 50 : Belege für den agerm. Brauch, Gefangene den Göttern zu opfern und deren 41

52

Blut aus ihren Schädeln zu trinken (Literatur) ; ZföVk. 12, 75 ff. ; L a m m e r t 2 7 1 ; ZfVk. 8, 400 (Bayern); S c h ö n w e r t h 3, 205; BIBayVk. 1 1 , 29. 3 1 ; S c h m i t t Hettingen 17. 70) P l i n i u s 28, 1 , 4 : 2 8 , 4, 43. 71 ) A r e t a e u s C a p p a d o x De curatione morborum ι c. 4; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 85. 7a) 2, 494 = W a i b e l u. F l a m m 1 , 208. " ) Z e d i e r 8, 1405 (mit Verweis auf B r e s l a u e r S a m m l u n g e n anno 1721 mens. Jun. class. IV. artic. 17 p. 644); noch Hufeland empfahl frisches Tierblut gegen Epilepsie, s. Blut ι , 1437. ,4 ) G r i m m My'.h. 3, 475 Nr. 1080; K e l l e r Grab 3, 172. 174; Strackerjan 1, 109; S t r a c k Blut 43 = H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 85 f. ") S t r a c k a.a.O. = H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 86. '·) Ο. Β e η e k e Von unehrlichen Leuten 1889, 142 = SAVk. 4, 4; S, 3 1 4 ; vgl. W o l f Beiträge 1, 223. 77) A n d e r s e n Märchen meines Lebens c. 3 = H o v o r k a u. K r o n f e l d 1 , 8 5 : 2 , 216 f. ,8 ) H ö h n Volksheilkunde 1, 1 3 1 = P f i s t e r Schwaben 42. 79) HessBl. 24, 61 f. ; W. § 190. 80 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 85 (nach Busch Volksglaube). 81 ) Aargauer Nachrichten 26. Juli 1862 = H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 86; 2, 217. 82) M o s t Sym83 pathie 150. ) H e l l w i g Ritualmord 120 ff. 84 ) E n g e l i e n u. L a h n 266 = D r e c h s 1 e r 2, 306. β5) A η d r e e Braunschweig 422 f. 8β ) W. § 190; H e l l w i g Aberglaube 67 f. 87 j A b t Apuleius 199. m) S t r a c k Blut 43 ff. ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 85; 2, 2 1 7 ; Urquell 3, 4 (Skandinavien); 4, 99 (Siebenbürgen); Löwenstimm Abergl. 144 f. " ) S t r a c k 46; H e 1 1 w i g AberB0 glaube 67; F r a ζ e r 8, 155. ) F o gel Pennsylvania 292 Nr. 1548. ·') BIPommVk. 1, 63. 84; S t r a c k e r j a n 2, 180; V o g e s Braunschweig 74; H e c k s c h e r 134; SAVk. 4, 3 f. ; L ü t o l f Sagen 234; Α. Κ e 1 1 e r Der Scharfrichter 1921, 229; Scharfrichter J o s e p h L a n g s Erinnerungen hrsg. von O. Schalk 1920, 84. 92) W. § 189 (Franken). ,z ) S c h ö n w e r t h 3, 204. " ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 24. 9i ) H o v o r k a u. Kronfeld ι , 87; ZfrwVk. 1908, 2 7 1 ; 1914. 163; Urquell 3, 210 (Berg); W. §§ 189 f. 636 f. 9δ) T o e p p e n Masuren 107; F r i s c h b i e r 106; J a h n Pommern 350 Nr. 440; S t r a c k Blut 45; ZföVk. 6, 120 = H u ß Aberglaube 20; Urquell 3, 50 f. (Polen); A η d r e e Anthropophagie 10 f. 97 ) Hmtl. 2, 18. ") S e l i g m a n n Blick 2, 69; vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 3, 484. ·») K e l l e r Grab 3, 179; J o h n Westböhmen 264. 284; D r e c h s l e r 2, 240; W. § 188. 10°) S t r a c k Blut 45. 101 ) K e l l e r Grab 3, 179. 102) ZföVk. 4, 1 5 1 . 103) B a u m g a r t e n Jahr 6; D e r s . Heimat 1869, 138 (2, 95). lM ) S c h ö n w e r t h 3, 204. 105 ) B a u m g a r t e n a. a. Ο. 10e ) S c h ö n 107 w e r t h ι , 337. ) ZfdMyth. 1, 200 (Harz) = S e l i g m a n n Blick 2, 220; ZföVk. 6,

Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

53

123 = H u ß Aberglaube 40. 10a ) Z f d M y t h . 1, 200. 10») K e l l e r Grab 1, 87 f. ; ZfrwVk. Ι9Γ4, 163 ( B e l e g v o n 1789); C u r t z e Waldeck 421 = H e s s B l . 24, 60; B a r t s c h Mecklenburg 2, 154. 447; B i r l i n g e r Schwaben 1, 399; E b e r h a r d t Landwirtschaft 15; S c h ö n -

I, 319; 3, 204; ZföVk. 6, 119 = H u ß

werth Aberglaube

19;

B a u m g a r t e n Siebenbürger

H a l t r i c h

110) D r e c h s l e r

2, 241.

a.a.O.;

Sachsen m

279.

) Belege

s.

A n g s t m a n n Henker 94; V o g e s Braunschweig 74; W. § 190. • " ) A n g s t m a n n a . a. O. ;

histVk. 1U

L i ρ ρ e r t

ι,

92.

113

Christentum

) ZföVk.

) Ζ. Β . L a n g s Erinnerungen

463 f. ;

6, 120

Jb-

(Huß).

81 fi. ; j ü n g s t e

Beispiele s. MschlesVk. 29 (1928). 4 2 5·

3. A l l e z e i t u n d überall h a f t e t d e n R i c h t s t e l l e n ein gewisses G r a u e n an, eine A n g s t , die d e u t l i c h d u r c h die V o r s t e l l u n g h e r v o r g e r u f e n w i r d , die H . g i n g e n d o r t u m u n d k ö n n t e n d e n L e b e n d e n B ö s e s zufügen. Denn man traut den gewalts a m u m s L e b e n G e k o m m e n e n 1 1 5 ) , den e n t a r t e t e n Η . l l e ) a m ehesten ein z w e i tes S p u k - L e b e n zu, und man f ü r c h t e t sich v o r ihrer R a c h e U 7 ) , der u. a. w o h l a u c h das H e n k e r s m a h l (s. d.) v o r b e u g e n h e l f e n soll. Z a h l r e i c h sind daher die S a g e n v o n g e i s t e r n d e n H . , die sich an d e n R i c h t p l ä t z e n k l a g e n d oder l e u c h t e n d zeigen, m i t V o r l i e b e in der G e i s t e r s t u n d e u n d in s t ü r m i s c h e n N ä c h ten, v g l . G a l g e n § 3, h ä n g e n § 4 b, enth a u p t e n § I b, W i e d e r g ä n g e r . S o hört m a n v o n einer a l t e n G a l g e n stelle z u gewissen A b e n d e n u m Mittern a c h t leises W i m m e r n v o n e i n e m d o r t h. V e r b r e c h e r 1 1 8 ) . E i n a n d e r e r H . , dessen L e i c h e in S t ü c k e g e h a u e n u n d v e r s c h i e d e n b e g r a b e n w o r d e n , g e h t in der Geisters t u n d e u m , seine K ö r p e r t e i l e z u s a m m e n z u s u c h e n 1 1 9 ) . D i e Geister der H . sind so n a c h t s auf den einstigen R i c h t p l ä t z e n a u c h z u sehen, meistens m i t d e m K o p f u n t e r m A r m 1 2 0 ) oder m i t e i n e m r o t e n R i n g u m d e n H a l s 1 2 1 ) . D e n n die V e r s t ü m m e l u n g n i m m t der H . m i t in sein z w e i t e s L e b e n 1 2 2 ), v g l . k o p f l o s . M a n k a n n die G e s p e n s t e r m i t ihren eigenen K ö p f e n k e g e l n sehen 1 2 3 ), u n d sie v e r s e t z e n a b s i c h t l i c h oder u n a b s i c h t l i c h den s p ä t e n W a n d e r e r in schwere A n g s t 1 2 4 ) . Sie greifen sogar mitunter an ihrem Richtund Grabplatz Vorübergehende schlimm an, so d a ß m a n c h e r sein L e b e n l a s s e n

54

m u ß 1 2 5 ). W e n n m a n a b e r f ü r ihre „ s c h a m r o t e n S e e l e n " b e t e t , k ö n n e n sie sich sehr w o h l als d a n k b a r e H e l f e r erw e i s e n 1 2 8 ) . V o r einer neuen E x e k u t i o n zeigen sich die S c h a t t e n der f r ü h e r H . besonders gerne, w i e a l l g e m e i n die Seelen f r ü h e r V e r s t o r b e n e r erscheinen, w e n n einer s t e r b e n s o l l 1 2 7 ) ; v g l . das „ G a l g e n w e i b l e " , G a l g e n § 3 A n m . 19. E i n e n a h e liegende S a g e l ä ß t d a g e g e n die Geister einer E r m o r d e t e n d e m Mörder seine H g . i m v o r a u s a n z e i g e n 128 ). Das z w e i t e s p u k h a f t e Leb e n der H . ist also ebenso a n den T o d e s - und Β e g r ä b η i s ρ 1a t ζ g e b u n d e n w i e das U m g e h e n der S e l b s t m ö r d e r (s. d., h ä n g e n § 4 b). A u ß e r d e m bleiben aber, w o eine H g . s t a t t g e f u n d e n h a t oder eine R i c h t s t e l l e , ein G a l g e n gewesen ist, a u c h d e m B o d e n unauslöschliche Merkmale eingeprägt: es w ä c h s t kein G r a s 1 2 S ), die L ö c h e r f ü r den G a l g e n k ö n n e n n i c h t e i n g e e b n e t w e r d e n 130 ). In D e u t s c h l a n d f i n d e n sich j e d o c h diese u n d a n d e r e w u n d e r l i c h e Z e i c h e n f a s t nur als Z e u g e n einer ungerechten Hg., s. G o t t e s u r t e i l § 14. D e r O r t der H g . ist d e s w e g e n seit alters a u c h z u m B e g r ä b n i s p l a t z der H . g e w o r den, weil die F u r c h t v o r i h r e m gefährlichen U m g a n g im V e r e i n m i t der s t e i g e n d e n V e r a c h t u n g des z u m ausgestoßenen Sünder gewordenen Opfers d a z u g e f ü h r t h a t , d a ß m a n die H . n i c h t ehrlich u n t e r ehrlichen L e u t e n a u f d e m g e w e i h t e n F r i e d h o f , s o n d e r n a n d e r gebannten Richtstätte, dem „ S c h i n d a n g e r " bestatten wollte l31), j a überhaupt nicht i m G e m e i n d e b e r e i c h duldete, v g l . h ä n g e n § 4 b, B e g r ä b n i s I, 993. D e n n das B e g r ä b n i s eines H . b r i n g t (wie die B e s t a t t u n g eines S e l b s t m ö r d e r s ! ) H a g e l über die F e l d e r der G e m e i n d e 1 3 2 ). U m n u n den H . ihr t r o t z aller V o r s i c h t g e f ä h r l i c h e s D a s e i n als W i e d e r g ä n g e r oder gar als n i c h t v e r w e s e n d e V a m p i r e ( N a c h z e h r e r ) zu nehmen, h a t m a n sie n o c h i m 17. J h . v e r brannt und dadurch ihrem Wesen mit der v ö l l i g e n V e r n i c h t u n g des L e i b e s a u c h den z w e i t e n T o d z u b e r e i t e n g e g l a u b t 1 3 3 ) . A u c h eine R e i h e anderer, bei den Germ a n e n besonders l a n g e e r h a l t e n e r V o r -

55

Hingerichteter, Armsünder, Hinrichtung

kehrungen sind durchaus als A b w e h r m a ß n a h m e n aufzufassen, so, über das Verbannen der Leiche an einen abgelegenen Platz hinausgehend, der Brauch, dem Verbrecher die Augen zu verhüllen, dem Geköpften das Haupt zwischen die Beine zu legen oder ihn mit Dornen zu bedecken, bzw. zu durchp f ä h l e n 1 3 4 ) ; vgl. Begräbnis 1 , 9 8 7 ; enthaupten § 2 c, pfählen. Eine Gruppe von Sagen läßt den soeben h. Körper durch die W i l l e n s k r a f t des H. noch eine kurze Weile im eigentlichen Sinne belebt sein, um noch eine bestimmte Handlung auszuführen. E s kann nicht nur ein geschickter Scharfrichter den Enthaupteten einige Schritte weit führen — vgl. enthaupten § I b — der H. vermag auch selbst noch eine bestimmte Strecke im Lauf zurückzulegen, sei es um seine Mitschuldigen freizulösen l 3 s ) oder um seinen Hinterbliebenen das Land, das er ohne Haupt zu durchlaufen imstande wäre, zu gewinnen 1 3 6 ), oder um seine Unschuld darzutun 1 3 7 ). Aus mittelalterlicher Zeit her lassen Sage und Volkslied unschuldig Verurteilte und Gehängte durch Hilfe eines Heiligen wunderbar am Leben bleiben, ζ. B . einen Jakobspilger 1 3 8 ). Denn man glaubte, der Körper eines u n s c h u l d i g H. könne n i c h t a u f h ö r e n z u l e b e n , zu bluten l 3 9 ), s. w. U n s c h u l d z e i c h e n , G o t t e s u r t e i l §14. Wie drastisch-sinnlich und wenig schemenhaft man sich aber auch das zweite Leben der H. vorgestellt hat, zeigen die verbreiteten Erzählungen von dem auf eine übermütige Einladung hin leibhaftig sich einfindenden G a s t v o m Galg e n — in der Zimmernschen Chronik sind es sogar drei dürre Brüder — und von dem gehenkten Toten, der zürnend um Mitternacht auftaucht, um ihm geraubtes Eingeweide, gewöhnlich Leber oder Lunge, zurückzuverlangen, s. hängen § 4 b Anm. 1 1 6 — 1 1 8 . Daß ein gehängter Dieb seine ihm von einem Stendaler Branntweinbrenner zu Zauberzwecken gestohlene Hirnschale nachts zurückfordert, berichtet schon Remigius in seiner 1693 erschienenen Daemonolatria,

56

ebenso begehrt nach des Francisci Höllischem Proteus (1695) ein v o m Anatom sezierter Verbrecher seine Haut beim Gerber wieder 1 4 0 ). Kein Wunder, daß man unterm Galgen soll das Fürchten lernen können, vgl. Grimms Märchen 1 4 1 ). Auch die alte, stark religiös gefärbte Rechtsgewohnheit, eine Hg. an der L e i c h e eines seiner Strafe entgangenen Verbrechers oder eines ¿elbstmörders zu vollziehen, ist nur ermöglicht durch den Glauben an den lebenden Leichnam, an die sinnliche Fortdauer der Persönlichkeit auch im „ t o t e n " Körper, aus welcher Vorstellung sich einst sogar noch in christlicher Zeit geradezu ein Recht der Toten entwickelt zeigt 1 4 2 ), vgl. Recht, Toter. Daher gräbt man ζ. B. im 13. J h . in Antwerpen nach vier Jahren die Leiche eines Ketzers wieder aus, um sie durch Verbrennung zu r i c h t e n 1 4 3 ) — nicht nur ein symbolischer Akt, wie wir heute zu deuten geneigt sein möchten! A n g a n g : Als verhängnisvoll wurde früher der Angang eines zur Richtstätte geführten A.s aufgefaßt; wenn eine Schwangere ihm begegnete oder gar nachfolgte, j a nur seinen Weg kreuzte, mußte ihr K i n d des gleichen Todes sterben 144 ). 115 ) Vgl. NdZfVk. 5, 232 ff.; 6, 1 3 3 ; N a u m a n n Gemeinschaftskultur 34 f. u e ) A m i r a Todesstrafen 66 f. 1 1 7 ) Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Geister der H. werden daher z. B. auch in Afrika und China getroffen, Frazer 3, 1 7 1 f. 180 f.; vgl. R o h d e Psyche 1, 277. 11β ) L ü t o l f Sagen 174 f.; NdZfVk. 5, 234; S é b i 1 1 o t Folk-Lore 4, 210. 119 ) Eckart Südhannover. Sagen 10. 1S0 ) B o h n e n b e r g e r 7 (97); K i i h n a u Sagen ι, 59. m ) M e i c h e Sagen 187. m ) NdZfVk. 5, 234 ff. l í 3 ) M a c k e n s e n Nds. Sagen 17 f. I 2 J ) S c h e l l Bergische Saqen 96. m ) H e c k s c h e r 82; MschlesVk. 21 (1919), 1 3 7 I "«) L ü t o l f Sagen 146 f.; vgl. B o l t e P o l i v k a 3, 5 1 3 (der dankbare Tote); in außerdeutschen Gebieten findet sich sogar hier und dort geradezu ein gewisser K u l t der H., vgl. R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Ethnograph. Curiositäten 2 (1879), 26; F L . 21, 168; Ρ i t r è Proverbi motti e scongiuri sicil. (191°), 4 1 6 ; T r e d e Das Heidentum in der römischen Kirche 3 (1890), 3 1 ff. (Gehenkte als Schutzgeister in Sizilien) ; man bittet aber auch in Franken zum Tod Verurteilte um ihre besonders wirksame Fürsprache im Himmel, W. § 190. 1S7 ) ZfVk. 15, 4; vgl. G o e t h e s Faust

57

hinken

ι . 4399 ff· (Szene am Rabenstein). 12e) BlPommVk. 10, 149. 12i) A m i r a Todesstrafen 230; S é b i l l o t Folk-Lore ι, 197 f. ; 4, 210. 13 °) B o h n e n b e r g e r 7 (97). m ) A m i r a a . a . O . 130; D e i s . Grundriß 238; B r u n n e r Rechtsgesch.1 i , 247; K l a p p e r Erzählungen Nr. 67; SAVk. 26, 161. 1 3 i ) Ale133 mannia 10, 12 (18. Jh). ) NdZfVk. 6, 25. 134 ) Amira Todesstrafen 1 3 1 . 203. 2 1 3 ; SAVk. 26, 162; S c h w e i n Menschenopfer 28 ff. 13s) A n g s t m a n n Henker 108 Anm. 2. »·) W a i b e l u. F l a m m 2, 288 f.; Urquell 4, 253 = Κ ü h η a u Sagen ι, 16. 137 ) K i i h n a u a . a . O . r, 1 5 ; R o c h h o l z Sagen 2, 128. 138) B o c k e l Volkslieder 8 ff. Nr. 2; SAVk. 2, 223 ff. ; es ist auch schon griech. Glaube gewesen, daß den unschuldig H. ein Wunder rette, R o h d e Griech. Roman 392 Anm. 139) B o c k e l a. a. O. ; Chroniken der deutschen Städte 14, 737 (Köln 1400) ; Stretlinger Chronik (hrsg. von J. Β ä c h t ο 1 d) 54; W o l f Niederl. Sagen 255; M e i c h e Sagen 639; K r u s p e Erfurt 2, 12; Alemannia 8, 277; B i r l i n g e r Schwaben ι, 47; L ü t o l f Sagen 368; Germania 10, 447; B o l t e - P o l i v k a 1, 25; G e r i n g Aeventyri 2, 172. l40) B o l t e - P o l i v k a 3, 480 (slaw. Parallelen); S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 152; G r ä s s e Preußen 1, 173. »") B o l t e - P o l i v k a i, 22 ff. 142) H. S c h r e u e r Das Recht der Toten in ZfvglRw. 33. 333 ff· 354; 34. ι ί ί · ; R o h d e Psyche 1, 2 1 7 . 322 ff.; ZfKg. 7, 52 ff.; A m i r a Grundriß 241; S c h r ö d e r Rechtsgeschichte' 838 Anm. 28 b. 143) ZfvglRw. 33, 420. 144) G r i m m Myth 3, 449 Nr. 465 (Rockenphilosophie) ; Keller Grab d. Abergl. 5, 297. 4. Die H g.s s ρ i e 1 e , die unter den F r ü h l i n g s b r ä u c h e n , in der R e gel den P f i n g s t b r ä u c h e n , aber auch bei den E r n t e f e s t e n (Kirchweih) der meisten deutschen Landschaften, v o r allem in Süddeutschland v o m Rhein bis Siebenbürgen begegnen, sind nicht als spielerische Nachahmungen eines öffentlichen, schauerlich-reizvollen Aktes der Rechtsprechung entstanden, sondern sie enthüllen sich bei näherem Zusehen als in das Spiel der J u g e n d gesunkene Überbleibsel alten Regenund Fruchtb a r k e i t s z a u b e r s 1 4 S ). Die feierliche T ö t u n g (Verwandlung !) d e s W a c h s tumsgeistes durch E n t h a u p t e n bzw. die Wassertauche oder das Verbrennen ist in christlicher Zeit allmählich zum sinnlosen Hg.sspiel geworden, in dem die alten kultischen Formen nun durch scherzhafte Nachahmungen des

58

Rechtslebens, gewöhnlich in seiner Gestalt im 18. J h . , ersetzt sind. Denn hierbei f e h l t im allgemeinen weder ein nach bestimmter Überlieferung sich abwickelnder Prozeß noch der Henker, der das Todesurteil spricht und vollzieht und so dem Pfingstdreck einen falschen Kopf abschlägt, einen Frosch enthauptet, die F a s t n a c h t k ö p f t u. dgl. m. 1 4 6 ). Solches Hg.sspiel f i n d e t sich auch mit einem Burschenschaftsfest verbunden, dem luxemburgischen A m e c h t (s. d.) a m K i r mestage, hier haben sich Zauberreste des alten Erntefestes in den spielerisch a u f genommenen Formen eines späteren Rügegerichts bis ins 19. J h . erhalten 1 4 7 ). Auch das Gericht der Burschen über die Dorfmädchen ist da und dort ganz zum Scharfrichterspiel g e w o r d e n 1 4 8 ) , v g l . Gericht. S. w. enthaupten § 2 a, hängen I I (Henkengehen), Pfingstbutz, Pfingstl u. a. m., Regenzauber, Vegetation, F a s t nacht, Todaustragen. l45 ) M a n n h a r d t 1, 321 ff. 343. 353 ff. 386. 514; G e s e m a n n Regenzauber 70 f.; Amira Todesstrafen 2 1 2 ; F r a ζ e r 4, 207 ff. 227 ff. 14β) M a n n h a r d t a. a. O. ; M e y e r Baden 140ft. 158; M e i e r Sagen 371. 409 ff. ; B i r l i n g e r Schwaben 2, 98 ff.; D e r s. Volksth. 2, xoo ff. ; F i s c h e r SchwâbWb. 5, 703; P a n z e r Beitrag r, 236; 2, 444; R e i n s b e r g Böhmen 231 ff. 253 ff. 262 ft. 269 ff. ; L e h m a n n Sudetendeutsche 146. 150; S c h u l l e r u s Siebenbürgen 142 f.; F. A. R e i m a n n Deutsche Volksfeste im ig. Jh. 17 f.; A n g s t m a n n Henker 103 f. ; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 198. 203. l4 208. ') Zur Lit. unter „Amecht" vgl. U s e n e r Vorträge u. Aufsätze 1907, 149ft. 153 = A n g s t m a n n 82. 104. ,4S) L e h m a n n a. a. O. 146; M a n n h a r d t 1 , 3 5 5 ; H o f f m a n n - K r a y e r 61. A. g 1 o c k e

s.

Wahrzeichen. Müller-Bergström.

hinken. Von den Namen des Teufels, die sich auf seine äußere Gestalt beziehen, ist der h . d e T e u f e l (Diable boiteux, Hinkebein) einer der bekanntesten: der Teufel erhielt einen lahmen F u ß beim S t u r z aus dem Himmel, gleich wie der von Zeus herabgeschleuderte H e p h ä s t *), oder weil er, mit Schlingen von B a s t gefesselt, auf dem Amboß mit dem H a m m e r geschlagen wurde 2 ). Nach dem Glauben der Ober-

59

hinken

pfalz h i n k t er, weil er einen Bocks- oder P f e r d e f u ß , manchmal beide zugleich h a t 3 ) , nach demjenigen in der Schweiz, weil er das Felsstück, welches er auf die betende hl. V e r e n a schleudern wollte, auf seine eigenen F ü ß e fallen ließ 4 ). W i e der Teufel, so h. auch seine T r a b a n t e n : die H e x e n h. o f t 5 ) ; im Kinderspiel h o l t eine H . d e gleich einer H e x e ein K i n d nach dem andern aus der Schar zu sich e ). Caspar Peucer berichtet in Ü b e r e i n s t i m m u n g mit Melanchthon, daß die W e r w ö l f e vornehmlich in den Z w ö l f t e n ihr W e s e n treiben; ein h.der K n a b e r u f t in der Christnacht die Teufelsleute zusammen '). Die U r s a c h e d e s H.s wird verschieden a n g e g e b e n : A l s einst böse B u b e n den Kochkessel der Zwerge beschmutzten, riefen die Zwerge den K n a b e n einen Fluch nach, so daß sie Zeit ihres Lebens h. m u ß t e n 8 ) . A u f einer Pilgerfahrt nach dem Berge G a r g a n o in die Höhle des Erzengels Michael berührte ein Engel die H ü f t e K a i s e r Heinrichs II., „ a l s o daß er v o n jener Stunde an h.d ward, um seiner K e u s c h h e i t willen, weil Gott jene züchtigt, welche er lieb h a t " 9 ). D a s V o l k f ü r c h t e t den A η g a η g eines H.den als übles Vorzeichen 1 0 ) : „ U n d so er (d. h. Johannes Freiherr v . Zimmern) dahin ritt, b e k a m im ain h.der Mensch, so w a n d t er sich wieder u m b und ritt ain andern weg, unangesehen wie fern derselbig u m b wer g e w e s e n " 1 1 ). E i n Fuchs, ein altes W e i b oder ein h.der Hund, welche dem Jäger über den W e g laufen, sind diesem Zeichen eines beutelosen Tages12). Paul Verlaine glaubte, daß, wenn er morgens einen H.den träfe, dies ein schlechtes Vorzeichen sei, zwei H.de bedeuteten eine sichere K a t a s t r o p h e . A b e r zeigte sich ein dritter, dann w a r das U n g l ü c k bis auf weiteres beschworen. H a t t e er nun zwei H.de getroffen, so n a h m er, der selbst lahmte, gewöhnlich zu einer List die Zuflucht. E r s t e l l t e sich vor den Spiegel einer Auslage, betrachtete sich selbst als dritten H . d e n und hielt damit die Gefahr bis auf weiteres f ü r a b g e w e n d e t 1 3 ) . Ein bezaubertes Schloß kann nur durch

60

einen schwarzen Hahn, der h.d geboren wurde, erlöst w e r d e n 1 4 ) . W e n n man einer Ziege ein rotes T u c h an einen F u ß bindet, so h i n k t sie l 6 ). Die vorislamische Religion Arabiens k a n n t e ein kalendarisches Fest (Hagg), dessen Riten das Pilgern zum Heiligtum und den Hink- und L a u f s c h r i t t rings u m den T e m p e l e r f o r d e r t e n 1 β ) (vgl. oben 3, 441). Beim E h e t a n z im L a n d bezirk D a c h a u und B r u c k h i n k t die B r a u t . Der B r ä u t i g a m beschuldigt sie, daß sie das T a n z e n nicht könne. Der Hochzeitlader legt sich ins Mittel, sucht mit einem L i c h t e und Besen, woher das H. der B r a u t k o m m e und kehrt dreimal die vermeintlichen Hindernisse aus dem W e g e . Endlich bemerkt er, daß im Schuh der B r a u t ein Nagel drücken müsse. Die B r a u t zieht den linken Schuh a b ; darin ist ein Geldstück, das die Musikanten bekommen. Ebenso h. a u c h die K r a n z l j u n g f r a u e n und sonstige wohlhabende Mädchen, welche damit groß tun wollen. Haben alle gehinkt, wird noch einmal herumgefegt, dann zur Türe hinaus, und aus ist der T a n z 17 ). Im Kreise O l m ü t z in Mähren heißt die letzte Garbe Z e b r a k (Bettler); ein altes W e i b erhält sie, das damit auf einem F u ß e nach H a u s e h. m u ß 18). D a s abwechselnde H. auf dem rechten und linken Bein soll schon im A l t e r t u m als Mittel gegen die Faszination gegolten haben l e ). Gegen das H. half das A n r u f e n des hl. Claudius x ) , bei Vieh wurden Segen gesprochen (Verrenkungssegen) 21 ). Grimm Myth. 2, 829; Paul yW i s s o w a 8, i, 333 ff. 335. 336. ') G r i m m Myth. 2, 844 f. nach Mährische Sagen (Brünn 1817), 69. 72. 123. 3) S c h ö n w e r t h 3,39. 4) K o h l r u s c b Sagen 344 i. Nr. 21 = H e r z o g Schweizersagen 2, 174 Nr. 158. 5) H e y ! Tirol 305 Nr. 122. ") ZfVk. 30—32, 58. ') S i e b e r Sachsen 205; ZfVk. 30—32, 128. 8) S c h e l l Berg. Sagen 283 Nr. 49 = Μ ο η tanus-Waldbrühl Vorzeit 1, 109. ·) Bavaria 3, 1, 277. 10) G r i m m Myth. 2, 942 ; Meyer Aberglaube = A ηhorη Magiologia (1674) 152." ZfVk. 4, 47 f. (mit antiker Lit.); S t e m p l i n g e r Abergl. 45. u) B i r l i n g e r Schwaben 1, 376. I! ) K o h i r u s e h 399. 13) Werke (Inselverlag) 2. Bd. 14) (Lebensdokumente). M ü l l e n h o f f



Hinterer

Sagen 351 Nr. 467; G r i m m Myth. 3, 192. I5 ) H ü s e r Beiträge 2, 28 Nr. 28. »·) J e r e mias Religgesch. 93. ") H a r t m a n n Dachau und Bruck 219 Nr. 1 1 . 18) M a n n h a r d t Forschungen 49 = F r a z e r 7, 232. 284. 10) S e 1 i g m a η η Blich 2, 288 f. (ohne Belege!). 20) Oeuvres facétieuses de Noël du Fail 2 (Paris 1874), 7 1 = G e r h a r d t Franz. 21 Novelle 55. ) Albertus Magnus Egypt. Geh. 2, 57. Bächtold-Stäubli.

Hinterer (Arsch). I. Sprichwörtlich heißt es in B a y e r n : Die zweite Frau hat einen silbernen H.n, die dritte Frau ist Königin J ). Für häßlich gilt ein zu breiter H., „ e n Arsch wie-n-e W a n n e " 2 ) . Die eine der drei Spinnerinnen 3 ) hat ein breites Gesäß ; Frau Venus hat im Narrenschiff einen „ströwen a r s " 4 ). Der Letzte im Zuge des Nachtvolkes hatte eine Kochkelle im H.n stecken 5 ). Eine angehende Hexe stellt der Teufel beim Hexentanz auf den Kopf und steckt ihr ein Licht in den After 6 ). Der dumme Hans trifft mit seinem Schiff, das zu Wasser und Land geht, einen Mann, „der hatte in seiner H.thür einen großen Zapfen stecken"; „ W e n n ich ihn herauszöge", erklärte er, „könnte ich ein ganzes Königreich vollmachen" 7 ). Wenn man in Wollbach (Baden) nachts in den Spiegel schaut, sieht man dem Teufel in den H.n 8 ). An den letzten Faschingstagen geht in Böhmen die Frau Hille um, und wenn in irgendeinem Hause nicht abgesponnen ist, wischt sie sich mit dem Flachse den H.n ab 9 ). Sächsische Sagen wissen zu erzählen, wie der Teufel einen Müllerburschen, der ihn in der Mühle belauschte, auf den Schleif- (resp. Mühl-) Stein setzte und ihm dadurch den H.n aufs ärgste verstümmelte, aber auch, wie dem Teufel selbst dieses Mißgeschick passierte 1 0 ). Die Spur von des Teufels H.n findet sich heute noch in Externsteinen (s. d.) u ) . ') L a m m e r t 157. 2) M e y e r Baden 164 und die verschiedenen Mundart-Wörterbücher. 3 ) Grimm KuHM. Nr. Γ4 und Lit. bei B o l t e - P o l i v k a 1,109«.; Wolf Beiträge 2, 224; M a n n h a r d t Germ. Myth. 672 f. ') M e y e r Myth. 275. 282 ; G r i m m Myth, ι, 223. 224; 3, 86. 5) V o n b u n Beitr. 7 ff. ') Thür. Mitth. VI. 3, 69 = G r i m m Myth. 2, 896. ') M e i e r Märchen 1 1 4 f. Nr. 3 1 . ·) Ca. 1890, mündlich. ·) G r o h m a n n

62

ι Nr. 2. 10 ) M e i c h e Sagen 443 Nr. 580; 477 Nr. 6 1 8 ; H a u p t Lausitz r, 90 Nr. 97. n ) G r ä s s e Preußen 1, 734 Nr. 783.

2. Das Z e i g e n d e s H.n ist ein außerordentlich verbreiteter Zauberbrauch. Heute zwar wird es meist als ein Zeichen der V e r h ö h n u n g aufgefaßt : Mitte Mai 1 9 1 3 haben z. B . mehrere Soldaten und Zivilpersonen auf dem serbischen Dampfer „ B e l g r a d " , der sich bei Semendria dem Ufer näherte, die dort aufgestellte ungarische Wache „durch Entblößen eines gewissen Körperteils verhöhnt. Die Wache feuerte mehrere Schüsse ab, durch die der K a p i t ä n des Schiffes und ein Reisender verletzt wurden" 1 2 ). Nach einer Sage wurde ein Freiburger Student, der dem hohen Kruzifix bei der Martinskirche in seiner Trunkenheit zum Hohn den bloßen H.n zeigte, zur Strafe in ein K a l b verwandelt und spukt seither als 'Stadttier' in den Straßen 1 3 ). Herzog Johann von Görlitz benutzte fliehend eine kurze R a s t auf einem Aussichtspunkt, um der Stadt „sein Antlitz zu zeigen, aber nicht sein vorderes, und einen einladenden Wunsch d a z u " auszusprechen 1 4 ). Besonders geläufig finden wir diese Sitte in Sagen von Belagerungen. Die Weiber von Fritzlar zeigten, wie die Chronik von J o h . Rothe erzählt, dem Belagerer Konrad den „blanken Spiegel" über die Zinnen herab, und Ahnliches wird vom bernischen Burgdorf berichtet 1 6 ). Die Beispiele ließen sich leicht h ä u f e n l e ) : schon im Altertum galt es als eine schwere Beleidigung, jemandem die Schamteile zu zeigen, man mußte sie daher im Verkehr mit der Gottheit bedecken 1 7 ). Ursprünglich ist jedoch das Zeigen des H.n ein A b w e h r brauch 18 ) : es schützt namentlich gegen den b ö s e n B l i c k 1 ' ) . Schon der Leipziger Gelehrte Prätorius erzählte 1669, daß Mütter, um ihre Kinder vor dem Berufen zu schützen, bei verdächtigen Worten sagen: „ L e c k e mich im A r s e " Diese berüchtigten Worte Götz von Berlichingens werden in der Schadenabwehr häufig gebraucht; man wiederholt sie möglichst rasch dreimal,, beim zweiten Male mit Inversion, wobei.

63

Hinterer

das z u m Z w e c k e des B e r u f e n s G e l o b t e als O b j e k t g e n a n n t w i r d 2 1 ). Ist i m Nord e n d a s K i n d v o n einer H u r e v e r s e h e n worden, hat Skrofeln bekommen, so w i r d es gesund, w e n n m a n die erste b e s t e G e l e g e n h e i t b e n u t z t , ihr den H . n des K i n d e s zu z e i g e n 2 2 ) . Der „ F e u l l a t o n " , ein g e f ü r c h t e t e r W i r b e l w i n d in Salv a n (Wallis), m u ß einen v e r s c h o n e n , w e n n m a n i h m d e n H . n z e i g t 2 3 ) . W e n n der i t a l i e n i s c h e F i s c h e r auf o f f e n e m Meere v o m S t u r m ü b e r r a s c h t w i r d u n d einen e r s t g e b o r e n e n S o h n u n t e r seinen Seeleut e n h a t , m u ß dieser g e s c h w i n d seine H o s e n f a l l e n lassen u n d , w ä h r e n d seine K a m e r a d e n S t . B a r b a r a und S t . F r a n z i s k u s a n r u f e n , d e m U n w e t t e r seinen b l o ß e n H . n z e i g e n ; der S t u r m w i r d d a n n gleich i n n e h a l t e n 24 ). A u c h g e g e n H a g e l k a n n dieser Z a u b e r b e n ü t z t w e r d e n : W e n n gar nichts gegen aufziehenden Hagel h i l f t , b ü c k e n sich die n a c k t e n h u z u l i s c h e n Z a u b e r i n n e n u n d z e i g e n d e m H a g e l den b l o ß e n H . n 2 δ ) . 1653 h a b e n u m Sorau h e r u m B l e i c h w e i b e r eine s e c h z e h n w ö chige D ü r r e v e r u r s a c h t , i n d e m sie jedesmal, w e n n eine R e g e n w ö l k e a m H i m mel erschien, m i t d e m b l o ß e n H . n r ü c k w ä r t s g e g e n sie l i e f e n u n d d a z u s a g t e n : „ R e g n e mir in den H . n u n d n i c h t auf m e i n e L e i n e w a n d " , w o r a u f die W o l k e v e r g i n g 2 6 ) . W i e m a n die W i n d - u n d S t u r m d ä m o n e n d u r c h das Z e i g e n des H . n v e r t r e i b t oder ihre K r a f t b r i c h t , so auch G e i s t e r : Der Solothurner Flößer b e e h r t e den B u r g g e i s t v o n O b e r - G ö s g e n , d e r die F l ö ß e r k n a b e n h i n d e r t e , das T r e i b h o l z a u s der A a r e z u fischen, m i t einer sehr u n a n s t ä n d i g l a u t e n d e n E i n l a d u n g u n d v e r a n s c h a u l i c h t e sie, u m g a n z v e r s t a n d e n z u sein, d a m i t , d a ß er die H o s e n f a l l e n ließ. N u n k o n n t e n die K n a b e n l a n d e n , der A l t e a b e r t r u g einen ges c h w o l l e n e n K o p f d a v o n 2 7 ) . In D ä n e m a r k e r z ä h l t m a n sich v o n e i n e m Manne, w e l c h e r des N a c h t s v o n einer u n h e i m lichen b r e n n e n d e n T o r f m i e t e v e r f o l g t w u r d e ; er ergriff a m E n d e das l e t z t e Mittel, k e h r t e ihr d e n B l o ß e n zu, u n d sie verschwand augenblicklich28). Zur A b w e h r des T o t e n g e i s t e s s e t z t m a n sich in d e r O b e r p f a l z m i t d e m b l o ß e n H . n auf

64

das (Leichen-) B e t t , v o n d e m e b e n der Tote genommen wurde29). W e n n man d e m (Geld-) D r a c h e n die b l a n k e S c h e i b e des H . n z u k e h r t , l ä ß t er e t w a s v o n s e i n e m Gelde fallen, d a s m a n sich d a n n a n e i g n e n k a n n 3 0 ) . A u c h der nordische N i ß w u r d e a u s d e m Hof v e r t r i e ben, als die M a g d ihren Unterrock über den K o p f warf u n d g e b ü c k t r ü c k lings in den S t a l l s c h r i t t 3 1 ) . Ebenso g e h t der a l t e S c h w a n k zweifellos auf u r s p r ü n g l i c h e A b w e h r des T e u f e l s z u r ü c k : D e r B a u e r soll d e m T e u f e l ein T i e r zeigen, das er noch nie gesehen. D e r B a u e r b e s t r e i c h t seine n a c k t e F r a u m i t H o n i g , w ä l z t sie in F l a u m , u n d die F r a u n ä h e r t sich d e m T e u f e l r ü c k w ä r t s auf allen V i e r e n g e h e n d 32 ). S c h l a g e n die K ü h e b e i m M e l k e n , so soll sich die M a g d m i t d e m n a c k t e n H . n auf den M e l k s c h e m e l setzen, d a n n w e r d e n die T i e r e r u h i g s t e h e n ( B r a n d e n burg) 33 ). W i e den D r a c h e n h i n d e r t m a n die B i e n e n dadurch daran, auszuschwärmen, d a ß m a n ihnen das G e s ä ß z e i g t 34 ) (vgl. oben 1, 1243). W e n n in F l a n d e r n ein B u r s c h e z u m Militär e i n b e r u f e n w i r d u n d b e i m L o s z i e hen, u m v o m M i l i t ä r d i e n s t frei z u w e r d e n , eine hohe N u m m e r w ü n s c h t , so m u ß er in eine g e w i s s e Kapelle ( w e l c h e ? ) h i n e i n g e h e n u n d d e m d o r t bef i n d l i c h e n H e i l i g e n b i l d e (welcher H e i l i g e ? ) den b l o ß e n H . n z e i g e n ; d a n n erh ä l t er die g e w ü n s c h t e N u m m e r 3 5 ). V i e l l e i c h t ist es eine V e r s t ä r k u n g solc h e n A b w e h r z a u b e r s , w e n n m a n sich b ü c k e n u n d d u r c h die e i g e n e n B e i n e hind u r c h s c h a u e n m u ß ; d e n n ohne d e m A b z u w e h r e n d e n den H . n z u z u k e h r e n , ist diese S t e l l u n g j a u n m ö g l i c h 3 e ) . E t w a s A h n l i c h e s ü b e r l i e f e r t s c h o n der P a p i e r k o d e x des 14. oder 15. Jhs. in der B i b l i o t h e k zu S t . F l o r i a n : „ i t e m a n d e m s u n n b e n t t a g ( S o n n w e n d t a g ) , so g e h t aine ersling (ärschlings, r ü c k w ä r t s ) auf allen v i e r n m i t p l a s s e m (bloßem) leib z u irs n a c h t p a h r i n t a r (Tor), u n d m i t den f u z zen steigt s y ersling an d e m t a r a u f , u n d m i t ainer h a n d h a l t s y sich, v n d m i t der a n d e r n sneit s y d r e y s p a n aus d e m t a r

Hinterer

65

v n d s p r i c h t zu d e m ersten span s p r i c h t s y 'ich sneit den ersten span, noch aller milich w a n ' , z u d e n a n d e r n a u c h also, z u d e m d r i t t e n s p r i c h t s y 'ich mist den dritt e n span, n o c h aller meiner n a p p a u r i n n e n milich w a n ' , v n d geh ersling auff allen v i e r n her w i d e r d a n h a i m " 37 ). " ) Basler Nachrichten vom 15. Mai 1913. ) Baader Sagen (1851), 48 Nr. 58. ) P e u c k e r t Sagen 27. " ) K o c h h o l z Glaube 2, 317 t.; Germania 31 (1886), 206; D W b . I, 565 f. ; SAVk. 21 (1917), 97 f. " ) Vgl. z. B . ZfVk. I i (1901), 426; Ρ i t r è Usi 2, 372 Anm. 5; 4, 323; Mélusine 3, 211; A n d r e e Parallelen 2, 51; S i t t l Gebärden 124; S e 1 i g m a η η Blick 2, 206; V i s s c h e r Naturvölker 2, 274 {f. " ) U s e n e r Götternamen 179 f.; B o e h m De symbolis Pythagoreis (1905). 5 2 f- ! F e h r 1 e Keuschheit 38. " ) Η ο · v o r k a - K r o n f e l d ι , 38; 2,130 f. " ) S e l i g m a η η Blick 2, 275; SAVk. 21 (1917), 98; AnzschweizAltertumsk. 16 (1914), 63 f. ; J a h n Böser Blick 30 f. und Tafel I I I ; Germania 31 (1886), 207. ">) Glücks-Topf 412 = Seyί a r t h Sachsen 47. 2 I ) S e y f a r t h 47 ; F r i s c h b i e r Hexenspruch 9. 10; ZfrwVk. 2 (1905), 181. 203; A n d r e e Braunschweig 386; S c h u l e n b u r g 114; S e l i g m a n n Blick 2, 367 f. " ) ZfVk. I i , 326 f. = S e 1 i g m a η η Blick 2, 206 f. = K r i s t e n s e n Folkeminder 8.328.558; T h i e l e 3 ^ . 4 9 2 . » ) R e i t h a r d Schweiz. Familienbuch 1845, 175 = Rochholz Naturmythen 65. " ) Rivista trad. pop. ι , 391 = ZfVk. 11 (1901), 426 f . ; vgl. S é b i l l o t Contes des Marins 249; J a h n Böser Blick 88 Anm. 250 = Germania 31 (1886), 207 (wo noch andere Beispiele). 2ä ) K a i n d l Ruthenen 2, 90 = W e i n h o l d Ritus 35 = ZfVk. i l (1901), 427; vgl. F e h r 1 e Geoponica 8. 15. 2β) H a u p t Lausitz 1, 195 Nr. 229 = M a g η u s Histor. Beschreibung von Sorau (1710), 214 = G r ä s s e Preußen 2, 393 Nr. 340; vgl. ZfVk. i l (1901), 427 = W e i n hold Ritus 26. " ) R o c h h o l z Naturmythen 65 = ZfVk. I i , 428 = W e i n h o l d Ritus 11; Germania 31 (1886), 207 t. = J . G. Wood The Natural History of Man. A frica (1868), 680. " ) K r i s t e n s e n Sagn 2,503. 73 = ZfVk. I i , 428. ") S c h ö n w e r t h 1, 252 Nr. 4. " ) K u h n u. S c h w a r t z 5. 421 Nr. 208; M ü l l e n h o f f Sagen 206 Nr. 280; M e i c h e Sagen 314 Nr. 413; J a h n Sagen 135. 165; BlpommVk. 4, 142; H a a s Greifswald 34 Nr. 37, I ; S c h u l e n burg Sagen 102. 103; ZfVk. 11, 427 t. Ε . Η. M e y e r Germ. Myth. 98; W e i n h o l d Ritus τι. « ) ZfVk. 8 (1898), 266 Nr. 9. 3a ) Vgl. Jegerlehner Oberwallis 232 Nr. 161; B o l t e - P o l i v k a 1, 398 ff. zu G r i m m KHM. Nr. 46 ; ZfVk. 8, 266 Anm. 2. 33 ) ZfVk. ι , 185 Nr. 4 = W e i n h o l d Ritus 42. M ) ZfVk. 11,428; L i e b r e c h t ZVolksk. 355 Nr. 24; BlpommVk. 2, 26; 6, 75; W e i n h o l d Ritus 13



B ä c h l o l d - S t ä u b l i , Aberglaube IV.

66

45; Germania r, 109; Urquell 3 (1892), 205; D r e c h s l e r 2, 87. 36 ) ZfVk. n , 428 = d e C o c k in Volkskunde 7, 183. 3 ") ZfVk. 5, 443; Ii, 428 f.; W e i n h o l d Ritus 10. " ) G r i m m Myth. 3, 417 Nr. 30. 3. E h e d e m w a r es in F l o r e n z g e b r ä u c h lich, d a ß i n s o l v e n t e S c h u l d n e r angesichts des auf d e m M e r c a t o N u o v o v e r s a m m e l t e n V o l k e s m i t i h r e m H . n auf einen noch j e t z t d o r t b e f i n d l i c h e n g r o ß e n P f l a s t e r s t e i n (lastra) s t o ß e n m u ß t e n , w o d u r c h sie eine Cessio b o n o r u m z u g u n s t e n ihrer G l ä u b i g e r a n z e i g t e n , d a g e g e n v o n j e d e m p e r s ö n l i c h e n Z w a n g seitens letzterer frei b l i e b e n ; d a h e r die R e d e n s a r t : ' b a t t e r il c u l o sul l a s t r o n e ' , d. h. b a n k rott werden. In N e a p e l h i e ß dieser Rechtsbrauch 'Zitta bona', verderbt aus 'cedo bonis* s8 ). E i n e a n d e r e F o r m ist das „ H e r a b l a s s e n der H o s e n " (s. H o s e § 5). O b dieses ö f f e n t l i c h e Z e i g e n des H . n als eine „ E h r e n s t r a f e " oder das S i c h s e t z e n m i t b l o ß e m H . n auf einen Stein, das a u c h aus H o l l a n d ü b e r l i e f e r t ist M ), die ältere, u r s p r ü n g l i c h e F o r m des R e c h t s b r a u c h e s d a r s t e l l t , ist s c h w e r zu e n t s c h e i d e n . W e n n eine schlesische M u t t e r das K i n d e n t w ö h n t u n d sich d a b e i auf einen K i e s e l s t e i n s e t z t , so b e k o m m t das K i n d n i e m a l s Z a h n s c h m e r z e n ; es bek o m m t s t e i n h a r t e Z ä h n e , w e n n sie sich, s o b a l d zur K i r c h e g e l ä u t e t w i r d , m i t d e m b l o ß e n G e s ä ß auf einen S t e i n s e t z t w ) . In S a g e n s i e g e l t d e r j e n i g e , der den S c h a t z v e r g r ä b t , denselben dad u r c h , d a ß er sich m i t b l o ß e m H . n auf ihn s e t z t . Der S c h a t z k a n n nur d a n n w i e d e r g e h o b e n w e r d e n , w e n n der gleiche H. wieder d o r t gesessen 4 1 ). W e t t e r m a c h e r s t o ß e n mit d e m n a c k t e n H . n d r e i m a l ins W a s s e r ; s o f o r t steigt ein R a u c h a u f , der r a s c h zur s c h w a r z e n W e t t e r w o l k e w i r d 42 ). 3») L i e b r e c h t ZVolksk. 427 § 8; vgl. G. B a s i l e Pentamerone 2 (1909), 291 Anm. 4 zum 46. Märchen; Saint-Foix Essais historiques sur Paris 7 (1759), 172 = Germania 3 31 (1886), 208 ¡Archivio 4, 285 ff. ·) S c h e i b l e Kloster 12, 1140. 40 ) D r e c h s l e r 1, 214; W u t t k e 393 § 601; Germania 31 (1886), 209 f. J 1 ) M ü l l e r Siebenbürgen 87 Nr. 134; P a n z e r Beitrag 1, 106 Nr. 129; S i e b e r Sachsen 154. 4 S ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 184 = W e i n h o l d Ritus 25 — ZfVk. 11, 417; vgl. G r ä s s e Preußen 2, 318 Nr. 279 r.

3

Hiob—Hiob in den Segen

6;

4. F r u c h t b a r k e i t s z a u b e r ist es, w e n n in W e s t b ö h m e n die Bäuerin sich mit entblößtem H.n auf den L e i n setzt, bevor sie ihn sät 43 ), und wenn in einem Dorfe bei Breslau sich eine alte Frau auf jeden K ü r b i s k e r n setzte, den sie steckte, damit er so groß werde wie ihr G e s ä ß 4 4 ) . Bei den Deutschen Pennsylvaniens m u ß man dem Flachs den H.n weisen, dann wird er hoch 45 ). Erinnert sei auch an das G l e i t e n (3, 864 f.). Im oberpfälzischen F a s t n a c h t s b r a u c h wird den Mädchen, die von den Burschen erwischt werden, ein Brettchen auf den H.n gesetzt und ein Schlag mit dem H a m m e r darauf getan. D a f ü r erhält sie eine Fastenbretzel 4 6 ). Einen ähnlichen B r a u c h k e n n t man auch in Westböhmen 47) (vgl. schlagen) 48). N a c h B u r c h a r d v o n W o r m s ließen sich Frauen, um L i e b e s z a u b e r auszuüben, indem sie niederknieten, auf ihrem entblößten Gesäß Brotteig kneten und gaben v o n diesem Brote dem Manne zu essen (vgl. oben 1, 1635 f.) 49). ") J o h n Westböhmen 196. 41) D r e c h s l e r 2, 55. " ] F o g e l 196 Nr. 956; vgl. M e y e r Dt. Volksk. 227. *·) Bavaria 2 a, 273. *') J o h n Westböhmen 45. *') ARw. 14 (1911), 643 ff. ; S a r t o r i Sitte 3, 61. ") G r i m m Myth.

3, 409 f. ; W e i n h o l d

Ritus 48 ; Ger-

mania 31 (1886), 209. 5. Kleinen K i n d e r n dürfen die Eltern nicht aus Zärtlichkeit den H.n k ü s s e n , sonst begegnen ihnen die K i n d e r später grob M ). Beim H e x e n s a b b a t huldigten die Hexen dem Teufel, resp. dem B o c k oder K a ter dadurch, daß sie seinen H.n k ü ß t e n 61 ). D a v o n leitete A l a n u s ab insulis (f 1202) Contra Valdenses líber 1, sogar das W o r t ' K e t z e r ' a b : „ C a t a r i (für cathari) dicuntur a cato, quia osculantur posteriora cati, in cujus specie, ut dicunt, apparet eis L u c i f e r " . 1303 wurde ein Bischof v o n C o v e n t r y (England) einer Reihe großer Verbrechen angeklagt, u. a. quod diabolo h o m a g i u m fecerat, e t e u m f u e r i t osculatus in tergo 62 ). M) D r e c h s l e r 1, 215. *·) G r i m m Myth. 2, 891 f . ; S c h i n d l e r

Anm. ; Myth.

Hertz

2, 892.

Elsaß 207.

Aberglaube

274

«*) G r i m m

68

6. W e n n einem der H.e beißt, k o m m t ein gutes B u t t e r j a h r 5 3 ) . Einen Bernickel a m A u g e b e k o m m t , wer jemandem in den H.n s c h a u t 5 4 ) . N a c h Suidas soll ein A u g e n k r a n k e r einem H u n d oder drei Füchsen in den H.n g u c k e n 6 5 ) . Den Fingerwurm heilt man, wenn man „ d e n Finger nur vorne, wo der S c h m u t z ist, in A n u m " steckt und ihn eine Weile drin l ä ß t 6e ). H a t ein K i n d die Gichter, so berührt man seinen A f t e r mit demjenigen einer weißen T a u b e ; dann stirbt diese bald unter schweren Schmerzen, und das K i n d wird gesund ®7). ·•) F o g e l Pennsylvania 83 Nr. 306 ; vgl. ZfdMyth. 3, 175. " ) D r e c h s l e r 2, 297 Anm. ®5) Germania 31 (1886), 209. '") S t a r i c i u s Heldenschatz (1679), 511; S e y f a r t h Sachsen 190. 6') W u t t k e 326 § 485. Bächtold-Stäubli. Hiob. P a t r o n der an A u s s a t z , S k o r b u t und Syphilis Leidenden x ). Die Einwohner von Mettet (Namur) führen den Spitznamen Jobins v o n einer ihm geweihten Quelle, zu der viele L e u t e pilgern, die mit Geschwüren b e h a f t e t s i n d 2 ) . In Steinmehlen (Kr. Prüm) r u f t man ihn als „ S c h w e r e n m ä n n c h e n " a n 3 ) . Die Bauern in Friaul 4 ), in Belluno 5 ) und in der Provence 6) glauben, daß die Seidenraupen aus den W ü r m e r n H.s entstanden seien. A u c h in Calabrien ist er S c h u t z p a t r o n der S e i d e n w ü r m e r z u c h t ' ) . Im O.-A. Blaubeuren ist H. der L e i n m a n n 8 ) . S t e c k t m a n an H. (9. Mai) die Bohnen, so wird es sich lohnen, K a r t o f f e l n gesteckt an H., dann wachsen sie im G a l o p p 9 ) . Die W o c h e vor H. heißt in Schlesien die H o s a w u c h e ; in ihr säet man keine Gerste, weil sie sonst in den Ahrenhülsen wie in Hosen stecken b l e i b t 1 0 ) . !) H ö f 1 e r Krankheitsnamen 251; ZfVk. 30,34; F o n t a i n e Luxemburg 108. 2) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 269 f. ; vgl. A r n o l d v. H a r f f 194 a . 3) W r c d c Elfter Volksk 83. 4) M a i l l y Sagen a. Friaul gz. 5) D ä h n h a r d t Natursagen 1, 336 f. *) S é b i l l o t

3,

8)

10)

301.

') Τ r e d e

Heidentum

ι,

209 f.

E b e r h a r d t Landwirtschaft 3. ') Ebd. 2. D r e c h s l e r 1, 115. Sartori.

Hiob in den S e g e n x ) , hier gewöhnlich in der F o r m Job (Jop). Die H S . sind v o n Alters her W u r m s e g e n ( s . d . ) ; l a u t

69

Hiob in den Segen

H i o b 2, 7 f. w u r d e dieser F r o m m e mit S c h w ä r e n (Beulen) g e s c h l a g e n — ein L e i d e n , das n a c h alter A n s c h a u u n g W ü r mer v e r u r s a c h e n 2 ) , vgl. auch Hiob 17, 14. E r s t eine s p ä t b e l e g t e G r u p p e (unten 4) will die M u n d f ä u l e heilen. I. J o b a u f d e m M i s t e 3 ) (nach H i o b 2, 8 V u l g a t a ,,in s t e r q u i l i n i o " ) . D e u t s c h in z. T . g e r e i m t e r F o r m seit d e m 12. J h . , lateinisch erst seit d e m 15. J h . u n d in P r o s a 4 ) (die l a t e i n i s c h e n F o r m e n v e r t r e t e n schwerlich die G r u n d f o r m des Segens). D i e d e u t s c h e n V a r i a n t e n zeigen v o n A n f a n g a n u n t e r sich r e c h t g r o ß e A b w e i c h u n g e n ; g e m e i n s a m ist in der R e g e l das erste Z e i l e n p a a r m i t d e m R e i m e „ M i s t e : C h r i s t e " . E i n e F o r m des 12. J h s . h e b t a n : „ D e r herre J o b l a c h in miste, rief uf ze Christe, m i t E i t e r bewollen, die m a d e n i m u z wielen (d. h. s p r u d e l t e n ) ; des b u o z t e im der hailige C r i s t " . E i n e a n d e r e des 12. J h s . ist mehr kirchlich a n g e h a u c h t 5 ). E i n e v o m 16. J h . an beliebte F o r m ist h a u p t s ä c h l i c h wie folg e n d e : „ J o b l a g v f f d e m m y s t , da r u f f t er d e m hl. C r i s t : Crist h a t t mein vergessen, mich wollen die w u r m e essen. Die w u r m e l a g e n alle dot, da der hl. Crist g e b o t " e ). D i e l a t . F o r m e n sagen „ s e d e t " (sedebat), H i o b 2, 8, s t a t t „ l a g " . — V o m 14. J h . an k ö n n e n die F a r b e n des W u r m e s herg e r e c h n e t sein 7 ), dies ist j e d o c h h ä u f i g e r in der G r u p p e 2 (unten). — S t a t t des Mistes f i n d e t sich a u s n a h m s w e i s e „ i n den s t r o z e n " 8 ) , „ i n eim s t e i n " (dem Z a h n segen, s . d . , über P e t r u s e n t l e h n t 9 ) ) ; niederländisch „ i n de w o u d e " ( W a l d e ) 1 0 ) . — D a ß H i o b an Christus b e t e t und dieser ihn heilt, w a r der a l t k i r c h l i c h e n A u f f a s s u n g u n a n s t ö ß i g ; auf Christus h o f f t e n alle F r o m m e n des a l t e n B u n d e s , siehe bes. H i o b 19, 25. Literatur: H ä 1 s i g Zauberspruch 92 ff. H ö f 1 e r Krankheitsnamen 820 b. 821 b. Literatur: MSD. 2, 276 ff. 4) Lateinisch Germania 32, 453; AnzfKddV. 1871, 303 η Beide MSD. 1, 181 Nr. 2 (mit A vgl. M o n e Anzeiger 1837, 474 Nr. 35). ·) Alemannia 27, Q4 (26, 71), vgl. B i r l i n g e r Schwaben 1, 445; MschlesVk. 1899 H. 6, 31 Nr. 3. ') Μ ο η e Anzeiger 1834, 279 Nr. 9; vgl. Germania 25, 507; ZfdA. 38, 16. ») ZfdA. 38, 16. ») Alemannia27, 98. 1 0 ) M o n e Ubersicht der niederländischen Volksliteratur !)

3)

337; vgl. noch tschechisch K r o n f e l d 2, roi.

7o Hovorka

u.

2. D r e i W ü r m e r aßen Job. D e u t s c h , seit d e m (u. h a u p t s . in d e m ) 15. J h . üblich. „ D e r w u r m e w o r y n d r y , di sente J o b b i s s y n ; der e y n e der w a s w y s , der andir s w a r t z , der dritte rot. H e r r e s. J o p . lege der w ü r m e t o t " (d. h. l ä g e [sonst] t o t w e g e n der W ü r m e r ) n ) . D e r S c h l u ß a u c h s o : „ H e r s a n t J o b der W u r m ist lig t o d " o. ä. 1 2 ). Die meisten Z ü g e des Segens sind schon f r ü h e r b e z e u g t , teils im „ M i s t " - s e g e n (s, o.), teils a u c h s o n s t (bes. lateinisch) — nur ohne den E i n g a n g mit den drei W ü r m e n . Z. B . l a t . : „ M o r t u u s est iste v e r m i s , qui v e r m e s m a n d u c a v e r u n t b e a t u m J o b a b j n f a n t i a (1. in faciei) 1 3 ) sua et m o r t u i sunt . . . " u ) . — Die F a r b e n , drei oder mehr, u n d a u c h der R e i m „ r o t : t o t " f i n d e n sich d e u t s c h a u c h in a n d e r e n W u r m s e g e n (s. d.), bes. in d e m W u r m a c k e r s e g e n . N o c h f r ü h e r als in den W u r m s e g e n (s. a u c h § 1) sind sie in lateinischen A u g e n segen (s. d. § 2) b e z e u g t . D e r S e g e n v o n J o b und d e n drei (neun) f a r b i g e n W ü r m e n ist schon seit d e m 15. u n d 16. J h . a u c h in a n d e r e n germanischen Sprachen b e k a n n t 1 5 ) . u) K l a p p e r Schlesien 233; MschlesVk. 1907, H. 18, ix. 12) Β i r 1 i η g e r Schwaben ι, 459; ZfdA. 38, 15; vgl. H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 83 (Preußen). Mit dem Segen § ι zusammen M o n e Anzeiger 1837s. Anm.5. ,3 ) Vgl. denbyzant. Text. inAnm. 14 verzeichnet. >4) P i e r G i a c o s a Magistri Salernitani 367, spätestens 14. Jh.; vgl. S t e i n m e y e r u. S i e v e r s Die ahd. Glossen 4, 518 (12. Jh.); MschlesVk. 1907, H. 18, 25 (1417) ; deutsch z. B. B i r l i n g e r Schwaben1, 460 f. (15. Jh.); ZfVk. 26, 200 (15. Jh.); italienisch: P i t r é Β ibi. d. tradizioni popolari Siciliane 19, 394; byzant.: P r a d e l Gebete 13, aber wohl aus dem Lateinischen. 1S) M o n e Übersicht der niederländischen Volksliteratur 334 (Germania 32, 460); DanmTryllefml. Nr. 4 i 7 f f . ; Norske Hexefml. Nr. 118; K l e m m i n g Lake- och Örteböcker (Stockholm 1886), 42. 308. 3. A u ß e r d e m g e d e n k e n g a n z v e r e i n zelte ältere W u r m s e g e n H i o b s : „ b i . . .s. J o b u n t e siner heligin c h i n d e " 12. J h . l e ) ; H i o b s „ p a t i e n t i a " l a t . 16. J h . 1 7 ). U n d eine b e l i e b t e sinnlose F o r m e l gegen W u r m , „(j)ob tridanson" usw., vom 15. J h . an, e n t h ä l t seinen N a m e n 18 ) ; diese

7i

Hippolytus

F o r m e l s c h l i e ß t z u w e i l e n den S e g e n über die drei W ü r m e r (oben § 2) a b . 1β ) Germania 12, 466. " ) W i e r u s De praestigiis daemonum (Basel 1577), 518. 18) B i r i i n g e r Schwaben 1, 460; K l a p p e r Schlesien 233; Alemannia 27, 94; ZfVk. 4, 450 (vgl. Alemannia 10, 228, 14. Jh.). Eine Formel Mago ... Job·. S c h ö n b a c h HSG. Nr. 181 auch im Süden, Ρ i t r è Curiosità delle tradizioni popolari 3, 10 (15. Jh.).

4. M u n d f ä u l e - S e g e n . Erst in neuerer Z e i t b e l e g t , sehr v e r b r e i t e t , ζ. T . d u r c h g e d r u c k t e B ü c h e r . Die bel i e b t e s t e F o r m ist d i e s e : „ J o b z o g über L a n d , der h a t den S t a b in seiner H a n d , d a b e g e g n e t e i h m G o t t der H e r r . . . J o b , w a r u m t r a u e r s t du so s e h r . . . Mein S c h l u n d u. mein M u n d will mir abfaulen. Da sprach Gott zu Job: D o r t in j e n e m T h a l , da f l i e ß t ein B r u n n , der h e i l e t dir N . N . dein S c h l u n d u. dein M u n d " 1 9 ) . Der Schluß auch so: „ N i m m W a s s e r in deinen M u n d , spei' es w i e d e r in den G r u n d " o. ä. Einer kürzeren Fass u n g f e h l t der S c h l u ß m i t d e m R a t e 2 1 ). — S t a t t H i o b s (oder neben ihm) k o m m e n o f t a n d e r e Heilige v o r , die m e i s t e n d o c h nur v e r e i n z e l t . So an „ J o b " a n k l i n g e n d : J o s t , d. h. S . J o d o c u s v g l . u n t e n , Jakob22), Josef, Josaphat. Weiter A h a b , A b r a h a m , Thomas, P e t r u s 2 3 ) . Der S t a b w i r d in u n s e r e m S e g e n nur f ü r J o b u n d J a k o b g e n a n n t u n d p a ß t f ü r l e t z t e r e n , der als P i l g e r m i t S t a b a b g e b i l d e t w i r d , besonders g u t . A n d e r e r s e i t s t r e f f e n w i r im 15. J h . in e i n e m der a l t e n H i o b s e g e n (oben § 2) einmal J a k o b s t a t t „ J o b " 24 ). M i t d e n a l t e n H i o b s e g e n ist also nur (und höchstens) der N a m e J o b gemeins a m . F ü r die F r a g e „ w a r u m t r a u e r s t d u " g a b sicher der a l t e Z a h n s e g e n (s. d.) über P e t r u s (am S t e i n ) das V o r b i l d . U n d der R a t , W a s s e r in den M u n d zu n e h m e n , wird i m J a h r e 1439 als A b s c h l u ß e b e n dieses S e g e n s e r w ä h n t 2S ) (in den n o c h älteren V a r i a n t e n des Z a h n s e g e n s k o m m t er n i c h t v o r ) . J o b als E m p f ä n g e r dieses R a t e s ist z u m e r s t e n m a l i m J a h r e 1628 b e z e u g t : „ J o b s a ß a h n d e m s e e . . . Christe w i e t h u n mir m e i n z ä h n so w e h e ; J o b n e h m e d u d z w a s s e r " u s w . a e ). V g l . aus

72

d e m J . 1630: „ D e hillige J o s t " in einer ähnlichen F a s s u n g 2 ' ) . Die übliche Form, w o der L e i d e n d e w a n d e r t u n d a n der M u n d f ä u l e leidet, k o m m t erst s p ä t v o r . Ü b r i g e n s h a t schon der a l t e H i o b s segen § 1 g e l e g e n t l i c h den W u r m s e g e n über P e t r u s a n g e z o g e n , s. § 1 S c h l u ß . D i e s e b e i d e n S e g e n h a t t e n den W u r m gem e i n s a m , w ä h r e n d unser S e g e n § 4 norm a l v o n k e i n e m W u r m e s p r i c h t ; doch d e u t e t eben H i o b s A u f t r e t e n n a c h H ö f ler 2 8 ) v i e l l e i c h t d a r a u f , d a ß die M u n d f ä u l e als i n f e k t i ö s a u f g e f a ß t w u r d e . Geistl. Schild 144, vielfach zitiert. S c h m i t t Hettingen 19; vgl. Meier Schwaben 523 f. 21) WiirttVjh. 13, 159 Nr. 5 (Albertus Magnus). 22) Alemannia 25, 239; ZfrwVk. 1905, 285; S e y f a r t h Sachsen i n . s3) H ö h n Volksheilkunde 1, 101; ZfVk. 6, 216; 10, 64; Alemannia 14, 234; M e y e r Baden 42; F r i s c h b i e r Hexenspr. 90 Nr. 2; ZfVk. 22, 297 Nr. 7. 24) Β i r 1 i η g e e Schwaben ι , 459; vgl. ι, 445 (Jakob auf einer Miste). 2ä) ZfVk. 12, 12. 20) ZfKulturgesch. 8, 310; vgl. dän. DanmTryllefml. Nr. 461. 2 ') B a r t s c h Mecklenburg 2, 427 Nr. 1981. S8) H ö f 1 e r Krankheitsnamen 124. Ohrt. 20)

10)

Hippolytus, hl. R ö m i s c h e r K r i e g e r , Märtyrer unter Valerian (Decius? Dioc l e t i a n ? ) , n a c h der L e g e n d e v o n P f e r d e n zerrissen. Sein G e d e n k t a g ist der 13. A u g u s t 1 ) . E r gilt als P f e r d e p a t r o n 2 ) , h i l f t a u c h H a u s t i e r e n aller A r t 3 ) . Die Görl i t z e r f a s t e t e n an seinem T a g e , weil er ihnen gegen den R i t t e r E l v i l , B e s i t z e r eines Z a u b e r p f e r d e s , g e h o l f e n h a t t e 4 ) . D i e K o r n o p f e r in D e t t i n g e n a m H . t a g e w u r d e n z u m T e i l in W e i b e r h a u b e n darg e b r a c h t u n d diese d a n n an die A r m e n v e r t e i l t 5 ) . H . ist P a t r o n v o n B l e x e n an der W e s e r m ü n d u n g u n d h a t d o r t einst m i t eherner K e u l e v o m H i m m e l h e r a b die F e i n d e der Friesen z e r s c h m e t t e r t 6 ) . In A n g e r m a n l a n d f ü r c h t e t m a n am 13. A u g u s t N a c h t f r ö s t e 7 ) . >) W e t z e r u. W e l t e 6, I 2 f f . ; N o r k Festkalender 1, 512 f.; M e n z e l Symbolik 2, 221; F r a z e r 1, 21. 2) F r a η ζ Benediktionen 2, 131. 3) F o n t a i n e Luxemburg 109. 4) H a u p t Lausitz 1, 183. s) H e r r l e i n Sagen d. Spessarts 64. 6) S t r a c k e r j a n 2, 390; M e y e r German. Mythol. 219 will ihn daher mit Donar zusammenbringen. Eine andere Sage von H.: S t r a c k c r j a n 1 , 1 2 8 . ') H e c k s c h e r 517. Sartori.

73

Hippomanes—Hirn

74

Hippomanes, auch Roßwut, Wonne, j R o ß w u t , w e l c h e sich o f t b o s h a f t S t i e f m ü t t e r gesammelt, das Lätizel, Fohlenbrot, Fohlengift, NetzK r ä u t e r vermischend d a m i t und unheilbrinlein, der Nutzen oder Pferde- und Fohlengende Worte. milz geheißen, ist ein milzähnliches, Auch der Satiriker Juvenal spricht davon : embryonales Allan toisgebilde, das im Von dem gekochten Gift, dem Hippomanes und Fleische Fruchtwasser schwimmt und von dem R e d ' ich, d a s m a n d e m S t i e f s o h n g e r e i c h t 3 ) . viel gefabelt wird. In einem medizinischen F u g g e r 7 ) spricht sich sehr heftig gegen Sammelwerk des 18. Jahrhunderts wird den Aberglauben vom H. aus und erH. erklärt als „die Nachgeburt und Memzählt, er habe in seinen Gestüten von branen, welche mit dem Partu der Pferde zuverlässigen Leuten nach jenen beiden ausgeschlossen werden, werden vor ein Fleischkörpern, jedoch vergeblich, suchen P h i l t r u m gehalten" 1 ). Es dient gelassen 4 ). trocknet und gepulvert (auch zusammen 1) Johann Jacob W o y t s Gazophylacium mit anderen Ingredienzien) gegen die medico-physicum, oder Schatzkammer medicinisch „schwere N o t " und die „schwere Krankund natürlicher Dinge e t c . L e i p z i g 1 7 5 1 , 960. 2) H ö f l e r Organth. 267 f . ; d e r s . Krankheit" und gegen die Fallsucht. E s soll heitsnamen 75. 194. 344. 444. 450. 838. 8 5 1 ; auch die Milchsekretion steigern, wie die J i i h l i n g Tiere 128. 3 ) A g r i p p a ν . N e t t e s h e i m Eselsmilz. E s gilt als Liebesgift, soll 5) ι , 192. 4 ) J ä h n s Ross 1, 374 f. Höfler geschlechtlich erregen und liebestoll Organolh. 268. ·) O v i d Ars amatoria I I . B u c h V e r s 99 f. ' ) F u g g e r Ritterl. Reulterkunst, machen 2 ) 4 ). Nach Agrippa ist H. ein F r a n k f u r t a . M. 1584. Steiler. Stückchen Fleisch von der Größe einer Feige, das auf der Stirne des neugeborenen H i r m o n . Ein eisernes Heiligenbild in Füllens sich zeigt. Wenn die Mutter es einer Kapelle bei Bischofsmais im bayenicht sogleich wegfrißt, so hat sie nicht rischen Walde (Brustbild ohne Füße mit die geringste Neigung zu ihrem Jungen breiter Grundfläche), das auf wunderund will es auch nicht ernähren. Aus bare Weise gefunden sein soll. Das Volk diesem Grunde wird behauptet, daß die nennt es auch Konteri (Günther). Es K r a f t des H. zur Erregung der Liebe wird von Wallfahrern am 10. und 24. außerordentlich sei, wenn man es, in August (St. Lorenz- und St. BartholoPulver verwandelt, mit dem Blute des mäustag) dreimal emporgehoben (s. 3, Liebenden als Trank darreiche 3 ) 4 ). 1603) und geküßt. Dabei muß man aber vorsichtig sein, daß das Bild (man benutzt Aeneide I V 515/6: seit 1856 einen hölzernen Ersatz) nicht Quaeritur et nascentis equi de fronte revulsus E t m a t r i p r a e r e p t u s a m o r *). nach vorn oder hinten das Übergewicht In dieser Beschaffenheit und Vererhält, denn damit verbindet sich der wendungsform scheint es auch Ovid zu Glaube an noch ungesühnte Sünden kennen: des Hebenden. Das alte Bild soll schon F a l l i t u r , H a e m o n i a s siquis d e c u r r i t a d a r t e s , oft in das Moos versenkt worden sein, Datque, quod a teneri fronte revellit e q u i · ) . ist aber jedesmal wieder ans Tageslicht Nach anderen ist H. ein milzähnlicher gekommen. H. ist auch Fürbitter für Körper, den die Füllen nach ihrer Gedas Getreide und das Vieh *). burt auf der Zunge haben, aber beim ' ) P a n z e r Beitrag 2, 39. 402 f . ; Q u i t z m a n n ersten Atemzug verschlucken sollen 4 ) 5 ). 140. i 4 5 f . ; A n d r e e Votive 1 0 6 f . ; H ö f l e r WaldNoch ein drittes Zaubermittel wird H. kult 1 4 2 . 145. Sartori. genannt: der Brunstschleim der Stuten Hirn. (auch Plinius X X V I I I , 49) 5 ). „ E s ist ι . Schädel, Kopf und H. sind anscheidies jenes Gift, das aus der Scham nend in älterer Zeit nicht deutlich vonrossiger Stuten läuft", und dessen Virgil einander unterschieden worden, denn in folgenden Worten gedenkt: ahd. hirni, mhd. hirne gehören vielleicht Dorther stammt Hippomanesgift, von den zu skr. çiras = Kopf, griech. χρανίον = Hirten die R o ß w u t Schädel und lat. cerebrum 1 ). Dem nhd. R i c h t i g benannt, ein S a f t , der z ä h entquillt H. steht das nd. bregen gegenüber. Im dem Geburtsglied:

75

Hirn

Vergleich mit griech. βρέχμο?, dem vorderen Teil des Kopfes, liegt ein Hinweis auf eine ähnliche Entstehung des Begriffs wie bei H. In der Neuzeit sagt man im Steirischen zu Kopfbinde auch „Hirnbinde" und spricht vom „Hirnschädelmoos", das den Fallsüchtigen empfohlen wird. Allgemein spricht man von „Hirnholz" für Stirnholz 2 ). Bei der Untersuchung, ob das H. als Seelen- und L e b e n s s i t z angesehen wurde, ist das zu berücksichtigen. Es ist anzunehmen, daß der Kopf (s. d.) als Sitz der Sinne weit eher im ganzen als Seelensitz erscheint als das unsichtbare, oft dem Knochenmark gleichgesetzte H. 3 ). Die Griechen haben zuerst die Bedeutung des H.s für das Denken erkannt 4 ). Die rationale Seele hat ihren Sitz nach Plato im Gehirn, die irrationale im Unterleib. Aristoteles vermutet die Seele im Herzen, nach Galen ist das H. Sitz des Verstandes, der Mut wohnt im Herzen, die Liebe in der Leber 5 ). Plinius gibt vermutlich die Volksanschauung wieder, wenn er das H. zum Sitz der Sinne und des Geistes macht, im übrigen aber es vom Herzen beherrschen läßt e ). Er mag das Μ. A. beeinflußt haben. Hildegard von Bingen spricht das H. an als „materia scientiae, sapientiae et intellectus hominis . . . sedet vires cogitationum retinet. Cogitationes autem cum in corde sedent, aut suavitatem aut amaritudinem habent; suavitas vero cerebrum impinguai et amaritudo eum evacuai"'). Die Güte gibt dann den Sinnesorganen den Ausdruck der Freude, die Bitterkeit bringt Zorn, Traurigkeit und Tränen. Bei Plinius wie bei Hildegard fehlt der Ausdruck anima für das H., im 14. Jh. braucht Konrad von Megenberg das Wort sêle, das ebensogut Sinnenkraft wie psychische Eigenschaft oder ganz allgemein Leben bedeuten kann. Nach ihm hat die H.-schale drei Kämmerlein, die eine vorn im Haupt „und in dem ist der sèi kraft, die da haizt fantastica oder imaginaria, daz ist als vil gesprochen sam diu pilderinne, dar umb daz si aller bekanntlicher ding pild und gleichung in sich samnet, daz ander kämerlein ist ze mitelst in dem haupt

76

und in dem ist der sèi kraft, die da haizt intellectualis, daz ist Vernunft, daz dritt kämerlein ist ze hinderst in dem haupt und in dem ist der sèi kraft, die da heizt memorialis, daz ist gedachtnüss. die drei kreft der sèi die behaltent den schätz aller bekanntnuss" 8). Von der Seele im H. unterscheidet Megenberg den Geist, meint damit aber nicht unsern Begriff, sondern das lat. spiritus, dessen verschiedene Arten am besten unser Ausdruck „Lebensgeister" wiedergibt. Es sind die Kräfte, die neben dem Blute als luftförmiges Leben durch die Adern ziehen: „der hals hât vil ädern, durch die vliezent die gaist und daz pluot von dem herzen und von der lebern in daz haupt und in die sideln (Sitze) aller sinnen und aller kreften der sèi" 9 ). Megenberg folgt in Begriffen und Bezeichnungen der Antike, erst mit d. 15. Jh. setzen, vor allem durch Vesal, die Bestrebungen ein, sich von den alten Anschauungen zu lösen. Haben schon die Araber des 10. Jh. das H. dem Herzen übergeordnet10), so wird nun der Gedanke von der Beherrschung des H.s durch das Herz immer mehr zurückgedrängt, wenn gleich der Volksglaube heute noch keine klaren Vorstellungen zeigt. Er neigt dazu, immer noch dem Herzen den Vorrang zu geben, und wird der Seelensitz nach oben verlegt, dann in das ganze Haupt, nie in das H. allein 1 1 ). Höchstens in Scherzworten werden vereinzelt Denkfunktionen mit dem H. in Verbindung gebracht, so in dem nd. „bregenklöterig" d. h. verwirrt, benommen sein, oder „Stroh im Schädel" haben und in ähnlichen Wendungen 12 ). Landläufig ist die Ansicht, H. und Haupt als Träger der Lebenskraft anzusehen. Die Exekutionsart des Hauptabschlagens bei Verbrechern und Vampyren gehört hierher wie das kopflose Gespenst und die verschiedenen Formen des Schädelkults 1S ), die bis in die Neuzeit ihre Wirkung geübt haben 14 ). Die Wertschätzung des Tierhauptes im Rechtsbrauch, Opferkult und Zauberglauben könnte ebenfalls in Verbindung stehen mit solchen Anschauungen, aber auch hier steht das H. nicht im Vordergrund des Interesses 15 ). Nur

Hirn

77

einmal, im Artikel X V I des Indiculus superstitionum wird „de cerebro animalium" geredet 16 ). Keine ältere, gleichzeitige oder spätere Quelle meldet etwas von einer H.schau, und doch mag von H.inantik die Rede sein, denn Artikel X V I steht zwischen anderen Gebräuchen, die alle mantischen Aberglauben angeben 1 '). *) H e y n e Wörierb. 2, 171 f.; Kluge® 176. ä) Bargheer Eingeweide 345. Höfler Organotherapie 49. 4) W i n d i s c h Über den Sitz der denkenden Seele (1891) 159. 6) B a r g h e e r Eingeweide 13. 6) P l i n i u s nat. hist. XI, 37 (49). ') H i l d e g a r d i s caus. et cur. 91, 30. a) M e g e n b e r g Buch der Natur 4 f. 8) ib. 19· 10) D i e t e r i c i Araber (1861) 203. u ) E c k a r t Sprichwörter (1893) 215; A n d r i a n Altaussee (1905) 118; B a r g h e e r Eingeweide 16. 12) vgl. G r i m m 2)

DWb.

4,

2,

2485;

Curtze

Waldeck

(i860)

Idiotikon s. v. 13) B a r g h e e r Eingeweide 18 f. " ) A n d r e e - E y s n 147; L a m m e r t 25; ZföVk. 1, 80 f. u. 288. 15) B a r g h e e r Eingeweide 19, J2I. " ) S a u p e Indiculus 21. 17) ib. und F e l a Abergl.

(1857) 68.

2. Näher liegt jedoch der Gedanke an H . - z a u b e r und - h e i l z a u b e r , der sich verhältnismäßig häufig im deutschen Sprachgebiet nachweisen läßt. Auch hier ist nicht ganz klar zu scheiden zwischen Haupt- und H.-zauber. Menschenh. zum Zaubern wird erwähnt in einem irischen Ketzerprozeß von 1324 1S ) und in den Rariora Naturae et artis von 1737 1β) aus Polen. Noch im Juli 1930 stellt im südbulgarischen Orte Rosental eine Zigeunerin Liebestränke her nach einem Rezeptbuche in türkischen Schriftzeichen. Dazu benutzt sie das H. eines kürzlich Verstorbenen, den sie mit ihrem Sohne gemeinsam ausgräbt 20 ). Bärenh. soll schon seit Plinius benutzt worden sein, um die Leute unsinnig zu machen: „Wenn einer Bärenh. einfrißt, so gereht er darüber in solcher Phantasei und stärke Imagination, daß er sich bedünken läßt, glich alls wäre er zum Bären worden" 21 ). Sperlingsh. fördert die „Venus-Lust" 22). In beiden Fällen soll anscheinend eine vermutete Tiereigenschaft übergehen. So soll Adlerh. die Menschen zanksüchtig und kühn machen 2S ), Krähenh. die Augenbrauen zum Wachsen bringen 24). Organeigenschaften sollen eingegeben werden, wenn man glaubt, daß Eichhörnchenh. M ) oder Geierh. 2e ) „die gedechtnuss" stärke.

78

Seltsam steht diesem Glauben die in Österreich und auch sonst verzeichnete Anschauung entgegen, nach der man Kindern kein Tierh. geben soll, damit sie nicht dumm werden 27 ). Vielleicht sind es hier wiederum die Tiereigenschaften, die man fürchtet, dem Kinde einzuverleiben. So wird der Genuß z. B. von Fischh. sorgfältig vermieden 2S ). Der ursprüngliche Zusammenhang zwischen maleficium und veneficium wird klar an den Zauberrezepten mit Katzenh. In einem Hexenprozeß von 1544 heißt es von der Krankheit eines Mannes: „vnd were do die gmein red, bylis frow die sölte in katzenhimy han zu essen geben" 2t ). 1545 soll in Stralsund eine Hexe einem Bürgersohne einen Trank gegeben haben, „alse einn egedissenn quaden poggenn, schnakenn, kattenbregen", worüber er den Verstand verloren so ). 1550 braucht nach der Zimmernschen Chronik eine Dirne Katzenh., um einen Schneider zu „vergeben" 3 1 ), in einer Schrift des 17. Jh. heißt es: „Bezoarticum solare ist ein gar geheimes und kräftiges Mittel wider — Mercurius sublimatus — Katzenh., Toxica oder Pfeil-Gift, Zauber- und Liebes-Tränck" 32). Becher sagt vom Gift der Katzen, es sei „allein in dem H. derselbigen" 33), und noch 1737 sagt man vom Katzenh., „daß es etwas gyfftig sey, und mögen leichtfertige Dirne gewisse Liebestränke davon machen, solche denenjenigen Mannspersonen beizubringen, die sie auf schlüpferige Wege zu ihrer Liebe bringen wollen" 34). Bis ins 19. Jh. haben sich solche Anschauungen gehalten. Einmal wird aus Westböhmen 35 ) ähnlich berichtet, und um 1880 vermerkt ein Sammler aus Mecklenburg: „Das Geh. krepierter Katzen geben die Hexen denjenigen ein, welche sie wahnsinnig machen wollen" 3e). Wiedehopfh. wird zum Kugelzauber benutzt 3 7 ), Rabenh., um Schweine zu hüten 38 ), wozu schon Plinius bemerkt hat: „porcos sequi eos, a quibus cerebrum corvi acceperint in offa" 3 9 ). Erklärlicher ist es, wenn der Stein aus dem H. des Hahnes zum Liebeszauber dient, zu einer Zauberkerze nimmt das Rezept eines Scharfrichters auch Hasenh. 40 ).

79

Hirn

Häufiger ist die Verwendung des H.s zum Heilzauber. Eine gewisse Ähnlichkeitswirkung wird erwartet bei Hauptleiden. Das Geierh. steht in der älteren Überlieferung hier an erster Stelle. Plinius kennt es bereits 41 ), im Cod. Sangallensis heißt es: cerebrum de uulturio in aqua bibat, sanat 42). In einem Arzneibuch des 13. Jh. 4 3 ) und ähnlich später bei Megenberg 44 ) wird das Geierh. über alle Maßen gelobt. Der Geier soll sogar sein eigenes H. in der Gefahr verschlingen, damit es dem Menschen nicht nütze. Diese Mär kehrt im 15. Jh. wieder 45) und ist sogar noch im Anfang des 18. Jh. bekannt 46 ). Im 16. und 17. Jh. wird das Geierh. „Zum h a u b t . . . fuer großen schmertzen darinn" 47) gebraucht, in den Einzelheiten des Rezepts besteht Ähnlichkeit mit Plinius' Vorschriften 48 ). Geierh. hat man vielleicht gewählt wegen der Schwierigkeit der Beschaffung, auch mag die Ernährungsart des Geiers eine Rolle gespielt haben, endlich sein Aufenthalt in großen Höhen. Widderh. soll gegen „Thummigkeit des H.s" helfen 49 ), gegen Schwindel und Kopfweh nahm man in Oberwölz das warme H. eines Zaunkönigs, Eichhörnchens oder einer Katze 5 0 ). Paullini erzählt 1714 von einem Seiltänzer, der ,,curirte allen Schwindel mit dem Gehirn solcher Eichhörngen, auff waserley Weise es auch genommen wird" 51 ). Weshalb man gegen Schwindel das H. gerade dieser gewandten Tiere wählte, mag einleuchten. — Die gleichfalls bereits von Plinius erwähnte Benutzung des H.s gegen Epilepsie und Tollwut kehrt im deutschen Heilbrauch wieder. Becher sagt: So aus dem Menschenh. ein Wasser wird bereit. Ein Scrupel dessen hilft und stillt das böse Leid 32 ).

Gegen das „böse Leid", die Epilepsie soll nach der königlich preußischen Taxe von 1749 der,,Menschenhirnspiritus" helfen 53 ), dessen Herstellung beschrieben wird : „Das Menschen H. / auch alles was auss ihm bereitet wird / ist sehr gut vor die schwere Noth / es werden aber auss ihme dreyerley bereitet / nemblich ein Spiritus, Oel / und



aqua antepileptica" B1). Gegen Epilepsie werden sonst noch Raben- und Elsternh., besonders aber der Stein aus dem Schwalbenh. gelobt. Vom späteren Mittelalter bis in die Neuzeit ist es endlich die H.schale, die man gegen den „fallenden Siechtag" benutzt 55 ). Eine lindernde Wirkung des fetthaltigen H.s wird häufig erwartet. Menschenh. wird schon im alten Ägypten zu einer Augensalbe empfohlen 5e), allgemein scheint zu allen Zeiten die Verwendung von Hasenh. gewesen zu sein, um den Kindern das Zahnen zu erleichtern 57 ). Im Altertum kennt man die Asche des Hasenhauptes als Mittel gegen Zahnkrankheiten, Plinius schreibt aber ausdrücklich die Verwendung von Hasenh. vor zur Erleichterung des Zahnens. In der Düdeschen Arstedie des 14. Jh. heißt es: „Van den kynderthenen. Sede hasenbregen an watere vnde smere dar de kyndertene mede vnde dat gagel, wan se den kynderen Scholen vpghan". Becher schreibt vor: Mit frischem Hasen-H. den Kiefler wol geschmiert Den Kindern es die Zahn gar leicht heraußer führt.

Für die Neuzeit ist das Rezept überliefert im rechtsrheinischen Alemannien, in Schwaben und in Bayern, für Mittelund Norddeutschland fehlen Belege, trotzdem die Düdesche Arstedie das Mittel noch kannte. Höfler erklärt den Heilbrauch aus dem Opferkult 58 ), die Quellen selbst betonen stets die lindernde Wirkung, etwa in der Gleichsetzung mit Honig und Butter, wie Gesner sagt. Sonst wird Hasenh. noch gegen Zittern der Glieder verwandt 59 ). Gegen Frostbeulen soll Katzen- oder Rabenh. helfen eo ), Adlerund Hasenh. heilen Beschwerden der Harnorgane e l ). Gelegentlich wird Katzenh., in Essig gesotten, gegen Gelbsucht empfohlen 62), Plinius kennt schon die Verwendung von Hundeh. gegen dieselbe Krankheit e3 ). Adlerh. soll gegen Verstopfung der Pferde helfen e4), und die Seeleute aus Oldenburg heilen die Gicht mit der fetten Flüssigkeit, die aus dem H. eines aufgehängten „swinfisch" (delphin phocaena) träufelt es ). H.-



Him

steinrezepte sind selten in neuerer Zeit. Außer dem Schwalbenstein wird in älterer Zeit der Stein aus dem H. des Krebses gegen „herzstechen" empfohlen 66 ), der „Quirindros haizt geirstain. den zeuht man dem geirn auz seim hirn und ist guot wider all schedleich sach und füllet den ammen ireu prüstel mit milch" 67). Der „Nosech" aus dem Krötenh. „ist guot für den würm piz und für vergift", der „Dracontides" oder Drachenstein, „den nimt man auz ains drachen hirn, und zeuht man in niht auz ainz lebendigen drachen hirn, so ist er niht edel". Er hilft gleichfalls gegen Gift ®8). 18

166.

10 (1882), 6 f. 21

65 f.

)

341*.

19

")

Niederöstr.

23

Schwaben

)

165;

Männ-

(1865) 52.

(1555) 319; Z f V k . 23,

Volksmedizin

Grindelwald

(1893)

2, 219.

(1865), 75.

1

(1728)

(1869).

Buck

Höfler

AlemanEingeweide

Organotherapie

Jagd-Kunst

Vogelbuch

) Friedli

)

Bargheer

Jäger-Brevier2

) Gesner

127. 2β

)

Schröder

(1713) 3 1 1 ;

ling

20

) S A V k . 6, 53; H ö f l e r

22

Grässe s4

Zauberwahn

) Hansen

nia

28

27

)

164.

Wurth

) mündlich

Ham-

burg. 2S ) SAVk. 3, 216. 3 0 ) H a a s Rügen 39; v g l . S c h i l l e r Mecklenb. 1, 2. 3 1 ) A r c h i v d. P h a r m a z i e 262, 411; v g l . n o c h A l s a t i a 1856/57, 288. 3 2 ) A l e m a n n i a 8 (1880), 286. 3 3 ) B e c h e r (1663) 36

42.

34

lenb.

Eingeweide

) Bargheer

) J o h n Westböhmen

317.

36

) Bartsch

2 (1880), 37; B a r g h e e r

Eingew.

167.

Meck167 f.

) ZfVk. 23, 7; J o h n Westböhmen 329; ZföVk. Ii (1905), 174; S A V k . 7, 52. 3 e ) S A V k . 7, 52. 39 ) P l i n i u s nat. hist. 28, 17 (53). 4 °) B a r g h e e r Eingeweide 168 f. 4 1 ) P l i n i u s nat. hist. S7

29, 6 (36)

42

)

Rezept

Jörimann

(1925)

22.

) P f e i f f e r Arzn. 2, 154, 28. 4 4 ) M e g e n b e r g Buch d. Natur (ed. Pfeiffer) 230, 1. « ) Z f V k . 1

43

(1891),

(1882),

110.

) S c h ö n e r v o n K a r l s t a d t (1528) Β ι ; B a r g h e e r Eingeweide 248. 4 8 ) P l i n i u s

323.

vgl. nat.

4e

)

Alemannia

10

47

hist.

29, 6 (36).

49

) B a r g h e e r Eingeweide

) F o s s e l Steiermark 263; S A V k . 15, 48.

i0

theke (1714) 39.

52

248.

(1886) 88; Z r h w V k . 9, ) Pauliini Dreckapo-

S1

) B e c h e r Parnassus

med.

12;

vgl. für 1732: Janus 1900, 576. 6 3 ) M a r s h a l l 89. 6 4 ) B e c h e r Parnassus 12. 5 6 ) B a r g h e e r 56 Eingeweide 249. ) P a p y r u s E b e r s 282. " ) Zusammenstellung bei B a r g h e e r Eingeweide

249

fi.



)

Höfler

Organotherapie

60.

**) 7· 4 9 · Tabernaemontanus Artzneyb. ( 1597) 146 c ; MsäVk. 8 , 9 1 . « ° ) Bavaria 4 (1866), 1 ; el ZfVk. 8,38 fi.; ZrhwVk. 1905, 287. ) T a b e r n a e m o n t a n u s Artzncybuch 508 d ; Z f V k . 8, 68; A l p e n b u r g Tirol ( 1857) 384; P l i n i u s 28, 15 (60). ·») P a u l i Pfalz (1842) 71. M ) P l i n i u s Nat. hist. 30,39. M ) B u c k Schwaben (1865) u ) 52. G o l d s c h m i d t Volksmed. (1854) 121. ") Megenberg Buch d. Natur 248, 25. " ) »b. 457, 14. -) ib. 444, 5.

82

3. Das Volk kennt nur wenige H.krankheiten. Ein Zusammenhang zwischen H. und gewissen Lähmungserscheinungen wird angenommen, wenn man nach dem Vorbild der Ärzte des Altertums diese auf im H. niederfallende Tropfen zurückführt. Jedoch redet die ältere und die neuere Zeit zugleich vom „Schlag", nimmt also zunächst dämonistischen Einfluß an 69). Im 12. Jh. wird schon der „troppho" , 0 ) erwähnt als Krankheitsbezeichnung, ein Arzneibuch des 13. Jh. gibt ein Rezept für einen, den „der trophe wirret" 71 ) (s. 1,1459 ff-)· Bei Tabernaemontanus ist offen die Ansicht gegeben, der Schlag stamme aus dem H. Unter den 5 vermerkten Arten marschiert an dritter Stelle: „Paralysis, der Schlag vn Tropften" 72). Wenn auch der Schlag oder Tropfen andere Teile des Körpers treffen kann, so herrscht doch im allgemeinen die Ansicht vor, daß der Tropfen im H. falle. Gewöhnlich sind es drei Blutstropfen (s. d.), die Erkrankung und den Tod bringen. Geiler spricht vom „schlack" oder „tropfft" oder „parli": „sie sagen das der brest im H. sei, vnd die ederli, die zuo dem h. gond, wenn sie gantz verstopftet sein von wuost, so werd sant veltins siechtag daruss, so sprechen ir, es hangen drei tropffen am h." ™). Nach niederösterreichischem Glauben hat jeder Mensch drei Blutstropfen im Kopf. Fällt einer zur rechten Seite herab, so trifft ihn der Schlag rechts, fällt der Tropfen links, wird die linke Seite lahm, der Fall des Tropfen in der Mitte aber bringt den Tod 7 4 ). Ähnlich heißt es in der Steiermark 75 ), in Tirol , e ) und in Schwaben 77 ). Im Frankenwald sagte man bei plötzlichem Tode, drei oder auch sieben Blutstropfen seien ins H. oder Herz geschossen 78 ). Beim Ohrenklingen soll gleichfalls ein Tropfen Blut herabfallen ®*). Bei „Geschoß" (s. d.) oder „Kopfgeschoß", heftigem Kopfschmerz, sind selten Verknüpfungen mit dem H. festzustellen, ebensowenig wie bei Geisteskrankheiten, Fallsucht (s. d.) u. Tollwut (s. d.). Bei allen wird dämonistischer Einfluß vermutet, wie denn durch Zauberei auch das H. beeinflußt werden kann. 1633 be-

83

Hirn

kennt ein 16 jähriger Zauberer, daß er Leuten das H. aus dem Kopfe gezaubert habe durch Berühren mit einem vergifteten Stäbchen 80). Eine Hexe glaubt man treffen zu können, wenn man einen Nagel in einen Balken treibt, dabei ihren Namen und den Teufel nennt. So weit der Nagel eindringt, so weit dringt er der Hexe ins Haupt 81 ). Auch der böse Blick kann Kopfschmerzen verursachen nach wendischem Glauben 82 ). — Häufig werden Tiere als Erreger von H.-krankheiten angenommen. Nach dem Glauben der Mark erregten „Elben" Kopfschmerz und Gedächtnisschwund, es gibt schwarze, rote und weiße Elben, die man sich vielleicht als Würmer vorstellte 83 ). Die an prähistorischen Schädelfunden beobachtete Trepanation mag derartige Auffassungen zum Grunde haben. Im altdeutschen Gedicht vom Reinhart Fuchs kriecht dem Löwen eine Ameise ins H. und veranlaßt sein Siechtum 84 ), im Mittelalter wird häufiger von Würmern gesprochen, die sich im H. aufhalten 8 5 ), Konrad von Megenberg kennt den Wurm im Haupte des Hirsches, „der in oft müet" 8e ), der aber anscheinend zum Leben so wichtig ist wie der Herzwurm (s. Herz). Vom H.wurm erzählt anschaulich die Düdesche Arstedie: „Wedder den worm, de in deme koppe ys. Snyd eme den bragenkop vp vnde lat de scheluere darto hanghen vnde nym kleyne boemwulle vnde bore deme worme de vothe behendeliken vp vnde legge em wat boemwulle darvnder myt enen behenden instrumento vnde des gelik do vnder alle syne vothe. Dama nym eyne behende tanghe vnde the ene hastliken vth vnde vathe ene yo vaste vnde se darto, dat he dy nicht wedder vntvalle, he sloge anders syne vothe vnde syne clawen in dat braghen, vnde so moste de mynsche steruen" 8 7 ). Nach der genauen Beschreibung scheint es fast so, als ob wirklich solche Operationen vorgekommen sind. Um 1600 gibt es ein Mittel gegen „Würmer im Gehirn" 8 8 ). Seitz erzählt 1 7 1 5 noch ausführlich von der Tätigkeit der H.würmer 8e ). Auch heute ist der alte Glaube lebendig. In

84

Finkenwärder warnt man davor, die Nase dicht an Blumen zu bringen, es könnten Käfer ins H. dringen 90). In der Schweiz trifft man die Meinung an, H.krankheiten rührten von Ameisen und Würmern her, die man ausräuchern könne 9 1 ), nach württembergischem Glauben wird Geisteskrankheit durch Wasser oder durch einen Wurm im H. verursacht 92 ). Vereinzelt wird auch sonst Wasser im H. vermutet, bei Lähmungen vom Zergehen des H.s gesprochen 93 ). Entzündung der H.häute wird „Hirnebrand" genannt 94 ). Andere Anschauungen von H.krankheiten gehen zurück auf die Säftelehre βδ ). Kalt und feucht ist das H. „Quod si forte aliquando exsiccatur, mox in infirmitatem ducitur" 96), sagt Hildegard von Bingen. Gereinigt wird das H. durch den Schleim, der aus der Nase abfließt 97 ). So überliefert im großen und ganzen das gesamte Mittelalter. Geht der Schleim nicht durch die Nase ab, so schlägt er auf die übrigen Organe und schädigt sie. Umgekehrt können Säfte und Dünste von den Organen aufsteigen und dem Gehirn Schaden bringen. H.schmerzen können nach neueren Anschauungen immer noch „aus dem Magen" stammen 98 ), der Pfälzer unterscheidet drei Arten von Kopfschmerz, solchen aus dem „nach dem Kopf steigenden Geblüte", solchen aus der aufsteigenden Galle und „wenn der Fluß sich auf den Kopf geworfen hat" " ) . Auch die Ansicht, daß das H. sich durch den Nasenschleim reinige, ist heute noch durchaus lebendig 10 °), beim Niesen geschieht die Reinigung gründlicher, weshalb Niespulver empfohlen wird 1 0 1 ). — Bei der Heilung von H.krankheiten wird fast allgemein nur der Kopfschmerz bekämpft. Außer organotherapeutischen und mechanisch kühlenden Mitteln 1 0 2 ) wird empfohlen, die Krankheit mit dem Urin fortzulassen 1 0 3 ) oder in einen umgekehrt wieder eingelegten Wasen oder in ein Vogelnest zu bannen 104 ). In Ostpreußen wird das „Aufkochen des Bregens" angeraten: „Dem Kranken muß Wasser auf dem Kopf kochen! Das geschieht mittelst eines irdenen Topfes und einer Schüssel. Das Wasser kocht ohne

85

Hirsch

86

Feuer und verschwindet ganz. Und so jI 14, 287 ff. l o)e B u c k Schwaben 27; L a m m e r t 223. ) F r i s c h b i e r (1870) 74; ZfVk. wie das Wasser verschwindet, sind auch ij Bayern 5, 15 ff.; W o l f Beiträge 1, 256. 10») H ö h n 121; die Kopfschmerzen weg" 10! ). Waschung W u t t k e - M e y e r 182. 110 ) H ö h n 125, andere mit Osterwasser soll helfen wie die Opfe- Kopfschmerzsegen bei B a r g h e e r Eingeweide Bargheer. rung von Votivköpfen, bekannt ist die 354 f · Hilfe durch die Johannishäupter 106 ). Hirsch (Cervus elaphus, Rothirsch und St. Pantaleon hilft gegen Kopfschmerz, Dama dama, Damhirsch). weil ihm nach der Legende ein Nagel ι . Name. Die Cerviden verfügen über ins Gehirn getrieben wurde 101 ), andere eine große Menge idg. Namen l ). Ich H.-schmerzheilige sind Athanasius, Ma- hebe hervor 1. sert, rçya-, ahd. ëlah karius und Quirinus. — In Kopfschmerz- (unser Elch), lat. alces (vgl. I V ) 2 ) ; segen werden „die kleinen Leute" be- 2. gr. ελάφι; = der Gehörnte, dazu schworen, aus dem Haupte zu gehen 108), altsl. jeleni, unser Elen 2) ; 3. lat. cervus, sonst wird „das wilde Geschoß An wart" v e r w a n d t m i t g r . χέρας, χεριά.;, g e h ö r n t , oder „Anwaht" (s. d.) gebannt 108 ), das in ahd. hiruz, mhd. hirz, unser H., ags. seiner Wurzel vielleicht auf wehen zurück- heorot, an. hjortr; daneben gr. χεμα; geht und damit dämonistischen Ursprung ahd. hinta, mhd. hinde, Hinde 2 ). Damh. verrät. geht auf lat. dama, worunter die Alten Gegen „Hauptscheid", bei dem die eine Antilope verstanden 3 ). In den Sette Schädelknochen angeblich drohen zu zer- communi heißt der H. billarochs, die Hinde billakua 4 ). Volkstümliche rospringen, wird gesagt: manische Namen verzeichnet Rolland 5 ) ; H . verschließe dich, in der deutschen Weidmannssprache findet wie Maria ihren Leib verschlossen h a t sich für den H. ein großes Material 6 ). vor ihrem M a n n 1 1 0 ) . ,0 Uber Beziehungen zwischen H.geweih und *·) B a r g h e e r Eingeweide 345 f. ) Ger71 mania 18, 46. ) P f e i f f e r Arzneibuch 2, Hahnrei vgl. Germania 26, 124 f. e a ) ; zu 72 138, 8. ) T a b e r n a e m o n t a n u s Arizneybuch Ortsnamen mit H. : Schröder in Germ.73 143. ) R o c h h o l z Gl. u. Br. 1, 41. " ) W u r t h rom. Monatsschr. 17, 27. Niederöstr. 2 (1866), 289. 75 ) F o s s e l Steierm. 107

(1886) 88 f. '«) A l p e n b u r g Tirol {1857) 370; Z i n g e r l e (1859) 459; M e n g h i n 115. " ) B u c k Schwaben 15. ' · ) F l ü g e l Frankenwald (1863) 76. 7B ) E b e l i n g Drömling (1889) 275; K ö h l e r Voigtland 397; W u r t h Niederöstr. 2, 289. 80 ) Alemannia 4, 170. 81 ) B u c k Schwaben 67. 82 ) S c h m a l e r - H a u p t Wenden (1843) 261; v. S c h u l e n b u r g Wenden 1, 225. ·*) K u h n s Zeitschr. 13, 142 fi.; G r i m m Mythol 3, 498 ff.; ZfdA. 4, 389; W o l f Beiträge 2, 228 f. M ) G r i m m Mythol. 2, 980. 8S) L a m m e r t 129; vgl. B ü c h n e r Arzte u. Kurpfuscher (1922) 302. *·) M e g e n b e r g Buch der Natur 130. 87 ) N o r r b o m Düdesche arstedie 134, 22. 88 ) ZföVk. 3, 343. · · ) S e i t z Trost der Armen (1715) 504 f. , 0 ) mündlich. β1 ) M a n z Sargans 81. 62 ) H ö h n Volksheilk. ι , 134 f. 8*) B r e n n e r - S c h ä f f e r Oberpfalz (1861) 29. ·«) F r i e d l i Lützelflüh 1 (1905), 450. u ) B a r g h e e r Eingeweide 349 f. · · ) H i l d e g a r d i s caus. et cur. 91, 27. , 7 ) ib. 97, 10; B a r g h e e r Eingeweide 350. , a ) F l ü g e l Frankenwald 62. ") P a u l i Pfalz (1842) 14. 10 °) W o l f Beiträge 1 (1852), 206; G o l d s c h m i d t Volksmed. (1854) 115; F o s s e l Steiermark 96; F l ü g e l Frankenwald 62; B u c k Schwaben (1865) 16. 101 ) B a r g h e e r Eingeweide 351. 10a ) ib. 352. 10a ) W l i s l o c k i Siebenbürgen 1 (1893), 99. 1M 1W) ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 238. Lemke Ostpreußen 1, 53; ähnl. BllpommVk. 1M 5, 86. ) B a r g h e e r Eingeweide 332; SAVk.

S c h r ä d e r Reallex. i 2 , 501 ff.; Sigm. F e i s t Indogermanen 1913, 181, *) E b d . ; vgl. auch P a u l y - W i s s o w a 8, 1936!; m u n d a r t l . Formen von ,,Hirsch" G r i m m DWb. 4, 2, 1563 f. ; im Isergebirge ist h e u t noch die schwache 3 F o r m Hirsche üblich. ) K e l l e r Tiere 73; P a u l y - W i s s o w a 8, 1937. *) D a l l a T o r r e Tiernamen 82. *) R o l l a n d Faune 1, 92 ff. e ) Antike W e i d m a n n s s p r a c h e : Pauly-Wiss o w a 8, 1489 f.; romanische: R o l l a n d 1, 94 ff.; d e u t s c h : Ulrich M o r h a r t Handtbüchlin grundtlichs berichts, recht vnd wolschrybenes 1501 = S a t t l e r Teutsche Orthographey 1617 = ZfdPhil. 13, 369. '*) Vgl. auch E d m u n d O. v. L i p p m a n n Beiträge z. Gesch. d. Naturwiss. u. d. Technik 1923, 225 f.

2. N a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e r A b e r g l a u b e . Das MA. wußte vom H. nicht mehr als die Alten 7 ). Er wirft sein Geweih ins Wasser 8 ) oder verscharrt es mißgünstig 9 ) ; das neue hält er zum Trocknen in die Sonne 10). Eine abenteuerliche Darstellung des Geweihwechsels gibt die hl. Hildegard 11 ). Lunge und Herz sind im Märchen ähnlich Menschenlunge und -herz 1 2 ); doch erzählte Aesop, er hätte kein Herz 1 '), ein

87

Hirsch

verbreitetes Märchenmotiv u ) . I m Herzen sei ein Knochen enthalten (s. § n ) 1 5 ) . D a man die Gallenblase bei ihm vergeblich suchte, fand man sie am Schwanz 1 6 ), in den Därmen 1 7 ) ; deswegen rieche das Fleisch übel 1 8 ), sei schwarz und schwer verdaulich 18 ). Die Juden fanden es dagegen nach Mannah schmeckend 20 ). Die Hinde hat einen engen Uterus und empfängt (slav. Juden), gebiert (babylon. Juden) nicht eher, als bis eine Schlange sie in die Scham gebissen h a t 2 1 ). Schlange u n d H . sind sonst einander feind (s. § 4 e)22). Die Schlangen saugen den Hinden die Milch aus 2 3 ). Der alte H. verschlingt eine Schlange, trinkt und wechselt die H a u t ; so wird er wieder jung 2 3 a ). Weil der H. die Schlange „anzieht", eine anziehende K r a f t hat, braucht man das Geweih im Liebeszauber (zieht das Geliebte an) 2 3 b ). Die Hinde erleichtert sich die Geburt durch das Verzehren gewisser Kräuter 2 4 ), wie dem H. überhaupt Kenntnis der Heilkräuter zugeschrieben wird 25 ). A u s seinem Speichel (semen?) entsteht die „Hirschbrunst" 2 6 ). Damit bringt er sein Alter weit über das menschliche hinaus : 3 (Plinius V I I I 119) oder im Deutschen 3 X 3 Menschenalter 2 '). Von gezähmten H.en ist öfter die Rede 28 ). Der H. ist neugierig, dumm 2 9 ), liebt musikalische Geräusche 30 ), fürchtet aber den Laut des Fuchses 3 1 ). Im Herbst kämpfen die H.e um die Herrschaft, und dem, der siegt, unterwerfen sie sich fröhlich 3 2 ). Wunde und sterbende H.e weinen 3 3 ). Sagen, welche den weißen Spiegel, das weiße Bauchfell, einen messerähnlichen Knochen im Bein erklären wollen, finden sich bei den Esten 3 4 ). Die Schwanzspitze ist giftig*·») in der Brunstzeit 341 "). ') Uber deren geringe Kenntnis: K e l l e r Tiere 92. 8 ) M e g e n b e r g 107. *) K e l l e r Tiere 92; P a u l y - W i s s o w a 8, 1940. 1943 (Plin. V I I I 115). Vgl. R o l l a n d Faune 1, 101 Nr. 14. 10 ) M e g e n b e r g 107; P a u l y - W i s s o w a 8, u) 1940. u ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 213. 13 G r i m m KHM. Nr. 76. ) H ö f l e r Organotherapie 241; K e l l e r Tiere 93 (großes Herz: P l i n . X I 183); P a u l y - W i s s o w a 8, 1944. " ) A l y Volksmärchen 259; G r i m m Sagen Nr. 491; G o e d e k e Deutsche Dichtung im M A . 1854, 628. 1 6 ) M e g e n b e r g 107. Vgl. M e e r w a r t h - S o f f e i Lebensbilder aus d. Tier-

88

welt Europas2 3 (1921), 88. " ) Ebd.; K e l l e r Tiere 77 ( A r i s t . II. 11, 5); M e g e n b e r g 107; Alemannia 13,145. 17 ) M e g e n b e r g 107. 1 8 ) E b d . nach P l i n . X I 192. " ) A r i s t . II 67; M e g e n b e r g 108. 20) bin G o r i o n Sagen d. Juden 4, 292. 21 ) J. S c h e f t e l o w i t z Altpaläst. Bauernglaube 18; Bapt. P o r t a Magia naturalis 1713, 16. 832. 22) K r a u ß Tausend Märchen der Südslawen 76 f.; A g r i p p a ν. Nettesheim 1, 116; K e l l e r Tiere 88f.; P a u l y - W i s s o w a 8, 1944 (Ael. I I 9. V I I I . 6.; P l i n . V I I I 118). Deshalb vertreibt man sie mit H.horn: M e g e n b e r g 107; S t e m p l i n g e r Sympathie 14. S3) M o n t a n u s Volksfeste 167. 231 ) Joh. K e l l e Speculum ecclesiae 1858, 1 1 ; A g r i p p a ν. Nettesheim 1, 105; Osw. C r o l l Basilica chymica 1622, 52; ders. Von den innerlichen Signaturen d. Dinge 1623, 63; Hess. Bl. 22, 65 f.; Joh. S c h r ö d e r s Medicochymische Apothecke 1685, 1277; dort noch mehrere Meinungen. 23b ) Andreae T e n z e l i i Medicinisch-philosophischu. sympathetische 24 ) M e g e n b e r g Schrifften 1725, 285. 106; A g r i p p a ν. Nettesheim ι , 113; P a u l y - W i s s o w a 8, 1941. 2S) Ebd. 1944 (Aufzählung); K e l l e r Tiere 92 f.; Just. Christ. H e n n i n g s Von Ahndungen u. Visionen 2 (1783), 444 fi.; A g r i p p a ν. Nettesheim ι , 113; C r o l l intieri. Signaturen 61; S t a r i c i u s 57; B a p t . P o r t a Magia naturalis 1713, 59 § 4. 5; P a r a c e l s u s Opera 2 (1616), 545 f. = Archidoxis magicae = Bücher v. Schrifften 1589. X Append. 70; Germania 36, 382 (Steiermark) = D ä h n h a r d t Natursagen 2, 95; Alemannia 1, 198 (wird Ehrenpreis genannt); H. kennt Lebenskraut: !e) P a r a c e l s u s P e u c k e r t Schlesien. Bücher vnd Schrifften 3 (1589), 52; Boletus Cervinus = Osw. C r o l l Von d. innerlichen Signaturen d. Dinge 1623, 42. a7 ) K e l l e r Tiere 92; P a u l y W i s s o w a 9, 1943; M e e r w a r t h - S o f f e l L e b e n s bilder 3, 96; M e g e n b e r g 106; ZfdA. 3, 28; Z a u n e r t Rheinland 1, 49f.; Alemannia 13, 145; W a c k e r n a g e l Epea 10; Joh. Wilh. W o l f Dtsch. Märchen u. Sagen 1843, 420. So daß ihm Efeu auf Geweih wächst: J. F. B r a n d t u. R a t z e n b u r g Medizin. Zoologie 1 (1829), 37. 28) Vgl. 4 a ; K e l l e r Tiere 89 f.; P a u l y 29 ) W i s s o w a 8, 1944 f.; M e g e n b e r g 108. P a u l y - W i s s o w a 8, 1944. 30) K e l l e r Tiere 93; P a u l y - W i s s o w a 8, 1944; M e g e n b e r g i o 6 f . ; B r a n d t u. R a t z e n b u r g Medizin. Zoologie I, 37 N. 5. 31 ) M e g e n b e r g 107. 32 ) Ebd. 107; L o n i c e r Kreuterbuch 1577, C C C X I R. ω) Montanus Volksfeste 167; auch wenn sie durch Zauber gestellt werden: K n o o p Tierwelt 61 Nr. 508; R e i s e r Allgäu 1, 2 0 5 ! 34) D ä h n h a r d t Natursagen 3, 87 f. 15. M a ) L o n i c e r Kreuterbuch 1557, C C C X I I Α . ; Joh. S c h r ö d e r s Medicin-chymische Apothecke 1685, 1281; C r o l l Innerliche Signaturen 49, Heilung durch Genuß des H.herzens. 31*>) MschlesVk. 29, 289 nach Schwenckfeld. 3. D e r H . i m A l t e r t u m . Der Roth, ist unter den paläolithischen Jagdtieren Westeuropas häufig, fehlt aber in den

89

Hirsch

Tundren Mitteleuropas 35 ). Erst mit dem Azilien erscheint er hier und bleibt bis in die röm. Kaiserzeit beliebtestes Jagdtier 35). Geweihe und Knochen werden verarbeitet ; sie sind besonders für das ausgehende Paläolithikum von Bedeutung, so daß man von einem H.zeitalter spricht 38 ). Schmuck aus H.zähnen erscheint bereits im Aurignacien; ich erinnere ferner an die Ofnetbestattungen 37 ). Dargestellt ist der H. recht häufig worden, und solche Darstellungen reichen bis in die historische Zeit (vgl. 4) 3 "). Das antike Europa kannte nur den Roth. 3e). Der Damhirsch war in Kleinasien zu Hause. Von dort ist er durch den Artemiskult bekanntgeworden 40 ). Der H. ist der Artemis Tier (als Jagd- 41 ) oder Mondgöttin 42)) ; sie beschützt ihn 43), empfängt H.opfer 44), verwandelt sich in eine Hinde 46), wie auch ihre Hypostasen Arge, Iphigeneia, Taygete H.gestalt annehmen 4e). In ihren Hainen werden H.e gezogen " ) . Über andere mit dem H. zusammengebrachte Gottheiten vgl. Orth 48 ;. Marx hat in Aktaion einen alten, hirschköpfigen Berggott sehen 49 ) und ihn mit dem keltischen, h.köpfigen Cernunnos50), der durch eine Abbildung auf dem Gundestruper Silberkessel bekannt ist, zusammenbringen wollen. 35 ) E b e r t Reallex. 5, 326. 3e ) Ebd. 1, 302. 305; P e u c k e r t Schles. Vk. g nach Altschlesien I, 2 S. » ) R . R . S c h m i d t Die diluviale Vorzeit Deutschlands ι (1912), 38. 40; E b e r t Reallex. 4, 2, 452; G. K o s s i n n a Indogermanen 1 (1921), 17; E b e r t Reallex. 5, 324b. 38 ) Moritz H o e r n e s - M e n g h i n Urgeschichte der bildend. Kunst in Europa 3 (1925), 161 ; H. B r e u il Fontde-Gaume 1910, 182 ff. Einzelne Darstellungen: H o e r n e s - M e n g h i n : Paläol.: 143. 144. 151. *53· J 5 4 · f. H.maske: 669. Prämykenisch in Troja: 496. Bronzezeit: Bohuslän 235; Lahse (s. 4a). Eisenzeit: 507. 509. Vgl. auch E b e r t Reallex. 4, 216. 217; 9 Tfl. 175; Georg W i l k e Relig. d. Indogermanen 1923, 170f. 222; S c h r ö d e r in Germ. rom. Monatsschr. 17, 411. *») P a u l y - W i s s o w a 8, 1937I " ) K e l l e r Tiere 73 f. 4 1 ) W e r n i c k e bei P a u l y - W i s s o w a 2, 1344 f. " ) K e l l e r Tiere 76; W i l k e 43) Religion d. Indogermanen 159. PaulyW i s s o w a 2, 1377. M ) Ebd. 2, 1344; 8, 1947; K e l l e r Tiere 9öf. « ) Ebd. 95. " ) W e r n i c k e bei P a u l y - W i s s o w a 2, 1355. 1357 f. 1360; Carl P s c h m a d t Sage v. d. verfolgten Hinde, Greifsw. Diss. 1911, I 5 f . 4 ' ) P a u l y - W i s s o w a 8, 1942. I947Í. P a u l y - W i s s o w a 8, 1946f.;

90

P s c h m a d t 8 ff. « ) Sitzb. Leipz. 58 (1906), 101 ff. 60) Abbildung u. Literatur: E b e r t Reallex. 4, 2, 576 f.

4. D e r H. in der M y t h o l o g i e . a) An der Weltesche nagt der H. Eikthyrmir (Grimnismal 26), wohl ein älteres mythisches Wesen 51 ), von dessen Geweih die Quellen tropfen, der aber hier nur noch in der Nebenrolle des Zerstörers der Esche erscheint52) (Die Tatsache, daß H.e Eschenlaub verzehren, mag diese Umformung bewirkt haben). In der Solarijodr (um 1200) ist vom Sonnenh. 53 ), den zwei am Zaum führen, die Rede. Man wird an ein Tier denken müssen, das den Sonnenwagen zieht ; schon die bronzezeitlichen Felsbilder von Bohuslän zeigen den H. dabei; ich erinnere ferner an den früheisenzeitlichen Kultwagen von Strettweg 54 ). Der Jagdgott Freyr 5 5 ), der schwertlose 56 ), erschlägt mit einem H.geweih (H.geweihaxt ? vgl. 3), den Riesen Beli 57). Den Frodi = Freyr S8) tötet ein gejagter H. mit dem Geweih (Skoldungasaga)5®). Von den Goten erfahren wir, daß ihr König (der Vertreter der Gottheit 60 )) mit H.en fuhr: fuit alius currus quatuor cervis junctus, qui fuisse dicitur regis Gothorum· 1 ). Endlich bin ich geneigt, die Dioskurengottheit der Vandali, die Alces, deren Name schon an den H. erinnert (s. 1), als ein h.reitendes Brüderpaar aufzufassen 62 ). Eine Vase, in Lahse (Schlesien), Bronzezeit Periode VI Montelius, gefunden, würde diesen Schluß stützen 63 ). Wir würden also bei den Ostgermanen den H. als Göttertier finden. Bei den Umzügen des Kultbildes, die uns hier mehrfach bezeugt sind (Freyr, Nerthus), mag er den Kultwagen gezogen haben. Das schließe ich nicht nur aus der gotischen Nachricht ; darauf führt auch, daß einmal erzählt wird, eine Jungfrau sei als Braut der Gottheit mitgefahren 64 ), daß andrerseits der H. oft in Begleitung einer Jungfrau e5 ), frommen Frau M ), der Waldfrau 6 '), dem Hirzefräulein M ) erscheint. Im 15. Jh. fährt die „Zeit" auf einem mit H.en bespannten Wagen ββ»). Ein H.gespann erscheint vor einem Wagen in

91

Hirsch

Muotes Heer e3b ). Er ist Frodi gebannt ββ ), erscheint an heiligen Orten70) und auch, wenn deutsche Kaiser ihm einen goldnen Halsring anlegen71 ), hat das bannende Wirkung, obwohl es sich hier um eine Nebenform des goldberingten Geweihes (s. u.) handeln kann 72 ). Infolgedessen ist es ein Frevel, ihn zu töten 7S). Als Nachklang eines solchen Umzuges fasse ich die thüringische Sage vom Frühlings- und Herbstumritt einer weißen Frau auf dem H. auf 7 4 ). Von Fahrten mit einem H.-gespann erzählen noch heute Sagen 74a). Daß der H. auch im Slavischen eine Rolle spielt, sei nur erwähnt 74b ). 61 ) Vgl. bin G o r i o n Sagen d. Juden 1 (1919), 66 f. 62 ) Vgl. die U m g e b u n g der Strophe ! Auch 33: S i m r o c k Myth. 37f.; B u g g e Heldensagen 5 0 4 s . a) Z u m „ S o n n e n h . " : W o l f Beiträge ι , 105f.; S i m r o c k Bertha die Spinnerin Ι ^ 5 3 . 77 S·.' d e r s . Myth. 353 ff.; P r ö h l e Unterharz i&jf.; Z i n g e r l e Oswaldlegende 93ff-; R o c h h o l z Sagen 2, 1 8 9 0 . ; K u h n in Z f d P h . I, 89 s . ; L o s c h Balder; M e y e r Germ. Myth. 109; L i e b r e c h t in Germania 10, i n ; Georg W i l k e Religion d. Indogermanen 1923, 135. M ) H o e r n e s - M e n g h i n Urgeschichte d. bildenden 6S Kunst 1925, 235. 507. ) G r i m m Myth. 178. •·) Lokasenna 42 ( G e n z m e r Edda 2, 57). " ) Gylfaginning c. 37; M e y e r Germ. Myth. 157 § 203; doch vgl. N e c k e l - N i e d n e r Die jüngere Edda 84. M ) N e c k e l ß e W e r 106ff. M ) S c h r ö d e r Germanentum 63. 80 ) K a u f f m a n n Balder 220 n a c h J o r d a n e s : Gothiproceres suos non puros homines sed semideos id est ansis vocaverunt. ,l ) V o p i s c u s in Aureliano 33 = R o c h h o l z Sagen 2, 189; vor Thors W a g e n d e n k t ihn R. M. M e y e r Relgesch. d. Germanen 284. e 2 ) P e u c k e r t Schles. FA. 14Í. 242t. " ) H o e r n e s - M e n g h i n 531.533; E r n s t P e t e r s e n D. frühgerman. Kultur in Ostdeutschland u. Polen 1929, 25 f. , 4 ) M a n n h a r d t I, 580. *6) P a n z e r Beitrag 2, 184; H e r z o g Schweizersagen 1, 25; R o c h h o l z Sagen ι , 2 2 i f f . ; M e n z e l Odin 216; P r ö h l e Unterharz 36. 158; K u h n Mark. Sagen 8 f . —) P r ö h l e Unterharz Nr. 92 ; R o c h h o l z S agen 1, 194. 1 9 4 ! ; K o h l r u s c h Sagen 307; Z a u n e r t Westfalen 97. " ) ZfVk. 10 (1900), 199; M a n n h a r d t 1, 132. " ) M e y e r Germ. Myth. 280. e S a ) P a u l K r is t e l l e r Kupferstich u. Holzschnitt in vier Jh.en* 1922,177. ••b) R e i s e r Allgäu 1, 45. ") Z f d P h . 1, 106 f.

) K n o r t z 6 5 n a c h K.Ga.ndei Niederlausitz 181. ) G r i m m Sagen Nr. 440; K u h n in Z f d P h . 1, 106 f.; 90 N. 1; G o y e r t - W o l t e r 8; W o l f Niederländ. Sagen 67. 675 ; A R w . 3, 360 ff. ; D e e c k e Lübische Sagen 15. Vgl. B a r t s c h Mecklenburg 1, 322. 7a ) P s c h m a d t 126 ff. 73 ) Kahn Westfalen ι, 122.180; K u h n u . S c h w a r t z 250 f. 290; R o c h h o l z Sagen 2, 190. 51; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 166. Vgl. W o l f Beitr. 2, 425; H e y l Tirol 243; B r a n d e n b u r g

70 71

92

219; R e i s e r Allgäu 1, 421; ZfdMyth. 1, 31 f.; S c h ö p p n e r Sagen 3, 256 f.; S i m r o c k Rheinsagen 146 = Germania 1, 75 f.; H a u p t Lausitz 2, 114 = K ü h n a u Sagen 3, 401 f.; H e n n e - a m - R h y n Deutsche Volkssage 152; W u t t k e 53 § 59. Vgl. u n t e n zu 101. 74 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 133. 74a ) P e u c k e r t Sibylle Weiß ; Ζ a u η e r t Hessen-Nassau 242. 7 1 b ) G r a e s s e Preußen 2, 411; J u n g b a u e r Böhmerwald 169; S i e b e r Wend. Sagen 1925, 31.

b) Die verfolgte Hinde. Die Griechen kennen in verschiedenen Varianten die Sage von der Verfolgung einer Hinde mit goldenem Geweih 76). Pschmadt hat in der verfolgten Hinde Artemis, im Jäger Apoll gesehen 7e ), ihr goldenes Geweih aus dem Semitischen herleiten wollen 77 ) und hat diesen Sagenkreis bis ins MA. verfolgt. Es wird aus dem gejagten ein (von Gott gesandtes) weisendes Tier 78). Furten zeigt es in Sagen aus der Völkerwanderungszeit an 79 ); die verlorne Tochter803), Quellen 80 ), Heilbrunnen81), Bergwerke82), Schätze 83 ) weist der H. noch heut. 75 ) P s c h m a d t 8 ff. (Apollod. Bibl. I I 81; P i n d a r Ol. I I I 24; D i o d . I V 13; C a l l i m . Hymn. I I I 98 ff.; P a u s a n i a s Descr. Graeciae I I 30, 7; V I I I 22, 6 ff.; dazu Schol. Pind. Ol. I I I 5 3 cd;Hygin.J=-a6.205). 7 »)Ebd.22. 7 7 ) E b d . 23 ff. (kerynitische Hinde, hebr. qeren = H o r n , Lichtstrahl). 78 ) E b d . 31; J o h . S c h o b e r Sagen d. Spessarts 1912, 26. 7*) P s c h m a d t 30 ff. 38 ff. ( P r o c o p . Bell. Goth. I V 5; J o r d a n i e Getica 24; G r e g o r . T u r . Hist. Francorum I I 37; T h i e t m . Merseb. Chronicon V I I 53 = G r i m m Sagen Nr. 449; vgl. B o l t e - P o l i v k a 2, 485; officium des hl. Karl, Karlamagnussaga I 51; V 17; Ogier le Danois 262 ff.); G r i m m Myth. 955; Z a u n e r t Hessen-Nassau 178; Friedr. B a n g e r t Tiere im altfranzös. Epos 1885, 145f. 80 ) D e e c k e Lübische Sagen 15 ; M e y e r SchleswigHolstein 96; H a r r y s Niedersachsen 2 (1840), 15 = H e n n e - a m - R h y n Deutsche Volkssage 152; H a u p t Lausitz 2, 184 Nr. 288. β0*) W o l f 81 Niederländ. Sagen 102 f. ) Jungbauer Böhmerwald 151; K ü h n a u Mittelschles. Sagen 2 f.; Aachen: P s c h m a d t 55f. nach MG. SS. 26, 725 etc.; Z a u n e r t Rheinland 1, 67; W o l f Dtsch. Märchen u. Sagen 378; ZfdU. 14 (1900), 408 f.; K a r l s b a d : K e l l e r Tiere 362 Anm. 214; J u n g b a u e r Böhmerwald 151; Z i n g e r l e Sagen 1859, 122 f. 495; L ü t o l f Sagen Nr. 242. 243; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 189; M ü l l e n h o f f Sagen 104 f. = G r a e s s e Preußen 2, 1059; ebd. 87. 252. 351 = L o s c h Balder 62; Gastein: Freisauff 434 f. 436 f.; L. B e c h s t e i n Die Volkssagen . . . Österreichs 1 (1840), 1081; W a r m b r u n n : R ü b e z a h l (Stettin) 2 (1925); 5 M (1928), 25. ) Z i n g e r l e Sagen 1859, 123; S i e b e r Harz 71 = K u h n u. S c h w a r t z 187 =

93 P r ö h l e Unterharz 198. 83) Witzschel ringen 1, 170; vgl. Baader Sagen 310.

Hirsch Thü-

c) Der H. als Unterweltstier. Zum Sagenkreis von der verfolgten Hinde (s. o.), zu dem schon die Sagen vom H. als weisendes Tier (s. d.) zu stellen waren, rechnet Pschmadt auch die besonders in der bretonischen Dichtung bezeugten: ein Held wird auf der Jagd vom H. in den Wald (übers Wasser) ins Feenreich verlockt, wo er der Feen Liebe genießt84). Doch begegnet diese Sage so häufig, daß die bretonischen Lais wohl nicht die alleinigen Übermittler darstellen. Der H. führt in den tiefen Wald 85 ), Abgrund85»), zur Waldfrau (Wasserfrau)8e), weißen Jungfrau 87 ), zu den Riesen 88 ), zum Zauberer oder zur Hexe, ins Zauberland 89), zur verstoßenen Gattin oder zur Geliebten eo). Wenn die letzten Varianten bretonischen Ursprungs sind, so kaum die ersten. Sie erweisen vielmehr den H. als Führer in die Unterwelt (dergleichen bildete gewiß auch bei den bretonischen Lais einmal den Ausgangspunkt). So kennt ihn schon die Odyssee (K 158ff.). Tote wurden ehemals in H.häuten transportiert 90a). Ein chthonisches Wesen ist derH., der von der versunkenen Alp Klariden kommt 91 ), der den Ritter ins Unterweltschloß 92), Odin zur Trollkönigin Hulda 93 ), Dietrich von Bern 94 ), den wilden Jäger 95) verlockte. Der H. führt zum Totenreich und -heer 98 ), nach „Venedig", dem Totenlande 9βΐ ), Knappen in den einstürzenden Stollen97 ), verleitet zum Betreten des Lehniner Sees 98). Glockenklang bricht seine Verlockung 99). Dem Tode Verfallene reiten auf H.en l0 °), ebenso wie dämonische Wesen : die wilden Männer (auf einem Wartburgteppich), die Waldfrau 101 ), die Wasserfrau 102 ), der tschech. Rübezahl Pan J a n 1 0 3 ) , im Alemannischen die Schlangenjungfrau104), die Jungfer Lorenz (Tangermünde)106), die hl. Notburga 104 ), der Dämon, der mit Heliodor, dem antiken Faust, einen Vertrag schließt 107 ), ein Pferd, das in der wilden Jagd gesehen ward 107a ), der wilde Jäger [s. 5] 1 0 7 b ). (Das Motiv ist schließlich in den Schwank abgesunken108)). J a , diese Wesen erscheinen selbst als H.e,

94

so die Riesin 109), die Hexe 110 ), die weiße F r a u m ) , die Jungfrau im Walde u i ), Venediger 113 ). Ein H.geweih hat die Swiza, diePest, Tödin auf dem Haupt 113a ), darum als chthonisches Tier, mag er auch der Hekate heilig sein 113b ). Vielleicht aus solchem Wissen (H. = chthonisches Tier) erklärt sich ζ. T. der alte Rechtsbrauch, Wilddiebe auf H.e zu schmieden und die in den Wald zu jagen 114 ). M ) Pschmadt 32 ff. 65 ff. Hierher stellt Pschmadt auch Parzifal undFriedrich vonSchwaben: ZfdA. 53, 312 ff.; 55, 64 ff.; 57, 135; B o l t e Polivka 2, 345. ») P s c h m a d t , Paus. VIII 22, 9; Hahn Märchen 1, 81; B o l t e - P o l i v k a 1, 444 (französ.); Gering aeventyri 2, 169; H e n n e - a m - R h y n Dtsch. Volkssage 1879, 152; Willibald Müller Beiträge z. Vk. d. Deutschen in Mähren 1893, 135 f.; Meier Schwaben Nr. 389; Kapff Schwaben 19 f. = Germania 1, 1 ff. (Zimmernsche Chronik); Schöppner Sagen 2. 186; Herrlein Sagen d. Spessarts2 1906, 153 f. 188 f.; Ullrich Kuhländchen 261 f.; S c h a m bach-Müller 154 f.; Graesse Preußen 2,87. i58f. 8 4 3 I Vgl.Panzer Beitrag 2, 1840., wohl auch imMahabharata: A. Holtzmann Indische Sagen 1921, 208. S5a ) Zaunert Hessen-Nassau 184. 115. **) Mannhardt 1, 132; San Marte Die Sagen v. Merlin 1853, 238; Altdeutsche Bl. ι, 128 ff.; Schönwerth Oberpfatz 2, 223 f.; Zaunert Westfalen 137; georgisch; Grigol Robakidse Das Schlangenhemd 1928, 185. 8 ') Zaunert Dtsch. Märchen seit Grimm 2, 68 ff.; Graesse Preußen 2, 862; Rochholz Sagen 2, 192. 221 ff.; H. Sachs vgl. Jos. Bock Hygins Fabeln 1923, 62. ω ) Naumann Isländ. Volksmärchen 1923, 123 ff. ; Panzer Beitrag 2, 186; Simrock Bertha die Spinnerin 86 f. M )Vgl. Nachw. 75; Pschmadt 95 ff.; Wolfdietrich 614 ff.; Grimm KHM. Nr. 85; B o l t e - P o l i v k a I, 532 ff.; Panzer Beitrag 2, 95; Busch Ut oler Welt 57 ff. ; J u n g b a u e r Märchen aus Turkestan u. Tibet 1923, 139; A. v o n L ö w i s of Menar Finnische u. estn. Märchen 1922, 289 f.; Wolf Beitr. 1, 186; J u n g b a u e r Böhmerwald 36; B a n g e r t Tiere im altfranzös. Epos 146. »») Ebd. 148; B o l t e - P o l i v k a 2, 341 ff. 346; Ritter Radibolt (Volkslied 17./18. Jh.) ZfdA. 6, 59 ff.; Schöppner Sagen 1. 96 f.; J . W . Wolf Niederl. Sagen 1843, 99 ff. ; Rochholz Sagen 2, 192 f.; Willibald Müller Beiträge z. Vk. d. Deutschen in Mähren 1893, 127 ff.; vgl. Simrock Myth. 332; Losch Balder 75 ff.; Wolf Niederländ. Sagen 173. Friedr. B a n gert Tiere im altfranzös. Epos. 1885, 144. " ) Müller Uri 1, 74. " ) Rochholz Sagen 2, 19t = Graesse Gesta Romanorum Anhang 18; R. K a p f f Schwaben 13 f. (vgl. Losch Balder 171. 19 f.); Herrlein Sagen des Spessart 176f.; Wolf Beitr. 1, 105; 2, 425; Ders. Deutsche Märchen u. Sagen 317; Pröhle Harz 144; vgl. Milenowsky Volksmärchen aus Böhmen 1853,

Hirsch

95

159 fi. , s ) Z f d P h . ι , 90; M e y e r Germ. Myth. 246; S i m r o c k Myth. 332; ders. Bertha die Spinnerin 85; vgl. B e c h s t e i n Thüringen 2, 234; R o c h h o l z Sagen 2, 193. M ) P s c h m a d t 87; Wilh. G r i m m Deutsche Heldensage 1889, 44; Thidrekssaga (übers. Fine E r i c h s e n 1924), 459f. · 5 ) M e y e r Germ. Myth. 246; S i m r o c k Myth. 331 f.; G r i m m Sagen Nr. 308; K u h n Westfalen 1, 122. 180; Z a u n e r t Westfalen 296; W o l f Beitr. 2, 421. 9") P r ö h l e Unterharz 187 ff.; S c h a m b a c h - M ü l l e r 253 f. ; S c h o p p η er Sagen ι , 360 f.; K a p f f Schwaben 22 f.; Rochholz Sagen 2, 189 f.; L o s c h im A R w . 2, 261 f.; ders. BeUder 168 ff. ; S i u t s Jenseitsmotive 270; W o l f Beitr. I, 105; R V V . 13, 84 N. 128; B a c h o f e n Gräbersymbolik 118; S i m r o c k Myth. 33öS. V g l . Nachw. 85—90. M a ) P r ö h l e Unterharz 1 8 7 f f . m *') Z a u n e r t Rheinland 1, 209. ) K u h n M&rk. Sagen 80 f.; Brandenburgia 26, 2 4 . " ) Z f V k . 7, 367; S c h ö p p n e r Sagen 1, 286; vgl. B a a d e r Sagen Nr. 396. 10 °) P r ö h l e Harzm — Sieber Harzlandsagen 63. 101 ) Jos. Freiherr v. E i c h e n d o r f f Liberias u. ihre Freier (Ges. Werke, Propyläenausgabe 6, 342); F. L. C z e l a k o w s k y Nachhall böhm. Volkslieder (übers, bei W e n z i g lü2) Westslav. Märchenschatz 316). Kühnau Sagen 2, 328. 103 ) P e u c k e r t Schlesien 176. 1M) R o c h h o l z Sagen i , 221. 239. 242. 246. 247; 2, 197 f.; W i t z s c h e l Thüringen 2, 133. 104 ) K u h n Mark. Sagen 8 f. Vgl. W o l f Beiträge I, 182; 2, 276 f.; Schlesiens Vorzeit N. F. 9, 168. V g l . auch Joh. S c h o b e r Sagen des Spessarts 1912, 254 ff. 10*) G r i m m Sagen Nr. 350. 1 0 ') G ö r r e s in S c h e i b l e s Kloster 5, 369. A u c h der T e u f e l : K ü h n a u Sagen 3, 597. H . reitende Gottheit bei G i l j a k e n : A R w . 8, 245. H . als Reittier: H o f f m a n n v. F a l l e r s l e b e n Schles. Volkslieder 16. 1 0 7 a ) K ü h n a u Sagen 2, 446. 10">) K ü n z i g Schwarzwaldsagen 103. 108 ) Brandenburg 205; R o c h h o l z Sagen 2, 192; S c h ö p p n e r Sagen 1, 95 f.; P e u c k e r t Schlesien 42 f. 10e) N a u m a n n Island. Volksmärchen 1923, 123 ff. l l ° ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 166 f.; K ü n z i g 1. c. 62; W i t z s c h e l Thüringen 67t. lu) Pröhle Harz 229; P s c h m a d t 15 f. (zu A n m . 69); W o l f Beitr. 1, 182; M e n z e l Odin 216. 290. 1 1 2 ) P a n z e r Beitrag 2, 184 f. = B o l t e P o l i v k a 2, 269. " 3 ) P r ö h l e Unterharz 188 ff., E i s e l Voigtland 237; Vgl. Heinr. G r a d i Sagenbuch d. Egergaues 1892, 41 f. U 3 a ) J u n g b a u e r Böhmerwald 1 6 9 . l i a b ) J. O. P l a ß m a n n Orpheus, altgriech. Mysteriengesänge 1928, 4. 1 1 4 ) A u s Hessen: Volksfreund in den Sudeten (Hirschberg i. R . ) 1827, 77 nach Grand théâtre historique à Leide 5, 22; H o f f m a n n Ortenau 175; K ü n z i g Schwarzwaldsagen 331 f . ; J a h n Volkssagen 4 f.; E . M. A r n d t Märchen u. Jugends erinnerungen (Hesses Klassikerausgaben) 5, 246; Willibald M ü l l e r Beiträge z. Vkd. d. Deutschen in Mähren 1893, 87; R o s e g g e r Älpler 309 f. Oder der Wilddieb wird in einem eisernen H . gebraten: F r e i s a u f f 645 f., in eine H . h a u t eingenaht und g e h e t z t : ebd. 464 f.

96

Der Übergang v o n menschlicher Erscheinung zur h.gestaltigen ist

dem

Märchen

Spuktier ist

der H . im ganzen

gebiet b e z e u g t l i e ) .

H.e

als

Seelen-

und

Schatztiere.

Als Sprach-

Spukhafter H.e b e -

dient sich auch der T e u f e l 1 1 7 ) ; er wird auch

mit

einem

bezahlt118).

H.

Eine

statt

einer

Seele

bloße A u g e n Verblen-

dung war es aber, als ein Schwarzkünstler einem Frau

Jäger

einen

zeigte118a)

gaukelte118b). der H . Schatz

als

als

erschossene

einen

In Schatzsagen

Wächter119),

versetzt

Schatz119).

H.

oder

istlao) ;

mit er

A u c h ist v o n

H.

vor-

erscheint dem

öffnet

der den

Goldschätzen

in H.gestalt die R e d e 1 2 1 ) . 115) G r i m m KHM. Nr. (11) 163; B o l t e P o l i v k a I, 82ff.; 2, 345. 34Öf.; P a n z e r Beitrag 2, 1 8 5 ! (184); B u s c h Ut oler Welt 57 f . ; W i s s e r Wat Grotmoder verteilt 1, 5 1 ; H. L o h r e Mark. Sagen 1921, 7; H e n n e - a m - R h y n 153 nach G r o h m a n n 247; W o l f Beitr. 2, 425; ι , 182; M e n z e l Odin 216; K l a r a S t r o e b e Nord. Volksmärchen 1, 11 ff.; F. K r e u t z w a l d Estn. Märchen 2 (1881), 34 f. Hierzu S i m r o c k Volksl. Nr. 261; R o c h h o l z Sagen 2, 192. 1 1 6 ) N a u m a n n Gemeinschaftskultur 115; R o c h h o l z Sagen 2, 5 1 ; H e r z o g 2, 2 1 5 ; W a i b e l u. F l a m m 2, 150 f.; R e i s e r Allgäu 1, 290; B o h n e n b e r g e r 8. 98; S c h ö p p n e r Sagen 3, 1 2 3 f . ; L a n g e r D V ö B . 2, 29; Wilh. S c h r e m m e r Schlesische Märchen (1928), 30 f.; W o l f Sagen 107; P f i s t e r Hessen I 0 9 f . ; E c k a r t Südhannov. Sagen 105; P r ö h l e Unterharz 63. 86; E i s e l Voigtland 126. 127; Q u e n s e l Thüringen 232 f. 287; E i s e l Voigtland 126; Z r w V k . 1909, 273; vgl. R o l l a n d Faune 1, 103; Wilde-Jagd-Sagen. " ' ) (Jos. F r i t z ed.) Das Volksbuch v. Dr. Faust 1914, 18; S t r a c k e r j a n 2, 154; v g l . N a c h w . 107. 1 1 8 ) P a n z e r Beitrag 2, 57. 570. l l 8 ») Q u e n s e l Thüringen 285 = E i s e l Voigtland 220. 1 1 8 b ) E i s e l Voigtland 229. 1 1 9 ) W i t z s c h e l Thüringen 1, 170; B a a d e r Sagen 310; K u h n u. S c h w a r t z 187; W o l f Niederländ. Sagen 1850, 618; L o c h e r Venedigersagen 75; vgl. K ü h n a u Sagen 3, 597. B e c h s t e i n Thüring. Sagenschatz 4, 173. l s o ) P r ö h l e Unterharz 189. m ) W o l f Hausmärchen Nr. 73; Beitr. 2, 402; M e i e r Märchen Nr. 54; H e r r l e i n Sagen d. Spessarts 1906 a , 200; N i e d e r h ö f f e r Meckl. Sagen 1, 138; M e y e r Schleswig-Holstein 100; M e i c h e Sagen 696; W u c k e Werra 1891, 9 5 ! N r . 149; E i s e l Voigtland 126. 184. 239; R o c h h o l z 2 , 1 9 5 . 1 9 1 f. = S c h ö p p n e r 2, 294 (Nr. 779. 184); P r ö h l e Harz 129Ö. = L o s c h Balder 1 1 9 f.; P r ö h l e Unterharz 1 8 7 f f . ; M e i c h e Sagen 696; B e c h s t e i n Thüring. Sagenschatz 3, 160 f. V g l . A n m . zu Goldh., Goldh. der Owsaldlegende. e) H . = Christus.

d)

(„Sympathietier") geläufig116).

Der alexandrinische

Physiologus lehrt, entsprechend der a n -

Hirsch

97

tiken Naturgeschichte vor 140 η. Chr.: Der H. ist ein Feind des Drachen . . . So tötet der Herr den großen Drachen, den Teufel. Die Kirchenväter haben das Gleichnis übernommen 1 2 2 ) und weitergegeben; (Maria 1 2 3 ) oder) Christus 1 2 4 ), eine reine Jungfrau 124a ) erscheinen als H . ; er ist der größte H. der W e l t 1 2 5 ) , der weiße 126 ) mit goldenem Geweih 1 2 7 ) (Goldh.), der leuchtet oder Lichter 128 ) oder ein Kreuz t r ä g t 1 2 e ) . E r erscheint an hl. T a g e n 1 3 0 ) , trägt die Hostie 1 3 1 ), hat einen Engel bei sich 1 3 2 ) ; sein abgeworfenes Geweih macht eine Quelle heilkräftig 133 ), kurzum, die Heiligkeit des Tieres wird christlich motiviert. Auch jetzt noch gehört er zu den weisenden Tieren; er erscheint in Gründungssagen 1 3 4 ), trägt Steine zum B a u usw. 1 3 5 ), er ist auch mit der Sage vom „Erlöser in der Wiege" verbunden 1 3 6 ). In westnordischen Bildwerken wird die Seele als H. vom Tod oder Teufel als Wolf g e j a g t 1 3 6 a ) . Dem Jäger des Kreuzes-H.es kann ein Doppeltes widerfahren: sinkt er vor dem Kreuzh. reuevoll zu Boden, dann ist sein Frevel vergeben; das ist der T y p der bei uns auf Hubertus (s. d.) übertragenen ursprünglich griechischen (Eustachius-)Legende 1 3 7 ) ; läßt aber der Jäger nicht ab, muß er zur Strafe ewig jagen 1 3 8 ), und ewig ist der H. seine Beute 1 3 9 ), läuft der H. in seinem Gefolge 140 ). Das chthonische Wesen des Tieres ist deutlicher erkennbar als beim goldenen H. 1 2 7 ). (Doch überwiegt hier sein lichtes W e sen) 127a ). So wird der schwarze H. zum Teufel 141 ), wie der weiße zu Christus wurde. 122 ) P s c h m a d t 35 (nach F. L a u d i e r t Gesch. d. Physiologus 1889, 27); O r í g e n e s Homil. 2 in cant. cant. nr. 11 = M i g n e PG. 13, 56; A m b r o s i u s De interpell. Job. et David II ι n. 4; H i e r o n y m u s Comment, in Js. c. 34 = M i g n e PL. 24, 386; B e d a in Psalm. 28 = M i g n e PL. 93/94, 624. 123 ) E r k - B ö h m e 3, 633 f.; ich stelle auch Paul S t i n t z i Sagen d. Elsasses 1 (1929), 132 f. hierher; ebenso ZrwVk. 6, 273 f. 1 M ) K u h n Westfalen 1, 180; K . K r o h n in Finnischugrische Forschungen 7, 177; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 309 f. Vgl. Nachw. 130. 131. 1 M ») W o l f Niederländ. Sagen 102 f. "») Carl C a l l i a n o Niederösterreich. Sagenschatz 1 (1924), 1 2 t 204. ) Zuerst in Karlamagnussaga I 51

B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube IV

98

und R a i m b e r t de Paris Ogier le Danois 262fí.; P s c h m a d t 43 zu diesen Stellen will Beeinflussung durch bretonische Hindenfeesagen annehmen; vgl. ebd. 103 s . 115 ff.; R o l l a n d Faune 1, 103; G a n d e r Niederlausitz 114; K i i h n a u Sagen 2, 328; Heinr. G r a d i Sagenbuch d. Egergaues 1892, 12; W i t z s c h e l Thüringen 2, 133; Z i n g e r l e Sagen 1859, 122; R o c h h o l z Sagen 1, 239. 221; K o h l r u s c h Sagen 307; Z f V k . 7, 367; K u h n u. S c h w a r t z 187 = P r ö h l e Unterharz 36. 198; M i i l l e n h o f f Sagen 104 f.; K n o r t z Streifzüge 67 fi.; M e n z e l Odin 216; W o l f Sagen 128; Z a u n e r t HessenNassau 193; Westfalen 118; S t i n t z i Sagen des Elsasses 1, 82; W o l f Niederländ. Sagen 102 f.; F r e i s a u f f 380 f.; S a n n Sagen 223; G r a e s s e Preußen 2, 888; H e n n e - a m - R h y n 152; H o c k e r Volksglaube 223; W u t t k e 53 § 59; W o l f Beitr. 1, 182; L o s c h Balder 30 ff.; R o l l a n d Faune 1, 103 N. 3; M e e r w a r t h - S o f f e l Lebensbilder aus d. Tierwelt 3, 86 f. Vgl. Nachw. 138. Doch ist er auch ein in die Irrnis lockendes Tier (vgl. 4 c) : H e r r l e i n Sagen d. Spessarts 19062, 153 f., und scheint in älteren mythischen Zusammenhängen zu begegnen: Z a u n e r t Westfalen 56 f.; P a n z e r Beitrag 2, 184 f. l m ) Zum Alter des Motivs vgl. A n a . 71 ; ferner P s c h m a d t 8 N. 3; 23 ff. 128 ff.; K e l l e r Tiere 98; in der griech. Eustachiuslegende des 7. Jh. : A S S . Sept. 6, 124, dann der Meinulflegende A S S . Okt. 3, 211 Nr. 13 ff. ( P s c h m a d t 45 f. 52 f.); Wolfdietrich 619; B u s c h Ut òler Welt 1910, 57 f.; M i i l l e n h o f f Sagen 104 f.; Meyer Schleswig-Holstein 96; Z i n g e r l e KHM. 300 ff. = L o s c h Balder 40 ff.; B e c h s t e i n Thüringen 2, 234. 290; Brandenburg 221 f. Vgl. auch die Zlatorog-Gemse mit goldnen Krickeln: A. v . M a i l l y Sagen aus Friaul u. d. Julischen Alpen 1922, 55 ff. u. Anm. Vgl. den G o l d h . des Märchens und der Oswaldlegende : L o s c h Balder 109 ff. 118 f.; P s c h m a d t 64 f.; P r ö h l e KHM. Nr. 65; W o l f Deutsche Hausmärchen 73 ff.; Z a u n e r t Dtsch. Märchen seit Grimm 1, 25 ff. = M e i e r Dtsch. Volksmärchen aus Schwaben 1852, 188 ff. Als chthonisches Tier P r ö h l e Unterharz 187 ff. 12 'a) Das läßt folgern: W o l f Niederländ. Sagen 615. m ) B a a d e r N. Sagen 46; K ü n z i g Schwarzwaldsagen 244; W o l f Beitr. 2, 425 f.; R o c h h o l z Sagen 1, 246. 351; 2, 194 f.; K o h l r u s c h 307; H e r z o g Schweizersagen ι, 254 f. 144 f.; V e r n a l e k e n Alpensagen 317 f.; H e n n e - a m - R h y n 152; W a i b e l u. F l a m m 1, 268 f.; 2, 1 9 5 ! ; B i r l i n g e r Volksth. ι , 5 1 1 ; Z a u n e r t Westfalen 372; M i i l l e n h o f f Sagen 581. Vgl. dazu P e u c k e r t Schlesien 164. 12> ) G ö r r e s Christi. Mystik 1, 283 (Hubertus u. Eustachius); P s c h m a d t (s. u.); L ü t o l f Sagen Nr. 483; R o s e g g e r Volksleben 96; V e r n a l e k e n Alpensagen 317 f.; S a n n Sagen 223; C a r l C a l l i a n o Niederösterreich. Sagenschatz 1, 204; F r a n z K i e ß l i n g Frau Saga im niederösterreich. Waldviertel 1 (1924), 46; J u n g b a u e r Böhmerwald 192; Eisel Voigtland 126; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 75; Z a u n e r t Westfalen 15. 2 9 5 ! ; K u h n West4

99

Hirsch

fahrt ι , 122. i8o ( = R a n k e Volkssagen2 126). 186. 3 1 5 . 3 1 7 (vgl. L o s c h Balder 1 5 4 f . ) ; K u h n u . S c h w a r t z 251. 500; E i s e l Voigtland 126; S i e b e r Harz 7 1 ; S t r a c k e r j a n 2, 154; D e e c k e Lübische Sagen 15; M a c k e n s e n Hanseat. Sagen 63 f.; M ö l l e n h o f f Sagen 1 1 0 ; M e y e r SchleswigHolstein 100; Q u e n s e l Thüringer Sagen 232. 1 30 ) K i e ß l i n g Waldviertel 1, 46; C a l l i a n o Niederöst. Sagenschatz 1, 217 ff.; P. S t i n t z i Sagend. Elsasses 1, 82; H e n n e - a m - R h y n 1 5 2 ; K u h n Westfalen 1, 3 1 5 . 3 1 7 . 180. 186. 122. m ) S c h m i t z Eifel 2, 1 1 5 ; Z a u n e r t Rheinland 1, 295. 132 ) R o c h h o l z Sagen 2, 193. 133 ) M ö l l e n h o f f Sagen 104 f. 1 M ) M e y e r Germ. Myth. 109; P s c h m a d t 51 ff.; W o l f Beiträge 1, 1 8 2 ; R o c h h o l z Sagen 2, 193. 194. 1 9 5 ; V e r naleken Alpensagen 3 1 7 f.; Schöppner Sagen 1, 365; Willibald M ü l l e r Beiträge z. Vk. d. Deutschen in Mähren 1893, 136 f.; K ü h n a u Oberschles. Sagen 178; Z a u n e r t Rheinland 2, 98; Z a u n e r t Hessen-Nassau 195; Westfalen 95 f. 97· 372; P r ö h l e Harz 1 8 1 = L o s c h Balder 1 8 1 f.; ebd. 182; B r a n d e n b u r g 2 1 4 ; K u h n Mark. Sagen 72 f.; M ü l l e n h o f f Sagen 1 1 0 ; M e y e r Schleswig-Holstein 100; N i e d e r h ö f f e r Meckl. Sagen 2, 3 1 f.; B a r t s c h Mecklenburg 1, 322. 354; vgl. R o c h h o l z 2, 194; G r i m m Sagen Nr. 4 3 1 ; G r a e s s e Preußen 2, (628). 729. 888; G o s w i n F r e n k e n Wunder u. Taten d. Heiligen 1925, i n ; M a r q u a r t s t e i n : S e p p im Correspdzbl. Ges. f. A n t h r o p . 1 3 (1882), 1 8 9 ! 135 ) B i n d e w a l d Sagenbuch 2 1 3 ; W o l f Sagen 128; ZauneitHessen-Nassau 1 9 3 ; Westfalen96] W o l f Sagen 128. Vgl. B i r l i n g e r Volkst. 1, 152. 138 ) M e i e r Schwaben Nr. 7. 1 3 8 a ) R e i t z e n s t e i n i n : Vorträge d. Bibl. W a r b u r g 1923/24. 162 f. 137 ) P s c h m a d t 45 ff. (Acta SS. Sept. 6 1 2 4 ; Nov. I, 836; J a n . 2, 974); hierher auch M a i l l y Niederösterreich 1 3 . 138 ) M a n n h a r d t I , 1 5 1 ; Z i n g e r l e Sagen 1859, 1 2 2 ; A l p e n b u r g Tirol 3 4 f . ; F r e i s a u f f 3 8 0 I ; K u h n Westfalen 1, 1 2 2 . 1 8 0 . 3 1 5 . 3 1 7 (vgl. L o s c h Balder 1 5 5 ) ; W o l f Niederländ. Sagen 2 3 1 s . ; K u h n u. S c h w a r t z 250. 290 ( R a n k e Volkssagen2 1 2 6 ) ; H . L ü b b i n g Fries. Sagen 1928, 2 1 5 ; S c h a m b a c h - M ü l l e r 75; R o c h h o l z Sagen 2, 5 1 ; S i e b e r Sachsen 1 7 1 ; G r a d i Sagenbuch d. Egergaues 1892, 1 2 ; Germania 27, 368 (aus Deutsch-Böhmen); J a h n Volkssagen 2 1 ; Aus unserer H e i m a t , Beilage z. Anzeiger f. B a d Carlsruhe O S 1924, 26. H a t sich selbst zur J a g d v e r w ü n s c h t : G r i m m Sagen Nr. 308; Zaunert Westfalen 296; Hessen-Nassau 1 4 f. ; H o c k e r Volksglaube 2 1 ; a u c h oben. I n einer V a r i a n t e der Hackelbergsage (s. Wildschwein) reißt der h a l b t o t e H . d e m wilden J ä g e r die tödliche W u n d e : Krs. Leobs c h ü t z : H u g o G n i e l c z y k Am Sagenborn d. Heimat 1922, 23; K i e ß l i n g Frau Saga 3, 3 1 . Vgl. ü b e r h a u p t hierher M e y e r Germ. Myth. 246; L o s c h Balder 1 5 1 ff.; K e l l e r Tiere 362 N . 211, die Iphigeniensage A n m . 89; der weiße Kreuzh. f ü h r t den Wilddieb J ä g e r n in die A r m e : S a n n Sagen 223. D a s Schloß v e r s i n k t : K ü h n a u Oberschles. Sagen 5 1 9 ; E i s e l Voigtland 276. 13 *) S i e b e r Sachsen 1 6 9 . 1 7 1 ; Harzlandsagen 73. 77;

100

C o l s h o r n 1 9 2 f . ; G r ö ß l e r i m Archiv f. L a n d . u. Vk. Prov. Sachsen 3, 1 4 7 ; M n b ö h m E x k . 1, 136. Getötete F r a u u n d K i n d e r des wilden Jägers werden H . e : H e r z o g Schweizersagen 1, 54f. 110 ) B o h n e n b e r g e r 92; M n b ö h m E x k . 1, 136. 141 ) S t ö b e r Oberrhein. Sagenbuch 3 1 1 = W o l f Beitr. i , 105; L o h m e y e r Saarbrücken 56 ff.; W o e s t e 49; M e i e r Schwaben 147 f.; J u n g b a u e r Böhmerwald 40; K ü h n a u Mittelschles. Sagen 135 f.; W u c k e Werra 1891, 282 f. Nr. 449; vgl. L ü t o l f Sagen Nr. 1 2 6 ; K u h n Mark. Sagen 72 ff. ; P r ö h l e Unterharz 192 ft. setzt ihn gleich d e m goldn. H . 5 . D e r H . i n d e r L e g e n d e . W i e in der mytholog. Sage erscheint auch hier d e r H . als Z u g - (Pflug-) 1 4 2 ) oder Reittier 1 4 3 ). Schon aus der Antike überliefert ist, daß H.kühe Kinder mit ihrer Milch ernähren (Telephos) 1 4 4 ) ; das wird b e i b e h a l t e n 1 4 5 ) (Genoveva146)) oder auf Heilige erweitert 1 4 7 ) . J a , H . e lassen sich von ihnen verspeisen und werden wieder lebendig 1 4 8 ). B e i Heiligen suchen H . e hinwiederum Hilfe 1 4 β ). Z u r H u b e r t u s - 1 5 ° ) und E u s t a chiuslegende 1 5 0 a ) s. o. Die hl. Salaberga hing zur A b w e h r eines Gewitters einer H . k u h eine besondere Schelle u m l s o b ) . 14a ) K n o r t z Streifzüge 66 (Echinus). 143 ) S é 144 b i l l o t Folk-Lore 4, 1 1 2 . ) K e l l e r Tiere 100 f.; P s c h m a d t 2 1 . l 4 6 ) B o l t e - P o l i v k a I, 432 f.; W o l f Niederländ. Sagen 675 Nr. 65 f. ; W i t z s c h e l Thüringen 46; Légende de n o t r e D a m e — S e p p Jerusalem «. d. heilige Land 1 (1863), 505; Friedr. B a n g e r t Tiere im altfranz. Epos 1885, 144. " · ) F. B r ü l l Legende v. d. Pfalzgräfin. Genoveva Progr. B r ü n n 1898/99; P s c h m a d t 58 ff.; N a u m a n n Gemeinschafts· kultur68; B o l t e - P o l i v k a 2, 293 N. 1; Z a u n e r t Rheinland 1, 263 ff. 14e ) P s c h m a d t 59 f. (Acta SS. Sept. I, 301 Nr. 11); Goswin F r e n k e n Wunder u. Taten d. Heiligen 1925, 98 f. 2 1 5 ; Z a u n e r t Rheinland 2, 37; P r ö h l e Unterharz 197; G r a e s s e Preußen 2, 146 f.; M a i l l y Niederösterreich 1 5 1 ; G r i m m Sagen Nr. 350 (Notburga) u. ZGOR. 1886, 394 ff. = Grenz« b o t e n 62, 2, 97 f.; M e i e r Schwaben 3 0 1 ; Trierer Aegidius: Germania 26, 12. 14 ff.; K i e ß l i n g Frau Saga 3, 86; Chevalier au cygne: ebd. 1, 420. 148 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 60 N. I ; Z a u n e r t Westfalen 1 1 7 f. 149 ) Trierer Aegidius, Germania 26, 1 4 s . ; Macarius: Gust. R o s k o ff Gesch. d. Teufels 2 (1869), 1 7 1 (Acta SS. J a n . 2, 230. 1 4 ) ; Kaiserin E d i t h : MG. SS. 20, 628; 16, 62 ; Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere dtsch. Geschichtskunde 20, 55. 80 f. l s 0 ) P s c h m a d t 48 f.; vgl. Archiv f. Literaturgesch. 9, 578; Germ a n i a 27, 368; Else L ü d e r s Buddhist. Märchen 1 9 2 1 , X I V ; W o l f Beitr. 2, 1 1 2 ; K u h n Westfalen 1, 3 1 5 ; S c h a m b a c h - M ü l l e r 75; Alem a n n i a 26, 166. 180 ») R o s e g g e r Volksleben 96.

150b) M a r z o h i - S c h n e l l e r Liturgia sacra 6, 690 = N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 523 f.

6. Der H. als O p f e r t i e r . Der H. ist ein altes Opfertier 151 ), wird im 4. Jh. vor Chr. auf der phönikischen Opfertafel in Marseille genannt 151 ), wurde der Artemis 152 ), dem Dionys 1 5 1 ), dem Aktaion usw. dargebracht 151 ). Die Niedersachsen opferten im 9. Jh. Erstlinge der Jagd 153 ). Schon bei Griechen und Römern vertrat ein Gebildbrot das Opfertier 154 ). Gebildbrote in H.- oder H.homform 155 ) kennt Höfler für den Nikolaustag 15e ), Weihnachten und Neujahr 157 ), Drei-Königstag 157a ), Fastenzeit 158), am Hirsmontag 159 ), Tag nach Invocavit 160 ), Montag nach Aschermittwoch 161 ), Ostern le2 ). Ein H.essen war in Schmalkalden Mariä Himmelfahrt 163 ) üblich, in Corvey St. Vitustag 164 ), einen Kirmesh. kannte man in Schlesien 185 ). Zu Fruchtbarkeitszwecken opferten nach Höfler 165a ) böotische Frauen dem Aktaion, kleideten sich als H.kühe und benannten sich so. " ' ) H ö f l e r Organoth. 81; G. W i l k e Religion d, Indogermanen 1923, 219. 222. 152 ) S t e n g e l Opfergebräuche

198.

153

197. 200. 226 f . ; K e l l e r

) H ö f l e r Weihnacht 66.

Organoth.

81;

Weihnacht

16;

154

Tiere

) Höfler Tiere

Keller

97 f.; ZfVk. ι , 304. ) H ö f 1er Weihnacht 65; ZfVk. 14, 267. 1 M ) ZfVk. 12. 199; Bavaria 1, 167 1002 N. ) H ö f l e r Weihnacht 65. 66; R o c h 155

h o l z Sagen 2, 197; K o l b e Hessen

7. 11.

,s7¡»)

A a r g a u : S e p p im Correspdzbl. Ges. f. Anthrop. 13

102

Hirsch

ΙΟΙ

(1882), 188 f.

1U

) Höfler

Fastengebäcke

55· 35· 56; M e y e r Germ. Myth. 109; R o c h h o l z Sagen 2, 197 f. 15*) R o c h h o l z Sagen 2, 197; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 341. 1β0 ) A R w . 8 B e i h e f t 83; D i e t e r i c h Kl. Sehr. 325. 1 M ) R o c h h o l z Sagem, 195 f. 1 M ) H ö f l e r Ostergebäcke

53.

w3

)

Lyncker

»·*) Z a u n e r t Westfalen 117 f. Schles.

Vk.

106.

nach ARw. 10, 57.

165a

)

Höfler

Sagen

1«)

229 f.

Peuckert

Organoth.

81

7. A p o t r o p ä i s c h (vgl.4d.). Geweihe usw. wurden im Altertum als (Opfer oder) Weihgeschenk der Jagdgottheit aufgehängt 166 ), meist aber haben sie apotrop. Bedeutung in vorhistorischer Zeit 1 6 7 ), wie bei den Griechen 16S ), wie in den romanischen Ländern 189 ). So findet sich auf dem Dach von St. Michael ein H., den man für ein Opfertier ansieht le9a ). Als Herzog Johann Georg zu Brieg 1582 Hochzeit hielt, wurden zur Feier auf alle Giebel H.hörner gesetzt l e e b ). Im Früh-

jahr an gewissen Tagen gefunden und aufgehängt, bilden sie nach Montanus 17°) einen Schutz gegen Schlangen. Wegwarte muß man mit einem H.geweih graben 170a ). Apotrop. wird das Horn auch als Giebelschmuck gebraucht 171 ). Den Schwalbenstein trägt man in H.leder gebunden am Halse, ebenso andere Zaubermittel171®). Als Amulett trägt man in Frankreich ein Stück Geweih bei sich 172 ), ebenso in Österreich gegen den Blitz 172a ), bei uns H.klauen 173 ), H.zähne = Grandein in Ringen; das Auge Gottes steht auf der Spitze eines solchen Zahnes 174 ). Das Bild steht in einer Fraisenkette 175 ). Der Jäger trägt am Hut ein H.bild aus Blech, damit er keinen Menschen erschießt 175a ). 1M

)

1M

Tiere 96 t.;

Keller

bräuche

200.

le7

)

Höfler

Stengel

Opferge-

Organotherapie

8i.

) ebd. 82; P r a d e l Gebete 358 N. 1. " » ) S e l i g -

m a n n Blick 2, 122; G e r h a r d t Franz. Novelle 72. l e B a ) M a i 11 y Nieder Österreich. 109. i 5 i = K i e ß l i n g Frau Saga 3, 23. 1 6 e b ) N i k . P o l Jahrbücher d. Stadt Breslau 4 (1813), m . 1 7 0 ) M o n -

t a n u s Volksfeste 167; vgl. M e g e n b e r g 107. M a r z e i l Volksleben 60. m ) M e y e r Germ. Myth.

109.

Tirol

Alpenburg

388. 360.

"») S e l i g m a n n Blick 2. 122. l72 *) ZföVk. 33, 21. 173) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 212. 17*) R o c h h o l z Sagen 2, 193; helfen f ü r die Augen: ZföVk. 33, 21. 175 ) H ö f l e r Organoth. 84; ZföVk. 13, 104. 175a ) ZföVk 33, 45.

8. V o r b e d e u t u n g u n d A n g a n g . A l s Todesbote 176 ) erscheint der H. in hessischen 177 ), sächsischen 178 ) und bretonischen Sagen 178 ) ; wer einen weißen sieht, stirbt 179a ) ; auch ein blutendes H.horn gilt als Unglücksomen 180 ). Der Angang galt bei Romanen je nach den Umständen glück- oder unglückverheißend 181 ), den Persern, Juden, siebenbürg. Zigeunern182) und dem deutschen Mittelalter als böse 183 ), nach der Rockenphilosophie aber als gut 1 8 4 ). Wer in der Thomasnacht eine H.kuh sieht, Neujahr einen röhren hört, hat Glück 1 7 9 a ). 17e

177

)

)

Schwebel

Tod

Hessen

Pfister

Hessen-Nassau

309.

u. ewiges Leben

96.

320. " * )

197; G r a e s s e Sachsen N r . Sagen 2, 192.

17

107 f . ;

115 f.

Zaunert Harz

Sieber

23 =

Rochholz

' ) R o l l a n d Faune

1, 103 N . 3.

»a) Z f ö V k . 33, 21. «») B i r l i n g e r Volksth. 1, 241 f.; M e i c h e Sagen 622. Vgl. oben. l e l ) H o p f 17

Tierorakel 1M

83 t;

S é b i l l o t Folk-Lore

3,22.

23.

) Z f V k . 23, 385; S c h e f t e l o w i t z

Altpalästi-

1B3)

ZfVk. 23,

nensischer

385; n a c h

Bauernglaube

141.

G. G r u p p Kulturgesch.

d.

Mittel-

103

Hirsch

alters (1912) 55; B r a e u n e r Curiositaeten 488. G r i m m 3, 438 Nr. 128; Z f d M y t h . 3, 310; Montanus Volksfeste 168. Vgl. Rolland Faune 1, 103 N. 5. 1M)

9. H. a l s W e t t e r t i e r . Wenn Nebel von den Berghängen aufsteigen, braut 1 8 5 ), raucht 186 ) der H. Laurentius pißt er in den Bach, da ist die Badezeit vorbei 187 ). Bartholomä tritt er in die Brunst 188 ). Mit welchem Wetter der H. (Aegidien) in die Brunst tritt, mit dem tritt er wieder aus 18e ). Späte Brunst zeigt einen langen, frühe und schnelle einen kurzen Winter an 190). Ebenso zeigt lautes Schreien in der Brunst einen strengen Winter an (Isergebirge). Wenn die H.e auf die Häuser zu weiden, deutet das ein volles Jahr 191 ), nach schlesischem Glauben strenges Wetter an (mündl.). Bei jedem Wetterumschlag ist das Wild mehr als gewöhnlich auf den Läufen (mündl.). Um H.sprunglänge nimmt der Tag am Dreikönigstag zu 1 9 2 ). 18δ ) L a i s t n e r Nebelsagen 16, nach K u h n Westfalen 2, 88 Nr. 275. 18e ) Ebd. nach E i s e l Voigtland 225. 18? ) W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 76; Z f V k . 4, 405. 188 ) C u r t z e Waldeck 315 Nr. 20. 18e ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 177; HessBl. I i , 12; S c h ü t z e Holstein. Idioticon 1, 19. L e o p r e c h t i n g Lechrain 193. l i 0 ) Z f ö V k . 10, 52. l n ) Z f d M y t h . 3, 313.

10. H. a l s V e g e t a t i o n s d ä m o n . Der Vegetationsdämon trägt zuweilen H.gestalt; die letzte Garbe wird zum H. geformt, H. genannt 1923 ); das geht nach Reuterskiöld 192b ) auch daraus hervor, daß Brotformen diese Gestalt annehmen. Vgl. ferner Hirschmaske. 1 M ) L a n g e r D V ö B . 6, 25. Nr. 64. 1 8 2 a ) M a n n h a r d t Korndämonen 1 ; J. G. F r a z e r Der goldene Zweig 1928, 674. 182b) Speisesakramente 118.

11. D e r H. im Segen. Bei Beinverrenkungen wird der H. genannt 193 ), ebenso in einem Segen vom blinden Kalb 194 ), die Hinde in einem jüdischen, um die Geburt zu fördern 1942 ). Russische 195 ) und griechische Segen 196 ) verweisen die Krankheit in das Haupt eines H.es, der geduldig ist und die Schmerzen erträgt 195 ). Auch Segen gegen die fruchtschädigenden H.e, Rehe und Schweine sind bekannt (Odenwald) 1 9 7 ), wie solche, sie zu binden 197a ). Eine sächsische Hexe sprach einen Liebeszauber: es müsse den Mann nach ihr

IO4

verlangen „wie den H. nach der Hinde" 198 ). Gehört hierher auch das Brüsseler ahd. Bruchstück „H. und Hinde" 1 9 8 )? 193 ) A l b e r t u s M a g n u s 1, 14; E b e r m a n n Blutsegen I 5 f . ; L a m m e r t 214; M e i e r Schwaben 516; W o l f Beitr. 2, 426; L o s c h Balder 28 f . ; Germania 18, 234 und im A R w . 2, 262 ff. ; Z r w V k . 1912, 1; zusammenfassend O h r t in 194 ) K ö h l e r HessBl. 22, 64 s . Voigtland 405. 194a) S c h u d t Jüd. Merkwürdigkeiten I I 1, 9. 195 ) M a n s i k k a 50. 75. i m ) P r a d e l Gebete 358. Jl ") ZfKulturgesch. I V . Folge, 4, 214. 197a) Alemannia 13, 186 f; MVerBöhm. 18 (1880), 156. " 8 ) S i e b e r Sachsen 232. "») M SD. 1873 2 , 12. Nr. V I .

12. Z a u b e r i s c h e u n d m e d i z i n i s c h e K r ä f t e (vgl. auch apotropäisch) 20°). Der H. liefert hauptsächlich fruchtbar machende Mittel, wird im Frauendreißiger (s. d.) getötet 2001), und zwar werden die G e i l e n , R u t e , der Same des in der Brunft getöteten usw. zur Erweckung der Geilheit 201 ), Behebung der Impotenz, auch wenn diese durch Hexerei entstand 202), innerlich und als Schmiere gebraucht 203). Unfruchtbare Frauen genießen post coitum Pulver einer dürren H.rute oder H.enmutter 204). Ein Knöchelchen aus der Vulva verhinderte bei den Alten den Abort 205). H.brunst, Cyclamen, die aus dem Speichel (Samen?), zur Brunftzeit verloren, entsteht 206), wird gegen die Pest 207) angewandt, zu einer Salbe, um die Feuersbrunst zu löschen, verarbeitet 207a). Noch heute suchen schles. Apotheker Blase, Hoden, das Kurzwildbret als ein Kräfte verleihendes Gericht (Schlesien) 208). Ein Decoctum ex Priapo Cervi heilte die Ruhr 209), Seitenstechen, treibt den Harn 21°) ; das genitale cervi hilft gegen Lungenleiden 210a ) der Schweiß vom Scrotum erweckte, getrunken, Widerwillen gegen Wein 2 1 1 ). H . g a l l e erleichtert die Geburt 212 ), H.l e b e r ward gegen Wassersucht, Podagra, Kontrakturen 213 ), das N e t z zur Wundsalbe 214 ), die Z u n g e bei Viehseuchen 215 ), die L u n g e gegen Husten 216 ), bei den Alten gegen die Schwindsucht gebraucht 217 ). Der M a g e n , zusammen mit einem vom Menstruationsblut befleckten Hemd verbrannt, verdirbt Jägern den Schuß 217a ). Das H i r n (nicht antik) wird zur Salbe gegen harte Geschwüre und gegen Blut-

ios

Hirsch

fluß (bloet seken) verwendet 21S ), der H i r n s c h ä d e l gepulvert ebenso, gegen Gift, Schwindel, Fallsucht, Blutfluß, Weißfluß usw. 219 ), kalziniert gegen Eingeweidewürmer 2 2 0 ). Das H . k r ö n l e i n aus dem Kopfe, auf der linken Brust getragen, ist gut für das Herzklopfen 2 2 1 ). Das H e r z ist ein Abortiv- 222 ) und Herzmittel 223 ), getrunken hilft es gegen die fallende Sucht 224 ). Der verkalkte, arteriosklerotische Faserring an der Aorta, das H . k r e u z e l 225 ), stärkt das Herz 226 ), hilft gegen Unfruchtbarkeit der Weiber 227 ), Blutgang 228 ), gegen Alpträume und Herzritt 229 ), Gift 230 ), Melancholie 2 3 0 ), ist gut in der Weiber schweren Stunde 2 3 1 ), bei arhythmischem Herzschlag 232 ), Nasenbluten 232 ), wider Flüsse im Haupt, viertägiges Fieber 2 3 3 ), Fallsucht 2 3 4 ), Zittern des Herzens 2 3 5 ); es dient zur Herzstärkung in Pestzeiten 236 ) und gegen die Pest 237 ) ; wer es trägt, den kann kein giftiges Tier stechen 238 ). Das H.kreuz oder H.horn löst dem Alchymisten das Gold in ein aurum potabile 238a ). Das aus dem aufgebrochenen Herzen getrunkene warme B l u t stählt und vertreibt Schwindel 239 ) (ebenso Herzfleisch, -knochen), die fallende Sucht 2 4 0 ), bewahrt vor Pest 2 4 1 ). H.blut hilft auch bei Taubheit 2 1 2 ), in ö l als Klystier: Hüft-, Seitenweh, Versehrte Gedärme, Bauchflüsse, in Wein getrunken: giftige Aposteme, verjährte Geäder 243 ), auch Podagra, Schwindungen, kontrakte Glieder, Vergiftungen 244 ) gehört in ein Schlagwasser 245 ). H . m a r k stärkt die Glieder246), ist wider den Wolf 247 ), das Grimmen des Bauches 248 ), alle Geschwulst, Geschwüre und Fußschäden (Plinius) 249 ), Lungensucht 25 °), ein altes Liebeszaubermittel 251 ), das die Periode bringt 2 5 z ), die verlagerte Gebärmutter einrichtet 253 ), gegen Hüftund Seitenweh, Brüche 254 ), Fallsucht 2 5 5 ), Schlaflosigkeit hilft 25e ). Es heilt giftige Geschwüre und Wunden 2 5 7 ), wird als Zäpflein zur Gebärmutter eingelegt 258 ). Megenberg empfiehlt es Fiebernden 259 ). H . u n s c h l i t t oder - t a l g ist gut für wunde Füße 26 °), zu weißen Händen 2 6 1 ), in der Wundsalbe 262 ), bei offnen Wunden 263 ), an Lefzen und Hintern 2 e 4 ), stillt das Blut 2 6 5 ), ist gegen Podagra 263 ),

ί i I I

i

106

Brandwunden 266 ), erfrorene Glieder 267 ), Geschwulst 268 ), Brüche 269 ), für die Mutter 270 ), Schwindsucht 271 ), Nasenbluten 2 7 2 ), gegen Engbrüstigkeit der Kinder 273 ), Schlangenbiß 271 ), Ver275 hexung ), für Kontrakte 276 ). Es stillt Zahnschmerzen, wird erbrechenden Kindern ins Herzgrüblein geschmiert 277 ), gehört zu einem Leichdornpflaster 278 ), wird gegen Läuse 279 ), Geschwüre und Feigwarzen 280 ) gebraucht, zieht die Würmer heraus 281 ). Das Feiste aus dem rechten Auge fördert die Wehen 282 ). Genuß von H.unschlitt erzeugt große Geschlechtsteile 283 ). Megenberg, alten Autoren folgend, lobt das Fleisch als fieberstillend 284 ), das eines ungeborenen Kalbes als gut gegen Gift und Schlangenbiß 2 8 5 ). H.t r ä n e n (das Feist aus dem Auge?) ward gegen rote Ruhr 2 8 6 ), Schlangenbiß 287 ) gebraucht; es treibt Schweiß, schwere Geburten 288 ) ; das mit Stierurin durchtränkte Auge eines brünstigen H.es zur Erhöhung der Potenz benutzt 289 ). H.horn und H.hornpulver (Hitzpulver 2 e o ), -asche, -wasser 291 )) wird in Branntwein morgens und abends genommen 292 ), hilft Besessenen und Bezauberten 293 ), bei (hysterischen) Ohnmächten 2 9 4 ), Epilepsie 29S ), bringt die Periode 296 ), ist gut gegen übermäßige Blutungen 297 ), Gebärmutterverlagerung298), Unfruchtbarkeit 2 "), Muttervorfall 3 0 0 ), Kindweh 3 0 1 ), Harnverhaltung 3 0 2 ), Wasserbruch 3 0 3 ), und -sucht 3 0 4 ), Gelbsucht 3 0 5 ), Blutspeien s o e ), Kolik und Ruhr 3 0 7 ), Magenkrämpfe 308 ) und Abnehmen der Kinder 3 0 9 ), Würmer 3 1 0 ), Zahnschmerzen 311 ), denn es stärkt, reinigt die Zähne 3 1 2 ), Gliederreißen 3 1 3 ), offene Schäden 3 1 4 ), Pest 8 1 5 ), Krätze 3 1 6 ), Sommersprossen 317 ), Kopfläuse 3 l 8 ), unerwünschten Haarwuchs S l e ). Vor allem ist H.horn gut zur Abwehr von Schlangen 32 °) und bösem Zauber 3 2 1 ), so schon bei den Alten 3 2 2 ), wie überhaupt H.horn in der alten Medizin eine große Rolle spielte 3 2 3 ). Aus dem jungen Geweih wird gegen fiebrige Krankheiten eine Gallert bereitet (Schlesien, mündl. 3 8 4 )); die Schalen dienen im Kräutersäcklein Bezauberten 3 2 5 ). Den Frauen ist es ein Amulett 3 2 6 ). Am heilsamsten ist H.horn,

107

Hirsch

zwischen zwei Frauentagen gesammelt 327). H.harn dient gegen Ohrengeschwüre 328), Pest 328), Milzweh und Blähungen 330), Ringe mit H.k 1 a u e η werden gegen Krampf getragen331), H.hufe sind gegen Durchlauf gut 332) ; ein Messer mit H.hornschale wird von den rumän. Hexen gebraucht, um jemanden herbeizukochen 331a). Die Lippe ist das beste Mittel gegen Gift 333) ; mit H.haar wird Blut gestillt 334 ). H.haut 338) oder ein zwischen zwei Frauentagen aus dem lebenden Tier geschnittener Riemen 336), umgetan, erleichtert das Gebären 337), und die Nachgeburt 338) ist gut bei Mutterbeschwerden 339 ), dient zum Blutstillen 340 ), wider Fallsucht 341), Podagra 342) und Kolik 343). Juden schrieben den I. Psalm auf ein Pergament von H.haut und hingen das Schwangeren um 3432). Der Stein aus Magen, Herz, Eingeweide hat die Kraft des Bezoar 344); der an der Vulva gefundene erleichtert die Geburt 345). H.losung brauchen Lungensüchtige34e). Eine Kugel, mit der ein H. geschossen wurde, breitgeschlagen, hilft gegen das Überbein 347) und Nabelbrüche 348). 200 ) Die Angaben v o n William M a r s h a l l Neueröffnetes, wundersames Arzenei-Kästlein 1894 (St. 12. 17. 28. 57 f. 66 f. 69 f. 71. 73. 74. 81. 84. 87. 91. 93. 94. 102) sind leider ohne Quellenangabe g e m a c h t u n d deshalb fast wertlos. 2Wa ) H ö f l e r Orga.noth.S2; vgl. Anm. 327. 336. S01 ) J o h . J o a c h i m B e c h e r s Parnassus medicinalis ι (1663), 32; J o h . S c h r ö d e r Medicinchymische Apothecke 1685, 1279. 1280; Oswald C r o l l Von d. innerlichen Signaturen d. Dinge 1623, 45; K r ä u t e r m a n n 212. 214; L a m m e r t 151; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 170. Vgl. B a p t . P o r t a Magia naturalis 1713, 32 § 28. E r g ä n z e diese u. die folgenden Belege durch die zu Bd. 1, 526. 202 ) Die Mylianische zusammengesammelten geh. ArtzneymittelbziGocli.e\i\isTractatus 1717, 190. 191; K r ä u t e r m a n n 218. 219. 203 ) J ü h 204 l i n g Tiere 61.70. ) E b d . 70. Vor B r u n s t herausgeschnitten: M u t t e r k r a n k h e i t : S c h r ö d e r 1279. 20t ) H ö f l e r Organoth. 242. 2 M ) P a r a c e l s u s Bücher vnd Schrifften 3 (1589), 51 f. 207 ) E b d . 3, 52. 2 0 7 a ) Germania 22, 262. aoe ) Mündlich; vgl. H ö h n Volksheilkunde 1, i n ; Anthropop h y t e i a 4, 292. 2 M ) K r ä u t e r m a n n 176. 178; L o n i c e r Kreuterbuck 1 5 7 7 C C C X I I ; S c h r ö d e r 1279; B e c h e r 1, 32. 210 ) S c h r ö d e r 1279. 210a ) J· J· L o o s Joh. Baptista vom Helmont 1807, 27. 211 ) K r ä u t e r m a n n 160. 212 ) J ü h l i n g 69. l l s ) H ö f l e r Organoth. 165. Vgl. B e c h e r 1, 32; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 213.

ϊ 0

8

) J ü h l i n g 67. 215 ) St. Gallen 15. J h . : Germ a n i a 25, 67. 21β ) J ü h l i n g 61; Lonicer CCCXII A; H ö f l e r Organoth. 273 (Plin. X X V I I I 67). H ö f l e r Organoth. 83. 217a 21D ) A g r i p p a v. Nettesheim ι , 191 f. ) Jühl i n g 275 f. 22 °) H ö f l e r 83 f.; J ü h l i n g 71. 221 ) ZföVk. 6, 112; Hovorka-Kronfeld 2, 66. 222 ) H ö f l e r Organoth. 242t ; J ü h l i n g 66. 223 224 ) S c h r ö d e r 1279. ) J ü h l i n g 68; H ö f l e r 243. 2 2 i ) ZfdPhil. 13, 369 (Ulrich M o r h a r t ) ; S c h r ö d e r 320; H ö f l e r 241 f. 225 ) B e c h e r ι , 31; Osw. C r o l l Von d. innerlichen Signaturen 43. 227 ) J ü h l i n g 69; L a m m e r t 157; H ö f l e r Organoth. 242. Als A m u l e t t : L a m m e r t 157. 228 ) ZföVk. 6, 112. 22») H ö f l e r Organoth. 244. 243; S c h r ö d e r 1279; B e c h e r 1, 31. 230 ) H ö f l e r Organoth. 243 f. 231 ) S c h r ö d e r 1279; B e c h e r 1, 31; H ö f l e r 242. 243. 244. 232 ) H ö f l e r 244; S c h r ö d e r 1279. 233 ) H ö f l e r 243. 234 ) Mundi, u. H ö f l e r 241. 2 3 t ) P a r a c e l s u s Bücher vnd Schrifften 3, 265. 238 ) E b d . 3, 52. 237 ) E b d . 3, 82. 149. 205. 238 ) K r ä u t e r m a n n 382. 238a ) Osw. C r o l l Basilica chymica 1622, 42. 23e ) H ö f l e r 244. Vgl. J ü h l i n g 68. 24°) H ö f l e r Organoth. 243; P l i n i u s de medicina I I I 21; D ö l g e r in Vorträge d. Bibl. W a r b u r g 1923/24, 206. 241 ) P a r a c e l s u s Bücher v. Schrifften 3, 52. 56. 242 ) S e y f a r t h Sachsen 149. 243 ) L o n i c e r CCCXII A ; S c h r ö d e r 1280. 244 ) B e c h e r ι , 32; S c h r ö d e r 1280. 246 ) S c h r ö d e r 342. 2 « ) J ü h l i n g 63. 66. 2 « ) E b d . 65. 2 4 s ) E b d . 60. 2 4 » j E b d . 65. 60; L o n i c e r C C C V R ; S c h r ö d e r 1281. 26») P a r a c e l s u s 3, 385. 251 ) H ö f l e r Organoth. 81 f. 2 t 2 ) J ü h l i n g 60. 253 ) E b d . 60; H ö f l e r Organoth. 83; S c h r ö d e r 230. ω ι ) J ü h 2δ5 l i n g 60. ) E b d . 69; L a m m e r t 271. 2M ) J ü h l i n g 64. 65. 66. s " ) B e c h e r 32. 2 " ) L o n i c e r Kreuterbuch C C C V R . 2 5 » ) M e g e n b e r g 106. 2β0 ) Mündlich; Z a h l e r Simmenthai 81; ZfVk. 8, 41. 44. 46; J ü h l i n g 68; R a y m u n d u s M i n d e r e r Kriegsartzney 1620, 41; A l b e r t u s M a g n u s 1, ¿4. m ) B a p t . P o r t a Magia naturalis 1713,661 § 2 . 4e2 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 213; 2. 360; ZfVk. 8, 46 f.; J ü h l i n g 67. 63 f. 62. 61 f.; P o l l i n g e r Landshut 278; M i n d e r e r 282. 2«3) ZfVk. 5, 412; B e c h e r 1, 3 1 ! ; S c h r ö d e r 1281. 2 e l ) L o n i c e r C C C V A ; P a r a c e l s u s Naturi. Zaubermagazin 1771, 245; a n B r u s t w a r z e n : L a m m e r t 177. 2 6 « ) L o n i c e r CCCXII. 2 « ) ZfVk. 7, 62. 2«') S c h r ö d e r 1281; K r ä u t e r m a n n 232; M i n d e r e r 340; Z a h l e r Simmenthai 81. 2) L o n i c e r CCCXII A; B e c h e r 1 , 3 1 ; S c h r ö d e r 1277; Alemannia 10, 225; H ö f l e r Organoth. 83; ZfVk. 8, 47; K r ä u t e r m a n n 164; J ü h l i n g 60. 61. 62. 67. 69. 3 1 1 ) L o n i c e r CCCXII A ; ZfVk. 8, 47; BIPommVk. 5, 1 3 ; J ü h l i n g 69. 63. 3 1 2 ) L o n i c e r CCCXIIA. 3 1 3 ) J ü h l i n g ö s . 3 " ) Ebd. 67. 63. 3 1 5 ) B e c h e n , 3 1 ; S c h r ö d e r 1277. 362; K r ä u t e r m a n n 308. 3 1 ·) Ebd. 65; Kopfgrind : K r ä u t e r m a n n 331. 332. , 1 7 ) J ü h l i n g 70. 318 ) L a m m e r t 134 f. 3 " ) S t a r i c i u s 481; Th. P a r a c e l s u s natürliches Zaubermagazin 1771, 64. 32 °) P r a d e l Gebete 373; Schef telo w i t z Altpalästin. Bauernglaube 18 N. 1 ; L o n i c e r CCCXII A ; J ü h l i n g 70; A g r i p p a ν. Nettesheim 1, 199. 3 a i ) H o v o r k a - K r o n f e l d ι , 213. 32a ) P l i n . V I I I 42; K e l l e r Tiere 88 . 323 ) H o v o r k a - K r o n f e l d ι , 212; H ö f l e r Organoth. 81. Es treibt den Schweiß, widersteht Fäulnis, darum gegen Röteln, Pocken, Fieber; es stillt Bauchflüsse, Skorbut, Podagra: B e c h e r 1, 31 f.; dazu Schlafsucht, Hypochondrie, Zipperlein: S c h r ö der 1 2 7 7 ! ; Feigwarzen: Alemannia 10, 231, gegen Erbrechen u. Ekel; Gift: K r ä u t e r m a n n 15s f. 382; in Pferdekrankheiten: Th. P a r a c e l s u s natürl. Zaubermagazin 1771, 237; Hauptweh und Schnupfen L o n i c e r CCCXII A; Bastgeweihe als Aphrodisiaka :

IIO

Albert L e Coq Von Land u. Leuten in Ostturkestan 1928, 47. 324 ) Mündlich; vgl. S c h r ö d e r 1278. 1279; L o n i c e r CCCXII A (Menses 32s stillend). ) Mylian. Artzneymittel bei G o c k e l i u s Tractatus 17. 187. 324 ) S é b i l l o t 3ί7 Folk-Lore 3, 45. ) S c h r ö d e r 1277. 328 ) MsäVk. 8, 92. 32β) P a r a c e l s u s Bücher vnd Schrifflen 3, 56 f. »») L o n i c e r CCCXII Α. 3 3 1 ) J ü h ling 70. 3 3 1 a ) Globus 92, 285. 332 ) B e c h e r 1 , 3 2 . 333 ) L o n i c e r CCCXIII A. 3M ) J ü h l i n g 63. 33S ) M o n t a n u s Volksfeste 167 f. Vgl. F r i e d b e r g i 7 ; Graf inFFC. 38, 25. 3 3 , ) G r i m m Myth. 3, 344; K r ä u t e r m a n n 265; B e c h e r Parnassus 1, 31. Sonst muß er, um Heilkraft zu haben, Aegidien erlegt werden = S c h r ö d e r 70 f. 337 ) J ü h l i n g 68; S t a r i c i u s 5 1 9 ; Andreae T e n z e l i i Medicinisch-philosophische und sympathetische Schrifflen 1725, 244; D r e c h s l e r ι , 150; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 238; M e y e r Baden 388; ZfVk. 8, 46. 338) L a m m e r t 169. 339 ) S c h r ö d e r 1279. M0 ) J ü h l i n g 63. Vgl. 66. 341 ) G r i m m Myth. 2, 981; ZfVk. Ma ι , 175; J ü h l i n g 67. 68 f. ) Berthold Unverwundbarkeit 1 1 . 343 ) ZfVk. 8, 40; A l p e n b u r g Tirol 380; Jägerhörnlein 132; S i m r o c k Myth. 537. 343a) S c h u d t Jüd. Merkwürdigkeiten 1714. II. I, 193. 344) B e c h e r 1, 32. 345 ) S c h r ö d e r 1281. 3 " ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 41. 347 ) ZfVk. 8, 46. 348) K r ä u t e r m a n n 195. 1 3 . G e h ö r n t . In fast allen Schwarzkünstlersagen begegnet die Angabe, daß der Zauberer seinem Gegner H.hörner anzauberte 349 ). 34β ) P e u c k e r t Pansophie. 1932; L u t h e r Tischreden 2, 1425; W e n z i g Westslavischer Märchenschatz 1 6 1 ; K i e s e w e t t e r Faust 1921. ι , 212 f. Peuckert.

Hirschkäfer. ι. B e n e n n u n g n a c h den „Hörn e r n " . Der H. (Lucanus cervus) wird in den meisten Sprachen nach seinen geweihartigen kräftigen Oberkiefern benannt, die vom Volke für Hörner gehalten werden. So heißt er im Steirischen Hornkäfer 1 ), im Niederösterr. Hörndler a ) oder Kirntelkäfer3) ( = gehürndel K . ) , im Schwäbischen Hornschretel4). Schretel scheint Vermischung von Schröter (s. weiter unten) und Schrat (Waldgeist). Hierzu stimmt auffallend schwed. horntroll*). In Duisburg heißt der H . niegenhönder (Neunhörner) e ). Mit diesen Namen vgl. tschech. rohac ( = horntragend) 7 ), franz.-dial. comari (Creuse) 8 ), banard (Gard, Languedoc) ·), lomb. cornabó 1 0 ). In bó steckt entweder lat. bos oder wie G a r b i n i 1 1 ) vermutet, ital.-dial. boja „Insekt".

III

Hirschkäfer

Häufig sind Benennungen nach hörnertragenden Tieren, und zwar a) nach dem Hirsch. In deutsch Hirschkäfer ist Käfer nur ein verdeutlichender Zusatz zu ursprünglichem Hirsch, so daß das Wort eine Bildung ist wie ζ. B. Walfisch, Windhund, Vogel Strauß. Im Siegerländischen heißt unser Käfer in der Stadt Hirsch, auf dem Lande Hirz12). Nach der Zeit seines Erscheinens (am Johannistag) heißt er dort auch gehanz-hirz, d. h. Johannishirsch, das Weibchen heißt gehanzkô „Johanniskuh" 1 3 ). Dem Deutschen entsprechen engl, stag beetle, stag fly11), hart beetle15), ebenso neugr. ελαφοχάνΟαρο;16). Einfaches „Hirsch" liegt vor in serb. jelen (altslav. elenetz 17)), poln. jelenek, russ. olenez, beides „Hirschlein" 18 ). (Vgl. it al. cerviattolo volante). Auf sein Vorkommen auf der Eiche bezieht sich dän. eeghjort „Eichhirsch" 1 β ). Die romanischen Sprachen zeigen analoge Namen: franz. cerf volant, biche (Weibchen) 2 0 ). In Lorient heißt das Männchen Cerf S. Pierre, das Weibchen Cerf S. fean 21 ) (Vgl. weiter oben siegerländ. gehanzhirz). Weitere rom. Namen: ital. cervo (cerviattolo) volante, span, ciervo volante, port, veado voante22), rum. cerbariú, capul cerbului „Hirschkopf", cerbtd-lui-Dumnezeü „H. Gottes" »). b) Nach dem Rind (Ochs, Kuh). Deutsch: Ochsu), schwed. ekoxe, ebenso finn, tammihärkä (fammi „Eiche", härkä „ O c h s " ) 2 5 ) , steir. Hirschochs, Himmelochs, Herrgottenochs 2e ), franz. bœuf de la S. Jean (Allier) 27 ), rum. boul-luì-Dumnezeü2β), vaca-lui-Dumnezeü (Weibchen 2β) ), taur „ Stier", buhaiü „Büffelstier", buhaiul luí Dumnezeü „Büffel Gottes", bourel „kleiner Auerochse" 30 ). c) Benennungen nach Bock und Widder kommen nur vereinzelt vor. Deutsch: Bock 3 1 ), westergotl. torbagge 32 ) (schwed. bagge = Widder) 33 ). x ) W e i n k o p f Naturgeschichte 49. 2) E b d . ; G r i m m Myth. 2, 576. 3 ) W e i n k o p f a. a. O. 4 ) K e l l e r Tierwelt 2, 407; Neuphil. Mitt. 26, 181. ' ) G r i m m Myth. 2, 576. β ) L e i t h a e u s e r Volkskundliches i, 18. ') G r i m m a. a. O. ·) R o l l a n d Faune 3, 327. ») A. a. O. 10 ) A. a. O. u ) G a r b i n i Antroponimie 236. l a ) H e i n z e r -

112

l i n g Wirbellose Tiere 7. 13 ) A. a. O. 14 ) G r i m m a. a. O. »•) R o l l a n d a. a. O. w ) E d l i n g e r Tiernamen 56. 1 7 ) G r i m m Myth. 3, 200. 1β ) E d l i n g e r a. a. O. " ) A. a. Ó. 20) R o l l a n d Faune 3, 326. 2 l ) Op. cit. 3, 327. 2a ) E d l i n g e r a. a. O. 23) Rum. Jahresb. 12, 119. 24) G r i m m Myth. 2, 576. 26) E d l i n g e r a. a. Ο. 2β) W e i n k o p f op. cit. 50. 27 ) R o l l a n d Fzune 3, 327. 4e ) Rum. Jahresb. 12, 119. 2e ) Op. cit. 12, 139. 30) Ebd. 31 ) G r i m m Myth. 2, 576. 3a ) Op. cit. 2, 577. 33 ) Neuphil. Mitt. 26, 179.

2. B e n e n n u n g e n n a c h v e r s c h i e d e n e n T ä t i g k e i t e n . Mit seinen geweihartigen Oberkiefern kann der H. gehörig zwicken, worauf eine Anzahl von Benennungen anspielen : so gottscheeisch zwickarkawer „ Z w i c k k ä f e r " 3 4 ) , klammhirz (Schmalkalden) 3 5 ), klemmheuern „Klemmhorn" (Westrup) 3 β ), Klemmer, Klemmhirsch 37 ), hess. knippherz, knipherz „Kneifhirsch" 3 8 ), knîpworm (Meiderich) 39 ), hess. petzgaul (petzen = kneifen 40 )), westpfälz. Petzekäfer 4 l ) und Hirschbex (hexen aus mhd. beckezen „stechen, zwicken") 42 ). Hiermit vgl. franz. cope-dé (coupe doigt, Deux-Sèvres) 4 3 ), tenaleyu) ( < tenacularium aus tenaculum45), Bagnard; vgl. franz. tenailles „Zange"), engl, pinchesbob (Surrey 451 ), holl. schalc-bijtcr 45b). Von seiner Tätigkeit des Holzschneidens (richtiger: Bohrens) hat der H. den Namen Schröter (mhd. schrôteli) R o h d e Psyche 2, 350 Anm. 3. M ) S e p p Sagen 455 f. *·) v . d . L e y e n Sagenbuch 4, 203 f. M ) H e p d i n g Attis 103. 37 ) A R w . 23, 378; P e t e r s e n Die wunderbare Geburt des Heilandes 21. ®") L e y e n Sagenbuch 4, 86. 3 ") S e p p Sagen 5 f.; W a i b e l u. F l a m m 2, 327 f. M ) M e i c h e Sagen 37. Waibel u. F l a m m 2, 86. 143 f. " ) ZföVk. 4, 227. NieddZfVk. 6, 105 Nr. i x e . " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 275 f. Nr. 13. 46) Z f Y k . 10,



131

Hirte

5 Schötchen. D a s H . ist ein überall h ä u I gegen Fieber auf drei Mandelkernen auffiges U n k r a u t 1 ) . gezeichnet und g e g e s s e n 1 ) , ist wohl nur M a r z e l l Kräuterbuch 324. eine Variante v o n : H a x p a x (max) s. d. 2. W i e bei der Wucherblume (s. d.) die 1 ) H ö h n Volksheilhunde ι , 153. Jacoby. weißen Strahlblüten, so werden die Hochgericht s. G a l g e n 3, 258 ff. Schötchen des H.s i m L i e b e s o r a k e l abHochschulen der Zauberei. Die gepflückt („Ich lieb dich v o n H e r z e n " ! I ersten Nachrichten über H . d. Z. führen usw.) 2 ). 2 ) S c h u l l e r u s Pflanzen 173. nach Spanien. Die Mauren h a t t e n dort,, 3. D a s H . ist ein altes Sympathie- ι als das L a n d in ihre Hände gekommen war,, in einer Reihe von Städten wie T o l e d o , mittel zur Stillung v o n B l u t u n g e n . Salamanca, Sevilla, Granada, Cordova In der H a n d gehalten, stillt es jede usw. „ U n i v e r s i t ä t e n " , d. h. eine A r t SemiBlutimg®), ebenso wenn es auf die F ü ß e nare und Kollegien errichtet, die, den gelegt w i r d 4 ) , j a es genügt schon, die Moscheen angegliedert, in besonderen Pflanze anzusehen 5 ). Gegen Blutspeien Schulgebäuden, „ M e d r e s c h " genannt, u n legt m a n das H . in die Schuhe oder hält tergebracht w a r e n 1 ) . A n diese Schulen, es in der H a n d , bis es w a r m wird ·), vgl. die vornehmlich Theologie und Philosophie Kornblume. D a s H. ist übrigens in

141

Hochschulen der Zauberei

lehrten, knüpft die Überlieferung von H. d. Z. an, die auch frühzeitig auf die durch die Rückeroberung von Toledo im Jahre 1085 christlich gewordene dortige Universität übertragen wurde. In Wirklichkeit waren wohl die Kreise, die sich an •diesen Orten mit magischen, kabbalistischen, nekromantischen, astrologischen und alchemistischen Studien abgaben, Geheimzirkel, die ihr lichtscheues Wesen abseits im Verborgenen trieben 2 ), wie sich das aus unten gegebenen Mitteilungen erschließen läßt. Zumeist werden die Geheimkünste durch Araber und Juden gelehrt worden sein, die antikes und orientalisches Erbgut aufnahmen und neu verarbeiteten. Bereits der um 1143 verstorbene Wilhelm von Malmesbury 3 ) berichtet 4 ) : „sicut Christiani Tole tum, ita ipsi (näml. •die Sarazenen) Hispalim, quam Sebiliam (d. i. Sevilla) vulgariter vocant, caput regni habent, divinationibus et incantationibus more gentis familiari studentes". In Sevilla habe Gerbert, der spätere Papst Silvester II. (996—1002), der seiner großen Kenntnisse wegen als Zauberer verschrien wurde5), Astrologie, Vogelschau und Dämonenbeschwörung erlernt und sich dann mit Hilfe eines seinem sarazenischen Meister gestohlenen Zauberbuchs zum Papst gemacht®). In Toledo •wirkte im 12. Jhdt. der durch zahlreiche Übersetzungen aus dem Arabischen und Hebräischen bekannte Gerhard von Cremona (1114—1187) '), der eine „Geomantia et practica planetarum" 8) schrieb und auch als Übersetzer der Kyraniden gilt e ). Im folgenden Jhdt. erzählt Caesarius von Heisterbach von zwei jungen Leuten, die apudToletumstudebantnecromantiam 10), und an einer weiteren Stelle schildert er eine Geisterbeschwörung, die einige Studenten „in arte necromantica", junge Schwaben und Bayern, erlebten, als sie ihren Lehrer aufforderten, ihnen seine Kunst in praxi vorzuführen11 ) ; die Beschwörung ist eine Variante der Verlöbnislegende 12 ). Ins 13. Jhdt. führt uns auch die Vita des Dominikanerheiligen Aegidius (ti2Ó5), der in seiner Jugend, vom Teufel verführt, nach Toledo zog, um dort die

14z

magische Kunst zu lernen 13 ) : „Intellexit Aegidius magicas artes, a quibus illa tempestate in Hispaniis non abhorrebant homines, ab ilio viae comité (dem Dämon) perhiberi: et paululum quidem cogitabundus substitit, deinde autem pessimo acquievit Consilio. Quare ommisso coepto itinere, Toletum deflexit, seque magistris impiae ac nequissimae disciplinae, loca subterránea atqueab hominum conspectu remota frequentantibus, juxta imperatas leges horrendo nefarioque sacramento addicit, seseque in animae exitium devovit, chirographo, sua manu de suo sanguine facto, in testimonium illis dato. Decurso septenni spatio, bene ac male agendum instructus" zieht er nach Paris, wo er durch seine Kenntnisse als Arzt großen Ruhm gewinnt. Nach der Relation des Historikers der Dominikaner, Ferdinand del Castillo, bringt der böse Begleiter Aegidius „in vastum specum, prope Toletanam civitatem, ibi occurrere laeti, et excepere venientem viri daemonesque humana effigie etc." 14 ). Deutlich sind hier die Geheimzirkel angedeutet. Als H. d. Z. wird uns Toledo noch genannt im „Wartburgkrieg" 1B), von B. Basin1®), Delrio 17 ), Thiers l e ), Elinandus 18 ). In jener Höhle soll auch Virgil die Zauberkunst gelernt haben 20 ). Nach dem alten Volksbuch studierte dort auch Faust's Famulus Wagner die daselbst öffentlich gelesene Schwarzkunst 21 ). Delancre 22) berichtet das Geständnis eines Zauberers, daß in Toledo 73 Magister die Magie lehrten; ihren Vorlesungen legten sie den Text der „Teufelsbibel" zugrunde. Ähnliche Erzählungen gingen auch über S a l a m a n c a um. Basin e ) weiß, daß einst bei der Stadt ein Marmoridol in einer tiefen Höhle verehrt wurde, durch das der Teufel als Lehrer der Magie wirkte; die Höhle sei vermauert und darüber eine Kirche erbaut, während das Idol vor der Kirche von den Vorübergehenden zerstört worden und kaum noch zu erkennen sei: Es wird die gleiche Höhle sein, die Delrio 24 ) aus eigener Anschauung beschreibt: „ostensa mihi fuit crypta profundissima gymnasii nefandi vestigium, quam virilis animi mulier Isabella regina,

143

Hochschulen der Zauberei

Ferdinandi Catholici uxor, vix ante annos centum caementis saxisque jusserat obturan". Nach Cardanus25) las man in der Akademie von Salamanca öffentlich über Zauberkunst, „nunc vero publicis legibus sublata est", doch sind noch Reste dort. Die Schule erwähnt auch Geßner2e) ; aus ihr gingen die fahrenden Schüler hervor. Im Volksbuch von Fortunatus von 1530 heißt es 27 ) : „es was eyner von Sparga auss der Stadt Alamanelia, da dann noch die hoche Schul von der hochen Kunst der Nigromantia ist und gelert wird" d. i. Spanien und Salamanca. Auch Thiers 2e ) nennt die Schule. In ihr soll zuerst öffentlich, später geheim die „Pneumatologia occulta et vera" vorgetragen worden sein 2e ). Über S e v i l l a s. o. Die dortige H. d. Z. wird auch von Delrio 30 ) und Thiers 31 ) bezeugt. G r a n a d a , die letzte Stütze der Mauren in Spanien, fiel im Jahr 1492. Der maurische Kult, der als Götzendienst und Magie galt — vgl. die lehrreiche Geschichte, die Delrio 32 ) von einem Manne Ramirez in Toledo aus dem Jahr 1600 erzählt —, wurde 1495 verboten ; die Juden waren bereits 1492 von Isabella und Ferdinand verjagt worden. Damals erging dann auch nach Delrio 33 ) das Verbot der Magie und der Vorlesungen darüber, wozu Basin's 34 ) Bemerkung stimmt, daß „hac tempestate magicae artes" nirgends mehr in Spanien toleriert würden ; nach dem 1597 verstorbenen Kanonisten P. Gregoire von Toulouse35) erfolgte das Verbot unter Karl V. Über die spanischen H. d. Z. vgl. noch Moehsen 36 ). Auch in I t a l i e n gab es derartige Schulen. So spricht Delrio a ') von einer amlacus Nursinus und einer zweiten im spelaeum Visignianum. Bei der ersten handelt es sich um einen Venusberg 3S ), dessen Höhle auch als Sibyllenhöhle galt, bei Norcia gelegen ; von ihr weiß Delrio 39 ) nach Crespetus allerlei Merkwürdiges zu erzählen. Es ist nun interessant, daß schon Enea Silvio, der bekannte Humanist und nachmalige Papst Pius II. (1405—1466), in einem Brief, den er in seiner früheren

144

Zeit an seinen Bruder schrieb, davon redet, daß in Umbrien, im alten Herzogtum (Spoleto) unweit der Stadt Nursia eine Höhle sei, in der Wasser fließe, der Aufenthaltsort von Hexen, Dämonen und Schatten; dort könne man von Geistern die Zauberkunst lernen 40 ). - Es ist der Ort, an dem nach Benvenuto Cellini magische Weihehandlungen über Zauberbüchern vorgenommen wurden 41 ). Venusberge waren überhaupt, wie Bebelius 42 ) mitteilt, die Schulstätten, an denen die fahrenden Schüler vorgaben, die Magie gelernt zu haben. Der Kardinal Beno, Gregors VII. leidenschaftlicher Gegner, nennt das Rom des 11. Jhdts. gewissermaßen eine Schule der schwarzen Magie, die Gerbert dorthin gebracht habe 4 3 ). In Padua, wo einst Albertus Magnus Alchemie und andere Künste studiert hatte, trieb nach dem Volksbuch Wagner, der Famulus Fausts, magische Studien und lehrte selbst diese Wissenschaft u ). Auch Venedig wird als Ort einer Schule genannt, in der des Teufels Lehrstuhl stand 45 ). In der Virgilsage wird das Septizonium4®) in Rom „scuola di Virgilio" genannt und ebenso ein Ort am Strand von Neapel ; nach dem französischen Volksbuch gab es in Neapel eine Zauberschule Virgils 47 ). An dem Ort stand früher ein Tempel der Venus oder Fortuna. Wenden wir uns nach F r a n k r e i c h , so begegnet uns dort die Tradition von einer solchen Schule in der Auvergne 48 ) ; nach Bekker 49 ) war sie zu Vincester(?). Dort befinde sich ein Fortunatusrad, auf das sich zwölf neu angekommene Studenten setzen müßten; einer unter ihnen stürze von dem umgedrehten Rad und falle dem Teufel zu, die andern elf lernten in drei Monaten alle Wissenschaften und Künste. Das ist auch der Inhalt einer aus dem 16. Jhdt. bereits bezeugten Sage : das Glücksrad60). Eine Variante dieser Auslosung eines Studenten wird auch von Salamanca erzählt sl ). Eine andere Überlieferung weiß von einem Venusberg in Frankreich, auf dem der „Stein der Unsichtbaren" liegt; wer mit dem linken Fuß auf diesen tritt, wird sofort in die

145

Hochschulen der Zauberei

Schule des Teufels versetzt und lernt dort alle Wissenschaften 52 ). In Polen galt K r a k a u als Universität der Zauberkunst, an der diese öffentlich gelehrt werde. Nach Manlius 53) studierte dort Faust: „Hic cum esset scholasticus Cracoviensis, ibi magiam didicerat, sicut ibi olim fuit ejus magnus usus, et ibidem publicae ejusdem professiones", was auch Wier 6 1 ) und das Volksbuch von Faust 5 5 ) melden. Auch der polnische Faust Twardowski hatte in Krakau magische Studien getrieben und magische Bücher von ihm wurden, um sie unschädlich zu machen, daselbst in Bibliotheken an Ketten gelegt 56 ). Eine Zauberschule befindet sich ferner in A b o in Finnland. In einem Loch auf einem Berg ist dort eine von der Natur gebildete Bank wie in einem Auditorium ; der Teufel hielt dort Schule 57 ). Nach der Chronik des Albericus von Troisfontaines 58) soll im Jahre 1223 ein Schwarzkünstler aus Toledo nach Mastricht gekommen sein und eine Anzahl Geistlicher zur Magie verführt haben ; der Autor ist Zeitgenosse des Ereignisses. Die Geistlichen verbreiteten danach die Abgötterei des Lucifer, und in Köln war eine Schule dieser Ketzer, in der das Bild Lucifers Orakel erteilte. Die Überlieferungen, daß in Universitäts-, Kloster- und andern Bibliotheken wie in Krakau — so in Tübingen, Wittenberg, Dorpat, Weilheim a. d. T., Crailsheim, Schloß Suchow — die Zauberbibel an die Wand gekettet sei (s. a. 6. u. 7. Buch Mosis) werden auch darauf zurückgehen, daß man glaubte, dort würde oder wurde ehedem die Magie gelehrt. Merkwürdig ist, was Horst 59 ) erzählt, daß auf protestantischen Universitäten noch in der ersten Hälfte des 18. Jhdts. die „Pneumatologia occulta et vera" gelesen wurde, namentlich in Halle, wo sie in den dreißiger Jahren sein Vater gehört habe; den Namen des Professors hatte Horst vergessen. Für das 16. Jhdt. bezeugt ähnlich Wier 60 ), daß zu seiner Zeit noch Leute sich der Bücher über Nekromantie erinnerten, die in einigen Schulen öffentlich erklärt wurden. Nach Müllenhoñ 61 ) erzählt man in Nordfries-

146

land und im Dänischen viel von der schwarzen Schule, in welcher der Teufel selber Lehrmeister ist, und namentlich angehende Prediger werden darin unterrichtet. Einige ergänzende Mitteilungen mögen noch folgen. Von Saemund Sigfusson, dem angeblichen Sammler der LiederEdda (gest. 1133), berichtet eine alte Chronik: qui in Parisiis artem magicam didicit 62 ). In Böhmen sah man Budek als Schule der Magie an: prima schola ethnicorum et quasi urbs literarum et academia quaedam Budeka urbs Bohemiae f u i t . . . . ad hanc magicam scholam tota properabet Bohemiae nobilitas 63). Die Teufelsschule in Salamanca (s. u. Anm. 51) erwähnt auch Grimm 64 ). Eine solche Schule gab es nach Luther auch in Köln; in ihr verfiel alljährlich ein Scholar dem Teufel nach dem Los als Lohn e 5 ). Im Biterolf wird von Tolet erzählt, daß in einem nahe der Stadt gelegenen Berge „der list nigrômanzi" erfunden ward 6 6 ); ähnlich weiß Mathesius von der dort gelehrten Schwarzkunst zu sagen 67). Nach einer Nachricht um 1600 lernt man die Nigromantie im Venusberg 68 ). Was Horst über Vorlesungen über die Pneumatologia occ. et vera (s. u. Anm. 59) sagt, scheint auf Tatsachen zu beruhen69). Für die Entstehung des Glaubens an H. d. Z. sind verschiedene Gründe verantwortlich. Die Tatsache, daß alchemistische, astrologische und andere geheimnisvolle Wissenschaften an den Universitäten betrieben wurden, ist nicht zu leugnen, und es scheinen auch Vorlesungen über Zauberbücher stattgefunden zu haben. Die höheren Studien waren überhaupt verdächtig, und die lateinischen, griechischen und hebräischen Bücher der Pfarrer und Gelehrten mit ihren unverständlichen Zeichen mögen nur zu oft als magische Bücher angesehen worden sein. 1 ) Ε. Ο. v. L i p p m a n n Entstehung und Ausbreitung der Alchemie (1919), 462 ff. ') a. a. O. 465. 3) H a u c k RE. 21, 299 S. *) De gestis regum Anglorum II p. 64 (W. Savile 1596); M i g n e Pair. lat. 179, 955 ff.; K i e s e w e t t e r Die Geheimwissenschaften 304. ' ) J. v . D ö l l i n g e r Die Papstfabeln des Mittelalters (1890), 1840. ·) v. L i p p m a n n a . a . O . 464

147

Hochwasser·•—Hochzeit

A n m . 1; K i e s e w e t t e r Faust 1 (1922), 119; W i e r De praestigiis daemonum 1.6 c. 5 (franz. Ausg. 1885, I I , 229 ff.); S c h e i b l e Kloster 5, 286 (nach A. L e r c h e i m e r Christi. Bedencken vnd Erjnnerung von Zauberey 1585). ' ) v. L i p p m a n n a . a . O . 465; K i e s e w e t t e r Ge· 8 heimwissenschaften 304. ) Agrippa ν. N e t t e s h . 5, 60 ff. *) H . S c h e l e n z Geschichte 10 der Pharmazie (1904), 186. ) Dial. 1. 1 c. 33. n ) Dial. 1. 5 c. 4. " ) H . G ü n t h e r Die christl. Legende des Abendlandes (1910), 86 f. 13 ) A c t a S a n c t . Boll. Mai 3, 405; J . G ö r r e s Die christl. Mystik3 (1840), 1 1 8 ; S c h e i b l e Kloster5,376. 14 ) Hist, gener. Praedic. ρ. 1 1. 2 c. 72; D e l r i o Disquis. mag. (Köln 1679), 1056 f. 16 ) S c h e i b l e Kloster 5, 376. u ) B e r n . B a s i n Tractatus de artibus tnagicis ac magorum maleficiis, zuerst 1482 u. ö. ; er war K a n o n i k u s in Saragossa, vgl. über ihn u n d sein B u c h : J . H a n s e n Zauberwahn (1900) 447 u n d Quellen (1901) 236 ff.; K i e s e w e t t e r Faust 1, 3 1 . 17 ) A. a . O. Proloqu. Nr. 9. 107. 308. l a ) T h i e r s 1, 125. " ) D. C o m p a r e t t i Virgil im Mittelalter (deutsch von H. Dütschke 1875), 272. so ) S c h e i b l e Kloster 2, 1 3 2 ; 1 1 , 2 5 9 ; G ö r r e s a . a . O. 3, 1 1 8 ; C o m p a r e t t i a. a. O. 272. al ) S c h e i b l e Kloster 3, 1 3 1 . 134. 169; 11, 647. 22 ) D e l à n e r e Incrédulité et mécrêance du sortilège etc. (1612) t r a i t é 7; C o l l i n d e P l a n c y Dictionnaire infernal (1850), 87. 2 ï ) K i e s e W e t t e r Faust 1, 32. 24 ) A. a. O. Proloqu. Nr. 9. S5 ) De subtilitate (1558), 976 lib. 1 9 ; K i e s e w e t t e r Faust 1, 32. 26 ) K . G e ß n e r Epistolarum medicinalium lib. III (1577) p. 2., lib. ι c p . I von 1 5 6 1 ; K i e s e w e t t e r Faust 1, 28; S c h e i b l e Kloster 5, 63; 11, 323. " ) H o r s t Zauber-Bibliothek ι , 102; J . G. T h . G r ä s s e Lehrbuch der Literärgeschichte 2, 3, ι (1842), a 193. ) T h i e r s 1, 125. m ) H o r s t a. a . O . 1, 102. 30 31 ) A. a . O. Proloqu. Nr. 9. ) T h i e r s 1, 125. 3Î ) A. a . O. 233. 33 ) A. a. O. Prol. Nr. 9. M ) K i e 35 s e w e t t e r Faust I, 3 1 . ) Syntagma juris universi 1. 34 c. 2 1 N r . 1 0 ; T h i e r s 1, 125. M ) Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg (1783), 36. a7 ) A. a. O. 107. 3 3 ») A. a . O. 188. ·) A. a. O. 309; K i e s e w e t t e r Faust 2, 167 f. 40 ) J . B u r c k h a r d t Die Kultur der Renaissance in Italien18 (1928), 500 f. 41 ) A. a . O. 501 f . ; K i e s e W e t t e r Faust 2, 162 ff. u ) S c h e i b l e Kloster 11, 3 1 8 nach B e b e l i u s Facetiae ed. Argent. 1508. 43 ) ν . D ö l l i n g e r a . a . O. 186. M) S c h e i b l e Kloster 3, 78 ff. 108 fi. **) W u t t k e 149 § 208. " ) Über das S. siehe E . M a a ß Die Tagesgötter in Rom u. den Provinzen (1912). " ) C o m p a r e t t i a. a . O. 372. 295. 3 1 1 . 3 1 6 . 4> ) S c h e i b l e Kloster 3, 11, i m Vorwort der Neu-Ausg. des W a g n e r b u c h s (1594) v o n 1 7 1 4 v o n P . I . M.; über den E d i t o r vgl. K i e s e w e t t e r Faust 1, 72 f. 4 ·) B a l t h a s a r B e k k e r Z > ? > bezauberte Welt (1693), 140; K i e s e w e t t e r Faust I , 32. s o ) G r i m m Sagen N r . 210. sl ) H o r s t a . a. O. 1, 100 f. t a ) Z i e g l e r u n d K l i p p h a u s e n Histor. Schauplatz und Labyrinth der Zeit 1 ( 1 7 1 8 ) , 750; v o n V a l v a s s o r Ehre des Herzogthums Krain lib. 4 fol. 663;

148

S c h e i b l e Kloster 11, 3 1 8 ; K i e s e w e t t e r Faust I , 32. e 3 ) J o h . M a n l i u s C o l l e c t a n e a locorumcomtnunium etc. (Basel 1590), 38; S c h e i b l e Kloster Ii, 320; 2, 1 9 1 ; K i e s e w e t t e r Faust 1, 28; vgl. a u c h C a m e r a r i u s Horae subeis. cent. 1 (1615), 3 1 4 ; S c h e i b l e Kloster Ii, 323. " ) De praest. daem. 1. 2 c. 4 (franz. Ausg. 1885, 1, 1 8 1 ) . 66 ) S c h e i b l e Kloster 2, 942; 5, 1 1 4 . 386; 11, 525; M K i e s e w e t t e r Faust 1, 8 1 . ) Scheible Kloster 11, 526 ff. " ) K i e s e w e t t e r Faust 1, 32 n a c h B e r k e n m e i e r Kurioser A ntiquarius 1,855. **) G. R o s k o f f Geschichte des Teufels 1 (1869), 326 fi. ; Mon. Germ. Hist. SS. 23, 845. 931. 932. 69 ) A. a. Ο. ι , 99. β0 ) De praest. daem. lib. 2 c. 11 (franz. Ausg. 1885, ι , 228). β1 ) M ü l l e n h o f f Sagen 192 N r . 264. 555 Nr. 560. β2 ) F . R ü h s Die Edda (1812), 48. e3 ) S c h e i b l e Kloster 12, 880. **) Myth. (1854) 976. e s ) D W b . 5, 2677. w ) G r i m m Myth. 989. β7 ) D W b . 5, 2677. ββ ) G r i m m Myth. 1230. ··) Vgl. Anm. 1 2 1 in m e i n e m im nächsten H e f t der MschlesVk. erscheinenden V o r t r a g : Die Zauberformel vom Mittelaller bis zur Neuzeit, ihre Sammlung und Bearbeitung (31, 228). Jacoby.

Hochwasser s. Ü b e r s c h w e m m u n g . Hochzeit. ι . Allgemeines u n d Geschichtliches. 2. Gött e r , A h n e n u n d T o d . 3. Bräuche u n d Symbole. Sorge u m H a u s h e r r s c h a f t und Eheglück. 4. H . s t a g u n d H . s w e t t e r . 5. Sorge u m Nachk o m m e n s c h a f t . 6. D ä m o n e n a b w e h r ; Reinigung. 7. H . in der Sage. Vgl. B r a u t , Ehe, F r a u , Verlobung.

ι. Die Tatsache, daß H.sfeiern und H.sriten a l l e n V ö l k e r n auch bei sonst ungebundener Eheform b e k a n n t sind 1 ), beweist, daß seit Urzeiten allgemein der Menschheit die Eheschließung als ein gesellschaftlich wie religiös bedeutsames Ereignis erschien 2). Solange der Einzelne noch den natürlichen Gemeinschaften nicht entwachsen ist, bedeutet die H., zumal bei Bauern Völkern, n i c h t die Verbindung zweier E i n z e l w e s e n , sondern zweier L e b e n s k r e i s e , die in ihrer Ges a m t h e i t (mit Einschluß der im Ahnenkult lebenden V e r s t o r b e n e n und der dahinter wirkenden G o t t h e i t ) mitbestimmend an dem wichtigen Ereignis teilnehmen, weshalb sich vielfach „die H.sriten ursprünglich vor allem an die T o t e n wandten" 3 ) und heute noch die Eheschließenden am H.stage oder dem Vortage gern die G r ä b e r der nächsten Verwandten besuchen *). H.sbrauch und H.saberglaube erklärt sich vor allem aus dieser sozialen und

149

Hochzeit

r e l i g i ö s e n B e d e u t u n g d e r H . ; sie ist als künstliche Vereinigung zweier in sich blutsverwandter Gemeinschaften für diese in ihrer Gesamtheit ein Erlebnis, das Weihe und Freude, und ein Wagnis, das Vorsicht auslöst. Zweifellos hat auch das g e r m a n i s c h e H e i d e n t u m , — weit davon entfernt, „die Eheschließung als ein rein weltliches Geschäft 5 ) anzusehen" — wie jedem seiner Feste eigene religiöse W e i h e für das H.sfest besonders ausgeprägt e ) ; freilich muß die Rolle des „mit seinem Hammer (Symbol der Fruchtbarkeit, phallisches Symbol ? ')) die Braut weihenden D o n a r - T h o r " 8 ) , der „den Segen der Ehe spendet oder versagt" e ), und auf dessen Heiligtümer manches versteinerte Brautpaar der Volkssage hinweisen soll 10 ), ebenso wie die Rolle anderer zu , , E h e g ö t t e r n " mythologisierter Götternamen (Freyr, Vár) 1 1 ) neu geschrieben werden (s. Freyr). Der Segen germanischer Götter wartete nicht, der „profanen" Welt entzogen, im Heiligtum auf den H.szug, sondern wohnte im H.shaus und im Herdfeuer, betätigte sich beim feierlichen Austausch von Mitgift und Morgengabe, verband Gäste und Gastgeber durch F e s t f r i e d e n und G a s t g e s c h e n k , heiligte das Gelage mit Minnetrunk und Gelübde, segnete die Ehe mit Einmütigkeit und Fruchtbarkeit und gipfelte im Gastbesuch der Gottheit selbst 1 2 ). So bedurfte das germanische Fest keiner „ h e i l i g e n H o c h z e i t " 13 ) von „Ehegöttern" oder Naturkräften 1 4 ) (auch nicht der „H. des Kornes") 15 ), auf die anderswo das gläubige Phantasiespiel der Völker die eigenen Ehebegriffe und H.sbräuche übertrug 16 ), (der ιεράς γάμοι „als Ideal und Prototyp sämtlicher menschlicher H . e n " ) 1 7 ) . Von i n n e n her, aus dem Zusammenfluß der beiderseitigen Glücks- und Lebenskraft und des sie nährenden göttlichen Kraftquells (vgl. den agerm. Waffentausch) 18 ) empfing die germ. Η. ihre Heiligung. Der immer wiederholte Versuch, etwa im Nerthusfest einen Anklang an die „heilige H . " zu finden 1β ), entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit, weil man den göttlichen Bräutigam erst dazu erfinden muß. Prie-

sterliche Vermählungsgleichnisse (Himmel und Erde, Gottheit und Menschheit, J a h weh und sein Volk), wie sie zumal in Agada und Kabbala (in letzterer unter Verwendung „obszöner, an Blasphemie streifender Bilder") 20 ) und ähnlich dann in Scholastik und Mystik sich zeigen, suchen wir in der gleichnisreichen germanischen Dichtung vergeblich. Gegenüber der versuchten Rekonstruktion eines i n d o g e r m a n i s c h e n H.szeremoniells in der Dreiteilung: „Fingierung alter Raubehe, Beziehung auf die ersehnte Fruchtbarkeit, Bedeutung von Feuer und Wasser in den H.sbräuchen" 2 1 ), verlangt die a l t g e r m a n i s c h e H. — (als ein religiöses Vereinigungsfest zweier ebenbürtiger Menschen und ihrer Sippen, jede „Fingierung alter Raubehe" ausschließend [s. Ehe]) — g e s o n d e r t e Beachtung. Die zur V e r b i n d u n g , F e s t i g u n g und H e i l i g u n g der neuen Lebensgemeinschaft nötigen Maßnahmen legen die Deutung der meisten abergläubisch betonten H.sbräuche als A u f n a h m e - , V e r b r ü d e r u n g s - und W e i h e r i t e n nahe, ohne daß sich G e n n e p s Dreiteilung aller Einweihungsriten: Trennungs- und Übergangszeit, Eingliederung in das Neue, Rückkehr zum Alltag, schematisch anwenden ließe 22 ). Ergänzend tritt hinzu die römische Bewertung von W a s s e r und F e u e r bei der H. 23 ), meist christlich-jüdische Begriffe von S ü n d e (Reinigungsriten) und M u t t e r s c h a f t (Fruchtbarkeitsriten) und eine meist slawisch bezeugte Gewöhnung an F r a u e n r a u b und weibliche Hörigkeit M ), endlich die Entartung wachsender Schicksalsangst zu den internationalen Abwehrmethoden gegen b ö s e G e i s t e r und Teufel. Nach S a r t o r i betonen „die f a s t u n ü b e r s e h b a r e n B r ä u c h e " das Wesen der H. „als G e m e i n d e a n g e l e g e n h e i t " , als „wichtigen Lebensübergang" („Trennungs- und Angliederungsbräuche"), als g e f ä h r l i c h e Zeit (Abwehr feindlicher Mächte) und als Gelegenheit, G l ü c k und F r u c h t b a r k e i t s segen dem Ehestand zu sichern 26 ). Reinliche Scheidung dieser Einflüsse ist nicht mehr möglich 2 '). Gerade im H.sbrauch und -aberglauben zeigt die Volksseele

151

Hochzeit

die Mannigfaltigkeit ihrer Anlage und Erziehung. W i l u t z k y Recht 1, 19. 2 ) Vgl. W e s t e r m a r c k Zur Entwicklungsgesch. d. menschl. Ehe ι ff. ' ) S a m t e r Familienfeste 10 ff. 96 f . ; d e r s . Geburt 207. 211 ff. 4 ) D e r s . Geburt 212. ») H o o p s Reali, ι, 5 1 1 . ·) Vgl. N e c k e l i. Zs. f. dt. Bildung 6, 1, 8. 7 ) F r i t z n e r Ordbog 2, 8) 307b. Maurer Rechtsgeschichte 2, 473; C o l s h o r n Myth. 346; R o o h h o l z Sagen 2, 227, dazu G e r i n g Eddahommentar 1, 325. ®) M a n n h a r d t Germ. Mythen 1 2 9 f . ; W e i n h o l d Frauen3 1, 351. 10 ) Z f d M y t h . 3, 70. n ) W i l u t z k y Recht ι , 209 u. a. ; vgl. Snorra-Edda Gyliaginning 35, 116. 1 2 ) Für diese Auffassung v g l . G r ö n b e c h For Folkecett i Oldtiden 3, 199 ff. 1 3 ) D i e t e r i c h Mithrasliturgie 127 ff. 14 ) Vgl. die Gleichnisse der ma.liehen Chemie: A n d r e a e Chymische Hochzeit; S i e c k e Götterattribute 260. 1 5 ) M a n n h a r d t Forschungen 264. 1β ) N i l s s o n Griech. Feste 372. " ) Z f d U . 14, 607 (Schmitz). » ) T a c . Germ. c. 18. » ) Zuletzt auch F e h r l e 20) Tac.-Kommentar. Rubin Kabbala 50. 21) S c h r ä d e r I n d o g e r m a n e n 7 6 ; v g l . W i n t e r n i t z 22 Das altindische H.srituell 100. ) Vgl. G e n n e p a3 ) Rites de passage. S c h r ä d e r Reali. 356; 24 K n u c h e l Umwandlung 13. ) V g l . „Brynhild" in russischen Volksmärchen P a n z e r Sigfrid 25 143 ff. ) Sachwörterbuch d. D t k d . „Hochzeit" 546 ff. »·) E b d . 547.

2. Bei N a t u r v ö l k e r n holen sich die Heiratslustigen einen Fetisch beim Priester zur Weihe des neuen Hauses 27). Bei u n s hat die K i r c h e , die im allgemeinen o h n e eine würdige Auffassung von der Ehe 28 ) und mit der herkömmlichen asketischen Bevorzugung der Ehelosigkeit ins Land kam 2e ), erst später die Eheschließung durch die T r a u u n g , erst v o r , dann in der Kirche, geheiligt 30 ), und von da aus dem durch die Ausgliederung des Göttlichen profanierten Fest in Haus und Familie rückwirkend neue Weihung zu geben versucht. Daher mag es als überdauernde vorchristliche Auffassung gelten, wenn der Volksglaube nicht nur das ganze Fest auf seine Art ehrfürchtig und abergläubisch umgibt, sondern auch in manchen Gegenden gebietet, in der Kirche Weihungen des Weines und selbst Trinkgelage vornehmen zu lassen, oder den Pfarrer mit ins Haus und zur Tafel zu bitten 3 1 ). Zahlreiche H.s-Bräuche aber, vielleicht aus uralter idg. Zeit 82 ), weisen auf die alte H e i l i g h a l t u n g des H e r d e s und H a u ses. So läßt man vielerorts, zumal im

152

bergischen Lande, die Braut, manchmal auch das Brautpaar (dreimal) um Herd und Herdfeuer schreiten 33 ), oder den Tisch (in slawischen Gegenden auch den Brottrog) umwandeln 34 ) und die H.sgesellschaft muß dreimal um Herd und Türmittelpfosten tanzen 36 ). Im Kanton Luzern wurde das H.skränzchen unter Gebeten um Eheglück auf dem Herd verbrannt 38 ). Selbst die Vorschriften, daß die junge Frau sich in der Pfanne spiegeln 37) oder in den Rauchfang sehen muß, „damit sie kein Heimweh bekomme" 38), gehören hierher (Vgl. aber auch das Verhüllen der Braut bei der Heimholung, „damit sie den Rückweg nach Hause nicht kennen lerne " 39 ) ; ferner auch Isoliermaßnahmen wie das Treten der Frau auf einen Stein, „damit sie ein starkes Herz bekomme" 40 ), das Heben über die Schwelle, das ins Haus Tragen der Braut u.a.m.41)). Andere Tendenzen (Reinigungs-, Schutzzauber) mischen sich ein, wenn man die um den Herd geführte Braut mit dem Feuerbrand scherzhaft bewirft, oder unter ihrem Stuhl bei der Feier eine Schaufel glühender Kohlen hindurchzieht 12 ). Auch wo der Braut bei der Umwandlung Lichter oder Wassergefäße in die Hand gegeben werden 43 ), liegt der Gedanke an die R e i n i g u n g s r i t e n nahe (wie überhaupt bei jeder Anwendung von Feuer und Wasser im H.sbrauch) 44 ), obgleich die jenen Riten zugrunde liegende Bewertung der Frau und des Geschlechtlichen in unserem Volksglauben weder ursprünglich noch herrschend gewesen ist 4 5 ). Ergänzend treten neben diese Spuren alter Aufnahme- und Hauskulte 4e ) andere, die zu den alten G e m e i n d e g o t t h e i t e n oder Heiligtümern führen; so geleitet man die Braut aus fremdem Ort feierlich um den „Roland", oder der H.szug zieht dreimal um die Dorflinde oder um nahe, bedeutsame Quellen und Bäume «). Der i n d i s c h e Bräutigamsspruch: „Das Mädchen weg von seinen Ahnen" 4 8 ), hat für die Erklärung d e u t s c h e r Bräuche k e i n e unmittelbare Bedeutung, da im Altgermanischen die Frau gleich dem

153

Hochzeit

Mann lebenslang mit den Blutsverwandten eng verbunden blieb. Im Gegenteil: Wie schon die griechische Braut H.sspenden am Grabe des Vaters darbrachte, wie noch im modernen Indien der Brautvater seine Ahnen mit Opfergaben zur H. bittet 4 9 ), und auch bei anderen, christlichen Völkern der Neuzeit (Esten, Westböhmen 50 ) die v e r s t o r b e n e n V e r w a n d t e n des B r a u t p a a r e s durch Lieder, "feierlichen Aufruf oder Gräberbesuch 51 ) zur H., zum Brauttanz oder zum Kirchgang geladen werden 52 ), so zeigt sich auch bei uns vielfach das Bestreben, durch G r ä b e r b e s u c h , Gräberschmücken, gemeinsames Gedenken und Gebet die b e i d e r s e i t i g e n Ahnen der H.sfeier einzugliedern M ). Selbst die den H.szug begleitenden v e r m u m m t e n G e s t a l t e n kann man als scherzhafte Verkörperungen der an der Festfreude teilnehmend gedachten Ahnengeister auffassen 64). In Baden machte der H.szug noch vor der Kirche halt, um die Brautleute erst zum Grabe verstorbener Eltern zu entlassen 56 ). Durch solche Heimkehr in den Segenskreis verstorbener Ahnen glaubt man auch heute noch wie vor Jahrtausenden das Glück und den Kindersegen der neuen Ehe am wirksamsten zu begründen. Etwas Licht fällt von hier aus auf die eigentümliche N a c h b a r s c h a f t von H. und T o d in Volksglauben und Sage M ). Dem unvermählt Gestorbenen gibt man im Gedanken an eine h i m m l i s c h e H. 67) den Brautkranz mit ins Grab68). Der Traum von einer H.sfeier kündigt einen Todesfall an 5 ·) (oder Streit) e o ), der Traum von einem Toten eine H. 61 ). Pferde verlieren ihren Schneid, wenn sie eine Leiche fahren müssen, bekommen ihn erst wieder, wenn sie eine H.erin fahren 62). Eine H. hebt alles auf, auch die Trauer 63 ). Die Frauen bedecken die schwarze Trauerschürze mit einer weißen 64 ). Aber andererseits bedeutet ein Toter im H.sdorf oder eine Beerdigung am H.stag glücklose und kurze Ehe β β ), baldigen Tod eines Gatten* 9 ), weshalb man streng vermeidet, daß sich H.s- und Leichenzug begegnen®7). „Allerlei Vorgänge, die mit der

154

H. zusammenhängen, deuten auf den Tod hin" 6S). Wenn bei der Trauung ein Stuhl leer bleibt, setzt sich der Tod darauf und einer der Gatten muß bald sterben*·), desgleichen, wenn während der Feier ein Grab offen steht, oder gar das Paar daran vorbei muß 70). Aus vielen Z u f ä l l e n am H.stag und aus dem Schicksal seiner Symbole glaubt man orakeln zu können, wer von den Gatten zuerst stirbt. So achtet man darauf, ob die Braut bleich ist 7 1 ), wessen H.sstrauß eher welkt 7 2 ), wessen H.sbrot oder -semmel eher schimmelt 73) (s. Brot § 40), wessen Hand kälter ist 7 4 ), wessen Licht oder Fackel matter brennt 75 ) oder eher verlöscht 7e ) (Lebenslichter beim Essen) 77 ), wer sich zuerst zu Tisch setzt, zuerst sich umsieht 78 ), zuerst niest, wessen H.swachsstock rascher vergilbt 7 ·), wer den Ring verliert 80 ), wer am Altar zuerst niederkniet, „ J a " sagt 8 1 ), aufsteht 82 ), in der H.snacht zuerst ins Bett steigt M ), einschläft 84 ) oder das Bett zuerst verläßt 85 ). Die Braut stirbt zeitig, wenn der H.sschleier verbrennt 8e ) u. a. m. Tief ins R e l i g i ö s e greift der Aberglauben über, wenn er H.sstrauß und -anzug als H e i l - und S e g e n s m i t t e l verwendet 87) und Sterbenden durch Bedecken mit dem H.shemd und -kleid, das vielfach nur zu H. und Tod getragen werden darf 8 8 ), Erleichterung schafft M ). Die H. selbst aber wird bisweilen in Gestalt einer Strohpuppe, einer Ladung Scherben u. ä. dort, wo man die nächste erwartet, b e g r a b e n · 0 ) . , 7 ) V i s s c h e r Naturvölker 1, 277. M ) T h e i ner Einführung der erzwungenen Priesterehelosigkeit I, 425. 2 ·) E b d . I, 405 fi. (Auffassung des Bonifatius und seiner Zeit). M ) Im Laterankonzil 1215 vorgeschrieben: RGG. 2, 210 (Ehe). 31 ) ZfVk. 11 (1901), 276. »») H i r t Indogermanen 2, 140. 472. 714. 7250.; vgl. dazu Ahnen- und Herdkult bei Bantunegern: F r a z e r 2, 231. M ) S c h r ä d e r Reali. 356 s . ; W i n t e r n i t z 62 f.; W e i n h o l d Frauen' 1, 38öS.; MschlesVk. 1, 40; H a s t i n g s 3, 657; K u h n u. S c h w a r t z 433 u. a. M ) K n u c h e l Umwandlung 20. 85) K ü c k Lüneburg 183. M ) Beilage z. Luzerner Xagbl. 1900, 62. , 7 ) ZfVk. 10, 430. M ) ZfVk. 6, 260; W i t z s c h e l Thüringen 2, 228; K ö h l e r Voigtland 235; J o h n Erzgeb. 104; Urquell 5, 190. *·) v. S c h r o e d e r Hochzeitsgebräuche der Esten 97. E b d . 77; W e b e r

155

Hochzeit

Ind. Studien 5, 317 ff. 341 f.; vgl. altnord. Gelübdebräuche und Steinkalt in Frankreich: S é b i l l o t Reg. 41) v. S c h r o e d e r Esten 88 ff. " ) ZfVk. 10, 430; ZrwVk. 4, 295. 13 ) Globus 81, 271; W i l u t z k i Recht 1, 20g. " ) K n u c h e l Umwandlung 27. 46 ) Vgl. dagegen S a r t o r i

156

erwünschteste Gelegenheit, durch Verschwägerung und Gastfreundschaft den eigenen, oft bedrohlich engen Lebenskreis zu erweitern. Der alte Spruch „H. macht H . " 92) bewährt sich immer wieder, obSitte und Brauch 1, 1 1 5 f . ; W e i n h o l d Frauen gleich im MA. und noch weit über die Ia, 408. " ) Vgl. bes. K n u c h e l Umwandlung Reformation hinaus unter dem sitten13 ff. " ) K n u c h e l Umwandlung 18 ff.; vgl. das Abschiednehmen der Braut von den Bäuverderbenden Diktat der kirchlichen Ehemen im elterlichen Garten: D r e c h s l e r 2, 80. verbote für Verwandte (bis zum 7. Grad; 4e ) K n u c h e l Umwandlung 22. *') D u b o i s Mœurs, dazu geistliche Verwandtschaft!) solche institutions et cérémonies des peuples de l'Inde 1, ί0 „Familienfeste" sehr wenig Gelegenheit 305. ) Globus 8 9 ( 1 9 0 6 ) , 2 5 7 ; J o h n Westböhmen 155. s l ) S e p p Völkerbrauch bei Geburt, Hochzeit zur Eheanbahnung boten 93). und Tod 55. " ) Vgl. a. Art. Ahnenglaube D e r G a b e n t a u s c h , der „beider Schafoben I, 227. ®3) S a m t e r Geburt 212Í.; M e y e r fung künstlicher VerwandschaftsverVolkskd. 178; B i r l i n g e r Schwaben 2, 249. " ) S a r t o r i Sachwörterb. d.Dtkd.547. " ) Meyer hältnisse überhaupt Sitte ist" s i ), spielt Baden 293. ··) Allg. vergi. S a m t e r Geburt. eine große Rolle (der „Brauthahn"! altes " ) Vgl. a. S c h r ä d e r Totenhochzeit (WitwenHahnenopfer?)' 5 ). A n o r d n u n g u n d R e i tötung). »») SchwVk. II, 12 ff.; G a ß n e r MetUrsdorf 85 w ) W u t t k e § 325; P o l l i n g e r h e n f o l g e bei H.szug, Schmaus und Tanz Landshut 295; R e i s e r Allgäu 2, 429; H a r t werden abergläubisch überwacht, bes. bei m a n n Dachau 221; G r o h m a n n 187; H ö h n Tod den sog. E h r e n t ä n z e n , die sinnbild311; W o l f Beiträge 1, 213; Kogel Pennsylvania lichen Ausdruck der Sippenvereinigung 78. M ) S t r a c k e r j a n 2, 193. e l ) W u t t k e § 325; K e l l e r Grab 1, 48. « ) P o l l i n g e r oder der Aufnahme der Braut in die neue 3 Landshut 300. * ) H ö h n Tod 354; S t r a c k e r - Verwandtschaft geben 96 ) (nicht „Reste M j a n ι, 31. ) H ö h n Tod 354. Tetzner ursprünglichen Anrechts aller an die Slaven 372; Alemannia 24, 153. ··) W e t t s t e i n Disentís 172; W u t t k e § 298 (je nach Ge- Braut") w ). schlecht des Toten stirbt Braut oder BräuWie einst nicht nur bei Vertragsschluß tigam). ·') SAVk. 21 (1917), 50 (mit Lit.). („Kauf") und Austausch von Mitgift «») H ö h n Tod 313. ·») W u t t k e § 304. *>)Ebd.; und Morgengabe 98), sondern beim ganzen SAVk. 2 1 ( 1 9 1 7 ) , 5 0 . n ) W u t t k e § 3 1 3 . « ) H ö h n Tod 313. »*) P r a e t o r i u s Phil. 213I Fest bis zur feierlichen Bettbesteigung '*) E b d . ") E n g e l i e n und L a h n 243. (vor Zeugen) i9 ) die beiderseitigen Ver*·) H o f f m a n n - K r a y e r 38; G r i m m Myth. 2, wandten durch ihre Teilnahme erst den 959.' T e t z n e r Slaven 372. " ) K ü c k Lüneburg 180. ™) T e t z n e r Slaven372. '·) H ö h n Tod 313. Eheschluß gültig machten, so ist auch in M ) G r i m m J l i y r t . 3 , 4 6 1 ; K u h n u. S c h w a r z unserem Volksglauben die e i n m ü t i g e 434. « ) ZrwVk. 2, 118; SAVk. 7, 140; K ö h l e r T e i l n a h m e a l l e r V e r w a n d t e n und M Voigtland 439. ) S c h u l t z Alltagsleben 122; ea D i r k s e n Meiderich 48. ) W u t t k e § 313. Freunde, ja schließlich der ganzen GeM ) J o h n Erzgeb. 103. 85 ) G r i m m Mythol. 2, 959. meinde (daher wohl auch Doppelehe »«) J o h n Erzgeb. 102. ·') H ö h n Tod 319 s.; verpönt) 10°) und ein zahlreiches, frohes W u t t k e §731; G a ß n e r Mettersdorf 84; F o g e l und prächtiges Gastgebot Bedingung für Pennsylvania 334. ω ) Έ&ciito\ä Hochzeit ι, 245 f. Der G a s t «») W u t t k e § 724. »«) S a r t o r i Westfalen 99. glücklichen Ehebestand. f r e u n d s c h a f t des H.shauses gestattet 3. a) Gerade auf dem erasten Hinter- die Sitte kaum eine Beschränkung ; grund der Gedanken an S i p p e , A h n e n wie das alte, nach vielerlei Vorund T o d erwächst dem Aberglauben die schrift bereitete H.sbrot, wird auch der magisch in die Z u k u n f t wirkende B e - H.skuchen 101 ), auch allerlei Zuckerwaren d e u t u n g des H.sfestes, das mit seinen („Brautzucker") 1 0 2 ) zumal an die Kintausend Zufällen, Geschehnissen und der verteilt; jedes Haus gibt der einladenH a n d l u n g e n erhofftes S i p p e n - , E h e - den Braut oder dem H.sbitter eine Brotund E l t e r n g l ü c k wie gefürchtetes M i ß - schnitte, aus der die wichtige H.ssuppe g e s c h i c k vorausbestimmt, und dabei für das Paar zubereitet werden muß 1 0 3 ), der Götter wie der Dämonen entraten und jeder hofft auf solche Einladung, zukann. Seit der vorchristlichen Germanen- mal, wem das Johannisfeuer „lustig" zeit 9 1 ) bis heute bietet die H.sfeier die brannte 104 ), wer zu Silvester auf dem

157

Hochzeit

158

Kreuzweg lustige Musik hörte 108 ), wem gab 1 2 6 ), weist weder auf „alte Frauenein rotes tanzendes Licht 1 0 8 ) oder ein raubsitte" 1 2 e ) („nach der Braut lauhüpfendes Flämmchen erscheint 107 ), wer fen" 127 ), noch auf eine rohe und einseitige die Treppe hinauffällt 108 ), den Spiegel Betonung des Beischlafs als Sinn des zerbricht 109 ) oder einem Vorangehenden Festes 128 ). auf die Ferse tritt 1 1 0 ). , l ) Vgl. die in den Islandsagas geschilderten, Schon der N a m e „ H . " für das F e s t oft von vielen Hunderten besuchten H.sfeiern M ) Unoth 1, d e r F r e u d e 1 1 1 ) , das nicht die Gewin- in Norwegen, Island u. Grönland. m) 188; Urquell 3, 165. Troels-Lund 9 nung eines Weibes oder gar die erstmalige (1930): „Trolovelse" i f f . M ) B ä c h t o l d Hochsexuelle Vereinigung, sondern von jeher zeit 1, 250, vgl. 232 ft. · 5 ) S i m r o c k Mythol. die G r ü n d u n g e i n e r n e u e n L e b e n s - 601; G r i m m RA. 441; H ö f 1er Hochzeit 12. gemeinschaft, das ,,Einswerden in ·*) K ü c k Lüneburg 182. *') Vgl. dazu H e r t z Abhdlgn. 209ff.; S c h e i b l e Schaltjahr 3, n 6 f f . Glück und Hoffnung" feiert (Gemein- 266ff. 441. w ) T a c i t u s Germ. 18: „intersunt schaft von Tisch und Bett, Dach und parentes et propinqui"; N e c k e l in Sachwb. d. Deutschk. 434. *») „ i m Lichte" : M a u r e r RechtsHerd, Schicksal und Gottheit; gemeinHöhn sames Essen 1 1 2 ), Gabentausch, Hände- gesch. 2, 543. i«>) W u t t k e §559 §564; Hochzeit 2, 4; ZrwVk. 1, 62; 2, 118. 1 0 1 ) M e y e r reichung usw. 1 1 3 )), verbietet die übliche Baden 288. 102 ) M a n n h a r d t Forschungen 360. 1 M ) S a r t o r i Hochzeit i. Sachwörterb. d. Dtkd. Deutung gewisser H.sbräuche und 546 ff. 1 M ) F e h r l e Volksfeste 72. 1 0 t ) S c h u l e n Scherze in Richtung auf den B r a u t b ü r g 1 3 2 . 1 M ) S t r a c k e r j a n 2 , 1 1 3 . 1 0 ') W u t t k e 1 1 4 r a u b g e d a n k e n ) und die s e x u e l l e loe) § 323. F o g e l Pennsylvania 87, 333. u ») Anspielung. Seit Urzeiten hat die κ») E b d . 85, 327. Wuttke § 289. l u ) Vgl. dagegen in orient. Sprachen H . = BeG e m e i n s c h a f t Anrecht und A n t e i l u l schneidung S t e r n Türkei 2, 365. ) Quitzam G l ü c k der E i n z e l n e n ; die Heiram a n n 133; vgl. B ä c h t o l d Hochzeit 1, 104 f. tenden, in der „ H o c h z e i t " ihres Glückes, sind deshalb Objekte s c h e r z h a f t e n u l Vgl. S a r t o r i in Sachwtb. d. Dtkd. 547. ) Vgl. bes. B ä c h t o l d Hochzeit 1, 193 ff., mit A n g r i f f s jeder Art, wie einst Balder im Warnung vor voreiligen Schlüssen auf BrautKreise der mit seinem Glücke spielenden raub; G r o ß e Die Formen der Familie 105 ff.; S a m t e r Geburt 166. 1 1 5 ) H o f f m a n n - K r a y e r Götter (Uberfall auf den H.szug, Steh39; W e i n h o l d Frauen i, 269. 377; S c h u l t z len von Schuh, Kranz und Hut, Trennung Alltagsleben 124; T e t z n e r Slaven 3 1 9 ; D a r der Liebenden, Brautstehlen u.a.) 1 1 5 ). Die g u n Mutterrecht 134 ff. " · ) S a m t e r Geburt Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft fin162 ff. « ' ) ZrwVk. ι (1904), 57; H o f f m a n n det immer neue Mittel, sich ihren Anteil K r a y e r 31 f. l l e ) M e y e r Baden 321 ; S i m r o c k Myth. 599; M e y e r Volksk. 169. 174; Brauch an dem Feste zu erzwingen, sich die Los- auch bei Taufzug und Festumzügen : s. u. a. lösung des Paares und seines Glücks a b J o h n Erzgeb. 63, 206; MschlesVk. 1894/5, 39f. ; v. S c h r o e d e r E s t e n n o f f . u , ) M i t t . d . Ver. k a u f e n zu lassen l l e ) (Loskauf von Bur28, 172 ff. "») T e t z schen· und Jungmädchenschaft 11T ), Seil- f. Gesch. d. Dt. in Böhmen m ) n e r Slaven 259. Hoffmann-Krayer spannen, Weg versperren, Loskauf, Ge- 35 ff.; v . S c h r o e d e r Esten 68 ff.; SchwVk. 1, schenke erpressen 118 ), Verkaufen, Ver- 3 f. 1 ! S ) K u h n Mark. Sagen 363; F r a z e r 2, steigern der Braut 1 1 8 ) und des „Braut- 303 f. 1 M ) S i m r o c k Mythol. 599. 1 M ) N e c k e l Germanen i. Sachwb. d. Dtkd. 434. " * ) S i m winkels" 12°), Verstecken und Vertauschen r o c k Myth. 598. 1 , 8 ) Schon deshalb nicht, m der B r a u t ) u. a.). Die alte germanische „weil altgerm. l a u f e n . . . nicht rennen, sondern Vorliebe für T a n z und S p o r t (vgl. Alt- springen bedeutet" N e c k e l Germanen i. Sachwtb. und Neu-Island) und zumal für Wett- d. Dtkd. 434. " ' ) G r i m m RA. 434. 1 M ) Vgl. anord. ,,at hleypa til" zulassen der männl. kampf und W e t t l a u f als Programm- Tiere zu den weibl. M a u r e r Rechtsgesch. 2, 541. punkt jedes Festes (wobei die körperliche Tüchtigkeit des weiblichen Geb) Gewiß haben jene nachweisbar schlechts auch Wettkampf des Paares er- f r e m d e n , durch das mönchische Schriftmöglichte [Brünhild-Sage]) lebt in unseren tum des MA.s geförderten 12S ) Tendenzen, H.sbräuchen fort (Wettlauf des Braut- die in der Ehe nur eine Regelung des Triebpaares m ) , der H.sgäste 12S )). Der „ B r a u t lebens und in der Frau nur ein Objekt l a u f " , „eine Art Tanz bei der H." 124 ), männlichen Begehrens sehen lehrten (vgl. der einst dem ganzen Fest den Namen I Art. Frau u. Ehe), unseren H.sbräuchen

159

Hochzeit

ihren Stempel aufgedrückt. Auch u n sere Bräuche behandeln daher, zumal nach slavischem Vorbild, die Braut bisweilen als passives, ja widerstrebendes Opfer (Tiervergleiche)130) ; sie wird bei der slavischen H. versteckt, verkleidet, vertauscht, zurückgehalten und gegen den Käufer oder Räuber verteidigt 131 ). Sie muß den Verlust ihrer von den H.gästen kontrollierten Jungfräulichkeit beweinen, sich wehren 132 ), fliehen, sich verstecken 133), kurz ihre U n f r e i h e i t bei dem entscheidenden Schritt ihres Lebens der niedrigen slavischen Frauengeltung gemäß dartun. In solcher Tiefe verschiebt sich notwendigerweise leicht das Schwergewicht des Vereinigungsfestes auf das Sexuelle. Das widerliche „ B r a u t h ä n s e l n " 1 3 4 ) nach der Brautnacht, das „ N i e d e r s i n g e n " 1 3 5 ) , entstammt dem entarteten Schamgefühl unseres MA.s, desgleichen etwa der Brauch, den Schlüssel zur Brautkammer als Preis beim Burschenwettlauf zur H. auszusetzen 13e), vielleicht auch das oben erwähnte Brautversteigern am H.sabend 137 ). Man hat von hier aus auf fremdländische H.sbräuche verwiesen, in denen sich „ a l t e h e t ä r i s c h e R e c h t e " geltend machen 188). Auf den Balearen ist die Braut in der H.snacht Eigentum aller Gäste 139 ), und schon Herodot berichtet Ähnliches 140 ). Mit Hinweis auf Derartiges wurde leichtfertig etwa das Töpfezerschlagen am Polterabend als symbolisches Zerbrechen der Jungfrauschaft 140a ), das Verstecken des Brautpaares im deutschen Brauch als Reaktion eines Schuldgefühls gegen die Gemeinschaft, der die Braut gehört, d. h. als eine einheimische Spur jener nie bewiesenen „Promiskuität" gedeutet 141 ). Befreit von den Irrtümern einer modernen Asphaltpsychologie und vertraut mit altgermanischer Sittlichkeit jedoch erkennt die Volkskunde heute den Widersinn solcher Schlüsse 142). Auch das deutsche Echo auf das paulinisch bestimmte „Er soll dein Herr sein" 14S) wurde erst durch eine Störung der natürlichen Arbeitsteilung und We-

ΐ6θ

sensergänzung in der Folge des karolingischen Kulturbruchs erweckt, und der Volksglaube bietet nun b e i d e n Brautleuten am H.stage eine günstige Gelegenheit, sich die H e r r s c h a f t zu s i c h e r n . Wer bei der H. „voran" ist 144 ), nach der H. zuerst ausgeht 115 ), in" der H.snacht zuerst ins Bett steigt I4e ), zuerst einschläft 147 ), regiert in der Ehe. Bei der Trauung suchen beide die Hand obenauf zu haben oder dem anderen auf den Fuß zu treten (wodurch sich die Frau auch vor künftigen Schlägen schützt) 148), im Haus mit dem rechten Fuß die Schwelle zu überschreiten 148) ; der Mann sucht beim Knien den Rocksaum der Braut unterm Knie zu haben 15°) und legt sich die Hosen unters Kopfkissen 1S1), die Braut läßt den Mann zuerst die Kutsche besteigen MI ), zuerst zur Kirche gehen 163) oder ihn über ihren in die Türschwelle gelegten Gürtel schreiten 154 ) oder legt sich selbst des Mannes Hosen unter das Kissen 15i ). Zur Trauung nimmt sie ein Geldstück des Mannes im rechten Schuh mit, damit der Mann nie Geld für sich behalten kann 1 8 8 ) oder versieht sich mit Senf und Dille und sagt während der Trauung: „Ich habe Senf und Dille, Mann, wenn ich rede, schweigst du stille" 15 '). Bei den Siaven weiß sie sich gegen die übliche Prügelzucht zu schützen, indem sie dem Mann ein kleines Stöckchen in das Halstuch bindet oder ein solches vor dem Altar zerbricht 188 ). Auch hier hat das fremde Beispiel zu Mißdeutungen deutscher Bräuche geführt. So wenig wie die W a f f e , die die germanische Braut dem Verlobten brachte 15e), das Symbol der Muntgewalt über sie war, so wenig ist auch der Ring, den; in England l e o ) wie vereinzelt z. B. auch in der Schweiz1®1) nur die Frau trägt, ein Symbol der Bindung des Weibes an den Mann 182 ), oder das neue Paar Schuhe, das der Bräutigam der Braut anzieht, das Zeichen der „Besitzergreifung" 183 ). Der altgermanische Bräutigam, der den Ring an der Klinge des. Schwertes als „Warnung vor Untreue" 184 ) dem künftigen Lebensgefährten überreicht, ist eine schlechte Erfindung.

Hochzeit

ι6ι

1«) T h e i n e r s. o. Anm. 28. 13 °) S t e r n Türkei 2, 104 f. 1 3 1 ) T e t z n e r Slaven 262. 277; v. S c h r o e d e r Esten 69 ff. l 3 J ) K r a u ß Sitte u. Brauch 226. 462; v. S c h r o e d e r Esten 87. 99; S c h u r t z Urgeschichte der Kultur 194f. 133 ) v. S c h r o e d e r Esten 141; D a r g u i Mutterrecht 88 f. 107 f. 130 f. 134 ) „Vexiert die Jungfer Braut!", E r k - B ö h m e 2, 668 f.; S c h u l t z Alltagsleben 125. 135 ) W e i n h o l d Frauen* 1, 401. ««) Bavaria 1, 398; S i m r o c k Myth. 599. 1 3 7 ) Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen 28, 173. 138 ) Vgl. S t o r f e r Jungfr. Mutter13 ·) schaft 17 f. 57 u. a . a . O . B a s t i a n in ZfEthn. 6, 406. "«) H e r o d o t IV, 172. "°a) S c h r ä d e r Reallex. 1, 581. i « ) Z . B . W i l u t z k i Ä«cA/ I, 201. " ' ) Vgl. N e c k e l Germanen i. Sachwörterbuch der D t k d . ; ders. in ZfdBldg. 6, i S. 2, 8. " 3 ) Z. B. in Brautliedern: „dem Mann sollst du gehorsam sein, das soll dein Büß' und Strafe sein" (für den Sündenfall), E r k - B ö h m e 3, 164. l u ) S A V k . 115) 15 (1911), 10. Bohnenberger 19. « · ) W u t t k e § 313. " ' ) Z f V k . 5, 416. "") v . S c h r o e d e r Esten 80; G a ß n e r Mettersdorf 63 f.; T e t z n e r Slaven 372; D i r k s e n Meiderich 48. "») S t e r n Türkei 2, 104 ff. "») T e t z n e r 161) Slaven 321. M ä n n l i n g Albertäten 300; S c h u l t z Alltagsleben 122. " 2 ) J o h n Erzgeb. 1M) 93. " 3 ) G r i m m Mythol. 3, 447. Ebd. 166 ) T e t z n e r 1H) Slaven 372. E n g e l i e n u. L a h n 244, „Trauungsopfer"; B o h n e n b e r g e r 20. 1 5 7 ) E n g e l i e n u. L a h n 243. l t 8 ) T e t z n e r Slaven 372. Vgl. Stabzerbrechen bei Übergabe der Braut, Stab im H.sbrauch; R o s e g g e r Steiermark 126; ferner Ohrfeige als H.sbrauch in Kroatien, K r a u ß Sitte u.Brauch385 ff. 159 ) T a c i t u s Germ. c. 1 8 ; H o o p s Reali, ι, 5 1 1 . 1 ) Strackerjan 2, 193. " ' ) W u t t k e § 291. ι ω ) SAVk. 15 (1911), 1M 10; 1917, 42. ) Alemannia 17, 284. 17°) ZrwVk. 2, 118; K ö h l e r Voigtland. 439. 17x ) ζ. B. U n o t h ι , 183; W u t t k e § 291. "*) S t r a c k e r j a n 1, 31. 1,3 ) StollZauberglauben 140. 1 M ) S t r a c k e r j a n Oldenburg

2, 234; B a r t s c h Mecklenburg

B ä c h t o l d Hochzeit 1, 169 f. 46 Nr. 437; 47 Nr. 440. 1 7 7 ) W u t t k e §577.

17β

17ä 17e

2. 70;

) Rothenbach ) ZfVk. 8, 30.

) H i 11 η e r Siebenbürgen

13.

"») v. S c h r o e d e r Esten u o f . 18°) ZrwVk. 2, 118. 181 ) J o h n Erzgeb. 102. 182 ) G r i m m Myth. 3, 462; S c h ö n b a c h Bey/Ao/d v.R. 151. 1 M ) ZfVk. 1M 5. 97· ) G r o h m a n n Aberglaube 71. 77. 185 ) Alemannia 33, 300; D r e c h s l e r Schlesien ι , 258; J o h n Erzgeb. 102; ZfrwVk. 3, (1906), 82. Mettersdorf

18i ) M e y e r Volksh. 63. l e 7 ) T e t z n e r

176; G a ß n e r Slaven 241 f .

165

Hochzeit

) D r e c h s l e r Schlesien ι , 258. «») E b d . 2, 16. l e o ) K ö h l e r Voigtland 438. m ) A n d r e e 192 1M Braunschweig 304. ) Ebd. ) S A V k . 7, 132. 1M ) L ü t o l f Sagen 548 f . ; B ä c h t o l d 1, 247. 1M ) ζ. B. D r e c h s l e r 1, 210; K r a n z als V o t i v g a b e d a r g e b r a c h t A n d r e e Votive 179 (s. B r a u t ) . 1 M ) H ö f l e r Hochzeit 58; d e r s . 197 Weihnacht50; d e r s . Fastengebäcke57. ) John Erzgeb. 1 0 1 ; W u t t k e § 1 7 5 ; G r i m m Mythol. 3 , 4 4 3 ; P a n z e r Beitrag 1, 2 6 1 ; B r o n n e r Sitt und Art 209; S e l i g m a n n 2,223. 1 M ) B ä c h t o l d Hochzeit I, 151 fi. ; vgl. a. F o g e l Pennsylvania •ZQT, K o l b e Hessen 149 f.; MschlesVk. 21 (1919), 154 f.; K ö c h l i n g De coronarum vi 20. lm ) ZrwVk. 1913, 91. ao °) Finger h a l t e n n a c h i t a l i e n . B r a u c h Z f V k . 12, 3. 53. 201 ) Z f V k . 20, 383. *M) W u t t k e § 304; Z f V k . 20, 383; S t r a c k e r j a n 1. 3 1 ; ZrwVk. 2, 118. 203 ) W o l f Beiträge 1, 2 1 2 ; vgl. Volkslied „ I n e i n e m k ü h l e n G r u n d e . . . " . 2 M ) Urquell 3, 247. 205 ) Z r w V k . 2, 118. 2 M ) W u t t k e §569. 207 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 299; Urquell 2, 67. 20S ) B a r t s c h Mecklenburg2, 3 1 3 . 2°») Z f V k . 1 5 , 1 8 0 . 210 ) J o h n Erzgeb. 5 3 ; S e y f a r t h Sachsen 274; Z f V k . 7, 290. 211 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 210; Z f V k . 7, 164; B a r t s c h Mecklenburg 2, 108; K n o o p Hinterpommern 1 6 1 ; S t r a c k e r j a n 2, 234. sla ) M e y e r Aberglaube 100; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 164. 2 « ) W u t t k e § 581. § 653; Z f ö V k . 214 5, 196. ) M a n n h a r d t Forschungen 359. 215 ) SAVk 1917, 42. 21») Vgl. S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 22: „ D i e K e r z e als P e n i s s y m b o l in H . s b r ä u c h e n ist b i s auf die G e g e n w a r t der K u l t u r v ö l k e r e r h a l t e n g e b l i e b e n " . 217 ) S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 22. 57. 218 ) S t r a c k e r j a n 2, 198; J o h n Westböhmen 253. 21e ) Vgl. W e i n h o l d Frauen 1, 386; v . S c h r o e d e r Esten 77; E d d a , T h r y m s k v i d a v . 15 u. 19. 22 °) S a r t o r i Hochzeitin S a c h w t b . der D e u t s c h k . 546; S a m t e r Familienfeste 47 ff. ; S c h r ä d e r Reali. 355. Ml ) S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 54. 2 2 2 ) E b d . 57. Vgl. f ü r B r a u t s c h m u c k B ä c h t o l d Hochzeit ι , 199 fi. 223 ) K o e b n e r Eheauffassung im MA. in A K u l t G . 9, 159. 2 2 1 ) G r i m m Mythol. 22S 2, 9 5 3 : vgl. 486 ff. ) W e i n h o l d Frauen i 2 , 399; v . S c h r o e d e r Esten 166 fi. 18β

4. Wichtig ist es, dem Fest den r i c h t i gen T a g auszusuchen, denn des gewählten Tages Bedeutung und Art ist wie sein W e t t e r bedeutsam für die an ihm geschlossene Ehe 226 ) (s.Ehe). Ein religiös gebotener H e i r a t s m o n a t wie der der Hera geweihte (Γαμήλιων) 227) istnichtmehr zu erkennen, aber die Verpönung der M a i h o c h z e i t , an der die Kirche — so viele Zeiten im Jahr weltlichen Freuden entziehend (s. a. Geschlechtsverkehr) — teilhat, dürfte tiefere Gründe haben als jenen, daß der Volksglaube vor dem „Leichtsinn der Frühlingszeit" ein so «richtiges Geschäft bewahren wollte 2S8).

166

Maibraut wird der Ehe nicht froh 229). Maiehen werden unglücklich 23 °), schon nach Ovid 2 3 1 ). „Zwischen Ostern und Pfingsten heiraten die Unseligen" 232 ). „Im Maien gehn Huren und Buben zur Kirchen", „Knappen- u. Pfaffen-Ehen werden im Maien gemacht 233 ) und dauern nur einen Sommer". Abgesehen von den p r a k t i s c h e n G r ü n d e n des bürgerlichen und bäuerlichen Lebens, die die Verlegung der H.en auf bestimmte Zeiten gebieten 234), werden bestimmte, örtlich verschiedene Zeiten vom Aberglauben empfohlen oder verboten. So bringen in Schwaben die Mon a t s e r s t e n des März, April, August, September und Dezember als H.stage unglückliche und untreue Ehen 236). Nach alten Zeugnissen war immer die Zeit vor F a s t n a c h t und der F a s t n a c h t s d i e n s t a g sehr beliebt 23e ). Heute fallen in die Fastnachts- und Kirchweihzeit die meisten ländlichen H.en M7 ), und gern wird die H. mit dem „Erntebier" vereinigt 238). Von den Wochentagen ist der S o n n t a g vielfach verboten **·) (kirchlicher Einfluß), desgleichen gilt der M i t t woch als ungeeignet und Unglück bringend und bleibt den „gefallenen" Mädchen vorbehalten 240 ). Bisweilen ist auch der F r e i t a g verpönt 241 ) und „gehört den Lausigen". Auffallend allgemein beliebt ist der D i e n s t a g 242) (eine angenommene Beziehung zu Frija mit Hilfe der „Tobiasnächte" 243) ist aber ausgeschlossen) ; daneben der D o n n e r s t a g 244) (der Donnerstag im Neumond auf den Orkneys die beste Heiratszeit 245 )). Aber der Aberglaube droht auch : wer Donnerstag freit, dem donnert's in die Ehe 249) (Anklang an den heidnischen Gott des ehrenhaften Sippenlebens darf man hier vermuten, vielleicht auch hinter der Beliebtheit des Dienstags, zumal die Kirche im Norden gegen das Heiraten an diesen Tagen kämpft 247)). — Schließlich ist in Böhmen der „ f e i s t e M o n t a g " ein beliebter H.stag 248). Auch auf Mond- und Sternenstand und andere Zeichen achtet man, und selbst ein Cicero hielt es für sündhaft, ohne Au-

i6y

Hochzeit

spizien zu heiraten 249). So mieden Sternkundige Krebs, Wage, Skorpion, Fische250) (die Astrologie unserer Tage sucht neue Irrwege); man bevorzugt den zunehmenden 251 ) oder auch den vollen Mond 262) (in Skandinavien auch noch den Neumond) 263), damit den Eheleuten nichts mangelt, sie alles aus dem Vollen haben (damit sie reich und gesund bleiben, und die Frau nicht früh alt und runzlig wird). Natürlich ist auch das Wetter am H.stage außerordentlich bedeutsam. Heiterer Himmel verheißt heitere Tage, Regen einen trüben Ehehimmel 254) : das einfache Gleichnis bedarf keiner weiteren Erklärung. Allerlei Mittel verhelfen zu gutem H.swetter (die Braut darf den Quirl nicht ablecken 255 ), muß die Katze gut füttern 266) usw.; vgl. Braut). Seltsam ist es, wenn Regen am H.stage Reichtum 257), und Schnee Reichtum und „viel zu lachen" weissagt 25e ). Vor allem warmer, erquickender Regen soll Glück, Wohlstand und Fruchtbarkeit verheißen »·), heller H.stag kleine Familie 260 ). Sturm nicht nur stürmische Ehe voll Streit und Unfrieden 261 ), sondern auch reichen Kindersegen und schließlich Armut 2 6 2 ). Nebel deutet auf ein mühseliges Leben und auf Unfrieden 263). Gewitter am H.stage bald auf Unglück 264), bald (zumal während der Trauung) auf eine besonders glückliche Ehe 265). Vielleicht hat sich auch hier die Volksseele noch einen Rest jenes Empfindens bewahrt, das im Donner und Blitz keinen zürnenden Richter fürchtete, sondern die Nähe seines göttlichen Freundes froh begrüßte. 2 2 ') Vgl. bes. Becker Frauenrechtl. ig Anm. 14. 2 2 ') S c h m i t z in Zs. f. d. dt. U n t . 14, 228 607. ) E b d . 604 fí. (Beispiele für Italien, Frankreich, Rußland, England, Deutschland). " · ) R e i n s b e r g Festjahr 24. 230) H o f f m a n n K r a y e r 33; B r o n n e r Sitt u. Art 178; Z f r w V k . 5, 46 ff. ; U h l a n d Schriften 3 (1866), 390; A n d r e e P a r a l l e l e n 1 , 3 . 231 ) „menseMaio nubunt 232 ) malae", O v i d Fasten 5, 490. Becker Frauenrechtl. 19; W i t t s t o c k Siebenbürgen 91. *·*) Sprichwörter des 16. Jh.s: Uhland Schriften 3, 470. s34 ) M e y e r Baden 279; H ö h n Hochzeit 2, ι ff. 23S ) W u t t k e § 100. 2 M ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 63; K r a u ß Sitte und Brauch 341; Nürnberger Chor. 3, 129; vgl. 2 3 ') Folk-Lore Ree. 4, 107. Hoffmann-

I K r a y e r 33; d e r s . in S A V k . 1, 133; M e y e r Baden 195, 216. 23a ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 304 f.; S a r t o r i 2, 98. 23e ) H o f f m a n n - K r a y e r 240 ) 34. E b d . ; M e y e r Volksk. 1 7 5 ; ders. 241 ) Baden 230. Hoffmann-Krayer 34; s42 T e t z n e r Slaven 258. ) S i m r o c k Myth. 600; L a u f f e r Niederdt. Volksk. ; T e t z n e r Slaven 258; K u h n u. S c h w a r t z 434 t. 243 ) S i m r o c k 244 Mythol. 601. ) S i m r o c k Mythol. 600; v. S c h r o e d e r Esten 51. 245 ) M a n n h a r d t Germ. 246 Mythen 129 f. ) K u h n und S c h w a r z 434. 24 ') 248 ) H o o p s Reali. 2, 510. J o h n West249 böhmen 38. ) R o ß b a c h Römische Ehe 294 ff.; 260 vgl. a. W i s s o w a Religion 432 ff. ) Simrock Mythol. 600. 251 ) E b d . ; T e t z n e r Slaven 372; K o h l r u s c h 340. 252 ) K u h n u n d S c h w a r t z 2S3 ) 434 f. Reinsberg Hochzeitsbuch 1; B o e d e r Ehsten 24. 254) ζ. B . J o h n Erzgebirge 93; Alemannia 24, 153; A n d r e e Braunschweig 304; R o t h e n b a c h Bern 46 Nr. 436; Urquell 3, 165; S t r a c k e r j a n 1, 21. 26s ) S c h u l t z Alltagsleben 19. 25e ) D i r k s e n Meiderich 48; Z f V k . 4, 326; S i m r o c k Mythol. 601. 2 5 ') S c h u l t z 25β ) Alltagsleben 121 (Amaranthes). John 2«) Erzg. 93. W u t t k e § 563; D r e c h s l e r Schlesien 2, 149; Stracker jan 1, 21. 2eo ) 2) Ebd. 2. 349. "*) Ebd. 2, 324. 180) Ebd. 2, 349 f. 181) Ebd. 2, 350 f.; vgl. H. G ü n t e r Legenden-Studien (Köln 1906) 152. 18a) C a e s a rius v. H e i s t e r b a c h Dialogus 1, 70 f.

7. D i e H. a l s A b g r u n d (s. 1, 8g). Für die christlichen Prediger war das wesentliche an der H. ihre Realität und die Qualen. Dem h.ngläubigen Menschen erschöpft sich hierin schon sein Interesse. Der Eindruck der feurigen H.nschilderung war viel zu stark, als daß noch ein nüchternes Nachdenken über die Lage und das Aussehen der H. hätte einsetzen können. Deutlich findet diese Beschränkung ihren Ausdruck im Faustbuch von 1587: darinnen nichts anders zu finden als Nebel, Feuwer, Schwefel, Bech, vnnd ander Gestanck, So können wir Teuffei auch nit wissen, was gestalt vnd weiß die Helle erschaffen ist, noch wie sie von Gott gegründet vnd erbauwet seye, denn sie hat weder End noch Grund 1 8 3 ). Die H. als einen Erdschlund zu denken, war durch die Vorstellung einer Unterwelt gegeben; der Zugang zu dieser wurde nun schlechthin zur vagen H.nvorstellung. Bestärkt wurde diese Vorstellung des gähnenden H.nschlundes durch Alperlebnisse : in den verschiedensten Jenseitsmythologien begegnete der Gedanke, daß gefährliche A b griinde den Abgeschiedenen bedrohen. In den lateinischen Texten erscheint der

222

Abgrund als puteus. Eine Nonne, die weltlich werden wollte, hat folgende Vision: Videbatur enim ipsi, q u o d . . . esset super puteum magne profunditatis et maxime fedidum ita, quod totum aerem putabatur inficere et obscurare et scaturire. E t veniens ibi audiuit horribiles clamores animarum et demones ipsas torquentes, qui eciam ipsam rapere nitebantur. Sie beginnt dann zu Maria zu beten: O domina, non différas liberare me, nam vrget super me puteus os suum 1 8 4 ). Neben puteus bezeichnet allgemeiner Abyssus den H.nabgrund, mhd. âbis. Derselbe Gedanke noch in folgenden Wendungen: alts, heiligrund. mhd. in ajgründe gân; ir verdienet daz ajgründe; varen ter helle in den donkren kelre; der himel allez ûf gêt, diu helle sîget allez ze tal185 ) ; in der helle gründe verbrunne ê ich; der fürste ûz helle abgründe; de hellgrunt; der bodengrunt der helle ; hellepuzze, obene enge, nidene wît18β), auch als Ortsbezeichnung: Helleput187). Die mittelalterliche Kunst stellte die H. als einen Schlund dar, dessen Eingang meist ein weit geöffneter und mit Zähnen besetzter Tierrachen bildet 1 8 8 ). Auf alten Bildern vom Jüngsten Gericht zieht der Teufel hohe und niedere Geistliche am Seil in den Rachen der H . hina b 1 8 9 ) . In den Schauspielen des Mittelalters pflegten die Franzosen auf der Bühne die H. durch einen künstlichen Drachenschlund darzustellen, die Deutschen durch ein Faß 1 9 0 ). Hierzugehört dann die mittelalterliche Vorstellung vom Hafen derH. 1 9 1 ), die bis in den heutigen Volksglauben hineinreicht: Hellekessel, Holl-, Rollhafen, -kessel. Schwerlich ist dieser Höllhafen mit dem nordischen Hvergelmir zu verbinden, wie noch Meyer will 1 9 2 ). Unartige Kinder bedroht man in Schwaben: Wart du kommst ins Höllehäfele 1 9 3 ), im Zürcher Oberlande mit dem Rollhafen 1 * 4 ), im Aargau bezeichnet Höllhafen, Rumpelund Rollhafen den tiefsten H.ngrand l 9 6 ). Die Vorstellung des gähnenden H.nschlundes erzeugte als Ergänzung dazu die eines Verschlusses. Nach Oberpfälzer Glauben ist die H. mit einem großen, platten Stein zugedeckt 1 * 8 ). Der Bauer, der seinen Grafen und den Büttel in die

223

H. fuhr, hielt, nachdem man schon aus der Ferne die Teufel hatte singen hören und den H.nrauch und Gestank gerochen hatte, über einem großen breiten Stein, wie einer Kellertür. Der Stein bricht zusammen, Feuer fährt heraus und verschlingt den Grafen und den Schergen 187 ). Mhd. heißt dieser Verschlußstein der H. dillestein (2, 297). Gelegentlich fließt der Gedanke an die den Toten einschließende Grabplatte unter : wan ez kumt des tiuvels schrei, dà von wir sîn erschrecket : der dillestein der ist enzwei, die töten sint ûf gewecket 198 ). Nach einem Volkslied ist der Dillestein der Stein, „den kein Hund überbal, kein Wind überwehte, kein Regen übersprehte" 199 ). Parallele Vorstellungen sind der etruskische lapis manalis und der έμφαλός von Delphi 20°). 183) Das Volksbuch vom Doctor Faust (nach der ersten Ausgabe 1587) 2. Aufl., hsg. von R o b . P e t s c h (Neudrucke deutscher Litteraturwerke des X V I . und X V I I . Jahrhunderts, Nr. 7 - 8 b, Halle a. S. 1911) 28. 1 M ) K l a p p e r 185 ) G r i m m Erzählungen 292. Myth. 2, 672. 1 M ) E b d . 3, 240. " ' ) Ebd. 2, 670. 188 ) W i l h . M o l s d o r f Führer durch den symbolischen und typologischen Bilderkreis der christlichen Kunst des Mittelalters (Hiersemanns Handbücher Bd. io, Leipzig 1920) 7 1 ; G r i m m Myth. 1, 261. 188 ) M o n e Schauspiele 2, 23. 19 °) E b d . 2, 19. m ) E b d . 2, 27. m ) M e y e r Mythologie 173. I,s)

M e i e r Schwaben 1, 149 Nr. 2. l M ) M e s s i k o m m e r 1, 15 Anm. 1 8 5 ) Z f d M y t h . 2 (1854}, 252. 1 M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 25. 1 9 7 ) E b d . 3, 18i) 34 f. G r i m m Myth. 2, 672 f . ; M e y e r 18e) Mythologie 174. G r i m m Myth. 3, 240. 2) E b d . 2, 673.

8. L a g e

224

Hölle

der

Hölle.

Die Ungewißheit über das Jenseits hat in vielen Mythologien die Vorstellung erzeugt, daß es irgendwo in der Ferne liege. Näher bestimmt wird diese Ferne in der Regel durch den Sonnenlauf, besonders durch Sonnenaufgang und -Untergang. Nach Oberpfälzer Glauben liegt im Sonnenaufgang das Paradies, links von der Sonne, im Norden, die H. 201 ). Dort liegt auch Niflheim. Nach altgermanischer Henkersgewohnheit mußte der Galgen so stehen, daß der Verurteilte das Gesicht dorthin gewandt hatte 202). Der Teufel haust im Norden. Christliche Vorstellungen mischen sich mit einheimischen bei Hrabanus Maurus : cadens L u c i f e r . . .

traxit ad inferni sulfurea stagna, in gelida aquilonis parte ponens sibi tribunal 203 ). Im ags. Zwiegespräch zwischen Salomo· und Saturn ist die Sonne abends so rot, weil sie zur H. blickt 204). Dabei ist die H . wohl unterirdisch gedacht. Diese L a g e der H. war die wahrscheinlichste. Die älteren Vorstellungen von einem unterirdischen Totenreich brauchten nur mit dem feurigen Kolorit der H. übermalt z u werden. Berthold v. Regensburg sagt: die hell ist enmitten dâ daz ertrîche aller sumpfigest ist 205 ). Quellen und Weiher sind beliebte Eingänge zur Unterwelt, speziell zu einem H.neingang werden die heißen Quellen bei Baden 2 0 e ). Gregor v. Tours verbindet die Unterwelt mit dem Gedanken an die heiße H., wenn ihm der Ä t n a sowie der heiße Sprudel z u Grenoble zu Gotteswundern werden, durch die den Sündern das H.nfeuer vor Augen geführt werden soll 207 ). Vor allem aber mußten Vulkane als H.neingänge erscheinen, so der Vesuv (s. d.), der Ä t n a (s. d.) und die Hekla. Zum ersten Male wurde dieser Gedanke von Gregor dem Großen ausgesprochen (Dialog. IV, 30), wenn er den Ostgotenkönig Theoderich in einen Vulkan geworfen werden läßt. Vorübergehende erfahren hier den Namen und die Todesstunde des zur H.Eingegangenen, später prüfen sie die Daten, sie stimmen. Die Fabel bleibt in der Folge im wesentlichen gleich, nur die Namen und die Vulkane wechseln, der H.ncharakter wird mehr oder weniger ausgemalt (vgl. Vulkan). Volkstümlich sind diese Vorstellungen nicht geworden. Sie wurden im wesentlichen von der Geistlichkeit gepflegt, so von Caesarius v. Heisterbach ( X I I , 7 — 9 , 12, 13). Vor allem blühten diese Geschichten fern von den Vulkanen selber; der nur gelegentlich auf der Durchreise einen Vulkan sehende Fremde war einem derartigen Glauben viel zugänglicher, als der mit der Erscheinung vertraute Einheimische. Dies besonders für die Hekla nachgewiesen 208 ). 201 )

S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 53 Nr. 4. K o n d z i e l l a Volksepos 173. 203 ) G r i m m Myth. 3, 295. 2 M ) E b d . 2, 601. 205 ) M e y e r Mythologie 173. 106 ) L a i s t n e r Nebelsagen 37. 20 ') B e r n o u l l i Merowinger 305. 2 0 i ) Z f V k . 4 202 )

225

Hölle

(1894), 256 fi.; 8 (1898), 452 ß . Auch die Bevölkerung in der Nähe des Ä t n a hat eine viel mildere Vorstellung über das Treiben in dem Vulkane, als die fremden Geistlichen, die hier einen H.neingang sehen. Vgl. C a e s a r i u s v . H e i s t e r b a c h 146 f.

9. A n l a g e der H ö l l e . Weiterschreitend entwarf die Phantasie ein Bild einzelner Abteilungen der H. Nach Oberpfälzer Glauben liegen hinter der H.nwiese drei Abteilungen, zu jeder führt ein eigenes Tor. Vor den beiden ersten Toren steht ein Teufel als Wache, zu dem dritten, größeren Räume, führt ein offenes, das dritte Tor, vor welchem der H.nbube sitzt, der auch die H. zu heizen hat 209). Im ersten Raum sieht die verdammte Seele die Marterwerkzeuge herrichten, im zweiten schaut sie, wie ihre Genossen gepeinigt werden. Im dritten Räume beginnt die wahre Pein : da werden die Seelen von den Teufeln in ö l gesotten und dann mit kaltem Wasser abgekühlt. Sie leiden fürchterlichen Durst, während die hellsten Wasserbäche neben ihnen fließen. Nur damit sie nicht ganz verschmachten, werden sie zeitweise getränkt. Dieser Raum hat wieder verschiedene Abteilungen, je nach Art seiner Bevölkerung 210). Nach Grimmelshausen ist die H. in Stockwerke eingeteilt : im obersten befinden sich die Heiden, zum Weg in das nächstuntere Stockwerk braucht man anderthalb Tage, dort ist das „Quartier der Mahumetaner", darunter das Stockwerk der Juden, darunter das der christlichen Schismatiker und Ketzer, darunter der Ort für diejenigen, die zwar die rechte Religion gehabt haben, ihr aber nicht gemäß lebten, zu allerunterst endlich kommen diejenigen, die vom Christentum abgefallen sind und sich entweder zu den Ungläubigen oder gar in Bündnis und Dienste der bösen Geister begeben haben 211 ). Während in der Oberpfälzer und in Grimmelshausens H.nanlage eine Steigerung erzielt wird, ist das Bild im Faustbuch von 1587 zunächst nur eine Anhäufung fremder H.ntitel. Mephistopheles erklärt: die Hell vnd derselben Refier ist vnser aller Wohnung vnd Behausung, die begreifft so viel in sich, als die gantze Welt, vber der Hell vnd vber der Welt, biss unB ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube IV

226

ter den Himmel, hat es zehen Regiment vnnd Königreich, welche sind die Obersten vnter vns, vnd die Gewaltigsten vnter sechs Regimenten, vnnd sind nemlich die: ι Lacus mortis. 2 Stagnum ignis. 3 Terra tenebrosa. 4 Tartarus. 5 Terra obliuionis. 6 Gehenna. 7 Herebus. 8 Barathrum. 9 Styx. 10 Acheron. In dem regieren die Teuffei, Phlegeton genannt. Diese vier Regiment vnter jhnen sind Königliche Regierung, als Lucifer in Orient, Beelzebub in Septentrione, Belial in Meridie, Astaroth in Occidente, vnnd diese Regierung wirdt bleiben, biß in das Gericht Gottes 212). Zwei verschiedene Dimensionen kreuzen sich in diesem unklaren Bericht: eine vertikale und eine horizontale, in der die vier Himmelsrichtungen vier Dämonenfürsten unterstellt werden. In den fremden H.nnamen ist die Vorstellung der eigentlichen H. erkennbar, Mephistopheles beschränkt sich indessen nicht hierauf, er zeichnet den ganzen Herrschaftsbereich der höllischen Mächte : biß vnter den Himmel. Die zehn H.nnamen, die hier zu Abteilungen der H. gemacht werden, erscheinen im Elucidarius (Frankfurt 1572, der Ausgabe, die dem Faustbuch von 1587 am nächsten lag) lediglich als verschiedene Bezeichnungen derselben H. : (Die Hell) heißt in der heyligen Schrifft, Lacus mortis, ein see deß todts, dann welche Seelen darein kommen, die mögen nimmer darauß. Sie heißt Stagnum ignis, ein hitz deß Fewrs, Wann als die stein deß Meers grundt nimmer trucken werden, also erkûlen die Seelen nimmermehr die darein kommen. Sie heißt Terra tenebrosa, das ist, eine finstere erd. Wann der weg, der zu der Hellen geht, ist jmmer voll rauchs vnd gestancks. Sie heißt auch Terra obliuionis, das bedeut die Erden der Vergessung, Wann die seelen, die darein kommen, seyn verlorn, vnd wirdt jr vor Gott nimmer gedacht. Sie heißt auch Tartarus, das bedeut die Marter, Dann da ist jmmer weynen der äugen, vnd grißgrammen der zân von frost. Sie heißt auch Gehenna, das bedeut ein ewig fewr. Wann das hellisch ist so starck, daß vnser fewr ein Schatten gegen dem Hellischen fewr ist. Sie heißt 8

227

Hölle

auch Herebus, das bedeut Drachen, dann die Hell ist voll fewriner drachen vnd wurm, die nimmer sterben. Sie heißt auch Baratrum, das bedeut die schwartzgienung, wann sie gient biß an den Jungsten tag, wie sie die Seelen verschlinden môg. Sie heißt auch Styx, das bedeut on freude, da ist ewig on freud. Sie heißt auch Acheronta, das bedeut gienung, Dann da fahren die Teuffei auß vnd ein, als die funcken in einem ofen. Auch heißt dieselbig Hell Phlegeton, von einem Wasser das durchrinnet, das stincket von bech vnd schwebel, Vnd ist auch also kalt, daß es alle Hellische hitz wendet 213). Daneben hat das Faustbuch noch eine andere H.nvorstellung, die unter dem Einfluß der Gehenna gebildet ist: Man sagt auch recht, daß die Helle ein Thal genannt wirt, so nicht weit von Jerusalem ligt, Die Helle hat ein solche Weite vnd Tieffe deß Thals, daß es Jerusalem, das ist, dem Thron deß Himmels, darinnen die Einwohner des Himmlischen Jerusalems seyn vnd wohnen, weit entgegen ligt, also daß die Verdampfen im Wüste deß Thals jmmer wohnen müssen, vnd die Höhe der Statt Jerusalem nicht erreichen können. So wirdt die Helle auch ein Platz genannt, der so weit ist, daß die Verdampfen, so da wohnen müssen, kein Ende daran ersehen mögen 214 ). In diese H.nschilderung spielt die des Abgrundes hinein: Die Helle hat auch eine Klufft, Chasma genannt, gleich eins Erdbidems, da er denn anstößet, gibet er eine solche Klufft vnnd Dicke, das vnergrûndlich ist, da schüttet sich das Erdreich von einander, vnd spüret man auß solcher Tieffe der Klufften, als ob Winde darinnen wehren, Also ist die Helle auch, da es ebenmäßigen Ausgang hat, Jetzt weit, dann eng, dann wider weit, vnd so fortan. Die Hell wirdt auch genannt Petra, ein Felß, vnnd der ist auch etlicher maßen gestalt, als ein Saxum, Scopulus, Rupes vnd Cautes, also ist er. Dann die Helle also befestiget, daß sie weder Erden noch Steine vmb sich hat, wie ein Felß, Sondern wie Gott den Himmel befestiget, also hat er auch einen Grundt der Hellen gesetzt, gantz hart, spitzig vnd rauch, wie ein hoher Felß215).

Der Gedanke an nach Art der Sünden verschiedene H.nschichten erscheint gelegentlich: Also hat es mit den verdampfen Seelen auch eine Gestalt, die in die Helle geworffen werden, je mehr einer sündiget dann der ander, je tieffer er hinunter fallen muß 216). Die H.nvorstellung des Elucidarius ist viel klarer, als die des Faustbuches: Gott schuf die H. in derselben Stunde, da der Teufel gedachte, daß er sich wider Gott setzen wolle. Zweierlei H.n werden hier unterschieden. Die erste verbindet in sich die Vorstellung der weiten Ferne mit der des Abgrundes, sie heißt die innere oder niedere H., sie ist an einem Ende der Erde, wohin von Nebel und Finsternis nie ein Mensch kam, dabei ist sie „oben enge und unten weit, den Grund weiß niemand als Gott allein, denn die Bücher sagen uns, daß ewiglich manche Seele hineinfalle und doch nie den Grund finde". Hiervon unterscheidet sich die obere H., sie ist mancherorts auf der Erde, auf den Höhen und auf den Inseln, und bei dem Meer, da brennt Pech und Schwefel, da werden die Seelen gepeinigt, die erlöst werden sollen 217 ). Der Unterschied zwischen der niederen und der oberen H. wird nicht ausgesprochen, die niedere H. ist der eigentliche und ewige Aufenthalt der Verdammten, die obere H. ein Ort, wo entweder Sünder sich durch Buße reinigen, oder wo die zu verdammenden Geister bis zum Gericht aufbewahrt werden. Die Orte, Höhen, Inseln, Gestade des Lucidarius sind die gleichen öden Stätten, an die man böse Spukgeister vertragen läßt. Gelegentlich heißen solche Orte Vorh. Von dieser Art ist die Vorstadt der H. in den Diablerets. Im Siebengebirge dachte man sich ebenfalls eine solche Vorh. Hierhin wurden die armen Seelen verdammt, die am Jüngsten Tage ein schlechtes Urteil zu erwarten hatten. Hier wandelt ein kölnischer Wucherer in bleiernen Schuhen und bleiernem Mantel umher, ein Bonner Minister als Feuermann. Hier scheinen zur Wahl des Ortes dieser Vorhölle die Nebelwolken beigetragen zu haben, die aus den Tälern emporsteigen und die vom Volk für erlösungsdurstige Seelen

229

Hölle

gehalten werden 218 ). Aber nicht nur in abgelegener Einsamkeit kann eine Seele H.nqualen verbüßen, im Heulen, Pfeifen und Summen des Ofens kann das Leiden einer armen Seele enthalten, im Knoten eines Strohseils gebunden sein, in dem Knarren und Pfeifen großer Türen, besonders der Scheunentore, in den Türangeln, besonders wenn der Bauer die Tür zuwirft, in dem Wagengeleise eines schwer beladenenWagens oder im Eis der Gletscher kann eine Seele ihre Pein haben 219). Von dieser Art ist die obere H. des Lucidarius, es ist das Fegefeuer (s. d.). Zur Vorh. entwickelte sich besonders die grüne Wiese vor der H. Die hier als Vieh verzauberten Geister, die an Feiertagen weiden, können erlöst werden 220). Einen Ort, der zur H. gehörte, ohne doch eigentlich H. zu sein, brauchte die Kirche, um dort die Altväter bis zu ihrer Befreiung durch Christus unterzubringen, es ist der Rand der H., limbus. In den Schauspielen des Mittelalters wird die Erlösung der Patriarchen aus der zertrümmerten Vorh. und ihr Einzug in das Paradies gefeiert 221 ). Diese Vorh. ist vorwiegend als Grab gedacht. In einem Gebete des 13. Jhdt. heißt es: wir loben unt danken dir, daz du den Patriarchen unt den propheten uzer so langer vinstere hülfe 222). Von der Befreiung eines gerechten heidnischen Königs aus der Vorh., hier doch ein Ort ewiger Qual, durch das Gebet Gregors des Großen, erzählt eine im Mittelalter beliebte Legende 223 ). Während die nordische Mythe die Vorstellung von Flüssen, die die Unterwelt umgeben und durchfließen, weiter die von einem Gitter, das die hei abschließt (helgrindr), entwickelt hatte, kennt die spätere deutsche H.nauffassung nur in Spuren die Gewässer, die die H. von der übrigen Welt trennen. Häufiger findet sich der Glaube, daß die Seele nach dem Tode ein Wasser zu überschreiten habe, aber dies Wasser ist kein H.nwasser 221). Gern denkt man sich die H. als eine Festung und redet von dem H.ntor 225), seinen Riegeln oder Grinteln 22e). Der Gedanke an das H.ntor verband sich mit dem vom H.nschlund und erzeugte einmal das gro-

23O

teske Bild eines Rachens, an dem eine Tür angebracht ist 227). Gelegentlich ist von der eisernen Tür der H. die Rede 22a). Der Weg zur H. ergibt nur geringe Ausbeute. Er ist mit Totenschädeln gepflastert, die Priesterschädel sind mit einem schwarzen Käppchen bemalt, damit die Bauern auf ihrem Weg zur H. mit ihren genagelten Schuhen nicht so tiefe Löcher hineintreten (Schweiz) 22e). Im Volkslied reitet der Teufel ein in einen Rappen verzaubertes Goldschmiedstöchterlein in die H., erwähnt wird als Einzelheit nur die H.npforte 23°). Vereinzelt erscheint in der Schweiz eine sehr detaillierte Beschreibung des Jenseitsweges, die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts im Kanton Zürich noch lebendig war : Der Weg in den Himmel ist rauh und schmal und mit Dornen überwachsen. Nicht weit vom Himmelstor befindet sich ein schrecklich tiefer Abgrund, über denselben führt ein Steg, ganz besteckt mit scharfen und spitzigen Schermessern, unter welchem ein feuriger Drache mit aufgesperrtem Rachen liegt. Über diesen Steg muß die abgeschiedene Seele ihre Sündenbürde tragen, sie sei nun leicht oder schwer. Manche, die viel und schwer gesündigt haben, stürzen in den Abgrund und dem Drachen gerade in den Rachen hinein. Kommt aber die Seele hinüber, so begegnet ihr ein schwarzer Mann, der ihr auf allen Seiten den Weg versperrt und sie in große Angst und Not bringt. Zuletzt kommt ihr aber der Herrgott mit vielen Engeln zu Hilfe und führt sie in den Himmel ein 231 ). 2°») S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 26. s l °) EM. 3, 27. 2 U ) A m e r s b a c h Grimmelshausen 1, 17. 12 î 1 3 * ) ( P e t s c h ) Faust 29. ) E b d . 162 f. >") E b d . 35. ! 1 5 ) E b d . 36. M«) E b d . 37. 2 " ) K . S i m r o c k Dte deutschen Volksbücher 13 (Frankfurt a. M. 1867) 380—382. ί 1 β ) K . Simrock Das malerische und romantische Rheinland (Leipzig 1851) 329. »") R a n k e Sagen 61 f. ·») Schönwerth Oberpfalz 3, 26. 221 ) M o n e Schauspiele 1, 267; 2, 8. 10. ! 2 2 ) E b d . 2, 10. » ) K l a p p e r Erzählungen 369 f. 2 2 1 ) C a e s a r i u s v . H e i s t e r b a c h 147 f. s>s ) G r i m m Myth. 1, 261; 3, 239. 22 ·) E b d . ι , 201; 3, 82. « ' ) M o l s d o r f Führer (s. SM) B a r t s c h Anm. 188) 71. Mecklenburg t, 512. î M ) R o c h h o l z Kinderlied 352. " " ) E r k B ö h m e 1 , 6 5 1 ; vgl. 652, 32. "») Z f d M y t h . 4 (1856), 178; S e p p Sagen J4Í. Nr. 24.

231

Hölle

10. Die B e w o h n e r der Hölle. Die Schrecken der H. werden durch Peiniger gesteigert. Die älteste Form dieser Wesen, die noch nicht mit grausamer Freude die Verdammten quälen, sind Tiere, sie begegnen noch als Erscheinungsformen oder Namen des Teufels. Thietmar v. Merseburg nennt ihn lupus vorax, später erscheint er als H.nwolf 232 ). Häufiger als Hund: hellehunt, hellerüde, hellewelf233), als Vogel gern als Rabe : hellerabe, später auch als Geier, Kuckuck, Hahn. Sehr alt ist die Erscheinung des Teufels als Schlange, Wurm oder Drache: slange, hellewurm, helleiracke23*), endlich erscheint er auch als Fliege 2 3 5 ). Obgleich im einzelnen, vor allem in dem Teufel als Schlange, die christliche Tradition vorhandene einheimische Vorstellungen beeinflußt hat, gibt die Zusammenstellung dieser H.ntiere doch noch einen deutlichen Hinweis auf den letzten Ursprung dieser Unterweltswesen. Wolf, Hund, Rabe, Wurm, Drache und Fliege sind leichenverzehrende Tiere. Aus der Totenwelt, als deren natürliche Schrecknisse sie dem Überlebenden erscheinen mußten, sind sie in die christliche H. hinübergewandert236). Der erschreckendste und widerwärtigste Eindruck ist der der Schlangen und Würmer. Neben dem Feuer werden diese für die H. charakteristisch. Wie Schlangen in den Sagen und Märchen regelmäßig als die Schrecken schauriger Gefängnisse erwähnt werden, so in der H. Drachen und Würmer 237 ). Derartige Leichendämonen finden sich auch in den Jenseitsmythen fernerer Völker, sie liegen der Phantasie nahe, die sich an der verwesenden Leiche und am Grab orientiert. Anderer Herkunft sind die Teufel. Wohl sind sie erst mit dem Christentum nach Deutschland gekommen, und erst durch die Arbeit der Geistlichen sind sie Gemeingut des Volksglaubens geworden, aber sie müssen in der Psyche der Christen einen besonderen Anhaltspunkt besitzen, sonst hätten sie sich nicht in dieser Weise einbürgern können. Da alle Religionen, die ein offenbartes ethisches Prinzip zur Grundlage haben, H.nund Teufelsvorstellungen nach Art der

232

christlichen gezeitigt haben, wird anzunehmen sein, daß gerade die Depression infolge von Verfehlungen gegen die ethischen Vorschriften den Nährboden bildet, in dem die Vorstellungen von diesen Sünden strafenden, Martern ersinnenden Teufeln aufwachsen konnten. Die Teufel leiden keine Qual, die Qual der Verdammten ist ihre Freude: während die Seelen gesotten werden, trinken sie Wein und unterhalten sich mit Karten- und Kegelspiel (Oberpfalz) 238 ). Nach Oberpfälzer Glauben rekrutieren sich die Teufel aus den Verdammten, einer von diesen wird H.nbube und hat als solcher die H. zu heizen, nach dreijährigem Dienst wird er in die Gemeinschaft der Teufel aufgenommen 2 3 9 ). Die Teufel sind hierarchisch geordnet. Der oberste der Teufel, der Alte oder der Meister, sitzt auf einem Thron 240 ). Feste Vorstellungen gibt es hierüber nicht. In der Regel gilt Lucifer als der Höchste, daneben ist aber auch schlechthin von den principes tenebrarum die Rede 241 ). Im Faust buch erscheinen sieben Großfürsten derH. 2 4 2 ). H.ngeister wird dann allgemein ein Ausdruck für böse Geister, ohne daß dabei noch an die H. gedacht wäre (s. Teufel). Zwischen den Teufeln und den Verdammten erscheint gelegentlich noch eine Klasse der gebannten Geister. Diese hausten früher auf der Erde, wurden aber in die H. gebannt, als sie es zu arg machten. Vor dem Ende der Welt kommen sie auf die Erde zurück und können erlöst werden 243 ). Es sind diese Wesen diejenigen, die sonst auch als an einsame Orte gebannt erscheinen. Die Bevölkerung der H. ist zahlreicher als die des Himmels 244 ). Ein Geistlicher beschwor einmal einen Verdammten, plötzlich steht der Abgeschiedene in H.nflammen vor ihm 2 4 5 ). Indessen drangen auch freundlichere Auffassungen gelegentlich durch, so ist mehrfach von einem Tanz in der H. die Rede, z. B. in einem mittelalterlichen Schauspiel: der helle reyenui). Nach Analogie der in ihrer H. kartenspielenden Herren wird gelegentlich von einem Ort in der H. gesprochen, wo die hinkommen, die ihr Lebtag in Trunk und Spiel hingebracht

233

Hölle

haben. Sie sitzen in einer pechschwarzen, von Spanlichtern erleuchteten Kammer, trinken, schnupfen, rauchen, spielen, raufen und singen. Gelegentlich werden sie von Teufeln mit glühenden Zangen gezwickt 217 ). In den Jenseitsvorstellungen der Naturvölker spielen nicht selten bestimmte Tatauierungen und sonstige Zeichen, die der Abgeschiedene haben muß, eine Rolle. Aus apokalyptischen Quellen findet sich vereinzelt eine ähnliche Vorstellung über die endgültigen Bewohner der H. Berthold v. Regensburg sagt, daß die Sünder beim Jüngsten Gericht „ein helleceichen, ein diepceichen" bekommen werden 248). 232 )

G r i m m Myth. 2, 832. 233) Ebd. 2, 832 f. Ebd. 2, 833 f. 23s) Ebd. 2, 834. 23e ) Vgl. N e c k e l Walhall 42, 43. 237 ) ζ. B. ( P e t s c h ) Faust 37. Im Caedmon: G r i m m Myth. 1, 673. 238 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 27. 239) Ebd. 3, 26. 21 °) Ebd. 3, 27. 241 ) K l a p p e r Erzählungen 313. M 2 ) ( P e t s c h ) Faust 48 f. M3 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 28. 2 M ) Ebd. 3, 27. 215 ) K ü h n a u Sagen 3, 192. i u ) M o n e Schauspiele 2, 102; vgl. 2, 81; vgl. oben bei Anm. 132. P a n z e r Beitrag 1, 97. 248) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 117. 13i)

Ii. H.nfahrten. Als Zauberkunst. — Dienst in der H. — Vertrag mit dem Teufel — Quittung — aus der H. geholt. — H.nfahrt Fausts. — H.nfahrten in der Visionsliteratur.

In drei Kategorien erscheinen H.nfahrten. Einmal als Märchen von Menschen, die leiblich in der H. gewesen sind, dann als von Profanen gehandhabte literarische Fiktion, endlich als Visionen, die der entrückten Seele die H. zeigen. Gelegentlich erscheint es als besondere Zauberkunst, in die H. und zurück zu gelangen. Eine Schweizer Hexe konnte neben anderen Künsten einen Blick in die H. tun 24e). In den Chansons de geste wird ein heidnischer Magier gerühmt, die H. besucht zu haben und wieder zur Erde zurückgekehrt zu sein 250). Nach böhmischem Aberglauben findet derjenige, der auf einer Totenbahre, auf welcher lauter ehrbare Jungfrauen zu Grabe getragen worden sind, sechsmal nacheinander ausschlafen kann, auf dem Kirchhofe einen goldenen Schlüssel zur H., wo ihm niemand etwas zuleide tun kann, dort kann er sich so viele Schätze holen, als er will; auf dem Rückwege aber muß

234

er den Schlüssel fortwerfen, sonst zerreißen ihn die Teufel 2 5 1 ). Eine ganze Reihe von Sagen zeigen, daß der Gedanke keinerlei Schwierigkeiten machte, daß ein Mensch die H. besuchen könne. In diesen Fällen dachte man sie sich irgendwo, ohne durch eine bestimmte geographische Einsicht gestört zu werden. In Tirol lebte ein Bauernweib, das vom Satan das Privilegium hatte, die H. zu besuchen. Als Führer war ihr ein Geist beigegeben in Gestalt eines Männleins, und während sie hinabfuhr, hörtesie allerlei Geisterstimmen. Drunten verrichtete sie Dienste. Wieder auf die Oberwelt zurückgekehrt, wurde sie von den Leuten nach Freunden und Verwandten gefragt 252). Wie handfest der Glaube an solche H.nfahrten war, zeigt Berthold v. Regensburg, der sich in seinen Predigten gegen die Gauner wendet, die den Hinterbliebenen vorspiegeln, sie seien in der H. gewesen und könnten den Abgeschiedenen mit Geld und Kleidung aus der H. helfen a53). Eine Reihe von Varianten berichten von der H.nfahrt eines Knaben (seltener eines Mädchens), der vom Teufel in Dienst genommen wird. Ein Knabe begegnet einem grauen Männchen mit steifer Perücke, der führt ihn in eine tiefe Höhle, hier muß der Junge unter großen schwarzen Töpfen das Feuer unterhalten, in einem sitzt sein früherer Herr. Nach sieben Jahren wird er ausgelohnt und entlassen 254). Ein elternloses Mädchen trifft im Walde einen grünen Jäger, mit ihm geht sie in die H., in den Töpfen sitzen ihre Eltern. Nach sieben Jahren kehrt sie auf die Oberwelt zurück, bleibt aber von schwarzer Hautfarbe 256). Ein Waisenknabe trifft bei der Feldarbeit ein Erdmännchen, das ihn verpflichtete und mit ihm durch die Luft in die H. flog. Er muß unter den Töpfen das Feuer schüren. Nach seiner Rückkehr auf die Erde stirbt er 254 ). Ein verirrter Zigeunerjunge wird ebenfalls durch die Luft vom Teufel zur H. entführt, er muß eine Zeit Tornarti sein (Tirol) 257). Ein anderer, der als Knabe sieben Jahre in der H. Torwartler sein mußte, wurde Priester und predigte, daß die ganze H. mit Geistlichen gewölmt

235

Hölle

sei und noch mit solchen gepflastert werden würde (Tirol) 258). Im Salzburgischen mußte ein Fleischknecht zwei Jahre vor demH.ntore Wache halten. Wie auch der Oberpfälzer H.nbube bekam er das Brot zu essen, über das kein Kreuz gemacht worden war. Er sah fast lauter Herren zur H. wandern, nur wenig Bauern 259). Ein Schmied verpflichtet sich zu sechs Jahren Dienst dem Teufel, der ihm dafür aus seinen Schulden hilft. In der rauchigen, stinkenden H. muß er die Kessel heizen. Der Schmied prellt den Teufel um die Dienstzeit 2eo ). Eine andere Sage erzählt von einem Mann, der dem Teufel seinen neugeborenen Sohn verschreibt, dieser wird geistlich und geht mit Weihwasser, geweihter Glocke, Kreuz oder Degen zur H. und holt die Urkunde zurück 261 ). In einer (der Posener) Variante geht der Geistliche zur H. „in einen Wald". Die Oberpfälzer und Lausitzer Variante beschreibt ein glühendes Bett, das er in der H. sieht, es ist für einen Räuber bestimmt. Oder einer holt eine Quittung oder ein Pfand aus der Η. 2 6 2 ). Der starke Hans wird von seinem Herrn in die H. geschickt, wo er Geld holt, dabei muß er lauter als ein Teufel ins Höllhorn blasen, sonst bekommt er das Geld nicht 263). Oder ein Reicher will lieber dem Teufel als seinem armen Bruder ein Stück Schinken abgeben. Der Arme geht darauf ein und bringt das Schinkenstück in die H. 2M ). Nach einer Thüringer Sage traf ein Vogelsteller im Bausenberg über Coburg, wo der Teufel seine Kanzel und die Hexen einen Tanzplatz hatten, einen „Pöpelsträger", der einen Geist dorthin vertrug. Nachdem er wie dieser seinen linken Schuh mit roten Kreuzen bezeichnet hatte, sprang er mit ihm in den Entensee. Da geschah ein Donnerschlag, es war Nacht um sie, und sie fanden sich in einer Höhle wieder, in der eine Lohe flammte. In dieses Feuer hineinblickend seih der Vogelsteller die Glutwellen der H. voll Teufel und gepeinigter Seelen. Darin erblickt er seinen Sohn. Obwohl er vor dem H.nbesuch hatte Stillschweigen ver-

236

sprechen müssen, bricht er es bei diesem Anblick. Da begann das Feuermeer mit Zischen und Donnern emporzuwallen. Beide flohen und sprangen in ein Wasser. Endlich fand er sich in der Nähe des Entensees am ganzen Körper, außer dem linken Fuße, verbrannt wieder und starb bald 2β5). Als literarische Fiktion ist Fausts H.nfahrt im Faustbuch von 1587 zu bezeichnen: Als nun in der Nacht, vnd stick Finster war, erschiene jm Beelzebub, hatt auff seinem Rücken einen Beinen Sessel, vnnd rings herumb gantz zugeschlossen, darauff saß D. Faustus vnd fuhr also davon. Nu höret, wie jn der Teuffei verblendet, vnnd ein Affenspiel macht, daß er nit anders gemeinet, denn er seye in der Helle gewest. Er führet jhn in die Lufft, darob D. Faustus entschlieff, als wann er in einem warmen Wasser oder Bad sesse. Bald darnach kompt er auff einen hohen Berg, einer großen Insel hoch, darauß Schwebel, Pech vnd Fewrstralen schlugen, vnnd mit solcher Vngestûmb vnd Prasseln, daß D. Faustus darob erwachte. Der Teuffelische Wurmb schwang in solche Klufft hineyn mit D. Fausto. Faustus aber, wie hefftig es brannte, so empfunde er kein Hitze noch Brunst, sondern nur ein Lufftlin, wie im Meyen oder Frühling, er hörte auch darauff allerley Instrumenta, deren Klang gantz lieblich war, vnd konnte doch, so hell das Fewer war, kein Instrument sehen, oder wie es geschaffen . . . In dem schwungen sich zu diesem Teuffelischen Wurmb vnd Beelzebub noch andere drey, auch solcher gestalt. Als D. Faustus noch besser in die Klufft hinab käme, vnd die drey benannte dem Beelzebub vorflogen, begegenete D. Fausto in dem ein großer fliegender Hirsch, mit großen Hörnern vnd Zincken, der wollte Doct. Faustum in die Klufft hinab stûrtzen, darob er sehr erschracke. Aber die drey vorfliegende Wurme vertrieben den Hirsch. Als nun D. Faustus besser in die Spelunck hinab kam, da sähe er vmb sich herumb seyn nichts, dann lauter Vnzieffer vnd Schlangen schweben. Die Schlangen aber waren

23 7

Hölle

vnsâglich groß. Ihm kamen darauff fliegende Baren zu hûlff, die rangen vnd kâmpfften mit den Schlangen, vnd siegten ob, also daß er sicher vnd besser hindurch käme, vnd wie er nu weiter hinab kompt, sähe er ein großen geflügelten Stier aus einem alten Thor oder Loch herauß gehen, vnd lieff also gantz zornig vnd brüllend auff D. Faustum zu, vnd stieß so starck an seinen Stuel, daß sich der Stuel zugleich mit dem Wurm vnnd Fausto vmbgewendet. D. Faust fiel vom Stuel in die Klufft jmmer je tieffer hinunter, mit grossem Zetter vnd Wehgeschrey, dann er gedachte, nun ist es mit mir auß, weil er auch seinen Geist nicht mehr sehen konnte. Doch erwuscht jn letzlich widerumb im hinunter fallen ein alter runtzlechter Affe, der erhielt vnd errettet jn. In dem vberzoge die Hellen ein dicker finster Nebel, daß er ein weil gar nichts sehen kondte, auff das thâte sich eine Wolcken auff, darauß zween großer Drachen stiegen, vnd zogen einen Wagen nach jhnen, darauff· der alte Afí D. Faustum setzte. Da folget etwan ein viertel Stundt lang ein dicke Finsternuß, also daß D. Faustus weder den Wagen, noch die Drachen sehen oder begreifien kondte, vnd fuhr doch jmmer fort hinunter. Aber so bald solcher dicker, stinckender vnd finsterer Nebel verschwandt, sähe er sein Rossz vnd Wagen widerumb. Aber in der Lufft herab schössen auff D. Faustum so viel Straal vnd Blitzen, daß der Keckest, wil geschweigen D. Faustus, erschrecken vnd zittern müssen. In dem kompt D. Faustus auff ein groß vnd vngestümb Wasser, mit dem sencken sich die Drachen hinvnter, Er empfand aber kein Wasser, sondern große Hitz vnnd Wärme, Vnd schlugen also die Strömen vnnd Wällen auff Doct. Faustum zu, daß er Rossz vnd Wagen verlohr, vnd fiel jmmer tieffer vnd tieffer in die Grauwsamkeit deß Wassers hinein, biß er endlich im fallen ein Klufft, die hoch vnd spitzig war, erlangte. Darauff saß er, als wann er halb todt were, sähe vmb sich, kundte aber niemand sehen noch hören. Er sähe jmmer in die Klufft hinein, darob ein

238

Lufftlin sich erzeigte, vmb jn sähe er Wasser. D. Faustus gedacht, nu wie mustu jm thun, dieweil du von den Hellischen geistern verlassen bist, entweder du must dich in die Klufft oder in das Wasser stürtzen, oder hieoben verderben. In dem erzürnet er sich darob, vnnd sprang also in einer rasenden vnsinnigen Forcht in das fewrige Loch hineyn, vnd sprach: Nun jhr Geister, so nemmet mein wolverdientes Opffer an, so meine Seel verursachet hat. In dem er sich also vberzwergs hinein gestürtzet hat, wirt so ein erschrecklich Klopften vnd Getûmmel gehört, davon sich der Berg vnd Felsen erschüttet, vnnd so sehr, dass er vermeynt, es seyen lauter große Geschütz abgangen. Als er nun auff den Grund kam, sähe er im Fewr viel stattlicher Leut, Keyser, Könige, Fürsten vnnd Herrn. Item, viel tausent geharnischte Kriegssleut, Am Fewer flösse ein kules Wasser, darvon etliche trancken, vnd sich erlabeten vnd Badeten, etliche lieffen vor Kuhle in das Feuwer, sich zu wärmen. D. Faustus trat in das Feuwer, vnd wolte ein Seel der Verdampfen ergreiffen, vnd als er vermeynte er hett sie in der Hand, verschwände sie jm widerumb. Er kondte aber vor Hitze nicht länger bleiben, vnd als er sich vmbsahe, sihe so kompt sein Drach oder Beelzebub mit seinem Sessel wider, vnd sass er drauff, fuhr also wider in die Höhe. Dann Doct. Faustus kondte vor dem Donner, Vngestümb, Nebel, Schwefel, Rauch, Fewer, Frost vnd Hitz in die länge nicht verharren, sonderlich da er gesehen hatt das Zettergeschrey, Wehe, Grissgrammen, Jammer vnd Pein. etc. 2M ). Später beschreibt in der „Verkehrten Welt" Grimmelshausen eine H.nfahrt. Er erzählt, wie er im Gebirge vor einem Platzregen in einem hohlen Baum Zuflucht gefunden habe, plötzlich sei der Boden unter ihm gewichen, so daß er bis in die H. hinabfiel 2 "). Wichtiger als die volkstümlichen märchenartigen H.nfahrten und die literarischen der Profanen sind die visionären der Kleriker. Mag auch immer wieder von Ekstatikern die Entrückung in die

239

Hölle

die Phantasie beschäftigenden Orte der Seligkeit und der Strafe erlebt worden sein, so liegen doch den meisten der Visionen das Lehrhafte und das Erbauliche, häufig auch politische Tendenzen in solchem Maße, daß die literarische Arbeit unverkennbar ist. Sie sind für die Entwicklung der seit dem 13. Jhdt. Volksgut gewordenen H.nvorstellungen von größter Bedeutung 268). Gregor v. Tours erzählt eine Vision des Merowingers Guntram von Burgund, in ihr sieht dieser, wie sein Bruder von drei Bischöfen mit Ketten gefesselt zu ihm gebracht, zerstückelt und in einen Kessel voll siedenden Wassers geworfen wird 2 6 '). Gregor der Große berichtet von einem Mönch, der stirbt, die H.nqualen sieht, dann aber kehrt das Leben noch einmal in seinen Körper zurück: inferni se supplicia atque innumera loca flammarum vidisse testabatur. Qui etiam quosdam huius seculi potentes in eisdem flammis suspensos se vidisse narrabat 270). Hier die Spitze gegen die Großen der Welt, wie schon im Evangelium. In einer anderen ebendort berichteten Vision sieht ein Soldat „qui eductus ex corpore exanimis iacuit, sed citius rediit" eine Brücke, welche über einen schwarzen, stinkende Nebel ausströmenden Fluß führt, jenseits der Brücke sind paradiesische Auen. Der Ungerechte kann die Brücke nicht überschreiten und stürzt in den Fluß 271 ). In der vor 630 zu datierenden Vision des Iren Furseus sieht derselbe unter sich ein dunkles Tal und vier Feuer. Das eine ist das Feuer der Lüge, welches diejenigen verdirbt, die ihr bei der Taufe gegebenes Versprechen, die Sünde zu meiden, nicht gehalten haben. Das zweite ist für diejenigen bestimmt, die die Freuden der Welt höher achteten, als die des Himmels. Das dritte verzehrt die Streitsüchtigen, das vierte die Räuber und Betrüger 272). Etwa gleichzeitig ist eine Vision in den Gesta Dagoberti. Ein Einsiedler auf einer Insel bei Sizilien sieht, wie schreckliche Dämonen den König Dagobert gefesselt in einen Kahn legen, ihn mit Peitschenhieben mißhandeln und so durch das weite Meer nach vulkanischen Gegenden

24O

fahren. Seine Heiligen erretten ihn dann 273). Die erste ausführliche mittelalterliche Jenseitswanderung gibt in der Form einer Vision Beda. Auch hier stirbt ein Mensch, erwacht wieder und erzählt, was er im Jenseits gesehen hat. Von einer Lichtgestalt begleitet sieht er folgendermaßen die H.: Incedebamus autem tacentes, ut uidebatur mihi, contra ortum solis solstitialem ; cumque ambularemus, deuenimus ad uallem multae latitudinis ac profunditatis, infinitae autem longitudinis ; quae ad laeuam nobis sita, unum latus flammis feruentibus nimium terribile, alterum, furenti grandine ac frigore niuium omnia perfilante atque uerrente non minus intolerabile praeferebat. Vtrumque autem erat animabus hominum plenum, quae uicissim hinc inde uidebantur quasi tempestatis ímpetu iactari 274). Cum enim uim feruoris inmensi tolerare non possent, prosiliebant miserae in medium frigoris infesti : et cum neque ibi quippiam requiei inuenire ualerent, resiliebant rursus urendae in medium flammarum inextinguibilium. Cumque hac infelici uicissitudine longe lateque, prout aspicere poteram, sine ulla quietis intercapedine innumerabilis spirituum deformium multitudo torqueretur, cogitare coepi, quod hic fortasse esset infernus, de cuius tormentis intolerabilibus narrare saepius audiui. Respondit cogitation! meae ductor, qui me praecedebat: „Non hoc" inquiens „suspiceris; non enim hic infernus est ille, quem putas." At cum me hoc spectaculo tarn horrendo perterritum paulatim in ulteriora produceret, uidi subito ante nos obscurari incipere loca et tenebris omnia repleri. Quas cum intraremus, in tantum paulisper condensatae sunt, ut nihil praeter ipsas aspicerem, excepta dumtaxat specie et ueste eius, qui me ducebat. E t cum progrederemur 'sola sub nocte per umbras' (Verg. Aen. VI 268), ecce subito apparent ante nos crebri flammarum tetrarum globi, ascendentes quasi de puteo magno, rursumque decidentes in eundem. Quo cum perductus essem, repente ductor meus disparuit ac me solum in medio tenebrarum et horridae

241

Hölle

uisionis reliquit. At cum idem globi ignium sine intermissione modo alta peterent, modo ima baratri repeterent, cerno omnia, quae ascendebant, fastigia flammarum piena esse spiritibus hominum, qui instar fauillarum cum fumo ascendentium nunc ad sublimiora proicerentur, nunc retractis ignium uaporibus relaberentur in profunda. Sed et foetor incomparabilis cum eisdem uaporibus ebulliens omnia illa tenebrarum loca repleb a t . . . audio subitum post terga sonitum inmanissimi fletus ac miserrimi, simul et cachinnum crepitantem quasi uulgi indocti captis hostibus insultantis. Vt autem sonitus idem clarior redditus ad me usque peruenit, considero turbam malignorum spirituum, quae quinqué animas hominum maerentes eiulantesque, ipsa multum exultans et cachinnans medias illas trahebat in tenebrasi e quibus uidelicet hominibus... quidam erat adtonsus ut clericus, quidam laicus, quaedam femina. Trahentes autem eos maligni spiritus descenderunt in medium baratri illius ardentis . . . Interea ascenderunt quidam spirituum obscurorum de abysso illa flammiuoma, et adcurrentes circumdederunt me, atque oculis flammantibus et de ore ac naribus ignem putidum efflantes angebant; forcipibus quoque igneis .. . minitabantur me comprehendere 275 ). In einer anderen Vision läßt Beda einen unfrommen Mönch die H. sehen: coepit narrare, quia uideret inferos apertos et sathanan dimersum in profundis tartari, Caiphanque cum ceteris, qui occiderunt dominum, iuxta eum flammis ultricibus contraditum: 'in quorum uicinia' inquit 'heu misero mihi locum despicio aeternae perditionis esse praeparatum' 276). Trotz des Zuspruchs der Brüder läßt er sich nicht trösten, sondern stirbt verzweifelt und verstockt277). In die gleiche Zeit führt die Visio Baronti (gest. um 700). Von der H. berichtet er wenig, weil er sie vor Qualm und Dunst nicht genau erkennen konnte. Er sieht nur eine unzählige Menge Menschen gebunden und von bösen Geistern zu Foltern geschleppt. Sie müssen sich alle in einen Kreis auf bleierne Sessel setzen. Die

242

Geizigen sitzen bei den Geizigen, die Räuber bei den Räubern usw. 278). In den Briefen des Bonifatius erscheint in einer Vision die H. als tiefe Brunnen (putei), welche Flammen ausspeien 279). In der Visio Rotchari (kurz nach dem Tode Karls des Großen) erscheint die H. als ein häßliches Haus, dort sitzen eine Menge Kleriker und Laien, denen ein schrecklicher Dämon Feuer unter die Fußsohlen legt, welches bis zur Brust emporflackert. Über ihre Häupter gießt er heißes Wasser 280). In der Vision eines armen Weibes (um 819) erscheint als H.nstrafe, daß zwei Dämonen einem auf dem Rücken liegenden Goldgierigen flüssiges Gold in den Mund gießen. Eine Königin erscheint auf Kopf, Brust und Rücken mit drei Felsstücken belastet 281 ). Man beginnt individuelle Martern auszumalen. In der Visio Wettini (824) ist die H. ein maximus fluvius igneus, in quo innummerabilis multitudo damnatorum poenaliter inclusa tenebatur... Et in ceteris locis innumeris tormentis diversi generis cruciatos aspexerät : in quibus plurimos tarn minoris quam maioris ordinis sacerdotes stantes, dorso stipitibus inhaerentes in igne stricte loris ligatos viderat: ipsasque feminas ab eis stupratas simili modo constrictas ante eos, in eodem igne usque ad loca genitalium dimersas. Dictumque est ei ab angelo quod sine intermissione, uno die tantum intermisso, die tertia semper in locis genitalibus virgis caederentur 282). Die Visio Eucherii ist merkwürdig, weil Eucherius während des Gebetes ins Jenseits entrückt wird. Er sieht in der H. Karl Martell. Merkwürdig ist auch die Körperlichkeit des Verdammten, denn als man Karls Grab nach dieser Vision öffnete, flog ein Drache heraus und der Sarg war innen verkohlt *8*). Die Visionen der Karolingerzeit sind politische Machwerke. Typisch ist die Vision Karls des Dicken. Das Jenseits ist im wesentlichen mit den Farben Bedas gemalt. Unter Führung eines Engels kommt er zunächst in feurige Täler, welche voll glühender Brunnen sind. Darin findet er Bischöfe seines Vaters und seiner Onkel. Dann besteigen beide

243

Hölle

hohe feurige Berge, auf denen Sümpfe und Flüsse von glühendem Metall entspringen. In den Flüssen stehen die Vasallen und Fürsten seines Vaters, die einen bis an die Haare, die anderen bis ans Kinn, wieder andere bis an den Nabel. Sie rufen ihm zu: die Strafen der Mächtigen werden groß sein. Am Ufer der Flüsse stehen Öfen mit Schlangen (!) angefüllt, darinnen die schlechten Ratgeber Karls 284). Im 1 1 . Jhdt. erscheint in den Visionen des Otloh v. St. Emmeram als visio sexta ein noch in den in neuerer Zeit aufgezeichneten Sagen lebendiges Motiv. Eine Magd stirbt, erwacht wieder und erzählt, sie habe in der H. den Vater eines bestimmten Beamten gesehen, der seinen Sohn bitte, durch Rückgabe eines zu Unrecht erworbenen Ackers ihn zu erlösen285). In einer anderen Vision derselben Sammlung wird ein glühendes metallenes Haus ohne Fenster erwähnt, in dem diejenigen eingeschlossen sind, die das Friedenswerk Heinrichs III. störten 286). Einen Höhepunkt in der Gestaltung von Jenseitsvisionen bringt das 12. Jhdt., der nur durch Dante überschritten worden ist. Um 1129 entstand in Itcdien die Vision des Alberich. Als zehnjähriger Knabe sieht Alberich während einer neuntägigen Bewußtlosigkeit zunächst den Strafort der erst ein Jahr alten Kinder: sie werden sieben Tage auf glühenden Kohlen gequält. Der zweite Strafort ist ein Tal, in welchem sich ein großer Berg von Eisschollen erhebt, Ehebrecher und Hurer sind hier eingegraben. In einem anderen Tal hängen Weiber an spitzen Bäumen, an ihren zerschlitzten Brüsten saugen Schlangen. Sie hatten verwaiste Kinder nicht nähren wollen. Ehebrecherinnen hängen an den Haaren über einem Feuer. Fastenbrecher steigen auf einer glühenden Leiter über einem mit siedendem Pech und ö l gefüllten Fasse in die Höhe. In schwefligem Feuer werden Tyrannen gequält. Mörder tragen drei Jahre lang einen Dämon in Gestalt des Gemordeten an der Kehle. Dann werden sie in einen blutigen Feuersee getaucht. Nach anderen Schrecknissen wird der Visionär an den H.nschlund (puteus) geführt. Daneben

244

liegt der H.nwurm, der die Seelen der Sünder wie Fliegen verschlingt und wieder aushaucht. Verleumder werden in einem, mit Schlangen und Skorpionen angefüllten See gemartert. Diebe sind mit Ketten gefesselt und mit schweren Eisenmassen behängt. Über einen Fluß führt eine Brücke, die dem Ungerechten in der Mitte so schmal wie ein Faden wird. Die Seelen sind aus diesen Qualen zu erlösen. Die ganze H.nszenerie ist also eher als Fegefeuer zu bezeichnen, nur die im H.nschlund eingeschlossenen Judas, Hannas, Kaiphas und Herodes sind ewig verdammt 287 ). In der etwas späteren Vision des Oenus wird Oenus von Dämonen durch vier Straforte geschleppt, die an Furchtbarkeit immer zunehmen. In den ersten sind die Menschen an Händen und Füßen auf den Boden genagelt, sie haben den Bauch der Erde zugekehrt und werden von Dämonen gegeißelt. In dem zweiten liegen sie auf dem Rücken, Schlangen zerfleischen und Dämonen peitschen sie. In dem dritten liegen die Verdammten am ganzen Körper durchnagelt nackt am Boden, glühend heiße und eiskalte Winde umwehen sie. In einem vierten Felde sind die einen an Händen und Füßen mit glühenden Ketten gefesselt und hängen über einem schwefligen Feuer. Anderen sind die Augen ausgestochen oder die Ohren und andere Gliedmaßen abgeschnitten. Andere werden in Pfannen geröstet, an Spießen gebraten, oder es wird ihnen glühendes Metall in den Mund gegossen. An einem Rade, dessen Speichen mit eisernen Nägeln besetzt sind, hängenunzählige Seelen. Die Hälfte des Rades ist in ein Feuermeer getaucht, das Rad wird von Dämonen beständig herumgewirbelt. In Gräben voll flüssigen Metalls stehen andere Seelen. Von einem· hohen Berge werden Nackte in einen eiskalten Fluß geweht. Aus einem großen Brunnen (puteus) lodert eine Flamme, Seelen steigen wie Funken auf und nieder. Eine schmale schlüpfrige Brücke führt über einen breiten feurigen und stinkenden Strom an die Mauer des Paradieses288). Die verbreitetste (lat., deutsche, niederländ., engl., schwed., isländ., span., pro-

245

Hölle

venzal., franz. und ital. Bearbeitungen) und vollendetste ist die Visio Tundali. Die lateinische — älteste — Bearbeitung wurde von einem Mönche irischer Herkunft in Regensburg angefertigt. Tundalus sieht während einer dreitägigen Bewußtlosigkeit das Jenseits. Er sieht den Strafort der Mörder : ein tiefes mit glühenden Kohlen angefülltes Tal. Dies ist mit einem Deckel bedeckt, auf dem die Seelen geröstet werden, bis sie zerschmelzen und in die glühenden Kohlen fallen. Hinterlistige werden an einem Berge gepeinigt, an dessen einer Seite ein schwefliger stinkender Feuerschlund sich öffnet, auf der anderen braust ein Sturm mit Hagel und Schnee. Dämonen befördern die Seelen von dem glühenden Abgrund in die Kälte. In einem stinkenden Tale werden die Hochmütigen gequält. Ein schwefliger Fluß fließt darin. Über dem Tal ist eine lange schmale Brücke, die kein Ungerechter passieren kann. Ein ungeheurer Tierrachen verschlingt die Habsüchtigen. Der Strafort der Diebe und Räuber ist ein Sumpf voll von turmgroßen Tieren, aus deren Rachen Feuer hervorgeht. Über diesen Sumpf führt eine lange, sehr schmale, mit Nägeln gespickte Brücke. Die Diebe müssen mit ihrem Diebesgut hinüber und stürzen ab. In dem Haus, in dem Schlemmer und Hurer gemartert werden, häuten, verstümmeln und köpfen mitten im Feuer dämonische Henkersknechte die Seelen. Geistliche, die sich der Unzucht ergeben haben, werden von einem Tiere mit Flügeln, eisernem Schnabel und Klauen gefressen und in einem Sumpfe wiedergeboren. Im Sumpfe steckend werden sie von Schlangenbissen in den Eingeweiden gequält. Aus allen Gliedern wachsen Schlangen mit glühenden Köpfen und scharfen Schnäbeln, sie wenden sich im Fleische steckend gegen das Fleisch und fressen es bis auf die Sehnen und Knochen. Andere werden auf einem Amboß mit anderen Seelen zusammengeschmiedet, dann zu Asche verbrannt. Alle diese Strafen sind die derjenigen, die noch am Jüngsten Gericht das endgültige Urteil erwarten. Die schon Gerichteten sind in der tiefsten H. in einem

246

viereckigen Brunnen, aus demselben lodert eine Feuersäule bis zum Himmel. Darin steigen und sinken schreckliche Dämonen und Seelen auf und nieder. Der Fürst der Finsternis, ein menschengestaltiges schwarzes Ungetüm, liegt hier auf einem Roste gefesselt, unter welchem das Feuer von Dämonen beständig angefacht wird. Er fängt mit seinen tausend Händen die umherschwärmenden Seelen, zerdrückt sie und schleudert sie in die Ecken, dann atmet er sie wieder ein und verschlingt sie 289 ). Gegen Ende des 12. Jhdts. entstand in Deutschland eine in der Folgezeit weit verbreitete Vision, die das Schicksal eines Erzbischofs Udo in der H. beschreibt 290). Zwei wenig ältere H.nfahrtsgeschichten, die des Erzbischofs Adalbert von Mainz und Hartwigs von Magdeburg, sind in sie verarbeitet 291 ). Der Überblick über die Visionsliteratur zeigt, wie die H. nstrafen immer persönlicher und sinnlicher werden. Die Visionen waren sehr verbreitet, sie haben die volkstümliche H.nvorstellung nachhaltig beeinflußt, in dem im 13. Jhdt. einsetzenden Angriff der Mönche waren sie eine Hauptwaffe. M ») R o c h h o l z Sagen 2, 54. 2S°) H a l l a u e r Chansons de geste 36. 251 ) G r o h m a n n 199; W u t t k e 411 § 639. M2 ) H e y l Tirol 35 Nr. 40. 2 ") S c h ö n b a c h Berthold v. R. 53. S H ) M ü l l e n î65 h o f f Sagen 577 Nr. 592. ) Birlinger Volhsth. ι, 269 f. 2M ) S t r a c k e r j a n 1, 500. 2 ") ZfVk.9 (1899), 371 ; Reise in die Hölle durch die Luft auch K l a p p e r Erzählungen 356. 258 ) ZfVk. 9 (1899), 370 f.; vgl. ebd. 8 (1898), M 328 f. ·) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 16. 2«°) R o c h h o l z Sagen 2, 224 ff. Nr. 436. Weitere Materialien K ö h l e r Kl. Sehr. 1, 320 i. 2el ) K n o o p Posener Märchen 3; H a u p t Lausitz 2, 217 s . ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 26. Μ ') s. o. bei Anm. 39—43. MS ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 274. 2M ) K i i h n a u Sagen 2, 737; vgl. K ö h l e r Kl. Sehr. 1, 67. "») B e c h s t e i n Thüringen i, 1 7 t 2 , 6 ) ( P e t s c h ) Faust 51—53. 2 7 · ) A m e r s b a c h Grimmelshausen 1, 15. , M ) Die folgenden Daten nach C. F r i t z s c h e Die lateinischen Visionen des Mittelalters bis zur Mitte des 12. Jhdts. Romanische Forschungen 2 (1886), 2 4 7 - 2 7 9 ; 3 (1887), 3 3 7 - 3 6 9 · Vgl. auch M. L a n d a u Hölle und Fegfeuer in Volksglaube, Dichtung und Kirchenlehre (Heidelberg 1909) 4—17; H. G ü n t e r Legenden-Studien (Köln 1906) 148—155; Th. W r i g h t St. Patrick's Purgatory. An Essay on the Legends of

Hölle

247 Purgatory,

Hell

and

Paradise

current

during

the Middle Ages (London 1844) passim. 299 ) 2 F r i t z s c h e 2, 264 f. ">) Dialog. IV, 36. 2J1 2 2 ) F r i t z s c h e 2, 266. ' ) Ebd. 2, 268 f. 2 3 274 ' ) Ebd. 2, 269 ί. ) Dasselbe Bild in der Visio Bernoldi des Hincmar v. Reims, F r i t z s c h e 3, 341. Vgl. die ähnliche Vorstellung bei C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h oben bei Anm. 172. 275

) Baedae

Historia

ecclesiastica

gentis

Anglo-

rum V, 12. hsg. ν . Α. H o l d e r (Freiburg i. B. und Tübingen 1882} 246 i. 27«) Ebd. V, 14 ( H o l d e r 2 5 3 ) · 2 " ) Dieser Zug später öfters vgl. C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h Dialogus 1, 72. 2 ' 8 ) F r i t z s c h e 2 2, 274. " ) Ebd. 2, 275. 29 °) Ebd. 2, 277. 2el

) E b d . 2, 278.

282

) H e i t o n i s Visio

Wettini

VI.

Poetae Latini Aevi Carolini ree. E. D u e m m l e r (MG. Poetarum Latinorum Medii Aevi tom. II) 269 f. 283 ) F r i t z s c h e 3, 339. 281 ) Ebd. 3, 344 f. s85 ) Ebd. 3, 349. 28β ) Ebd. 3, 350. 2β7 ) Ebd. 3, 355 f .

2

»8) E b d .

3,

358-360).

28

») E b d .

3,

361 — 366. 2 , °) Der wesentliche Inhalt in einem E x e m p e l bei K l a p p e r vgl. oben bei Anm. 170. 2β1

) Α . E . S c h ö n b a c h Studien

zur

Erzählungs-

literatur des Mittelalters 3 (Sb. Akad. Wien Phil.-hist. KI. 144) ; H. G ü n t e r Legenden-Studien 152 f.

12. D i e Quellen und die Geschichte der christlichen Höllenvorstellung. N e u e s Testament — Henoch — Petrusapokalypse — Kirchenväter — jüdische — antike — islamische H.nvorstellungen.

Die Grundlage der christlichen H.nvorstellung finden wir im Evangelium. Überall, wo im NT. von der γέεννα die Rede ist, ist sie als ein feuriger Strafort gedacht, ausdrücklich Mt. 5, 22 u. 18,9: γέεννα τοΰ πυρός, Mt. 13, 42.50 als Feuerofen, wo Heulen und Zähneklappern sein wird : ή χα'μινος τοΰ πυρός" έχει εσται δ κλαυθαόΐ χαΐ δ βρ υγμόςτών όδόντων. Dies Η.nfeuer verlischt nicht Mk. 9,43: ή γέεννο, xò πΰρ το άσβεστο ν, ewig brennt es Mt. 18,8; 25, 41 : τό πΰρ τό αίώνιον. Im Anschluß an Jes. 66,24 findet sich neben dem Feuer wie später immer wieder der Wurm Mk. 9, 48 : ή γέεννα, δπου ó σκώληξ αυτών ου τελευτά και το πΰρ ου σβέννοται. Trotz des Feuers gilt die Η. als finster Mt. 8 , 1 2 ; 22, 13; 25, 30: τίι σκότος τό έξώτερον. έχει εσται ó κλαυίίμός καί δ βρυγμός των ¿δόντων. Das H.nfeuer erwartet nicht nur die Sünder, es ist auch dem Teufel und seinem Anhang bereitet Mt. 25, 41 : τό πΰρ τό αίώνιον ih ήτοιμααμένον τφ διαβάλω καΐ τοις άγγέλXotî αύτοΰ. Nach L k . 16, 19—26 wird die feurige H.nqual dadurch gesteigert, daß die Verdammten über ein χάσμα μέγα hinweg

248

die Freuden der Seligen sehen. Die H. als Feuersee erscheint Apk. Joh. 20,14 f. : ή λίμνη τοΰ πυρός' οίτος δ Οα'νατο; δ δεύτερος έστιν. D a z u erscheint Schwefel als H.ningredienz Apk. Joh. 19, 20 : ή λίμνη τοΰ πυρός ή καιομένη έν Οείφ, 20, ί ο : ή λίμνη τοΰ πυρός και θείου, 21,8 : ή λίμνη ή καιομένη πυρί και Οείφ. Apk. Joh. 9, ι f· hat auf die spätere Vorstellung v o m H.nbrunnen, dem puteus des Mittelalters, gewirkt : τό φρέαρ της αβύσσου' και ανέβη καπνός ¿x τοΰ φρέατος ώ; καπνός καμίνου μεγα'λης. Diese Vorstellungen entsprechen dem jüdischen Volksglauben im Zeitalter Christi. Über das jüdische H.nbild in vorchristlicher Zeit — von vor 167 bis vor 64 — orientiert das Buch Henoch 292 ). Schon mit dem Worte Gehenna blieb der Gedanke an ein H.ntal verbunden. Hen. 56, 3 ist in diesem Sinne von dem tiefsten Abgrund des Tales die Rede, 27,2: eine verfluchte Schlucht, 54, 1 : ein tiefes Tal mit loderndem Feuer. Feuer das wesentliche Kennzeichen der H. Hen. 100, 9; 102, ι : schmerzhaftes Feuer, 90, 24 : ein Abgrund voll Feuer, Flammen und voll Feuersäulen, 90, 25 f. : ein Feuerpfuhl, 98, 3: ein Feuerofen. Dabei ist die H. ein Ort der Finsternis Hen. 63, 6; 92, 5; 94, 9, der Finsternis, Ketten und lodernden Flammen 103, 8. Das Bild des Grabes schwebt vor Hen. 46, 6: Finsternis wird ihre Wohnung und Gewürm ihre Lagerstätte sein. Das Buch Henoch ist weiter deswegen von Bedeutung, weil es von den Christen der ersten Jahrhunderte viel gelesen wurde 293) und ihre H.nvorstellungen beeinflussen konnte. E s ist bemerkenswert, daß in den H.nschilderungen gern von den Mächtigen der Welt die Rede ist, die im Jenseits gepeinigt werden. Gelegentlich haben dazu politische Wünsche beigetragen, vielfach ist diese Erscheinung aber in anderer Weise zu erklären. Der Arme, Unterdrückte weidet sich an dem Bilde der jenseitigen Rache. Die sozial Schwachen sind es, die in erster Linie H.n- und Paradiesesvorstellungen pflegen. Nicht nur das Individuum, auch ganze religiöse Gemeinschaften stehen, wenigstens zuzeiten, unter dem Joch eines Mächtigeren, und

249

Hölle

gerade dann pflegen die Farben der H. aufzuflammen, die in ruhigeren Zeiten verblassen. So ist besonders die erste Zeit des jungen verfolgten Christentums reich an Jenseitsschilderungen. An erster Stelle ist die Petrusapokalyse (um 135 n. Chr.) zu nennen 294). Sünder und Heuchler werden in den Tiefen nie vergehender Finsternis liegen. Ihre Strafe ist das Feuer (6 ) 295). Als Unterwelt erscheint die H., wenn am Gerichtstage Gott ihr gebieten wird, daß sie ihre stählernen Riegel öffne (4) 296). Die Verfolger der Gerechten stehen in der H. bis zur Leibesmitte in Flammen, sie werden an einen finsteren Ort geworfen und gegeißelt, nie ruhendes Gewürm frißt ihre Eingeweide (9). Denen, die Märtyrer durch falsches Zeugnis in den Tod gebracht haben, werden die Lippen abgeschnitten, Feuer fließt in ihren Mund und in ihre Eingeweide (9) 297). Lästerer werden an der Zunge aufgehängt, unter ihnen Feuer (7) 298), oder sie zerbeißen sich die Zunge, flüssiges Eisen wird ihnen in die Augen gegossen (9) 2 "). Die um des Scheines Willen Almosen gaben, sind blind und stumm und fallen auf nie verlöschende Kohlen (12). Zauberer werden an sich drehenden Feuerrädern aufgehängt (12)300). In einem kotigen See stehen die Wucherer (10). Die Bedrücker der Witwen, Frauen und Kinder werden in eine Feuersäule, spitzer als Schwerter geworfen (9) 301 ). Huren werden an den Haaren über einem glühenden Schlammsee aufgehängt, ihre Liebhaber hängen hier an den Schenkeln, die Köpfe im Schlamm (7). Weiber, die ihre Kinder abtrieben, sitzen bis an die Kehle in einem Kotsee. Ihnen gegenüber sitzen ihre Kinder, von ihnen aus schlagen Feuerblitze den Weibern in die Augen. Die Milch fließt aus ihren Brüsten, gerinnt und fleischfressende Tiere entstehen daraus, sie kriechen heraus und quälen die Frauen, wie ihre Männer (8) 302). Homosexuelle werden einen Abhang hinuntergestürzt und immer wieder hinaufgehetzt (10) 303). Mörder werden im Feuer von giftigen Würmern gequält (7) 304). Die Legende von dem Mädchen, das seine Mutter im Traum in der H. sieht 805 ), scheint

25O

hier schon einzusetzen: ein Engel bringt Kinder und Jungfrauen, um ihnen die Bestraften zu zeigen (11) 30e). Ähnlich wird später die H. in der Paulusapokalypse (Ende des 4. Jhdts.) geschildert. Der von einem Engel geleitete Apostel sieht einen Feuerstrom, darin die Sünder teils bis zu den Knien, teils bis zum Nabel, teils bis zum Scheitel. Einem unfrommen hurerischen Priester wühlen Strafengel mit dreispitzigen Eisen in den Eingeweiden, ein gleicher Diakonus steht in einem Feuerstrom mit ausgestreckten blutigen Händen, Würmer kommen ihm aus Mund und Nase. Diejenigen, die Waisen, Witwen und Arme geschädigt haben, liegen mit zerschnittenen Händen und Füßen in Eis und Schnee, dazu von Würmern gefressen. Das Interesse für alle möglichen Verstöße gegen die christliche Sexualmoral ist besonders bemerkenswert : weiter die Schilderung des stinkenden versiegelten puteus. Die Paulusapokalypse wurde im Mittelalter viel gelesen. Vielleicht stand Dante unter ihrem Einfluß 307 ). Ein später immer wieder auftretendes Legendenmotiv: die Wiederbelebung eines Gestorbenen, der dann von dem Jenseits berichtet, findet sich in den Thomasakten (um 200). Ein Mädchen erzählt, ein Mensch, häßlich und schwarz, empfing sie, er zeigte ihr einen Ort, wo viele Klüfte waren, aus denen üble Dünste kamen. Darin erblickt sie Feuer, Feuerräder mit Seelen, diese werden für Sexualsünden bestraft, in einer andern Kluft sieht sie in Schlamm und Gewürm Ehebrecher. In einer anderen hängen an der Zunge, den Haaren, den Händen oder Füßen, dabei von Rauch und Schwefel dampfend, Verleumder, Schamlose, Diebe und die, die Kranke nicht besuchten, Tote nicht bestatteten. Ein Sammelraum dieser H. ist eine dunkle Höhle voll stickiger Luft (51—57) 308). In den Johannesakten werden die Schrecken der H. zusammengefaßt : Und wenn ich zu dir komme, weiche das Feuer, werde die Finsternis besiegt, werde machtlos die Kluft, gehe der Glutofen aus, werde die H. gelöscht (ιΐ4) 30β ). Derartige wilde H.nschilderungen mit im einzelnen ausgemalten Qualen sind für

251

Hölle

die apokryphe Literatur charakteristisch. Die Weisheit der Kirchenväter, die den Bau der Kirche gründeten, schlossen diese Werke aus dem Kanon aus. Ihr H.nbild beruht im wesentlichen auf den durch das N.T. gegebenen Daten. Ihre H.nvorstellung ist schrecklich, aber großartiger als die der Apokryphen. Die ruhigeren Zeiten der gefestigten Kirche führten zu den Fragen über die Natur der H., ihre Dauer und die Wirkungsmöglichkeit des Feuers auf die Seelen, Fragen, die den erregten Verfassern der zitierten Apokryphen ferner lagen. Allgemein wird angenommen, daß die H. ein Feuer sei 310 ). Tertullian sagt von der Gehenna: quae est ignis arcani subterraneus ad poenam thesaurus 3 U ). Das H.nfeuer ist ewig 312 ), unauslöschlich 313 ). Als Feuerofen erscheint es wieder bei Irenaeus 314 ) und bei Cyprian: saeviens locus gehennae eructantibus flammis perhorrendum spissae noctis caliginem saeva semper incendia camini fumentis exspirat globus ignium, arctatus obstruitur 315 ). Weiter ist das H.nfeuer dunkel 31β ). Dieser Widerspruch, der durch die Evangelien angeregt war, führte zu Spekulationen : das Feuer wird geteilt werden, sein Leuchten wird den Gerechten zuteil werden, sein Brennen die Sünder peinigen 317 ). Die H. ist ein Feuermeer 318 ), ein Feuer- und Schwefelpfuhl 3 1 9 ). Lactantius definiert das H.nfeuer : ad ille divinus per se ipsum semper vivit at viget sine ullis alimentis, nec admixtum habet fumum, sed est purus ac liquidus et in aquae modum fluidus 320). Durch die Arbeit der Kirchenväter wurde das Feuer der H. zum Dogma, es ist das wesentliche Kennzeichen christlicher H.nvorstellung. Ältere Vorstellungen von Aufenthaltsorten der Toten im Volksglauben wurden dadurch zu höllischen Orten gemacht, daß lediglich dies feurige Element hineingetragen wurde. Die christliche H.nvorstellung ist, wie schon das Buch Henoch zeigte, aus der jüdischen hervorgegangen. Das spätere jüdische Schrifttum hat im wesentlichen die gleichen Züge gepflegt, die auch im Christentum Aufnahme gefunden hatten : die H. ist feurig, das Feuer ist unver-

252

löschbar, dabei finster, Feuer und Würmer quälen die Verdammten 321 ). Diese Idee ist im Judentum erst allmählich entwickelt worden. Deutlich tritt sie in der Makkabäerzeit hervor. Man hat versucht, sie aus fremdem Einfluß zu erklären und dabei an Babylonien gedacht, indessen fehlt hier die Vorstellung einer feurigen H. 322). In manchen Punkten ist die jüdische Eschatologie von Iran her beeinflußt worden 323), aber gerade die H. ist in den parsischen Schriften nicht ein Ort des Feuers, Spuren einer derartigen Vorstellung im sassanidischen Arda i Vïrâf dürfen nicht in diesem Sinne ausgedeutet werden 324). Die parsische Vorstellung vom Ende Ahrimans durch Feuer und vom Feuerordal am Gerichtstage hat mit der parsischen H. nichts zu schaffen326) Auch griechischer Einfluß ist in der Entstehungszeit der jüdischen H. unwahrscheinlich. Daß Feuer als jenseitiges Strafmittel gewählt wird, kann einen natürlichen Grund darin haben, daß es das schmerzhafteste ist. Und wenn die Phantasie dazu gelangt, sich eine H. auszumalen, so ist Feuer die wirksamste Illustration. Es spielt auch eine bedeutende Rolle in indischen, chinesischen und japanischen H.nvorstellungen als die schlimmste Pein. Man ist versucht, in Indien den Ursprung der Feuerh. zu vermuten. Diese imposante Vorstellung wäre dann einerseits mit dem Buddhismus nach dem fernen Osten gebracht worden, andrerseits nach dem Westen ausgestrahlt. So ließe sich die Feuerh. im Judentum (in Syrien ? Philodemos, s. u.) und in den antiken Sekten als östlicher Import verstehen. Diese Hypothese ist aber unsicher. Die betreffenden indischen Schilderungen feuriger H.n sind vorläufig nicht genügend früh zu belegen. Spuren einer Feuerh. im Rigveda (IV, 5, 4 u. VII, 59, 8) sind ganz zweifelhaft. So kommen wir hier zunächst über Vermutungen nicht hinaus. Sicher ist nur, daß im Zeitalter Christi die Feuerhölle schon Gemeingut des jüdischen Volksglaubens war, sie wurde in den Evangelien fixiert und so zur Basis für die immer wieder die Menschen erschütternde christliche H.

253

Hölle

Das Christentum, das mit dem Evangelium die Lehre vom H.nfeuer verbreitete, fand in der antiken Welt Vorstellungen vor, die sich hiermit deckten und die die christlichen H.nschilderungen befruchtet haben. Der erste, der das Feuer schlechthin für H. gebraucht, ist Philodemos (zwischen 1 1 0 und 25 v. Chr.) 326 ). Es ist wohl kein Zufall, daß Philodemos Syrer •war, und er hat wohl mit der Feuerh. «ine in seiner Heimat geläufige Anschauung wiedergegeben. Gleichwertig mit anderen Strafen findet sich das Feuer besonders in orphischen Kreisen. Während dem klassischen Griechenland die Vorstellung eines jenseitigen Qualortes gar nicht lag, blühten solche Bilder in späterer Zeit in der ganzen griechisch-römischen Welt, getragen von den Sekten, die ihren Initiaten ein Paradies, den Nichteingeweihten die H. versprachen 327 ). Hier sind die Erfinder der greulichsten Martern, Qualen mit Schwefel und Pech, Aufhängen an den Haaren, den Beinen, der Zunge, Menschen aus niederem Stande 328). Auch hier ist die schrecklichste Qual, die des Feuers, mehr und mehr in den Vordergrund gerückt. Lukian kennt ποταμοί πυρόί, πολύ πΰρ καιόμενον, δσμή οΓον θείου και πίττηίals H.ncharakteristika 329 ). Dies Feuer ist ursprünglich ein Reinigungsfeuer gewesen, dem die Abgeschiedenen unterworfen wurden 33 °). Freilich dient es späterhin zur Qual. Ein anderer von der Wissenschaft vertretener Gedanke kam hinzu : die vulkanischen Eruptionen und die heißen Quellen hatten die Gelehrten dazu geführt, im Innern der Erde eine große Feuermasse anzunehmen. Da man sich nun den Tartarus in der äußersten Tiefe der Unterwelt dachte, mußte hier der Ort jenes vulkanischen Feuers sein, nun zur Qual der Sünder 331 ). Das H.nfeuer wird später mit dem vulkanischen verglichen, so bei Minucius Felix 3 3 2 ), Tertullian 333 ), Pacían 334 ) und Petrus Damiani 335 ). Die Vorstellungen der Konventikel im römischen Imperium hatten die christliche H. schon vorbereitet. Speziell in Italien fiel die christliche H.npredigt bei den Römern etruskischen Blutes auf

254

fruchtbaren Boden. Nach dem Siege des Christentums verschwanden diese Sekten und ihre Literatur allmählich, dafür begann nun die offizielle Literatur der Antike zu wirken, vor allem Ciceros somnium Scipionis und weit mehr noch das 6. Buch von Vergils Aeneis (Vergil entstammte einem alten etruskischen Geschlechte !). Beide sind durch Vermittlung des Poseidonios abhängig von Plato, der im 10. Buche seines „Staates" die Jenseits vision des Pamphyliers Er bringt 338 ). Möglicherweise sind diese von Plato dem Er in den Mund gelegten Vorstellungen orientalischen Ursprungs 337 ). Der in der Schlacht gefallene Er wird am 12. Tage wieder lebendig und erzählt dem Volke, was er gesehen hat. Diese Fiktion findet sich später bei Plutarch wieder: ein zügelloser Mensch stürzte von einem Berge ab, starb, sah die Qualen und Freuden des Jenseits, erwachte wieder zum Leben und besserte sich 838). Gelegentlich ist es nur eine tiefe Ohnmacht, während derer der Entrückte das Jenseits sieht 339). Diese Vorbilder haben die christliche Visionsliteratur angeregt. Clemens Alexandrinus 310 ) und Arnobius341) zitieren als Autorität Plato. Eine Reminiszenz an den Faden der Ariadne findet sich in der Vision Karls III. m ) . Endlich ist noch der Hypothese zu gedenken, daß der Islam während des Mittelalters die christlichen Jenseitsvorstellungen beeinflußt hat. Die Diskussion über diese Möglichkeiten ist eröffnet worden durch die Untersuchungen von Asín 343 ). Die H. des Islams ist der christlichen außerordentlich ähnlich, da sie in ihrer Entstehung von der christlichen stark beeinflußt worden ist. Auch ihr ist das Feuer wesentlich, so daß sie schlechthin das Feuer genannt wird. An die christliche Vorstellung vom H.nrachen, der in der mittelalterlichen Kunst gelegentlich mit zwei Füßen versehen dargestellt wird 344 ), erinnert es, wenn im Islam die H. als ein Tier erscheint, das auf die verdammte Menschheit losstürzt und sie verschlingt 346). Auch das H.nfeuer des Islams ist dunkel, „schwärzer als Pech" Me ). H.nfahrten berichten eingehend von der

255

Hölle

Einrichtung der H. und ihren sieben Stockwerken, deren Strafen auch hier schrecklicher werden, je tiefer die Schicht liegt. In der oberen Schicht, die die geringsten Qualen hat, sind tausend Feuerberge, bei jedem Berg 70 000 Feuerströme, an jedem Strom 70 000 Feuerstädte, in jeder Stadt 70 000 Feuerburgen und 70 000 Feuerhäuser und in jedem Haus 70 000 Feuerlager und auf jedem Lager gibt es 70 000 Arten von Qualen 347). Eine Legende erzählt von Jesus, der einen Schädel wiederbelebt, der dann von den Schrecken der H. berichtet. Er erzählt, er sei ein König gewesen, habe aber nicht gottesfürchtig gelebt. Als er gestorben war, wurde er vor den thronenden H.nfürsten geschleppt, der ihn mit einem Fluch begrüßte. Es folgt dann eine Schilderung der H., ihrer sieben Stockwerke und der Qualen. Er selber wurde schließlich in einen Brunnen geworfen 348). Die Geschichte erinnert an den Empfang und die Strafe eines Edelmannes in der H. in Klappers Exempelsammlung 349). Vielleicht haben muhammedanische H.nvorstellungen gelegentlich die christlichen beeinflußt, sicher aber nicht in dem von Asín angenommenen Ausmaße 350). Rückblickend läßt sich vorläufig sagen, daß die Vorstellung einer feurigen H. auf deutsches Gebiet erst mit dem Christentum importiert wurde. Die Feuerh. gehörte vom Anfang der christlichen Ausbreitung zum Bestände der Missionspredigt. Diese fremde Vorstellung verdrängte auf deutschem Boden aber zunächst nur in geringem Maße die der alten Totenheime. Erst durch die Tätigkeit der Bettelorden wurde die Feuerh. der Evangelien, Kirchenväter und Visionäre Allgemeingut des deutschen Volksglaubens. Die neutestamentliche H. repräsentiert den jüdischen Volksglauben im Zeitalter Jesu, der erst seit nachexilischer Zeit allmählich eine Feuerh. entwickelt hatte. In den Jahrhunderten der Ausbreitung traf das Christentum auf H.nvorstellungen in den verschiedenen Sekten besonders bei Orphikern und Pythagoreern, die nun verchristlicht wurden. Es kann sein, daß die Anregung zur Bildung von

256

Feuerh.n von Indien ausgegangen ist 351 ). Abschließendes ist noch nicht zu sagen, da sichere Daten und einzelne Zwischenglieder fehlen. Welche Überraschungen die orientalistische Forschung noch zutage fördern kann, zeigt eine soeben veröffentlichte H.nfahrt eines assyrischen Königs aus dem 8. Jhdt., der im Traum in die grausige H. entrückt wird 352 ). 292) G. B e e r Das Buch Henoch (Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten T e s t a ments hsg. von E . K a u t z s c h , 2, Tübingen 1900) 2 1 7 0 . 2 9 3 ) Vgl. die E x z e r p t e der Kirchenväter bei J . A. F a b r i c i u s Codex pseudepigraphicus Veteris Testamenti (Hamburg u. Leipzig 1713) 294) 167 ff. Neutestamentliche Apokryphen. Hsg. von E . H e n n e c k e (Tübingen 1924) 314 ff. 2 9 5 ) H e n n e c k e 320. 2 9 e ) E b d . 319. 2 9 ' ) E b d . 323. 2 9 8 ) E b d . 321. 2") E b d . 323. 3 0 °) E b d . 325. 3 0 1 ) E b d . 323. 3 0 2 ) E b d . 321 f. 3 0 3 ) E b d . 324. 3 ° 4 ) E b d . 321. 3 0 s ) Vgl. oben bei Anm. 158—162. 3 0 e ) H e n n e c k e 324. 30') M. R h . J a m e s Apocrypha anecdota (Visio Pauli). T e x t s and Studies. B d . 2 Nr. 3 (Cambridge 1893) 28—35. Vgl. O. B a r d e n h e w e r Geschichte der altkirchlichen Literatur2 1 (Freiburg i. B . 1913), 615—620. 3 0 8 ) H e n n e c k e 270 t. 3 0 9 ) E b d . 191; vgl. noch die höllischen Elemente in einer Schilderung des Gerichtes: Christliche Sibyllinen 2, 286—308; H e n n e c k e 419 f. 3 1 °) Vgl. für die folgenden Zitate H e n s e Das Feuer in der Hölle. Der Katholik 58. J a h r g . 3 1 1 1872, 2. Hälfte. N F . 40. B d . ) Tertullian Apologeticus c. 18; M i g n e PL. 1, 520. 312) A u g u s t i n De tempore serm. 80; I r e n a e u s Adv. haeres. 2, 28; M i g n e PG. 7, 810; ebd. 4, 40, M i g n e PG. 7, 1112; C a s s i a n u s Collationes 1, 14, M i g n e PL. 49, 503. 3 1 3 ) I g n a t i u s Epistola ad. Ephesios 16, M i g n e PG. 5, 657; G r e g o r v. N y s s a Oratio catechetica c. 40, M i g n e PG. 45, 105. 314) Adv. haeres. 4, 40, M i g n e PG. 7, Ii 13. 315) Liber de laude martyrii 20, M i g n e PL. 4, 798. 3 1 5 ) G r e g o r Moralia 9, 66, M i g n e PL. 75, 914 ff. 3 1 7 ) Belege bei H e n s e 489, 491. 3Ιβ) C h r y s o s t o m o s In Math. Homil. 43, 4, M i g n e PG. 57, 461. 3 1 9 ) A u g u s t i n De civ. Dei 3 2 21,10. °) L a c t a n t i u s Instit. 7, 21 ; M i g n e PL. 6, 801. 3 2 1 ) Vgl. Artikel Gehenna, Jewish E n c y clopedia B d . 5. 3 2 2 ) F r i e d r i c h Schwally Das Leben nach dem Tode nach den Vorstellungen des alten Israel und des Judentums einschließlich des Volksglaubens im Zeitalter Christi (Gießen 3 2 3 1892) 145. ) A. F r h r . v. G a l l BaaiXsía toâ 6 2 Οεοΰ (Heidelberg 1926) 1 5 ff· 3 ° *· 3 4 1 f · 3Μ) S c h w a l l y 145· m ) v. G a l l 342. 326) H . D i e l s Philodemos Über die Götter (Buch ι , K o l . 19, 22) Abhandlungen der K g ' . Preuß. Akad. d. Wissensch. J h g . 1915, Phil.-hist. K l . Nr. 7, S. 33, 81. 3 2 7 ) F r a n z Cumont After Life in Roman Paganism. Lectures delivered at Yale University on the Silliman Foundation (New Haven 1922) 170. 3 2 8 ) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 477; vgl. R o h d e Psyche 2, 3 6 8 f . 3 2 e ) D i e t e r i c h Nekyia

Hollen—Höllenzwang

257

200. 3=0) E b d a 200 ff. 331 ) C u m o n t After Life 176. M 2 ) Octavius c. 35; M i g n e PL. 3, 349. 333)Apologeticusc.48; M i g n e P L . 1,827. 3 M ) P a r aenesis ad poenit. n. 1 1 ; M i g n e PL. 13, 1088 f. ¡κ») Vita Odilonis M i g n e PL. 144, 136. 336 ) H . D i e l s Himmels- und Höllenfahrten von Homer bis Dante N J b b . 25 (1922), 247. 337 ) E i s l e r Weltenmantel 1, 97. 338) De sera numinis vindicta 22; vgl. P. W e n d l a n d Antike Geister- und Gespenstergeschichten. Festschrift zur Jahrhundertfeier der Universität Breslau. Hsg. v o n T h . S i e b s (Breslau 1911) 55. 33>) D i e l s 34 Himmels- und Höllenfahrten 247. °) Stromal. 341 ) Adversus gentes 5, 14; M i g n e PG. 9, 133. M 2 2, 14; M i g n e PL. 5, 831. ) F r i t z s c h e 3, 344. M 3 ) M i g u e l A s í n y P a l a c i o s La escatologia musulmana en la Divina Comedia (Madrid 1919), gekürzte Übersetzung von H a r o l d S u n d e r l a n d Islam and the Divine Comedy (London 1926). M1) 315 ) M o l s d o r f Führer 71. Encyklopädie Me) M ä l i k des Islam s. v . Djahannam. ibn ' A n a s Mumafta', Gahannam, 2. Tradition. M7) Die Erzählungen aus den Tausend und ein Nächten übertr. v . E . L i t t m a n n 3 (1924), 829 f. 348) R . B a s s e t Mille et un contes, récits et légendes arabes 3 (1927), 174 f. vgl. oben bei Anm. 170. 3 5 °) S. M e r k l e Dante und die muhammedanische Eschatologie Deutsches D a n t e Jahrbuch I i N F . 2 (1929). 3 S 1 ) L . S c h e r m a n Materialien zur Geschichte der indischen Visionsliteratur (Leipzig 1892) bes. 126 f. 3 δ 2 ) E . E b e l i n g Tod und Leben nach den Vorstellungen ¿1er Babylonier 1 (Berlin 1931), 1 ff- Winkler.

Hollen, Gottschalk. Stanovik, ADB.

12, 758.

H. geb. um 1400 zu Körbecke bei Soest, in Italien gebildet, Augustiner, gest. als Prediger in Osnabrück nach 1481. Verfasser von Predigten 2 ) und erbaulichen Schriften. Die Predigt 47 seiner Sermones dominicales super Epístolas Pauli enthält eine Liste 3 ) von Superstitionen : Mittel gegen allerhand Krankheiten, Gebräuche bei Geburt und Tod. Wie Zachariae nachgewiesen hat, entspricht diese Liste größtenteils der Liste von Superstitionen im Sermo X (de idolatriae cultu) des Bernardino von Siena (s. d.) entweder auf Grund eigener Kenntnis der Predigt des Bernardino oder, was wegen einiger Differenzen wahrscheinlicher ist, auf Grund einer gemeinsamen Quelle. 1) L a n d m a n n Das Predigtwesen in West2) falen 31 fi. Ausgaben: Opus sermonum dominicalium de Epistolis per anni circulum. 3) Hagenau 1 5 1 7 und 1519/20. Zachariae Kl. Sehr. 3 2 4 - 3 3 6 . 3 3 9 - 3 8 6 = A R w . 9, 5 3 8 - 5 4 1 ; I i . 151 — 1 5 3 ; Z f V k . 18, 442—446; 22, 1 1 3 — 1 3 4 . 225—244; F. J o s t e s Ztschr. für vaterl. Gesch. u. Altertumskunde 47, 8 5 — 9 7 . Helm.

Bächtold'Stäubli, Aboglaube IV

258

Höllenzwang. E s ist ein Grundgedanke der Magie, daß man durch Kenntnis der richtigen Worte und Riten auf Götter und Geister einen Zwang ausüben kann, der diese nötigt, den Wünschen des Magiers zu gehorchen und ihm dienstbar zu sein. Als έπάναγχος, έπάναγχος λόγος, έπάναγχον, έπαναγκαατιχοί (λόγοι) ,,Zwangsgebet, Zwingspruch' ' bezeichnen die antiken hellenistischen Zauberpapyri solche Formeln 1 ), neben denen das έπίθυμα έπαναγχαστιχόν „Zwangsrauchopfer" 2 ) steht. In den gleichen Gedankenkreis gehören die Drohungen, die man an die Götter und Dämonen richtet, um sie sich gefügig zu machen 3 ). Im Anschluß an die Faustsage (s. d.) entstanden eine Anzahl Bücher zur Beschwörung der Höllengeister, die als ,,imperationes Fausti" 4 ), „imprecationesFausti" 5 ), „vinculum spirituum" e ), „Fausts Höllenzwang" ') überliefert sind. Sie sollten dem gedachten Zweck dienen, vor allem dem Schatzheben 8 ), aber auch dem Schutz vor Gefahren aller A r t , gegen Krankheit und zu jeder Dienstbarmachung der Geister. E s gibt dieser H.e eine ganze Reihe, die meist handschriftlich umliefen; sie liegen aber auch ζ . T. einzeln in alten Drucken und Neudrucken, ζ. T. in Sammlungen vor und sind in Bibliographien verzeichnet 9 ). Ihre Datierung ist durchweg gefälscht; nach den Jahresangaben müßten die Bücher oft vor Faust angesetzt werden 10 ). Als älteste Spur dürfte die Mitteilung im ersten Faustbuch von 1587 anzunehmen sein, daß dessen Verfasser, um Ärgernis zu vermeiden, die „formae coniurationum" ausgelassen h a b e 1 1 ) . Die meisten dieser Schriften gehören wohl erst dem Ende des 17. und dem 18. Jhdt. an. Ein Gebet in einem der H . e 1 2 ) zeigt die Abhängigkeit von dem älteren Heptameron des Petrus von Abano (s. d . ) 1 3 ) . Einzelne Gebete sind hebräisch (in Transskription) und lassen sich trotz Entstellungen ziemlich leicht in den Urtext umsetzen; sie hängen mit der Clavicula Salomonis (s. 2,88 ff.) zusammen. Die Gebete beweisen, daß die Verfasser der Bücher nicht ohne Kenntnisse waren. Die D ä monennamen und -listen gehen auf an9

Höllenzwang

tike magische Schriften zurück und wurden durch die Clavicula Salomonis, Petrus von Abano und andere derartige Werke vermittelt 1 4 ). Nach der Tradition lagerten die H.e oft in Kloster- und Kirchenbibliotheken, an Ketten angeschlossen 1S ) ; die Überlieferung ist nicht ohne Grund. Von dort wurden sie der Sage nach gelegentlich entwendet 16 ). Manchmal führte ihr unbefugter Gebrauch zu der Erfahrung des Zauberlehrlings Goethes 17 ), die ein altes Zaubermotiv ist 18) ; Rückwärtslesen der Beschwörung heilte dann den Schaden. Über die tatsächliche Benutzung des H. zur Geisterbeschwörung mit dem Zweck, dadurch zu verborgenen Schätzen zu gelangen, wird mancherlei erzählt 19 ) ; am bekanntesten ist die Geschichte der Jenaer Christnachttragödie von 1715 und Bahrdts Brief an den Fürsten von Leiningen 20). Neben F.s H. gibt es auch einen Jesuiten-H.; eine lateinische Fassung führt den Titel: „Verus Jesuitarum libellus seu fortissima coactio et constrictio omnium malorum spirituum etc. Parisiis 1508" 21 ), eine deutsche: „Wahrhafter JesuitenHöllenzwang usw. gestellt durch Pater Eberhard, Priester der Gesellschaft Jesu in Ingollstadt" 22). Wie schon das unmögliche Datum zeigt — der Orden ist erst 1540 errichtet — , handelt es sich auch da um Fälschungen, die späten Ursprungs sind. Die Jesuiten galten von alters als Teufelsbanner und der Magie kundige Leute 23 ). Ähnlich liegt es mit ,,Fausts großer und gewaltiger Meergeist" 24), einer offenbaren Parodie, die 1797 für 12 Rthlr. zum Verkaufausgeboten wurde (alsManuskript)25). Die Vorstellung, daß die Schätze aus dem Meer von dessen Geist emporgebracht werden sollen, begegnet auch im Ver. Jes. lib. 2 β ) und in Fausts Η. 27). Die Zeit der Entstehung des Machwerks läßt sich ungefähr bestimmen durch das Vorkommen des Wortes Phaeton für den Wagen des Meergeistes, eine Bezeichnung, die 1767 von Zachariä, dann von Goethe und andern Zeitgenossen gebraucht, in der Literatur auftritt 2 8 ), von Campe 29 ) vermerkt wird und nach Brockhaus 30 )

26ο

,,in neuerer Zeit" gewissen hohen, offenen und leichten Wagen als Namen diente. Auch in dieser Schrift stehen eine Reihe leicht zu übersetzender hebräischer Gebete in Transskriptionen, daneben Sätze, die spanisch (vgl. Dios) und polnisch (vgl. Panie) 31 ) sein sollen. Endlich ist noch zu nennen: ,,Ludw. von Cyprian. Höllenzwang, worin gelehrt wird, wie man die Himmlischen u. Höllischen Geister nach Ordnung eines jeden Tages in der Woche citiren u. Alles von denselben erhalten kann, was man begehret. 1509. Hamburg, S. Glogau (1898). Mit Abb. 41 SS. 3 Bll.", womit zu vergleichen ist: .„Cypriani citatio angelorum, ejusque Conjuratio Spiritus, qui thesaurum abscondidit, una cum illorum Dimissione", welches Schriftchen dem Ver. Jes. lib. angehängt ist 3 2 ). Über die Tabellae Rabellinae, die mit dem H. Fausts öfters verbunden sind, s. Rabellinae Tab. ,,Geßners H."ist ein Mißverständnis 33 ); es handelt sich da um ein dem Herpentil und Kornreuther (s. d.) verwandtes Buch, das dem Michael Scotus (s. d.) zugeschrieben wird. x) D i e t e r i c h Abraxas 173, 4. 10. 13. 175, 16. 194, 18; Papyri Graecae magicae ed. P r e i s e n d a n z 1 (1928), 22, 43. 24, 63. 108, 1035. 116, 1295. 152, 2567. 2574. 156, 2676. 158, 2684. 164, 2896. 2901. 166, 2915. 174, 3110; K . B u r e s c h Klaros (1889), 20. 42; X h . H o p f n e r Griechisch-ägyptischer Offenbarungszauber 1 (1922), 203 § 785; 204 § 786 f.; 177 § 6 9 2 ; 188 § 729. ! ) Pap. Gr. mag. 1, 156, 2676. 3) H o p f n e r a. a Ο. ι , 47 § 204; 122 § 483; 204 § 787 fi.; E r m a n - K r e b s Aus den Papyrus der kgl. Museen (Berlin 1899), 259; A b t ApuUius 48 4) G. R o s k o f f Geschichte des Teufels 2 {1869), 439. ') K i e s e w e t t e r Faust 2 (1921), 40. ·) K i e s e w e t t e r a. a. O. 2, 108. ') M a n n hardt Zauberglaube 1730.; Niderberger Unterwaiden 3, 597; A v é - L a l l e m a n t Bocksreiter 96; H ö h n Volksheilkunde 1, 80; K ü h n a u Sagen 3, 274 f. ; M e i c h e Sagen 564 Nr. 701 ; 573 Nr. 7 1 2 ; G o l t h e r Mythologie 645; S i m r o c k Mythologie 527; G r i m m Myth. 2, 1025; E c k a r t Südhannov. Sagen 60; Grohmann Sagen 315; W u t t k e 189f. F u ß n o t e ; 189 § 259. ·) E i s e l Voigtland 181 Nr. 482; M e i c h e Sagen 508 Nr. 658; B e c h s t e i n Thüringen 2, 154; MschlesVk. 18 (1907), 89f. ') S c h e i b l e Doctor Johannes Faust Magia naturalis et innaturalis (1849); ders. Doctor Fausts Bücherschatz (1851) ; ders. Kloster 2, 805 ff.; 5, 1029 fi.; H o r s t Ζauber.-Bibliothek 1, 372; 2, 108ff.; 3, 86ff.; 4,

Holsteiner-Typus—Holunder

26i

1 4 1 ff. ; G r a e s s e Bibliotheca magica et pneumatica ( 1 8 4 3 ) , 2 5 ; K i e s e w e t t e r Fausti (1921),

i f f . ; ZfVk. 1 5 ( 1 9 0 5 ) . 4 Nr. 3 8 . 3 9 . 4 2 2 . ) S c h e i b l e Kloster 2 , 2 0 . ") S c h e i b l e la a.a.O. 2 , 9 4 0 ; 5 , 87. ) H o r s t a . a . O . 2, 1 3 5 fi. ; S c h e i b l e a. a. O. 5 , 1 0 7 5 ff. 13) A g r i p p a v . N e t t e s h . 4 , 1 2 3 ff. 14) HessBl. 1 2 ( 1 9 1 3 ) , 1 0 0 ff. 1 1 9 ff. 16) S c h e i b l e a . a . O . 2 , n o . " ) S c h a m b a c h u. Müller 1 5 7 Nr. 1 7 1 . 17 ) K ü h n a u Sagen 3 , 2 3 9 ί. 2 6 9 f. 18) S c h e i b l e a. a. O. 5 . " 6 . ") S c h e i b l e a. a. O. 2 , i n ff. so ) Scheible a.a.O. 5 , 1 0 3 1 f t . ; Wuttke 4 8 8 § 7 7 8 . ") S c h e i b l e a. a. O. 2 , 8 3 5 ff.; K i e s e w e t t e r Faust 2 , 4 9 . M ) S c h e i b l e a. a. O. 5 , 1095; K i e s e w e t t e r a . a . O . ; ZfVk. 1 5 , 4 1 4 Nr. 1 2 . 23) W u t t k e 1 4 9 § 2 0 7 ; 4 1 2 § 6 4 1 ; 4 8 4 M § 774· ) S c h e i b l e a. a. O. 5 . 1 1 4 ö S . ; K i e s e Wetter a . a . O . 2 , 5 4 . 25) H o r s t a . a . O . ι, 3 7 1 . s«) S c h e i b l e a. a. O. 2 , 8 3 7 . ·') Kiesew e t t e r a. a. O. 2 8 . 2β) DWb. 7 , 1 8 2 0 . 2 ») Wörl6

10

terbuch E r g . - B d . ( 1 8 1 3 ) , 4 7 5 . 3 0 ) Allg. deutsche Real-Encyclopädie 7 ( 1 8 2 0 ) , 4 7 3 . 31) S c h e i b l e

a.a.O. 5 , 1 1 4 5 . 1 1 4 8 .

8 3 5 . 8 4 5 ff.

2 0 Nr. 3 1 .

33

3J

) Scheible a.a.O. 2 ,

) G a n z l i n Sachs.

Zauberformeln

Jacoby.

Holsteiner-Typus Neben dem „ G r e d o r i a " (s. d.) genannten ersten T y p des Himmelsbriefes (s. d.) steht als eine zweite F o r m der Holstein-Typ, so genannt, weil er in Holstein lokalisiert ist. E s werden in ihm — neben völlig dunklen Namen — einige nach Holstein und Nordwestdeutschland weisende Ortsnamen genannt. A l s Jahr seines ersten Auftretens wird 1724 angegeben. Die erste Abschrift — d . h. das erste wirkliche geschichtliche Hervortreten — wird ins J. 1 7 9 1 verlegt. Mit dem „ G r e d o r i a - T y p u s " verbindet ihn die Angabe, d a ß der Brief „über der T a u f e " schwebte. Niemand konnte ihn ergreifen ; z u dem aber, der ihn abschreiben wollte, neigte sich der Brief. Mit dieser F o r m des Himmelsbriefes sind verschiedene ältere, ehemals selbständige Zaubersprüche verbunden, nämlich der ö l b e r g s p r u c h (s. d.), das Grafenamulett (s. d.) und bisweilen der Kaiser K a r l Segen (s. d.). MAnhaltGesch. 1 4 , 3 ; St übe Himmelsbrief 7 f. t Stübe. Holunder (Alhorn, Ellhorn, Flieder; Sambucus nigra). I. Botanisches. — 2 . Verehrung des H.s. Lebens- und Sippenbaum. H.holz darf nicht verbrannt werden. — 3. Apotropäische Eigenschaften. — 4 . Volkserotik. — 5 . H. als Baum desTodes.—6. H. als böser Baum.—7. H.im landwirtschaftlichen Orakel. — 8. Sympathiemedizin.

2Ô2

a) Übertragung der Krankheit, b) H. im Epiphytenaberglauben. c)Die ersten H.blüten. d) H. im Sonnwendkult, e) Bewirkt als Sympathiemittel Durchfall bzw. Erbrechen. — 9 . Verschiedenes. 1. B o t a n i s c h e s . Strauch mit unpaarig gefiederten Blättern und gelblichweißen, in großen flachen Trugdolden angeordneten Blüten. Die Frucht ist eine schwarz violette Beere. Der H . wächst auf dem L a n d meist in der Nähe menschlicher Siedelungen, a n Häusern, in Gärten, an Zäunen usw., w o er ohne jede weitere Pflege gedeiht. A b und zu findet er sich auch im W a l d , a n W a l d rändern usw., wo er auf frühere Siedelungen hindeuten kann. D a die Wurzeln eine sehr starke Ausschlagsfähigkeit haben, treibt der Strauch, auch wenn er öfters umgehauen wird, immer wieder. In der bäuerlichen Volksmedizin spielt der H. eine große Rolle 1 ) . ') ΜλτZell

Kräuterbuch

1 4 2 f.

2 . A l s Strauch, der ein getreuer B e gleiter des Menschen ist und ohne besondere Pflege bei dessen W o h n u n g wächst, der f e m e r in fast allen seinen Teilen dem Menschen Heilstoffe liefert und dessen Früchte auch genießbar sind, steht der H. seit alters in hohen Ehren 2 ). E r gehört ohne Zweifel zu den volkstümlichsten Pflanzen überhaupt. „ V o r dem Holunder m u ß man den H u t a b n e h m e n " , lautet ein weitverbreiteter Bauernspruch 3 ) ; v g l . Wacholder. Ebenso häufig ist der Glaube, d a ß das Umhauen bzw. das V e r stümmeln eines H.s Unglück, j a den T o d b r i n g t 4 ) . W e n n der H . verdorrt, m u ß ein Familienmitglied s t e r b e n 6 ) . Nach einer schlesischen Sage brannte einem Manne, der den H . gefällt hatte, ein Jahr später das Haus a b 6 ) . Der H. erscheint hier als der „ L e b e n s b a u m " 7 ), „ d e r SippenVegetationsgeist steckt in dem B a u m " 8 ). N a c h verschiedenen alten Zeugnissen (meist slavischen und nordgermanischen) wohnen unter dem H . „Unterirdische". N a c h dem Glauben der alten Preußen wohnt unter dem H . der E r d e n g o t t Puschkaitis, dem m a n B r o t , B i e r u n d andere Speisen opferte 9 ). In Schweden g o ß m a n als Opfergabe für die Hausgeister Milch über die Wurzeln des H.s 1 0 ), und ein französisches Predigtbuch des 13. Jhdt.

263

Holunder

spricht von den Frauen, die ihre Kinder zum H. trügen, ihm ihre Ehrfurcht erwiesen und ihm Geschenke machten 1 1 ). Wenn einem H. die Äste gestutzt werden mußten, pflegte man nach dem Bericht des nordschleswigschen Pastors Arnkiel (1703) mit gebeugten Knien, entblößtem Haupt und gefalteten Händen zu sprechen : „Frau Elhorn gibt mir was von deinem Holze, dann will ich dir von meinem auch was geben, wenn es wächst im Walde" 12 ). Nach dänischem Volksglauben ist es die Hyldemoer (H.mutter) oder Hyllefrao (H.frau), die im H. wohnt 13 ). Die Zwerge sitzen meist unter den H.bäumen, deren Duft sie lieben 14 ). Die in populären Darstellungen oft gebrauchte Deutung des Wortes H. als „Baum der (Frau) Holla" 15 ) ist jedoch etymologisch unhaltbar, folglich sind es auch die daran geknüpften mythologischen Spekulationen. Immerhin ist vielleicht doch die hl. Maria in einer Sage aus dem bayer. Odenwald, die erzählt, daß an der Stelle der Gnadenkapelle zu Schneeberg einst ein H. gestanden habe und daß auf diesem immer wieder das Muttergottesbild der Pfarrkirche gewesen sei 1 6 ), die Nachfolgerin einer im H. verehrten germanischen weiblichen Gottheit. Nach einer badischen Sage hat die Muttergottes die Windeln des Jesuskindes an einem H. getrocknet 17 ), was man sich sonst meist von der Weinrose (s. Rose) erzählt. Mit der „Heiligkeit" des H.s hängt es wohl zusammen, daß sein Holz nicht (oder nur von Witwen und Waisen) 18 ) verbrannt werden darf; es gibt sonst Unglück und Krankheit le ), man leidet das ganze Jahr an Zahnschmerzen20), man bekommt Rotlauf (Farbe des Feuers!) 21 ), oder die Pferde im Stall gehen zugrunde 22). In Disentís (Schweiz) wird das Verbot damit begründet, daß die hl. Emerita mit H.holz verbrannt wurde 23 ), natürlich eine „sekundäre" Begründung. Auch in England 24) und in Frankreich („die Hühner hören zu legen auf") 2 5 ) scheut man sich, den H. zu verbrennen. Vom Blitz soll der H. nicht getroffen werden, er gewährt Schutz dagegen 23) ; die Begründung, „weil die Gottesmutter auf der Flucht nach Ägypten unter einem

264

H. rastete" 2 7 ), beruht wohl auf einer Verwechslung mit der Hasel (s. d.). Die an Silvester geschnittenen und zu einem Reifen gebogenen H.zweige im Haus aufgehängt, schützen vor dem Ausbruch des Feuers 28). 2 ) H ö f l e r Botanik 28; F e i l b e r g Ordbog 4 , 2 3 3 . 3 ) K u h n Westfalen 2, 189; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1862, 137; SchweizId. 2, 1184; vgl. D a n n e i l Wb. d. altmärk.plattd. Mundart 53 („Wenn 'n Flirrbusch sût, mütt'n Vaterunser bäd'n"); ZiVk. 8, 442 (Steiermark: „Vor einem Hollerboschen muß man niederknien"). *) ZfrwVk. 11, 266; T h i e r e r Ortsgesch. v. Gussenstadt 1 (1912), 264; H ö h n Tod 309; S c h u l l e r u s Pflanzen 358; ebenso bei den Ruthenen in Galizien (Globus 79, 1 5 1 ; ZföVk. 8, 129) und in Schweden ( M a n n h a r d t ι, 11). 6 ) B r u n n e r Heimatb. d. bayer. Bez.-A. Cham (1922), 233. •) K ü h n a u Sagen з, 480. ') Der H. dient auch als „Lebensrute", vgl. Heimatbilder aus Oberfranken 3 (1915), 118. 8 ) H ö f l e r Botanik 30; über den H. als Schutzgeist des Hofes vgl. M a n n h a r d t 1, 52. *) M a n n h a r d t 1, 63 f.; G o t t s c h e d Flora prussica 1703, 242; P r a e t o r i u s Deliciae prussicae 1 7 ; ZfVölkerpsych. 5 (1868), 297; D ä h n h a r d t Natursagen 2, 238. 10 ) ZfVk. 8, 142. ll ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 413. 12 ) G r i m m Myth, 543; M a n n h a r d t 1, 10; ganz ähnlich in Lincolnshire: B u r n e Handb. of Folklore 1914, 34. IS ) M a n n h a r d t 1, 11. 14 ) A r n d t Märchen и. Jugenderinnerungen = H e c k s c h e r 72. 1 5 ) Z. B. S ö h n s Pflanzen' 63. « ) Bayld 26, 27; ähnliches erzählt man sich von der Wallfahrt Maria Thalheim in Oberbayern: H ö f 1er Waldkult 106 f. 17 ) M e y e r Baden 382. l e ) Schweiz Id. 2, 1185. l e ) Ebd.; W a r t m a n n St. Gallen 70; M a n z Sargans 52. 2 0 ) S c h u l l e r u s Pflanzen 358 ; ebenso bei den Rumänen in de r Bukowina : ZföVk. 3, 371. 21 ) F i s c h e r Schwab. Wb. 3, 1763. 22 ) M a r z e l l B a y e r . Volksbotanik 188 f.; D a n n e i l Wb. d. altmärk.-plattd. Mundart 1859, 53. 23 ) W e t t s t e i n Disentís 175. 21 ) B u r n e Handb. of Folklore 1914, 34; FL. 20, 343; 22, 24; 23, 356. " ) R o l l a n d Flore pop. 6, 284; S é b i l l o t FolkLore 3, 390. 2e ) A l p e n b u r g Tirol 394; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 1 9 ; Schweizld. 2, 1 1 8 5 ; Egerl. 10, 132; S c h u l l e r u s Pflanzen 360. " ) H ö f l e r Waldkult 107. 2S) W i t z s c h e l Thüringen 2, 176.

3. Als Schutzbaum des Hauses hat der H. ganz allgemein apotropäische Eigenschaften. Vor die Stalltür gepflanzt, bewahrt er das Vieh vor Zauberei 29 ), daher sollen auch Türriegel aus H.holz gemacht werden 30 ). In Ostdeutschland steckt man vor allem an Walpurgi 31 ) H.zweige oder -kreuze auf die Felder, an die Fenster oder auf den Düngerhaufen, um die Hexen abzuhalten 32 ). Der ver-

265

Holunder

breitete Brauch gegen Maulwürfe 33 ), H.zweige in die Felder zu stecken 34 ), hat wohl auch einen abergläubischen Hintergrund 3S), wenn auch oft angegeben wird, daß der starke Geruch des H.s die genannten Tiere vertreiben soll. Am „stillen Freitag" soll man mittags 12 Uhr unter dem H. Sand wegnehmen und gegen die Sperlinge in die Saat streuen 36 ). Ein Haselstöckchen (s. Hasel § 2), mit einem Zweig von H. zu einem Kreuz geformt, schützt vor dem Einfluß des wütenden Heeres 37 ). Die Nachgeburt einer Kuh, die zum erstenmal ein Kalb hat, muß man unter einem H. vergraben, dann kann man es nicht verzaubern oder die Milch nehmen (handschriftl. Arzneibuch d. 18. Jahrh. aus Niederösterreich) 38). Unter den H. soll man von der Milch gießen, wenn es ihr an Rahm fehlt 39). Als hexenabwehrende Pflanze dient der H. auch zum E r k e n n e n der Hexen (vgl. Gundermann). An Trinitatis oder Johannis, wenn die Sonne am höchsten steht, muß man mit einem Spiegel vor der Brust auf einem H. sitzen, dann sieht man den „Binsenschneider" (Thüringen) 40). Man schnitzt'einen Löffel aus H.holz, legt ihn am Osterabend nach Sonnenuntergang in gute Milch, daß Rahm daran hängen bleibt und läßt ihn dann trocknen. Dies wiederholt man am Sonnwendabend. Wenn man dann damit zum Sonnwendfeuer geht, müssen einem alle Hexen nachlaufen 41 ). In der Nacht vom Gründonnerstag auf Karfreitag mit dem Schlag 12 Uhr muß man auf dem Kirchhof einen H.zweig abschneiden und aushöhlen. Damit kann man am Karfreitag während des Gottesdienstes die Hexen erkennen ( Schwäbische Alb) 42 ). In Frankreich 43 ) und in England 44 ) wird der H. ebenfalls im Gegenzauber gebraucht. **) Rockenphilosophie 2 (1707), 328; U l r i c h Volksbotanik 39; M a n ζ Sargans 52; R o c h h o l z Glaube 2, 129; Schweiz. Id. 2, 1185. 30) J o h n Westböhmen 321. 31 ) Selten in der Johannisnacht: D r e c h s l e r 1, 138. 3 i ) W o l f f Scrutin, amuletor. medic. 1690,142; J a h n Opfergebräuche 195; S p i e ß Obererzgebirge 13; G r o h m a n n 101; J o h n Erzgebirge 197; J o h n Westböhmen 72, 226; D V ö B . 12, 37; W i r t h Pflanzen 18. M ) Gegen die Maulwurfsgrille: M a n z Sargans 94. M ) M i z a l d u s Hortorum Secreta 1574,14 v . ; S t r a c k e r j a n

266

ι (1867), 67; K u h n 2, 67 f. 36) Besonders wenn das Mittel am 1. Mai angewendet wird (Anhalt) : Z f V k . 7, 77 = W i r t h Pflanzen 6. M ) S c h u l e n b u r g 252. 3 ') V o n b u n Beiträge 127. 3S) Anz. f. Kunde der Deutsch. Vorzeit 28 (1881), 332. 3>) B o h n e n b e r g e r 112. 40) G r i m m Myth. 394. 41 ) A l p e n b u r g Tirol 394. 4 î ) Alemannia 13, 199. *3) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 381. 385. 387. 44 ) D y e r Plants 63.

4. Als Lebens- und Sippenbaum tritt der H., der dazu noch zur Sonnwendzeit in vollster Blüte steht, auch in der V o l k s e r o t i k hervor. Unkeuschen Mädchen steckt man zu Pfingsten H.zweige vor das Fenster (Thüringen) 4S ), vgl. K i r s c h e . „Auf Johannistag blüht der Holler — da wird die Liebe noch toller" heißt es im Thüringer Wald 46). „Holderstock" ist ein Kosename für die Geliebte (oder den Geliebten) 47), und in erotischen Liedern wird der H. öfters genannt 48 ). Schütteln die Mädchen am Thomastag während des Ave-Läutens eine H.staude, so kommt der Bräutigam aus der Richtung, aus der ein Hund bellt (Innviertel) 49). In einem Goslarer Hexenprozeß des 16. Jhs. erscheint folgende Beschwörung des H.s, um eines Mannes Liebe zu gewinnen M) : ,,A!horn, du blôte, ik bidde dik dorch dine sôte, Dat ik möge affbrechen unde heime dragen Sin barnede leve in minen schrägen". 4S ) K u h n u. S c h w a r t z 389, auch in Frankreich: S é b i l l o t Folh-Lore 3, 403; vgl. M e y e r Germ. Myth. 85; M a n n h a r d t 1, 166. M ) Veckenstedts Zs. 4, 191. 47 ) Schmeller Bayr. Wb.2 1, 1084; F i s c h e r Schwab. Wb. 48 з, 1766. ) Z. B . S c h m e l l e r a. a. O. 1, 884; ZföVk. 3, 264; auch in Rußland: S t e r n Gesch. d. öffentl. Sittlichkeit in Rußland 2 (1908), 495. *») Niederbayr. Monatsschrift 9 (1920), 161. 50) Zeitschr. des Harzver. f. Gesch. и. Altertumskde 35 (1902), 415, wo „ A l h o r n " fälschlich als „ A h o r n " gedeutet ist! Häufig wird der H. von den Slovaken Nordungarns im Liebeszauber verwendet: DbotMon. 1 (1883), 86 f.

5. Wie in vielen anderen Beispielen (vgl. Immergrün) wird der lebenszähe H. (vgl. unter § 1 ) , der wohl auch wegen dieser Eigenschaft auf Gräbern gepflanzt wird, zum Baum der Todes. Schon die alten Friesen bestatteten ihre Toten unter dem H. B1 ). Mit einem H.stab wird das Maß zum Sarge genommen, der Fuhrmann, der den Sarg fährt, hat statt der gewöhnlichen Peitsche einen H.zweig. H.stäbe

267

Holunder

werden auf die Leiche gelegt M ). In Tirol besteht die Sitte, daß bei Begräbnissen dem Sarg ein H.kreuz, „Lebelang" genannt, vorangetragen wird, das dann auf das Grab gesteckt wird. Wird es wieder grün, so ist der Tote selig 53). Möglicherweise gehört auch hierher, daß bei Totenwachen die Vorbeterin ihren Mitbeterinnen H.tee reicht („damit sie nicht einschlafen") 54 ). Als Todesvorzeichen (für ein Familienmitglied) gilt es, wenn an einem H. zu gleicher Zeit Blüten und Beeren sind (Mittelschlesien) 55 ), wenn der H. im Herbst wieder blüht 5 6 ), wenn der H. lange Wurzelschosse treibt 5 7 ). Wenn jemand sterben soll, wohnt die „Buzawoscz" ( = „Gottesklage", ein dämonisches Wesen) unter dem H., sonst sitzt sie in den Zweigen S8 ). n)

H a l b e r t s m a Lexicon Frisicum 1874, 902. G r i m m Myth. 3, 465; M o n t a n a s Volksfeste 1 4 g ; R o c h h o l z Glaube 1, 193; W i r t h Pflanzen 1 3 ; B o d e m e y e r Rechtsaltertümer 186; C a m i n a d a Friedhöfe 63. '») ZfdMyth. 1, 263; A l p e n b u r g Tirol 394; H ö r m a n n Volksleben 427. 429; H o c h h o l z Glaube 2, 128. M ) R o c h h o l z Glaube 1, 195· " ) ZfVk. 4, 80. «·) S p i e ß Obererzgebirge 18. 57) X r e i c h e l Westpreußen X I , 268; R o c h h o l z Glaube 1, 192. " ) S c h u l e n b u r g 1 4 5 ; vgl. Veckenstedts Zs. 3, 1 9 ; Niederlaus. Mitteil. 2 (1892}, 434. 5i)

6. A b und zu gilt der H. auch als böser, t e u f l i s c h e r Baum, vielleicht ein Hinweis auf seine frühere heidnische Verehrung (vgl. Eiche). „Hölderlin" 5e ), „Hollabirbou" eo) sind Namen des Teufels. „Under ere Holderstude und under eme rote Bart wachst nüd guets", sagt man in Graubünden· 1 ), vgl. W a l n u ß . Es ist gefährlich, da zu bauen, wo ein H. gestanden hat 62), wohl auch eine Anspielung auf die „Unverletzlichkeit" des H.s (siehe unter §2). Der von ihren Genossinnen zerrissenen Hexe wird eine Rippe aus H. eingesetzt (Oberösterreich) *3), in Tirol gilt das gleiche von der Erle. Wenn man sich unter einen blühenden H. legt, ist man bis zum andern Morgen tot 64), vielleicht ein übertriebener Ausdruck für die Tatsache, daß der starke Duft des H.s auf die Dauer Kopfschmerzen verursacht. Ganz besonders gilt der H. in Galizien und Rumänien als Baum des Teufels, ein Glaube, der auch von den

268

Siebenbürger Sachsen übernommen wurde 65 ). Der Verräter Judas erhängte sich an einem H.baum, daher verbreiten seine Blüten einen unangenehmen Leichengeruch 66 ). Nach einer russischen Legende hängte man die hl. Märtyrerin Barbara an einem H. auf, seitdem trägt der H. Beeren e7 ), vgl. Weide. Wenn man das Vieh mit einer H.rute schlägt, „bekommt es das Blut" oder wird tot β8 ) ; vgl. Hasel, Weide. Jesus wurde mit einer H.rute geschlagen, daher ist die Rinde des Strauches wie die Haut des Herrn voll von Schrunden ββ). '·) G r i m m Myth. 2, 888. ·°) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 40. n ) U l r i c h Volksbotanik 39. G r i m m Myth. 3, 188. *3) B l ü m m l Beitr. z. deutschen Volksdichtung 1908, 147. ·*) S c h u l e n b u r g 267. H o e l z l Galizien 1 5 7 ; Mitt. anthrop. G«sellsch. Wien 26 (1896), 193; D ä h n h a r d t Natursagen 1, 200; 2, 238; ARw. M 2, 332; S c h u l l e r u s Pflanzen 358f. ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 524; K n o o p Pflanzenwelt XI, 36; Aus d. Posener Land 3 (1908), Nr. 24; auch in England in Shakespeares „Loves labours lost" Act 5, sc. 2: „Judas Was hanged on an elder", und in Frankreich (RTrp. 23, 3 1 2 ; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 369; R o l l a n d Flore pop. 6, 283). ·') D ä h n h a r d t Natursagen 1, 200. " ) Z i n g e r l e Tirol 1857, 64; ebenso in Frankreich ( R o l l a n d Flore pop. 6, 284). Nach englischem Glauben wachsen Kinder nicht mehr, wenn sie mit einem H.stock geschlagen werden (Brand Pop. Ant. 735). ·») H a n d t m a n n Mark. Heide 5. 42)

7. Vielfach dient der H. im l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Orakel. Wie der H. blüht und Früchte ansetzt, so blüht und fruchtet auch die Weinrebe 70). So viel früher der H. vor Johanni blüht, so viel früher kann man vor Jakobi schneiden, d. h. das Getreide ernten 71 ) ; vgl. Schlehe. Blüht der H. lang, so gibt es auch eine lange Ernte, d. h. sie wird vielfach verzögert und unterbrochen werden w ), blüht er ungleich, so gibt's eine ungleiche Ernte 7 3 ), Wenn der H. Blüte und Frucht zugleich trägt, ist ein strenger Nachwinter zu erwarten 74 ). Ein zeitiger Frühling ist zu erwarten, wenn man in der Christnacht um 12 Uhr am H. frische Triebe findet75). „Wenn's hinter der nackten Hollerstaud'n dorrt (d. h. wenn es donnert, so lange der H. noch unbelaubt dasteht, also im ersten Frühjahr), gibt's kein Kuhfutter 7e) ; vgl. Hasel § 5. Hat der H. Blatt-

269

Holunder

lause (der H. ist sehr oft von diesen Tieren heimgesucht), so bekommt auch der Hopfen Blattläuse 77 ). In der Walpurgisnacht (siehe unter 3) steckt man H.zweige an den Rand der Flachsfelder und springt darüber ; so hoch man springt, so hoch wächst der Flachs 78 ); oder man steckt lange H.zweige in den Flachs, dann wird dieser ebenso hoch 79). Wenn der H. blüht, hören die Hühner zu legen auf 8 0 ). ,0 ) Z i n c k e Oecon. Lexikon 1 (1744), 1 2 1 1 ; F i s c h e r Schwab. Wb. 3, 1 7 6 3 ; Schweiz. Id. 2, 1 1 8 4 ; M a n z Sargans 1 1 8 ; W i l d e Pfalz 107; D r e c h s l e r 1, 1 3 4 ; 2, 198; auch in Frankreich : R o l l a n d Flore pop. 6, 281. 7 1 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 292; K ü c k Lüneburger Heide 74; F i s c h e r Schwab. Wb. 2, 828; 3, 1 7 6 3 ; 4, 66. ") M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 127. ™) F i s c h e r Schwab. Wb. 3, 1763. '*) Baumgarten Aus der Heimat 1862, 57. ,s ) S c h u l l e r u s Pflanzen 100, 359. " ) B r u n n e r Heimatbuch des bayer. Β.-Α. Cham (1922), 158. " ) M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 125. '·) S o m mer Sagen 148. ' · ) Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 1 5 (1880), 265; ebenso in Dänemark: F F C 55, 100. eo) M a r t i n u. L i e n h a r t Elsäß.Wb. 1, 325; W i l d e Pfalz 107.

8. In der sympathetischen Medizin spielt der H., diese ,.lebendige Hausapotheke des deutschen Einödbauern" 81 ), unter allen heimischen Sträuchern wohl die bedeutsamste Rolle. Der Kranke wird schon geheilt, wenn er im Schatten eines H.s schläft M ). a) Besonders eignet sich der H. zum „ Ü b e r t r a g e n " der Krankheit. Gegen Fieber bindet man in der Nacht bei abnehmendem Mond einen Bindfaden um einen H., der auf der Scheid (Grenze) steht, und spricht: „Guten Morgen, Herr Flieder — Ich bringe dir mein Fieber — ich binde dich an — Nun gehe ich in Gottes Namen davon" (Ostpriegnitz) ®3). Ähnliche Besegnungen gegen die Gicht bzw. Gichter 84 ), die „Suchten" 8 5 ), Abnehmen und Auszehrung88), die Röteln 87 ), den Rotlauf 8 8 ), das „Feuer" (wohl Erysipelas) 8β), die „Knerren" (Halsweh) eo). Das Fieber wird man los, wenn man sich mit einem betauten blühenden H.zweig ins Gesicht schlägt 91 ). Der Fieberkranke soll sich während des Schiedungsläutens an einem Freitag unbeschrien an einen H.strauch hängen, danach aber diesen

270

abhauen, weil derjenige das Fieber bekommen würde, der von den Blüten oder Beeren dieses Astes in Tee-oder Latwergenform etwas genießen würde (Schwaben u. Mittelfranken) 92). Gichtknoten vertreibt man, indem man sie am Karfreitag vor Sonnenaufgang dreimal über Kreuz an den „Knoten" — es sind wohl die Rindenporen (Lentizellen) damit gemeint — des H.s reibt 93 ). Das Überbein reibt man mit den Blättern 93 a ) oder einem Aststück 94) des H.s 9 5 ). Hat eine Kuh die „Völle", so gibt man ihr einen H.prügel ins Maul 8e ). Ein 1617 niedergeschriebener „Schwinsegen" schreibt vor, an einem Sonntag zur Vesperzeit zu einem H. zu gehen, ein einjähriges Schoß davon dreimal zu brechen und dabei zu sprechen : „Was ich brich, das schwin und was ich damit bestrich, das wachs" 9 7 ). Gegen Zahnschmerz ritzt man das Zahnfleisch mit einem H.span blutig und fügt diesen wieder an seiner Stelle ein ,8 ). Ähnlich wird das Fieber 99 ), die Schwindsucht in den H. verbohrt 10 °). Auch ein Zettel mit dem Namen des Fieberkranken wird in den H. verbohrt 101 ). Gegen Zahnschmerzen beißt man am Karfreitag in einen H. 1 0 2 ), biegt den mittelsten Wipfel einer H.staude herunter 103 ), faßt einen H. mit der Hand derjenigen Seite an, wo einem die Zähne wehtun und spricht : „Meine Zähne tun mir weh, — ein schwarzer, ein roter, ein weißer (vgl. Wurmsegen) — ich wollte, daß sie sich verbluteten— Im Namen Gottes" usw. 104 ). Um das Blut zu stillen, taucht man die beiden Enden eines H.zweigstückes in das Blut und spricht dazu: „Ich verbinde diesen Verband in Gottes Hand. Im Namen" usw. Wenn das Blut am Zweigstück eingetrocknet ist, steht auch das Blut in der Wunde 105 ). Gegen Leibschneiden trinkt man einen Absud der H.wurzel und legt diese wieder dahin, wo man sie gefunden hat l o e ). Die Warzen verschwinden in dem Maße, wie ein teilweise abgebrochener H.zweig verdorrt 107 ). Dem beschrienen Kind zieht man ein altes Hemd an und legt ihm ein Pflaster von Hirschunschlitt, Kümmel und Essig auf den Magen. Am dritten Morgen scharrt

271

Holunder

man Hemd und Pflaster unter einem H. vor Sonnenaufgang ohne Angang ein. Dann ist der Schaden wieder gut gemacht 108 ). Auch bei Auszehrung wird das Hemd unter einem H. vergraben 109 ). Das Fieber bleibt aus, wenn man Brot und Salz unter einem H. verscharrt 110). Nach dem Aberglauben-Traktat des Frater R u d o l p h u s (ca. 1250) tun die Frauen das, was sie ihre Blüte nennen (menstruum), auf einen H. und sprechen: „Trage du für mich, ich blühe für dich" m ) . Bei Fußschmerzen und Gelenkrheumatismus soll man nachts 12 Uhr in den 3 höchsten Namen einen H.busch umhauen 112 ). Flechten vergehen, wenn man am Freitag während desiiUhr-Läutens einH.stäudlein auf einen Schnitt abhaut und hinter den Ofen wirft 1 1 3 ). Ähnlich vertreibt man „Tschütalüs" (Flechten, herpes) vom Vieh, indem man am Abend von einem H. drei Schösse abbricht und in den Kamin wirft. Wenn diese dürr sind, so ist das „Tschütalüs" weg 1 1 4 ). Dem mit „Schwund" behafteten Kranken hängt man die an einem Freitag bei abnehmendem Mond vor Sonnenaufgang gegrabene Wurzel des H.s 24 Stunden lang um den Hals und wirft sie dann in fließendes Wasser 1 1 5 ). Hat ein Haustier „Maden", so bricht man drei H.zweige ab und spricht dabei jedesmal: „Dieses Tier hat Maden in der Seite (Keule usw.). Se sölln dâr herutergähn. Im Namen Gottes" usw. (Grafschaft Ruppin) 1 1 6 ). Ein Kind bekommt nicht den Stickfluß, wenn man es mit einem H.stab mißt und diesen dann an eine Stelle legt, wo weder Sonne noch Mond hinscheinen 117 ). Wie sonst in Sympathiekuren spielen auch hier nicht selten bestimmte Z a h l e n eine Rolle. So wird zum Blutreinigen Tee aus 7 H.blättern gekocht 1 1 8 ), und gegen Fieber nimmt man 77 Laubspitzen des H.s in Wasser l l e ). Ein H.blatt, das an der Spitze 2 Fiederblättchen hat („Hollermandl" genannt), ist besonders wirksam 120 ). b) Besondere Heilkraft wird dem H., der als „ Ü b e r p f l a n z e " (Epiphyt) auf einer Weide gewachsen ist, zugeschrieben. Wir haben es hier mit dem „Epiphytenaberglauben" l a l ) zu tun, wie er besonders

272

auch bei der auf anderen Bäumen gewachsenen Eberesche (s. 2, 525) und der auf Bäumen schmarotzenden Mistel (s. d.) zum Ausdruck kommt. Beachtenswert ist, daß diese „Überpflanzen" vor allem die dämonische E p i l e p s i e heilen sollen, so die Ruten eines auf einer Weide gewachsenen H.s, die zwischen Mariä Himmelfahrt und Mariä Geburt vor Neumond zwischen 11 und 12 mittags geschnitten wurden 122 ). Gegen Nestelknüpfen harnt man durch das Rohr (ausgehöhltes Zweigstück) eines auf einer Weide gewachsenen H.s 123 ). c) Sehr heilsam sind die ersten im Jahr gefundenen H.blüten (vgl. Frühlingsblumen 3, 160). Gegen den Rotlauf (vgl. unter a) nimmt man nach einem alten Sympathierezept die drei ersten blühenden H.zweiglein und siedet sie in einem neuen Hafen mit einem Seidel Milch. An einem Freitag in der Frühe muß der Absud getrunken werden 124 ). Die ersten H.-blüten schützen gegen Rotlauf 125 ) oder vor Hautkrankheit 126 ), auch Sommersprossen („Hollersprossen") bestreicht man mit den ersten H.blüten 127 ). d) Da der H. zur Zeit der Sommersonnenwende (Johanni) in schönster Blüte steht, erscheint er mit Vorliebe im Heilkult dieser Zeit. Gegen „Salzfluß" (Ekzema varicosum) sind die H.blätter 128 ), gegen Halsleiden 129) und überhaupt gegen Krankheiten 13°) die H.blüten am wirksamsten, wenn sie an Johanni (mittags 12 Uhr bzw. vor Sonnenaufgang) gepflückt werden 131 ). Den skrofulösen Kranken zieht man (s. 2, 478) an Johanni unter einem umgebogenen H. durch 132 ). Am Johannistag werden die Blütendolden des H.s in heißem Schmalz gebacken (oft am Baum selber) 133 ). Wer diese „Hollerstrauben" ißt, bekommt (ein Jahr lang) kein Zahnweh 1 3 1 ), kein Fieber 135 ) oder wird überhaupt das Jahr hindurch nicht krank 1 3 6 ). Wer an Johanni „Hollerkücheln" ißt, kann beim Feuerspringen am Abend am besten springen 13 '). Das zurückgebliebene Backschmalz soll man aufbewahren, es ist gut gegen das Aufliegen (Allgäu) 138 ). e) Wegen seiner ausgedehnten zeitlichen

273

Holunder

und örtlichen Verbreitung ist ein S y m pathiemittel besonders hervorzuheben : Wenn man die Rinde des H.s a b w ä r t s (s. ι , 1 2 5 ) schabt, führt sie ab, nach a u f w ä r t s geschabt, bewirkt sie Erbrechen 1 3 9 ). Das gleiche Mittel finden wir auch bei den Rumänen 1 4 0 ), in Rußland 1 4 1 ), in Sibirien 1 4 2 ), in den Vereinigten Staaten 1 4 3 ), bei den Winnebago- 1 4 4 ) und den MenominiIndianern 1 4 5 ). Wir haben also hier das Schulbeispiel eines „internationalen" volksmedizinischen Analogiezaubers. Ebenso glaubte man, daß die Blätter der Springwolfsmilch (Euphorbia lathyris) nach unten abgestreift abführen, nach oben Erbrechen bewirkten 1 4 6 ). Das Tatsächliche an dem Aberglauben ist übrigens, •daß die H.rinde sowohl abführend wie brechenerregend wirkt 1 4 7 ) ; vgl. Faulbaum (2, 1269). 81 ) H ö f l e r Botanik 28. 82) ZfrwVk. 7, 36. e3 ) ZfVk. 7, 70; ähnliche Besegnungen gegen das Fieber: Grohmann 164; B a r t s c h Mecklenburg 2, 394 f.; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 333 (Mähren); Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 15 (1880), 86 (Holstein); Niederbayer. Monatsschrift 9 (1920), 165 (Innviertel) ; S c h u l l e r u s Pflanzen 359; desgleichen in Dänemark: G r i m m Myth. 2, 979; F e i l b e r g Ordbog χ, 175 f.; O h r t Danmarks Trylleformler 1917, 208 f. 84) A n d r e e Braunschweig 421; B a r t s c h Mecklenburg 2, 404; ZfdPh. 28, 367; M o s t Sympathie 127; ZfVk. i, 212; 7, 167. 169; ZfrwVk. 7, 55; H ü s e r Beiträge 2, 29; ein „Begegnungssegen", in dem die „Gichter" auf einen H . gebannt werden, wird als Amulett getragen: P a n z e r Beitrag 2, 305. 85) B a r t s c h Mecklen8 burg 2, 367. ') B a r t s c h Mecklenburg 2, 366; F o s s e l Volksmedizin 106; Bayerl. 10, 261. 87 ) W r e d e Rhein. Volkskunde 19x9, 95. 88) G r i m m Myth. 2, 979; beachtenswert ist, daß P l i n i u s (Nat. hist. 24, 53) bei einer rotlaufähnlichen Krankheit („morbus papularum, cum rubent corpora") den Körper mit einem H.zweig 89 schlagen läßt. ) Brandenburg 3, 155. so ) S c h u l l e r u s Pflanzen 359; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 267. 91) G r o h m a n n 164. i2 ) J ä c k e l Oberfranken 215. 93) H a n d t m a n n Mark. Heide 6. ZfVk. 8, 61. M ) P o l l i n g e r n Landshut 287. ) Nach dem Evang. des quenouilles (15. Jahrh.) vertreibt man die Warzen durch Reiben mit einem H.blatt: R o l l a n d Flore pop. 6, 282. w ) W a r t m a n n St. Gallen 69. 97 ) Mones Anz. f. Kde d. Vorzeit 6 (1837), 461. e8 ) A l b e r t u s M a g n u s 2 0 Toledo. 4, 53. 55 (gegen Bruch) ; Urquell 2, 27; M a n z Sargans 57; S t o l l Zauberglauben 23 f.; F o s s e l Volksmedizin i n ; J a h n Hexenwesen 324. M ) F r o m m a n n De Fascinatione 1033. 10°) L a m m e r t 244; ZfVk. 8, 442 (Steiermark). 101) F o s s e l

274

102 Volksmedizin I3r. ) D r e c h s l e r 1, 90. ) V o n b u n Beiträge 127. 1M ) K u h n West105 falen 2, 205. ) K r ü g e r Mecklenburg 76. loe ) F o s s e l Volksmedizin 117. ,07 ) W a r t m a n n St. Gallen 69; ähnlich in England, wo das Zweigstück vergraben wird: FL. 20, 80. 108 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 18. lm) B a r t s c h Mecklenburg 2, 102. n o ) H a l t r i c h Siebenb. ul Sachsen 272. ) MschlesVk. 17, 35; anscheinend handelt es sich hier um einen „antikonzeptionellen" Zauber, da es an der gleichen Stelle auch vom H. heißt, daß die Frauen dessen Blüten von sich werfen, um kinderlos zu bleiben. ll2 ) R e i s e r Allgäu 2, 445. u 3 ) Ebd. 2, 444. 114 ) V o n b u n Beiträge 128; M a n n h a r d t 1, 19. 115 ) F o s s e l Volksmedizin 106. u e ) ZfVk. 8, 308. 117 ) F o g e l Pennsylvania 330; in Frankreich geschieht dasselbe mit dem Zweig einer Hunds118 rose: R o l l a n d Flore pop. 5, 242. ) Schull e r u s Pflanzen 357. 118) Jahresber. d. naturhist. 12 Ver. Passau 4 (1861), 155. °) M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 170. m ) Vgl. F r a z e r Balder 2, 84. 12ä ) W o l f f Scrutin, amulet, medic. 1690, n o f. 112. 221; S c h r o e d e r Mediz.-chym. Apotheke 1693, 1136; G r i m m Myth. 3, 352. 466; Alemannia 3, 173 (aus V ö l t e r Hebammenschul 1722); ZfdMyth. ι , 446; G o t t s c h e d Flora Prussica 1703, 242; H ö h n Volksheilkunde 1, 131; S c h u l l e r u s Pflanzen 357; A l b e r t u s M a g n u s 2 0 Toledo 4, 43. 123) S c h m e l l e r Bayr. 124 IVb.2 ι, 1084. ) Pfälz. Geschichtsbl. 4 (1908), 30; J ä c k e l Oberfranken 226; B a u e r n f e i n d Nordoberpfalz 23. 125) W i t z s c h e l Thüringen 2, 296. 12e ) W i r t h Pflanzen 30. 127) Ebd. 28; dagegen darf man ein Kind unter einem Jahr nicht unter einen H. stellen, sonst bekommt es „Hollersprossen" ebd. 13. 128 ) Branden129 burg 160. ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 40. 13 °) W i l d e Pfalz 107; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1862, 137. 131 ) Ebenso in Frankreich ( S é b i l l o t Folk-Lore 3, 379. 419; R o l l a n d Flore pop. 6, 281) und in der Tschechoslowakei (FL. 35, 44). 132) D r e c h s l e r I, 138. 103

) M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 48; ZföVk. 16, 92; J o h n Westböhmen 86. 226; Schramek Böhmerwald 159; A n d r i a n Altaussee 126. 134 ) P e t e r Österreichisch-Schlesien 2, 242 (das Gebäck muß beim Johannisfeuer verzehrt werden). 13s ) MnböhmExc. 20, 71 (muß unter der Feueresse verzehrt werden). 13e ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1862, 28. 137) W a l t i n g e r Bauernjahr im Niederbayerischen 1914, 13e 61. ) Bodenseebuch 2 (1915), 118. 138) Bereits bei A l b e r t u s M a g n u s De Vegetabilibus 6, 220; F r o m m a n n De Fascinatione 344; ferner M o s t Sympathie 161; Κ n o r m Pommern 145; M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 160; Veckenstedts Zs. ι , 436; H ö h n Volksheilkunde 1, 108; vgl. Schweiz.Id. 2, 1185 (im zu- oder abnehmenden Mond). 110) ZföVk. 7, 256: die Spulwürmer gehen durch den After bzw. den Mund ab. 141 ) D e m i t s c h Russ. Volksheilmittel 230. 142 ) H e n r i c i Volksheilmittel 6. 143) B e r g e n 144 Animal and Plantlore n o f . ) Henrici Volksheilmittel 6. 14i ) S m i t h M enomini In133

275

Holzäpfeltanz—Holzbock

dians 1923, 28. 14e ) B r o w n Pseudodoxia epidemica 1680, 548; R o l l a n d Flore pop. 9, 232. " ' ) S c h u l z Arzneipflanzen 1919, 282.

9. V e r s c h i e d e n e s . Zwischen 1 1 und 12 Uhr geborene Sonntagskinder können an jedem Sonntag u m dieselbe Zeit in einer blühenden Fliederlaube Geister sehen ( H a r z ) U 8 ) . Der H. zeigt einen Schatz a n 1 4 9 ) . W o H. steht, soll ein Schatz vergraben sein (Pfalz). In Kriegszeiten sollen die Leute Geld und Wertsachen darunter vergraben haben, weil der H. nicht zu vertreiben ist (siehe unter § 1) und so der Schatz wieder leicht gefunden werden kann l s o ). Der H. blüht in der Mitternachtsstunde der Christn a c h t 1 5 1 ) , vgl. E b e r e s c h e , Hopfen. Das Röhrlein von einem H., woran ein Bienenstock zum erstenmal geschwärmt hat, über der T ü r aufgehängt, bringt Glück152). Wächst ein H. unter der Mauer heraus, so bringt das G l ü c k 1 5 3 ) oder es gibt eine Leiche im H a u s 1 5 4 ) . Bei Vollmond sind die Äste des H.s mit Mark gefüllt, bei Neumond sind sie l e e r 1 5 5 ), das gleiche glaubt man von den Halmen der Binsen (s. i , 1333). Wenn eine Gans nicht ausbrüten will, verbrennt man H. im Ofen (siehe dagegen unter § 2 das Verbot, H. zu verbrennen!); wie hier die Rinde des H.s platzt, so platzen die Schalen der Gänseeier 1 5 e ). Das erste Badwasser des Kindes schüttet man an einen H., damit das K i n d kräftig wird und gut klettern lernt 1 5 7 ), oder damit die Zahngichtgeister ferngehalten werden 1 6 8 ). Schließlich erscheint der H. auch als Weltschlachtbaum 1 5 e ). "») ZfdMyth. 1, 200. ι ω ) G r a b e r Kärnten 121; V e r n a l eken Alpensagen 148 (Schatzschlüssel am H.). 15°) Originalmitt. v. Lehrer Müller, Oberweiler, BA. Kusel. m ) S c h u l lerus Pflanzen 100. 359; auch dänischer Aberglaube: F e i l b e r g Ordbog 4, 233. 1 H ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1862, 138; nach einem dänischen Aberglauben ist der H. besonders heilsam, der über Bienenstöcken wächst: lt3) G r i m m Myth. 2, 979. ZfVk. 20, 382. "*) Urquell 1, 8. 155 ) W a r t m a n n St. Gallen 70. 15 ·) W i r t h Tiere (1924) 18. " ' ) M e y e r Baden 1M) 17. Z i m m e r m a n n Pflanzt. Volksheil16 mittel 39. ») B i r l i n g e r Volksth. 1, 185; M ö l l e n h o f f Sagen 378 f.; M ü l l e r Siebenbürgen 58. Lit.: Α. A r n d t Der Holunder für den Wechsel in der Darstellung

als einer

Beispiel Pflanzt

276

im Laufe der Zeiten. Monatshefte f. d. naturwissensch. Unterricht 3 (1910), 537—550; J. L. H o l u b y Der Holler in der Volksmedizin und im Zauberglauben der Slovaken in Nordungarn. DbotMon. ι (1883), 68—70. 86—87; Ε. M. K r o n f e l d Flieder und H. In: Mitt. Deutsch. Dendrol. Gesellsch. 27 (1918), 209—228 ; M a r z e i l Heilpflanzen 188—193; I d a W e g n e r Der Holunder im ostfries. Volksglauben. Ostfriesland 1930, 135—137. Marzell.

Holzäpfeltanz. Ein Volksfest, das im nördlichen Baden, namentlich in einigen Orten der Umgegend von Heidelberg, a m Sonntag nach Mariä Himmelfahrt (15. August) begangen wird. A m Vorabend legen die Burschen ihren Mädchen als Zeichen der Einladung einige Holzäpfel vor das Fenster; die Mädchen schmücken die Hüte ihrer Tänzer mit Bändern, Blumen und Zitronen. E h e am Sonntag der Tanz beginnt, geht ein Mann mit einem Sack voll Holzäpfeln im Kreise umher und schüttet diese auf den Boden. Fängt der Tanz an, so wird dem ersten Tänzer ein Walnußzweig überreicht, der dann an den zweiten gelangt usw. Wer diesen Zweig in der Hand hat, wenn eine an einem B a u m befestigte und mit einer brennenden Lunte versehene Muskete losgeht, ist Sieger. E r erhält einen Hut, seine Tänzerin ein Paar Strümpfe. Das Fest soll aus einer alten Lehnsverbindlichkeit hervorgegangen sein 1 ). R e i n s b e r g Festjahr* 295 fi. Vgl. M e y e r Baden 190. Es gibt eine kolorierte Lithographie des H.es aus der 1. Hälfte des 19. Jhs. Ahnliche Unterbrechung des Huttanzes durch Entflammung von Pulver: B i r l i n g e r Volksth. 2, 285. Vgl. auch B r u n n e r Ostdeutsche Volksk. 232. Sartori.

Holzbock. I. O n o m a s t i s c h e s . Dieses zu den Milben gehörige Insekt (Ixodes ricinus) lebt auf Bäumen und Sträuchern oder auch im Grase der Wälder (daher seine franz.-dial. Namen bosquê, boscard, boscart)1), wo namentlich die Weibchen auf Säugetiere und Menschen lauern, u m sich an sie anzuheften und ihr Blut z u saugen. Der häufigste Name dieser Milbe ist Zecke, mnd. teke, holl. teek, engl, tick ; Franz. tique2) undital. zecca sind aus dem Germ, entlehnt 2a ). D a die Zecke oft auf Schafen zu finden ist, heißt sie berg. schôplûs „ S c h a f l a u s " s ) , schwed. Jaareteege „Schafzecke" 4 ). Neben „ H o l z b o c k "

2 77

Holzfräulein

kommt auch Laubbock vor (siegerl.) 6 ), als Mischform erweist sich westerw. teckebock6). Lat. ricinus lebt teils in einigen roman. Sprachen weiter '), teils wurde es durch Neubenennungen ersetzt wie Schweiz.-franz. lovet, levetta „Wölfchen" 8 ) (das tertium comparationis ist die Blutgier). Häufig sind in südfranz. Dialekten Benennungen nach der Heuschrecke 9 ), lat. locusta > Hacusta: ligaste, lingasto, lingasta, lagast, lagas10). R o l l a n d Faune 3, 250. 2) L e i t h ä u s e r Volkskundl. 2, 39. î a ) Z a n d t - C o r t e l y o u Insekten 113. 3) Ebd. *) H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiere 19. «) Ebd. «) ¡Ebd. ») M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 7300. 8) R o l l a n d Faune a. a. O. ») M e y e r - L ü b k e REWb. 5098. 10) R o l l a n d a. a. O.

2. V o l k s m e d i z i n . Der H. spielt im Aberglauben eine unwesentliche Rolle. E s ist nur ein volksmedizinischer Gebrauch zu verzeichnen, der darin besteht, daß das Insekt in Essig gesotten und damit bei Mundsehre und anderen Mundgeschwüren die Zunge gerieben wird, während man mit dem Essig die Gurgel ausspült 1 1 ). n)

B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 138. Riegler.

Holzfräulein, Holzweibel, Hulzfrau, Rüttelweiber, Waldweiblein, Lohjungfern, Moosleute, auch Buschweibchen λ ) (s. dd.) sind Dämonenfiguren primitivster A r t , meist, aber nicht durchaus, in ihrer Erscheinung an den Wald gebunden. Sie treten weniger in Rudeln und Völkern, als vielmehr vereinzelt und mit individuellen Merkmalen, oder paarweis auf. Ihr besonders typischer und primärer Hauptzug ist Verfolgung durch den wilden Jäger, Nachtjäger, Riesen, bösen Feind, Teufel 2 ) (s.Wilde Jagd), aber im übrigen unterscheiden sie sich kaum anders als dem Namen nach von anderen elbischen, zwergischen Wesen und sogen. Armen Seelen (s.d.). Diese immer wiederkehrenden Züge seien hier zu folgendem Bilde zusammengefaßt : sie sind alt, häßlich, zusammengeschrumpft, moosig, können sich aber gelegentlich in Schönheit verwandeln 4 ) ; sie sprechen eine fremde Sprache 5 ) und tragen altertümliche Kleidung (ältere Trachtenstücke) ·) ; sie lieben die Be-

278

rührung mit den Menschen, den Ackersleuten, Holzfällern etc., lassen gar ihre Säuglinge von Menschen frauen stillen ' ) ; sind aber äußerst empfindlich, unzufrieden mit der neuen Zeit und können leicht vertrieben werden: durch Kümmelbrot 8 ), durch Fluchen 9 ), dadurch daß neuerdings das Brot im Backofen g e z ä h l t w i r d 1 0 ) (Geiz), durch ein neues K l e i d 1 1 ) usw.; sie brauen Bier 12 ) und backen Kuchen 13 ) und geben davon gern den Ackersleuten; der Nebel ist ihr Küchenrauch " ) , sie sammeln Holz im W a l d 1 5 ), spinnen G a r n 1 6 ) (das Moos der Baumäste) und haben unerschöpfliche Garnknäuel 1 7 ) ; sie sind dankbar, gütig, helfen und beschenken z. B. mit Laub, das sich in Gold verwandelt 18 ), zuweilen unter Fluch verbot 1 β ), sie helfen in der bäuerlichen Wirtschaft 20) oder am Wochenbett 21 ), stehen gar Pate 21a ) ; sie wissen Heilmittel 2 2 ), sie sehen in die Zukunft 23 ) ; sie lassen sich über den Fluß führen 24) ; sie klemmen sich versehentlich ein und geraten so in Gefangenschaft 25) ; Steinvertiefungen rühren von ihnen her 2β) ; sie schrecken die Leute 27 ), hocken a u f 2 8 ) , führen irre 2 9 ); sie vertauschen oder rauben Neugeborne 30 ). Beim Flachsraufen, bei sonstiger Ernte, bei Mahlzeiten werden sie mit den letzten Büscheln, Halmen, Resten b e d a c h t 3 1 ) , drei Körner werden ihnen 3 a ) gestreut. Vor ihrem dämonischen Verfolger können sie nur durch ein Kreuzeszeichen oder den Namen Gottes gerettet werden, was sie meist nur dem Zufall verdanken 33 ). 1 ) Die Namen und weiteres s. Ε. H. M e y e r German. Mythol. 129; M a n n h a r d t r, 74; H ö f l e r Waldkult 44; S i m r o c k Mythol. 440; G r i m m Mythol. 1, 400; 2, 775 Anm. 1. 2) G r i m m Mythol. 2, 775; A l p e n b u r g Tirol 5 u. 29; Q u i t z m a n n Baiwaren 163; K ü h n a u Sagen 2, 158. 184. 175. 179. 163; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 149; H a u p t Lausitz 1, 43; K u h n und S c h w a r t z 427; M e i c h e Sagen 347 Nr.413; 344 Nr. 448. Nr. 447; S e e f r i e d - G u l g o w s k i Kaschubei 174 f. ; C a e s a r i u s von Heisterbach 131 f.; L i i t o l f Sagen 469; K ö h l e r Voigtland 458. 3) K ü h n a u Sagen 2, 174; M e i c h e Sagen 352 Nr. 461; E i s e l Voigtland 22; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 358. 366; M a n n h a r d t 1, 75. *) K ü h n a u Sagen 2, 194. ') M a n n h a r d t 1, 77; S c h ö n w e r t h 2, 362. ·) R e i s e r Allgäu 1, i n ; K ü h n a u Sagen 2, 184; K ö h l e r Voigtland 451. ') S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 370. ·) K ö h l e r Voigtland 453. 460; G r i m m Mythol. 3, 141.

279

Holzhetzer—Holzscheitorakel

') M a n n h a r d t 1 , 1 0 3 ; G r i m m Mythol. 3, 141. 10 ) G r o h m a n n 14; K ö h l e r Voigtland 454. 1 1 ) P a n z e r Beitr. 2, 160; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 379; vgl. sonst noch zum Vertreiben: B e c h s t e i n Thüringen 2, 126; J o h n Westböhmen 200; Müller Siebenbürgen ig; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 363. 364. 366. 12 ) K ö h l e r Voigtland 451. 13 ) E i s e l Voigtland 26 Nr. 49. 50; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 364; K ö h l e r Voigtland 457; B e c h s t e i n Thüringen 2, 97; K ü h n a u Sagen 2, 176; M e i c h e Sagen 353 Nr. 461. 1 4 ) K ü h n a u Sagen 2, 176; D r e c h s l e r 2, 162. 15 ) D r e c h s l e r 2, 163. 16 ) M a n n h a r d t 1, 76; P a n z e r Beitr. 2, 160; E i s e l Voigtland 25 Nr. 47; M e i c h e Sagen 342 Nr. 445; K ü h n a u Sagen 2, 182. 17 ) K ö h l e r Voigtland 453. l s ) B e c h s t e i n Thüringen 2, 118; D r e c h s l e r 2, 163; J o h n Westböhmen 200; K ü h n a u Sagen 2, 183. 174. 176. 194 ; M e i c h e Sagen 350 Nr. 457; 343 Nr. 445. 446; E i s e l Voigtland 26; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 360; K ö h l e r Voigtland 458. 453. l e ) K ü h n a u Sagen 2, 183. 20) M a n n h a r d t I, 103; J o h n Westböhmen 200. 21 ) V e r 21a) n a l e k e n Alpensagen 188 f. Kühnau 2a ) G r i m m Sagen 2, 194. Mythol. 3, 334; E i s e l Voigtland 24; P a n z e r Beitr. 2, 436; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 366. 23 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 364. 24) E n d t Sagen und Schwanke 194. 25 ) J e c k l i n Volkstümliches 457, 127; C o s q u i n 3; V o n b u n Vorarlberg 9. 10; d e r s . Beitr. 58; Ranke Volkssagen 178. 2 ') K ü h n a u Sagen 2, 181. 27 ) R e i s e r Allgäu i , 2β 2 i in. ) K ü h n a u Sagen 2, 174. ) John Westböhmen 267, 200; K ü h n a u Sagen 2, 198; 30 B i r l i n g e r Volkstümliches 1, 63. ) John Westböhmen 267; Köhler Voigtland 451. 31 ) M a n n h a r d t 1, 77 ft.; J o h n Westböhmen 189. 197. 200; S a r t o r i 2, 83. 106; 3, 113 f.; P a n z e r Beitr. 2, 160 f.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 360; G r i m m Mythol. 1, 359; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 378. 3a ) M a a c k Lübeck 69; S a r t o r i 3, 110. 33 ) K ö h l e r Voigtland 454 f., 458; P a n z e r Beitr. 2, 70. H. Naumann. H o l z h e t z e t s. w i l d e J a g d . H o l z h u n d erscheint in Hirtensegen des 15. Jhdts., hat aber vielleicht keine mythologische, sondern naturbeschreiben d-appellative Bedeutung, etwa Wildhund oder Wolf, wie das entsprechend bei Holzhuhn 2) der Fall ist. So G r i m m Mythol. 2, 1037; H ö f l e r Waldkult 36; H o c k e r Volksglaube 220. 2 ) S. d. bei A d e l u n g Wörterbuch 2, 1272. H. Naumann.

Holzscheitorakel. Unter diesem Stichwort kann man eine Anzahl volkstümlicher Methoden der Zukunftserkundung zusammenfassen, deren gemeinsames Kennzeichen darin besteht, daß zur Gewinnung von Vorzeichen Holzscheite, bisweilen auch Späne u. dgl. ver-

280

wendet werden. In den meisten Fällen handelt es sich darum, festzustellen, ob die Person, die diese Methode anwendet, auf baldige Hochzeit rechnen darf, und um die Beschaffenheit des zukünftigen Gemahls; das H. gehört also zu den Liebes- und Hochzeitsorakeln. Folgende Methoden sind die verbreitetsten : ι . Die befragende Person, meist ein Mädchen 1 ), zieht aufs Geratewohl aus einem Holzhaufen ein Scheit heraus. Aus dessen Beschaffenheit wird mit billiger Analogie auf den Zukünftigen geschlossen: ein tadelloses, gerades Stück bedeutet einen gerade gewachsenen, schönen und tüchtigen Mann, ein langes einen langen, ein krummes, knorriges einen krummen oder buckligen 2 ), ein mit Rinde versehenes einen reichen 3 ). Bisweilen werden besondere Verhaltungsmaßregeln vorgeschrieben, um das Verfahren wirksamer zu machen: Das Scheit muß von einem fremden Haufen genommen werden 4 ), die Handlung muß im D u n k e l n 5 ) oder mit verbundenen Augen 6) oder rücklings 7 ) vorgenommen werden. Nach einem alten Bericht zieht man in des Teufels Namen 8 ), nach einem neueren unter Anrufung der Dreieinigkeit 9 ). Namen für diese Methode sind ,, Scheiteziehen' 139· 1 M ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, IM 117. 118. 121. 219. ) H ö f l e r 1. c. 173. 1,s ) H ö h n Geburt 260 (H.essen in Krailsheim, H . u n d Schnaps bei T u t t l i n g e n ) ; H o v o r k a K r o n f e l d 2, 590; ü b e r h a u p t bei F r a u e n l e i d e n :

310

wenn die M u t t e r ansteigt, reibt m a n in Oberösterreich den Leib mit H . ein: H o v o r k a K r o n f e l d 2, 568; H ö f l e r 1. c. 20Γ (Kalbsgalle u n d H . ) . 264 (gegenMilchschmerzen). 1 , e ) S t e r n 1. c. 2, 301. 197 ) B r a u n s c h w e i g 1. c. 228. 1,e ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 94. 1 , e ) D e r s . 2, 113; H . reinigt die Galle: B r u e w e l 1. c. 492. 2) B o l t e - P o l i v k a ι , 470; 2, 501. '») Z f V k . 37, 119. 80) Vgl. K u r t T a u t Die Anfänge der Jagdmusik 58; ferner M a n n h a r d t Germ. Mythen 1 1 9 Anm. 4. 81 ) B o l t e - P o l i v k a 2, 501.

8. Andere Vorstellungen sind vereinzelt. So soll ein Wildpächter, nachdem er einmal wilderte, nach 11 Uhr nachts keinen Ton mehr aus seinem H. haben herausbringen können 82). In Cham soll der Hirte beim Austreiben nicht blasen dürfen: man glaubt, die Stadt stehe auf dem Schweife eines ungeheuren Fisches, der erschrecken und durch seine Bewegung die Stadt zerstören könnte 83 ). 82 ) P r ö h l e Harz 199 Nr. 203. w e r t h Oberpfalz 2, 179.

83 )

Schön-

9. Nach älterem Aberglauben meinten Leute, die in der Neujahrsnacht den Hirten nicht blasen hörten, sterben zu müssen 84). Aus dem Klange des zum neuen Jahr geblasenen H.s zogen namentlich die Juden Schlüsse auf die Zukunft 8 5 ) ; aus seinem hellen Klange Glück zu prophezeien, sollen nach Männling aber nicht allein die Juden in Übung gehabt haben86). M) Brevinus Norcius Fago-Villanus Den in vielen Stücken allzu abergläubischen 8S •Christen (1721 ) 295. ) K l i n g t das Schôfar nicht rein oder tritt eine Stockung ein beim Blasen, so weist dies auf kommende Seuchen, Hungersnot oder Pogrome hin : R e i k Probleme ββ ) der Religionswissenschaft I, 192. S. 213. Estnischer Abergl. : wer vor oder am Georgentage ein H . nüchtern hört, wird t a u b oder stirbt noch in diesem Jahre: B o e d e r Ehsten 85.

10. Hört ein Kranker im Traume T.n oder Posaunen blasen, so bedeutet es ihm den Tod, dem Knechte Befreiung vom Dienst, den in einen Streit Verwickelten Sieg. Hört man die Instrumente nur, so bedeutet es Trauer, sieht man sie nur, hat man Schrecken zu gewärtigen 87 ). 87) Traumbuch A r t e m i d o r i (Straßburg 1624) 166. Das L V I I . Capitel. Seemann.

Hornaffen. Dieses Gebäck wird mit artocopus oder colympha glossiert x) ;

nach Du Cange ist artocopus jede Art von feinem Gebäck 2 ), auch von colympha gilt dasselbe 3 ), beides sind Klostergebäcke. H. oder Hornachter heißen verschiedenartig geformte Gebäcke der Fastnachtszeit; es sind bald Spitzwecken, bald Brezeln, bald Kringel, vor allem aber haben sie Kipfform 4 ) (s. Kipf). Für Erfurt bezeugt Stieler bei Grimm: species spirarum mense Februarii Erfurti coctarum 5 ). Heute sind in Erfurt die H. oder Hornachter beliebt, runde mit Salz bestreute Ringe, die wie Butzenscheiben zusammengefügt sind 6 ). Am Nachmittag des ersten Pfingsttages verkaufen die Bardowicker bei der ältesten Kirche der Gegend die Räderkuchen ; diese sind rund, in der Mitte durchlocht und auf einer geschälten Weide aufgereiht; der Rand ist gezackt 7 ). Zu vergleichen die Fastenkringel in Königsberg, die ebenfalls aufgereiht sind 8 ), ebenso die Bretzeln an Lätare in Süddeutschland. In Mainz findet am Sonnwendtag die Batzenkuchenprozession statt, wobei die Teilnehmer einen kleinen Fladen bekommen 9 ). Beim Brunnenfest in Mühlhausen in Thüringen backt man die Brunnenflietzel, flache rautenförmige Kuchen 1 0 ). Am meisten kommt die Hörnchenform vor, besonders die Doppelhornform. In Krailsheim werden diese Doppelhömer zum Stadtfeiertag oder H. gebacken, zum Andenken an die Aufhebung der Belagerung von Krailsheim (2.2. 1380) u ) . Auch in Naumburg haben die H. Doppelkipfelform 12 ). Die H. in den wendischen Gegenden sind einfache Hörnchen 13 ), während in Hessen (Hofgeismar) die H. kranzförmige Kuchen sind 14 ). Daß das Gebäck sehr beliebt ist und war, zeigt der schwäbische Name Hornaffe 15 ). Ein in Bayern beliebtes Gebäck heißt Affenmund; den Namen deutet Höfler wohl richtig als „Affenmond", wegen der Mondsichelform l e ). Der Name Hornaffe ist wohl mit Osterwolf und Hooder Wowölfle zusammenzustellen, wobei der Name auf die Gebäckform gar nicht mehr paßt; so heißen auch Brezeln und Hennen Wo-wölfle (s. Howölfle). In den Hardtdörfern 17 ) bei Karlsruhe bekommen

339

Hornisse

die Mädchen an Weihnachten die bekannten „Dampetei", Gebildbrote in Menschengestalt (s. Gebildbrote § 10) ; die Buben erhalten m o n d f ö r m i g e Gebäcke; und in Dürenbüchig und Helmsheim bei Bretten heißen diese mondförmigen Gebäcke „Deier" eine Abkürzung von Dampetei 18 ). Bei den H . kann ursprünglich ein Gebäck in Koboldgestalt zugrunde liegen, die im Hornung gebacken wurde. Später nannte man auch die Kipfform H. wie in Baden die Bretzel Wo-wölfle ( ? ). *) G r i m m DWb. 4, 2, 1821; H ö f l e r Fastengebäcke 52 fi.; vgl. L o b e c k Aglaophamos 2, 1065. 2) I, 413fr. ») 2, 401. *) H ö f l e r I . e . ») G r i m m I . e . ; H ö f l e r 1. c. e ) H ö f l e r I . e . 53; AfAnthrop. N . F . 3, 107 Fig. 49. 7 ) Globus 87, 133; ZföVk. 16, 84. 8 ) AfAnthrop. N F . 3, 107 Nr. 49/50. ») ZföVk. 16, 85. »0)1. c. 91. 11 ) H ö f l e r 1. c. 52. 54. 1 2 } L e p s i u s Kleinere Schriften 1, 253; H o f i e r 1. c. 53. 1 3 ) Kloster 7, 137. 1 4 ) Niedersachsen 8, 94. 1 5 ) H ö f l e r 1. c. 52. « ) 1. c. 54 ff. " ) O c h s Wb. Zettelkatalog. le) Ders. Eckstein.

Hornisse. ι. Etymologisches. Mit geringen Ausnahmen sind die Namen dieses Insektes (vespa crabro) schallnachahmend 1 ). Neben Hornisse f. (pl. Hornissen) besteht H omis f., bayrisch auch m. 2 ), das auf ahd. hornaz (hurnuz, hurmtz), mhd. homiz (kornuz, hornûz) beruht 3 ). Die Anlehnung an „ H o r n " ist volksetymologisch: gleichsam wie mit einem Hörne trompetend 4 ). Hornisse hat zuweilen den Ton auf der zweiten Silbe (vgl. Forelle, lebéndig usw.). Ältere nhd. Formen sind zahlreich belegt 5 ). Von dialektischen Formen seien angeführt: vorarlb. hornus, tirol. hurnaus6), k ä m t , huriaßen, hudlaßen'1), gottscheeisch urlossen, urlotzen, urti, hurl8). Im Pfälzischen wird mit Hornessel, Horneß die Wespe (vespa vulgaris), mit „Wefze" umgekehrt die H. (vespa crabro) bezeichnet 8 a ). Engl, hornet beruht auf angels, hornut. Neubildungen liegen vor in ndd. patsîm „Pferdebiene", perdshornte9), per-haniken, pia-wesm „Pferdewespe", peersteker „Pferdestecher", nirgenmörder10.). Dem entspricht im Pfälzischen Neunlöter und Neunangler10a) (angel = Stachel; neun H.n bringen ein Pferd um). Schallnachahmend ist ndd. wispel11). Im Drauntal: Böses Flieg'l12).

340·

Auf Schallnachahmung beruhen auch die Namen der H . in den alten Sprachen : griech. τενθρήνη (vgl. dial.-franz., téréno,. Var 1 3 )), τενθρηδών, άνθρήνη, άνθρηδών, lat. crabro 14 ), woraus ital. calabrone mit zahllosen dialektischen Varianten 15 ). Vereinzelt volksetymologisch umgestaltet durch Einmischung von allegro : alegrón (Belluno) < alagron < calabroni). Volkskundlich interessant sind ital.-dial. Namen wie apu d'sant Antoni „Biene des h. Antonius'' (Lecce) " ) , scorpion (Rovereto; tertium comparationis : Stachel) 1 8 ), ammazzacavallu „Pferdetöter"), ammazza-somàri „Eseltöter" (Rom) 1 9 ), furciello e sani' Antuono „Ferkel des h. A n t o n " (Salerno) 20 ), mascio de la vespa „Männchen der W e s p e " (Triest) 21 ), malavespa (Foggia) 2 2 ) (Benennungen nach der Wespe auch in franz. Dial, häufig) 2 3 ), San Piero (Triest) 2 4 ), diau-mangiapei ,,Teufel-Birnenfresser' ' (Genova) 2 5 ), roseca-porte „Türennagerin" (Salerno) 2 6 ). Im Rumänischen hat sich Calabro (nem) in gärgäun26a) erhalten. Nach diesem wurden mit onomat. Stamme gebildet: bärzäun, bäzgäun, bádaon27). Franz. frelon (Nebenformen: fer Ion, frolon, frondon) ist nach S a i n é a n 2 8 ) ein ursprünglich provinzielles Wort, das nicht über das 16. Jahrh. hinausreicht. Die Etymologie frelon < fränk. hruslo29 ) wird daher von S a i n é a n abgelehnt 3 0 ). Merkwürdige franz.-dial. Neubildungen sind: drôle (Isère) 3 1 ), dard „ S t a c h e l " (Nièvre) 3 2 ), grand-père (Tourcoing), letzteres animistisch oder humoristisch 33 ). Im. Soldatenargot heißt die H. bruant „die Lärmende" 33a ). Nach der Biene ist die H. im Spanischen (abejarrón) und im Portugiesischen (abesouro) benannt 3 4 ). Folkloristisch besonders beachtenswert ist rum. dragictü „kleine Liebe" (Schmeichelname als Abwehrmittel) 34a ). Die Namen mit „ P f e r d " wie ndd. peersteker, ital.-dial. ammazza-cavallu (s. oben) beruhen auf der richtigen Beobachtung, daß die Pferde von H.n sehr gequält werden. Möglicherweise liegt auch in dem metathetischen cavaleron < calaveron (Rovereto) 36 ) eine Anspielung auf das Pferd (cavai {l)o) vor. 1) E d l i n g e r Tiernamen 58. a ) W e i g a n d H i r t DWb. Sp. 891. 3 ) a. a. O. 4 ) K e l l e r Antiha

341

Hornung—!•Horoskopje

Tierwelt 2, 434 f. 6 ) W e i g a n d - H i r t a. a. O. T o r r e Tiernamen ¡y, Schweizld. 2,1629. ' ) Carinthia 96, S. 60. 8) S a t t e r Tiernamen 21. 8a ) H e e g e r Tiernamen 2, 15. *) L e i t h a e u s e r VolkskundlichesΙ/ι, 16. 10 ) H a r t w i g Minden-Ra10a vensberg 40 f. ) H e e g e r a. a. O. u ) a . a . O . 12 ) D a l l a T o r r e 53. 13 ) R o l l a n d Faune 13, 50. 14 ) K e l l e r op. cit. 2, 434. 16 ) G a r b i n i Antroponimie 319—326. 1β ) op. cit. 320. 17 ) op. cit. 328. 1β ) op. cit. 329. l e ) op. cit. 330. 20) a. a. O. 21 ) op. cit. 330. 22 ) op. cit. 331. s3 ) R o l l a n d Faune 13, 50. 24) G a r b i n i op. cit. 331. 25) a . a . O . 2») a . a . O . 26a ) M e y e r L ü b k e REWb. Nr. 2293. 2 ') Rum. Jahresb. 12. 2e ) 155. S a i n é a n Etymologie française 2, 68 f. 29) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 4191. 30 ) S a i n é a n a . a . O . 31 ) R o l l a n d Faune 13, 48. 32 ) op. cit. 13, 50. 33 ) op. cit. 13, 51. 31 ) ä·3") E s n a u l t Le poilu 293. Rolland Faune a. a. O. M a ) Rum. Jahresb. 12, S. 123. 35 ) G a r b i n i op. cit. 321. e)Dalla

2. B i o l o g i s c h e s . Megenberg 3 6 ) hat, obwohl er die H. zu den Würmern rechnet, von ihrem Wesen eine ziemlich richtige Vorstellung. Nach den Gleichnissen Salomons entstehen H.n aus faulem Pferdefleisch 361 ). Im Märchen kommt ein H.nkönig vor 37 ). 36) Buch der Natur 255. 35a ) G r i m m 3, 202. 3T) W o l f Beiträge 2, 400.

Myth.

3. G e f ä h r l i c h k e i t . Weit verbreitet ist der Glaube von der Gefährlichkeit der H. In Tirol vermögen drei H.nstiche ein Pferd zu töten 38 ), in Minden-Ravensberg bringen sieben H.n ein Pferd u m 3 9 ) , ebenso in Brudzyn (Posen): Sieben H.n und ein Wolf fressen ein Pferd auf 3 9 a ). Im Jura macht eine einzige H. dem Menschen den Garaus, sieben werden mit einem Pferde fertig 40 ). Ähnlich in der HauteBretagne 40a ). In Oberösterreich bringen drei ein Kind, sechs einen Mann, neun ein Pferd u m 4 1 ) (Bezüglich des Pferdes vgl. die obigen Namen). Nach bretonischem Glauben reißt die H. beim Beißen ein Stück Fleisch mit. Kiefer wie Stachel gelten als gleich schädlich 41a ). A m besten tut der Mensch, wenn er vor dem Tiere flieht, wie die Schatzgräber im Allgäu und Luxemburgischen, die von einer H. verfolgt wurden 42 ). In Oberösterreich glaubt man an H.nbanner 43 ). 3e ) D a l l a T o r r e Tiernamen 53. 38 ) H a r t w i g Minden-Ravensberg 40 f. 39a ) K n o o p Tierwelt 15. «) S A V k . 41. «°b) S é b i l l o t FolkLore 3, 364. B a u m g a r t e n Heimat 1, 112. 41») S é b i l l o t a. a. O. 42 ) R e i s e r Allgäu ι , 251;

G r e d t Luxemburg 273; T o b l e r Epiphanie ") Baumgarten a.a.O.

342 ¡y.

4. N u t z e n . Eine H., in Stücke zerrissen und unter den Honig gemischt, soll die Bienen zum Ansetzen recht vieler Weiselzellen veranlassen 44 ). " ) Urquell 5, 22.

5. K r a n k h e i t s d ä m o n . Auf der ursprünglichen Vorstellung von ,,Gehirntierchen", die Geistesstörungen (Rausch, Wahnsinn) verursachen 4 5 ), beruht die südfranz. Redensart: A la testo pleno de graoule's, er hat den Kopf voll H.n, d. h. er hat „Grillen" 4 6 ). Ebenso rumän.: Are gdrgduntîn cap, er hat H.n im Kopf. A u c h : I-aü intrat g. în cap, es sind ihm H.n in den Kopf geflogen oder: Vmblä eu g. In cap, er geht mit H.n im Kopfe herum. Auch sagt man drohend: I-oiü scuturà eü g. din ureche, dem werde ich die H.n aus dem Ohre schütteln, d. h. die Flausen austreiben " ) . R i e g l e r Das Tier 266; W S . 7, 129 bis 135. R o l l a n d Faune 15, 53; W S . 7, 132 4 . 47) M a r i a n Insectele 213; W S . 7, 132.

4ε )

4S )

6. A b w e h r . Im Anhaltischen (Luso) steckt man eine tote H. in einen etwas aufgedrehten Strang des Pferde- oder Ochsengeschirres. So sucht man homöopathisch die H.n vom Zugvieh fern zu halten « ) . 48)

W i r t h Tiere 27.

7. In der Schweiz heißt ein S p i e l „Hornussen", bei dem eine Buchsbaumscheibe (der „ H o m u ß " ) miteinem Schläger (ähnlich dem Golf) weggeschleudert und von dem Gegner abgefangen wird 4 9 ). 4S)

Schwld. 2, 1629; H o f f m a n n - K r a y e r 86. Riegler.

Hornung s. F e b r u a r 2, 1274 ff. Horoskopie. A. M e t h o d i s c h e V o r b e m e r k u n g e n . Jeden überzeugten Astrologen muß es empören, wenn er in einem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens einen Artikel findet, der die Methoden des Horoskopstellens erläutert und in ihrer Wechselbeziehung zu der jeweiligen Höhe des mathematischen und astronomischen Wissens der Menschheit beschreibt. Denn für den Astrologen ist die Horoskop:? eine Wissenschaft wie Mathematik und Astronomie, auf denselben Gesetzen der

343

Horoskopie

344

Kausalität beruhend. Wenn wir der H. Menschheit weiterentwickelt bzw. beund also der Astrologie in d i e s e r Um- kämpft worden ist. Die Frage der Wissengebung ihren Platz anweisen, so bekennen schaftlichkeit der H. soll nach dem Stand wir damit unsere Zweifel an dem wissen- moderner Naturwissenschaft der Leser selbst beurteilen. Wir stellen hier daher schaftlichen Charakter der H. Zweifel an der Astrologie als Wissen- die Praxis der H., wenigstens der das schaft fordert die Definition dessen, was Menschenschicksal deutenden sog. Gesie ist. Uns scheint es hier notwendig, zu nethlialogie in einem geschichtlichen Abriß scheiden zwischen dem Glauben an die der H.methoden in ihren charakSterne und der auf Empirie und Analogie- teristischen Hauptepochen dar und beschlüssen beruhenden Deutung von Kon- handeln nacheinander 1. die babylonischstellationen. Für den letzteren Teil geben assyrische H., 2. die hellenistische H., wir dann den Wissenschaftscharakter zu, 3. die Abwandlungen des hellenistischen wenn uns Grundgesetze nachgewiesen wer- Systems durch die Araber, die Renaisden, auf denen die H. ruht, Grundgesetze, sance- und neuzeitlichen Astrologen, 4. die die sich aus dem Sternglauben ergeben als moderne H. Da die Wurzel der H.praxis richtige, dem prüfenden Verstand ein- die politische und meteorologische Proleuchtende Prämissen ähnlich den eukli- gnose ist, haben wir diese in unsere dischen Axiomen in der Mathematik. Betrachtung miteinbeziehen müssen. Auf Der erstere Teil aber ist als Äußerung die Darstellung der von den Araber- und eines religiösen Gefühls zu definieren, das Renaissanceastrologen so umfangreich ausauf dem Determinismus in der Welt geübten Katarchenh. muß, da zu speziell, hier verzichtet werden. beruht. Die Astrologie ist eine übernationale B. Beschreibung der Methoden Angelegenheit. Wenn trotzdem in einem der H. Lexikon des deutschen Aberglaubens ι. B a b y l o n i s c h - a s s y r i s c h e H. über sie geschrieben wird, so hat das a) Vorbemerkungen. Mit babylonischer einen besonderen Grund: vom 11.—16. H. bezeichneten die griechischen und römiJh. ist nämlich die Masse der astrolo- schen Schriftsteller vielfach ein System, gischen Deutungsregeln zu einem wesent- dessen charakteristischer Zug eine belichen Bestandteil gerade des deutschen stimmte Ordnung der Planeten ist; in Volksglaubens geworden. Es wird also ihm stehen sie in der Reihenfolge : C ( Mond) ein mal über die Bedingungen der astrolo- $ (Merkur) $ (Venus) ©(Sonne) ¿"(Mars) gischen Lehren, die den Volksglauben sich 2J. (Jupiter) 1? (Saturn), die Sonne ist in ihnen nähern lassen, zu reden sein, dann der Mitte. Dieses „System" stand für die aber bedarf es auch historischer Aus- Alten im Gegensatz zu dem ägyptischen, führungen über die Geschichte der Astro- das erst