Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 6 Mauer - Pflugbrot [Reprint 2011 ed.] 9783110840100, 9783110065947


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Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 6 Mauer - Pflugbrot [Reprint 2011 ed.]
 9783110840100, 9783110065947

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HANDWÖRTERBÜCHER ZUR

DEUTSCHEN

VOLKSKUNDE HERAUSGEGEBEN VOM VERBAND DEUTSCHER V E R E I N E F Ü R VOLKSKUNDE

ABTEILUNG I

ABERGLAUBE

BERLIN

UND LEIPZIG

1934/1935

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. VORMALS C. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J . GUTTENTAG, VERLAGSBÜCHHANDLUNG - GEORG R E I H E R · K A R L J . T R Ü B N E R • V E I T à COMP.

HANDWÖRTERBUCH DES DEUTSCHEN ABERGLAUBENS HERAUSGEGEBEN UNTER B E S O N D E R E R M I T W I R K U N G VON

E. H O F F M A N N - K R A Y E R UND MITARBEIT ZAHLREICHER FACHGENOSSEN VON

HANNS B Ä C H T O L D - S T Ä U B L I

BAND VI

BERLIN

UND LEIPZIG

1934/1935

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J . GÖSCH EN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG · GEORG R E I M E R . K A R L J . T R Ü B N E R - V E I T & COMP.

Copyright 1935 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp. Berlin und Leipzig.

Archiv-Nr. 46 02 35 Druck von Walter de Gruyter Ä Co , Berlin W 10

M. Mauet s. Nachtrag. Mauerassel s. A s s e l . Mauerpfeffer (Sedum-Arten). ι. Botanisches. Der scharfe M. (S. acre) kennzeichnet sich durch seine dicht aneinandergereihten, fleischigen, walzenförmigen Blätter als ein Bewohner trockener Standorte (Felsen, Mauern, Kiesboden). Die sternförmigen Blüten sind gelb. Seltener ist der weiße M. (S. album) *). 1)

Marzell

Kräuterbuch

302 f.

2. In katholischen Gegenden, besonders in Süddeutschland, läßt man an Fronleichnam (bzw. am Schluß der Fronleichnamsoktave) Kränzlein aus M., die „Antlaßkranzerln" des Altbayern 2 ), weihen, die dann im Hause gegen allerlei Unheil aufbewahrt werden 3 ), s. auch Quendel. Bei Gewitter wird ein solches Kränzchen gegen das Einschlagen des Blitzes verbrannt 4). Wenn im Sommer die Milch zusammengeht, so legt man ein geweihtes Kränzchen ins Sieb und seiht die Milch durch. Will die Butter nicht zusammenhalten, so legt man ein Stück von dem Kränzchen ins Butterfaß 5 ). Im Schwäbischen wurden die vor dem Blitz schützenden Kränzchen am Himmelfahrtstag gebunden e ), s. auch Katzenpfötchen. In Altbayern wird der M. als Schutz gegen Blitzgefahr auf Scheunen und Hausdächern gezogen 7 ), vgl. die verwandte Hauswurz. Auch als Bestandteil eines „Hexenrauches" zur Vertreibung von Unholdinnen wird der M. genannt e ). In der Prov. Posen beräuchert man die geschwollenen Euter der Kühe mit Μ . e ) . *) S c h m e l l e r BayWb. i , 1377. 8 ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 3 7 ! ; L e o p r e c h t i n g Lechrain 187; M a r t i n u. L i e n h a r t Elsäss. Wb. I, 531. 4 ) Mein Elsaßland 1 (1921), 169. 6 ) S e e f r i e d - G u l g o w s k i 176. ·) T h i e r e r Ortsgesch. von Gussenstadt 1 (1912), 252; vgl. auch Blcbtold-Stiubli,

Aberglaube V I

B o h n e n b e r g e r 112. ') S t r o b l Alt bay r. Feiertäg 1927,45. e ) Oberbayr. Archiv 41 (1882), 149. ·) T e i c h e r t in Milch-Zeitung, L e i p z . 1903; ebenso in Galizien: H o e l z l Galizien 155,

3. In der S y m p a t h i e m e d i z i n ist der M. (wohl wegen der gelben Blütenfarbe) ein Mittel gegen Gelbsucht 10 ) r vgl. Schellkraut. Der in ein Tuch genähte M. wird Kindern bei Augenmalen um den Hals oder auf die Brust gelegt u ) , vgl. das ebenfalls gelb blühende Habichtskraut. Als „Widertat" (Bezeichnung für hexenabwehrende Pflanzen, s. Widerton) findet der M. bei Hühnerkrankheiten Anwendung 12 ). Ein altes Mittel der „gelehrten" Sympathie ist es, bei Fieber den M. als Amulett neun Tage an den Hals zu hängen 1 3 ). 10 )

O s i a n d e r Volksarzney mittel* 1838, 271. Unsere Heimat. Schlüchtern 12 (1920), 67. ls) " ) U l r i c h Volksbotanik 40. Schroeder Apotheke 1693, 1179. ll)

4. Wie die nahverwandte Fetthenne (s. d.) dient auch der M. wegen seiner Langlebigkeit als Orakelkraut. Der an einem Faden an der Stubendecke aufgehängte M. verkündet durch sein Weiterblühen, daß der Kranke genesen wird; wird aber die Pflanze dürr, so stirbt er 1 4 ). In Siebenbürgen bindet man einige Büschel M. zusammen und hängt sie zwischen Weihnacht und Dreikönig an einem Nagel am Querbalken der Stube auf. Bleibt die Pflanze frisch, so geht der dabei gedachte Wunsch in Erfüllung 15 ). Beim Flachsbrechen stecken die heiratslustigen Mädchen den als „Freikraut" oder „Schatzkraut" bezeichneten weißen M. in den Ärmel, oder sie tragen ihn im Schuh; der erste unverheiratete Mann, der ihnen dann naht, ist der Zukünftige 1 β ), vgl. Erdrauch. 14 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 291. u ) Schull e r u s Pflanzen 96. l e ) H e ß l e r Hessen 2 , 3 2 7 ; ZfdMda. 1918, 140. Marzell.

3

Mauerraute—Maulwurf

Mauerraute (Asplenum ruta muraria). Klemer Farn (s. d.) mit zwei- bis dreifach gefiederten Wedeln, nicht selten an Mauern und Felsen 1 ). In manchen Gegenden 2) gilt die M. als der geheimnisvolle, zauberwidrige „Widerton" (Widertod), s. d. In Niederösterreich wird die M. als „Stoanneidkraut" gegen das Verneiden des Viehes gebraucht 3 ), in Mittelfranken gibt man drei „Neidkrautblätter" (Blätter der M.) den Kühen, die zum erstenmal auf die Weide kommen 4 ). Auch die alten Kräuterbücher 6 ) erwähnen die M. als hexenabwehrend. Ein Säcklein mit „Mür-rute", auf der Brust getragen, soll die Augen schützen e ), vgl. Augentrost, Habichtskraut, Mauerpfeffer. Die slovakischen Mädchen gebrauchen die M. als magisches Aphrodisiakum '), andererseits wird aber die M. als Bestandteil eines Rezeptes, „so man einem Lieb zu essen gegeben hat", genannt 8 ). l) M a r z e i l 2 ) Z. B. Kräuterbuch 318 f. Kärnten: Z f V k . 24, 15. s ) H ö f e r u. K r o n f e l d Volksnam. d. niederösterr. Pflanzen 1889, 16. 6 ) Z. B. *) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 204. B o c k Kreuterbuch 1539, 159Γ.; F u c h s Kreuterbuch 1543 cap. 280; vgl. Z f V k . 24, 15; 3 (1931), 165. ·) Schweizld. 6, 1798. 7) H o v o r k a u. e) K r o n f e l d i, 132. Hildebrand Kunstbüchlein 1615, 120 f. Marzell.

Maultier. Als Heimat der Maultierzucht (Kreuzung von Esel und Pferdestute) gilt das pontische Kleinasien. Von hier gelangte sie schon in vorhomerischer Zeit zu den Griechen und später über die Römer zu den Deutschen: ahd. mûl aus lat. mülus, letzteres wahrscheinlich aus *mus-lo „mysisches Tier" 1 ). D a das Maultier und auch der M a u l e s e l (Kreuzungsprodukt von Hengst und Eselin) unfruchtbar sind — Ausnahmen werden nur sehr selten beobachtet — , werden Kot, Schweiß, Räucherungen mit Hufteilen als unfruchtbar machende Mittel benützt 2 ), auch als Heilmittel gegen zu starke Menstruation 3 ). Mit letzterem Umstand hängt es wohl zusammen, daß das M. bei den Griechen der Mondgöttin Selene geweiht war 4 ). Nach Plinius vergeht dem die Lust zum Beischlaf, der sich Staub, in dem sich eine Mauleselin gewälzt hat, auf den Bauch streut s ).

4

In der deutschen V o l k s m e d i z i n wird der Schaum des Maulesels als Mittel gegen Keuchen und Atemnot verwendet e ), während Maultierkot, in Honigessig getrunken, Milzstechen lindert 7 ). Im A n g a n g ist das M. im allgemeinen unglückbringend; die Sage, daß Maultiere bei der Gründung des Klosters Maulbronn wegweisend auftraten 8 ), ist wohl in der Volksetymologie begründet. *) S c h r ä d e r Reallexikon 533. *) J ü h l i n g Tiere 280. 341. 3 ) H ö f l e r Organotherapie 106. 4) Ebd. 106. l) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 168; S e l i g m a n n Blick 2, 126. ·) J ü h l i n g 343. ') Ebd. 8) G r i m m Myth. 3, 329; H o p f Tierorakel 30.32.75. Schneeweis.

Maultrommel. Das Instrument 1 ) spielt eine Rolle im Liebeszauber. So soll nach der Volksmeinung des Salzkammergutes kein Mädchen seinen Tönen widerstehen können, weshalb das M.spiel wiederholt von den Behörden verboten worden sei 2 ). Die Phantasie der Alpenbevölkerung beschäftigt sich außerdem in Sagen mit dem Instrument: ein Jäger soll einst einen „ B u t z " beobachtet haben, wie er in Gestalt einer schwarzen Katze die M. spielte 3) ; man erzählt ferner von einem Bauern, den das Nachtvolk die M. so lustig und zierlich spielen lehren wollte, daß sämtliche Tannenzapfen danach tanzen würden 4 ). !) Über das Instrument vgl. C u r t Sachs Die M. Eine typologische Vorstudie, ZfEthn. 1917, 185—200; D e r s . Geist u. Werden der l) Musikinstrumente 91 f. 108. 211 fi. 230. K a r l M. K l i e r Volkstümliche Querflöten und die M. in den österr. Alpen. Beethoven-Zentenarfeier (Wien 1927), 377. 3 ) V o n b u n Beiträge 77. 4) Ebd. 3 f. = Sagena 31 f. = F r o m m a n n Mundarten 6, 155. Seemann.

Maulwurf. ι . O n o m a s t i s c h e s . M a u l w u r f (talpa europaea) ist eine volksetymologische Umgestaltung von ahd. mû-w'érf. Der erste Teil ist identisch mit altengl. mûga, mûwa „Hügel", „Haufen", mû-w'èrf ist also das Tier, welches Erdhaufen aufwirft *). Hiermit vergleicht sich altengl. wande-weorpe „Wandwerfer" a ). Hierzu stellt sich westf. wandgör 3 ). Schon im Ii. Jahrh. treten Umgestaltungen auf. Das unverständlich gewordene mû wird durch ahd. molta, moli „ Staub, Erde"

5

6

Maulwurf

ersetzt: molt-mult-wêrf (vgl. ndd. moldnoer-p, dän. muld-varp, schwed. mullvad)4). Vgl. in den Reichenauer Glossen talpus: muli qui terram effodiunt5). Die Formvariationen im Mhd. sind zahlreich: mûwërf, mûlwurf (>nhd. maulwurf), mûlwëlf, midwërf, \ mûrwërf, moltwërf, moltwërfe, moltworf, multworf, moltworm, multwurme). Von modern-dial. Formen seien angeführt: a) hoch- und mitteldeutsch: tirol. molt•wurf7), pfälz. maulwelfer, mauerwolf, morwolf, maulgänger, maullämper (zu mhd. lampen = „lahm gehen" > „träge gehen"), schwäb. mau(l)werfer, auweriel, auswürfet 8) (weitere schwäb. Namen bei Fischer) schles.: môtwurf, môtwulf, mondwurf, molkewurf10), lothr. mûrwolf > mauerwolf, mulwurf, mulwerfer, maulwolf u ) , luxemb. mauläf12). b) niederdeutsch : mulworp, molwurp (vgl. wurp > savoy, vorpa „M.") 1 3 ), mulwarp 14), mullworm15), murrworm16) (über Bildungen mit wurm als zweitem Glied vgl. Frings 1 7 )), wennworp (wenn = Wiese), winnworp, windworp18) (ähnliche Formen bei Bartsch 1 9 ), Strackerjan 2 0 ), worunter bemerkenswert münsterländ. hundewarp), wannewurp, wannerup, wannewaup, wainwarp, wintwuap 21) ; mutworm, moltrof, mülter, molpert (bergisch) 22). Unter den Zusammensetzungen mit wurm {worm) seien noch erwähnt: busselworm, boosworm, raffelworm, wimmworm, windworm, wöhlworm23). Häufig sind im Ndd. die Kurzformen : moll, mull, molt24) (Vgl. neuengl. mole gegenüber mittelengl. moldwerp 25)). Wird in diesen Namen der M. mit größerer oder geringerer Deutlichkeit als „Erdaufwerfer" bezeichnet, so erscheint er in folgenden Namen als „Wühler". So im Drautal. wüelischer, im Mölltal: wüelsger26), in Luserna: wüeler27), ebenso in Gottschee: buelschnar (buelen = wühlen)28). Entsprechend ndd. (Mecklenb.): wöhler, mullwöhler, mullwöller, murweller, wöhlworm, Peter wöhlmann29). Auch fries, frote, frôte bedeuten „Wühler" 30 ) (Dunkel ist westf. goer, güer, guert31)). .Zusammensetzungen mit „Erde", dem Element des Tieres, sind im Bergischen

häufig: erdmol, erdman, erdhonk (honk — hund), erdworf, erdhol,, erdhöler32). Auf seine erdaufwerfende Tätigkeit spielen auch an franz.-dial. (Besançon): bousson, boussot, bousserot usw. zu afranz. bocer „einen Höcker bilden" (vgl. neufrz. bosse)33). Walion. fouan < lat. fodentem M ) bezeichnet den M. als „Gräber" **). Auch ital. Namen gehören semantisch hierher, so istr. rumatera36) „Erdwühler", triest. scavatera M ) „Erdaushöhler", udin. rumola37) (zum Schallwort rum39)), rufola39) (Grosseto) zu rufolare „wühlen". Personifizierend : araturu = Pflüger (Lecce) «J. Vgl. kämt, scharbl „M." zu (Pflugschar) 41 ). Umgekehrt heißt der Pflug in H.-Savoie darbo = M. 42). Eine vorzugsweise alemannische Bezeichnung des M.s ist scherr. So heißt er z. B. in Vorarlberg43) scher (r) < ahd. skëro zu skërran = mhd. schërren = „scharren, „kratzen", „graben" M ). Hieher auch das schon oben erwähnte scharbl (Kärnten: Lavanttal). Vgl. griech. σ-κάλ-οψ „M.", verwandt mit lat. scalpo „scharre" 4S ). Neben „Scher" kommt verdeutlichendes Schermaus vor, das sowohl den M. als auch die Feldmaus bezeichnet. — Vereinzelt findet sich schles. schliffet4e) zu „schliefen". Benennungen nach anderen Tieren sind häufig. So namentlich nach der Maus. Bei den Arabern gilt der M. als „blinde Maus, die unter der Erde lebt" 47 ). Schürr 48 ) hat gezeigt, wie im Romanischen bald der M. nach der Maus (Ratte), bald diese nach jenem benannt wird. Vgl. namentlich tosk. topo < lat. talpa. Uber die zahlreichen Varianten von talpa vgl. Garbini 49 ). Benennungen nach der Maus auch im Deutschen. So heißt in Gossenstadt-Heidenheim der M. schiebmaus50), im Bergischen wöhlmüs „Wühlmaus"®1). Vgl. auch die indogerm. Gleichung altslav. krt ,,M." = litauisch kert-us „Spitzmaus" S2 ). Beachtenswert venez, pantegana < neugriech. ποντικός, womit nach Heldreich s s ) kollektiv alle Arten von Ratten und Mäusen bezeichnet werden. Nach der Ratte wird der M. auch im Türkischen und Chinesischen benannt M ). Benennungen nach anderen Tieren: berg.

I*

Maulwurf

7

siz. marmuttedda „Murmeltierchen" (Messina) M ) prov. dormioné „Siebenschläfer" S7), friaul. jareo „Schwein" 58 ). Auffallend gaskon. buhun „Kröte" < lat. bufonem69 ) und (Perugia) taragnala terragnolaβ0). (Scherzhafter Vergleich mit der in den Ackerfurchen nistenden Feldlerche61)). — Auf nicht geklärte mythische Beziehungen spielen an die sonderbaren Namen ital. patrefündaco (Lecce) „Vater der Ratte" e 2 ) und siz. erdhund5B),

sòcira

da

„Schwiegermutter

serpi"

der

Schlangen" 83 ). Vgl. auch J a b e r g - J u d A J S Karte 447. Ein Charakteristikum des M.s ist der von ihm aufgeworfene Erdhügel. Der Hügel ist das Sichtbare, das Tier sieht man selten. Daher steht der Name des Hügels für den M. So heißt ζ. B. in Maastricht der M. moutheuvelβ4). In Italien tritt in vielen Gegenden tapanara (tupanara, topanara) „M.hügel" für „M." ein *5). Bemerkenswert aromun. ntusuronü „Ameisenhaufe" > „M.hügel" > „M." «>). Auf die angebliche Blindheit oder das schlechte Sehvermögen des Tieres beziehen sich: nassau. schei, scheler®7), ferner ital. cicòrbela (Perugia) = caeca 4orba ·*), gatta-ceca „blinde Katze" (Pesaro) ··), tiflopòndico, titropòndico „blinde Ratte" (Lecce) 70). Volkstümliche Scheit- und Scherznamen des M.s liegen aus Mecklenburg v o r 7 1 ) : de oll mullworm, — toll), de oll mussworm,

de dull de oll

m. (dull pussw.72).

Häufig sind imperative Bildungen z. B. : Kratz in de schiet (Scheiße)73), kruup achter'η tuun

74

) „kriech' hinter den Zaun", 7S

kruup in'-t lock ) „kriech' ins Loch". 1 ) Palander Ahd. Tiernamen 26. a) S c h r ä der Reallex. 534 f. 3 ) Woeste Wb. *) P a lander op. cit. 27. s ) S c h r ä d e r a. a. O. ·) Palander a.a.O. ') D a l l a Torre Tiernamen 64. ·) Höhn Tod 308. ·) Schwäbisches Wb. ι, 545. 10 ) Drechsler 2, 232. l l ) F r i n g s Beiträge 214. l a ) a.a.O. 1 3 ) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 5652. " ) B a r t s c h Mecklenburg 15 2 I . 75) Ebd. 16 ) Wossidlo Mecklenburg 2, 336. " ) Beiträge 226 f. " ) Wossidlo a. a. O. l ·) B a r t s c h a. a. Ο. ao) S t r a c k e r j a n 2 , 1 5 0 . " ) S a r t o r i Westfalen 48. " ) L e i t h a e u s e r t3 Volkskundliches 1/1, S. 23 f. ) Wossidlo op. cit. 2, 336. M ) Leithaeuser a. a. O.; W o s -

8

a5 sidlo a.a.O.; Ostfrjb. 1, 89. ) Riegler Tier 13. «·) Carinthia 96, 66. a ') Dalla T o r r e ae Tiernamen 64 f. ) S a t t e r Gottscheer Tiernamen 20. *») Wossidlo a.a.O. »>) Ostfrjb. 31 1, 89. ) Sartori Westfalen 48. 3a ) F r i n g s Beiträge 225 aff . 33 ) S c h u r r in ZfrPh. 47, 509. M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 3401. » ) Rolland Faune 7, 9; S c h ü r r in ZfrPh. 47, 508. 3e ) Garbini Antroponimie 939. 3 ') Ebd.; vgl. 38 port, eseavaterra. ) Garbini op. cit. 939. 3Í ) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 7434; Bertoni 40 in ARom. 2, 80. ) Garbini op. cit. 941· 4 1 ) 42 Carinthia 96, 64. ) Wartburg EFWb. 43 2, 14. ) Dalla Torre Tiernamen 64 f. 45 **) Palander op. cit. 28. ) Edlinger 4e Tiernamen 74 f. ) Drechsler 2, 232. 47 ω ) Rosenmüiler Naturgeschichte 226. ) op. cit. 500 ff. 4 ·) op. cit. 927 ff. t0 ) Höhn 51 Tod 308. ) Leithaeuser op. cit. 1/1, 2 3 ! 6a ) E d l i n g e r op. cit. 7 4 ! 53 ) Faune de Grèce M 13. ) E d l i n g e r a.a.O. 55 ) L e i t h a e u s e r a.a.O. «·) Garbini op. cit. 943. " ) Sébillot Folk-Lore 3, 13. " ) Garbini op. cit. 941. «·) M e y e r - L ü b k e Ä£W6.Nr. 1374; Schürr op. ,0 cit. 47, 509. ) Garbini op. cit. 943; MeyerL ü b k e op. cit. Nr. 8670. β1 ) Schürr a . a . O . ,a β3 ) Garbini op. cit. 942. ) op. cit. 943. ,4 ) F r i n g s op. cit. 216. , 5 ) Garbini op. cit. 928ff.; S c h ü r r op. cit. 47, 5 0 1 ! " ) Hiecke Tiernamen 124. ·') F r i n g s op. cit. 225. ω ) Garbini op. cit. 943. «·) Ebd. 70) op. cit. 942. " ) Wossidlo op. cit. II/i S. 5. n ) Freie BUdungen nach Wossidlo (briefl.). , 3 ) Wossidlo op. cit. 8. ' 4 ) op. cit. 72. 75 ) op. cit. 5.

2. Biologisches: Schon oben sahen wir, daß gewisse volkstüml. M.namen das Tier als blind bezeichnen. Die sehr kleinen Augen sind gänzlich in dem dichten Pelz verborgen. In noch höherem Grade macht der südeuropäische M. (talpa caeca) den Eindruck der Blindheit. Bei diesem sind die Augenlider so geschlossen, daß sie nur mikroskopische Öffnungen zeigen 7e). Schon im Altertum galt der M. als blind (Aristoteles). Vgl. die altgriech. Redensart: τυφλότερο; απάλαχοί „blinder als der M." 77). Der M. wird vom Volke nicht selten mit dem zu den Nagetieren gehörigen Blindmoll (spalax typhlus) verwechselt, dessen Sinnesorgane tatsächlich stark verkümmert sind. So bezeichnet neugriech. τυφλοπόντικας sowohl den M. als auch den Blindmoll. Im Mittelalter glaubte man, der M. habe keine Augen oder könne sie nicht gebrauchen, weil sein Fell sie verdecke. Vgl. Brunetto L a t i n i Li livres dou trésor (Paris 1863) zitiert bei Wü-

9

Maulwurf

s t e r 7 8 ) . Auch heute noch gilt der M. allgemein als blind 7 9 ). Dieser Volksglaube findet in der Phraseologie ein Echo. Vgl. ζ. B. engl, mole-eyed, blind as a mole80), fläm. zoo blind als een mol, molblind81 ). Franz. heißt es: il ne voit pas -plus clair qu'une taupe, ital. : cieco come una talpa 82). Die Blindheit des M.s gilt als übertragbar. Wer den M. ansieht, wird selbst blind 8 3 ). Eine südfranzösische Sage erklärt den Verlust des Augenlichtes beim M. Dieser habe seine Augen der Kröte geborgt und dafür von ihr ihren Schweif geliehen erhalten. D a indes die Kröte an eine Rückgabe der Augen nicht dachte, so ist seither der M. blind, die Kröte schwanzlos 84). Zufolge einer anderen Version hat die Kröte dem M. in die Augen gepißt und ihn so geblendet 85 ). — Nach einer Art Kompensationsgesetz schreibt das Volk dem M. ein feines Gehör zu. P l i n i u s (n. h. X 191) ging so weit zu behaupten, er verstehe die menschliche Sprache 86 ). Es hieß, er höre so scharf, daß er gut vernehme, wenn menschliche Feinde über seinem Bau miteinander von ihm sprechen; sei von ihm die Rede, mache er sich sofort auf die Flucht 8 7 ). Auch im Mittelalter glaubte man, sein Gehör sei besonders gut ausgebildet (Best. Pierre III, S. 274, Best, d'amour S. 19 zitiert bei W ü s t e r ) 8 8 ) . Heute sagt man noch im Franz. entendre clair comme une taupe 8β), hiezu heißt es in auffallendem Gegensatz im Ital. : sordo come una talpa. Die unterirdische Existenz des M.s, sein Wühlen in der Erde rief bei den Alten (Oppian cyn. II 612) den Glauben hervor, er sei von selbst aus der Erde hervorgegangen 9 0 ). M e g e n b e r g 9 1 ) hat diesen Volksglauben aufgenommen und berichtet, der M. entstehe aus „fauler, kotiger" Erde und nähre sich auch von „verrotteter" Erde. Ähnliches berichtet der Bestiaire d'amour 20 82 ). In Schleswig-Holstein schreibt man dem M. „edle A b k u n f t " ·*), in Oberösterreich ein zähes Leben z u 9 1 ) . Obwohl der M. als Raubtier Pflanzenstoffe nicht anrührt, beschuldigt man ihn schon im Altertum des Fressens von Wurzeln 9 6 ). Dieser Irrglaube hat sich

IO

durch das Mittelalter 9 e ) bis in die Gegenwart fortgesetzt 9 7 ). Der M. galt daher seit jeher als schädliches Tier. Auch die nachteiligen Wirkungen seiner Wühltätigkeit wurden stark übertrieben. Nach P l i n i u s verschuldete diese sogar den Einsturz von Städten 98). Allerdings gab es im alten Griechenland Gegenden, in denen man eine richtigere Vorstellung vom Wesen des Tieres hatte und es als nützlich g a l t " ) . Mit dem Wahn von der großen Schädlichkeit des M.s hängt dessen erbarmungslose Verfolgung zusammen. Schon im Avesta wird die Tötung des Tieres empfohlen, und dem Talmud gilt der M. für so schädlich, daß er sogar an Mittelfeiertagen getötet werden darf 1 0 0 ). Auch heute noch herrscht im Landvolk die Meinung, der M. dürfe auf keinen Fall geschont werden 1 0 1 ). Deswegen hat der M.fang seit jeher eine große Rolle gespielt. E s gab schon früh berufsmäßige M.fänger 102 ). Der M.fang gilt heute noch in einigen Gegenden, ζ. B. im Eisenztale in Baden, als Geheimkunst 103 ). In Oberösterreich 104) heißt es, M.e müßten „zwischen Frauentagen" gefangen werden. Die unterirdisch-geheimnisvolle Tätigkeit des M.s hat die Phantasie des Volkes mächtig angeregt. In Reimen und Rätseln beschäftigt es sich mit ihm. Hier zwei Beispiele aus dem Niederdeutschen: En swart kläit drioeg' t'A, In huäl-lant dà unten ih'.

(Huäl-lant „hohles Land", Wortspiel mit „Holland" 105 )). Achter unsren Hus', Dor want de Peter Krus'. He hett nich Spaden, he hett nich Staken, Un kann doch sin Hus wol maken1M).

Der M. gilt als geheimnisvolles Tier 1 O T ), das nur ungern an die Erdoberfläche kommt. Tut er es doch, von Durst getrieben, so findet er nach mittelalterlichem Glauben nicht mehr zurück 1 0 ·). Nach flämischem Volksglauben kommen die M.e fünf Tage vor und fünf Tage nach St. Johann aus ihren Gängen und finden schwer mehr zurück. Während dieser Zeit gelten sie als verrückt. Hierauf beruht die flämische Redensart: dolen lijk de moUen rond St. Jans dag oder kürzer:

Maulwurf

II dolen lijk

de moüen „umherirren wie die

M.e", was wird 109 ).

auf

Stromer

angewendet

'·) K e l l e r Antike Tierwelt i, 22. " ) op. cit. ι, 20; F r i e d r e i c h Symbolik 387. 7e) W ü s t e r Tiere 89. '·) D r e c h s l e r 2, 232; H ö i l e r Organotherapie 1 1 3 ; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 10 fi. 80 ) R i e g l e r Tier 14. 81 ) de Cock Volksgeloof 8a 83 106f. ) Riegler a.a.O. ) Drechsler 2, 232; W u t t k e 124 § 167; 350 § 525; G u b e r M natis Tiere 397. ) de Cock a . a . O . Ebd. 8β 87 ) K e l l e r op. cit. 1 , 2 3 . ) op. cit. 1 , 2 0 . M ) W ü s t e r Tiere 90. 8») S é b i l l o t Folk-Lore 3,15. K e l l e r op. cit. ι, 22. 81 ) M e g e n b e r g Buch der Natur 132. * 2 ) W ü s t e r Tiere 90. * 3 ) H ö f e r op. cit. 1 1 3 . M ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 82. M ) K e l l e r op. cit. 1, 22. M ) W ü s t e r Tiere 90. *') Alemannia 27, 239. 241. »8) K e l l e r op. cit. 1, 22. »») Ebd. loe ) K e l l e r op. cit. 1 , 2 4 . 1 0 1 ) Alemannia a . a . O . loa ) S c h ü r r in ZfrPh. 47, 500 a ; R i e g l e r Tier 15 f. l03 ) M e y e r Baden 449. 104 ) B a u m g a r t e n op.cit. I, 82. l05 ) ZfdMyth. 3, 185. 10«) B a r t s c h 107 Mecklenburg 2, 175. ) G u b e r n a t i s Tiere 108 380. ) M e g e n b e r g Buch der Natur 132. 10 *) de Cock Volksgeloof 107, 1 1 7 .

3. A n i m i s m u s : Der M. symbolisiert als unterirdisch hausender Vegetationsgeist 1 1 0 ) das verborgene Walten der Naturm). Als höheres Wesen galt er schon in der Bronzezeit, wie das zu Auvernier gefundene Tonidol eines M.s beweist 1 1 2 ). Den Zigeunern gelten die M.e als Erdgeister 113 ). Animistisch gewertet wird das Tier auch in der Schweiz. Findet man z. B. in der Tenne oder unter der Dachtraufe ein frisches Loch, so sagt man, die Schermaus „suecht nach 'ere Seel" 114 ). Mit dem Animismus hängt es zusammen, daß der M. in den Verwandlungssagen eine bedeutende Rolle spielt. Die menschenähnlichen Extremitäten des M.s gelten der Volksphantasie als Beweise seines Ursprungs aus verwandelten Menschen 1 1 δ ). In England und Frankreich sind es meist weibliche Wesen, die zur Strafe für Stolz und Hochmut in M.e verwandelt werden. Nur die Feen der Vogesen erflehen die M.gestalt, als sie vor den christlichen Priestern zurückweichen müssen 11β ). In der griechischen Mythologie wird der thrakische König Ρ h in e us von Helios in einen M. verwandelt zur Strafe dafür, daß er seine Söhne hatte blenden lassen 117 ). Nach einer Sage aus Schleswig-Holstein wird ein fleischgieriger

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Edelmann, der bei Lebzeiten die Knochen verschmähte, von Fleischhauern in einen M. verwünscht, der Regenwürmer frißt, d. i. Fleisch ohne Knochen 1 1 8 ). E s ist einleuchtend, daß des M.s unterirdisches Wirken ihn mit der Hölle in Verbindung brachte 119 ). E r gilt als Werk des Teufels, der die Menschenschöpfung Gottes nachäffte, aber nur den M. zustande brachte 120 ). In der Auvergne verfolgt und tötet man die M.e als Geschöpfe des Teufels m ). Als Inkarnation des Bösen gilt der M. in Dithmarschen 122 ). Nach Tiroler Aberglaube kommt er über keinen Kirchenweg 123 ). Mit dem Teufel steht die Hexe im Bund. Wir finden daher den M. auch als Hexenepiphanie. Vermutet man eine Hexe im Stall, wird ein M. an einen Nagel aufgehängt. Kommt die Hexe, so fährt sie in den M. 1 2 4 ). Um eine Hexe zu erkennen, stülpt man sich einen M.hügel als Mütze auf den Kopf 1 2 S ). 1W ) H ö i l e r Organotherapie 180. m ) W u t t k e 124 §167. l l a ) H ö f l e r op. cit. 1 1 3 . 1 1 3 ) ZfVk. 1M 9, 283. ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 294. 115 ) ZfVk. 9, 207. « · ) a.a.O. "») G u b e r n a t i s ue Tiere 397; K e l l e r Antike Tierwelt 1,21. ) Müllenhoff Sagen 357 f. u · ) W u n d t Mythus lî0 laa 2. 157· ) ZfVk. 9, 207. a. a. O. ) Urquell 6, 40. l a 3 ) H e y l Tirol 785 Nr. 123. 1 2 1 ) M e y e r Baden 396; Pollinger Landshut m . ias ) W u t t k e 95 § 117.

4. Z a u b e r . a. Allgemeines. Als Teufels- und Hexentier schreibt man seit P l i n i u s (h. η. X X X , 3, 7 ) 1 2 β ) dem M. übernatürliche Kräfte zu 1 2 7 ). Als unterirdisches, die Erde durchwühlendes Wesen steht er in Beziehung zu Schätzen und Geld 12S ). Als Zaubertier wird er von den Ratten gemieden 129 ). Eine Schwangere soll keinen M. töten 130 ), ja sie soll überhaupt seinen Anblick meiden 1 3 1 ). Läßt man einen M. in seiner Hand sterben, so wird diese Hand heilkräftig 132 ), oder man wird reich 133 ), hat Glück im Spiel 1 3 4 ) oder Glück überhaupt 135 ). Nägel, die in den Kadaver eines solcherart verendeten M.s gesteckt werden, gelten in Anhalt als zauberkräftig 13 ®). b. B l u t . Im Altertum diente das Blut des M.s zum Beschwören und Abwenden des Hagels 1 3 7 ). Homöopathisch hilft sein

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Maulwurf

Blut gegen Behexung 1 3 8 ). Nach Genuß von M.blut kann man nach einem Aberglauben der Siebenbürger Sachsen verborgene Schätze erkennen 139 ). c. H e r z . Schon nach P l i n i u s ( X X X , 7) verlieh der Genuß eines M.herzens Wahrsagekunst 140 ), weswegen es von den griechischen und römischen Magiern nebst der Leber des Tieres gern benutzt wurde 141 ). Derselbe Aberglaube findet sich heute noch bei Deutschen und Tschechen 142 ). Ein M.herz, in Schöllkraut eingewickelt, verleiht übermenschliche Stärke 1 4 3 ), läßt jeden Feind überwinden 144 ), schützt vor Unfällen 1 4 5 ). Ein gebratenes Ms.herz, in einem silbernen Medaillon um den Hals getragen, gewährt Schutz vor Hexen. Verdorrt das Herz, muß auch die Hexe verdorren 14e ). d. F e l l . Die weiter oben berührte Beziehung des M.s zu unterirdischen Schätzen kommt deutlich zum Ausdruck in dem weit verbreiteten Aberglauben, in einem Beutel aus M.fell gehe das Geld nie aus. Als zwei weitere Bedingungen werden manchmal genannt ein Wiedehopfkopf und ein Pfennig 1 4 7 ). Nach arabischem Aberglauben ist das M.fell ein Mittel gegen Hagelschlag 148 ). e. P f o t e . Eine ähnliche Bedeutung wie das M.fell hat die M.pfote. Eine M.pfote, die man einem lebenden Tiere abgebissen hat, bringt Glück 1 4 e ), besonders im Handel 1 5 0 ) (denn sie kratzt immer wieder Geld hinein 1 5 1 )), im Karten- und Würfelspiel 152 ). Sie macht reich 1 6 3 ), in der Tasche des Knechtes schützt sie gegen das Umwerfen eines Erntefuders 1B4 ), Kindern in der Wiege verleiht sie Schlaf 1 6 5 ). — Als Amulett gegen den bösen B l i c k 1 5 4 ) dient sie in Thüringen, Italien, Valencia 1S7 ), bei den Gräkowalachen 1 5 8 ) und in Portugal 1 5 8 ). Als Liebesamulett wird die M.pfote im Egerland gebraucht 1 β 0 ). Im Antwerpner Museum wird ein solches Amulett aufbewahrt 1 β 1 ). In Bayern wird der M.kopf als Abwehrmittel getragen 1 M ). f. F ö r d e r u n g d e s V i e h s . Weit verbreitet ist der Glaube an die Förderung des Viehs durch den M. oder dessen Organe. So wird der M. unter der Schwelle

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des Stalles vergraben und bewirkt derart das Gedeihen des Viehs 183 ). In polnischen Gegenden befestigt man den M. an der Krippe 1 6 4 ) oder schmiert mit ihm die Peitsche ein 1 6 5 ). Anderswo bestreicht man die Krippe mit einer M.pfote 1ββ ) oder nur mit einer Zehe 1 8 7 ) oder auch mit der Kopfhaut 1 8 8 ) des Tieres. — Das Herz verwendet man in Pleß am ersten Pfingsttage zum Räuchern des Viehs 169) oder man verpflockt es in der Krippe (Kolberg) 170 ). M.leber, Kühen eingegeben, schützt diese gegen Behexung 1 7 1 ). g. M . h ä u f e n . Der Zauber geht vom Tiere auch auf den von ihm aufgeworfenen Erdhügel über, dem allerlei magische Kräfte eignen 1 7 2 ). So sieht die Hexe, wer einen verwachsenen M.haufen sich verkehrt auf den Kopf setzt 1 7 3 ). Zu Prügelzauber dient der M.haufen gleichfalls. Legt man ein Kleidungsstück des Beleidigers auf einen M. häufen und prügelt mit einem Stock darauf los, so empfindet der Beleidiger die Schläge 1 7 4 ) (Vgl. Sp. 17). Auch schadet man dem Feind, wenn man Erde von einem M. hügel gegen ihn schleudert 175 ). Nach einem Volksglauben der Siebenbürger Sachsen frißt der Wolf M.hügel, um sich Mut zu machen 1 7 e ). Erde eines M.hügels gewährt unter gewissen Bedingungen Schutz gegen Flöhe (Anhalt) 1 7 7 ). Mischt man den Bienen Erde von einem M.haufen ins Futter, so fliegen sie nie fort und setzen sich beim Schwärmen niedrig (Oldenburg) 178 ). h. S c h i e ß z a u b e r . Nicht unbedeutend ist die Rolle des M.s im Schießzauber. Ein Pulver, das „nicht kracht", erhält man, wenn man zu 4 Lot Büchsenpulver ι Lot Pulver nimmt, das man durch Verbrennung eines lebendigen M.s gewonnen 179). Trägt man ein M.herz, in ein Wegwartblatt gewickelt, unter dem rechten Arm, so versagt einem kein Schuß 18 °). Ebenso sicher treffen Kugeln, die aus M.kot bereitet 1 8 1 ) oder mit M.blut bestrichen sind 1 8 2 ). Ein einem lebenden M. abgebissenes Pfötchen, das man bei sich trägt, verleiht auch unfehlbare Treffsicherheit 18S ). JM )

H ö f l e r Organoth. 180 f. " 7 ) op. cit. 113.

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Maulwurf

ue ) D r e c h s l e r 2,232; Z f V k . 9,175. l3 F o g e l Pennsylvania 371, 1988. °) J o h n Westböhmen 101. 1 3 1 ) P o l l i n g e r Landshut 239. 13i ) S t r a c k e r j a n 1, 97; B a r t s c h Mecklen133 burg 2. 37) W u t t k e S. 408 §633; H o 184 v o r k a u. K r o n f e l d 1,292. ) Schmitt Hetlingen 16. 1 3 6 ) Z f V k . 9, 178. 249; H o v o r k a 1M u. K r o n f e l d 1, 292. ) W i r t h Beiträge 4/5. S. 31. « ' ) K e l l e r Antike Tierwelt 1, 22. 138 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 37. 13 ») ZfVlc. 8, 468; 9. 175. 1 4 0 ) H ö f l e r op. c i t . 250; Z f V k . 9, 248. Ml ) H ö f l e r a . a . O . 1 4 2 ) K e l l e r o p . c i t . 1, 22f. 143 ) Z f V k . 8, 41. i " ) W i r t h Beiträge 4/5, 31. 14ε ) Urquell 3, 239 f. 146 ) A l e m a n n i a 37, 11. 13. l47 ) G r i m m Mythologie 3,445 N r . 329; K u h n u . S c h w a r t z 464, 479; P a n z e r Beitrag 1, 259; M o n t a n u s Volksfeste 171; B a r t s c h Mecklenburg 2, 312; M e y e r Aberglaube 227; D r e c h s l e r 2,43; W u t t k e 124 §167; 408 §633; Z f V k . 20,385; Urquell 6 , 4 0 ; Z f V k . 8, 468; 9,175. F e h r l e Geoponica 24 § 9 . "») Mitteil. A n h a l t . Gesch. 14, 10; W u t t k e 124 § 167; 307 § 45. l t 0 ) G r i m m Mythologie 3, 443 N r . 261 ; M o n t a n u s Volksfeste 171; M e y e r Aberglaube 227. "») Wend. Volksthum 124. "») ZfVk. 1, 188; 9, 176; S t r a c k e r j a n 1, 112; W u t t k e 163 410 § 6 3 6 ; d e C o c k Volksgeloofi, 108. ) S t r a k k e r j a n 2,150 N r . 378; D r e c h s l e r 2,43; W i r t h Beiträge 4/5, 31; Mitteil. A n h . Gesch. 1M 4, 10. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 312. "») lse MschlesVk. 17,29. ) Andree Parallelen 1S7 1,44. ) S e l i g m a n n Blick 2, 126. 1 5 e ) a . a . O. 15 ·) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 142 f. l i 0 ) H o v o r k a u . K r o n f e l d 2, 175. l e l ) H ö f l e r Organoth. 113. 182 ) Z f V k . 9, 248. l e 3 ) D r e c h s l e r 2, 232; U r q u e l l 3, 239. ι β 4 ) E b d . 1β5 ) E b d . 1M w ) op. ) D r e c h s l e r 2,113; 2.232. cit. 2, 113. 1ββ ) G r o h m a n n 128; W u t t k e 451 § 711. 17 " ' ) D r e c h s l e r Haustiere 13. °) Urquell 3, 239. 171 172 ) D r e c h s l e r 2, 106. ) Strackerjan 2, 150 N r . 377; Z f V k . 9,282. 173 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 21. 174 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3,201; K u h n Westfalen 2,192 N r . 543; Z f V k . 9 , 2 5 2 ! 1 7 t ) F r a z e r 12, 314. 17β ) Z f V k . 9, 253. 177 ) W i r t h Beiträge 4/5, 31. »») W u t t k e 428 §67. 17») S t a r i c i u s 143. 1 8 0 ) B i r l i n g e r 181 Aus Schwaben 1,461. ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 82. l 8 2 ) K r o n f e l d Krieg 110; m J o h n Westböhmen 326. ) o p . cit. 328.

5. Todesomen. Daß der M., der zur Verwesung und zum Totenreiche in Beziehung gebracht wird 184 ) und dessen schlechte Vorbedeutung schon P l i nius 1 8 s ) betonte, als Todeszeichen gilt, leuchtet ein. Erinnert doch das von ihm aufgeworfene Erdhäufchen an einen Grabhügel 18e). Zeugnisse dieses Aberglaubens reichen bis ins 16. Jh. zurück 187 ). Häufig wird das Omen durch gewisse Bedingungen eingeschränkt. So bezieht es ach ζ. B. nur auf einen großen, lang ge-

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streckten Haufen 188 ) oder es müssen drei Haufen nebeneinander sein 189). Meist ist das Antreffen des Omens örtlich beschränkt. Am häufigsten lautet die Ortsangabe „vor dem Hause", „unter einem Fenster", „unter der Hausschwelle" 190). In Fresdorf in der Mark sagt man: Je näher am Gehöfte der M.hügel ist, umso schmerzlicher wird der Todesfall sein 191 ). Seltener ist die Angabe „im Hause" 1M ). Wirft der M. in der Stube, so bedeutet es den Tod der Großmutter183). Auf die Richtung des Wühlens wird genau geachtet. Wirft der M. aus dem Hause heraus, muß einer aus dem Hause sterben, wirft er aber in das Haus, so kommt in dieses ein neuer Weltbürger 194 ). Von sonstigen örtlichkeiten werden genannt: Hausboden 195 ), Waschküche (bedeutet Tod der Hausfrau) 19e ), unter der Dachrinne 197 ), Keller 198 ), Garten 199 ), Stall und Scheune 200), Weg 201 ), Kirchweg 202 ), Feld 203). le4 185 ) H ö f l e r Organoth. 113. ) Keller 18e Antike Tierwelt 1,22. ) H ö h n Tod 308. W u t t k e 201 §273; M e y e r Germ. Myth. 73; S t r a c k e r j a n 2, 150; F i s c h e r Oststeirisches 114; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1,264 N r . 34; S t a u b e r Zürich 1, 29; S c h m i t t Hettingen 15; 187 Z f V k . 8,468; Z f r w V k . 4,271. ) Meyer Baden 577. 188 ) H ö h n a . a . O . 1 8 i ) Z f r w V k . 19 4, 270. °) K n o o p Tierwelt 32 N r . 278; H ö h n a . a. O . ; U r q u e l l 1, 7; P o l l i n g e r Landshut 295; Mitteil. A n h a l t . Gesch. 4, 10; P a n z e r Beitrag 1,262; Z f V k . ι , 184; 9, 170 f . ; 2, 180; W u t t k e 124 §167; 201 §273; H o v o r k a u . K r o n f e l d 1,293; S c h w V k . 3,39; Z f r w V k . 4,270; A n d r e e Braunschweig 314; L a m m e r t 100; W o l f Beiträge 1,231; H e e r Altglarn. Heidentum 22. 1M ) Z f V k . 9,173. 192 ) G r i m m Myth. 2,951: B a r t s c h Mecklenburg 2, 125; 2, 175 f . ; H ö h n a . a . O . ; Z f V k . 9,173; W u t t k e 201 §273; Z f r w V k 4, 244; A n d r e e Braunschweig 314; E n g e l i e n u . L a h n 278; S t r a c k e r j a n 1, 23 f . ; M e y e r Baden 577; A l e m a n n i a 27,239 (Ofen). ' " ) G r i m m Myth. 3,455 N r . 601; Z f r w V k . 1914, 259f.; Z f V k . 9,173. 1 M ) Z f r w V k . 1914. 5. 260; K n o o p Tierwelt 32, 280; H ö h n a . a . O . ; G r o h m a n n 58; U r q u e l l I, 17. 1 9 f ) B i r l i n g e r Volkst. ι , 120. 1 M ) G r i m m Myth. 3, 466 N r . 881; K u h n Westfalen 2, 190 N r . 537; W u t t k e 201 1,7 §273; H ö h n a . a . O . ) M e y e r Baden 577. 198 ) S A V k . 8, 273; H e e r Altglarn. Heidentum 22; Z f V k . 10, 211; M e y e r Baden 577. 1>t) Montanus Volksfeste τ-ji-, Z f r w V k . 1914, 259; H ö h n a . a . O . ; M e y e r Baden 500.577. » · ) W o l f Beiträge 1, 213; H ö h n a.a.O. MI ) S t r a c k e r j a n 1, 23; Z f r w V k . 1907, 270; îM W u t t k e 201 § 273. ) Birlinger Aus

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Maulwurf

Schwaben ι , 395; W u t t k e 124 § 167; Z f V k . ί03 ) 9, Ï73. H ö h n a. a. O . ; ZfrwVk. 1907, 270.

6. S o n s t i g e W a h r z e i c h e n . Der M., dessen Herz von Wahrsagern zur Erwerbung prognostischer Fähigkeiten gegessen wird 204 ), gilt auch als Wetterprophet. Wirft er die Erde auf, wird schlechtes Wetter (Regen) 205). Sieht man im Herbst viele M.e auf dem Boden laufen, so gibt es einen frühen Winter (Kujawien) 20e ). Umgekehrt zeigt der M. milde Witterung an 207), Graswuchs 208), billige Zeiten 209). Was die M.haufen betrifft, so haben sie teilweise nur Bedeutung, wenn sie besonders groß oder in Reihen gegraben sind 21°). 2 M ) F r a z e r 12, 374. 206) B a r t s c h Mecklenburg 2, 175. 209; F o g e l Pennsylvania 225, 1144; 2(H1 S c h r a m e k Böhmerwald 250. ) K n o o p Tierwelt 31, 275. 207) B a r t s c h Mecklenburg 2, 206 f.; 20β M ü l l e r Isergebirge 15. ) K e l l e r Grad 2, 188 f. *>·) S A V k . 24, 67. 210 ) H ö h n Tod 308.

7. A b w e h r , a. D u r c h D r e s c h e n . Abwehrmaßnahmen gegen den M. werden vielfach getroffen. Häufig sucht man ihn durch Dreschen auf den M.haufen zu vertreiben 211 ). Meist werden dazu gewisse bedeutungsvolle Tage ausersehen wie Faschingsdienstag212), der erste Freitag im März 213 ), Gründonnerstag 214 ), Karfreitag 21S ). Vereinzelt werden auch •die Silvesternacht 21β ) oder die Neujahrsnacht 217) hiezu gewählt. Nicht selten ist der Zusatz, das Dreschen müsse stillschweigend 218) und vor Sonnenaufgang219) oder während des Glockenläutens 220) geschehen. Anstatt des Dreschflegels nimmt man auch einen Stock, nur muß man vorher seinen Kittel auf den Misthaufen legen 221 ) (vgl. Sp. 14). b. D u r c h A b t r a g e n des M.haufens. Viel seltener als das Dreschen ist das Abtragen des M.hügels. Solches wird gewöhnlich am Silvestertag geübt 222), in der französischen Schweiz am Karsamstag 223). c. D u r c h Feuer. Im Mittelalter zogen in Frankreich die Kinder mit Stangen, um deren Enden brennendes Stroh gewickelt war, durch die Gärten und sangen: Taupes et mulots, sortez de vos clos, sinon

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je vous brûlerai la barbe et les os 224). Noch im 19. Jh. liefen (Loire et Cher) die Bauern mit Fackeln über die Felder um die M.e zu vertreiben 22S). Die Magyaren werfen glühende Kohlen in die M.shügel22®). Als ein nicht mehr verstandener Überrest der Vertreibung durch das Feuer ist der anhaltische Brauch zu werten, Steinöllampen in die frischen Haufen zu legen 227). d. D u r c h Eisen. In Posen legt man am Christabend eine Kette um den Tisch 228) oder eine Pflugschar unter den Tisch 229). Hier wirkt die Vorstellung des Eisens als Abwehrmittels gegen Dämonen mit. Über die Auffassung des M.s als eines Pfluges, bzw. einer Pflugschar vgl. südital. zòccola „M." < ahd. zuohha „Pflugschar" 2S0), ferner das oben zitierte südital. aratùru „Pflüger" sowie savoy. darbo ,,M." > „Pflug". In der Gegend von Torgau drückt man mit dem Waffeleisen dem M. die Schnauze ab, damit er nicht so gewaltig den Boden aufstoße 2S1). Im Regierungsbezirk Frankfurt a. d. Oder bestreicht man die Pflugschar mit dem Fett der Fastnachtspfannkuchen 232). e. D u r c h H o l u n d e r u. dgl. Um den M. — namentlich aus Kohlfeldern — zu vertreiben, steckt man Holunderzweige oder -blätter in die Erde 2M ). An Stelle der Holunderzweige treten in manchen Gegenden auch Erlenzweige 234) oder Espenruten 235). Auch umgeht man am Karfreitag vor Sonnenaufgang dasf Feld mit Kehrbesen (tschechisch)23e). f. D u r c h Opfer. Als einen Versuch, die Vegetationsgeister zu versöhnen, deutet H ö f l e r M ? ) den egerländischen Brauch, am h. Abend die Speisereste in den Garten zu streuen 238 ). Über einen ähnlichen Brauch bei den Tschechen vgl. G r o h mann 28 ») g. E i n z e l n e s . Auf dem Grundsatz „Gleiches durch Gleiches" beruht es, wenn man M.e durch die Kadaver ihrer Kameraden zu vertreiben sucht 240). In Tirol gibt man ein Stück Teufelsdreck (Asa foetida) in den „Scheer"haufen und zerstampft ihn dann 241). In Rumänien legt man auf den M.haufen den Faden, mit dem man einen Toten abgemessen

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Maulwurf

hat, um die Länge des Sarges zu bestimmen 242). Besonderes Interesse bietet folgender anhaltischer Brauch: Man geht nach Sonnenuntergang in den Garten, nimmt eine Handvoll Erde von einem M.hügel, geht damit um den Garten und spricht : Moll, du sollst meinen Garten meiden. Und in alle Berge scheiden Und in alle(n) Wasser(n) baden Und an alle(n) Bäume (n) bladen, Dann sollst du sein in Gnaden®43).

Uber weitere Vorkehrungen gegen M.e vgl. S a r t o r i 244). 2l1 ) G r i m m Myth. 3,467 Nr. 905. 2 1 i ) op. cit. 3, 442 Nr. 244; J o h n Westböhmen 41. 21S ) D r e c h s l e r 2, 58. 214 ) op. cit. 1, 81 f. 21S ) op. cit. ι , 88 f.; MschlesVk. 1896, 58. »·) D r e c h s l e r ι , 45. · " ) op. cit. 2, 58. "») G r i m m Myth. з, 442 Nr. 244; D r e c h s l e r ι , 88 f. 2 1 i ) G r i m m op. cit. 3,467 Nr. 905; J o h n Westböhmen 41; D r e c h s l e r 1, 88f.; MschlesVk. 1896, 58. «*>) J o h n op. cit. 63. 2 ») ZfVk. 9. 253. 2M ) G r i m m op. cit. 3, 467 Nr. 903; P a n z e r Beitrag 2,296. 223) SchwVk. 4 . 1 3 . 224) G u b e r n a t i s Türe 397. 22t ) M a n n h a r d t 1, 536. 2 a í ) Z f V k . 22 ') W i r t h 2M ) 8,468. Beiträge 4—5, 30. K n o o p Tierwelt 31 Nr. 273. 22 ·) op. cit. 31 Nr. 276. 230) S c h ü r r op. cit. 205. 231 ) K u h n и. S c h w a r t z 370 Nr. 5; H ö f l e r Fastengebäcke 40. 23>) ZfVk. 14, 138. 233) K u h n Westfalen 267 Nr. 200; Mitteil. Anh. Gesch. 14, 24; W i r t h Beiträge 4—5,30; S t r a c k e r j a n 2, 1 2 2 ^ . 3 5 4 ; ZfVk. 7 , 7 7 ; ZfrwVk. 1910, 65. 234) K n o o p Tierwelt 31 Nr. 274. 23i ) G r o h m a n n 58. 23i ) Ebd. »»') Weihnacht 17. i M ) ZföVk. 6, 121. M ·) G r o h m a n n 88. 240) E b e r h a r d t Landwirtschaft 4. »*») ZföVk. 9, 174. 2 «) H o v o r k a K r o n f e l d 1, 293. ***) W i r t h Beiträge 4—5, 31. Sitte 3, χι6.

8. V o l k s m e d i z i n , a. A l l g e m e i n e s . Der M. war als Heilmittel bereits den alten Römern bekannt, wie aus P l i n i u s (Η. η. X X X η) unzweideutig hervorgeht 24S). Und zwar schrieb man nicht nur dem Tier, sondern auch den von ihm aufgeworfenen Hügeln besondere Heilkraft zu 246). Jetzt noch vergräbt man Krankheiten in M.shaufen 24?). Seit alter Zeit herrscht der Aberglaube, das Fett, das Blut, das Fell des M.s besäßen Heilkräfte 24β ). Namentlich hielt man auf das Blut des Tieres große Stücke 24®). Die preußischen Wenden glauben, M.blut in Schnaps gemischt heile alle Krankheiten 25°). Auch wird empfohlen, sich mit dem Blute Gesicht, Pulse und Brust

20

zu beschmieren 251). Von der Kopfhaut des Tieres heißt es, sie mache Männer „gedeihen" 252). 245 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1,292. K e l l e r Antike Tierwelt 2, 22. 247) W u t t k e 95 § 1 1 7 . 24e) H o v o r k a u. K r o n f e l d a. a. O. 24») ZfVk. 9 , 1 7 7 ; W u t t k e M0 ) 124, §167. H o v o r k a u. K r o n f e l d a . a . O . 251 ) Urquell 2,239. 2M ) W u t t k e a . a . O .

b. M. in der H a n d s t e r b e n lassen. Bei vielen Völkerstämmen ist die Anschauung verbreitet, die Zauberkräfte des M.s kämen erst dann zur Wirkung, wenn man ihn fängt und so lange mit der Hand festhält, bis er seinen Tod gefunden. Dieses Verfahren wird sowohl im Norden (Pommern, Mecklenburg), wie im Süden Deutschlands (Bayern, Schwaben) und bei den Siebenbürger Sachsen geübt 2SS ). Die Hand wird dadurch heilkräftig {main taupée)2S4) und ist imstande, die verschiedensten Krankheiten zu heilen 25δ). Hie und da erfährt dieser Aberglaube Einschränkungen. So behält in Oldenburg die Hand ihre Heilkraft nur zwei Jahre 258 ) oder das Tier muß vom Kind in der Wiege 257 ) oder vor dessen siebentem Lebensj ahre totgedrückt werden 258). Nach französischem Aberglauben muß dieser Vorgang in gewissen Vollmondnächten vor sich gehen 25β ). In Berry muß die Anzahl der erstickten M.e sieben betragen 260 ). Ist die drückende Hand krank, so heilt sie 2β1 ). Mit einer solchen Hand tötet man den Wurm am Finger (panaritium), volkstümlich: Bös' Ding, Ungenannt, engl. felon2β2), vertreibt man Handschweiß 2β3), seltener Fußschweiß, Fußleiden 2β4), Beulen 2β5), Krebs 2ββ ), Skrofeln (Ukraine) 2W ), Sommersprossen 2β8), Kolik 2β9 ), Wechselfieber 270), Zahnschmerzen 271 ), Halsweh (Syrien) 272). Homöopathisch verwendet man den M. in Portugal gegen einen Furunkel, der nach dem Volksglauben durch die Berührung eines M.s erzeugt wird. Um ihn zu heilen, muß man einen M. töten, worüber man ein ganzes Jahr reinen Mund halten muß. Auffallenderweise hat sich im Portugiesischen das lat. talpa nur in obiger Bedeutung erhalten (toupa), während der M. nach dem M.hügel (toupeira) benannt wird 273) (da-

neben escava-terra). Vgl. rumän. „M." > „Art Geschwür" 274).

cirtita

2M ) ZfVk. 9, 246. W o e s t e Mark 54 Nr. 9. ) W u t t k e 315 § 467; S t a r i c i u s 525; H ö h n Volksheilhunde 1, 78; H o v o r k a u. K r o n f e l d

M6

ι,

22

Maulwurf

21

292;

Fogel

Pennsylvania

384

N r . 2062;

H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 292; ZfVk. 1, 292; ω·) 8, 468; 9, 247; J ü h l i n g Tiere 123. S t r a c k e r j a n 1, 97. » ' ) ZfVk. 11, 468. «·) L a m m e r t 216; M e i e r Schwaben 2, 511; P a n z e r Beitrag 1, 266; J ü h l i n g Tiere 122 f.; B i r l i n g e r Volkst. I, 488. » · ) S é b i l l o t FolkLore 3, 48 f. >·») E b d - 2«i) ZfrwVk. 1905, 290; iM ZfVk. 8, 468. ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat i , 82; P o l l i n g e r Landshut 285; M e y e r Baden 573; F o g e l Pennsylvania

393 N r . 1551;

303 Nr. 1608; 305 Nr. 1620. ) W o l f Beiträge I . 255; W u t t k e 124 § 167; 328 § 487; ZfVk. 9, 247; J ü h l i n g Tiere 120; K n o o p Hinterpommern 163; ders. Tierwelt 32 Nr. 281. 2 M ) ZfVk. 9, 247. 2 ' 5 ) L a m m e r t 184; W u t t k e 315 § 467; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 397. ί β β ) L a m m e r t 208; J ü h l i n g Tiere 121.123; H o v o r k a u . K r o n f e l d 2, 401; ZfVk. 7, 290; 8, 41. 468. 2 «) K e l l e r Antike Tierwelt 1, 23. 288 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 363; ZfVk. 9, 247. 2β9 ) B a r t s c h o p . c i t . 2, i75;SchwVk. 9, 7. , 7 °) H o v o r k a u. K r o n f e l d i , 292. 271 ) S t r a c k e r j a n 1, 97; J ü h l i n g Tiere 123. 272 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 13. 273 ) L e i t e Tradiföes 185. 2 M ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 292. 263

c. Sonstige Verwendung. Es gibt noch andere volksmedizinische Verwendungsarten des M.s. Man verbrennt ihn lebend zu Asche oder nur seine Leber (Herz) und das so gewonnene Pulver, häufig mit Eiweiß oder Honig vermengt, gibt ein für kräftig geltendes Heilmittel275). Man kocht und verspeist das Tier 27e), bestreicht kranke Stellen des Körpers mit seinem Blute 277), hängt eine M.pfote (M.krallen) um das leidende Glied 278), steckt die Hand27e) oder auch Nägel und Haare 280) in die M.shügel. Diese Mittel werden (bzw. wurden)gegen äußere und innere Krankheiten angewendet, so gegen Aussatz (Pulver)281), Warzen (M.shügel) 282), Mitesser m ) , Gesichtsrose 284), Haarausfall (Blut) 286), (Pulver)286), Bruch (Pulver) 287), Zahnweh (Zahn) 288), (Pfoten)288), (Blut) 28°), (Fell) 2M ), Kröpf (Pulver)282), Halsweh (Pfoten) 293), Skrofeln (Pulver)2M), (Leber) 286), (M.shaufen)2ββ), (ganzes Tier)287), Ohrenschmerz (M.shaufen) 288), Rheumatismus (Pfoten) m ) , Gicht 300 (Zähne) ), (Pulver)801),Lendenweh (M.s-

haufen)302), Gliederlähmung (Blut) 308), Schlagfluß (Pulver) 804), Epilepsie 305), Gedächtnisschwäche (Fett) 30β ), Fieber (Herz, Leber) 307), (Pulver) 308), (Haut)308) (M.haufen)310), stockende Menses (Blut) su ), Blutüngen (Pfoten)312), Trunksucht (Blut) 31S). 27t ) J ü h l i n g Tiere 123; H ö f l e r Organoth. 250. 2">) ZfrwVk. 1908, 98. 2 " ) ZfVk. 9, 177. 278 ) H ö h n Volksheilkunde 1, 143. "») ZfVk. 9, 2 53· 28°) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 265. 2 « ) ZfVk. 9, 198. 2M ) ZfVk. g, 178; 9, 253; 8, 468; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 499, 283 ) J ü h l i n g

Tiere 122.

284

) op. cit. i 2 o f . ; U r q u e l l 4, 154;

ZfrwVk. 1914, 165. 28S) ZfVk. 9. 177; M e g e n b e r g Buch der Natur 132; L a m m e r t 189. 28 ') S t a r i c i u s 681; S e y f a r t h Sachsen 293; Z a h l e r Simmenthai 74'; ZfVk. 8, 41. » ' ) H ö f l e r Organoth. 180, 250; R o c h h o l z

Kinderliei

335; J ü h l i n g Tiere 122; ZfVk. 8, 41. 188 ) A g r i p p a ν . N e t t e s h e i m 1, 126; ZfVk. 9, 246; J ü h l i n g Tiere 121 f.; W u t t k e 356 § 534; S t o l l Zauberglaube 74; Z a h l e r Simmenthai 73; H ö f l e r Organoth. 113. 28 ·) J ü h l i n g Tiere 121 f.; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 292; M e y e r Baden 50; W u t t k e 393 § 662; Z a h l e r Simmenthal 73 3 ; S t o l l Zauberglaube 73 f.; M a n z Sargans 55; L a m m e r t 127; A n d r e e - E y s n Volkskundliches

142f.; d e C o c k Volksgeloof 108;

gyaren 110.

) Höhn

H ö f l e r Organoth. 113; ZföVk. 13, 104; MschlesVk. 1915, 39; ZfVk. 9, 246; SchwVk. 3, 81; ZfrwVk. 1914, 166. 2 M ) J ü h l i n g Tiere 121; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 48 f. *«) Z a h l e r Simmenthal 73®. a · 2 ) J ü h l i n g Tiere 122; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 18; ZfVk. 9, 178. 2»>) ZfVk. 9. 246; F r i s c h b i e r Hexenspr. 65; H o v o r k a u . K r o n f e l d 1, 292; 2, 9; ZföVk. 13, 104. 113. 117. 2M ) H ö f l e r Organotherapie 113; ZfVk. 9, 178; B a r t s c h Mecklenburg 2, 109. 2»5) H ö f l e r op. cit. 181. H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 265. 2 7 2 8 · ) ZfrwVk. 1908, 98. » ) W l i s l o c k i Ma2M

Volksheilkunde

1, 143;

B o h n e n b e r g e r 16; D i r k s e n Meiderich 47; ZfVk. 4, 325; ZfrwVk. 1904, 198. "o«) J ü h l i n g Tiere 122. 301 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, i i o f . so2 ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 199. · « ) J ü h l i n g Tiere 121; H ö f l e r op. cit. 113. 181. 250; ZfVk. 8, 41. 3 M ) B a r t s c h op. cit. 2, 114. 30s ) W u t t k e 124 § 167; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 214; S t r a c k e r j a n 2, 150 Nr. 377; L a m m e r t 123. 271; S e y f a r t h 298; ZfVk. 9, 179; J ü h l i n g Tiere 120; Urquell 3, 239. 30t ) J ü h l i n g Tiere 121. 307 ) H ö f l e r op. cit. 250. x») G r o h m a n n 165; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 334; H ö f l e r op. cit. 180; J ü h l i n g Tiere 122; W u t t k e 354 § 529. 30>) G r o h m a n n i 6 6 ; J ü h l i n g a. a. O. 3l0 ) W u t t k e 332 § 493. 3 «) J ü h l i n g Tiere 121; ZföVk. 13, 104. 3 M ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 82. 313 ) ZfrwVk. 1914, 166; SchwVk. 2, 79.

d. Tierarznei. Schon die römische Tierarznei yerwendet den M. Wer M.serde

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Maulwurfsgrille

in die Hand nahm und dazu eine gewisse Zauberformel sprach, konnte sein Pferd von den Viperbissen heilen S14 ). Nach slawischem Aberglauben bekommt «in krankes Pferd wieder seine Kräfte, wenn man einen toten M. vor der Türe des Stalles aufhängt 315 ). M.sasche verwendet man bei Pferden, die am Wurm leiden (Pommern) s i e ). Kolik heilt man bei diesem Tier durch Bestreichen mit der main t a u p é e (Ardennen) (s.oben)317). Gegen Brand beim Vieh verwendet man M.sasche318), ebenso wenn ein Roß „verritten" wird 319 ). *") K e l l e r Antike Tierwelt 1, 22. 315 ) Urquell 3, 239. 3W ) ZfVk. 9, 178. 317 ) S é b i l l o t 31β ) Folk-Lore 3, 48 f. S c h u l e n b u r g 105; Z a h l e r Simmenthai 49. 8W ) op. cit. 100.

Z u s a m m e n f a s s u n g . Die große Zahl origineller volkstümlicher M.snamen, die namentlich auf germanischem Gebiet noch längst nicht vollständig gesammelt sind, zeigt, wie stark dieses Tier auf die Phantasie des Volkes gewirkt hat. — Allgemein ist der Glaube an seine Blindheit. In Verkennung seines Raubtiercharakters gilt es als schädlich für die Landwirtschaft und wird allenthalben verfolgt. Infolge seines unterirdischen Wirkens löst es animistische Vorstellungen aus. Als Seelentier kommt es oft in Verwandlungssagen vor und tritt in Beziehimg zur Hexe und seltener zum Teufel. Es wird zu allerlei Zauber verwendet, der oft bizarre Formen annimmt. Als unterirdischer Wühler und Aufwerfer von Erdhügeln (Gedankenassoziation : Grabhügel ) ist es Todesomen, daher die zahlreichen Maßnahmen zur Abwehr des unheimlichen Tieres. Sonst ist es als Orakeltier nicht von überragender Bedeutung, hingegen ist seine Verwendung in der Volksheilkunde beträchtlich. Riegler.

Maulwurfsgrille (Werre). ι. Etymologie und O n o m a s t i k . Dieses Insekt (Gryllotalpa vulgaris) hat durch sein wunderliches Aussehen und sein schädliches Wirken früh die Phantasie des Volkes angeregt. Das alte Werre (noch wetterau-oberhess., elsäss., Schweiz.) ist unsicherer Herkunft 1 ). Im Bâyr.-Schwäbischen bedeutet

24

es „Engerling" 2 ). R o l l a n d 3) verzeichnet die dialektischen Nebenformen twerre, werl, werrefür, eis. firware. Auf mhd. werbel (vgl. dial. Ackerwerbel *) gehen nach M e y e r L ü b k e 6 ) saint-pol. νerblé«, rouch. verbó zurück, während er bordel, bar e) auf lat. varus „Finne" zurückführt. Nach der Tätigkeit des Grabens heißt das Insekt Gräber, Gräbling, ahd. grebitic7), dial, franz. fôssrày' (Vogesen) 8), laboureur (16. Jahrh.) 9 ). Hierher auch port, rallo < lat. rallum „Pflugschar" 10). Auf sein Vorkommen in Gärten deuten franz. courtilière „Gärtnerin" u ) , waadtl. jardinière 12 ), trent. ortolan(a)13). Auf seine Vorliebe für Düngerhaufen ( = franz. furnier) bezieht sich westfranz. fumerol(e)14), auf die zerstörende Wirkung seiner Tätigkeit spielen an dauph. esterpi, eine Ableitung von lat. exstirpare „ausrotten" 1S ), ferner ravageuse „Verwüsterin" (Vogesen), südfranz. destrussi (von lat. distrvìére „zerstören") le ). Von dem Benagen der unteren Pflanzenteile hat das Insekt den Namen magnaradise (Umgeb. v. Chieti) 17 ). — Der Volksglaube, daß Schweine, die eine Mg. fressen, an Fäulnis zugrunde gehen 18 ), spiegelt sich wieder in dial.-franz. ¿trangle-porc „SchweineWürger" (Berry) 1β ). Demnach wäre marchand de pourceaux „Schweinehändler" (Maine) ironisch aufzufassen. Den Namen tètevache „Kuhsauger" (Auvergne) 21 ) teilt die Mg. mit vielen anderen Tieren, von denen der Volksglaube annimmt, daß sie den Kühen heimlich Milch entziehen 22). — Nicht selten sind Benennungen nach den Pflanzen, die von dem Insekt beschädigt werden, so namentlich nach Kürbis, Zwiebel, Hirse ζ. B. venez, zucaròla (zucca = Kürbis ω ) ; zahlreiche weitere Namen bei M e y e r - L ü b k e 2 4 ) und G a r b i n i ) M ), cipollaja (Ascoli-Piceno)2β) von cipolla „Zwiebel" (andere Namen bei M e y e r - L ü b k e 27) und Garbini 2 8 )), Hirsfresser (auch Kornfresser) M ), wozu südfranz. milhèro (1mil = Hirse) 30) und ital. magnassorgo (sorgo = Meerhirse; Vestena nuova, V. vecchia) 81). Vgl. in derselben Gegend sorgaròla9i). Häufig sind Tierbenennungen. Nach Haustieren: Kröpelhund (Kröpel = Kriip-

25

Maulwurfsgrille

pel, von der Mißgestalt) 33), hierzu franz.dial. chien de terre „Erdhund" (M.-et-L.) Μ ), ital. dial, cagna „Hündin" (Rovereto, Trento) 3 5 ). Rolland38) verzeichnet Erdochse, G a r b i n i 3 7 ) parcelo di tera (Reggio di Calabria). — Vielfach wird das Insekt nach dem Maulwurf benannt, an den es durch Gestalt und Tätigkeit erinnert. Das deutsche Maulwurfsgrille findet sich wieder in taupe grillon und grillon taupe (Jura) 38), daneben einfaches Maulwurf, dem franz.-dial. taupette (PontAudemer) 39), vourpe, vourpo (Pontarlier) 40), ital. cekorb (march., urb.), cokorba (urb.) 4 1 ) entsprechen. Aus dem Holländischen seien angeführt veen-mol „Moormaulwurf" und mol-krekel „Maulwurfgrille" 42 ). Es finden sich ferner Benennungen nach dem Bären: Ackerbär4S), veron. bere, beta, bero (Alta Valle d'Illasi) 4 4 ), nach dem Wolf: Erdwolf45) (vgl. wallon, leu de terre 4β) ), Mordwolf"), hierzu franz.-dial. loup-varou „Werwolf" (Puyde-Dôme) 48), nach der Kröte: Reitkröte 49), in ndd. Form rîtpogg (rîten = nhd. reißen, vom Aufbrechen der Erde) 5 0 ), nach der Spinne : araignée divorante (PissyP.) S1), scorpion (Metz, Côtes du Nord) M ), ital.-dial. scrapioni, scrapàn' (Cágliari) 53 ), nach dem Krebs: Erdkrebs6*), analog franz. ¿crevisse de terre (Aisne) 55 ), ferner ¿crevisse de fumier (Berry ) 8 β ) vgl. oben fumerol(e), mail, gamber de tera 57), gamber terrestre, g. salvadeg, g. mat68) (vgl. mecklenb. bös' krewt)69) ; nach dem Wurm: gerstwurm, schrotwurm, reitwurm, alle drei bei R o l l a n d eo ), ndd. ritworm61 ). Hierzu vgl. ital. verminice (Lucca) β 2 ). Vgl. auch J a b e r g - J u d , A J S . Karte Nr. 467. W e i g a n d - H i r t DWb. 1248. ») Ebd. Faune 13, 114. *) Ebd. 6 ) REWb. Nr. 9523. ·) op. cit. Nr. 9160. ') R o l l a n d op. cit. 13, 141. ·) op. cit. 13, 113. ») op. cit. 13, m . 10 ) M e y e r L ü b k e REWb. Nr. 7022. ») R o l l a n d op. cit. 3, 295. 12 ) a. a. O. 13 ) G a r b i n i Antroponimie 1180. 14 ) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 3307a. 1δ ) op. cit. Nr. 3071. 1β ) R o l l a n d op. cit. 3, 296. 17 ) G a r b i n i op. cit. 1279, wo noch ähnliche Namen verzeichnet sind. 18) R o l l a n d op. cit. 3, 296a. M ) R o l l a n d op. cit. 3, 296a. 20) op. cit. 13, 113. 21 ) op. cit. 3, 296. " ) W S . 7, 136—144. M ) G a r b i n i op. cit. 1276. 24) REWb. Nr. 2369. " ) op. cit. 1275 f. M ) op. cit. 1278. «) REWb. Nr. 1820. , 8 ) op. cit. 1278 f. 2») R o l l a n d op. cit. 13, 114. 30) op. cit. 13, 113. n ) G a r b i n i op. cit. 3)

l)

26

209. 32) Ebd. 33) R o l l a n d op. cit. 13, 114. op. cit. 13, 112. G a r b i n i op. cit. 345. 3 , j R o l l a n d op. cit. 13, 114. 37) G a r b i n i op. cit. 796. M ) R o l l a n d op. cit. 3, 296. 3 ·) Ebd. «) Ebd.; M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 5652. 41 ) op. cit. Nr. 1461 u. Nr. 6086. «) R o l l a n d op. cit. 13, 114. 43) Ebd. 44) G a r b i n i op. cit. 210. 46) R o l l a n d op. cit. 13, 114. 4 ·) op. cit. 13, 112. 47) op. cit. 13, 114. 48) op. cit. 13, 112. 4e ) op. cit. 13, 114. 60) S c h i l l e r Tierbuch 1, 8. 51 ) R o l l a n d op. cit. 13, 113. S2) op. cit. 3, 296. 53 ) G a r b i n i op. cit. 911. 64) R o l l a n d op. cit. 13, 114. 6S) op. cit. 13, 113. 5*) Ebd. " ) G a r b i n i op.cit.538. " ) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 1551. *·) B a r t s c h Mecklenburg 2, 289 f. ; E. H. M e y e r Gertn. Myth. 113, 273. β0) R o l l a n d op. cit. 13, 114. β1 ) S c h i l l e r Tierbuch 1, 8. «) G a r b i n i op. cit. 1280.

2. B i o l o g i s c h e s . Dem Volke ist die Gefräßigkeit dieses wenig sympathischen Insekts aufgefallen. So heißt es in OberÖsterreich, eine jede Werre fresse sieben Laib Brot 6 3 ). Im Jura glaubt man, die kleinen Werren, groß geworden, fräßen ihre Mutter 6 4 ). (Eine Umkehrung des wirklichen Sachverhaltes). — In Posen kommt das Insekt nach dem Volksglauben nur bis Johannes aus der E r d e e s ) . •3) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 116. R o l l a n d Faune 13, 115. " ) K n o o p Tierwelt 32 Nr. 284.

M)

3. M y t h o l o g i s c h e s . Als Hexentier erscheint die Mg. im Mecklenburgischen Volksglauben. Sie behext alle Gegenstände, die im Freien sind. Erst mit Sonnenaufgang weicht der Zauber. Darum darf kein Gegenstand, der nachts draußen war, vor Sonnenaufgang berührt werden ··). Vgl. den Namen der Mg. im Friaulischen: malìe „Zauberei" 6 7 ). Man hat sich daher nicht gescheut, den deutschen Namen des Insektes Werre mit der im Vogtlande gebräuchlichen B e zeichnung der Holla (Werre) zu identifizieren, zumal die Beziehungen dieser mythischen Gestalt zu den Heimchen (siehe „Grille") offenkundig sind **). Der mythische Name Werra ist zum ersten Male b e i T h o m a s R e i n e s i u s belegt ··) und ist offenbar wesensgleich mit mhd. werre „Verwirrung, Verwicklung, Zwietracht, Krieg". Werra wäre demnach die Wirrende (sie verwirrt den in den Zwölfnächten spinnenden Mädchen zur Strafe den Flachs) 70 ). Daß auch der Insektenname

27

Maurer

auf mhd. werte zurückzuführen ist, macht der alte Volksglaube wahrscheinlich, durch Werren könne man Zwietracht („Wirren") erregen. Man gab zwei Werren in ein „lang's erdynes thröglein", das den Tieren genügend Spielraum gab und trug es an einem Dienstag zwischen den zwei Personen hindurch, die man miteinander verfeinden wollte. Hierauf vergrub man das Tröglein an „ein heimbliches Ende, das niemands darümber kommen möge' ' 7 1 ). Nach Ε. H. M e y e r s Vermutung 72 ) ist das Vorbild des Drachen in der Mg. zu suchen. — Im Abwehrzauber spielt das Insekt keine wesentliche Rolle. Es sei als vereinzelter Fall angeführt, daß in Welzheim (Württemberg) der mit einem Geldstück abgeschnittene Kopf des Insekts als Anhängsel verwendet wird 73). M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 289 f. ·») G a r b i n i op. cit. 1282. ω ) E i s e l Voigtland 163 Jir. 261; 216 Nr. 562; W a s c h n i t i u s Perht 103. ·») G r i m m Myth. 1, 2261. 70) G o l t h e r Mytho71 ) ZfdMyth. 3, 321. 7a ) Germ. logie 495. Myth. 95. 73) B o h n e n b e r g e r 16.

4. G e f ä h r l i c h k e i t . Sehr verbreitet sind die Vorstellungen von der großen Gefährlichkeit des Tieres, die sich schon aus dem piemont. Namen strumpa-dii „Fingerbrecher" 74 ) ergibt. Vgl. auch prov. copo-ped „Fußabschneider" 7S). Die Mg. gilt als giftig 7 e ), ihr Biß bewirkt Tod oder jahrelanges Siechtum 77). In Ariège gilt das Sprichwort : piqûre d'arède, point de remède, Werrenstich — kein Heilmittel 7S) (vgl. auch den ital. Namen mazza-omeni „Menschentöter" (Pirano)79). Ihr polnischer Name „Neuntöter" (Rogasen) erklärt sich aus dem Aberglauben, ihr Biß erzeuge neun Wunden M ). Anderswo heißt es, ihr Biß bewirke sieben Löcher. Heile deren eines, so bilde sich gleich ein neues 81 ). Ja, schon die Berührung dieses Tieres gilt als gefährlich, sie verursacht Krebs 82 ) (vgl. oben die Namen Erdkrebs, böser Krebs). Dieselbe Krankheit bekommt man, fliegt einem eine Mg. in den Mund M ). In Anbetracht der Gefährlichkeit des Tieres gilt dessen Vertilgung als verdienstliches Werk. Jeder, der „den Were" sieht, soll vom Pferde steigen und ihn umbringen M ). In Oberösterreich findet sich der Zusatz : sonst tut's unserer

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lieben Frau drei Tage lang leid 8S ). Die Bauern von Ille-et-Vilaine zertreten alle M.n und verbrennen sie obendrein M ). Auch werden für die Tötung des Insekts Belohnungen in Aussicht gestellt. Entsprechend der Anzahl der Wunden, die der Biß des Tieres erzeugt, werden dessen Vertilger neun bzw. sieben Sünden nachgelassen 87 ), oder er erhält vom dem Bauer, dem der Grund gehört, einen Laib Brot88). In Renchen (Baden) hieß es früher, daß, wer eine M. tötet, sich einen Sester Korn und drei Sester Kartoffeln verdient 8e), bei den Masuren gelingt ihm das Buttern M ), anderswo das Backen 91 ) besonders gut. 71 ) G a r b i n i 7 ·) op. cit. 1282. ») Ebd. 77 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 289 f. Knoop Tierwelt 32 Nr. 284; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 304. 7I ) R o l l a n d Faune 3, 114. 7>) G a r b i n i op. cit. 1282. 80) K n o o p op. cit. 32 Nr. 284. 81 ) op. cit. 8J) B a r t s c h 32 Nr. 282. op. cit. 2, 485 f. 83) J ü h l i n g Tiere 98. M ) G r i m m Myth. 3, 200 f. 86) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 116. 8«) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 308 87) Ebd.; S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 161; K n o o p op. cit. 32 Nr. 283. M ) G r i m m Myth. 3, 200 f.; B a u m g a r t e n a . a . O . 8 ') M e y e r Baden 423. ®°) T o p p e n Masuren 100; F r i s c h b i e r Hexenspr. 125; W u t t k e 448 § 707. n ) ZfVk. 1, 185.

5. A r t d e r T ö t u n g . Die Art der Tötung ist je nach den Gegenden verschieden. Man tötet die Mg., indem man sie mit dem mittleren Finger schlägt M ) oder mit der flachen Hand auf der Erde zerdrückt 93 ). In Kuj awien vierteilt man sie und wirft die Stücke nach Sonnenuntergang in die vier Himmelsrichtungen94). In der Languedoc bläst man auf das Tier 9 5 ). •2) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 222. M ) T o p p e n Masuren 100; W u t t k e 448 § 707. M ) K n o o p Tierwelt 32 Nr. 286. " ) R o l l a n d Faune 13, 115.

6. V o l k s m e d i z i n . In der Volksmedizin ist die Mg. von keinerlei Bedeutung. Es ist einzig und allein das Mg.pulver als äußerliches Mittel gegen Kröpf zu nennen 9e). ·*) J ü h l i n g Tiere 99.

Riegler.

Maurer. Die Betätigung seines Handwerksaberglaubens bezog sich ursprünglich I. nur auf den Hausbau, vor allem auf dessen Beginn und A b s c h l u ß ( s . 3,

29

Mauritius, hl.

1558 ff.). Zur Abwehr von Übel, bzw. zur Herbeiführung von Heil, vollzieht er a. bei der Grundsteinlegung (s. 3,1560) in irgendeiner Form das Bauopfer (s. 1, 926 ff. ; 3, 1561). Vgl. der rumänische M. mißt den Schatten eines am Bau Vorüberkommenden und mauert ihn ein, um den Bau dauerhaft zu machen 2). >) L e h m a n n Sudetd. Volksk. 157. 7. 257·

·) ZföVk.

b. Auf den zur Einwölbung nötigen letzten Ziegel meißelt er 3 Kreuze; der Bauherr oder sein Weib hat diesen dann mit einer gewissen Feierlichkeit einzufügen; man sucht sie daran in irgendeiner Weise zu hindern (unteres Mühlviertel, Salzburg) s ). 3) Heimatgaue 6, 214; österr. Oberöst. u. Salzb. 171.

Monarchie,

c) Da der Bau mit der Einwölbung zur Behausung wird, ist die wesentliche Arbeit der M. zum Abschluß gebracht, weshalb ihnen der Bauherr einen Trunk zahlt. 2. In seinem kräftig entwickelten Handwerksbrauchtum nimmt das Versperren und Verschließen den ersten Platz ein. a) Sieht ein Unberufener, aber nicht ungern gesehener Neugieriger bei der Arbeit zu, wird er eingeschlossen, versperrt, d. h. man versperrt ihm mit der Richtschnur den Weg unter einem Spruch : •Sie haben sich vergangen, Und sind jetzt gefangen. "Wir tun Sie verschließen; Es darf Sie nicht verdrießen. Wir verschließen Fürsten, Grafen und Edelleut ! Das ist der Maurer Pflicht und größte Freud. Wer diesen Bau will betrachten. Darf ein kleines Trinkgeld nicht achten. Wir verschließen Sie auf ein kleines Glas Bier oder Wein, Dann wird der Eingang wieder offen und frei sein. {Oberöster., Salzburg«), ähnlich Kuhländchen«)).

Wenn der Verschlossene an die M. die rechten Gegensprüche zu stellen weiß, kommt er ohne Trinkgeld los; will er nicht zahlen, so spielt man ihm einen Streich, bewirft ihn mit Mörtel und läßt Steine auf ihn herabfallen (Grafenried) e ), s. Band (1, 863 ff.), binden (1, 1325 ff.), Faden (2, 1114 ff.), lösen, Schnur. 4) österr. Monarchie, Oberöst. u. Salzb. 171. *) ZföVk. 10, 10. «) John Westböhmen 243 ff.

b) Sie verschnüren den Brautzug 7).

30

') L e h m a n n Sudetd. Volksk.

175.

3. Regenzauber durch M. (vereinzelt). In manchen Gegenden Sachsens mauerten sie früher einen Hahn mit reichlich Futter und Wasser in ein Gewölbe ein, wenn sie einen neuen Bau aufführten. Sie glaubten, daß es solange nicht regnen würde, als das Tier am Leben bliebe 8). 8)

Mitt. Anthrop. Wien 43 (1913), 2740.

4. Die M. kommen in Beziehung zu alten Schätzen und Hausgeistern, da sie alte Bauwerke einreißen : so stoßen sie bei einem Backofen auf eine Kröte 9 ), auf einen Höllenzwang 10 ) (s. 4, 258 ff.), Hausgeist (s. 3, 1568 ff.), Hausschatz (s. з, 1575), Schatzheben. Für die einstigen M.zunftbräuche s. Wissell, Handwerk 2, 306. ") ZföVk. 4, 232.

10)

Meiche Sagen 573. Jungwirth.

Mauritius, hl. ι . Anführer der thebäischen Legion unter Kaiser Maximian, der diese samt ihrem Führer, weil keiner den heidnischen Göttern opfern wollte, bei Agaunum im oberen Rhonetal niedermachen ließ. Die Stätte des Martyriums, jetzt St. Maurice im Kt. Wallis, ist als solche schon im 5. Jahrh. bezeugt 1 ). M. kommt in den kirchlichen Formeln für die Ritterweihe 2) und für die Schildweihe vor 3 ). Er ist Patron gegen Podagra 4). Im Walde von la Grisière soll ein gewaltiger Felsblock von ihm aufgestellt sein und ist Gegenstand der Verehrung 6 ). Mütter bringen ihre kranken Kinder dahin·). In Millay und in Chiddes sind Spuren seines Pferdes zu sehen 7 ). Am M.tag (22. S e p t e m b e r ) soll man keinen Weizen säen, sonst wird er brandig 8). Klares Wetter an diesem Tage soll viel Wind im Winter bringen·). l) P f l e i d e r e r Attribute der Heiligen 135; Menzel Symbolik 2, 17.134. 274; B e i s s e l Heiligenverehrung 1 , 5 ; Samson Heil, als Kirchenpatrone 306f.; B e r n o u l l i Merowinger 179ft.; K ü n s t l e Ikonographie 448. Seine Reliquien: S t ü c k e l b e r g Gesch. d. Reliquien in d. Schweiz 1, Clf. CHI. 1. Sein Blut als Reliquie: B e i s s e l 1, 138. *) F r a n z Benediktionen 2, 297. 8) Ebd. 298. 4) H o v o r k a и. K r o n f e l d 2,275. *) S é b i l l o t Folk-Lore ι. 312. ·) Ebd. ι, 341. ') Ebd. ι, 386. ·) Grimm Mythol. 3,444 (300: Chemnitzer Rockenphilosophie). 467 (907: Bayern);

Maus

3i F o g e l Pennsylvania Böhmen 451.

196 (959).

·) R e i n s b e r g

2. Das Gewand der Statue des Heiligen (1411 gearbeitet) in der Moritzkirche zu Halle ist nach der Sitte der Zeit mit Schellen besetzt 10 ). Nach ihm nennt man in Lettewitz bei Wettin und einigen andern Dörfern den Knecht, der am 3. Pfingstfeiertage den umziehenden Bischof begleitet und Gaben einsammelt, Schellenmoritz u). 10 ) S o m m e r Sagen 1 , 7 4 . " ) Ebd. 153 f.; M a n n h a r d t 1 . 3 2 7 ; G e s e m a n n Regenzauber 73. Sartori.

Maus. ι. E t y m o l o g i s c h e s und O n o m a s t i s c h e s . Hausm. (mus musculus) und Feldm. (mus agrarius) werden beide volkstümlich kurz als „M." bezeichnet. Der Name dieses Nagers ist einer der wenigen gemein-indogermanischen Tiernamen, was auf ein relativ hohes Alter deutet (vgl. die italien. Redensart aver più anni del primo topo, älter sein als die erste M.") »). Deutsch Maus < ahd. mûs (engl, mouse) entsprechen altind. mûih-, npers. mûs, arm. mukn, griech. μΰ;, lat. mus, altslaw. mysí, alban. mi2). Das Wort beruht nach S c h r ä d e r ®) auf einer altindischen Wurzel tnush „stehlen", es wäre demnach die M. die „Diebin" (vgl. umgekehrt deutsch mausen = stibitzen nach der M.) 4). Nach E d l i n g e r 8 ) ist die M. auch im Mongolischen nach dem Stehlen benannt. In den romanischen Sprachen hat sich lat. mus als selbständiger Tiername nur im Rhätoroman. erhalten e ), im übrigen wurden die Namen mehr oder minder ähnlicher Tiere auf die M. übertragen. So wurde sie nach der Spitzm. (lat. sorex7), der Ratte 8 ), dem Maulwurf (lat. talpa*)), benannt. Namentlich werden in romanischen Sprachen „M." und „Ratte" nicht streng geschieden. So wird im Spanischen die Hausm. als „kleine Ratte" [ratón) bezeichnet 10 ), die Hausratte im Ahd. umgekehrt als grôz-mûs11). Nach anglo-amerikanischem Volksglauben gelten die M.e als junge Ratten 1 2 ). Im Neugriech. ist ποντικός ein Kollektivname für alle Arten von Ratten und M.en »).

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Scherznamen der M.e sind nicht sehr häufig: schles. Ufamoan = Ofenmann, Höllemoan = Höllenmann (Hölle Raum hinter dem Ofen) 14 ). Im Renartroman heißt die M. chauve la soriz (vgl. chauve-souris „Fledermaus") 15 ). Offenbar Ausfluß nationaler Gehässigkeit ist die Bezeichnung „Deutscher" für M. bei den Slaven Böhmens und Galiziens le ). Ndd. bönlöper „Bodenläufer" 17 ) beruht auf Tabu. So hieß es früher auch in Brandenburg, man müsse in den Zwölfnächten die M.e Dinger nennen 18 ). Von den Hexen heißt es in Tirol, sie wüßten die geheimen Namen der M.e 18). R i e g l e r Tier 66. 2) S c h r ä d e r Reallex. 535 ; Edlinger Tiernamen 75; Weigand-Hirt DWb. Sp. 150 f. ; P a l a n d e r Ahd. Tiernamen 4) R i e g l e r 72 f. 3) S c h r ä d e r a . a . O . Tier 5) E d l i n g e r 60. op. cit. 75. ·) M e v e r L ü b k e REWb. Nr. 5764. ') a. a. O." Nr. 8) a. a. O. Nr. 7054; S c h ü r r 8098. ZfrPh. 47, 5 i o f . ®) G a r b i n i Antroponimie 854; S c h ü r r op. cit. 47, 502Í.; Jaberg-Jud A JS. Karte 444. 10) R i e g l e r op. cit. 60. «> P a l a n d e r op. cit. 75. l a ) M e m A m F L S 7, 83 Nr. 960. 13 ) H e l d r e i c h Faune de Grèce 13; S c h ü r r op. cit. 47, 5o6f. 14 ) D r e c h s l e r 2, 2981. 16 ) 18 ) W ü s t e r Tiere 94. ATradpop. 5, 298. 17 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 79*. w ) F r a z e r ι , 453fi.; S a r t o r i Sitte 3, 24. 19) Z i n g e r l e Sagen 450.

2. B i o l o g i s c h e s . Über die Entstehung der M.e hatte man die sonderbarsten Vorstellungen. Im alten Ägypten glaubte man, sie seien aus Erde und Regenwasser entstanden 20). Nach dem Talmud ist die Er dm. ein Geschöpf, das halb M., halb Erde ist 2 1 ). In der Thebais wollte man M.e gesehen haben, bei denen der Vorderkörper schon ganz ausgebildet war, während der hintere Teil noch aus einem Erdkloß bestand 22). Nach H u l m e 23) ist es ein alter Glaube, daß M.e aus Fäulnis entstehen. Als Gewittertier (s. weiter unten) kommen die M.e bei Gewittern aus den Wolken 24), was mit dem M.emachen der Hexen (s. weiter unten) zusammenhängt. Am Laurenzitag regnet es M.e2B), ebenso am Peter- und Paultag 2e ). Auch können sie vom Wirbelwind gebracht werden 27 ), oder nach W o r m i u s und S cal ige r , aus dem Nebel kommen (graue Farbe) 28 ). Der böhmische Aberglaube, die M.e fielen vom Monde (bei

Maus

33

Neumond) 2 9 ) muß schon bei den alten Römern bestanden haben; denn nach P l i n i u s (VIII, 56, 82) stehen die M.e unter dem Einfluß des Mondlichtes wie die Fische 3 0 ). Die nahe Verwandtschaft der M.e mit den Ratten hat bei den Angloamerikanern den Glauben gezeitigt, Ratten und M.e seien Männchen und Weibchen desselben Tieres 3 1 ). Auch im Renartroman erscheint die Ratte {dan Pelez) als Gemahl der M.32). Als besondere biologische Eigenheit der M. ist die Abhängigkeit der M.leber vom Mondeseinfluß zu verzeichnen, d. h. die Leber der M. nimmt mit dem Mondeswechsel zu und ab. Dieser von A e l i a n berichtete antike Aberglaube 33) fand Aufnahme in M e g e n b e r g s Buch der Natur S. 126. Die M.leber wurde nach P l i n i u s ( X X I X , 75) auch als Liebesmittel verwendet 34 ). Vor dem Harn der in Brunst befindlichen M. muß sich der Mensch hüten; denn, wird ein Glied von dem M.harn benetzt, verfault es 3 5 ). Hingegen nützt der M.harn, da man mit diesem und einem Gemisch von Eisenkrautsaft und Wasser zu Ostern Engerlinge erzeugen kann 3 6 ). — Seit altersher gilt die M. als kurzsichtig (vgl. griech. μύοψ == maussichtig > kurzsichtig ; hierzu engl, mousesight „Kurzsichtigkeit") 3 7 ). M.augen werden von kleinen Kindern als Talisman getragen 3 8 ). Nach M e g e n b e r g 3 9 ) sind die M.e stumm, nur bei Vollmond geben sie einen zischenden Ton von sich. Wie die Zwerge lieben sie die Musik, bei schlechtem Singen verkriechen sie sich (Schles., Böhmen) 4 0 ). Der M.schwanz gilt als giftig 4 1 ), manchmal ist er rot 4 2 ). Trinkt eine M. Wasser, muß sie sterben. Diese Aristotelische Behauptung wird von Megenberg 43 ) wiederholt. Daher auch die Bemerkung des P l i n i u s , in Lybien tränken die M.e nicht, wozu M e g e n b e r g 44) meint, dies gelte wohl für alle M.e. Nach der Vorstellung des Altertums kannte die Gefräßigkeit der M. keine Grenzen. Weder Eisen noch Gold war vor ihnen sicher, aus den Lampen zogen sie mit den Schwänzen das ö l heraus 45 ). Kein Wunder, daß sie groß und fett werden **) und Nester groß wie Körbe Bäcbtold-Stäubli,

Aberglaube V I

34

haben 47). Die von P l i n i u s aufgestellte Behauptung, der Elefant scheue die M. wegen ihres Geruches 48), wird von C u v i e r bestätigt 4 9 ). K e l l e r Antike Tierwelt i , 200. 21 ) Ebd. Ebd. 23) Natural History 194. 24) W u t t k e S. 124 § 168; G r o h m a n n 60. 25) S c h m i t t Hettingen 13. 26) D r e c h s l e r 2, 232; W u t t k e 124 § 168. 27) C o r n e l i s s e n Muizen 29. 2e ) Ebd. 29) G r o h m a n n a . a . O . ; W u t t k e 125 § 168. 30) H ö f l e r Organotherapie 109. 31 ) MemAmFSI. 7, 83 Nr. 960. 32) W ü s t e r Tiere 93. 33) K e l l e r op. cit. 1, 200; H ö f l e r op. cit. 179; ZfVk. 27, 13. 34) H ö f l e r a . a . O . 35) M e g e n b e r g Buch der Natur 126. 3e) S t a r i c i u s Heldenschatz 279; vgl. den Artikel Engerling. 37) R i e g l e r Tier 61. 38) Urquell NF. 1, 49. 3e) Buch der Natur 126. 40) W u t t k e 125 § 168. 41 ) Urquell 4, 70. 42) K i i h n a u Sagen 3, 460. 43) M e g e n b e r g op. cit. I25f. **) a. a. O. 126. 45) K e l l e r op. cit. 1, 196, 199. 4e) K ü h n a u Sagen 3, 466. 47) op. cit. 3, 467. ω ) K e l l e r op. cit. ι, 201; M e g e n b e r g op. cit. 125. 4β) K e l l e r a. a. O. 22)

20)

3. M y t h o l o g i s c h e s . In Indien und Ägypten war die M. Symbol der Nacht. Den alten Persern und Baktrern war sie ein Geschöpf des bösen Gottes Ahriman (vgl. später M. = Teufel). Im Avesta gilt ihre Tötung als ein frommes Werk 6 0 ). Bei den Babyloniern war sie wie Hund und Schwein ein Opfertier 5 1 ), ebenso bei den Semiten bis zu den Zeiten von Jesaias 5 2 ). Die Kananäer opferten gegen Seuchen M.e als Weihgeschenke. Auch fanden bei ihnen Opfermahlzeiten von M.en statt 5 3 ). Die Griechen verehrten in Apollo Smintheus den Gott der Sonnenhitze und der M.e, der diese Nager ruft und entfernt, je nachdem er den Menschen zürnt oder ihnen hold ist s 4 ). Auf trojanischen Münzen wird er mit der M. in der Rechten und Pfeil und Bogen in der Linken dargestellt 65 ). Die Einwohner von Amaxitos in Troas hielten ihm zu Ehren zahme M.e, die auf Staatskosten gefüttert wurden, desgleichen nisteten weiße M.e unter dem Altar ε β ). Auch Zeus als Donnergott nimmt gelegentlich M.gestalt an 6 7 ). Bei allen Indogermanen ist dieM. ein Unwettertier (Farbe der M. = graue Wolke, Zahn = Blitz?). Bei Gewitter fallen an gewissen Tagen M.e aus der Luft M ). Als Surrogat der Wolke erscheint der Rauch in dem Volksglauben, daß in 2

35

Maus

jenes Haus viele M.e kommen, wo am Ostermorgen der Rauch zuerst aus dem Schornstein steigt 59 ). Auf die hervorragend mythische Bedeutung der M. deuten gewisse Bräuche. So wurde in Bergen (Norwegen) noch am Ende des 18. Jahrhunderts ein M.fest gefeiert, an dem die Bauern ihre Sonntagskleider anzogen und den Tag schlafend verbrachten 60 ). Bei dem Fastnachtsbegräbnis einer M. zu Wilten bei Innsbruck erscheint das Tier als Vertreter der winterlichen Mächte 61 ). In Norddeutschland halten die Elfen in den Zwölfnächten in M.gestalt ihren Umzug, wobei man die M. nicht mit ihrem Namen nennen darf ®2). In Böhmen werden den M.en, gerade wie in Schweden an demselben Tage den Elfen, Speisen hingesetzt ea). Als Überbleibsel alter mythischer Vorstellungen zu betrachten sind die Beziehungen der hl. Gertrud zu den M.en. Wer am Gertrudtage spinnt, dem kommen Übel ins Haus und M.e in die Felder β1). In dieser Gertrud vermuten einige Gelehrte es ) eine Nachfahrin der Göttin Nehalennia, die auch einen Spinnrocken als Attribut hatte. 60) K e l l e r op. cit. 1, 195 f. «) Höfler 52) Ebd. 53 ) Ebd. M) Organotherapie 109. 65 K e l l e r op. cit. 1, 144. ) K e l l e r op. cit. 1, I94Í. 57 ) op. cit. 58) *·) Ebd. ι , 195. Schwartz Studien 44.347; D r e c h s l e r 2,232; W u t t k e 59) Bl124 § 168; C o r n e l i s s e n Muizen 29. PommVk. 8, 169; C o r n e l i s s e n op. cit. 16. β1 ) S a r t o r i «») op. cit. 55. Sitte 3, 126. · 2 ) β3) op. cit. W u t t k e 115 §168. 125 §168. M ) B l o c h w i t z 153. e5 ) W o l f Beiträge ι , 152; S i m r o c k Mythologie 369; C o r n e l i s s e n Muizen

36

wie Zwerge sich vor schlechter Musik verkriechen 70). Die unterirdischen Gänge der M.e wurden frühzeitig mit dem Glauben an Erdgeister verbunden, diese nehmen gerne M.gestalt an 71 ). In einer Sage aus dem Kreise Beuthen (Schlesien) erweist sich der Berggeist einem Hauer als Mäuschen hilfreich und teilt den Lohn mit ihm 72). Verzauberte Jungfrauen 73) und weiße Frauen 74 ) erscheinen bisweilen als M.e. Ganz besonders jedoch ist die M. eine beliebte Hexenepiphanie 75). Manchmal wird das Motiv der Verwandlung angegeben. So heißt es im wallonischen Mythus von einer Hexe, daß sie sich in eine M. verwandelt, um in die Schränke einzudringen 76 ). Bei HexenVerbrennungen wollte man sehen, wie die Hexe in M.gestalt zu entfliehen versuchte, worauf man das Tier zurückjagte 77). — Wenn aus Sindelfingen in Württemberg berichtet wird, eine M., ins Butterfaß geworfen, beschleunige das Buttern, so steckt in diesem Tier natürlich gleichfalls die Hexe 78), die auch sonst zur M. in innige Beziehung tritt. In Tirol 7e ) nährte sich eine Hexe von M.en und Ratten. Sie hatte ein eigenes Sprüchlein und wußte die geheimen Namen dieser Tiere. An Stelle der Hexe tritt gelegentlich der Hexenmeister. So wird in einer Voigtländischen Sage 80 ) von einem Jungen erzählt, der mit einem Messer nach einer M. wirft und sie dabei am Auge verletzt. Nach langen Jahren kommt der Übeltäter nach Venedig und bemerkt in einem Fenster einen einäugigen Mann. Häufig erfolgt die Verwandlung in M.e als Strafe oder Sühne. So wurden nach einer steirischen Sage sieben Mädchen wegen Genäschigkeit von ihrer Mutter in M.e verwünscht 81 ). Eine ähnliche Sage wird aus Pommern berichtet 82). Von einer Verwandlung in Wasserm.e durch Zwergenfluch ist in einer oberpfälzischen Sage die Rede 83). Eigentümlich ist die Verzauberung in M.e durch Verkauf solcher Tiere, d. h. der Käufer wird selbst in eine M. verwandelt 84 ).

51· 4. V e r w a n d l u n g in M.e. Die altheidnische Bedeutung der M. zeigt sich auch darin, daß verschiedene mythische Wesen mit Vorliebe M.gestalt annehmen. So vor allem Zwerge und Elfen, wobei zu beachten ist, daß die Farbe der M. die des Nebels ist (vgl. weiter oben). Zwerge schlüpfen aus M.löchern ββ). Erdmännlein (Elben) halten in M.gestalt in den Zwölfnächten Umzüge (Böhmen, Schweden) 67) und führen Gold und Silber ins Elbenreich M ). Die Bei Hellenen, Römern und Germanen M.e, die eine Gespensterkutsche ziehen ist der Muskel überhaupt, ein Armmuskel (Stralsund), sind gleichfalls elbischer insbesondere, nach der M. benannt: mus, Natur ®9). Bezeichnend ist auch, daß M.e I musculus 85). M a n n h a r d t 8 e ) vermutet,

37

Maus

daß diese Bezeichnung auf einer alten Vorstellung von einem geisterhaften Wesen in M.gestalt beruhe. Die Animalisierung des Muskels geht deutlich hervor aus der Redensart: „Das Mäuslein läuft hervor", die gebraucht wird, wenn man sich an die Sehne des musculus triceps des Oberarmes stößt 87). Eine einfache Metapher eher als eine Mythisierung scheint vorzuliegen in der Bezeichnung der Gebärmutter oder auch des weiblichen Gliedes als M. M ) (auch als Kröte wird die Gebärmutter aufgefaßt). Über den Bedeutungswandel M. > cunnus > Mädchen > Dirne vgl. G ü n t h e r in Anthropophyteia 8e) und Riegler Tier»0). " ) W u t t k e 125 §168. " ) B l o c h w i t z 152. M ) K u h n Myth. Studien 2, 73 Α. β ·) N o r k Volkssage 398; C o r n e l i s s e n Mutzen 19. 70) D r e c h s l e r 2,223. 71 ) W a i b e l u. F l a m m 2, 160 f.; Alpenburg Tirol 215; MschlesVk. 13, 75. K ü h n a u Sagen 2, 428 ff. 7S) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 97. 74) M a n n h a r d t Germ. Mythen 79 e ; W u t t k e 125 §168. 76) Urquell 3, i g o f . ; S c h e l l Bergische Sagen 24 Nr. 18; G ü n t e r t Kalypso 215. 262. ™) S é b i l l o t Folk-Lore 78) 3. 57· " ) W l i s l o c k i Magyaren 77, 180. B o h n e n b e r g e r 21. '*) Z i n g e r l e Sagen 450. 80 ) E i s e l 81 ) V e r n a l e k e n Voigtland 239 f. Alpensagen 133. 8a) C o r n e l i s s e n Muizen 18 f. M ) Bl* 3 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 184. pommVk. 10, 18; C o r n e l i s s e n op. cit. 17. S 5 ) R i e g l e r Tier 61. 8e) M a n n h a r d t 1, 23 f. ·*') L a m m e r t 214; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 88) G r i m m 360; v. d. L e y e n Märchen 53. Mythologie 2,90ό 1 ; L e s s i a k Gicht 123; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 294. 8*) 9, 51. ,0 ) 63 f.

5. DasM.machen. Sehr verbreitet war der heute noch nicht ganz ausgestorbene Glaube, Hexen und Hexenmeister seien imstande, M.e zu machen, und zwar sowohl schwarze wie weiße 91 ). Vgl. die Redensart M.emachen = Ausflüchte suchen e2). Im Wallonischen heißt es: er macht M.e und hängt ihnen Schwänze an, d. h. er ersinnt Lügen und bekräftigt sie noch 93 ). Ein Hexenbekenntnis bringt Details über die Kunst des M.emachens M ). Das Material wird zum Teil vom Teufel geliefert, zum Teil aus der Apotheke geholt, alles in einen Topf getan, über dem eine gleichfalls vom Teufel stammende Zauberformel gesprochen wird. Anders bei Grimm 95 ). Als Materialien zur M.eerzeugung werden genannt : Hexenurin 98 ), Erde (in Kugelform) 97), Tonerde 98),

38

Uferlehm 99 ), Sand 100 ), Staub 101), ferner Zauberkräuter 102 ), Eichenblätter (aus einem Protokoll, 17./18. Jahrh., Posen), Weidenblätter (Kujavien) 103 ), Weizen104), Birnen los ). Nach bayerischen Prozeßakten wird aus Tuch die Gestalt einer M. nachgezeichnet loe ). Diese Hexenm.e sind daran erkenntlich, daß sie schwanzlos sind 107 ), gespaltene Ohren und feurige Augen haben 108). Sie springen Leute an und verschwinden bei Zauberworten 109). Das M.emachen der Hexen geschieht fast immer in der Absicht, den Menschen zu schaden, wie auch Apollo Smintheus im Zorn M.e aussandte, um die Felder zu verheeren u o ). Die Tiere können von einem Ort zum anderen gezaubert werden 1 1 1 ). Häufig sind solche M.e auf dem Lande Streitursache zwischen Nachbarn 112 ). Kinder, die im Zaubern unterwiesen werden, lernen vor allem M.e machen 113 ). In den Hexenprozessen wurde an die Angeklagte regelmäßig die Frage gerichtet, ob sie M.e machen könne 114 ), worauf nicht selten ein Bekenntnis erfolgte 115 ). 91 ) M e y e r Baden 557; H e y l Tirol 180; L f i t o l f Sagen 209 f.; Urquell 8, 190f.; W u t t k e 267 § 393; 124 § 168; B i r l i n g e r Volksth. 1, 315; Schwebel Tod und ewiges Leben 118 f.; M) S t r a c k e r j a n 2 , 1 4 9 §376. Blochwitz M M 154. ) C o r n e l i s s e n Muizen 98. ) ZfdMyth. w) Grimm 2, 74. Myth. 2, 912. ·') S c h e l l Bergische Sagen 24 Nr. 17. , 7 ) G r i m m a. a. O. ; B e r t s c h Weltanschauung 380; C o r n e l i s s e n 88) op. cit. 25. ,β ) Muizen 26. Birlinger Schwaben 1, 324. 10°) C o r n e l i s s e n op. cit. 25. 101 ) op. cit. 26. 10S) op. cit. 27. 103 ) Knoop Tierwelt 33 Nr. 294. 1 M ) B i r l i n g e r Schwaben 105 ) M o n t a n u s loe ) ι , 434. Volksfeste 172. G r i m m Myth. 2, 912; C o r n e l i s s e n op. cit. 27; 107 ) R a n k e W u t t k e 267 § 393. Volkssagen 1 9 , 2 7 1 ; S c h e l l Bergische Sagen 75 'Nr. 5; 263 Nr. 17; 264 Nr. 20. 108) ZfdMyth. 2, 74. 10») H e y l Tirol 286 Nr. 103. 110 ) G r i m m Myth. a . a . O . l n ) C o r n e l i s s e n op. cit. 27; de C o c k Volksgeloof 109. l l a ) C o r n e l i s s e n 35 f. 1 1 3 ) Birlinger Volksth. 1,315; SAVk. 21,216; S t r a c k e r j a n 296; W u t t k e 156 § 214; S c h e l l op. cit. 75, Nr. 5; C o r n e l i s s e n op. cit. 27. 114) B l o c h w i t z 115) R o c h h o l z 154. Sagen 2, 127.

6. T e u f e l s e p i p h a n i e . Hexentiere sind selbstverständlich immer auch Teufelstiere, so auch die M., die schon bei den Persern Geschöpf des bösen Gottes war und als unreines Tier galt 1 1 8 ). So ist die M. eine häufige Teufelsepiphanie 11 '). Inter-

39

Maus

essant ist der Bericht von Melanchthons Schwiegersohn Caspar Peucer, er habe bei einer besessenen Weibsperson den Teufel in Gestalt einer M. unter der H a u t hinund herlaufen sehen 1 1 8 ). Nicht selten bedient sich der Teufel seines Geschöpfes bei seinen Werken, so bei der Errichtung von B a u t e n 1 1 9 ) . E s benagt die Arche Noahs (tschechisch, kleinrussisch) 1 2 0 ) und frißt den Menschen das Getreide a b 1 2 1 ). A u c h sonst sind die Beziehungen zwischen Teufel und M. zahlreich. Wer eine M. zertritt, bringt den Teufel in sein H a u s 1 2 2 ) . Wenn man dem Teufel flucht, d. h. ihn nennt, so vermehren sich die M.e 1 2 3 ) ; nennt man den Namen Christi, fliehen sie 1 2 4 ). Bei einer Teufelsbeschwörung springt anstatt des Teufels eine M. aus dem F e u e r 1 2 S ) . Die hl. Gertrud wird beim Spinnen von einer Teufelsm., die den Faden a b b e i ß t 1 2 β ) (vgl. die Redensart : da beißt keine M. einen Faden ab), wiederholt zum Zorn gereizt, sie widersteht aber allen Versuchungen. Seitdem gilt sie als Schutzpatronin gegen M.e 127 ). In einer dänischen Sage erscheint der Böse in Drachengestalt als Rächer der M. E r umwickelt den Banner mit dem Schweif und zieht ihn ins F e u e r 1 2 8 ) . A u c h der lettische D ä m o n Puhkis erscheint als M . 1 2 9 ). »«) ZfVk. 16,380; H ö f l e r Organoth. 79; W u t t k e 125 § 168. » ' ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3,48; G r o h m a n n Sagen232 f.; S t r a c k e r j a n 2, 149 N r . 346; G r a b e r Kärnten 291. lle

) Mannhardt

1,24; B l o c h w i t z

C o r n e l i s s e n Mutzen 88. harz

169 f.

153! 120

N r . 388 f . ;

lle

155 f.;

) P r ö h l e Unter-

Laistner

Nebelsagen

) G r o h m a n n 232!; ZfVk. 16,376.

378. 379- 381. ) G r o h m a n n 232. "») Urquell 3, 191; B l o c h w i t z 152; C o r n e l i s s e n m

op. cit. 14. 123 ) P a n z e r Beitrag 1, 265; W u t t k e 1M 400 §615. ) K n o o p Hinterpommern 25. 1!5 ) G r o h m a n n Sagen 232. l 2 > ) Z i n g e r l e Johannissegen 222f. 1 2 ') ZfVk. 2, 200; C o r n e -

l i s s e n op. cit. 51.

lîe

) op. cit. 38.

1M

) Schroe-

d e r Elben 33.

7. M. s c h a t z h ü t e n d . A l s Teufelstier ist die M. Hüterin dämonischer Schätze, (vgl. das jüdische Sprichwort: Die M. liegt auf dem Schatze) 1 3 0 ). In einer böhmischen Sage hütet der Teufel in M.gestalt in unterirdischen Gewölben große Schätze. Ein Graf darf gegen Seelenverschreibung davon nehmen so viel er will. Bei seinem Tode hört man eine M. an der Türe

40

raspeln 1 3 1 ). Allerdings kann die M. als Schatztier auch elbischen Charakter haben 1 3 2 ). V o n schatzweisenden M.en ist in vielen Sagen die Rede 133 ). In Bergwerken lenkt sie die Bergleute zu Silberlagern 134 ). I m Altertum glaubte man, die M.e fräßen in den Goldbergwerken das Gold. Man schnitt ihnen daher den Bauch a u f 1 3 5 ) . A u c h das Eisenfressen wurde ihnen nachgesagt 1 3 e ). Totgeschlagen, werden M.e zu Gold, falls sie unbeschrieen sind 1 3 7 ). Als Schatzhüter schrecken die M.e durch Gewalt oder List Schatzgräber a b 1 3 8 ) . In Island bringt die Flaethr-armus, d. i. Flutm., Schätze ins Haus. Man legt zur M. ein Geldstück und findet dann jeden T a g ein weiteres Geldstück dabei 1 3 e ). Diesen Spiritus familiarisCharakter haben auch die sieben mit Milch und Brot genährten M.e, die einen pommerschen Bauer zum reichen Manne machten 1 4 0 ). In einer schottischen Sage erweist sich die M. durch Schatzspenden dankbar für eine erwiesene W o h l t a t 1 4 1 ). 130

232.

) B l o c h w i t z 152. 131 ) G r o h m a n n Sagen 132 ) C o r n e l i s s e n Mutzen 11. " ' ) G r i m m

Sagen 236 N r . 332; L a n d s t e i n e r

reich 52 4 ; T o b l e r Epiphanie 17f.

Niederöster134

) Waibel

u. F l a m m 2, i6of. ; M e i c h e Sagen 859 Nr. 1070. 135

) K e l l e r Antike

Tierwelt

1, 196.

13


) Liebrecht

) Riegler

Tier

) Cornelissen op. cit. 100; m

) Gomis

Zoologia

220

Nr. 871. Ii. Todeszeichen. Die M. ist das Tier Apollos in seiner Eigenschaft als tötender G o t t 1 9 3 ) wie sie auch bei den Indern das Tier des Todesgottes ist 1 9 4 ). Sie gilt seit altersher als todkündend 1 9 5 ). Schon in der ägyptischen Hieroglyphik ist die M. Symbol der V e r n i c h t u n g m ) (vgl. maustot — völlig tot). Nicht selten ist sie als Todessymbol auf Grabmonumenten 197 ). Kommen in ein Haus ungewöhnlich viele (weiße) M.e, so muß bald jemand im Hause sterben 1 9 8 ). Ebenso ist es ein Todeszeichen, wenn jemandem eine M. ganz zahm vor die Füße läuft 199 ) oder über das Fensterbrett huscht 200). Ein Kranker, vor dessen B e t t eine M. kommt, ist verloren (Westfalen, Erzgebirge) 201 ). Ein Todesomen ist es ferner, wenn eine M. jemandes Kleider benagt 202 ), wenn sie in oder bei einem Hause im Kamin, im Keller, unter dem Dache, unter dem Feuerherd oder Ofen „ s t ö ß t " oder „schiebt", d. h. etwas aufwühlt 203 ), wenn sie ein Loch im Boden macht und dieses, obgleich es zugestopft wird, am nächsten Tage wieder offen steht 204), wenn sie durch das Loch eines Fasses kriecht (jüdisch) 205) oder Häuflein von Staub oder Papier zusammenträgt (Bern) 2 0 e ). Ferner stirbt jemand in der Familie, wenn man beim Kehren der Tenne in der Christnacht um 12 Uhr eine tote M. findet 207) oder eine weiße M. getötet wird (Böhmen) 208) oder wenn man schließlich von toten oder weißen M.en träumt 209 ). A u c h in der Tierwelt wirkt die M. todbringend: so bringt eine trächtige K u h , auf die man eine M. wirft, ein

45

Maus

totes Kalb zur Welt (Erzgeb.) 21°). Ein Todessymbol ist die am Faden nagende M. zu Füßen der hl. Gertrud, der Schicksalspinnerin 211 ), bei der nach einem alten Volksglauben die Abgeschiedenen die erste Nacht in M.gestalt zubringen 212 ) (vgl. weiter oben). 1M)

1M) B l o c h w i t z Urquell 3,190. 152. M e y e r Germ. Mythol. 64; H e e r Altglarner. Heidentum 22; Urquell 3,210; S é b i l l o t FolkLore 3 , 5 8 ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 326; C o r 1M) B l o c h w i t z n e l i s s e n Muizen 8. 152. 1 , 7 ) op. 1M) S t r a c k e r j a n cit. 154. 1,23; 2,149; ZfrwVk. 4,244; W u t t k e 201 § 2 7 3 ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 326; S A V k . 8, 281. 1,e) G r o h m a n n 229; W u t t k e 201 §273; S A V k . 8,274; 1 2 , 2 1 4 ; C o r n e l i s s e n Muizen 20 15. °) S c h w e b e l Tod u. ewiges Leben 118 f.; H o p f Tierorakel 64 Nr. 21. 201 ) K n o o p Tiere 33 Nr. 289; J o h n Erzgebirge 113. 202) G r i m m Myth. 2 , 9 5 1 ; W u t t k e 201 §273; Urquell N. F. I, 17; S c h i l d Großätti 123 Nr. 19; ZfrwV k . 4, 244; H o p f op. cit. 64 Nr. 21 ; B l o c h w i t z 152; W u t t k e 201 § 2 7 3 ; S c h r a m e k Böhmerwald 245; C o r n e l i s s e n Muizen 15. 203) S A V k . 2 , 2 1 8 ; 4 , 4 1 ; 5,46; 21,202; R e i s e r Allgäu 2, 314; SchwVk. 10, 32; R o t h e n b a c h Bern 44 Nr. 409. 410. 204) H o p f op. cit. 64 Nr. 21; B i r l i n g e r Volksth. 1, 120; H o v o r k a u . K r o n f e l d 1,294. 205) Urquell 4 , 1 1 8 ; C o r n e l i s s e n 20β) S A V k . 2") B a r t s c h Mecklenburg 2, 3x1. «·*) ZfVk. 8, 141. se3 ) Sartori op. cit. 2, 83. 2M ) op. cit. 2, 104. 2 M ) Grimm Myth. 3, 458 Nr. 684; W u t t k e 84 §98; Egerland 9, 37. 2M) Müller Iser2 " ) Birlinger gebirg e 27. Volksth. 1, 120. 3m ) Cornelissen op. cit. 43. 2β·) Ebd.; vgl. noch K u h n Westfalen 2,187 Nr. 522 u. W u t t k e 399 §615·

b) D u r c h Tiere. Von den Tieren, die zur Abwehr der M.e verwendet werden, ist in erster Linie die Katze zu nennen, einerseits weil sie tatsächlich M.e frißt, andererseits weil sie als Hexentier gilt. Am St. Walpurgistag schließt man eine schwarze Hexenkatze in den Dachboden ein, entkommt sie, gehen alle M.e weg (Böhmen) 270). Man verbrennt eine Katze und streut deren Asche in die Scheune (Mähren ?). Bei den Römern tut man das-

50

selbe mit dem Wiesel, dem Vorläufer der Katze 271 ). Sieht man am Weihnachtstag eine Katze mit einer M., so hat man wenig M.eplage durch das Jahr 272). Die Entstehung der Katze ist nach einer biblischen Sage der M. zu verdanken. Als nämlich Noah sah, daß eine M. die Arche benagte, warf er seinen Handschuh nach ihr. Aus diesem wurde die Katze, die seither die M. frißt (ungarisch) 273). Nach dem Grundsatze „Gleiches mit Gleichem" sucht (e) man die M.e durch ihresgleichen zu vertreiben. So wurden bei den Semiten M.e zu Opfer und Opfermahlzeiten verwendet 274). Bei den alten Griechen kastrierte oder skalpierte man eine gefangene M. und ließ sie dann laufen 27S) (Geoponica X I I I 4, 6). In Böhmen wird einer Katze eine große M. angehängt 276), und in Auxerre (Frankreich) steckt man einen mit M.en behangenen Ast an das Scheunentor 277). Auch die Vogelwelt wird gegen die M.eplage zu Hilfe gerufen. So führt ein verschnittener weißer Hahn die M.e alle zum Hause hinaus, indem er vorangeht (Böhmen) 278). Eulen (Hexenvögel) werden an die Scheune genagelt 27e ). In Tiroler Sennhütten pflegte man früher Eier von Schneehühnern aufzuhängen, wobei den Eiern des lichten Tieres eine Schutzwirkung gegen das dämonische Tier zugeschrieben wurde 280). In Böhmen steckt man einen Krebs ins M.eloch 281 ) oder man verbrennt das Tier zu Pulver und räuchert damit das M.eloch aus 282). a70) Grohmann 61; Cornelissen Muizen 45. 271 ) op. cit. 46. a72) Müller Isergebirge 29. 273) ZfVk. 16,378. ·»«) B l o c h w i t z 153; K e l l e r op. cit. ι, 195. 275) K e l l e r op. cit. ι, 198. 27ί ) Cornelissen op. cit. 45. 2 " ) op. cit. 44. 27β) Grohmann Apollo 61. >7') Cor2eo) Urquell nelissen op. cit. 44. 3, 191; Cornelissen op. cit. 43. 281) op. cit. 45. M 1 ) Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 23 f.

c) D u r c h P f l a n z e n und Minerale. Auch das Pflanzenreich steuert Abwehrmittel bei. Dodoens' „Cruydt-boeck" (Kräuterbuch) gibt 42 Pflanzen zur Vertreibung der M.e an 283). Als besonders wirksam in dieser Hinsicht gilt Knoblauch 3M ). In die Scheune gibt man geweihte Palmen 28S ), am Johannistag ge-

Maus

5i

pflücktes Bilsenkraut 287), grüne Minze288). Man bereitet ferner aus Schellkraut, Wermut, Leinsamen und Baumfarnen einen Absud, mit dem man das Getreide besprengt 289 ). Man bringt unter gewissen Bedingungen Palmzweige auf dieFelder290), am Johannistage um zwölf Uhr macht man mit drei Haeelnußgerten ein Kreuz auf dem Acker und vergräbt dort die Ruten 291 ). Aus dem Mineralreich ist als Mittel gegen M.e lediglich Quecksilber zu nennen 292). M3)

284 ) C o r n e l i s s e n Muizen 48. Mitteil. A n h . Gesch. 14, 23 f. 285 ) W u t t k e 424 § 6 6 2 . 28e ) Mitteil. 2 8 A n h . Gesch. a . a . O . ') E b d . 289 ) * " ) F o g e l Pennsylvania 206 Nr. 1033. 291) M ü l l e r G r o h m a n n 62. 29 °) E b d . Iser292 ) Z f r w V k . gebirge 28. 1912, 226; L ü t o l f Sagen 288 f.

d) D u r c h Wasser. Ziemlich verbreitet ist Besprengung mit Wasser als M.eabwehrmittel. So wird das erste Wasser, das die Schnitter auf das Feld mitnehmen, nicht ganz ausgetrunken, der Rest wird in drei Ecken der Scheune ausgegossen 293). Auch auf die Äcker wird am Gertrudentag vom Pfarrer gesegnetes Wasser getröpfelt 294). Am 23. Juni werden Korngarben mit Wasser besprengt (Luce, Frankreich) 29S), um Mitternacht wird Wasser um die Häuser gegossen (Luik) 29e ). In Böhmen werden alle Winkel im Hause mit einem Wasser bespült, worin eine Sechswöchnerin gewaschen wurde 297 ). Daneben spielt auch fließendes Wasser eine Rolle. Zu Ostern wird ein alter Schuh in fließendes Wasser geworfen (Böhmen) 298). M.e werden durch einen Pfeifer ins Wasser gelockt (Rattenfängermotiv) 2 "). 293 ) P a n z e r Beitrag 2, 304; John West2M) F o n t a i n e böhmen 188. 221. Luxemburg 110. 295 ) R o l l a n d Faune 1, 2 7 ; C o r n e l i s s e n Muizen 44. 29e ) op. cit. 43. 297 ) G r o h m a n n 61. 29e ) C o r n e l i s s e n op. cit. 45. 2 " ) op. cit. 38 ä .

e) D u r c h T o t e n f e t i s c h . Ein beliebtes Abwehrmittel ist der Totenfetisch. Altheidnisch ist die M.ebeschwörung mit Menschenrippen300). Praktiken mit Totenknochen zur Vertreibung von M.en kommen jetzt noch in Island und Skandinavien vor 301). Auch Totenhaar wird im Hausflur vergraben (Siebenbürgen) 302). Als eine Stellvertretung dieses unheimlichen Brauches ist es zu betrachten, wenn

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Stücke von verfaulten Särgen in die Dachpfanne gesteckt werden 303). An Stelle von Menschenknochen werden auch Tierknochen verwendet 304). Nach dem Grundsatze „Gleiches mit Gleichem" wird in Böhmen eine tote M. ins Haus getragen 305). so») Z f V k . 13, 268. 301 ) C o r n e l i s s e n Muizen 30a ) Urquell 4, 149; C o r n e l i s s e n 47. a. a. O. 303 ) op. 3M) cit. 47 f. S a r t o r i Sitte 3,116; 305 ) Köhler Voigtland 369. Cornelissen op. cit. 45; W u t t k e 399 § 6 1 4 .

f) D u r c h B e s c h w ö r u n g (s. a. Mäusesegen). Beschwörungsformeln zur Bannung von M.en sind zahlreich vorhanden s®·). Die M.e können verbannt werden durch einen Beschwörer und Hexenmeister, im schlimmsten Falle durch einen Pastor oder Pater (Frankreich, Belgien) 307). In Südbrabant gilt das St. Johannisevangelium als kräftigstes Gebet, um eine M. aus Haus und Scheune zu vertreiben 308). Germania 309) verzeichnet aus dem Jahre 1471 einen Segen gegen die M.e in 50 Absätzen. Häufig sind diese Exorzismen mit einer rituellen Handlung verbunden. So wurde z. B. in der byzantinischen Zeit nach Cassianus Bassus (XIII 5, 4. 5) eine Beschwörungsformel auf Papier geschrieben und vor Sonnenaufgang auf einem Feldstein befestigt und zwar dort, wo es M.e gab 310). Im Allgäu läuft man am Karsamstag während der Auferstehungsfeier mit einem Besen ums Haus herum 311 ). In Norddeutschland klopft man am Morgen mit einem Hammer gegen Türpfosten und Balken 312 ). Formeln hierzu liegen vor aus Westfalen und Nordwestdeutschland 313 ). In Schlesien muß man bei der Hersagung der Beschwörungsformel eine Garbe in der Hand halten 3U ). In Frankreich (Dép. Seine-et-Marne) wirft man die Zwecke einer Egge in einen Morast 31S ). Die Bannung der M.e konnte auch in böser Absicht geschehen. So geht aus Akten des Jahres 1633 hervor, daß eine Witwe zu Eckertshausen M.e in das Haus ihres Schwagers gebannt hat 3 1 6 ). Auch kirchliche Bannungen waren keine Seltenheit. So verhängte der Bischof von Autun im 15. Jahrhundert den Kirchenbann über die M.e 317 ). Taten die Be-

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Maus

schwörungen keine Wirkung, so kam es vor, daß die M.e in aller Form angeklagt und wie vernünftige Geschöpfe vor Gericht geladen wurden 3 1 8 ). Aufsehen erregte der M.eprozeß zu G l u m s in Tirol (Herbst 1 5 1 9 — A n f . Mai 1520). Bei der Verhandlung am 3. Mai 1520 waren A d v o k a t , Richter und zwanzig Geschworene zugegen. Das Urteil ging dahin, daß die M.e die Gemeinde Stilfs binnen 14 Tagen räumen mußten 31β ). 308) F r a n z Benediktionen 139; S a r t o r i Sitte 2,82. 307) C o r n e l i s s e n Mutzen 28; R o l l a n d 308) C o r n e l i s s e n Faune 1,23. op. cit. 31. *>») 20, 325 ff. 310) K e l l e r op. cit. 1, 198. 311 ) R e i s e r Allgäu 2, 127. 312 ) C o r n e l i s s e n op. cit. 30. 313 ) op. cit. 30 f. 314) MfschlesVk 6, 37. 316) R o l l a n d Faune 1, 25; C o r n e l i s s e n op. cit. 46f. 31β) ZfdMyth. 2, 73t. 3 1 ') H ö f l e r Organoth. 109. 318) R o c h h o l z Gaugöttinnen 182; 31") op. cit. 56Í. C o r n e l i s s e n op. cit. 55.

g) D u r c h H e i l i g e . Gegen die M.eplage werden verschiedene Heilige angerufen als christliche Vertreter des heidnischen Apollo Smintheus. Zu allererst ist die h l . G e r t r u d zu nennen, die in Deutschland, Frankreich und Belgien als Patronin gegen M.eschaden verehrt wird 320). Sie wird in manchen Kirchen mit M.en dargestellt. M.e leisten ihr Gesellschaft und klettern ihr auf die Kleider. Nach Cornelissen 3 2 1 ) trägt sie die Züge der Todesgöttin Frigg. A l s Spinnerin (s. oben) vertreibt sie die M.e vom Spinnrocken 322 ). Durch ihre Fürsprache werden die M.e zurückgeschlagen 3 2 3 ). In der unterirdischen K a pelle der Kirche von Nijvel ist ein St. Gertrudsbrunnen, mit dessen Wasser früher Häuser und Äcker besprengt wurden 324 ). In einer anderen St. Gertrudskapelle (im Schlosse Moha bei Hoei) wurden Brote geweiht, deren Krumen an die von M.en besuchten Plätze gestreut wurden 325 ). In den Ardennen steckt man Zettel mit Anrufungen der hl. Gertrud (oder der hl. Jungfrau) in die M.elöcher 32β ). In Tongeren heftet man am Vorabend des Gertrudentages Zettel mit einer Beschwörungsformel an die Scheunentür 327 ). Gegen die M.eplage schützt auch der h l . N i c a sius, dessen Name am Nicasiustag (14. Dez.) mit Kreide an die Türe geschrieben wird*28). In Schwaben gilt der hl. U l rich als Schutzpatron gegen M.e. Sein

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Stab bannt diese Tiere 329) und die Erde von seinem Grabe schlägt sie in die Flucht 330). Auch der Stab des h l . M a g n u s tut ähnliche Wirkung 321 ). Noch zahlreiche andere Heilige werden gegen die M.plage angerufen so P a u l u s (Opwijk) 332 ), Hubert (Luxemburg) «»), Walpurgis (Flandern, Brabant) m ) , B e r n h a r d (Freiburg i. B . ) 3 3 S ) , G e o r g (Magyaren) 3 3 e ), C o l u m b a n (Iren) M 7 ), M e d a r d u s (Mecklenburg) 338 ), K a k w k y l l a (Schweden) 339 ). 320)

8,1 ) Ebd. C o r n e l i s s e n Muizen 50 f. Z i n g e r l e Johannissegen 222 f. 323) C o r n e l i s s e n op. cit. 51. 321) op. cit. 52. 325) op. cit. 54 f. 32β) R o l l a n d Faune 1 , 2 3 f.; C o r n e l i s s e n op. cit. 53. 327) Ebd. 328) G r i m m Myth. 3, 440 Nr. 173; S c h u l t z Alltagsleben 239; C o r n e l i s s e n op. cit. 98. 32β) ZfVk. 5,422; 33°) ZfVk. 5,422; C o r n e l i s s e n op. cit. 54. 331) M e n z e l S e p p Religion 319 S. Symbolik 2,407; Alemannia 9,286; C o r n e l i s s e n op. cit. 50. m ) op. cit. 54. 333) op. cit. 55. 334> op. cit. 54. 335) B a a d e r Volkssagen 35. 33e) W l i s l o c k i Magyaren 48. 33 ') S e p p Religion 319 ff. 33β) B a r t s c h Mecklenburg 1 , 1 7 6 ; 33β) ZfVk. 8, 341. C o r n e l i s s e n op. cit. 4 9 Ì 322)

h) D u r c h L ä r m . Schließlich sucht man M.e durch akustische Wirkung zu vertreiben: durch Schellen- oder Schlüsselgerassel, worin man ein Sinnbild des Donners (M. = Gewittertier ) sehen will 340 ). In Westböhmen geschieht dies am Karsamstag während des Glorialäutens 341 ), in anderen Gegenden Böhmens am Palmsonntag 342 ). A u c h Trommeln werden zu diesem Zwecke verwendet 343 ). Zuweilen bindet man einer großen K a t z e 344 ), einer R a t t e oder einer großen M. 345) eine Schelle an und läßt das Tier laufen. Der Lärm wird auch mit anderen Gegenständen erzeugt. In Büren klopfen die Knaben unter Hersagen einer Bannformel dreimal umgehend an die Türen 346 ). In Böhmen, Schlesien und auch anderswo schlägt man am Karfreitag vor Sonnenaufgang mit einem Dreschflegel oder Prügel das Erdreich oder die Wand, wodurch man die M.e auf des Nachbars Feld oder in seine Scheune bannt 347 ). Dasselbe Mittel wendet man im Hause gegen die Hausm. an 348 ). D r e c h s l e r 2, 232; C o r n e l i s s e n Muizen 29 f. M 1 ) J o h n Westböhmtn 64. 221. Grohiu) m a n n 62. »») ZfVk. 7,362. Wuttke

55 399 **·) cit. ***)

Maus §614. M t ) Ebd.; G r o h m a n n op. cit. 62. 347 ) G r o h m a n n op. M e y e r Baden 80. 63; D r e c h s l e r 2, 4; S a r t o r i Sitte 2, 100. Drechsler a.a.O.

15. V o l k s m e d i z i n , a) Z ä h n e . Wegen ihrer weißen scharfen Zähne gilt die M. als wichtiges Mittel gegen Zahnschmerzen, wie man ihr überhaupt Einfluß auf die Erhaltung der Zähne zuschreibt 349). Schon bei den Römern sicherte man sich gegen Zahnweh, wenn man zweimal im Monate eine M. aß (Plinius) 350). Auf den Menschen, der Zahnschmerzen hat oder nachschiebende Zähne erwartet, werden die Eigenschaften von Tieren mit guten und kräftigen Zähnen übertragen 3 5 1 ). Schon Hippokrates soll die M. gegen Zahnleiden verwendet haben 352 ). In einigen Gegenden Niederdeutschlands heißen die Milchzähne M.zähne 3S3 ). Vgl. auch lombard.rata „Maus" > „Zähnchen") 354 ). U m einem Kinde das Zahnen zu erleichtern, beißt man einer lebendigen M. den Kopf ab und bindet ihn dem Kinde um den Hals. (Norddeutschland, Baden, Bayern, Steiermark, Böhmen usw. 3 5 5 )). Zuweilen zieht man anstatt dessen einer lebenden M. einen Faden durch die Augen, seltener durch die Ohren und hängt ihn noch blutig dem zahnenden Kinde um den Hals 358 ). Weit verbreitet ist der Brauch, daß das Kind seinen ausgefallenen Zahn der M. zum Austausch überantwortet 357 ), meist unter Hersagung einer Formel des Inhalts, die M. möge für den wertlosen Beinzahn einen wertvollen aus Eisen, Stein, Gold, Elfenbein hergeben. Solche Zauberformeln sind belegt aus Ober- und Niederdeutschland, der Schweiz, Tirol, Böhmen, Galizien, der Bukowina, Schweden, Estland usw. Der Zahn wird entweder in ein M.loch gesteckt oder in eine Stubenecke, hinter den Ofen, nach rückwärts geworfen s s 8 ). Nach v . N e g e l e i n handelt es sich hier um ein den mausgestaltigen Manen schon in indogermanischer Zeit am Herde dargebrachtes Opfer der kindlichen Milchzähne 358). Auch ins Feuer wandert zuweilen der Zahn 3e0 ). v . N e g e l e i n 391 ) erklärt diesen Brauch daraus, daß bei den Indogermanen das Feuer-

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opfer sehr früh allgemein wurde und man M.e am sichersten dort vermuten konnte, wo das Herdfeuer Wärme spendete. Das Zahnen des Kindes wird ferner befördert, wenn es etwas von einer M. Benagtes zu essen erhält (Brot, Obst, Fleisch) 3 β 2 ). Auch gilt dies als gutes Mittel zur Stärkung der Zähne und als Vorbeugung gegen Zahnschmerzen 3β3 ). Vereinzelt steht das von Fogel 364) angeführte Mittel, eine M. langsam in der Hand sterben zu lassen. 34 *) D r e c h s l e r 2 , 2 3 3 ; W u t t k e 125 §169; 35) K e l l e r S t r a c k e r j a n 2 , 1 4 9 Nr. 376.

Antike

Tierwelt 1, 1 9 7 .

361)

Bohnenberger

353 ) Cor16. 352 ) H ö f l e r Organoth. n o f . 354 ) M e y e r - L ü b k e nelissen Muizen 91. 365 ) G r i m m Myth. 3 , 4 5 4 REWb. Nr. 4705. Nr. 581; S i m r o c k Mythologie 627; van A n d e l

Volksgeneeskunst

145;

Cornelissen

Muizen

89; ZfVk. 8 , 2 0 4 ; B a r t s c h Mecklenburg 2 , 5 4 ; K u h n Westfalen 2 , 3 4 Nr. 94; B i r l i n g e r Volksth. I, 483; Meier Schwaben 2, 510; Meyer Baden 50; P o l l i n g e r Landshut 285; R e i s e r Allgäu 2 , 2 3 2 ; P a n z e r Beitrag 1 , 2 6 5 ; ZföVk. 6 , 1 1 2 ; G r o h m a n n i n ; J o h n Erzgebirge 54; H ö f l e r Organotherapie i t o ; H o v o r k a - K r o n feld I, 293. 418; J ü h l i n g Tiere 124. 125. 126; W o l f Beiträge 1, 208; W u t t k e 351 § 526; 35e ) B a r t s c h 393 § 6 0 1 ; L a m m e r t 601. Mecklenburg 2, 1 7 6 ;

Jühling

Tiere 126.

ω7)

S a r t o r i Sitte 1, 43. 858 ) C o r n e l i s s e n Muizen 90 f.; de Cock Volksgeneeskunst 77; Grimm Myth. 3 , 4 5 6 Nr. 631; ZfrwVk. 1913, 184.191; W r e d e Rhein. Volksk. i n ; Urquell 3 , 1 9 1 ; Globus 78,292 1 ; F o g e l Pennsylvania 315 Nr. 1673; Spiess Fränkisch-Henneberg 101 ; D r e c h s l e r 2 , 2 9 8 ; G r o h m a n n i n ; ZfVk. 20, 3 8 6 ! ; J ü h l i n g Tiere 125. 126; H o v o r k a K r o n f e l d 1, 293; W u t t k e 351 § 526; B o h n e n b e r g e r 16; K r a u s s Sitte 535—546; Sébillot Folk-Lore 3 , 5 1 ; SAVk. 7 , 1 3 7 ; Germania 20, 325 fí. 349; B i r l i n g e r Volksth. 1 , 3 3 9 ; S e y 35») Globus 78, f a r t h Sachsen 281. 292 1 . 3 , 0 ) Manz Sargans 57; ARw 23, 163 f.; S c h r a m e k Böhmerwald 245; Hoffmann3") K r a y e r (brieflich). 3 , 1 ) ARw. 23,357. BIPommVk. 8, 170; J o h n Erzgebirge 54; 3e3 ) C o r n e l i s s e n Muizen 91. Rochholz Kinderlieder 338; D r e c h s l e r 2 , 2 9 8 ; J ü h l i n g Tiere 126; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 294; Urquell 4, 88; ebd. N. F. 1, 48; M e y e r Aberglaube 102.

5M)

Pennsylvania 3 1 0 N r . 1 6 4 4 ff.

b) S o n s t i g e s . Gebratene oder pulverisierte M.e empfiehlt schon P l i n i u s gegen das Bettpissen der Kinder. Im Darme einer aus prähistorischer Zeit stammenden Kinderleiche, die in einem Gräberfelde des Niltales gefunden wurde, entdeckte man Reste einer M. sefi ). Noch heute gilt dieses Tier im gesamten deutschen Sprach-

57

Maus

gebiet als antidiuretisches Mittel 36e ), desgleichen in Frankreich 367), Belgien, Holland, in Transvaal und bei den Kaffern 368 ). In Groß-Breesen müssen die M.e weiß sein368). „Nackte" M.e werden in Schlesien empfohlen350), anderswo genießt man M.esuppe 371) oder M.emus 372). In ErbachEhingen (Schwaben) hängt man eine M. in den Rauch 373). Ein harmloses Mittel ist das amulettartige Anhängen eines M.kopfes 374) oder eines Zahnes einer lebenden M. 375 ). In Jütland gilt die M. umgekehrt als Mittel gegen Harnverhaltung 376 ). Gebratene oder pulverisierte M.e finden auch gegen Fallsucht Verwendung 377). Bei den Siebenbürger Sachsen werden nur die M.därme pulverisiert 378), anderswo trinkt der Kranke ein Wasser, in das man eine M. gelegt 37S ). Als Mittel gegen Fallsucht gelten auch junge blinde M.e, die der Kranke jedoch ohne sein Wissen verzehren muß 380). Gegen Fallsucht der Kinder wird ein abgebissener M.kopf als Amulett um den Hals gehängt 381 ). Die Krankheit kann auch auf die M. übertragen werden. Nimmt ein Kind ab, bindet man ihm einen Faden roter Seide um den Hals, fängt eine M., zieht ihr den Faden mit einer Nadel durch die Haut über das Rückgrat und läßt sie laufen. Die M. verdorrt, das Kind nimmt wieder zu 382). Mit den Eingeweiden 383) oder dem Blute einer M. vertreibt man Warzen 384). — M.kopfasche wird schon von P l i n i u s (XXIX, 38) als Mittel gegen Augenleiden erwähnt 38S ). Noch heute werden in Galizien einer lebenden M. die Augen ausgestochen und einem augenkranken Kinde an einem Faden um den Hals gehängt S86 ). M.asche empfiehlt P l i n i u s bei übelriechendem Atem 387). Pulverisierte M.e verwandte man im Mittelalter gegen Gesichtsröte und Ausschlag 388). M.fell gilt noch jetzt als Mittel gegen Krebs 389 ). Ein lebendes M.herz als Amulett gegen Empfängnis wird schon von dem um 330 n. Chr. lebenden S e x t u s P l a t o n i c u s (cap. X X I , p. 416) erwähnt 390). In Hirschberg (Schlesien) gilt pulverisiertes M.herz als Liebesmittel 391 ). Ein gebratener M.kopf hilft gegen Verstauchungen 3β2). Eine

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M. unter dem Bett eines Fiebernden S93) erweist sich in doppelter Hinsicht nützlich: sie heilt erstens den Kranken, indem sie das Fieber an sich zieht, und zweitens teilt sie den anderen M.en die Krankheit mit und schlägt sie so in die Flucht 394). Gicht heilt man, indem man dem Kranken eine pulverisierte M. eingibt 395) oder ihm eine halbtote M. zwischen die Schultern legt 39e ). Ein Wahnsinniger wird wieder klug, wenn er M.hirn in Milch oder Bier nimmt 397 ). Dieses Mittel wird namentlich bei akutem Delirium angewendet 398). Die M. oder ein Teil derselben (Kopf, Blut, Brust, Galle usw.) wird in irgend einer Form (roh, gebraten, gekocht) noch gegen folgende Krankheiten oder krankhafte Zustände in Anwendung gebracht: Gelbsucht 3ÍÍ ), Blutspucken, Lungenleiden 400), Blattern 401), Keuchhusten 402), Trunksucht 403), Veitstanz 404), Darmsucht 405), Taubheit 4oe ), Ohrenleiden, durch Ohrenschliefer verursacht 407), Räude 408), Schlagfuß 409). Auch bei der Schwangerschaft spielt die M. eine gewisse Rolle. M.suppe, längere Zeit genossen, bewirkt viel Muttermilch 410 ). Kommt die M. auf die bloße Haut einer Schwangeren und greift diese erschreckt darnach, so erhält das Kind an derselben Stelle einen M.fleck, d. h. einen mit dickem, dunklen Haar bedeckten Fleck von der Größe einer M. 411 ). Besonders im Schwange war und ist zum Teil noch im Volk der M.kot, den schon P l i n i u s gegen Kahlköpfigkeit 412) undals Antieroticum 413 ) empfiehlt. Heute gilt er noch als wirksam gegen Bettnässen 414) und namentlich gegen Verstopfung 41S). Auch gegen Trunksucht soll er helfen 416 ). Mit Milch gekocht wird M.kot von Wöchnerinnen genommen, die keine Milch haben (Barcelona) 417 ). 3M) J ü h l i n g ä·5) SchwVk. 2,20. Tiere 126; Z f r w V k . 1904, 203; 1914, 166; S c h w V k . 2 , 9 7 ; S t o l l Zauberglaube 79; D G . 1 2 , 1 9 4 ; S A V k . 8, 149. 272; W u t t k e 359 § 540; B a r t s c h Mecklenburg 2, 102; A n d r e e Braunschweig 420; D r e c h s l e r 2, 319; H ö h n Volksheilkunde I, 116; Z f V k . 4, 320; H ö f l e r Organoth. i n . »»') S é b i l l o t Folk-Lore 3, 50; R o l l a n d Faune 1 , 2 2 . 3ββ) C o r n e l i s s e n Mutzen 88 f . ; d e C o c k Volksgeneeskunde 87; A n d e l Volksgeneeskunst 27 f. M ·) J ü h l i n g Tiere 346.

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Mäusesegen

3") D r e c h s l e r 2, 233. J ü h l i n g Tiere 124; G o m i s Zoologia 227 Nr. 863. 372 ) M a n z Sar373 ) H ö h n gans 79; D r e c h s l e r 2, 232 f. op. cit. ι , 116. 374 ) H ö f l e r op. cit. m ; Jühling Tiere 125; L a m m e r t 135; Z f d M y t h . 2, 100; 375 ) S e y f a r t h S c h w V k . 2, 20. Sachsen 298. 3") 3") A n d e l H ö f l e r op. cit. m . op. cit. 1 8 5 ; C o r n e l i s s e n op. cit. 89; S e y f a r t h op. c i t . 292; L a m m e r t 2 7 1 ; E n g e l i e n u. L a h n 266; W u t t k e 355 § 5 3 2 ; J ü h l i n g Tiere 1 2 5 ; 378 ) H o v o r k a u. B a v a r i a 1, 464. Kronfeld 2 , 2 1 8 . 37e ) op. cit. I, 293. 380) J ü h l i n g Tiere 124; W u t t k e 125 § 169; 355 § 532. 381 ) H ö t l e r | o p . cit. i l o . 382) G r i m m Myth. 3, 466 Nr. 872. 383 ) A n d e l op. cit. 186; C o r n e l i s s e n op. cit. 91. M 4 ) J ü h l i n g Tiere 123. 385 ) H ö f l e r op. 38e ) H o v o r k a cit. m . u. K r o n f e l d 1, 294. 3 m ) op. cit. 2 , 7 7 ; 388 ) H ö f l e r op. cit. i n . 38 ·) L a m m e r t Jühling Tiere 124. 208; 39 °) S c h w V k . " W u t t k e 349 § 5 2 3 . 2, 87 ff.; 3Í1) D r e c h s l e r H ö f l e r op. cit. 250. 1, 231. 392 ) J ü h l i n g Tiere 126; Z f V k . 8, 62. 39S ) J ü h l i n g Tiere 124; S c h w V k . 22, 87 ff.; W u t t k e 3 M ) op. cit. 327 395 ) 125 § 1 6 9 . §485. Seyf a r t h Sachse »1293. 3 M ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 3 i 7 398 1,293· ) J ü h l i n g Tiere 123. ) Höfler op. c i t . m . 39e ) Z f r w V k . 1914, 166. 40) j ü h 401 ) H u l m e l i n g Tiere 123. Natural History 4°2) R o l l a n d 403 ) Z f V k . 167. Faune 1,31. 8, 61 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 293. 404) H ö f 405 ) E b d . 40e ) l e r op. cit. 110. Pollinger 408 ) Landshut 287. 407 ) H ö f l e r op. cit. 215. 409) P o l l i n g e r op. cit. 277. 410 ) op. cit. m . 4U) D r e c h s l e r 2,233. BlpommVk. 8,170; 412) K e l l e r C o r n e l i s s e n Mutzen 91. Antike Tierwelt 1, 197. 4 1 3 ) E b d . 4 1 4 ) S c h w V k . 1 1 , 47. *415) M e g e n b e r g Buch der Natur 126; S c h w V k . Ii, 4 7 ; J ü h l i n g Tiere 123. 1 2 5 ; M e s s i k o m m e r 4le) R e i t e r e r 417) I, 171. Ennstalerisch 22. G o m i s Zoologia 227 Nr. 864.

Zusammenfassung. Die M. muß schon in den mythischen Vorstellungen derlndogermanen eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben. Spuren der altmythischen Auffassung von der M. als Gewittertier finden sich noch im heutigen Aberglauben (M.eregen bei Gewitter). Daher auch der dämonische Charakter des Tieres und seine Beziehungen zu Teufel und Hexe (M.emachen!). Als im Verborgenen lebendes Tier wird die M. Gegenstand animistischer Vorstellungen, mit denen ihr Auftreten als Alp und Krankheitsdämon (Pest ) in innigstem Zusammenhange steht. Auch die Sagen von den rächenden M.eschwärmen finden in einer animistischen Deutung ihre beste Lösung. Der Angang der M. bedeutet folgerichtig Unglück. Die Abwehr gegen das verderbliche Tier besteht in Opfern



und Beschwörungen. Man bedrohte es ehedem mit Bann und Gericht. Von den vielen Heiligen, die man gegen M.eplage anruft und die als Nachfahren alter Gottheiten (Apollo Smintheus) zu betrachten sind, kommt der hl. Gertrud die größte Bedeutung zu. — In der Volksmedizin spielt die M. eine hervorragende Rolle (Zahnen, Bettnässen ). Riegler. Mäusesegen (s. a. oben Spalte 52). ι. K i r c h l i c h e Motive. Die mittelalterlichen kirchl. Benediktionen gegen schädliche Tiere gelten z. T. auch Mäusen 1 ), besonders nehmen aber apokryphe lange, lateinische Beschwörungen auf „mures et glires" Bezug (keine Veröffentlichungen aus Hschrr. deutscher Sprachgebiete ?) 2 ). Die d e u t s c h e n Mäusesegen sind meist 2 a ) ganz kurz gefaßt und fast alle erst spät aufgezeichnet. Ein Text des 14. Jh.s über die heilige Stadt s. Jerusalem in den Segen § 1. Für Mäuse (und Ratten) gibt es P a t r o n e , an deren Tage man ihren Namen, ev. einen Spruch mit demselben, mit Kreide auf die Haustüren schreibt. Solche sind: M e d a r d u s (Bischof von Noyon, 8. Juni c. 540). Der Name allein 3 ). Ein französischer Spruch an ihn ist gegen Kinderwurm 4 ). J e s a j a s , der Prophet, 6. Juli: „Ihr Ratzen und Mäuse, schert euch aus dieser Scheune heraus, heute ist der Tag des hl. Isaías" 5 ). Verwechselung mit „Nicasius" oder wegen Jes. 35, 9 f. (s. Jerusalem i. d. 5. § ι ) ? Nicasius (Erzbischof von Reims, 14. Dez. 5. Jh.). Der Name allein 6 ), oder „ H ü t is Nicasiusdag" '), oder „Heute feiern wir des hl. N. Tag, auf daß man keine Maus im Hause sehen m a g " 8 ). Französisch: „Rats, rats, rats, c'est demain la Saint-Nicaise" 9 ). Dänisch 1 0 ). Englisch wurden im 14. Jh. die Ratten beschworen „thorgh pe vertu of Sent Κ asi pat holy man, pat prayed to God A l m y t y for skathes, pat pei deden hys medyn" (vgl. zur Form Augensegen § 2) 1 1 ). Er war ursprünglich Patron gegen Pest, und Mäuse waren früh als Verkörperungen der Pestdämonen erkannt (vgl. 1. Samuel 6, 4 f·)·

Mausröhrlein—Mechtild

„Sanctus K a k u k a k i l l a " , Tirol, 15. Jh., auf vier Stellen im Hause zu schreiben 12 ). Ist urspr. C o l u m c i l l e , der irische Sturmheilige (die Vierzahl im Ritus entspräche •wohl noch den vier Winden), später gew. als Weib aufgefaßt und z. T. mit der Mäusepatronin Gertrud verwechselt 1 3 ). l ) F r a n z Benediktionen 2, 151 f. (1, 39). ) K l e m m i n g Lake- och Örteböcker (Stockh. 1886) S. 222 f.; DanmTryllefml. Nr. 1198 ff.; a u f Schwedisch H y l t é n - C a v a l l i u s Wärend och Wir darne 426 u. X L V . 2 «) S. doch Germ. 20 . 3 2 5 . P· I 4 7 1 · 3 ) ZfVk. ι, 181 Brandenbg. 5 *) RTrp. ι, 37. ) Frischbier Hexenspr. 137. ·) Ebenda; ZfdMyth. i , 201 Harz. ') 8 ZfVk. 20, 385 Holstein. ) G r o h m a n n 61. s ) S é b i l l o t Folh-Lore 3, 41, vgl. R o l l a n d Faune 1, 24. 10 ) DanmTryllefml. Nr. 667 (Men dardus Nr. 6 6 4 0 . ) . ) S i s a m Fourteenth Century Verse and Prose 170. 12 ) ZfVk. 1, 321. " ) W e i n h o l d ZfVk. 1, 144; Z i n g e r l e ZfVk. 4, 199; H o l t h a u s e n AnordF. 14, 93; D r e c h s l e r ZfVk. 8, 341; K l e m m i n g (s. Anm. 2) 223; DanmTryllefml. Nr. 663. 2

2. R i t u s s p r ü c h e . U n s B r o t , e u c h T o d , bei Einfuhr des ersten Kornfuders oder bei Speicherung der ersten (drei) Garben (in drei Ecken): „Ich bring's Bauan Brâut, 's Mäus'n T â u d " (mitunter als Antwort auf die Frage „Was bringst d u " , vgl. Verrenkungssegen § 5), bzw. „Hier leg ich dem Menschen das Brod, und den Mäusen und Geziefer den (bittern) T o d " 14 ). Ob urspr. diese Garben ein den Mäusen gebrachtes Opfer waren, sei dahingestellt 15 ) ; in Verbindung mit den obigen Worten muß jedenfalls an eine W e i h u n g aller Garben gedacht sein, und durch die Worte werden die Mäuse von ihnen abgeschreckt. Ein O p f e r der ersten Garbe kann tatsächlich vorkommen: „So, die ghört Müs, die andere loss mer geh". D e m N a c h b a r n (vgl. Verbannung §3); J. 1633: „Ihr meuß, auß mein geheuß, in Herten Clauß geheuß" 17 ) ; ähnl. skandinavisch 18) ; und schon altgriechisch ? „ . . . ich gebe euch diesen Acker (und du sagst, welchen)" 19 ). M ) John Westböhmen 188; Birlinger Volksth. I, 120 Nr. 7; D r e c h s l e r 2, 75; E. H. M e y e r Deutsche Volksk. 228. 232; vgl. M e y e r Baden 423; W o s s i d l o Erntebräuche in Mecklenburg 29. 15 ) Vgl. W u t t k e § 432; DanmTryllefml. Nr. 651 ff., gegenüber Nr. 642ft. 1β ) M e y e r Baden 427. 17 ) ZfdMyth. 2, 74 Hessen; vgl.

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le B a r t s c h Mecklenburg 2, 458 (Flöhe). ) Meddelanden fràn Nordiska museet 1897, 45: 19 vgl. frz. S é b i l l o t Folk-Lore 3, 39. ) Geoponica X I I I 5. 4 bei H e i m Incantamenta 477f.; latinisiert P i t r è Curiosità 3, 13 (16. Jh.).

3. K a l e n d a r i s c h e r S e g e n . Gespräch bei Beginn der Einfuhr oder der Speicherung. Α . : „Wann haben wir Christtag?" B . : „Ich weiß es nicht". Α . : „Nun so wissen die Mäuse auch nicht, wo ich den Hafer hinlege" 20). In Frankreich spricht man zu der Kreuzotter: „ S i tu ne me dis pas quel jour se trouve Noël, ta vie n'est plus" 21 ). (Sinn: Korrekte Antwort ist unmöglich, weil eben Weihnachten keinen festen Wochentag hat?) ) K u h n Westfalen 2, 187, vgl. 615 Oberpfalz; DanmTryllefml. 21 ) RTrp. 19, 491. w

§

Wuttke Nr. 668. Ohrt.

Mausöhrlein s. H a b i c h t s k r a u t . Max s. H a x , p a x , m a x . Mayer, Asmus, s. V i n t l e r , H. Mechtild. ι . Die sei. Mechtild starb als Äbtissin von Diessen am Ammersee am 31. Mai 1160 1 ). Ihr öffneten sich die Türen der Pfarrkirche in Diessen von selbst, bis sie sich einmal unerlaubterweise von einem Zaun Pfähle zu einem Steg genommen hatte 2 ). Von ihr (falls nicht die folgende M. gemeint ist) wird auch das Notburgawunder mit der Sichel erzählt 3 ). Im Kloster Diessen erhielten die Wallfahrer geweihtes M.enwachs, deis zum Schatze gegen Gewitter und Hagelschlag aufbewahrt wurde 4 ). Die Haare der Heiligen werden ausgehängt, um Gewitter zu vertreiben 5 ). Einen M . e n b r u n n e n gibt es unweit des Schloßberges bei Diessen®). Bei St. Georgen in Oberbayern wurden sog. M.enkränze aus Gertrautenkräutern und gelben Frauenpantoffeln ins Sonnwendfeuer geworfen oder auf die Felder gesteckt gegen Hagel 7 ). 1) W e t z e r u. W e l t e 8, 1139. 2 ) P a n z e r Beitr. ι , 34 f.; vgl. 2, 47. 3 ) Auf d e m Hohenberg bei Bernried i n Niederbayern: P a n z e r 2, 47. 4 ) A n d r e e Votive 84. δ ) M e n z e l Symbolik 1, 365. ») P a n z e r Beitr. i , 34 f.; S c h ö p p n e r Sagen ι , 465 f. (445). E i n M.brunnen auch: M e i e r Schwaben 1, 301. 7 ) W o l f Beitr. 1, 73: P a n z e r Beitr. I, 212; M e y e r German. Mythol. 169; Q u i t z m a n n 130. 269 f. I n der Ottilikapelle zu Hermatshofen in Schwaben stehen drei

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Medaillen—Medaxdus, hl.

hölzerne bemalte Figuren, die drei Schwestern Ottilia, Mechtild und Gertraud; jede hat einen langen Stab mit einem Blumenkranz. Sie sind die Beschützerinnen des Dorfes: P a n z e r Beilr. 2. 157·

2. Ortsheilige in Hochsal bei Säckingen. Wenn sie zur Kirche ging, begannen alle Glocken von selbst zu läuten 8 ). Aber als sie einmal, ermüdet, einen Rebpfahl ausgezogen hatte, schwiegen sie 9 ). Wer an Kopfweh leidet, umgeht ihren Altar in Hochsal, über dem ihr geschmücktes Gerippe liegt. Alle hundert Jahre klopft sie einmal. Zweimal ist das schon geschehen; geschieht es zum drittenmal, so ist das ein Zeichen, daß sie aus dem Altare herausverlangt, und man muß sie dann mit goldener Schaufel und Haue beerdigen 10 ). 8) M e y e r Baden 169. ») Ebd. 444; B a d H m t . 5/6, 115. 10) R o c h h o l z Sagen 2, 301. Sartori.

Medaillen (von metallum) sind Schauoder Denkmünzen, die an bestimmte christliche Geheimnisse, an Heilige (Benediktusmedaillen) oder hl. Orte (siehe Wallfahrtsandenken) erinnern sollen 1 ). Sie tragen Bilder, Symbole und Umschriften. M. kennt man schon aus der frühchristlich-byzantinischen Zeit 2 ). Man trägt sie am Rosenkranz, an der Uhrkette, auf der Brust, am Skapulier oder in die Kleider genäht 3 ). Da sie „geweiht" sind, verbürgen sie Schutz vor allerlei Gefahren. Als Amulett 4 ) getragen — ähnlich der römischen B u l l a 5 ) — bewahren sie kleine Kinder vor Behexung 6 ). Dragonern näht man sie in die Unterhosen, damit sie nicht stürzen 7 ). Neben den Medaillen christlichen Ursprungs, welche das Hauptkontingent stellen, gibt es auch noch solche mit kabbalistischen, astrologischen und andern magischen Inschriften und Zeichen 8). !) S A V k . 22, 180 f. *) S e l i g m a n n 2, 313; R o s s i Bulletino di archeologia cristiana 1869, 33 ff. ') S t o l l Zauberglauben 72. *) S t e m p l i n g e r Aberglauben 88 f. 6 ) S e l i g m a n n 2, 100. «) S t o l l i , c. 59. ') M e y e r Baden 239. 8) K r o n f e l d Krieg 97, 295; J o h n Westböhmen 282. Vgl. im allg.: B e r n h . M ü l l e r M. u. Münzen im Dienste der Religion. Berlin-Friedenau (Selbstverl.) 1915. Schneider.

Medardus, hl., Bischof von Noy on und Tournay, gest. 545 x ). Über ihm

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flog beständig ein Adler und schützte ihn mit seinen Flügeln vor dem Regen 2 ). Er gilt als W e t t e r p a t r o n , und sein Gedächtnistag (8. J u n i ) ist einer der wichtigsten Wetterlostage 3 ). „Läht der Medardes e Dröppche falle, dann rähnt et dem Kobes (Jakobus) op de Naas" (Köln) 4 ). „Wie's wittert am M.tag, so bleibts sechs Wochen lang danach" 6 ). Wenn es an diesem Tage regnet, so regnet es 30 Tage 6 ), 40 Tage 7 ), 7 Wochen 8 ), 8 Wochen 9 ). Es gibt dann schlechtes Heuwetter, M. ist der „Heubrunzer" 10 ). Wie das Wetter am M.tage ist, so ist es auch in der Ernte u ) . M.fröste sind gefürchtet 12 ), aber im Etschland 1 3 ) wie am Rhein 1 4 ) heißt es: „Medard bringt keinen Frost mehr her, der dem Weinstock schädlich wär'". Wenn man in der Nacht vorher den Namen des Heiligen an alle Türen oder an die Haustür schreibt, so laufen alle R a t t e n w e g 1 5 ) . Wer das tut, darf aber bis zum nächsten Tage kein Wort sprechen 16 ). An M. Gepflanztes hat „kein Geding" (Sprottau) 1 7 ). Kraut, das an M. gepflanzt wird, bekommt kleine Köpfe 18 )Andrerseits heißt es, „Medardes stecks Kraut oder darb e s " 1 9 ) . Flachs muß an M. gesät werden 2 0 ). S a m s o n Die Heiligen als Kirchenpatrone 308 f.; N o r k Festkalender 1, 385 f. 2) M e n z e l Symbolik 1, 34. 3) H o f f m a n n - K r a y e r 163; SchwVk. I i , 59; 15, 34ff.; S A V k . 30, 730.; ZfVk. ι, 296 (Bayern); 9, 235 (Nordthüringen). Geschichten von M. als Regenmacher: S é 4) Urquell 4, 184. b i l l o t Folk-Lore 1, 123. 5) L e o p r e c h t i n g Lechrain 180; Z i n g e r l e Tirol 157 (1338). ") SchwVk. 12, 21. ') S t r a c k e r j a n 2, 92; S c h n i p p e l Ost- «. Westpreußen 2, 18 (weil an diesem Tage die Sündflut begonnen hat); D r e c h s l e r 1, 133; J o h n Westböhmen 83; S c h r a m e k Böhmerwald 157; R e i n s b e r g Böhmen 294; W u t t k e 85 (101); Z f V k . 4, 402 (Ungarn); M a n z Sargans 123; S A V k . 12, 18; SchwVk. 15, 36; Z i n g e r l e Tirol 157 (1334); S é b i l l o t Folk-Lore ι, 122. 8) S A V k . 2, 240. 8) D r e c h s l e r 1, 133. 10) A n d r e e Votive 13; P o l l i n g e r Landshut 231; M e y e r Baden 435; S c h r a m e k Böhmerwald 157; W r e d e Rhein. Volksk. 124; S A V k . 12, 18; Z i n g e r l e Tirol 157 (1336). n ) A n d r e e Braunschweig 357; J o h n Westböhmen 83; Z i n g e r l e Tirol 157 (1340). 12 ) S c h n i p p e l Ost- u. Westpreußen 2, 16. 13 ) Z i n g e r l e Tirol 157 (1339)14) S a m s o n 309. 15 ) B a r t s c h 2, 176. 285;

Medizin—Meer

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ZfVk. ι, 181. 188; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 20 f.; A n d r e e Braunschweiς 358; S a r t o r i Sitte 3, 41; M e n s i n g Schlesw. Wb. 3, 605; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 1, 389. 1β) K n o o p 17 ) Tierwelt 38 (334). D r e c h s l e r 1, 133. M ) Ebd. 19 ) Ebd. 2, 55. 2°) W u t t k e 421 (657: Ostpreußen); S c h n i p p e l 2, 16; Z i n g e r l e Tirol 157 (1337)· Sartori.

Medizin s. V o l k s m e d i z i n . Meer. ι . E n t s t e h u n g und B e s c h a f f e n h e i t . Das Rätselhafte des M.es hat von jeher den menschlichen Geist beschäftigt: seine unermeßliche Größe und Tiefe (besonders zu der Zeit, als man jenseits des M.es noch keine andern Länder vermutete), der Salzgehalt seines Wassers, Ebbe und Flut (s. d.), die heranbrausenden und sich türmenden Wellen bei Sturm, seine spiegelglatte Fläche bei Windstille; und so machte man sich allerlei Gedanken über seine E n t s t e h u n g . Nach der Jüngeren E d d a s c h u f e n Bors Söhne das M. aus dem Blute des getöteten Riesen Ymir. An Frankreichs Küsten gibt es über die Entstehung des M.es die verschiedensten Überlieferungen: es war von Anfang an da (vgl. auch Genesis ι , 2 ff.); Gott ließ jeden Vogel aus dem Paradies einen Tropfen Wasser holen und an eine bestimmte Stelle tragen; der Teufel schuf das M., um die Werke Gottes zu ertränken; einer Frau wird vom Heiland als Lohn für ihre Barmherzigkeit eine Wunschtonne verliehen, sie läßt Wasser herausfließen, kann jedoch den Fluß nicht dämmen; Gott stellte das M. her aus einem Napf Wasser und drei Salzkörnern; die Sonne kam einmal auf die Erde herab, da verscheuchten sie die Heiligen durch Pissen, so entstand das M., und deshalb ist es salzig 2 ). Die beiden letzten Geschichten erklären schon den S a l z g e h a l t des M.es, und dies geschieht auch noch in anderer Weise. A m verbreitesten ist die Erzählung von der Wunschmühle, die man auf dem M.e Salz mahlen ließ; man konnte sie nicht zum Stillstand bringen, und so sank das Schiff unter der Last, die Mühle aber mahlt auf dem Meeresgrunde weiter 3 ). Nach Megenbergs Buch der Natur (82) ist das M.wasser salzig, „weil die Sonne sowie B ä c b t o l d - S t l u b l i , Aberglaube VI

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die übrigen Gestirne die meiste Zeit über dem M.e stehen und aus dem Erdreich des Meeresbodens irdischen Dunst herausziehen und mit dem Wasser vermengen". In Frankreich finden sich noch folgende Fassungen: das M. brach einmal in eine Gegend mit Salzbergwerken ein, und so wurde es salzig; der Gemahl der Fee Amigna fand einmal die Suppe versalzen und warf sie ins M. ; dasgleiche tat der Herr, als ein Engel an einem Ostertage eine besondere Suppe gekocht und der Teufel sie versalzen hatte, oder ein Fischer, dem eine Fee einen Liebestrank gab 4 ). — Das M. ist der V a t e r d e r G e w ä s s e r : nach Ilias X X I , 196 f. entfließen alle Flüsse dem tiefströmenden Ozean (s. Fluß) ; nach Megenbergs Buch der Natur (83) fließt viel M.wasser in die Vertiefungen der Erde, wodurch die großen Seen (s. See, Meerauge) und stillstehende M.e gebildet werden, und ebenso sind manche Ströme Ausflüsse des M.es. 2) S é b i l l o t Thüle 20,55. Folk-Lore 2, 5 fi. 3) Jüngere Edda: Thüle 20, 196; vgl. Olrik Danmarks Heldedigtning 1, 280 fi. 4) S é b i l l o t a . a . O . 2, 7 f.

2. G e f ä h r l i c h k e i t u n d D ä m o n e n . Auch für die Entstehung der Me e r e s s t ü r m e forscht man nach der Ursache. In Frankreich heißt es, das M. erzürne, wenn ein Matrose eine nackte Sirene sehe, oder es stürme, wenn der Teufel eine verdammte Seele hole 5 ). Auch Pfeifen auf dem M. erregt S t u r m e ) ; ferner darf man auf dem M. nicht „ T u r m " oder „Kirche" sagen, sondern man muß von „ S t i f t " , „Spitze" und dgl. reden 7 ). Das bewegte M. erscheint als L e b e w e s e n ; in Mecklenburg sagt man: „ D e grote Hund frett aliens u p " 8 ), und in Poitou nennt man es la grande jument blanche, in der Haute-Bretagne la grande vache gare9). Die alten Ostseefischer, die vom M. als Maskulinum reden, sagen: „ E r treibt Köpfe", wenn aus der See aufsteigende Wolken den nahen Sturm verkünden; zeigen sich kleine schäumende Wellchen: „ E r bleckt, spielt die Zähne"; sucht die Woge den Badenden mächtig niederzuschlagen : „ E r ist glupsch, falsch" ; tost die aufgebrachte Flut gleich dem 3

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Meer

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ihn das M. an, kommt ihr Übel nicht wieder 18 ). In den beiden letzten Fällen liegt ursprünglich kein Opfer vor, sondern die Krankheit wird mit dem Gegenstand dem M. übergeben, in dessen Unendlichkeit sie verschwindet. Eine ähnliche Vorstellung haben wir, wenn nur das M.wasser neben dem fließenden Wasser (s. Fluß) als zur R e i n i g u n g geeignet erscheint, da dieses Wasser, anders wie ein See oder Teich, auf die Dauer nicht verunreinigt werden kann 1 β ). In Griechenland hat das M.wasser besonders dann reinigende Kraft, wenn eine böse Gottheit in die Wohnung gebannt ist 20 ). Agamemnon reinigt (Ilias 1,313) das vonTodesfällen verunreinigte Heer, das schmutzige Waschwasser wird dann ins M. gegossen ; ebenso versenkt in Japan der Shinto-Priester eine Papierfigur, auf die Sünden einer Person übertragen worden sind, ins M. 2 1 ), und die Biajas auf Borneo und die Brahmanen in Siam laden alljährlich alle Sünden und alles Unheil auf ein kleines Boot, das sie dem M. übergeben 22 ). Auch in Frankreich kennt man rituelle Meerbäder23). Den gleichen Zweck hat die Besprengung mit M.wasser 24 ). Das M. ist so r e i n , daß es keine Bosheit leidet 2S ) ; es wirft alles 5) S é b i l l o t Unreine 26 ), insbesondere auch die LeiFolk-Lore 2, 14 fi. «) Ebd. 7) Grimm 1,103. Myth. 3,477 Nr. 1131. chen 27), aus. Es ist der S i t z des L i c h 8) WuS. 3 (1912), 189. ·) S é b i l l o t a . a . O . t e s : die Sonne entsteigt dem M. 28 ). u) 2, 10 f. 10) Frischbier Hexenspr. 156. Der Teufel hat keine Macht über das, 12) K r i s t e n s e n Folkeminder 3, 78 Nr. 107. was übers M. kommt; wie einer vom K r i s t e n s e n Sagen 3, 401 Nr. 62 fi. 13) MschlesVk. 23/24, 24; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 134. Teufel geholt wird, findet man sein 136. " ) Grettirsaga 79 (Thüle 5, 207 ff.) spanisches Rohr auf der Brücke 2β). In 3. W o h l t ä t i g e W i r k u n g u. V e r - der Bretagne brachte man früher dem ehrung. M.wasser h e i l t Krankheiten: M. Kinder als Opfer 3 0 ). Der Doge von bei den Dalmatinern dient es als Mittel Venedig vermählte sich mit dem M., inzu Waschungen bei Augenleiden, Wunden dem er einen Ring hineinwarf 31 ) : urund Schlangenbissen18 ) ; die Südsee- sprünglich wohl auch als Opfer gedacht. insulaner trinken es gegen Bauchweh G o t t h e i t e n und H e i l i g e schreiten über und als Abführmittel 1β ). Die Eingebore- das M. : die helleren himmelblauen Bänder nen von Leti, Moa und Lakor entsenden mit einem gewissen Silberton, besonders alljährlich alle Krankheiten aufs M., in Buchten zu beobachten, wenn die Flut indem jeder einzelne etwas Reis, Früchte, beinahe hoch ist, bezeichnen ihre wunderein Huhn, zwei Eier und Insekten in baren Wege S2 ), und in einem Spruch ein Boot legt, das ins M. hinausgestoßen aus Fehrbellin (Ost-Havelland) heißt es: wird 1 7 ); in Swinemünde werfen die im „Mutter Maria ging über das M . " M ) . M. badenden Frauen bei ihrem letzten 16 ) H o v o r k a - K r o n f e l d le ) Ebd. 1,295. Bade einen Kranz ins Wasser; nimmt 2, 122. " ) F r a z e r Golden Bough8 3, 105.

Todesbrüllen eines Ertrinkenden: „Er rahrt" 1 0 ). Weiterhin bevölkert man das M. mit D ä m o n e n (s. Meergeister), denen man die Erregung des Sturmes zuschreibt. Als man in Westjiitland eine ans Land getriebene Leiche begrub, erhob sich ein großer Sturm, und erst als man die Leiche wieder ausgrub und ans Meer zurückfuhr, legte er sich: der Tote war ein M.mann, und das M. forderte sein Eigentum zurück u ) . Wenn an der Nordsee der Sturm den Dünensand auf Äcker und Felder wirbelt und alles verdirbt, so ist dies die Rache der M.frau, weil die Bauern einmal ihr Vieh abgefangen und ihren Gürtel als Lösegeld gefordert haben : sie läßt ihren Stier einen Sturm aufwühlen 12 ). Geister werden ins M. g e b a n n t , weil sie dort den Äckern nicht mehr schaden können13). Auch bei s c h ä d l i c h e m Z a u b e r wird das M. zu Hilfe genommen : eine Zauberin, die den Isländer Grettir schädigen will, sucht am M. unter dem Treibholz eine große, knotige Wurzel aus, ritzt Runen hinein und übergibt sie nach einigen weiteren Zauberriten dem M. ; dieses trägt die Wurzel zu der Insel, wo Grettir weilt, und dort verursacht sie seinen Tod 1 4 ).

Meeralant—Meerblauling

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le) « ) K u h n u. S c h w a r t z 464 Nr. 478. S t e n g e l Die griech. Kultusaltertümer2 144. 20 ) A R w . 2l) S c h i l l e r 17,397. Shinto 69 f. 22 ) B a s t i a n Der Mensch in der Geschichte 23 24) 2.93. ) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 160 ff. 25 ) G r i m m A R w . 17,407. Myth. 1, 499 f. ; 2e ) C a e s a r i u s 3, 170 f. von Heisterbach 27 ) F r i s c h b i e r 28) 154. Hexenspr. 156. U s e n e r Kl. Sehr. 4, 41 ff. 2 ·) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 44. 30) S é b i l l o t a. a. O. 2, 170 ff. 31 ) A r n o l d 32) v o n H a r f f 47. Sébillot a . a . O . 2, 20 ff. 71. 361 f. 33) Z f V k . 7 (1897), 407.

4. D i e F a h r t i n s T o t e n r e i c h führt übers M. : Sigmund übergibt den toten Sinfiötli dem als Fährmann verkleideten Odin, der ihn übers M. fährt 3 4 ) ; der tote Skyld im Beowulf wird auf einem geschmückten mit Schätzen beladenen Schiff dem M. übergeben 3 5 ), Balders Leiche wird auf einem Schiff am Meeresstrand verbrannt 36 ) ; der französische Volksglaube kennt ein M. im Innern der Erde, das die Toten überfahren müssen 37 ) ; nach Schillers Mecklenburger Thier- und Kräuterbuch (3,41) müssen die abgeschiedenen Seelen über das Lebermeer schiffen. M)

Völsungasaga Kap. 10 (Thüle 21, 61). v. d. L e y e n Sagenbuch 2, 16 f. 3e) Jüngere Edda: Thüle 20, 105 f. " ) S é b i l l o t FolkLore 1,416. Hünnerkopf. 35 )

Meeralant s. M e e r ä s c h e . Meeräsche (Mugil), M e e r a l a n t . Von dem Mugil cephalus („Kopfalet, Meeralet") sagt G e s n e r im Fischbuch 1 ): „Die Brüyen der gesottnen Meeralet bewegt den s t u l g a n g , sein Kopff zu äschen gebrant, mit honig angeschmiert heilt die f y g w e r t z e n vnd prästen des sitzes ( G e s ä ß e s ) . Ire eyngesaltzne Togen wie gehört, heilt allerley gebrechen, macht lust zu essen vnd trincken," etc. Auch von dem Mugil „cestreus" (χεατρεύς, Aristoteles) 2 ): „Der Kopff des Fisches zu äschen gebrant in einem irdinen geschirr, mit honig angeschmiert, heilt die fäl so im sitz begägnend". Nach A r i s t o t e l e s 3 ) werden manche unter den M.n nicht durch Paarung •erzeugt, sondern entstehen a u s dem S c h l a m m e und dem Sande (φύονται έκ •της ίλύος και της ά'μμου). Μ 1563, 35b.

2)

36b.

3)

Hist.Anim. 5,11. Hoffmann-Krayer.

7o

Meerauge werden in Siebenbürgen die klaren tiefen Gebirgsseen genannt, von denen man glaubt, daß sie unergründlich tief seien und mit dem Meer in Verbindung ständen. Daher glaubt man Schiffstaue, Ruder u. dgl. im Grunde zu sehen. Böse Geistsr, ja der Teufel selbst, hausen in der Tiefe und ziehen lebende Wesen, die an oder in den See gehen, herunter 1 ). Auch der Falkerer See bei St. Oswald in Kärnten soll ein M. sein. Die S a g e berichtet, daß er ein Joch Ochsen verschlungen habe, das nach Jahren wieder in einem weit entfernten Brunnen zum Vorschein gekommen sei 2 ). Die Vorstellung von unterirdischen Verbindungen zwischen Seen und dem Meer ist auch sonst bezeugt 3 ) (s. Sp. 66). F r o m m a n n Mundarten 4, 401. 405 f. G r a b e r Kärnten 9 Nr. 10. 3) Vgl. S c h ö p p ner Sagen 3, 80 Nr. 1022 (See ist „eine A d e r des Meeres"). Hoff mann-Krayer. 2)

Meerbarbe s. S e e b a r b e . Meerbersig, „ M e e r - E g l e " ( G e s n e r , Fischb. 16), vermutlich der S e e b a r s c h (Labrax lupus Lacép.) (s. Sp. 66). Gesner verzeichnet folgenden v o l k s m e d i z i n i s c h e n Glauben: „Dioscorides leret ein t r a n c k oder brüyen von den Meer eglinen zu bereiten den s t u l g a n g zu bewegen. Die äschen von dem gebranten K o p f f wir dt gelobt zu den prästen der b ä r m u t e r / v n d die n a c h b u r t zu treyben, geröuekt. Item soelche äschen heilt auch alle feulungen, k r ä b s vnd gestanck" 1 ). Diese Punkte sind in Vinzenz von Beauvais, Albertus Magnus, Isidor, Plinius und Aristoteles nicht enthalten ; dagegen erwähnen Aristoteles 2 ), Plinius s ), und Vinzenz v. Beauvais 4 ) den S t e i n im Kopf des Fisches. G e s n e r Fischb. 26b. 2) An. Hist. 601 ·>, 30. 3) N. H. 9, 57. *) Speculum naturale 1. X V I I , c. L X V . Hoffmann-Krayer.

Meerblauling, bei G e s n e r (Fischbuch 1563, 62b) eine Art der „Meerstichlinge" (welche nicht zu verwechseln mit dem Seestichling, Gasterosteus), lat. Glaucus Bellonii, scheint dem A d l e r f i s c h (Sciaena aquila Lacép.) gleich zu sein. „ A u ß der vrsach wirt sein k o p f f sehr begärt, daß zwey b e i n in im gefunden werdend,

Meerdrache—Meergeister

71

zu der a r t z n e y dienstlich Ist ein bequemliche speyß denen so rässe, gälsüchtige, beyssende f e u c h t i g k e i t habend, auch denen so das bauch grimmen habend, auch denen, so hitzige m age η habend.... Die brüyen von solchen gesottnen fischen meret die milch. Item sein fleisch auß seiner brüyen gässen. Sein l a b er nimpt hin die wartzen. Sein g a l l macht den Kindern schwartze äugen, so ist auch sein f e i ß t e nütz vnd dienstlich zu vil dingen, fürnemlich zu den p r ä s t e n des sitzes vnd der Muter der w e y b e r " 1 ). P l i n i u s berichtet über den Glaucus nichts Derartiges. *) Gesner a . a . O .

Hoffmann-Krayer.

Meerdrache s. Wasserdrache. Meerengel (Rhina squatinaL.), E n g e l hai. „Sein haut zu aschen gebraut mit wasser aufgelegt, heilt vnd zertreybt die bläterle, so an der schäm sich erhebend. Ire eyer gedert (gedörrt), werdend für ein bewärte artzney von den fischeren gebraucht, zu allerley bauchflüssen. Die aschen auß der gebranten haut, salb davon bereitet, wirdt gelobt, zu bissen (beißen), g r i n d i g k i e t vnd r a u d , item zu dem abfließenden haar vnd k a l k ö p f f , auch trieffende g e s c h w ä r des haupts. Dise fisch, noch frisch auff die brüst gelegt, lassend sy nit w a c h s e n . . . " 1 ) . Die letzte Notiz stammt aus P l i n i u s 2). 1 ) Gesner Fischbuch 1563, 66b. 2 ) N. H. 32 129 (squatina). Hofimann-Krayer.

Meergeister. M., auch Seemenschen genannt l ) erscheinen in deutscher Überlieferung weit überwiegend weiblich unter den Namen Meerweib 2), Meerfrau, Meerminne 3), Seeweib 4), Seejungfer, Wasserjungfer; kujawisch morzki panny s ). Sie sind schön, haben besonders volle, weiße Brüste; einmal heißt es, sie würfen diese über die Schultern und säugten so ihre Kinder 8 ). Sie sind nackt, doch mit Moos und Schilf behangen 7). Daß ihr menschlicher Oberleib in einen Fischschwanz ende, wird übereinstimmend ausgesagt. Wie die Wassergeister (s. d.) des Landes kämmen sie sich das Haar 8 ), tanzen»).

72 10

singen und ziehen Menschen in die Tiefe ). Sie zeigen sich auch in Landgewässern 11 ). Am Johannistage zwischen 1 1 und 12 Uhr steigen sie an die Oberfläche der Ostsee empor 12 ), werden aber auch am hellen Mittag und sonst am Strande gefunden. Wer sie sieht, hat Glück 13 ) ; es heißt aber auch, das Schiff, das sie erblicke, verunglücke in den nächsten drei Malen, die es zur See geht 14 ). Ihr Erscheinen deutet auf Sturm 15 ), sie stürzen Schiffe um 1 6 ). Sie prophezeien wie die Wassergeister des Festlandes " ) , und sind wie diese im Besitze von Heilkünsten18) ; wenn Kudrun 529,3 gesagt wird, daß Wate „arzät waere von einem wilden wìbe", so mag hier auch ein Meerweib gemeint sein, wie Abor von einem Meerweibe geheilt wird 19 ). öfter wird erzählt, daß Seeweibchen gefangen wurden, sich aber zu befreien wußten und durch Sturm und Uberschwemmung sich rächten 20 ) oder ihr geheimes Wissen nicht preisgaben, vgl. Wassergeister § 40. Man soll sie fangen können, wenn man ruft: „Summe Manntje" 21 ). Auch die Schwanjungfrauengeschichte mit Kleiderwegnehmen, Zurückgeben und Davonfliegen wird vom Seeweibchen erzählt 22). Tief im Binnenlande will man wissen 23 ), das Mirfral, das hier wirklich einen Meergeist meinen muß, stürze die Schiffe um, wenn es nicht jeden Tag eine Menschenleiche zu essen bekomme; deshalb nehme der Seemann eine Truhe voll Leichen mit auf die Fahrt. Gingen sie ihm aus, so müsse er einen Lebenden opfern. Seemänner erscheinen an der Küste von Ostfriesland, wo sie in den Buchten schwimmen, auch gelegentlich ans Land kommen 24) ; dort treten auch Mann und Weib auf : als ein Schiff auf einem Felsen fest saß, tauchte ein Mann unwillig aus dem Wasser, stieß es mit einem Haken weg und bemerkte, es habe sich gerade vor die Tür seiner Behausung gelegt und seine Frau am Gang in die Messe gehindert. Wirklich sollen die Seemenschen Kirchen haben 25 ), und als ein Schiff an einem Sonntagmorgen vor der Jade ankerte, tauchte ein Seemännchen auf und bat.

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Meerhirse—Meerrettich

den Anker aufzuziehen; er liege gerade vor der Kirchentüre und der Gottesdienst solle in einer Stunde beginnen 2 e ). In der baltischen See wurde 1433 ein Wassermann gefangen, der durchaus einem Bischof glich mit Mütze, Stab und Meßgewand. Der König von Polen behielt ihn eine Zeitlang bei sich, als man ihn •wieder ins Wasser setzte, tauchte er mit dem Zeichen des Kreuzes unter 2 7 ). 1305 fing man in der Mitte des Meeres einen Seeritter, der vollständig gewappnet und schön von Gliedern war; er wurde im Lande herumgeführt, starb aber in der dritten Woche 2 8 ). 2) NordS t r a c k e r j a n 1,514; 2,305. 3) Wolf friesisch Meerwüffen ZfVk. 2, 417. Niederl. 607 Nr. 507; 609 Nr. 508; 656 Nr. 565. 4 ) Ostfriesisch sêwîfken S t r a c k e r j a n 1,514 Nr. 259; sêwîweken S c h a m b a c h u. Müller 5) HessBl. 3, 120. 66 Nr. 92. ·) K u h n u. S c h w a r t z 426 Nr. 19. 7) Wolf Niederl. 319 Nr. 219. 8) ZfdA. 5, 378 Nr. 3; M ü l l e n h o f f Sagen 338 Nr. CDLIII, 1; R e u s c h Samland 26 Nr. 21. 8) Jahn Pommern 142 Nr. 173. 10) T e m m e Ostpreußen 172 Nr. 169; S t r a c k e r j a n I, 514; HessBl. a. a. O. " ) ZfdA. 5, 378 Nr. 3; Jahn Pommern 147 Nr. 180. 12) Ebd. Nr. 173. 13) T e m m e Pommern 252 Nr. 213 = 14) R e u s c h Jahn Pommern 148 Nr. 181. a . a . O . 15) K u h n - S c h w a r t z a. a. O.; Müllenhof f Sagen 338 Nr. CDLIII, 2. le ) ZfdA 5, 378; K u h n - S c h w a r t z 11 Nr. 12. 17) Belege dort le ) S t r a c k e r j a n §37. 1,514 Nr. 259. ") ZfdA. 5,7. 20) S t r a c k e r j a n 1,514 Nr. 259; 21 515 Nr. 259d; 2, 391. ) Ebd. 1, 515 Nr. 259 a. 2a) S c h a m b a c h - M ü l l e r a3) 66 Nr. 92, 2. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 192. 196. 24) Wolf 25) Niederl. 609 Nr. 510. Strackerjan 2e) Ebd. S7) Wolf ι, 514 Nr. 259. 1, 516. 2β) Wolf Märchen u. Sagen 355 Nr. 246. Niederl. 319 Nr. 217. Panzer.

Meerhirse s. S t e i n s a m e . Meerkuh, Tiergestalt einer Zauberin, durch die Frotho III. getötet wird. Von Ε. H. Meyer als herbstliches Sturmtier gedeutet 1 ). l ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 78 (nach Saxo); M e y e r Germ. Myth. 226. Hofimann-Krayer.

Meerrettich (Kren; Cochlearia armoracia, Armoracia rusticana). ι. Botanisches. Kreuzblütler mit fleischiger Wurzel, großen länglichen Blättern und weißen Blüten. Der bei uns nicht selten angebaute M. stammt aus dem südöstlichen Europa, im lateinischen Europa erscheint er um das Jahr 1000 I

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n. Chr. Die „armoracia" der Alten war nicht der M. Bei der hl. Hildegard (12. Jh.) wird die Pflanze als „merrech, merredich" erwähnt 2 ). *) Z . B . Plinius Nat. hist. 19,82; 20,22. Vgl. PBB. 23, 559ff.; H. K r ü g e r Der M. «. seine Geschichte. Ausz. aus d. Rostocker Inaug.-Dissert. 1921. 2)

2. In katholischen Gegenden wird der M. (zusammen mit Eiern, Schinken, Salz und Brot) am 1. Osterfeiertag kirchlich gesegnet („geweiht") 3 ). Der Genuß des M.s soll an das bittere Leiden Christi erinnern 4 ). Drei Stücklein dieses „geweihten" M.s nüchtern gegessen dient der Gesundheit s ), es fällt einen (das ganze Jahr) keine Ohnmacht an e ). A m Karfreitag drei Stückchen nüchtern gegessen, schützen gegen Rotlauf das ganze Jahr 7 ). Als Mittel gegen Rotlauf wird der M. auch sonst seit alters empfohlen 8 ). Der (geweihte) M. hat überhaupt apotropäische Eigenschaften. Ein Stückchen in der Tasche oder Geldbörse getragen, schützt vor Druden, Hexen, wütenden Hunden usw. 9 ), auch bewirkt es, daß der Geldbeutel das ganze Jahr nicht leer wird 1 0 ). Auch die Slaven tragen M. gegen die „ M a r " bei sich 1 1 ). Vielleicht ist auch der M. als volkstümliches Mittel gegen „Kinderkrämpfe" 12 ) ursprünglich ein Apotropaeum. Wenn die Kühe „versetzt" ( = verzaubert ?) sind, gibt man ihnen aus gestampftem M. geformte Kugeln ein 13 ). Damit die Ochsen das Jahr über zur Arbeit recht stark sind, überschütten sie die Serbokroaten am Luzientag (13. Dez.) mit M., der vorher in Wein gelegt ist 1 4 ). 3) Bavaria 3, 341 ; Lammert 225. 4) D r e c h s ler ι, 97; Marzell Bayr. Volksbotanik 27; Gailtal in Kärnten: Orig.-Mitt. von Modi 1908. 5) Marzell a . a . O . ; besonders gegen Magen- und Darmkrankheiten: Höhn Volksheilkunde ι, 114; gegen kaltes Fieber: W u t t k e 353 §528 (Thüringen). e) B a u m g a r t e n Aus der 7) Schleicher Heimat 143. Sonneberg 1858, 149. ') Schroeder Apotheke 1693, I r l 5 ; Seitz Trost d. Armen 1715, 30; F o g e l Pennsylvania 284. ») P o l l i n g e r Landshut 115. 10) Marzell Bayer. Volksbot. 214. u ) Krauss Slav. Volkforschung 151. I2) John Erzgebirge 53. 13) D. Kuhländchen 9 (1927), 109. 14) Schneeweis Weihnacht 9.

3. In Oberösterreich hängt man Kin-

Meerschatten—Meerzwiebel

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dem gegen Fieber dünne M.-Scheiben, auf eine Schnur gefädelt, um den Hals. Aus dem Abtrocknen dieser Scheibchen wird auf das Verschwinden des Fiebers geschlossen, in Mähren sind es 72 1S ) M.Stückchen, die aufgefädelt werden 1 6 ). Gegen (Seiten-) Stechen legt man rohen geriebenen M. a u f 1 7 ) , wohl eine Art Sympathiemittel wegen des stechenden Geschmackes des M.s. Gegen Bruchschaden läßt man das kranke Kind auf M. harnen 1 8 ), vgl. Meerzwiebel. " ) Vgl. Z f V k . 23, 70. » ) H o v o r k a u. 17 ) J o h n K r o n f e l d 1, 142; 2, 334. West18 ) böhmen 230; H ö h n Volksheilkunde 1, 92. P a u l i Die in d. Pfalz usw. üblichen Volksheilmittel 1842, 125; L a m m e r t 257.

4. Ein weißes Blatt des M.s bedeutet einen Todesfall in der Familie 1 9 ), vgl. Bohne, Erbse, Klee, Kohl. w)

B a r t s c h Mecklenburg 2, 126.

Marzeil.

Meerschatten (Umbrina cirrhosa L.), Umber. „Die s t e i n von dem k o p f f werdend in silber vnd gold eyngefasset, getregt als ein sonder secret wider das B a u c h g r i m m e n vnd die M u t e r , doch sollend sy nitt koufft, sonder geschenckt worden seyn" x ). G e s n e r Fischb. 1565, 28a. Hoffmann- Kray er.

Meerscheißer (Maena vulg.), ein zu der Familie der Brassen gehöriger Fisch, der seinen Namen wohl von dem widrigen Geruch des „Milchlings" (Männchen), daher auch „ B o c k " , erhalten h a t „ D i e saltzen von dem M. ist bey etlichen nationen vil im brauch gewesen wider den r o t e n s c h a d e n (rote Ruhr), h u f f t w e , alte Schäden damit zu seubern. Item die saltzen mit stiergallen auff den nabel geschmieret bringt den s t u l g a n g . Die b r ü y e n . . . getruncken, vnd das fleisch gässen, p u r g i e r t , macht den bauchfluß vnd scheyßen, von welchen man inen iren namen gegeben h a t " 2) (doch s. o.). Im römischen Altertum wurde die maena im Zauber zum Binden der üblen Nachreden gebraucht 3 ). G e s n e r Fischb. 1565,33. a) Ebd. 3) P a u l y W i s s o w a ι, 75 (n. O v i d . Fast. 2, 578). Hoffmann-Krayer.

Meerschlange s. S e e s c h l a n g e . Meerechmied s. P e t e r s f i s c h .

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Meerschweinchen. Das gemeine M. (Cavia porcellus) gelangte aus Südamerika durch die Holländer im 16. Jh. zu u n s 1 ) . Seine Verwendung in der Volksmedizin gründet sich auf die Annahme der Krankheitsübertragung (vgl. hierzu „ K r e b s " , Abschn. 6, c). Schon der Verfasser der Rockenphilosophie wendet sich gegen den Aberglauben, M. in der Stube zu halten, damit sie Krankheiten der Bewohner und des Viehs anzögen 2 ). Ebenso verfährt man in neuerer Zeit bei Epilepsie 3 ), Rheuma (Schles. 4 ), galiz. Juden) 5 ), Flüssen der Frauen (Vogtl.) e ), Gicht 7 ). In Schlesien läßt man rheumatische Stellen von M. belecken, wonach die Tiere absterben 8 ). Oder man bindet M. auf den leidenden Teil (in Schles. 9 ) auch das Fell, Erzgeb. 1 0 ), S a c h s . ) n ) , nimmt sie mit ins B e t t 1 2 ) (Schles., Böhm., B a y . 1 3 ) , Pomm. 1 4 ) ; bei Slawen, Magyaren, Juden) 1 S ), setzt sie unter das B e t t 1 6 ) . In Rußland legte man Kindern bei Schlaflosigkeit einen kleinen Knochen aus dem Schädel des M.s in die Wiege 1 7 ). Über frz. Aberglauben vgl. A. Harou, Notes sur les traditions . . . in Revue des traditions populaires Tom 18. B r e h m Tierleben 11, 140. 2) Bd. 6, Kap. 43, 3) H o v o r k a S. 308. u. K r o n f e l d 2, 215. *) D r e c h s l e r 2, 233. 5) Urquell N. F. 1897, 48. 6) K ö h l e r Voigtland 351 u. 389; S e y f a r t h Sachsen 186. 7 ) Z f V k . 18, 311; vgl. G r o h m a n n 165. 8) D r e c h s l e r 2, 207. e) Ders. 2, 233. 10 ) J o h n Erzgebirge 235. n ) S e y f a r t h Sachsen 186 u. 192. 12 ) Z f V k . 27, 278. " ) W u t t k e § 170. " ) BIPommVk. 6, 31. 15 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 43. 10) J ü h l i n g Tiere 343. 17 ) S e l i g m a n n Blick 1, 338; Ermans Archiv 1 (1841), 625. Groth.

Meersohle s. Seezunge. Meerstein s. K o r a l l e . Meerwolf s. S e e b a r s c h . Meerzwiebel (Mäusezwiebel ; Scilla maritima, Urginea maritima). I. B o t a n i s c h e s . Zu den Liliengewächsen gehörige Pflanze mit großer Zwiebel, 30—50 cm langen Blättern und weißen Blüten. Die M. wächst in den Mittelmeerländern. Sie wird vielfach in der Heilkunde verwendet. Die bei uns oft als Topfpflanze gezogene und als „ M . " bezeichnete Pflanze ist nicht diese Art,

Megalithbauten

77

sondern das ähnliche Ornithogalum caudatum 1 ). 1)

Tschirch

Handb.

d.

Pharmakognosie

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(1917). 1579. 2. Die M. ist als Mediterranpflanze keine Pflanze des deutschen Aberglaubens. Ihr Ansehen im Zauberglauben verdankt sie der antiken Überlieferung 2). Bei den alten Ägyptern soll sie unter Bezeichnung „Typhons Auge" bekannt gewesen sein 3). Nach A e l i a n 4 ) erstarrt der Wolf, wenn er sich nur den Blättern der M. nähert. Damit die Wölfe das Vieh nicht anfallen, bindet man dem Leittier die M. an 5). Nach P l i n i u s empfiehlt P y t h a g o r a s die an der Türschwelle aufgehängte M. gegen bösen Zauber e ). Diese Angabe ist zunächst in die ma. Literatur übergegangen '), auch im modernen Aberglauben hat sich die Meinung von der zauberwidrigen M. gehalten 8). Übrigens wird im deutschen Aberglauben auch die gewöhnliche Zwiebel (s. d.) gegen bösen Zauber aufgehängt. Im Orient ist die M. ein Mittel gegen den bösen Blick 9 ). An der Riviera glaubt man noch heute, daß die M. angepflanzte Bäume, besonders Feigen und Granatäpfel, vor Ungeziefer schütze 10). 2) Vgl. H ö f l e r Organotherapie 42. 3) W o e n i g Pflanzen im alten Ägypten 1886, 395. 4) Hist. 5 ) Geoponica Anim. ι, 36. ree. B e c k h 1895, 18, 178. ·) P l i n i u s Nat. hist. 20, 101: „Pythagoras scillam in limine quoque ianuae suspensam contra malorum medicamentorum introitum pollere tradit". ') Z. B. A l b e r t u s M a g n u s De vegetabilibus 6,2 cap. 17,431: „Dicit autem i n c a n t a t o r , quod, si suspendatur super portas, prohibet introitum venenosorum"; M e g e n b e r g Buch der Natur ed. P f e i f f e r 1861, 421; F u c h s Kreuterbuch cap. 302: „es wöllen ettlich, wenn man einen gantzen Meerzwibel für ein hauss hencke das er dasselbig vor allem gespenst und Zauberei be8) A l b e r t u s wahre". M a g n u s 2, 4; S t e r z i n g e r Aberglaube 176; V o n b u n Beiträge 132; G a n d e r Niederlausitz 149. ') S e l i g m a n n Blick 2, 77; S t e r n Türkei 1,321. 10) A s c h e r son u. G r ä b n e r Synops. d. Mitteleurop. Flora 3 (1905/07), 222.

3. Gegen Nabelbruch setzt man eine M. (hier ist wohl Ornithogalum caudatum gemeint, s. unter 1 ) in einen Blumentopf und läßt anstatt diese zu begießen, das Kind darauf harnen 11 ), vgl. Fetthenne, Meerrettich. In der Kremser

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Gegend gilt sie als Mittel gegen Zehrfieber 12). ll) Jäckel Oberfranken 223 = L a m m e r t 120 = P l o ß Kind I, 528. H ö f e r u. K r o n f e l d Volksnam. d. niederösterr. Pflanzen 1889, 37. Marzell.

Megalithbauten. A. B e s c h r e i b u n g der Bauten. Unter den M . v e r s t e h e n wir mächtige Steinbauten, die meist in den Übergang von der Stein- zur Bronzezeit gesetzt werden, und in ihrer Gesamtheit sakraler Art zu sein scheinen. Im einzelnen unterscheidet man Menhire (vom spätbret. men = Stein, hir = lang), S t e i n k r e i s e oder C r o m l e c h (crom = krumm, lec'h = Stein), S t e i n r e i h e n oder a l i g n e m e n t s , D o l m e n (Dol = Tisch, men = Stein) und S t e i n k i s t e n , die im Norden als mächtig versenkte Steingräber bis zu 7 m Länge auftreten, während die übrigen Steinkisten trotz ihrer dolmenähnlichen Anlage infolge ihrer Kleinheit nicht mehr zu den Megalithen gerechnet werden können, auch wenn sie mit den mächtigen Steinkisten auf die gleiche Wurzel zurückzuführen sind. Nicht berücksichtigt sind hier die seltenen T r i l i t h e n , die aus zwei Menhiren und quer gelegter Platte bestehen. Die Menhire sind mächtige, rohe Steinsäulen, deren Höhe bis zu 20 m erreicht. Ihre Zweckbestimmung ist nicht mit Sicherheit ermittelt, doch deutet ihr Vorkommen in der Nähe der Dolmen auf einen kultischen Charakter hin, wobei man in erster Linie an einen uralten Säulenkult zu denken hat. Dagegen sind andere Deutungen nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, da man in ihnen auch Grab-, Gedenk- oder Grenzsteine erblicken kann, die in viel späteren Epochen errichtet worden sein können. Doch scheint es ausgeschlossen, sie in verschiedene, zeitlich getrennte Typen scheiden zu können. Ihr Hauptverbreitungsgebiet ist Frankreich mit über 6000 Vorkommnissen, von denen mehr als die Hälfte dem Dep. Morbihan angehört. In Deutschland sind sie in mittleren und südlichen Lagen bekannt geworden, in den Gebieten der Glocken-

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becher- und Hinkelsteinerkultur2), in der Schweiz in der Gegend von Grandson, Bonvillars, Corcelles3) und in Attiswil *), also sämtliche am Jurafuße. Im Norden kommen sie als B a u t a s t e i n e vor und finden sich in großer Zahl besonders auf der Insel Bornholm 5 ). Nach der Volksüberlieferung sind sie zum Gedächtnis und zur Ehre der Toten errichtet. Kreisförmig aufgestellte Menhire heißen Steinkreise, Cromlechs oder circles. Die bekanntesten sind Avebury in der englischen Grafschaft Wilts und Stonehenge bei Salisbury, sowie der zum Teil zerstörte von Carnac. Die Steinkreise finden sich oftmals in Verbindung mit den Steinreihen, wie in Carnac, wo sie sich in einer Länge von 3 km von West nach Ost ausdehnen. Man kann dort nach den Weilern Ménec, Kermario und Kerlescan drei deutlich getrennte Gruppen unterscheiden, die zusammen etwa 2800 Menhire bergen. Man hat in diesen Anlagen Sonnentempel erblicken wollen und zuletzt hat sie Schuchhardt als großartige Anlagen für den Totenkult bezeichnet e). Neben den stattlichen Megalithgräbern liege der Festplatz für Tausende von Menschen, zu dem eine Steinallee führe. Eine durchschlagende Erklärung steht noch aus. Besser unterrichtet sind wir über die Dolmen, die unzweifelhafte Grabanlagen darstellen. Sie zerfallen in verschiedene Gruppen: ι . Grabkammern mit rundem oder polygonalem Grundriß. Das sind die eigentlichen Dolmen, deren Verbreitungsgebiet sich in Südskandinavien, Dänemark, Norddeutschland bis zur Oder, Holland, Großbritannien, Frankreich und Corsika, Pyrenäenhalbinsel, Etrurien, Nordafrika, Oberägypten, Syrien, Palästina, Balkan, Krim, Kaukasus, Nordpersien und Indien findet. In Mittel- und Süddeutschland fehlen sie. 2. Übergangstypus vom Dolmen zum Ganggrab, mit vorgestellten Eingangsplatten. 3. Daraus entsteht das Ganggrab, runde Kammer mit langem Gang, das weniger allgemeine Verbreitung gefunden hat als der ganglose Dolmen. Doch läßt es sich

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von England, Frankreich, Spanien, OberNordwestdeutschland, Skandinavien über die Krim bis in den Kaukasus und nach Japan verfolgen. 4. Galerie couverte, lange Gänge ohne Kammer. 5. Kuppelgräber, mit runder Kammer und sog. falschem Gewölbe. 6. Steinkisten, kleiner Form. Verkleinerung der galerie couverte. Diese Gräber enthalten deutliche Spuren eines ausgeprägten Totenkultes in Form von Ritualfeuern, Totenspeisen und Beigaben. Manche Gräber enthalten die Skelette vieler Toten, so daß man sie als eigentliche Ossuarien bezeichnen kann. Im Verschlußsteine mancher dieser Gräber oder wenn es zwei sind, in beiden zusammen, befindet sich ein rundes oder ovales Loch, das sog. Seelenloch, das jedenfalls der Seele des Verstorbenen den Verkehr mit der Oberwelt ermöglichen sollte und vermutlich auch dazu diente, diese mit Speise und Trank zu versehen. Derartige Gräber sind besonders zahlreich an der Götaelfmündung, in Mittelwestdeutschland, England und Südfrankreich. Sie fehlen auf der Pyrenäenhalbinsel, erscheinen in abgeänderter Form in Sardinien und in der Provinz Otranto und lassen sich von da über Syrien, Palästina, den Kaukasus und Nordpersien bis nach Indien verfolgen, wo beispielsweise im Distrikt von Dekhan unter 2200 Gräbern 1100 ein Giebelloch aufwiesen. B. Die M e g a l i t h b a u t e n im Volksglauben. Das klassische Land der Megalithbauten hat einen entsprechend starken Niederschlag dieser Denkmäler in der Sprache und im Volksglauben zu verzeichnen. S. Reinach hat hierüber eine sehr aufschlußreiche Untersuchung geschrieben, die wir in den Hauptergebnissen wiedergeben 7). Die Namen der Megalithen sind oftmals rein beschreibender Natur, benannt nach Größe (Riesenstein), Gewicht (Schwerer Stein), äußerem Aussehen (Weißer Stein, schwarzer Fels), nach der Konstruktion (Gehobener Stein, „pierre levée", gedeckter Stein), nach der Lage im Gelände, etwa auf einem

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Hügel oder einem Felsen oder nach einer .zufälligen Einzelheit (durchbohrter Stein, •durchlöchertes Haus). Ein sehr häufiger Name für die Menhire ist, .pierre fitte, fritte, fixe", also offenbar fester Stein, der dann für eine ganze Anzahl von Gemeinden „Pierrefitte" namengebend geworden ist. Die Bezeichnung kann auch von der sagenhaften Tätigkeit dieser Steine hergeleitet werden, wie „pierre qui pousse, la ronde des fées, bal des dames oder chorea gigantum" (Monmouth). Weil sich nach dem Volksglauben eine Anzahl um Mitternacht drehen, heißen sie „pierres •de minuit". In das Gebiet des Aberglaubens gehören die Benennungen, die auf kosmische Vorstellungen zurückzuführen sind Λνίε Sonnensteine oder „sasso della luna" bei Como. Ferner werden ihnen hellseherische Eigenschaften zugesprochen in den „pierres du sort" oder in der Bretagne „pierres •des dogans", d. h. der hintergangenen Ehemänner. Wiederum wird die Idee •einer religiösen Handlung damit verknüpft, wenn die Namen vorliegen, wie „pierre du serment, pierre de la valse, pierre du feu, pierre du sabbat". Wie bei urgeschichtlichen Gräbern, so ist auch mit den Megalithen die Vorstellung von einem versenkten Schatz verknüpft, wie „pierre du trésor". Bei andern kommt die Vorstellung zum Ausdruck, als ob •eine Versammlung oder eine Familienvereinigung stattgefunden hätte; dies ist bei manchen Steinkreisen der Fall, so „les demoiselles de Langou, Long Meg und seine Töchter, la place du juge, oder •die skandinavischen „domaresáte" = Sitze der Richter. Gedenksteine sind die englischen cathstone (Schlachtsteine). Daß auch heidnische Gottheiten oder historische Personen mit diesen Bauten in Verbindung gebracht worden sind, braucht uns nicht zu wundern. Ein Dolmen in Berkshire heißt Schmied Wielands Grab, auf den Orkneyinseln Odinsstein. Ganz allgemein werden die Riesen an diesen Stellen lokalisiert. Dann heißen die Dolmen Hünenkeller, Riesenkeller, Riesen-

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stuben in Schweden, Hünenbetten, Riesenbetten oder Hünengräber. Daß in Frankreich auch der Riese Gargantua verewigt erscheint, ist nicht verwunderlich; wenn der Name aber vor 1526 nicht beglaubigt ist, wie S. Reinach behauptet, so dürfte dieses Beispiel später Benennung vor zu weitgehenden Schlüssen warnen. So heißen einige Menhire „but de Gargantua", Spindel von Gargantuas Gemahlin und der kleine Finger von Gargantua. Häufig werden die Dolmen als Behausung der Zwerge angesprochen („manoir des nains"), oder in Nordafrika werden die Megalithen den „djinn oder ghoul, ghoulats" = Vampiren zugeschrieben. Auch Feen und Zauberinnen leben in diesen Dolmen, daher Namen, wie „antres, cabanes, tuiles des fées ou sorcières". Wo es sich um Namen, wie „grottes ou roches des mères" handelt, ist ein Zusammenhang mit den keltisch-römischen Muttergottheiten (matres, matronae) nicht ausgeschlossen. Anderswo schimmert die Erinnerung an Jungfrauen noch durch, wie der alte Name der „table des marchands" von Locmariaquer besagt, der „dolmerch" hieß = Tafel der Jungfrau. Eine starke Verbreitung haben die Namen der Megalithen, die mit dem Teufel in Beziehung gebracht werden. Die Dolmen heißen dann „autels, cavernes, chaires, enclumes, maisons du diable", die Menhire „flèches, palets du diable". Wenn dann auch da und dort Heilige mit diesen Steinen verknüpft werden, wie „pierre de Ste Radegonde, Ste Christine, grès de St. Aignan, pierres de St. Hubert, Urbain" usw. so macht S. Reinach dazu eine Einschränkung, wonach diese Denkmäler etwa bloß dem Christentum angeglichen werden, daß es aber nur Lokalheilige gewesen seien, die durch keine bestimmten Legenden mit den Steinen in Beziehung gebracht werden könnten. In England sind speziell keltische Helden nicht auffällig in Namen von Dolmen, wie Arthur's Quoit (Steinscheibe) oder Steinkreisen „Arthurs Tafelrunde" oder Arthurs Park. Die indischen Dolmen heißen oftmals Häuser der Pandus, die kaukasischen Dolmen

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Häuser der Ritter. Auch historische Personen fanden ihre Verwertung. Noch 1755 wurden die Steinkreise von Carnac „camp de César" genannt, oder ein Dolmen in Belgien trägt den Namen Brunhilde, und auch der Name Roland erscheint verknüpft mit pyrenäischen und französischen Dolmen und Menhiren. Auch die Sarazenen und Mauren finden wir verkörpert in südfranzösischen Dolmen, während solche in Norddeutschland als Sorben- und Wendengräber bezeichnet werden. Spiegelt sich schon in den Namen der Megalithbauten ein Teil des Volksglaubens wieder, so sind mit ihnen noch weitere Vorstellungen und Gebräuche verknüpft, auf die besonders eingetreten werden muß. Ganz allgemein flößen sie den Bewohnern Angst ein, so daß die Hirten sie nicht nur nachts, sondern auch tags meiden. Wenn sie vor dem Menhir „femme blanche" durchgehen, machen sie das Zeichen des Kreuzes. Wer den Dolmen d'Essé (Ille-et-Vilaine) zerstört, stirbt im Laufe des Jahres. Allgemein ist die Vorstellung lebendig, daß diese Steindenkmäler in Verbindung mit den Geistern stehen. Die Steine werden als heilkräftig angesehen und begünstigen das Wachstum. Deswegen bringen die Bräute an dem Dolmen Pierre des Fées (Loire-Inférieure) Weihegaben an, rosa Leinwand umwickelt von Flittergold, wenn sie im nächsten Jahre heiraten wollen. Von dem Dolmen Bois d'Urbe dans la Creuse werfen sie sich herunter, anderswo lassen sie sich über eine schräge Dolmenwand gleiten oder reiben sich an einem Ganggrab. In dem Pyrenäental Larboust küssen die Bauern die hl. Steine und legen ihre Ohren daran, um die Stimme zu vernehmen. Der Menhir von Plouarzel (Finistère) trägt auf beiden Seiten in 1 m Höhe eine runde Erhöhung von der Form einer Frauenbrust. Die Neuvermählten entblößen sich dort und reiben den Leib an dieser Erhöhung. Der Mann erhofft davon den Sohn, die Frau die Herrschaft im Hause. Andere Dolmen heilen Rheumatismen und Fieber. Das Umfangen von Menhiren, die in der

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Schweiz auch als „Toggelisteine, Titisteine oder Kindlisteine" bekannt sind, verhilft den Frauen zur Fruchtbarkeit. In Ablaincourt werden die kranken Kinder auf eine Steinbank in der Kapelle St. Georges gesetzt, die hart neben dem Menhir St. Aignan steht. Das Volk unternimmt Wallfahrten zum Stein Pas de St. Martin, zur Heilung vom intermittierenden Fieber und legt Weihegaben nieder. Die Kinder in der Oise umschreitën die Pierre de St. Vaast, um sich zu heilen. — Die wichtigsten Heilsteine sind aber die Pierres percées, meist Eingangsplatten mit Durchschlupföffnung von Dolmen. Da läßt man den Kranken den kranken Körperteil durchstrecken oder ihn selbst durchkriechen(s. d.). In den Vogesen und in vielen Alpengegenden der Schweiz werden kranke Kinder durch einen ausgehöhlten Eichenstamm gezogen. Das Durchkriechen durch eine „pierre percée" heilt auch Kopfschmerzen ; durch den Dolmen von Ymaire (SeineInférieure) schlüpft man, um Nierenleiden zu heilen, durch den von Cressac (Creuse), um Kinder zu haben. Wo kein Loch vorhanden ist, kriecht man unter einem Tiere durch, ein Gebrauch, der in ganz Europa verbreitet ist. Daß in der christlichen Zeit der urgeschichtliche Steinkult noch ausgeübt wurde, geht aus den mittelalterlichen Texten hervor. Die Konzilien von Arles 452, Tours 567, Nantes 658 verbieten den Kult der Bäume, Quellen und Steine. Die Priester sollen alle Steine, die Gegenstand abergläubischer Verehrung sind, fortschaffen oder zerstören. Die Konzilien von Toledo 681/82 sprachen sich gegen die veneratores lapidum aus. Karl der Große gebietet 789, daß alle als Ketzer zu betrachten seien, die sich der Entfernung dieser Steine widersetzen. Eine Anzahl der Dolmen wurden in christliche Kapellen umgewandelt, so die von Plouaret (Côtesdu-Nord), St. Germain-sur-Vienne bei Confolens. Anderswo hat man Menhire in die Kirche gebracht, um den abergläubischen Gebräuchen ein Ende zu setzen: Kirche von Bassecourt (Berner Jura), St. Wendelinskapelle (Sarmenstorf)8). Das beliebteste Mittel war das Aufrichten

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eines Kreuzes auf Menhiren und Dolmen. Wie zähe sich der Gebrauch des Durchstreckens kranker Gliedmaßen noch bis in die Neuzeit gehalten hat, geht aus der Anlage der St. Mauritiuskapelle in Schötz (Kt. Luzern) hervor, in der sich eine Sandsteinplatte westlich vom Hochaltare befand, mit einem 18 cm großen polygonalen Loch, das an den Kanten stark abgerieben war. Dieses diente den Pilgern dazu, kranke Gliedmaßen, Arme und Beine, in den darunter liegenden Hohlraum hinabzustrecken, der vom Volksmund „St. Morizen Grab" benannt worden war. Der Zusammenhang mit dem uralten Durchstrecken kranker Gliedmaßen durch die Pierres percées dürfte kaum geleugnet werden. Ein Volksbrauch aus dem Wallis, von F. Fankhauser mitgeteilt, ist nicht weniger bezeichnend: Noch 1765 wurde in Mase (Val d'Hérens) folgendes Mittel angewendet : Secret pour les enfants sujets à mâcher et à manger de la terre, du plâtre, du charbon etc. — Il faut, dit-on, les mener manger de la terre dans l'ossuaire, vulgo dans la Trébonna 9 ). Diese Ossuarien dürften nichts anderes sein, als die Fortsetzung der urzeitlichen Dolmen, die merkwürdigerweise sonst im Wallis noch nicht nachgewiesen werden konnten. Eine Anzahl Menhire heißen „pierres du serment", weil man bei ihnen Eidschwüre ablegte. Auf den Orkneyinseln wurden diese bei dem sog. Odinsstein geleistet, wobei der eine Schwörende dem anderen die Hand durch den gelochten Stein hindurchreichte. Nach dem Volksglauben, daß solche Steine schwitzten, wenn ein Meineid erfolgt war, nannte man manche auch Tränensteine. Bei dem Felsen „Pierre Sortière" in der Oise werden Heiratskontrakte abgeschlossen. Der Menhir von Attiswil (Kt. Bern) heißt noch heute Freistein, offenbar, weil Verbrecher dort eine Zufluchtsstätte fanden. Die Vorstellung, daß diese Steine wie lebende Wesen anzusehen sind, ist in manchen Gegenden stark ausgeprägt. Sie wachsen oder nehmen ab. So sinkt „la pierre du champ dolent" alle hundert Jahre einen Zoll tief in den Boden. Die

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Steine von Carnac baden sich einmal im Jahre im Meer. Auch stehen sie mit Zwergen und Feen in Verbindung, von denen sie auch erbaut worden sind. Sie wohnen dort und tanzen und singen in der Nacht um sie herum. Einige werden mit dem Teufel in Beziehung gebracht oder mit Riesen, in deren Händen sie als Wurfgeschosse dienten und schließlich auch mit Heiligen. Die Steinreihen von L e s t r i d i o u (Finistère) gelten als das Werk von Maria Magdalena, die damit den Teufel austrieb. Anderswo knüpft sich die Vorstellung daran, daß ungehorsame Feen zu Stein verwandelt worden seien, weil sie nach der Zeit noch tanzten. Die Steinreihen von Carnac und Erdeven gelten als Soldaten des ungläubigen Königs Asar, die von St. Corneille zur Strafe versteinert wurden. Zum Schluß soll auch noch der Volksglauben erwähnt werden, daß Hochzeiten oder Hirten mit ihren Herden versteinert worden seien. Über den Volksglauben, der in England mit den Megalithen verknüpft ist, unterrichtet das Werk von Crawford, in dem eine Abhandlung von A. Evans über den Volksglauben des Steinkreises „Rollright Stones" (Oxfordshire) abgedruckt ist 10 ). Einige Dolmen dieser Gegend werden mit Riesen in Zusammenhang gebracht (Giant's Stone, Cave), andere mit dem Teufel (Devil's Quoits, Devil's Den), auch die Erinnerung an Arthus fehlt nicht (Arthus's Stone)oder auf den Schmied Wieland zurückgeführt (Wayland's Smithy), während bei andern der Volksglauben bei der Namengebung im Spiele war, so The whispering Knights, The Spinster's Rock, The grey Mare and her Colts, The Countless Stones. Menhire heißen nach ihrer Gestalt Long Stone, Broad Stone, Hawk stone, oder nach Überlieferungen von alten Herrschern und Priestern King Stone, Queen Stone, Druid Stone. Ähnliche Namen finden sich auch für die Steinkreise, wie Rollright Stones oder King's Men, Five Kings, Druid circle, The Blind Fiddler, The Merry Maidens, The Bridestones, The Stripple Stones. Vom Long Stone bei Minchinhampton wird berichtet, daß der Stein sich bei dem Schlage der

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mitternächtlichen Stunde durchs Feld in der Nacht um den größten der Steine, bewege. Bei andern wird noch hinzuge- den Kingstone. Ihm kommt überirdische fügt, daß sich diese Steine an die Flüsse Kraft zu. Deswegen schlagen die Soldaten, begeben, um zu trinken und dabei treten die nach Indien fahren, Stücke vom Stein versteckte Schätze zutage; wer sie aber los und brauchen sie als Amulette. Von zu holen versucht, der wird erschlagen, den Kingstones und dem nahe liegenden denn in der zwölften Stunde kehren die Dolmen The Whispering Knights wird Steine zurück und töten den Schatz- berichtet, daß sie mitternachts zu einer gräber. An andere Namen, wie Gwal-y- Quelle hinuntergehen und trinken. Um Filiast (Lager des Grauhundes) knüpft diese Zeit verwandeln sie sich wieder in sich vermutlich die Vorstellung von einem Männer, reichen sich die Hände und Totenhund. Es wird erzählt, daß er bei tanzen. Deswegen heißen in Cornwall nächtlichem Hahnenruf ans Meer gehe die Steinkreise Dawns-mên = Steintanz. und darin wie ein Fisch herumschwimme. Dort will die Überlieferung in ihnen Der erwähnte Long Stone von Minchin- Männer sehen, die zur Strafe für ihr hampton besitzt Heilwirkung, indem Tanzen am Sonntag verwandelt worden rhachitische Kinder durch seine Öffnung seien. Niemand kann die Steine von Rollgezogen werden. In England gelten diese right zählen. Deswegen heißt der Dolmen Steine für unverrückbar und jeder Ver- von Aylesford The Countless Stones. such des Rückens vom Platze bringt Un- The Whispering Stones sind Verräter an glück. Nach dem Volksglauben liegen ihrem König, die dafür versteinert worden in den Dolmen von Blackquarries Hill seien. Jeder Versuch, Steine aus ihrer Soldaten begraben. Diese Vorstellung ursprünglichen Lage zu entfernen, schlägt von Dolmen als von Gräbern gefallener fehl; sie kehren in der Nacht wieder zuKrieger ist in England weit verbreitet. Von rück. In Nennius, Historia Britonum 73, dem Steinkreis von Rollright erzählt man wird von einem Tumulus berichtet, auf nach A. Evans folgende Sage : Ein König dem sich ein Stein mit dem Fußabdruck hatte sich mit seiner Heeresmacht auf- des Hundes von Ritter Arthus befand, den gemacht, um ganz England zu erobern. er selber aufgerichtet hatte. Dann kommen Als er aber zum Hügel von Rowldrich Männer und tragen ihn in ihren Händen kam, erschien die Hexe, welcher der weg für einen Tag und eine Nacht, und Boden gehörte. Der König war nur noch am nächsten Morgen steht er wieder da wenige Schritte vom Gipfel entfernt, von auf dem Tumulus. An The Whispering wo er in der Mulde das Dorf Long Compton Knights knüpft sich noch heute der erblicken konnte, als ihn die Frau anhielt Brauch, daß die Mädchen zur Zeit der mit den Worten : Nimm sieben lange j Gerstenernte hingehen, um die Ritter Schritte und : flüstern zu hören. Neben den Dolmen mit dem Seelenloch If Long Compton thou canst see King of England thou shalt be. sind auch noch die bronzezeitlichen HausSchon wollte der König in einen Freuden- urnen aufzuführen, über die F. Behn ruf ausbrechen, als vor ihm ein Erdhügel gehandelt hat 1 1 ). Bei ihnen wäre für die aufwuchs und die Hexe ihn und seine Anbringung eines Seelenloches kein Anlaß Krieger in Steine verwandelte. Die Hexe gewesen, da die Türe oder Öffnung vollauf aber wurde zum Holunderbaum. Aber genügte. Und doch ist an der Hausurne eines Tages wird der Zauber gebrochen, von Robbedale auf Bornholm und an König und Krieger werden lebendig und derjenigen von Karaöjük in Kappadokien erobern das ganze Land. Die Holunder- das Seelenloch angebracht. Nach primihexe wacht noch heute über ihre Opfer. tiven Jenseitsvorstellungen muß der Tote Wenn sie sich aber in Blüte befindet und sein Totenhaus jederzeit verlassen können ; geschnitten wird, vorzugsweise am Abend deswegen wird in der Aschenurne, wie im Sarg eine besondere Öffnung angebracht. des längsten Tages, dann blutet sie und verliert ihre Zaubergewalt. Feen tanzen F. Behn verweist auf bronzezeitliche

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Megenberg, Konrad v.—Mehl

Särge aus Dänemark und Norddeutschland mit kleinem rechteckigen Loch, das für praktische Zwecke z u klein und nur aus solchen Vorstellungen heraus zu erklären ist. Zur Stützung gibt er die Szene aus dem „Grünen Heinrich" heran, wo Bd. I I K a p . 7 in den Sargdeckel „der Sitte g e m ä ß " ein Glasfensterchen mit Schieber eingefügt wird. Auf ähnliche Vorstellungen führt von Buttel-Reepen eine Anzahl Fenstergefäße z u r ü c k 1 2 ) . I m Gegensatz zu S. Reinach will er nur Graburnen, die zur Aufnahme von Asche oder Knochenresten bestimmt waren, als Gefäße mit Seelenloch gelten lassen; insbesondere die Gefäße von Velika Gorica, in denen die Seelenlöcher noch vor dem Brennen herausgeschnitten wurden. A l s Nachklingen dieser Vorstellungen im heutigen Volksglauben erwähnt er den modernen Brauch, anläßlich der Taufe eines Kindes im Hause die Luftscheibe zu öffnen, um dem Teufel einen Ausweg zu schaffen, wenn er infolge der Taufe aus dem Körper entweiche. Wenn bei starkem Frost die Luftscheibe nicht geöffnet werden konnte, bediente man sich der Ofentüre. 1 ) Über Megalithbauten siehe D é c h e l e t t e Manuel 1, 373—447; E b e r t Reallex. s. v. 2 Megalith-Grab. ) Ebert Reallex. 8, 139. 3 ) V. H. B o u r g e o i s Mégalithes le long du Jura suisse 1926 Taf. 2—6. 4) O. Tschumi Oberaargau. 1924. Titelbild. s ) S. Müller Nordische Altertumskunde 1, 461; 2, 261. *) C. Schuchhardt Alteuropaa 68 ff. ') S. R e i n a c h Les monuments de pierre brute dans le langage et les croyances populaires Rev. arch, ι (1893), Ι 95· 3 2 5· 8) Κ. B o s c h Urgeschichte 1932, 80. 9 ) F. F a n k h a u s e r Aus der Walliser Volkskunde des 18. Jh.s In Festschrift Louis Gauchat S. 422. 10) O. G. S. Crawford The long barrows of the Cotswolds. Gloucester 1925. u ) F. B e h n Hausurnen 1924. 12) von B u t t e l - R e e p e n Über Fensterurnen 2, 251 ff. Tschumi. Megenberg, Konrad v., s. K o n r a d v . M e g e n b e r g 5, 1 8 9 0 . Mehl. ι . M. im frühesten Sinne ist, wie das W o r t M sagt, das Gemahlene, ein Gemisch von reinem M., Kleie und den abgescheuerten Steinsplitterchen der Handmühle 2 ). Zur Absonderung der Kleie gebrauchte man zuerst das Sieb (s. d.), vielleicht durch die Römer

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eingeführt 3 ). Die Beutelung kannte man schon im Frühmittelalter 4 ). M.brei geht als Hauptnahrung dem B r o t s ) voran, bezeugt für puls der Römer®). Grimm DWb. 6. 2, 18640. Hoops Reallex. 3, 212 ff.; Schräder Reallex.·, 2,240. 3 ders. Sprachvergleichung 2, 1,245. ) H. B l ü m ner Rom. Privataltertümer 162 ff. ; Hoops 1. c.; E b e r t Reallex. 8, 120; A. N e u b u r g e r Technik im Altertum (1919) 91—99. 4) S t e i n m e y e r Sievers Alth. Glossen 3, 630, 27 ff. 5 ) P l i n i u s Nat. hist. 18, 83 (3, 165, 15 Mayhoff); vgl. Brot § ι und Brei. e ) M a r q u a r d t - M o m m s e n Privatleben der Römer2 298; Schräder Sprachvergl. 2, ι, 245; Über die M.gerichte der Griechen und M.brei als Opfer S t e n g e l Opferbräuche 1910, 66ff.; Ders. Kultusaltertümer 98 ff. 2; M . a r t e n : Weißes M. k a u f t man i m Schwarzwald nur für Kindbetterinnen 7 ). Über Bollm. oder Pollm. siehe O c h s 8 ) , Schweiz. Id. ·) und Fischer 1 0 ) ; Ammelenm. ist S t ä r k e m . 1 1 ) , vgl. «μυλον 12 ) ; das Agathenm. wird am Agathentage geweiht 1 3 ), so in Uri, im Isental und in Glarus u ) ; es wird gebraucht gegen Krankheit und Verhexung, sehr oft dem Vieh gegeben mit Dreifaltigkeitswasser 1 6 ). Nach einer Version in Bürglen kam der Teufel zu einem, der ein Zauberbuch hatte, als H u n d ; der Geistliche g a b d e m Hund eine Handvoll Agathem. und sagte : „ D a friß, Büdel, und darnach mach di fort". D a verschwand der H u n d l e ) . In Württemberg glaubt man, daß sich das im März gemahlene M. besonders lange h ä l t 1 7 ) ; ebenso bei den Deutschamerikanern 18 ) (Kaiserslautern). ') Meyer Baden 390. 8) BadWb. i, 288ff. ») 4, 221. 10) SchmäbWb. 1, 1279. ") Schwld. 4, 218; M a r t i n - I . i e n h a r t Elsäss. Wb. τ, 66g. 12) W ü n s c h in Glotta 2, 2190.; vgl. G ü n t e r t Göttersprache 93®.; K r o p a t s c h e k de amuletorum apud antiques usu Diss. Heidelberg 1907, 9. 13) H o f f m a n n - K r a y e r 124. 14 ) S t a u b Brot 114; Höfler Fastnacht 16fi.; Schwld. ι, 125; 4, 218. ") Schwld. 4, 218. 1β ) Müller Uri 1, 220 Nr. 323, vgl. die Kraft des geweihten Agathenbrotes: Birlinger Schwaben 1, 421; S t a u b I.e. 17) F i s c h e r le SchwäbWb. 4, 1592. ) F o g e l Pennsylvania. 258 Nr. 1346. 3. M. i m R e c h t s g e b r a u c h : Nach nordischem Recht wird die H a u t eines gestohlenen Ochsen mit M. gefüllt und dem Bestohlenen so gegeben 1 9 ) (vgl. bedecken). In M. begraben heißt soviel

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Mehl

•wie in Dreck und Sumpf begraben 20 ). „Man sprichet: wer von vorhte nstirbet, das der im selber das erwirbet, daß man in sol in mei begraben" (Boner). ») Grimm RA. 2, 241. M ) Ebd. 2, 276; SchwXd. 4, 218; R o c h h o l z Sagen 2, 130. 172; S c h m e l l e r Wb. 1, 1587 (M. = Staub).

4. W u n d e r m . Am Engelbrunnen bei Oderwitz hatte eine arme Frau eine Erscheinung, als sie zur Zeit der Hungersnot kein Brot hatte; diese Erscheinung versprach der armen Witwe drei Scheffel M., die sie auch wirklich zu Hause vorfand 21 ). Zu vergleichen ist das Wunderm. bei Freiberg 22 ) (vgl. Brot § 5): Am 20. 7. 1590, als eine große Teuerung herrschte, fand ein Hirtenmädchen bei Freiberg weißen Lehm, der wie M. aussah; es backte daraus Brot; nach einer andern Version hackte zur selben Zeit ein Mann t>ei Freiberg in einer Lehmgrube; als er Gott um Brot bat, fiel plötzlich eine weiße Masse herunter, die wie M. aussah. Zu vgl. ist die Sage vom frommen Bäcker in Stüsingen 23 ) und die Speisung der verirrten Kinder in Baden 24 ) (vgl. Brot §5). M ) S e p p Sagenschatz 330. 22) Meiche Sagen 626 Nr. 770; vgl. 660, 818; K ü h n a u Sagen 3, 455 Nr. 1835. M ) B e c h s t e i n Thüringen 280, 146. **) W a i b e l - F l a m m 2, 106; vgl. H a u p t Lausitz I, 235, 314: Engel speist Kinder mit Wunderbrot.

5. Wie Brot (vgl. Brot § 4 und passim) so ist auch das M. der Träger konzentrierter Kraft und Spender von Gesundheit und Kraft; das gilt vor allem vom neuen M., besonders vom M. der letzten Garbe: In Vürmland backt die Hausfrau einen Kuchen aus dem M. der letzten Garbe; der Kuchen bekommt die Gestalt einer Frau ; man ißt ihn als Kraftbrot 25). In Stargard backt man aus dem neuen M. halbmondförmige Brötchen, auf diese modelt man eine Kirche 28 ). In Strand-Wierland mußte das vom neuen M. gebackene Erstlingsbrötchen auf den Ukkostein getragen werden, desgleichen jedem Haustier ein Bissen gegeben werden, damit Ukko die Felder segne 27 ). Besonders bei den Weihnachtsgebäcken verwendet man gerne das M. der letzten Garbe (s. Gebildbrote 381 ff.). In Langen-

92

bielau wird der „alte Mann" 28) angedroschen; aus dem M. backt man ein Brot; dieses besitzt Heilkraft und bringt Segen; nur die Familienmitglieder dürfen davon essen2*). Wenn ausgedroschen ist, bekommen in Bayern die Drescher M.plätzlein, die man „nackete Hündlein" nennt; diese wirft man ins Feuer bei Feuersbrunst 30 ) (vgl. Gebildbrote 386 ff.). Bei den Reis pflanzenden Völkern, z. B. auf Celebes, ist das Essen des ersten Reises eine Zeremonie 31 ) ; die Natchez am Mississippi genießen das neue Maism. in kultischer Communio 32 ). Der eifrige Pater José de Acosta S. J. bezeichnet es in seiner Sittengeschichte Amerikas als ein Werk des Teufels, daß die Inkas in teuflischer Nachahmimg des christlichen Sakramentes bei dem heiligen Herbstfest Capacrayme vom neuen Maism. durch die Nonnen Brötchen backen ließen; ein Priester gab jedem der Gläubigen einen Bissen, damit sie eins würden mit dem Inkakönig 33 ). Wenn bei den Römern das erste neue M. aus der Mühle kam, veranstalteten die Bäcker eine Festprozession (9. 6.), bei der Esel, mit Brot behangen, den Zug eröffneten; Matronen trugen barfuß Schüsseln mit Speisen aus dem neuen M. 34). Über ähnliche Zeremonien und Spenden vom neuen M. an die Armen siehe Brot § 15. In Tiefenbach in der Oberpfalz genießt man beim Ausdrischfest nur M.speisen, und zwar aus dem M. der vier Getreidearten 35 ). 25 ) Reuterskiöld Speisesakramente 116; M a n n h a r d t Forschungen 179; F r a z e r 2,318 2e ) R e u t e r s k i ö l d 1. c. ggff. 27) B ö c l e r

Ehsten

126.

28

) Vgl. K u h n - S c h w a r t z

Sagen

397; R e u t e r s k i ö l d 1. c. ioöfi. 2*) D r e c h s l e r 30 2> 67; vgl. F r a z e r 5. i 3 , 148s. ) Panzer Bair. 22Ö.

vgl. M

Sagen 2, 516; R o c h h o l z Gaugöttinnen ) A R w . 9, 268; F r a z e r 5, 2, 54. 55ft.;

31

51. 49ÍI. 136. 360.

32

) H . G. B o n t e Francisco

) F r a z e r 1. c. Pizarro,

136.

der Sturz

der Inkas (Alte Reisen und Abenteuer 14) I 2 9 5. 151 ff- 31) M a n n h a r d t Forschungen 169 ff.; vgl. die mola salsa: W i s s o w a Religiona 159; in Griechenland opfert man an den Thargelien den θαργηλό; άρτο;: A t h e n a e u s 3, 1 1 3 a; P a u l y - W i s s o w a 11, 2, 2097; vgl. Bavaria 4, 381; ZfVölkerpsychol. 18, 18. 35 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 402, 10.

6. M. im F r u c h t b a r k e i t s r i t u s : Im Gebiet von Jenidsche-Wardar siebt die

93

Mehl

Hausfrau des Hofes, in den die Dodolaschar eintritt, dreimal M. auf den Kopf der Dodola und übergießt sie mit Wasser. Den Rest des M.es gibt sie dem Mädchen. Dann wirft sie das Sieb fort; ist der Boden oben, dann wird es keinen Regen geben, ist er aber unten, so gibt es Regen 36 ). Bei den Moki in Neumexiko findet nach der Sonnenwende eine Fruchtbarkeitszeremonie statt, bei der man Wasser über die nackten Teilnehmer gießt; dabei hat der Beobachter Fewkes festgestellt, wie eine alte Frau statt Wasser M. über die Teilnehmer ausstreute 37). Bei den Tschuwaschen wirft man bei der Rückkehr des Brautpaares von der Trauung von der Treppe des Hauses ein Holzgefäß mit M., Hopfen, Malz und einem Ei über den Wagen; über die Braut streut man Roggenm. 38 ). 3e) A r n a u d o f f Bulgarien 66. 3 7 ) Journal •of american E t h n o l . a n d A r c h . B o s t o n a n d N e w - Y o r k i , i 8 ; A . f. A n t h r o p o l . N . F . i , 132. 3 e ) G l o b u s 63, 322.

6. Wie die Vegetationsdämonen das Brot lieben (s. Brot § 29 ff.), wie sie das Backgeschäft verstehen (s. Backen und Kuchen), wie sie nach Teig lüstern sind (s. Teig), so ist M. für sie eine willkommene Gabe, oder sie schenken M. Alle Motive, die uns bei der Beziehung der Kobolde zum Brot begegnen, treffen wir hier wieder: In Finnland erscheint der Alp als Haarsieb, aus dem M. rieselt 39 ). Die Kobolde mahlen 40 ) ; die Puke in Husum stehlen den Bauern das Bier und den Bäckern das M. 4 1 ). Die Zwerge in den Kalklöchern zwischen Sachsa und Walkenrieth stehlen M. aus der Mühle und Brot, bis man Kümmel ins Brot backt 42). Die Zwerge in der Lampohrenfluh-Höhle bei Kaiserstuhl am Rhein trugen einst das M. aus der Talmühle säckleinweise in ihre Höhle und brachten dafür dem Müller Segen und Glück; als aber der Müller Gips unter das M. mischte, folgte ein Unglück dem andern 43 ). Nach einer andern Version wollte der Talmüller die Füße der Zwerge in seiner Neugierde sehen; er streute M. auf den Hausgang und den Stubenboden und sah, daß die Zwerge Gänsefüße hatten; aber der Mißbrauch des

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M.es, der schönen Gottesgabe, sollte ihm schlecht bekommen (vgl. Brot § 7); von jetzt an mahlten die Zwerge kein M. mehr, und der Müller wurde vom Unglück verfolgt **). Die Lieblingsspeise der Harzer Zwerge in Lerbach ist Roggenmehlbrei; auch darf man in den Zwölften keinen solchen Brei essen 46). Über mehltragende Geister siehe Amersbach 4e ). In einer einsamen Wassermühle im Lande Teltow rumorte ein Kobold des Nachts in der Mühle herum und schüttete die Kornsäcke aus und streute das M. umher 47) (vgl. Müch, Butter). In Pakubend fraß ein Kobold deis M. faß aus, bis er mit dem dicken Bauch nicht mehr aus dem Faß kam; als das Faß explodierte, fand man auf dem Boden einen Schädel, auf dem stand: dat wier din Oller 48 ). Ganz parallel zu den Brot- und Backsagen fehlt das Motiv des nie ausgehenden Geschenkes nicht: Die Herdmandli auf der Schachtelenalp geben dem armen für die Mutter sorgenden Maidli ein Stücklein Brot, ein Mimpfele Käs und ein Hämpfele M.; diese Gabe geht nicht aus 49 ). In zwei Versionen begegnen wir in Siebenbürgen folgender Hexensage: Ein armer Bauer führt sein M. von der Mühle heim; unterwegs trifft er die Hexen beim Tanzen an; er geht mit höflichem Gruß und den Worten : Gott segne euren Reigen, vorüber ; Gott segne euren Sack, hallt es zurück, und das M. im Sack geht nie mehr aus, bis der Bauer das Erlebnis ausplaudert 60 ). Die irischen Märchen kennen einen Elfenmühlenstein, der, aus den Wolken sinkend, noch Spuren vom M. zeigte, das die Elfen eben noch zuvor gemahlen hatten 61 ). Über die Übertragung von Ausdrücken und Produkten beim Mahlen auf atmosphärische Vorgänge vgl. Mannhardt (M. = Schnee) M ). In Siebenbürgen M ) heißt die Milchstraße der M.weg. Die Milchstraße heißt im Lippeschen Mühlenweg M ). Dieser geht von der Schauenburg in gerader Linie nach Detmold, als ob er mit M. bestreut sei 66 ). 3 ·) A t l a n t i s 1930, 496. 1 0 ) V e r n a l e k e n / 1 Ipensagen 232, 162. 4 1 ) M ü l l e n h o f f Sagen2 352, 5 1 8 ; v g l . M a n n h a r d t WF. 1, 75 A . 2. ") K u h n - S c h w a r t z 224 N r . 248, 2. Rochh o l z Naturmythen i o 6 f f . N r . 3. **) E b d . 126

95

96

Mehl

Nr. 17. 45 ) ZfdMyth. ι, 197. 4β) A m e r s b a c h Lichtgeister 8ff. 47 ) S c h w a r t z Sagen der Mark Brandenburg'' 81, 47. Vgl. K ü h n a u Brot 43ft. 4β ) BlpommVk. 10, 77, 4. 4 ·) N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 36. 50 ) Müller Siebenbürgen 102 Nr. 138; vgl. 114 Nr. 152. 5 1 ) L a i s t n e r Nebelsagen 3 2 3 ; über Gewitter Mühlengeräusch: 53· 54· 233 fi. 62 ) German. Mythen 398 ff. A. 2. 53 ) Müller Siebenbürgen 343; K u h n Herabkunft 116. S4 ) Kuhn Westfalen 2, 85 Nr. 265 t5 ) K u h n Westfalen 2, 86 Nr. 268.

M.opfer 5 «): 7. Opfer f ü r H a u s g e i s t e r und Hauskobolde (vgl. A. 192): Bei Opfern werden besondere M.arten bevorzugt, so warfen die Israeliten Widderpaare aus Gerstenm. für Vollopfer in das Brandfeuer 67). Die Holzweiblein in der Oberpfalz sind erpicht auf das M., das am Kübelreifen sitzt; sie geben den besonderen Rat, dieses M. zu ehren 6S). Der Teufel machte einst eine Reise durch Schwansen; er überfraß sich dabei an Speck und M.beutel und mußte bei Breckendorf alles wieder von sich geben; die M.klöße wurden alle in Steine verwandelt, die man dort häufig findet 59). In Oberfranken spritzt man beim Brot- oder Kuchenbacken etwas Mehl und Wasser in den Ofen auf die Kohlen und sagt dabei, daß das für die Holzfrauchen sei 90 ). Über den böhmischen Lar sagt Grohmann 41 ) : Ich erinnere mich selbst aus meiner Kindheit, daß unsere Magd immer von der Donnerstagsmahlzeit etwas am Tisch stehen ließ und den Tisch selbst mit M. bestreute; war dann morgens die Fußspur der Katze darauf zu sehen, so behauptete die Magd, es sei der Lar gewesen. Bei den Römern opferte man den Penaten täglich eine patella mit M. und Salz β2).

w ) Darüber H ö f l e r Organotherapie 4. 43. 168. ) A R w . 3, 216; H ö f l e r Organotherapie 43. ω ) S c h ö n w e r t h 1. c. 2, 363, 4. 365, 9; M a n n h a r d t 1, 82; W i t z s c h e l Thüringen 2, 2 85 Nr. 100. *·) Müllenhoff Sagen 289 Nr. 426; K l o s t e r 9 , 4 2 5 . e o ) W i t z s c h e l I.e. S c h ö n w e r t h 1.e. ι, 281 ff,; vgl. K o c h h o l z Glaube 1, 323. el ) Grohmann Sagen 194; R o c h h o l z Glaube e2 2, 36. ) ARw. 7, 45; vgl. R o s c h e r Lex. 3, 2, 1882 ff. δ7

8. In Tirol verspricht man der T r u d die drei weißen Opfer: Wenn einer die Trud kommen hört und ruft ihr zu : „Komm morgen um die drei weißen Gaben", dann geht sie gleich fort und kommt am andern

Tag; dann kann man erkennen, wer sie ist; man muß ihr weißes Salz, weißes M. und ein weißes Ei geben; dann kommt sie nie wieder 63 ). Früher zog in regelmäßigen Zeitfristen ein Zug von Wahrsagern und Wahrsagerinnen durch die Wälder des Mettauer und Gansinger Tales jeder Hausbesitzer brachte ihnen drei weiße Opfer dar 64 ). Die drei weißen Opfer M., Milch und Eier gelten im Kt. Luzern als vornehm, d. h. wirksam, um den Wunsch zu erreichen65). e3 ) A l p e n b u r g Mythen 267; ZföVk. 13, 7 2 ; L a i s t n e r Sphinx 184 ff. e4) R o c h h o l z Naturmythen 24. 65 ) L ü t o l f Sagen 555 Nr. 562.

9. Der r i t u e l l e M. t r a n k : Kykeon, der bei den Mysterien von Eleusis eine Rolle spielt, wird von Frazer auf ein altes Herbstopfer der Bauern zurückgeführt ββ) ; Plato erwähnt den χυχεών als eine Art Zauber- und Heiltrank® 7 ). Auch Kirke verwendet bei der Verzauberung der Gefährten des Odysseus diesen Trank mit Honig gemischt6β). ββ

")

) F r a z e r 5 , 1 . 161 ff.; vgl. A R w . 2 0 , 4 3 9 . Rep. 3, 408 B. es ) Homer Odyssee 10, 234.

10. Opfer an die S e e l e n g e i s t e r , Winddämonen und die Winde: Unter den vielen Windopfern in der Antike haben wir keine Spur von einem M.opfer 69) ; höchstens verbrennt man das Opfertier zu Asche und streut diese in alle Winde' 0 ). Laistner denkt sich die Entwicklung des Windmehlopfers so: Das Wort M. heißt in der mittelhochdeutschen Dichtung auch Staub 7 1 ) ; so sagt Konrad von Würzburg von der fama, sie stiebt über das Feld wie M., und beim Renner heißt es: das M. stob den Juden unter den Füßen ; das M.opfer ist eine Nachahmung des vom Wind aufgewirbelten Staubes 72). Die im Marburger (an der Drau) Hexenprozeß (1546) verurteilte Hexe Starasuetin gab an, die Latschenbergerin habe aus ihrem Beutel ein Säckchen mit weißem Staub genommen und diesen mit einer hohlen Weinrebe nach allen vier Windgegenden geblasen, da seien Wind und Wolken vergangen 73 ). Indessen muß hier auf einen andern Zusammenhang hingewiesen werden : Die Seelengeister werden oft mit den

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Mehl

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Wind- und Sturmgeistern identifiziert. Am Allerheiligenabend heult häufig ein heftiger Wind; das Volk nennt ihn den Allerseelenwind und glaubt, daß die armen Seelen mit ihm ziehen 74 ), und gerade die Seelendämonen erhalten neben andern M.opfern die drei weißen Opfer (vgl. I i ) . 70) I.e. ·») Hermes 16,346—50. " ) Vgl. S c h m e l l e r BayWb. 1 , 1 5 8 7 ; vgl. Anm. 19 fi. , 2 ) L a i s t n e r Sphinx 1, 1 9 9 0 . ; vgl. S c h m i d t 73) MittVolksleben der Neugriechen 124 fï. histVerfSteiermark Heft 17, 126; ZföVk. 4, 48. M) Z i n g e r l e Tirol 176 Nr. 1469; Kuhn Mythol. Studien 2, 40.

Ii. O p f e r an die S e e l e n g e i s t e r : Nach Homeyer sind die drei weißen Opfer M., Salz und Eier am verdienstlichen, um eine Seele aus dem Fegfeuer zu erlösen 76) ; daher stellt am Seelisberg in der Schweiz die erste Person, die nach dem Begräbnis zum Opfer geht, einen Teller voll Salz auf den Altar. Zu Rötz in der Oberpfalz wirft man, wenn es saust und bläst im Ofen, Brosamen oder M. hinein in Gottes Namen für die armen Seelen, die ihre Bitten um Hilfe damit kundtun7®). Wenn man Brot backt zu Spalt (Oberpfalz), wirft man hinter sich eine Handvoll M. in den Backofen für die armen Seelen77). In Böhmen wirft man am Allerseelentag M. ins Feuer zur Kühlung der armen Seelen 78). In Neuenhammer in der Oberpfalz opfert man den feurigen Männern (armen Seelen) Brosamen oder M. 79 ). Totenopfer verbinden sich wie oft mit solchen für die Vegetationsdämonen in Ungarn: damit man das ganze Jahr an Brot keinen Mangel hat, schütten im Kolataszeger Bezirk je 20—30 Frauen ihre M.säcke in einen Sack ab, der dann von einer Frau auf den Friedhof getragen wird, wo sie das M. auf ein beliebiges Frauengrab schüttet 80). In Ostpreußen stellt man am Allerseelentag auf das Grab der Angehörigen den „Seelenkleister", einen zähen M.brei 81 ). In Oberbayern opfert am Allerseelentag jedes Haus auf dem Seitenaltar einen Teller voll Hafer, Korn- und Musm., was dem Mesner zugute kommt 8a). Am Lechrain opfert an Allerheiligen jedes Haus einen Teller (den Seelnapf) voll Kernm. und B i c h t o l d - S t l u b ü , Aberglaube VI

an Allerseelen einen mit Musm., Hafer und K e r n w ) . In der bayrisch-schwäbischen Kornebene heißt dies Opfer der Aufsatz, bestehend aus mehreren Körben und Schüsseln; letztere enthalten M.musbohnen und Kernfrucht 84). Dieser Seelnapf ist für den Schulmeister 8S ). 75 ) H o m e y e r Der Dreißigste 156; Globus 80, 94; S a r t o r i Totenspeisung 69. '·) S c h ö n w e r t h 1. c. 2, 88 Nr. 4; vgl. W. 430. 752. " ) S c h ö n w e r t h 1. c. 1, 285 ff. *>) G r o h m a n n 198 Nr. 1392; vgl. W. 752; S a r t o r i 1. c. 54. '·) S c h ö n w e r t h 1. c. 2, 92. 80) Z f V k . 4, 401 = 81 ) ZföVk. 13, 72; W l i s l o c k i Magyaren 59. Z f V k . 6, 471. 82) Bavaria 1, 383; Globus 80, 94. 83) L e o p r e c h t i n g Lechrain 199; K u h n 1. c. 84) H ö r m a n n 41; ZföVk. 13,72. Volkstypen 288; R o c h h o l z Glaube 1, 319; vgl. 322. 86) ZföVk. I.e.; R o c h h o l z Glaube I.e.; am Gregoritag bekommt der Schulmeister zu St. Jakob am Pillersee M., Schmalz, Birnen usw.: ZfdMyth. 3, 339.

12. Opfer beim Begräbnis oder bei der Seelenmesse : Bei dem Begräbnis in Mittenwald wurde früher hinter den Kirchenfahnen von ein bis zwei Personen eine Metze Getreide oder M. oder ein Laib Brot getragen, und dann ans Grab, später beim Seelenopfer an die Bahre oder den Altar gestellt; nach der Seelenmesse nimmt alles der Meßner an sich M ). In der Gegend von Dachau, wo auch die weißen Opfer gebräuchlich sind (Eier und weiße Nudeln in ungerader Anzahl), geht die „Hauptklägerin" beim Seelenamt mit einem Seelenzopf oder Seelenwecken um den Altar und legt ihn neben diesem auf einer Bank nieder, die nächste Klägerin stellt einen Korb mit einem schwarzen Huhn unter die Bank; früher legte man diese Opfer noch auf das Grab 87 ). In Dachau stellt man für den Meßner eine Metze Roggen, einen Laib Brot und drei Dreißiger M. auf die Bahre M ). An andern Orten legt man Eier in ungerader Anzahl dazu 8e ). Im Hennstedter Kirchspiel müssen die Leidtragenden einen M.beutel und einen Stuten mit nach Hause nehmen M ). In Böhmen läßt man einem Toten, wenn er aus einer Mühle getragen wird, eine Handvoll M. nachfliegen, damit der Mühle nichts Böses widerfährt 91 ). In Mittelamerika füllt man den Mund des Toten mit Maism., damit er nicht verhungere w ). Der Chinese gedenkt 4

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der obdachlosen Seele am 2. oder 3. Tag nach dem Tode durch Ausstreuen von Mehlkügelchen ®3). Bei den Dithmarsen gibt man den Leidtragenden bunte M.beutel mit, eine Art M.pudding 94 ). 89)

Globus 80, 94; B a a d e r Chronik von 8 ') Oberbayr. Mittenwald 354. Vereinsarchiv des hist. Vereins 35, 236; Globus 1. c. " ) Oberb. Vereinsarchiv 1. c. 235; Globus 1. c. »») Globus I.e. 80) Urquell 1,49. 91 ) G r o h m a n n 189 Nr. 1337; W . 737. M ) S a r t o r i 1. c. 9. • 3 ) 1. c. 46. M ) Urquell 1, 49; AfAnthrop. N. F. 6, 109.

13. D a s F ü t t e r n der E l e m e n t e : Darüber ausführlich Kühnau 95 ), Freudenthal ββ) und Jahn 9 7 ), für Österreich Moses 98), für Böhmen Grohmann " ) , für Schlesien Drechsler 10°). D a s p r o p h y l a k t i s c h e Opfer an bestimmten Tagen : In Tirol (Alpach) wurden am hl. Christabend die Elemente gefüttert, indem man M. in die Luft streute, etwas von einer Speise in die Erde grub und etwas in den Brunnen und ins Feuer warf 1 0 1 ). Im Salzburgischen wird dieses Opfer auch am Sonnwendtag dargebracht 102 ). In Böhmen fliegt die Melusine besonders am heiligen Abend herum; um sie zu beruhigen, wirft man eine Handvoll M. in die Luft oder legt Salz und M. hinter das Fenster 103 ). Im Drau- und Lavanttale stellt man in den Rauchnächten in Eierschalen Milch und Speisen vor die Tür für den Wind 104 ). In Niederösterreich wird am Kindleintag (28.12.) M. und Salz gemengt zum Dachfirst hinausgestellt ; das nennt man Wind- und Feuerfüttern; verweht der Wind das Opfer, so sind im folgenden Jahre keine schädlichen Stürme zu befürchten 105 ). Im Pinzgau streut man am Bachlabend (Christabend, wo man das Bachlkoch ißt), an dem man Brot auf dem Zaun pfähl opfert oder ein Antlassei an Stellen vergräbt, die vom Wildbach oder einer Lawine gefährdet sind, M. in die Luft, den Wind zu füttern10®). In Niederösterreich wird am Blasiustag der Wind gefüttert, damit er in der Heuernte nicht wehe; man streut Salz aus oder stellt M. und Salz auf einem Teller ins Freie 107 ). In Donnersbachwald streut man am

100

selben Tag sagt 108 ) :

M.

in

den

Wind

und

Wind, Wind, sei frei g'schwind Und pack dich hoam zu dein Kind.

Auch in Steiermark bringt man an diesem Tag ein Opfer aus M. und Getreidekörnern dar 109 ). >5) Brot 6ff.; D e r s . Sagen 2, 542. ··) Feuer 81. 369; vgl. R a n k e Volkssagen 840. ·') Opfergebräuche 57 ff. " ) ZföVk. 4, 48. ·') 1. c. 2 ff. 10°) D r e c h s l e r 2, 150 ff. 101 ) ZfdMyth. 3, 334; W. 429; Z i n g e r l e l . c. 186 Nr. 1533; AfAnthrop. 3, 125. Q u i t z m a n n Baiwaren 182. 103 ) G r o h m a n n 2 Nr. 8. 1 M ) B a u m g a r t e n Jahr 105 ) i860, 9; Germania 11, 75. Rochholz Gaugöttinnen 22 ff.; vgl. J a h n 59; B i r l i n g e r Volksth. I, 191; ZfdMyth. 1, 100. 1 M ) A n d r e e E y s n 160; AfAnthrop. 3, 125; vgl. B o e h m De symbolis Pythagoreis (1905), 53 ff. 107 ) ZfdMyth. 4 , 1 4 9 Nr. 58; vgl. Z f V k . 14.432; zu Salz vgl. G a n d e r Niederlausitz 11 Nr. 32. 108) Quellen zur Vk. v. Geramb-Mackensen 3, 42. 10») ZföVk. 2,307; vgl. Z f V k . 14, 432.

14. Opfer bei plötzlichem Wind: Prätorius berichtet in seiner Weltbeschreibung: Zu Bamberg, als starker Wind wütete, faßte ein altes Weib ihren M.sack, schüttete ihn aus dem Fenster in die Luft und sprach dabei die Worte: Lege dich lieber Wind, bring das deinem Kind.

Sie wollte damit den Hunger des Windes als eines gefräßigen Löwen oder grimmigen Wolfes stillen ll °). In der Rockenphilosophie lesen wir: Den Sturmwind kann man stillen, wenn man einen M.sack ausstäubt und dazu spricht m ) : Siehe da. Wind, Koch ein Mus für dein Kind.

In verschiedenen Gegenden Bayerns schüttet man einen M.sack zum Fenster hinaus mit den Worten 112 ) : Nimm das, lieber Wind, Koch ein Mus für dein Kind.

In Westböhmen streut man einen Teller M. in den Wind und sagt: Hoi, Melusine, koch dein Kind a Brei 1 1 3 )

Die Ausnehmerin Theresia Langs in Buchbach füllte ein Simperl (Brotform aus Stroh) mit M. und machte mit einer Handvoll ein Kreuz im Freien auf den Boden und verwischte es mit den Füßen ; das übrige M. streute sie in den Wind; sie behauptete, daß das Windfüttern nur dann Erfolg habe, wenn es von einem

Mehl

ΙΟΙ

Sonntagskind (Kind, das an einem Sonntag, auf den Vollmond fällt, geboren ist) ausgeführt werde 114 ). In der Grafschaft Glatz muß ein Sonntagskind ein Maß M. nehmen und es zum Dach- oder Bodenfenster hinausstreuen und sprechen llS ) : Wend, Wend, ich bin a Sonntichskend, Do hoste a Maßla M. zum Soppa, Geh hin und loss dersch kocha.

Im Riesengebirge pflegt man bei großem Sturmwind M., Salz und Butter zum Fenster hinauszustreuen mit den Worten 11β) : Wind, du hoste of a Seppia, Gih hem un koch dirs ei am Tepla On iß's mit a Kendalon.

Bei Velburg in der Oberpfalz stellt man sich unter die Tür und streut eine Handvoll M. in die Luft mit den Worten 117 ) : Da Wind, Hast du M. für dein Kind, Aber aufhören mußt du.

Bei Neukirchen und Etzelwang streut man dem Wind drei Händlein M. hinaus mit den Worten 118) : Wind oder Windin, Hier geb ich dir das Deine, Laß du mir das Meine.

Damit es keinen Hagel gibt, muß in Trochtelfingen in Hohenzollern der Hausherr in den drei höchsten Namen eine Handvoll M. zum Fenster hinaus stäuben 11β ). So oft es arg stürmte, fütterte man den Wind mit M., das man auf die Gatternsäulen legte 120 ). Zu Wildschütz in Schlesien wirft man M., Streu oder Federn (vgl. Asche121) im Windischgarstner Tal 122 )) hinaus und sagt: Da hast du, hör auf ! In mehreren Dörfern des Innviertels, ζ. B. in Siegharting stellt man bei nahendem Gewitter das Weihwasser vor das Fenster, eine brennende Wachskerze auf den Tisch und begibt sich mit einer Handvoll M. vor das Haus. Hier stellt man sich gegen den Wind und streut M. in die Luft. Dann macht man das Zeichen des Kreuzes nach vier Richtungen: gegen den Wind seitwärts und rückwärts und sagt: Der Feind soll nicht schaden vor mir, nicht hinter mir; hierauf wird bei der brennenden Kerze dreimal das Johannisevangelium mit drei Vaterunsern gebetet 12S )

102

(Musterbeispiel für den Übergang des Opfers in das Apotropaion). Wenn man in Solothurn bei einem Gewitter am Agathentage in der Kirche geweihtes M. aus dem Fenster wirft, so hört das Gewitter auf, oder es schadet doch wenigstens nichts 124 ). In Österreich macht man mit M. ein Kreuz auf die Erde oder nimmt neben M. geweihtes Salz und geweihte Kreide 12S ). Wenn es stürmt, hat sich einer erhängt, sagt man in Wernstadt; man streut M. oder auch Salz ins Feuer oder auf die Straße 12e ). In Höhenschwand bei St. Blasien war es uralte Sitte, bei schwerem Wind Salz und M. in die Luft zu streuen; oder man warf drei (s. oben) Almosen in den Wind 1 2 7 ). Ein altes Weib in Ertigen pflegte dem Wind M. aufs Dach zu streuen, indem sie sagte, man müsse des Winds Kindern zu essen geben, weil sie sonst hungerten und heulten 128 ). In Stubai warf man dem Wind einen Löffel M. entgegen 12β). Viele Beispiele, die den Brauch als lebendig erweisen, bringt Moses130). Die Windhunde fressen M . l s l ) , neben Flugasche 132). Dem wilden Gejäd beim Einödhof in der Gemeinde Edelstetten wirft man eine Handvoll M. zum Fenster hinaus 133 ). Höfler bringt mit diesen Opfern den Flurnamen „Handvollm." in Verbindung 134)(?). Die Hunde der wilden Jagd werden mit M. gefüttert 135 ). Als einst ein Bauer von der Boitzenburger Mühle nachts nach Hause fuhr, überfiel ihn die alte Frick mit ihren Hunden; der Bauer in seiner Angst wußte nichts anderes zu tun, als daß er ihnen seine Säcke ausschüttete; die Hunde fraßen gierig das M. ; am andern Tage aber waren die Säcke wieder gefüllt 13e). Bei Schäßburg entführte ein Sturm einen Mann samt seinem M.sack auf dem Rücken durch die Luft 1 3 7 ). Nach einem norwegischen Märchen wollte ein Bursche in der Vorratskammer M. holen, als der Wind kam und ihm das M. wegnahm. Das geschah dreimal; da klagte der Bursche dem Wind sein Leid; der gab ihm ein Tuch, das ihm alle Speisen verschaffte 13s ). no) Grimm Myth. 1,529; 3 , 1 8 1 ; D e r s . DWb. 6,2, 1865; J a h n 1. c. 57; D r e c h s l e r 1. c.

103 2, 150. I.e.;

IO4

Mehl m

) Grimm I.e. 3, 443 Nr. 282; J a h n German.

Mannhardt

Mythol.

218;

F r a z e r 1, 1, 329 A 5. ) M a n n h a r d t Götter 96. 113 ) J o h n Westböhmen 238. 114 ) ZföVk. 116 4, 48. ) K ü h n a u Brot 7. 116) G r o h m a n n 1. c. 3 Nr. 12; Ders. Sagen 44; L a i s t n e r 117 Sphinx I, I 9 9 f f . ) S c h ö n w e r t h 1. c. 2, 105, 1; vgl. DG. 13, 203; S a r t o r i Sitte 2, 16; L e o p r e c h t i n g 1. c. 101 ; Q u i t z m a n n 1. c. 182. 267; Germania 11, 75; B a r t s c h Mecklenburg 2, 213. 118 ) Bavaria 2, 1, 235. l l s ) Mündlich: Geh. Rat Fecht in Freiburg. 12°) B a u m g a r t e n Heimat 38. 1S1) Vgl. ZfdMyth. 1, 100; R o c h h o l z Gaugöttinnen

22.

112

m

)

Österr.-Schlesien ) P a n z e r Beitrag

Peter 123

2. 259; J a h n 1. c. 58ft. 2, 528. »*) ZfdMyth. 4, 179 Nr. 29. 125) ZföVk. 4, 48. 12β) G r o h m a n n 36 Nr. 199. 12 ') Birl i n g e r Schwaben 1, 100. 122; W a i b e l -

F l a m m Sagen 1 , 3 1 3 ; J . K t i n z i g waldsagen 1929, 107. 1 2 S ) B i r l i n g e r

SchwarzVolksth.

ι, 190; vgl. 301. ) Z i n g e r l e 1. c. 118 Nr. 1046; vgl. Q u i t z m a n n I.e. 182; Zeitschrift „Waldfreund" 3, 334. 130) ZföVk. 4, 48. 131) 132 R o c h h o l z Naturmythen 11. ) ZfdMyth. ι, 100 Nr. ι u. 2. 133) DG. 13, 17. 1 34 ) DG. 135 1. c. 204. ) S i m r o c k Mythologie 205; Mannh a r d t Germ. Mythen 303; vgl. ZfdPhil. 5, 373; B i r l i n g e r Volksth. 1, 191; B a r t s c h Mecklen13e burg 1,23. 26. ) K u h n - S c h w a r t z 67; vgl. 454 Nr. 406. 137) Müller Siebenbürgen 138 105 Nr. 141. ) ICloster 9, 536 ff. 553; Mannh a r d t Götter 97. l29

15. Fruchtbarkeits- und Vegetationsopfer: In der Oberpfalz und in Oberfranken stellt man, wenn zum erstenmal geackert wird, eine Schüssel mit M., Brot und einem Ei zwischen das Gespann und den Pflug und treibt diesen darüber 139 ). Die Litauer opferten ihrem Gotte Kurche neben Getreide, Honig und Milch auch M. 140 ). Der Göttin des ausreichenden Segens Skalsa zu Ehren backt man aus dem M. des ersten Getreides, das ausgedroschen wird, Brote, und bewahrt einen Teil in der Vorratskammer auf 1 4 1 ). „Dugnai dea praeest farinae sanetae" 142). In Catania opferte man der Ceres an ihrem Feste M., Weihrauch und brennende Fackeln 143). 13 ') S c h ö n w e r t h i, 400, 2; Bavaria 2, 298; 3. 343; J a h n 1. c. 75. 78; W. 428; E. H. M e y e r Deutsche Volkskunde 219. u o ) U s e n e r Götter 94. 141) Ders. 1. c. 101. l42 ) Ders. 89. 143 ) Meyer Baden 497.

16. Opfer an die Percht: Im Pinzgau ist es auch heute noch Brauch, daß der Bauer mit seinem Gesinde am Bachlabend (Christabend) das Bachlskoch verzehrt, einen M.koch (vgl. Brei) mit einer

Honigschicht; die Percht würde es sehr übelnehmen, wenn ein Familienmitglied dabei fehlen würde; mit dem Rest des Bachlskochs tritt die Bäuerin unter die Obstbäume des Hausgartens mit der Aufforderung — Bäum eßt's ; von dieser Zeremonie erwartet man, daß die Bäume im nächsten Jahr fruchtbar werden 144 ). Im Mölltale in Kärnten schenkt man der Percht Speck, Würste und M. 145 ). 144 ) AfAnthrop. 3, 125; A n d r e e - E y s n 160. ) ZfdMyth. 4, 299, 3; G r a b e r Kärnten 91 Nr. i n . 145

17. M. als Apotropaion neben Salz: Hier mag auch die apotropäische Kraft der weißen Farbe mitspielen 14e). Bevor die Wanyamwesi ihre Frau verlassen, schmiert diese dem Mann M.brei auf die Backe ; auch bei der Rückkehr schmieren sich die Männer mit M.brei ein 147 ). Ist in Jerusalem ein Kind vom bösen Blick getroffen, dann veranstaltet man eine apotropäische Opferzeremonie mit drei Prisen Salz und drei Prisen M. 148 ). In Westpreußen und Schlesien gibt man dem Vieh in der Walpurgisnacht sieben- oder neunerlei Kräuter zu fressen und vermischt sie noch mit M. und Salz 149 ). Zum „Monge" auf dem Hattenberg in Kärnten kam ein Wechselbalg und wartete das Vieh, das vorzüglich gedieh, während der Bauer bisher nur Unglück im Stall gehabt hatte ; als der Wechselbalg fortging, gab er folgenden Rat für die Viehbehandlung150) : Gebts Samstags und Montags Mehl und Salz, Nachher wird ös fortbringen Jung's und Alt's.

In Neudorf bei Graudenz stellt man sich auf die rechte Seite des verhexten Tieres und sagt eine Zauberformel her; dann wäscht man den behexten Teil des Körpers mit Weinessig und streut Roggenm. darüber und deckt ihn zu 1 5 1 ). In Ostpreußen nimmt man am Karfreitag vor Sonnenaufgang einen Teller Schrotm. und segnet die Bienenstöcke, um sie herumgehend und das M. ausstreuend, mit den Worten: Ihr Bienen und Königinnen, setzt euch auf eures Herrn Acker und Wiesen, wie es der Herr Christus geboten, zum Sammeln von Wachs und

ios

Mehl

Honig im Namen . . . 1 5 2 ). Die bulgarischen Mütter bestreuen ihre Kinder mit M. als dem Symbol der Reinheit 153 ). i « ) K. Mayer Weiße Farbe. Diss. Freiburg 1927. 147 ) F r a z e r 3 (2), 112. 176; vgl. ZfVk. 23, 158. 148) S e l i g m a n n Blick 1, 321. 14') Ders. 1. c. 2, 52; W. 683. 150 ) Graber Kärnten 47. 5· 151) S e l i g m a n n 1. c. 1, 355. 152) Toppen Masuren 102; W. 671. 153) ZfEthnol. 33

ιο6

1 M ) E l i g i u s Lebensbilder aus dem niederösterreichischen Gebirge. Freiburg i860, 220; Kühnau Brot 7. 1β5) Traumbuch Artemidori . . . sampt einer Erinnerung Philippi Melanchthonis. Straß-

burg 1624, 184.

20. M . i m Ζ au ber: Hier wird aus Hang zum Ungewöhnlichen meist gestohlenes oder gebetteltes 166 ) oder in bestimmter Weise gemahlenes M., oder M. in einer be(1901), 59. bestimmten Anzahl von Portionen ver18. Schadenzauber am M. : Ent- langt; Der Honigfladen, den man über sprechend der apotropäischen Eigen- dem Haupt des Bräutigams bricht, wird schaft sind e contrario wieder M. und von den Freundinnen der Frau bei den alle weißen Speisen dem Schadenzauber Serben im Hause des Bräutigams bereitet, besonders ausgesetzt 164 ). Man gibt nicht wobei man das Mehl durch 7 Siebe siebt Getreide, M. oder Brot aus dem Haus; (vgl. Sieb) 167 ). Eine Hexe in Serianzensonst gibt man den Segen aus dem berg bei Marburg a. Drau bekennt: „sie Haus 1 5 5 ). Der Hockauf am Hans- hete von der Koroschizin gehört, wan man graben beim Dorfe Mellikon hockte sich das hl. sakarament nembe und lege daselbe auf den M.sack des Öler-Bauern; und, in ein wasser, zerreibe und von meli ain wo er aufhockte, war der M.sack schwarz poganzen mache, denen, so ein ander wie Ruß 15e). Wenn die Hexe Tau auf feindt sei, zuessen gäbe, so wurden sye das M. streut, wird das Brot blutrot widerumb freindt darvan" 1ββ). (Magyaren) 157 ). 1ββ) Über die Kraft des Gebettelten : Grimm 1S1) S e l i g m a n n 1. c. 1,237. 155) Arnaudoff Myth. 2, 952; s. betteln. 1β7 ) K r a u ß Sitte 156) R o c h h o l z u. Brauch 439. 198) Byloff Volkskundl. aus Bulgarien 80. Naturmythen Strafprozessen (1929) 30, 7. 1780. Nr. 4. 157 ) W l i s l o c k i Magyaren 117. 21. a) M . i m L i e b e s z a u b e r : Für den 19. A u g u r i e n m i t M. : Bei den Griechen war die Weissagung mit M. offenbar bekannten Liebeskreiskuchen der Südsehr verbreitet, darüber die Artikel slavinnen braucht man M., das in einem άλευρομαντεία158), άλφιτομαντεία159 ) und verkehrten Sieb gesiebt ist 169 ). Für den κριτομανχεία1β0) bei Pauly-Wissowa ; Ae- Rundkuchen, durch den man den Menlian erwähnt in einer bunten Geschichte schen ansehen muß, um ihn liebestoll zu Weissagung mit M. und Sieb 161 ) (vgl. machen, nimmt man M., das am MühlSieb). Die Aleuro- und Alphitomantie stein klebt 17°), oder man nimmt M. am erwähnt offenbar als antik auch J. M. Neumondsamstag, wenn drei Steine Praetorius in seiner Koskinomantie 1β2 ). mahlen 171 ) ; eine mißhandelte Bäuerin, Im Harz wird am Andreasabend auf dem die den Mann sich und dem Kinde geTisch ein spitzes M.häufchen errichtet; neigt machen will, muß sich Staubmehl ist es am andern Morgen auseinander- aus drei Mühlen verschaffen 17a ) ; auch gefallen, muß man in dem Jahr sterben1®3). soll man in Ungarn M. und Honig für den In Niederösterreich wird am 29.12. M. Liebeskuchen stehlen 173 ). Von bestimmter und Salz gemischt auf einem Brett zum Art muß auch das M. sein, aus dem das Dachstuhl hinausgestellt ; entführt der Gebäck bereitet ist, mit dem das Mädchen Wind das Opfer, so sind im nächsten in der Andreas- oder Weihnachtsnacht Jahr keine Stürme zu befürchten, wenn auguriert: im Elsaß holt man das M. bei aber nicht, so kommen Stürme 1M ). Träu- einer Witwe, unbeschrieen um Gottes men von M. ist wie das Träumen von Willen 174 ), oder das Mädchen muß einen Schilling betteln und dafür Gerstenm. Brot glückverheißend 165 ). "») 1,1374; Suppl. 3, 78 s. "·) 1,1637; kaufen 175 ). Im Emmental betteln die Suppl. 3, 86. l>0) Ii, 1900. W1 ) A e l i a n Varia Mädchen M. aus drei Häusern 17e ). In der hist. 8, 5 (139, 43 Hercher). w> ) M. J . P r a e t o r i u s De coscinomantia Curiae Variscorum 1677, französischen Schweiz bittet das Mädchen A 2—A3. M S ) Urquell N. F. 1, 77. 79; W. 330. bei drei Witwen um M. und Salz 177 ).

107

Mehl

Das ungarische Mädchen stiehlt, um einen Liebeskuchen zu bereiten, M. und Honig und bereitet daraus einen Kuchen, den sie bei sich im Bett behält, um ihn dann dem Burschen zu geben 178 ). 1M)

Anthropophyteia 5,245, 31. 1 ? 0 ) K r a u ß m ) Forschungen 166. Anthropophyteia 5, 244, 29. 1 7 2 ) K r a u ß Forschungen 171. 1 , 3 ) 1 7 4 1 7 5 Z f V k . 4, 316. ) Alsatia 1851, 158. ) 1. c. 160 A . " · ) S A V k . 15, 3. " ' ) S A V k . 21, 226, 5. "«) Z f V k . 4, 316.

22. b) Im L i e b e s s c h a d e n z a u b e r : Bei Theokrit wird in den Φαρμαχευτριαι von der Zauberin sympathetisch M. verbrannt mit der besonderen Angabe, daßdas M. die Gebeine des untreuen Liebhabers bedeute 179 ) : άλφιτά τοι πορι τάκεται πάσσ' άμα και λέγε τούτα, τά Δέλφιδοί ¿στια παααω. Dafür gibt es im deutschen Aberglauben keine Parallele. Einen schweren Zauber erwähnt Burchard von Worms 180 ) : Die Weiber legen ihre Kleider ab und schmieren den nackten Körper mit Honig ein; nachdem sie den Körper mit Honig beschmiert haben, wälzen sie sich in Weizenkörnern auf einem am Boden ausgebreiteteten Leintuch öfters hierhin und dorthin. Dann sammeln sie alle Weizenkörner, die am Körper haften, sorgfältig, senden sie in die Mühle und lassen sie rückwärts 181 ), gegen die Sonne gedreht, mahlen und machen so M. daraus, und aus dem M. bereiten sie Brot, und das Brot geben sie den Männern zu essen, damit sie nach dem Genuß des Brotes abmagern und hinsiechen. Dasselbe Gebäck verwendet man nach dem Codex Vindob. 926 auch im Liebeszauber, um den Mann sexuell zu stimulieren182). 179 ) T h e o k r i t 2,18—21; Gruppe Griechische Mythologie 2, 850 A . 1. l8 °) S c h m i t z Bußbücher 2 , 4 5 1 Cap. 193; W a s s e r s c h i e b e n 664, 179; W e i n h o l d Ritus 49. 1 8 1 ) A . D e h m e r Primitive Erzählungskunst (Von deutscher Poeterey 2) 93: andsoelis. 182 ) S c h m i t z I . e . 2,452; ZfVk. 17,74.

23. c) M. im Z a u b e r z u m F e s t m a c h e n : Das M. zum Lamblbrot, mit dem sich die Wildschützen im Pustertal festmachen, muß man während der Christmette mahlen 183 ). Das Mehl zum

108

Zauberkuchen, mit dem sich der böhmische Wilddieb festmacht, muß während des Osterhochamtes gemahlen werden 184 ). 183 ) ZfdMyth. 3,343; Z i n g e r l e I.e. 75 Nr. 627; A l p e n b u r g Tirol 358; Höfler Ostern 29 ff. 184) G r o h m a n n 207 Nr. 1439; W . 475-

24. d) Im H e i l z a u b e r : Gegen Lungensucht wendet man in der Nähe von Brünn einen Zauberapparat an, bei dem man M., Salz, Honig und Asche in die vier Ecken der Badewanne legt und mit dem Anschnitt des Brotes, das zuerst aus dem Ofen kam, bekreuzt 185 ). In Böhmen bittet man, um die Schwindsucht des Kindes zu heilen, aus neun Häusern M., macht daraus einen Kuchen und vergräbt ihn an einem Kreuzweg 18e ). Bei den Slowaken fordert man in neun Häusern, in denen es ein Kind mit dem gleichen Namen gibt, den das lungenkranke hat, M., bereitet daraus einen Teigkranz und zieht das Kind durch diesen hindurch 187 ). Bei den mährischen Slowaken erfragt der Kranke, ohne zu bitten, in neun Hütten M. und bereitet davon ein Gebäck, das er an einem Baume an einem Kreuzweg aufhängt 188 ). Bei Krauss erzählt eine Bäuerin, wie sie zu einem Heilkuchen Staubm. aus drei Mühlen brauchte 189 ). In Ungarn bestreut man Kinder, die den Ausschlag haben, mit gestohlenem Μ. 1β0 ). Um Brotrhachitis zu heilen, muß man M. von neun Orten betteln 191 ). 18S ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 660. 186 ) G r o h m a n n 179 Nr. 1259; W . 545. 187 ) H o v o r k a K r o n f e l d 2, 661. 188 ) D e r s . 1. c. 2, 60. 18») 1>0 ) W l i s l o c k i K r a u ß Forschungen 171ft. Magyaren 128; Z f V k . 4 , 3 1 7 . m ) Z f V k . 7 , 5 2 .

25. M. im s o n s t i g e n H e i l z a u b e r : In Ostpreußen opfert man bei Krankheit und Hagelschlag M. 192 ). Zu dem Opfer, das die Bulgaren jeden Samstag den Krankheitsgeistern darbringen, steuern die Häuser oder das ganze Dorf Holz, M., Salz usw. zusammen ; daraus bereitet eine Witwe einen Kuchen, der auf den Kreuzweg gelegt wird 193 ). Wenn nach westfälischem Aberglauben eine alte Frau das Herzgespann segnet und bötet, haucht sie die Stelle kreuzweise an und bindet Salz und Roggenm. darauf mit der

109

Mehlsack

Formel: Hertgespann, ik segge di an, flüg van den Ribben, asse Jesus van den Kribben 194 ). Gegen Herzgespann legt man auch einen Brei aus Haferm. auf 1 9 6 ). Bei den Südslawen räuchert man Kinder mit Kleie 196 ). ι· 2 ) W. 424. 193 ) K r a u s s Rei. Brauch 40 ff. »*) G r i m m Myth. 3, 466, 873. 1β6) H o v o r k a K r o n f e l d 2, 67. 1ββ ) Anthropophyteia 10, 54.

26. M. in der V o l k s m e d i z i n : Über den M.heiltrank siehe oben. Nach dem Beichtspiegel des Frater Rudolphus machten die Frauen Häufchen von M. und Salz, von denen sie leckten, um reichlich Milch zu bekommen 197 ). Auf Brandstellen streut man wiederholt eine dicke M.schicht198). Roggenm. oder Weizenkleie in einem Säckchen warm auf die Wange gebunden, vertreibt das Zahnweh 199 ). Zur Hebung der Appetitlosigkeit soll man M.suppe essen 200). Arríanos gibt in seinem Buch über die Jagd als Mittel für einen kranken Hund: cani aegrotanti ius carnis pinguioris exhibendum, cui iecur bubulum sub ciñere calido tostum tritumque farinae instar inspergatur201). Das junge Kalb muß man mit M. und Salz (apotrop. ? ) bestreuen, damit es von der Kuh abgeleckt wird 202). « ' ) MschlesVk. 1915 (17), 30 Nr. 8. 198) L a m m e r t 209. 1M ) ZrwVk. 1, 93. 20 °) M a n z Sargans 78; vgl. aber L a m m e r t 42. 201) De venatione 202

c a p . 8; H ö f 1 e r

Organotherapie

) P o l l i n g e r Landshut 155.

168.

27. M. und T o d : Wie die meisten Lebensmittel (vgl. Essig, Wein) muß man auch das M. bei einem Todesfall umrühren: In der Oberpfalz wird das M. im Kasten dreimal umgeschaufelt, damit es nicht „maycheld" werde 203). Im schwäbischen Kulturkreis wird der M.trog oder die M.truhe von der Stelle gerückt, der M.behälter wird verschoben, die M.säcke werden gerüttelt oder umgedreht, das M. wird durcheinandergemengt, umgeschaufelt oder geschüttelt, gerührt, gestürzt 204). In Bayern (Dachau und Bruck) muß das M. in der Truhe gerührt werden, sonst geht es zugrunde 205). SM ) Schönwerth H ö h n Tod 323.

und

Bruck

228.

I.e. 1,248 Nr. 13. 2M) ) H a r t m a n n Dachau

205

IIO

28. S o n s t i g e r A b e r g l a u b e (Opfer an die Hausgeister?): Nach estnischem Glauben soll man beim Ausfegen der Kòrn- und Mehlkästen einen kleinen Rest liegen lassen, sonst zieht es Unsegen nach sich 206). Wird aber in Mähren das aus der Mühle gebrachte M. nicht sofort ausgeschüttet, so werden die Kinder der Wirtin lange nicht sprechen 207). Das Kind einer Schwangeren, die mit mehligen Händen ißt, wird einen Ausschlag bekommen 208). 2oe

126. 605.

) G r i m m 1. c. 3, 491 Nr. 83; B ö c l e r 1. c. 207 ) G r o h m a n n 1. c. 145 Nr. 1075; W. 208 ) Anthropophyteia 10, 56.

29. R e d e n s a r t e n 209): Was man für Duderstadt bei Nordhausen besonders betont, gilt auch überall: Wenn die Frauen M. an der Nase haben, d. h. wenn sie backen, dann ist nicht gut Kirschen essen mit ihnen 210) (vgl. backen § 3). Hier liegt vielleicht ursprünglich Angst vor Schadenzauber zugrunde. Wer zornig ist, soll M. essen oder Weihwasser trinken ; denn Weihwassertrinken macht vergeßlich a i ) . 2 °») Schweizld. 4, 217. 2 ") ZfdMyth. 2, 108 211 Nr. 12. ) Z i n g e r l e 1. c. 32 Nr. 231—32. Eckstein. Mehlsack.

ι. Der M. überträgt, weil er das Gesundheit und Kraft spendende Mehl enthält, selbst Gesundheit: In Pommern kriecht man, wenn man an Nesselsucht erkrankt ist, in einem frisch ausgeschütteten M. nackt rückwärts 1 ). Gegen Friesel und Scharlach steckt man das kranke Kind in Sulzbach in der Oberpfalz, in einen umgewendeten M. und bindet diesen am Halse zu; dann setzt man das Kind am Ofen der grellsten Wärme aus, wendet es oft und läßt es in starken Schweiß geraten 2 ). Um das Flugfeuer zu heilen, eine juckende Flechte auf der Haut, muß man nach dem Glauben in Hettingen in Baden entweder Funken aus einem Feuerstein darauf schlagen oder das kranke Glied in einen M. stecken oder ganz hineinschlüpfen 3 ). Im Elsaß gilt als Heilmittel gegen einen Hautausschlag, wenn man in einen M. schlüpft 4). Wenn eins die Wibbelsucht hat, steckt man es in einen M. und reibt es mit Kornmehl s ) (Deutschamerikaner). Bei den

Meineid

III

Deutschamerikanern bindet man einem lahmen Gaul ein gestohlenes Sackband von einem M. um das Bein e). Die Rockenphilosophie sagt: Wer einen geschwollenen Hals hat, gehe stillschweigend in die Mühle, stehle ein Band von einem Sack und binde es um den Hals'). l ) J a h n Hexenwesen 154; W. 512; Baltische 2) S c h ö n w e r t h Studien 33, 133. Oberpfalz 3, 269, 3. 3) S c h m i t t Hettingen 16. 4) M a r t i n - L i e n h a r t Elsäss. Wb. 1, 669. 5) F o g e l Pennsylvania 267 Nr. 1386. e) 1. c. 164 Nr. 7) G r i m m 776. DWb. 2,952; 3,441, 216.

2. Bei den Serben bedeckt man den Weihnachtstisch mit einem leeren M.8). Wenn man Weizensamen in einen M. tut, bekommt er den Brand 9) (Pfalz). 8)

ZfVölkerpsychol.

18, 270.

9)

W.

652.

112

gewollt unrichtigen Schwur aus. Daraus allein erklären sich die furchtbaren Folgen des M.s. 2. Jeder Eid enthält eine indirekte Selbstverfluchung (s. Eid). Daher besteht im alten Recht eine Abneigung gegen Eidesleistung überhaupt. Die größte Scheu vor dem Eid haben die Juden. Die Rabbiner verurteilen selbst einen richtigen E i d 1 ) . Der Meineidige setzt sich dem von ihm heraufbeschworenen Fluche unmittelbar aus. Meistens nennt er den Inhalt des Fluches nicht, schon deshalb, weil er die „übernatürlichen" Folgen gar nicht kennt. Er weiß nur Bescheid über die r e c h t l i c h e n Folgen, über die weltlichen und kirchlichen Strafen des M.s. Diese fallen hier außer Betracht. Sie liegen nicht im Gebiet des Aberglaubens. Die häufigste weltliche Strafe ist das Abhauen der Schwurhand.

3. M. im (Hexen)Zauber: Man zieht den Nutzen des Viehs des Nachbars in seinen eigenen Stall, indem man am Karfreitag mit einem leeren, nicht ausgestäubten M. vor Sonnenaufgang in den S e l t e n s e t z t sich der S c h w ö r e n d e Garten des Nachbars geht (Arnsdorf bei die S t r a f e s e l b s t . Aus dem österLöwen) 10 ). Wenn in Kamnitz im Kreise reichischen Schlesien ist überliefert: Ein Lublinitz der Müller Mahlgut bekommen I Bürger von Freudenthal schwört und bewill, so schlägt er nach Sonnenuntergang teuert dabei, daß er den Stein vor der mit der Handschippe stillschweigend in Türe seines Hauses nicht überschreiten einem bestimmten Rhythmus (Zauber- wolle, wenn er falsch geschworen habe. formel ?) an den Mehlkasten; am nächsten I Beim ersten Schritt auf den Stein stürzte Tag wird der Hof voller Mahlgäste sein u ) . i er tot zusammen 2 ). Oder: In Boizenburg wohnte vor Zeiten ein ZimmerDem Bauern bei Starzeddel haben die kleinen Männchen die Mehlsäcke in die mann, den man, weil sein Haus vor der Stadt lag, den Buten-Peter nannte. Derselbe machte Luft geschüttet 12 ). Über die sieben- sich bei einer Bau-Unternehmung für die Stadt bürgische Sage vom nie leeren M. siehe großer Betrügereien schuldig, wußte aber, als er deshalb gerichtlich belangt wurde, sich Mehl § 3. 10 ) D r e c h s l e r 2, 101 Nr. 472. 236 Nr. 612. l 2 ) G a n d e r Lausitz

11) Ders. 49 Nr. 127.

4. Während das Brot im Ofen bäckt, wird der M. aufgetürmt, je höher, um so besser gerät das Brot 1 3 ). 13 )

S t a u b Brot

53.

Eckstein.

Meineid. i. M. ist der wissentlich falsche Schwur. Der Schwörende weiß, daß er nicht die Wahrheit aussagt. Er handelt also mit Vorbedacht. Das ist der große Unterschied zum F a l s c h e i d . Bei diesem ist die inhaltliche Unrichtigkeit dem Schwörenden unbekannt. Unsere Quellen machen diese Unterscheidung nicht. Sie werfen M. und Falscheid zusammen. Sie gehen alle vom

dadurch frei zu machen, daß er einen Meineid schwur; er fügte hinzu: „ W e n n i c h f a l s c h g e s c h w o r e n , so s o l l mir d i e Z u n g e aus dem Halse faulen". Dies wurde zur furchtbaren Wahrheit, er s t a r b u n t e r d e n s c h r e c k l i c h s t e n S c h m e r z e n und konnte auch nach dem Tode keine Ruhe finden. In Gestalt eines schwatzen Pudels irrte er in der Nähe seines Hauses umher und erschreckte des Nachts die Menschen durch sein Geheul. Den Kindern, die nicht zur Ruhe kommen wollten, pflegte man drohend zuzurufen „Warte, der schwarze Peter kommt" 3 ). 3)

A R w . 17, 675. 2) K ü h n a u Sagen B a r t s c h Mecklenburg 1, 450.

1, 480.

3. Kein Unterschied wird gemacht, ob der M. vor G e r i c h t und R a t , oder ob er rein p r i v a t abgeleistet worden ist. Ort und Zeit spielen keine Rolle. Auch ist gleichgültig, ob ein w i r k l i c h e r E i d

Meineid (mit Aufheben der Schwurfinger) oder eine bloße Beteuerung, etwa bei Gott und den Heiligen, abgelegt wurde. In beidem liegt der Gedanke der Selbstverfluchung, und daher sind die Folgen die gleichen. Schließlich sind auch die M o t i v e nicht ausschlaggebend. Ob um eines geringen Vorteils oder um einer schwerwiegenden Bereicherung willen falsch geschworen wurde, fällt nicht in Betracht. Einige, häufiger auftretende Beweggründe seien genannt: a) M. bei G r e n z s t r e i t i g k e i t e n . Bei Jessen, Jasyna (Umgegend von Spremberg), hat ein Bauer bei einem G r e n z s t r e i t e falsch geschworen; seitdem spukt es auf der Grenze. Das ist zwischen Jessen und Pulsberg, Lutobor *). In den Ämtern Vechta und Cloppenburg spukt der „ropen Karl". Er geht über Fresenholz südlich von Norddöllen, ferner neben den Gütern Bomhof und Strohe, endlich im Kirchspiel Emstek neben der Bauernschaft Repke her nach dem Emsteker Desum, dem Platze, wo ehemals in einem kleinen Holze das Desumer Gericht gehalten wurde. — Der rufende Kerl ist ein Schäfer aus dem Kirchspiel Goldenstedt, welcher ehemals für eine Speckseite vor dem Desumschen Gerichte mit einem Meineide eine Markengrenze abgeschworen haben soll. Er geht nun jede Nacht vom Desum nach Großenfeldhaus bei Goldenstedt und ruft von Zeit zu Zeit mit ganz kläglicher Stimme: „O Gott". Von vielen ist er gehört worden, und mancher ist vor ihm gelaufen 5 ). b) M. f ü r den B r u c h gelobter Witwenschaft. Im Dörfchen Eschenrode bei Ziegenhain schwur eine Wittib, wenn sie wieder heirate, solle sie der Teufel holen. Nachdem sie aber solches gottlosen Eides vergeßen hatte, mit einem Witwer Hochzeit gehalten und sich mit ihm zum Schlafe legen gewollt, da hat der Teufel, jener Worte eingedenk, heftig an sie gesetzt; so daß sie zweimal aus dem Zimmer ins Haus hinunter gelaufen, vom Manne wieder zurückgebracht, aber auch zu drittem Male doch hinab geflohen ist. Da der Mann, wiederum nacheilend, nun zu hinterer Türe hinaus wollte, schlug ihm solch heftiger Wind mit schrecklichem Heulen entgegen, daß er betäubt stehen blieb, das Weib aber seinen Augen entschwand. Erst folgendes Morgens fand man im Felde ihr Schürztuch zerrißen an einer Dornen-Hecke ; sie selbst etliche Tage nachher im Leimsfelder Teiche tot 6 ). c) Bruch eines gelobten Eheversprechens. Aus einem reichen Bauernhause hatte der Sohn eine arme Magd verführt und ihr die Ehe versprochen. Die Mutter des Burschen, die recht neidisch und hartherzig war, gab aber

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keine Ruhe, bis sie ihm die Heirat ausgeredet, denn sie wollte kein Bettelmädel als Schwiegerin. Der Sohn musste nun des gebrochenen Eheversprechens wegen vor Gericht; da drohte ihin die Alte mit Enterbung, wenn er nicht alles abschwöre. „ S o lieb dein Grund und Boden dir ist", drohte sie, „geh und schwöre". Dem Sohne war der Hof lieber als sein Seelenheil; er ging hin und schwur das Eheversprechen ab, worauf die Verlassene ins Wasser ging und verzweifelt starb. Der Meineidige ward bald danach auch krank: er serbte langsam hin, wollte aber selbst auf dem Sterbebett dem Priester seine Sünde nicht beichten. Als er nun gestorben war, sahen die Leute vom Hof ihn am dritten Tage nach dem Begräbnis kohlschwarz am Zaunthor stehen. Mit schauerlicher Stimme begehrte er, dass Bretter bis zur Hausthür gelegt würden, damit er seinen Boden nicht berühren müsste, und trotzdem schrie er, während er über die Bretter schritt: „ A u weh, wie brennt der Grund und Boden, um den ich mich verschworen hab" '). d) Betrug um eine Geldschuld. Ein Bäcker hatte mal einem Schmiede hundert Thaler geliehen. Als er nun sein Geld wieder haben wollte, stellte der Schmied die Sache in Abrede, so daß sie vor Gericht kam. Da machte der Schmied einen Stock, der inwendig hohl war, und steckte da einen Hundertthalerschein hinein. Wie er schwören sollte, gab er den Stock dem Bäcker zum Halten und schwur nun, er habe das Geld zurückgegeben. Als sie nun wieder die Treppe heruntergingen, fiel des Schmiedes Stock zur Erde und zerbrach, und sein Betrug kam zu Tage 8 ). *) S c h u l e n b u r g W. Volksth. 84. 5 ) S t r a k k e r j a n 1, 238. Dazu: P f i s t e r Hessen 105 und B a r t s c h Mecklenburg 1, 203. ·) P f i s t e r Hessen 29. ') ZdVfVk. 6 (1896), 440. ·) B a r t s c h Mecklenburg 1, 451. 4. Da sehr häufig geschworen wurde, in- und außerhalb eines Prozesses, kamen viele M.e vor. Schon Berthold von Regensburg klagt in seinen Bußpredigten über die große Unsitte des M.s Der Eid war das Hauptbeweismittel im Rechtsgang des Mittelalters. Er hatte absolut beweisende Kraft. Richter und Parteien mußten sich an den Inhalt des Schwurs halten. Mißtraute eine Partei dem Eide, glaubte sie, daß ein M. geschworen werde, so mußte sie dem Gegner die Schwurhand herunterreißen. Sonst war sein Beweis geglückt. Kein Wunder also, daß das Volk in Angst lebte vor einem möglichen M. und daß den unentdeckten Meineidigen göttliche Strafe hier oder im Jenseits treffen mußte. Denn der gerechte

χ 15

Meineid

Sinn des Volkes konnte niemals dulden, daß Macht über Recht triumphierte. ·) M e y e r Baden

544.

5. Die Folgen unentdeckten M.s beschäftigten die Volksseele unaufhörlich. Es lassen sich folgendeGruppen unterscheiden: a) Der Meineidige findet keine Ruhe im Grabe. Er geht um in irgendeiner Gestalt,etwa in der eines schwarzen Hundes10) oder in der „eines kleinen Hündleins, das sich plötzlich in eine formlose schwarze Masse verwandelt" 11 ), oder in der eines Ziegenbocks 12 ) oder in der eines ungewissen Untiers, das zerrissene Ketten hinter sich herschleppt 13 ). Sehr v e r b r e i t e t war der A b e r g l a u b e vom Schimmelreiter. Aus dem nordöstlichen Böhmen wird berichtet : In Kronstadt, a m K a m m e des Adlergebirges, lebte ein Mann, der einem andern Geld schuldete. U m die Summe nicht zahlen zu müssen, schwur er einen falschen Eid, d a ß er den betreSenden Gläubiger gar nicht kenne. Bald darauf, und zwar schon nach einem Jahre, starb aber der meineidige Bauer, und ein Bekannter erbte seine Hinterlassenschaft. Gleich in der ersten N a c h t erschien nun der Verstorbene d e m neuen Besitzer, bekannte diesem sein Unrecht und b a t ihn, die abgeschworene Schuld zu bezahlen. Geschähe das nicht, so fände er im Grabe keine R u h e und müsse abends m i t dem Geisterheere a u f e i n e m S c h i m m e l d u r c h d i e L u f t r e i t e n . Darob erschrak sein Erbe nicht wenig, fürchtete auch für sich Unheil aus dem unrechtmäßig vorenthaltenen Gelde und zahlte sofort dieses dem benachteiligten Gläubiger auf Heller und Pfennig zurück. Seither hatte der Meineidige seine R u h e gefunden, denn er erschien nicht mehr u ) .

In der Schweiz heißt das Gespenst Stiefelreiter: D a s Maiengrün ist die südliche Seite eines langen Bergzuges, der an seinem südwestlichen A b h a n g die großen Steinbrüche von Otmarsingen und Mäggenwil hat, wo man den Geisbergerstein bricht, und nach Nordwest längs dem linken Reußufer durch das ganze Freienamt sich hinzieht. D e r S t i e f e l i r e i t e r , w e l c h e r in dieser L a n d s c h a f t ü b e r h a u p t das bek a n n t e s t e G e s p e n s t i s t und darinnen mehrfache Aufenthaltsorte hat, haust a u c h auf dem Maiengrün. Man weiß, d a ß er seinen W e g aus dem K a n t o n Luzern hernimmt, längs des Lindenberges hinreitet, denselben bei Vilmergen verl ä ß t und ins B ü n z t h a l herab kommt, u m auf jene Felder zwischen Dietikon und D o t t i k o n zu gelangen. K n a b e n erzählen, wenn sie sich anschickten, hier ihre Bürde Leseholz z u m Heimtragen aufzunehmen, so habe sie sich o f t wie von selbst auf ihren R ü c k e n gehoben; beim

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Umsehen aber nach der Ursache einer so u n " vermutheten Hilfe hätten sie immer noch e t w a s v o n dem wieder verschwindenden Stiefeli bemerkt, Pferdewiehern, Hufschläge, oder ein helles Gelächter vernommen. Einer alten F r a u h a t er ihre Welle Holz sogar auf den K o p f gehoben, und um sein R o ß a m Brunnen zu tränken, scheut er sich nicht, bis zu den Leuten hinab zu reiten, die a m Waldsaume herum ihre Wohnhäuser haben. Allein nicht immer zeigt er sich so gefällig; j a Fremden, Betrunkenen und rohen Burschen wird er geradezu gefährlich, wenn sie sich bei N a c h t auf jener Höhe finden lassen. E r tritt ihnen in den Weg, versperrt ihnen den D u r c h p a ß und treibt sie bis zum Morgen i m Holze herum. Ein Metzgerknecht aus Mäggenwil w a r bis Abends im Wirthshause sitzen geblieben und wollte erst mit Anbruch der N a c h t seinen W e g über das Maiengrün nach Hägglingen hinüber nehmen. Auf der Höhe angekommen traf er einen Reiter quer im Pfade, dem er in keiner Weise auszuweichen wußte. Endlich griff er nach seinem Stock, um sich damit Durchgang zu verschaffen. D a w u c h s R o ß und Mann zusehends empor, und die Augen des Letzteren fingen an wie glühende K o h l e n zu leuchten. Der Metzgerknecht ergriff die Flucht; an Kleid und H a u t zerfetzt und g a n z verspätet k a m er wieder bei Mäggenwil aus der Waldung, u m a m andern T a g e denselben W e g nach Hägglingen abermals, aber diesmal auf der ebenen Landstraße zu m a c h e n 1 6 ) .

Hund und Schimmel sind in diesem Falle Tiere des Satans, der den Verstorbenen nicht zur Ruhe kommen läßt. b) Der Meineidige wird sofort vom Teufel geholt 16 ). c) Den Meineidigen verschlingt die Erde. Er versinkt, und es bleibt nichts übrig als sein Stab und zwei Schuhe 17 ). Zuweilen hört man einen solchen Versunkenen schauerlich rufen : D u Grôrock, Meine Seele hot kên R ô t

(Rat)18).

d) M. bringt noch im gleichen Jahre den Tod 1 β ). Kann er nicht natürlich sterben, so tötet ihn irgendein Gegenstand. W e n n jemand einen M e i n e i d leistet, u. in der Nähe ist ein geladenes Gewehr, so g e h t es los u. t ö t e t den Menschen; daher die häufige Beteuerungsformel: „ d a s kann ich bei hundert Flinten beschwören" 2 0 ).

e) Der Leichnam eines Meineidigen wird schwarz 21 ). Er kann im Grabe nicht verwesen. Nägel und Haare wachsen weiter 22 ). Sehr häufig ragt die meineidige Hand zum Grabe heraus 23 ). Aus Schwaben wird erzählt:

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Meineid

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In der Gegend von Ilanz am Rhein in Graubünden geht die Sage: Ein Mann hatte einst Streit wegen eines Alpstückes und that auf der Stelle den Schwur, daß er daselbst auf eigenem Grund und Boden stehe. Er hatte nämlich Erde aus seinem Garten in die Schuhe gestreut und gewann auf die Art das Grundstück. Dafür streckte er aber auch nach seinem Tode drei F i n g e r z u m G r a b e heraus 2 5 ).

Und so oft man diese Hand auch wegbrachte und begrub, sie war immer wieder da (Wüstenld.) 30). 10 ) K n o o p Hinterpommern 167. u ) Bartsch Mecklenburg 1,202. 12 ) K ü h n a u Sagen 3, 341. 13 ) R o c h h o l z 14 ) K ü h n a u Sagen 2, 32 f. Sagen 1, 358. " ) R o c h h o l z Sagen 1, 301 ff. Vgl. auch: R e i s e r Allgäu 1 28 f. ") M e y e r Baden 544; G e r h a r d t Franz. Novelle 31. " ) ZdVfVk. 4 (1894), 417 f. «) H a u p t Lausitz ι (1862), 260. w ) D r e c h s l e r 2, 200 u. 289; Urquell 4 (1893), 118. 20) W u t t k e 218 § 307. 21 ) W u t t k e 218 § 307. 22) H ö h n 23) B i r l i n g e r Tod 357. Schwaben 1, 86; !4) B i r l i n g e r S t r a c k e r j a n 1,45. a.a.O. 87. **) M e i e r Schwaben 1, 309 f. 2*) D r e c h s 27 28 l e r ι, 294. ) W u t t k e 218 §309. ) Strak2>) S t r a c k e r j a n k e r j a n 1,41. 1,45. Ebd. ι, 212.

Zuweilen wird der Körper schon bei Lebzeiten schwarz 26 ). Auch Lähmung, Knochenbruch und Knochenfraß wird auf M. zurückgeführt 27 ).

5. Es ist eine alte Anschauung, daß besonders gemeine Taten das ganze Land beflecken. Sie verstricken den Ort der Tat mit in das Unrecht hinein.

In Cloppenburg sagt man, der Meineidige werde blind und verliere die Sprache 28 ).

Eine M e i n e i d s g e s c h i c h t e wird aus Pottland berichtet. In der Nähe der Kirche von Bro finden sich ein paar merkwürdige Steine. Zwei Frauen stritten mit der Kirche um ein Stück Acker, welches diesen verliehen war. Als die Sache auf dem umstrittenen Platz entschieden werden sollte, thaten die Frauen Erde in ihre Schuhe und leisteten einen Eid, ,,dass sie auf ihrer eigenen Erde standen". Aber kaum war der Meineid über die Lippen der Frauen gekommen, als ihre Körper zu den zwei Steinen verwandelt wurden, die noch bei der Kirche stehen. Nach einer anderen Erzählung sind es zwei Frauen, die um den Besitz eines Waldes streiten. Die Frau, die Unrecht hatte, legte die Erde aus dem umstrittenen Wald in ihre Schuhe — offenbar muß es eigentlich heissen, dass sie Erde von ihr unstreitig zugehörigem Besitz nahm — , und leistete den Eid, dass die Erde, auf der sie stand, ihr zugehöre. Da versank der Wald, und ein Sumpf trat an seine Stelle 3 1 ).

In der Ehinger (a. D.) Gegend glaubt man, daß einem solchen die Schwörfinger, Daumen, Zeig- und Mittelfinger, zum Grabe herauswachsen. In früherer Zeit sei das durchaus nichts so seltenes gewesen. Auch erzählt man, daß in dem jetzigen Oberamtsgerichtsgebäude, einem alten vorderösterreichischen Ritterschaftshause, ein Mann falsch geschworen habe und sei augenblicklich kohlrabenschwarz geworden24).

Ebenso :

Zuweilen hat die Hand des Meineidigen eine übernatürliche Schwere (wie der Körper der Hexe) : In Wenken Haus zu Buttel, Kirchspiel Neuenhuntorf, befand sich eine ausgetrocknete M e n s c h e n h a n d , die von einem Meineidigen herstammte. Die Hand war von ihrer Stelle nicht fortzubringen; so oft man es versuchte, war sie am andern Morgen wieder da. Zuletzt hat man sie im Unterschlage eingemauert 2 *).

Immer erscheint die Hand wieder. Menschenkräfte vermögen sie nicht wegzuschaffen. Ein Strumpfhändler kehrte in ein Wirtshaus ein, setzte sich ans Feuer hinter den Herd und schlief ermüdet ein, den Mund weit geöffnet. Da gab der Teufel dem Wirte, welcher nach dem Gelde des Strumpfhändlers lüstern war, ein, ihm kochend heißen Brei in den Mund zu gießen und ihn so zu töten. Die Mordtat blieb unentdeckt; der Wirt kam allerdings in Verdacht, aber er leugnete frech und reinigte sich vor Gericht durch einen Eid. Noch auf dem Totenbette, als man in ihn drang, beteuerte er seine Unschuld an dem Tode des Strumpfhändlers und vermaß sich zu sagen, wenn er der Mörder sei, wolle er schreien bis zum jüngsten Tage. Dann starb der Wirt, und von der Zeit an erschien allnächtlich in seinem Hause ein fliegendes Untier, daß durch heftiges Schreien die Hausbewohner erschreckte und belästigte. Zwar gelang es einem katholischen Pater, das schreiende Gespenst zu bannen, aber vom nächsten Tage an zeigte sich nun eine Menschenhand auf der Hille an der Diele. Es war die Hand, die der Mörder, als er den Meineid schwur, zum Himmel emporhielt.

Ein Haus, in dem ein M. geschworen wird, kann nicht mehr bewohnt werden. Die große und schöne Furggalp am Fusse des Almagellerhorns, seit uralten Zeiten Eigentum des Dorfes Almagell, wurde den Saas-Gründlern verpachtet. Nach einer Reihe von Jahren aber behaupteten diese, die reiche Almei der Furggalp gehöre ihnen. Nach langem Streite kam es zum Richterspruche, welcher in dem erwähnten Hause gefällt wurde. Die Bürger von Saas-Grund wurden zum Eide angehalten, welcher bei der Einsichtnahme der Örtlichkeitea auf der Furggalp selbst geschworen werden musste. Sie hatten alle Erde aus ihren Gärten in Saas-Grund in den Schuhen und schworen auf der Furggalp, dass sie auf eigenem Grund und Boden stünden. Die Alp blieb den SaasGründlern, aber ihre Seelen spuken, ewig ver-

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Meineid

dämmt, als böse Geister dort oben herum. Auch das Haus, wo der ungerechte Spruch geschah, liegt in ihrem Bereich, und Niemand vermochte mehr darin zu wohnen 3 Î ). Die Stelle des M.s ist verflucht und bringt keine Frucht mehr hervor. In der Nähe von Märschendorf, Kirchspiel Bakum, soll früher ein Bauer um ein Stück Land einen falschen Eid geschworen haben. An der Stelle, wo dies geschehen, wuchs seitdem trotz aller guten Bearbeitung und reichlichen Düngens keine Frucht, nicht einmal ein Grashalm. Es waren zwei Stellen so groß wie ein Stuhl; auf der einen soll der Richter gesessen, auf der andern der Bauer gestanden haben 3 3 ). 31 ) ZdVfVk. i o (1900), 202. 32 ) SAVk. 3, 341 ff. S t r a c k e r j a n 1, 46. 6. Selbst Unschuldige, am M. Unbeteiligte, können vom Fluche des Schwörenden getroffen werden. Hier liegt die Idee der Gesamthaftung vor. In der Oberlausitz lebte vor 100 Jahren ein Mann, den man im Verdacht verschiedener feiner Betrügereien hatte. Besonders, so sagte man von ihm, sollten seine Betrügereien im falschen Messen der Garten- und Feldfrüchte bestehen, mit denen er Handel trieb. Auch seine anfänglich ehrliche Frau verleitete er zum Betrüge, und sie ward nach und nach immer geübter in dergleichen Künsten. Einst wurde es entdeckt, daß sie das Gespinst, mit dem sie handelte, zu kurz weifte. Personen, die welches von ihr gekauft hatten, wollten es ihr wieder zurückgeben. Sie leugnete, daß dieses kurz geweifte Gespinst von ihr sei, und endlich kam es zu einem Streite, den die Gerichte enden sollten. Der Frau ward der körperliche Eid zuerkannt, und sie schwur mit den Worten: „Gott strafe mich und meine Nachkommen bis ins dritte und vierte Glied, wenn ich falsch geweift habe und das ganze Gespinst von mir ist". Sie ward freigesprochen. Nach Jahresfrist klagte sie über heftige Schmerzen in der rechten Hand, welche endlich von der Gicht ganz krumm gezogen wurde. Sie gebar einen Sohn und ein Tochter; beiden fehlte an jedem Finger ihrer Hände das letzte Glied. Jetzt gedachte man in der ganzen Gegend ihres Eides, und die Frau ward allgemein verachtet. Ihre Kinder verheirateten sich, bekamen Kinder, und wieder fehlte diesen an den Fingern ihrer Hände das letzte Glied. Die Großmutter starb in Reue und Leid; ihre Kinder erlebten noch Enkel, welchen ebenfalls an jedem Finger das letzte Glied fehlte. Dem Urenkel dieser betrügerischen Frau, der über seine übelgestalteten und zu wenig fähigen Hände sehr niedergeschlagen war, ward endlich ein Sohn mit ganz wohlgebildeten Händen geboren 34 ). Von einem Vater, der ein uneheliches Kind zeugte und nachher beeidigte, er

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sei nicht der Vater, heißt es: „He hett en Kind verflöckt" (verflucht) 35 ). M) K ü h n a u 35) Urquell Sagen 3, 399 f. 2 (1891), 121. 7. Im ganzen selten sind die Zeugnisse, wonach ein Meineidiger, der nicht überführt wurde, schon bei L e b z e i t e n von göttlicher Strafe heimgesucht wird. Ausnahmen etwa: In Unzhurst (Bühl) kommt ein Meineidiger um Hab und Gut 3 6 ). Unter den Füßen eines Meineidigen verdorrt das Gras (Bad.) 3 '). Einen M e i n e i d i g e n kann man daran erkennen, daß er in einer taubenetzten Wiese keine Spuren hinterläßt (Bösel) M ). 3β) M e y e r Baden 544. 37) Ebd. 544. 3S) S t r a c k e r j a n 1, 41. 8. Der Meineidige ist für alle Mitmenschen eine Gefahr. Als Wiedergänger erschreckt er Menschen und Tiere und kann ihnen Krankheiten bringen. Auch sein Leichnam hat einen bösen Blick. Wenn man einen M e i n e i d i g e n ausgräbt, soll man ihn umgekehrt, d. h. mit dem Gesicht nach unten, in den Sarg legen 3 '). Daher soll das ganze Volk vom M. abgeschreckt werden, und zu diesem Zwecke setzt man zuweilen besondere „Meineidssäulen" als warnende Wahrzeichen. Man sagt, demnach die von Freiburg von iren herren, den grafen von Fürstenberg, abgefallen und ain mainaidt sollen geschworen haben, darumb auch etlich die finger sein abgehawen, do ist ein vertrag ufgericht worden, darin begriffen, das die von Freiburg uf die vier Straßen s t a i n e s e u l e n sollen setzen, uf dero jeder ain hand mit halben finger, als ob sie abgehawen worden. Das soll und muß zu e w i g e r g e d e c h t n u s also gehalten werden und sieht man die seulen noch heutigs tags, die stehen da zu irer langwirigen schand und turfens nit hinwegthon. Sie haben bei graie Friderichen von Fürstenberg, wie man sagt, derhalben angehalten aber nichts erlangen mögen und sein der seulen acht, allwegen zwo gegen einandren und die Straß darzwischen 10 ). Nur eine einzige Stelle ist mir begegnet, die dartut, daß ein Zusammentreffen mit einem Meineidigen auch G l ü c k bringen kann. Die Bauern von Gülpe und die von Rehberg kamen einst um einen großen Wiesenfleck in Streit und Prozeß. Den Gülpern gehörte die Wiese seit ewigen Zeiten, die Rehberger aber behaupteten, sie käme ihnen zu, und stellten einen Zeugen, der dies durch einen Eid bestätigte. So erhielten die Rehberger auf unrechtmäßige Weise die Wiese, denn der Zeugë hatte einen

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M e i n e i d geleistet; dafür aber konnte er nun auch nach seinem Tode keine Ruhe finden, mußte umgehen und rief in finstern und stürmischen Nächten auf der von Giilpe entgegengesetzten Seite der Havel immer: Hol über! Einmal wieder, als es recht windig war und regnete, hörte der Nachtwächter von Gülpe den Ruf, und da er ein beherzter Mann war, so fuhr er über das Wasser um zu sehen, was es mit dem Rufe für eine Bewandnis habe. Je näher er indes dem jenseitigen Ufer kam, desto schwächer wurde der Ruf und hörte zuletzt ganz auf. Als aber der Nachtwächter rief, daß er bereit sei zum Überfahren, fiel etwas wie ein mächtig großer Stein in seinen Kahn, so daß derselbe beinahe unterging; je näher der Nachtwächter dem diesseitigen Ufer wieder kam, desto schwerer ging der Kahn, er konnte ihn kaum noch von der Stelle bringen, und von der Angst fielen große Schweißtropfen von ihm ab. So wie der Kahn aber Grund faßte, hob er sich, und die Last war verschwunden. Diese Last war nichts anderes gewesen, als der Meineidige mit seiner schweren Sünde. Einmal ließ sich doch wieder ein Mann aus Gülpe verleiten, auf den Ruf hinüberzufahren. Es war gerade um Mitternacht, und er fand wirklich einen großen Mann am Ufer stehn. Als derselbe in den Kahn gestiegen war, ging dieser wieder so tief, daß das Wasser beinahe über Bord lief, und der Fährmann merkte wohl, daß er den Meineidigen überhole ; er zitterte deshalb an allen Gliedern und war froh, als er wieder herüber war. Als der Kahn stand, sprach der böse Geist zu dem Fährmann: Geld kann ich dir nicht geben, aber achte darauf, was ich dir sagen werde: Es wird eine Pest in das Land kommen und in diesem Dorfe so wüten, daß die Lebenden zuletzt nicht mehr die Toten werden begraben können. Du aber wirst nicht sterben ! Hiermit war die Gestalt verschwunden ; wie sie aber prophezeit hatte, so geschah es ; denn eines Tages kamen zwei Reisende in das Dorf, die kehrten im Wirtshause ein und ließen sich einen Trunk Bier geben. Damals trank man das Bier aus großen irdenen oder zinnernen Krügen, wie man sie heute noch in manchen Bauerhäusem am Riegel hängen sieht. An ein Auswaschen war nicht zu denken, sondern jeder Gast hängte seinen Krug nach dem Gebrauch wieder fort. Daher kams, daß am nächsten Sonntage, als die Bauern nach dem Wirtshause gingen (und das taten die Gülper damals fast noch lieber als jetzt), einer von ihnen aus dem Kruge trank, aus dem die Fremden getrunken hatten. Bald darauf wurde er krank, konnte nur mit Mühe nach Hause kommen und starb noch an demselben Tage an der Pest. In kurzer Zeit war das Dorf fast ganz von der Krankheit entvölkert, so daß die wenigen Überlebenden nicht imstande waren, die Ernte des Jahres von dem Felde zu schaffen. Unter den von der Krankheit Verschonten

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befand sich wirklich der, welcher den Meineidigen übergeholt hatte. Seit der Zeit wollen zwar noch mehrere den Ruf: Hol über! gehört haben, aber der Meineidige hat sich nicht wieder sehen lassen, und jetzt wird er wohl schon längst Ruhe gefunden haben 41 ). Hier spielt das christliche Erbarmen mit dem armen Sünder hinein. Das Mitleid, das der Fährmann bewies, sollte belohnt werden. 3e ) H ö h n Tod 357. 40) Zimmerische Chronik ι, 190, nach B i r l i n g e r Schwaben 1, 272. 4 1 ) E n g e l i e n u. L a h n 1, 43. 9. Außerordentlich zahlreich sind Betrugshandlungen beim Ableisten des M.s. Durch List soll verhütet werden, daß den Meineidigen sein Fluch trifft. Die bekannteste Unschädlichmachung des M.s ist die mit Erde und Schöpfer (siehe Eid). Daß dieser Betrug nicht immer glückte, zeigt folgende Geschichte: Im streite der Hindelanger gegen die Wertacher stellte sich der doctor Bach aus Wertach auf die streitige alpe, hatte aber zuvor in seine schuhe e r d e aus seinem garten gelegt und unter seinen hut einen Schöpflöffel verborgen, so daß er sagen konnte: „so wahr ein s c h ö p f e r ü b e r m i r i s t so w a h r stehe ich auf meinem grund und boden." eben so der bestochene hirt von Geißfeld in dem streite der Geißfelder gegen die Gerolzhöfer um einen wald. zwar wurde die alpe den Wertachern, der wald den Gerolzhöfern zugesprochen, aber der doctor und der hirt haben wegen falschen eides im tode keine ruhe, jener reitet auf seinem schimmel auf der alpe, dieser geht als geist im w a l d e um; man nennt ihn Waldpöpel Man darf dabei nicht vergessen, daß das ausziehen und anfüllen mit e r d e des s c h u h e s nach einer urkunde bei d'Achery spicil. I, 558 symbol für die auflassung von gut und erbe war: de vestitura per caligulam impletam de terra et virgulam de viridario 48 ). Auch einige andere Rezepte seien erwähnt : Selbst gegen die göttlichen Strafen des M e i n e i d e s kann man sich sichern, wenn man beim S c h w ö r e n den D a u m e n einbiegt oder die G e s ä ß b a c k e n zusammenkneift (Nieder-Schlesien 44 )). Gegen die göttlichen Strafen des M e i n e i d s kann man sich sichern, wenn man die zum Schwüre erhobene Hand hinter den Rücken hält (Old.) 45 ). Hat man bei falschem Schwüre ein Stück Brot unter der Achsel getragen und gibt es dann einem Hunde zu fressen, so schadet der M e i n eid nicht (Königshütte) " ) . Wenn jemand beim Schwören die drei Finger der rechten Hand in die Höhe hebt und drei Finger der linken Hand von sich nach unten

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Meinrad hl.—Meise

streckt, so kann er gerne falsch schwören, der Meineid schadet ihm nichts (Kramper Marsch) « ) . Leute, die einen M e i n e i d ablegen wollen, nehmen bei einer solchen Gelegenheit einen S t e i n in den Busen, damit die Folgen dieses falschen Schwures auf den Stein und nicht auf sie fallen 48 ). In Saterland soll man früher gesagt haben, •ein falscher E i d schade nichts wenn es gelinge, während des Schwörens sich einen Hosenknopf abzudrehen; mitunter war ein Knopf hierzu besonders vorbereitet. Ob man etwa auch hier mit dem Knopfe den Eid von sich abzulösen meinte *') ? Wenn ein Meineidiger, während er den Meineid schwört, seine Strümpfe v e r k e h r t angezogen hat oder die linke Hand in die Hosentasche steckt oder mit derselben einen Knopf seines Rockes anfaßt, so schadet ihm der Meineid nichts. (Richter sollten hierauf Achtung geben) 6 °). 42) P a n z e r Beitrag 2, 537. 43) G r i m m Rechtsaltert. 1, 156; P a n z e r Beitrag 2, 537. 44 ) D r e c h s l e r 2, 263. 45 ) W u t t k e 272 § 401. 4e ) D r e c h s l e r 2, 97. 47 ) ZdVfVk. 20 (1910), 385. «) ZföVk. 4 (1898), 213. «) S t r a k k e r j a n ι, 67. 60) B a r t s c h Mecklenburg 2, 315. 10. Z u w e i l e n w a r n t e die O b r i g k e i t ö f f e n t l i c h v o r d e m M. A n die s c h w ö r e n d e n B ü r g e r v o n Ö l t e n w u r d e der V e r s g e r i c h t e t : Der Engel spricht: O Mentsch hüett dich vor valtschem Eydt, Dann der ist Im von Hertzen leydt, Verkheert auch baldt die bösen Sinn, Wann Zill u Wyll godt baldt dahin. Am valtschen schweren ist nützit zuo gewännen, Dann ewig in der Hellen brünnen. In der tieffen Hellen grundt Mitt Handt und Vinger und mit Mündt, Damit dyn seell wirtt verpfendt Dem Tüffel ewigklich ohn endt 5 1 ). s l ) Vgl. auch O. E b e r m a n n Eine Warnung vor dem Meineid. ZfVk. 38,140 ff. ; SchwVk. 9,5 (Bürgerbuch von 1593). Vgl. noch: R o c h h o l z Sagen 2, X X X V I ; .ZfVk. 23 (1913), 131; H e l l w i g Aberglauben U 9 f . ; Urquell 2 (1891), 121 u. 3 (1892), 188; A n d r e e Braunschweig 380; S A V k . 15 (1911), 17 u. 21 (1917), 172; K n o o p Hinterpommern 167; A R w . 17, 673; B a r t s c h Mecklenburg 1, 202 i.·, S t o l l Zauberglauben 174; Reiser Allgäu ι, 78. Fehr. Meinrad, hl. (Meginrad, Meinhard), Stifter des Klosters Einsiedeln im K t . Schwyz. W u r d e 861 (863) a m 2 1 . J a n u a r v o n z w e i M ö r d e r n u m g e b r a c h t , die sich später verrieten, als zwei v o n d e m s t e r b e n d e n H e i l i g e n als Z e u g e n a n g e rufene Raben vorüberflogen1). M.s M e ß g e w a n d w u r d e i m 18. J h . in d e r

I24

K i r c h e zu Lausheim einem tobenden K r a n k e n a n g e z o g e n 2 ). E i n e n h e i l s a m e n S t . M.sstein m i t einer V e r t i e f u n g , die v o n M.s K n i e h e r r ü h r e n soll, b e s i t z t die S c h w e i z i m K t . L u z e r n 3 ). I n E i n s i e d e l n w u r d e n a n s e i n e m N a m e n s t a g e — der N a m e ist in d e r U m g e g e n d sehr h ä u f i g 4 ) — M.s - S t r ü t z e l n v e r k a u f t , e b e n s o M.sWecken im Salzburger Benediktinerstift Nonsberg. In den A l p e n geht an d i e s e m T a g e der riesische B e r g d ä m o n , der A l p e r e r , z u m l e t z t e n m a l u m 6 ). *) M e i e r Schwaben 2, 328; Vernaleken Alpensagen 300; M e n z e l Symbolik 2, 255; B o l t e - P o l i v k a 2, 534; O s e n b r ü g g e n D. Raben des hl. M. Schaffhausen 1861; K ü n s t l e Ikonographie 451 f. Die Sage identifiziert ihn mit dem Stammvater des Geschlechtes v. Einsiedel: H a u p t Lausitz 2, 29; M e i c h e Sagen 985 f. 2) M e y e r Baden 575. 3 ) B i r l i n g e r ^ . Schwaben 1, 468. Vgl. L ü t o l f Sagen 270. 4) S t ü c k e l b e r g Gesch. d. Reliquien in d. 5 Schweiz i, CV. ) H ö f l e r Fastnacht 12. Sartori. Meise. D i e M. ist g e f e i t , m a n d a r f sie n i c h t schießen I h r R u f w i r d verschieden g e d e u t e t 2 ) . N u r bei den E s t e n h a t sie d e n N a m e n , , t i g e " ( b ö s e ) 3 ) , w a s viell e i c h t m i t der l e t t i s c h e n A u f f a s s u n g d e s V o g e l s als w e i s s a g e n d z u s a m m e n h ä n g t 4 ). In der V o l k s l i t e r a t u r k o m m t die M. g e l e g e n t l i c h v o r 5 ). I n der V o l k s m e d i z i n findet die M. A n w e n d u n g e ) . *) G r i m m Weist. 1, 465, 535; 2, 153; F. A. S t i s s e r Forst- u. Jagdhistorie d. Dt. Beilage Β 6; G r ä s s e Jägerhörnlein 131; österr. Weisth. 7, 706, 13; G r i m m Myth. 2, 569, 3, 197. a) ZfdMyth. j , 239; 3, 178; ZfVk. io, 222; 13, 93; Urquell 5, 55; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 157. 3) S e l i g m a n n 1, 126 nach K r e u t z w a l d u. N e u s 74. 4) G r i m m Myth. 2,569; A n d r e j a n o f f Lettische Volkslieder u. Mythen 15. 32 Nr. 73; 45 Nr. 134. s ) In einer Sage: K ü h n a u Sagen 1, 531 f.; im Sprichwort (neun Gevatterleute teilen einen Meisenkopf): S c h r a m e k Böhmerwald 153. e ) Gegen Gicht ( J ü h l i n g Tiere 248 nach S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 257) und Gelbsucht ( J ü h l i n g Tiere 245 und Gelbsucht § 2). Taylor. D i e M. i m d e u t s c h e n R e c h t . I n der „Schweizer Volkskunde" 14 (1924), 7 9 f. w u r d e f o l g e n d e A n f r a g e g e s t e l l t : I n einzelnen R e c h t s q u e l l e n des f r ä n k i s c h e n S t a m m e s g e b i e t e s w i r d der F a n g einer Meise ( K o h l m e i s e , S t e r z m e i s e , B a n n m e i s e ? ) m i t einer a u ß e r o r d e n t l i c h h o h e n S t r a f e b e d r o h t 7 ) . O f f e n b a r l i e g e n diesen

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Meisterwurz

Bestimmungen volkstümliche Vorstellungen über den Wert der Meise zu Grunde. Hierauf die Antwort: Material über diesen besonderen Schutz, den alte Rechte und Volksglauben der Meise angedeihen lassen, findet sich an nachfolgenden Orten : G r i m m , Mythologie 2*, 569; 3, 197; G r i m m , Weisthümer 1, 489. 535; 2, 153; G . W i n t e r , Niederösterr. Weistümer 1 (1886) Nr. 1 1 6 : „Ordnung und Banntaidinge des wiener Waldes" (1511) S. 706, Zeile 13: „wer ain maisn scheußt, der ist verfallen 32 t a " . F. A . S t i s s e r , Forstu. Jagd-Historie der Teutschen. Beilage B . S. 6 (1737 u. 1754), nach [Grässe] Jägerhörnlein (Dresden 1861) 131, A n m . ; H e i m a t (Kiel) X I , 185, nach K . M ü l l e n h o f f , Die Natur im Volksmunde (Berlin 1898) S. 75; J. W o r m s t a l l soll in Pick's M o n a t s s c h r i f t f. d. G e s c h . Westd e u t s c h l a n d s einen Aufsatz über diese Frage publiziert haben (Jahrgang?). Das Vogelbuch C. G e s n e r ' s enthält keine Angaben darüber. S l o e t , De Dieren in het germaansche volksgeloof en volksgebruik ('s Gravenhage 1887): „ B e i uns (in Holland) stehen diese Vögelchen, weil nützlich für den Landbau, unter dem Schutz des Gesetzes : sie dürfen weder gefangen, noch getötet, ihre Nester nicht zerstört, die Eier nicht weggenommen werden". E s folgen dann einige Parallelen. Sie stammen aus: L a c o m b l e t , Archiv f. d. Gesch. d. Niederrheins 1, 326. 367; W a n d e r , Deutsches Sprichwörterlexikon 3, 577: D'Moasenfâa soll ma' alsand hâa = Die Meisenfänger soll man allesamt hängen (Oberösterreich), weil die Meisen zu den vorzüglichsten Insektenvertilgern gehören. In der Revue des Traditions populaires 18, 49 berichtet A . Harou über den Umzug der Antwerpener „meesenvangers" : „Ce sont des chasseurs en chambre qui se contentent, de parcourir avec quelques cuivres, juchés sur un omnibus, ou en cortège, des cabarets citadins. . . . Il portent à la main un énorme gourdin que, dans les défilés, dans les rues de la ville, ils portent à la manière d'un sabre tenu à la main . . . C'est sans doute un souvenir historique". Eine Beziehung zum Meisen-

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aberglauben scheint aber nicht vorzuliegen, wie auch der besondere Schutz der Meisen im alten Recht durch keinen heutigen Volksglauben näher erläutert wird. ') Vgl. J. G r i m m Lamprecht Deutsches Mittelalter 1, 500.

Rechtsaltert. 2, 125; Wirtschajtsleben im Hoffmann-Krayev.

Meisterwurz (Astrenze.Strenze; Peucedanum ostruthium, Imperatoria ostruthium). ι. B o t a n i s c h e s . Doldenblütler mit derben, fast lederartigen, dreizähligen Blättern, deren Abschnitte etwa eiförmig sind. Die Blüten sind weiß, manchmal auch rötlich überlaufen. Die M. ist eine Pflanze der Alpen (auch in den deutschen Mittelgebirgen kommt sie v o r ) ; als im Volk hochgeschätzte Heilpflanze wird sie auch ab und zu in Bauerngärten gezogen 2 ). Die M. ist eine spezifisch d e u t s c h e Heilpflanze, in der Antike ist sie nicht nachzuweisen. M a r z e l l Kräuterbuch 5 0 ο ί . ; 2) T s c h i r c h 114—117. Handb. kognosie 2 (1917), 904 ff.

Heilpflanzen d. Pharma-

2. Wie vielen anderen Doldenblütlem (s. ζ. B . Dill, Kümmel, Liebstöckel) so werden auch der M. wegen des stark aromatischen Geruches apotropäische Eigenschaften zugeschrieben. Vor allem in der Schweiz gilt sie als Mittel gegen das Behextwerden, ist ein Bestandteil von Hexenpulvern (zu Räucherungen) usw. 3 ). Die M. wird in der Johannisnacht ausgegraben und auf den oberen Querbalken der Stalltüre gelegt 4 ), vgl. Allermannsharnisch. Überhaupt dient sie mit Vorliebe im Stallzauber. Wenn eine K u h verzaubert ist, daß sie keine Milch gibt, reicht man ihr Knoblauch (s. d.), M. und gesalzenes B r o t s ) . M. dient auch zur B e ruhigung (wenn sie verzaubert sind?) der Pferde e ). Der K u h , die ein K a l b geboren, gibt man u. a. einen Schnitt Brot mit M., das „ W e i s a t " 7 ). I m Gsießtal (Tirol) wird an Weihnachten mit M. geräuchert 8 ). A m 5. Januar wird in der Kirche nach der Litanei u. a. auch M. geweiht, die dann das Vieh bekommt ·). Übrigens gilt auch in Dänemark die M. als Mittel gegen B e h e x u n g 1 0 ) .

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Melancholie—Melisse

3 ) SchwVk. I, 5; L u c k Alpensagen 53. 67; U l r i c h Volksbotanik 22. 24; R o c h h o l z Glaube 2, 127; Z a h l e r Simmenthai 170; A l p e n b u r g Tirol 407. 4) T s c h u m p e r t Vers, eines Bündner. Idiotik. ι (1880), 32; Schweizld. 1, 577; vgl. auch L ü t o l f Sagen 177. ') J o h n Westböhmen 320, ähnlich in Schlesien Drechsler 2, 104. *) 7 K l a p p e r Schlesien 98. ) A n d r i a n Altaussee 68. «) ZfVk. 4, 78. ») A n d r i a n Altaussee 120. 10 ) DbotMon. Ii (1893), 75.

3. In der S y m p a t h i e m e d i z i n erfreut sich die M. (oft als Amulett) großer Beliebtheit. Sie wird zusammen mit der ebenfalls zu den Doldenblütlern gehörenden Bibernelle (s. d.) ab und zu im „Pestspruch" genannt u ) . Gegen Schwäraugen hängt man einen M.stengel um den Hals 1 2 ). Mit Vorliebe wird sie auch auf eiternde Wunden gelegt, sie soll Kugeln und Pfeile herausziehen usw. 1S ). Drei Pfeifen getrocknete M. geraucht, vertreibt Kopf- und Zahnschmerzen " ) . Gegen Augenkrankheiten hängt man eine ungerade Zahl von Wurzeln (meist 7 oder 9) um den Hals 1 5 ), auch zahnenden Kindern hängt man M. um 1 8 ). Nach einem alten Arzneibuch soll man die M. am Karfreitag oder an einem Freitag im Neumond graben, sieben Stücklein davon nehmen und ebensoviel von einer Totentruhe, worin eine Kindbetterin gelegen, und das dem Schwindsüchtigen anhängen 1 7 ). In der „gelehrten" Sympathiemedizin wird gegen Husten und Katarrhe die bei zunehmendem Mond gegrabene M. auf den Rücken gebunden und dann in den Fluß geworfen; an die Daumen und Zehen gebunden ist sie ein Mittel gegen Epilepsie " ) . ll ) S. auch Schweizld. 1, 578; H e r z o g Schweizersagen 1, 65; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1,27. " ) R o c h h o l z Kinderlied 335. l s ) B u c k Volksmedizin 38; U l r i c h Volksbotanik 2 3 ; W a r t mann St. Gallen 40 (die Wurzel wird in der Tasche mit herumgetragen); Schweizld. i, 377; V o n b u n Beiträge 1 3 1 ; Manz Sargans 148. " ) S t o l l Zauberglaube 83. « ) W a r t m a n n St. Gallen 40; vgl. auch Ulrich Volksbotanik 23. « ) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 39. " ) H ö h n Volksheilkunde 1, 95. 1β ) W o l f f Scrutin, amuletorum medicum 1690, 99. 400. Marzeil.

Melancholie, das Wesen eines Menschen, der schweren Eindrücken nachhängt und nicht die Kraft hat, sich dagegen aufzuraffen, uns noch bekannt als eins der vier Temperamente. Sie kann zu Schwermut

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und Trübsinn ausarten und zum Selbstmord führen 1 ). Als ihre Ursache wurde früher der Zauber angegeben 2) oder das Einwirken böser Geister, die den Menschen unsichtbar umschweben3). Rote Korallen, dem Menschen umgehangen, halfen gegen Geister und Melancholie *), ebenso Nüsse 8). Kiihnau Sagen 3, 174. a) Ebd. 3, 174. *) S t a r i c i u s 5 1 5 ff. 4 ) Ebd. 5 ) ZfdMyth. 3, 102; S c h m i d t Kräuterbuch 59 1 · 8 . f Boette.

Melchior, einer der hl. drei Könige. Sein Tag ist in Köln der 6. Januar 1 ). Als „Stemsinger" im westfäl. Sauerlande ist er „weiß und fein" (s. Balthasar) 2 ) ; in der Franche-Comté ist er schwarz und muß das Geld einsammeln 3). Die kirchliche Malerei stellt ihn greisenhaft, als weißen Europäer dar 4), aber auch jugendlich als Mohr 5). •— Soll die Wünschelrute unterirdische Quellen hervorzaubern, so muß sie auf M. getauft werden 6 ). 1 2 ) N o r k Festkalender 83. ) Grimme Schwanke u. Gedichte 35 f. 3 ) F r a z e r 9, 330. 4 5 ) Menzel Symbolik 1, 499. ) Pfleiderer Attribute d. Heiligen 1 1 5 . *) A l p e n b u r g Tirol 393; Elsässische Monatsschr. 1913, 582. Sartori.

melden (sich) s. künden 5, 811 ff. Melisse (Frauenkraut, Herzkraut; Melissa officinalis). Stark (zitronenähnlich) duftender Lippenblütler mit eiförmigen Blättern und weißen Blüten. Die aus Südeuropa stammende Pflanze wird oft in Gärten (besonders auf dem Lande) angebaut 1 ). Im deutschen Aberglauben spielt sie kaum eine Rolle. Nach P l i n i u s 2 ) muß man mit der M. (es kann auch ein anderer Lippenblütler damit gemeint sein) die Bienenstöcke einreihen> damit die Bienen im Stock bleiben8). Damit man von den Bienen nicht gestochen wird, trage man M. in den Händen oder mache ein Kränzlein davon *). Die M. dient bei Herzkrankheiten, denn die Blätter tragen die „Signatur und Anatomey" des Herzens8).

Marzeil Kräuterbuch 158. 2 ) Nat. hist. 2 1 , 82. 149; vgl. Columella De re rustica 9, 8. ' ) Wiiid auch heute noch geiibt z. B. S c h u l l e r u s Pflanzen 356; vgl. Marzell Pflanzennamen 95 f. ; A l b e r t u s M a g n u s Buch der Versammlung 1508 cap. 6. 4) S e i t z Trost der Armen 1 7 1 5 , 67, vgl. T a b e r n a e m o n t a n u s Kreuterbuch

melken

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1664, 739. 6) I. Frank Signatur usw. 1618, 8; vgl. auch Hildegard Physika 1, 59. Marzeil.

melken. ι. Dreimalm. in der Sage. 2. Fernm. und geisternde Melker. 3. M. in der kosmologischen Bildersprache. 4. M. in der Mystik. 5. Melkkuh. 6. u. 7. Melktabus. 8. Melkgefäße. 9. Schweigen während des M.s. 10. Melksegen. I i . Melksprüche und -Lieder. 12. Kreuzm. 13. Schlagen, Urinieren usw. beim M. 14. M. vor dem ersten Austrieb. 15. Nach dem M. 16. M.tage. 17. Opfer beim M. 18. Sympathetischer Aberglaube beim M. 19. Augurien beim M. 20. M. im Heilzauber. 21. M. im Gegenzauber. 22. Nicht m. beim Schatzheben.

Das Melkgeschäft ist bei seiner ungeheueren Wichtigkeit für die milchverarbeitenden Völker einmal mit einer ganzen Mauer a p o t r o p ä i s c h e r Maßnahmen umgeben, dann sucht auch s y m p a t h e t i s c h e r Z w a n g s z a u b e r bei dieser Tätigkeit Milchfülle zu erzwingen; das M. spielt auch sonst im Aberglauben und in der Sage eine große Rolle. ι. Das D r e i m a l m . in Ü b e r l i e f e r u n g und S a g e : Daß man am Tage möglichst oft die Kühe m. kann, ist der Hauptwunsch der Bauern; so berichtet Beda über den Monat Mai: thrimilci dicebatur, quia tribus vicibus in eo per diem pecora mulgerentur; talis enim olim erat ubertas Brittanniae vel Germaniae 1 ). In Schweden, im Nordaldistrikt, wird am Himmelfahrtstag oder an Pfingsten das Fest des Mittagm.s begangen, weil von da an die Kühe dreimal gemolken werden : Die Hirten treiben das Vieh heim und setzen einen mit Blumen und Kränzen verzierten Vogelbeerbaum auf den Schober; auf den Boden der Milchgefäße legt man Anemonen, Sumpfdotterblumen und gekochte Eier; nach dem M. erhalten die Kühe die Blumen zum Fressen, und die Hirten verspeisen die Eier auf dem Viehhof 2). In Jemtland geht das Dreim. bis Bartholomä 3) : Wann scheint zum Dorf das Laub im Hain, Melke dreimal die Kühe dein.

Häufig sind die Sagen von der früheren Existenz milchspendender Pflanzen, deren Segen sich die Menschen durch irgend einen übermütigen Streich verscherzt haben und die einmal bewirkten, daß man Bichtold-Stiubli,

Aberglaube V I

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die Kühe dreimal am Tage m. konnte: So hatte das Milchkraut diese Wirkung 4 ) ; ebenso machten die Butterblumen die Kühe dreimelkig s ). Diese Eigenschaft hatte auch das Renntiermoos (Cetraria rangiferina), bis die Almleute die Milch zum Putzen brauchten; da verfluchte Gott das „Rispail-Rispail" e) : Rispail-Rispail, nimma grün. Im Summa dürr, im Winta blühn.

Im Montafon wird das Renntiermoos „massiga" genannt; eine Dirne, des M.s wegen des ungeheuren Milchreichtums müde, verfluchte die Pflanze 7) : Massiga, Masse, Sei verflucht und grüne im Winter unter dem Schnee.

Auf den Alpen des hohen Calanda in Graubünden machte das Zyprion (Renntiermoos) die Kühe dreimelkig; da fluchte eine Dirne 8) : Ach melken, melken immerfort! O wärt ihr Kräuter längst verdorrt!

Die isländische Flechte (Cetraria islándica) verlor diese Eigenschaft, weil Christus eine Alplerin bei einem Milchbad antraf 9). Der Cyprian, der auch die Kühe dreimelkig machte, wurde von einer Witwe, die von einem hartherzigen Sennen abgewiesen wurde, verflucht ; worauf eine Himmelsstimme rief 1 0 ): Den Cyprian, den will' der lan, Laub und Gras, das lass mer stan.

Früher spendete auch die Wolfsmilch dreimal Milchsegen im Tage 1 1 ) ; auch eine besondere Grasart mit dieser Wirkung wird erwähnt 12 ). Sonst sind es gutmütige Vegetationsdämonen, die das Vieh dreimelkig machen, so das Koberchen in den Dresdener Heidedörfern 13 ) ; ähnliche Dienste erwiesen der wilde Jäger Herodis w ), die Saligen in Tirol 1 5 ) und Bayern, die Billeweiss im Görschitztale 1β ). Auch der schwere Wagen (wilde Jagd) in Preßburg verschaffte diesen Segen 17 ). x) B e d a de temp, ratione c. 13 Gilles); Jahn Opfergebräuche 300; Ags. Lesebuch 14. 2) Jahn 1. c. 300; Herabkunjt d. Feuers 185 ff. 3) E. M.

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(6. 179 Kluge Kuhn Arndt

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melken

Reise durch Schweden im Jahre 1804 (B. 1806) 3, 2 8 7 ; H e c k s c h e r 295. 4 ) M ü l l e r Uri 1, 75, 77. 5 103, 79. 104, 5. ) R o c h h o l z Glaube i, 9. *) A l p e n b u r g Tirol 4 0 8 s . ; J e c k l i n Volkstümliches 2, 42, 150. V o n b u n Beiträge 1 3 5 . 7 ) V o n b u n Beiträge 1 3 5 . 8 ) v. F l u g i Volkssagen aus Graubünden 1 3 1 ; V o n b u n I.e. 136. ·) D ä h n h a r d t Naturgeschichtliche Volksmärchen ι (L. 1909), 68, 47. 1 0 ) 1. c. 68, 49.; V e r n a l e k e n Alpensagen 2 2 ; vgl. Walliser Sagen 108; 0 . H e e r Der Kanton Glarus (St. Gallen 1846) 3 1 2 = K o h l r u s c h Sagen 239 Nr. 1 3 ; W a r t mann St. Galler Volksbotanik (St. Gallen 1 8 6 1 ) 1 1 ; L ü t o l f Sagen 3. 7 7 . 3 4 2 ; V o n b u n 1 . e . 1 3 6 ff. l l ) V e r n a l e k e n Sagen 4 1 8 , 1 3 6 . 12 ) K o h l r u s c h Sagen 240. 1 3 ) M e i c h e Sagen 14 298, 387. ) M a n n h a r d t German. Mythen ¿ o f f . ; ZfdMyth. 1 , 1 0 1 . 1 6 ) M a n n h a r d t 1 0 3 ; D e r s . German. Mythen 5 2 ; Z i n g e r l e Kinderund Hausmärchen 55; Schöppner Sagen 2. 25, 489; W a s c h n i t i u s Perht 1 7 4 ; Z i n g e r l e w Sagen Nr. 32. ) G r a b e r Kärnten 65, 73. 17 ) ZfdMyth. 2, 190; Mannhardt Germ. Mythen 50.

2. Die übrigen Sagen vom M. lassen sich in zwei G r u p p e n zerlegen: Einmal haben wir die reiche Überlieferung von den Dämonen, Kobolden und Hexen, die den Kühen die Milch abm. durch F e r n m . an einem Axtstiel, Strick usw., alle angeführt im Artikel Milchhexe (§§ 4 u. 5). Wohl der älteste Beleg für die Anschauung, daß die Mägde beim M. durch einen bösen Kobold gestört werden, ist die bekannte Stelle in Ysengrimus (12. Jh.) : Hier stört der als teuflischer Dämon geschilderte Kobold „Agemundus" (vom geistlichen Verfasser mit Habichtsschnabel Pferdemähne, Katzenschwanz, Stierhörnern, Ziegenbart teuflisch gestaltet) die Magd beim Melken und Buttern 1 8 ) : 7. 3 3 9 : Pars tunicae, dars stillet humi, pars influa multro 3 4 5 : Rarescat butirum super ilio lacte.

Der Kobold auf dem Waltersdorfer Gut bei Berga zwickt die Mägde und wirft die Milchgefäße um; das sind die bösen Gegenfolien zu den hilfreichen Hausgeistern 19 ). Eine teils gutmütige, teils teufelsähnliche Abart der Milchhexen und -drachen ist der A l b e r , der zuweilen den Sennen das Vieh melkt 20 ). Die zweite Gruppe rankt sich um geisternde Sennen und K ü h e : Die Melkerlöcher auf der Grubalm im Kaprunertale künden die Höllenfahrt des sündigen Melkers, der in einem Milchbad auf einem Sofa

I32 21

von reiner Butter saß ). Mitten auf dem Urdensee am Fuße des Weißhorns bei Davos sieht man einen verfluchten Sennen zuweilen eine rote Kuh m. 2 2 ). In Stein verwandelt samt Melkkübel und und Schemel ist die lügnerische Melkerin bei Schloß Saager in Kärnten 23 ). In den Clariden muß ein Mensch die Geisterkuh mit den schwarzen Zitzen am Karfreitag „unterm Passion" ohne ein Wort zu sagen, bis auf den letzten Tropfen m., um sie zu erlösen 24 ). Die geisterhafte Hirschkuh muß einer am Karfreitag, ohne etwas zu denken, bis auf den letzten Tropfen ausm., dann kann er alles, was er will, erlösen 25 ). Müller26) bringt noch mehrere Variationen. In der bekannten Sage von der dreifarbigen Milch wird betont, daß die weiße Milch von den Kühen kommt, die das Jahr über recht gemolken wurden ; die Geistersennen lehren den Buben das Jauchzen, damit sich die Kühe besser m. lassen 27 ). 18 ) Ysengrimus ed. Voigt 365 ff.; G r i m m Mythol. ι , 422. M ) E i s e l Voigtland 52, 1 1 7 . 20 ) Lit. siehe B e r g g e i s t A . 1 1 9 u. D r a c h e 21 A . 403. ) Freisauff Salzburg 360 ff. 22 ) V o n b u n Beiträge 19. " ) G r a b e r Kärnten a4 257. 3 5 2 . ) M ü l l e r Uri 1, 73 Nr. 101 a. ίβ " ) I.e. 74, d u. e. ) I.e. 7 4 0 . - 7 7 . *') M ü l l e r Uri 2, 2 8 1 , 9 1 6 ; vgl. J e g e r l e h n e r 2, 1850.; Niderberger, 1,19.27.

3. Das M. in der k o s m o l o g i s c h e n B i l d e r s p r a c h e : Indra, der indische Gewittergott melkt der Wolke Dunkel, sein Blitz öffnet die Euter der Berge 28 ), er melkt mit dem Donnerkeil die Wolkenkühe 29 ). Panini läßt die Wolken durch die Ghandarven m. 3 0 ) (s. Milch § 3). Ähnlich heißt es vom Notos bei Ovid: Utque manu late pendentia nubila pressit 3 1 ). In seinen beiden Aufsätzen „die m.den Götter bei den Indogermanen" 32 ) und die Butterhexe in Wagnitz 3 3 ) hat W. Schwartz in seiner bekannten Weise diese Bilder ausgedeutet und als eine mythische Vorstufe zum zauberischen Abm. der Hexen zu erklären versucht, nachdem schon Mannhardt M ) in derselben Linie die Gleichung Indra-Thor zu beweisen gesucht hatte. Daß sich solche Vorstellungen auch im Zauber auswirken, zeigt ein Regenzauber in Manip-

pur: Hier m. io8 Mädchen 108 Kühe im Tempel des Govindji nackt, um Regen zu erzeugen 35 ). M ) O l d e n b e r g Religion des Veda 1 9 1 7 , 136; 2 *) M a n n h a r d t v g l . R o c h h o l z Sagen 1, 335. Götter 61 ff. 30 ) E . M e y e r Indog. Mythen 31) 1883, 32, 148; Z f V ö l k e r p s y c h . 19, 74. 32 ) Metamorphosen 1, 268. ZfVölkerpsych. 19, 6 6 — 7 7 . 33 ) Z f E t h n . 26, 13 ff. M ) German. Myth. 6. 14. 17 ff. M ) F r a z e r 1 , 2 8 4 .

4. M. in der M y s t i k : Die mystische Bedeutung treffen wir schon bei Hiob: Hast du mich nicht wie Milch gemolken und wie Käse gerinnen lassen 3e ) ? Die Vision der Perpetua sieht Christus beim M. S7) (s. Milch § 4) der Schafe. Dornseiff S8 ) zitiert aus der 19. Ode Salomos : Ein Becher Milch ist mir dargebracht worden . . . der Sohn ist der Becher und der, der gemolken ward, der Vater. Und es melkte ihn der heilige Geist, weil seine Brüste voll waren. 3 ·) 10, 10; vgl. G r i m m DWb. 6, 1998. ") A R w . 13, 545; K r a u s Realencycl. d. christl. 38 ) Alphabeth2 Altertümer 2 , 3 9 5 . 19.

5. Die Bedeutung, die der Melktätigkeit zugemessen wird, sieht man auch an der Behandlung der neumelkigen Kuh: In der Pfalz z. B. wird die M e l k k u h besonders gepflegt; sie bekommt nach dem Kalben Brot und Schmalz, damit die Milch fett wird 39 ). Bis ein Rosenkranz gebetet ist, muß die Kuh gemolken und ein richtiger Schaum auf der Milch sein40) (Ettenheim). 3i) B e c k e r Baden 403.

134

melken

133

Volkskunde

261.

40 )

Meyer

6. Eine Fülle von s y m p a t h e t i s c h e n , besonders a p o t r o p ä i s c h e n Z e r e m o nien und Maßnahmen umgürten diese Handlung: Wer nordisches Parallelmaterial zu den abergläubischen Melkgebräuchen sucht, findet das in reichlicher Auswahl in dem Werk von Heugren 41 ), wo schwedische, norwegische, finnische, dänische Beispiele vorgelegt sind; wie man eine neukalbende, wie man eine mehrkalbende Kuh m. soll, wie man die Biestmilch aus dem Stall tragen und behandeln soll, ist da aufgezählt. Speziell norwegische Beispiele bietet Nergaard 42 ). Von diesem Werk sind einige Belege verwertet, vor allem aber ist Feilberg 4S ) herangezogen.

41)

Husdjuren in nordish Folktro 29—39. S i g u r d N e r g a a r d Skikk ok Bruk.Oslo 1927, 33 ff. « ) Ordbog 3, 537 ff.

42 )

7. Bestimmte T a b u s beziehen sich auf das G e s c h l e c h t der m.den Person: Bei den Todas in Südindien sind die Milchmänner, die die Kühe m., geheiligt und göttlich verehrt 44 ). Bei den Bahimas m. nur Männer die Kühe; Frauen machen Butter, die aber nur zur Salbe verwendet wird 45 ). Bei den Baganda dürfen die Milchgefäße nicht von menstruierenden Frauen berührt werden 46). Dagegen ist es in Ost-Afrika den Frauen vorbehalten, zu m. und die Felder zu bestellen 47 ). Die Schweizer Melker m. die Kühe selbst und lassen keine Frauen daran 48 ). In Pennsylvania heißt es nach Heidelberger Überlieferung: Ein Mannskerl soll ein Rind zum erstenmal m., dann schlägt es nicht aus 49 ). 44 ) F r a z e r 1 , 1 , 4 0 2 ff.; v g l . 3, 15 ff.; v g l . die Melkzeremonien bei den U n g o r o : F r a z e r 2, 292. ω ) D e r s . Totemism 2, 534. 4 e ) F r a z e r 10,80. " ) I.e. 7 , 1 1 8 . C o l e r Oeconomia ι , 408 ff. c. 64. 49 ) F o g e l Pennsylvania 159, 734.

8. M i l c h g e f ä ß e dürfen nur b e d e c k t über die Straße getragen werden, weil sie sonst verhext werden könnten durch den bösen Blick 50 ). Man soll vor allem ein männliches Kleidungsstück darüber dekken (Norwegen)51). Wenn man in Schwaben mit dem Melkkübel über die Straße gehen muß, wirft man etwas Salz in den Kübel, um die bösen Leute abzuhalten 52). Um viel Milch zu bekommen, stürzt man den Melkkübel über den Kopf, wenn man in den Stall geht 53 ) (Baden). Im Département Orne wirft man in den Eimer, mit dem man zum erstenmal melkt, Salz 54). In Saint-Kilda auf Voila (Shetlandsinseln) legen die Bäuerinnen beim M. eine kleine Blume in den Melkeimer, um die Milch vor bösen Leuten zu schützen65), in Deutschland Monviole se ). In Schwaben wäscht man die Gefäße mit stolzem Heinrich aus 57). In Schottland legt man einen Frosch in die Milchgefäße 58). In Schwarzach (Baden) macht man das Kreuz über den Kübel 5 9 ). Die Angst vor Schadenzauber steht hinter dem Verbot: Zum Kuhm. lasse man niemals Fremde in den Stall (Chemnitz, aus dem

135

melken

Journal) 60). Nach de Nore bedienen sich die Bäuerinnen der Normandie, wenn sie vom Markt zurückkommen, eines ehernen Gefäßes; dieses Metall bewahrt vor Zauberei und bewirkt eine Fülle von Milch «). 60 ) S e l i g m a n n Blick 2, 280; v g l . P . W a l t h e r Schwäb. Vk. 1 7 1 . 5 1 ) I . e . 1 , 2 3 5 ; L i e b 62 ) M e i e r r e c h t Zur Vk. 318, 45. Schwaben 63 ) M e y e r 54 ) 1 7 7 , 15. Baden 403; W . 704. 55 s e S e l i g m a n n 1. c. 2, 35. ) 1. c. 52. ) 1. c. 78. " ) I . e . 86. " ) I . e . 118. «») M e y e r I . e . 403; 60 ) G r i m m W . 705. Myth. 3 , 4 5 1 . 503; v g l . el) B a r t s c h Mecklenburg 2 , 3 7 , 26 a. Liebr e c h t Gervasius 100.

9. Im Rheinland darf man während des M.s mit niemand sprechen, sonst werden die Kühe trocken 62 ). Es darf auch nicht gesungen werden, sonst halten die Kühe die Milch zurück (SchleswigHolstein) 63). •2) W r e d e RheinVk. 2 1 5 ; vgl. Bartsch I . e . a u. b. ®3) M e n s i n g Wb. 3 , 6 2 6 .

10. D e r M e l k s e g e n : Aus der alten Weiber Philosophey: So die fraw des morgens in stall gehet, die kühe zu m., und spricht nicht : Gott behüte euch und St. Beye, so schlagen die Kühe gern hinten aus, und zerbrechen oder verschütten den Milchhafen ®4). Nach Lorichius Aberglauben sagte im 16. Jh. die Magd vor dem M. : Unser Vieh und Kühe, behüte Gott und St. Brye 6 S ). In den Vogesen hieß dieser Spruch im 15. Jh.: Vous sauve Dieu et sainte Bride 66 ). In Kappel bei Freiburg wird während des M.s der Stallsegen gesprochen; in Neusatz beteten die Melkerinnen früher den englischen 67) Gruß. Bei Gewittern wird in Wildtal der Melksegen sehr laut gebetet ; denn soweit man den Schall hört, schlägt der Blitz nicht ein, während er beim M. dreimal in singendem Ton gesprochen wird 68 ). Auf den Schweighöfen bei St. Märgen betet man beim M. den Viehsegen: Ave Maria (dreimal) . . . Lieber Herr Jesus Christus Bhüetis der Heb allmächtig Gott alles, was hier ist, Bhüetis Haus und Hof, Lütt und Vieh, Ehr und Guet, Fleisch und Bluet, Leib und Seele. Ehre der hochheiligsten Dreifaltigkeit, G. V., G. S. und G. Heiliger Geist 6i ).

136 M)

Z f d M y t h . 3, 313, 53. « ) M e y e r 1. c. 403. β7 ) M e y e r ββ ) 1. c. S é b i l l o t 3, n o . I. c. 69 ) I . e . 363; 138· 138.

ββ )

11. Die M e l k s p r ü c h e u n d - g e s ä n g e werden bei Bücher 70), LewalterSchläger 71) und Dalmann 72) behandelt : Sie loben die Eigenschaften der Kuh oder haben oft apotropäischen Charakter: „O willkommen ihr, und der böse Blick möge ihr nicht schaden". Bei den Letten und Esten soll der Gesang die Kühe, welche die Milch zurückhalten, bewegen, die Milch herzugeben 73 ). Diese Vorstellung findet auch in einer Schweizer Sage 74 ) ihren Niederschlag: Die geisterhaften Sennen lernen den Bub das Jodeln, damit die Kühe sich gerne m. lassen. Die üblichen Melkverse haben den Charakter wie der Nordheimer Kindervers: Stripp, Strapp, Strull, man den Emmer balle vull 75 ). In Schleswig darf man beim Melken nicht singen 76 ). ,0) 71) Arbeit u. Rhythmus8 134—136. N r . 1 1 9 fi. 72 ) Palästinischer Divan L . 1901, 73) B ü c h e r 74 ) M ü l l e r 50—52. I.e. Uri 2, 291. 75 ) Z f d M y t h . 3, 177, 1 1 ; M e n s i n g 1. c. 7β ) M e n s i n g 626. 1. c.

12. Die T e c h n i k , mit der man beim M. die Z i t z e n der R e i h e n a c h vornimmt, ist oft von abergläubischen Vorstellungen beherrscht : Das Über-dasKreuzm., also linke Vorderzitze, rechte Hinterzitze und umgekehrt, ist in Tondern verboten 77 ). In Steiermark glauben die Mägde, die Milch könne nicht verhext werden, wenn sie übers Kreuz m. 7 8 ). In der Pfalz müssen die Kühe immer über Kreuz gemolken werden79), in der Rheinpfalz mit den Strichen gegen einander zur Abwehr der Hexen 80 ). Diese Art des M.s wird auch im Gegenzauber benutzt (vgl. §31). 77)

vgl.

E b d . 3, 625. ">) Z f V k . 5, 410. 79 ) W . 704; 80 ) B a v a r i a S é b i l l o t 3, 86. 4, 2, 343.

13. Gefürchtet, oft als Auswirkung eines bösen Zaubers, ist beim M. a) das Z u r ü c k h a l t e n der Milch durch die Kühe, b) wenn die Kühe unrein m., c) das u n r u h i g e B e n e h m e n der Kühe, d) das A u s s c h l a g e n , e) das U r i n i e r e n während des M.s. ad a) Wenn die Kuh ihre Milch ver-

13 7

melken

zieht, gibt man ihr morgens nüchtern von der eigenen Milch 81 ). Wenn in der Schweiz eine Kuh die Milch zurückhält, kocht man Bouillon von einem Kater und gibt ihr das Zeug zu saufen 82). In Falkenstein in der Pfalz klöpfelt die Dirne das Euter mit einem neuen ungebrauchten Kochlöffel, damit die Milch recht fließt83). Die Hausfrau schüttet Korn in einen Sack und sagt: So schnell das Korn in den Sack fließt, so schnell die Milch in das Euter der Kuh 8 4 ). In Schwaben macht die m.de Magd Knöpfe und Haften des Kleides auf 85 ). ad b) Milkt eine Kuh unrein, so melke man drei Züge in den Schoß und schlägt mit dem Unterrock dreimal an den Türpfosten, oder man melkt in den Unterrocksaum und trocknet damit das Euter dreimal gegen die Sonne 86 ). ade) Will eine Kuh nicht stehen, so muß man ihr eine Männerhose über das Kreuz legen (in der Schweiz die Kopfbedeckung 87 )), das Strumpfband vom linken Bein um das rechte Horn binden, oder dreimal den Milcheimer um den Leib des Tieres kreisen lassen 88 ), oder man legt ein offenes Messer mit der Schneide nach oben in den Eimer und läßt die Kuh dreimal von jemand m., der sie noch nicht gemolken hat, so daß die Strahlen die Schneide treffen, oder es muß einer im Stall fragen: Is de Wind still, und einer vor dem Stall antworten: Ja mien Stark is ok still, oder man muß sagen: stehet still als wie ein Baum, der da wächst am Jordan, da unser Herr Christus getauft wird, im Namen . . . 89). In Schwaben schlägt man der Kuh den Unterrock auf den Rücken und sagt dazu: I hau di mit meim Unterrock, No mußt du halte wie e Dock 90 ). Wenn die Braut am Hochzeitstag weint, m. die Kühe gut 9 1 ). Damit die Kühe gut m., so hacke man am Tage des Skorpions und bei Vollmond Raute nebst Pfingstrosen und gebe es den Kühen mit einer Bähschnitte 92 ). Wenn die Kühe beim M. unruhig sind, soll man sie mit dem Stock eines Bettlers schlagen 93 ). Nach Sonnenuntergang darf man keine Milch verkaufen, da sich sonst die Kühe nicht m. lassen 94 ).

138

ad d) Schlägt eine Kuh beim M., so soll sich die Magd mit nacktem Hintern auf den Melkkübel setzen (Mark Brandenburg 9 5 )); oder man nimmt ein Stück eines Strickes, mit dem eine Leiche ins Grab gesenkt wurde und schlägt die Kuh damit 96 ), oder man geht stillschweigend ins Haus, nimmt die Schnur vom Spinnrade und bindet sie der Kuh um 97 ). Prophylaktisch kriechen die Milchmädchen unter der Starken durch, bevor sie zuerst kalbt, damit sie beim M. gut stehe 98). Wenn eine Kuh zum erstenmal kalbt, nehmen zwei Männer das Kalb an den Beinen, heben es über die Kuh und bestreichen deren Rücken dreimal; dann wird die Kuh in Zukunft nie schlagen beim M. " ) . In Ille-et-Vilaine beruhigt man eine vache fringante, indem eine fillemère sie berührt 10°). Im Norden bindet man einerschlagenden Kuh stillschweigend die Hose eines Junggesellen vor die Augen 101 ). Im 16. Jh. betete man in Baden gegen diese Untugend den Melksegen (s. §11). ad e) Wenn die Kühe beim M. urinieren, gelten sie als verhext 102 ) ; dann soll die Melkerin dreimal in den Urin spucken (Rheinpfalz) 103 ). In Böhmen schneidet man drei einjährige Ruten von Hagebutten ab, gießt etwas Milch in ein Gefäß mit glühenden Kohlen und peitscht die Milch, bis die Ruten zerschlagen sind, beim M. 104 ). 8l ) B a r t s c h 1. c. 2, 151, 679. **-) SAVk. 5. 2 3 9 (Bagnes). 83 ) Bavaria 2a, 303, 10; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1,334. 84 ) MdBlfVk. 1929, 85. β') W a l t h e r Schwab. Vh. 171. 8e 87 ) N e r g a a r d 1. c. 33. ) SAVk. 15,240. 88 ) ZfVk. 24, 62, 31. 8») M e n s i n g Wb. 3, 626. ,0 ) W a l t h e r I.e. 170 ff. 9 l ) G r o h m a n n 231,1668. »2) 1. c. 136,982. ·3) F i s c h e r i4 Aberglaube 205. ) G r o h m a n n 138, 1008. ,5 ) ZfVk. ι, 185; W e i n h o l d Ritus 42; W. 704; vgl. E n g e l i e n u. L a h n 1, 273. M ) B a r t s c h 1. c. 2, 149, 672. " ) 1. c. 146, 660. *8) 1. c. Nr. 655. m ) W i t z s c h e l Thüringen 2,280,41. 10 °) S é b i l l o t 3,110. 101 ) F e i l b e r g I.e. 537. 102 103 ) S e l i g m a n n 1, 255. 258. ) Bavaria 10i 4. b, 377) G r o h m a n n 134, 977; vgl. H a l t r i c h 277. I

14. B e s o n d e r e V o r s i c h t ist bei einer Kuh a) n a c h dem Kalben, b) b e i m e r s t e n A u s t r i e b geboten: ad a) Wenn die Kuh abgekälbert hat,

139

14α

melken

muß man sie durch einen Ehering oder durch ein Prangerkranzel m. (Landshut) 10S). Die Huzulen m. die Kühe beim ersten M. durch einen Trauring, damit die Hexen nichts schaden 106). Wenn die Bauernweiber das erstemal wieder eine Kuh m. und sie buttern drei Freitage hinter einander aus, können die Hexen dem Vieh nichts schaden 107 ). Beim ersten M. muß die Melkerin ihre Schürze abnehmen und sie der Kuh über den Rücken decken, dann läßt sie sich immer gut m. 108 ). In Schottland wirft man Salz in die Milch 109 ), oder legt in den Melkkübel einen Shilling no ) oder den Nagel eines Hengsthufeisens 111 ). Feilberg bietet folgende Parallelen u 2 ) : Man muß stillschweigend über Stahl m., ein Messer in den Melkeimer legen, oder die Strahlen aus zwei und zwei Zitzen werden über Kreuz in eine Eierschale gemolken, die die Kuh verzehrt (gegen die Hexen) ; es muß vor allem stillschweigend gemolken werden; das Mädchen soll die Kleider hinaufstecken, damit die Kühe zartmelkig werden (Ersatz für Nacktheit?); eine Färse soll zum erstenmal durch ein Scherenauge gemolken werden. Das erste Glied eines Strohhalms soll über den Kübel gelegt werden, oder das Mädchen soll ein paar Mannshosen über sich nehmen und eine Harke auf den Rücken. ad b) Die Rockenphilosophie schreibt vor: Werden die Kühe frühlings zuerst ausgetrieben, so soll man sie durch einen Kranz von Gundermann m. 113 ). Wenn man die Kühe das erstemal im Frühling milkt, geschieht es durch einen Efeukranz 114 ). ) P o l l i n g e r Landshut 155. 10«) Globus 69,386; F r a z e r 3, 314 ff.; ZföVk. 1912, 115; R. F. K a i n d l Die Huzulen (Wien 1894) 89. 107 ) B r e v i n u s - N o r i c u s - F a g o - V i l l a n u s 223. 1M ) M e n s i n g 1. c. 626. 10») S e l i g m a n n 1. c. 2. 35· 110) 1. c. 22. l n ) 1. c. 14. 11!î) 1. c. 537. 113 ) Grimm Myth. 3, 449. 462; J a h n Opfergebräuche 301ft.; M a n n h a r d t G.M. 6 A. 3. 1M ) S e l i g m a n n I.e. 2,61. 10t

15. Damit die Meiereimädchen n i c h t e i n s c h l a f e n , stecken sie sich große Tombakringe 11δ ) an. Bei der R ü c k k e h r v o m M. dürfen die Eimer nicht unbedeckt bleiben, damit die Vögel des Himmels nicht hineinsehen 11β ). Am

Schlüsse des M.s werden vom Milchkraut (Schafgarbe) drei Blätter in jeden Eimer getan, damit sich die Milch gut buttern läßt 1 1 7 ). Nach Feilberg schlägt die Magd die Schürze über den Eimer 118 ). Besonders die Milch einer neumelkigen Kuh (nach Nergaard) soll man nicht über den Hof tragen, ohne ein Tuch über das Geschirr zu decken 119 ), auch soll man nach dem M. ein Kreuz über jede Kuh schlagen, damit nicht die Huldra sie milkt 120 ). In. Westnorfolk muß der Melker die Hände vor oder nach dem M. waschen, sonst wird die Kuh trocken 121 ). In Dithmarsen muß man die Hände in einem Graben waschen, sonst werden sie spröde 122 ). 116 ) Mensing 1. c. 626. 11β) T o p p e n Masuren 100. u ' ) M e n s i n g I.e. 623. 11S) I.e. 537. «») I.e. 33. 12°) N e r g a a r d I.e. m )> FL. 18,435. 1M ) M e n s i n g I.e. 626; ZfVk. 23, 282, 14.

16. M e l k t a g e u n d E i n f l u ß d e s l e t z t e n M e l k t a g e s auf das W e r f e n des K a l b e s : Wenn man eine Kuh am Freitagmittag das letztemal milkt, kälbert sie bei Tage 123 ) ; in Mecklenburg muß das am Sonntag oder Donnerstag geschehen 124) ; in der Hochbretagne muß man die Kuh am Sonntag zu diesem Zweck das letztemal m. 1 2 S ). Im Meininger Oberland muß man die Kuh das· letztemal des Abends m., wenn sie bei Tage kalben soll 126 ). Wenn man in Pennsylvania eine Kuh trocken stehen läßt, melkt man sie zum letztenmal am Sonntag 127). Heugren gibt an, wie man m. muß, damit ein männliches oder weibliches Kalb geworfen wird 128 ). 1M « 3 ) F i s c h e r SchwäbWb. 4, 1596. ) B a r t s c h 2, 146, 659 a u. b; vgl. Ε. H. M e y e r

German.

12β

Myth.

214.

m

)

Sébillot

) W i t z s c h e l I.e. 2,279,35.

vania

159, 753.' W . 447.

128

12

3,81.

') Pennsyl-

) I . e . 3 4 ff.

17. O p f e r beim M. : F. A. Milne nimmt eine Libation an, wenn man in Norfolk, bevor man in den Eimer melkt, einige Tropfen auf die Tenne, aber nicht auf das· Stroh 12β ), spritzt. Nach Nergaard sollte man immer etwas vom ersten M. weggeben (s. Milch § 16) 1S0 ). Tröpfelt aber in Dithmarschen beim M. Milch auf die Erde, so wird die Kuh trocken m ) . Auch in Norfolk glaubt man, daß die Kuh

melken

141

trocken werde, wenn beim M. die Füße der Kuh bespritzt werden 132 ). Will man •eine Kuh trocken stehen lassen, so melkt man das letztemal auf den Boden (Pennsylvania) 13s ) (s. auch Milchopfer § 7). 12») F L . 18, 436. 13°) 1. c. 33 (alle nordischen m ) Stellen hat mir E. Seemann übersetzt). 1 3 i ) FL. I.e. 133 ) F o g e l 2 f V k . 24,62,35. Pennsylvania 159, 752.

18. S y m p a t h e t i s c h e r A b e r g l a u b e beim M. : Wenn man sich nach dem M. mit Feuer zu schaffen macht, bekommen die Kühe Brandblattern am Euter 134 ). Nach Nergaard darf man niemals frisches Laub im Stall verbrennen, sonst werden die Kühe wundzügig 13S ). 1M) 13S)

Z a h l e r Simmenthai 19; F r e u d e n t h a l 92. 1. c. 33·

19. A u g u r i e n beim M. Wenn ein Mädchen beim M. fällt und sie findet ein vierblätteriges Kleeblatt, so soll sie es unter das Kopfkissen legen; der Mann, -von dem sie nachts träumt, ist für sie bestimmt 186 ). Wenn man beim M. einer Kuh niest, wird man, ehe die Milch verzehrt ist, einen Todesfall erleben 137 ). 1 M ) M e n s i n g I.e. 626. l37 ) Aus Norwegen: L i e b r e c h t Zur Vk. 312,4.

20. M. im H e i l z a u b e r : Aus einem •elsässischen Arzneibuch des 14. Jh.s: Für den wüesten kolbehten grind: So nim milch die an eime sammestdage gemolken ist und lôsse die stôn über naht vnd nim sie abe an dem sunnendage vnd bestriche dz höbet mit der abgenommenen milch alle tage ein môl. . . 1 3 8 ) . 138 )

Alemannia 10,221.

21. Das M. im G e g e n z a u b e r : In Schwaben und in der Schweiz melkt man die verhexte Milch durch einen Kuhstein (beim Gewitter heruntergefallen) 13e ). Wenn man die Milch durch den Doggistein melkt, ist sie immer vor dem Doggi sicher 140 ). Der Kuhstein wird auch in einer hessischen Quelle erwähnt : Es finden sich nicht wenige Weiber, die, wenn die Kühe Blut m., per foramen lapidis fulminaris, quem Kuhstein appellare soient, m. 1 4 1 ). Fliegt eine Schwalbe in den Stall und unter der Kuh weg, so gibt diese Blut statt Milch : Man führe sie auf einen Kreuzweg, melke sie dreimal durch einen Ast und schütte ihr die gemolkene Milch drei-

142

mal rückwärts über den Kopf 1 4 2 ). Ist in er Mark die Milch blutig, so melkt m^n durch einen Eichendopp (Eichenholz mit einem Loch) 143 ). In Oldenburg melkt man die verhexte Milch durch den Ring, der sich an der Stelle bildet, wo der Ast abgesägt ist 144 ), in Pennsylvanien durch eine Schweinsblase 145 ). Feilberg erwähnt das M. durch einen Ehering, durch das Loch am Fuße eines Kerzenhalters, durch den Ring an der Uhrkette einer geliehenen Uhr 1 4 e ). Verliert die Kuh durch Hexerei die Milch, so muß man mit einem Erdbohrer ein Loch in die Schwelle bohren, über die die Kuh aus- und eingeht, dann einige Tropfen in das Loch hineinm., einen Pfropfen in das Loch stecken und dreimal daraufschlagen; beim dritten Schlag ist die Hexe tot 1 4 7 ). In Tschiporofzi backen die Frauen auf den Georgstag einen Kringel. Der Schäfer gräbt im Stalle ein Loch in die Erde, stellt darüber den Kübel und melkt das Schaf, das zuerst geworfen hat, durch den Kringel hindurch, in dessen Mitte ein Ei angebracht ist. Nachdem alle Schafe gemolken sind, vergräbt er das Ei, um die Schafe vor Zauberei zu schützen 14S ). In der Nähe von Küstendil wird über den Kübel ein Kranz gelegt; man melkt durch den Kringel oder einen silbernen Ring, den man in die Milch fallen läßt. Der Kringel wird unter die Schafe verteilt 14S). In Weinsberg (Württemberg) melkt man, wenn die Milch geronnen ist, an drei Freitagen auf den Boden des umgekehrten Melkeimers und schüttet die Milch ins Feuer 15°). In Pommern melkt man im Namen Gottes in den umgekehrten Melkeimer, macht mit einem Messer durch die Milch hindurch ein Kreuz auf den Boden, sticht mit der Messerspitze hinein und schüttet die Milch in fließendes Wasser 151 ). Man melkt dreimal vor Sonnenaufgang mit ungewaschenen Händen und schüttet die Milch über die Hörner 152 ). Wenn die Kuh abmagert, melkt man nach dem Abendm. dreimal kreuzweise auf den Boden des umgekehrten Kübels 1B3 ). In Oldenburg macht man ein Kreuz mit Kreide unter den Melk-

143

Melkkübel—Mennig

144

eimer 1M ). Wenn eine Kuh unfruchtbar ist, soll sie am Freitag übers Kreuz gemolken werden, und das Mädchen muß dreimal spucken 155 ). In der französischen Schweiz melkt man übers Kreuz, frottiert die verhexte Kuh mit der Milch und schüttet diese in die Jauchegrube 16e ). Am Lechrain melkt man beim Notkochen (s. Milchhexe § 8) nur an drei Zitzen, die vierte vordere links wird ausgelassen 167 ). Wenn eine Kuh die Milch verliert, muß die Melkerin bis neun zählen und wieder zurück, wobei sie bei jeder Zahl eine Zitze berühren muß 158 ). Eine euterkranke Kuh melkte man im Rheinland auf eine glühende Kohlenschippe 159 ). In Lüttich bekreuzt man sich, geht rückwärts in den Stall und sagt : Guten Tag meine Küh, um sie dann zu m.; am ersten Tag muß man vorsichtig die Milch aus dem Fenster tragen, sie gen Osten auf den Ofen stellen und sagen: Sei gut meine Kuh; dann melkt man sie um zweitenmal ; beim dritten M. geht man schräg in den Stall, legt die linke Hand auf das rechte Horn und sagt : Danke meine Kuh; von da an fließt die Milch reichlich leo ).

Gepflogenheiten in der Milchwirtschaft (s. Milch, Hexe) auf urtümliche Behandlung der Milch in solchen Kübeln zurückbeziehen lassen 1 ). Das Entzaubern der Milch mittels glühend gemachter Eisengegenstände bedeutet letzten Endes ein Zurückgreifen auf die primitive Methode des Kochens durch im Feuer erhitzte Steine, die man in den M. hineinwirft, wie dies in manchen Gegenden Europas (Baskengebiet, Balkanländer) aus dem alten Hirtendasein noch im 19. Jh. bezeugt ist 2 ). Noch heute pflegt man in Westpreußen, wenn die Milch nicht buttert, Steine aus den vier Himmelsrichtungen glühend in das „Butterfaß" zu werfen 3), was für diesen Zweck natürlich widersinnig ist. In Frankreich wird die alte Methode des Kochens mittels glühend gemachter Kiesel zum Zwecke der Krankheitsheilung verordnet, so daß die Überleitung alten Gebrauchs zur abergläubischen Behandlung damit als streckenweise noch nachweisbar angesehen werden kann 4). Im Erkennungszauber werden die Hexen den M. oder Rührkübel auf dem Kopfe tragend sichtbar, wenn man ein Antlassei oder einen Sonntags gefundenen Eggenzahn oder — in der Walpurgisnacht — schließlich auch, wenn man drei ganze in. einem Brot eingebackene Getreidekörner bei sich trägt 5 ). Die Erscheinung „mit dem M. auf dem Kopf" besagt wohl nichts anderes, als daß der Zauber die Hexen von weither heranholt; sie stellen sich so ein, wie Frauen eben nach altem bäuerlichen Gebrauch Gefäße mit Flüssigkeit auf weitläufigeren Wegen, etwa vom Brunnen zum Haus, auf der Alm vom Melkplatz zur Hütte herantragen.

22. Das geldgefüllte in der Aue beim Steierberg versunkene Schiff kann gehoben werden, wenn es von vier Kälbern einer Kuh gezogen wird, die immer nur süße Milch getrunken haben; die Kuh darf nie gemolken sein m ) .

*) Vgl. G r i m m Myth. 2, 902; über Geistergestalten mit einem Trog auf dem Rücken, 2 vgl. dagegen B a c k t r o g . ) B u s c h a n III. Völkerkunde 2, 2. 329Í. 3 ) N e g e l e i n Weltgeschichte d. Aberglaubens 137. 4) S é b i l l o t FolkLore ι, 357. ') Grimm Myth. 3, 462 Nr. 783 ; 456 Nr.636; 458 Nr.685. Vgl. 484 Nr. 169; Müllenhoff Sagen 214 Nr. 290; B a u m g a r t e n Jahr u. seine Tage Heimatgaue 7 (1926), 11. Haberlandt.

138 ) V o n b u n Beiträge 75; M a n n h a r d t G. M. 21. 140) Vonbun I.e. 42. 1 4 1 ) M a n n h a r d t 1. c. 21 fi. 14a ) G r i m m 3, 471, 979. 1 4 3 ) K u h n 144 Mark. Sagen 379,29; F r a z e r 1 1 , 1 8 5 . ) S t r a c k e r j a n 1 , 4 4 4 , 2 4 1 ; F r a z e r I.e.; Zrw5 146 Vk. 3, 203. » ) F o g e l 1. c. 159, 755. ) Feilberg I.e. 537. 1 4 7 ) Mensing I.e. 620 fi. 14β ) 14β A r n a u d o í f Bulgarien 40. ) I.e. 40 fi. 16 151 °) E b e r h a r d t Landwirtschaft 18. ) 1M S e l i g m a n n 1, 343. ) S e l i g m a n n 2, 128. I63 1M ) Grohmann I.e. 134,978. ) Seligmann Blick ι, 343. 1 5 5 ) F e i l b e r g 1. c. 1 M ) SAVk. 24, 80. 1 5 7 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 168 159 30ff. ) Mensing I.e. 620. ) ZrwVk. 1 , 2 1 6 ; F r e u d e n t h a l Feuer 88. 1β0 ) S e l i g mann I, 358.

wl ) K u h n Westfalen i, 13, 1 5 ; vgl. R o c h holz Sagen 1 Nr. 181 c. Eckstein.

Melkkübel. Der M. kommt für Ausbildung von Volksaberglauben insoweit in Betracht, als sich gewisse zauberische

Melusine s. N a c h t r a g . Mennig. Zugrunde liegt der deutschen Benennung des Minerals das lat. minium,

Mensch

145

das Mennig und Zinnober bedeutet. Plinius warnt vor dem Gebrauch des giftenthaltenden Mennigs, ausgenommen vielleicht den Fall, wenn es, zum Stillen des Blutes auf den Kopf oder Bauch gestrichen, weder in das Blut noch in die Eingeweide dringe x ). Die deutsche Volksheilkunde wußte von der angeblichen Giftigkeit des Mennigs nichts und verwendete das feurig-rotgelbe Mineral unbedenklich zu Salben und Pflastern. So berichtet Zahler von dem Gebrauch eines Pflasters bei allerhand offenen Schäden, Hundebissen, Karbunkeln, Seitenstechen u. a., in dem neben anderen Bestandteilen „Roter Men y " (Mennig) enthalten war 2 ). Auch Lammert erwähnt ein in Franken viel gerühmtes Pflaster, das bei jeder Verwundung entzündungswidrig und schmerzstillend wirken sollte; dieses Emplastrum fuscum enthielt neben anderen Bestandteilen auch Mennig 3 ). Das ähnlich zusammengesetzte Mennigpflaster (Emplastrum minii rubrum) war lange Zeit offizinell, heute ist es obsolet. n.h. 87.

P e t e r s Pharmazeutik 2, 1 1 6 ; Plinius 33 § 116 u. § 124. 2 ) Z a h l e r Simmenthai 3 ) L a m m e r t 201.

Zu der Bedeutung des M.s als stellvertretend für das rote Blut bei altgermanischen Beschwörungen vgl. M e y e r Religgesch. 148; in Gräbern als Ersatz eines Blutopfers vgl. S a m t e r Geburt 193, vgl. Rötel. t Olbrich.

Mensch. Die Auffassung des Volkes vom Wesen des M.en ist gegenwärtig durch die Lehre der Bibel bestimmt. Bei Nachfragen erfährt man, daß Gott den M.en geschaffen habe, ihm selbst zum Bilde, daß er ihm den lebendigen Odem einblies und alsobald der Mensch eine lebendige Seele wurde, daß der Mensch gesetzt sei, über alles zu herrschen, was auf Erden i s t 1 ) . Ferner besitzt der Mensch nicht bloß den Verstand, wovon auch die Tiere etwas haben, sondern es ist ihm darüber hinaus die Vernunft eigen, daß er sie recht gebrauche. Damit wird vom Volke an die Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit des M.en appelliert. Es kommt darin der gemeine M.enverBSchtold-Stäubli,

Aberglaube V I

I46

stand mit den Grundsätzen des Kantianismus überein 2 ). Ähnlich lautet das Urteil von Megenberg: Der M. hat Vernunft wie die Engel; kein anderes Wesen außer den Engeln und den M.en ist mit Vernunft begabt 3 ). Von den Kirchenvätern wird wohl die Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit des menschlichen Wesens hervorgehoben, mehr aber seine ewige Bestimmung 4 ). — Christlich beeinflußt ist die Vorstellung vom Wesen der Druden, insofern sie unvollkommene Menschen sind, die Gott, da der Sabbat zu schnell herbeikam, am 6. Tage nicht mehr fertig schaffen konnte 5 ). Der Teufel bringt in Nachahmung der Schöpfertat nur einen Affen zustande e ). Die menschliche Phantasie hat sich zu allen Zeiten stark erwiesen in der Erdichtung von menschlichen Fabelwesen, von den Blemmyae des Plinius 7 ) bis zu den schwarzen M.en mit Schnäbeln 8 ). Übrigens kann die Verwandlung eines M.en in Tiergestalt auch ohne Mitwirkung des Teufels stattfinden, ζ. B. durch „Gottes gerechte Gerichte" 8 ), ferner können M.en durch magische Mittel in Tiere verwandelt werden 1 0 ), das Wild auf Burg Greitz sind verzauberte M . e n n ) , die Spukgestalten der Nacht sind oft halb M., halb Tier 1 2 ). In anderen Sagen scheint das Menschlich-Tierische zum Wesen des vorgestellten Geschöpfes zu gehören 13 ). Praktisch erkennt das Volk die Zusammengehörigkeit von M. und Tier w ) , weil im ländlichen Haushalt M. und Vieh unter demselben Dache leben 1 5 ). Der Bauer redet nicht bloß mit seinem Hund wie mit einem guten Freund, sondern auch mit seinem Zugvieh. Der Tod des Hausherrn wird dem Hausvieh angezeigt ; verschiedene Gründe werden dafür angeführt 1 6 ). In Stockach geht, wenn ein M. im Hause stirbt, in demselben Jahre auch ein Stück Vieh zugrunde 17 ). Manche M.en haben die Kraft, sich in ein reißendes Tier zu verwandeln, und zerreißen die ihnen begegnenden M.én und Tiere. Die unheimliche Sage vom Werwolf ist noch heute im Volke lebendig und findet in dem wallachischen Priccolitch ein verwandtes Wesen: Ein lebender M. schweift nachts 5a

147

Mensch

als Hund umher und tötet die Nutztiere durch Anstreifen. Gleich dem Vampyr zieht er die Lebenssäfte der Getöteten an sich, weshalb er stets gesund und blühend aussieht. Er hat einen förmlichen Hundsschwanz als Rückgratsfortsatz 18 ). Von diesen unheimlichen, übermächtig begabten M.en des heutigen Volksaberglaubens ergeben sich, noch für uns erkennbar, nach rückwärts zwei Gedankenreihen: E i n m a l hat der M. eine Verwandtschaft mit den Tieren, sie sind ihm wesensverwandt. „Nach dem Mythus waren die ersten M. Bienen und Ameisen" 1 9 ). Die Abstammung des M.en von den Tieren, namentlich von den starken, reißenden, bildet den Glauben vieler wilder Völker 20 ). In dem Zusammenhang ist hier zu erwähnen, daß die Indianer von Guatemala glauben, in der Gestalt des besonderen Geschöpfes, mit dem sie sympathisch verbunden sind, zu erscheinen 21 ). Z u m a n d e r e n aber setzt der übermächtig begabte M. aus sich heraus den Glauben an die Dämonen. Die Gestalten dieser niederen Mythologie zeigen im Verhältnis zum M.en bald ein freundliches, bald ein scheues, oder ein feindliches Wesen. Als Hausgeister, da sie vielfach als die Seelen früh gestorbener Kinder vorgestellt werden, sind sie den M.en wohlgesinnt und werden nur tückisch, wenn sie von unverständigen M.en gereizt werden 22 ). Als Geister des Waldes, der einsamen Halden gesellen sie sich zu den M.en M ), treten unerkannt in ihre Dienste, aber weil sie „als Holzweibchen und Zwerge mit dem heutigen Weltlauf unzufrieden sind", so ziehen sie sich wieder von dem wandelbaren M.engeschlecht zurück. Die saligen Frauen sind menschenscheu 24 ). Die Zwerge dulden bei ihren Festen keine M.en, sie flüchten, wenn sich M.en eingeschlichen haben 2 6 ). Die Riesen sind gleich dem Teufel den M.en feindlich gesinnt. Sie werden von den M.en, den Wichten, überwältigt 2 β ). Die · Wassergeister narren bald den M.en, bald verderben sie ihn und zwingen ihn zu sich in das Wasserreich 27 ). Einzelne, bevorzugte M.en sterben nicht, sie werden in die Berge „entrücket",

148

leben da ein ewiges Leben mit den held i s c h e n Vorfahren, bleiben in ewiger Jugend und sehnen sich nach dem Berg und den Geistern darin zurück, wenn sie je einmal aus dem Berg heraus in die alte Welt getreten sind i S ). Die Göttersage nimmt die Heldensage und die S a g e von m e n s c h e n g e s t a l t e t e n D ä m o n e n in sich auf. Dabei geht der Glaube der altdeutschen Religion über die niedrige naturalistische Auffassung heraus, der Glaube unterscheidet sehr bestimmt, obwohl in kindlich anschaulicher Weise, zwischen Seele und Leib 2 9 ). Die Götter haben die Zwerge und die Menschen geschaffen 30 ). Die Riesen aber sind älter als die Götter. Der gemeinsame Ursprung von M. und Göttern bedingt sich so, daß Tiusto der Zwitter aus der Erde hervorging. Er zeugte den Mannus, nicht daß er ihn erschuf. Die Erde galt als Göttermutter. Unbestimmt bleibt dabei, ob wir das alte Götterpaar Himmel und Erde an den Anfang der germanischen Götterlehre stellen dürfen31). Uber Mannus ist kein Zweifel; er ist die Verkörperung der M.heit, der U r m e n s c h , wie der indische Manu, Vivasvants Sohn 32 ). Die Götter werden als unsichtbar gedacht. Geben sie sich eine Erscheinung, so kann diese entweder die des M.en sein, oder auch die Gestalt eines Tieres. Man muß erwägen, daß sich der Naturm. nicht so hoch über das Tier dünkt wie der moderne M. Bei den Eskimos schafft die Krähe die Welt 3 3 ). Die Gottheit verkörpert sich in bestimmten M.en, in denen das Numen besonders kräftig wirkt. Wenn die Kraft in dem führenden Gott-M. nachließ, so wurde er für das Volk geopfert M ). Man gab und gibt der Gottheit in dem Leben eines M.en das Beste, was man bieten konnte, um dadurch der Gottheit nahe zu kommen, auch im Sakrament. „ I m Speiseopfer ißt man gemeinsam mit dem Gott" 3S ). An die Stelle der lebendigen, blutigen M.en-Opfer traten im Laufe der Zeiten die Ersatzopfer. Man warf vom Pons sublicius die Strohpuppe in den Tiber 3e ). Die Verwandtschaft des M.en mit den

149

Mensch

B ä u m e n geht auf den Glauben an die Bäume bewohnenden Dämonen zurück. Die Vorstellung ist wohl die ältere. „Das Leben der griechischen Dryaden und Hamadryaden ist an Bäume gebunden, mit dem Verwelken und Absterben der Bäume nehmen sie ab und hören sie selbst auf; jede Verletzung der Äste und Zweige empfinden sie als Wunden . . . Dieser Glaube an geisterbewohnte Bäume war nicht weniger den Kelten eigen" 3 7 ). Die Erschaffung eines Mannes und eines Weibes aus zwei verschiedenen Bäumen ist ein jüngerer Zug 3 8 ). — Geblieben ist aus dem Glauben an die Kraft der Bäume, daß man mit Hilfe des Baumes Bosheitszauber treiben kann gegen M.en, daß der Baum ein Sinnbild vom Gedeihen des in der Ferne weilenden Sohnes vom Hause ist, und daß es möglich ist, die Krankheit eines M.en auf einen Baum zu übertragen39). Sonst aber ist die Abkunft von Bäumen sehr in Mißkredit geraten. „Vom Nußbaum heruntergefallen, aus den Stauden geschlagen, vom Esel an die Weißtanne gemacht sein, gilt schweizerisch vom M. ungewisser oder schlechter Abkunft" 40 ). Daneben findet sich vielfach die Sage, daß die M.en in Steine verwandelt werden. Den Anlaß zur Sage kann der menschenähnliche Fels gegeben haben 41 ). Umgekehrt weiß die Sage zu berichten, daß die M.en aus Steinen geschaffen sind 4 2 ). Diese Überlieferung hängt mit den verschiedenen, selbständigen Flutsagen der Völker zusammen. Die griechische Sage von Deukalion und Pyrrha 4 3 ) findet sich auch unter den südamerikanischen Indianern. Unabhängig von den mythischen Bildungen faßt die Wissenschaft den Begriff des M.en in der Weise, daß er die Bestimmung habe, eine Persönlichkeit zu werden, also ein Wesen, das mit Verstand und Vernunft begabt, seinen Willen einem allgemein gültigen Zweck unterwirft. Die Verwirklichung der Bestimmung setzt sich im Leben des Einzelnen langsam durch, ohne die Vollendung zu erreichen, und so ist auch im Leben der M.heit ein langsamer Fortschritt zu erkennen. Nach rückwärts ist es nötig, einen U r z u s t a n d

ISO

der M.heit anzunehmen. „Dieser hypothetische Urzustand entspricht in beträchtlichem Grade dem moderner wilder Stämme, wobei sich doch schon der M. der Urzeit vor den Tieren durch die Gabe der Sprache auszeichnet" 4 1 ). Die Entwicklung zur Persönlichkeit wird als bewußt oder unbewußt vorgestellt. „Den Begriff der Persönlichkeit, des geheimnisvollen Etwas hatte der Urm." 46 ). Weiter gehend ist die Ansicht, daß der primitive M. hinter den äußeren Erscheinungen nicht nur die geheimnisvolle Macht a h n t e , sondern in ihr die Persönlichkeit sah und sie verehrte 4 e ). Unterdes deuten manche Überbleibsel aus den Zaubervorstellungen früherer Zeiten darauf, daß die uralten rohen Vorstellungen von der Körperseele des M.en 47 ) oder von dem lebendigen Leichnam 4 8 ) noch heute in manchen abergläubischen Bräuchen des Volkes nachwirken. Bis es zu dem patriarchalischen Verhältnis zwischen der Gottheit und den M.en kam 4 9 ), wo Gottvater bei den M.en einkehrt und die Gottheit sich der Schöpfung freut, hat die M.heit einen weiten Weg zurückgelegt. Immer und überall ist in den religiösen und allgemein menschlichen Vorstellungen der anthropozentrische Standpunkt zu erkennen. Er ist maßgebend. Der M. ist der geborene Herrscher über die Welt. Um seinetwillen ist alles geschaffen so ). Das trat auch in den naiven Erzählungen aus dem Mittelalter hervor 51 ). — Ferner schließt sich die Vorstellung an, daß der M. als Mikrokosmos teil hat am Makrokosmos 62 ). Kraft eines als zwingend angesehenen Analogieschlusses hat er teil am Geschick des Kosmos 5S ). Indem die organisierte Welt den Mikrokosmus des M.en gleichsam wiederspiegelte, so lag darin die bewußte Abkehr von der mechanistischen Auffassung des Weltgeschehens 54 ). Dem gewöhnlichen natürlichen Empfinden ist es unfaßbar, daß sich die Begebenheiten in der Welt tot und ohne jede Beziehung auf den M.en vollziehen sollten 56 ), daß also das Leben und Wirken des M.en keinen bleibenden Wert hätte. Wenn aber daneben die Sage zu berichten weiß, daß die M.en immer kleiner werden,

Menschenblut—Menschenfresser

151

a m Ende vier M.en unter einem mäßigen Wasserschaff Buchweizen dreschen können s e ), oder d a ß nur die Könige der Erde eine Unsterblichkeit erlangen 5 7 ), oder d a ß das M.engeschlecht gänzlich der Vernichtung anheim falle 58 ), so ist allerdings eine solche Aussicht für die M.heit wenig tröstlich. — Die heidnische Mythologie zeichnet das Leben nach d e m Tode mit den Farben des irdischen Lebens; den geläuterten Begriff v o m ewigen Leben hat erst das Christentum geschaffen. Seine Vorstellungen sind für das Volk maßgebend. 2

*) G e n . ι .

) E i s l e r Wörterbuch

Begriffe s . v . Mensch.

3

der philos.

Buch

) Megenberg

der Natur 1. ) S t o l l e Kirchenväter, R e g . 5 ) e S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1,210. ) Sébillot Folk-Lore 3, 5 ff. ' ) T y l o r Cultur 1, 385. 8) 4

S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 161. Aberglaube 268. « ) Ebd. 267 ff. Tirol

509 N r . 74.

39 S-

13

12

1902, 16.

) Ebd.

3

) Meyer ") H e y l

Siebenbürgen

) Müller

) H e y l Tirol 454 Nr. 13. l5

s

14

(1898), 43.

) ZdVfVk. le

) Zfrw-

Vk. 1904, 36. " ) Ebd. 43. « ) H e r t z Werwolf 129 f.; G r i m m Myth. 918. 19 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 304. 2») F r a z e r 12, 358. 21 ) Ebd. Ii, 272. a2 ) G r i m m Myth. 1, 41öS. 23 ) Ebd. ι, 401 fi. 24 ) G r a b e r Kärnten 53. 25 ) K ü h -

nau Sagen

2e

2,146.

) Ranke Sagen

219

f.

') G r i m m Myth. 1,406 ff. 28 ) P f i s t e r Hessen 14. " ) W u t t k e 53 § 60. 30 ) M e y e r Religgsch. 266; G o l t h e r Mythol. 525 ff. 31 ) Ebd. 502 ff. 3a ) M e y e r Religgesch. 189. 191. 33 ) S c h ä f e r Verwandlung 51 ff. 34 ) F r a z e r 12, 311 ff. 2

9, 229 ff.; ZdVfV. 23, 150. Wein

48 ff.

35

) Kircher

) Pfannenschmid Erntefeste 37 3S 596. ) Grimm Myth. 2,544. ) Helm Religgsch. I , 16. 3 ») D r e c h s l e r Haustiere 17 ff.; 3e

F r a z e r 12, 502.

4l

40

) Andree Parallelen

) R o c h h o l z Sagen 1, 362.

1

(1878), 97

ff.

42

) Ebd.

44 ) U s e n e r Sintflut 71. ) T y l o r Cultur 2, 465. ω ) P. W. S c h m i d t Gottesidee 1, 431 ff.

43

4e

) Ebd. ι, 473. « ) Rogasener Fam.-Blt. 1, 28· " ) ZdVfV. 13 (1903), 268. 49)

(1897),

G r i m m Myth, ι , 279 t glaube S2

7

ff.

) Jeremias

") Ebd.

7

61

50

) Klapper

Religgsch.

) S c h i n d l e r AberErzählungen

252.

53

ff. ") Wolf Beiträge

G r a b e r Kärnten 45.

57

458.

) Ebd. 54.

2,351.

S6)

) J e r e m i a s Religgsch.

72 ff. ®») ZdVfV. 1904, 45

Menschenblut s. B l u t , tion. Menschenfett s. F e t t .

ff.

t Boette.

Menstrua-

Menschenfleisch s. F l e i s c h , M e n schenfresser, Christenfleisch riechen. Menschenfresser. M.sagen wurzeln vielleicht — z u einem Teile wenigstens —

152

im primitiven Totenglauben und dem daraus entwickelten Vampyrglauben ( = Wiedergänger, Lebender Leichnam, umgehende Seele, Drache), alles Apperzeptionen des Unholds, der sich aus dem Toten entwickelt h a t 1 ) . Ein solcher menschenfressender Unhold ist der Riese Rapel, der alle Menschen, die er fing, auffraß. Nur ein Mädchen ließ er leben und machte sie zu seinem Weibe, aber deren Kinder fraß er gleich nach der Geburt, bis er durch List getötet wurde 2 ). Oder der wilde Mann im Montiggl, der alle Menschen, die durch den W a l d gingen, auffraß. E i n altes Weiblein, von der Nacht im Walde überrascht, wurde von dem wilden Mann aufgefressen, und ihre Überreste wurden bei seiner Hütte gefunden. Einem Bauern nagelte er einen halben Menschen an die Haustür und rief: „ T r a g du dein Teil w e g " . Aber niemand wollte an den halben Menschen Hand anlegen. Schließlich riet der Pfarrer dem Bauern zu rufen: „ T r a g du den Teil w e g " . D a war er am nächsten Tage verschwunden 3 ). Riesige M. übergaben drei gefangene Schwestern ihrer Großmutter, diese läßt sich überlisten und wird von den Mädchen in den Ofen geschoben, während die Mädchen den M.n entfliehen 4 ). Eine ähnliche Sage wird aus Siebenbürgen berichtet 5 ). Der Riese Erkinger warf die Gebeine von Menschen, die er gefressen hatte, weg, daraus ist ein ganzer Beinberg entstanden 6 ). In einer dithmarsischen Sage wird ein menschenfressender Riese von einem Knaben überlistet ' ) . Dieser Sagentypus ist weit verbreitet. Ein Mensch kommt in die Wohnung eines M.s und findet den Riesen nicht z u Hause. Seine wohlgesinnte Frau, meistens selbst eine Gefangene des Riesen, verbirgt ihn oder warnt ihn wenigstens. Der Riese kommt nach Hause, er sagt: ich rieche, rieche Menschenfleisch (dieses Motiv des Witterns v o n Menschenfleisch ist vielfach bei den Sagen der verschiedensten Völker belegt, vgl. 2,59) ; durch eine List gelingt es dem Menschen z u entkommen. E i n altes Beispiel dieser A r t ist die Hymisquiäa, wo ein mitleidiges Weib

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Menschengestalt

Thorr und Tyr vor dem Riesen Hymir verbirgt 8 ). Hierher gehört besonders das bekannte Märchen vom kleinen Däumling: Däumling und seine Brüder, von den Eltern ausgesetzt, kommen in das Haus des M.s. Er ist abwesend, seine Frau verbirgt sie; als er kommt, wittert er die Menschen. In der Nacht will der M. Däumling und seine Brüder töten; durch eine List aber tötet er seine Töchter, während die Brüder entfliehen 9 ). Andere Sagen, wie schon genannte und noch zu erwähnende, enthalten nur einzelne Stilelemente dieser Art. Dieser ganze Sagentypus ist eng verwandt mit den Drachentötersagen. Däumling ist so eng verwandt dem Drachentöter wie der Riese dem Drachen. Es handelt sich offenbar nur um verschiedene Stilformen ein und desselben Motivs, die sich vielleicht teils aus dem praeanimistischen, teils aus dem animistischen Totenglauben ableiten lassen 10 ). Oft wird auch der menschenfressende Unhold als Hexe, Fangga oder Nixe apperzipiert, besonders bekanntlich in dem deutschen Märchen von Hänsel und Gretel. — Als die Hexen zu Swinemünde hungrig waren, sagte eine zu der anderen : Drüben unsere Nachbarin liegt in den Wochen, da wollen wir ihr Kind holen und schlachten u ). Ein Bauer traf im Walde eine Fangga, sie wollte ihn auffressen, er entging ihr aber durch List u ) . Bei Seesen bot eine menschenfressende Hexe einem Kinde eine Wurst an, eine weiße Katze warnte das Kind, die Wurst anzunehmen, denn sie war aus Menschenfleisch. Die Katze hängte die Wurst an die Büsche, Raben und Wölfe fraßen sie, seit dieser Zeit essen Raben und Wölfe am liebsten Menschenfleisch 13 ). Die lex Salica enthält einen Passus: „ S i stria hominem comederit" 14 ). Gelegentlich spielt aber auch die Fangga die Retterin vor dem menschenfressenden Unhold 1 5 ). Die Nixe frißt Knaben, die zu ihr ans Wasser kommen l e ). Auch Nebelmännchen erscheinen als M. Ein Herr von Bodmann wurde in fernen Landen vom Nebelmännchen am Bodensee, der seine Diener gefressen hatte,

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verschont, da der Ritter ihm versprach, das Nebelläuten abzustellen 1 7 ). In der Oberpfalz gilt der Nebel als Kinderfresser 18 ). Eine Verquickung mit dem Sagenkreis vom wilden Jäger ist es, wenn auch er als menschenfressender Unhold erscheint. Der wilde Jäger jagte ein paar Frauenzimmer und warf denen, die dabei behilflich waren, ein Frauenbein hin 1 9 ). Der wendische Bauer, der vom Nachtjäger die Hälfte seines Ertrages fordert, erhält einen halben Menschen 20 ) (s. wilder Jäger). l) *) N a u m a n n Gemeinschaftskultur 83. 3) H e y l R a n k e Volkssagen 234. Tirol 480 Nr. 47. 4) Müller Siebenbürgen 5 f. 6) H a l t r i c h Dtsch. Volksmärchen aus Siebenbürgen Nr. 38. ") Meier Schwaben r, 152.; ') Miillene) M a n n h a r d t hoff Sagen 445. German. Mythen 191. ') P. Zaunert Dtsch. Märchen 10 u) seit Grimm 128. ) Naumann a.a.O. la K u h n u. Schwarz 25. ) R a n k e Volkssagen 187. 13) Andree Anthropophagie 6 fi. 14) Grimm Myth. 611. 15) V o n b u n Beiträge 45. 1β) Wolf Beiträge 2, 292. 17 ) L a i s t n e r Nebelsagen 184 ft. 1β) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 134. 1β) Jahn 20) V e c k e n Volkssagen Nr. 19. s t e d t Wendische Sagen 43. Pehl.

Menschengestalt. Das Gefühl für den Vorzug der menschlichen Gestalt und ihrer Bewegungen ist den Völkern der Erde seit grauen Zeiten eigen : Der Mensch geht nicht auf vier Beinen, geneigt wie das Tier, er geht mit aufgerichtetem Antlitz, sieht die Sterne des Himmels, und in seinem Gesicht, besonders im Auge, konzentriert sich sein Leben. Darin liegt Geist und Wille. Es ist unter den Jägern, auch unter den Wilden, bekannt, daß ein reißendes Tier einen Menschen nicht angreift, der in aufrechter furchtloser Haltung vor ihm stehen bleibt und die Bewegungen, etwa eines Löwen, mit den Augen ruhig verfolgt. E s ist hiernach begreiflich, daß dem Menschen zu jener Zeit, wo man sein Leben allein in seiner körperlichen Erscheinung sah, nichts von seinem Leibe genommen werden durfte, ohne daß der Mensch daran zugrunde ging. Die Toten wachen darüber, daß ihnen bleibt, was ihnen gehört. Man kann zwar mit

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Menschenknochen Zauber treiben und mit ihrer Asche einer Seuche unter den Schweinen wehren 1 ) ; Menschenblut und Menschenfett mit einander vermischt, ergeben ein gutes Arzneimittel 2 ), sogar gegen die Pflicht, Soldat zu werden 3 ) ; gegen Zahnschmerzen helfen kleine Menschenknochen (s. Knochen) vom Friedhof 4 ). Aber die Toten kommen um die Mitternacht, das ihrige wieder zu holen5). Selbst das tote Kind verlangt sein goldenes Bein in der bekannten Sage«), Der ermordete Kurutze sorgt dafür, daß seine Gebeine in geweihter Erde bestattet werden 7). Man dachte und denkt ein Leben in den Tod hinein. Der Tote ist nicht tot, sondern lebt nur ein ihm eigentümliches Leben, verschieden von dem der Menschen im Lichte des Tages. Daher gibt der treue Diener dem Teufel nichts von dem Körper seines Herrn, bei dem er Wache hält 8 ). In diesen Beispielen bezeugt sich freilich ein Zurückgreifen auf älteste und primitive Vorstellungen über das Wesen des Menschen, aber solche Erscheinungen uralten Zaubers sind nichts Seltenes, auch nicht inmitten der hohen Kultur. Man denkt sich hierbei den Menschen als eine unteilbare Einheit. Indem die Gestalt des Menschen so hoch gewertet wurde — sie wird im Flechtwerk verwendet e ), die Dajaken schützen ihren Reis gegen Ratten durch hölzerne Menschenfiguren10) — so ist es natürlich, daß, wo der Glaube an die Schattenseele entwickelt ist, die Gespenster sich in M. 1 1 ) oder wenigstens in menschenähnlicher Gestalt 12 ) zeigen. Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Es ist anzunehmen, daß die ungesuchte Würde, die sich in der aufrechten Haltung und den Bewegungen des Menschen ausdrückt 18 ), nicht nur dem klassischen Altertum oder unserer heutigen Kulturweit Achtung und Bewunderung einflößt, sondern daß sie auch dem Gefühle der Wilden verständlich ist. Der Indianer von Nordamerika zeigt Würde in Haltung und Bewegung. Der Wilde schmückt sich mit Zieraten. Sie kommen dem Eindruck seiner Gestalt zugute. Es ist richtig, daß wilde Stämme den Glauben

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haben, von den stärksten, wilden Tieren abzustammen 14 ), oder daß der Geist ihrer Ahnen in wilde Tiere fährt 1S ), umgekehrt aber nehmen Tiere nach dem Glauben der Grönländer M. an 1 β ), in die Umrisse der Berge werden Gestalten von Menschen hineingesehen17), einem menschenähnlichen Felsen bringen Seefahrer ihre Verehrung dar 18 ). So führt die M. zur Vergottung des Menschen. a ) Ebd. W l i s l o c k i Magyaren 78. 70. G r o h m a n n 152. 4) ZföVk. 13 (1907), 131. 5 ) W l i s l o c k i Magyaren 76. *) M i i l l e n h o f f Sagen 465; W e r n e r Aus einer verg. Ecke 4, 183. 7 ) M ü l l e r Siebenbürgen 45. 8) K n o o p Hinterpommern 144. ·) Mittig. Anthrop. Ges. Wien 10 ) S a r t o r i 21, 45. Sitte 2, 99. l l ) M e i c h e Sagen 74 ff. 12 ) V e r n a l e k e n Mythen 85. 13 ) P a s s o w Gr. Handwörterbuch s. ν. ά'νϊρωπος. " ) F r a z e r 12, 160. " ) Ebd. 8, 123. ZfVk. 19 (1909), 47. 17 ) S é b i l l o t Folk-Lore ι , 216 f. 18 ) Ebd. 2, 93. t Boette. 3)

Menschenhaut s. H a u t . Menschenherz s. Herz. Menschenhirn s. Hirn. Menschenknochen s. K n o c h e n . Menschenkopf s. K o p f . Menschenkot s. K o t . Menschenopfer. ι. Zum M. führt der Gedanke, daß alle anderen Gaben, die der Mensch zur Erreichung eines höheren Zweckes darbringen kann, unzureichend sind und drum das Köstlichste, das denkbar und erreichbar ist, das Menschenleben, hingegeben werden muß. Natürlich hat vor allem die tatsächliche Ungenügendheit anderer Gaben, der vermeintlich erkennbare Mißerfolg dinglicher Opfer zu dieser Steigerung geführt, wie ja in einigen Berichten noch ausdrücklich bekundet wird. Aber für das volle Verständnis der M. ist zu beachten, daß das Menschenleben hier nicht bloß als das K o s t b a r s t e , das gegeben werden kann, in Betracht kommt, sondern auch und noch mehr als der I n b e g r i f f der h ö c h s t e n E n e r g i e , die man durch die Darbringung der obersten Instanz zuwendete, auf daß sie sich dieser Energie bediene wiederum im Interesse der Menschen, von denen sie gespendet ist. a) Natürlich werden M. wie auch die übrigen Opfer (s. Opfer) dargebracht, um

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der göttlichen Macht, vor deren rauher Gewalt man sich fürchtet, eine Zuwendung zu machen. Das Teuerste gibt man ihr — sich selbst o d e r seines gleichen. Indem sich der Mensch vor diese Wahl stellte, errichtete er die gefährliche Brücke zwischen lichter und düstrer Denkweise, zwischen göttlichem und dämonischem Kultus. Denn entweder ergibt der Mensch in wirklicher Religiosität s i c h s e l b s t mit seinem ganzen eigenen Sein der Gottheit, und dann ist das M. im Sinne der Darbringung eines Anderen ausgeschlossen ; oder er entzieht sich selbst der Gottheit und der ihr gegenüber übernommenen Verpflichtung, und dann opfert er a l s E r s a t z s e i n e r s e l b s t seine Mitmenschen; und man muß sich dies sehr wohl gegenwärtig halten, daß infolge dessen eigentlich das M. nur im Sinne der Darbringung seiner, des Opfernden, selbst ein echtes Opfer ist, während es im Sinne der Darbringung eines anderen oder gar deren mehrerer genau genommen ein Ersatzopfer (s. d.) ist. Dies ist des M.s Sinn in aller Religion, in allem Kult. Am grausigsten erscheinen uns wohl die Übersteigerungen des M.s in dem Mittelamerika bei seiner Entdeckung, wo nächtlich bei Fackelschimmer der bis übers Haupt umhüllte Priester das Opfer die Stufen des Teokalli hinaufführt ; wo 80 000 Menschen bei der Einweihung einer Tempelpyramide fielen in der Stadt Mexiko und ganze Schädelpyramiden errichtet wurden x ). Aber der Sache nach finden wir dieselbe Sitte auch bei den Nordgermanen. Da wurde den zum Tode Verurteilten der Rücken gebrochen, wie die Sagas zeigen. Die Eyrbyggja Saga schildert: „ D a sieht man noch den Gerichtsring {domring), in dem die Leute zum Opfer verurteilt wurden ; in dem Ring steht der Thorstein, an welchem die Leute gebrochen wurden, die man zum Opfer gebrauchte, und man sieht die Farbe von ihrem Blute an dem Stein" 2 ). An diese nordischen M. erinnern Männernamen wie Steinn, Vesteinn, Freysteinn, Thorsteinn und auch die auf den Opferkessel bezüglichen wie Ketill, Asketill, Thorketill, AskeE usw. Hier wurden die Opfer bisweilen in den Sumpf

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gestürzt (blotkelela). Der im Kampf gefallene Gegner wurde als ein dem Odhin dargebrachtes Opfer angesehen, dessen man sich rühmen konnte, und die Altäre der Götter wurden mit dem Blut der Gefallenen bestrichen 3 ). Wie die Götter so wollten sich aber auch die Menschen ihre Energie von solchen Opfern sichern, sie berauschten sich am Schmausen und Trinken der Lebenssubstanz der Opfer, am besten in roh-frischem Zustande (s. Omophagie). Wo diese Sitte im Vordergründe stand, diente das M. mehr dem Wohlsein des opfernden Menschen direkt als dem des Gottes — wie es ja tatsächlich eine durch und durch eudämonische Einrichtung ist 4). Daß M. auch bloßer Grausamkeit entspringen können, wird durch solche grausamen Menschenschlachtungen, wie sie Nero vornahm, hinlänglich bezeugt. Im allgemeinen jedoch stehen sie so sehr in einer religiösen rituellen Observanz, daß sowohl ihr Ursprung wie auch ihr Festhalten in den verschiedensten heidnischen Religionsformen mit einer bestimmten Glaubenshaltung, die zugleich im Aberglauben eine große Rolle spielt, ihre psychologische Erklärung finden. E s ist der Glaube an eine neidisch und mißgünstig auf allen menschlichen Besitz schielende Macht, die man gewissermaßen befriedigen kann — mag diese Macht nun persönlich gedacht sein oder nicht (hierüber s. Näheres im Art. Opfer). Die Vorstellungen, die man von den Göttern hat, entsprechen im Heidentum in der Regel der Höhenlage des menschlichen Ich bzw. der Vorstellung, die man sich von der Höhe des Ich gebildet hat. Wie selbst die Privatperson aus Anlaß irgendeiner besonderen Notlage wieder die bloß übertünchte Bestialität durchschimmern läßt, so werden auch bei den Göttern bestialische Gelüste vorausgesetzt, und selbst die germanischen Götter, die sich doch von den römischen und griechischen spezifisch unterscheiden, hatten an M.n Gefallen; namentlich waren die älteren, den Asen voraufgegangenen Götter mit M.n bedacht worden. Denn diese wurden nun, wie es bei solchen Prozessen göttlicher

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Dynastienstürze üblich ist, in die Rolle der übelwollenden transzendenten Wesen verwiesen und wurden eben damit auch die erstlinigen Empfänger von Opfern, zumal der kostbareren6). Überhaupt werden, sobald der Mensch von der verehrungsvollen Anschauung der noch im wesentlichen einheitlich erschauten un- und übersinnlichen Gewalt zur Anbetung zahlreicher gottheitlicher Wesen übergeht, zuerst die Repräsentanten oder Personifikationen der durch ihre Schrecknisse imponierenden und ängstigenden Naturgewalten, die unholden, rauhen, zerstörenden Mächte besonders verehrt und mit Gaben bedacht. Wie die Griechen den chthonischen Unterweltsgottheiten, den Mächten der chaotischen Finsternis die meisten Opfer darbrachten, so die Germanen in einer gewissen Frühepoche den Thursen mehr als den Asen. Die Götter der Mexikaner, denen die vorhin erwähnten M. gebracht wurden, gehörten sämtlich in die Reihe der schreckenerregenden Gewalten. Und wenn jenes Volk dem Venusstern Tropfen von aus einzelnen Gliedern gesaugtem Menschenblut opferte, die man auf das Gestirn zuspritzte e ), so erscheint diese Sitte schon als eine Milderung und bezeugt zugleich, daß die Mexikaner gegenüber der himmlischen Venus die Verpflichtung zur Darbringung von M.n fühlten, was zu ihren schlimmen Wirkungen stimmt. Die Priester des Gottes Quetzalcoatl dagegen, der Schutzherr der höheren, friedlichen Kultur war, brachten keine M., wiewohl auch sie Menschenblut opferten; sie taten das, indem sie den Ohren, Zungen, Lippen, Armen und Beinen von Mitmenschen das Blut entnahmen, mit dem sie die Bilder der Götter bespritzten; auch sich selbst waren sie verpflichtet, täglich Blut zum Zwecke des Opfers zu entziehen 7 ). Diese Maßnahmen zeigen, daß es bei den M.n vielfach noch auf die Grundidee des Opfers abgesehen war, wie sie im ersten Stadium seiner Entwicklung zur Ausführung kam: n i c h t A b s c h l a c h t u n g , sondern Zuwendung der konzentrierten Lebensenergie (worüber Näheres s. Opfer). Und wie den boshaften

schädlichen Mächten M. gebühren, so auch den tyrannischen Häuptlingen und Königen. Von dieser bei heutigen Primitiven verbreiteten Sitte nur ein Beispiel: Die Barundi schlachten zu Ehren des toten Königs Hekatomben von Menschen, damit der Geist des Königs sich nicht räche; selbst mancher vornehme Barundi wird getötet, um die Manen des Königs zu beruhigen 8 ). Dabei soll die neuere rationale Erklärung nicht verschwiegen werden, es handle sich, wenigstens vornehmlich, um die Ermordung der Zauberer und Hexen, welche den Tod des Herrschers verschuldet haben sollen, und um jene unglücklichen Verwandten und Prätendenten, die sofort nach dem Tode des Herrschers von seinem Nachfolger aus dem Wege geräumt werden 9 ). E s mag immerhin sein, daß auch im germanischen Norden die M. im Gefolge eines Regierungswechsels eine solche Veranlassung haben. Aber nicht immer war es derartige Furcht oder Wut oder Rache, wenn, wie nach der Schlacht am Teutoburger Walde, Gefangene an den Altären der Götter abgeschlachtet wurden. Es war vielmehr oft genug das religiöse Verlangen, der Gottheit eine sehr wertvolle Gabe zu bringen, wie z. B., wenn Wittekind in den Sachsenkriegen das Blut der künftigen Kriegsgefangenen dem Wotan gelobte 10 ). Das Motiv ist also hier, den Beistand des Gottes für die Zukunft zu sichern. Und damit kommen wir zu der anderen Gattung der M.empfänger: b) M. für die als gütig und freundlich vorgestellten Gottheiten. Mogk hat die Meinung stark vertreten, daß OdhinWotan in seiner Eigenschaft als T o t e n g o t t M. erhalten habe, weil er, wie alle Totengötter, dadurch bestimmt werden sollte, die übrige völkische Gesellschaft zu schonen 11 ). Zweifellos wird diese Ansicht durch die Menschengier der Totengöttin Hei in den Sagas gestützt. Allein die an sich wohl psychologisch einwandfreie Deutung erleidet Eintrag, sobald die weitere historische Umgebung herangezogen wird. Mag auch Odhin über den Umweg des Schlachtengottes und Walvaters zum Gott der Kampftoten und weiter zum

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Gott der Toten überhaupt geworden sein, so läßt sich doch von dem zweiten von Tacitus als Empfänger von M.n erwähnten Gotte der Germanen nicht dasselbe sagen. Er erzählt, daß die Germanen gleichwie in regelmäßig wiederkehrendem Ritual, certis diebus, die feste Sitte haben, dem Mercurius (d. i. Wotan) M. darzubringen 12 ), und an anderer Stelle, daß die Hermunduren, als sie mit den Chatten wegen eines salzhaltigen Grenzflusses in Fehde lagen, deshalb einen vollständigen, mit der Vernichtung des feindlichen Heeres endigenden Sieg errangen, weil sie das feindliche Heer dem Mars u n d M e r k u r (Ziu u n d W o t a n ) gelobt hatten (victores diversam aciem Marti et Mercurio sacravere quo voto equi viri cuncta vieta occidioni dantur) 1S ). Jedenfalls kommt doch Ziu nicht als Totengott neben Wotan in Betracht 14 ). Daß die Deutschen auch dem Donar M. brachten, und zwar noch lange in christlicher Zeit, geht daraus hervor, daß auf der Synode von Liftinae in der belgischen Provinz Hennegau 743 unter dem Vorsitz des Bonifatius als päpstlichen Legaten mit anderen heidnischen Bräuchen auch das M. an Donar verboten wurde 15 ). In Irland hatte sich im Gebiet des heutigen Ulster ziemlich sicher das M. erhalten, und zwar in Verbindung mit einem orgiastischen Kult, der dem großen Gotte Cenn Cruaich (von anderen Cromm Cruaich oder Keancroithi genannt, was als caput omnium deorum gedeutet wird) gewidmet war 1 6 ). Hier erfahren wir nichts über Motive und Art des M.s; ob es gewohnheitsmäßig war oder, wie immerhin in der Mehrzahl der Fälle, aus besonderen Anlässen. Dann erscheint immer wieder der höchste Gott allein als Empfänger. So wurde dem Wotan nach Saxo auch der norwegische König Wikar geopfert durch Starkadr, nachdem das Los auf ihn gefallen. Der König wurde mit einer Schlinge umwunden und aufgehängt " ) , was ja die dem Wotan geweihte Todesart war. *) M e r e s c h k o w s k i Geheimnis des Westens 2) E y r b y g g j a 3 ) Her152 f. Saga cap. 10. 4) W u t t k e varar Saga cap. 12. 136 § 187. *) S c h a a f h a u s e n Anthropologische Studien (1885) 5 1 7 fr. «) Urquell 4, 34. ' ) J . G . M ü l l e r B l c b t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I

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Amerikanische Religionen 639; vgl. K . Th. Preuss Ursprung der Menschenopfer in Mexico Globus 86 (1904), 108 ff. *) Hans M e y e r Die Burundi 186. ») E b d . 116. 10 ) Urquell I, 180; vgl. die genaue indianische P a rallele bei J. G. M ü l l e r a . a . O . 631 u. 708. u) Mogk Menschenopfer bei den Germanen 603 ff. und A R w . 15, 422 ff. l 2 ) T a c i t u s Ger13) T a c i t u s mania c. 9. Annalen 13, 5 7 ; 14 ) W i d l a k Synode v. Liftinae 16. Helm u) Widlak le) Religgesch. 1,266.268. 17. W e i n r e i c h Triskaid. Stud. 18, 24. 1 7 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 8 f.

2. Das letzterwähnte Beispiel möge uns zu den M o t i v e n der M. führen. Es zeigt, wie sich das den wohlgesinnten und lichten Göttern dargebrachte M. leicht mit dem Gedanken einer vor diesen zu leistenden S ü h n e verbindet. Dies Motiv wird durch den Berichterstatter zwar nicht ausgesprochen, aber nahegelegt. Denn der Anlaß des M.s bestand in diesem Falle nach Saxo in widrigen Winden, die zu dem Glauben führten, daß „die Götter versöhnt werden müßten". Der König Domaldi von Schweden wurde auch dem Odhin geopfert, doch erst nach anderen vergeblichen Versuchen. Denn bei nicht endenwollender Hungersnot opferte man im ersten Herbst einen Ochsen, im zweiten einen Menschen (manblot), im dritten endlich den König 18 ). Ähnlich wurde der schwedische König Olaf am Wänersee „dem Odhin zu einem guten Jahr geopfert", nachdem der König selbst nach der Meinung seines Volks den Göttern zu wenig geopfert gehabt hatte, als daß Hunger und Mißwachs aufhören konnten. Zu beachten ist, daß auch die anderen Menschen, welche bei diesen nordgermanischen Opfern fallen, nicht etwa, wie sonst, Kriegsgefangene oder Sklaven sind, sondern Angehörige des f r e i e n V o l k e s , wie ja auch gerade aus dem eigenen Volke die Kinder für das Opfer genommen wurden 1β ). Von M.n im großen Maßstabe wissen nordische Berichte zu sagen. Bei einem dänischen Opfer wurden 99 Menschen, 99 Pferde und zahlreiche Hunde und Hühner geopfert20), und der Gewährsmann Thietmar scheint selbst schon in einem eigentümlichen Aberglauben diesbezüglich befangen, indem er als Grund für die Tieropfer angibt, daß 6

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diese geopferten Tiere den geopferten wirklich gekreuzigt (aber nicht getötet) 24 Menschen in der Unterwelt Sühne schaffen •.wurde ). Und auch die „gekreuzigte sollten, also als Beigaben zu den M.n zu- Nonne" in der Kirche von Saalfeld mag 25 gunsten der in ihnen dargebrachten Men- hierher gehören ). Derartige M.feiern 21 schen aufzufassen seien ). Das ent- hatten auf deutschem Boden genau so spräche der altgermanischen Anschauung wie auf griechischem den Zweck der Verebensowenig wie den religionsgeschicht- meidung von L a n d p l a g e n — nachlichen Analogien. Vielmehr kann der dem sie früher aus Anlaß tatsächlicher Grund jener beigegebenen Tieropfer nur Landplagen eingeführt worden waren im gewesen sein, daß alle zusammen, Men- einzelnen Falle. Denn daraus entwickelte schen und Tiere, dem Lande und Volke, sich eine regelmäßige Einrichtung mit dem von dem als ganzem sie dargebracht Unterschied, daß diese M., anfänglich Abwurden, zugute kämen; so also, daß die wehrmaßnahmen bedeutend (s. AbwehrWirkung des Opfers selbst durch die zauber), hernach zu Präventivmitteln Mehrfachheit der geopferten Gegenstände geworden waren. 1β gesteigert werden sollte. — In Upsala ) Ynglinga Saga c. 47. 16 ) J a h n Opfergewurde nach Adam von Bremen jedes bräuche 65. I0 ) J a h n 66. 8 1M) T h i e t m a r ) A d a m v. neunte Jahr ein M. für das Wohl des v. Merseburg Chronicon 1 , 9 . m e n Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pont. Landes dargebracht, an dem die Christen B4,r e27. 23 ) Jane H a r r i s o n Prolegomena to nicht teilnahmen (illi qui jam induerunt the Study of Greek Religion 96 ff. M ) Das christianitatem, ab illis se redimunt Kloster 7, 1014. 2B) G r i m m Deutsche Sagen ceremoniis) ; hier fielen alles in allem, ι , 426. Tiere und Menschen, neun Köpfe, „durch 3. Neben dem Sühnegedanken steht deren Blut die Götter versöhnt werden aber immer wieder der B e f r u c h t u n g s sollen". Der Berichterstatter hat von 72, gedanke. Denn wenn es über die M. also von acht Opfern herrührenden Köpfen von Upsala heißt, daß die Bäume des Opfer22 sagen gehört ). Wir treffen also hier hains als heilig galten, weil sie auf einem auch bei den Germanen die Idee des P h a r durch das Sterben und die Leichenjauche makos an, der bei den Griechen am Feste (ex morte vel der Thargelien vor die Stadt hinausge- gedüngten Boden wuchsen 2e tabo immolatorum ), so ist deutlich, führt wurde (oder gewöhnlich waren es daß hier der wahre Grund nicht mehr verihrer zwei) zu einer nicht unter allen Umständen blutigen, vielmehr in greif- standen worden war. Das M. hat, wie barer historischer Zeit durchweg un- ursprunghaft noch die meisten in ihrer blutigeil, nicht tödlichen Opferung, die zu- Entstehungsform vorliegenden Opfer, eine Fruchtbarkeitswirmeist in der Austreibung aus dem Bann- erstaunliche kreise der Stadtgemeinde bestand. Die kung, da es Zuwendung bzw. Freigabe Hauptsache war, daß sich die Stadt- oder der Urlebensenergie aus menschNicht erst Volksgemeinde eines Individuums oder lichem Leben bedeutete. zweier entledigte, das als Träger der Ge- durch den hinzugedachten Zweck der samtschuld symbolisiert war 23 ). In Hellas Sühne wurden die geopferten Menschen war man in der Zeit, aus der uns der selber heilig, sondern schon durch die Brauch leidlich kenntlich beschrieben ist, bloße Hingabe ihres Lebens, durch dessen zufrieden, wenn das Individuum für einige Rückgabe an seinen unsichtbaren UrZeit außerhalb der Grenzen sich aufhielt; sprungsort (an den Totem-Ort !) wird dies in der germanischen Gepflogenheit, wie Leben als für weiteste Wirkung nunmehr wir sie hier sehen, legt man auf den Voll- frei geworden betrachtet. Mußte nun zug des Opfers Wert. Eine deutsche eben zu solchem weitreichenden Zwecke Parallele zeigt der Brauch bei den Pas- eines Menschen Opferung vorgenommen sionsspielen am Karfreitag, daß zur Sühne werden, so ergab sich bei zunehmender der Gemeinde ein Mensch, der den ge- Feinfühligkeit gegenüber dem Mitmenfangenen Christus darstellte, gegeißelt und schentum die Nötigung, die an sich v e r fallenen Leben von Verbrechern für

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diesen Zweck zu nehmen und aufzusparen 27 ). Daraus ist aber klar, jdaß nicht der Verbrecher als solcher, nämlich kraft einer etwa in ihm vorgegangenen Sühneschaffung, heilig galt, sondern daß es gerade im Falle des Verbrechers noch eines Hilfsgedankens bedurfte, um ihn als „heilig" anzuerkennen; es mußte anerkannt werden, daß sein Verbrechen die sühnende Kraft des Opfers nicht hindert, und das war möglich dadurch, daß der Urgedanke von der Ursprünglichkeit der Lebekraft wieder in sein altes Recht eingesetzt wurde. Einst war er darin zum Ausdruck gekommen, daß der Gehängte dem gehängten Gotte (Odhin) ähnlich ward 2 8 ). Daß überhaupt die H i n r i c h t u n g eines Verbrechers mit Vorliebe als ein Opfer, also ein M., angesehen wird, hat seinen einfachen Grund darin, daß (wie ja die alten Mexikaner und Ägypter deutlich zeigen) das Menschenleben an sich als ein Hingegebenes kraft des Zweckes, für den es hingegeben wurde, eine Summation höchster Lebensenergie, d. i. unsinnlichheiliger und drum die Erscheinungen des Sinnfälligen bestimmender Kraft bedeutet. Deshalb ist für das Verständnis dieses Glaubens an die großen Wirkungen des Bluts und der Ausdünstungen (Kleider) des Verbrechers nicht notwendig, den anderen Gedanken hinzuzunehmen, daß jede Hinrichtung eine vollzogene Sühne und der Hingerichtete, sofern die an ihm vollzogene Handlung der Herstellung der Gerechtigkeit diene, eben durch seinen Tod selbst ein Entsühnter und Geheiligter sei 2 9 ). Irgendwie liegt doch gewöhnlich noch der aus der Mentalität der Primitiven am besten bekannte Gedanke zugrunde, daß jeder aus dem irdischen, sinnlichen Lebenszusammenhange Herausgerissene und damit dem fluidalen Zusammenhang des Unsinnlichen Hingegebene lediglich dadurch, daß nunmehr das an sich in ihm vorhandene Unsinnliche die Möglichkeit seiner Erscheinung und Wirksamkeit erhält, selber eine heilschaffende Energie ist und folglich heilschaffende Energie von ihm ausgeht. Daher trinkt man sein Blut, bewahrt man

sein letztes Gewand 30 ). Dagegen will sich die Vorstellung, der Hingerichtete sei selbst ein Entsühnter, nur schwer in die zuvor vor ihm als Verbrecher bezeugte Abscheu finden, die jetzt nicht nur völlig ausgelöscht, sondern in ihr gerades Gegenteil verkehrt sein müßte 31 ). Und nur auf jener Ebene der Anschauung ist der einem kirchlich-gläubigen Christen als Blasphemie erscheinende Vergleich von dem bei Tötung eines Menschen vergossenen Blute mit dem H e i l a n d s b l u t , zumal in seiner W i r k u n g , möglich 32 ). Daß gerade diese Vorstellung auch bei den B a u o p f e r n und zumal bei den K i n d e s e i n m a u e r u n g e n in Häuser- und Brückenfundamenten die treibende war (s. Kindesopfer), Hegt auf der Hand und kann hier nicht abermals bewiesen werden. Nur daran möge jetzt erinnert sein, daß Catilina und seine Genossen zu ihrer Verschwörung sich dadurch verbanden, daß sie einen Knaben schlachteten, sein Blut tranken und die Eingeweide verzehrten 33 ). Wichtiger ist, daß sich die nunmehr klar gewordene ursprunghafte Verwendung des M.s in Volksmund und -glauben besonders seßhaft zeigt und sich eben hierdurch als die allen anderen Auffassungen vorausgegangene erweist. Sie tritt uns nämlich entgegen in den M.n an den Wind, wobei zunächst gar nicht an einen Gott als Empfänger gedacht ist. Bei solchem Opfer steht ursprünglich Macht gegen Macht, Energie gegen Energie. Wie nach Herodot der in Ägypten durch Windstille zurückgehaltene Menelaos Kinder opferte, und im Falle der Iphigenie auch das M. nötig war, und Aeschylos gerade vom M. als „windbeschwichtigendem" spricht 34 ) : so sind es die vom Wind aufgeregten Seen und Flüsse, die ihr M. unter allen Umständen, wenigstens aber jährlich einmal, haben müssen; nach Grimm gewöhnlich in Gestalt eines unschuldigen Kindes 3 5 ). Die schwäbischen Flüsse Enz und Neckar fordern am Himmelfahrtstage ein M. 36 ), die Saale verlangt am Peter-Paulstage oder zu Johanni (Walpurgis) einen Menschen 37 ), ebenso die Elbe, Unstrut und Elster zu Johanni 3 8 ). Ein Anzeichen, daß solche Zuerkennung an die Flüsse früher

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sogar in Form wirklichen M.s realisiert wurde, kann man vielleicht in klaren Nachrichten über kleinrussische Zustände erblicken. Der berüchtigte Kosakenhetman Razin (hingerichtet 1671) schleuderte im trunkenen Zustande die Prinzessin in die Wolga, um, was er nüchtern wahrscheinlich bloß heimlich getan hätte, dem Strom ein M. zu bringen 38). Ebenso hat sich der Glaube, daß der See sein Opfer braucht, ungeschwächt erhalten (vgl. Schülers Wilhelm Teil). Selbst Wälder gibt es, die jährlich ein M. verlangen 40). Was aber den Flüssen recht, das ist den Mitteln, mit denen sie überschritten werden, billig; weshalb es scheint, als ob die Bauopfer bei Brückenbauten mit den Flußopfern eng zusammenhängen 41 ) (s. Abwehrzauber). Durch alle solche Riten werden wir, ohne einen göttlichen Empfänger einzuschieben, an das F ü t t e r n (s. d.) der Elemente er innert, d. h. an Bräuche, welche nicht zur Versöhnung von irgendwie persönlich vorgestellten Gottheiten gemeint sind, sondern als Zuwendung der dem Menschen eignenden spezifischen Kraft, deren Zuführung das Element behufs seiner ungestörten Wirkungsweise bedarf. Mit letzterem Gedanken finden wir uns wieder in die Nachbarschaft der mit einem M. bezweckten Fruchtbarkeitserzeugung versetzt. Um das weite Vorkommen der damit verbundenen Bräuche zu beachten, erinnern wir uns des altrömischen (sabinischen) V e r s a c r u m , wo die Idee in die staatliche Zivilisation hinübergerettet ist: die Sabiner gelobten ihrem Hauptgotte Mavors (Mars) beim Kult und in Zeiten großer Not den ganzen pflanzlichen Ertrag eines Frühlings, was besagte, daß nach erhörtem Gebet alle Frühlingserträgnisse, und nicht selten auch Vieh- und Menschengeburten, dem Gotte geopfert wurden 42 ). Dasselbe kennen wir als alten arischen Brauch aus Indien, wo beim Feste der Erdgöttin Tari unter Tanzen und Orgien ein M. dargebracht wurde. Hier wird sogar auf die Tränen des geopferten Menschen Wert gelegt, da sie den zu erwartenden befruchtenden Regen bedeuten. Indessen

liegt das Schwergewicht auf dem Zerreißen des Opfersklaven, dessen Stücke zum Zwecke der Befruchtung über die Felder zerstreut werden 43 ). Ein dem beschriebenen Pharmakosbrauch germanischer Stämme ähnlicher Ritus ist das nach der Sitte des Schimmelreiters (s. d.) eingerichtete A m e c h t (s. d., ahd. ambaht, wovon nhd. Amt), in dem sich ganz deutliche Erinnerung an älteres M. unter den germanischen Luxemburgern zeigt. Bis 1814 ist diese Sitte in vierzehn luxemburgischen Ortschaften nachweisbar. Das mit der Kirmess verwachsene Fest muß früher für sich bestanden haben. Bei der am Sonntag vor Kirmess abgehaltenen Vorfeier begab man sich nach der Vesper auf die Wiese, wo einem um 4 Kronen gedungenen Mann „als symbolisches Zeichen der Enthauptung" der Hut vom Kopf geschlagen wurde. Am Kirmesssonntage selbst begab sich die ganze Jungmannschaft zu Pferde unter Musikbegleitung auf den Wiesenplatz und führte dabei auf einem Wagen einen S t r o h m a n n samt Henker und Henkersgehilfen um. Eine Strohhütte ist erbaut, aus deren Mitte ein Baum ragt, der einen Korb mit lebendiger Katze trägt. Der Strohmann wird in einem öffentlichen Gerichtsverfahren aller erdenklichen Verbrechen bezichtigt, z. B. einen Wagen samt Pferden zum Hühnerloch herausgezogen zu haben. Die Verhandlung, wird mit seinem Todesurteil geschlossen, der Verurteilte vom Wagen genommen, auf einen Block geschleppt und enthauptet ; sein Rumpf wird mit dem Hüttenbaum und der Katze verbrannt 44 ). Man sieht hier die doppelte Form eines Ersatzes für altes M. Wir kennen das Verbrennen von Katzen und Hunden, namentlich aus dem Westen Deutschlands, mehrfach als Ersatz solcher M., welche mit der Idee der im Frühling zu erneuernden Fruchtbarkeit in Verbindung: stehen. Ähnliches schimmert auch bei einem bayrischen Pfingstbrauche durch, wo durch Wettlaufen der Letzte am Ziel als Opfer bestimmt wird: das ist der Pfingstquack, der noch jetzt im Hinterweidental in der Pfalz vorkommt 45 ), und

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dessen Name wohl mit dem Quaken des Frosches als Frühlingsboten zusammenhängt 46). Man hat hierin ein M. für den schwäbischen Gott Ziu oder den bajowarischen Eru vermutet 47 ). Das M. wurde vielfach als ein so reales, auf die menschlichen sozialen und ökonomischen V e r h ä l t n i s s e wirkendes Mittel angesehen, daß es nicht nur als Ganzes, sondern auch in seinen Teilen besonders ausgewertet wurde. Wie das Blut getrunken, auch die Eingeweide gegessen wurden, so konnte auch dem abgeschnittenen Kopf eine besondere Wirkung entnommen werden. Nicht selten ist er (ähnlich dem Haupte des Orpheus) w a h r s a g e n d gedacht. Man suchte aus seiner Betrachtung den Willen der Götter abzulesen48). Daß solche Erwartungen nicht etwa nur im Orient oder in Griechenland an den Kopf des Geopferten geknüpft wurden, sondern daß noch nach der Einführung des Christentums und in dessen wesentlichen Vertretern diese Sitte in Deutschland sich bewahrte, das zeigt der Fall jenes Mönches, der, um einem Könige die Zukunft zu sagen, dem zu diesem Zwecke auserlesenen Knaben den Kopf abschlug, auf eine Hostie steckte und ihm die Fragen des Herrschers vorlegte 4e). Gerade der Umstand, daß der Kopf auf eine Hostie gesetzt wurde, läßt erkennen, daß die Handlung nicht unchristlich empfunden wurde oder wenigstens nicht als eine, die man aus Gründen des christlichen Gewissens unterlassen mußte. Doch auch andere Teile des menschlichen Organismus wurden einzeln dargebracht50).

Fraas und Furtwängler gesammelten Fälle und Abbild. 43 ) M a n n h a r d t 1, 362 f. 44 ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 592 fi. 45 ) P a n z e r Beitrag 1, 238. 4«) M a n n h a r d t 335 f. 4 ')ZfVk. 3, 19 f.



) H ö f l e r Organotherapie 11.

Kloster 7, XLVI.

50

4

*) D a s

) H ö f l e r a. a. O.

4. Um zu sehen, wie tief das M. im Untergründe des Volksglaubens kraft der an es geknüpften Wirkung festsitzt und vermöge solchen Beharrens bis in unsere Zeit hinüberreicht, wird es gut sein, die Märchen und Sagen daraufhin zu befragen, was sie uns von Umprägungen ursprünglicher Vorstellungen zu sagen haben. Dabei erkennen wir zum Teil das unmittelbare Weiterleben derjenigen M.vorstellungen, die uns entgegengetreten sind. Im Vordergrunde stehen ja die Wendungen, denen zufolge (vgl. das Volksbuch vom hörnernen Siegfried) der Riese, Drache oder Teufel das Land verwüstet, bis ihm eine reine Jungfrau als Opfer überliefert wird 51 ). Ebenso wie andere Märchenstoffe ist auch dieser nicht auf deutsches Geistesgut beschränkt (s. Märchen). Die Ansicht, daß Riesen, Drachen und Teufel in derartigen deutschen Stoffen an die Stelle älterer Gottheiten getreten seien, hat viel für sich. So steht ζ. B. der das M. fordernde Nick neben anderen Geistern und auch neben dem Element selber. Ähnlich haben wir die Riesen nicht durchweg als Nachkommen von personhaften Göttern anzusprechen, sondern oft genug als die Repräsentanten rauher Naturkräfte und Elemente, wie sie denn in der Sage gern als die Verkörperungen der groben, allem Geistigen und Göttlichen entgegengesetzten Materie erscheinen; bisweilen sind sie augenscheinlich die abgewandel" ) A d a m v. B r e m e n a . a . O . " ) W u t t k e !8 280 § 4 2 3 . ) M a n n h a r d t Germ. Mythen ten Repräsentanten des den Asen vor270. 554. 709; S c h w a r t z Volksglaube 31. 205; aufgegangenen Göttergeschlechts und M e y e r Religgesch. 239 f. ; vgl. Artikel „hängen", 28 empfangen nun wie zum Zeichen ihrer 3,1440. ) H ö f 1er Organotherapie 9 ff. ; M Degradierung die M. nicht mehr als freiK o c h h o l z Naturmythen 281. ) Brunner Rechtsgesch. 1 , 1 7 5 ; 2 , 4 6 8 . 476. 3 1 ) W u t t k e willigen Tribut, sondern müssen sie sich 138 § 191. M) Das Kloster 7, XLV Anm. 2. fordern oder rauben. Der Drache be33 ) D i o C a s s i u s 37, 30; Urquell 3, 285. 34 ) 35 findet sich in gleicher Situation. Stengel Opferbräuche 147. ) Grimm Auf zwei Sondertypen dieses ErzähMyth. 462. 3 ·) W u t t k e 78 §91. 3 ') S a r t o r i 3, 237. 38 ) K ö h l e r Voigtland 176. 39 ) L i e b lungsstoffes sei hier hingewiesen, weil 40 r e c h t Zur Volksk. 587. ) G r i m m Myth. sie die Umwandlung einzelner Züge in 615 Anm.; B i r l i n g e r Volkstüml. 1, 503. 41 ) 42 verschiedener Weise vorführen. Unter K ö h l e r Voigtland 607. ) Urquell 3 , 2 8 3 ; vgl. bei H ö f 1er Organotherapie 284 f. die v o n den Ruinen am Drachenfels lag in einer

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Menschenopfer

Höhle ein Drache, dem die Umwohner göttliche Verehrung erwiesen und seit Menschengedenken Gefangene schlachteten, die sie auf kriegerischen Streifzügen heimgebracht hatten. Unter den Gefangenen befand sich einmal eine schöne christliche Jungfrau, um deren Besitz sich zwei Anführer stritten. Um die Zwietracht aus der Welt zu schaffen (!), sollte sie dem Drachen vorgeworfen werden. Sie aber erhob das Kreuz mit dem Bilde des Erlösers vor dem Ungeheuer, welches sich daraufhin in die Tiefe stürzte und nicht mehr gesehen ward 62 ). Man sieht, wie hier verfeinertes Empfinden das M. an sich leugnen und nur unter ganz besonderer Bedachtnahme gelten lassen möchte: der Gedanke bleibt bestehen, daß zur Abwendung einer allgemeinen, durch eine unkontrollierbare (kosmische) Gewalt verursachten Landplage ein M. nötig ist. Noch weiter ist die Umbildung vor sich gegangen bei dem Märchen von den goldenen Schafen, welche das Burgfräulein bei den Heimchen in der inneren Bergwelt vorfindet und hütet 5S ), der Typus derjenigen Erzählungen, in denen überhaupt Menschenkinder sich in die Gewalt von unterirdischen, zumeist gutmütigen Wesen „verirren" und ohne Hoffnung auf Erlösung fern von menschlicher Gesellschaft verharren. Wenn auch natürlich einfaches Verirren nicht immer als Grundlage solcher Erzählung ausgeschlossen ist, so liegen doch zumeist, wie man längst erkannt hat, umdunkelte Nachklänge früherer M. vor, die Unholden, Riesen, Göttern gebracht wurden. Als entstellter Rest eines M. ist auch das Verschreiben von Kindern im Mutterleibe an den Teufel aufzufassen 54 ) ; wie in andrer Weise an die Stelle eines angelobten M.s der Hund getreten zu sein scheint, welcher alsdann dem geprellten Teufel als unreines Tier übergeben wird 55 ). Freilich werden auch andere Tiere wie zum Ersatz von Menschen geopfert, ohne daß dann gerade der Teufel Empfänger sein muß. Jedenfalls hat sich der Glaube, daß die Herzen u n g e b o r e n e r K i n d e r große übernatürliche Kräfte verleihen,

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sehr lange erhalten und wurde in verschiedenen europäischen Ländern in die Praxis umgesetzt, auch wenn nicht mehr ein Empfänger in der Geisterwelt angenommen wurde, sondern statt solchen die m a g i s c h e K r a f t , die auf diese Weise im Opfernden oder für ihn erhöht werden sollte. Aber nur m ä n n l i c h e Embryonenherzen haben wirkliche übernatürliche Potenz. Die Räuberbande des Hauptmanns „König Daniel" in der Provinz Ermeland ermordete im 17. Jh. behufs Erlangung der Kinderherzen vierzehn schwangere Frauen ohne jeden Erfolg, weil sämtliche Embryonen weiblich waren 5e ) ; eine vom französischen Marschall de Laval noch übertroffene Grausamkeit, da er 150 Frauen gemordet haben soll, um aus ihnen Knaben herauszuscheiden 57 ). Auf deutschem Boden wurde 1577 ein Mörder in Bamberg gerädert, der sich ein solches Herz verschafft hatte 58 ). Ganz deutlich erhalten hat sich die Idee des M.s in manchen S c h a t z g r ä b e r sagen. Der Teufel gibt gewöhnlich den von ihm behüteten Schatz nur gegen eine Menschenseele heraus, und die herbeigeschaffte ist ihm nicht einmal immer genehm 58). Als einmal aus einem Teich bei Hohenlauben Jesuiten einen Schatz heben wollten, erschienen Geister, welche einen Galgen errichteten und verlangten, daß ein Jesuit mit roten Hosen daran gehängt werde, und da das Opfer nicht gebracht wurde, so entschwand der schon emporgetauchte Schatz wieder eo). Noch im 19. Jh. sollte im Voigtlande ein Schneider mit roten Haaren von zwölf anderen Männern geopfert werden, damit sie den Schatz im Braupfannenteich bei Stein brücken heben könnten. Der Schneider jedoch, dem durch einen der zwölf die Sache verraten war, entwischte, und der schon zum Empfang seiner Seele bereit stehende Gottseibeiuns ließ alles unter gewaltigem Krachen wieder versinken. Die das M. ganz verurteilende Sage läßt aber alle Beteiligten im Laufe eines Jahres sterben, während der gutherzige Retter des Opfers erst 1852 hochbetagt starb 61). Nach andrer Version

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Menschenschöpfung—Mephistopheles

hat der Teufel den Pfarrer als Opfer verlangt β2 ). Ferner haben sich die Bauopfer sehr lange erhalten, und zwar nicht bloß in Form von Kinderopfern und nicht bloß bei Brückenbauten, die schon wegen ihres Zusammenhanges mit den Wasseropfern in Erwähnung gezogen wurden, sondern als Opfer von Erwachsenen und bei Bauten von besonderem Wert und außergewöhnlicher Größe e 3 ). In dem Pfeiler, auf welchem das innere Gewölbe der 1151 aufgebauten Michaeliskirche zu Adorf in Sachsen ruhte, wurde nach dem Brande 1768 ein Menschengerippe gefunden, das man für dasjenige des kühnen Baumeisters hielt. Als man nämlich bald nach Fertigstellung des Gebäudes einen Einsturz befürchtet hatte, verschwand der Baumeister, woraus die Sage entstand, er sei „vor Abnahme der Restung des Gewelbes" verschwunden und werde wiederkommen 64 ). Was die Volksseele hier, uneingestandenermaßen, verlangt, ist die freiwillige Selbsthingabe. So konnte erst nach einem solchen Selbstopfer das Straßburger Münster fertig gestellt werden 6 5 ). Der Erbauer der St. Jakobkirche in Chemnitz hat, weil der morastige Grund trotz vieler eingerammter Pfähle zu schwanken schien, sich von oben hinabgestürzt und „also den Bau mit seinem Blute versichert" ββ) (s. a. Bauopfer). Einige Beispiele haben schon gezeigt, wie schwer es ist, in einzelnem Falle auszumachen, ob einem Tieropfer ein früheres M. zugrunde liegt. Das Volksgewissen hat oft erstaunlich rasch und gründlich alle Spuren der M. zu verwischen gesucht ®7). Schon bei den alten Griechen, bei denen wie bei den Ägyptern die M. in vorgeschichtlicher Zeit schon Ablöse fanden, trug man so schwer an bewahrten Erinnerungen an M., daß man auch die Reste verschleierte. So ist ζ. B. in den Scholien zu Euripides' Medea v. 264 der Gedanke an die früher der Hera geopferten Kinder (Preller) ganz getilgt, und die Ziegen am Fest der Heräen werden in Korinth dargebracht als Sühne für die einst von den

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Korinthern geopferten Kinder der Medea M ). Interessant ist aber, daß sich manchmal die Erinnerung an den Eintritt solchen Ersatzes erhalten hat. Man erzählte sich in Rom von Hercules, daß er die Sabiner den wahren Sinn eines Orakels gelehrt habe, das nicht Menschen, sondern Lichter (nicht photes, sondern phota) darzubringen befohlen habe β β ). 51 ) Vgl. Zusammenstellung Urquell i , 198; Z f V k . ι , 1 1 5 . 52 ) S c h e l l Bergische Sagen 501 Nr. 15. M ) B e c h s t e i n Neue Märchen Nr. 24. M) Q u i t z m a n n 236. 6S) a. a. O. 242. 5 ' ) L ö w e n s t i m m 123. 57 ) E b d . 124. 58 ) E b d . 123. s ») E i s e l Voigtland 1 7 9 Nr. 479. ««) E b d . 181 Nr. 481. " ) E b d . 178 f. Nr. 478. · 2 ) E b d . 1 7 9 A n m . 4. * 3 ) S t r a c k e r j a n 2, 288. M ) M e i c h e e5) Sagen 933 Nr. 1140. Stöber Oberrhein. M) Sagenbuch 505; L i e b r e c h t Volksk. 293. M e i c h e a . a . O . 934 N r . 1 1 4 3 . " ) Vgl. E. K r a u s e in Kosmos, 1878; S o m m e r Haar 54. M) S o m m e r 5 5 ; S e e l i g e r bei R o s c h e r Mythol. Lex. p. 2494. " ) Urquell 3 , 2 8 4 ; H o v o r k a K Beth. K r o n f e l d 1,297.

Menschenschöpfung s. A n t h r o p o g o n i e ι , 460ff. Menstruation s. Nachtrag. Mephistopheles. M. heißt bei Goethe der Teufel, dem sich Faust verschreibt und der dann dem Helden des Dramas dient; er ist „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft", „der Geist, der stets verneint" usw. Im Anschluß an die älteren Erzählungen von Agrippas und Fausts H u n d 1 ) erscheint er bei dem Dichter als schwarzer Pudel, der sich schließlich als Scholastikus entpuppt. Bei der Beschwörung, wie sie das Volksbuch von Spieß 2 ) schildert, offenbart sich der Teufel zunächst als Greif oder Drache, dann als Stern (vgl. Lc. 10, 18; Ape. 12, 9; Ies. 14, 12), der sich in eine feurige Kugel verwandelt, danach zum Feuerstrom wird, auf dem sechs Lichter auf- und niederspringen, weiter zum feurigen Mann und endlich zum grauen Mönch, während Widmann 3 ) nach ähnlicher Beschreibung der Beschwörung den Geist zuletzt in Fausts Wohnung hinter dem Ofen (wie später Goethe) hervorgehen läßt, als Bär mit Menschenkopf, der gleichfalls zum grauen Mönch wird. Der Höllenzwang (s. d.),

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Mephistopheles

der Passau 1612 datiert ist 4), zeigt ihn als feurigen Bär, und in der beigefügten Illustration in „anderer und gelinder Erscheinung a) wie ein kleiner Mann in einer schwarzen Kappe (d. i. Rock, Mantel) und kahlem Kopf". Seinem Wesen nach gilt M. den Volksbüchern nicht als der Höllenherr, als der Teufel selbst, sondern als ein Spiritus familiaris e ), der sich mit den Worten kennzeichnet: „Ich bin kein Teuffei, sondern ein Spiritus familiaris, der gerne bey den Menschen wohnet" 7 ). Doch ist er auch ein Großfürst der Hölle, der unter dem Planeten Jupiter steht und dessen Regent Zadkiel heißt 8), nach dem Pass. Höllenzwang statt Luzifer (s. d.) über alle Geister gesetzt e ), wodurch sich seine Stellung bei Goethe erklärt. Nach Widmann 10 ) ist M. ein gelehrter und erfahrener Geist, den der Teufel als Diener zu Faust sendet. Es wird von ihm gesagt 1 1 ): „ist dienstfertig, er erscheint wie ein Jüngling, ist zu allen Künsten und Diensten willig, er gibt die Spiritus Servos (sonst Famiiiares genannt), er bringt Schätze aus der Erde (NB.) und aus den Wasser sehr schnell" u. ä. Der Name M. lautet in seiner ältesten Form nach den Volksbüchern 12 ), bei Marlowe und Shakespeare usw. 1 3 ) Mephostophiles, auch Mephas-, Mephestophiles, später Mephistophiles, Mephistophelus, Mephistophiles14). Der Passauer Höllenzwang hat die Hauptform Mephistophiel 1S ) neben Mephistophiles 16 ) und einmal Mephistopholus"), Marlowe 18 ) auch in der Beschwörung: M. Dragon, der Pass. Höllenzwang 19 ): Spiritus M. Vermutlich gibt der zeitlich den Volksbüchern wohl nahestehende Pass. Höllenzwang mit seiner Form Mephistophiel die ursprüngliche Gestalt des Namens, die den zahlreichen Dämonennamen auf -el parallel ist, vgl. Barbiel, Marbuel, Ariel usw.; daraus wäre dann, wie aus Christophorus durch Deformation Christophel und Christopheies gebildet wurde, Mephistophiles entstanden, s. auch die gleichfalls analogen Formen Christofolus20) und Mephistopholus. Die Deutung des Namens M. ist nicht

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ganz einfach, und es gibt zahlreiche Erklärungsversuche. Widmann 21 ) meint zu Mephistopholus: „welches denn ein Persischer nam sein sol"; das ist sicherlich falsch. Nach einem Brief des Altdorfer Professors Dürr 22) von 1676 wäre es ein unverständliches Wort, dem er μεγαατοφίλος vorzieht „ut intelligatur, se magnum et prae aliis eminere velle"; auch diese gewaltsame Deutung ist nicht stichhaltig. Weber (Goethes Faust 1836) 23 ) denkt an Πξιο (von ΠΕ3 hauchen u. ä.) „Hauch, Verhauchen" 24 ), mephites (mephitis = schädliche Ausdünstung der Erde) und φίλος oder ώφελεϊν, so daß M. wäre: homo, quem mephites iuvant; auch mit diesem sprachlichen Bastard ist nichts anzufangen. Schröer 25 ) glaubte M. aus „Zerstörer" und b?in „Lügner" erklären zu können, was von Simchowitz2β) bestritten wird, der dafür auf Π"6?Π {"00 Aussprache) rät und überträgt: „Verbreiter von Unsinn, Sünde", aber anerkennt, daß die Vokalisierung seines hebr. Prototyps dem Namen M. nicht entspreche. Gegenüber der Behauptung, daß mephis nicht „Verderber, Zerstörer" bedeuten soll, ist auf Nah. 2, 2 zu verweisen, wo das pt. hiph. ^ ε ο diesen Sinn hat, vgl. auch Prov. 25,18, wo das Substantiv für „Keule, Hammer u. ä." steht. Stünz 27) deutet M. als μεγιστωφελής „der höchst Nützliche"; nach ihm ist gemeint Hermes, der Dämon des Planeten Merkur, der Ophiel heiße oder Magist-ophiel (soll wohl heißen: Megist-ophiel), mit griech. Endung gleich Magistopheles, daraus M., der ursprünglich sogar der ägyptische Thot sein soll. Die Konstruktion ist zu künstlich, um wahrscheinlich zu sein. Kiesewetter 28 ) geht von der Form Mephostophiles aus, die er aus μή, φως und φίλος bestehend deutet: μηφωτοφίλος „der das Licht nicht Liebende", und nimmt an: „die Einschiebung des hierher nicht gehörigen α entspricht dem halbgelehrten Zauberer Faust"; man könnte aber auch an μή φωτός φίλος denken und müßte dann nur eine Metathese des τ und a voraussetzen. Aber Kiesewetters Er-

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Mephistopheles

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Märung trägt der hebr. Form Mephisto- ! Neh. 2,10. 7, 62, der im 9. Jh. auch als phiel nicht Rechnung, und auch sie ist so I Name eines Engels begegnet in der Form gekünstelt, daß man höchstens mit ! Tubihel und Tubiel 35 ), später Tuwahel 3e ) -Giintert2e) eine Angleichung des zunächst (auch Tywael? 3r ), was auf führt. hebr. Namens an die griech. Worte durch Jüdisch ist erwohl im bxBE der magischen gelehrte Spekulation vermuten dürfte. Schrift „Schwert des Moses" zu finden; Zudem ist auf das o in der den ältesten in diesem bxStS ist nach bekanntem WechZeugen eigentümlichen Form nicht der sei 2 mit Β vertauscht 38 ) und würde nach Nachdruck zu legen, den ihm Kiesewetter östlicher, der westsyrischen des â als ô gibt, da etwa zur gleichen Zeit Mephastoähnlichen Aussprache tôpheêl lauten. philes u. ä. erscheint, der Vokal o also Der t-laut dieser Namen paßt auch besser nicht urgiert werden kann. Geht man von Mephistophiel aus, so zur Umschreibung M. mit t 39statt th, Die kennen wir im AT. einen Namen, der das gewöhnlich Π entspricht ). Transskription des 2 durch ph wird gemit ^DP zusammengesetzt ist: ^SrtTix sichert durch eine Bezeichnung Gottes in 2. Sam. 15, 12 ff., Sept. Άχιτόφελ, Vulg. 40 einem Gertrudenbüchlein (s. d.) ): „Gott Achitophel, der mit „mein Bruder ist Torheit' erklärt wird 30 ); die Deutung Serachim Toph" = G o t t 2lt0 QTrjfc' „Gott die andere in der ist unsicher, doch könnten 15, 31 die der das Gute liebt", und 41 _i Pneumatologia occulta ) : „ Adonai Jehova Worte n: ?30 „betöre doch" eine Anτ ν · " Eloha Aph", das durch den trinitarischen spielung auf den Namen bergen, aber das Zusammenhang sich ergibt als: ΠΙΓΡ "ΟΙ'Χ ist nicht zu beweisen. Noch weniger hilft ni'PX; statt ph begegnet auch f, der Ortsname Dt. 1,1 S DPI, Sept. Τοφόλ, so in den Gottesnamen eines HöllenHieronymus nach Eusebius 31 ) : Thafol, zwangs (s. d.) 4 2 ): „Eel, Chad, SchadVulg. Thophel, dessen Bedeutung nicht daym, Eel Kanus tof etc.", d. i. "HB* "ΙΠ btf feststeht. Am ehesten würde dem Namen 3it5 NÍ3¡? b« „Gott der Eine, der Alldie Deutung von Simchowitz gerecht, mächtige, der eifrige Gott, der Gute nur dürfte besser passen brn^EO „Ver- usw.", in jüd.-deutscher Aussprache toff breiter von Abgeschmacktheit, Torheit", neben toiw 43 ). Ferner wird in einer das sich mit der Erklärung von Achitophel Clavicula Salomonis (s. d.) 44) der dem berührt; bedeutet Hiob 6,6 „ab- Planeten Jupiter, unter dem M. steht geschmacktes, insulsum", Thren. 2,14 (s. o.), zugehörige Dämon Tophiel ZachaSept. αφροσύνη, Vulg. stulta vgl. ^SP hebr. riel (letzteres wohl sein Regent, eigentlich und aram. „albern reden, murren" 3a ). Zadkiel) genannt. Man könnte annehmen, Die ostjüdische Aussprache des Wortes daß dies eine Abwandlung bzw. ein Druckist tôfel 33 ), so daß aus Mephistoph (f)el oder Schreibfehler für Tophiel sei, wie 46 die geläufige Form sich leicht ergibt und der Dämon des Jupiter auch heißt ), aber, magischen die Schwierigkeiten in dem tiflôth, tiflôs da es auch in einer anderen 4e vermieden sind. Nur schwebt auch hier Schrift von 1745 anzutreffen ist ), gleichdie Form Mephistophiel in der Luft. Doch falls dem Jupiter zugeeignet, so wird es Ophiel es bieten sich noch andere Möglichkeiten. schon sein Eigenrecht haben. (s. d.) ist im Vorwort des Buches Arbatel In tophiel kann ^NJICS stecken, vgl. den 47 aram. Namen eines Syrers Tes. 7, 6 *?íptO, (s. d.) Dämon des4e Saturn ), im Text selbst des Merkur ), im 6. u. 7. Buch •den nach Esra 4, 7 auch ein persischer 4e Mosis ) ist Ofel (sie) Dämon des Jupiter, Beamter führt (hat Widmann s. o. was der Stunzschen Deutung nicht günstig etwa darauf anspielen wollen?), Sept. Ταβεήλ, Vulg. Thabeel. Verwandt ist der ist. Tophiel aber entspricht einerseits bekannte Name Τιοβιήλ Tob. 1,1, Vater genau dem zweiten Bestandteil des Na•des Tobit.im aram.Text 'λΧΌΙϋ 12 'SUS3*), mens Mephistophiel und andererseits dem vgl. ,T?lt3 Sach. 6, 10. 14. Esr. 2, 60. 'pK'GIC, das zu übertragen wäre „mein ·· t |T

Mephistopheles

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Gutes ist Gott", während bíOtS ÓtOlE) ··

: IT

:

bedeutet: „gut ist Gott". Indessen kann das i auch euphonischer oder analogischer Zusatz sein wie in Βαραχιήλ Sept. Hiob. 32, 2 = SíO^Q, Σουβαήλ, Σω'ίϊηλ (so bei Lucian) 50) = bsiZV* Άβδιήλ Sept. = y^' Ie.r 36, 26, biP'QV ι . Par. 5, 15; das in Sept. und im UT immer Να&αναήλ transkribierte ist später zu Nathaniel 51 ) geworden. Nimmt man dies auch für M. an, so wäre Mephistophiel bxiritO f S C , und da 2VÚ auch als Subst. „das Gute" bedeutet, hieße M. „der Zerstörer oder Störer des Guten Gottes". Aber es ist auch möglich, daß die Endung -el (mit dem Verbindungslaut: i-el) nur ein M. als Dämon markierendes 52 ) Anhängsel ist, wie in den Zodiakalnamen bei Agrippa und im Buch Semiphoras (s. d.) M ): Ariel (Aries), Tauriel (Taurus), Leoniel (Leo), Virginiel (Virgo) usw., und der eigentliche, bedeutungsvolle Teil des Namens wäre Mephistoph „Zerstörer des Guten". Darf man im hebr. Prototyp annehmen, so ließe sich auch die Form Mephostophiles durch eine schon im bibl. Schrifttum nicht seltene, dann auch späterhin 54) häufige Verlesung des , in J^DD zu 1 erklären. Mephistophiel konnte weiter auch leicht zu Mephistophil-es werden, da sich auch der Nachweis des ausgefallenen e erbringen läßt; so ist aus 'woblJ' Num. 1,6.2,12, Sept. Σαλαμιήλ, das bekannte „Schlemihl" M ), aus Saraciel (Σαρακιήλ? vgl. Wipes' se )) Saracil " ) geworden. Es ist natürlich schwer, bei diesen Namen, für deren Erklärung eine Menge Möglichkeiten in Rechnung zu stellen sind, sichere Entscheidungen zu treffen, aber die Bedeutung „Zerstörer des Guten (Gottes)" würde dem Wesen des M. durchaus entsprechen. Der Pass. Höllenzwang 58 ) nennt noch nach einer Erklärung des M.s Luzifers Stern: Cerumephitin; darin könnte man eine Hybridbildung p:21SO~Nnp „genannt der Schaden, Pestilenz , Ausdünstende" vermuten. Mephitis war ja auch als Göttin personifiziert6β). Das Wort wäre dann semitisiert wie Neapolis I^lCJ eo).

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*) A g r i p p a v . N e t t e s h . 1, 21 f . ; S c h e i b l e , Kloster 2, 437 f . ; 5, 50; 11, 320; K i e s e w e t t e r Faust ι (1921), 29; W i e r De praestigiis daemonum 1. 2 c. 5 ( f r a n z . Ü b e r t r a g , v o n 1579, N e u d r u c k P a r i s 1885, 1, 191). 2 ) S c h e i b l e Kloster 2,945; n . 6 ff. 346. 3 ) S c h e i b l e a . a . O. 2, 307 fi. 311 ff.; W . G u n d e l Sterne u. Sternbilder (1922), 322 f. 4 ) S c h e i b l e a . a . O . 2, 330; K i e s e w e t t e r a. a. O. 1, 158 f. 5 ) D a s i s t schon F o r d e r u n g i m a n t i k e n Beschwörungsz a u b e r : έλθέ μοι ττρόίυμος, Ιλαρός, άττήματος Κ . P r e i s e n d a n z ' E d i t , d e r Papyri Graecae Magicae2 (1931), 115; D i e t e r i ch^frciu-as 177, o f t w i e d e r h o l t i n d e n s p ä t e r e n Z a u b e r b ü c h e r n ζ. B . S c h e i b l e a . a . O . 5, 1096. 1098 u s w . ; D a s 6. u. 7. B u c h Mosis ( B u c h v e r s a n d Gutenberg, D r e s d e n ) , XXXV ff. ; J e z i r a d a s ist d. gr. Buch· d. B ü c h e r Moses (O. Bartels, Neuweißensee) 1, 61 ; G u n d e l a. a. O. 321. · ) S c h e i b l e a . a . O. 5, 62. Ü b e r diese Geister s. R . R e i t z e n s t e i n Púimandres (1904) 152. 153. 223. 226. 365; D e r s . Hellenist. Wundererzählungen (1906), 5; G u n d e l a . a . O . 151. 278. 308 f. 323 t . ; H o r s t Zauber-Bibliothek 1, 145; 5, 346 ff.; K i e s e w e t t e r a . a . O . ι , 45 ff. 188; S c h e i b l e a . a . O . 3, 57. ' ) D e r s . a. a. O. 5, 62. 8 ) K i e s e w e t t e r a . a . O . I, 158. Zu Z a d k i e l vgl. a . a . O . 2, 147; A g r i p p a ν . N e t t e s h . 2, 68. 76. T a b . zu 81, 3, 142. 158. · ) S c h e i b l e a . a . O . 11, 351. 571; 10 K i e s e w e t t e r a . a . O . 2, 14. ) Scheible : a . a . O . 2, 330. 1 1 ) A . a . O . 5, 1133; H o r s t a . a . O . 3, 98; J e z i r a 3, 112. 12 ) S c h e i b l e a . a . O . 2, 344 ff. 949 ff·: 5. 134· 904 s . ; I i , 14· 16. 22; K i e s e w e t t e r a . a. O. 1, 168 ( u n g e n a u ) . 13 ) A n e w D i c t i o n a r y (Oxford) 6 (1908), 343. ! E i n m a l k ü r z t M a r l o w e a u c h a b zu Mephosto· ¡ S c h e i b l e a . a . O . 5, N a c h t r ä g e n a c h S. X I V . ι " ) S c h e i b l e a . a . O . 2, 864. 869; 3, 18. 25. 34; J 5, 1113. 1129. 1137; H o r s t a . a . O . 3, 98. 103; ι J e z i r a 3, 106. 108. 112; K i e s e w e t t e r a . a . O . i 2, 249. l s ) K i e s e w e t t e r a . a . O . 1, 158 f . ; ! 2, 148. 14g. 155. 156; S c h e i b l e a . a . O . 11, 16) j 351· 359· 3 6 9 f f · ; G u n d e l a . a . O . 321. I K i e s e w e t t e r a . a . O. 2, 155. 17 ) A. a . O. 2, 151. ί 18 ) S c h e i b l e a . a . O . 5, 942. w ) K i e s e w e t t e r 20 ί a . a . O . 2, 155. 160. 161. ) Vernaleken j Mythen 36 f. Vgl. zu d i e s e n F o r m e n a u c h • Gabrieles, a u s Gabriel, H o r s t a . a . O. 4, 162. ; « ) S c h e i b l e a . a . O . 2, 349; 5. 135· M ) A. a . O . j 2. 349! 5. 135· a 3 ) A . a . O . 2, 350; 5, 135. M ) W . G e s e n i u s Hebr. u. aram. Handwörterbuch ü. d. AT. (1890), 488; G. D a l m a n n Aram.-neuhebr. Handwörterbuch (1922), 247. 2S ) E n c y c l o p e d i a B r i t a n n i c a (14. E d . ) 15, 260; 2β K i e s e w e t t e r a . a . O . 1, 163. ) Kölnische Z e i t u n g N r . 204 b v o m 13. 4. 1928. S7 ) A . a . O . N r . 211 v o m 17. 4. 1928 n a c h F . S t ü n z Astro2β logie, Alchemie, Mystik. ) A . a . O . 2, 163, ü b e r n o m m e n a u s H . D ü n t z e r Die Sage von Doctor Johannes Faust bei S c h e i b l e a . a . O . 5, 135; E . B o l d t Von Luther bis Steiner (1921), 17 (M. soll i d e n t i s c h sein m i t A h r i m a n l ) . a 9 ) Göttersprache 13. 3 0 ) E . K ö n i g Hebr. u. aram. Wörterbuch z. AT. (1922), 12. 3 1 ) E u s e b i u s Onomastikon ed. E . K l o s t e r m a n n (1904). 99-

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Merkur (ius)—Merseburger Sprüche

32)

B u x t o r f Lexicon chald.ta.lm.rabb. ed. Fischer (1869), 1298; D a l m a n a . a . O . 446. 33) E. B i s c h o f f Jüdisch-deutscher u. deutsch34) jüdischer Dolmetscher (4. Aufl.), 67. M. G a s t e r Studies and Texts on Folklore etc. 3 35 (1925 s.), I. ) F r a n z Benediktionen 2, 11. 592; F. O h r t Da signed Christ (1927), 257. 442. 36) Das 6. u. 7. Buch Mosis (Buchv. Gutenb.) X X I V . 3 ') Ebd. 38) G a s t e r a . a . O . 2, 34; 3, 70. 3e ) S t r a c k - S i e g f r i e d Lehrb. d. neuhebr. Sprache (1884) 11 § 4 b. 40) Jezira 4, 5. 85. 4 l ) H o r s t a . a . O . 1, 127, vgl. S c h e i b l e 42) a . a . O . 5, 1145. 1148. 1156. Scheible a. a. O. 5, 1159 ff., auf S. 33 des dort folgenden Höllenzwangs vgl. auch Tufi "CltO (mit aus ô verdumpftem û); H o r s t a . a . O . 3, 108. 43) B i s c h o f f a. a. O. 67, vgl. auch jontoö 26 und massei toff 39. 44) Jezira 2, 66. 4δ) S c h e i b l e a . a . O . 3, 232; A g r i p p a v. N e t t e s h . 2, 123 (Intelligenz des Jupiter). Tab. zu 81 (zwischen Metatron u. Zaphkiel). 3, 159 wird Joviel mit Beziehung auf Jovis als Geist des Planeten Jup. bezeichnet. Der Name ist alt als jüd. Engelname 'px^Si1 D a l m a n a. a. O. 181, im ,,Schwert des Moses", t G a s t e r a . a . O . 2, 34:3, 70 heißt er pntCCD ^JOBI^ ,,J- Metatron", vgl. auch S c h w a b Vocabulaire de l'angélologie (1897), 257. Der Name bedeutet: Schönheit Gottes. Er spielt in der Kabbala eine Rolle, K i e s e w e t t e r a. a. O. 2, 147 und im Pass. Höllenzwang ebd.; S c h e i b l e a. a. O. 3, 231. 308. 311. Sein Name steht auch in Zauberformeln T h i e r s 1, 355 nach M a r t i n 40) von Arles. S c h e i b l e a. a. O. 3, 560. Auch wenn Tophiel aus Mephistophiel abgekürzt wäre, würde der Kurzname dennoch das Verständnis des Namens M. im obigen Sinn stützen. 47) S c h e i b l e a . a . O . 3, 232. 4β) A. a. O. 3, 248, vgl. 85 und K i e s e w e t t e r Die Geheimwissenschaften 286; Das 6. u. 7. Buch Mosis X X X V I I . 49) Das 6. u. 7. Buch Mosis LI. 60) G. B u c h a n a n G r a y Studies in Hebrew proper names (1896) 311. 51 ) S c h e i b l e a . a . O . 3, 328; A g r i p p a v. N e t t e s h . 3, 144; K i e s e w e t t e r Faust 2, 14. 52) A g r i p p a ν. N e t t e s h . ι, 154 erklärt diese Namen nicht übel: „ D e r Name El, welcher Kraft bedeutet, wird nicht bloß den Namen der guten, sondern bisweilen auch denen der bösen Geister beigefügt, denn auch die bösen Geister können ohne die Kraft Gottes weder bestehen, noch etwas wirken". 5S ) A g r i p p a ν. N e t t e s h . 3, 158 (ebenso die lat. Planetennamen: Saturniel, Joviel usw.); S c h e i b l e a. a. O. 3, 323. Die Namen begegnen dann vereinzelt auch in späteren Büchern, ζ. B. Virginiel im Buch Jezira 1, 66. 64) D a l m a n Grammatik d. jüd.-paläst. Aramäisch (1905), 71. " ) B i s c h o f f a . a . O . 57. " ) G a s t e r a . a . O . 3, 79 Z. 25. 5? ) B u r c k h a r d t Die Kultur der Renaissance (18. Aufl. bes. v. W. Goetz), 506 nach M. P a l i n g e n i u s Zodiacus vitae (Lugd. 1581 Basel 1600) 9, 770 ff. 5e ) K i e s e w e t t e r Faust 2, 249. ··) P l i n . «. h. 2, 93 (95), 208;

182

T a c i t u s hist. 3, 34; S e r v i u s Virg. Aen. 7, 84. D a l m a n Grammatik 186. Jacoby.

eo )

Merkur(ius) ( P l a n e t ) s. P l a n e t e n . Mer meut (auch Mermeunt, Merem u t h 1 ) ) = Wetterdämon, meist zusammen mit dem Sturmriesen Fasolt gen a n n t 2 ) , w i r d in m e h r e r e n W e t t e r s e g e n des 1 0 . — 1 2 . J h . s 3 ) als b ö s e r G e i s t u n d U r h e b e r d e r S t ü r m e b e s c h w o r e n , bes. in H a g e l s e g e n d e s 1 1 . J h . s (Münch. H s . d e s I i . J h . s c o d . t e g . 372) : „ a d i u r o t e Merm e u t c u m sociis t u i s , q u i p o s i t u s es s u p e r tempestatem". Herkunft und Ableitung d e s N a m e n s ist u m s t r i t t e n . Grimm4) m e i n t , er b e d e u t e t : i m Meer t o s e n d , murrend. A u c h der N a m e des m y t h i s c h e n R i e s e n M e r m e r o l t ist d a m i t in V e r b i n d u n g g e b r a c h t w o r d e n 5 ). Franze) glaubt n a c h w e i s e n z u k ö n n e n , d a ß er j ü d i s c h e n U r s p r u n g s sei, u n d s c h o n f r ü h d u r c h die j ü d i s c h e l i t e r a r i s c h e T r a d i t i o n n a c h D e u t s c h l a n d g e k o m m e n sei. ') F r a n z Benediktionen 1, 56 ff. *) G r i m m Myth. 1,529; S i m r o c k Myth. 628; G o l t h e r Myth. 181; Ε. H. M e y e r Germ. Myth. 161. 3 ) Verzeichnet bei F r a n z a . a . O . 4) Myth. 1,529. s ) F r a n z 2, 56 if. ·) Ebd. Pehl. Merseburger Sprüche. ι . Zwei metrische Zaubersprüche, H a n d d e s 10. J h . s , in einer H a n d s c h r i f t d e r Merseburgerbibliothek1), von J. Grimm 1842 k u r z n a c h i h r e r E n t d e c k u n g v e r öffentlicht und faksimiliert2), später oft gedruckt3). Ü b e r den Ursprung der Msb. S p r . s. S e g e n § 1 5 . 1 6 . E i n V e r g l e i c h dieser T e x t e ist n a c h zwei Seiten hin möglich. A l s sprachliche u n d p o e t i s c h e D e n k m ä l e r g e h ö r e n sie der altgermanischen Literatur a n ; Einzelheiten und z. T . Ausdrucksweise können in erster R e i h e v o n d a a u s A u f k l ä r u n g erwarten. A l s Z a u b e r t e x t e l a s s e n sie s i c h m i t S p r ü c h e n (u. S e g e n ) v e r w a n d t e n Zweckes und A u f b a u e s zusammenstellen, g e r m a n i s c h e n (so w e i t e n t s p r e c h e n d e v o r h a n d e n ) w i e a u c h a n d e r e n ; die M ö g l i c h k e i t d ü r f t e n i c h t z u b e s t r e i t e n sein, d a ß a u f die M s b . S p r . a u c h v o n dieser S e i t e ein L i c h t f a l l e n k a n n . E i n e gewisse Spannung zwischen den beiden Erklärungsmethoden w i r d w o h l immer be-

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Merseburger Sprüche

stehen. Es soll hier, wo die Msb. Spr. als „Aberglaube" zu betrachten sind, ausschließlich die Aufgabe sein, die beiden Texte im Zusammenhang mit anderen magischen Texten zu sehen. Über die Götternamen siehe die betreffenden Artikel (Balder usw.). Unten Anm. 4 sind bedeutendere, besonders neuere Erörterungen über die mythologische (und sprachliche) Seite sowie auch über die Texte als magische Produkte angeführt4). Siehe übrigens die Literaturangaben zu Dreifrauen-, Trierer-, Verrenkungssegen sowie zu Segen § 16. — Beide Sprüche bestehen aus einem erzählenden Teil und einer Schlußbesprechung ; über letztere vgl. Segen § 4 Schluß, 16. Beschreibung der Hschr. MSD. 2, 42 f. ) Abhandl. Berliner Akademie 1842, i f f . = Kleinere Schriften 2 (1865), 1 fi. 3 ) Z. B. 4 MSD. χ, 15 f. ) Literatur a) Über beide Sprüche: G r i m m Myth. 1, 185 ff. 3 3 2 6 . ; 2, 1029ff.; MSD. 2, 43 ff.; G o l t h e r Mythologie 110. 3 8 2 0 . ; M e y e r Religgesch. 137. 158 ff. 3 1 1 ff.; S t e i n m e y e r 365 ff.; F. W r e d e SitzbBerl. 1923, 85 ff.; V o g t ZfdA. 65, 97 ff. (mit vielen Hinweisungen). b) Über den ersten: Z a c h e r ZfdPh. 4, 464 ff.; W a l l n e r ZfdA. 50, 214 s . ; Helm P B B . 35, 3 1 2 ff.; S c h w i e t e ring ZfdA. 55, 148 ff. (rez. v. d. L e y e n BayHfte ι, 270ff.); B r u c k n e r ZfdA. 57, 282 ff. c) Über den zweiten: K u h n Zfvgl.Spr. 1 3 , 5 1 ; B u g g e Heldensagen 296 ff.; K a u f f m a n n P B B . 15, 207 ff.; G e r i n g ZfdPh. 26, 145 ff. 462 ff. L o s c h Balder 2 ff. 24 s . ; G r i e n berger ZfdPh. 27, 433ft.; N i e d n e r ZfdA. 43, loiff.; K. K r o h n Finnisch-ugrische Forschungen ι, 1 4 8 0 . ; 5, 128 ff.; Ders. Gött. gel. Anz. 1912, 213 f.; M a n s i k k a Über russische Zauberformeln 257; R. Th. C h r i s t i a n s e n Die finnischen u. nordischen Varianten des 2ten MS (Hamina 1914); N e c k e l Die Überlieferungen vom Gotte Balder 242; Ohrt Vrid og Blod 62ff.; A. Olrik DanSt. 1925, 1 ff. 2

2. Der erste Spruch. „Eiris (Enis ? ) sazun idisi, sazun hera duoder. Suma hapt heptidun, suma herí lezidun, suma clubodun umbi cuonio uuidi. Insprinc haptbandun, invar vigandun. Η (für ieri)". — Formell stellt sich dieser Spruch den Dreifrauensprüchen und zwar deren rollenverteilendem Typus zur Seite. Inhaltlich handelt er, wie die lat. Marcellussprüche und viele spätere, über Binden und Lösen. Während aber bei Marcellus und sonst öfters vom Gedärm die Rede ist, meint

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der Verfasser hier Fesseln und Entfesseln im Kriege: „hemmten das Heer" (oder die Heere), „entfahre den Feinden". Ausgeschlossen ist wohl nicht, daß der Spruch darüber hinaus gegen ein rein magisches Binden (mit Krankheit od. a.) seitens menschlicher oder unsichtbarer Feinde gebraucht wurde. Wie eigentlich die Weiber (idisi) wirken, ist kaum mit völliger Sicherheit zu sagen. Daß sie sich von einem Fluge niederlassen 5 ), ist nicht angedeutet; man darf ein Walkürentum nicht eintragen. Jedenfalls gehören alle drei Gruppen zu den Idisi, und die drei „suma" (d. h. „einige") sind gleichlaufend, heben formell keinen Widerstreit zwischen den Gruppen hervor 6 ). Gewöhnlich denkt man sie sich dann alle als dem Gefangenen zu Gunsten wirkend, und zwar so 7) : Einige fesseln hinter dem befreundeten Heere die feindlichen Gefangenen, andere gehen vor (oder in) diesem Heere auf den Feind los (beide Gruppen nach der Art altgermanischer Weiber), wiederum andere lösen hinter dem Feindesheer dem (den) Gefangenen die Fesseln. Es erweckt hier jedoch Bedenken, daß ein Wechseln zwischen Freund und Feind als persönliche Objekte gar nicht ausgedrückt ist (vielleicht auch kein Wechseln des Ortes, denn die Übersetzung „hier- und dorthin" für „hera duoder" ist sehr unsicher). Der Spruch besagt eher ganz im allgemeinen, auf welche verschiedene Weisen fesselkundige Wesen wirken : Einige heften fest, einige wieder lösen (klauben Fesseln ab). Das zweite Glied („hemmten Heer") fällt ein wenig hinaus, indem hier von Band und Fessel nicht die Rede ist. Für den Zweck des B e s p r e c h e r s (und der Spruch will ja ein magischer Spruch sein) ist nur die dritte Gruppe fördernd, und diese ist t a t s ä c h l i c h in ihrer Wirkungsart der ersten zuwider. In den Schlußworten, die wohl als (auch) von den Idisi und zwar nur von deren dritter Gruppe gesprochen zu denken sind, scheint „haptbandun" sich auf die erste Gruppe gegensätzlich zu beziehen, wogegen das Wort „heri" der zweiten nicht wiederholt ist. Von gleichzeitigen und älteren ähn-

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Merseburger Sprüche

liehen magischen Texten in lateinischer Sprache kommt wohl dieser des 9. Jh.s (gegen „coli dolor et matricis dolor") am nächsten: „Tres sorores ambulabant, una volvebat, aha cernebat, tertia resolvebat" 8). Hier sind sich Nr. 1 und Nr. 3 "tatsächlich, aber nicht im Wortlaut, gegensätzlich, Nr. 2 fällt aus diesem tatsächlichen Gegensatz hinaus (vgl. Segen § 5). Der Msb. Spr. 1 bringt aber noch weniger einen Gegensatz zum Ausdruck, indem er teils die gleichlaufenden „suma", nicht Zahlwörter, setzt, teils in jedem Glied ein besonderes Objekt bringt (hapt, heri, widi), während im lat. Spruch überall das Gedärm als Objekt zu denken ist, welches bald mißhandelt, bald zurechtgemacht wird. — Die beiden alten Texte des Marcellus (s. Dreifrauensegen § 1) betonen (ob mittelst kräftiger Redigierung?) den Gegensatz sehr scharf, indem sie die zwei Jungfern als eine, schädliche, Gruppe der dritten Jungfer gegenüberstellen und also kein „neutrales" Mittelglied darbieten. Der erste Msb. Spr. scheint uns, eben in seiner dichterischen Anschaulichkeit, bei aller Kürze und Bündigkeit, als m a g i s c h e r Spruch betrachtet hier ein wenig minder Straffheit und Zweckmäßigkeit zu besitzen als die gewöhnlichen Dreiheitsprüche, welche den Gegensatz schärfer hervorheben. Anderseits verleiht ihm der erhabene Ton und die markige Schlußbeschwörung ein machtvolleres Gepräge. 5)

H e u s l e r Die altgermanische Dichtung 58. So mit Recht V o g t ZfdA. 65, 100 f. 107"ff. (gegen L i n d q v i s t Galdrar 14 ft., der gar die dritte Gruppe von den Idisi trennt). ') Nach 8) H e i m M ü l l e n h o f f MSD. 2, 44. Incantamela 559. e)

2. D e r z w e i t e S p r u c h . „P(h)ol ende Uuodan vuorun zi holza, du uuart demo balderes volon sin vuoz birenkict. Thu biguolen Sinhtgunt, Sunna era suister, thu biguolen Frija, Volla era suister, thu biguolen Uuodan, so he uuola conda. Sose benrenki, sose bluotrenki, sose lidirenki: ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin". Inhaltlich und im Aufbau in der Hauptsache derselbe Spruch wie der Verrenkungssegen über Jesus, der ein

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Pferd heilt (s. Verrenkungssegen § 1, auch Trierersegen). Im Verhältnis zu manchen späteren, knapperen und doch zugleich vollständigen und geschlossenen Varianten macht unser Spruch mit seiner etwas breiten, an Personen fast überreichen Darstellung, trotz seines Alters, den Eindruck, nicht die Urform zu vertreten, sondern einfachere Formen vorauszusetzen (womit natürlich über heidn. oder christl. Ursprung nichts entschieden ist). — Die drei „biguolen" sind nicht bloß formell (wie die „suma" des 1. Msb.Spr.) sondern auch inhaltlich gleichlaufend. Die m ä n n l i c h e n P e r s o n e n . Die Frage, wessen Pferd, Phols oder Wodans, verrenkt wird, kommt durch einen Hinblick auf die späteren Formen schwerlich ihrer Lösung näher. Nur so viel läßt sich sagen, daß nach aller Analogie die betreffende Person schon in dem ersten Satze genannt sein muß, daß mithin der Balder keine dritte Person ist. Falls der Obergott Wodan gemeint, steht Phol, wie St. Petrus in vielen christlichen Varianten, als überflüssiger Begleiter da; dies ist aber nicht ausgemacht. Die weiblichen Personen. Alle älteren und viele neuere Ausleger fassen das Besingen seitens der Göttinnen als ein mißglücktes auf, erst Wodan solle es schließlich gelingen, das Roß zu heilen. Und diese Auslegung wird dann mitunter für Vermutungen über einen tieferen (an sich ganz unmagischen) Sinn des Spruches verwertet 9). Aber daß die Weiber nichts vermochten, ist erstens gar nicht gesagt, und zweitens wäre es für einen wirklichen Zauberspruch, wie dieser doch einer ist, zweckwidrig, das vergebliche Bemühen einer g u t e n Macht gewichtig auszuführen. Derlei findet sich im Zauber äußerst selten; zu nennen wäre ein altägyptischer Text 10), laut dessen der Gott Ra, von einer Schlange gebissen, vergeblich selbst sich zu heilen versucht und dann Isis zur Hilfe bewegt; aber dieser Spruch ist an sich eine sehr breite E r z ä h l u n g , deren eigentlicher Sinn ist, daß der ganze Vorgang eine List war, mittelst welcher Isis dem Gotte Ra dessen eigenen Geheimnamen ent-

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lockte. In einem späten deutschen Segen gesteht Petrus auf Jesu Geheiß, er solle das Vieh besegnen: „Ich kanns nit; du Gott bist der Mann"; dies ist wohl ein sekundärer Zug, einem anderen Muster entlehnt u ). Die Göttinnen des Msb. Spr. 2 wirken sicher fördernd wie Wodan, die Namenhäufung will den Eindruck der Machtfülle erwecken; „das Gedicht stellt die gesamte göttliche Zauberkraft dar, die in ihnen allen gegenwärtig ist, ihren Gipfel aber in Wodan erreicht" 12). Der Satz „so he wola conda" hebt ihn hervor ohne die anderen zu schmälern. Die Herrechnung der leidenden Organe entspricht üblicher magischer Umsicht. „Lid zi geliden, sose gelimida sin" hat eine Parallele in einer christlichen Form des 14. Jh.s „glit, gleym dich, als dich der heiligi Christ geleimt hat" (d. h. hätt'?) 13 ). ») Z . B . ZidA. 43, i o i f f . ; ZfdPh. 27,462; M a n s i k k a Über russ. Zauberformeln 257; N e c k e l Die Überlieferungen von dem Gotte 10) H ä l s i g Balder 242. Zauberspruch 13 f., nach L e f e b u r e Zschr. f. ägypt. Sprache 21, 27 ff. u ) Birlinger Volksth. 1, 202; vgl. Urquell N. F. 2 (1898), 104 (16. Jh.); ZidA. 23,437; auch C h r i s t i a n s e n Die finn. u. nord. Varianten des 2. Merseburgerspruches 160. 1S) Olrik PanSt. 1925, 8. 13) ZfdA. 24,68. Ohrt.

Messe, von missa, womit seit Ende des 4. Jh.s im Abendland der eucharistische Gottesdienst bezeichnet wird. Nach kirchlicher Lehre ist das Meßopfer der höchste Akt der Gottesverehrung und das wirksamste Mittel Gnaden zu erlangen. Daher legt das Volk auf die M. auch den größten Wert und läßt solche in allen möglichen Anliegen lesen. Besondere Kraft hat die M. nach der Volksmeinung über die Geister. Spukgeister kann man vertreiben, wenn man M. lesen läßt x ) ; Geister werden durch M. erlöst2), sie erscheinen sogar bisweilen und verlangen, daß man M. für sie lesen lassen soll8). Priester, die gestorben sind, ohne die bei ihnen bestellten M.n gelesen zu haben, müssen umgehen 4), bis dieselben nachgeholt sind s ). öfters wird die M. zu magischen Praktiken benutzt. So läßt ein Bestohlener eine M. lesen, der

Dieb bekommt dann keine Ruhe mehr (Bestrafungszauberβ ) ). Gewisse Dinge, wie Kleeblätter, Kugeln 7), Zauberzettel, Tücher, Münzen, Ringe werden unter das Altartuch gelegt und die M. darüber gelesen (manchmal auch mehrere8)), dann werden sie geschluckt oder getragen und bewirken Unüberwindlichkeit ®), Gegenliebe10), Heilung von Krankheiten u ) . Wachsfiguren unter das Korporale gelegt, oder Seelenm. für Lebende gelesen, bewirken „Mortzauber" 12). Auch beim Schwindezauber spielt die M. eine Rolle 13 ). Frauen, welche übermäßig menstruieren, müssen die M. verlassen, ehe der Priester das M.buch schließt, dann hört das Leiden auf u ) ; oder der Priester muß einer solchen Frau gleich nach der M. das Mieder mit einem Knoten schließen15). Das Cingulum eines Priesters, der seine erste M. las (Primiz), hilft gegen Geburtsnöte1β). Auch sonst sind Gewänder, die bei der M. getragen werden, heilkräftig, sie nützen gegen Schlaflosigkeit17) und Frauenleiden18). Ferner kann man einen Schatz damit heben w ) und sie zu Wasseropfern gebrauchen20). Regnet es vor der Sonntagsm., so regnet es die ganze Woche 21 ). Unter der M. soll man nicht älter werden 22). Mädchen, die drei M.n anhören und sich dann unter die Haustüre stellen, erfahren das Handwerk ihres Zukünftigen durch den ersten, der vorübergeht (Angang) e ). Die berühmte „Goldene M.", die nach Micheli unter vielem Pomp abgehalten wurde, ist wohl ein Erntedankfest24 ). Als Parodieen der M. sind zu nennen die im Mittelalter beliebten E s e1s - und Ν arr e ηm.n (Überreste der Saturnalien)28), und die berüchtigten „schwarzen M.n" über dem Leichnam einer nackten Frau usw. (Mortzauber)2β). 1) K ü h n a u Sagen 2,566f. ') K n o o p Schatzsagen 18 Nr. 33. 3) Hüser Beiträge 2, 16. *) R e i s e r Allgäu 1, 294. ') B a a d e r Volkssagen 80. 6) SAVk. 25, 17 f. ') Brandenburgia 1916, 167 u. 177. e) Weinhold Neunzahl 35. ·) Wolf Beiträge i, 252; Panzer Beiträge 2, 282 u. 553. " ) ZdVfVk. 8, 398. «) S t e m p 1 1 linger Abergl. 41. ) Ders. I.e. 41. 66. 13) ZdVfVk. 7, 66. 409. 410. " ) F r a n z Benediktionen 2, 205. 16) Ebd. ιβ) F r a n z 1. c. 206; cf.

messen—Messer P l i n i u s Nat. hist. 28, 42. " ) ZdVfVk. 8, 288; M e y e r Baden 575. " ) F r a n z I.e. 2,205. î0 « ) W a i b e l u. F l a m m 2,266. ) Baum!l g a r t e n Jahr 9. ) B a r t s c h Mecklenburg I2 2, 212. ) K l i n g n e r Luther 116. S3 ) J o h n M Westböhmen 23. ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 438. s5 ) S c h ö n b a c h Bertold v. ft. 109. 16 ) M e y e r Abergl. 264; S c h w e n n Menschenopter I. Schneider.

messen s. M a s s 5, 1852 ff. Messer. Das M. hat Anteil an sicher schon vorgeschichtlichem Aberglauben, der sich vor allem auf Totenbannung bezog 1 ). Die antidämonische Wirkung des Eisens wird nur in einzelnen Fällen, die sich wechselseitig erhellen, faßbar 2 ). Mit Gepflogenheiten der volkstümlichen Schmiedetechnik — Einschlagen von Werkstattzeichen in die Klingen — in Zusammenhang steht die Herstellung von Drei- und Neunkreuzmessern, besonders in den Alpengebieten; bei letzteren sind •die neun Kreuze in der Regel von einer Reihe halbmondförmiger Punzen unterfaßt 3 ). Die Forderung eines schwarzen Heftes "für das zauberisch wirksame M. in mönchisch-literarischen Überlieferungen schreibt sich aus einem gräcosizilischen Formenkreis her, wobei ebenso wie im alteren deutschen Aberglauben ursprünglich an Waffenmesser ( = Schwerter) zu •denken ist 4). ι . M. in die E r d e stecken als Bannzauber: a) Um zu verhindern, daß ein Toter sich in einen Vampir verwandle, stechen an manchen Orten in Serbien die alten Weiber am Abend des Begräbnistages, nachdem sie Werg und Schwefel kreisförmig auf dem Grabe ausgelegt und verbrannt haben, ein altes M. und vier Weißdornspitzen ins Grab, das M. in die Brust und je zwei Spitzen in die Füße und in die Hände des Toten®). Der nachstehende Fund hängt wohl sicher mit ähnlichen Vorstellungen auf deutschem Boden zusammen. „Ende September 1 9 1 1 wurde im Gemeindebann Ramsen (Kt. Schaffhausen) die Leiche eines landfremden Mannes gefunden, der in einem wenig tiefen schmalen Graben

ertrunken war. Die Leiche war ganz nackt, das Gesicht halb im Wasser, die Arme gegen den Boden gestemmt. Etwa 100 m oberhalb lagen wohlgeordnet seine Kleider und darunter stak ein Taschenmesser in der Erde " e ). Ein M. ins Grab zu stechen galt späterem Volksaberglauben schon als Frevel 7 ). Mit der Vorstellung von Schätze hütenden Toten, deren Bannung bewerkstelligt werden soll, hängt aber die Vorschrift zusammen, man müsse, um einen Schatz zu heben, auf diesen oder das Schatzfeuer rasch ein M. werfen 8 ). Vor Sonnenaufgang wird man dann das Geld finden ·). Anderseits berichtet die Sage auch vom Verschwinden eines M.s in die Erde, als eine Hexe es zu Boden warf, da ein Mädchen sich fürchtete, das zurückgebrachte anzunehmen 10 ). Sind darin noch letzte Erinnerungen an die Überlieferung lebendig, das M., mit dem das Haar des Toten geschoren wurde, diesem mit ins Grab zu geben 1 1 ) ? Oder beziehen sie sich auf Bodenfunde, wie dies für die Berichte von Zwergenmessern, die zurückgegeben werden müssen 12 ), anzunehmen ist? Gleichsinnig wie der Vampir wird der Werwolf gebannt, wenn man einen Degen so in die Erde stößt, daß die Spitze ihm zugekehrt ist; dann muß er stehen bleiben, bis seine Stunde kommt, wo er wieder Mensch wird 1 3 ). Mit solcherlei Hegung und bannender Beschwörung hat man es wohl auch in älterem sächsischen Rechtsbrauch zu tun, wobei das M. als Waffe anzusprechen ist. Verschiedene sächsische Weistümer berichten, daß die Männer auf dem Holtding während der Verlesung ihre M. in die Erde steckten, bei den namentlichen Aufrufen herauszogen und dazu eine Formel sagten, nach welcher die Brächten bestimmt wurden; zu Hülsede schlossen die Männer dabei einen Kreis und steckten die M. vor sich in die Erde. Oder es war Gewohnheit, daß der Angeklagte ein M. in die Erde steckte und jenachdem er sich schuldig oder unschuldig erkannte, die Worte aussprach: „ich steche mein M. up Gnade" oder „ich steche mein M. up Recht" M ). Rächender Hilfe der Toten versichert

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man sich wider Bann und Hexerei und trifft dabei durch eine Art Fernwirkung den Unheilstifter. Den Wundsegen kann man „auftun", wenn man ein M. in die Erde steckt und damit verwundet 15 ). Auch erzählt eine Bergische Sage, einem Fuhrmann sei es widerfahren, als er vom Wirtshause wegfahren wollte, daß sein Wagen „gestellt" war. Da schlug er ein geöffnetes Taschenm. zwischen den Füßen des Vorderpferdes in die Erde und jener, der den Bannspruch gesprochen, lag in seinem Blute auf der Kegelbahn 16 ). Eine kranke Kuh wurde vom „Alten" des Bauern besprochen, hernach warf er ein M. in die Ecke des Stalles, daß es stak, der Hexer — ein Nachbar — trug ein Loch im Fuß davon 17 ). Abwehr der Bannimg durch den Toten offenbart das Stechen des M.s in die Stallschwelle, wenn man erkunden will, ob das Vieh verhext ist. Das M. muß am Johannistag zwischen Elf und Mitternacht verfertigt sein und darf nur diesem Brauchen dienen. Der Hexenbanner legt auf die Klinge ein geweihtes Osterbrot; fehlt es im ganzen Stall, so bricht die Klinge ab, und das Brot fällt herunter. Fehlt es aber nur bei einigem Vieh, dann dreht sich bloß das Brot um. Man nimmt dann das M. zur Hand, legt das Brot fest auf die Klinge und geht so damit im Stall herum. Kommt man an das beschrieene Tier, so springt das Brot weit weg und das Tier fängt zu keuchen an. Verfängt diese Handlung nicht, so geht man mit einer Wünschelrute und kreuzweis gelegten Banndornen im rechten Schuh Barren und Stallschwelle entlang, bis der Fuß gefangen wird; regelmäßig hat man dort beim Aufgraben Totenbeiner oder Haarzöpfe gefunden 1β ). Wetzt man ein M. auf der Schwelle, dann geht das Kind einer Schwangeren im Haus — aus ebenderselben Einwirkung — zurück 19 ). b) An Abwehr der Schädigung durch die Unterirdischen erinnert es noch, wenn beim Säen des Flachses auf der Ecke des Landes, wo man die ersten Körner ausstreut, ein M. in die Erde eingesteckt wird, wogegen man, wo man die letzten

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Samen hinwirft, drei Kreuze macht 20 ). Auch heißt es, beim Säen des Flachses wurde auf der Ecke des Landes, woher der Wind kam, ein M. in die Erde gesteckt: das solle vor Ungeziefer bewahren 21). Um zu verhüten, daß es auf einem Festplatze regnet, muß man drei lange M. in die Erde stecken 22). Hiefür ist schon ältere Überlieferung geltend zu machen. Eine Hs. des 16.—17. Jh. enthält den Wettersegen: „contra tempestatem factalemcirculumcultello n i g r i manub r i i et scribe cum ilio in circulo: Jes. Ν. R. J. et mitte cultellum figere in I circulo, quousque tempestas cessât et die 5 Pater Noster et Ave Maria". Er hat ¡ Entsprechungen auch in Frankreich und ! den Balkanländern, so wie im mittelalterlichen Schifferglauben, den Bernardin von Siena 1443 in einer Predigt zu Padua anführte: quidam quoque, quum ; oriri viderint tempestatem gladium in navis arborem figunt Gegen das — ¡ durch Zugwind verursachte — Zahnweh : führt er an: „Quibusdam verbis gladium ! in terram figunt ". „Aliqui dolorem I dentium incantant cum cultello in terram \ fixo" und weiters: „contra dolorem sive ; tumefactionem gutturis seu contra can; tarellas incantant cum cultello, qui habeat ! manubrium nigrum". Welchem mittel; ländischen M.typus das geforderte „cultellum nigri manubrii" entsprechen mag, ! ist nicht bekannt 23 ). Auch sonst ist Verquickung mit Abwehr oder Β an η un g v o n W i n d g e i s t e r n festzustellen. In Velburg war einer, der konnte den Wind aufhören machen, wenn er dreimal gegen den Wind mit einem M. schnitt und bei I jedem Schnitte die Spitze des M. in die ! Erde steckte (siehe unten 2) 24 ). Ebenso bannt nach sagenhaften Vorstellungen in den Ostkarpathen einen Famüienangehörigen, der in der Ferne weilt, die zu Hilfe gerufene Hexe, sobald sie ihn sieht, indem sie schnell ein anderes Weib vor die Schwelle des Hauses schickt, das ein M. mit einer Hirschhornschale in der Hand hält und dieses langsam, sehr langsam in die Erde stößt, sonst würde sich der Fliegende zu rasch zur Erde herabsenken müssen. Wenn das M. bis

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zum Hefte in der Erde steckt, bleibt der Fliegende bei der Schwelle des Hauses stehen und gehört nun der Person, die ihn gewünscht hat usw. 2B ). Umgekehrt steckte nach einem polnischen Märchen ein Zauberer ein neues scharfes M. in die Schwelle und verwünschte seinen Diener, dem er zürnte, sieben Jahre auf dem schnellen Sturmwind durch die Welt zu jagen. Da hob der Wirbelwind den Burschen, der Heu auf einer Wiese häufelte und riß ihn fort in die Lüfte 26 ). Gegen die Gefahren des Elfenreigens wie gegen Irrlichter schützt man sich in Frankreich durch ein in die Erde gestochenes M. Umgekehrt ist auch davon die Rede, daß in die Erde oder in einen Baxun ein M. mit offener Klinge gesteckt wird, an dem sich die Irrlichter erstechen27). Namentlich gegen Windgeister werden M. aufgerichtet. Steckt man beim Erbsensäen das Taschenm. mit dem Griff in die Erde, daß die Schneide gegen den Wind gekehrt ist, dann lassen die Erbsen sich gut brechen und kochen — weil der Wind ihr Reifen nicht behindern kann 28 ). Auch auf das Bienenvolk wirkt M.bann. Sobald ein Schwärm abzieht, nehme man ein Brotmesser und stecke es dicht vor dem Korb in die Erde, die Schneide dem Volke zugekehrt. Wird das M. umgedreht, so fliegt der Schwärm weg 29 ). 1 ) L. H a g b e r g Vasst emot Fataburen 1929, 12. 2 ) L i e b r e c h t Gervasius 99 f. 3 ) W e i n hold Neunzahl 20; A n d r e e - E y s n Volkskundliches 136 f. (mit Abb.). 4) P r a d e l Gebete 130 f. 5 ) K r a u ß Slav. Volkforschung 127 (so wohl richtig gegenüber dem Text, der im Vordersatz mißverständlich von fünf Messern spricht). «) SchwVk. 2, 14. ') K u o n i St. Galtet 8 Sagen 31. ) L i p p e r t Christentum 495!; Müllenhoff Sagen 353 Nr. 470; S c h e l l Bergische Sagen 214 Nr. 177; Kiihnau Sagen 3, 617. 702. 704; E i s e l Voigtland 182 Nr. 485; Meiche Sagen 751 Nr. 920; SAVk. 25, 59. ®) G r i m m Myth. 3, 473 Nr. 1026. 10 ) A n d r e e n Braunschweig 383. ) G r i m m Myth. 3, 458 Nr. 700. " ) B i r l i n g e r Volksth. 1 , 3 ! ; S c h e l l Bergische Sagen 236 Nr. 219. l 3 ) K u h n und 14 S c h w a r t z 470. ) G r i m m RA. 2, 385. » ) Ders. Myth. 3, 317. 14 ) Schell Bergische 17 Sagen \ηη Nr. 93. ) H e y l Tirol 39 Nr. 50. 18 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 28; stark entstellt bei S e l i g m a n n Blick 1, 265. M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 280. 20 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, B4chtoid-Stiuoli, Aosrgrlaube VI

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164. 2 1 ) Hiiser Beiträge 2, 25 Nr. 10. ") S c h r a m e k Böhmerwald 250. 23 ) Z a c h a r i a e Kl. Schriften 344. 349ff.; vgl. B a u m g a r t e n Jahr (1861) 2i, 70: in Oberösterreich bannt der Bauer das Wetter, indem er auf seinem Grund einen Pflock in die Erde schlägt. M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 106 Nr. 3. 25 ) ZfVk. 18, 93. a6 ) G r i m m Myth. 1, 526 (Anm.). « ) S é b i l l o t a Folk-Lore 2, 88. 419 f. 421. ") B a r t s c h Mecklenburg 2, 164. *·) Urquell 6, 21.

2. M e s s e r w u r f , a) Schon ein ags. spell berichtet vom M.wurf als Gegenzauber gegen die ihre Geschosse schleudernden Elben und Hexen. Nach dem spell wird das M. ins Wasser getan 30 ). Den Hexenschuß schreibt man seinerseits einem in Rücken oder Knie von den elbischen Geistern eingehauenen M. zu 3 1 ). Eine weitum typische Abwehrhandlung ist es, das M. gegen den Windwirbel zu werfen 32 ). Das geschieht besonders, wenn der Wirbel das Heu mit fortführt — es sitzt dabei der Bilmesschnitter darin, besonders Drei- oder Neunkreuzmesser werden als wirksam empfohlen M ) — ebenso wirft man es gegen Hagel-(Hexen-) wetter, Wasser- oder Windhosen S4 ), man verwundet die Hexe, die darin sitzt, damit 38 ), das M. wird — wenn sich die Hexen darin streiten, blutig 3e ) — oder main erkennt sie, sie springt nackt heraus 37 ). Auch auf nächtlichem Weg schützt man sich durch ein hingeworfenes M. vor der Hexe, so muß sie stehen bleiben bis an den lichten Morgen 38 ), gespenstische Katzen u. dergl. entfliehen 39 ). Ein M. oder einen Stahl über die Hexe werfen, heißt diesen „blank machen". Dem Werwolf platzt dabei das Fell kreuzweise vor der Stirn und der nackte Mensch kommt heraus 40). Ebenso muß sich der Teufel zeigen, wenn man ein M. mit einem Kreuz rücklings in den Wirbel wirft 4 1 ). Eine Sage vom Lechrain erzählt: Als Bauernkinder auf der Wiese „Messerl, Messerl tu dich kehren" spielten, kam einmal das in die Luft geworfene M. nicht mehr herunter, sondern hinter ihnen stand ein winzig kleines grünes Hojemännl, das M. zwischen den Zähnen und grinste die Kinder an, daß sie entliefen 42 ). Klingen und Schlucken hören auf, wenn man ein M. nach der Tür wirft ω ) , oder es 7

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ins Salzfaß steckt, und zumal wenn man damit in die Bierkanne oder das Wasserglas sticht, und, wie Präetorius mit einleuchtender Heilwirkung angibt, „in einem Odem" einen, nach anderen drei Schlücke oder Söffe tut 44). Im erstgenannten Fall wird wohl der Luftzug wie in letzterem ein kalter Trunk magisch entkräftet. Das hat noch Weiterungen. b) Schlucken vergeht, wenn man ein M. mit der Spitze an die Magengegend hält 45 ), oder man soll dagegen über die Schärfe des M.s mit dem Finger fest hinund herfahren oder das M. so vor den Mund halten bei verhaltenem Atem, daß es nicht beschlägt 4e), wobei es in letzterem Fall natürlich zum zweckmäßigen Hilfsmittel wird. Leidet einer der biertrinkenden Bauern im Böhmerwald an Harnwinden, so nimmt er ein M. vom Tische, verläßt die Stube und macht dagegen draußen mit dem Rückenteil des M.s über den maßgebenden Körperteil dreimal das Kreuzeszeichen 47). Schließlich mag man ein M. auch nur mitnehmen: ein solches mit drei Kreuzen schützt gegen Hexen, gegen das wilde Heer 48), wer ein M. bloß einsteckt, behält vor Gericht Recht 49). Will die Milch nicht zu Butter werden, steckt man ein Küchenm. in die Tasche 60 ). In der Tasche umgekehrt hilft es gegen einen begleitenden Geist, Schlucken vergeht 61 ). Das (auf einen) gerichtete Gewehr geht nicht los, wenn man ein M.-besteck umgekehrt in die Tasche steckt 52 ) oder — ein lehrreiches Beispiel mehr zünftiger Künstelei —: „Für Geschütz ein Kunst". „Kauf an einem Donnerstag nach Fespern ein M. mit einem schwarzen Höfti, nimm es wie sie dir es schätzen, stoß das Höfti in die Scheide in linken Hosensack den Spitz nach unten, so mag keiner schiessen" (Simmental) 53 ). Die Wöchnerin soll noch vier Wochen lang ein neues M. mitnehmen oder M. und Kamm eine zeitlang auf der Brust tragen 54). Dagegen darf auf dem Gang zur Taufe der Pate kein M. bei sich tragen, das würde das Kind zum Selbstmörder bestimmen ss ), der Bräutigam nicht, sonst wird das Eheband zerschnittense), Kar-

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freitag und Samstag darf kein Junge das M. in der Tasche haben S7). Bevor mein am Abend ins Bett geht, muß man das M. wegtun, sonst hat man schwere Träume 68). Dämonische oder Fernwirkung bestätigt sich durch ein der Bannung entsprechendes Fallen des M.s. Will man wissen, ob Übligkeiten vom bösen Blick herrühren, lasse man ein M. zur Erde fallen, bleibt es stecken, so ist ein solcher vorhanden se ). Weiters zeigt dann das im Fußboden beim Herunterfallen steckenbleibende M. Besuch an 60), es kommt der Pfarrer 61 ), man erfährt etwas Neues ®2), bekommt einen Brief mit Traurigem oder Freudigem ®3), es gibt Unglück e4 ). Nicht zu übersehen sind bei diesen Vorstellungen die Beziehungen zu 1 a sowie zur Lexhennagelung, zur römischen defixio, dem Nagelschlagen (s. Nagel) usw. 6S ) ; so auch im Folgenden. 30 ) G r i m m Myth. 2, 1039 f. = Meyer Germ. Myth. 137. 31) Si m r o c k Mythologie 457; V o n b u n Beiträge 9; K u o n i St. Galler Sagen 209. 3a) F r a z e r 1, 329; M a n n h a r d t 1, 132; 2, 85 (Die Fellachen rufen einer den Sand aufwirbelnden Windhose „Eisen o Unseliger" zu); S t r a u ß Bulgaren 1 5 1 . 33) DG. 12, 147; 14, 52; D r e c h s l e r 2, 152; L i e b r e c h t Zur Volksk. 31 332 Nr. 166. ) A l p e n b u r g Tirol 262; M ü l l e n h o f f Sagen 225 f.; K u h n Westfalen 1, 108 Nr. 1 1 0 ; E i s e l Voigtland 208 Nr. 546; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 1 3 Nr. 2. M e y e r Baden 369; H e y l Tirol 38 Nr. 50. 3e ) K r a u ß Volkforschung 53 f. 3 ') G r i m m Myth. 2, 923; 3, 453 Nr. 554; M e y e r Baden 368; W. 259 § 377. 3e ) G r i m m Myth. 3, 456 Nr. 638. 3 ·) R e i s e r Allgäu 2, 426; B i n d e w a l d Sagenbuch 133. , 0 ) K u h n Westfalen 3 1 ; G r i m m Myth. 2, 1056. " ) ZfVk. 4, 303. « ) K o c h h o l z Sagen, 2, XLVII. « ) J o h n Erz44 gebirge I, 35. ) G r i m m Myth. 3, 443 Nr. 280; B i r l i n g e r Volksth. 1, 482; P o l l i n g e r Landshut 278 f. « ) L a m m e r t 241. «·) ZfrwVk. 10, 40. 47) ZfVk. ι, 205. 4e ) B o h n e n b e r g e r 3. 4 ») G r i m m Myth. 3. 444 Nr. 295. M ) D r e c h s l e r 2, 101, 254. " ) ZfVk. 4, 156; W. 357 § 537. " ) P a n z e r Beitrag 1, 264. 63) SAVk. 19, 229. " ) Urquell 4, 188; D r e c h s l e r 1, 205. " ) J o h n Erzgebirge 61 = W. 389 § 593. M ) D r e c h s l e r I, 259. ") ZfVk. 12, 423. s s ) SchwVk. io, 3. «») Urquell 4, 2 1 1 . eo ) Wolf Beiträge 1, 216. β1 ) F o g e l Pennsylvania 94 Nr. 378. 379. 62) B i r l i n g e r Volksth. 1, 497; ZföVk. 13, 134; ZfVk. 24, 55· e3 ) ZfrwVk. 2, 144. e4 ) Alemannia 33, 303. 65) H. O b e r m a i e r Leichennagelung in Altspanien ( P . W . Schmidt-Festschrift) 943 ff·! T s c h u m i Volkskunde u. Vorgeschichte (Vortrag im Verband d. D. Volksk. Vereine 1928) 59 f.

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In Oberösterreich bannen Nägel aus einer Totenbahre, mit Armensünderschmalz eingerieben und ihm durch Besprechung in Stirn und Glieder getrieben, den Dieb, daß er gestohlenes Gut wiederbringen muß. B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2 (1864), 88.

3. B a n n e n d e s E i n h a u e n des M.s in verschiedenen Schutzstellungen ββ ). Die Freischöffen, wenn sie einen gerichtet und im Walde aufgehängt hatten, steckten ein M. in den Baum. Auch der Metzger tat so, indem er ein M. in einen Holzpfosten steckte 67 ), nachdem er ein Tier geschlachtet. So steckt man, sobald die Leiche eines Nachzehrers, aus dem Hause getragen ist, ein M. über die Haustür 68 ). War ein Stück Vieh gefallen, so stieß der Kleemeister ein großes M. in die Stubentür, und bis er vom Abdecken zurückkam, durfte niemand hinsehen, da dies den Tod eines weiteren Stückes zur Folge gehabt hätte 69). Demgemäß erscheint das M. als Abwehrmittel gegen Hexen und Druden, außen an der Stubentür mit der Schneide nach oben eingestoßen 70), auch in einen Balken des Stalles mit der Schneide nach der Tür zu 71 ), über der Wiege in die Decke gestoßen 72) oder im Stall so über einer Kuh, die kalbt 73), einmal müssen es auch drei Metzgerm, in der Brüge (dem Boden) über dem Stall sein 74). Hierbei erscheint als zweite Abwehr zugleich die Schneide oder Spitze gen Himmel zu richten (siehe § 4). Auf einer Alp wurden bei einem großen Viehsterben M. und Gabeln auch verlocht 75). In Bosnien hält auch ein zwischen die Wandbretter eingestecktes M. je nach der Zahl der Fugen — von Tür oder Fenster gezählt — Kindersegen durch ebensoviele Jahre fern 76 ). Verlornes wiederzufinden, schlägt man zwei Hackm. in einen Kreuzbalken gegeneinander und spricht: „Bring mir mein Enti usw. wieder, oder du sollst deiner Lebtag kei Ruh meh habe; im Namen usw." 77). Im Romanusbüchlein findet sich Entsprechendes: „Daß ein Dieb, was er gestohlen wieder bringen muß, so schreibe diese nachfolgenden Buchstaben auf ein M., stecke das M. hinter die Stubentüre, um den Dieb zu erfahren, y.o. 4. 6. Ζ. Μ. Z. a. v.

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o.y. D. s. s. s. V. tt. V. a. m. s." 78). Schließlich bringt man auch vor dem Gang zur Taufe zwei M. oberhalb der Tür an oder steckt zwei Gabeln in den Türstock und legt ein Buch darauf, das bis zur Rückkehr aus der Kirche liegen bleiben muß. Dadurch soll das Kind leichter lernen79). Der R i c h t u n g s gedanke spielt bei der Abwehrstellung des M.s im persönlichen Schutz aus naheliegenden Gründen gleichfalls eine Rolle. Gegen Druden, Alpe, Mahre schützt ein auf die Brust gelegtes M. vor allem mit mit der Spitze und Schneide nach aufwärts 80), ebenso auch in die Wiege gesteckt 81 ), auch mit einem Testament daneben unters Kopfkissen gelegt 82 ). Besonders M. mit einem oder drei Kreuzen oder kreuzweise gelegte M. haben diese Abwehrwirkung, und die Unholdin spießt sich daran auf 8 3 ). Man steckt M. auch ins Schlüsselloch 84 ). Kreuzweise werden M. auch auf den Tisch gelegt oder man stellt sich nachts mit ihnen vor die Haustür gegen die Behexung der Kinder 86 ), legte auch, wie aus einem Hexenprozeß 1584 hervorgeht, wenn man sie während der Arbeit etwa in den Hof in Baumesschatten bettete, ein M. neben sie hin86). Gleiche Vorsichtsmaßregeln wurden nach alten Beichtfragen (v. J . 1401) zu schließen, auch für Wöchnerinnen angewendet. „Quidam homines... se circumdant cultellis in puerperio uel gladijs..." 8 7 ). Wenn man ein M. gegen Rheuma ins Bett nimmt, so spielt hier vielleicht noch die Erinnerung an die Abwehr der elbischen Windgeister mit herein88). Dasselbe scheint noch das Verstecken des M.s nach der Mahlzeit unter dem Tischtuch zu bedeuten, damit nicht Brotmangel eintritt 8e). Um abends den Alp auszutreiben, faltet der Hausvater an manchen Orten das Kopftuch eines Mädchens, legt quer auf den Streifen das Taschenm., schlägt die Zipfel übereinander und wickelt es ein — unter Ausweisung des Alps unterm Bett weg —, rollt dann das Tuch wieder auseinander; bleibt ihm das M. in der Hand, so ist der Alp verjagt, befindet sich das M. noch im Tuch, so ist er noch

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irgendwo versteckt und wird weiter gesucht eo). Man steckt ein Dreikreuzm. auch in einen Reifen ans Butterfaß, umsteckt es auch mit ihrer mehreren oder legt eines darunter 91 ) ; ob andere Darstellungen richtig „in das Faß stecken" schreiben, bleibe dahingestellt 92 ). Beim Essen darf man das M. nicht mit der Schneide zum Nachbarn gewendet legen, sonst gibt es Feindschaft 83 ), auch nicht M. und Gabel kreuzweise legen, sonst gibt es Verdruß 94), auch nicht ein M. mit der Spitze zur Tür gekehrt auf dem Tisch liegen lassen, sonst geht der Segen aus dem Haus 96). ··) S t o l l Zauberglauben 91. βτ ) G r i m m RA. I, 235 ff. ·*) W. 488 § 766. «») E b e r h a r d t Landwirtschaft 3, 14. 70) S c h ö n w e r t h Oberpfalz ι , 158 Nr. 13; SchwVk. 10, 37; Z f V k . 8, 396 f. 71 ) SchwVk. ι , 16; 2, 17. 72) S A V k . 2, 115. 73 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 315 Nr. 34. 74 ) Z a h l e r Simmenthai 42. 7δ ) S A V k . 15, 9. '·) Z f V k . 16, 3x3. 77 ) W. 415 § 645. *>) Romanusb. 25. 79) J o h n Westböhmen 113. 80) W o l f 81 ) R o c h h o l z Beiträge 2, 274. Kinderlied 290. 82) Z a h l e r Simmenthai 45. 83) G r i m m Myth. 3, 453 Nr. 564; S c h ö n w e r t h Oberpfalz I, 191 Nr. 10; 214 Nr. 1; G r o h m a n n 114; S A V k . 2, 271; M e y e r Baden 43. M ) Elsäß. Monatsschrift 1, 36. 8S) Elsäß. Monatsschr. 1, 36; S A V k . 2, 271. 86) B a r t s c h Mecklenburg2,18. 87 ) MschlVk. 17, 39. 88) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 268 Nr. 2; Vgl. H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 290. (Die Beschwörerin fährt bei den Rutenen mit dem M. um den Kopf des Rheumakranken, schneidet damit ein Kreuz in die Erde und wirft es schließlich weg). 8 ') Urquell 4, 274. K ü h n a u Sagen 3, 1 3 6 ! S1 ) G r i m m Myth. 3, 437 Nr. 70; B i r l i n g e r Schwaben 1, 399; W. 448 § 707. , 2 ) M ü l l e n h o f f Sagen Nr. 212; D r e c h s l e r 2, 254. ®3) W. 403 § 622 = S t r a c k e r j a n 1, 54; 2, 229 Nr. 485. M ) J o h n Erzgebirge 31; Urquell 3, 40; 4, 277; ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 2, 239. 95) G r o h m a n n Nr. 228 = W. 312 § 400.

4. a) D e s M.s S c h n e i d e gen H i m mel r i c h t e n 9 6 ) : Der Gedanke, durch drohend erhobene Schärfe des M.s die Himmlischen zu verletzen, geht vielleicht schon auf antike Voraussetzungen zurück (s. Axt, Finger 2, 1484). Allgemein gilt der Aberglaube, man solle das M. nicht mit der Schneide nach oben auf dem Rücken liegen lassen ; auch als jüdisch ist er schon seit dem 16. Jahrhundert bezeugt 97), wobei mit

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geringen Abwandlungen damit die Vorstellung verknüpft ist, man schneide dem lieben Gott oder den Englein damit ins Gesicht 98), steche ihnen die Augen aus " ) , man schneide ihm die Haare vom Haupt 10°), die Englein oder die armen Seelen zerschneiden sich die Füße daran 1 0 1 ), die Englein müssen darauf knien 102 ), sie wollen das M. umkehren, man sieht darum oft M. in wiegender Bewegung (Sinnestäuschung)103) ; man sticht der Mutter Gottes ins Herz 104 ). Altartiger heißt es, die Elfen oder Zwerge verletzen sich daran und verlassen das Haus 10S ), die Teufel oder die Hexen reiten darauf 106 ), der Teufel reitet ums Haus 107 ), „böse Leute" erheben im Eintreten ein Geschrei 108 ), man hat bald eine Leiche 109 ), bekommt Leibschmerzen 110 ), es gibt Nahrungssorgen, Verdruß m ) , das älteste oder jüngste Kind kann nicht schlafen — so auch, wenn es auf dem Tisch (s. d.) über Nacht liegen bleibt — , der Feind lauert unterdessen112). Es heißt auch, ein Kind, das in der Zeit geboren wird, während ein M. so liegt, stirbt durch das Schwert, oder man müsse, wenn ein Kind unter der Zeit ins Feuer fällt, eher das M. umdrehen als das Kind retten, offenbar weil sonst die magische Voraussetzung der Rettungswirkung aufgehoben wäre 113 ). Liegt ein M. auf dem Rücken, so liegt jemand im Wasser und man kann ihm nicht helfen, bedeutet eine Entsprechung hierzu im Lebenskreis der Marschen 114 ). b) Ü b e r s c h r e i t e n des M.s. Das Brautpaar muß beim Heraustreten aus dem Haus über ein der Schneide nach oben gerichtetes M. mit drei Kreuzen hinwegschreiten115), ebenso die Wöchnerin beim Hervortreten mit dem Kind 1 1 6 ). Auch geschieht dies, wenn man mit dem Vieh umzieht oder um gekauftes Vieh an den Stall zu gewöhnen 11T ). Eine ältere Zaubervorschrift v. J. 1679 besagt wohl in Anlehnung an solcherlei Vorstellungen : „Wann ihrer Zwey einander lieb haben und einer wollte die Lieb gerne zerstören, so solle man den Staub oder die Fasen so in eine M.schneide gefallen, auf dem Weg darüber sie gehen müssen, klopfen, so

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muß der so darüber gegangen dem andern feindt werdten" 118 ). »") SAVk. 21, 220 ff. mit Lit. " ) Ebd. 221. " ) G r i m m Myth. 3, 441 Nr. 209; 454 Nr. 596. · · ) G r o h m a n u 228; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 10°) 3, 280; SAVk. 21, 203; ZfVk. 24, 57. J o h n Erzgebirge 31. 101 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 49; Urquell 1, 185; V e r n a l e k e n Mythen 353. 101!) J o h n Westböhmen 181. 103 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 286 Nr. 9. 104) W e t t s t e i n Disentís 175 Nr. 49. l 0 5 ) S c h e l l Bergische Sagen 359 106 ) Nr. 586; 375 Nr. 13a. Urquell 1, 185; G r o h m a n n 225; K u h n Westfalen 2, 25 Nr.67; K ö h l e r Voigtland 395, 425; SAVk. 15, 9; ZfVk. 24, 57. 107 ) D r e c h s l e r i , 216. 108 ) W . 259 § 377; 312 § 460. 109) Urquell 1, 185; W . 312 §460; F o g e l Pennsylvania 116 Nr. 518; vgl. J e n s e n Nordfries. Inseln 327. n o ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 133; ZfVk. 23, 282 m ) Urquell I, 185 (zusammenfassend); SAVk. 24, 71; ZfVk. 24, 57. m ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 280; M e i e r Schwaben 2, 502; G r o h m a n n 109 Nr. 225; H ö h n Geburt 4, 276; J o h n Westböhmen 253; L i e b r e c h t Zur Volhsk. 314; W . 312 § 460. U 3 ) G r i m m Myth. 3, 469 Nr. 948; 475 Nr. 1083; ZfdMyth. 1, 243; D r e c h s l e r 1, 182, 216; S t r a c k e r j a n i, 56; ZfrwVk. 2, 200. « « ) ZfVk. 20, 383. 11S) W . 371 § 563. 11β ) ZföVk. 4, 218. 117 ) Z a h l e r Simmenthai 43; W . 439 § 691. l l e ) Egerl. 5, 6.

5. Magische W i r k s a m k e i t von S p i t z e und S c h ä r f e der K l i n g e weist in verschiedener Art immer noch auf Ableitung von den obigen Grundvorstellungen hin, doch offenbaren sich auch mehr auf die rein dingliche Qualität der „Schärfe" eingestellte Empfindungen einer Übertragung oder Fernwirkung dabei. Kreuzweise Schneidebewegungen mit dem M. gegen die Wolken wehren der Wetterhexe 119 ). Schneidet man so durch verhexte Milch im Siedetopf, so verwundet man die Hexe im Gesicht 120 ). Gleicherweise schneidet man durch Urin und Exkremente eines kranken Kindes, die Hexe war die erste, die am Sterbetag erschien m ). Kinder dürfen nicht mit dem M. in den Rahmtopf fahren, die Kühe bekommen geschwollene Euter 122 ), wer Getränke mit dem M. umrührt, bekommt Leibschmerzen 123 ), ja nicht einmal einen in Kaffee oder Bier gefallenen Kuchen, bzw. einen Bissen soll man mit dem M. herausholen124). Wenn man einem kranken Kind die Arznei mit einem spitzigen M. umrührt oder auf der M.-

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spitze eingibt, bekommt es Leibschneiden 125). Käse, Butter, Milch darf nicht mit Salz von der M.spitze gesalzen werden, sonst schwinden sie dahin 12β). In die Nachgeburt darf man nicht stechen127). Wenn eine Haut übers Auge wächst, schaue man mit diesem drei Freitage in den abnehmenden Mond, fahre mit einem scharfen M. vor dem Auge hin und her und spreche: Da güngen drei Jungfern darneben: Dei ein plückt Gras, dei anner Krut, Dei drüdd plückt dit Unfuhl von dit Og 1 2 S ). Wer ein M. ableckt, bekommt — leichtlich (d. Ref.) — böse Lippen129), muß nicht ein Aberglaube genannt werden, ebensowenig das Drücken der Beulen, die sich Kinder durch Schlag und Stoß zufügen. Wohl aber ist dies der Fall, wenn die Beule dreimal kreuzweise oder, mit einem Dreikreuzm. gedrückt werden soll, oder wenn man dabei ausspucken muß 130 ). Auf den Jahrmärkten zu Meißen, Bischofswerda und andern Orten hatte man (1545) viele „rote geweihte M.chen mit drei Kreuzen, welche die sogenannten Antoniusbrüder herumtrugen, zum Drücken der Beulen" m ) . Um das Blut zu stillen, wird eine Wunde unter Besprechen und Anblasen mit einem geschärften M. gestrichen oder dieses kreuzweise darauf gedrückt 132 ). Auch gegen Warzen wird dreimaliges Drücken mit der M.klinge unter Besprechen empfohlen 133). Altartiger heißt es, man solle das M. an einem feuchten Ort, ζ. B. im Keller usw. in die Erde stecken; wie das M. rostet, so heilt die Wunde, oder die Blutung wird aufhören 134 ). Das M., soll wie anderes Schneidendes, mit dem man sich verletzt, in den Ankenhafen oder in Speck gesteckt, auch mit Fett beschmiert und an eine trockene Stelle gelegt werden, oder man solle die Schneide mit einem Tuch umwickeln und hinter den Ofen legen, dann würde die Blutung stehen und die Schmerzen schwinden, klingt schon neuartiger 136 ). Der Schwindel muß unter Besprechen mit Umständlichkeit rundum bestrichen werden 138 ). Gegen Verfangen nehme man ein M. und fahre mit der Schneide vom Kopf des Viehes nach dem Schwänze hin, dann

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mit dem Rücken des M.s umgekehrt zurück und so dreimal 137 ). Wer an Neid leidet, nehme ein M. vor den Mund mit der Schneide nach oben und spucke dreimal über die Schneide weg hinaus 138). Wenn man den Neumond sieht, soll man sich mit dem M.rücken an die Stirne schlagen, dann bekommt man einen eisernen Kopf 1 3 9 ). 1 W ) Z f V k . 7, i88. 12 °) S c h e l l Bergische Sagen 51 Nr. 78; F r i ä c h b i e r Hexenspr. 18. m ) Z f V k . 122 ) 4, 324. W e t t s t e i n Disentís 175 Nr. 50; S A V k . 2, 223. 123 ) G r i m m Myth. 3, 474 Nr. 1052; S t r a c k e r j a n ι , 54; Z f V k . 7 , 2 9 1 ; 23, 282; 24, 58; vgl. F o g e l Pennsylvania 374 Nr. 125 ) 2005 f. 124 ) A n d r e e Braunschweig 403. P a n z e r Beitrag 1, 267 = W. 343 § 511. 12e ) ZföVk. 4, 217. 127 ) Z a h l e r Simmenthai 19. 128) B a r t s c h Mecklenburg 2, 360 f.; vgl. Urquell 4, 127. 12*) J o h n Erzg. 31. 13 °) G r i m m Myth. 3, 441 Nr. 211; P a n z e r Beitrag 1, 259; L i e b r e c h t Zur Volksk. 312; Urquell 3, 56; Z f V k . 7, 164. 1 3 1 ) K ö h l e r Vogtland 430. 132 ) ZfVk. 133 ) 7, 57, 62. A n d r e e Braunschweig 419. 134 ) W o l f Beiträge 1, 225; Unoth 1, 586 Nr. 116. 135 ) Urquell4,280; J i i h l i n g Tiere 179; ZfdMyth. I, 199; S e y f a r t h Sachsen 177; W. 346 § 516; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 307; Hovorka13«) Z f V k . 8, 58. 137 ) u. K r o n f e l d 2, 363. B a r t s c h Mecklenburg 2, 424, 445 f. 13s ) Z f V k . I, 312. 13*) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 300.

6. B e s o n d e r e M. Nur ein ungebrauchtes oder neues M. ist zum Zauber geeignet 140 ) ; mit ihm gewinnt man in drei Schnitten usw. die Wünschelrute 141 ). Böse Leute in Schlesien haben zu gewisser Zeit ein M. schmieden lassen, damit — im neuen Zustand — nur ein kleines Ästlein von jedem Baum geschnitten, worauf in kurzer Zeit der ganze Wald verdarb 142 ). Man soll mit einem neuen M. ein Tier nicht schlachten, es kann nicht sterben, wenigstens Brot soll zuvor damit geschnitten werden 143 ). Um es nicht zu verlieren — an die Dämonenwelt — , soll man den ersten Bissen, den man damit geschnitten — als Ablöse — einem Hund zu fressen geben, besagt eine Wiener Hs. des 17.—18. Jh.s 144 ). Zu kultischem Essen soll man kein M. brauchen 145 ), ohne M. die Weidenrute abschneiden (?), will man verhexte Butter im Faß wirksam peitschen 148 ). Neue M. und Gabeln dürfen am hl. Abend nicht auf den Tisch kommen 147 ). Ein Schinderm. — man denke an blutige

Opfer — soll man Kindern gegen Mundfäule durch den Mund ziehen oder über die Zunge streichen 148). Mit dem M. der Pfaffenkellnerin oder einem Stumpf von einem M., damit einer erstochen worden, drücke man in den Tritt (s. Fußspur), um ein Pferd hinkend zu machen 149 ). Ein M. mit weißem Heft bei sich zu tragen, wird gegen Kolik empfohlen 150). Über M. mit schwarzem Heft s. § 1 b. Ein M. mit 9 Halbmonden und 9 Kreuzen ist es, mit dem man in drei Schnitten den Stock abschneiden kann, der zur Erkundung der wunderbaren Kräfte in der Mitternacht verhilft. Ebenso wie es alle Hexenabwehr verstärkt (s. o. 2 a) 1 6 1 ). Mit dem M., womit man sich die Nägel geschnitten, muß man dreimal in Holz schneiden, sieht es die Hexe, kann sie einem ein Leides antun, ein Jude übt mit einem hernach gekauften M. Fernzauber (Blutentziehung) 152). Mit einem M., an welchem noch Milch ist, darf man nicht Brot schneiden, sonst schneidet man den Kühen die gute Milch ab. Bleibt Brot daran hängen, so gibt es Teuerung 153 ). 140)

Goldmann Einführung 84 Anm. 7. Elsäss. Monatsschrift 1913, 582. 112 ) G r i m m Myth. 3, 470 Nr. 967. 143 ) F i s c h e r Oststeierisches 28 f. 144) G r i m m Myth. 3, 448 Nr. 438; 462 Nr. 799; S c h ö n b a c h Berth, v. R. 151. 145 ) H a u p t Lausitz 1, 38. 14") G r i m m Myth. 3, 474 Nr. 1058. "') J o h n Erzg. 154. 148 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 180f.; 3, 268. 14 ·) G r i m m Myth. 3, 472 Nr. i o n . 1S0) V e r n a l e k e n Alpensagen 398 Nr. 70. 1S1 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2, 87. 152 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 330; Z f V k . 11, 308; S c h e l l Ber153 ) W'. 211 gische Sagen 270 Nr. 29. § 293; 141 )

447 § 705·

7. M. und B r o t . Gleich dem Einhauen des M.s an Bannstellen in Natur und Haus wirkt auch das Stechen des M.s in das Brot in besonderen Artgedanken des M.aberglaubens sich aus. Die nachstehende Reihung gibt vermutungsweise den kulturgeschichtlichen Ausbau der Ideenverbindungen. Wer zu Fleiß mit dem M. ins Brot sticht, läßt seinem Großvater im Grabe nicht Ruhe 164 ) ; der böse Feind und böse Leute können an; am Brot der nächsten Bäck löst sich die Rinde vom Teig 1 M ). Hat man etwas verloren, steckt man — zur Bannung — drei M.

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in drei Kreuz ins Brot, und gegen dämonischen Einfluß schützt man sich, wenn man ein M. in ein Brot steckt und es so in den Schrank legt 1 5 e ). Die Hexe empfindet den Stich und fängt zu schreien an 167), es ist sündlich; wenn man es tut, fließt Blut heraus 168 ), eine Schwangere sticht dem Kind in die Augen 169), man tut den armen Seelen weh 1 6 0 ), man sticht ins Herz Jesu 1 6 1 ). Fährt das M. beim Anschneiden aus dem Brot heraus, so hat man keinen Hunger m ) . Ein „angeblasenes" Kind zu erkennen, stecke die Mutter nach dem Abendbrot durch drei Brotscheiblein das M. und lege es so unter den Rücken des Kindes. Ist das Kind „angeblasen", so rostet das M. über Nacht; man zieht es heraus, gibt das Brot einem schwarzen Hund zu fressen, das Kind wird durch sein nach dreitägiger Frist unter einer Holunderstaude vergrabenes Hemd wieder heil 16S ). Auch heißt es, man solle mit einem rostigen M. ein Stück Brot schneiden und es über die Schulter in fließendes Wasser werfen, ohne dieses dabei anzusehen; dann das Brot von einem schwarzen Hund fressen lassen; war der Prüfling beschrien, so wird der Hund toll 164 ). Am hl. Abend steckt man drei M. für die verschiedenen Fruchtarten in einen frischen Brotlaib; die Frucht wird am besten geraten, deren M. am meisten Rost angezogen hat 1 6 5 ). Oder man bindet ein blankes M. für ein gleiches Omen zwischen eine Roggenbrotund Weizengebäckschnitte ein, um die Seite des Anrostens zu beobachten 1ββ ). Bringen die Paten ihren Patenkindern zum letztenmal ihr Christgeschenk, so steckt ein M. im Wecke oder ist ganz hineingebacken zum Zeichen, daß die Schenkerei nun abgeschnitten sei 167 ). 1,1 ) 165 ) G r o h m a n n 104. Schönwerth Oberpfalz 3, 280. 15e ) G r i m m Myth. 3, 428 Nr. 50; Unoth 1, 186 Nr. 123; S A V k . 2, 271. " ' ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 175. 158 ) M e i e r Schwaben 2, 501. 1 M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz ι , 404 Nr. 6. leo ) G r i m m Myth. 3, 458 Nr. 702. l e l ) S A V k . 25, 293. 182 ) K ö h l e r Voigtland 395. » 3 j ZfVk. 8, 39. 1 M ) L c . o p r e c h t i n g Lechrain im) K a p f f 18. Festgebräuche 5; E b e r h a r d t loe ) Landwirtschaft 2. D r e c h s l e r 1, 29. i n ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 38.

8. a) E i n z e l n e

Omina.

Wer bei

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Tische ein M. fallen läßt, darf nicht mehr essen. Das Fallenlassen zeigt auch den Tod an 168). Man wirft auch das M. bei der Spitze nach dem Leib herum auf die Erde; liegt das Fabrikzeichen oben, bedeutet es Glück 189 ). Ein nach oben geöffnetes M. auf dem Tisch bedeutet eine Hochzeit 17°), wenn jemand bei der Trauung ein M. zuklappt, wird die Ehe kinderlos 1 7 1 ). Wem sein M. oder Handwerkszeug in der Tasche rostet, der muß sterben 172 ). b) W e t z e n des M.s. Wetzt man das M. anderswo als auf dem ordentlichen Schleifstein, gibt es Streit 173 ), wenn man den Schleifstein nicht benetzt, heilen damit geschnittene Wunden nicht, ebenso, wenn man das M. am goldenen Sonntag wetzt 1 7 4 ). Der Zauber, der angestellt wird, damit die Krähe kein junges Entlein nehme, kann gestört werden, wenn unterdessen ein M. auf Töpferzeug geschärft wird 1 7 5 ). Scharfe M. bedeuten ein strenges Regiment der Frau 176), wer eines gut zu schärfen versteht, versteht auch gut zu lügen 177 ). c) S c h e n k e n des M.s. Ganz allgemein verbreitet ist noch der Aberglaube, daß man ein M. — ebenso wie anderes Spitziges oder Schneidendes —- nicht schenken soll, es soll auch nicht mit der Spitze nach dem Empfänger gereicht werden 178 ). Es zerschneidet die Freundschaft, die Liebe; deshalb dürfen Brautleute es sich nicht schenken, man gibt es auch nicht als Hochzeitsgeschenk 17e ). Oder man muß beim Schenken ein Geldstück mitschenken, muß einen Kreuzer dafür geben, darf nicht danken, soll es anlachen, der Geber ritzt sich damit blutig oder man soll den Empfänger damit stechen 180 ). 1ββ ) S t r a c k e r j a n 2, 224 Nr. 174; Drechsler 2, 10. 169) W. 240 § 344. »°) W o l f Beiträge ι, 211. « i ) W. 372 § 564. 172 ) W. 221 § 314. 3 " ) G r i m m Myth. 3, 443 Nr. 273. " * ) Ebd. 3, 468 Nr. 920. 175 ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 129. 17e ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 114 Nr. 5. 177 ) Unoth I, 186 Nr. 121. 178 ) ZfrwVk. 2, 208. 17») F i s c h e r SchwäbWb. 1, 1371; Z f V k . 11, 448; K ö h l e r Voigtland 425; P f i s t e r Hessen 170; W. 374 § 567. u o ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 280; S A V k . 7, 132 Nr. 16; D r e c h s l e r ι , 231 f. Haberlandt.

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Messing—Metalle, Erze

Messing. In vielen Gegenden Deutschlands ist das Kummet der schweren Lastpferde mit M.figuren beschlagen (Herz, Stern, Sonne, Hufeisen u. a.), auch hängen mit M.scheiben besetzte Behänge daran herunter ] ). Heute ist es nur ein beliebter, stets blank geputzter Schmuck der Pferde; ursprünglich war es sicher, wie alle blitzenden Metalle, ein Abwehrmittel gegen Behexung und angehexte Krankheiten der Tiere. M.spähne werden in der Volksheilkunde in kleinen Mengen eingegeben, im Voigtlande bei Kolik, in Niedersachsen bei Gelbsucht (similia similibus) 2 ). *) M e y e r Baden 397 u. a. 2) K ö h l e r Voigtland 353; S t e m p l i n g e r Sympathie 46; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 116 (Türkei). t Olbrich.

Meßner s. K ü s t e r 5, 863f. Metamorphose s. V e r w a n d l u n g . Metalle, Erze. Ein alter Volksaberglaube ist, daß die Steine, solange sie unberührt unter der Erde sind, wachsen. Besonders gilt dies von den E r z e n 1 ) . ,,Es wachse das Erz " heißt es in einem bekannten Bergmannsspruche. Noch zu Linnées Zeiten glaubte man, daß Erze und Steine in der Erde wüchsen. „Alle M., außer Zinn und Blei, werden in der Erde wachsend angetroffen", heißt es in einem alten bergmännischen Wörterbuche. Wie man sich das im Mittelalter wissenschaftlich zu erklären versuchte, beschreibt Hanns Rudthardt in seiner „Anzeigung des neuen, weitberuffenen Bergwerks St. Joachimsthal" (1523). Danach sollen der männliche Schwefel und das weibliche Quecksilber den Samen liefern, aus dem die Erze und M. wie Pflanzen hervorwachsen, wobei der jedem M. zugeschriebene Einfluß der Gestirne mitwirkt 2 ). In Schlesien heißt es noch heute: abgebaute Schächte müssen so lange ruhen, bis das Erz wieder nachgewachsen ist. In Goldberg hat der Abbau längst aufgehört, aber bis in die neueste Zeit hört man den Wunsch aussprechen, man solle doch einmal nachsehen, ob das Gold nicht inzwischen nachgewachsen sei, denn das sei, wie viele wüßten, möglich 3 ). Erze wandern auch;

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Birlinger sagt: „Wer Gold vergräbt, findet es bald nachher nicht mehr an seinem Orte, weil das Gold mit den übrigen edlen M. die Eigenschaft gemeinsam hat, zu wandern, namentlich in die Tiefe" 4). Allen Erzen wurde eine magische, abwehrende und schützende Kraft zugeschrieben. Im Altertum herrschte die Anschauung, daß die M.e einen dämonischen Charakter besäßen und die Geister sich vor dem Erze scheuten 5 ). Daß im Mittelalter und bis in die Neuzeit ähnliche Anschauungen herrschten, ist bei den einzelnen M.en an ihren Orten nachgewiesen. Besonders edlen M.en, Gold und Silber, wurde wegen ihres hohen Wertes und ihrer Seltenheit große Zauberkraft zugemessen. Fingerringe aus ihnen, namentlich wenn Zauberworte darauf eingeritzt sind, wurden und werden vielfach zum Schutze gegen Zauberei und Krankheiten getragen 6 ). Auch der Klang und Schall der M.e ist gegen böse Geister wirksam. Dieser Aberglaube herrschte bereits im Altert u m 7 ) ; weitverbreitet war die Meinung, Erzklang könnte den Zauber entkräften, in dem Sonne und Mond bei Finsternissen befangen wären. Seit der Bekehrung Europas zum christlichen Glauben begann man diesen Aberglauben anzugreifen; in Deutschland rügte besonders Burkard von Worms, daß das Volk bei Mondfinsternissen wie die Wilden durch Getöse dem Gestirn zu Hilfe kommen wolle. Heute findet sich der alte Aberglaube noch in altmodischen Kalendern, wo Sonnen- und Mondfinsternisse sinnbildlich durch einen Drachen, der die Gestirne verschlingen will, dargestellt werden 8 ). Die Christen selbst aber schrieben und schreiben den geweihten Glocken die Kraft zu, durch ihren ehernen Klang die Gewitterdämonen vertreiben zu können 9 ). Vor ihrem Erzklang müssen auch alle höllischen Geister und Zauberer fliehen 10 ). Alte Glockeninschriften weisen darauf hin, z. B. „Meine Stimme sei der Schrecken aller bösen Geister" u ) . Ebenso weichen die Schlangen, wenn sie das Glockengeläut hören 12 ). Die Teufel und heidnischen Zauberer versenken deshalb

209

Metalle,

noch nicht geweihte Glocken in die Tiefe, ζ. B. in einen See 13 ). Ein in Sagen häufig wiederkehrender Zug ist, daß elbische Dämonen (Zwerge, Wassergeister u. a.) •die Gegend verlassen, weil sie den ehernen Klang der Christenglocken nicht vertragen können 14 ). In Schlesien klirrt man in der Walpurgisnacht mit Ketten, um die Hexen zu verscheuchen 15 ). In den ältesten Denkmälern der europäisch-asiatischen Kulturvölker findet sich bereits eine bestimmte Reihenfolge der M.e, die durch vier Hauptm.e (Gold, Silber, Kupfer, Eisen) gekennzeichnet ist. Sie kehrt wieder in der Reihenfolge der vier Weltalter 1β ) und der Geldwährung 17 ) ; sie lebt noch heute in den volkstümlichen Bezeichnungen der drei Sonntage (kupf., silb., gold.) vor Weihnachten. In noch nicht völlig aufgeklärter Weise gab die feststehende Reihenfolge der M.e (Gold, Silber, Quecksilber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei) Veranlassung, sie mit der in der religiösen Anschauung der alten Völker hochwichtigen Reihenfolge der sieben Planeten (Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn) zu verbinden; hieraus entstand allmählich die alchemistische Bezeichnung der M.e, die sich um das 13. Jh. festsetzte 18 ). Diese Verknüpfung der Planeten mit den M.en, die man sich von jenen abhängig und beeinflußt dachte, führte dazu, daß man zu Heilungen das M. benutzte, dessen Planet den Lebensweg des Kranken am meisten und wichtigsten durchkreuzte, unter dessen Zeichen er ζ. B. geboren war 1 9 ). Besonders dem Monde und seinen Phasen maß man große Bedeutung bei 20 ). Silber soll ζ. B. am kräftigsten bei zunehmendem Monde wirken usw. Das Staunen der Menschheit über die wunderbare Kunst, die es versteht, die harten M.e im Feuer zu schmelzen und wertvolle Dinge aus ihnen zu schmieden, führte dazu, ihre Erfindung überirdischen Wesen zuzuschreiben ; ihre Ausübung durch irdische Geschöpfe konnte man sich gar nicht ohne Zuhilfenahme geheimnisvoller, zauberhafter Mittel vorstellen. Beide Anschauungen galten für ganz Europa. Im germanischen Norden sind

210

Erze

es die Riesen, deren Waffen Eisenstangen sind und in deren Welt der Eisenwald liegt. Zwerge sind Behüter und Bearbeiter der unterirdischen M.schätze; von ihnen haben die Menschen erst die Schmiedekunst gelernt. Regin, Mime, Wieland sind kunstreiche Schmiede, aber auch listenreiche, tückische Zauberer. An ihre Stelle trat später der Teufel, der „schwarze Meister in der russigen Hölle". In zahlreichen Sagen und Märchen leben diese alten Vorstellungen noch heute 21 ). 1 ) S t r a c k e r j a n 2, 114 Nr. 344; Bress. Samm., Supplem. 4, 126 u. 1, 87 u. 61; vgl. S c h u l e n b e r g Wend. Volkst., 164 u. S é b i l l o t

Folk-Lore

322 f.

ι,

2

)

Pharmazeutih

Peters

2, 53 f.; B e r g m a n n 350 f. u. 222; L e h m a n n Aberglaube 147; Z e d i e r s. v . H y d r a r g y r i a 13, 1348; A g r i p p a ν . Ν . ι, 72; vgl. E . Χ. Α . H o f f m a n n Die Bergwerke

von

Falun

3 (Ausg. H e s s e 6, 175). ) K ü h n a u Sagen 4 3, 740 Nr. 2150 m i t Anm. ) Birlinger Volkst. I, 102 Nr. 144; e b e n s o A n d r e e Braun-

schweig

(1896), 294.

115; L i e b r e c h t (1907),

359 f . ;

5

de

) Wächter

nuditate

Gervasius 99 ff.; Z d V f V k . 17 vgl.

Kuhn

Westfalen

2,

62

Nr. 189; W e i n r e i c h Heilungswunder 1652 u. 1663; S a m t e r Geburt 51 1 . e ) S e y f a r t h Sachsen 264; S e l i g m a n n 2, 6; vgl. F r a n z Benediktionen 2 > 437.' Wissschaft. Beilag. der Leipzig. Ztg. 1895 Nr. 30. ') R o h d e Psyche 2, 432 u. 438; F r a n z Benediktionen

2, 37 f . ;

Samter

Geburt

58 f f . ;

Z d V f V k . 17 (1907), 359 f. 8 ) P a n z e r Beitrag 2, 230 f.; S e p p Sagen 433 f . ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 55; TyiorCultur 1, 328; A u s l a n d 63 (1890), 726; v g l . R o c h h o l z Naturmythen 234 f . ; B ö s e Superst. Arelat. 30, 39 f. 73 f. s ) F r a n z

a. a. O. 2, 42 f. ; S e p p a. a. O. 436 f. ; S c h o p p ner

Pfalz

3, 236; E c k a r t

Südhannover

136;

S c h ö n w e r t h a. a. O. 3, 118 Nr. 3 u. 121 § 7 ff.; M e i e r Schwaben 260 Nr. 291; Z i n g e r l e Sagen 526—528;

Rochholz

R e i s e r Allgäu W r e d e Rhein.

Sagen

2, 378 N r . 509;

2, 356 f. ; A n d r e e - E y s n Volksk.

15;

350; D r e c h s l e r 2, I3öf.

Nr. 514 u. 240; G ö t z e Luther 13 u . a . ; J a h n Opfergebräuche 6o· u. 56. 1 0 ) Fr. H e i l e r Der Katholizismus

(1923), 169; M e y e r

Aberglaube

1 8 5 0 . ; S e l i g m a n n 2, 275; S a m t e r a. a. O. 63a; R e i s e r a. a. O. 1, 406! Nr. 493 u. 204 Nr. 220; B r o n n e r Sitt' «. Art 34911; Z d V f V k . 10 (1900), 93; L i e b r e c h t

Gervasius

232 N r .

154 (französ. Abergl.). 1 1 ) K l a p p e r Schlesien 1 6 3 ! ; Z i n g e r l e a . a . O . Nr. 910—916 u. 453 12 Nr. 787; F o x Saarland 309 f. ) Kuhn Mythol.

Stud.

1, 169.

13

) Meyer

a. a . O . 188;

K ü h n a u Sagen 3, 539 Nr. 1943; S e p p a . a . O . 412 Abs. 2; K u h n u. S c h w a r t z 477 Nr. 62 u ) B o c k e l Volkssagen 16; D r e c h s l e r a . a . O . 2, 171 ; H a u p t Lausitz 1, 36 Nr. 31 u. 39 Nr. 35; K ü h n a u a . a . O . 2, 66 usw.; M ü l l e n h o f f Sagen 316ff.; S e p p a . a . O . 434 Zeile 1 u. a . 15 ) D r e c h s l e r 1, 109 Nr. 120. l e ) S c h r ä d e r

211

Metapher

Sprachvergleichung 3, 11 f . ; v g l . Bachofen Mutterrecht 364. 1 7 ) T i e d e Gotteserkenntnis 271. u) Schräder a . a . O . 12 1 = M e y e r Aberglaube 20 f . ; T i e d e a . a . O . 306 f . ; M e g e n b e r g Buch der Natur 407; B o l l Sternglaube 65. " ) P e t e r s Pharmazeutik 1, 225 (219); v g l . A g r i p p a ν . Ν . 2, 198 f. 20 ) S t e m p l i n g e r Antike 1 1 0 ; M e y e r a . a . O . 21 f. 2 1 ) S c h r ä d e r Reallex. 2, 331 u. Sprachvergleichung 3, 13 fí. (besonders 20 f. 23 u. 25 f.) ; M o g k in P a u l s Grundriß 1 , 1 0 3 2 f. ; L ü t j e n s Zwerg 86; Rochholz Naturmyth. 1 1 6 f. Nr. 1 1 ; W e i n h o l d Altn. Leben (1856), 93 f f . ; P f i s t e r Hessen 34 Nr. 1 2 ; W i t z s c h e l Thüringen 1, 192 Nr. 189; M ü l l e n h o f f Sagen 283 Nr. 386; S c h a m b a c h - M ü l l e r 1 1 6 N r . 1 3 ; K u h n Westfalen 1 Nr. 213, 52, 53, 56, 152; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 329 § 2 5 ; K ü h n a u Sagen 3, 234 Nr. 1595 u. 2, 6 1 2 Nr. 1260; H a u f f e n Gottschee 94 u. 360 Nr. 122 Z. 13. t Olbrich.

Metapher ist die Vertauschung des einer Sache eigentlich und gewöhnlich zukommenden Ausdrucks mit einem übertragenen, von einer anderen, in irgend einem Gesichtspunkte ähnlichen Sache entlehnten. Sagt man z.B. zur Belebung der Rede, jemand sei kalt, um seine Gefühlslosigkeit zu bezeichnen, so bedient man sich einer M. Die M. vollzieht also die Austauschung eines Objekts und des mit ihm verknüpften Vorstellungsinhalts gegen ein anderes Objekt und seinen Vorstellungsinhalt, und zwar zu dem Zweck, den mit ersterem ausgedrückten Sachverhalt anders auszudrücken, um ihn dadurch in ein neues, vielleicht deutlicheres, vielleicht lebensvolleres und personhaft näher gerücktes Licht zu setzen. Der G r u n d für diese Verwendung der M. liegt darin, daß man in der Tat die entsprechende andere Empfindung hat, daß man also, um bei dem angegebenen Beispiele zu bleiben, unter der unmittelbaren persönlichen Einwirkung eines gefühlslosen oder -armen Menschen oft eine Kälteempfindung hat, einen Kälteschauer empfindet. Überträgt man den Begriff physikalischer Wärme auf das Gebiet der Kunst und spricht man von der Wärme eines Tons oder einer Rede oder Ansprache, so handelt es sich gar nicht etwa um einen gesuchten Vergleich durch die Aufstellung eines Tertium comparationis, sondern um eine wirkliche Empfindung von Wärme, welche durch den musikalischen Ton, durch die Rede, den

212

Vor trag bei uns ausgelöst worden ist. Es war Goethe, der allererst (in seiner Farbenlehre) darauf hingewiesen hat, daß wir (oder doch die meisten farbensehenden Menschen) mit bestimmten Farben bestimmte plus-Wärmetönungen und mit anderen Farbentönen bestimmte minusWärmeempfindungen verbinden, und zwar nicht etwa nur vergleichsweise, sondern ganz real, als wirkliche seelische Tatsachen, weil jene Wärmeempfindungen durch jene Farben in uns geweckt werden. Diese Tatsache des Vorkommens von Beziehungen zwischen der wahrgenommenen Farbe und einer Skala von Wärmeempfindungen muß als die eigentliche Ursache dieser Ausdrucksweise angesehen werden; vorausgegangen ist die erlebte W i r k l i c h k e i t , daß die Farben eine wärmende oder kältende W i r k u n g ausüben. Für denjenigen, welcher solcher Erfahrung fremd gegenübersteht (für den Nicht-Synästhetiker, in der Terminologie des Psychologen Erich Jaensch) stellt jene Behauptung eine Art einfachen Vergleichs dar, er als der seelisch Unbeteiligte kann die Realität des Erlebnisses, das zur M. geführt hatte, nicht erkennen, er bedarf, um deren Sinn zu begreifen, des Tertium comparationis, durch dessen Einschiebung aber der ganze Vorgang der M.-Bildung entstellt und mißverstanden wird; aber eben durch das Fehlen der unmittelbaren Beziehung auf den entsprechenden wirklichen Vorgang wird der sich darauf beziehende Ausdruck zur M. Am häufigsten wird die M. bei den verschiedensten Empfindungen und Gefühlen eingeführt, weil die verschiedenen Individuen mit Gefühlen verschieden z u reagieren pflegen und im Bewußtsein dessen nach Ausdrücken greifen, wodurch sie sich weithin verständlich machen wollen, Ausdrücken, die sich ihnen aber unmittelbar aus ihrer Erlebensweise einstellen. Der eine bekommt ja angesichts eines Begebnisses, in das er geraten ist oder dessen Erzählung er nur zuhört, wirklich eine Gänsehaut und es handelt sich ihm, wenn er davon spricht, um das einfache Aussprechen des Umstandes, daß er auf seiner Haut die Erhebungen w i e auf der

213

Metapher

einer gerupften Gans vorfindet — auch er schon redet eine echte M. da er ja nicht über eine wirkliche Ganshaut verfügt — während der andere diesen physiologischen Prozeß an sich nicht wahrnimmt und nur rein vergleichsweise und in Anlehnung an die Sprechweise der erlebenden Metaphoriker von der Gänsehaut spricht im Zusammenhange etwa desselben Vorgangs. Man muß diesen Unterschied, der oft nicht oder ungenügend beachtet wird, fest im Auge behalten, um das Wesentliche der M. und dadurch ihre Bedeutung für das Geistesleben zu begreifen. Die M. ist nicht einfach eine Übertragung von Wortbedeutungen oder eine Begriffsvertauschung ; denn solche werden auch aus ganz anderen als metaphorischen Gründen vorgenommen. Wenn ζ. B. ein Kröpf als Kröte bezeichnet wird, so liegt keine M. vor, sondern der (primitive) Glaube, daß wirklich eine Kröte in den Hals geschlüpft sei, die als Schwellung sichtbar werde. Solange die reine Tatsächlichkeit geglaubt wird und dieser Glaube zum Ausdruck gebracht werden soll, macht man eben keine M. Eine solche liegt aber dann vor, wenn wir so sprechen, als ob jene Realität bestünde. Das tut vor allen der Dichter und dichterische Rede überhaupt. Die poetische M. tritt in Verwendung, wenn ein Vorgang, beispielsweise ein physikalischer, in größere seelische Nähe gerückt werden soll. Ist vom Herbst werden und Blätterfallen zu sprechen, so sind die einfachen beschreibenden Worte zwar auch an sich klar; aber es ist die Eigenart des dichterischen Gemüts, den Sachverhalt persönlich näher darzustellen: wir sprechen dann etwa davon, daß Wald und Flur hinzusterben beginnen, und knüpfen so an ein allen vertrautes Gefühlserlebnis an, bringen eine Ich-Beziehung hinein und drücken den ganzen Vorgang ichnäher aus. Man verdeutlicht sich das leicht an einem der hervorragenden Beispiele des Dänen Jens Peter Jakobsen, in dessen „Frau Marie Grubbe" es heißt: „Die Luft, die unter den Kronen der Lindenbäume lag, hatte sich über die

214

braune Heide und den dürftigen Acker hingewiegt, sie war von der Sonne durchglüht und von den Wegen bestäubt, aber jetzt war sie von dem dichten Laubgehänge gereinigt, gekühlt von den frischen Lindenblättern, und der Duft der gelben Lindenblüten hatte sie feucht gemacht und ihr Fülle verliehen. Jetzt lag sie da und blinzelte selig hinauf in die lichtgrüne Wölbung, geliebkost von leise zitternden Blättern und von dem flimmernden Flügelschlag weißgelber Schmetterlinge". Ähnliche sich überstürzende Häufung der M.n zeigt sich bei von Jaensch beobachteten Synästhetikern, wovon ein Fall: „Wenn ich Musik höre, sehe ich immer eine Situation; höre ich eine unbekannte Musik, weiß ich sofort, das ist Wintergesang usw. Wenn meine Mutter mir russische Lieder vorsang, sah ich schon an der Melodie, was dies vorstellt". Diese Beispiele zeigen, daß wir gern M.n bilden, um eine und dieselbe seelische Erfahrung in zwei Modalitäten auszudrücken und sie dadurch fester, auch anschaulicher zu haben. Die Lyrik schreitet hierin gewissermaßen systematisch voran, denn es ist das große Geheimnis der Lyrik, daß sie durch ihre M.n an die Ich-verbundenheit der geschilderten Lage erinnert und so den Gedanken erst in seiner wirklichen Tiefe und Bedeutsamkeit erscheinen läßt. Man hat dabei zu beachten, wie in der Kunstdichtung ζ. B. derjenigen der nordgermanischen Skalden schule allmählich das Bewußtsein von dem natürlichen Wesen der M. verloren geht, indem man sich nicht nur der Bildung von M.n befleißigte, sondern auch schon eine Theorie über die kunstgerecht zu handhabende M. ausarbeitete. In Snorri S t u r l u s o n s „Dichtersprache" belehrt Bragi den Aegir: „Es. gibt dreierlei bei der Dichtersprache: entweder nennt man jegliches Ding so wie es heißt ; das Zweite ist das, was man Fürnamen nennt; das Dritte ist Umschreibung (kenning), und die besteht darin, daß wir ζ. B. Odin sagen, Thor oder Tyr oder irgend einen Asen nennen und zu dem Genannten einen Begriff hinzufügen, welcher zum Eigentum eines andern Asen

215

Metatron

gehört oder eine Tat eines solchen ausdrückt. Dann ist d i e s e r bezeichnet und nicht j e n e r , dessen Name gewählt wird. Ζ. B . sagen wir Sieg-Tyr oder Gehenkten-Tyr oder Lasten-Tyr, das sind Odins-Namen". Und dann folgen Beispiele verschiedener Art. Wie leicht kann, sobald der Ursprung solcher M. vergessen ist, der Aberglaube davon Besitz ergreifen. Außerhalb der Lyrik transponieren wir im allgemeinen ein etwas schwer zugängliches Seelisches, um es zu erleichtern, in eine bekanntere psychische Erscheinung, ζ. B . ein kompliziertes Gefühl in eine weniger kompliziert erscheinende, jedenfalls häufigere Empfindung. Die Funktion der M. ist sonach nicht damit angegeben, daß man etwas der zu beschreibenden Sache ähnliches anklingen lasse, um das wirklich Seiende durch das Nichtwirkliche zu erklären; denn der M. wohnt nie die Absicht ein, etwas (auch nur im gegebenen Einzelfalle) Unwirkliches hinzustellen, sondern sie bezweckt ganz das Gegenteil. Nämlich das Wirkliche, Seiende oder Gewesene deutlich hinzustellen. Sie ist in ihrem Wesen mehr als Bild, mehr als Vergleich und weniger als Symbol. Sie will durch konkrete Wirklichkeit, seelennahe Wirkhaftigkeit eine nicht oder wenig anschauliche Gegebenheit veranschaulichen; sie ruft eine neue Vorstellung, um in der zuvor gegebenen eine Mitresonanz hervorzubringen, welche dem intimen Verstehen hilft. Der Begriff „ T ü c k e " ζ. B. wird von drei Versuchspersonen Jaensch's, die dem synästhetischen Menschentypus angehören, beschrieben durch: A. Gestalt, die sich um einen Felsen schleicht, auf dem ich stehe ; B. Gestalt zwischen stehenden Kieferbäumen, schleichend, graugrün. C. Kleine gewundene Wege, kleines schnelles Laufen. Nach alledem wird man vorsichtig sein müssen, wenn es gilt, die Bedeutung der M. für das Gebiet des Aberglaubens zu bestimmen. Denn der Aberglaube bedarf für das Zustandekommen seines Inhalts nicht der M., muß vielmehr wie jede Glaubensform und -haltung die M. ablehnen, weil der Gegenstand des Glaubens

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stets für bare Wirklichkeit genommen wird: alle Glaubenshaltung ruht auf der Überzeugung von der Richtigkeit der geglaubten Sache. Wohl aber kann die M. gute Dienste leisten als eine die abergläubische Vorstellung veranschaulichende Funktion : sie wird zum veranschaulichenden Mittel wie ähnlich der Mythus (s. Mythologie 1 )), zum Ausdrucksmittel für den Gehalt einer abergläubischen Idee oder Handlung. Nichtsdestoweniger ist auch damit zu rechnen, daß die M. bisweilen der ganz unmittelbare, spontan augenblickliche Ausdruck einer abergläubischen Handlung wird, wie sie denn ja ein solcher in der ältesten Magie gewesen sein muß. Dies zeigen die magisch zu interpretierenden primitiven Felszeichnungen 2 ) des prähistorischen Menschen in Skandinavien, dem Pyrenäenanlagegebiet sowie in dem von Leo Frobenius erforschten afrikanischen Flußtal In-Habeter. Vor dem Gebrauch anderweitiger schriftlicher Mitteilung sprach der Mensch durch diese Kunst, in der er seine magischen Formeln niederlegte. Der mit höchster Sorgfalt gemalte Büffel sollte wahrscheinlich so gelesen werden, daß der Maler einen Büffel bekommt (auf der Jagd oder durch Zulaufen); die Zeichnung steht für den Besitz oder Erwerb. Man darf in dieser Hinsicht auch den Fixationspuppen und -figuren einen metaphorischen Charakter zuschreiben (s. Schadenzauber), insofern es nicht eine eigentlich symbolische Darstellung der schädigenden Handlung ist, die da vorgenommen wird, sondern ein ganz real gemeinter Akt, bei dem lediglich eine Vertauschung des Beziehungsobjekts eintritt. W u n d t Mythus u. Religion 1, 5 5 1 ; 2, 285; W e r n e r Die Ursprünge der Metapher (1919); Langer Intellektualmythologie 72 fí.; Erich J a e n s c h Grundformen menschlichen Seins 462ff. a ) Z u den Felszeichnungen kurz B e t h Religion u. Magie2 195 f . ; F r o b e n i u s Erythräa 294 ff. K. Beth.

Metatron findet sich hier und da in Zauberformeln, z. B . : On γ Coriscion Matatron etc. 1 ) oder: Engeler Matratorn, vom Dag [og] Nat for din Throne usw. 2 ) Es ist das hebr. jñtpB'O |Î~ltp!3Ç (gr. μητάτωρ lat. metator) und bezeichnet

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Meteor

das Engelwesen, das Gott am nächsten steht 3 ). M. spielt auch eine große Rolle in der Kabbalah 4 ).

l ) T h i e r s i, 355, nach M a r t i n v. A r l e s Pract. de superstit. *) Ohrt Trylleformler 1, 494 Nr. 1098. 3 ) B u x t o r f Lexicon Chaldaic. ed. Fischer (1879), 606; W e b e r Theologie 178 f.; B o u s s e t Die Religion des Judentums (1906), 296. 406; RGG. 3, 222. 4 ) H a u c k RE. 9, 676; K i e s e w e t t e r Der Occultismus des Altertums 326, 4 1 3 ; vgl. noch B i s c h o f f Kabbalah 1, 208; 2, 176. 177; D e r s . Babylonisch-Astrales in Talmud und Midrasch (1907). 59. 1 1 8 ; J. S c h e f t e l o w i t z Alt-Palästinensischer Bauern glaube (1925), 44; G. D a l m a n Aram.-Niuhebr. Hdwb. (1922), 232; S c h w a b Vocabulaire de l'Angèlologie d'après les manuscrits hébreux de la Bibliothèque Nationale (1897) s. v.; S c h e i b l e Kloster 3 , 3 0 1 . 307. 310. 606: Ag r i p p a v. N e t t e s h . 4 , 1 4 0 ; Jezira, das ist das große Buch der Bücher Moses (Neudr. E. Bartels, Neuweißensee) 4, 55. Jacoby.

Meteor. ι . M. als B e g r i f f des A b e r g l a u bens. Unter der Bezeichnung M. faßt die Astronomie alle die leuchtenden und fallenden Himmelskörper z u s a m m e n , die im Volksglauben F e u e r k u g e l n und Sternschnuppen genannt werden 1 ). Für die Behandlung der Vorstellungen des Volksglaubens muß an dieser Trennung unbedingt festgehalten werden, da die an diese Erscheinungen sich anknüpfenden Glaubensvorstellungen hier keineswegs identisch sind. Die Unterscheidung erzwingen die Begleiterscheinungen, unter denen die Feuerkugeln — im Aberglauben vielfach allein als M.e bezeichnet — aufleuchten. Sind an sich die Sternschnuppen meist von den größeren leuchtenden Feuerkugeln wesenhaft nicht zu trennen, so sind sie für den Volksglauben durch das völlig Geräuschlose ihres Auftretens von jenen unterschieden. Indem die Feuerkugeln (M.e) unter heftigen Explosionen zerspringen, und ihre heißen Stein- und Eisenmassen, die sog. M.steine oder Meteoriten, auf die Erde niederstürzen — diesen Vorgang bezeichnet der Volksglaube als F e u e r - oder Steinregen —, gehört die elliptische Streufläche eines solchen M.falls (die z. T. beträchtlich groß ist ; sie betrug bei dem Fall von L'Aigle [Frankreich, Dep. de l'Orne, 26. April 1803] 2,5 Meilen

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in der Länge und 1 Meile in der Breite) zur Erde; Sternschnuppen hingegen treffen die Erde nicht, sondern scheinen im Weltenraum zerplatzende M.e zu sein. Neben diesem akustischen Unterschied gibt es noch einen optischen : während die Sternschnuppen plötzlich am Himmel aufblitzen und nur einige Sekunden in einer mehr oder minder „langen" Bahn dahinschießend sichtbar sind, wobei sie bisweilen einen kometenartigen Schweif hinterlassen, sind die M.e stärkere Lichterscheinungen, nicht selten von scheinbarer Vollmondgröße, wobei sie bisweilen so aufleuchten, daß sie wenigstens für Augenblicke eine ganze Gegend erhellen ; in einzelnen Fällen waren sie sogar bei Sonnenschein sichtbar 2 ). Aus diesen optischen und akustischen Unterschieden scheint sich für einen Menschen, der derartiges ohne wissenschaftliche Kenntnisse mit den Sinnen wahrnimmt, die abergläubische Deutung fast zwingend zu ergeben : Während sich an die Feuerkugeln (sie werden im folgenden von uns als M.e bezeichnet) fast durchweg böse Erwartungen knüpfen — was übrigens zweifellos mit den mancherlei Unglücksfällen beim Herabstürzen der Meteoriten zusammenhängt 3) —, hält man Sternschnuppenfall meist für ein segenbringendes Zeichen. Daraus ergibt sich für uns die Notwendigkeit getrennter Behandlung von M.en und Sternschnuppen (s. d.). Hier soll nur von den an Feuerkugeln und die Begleitumstände ihres Erscheinens, den Feuer- oder Steinregen, angeschlossenen Volksglaubensvorstellungen die Rede sein. ') Vgl. den Art. „Meteoriten" in Hdwbch. d. Naturwissenschaften2 V I 915 fi. Literatur S. 930; ausführlicher als in der 2. Aufl. ist der A b e r g l a u b e in der 1. Aufl. S. 8 4 5 I behandelt. 2) Am 25. III. 1878 vormittags 10 Uhr in Schottland und Nordengland beobachtet. Weitere Berichte über Erscheinungsumstände und Leuchtkraft der M.e in G r e t s c h e l s Lex. d. Astronomie s. v. Feuerkugeln. 3 ) 823 verbrannten in Sachsen 35 Ortschaften, 1911 wurde in Alexandria ein Hund erschlagen (s. Art. „ M e t e o r i t e n " 1. Aufl. S. 852, vgl. o. Α. χ).

2. DasM. als V o r z e i c h e n i m V o l k s glauben. Am konkretesten faßt die mit

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Meteor

M.fall verbundenen Ideen Sebastian B r a n t anläßlich des großen M.falls bei Ensisheim (Elsaß) am 7. Nov. 1492 zusammen. Seine Verse sollen an der Spitze stehen : Als man zeit viertzenhundert Jar, Ufi sant Florentzentag ist war Nüntzig und zwei umb mittentag Geschach ein grüsam donnerschlag Dry Zentner schwer fiel dieser stein Hin in dem feld von Ensisheim Ciain stück sind komen hin und har Und wit zerfüert sûst siehst in gar. Tunow, Necker, Arh, III und Hin, Switz, Uri, hört den Klapfl der In, Ouch doent er den Burgunden ver In forchten die franzosen ser 4 ).

Die „Furcht", von der im letzten Vers die Rede ist, bezieht sich zweifellos auf Angst vor dem Kriege. Der spätere Kaiser Maximilian stand damals gegen Frankreich im Felde 5 ). Daß das Niederfallen von M.steinen Krieg bedeutet, besonders wenn solches häufig geschieht, ist auch sonst bezeugt e ). Verallgemeinert findet man die Vorstellung kommenden Unglücks beim Erscheinen eines M.s von Shakespeare im Heinrich IV. wiedergegeben in folgenden Versen (I. Teil V 1 , 1 9 ff.): Und

(seil, wollt ihr) ferner nicht ein dunstig Meteor, Ein Schreckenszeichen sein, das lauter Unheil Noch ungebornen Zeiten prophezeit 7 ).

Daß der Krieg zu den vornehmlichsten Auswirkungen dieses Schreckenzeichens gehört, ergibt sich aus den ähnlichen Prophezeiungen zu Finsternissen (s. d.) und Kometen (s.d.); hier pflegen detaillierte Ausführungen zu folgen über die mit dem Krieg verbundenen Teuerungen, Hungersnöte usw. Wie dort existieren auch von M.fällen Auslegungen (Prognostiken) mit den typischen schlimmen Prognosen über zukünftige politische Ereignisse (s. das Beispiel im Art. Finsternisse Sp. 1523). In einem Beispiel des 17. Jahrhunderts fehlt auch in einer solchen Erklärung der Folgen eines M.falls die Beziehung auf den „göttlichen Zorn" nicht 8 ), den man fast in jedem Kometenprognostikum des 15.—17. Jh.s erwähnt findet (s. Komet Sp. 121 f.). Wie eingewurzelt und traditionell die

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Angst vor dem Erscheinen eines M.s und dem darauf folgenden Meteoritenfall ist, mag eine alte Sage aus SchleswigHolstein dartun. Anno 1345, so erzählt Müllenhoff, regnete es Feuer vom Himmel über das Meer gleich wie Schneewolken; das Feuer war so heiß, daß es Steine und Holz verzehrte. Und das Entsetzlichste die Begleiterscheinimg: Alle Leute, die den Rauch sahen, lebten nur einen halben Tag; die Leute aber, die auf dem Meer berührt waren, infizierten alles Volk da, wo sie hinkamen, so sehr, daß ein großes Sterben einsetzte; schon der bloße Anblick dieser Menschen soll den Tod zur Folge gehabt haben 9 ). Nur wenige Gegenden deutschen Stammes gibt es, in denen M.erscheinung und M.fall günstig ausgelegt werden. Die Deutungen erinnern außerordentlich stark an diejenigen, die sich an den Sternschnuppenfall angeknüpft haben, so daß vielleicht Übertragung oder gar Verwechslung vorliegt. Bei den Slovenen ζ. Β. heißt es: Leuchtet ein M. auf, so meint man, der Himmel habe sich geöffnet, und in Erfüllung wird gehen, was man sich vor dem Verschwinden des M.s wünscht; derselbe Glaube; wird sonst zu den Sternschnuppen überliefert (s. d.) 10 ). Ebenfalls kehrt unter dem Sternschnuppenglauben die Vorstellung vom Drachenschießen wieder, das ein gutes Jahr verkünde, wie es in Ottobeuren vom M. heißt 1 1 ). Der allgemeinste Wunsch ist der nach Reichtum, Geld; es wird nicht nur vom Volk in PolnischOberschlesien angenommen worden sein, daß dieser Wunsch gerade bei M.fall in Erfüllung geht; übrigens gilt in diesem Fall der Skrzytek (ursprünglich ein Kobold, dann auch ein Hausgott bei den altheidnischen Slaven, später dem Teufel gleichgesetzt) als Geldbringer — das Bewußtsein von üblen Folgen solcher Geschenke infolge M.falls ist hier also doch auch noch deutlich 12 ). *) Abgedruckt bei G r e t s c h e l Lex. d. Astr. s. v. Meteorite; dazu Elsäss. Mtsschrift 1 (1910), 94. s ) K r o n f e l d Krieg 166. ·) S A V k . 19, 209; vgl. H o r n . II. I V 76. ') Vgl. BayrHefte 1 (1914), 243. ·) Prognostikum zu dem Steinfall von Osterau 1671: Er sollte „ein Zornes-

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zeichen des Höchsten und ein Prognostikum sein der steinern (!) Türken Hertzen und grimmigen Hundesart, die sie gegen das teure Christenblut zu verüben pflegen" (zitiert nach Art. „Meteoriten" Hwbch. d. Naturw.1 S. 846, s. ο. A . 1). ·) M ü l l e n h o f f Sagen S. 569 Nr. 10 580. ) ZföVk. 4 (1898), 1 5 2 . «) Reiser 12 Allgäu 2, 4 3 1 . ) D r e c h s l e r 2, 1 3 5 .

3. M.steine gelten, was im Zusammenhang mit den Ansichten von den Auswirkungen des M.falls nunmehr verständlich sein dürfte, auf der Erde vielfach als Sitz magischer Kräfte; man schreibt ihnen vor allem heilende Wirkung zu. Er ist hier wohl wie bei den Blitzbaumhölzern (s. d.), deren magische Kraft sich daraus ableitet, daß die Bäume, denen man die Hölzer entnimmt, durch Blitzschlag gleichsam vom Himmel selbst berührt sind und göttliche Kraft in sich aufgenommen haben. Denn, wie in Abschnitt 4 deutlich werden wird, hat man überall und zu allen Zeiten auch die M.e mit Geistern, dem Teufel oder Gott in Verbindung gedacht. So ist die Anschauung von der magischen Wirkung der M.steine nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch bei vielen Völkern des mittelländischen und vorderasiatischen Kulturbereichs, und zwar seit dem Altertum, verbreitet. Von dem „M.stein" von Pessinus 13 ), der der Kybele heilig war, ging auf die Verehrer der Großen Mutter ebensosehr heilende und schützende Wirkung über, wie etwa auf die Mitglieder vom arabischen Stamm der Kureisch 14 ), deren religiöses Denken so stark an den Stein von Mekka, den man als vom Himmel gekommen überlieferte, gebunden war, daß, wie man weiß, selbst Mohammed an diese Bindung nicht zu rühren wagte 18 ). Heilungen und jeglicher Erfolg im Leben mögen vor allem von diesen Steinen erwartet worden sein. Zu Zeiten des arabischen Philosophen und Arztes Avicenna (980—1037) fiel in Persien eine 25 kg schwere M.eisenmasse, aus der der König sich Schwerter machen ließ 1β ), wohl auch, weil er glaubte, durch den Besitz des vom Himmel gekommenen Metalls Möglichkeiten zu besonderen und stets siegreichen Kriegstaten zu haben. Es ist nur die konse-

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quente Fortbildung dieser Glaubensvorstellungen, wenn in einer Schweizer Sage erzählt wird, daß ein Luzerner Bauer, als er mit seinem Gesinde seine Matten besucht, von M.fall überrascht, an die heilende Wirkung dieser Steine glaubt: Pestilenz, Blutfluß und „rote Schäden" (Krankheit) könne man mit ihnen bannen; denn die Kraft Gottes wohne in ihnen 17 ).

13 ) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 2 4 1 ; P a u l y - W i s s o w a s. v. Kybele Sp. 2 2 5 4 0 . — Bei dem Stein von Pessinus handelt es sich um einen Baitylos — (griech. Form [bei Philon v. Byblos bei E u s e b . Praep. ev. I 10. 2 3 Dind.] von semit. bet-ili = Tempel, Gotteshaus, so Amarnabriefe (ed. Knudson) 9, 1 5 und im bibl. Ortsnamen Beth-el; der Baitylos galt als Wohnung der Gottheit; in seiner Phallusgestalt war die Gegenwart der zeugenden Gotteskraft versinnbildlicht) — wie im ganzen Gebiet semitischer Religionsanschauungen; die göttliche Verehrung solcher Steine wird auf M.fall zurückgeführt von J e r e m i a s in C h a n t e p i e d e l a S a u s s a y e Lehrbuch 1 , 6 1 7 ; ob es sich in Pessinus um einen wirklichen M.stein handelt, steht dahin, aber man behandelte den Stein 14 wie ein Meteorit. ) Chantepie de la S a u s s a y e 1, 653 f. « ) Ebd. x, 666. " ) K r o n f e l d Krieg 166; vgl. Hdwbch. d. Naturw.1 846. 17 ) L ü t o l f Sagen 323Í.

4. Deutungen des Wesens der M.e. Wie bei den Finsternissen, Kometen usw. bemühte man sich bei allen Völkern meist um eine t h e o l o g i s c h e Erklärung des M.falls. Aus den verschiedenartigen Wirkungen, die man der Erscheinung und dem Steinfall zuschrieb, ist auch für die Deutung des Wesens auf eine mehrfache Teilung der Vorstellungen zu schließen. Dem primitiven Denken ist die Gleichsetzung mit Tieren ganz selbstverständlich; in Babylon z. B. wird nach einem aufgefundenen Verzeichnis an die Verwandlung von Sternen in Tiere, Metalle und Steine geglaubt. Nach Kugler hat man es hier mit animistischen Deutungen von M.fällen zu tun 1 8 ) ; als Tiere, in die verwandelt der „Stern" erscheint, werden genannt Löwe, Schakal, Fuchs, Hund, Wildschwein usw., aber auch Fisch, Krebs, Schwalbe, Motte, Sonnenkäfer und Wurm 19 ). Die Deutschen sehen in den M.en meistens Drachen, die am Himmel daherschießen 20 ) ; die Sage hat zweifellos von solchen fabelhaften Sterndrachen

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mancherlei Erinnerung bewahrt, doch ist wohl kaum zu scheiden, ob solcher Deutung M.- oder Kometenerscheinung zugrunde liegt. Die Mythologie mancher wilden Stämme kennt ganz ähnliche Erklärungen 21 ). Die Plötzlichkeit des Aufleuchtens läßt hier die Menschen ebensosehr die im Stern vorgestellte Gestalt als schrecklich ansehen wie die Helligkeit und der farbige Glanz des Sterns. Zuweilen erklärt man, das Her abfahren des Sternwesens diene dazu, sich sein „Fressen" auf Erden zu holen. Nach dem Glauben der Bororo liebt es Jägerfleisch; es holt solches von den besten Jägern, d. h. aus den Häuptlingen des Stammes 22). Die Anschauung von dem bösen Sternwesen läßt nach der Christianisierung mancher Völker die Gleichsetzung mit dem Teufel zu 23) ; so bei den Polen in Oberschlesien, wo das M. ursprünglich der Stern des Hausgeistes Skrzytek war (s. o.). Im isländischen Volksglauben ist ein M., das über einem Haus dahinfliegt, gleichfalls der Satan; man wittert in der Erscheinung Gefahr für kleine Kinder 24 ). Die Gegend des Satans wird gemieden ; solche Anschauung veranlaßt die Abessinier zu glauben, wie es auch in der oben angeführten norddeutschen Sage berichtet wird, daß die Leute der Gegend sterben müssen, in der ein M. niedergeht. Ebenso erwarten Kleinrussen und Bengalen von den S t e r n s c h n u p p e n , die sie für Teufel halten — man sieht, daß auch im Volksglauben die Identität von M.fall und Sternschnuppenfall zuweilen festgehalten ist — , Unglück für die Menschen, wie den Tod an der Schwindsucht (bei den Kleinrussen) 25 ). Anderseits ist aber doch in einigen Gegenden der Erde auch von einem helfenden Wesen gefabelt worden, das im M. zur Erde niedergeht. Die Pawnee (U.S.A., am Kansas) erkannten in dem M.fall das Herabsteigen eines himmlischen Wesens, das sie gegen ihre Feinde unterstützte. „Es verkündet ihnen den Fall eines Steines, der eine wunderbare Farbe, Kopf, Augen und Beine besitze. Dieses ist ein Teil des Morgensterns, dem (nämlich dem Stein)

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man einen Kult und eigene Priester einsetzt und durch dessen wunderbare Kraft der Stamm immer siegreich und mit Beute beladen vom Kriegspfade heimkehrte" 2β). Man sieht hier, wie der Glaube an den M.stein als A m u l e t t (s. o. Abschn. 3) entstanden sein kann. Alsein helfendes Wesen ist bei aller Strenge und trotz der bei den Menschen lebendigen Furcht auch das M. als „Bote Gottes" anzusehen, von dem oben die Rede war. Die vielen seit den Griechen gemachten Versuche echter w i s s e n s c h a f t l i c h e r Erklärung der Erscheinung können natürlich hier nicht behandelt werden 27 ). Bis zur Aufklärung aber tastet man trotz aller Ergebnisse im einzelnen ziemlich im Dunkeln hinsichtlich der Natur des M.s, und immer wieder fließen in die Versuche rein physikalischer Erklärung religiöse Ideen ein. Das gilt nicht etwa nur für Paracelsus, sondern ζ. B. auch von Cardanus, dessen Orientierungsversuch zwischen Wissenschaft und Spekulation wir im Art. Kometen ausführlich erörtert haben 28). Die Paracelsuserklärung entfernt sich wie immer am meisten ins Gebiet der Spekulation; sie sei darum allein ausführlich wiedergegeben. Der Fall von Feuerregen, führt Paracelsus in de meteoris I X hinter der Darlegung über den Blutregen als einer festen Ausscheidung des Himmels aus, habe seine Ursache in der Natur des Regens überhaupt; denn aller Regen, der falle, sei nichts als Schwefel, Salz und Quecksilber. Der Schwefel sei von brennender Art und müsse sich beim Brennen in ein Wasser auflösen. Nun aber falle diese Schwefelsubstanz zuweilen ohne Regenwasser. Die Folge seien große Brandschäden; die Erde werde versengt und ausgedörrt, so daß hernach eine zeitlang daselbst nichts wachse. „Sternschnuppen, Wetterleuchten und brennender Strahl, die vom Himmel kommen, sind alle von derselben Natur, bei Nacht und bei Tage (dann unsichtbar) ; von den Sonnensternen können sie mit ihren schwefligen Blitzen zuweilen auch Wälder und Häuser versengen, ohne daß man von dem Feuer etwas sieht" 29). Es ist hier leicht zu

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bemerken, wie ein wissenschaftlich angelegter Erklärungsversuch im Grunde nur den Aberglauben zu steigern vermochte. Die „Wissenschaft" des Paracelsus sucht die Folgen der Erscheinung von den Begriffen Regen und Feuer verständlich zu machen und beschränkt die Einwirkung von „Feuerregen" auf materielle Schädigung der Erde. Vielleicht steht aber hier wie bei der Vorstellung vom Boten Gottes mehr oder minder unbewußt doch der Glaube des jüdischen Volkes an die verheerenden Wirkungen des Feuers, das Gott zu seinen Strafen gebraucht, dahinter; dem Volksbewußtsein des M. A. und der Ν. Z. war dieser ζ. T. durch die biblischen Schilderungen wie der der Vernichtung von Sodom und Gomorrah 30) oder der Bestrafung der Rotte Korah für ihre Auflehnung durch vom Himmel herabstürzendes Feuer eingepflanzt 31 ), ζ. T. aber auch durch die in der Patristik und den eschatologischen Schilderungen ausgeformten Vorstellungen von der Seelenqual der Verdammten im Feuer der Hölle, wie sie im Anschluß an spät jüdische Ideen von der Gehenna entstanden waren 3 2 ). Um klarer zu sehen, bedarf es genauer Vergleichung zwischen dem entsprechenden Volksglauben der Zeiten und den wissenschaftlichen Erklärungsversuchen sowie den Ansichten der Zeit über die eschatologischen Orte im Zusammenhang mit Auslegungen der genannten Bibelstellen und bildlichen Darstellungen. 8) K u g l e r Sternkunde und Sterndienst in 19 ) Babel I I i , 91 f. G u n d e l Sterne und Sternbilder 29. 20) E b d . 30; F o g e l Pennsylvania 373 Nr. 2002. 21 ) E b d . 22 ) A . a. O. 187. 23 ) S. o. Sp. 220. " ) G u n d e l a. a. O. 95. 25 ) G u n d e l a. a. O. 2 5 1 ; Literatur daselbst A. 2. 26 ) E b d . 84. 2 ') Anaxagoras bei D i o g . L a e r t . I I 10 ( D i e h l s Fragm. d. Vorsokratiker 376, 5); G u n d e l in P a u l y - W i s s o w a s. v . Sternschnuppen Sp. 2442 f. 28 ) S. A r t . K o m e t Sp. 104 ff. Die Stelle steht in der alten Übersetzung von C a r d a n u s De rer. var., die 1591 in Basel unter dem Titel C a r d a n u s Offenbarung der Natur übers, v . Huld. Fröhlich v. P l a w e n erschien, S. 533 (Feuerregen), S. 537 (Steinregen); = o p e r a ed. S p o n i u s (Lugd. 1663), t o m . I I I p. 2 7 3 b . 2β ) 275b. P a r a c e l s u s ed. Joh. Huser,

B i c h t o l d - S t i u b l i . Aberglaube VI

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Straßburg 1616, torn. I I 930; auch P a r a c e l s u s ( = Geheime Wissenschaften 17) S. 62. 30) Gen. 19, 23—25. 31) N u m . 1 6 , 3 5 ; v g ' · l l · 32 ) Bibelstellen: ι — 3 und J e s . 66, 24. Mt. 5, 22; J a k . 3, 6; A p o c . 19, 20. P a t r i s t i k : ζ. B . J u s t i n I. Apol. 1 2 , 2 . 1 7 , 4 ; T e r t u l l . Apo'og. 48 E n d e ; A u g u s t . De civ Dei 21, 9. 10. L i t . bei P r e u s c h e n - B a u e r Wtbch z. d, Schriften des NT. s. ν . γεέννβ.

5. Die A b w e h r r i t e n weisen die bekannten Typen auf, wie wir sie schon bei Kometen- und Finsternisabwehr aufzeichnen mußten 3 3 ). Man schützt sich durch Beschwören, Beten oder symbolische Handlungen. Die Kleinrussen halten das drohende Übel von einer Person fern, indem sie „ A m e n " sprechen, bis das M. erloschen ist. Die Abessinier suchen den Sternfall in das Land des Feindes abzulenken mit einem entsprechenden beschwörenden Ausruf. K a tholische, deutsche Gegenden sollen das Haus, über dem ein M. erscheint und niedergeht, mit Weihwasser gegen evtl. unheilvolle Folgen sichern, wie bei Kometenerscheinungen. In Island schützt man von M.en bedrohte Kinder durch Überwerfen von Gewandstücken oder durch Weihwassersegen 34 ). 33 ) V g l . A r t . Blitz Sp. 1416; Finsternisse Sp. 1 5 1 7 Í Í . ; Hagel Sp. 1316; K o m e t Sp. 137. 34 ) G u n d e l Sterne und Sternbilder 251.

6. H e u t i g e V e r b r e i t u n g d e s M.g l a u b e n s in D e u t s c h l a n d . Ich kann mich an ein Nachleben des Glaubens an böse Einwirkungen eines M.s in der Gegenwart nicht erinnern; daß man sich wie bei Sternschnuppenfall etwas wünschen soll, wissen heute selbst noch viele Gebildete als Kuriosum zu erzählen. Der Kampf gegen diesen Aberglauben begann wie in den ähnlichen Fällen 35 ) mit der Aufklärung; er scheint hier deswegen besonderen Erfolg gehabt zu haben, weil man seit 1700 zunächst etliche Jahrzehnte lang den M.fall schlechtweg leugnete und einen Menschen, der an ihn glaubte, als Toren ansah 3e ). Das hatte Konsequenzen. Man berichtet, daß damals öfters M.steine, die sich in Sammlungen aus früheren Zeiten befanden, aus diesen entfernt wurden ; man warf sie weg aus Furcht, sich durch Aberglauben lächerlich zu machen. Als am 13. Sept. 8

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Meteorologie—Metoposkopie

1768 an drei Orten 37 ) in Frankreich Steinmassen niederfielen, die von einem M. stammten, beauftragte die Pariser Akademie erstens nur drei Mitglieder mit der Untersuchung 3 8 ) und zweitens kamen diese Wissenschaftler zu der Einsicht, daß die Steine nicht aus der L u f t gefallen sein könnten, sondern durch Blitzschlag bloßgelegt seien 3 9 ). Da die Erscheinung eines M.s an sich auf das Auge des Beschauers harmloser wirkt als die des Kometen mit seinen mannigfachen Formen, außerdem keine Tradition über M.e mit der Geschlossenheit wie bei jenen existierte, konnte solche „Aufklärung" wohl von radikaler Wirkung sein; in der Tat scheint der Glaube an die bösen Folgen der M.erscheinung der Vergangenheit anzugehören M ). Denn als der deutsche Arzt und Physiker Chladni (1756—1827) anläßlich eines sibirischen Fundes 1794 auf die Wirklichkeit des M.falls zurückkam, wodurch er die moderne M.forschung begründete 4 1 ), erneuerten sich doch die an den M.fall ehemals angeschlossenen Vorstellungen abergläubischen Gehaltes in Mitteleuropa nicht wieder; 100 J a h r e scheinen also auch zähen Aberglauben zu bezwingen. 35 ) Vgl. Komet Sp. u s f . 3β ) Hdwbch. der Naturwissenschaften 2 a. a. O. S. 916. 3 7 ) Lucè (Dep. Maine), Aire (Dep. Artois), Contances 38 (Dep. Cotentin). ) Fongeroux, Cadet und Lavoisier. 3 ·) Vgl. noch den ähnlich grotesken Fall einer Äußerung des französischen P h y sikers B e r t h o l o n zum M.fall bei Barbotan vom 24. V I I . 1790; selbst der vom Maire von Juillac in der Gascogne unterzeichnete Bericht, demzufolge eine Feuerkugel abends zwischen 9 und xo Uhr in der L u f t gesehen worden ist, die kurz hernach unter heftiger Detonation zersprang und deren Steine in der genannten Municipalität niederfielen, errang so wenig wie die an die Akademie gesandten Steine Glauben. Bertholon schlug alles nieder mit seiner Erklärung, daß hier das Zeugnis eines falschen Faktums, „eines physisch unmöglichen Phänomens" vorliege, und bemerkte, es sei doch eine sehr traurige Angelegenheit, wenn man so eine ganze Municipalität in aller Form alte Volkssagen beglaubigen sehe, die als Erzeugnisse des Aberglaubens nur Mitleid verdienten (nach G r e t s c h e l Lex. d. Astron. s. v. Meteorite). 40 ) Doch soll 1 9 3 2 in Bern u. im Berner Oberland der Glaube geherrscht haben, ein M. bedeute irgend ein Unglück. Ob aus der Lektüre ? (Mitt. von P. Geiger). « ) Hdwbch. d. Naturw. 2 a. a. O. S. 9 1 6 ; G r e t -

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s c h e i a. a. O. Der französ. Physiker Biot erwies dann 1803 anläßlich des Falles vqn L'Aigle (s. o. Abschn. ι) die Richtigkeit des M.falls. Stegemann.

Meteorologie s. W e t t e r , W e t t e r glaube. Meteorsteine s. S t e i n r e g e n . Meth 1 ). ι . Über die M. trinkenden Götter Simrock 2 ). Nach dem,,Papistenbuch*' (16/17. J h . ) trank am Feste Johannes des Täufers „schier ydmann Mett nach dem Landesbrauch" 3 ). M. Denis erzählt aus seiner Jugend: Am J o h a n n i s a b e n d wurde allenthalben lustig über die Sonnwendefeuer gesprungen, und dabei mußte M. sein 4 ). In Steiermark und Bayern heißt St. Johannes der M . h a n s e i , weil die Buben an diesem Tag die Dirndel mit M. bewirteten 5 ). 2. Der Götze Swantewit, der in Arkona auf Rügen einen Tempel hatte mit einem Bildnis, hielt ein Horn mit M. in der Hand; jedes J a h r nach der Ernte sah der Priester nach, ob im Horn noch M. vom vorigen Jahre sei. Hatte das M. stark abgenommen, so bedeutete das Trockenheit und Teuerung. Der Priester goß den alten M. dem Gott vor die Füße und füllte das Horn aufs neue e ). Bei den Ruthenen in der Marmarosch heißt das T o t e n m a h l Tokan und besteht aus Maismehl und Schafskäse; in den Sarg legt man eine Flasche mit altem M . 7 ) . 3. Alvares erzählt von den Äthiopiern (1573), daß man das Haar von Braut und Bräutigam vor dem Opfer mit M. wusch 8 ). Kulturhistorisches bei H o o p s Reallex. 3, 2 1 7 ff. ; H e y n e Hausaltert. 2, 3 3 4 ft.; M ü l l e n h o f f Altert. 4, 154, 3 4 3 ; W . W a c k e r n a g e l Kl. Schriften 1, 86 ff. *) Myth. 92. 2 1 2 . 3 1 9 . 3 ) B i r l i n g e r Schwaben 2 , 1 6 2 ; J a h n Opfergebräuche 46. 4 ) G r i m m Myth. 1 , 5 1 4 . 5 ) J a h n I.e.; S c h m e l l e r BayWb. 1 , 1 6 8 8 . ·) G r ä s s e Preuß. Sagen 2 , 4 8 8 , 463. ' ) K l o s t e r 12, 472 A . 2. 8 ) A R w . 16, 605. Eckstein.

Metoposkopie. Von griech. μέτωπον „ S t i r n " und σκοπεΤν „betrachten", die Kunst, aus der Form, den Furchen usw. der Stirn den Charakter und das Schicksal eines Menschen zu erkennen; bisweilen wird die Bezeichnung auch auf das ganze Gesicht bezogen. Untergruppe der P h y s i o g n o m i e , s. d. Boehm.

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Metzger

Metzger (Fleischhauer, Schlächter). Frühzeitige Herausbildung eines Gewerbes und Wohlhabenheit haben ein starkes Standesbewußtsein entwickelt, das in einem kräftigen Zunftbrauchtum Ausdruck f a n d u n d von dem sich einiges bis in die jüngste Gegenwart erhalten hat. Dahinter stehen alte Kultbräuche, deren ursprünglich agrarischer Sinn umgedeutet worden ist. E s kommen Fruchtbarkeitsriten in Betracht, weshalb die M.zunftfeste vor allem zu Fastnacht, bisweilen zu Pfingsten und am Johannistag gefeiert wurden 2 ). Man wird auch für die M. gleich den anderen Handwerkern annehmen dürfen, daß an diesen Festen in erster Linie die Gesellen a k t i v hervorgetreten sind. Sie bildeten in der M.zunft eine engere Gruppe, eine Burschenschaft (s. Handwerker 3, 1413 ff.). A . Soweit hinter den M.zunftfesten Umdeutungen einstigen Fruchtbarkeitszaubers zu erkennen sind, kommt in Betracht : ι . das Schönbartlaufen (s. d.) in Nürnberg und die entsprechenden M.-Tiermaskeraden in anderen Städten bei Fastnachtsumzügen, an denen die M.zunft teilnimmt, in Schweden, in Teuschnitz {Oberfranken ) und beim Münchner- und Salzburger M.sprung 3 ). H e y n e Nahrung 280 fi.; DG. ig, 45 ff. ) MsäVk. 5, 328 ff.; S i m r o c k Mythologie 628. 3 ) E b d . ; P a n z e r Beitrag 2, 247 ff. 2

2. Das Umführen der Lenzbraut an verschiedenen Orten, so der M.braut und des M.bräutigams in Zürich (s. auch Eisengrind 2, 731 ff.). Sie wurden durch Puppen dargestellt, die in den Brunnen geworfen wurden. Dadurch ist der Zusammenhang mit dem Fastnachtsbegraben (s. d) klar 4 ). Beim U m z u g der M. in Münster im 16. Jh. wurde die Braut von der ältesten unverheirateten Tochter der Zunft dargestellt. E s ist daraus ersichtlich, daß in manchen Orten mit einer M.zunft diese die Fastnachtsfeier als ihr besonderes Vorrecht angesehen hat, wie es auch andere Zünfte taten. Begründet wird dies mit irgendeiner hervorragenden Leistung für Stadt und Bürgerschaft 8 ). «) MsäVk. 5, 328 ff.; SAVk. 1,127 ff.; H o f f -

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m a n n - K r a y e r 73, 152; S t a u b e r Zürich 2, 1 5 8 3 . ; R o c h h o l z Sagen 2,200; M a n n h a r d t

. 4 3 3 = V e r n a l e k e n 354 ff. 5) M a n n h a r d t 1,436 ft.; MsäVk. 5, 331. J

3. Die Heischeumzüge. In manchen Orten veranstalten die M. solche in der Frühlingszeit : sie werden ebenfalls vor allem von den Gesellen durchgeführt worden s e i n e ) . Der dabei oft übliche Wettkampf vollzieht sich in der Schweiz zwischenM.n und Bäckern bzw. Müllern, was auf einen ursprünglichen Streit zwischen Winter und Sommer geht ') (s. Sommer und Winter). ·) C y s a t 81; MsäVk. 5,332. ' ) S a r t o r i Sitte 3, 161 = ZfVk. 12,211; SAVk. 11,261.

4. Der M.sprung der Lehrlinge beim Freispruch in vielen Städten, so in München, Salzburg, Hallein, Tölz. Sie springen in einen Brunnen auf einem öffentlichen Platz und bespritzen die neugierigen Zuschauer. Beim M.sprung tritt zum Fruchtbarkeitszauber die Einweihezeremonie hinzu 8 ). Als Rest einer solchen wird man die Fastnachtsunterhaltung auffassen dürfen, bei der bis 1525 die M.zunft in Kempten einen Lehr jungen auf einer Ochsenhaut geprellt hat. D a s Prellen ist nämlich auch eine Form des beim Freispruch üblichen Hänseins e ) (s. Handwerker 3 , 1 4 1 3 0 . ; Hänseln 3, 1660ff.; Haut 3 , 1 5 8 1 ff.; prellen). 8 ) MsäVk. 5,334; S e p p Religion 99 fi. ; S i m o c k Mythologie 582; P a n z e r Beitrag 1, 226 ff. 359; 2,445; A l b e r s Das Jahr 123; R e i n s b e r g Festjahr 49; A n d r e e - E y s n Volkskundliches 24 2 ; F e h r l e Volksfeste 45. 48; R e h m Feste 65; D u l l e r Deutsches Volk 305; L i e b r e c h t Gervasius 193; A d r i a n Sahbürger Sitt' 85 ff. ; A n t o n M a y e r Der Schäfflertanz und der Metzgersprung. München 1865 (Abdr. a u s d.

Münch. Sonntagsbl. S. 60) ; Allgemeine Zeitung, Münch. 1893, Nr. 44; B e r n f e l d Gemeinschaftsleben 229; W i s s e l l Handwerk 2, 87 ff. ·) R e i s e r Allgäu 2, 92 = H a g e n m ü l l e r Gesch. v. Kemp-

ten I, 590; MsäVk. 5, 334.

5. Das Fahnenschwingen (s. 2, 1122). Der auch bei anderen Zunftfesten beliebte Brauch kehrt bei den M.n wieder und hat einen über das militärische Element der Zunftorganisation hinaus und in den Fruchtbarkeitszauber zurückreichenden Sinn gehabt. D a s einst weiter verbreitete Fahnenschwingen wird noch jetzt in Eger und Salzburg geübt. Besonders

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Metzgete—Michael, hl.

dieses Vorrecht wird mit Verdiensten der M. begründet 1 0 ). 10 ) L e h m a n n Sudelend. Volksk. 158; R e i n s b e r g Festjahr 48; A d r i a n Salzburger Sitt' 88ff.; MsäVk. 5, 335 ff.; A. K e l l e r Die Handwerker im Volkshumor (Leipz. 1912) 56 ff.

6. Die Umführung des Pfingstochsens (s. d.), noch in der 2. Hälfte des 19. Jh. an manchen Orten üblich, unter Beteiligung der Kinder 1 1 ). " ) MsäVk. 5, 345 ff.

7. Zur Zunft gehört der M.tanz, so ein vier Tage dauerndes Volksfest mit Markt bei Musdorf (0. A. Gerabronn) in der Michaeliswoche. Dabei geht der Tanz um einen brennenden Holzstoß mit Umtrunk zum Schluß 12 ). M ) Ebd.; J o h n Westböhmen 49; K a p f f Festgebräuche 20.

B. An besonderem M.-Aberglauben, der sich auf eine günstige Beeinflussung des Gewerbes oder auf die Abwehr schädlicher Einflüsse durch das geschlachtete Tier beziehen könnte, findet sich wenig, zu mindestens in der volkskundlichen Literatur. ι . Abwehr von Unheil: a) vom . In dem Mißgeschick, daß er das Tier nicht gleich kunstgerecht tötet, sieht er nicht eigene Ungeschicklichkeit, sondern Schadenzauber seitens mancher Leute. Dies ist der Grund, weshalb er die Ochsen nicht zu Fall bringen kann. Als Gegenzauber muß er dem Ochsen zuerst einen Fuß abhauen 13 ). Daß die Tötung des Tieres nicht rasch vor sich geht, ist ein bei der Schweineschlachtung, vor allem bei der Hausschlachtung, häufiger an Tierquälerei grenzender Fall. Handelt es sich hier allerdings um keinen Berufs-M., sondern um einen Mann, der in der Nachbarschaft das Schweinestechen besorgt, so glaubt auch er, daß ein anderer es ihm „angetan" hat, aus Bosheit oder Neid, weil die Entlohnung in dem viel begehrten frischen Schweinefleisch besteht. Zur Abwehr und Wiedergewinnung seiner Geschicklichkeit rät man ihm, längere Zeit überhaupt keine Schlachtung vorzunehmen (oberes Mühlviertel) 1 4 ). b) von dem Vieh, bzw. Haus des Verkäufers: Wenn der M. ein Kalb von der K u h wegführt, soll er es zuerst mit dem

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Hinterteil durch die Tür bringen, denn sonst brüllt die Kuh zu sehr, so daß es manchmal tagelang keinen Milchertrag gibt (allgemein) 15 ). Die natürliche Sehnsucht der Kuh nach ihrem Jungen wird als Wegführen des Glückes durch den M. aufgefaßt (s. Glück 3, 879, wegtragen). 13 ) Z i n g e r l e Tirol 35 Nr. 288. " ) Mündl. ") Witzschel Thüringen 2, 278; Mündl. (Oberes Mühlviertel).

2. Zukunftskündigung durch das M.messer: Fällt es zu Boden, kündet es Pfarrer besuch 16 ). le)

F o g e l Pennsylvania 94 Nr. 378.

3. Absoluter Aberglaube. Das Mitgefühl mit dem Tier sieht in der Tierquälerei eine Berufsverletzung; daher spukt der M. als „Schaltier" 17 ). Roheit büßt er mit dem Leben in den Sagen, in denen er einer Nixe, die in seinem Fleischerladen einkauft, die Hand abschlägt 18 ). I7 ) C o r r e v o n Gespenstergesch. 27 ff. 1S ) S o m m e r Sagen 40 Nr. 35; W i t z s c h e l Thüringen ι, 286. Jungwirth.

Metzgete s. S c h l a c h t f e s t . Michael, hl. I. Der Erzengel M. erscheint bei Daniel (10, 13. 21 ; 12, 1) als Schutzengel der Juden 1 ) und gilt in der jüdischen Tradition als der himmlische Hohepriester 2). Er hat sich seit den Syrerkriegen als starker Held im K a m p f e gegen die Feinde Gottes bewährt 3 ). Sein Kult hat größere Bedeutung zuerst in Phrygien erlangt; er gab hier und dann auch anderswo im Morgenlande vor allem Beweise seiner Heilkraft (vielleicht als Nachfolger des Serapis) 4). Später galt M. als Haupt aller Engel 5 ), als der gewaltigste Bekämpfer des Teufels und seiner Scharen 6 ), als Vorsteher des Paradieses, Beschützer der Kirche Gottes und Fahnenträger des himmlischen wie des irdischen Heeres in der Schlacht 7 ). E r kommt daher in Formeln für die Ritterweihe 8) und für die Lanzenweihe 9) vor. Sein Bild führten die Sachsen in den Ungarschlachten von 933 und 955 als Feldzeichen 10 ). Er hat in der Lausitzer Sage mit Riesen gekämpft n ) und wird einst den Antichrist töten 1 2 ). In der Nialssaga cap. 100 will der Isländer Hall

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Michael, hl.

nur unter der Bedingung Christ werden, daß M. sein Schutzgeist werde. In späteren Sagen schützt dieser die Seinen auf Mauern und Brücken 13 ). Als im Kloster Mülberg bei Meißen eine große Anzahl Nonnen gestorben und daher der Chorgesang zu schwach geworden war, half das große Holzbild des Erzengels singen 14). Wenn das M.sbild auf dem Dache des Klosters Michaelstein entfernt wurde oder herunterfiel, fand man immer zwei Ochsen erwürgt oder ein Pferd fiel15), oder die Ochsen im Stalle wurden unruhig 16 ). In Frankreich zeigt man an verschiedenen Orten die Fußspur des h. M. 1 7 ). M e n z e l Symbolik 2, 1 2 7 ; v g l . S c h e f t e l o w i t z Altpalästinensischer Bauernglaube 3, 42. 2 ) F r a n z Benediktionen 1, 424. 3 ) L u c i u s Heiligenkult 251. 266. 4 ) E b d . 266 ff. In Heilsegen des Abendlandes scheint sein N a m e verhältnism ä ß i g selten v o r z u k o m m e n : W o l f Beitr. 2, 92; B a r t s c h 2, 325 (1585); S é b i l l o t Folk-Lore 3, 244; F r a n z Benediktionen 2, 480, v g l . 483. I m Pferdesegen: G r i m m Mythol. 2, 1033. Im Diebessegen: B a r t s c h 2, 335, 337. Vgl. Gabriel. Über M.s Reliquien: B e i s s e l Heiligenverehrung ι , 135. Sein K u l t in Italien: T r e d e Heidentum 4, 327 ff. 5 ) Sein Fest heißt a u c h Engelweihe oder F e s t aller E n g e l : P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 169 f. 6 ) A l s M. m i t d e m D r a c h e n k ä m p f t e , fielen 40 T a g e lang böse Geister v o m H i m m e l ; aus ihnen entstanden nach dem Glauben der E s t e n die N ä k k (Wassergeister) : E i s e n - E r k e s 87. In außerdeutschen Sagen tritt M. o f t in verschiedenartigen Gegensatz zum T e u f e l : D ä h n h a r d t Natursagen ι , 115. I36ff. 147. 150. 1 8 7 . 3 3 9 . ' ) W o l f Beitr. ι , 32 f . ; P f a n n e n s c h m i d 1 1 6 ff. 1 7 5 ff. 452; M e n z e l Symbolik 2, 128. V g l . A . H a u f f e n Geschichte des deutschen Michel. Prag 1918; 8) F r a n z 9) E b d . Benediktionen 2, 296. 298. 10 ) P f a n n e n s c h m i d 452. u ) H a u p t Lausitz 12 ) O b e n 1 , 4 9 4 . 499. 13) Z f r w V k . 2,230. 11, u) 85; L y n c k e r Sagen 33. Meiche Sagen 640 (792). 1 5 ) K u h n u. S c h w a r t z 171 f. w ) P r ö h l e Unterharz 33. 1 7 ) S é b i l l o t Folk-Lore ι , 366.

2. Im Briefe Judä V. 9 wird von dem Streit der Engel unter Führung M.s und der Teufel um den Leichnam des Moses erzählt, und in den Dichtungen des MA.s wird öfters ein solcher Kampf um die Seele dargestellt 18 ). Auf skandinavischen Runensteinen wird M. zum Schutze der T o t e n angerufen 1β). Er führt die Seelen ins Paradies 20 ). Die erste Nacht herbergt die Seele bei St. Gertrud, die

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zweite bei St. M. Die Ungarn nannten die Totenbahre St. M.s Pferd 22). „Willst du St. M.s Hennen hüten?" sagt man zu einem Kinde, das sich leichtsinnig in Lebensgefahr begibt (Kt. Wallis) 23). Wanderzigeuner der Donauländer stellen einen Kuchen vor ihr Winterquartier und sagen dabei: „Heiliger M., bewahre uns vor den Toten" 24). Man meinte auch, daß der Erzengel die Seelen der Verstorbenen abwäge, um festzustellen, ob sie die Aufnahme ins Paradies verdienten oder nicht 25 ). In den besonderen Speisen, Kuchen und Broten des Michaelistages will man ursprüngliche Totenopfer erkennen 2e). Schon die heidnischen Sachsen feierten am 1. Oktober ein Totenfest 27 ). Die Kirche verwandelte dieses in die sog. heilige, gemeine Woche (Meinwêken), die mit dem Sonntag nach Michaelis begann, und in der man täglich Messen für alle Christenseelen las 28). In einigen Orten des Klettgaues begeht man noch zu M.i die „Jahrzeit", d. h. das jährliche, allgemeine Totengedächtnis, durch Gräberbesuch 29 ). Bei den Esten haben die Seelen Erlaubnis vom M.istage oder vom folgenden Montag an bis zum 2. November auf Erden zu wandeln 30 ). Die Letten feiern ein Totenfest von M.is bis Simon und Judä (28. Oktober). Sie dreschen während dieser Zeit nicht, weil sie glauben, das dann gedroschene Korn sei unbrauchbar für die Saat, weil die Seelen der Toten es nicht aufsprießen ließen (der eigentliche Grund war wohl, daß man durch das Dreschen nicht die in der Luft schwebenden Seelen verletzen wollte). Für die Seelen wurden Speisen im Hause hingesetzt. Am Abend lud der Hausvater die der Verwandten zu Gaste 31 ). 18) 19) G r i m m Mythol. 2, 698 f. Meyer German. Myth. 213. 20 ) G r i m m 3, 249. Daß M . als Seelenbeschützer verehrt wird, k o m m t wohl daher, d a ß er i m Offertorium der T o t e n messe z u m Schutze der Seelen angerufen w i r d : Signifer sanctus Michael repraesentet eos i n lucem s a n c t a m : K e l l n e r H eortologie 246 Α . I . 21) G r i m m Mythol. 2, 699; M e y e r German. Mythol. 258 2a ) Z f V k . 1 1 , 4 1 6 ; Schüller 23 ) Progr. v . Schässburg 1865, 13 f. SchwVk. u ) 12, 37. Wlislocki Zigeuner 128 f . M) G r i m m Mythol. 2, 7 1 7 ; 3, 258; M e n z e l Symbolik 2, 130 f. 530; S a m t e r Volkskunde

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Michael, hl.

99; L a n d a u Hölle u. Fegfeuer 113 f. Wegen seiner Wage wurde M. Patron der Krämer und Apotheker: B e i s s e l Heiligenverehrung 2, 62. Er kommt auch in Gebetsformeln beim Wägen (als Heilmittel) vor: F r a n z Benediktionen 2, 465. 26) Z f V k . I i , 193 ff.; J a h n Opfergebr. 2 ') 249 f.; S a r t o r i Sitte 3, 257. Golther Mythologie 586 (nach W i d u k i n d 1, 12). 28) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 128 ff. 1640. 436 ff.; JbNdSpr. 1, m ; 2, 1 1 4 f f . 1 1 7 ; Z f V k . I i , 194 ff.; G e r a m b Brauchtum 81; S a r t o r i 3, 258 A . 17. 29) M e y e r Baden 509. 30) E i s e n 31 E r k e s 43. ) F r a z e r 6, 74 t.

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38)

K e l l n e r Heortologie 244 f. 39) Ebd. 245. Ebd. 246. Im ganzen durch drei Erscheinungen des Erzengels nach Christi Geburt soll sein Kultus gewissen örtlichkeiten vermittelt worden sein: Menzel Symbolik 2, 128 f. 41 ) Z i n g e r l e Tirol 201. 40)

5. In den germanischen Ländern fanden am M.stage Gelage und S c h m a u s e reien statt, die meist die Kennzeichen eines E r n t e f e s t e s tragen 42). Die M.isgans spielt dabei eine bedeutsame Rolle, j namentlich in England, wo es heißt, man 3. In Deutschland gibt es eine große , werde das ganze Jahr Geld haben, wenn Anzahl von M.skirchen. In Süddeutschman auf M.is eine Gans esse 43 ). Die land sind es die ältesten. Sie liegen oft Kirche hat ihr Erntedankfest auf den auf Höhen, manche sollen an der Stelle M.istag oder auf den Sonntag darauf eines früheren Marstempels errichtet worangeordnet 44). den sein 32 ). In der Schweiz sind St. M. 42 ) S a r t o r i Sitte 3, 257; M e y e r German. häufig die Friedhofskapellen geweiht 33 ). Myth. I 9 6 f . ; R a n t a s a l o Ackerbau 5,57. Auch M.sberge gibt es viele 34 ). Man 221 f. 226. 43) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste hat angenommen, daß auf M. Züge Wo- 121 f.; R e i n s b e r g Festjahr 332; J a h n Opferdans 85), Zius 36 ) und Donars 37 ) über- gebr. 233. 44) P f a n n e n s c h m i d 427 f. gegangen sind. ; 6. Mit M.is beginnt ein neuer Z e i t 3S) W o l f Beitr. 1, 33 f. 3 4 ! , vgl. auch 128; j a b s c h n i t t . Der Sommer ist vorbei. Pfannenschmid Erntefeste 175. 443 ff.; I Die Arbeit bei Licht fängt wieder an, Q u i t z m a n n 77; B i r l i n g e r A. Schwaben 2, 145 f.; SchwVk. 5, 92; W r e d e Eifeler Volksk? ι und die Meister geben den Gesellen den „Lichtbraten" 45 ). In Meran beginnt 87; Z f V k . I i , 195; 27, 233; R e i n s b e r g Böhmen 460. Die ältesten M.skirchen im Orient: das Siebenläuten; man nimmt den NachK e l l n e r Heortologie 244. Gründungssagen: barn, der nicht darauf achtet, bei den S c h ö p p n e r Sagen 2, 312; H a u p t Lausitz 2, 46). Ohren Im Norden wird das Vieh 33 34 49. ) Z f V k . I i , 195. ) W o l f Beitr. 1, 35. stillschweigend am M.isabend eingetrieben, 36; 2, 98 f.; M e n z e l Symbolik 2, 129; M e i e r Schwaben 1, 299. 302; 2, 431; W r e d e Eifeler dann bleibt das ganze Jahr Ruhe im Volksk,2 84. An Kirchen und Berge knüpfen Stall 47 ). In Brandenburg legt man zu sich viele Sagen. 35) W o l f Beitr. 1, 32 f.; M e y e r Weihnachten, Neujahr und M.is eine German. Myth. 258; P f a n n e n s c h m i d 448; Sense oder Sichel ins Futter 48 ). Den W u t t k e 20 (19). 3e) W o l f Beitr. 1, 128 ff.; M e y e r Germ. Myth. 222; P f a n n e n s c h m i d Kühen werden am M.istage drei braune 449. 37 ) M e y e r 219; P f a n n e n s c h m i d 448. Kohlköpfe gegeben, damit sie nicht das 4. Die erste Kirche des h. M. in oder rote Wasser oder eine andere Krankheit vielmehr bei Rom lag an der Via Salaria bekommen 4e). Viele bitten um Gesundund wurde am 30. September geweiht. heit für das Vieh 50). Die aus Versehen Wahrscheinlich eine andere in der Stadt ungezeichneten Lämmer gehören dem selbst wurde im 5. Jh. am 29. S e p t e m b e r St. M. (Wallis) 51 ). eingeweiht, und dieser Tag ist bis heute 4S) S a r t o r i Sitte 3, 256; ders. Westfalen der Festtag des Erzengels geblieben 38 ). 168; ZfrwVk. I i , 271 (Elberfeld); S t r a c k e r Die Kirchenprovinzen des Abendlandes j a n 2, 93; H o f f m a n n - K r a y e r 166; G e r a m b 4 haben alle dies Datum für das Michaelis- Brauchtum 81.47 ·) Z i n g e r l e Tirol 1 7 1 ; vgl. 172 (1445). ) M e y e r German. Mythol. 254. fest angenommen, Deutschland im Jahre 4S) W u t t k e 435 (683). 4») B a r t s c h 2, 220. 813 durch die Mainzer Synode. Es war so ) M e y e r Baden 136. Viehsegen in der griechischen Kirche auf M. zurückgeführt: F r a n z im Mittelalter gebotener Feiertag 39). Im sl Laufe des 6. Jh. kam noch ein zweites Benediktionen 2, 126. ) SchwVk. 12, 37. M.sfest hinzu infolge einer Erscheinung 7. Für die A c k e r - und G a r t e n b e des Erzengels am 8. Mai bei Sipont am s t e l l u n g ist der Tag von Wichtigkeit. Monte Gargano 40 ). In Tirol gilt dieser Vor ihm darf kein Dung auf die Wiesen Tag als Schwendtag 41 ). geführt werden 52 ). Wintersaat muß

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Michael, hl.

man um M.is ausstreuen 53). Wenn man Weizen um M.is im andern Viertel bis zum Vollmond säet, so wird er nicht brandig 64 ). Häufiger aber wird doch geraten, am M.istage nicht zu säen 55 ). Säet man Roggen, so wird er teuer 66 ). Korn, in der M.iswoche gesäet, wird Trespe 67 ), und im Saulgau sagt man: „Wer michlet (d. h. anM.issäet), darf net sichlen" 68). Nach St. M. dürfen keine gelben Rüben mehr im Felde stehen, sonst werden sie wurmstichig 5e ). Als letzter Emtetag für Äpfel gilt neben dem Gallustag der M.istag 60). In der M.isnacht wachsen die Kohlköpfe so stark, daß ein umgeschlagener wollener Faden platzen soll β1 ). In Hüttenheim ruft man vor dem Schneiden des Kornes: „Heiliger St. Michel, gieb acht auf mein Sichel" 62 ). In der Schweiz heißt die letzte Garbe „Michel" 63). " ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 19. 53) M e y e r German. Myth. 256; E b e r h a r d t 2; S t r a c k e r jan 2, 93; R a n t a s a l o 2,38. 40. 1Í9; 3, 115. M ) D r e c h s l e r 1, 152. 55) S t r a c k e r j a n 2, 93 (Saterland); ZfVk. 7, 148; W u t t k e 86 (103); 56) T e t z n e r K ü c k Wetterglaube 37. Slaven 382. 87) Grimm Mythol. 3, 475 (1073: Bunzlau); Drechsler 1,152. 58) E b e r h a r d t 2. ht ) F o n t a i n e Luxemburg 73; B a r t s c h 2, 220. M ) Wrede Eifeler Volksk,2 180. e l ) B o e d e r Ehsten 89. >2) Meyer Baden 426. β3) ZfVk. Ii, 196.

8. Als Beginn eines neuen Zeitabschnittes ist der M.istag ein bedeutsamer Los t a g . In Schlesien bricht man Eicheln auf; findet man darin eine Spinne, so folgt ein schlimmes Jahr, findet man Fliegen, so hat man ein mittelmäßiges, und findet man Maden darin, ein gutes Jahr zu erwarten. Ist nichts darin, so folgt großes Sterben M ). Fand man in den Galläpfeln Würmer, so erwartete man einen guten Herbst; enthielten sie Fliegen, so entstand ein Krieg, und enthielten sie Spinnen, so stand die Pest bevor e6). In Anhalt stellte man Orakel über die zu erwartenden Getreidepreise an M ). Vereinzelt wird auch ein Liebesorakel, ganz wie am Andreastage, vorgenommen e '). Vor allem aber ist der M.istag für das W e t t e r bestimmend ®8). Man kann an

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ihm sehen, wie es sich im künftigen Jahre gestalten wird e s ). Der Norweger beobachtet auf M.istag das Wetter jeder einzelnen Stunde von früh 6 Uhr bis abends 6 Uhr, um von ihm auf das Wetter des betreffenden Monats zu schließen, indem jede Stunde einen Monat bedeuten soll 70 ). Zu Micheli „schickt der Winter einen Gruß" 71 ). An Micheli schön, am dritten oder neunten Tage Schnee 72 ). Wenn der Ägiditag oder M.istag schön ist, gibt es einen guten Herbst 73 ). Ein regnerischer M.istag läßt einen milden Winter erhoffen 74). Verbreitet ist die Meinung, daß, so viele Tage es vor M.is reife und friere, so viele Tage es im nächsten Jahre nach Georgi oder nach dem ι . Mai frieren werde 75). Wenn um M.is die Nord- und Ostwinde wehen, so gibt es einen kalten Winter 76). Wo am M.istage der W i n d herweht, da weht er das ganze Jahr her 77). Hagelt es, so wird der Winter streng sein. Säet man bei heiterem Himmel, so wird man reiche Ernte haben. Donner zeigt einen langen Herbst an (Ungarn) 78 ). „Donnert der Michel, viel Arbeit die Sichel" 79). Ist stilles Wetter, so gibt es billige Korn preise 80). Sie richten sich für das ganze Jahr nach der Stärke des Windes 81 ). Wenn dieser nachmittags stärker weht als vormittags, so wird nach Neujahr das Korn teurer 82 ). Wenn der Wind in die See steht, wird das Korn teuer, kommt er aus der See, so wird es billig. Weht er stark, so wird das Brotkorn teuer 83). Donnert es an M., so gibt es viel Korn, aber wenig Obst und heftigen Wind 84 ). Wenn auf M. der Mond im Zunehmen ist, bleibt Heu übrig fürs Spätfrühjahr und umgekehrt85). So viele Tage der Mond auf M.istag alt ist, so viele Überschwemmungen werden nachher eintreten 8e). Dänen und Norweger entnahmen um M. aus der Milchs t r a ß e Prognostica für das Wetter des kommenden Jahres 87). In Caltanisetta mußte M. es sich gefallen lassen, daß bei Trockenheit seine goldenen Flügel durch pappene, sein Purpurmantel durch ein Lumpengewand ersetzt wurden 88). " ) D r e c h s l e r 1, 152; vgl. K u h n Westfalen 2, 96. e t ) Meyer Abergl. 215. Vgl. ZfVk. 23,

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Michaelsbrief

61 (Österreich); Wolf Beitr. 1, 37 (Dänemark u. Norwegen). 6e ) ZfVk. 10, 89. «') SAVk. 21, 42. ββ) M. wird auch im Wettersegen angerufen: F r a n z Benediktionen 2, 102. Öfter mit Gabriel und Raphael zusammen : Ebd. 2, 74. 79. 84. 91. 93. 97. e9 ) Meyer Germ. Myth. 256; Kuhn Westfalen 2, 95 f.; K a u f f m a n n Balder 287 Α. 2. 70) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 124; Kuhn Westfalen 2, 115. 71 ) R e i t e r e r Ennstalerisch 58. 72) R e i s e r Allgäu 2, 167. 73 ) Pol74 ) Urquell linger Landshut 231. 6, 16. 75 ) ZfVk. 23, 61 (Österreich); J o h n Westböhmen 93; D r e c h s l e r 1, 151. 152; A n d r e e Braunschweig 412; Zingerle Tirol 171. 7e) ZfVk. 9, 235 (Nordthüringen); 6, 182 (Thüringer Wald); E b e r h a r d t Landwirtschaft 11. ' 7 ) ZfdMyth. 2, 108 (Duderstadt). 78 ) ZfVk. 4, 105. 79 ) ZfVk. Ii, 195. 8°) Knoop Hinterpommern 181. 81 ) S t r a c k e r j a n 2,93; K ü c k Wetteiglaube 92 f. 82 ) Engelien u. L a h n 280 (247). β3 ) B a r t s c h 2, 220. 84 ) Reinsberg Böhmen 462. 8ä ) ZfVk. 6, 182 (Thüringer Wald) ; vgl. B o e d e r Ehsten 88. 86 ) P f a n n e n s c h m i d 122. 87 ) Wolf Beitr. 1, 37. 8S) F r a z e r 1, 300.

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u n t e r g a n g m i t den P f e r d e n z u H a u s e sein, d a n n k ö n n e n die H e x e n ihnen nichts a n t u n 9 7 ). In S c h w e d e n b e k o m m t d a s V i e h der H a f f r û sein F u t t e r 9 S ). I m H a r z schickt der h. M. im H e r b s t e L ö r k e u n d anderes U n g e z i e f e r 9 9 ) . Manches ist a m M.istage v e r b o t e n . M a n darf n i c h t a u f d e m F e l d e arbeiten u n d nicht spinnen 10 °). D a g e g e n h e i ß t es in S c h w a b e n : Michel spinnt einen K n i p f e l , d. h. in der M.isn a c h t m u ß m a n den F a d e n anspinnen 1 0 1 ). Man darf (bei den sächsischen W e n d e n ) keinen F l a c h s rösten, sonst stirbt der Hausherr102). N a c h M.istag soll m a n (in E n g l a n d ) keine B r o m b e e r e n m e h r essen 1 0 3 ). W e n n aber a m M.isabend alles unter S c h l o ß u n d R i e g e l ist, können n a c h schwedischem G l a u b e n D i e b e d a s g a n z e J a h r nicht schaden 1 0 4 ).

95 ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 118. »*) 9. In der S c h w e i z ist M. GabenKuhn u. S c h w a r t z 378 (45); vgl. Kuhn Westfalen 2, 7. 97 ) B a r t s c h 2, 220. 88 ) Meyer s p e n d e r . W ä h r e n d der V e s p e r fliegt er German. Mythol. 141. 99 ) Pröhle Unterharz 33. in den H ä u s e r n u m h e r , u m die in der Nach einer russischen Sage sind die Fliegen K i r c h e weilenden K i n d e r zu beschenken 8 9 ). und Mücken der Neugier des h. M. zu verIn W e s t f a l e n halten die K i n d e r ihre danken: D ä h n h a r d t Nahirsagen 3, 285. 10 °) Kuhn u. S c h w a r t z 401. I 0 1 ) B i r l i n g e r S a m m e l g ä n g e wie sonst z u M a r t i n i 9 0 ) . loa ) A. Schwaben 1, 390. W u t t k e Sachs. In Hertfordshire w u r d e alle sieben J a h r e Volksk. 370. 103 ) Wolf Beitr. 1, 38. 55. 104) a m Morgen des M.istages jede männliche Meyer German. Mythol. 219. Sartori. oder weibliche Person, die der d a n n Michaelsbrief. D e r M. ist n i c h t s herumziehende H a u f e t r a f , v o n zwei anderes als der Himmelsbrief (s. d.), Personen in die H ö h e gehoben u n d gegender n a c h einer R e i h e v o n V a r i a n t e n d u r c h einander g e s c h w u n g e n 9 1 ) . Vielleicht den E n g e l Michael v o m H i m m e l g e b r a c h t eine A r t K r ä f t i g u n g s z a u b e r . D a s A n - I wurde. Z w a r s t e h t d a s noch nicht in zünden v o n F e u e r n w a r früher a n vielen d e m Brief des L i c i n i a n v o n C a r t h a g e n a Orten üblich92), namentlich im Rheinv o m E n d e des 6. J h . 1 ) , aber in d e m lande, w o sich der B r a u c h n u r n o c h in auf der römischen S y n o d e v o n 745 verP r ü m erhalten h a t 9 3 ) . I m Moselgebiet urteilten, d u r c h den Bischof A l d e b e r t eilten die Jünglinge mit brennenden v e r b r e i t e t e n H i m m e l s b r i e f : „ I n c i p i t epiF a c k e l n einem herabrollenden R a d e n a c h . stola d o m i n i nostri Iesu Christi filii D e i , M a n hielt es f ü r eine glückliche V o r qui in H i e r o s o l y m a cecidit et per Michaeb e d e u t u n g f ü r den, dessen F a c k e l nicht l e m . a r c h a n g e l u m ipsa epistola i n v e n t a erlosch 94 ). est a d p o r t a m E f f r e m e t c . " 2 ). Daher 89 ) H o f f m a n n - K r a y e r 166; ZfVk. 11, 196. w u r d e der Himmelsbrief ö f t e r s als M.8 0 ) S a r t o r i Sitte 3. 258; ZfVk. 5, 177; Urquell b r i e f 3 ) oder - s e g e n 4 ) überliefert u n d 3. 175. 81 ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 122 f. diente als S c h u t z b r i e f . , 2 ) S a r t o r i 3, 258. M ) F o n t a i n e Luxemburg !) Migne Ser. Lat. 72, 699. s ) MGH. Epist. 73; W r e d e Rhein. Volksk,2 276; ZfrwVk. 23, 72. 94 ) ZfdMyth. 1,88. 3 Meroving. d. Carol. Aevi ι, 320. 3 ) J a c o b R e u t l i n g e r Collektaneen 2, 1 fol. 75 (Ende des 10. D e m M.istage h a f t e t a u c h e t w a s 16. Jh.s); vgl. ZfGeschOberrheins 34 (1882), 53; P a n z e r Beitrag 2, 276!; A. B e c k e r Pfälzer U n h e i m l i c h e s an. D i e H e x e n h a l t e n Volkskunde (1925), 133. 4 ) H o v o r k a u. K r o n ihre V e r s a m m l u n g e n 9 5 ). I n der N a c h t feld ι, 95; MittschlesVk. 18 (1906), 31; 19 vorher reiten sie z u m B l o c k s b e r g β β ). I n (1907), 57. 64; F o n t a i n e Luxemburg 73. Mecklenburg m u ß m a n v o r SonnenJacoby.

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Michaelsminne—Milbe

Michaelsminne. ι . Dem hl. Michael Minne zuzutrinken 1 ), ist ein Brauch, dem wir in eindeutiger Ausgeprägtheit nur in S k a n d i n a v i e n begegnen. In Quellen aus christlicher Zeit wird hier des öfteren die •mikjalsminni erwähnt 2 ), die wir uns zunächst wohl in gleicher Bedeutung und im selben Umfang wie andere Minnetrunke ( = segenbringenden Gedächtnistrunk zu Ehren eines Heiligen), mit zweifellos vorchristlichem Kern zu denken haben, die später aber durch die Festlegung auf den Tag des Heiligen (29. IX.) in den üppigen Kreis der Erntegelage gezogen wurde und zum fröhlichen Trinkbrauch herabsank 3 ). Das Primäre ist jedenfalls auch hier die schon aus heidnischer Zeit wohlvertraute Sitte des Minnetrinkens zum Andenken göttlich verehrter oder gestorbener Personen ; es ist damit noch nicht gesagt, daß jede der einzelnen Heiligenminnen unmittelbar an eine bestimmte Götterminne anknüpfen muß, die sie in ununterbrochener Reihenfolge fortsetzt. So fehlt auch bei der M. jeder unwiderlegliche Beweis, der uns erlaubte, sie auf pörr's oder Odins Minne zurückzuführen 4 ). Wir werden uns vielmehr den Entwicklungsgang so zu denken haben: I. heidnische Götterminne und heidnischer Minnetrunk auf Verstorbene. > II. Minnetrunk in notdürftig christianisierter Form, d. h. im alten Sinne, aber unter Fortlassung der Götternamen 5 ). > III. Sitte auf verschiedene besonders beliebte Heilige, u. a. auf Michael übertragen. > IV. Verknüpfung der Sitte mit dem Michaelstag. Trunk beim Erntegelage. Daß die M. von Anbeginn den Charakter einer Eratelibation hatte 6 ), dafür fehlen eindeutige Belege durchaus. 2) V g l . Minne. H o o p s Reallex. 3, 228; Y n g l i n g a saga cap. 39; W o l f Beitr. 1, 3 7 ; T y l o r Cultur 1 (1871), 87; Z d V f V k . 1 1 , 195. 3 ) S a r t o r i 3, 257. *) W o l f Beitr. 1, 37 f . ; E . H . 6) M e y e r German. Mythol. 256. Belege für Minnetrunk ohne bes. N a m e n s n e n n u n g v g l . bei Minne. e ) So J a h n Opfergebräuche 345.

2. In D e u t s c h l a n d scheint die Sitte wenig verbreitet gewesen zu sein '). Als Trunk am Erntefest erscheint sie in

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Luxemburg 8 ) ; andernorts gewann sie durch die besondere Bedeutung Michaels als Patron der armen Seelen, der Sterbenden und als Fürbitter für einen guten T o d 9 ) einen neuen Inhalt: man trank sie nun als Trunk in Gemeinschaft mit allen lieben Seelen und für eine gute Sterbestunde 1 0 ). So erzählt uns die Legende des hl. Wenzel von Böhmen von einem Gelage, an dessen Ende der Heilige die trunkenen Tischgenossen aufforderte, für eine gesegnete Todesstunde in sancti archangeli Michaelis amorem ebibere 1 1 ). Die Tatsache, daß die M. hier in gleicher Art wie die Johannis-, Gertruden- und Bernhardsminne (s. d.) als Schutztrunk (ebibere) erscheint, läßt uns vermuten, daß auch dieser Sinn der M. anhaftete und die spezielle Anwendung im vorliegenden Falle nur eine gelegentliche war. Aus ihr jedoch eine Parallele zwischen dem Seelenführer Wodan und dem Seelenpatron Michael und weiterhin eine Gleichung Wodansminne = M. zu folgern, scheint höchst bedenklich. — Von der Kirche ignoriert und dem profanen Gebrauch überlassen, starb die Sitte sehr bald ab 12 ). 7)

V g l . F r a n z Benediktionen 1, 289. 297. F o n t a i n e Luxemburg 72. ·) D . H . K e r l e r Die Patronate der Heiligen (1905) 327. 347. 10 ) L i p p e r t 358. 359. Christentum 662. 680. n ) K l a p p e r Schlesien 85. 1 2 ) F r a n z Benediktionen ι , 297. Mackensen. 8)

Mieter s. H a u s . Milan s. W e i h e . Milbe. ι . E t y m o l o g i s c h e s . M. geht zurück auf mhd. milwe, ahd. mil{i)wa f. zu mhd. milwen „zu Mehl oder Staub machen" *). Franz. mite „Milbe" beruht auf fränk. mita id. 2 ). Die Milben sind schmarotzende Spinnentiere, die sich an Tierleibern (Käfer, Vögel, Fledermäuse) in Menge einfinden und auch beim Menschen Krankheiten (Krätze) erzeugen können. Im Westböhm, heißt die Krätzm. Kratz3). Da sich die Krätze meistens an den Händen zeigt, heißt sie im Altengl. handwyrm „Handwurm" *). 1 ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 183. 2 ) M e y e r 3) L ü b k e REWb. N r . 5613. Egerl. 1 1 , 107. 4) Z a n d t - C o r t e l y o u Insekten 114!

Milch

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2. O r a k e l t i e r . Die M.n am Bauche des gemeinen Mistkäfers dienen dem Landmann in Mecklenburg als Orakel für die Aussaat. Sind die M.n am Bauche nach vorn, so soll die frühe, sind sie nach hinten, dann soll die späte, und sind sie in der Mitte, so soll die mittlere Winterund Sommersaat die beste werden 5). 5)

B a r t s c h Mecklenburg 2, 187.

3. V o l k s m e d i z i n . In Kärnten ®) verschluckt man die Scharlachm., um gegen Rotlauf geschützt zu sein (Homöopathie). *) Carinthia 96, 73.

Riegler.

M i l c h !). I. Name und Verbreitung. 2. M. in der mythischen Kosmologie. 3. M.brunnen. 4. M. und Mystik (Die M. Marias). 5. M. und Honig. 6. M. und Blut. 7. M.straße. 8. M. in der Sage (M.schänder). 9.M.gierder Vegetationsdämonen. 10. M. als Fruchtbarkeitssymbol. 11. M.essen zu gewissen Zeiten gesundheitsfördernd. 12. Aberglaube beim Essen der M. 13. u. 14. Sympathetischer Einfluß der Behandlung der M. auf die Kuh. 15. Vorsichtsmaßregeln beim Verkauf. 16. M. der erstmelkenden Kuh. 17. M. und Menstruation. 18. M.pfennig. 19. M. im Zauber (Liebes- und Schadenzauber). 20. M. im Heilzauber und in der Volksmedizin. 21. u. 22. Frauenm. in Zauber u. Volksmedizin. 23. Einfluß böser Kräfte auf die Frauenm. (Klopfm.). 24. Einfluß einer Wöchnerin auf die M. 25. Mittel, um M.reichtum zu erzeugen. 26. Mutterm. und Kind. 27. Versiegen der M. 28. Augurien mit Frauenm. 29. M.verwandtschaft. 30. M. und Blitzfeuer. 31. M. u. Diebeskerzen. 32. Träumen von M. 33. Behandlung der M. 34. Kochen der M. 35. Güte der M.

I. Name und V e r w e n d u n g ist gemeingermanisch 2) und indogermanisch3). Daß der Gebrauch der Pferdemilch, welcher für die Skythen 4) bezeugt ist, bei den Indogermanen dem der Kuh- oder Ziegenm. voranging 6 ), wird man wohl kaum sicher behaupten können ·). Auch ob die M. auf dem U m w e g ü b e r d a s O p f e r (siehe M.opfer) in die menschliche Wirtschaft eingedrungen ist, wie ein sachkundiger Forscher ?) meint, ist sehr zweifelhaft 8 ). Daß allerdings für die Völker, die in viehreichen Gegenden wohnen, die M.ausbeutung der m.erzeugenden Tiere nicht selbstverständlich ist, beweisen die Ureinwohner Amerikas 9 ) und sehr viele Stämme und Völker Ostasiens, ζ. B. die Japaner 10 ), welche die M. wenig

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oder gar nicht genießen; manche halten sogar die Kuhm. für schädlich, so die Nagas und Garros bei A s s a m u ) . Bei einigen Stämmen Afrikas ist es eine Schande, süße M. zu trinken, so trinken die Herero nur Sauermilch 12 ), während die Ägypter „Milchesser" hießen 13). In Lepragegenden (Indien, China, Afrika, Brasilien) glaubt man, daß der gleichzeitige Genuß von M. und Fisch den Aussatz hervorrufe 14 ). Homer 15 ) erwähnt nur die Ziegen- und Schafm. als Nahrungsmittel, und überhaupt hielten und halten die Griechen von der M. als Nahrungsmittel recht wenig 16) ; unter anderm sind die Olive (vgl. Butter) und der Wein an dieser Einstellung schuld 17 ). Für die Germanen ist der Gebrauch der M. als Hauptnahrungsmittel neben Fleisch von Cäsar 1S) bezeugt, der offenbar aus seiner Kenntnis der Verhältnisse bei den Sueben 19) auf die Kulturzustände bei allen Germanen schließt ; Tacitus 20 ) spricht von lac concretum; der griechische Arzt Anthimus 21 ), welcher Gesandter am fränkischen Hofe war (um 500), nennt diese Sauerm. melca. Uber M.wirtschaft, M.messen usw. berichten Martiny, Hahn, Herdi 22 ). 1 ) Allgemeines: M a r t i n y Die M„ ihr Wesen und ihre Verwertung. Danzig 1871; d e r s . M- und Molkereiwesen bei den alten Preußen, Danzig 1872; ders. Kirne und Girbe, B. 1895; W y s s Milch 1 — 6 ; H a b e r l a n d im Globus 32. 92 fi.; E. H a h n Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft der Menschen (1896) 77—82; O. S c h r ä d e r Reallex. 541—42. 689. 913 ff.; H o o p s Reallex. 3, 223 ß.; E b e r t Reallex. 8, 189ft.; F i s c h e r Altertumsk. 56; A. O t t o Zur Geschichte der ältesten Haustiere (Breslau 1830) i f f . ; O. S c h r ä d e r Sprachvergleichung3 2, 249—50; d e r s . Indogermanen 24—25; R o c h h o l z Glaube 1 , 1 1 ff.; W e i n h o l d Frauens 2, 53 ff.; H e h n Kulturpflanzen 132. 153 ff.; M ü l l e n h o f f Altertumskunde 4 (1920), 347 ft.; H e r d i Käse 11 f. 4—6. 19—25; L i p p e r t Kulturgeschichte ι, 74. 489. 243; F r a z e r 2 (f, 2), 324; E. H. M e y e r Volkskunde 141. 2) G r i m m s> DWb. 6, 2184 ff.; K l u g e EtWb.10 314· S c h r ä d e r Reallex. 541 ; ders. Indogermanen 25; d e r s . Sprachvergleichung 2, 249—51. 4 ) H o m e r Ilias 13, 5; H e k a t a e u s : Ίππημιολγοί ζαρά τό τά; ίττπου; άμέλγειν: F. J a c o b y F Gr Hist, ι, 29,185 ; P s e u d o - H i p p o c r a t e s bei P a u l y - W i s s o w a Butter 1089; W y s s 4; L i p p e r t Kulturgeschichte 467. 5 ) S c h r ä d e r Reallex. 541 ff. ·) H o o p s Reallex. 3, 223—4; H a h n 1. c. 81. 7 ) H a h n

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wir den Glauben an die Himmelsm. des Taues wieder im Aberglauben an die Taustreicherinnen3S), wobei die Vorstellung der auf tauiger Frühlingswiese schwebenden Elfen hereinspielt36). Im Mai sammelt die Hexe den Tau von den Wiesen und raubt damit den Besitzern M. und M.segen 37). Richtig deutet wohl auch in diesem Zusammenhang Laistner 38 ) eine von Vernaleken 3e) überlieferte Sage, \ j nach der die Hexe aus Rache Rahm in I Strömen durch das Dach rinnen läßt: j das ist die himmlische M.flut, die im ' Regen niederrauscht. So verstehen wir ! I auch, daß sich die Hexe auf Wetter- und Eine Ver| M.zauber besonders verlegt. | bindung der M.fülle mit der Vegetations\ flut deutet auch der Gegenzauber in der Oberpfalz an : Hagelwasser im Weihwasserkessel vermehrt die M.ergiebigkeit 40) ; wenn ein Gewitterregen niederrauscht, fährt der Teufel in der M.41 ¡ mutte ). Für die Parallele Regen = M. j vgl. einen indischen Ritus: Im alten Indien tanzten am Sonnwendtag die 2. Wie bei den Indern 2 3 ), wo die Mägde des Bauern singend um ein Feuer; Kuh Inbegriff 24 ) alles Segens ist, wo die sie gießen Wasser in das Feuer; dann von der Kuh gespendete Nahrungsfülle geben die Kühe M., und es gibt Regen 42 durch eine Göttin 25 ) personifiziert ist, für die Wiesen ; dabei singen sie ) : Die 28 wo die Götter kuhgeboren ) heißen, Kühe sind Mütter der Butter, sie sollen so ist auch bei den verwandten m.wirt- sich bei uns mehren, die Kühchen, schafttreibenden Germanen die m y t h i - ! die wollen wir baden. Gesemann versche Kosmologie von entsprechenden j gleicht den Neustettiner Zauberspruch Die M. zieht, das Vorstellungen beherrscht27). Regen - ¡ bei M.-Entziehung: und Segensfülle weckt den Vergleich mit ¡ Wasser fließt, Wasser du sollst fließen, quellendem M.segen. Es spielt dabei • wie der Regen aus den Wolken gießt 43 ). auch die uralte Vorstellung herein, daß ! Die serbischen Mädchen zerpflücken den aller Segen vom Himmel kommt, eine I Georgskranz und werfen ihn in ein flieVorstellung, deren Bilder je nach der ßendes Gewässer, damit die M. so fließe, Hauptnahrungsquelle wechseln 28). Die wie der Bach fließt44). In Maglaj in Wolken sind strotzende Kühe 2β ), die Serbien wird der polaznik (der glücksThumar melkt; der Tau ist M., die vom I bringende erster Besucher am Christtag) Himmel träufelt 30) ; genau so melkt Indra, • aus einem Melkkübel mit Wasser beder indische Gewitter- und Vegetations- ¡ gössen, damit die Kühe viel M. geben 45) ; gott, „der Wolke Dunkel", sein Blitz ; beim ersten Melken der Schafe besprengt öffnet das Euter der Berge 31 ), er gewinnt 1 der Hirt nach dem Abmelken des dritten, die Kühe 32 ), aus denen der fruchtbare I vierten und siebenten Schafes die Kübel Regen strömt 33 ) ; er melkt mit dem j und seine Gehilfen mit Georgswasser Donnerkeil die Wolkenkühe34). Steigen ι mittels eines Basilienzweiges *·). In wir von dieser Tätigkeit des Vegetations- ! Frankreich 47) machen bestimmte Quellen gottes ein paar Stufen nieder in die I und Gewässer die Kühe m.reich. Sphäre der Vegetationsdämonen, so finden ! Andererseits sollen bei alten 4e ) und

Die Haustiere und ihre Beziehung 79—80; ders. in H o o p s Reallex. 3, 223. 8 ) W y s s 1. c.; O t t o 1. c. i f f . 8 ) W y s s 1. c. 2. ») H a h n 1. c. 78 u. 5 3 9 ; H a b e r l a n d I.e. 94; Th. W a i t z Anthropologie der Naturvölker 3, 384; 4, 344. 10 ) F r . M ü l l e r Allgemeine Ethnographie 400; H a b e r l a n d I.e. 94; H a h n I.e. 78. u ) H a b e r l a n d 1. c. 94. l a ) F r a z e r Totemism 2, 3 5 8 ; 13 L i p p e r t I.e. 1, 362. ) L i p p e r t 1, 5 3 3 . u ) Monatshefte f. prakt. Dermatologie 49, 288; zur ganzen Frage: D ö l g e r Ichthys 2, 169 ff. 15 ) Odyssee 9, 246—249; I. v. M ü l l e r Handb. d. Klass. Altertumswiss. 4, 1 : Griechische Privataltertümer 1 1 8 . 1 β ) Kuhm. galt als schädlich für die Zähne: G. H e r m a n n Griechische Antiquitäten 4. B d . : Privataltertümer3 (1882), 299. 17 ) H e h n Kulturpflanzen und Haustiere 1 3 2 ; S c h r ä d e r Reallex. 1. c. ; H a h n 1. c. 80. 18 ) De bello gallico 4, 22. ι ; M ö l l e n h o f f 4, 347 ff. 1 9 ) 1. c. 4, I. 8. 20 ) Germania c. 23 = Ausgabe von S c h w e i z e r - S i d l e r 7 5 5 ; H o o p s I.e. 3, 224. 2 1 ) A n t h i m u s de observatione ciborum § 78 = p. 20 ed. R o s e vgl. 54 u. § 76 = p. 1 9 — 2 0 R o s e ; H e c k s c h e r 296. 5 3 0 ; nur Sauerm. trinken alte Leute, z. B . auch die Herero: F r a z e r Totemism 2, 3 5 8 A . 1 1 a . sa ) Von M a r t i n y ist noch zu erwähnen: Wörterbuch der M.wirtschaft, Bremen 1 8 9 1 ; M.wirtschaftliches Taschenbuch, Danzig 1 8 7 7 ff., vgl. S A V k . I i (1907), 182—200; Globus 78, 220 ff.; E . H. M e y e r Volkskunde 1 5 1 .

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modernen 49) Völkern M.opfer und Melkzeremonien Regen bringen; der Zusammenhang von segenspendendem Wasser und M.reichtum tritt auch in Zeremonien zutage : In Bayern ®°) begießt man die Mädchen, welche die ersten Quecken bringen, mit Wasser, damit die Kühe m.reich werden ; ein Neustettiner 5 1 ) Zauberspruch beruht auf derselben Vorstellung, und eine auffallende Parallele bietet der Zaubergesang der an Sonnwende tanzenden indischen Mägde, die Regen für die Felder und M. für die Kühe erflehen 62 ). In Verbindung mit der Vorstellung vom strömenden M.segen der Vegetationsgewässer sind wohl die m.tropfenden 63) Felsen nicht zu erklären. G r i m m S 4 ) erwähnt in diesem Zusammenhang auch die rührende Sage von der eingemauerten Mutter, die ihr K i n d durch eine Spalte ernährt und deren M. beständig aus der Mauer t r o p f t 6 5 ) . Bezeichnend ist auch die Bildersprache des V o l k e s 6 e ) ; wenn das Gewitter tobt, sagt man im Walsertale: „Sie käsen droben" oder „verschütten die M . " ; in Vorarlberg: „ G o t t Vater rollt die Brenten über die Kellerstiege herunter".

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Kl. Schriften 4, 398 u. 414; D i e t e r i c h Kl. Schriften 97; G u b e r n a t i s Tiere 173 ff. u. 31 ) O l 203 ff.; S c h w a r t z Volksglaube 114. d e n b e r g 136, vgl. R o c h h o l z Sagen 1, 335. 32 ) O l d e n b e r g 33 ) d e r s . 116. 433. 141 ff. 34 ) M a n n h a r d t Götter 61 ff. 3S ) M a n n h a r d t 1. c. 5 f f . ; G r i m m Myth. 2, 897; S i m r o c k 36 ) S i m r o c k I . e . Mythologie 4 472. 586. 588. 37 ) K ü h n a u 472. Sagen 3, 74; G r o h m a n n Nr. 959—962 u. 970, vgl. Nr. 369; S é b i l l o t 3β ) Nebelsagen 162. 248. 3») Alpen3, 84—85. 40) S c h ö n w e r t h 2, 131 Nr. 1. sagen 274. 41 ) N i d e r b e r g e r I.e. 1, 139. 42 ) H. O l d e n b e r g Die Lit. des alten Indien 1903, 24. *3) Blp o m m V k . 7, 25; G e s e m a n n Regenzauber 33 ff. 44) WienerZfVk. Suppl. 15, 108. 45) 1. c. 109. 4») 1. c. 124 A v " ) S é b i l l o t 2, 28. 289. 48 ) Die Griechen opfern bei 462. 439; 3, 83. Plagen und Trockenheit Milch und Honig in der Idagrotte: G r u p p e I.e. 1, 247—48; die Herero opfern bei Trockenheit Milch, um Regen zu bekommen, am Grabe eines Verstorbenen, Totendämon = Vegetationsdämon: F r a z e r 1 (1, 1) 49 ) Vgl. die Melkzeremonie 287; 4 (3) 73—-75. im Tempel des Govindji: F r a z e r 1, 1, 284. 108: Mädchen melken 108heilige K ü h e ; 7, 1. 80; d e r s . Totemism 2,534; vgl. O l d e n b e r g Religion des Veda 448 Α. 5. 60) G e s e m a n n Regenzauber 32. 5 l ) G e s e m a n n 1. c. 52 ) O l d e n b e r g Religion des Veda2 444; d e r s . Die Literatur des alten Indien (1903) 24; G e s e m a n n I.e. 33—34. 53 ) G r i m m Myth. 2, 985; vgl. G r u p p e I.e. 247 ff. ; vgl. die liebliche Sage vom Milchbrunnen im Elsaß: S t ö b e r Elsaß 1, 38. 57: aus dem Lindenbrünnelein, wo die Ammenfräulein die Kinder holen, fließt Milch; B e c h s t e i n Fränkische Sagen 174; Kloster 9, 501. M) K r a u ß " ) G r i m m I . e . 957. 985. Relig. 66 ) L a i s t n e r Nebelsagen Brauch 161. 248; vgl. die Bildersprache des Rigveda: O l d e n b e r g Religion des Rigveda 147; d e r s . Literatur des alten Indien 36.

23 ) H i l l e b r a n d t Vedische Mythologie 1 passim; M a c d o n a l d Vedische Mythologie i n B ü h l e r s Grundriß der indogermanisch-arischen Philologie·, W o l f g a n g S c h u l t z Zeitrechnung u. Weltordnung 1924, 192 ff.; A . K e i t h The religion and philosophy of the Veda and Upanischada 1925 (Harvard Orient. Ser. 31) 77 fi.; G u b e r n a t i s Tiere 32 fi. 24) O l d e n b e r g Religion des 3. D e r M . b r u n n e n : A u s dem LindenVeda17 (1917) 67. 195. 330. 444; Kloster 9, j brünnelein, wo die Ammenfräulein die 45—46. 2S) O l d e n b e r g 70—71. 205. 330. 2e ) d e r s . 83. 206. 330; d e r s . Die Literatur des alten Kinder holen, fließt M. 57 ). Über M. = Indien (1903) 34. 27 ) Über M.fülle und quellende Lebenswasser vgl. Bolte-Polivka S8). Vegetationsfeuchtigkeit ausführlich: RochM.brunnen heißen in Baden und Hessen h o l z Glaube 1, 11 ff. 22 ff.; S c h ö p p n e r Baydie Kinderbrunnen 5S ). Nach einer elrische Sagen Nr. 88; R o c h h o l z Sagen 1, 335; Kloster 9, 261; K u h n Herabkunft 247 ft. ; sässischen S a g e e o ) gibt es eine Quelle, S c h w a r t z Volksglaube 10. 25 (Wolkenmeer = die M. spendet; dahin bringt die Mutter M.meer) ; der Teufel fährt bei einem GewitterGottes alle Kinder, die keine Mutter regen in M.mutten: N i d e r b e r g e r Sagen 1, haben, und läßt sie trinken; sie lächeln 139; über M. unter dem Einfluß der Gestirne: R o c h h o l z Glaube 1, 14. 50; vgl. R W . 14, 5 . 5 1 ; in der Wiege, und am Morgen haben sie ZfEthnol. 15, 97 (Gewitterregen = M). 28) Milchschnäuzchen. U s e n e r Sintfluthsagen 183. 2 i ) M a n n h a r d t 57 ) B e c h s t e i n Fränkische Sagen 174; Kloster Germ. Myth. 145 vgl. die Kühe der Holda 8 u. 9, 501; vgl. Z i n g e r l e Tirol i f f . M ) 1. c. 2, m ) Grundlegend: M a n n h a r d t German. 394. 400. 69) M e y e r Baden 9; Alemannia 25, 104. Myth. 3 ff. 33 ff. 144—145; 96—97; M a r t i n y eo ) S t ö b e r Elsäss. Sagen 1, 38. 57; S é b i l l o t Molkerei 4 ff. ; O l d e n b e r g I.e. 116. 138 ff. 433; 2, 213. G e s e m a n n Regenzauber 33; D i o n y s o s schlägt 4. Von den kosmisch-mythologischen Milch und Wasserquellen aus der Erde: G r u p p e Griechische Mythologie2, 736, 3.1426,4; U s e n e r Höhen steigt die Phantasie zur M y s t i k

249

Milch

empor; hier ist die M. das Mittel zur Unsterblichkeitel). Den Weg dieser Vorstellungen von der griechisch-orientalischen Welt zum Christentume hat uns Reitzenstein62) und besonders Jacoby 63 ) aufgezeigt. Die Vision der Perpetua 64 ) sieht Christus beim Melken63), und Clemens 6S) führt in seinem Paedagogus mit zuweilen langweiliger Umständlichkeit das Bild von der M. der Weisheit Christi6e) durch. Maria reicht den Gläubigen die Wunderm. ihrer Brust 67 ), und zu Luthers 68 ) Zeit zeigt man die M. unserer lieben Frauen als Reliquie. In einer Zürcher Handschrift (cod. C 101—467), in welcher der St. Galler Mönch Gallus Kemly (geb. 1417) Auszüge und Titel von Erzählungen niedergelegt hat, lesen wir: de lade miraculoso beatae Mariae virginia*9). Im Jahre 1698 wurde in der Michaelskirche zu Lüneburg ein Silberfläschlein mit Marienmilch gestohlen 70) ; im Kloster St. Stephan in Zeitz fand sich als Reliquie ein Gläschen Marienm. 71 ) ; ein Marienbild (um 1450) stellt dar, wie Maria dem hl. Bernhard v. Clairvaux M. spendet 72 ). Ein weißer Fleck auf einem Fels bei Moncontour de Bretagne rührt von einem Tropfen M. der heiligen Jungfrau her 73). Nach einer Erzählung in der Gasgogne ist die weiße Rose gesegnet, weil Maria einen Tropfen M. aus ihrer Brust auf sie fallen ließ 74).

el ) R e i t z e n s t e i n im A R w . 7, 4 0 2 — 0 3 ; J a c o b y im A R w . 13, 549; Perdelwitz Petrusbrief 56; W y s s 1. c. 54 ff.; Z d V f V k . 62 1916, 406. ) I.e. «3) I.e. 5 4 4 — 5 5 4 ; sie tritt auch in einem Berliner Zauberpapyrus schön zutage: Abh. d. Berliner Ak. 1865, 20 ff.; M U s e n e r I.e. 4, 414. ) A R w . 13, 5 4 5 ; vgl. D o r n s e i f f Alphabet 1 9 ; K r a u ß Reallex. d. ,5 hirchl. Altertümer 2, 395. ) Clemens Alex a n d r i n u s Paedagogus c. 6, 1 1 9 Ρ = m ff. Stählin; vgl. U s e n e r I.e. 4, 409 u. 4 1 3 ; A R w . 13, 5 5 1 ff.; interessante Parallelen bietet die 19. Ode Salomons: D o r n s e i f f Alphabet 19. ββ ) P e r d e l w i t z 56. " ) M a r t i n y Molkerei 7 — 8 ; vgl. M a n n h a r d t Germ. Myth. 80. ®8) K l i n g n e r Luther 1 2 1 . " ) W e r n e r Über zwei Handschriften der Stadtbibliothek in Zürich. 70 Zürich 1904, 159, 68. ) R o c h h o l z Glaube I, 1 6 ; vgl. 2, 5 1 ; ZfVölkerpsychol. 18, 3 7 3 . 71 ,2 ) E i s e l Sagen 294 Nr. 739. ) Hovorkan K r o n f e l d 1. 168; P l o ß Weib 1, 497. ) Séb i l l o t I, 3 1 4 . " ) 1. c. 3, 368.

5. Für

den deutschen Volksglauben

25O

sind von besonderem Interesse die Verbindungen M.—Honig und M.—Blut. M. —· Honig 75) : Noch immer ist Useners76 ) berühmter Aufsatz M. und Honig grundlegend, schon wegen des Materials. Falsch ist seine These, daß M. und Honig deswegen in der Mystik der Geheimreligionen als Speise der Neugeweihten ausgewählt seien, weil sie als Götterspeise galten ; so sei der Myste durch die Götterspeise der Götterweisheit teilhaftig. Vielmehr ist die Verwendung von M. und Honig in den Mysterien der Trank der religiös Neugeborenen " ) , wie die Nahrung des ersten Kindesalters M. und Honig war 78). M. und Honig wird auch in der altchristlichen, besonders ägyptischen Kirche dem Täufling nach der Taufe gereicht79 ). Auf den Umstand, daß die Kirche diese Speise nach der Taufe reichte, gründet Franz 80 ) seine Behauptung, daß die christliche Sitte nicht auf den Dionysosund Attiskult Bezug nehme; später löst sich die benedictio mellis et lactis von der Taufe los 81 ). Nach germanischem Volksgebrauch schützt der Genuß von Mutterm. und Honig das Kind vor Aussetzung und Tötung 82). In einem anderen Punkt hat Usener 83) recht : M. und Honig sind die Attribute des paradiesischen Götterdaseins und des Märchenlandes und (auch für die deutsche84) Märchenauffassung) die Ingredienzien des Märchenlandes. Hier fließen bei uns biblische und griechichisch-römische Bilder zusammen. Berühmt ist die Stelle aus dem zweiten Buch Moses 85) : in ein Land, da M. und Honig fließt. Bei den Griechen zaubert Dionysos bei Euripides 8β) M. und Honig hervor, wie er auch Wasser87) aus der Erde schlägt. Im Bilde vom goldenen Zeitalter lehnen sich Ovid 88) und Horaz 8e) an Euripides an: Ströme von M. und Nektar durchfließen das Land, und von der Eiche tropft der Honig. Der Honig fällt als Tau vom Himmel90) und setzt sich auf die Blätter, auch hier die Parallele : Himmelssegen—Tau—M. und Himmelssegen—Tau Honig. In der deutschen mythologischen Sage weilen die Kinderseelen in Huldas· 1 ) Brunnen (M.meer = Wolkenmeer'2)). Hui-

251

Müch

d a l a b t sie m i t H o n i g , u n d i m p o e t i s c h e n elsässischen M ä r c h e n t r ä g t M a r i a d i e mutterlosen Kindlein zum M.brunnen, der v o n Honig bergenden Bienen u m flogen w i r d 9 3 ). 75 ) Über den chthonischen Charakter: T y l o r Cultur 2,47; H o h d e · 1, i 6 f f . " ) RhMus. 57 (1902) = Kl. Schriften 4, 398 ff.; F a h z doctrina magica 8; P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 224; ZfVk. 14, 133; ArchfSiebenb.Lkde N. F. 33, 332; A R w . 13, 501. " ) W y s s 1. c. 39 ff. 52 ff.; A R w . 13,501 ¡20,415; Hepding^4«ii 197 fi. 78) Handbuch von M ü l l e r 4, 1. 2: Griechische Privataltertümer 127—8; U s e n e r 1. c. 412; S o r a n u s im Hebammenkatalog 31 ff. u. 256, 16 fi. (Rose). 7 ·) U s e n e r 1. c. 404—408; D i e t e r i c h Mithraslithurgie 171, 199; A R w . 13, 501; 14, 305; F r a n z Benediktionen 1, 594—600; Milch u. Honig sind bei den Arabern Kennzeichen der Fruchbarkeit: A R w . 8 (1905), 320. »») 1. c. 598—99. 81 ) M ) G r i m m RA. 600. 1, 630 ff.; P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 166 ff. 171; MGSS. 2,406, 6 u. 7, wo die Mutter des hl. Liudger, Liafburg, als neugeborenes Kind, dadurch vor Tod u. Aussetzung gerettet wird, daß sie Honig u. Muttermilch erhält. 83) U s e n e r Kl. Schriftjn 4, 398.400—401.414; D i e t e r i c h Kl. Schriften 97; G r u p p e Mythologie 2, 736 A. 9. 1426 A. 4; U s e n e r Sintfluthsagen 183; G u n k e l Märchen 48 ff.; D i e t e r i c h Mithrasliturgie 171. 174. 8S) II. « ) Hdwb. d. d. Märchens s. v. Mos. 3. 8; vgl. Joel 4. 18; Amos 9. 13. m ) E u r i p i d e s Bacchen 147; S c h w a r t z I.e. 127; vgl. 114. 87) D i e t e r i c h Kl. Schriften 97; 8> G r u p p e 2, 1426 A 4. ) O v i d Metamorphosen i , 112, Ausgabe v. Ehwald 8 23 mit 89) Carmen Parallelen; vgl. V e r g i l Georg. 4, 1. 2, 19, 9 = 219 Ausgabe v. H e i n z e *. 90 ) M a n n 81 ) M a n n h a r d t h a r d t Germ. Myth. 543. 1. c. 424 u. 470—71; ZrwVk. 1905, 178. M ) S c h w a r t z Studien 392; M a n n h a r d t 1. c. i 3 ) S t ö b e r Elsaß 1, 3 8 . 5 7 ; vgl. A. 60. 97. 6. M . u n d B l u t 9 4 ) : M. ist ein b e sonderer S a f t w i e B l u t 9 6 ) ; s c h o n C l e m e n s , auf alten 9e) Anschauungen fußend, sagt in d e r e r w ä h n t e n A b h a n d l u n g , d a ß d a s B l u t d e r M u t t e r sich in M. v e r w a n d l e 9 7 ) ; die M. ist n u r eine b e s o n d e r e F o r m d e s B l u t e s : N a c h der isländischen Sage s ä u g t e T h o r g i l seinen K n a b e n : A l s die F r a u g e s t o r b e n w a r , s c h n e i d e t er sich die B r u s t w a r z e n a b ; erst k a m B l u t , d a n n M o l k e , d a n n M. 9 8 ). Der Veronenser A n a t o m B e n e d i c t u s e r z ä h l t einen F a l l , w o n a c h e i n M a n n , d e m die F r a u g e s t o r b e n w a r , s o l a n g e d a s K i n d a n seinen Warzen saugen ließ, bis M. k a m 9 9 ) . Ü b e r die Säugung von Kindern durch Männer siehe P l o s s 10°) ; er v e r g l e i c h t m i t d e r

252

I T h o r g i l s a g a eine chinesische L e g e n d e . A l s ! der A p o s t e l P a u l u s 1 0 1 ) e n t h a u p t e t w u r d e , flöß z u e r s t M . u n d d a n n B l u t . B e i der E n t h a u p t u n g der H e i l i g e n K a t h a r i n a u n d P a n t a l e o n s flöß M. s t a t t B l u t 1 0 2 ) . Hier ist M. d a s Z e i c h e n der U n s c h u l d . Und n u n v e r s t e h e n w i r die d e u t s c h e S a g e v o m unschuldigen Obersteiger, aus dessen j R u m p f nach d e m Hieb des Henkers zwei ; M.ströme sprangen103). A u c h v o n der V o r s t e l l u n g , die sich a n M . — B l u t k n ü p f t , f ü h r t w i e v o n der M . in d e r V e g e t a t i o n s m y t h o l o g i e 104 ) ein d i r e k t e r W e g z u d e n H e x e n , die die M . der K ü h e i n B l u t v e r w a n d e l n , w o b e i n o c h die e i n f a c h e B e o b a c h t u n g mithilft, d a ß gewisse K r ä u t e r die M . v e r f ä r b e n 1 0 5 ) . M ) T y l o r Cultur 2, 47. ,5) S t r a c k Blut 2 ff. u. öfters; R o h d e Psyche 2, 176; K i r c h e r Wein 77 ff.; T y l o r Cultur 2, 465. " ) D i e l s Fragmente der Vorsokratiker 2, 249, 10. •7) Paedagogus m fi. Stählin; A R w . 13, 552 •8) B o l t e - P o l i v k a 2, 296; R o c h h o l z Glaube I, 15; Germania 7, 395; ARw. 13, 547. " ) P l o ß Weib 3, 228; vgl. G r i m m KHM. 2, 32 (Panzer). 10°) 1. c. 3, 226—29; vgl. I, 41. 101 ) Acta apostolorum apocrypha ed. Lipsius-Bonnet 1, 40; I M ) M i g n e PG. 116, 2750.; A R w . 13, 548. A R w . 13, 548; K r a u s Reallex. d. kirchl. Alter103 ) G r i m m tümer 2, 394—395. Sagen 88, 97; E c k a r t Südhannoversches Sagenbuch 1, 4. 101 ) Auch die Vegetationsgeister verwandeln 10i ) H ö f l e r Blut in Milch: H e y 1 Tirol 522, 90. I Krankheitsnamen 414.

7. D i e V o r s t e l l u n g v o n der M . s t r a ß e (s.d.) w i e deren N a m e g e h e n a u f die A n t i k e z u r ü c k : H e r a v e r s p r i t z t e einst ihre M . , als sie A m m e d e s H e r m e s w a r 1 β β ) ; i m F r i e s i s c h e n h e i ß t die M . s t r a ß e K u h p f a d 1 0 7 ) . 10t ) G r u p p e 2, 1334 A. 7; G r i m m Myth. 1, 296; R o c h h o l z Glaube 1, 16; R o h d e Psyche 2, 95. 213 A. 2 (Milchstraße als Seelensitz), vgl. G r u p p e 2, 1035 A. 1.1036 A. 1.1540 A. 2; E W . 3, 2, 150 ff. ; S c h r a d e r - N e h r i n g Reallex. 2, 482; P a u l y - W i s s o w a s. v. Galaxias; Stoicheia 8, 35ff.; 9,32; O s t h o f f in A R w . 2, 56 ff.; T y l o r Cultur 1, 353; 2, 72; C a p e l l e de luna, stellis, lácteo orbe animarum sedibus. Dissert. 107 ) Halle 1917; W u n d t Mythus, 2ioff. M a r t i n y Molkerei 7; G u b e r n a t i s 176; R o c h h o l z I.e. ι, 17; S e p p Sagenschatz 645; B a s t i a n Elementargedanke 22 ff. ; ZfEthnol. 15, 97; andere Vorstellungen: K u h n - S c h w a r t z 457. 425. 497; M a n n h a r d t Germ. Myth. 293. 729; K r a u ß Sitte 917 t.; W l i s l o c k i Magyaren 59; Z f V k . 1912, 69; 1916, 283. 8. I n der S a g e w i r d v o n s c h w e r e n S t r a f e n d e r e r e r z ä h l t , w e l c h e die k o s t b a r e

253

Milch

M. aus Übermut oder Habsucht geschändet haben (vgl. Brot und Butter). Bezeichnenderweise sind alle Erzählungen in milchwirtschafttreibenden Ländern, fast nur in den Alpen lokalisiert: Da wäscht •die schöne Magd auf der Blümelisalp 108 ) •die Treppen mit M., und auf der Hochalmspitze loe ) baden die reichen Bauerntöchter in Wannen mit M. gefüllt; Blitz und Donner lassen die Frevler in der Erde "versinken. Der reiche Bauer auf der Klaridenalp badete den spätgeborenen Sohn aus übergroßer Liebe in M . n o ) . Der Melker im Hollersbachtal badet sich in M. und wird vom Teufel geholt 1 1 1 ). Auch das Philemon-Baucis-Motiv klingt in einer Sage in den ötztaleralpen an 118 ) : Früher war die Aim mit M. und Butter gesegnet; seitdem aber eine um Obdach bittende Wanderfamilie abgewiesen worden ist, hat deren Fluch die saftigen Wiesen verdorren lassen, und die Hirten geistern herum (vgl. die Strafe der hartherzigen Brotwucherer). Auch die Dirne auf der Tarantonalp, die aus Habsucht die kostbare M. ins Bachwasser goß, geht als Alm-Sudl um. Hierher gehört auch •die Sage von den drei Arten M. ; meist wird ein Bub nach einem vergessenen Melkgefäß zurückgeschickt und findet dann drei geisterhafte käsende Sennen, die ihm dreierlei M. anbieten: rote M., •die im Sommer verdorben und versudelt wurde, schwarze, die beweist, daß die Älpler geflucht haben, weiße, die zeigt, daß die Kühe recht gemolken wurden. Die weiße M. wird oft so gedeutet, daß der Älpler beim Verschütten der armen Seelen gedachte. Wer von der roten M. trinkt, muß zerbersten u 3 ). Und in Kolmar 1 1 4 ) spukt eine Frau, die zu Lebzeiten die M. verfälschte, in der Augustinergasse herum und schöpft Wasser. In Düsseldorf geistert eine Milchpantscherin in den Quatembernächten auf dem Markt mit einem M.kübel auf dem Kopf (vgl. Milchhexe § 23) und ruft: Halb Wasser, halb Milch u s ) . In der Sage vom reichen Oberheidacher Hof wird die alte Zeit als goldenes Zeitalter überquillenden M.reichtums gepriesen, ohne das Schuld- u. Strafmotiv der oben erwähnten Älpler-

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sagen 11β ). Zu diesem Motiv von Schuld und Sühne gehört auch die häufige Erzählung von den Pflanzen, die früher m.spendend waren, später aber wegen der Trägheit der Menschen verflucht wurden und austrockneten. So war das „Rispail-Rispail" (Renntiermoos) früher saftig und gab viel M. ; aber die frevelhaften Almleute gebrauchten die M.blumengottesgabe zum Putzen und spielten mit Butter Kegel; deshalb verfluchte Gott dies Kraut 1 1 7 ) : Rispail — Rispail Nimma grüen. Im Summa dürr. Im Winta blühn. 1 M ) G r i m m Sagen 84, 32. loe ) Graber Kärnten 239, 327, vgl. 257; vgl. R o c h h o l z Glaube 1, 23 ff. 110 ) M ü l l e r 1, 72 Nr. 100, 2 a. m ) F r e i s a u f f Salzburg 359 ff. l u ) A l p e n b u r g Tirol 363, 18; vgl. G r a b e r 262. 359. 113 ) M ü l l e r 2, 281—94. 114 ) S t ö b e r Elsaß 115 ) S c h e l l Berg. Sagen 118, 75; ι , 78, 101. fast ebenso: F o x Saarländer Vk. 284; vgl. Meier Schwaben 269. 301; D r e c h s l e r 1, 303. 11β ) H e y l u') Tirol 624—26. Alpenburg 408—09; J e c k l i n Volkstüml. 2, 42. 150; V o n b u n Beiträge 135; V e r n a l e k e n Alpensagen 22 (Cyprian); Walliser Sagen 108; O. H e e r Der Kt. Glarus (1846) 312 = K o h l rusch Sagen 239 Nr. 13; W a r t m a n n St. Galler Volksbotanik (1861), u ; L ü t o l f Sagen 377· 349·

9. Der Verbindung, welche die Phantasie zwischen den Vegetationsvorgängen und den mit der M.wirtschaft zusammenhängenden Vorgängen herstellt (vgl. die Esten 118 )), entspringen die Vorstellungen von den m.raubenden und -spendenden Vegetationsgeistern der verschiedensten Art: Das sind die Elfen von der Art des Droll im Shakespeare'sehen Sommernachtstraum, dem ein Elflein vorwirft (vgl. Melken § 2) : Wenn Du nicht ganz dich zu verstellen weißt. So bist Du jener schlaue Poltergeist, Der auf dem Dorf die Dirnen zu erhäschen. Zu necken pflegt; den Milchtopf zu benaschen; Durch den der Brau missrät und mit Verdruß Die Hausfrau atemlos sich buttern muss 1 W ).

Das schweizer Bergmännchen 12°) stellt den im Wald verirrten Kindern M. hin. Die Luttchen bei Horno liehen früher Backgeräte und Butterfässer und gaben dafür M.hirse m ) . Die Kühe der Bauersleute, welche den Hund des Wachtjägers gefüttert haben, geben viel M . m ) . Ein

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Milch

anderer Waldvegetationsgeist der Alpen, der wilde Küher oder Geißler, hütet die Kühe auf der Weide und bekommt dafür M. m ) ; die Venusmännel in der sächsischen Lausitz haben Melkgelten auf dem Kopf 124 ). In Tirol und Schweden fängt man mit List diese Geister, sie lehren den Menschen Lab und Käse machen 125 ) ; die Vegetationsriesen saufen M.12$). Der wilde Jäger 127 ) melkt den Alpenhirten die Kühe aus, aber er schenkt auch für gute Aufnahme M.reichtum 128) ; der Waldmann giert nach M.suppe 129). Am Thunersee bittet ein Zwerg vergeblich um Aufnahme in ein Dorf; er wird am Rande des Dorfes von einem armen Weibe mit M. und Brot bewirtet ; zur Strafe versinkt das Dorf (Philemon-Baucismotiv)130). M., die man vor das Fenster stellt, verwandelt sich in Blut, später in Gold (Tirol)131). In Tirol und Bayern melken die Saligen die Kühe, die doppelt M. geben )3-i) ; verwandt sind die Billeweiß U3 ) im Görtschitztal. Die Unterirdischen schlecken in Schleswig-Holstein 134) die verschüttete 135) M. auf; in Brandenburg13») stehlen sie den Kühen die M. auf der Weide. In Mecklenburg gießt die Magd den Unterirdischen M. heimlich ins Mauseloch 137) ; oder eine Unterirdische holt als kleine Frau M. 138 ) ; in der Schweiz holen 1 die Unterirdischen M. beim Sennen 139 ). Überhaupt erhalten die Hausgeister 140 ) (für Dienste im Haus) M. : Die Bergmännlein U1 ) in Nürnberg, der Hintzelmann 142) im Lüneburgischen, der Chimmeke 143 ) in Pommern, der Niß 144 ) in Schleswig-Holstein, die Zwerge145) im Bayerischen, der Norgg148) in Tirol; auch der shetländische 147) Hausgeist bekommt neben Butterbrot M.; dem nordischen Tomtegubbe 148 ) opfert man an Weihnachten Gebäck, Bier und M. In Brandenburg erhalten die Hauskobolde M.149) ; der Spukkobold in Schlesien rumort in der M.kammer und zerschlägt den M.topf 15 °) ; eine Bäuerin in Sachsen füttert den W u r s t d r a c h e n mit Semmelm.1S1). Entzieht man dem Hausgeist die Spende, so rächt er sich, wie etwa der Pommer sehe Chimmeke den Küchenbuben kleinhackt 152 ); er treibt allerlei Spuk 158 ).

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Wenn man in die M. Apotropaia 154 ) legt, verschwinden die Geister. Das zeigt ihre Verwandtschaft mit den Hexen, die nur eine böse Abart sind; diese Beziehung zeigt noch klarer der schwedische Skalz16S), der als eine teuflische Variation des helfenden Hausgeistes für seine Leute andern die M. stiehlt; dazu kommt der in Deutschland sehr verbreitete Glaube an die m.raubenden Schmetterlinge, eine Erscheinungsform der Elben 15e), die Buttervögel, Molkentöverschen, M.diebe, wie ja auch die Hexen heißen 167) ; auch die Nachtfalter (Ziegenmelker) stehen in diesem Ruf 168 ) ; und in Schlesien die Motten = Molkendiebe 15e). 118 ) E i s e n Estnische Mythologie 84. " · ) 2. A k t ι , 33 fi.; A c k e r m a n n Shakespeare 123. 12 121 °) G r i m m Sagen 213. 298. ) Gander 122 Niederlausitz 44, 1 1 3 . ) Z a u n e r t Natur123 sagen 19. ) R o c h h o l z Schweizersagen 1, 319. 228; vgl. L ü t o l f Sagen 475, 436 d ; M a n n h a r d t 96; ähnlich die F ä n k e n m a n n l i : V o n b u n Beiträge 60; M a n n h a r d t 1, 73. 95. 106. 124 ) K ü h n a u Sagen 2, 68. 733. 1 ! 5 j M a n n h a r d t 12β 1 1 2 § 10. 1 1 3 ; vgl. 97. ) Kloster 9, 428—29. 127 ) B e c h s t e i n Deutsches Sagenbuch 15; M a n n h a r d t Germ. Mythen 51. 12e ) Z f d M y t h . 1, 1 0 1 ; 129 M a n n h a r d t Germ. M. 50—51. ) Graber Kärnten 75, 86. 79, 94. 130 ) G r i m m Sagen 3 1 , 131 45. ) H e y l Tirol 522, 90; vgl. M a n n h a r d t I. 97; vgl. die A l f r a u e n : G r a b e r I . e . 33, 39. 132 63, 72 (gute Leutlein). ) M a n n h a r d t 103; d e r s . Germ. Myth. 52—53; Waschnitius 133 Perht 174; Z i n g e r l e Sagen Nr. 32. ) Gralal b e r Kärnten 65, 73. ) M ü l l e n h o f f Sagen 135 343. 508; M a n n h a r d t 103. ) Lütolf 13 1M Sagen 486. ) ZdVfVk. 1891. 185. '> 138 B a r t s c h 1, 47, 67. ) B a r t s c h 1, 88, 13e 94; M ü l l e n h o f f 309. 463. ) L ü t o l f I.e. 140 481, 442. ) M a n n h a r d t 92 A. 1. 1 0 3 ; d e r s . Germ. Mythen 52. 53. 54; M e i c h e Sagen 387, vgl. 299; G r i m m Myth. 1, 417—428; R o c h h o l z Glaube 2, 1 3 5 ; S é b i l l o t 1, 138. 142 "») G r i m m Sagen 26. 38. ) G r i m m 1. c . 59—60; Kloster 9, 194. 143 ) G r i m m I . e . 199. 273 ; vgl. 53. Den Doppelcharakter des Chimecke als eines guten Hausgeistes u n d Drachens zeigt die mecklenburgische Ansicht: B a r t s c h 1, 260, 16 m i t A. u n d 2, 472, 668; ganz r a r ist das mecklenburgische Märchen v o m D ü m m l i n g ( B a r t s c h 2, 478, 39), den der kinderlose B a u e r im B u t t e r f a ß a u s b u t t e r t ; MschlesVk. 1904, 1M 72 Α. ι . ) M ü l l e n h o f f 337. 499; Z d V f V k . 1898, 1 3 1 . 115 ) S c h e l l Bergische Sagen 158, 46. 1W ) A l p e n b u r g 116, 29; vgl. d a s Venediger147 m ä n n l e i n : H e y l 644, 1 1 3 . ) Heckscher 88. l 4 8 ) H e c k s c h e r 338; G r i m m Myth. 1, 414. 149 423. ) S c h w a r t z Brandenburg. Sagen 7 100, 60; K u h n - S c h w a r t z Nr. 1 7 ; G r i m m Myth, ι , 422; S o m m e r Sagen 1 7 2 ; S t e p h a n

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Askanische Vk. (1925) 107. 244; ZfEthnol. 1 5 , 15 151 92. °) G r a b i n s k i Sagen 36. ) Meiche Sagen, d. sächs. Schweiz 19, 5. 1 6 2 ) G r i m m Sagen 199. 2 7 3 ; M ü l l e n h o f f 343. 508; S é b i l l o t ι , 2 3 1 ; BlpommVk. 4, 1 ff. 3 1 ff.; 9, 49 ff. (im Jahre 1 3 2 7 ) ; Niederd. Z f V k . 1926, 4; T e m m e Pommern 252, 2 1 4 ; Bräuner Curiositäten ( 1 7 3 7 ) 283 ff.; vgl. Z f V k . 1898, 1 3 8 . 142. 153 ) H e y l Tirol 817, 162, vgl. 6 1 ; A l p e n b u r g 164 179, 46. ) S é b i l l o t ι, 4 5 4 : Wurzel einer primma; Die Unterirdischen bei Schwerin, die den Knechten Brot, Butter u. Milch spenden, hassen das Messer: B a r t s c h 1, 80. 87; vgl. Ε . H. M e y e r Germ. Myth. 1 3 6 ff. 1 6 5 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 5 3 ; vgl. den schwedischen Alraun ( M a n n h a r d t 1. c. 56), den man in Finnland als Para anruft : Bringe Butter, bringe Milch her, bringe Butter, Bergetmutter, 15e saure Milch, o T e u f els w i r t i n . ) Vgl. die mittelalterliche Spekulation über die Elfen: N . S p i e g e l Gelehrtenproletariat und Gaunertum 157 (Schweinfurt 1902) 3 3 f. ) G r i m m Myth. 2, 836—897; M a n n h a r d t Germ. Mythen 54. 158 3 7 1 ; ZfrwVk. ) H ö f l e r Krankheitsnamen 169 232. ) D r e c h s l e r 2, 2 5 3 — 2 5 4 .

10. Die M. ist wie das E i ein hochverehrtes Fruchtbarkeitssymbol, besonders bei den m.wirtschafttreibenden Völkern in Verbindung mit Honig; beim ersten Pfluggang wird durch M.- und Honig- (vgl. Brot-)Opfer Fruchtbarkeit auf den Acker übertragen 160 ). Kommt der Pflüger an ein Ende der Furche, so soll er da finden einen Topf mit Honig und am andern einen Topf mit M., so er schwach werde, sich daran zu laben 1 6 1 ). Neben das Brautlager stellt man bei den Südslaven eine Schüssel mit M. mit zwei Löffeln, damit das Paar gesunde Kinder bekommt 162 ). Nach einem Hochzeitslied stürzt die Braut einen Topf M. um; das bringt Fruchtbarkeit 163 ). Wenn bei den Wenden die Braut von der Trauung zurückkommt, wirft sie im Kuhstall einen Eimer M. um, um reichlich M. zu erzielen 164 ). Bei der Hochzeit der Gallas trinken alle Gäste M. aus einem Gefäß und nehmen von der M. nach Hause mit l e 5 ). M. ist ein uraltes, auch in Pommern gebrauchtes Mittel gegen Unfruchtbarkeit und ein Stärkemittel für Schwangere 168 ). Nach Plinius fördert Kuhm. die Empfängnis 167 ) ; und Ziegenm. mit der Pflanze Orchis tranken die Thessalierinnen, um sich sexuell zu stimulieren le8 ). Die kinderlose Magyarin ißt jeden Freitag vor Sonnenuntergang in B & c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VI

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Eselsm. gekochte spanische Fliegen und Hanfblumen 169 ) In Slavonien ißt die Frau zur Zeit des Neumondes in Eselsoder Pferdem. gekochten Roggen 17 °). Die siebenbürger Sachsen geben der sterilen Frau Geschlechtsteile von Tieren in Eselsm. gekocht 1 7 1 ). In Hof hält der Mann die M. einer weißen Stute über die Frau und wohnt ihr dann bei 1 7 2 ) (vgl. M. im Heilzauber). 1β0 lel ) Z f V k . 1904, 1 3 3 . ) G r i m m IVeistümer 2, 5 4 7 ; Jahn Opfergebräuche 77. m 163 ) K r a u s s Sitte 460. ) K r a u s s 1. c. 395. 1M 1β5 ) M a n n h a r d t Germ. Myth. 103 Α. 2. ) FL. 16β 18, 322. ) H a r t l a n d Primitive Paternity ι, 55. 62. 1 1 8 . 1 2 0 ; ι , 70; Urquell 5, 2 5 2 (Pom1β7 mern). ) P l i n i u s Hist. nat. 28, 2 3 2 . 1β8 168 ) P a u l y - W i s s o i a ι, 63. ) Hovorka170 171 K r o n f e l d 2, 5 1 7 . ) 1. c. 5 1 6 . ) 1. c. 5 1 5 . 172 ) l . c . 515.

I i . Zu gewissen Zeiten muß man M. essen: Im St. Florianer Papiercodex steht: Item milich essend sy des nachts (vaschangtag), so waschentsyweis des jars 173 ). Nach der Rockenphilosophie soll man am Fastnachtdienstag M. essen (vgl. Essen), dann brennt einem im Sommer die Sonne nicht 1 7 4 ). In Deutschböhmen ißt am Ostersonntag die ganze Hausgenossenschaft süße M. mit weißer Semmel, um sich gegen Mückenbisse zu schützen 178 ). Wer nach Männling am Johannistag M. mit Flieder trinkt, ist das ganze Jahr vor der Rose bewahrt 1 7 6 ). An Allerheiligen soll man in Westböhmen aus einer Schüssel gemeinsam M. essen, darf aber dabei nichts verschütten; denn so viel Tropfen, so viel Sünden 177 ). Man bespritzt die Mädchen mit dieser M., damit sie nicht schläfrig werden, wenn sie im nächsten Sommer ins Gras gehen; man spritzt auch die M.reste gegen den Herd. Auch an Weihnachten ist Milchspeise ζ. B. im Allgäu altgebräuchlich 178 ). Unklaren Ursprunges ist der M.tanz zu Kleingeschwerde im Amte Leutenberg in Thüringen: Alle Jahre am Johannistage wurden die Kinder mit M. und Semmel gespeist ; darauf folgte der Tanz (Chronik des Pfarrers Schütz 1750) 1 7 β ). Auch die Griechen hatten ein M.fest „Galaxia" zu Ehren der Cybele, wo man offiziell M.brei aß, der zuerst geopfert wurde 18 °). An den Palilia tranken die Bauern M. 181 ). 9

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178) G r i m m Myth. 3, 4 1 5 Nr. 3 ; Jahn 1M) Opfergebräuche 117. G r i m m Myth. 3, 1 7 5 ) J o h n Westböhmen 69; 441, 203. Höfler 17β) Ostern 61. M ä n n l i n g 211; Schultz Alltagsleben 239; i m Rheinland N a c h t r a h m der M. gegen Gesichtsrose: Z r w V k . 1904, 102. 177) 178 ) H ö f l e r J o h n I . e . 96. Weihnachten 179) 19. W i t z s c h e l Thüringen 2, 307, 2. 180 ) H e s y c h 333 (Schmid). 181) Ovid Fasti 4. 746·

12. Wegen der großen Wertschätzung der M. und wegen ihres k a t h a r t i s c h e n Charakters ist das Essen der M. vor allem bei den Primitiven (hier noch Angst vor Schadenzauber, vgl. Essen) mit besonderen Tabus umgeben. Der König in Zentralafrika trinkt nur M. von heiligen Kühen, und niemand darf ihn beim Trinken sehen 182). Wer verwundet ist oder einen Feind getötet 183 ) oder eine Leiche berührt 184 ) hat, darf keine M. trinken. Wenn bei den Kaffern ein Mensch vom Blitz erschlagen ist, dürfen die Dorfbewohner bis zur Vollendung der Reinigungszeremonie keine M. trinken185). Besonders dürfen die Mädchen und Frauen zur Zeit der Menstruation (die Menstruierende gilt als verhext 18e )) in Indien, Afrika 187 ) und Australien 188) bei gewissen Stämmen keine M. trinken. Wenn die M. von einer menstruierenden Frau getrunken wird, übt das einen solch sympathetischen Zauber auf das Vieh aus, daß es stirbt (Südafrika) 189 ). Die zum erstenmal menstruierenden Mädchen waschen nach der Separation den Mund mit M. und gelten als Frauen 180) (kathartisch und Fruchtbarkeitssymbol). Im Unterinntal 1β1 ) gilt es als Sünde, beim M.trinken zu lachen (vgl. Essen). 182 )

F r a z e r 3 (2) 292. 1 1 9 ; D e r s . Totemism 183 ) 526—27. F r a z e r 3 (2), 1 7 4 — 7 5 . 184) 185 ) ebd. I . e . 141. e b d . 8 ( 5 , 2 ) , 161. 1 β β ) ebd. 10 (7, 1), 80. 84; D e r s . Totemism 2, 1 8 7 534. ) F r a z e r 10 (7, 1), 22. 30. 38. 80—84. 1 8 e ) 1. c. 38. 18β ) 1. c. 10, 1 9 °) 1. c. 22. 30. ο. l91) Z i n g e r l e Tirol 32, 225. 2,

13. Auf s y m p a t h e t i s c h e m (vgl. A. 189) Aberglauben beruht auch folgende Vorschrift : Rührt man mit einem spitzen Gegenstand in der Milch oder sticht man hinein, gibt man der Katze etwas davon 192 ), so sticht man der Kuh ins Euter m ) , oder die Kuh gibt rote M. l a 4 ), oder die M. scheidet sich 195 ). Wenn

26ο

man in den Dampf kochender M. sticht, sticht man Gott 1 9 β ). Aus den gleichen Gründen soll man das Brot nicht in die M. schneiden, sondern brocken197) ; wenn man Brot in die M. schneidet und nicht alle Stücke untertauchen, so setzt sich die Drud auf das oben schwimmende Stück und drückt den, der es isst 198 ). Aus diesem Glauben an die sympathetische Beziehung zwischen M. und dem die M. spendenden Tier beruht, wie Frazer 18S ) gezeigt hat, das alttestamentliche Verbot: Da sollst das Böcklein nicht kochen in seiner Mutterm.200 ). Die Rockenphilosophie verbietet: „Von einem erstgeborenen Kalb darf nichts gebraten werden, sonst verdorret die Kuh". Auch darf das Kalb nicht im Hause geschlachtet werden, weil sonst die M. der Kuh versiegt 201 ). Die Massai glauben, daß M., Fleisch und Blut im Magen nicht zusammenkommen darf, da man sonst die Kuh beleidigt 202). Auch glaubt man, die Kuh gebe keine M. mehr. Vor allem darf der König in Zentralafrika nicht Fleisch und M. zusammen genießen 203). Dölger weist auf die auffallende Tatsache hin, daß bei allen leprabefallenen Völkern der Glaube herrscht, der Genuß von Fisch und M. zusammen errege die Lepra 204). Bei den Nootka-Indianern von BritischKolumbien darf einer, der Bärenfleisch aß, 2 Monate keinen Fisch essen; denn dadurch würde der Fisch sehr beleidigt werden 205). 192 ) Z f V k . ι >13, 182 (Isergebirge). 193) Rot h e n b a c h Bern 34, 280; Z a h l e r Simmental 19; R o c h h o l z Glaube 1, 50; S t o l l Zauberglauben 183; B a r t s c h Mecklenburg 2, 133, 568; S t r a k k e r j a n 1, 54; K o h l r u s c h Saçen 340; H a r t l a n d Perseus 2, 1 3 9 0 . ; U n o t h ι , 189, 2 ; W e t t s t e i n Disentís 175, 50; Schweiz Id.4, 199; S A V k . 1898, 223, 96; 1 9 1 7 , 34, 1 7 ; Z f d M y t h . 4, 4. 39; Z f V k . 1913, 182; wer das Essen m i t d e m Messer umrührt, bekommt Leibschneiden: Grimm 1 > 4 ) ZfVolkerpsychol. Myth. 3, 474, 1052. 18, 278; R o c h h o l z Glaube 1, 50; S A V k . 1908, 2 7 8 ; 1 9 5 ) S A V k . 23 (1921). Unoth ι , 189, 3. 187. 19β ) 197) S c h ö n w e r t h S c h w V k . 10, 38. 1, 334, 4; P o l l i n g e r Landshut 164; W i t z s c h e l Thüringen 2, 280, 50; D r e c h s l e r 2, 16, 3 7 1 ; R o c h h o l z Glaube 1 , 5 0 ; B o h n e n b e r g e r 19; 1,s) G r o h m a n n 104, 733. G r o h m a n n I.e. 25. 125. » · ) F r a z e r 8 (5, 2), 83 s . ; S A V k . î 0 °) E x o d u s 23, 1 9 : 3 4 , 23 (1921), 214 ff. 26; Deuteronomium 14, 2 1 ; bes. D ö l l e r in A l t t e -

2ÓI stam. Abh. von N i k e l 7 Heft 2—3 (1917), 213 ff.; Imago 1927, 243. 236. 201) J a h n 1. c. 202 303. ) F r a z e r Totemism 2, 414. 514. 534. 539—4°: ders. Golden bough 8, 8 3 s . ; C h a n t e p i e de la S a u s s a y e (Bertholet-Lehmann) a03 Lehrbuch d. Religgesch. 1, 153. ) Frazer 3, 292. ao4) Ichthys 169. 205 ) F r a z e r 8, 251.

14. Ähnlicher Glaube an die Sympathie zwischen der Kuh und ihrer M. rät zu Vorsichtsmaßregeln beim Kochen der M. Bei den Bahima ist es verboten, die M. zu kochen, weil dadurch die Kühe sterben 204 ). Wenn man nach deutschem Aberglauben die M. ins Feuer überlaufen läßt, verbrennt man den Kühen das Euter 207), sie kriegen ein böses Euter (Schlesien) 208) oder die M. versiegt 20β ) ; wenn man sie verschüttet und mit dem Fuße darauf tritt, geben die Kühe weniger M. 210 ); denselben Aberglauben treffen wir in Frankreich 211 ). Bei den M.wirtschaft treibenden Huzulen, die ihre M.tiere lieben und verehren, darf man nicht von gekochter M., sondern nur von gewärmter M. sprechen, da sonst das Euter der Kuh mit einem Ausschlag bedeckt würde 212 ). Biestm. soll nicht vor dem 3. Tag gekocht werden, sonst bekommt die Kuh den „Mütterlibrand" 2l3 ). Auch beim Zauber darf die M. nicht überlaufen 214 ). Wenn die Mutter die M. des Kleinen aus der Pfanne laufen läßt, bekommt es Blasen am Gesäß 215 ). Wenn bei den Siebenbürger Sachsen die M. ins Feuer gelaufen ist, tut man Salz hinein, sonst schmerzt die Kuh das Euter 216 ). 20 20 ») F r a z e r Totemism 2, 534. ') T h a r s a n d e r 3, 805—17; G r o h m a n n I.e. 138, 1010; S a r t o r i Sitte2,144; F i s c h e r Oststeirisches 114; P e u c k e r t Schlesien 83; vgl. M e y e r Baden 52. 208 ) P e u c k e r t 1. c. 20») ZfdMyth. 2, 419, 18; S p i e s s Fränkisch-Henneberg 152; al a11 W. 705. °) ZfdMyth. 2, 419, 18. ) Séb i l l o t 3, 84. 212 ) Globus 69, 73. 387. « ^ Z a h au l e r Simmental 19. ) K ü h n a u Sagen 3, 188; L e o p r e c h t i n g Lechrain 3 1 ; P a n z e r al5 Beitrag 2, 28öS. ) H ö h n Geburt 276; aie B o h n e n b e r g e r 19. ) H a l t r i c h Siebenbärgen 298.

15. Auf der Angst vor allerlei Schadenzauber (s. Milchhexe) beruhen die vielen Vorsichtsmaßregeln beim Verkaufen und Hergeben der M. (s. M.hexe § 8), oder wenn man sie über die Straße trägt. Nach einer nordischen Überlieferung bat eine

Milch

2Ó2

Bettlerin, die von einer Bauersfrau einen Krug M. erhielt, dieselbe, ein Kreuz über die M. zu machen mit der Begründung: Ich habe, weißt du ja, ein böses Auge 217 ). Auch in der Oberpfalz ist es der böse Blick, den man fürchtet, weil er der Kuh schadet 218 ) : Man soll keine Speisen aus M. oder Butter über die Gasse geben aus Angst vor dem bösen Blick. In Norwegen wird, sobald man M. aus dem Haus gibt, die Kanne dreimal über das Herdfeuer gehalten. Wenn man den Arbeitern M. aufs Feld tragen muß, wendet man die gleiche Vorsichtsmaßregel an, besonders wenn man über einen Bach gehen muß 219 ). Die Neger im Süden der Union tragen Sorge, daß sie die M. nicht über ein fließendes Wasser tragen, daß sie sie nicht auf den Boden schütten oder ins Feuer gießen, weil sonst die Kühe trocken stehen 2ao). Vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang 221 ), besonders nach dem Angelusläuten 222 ), soll man keine M. über die Straße tragen oder verkaufen. In Walldürn wird die M., die nach dem Aveläuten aus dem Hause gegeben wird, mit Weihwasser bespritzt, oder man macht das Kreuz darüber, damit der Böse nichts gegen die Gesundheit unternehmen kann 22S ). Wenn man (in Kreuzburg) nach Sonnenuntergang M. verkauft, verlieren die Kühe die M.224). Sobald der Mesner Betzeit zu läuten beginnt, gibt die Bauersfrau keine M. mehr ab (bezeugt aus Marlen aus jüngster Zeit) 226). M.gefäße dürfen bis zur Zeit nach Sonnenuntergang nicht im Freien bleiben, sonst werden sie von der Muare verhext (Brieg) 22β ). Erhalten die Hexen nach Sonnenuntergang aus einem Hause M., so melken sie alle M. an einem Sack weg227). Am gefährlichsten sind natürlich die Zeiten (Barbara—Walpurgis 228)) und Tage, an denen die Hexen auch allgemein ihr Wesen treiben: Walpurgisabend 228), Johannisabend (nach Sonnenuntergang280)), die beiden Weihnachtsabende 231 ), bei den Russen 232), Südslaven und in Österreich 233 ) der Georgstag; auch am Fastnachtsdienstag 234), am Karfreitag 23β) und den Quatembertagen 236 ) darf man keine

263

Milch

M. aus dem Hause geben. Wenn man am Montag oder Freitag die M. desselben Tages verkauft, gibt die Kuh künftig blaue M. (Thür.) 237 ). Vor allem am Georgstag gibt die Bäuerin keine M. aus dem Haus 2 2 8 ). Wenn man M. aus dem Hause geben muß, so schützt man sie durch die auch gegen die Milchhexen angewandten Apotropaia: Es genügt schon, ein bisschen Wasser 269) hineinzutun, vor allem Salz 240 ); in Thüringen wirft man drei Körner Salz schweigend hinein 2 4 1 ); sonst 3 Sprätchen Salz 242). In der Niederlausitz und in Litauen gibt man, um die Kühe vor Behexung zu schützen, nur solche M. aus dem Hause, in die man einige Körnchen Salz gestreut hat 243 ). Die Mönchguter auf Rügen verleihen keine M.gefäße, weil durch ausgeliehene Gefäße Schadenzauber angerichtet werden könnte 244) ; vor allem soll man M. nach Sonnenuntergang nicht ausleihen 245 ). Auch nach schwäbischem Glauben können die Hexen mit M., die man über die Gasse trägt, Böses tun; darum besprengt man sie mit Weihwasser und bekreuzt sie, in der rauhen Alb nur abends; diese Vorsichtsmaßregeln kennt man auch in protestantischen Gegenden 246). Man besprengt die M. mit Weihwasser (die Hexe rührt M., in welcher Weihwasser ist, nicht an 247))und bekreuzt sie 248), man tut auch Weihwasser hinein 24β) oder (kirchlich geweihtes) Salz 2δ0) ; einer Hexe, die M. kaufen will, wirft man Salz ins Gesicht 2 5 1 ) ; in Österreich wirft man drei Brotkrumen hinein 252) oder Stahl 253 ), oder man hält das Gefäß dreimal über das Herdfeuer 254). Vor dem bösen Blick schützt man die M., die man über die Straße tragen muß, indem man sie mit einem Tuch 255 ), der Schürze 25e ), einem männlichen Kleidungsstück 257 ) bedeckt. In Baden glaubt man, daß vor allem die M. in einem Topf o h n e D e c k e l vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang verhext wird 258). Das Bedecken der M.gefäße erwähnt schon Buchari 25β ). In Rußland bedecken die Bäuerinnen die M.gefäße kreuzweise mit Spänchen 2β0 ), und in Pommern schwimmt auf der M. ein kreuzförmiges Brettchen von Buchenholz £β1 ).

264

Als Grund für das Bedecken der M. gibt man in Masuren an: „damit die Vögel des Himmels nicht hineinsehen können" 262 ). In Waldeck darf man frischgemolkene M. überhaupt nicht über die Straße tragen 263 ). In der Gegend von Zelina in Chrowotien legen die Weiber, wenn sie M., Käse und Butter zu Markt bringen, in die Mitte des Korbes Brot- und Salzkrumen gegen den bösen Zauber; auch verkaufen sie niemals den ganzen M.vorrat; das brächte Unglück' 64 ). Man darf einem unberufenen Frager nicht die Quantität der gemolkenen M. angeben 2β5). Nach der Rockenphilosophie darf man sich für geschenkte M. nicht bedanken, sonst verseigt die Kuh 266) ; dasselbe gilt für geliehene M. 2( · 7 ). Wenn man M. aus zweier Herren Kühe mengt, verseigen dem einen die Kühe 2 e 8 ). Die Gebräuche beim Verkauf der M., vor allem die Vorsichtsmaßregeln bei der Biestm., sind nirgends so ausgebaut wie in den nordischen Ländern ; da bietet aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland Heurgren 269) viel Material, auch Nergaard 270) und Feilberg 2 7 1 ). 2 1 ") S e l i g m a n n Blick 2, 336. 2 1 8 ) S c h ö n 219) w e r t h Oberpfalz 1, 334, 4. Liebrecht ZVk. 316. 2 -°) Globus 67, 322. 2 2 1 ) Alemannia 24, 1 5 4 ; W. § 625; K u h n - S c h w a r t z 446, 364; D r e c h s l e r I . e . 1, 14. 144· 162. 104. 1 1 5 ; 2, 2 5 3 ; Urquell N F . 1, 1 8 3 ; G r o h m a n n 138, 1009; Globus 28, 380 (Mongolen nicht bei be2 2 2 ) Z i n g e r l e Tirol wölktem Himmel). 221, 1 7 6 3 ; ZfVk. 8, 396; M e i e r Schwaben 175, 1 9 5 ; M e y e r Baden 4, 403; P o l l i n g e r Landshut 1 5 8 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 3 3 4 ; SchwVk. 3 , 4 1 ( J u r a ) ; J o h n Westböhmen 203; Globus 76, 2 2 3 ) Alemannia 1916. 224) 255. Drechsler 2 2 5 ) O c h s Bad. 1. c. ι, 144. Wb. 1, 177, 34. 22 228 2 2 β ) D r e c h s l e r 2, 253, 633. ') I.e. ) 229) S c h ö n w e r t h 1. c. 1, 334. Drechsler ι, 104, 1 1 5 ; \V. 705; von 6 Uhr an (Erzgeb.) W . 89. 2 3 °) D r e c h s l e r 2, n o t . 144. 1 6 2 ; S a r t o r i Sitte 2, 144; W . 92; Urquell N F . 1, 1 8 3 . 2 3 1 ) J o h n Erzgebirge 1 5 1 , vgl. 2 2 7 ; J o h n West232) F r a z e r böhmen 16; D r e c h s l e r 2, n o f f . 2 Í 1 . 2 ) . 3 3 9 ; S t r a u s s Bulgaren 287; F r a z e r 233) I . e . 3 3 4 f t . (Rußland). Baumgarten 234) J o h n Jahr 24 (Österreich). Westböhmen 235) 4 1 ; S a r t o r i I . e . 3, 1 1 8 . Schramek Böhmerwald 240; K ö h l e r 1. c. 372 (u. 1 . 4 ) ; 2 3 β ) Bavaria 2 a , J o h n Westb. 61 ; W . 705. 87. 2 3 ' ) W . 70, 5. 303; S c h ö n w e r t h 1. c. 1, 334. 2 3 8 ) B a u m g a r t e n Jahr 24. " ' ) Journal 1788 (Aberglaube aus Württemberg) bei G r i m m 3, 457- 6 5 3 : man gebe keine M. aus dem Haus, ohne

einen Tropfen Wasser hinein zu tun ; Alemannia 24, 154: man soll beim M.holen die Kanne mit Wasser füllen und dieses vor dem Füllen mit M. ausleeren; dasselbe in Frankreich: S e l i g m a n n Blick ι, 235; Schweizld. 4, 200. s4 °) B a r t s c h Mecklenburg 2, 137, 604; W o l f Beitr. ι, 227; K ö h l e r Voigtland 428; ZfrwVk. 3,

204;

Richter

Aberglauben

(1702)

50;

T o e p p e n Masuren 101; E n g e l i e n u. L a h n ι, 273; W i t z s c h e l 1. c. 2, 280; L i e b r e c h t ZVk. 316. B i r l i n g e r Volksth. 1, 323; C u r t z e Waldeck 391, 107; D r e c h s l e r 2, i n ; F i s c h e r Aberglaube

141; H a l t r i c h

Siebenbürgen

2980.;

H ü s e r Beitr. 2, 26; G r o h m a n n 138, 1012; K e l l e r Grab 5, 42; M a n n h a r d t Germanische Mythen

7 A . 3;

M e i e r Schwahen

175,

195,

3;

S é b i l l o t 3, 85; S e l i g m a n n 2, 34—36; ZfVk. 241 1905, 144; H e c k s c h e r 379. ) Witzschel 242) E b e r 2, 265, 519; 269, 39; 280, 49. h a r d t Landwirtschaft 17; Salz dem Käufer nachwerfen: J o h η Erzgebirge 196. 243 ) Globus 22, 239; 72, 353; S c h e f t e l o w i t z Altpalästinensischer

Bauernglaube

106.

244

18, 86.

) Globus

) Ethnolog. Mitt. aus Ungarn 4, 174; S a r t o r i 246 1. c. 2, 144 A. 12 . ) B i r l i n g e r Volkstüm247 liches ι, 323 ff. Nr. 524, 2. ) M ü l l e r 101, 248 135, 2. ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 323; ZfVk. 8, 396; M e y e r BadVk. 403. 249 ) S e l i g 250 m a n n 2, 332. ) Ebd. 2, 33; J o h n Westböhmen 203; T o p p e n Masuren 101; B a r t s c h 1. c. 2, 137; E n g e l i e n u. L a h n 1, 273; W i t z s c h e l I.e. 2, 280, 49; D r e c h s l e r 2, i n , 483; L i e b r e c h t ZVk. 316; M e y e r Baden 403. 251 252 ) K ü h n a u Sagen 3, 41, 1397. ) Seligm a n n 2, 94 (Überschreiten eines Baches); ein Stück Brot: S c h r a m e k Böhmtrwald 254. 253 ) L i e b r e c h t ZVolksk. 316; H e c k s c h e r 383. 254 ) S e l i g m a n n 2, 241 (Norwegen). 255 ) G r o h m a n n 138, 1007; P a n z e r Beitr. 1, 267, 180; P o l l i n g e r I.e. 158; ZfEthnol. 15, 90; S e l i g m a n n 2, 280; W o l f Beitr. 1, 227, 315; W. 706. 25β ) D r e c h s l e r 2, i n . 253; ZfVk. 8, 396; S e l i g m a n n 2, 226; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 245

1666 ff.

257

)

Seligmann

1, 235.

258

)

W.625.

) R e i n f r i e d Buchiri 27. 260 ) Globus 63, 214. 2β1 ) BlpommVk. 3, 150; H e c k s c h e r 394: der auf der M. schwimmende Holzteller ist in Holstein mit einem Kreuz bezeichnet. 2e2 263 ) T o p p e n 100. ) C u r t z e 405, 174; S a r t o r i I.e. 2, 144; W. 706; BlpommVk. 3, 107. 2β4 ) Anthropophyteia 10, 75. 2β5 ) F r i s c h 2ββ b i e r Hexenspruch 7. ) G r i m m Mythol. 2β7 3, 449. 467. ) D r e c h s l e r 1. c. 2, 23. 268 ) Rockenphilosophie: G r i m m 3, 449, 466; noch belegt im Vogtland: K ö h l e r Voigtland 426; W. 705; ebenso in Böhmen: G r o h m a n n I 1 3 · 955; W. 390. 269 ) P a u l H e u r g r e n Hus259

djuren

in

nordisk

folktro

1925,

29—39.

27 °)

S i g u r d N e r g a a r d Skikk og Bruk Oslo 1927, 33 ff.

266

Milch

265

2 'i)

Ordbog.

16. M. d e r e r s t m e l k i g e n K u h u n d ä h n l i c h e s : Die erste M. darf drei oder acht Tage lang nicht weggegeben werden, sondern muß im Hause verbraucht (oder

j ι i !

unverbraucht auf einen Balken im Stall gesetzt, Sachsen) werden, sonst gibt die Kuh immer nur wenig oder nur schlechte, zum Buttern untaugliche M. (Meckl., Brand., Schles., Sa., Erzgeb., Obpf., Frk.). An den Quatembertagen darf keine M. verkauft oder weggegeben werden, sonst kann eine Hexe es der Kuh auf ein Vierteljahr antun (Obpf.) 272 ). Wenn die Kuh kalbt, darf man von der ersten M. nichts verschenken (aber vgl. M.opfer § 11), weil sonst die M. bis zum nächsten Kalb zum Buttern nichts taugt 273). Wenn man die erste M. einer jungen Kuh verschenkt, vergibt man den Segen (Mecklenburg) 274). Man gibt der Kuh von der Nachgeburt, dann kann die M. nicht von den Hexen genommen werden 275 ). Bei den Huzulen muß man die erste M. nach dem Kalben salzen und der Kuh zu saufen geben 276). In Thüringen darf man von dieser M. nichts hergeben, bevor man gebuttert hat 277 ). Besonders aber muß man die Biestm. (siehe M.opfer § 11) bedecken 278). Wenn man die M. einer neumelkigen Kuh über die Straße trägt, wirft man drei Körnchen Salz hinein (Rheinpfalz) 279) ; wenn man von einer Kuh, welche vor kurzem gekalbt hat, einer Hexe M. gibt, so hat diese nach dem Glauben der Tiroler Gewalt über das Haus (Ranggen) 28°). In Schweden muß man die erste M. der neumelkigen Kuh bedecken 2 8 1 ). Wenn eine Kuh kalbt, erhält sie in Thüringen drei Butterbrote mit Knoblauch, damit sie viel M. gibt 282). Zu demselben Zweck gibt man ihr den Nutzen (ein Stück von der Nachgeburt 2 8 3 )); der Nutzen schützt die Kuh auch gegen die M.hexen 284). Dagegen hält man in Braunschweig die Nachgeburt für schädlich 285 ). Die Ruthenen werfen die Nachgeburt einer Kuh ins Wasser, damit die Milch so vom Euter fließe, wie das Wasser fließt 28e). 273 ) W. 705. ) Bavaria 2 a, 301. ) Bartsch Mecklenburg 2, 146, 653. 275 ) I . e . 146, 658. ««) Globus 69, 386. 277 27β ) W i t z s c h e l Thür. 2, 280, 48. ) Mitteil, d. anthropolog. Gesellschaft zu Wien 50, 102; 27i vgl. BlpommVk. 23, 4. ) Bavaria 4 b, 343. 280 281 ) Z i n g e r l e Tirol 221, 1762. ) Seligi82 m a n n I, 167. 235. ) W i t z s c h e l 2, 279, 36. 283 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 450; Bavaria 2, 27i

274

267

Milch

3 7 7 ; G r i m m DWb. 1026; F a l k e Universallex. d. Tierarzneihunde 2 (Weimar 1842), 167; 284) B a r t s c h 2, 146, 653; Z f V k . 1898, 175. B i r l i n g e r Volksth. 1, 323, 522. 28S) A n d r é e 28β ) Braunschweig 401. F r a z e r 1, 198; G l o b u s 1892, 282.

17. M. u n d M e n s t r u a t i o n usw. (vgl. A . 189): Wie bei Wein und Bier herrscht auch in bezug auf die M. der Glaube, daß eine menstruierende Frau sie gerinnen mache 287) : „Auch schreibet A. Theophrastus Paracelsus liber 4. de natura rerum / dass dem Wein, dem Bier, dem Meth nichts sehrer schade / dann unreine Weibspersonen / wann sie ihre Zeit haben / . .Drumb soll eine rechte Viehmume . . . fleissig Achtung auf die Mägde geben / dass sie zur selben Zeit keine Milchspeise handeln / oder umb dieselbige seyn. J a sie sollten sie nicht ansehen / mit dem Atem anhauchen / oder sonst anrühren / dann . . . die Milch wird sauer und gerinnen". Besonders wird diese Wirkung dem Gewitter zugeschrieben 288). In Zentralafrika darf die menstruierende Frau kein Milchgefäß berühren 289) (s. melken). Die Milchgefäße reinigt man mit Butranica 2S0). Die Damara lassen die M.gefäße offenbar aus abergläubischen Motiven durch die Hunde reinigen 291 ). Pflegt man dagegen im deutschen Aberglauben ungewaschen die Kuh, so rahmt die M. nicht (Journal aus Osterode 292 )). Wie der Wein und der Essig (s. d.) bei Todesfällen geschüttelt wird, so soll man auch in solchen Fällen die Milchgefäße heben 293). l · ' ) C o l e r Oec. 1, 408—09, 64. 28β ) F o g e l 289 ) F r a z e r 10 (7, 1), Pennsylvania 229, 1177. 29 °) S c h u l e n b u r g 106. 291 ) Z f V ö l 80—84. 292 ) G r i m m Myth. kerpsychol. 18, 156. 3, 461, 754; R o c h h o l z Glaube 1, 180. 293 ) R o c h h o l z Glaube 1, 176.

18. Aus Angst vor dem Zurückhalten der M. auf zauberische Weise zahlt man auch (als Abwehrzauber) den M i l c h p f e n n i g 2 9 4 ) : Der Mann, der eine Kuh kauft, gibt dem Verkäufer nach der Bezahlung noch den M.pfennig, damit die M. nicht durch Zauberei zurückgehalten werden könne 296 ) ; oder er zahlt stillschweigend etwas über den ausgemachten Preis ί 9 β ). Wenn man in Pommern eine K u h kauft, bezahlt man die M. beson-

268

ders, damit nicht der frühere Eigentümer die M. zurückhält" 7 ). Diesen sogenannten M.pfennig kennt man in der Rhön 2S8), in Unterfranken 2t9 ), Ostpreußen 300) u. allgemein £01 ) : Wer aus fremdem Dorfe eine K u h kauft, gibt außer dem Preis einen M.pfennig, damit die M. nicht zurückgehalten werde. An der Grenzscheide dreht er sie dreimal um und läßt sie nach der alten Heimat schauen, das benimmt ihr die Sehnsucht. In Baden darf man von einer neugekauften K u h 3 Tage keine M. verkaufen 3 0 2 ). In Pommern vergräbt man, wenn man eine Kuh kauft, die Glocke der alten Kuh unter der Stallschwelle, damit die neue viel M. gibt 303). 2M ) G r i m m DWb. 6, 2197; vgl. dagegen G r i m m e l s h a u s e n Simplicissimus 4, 19. 295 ) 296 ) Z f V k . P a n z e r Beitr. 2, 306. 1914, 62; 297 ) B l p o m m V k . H e u r g r e n 1. c. 346. 7, 298 299 ) 94. ) B r o n n e r Sitf u. Art 157. 30°) T o p p e n K u h n Westfalen 2, 63, 192. 301> Masuren 101; W . 690; N d Z f V k . 8, 51. G r i m m Myth. 3, 471, 987; vgl. S c h m i t z Eiftl ι , 5 1 ; P a n z e r Beitr. 2, 306; M e y e r Abergl üben 224; Frischbier Hexenspruch 14 ff.; G r i m m RA. 2, 152; S a r t o r i Sitte 2 , 1 4 1 . 302) M e y e r Baden 403; vgl. Alemannia 303 ) B l p o m m V k . 9, 110. 34, 283, 35.

19. M. im Z a u b e r : Um Diebe zu entdecken (aus dem Gollnower Zauberbuch Nr. 29) : Gieß in aller Teufels Namen dreimal nach einander vor Sonnenaufgang Ziegenm. an den Ort, wo es verloren ging; so bringt er es dir wieder 304). M. mittels 3, 7, oder 9 Löffel (aus Buchsbaum, Esche oder Weißbuche) aus 3, 7, oder 9 Häusern gesammelt, ist ein zauberkräftiges Mittel bei bösem Blick, M.diebstahl, Getreidediebstahl, oder angezauberter Impotenz 30S). Wenn einer von einer schwarzen Kuh, an der kein weißes Haar ist, M. trinkt, wird er unsichtbar 306 ). Alpenburg erwähnt zu demselben Zweck das Herz einer schwarzen Katze in der M. einer schwarzen Kuh gesotten 307 ) ; einen ähnlichen Zauber kennt man in Thüringen 308). Ein Schwalbenherz in M. gesotten trägt man bei sich, um alles zu erreichen, was man will 3C9 ). A u s einer von Bartsch edierten Handschrift: Das du aller vogel gesang verstehest. So nyme eyne otterzungen und lege sie

2Ó9

Milch

14 tage in eyne friesche küehemilch, darnach lege sie unter deine zungen, so verstehest du aller vogel gesang 310 ). Wie bei allen abergläubischen Gebräuchen wird auch hier Frauenm. bevorzugt: Der Missionar Keysser berichtet über einen Zauber auf Neu-Guinea: Man faßt einige Tropfen Frauenm. in ein Bambusröhrchen ; das steckt man in der Nähe des Netzes in die Erde; die große Zugkraft, die die Frauenm. auf die Kinder ausübt, soll auch bei den Schweinen wirken 3 U ). Wenn sich der chinesische Zauberer in einen Kranich oder einen Pilz verwandeln will, gebraucht er für seinen Apparat auch Frauenm. 312 ). Milch im Liebeszauber führt neben andern Mitteln wie Samen, Menstrualblut usw. Kräutermann an 3 1 3 ). Insbesondere gebrauchte man zu diesem Zwecke Frauenm. (vgl. § 2 1 ) ; Harsdörfer erzählt eine lustige Geschichte von einem genasführten Liebhaber, der Geißen- und Ziegenm. bekam, so daß ihm die Ziege und das Schwein nachfolgten 314 ). Dieses Motiv im Zauber mit Frauenm. kommt auch im Schadenzauber vor: Im Jahre 1783 beschlossen die „devins de la Sologne", alle Frauen zu töten. Dafür brauchten sie aber zwei bis drei Tropfen Frauenm.; sie erbaten sich M. von einer Frau; diese gab ihnen Katzenm., und alle Katzen verendeten 315 ). Franzosen als Mönche verlangen von einer Frau drei Tropfen Frauenm. und drei Haare (s. d.) ; sie bekamen aber Kuhm. und Füllenhaare. Sie bringen die Zaubermittel in ein Glas und treiben ihre Hexerei; einen Buben heißen sie auf einen Baum steigen und in das Glas sehen; als sie ihn fragen, was er sehe, antwortet er: Ein ganzes Feld totes Vieh. Da sahen die Zauberer, daß sie betrogen waren (Lausitz) 318 ). Bechstein erzählt in seinem thüringischen Sagenbuch: Ein Jude verlangt von einem Weibe, das die Geldschuld nicht bezahlen kann, von ihrer M. ; sie gibt ihm aber Schweinern. Er heißt seinen Gefährten, die M. in die Hirnschale eines Gehenkten gießen und fragt, was er sehe ; der sieht zuerst nichts ; beim drittenmal sieht er eine Herde Schweine; da schreit der Jude: Wai mir,

270

das Weib hat mir M. vom Schwein gegeben, und nun wird Sterben unter die Schweine kommen und nicht unter die Goym 317 ). Als Gegenmittel gegen Liebestränke erwähnt Kräutermann Krebspulver in M. gesotten 318 ), ebenso Gockel 319 ). Staricius in seinem Heldenschatz erwähnt gegen angezauberte Liebe : Trink ein gutes Becherlein voll Frauenm., so wird das verlorene Recht wiederkommen 320). Um die von Liebestränken Betörten zu heilen, gibt man in Böhmen morgens und abends eine Abkochung der Rinde des Holunder mit Ziegen- oder Frauenm. 321 ). Bei den Südslaven läßt man sich M. von drei Frauen geben, die einen Knaben säugen; daraus backt man einen Weizenkuchen; den durchlöchert man und schaut durch das Loch das Mädchen an und sagt: Ich schaue dich durch dreier Frauen M. an, du schaue mich durch drei Herzen an 322). Auf den ägäischen Inseln verwendet man die M. von Mutter und Tochter und das Stück eines Menstruationslappens zum Liebestrank 323). Über M. im Schadenzauber berichtet schon das Poenitentiale Vallicellanum 324) : Si quis in farina aut in alio siccato cibo aut in pulmento coagulato aut in lacte invenitur istud bestiale, quod circa corpora est, projiciatur. Nach den Diersburger Hexenakten gesteht die eine der Angeklagten, die beide den Junker von Diersburg umgebracht haben sollen 326) : sie habe die Kunhin geheissen Buttere und Milch zu nehmen und das Kind des Junkers damit zu bestreichen und zu salben, damit es zu Gott fahre und man seiner abkomme, weil der Junker ihre Tochter Margareth ins Halseisen habe stellen lassen. Über einen Hexenschadenzauber in SchleswigHolstein berichtet Mensing: Hexen gössen unter Namensnennung einer Person M. auf heiße Steine ; so wie die M. verdunstete, siechte die betreffende Person dahin32β) ; Eine Rostocker Hexe bekennt 1560 327) : „dat se eynen Poth ful Tuges van Adderen und Slangen, de se thom ersten up der Rösten gebraten hedde und Melken dartho gedan hedde, in aller Duvel Namen tho gemaket". Nach Schleswiger Hexenakten beschlossen einmal drei Kunst-

271

Milch

frauen (Zauberinnen), einen Müller zu vertreiben ; sie holten für einen Witten M. und kochten sie unter Anrufung aller Teufel und schütteten sie dann mit Löffeln auf zwei heiße Steine mit den Worten: So soll in aller Teufel N a m e n der Müller vergehen, wie die M. auf den heißen Steinen 328 ).

Daher sagte man von einem dahinsiechenden Menschen: em (er) hett een in'e pott 32®). In Norwegen verschafft sich ein erwachsener Mann die Kraft, mit seinem bösen Blick alle Lebewesen zu töten, wenn er sich von einer Frau säugen läßt 330). Über einen französischen Schadenzauber mit Frauenm. (1793) berichtet Sébillot 3 3 1 ). Wenn man nach dem Glauben der Südslaven M. von zwei Schwestern in der Johannisnacht um die zwölfte Stunde in ein Grab schüttet, steigt die Pest hervor (Opfer) 332 ). Wer die Pest für die Tiere erzeugen will, nehme M. von 2 Kühen oder 2 Stuten, welche von einer Mutter stammen, und mache es ebenso333). Bei den Südslaven fütterte man einst die Pest in der Gestalt eines Hundes mit M.; die Pest hörte auf 334 ). Der Totengräber von Wolkenstein zauberte die Pest herbei durch M. aus den Brüsten der an der Pest gestorbenen Frauen 335 ). M. im G e g e n z a u b e r : Die apotropäische Kraft des Räucherns spielt herein, wenn nach Grohmann die Person, welche vom Alp gedrückt wird, angeräucherte M. essen soll 336 ).

3M 305 ) BlpommVk. 4, 119, 2. ) Wiener30e ZfVk., Suppl. 15, 124 Α. ι . ) Zingerle 307 Tirol 71, 608; vgl. A. 355. ) Alpenburg 308 359) W i t z s c h e l 1. c. 2, 273, 74. 310 "O") ZrwVk. 1923—24, 35. ) ZfdMyth. 3, 312 3U 331· ) P l o ß Weib 3, 248. ) I.e. 313 ) Der curiose und vernünftige Zauberarzt 314 (F. 1726) 100 ff.; Kloster 6, 192. ) Großer Schauplatz lust- und lehrreicher Geschichten 2 (F. 1653), 45 ff.; Kloster 1. c. 202—03; Bl315 p o m m V k . 7, 178, 106. ) S é b i l l o t 2, 372 ff. 439 ff. 3 i e ) H a u p t Lausitz 1, 181 Nr. 2 1 5 . 317 ) B e c h s t e i n Thür. Sagenbuch 1, 15. 3 1 8 ) I . e . 31i 1 0 1 — 1 0 6 ; Kloster 1. c. 2 0 1 . ) G o c k e l 174. M0 ) S t a r i c i u s Heideaschatz (1679) 364; L a m m e r t 1 5 2 ; H o v o i . k a - K r o n f e l d 2, 170 (falsch abgeschrieben). 3 2 1 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 322 175, ) Anthropophyteia 6, 225, 49. 323 ) FL. 18, 330. 3 2 4 ) S c h m i t z Bußbücher 1, 325 317. 93; 618. 3 1 . ) Freiburger Diözesanarchiv i 5 , 9 5 f f . ; H a n s e n Hexenwahn 585;

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326 ZfGOberrheins 1927, 635. ) Wb. 3, 621. 327 328 ) B a r t s c h Meckl. 2, 7. ) Müllenhoff Sagen 2, 5 1 7 , 3 5 ; vgl. N i d e r b e r g e r Unterwaiden 2, 145—46; Samen in M.muos. 3 2 9 ) M e n 33 s i n g Wb. 3, 621. °) S e l i g m a n n Blick 1, 331 176. ) S é b i l l o t 2, 3 7 2 — 7 3 : auch hier werden die Hexen, die Frauenm. verlangen, mit 332 Katzenm. getäuscht; vgl. A. 315. ) Stern Türkei ι , 266; K r a u s s Relig. Brauch 66. 68; 333 d e r s . Volkforschungen 93. ) Mitteil. d. anthropol. Gesellschaft in W i e n 13, 160. 334 335 ) I . e . 167. ) S i e b e r Sachs. Sagen 94. 33β ) G r o h m a n n 26, 129.

20. M. im H e i l z a u b e r und in der V o l k s h e i l k u n d e : Der zu Neros Zeit in Rom lebende griechische Arzt Dioskurides behandelt ausführlich die verschiedenen Arten der Tierm. und deren Heilwirkung 337 ) ; ebenso Anthimus in seinem Brief an den Frankenkönig Theuderich 338 ). Bis ins 6. J h . war der mons lactarius bei Stabiae, wo die M. durch bestimmte Heilkräuter sehr heilkräftig war, von Phthisikern zu Kuren sehr gesucht 338 ). Segen gegen Lungensucht aus Südböhmen: Ich schicke sie (die Sucht) auf die grüne Wiese; dort sind zwei Backöfen mit Brot, zwei Brunnen mit M. Dort esse, dort trinke, dort beruhige dich, so wie sich das Wasser im Jordan beruhigte, als unser Herr Jesu taufte 340 ). Geißm. gegen Schwindsucht ist besonders wirksam, wenn man sie mit Brunnenkressensaft mengt und dreimal 24 Stunden i y 2 Schuh tief in einem Krug eingegraben hat 341 ). Aus ,,Der sichere und geschwinde Arzt": Lungen- und Schwindsüchtigen ist die M. von den Kamelen Tüchtig: Und vom Schneider-Vieh vielen andern vorzuzehlen : Was man von dem trägen Esel melket, nehret träfflich sehr 342). Besondere Anwendungsvorschriften über den Gebrauch von Ziegen- und Eselsm. gegen Schwindsucht gibt 1740 die Herzogin von Troppau und Jägerndorf 343 ). In Persien macht man mit M. und Molken im Frühjahr Blutreinigungskuren 344 ). Der Genuß von Schweinern, verursacht nach ägyptischem Glauben Leprose 345 ) ; in Frankreich glaubt man, daß Kinder, die Schweinern, essen, den Charakter der Schweine annehmen 346) (vgl. Essen und Fleisch). Kamelm. schätzen die Araber sehr 347 ). Gibt man nach böhmischem Glauben die M. einer

Milch

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Stute dem Neugeborenen zu trinken, so wird es riesenstark 348). In Frankreich trinkt man Stutenm. gegen Keuchhusten und M. einer weißen Stute gegen Fieber 349 ), in Island Stutenm. gegen Würmer 350). Ziegenm., schon von Anthimus 361 ) sehr geschätzt, empfiehlt Gockel gegen Geschwüre 352 ), Ziegenmolken gegen zauberische Unsinnigkeit 353 ) ; nach tiroler Glauben hilft die M. einer roten Ziege gegen alle Gebresten 354). Wierus rühmt besonders die M. schwarzer Ziegen gegen Skorbut 356) ; Kinder, die mit Ziegenm. großgezogen sind, können nach franz. Aberglauben springen und sind sehr hurtig 366). Hundem. gebraucht man (im 18. Jh.) in Aachen gegen Haarausfall 357) ; in Steiermark, um den Bart wachsen zu lassen 358). A m häufigsten wird natürlich die Kuhm. angewandt; B. Carrichter handelt über deren Heilwirkung ausführlich mit Lit. 3 5 9 ); nach ihm ist süße M. für Apoplektiker und Milzkranke schädlich 3β0 ) (vgl. Anthimus) 361 ) ; M.trinken vermeidet man bei Katarrhen, da die M. verschleimt 362 ). In West-Norfolk wird die M. als Universalgegenmittel bei Vergiftungen verwandt 363 ). Einen Ü b e r t r a g u n g s z a u b e r gegen Fieber kennt man in Mecklenburg : Man gieße M. in eine Schale und trinke dreimal abwechselnd mit einem Hund davon und sage jedesmal 364) : Prost, Brauder Hund, Du't Fewer un ik gesund.

Man gibt sonst den Urin des Fieberkranken mit M. und Brot einem Hund, nimmt ein Viertel Quart M., kaut dreimal einen Mund voll Brot und speit es jedesmal nach dem Kauen in die M., indem man dabei den Namen Gottes spricht, aber nicht Amen sagt 3β5 ). Dann gibt man dies einem Hund zu fressen mit den Worten: Es soll Dir nichts schaden und mir helfen 366). In Strega lag ein Mann krank am Fieber; da heilten ihn die Heinzelmännchen mit Buttermilch 367 ). Man heilt ein krankes Kind, indem man ihm M. aus einem Glase, das beim Zimmermannsspruch herabgeworfen wurde, gibt 3 6 8 ); wenn man einem siebenjährigen Kind Eichenmispeln in warmer M. gibt,

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bleibt es frei von Krankheit 369 ). Kinder werden im Geiste sehr verständig, wenn man die erste M. einer kalbenden K u h ihnen mit Ei gebacken zu essen gibt 37°). Gegen blauen Husten soll man M. von der K u h weg stehlen und dem Kinde geben 3 7 1 ) ; M. gegen Keuchhusten auch in Konstantinopel 372 ). Coler 373 ) widmet der medizinischen Verwendung der M. zwei Kapitel : Eselsm. gegen Podagra, Schweinern, gegen Schwindsucht, Kamelsm. gegen Wassersucht, Pferdem. gegen Gebärmuttergeschwüre, Ziegenm. gegen verwundeten Magen. M. und Salbei sind alte Mittel gegen Schwindsucht 374 ); M., in der ein glühendes Eisen gelöscht ist, empfiehlt Coler gegen Durchfall 3 7 5 ), überhaupt gegen Kolik heiße Μ. 3 7 e ). Die Russinnen in Nowgorod trinken frischgemolkene M. mit Bierhefe zur Förderung der Menses des Morgens nüchtern 377 ). In Bayern trinkt man warme M. gegen Kopfweh 378), gegen Schlaflosigkeit wird M. mit Eiweiß und Rosenwasser auf die Stirne gelegt 379) ; Gockel empfiehlt ein Pflaster von Kuhm., geriebenem Brot und Eidotter gegen Unsinnigkeit 380 ), außerdem die Rinde des Holunderbaumes, abwärts geschabt, in M. gekocht gegen humores noxios 3 8 1 ). Sonst verwendet man M. besonders bei Brandblasen und Geschwüren 382), Augenentzündungen 383 ), Ohrenschmerzen 384), gegen wehe Füße 385) äußerlich; M. und Hirschhornpulver nimmt man im Rheinland gegen Würmer 386), und kennt M. neben Butter gegen Zahnweh 387 ). Gegen Verbrennung des Mundes mit heißen Speisen trinkt man Hundsm. 388 ). Bei Magenkrebs trinkt man in Gröbming fleißig M.; „weil die M. den Krebs dämpft" 389). In Island trinkt man Stutenm. gegen die Eingeweidewürmer 39°). Als Schönheitsmittel ist Eselsm. ein schon von Plinius empfohlenes Mittel, man muß sich 700 mal darin baden 391 ). Die Kinder badet man in M., damit sie weiß werden 392 ). Die Magyaren gießen M. in das erste Bad, damit das Kind eine weiße Haut bekommt und gut schläft (das Gerinnen der M. und das Schlafen wird gleich bezeichnet : er schläft wie die M.). Im Marmaroscher Komitat

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Milch

legt m a n ins erste B a d Milch u n d B r o t , d i e J u d e n e i n E i 3 9 3 ). D i e H e x e n s e l b s t g e b e n a l s M i t t e l f ü r ein k r a n k e s M ä d c h e n a n : B a d e in E s e l s m . 3 9 4 ) . In Ostpreuß e n 3 0 5 ) w a s c h e n sich d i e M ä d c h e n m i t dicker M. Die Südungarinnen waschen d a s G e s i c h t m i t B u t t e r m . , d a m i t sie v i e l g e k ü ß t w e r d e n 3 9 6 ). D i e C z e c h i n n e n w a schen sich z u demselben Z w e c k mit M.397). In Böhmen verwendet man Stutenm. gegen Sommersprossen von einer Stute, die d a s Füllen noch nicht g e s ä u g t h a t 3 9 8 ). N a c h d e m G l a u b e n d e r M a g y a r e n ist d e r M . s e e d e r S c h ö n h e i t e i n Zaubermittel der F e e n 3 " ) . W e r M. trinkt, wird nach Tiroler Ansicht s c h ö n 400 ). M. v e r w e n d e t m a n a u c h äußerlich gegen H a u t k r a n k h e i t e n 4 0 1 ). In O b e r w ö l z in S t e i e r m a r k reibt m a n sich m i t der M. einer H ü n d i n ein, u m den B a r t w u c h s z u f ö r d e r n 402 ). M7)

Bei Hovorka-Kronfeld 1, 299. A n t h i m i De observatione ciborum 75 ff. 339 (19, 20 ff. Hose). ) P l i n i u s Hist. nat. 25, 5 2 — 5 3 ; 28, 9 ff.; F r i e d l ä n d e r Sitten9 geschichte ι , 387; über M.kuren in der Antike: D a r e m b e r g - S a g l i o 3, 88ff.; H e r d i Käse 1 0 — 1 3 ; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 39 ff. 341 ) 61 ff. 34°) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 52. 342 ) 1. c. 2, 39; vgl. 1. c. 2, 41; vgl. 31. 45. 343 ) I.e. 2, 34; über Geißm.: H ö f l e r 45. 61. 314 ) S t e r n Türkei 1, 227. Organotherapie 166. M6) P l u t a r c h Isis und Osiris 8; F r a z e r Totemism 1, 1 7 ; 4, 176; D e r s . GB. 8 (5, 2), 34β ) S é b i l l o t 3, 87. 34 ') 24. 25. Keller 34e ) G r o h m a n n 107, 772; D r e c h s Tiere 22. l e r ι , 185, 211 ; in den Vierlanden gab man früher Stutenm. mit Schafsdünger gekocht gegen Masern: F i n d e r Vierlande 2, 278. M> ) S é b i l l o t 3, 131. 35 °) H o v o r k a - K r o n 3M) I . e . f e l d 2, 95. 76 ff.; H o o p s 222. 36a ) G o c k e l 120. 3S3 ) 1. c. 167. 171. 364 ) Z i n g e r l e Tirol 42, 359. Observations medicae 35e ) S é b i l l o t 3, 87. 1, 897—98 (Appendix). ω7) Z r w V k . 1923—24, 35; vgl. H o v o r k a K r o n f e l d 2, 77. 725 gegen Verbrennungen 35e ) H o v o r k a - K r o n f e l d und Grind. 2, 3 " ) Der Teutschen Speiskammer 763. (Straßburg 1614) 45—56. 6 7 0 . ; vgl. auch F i s c h e r Wb. 4, 1667; nach Lüneburger Glauben werden besonders schwere Verbrecher dazu verurteilt, nur M. und Semmel zu essen; dann fressen sie die Würmer bei lebendigem Leibe a u f : Urquell 3, 304; 4, 78; A R w . 13, 532. 3eo ) 1. c. M 1 ) 1. c. 76 (19—20) Hose. 38a ) Ho3e3 ) v o r k a - K r o n f e l d 2, 26; L a m m e r t 242. F L . 18, 435 ff. 3 " ) B a r t s c h 2, 395, 1849. 3 " ) S t r a c k Blut 98. 3«e) K u h n Westfalen 2, 204, 580; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 339. 3 · 7 ) G a n d e r Ñiederlausiiz 44, i n ; vgl. S c h u 33e )

! ! I I I : , I j

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3ββ ) W . 542. 36») W o l f l e n b u r g Sagen 285. Beitr. 2, 303; M a n n h a r d t Germ. Myth. 134. 37 °) Z f V k . 1895, 98. 371 ) F o g e l Pennsylvania: 338, 1798 (Freiburg); 336, 1788. 3 " ) S t e r n 373 ) Oeconomia 1, 408—09; über 1.e. ι , 234. Eselm.: H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 301; 2, 25. 314 ) 34. 237. H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 39; besonders Eselsm.: d e r s . 2, 61 ff. 375 ) Oeconomia 37β ) ZrwVk. 1904, 2, 207; J ü h l i n g Tiere 151. 97. 6; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 300. 3 " ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2,619. 378 ) P o l l i n g e r 3") Landshut 279. C a r r i c h t e r 54—55. 38°) G o c k e l 168. 381 ) D e r s . 86. 382) Hov o r k a - K r o n f e l d I, 300; ZrwVk. 1904, 99; Z f V k . 1898, 43; in der badischen Volksheilkunde verwendet man sehr wirkungsvoll die Haut der gekochten M. als Auflage bei Geschwüren (mündl.); vgl. B a r t s c h 2, 109, 409; auch bei Blutungen: A n d r e e Braunschweig 423. 383) P o l l i n g e r 1. c. 282; L a m m e r t 138; 384) S A V k . 8, 151. ZrwVk. 1904, 92. 385 ) J ü h l i n g Tiere 145. 38e ) Z f V k . 1898, 47. 387 ) Z r w V k . 1917, 180. 388) H o v o r k a - K r o n 39°) 1. c. 95. f e l d 2, 77. 389) I.e. 83; vgl. 81. 381 ) P l i n i u s I.e. 28, 183; S. B r a n t Narrenschiff 60, 18; C a r r i c h t e r 55—56; vgl. dagegen 392 A n h o r n 635. ) H o f f m a n n - K r a y e r 24. 393 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 640. 394 ) K ü n z i g 395 ) Urquell 3 (1892), 70. 3 M ) AnSagen 10. thropophyteia 10, 77; vgl. Hembygden 6, 87: Die Mädchen waschen sich in SchwedischFinnland mit Butterm., ohne sich abzutrocknen ; dann erscheint der Auserwählte mit einem 397 ) M a n n h a r d t Handtuch. WF. 1, 390. 398) G r o h m a n n 184, 1294. m ) W l i s l o c k i Ma400 gyaren 7. ) Z i n g e r l e 32, 225; vgl. 39, 321: wer M. trinkt, wird blaß. 401) M a n z Sargans 65; S e y f a r t h Sachsen 257. ω 2 ) H o v o r k a K r o n f e l d 2, 763. 21. E i n bei allen V ö l k e r n b e r ü h m t e s H e i l m i t t e l u n d ein b e r ü h m t e r F r u c h t barkeitsüberträger ist d i e F r a u e n m . : W e n n L j u b a T . Danicic in den A n t h r o p o p h y t e i a 403) e i n e n A r t i k e l ü b e r H e i l zaubereien mit Frauenm. und B l u t vorlegt, ist m a n ü b e r die A u s b e u t e s e h r erstaunt; wir erfahren nur, d a ß m a n die Stirn der K i n d e r mit Frauenm. einreibt, d a m i t sie g l a t t w i r d Brüning bringt eine Miscelle ü b e r den E i n f l u ß der A m m e n m . auf den Geschlechtstrieb der m i t dieser M . A u f g e z o g e n e n 4 0 4 ). N a c h G o c k e l h i l f t e i n Becher Frauenm. bei verlorener Mannesk r a f t 4 0 5 ). E i n i n M e c k l e n b u r g b e k a n n t e s Rezept gegen Unfruchtbarkeit lautet : M a n trinke ein S c h n a p s g l a s voll M u t t e r m . einer erstgebärenden F r a u v o r Sonnena u f g a n g , ziehe einen P f a h l aus der E r d e , schlage in d a s L o c h seinen U r i n a b , u n d stecke den Pfahl wieder umgekehrt hin-

2

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Milch

ein 40β ). Ist einem durch Zauber die Mannheit genommen, so löst er ihn, wenn er einen Becher Frauenmilch trinkt 4 0 7 ). In Mecklenburg heilt man männliches Unvermögen, indem man den Kranken eine Tasse M. von einer jungen säugenden Frau trinken läßt 408). Frauenm. spielt im Liebeszauber eine hervorragende Rolle 409). Die Südslavinnen lassen sich von drei Weibern, die Knaben säugen, M. geben; mit Mehl bereitet man davon einen Weizenkuchen; den Kuchen durchlocht man (siehe Kuchen), schaut durch das Loch auf das Mädchen und spricht: Ich schaue dich durch dreier Frauen M. an, du schaue mich durch drei Herzen an 41°) (vgl. A. 322). Wenn man M. einer Frau, die ein zweijähriges Mädchen säugt, in einem Glas in den Taubenschlag hängt, so kommen so viel Tauben, daß man sie nicht zählen kann 411 ). Die Tauben gewöhnt man an den Schlag, wenn man in einem Glase etwas M. von einer einen Knaben säugenden Frau in den Schlag hängt (Hessen) 412 ). Die Wöchnerin selbst ist fruchtbarkeitsübertragend : bei den Herero muß die Wöchnerin alle Morgen alle Milch mit dem Munde berühren, dann wird sie konserviert 4 1 3 ). Bekannt ist auch das Märchenmotiv, wonach Feenm. schwanger macht 4 1 4 ) (vgl. M.brunnen oben Sp. 248).

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I molken heilt sieMagenstechen und Schwindsucht. Mit Weihrauch träufelt man sie in die Augen . . . mit Mohnsamen und Wachssalbe eingerieben hilft sie bei Podagra. Celsus 4 1 ? ) rühmt die Frauenm. j vor allem für die Augenkrankheiten. ! Nach Plinius ist Frauenm. vom siebenten Monat an gesund 418 ). Er rühmt auch die Heilwirkung bei Augenkrankheiten 4 l e ) und betont, daß sie den Körper am meisten nährt 420). Die Legende berichtet, daß die christlichen Märtyrerärzte Kosmas und Damian gegen Augenleiden M. einer keuschen Frau verordnet haben 4 2 1 ). ¡ Wie schon bei Celsus und Dioscorides j ist Frauenm. im Heilzauber des Mittel| alters und der Neuzeit ein ausgezeichnetes Augenheilmittel: Den Star heilt man mit der M. schwangerer Frauen 422). Frauenm. wird in die Augen gespritzt bei Gerstenkorn und Bindehautentzündimg 423), in Charkow gegen geschwollene Augen 424) ; sonst oft gegen Blenorrhoe 425), auch gegen Trachom 426) der Augen; nach einem alten Rezept soll man Frauenm. mit Rosenwasser gemischt auf die Augen streichen 427 ). Allgemein wird Frauenm. neben M., Honig und Eiern innerlich und äußerlich benutzt; M. und Rahm wirken kühlend, Honig reinigend 428). Schon die Hippokratiker (vgl. auch Plinius 42e ) ) ' verwenden Frauenm. bei Eiterfluß aus Ohren und Nase 430). „Zum Gehörr: 4 0 3 ) Anthropophyteia 10, 75 ff. 4 0 4 ) I . e . 152. Nim frauen M. die ihrren Ersten Knaben 40S) G o c k e l 114; über F r a u e n m . : Zedier Säugt mit Salmiax (Salmiak) ange Macht Universallex. 21, 196; in China t r i n k t m a n Und in die ohren ge T r ä u f t " 431 ). ÜberF r a u e n m . , u m das L e b e n zu verlängern: A R w . 4 0 e haupt wird die M. einer Frau, die einen ' 3 . 549· ) Bartsch 2, 354, 1663 d. 407) L a m m e r t 153; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, Knaben geboren hat, im ägyptischen, grie164. 4 o e ) W . 541; M o s t Sympathetische Mitteil. chischen und arabischen Heilzauber vorge4 0 8 ) Kloster 6, 202—03; vgl. § 1 9 ; 1842, 64. zogen 432) (griech. γάλα γυναιχός χουροτρόφοο; 410) S t a r i c i u s Heldenschatz 363. Anthropoauch Plinius 433) : Zwillingsknaben). Nach phyteia 6, 225 N r . 49; vgl. A R w . 1927, 332ft. 4 U ) B r e v i n u s N o r i c u s F a g o - V i l l a n u s 292. schwäbischer Ansicht ist Frauenm. gut 4 1 2 ) W . 678. 4 1 3 ) F r a z e r 3 (2), 225. 4 1 4 ) B o l t e für Rotlauf an den Füßen 434). Gegen P o l i v k a I, 545 ff.; W l i s l o c k i Volksdichtungen Schwindsucht ist sie ein Hauptmittel: 316. In Nordböhmen saugt der Lungenkranke bei abnehmendem Mond an den Brüsten 22. Als Heil- und Kräftigungsmittel einer Frau, die vor kurzem einen Knaben wird die Frauenm. schon im Papyrus geboren hat ; er ißt jedesmal etwas Zucker Ebers genannt 4 1 6 ). Alle Verwendungsnach, um das Gerinnen der M. im Magen möglichkeiten der Frauenm. in der Volkszu verhindern 435 ). Die Gottscheer vermedizin, die in den deutschen Quellen wenden mit Vorliebe Frauenm. gegen Ausgepriesen werden, finden wir schon bei 43e ). zehrung Auch im Mieser Arznei416 Dioskurides ) : Die Frauenm. ist am süßesten und nahrhaftesten; frisch ge-

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2δ0

Milch

buch 437) ist die Frauenm. ein besonders beliebtes Mittel gegen Lungensucht (vgl. Plinius 438)). Schon Plinius 439) erwähnt Frauenm. bei Podagra. Albertus Magnus zitiert 440) : Stoße die Schalen von Citrone oder Pomeranzen, welche in Asche gebraten sind, mit Annaflor, Cassiae in gläsernem Mörser und mache es mit Frauenm. zu Kataplasma. Frauenm. gegen Magenkrebs 441 ) wird angepriesen, weil die M. den Krebs bekämpft. Damit ein Hund zeitlebens nicht toll wird, lasse man ihn einmal Frauenm. trinken 442). Das ist antike Tradition bei Plinius: Eius, quae marem peperit, lacte gustato canes rabiosos negant fieri443) ; Rautensaft cum lacte mulieris puerum enixae ist ein Mittel, um die Sehschärfe wiederherzustellen 444) ; dagegen verordnet Marcellus M. einer Frau, die ein Mädchen geboren hat, mit ö l und Honig gegen Brand 445). Allgemein orientieren über Frauenm. im Heilzauber und in der Volksmedizin Ploss 446 ), Hovorka-Kronfeld 447) und Höfler 448). Nach Megenberg ist die M. der Brünetten besser als die der Blondinen, weil die Blondinen kalt sind (!) 449). Megenberg berichtet auch, daß man, um die Güte der M. zu erproben, einen Tropfen auf eine Glasscheibe bringt; ist die M. dick und zäh, so ist sie gut; wenn sie zerfließt, so ist sie minderwertig 4S0). Von Ploß 451 ) und Hovorka-Kronfeld 452 ) ausführlich durch Zitate belegt ist die Verwendung der Frauenm. zu allen Zeiten zur Kräftigung Kranker und Schwacher, besonders zur Lebensverlängerung bei Greisen (noch heute verkaufen auf dem Markt von Teheran die Nomadenweiber von ihrer Brust weg die M. zu diesem Zweck) 453 ). A m berühmtesten ist die von Valerius Maximus 454) in seinen Memorabilien (Pero filia patrem mamma nutriens) überlieferte Geschichte von der pietätvollen Pero, die ihren zum Hungertode verurteilten Vater Myron (nicht Cimon!) im Gefängnis an ihrer Brust trinken läßt. Dieses Motiv ist durch das Gemälde von Carlo Cignani und anderer Maler berühmt geworden 455). Innozenz VIII. wurde mit Frauenm. ernährt 456) (über die dem hl. Bernhard von Clairvaux

ihre Brust reichende Gottesmutter vgl. § 3). Über Frauenm. als Medizin 457) sagt ein altes Arzneibuch in Pommern 458) : Frauenm. ist ein köstliches Heilmittel vor Augenschwäche; bei Männern von einer Frau, die einen Sohn geboren hat, und umgekehrt. Salbe aus M. von Mutter und Tochter schützt das ganze Leben vor Augenkrankheiten 459). Bei den Südslaven ist Frauenm. gegen Schwindsucht viel gebraucht 460). Besonders verwendet man die Frauenm. bei Kindern 461 ). In Böhmen spritzt die Mutter M. aus ihrer Brust in einen Löffel, mischt Ruß aus der Lichtscheere hinein und läßt es das Kind einnehmen 462). In Siebenbürgen glaubt man, daß blauäugige Kinder schwarze Augen bekommen, wenn sie die Mutter oft mit ihrer M. anspritzt 463). Auf Kopfgeschwüre legt man in Pommern roten Rosenkuchen auf und befeuchtet ihn mit Frauenm. 464). Wenn in Pommern eine Frau nicht gebären kann, gibt man ihr M. einer anderen Frau zu trinken 465). Einer schwer Gebärenden gibt man in Baden 466) und Schwaben 467 ) Frauenm. Will man in Mecklenburg erforschen, ob ein Kranker sterben muß, so nimmt man M. einer Frau, die einen Knaben säugt, und mischt unter diese den Urin des Kranken; gerinnt die M., so wird der Kranke gesund 4e8) ; dasselbe Mittel kennt man in Schwaben 469 ). 41S 4le) 2, 7, 6 ) P a u l y - W i s s o w a i , 86. 417 (= ι, 145, 12 Wellmann). ) 6, 6, 8 (= 229, 418 8 S. Daremberg). ) 11, 236 (cap. 41). 419 ) Eum qui simulmatris filiaeque lacte inunctus sit, liberari omni oculorum metu in totam vitam 42 adfirmant (28, 73) vgl. 18, 130. °) maxume autem alit quodcumque humanum (28, 123); die Hauptstelle über die Frauenm. ist 28, 72: de lactis usu convenit dulcissimum esse molissimumque et in longa febri coeliacisque utilissimum maxime eius quae iam infantem removerit. Et in malacia stomachi, in febribus rosionibusque efficacissimum experiuntur. 421 ) D e u b -

n e r Kosmas

und Damian

165; H ö f 1 e r

Organo-

422 therapie 208. ) Urquell 1, 205, 9· 423 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 795. 424 ) 1. c. 788. 4 ") 1. c. 786. 42β) I. c. 791. 427 ) S c h m i d Mieser

Kräuterbuch

51.

428

)

Zahler

Simmenthai

79;

H ö f l e r Volksmedizin 140; L a m m e r t 138. 207; H ö f l e r Organoth. 186. 208. 216. "») 28, 173: rupta in ea parte cum lacte mulierum efficacius sanat; vgl. 28, 176. 430 ) H o v o r k a - K r o n 431 f e l d ι, 166. ) Z a h l e r Simmenthai 79. 432 ) H ö f l e r Organoth. 182. 208; D i o s c u r i d e s

Milch

2δΐ

4, 99· 433 ) 7 2 : superque in omni usu efficacius eius, quae marem enixa sit multoque efficacissimum eius quae geminos maris; v g l . 28, 75. 434 ) L a m m e r t 2 2 1 ; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 736. 436 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 48. ««) 1. c. 4 3 ') 2, 46. S c h m i d t Mieser Kräuterbuch 59, 1 9 1 ; v g l . Z f ö V k . 4, 46. 438 ) p u l m o n u m quoque incommoda lacté mulieris sanantur (28, 75). 439 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 269; P l i n i u s 20, 44 °) ι , 16. 441) H o v o r k a - K r o n f e l d 201. 2, 83; v g l . 8 1 ; v g l . P l i n i u s 28, 72. 442 ) H o v o r k a 443 ) 28, 75 K r o n f e l d 2, 425. (4, 302, 5 ff. M a y h o f l ) . 444 ) 1. c. 20, 135. 445 ) Corpus medicorum latinorum 5, 143, 28 ( M a r c e l l u s 19, 44e ) 37). Wei'6 3, 2 4 7 — 5 6 ; Stemplinger Volksmedizin 60 ff. 447 ) 1, 160 ff.; 2, 601 ff. 449 ) Buch der Natur •118) Krankheitsnamen s. v . 450 ) 1. c. 451) 452 ) 19. Weib 3, 2 4 9 — 2 5 6 . 4S3 ) 1 , 1 6 0 fi. 168; 2, 6 o o f f . 652. Hovorka454 ) 5, 4, E x t . I K r o n f e l d 2, 605. ( = 247, 455 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 17 K e m p f ) . 1, 161 45e ) 457 ) (mit Bild). S t r a c k Blut 97. Hovorka-Kronfeld ι, 160—62; Wyss Milch 5 A . 2; A R w . 13, 545; BlhessVk. 1906, 182. 458 ) B l p o m m V k . 8, 61. 459 ) P l i n i u s 28, 73. 46 °) A n t h r o p o p h y t e i a 2, 261. 4 β 1 ) Z f V k . 1907, 4β2 170; Z r w V k . 1904,96; W . 5 4 2 . ) W . 542. 4«3) H i l l n e r 51 Nr. 1. 4β4 ) B l p o m m V k . 8, 128, 106. 465 ) Urquell 5, 252; J a h n Pommern Nr. 5 5 1 . 466 ) M e y e r 467 ) Baden 388. L a m m e r t 137; vgl. aber 1 1 5 . 4e8 ) B a r t s c h 2, 124, 491. 4e9 ) H ö h n Tod 314.

23. Auch den Frauen saugen die H e x e n die M. ab (vgl. M.hexen) und machen damit allerlei Zauber 470). Waldschmidt erwähnt die Zeugnisse von dem Jesuiten Delrio und von Bodinus, nach denen die Hexen den Frauen die M. rauben 4 7 1 ). In Mähren trinkt die Drud während der Nacht den Frauen die Brüste aus 472). Die Wanderzigeuner glauben, daß der Vampir die M. einer verstorbenen Wöchnerin austrinke; sie legen der Toten daher unter jeden Arm je zwei Eier mit dem Spruch: wenn verfault dieses Ei, auch die M. vertrocknet sei 473). Wenn bei den Zigeunern das Kind an der Brust nicht trinken will, glaubt man, daß ein Dämon, das Phuvusch-Weib, ihr Kind an der Brust habe trinken lassen; die Frau legt dann Zwiebeln zwischen die Brüste und sagt den Spruch 474) : Phuvusch-Weib, Phuvusch-Weib, K r a n k h e i t fresse deinen L e i b ! Deine Milch soll Feuer werden Fließe, fließe meine Milch

Die Tochter des Küsters zu Waddewarden gab 1592 an, mehrere Hexen seien ins

282

Schlafgemach eingedrungen, hätten an ihren Brüsten in roher Weise gemolken und die M. in einem goldenen Napf gesammelt, um sie zu Zaubereien zu gebrauchen 47S). In Diekirch entziehen die Hexen und Zauberer den Wöchnerinnen die M. aus der Brust 476). Im Passeier erzählte man von der Langtüttin: Diese lief den Kindern nach und bot ihnen ihre Brüste an; die eine Brust war mit M. gefüllt, die andere mit Eiter 477 ). Nach Paulus Zacchias wird die M. der Mütter durch den bösen Blick der weissen Frau ausgetrocknet 478). Wird die entblößte Brust einer schwangeren oder säugenden Frau vom Blicke eines Mörders oder Missetäters getroffen, so versiegt die M. nach nordischem Glauben 479). Jeanette Gressor aus Granges wurde verbrannt, weil ihr Blick die M. der Frauen vertrocknen ließ 480). Die arabische Wöchnerin verdeckt zur Zeit des Stillens die Brust, damit sie nicht wegen des M.reichtums beneidet wird und so die M. zum Versiegen gebracht werden kann 481 ). Aus Angst vor dem Beschreien der M. verbirgt die Wöchnerin in Palästina die Brust; man darf auch die M. nicht beim rechten Namen nennen 482 ). Wenn bei den Arabern die Frauen wissen wollen, ob eine Wöchnerin genügend M. hat, fragen sie aus Angst vor Bezauberung: Wie ist dein Fluß; die Frau sagt dann: Es ist genügend Segen da 483). Nach einem alten Aberglauben in Frankreich kann man die M. in der Brust anhalten, wenn man „une clef creuse" auf den Busen legt 484 ). Besondere Angst vor dem Schadenzauber, der die M. versiegen läßt, haben die chinesischen Frauen 485 ). Schon im Mittelalter führt man das Versiegen der M. bei den Frauen auf die Dämonen zurück 486). Wenn in Siebenbürgen Truden der Frau die M. rauben, dann muß diese vor Sonnenaufgang zum Bach gehen und mit einem neuen Rutenbesen ins Wasser schlagen und sagen: Wai det Wasser vim Biassem sprätzt, esi sol de Malsch eus menger Brast sprätzten; äm Nime Gottes 487). 47 °) L i i b b i n g 1. c.175. 4 7 1 ) Pythonissa endorea das ist 28 Hexen- und Gespensterpredigten von

283

Milch

Μ. Β . W a l d s c h m i d t , F r a n k f u r t 1660, 253. 473 ) " ) G r o h m a n n 25, 121. P l o ß Weib 3, 4 5 7 ; vgl. 246. 474 ) P l o ß Weibs, 242. 4 7 5 ) L i i b b i n g Fries. Sagen 175. 4 , e ) G r e d t Luxemburg 4") 478 ) 480, 252. Z a u n e r t Natursagen 67. S e l i g m a n n Blick 1, Q9. 47β ) 1. c. 1, 93. 197. 200. 480 ) 1. c. I, 201. 4 8 1 ) 1. c. 2, 280. 482 ) S t e r n 483 ) Türkei 2, 319. S e l i g m a n n 1. c. 2, 373. 4 8 4 ) L i e b r e c h t Gervasius 241, 265. 485 ) P l o ß Weib 3, 243. 48) Oeconomia 403, 59. 420) S i e b e r Sachs. Sagen 240. 421 ) F r a z e r I.e. 52. 422) S é b i l l o t 3, 83. 423) K u h n Westfalen 2, 159 Nr. 449; S a r t o r i Sitte 3, 196. 424) K ü h n a u Sagen 3, 21; M e i c h e Sagen 490, 638. 425) In Thüringen macht man drei Kreuze an die Tür: W i t z s c h e l Thür. 2, 262, 4; B a r t s c h 1. c. 2, 265, 1380. 42e) ZrwVk. 1913, 62. 427) K ü h n a u 1. c. 3, 41, 397. 42β) K ü h n a u I.e. 3, 69, 1428; vgl. B a r t s c h 2, 273, 1409. 42>) Sollen die Kühe viel Milch geben, so kauft man den Sommerkindern einen Sommer ab und steckt ihn über die Türe: G r i m m Myth. 3, 475, 1097. 43°) Meier Schwaben 397, 76; F r a z e r 2 (1, 2), 52; P r ä t o r i u s Verricht. 459. 431 ) M a n n h a r d t Germ. Myth. I 7 f i . ; ders. Baumkultus 161—62. « 2 ) S e l i g m a n n 1. c. 2, 78, vgl. 64. 43S) F r a z e r 1. c. 53. 434) M a n n h a r d t Germ. Myth. 33 Α. 4; F r a z e r 2 (1, 2), 52. 435) W i t z s c h e l 1. c. 2, 307, 2; vgl. 211, 34; R e i n s b e r g Jahr 247. Fest der Milchmädchen in Bodenwerder: S a r t o r i 1. c. 3, 196. 43 ·) H ö f l e r Volksmedizinische Botanik 53 fi.; L e o p r e c h t i n g Lechrain 169—70. 437) S c h ö n b a c h Berth, v. R. 132; vgl. die Zeremonie mit zwei Haselzweigen einer

331

Milchhexe

geweihten Osterkerze und Zauberformeln: S e l i g m a n n 2, 103. Wieras erwähnt bei „pecora, quibus per incubum lac abstrahitur" einen Zauberapparat mit Formeln, geschrieben auf ein Kreuz des Palmen, geweiht am Palmsonntag: curatio eorum, gui lamiarum maleficio afficiuntur c. 40 p. 455—56; B r e v i n u s N o r i c u s F a g o V i l l a n u s 351 berichtet vom folgenden Mittel: in dem Viehbarn soll man drei Kreuznägel von dem Holz einer Haselstaude geschnitten an Walpurgis anbringen, wenn die Kühe keine Milch geben. 438) S e l i g m a n n 2, 104; auch in Frankreich finden wir apotropäische Räucherung: ders. 2, 99. 439) M a n n h a r d t Germ. Myth. 16. 19—26. 553 Α. 2; d e r s . WFK. 270—71; W o e s t e Mark 25 e . ; F r a z e r 9 (6), 266—67; B a r t s c h 2, 258, 1348; für Schlesien: D r e c h s l e r 2, 109; der Sch. erhält Milchopfer: H ö f l e r I.e. 34; M a n n h a r d t WFK. ι, Ii. 41; 2, 84. 43. 44°) M e i e r I.e. 411 ) D r e c h s l e r 1, 115, 127, eine ähnliche Zeremonie in Irland, nur dient hier das abgeschnittene Gras als Amulett für die Milchkammer: S e l i g m a n n 2, 64; vgl. S é b i l l o t 3, 84 fi. 81; S c h ö n w e r t h 3, 172. **2) B a r t s c h 2, 270—273. 448 ) F r a z e r 10 (7, 1), 1 7 6 0 . ; T e t t a u - T e m m e 277; T o p p e n Masuren 71. 444) F r a z e r 1. c. 185; wenn die Kühe bei den Zulus keine Milch geben, machen sie eine Lustration mit Feuer und reiben das Opfertier mit Milch ein: F r a z e r 11 (7, 2), 13; vgl. § 20. F r a z e r 1. c. 180. 44e) F r a z e r 2 (1, 2), 127; S c h m i t z Eifel 1, 42 fi.; K u h n - S c h w a r t z 393 ff.; K u h n Herabkunft 163; K u h n Märk. Sagen 315 ff. ; E i s e l Sagen 210; D r e c h s l e r I, 123; für die Römer sind die von T i b u l l beschriebenen Ambarvalia zu vergleichen: T i b u l l 2, ι, 7 ff. " ' ) ZfVk. 1897, 148. 44e) F r a z e r 2 (i, 2), 127. 44e) F r a z e r 11 (7, 2), 74—75; K r a u s s Rei. Brauch 128. 4S0) BlpommVk. 10, 23. 4M ) K u h n Westfalen 2 Nr. 468; J a h n Opfergebräuche 310. 452) ZföVk. 1 , 2 5 1 ; 3,371, 394. 463) S c h m i t z Eifel 42—43. 464) K ü h n a u Sagen 3, 39, 1394; in Frankreich rieb man im 15. Jh. die Milchgefäße mit Kräutern ein, die in der Johannisnacht gesammelt waren: Séb i l l o t 3, 83—84; vgl. 94 das Einreihen der Füße. 4 " ) M a n n h a r d t Germ. Myth. 6 Α. 3. 4M ) S e l i g m a n n 2, 78; der toskanische Bauer streut am Palmsonntag Wachholder in den Stall: G u b e r n a t i s Tiere 205. A R w . 9, 452; K n u c h e l 86; K r a u s s Südslawen 125; F r a z e r 2 (1, 2), 340; S é b i l l o t 3, 85. «») F r a z e r 2 (1, 2), 338 ff. ; in diese Gefäße melken die Walachen die Milch der Schafe, den Käse bekommen die Hirten: vgl. A. 282; in Irland bekränzt man die Milchgefäße mit Zweigen des Vogelbeerbaums: F r a z e r 1. c. 53. 45e ) Globus 4il) 61, 280. 4β0) A r n a u d o f f Bulgarien 41. 462 ) B e l o v i c 1. WienerZfVk. Suppl. 15, 32. c. 237; zur Kraft der Zweige an Weihnachten: 4e3 ) Mitteil. d. WienerZfVk. Suppl. 15, 232. anthrop. Ges. Wien 14, 43. 4β4) 1. c. 20.

17. Nicht aller prophylaktische Wider-

332

zauber ist an die Zeiten erhöhter Vegetations· und Hexentätigkeit gebunden. In Schlesien 465) bekommt die Kuh an W e i h n a c h t e n Brot und Salz und apotropaeische Kräuter 468 ) wie Knoblauch u. s. w. ; oder man verabreicht sonst Kräuterbrot 467) ; man streicht an Silvester die Kühe mit Ruten, damit sie Milch geben 468). In Thüringen 46e) räuchert man die Milch mit g Holzarten und gibt auch den gepipten Teil 4,°) des Brotes gegen Antun und für den Milchreichtum der neumelkigen Kühe. Besonders bei diesen Kühen, die das erste Kalb haben, fürchtet man Schadenzauber; ein alter Papiercodex gibt ein Mittel 471 ) : item so ain chue ain erstchalb trait, so nympt die peyrinn ain aichenlaub und steckt en mitten ain nadel darin, vnd legt es enmitten in den sechter, vnd nympt dan das uberrukh mit dem hör und spindel ab dem rokehen und stekcht es auch enmitten in den sechter, dann kann die Milch nicht genommen werden. In England zieht man der Kuh nach dem Kalben eine brennende Kohle 472) kreuzweis über Kreuz und Bauch; die Milch der erstkalbenden Kuh muß man vor allem vor dem bösen Blick schützen, indem man die Schürze über den Eimer deckt 473 ), Salz hinein wirft 474), hinein spuckt 4 7 S ). Um allgemein die Milch der Kühe zu schützen, finden wir in Ostpreußen 47e ) die bekannte Warnung, die Milchmenge nicht zu verraten ; man nagelt in Tirol 477 ) ein Stück Pergament an die Milchkammer, schützt in Pommern und Mecklenburg den Stall durch den Kreuzdorn 478), treibt in Schwaben 4 7 i ) das Vieh durch Feuer oder hält im Stall einen schwarzen Bock 48°), damit die Hexen die Kühe nicht reiten. Wieder weiß die Dresdener Handschrift (M 206) einen seltsamen Widerzauber 4 8 1 ) : man schneidet am „Sampsthage in der Goltfasten" ein Stück Holz aus dem Galgen, dann legt man den Span „unter die schwellen an der thuer des Kuestalles" dann ist man von Milchdieben sicher; wenigstens bazillentötend wirkt das Reinigen der Milch mit kochendem und fließendem Wasser in Schottland 482) ; in Schle-

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Milchhexe

sien 483 ) reinigt man das B u t t e r f a ß mit Karfreitagswasser. In Schleswig-Holstein 484) spricht man einen Segen über die Milch, damit sie über N a c h t nicht verhext wird. W e n n man bei uns eine K u h im Frühling zum ersten Male melkt, so geschieht das durch einen Epheukranz 4 8 S ) ; die Huzulen melken die neumelkige K u h durch den Trauring 486 ) ; den Melkeimer bewahrt man vor den Blicken 487 ) Fremder, in Baden (Liedolsheim) stürzt man den Melkkübel über den K o p f , wenn man in den Stall geht, um viel Nutzen zu bekommen 488 ). *65) D r e c h s l e r i, 36; 2, 110; in Siebenbürgen läßt man die Kühe Salz lecken und vergräbt das unter der Gemeindetür, dann geben sie gute Butter: H a l t r i c h Siebenbürgen 277, 6; vgl. M ü l l e n h o f f 229, 338; 230, 339. 4ββ) In Böhmen wirft man am Christabend Brennesselwurzeln in die Milch und gießt sie an Epiphanie auf den Mist: S e l i g m a n n 2, 57. 4β7) S e l i g m a n n 2, 103—04; in England gibt man der ersten nach Neujahr kalbenden Kuh vom Weihnachtsmistelzweig: F r a z e r 11 (7, 2), 86, nach Zimmermann (Brevinus Noricus 190) gibt man den Kühen am Karfreitag W e i ß w u r z vor Sonnenuntergang. 468) Z f V k . 1894, 317; vgl. den Zwölftenbesen in Mecklenburg: B a r t s c h I.e. 2, 248, 1 2 8 3 b — e ; vgl. 244, 1266. m ) W i t z s c h e l 2, 271, 63. 4 '°) ders. 2, 265, 18. 471 ) G r i m m Mythol. 3. 416, 18; M a n n h a r d t Germ. Myth. 23—24. 172 ) M a n n 473 h a r d t I.e. 24. ) S e l i g m a n n i, 235; vgl. bedecken. 474) ders. 2, 35; vgl. S é b i l l o t 3, 85; F r i s c h b i e r Hexenspruch 15; Z f V k . 1905, 144. 47S ) S e l i g m a n n 2, 209. 1, 298; wenn die Bäuerin in Pommern ein Kalb tränkt, spuckt sie dreimal in die Milch, damit sich die Kuh nicht verfange: BlpommVk. 10, 34, 45. 47e) ders. 2, 262. 4 " ) H e y l Tirol 804, 269. 478) S e l i g m a n n 47>) 2, 74. Birlinger Volksth. 2, 66, 76. ω ο ) ders. I, 307. 327, 538. 323, 524, 1; M e i e r Schwaben 194, 218; H a n s e n Hexenwahn 46, 3; B r e v i n u s N o r i c u s 115 fi. 481 ) S c h ö n b a c h 1.e. 132. 482) S e l i g m a n n 1, 310. 483) D r e c h s l e r ι , 85,90. 484) M ü l l e n h o f f 516, 30; vgl. B i r l i n g e r Schwaben 1, 457. 485) S e l i g m a n n 2, 61; vgl. 59—60. 48e) Globus 69, 386; vgl. S e l i g m a n n 2, 231; ZföVk. 1902, 115; ebenso in Landshut: P o l l i n g e r Landshut 155. 487) S e 48S) l i g m a n n ι , 235. M e y e r Baden 403; W. 704; in Frankreich sagt man Segensformeln beim Melken: S e l i g m a n n 2, 352.

18. D e r W i d e r z a u b e r i n d e n e i n z e l n e n F ä l l e n : Großes Vertrauen hat das V o l k zu heiligen und geweihten Dingen, Personen, Zeremonien, Gebeten u. s. w. : in Burglinster 4 8 ·) segnet der Pfarrer die behexte K u h (Pfarrer können

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bannen) 4*°). In der Franche-Comté bohrt man ein Loch in das Horn und t u t ein wenig von der Oktoberwachskerze hinein 481 ). In Prachotiz g a b ein Bauer einer Bäuerin, deren K ü h e keine Milch gaben, folgende Mittel an : Sie schabte von einem Ziegelstein, den sie von der lutherischen Kirche genommen hatte, immer etwas in die Tränke. Nach und nach holte die Bäuerin alle Ziegel; da sprangen die K ü h e wild umher 492 ). Die Magd eines Vikarius in K r e f e l d schickt die K ü h e , als sie von der Weide nach Hause kommen und nicht genug Milch geben, im Namen der 1000 Teufel fort und befiehlt ihnen, ihre Milch zu holen; die K ü h e gehen vor das H a u s einer M., brüllen heftig, kehren zurück und geben die normale Milchmenge 4 9 3 ). G e i l e r v o n K a i s e r s b e r g erwähnt in der angeführten Predigt, nachdem er die natürlichen Ursachen erörtert hat, welche ein Versiegen oder Verfärben der Milch hervorrufen können, auch erlaubte Abwehrmittel gegen den Zauber des Teufels; er warnt vor Widerzauber 494 ), aber empfiehlt Gebet 4 9 5 ): darumb ist erfahren . . . worden, das ein frumber mensch . . . hat gebetet drü Pater noster und drü A v e Maria und das zeichen des creutzes über sie (die K u h ) gemacht und ist in die milch wider kumen. E i n Nürnberger 49e ) A u t o r des 17. Jh. meint auch: „ v o r dergleichen Bosheiten kann nichts besseres dienen, dann ein eifferiges Gebet eines HausVaters". A u c h heute noch beten in Baden 497 ) Hexenmeister und Eigentümer in den 3 heiligen Namen. W e n n auf der Alm 4 9 8 ) die K u h rote Milch gibt, so k o m m t der Pfarrer, treibt mit dem Weihwasser 499 ) die Geister aus und segnet die rote Milch ; die Sennerin betet das Evangelium Johannis, zündet Kerzen an, richtet gesegnetes Salz (soll eine K u h gute Milch geben, so gibt man ihr geweihtes Salz) ε0 °), geweihtes Brot und Ignaziwasser 5 0 1 ) ; denn vor allem Geweihten S02) fürchten sich die H e x e n ; der N a m e Jesu 503 ) auf die T ü r und das Kreuzzeichen 504 ) sind erprobte A p o t r o p a i a ; in Trierland 505 ) m a c h t m a n vier K r e u z e mit R a h m auf die Türe ; in Oldenburg 5 C 6 ) legt m a n Stroh-

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Milchhexe

halme kreuzweise unter den Melkkübel, an dessen Boden man mit Kreide das Kreuzzeichen macht; in den Vogesen 507) kreuzt man die Zitzen beim Melken; man legt die Medaille des heiligen Benedikt 508) in die verhexte Milch ; in den Hexenprozessen wird geweihtes Salz und Palmen 50β) und Weihwasser s l °) erwähnt ; man mischt aber auch ruhig Geweihtes und Teufelsdreck (Asa foetida vgl. § 21) und Kehricht 5 1 1 ). Daneben existieren unverständliche und sinnlose Beschwörungsformeln: Wenn die Kühe durch Hexeneinfluß die Milch zurückhalten: man müsse schnitlach wurz nehmen und jeden der khue strichen 3 mahl daran melken, sodann ihro eingeben und sprechen: O braune . . . kuh, sech dir dein milch und bring mir mein milch also gerechter und also guter wie mir sie unser lieber herr Jesu Christ geben und geschaffen hat (Hexenaussage 1669 in Straßburg (Steiermark 512 ). „Nimb weichwasser und sprengs in den stall, nimm gunreben, geweicht salz und merlinsen; darauf spricht man: „ich gib dir heut gunreben, merlinsen und salz, und gang uf durch die wölken und bring mir schmalz und milich und molken "513)_ Wenn eine K u h rote Milch hat:

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Tanz Wasser ins Feuer gießen, um Regenund Milchreichtum zu erzwingen: Die Kühe sind Mütter der Butter, Die sollen sich bei uns mehren. Die Kühchen, die wollen wir baden.

Wenn einem Tier die Milch genommen ist, so nimm Brot und gib ihm davon dreimal und sprich jedesmal: Unberufen ist die Sonne, Unberufen ist der Mond, Unberufen ist der Herr Jesu Christ, Als er im Jordan getaufet ist 5 1 8 ).

Einen ähnlichen Zauber mit Salz und einem großen Zauberspruch führt A l p e n b u r g 519 ) an: Erzählung von Christus, der einer Frau Milch und Schmalz verschafft.

4 8 9 ) Gredt Luxemburg 479,251. 4 9 °) 1. c. 486, 267. 4 9 1 ) S é b i l l o t 2, 439; S e l i g m a n n 2, 103. 492) Jungbauer Böhmerwaldsagen 201. 493j W i e r u s Curatio eorum, qui lamiarum 4 9 4 maleficiis afficiuntur 40, 456, 8. ) Vgl. B e b e l bei H a n s e n Hexenwahn 261, 35 ff. 4 9 5 ) H a n s e n 4 9 e 1. c. 289, 32 ίϊ. ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 408. 4 9 7 ) M e y e r 1. c. 400. 498) V e r n a l e k e n Alpensagen 412. 4 " ) Globus 69, 386; vgl. ZföVk. T> 251; 3. 3 7 1 . 394· 5 0 °) F i s c h e r Wb. 4, 797. 5 0 1 ) E . H. M e y e r Deutsche Vk. 199. 6 M ) Vgl. den Segen bei G r i m m 3, 502 Nr. 37; in Tirol gibt man den Kühen, damit sie Milch geben, das Gefeilte von einer geweihten Glocke: Z i n g e r l e Tirol 220,1754 ; gegen rote Milch berührt man das Euter mit einer geweihten Osterkerze: L a n d s t e i n e r Nied röst rreich 59 ff.; vgl. W i e r u s Eine rote Kuh hab ich gesehen, Curatio 455—56 (geweihte Palmen); S é b i l l o t Die die Blattern im Kopf, im Maul und im Leib, 2,439: Osterwachs i n d i e Hörner; M ü l l e r 98 fi. D a ß sie so geehrt sei, ! 5 0 3 ) A l p e n b u r g 261; Bavaria 2 a, 301—2. Wie der Kelch und der Wein ι 6 0 4 ) A l p e n b u r g I . e . ; B a r t s c h I . e . 2, 265, 505) Und das liebe Himmelsbrot J 1380. M a n n h a r d t Germ. Myth. 25. 5 1 4 ). 6Íe) S e l i g m a n n I m Namen 1, 343. 5 0 7 ) S é b i l l o t 3, 86. 6 0 8 ) S e l i g m a n n 1, 339; im Saarland läßt man Aus einem deutschen Beschwörungsbuch: das Vieh Wasser saufen, in dem ein BenediktusJ . Kreuz Jesu Christi Milch goß pfennig liegt, wenn die Butter oder die Milch verWasser goß hext i s t : F o x Saarland. Vk. 281; oder man legt Haber goß in das Milchgeschirr aus Zwetschgenholz einen Ablaßpfennig : ZfVk. 11, 257; nach dem Carnefix Diese Worte auf drei Zettel geschrieben, exarmatus id est ecclesiastica Apotheca Wiblingdarnach nimm Milch von der kranken ensis ist der Benediktuspfennig gut „wann die K u h und diese drei Zettel: Schab etwas Küh rothe oder die Milch keinen Rahm g i b t " : von der Hirnschale eines armen Sünders; B i r l i n g e r Schwaben 1, 428. 6 0 9 ) SAVk. 1899, 213 (1544). 301 (1548); vgl. W r e d e Rhein. Vk. tue das in einen Hafen und sei es wohl; 6 1 °) 215. Hexe in einem Luzerner Prozeß dann muß die Hexe krepieren 515 ). (1526): SAVk. 1899, 190; vgl. A. 327—29. Bei entzogener Milch spricht man S 1 1 ) S e l i g m a n n 2, 104. 61i ) B y l o f f (193°) 613) G r i m m nach einem Neustettiner Zauberbuch: 35, 48. Myth. 3, 502 Nr. 37; die vielen Sprüche aufgezählt von Selig Die Milch zieht, das Wasser fließt, Wasser m a n n 1, 355—59; vgl. 2, 379; K r a u s s Rei. du sollst fließen, wie der Regen aus den Brauch 47—48; S é b i l l o t 3, 85. 5 1 4 ) K u h n Wolken fließt516). Gesemann 517 ) vergleicht Westfalen 2, 212, 605. 5 l ) ZfEthnol. 25, 28 ff. Nr. 19. 6 1 6 ) BlpommVk. 7, 25. " ' ) O l d e n b e r g damit den Spruch der Mägde im alten Die Literatur des alten Indien 1903, 204; GeseIndien, wenn sie am Sonnwendtage bei

337 m a n n Regenzauber 33 t. t l e ) H ü s e r 2, 27; vgl. A. 350. " * ) Tirol 3 1 1 fi.

Milchhexe Beitr.

19. Weiterhin holt das Volk zur Abwehr bald seine bewährtesten nicht geweihten Apotropaia 6 2 0 ) hervor, und bald greift es zu den einfachsten Maßnahmen. In Mecklenburg£21) gibt man der Kuh morgens nüchtern die eigene Milch wieder. Aus einem deutschen Beschwörungsbuch: Wann einer Kuh die Milch genommen, wie ihr zu helfen : Gib der Kuh drei Löffel voll von der ersten Milch, sprich zu der Blutmelen: fragt dich jemand wo du die Milch hingetan hast, sprich: Nimmfarn ist gewesen und ich habe sie gegessen, im Namen bete dazu, was du willst 622). In Ellwangen 523) (Württemberg) leert man 3 Häfen voll sauber abgerahmte Milch (als Gegenopfer) hinter sich, in Sachsen624) gießt man Milch unter die Krippe ; nach einem Schweizer525) Protokoll genügte es, der Hexe ein Maß Mehl zu schenken ; in Schlesien 62β) zieht man zweierlei Schuh an, im Mittelalter holte man den Vaganten 527), später den Scharfrichter 528) oder eine mächtigere Hexe K9 ), welche die Ligatur der schwächeren lösen kann. Die Kühe des Schmiedes in Göhlen melken Blut ; man geht zum klugen Mann nach Sembten; der rät, man solle niemand, der auf dem Hof etwas verlange, was geben 530). Sehr einfach verprügelt der Schwabe 531 ) die Kuh und damit die Hexe, am wirksamsten ist nach bayrischem 53J ) Glauben eines Bettelmanns Stock {— Haselstecken); nach altem deutschen Aberglauben läßt man einen Hengst aus dem Milcheimer trinken 533). Hat eine Kuh blaue Milch, so setzt man einen Napf voll davon vor den Torweg; fliegt ein Vogel darüber, dann wird sie wieder gut 534). Gibt eine Kuh nicht reichlich Milch, so muß man von der Milch in des Nachbars Brunnen gießen; dann geht das Übel in des Nachbars Kuh über 53B). M0 ) S a r t o r i Sitte 2, 143. tl!1 ) B a r t s c h 2, 1 5 1 , 679; ZföVk. 4, 307 (Erzgebirge); Globus 69, 386 (Huzulen); S e l i g m a n n 1, 396. ' " ) ZfEthnol. 25, 28, 18. t2S ) E b e r h a r d t Landwirtschaft Nr. 3, 18. S M ) Meiche Sagen 491, 638; vgl. S e l i g m a n n 1, 282. s » ) SAVk. 3, 39. " · ) K ü h n a u Sagen 3, 38, 1392. " ' ) S p i e g e l Gelehrten-

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proletariat und Gaunertum. Programm Schweinfurt 1902, 19. M8 ) K i i h n a u I.e. 3, 188. 220; K e l l e r Grab des Aberglaubens r, 206. 62í ) Séb i l l o t 3, 85; vgl. S e l i g m a n n 1, 332; die Hexe wird auf den Hebriden öffentlich ausgescholten. H0 ) G a n d e r Niederlausitz 21, 57. 5 3 1 ) Meier Schwaben 179, 196; ebenso in Siebenbürgen: Müller Siebenbürgen 150, 2 1 5 ; vgl. 139, 198; über eine andere Art, die Hexe zu quälen: SAVk. 1907, 141 ff. : Schwanzhaare der Kuh auf Haspel gedreht. 632) L e o p r e c h t i n g I.e. 169—70; M a n n h a r d t i, 272. i 3 3 ) G r i m m Mythol. 3, 463, 820. 6M) K u h n Westfalen 2, 62, 190; ders. Nordd. Sagen Nr. 367. 53S ) K u h n Mark 379, 29.

20. Neben diesen simplen Kuren werden die Apotropaia gern zu massivem Vorstoß vereinigt: Beim Notkochen wirken Wasser, Feuer und (spitzer) Stahl, oft noch eine heilige Zahl oder Geweihtes zusammen, dazu gehört fast immer das Schlagen mit Hasel- oder Dorngerten, also ziemlich alles, was die Hexe verabscheut und flieht. Durch das Notkochen soll sympathetisch durch das Feuer, das Stechen, Schlagen und Peitschen die Hexe getroffen, verbrannt und herbeigezwungen werden. In der Schweizer Volkspraxis siedet man die Milch 1 ¡ í¡ Stunde in einem Eisenkessel und sticht währenddem mit einer Gabel hinein, läßt vor allem niemand ins Haus ; wimmernd bittet die Hexe um Einlaß 536 ). Als ein Mittel gegen Milchraub wird in der Zeugenaussage eines Innsbruck r Prozesses (1845) erwähnt: „das sy den milchkübel yber das für henken solt und solt den slahen in des tüfels namen, so müst die person kommen" 837). Der kuriöse Künstler (1705) rät, die Milch auf glühende Kohlen zu gießen, „darvon werden dann dergleichen Gabel-Reuterinnen und Hexen dermaßen geplagt, daß sie nirgend ruhen können" 538). Sehr wirksam ist Kohle 539) vom Karsamstagfeuer oder das Kochen in WeihnachtswasserM0) gegen blutige Milch. Neuerdings hat Freudenthal das Notkochen behandelt M1 ). Eines der interessantesten im Geiste der Aufklärung geschriebene Werken „Gegen den Aberglauben" von M. E. U. Keller (Superintendent in Wildbad) enthält Dialoge gegen den Milchzauber; die Erscheinung der blauen Milch wird natürlich aus bestimmten Kräutern und aus dem Alter der

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Kühe erklärt 542 ). Das 5. Stück handelt von der roten Milch und dem Gegenzauber 543) : Kreuz und Trottenfüße, Milch kochen und mit Dornstecken schlagen 544 ), Pulver vom Bamberger Kloster 545 ). Ist den Kühen die Milch bezaubert / so melken sie durch alte Besen / und sengen die am Feuer oder schlagen den Milchkübel mit w e i ß e n Stecken / oder sieden die Milch / und stechen mit Messern darein / das tut den Hexen so weh / daß sie die Milch wiederkommen lassen 546 ) (Praetorius). In der Schweiz kocht man die verhexte Milch in einen Topf und rührt sie mit Kelle und Haselgerte 547 ) oder mit einer glühenden Kuhkette 548 ). Bekenntnis einer Hexe (Straßburg in Steiermark 1669) : man müsse ein roßhuef nagl, so auf der Straßen gefunden, nehmen, denselben ins feuer werfen und glühend lassen werden, solchen dann in die Milch legen 54e ). Ein Musterbeispiel haben wir bei Leoprechting 5S0 ). Man melkt die Kuh an drei Zitzen, stellt die Milch in einer e i s e r n e n Pfanne über F e u e r , läßt sie sieden, ohne daß sie überläuft, und peitscht sie mit H a s e l r u t e n £S1 ) (ebenso im Rheinland 552) ) von einem einjährigen Trieb, g e w e i h t am Palmsonntag; zuletzt löscht man einen glühenden, geweihten Stahl in der Milch, bis dieser die Milch verschluckt hat; in diese hat man vorher drei Haarbüschel 553 ) der gemolkenen Kuh, Salz und Ofenruß geworfen; der Scharfrichter in Reichenau 5S1 ) macht das Feuer mit siebenerlei 5δδ ) Holz an, ein Hexenmeister im Braunauer 5 5 e ) Ländchen wirft Hufnägel, Stecknadeln 557 ) und Glasscherben in einen irdenen Topf; in einem Luzerner Prozeß (1500) wird geraten 55β ) : altes Holz, das der Bach anschwemmt, dörren, damit und mit geweihten Kerzen und Palmen ein Feuer machen, die Milch auf die Hälfte einsieden und sprechen: „je mehr du, Milch, siedest, je weher tut es dem, der dir etwas angetan h a t " ; denn bei all diesem Zauber soll ja die Hexe gequält und gezwungen werden, die Ligatur zu lösen; es genügt auch, was das Journal (1790) für Worms berichtet 55 ·) : rothe Milch

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einer behexten Kuh muß kochend mit ruthen gepeitscht werden, der schmerz zwingt die Hexe sich zu melden und die Kuh zu heilen. Nach Bergischer 56°) Überlieferung schneidet man nachts um 12 Uhr die kochende Milch mit dem Messer k r e u z w e i s e ; nach einem alten bayerischen 5el ) Aberglauben sticht man in die benommene Milch, in der Schweiz mit einer Gabel εβ2 ). Daneben ein altes Simmentaler Rezept 5 β 3 ) : nimb Milch von dem Veich, und Horn, thu es in ein Rinder Blatteren, henk sie in ofen, welcher sehr heiß ist, daß sie verbrönne, es wird bald besser; es genügt auch schon, die Milch zu sieden 564), und den mit Lehm verklebten Topf über das Dach zu werfen 565) ; die Haut der gekochten Milch heißt Hexe 5 8 6 ). Wenn eine Spoha (eine noch nicht vom Bock belegte Ziege) Milch gibt und man bewahrt die Milch in einer Flasche auf dem Ofen auf, ohne etwas aus dem Haus zu leihen, wird die Hexe gezwungen, die Tat zu gestehen; andernfalls wird sie zerrissen (Laternser Tal 5 6 7 )). Wenn in Württemberg die Kuh rote Milch gibt, gießt man diese ins Feuer; dann muß sich die Hexe zeigen 56β ) ; in Mecklenburg569) gießt man drei Löffel Milch s t i l l s c h w e i g e n d ins Feuer. Alsein sehr gutes Mittel, die Hexen zu quälen, preist Luther das Ausschütten der verhexten Milch auf glühende Kohlen 570). In behexte Milch muß man drei glühende Kohlen werfen (Puddenzig in Pommern) 5 7 1 ); man muß den glühenden Küechlispieß hineinstoßen 572 ). Auch das Räuchern wirkt apotropaeisch ; so berichtet der bekannte St. Florianer Papierkodex E73) : item allew milichhefen stürzen sy auf den tisch und rauchentz, so stilt man in dy milich nicht. Wenn die Milch der Kühe verhext ist, muß man das Milchgeschirr mit Bärlapp kochen, dann räuchern und mit dem Wasser die Kühe begießen 574 ). Wenn bei den Südslaven die Kuh beim Melken sofort uriniert, ist das ein Zeichen der Verhexung; man fängt von dem Pißwasser auf und hängt es in einem Topf in den Rauch; dann muß die Hexe kommen 57S ). Nach Fischer muß man die Kühe,

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wenn sie schlechte Milch geben, mit sieben Kräutern räuchern, um damit die Hexen zu plagen 57e ). Das Egerländer Zauberbuch verordnet: Nimm von einer jeglichen Kuh ein bißchen Milch, läbe sie, als wenn du Käs machen wolltest, güße diese Milch in das Säcklein, worein der Schleedorn und hänge dieses alles j in Rauch so wird dir keine Hexe schaden können 877 ). Eine Luzerner Hexe (1500) empfiehlt, einen glühenden Pfannenstiel 578) in die Milch zu stoßen, und ein Graubiindener Hexenmann (1655) 579) rät, über die Milch mit dem Löffel ein Kreuz zu ziehen, den Rahm in die Dachtraufe zu gießen und einen glühenden Eisenhaken hineinzustoßen ; anderswo (in Baar) 580) gießt man die Milch über einen glühend gemachten Dreifuß und schlägt sie mit einer Haselgerte. Wie allgemein bei apotropäischen Maßnahmen verwendet man auch hier kaltes Metall, vor allem Eisen 581 ). In der Normandie verwenden die Bäuerinnen, wenn sie vom Markt kommen, zum Melken ein Gefäß aus Erz; damit halten sie die M. ab und bekommen eine große Menge Milch 582). An der Sieg schlägt man die Milch mit einem Messer, damit die Hexe auszieht 683). Eine der Zauberei angeklagte Hexe gesteht (Prozeß in Straßburg, Steiermark 1669) : Sie habe mit dem Messer in die Milch gestoßen und gesagt: Es seye nun ein Zauberer oder zauberin, so will ich die milch so lange stechen, bis ich meine milch wieder zu mir kann fechen; es sey nun weib oder mann do bring ich meine Milch davon 584). Haben in Braunschweig die Kühe oder Ziegen rote Milch, dann legt man Sicheln oder ein großes Messer kreuzweise über den Melkeimer 58S). In Thüringen legt man ein Dreikreuzmesser (Messer mit drei -J- •}• •}•) über die Türe 58e ). In Dirschel bei Katscher in Schlesien werden vor der Kuh, damit die Milch nicht versagt, zwei Eggenzinken kreuzweise in die Erde geschlagen M7 ). In Nordböhmen löst der weise Mann den Zauber durch den glühenden eisernen Zahn einer Egge 888). Im Hunsrück peitscht man die Milch an drei Abenden

342 58e

bei geschlossener Tür mit einer Sichel ) r ebenso bei den Deutschamerikanern 590) und im Saarland 5 9 1 ). Noch wirkungsvoller ist natürlich eine glühende Sichel 592 ) oder gar eine glühende Erbsichel 593 ). Auch Nadeln werden verwendet 594). Damit die Kühe immer Milch geben, werden drei Steine ins Butterfaß gelegt und mit heißem Wasser übergössen ; unter das Faß kommt ein Kamm und ein Feuereisen 595). Bei den Deutschamerikanern 590 ) schießt man mit einer Flinte, die mit Silbergeld geladen ist, in die Milch. In Württemberg melkt man an drei Freitagen auf dem Boden des umgekehrten Melkkübels und schüttet die Milch ins Feuer 597 ). 63e ) Müller Uri 1, 102, 136; vgl. V o n b u n Beiträge 82. » ' ) B y l o f f 11, 10. «») Germania von Pfeiffer 22, 260; K e l l e r Grab5,95ff·! 53e vgl. Huß Aberglaube 28. ) H ö r mann Tirol 54 59. °) V o n b u n Sagen2 153 f. M 1 ) Fetter (1931) 99 ff. Stuttgart 1786, 94 ff. 6 " ) 1. c. 153 ff. s " ) I . e . 164 ff. « « ) l . c . 173 S"') Blocksbergs Verrichtung 116; W a l d s c h m i d t Pythonissa indorea 291 ff. 547 ) Müller 1, 100, 134. " " ) I.e. 1 , 1 0 5 , 141· M9 ) B y l o f f 35,48. 65 °) Lechrain 30—31; vgl. DG. 15, 29; S c h i n d ler Aberglaube 290; Müllenhoff Sagen1 558; J o h n Westböhmen 203; ZföVk. 6, 124; Z a h l e r Simmental 1 1 6 (ausführlich beschriebener alter Gegenzauber); F i s c h e r Aberglaube 140: T h a r sander 3, 789; J . S c u l t e t u s Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberwesen (1598) 126; P r ä t o r i u s Verrichtung 116. 1 1 7 ; K e h r e i n Nassau 2, 260, 138; Globus 61, 280; SAVk. 1898, 109 (man wirft der Katze = (Hexe) heiße Butter ins Gesicht); F i s c h e r Oststeierisches 125 ff.; Wolf N.S. 370 ff. 6 M ) ZfVk. 1901, 7. 9 f f . ; die Milch wird in den Sautrog getan und mit Dornen gestrichen: ZfVk. 1897, 195; auch im Rheinland schlägt man mit einer Haselrute in die siedende Milch ZrwVk. 14 (1917), 63. " 2 ) ZrhwVk. 14, 63. 563 ) Vgl. den Haarzauber auf den Orkaden: S e l i g m a n n 1, 288; Sébillot 3, 86; nach B. C a r r i c h t e r Gründliche Heilung zauberischer Schäden (1551) 31 tut man Milch und Haare der Kuh in einen Topf und verklebt den mit Teig; in der franz. Schweiz dreht man 9 Schwanzhaare der Kuh auf einer Haspel, um die Hexe zu quälen: SAVk. 1907, 141 ff. 554 ) K ü h n a u Sagen 3, 188. 6 «) W i t z schel I.e. 2, 271, 63; B a r t s c h 2, 52, 129; ZfVk. 1901, 70, 10. " · ) K ü h n a u 3, 91, vgl. 95 u. 100. s67 ) Ähnlich in Ostpreußen: S e l i g m a n n 1, 286; W. 417; vgl. S é b i l l o t 3, 86; bei den Ruthenen steckt man in die Löcher des Siebes Stecknadeln: Globus 61, 281; Beilage zur allgemeinen Literaturzeitung 1903 Nr. 202. 568 ) SAVk. 1899, 103—4. 5 " ) Grimm

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Milchhexe

1.e. 3, 452, 540; öfter geraten: B i r l i n g e r Schwaben 1, 408; ders. Volkst. 1, 324, 527; D e t t l i n g Hexenprozesse 31. 32; K e l l e r Grab ι, 206; W. 700. 701; ZfVk. 1901, 8 ff. ( = L e o p r e c h t i n g 31). 15 ( = G r o h m a n n 134, 975). fieo) S c h e l l Berg. Sagen 51, 78. 79; ZrwVk. 1904, 205. 6 e l ) Bayrische Hefte 1914, 233, 64; vgl. S c h e l l 288, 54; P a n z e r Beitrag 2, 280—81 Nr. 27; F o g e l Pennsylvania 179, 858; in Bulgarien gehört zum Zauber, daß die Bäuerin nackt die Herde dreimal umgeht. 662) M ü l l e r 1, 102, 136. 6β3) Z a h l e r Simmenthai 117 A. 1. i M ) SAVk. 1898, 271, 174; K e h r e i n Nassau 2, 260,138; K e l l e r Grab 5,94—97.700; S c h e l l Berg. Sagen 288, 54. 5e5 ) L e o p r e c h t i n g 1. c. 48; vgl. A. 354. δ6β) B r o n n e r Sitt' und Art 157; S o l d a n - H e p p e 2, 367. 6e7) Mündlich von Löwenwirt Vith Laterns. δβ8) F i s c h e r SchwäbWb. 4, 797. 1666. 6ββ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 137, 602; genau so bei den Deutschamerikanern: F o g e l Pennsylvania 170,813, vgl. 178, 855; ähnlich: ZfrwVk. 1913, 143; in Lancashire stößt man einen Feuerbrand in den Rahm: M a n n h a r d t Germ. Myth. 17 u. A. 6; S e l i g m a n n I, 314 (Norwegen); vgl. auch den Gegenzauber mit Feuer bei verhexter Butter: F r a z e r 7, 1, 322; vgl. 7, 1, 176 f. 185; W. 417; im Muotatal wirft man der Katze ( = Hexe) heiße Butter ins Gesicht, worauf die Bäuerin 570 ) Brandwunden zeigt: SAVk. 1898, 109. K l i n g n e r Luther 77; B i r l i n g e r Schwaben 1, 408 (17. Jh.); in der Pfalz schlägt man die Milch dazu mit 3 Stöckchen von einem einjährigen Rosenstock: S e l i g m a n n 1, 315; vgl. M a n n h a r d t Germ. Myth. 24. 671 ) BlpommVk. 7. 23,9. 672) V o n b u n Sagen2 i s i f f . ; E b e r h a r d t Landwirtschaft Nr. 3, 18; vgl. S e l i g m a n n 2, 245; W l i s l o c k i Magyaren 23 (glühende Kohlen 573 ) zum Lustrationszauber mit Wasser). G r i m m Myth. 3, 419, 50; vgl. W i t z s c h e l Thüringen 2, 271, 63 (Räucherung der Kühe); K ü h n a u Sagen 3, 99; B a r t s c h 2, 52, 129; man nimmt von 10 Türschwellen Holz und räuchert den Teufel hinaus: H a a s Rügen5 7 5 — 76, 134; 1596 brannte Pyritz in Pommern beim Räuchern: BlpommVk. 9, 3. 574) B ö c l e r Esthen 143 fi. 575 ) Anthropophyteia 1, 8 ff. mt Nr. Ii. ) F i s c h e r Aberglauben 1, 140. 577 ) Egerl. g, 18; vgl. S e l i g m a n n 1, 319. i78 ) 679) SAVk. 1899, 112. S c h m i d und S p r e c h e r 87; vgl. A l p e n b u r g 264; V o n b u n Beiträge 82; K ü h n a u Sagen 1, 171, 179. 680) S e l i g m a n n 1, 314. 5 e l ) S e l i g m a n n 2, 8, alles Material bei L i e b r e c h t Gervasius 99 ff. und bei H e c k s c h e r 383. 682) D e N o r e Coutumes 265 bei L i e b r e c h t Gervasius 100; vgl. Butter. ™3) Vf rede Rhein. Vk. 135; vgl. F i s c h e r Oststeirisches 125 ff. ) D r e c h s l e r 2. 180. " ) R o c h h o l z Glaube 1, 68. Zum ganzen Abschnitt vgl. Leonh. K o r t h Mittagsgespenster (Köln 1915), ferner auch den Abschnitt über polnische Mittagsgötter bei J. St. B y s t r o n

(Krakau 1916).

Zwyczaje

zniwiarskie

w

Polsce

Jungbauer.

Mittelfinger s. F i n g e r § 17. Mitternacht. Einteilung: 1. Allgemeines. 2. Geisterwelt. 3. Gefahren. 4. Abwehr und Schutz. 5. Günstige Zeit. 6. Volksmedizin. 7. Zukunftserforschung u. a.

I. Die Zeit, wo die Sonne am tiefsten unter dem Horizont eines Ortes ist, ist der H ö h e p u n k t d e r N a c h t (s. d.), die alles den Menschen anheimelnde Leben mit ihrem Schleier umhüllt. E s ist aber auch ein W e n d e p u n k t , da um M. zwei Tage miteinander r i n g e n u n d besonders deshalb, weil die Zeit des Sonnenaufganges und des Sonnenunterganges (s.d.), wie die Dämmerving (s.d.), der Abend (s. d.) und auch der Mittag (s. d.), sehr geeignet für allerlei Zauber 2 ) ist, was die Dunkelheit der Nacht, die man sich zu M. am tiefsten denkt, an sich schon

419

Mitternacht

begünstigt. Denn der menschliche Geist muß in Dämmerung gehüllt, muß umnachtet werden, wenn die Mächte des Zaubers walten sollen. Er darf nicht reden, muß alles Persönliche ausschalten, sich ganz dem unpersönlichen allgemeinen Naturwalten unterwerfen 3). Genauer bezeichnet man die Stunde vor 12 Uhr nachts, auch die Stunde von 12 bis ι Uhr nachts, zuweilen auch ganz allgemein die Stunde um M., als die M.sstunde, die G e i s t e r s t u n d e oder schwarze Stunde4). Dies ist auch bei den Franzosen „la grande heure, celle des merveilles et des épouvantements" 5 ). Die Bedeutung dieser großen S t u n d e der W u n d e r und des S c h r e c k e n s erhöht sich an bestimmten kirchlichen und altheidnischen Festtagen, so in der Christnacht, Silvesternacht, Nacht vor Dreikönig e ), Nacht vor dem Karfreitag, vor dem Walpurgistag und vor dem Johannistag 7 ). In der Weihnachtsm. wird W a s s e r zu W e i n 8), allerdings nur, wie man in Nordböhmen sagt, solange ein Peitschenknall dauert s ). In der gleichen Stunde 10) oder in der Neujahrsnacht 11 ) r e d e n die T i e r e im Stalle und verkünden den Tod ihres Herren oder dessen, der sie belauscht. W u t t k e 57 § 64. 2 ) D r e c h s l e r 2, 191. W u t t k e 162 § 219. *) J u n g b a u e r Böhmerwald 200. s ) SébillotFo/A-Lorei.144. ·) W u t t k e 65 ff. § 75 fi. ') Ebd. 74 ff. § 87 ff. ») M ü l l e n h o f f Sagen (1921) 177 Nr. 263; D r e c h s l e r 2, 147; Z a u n e r t Rheinland 2, 157 f. 185. In Frankreich auch in der Johannismitternacht, vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 2, 374. Zur Erklärung vgl. P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 102. ·) P e u c k e r t Schlesien 75. 10 ) G l o n i n g Oberösterreich 38 f.; D r e c h s l e r 2, 85; P e u c k e r t Schlesien 75. u ) J a h n Pommern 455 Nr. 573; M ü l l e n h o f f Sagen (1921) 177 Nr. 263; Z a u n e r t Rheinland 2, 198. 3)

l)

2. Um M. zeigen sich die G e i s t e r , namentlich in der eigentlichen Geisterstunde von 1 2 — ι Uhr, von der es in Oldenburg heißt: Tüsken twölf un een Sund alle Geister to Been.

Doch kommt fast in gleicher Weise auch die 12. Stunde von 11—12 Uhr in Betracht 12 ). Und so treffen wir alle jene Gestalten, welche die Nacht (s. d.) über

420

wirken und walten, vor allem in der Zeit der M. Deshalb wird in Schlesien der w i l d e J ä g e r 1 3 ) geradezu M.sjäger genannt 14 ). Diesem Nachtjäger Schlesiens 15 ) gleicht der Hallojäger in Schwaben 1β ), der Hackelberg im Harzgebiet 17 ) u. a., die alle gern um M. erscheinen 1β ). Auf Rügen jagt der Wode von M. bis eine Stunde vor Sonnenaufgang oder zwischen 11 und 12 Uhr nachts M ). Nach einer andern norddeutschen Sage, in welcher der wilde Jäger die Rolle des Teufels spielt, ist seine Macht mit Ende der M.sstunde vorbei 20 ). Auch B e r g und W a l d g e i s t e r 2 1 ) kommen zu dieser Zeit oder N e c k g e i s t e r , wie der „lange Wapper" in Antwerpen 22 ) ; oft sind es ruhelose Tote (s. u.). Von Riesen weiß die Volksüberlieferung nichts zu berichten, dafür um so mehr von Z w e r g e n , für die um 12 Uhr nachts die Sonne aufgeht 2S ), weshalb sie auch von dieser Stunde an tätig sind 21 ), im Walde tanzen 2S ) oder in die Häuser kommen, etwa um eine Gevatterin zu holen 24 ). Zuweilen verschwindet aber ein Graumännchen auch punkt M. 27 ). Sonderbar ist, daß die Zwerge sogar einen Gottesdienst in der Salzburger Domkirche um M. halten 2β ) (s. u. Geistermesse). Bei H a u s g e i s t e r n wird selten, so beim Bobbele von Hohenkrähen 2*), die ganz bestimmte M.szeit angeführt. Beim W a s s e r m a n n heißt es das eine Mal, daß um 12 Uhr nachts seine Zeit vorbei ist 30 ) ; das andere Mal kommt er gerade um M.31). Allgemein verbreitet ist der Glaube, daß die W a s s e r j u n g f e r n , meist die Töchter des Wassermannes, beim Besuch von Tanzunterhaltungen oder Spinnstuben stets vor M. heimkehren müssen, soll sie nicht schwere Strafe oder der Tod treffen 32 ). Das gleiche wird auch vom verwünschten Schloßfräulein M ) und sogar von den Töchtern des wilden Jägers s Allgäu 2, 445. 228) W u t t k e 334 § 496. ) 230 S e y f a r t h Sachsen 295. ) J o h n Erzgebirge ,n 23a 193. ) D r e c h s l e r 2, 280. ) Birlinger Aus Schwaben 1, 387; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 279 Nr. 1 ; F o g e l Pennsylvania 159 Nr. 751; E. W i n t e r Die Deutschen in der Slowakei u. in Karpathorußland (Nr. 1 von „Deutschtum u. Ausland", Münster i. W.1926) •81; J. M i c k o Volksk. des Marktes Mutlersdorf 233 (Muttersdorf in Westböhmen 1926) 16. ) S e l i g m a n n Blick 2, 66 . 234) H e c k s c h e r 23S 23e 379· ) J o h n Westböhmen 63. ) Haltrich Siebenb. Sachsen 279 f. a3 ') Vgl. S é b i l l o t FolkJ3e Lore 2, 320. ) S t e r n Türkei 1, 269 und Rußland 1, 106. 479 ff. Zum Ziehen von Schutzfurchen vgl. M a n n h a r d t 1, 553 ff.; K ü h n a u Sagen 2, 536 f. ; J o h n Westböhmen2 36; G e r a m b Brauchtum 18 ff.; FFC. Nr. 31, 81 ff. (s. Pflugziehen). 23 ·) S t e r n Türkei 1, 329. 240) Ebd. ι, 182. 241) S e l i g m a n n Blick 1, 311. 20S

7. Wichtig ist die M., der Wendepunkt zweier Tage, für die E r f o r s c h u n g der Z u k u n f t , besonders zu gewissen Zeiten, die selbst Wendepunkte im Jahre sind oder einen neuen Zeitabschnitt einleiten. Zunächst ist die Stunde, in welcher die Geister und Toten auf Erden wandeln, auch über Leben und Tod entscheidend. Wer um M. des M a t t h i a s t a g e s auf dem Friedhof unter den vielen umgehenden Geistern einen ohne Kopf sieht, muß noch in demselben Jahre sterben. In der Eifel besteht der Glaube, daß in der M.sstunde vor den vier F r o n s o n n t a g e n , die besonders heilig ist, die ganze Pfarrgemeinde unter dem Geläut der Glocken einen feierlichen Umgang um die Kirche hält. Wer dabei fällt oder strauchelt, wird krank oder stirbt während des beginnenden Vierteljahres. Aber nur die.

ι !

! ! I

welche in jener Stunde geboren sind, die Fronsonntagskinder, wohnen leiblich und bewußt diesem Umgang bei und wissen daher auch, wann ihnen der Tod bevorsteht. Alle übrigen nehmen teil, ohne etwas davon zu wissen, nur ihre Gestalten gehen mit 242). Allgemein verbreitet ist der Volksglaube, daß der im kommenden Jahre stirbt, welcher auf dem Weg zur oder von der Mette in der Christnacht ausgleitet und zu Boden fällt. Die Leichen solcher, welche im folgenden Jahre aus dem Hause sterben, erblickt man im Allgäu, wenn man in der M.sstunde zu Weihnachten durch ein dreieckiges Fenster sieht 243 ), man sieht diese, allenfalls auch sich selbst, auf ihren Plätzen sitzen, wenn man in der Neujahrsm. in die Kirche geht (Oldenburg), und in Schlesien stellt man sich in den drei heiligen Nächten der Z w ö l f t e n an die Kirchentür, weil da die Menschen, die in dem Jahre sterben sollen, mit Lichtern in die Kirche ziehen 244). In Tirol sieht man die, welche im neuen Jahre sterben, in der S i l v e s t e r m . um den Altar zum Opfer gehen; wenn man seine eigene Gestalt ohne Kopf dabei sieht, muß man selbst sterben. In Ziri bei Innsbruck sehen die Leute, welche dem Kirchhof gegenüberwohnen, in der M.sstunde solche Leichenzüge, in denen sie die Personen erkennen, welche nächst dem sterben werden. Diese Wohnungen werden daher gemieden und den Armen unentgeltlich überlassen 24ä). Nicht bloß auf diese passive Art, die meist den mit dem „Zweiten Gesicht" Begabten zukommt, sondern auch aktiv kann man sich Gewißheit darüber verschaffen, ob einem der Tod bevorsteht oder nicht, so mittels des in der Osterm. geholten Wassers, in dem man Weidenringlein, die je eine Person bezeichnen, schwimmen läßt. Wessen Ring untergeht, der muß in dem Jahre sterben 24e). Dem gleichen Zwecke dient in Frankreich das Quellenorakel in der M.sstunde der ersten Mainacht 247). Dort glaubt man auch, daß Hahnenschrei vor M. Unglück und Tod kündet 248). In

Schlesien bezieht man

Hahnen-

437

Mitternacht

krähen um M. auf das W e t t e r ; es kommt dann Regen 218 ). Das Wetter des künftigen Jahres bestimmt man in der Christnacht oder Silvesternacht in Franken, Baden und der Pfalz auch dadurch, daß man 12 Nußschalen mit Salz, welche die Monate bezeichnen, aufstellt und um M. nachsieht. Jener Monat wird naß sein, in dessen Schale das Salz am meisten feucht ist 250). Auch auf böse Z e i t e n schließt man aus Anzeichen der M. Solche kommen, wenn sich der sogen. Christenstein im Remstal zwischen γ 2 ΐ2 und 12 Uhr dreht 251) (s. o.). V o r s p u k und T r ä u m e gehen je nach der Nähe der M.sstunde in E r f ü l l u n g , die v o r M. s p ä t , die n a c h M. b a l d (Oldenburg862). Im Erzgebirge heißt es genauer, daß die Träume vor M. zu Anfang des nächsten Monats, die nach M. am Ende des nächsten Monats sich erfüllen 2SS). Die E r f ü l l u n g a l l e r W ü n sche kann man sich sichern, wenn man in der Johannism. vom sieben Jahre alten Hartriegel die Blüten mit einem Tuche auffängt (Ostpreußen 254)). Vor künftigem M i l i t ä r - und K r i e g s d i e n s t schützt man sich in Tirol durch um M. aus der Gruft geholte Totenzähne 255), die man bei sich trägt, in Hessen durch Friedhoferde, die man zur gleichen Stunde am Tage vor der Losung geholt 25e ). Um M. gefundener vierblättriger Klee zeigt in Süddeutschland an, daß eine reiche E r b s c h a f t zu erwarten ist 2W ), in Frankreich, daß man bald h e i r a t e n werde258). Vor allem ist die M. günstig für die B r ä u t i g a m s s c h a u , namentlich in der Andreasnacht, Thomasnacht, Christnacht und Neujahrsnacht 25e ). Zuweilen begnügt man sich damit, zu erfahren, ob eine Heirat im kommenden Jahre in Aussicht ist oder nicht 280 ), meist aber will man den Zukünftigen selbst sehen, entweder im Bilde, indem man in den Brunnen281) blickt oder in den Spiegel, wobei man vorher nackt die Stube gegen den Spiegel zu auskehrt 262), oder im Traume, wozu man sich vor dem Schlafengehen mit einem Gebet an den hl. Andreas 2e3 ), in Frankreich an den Mond284) wendet. Oder man zwingt durch eine geheimnisvolle

438

Fernwirkung den Zukünftigen, daß er selbst erscheint, wobei dieser in den betreffenden Sagen ganz genau so auftritt wie ein Hypnotisierter. Diesen Zwang übt man aus, indem man Essen auf den Tisch stellt, aber weder Messer noch Gabel dazu gibt, die der um M. erscheinende Gast selbst aus der Tasche nimmt und die ihm dann später in der Ehe den Beweis dafür liefern, daß er seinerzeit aus Zwang, geplagt von einem Nachtgespenst in der Art der Truden, gehandelt hat, weshalb er meist dann die vermeintliche Hexe mit dem Messer ersticht 2β5 ). Ähnlich lauten die Sagen von jenen Mädchen, die durch Kesselscheuern in der Neujahrsnacht den Zukünftigen herbeizaubern 2β6). Den Zukünftigen sieht man am Tische sitzen, wenn man in der Christnacht um 12 Uhr nackt und rückwärts gehend die Stube von der Tür nach dem Fenster zu auskehrt. Dies wird in einer sinnigen Sage durch das wirksame Motiv bereichert, daß die auf Befehl der Hausfrau so handelnde Dienstmagd den eigenen Herrn sieht, woraus die Frau ihren baldigen Tod erkennt 287). Dieser Zauber wird auch in der Weise ausgeübt, daß man sich in der Christnacht zu M. nackt auszieht, das Hemd vor die Stubentür hinauswirft und, bei einem Feuer aus neunerlei Holz sitzend, spricht: Hier sitz ich splitterfasenackt und bloß wenn doch mein Liebster käme und würfe mir mein Hemde in den SchoQI

Hernach wurde das Hemd von jemandem, der dem Zukünftigen gleicht, wieder hereingeworfen. Und als einmal, berichtet eine Sage aus dem 17. Jh., mehrere Mädchen, nachdem eine dieses Hemdwerfen geübt hatte, dasselbe taten, aber den Fehler machten, daß sie alle Hemden „zusammen in einen Klump gewickelt" hinauswarfen, da konnten sich die Geister nicht finden, sondern hüben an zu lärmen und zu poltern, dermaßen, daß den Mädchen grauste. Flugs gössen sie ihr Feuer aus und krochen zu Bette bis frühe, da lagen ihre Hemden vor der Türe in viel tausend kleine Fetzen zerrissen 288). Daraus geht deutlich hervor, daß es sich hier um einen bösen, teuflischen Zauber han-

439

Mittfasten—Mittwoch

delt. A u c h die bereits Verlobte kann erfahren, ob die E h e ratsam ist, wenn sie an einem 31. Monatstage in der M. vor ein Haus geht, in welchem keine Mannsperson ist; dann kommt jemand, der ihr sagt, ob sie ihren Bräutigam heiraten soll (Oldenburg) 269 ). Auf die Zukunft nimmt man ferner Einfluß bei allerlei L i e b e s z a u b e r 270 ), der um M. ausgeübt, besondere K r a f t hat, wobei auch der Glockenstrang in der Kirche verwendet w i r d 2 7 1 ), um die Liebe zu „binden". Zur gleichen Zeit kann man durch bösen Zauber den T o d des Ungetreuen herbeiführen 272 ). Ein Schutzzauber wird in manchen Orten Schlesiens, wo um M. das E n t w ö h n e n d e r K i n d e r erfolgt, ausgeübt 273 ). 242 ) Z a u n e r t Rheinland 2, 197. 243 ) R e i s e r Allgäu 2, 21. 244 ) W u t t k e 247 § 357. 245 ) Ebd. 226 § 322. " · ) Ebd. 235 § 336. " ' ) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 244. 248 ) Ebd. 1, 142; vgl. W u t t k e 202 f. § 276. 2 " ) D r e c h s l e r 2, 199. 2S0) W u t t k e 231 § 329. 251 ) K a p f f Schwaben 106; vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 4, 17 s . 252 ) S t r a c k e r j a n 2, 22 Nr. 280 = W u t t k e 229 § 326; as3) K u h n Westfalen 2, 58 Nr. 167. John Erzgebirge 29. 254 ) W u t t k e n o § 144. Auch wer in der Matthiasnacht um Mitternacht auf einen Kreuzweg geht, bekommt jeden Wunsch, den er da ausspricht, erfüllt; vgl. Z a u n e r t 255 ) W u t t k e 135 § 185. Rheinland 2, 157. *>') Ebd. 454 § 719. 2 " ) Ebd. 207 § 285. 2 M ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 513. 2 5 ') G r i m m Sagen 95 ff.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 138 Nr. 2; W u t t k e 233 § 333; 241 § 3 4 6 ; 249 fi. §36ofi.; 2 Í 1 253 § 366. ) W u t t k e 238 § 341. 2 Í 1 ) Ebd. 246 § 356; S é b i l l o t Folk-Lore 2, 252. »·») W u t t k e 250 § 362. s « 3 ) Ebd. 249 § 360. 2 M ) S é b i l l o t Folk-Lore 1, 59. 2 « 5 ) G r i m m Sagen 95 f.; P e u c k e r t Schlesien 76; vgl. Z a u n e r t Rheinland 2 , 1 5 5 . 29e ) J a h n Pommern 3 3 8 f . Nr. 424. 2 " ) R a n k e Sagen2 38 f. 2«»)

440

Täufers (24. Juni), dessen T a g in mittelalterlichen Urkunden als Johannes M. bezeichnet und auch heute noch — ζ. B . in Westfalen — Middesommer genannt wird, P e t e r u. P a u l (29. Juni). Aber auch U l r i c h (4. Juli) und J a k o b u s (25. Juli) gehören noch dazu. G r i m m Myth. 2, 631; 3, 228.

Sartori.

Mittwinter. Im christlichen Deutschland haben sich die aus dem M. hervorgegangenen Vorstellungen und Bräuche — vielfach römischer Herkunft — namentlich an W e i h n a c h t e n , N e u j a h r , D r e i k ö n i g e n und die ganze Zeit der sog. Z w ö l f t e n angeknüpft, aber auch noch über den ganzen Dezember ( A d v e n t ) einerseits und Januar andererseits dehnen sie sich aus. Namentlich gilt auch P a u l i B e k e h r u n g als Wintermitte 1 ). In Westfalen hieß Weihnachten bis in die neueste Zeit Middewinter (im MA. auch de hillige Hochtid Middewinter) 2 ), und die Ausdrücke „M.block, M.horn 3 ), M.brot" 4) sind noch nicht ganz ausgestorben. Über das altnordische M.fest s. Weihnacht. !) S a r t o r i Sitte 3, 82. 2 ) Vgl. B i l f i n g e r Das germ. Julfest 118. 3 ) S a r t o r i Westfalen J

33- 13Ö.

352.

4

) B a h l m a n n Münsterländ.

Märchen

Sartori.

Mittwoch.

ι . Mit Übernahme der siebentägigen Woche (s. d.) wurde durch die Gleichstellung von M e r k u r und W o d a n (s. d.) der dies M ercurii der Römer (franz. mercredi, ital. mercoledì, span, miércoles)x) G r i m m Sagen 98ff., nach P r ä t o r i u s Weihzum W o d a n s t a g 2 ) (ahd. Wuotanestac, nachtsfratzen Nr. 62. *·») W u t t k e 253 § 366. altnord. Odinsdagr), der sich im engl. 2 7 0 ) Ebd. 367 § 5 5 3 ; D r e c h s l e r 2, 6; S é b i l l o t a") Wednesday, dann in den niederdeutschen Folk-Lore 3, 125. 271 ) H e c k s c h e r 116. W u t t k e 367 § 554. 273 ) D r e c h s l e r 1, 214. ι Mundarten als Wodenestag, Godenstag, Vgl. Nacht. Jungbauer. Gutentag, Gaunstag, Gunstag und in nieMittfasten s. L a e t a r e . derländischen und friesischen Benennungen 3 ), vielleicht auch im schwäb.-alem. Mittsommer. Die Bezeichnungen M. Guotentag oder Gutentag erhalten hat 4 ). und Mittwinter bezeugen die alte Zwei1 Allgemeine Geltung bekam aber die schon teilung des J a h r e s ) . Die Vorstellungen vor dem 10. Jh. unter christlichem Einund Bräuche, die sich an die Höhe des fluß 5 ) wahrscheinlich auf oberdeutschem Sommers und die Zeit der längsten Tage Gebiet entstandene Bezeichnung M i t t knüpfen, zeigen sich im christlichen w o c h (ahd. mittawecha, mhd. mitterwoche Deutschland namentlich an den Tagen mit mehreren kontrah. Formen), bei weldes h. V e i t (15. Juni), J o h a n n e s des

441

Mittwoch

cher schon früh an Stelle des ursprünglich weiblichen Geschlechtes in Angleichung an das Wort Tag und die Namen der übrigen Wochentage das männliche eintrat 6 ). Die volkstümliche Erklärung dieses Namens bringt schon Berthold von Regensburg: Mittechen, qui ideo dicitur medius, quia est medius dies inter tres dies anteriores et inter tres posteriores in ebdomada. Er deutet ihn aber noch weiter aus, indem er meint, daß der M. bezeichnet „lucidum Dominum nostrum Jhesum Christum, qui fuit mediator Dei et hominum" 7). Doch hat die mittelalterliche Kirche den M. nicht Christus geweiht, sondern der J u n g f r a u Maria und ihn zum Fasttag gemacht, um das Andenken der im Volksglauben weiter lebenden heidnischen Gottheit möglichst abzuschwächen 8). Nach einer vereinzelten Überlieferung aus Steiermark ist der M. auch dem hl. J o s e f geweiht 9 ). Von einzelnen Tagen des Jahres ist der Aschermittwoch (s. d.), bei den Balkanvölkern als der „ v e r r ü c k t e M." wichtig für die volkstümliche Behandlung Geisteskranker 10 ), und der M. vor dem K a r f r e i t a g in der Karwoche hervorzuheben. Dieser heißt der „krumme M." 1 1 ), auch der „schiefe M.", was damit erklärt wird, daß die Quadragesima durch diesen ungeraden, überschüssigen Tag nicht gerade mit 40 Tagen abschloß. Er hieß schon 1386 in Westfalen der „krumme oder schiefe Guetentag", führt aber auch andere Namen, so ndl. Skortel-Woensd a g , Schortel-Woensdach (Hemd-M., Reinigungstag), in Ostfriesland „wit Midwek" (weißer M.), südd. Platzm., weil das Osterlamm zum Osterbraten auf den Marktplatz gebracht wurde 12 ), in Niederösterreich Pumperm. 1 3 ), was auf das früher in der Kirche während der Pumpermette oder Rumpelmette am Nachmittag dieses Tages, aber auch am Donnerstag und Freitag der Karwoche übliche Gepolter hinweist. Damit sollte der Lärm angedeutet werden, mit dem die Juden Jesum im Garten aufsuchten, wie der krumme M. selbst auch die wortanalogische Auslegung erfahren hat, daß die Richter an diesem Tage Christus

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zum Tode verurteilten und so das Recht „krümmten" 14 ). Beim Pumperm. wird man aber auch an das Lärmen der Kinder bei den Betzeiten denken 18 ), das mit diesem Tage, an dem die Glocken „nach Rom fliegen", beginnt, ihn so zu einem „krummen und schiefen Tag" macht, an dem das Gewohnte, Regelmäßige aufgehoben scheint. Diese Erklärung dürfte, wenn nicht überhaupt ein vorchristlicher, mit Lärmumzügen verknüpfter Frühlingsbrauch in Frage kommt le ), ansprechender sein als die obige, da das Volk selbst schwerlich eine Ungenauigkeit der Quadragesima, die es vielleicht gar nie beachtet hat, zum Anlaß genommen hat. Reine Wortanalogie liegt in dem schlesischen Glauben vor, daß am krummen M. die alten krummen Weiber gerade gesägt oder in die alte Weibermühle geschickt werden, wo sie zu jungen Mädchen umgemahlen werden, oder daß die Weiber, welche an diesem Tage weinen, krumme Nasen bekommen17). Doch ist besonders in der Karwoche und zu Ostern (s. d.) Schönheit und Gesundheit förderndes Brauchtum stark vertreten, wozu sich für den M. der Karwoche ein bemerkenswerter Beleg in Syrien findet. Dort heißt er „M. des Propheten H i o b " . Vor Sonnenaufgang begeben sich Angehörige aller drei Religionen ans Meeresufer und waschen sich mit dem Meerwasser Gesicht, Hände und Füße. Dies soll vor Krankheiten schützen und selbst Erbübel heilen. Dabei tun dies die einen in bloßer Erinnerung an die Heilung Hiobs, während andere sagen, daß gerade an diesem M. ein Engel die Wunden des Propheten Hiob mit Meerwasser gewaschen und geheilt habe 18 ). In Rußland findet sich eine Personif i k a t i o n des M. als die hl. Sereda 1 *). Dort erfuhr der M. eine besondere Beachtung bei der 1866 im Gouvernement Saratow entstandenen Sekte der Zähler, welche die Feiertage so zählten, daß Ostern auf einen M. und jeder Sonntag auf einen M. fiel20). Neuerer Herkunft ist der Glaube der Südslawen, daß eine Frau, die den M. durch Spinnen ent-

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Mittwoch

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heiligt hatte, als F r a u M. und böser ! mehr dem Donnerstag (s. d.) zufallen. Eine Zwischenstufe in dem Übergang vom Geist umgeht 21 ). Wodanstag zum Hexentag stellt die ÜberAlbers Das Jahr 6. 2 ) Grimm Myth, ι, lieferung dar, daß man am M., wie auch 102 fi.; Meyer Germ. Myth. 229 f.; S c h r ä d e r Reallex. 964; Müller Essays 1, 379 f.; R o c h am Montag und Freitag, nicht vom holz Glaube 2, 25 f.; v. d. L e y e n Sagenwilden Heer reden dürfe 32 ). buch I, 34 f.; Helm Religgesch. 1, 259; F i Der Glaube an den Unglückstag fand scher Altertumsk. 11. 3 ) Hoops Reallex. 4, eine nachhaltige Unterstützung dort, wo 558; G o l t h e r Myth. 297 f. 4 ) Alemannia 27 (1899), 84 f.; Meier Schwaben 1, X V I I I ; sich der Name M. eingebürgert hatte, in W u t t k e 17 § 15. 5 ) A l b e r s Das Jahr 6; diesem selbst. Da er, wie der Sonnabend P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 612. *) DWb. 6 (s. d.), nicht schon äußerlich, wie die (1885), 2427. Vgl. Th. F r i n g s u. J . N i e s anderen Wochentage, als Tag gekennsen Zur Geographie u. Geschichte von Ostern, Samstag u. Mittwoch. Indogerm. Forsch. 45 zeichnet ist, entstand die Meinung, daß (1927)· 276 ft. ' ) S c h ö n b a c h Berthold v. er kein v o l l e r Tag 3 S ), weder Tag noch R. 14. ') Albers Das Jahr 6; K l a p p e r Nacht 34), überhaupt kein Tag 35 ), etwas Erzählungen 400. ·) ZfVk. 8 (1898), 447. i Halbes 36 ), nur die Mitte der Woche 3 ') ">) Ebd. 9, 67 f. " ) L ü t o l f Sagen 560 Nr. 588; ist. Daher gilt der M. auch heute allgeH ö r m a n n Volksleben 53 ff.; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 138 Anm. 16. 1 ! ) Höf 1er Ostern 1. mein als Unglückstag 38 ) (sogar auch bei Vgl. auch den „kaalen M." ( F o n t a i n e Luxemden Südslawen, Türken und anderen burg 44). " ) P f a l z Marchfeld 23. 14 ) R e i n s Völkern) 3e ), an dem vor allem nichts, berg Festjahr 98 f. 16 ) Vgl. R e u s c h e l Volkswas Dauer haben soll, angefangen werden kunde I, 60. " ) Vgl. S a r t o r i a . a . O . 3, 139. " ) D r e c h s l e r 1, 78. l e ) S t e r n Türkei 1, 38of. darf 40 ), worin vielleicht noch eine ErM ) S t e r n Rußland 1, 358. I 0 ) Ebd. 1, 210. innerung an Wodan als Gott des unbe" ) K r a u ß Relig. Brauch 13. ständigen, veränderlichen Wetters liegt41). 2. Für die E r k l ä r u n g des A b e r - Zum Unglückstag macht ihn endlich auch, g l a u b e n s , der sich an den M. knüpft, weil er ein ungerader T a g ist (s. kommen mehrere Umstände in Betracht. Wochentage). M ) Grimm Myth. 2, 953; W i d l a k Als Wodanstag war er ein heiliger Synode T a g , an dem man keine Arbeit verrich- v. Liftinae 28 f.; Saupe Indiculus 25 f. 23 ) Vgl. 24 ) Rochholz tete M ). Doch scheint er schon in vor- Meyer Germ. Myth. 255. Glaube 2, 27; W u t t k e 60 § 69 = S t e m p l i n g e r christlicher Zeit ein günstiger Tag für die Aberglaube 1 1 4 ; D r e c h s l e r 2, 186; SAVk. 4, Aussaat (s. u.) gewesen zu sein 23). Das 177. 2 i ) Grimm Myth. 2, 953; 3, 455 Nr. 613. «·) W u t t k e 60 § 69. Vgl. Zingerle Tirol 121 Christentum hat, um die Erinnerung an 1088. " ) Grimm Myth. 3, 457 Nr. 658 Wodan zu verdrängen, den M. zu einem Nr. 2β ) = Meyer Aberglaube 209. Birlinger U n g l ü c k s t a g gemacht und dies damit Volksth. I, 329 = Meyer Germ. Myth. 140; M) begründet, daß am M. Judas den Heiland F o g e l Pennsylvania 249 f. Nr. 1294 f. verraten hat 24 ). So wurde der M. zu W u t t k e 283 § 416 = S e l i g m a n n Blick 2, 367. 30 ) Grimm Myth. 3, 453 Nr. 567 = M a n n h a r d t einem Teufelstag, an dem die Hexen Germ. Mythen 16. a i ) R o c h h o l z Glaube 2, 26. 2fi besondere Macht haben ). Am Abend 31 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 96 - Meyer des M. fahren die Hexen aus 2e ), sie Germ. Myth. 256. 33 ) W u t t k e 60 § 69; B a r t s c h hören an dem Tage, wenn von ihnen Mecklenburg 2, 143 = Meyer Germ. Myth. 255. S4 ) J a h n Pommern 352 Nr. 445. Ist eine weitgesprochen wird, und suchen sich zu verbreitete Rätselfrage, auch im Märchen; vgl. î7 rächen ), weshalb man am M. nichts B o l t e - P o l f v k a 2, 363; R o c h h o l z Glaube 2, von den Hexen reden soll 28 ), oder hinzu- 27. 3S ) K ö h l e r Kl. Sehr. 3, 5 1 3 f . ; F o g e l fügen muß: Dreck vor die Ohren28)! Pennsylvania 255 Nr. 1326. 3 ·) D r e c h s l e r 2, 3 M Ein Weib, das am M. ausbuttert, ist 186. ') K o h l r u s c h Sagen 66 Nr. 28. ) Vern a l e k e n Alpensagen 412. 419; L ü t o l f Sagen so eine Hexe ) : Und da eine solche gern 1 1 2 ; SAVk. 2, 220; S t o l l Zauberglauben 169; Katzengestalt annimmt, heißt es: M.s- Meyer Baden 280; S t ö b e r Alsatia 1851, 101 81 = Meyer Germ. Myth. 255; Andree Braunkatzen, Teufelskatzen ). Doch dürfte 401; M a a c k Lübeck 28; F o g e l Penndieser Hexenaberglaube am M.abend im schweig sylvania 262 Nr. 1366, doch Nr. 1367 als GlücksHinblick darauf, daß früher der Abend tag. J · ) S t e r n Türkei 1, 376s. 40 ) Urquell 4 (s. d.) zum nächsten Tag gerechnet wurde, {1893)- 90; K ö h l e r Voigtland 359; W u t t k e 60

Mittwoch

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§ 69; F o g e l Pennsylvania 250 Nr. 1298 f. " ) S t r a c k e r j a n 2, 25 Nr. 285.

3. Alles, was am M. auf die Welt kommt, Mensch oder Tier, mißrät 42 ). M.kinder sind U n g l ü c k s k i n d e r 4 S ) , schwer aufzuziehen 44 ) oder dumm " ) . Auch sterben sie bald4*), bei den Zigeunern, wo sie zwar reich werden, eines unnatürlichen Todes, gewöhnlich durch Blitzschlag 47 ). Nur die Spaniolen glauben, daß die am M. geborenen Kinder klug und weise werden, weil am M. die Himmelslichter geschaffen wurden 48). An einem M. soll das Kind nicht zum erstenmal in die W i e g e gelegt 4e ) oder ins F r e i e gebracht werden 50). Am M. soll man n i c h t s e n t l e h n e n oder her l e i h e n , wenn ein ungetauftes Kind im Hause ist51) und auch k e i n e T a u f e vornehmen 62 ). Im Egerland werden Kinder am M. n i c h t a b g e s t i l l t , weil sie sonst kein Glück haben K ) . Ein Kind, das an einem M. zum erstenmal die S c h u l e besucht, lernt nichts 64 ). Auch für die W ö c h n e r i n ist der M. gefährlich ; man darf ihr an diesem Tage nichts bringen 5S), sie soll an keinem M. den ersten Ausgang machen Be) oder vorsegnen gehen 57). Im letzten Falle gerät das Kind einst in die Hände des Scharfrichters M ). Findet eine H o c h z e i t am M. statt, so wird die Ehe unglücklich 5i ), die junge Frau kommt bald zurück, denn: Heirat' sie am Mittwa Kinnt sie bal wieda , 0 ).

Oder die Eheleute werden in ihrem ganzen Leben nicht mit der Arbeit fertig β1 ). Früher war der M. der Hochzeitstag der gefallenen Mädchen '*), manchmal auch der W i t w e r 6 3 ) . In einzelnen Orten Badens ist der M. der Gesellschaftstag der Verheirateten M ). Doch kommt auch der M. als Hochzeitstag hie und da vor, so in Nord- und Mitteldeutschland es ) und in Württemberg dann, wenn man durch eine stille Hochzeit Kosten ersparen will M ), besonders aber bei den Ungarn, bei slawischen und anderen Völkern e7 ). S t i r b t am M. jemand oder ist am M. ein G r a b offen, so folgt bald eine neue L e i c h e M ). 4a )

M e y e r Baden 511.

lä)

R o c h h o l z Glaube

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2, 26; H o f f m a n n - K r a y e r 25; H i l l n e r Siebenbürgen 26 Nr. 3; ZfVk. 4 (1894), 308 (Magyaren). 44) R e i s e r Allgäu 2, 429. 4S) F o g e l 44 ) Ebd. Pennsylvania 32 Nr. 14. Nr. 15. 47 ) 4S ) W l i s l o c k i Volksglaube 47. Stern Türkei ι, 375. 49) M e y e r Baden 44. 60) H ö h n M Geburt 277. " ) Ebd. 263. ) R o c h h o l z Glaube 2, 26; H o f f m a n n Ortenau 18; M e y e r Baden 19. 53 ) G r ü n e r Egerland 40; J o h n Westböhmen a 262 u. Oberlohma 165 f. t 4 ) G r i m m Myth. 3, 455 Nr. 613 = M e y e r Aberglaube 207; R o c h h o l z Glaube 2, 26. u ) H ö h n Geburt Nr. 4, 265. *·) Ebd. 266. 5 ') B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 26 f.; Z i n g e r l e Tirol 4 Nr. 22 = M e y e r Germ. Myth. 255. " ) G r i m m Myth. 3, 460 Nr. 745. ' · ) Vgl. die Lit. in SAVk. 21 (1917), 42. Dazu S t ö b e r Alsatia 1851, 103; S a r t o r i Sitte 1, 61; W l i s l o c k i Volksglaube 48. 40) J o h n Westböhmen3 133. 262. e l ) B a u m g a r t e n Heimat 3, 92. M ) H. J. L e u Eydgenösstsches Stadt- u. Land-Recht (Zürich 1727—1756) ι, 340 fi. ; H o f f m a n n - K r a y e r 34 (Appenzell); M e i e r Schwaben 483 Nr. 266; Meyer Baden 281 ; S t r a c k e r j a n 2,25 Nr. 285 -M e y e r Germ. Myth. 256; W u t t k e 60 § 69; 368 § 558. «») K u h n Mark. Sagen 355; H ö h n Hochzeit Nr. 6, 3 (I.). 44) M e y e r Baden 174. · ' ) F. S c h m i d t Sitten bei Hochzeiten, Taufen u. Begräbnissen in Thüringen (Weimar 1863) 29; S p i e ß Fränkisch-Henneberg 122; H e s e m a n n Ravensberg 71; S a r t o r i Westfalen 86. ··) H ö h n a. a. O. · ' ) D ü r i n g s f e l d u. R e i n s b e r g Hochzeitsbuch (Leipzig 1871), 46. 82; Ethnolog. Mitteil, aus Ungarn 1, 423; P i p r e k Slow. Hochzeitsgebräuche (Stuttgart 1914) 78, 112; Le Pays Lorrain et le Pays Messin 8 (1911), 184. Vgl. ( L e o n h a r d i ) Vierteljahrsschr. f. d. réf. Bündnervolk (Chur 1849 ff.) 3, 7. 48) Alemannia 25, 43; M a n z Sargans 122; H ö h n Tod 344 i-

4. Als Unglückstag gilt der M. in der V i e h w i r t s c h a f t , aber nur teilweise in der F e l d w i r t s c h a f t . An einem M. geworfene K ä l b e r soll man n i c h t a u f ziehen β β ), denn sie gedeihen nicht 70 ) und gehen bald zugrunde 71 ). Am M. soll man kein V i e h k a u f e n 72) oder v e r k a u f e n 73), überhaupt mit Vieh n i c h t handeln 7 4 ), es auch n i c h t a u s t r e i ben 7S). Nur in Preußen ist der M. für den Austrieb günstig 7e ), auf das Federvieh beschränkt auch in Mecklenburg 77), wo an diesem Tage k e i n e Schafschur vorgenommen werden darf 78 ). Endlich sollamM. n i c h t a u s g e m i s t e t werden79). In Hinterpommern glaubt man, daß viele Hennchen werden, wenn man den Bruthennen am M. die E i e r u n t e r l e g t 80). Nach ungarischem Glàuben soll man die B i e n e n an einem M. (oder Donnerstag)

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Mittwoch

der ersten Aprilwoche zum erstenmal ausfliegen lassen; sie werden dann fleißig, fett und munter 81 ). In Baden fährt mancher Bauer nicht gern an einem M. zum erstenmal ins F e l d 82). Im Erzgebirge M ) ist der M. günstig zum S ä e n , ebenso zugleich mit dem Sonnabend in MecklenburgM). In der Schweiz wendet man alle störenden Einflüsse von der Saat ab, wenn man am M. in der 12. Stunde sät 8S) ; geschieht dies bei der Hirse am M. bei (wohl richtiger vor) Sonnenaufgang, so bleibt sie von den Vögeln verschont 8e). In Thüringen erfolgt die Gerstensaat gern am M., besonders bei Westwind und trübem Himmel ; dann schaden die Sperlinge nicht 87 ). Namentlich E r b s e n sät man in Norddeutschland am M. 88 ), oft vor Sonnenaufgang (s. d.) oder nach Sonnenuntergang " ) (s. d. und Abend), angeblich der Vögel wegen, in Waldeck zugleich mit Weizen, damit nicht der Brand hineinkomme Andrerseits aber soll Getreide am M. nicht gesät werden 91 ), und noch weniger darf die L e i n s a a t am M. erfolgen, weil sonst, wie es einst in Mecklenburg hieß, Wodans Pferd den Flachs zertreten würde M ). In Mecklenburg vermied man am M. überhaupt jede F l a c h s arbeit auch im Hause *3). An diesem Tage pflanzt man im Vogtland kein K r a u t , weil sich sonst an den Wurzeln „kleine Knötel" bilden würden 84). Früher einmal war aber der M. der Tag, an dem alte Frauen den K o h l mit dem Besen oder mit Brennesseln berührten, um ihn gegen Raupen zu schützen 9S). Für den Beginn der E r n t e meidet man in Baden den Μ. 9e), während man dagegen in Schlesien gerade am M. den ersten Schnitt der Ernte beginnt, damit die Mäuse nicht ins Korn kommen OT). ··) Z i n g e r l e Tirol 121 Nr. 1084; F o g e l Pennsylvania 170 f. Nr. 814. 70 ) R e i s e r Allgäu 2, 429; SAVk. 15 (1911), ι. 7 1 ) ZfdMyth. 1 (1853), 238 = M a n n h a r d t Germ. Mythen 15 f. = Z i n g e r l e Tirol 121 Nr. 1085 = M e y e r Germ. Myth. 255; R o t h e n b a c h Bern 33 Nr. 264. '») (Keller) Grab d. Abergl. 5, 261 f.; W u t t k e 434 § 681. " ) M e y e r Baden 5 1 1 ; W u t t k e 434 § 681. '«) W o l f Beiträge 1, 221 = M a n n h a r d t Germ. Mythen 1 5 ; R o c h h o l z Glaube 2, 26; W u t t k e 60 § 69. ™) ZfdMyth.

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ι (1853), 238 = M a n n h a r d t Germ. Myth. 1 6 ; R e i s e r Allgäu 2, 429; W u t t k e 60 § 69; 440 § 693; S a r t o r i Sitte 2, 149; SAVk. 15 (1911), 1. ' · ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 142. " ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 143 = M e y e r Germ. Myth. 254 (Hinweis auf Z i n g e r l e Tirol 121 unrichtig). " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 216 = M e y e r Germ. Myth. 255. '») ZfdMyth. 1 (1853), 238 = W u t t k e 60 § 69; F o g e l Pennsylvania 258 Nr. 1347 fi. , 0 ) K n o o p Hinterpommern 173. 81 8a ) W l i s l o c k i Magyaren 149. ) Meyer Baden 418. Betreffs Düngerfahrens am M. sind die Hinweise in FFC. Nr. 30, 52 unrichtig. 83 ) J o h n Erzgebirge 219. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 164. 84 ) Zürich, Gossau (hs.). 86 ) Zürich, Albis (hs.). 87 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 215 = M e y e r Germ. Myth. 256. , 8 ) K u h n u. S c h w a r t z 446 Nr. 3 6 1 ; K u h n Westfalen 2, 95 Nr. 302; M e y e r Germ. Myth. 256; S a r t o r i Westfalen 8 115. ·) B a r t s c h Mecklenburg 2, 164 = W u t t k e 420 § 655. , 0 ) W u t t k e 418 § 651. 81 ) Ebd.; M a a c k Lübeck 28; F o g e l Pennsylvania 201 Nr. 993. · 2 ) B a r t s c h a. a. O. 2, 2 1 6 = S a r t o r i Sitte 2, 109. Vgl. R o c h h o l z Glaube 2, 26. , 3 ) B a r t s c h a . a . O . 2, 216 = M M e y e r Germ. Myth. 256. ) K ö h l e r Voigtland 359. **) S c h u l t z Alltagsleben 241 = M a e n n ling 223. ··) M e y e r Baden 5 1 1 . " ) D r e c h s ler 2, 186.

5. Der sonstige Aberglaube zeigt den M. ebenfalls als Unglückstag. Man soll am M. nicht umziehen 88), nicht reisen 9 8 ) und keinen Dienst antreten 1 0 0 ). Dienstboten, die dies tun, haben kein Glück 101 ) oder sie bleiben nicht lange 102 ) und taugen auch sonst nichts 103 ); eine Dienstmagd, die am M. einzieht, zerbricht viel Geschirr104). Nur die S c h i f f e r Oldenburgs sehen den M. als einen Glückstag an 1 0 5 ), und in der Schweiz glauben die Zimmerleute, daß der M. der beste Tag zum Häuseraufrichten ist 10 «). In der Volksmedizin ist die Beziehung auf Kopfschmerzen auffällig (s. o. verrückter M.). Man bekommt sie oder leidet andern Schaden, wenn man sich am M. den Kopf wäscht oder ein neues Kleidungsstück anzieht 107 ). Ein Segen gegen Kopfweh darf nie am M. (oder Sonnabend) gesprochen werden 108). Bei den Südslaven kämmen und flechten die Mädchen ihre Haare am M. nicht, weil sie sonst alte Jungfern würden, und die Marokkaner lassen sich nie am M„ das Kopfhaar rasieren 10e ). Sonst heißt es betreffs des M.s in einer alten Quelle,

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Mockel—Mohn

daß der K r a n k e , der an diesem Tag eine gute Weile schläft und sich besser befindet, am 13. Tag gesund wird u 0 ). Nach dem Glauben der Tschechen gehen die S p u l w ü r m e r am M. vorwärts, am Freitag rückwärts und können an diesen zwei Tagen am besten behandelt werden, weil sie nur zu dieser Zeit die Mäuler offen haben m ) . In Mecklenburg muß man, wenn jemand kommt und sagt „Mein Schwein hat Maden", antworten ,,Laß sitzen bis Montag". Man kann auch jeden anderen Tag sagen, nur nicht M. oder Sonnabend, weil dies keine Tage sind 112 ). Bei den Wenden glaubt man, daß die N ä g e l , wenn man sie am M. abschneidet, so bis zum Sonntag bleiben und nicht mehr wachsen l13 ). Auf die U n b e s t ä n d i g k e i t des W i n d g o t t e s weist vielleicht noch der Glaube hin, daß sich am M. in der 12. Stunde gem das W e t t e r ä n d e r t U 4 ) . Wenn ein Monat mit einem M. beginnt, so ist im ganzen Monat schlechtes Wetter 1 1 8 ). Mehr literarische Überlieferung ist das, was alte Handschriften nach Beda, dessen Quelle Johannes Laurentius Lydus ist, über die Bedeutung des D o n n e r s am ersten M. des Jahres zu berichten wissen 116 ). A m M. soll man endlich k e i n H o l z f ä l l e n 1 1 7 ) , k e i n B r o t b a c k e n , weil dann ein Brot weniger wird 1 1 8 ), sofort u m k e h r e n , wenn man beim Ausgehen einem Schwein begegnet, weil dies Unglück bedeutet 1 1 9 ). N i e s e n am M. besagt, daß man einen Brief erhält 1 2 0 ) oder daß es etwas Dummes g i b t 1 2 1 ). 9 > ) Mitt. Anh. Gesch. 14, 16; SAVk. 2, 220; 15, 1; 21, 201; F o g e l Pennsylvania 149 f. Nr. 702. 704. ·*) SAVk. 21, 201 ; F o g e l a. a. O. 261 f. Nr. 1365. 1 0 °) S t r a c k e r j a n 2, 25 N r . 285; M e y e r Aberglaube 207; J o h n Oberlohma 165 f . ; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 39; F o g e l Pennsylvania 253 Nr. 1313. 1 0 1 ) G r ü n e r Egerland 40; SchwVk. 10, 35. l o s ) A n d r e e Parallelen 1.2 (Westfalen). 1 0 3 ) ZfVk. 21 (1911), 258. 1 0 4 ) J o h n Westböhmen2 262. 1 0 5 ) S t r a c k e r j a n 2, 25 Nr. 285. 10 ») L ü t o l f Sagen 112. 107 ) D r e c h s l e r 2, 186. 267. l o s ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 425. 10 ») S t e r n Türkei 1, 378. n o ) J ü h l i n g Tiere 281. 1 1 1 ) H o v o r k a - K r o n f e l d U2) 2, 99. B a r t s c h Mecklenburg 2, 153. 114 ) 113) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 147. L e o p r e c h t i n g Lechrain 155; M a a c k Lübeck 28; W u t t k e 60 § 69; M e y e r Germ. Myth. 255.

B i c h t o l d - S t l u b l i , Ab«r»Iaub« VI

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11B)

Z i n g e r l e Tirol 121 N r . 1089. « · ) S c h ö n 117) b a c h Berthold v. R. 150. J o h n Westböhmen* 262. 1 1 8 ) SAVk. 15, ι . » · ) B i i l i n g e r m , Volksth. I, 473. l J 0 ) ZföVk. 3 (1897), 10. SAVk. 15, ι . > J u n g b a u er.

Mockel s. K o r n d ä m o n e n 5, 2Ç2ff. Modelger s. 2, 862 ff. Möhm s. K o r n d ä m o n e n . Mohn (Schlafmohn; Papaver ferum).

somni-

ι . B o t a n i s c h e s . Der M. ist eine alte Kulturpflanze, die von dem im Mittelmeergebiet heimischen Borsten-M. (P. setigerum) abstammt. In Mitteleuropa wurden Reste des M.s in den steinzeitlichen Pfahlbauten Oberitaliens und der Schweiz gefunden und zwar in einer Form, die dem eben erwähnten P. setigerum noch nähersteht. Bei uns wird der M. hie und da auf Feldern oder auch in Gärten wegen seiner Samen bzw. als Ölpflanze gebaut. Das Opium wird vorzüglich aus dem in Asien angebauten M. gewonnen 1 ). Uber den als Unkraut in Äckern usw. wachsenden M. s. Klatschmohn (4,1444f.). ' ) H o o p s Waldbäume u. Kulturpfl. 1905, 291. 297. 333 f. 474 f . ; S c h r ä d e r Reallexikon* 2, 68 f . ; W . H a r t m a n n Der M., seine Kultur, Geschichte und geogr. Verbreitung usw. Inaug.Diss. J e n a 1915; T s c h i r c h Handb. d. Pharmak. 2 ( I 9 I 7 ) . 5 6 3 fi-i E· M a j e w s k i L'origine du pavot et de ses noms (polnisch). Wisla. W a r s c h a u . 71 (1903), 41—70.

2. Wegen seiner zahlreichen Samen (vgl. auch Hirse) galt der M. schon in der Antike als Fruchtbarkeitssymbol. Demeter, Aphrodite, Hera und Kybele wurden mit M. köpfen in der Hand dargestellt 2 ). An Weihnachten, Neujahr (selten an Ostern oder Pfingsten) werden vor allem im östlichen Deutschland (slavischer Einfluß?) M.gebäcke (M.kuchen, -brote, -striezein usw.) gegessen, vgl. auch Hirse 3 ). Auch der Hofhund erhält am hl. Abend dreiM.klöße, damit er stark wird 4 ), und den Hühnern werden M.körner vorgeworfen ; wie viele davon gefressen werden, so viele Eier wird das Huhn legen 5 ). M.essen am hl. Abend bringt viel Geld 8 ), vgl. Hirse. Die Schüssel, in der am hl. Abend die M.klöße bereitet wurden, wäscht man nicht aus; man gießt zuvor Wasser hinein. 15

451

Mohr

Wenn viele Körner oben schwimmen, so gibt es eine körnerreiche Ernte 7). Als Fruchtbarkeitssymbol erscheint der M. auch im Liebesorakel. Am hl. Abend bricht das Mädchen, das erfahren will, woher der Bräutigam kommt, ein Stück von seinem M.striezel ab, gibt es dem Hund und jagt ihn vor das Haustor. Von der Seite, wohin der Hund springt, wird der Bräutigam kommen 8), oder das Mädchen wirft am Andreasabend vor dem Schlafengehen M.körner über sich, dann zeigt sich der Liebste im Traum vgl. Lein. Ähnlich werfen die ungarischen Mädchen in der Szegeder Gegend während der Christmette M.nudeln in den Weihwasserkessel, damit sie so viel Freier haben sollen als da M.körner vorhanden sind 10 ). Auffällig ist der böhmische Glaube, daß die Braut, der M. in die Schuhe geschüttet wird, kinderlos bleibt u ) . J ) Murr Pflanzenwelt 183 ff.; M a n n h a r d t 3) Forschungen 235. T s c h i r c h Handb. d. Pharmakognosie 2 (1917), 569 (Niederlausitz); Brandenburg 241; T r e i c h e l Westpreußen III, 16; K u h n u. S c h w a r t z 408; G r a b e r Kärnten 91 (M.kuchen am Perchtentag gegessen) ; ebenso bei den Tschechen: TetzneT Slaven 260, vgl. auch ZfdMyth. 1, 288; H ö f l e r Weihnacht 18. 31. 4 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 36. 6 ) DVöB. 6, 192. ·) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 129; D r e c h s l e r Schlesien 1, 32. ') D r e c h s l e r Schlesien 1, 29. ·) Schlesien: V e r n a l e k e n Mythen 331. ·) D r e c h s l e r Schlesien 2, 211. 10 ) ZfVk. 4, 315; vgl. Höf 1er Weihnacht 37. n ) G r o h m a n n 119.

3. Die M.samen sind insofern ein antidämonisches Mittel als die bösen Geister dadurch aufgehalten werden, weil sie die Körner zählen müssen 12 ), ähnlich wie sie dies mit den Körnern der Hirse, den Blättern der Birke, den Spitzen des Grases (s. d.) tun müssen. Der Glaube ist vor allem auf slavischem Gebiete nachzuweisen. Leute, die die Drud fürchten, streuen M.körner auf den Boden, wodurch jene vertrieben wird 1 ®). Vor die Stalltür legt man frisch abgestochenen Rasen und streut M. darauf. Die Hexe darf nicht darüber schreiten, ehe sie nicht alle M.körner gezählt hat 1 4 ) ; Die Kaschuben in Westpreußen streuen dem Toten M.körner in den Sarg, die der Vampyr zählen muß 16 ). Damit wäre das

452

Sagenmotiv in einer Verwünschung zu vergleichen, wo ein Bergwerk so viel Jahre verwunschen wird als M.samen ausgeschüttet werden usw. 14 ).

" ) Vgl. H e y l Tirol 595. 13 ) S c h r a m e k Böhmerwald 258. " ) DVköB. 6, 200; ähnlich bei den Ruthenen: H o e l z l Gaiizien 160, vgl. auch ZföVk. 3, 22; K n u c h e l Umwandlung 64. " ) A n d r e e Parallelen 1878, 81; S e e f r i e d G u l g o w s k i Kaschübei 191, vgl. ARw. 11, 405 f.; ZföVk. I, 295. l e ) K i i h n a u Sagen 3, 743 f.; ZfVk. ι , 217.

4. Am hl. Abend oder 3 Tage vorher muß man den M. säen " ) . M. muß man am Mittwoch säen, dann kommen keine Vögel daran 18 ), man darf nicht beim Säen sprechen, sonst fressen die Vögel den M. 1 S ).

17 ) E n g e l i e n u. L a h n 271. w ) Schweizld. 6, 872. w ) G r o h m a n n 144 = W u t t k e 421 § 656.

5. In der S y m p a t h i e m e d i z i n hängt man zahnenden Kindern einen M.kopf, den jemand angebissen hat, in einen Fleck genäht, um 20). M.köpfe, an Backe oder Ohr kleiner Kinder gehalten, bewirken Ruhe und Schlaf 21 ), zu dem gleichen Zwecke legen die Ruthenen frische M.pflanzen den kleinen Kindern unter das Kopfkissen 22 ). Es ist hier also die tatsächliche innerliche Wirkung des M.s (Opium!) zum Sympathiemittel geworden. Wer viel M. ißt, wird dumm23).

, 0 ) Eichstätt in Mittelfranken: Weber im 26. Jahresber. d. Realschule in Eichstätt 1900, 78. " ) T r e i c h e l Westpreußen II, 203. " ) H o e l z l Gaiizien 154. " ) Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 16 (1881), 246. Marzeil.

Mohr. Der Widerwille der Weißen gegen den M.n findet sich bereits in alten Zeiten. Es ist ein übles Zeichen, wenn einem Menschen ein verkrüppelter Mensch oder ein M. begegnet. Die Soldaten des Brutus töten erbittert einen M., der ihnen vor der Schlacht von Philippi begegnet In der französischen Sage spielt der M., d. i. der Sarazene, eine üble Rolle 2 ) : Sauvage comme un Maure 3). In der deutschen Sage erscheint der Teufel auch als M. 4). Der Pfingstbutz oder der Wasservogel heißen manchen Ortes M.-König 6 ). — M.enköpfe bedeuten ein Gebäck am Neujahrsabend e ), und M. ist der Rufname für schwarze Kühe 7).

Möhre

453

Neger, Negerköpfe werden als Phylakterien verwendet. Übles sucht man mit Häßlichem abzuwehren 8). Der Negerkuß heilt ·) ζ. B. ein kleines Kind vom Geifern10). Warum die Neger schwarz sind, erklärt Strafforello u ) . 2) S t e m p l i n g e r Abergl. 45. Sébillot Folk-Lore 4, 466. ' ) E b d . 4, 331. *) S o l d a n H e p p e 2, 250; m h d . hcllemür. 5 ) M a n n h a r d t ι , 365 u. 351; S i m r o c k Mythologie 628. ·) M e y e r Baden 132. ' ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 8 3, 75. ) S e l i g m a n n 2, 309. ·) F o g e l Pennsylvania 337 Nr. 1791 f. l 0 ) S t e r n Türkei 2,337. 1 1 ) S t r a f f o r e l l o Errori 107 ff. t Boette.

Möhre (gelbe Rübe, Mohrrübe, Karotte ; Daucus carota). 1. Botanisches. Doldenblütler mit rübenförmiger, fleischiger (die angebaute Form) Wurzel, zwei- bis dreifach gefiederten Blättern und weißen Blüten. Überall in Gemüsegärten usw. angebautx). Die M. wurde vielleicht schon in vorgeschichtlicher Zeit in Deutschland gezogen2). Der für die M. geltende Aberglaube gilt z. T. auch für andere Rübenarten (s. Rübe). M a r z e i l Kräuterbuch 182 f. Reallexikon 3, 234 f.

a)

Hoops

2. Die M.n dürfen nicht im Zeichen des Krebses gesät werden, sonst bekommen sie viel Wurzeln, spalten sich (sie bekommen krebsscherenähnliche Doppelschwänze) usw. 3) ; dagegen soll in der Pfalz das Zeichen des Krebses bevorzugt werden4). Auch das Zeichen des Skorpions soll man vermeiden 5). Man darf sie nicht an Zwillingstagen säen, sonst werden sie „trallterig" und spalten sich e). Sehr beliebt ist das Zeichen der Fische („dann werden die M.n glatt") 7 ), günstig ist auch das Zeichen der Jungfrau 8) oder des Löwen im März 9). Bei Junglicht dürfen keine M.n gesät werden, sonst schießen sie ins Kraut 10 ) ; auch am Samstag darf man keine M.n säen u ). Sie müssen gesät werden am hl. Abend oder drei Tage vorher12), am Benediktustag i a ), am Gründonnerstag 14). Die M.n gedeihen, wenn man beim Aussäen spricht : Wuertelsoot guet g e r o o t l Armenslank un b o l l e n d i c k ! 1 ' ) ,

oder:

I sä Ruba F ü r Mädli un für B u b a ,

454 F ü r a r m i und für reichi L e u t ' , D a ß 's r ä c h t viel R u b a geit (gibt) « ) .

Beim M.nsäen muß man die Samen in einen recht großen, weitbauchigen Topf tun, damit sich ihn die M.n als Muster nehmen17). Am Pfingstmorgen vor Sonnenaufgang soll man sich nackt (vgl. Lein) auf den M.nfeldern herumwälzen, dann werden die M.n vorzüglich geraten18). 3 ) ZfVk. ι , 186 (Mark B r a n d e n b u r g ) ; 4, 83 (Mittelschlesien) ; ZfrwVk. 2, 208 (obere Nahe) ; M e y e r Baden 423; D r e c h s l e r 2, 54; M a r z e i l Bayer. Volksbotanik 99; a u c h in F r a n k r e i c h : S é b i l l o t Folk-Lore 3, 455; B e a u q u i e r Faune et Flore 2, 157. 4 ) W i l d e Pfalz 68. 5 ) S c h w l d . 6, 81. · ) H u n t e m a n n Die -plattdeutsch. Namen unserer Kulturgew. 1913, 75. ' ) ZfrwVk. 2, 208; W i l d e Pfalz 68; U n t e r f r a n k e n : Orig.-Mitt. v o n B e h r 1910; auch in F r a n k r e i c h : S é b i l l o t Folk-Lore 3, 455. e ) K u m m e r Volkstüml. Pflanzennamen usw. aus d. Kt. Schaffhausen 1928, 99. ») S c h w l d . 6, 81. 1 0 ) ZfrwVk. 25, 67. n ) E b d . 2, 208. l a ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 54. 1 3 ) D a werden sie „ b e n e d i k " = dick wie die B e i n e : E n g e l i e n u. L a h n 271; „ S ü n t Benedik — M a c h t de Mohren d i c k " : S p e e Niederrhein 2, 31, vgl. Zwiebel. 1 4 ) W i r t h Beiträge 6/7, 21. l s ) ZfrwVk. I , 153; ähnlich sagt m a n in L o t h r i n gen beim M.nsäen: Gros c o m m e m a cuisse, long c o m m e m a cuisse: S é b i l l o t Folk-Lore 3, 457· w ) Orig.-Mitt. v o n Β e h r 1910, vgl. R ü b e . 17) Erzgebirge: ZfKulturgesch. 1875, 515. l s ) B r u d z y n in P o s e n : K n o o p Pflanzenwelt X I , 79-

3. An Neujahr 1β ) oder an Silvester soll man M.n essen, dann geht einem das ganze Jahr hindurch das Geld nicht aus. Die gelbe Farbe der M.n soll wohl auf das Gold hindeuten, vgl. Hirse20). ia) W o l f Beiträge r, 230; M e i e r Schwaben 470; M o n t a n u s Volksfeste 18; ZföVk. 9, 187; 32, 84: „ d a n n wird das J a h r s ü ß " . Wuttke 408 § 632.

4. Im Aischtal (Oberfranken) enthält der „Kräuterbüschel" (s. Kräuterweihe) besonders M.n. Die Rüben werden nach dem Gottesdienste von der Hausfrau an Mensch und Vieh verteilt 21 ). 2l)

Heimatbild, aus Oberfranken 1 (1913), 88.

5. Ein sehr weit verbreitetes Mittel gegen Gelbsucht (und ähnliche Krankheiten) besteht darin, daß man eine gelbe Rübe aushöhlt, den Harn des Kranken hineinbringt und dann die Rübe in den Rauchfang hängt, ist sie vertrocknet, so ist auch die Krankheit verschwunden22). Auch in Frankreich2S), in der Ukraine,

455

Molch

bei den Slovaken 24 ) und bei den Siebenbürger Sachsen 2δ) wird das Mittel angedeutet. Übrigens sind ähnliche Mittel schon aus der Antike bekannt 26 ). Die polnischen Juden trinken gegen Gelbsucht das Wasser, worin gelbe Rüben gekocht wurden 27). 22) Ζ. B. K n o r r n Pommern 132; Urquell 1, 136 (Tilsit); D r e c h s l e r Schlesien 2, 305; H e ß l e r Hessen 2, 493; ZfrwVk. 2, 182; 7, 57; M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 155; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 255; J ä c k e l Oberfranken 219; Bavaria 1, 462; 3, 404; 4, 222; F i s c h e r Oststeierisches 115; ZföVk. 15, 176 (Gottschee); M e y e r Baden 573; H ö h n Volksheilkunde I, 107; S A V k . 12, 153; S c h n e i d e r Saargebiet 1924, 38; G r o h m a n n 154 = W u t t k e 355 § 531; F o g e l Pennsylvania 290; 23) B e a u q u i e r Faune ZfvglSpr. 13, 117. et Flore 2, 158; Vogesen: S é b i l l o t Folk-Lore 3, 24 497 = R o l l a n d Flore pop. 6, 127. ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 114 t. 2S) Ethnol. Mitt. aus 2e) H e i m Ungarn 3 (1893/94), 27. Incantamenta 487. 27 ) Urquell 5, 290.

6. Wilde M.n haben in der Mitte der sonst ganz weißen Blütendolde eine rote Blüte. Zuweilen fehlt diese ganz. Ihrer werden immer weniger, je mehr die Tugenden der Menschen abnehmen 28 ). n

) Trapold: M ü l l e r Siebenbürgen

172. Marzell.

Molch (Salamander). Biologisches. Für den volkstümlichen Glauben kommen vor allem der Feuers, (s. maculata), auch Lands., sowie der schwarze Alpens. (s. atra), auch Bergs., in Betracht, vielleicht auch noch der Wassermolch 1 ). Der Name S. selbst, der vom Persischen kommt (samandra = Gift 2 )), ist im Volke kaum gebräuchlich, wenig auch Molch; in den Alpenländern nennt man ihn, vorzüglich den schwarzen, Tattermandl 3 ). Da der S. trockene Wärme nicht verträgt, bei heiterem Wetter also unsichtbar ist und sich nur nach Regen zeigt, hat ihn der Volksglaube zum Wetterpropheten gemacht. — Schon Plinius berichtet, die Erzeugung des S.s gehe auf verborgenen Wegen vor sich 4 ), was auf richtiger Beobachtung aufbaut, da er auf dem Lande lebt, aber die Larven im Wasser absetzt 6) ; man glaubte auch, es gebe keine getrennten Geschlechter e ). Seine Haut sondert aus seitlich liegenden Drüsen

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einen milchig-weißen Saft ab, der ein ätzendes Gift enthält (Salamandrin), das Vögel und kleinere Tiere zu töten vermag; wird er gereizt, so spritzt er riechenden Saft aus 7 ). Dieser Saft löscht unter Umständen kleinste Glut und befähigt ihn, unbeschädigt durch schwaches Feuer zu kommen. Dazu ist er sehr zählebig, kann verlorene Körperteile ersetzen, und das Männchen einzelner Arten hat ein auffallendes Hochzeitskleid ®). Der Bergs. (Wegnarr, Morakl) hat ein Gift, das die Gerinnbarkeit des Blutes erhöht 9). Diese Umstände haben natürlich dazu beigetragen, den S. schon im f r ü h e n A l t e r t u m e zu einem abergläubische Vorstellungen wirksam fördernden Lebewesen zu stempeln, das als giftiges Scheusal galt. Bloße Berührung erzeugt Ausschlag; Haare, die er berührt, fallen aus; gerät er auf einen Obstbaum, so vergiftet er die Früchte, deren Genuß den Menschen tötet; verendet er im Wasser, so ist es vergiftet und wirkt vergiftend 10 ) ; Molchgift wurde zu Mordanschlägen, zu Zauber und in der Medizin verwendet 11 ). Der S. kann Fäulnis und Geschwüre erregen 12) ; ein Gemisch aus seiner Asche und ö l entfernt lästige Haare, ähnlich der in Honig eingemachte Rumpf; selbst zu Liebestränken wurde von ihm zugesetzt 13 ). Der S. lebt im Feuer 14 ), stirbt in ihm nicht und löscht es sogar aus 1 6 ) ; seine Augen können sich (nach Plinius) ganz umdrehen, seine Leber liegt auf der linken Seite 16 ), er nährt sich (nach Aristoteles) nur von Luft und Tau 1 7 ). Ein aus der Wolle des S.s gefertigtes Gewand verbrennt nicht 18 ), in Asien ist ein Feuerberg, in dem S. unverkennbaren Pfellel wirken 19). Ein Mensch, der sich mit S.blut bestreicht, ist gegen Feuer unempfindlich 20). Der S. hält sich mit Vorliebe bei Handwerkern auf, die mit dem Feuer zu tun haben, verlöscht es aber gerne 21 ). Die alten Naturhistoriker, die diese Züge berichten» hegen teilweise bereits Zweifel darüber, so Plinius bezüglich Feuerlöschen, Dioskurides betreff Widerstandskraft gegen Feuer 2Z ). Unter den Symbolen des Mithras-

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Molch

dienstes fand sich in einem Römergrabe in Köln ein Bronzedolch 23 ), auf einer Votivtafel auf dem Gr. St. Bernhard ein S. zwischen ausgestrecktem Daumen und Zeigefinger24). Der S. spielt auch sonst noch außerhalb des deutschen Gebietes eine besondere Rolle 25 ). Der d e u t s c h e A b e r g l a u b e hat sehr viel Züge mit antikem und überhaupt außerdeutschem gemeinsam. Der Feuers, löscht nach bayr. Volksglauben das Feuer, lebt in ihm 28), kann es zum Verlöschen bringen 27 ), ist also durch Feuer nicht zu töten 28) ; daher bringt man ihn immer wieder mit der Feuersbrunst in Verbindung 29), er gilt geradezu als Feuergeist 30), heißt Feuermann 31) oder Feuerwurm 32 ) und wird zum Löschzauber in die Glut geworfen 33). Nach dem Neimen Tattermandl (s. Tattermann) zu urteilen, sieht man ihn in den Alpenländern als einen Hausgeist an 34 ) (Seelentier), er ist ein Seichdämon, Beißdämon 35), daher darf man ihn nicht kränken, schon gar nicht töten 36 ). In Wachs nachgebildet, wird er mit Nadeln durchstochen und zu Zauber verwendet, auch als Fetisch an zittrige Glieder gehängt 37). Sein Abbild findet man häufig an Öfen und Kaminen38), wo ja der Hausgeist vorzüglich seinen Sitz hat 39). Sein dämonischer Charakter zeigt sich auch darin, daß er mit Kirchengründung in Zusammenhang kommt und sein Bild an Kirchtürschlössern und -riegeln gefunden wird 40 ). Er ist ein Kind des Teufels 4l ), des Teufels Spion, der einen durchdringend anschaut 42 ), daher heißt der schwarze S. in Glarus Guggemannli 43 ) (Teufel) oder Hecki 44 ) (Hexe). Er gilt als Schreckgestalt 45), als Geisterspuk wie die Schlange 4e ), lebt im Goldberg 47 ) und lockt Menschen in Moräste und Froschgräben 4S). Er ist als fürchterliches Tier auch im deutschen Lande verschrien 48 ), wo er ebenfalls als giftig gilt 50), und als Wasservergifter 61 ); lebendig ins Gewehr geladen, verhilft er zu sicherem Schusse S2) (Tirol). Gibt er beim Fangen einen Laut von sich, so verliert man das Gehör M ). Gewand aus S.haut wird, im Feuer gereinigt, weiß,

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ohne daß ein Haar verbrennt 51 ), S.laken ist als Zwergengeschenk glückverheißend »). Das u n h e i m l i c h e T i e r will man natürlich auch loswerden, daher klopft man in Westfalen und in der Grafschaft Mark am Peterstag mit dem Kreuzhammer an die Hauspfosten, um ihn zu vertreiben88). Andererseits ist der S. eben ein h e i l i g e s T i e r , dessen Gerippe wie das der Eidechse das Leiden Christi vorstellt 57 ) (österr.); der „Roß" (Molchart) hatte übrigens von Gott die Wahl frei gestellt, ob Schönheit oder Augenlicht, wobei er sich für erstere entschied 58 ) (Tessin). In der V o l k s m e d i z i n findet der S. vielfach Verwendung. Gegen Fieber läßt man ihn dreimal über das Strumpfband se ), gegen Kreuzweh über Hosenträger eo ) oder Halstuch 81 ), Mieder 82 ) oder Gürtel e3) kriechen, wodurch sich besonders Schnitter vor Rückenschmerz schützen84). Schmerzhafte Gewächse vertreibt man in Gottschee so, daß man durch Daumen und Zeigefinger dreimal vor und dreimal zurück den Erdm. kriechen läßt, daß er die Finger streift; dann bildet man mit diesen Fingern über dem Gewächs ein Kreuz 85 ). Würmer treibt man ab bei Mensch und Vieh durch einen Gürtel, über den ein Erdm. gekrochen ist ®8). Feuer- wie Bergs, werden gegen das Schwinden beim Menschen und das Rachsein der Pferde im Schwindbeutel getragen 87 ) ; auch M.pulver kennt man*8). Zwischen den Frauentagen (Mariae Himmelfahrt bis Mariae Namen) gefangen und im Stalle aufhängt, wendet der S. Unglück ab (Oberöst.) 8Ï ); an das schwundkranke Bein einer Kuh hängt man den Kopf eines S.s, so wird der Zauber entkräftet 70 ) ; der S. schützt vor Schreck n ) . Auch die Alchimisten bedienten sich des S.s, um Gold zu machen 72 ). Als W e t t e r p r o p h e t endlich verkündet ein bergauf gehender Moltwurm 73) oder ein solches Tattermandl Schönwetter (Steiermark) 71 ), bergabwärts ziehend schlechtes 7S) ; der Feuers, zeigte ehedem frühen Sommer an, wenn er bald im Frühjahr zu sehen war 7 8 ), und kündet heute, wenn

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Molitzlaufen—Molke

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Mythol. 2, 793; D W b . 8, 1679 f. J 1 ) S c h i n d l e r Aberglaube 15. 32 ) D W b . 8, 1678. 33 ) H o v o r k a K r o n f e l d I, 369. M ) ZföVk. 31, 8 9 f . ; ZfdMyth. 3, 208. 3S) H ö f l e r Dämonen 125. 3 ·) W u t t k e 37 § 155· ) H ö f 1er Krankheitsnamen 395; ZföVk. 31, 90. 3S) ZfdMyth. 3, 208. 3 ·) Vgl. ZföVk. 31, 87; S i m r o c k Mythol. 450 f. 40 ) V e r n a l e k e n Alpensagen 45. 41 ) M e i c h e 42 43 Sagen 486 Nr. 632. )ZVfVk.9,375. ) R o c h h o l z Sagen 2, 179. 44 ) E b d . « ) E b d . « ) L a i s t n e r Sphinx 1, 172 = S c h ö p p n e r Sagen 3, 293 Nr. 1304. 47 ) L a i s t n e r Sphinx 227 = T o e p p e n Masuren 132. 4e ) D W b . 8, 1679. 4 ») H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 369; ZfdMyth. 3, 208. 50) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 369; S c h n e l l e r Wälschtirol 246 f. 61 ) K ü h n a u Sagen 2, 241; W i t z s c h e l Thüringen 2, 33 Nr. 24. " ) Globus 3 5 , 2 6 = W u t t k e § 714; ZVfVk. 8, s3 174. ) Heimatgaue 7, 108; R o s e g g e r Steiermark 63. M ) D W b . 8, 1678 f. " ) G r i m m Sagen 24 Nr. 35. 6e ) S i m r o c k Mythologie 551. « ) W u t t k e § 155. W) SAVk. 19, 47. M ) H ö h n Volksheilkunde 1, 153. 60 ) E b d . 1, 1 3 7 ; E b e r β1 h a r d t Landwirtschaft 5. ) Höhn Volksheilkunde ι , 137. · 2 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 5. e3 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 370. M ) E b e r *) Vgl. M e y e r Konverslex.e 14, 28 f. 2 ) h a r d t Landwirtschaft 5. " ) H o v o r k a - K r o n P a u l y - W i s s o w a 2. R., 2, 1821. 3 ) Vgl. f e l d 2, 395. " ) E b d . 2, 96 = L a m m e r t 1 3 2 ; ZföVk. 3 1 , 85. 89 f. 4) P a u l y - W i s s o w a 2. ZVfVk. 8, 174; vgl. S t a r i c i u s Heldenschatz R., 2, 1821. s ) Vgl. M e y e r Konvers.lex. a. a. O. (1679) 553. 47 ) H ö f l e r Volksmedizin 148 = ·) M e g e n b e r g Buch der Natur 235. ' ) H o v o r H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 370. ") Meiche k a - K r o n f e l d 1,369. *) Vgl. M e y e r Konvers.lex. Sagen 5 1 1 Nr. 659. ··) Heimatgaue 7, 108 = a . a . O.; P a u l y - W i s s o w a a. a . O . ® ) H o v o r k a B a u m g a r t e n Jahr 29. ">) ZfdMyth. 3, 208. K r o n f e l d 1, 370; H ö f l e r Volksmedizin 148. | 71 10 ) R o s e g g e r Steiermark 63. 72 ) H o v o r k a ) Vgl. P a u l y - W i s s o w a a. a. O.; M e g e n b e r g K r o n f e l d I, 369. 73 ) R e i t e r e r Ennstalerisch Buch d. Natur 235. u ) H o v o r k a - K r o n f e l d 57. 74 ) ZVfVk. 10, 59. " ) E b d . 7ru{>ismál 23. 25, sicher ganz jung (Bibeleinfluß ?). 3 0 e ) H e f e l e Conciliengesch. 3, 338. S07 ) Horn. 42 (Migne PL u o , Sp. 7. 8 ) ; die Stelle auch bei P a n z e r Beitrag 2, 3I2ÍÍ. 3 0 8 ) F r i e d b e r g Bußbücher 25. 30») Mitt.schIesVk. 1 7 ( 1 9 1 5 M 0 . 3 1 0 ) ZVfVk. 23 ( 1 9 1 3 ) , 1 2 1 ; P a n z e r Beitrag 2, 260; vgl. ZVfVk. 22 ( 1 9 1 2 ) , 124. 3 n ) F r a n z Nikolaus de Jawer 170; MschlesVk. 1, 10; vgl. K ü h n a u Sagen 2, 547; D r e c h s l e r 2, 131. 8 1 i ) Neudrucke von Schriften und Karten über Meteorologie und Erdmagnetismus her. v . G. H e l l m a n n , Berlin 18930. Nr. 1 : L . R e y n m a n Wetterbächlein; der lat. Vers ist in einem Auszuge Schnellenbergs aus dem citierten Abschnitt des Wetterbüchleins von Schnellenberg hinzugefügt: ZrwVk. 6 (1909), 249. 313) 3 " ) Höhn Germania 9 (1864), 196. Volksheilkunde 1, 95· 3 1 5 ) ZVfVk. 8 (1898), 202. 3 W ) Rockenphilosophie I I I , 64 (S. 317) Amersbach 161). Grimmelshausen 2, 49. 3 1 8 ) S. Urquell 5 (1894), 174; anmerkungsweise einen Beleg aus Mecklenburg vom Jahre 1747 (aus juristischen Akten in Rostock, zitiert bei B a r t s c h Mecklenburg 2, 59) : Einer, der in der Ehe nicht vorwärts kam, entschuldigte sich vor Gericht damit, „wat he davor künde, dat he nich fortkäme, se schöllen em nich hebben im nauen Mahn (decrescente tunc, in letzden Vierdel) Hochtiedt dohn laten". 31») Urquell 5 (1894), 174. 3 1 t ») Vgl. auch das Anm. 223 a genannte Buch, in dem mancherlei über die Geschichte des M.glaubens in Deutschland zu finden sein wird. 3 Î 0 ) H ö f l e r Fastengebräuche 55; W o l f 53f. 3 Î 1 ) Wie z. B. im antiken Thessalien; Stellen dazu aus antiken Schriftstellern in Art. Selene bei P a u l y W i s s o w a Sp. 1140, iofi. und R o s c h e r Selene und Verwandtes 88, 345 t.; vgl. das schöne Vasenbild mit der Mondbeschwörung durch zwei griech. Hexen in B o l l Die Sonne im Glauben und in der Weltanschauung der antiken Völker ( = Astron. Schriften des Bundes der

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Sternireunde Nr. 3) Tafel 2, 3. 3 2 2 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 63. 32S ) Vgl. die Variante v o n der Kuh, die den M. umschleckt haben soll, als sie aus einem v o m M. beschienenen Wasser trank und dafür getötet wurde, in der Magiologia des B a r t h o l . A n h o r n (Basel 1675) 699; auch v o n einem Esel ist gelegentlich die R e d e : O r t o l i Contes pop. de l'Ile de Corse (Paris 1883) 252ff. 3 2 4 ) K ö h l e r Voigtland 627. 325 ) SchwVk. 2, 37 ff. mit weiterer Literatur. Vgl. SAVk. 2, 34; ZVfVk. 2 (1892), i 6 i f ; 5 (1895), 429; SchwVk. 2, 74Í.; 3, 91, sowie die ebd. S. 46 gedruckte Kritik des Buches v o n K. W a l t e r D'Illziger Jäger oder d'Mondfänger. Mühlhausen [ E l s a ß ] 1912. 3 2 e ) Ob die Erzählung in Deutschland entstanden ist, ist noch sehr die Frage. Nicht nur in Italien (Bergamo), Wallonien und der Gascogne kennt m a n denselben Schwank, sondern auch i m Orient: B ä c h t o l d - S t ä u b l i verweist in SchwVk. 2, 39 auf Meister N a s r - ' e d d i n (14. Jh., Kleinasien), der bereits die Erzählung v o n M.fängern kennt. Von hier wäre die W e n d u n g der Erzählung und ihr Umsichgreifen in Europa zu verfolgen. 3 2 7 ) Auch für die Erzählung v o m Mann i m M. sei ein historisches deutsches Zeugnis angeführt aus M e g e n b e r g Buch der Natur 5 1 (Materialien zur Geschichte dieses Mythus v o n der Urzeit a n s. u. Anm. 373 ff.)

13. Beispiele des antiken V o l k s glaubens. Was der antike Volksglaube über den Zusammenhang zwischen irdischen Vorgängen und M.phasen sagte, muß hier mit einigen Beispielen belegt werden, aus denen hervorgeht, daß die Voraussetzungen und z. T. auch die Anwendungen des antiken M.glaubens die gleichen sind 328). Die Grundlage ist auch hier der Sympathieglaube; er ist eben einer der „Elementargedanken" der Menschheit32S), und man wird keineswegs Abschn. 4 Nr. 3 als Entlehnung charakterisieren wollen, wenn es auch im Bereich des Griechischen heißt, man solle möglichst bei Beginn des zunehmenden M.es heiraten (bei Synodos [sinnlich zu verstehen ?] der Sonne und des M.es; nach Proklos) 33°). Ein bekanntes Beispiel für die Geltung des Sympathieglaubens ist die Weigerung der Spartaner, vor Neum. ins Feld zu ziehen, so daß sie zur Hilfeleistung in der Schlacht von Marathon zu spät kamen 331 ). Indessen fanden viele deutsche Regeln aus dem Bereich des Landlebens in der antiken landwirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Literatur, die man seit

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den fränkischen Zeiten in kirchlichen Kreisen aus praktischen Gründen mit steigendem Interesse las, eine feste Stütze. Für die medizinischen Regeln muß der Fall ähnlich liegen. Nun ist die Form dieser Regeln des antiken Aberglaubens, so wie sie von Plinius, Varrò, Columella oder von dem Verfasser der Geoponika überliefert werden, schon reifes Produkt der geschichtlichen Entwicklung des Altertums, und in ihnen tritt uns nicht nur griechischer und italischer Volksglaube entgegen, sondern auch philosophische, naturwissenschaftliche und astrologische Spekulation. Das haben wir hier aber nicht zu scheiden; denn in dieser fertigen Form wurden die Dinge auf Deutschland vererbt. Aus den landwirtschaftlichen Schriftstellern werden im folgenden einige Regeln aufgeführt, die man in fränkischer und frühmittelalterlicher Zeit in den Klöstern las. Die lateinischen Zitate aus Plinius und Columella werden durch einige aus Vergil und den Geoponika ergänzt. Bei Plinius dem Älteren findet sich sehr viel in seiner Naturgeschichte. Ër lehrt, daß mit dem M. das Blut des Menschen ab- und zunehme 332). Wurmzerfressene Bohnen füllen sich bei wachsendem M.333); bei Vollm. erntet man reichlicher Honig als sonst 334). Schwangeren und Kindern ist der Vollm. gefährlich 335) ; Lastvieh wird gern bei wachsendem M. augenkrank 336). Bebrüten von Eiern soll bei Vollm. geschehen 337), Beschneiden des Viehs bei abnehmendem 338). Getreide, während des Neum.s gesät, ist vor Insekten geschützt 339) ; Bohnen und Linsen sind bei Vollm. zu säen, vor allem letztere, da sie dann schneckenfrei bleiben 840). Am Neum. geerntetes Korn bleibt von Krankheit verschont 341 ), bei zunehmendem M. geerntet wiegt es indessen mehr, weswegen man einen Unterschied machen soll in dem für den Verkauf und für den Speicher bestimmten Getreide S42). Wein muß bei wachsendem M. gelesen werden343), Dung aber wird am besten bei abnehmen-

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dem M. gefahren und gestreut 344) (schon bei Cato maior) 34S). Anderes steht bei Columella. Im abnehmenden M. soll man Trauben zum Einmachen pflücken, auch die zur Mostbereitung 31e). Fisch ist zur selben Zeit •einzupökelnM7). Wiesen werden bei zunehmendem M. gedüngt usw. usw.348). — Der Zusammenhang mit der deutschen Vorstellung ist überall mit Händen zu greifen. Vor allem wird manches Medizinische nicht ohne antiken Einfluß entstanden sein. Denn gerade in der Antike wird dem M. Einfluß auf Gesundheit und Krankheit zugestanden; z. B. ist die Epilepsie von ihm verursacht, Epileptische heißen griech. σεληνιάζονιες oder ähnl., lat. lunatici 349 ) 350). Inwieweit die erwähnte Sitte mancher deutschen Gegenden, zu Weihnachten sichelförmiges Gebäck zu essen, in Zusammenhang mit dem antiken Glauben an die apotropäische Kraft der M.amulette (lunulae), die vor allem gegen schlechte Einflüsse schützen sollen, zu bringen ist, möchte ich dahingestellt sein lassen; in rein magischen Dingen wie hier ist an Übernahme recht wohl zu denken 351 ). 328 ) Ich k a n n hier nur Vergleichsmaterial g e b e n ; grundsätzlich sei verwiesen auf die A r t . Aberglauben Sp. 39ff. und Selene Sp. i i 3 8 f . i n P a u l y - W i s s o w a , wozu j e t z t (mir noch unbekannt) G u n d e l s Artikel M. tritt (ebd.); R o s c h e r L e x . 4, 6 4 7 S . 329 ) S. o. A n m . 16. 33 °) Zu H e s i o d Erga 780; vgl. die deutschen Sagen v o n der E h e zwischen Sonne und M. bei S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 58, s. o. Finsternisse Sp. 1513. 3 " ) H e r o d . V I 106. 332 ) P l i n . n.h. I I 221. 333 ) X V I I I 119. 331 ) X I 38. 335 ) V I I 42. 33β ) I I n o ; X I 149. 3 3 ') X 152; X V I I I 322. 33«) X V I I I 322. »») X V I I I i 5 8 . 340 ) X V I I I 228. 3 « ) X V I I I 308. 342 ) E b d . ; vgl. zu A n m . 66 und D r e c h s l e r Schlesien 2, 265: bei zunehmendem M. l ä ß t man sich wiegen, weil das Körpergewicht zunimmt ; bei abnehmendem M. nimmt es ab. 3 a ) X V I I I 316. 3 " ) X V I I 57. 3ω) de agr. 29. 3 M ) Col. X I I 16, 1 ; 44, 2; 19, 3. 3 « ) X I I 55, 3. 3 ω ) X I 14. 9; 17, 2· 3 4 i ) Stellen bei P a u l y - W i s s o w a s. v . Selene Sp. 1139, 43 ff. 360) Vgl. zur richtigen Zeit des Pflanzens noch V e r g . Georg. I 351 ff. ; G e o p o n . I 6, ι . 4; X I V 7, 13. Μ ΐ ) S e l i g m a n n Blick 2, 1 3 8 5 . — D a z u : H e s y c h . s. ν . Χεληνίς; P l a u t u s Epidicus V 1 ; P l i n . X X X V I I 124; v g l . T e r t u l l i a n de cullu femin. I I 10; H i e r o n . In

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Esaiam I I 3, 18, dazu und zu der Tertullianstelle J e s . 3, 18. — V g l . auch den aus der Spätantike überlieferten Brauch, den ersten Neum. des Jahres in Ausgelassenheit zu feiern, d a man glaubte, d a ß dann das ganze Jahr gut verlaufen werde, J. C h r y s o s t o m o s hont, in Kahndas ad pop. in eos qui Novilunio observant ( = M i g n e Pair. Graec. 48, 954—956).

13. E i n i g e H i n w e i s e auf a u ß e r deutsche Parallelen. a) Geburt, Hochzeit, Tod des Menschen. ι. M.gebet der Mädchen in B e l g i e n , gesprochen, während der eine Fuß bereits auf dem Bette steht: Lune, lune, belle lune. Faites me voir en mon dormant L e mari que j'aurai en mon v i v a n t

3 5 2 ).

2. J u d e n in der B u k o w i n a glauben, daß eine Trauung nur in der ersten Hälfte des Neum.s, und zwar am Abend eines Dienstags oder Mittwochs, nachdem die Sterne am Himmel aufgezogen und sichtbar geworden sind, stattfinden dürfe, damit die Brautleute eine Nachkommenschaft entsprechend der Zahl der Sterne erhielten 353). 3. Nach dem Glauben der I n d e r muß eine Hochzeit im nördlichen Sonnenlauf bei zunehmendem M. gefeiert werden. Vorliebe für den Herbst, Abneigung gegen den Frühling 384). 4. P o l e n , Masuren: Man läßt sich nie bei abnehmendem M. trauen, damit die Wirtschaft nicht zurückgeht 3S6 ). b) Tätigkeit. 5. F r a n z . S c h w e i z . Ne changer pas la paille des lits le jour de la Vierge ni à la lune décroissante ΧΛ ). 6. E b d . Il ne faut pas construire une cheminée pendant que la lune décroît et la jour de l'Ecrevisse, car la fumée ne tirerait pas m ) . 7. E b d . Quand la lune croît, semer les plantes qui montent (céréales, légumes verts), quand la lune décroît, semer les plantes, qui descendent dans la terre (carottes, raves etc.)367). 8. Bei den I n d e r n ist der Glaube an den Einfluß des M.lichts auf die Pflanzen sehr verbreitet 388 ); der M. heißt Herr der Kräuter. Ebenso in Frankreich 38 ®). 9. F r a n k r e i c h : Die Tiere haben weniger Mark und Knochen im abnehmenden M. und umgekehrt ae0). 10. F r a n z . S c h w e i z . Man säe kein Getreide à la lune noire

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(Neum., erstes Viertel), il produira des grains noirs 361 ). — Kartoffeln sind im zunehmenden M. zu setzen 3ea). 1 1 . M.wechsel liefert gute Fischzüge, glauben die Togoneger 3e3). c) Medizinisches. 12. Ein Warzenvertreibungsrezept aus Polen 364): Man sieht den Vollm. an und spricht: Was ich sehe, das bestehe, was ich nicht sehe, das vergehe. Dann macht man mit einem Strohhalm dreimal das Kreuz über die Warzen und geht nach Hause, ohne sich umzusehen. 13. Bei den Zigeunern werden Bruch und Kröpf bei abnehmendem M. verbohrt, Unfruchtbarkeit der Frauen bei zunehmendem, und zwar in eine Linde oder einen andern Baum; wenn das Bohrloch überwachsen ist, ist das Gebrechen geheilt 368). Ähnliches glaubt man in L i t a u e n , wo man, um Geschwüre zu heilen, bei zunehmendem M. auf einen Kreuzweg geht und ein Gebet spricht 3ββ ). 14. L e t t l a n d : Gebet gegen Zahnschmerzen. Guter Mond, ich klage Dir, Zahnschmerzen quälen mich! Ich bitte dich. Nimm diese von N . zu dir 3 8 7 ).

d) Sonstiges. 15. Böhmen. Schaut jemand in den M., wo der heilige David sitzt und Harfe spielt, und springt dem heiligen David eine Saite, so erblindet ein Mensch 3ββ). 16. Polen. Wenn man den M. zum erstenmal im Zunehmen sieht, soll man drei Knickse machen; Wirkung: Glück im ganzen Monat 369). In S a m l a n d und L e t t l a n d meint man, man erhalte dann einen ausgesprochenen Wunsch erfüllt 37°). 17. Wer vor dem Neum. eine Verbeugung macht, der stirbt im selben Monat gewiß nicht (Bosnien, S l a vonien) 371 ). e) Amulette. Halbm.e aus Silber trägt man im heutigen I t a l i e n als Amulette gegen fallende Sucht; das Volk nennt sie luna pezzura = „der spitzige M.". Auf dem Rücken der neapolitanischen Droschkenpferde sieht man sie gegen bösen Blick. Die Amulette zeigen ein Gesicht zwischen

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den Hörnern oder das Vollm.sgesicht u. a. 372 ). f) Sage vom M.mann. Belege zu den oben (Sp. 5 1 1 ff.) zitierten Typen bei den Tschechen (König David, der Harfe spielt)373), E n g land (Schuhflicker 374), Holzdieb376)), Dänemark (Kohldieb378)), Schweden (M.greis, der Gelage liebt (so genannt, weil der M. von einem bestimmten Tage an abends immer später kommt), oder der Kohl gestohlen hat, deshalb Kohlgreis, Rübendieb); in Westergötland ist er ein Erbsendieb, in Gestrikland sind im M. zwei Greise mit einer Teerkanne; sie wollten den M. austeeren, damit er ihre Diebstähle nicht sehe. Jämteland kennt statt dessen zwei Männer mit Wassereimern; sie wollten den M. durch Ausgießen unschädlich machen 377). Für die Grönländer sind die dunklen Flecke im M. die Abdrücke der schwarzen Hände, mit denen die M.schwester den M. kennzeichnete, um ihn, wenn er wiederkäme, sie zu liebkosen 378), zu erkennen (ähnlich Chasias in Hochasien, Cherokesen in Nordamerika) 37e). F r a n k r e i c h (Mann mit Mistgabel)S80). Chinesen (Untertan, der dem Könige huldigt 381 ), oder Cassiabaum, unter dem ein aufrecht stehender Hase Cassia stampft, Kröte) 382). Ungarn (Zigeuner oder Tänzerin, oft heilige Cäcilia, mit Geige, wie David) 383). Malaischer Archipel (zwei Frauen) " " J , Samoaner (Frau mit Kind) M6), Amer i k a (Kröte), A m e r i k a und Ostasien (Kaninchen) Me) M7). 3 " ) W o l f Beiträge 1 , 122. M 3 ) ZföVk. 7, 1 1 9 . " ) W i n t e r n i t z Hochzeitsbräuche der Inder (unzgl.); vgl. S c h r ä d e r Reallex. 355. 554 und K u h n Westf. Sagen 2, $6i.; ferner H e r m a n n Griech. Privataltertümer 149. "') Hochzeitsbuch 205. 3 « ) SchwVk. 4, 1 3 . 3 " ) S c h w V k . 368 36 10, 8. ) G r o h m a n n 30 Anm. ·) G e r h a r d t Franz. Novelle 1 1 6 . 3 Í 0 ) Z V f V k . 1 7 (1907), 452. 3β1 ) SchwVk. 4, 1 3 . 3 " ) E b d . 3β3 ) S a r t o r i 2, 160. 3 e l ) Private Mitteilung aus Pabianice. 3ω ) H o v o r k a - K r o n f e l d i, 119. 3M) F r i s c h b i e r Hexenspr. 6 1 . 3β7 ) Z V f V k . 5 (1895), 7. »·») G r o h m a n n 28 Nr. 146. — Der harfespielende (zitherspielende) David ist apokalyptische Vorstellung, vgl. Tischendorf Apoc. apocryphae p. 5 5 (Apoc. Pauli). Die Vorstellung ist mir ferner bekannt aus koptischen Zaubertexten, K r o p p Ausgew. hop. 3

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Mond in den Segen

Zaubertexte (Brüssel 1 9 3 0 ; Fondation etc. 3e Reine Elisabeth) I I I § 5 2 — 5 8 . ») Private Mitteilung aus Pabianice. 3 , °) Urquell 1 (1890), 371 3 2 123. ) Z V f V k . 2 (1892), 1 8 3 . ' ) Seligm a n n Blick 2, 140. 3 ' 3 ) S. o. Anm. 368 und 374 J o h n Westböhmen 234. ) Urquell 4 (1893), 67. 3 7 6 ) W o l f a. a. O. 26. 3 , e ) Urquell 4 (1893), 2 1 7 . 3 " ) Urquell 4 (1893), 2 1 7 . 3 7 8 ) Urquell 4 (1893), 5 4 f . 3 7 9 ) E b d . s80) E b d . 68. 3 S 1 ) Z V f V k . 7 (1897), 1 1 0 . 3 8 2 ) K u n i k e Die Kröte im Monde ( = Sterne 1926, 79ff.; vgl. ders. Das Kaninchen im Monde ( = Sterne 1925, 2 6 7 0 . ) ; W o l f 54f. Μ 3 ) Z V f V k . 7 (1897), 1 1 0 . 3M ) Ebd. 3 8 5 ) Ebd. 3 M ) Vgl. Anm. 382. 3 8 7 ) Die Grundlage der Darstellung von Marduks Kampf mit dem „Schwarzmonduntier" ( = Drache, Bezeichnung der „ K n o t e n " der M.bahn, in der Astrologie als gefährlicher Zeitpunkt gefürchtet) ist sicher eine andere als die der ätiologischen Legende vom Mann im M. (gegen W o l f 55).

14. M.glaube in der L i t e r a t u r . Nur anmerkungsweise und aus Vollständigkeitsgründen seien am Ende noch einige Stellen der Literatur genannt, die teils kritisierend 388), teils durch Übertreibung ironisierend den M.volksglauben behandeln. Nec quidquam faciunt aliud nisi sedulo lunam Observant, cursusque astrorum ortusque obitusque,

heißt es in Versen des Thomas Naogeorgus889). Dante verbindet den M.untergang mit dem Hinweis auf die Versetzung Kains in den M.390). Fischart 391 ), Shakespeare 392), Grimmelshausen 393) kennen die abergläubischen Vorstellungen des Volkes über den M. ebenso wie Goethe, der in den Gebieten der pseudowissenschaftlichen Literatur so beschlagen war wie in denen echter Wissenschaft ; Goethe überbietet in seinem durch Mephisto empfohlenen Sommersprossenrezept den ganzen krausen Kauderwelsch magischer Texte mit den Worten: Nehmt Froschlaich, Krötenzungen kohobiert In vollstem M.licht sorglich destilliert. Und wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen — Der Frühling kommt — die Tupfen sind entwichen 3 M ) .

Endlich sei auf Lenaus „Hypochonders M.lied" mit seiner köstlichen Ironisierung des gefährlichen Gestirns hingewiesen. Indem der Dichter dies „Lied" in der feist philiströsen Warnung, den M.einfluß ja nicht zu unterschätzen, gipfeln läßt, tritt er durch mehr als 20 Strophen

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hindurch als der „Wissende" auf, der im Flüsterton uns alle die bösen Schandtaten des M.es ins Ohr raunt und, scheinbar von solchem Wissen bedrückt, sich ereifert ob des Unglaubens der Welt und für sich die Gefahr durch eine „verehrende Hymne" zu bannen sucht, die sofort im Ton umschlägt, als er mit Frohlocken den M. untergehen sieht: wie ein Kind, das auf seine Tüchtigkeit baut, wenn sein Widersacher sich verzogen hatWeil mich der Mond ins Zimmer glotzend Nicht schlafen liess die ganze Nacht, Hab ich Poet hinwieder trotzend Dies Lied zum Schimpf auf ihn gemacht. Noch wüsst ich viel von ihm zu melden. Doch seh ich dort im Untergang Hinunterducken meinen Helden, Bevor ich noch das Schlimmste sang 3 8 5 ).

Entgegen der These von Wolf gehören aber die Liebes- und Abendlieder, die den M. erwähnen (S. 48ff.), fast ausnahmslos nicht hierher; in ihnen haben Gefühlsstimmungen in Schilderungen nächtlicher Landschaft oder Vergleichen mit dem M. einen Ausdruck gesucht; von Aberglauben ist nirgends die Rede.

38e ) Zuerst ist hier die Schilderung des Hrabanus Maurus noch einmal zu erwähnen, 38> s. Anm. 307. ) Thomas Naogeorgus Regnutn papisticum (s. 1. 1 5 5 3 ) p. 1 3 1 , auch 3,0 bei M e y e r Aberglaube 22. ) Inferno X X 124e.; Paradiso I I 49ÌL (mit Kommentar v . Olschki), vgl. M e n z e l Symbolik 1, 4 1 5 ; Rivista d. tradizioni popol. italiani 1 (1893), 5 8 1 . 3n ) Gargantua 1 3 0 b (M.mann). 3 M ) Sturm I I 2 ; Sommernachtstraum V 1 (vgl. G r y p h i u s in 393 Peter Squenz). ) Amerbach Grimmeis· hausen 2, 49. 3 i 4 ) Faust I I 1, 6325 s . 396 ) Werke, Gedichte 1. Buch, vermischte Gedichte. S. auch Finsternisse, Planeten; Montag. Stegemann.

Mond in den Segen. ι . Der Glaube an die Kräfte des Mondes hat sich schon in der Antike in Sprüchen Ausdruck gegeben ; so wahrscheinlich auch im alten Deutschland. Die uns vorliegenden deutschen Sprüche sind aber spät überliefert (nur ganz wenige Texte liegen schon im 15.—16. Jh. vor), z. T. haben sie Parallelen bei anderen Völkern. Gewöhnlich sind Mondsegen an den neuen oder doch den z u n e h m e n d e n Mond gerichtet, von dessen Wachstum Heil erwartet wird. Aus der Antike ist ein

535

Mond in den Segen

Spruch gegen einen Feind, zu nennen : „Heil dir, heiliges Licht (es folgt hier ein ganzer Mondhymnus) . . . tue das Bewußte, ob du willst oder nicht. . ." 1 ). In einer (laut dem Herausgeber nicht völlig einwandfreien) k i r c h l i c h e n Benediktion wird beschworen „per solem et lunam et ceteras planetas" (gegen Würmer im Gemüsegarten)2), ähnlich, doch wohl recht selten, in mehr apokryphen lat. und deutschen Besprechungen 3). Im Folgenden eine Übersicht über die beliebteren v o l k s t ü m l i c h e n deutschen Sprüche; gewöhnlich sind sie zu sprechen, indem man den Mond ansieht. *) Wiener Denkschriften 36, 3 1 ff. s ) F r a n z Benediktionen 2, 168 f. 3 ) ZfdA. 18, 78 (12. Jh.); S c h ö n b a c h Berthold v. R. 145 (14. Jh.); Alemannia 27, 1 1 8 (deutsch 16. Jh.).

2. Der Mond läßt gedeihen (vermehrt), sei es die Gesundheit oder den Wohlstand (Lateinisch im 9. Jh. heißt es in St. Galler Hschr. gegen Zahnschmerzen: „luna nova, dentes novi" usw. 4 )). Deutsch gegen „Schwinden" (s. d.) : „ Das neue Licht, das ich ansah, das nehme zu an Mark und Bein" usw. 6 ). Vgl. italienisch für Haarwuchs: „Willkommen, neuer Mond . . . wie deine Spitzen wachsen, so mögen meine Haarflechten wachsen" e). Man zeigt dem Monde seinen offenen Geldbeutel und spricht: „Biß gud welchome, nuwer maen, holder here, mach myr mynes gudes mere", so schon 15. Jh. ') ; oder es heißt: „Komm du Mond in die Tasche" 8) (kommt hier der silberne Mondglanz in Betracht ? 9)). Schon Berthold von Regensburg im 13. Jh. erwähnt die Sitte, „in novilunio denarios enumerare" 10 ), gibt aber keinen Spruch. Auch hier ein ital. Seitenstück: „ . . . crisci tu, crisciu ia (d. h. io), crisciu 'u bien 'η casa mia" 1 1 ). — Es sei hier noch an das Neulicht (im Neujahr), das die Zukunft zeigt, erinnert, deutsch, englisch, franz., nordisch belegt, s. Heirat (Segen über) § 2. 4 ) H e i m Incantamenta 556 f. 6 ) G r o h m a n n 176 Nr. 1254 (vgl. S e y f a r t h Sachsen 99). S, auch oben 1, 1685. ·) P i t r è Bibblioteca dette trad. pop. Siciliane 16. 28. ') ZfVk. l i ,

279, vgl. G r i m m Myth. 2, 587. m a n n 30. ») So W u t t k e § S c h ö n b a c h Berthold v. R. 5 1 . a. a. O. 17, 474.

536 ·) G r o h 10 632. ) n ) Pitrè

3. Der Mond benimmt, läßt schwinden. Sehr allgemein sind diese drei Haupttypen : a) Der Gruß 1 2 ), bes. für Zahnweh, Zahngicht; ältester Beleg vom Jahre 1576 1 3 ). Gewöhnlich so: „Ich grüße dich, du neues Licht, (hilf) für die Zähne und für die Gicht" (usw.); oder: „Goden Abend, nige Schin, ik klag di mine Qual und mine Pin . . ." u. a. 1 4 ). Der Gruß an den Mond kommt auch in anderem Zusammenhang vor, s. oben § 2 und Segen über Heirat § 2. Zu vergleichen sind Sprüche an die aufgehende Sonne wie: „Sei mir Gott willkommen, Sonnenschein, wo reit'st du hergeritten, hilf mir" (usw.) 15 ). Solche feierliche Grüße sind mit anderer Adresse (bes. der Tag, der Baum, der Feind) in den Segen recht gewöhnlich, vgl. Feuersegen § 5, Fiebersegen § 2, Segen wider Feinde § 3, Gichtsegen § 6a, Krankheitssegen § 2. Seinen ursprünglichen Platz in den Sprüchen hat aber der Gruß sicher eben als Begrüßung eines Gestirns. In Byzanz hieß es gegen die Hämorrhoiden: „Heil dir Mond, ich grüße dich Mond, ich beschwöre dich (daß du die Hämorrhoiden vertrocknest)", 15. J h . l e ) (Für Italien s. oben § 2). Der Brauch geht letztlich, z. T. über die Liturgien der spätantiken Mysterienreligionen, auf morgenländischen Gestirnkult zurück 17 ). b) Der Gegensatz: für Warzen, Überbein, Ausschlag, indem man zugleich die Stelle berührt, streicht oder abwischt: „(Das) was ich sehe, nehme zu; (das) was ich greife, nehme ab". Auch: „Was ich sehe, das bestehe ; was ich wegwerfe, das vergehe" 18 ). c) Drei Spitzen (nie eintretender Terminus), für Zahnweh. Z. B. „Lieber Mond, ich sehe dich mit deinen zwei Spitzen, hilf, daß meine Zähne weder reißen noch ritzen, bis daß ich dich sehe mit drei Spitzen" 1β ). So auch tschechisch und dänisch 20). d) Seltener findet das Streitmotiv

537

Mondfinsternis—Mondmilch

lichts 1 ). Es wird beschrieben als unförmlicher Fleischklumpen 2 ). Als Schimpfwort bezeichnet M. einen ungestaltenen, verwachsenen und blöden Menschen 3).

(s. d.) hier Verwendung: „ D e Wratt (Warze) un de Man, deid'n in Strid stan. De Man gewünn, de Wratt verswünn" 21 ). — Gegen die Raupen auf dem Kohl : „Rupen packt ju, de Mân geiht weg, de Sunn kümmt" 22). Literatur A d . J a c o b y Z f V k . 1930, 1 7 s . B a r t s c h Mecklenburg 2, 12. 14 ) Vgl. H ö h n Volksheilkunde 1, 146; E n g e l i e n u. L a h n 261 Nr. 139; D r e c h s l e r 2, 131 (oben zitiert). 301; B a r t s c h 2, 428f. Nr. 1985 f. (1986 oben zitiert); F r i s c h b i e r Hexenspr. 99 f.; Urquell 15 ) 3 (1892), 249 Ostpreußen. Jahn Hexen1β wahn 76. ) L e g r a n d Bibliothèque grecque vulgaire 2 S. X X I I . " ) Z f V k . 1930, 22 i. 1β ) ZfdMyth. 4, 115 Aargau; L a m m e r t 183; Alemannia 17, 243 (17. Jh.); S c h m i t t Hetlingen 18; G a n z l i n Sachs. Zauberformeln 8 Nr. ι (oben zitiert); D r e c h s l e r 2, 284 (oben zitiert); M ü l l e n h o f f Sagen 515; Bartsch 2, 364 Nr. 1704; BlpommVk. 3,148; Proceedings American Philos. Society 26, 345, deutsch aus Pennsylvanien. Vgl. DanmTryllefml. Nr. 498ft. 19 ) ZföVk. 2, 155; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 849 Böhmen; Alemannia 16, 56 Berlin; K u h n Westfalen 205; S e y f a r t h Sachsen 94 (oben zitiert); Z f V k . 8, 201 Mecklenburg; BlpommVk. 5, 25. J0) G r o h m a n n 152. 169; DanmTryllefml. Nr. 405 ff. « ) Bartsch Mecklenburg 2, 363 Nr. 1702. 22) K u h n Mark. Sagen 382.

!) Vgl. Mond Sp. 503. 2) W o l f Der Mond (Bühl 1929) 19. 3) Schweizld., 3, 219. Auch Wechselbalg. — Vgl. noch Z V f V k 6 (1896) 55; Η o v o r k a - Κ ronf eld 1,313. Stegemann.

12 )

13 )

4. Der a b n e h m e n d e oder volle Mond kommt viel seltener, und wohl erst durch jüngere Entwicklung, in den Sprüchen vor. Ζ. B. Gemeinsames Schwinden: „Hübschi Warza, schüni Warza, mit'm schwinätä Mu (mit dem schwindenden Monde) muoscht du vergu" 23). Gegensatz: (Für das Schwinden) „Alles was ich sehe das schwind, alles was ich greife wachs" (usw.) 24 ). Auch: (Für Warzen) „ D a ist was (nämlich der Vollmond), und hier ist nichts" 2 5 ) ; Sprüche wie der letzte sind auch im Norden bekannt, hier aber ohne den etwas künstlichen Gegensatz zum Dasein des Mondes, einfach das Übel „schmälernd", ζ. B. in Schonen: „Mir däucht', ich hätte, aber ich spüre keine" 2β). 23)

M a n z Sargans 60, vgl. S e y f a r t h Sachsen 96. 24) S e y f a r t h 99. 2S) T o e p p e n Masuren 55; v g l · B a r t s c h Mecklenburg 2, 364 Nr. 1705. 26 ) Folkminnen fr an Skytts härad (Lund 1915) 2, 10 Nr. 2f. Ohrt.

Mondfinsternis s. F i n s t e r n i s s e . Mondkalb. M. nennt man eine Mißgeburt unter Einfluß des widrigen Mond-

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Mondlicht, — schein s. M o n d (§§ 2 und 5. Mondmann s. M o n d (§ 7 b).

I I I j I ί j

Mondmilch, Mâmilch. Nachtrag zu Galakt it 3, 256 f. Neueste Untersuchungen im bernischen Oberland haben ergeben, daß Galaktit„ Mondmilch, wohl schon von der Bronzezeit hinweg bis auf unsere Zeit als Heilmittel ausgebeutet worden ist. Im Mâmilchloch bei Oberwil im Simmental fand man bronzezeitliche Funde, die es sehr wahrscheinlich machen, daß diese Höhle zur Gewinnung der Mâmilch schon zu jener Zeit aufgesucht worden ist. Die Höhle ist schwer zugänglich und weist einen Hauptgang nach oben und einen nach unten auf, die jeder 50 m Länge haben. Im oberen sickert aus einer nicht zugängliehen Öffnung eine feuchte, weiche, weiße Kalksintermasse, die sog. Mâmilch x ). Der Ursprung des Wortes ist von mundartlichem Mâ=Mond herzuleiten. In Sigriswil heißt eine ähnliche Höhle M.loch, im benachbarten Tschingel dagegen Mâmilchloch. Der tiefe Graben, der die beiden Dörfer trennt, bildet offenbar die Sprachgrenze für die beiden Wörter Mond- und Mâ, nach denen die Höhlen benannt werden. Andere Mâmilchlöcher finden sich im Frutigtal, bei Interlaken und am Pilatus; doch reicht ihre Verbreitung bis in das Gebiet von Beisel land. Im Oberaargau (Oschwand bei Herzogenbuchsee) findet man in Brunnstuben eine ähnliche kalksinterartige Ausschwitzung an den Sandsteinwänden, die den Namen „Fraueneis" trägt. Höchst wahrscheinlich dienten Mâmilch und Fraueneis zum Auflegen auf die Brust der stillenden Mütter und Ammen, denen sie reichlich Milch verschaffen sollten.

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Mondraute

Im Gebiete der Ostschweiz wird die Mâmilch Bergzieger oder Zieger (Molke) genannt, der französische Ausdruck in der Westschweiz konnte noch nicht festgestellt werden. Die Ausbeutung der Mâmilch noch in den letzten Jahren ist für das Heidenloch im Oberbergli bei Abläntschen festgestellt, und zwar wird sie als Heilmittel für Euterkrankheiten bei Kühen verwendet 2 ). 1 ) Jahrbuch Historisches Museum Bern 8 (1928), 7 4 f . ; 9 (1929). 46. *) E M . 10 (i93°)·

Tschumi.

Mondraute (St. Petersschlüssel, St. W a l p u r g i s k r a u t 1 ) ; Botrychium lunaria), ι. B o t a n i s c h e s . Kleines Farnkraut, dessen Wedel in zwei Abschnitte geteilt sind: einen fruchtbaren mit den Sporenhäufchen und einem unfruchtbaren, dessen Fiederblättchen halbmondförmig sind. Die M. kommt verstreut (sie wird leicht übersehen) auf Heide wiesen und an grasigen trockenen Hügeln v o r 2 ) . Von den alten Botanikern wurde die M. als Lunaria (minor), R u t a lunaria, Selenitis (von σελήνη = Mond) bezeichnet. *) S. auch H e ß l e r Hessen 2, 485. 2 ) M a r z e l l Kräuterbuch 312.

2. Die M. gehört zu den geheimnisvollen „Mondkräutern" 3 ), die wegen ihrer Gestalt mit dem Mond in Beziehung gesetzt wurden. Auch gewisse Kreuzblütler (ζ. B . Lunaria-Arten wegen der mondscheibenförmigen Scheidewände der Früchte) und Schmetterlingsblütler {ζ. B . Hippocrepis-Arten wegen der halbmondförmig gebogenen Hülsenfrüchte) gehörten zu den „ l u n a r i a e " 4 ) . Der berühmte schweizer Naturforscher Conr. G e s n e r widmete diesen „Mondkräutern" eine besondere S c h r i f t s ) . A u c h der Neapolitaner J. B . P o r t a 6 ) handelt von ihnen. Von der M. schreibt B o c k 7 ) : „etlich wollen, diß kraut sol zu und abnehmen mit dem Monschein / also / so mancher tag das liecht am himmel alt / also vil sol diss kraut underschiedliche zerkerffte bletter bringen / vil treiben abentheuer mit disem gewächs / sonderlich aber die Alchymisten . . . " . D i e M. wurde also offenbar bei dem

540

Beginnen verwendet, um unedle Metalle in Gold verwandeln zu wollen 8 ). Der Glaube an geheimnisvolle Beziehungen zwischen Pflanzen und Gestirnen war in der Antike weit verbreitet 9 ), wurde im MA. besonders von den Alchimisten (und manchen Ärzten) ausgebaut und taucht in neuester Zeit wieder unter der Flagge der „Astrologie" (als „astrologisches Kräuterverfahren") a u f 1 0 ) . Von einem „deutschen Volksglauben" kann hier wohl nicht gesprochen werden; das meiste beruht auf gelehrt-magischer Überlieferung. 3 ) Vgl. R o s c h e r Selene u. Verwandt. 1890, 4. Heft; FL. 16, 138. 4 ) Vgl. C. B a u h i n Pinax Theatri Botanici, Basileae 1740, 349ft. ; E t t o r e

D e T o n i LeLunarie. L'Ateneo Veneto. Venezia

31 (1908), 153—162. ®) De raris et admirandis herbis quae sive quod noctu luceant sive alias ob causas Lunariae nominantur, Commentariolus. Tiguri 1555. e) Phytognomonica. Francofurti 1591, 486 f. ') Kräuterbuch 1551, 345 r ;

vgl. ZfVk. 24, 12. 8 ) Vgl. Die fruchtbare Bonza oder das heilsame Mondkraut mit vielen chymischen und lunarischen Früchten abgebildet. Brieg 1681. ') Vgl. besonders die Schrift des „Hermes Trismegistos", in dem die Pflanze „aglaophotis" (s. auch oben 1, 315) als „Kraut des Mondes" bezeichnet wird; Meyer

Gesch. i. Botanik 2 (1855), 344. 1 0 ) Vgl. G. W . S u r y a Pflanzenheilkunde auf okkulter Grundlage. Berlin-Pankow 1922.

3. Die M. genießt auch sonst abergläubisches Ansehen. I m 16. Jh. glaubten die schweizer „Sennen, Krüttler und Berglütte", daß sie da, wo sie einmal gefunden worden sei, später nicht wieder auftauche 1 1 ). Die Meinung hängt wohl damit zusammen, daß die M. häufig (z. B . nach einem trockenen Frühjahr) ausbleibt. I m Berner Oberland hieß die M. im 16. Jh. „Tüfelschlüssel" 1 2 ), weil sie angeblich für Rinder und Pferde giftig sei. I m Zillertal glaubte man im 18. Jh., daß die Milch des Viehes, das von der Fruchtähre der M. fresse, weniger werde, daß das Vieh „b'seiche" (wohl z u „versiegen") und nannte die Pflanze daher „Bseichkraut" 1 3 ). Andererseits wird aber gerade die M. als „ N u t z k r a u t " verfüttert, damit niemand den „ N u t z e n des Viehes" ( = Milch) entziehen k a n n 1 4 ) , auch im südl. Böhmerwald gibt man im Frühjahr die M. den Kühen, um deren Milch zu ver-

Mondschäfchen—Mondstationen

541

mehren 1B ). Nach alten Angaben wurde •die M. von den Bauernweibern zu den Milchtöpfen gesetzt, weil sie der Zauberei und Behexung der Milch wehren soll 1 8 ). I n den österreichischen Gebirgsgegenden •wurde die M. als „ A n k e h r k r a u t " (weil die Milch „ankehren" = wiederkehren soll?) mit der Beschwörung gepflückt: Grüß dich Gott, Ankehrkraut, Ich brock dich ab und trag dich nach Haus, Wirf bei meinem Küh'l fingerdick auf! {d. h. die Milch soll viel Rahm geben) " ) . A u c h jetzt noch heißt die M. „ W i d a fcehr"18), „ W i e d e r b e k e h r " " ) , „Wiederk o m m " 20), vgl. auch Gundermann, Guter Heinrich, Schuppenwurz. A u c h der merkwürdige, alte ostpreußische Volksname der M. „ T r a u t Babbichen sieh mich a n " 21 ) und die in den österreichischen Alpenländern bekannte Benennung „Peterschlüssel" 2 2 ) scheinen auf abergläubische Anschauungen hinzuweisen. ") C y s a t 25. ") Gesner a . a . O . 35. «)

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Burschen umschwärmt zu werden. A u c h in den Stiefeln (vgl. Zaunrübe) und an der Brust wird die M. von den Mädchen getragen, damit sie recht viel Tänzer haben 2 6 ). Nach P r i t z e l u. J e s s e n 2 7 ) soll das „Allermannsherrnkraut", das im Harz an Pfingsten von den heiratslustigen Mädchen gesucht wurde (s. dieses W b . 1, 267) die M. sein. Übrigens wird die M. wohl als Abortivum versucht 2β ), woher wohl die alte Bezeichnung „Hurengras" 2β ) rührt. a3 ) Vgl. S t e m p l i n g e r Volksmedizin n o ; Sympathie 12. M ) a. a. O. 30. Î S ) M a r z e l l !e Bayer. Volksbotanik 189. ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 312. * 7 ) Volksnamen d. Pflanzen

1882, 61 ; vgl. auch ZfVk. 8, 396. « ) H ö f l e r Volksmedizin 116. 19) Pustertal: Botanisches Taschenbuch usw. auf das Jahr 1801, 222. 5. In romanischen Ländern und auch in England gilt die M. (ebenso wie Hippocrepis, s. unter 2) offenbar wegen der Gestalt der Wedelabschnitte als das geheimnisvolle K r a u t (engl. Unshoe-theHorse; provenc. déferro-malé, ital. sferraS c h r a n k u . M o l l Naturhist. Briefe über Österr. •usw. 2 (1785), 339; vgl. U n g e r u. K h u l l cavallo), dessen Berührung durch die Steir. Wortschatz 72; anders erklärt H ö f 1er Pferde bewirkt, daß diese ihre Hufeisen Krankheitsnamen 636 den Volksnamen „Beseich14 verlieren 80 ). kraut". ) Oberbayern: Marzeil Bayr. Volksbot. 205.

Allgem.

tanus Wb.

15

) ZföVk. 21/22, 197. l ") Z i n c k e

ökon. Lex.1

1 (1744), 1929 =

Volksfeste 148.

der in

w

) Hoefer

Oberdeutschi. . . . üblichen

Mon-

Etymol. Mda.

ι (1815), 35. M ) Kirchdorf a. d. Krems: Orig.Mitt. von Angerer 1913. ") Bei Leipa: MnböhmExc. 4, 253. 10) Catterfeld b. Gotha: Aus d. Heimat. Bl. d. Ver. f. Gothaische Gesch. usw. 2 (1898/99), 121. !1 ) G o t t s c h e d Flora

prussica 1703, 146.

2t)

Schöpf

Tirol.

Idiot. 1866, 493; H ö f e r u. K r o n f e l d Die Volksnamen d. niederösterr. Pflanzen

1889,

17.

4. Auf mythische Vorstellungen (Mond und Geschlechtsleben 2 3 )) geht vielleicht zurück, daß die M. als A p h r o d i s i a k u m und überhaupt in der Sexualsphäre •wirksam galt; „ a d supprimendos menses «t album muliebre" empfiehlt G e s n e r 2 4 ) •die M., auch gibt er an, daß die Schweizer Hirten das Kraut den Rindern (daher ,,taura" = Rinderkraut genannt) als Aphrodisiakum geben. Noch jetzt reicht m a n in der Oberpfalz etwa 10 Stück der Pflanze auf Brot den Kühen zu dem gleichen Z w e c k 2 6 ) . Damit wäre z u vergleichen, daß die slowakischen Mädchen die M. in den Gürtel einnähen, um von

*·) Vgl. B r i t t e n and H o l l a n d Plant names

18780., 478; C a m e r o n Gaelic Names of Plants

1900, 127; FL. 25, 422; S é b i l l o t Folk-Lore

469; R o l l a n d Flore pop. 11, 87.

Vgl. auch M a r z e l l lunaria)

als Kraut

Die M. (Botrychium

des Mondes

in

S A V k . 31,

60—66. Marzell. Mondschäfchen (Lämmerwolken .Schäfchenwolken) sind bekannt aus dem Liede Hoffmanns v . Fallersleben „ W e r hat die schönsten Schäfchen"; vgl. darüber M o n d § 8 Ende. — Der Singular ist verwendet in Morgensterns bekanntem Gedicht L u n o v i s 1 ) ; das W o r t ist eine Erfindung des Dichters 2 ). 1 ) In der Sammlung der Galgenlieder. *) Wolf Der Mond im deutschen Volksglauben 19.

Stegemann. Mondstationen nennt man in der Astrologie die 12 Zodiakalbilder hinsichtlich des Punktes der Sterngruppen, in denen der Mond im Laufe von 28 Nächten erscheint 1 ). E s gibt also 28 M. B a b y lonier 2 ), Chinesen, Inder, Araber und Griechen haben mit diesen Punkten operiert; wahrscheinlich verbreitete sich diese Lehre nach Osten wie nach Westen

543

Mondstein—Mondsucht

von Babylon aus3) ; hier ist sie (unvollständig) in der Marmortafel des Bianchini, dort in einem japanischen Papiergemälde enthalten 4). In den Texten der sog. Laien astrologie erscheinen Listen mit den 28 M. neben solchen, die statt dessen die Tierkreisbilder, Dekane, die 30 Grade der Tierkreiszeichen aufzählen und auslegen 5 ). S. B o l l - B e z o l d Sternglaube4 57 f. 147 (Literaturangaben). a ) Eine solche (rein astronomische) Liste mit Angabe der M. bei Br. Meißner Babylonien und Assyrien 2, 414. 3 ) Vgl. F r . C u m o n t Astrologica 1 7 . 4 ) Abb. B o l l - B e z o l d a. a. Ο. T . X V I I . 6) Ebda. 1 7 7 ; eine interessante Liste Cat. codd. astr. Graec. V 3, 90 f. Stegemann.

Mondstein (Selenites). Seit Plinius (h. n. 37 § 181) berichten antike und mittelalterliche Schriftsteller von den Eigenschaften eines Selenites genannten Steines. So sagt Marbod (c. 26) von ihm: „velut herba virens et iaspidis aemula gemma lunares motus et menstrua tempora servat, crescit enim luna crescente, minorque minuta efficitur, tanquam caelestibus anxia damnis. idcirco sanctus lapis a plerisque vocatur. dicitur esse potens ad amorem conciliandum, languentes etiam phthisicosque iuvare putatur. Toto gestatus crescentis tempore lunae, nec minus et toto per detrimenta fluentis, effectue miros et commoda plurima praestat, hanc autem gemmam memorant in India nasci". Agricola erklärte den Selenites für den lapis specularis, unser Maxienglas, früher auch Spat genannt, die farblose, durchsichtige Gipsmasse, aus der man Fensterscheiben machte a ). Gesner pflichtet dieser Meinung bei und sucht auch „ex candido translucet melleo fulgore" des Plinius zu erklären : nos speculores lapides alios sine colore et pellucidos, alios vero colons in fusco flaventis, quem melleum dixeris, habemus 2 ). Lonicer führt als deutsche Benennungen des Selenites an: „Unser Frauen Eis, Erdglas, Spiegelstein" und sagt, er sei so hell wie Spiegel oder Glas; die Alten hätten Fenster hiervon gemacht, deren etliche noch in alten Kirchen gefunden würden 3 ). Auch bei Zedier heißt es, „nach der heutigen

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Meinung, weil ein solcher Stein sieht nirgend finden will, werden sie denjenigen darunter verstanden haben, den wir Frauen-Eiß oder U. L. F. Eiß nennen" 4 ). Schade, der eine Menge von Berichten über den Selenites bringt, weist nach,, daß andere ihm zugeschriebenen Eigenschaften aus einer Verwechselung mit dem ähnlich klingenden celonites, von dem Plinius fabelt (h. n. 37 § 155), entstanden sind 6 ). Quenstedt berichtet, daß zu seiner Zeit rundgeschliffene Stücke des Adular (frischen Feldspats), der öfter mit einem bläulichen Lichtschein vorkommt, als M.e in den Handel kommen e ). l ) S c h a d e 1 4 2 3 s. v. silenites. 2 ) G e s n e r d. f. 1. 4 6 L 3 ) L o n i c e r 6 1 . 4 ) Z e d i e r 2 1 , m o . s ) S c h a d e a . a . O . (vgl. 1 3 7 0 f.). e ) Q u e n s t e d t 225. f Olbrich.

Mondsucht1). Eine der Ursachen der M. (Mond bescheint Ehebett) wurde oben Mond § 5 (Spalte 503) aufgeführt. Der Volksglaube kennt aber noch andere : Mondsüchtig werden die Kinder, die „vertauft" wurden, d. h. bei deren Taufe in der Liturgie ein Versehen vorkam 2 ) oder auf die, vor der Taufe, der Mond schien3),oder bevor sie ein Jahr alt sind4). Mondsüchtig wird weiter das Kind, auf dessen Windeln der Mond schien 8), dessen Mutter verreiste, bevor es abgesetzt war 6 ), das wieder angelegt wurde, nachdem es schon abgesetzt war 7 ). Der Schlafende, der vom Monde beschienen wird, wird ebenfalls mondsüchtig 8). Die Bibel und Thomas v. Aquin halten die Mondsüchtigen für Besessene 9). Da sehr oft die Meinung herrscht, der „Mondwolf" habe die M. verursacht, sagt schon C. Geßner (Thierbuch CLV): „Die Wolfszän helfend den monsüchtigen Menschen" 10). Die Angelsachsen legten Päonia auf den M.igen 1 1 ). In Pommern empfiehlt man ihm, ein Jahr lang bei abnehmendem Monde jeden Freitag von 3 /4i2 bis 12 Uhr nachts hinauszugehen, sich an einen Hollunderbaum zu stellen und schweigend gegen Sonnenaufgang zu schauen 12 ). Mit einer Halfter schlägt man den M.igen in Schlesien und spricht dazu „auf den Platz, auf den Platz", oder man zeichnet auf den Erdboden einen Mond

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Mondwahrsagung—Monotheismus

und läßt den Kranken ohne sein Wissen eine Stunde lang darauf liegen 13 ). Eine Exorzismusformel des hl. Eugendus von St. Claude gegen M. druckt Franz ab " ) . 1 ) Über den Namen vgl. H ö f l e r Krankheits2) namen 712. S c h ö n w e r t h 1, 168 Nr. 2; vgl. W u t t k e 390 § 595; S o m m e r Sagen 46 Nr. 40 (Klettermarten) ; K u h n Westfalen 2, 22 Nr. 59; ders. Mark. Sagen 373 (Lattenklimmer). 3 ) S c h ö n w e r t h 2, 65. 66; F o g e l Pennsylvania 242 Nr. 1253; P e t e r Österr.-Schlesien 2, 2 1 1 ; 4) G r i m m Myth. 3, 473 Nr. 1034. Müller 5) Isergebirge 22. R o s e g g e r Steiermark 63. e) W u t t k e 392 § 601. ') E b d . 393 § 601. 8) Germania 36 (1891), 389; Veckenstedts Z f V k . 3, 266. e ) Matthäus 4, 24; 17, 1 4 f t . ; F r a n z Benediktionen 2, 527. 10 ) Vgl. R o c h h o l z Naturmythen 247. n ) F i s c h e r Angelsachsen 31. 12 ) J a h n Pommern 153 Nr. 471. 13 ) D r e c h s l e r 2, 310. 14 ) Benediktionen 2, 548 A n m . 4. Bächtold-Stäubli.

Mondwahrsagung s. N a c h t r a g . Monotheismus 1 ) ( m . = m onotheistisch ). ι . B e g r i f f s b e s t i m m u n g . Man liebt es nicht, religionswissenschaftliche Begriffe zu definieren, sehr zum Schaden der Religionswissenschaft, wohl aber zum Nutzen derer, die im Trüben fischen und die bei Verschwommenheit und Unklarheit der Begriffe mit der Religionswissenschaft andere als wissenschaftliche Zwecke verfolgen. Demgegenüber sei zunächst ganz allgemein M. als der Glaube an einen einzigen Gott bestimmt, neben dem es keine andern Götter mehr gibt. Aber auch der Begriff „ G o t t " ist genauer zu bestimmen. Die Gottesvorstellung ist neben dem Kultus (s. d.) und der religiösen Erzählung eines der drei Merkmale, die notwendig jeder Religion (s. d. und einstweilen o. 1,1284; 3,1658) zukommen. Unter „ G o t t " verstehen wir eine nach dem Glauben des Subjekts außerhalb des Subjekts existierende Kraft, von der besondere Wirkungen und Offenbarungen ausgehen und zu der das Subjekt in einem Verhältnis steht, das sich auf Seiten des Subjekts irgendwie äußert, nämlich zunächst in Handlungen (d. h. im Kult) und in Worten über jene Kraft (d. h. in religiösen Erzählungen). Wenn hier von der „ K r a f t " die Rede ist, so soll damit nur das Wesentliche hervorgehoben werden, das eben die wirkende B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I

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und sich offenbarende Kraft ist. Selbstverständlich braucht diese Kraft nicht immateriell gedacht zu werden; gerade die primitiven Religionen kennen solche immateriellen Kräfte oft nicht, sondern die Kraft ist an einen Stoff gebunden, an einen Stein oder Pfahl, der als Fetisch dient, an ein Amulett, oder an einen Menschen, der als Zauberer oder Medizinmann, als kultisch verehrte Persönlichkeit und als Heiliger gilt. Die Erscheinungsformen sind verschieden,die wirkendeKraft ist das wesentliche. Ferner ist in dieser Definition durchaus nicht gesagt, daß diese Kräfte persönliche Wesen sein müssen; auch Fetische, die mit unpersönlicher Kraft erfüllt sind, sind darunter begriffen. Gott ist also krafterfüllt, d. h. heilig (s. d.), und seine Kraft zeigt sich in Wirkungen und Offenbarungen. In diesem religionswissenschaftlichen Sinn fallen unter den Begriff „ G o t t " also auch Gegenstände, die als mit besonderer Kraft erfüllt betrachtet werden wie Fetische, Amulette und dgl., aber auch Menschen, die zu ihren Lebzeiten, wie die römischen Kaiser, oder nach ihrem Tode, wie die antiken Heroen und die christlichen Heiligen, verehrt werden, letztere insbesondere in der Form des Glaubens, wie er wirklich volkstümlich ist. Diese Gottesvorstellungen, die wir in den verschiedenen Religionen in Vergangenheit und Gegenwart finden, zeigen eine unendliche Mannigfaltigkeit; aber trotzdem kann durch eine logische Gliederung Ordnung in diese Fülle gebracht und auch dem M. seine bestimmte Stelle angewiesen werden. Wir wählen als Einteilungsprinzip die hauptsächlichsten Merkmale, die uns in den Gottesvorstellungen der Religionen begegnen: Einheit und Vielheit, Persönlichkeit und unpersönliches Wesen. Die Kreuzung dieser Merkmale ergibt folgende vier Gottesvorstellungen : ι . Viele unpersönliche Götter: Orendismus. 2. Viele persönliche Götter: Polytheismus. 3. Ein unpersönlicher Gott: Pantheismus. 18

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Monotheismus

4. Ein persönlicher Gott: Monotheismus. Hierzu ist zu bemerken, daß der Orendismus (s. d.) die ursprünglichste Gottesvorstellung ist, die sich auch in jeder Religionsgemeinschaft rudimentär im Volksglauben noch findet, während es eine rein orendistische Religion nicht mehr gibt. Beim Polytheismus bedeutet θεός den persönlichen Gott oder Dämon, aber auch die persönliche Seele, die im animistischen Totenkult Gegenstand des Kultes ist; denn es ist ein Unterschied zwischen dem orendistischen und dem animistischen Totenkult zu machen. Den Pantheismus finden wir nur in philosophischen Systemen. In allen praktisch lebendigen Volksreligionen spielt nur der Orendismus und der Polytheismus eine Rolle, wenn man auf den Volksglauben selbst und nicht nur auf das Dogma achtet. Alle sog. m.en Religionen haben im Volksglauben, gelegentlich sogar im Dogma, orendistische und polytheistische Vorstellungen, so die jüdische Religion, der Islam und das Christentum. Ein reiner M. existiert nicht als Volksglaube.

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darin, daß in älterer Zeit den alttestamentlichen Vertretern eines reinen M. die Götter fremder Völker noch wirkliche Gottheiten waren, deren Wirkung und Verehrung freilich auf jene Völker beschränkt war, während in späterer Zeit jene fremden Götter als nichtexistierend, nichtig, von Menschen ersonnen und als von Menschenhand geschaffene Bilder galten. Noch jünger ist die dann auch vom Christentum übernommene Ansicht, daß die fremden Götter böse, d. h. dem wahren, einzigen Gott feindliche Dämonen seien. Auch die Meinung, daß die heidnischen Götter Gestirne seien, die man vergöttert habe, tritt im späteren Judentum, so bei Philon, hervor. In der israelitisch-j üdischen Religionsgeschichte zeigt sich deutlich, wie der M. immer wieder von Einzelpersönlichkeiten, besonders den Propheten, verkündet wurde, wie ihn aber das Volk und der Volksglaube immer wieder zurückwies 4 ), da er eben dem Volksglauben nicht angemessen ist.

') Reiche Lit. bei P e t t a z z o n i RGG2. 4, 185 ff. und bei P f i s t e r Die Religion der Griechen und Römer (1930) 45 ff. 122 ff.

2) S. etwa Ed. K ö n i g Geschichte der alttestamentlichen Religion4 1924; H a l l e r RGG*. 4, 192 ff. 3) B e r t h o l e t Die Religion des Alten Testaments (Rel.-gesch. Lesebuch 17,1932); G a l l i n g R G G 2 . 2, 963 ff. •) H e h n Die bibl. und die babylon. Gottesidee (1913) 363; E i s s f e l d t R G G 2 . 2, 1300 ff.

2. D e r M. in d e r i s r a e l i t i s c h - j ü d i s c h e n R e l i g i o n 2 ) . Durch die ganze alttestamentliche Religionsgeschichte zieht sich der Kampf zwischen dem einen Gott und den vielen Göttern, und überall im Alten Testament finden sich Spuren von orendistischen und polytheistischen Gottheiten, ja sogar der sehr lebendige Glaube an sie 3 ). Und das wenigstens hat die Religionswissenschaft als sicher erwiesen, daß weder die ursprüngliche Religion der israelitischen Stämme m. war noch daß Jahve ein m.er Gott ursprünglich gewesen ist. Schon der Eigenname Jahve setzt den Polytheismus voraus, und deshalb haben ihn die Juden in späterer Zeit nicht mehr gebraucht, und deshalb ist sogar — denn in der hebräischen Schrift wurden nur die Konsonanten geschrieben — die Aussprache des Namens in Vergessenheit geraten. Das allmähliche Erstarken des M. in Israel zeigt sich auch

3. D e r M. i m I s l a m . Auch im Islam wird im Dogma, im Koran, die Einheit Gottes ausdrücklich verkündet, aber bereits Muhammed glaubte an die Existenz von Engeln und guten und bösen Geistern, und nach dem Tod des Stifters des Islams kam bald eine ausgebreitete Heiligenverehrung auf, in der sich vielfach die Überreste altarabischer polytheistischer Gottesverehrung, die in der Volksreligion weiterlebte, verbergen. „ E s ist bisher nicht hinreichend erklärt, welche psychologischen Voraussetzungen dazu beitrugen, die Entwicklung dieses Fremdlings — der Heiligenverehrung — auf dem Boden des alten Islams zu fördern und zur Notwendigkeit zu machen. Fest steht, daß vor allem die V o l k s r e l i g i o n e n in den verschiedensten Verbreitungsgebieten des Islams ihm zum Bürgerrecht verhalfen und zwar in solchem Ausmaß, daß der eigentlichen Gottesverehrung nicht selten

Monotheismus

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Abbruch geschieht" 5). Die psychologische Voraussetzung dieser Erscheinung war natürlich die sich überall zeigende Tatsache, daß dem Volksglauben ein reiner M. nicht angepaßt ist. Die Heiligenverehrung des Islams ist eine Auflehnung gegen das unpopuläre Dogma des M. 6)

der

B a b i n g e r bei C l e m e n Erde (1927) 496.

Die

Religionen

4. Der M. im a l t e n C h r i s t e n t u m . Auch das Christentum trat mit dem Anspruch der m.en Lehre in die von orendistischem und polytheistischem Glauben erfüllte Welt ein, und der Kampf um die Gottesvorstellung war es vor allem, der den Mittelpunkt der religiösen Kämpfe der nächsten Jahrhunderte bildete. Nach zwei Richtungen hin wurden dabei Zugeständnisse an die älteren volkstümlichen Vorstellungen gemacht, die eigentlich mit einem strengen M. nicht zu vereinbaren sind. Auf der einen Seite leugnete man die Existenz der heidnischen Götter nicht, sondern erklärte sie für böse, dem wahren Gott feindliche Dämonen. Damit war zunächst naturgemäß der Glaube verbunden, daß diese Dämonen, die heidnischen Götter, eine Wirksamkeit besitzen, daß ihnen also auch ein apotropäischer Kult zugeeignet werden müsse, der Exorzismus. Der Glaube an die Existenz böser Geister und der darauf beruhende Exorzismus (s. d.) ist also ein Zugeständnis des M. an den Volksglauben und widerspricht einem M., wenn man diesen Begriff ernst nimmt. Und auf der andern Seite wurde der Tatsache, daß der M. vom Volksglauben immer und überall abgelehnt wird, insofern Rechnung getragen, als genau so wie im Islam sich der Kult der Heiligen (s. d.) durchsetzte, der ebenso wenig im Neuen Testament wie im Koran sich findet, aber im Christentum wie im Islam als volksgläubiger Protest gegen den M. erstarkte. Da die Kirche den Heiligenkult mit dem m.en Dogma zu vereinigen sucht, so besteht immer ein Unterschied zwischen der dogmatischen und der volkstümlichen Heiligenverehrung; s. o. 3, 1670 ff. 5. P a r s i s m u s und B u d d h i s m u s .

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Anhangsweise sei auch die iranische Religion des Zarathustra genannt, die vielfach als m. bezeichnet wird. Aber hier ist es nicht einmal im Dogma ein reiner wirklicher M., sondern ein Dualismus von Ahura Mazda, dem das Gute umfassenden Gott, und Ahriman, dem Bösen, neben die dann noch weitere göttliche Wesen, Engel und böse Dämonen traten. Und lehrreich für die Psychologie des Volksglaubens ist auch die Entwicklung, die der ursprünglich atheistische Buddhismus genommen hat: Der Atheismus ist so wenig volkstümlich wie der M., und so mußte der Buddhismus, um Volksreligion zu werden, „Götter", und zwar in der Vielzahl aufnehmen; s. o. 3, 1669 f. 6. M. und V o l k s g l a u b e . U r m o n o t h e i s m u s t h e o r i e . Diese Übersicht über die sog. m.en Religionen ergibt zunächst, daß ein M. nie in gewachsenen, sondern nur in gestifteten Religionen vorkommt, daß er also kein im Volksglauben sich entwickelndes, sondern ein von außen und von oben herangetragenes Produkt ist, das immer im Kampf mit dem Volksglauben liegt und immer vom Volksglauben überwunden zu Konzessionen sich herbeilassen muß. Einen M. im Volksglauben gibt es nicht und hat es nie gegeben, soweit unsere religionsgeschichtlichen Quellen auch reichen. Schon durch diese unbestreitbaren Tatsachen wird für die Religionswissenschaft die theologische Urmonotheismushypothese als unannehmbar erwiesen, die an den Anfang aller Religion den M. stellt. Diese Hypothese herrschte durch das ganze Mittelalter hindurch bis ins 19. Jh. ziemlich allein und wird heute noch von vielen Theologen, u. a. auch von den der Gesellschaft vom Göttlichen Wort (S. V. D.) Angehörigen, die sich um die Zeitschrift „Anthropos" scharen e ), mit besonderer Vehemenz vertreten. Der ursprüngliche Ausgangspunkt dieser Hypothese war die Lehre vom uranfänglichen Paradieseszustand der Menschheit, wie er im 1. Buch Mosis geschildert wird. Zu diesem Zustand der Heiligkeit und Gerechtigkeit — sanctitas et iustitia accepta a deo, so wurde es durch das Tridentinum ein für alle

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Monotheismus

Male festgelegt — gehört natürlich auch die reine und wahre, d. h. m.e Gottesvorstellung; denn Gott kann sich den ersten Menschen nicht anders als er selbst ist, offenbart haben; so ist also der M. die ursprüngliche Gottesvorstellung, die im Lauf der Zeit abhanden gekommen oder verdunkelt worden ist. Da das Fundament dieser Hypothese, das 1. Buch Mosis und das Tridentinum, im Laufe der Zeit brüchig wurde, so wurde es neuerdings seitens der Anthropos-Schule durch die, wie ich sie genannt habe, Rudimententheorie gestützt. Man sucht angebliche Spuren, Rudimente, Überreste m.er Religionsformen bei Völkern der Gegenwart und der Vergangenheit nachzuweisen, und als solche faßt man insbesondere die Vorstellung vom „höchsten Wesen", das etwa als Schöpfer oder Heilbringer oder „Macher" angesehen wird, und das sich vielfach bei Primitiven, aber auch in höheren Religionen findet. Selbstverständlich kennen alle diese Religionen neben dem höchsten Wesen noch zahlreiche andere Götter und göttliche Wesen, und den Beweis ist man bis jetzt noch schuldig geblieben, daß der Glaube an ein höchstes Wesen wirklich der Überrest eines M. ist. Das umfangreiche Material, das man für die Vorstellungen vom höchsten Wesen gesammelt hat '), vielfach mit der Tendenz, die Hypothese vom Urmonotheismus zu stützen, leistet auf keinen Fall das, was die AnthroposSchule von ihm verlangt. Anstatt diese angeblichen „Rudimente" zu sammeln, sollte man eine einzige Volksreligion nachweisen, in der ein reiner M. wirklich lebendig ist. ·) Vgl. P f i s t e r a. a. O.; Philol. Wochenschr. 1926, 933 fi. ; 1927, 571 fi. ') Zahlreiche Aufsätze im Anthr.; dazu neuerdings etwa Clemen ARw. 27 (1929), 290 ff.; v a n der L e e u w und P e t t a z z o n i ebd. 29 (1931), 79 fi. 108 ff. 209 ff. ; F a h r e n f o r t Wie der Urmonotheismus am Leben erhalten wird 1930.

7. M. u n d d e u t s c h e r V o l k s g l a u b e . Uns geht hier besonders das Christentum und der deutsche Volksglaube an. Schon diejenige Richtung des Christentums, die die Existenz böser Geister und Dämonen anerkennt und einen Exorzismus zuläßt,

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kann in strengem Sinn nicht mehr recht als M. bezeichnet werden, es müßte denn sein, daß man „ G o t t " anders definiert, als wir oben getan haben, und daß man es mit der ausschließlichen Bedeutung der Zahl „eins" nicht allzu genau nimmt. Doch das mag Sache der Dogmatik sein, und wir haben es hier mit dem Volksglauben zu tun. In diesem finden sich neben der aus der Religionslehre übernommenen Vorstellung von dem einen Gott noch zahlreiche nichtm.e Bestandteile, und zwar in gleicher Weise orendistische und polytheistische Vorstellungen. Unter diesen nichtm.en Vorstellungen lassen sich zwei große Gruppen unterscheiden. Einmal handelt es sich um nichtchristliche religiöse Vorstellungen, die als Rudiment aus der vorchristlichen Zeit stammen, in der Unterschicht des Volkes lebendig geblieben sind und auch heute noch fortleben; sie können auch immer wieder frisch aus dem Volksglaùben heraus geboren werden. Hierher gehört etwa der Glaube an gute und böse Geister und Gespenster, an Wald- und Hausgeister, die selbständig wirken, an die man sich wendet oder die man, wenn sie böse sind, zu vertreiben sucht. Über die orendistischen Mächte s. den Art. Orendismus. In die zweite Gruppe fallen diejenigen Glaubenserscheinungen, die vom christlichen Dogma selbst gelehrt werden, aber vom Volke in volkstümlicher Weise aufgefaßt und umgebildet werden. Dazu gehört vor allem der Heiligenkult und der Gebrauch kirchlich geweihter Gegenstände wie des Kreuzes, des Skapuliers usw., die im Volksaberglauben die Rolle von Fetischen und Amuletten spielen, also unpersönliche „Götter" im religionswissenschaftlichen Sinne sind. Mit dem Glauben an den einen Gott des Christentums sind nach der Vorstellung des Volkes alle diese orendistischen und persönlichen Götter wohl vereinbar. Mit dem christlichen deutschen Volksglauben steht es also ebenso wie mit denjenigen Religionen, die ein höchstes Wesen kennen: Auch in unserm Volksglauben finden wir ein solches neben orendistischen und persönlichen Göttern, neben Fe-

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Monstranz—Montag

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Montag. tischen, Heiligen, guten und bösen Gei- ! ι . Der Tag des Mondes (ahd. mânetag, stern. Aber beim deutschen Volksglauben können wir den Ursprung und die Her- mhd. mântac, später môntac) entspricht kunft dieses höchsten Wesens, das sich dem römischen dies lunae (franz. lundi, 1 selbstverständlich in Vielem von dem ital. lunedi, span, lunés) ). Da sich im der Primitiven unterscheidet, mit voller deutschen Mittelalter bei den HandDeutlichkeit aufweisen, da sie im hellsten werksleuten die Sitte einbürgerte, die Lichte der Geschichte liegen: Hier wird Sonntagsfeier auf den M. auszudehnen, niemand von einem Urm. reden, sondern erhielt er den Namen der gute M., wofür der M. ist von außen durch Verkündigung später die Bezeichnung blauer M. ein2 einer gestifteten Religion in die viel ältere trat ). So benannte man ursprünglich nichtm.e (orendistische und polythei- den M. vor dem A s c h e r m i t t w o c h stische) Religion hineingetragen worden; nach der blauen Farbe der Altar umhäner hat diese nicht ganz verdrängen können, gung in den Kirchen. Andere Erkläwie er dies nirgends vermocht hat, sondern rungen sind abzuweisen, so z. B. daß der die Überreste des älteren Glaubens haben Name blauer M. die dem M. selbst zusich bis zum heutigen Tag erhalten und gekommene religiöse Feier zu erkennen werden auch weiterhin genährt werden, gebe, weil das Blau die Farbe der Herr3 so lange es einen Volksglauben gibt, der schaft und der Standeswürde sei ), oder seiner Natur nach dem M. feindlich ist, daß das Wort blauer M. eine bloße Ent4 Beund sie wurden durch weitere oren- stellung aus Palm-Montag sei ). stimmt kommen aber noch Nebenbedeudistische und polytheistische Zutaten vermehrt, die aus der Umbildung christlicher tungen des Wortes blau (s. d.) in Betracht. Bei den am M. üblichen wüsten Vorstellungen entstanden sind. Pfister. Gelagen gab es auch Schlägereien (mhd. Monstranz (ostensorium) ist ein Be- bliuwen, bläuen), bei welchen man „blau" hälter in Turm- oder Sonnenform, in geschlagen werden, oder wenn man Glück welchem das „Allerheiligste" den Gläubi- hatte, mit einem blauen Auge davon gen durch eine Glasscheibe sichtbar ist. j kommen konnte. Andererseits war dies Man kennt dieses Gefäß seit dem 14. Jh., I der Tag, wo man frei von Arbeit und es ist meist aus Edelmetall und spielt ¡ Sorgen ins Blaue reden oder schießen vom Himmel herseiner Kostbarkeit wegen in Erzählungen ι oder auch das Blaue 6 1 unterlügen konnte ). Gewiß ist, daß der von versunkenen Schätzen eine Rolle ). blaue M. in Deutschland, Belgien und Schweden- und Franzosensagen wissen Holland ebenso gut wie der freie M. in von bösen Strafgerichten wegen Raubes oder Verunehrung der M. zu erzählen 2). Dänemark und Schweden und der heilige Der Jäger, der in der Neujahrsnacht mit M. (Saint-Monday) in England ausgeladener Büchse auf die M. zielt, ver- schließlich der sorglosesten Fröhlichfehlt fortan keinen Schuß 3 ). Wer am keit geweiht ist und der Ausdruck so viel wie Christtags- oder Auferstehungsmorgen bei „blauen M. h a l t e n " überall 6 „müßig gehen" bedeutet ). Der M. vor der Prozession durch die Glasscheiben der M. schaut, erkennt die, welche unter dem Aschermittwoch führt auch andere den Anwesenden Hexen sind 4 ) ; sie stehen Namen. Er heißt der unsinnige M. in in Steiernämlich auf dem Kopf (siehe dazu Österreich '), der damische M. mark, der Freßm. in Tirol 8 ), der l a u Nadel) 5 ). fige M. in Württemberge), der f e i s t e 1 ) R e i s e r Allgäu 1, 260. 383. 2 ) B i r l i n g e r oder blaue M. in Westböhmen, wo sein Volksth. ι, 235; B a r t s c h Mecklenburg 1, 289. 3 Wetter vorbedeutend für den Getreide) W u t t k e 262 §382. 4 ) M e y e r Baden 558; D r e c h s l e r 1, 97f.; G r a b e r Kärnten 226; schnitt und die Ernte ist 1 0 ), der H i r s m . s K u h n Westfalen 1, 29 Nr. 77. ) Wuttke (s. d.) in der Schweiz, der Rosen m. 257 § 373. Schneider. (s. d.) in Köln. Monstrum s. Nachtrag (Mißgeburt). Andere für den Aberglauben wichtige

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Montag

und durch besondere Benennungen hervorgehobene M.e des Jahres sind der e r s t e M. n a c h D r e i k ö n i g , der verl o r e n e r M. heißt 1 1 ), in den Niederlanden v e r k o r e n e r oder v e r s c h w o r e ner M., im Limburger Lande K u p f e r m., nach den Kupfermünzen, welche die Teilnehmer der Umzüge erhalten, in Ostflandern Narrenm., in Geldern R a s m . (von rasen, toben), in England, wo man in manchen Orten mit einem Pfluge durch die Straßen zieht, P f l u g m . 1 2 ) . Dann der M. n a c h P f i n g s t e n oder s t o l z e M. 1 3 ), der z w e i t e M. n a c h P f i n g s t e n oder g u t e M. w ), der M. n a c h J a k o b i oder grüne M. in Erfurt 1 5 ) und endlich der M. n a c h M i c h a e l i s oder L i c h t b r a t l m . in Österreich 1β). An diesem begannen die Handwerker, besonders die Schuster, mit der Lichtarbeit, d. h. setzten abends die Arbeit bei Licht fort. Am Vorabend oder am Sonntag vorher wurde das Lichtbratl gegessen, eine bessere Mahlzeit, die früher aus einem gebratenen Truthahn bestand, weshalb dieser auch „Schustervogel" hieß " ) . In Franken, im Rheingau und an der Lahn kannte man früher die g e s c h w o r e nen M.e, an denen das ungebotene Gericht gehalten wurde 18). Im Hinblick auf die Feier des blauen M.s verdient Erwähnung, daß auch bei den J u d e n noch im Mittelalter der M. mit dem Donnerstag als h a l b e r Feiert a g galt, was auf den Talmud und die zehn Gebote des Propheten Esra zurückgeführt w i r d " ) . !) G r i m m Myth, ι, i o i f f . ; D W b . 6 (1885), 2514; M ü l l e r Essays 1, 378; S c h r ä d e r Reallex. 963; A l b e r s Das Jahr 5. 2 ) D W b . a . a . O . 2514Í. Vgl. K o e h n e Studien zur Geschichte des Blauen M.s (ZfSozialwissenschaft, 1920) ; 3) Muttersprache (Berlin) 43 (1928), 22. Rochholz Glaube 2, i 8 f . *) W . U h i Kalender (Paderborn 1893) 40. 143. 5 ) Vgl. A l b e r s Das Jahr 1 2 7 s . ·) R e i n s b e r g Festjahr 74. Vgl. G r e l l m a n n Kleinigkeiten 870.; d e C o c k Oude Gebr. 273f. ') D W b . a. a. O. 2515; P f a l z Marchfeld 110. ') Geramb Brauchtum 17. ·) K a p f f Festgebräuche 9. " ) J o h n Westböhmen 38. « ) D W b . a . a . O . 2515. I n Koblenz, w o früher alle B e a m t e n a n diesem Tage schwören mußten, der „schwere" 12 ) M., A n d r e s e n Volksetymologie* 174.

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R e i n s b e r g Festjahr 2jfi. 13 ) D W b . a. a. O. 2 I 14 5 5· ) Sartori Westfalen 161. 171. 1δ ) R e i n s b e r g Festjahr 2 i 9 f i . 16 ) G e r a m b Brauchtum 84. " ) P f a l z Marchfeld 102. 18 ) D W b . a. a. O. 2515. 19 ) B u x t o r f Judenschul 298 ff.

2. Der auf den M. bezügliche Aberglaube erklärt sich aus dem Verhältnis des Tages zum Mond, aus seiner Stellung als Ν ach t a g des Sonntags und als e r s t e r T a g der A r b e i t s w o c h e und endlich dort, wo die Wochentage (s. d.) vom M. an gezählt werden, daraus, daß er als u n g e r a d e r T a g zu den Unglückst a g e n gezählt werden muß. Ein solcher ist er schon dadurch, daß er die Bedeutung des Mondes zum Teil übernahm. Denn dieser ist verwandt mit der Nacht, der Veränderlichkeit, der Dunkelheit, dem Stehlen 20 ). Und so ist der M. im Aargau für die D i e b e g ü n s t i g , erleichtert ihnen das Stehlen, wie andererseits der Mond geradezu die Diebessonne genannt wird 21 ). Daß der M. selbst das W a c h s t u m begünstigt 22 ), wird selten überliefert, da in solchen Fällen meist ausdrücklich der z u n e h m e n d e Mond als Förderer des Wachsens angeführt wird. Schon die alten Römer sahen die T a g e nach F e s t t a g e n als Unglückstage an, und nach Ovid (Fast. I. 57) galt dies auch bei heidnischen Völkern. Nach mittelalterlicher Überlieferung sind die drei unglücklichsten Tage des Jahres M.e (s. Unglückstage). Da in der biblischen Schöpfungsgeschichte gerade beim M. der Zusatz „Und es war gut" fehlt, empfahlen schon die Rabbinen der älteren Zeit, am M. keine A r b e i t zu beginnen 2 3 ). Dies betont auch der heutige Volksglaube. Man soll an einem M. n i c h t s u n t e r n e h m e n , was d a u e r n d sein soll, weil es wie der so raschem Wechsel unterworfene Mond keine Dauer hat 2 1 ). Es wird n i c h t w o c h e n a l t 2 5 ) , was auch vom M.swetter 2β ) gesagt wird, denn „M.s Anfang währt nicht lang" 2 '). Der M. ist überhaupt in Glück und Unglück vorbedeutend für die ganze Woche28). Wem am M. ein Unglück begegnet, den verfolgt es nach magyarischem Glauben die ganze Woche und

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Montag

besonders am Freitag 2 9 ). Doch heißt es umgekehrt auch: Rauher M., glatte Woche 30 ). Der M. gilt schließlich, wie auch der niederländische Theologe Gisbert Voetius überliefert 3 1 ), als u n g ü n s t i g für den Beginn eines j e d e n wichtigen oder neuen U n t e r n e h m e n s 3 2 ) , woraus sich die Meinung entwickeln mußte, daß es am besten sei, an diesem gefährlichen Tage gar n i c h t s zu a r b e i t e n , was zum Teil den b l a u e n M. erklärt. Da der Mond das nächtliche Treiben der Hexen bescheint, ist naheliegend, daß der M. ein H e x e n t a g 33 ) ist, an dem auch der T e u f e l am Werke ist 3 4 ). An einem M. darf man daher einer Hexe n i c h t s b o r g e n 35 ), man darf überhaupt an verdächtige Personen n i c h t s v e r l e i h e n , man soll sein V i e h n i c h t z e i g e n 3 6 ) und die Milch des Tages n i c h t verk a u f e n , weil die Kuh sonst künftig blaue Milch gibt 3 7 ) (s. u.). In Schwaben und Thüringen meint man, daß es am M. (oder Mittwoch) und Freitag am besten sei, v o n H e x e n n i c h t zu r e d e n , weil sie es da hören. Und wenn man es tut, so soll man hinzufügen: „Dreck vor die Ohren" 38 ). Vereinzelt steht die Überlieferung einer St. Florianer Handschrift aus dem 14. oder 15. Jh., daß die a r m e n S e e l e n in der Samstagnacht das Fegefeuer verlassen und am M. wieder dorthin zurückkehren 39). Damit wird die Heiligkeit des Sonntags (s. d.) betont, den man bis zum Sonnenaufgang des M.s rechnet 40 ). Allein steht auch die Angabe, daß in Steiermark der M. dem hl. G e i s t und den armen Seelen geweiht ist 41 ). Endlich ist mehr literarische Überlieferung, was Beda und andere, deren Quelle zumeist Johannes Laurentius Lydus war, über die Bedeutung des D o n n e r s am ersten M. des Jahres zu berichten wissen 42).

20 21 ) W u t t k e 59 §67. ) Ebd. = Rochh o l z Glaube 2, 1 7 . 2 2 ) W u t t k e a. a. O. 2 3 ) 24 A l b e r s Das Jahr 5. ) S t r a c k e r j a n 2, 24; D r e c h s l e r 2, 185. 2 5 ) L e y e r m a t z s lustiger correspondenzengeist (1668) 1 7 6 = D W b . 6 (1885), 2 5 1 5 = G r i m m Myth. 3, 477 Nr. 1 1 4 0 ; 3, 463 Nr. 8 2 1 ; S t r a c k e r j a n 2, 2 5 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 1 6 ; F r i c k e Westfalen 1 6 ; W u t t k e 59 § 6 7 ; M a a c k Lübeck 28; L a u f f e r Niederd. Volksk,2 88; S t e m p -

558

l i n g e r Aberglaube 1 1 4 ; Z f V k . 20 (1910), 2e 383. ) D W b . a. a. O. 2 5 1 5 ; R e i n s b e r g 27 2e Wetter 39. ) J o h n Erzgebirge 38. ) K ö h l e r Voigtland 3 5 9 ; D r e c h s l e r 2, 1 8 5 ; W u t t k e 59 §67. 2e ) Z f V k . 4 (1894), 306. 30 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 1 6 ; R e i n s b e r g 31 Wetter 39; D W b . a . a . O . 2 5 1 5 . ) Selectae disputationes theologicae (Utrecht 1648) I I I . 1 2 1 . 32 Vgl. W o l f Beiträge 1, 2 4 1 . ) G r i m m Myth. 2, 954; B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 1 5 ; K i i h n a u Sagen 1, 1 8 3 ; Z f V k . 1 1 ( 1 9 0 1 ) ; 2 7 8 ; S a r t o r i 33 Westfalen 30. 74. ) E i s e l Voigtland 2 1 0 Nr. 5 5 1 = F r a z e r 1 1 , 73. 34 ) E i s e l Voigtland 2 1 2 ff. 3 5 ) W u t t k e 283 § 4 1 6 ; Z f V k . 1 1 (1901), 70 (Nordthüringen). 3β ) W u t t k e 59 § 6 7 . 3 ' ) Ebd. 447 § 7 0 5 . 3») Ebd. 283 § 4 1 6 = S e l i g m a n n Blick 2, 367. 3e ) G r i m m Myth. 3, 4 1 7 Nr. 25. 4 °) Z f V k . 4 (1894), i n . " ) Ebd. 8 (1898), 447. « ) Vgl. S c h ö n b a c h Berthold v. R. 149.

3. Überblickt man im e i n z e l n e n die Anlässe, bei welchen der M. im Aberglauben eine Rolle spielt, so begegnet fast durchweg die Auffassung, daß er ein U n g l ü c k s t a g ist. So bei den Hauptstufen des Menschenlebens von der G e b u r t an. An einem M. geborene Kinder haben einen jähen Tod zu besorgen 43 ). Wer an einem M. drei Stunden nach Sonnenaufgang zur Zeit der Sommernachtgleiche geboren wird, kann mit Geistern umgehen 44 ). Dagegen meinen die Zigeuner, daß die M.skinder lange leben, aber arm bleiben45), die Magyaren wieder, daß sie ihr Leben in schwerer, aber erfolgreicher Arbeit zubringen 4e). Die Spaniolen (spanischen Juden in der Türkei) glauben, daß M.skinder jähzornig und boshaft sind, weil sich am M. die stürmisch wogenden Wassermassen geteilt und abgegrenzt haben 47). Auf den nordfriesischen Inseln findet am M. k e i n e T a u f e statt 4 S ). Im Egerland vermeidet man an diesem Tage das E n t w ö h n e n der Kinder, weil sie sonst kein Glück im Leben haben 4β ). Allgemein ist der Glaube, daß man am M. die Kinder nicht zum erstenmal in die S c h u l e schicken 50 ) (oder in die Lehre bringen 51 )) soll. Es dauert ihnen sonst die Zeit zu lang 5 2 ). Besonders Kinder, welche längere Zeit krank gewesen sind, dürfen dies nicht tun 5 3 ) und kommen daher meist erst an einem Dienstag wieder in die Schule 54 ). In Rottweil

559

Montag

setzt die Volksschule am M. und Dienstag mit dem Unterricht aus 5S). Bezüglich der H o c h z e i t ist die Ansicht geteilt. Die einen scheuen hierbei den M. als Unglückstag 56) oder in Rücksicht auf andere Umstände. So hatten früher an manchen Orten die gefallenen Mädchen an diesem Tage Hochzeit, weshalb man früher im Oberamt Horb und Freudenstadt in Wurtemberg sagte: „ A m M. haben nur die Huren Hochzeit" 57 ). Auch praktische Erwägungen mögen hie und da maßgebend sein, daß man vom M. als Hochzeitstag absah. Dies erforderte, daß man am Vortag, am Sonntag, viele Arbeiten zu leisten hatte, ζ. B. auch Schlachten 58). Fast in gleichem Maße kommt aber auch, besonders in neuerer Zeit 89 ), der M. als Hochzeitstag in Betracht, in Baden 6 0 ), Württemberg 61 ), in der Schweiz 62), in Südbayern 63) und Tirol 64 ), in Franken und Ostpreußen 65 ). In der Oberpfalz werden die Hochzeiten auf den M. verlegt, wenn der Tag der unschuldigen Kinder auf einen Dienstag fällt, weil dann alle Dienstage des folgenden Jahres Unglückstage sind 66 ). Während bei den Rumänen der M. ungünstig für Verlobung und Hochzeit ist 6 7 ), beginnen die Albanesen ihre Hochzeitsfeierlichkeiten mit dem M. der Woche, in welcher die Hochzeit stattfindet, den sie Mehlmontag nennen, weil der zum Hochzeitsbrot nötige Weizen unter festlichem Geleite zur Mühle gebracht wird 6 8 ). Im Voigtland wählt man neben dem Dienstag und Donnerstag auch den M. zum Einzug in des Bräutigams Haus 6 9 ), im Egerland ist am Kirchweihfest der M. für den Tanz der Verheirateten bestimmt 70). Zuweilen vermeidet man den M. auch beim B e g r ä b n i s , wie schon im Anfang des 17. Jh.s in den Niederlanden 71 ). Es heißt, daß sonst der Tote in die Hölle komme 7 2 ) oder in derselben Woche noch jemand stirbt 7 3 ), was auch die Armenier glaubten 74 ). Im Jeverlande sagt man, wenn am Sonntag mittag das Geläut für eine Beerdigung am M. stattfinde, so werde in dieser Woche noch eine zweite Beerdigung vor sich gehen 76).

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560

Der M. ist ferner ungünstig für den E i n z u g in ein n e u e s H a u s 7 6 ) oder eine neue Wohnung 7 7 ), weil man dann nicht lange darin bleibt 78) oder die Wirtschaft zurückgeht ™). Nur ausnahmsweise gilt er in Mühlstedt als günstiger Tag 8 0 ). Ungünstig ist er auch für den D i e n s t a n t r i t t 8 1 ) , denn solche Dienstboten bleiben nicht lange 82), taugen auch sonst nichts 83 ) oder haben dann selbst Unglück 8 4 ). Mägde, die am M. in den Dienst treten, zerbrechen viel 8 5 ). Aus dem Hexenglauben erklärt sich, daß ein fremder B e s u c h am M. Unglück ins Haus bringt. Schaut an diesem Tage ein Fremder zur Stubentür hinein, ohne einzutreten, so wird bewirkt, daß der Mann die Frau schlägt 86). Heute heißt es, daß Zank entsteht, wenn am M. jemand vor das Fenster tritt 8 7 ), oder daß die ganze Woche hindurch Verdruß ist, wenn am M. früh ein fremder, alter Mensch, besonders ein Weib, in die Stube kommt 88). Wie es heute allgemein heißt, daß ein Besucher, der sich nicht setzt, einem „den Schlaf austrägt", so glaubte man schon im 17. Jh., daß den Hausbewohnern die Ruhe genommen wird, wenn man an einem M. in eine fremde Wohnung kommt und darin nicht ruht 8 9 ). Entsprechend der Vorbedeutung des M. für die ganze Woche soll, wenn M.s Besuch kommt, dies alle Tage der Woche geschehen 90 ). Vorbedeutung hat auch das N i e s e n am M. Dann hat man die ganze Woche Glück, bekommt ein Geschenk oder wird zum Gevatter gebeten 9 1 ). A m M. soll man keinen T r a u m erzählen 92 ), das am M. Geträumte wird am Sonntag wahr 9 3 ). A m M. soll man keinen S t r u m p f links antun 9 4 ); der O f e n t o p f soll voll sein, weil sonst der Segen des Hauses schwindet 9 5 ). Ebenso gibt man das Glück für die ganze Woche weg, wenn man am M. etwas w e g l e i h t oder G e l d ausgibt96). Man soll aber auch beim Kauf n i c h t s s c h u l d i g b l e i b e n 97 ). Während beim Verbot des Verborgene der Hexenglaube (s. o.) hereinspielt 98 ), kommt betreffs des Geldausgebens der allgemeine Glaube, daß der M. für die Woche vorbedeutend ist, in Betracht.

56I

Montag

Daher nimmt es auch der Schuldner übel und bezahlt nichts, wenn ihm der Gläubiger am M. Geld abfordert " ) . Bei den Magyaren gibt man am M. kein Geld aus, weil man dies sonst die ganze Woche hindurch tut; andrerseits glaubt man, solches die Woche hindurch zu erhalten, wenn man Geld am M. emppfängt 10°). In Oldenburg kennt man eine Ausnahme, indem es betreffs der L o t t e r i e - und Erbschaftsgelder heißt, daß man sie nicht behält, wenn man sie am M. einnimmt 101 ). Auch der Glaube, daß man am M. keine neue A r b e i t beginnen darf (s. ο.), ζ. B. keinen Bau 102 ), hat bei Handwerkern eine Ausnahme. Sie müssen sehen, daß sie noch am M. vormittag neue Arbeit bekommen, dann haben sie die ganze Woche zu arbeiten 103 ). Am M. darf man ferner den W e b s t u h l nicht losweben104) und keine W ä s c h e waschen 1 0 5 ). Das letzte tun die Magyaren am M., Mittwoch und Donnerstag, vermeiden aber den Dienstag loe ). Am M. solimán auch kein n e u g e w a s c h e n e s K l e i d a n z i e h e n , weil sonst die ganze Woche hindurch einem alles verkehrt geht 107 ). Die Donkosaken behaupten, daß sich sonst Wunden auf ihrem Leibe bilden würden, und wechseln daher an diesem Tage niemals die Wäsche 108 ). Im Widerspruch damit überliefert Christ. Weise 109 ) : „ein ander zeucht sein weiß hembde am M.e an, und gienge lieber nackend, als daß er sich am sonntage solte weiß anziehen". Am M. ist es auch nicht ratsam, eine R e i s e a n z u t r e t e n 110), sonst hat man Unglück und kommt verspätet ans Ziel, was namentich für die Schiffer gilt 1 U ). In der V i e h w i r t s c h a f t ist der M. in Tirol günstig und ein heiliger Tag, an dem man früh dem Vieh gutes Heu mit etwas Geweihtem darunter und Salz gibt m ) . Sonst überwiegt das Unheilvolle an diesem Hexentag. Ein am M. (oder Samstag) eingestelltes, d. h. zugekauftes Tier gedeiht nicht 113 ), an diesem Tage soll man auch kein Kalb ansetzen 1W ), das Vieh niemand zeigen 115 ), nichts ohne Geld weggeben, weil man

562

z. B. von der Kuh dann nur wenig Milch erhalten würde 1 1 6 ) ; nicht den Stall misten, was dem Vieh Unglück bringen würde 117 ), nicht schlachten, weil sonst Maden ins Fleisch kämen 118 ) und auch keine Glucke setzen, da sie nicht ausbrüten würde 119 ). Zum ersten Austreiben des Viehes wird ganz ausnahmsweise nur in Preußen der M., neben dem Mittwoch und Freitag, als günstig bezeichnet 120 ). Auch in der F e l d w i r t s c h a f t gilt der M. als Unglückstag. Es wird kein Dünger gefahren; muß es sein, so wird die erste Fuhre noch Sonntag abend geladen und bleibt an der Düngerstätte s t e h e n m ) , man beginnt nicht mit dem Säen 122 ), nur in Schlesien säet man am M. und Samstag Lein und Hirse 123 ). In Anhalt säet man keine Lupinen, weil sonst Maden hineinkommen124), ebenso heißt es von den am M. gesetzten Kartoffeln, daß sie madig werden 12S ). Günstig ist der M. nur dann, wenn er mit dem Neumond zusammenfällt ; dann verschwinden die Mäuse vom Felde 12e ). Auch mit der Ernte beginnt man nicht gerne am M. 127 ), weil man die Frucht schlecht nach Hause bekommt oder weil sie später im Fach durch Mäusefraß oder sonstwie verdirbt 128 ). Muß man aber an einem M. beginnen, so wird wenigstens ein kleiner Strich auf einem Acker am Samstag vorher abgemäht, damit man sich einreden kann, am Samstag habe die Erntearbeit begonnen 128). In Baden begann man dagegen früher gern am M. mit der Ernte 130). Endlich hat der M. auch in der Volksmedizin eine allerdings bescheidene Stelle. Um das Auftreten von Krankheiten zu verhindern, soll man am M. nicht backen 131 ). Wie schon von einem alten Feuer- und Diebessegen bemerkt wird, daß er am M. vor Fronfasten kräftiger ist 132 ), so heißt es noch in einem Krankheitssegen, der bei einem 1905 vor dem Landgericht in Zwickau verhandelten Prozeß vorlag, daß zum Schluß Psalm 92 und 94 M.s früh vor Sonnenaufgang zu beten ist 13S ). Beschneidet man am M. die Nägel, so gibt es keine

Montag

563

Hautschlißen oder schwärende Nagelw u r z e l n 1 3 4 ) ; es h i l f t a u c h g e g e n Z a h n s c h m e r z e n 135) u n d b e w i r k t , d a ß man alle Z ä h n e m i t i n s G r a b n i m m t u n d f r e i v o n K o p f w e h bleibt136). Bei den W e n d e n d a g e g e n schneidet m a n a m M. die N ä g e l nicht a b , weil m a n sonst kein G l ü c k in der W o c h e h a t 1 3 7 ) . Gegen Bruch verw e n d e t m a n i m A l t e n b u r g i s c h e n ein a m M. abends für 3 oder 5 Pfennig g e k a u f t e s J u n g b a u m w a c h s p f l a s t e r 1 3 8 ). Hat ein Schwein oder anderes Vieh Maden u n d k o m m t jemand und sagt „Mein Schwein h a t M a d e n " , so m u ß m a n e r w i d e r n , , L a ß sitzen bis M . " . Man kann aber auch jeden anderen T a g nennen, nur nicht Mittwoch oder Sonnabend, die keine Tage sind139). I n F r a n k r e i c h ist b e i einzelnen Heilhandlungen dreimalige Wiederholung an drei aufeinanderfolgenden M. vorgeschrieben140). Bei den Südslawen müssen Epileptiker, b e v o r sie s i c h e i n e r K u r u n t e r z i e h e n , 80 T a g e l a n g a l l e M . u n d Samstage fasten und jeden Freitag heiligen141). ) R o c h h o l z Glaube 2, 17; W u t t k e 59 44 § 67 ( B a y e r n ) . ) G r i m m Myth. 3, 463 45 N r . 810. ) Wlislocki Volksglaube 47. 4 «) W l i s l o c k i Volksglaube 67 = Z f V k . 4 43

(1894),

306.

")

Türkei

Stern

Jensen

Nordfries.

Egerland

40;

John

Inseln

227.

Westböhmen

1, 49

375.

)

4e)

Grüner

260 u .

Ober-

lohma 165. ) P a n z e r Beitrag 2, 294; R o c h 51 ) h o l z Glaube 2, 17; W u t t k e 59 §67. S t r a c k e r j a n 2, 24. 52 ) K n o o p Hinterpommern 158. " ) Z f V k . 20 (1910), 383. M ) M a a c k M

Lübeck

28.

66

)

Kapff

Festgebräuche

12.

6e)

G r i m m Myth. 3, 463 N r . 821; S t r a c k e r j a n 2, 24; S a r t o r i Westfalen 86; W u t t k e 59 § 67; M e y e r Aberglaube 207; H ö h n Hochzeit 20 (I.). " ) H ö h n a . a . O . N r . 6, 3 ( I . ) . 5e ) Vgl. H e s s B l . 4, 84. 5») S a r t o r i Sitte 1, 61. Vgl. H e c k s c h e r 353. eo ) M e y e r Baden 280. " ) H ö h n Hochzeit N r . 6, 3 (I.). e 2 ) L ü t o l f Sagen

559 N r . 586; R o c h h o l z

Glaube

2,

17;

H o f f m a n n - K r a y e r 34. β3 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 241. M ) Z i n g e r l e Tirol 19; G e r a m b Brauchtum 125. e 6 ) W u t t k e 368 § 558. ··) E b d . " ) S t e r n Türkei i , 379. e 8 ) E b d . 2, 103. · · ) K ö h l e r Voigtland 241. 70 ) J o h n Westböhmen 94. 7 1 ) G i s b e r t V o e t i u s Selectae disputationes vgl. W o l f

theological ( U t r e c h t 1648) I I I . 1 2 1 ; Beiträge 1,241. ,2) L a u f f e r Niederd.

Volksk.2 88. « ) H ö h n Tod 345. ' 4 ) Z f ö V k . 10 (1904), 106. " ) S t r a c k e r j a n ι , 33. " ) G r i m m Myth. 3, 477 N r . 1140; S t r a c k e r j a n 2, 24; W u t t k e 59 §67. " ) D r e c h s l e r 2, 185; L a u f f e r Niederd. Volksk.a 88; F o g e l Pennsylvania 1 4 9 N r . 7 0 3 . ' • ) U r q u e l l 3 ( 1 8 9 2 ) , 39.

564

) K u h n u. S c h w a r t z 457 N r . 420. ) M i t t e i l . 81 A n h a l t . Gesch. 14, 16. ) Grimm Myth. з. 477 N r . 1140; U r q u e l l 3 (1892), 232; W u t t k e 79

80

59 § 67;

403

§623;

2,

Drechsler

19,

185;

S a r t o r i Sitte 2, 39 u . Westfalen 125; M a a c k Lübeck

28;

Niederd.

Lauffer

Volksk*

88.

) K u h n u. S c h w a r t z 457 N r . 420; B a r t s c h Mecklenburg 2, 216; S t r a c k e r j a n 2, 24 N r . 283. 83 ) Z f V k . 21 (1911), 258 ( B a y e r n ) . 84 ) G r ü n e r 8ϊ

Egerland

40; S A V k . 15 ( 1 9 1 1 ) , 1

(Emmenthal).

) W o l f Beiträge 1, 218 = R o c h h o l z Glaube 2 , 1 6 ; W u t t k e 59 §67. 8e ) R o c k e n p h i l o s o p h i e ι , 124 = G r i m m Myth. 3, 437 N r . 79 = D W b .

85

6 (1885), 2 5 1 5 ; R o c h h o l z

Glaube

2, i 6 f .

87)

J o h n Erzgebirge 35. ββ ) D r e c h s l e r 2, 185. 89 ) P r a e t o r . Phil. 183. 90 ) E n g e l i e n u. L a h n 268. 91 ) S c h u l t z Alltagsleben 241 = M a e n n l i n g 223. Z u m G e s c h e n k vgl. d e n W o c h e n r e i m b e t r e f f s des Niesens in Z f ö V k . 3 (1897), 10. 92 93 ) J o h n Westböhmen 260. ) J o h n Erzgebirge

29.

94

)

Myth.

Grimm

3, 4 6 1 N r . 7 7 1 .

Aus d e m S t r u m p f w u r d e bei P . S a r t o r i

Der

Schuh

irr-

im

Volksglauben

(ZfVk.

4,

152)

¡ tiimlich ein S c h u h . ) J o h n Erzgebirge 36. 9e ) W u t t k e 59 § 6 7 ; 405 §625; S c h ö n b a c h 95

j Berthold

v.

fí.

51;

Fogel

Pennsylvania

φ

\ N r . 388. r. 142; S a r t o r i Sitte 2, 149. m ) J o h n Erzgebirge 220. 122 ) ( K e l l e r ) Grab

d.

Abergl.

5,

44if.;

Rochholz

Glaube

2, 16; F o g e l Pennsylvania 201 N r . 993. 123 ) D r e c h s l e r 2, 185. 1 2 4 ) Mitteil. A n h a l t . G e s c h . 14, 16. 125 ) E n g e l i e n u. L a h n 282; Z f V k . 127) ι ( 1 8 9 1 ) , 1 8 6 . 1 2 e ) S t r a c k e r j a n 2, 1 0 5 . W u t t k e 5 9 § 6 7 ; 423 § 6 6 0 ; Z f V k . 7 ( 1 8 9 7 ) ,

152; W r e d e Rhein. Volksk. 92. 1 2 8 ) S t r a c k e r j a n ι , 54. 129 ) E b d . 2, 24. 1 3 0 ) M e y e r Baden m 425. ) Eberhardt Landwirtschaft 14. 13a 133 ) G r i m m Myth. 3, 499 N r . X X I I . ) S e y f a r t h Sachsen 160. 134 ) R o c h h o l z Glaube 2, 17. 1 3 t ) S A V k . 8, 272. 1 3 e ) B i r l i n g e r Aus Schwaben

1,

390.

137

)

Schulenburg

Wend.

565

Moorjungfern—Moos

Volksthum 14 f. 1 3 8 ) S e y f a r t h Sachsen 200. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 5 3 . 14 °) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 276. 287. 1 4 1 ) S t e r n Türkei 1, 1 8 1 . Jungbauer.

1M>

Moorjungfetn heißen in einer Variante der Sage vom Tanze der Nixen mit Menschen die in einem Moor wohnenden W a s s e r f r a u e n w i e die über einem Moor der Rhön schwebenden Lichtchen2), vgl. Wassergeister § 24 und 8. 2

*) W o l f Beiträge 2, 284; Bavaria 4, 1, 204. ) G r i m m Sagen 1, 148 Nr. 1 1 4 . Panzer.

566

lich ist ; damit wären die deutschen Volksnamen Teufelskorn 5 ), Wolfsgerste e ), Kuckuckskorn 7), Hasenkorn, -weizen 8) zu vergleichen 9). Die sog. „Holzgerste", die das Getreide der „Holzweiblein" sein soll 10 ), dürfte wohl das fruchtende Widerton-M. sein. Erdgeister, wilde Männer usw. werden in der Sage gern als mit M. bewachsen dargestellt 11 ). Im Bergischen heißt das Widerton-M. „Jesuskraut", weil die geschlossene, oben spitze Sporenkapsel an die Lanze Christi erinnern soll („lancea Christi" nannten übrigens die alten Botaniker die Natternzunge [Ophioglossum vulgatum], s. d.), das M. wird daher an katholischen Feiertagen auf ein Kreuz aufgenagelt 12 ).

Moos. ι . B o t a n i s c h e s . DieM.e (Bryophyten) bilden eine große Abteilung des Pflanzenreiches. Sie gehören zu den Sporenpflanzen („blütenlosen" Pflanzen), die Sporen J e n s s e n - T u s c h Nordiske Plantenavne 2 entstehen in einer Kapsel, die häufig auf 31867, 179. ) Vgl. v. d. L e y e n Sagenbuch 162. langem Stiele sitzt. Die Laubm.e sind 4 ) z. B. H o e f e r Etymol. Wb. usw. 1 (1815), 243. ) J e n s s e n - T u s c h a . a . O . 180; auch der als deutlich in Stengel und Blätter gegliedert, Unkraut unter der Saat wachsende Flughafer die Lebermoose besitzen meist einen (Avena fatua) hieß so; vgl. G r i m m Myth. 6 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 360. flach auf der Erde liegenden Vegetations- 1, 200. *) S c h w e n k f e i t Stirpium et Fossil. Silesias körper ähnlich wie viele Flechten. Die catalogus 1600, 164. ' ) H ö f e r u. K r o n f e l d zahlreichen Arten der Laubm.e werden Die Volksnam. d. niederösterr. Pflanzen 1889, 8 vom Volk meist nicht näher unter- 14. ) Riesengebirge: S c h r e i b e r Wiesen 9 1898, 90. ) Vgl. auch M a r z e l l Pflanzenschieden oder doch nicht besonders bell 1 5 4 f. 1 0 ) S c h ö n w e r t h a . a . O . ) nannt. Gut bekannt ist meist das Wider- namen z . B . P r ö h l e Unterharz 1 1 3 ; H e y l Tirol 389. ton-M. (Polytrichum-Arten ; s. Widerton). 604. 1 2 ) L e i t h a e u s e r Berg. Pflanzennamen 12. Auch gewisse Flechten (s. d.) werden nicht 3. In der S y m p a t h i e m e d i z i n wird selten vom Volk als „M." bezeichnet (z. das „M." (es mag sich manchmal um B. Isländisches ,,Moos"), manchmal auch Flechten handeln), vor allem, wenn es kleine Farn- (s. d.) Arten, wie der Milz- an besonderen Stellen (Totenkopf, Kirchfarn (Asplenum trichomanes). Unter hofmauer) gewachsen ist, als blutstillendes „Schlangenmoos" versteht das Volk den Mittel verwendet 13 ). Einer besonderen Bärlapp (s. d.). Wertschätzung erfreute sich das M. vom 2. Das Widerton-M. scheint mythische Totenschädel (womöglich von einem Beziehungen zu haben. Auf Island heißt „armen Sünder"), das als „Muscus cranii es Freyjuhar, haddr Sifjar x ), die letztere humani" sogar früher in den Apotheken 14 ) Benennung nach der Ehegöttin Sif, Thors geführt wurde. Seine „Herstellung" beGemahlin, der Loki ihr schönes langes schreibt T a b e r n a e m o n t a n u s 1 8 ) : „EtliHaar abschneidet und ihr neues goldenes che Medici und Apotheker legen einen (die Sporenstiele des M.es glänzen gold- Todtenkopff eine zeitlang an einen feuchgelb, daher auch „goldenes" Frauenhaar ten Ort, aus welchem endlich ein Mooß genannt) von Zwergen herstellen läßt 2 ). I herfürwächst / solches nehmen sie und In der christlichen Zeit wird dann das halten es zum Gebrauch. Es wird aber Widertonm. zu „Unser lieben Frauen fürnemlich genützt zu der Blutstillung, Haar" 3 ), eine Bezeichnung, die auch ge- dazu es ein sonderlich Experimentum wissen Farnen (ζ. B. Adiantum capillus sein soll, wenn man das Mooß zu einem Veneris) gegeben wurde. In Dänemark Pulver macht und einstreut" 1β ). Vor hieß das M. Lokes havre 4 ), weil die allem bildete dieses „Totenschädelmoos" Sporenkapsel einem Getreidekorn ähn- I einen Bestandteil einer Waffensalbe (Un-

567

Moosfräulein—Mord

guentum armarium), die hieb- und stichfest machen sollte 17 ). Diese Salbe sollte auch die Wunde heilen, wenn das Instrument, das die Wunde beibrachte, mit ihr bestrichen wurde, selbst wenn der Verwundete weit entfernt war 1 8 ). Als blutstillend wirkt ferner M. von der Kirchhofsmauer 1β ) oder von einer Esche 20 ) (s.d.). Als Mittel gegen das „Schwinden" wird auch das M., das auf alten Totenknochen gewachsen ist, umgehängt 21 ). Gegen Krätze dient bei abnehmendem Mond das „Brunnenmies" (Marchantía), das dem Volk gewissermaßen als Grind oder Ausschlag des Steines erscheint 22 ). Damit wäre folgendes Rezept bei P l i nius 23) zu vergleichen: Der gewöhnliche Stein trägt an den Flüssen ein trockenes graues M. (Marchantía oder FlechtenArt). Dieses wird mit einem anderen Stein nebst einem Zusatz von Menschenspeichel zerrieben. Mit diesem Stein wird der Ausschlag (impetigo) berührt, wobei der Berührende spricht : „φεύγετε χαν&αριδες λύχο; άγριος α?μα διώχει" (Kanthariden [bedeutet hier vielleicht die dämonischen Würmer, die das Jucken des Ausschlags verursachen] entflieht, der wilde Wolf verfolgt das Blut ). In Westböhmen dörrt man gegen Geschwülste graues, auf Steinen wachsendes M., pulverisiert es und gibt es dem Kranken zu essen 24 ). 13 ) Vgl. P l i n i u s Nat. hist. 26, 22, wo eine Pflanze „liehen ut muscus" als blutstillendes Mittel empfohlen wird. l 4 ) ζ. B . in der Londoner Pharmakopoe v . J . 1678 = H o v o r k a und K r o n f e l d 1, 377. 1 5 ) Kräuterbuch 1 7 3 1 , 1 1 9 6 . w ) Vgl. auch P a r a c e l s u s Chirurg. Schriften. Hrsg. v. H u s e r 1605, 35. 1 7 ) G r i m m Mythol. 3 , 349; A m e r s b a c h Grimmelshausen 2, 5 8 ; S t a r i c i u s Heldenschatz (1679), 97. 365 f.; T h a r s a n d e r 2, 704; H a u p t Lausitz 1, 203; D r e c h s l e r Schlesien 2, 240; K r q n f e l d Krieg 87. 1 8 ) C r o l l Basilica chymica 1 6 1 0 = S c h e lenzGesch.d. Pharmazie 1904, 405. 1 9 ) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 8 5 ; das an Kirchen wachsende M. ist ein wirksames Heilmittel (Ostfriesland) : W u t t k e 144 § 198. 20 ) SchwVk. Ii, 48. 2 1 ) M a r z e l l Bayr. Volksbotanik 168. 23 **) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 79. ) Nat. hist. 27, 100. u ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 394. Marzell.

Moosfräulein, -geist, -leute etc. s. Waldgeister. Mord (zugleich auch „ E r m o r d e t e r " ) . ι . M. (ahd. mord als Neutrum; alt-

568

nord. morth, mord; altfränk. morter; ags. morotor) ist die heimliche Tötung, die um dieser Heimlichkeit willen als besonders gefährlich und niederträchtig angesehen wurde. Der Ausdruck M. findet auch für andere heimliche Verbrechen Anwendung, so M.-brand für die nächtliche Brandstiftung. Der M. bildet den typischen Gegensatz zur offenen Tötung, z. B. in offenem Streit oder bei Ausübung der Rache, wobei aus der Tat gar kein Hehl gemacht wurde. Für die älteste Zeit ist kennzeichnend, daß als M. jede Tötung galt, deren Spuren der Täter zu verheimlichen suchte, z. B. wenn der Leichnam in einen Fluß geworfen oder verbrannt wurde. Eine offenkundig gemachte Tat galt niemals als M. Im späten Ma. hat sich der Begriff erweitert. Auch das Niederschlagen eines Menschen in aller Öffentlichkeit wurde als M. angesehen, wenn es nicht in erklärter Feindschaft oder bei einem Raufhandel usw. geschah. Aber gerade auf dem Boden des Aberglaubens sind die alten Züge der Heimlichkeit besonders stark erhalten geblieben 1 ). *) B r u n n e r Deutsche R.-Geschichte II 2 , 8 1 3 f t .

2. Sehr a l t ist die V o r s t e l l u n g : der E r m o r d e t e f i n d e t im G r a b e keine R u h e . Er stirbt nicht. Das Band mit den Lebenden ist nicht zerschnitten. Er erscheint — meistens zur Nacht — in irgend welchen fürchterlichen Gestalten. Ruhe kann er nicht finden bis er entweder gerächt (alte Sühne-Idee) oder bis er in geweihter Erde begraben ist (neuere kirchliche Auffassung). Die gesamte indogermanische Einrichtung der Blutrache gründet sich daher sehr stark auf die Furcht vor dem Toten (daneben auch auf heroische Instinkte). In den isländischen Sagen wird berichtet, daß die Götter die heimliche Tötung verabscheuten. Sie schickten Unwetter über das Land u. a. deshalb, weil ein M. nicht dem Recht gemäß kundbar gemacht worden war. Die Verklarung (Kundmachung) wurde jeweils alsbald nachgeholt. Daß der Ermordete weiter lebt, daß

569

Mord

57O

er weiterhin als Rechtspersönlichkeit gilt, ¡ sehr großen Zwischenräumen den Mender man — ähnlich einem Lebenden — j schen zeigen. Von einem bei Schweidnitz Achtung und Ehre zu erweisen hat, ermordeten Kinde wird erzählt, daß es geht aus vielen Quellen, z.B. schon nur alle 50 Jahre einmal erscheine. aus dem ribuarischen und salischen Volks- Erlösung findet es, wenn man es anrechte hervor. Daher erscheint der Tote spricht und dadurch seine Grabstätte selbst als Kläger oder Beklagter vor erfährt. Dann kann man es in geweihte Gericht, daher gilt auch noch der Leich- Erde überführen '). nam als empfindlich gegen KörperverDas Erscheinen des Ermordeten beletzungen, daher henkt man den Täter deutet meistens Unglück. Denn der Tote über dem Grabe des Erschlagenen, damit will sich für die Tat rächen 8 ). Selten dieser sieht, daß er gerächt worden sei. tritt er als guter, als schützender Geist Besonders deutlich offenbarte sich das auf. Aus Polnisch-Oberschlesien wird Fortleben des Ermordeten im Bahr- berichtet: Ein Förster verweigerte einem rechte (s. d.). Der Leichnam wird auf Forstbeamten seine Tochter, als dieser eine Bahre gelegt und ist imstande, sie zur Ehe begehrte. Da erschoß der durch bestimmte Zeichen, die er gibt, Beamte den Vater. Nun zieht der Erden Mörder zu überführen 2). Aus einem mordete als Nachtjäger durch den Wald Schäßburger Hexenprozeß ist überliefert: und schützt seine Tochter vor dem ab„Als des Schäßburger Bürgers, Georgius gewiesenen Freier®). 4) K ü h n a u Sagen 1, 617; ebd. 2, 488 f. Beschendorfer's Kind über Erden lag, 5 ) S A V k . 25, 126. ·) P a u l i Schimpf u. Ernst kam die Sofia Kutteschin, welche im hrg. von J. Bolte 2, 78 Nr. 830. 7 ) K ü h n a u Verdacht stand, das Kind auf zauberische 8) Sagen 1, i n . R a n k e Volkssagen 41 ff. Art getötet zu haben, zu zweimalen in ') K ü h n a u Sagen 2, 486 f. die Leichenstube, und allemal, wenn sie 4. A u c h den Mörder s i e h t das sich über das tote Kind hinbeugte, fing Volk a l s r u h e l o s e s Wesen an 1 0 ). sie so stark zu bluten an, daß sie sich Er erscheint als Spuk in allerlei Geentfernen mußte. Und dieses gab der stalten, wie der Ermordete selbst. Seine Anklage auf Zauberei, die bald darauf gemeine Untat verfolgt ihn über das gegen sie erhoben wurde, keinen geringen Grab hinaus. Selbst wenn der M. entSchein" 3 ). deckt und der Täter verurteilt wurde, 2 ) A. H e u s l e r Das Strafrecht der Isländerfindet er keine Ruhe. Vom Stephansagas·, Hans V o r d e m f e l d e Die germanische Hans wird erzählt: Religion 1 (1923); Hans S c h r e u e r Das Recht „In Ebersdorf soll vor vielen Jahren der Toten, ZfverglRw. 33 (1916) ; M ü l l e r Siebenein Mann gelebt haben, welcher viele bürgen 65; Elsäss. Mtsschr. 1 (1910), 238. 3) M ü l l e r Siebenbürgen 54, dazu Grimm böse Taten verübt hat. Er wurde der Weistümer 1, 18 Art. 3 (aus Zürich-Kyburg) ; Stephan-Hans genannt und war weit Urquell 3 (1892), 271 u. N. F. 1 (1897), 6 (Überund breit gefürchtet. Die Sage weiß, lieferung aus dem im 13. Jh. verfaßten hebräidaß er 37 M.e begangen hat. Seine schen „Buche der Frommen"). Untaten büßte der Stephan-Hans auf 3. Die G e s t a l t e n , in denen der T o t e e r s c h e i n t , sind sehr v e r dem Schafott zu Habelschwerdt ; er schieden. Ein ermordeter Fleischer wurde (am 10. Februar 1568) daselbst z. B. tritt auf in Gestalt eines Hundes mit glühenden Zangen gekniffen, gean einer Brücke, ein Jäger als „Nacht- vierteilt und an den Galgen gehenkt. jäger" in weißem Gewände mit seinen Sein Geist hat aber noch lange Zeit in fünf Hunden im Walde 4). Ja, der ErEbersdorf sich gezeigt, namentlich auf mordete ist imstande zu rufen und die dem Wege zum Lindenjäger" u ). Nacht mit Schmerzensgebrüll zu erDer Grund für die Ruhelosigkeit des füllen 5). Und im Traume erscheint er Mörders war in älterer Zeit seine Uneinem Freunde, um ihn aufzufordern, reinheit. Der Täter galt als entartetes, seinen Tod am Mörder zu rächen 6 ). als unreines Geschöpf. Im russischen Bisweilen darf sich der Tote nur in Volksglauben verwandeln sich unreine

571

Mord

Tote in Wald- und Wassergeister oder sogar in den Wirbelwind. Und wie man diesen Opfer darbringt, damit sie einem nicht schaden, wird auch in den deutschen Gegenden ein solches Opfer dem Toten hingegeben. An der Stelle, wo ein M. geschehen ist, darf man nicht vorübergehen, ohne ein Reis oder (wenn sie sich nicht im Walde befindet) einen Stein oder ein wenig Erde auf sie zu werfen. In einem nahe bei Schäßburg gelegenen Walde befindet sich eine solche stets von Reisig bedeckte Stelle 12 ). Durch die Untat ist die ganze Natur aus ihrem Gleichgewicht gebracht. Sie wehrt sich gegen diese Entartung eines ihrer Geschöpfe. Darum sendet sie andere Geschöpfe, den M. anzuzeigen: Ein Rabe verrät den Mörder, ein Hund fällt ihn an und verfolgt ihn. Sogar Gegenstände können Anzeiger sein : Aus Thüringen wird berichtet, daß Windeln ,,im Wasser emporschwammen", um eine Kindsmörderin zu verraten. Immer ist daran zu denken, daß die gesamte Schöpfung als organische Einheit betrachtet wurde. Darin liegt wohl auch der tiefste Grund der bekannten Tatsache, wonach der Mörder stets an den Tatort zurückkehren muß: Schließlich soll ihn der Ort verraten 13 ). Selten begegnet die Auffassung : der Geist des Getöteten fahre in den Mörder und zwinge ihn zum Geständnis14). Und weil der Mörder als Entarteter, als unreines Geschöpf handelte, so muß er oft auch eines unnatürlichen Todes sterben. Vor etwa 150 Jahren ist ein Kaufmann abends bei einer Wirtschaft in Westerscheps eingekehrt, um nach kurzem Aufenthalte weiter nach AltenoytheFriesoythe zu reiten. Der Wirt hat dem Fremden, der viel Geld bei sich geführt, den Rat gegeben, zu bleiben. Dieser hat aber weiter wollen und gebeten, man möge ihm einen zuverlässigen Führer mitgeben. Dem Führer haben sich draußen zwei Männer zugesellt, die den Kaufmann auf falschem Wege tief ins Moor hineingeführt, dort getötet, die Barschaft an sich genommen und Roß und Reiter in eine Moorkuhle versenkt haben. Die

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drei Mörder sind eines unnatürlichen Todes gestorben. Vor 50 Jahren hat man am Tatorte Menschenhaare und Pferdeeisen gefunden 15 ). — Schließlich geht auch die Verrufenheit des Tatortes auf diese Grundvorstellungen zurück. Die Natur scheut sich, dort wieder ihre Fruchtbarkeit zu zeigen. Auf der Mordstelle wächst kein Gras mehr 16 ). Oder: die Erde verschlingt den Täter 17 ). 10 ) K i i h n a u Sagen 1, 30; S c h e l l Bergische Sagen 56 Nr. 89. n ) K ü h n a u Sagen 1, 66. 12 ) Urquell 4 (1893), 5 3 ; A n d r e e Parallelen ι (1878), 46; Z e l e n i n Volkskunde 3 8 8 . 3 9 1 . 3 9 3 ; Urquell 4 (1893), 15. R e i s i c h t - u n d S t e i n h ä u f u n g e n a n M o r d s t e l l e n : Z d N f V k . 8, 4 5 5 f . ; A n d r e e Parallelen 1 , 4 6 — 8 8 ; L i e b r e c h t Z. Volksk. 267 ff.; W e i n h o l d Altn. Leben 474 ff.; Mitt. d. Wiener Anthrop. Ges. 1885; Verhandl. der Beri. Anthrop. Ges. 1894, 254; ZfEthnol. 1888, 288; 1893, 282; ZfVölkerpsych. 12, 239. 309; ZföVk. ι , 296; 3, 3 ; Urquell 1, 1 2 1 ; 4, 15. 53. 1 7 3 ; 5, 2 3 5 ; 6, 220; S c h w a l l y Leben nach dem Tode 5 i i . ; K u h n u. S c h w a r t z 436 Nr. 305. " ) H e y l Tirol 785 Nr. 1 2 8 ; P a u l i Schimpf u. Ernst 1, Nr. 229. 4 3 4 ; 2, Nr. 870; F e h r Das Recht im deutschen Volksliede Volk u. Rasse, November 1926, 18. E n t d e c k u n g eines Mordes durch Vögel: I b y k u s ZfdU. 22 (1909), 682 ff. ; hl. M e i n r a d i G e l p k e Christliche Sagengeschichte der Schweiz (1862) 2 0 9 — 2 2 3 ; ZrwVk. 1918, 149. " ) Z f V k . le 2 (1892), 97. 1 5 ) S t r a c k e r j a n 2, 358. ) J e c k l i n Volkstümliches 1 9 1 6 , 4 0 5 . 1 7 ) G r a b e r Kärnten 174.

5. Aber noch eine zweite Vorstellung ist bei all dem mit im Spiele: Das Blut des Ermordeten ist von ganz besonderer magischer K r a f t . Es besitzt übernatürliche Wirkungen. Seine Spuren sind untilgbar. In einer großen Anzahl Sagen kehrt der Zug wieder, daß Blutflecken, besonders solche, die von unschuldig Ermordeten herrühren, sich nicht mehr austilgen lassen. Schon die Zimmer sehe Chronik meldet (II,262)hierüber: „Herr Gottfried Werner von Zimmern besaß zwe scheffellin (lanceola), damit Graf von Sonnenberg von den gräflich Werdenbergischen Reitern bei Hundersengen anno 1 5 1 1 ermordet worden war. Daran haben die masen (Flecken) des schweiß (Blutes) nit megen ausgeputzt oder ausgefegt werden, da hat kein arbeit an geholfen" 18 ). Das Blut kann auch günstige Tabu-

573

Mordkreuz—Mordnacht

Vorstellungen auslösen. Aus Hinterpommern wird überliefert: Wird ein M ö r d e r geköpft und ein Kaufmann kann einige Tropfen B l u t mit seinem Taschentuche auffangen, so vermehrt sich seine Kundschaft 1 9 ). 18 ) SchwVk. 5, 29; S c h m i t t Hettingen ZfVk. 9 (1899), 383; ZfMyth. 2 (1854), 234. K n o o p Hinterpommern 166.

17; ")

6. Was vom Mörder galt, galt vielfach auch vom Selbstmörder und vom Anstifter zum M.e 20 ). 20

) ZföVk. 10 (1904), 93.

7. Um dem Ermordeten die Ruhe im Grabe zu verschaffen, war notwendig, ihn zu rächen. Mit vollzogener Blutrache hörte der Spuk auf. Durch das Vordringen der christlichen Kirche wurde der Rachegeist gemildert. Jetzt schützte meist ein christliches Begräbnis in geweihter Erde gegen Verfolgungen durch den Toten. In Ostpreußen geht die Vorstellung, der Ermordete müsse noch solange umgehen, als er hätte leben können 2 1 ). Für den Mörder gibt es häufig gar keine Erlösung. Bisweilen aber kann der Mensch ihm helfen. Die berühmte „Hummelfrau" bittet ζ. B. jedesmal, wenn sie erscheint, um Erlösung 2 2 ). Ein häufig geübter Brauch, um das Wiedergängertum von Mördern und anderen Bösewichtern zu verhindern, war die Pfählung. Der Verurteilte wurde (tot oder lebendig) in ein Grab gelegt, Erde darüber geschüttet und der Leichnam mit einem Pfahle an das Erdreich befestigt. Mit dieser körperlichen Anheftung glaubte man auch den Geist zu bannen 23 ). 21 ) K ü h n a u Sagen 1, i n ; ZfVk. 14 (1904), 3 1 ; F r i e d b e r g 8. 22 ) K ü h n a u Sagen ι, 283. 23 ) G r i m m Weistümer 1, 794; F e h r -Das Recht im Bilde (1923), 99.

8. Sehr bekannt ist die magische Kraft, welche das Blut oder einzelne Körperteile des Ermordeten (auch des verurteilten Mörders zuweilen) auf andere auszuüben vermochten. Bei einem in der Schweiz vollbrachten M.e gestand der Täter, er habe den Mann getötet, um das Blut gegen Fallsucht zu trinken. Schwangere Frauen wurden ermordet,

574

damit die Finger der Ungeborenen als „Diebeslichter" verwendet werden konnten. Sie machten unsichtbar. Getötete Knaben mußten Leber und Nieren hergeben, um damit das Gewehr treffsicher zu machen und Liebesmittel daraus zu bereiten 24). **) W u t t k e 138 §190; F e h r Das Recht im deutschen Volhsliede 19; H o v o r k a - K r o n feld ι, 312 f. S. Mordkreuz.

g. In manchen Gegenden lebten Zaubersprüche im Volke, um einen fliehenden Mörder „zu stellen", d. h. festzubannen 25 ). 25

) Romanusb. 19.

Fehr.

Mordkreuz. M.e wurden meistens an der Stelle errichtet, wo ein Mord geschehen war. Sie sind regelmäßig Sühnekreuze und haben dann mit Aberglauben nichts gemein. Nur wenn sie ein Opfer bedeuteten, das dem Toten dargebracht wurde, damit er den Lebenden nicht schade (vgl. Mord), sind sie abergläubischen Vorstellungen entsprungen. Bestimmte Belege dafür fehlen 1 ). !) ZfVk. 2 (1892), 8; SchwVk. 20, iff. Fehr.

Mordnacht werden in Schweizer Sagen meist nur geplante, rechtzeitig noch entdeckte und aufgegebene oder glücklich abgewehrte nächtliche Überfälle genannt, die in Luzern, Zürich, Bern und zehn anderen Städten hauptsächlich während des 14. und 15. Jh.s vorgekommen sein sollen. Die Sage hat einige wirkliche Ereignisse dieser Art wie die Zürcher M. von 1350 mit Motiven wie die Ofenbeichte, eine Errettung durch Kinder ausgeschmückt und an die verschiedensten Orte übertragen, wo nur ein Anknüpfungspunkt sich geboten hat, so daß schließlich eine Reihe schweizerischer Städte jede ihre besondere M. bestanden haben will. Alten Frühlingsfesten wie dem Zürcher Sechseläuten (s. d., s. a. 2, 732) oder mittelalterlichen Rechtsbräuchen und Bürgerfesten agrarkultischen Ursprungs, Brotverteilungen an Kinder und Jugendumzügen, hat man die Erinnerung an eine M. später unterschoben, oder man hat unverständlich gewordene Nachtwächterrufe durch das Gedächtnis einer M. ätiologisch zu erklären gesucht 1 ).

Mordsegen-[—Morgen

575 x) Vgl. Gedenktage

T o b l e r Die i n Kl. Sehr.

Mordnächte und ihre 79—105; s . a . R o c h -

h o l z Sagen 1, 155 f. 204 f . ; 2, 23. 355—374! d e r s . Teil 15; L ü t o l f Sagen 432 ff.; T h .

v.

Liebenau

Das

alte

Luzern

(1881)

228 f .

24öS.; Zürcher T a s c h e n b u c h 44 (1924), 1 fi.

Müller-Bergström.

Mordsegen 1 ). E i n eigentümlicher epischer Segen gegen „ M o r d " , d. i. „Schwindel der P f e r d e als Vorbote des Schlagflusses", auch Gehirnschlag 2 ), ist seit dem 15. Jh. überliefert, gilt gewöhnlich Pferden, seit dem 16. J h . auch Menschen. Z . B . : „Jhesus unde der mordt riedden eyn ross czu samen: der mort slug es, Jhesus Cristus der uffhub es. Stant uff ross, dir ist gebusset des m o r d t i s " 3 ) , 15. J h . Vgl. dänisch, 17. J h . : „Christ og fang (Verfangen u. ä.) de reed over land, fang bad nedslaa, Christ bad opstaa"4). A u c h eine deutsche Besprechungsform setzt noch die Legende voraus: „Mord du hest äer daelschlaen; unse Herr Christus segt, du schast wedder upstaen" 5 ). Endlich ist der Segen von einem verwandten T y p u s beeinflußt, dabei aber entstellt worden: „ D e r S c h l a g u . der Mord, die gingen beid' zusammen durch eine enge Pfort', der Schlag u. der M. schlug nieder, da kam J . Chr. u. hilft wieder" 6 ), vgl. „ S t r e i t m o t i v " § 5. Der R i t t ist hier weggefallen, vgl. Verrenkungssegen § i b . D e m alten Segen nicht fern steht ein französischer Segen für die Nisse: „ S t . Luc et Ste Luce s'en vont par les champs, ils trouveront le Bruno (den kranken Ochsen) en champ; Ste Luce dit qu'il mourra, St. Luc dit qu'il ne le f e r a . . . " 7 ) ; v g l . doch hier das Gespräch dreier Heiligen in den Augensegen (s. d. § 2). D a ß Gott und Teufel so zu sagen kameradlich verkehren, jedoch so, daß ihr grundverschiedenes Wesen klar hervortritt, ist den Märchen und volkstümlichen Legenden ein vertrauter Gedanke. So wirkten sie schon in der Schöpfung zusammen, vgl. Hundesegen § 2, besonders den dort zitierten Schlagsegen. I m M. ist der Krankheitsdämon an die Stelle des Teufels getreten ; in den späten Formen ist aber das bedenkliche Zusammensein beseitigt (s. oben).

576

Vereinzelter M., 12. Jh.: „ J o h a n v u a s " usw. s. Pferdesegen § 1. !) O h r t Da signed Krist 229 ff. 2 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 421. 3 ) S c h ö n b a c h H S G .

Nr. 443 (kürzer ebd. Nr. 238) ; JbNdSpr. 1875^ 21 ; H ä 1 s i g ΖauberSpruch 77 nach Niederd.Korrespondenzbl. 12, 35 (16. J h . ) . 4 ) DanmTryllefml. Nr. 217. 5 ) M ü l l e n h o f f Sagen 512, vgl. schon

im 15. Jh. ZfVk. 26, 199 Nr. 6. ·) F r i s c h b i e r

Hexenspr. 87 Nr. 2. ' ) R T r p . 18, 304.

Ohrt.

Morgen. ι . Dieses W o r t *) bezeichnet g a n z allgemein die Ü b e r g a n g s z e i t von der Nacht (s. d.) zum T a g (s. d.), also etwa die Zeit v o m Beginn der M.dämmerung (s. Dämmerung) bis nach Sonnenaufgang (s. d.) oder bis nach dem M.läuten (s. d.). Nur vereinzelt dient es zur Bezeichnung des O s t e n s , der Himmelsgegend, in welcher die Sonne aufgeht, so ζ. B. auch in dem Ausdruck M . b r u n n e n , d. h . Brunnen, die nach M. (Osten) fließen. Nach einer Überlieferung aus Gossensaß (Tirol) lernt das Mädchen, welches in der hl. Nacht zu drei M.brunnen geht, den Zukünftigen kennen. Dieser steht dann an der Kirchentür mit einem Tuch in der Hand, daß sich das Mädchen abtrocknen k a n n 2 ) . Auf den ganzen Vormittag bezieht sich das Wort M. in der Verwendung als A c k e r m a ß , da damit ursprünglich eine Fläche gemeint war, welche an einem Vormittag mit dem landesüblichen Gespanne gepflügt oder von einem Manne abgemäht werden konnte 3 ). Der M. spielt gegenüber dem A b e n d (s. d.) im A b e r g l a u b e n eine geringere Rolle, was sich aber zum Teil auch daraus erklärt, daß hier die Überlieferung in den meisten Fällen als genauere Zeitangabe den S o n n e n a u f g a n g (s. d.) namhaft macht, während zwischen dem Abend und Sonnenuntergang weniger genau unterschieden und fast alle Überlieferung auf den Abend übertragen wird. Der U n t e r s c h i e d zwischen dem M. und Abend zeigt sich auch bei den G e b e t e n (s.d.). M.gebete, meist als M.lieder 4 ) erscheinend, sind viel seltener als Abendgebete. Unter Kindergebeten eines Sammelwerkes stehen bloß 2 M.-

Morgen

577 liedchen mehr gegenüber 5 ).

als

30

Abendgebeten

G r i m m Myth. 2, 624; 3, 222; D W b . 6 2 (1885), 2556; S c h r ä d e r Reallex. 559. ) ZfVk. 8 (1898), 250. 3 ) M e y e r Konv.-Lex. 14 4 (1907), 143. ) J u n g b a u e r Bibliogr. 107 N r . 5 7 1 — 5 7 3 . 5 ) B ö h m e Kinderlied u. Kinderspiel (1897) 319.

2. Am frühen M., wobei beim Fehlen näherer Angaben gewöhnlich die Zeit vor Sonnenaufgang anzunehmen ist, sind noch die n ä c h t l i c h e n G e i s t e r am Werke, wie einzelne Sagen berichten, so die vom Hexenknable im Allgäu 6 ), die von den Rathausgeistern in Wolfschlugen ') oder die vom geizigen Bauer im Böhmerwald, der jeden M. zu sehen, in der Nacht aber nur zu hören war 8 ). In die Gewalt des T e u f e l s kommen die Kinder, welche in der Früh ins Freie gehen, ohne sich mit Weihwasser besprengt zu haben 9 ). In der Rauris wird den Kindern, welche morgens ungewaschen ausgehen, gedroht, daß sie von den w i l d e n F r a u e n gefangen werden 1 0 ). Die Furcht vor der Mißgunst böser Geister und der Glaube, daß man sich oder andere durch allzufrühes oder allzulautes Lob schädigen kann, spricht sich in der Forderung aus, daß man am M. n i c h t singen und pfeifen, nicht allzu früh jubeln11), den Tag nicht vor dem Abend loben soll. „ M . s s i n g e n g i b t a b e n d s K l a g e " , sagt man in Schleswig-Holstein 12 ) und in Mecklenburg 13 ), womit auch die dem Kontrastprinzip entsprechende Vorbedeutung des M.s zum Ausdruck kommt. Andererseits aber bezeichnet der M. das E n d e des N a c h t s p u k e s , die E r l ö s u n g von aller Gefahr und Pein. Der von einem Neckgeist die ganze lange Nacht Irregeführte kommt am M. zur Besinnung 14 ), der Hockgeist löst seine Umklammerung und läßt sein Opfer los 1 5 ), der Teufel, der z . B . in Gestalt eines Weibes einen Mönch die ganze Nacht geritten h a t l e ) , entschwindet, und der Alp, die Trud oder Hexen müssen, wenn man sie hierzu durch bestimmten Gegenzauber zwingt, am M. in ihrer wahren Gestalt erscheinen 17 ). Über H e x e n am M. s. Maitau, Tau. ·) R e i s e r Allgäu

1, 161 =

Blchtold-Stäubli,

Zaunert

Aberglaube V I

Nalur-

578

sagen 1, 22. ' ) K a p f f Schwaben 34. ' ) J u n g b a u e r Böhmermaid 227. 9 ) P f a l z Marchfeld 88. 1 0 ) A n d r e e - E y s n Volkskundlichcs 209. 1 1 ) P f i s t e r Hessen 166. Zur Abneigung der Geister gegen d a s Pfeifen vgl. F F C , Nr. 30, 29. 1 2 ) ZfVk. 20 (1910), 383. 1 3 ) B a r t s c h Mecklen14) burg 2, 3 1 4 Jungbauer Böhmerwald 1 5 69. 73) E b d . 24; G o y e r t u. W o l t e r 127. 1β) Z a u n e r t Rheinland 1, 281. 1 7 ) W u t t k e 274Í. § 4 0 4 ; vgl. 284 § 4 1 7 ; 444Í. § 7 ° ° f · ; R a n k e Sagen2 24t.; K ü h n a u Sagen 3, 99t. N r . 1 4 5 2 ; i 3 o f ï . Nr. 1505. 1 5 1 5 ; P e u c k e r t Schlesien 107.

3. Als Beginn eines Zeitabschnittes hat der M. V o r b e d e u t u n g für den ganzen Tag18) und die Zukunft, auf die man durch das M.gebet, durch Besprengen mit Weihwasser 19 ) und auf andere Weise E i n f l u ß zu nehmen sucht oder passiv bloß Schlüsse zieht aus allerlei Z e i c h e n und A n z e i c h e n , wobei man dem A n g a n g (s. d.) besondere Wichtigkeit beimißt. In einer Schweizer Schrift aus 1646 20) heißt es : „Item, wann einer morgens ausgehet, und ihm zum ersten ein w e y b begegnet, oder ein h a ß über den wäg lauffet: oder daß er den l i n g e n s t r u m p f f zu erst anziehet : daß ihm etwas widerwertiges desselben tages zuhanden stoßen werde". Auch nach heutigem allgemeinen Volksglauben hat man U n g l ü c k , wenn man am M. zuerst ein a l t e s W e i b begegnet 21 ), in Franken und Ostfriesland auch, wenn man einen J u d e n trifft. Wenn ein solcher an einem Montag der erste ist, der das Haus betritt, so gibt es einen Prozeß (Franken), und wenn er da auch nur zum Fenster hereinguckt, so ist die ganze Woche unglücklich 22 ). Ein K i n d , K n a b e , M ä d c h e n oder ein j u n g e r M a n n , auch ein B e t t ler 2 3 ) oder zwei R a u c h f a n g k e h r e r 2 4 ) , die man am M. zuerst begegnet, bringen dagegen G l ü c k . Am Neujahrstag hat die erste Begegnung erhöhte Bedeutung 26 ). Von den Schicksalstieren 2β) sind außer dem Hasen vor allem vorbedeutend die Spinnen. Kriecht einem am M. eine kleine Spinne über die Hand oder über den Leib, so bringt sie auf drei Tage Glück ins Haus; geschieht es aber am Abend, so bedeutet es drei Tage Unglück (Mecklenburg) 27 ). Auch in Oldenburg 19

Morgen

579

bringen die kleinen roten oder schwarzen Spinnen Glück, wenn sie sich von oben auf die Hand oder das Gesicht niederlassen. Andere Spinnen dagegen, besonders die großen, bedeuten am M. Unglück, am Abend Glück: Spinne am Abend, erquickend und labend. Spinne am Morgen bringt Kummer und Sorgen 2S ).

Auch das N i e s e n am M. ist vorbedeutend. In Tirol glaubt man, daß der früh beim Aufstehen Niesende tagsüber etwas Neues erfährt, und zwar so viel Neuigkeiten, so oft er niest 2 9 ). Wer früh nüchtern niest, bekommt ein Geschenk 3 0 ). Mitunter heißt es, daß der ein Geschenk zu erwarten hat, der am M. nüchtern dreimal niest 3 1 ), und daß der eine Neuigkeit erfährt, der zweimal niest 32 ). Im allgemeinen bedeutet das Niesen am M. Glück 33 ), an den einzelnen Wochentagen (s. d.) kann es verschiedene Bedeutung haben 34). Nach altem Glauben sind die T r ä u m e nach Mitternacht gegen M. am wahrhaftesten 35 ). Sie gehen in Erfüllung 3e) oder, wie es in Oldenburg genauer heißt, die Träume vor Mitternacht gehen spät, die nach Mitternacht bald in Erfüllung 37 ). Ferner werden die H i m m e l s z e i c h e n beachtet. Ein außergewöhnlich roter Himmel am M. (oder am Abend) kündet nach Schweizer Glauben Krieg an 3 8 ). Auf das W e t t e r schließt man aus allerlei Anzeichen. S c h ö n bleibt das Wetter, wenn am M. die Wolken auf die Seite ziehen und nicht in die Höhe steigen, oder wenn die Bodennebel von sieben Uhr an in die Höhe steigen, oder wenn sich die Blütenkelche einzelner Pflanzen öffnen 39 ). Ferner überhaupt, wenn der M. grau ist : Der Morgen grau, der Abend rot, Ist ein guter Wetterbot' 4 0 ).

S c h l e c h t e s Wetter bringt ein Regenbogen am M. : Regenbogen am Morgen Macht dem Schäfer Sorgen

4 l ).

Wenn morgens Himmelsschäflein sind, so hagelt oder schneit es nachmittags 4 2 ). In Frankreich sagt man: „Himmel mit Schäfchen und Mädchen,das sich schminkt, dauern nicht lange" 43).

580

Dasselbe gilt vom M . r e g e n , der wie der graue Nebel am M. nicht viel zu bedeuten hat, nicht lange dauert 4 4 ). Dies besagen viele Redensarten, ζ. B. in Norddeutschland „ E n M.gast de harbarget nicht" 45), in Braunschweig „M.regen sind M.gäste, die bleiben nicht lange" 46), im Böhmerwald: Die morgin Reg'n und die morgin Bettelleut, Die springen nit weit 4 7 ).

Um Wallern im Böhmerwald sagt man auch: „M.regen und Jungfraunschwörn dauert nicht lang" 48). In Oberschefflenz in Baden meint man: „Früher Regen und alter Weiber Tanzen dauert nicht lange". Die gleiche Erfahrung spricht die englische Wetterregel aus: ,,// it rains before seven, it will clear up before eleven" 49). Und wenn man in Schlesien sagt, daß man umkehren müsse, wenn es am M. beim Ausgange regnet 5 0 ), so scheint dies auch zu besagen, daß man den Regen, der ohnehin von keiner langen Dauer sein werde, am besten daheim abwarte. Wenn v o m M . w i n d die Rede ist, so handelt es sich gewöhnlich nicht um den am M. wehenden Wind, sondern um den Ostwind. Dieser bringt in Deutschland meist klares und trockenes Wetter, im Sommer gewöhnlich Hitze und im Winter Kälte, weshalb es in Mecklenburg heißt: Fensterblumen vom Morgenwind, Die deuten auf Schnee, er kommt geschwind 61 ).

Den M.wind, durch den bei der Aussaat viel Unkraut mit aufwächst 52 ), hält man auch in Dänemark, Finnland und Estland für ungünstig zur Aussaat, besonders der Erbsen 5 3 ). IS ) S t r a c k e r j a n 2, 22 Nr. 279. 19 ) S A V k . 3, 190. 20) Rudolf G w e r b Bericht von dem abergläubigen und verbottnen Leuth- und Vych besägnen (Zürich 1646) 14 f. = Z f V k . 2 3 (1913), 18. 21 ) W u t t k e 208 § 287; D r e c h s l e r 2, 194; P f a l z Marchfeld 54. 142. 22) W u t t k e a. a. O. (s. Zeit). 23) Ebd.; D r e c h s l e r 2, 194. 24) P f a l z Marchfeld 54. 25) W u t t k e 208 § 288. 2«) Vgl. W u n d t Mythus u. Religion 1, 385 fi., der aber die Spinnen übersieht. 27 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 184. 28) S t r a c k e r j a n 1, 27. Vgl. W u t t k e 206 § 283; Vld. 9 (1907), 170 (Ober2») schefilenz). Heyl Tirol 803 Nr. 265. 30) P f a l z Marchfeld 115. 3 l ) L a u b e Teplitz 57; K ö h l e r Voigtland 357. 3 i ) L a u b e Teplitz

57·

33

) J o h n Westböhmen* 249.

219 §309.

35

) G r i m m Myth.

M

2, 959.

) Wuttke 3β

) Urquell

3 (1892), 39 (Schlesien); D r e c h s l e r 2, 201. ) S t r a c k e r j a n 1, 35 Nr. 24 = W u t t k e 229 § 326. 38 ) SAVk. 19, 209. 3 ·) R e i t e r e r

37

Steiermark

119.

40

)

Reinsberg

Wetter

32;

B. H a l d y Die deutschen Bauernregeln (Jena 1923) 121. 41 ) R e i n s b e r g Wetter 34; H a l d y a . a . O . 116. 42 ) Z i n g e r l e Tirol 116 Nr. 1020; H a l d y a. a. O. 113. 13 ) R e i n s b e r g Wetter 47. " ) Ebd. 51; H a l d y a. a. O. 115. « ) L a u t i e r Niederd. schweig 410.

Volksk." 72. 4 6 ) A n d r e e Braun47 ) J o h n Westböhmen8 237; V l d .

18 (1916), 106. plan

1926), 102.

48

) Wäldlerkalender 4 (Ober49

)

Vld.

7

(1905), 6.

Vgl.

B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 57; F o g e l Pennsylvania 50

582

Morgenläuten—Moritatenlieder

58i

226 N r .

) D r e c h s l e r 2, 150.

burg 2, 213.

52

1152; 61

238

N r . 1230 f .

) B a r t s c h Mecklen-

) J o h n Erzgebirge

220.

53

)

FFC.

Nr. 31, 58. Vgl. W u t t k e 420 § 654. Zum Wetterglauben vgl. die Wetterregeln bei K. F. W. W a n d e r

Sprichwörter-Lex.

3 (1873), 727 ff.

4. In der V o l k s m e d i z i n findet sich neben dem Sonnenaufgang (s. d.) selten der M. erwähnt 5 4 ). Ein besprochenes Kind kann man heilen, wenn man sich mit ihm gegen die M o r g e n s o n n e stellt und spricht: Sei -willkommen Mir und meinem Wir beide bitten Daß er gebe uns

Sonnenschein, Kindelein! den heiligen Geist, Hilfe zumeist 5 5 ).

Heilkraft hat der S p e i c h e l am M., bevor man etwas gegessen hat. Man bestreicht damit entzündete Augenlider, geschwollene Drüsen u. a. ω ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 281. Vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 1, 344. 54 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 64. 55 ) L a u b e Teplitz 64t. Jungbauer.

Morgenläuten. Zu dem natürlichen Grenzpunkt zwischen Nacht und Tag, dem Sonnenaufgang (s. d.), trat in christlicher Zeit das M. Die Glockenzeichen zu den auf die Morgenzeit fallenden Gebetzeiten der Klöster, zur M a t u t i n a und, nach der Einschiebung der hora prima im 5. Jh., P r i m a , die mit dem Sonnenaufgang zusammenfiel, während sich die Matutina in die Nacht zurück verschob 1 ), kommen hier weniger in Betracht. Ein eigentliches M. entstand erst mit Einführung des A v e - M a r i a l ä u t e n s in allen Kirchen, das sich im Zusammenhang mit der Marienverehrung etwa vom 13. Jh. an mit dem Abendläuten und dem späteren Mittagläuten

einzubürgern begann 2 ). Papst Johann X X I I . verordnete 1326, das A v e Maria (s. d.) dreimal täglich, morgens, mittags und abends, zu beten und dazu jedesmal das Zeichen mit der Glocke zu geben 3 ). Im A b e r g l a u b e n spielt das M. eine bei weitem geringere Rolle als das Abendläuten (s. d.). Es ist an Stelle des Sonnenaufgangs (s. d.) getreten, wenn es heißt, daß vom Abendgebetläuten bis zum A v e Marialäuten morgens der S c h w a r z e , die G e i s t e r und H e x e n Gewalt haben 4 ). Mit dem M. verschwinden die nächtlichen Geister 5 ), die ruhelosen Toten und armen Seelen ziehen sich zurück e ), und die Macht der Hexen ist vorbei 7 ). Besondere Bedeutung kommt dem M. an einzelnen Tagen des Jahres zu, so am O s t e r i a g. An diesem Tage gingen früher die Mädchen der Teplitzer Gegend schweigend zum Bach und wuschen sich während des Osterläutens. Dadurch verloren sie Sommersprossen, bekamen eine feine Haut oder konnten dabei sogar das Gesicht des Zukünftigen im Wasser sehen 8 ). 1

)

Bilfinger

(Stuttgart

Die

mittelalterlichen

1892) 4 f.; H.

Grotefend

Hören

Zeit-

rechnung des deutschen Mittelalters und der Neu2 zeit ι ( H a n n o v e r 1891), 191. ) Schweizld. 2

(1885), 616; B i l f i n g e r a . a . O . 6; G r o t e f e n d a . a . O . 3 ) M e y e r Konv.-Lex.· 2 (1904), 197. 4 ) Z i n g e r l e Sagen (1859) 131 N r . 218. 5 ) K a p f f e Schwaben 89. ) P f a l z Marchfeld 52, 122.

') M e i e r Schwaben 1, 175 Nr. 3. 8 ) L a u b e Teplitz 40. Jungbauer.

Morgentot s. Nachtrag. Morgenstern s. Nachtrag. Moritatenlieder sind im e. S. Lieder, die im Volke und vor dem Volke gesungen wurden und zum Inhalt grausige Mordgeschichten hatten. Im w. S. konnten auch Unglücksfälle aller Art, Wassernöte, Tier plagen, riesige Brände usw. Gegenstand der M. sein. Mit Aberglauben haben die M. nichts zu tun. Höchstens könnte die Vorstellung im Spiele gewesen sein, durch das Absingen der Lieder die verderblichen Unglücksgeister heraufzubeschwören und damit zu bannen. Aber mir scheint doch entscheidend gewesen zu sein: die Freude

Moritz, hl.—Mosis, das sechste und siebente Buch

583

s c h l i e ß e n " 9 ). U m i m T r a u m den D i e b v o r sich z u sehen, reiße m a n v o r d e m Schlafengehen a u s d e m alten T e s t a m e n t die ersten v i e r B ü c h e r Mosis heraus und lege sie unter den K o p f ( H o l l a n d ) 1 0 ) . I m ü b r i g e n s. Mosis 6. u. 7. B u c h .

des V o l k e s an a l l e m A u ß e r g e w ö h n l i c h e n , besonders a m Grausigen 1 ) . *) F e h r Massenkunst

im 16. Jh.

(1924);

H.

N a u m a n n in ZfVk. 33, i f f . ; ders. Prim. Gemeinschaftskultur

Vkde.

117ft.;

161 ff.; d e r s .

ders.

in

Gründe,

Reallex.

d. dt.

d. D t .

Lit.

„Bänkelsänger"; O. G ö r n e r in MdBllVk. 7, 113 ft. 156 S- (wo S. 115, Α. 2 weit. Lit.) Fehr. Moritz, hl., s. 6, 30 f.

M e n z e l Symbolik

(1890),

191

Nr.

141;

2

4

)

Schnippel

5

) S t r a c k e r j a n 1, 76; B a r t s c h Mecklenburg

8 (1909),

Geheimnisse

Thomas

Geheim-

2, 36; D e s alten und

Sympathiemittel

) M e y e r Myth. d. Germ. 132; Hannover 1, 13 A. 3. 3

8

Schäfers 8, 47.

Hechscher Jacoby.

Mortbeten s. T o t b e t e n .

S c h u t z b r i e f e w e r d e n als „ M o s e s l e t z t e Briefe" bezeichnete). S a g e n von ihm scheinen in D e u t s c h l a n d k a u m v o r z u kommen7). D o c h w i r d in der Tiroler Sage M. m i t E l i a s v o r d e m W e l t u n t e r g a n g e den A n t i c h r i s t b e s i e g e n 8 ) . Als T a g seines T o d e s ist d e m M. der 4. S e p t e m b e r geweiht. B e i den Finnen m u ß a n diesem T a g e die A u s s a a t b e e n d e t sein. „ D e r M. h e i ß t d e n S ä e m a n n die F a u s t

(1774) ; W u t t k e

(Register).

Westpreußen 171

)

Zingerle

Sagen

(230);

408 (723); oben

) R a n t a s a l o Ackerbau 2, 38. 232.

9

50;

Moses g i l t in der g r i e c h i s c h e n K i r c h e als Heiliger. Sein B i l d findet m a n oft als A l t a r b i l d 1 ) . In seinen A u g e n u n d über seinem Gesicht w e r d e n die L i c h t strahlen (2. Mos. 34, 29 f.) als aufgerichtete Horner sichtbar2). D a kirchliche S e g n u n g e n u n d B e s c h w ö r u n g e n o f t u n t e r B e r u f u n g auf die M a c h t w i r k u n g e n G o t t e s erfolgen, so b i e t e n L e b e n u n d G e s e t z des M. besonders reiche Hinweise3). D i e E r i n n e r u n g a n seinen S t a b h a t w o h l den G l a u b e n a n die Z a u b e r r u t e oder d e n Z a u b e r s t a b i m allgemeinen b e e i n f l u ß t 4 ) . M. w i r d mitunter im B l u t s e g e n angeführt5).

u.

1,

86.

Eber-

97; M. J. b i n G o r i o n Sagen der Juden 4 (Mose,

M. J a h n Hexenwesen 122; A l b e r t u s M a g n u s Egypt.

Ost-

jüdische Mythen, übers, und herausg. von R. u. E. bin Gorion) 1926. Erinnerungen an M. auf dem Sinai: M e n z e l Symbolik 2, 144.

) WürttVjh. 13

HessBl.

) E b d . 2, 142.

Franz

m a n n Blutsegen 29 f.; HessBl. 13, 105. ·) S e y f a r t h Sachsen 142. 7) Außerdeutsche: D ä h n h a r d t Natursagen 1, 3 1 7 0 . ; S t r a u ß Bulgaren

Morth (s. Mahr), a u c h Mord, N a m e der Mare, M a r t h T r u d , des A l p s , in einem A l p s e g e n , den m a n b r a u c h t , w e n n einer K u h die Milch g e n o m m e n i s t : „Ich brenne u n d schlage dich T r o t t (d. i. T r u d ) , M., in aller T e u f e l s N a m e n u s w . " 2 ) . V g l . a u c h m o r t r i d d e n = v o n der Mar g e r i t t e n 3 ). *) W u t t k e 272 § 402.

2

2, 691

)

> 379

Teufelsabbiß.

2, 143 f.

Benediktionen

3

2

Morsus Diaboli s.

584

! ! I j

10

1, 499.

) Urquell 3, Sartori.

Mosis, das sechste und siebente Buch. D i e G e s t a l t des großen jüdischen Gesetzgebers ist bereits im A l t e r t u m ins Ü b e r menschliche gesteigert worden. Außer d e m P e n t a t e u c h w u r d e n i h m eine g a n z e Reihe v o n P s e u d e p i g r a p h e n zugeschrieben1). Insbesondere g l a u b t e m a n ihn im B e s i t z geheimer K e n n t n i s und Z a u b e r m a c h t 2 ), g a l t er doch als ä g y p t e r Priester 3 ) u n d Stifter einer m a g i s c h e n Schule 4 ). D a z u g a b A n l a ß sein A u f t r e t e n gegen die ä g y p t i s c h e n Magier, die er überw a n d ( E x . 7, 8 ff., v g l . 4, 2 f f . ) ; sein Z a u b e r s t a b , m i t d e m er seine W u n d e r v e r r i c h t e t e , w a r n a c h A r t a p a n o s 5) V o r bild der in den ä g y p t i s c h e n T e m p e l n a u f b e w a h r t e n S t ä b e u n d durch d a s A u s sprechen des i h m b e k a n n t e n geheimen G o t t e s n a m e n s v e r m o c h t e er Menschen z u t ö t e n oder s t u m m zu m a c h e n e ). In diesem Sinn w i r d sein N a m e öfters in den hellenistischen Zauberpapyri gen a n n t 7 ) , die sich a u c h auf Zauberbücher berufen, die v o n i h m s t a m m e n sollten 8) : Βίβλος ?ερά έπικαλουμένη Μονάς ή όγδοη Μωϋσεως περί τοΰ ονόματος τοΰ άγιου (Var. Μωϋσέως ιερά βίβλος απόκρυφος επικαλούμενη δγδόη ή αγία 9 ) ; Κλείς 10 ),

a u s der H e r m e s abgeschrieben h a b e n ) (es g i b t a u c h eine hermetische Κλείς 12 ) ; Μωϋσέως απόκρυφος βίβλος περί τοΰ μεγάλου όνόματος ή χατά πάντων, εν η έατιν το όνομα τοΰ διοικούντος τά πάντα 1 3 ) ; Μωϋσέως Άρχαγγελική 1 4 ) ; Μωϋσέως Σε-

585

Mosis, das sechste und siebente B u c h

ληνιαχή 15 ) und Μωϋαέω; άπόχρυφος ή δέκατη 1β ). Das „Erzengelbuch" ist noch in späten Phylakterien benutzt worden 1 7 ). Moses galt auch als der Autor sonstiger mystischer Litteratur 18) und als Alchemist 1 9 ) ; in Anknüpfung an E x . 32, 20 sah man in ihm den Erfinder des aurum potabile 2 0 ). Eine mittelalterliche Sammlung von Zauberrezepten in hebr. Sprache führt den Titel „Schwert des Moses" 21) in Nachahmung ähnlicher Titel magischer Schriften 22). Man hatte also schon in den ersten christlichen Jahrhunderten die naheliegende Fälschung eines 8. und 10. Buches M. vollzogen, durch die der Pentateuch ergänzt werden sollte; vielleicht darf man für diese magischen Zusätze auch ein 6., 7. und 9. Buch voraussetzen. Ob über Byzanz und seine reiche Zauberlitteratur, von der allerdings noch nicht allzu viel ediert ist, die Kunde von apokryphen Zauberbüchern des M. nach dem Westen kam, ist vorläufig nicht auszumachen. Der sonst m. W . in neueren magischen Schriften nicht begegnende Geistername Anoch im 6. u. 7. Β. M. 2 3 ) (vgl. auch im Buch Conclavis Romanis 24 )), der in den antiken Zauberbüchern oft zu finden ist 2 5 ), könnte dafür sprechen. Doch sind solche Spuren zu geringfügig, um weitergehende Schlüsse zu gestatten; der Name mag auch von einem Amulettstein in einer Sammlung oder einer Gemmenpublication kopiert sein. Gewiß ist, daß eine Anzahl Höllenzwänge Faust's (s. d.) auf die „Tradition des 6. u. 7. B. M. Bibliae Arcano Magicae. R o m " oder „aus der Bibel des 7. B. M." u. ä. 26 ) sich berufen, ebenso das Buch .Beschwörung des Moses" 27 ), das wieder mit dem „Habermann" (s.d.) zusammenhängt, und das „Trinum perfectum" 28). Es handelt sich hier um spätere Schriften, die aber z. T. wohl ins 18. Jh., vielleicht noch in dessen Anfang, gehören. Aber da schon im Buch „Semiphoras vnd Schemhamphores Salomonis Regis" (s. d.) diese Berufung „aus der Arcan Bibel Mosis" in der Ausgabe von 1686 vorkommt 2 9 ), so muß die Fiktion einer Geheimbibel des Moses dem 17. Jh. be-

586

reits bekannt gewesen sein. Die erweiterte Thora des M. wird in den oben genannten Schriften mit dem Hohepriester Salomo's, Zadock 3 0 ) in Verbindung gebracht, der sie reguliert 3 1 ) bzw. verborgen und bewahrt habe 3 2 ). Dieser Zadock begegnet auch sonst in der Zauberlitteratur, so gibt es eine Magia nigromántica curiosa (S)alomonis Zadocki 3 3 ). In der „Neuen Sammlung von alchymistischen Schriften" erschien 1771 eine Schrift 3i ) : „Fürstliche und monarchische Rosen von Jericho, das ist: Moses Testament und Vergabung der Künsten und Wissenschaften die er am Hof Pharao in Egypten erlernt, und dem Israel zum Guten im Gefilde Moab am Berge Nebo im Thal gegen Peor und Jericho geschrieben hat, auf dasz es ferner wie bisher seine Kosten und Ausgaben bestreiten möge; aus dem Hebräischen in das Deutsche gebracht und zum Druck befördert durch Herman Fictuld", die, neben einer andern von 1722 35 ): „Moses Güldenes Kalb nebst dem magischem — astralischem — philosophischem absonderlich dem cabalistischem Feuer, vermittelst welchem letzterem Moses, der Mann Gottes, dieses güldenes Kalb zu Pulver zermalmte, auffs Wasser gestäubet, und den Kindern Israel zu trinken gegeben", zeigt, daß die mystisch-magische und alchemistische Litteratur, die an Moses sich heftet, im 18. Jh. neue Schößlinge trieb. 1797 wurde nun auch im „Allg. literar. Anzeiger" das 6. u. 7. Liber Mosis zum Verkauf ausgeboten für 10 Rthlr. 3 6 ). Horst 3 7 ) wollte das Buch veröffentlichen, es blieb aber bei der Ankündigung. Vermutlich ist es das von Scheible zuerst 1849, dann 1851 und 1853 mit Zusätzen nochmals gedruckte Zauberbuch 3 8 ), das auch in modernen Neudrucken vorliegt 3 9 ). Es besteht aus einer Einleitung, die auf Sadock, den Hohepriester Salomos Bezug nimmt, und einer Anzahl Tafeln mit Charakteren (s. d.) und Sigillen (s. d.), sowie aus Beschwörungen zum Schatzgraben usw. Das Buch ist offenbar von älteren magischen Schriften abhängig; so kehrt darin das Gebot wieder, das in dem Art. Hepta-

587

Mosis, das sechste und eiebente Buch

meron des Petrus von Abano (s. d.) als traditionell erwähnt wird. Das 7. B. M. wird auf Rabbi Chaleb zurückgeführt, der es aus der Weimarer Bibel übersetzt habe (!). Mit diesem R. Chaleb wird wohl der Genösse Josuas (Num. 13, 7 ; Jos. 14, 6 ff.) gemeint sein, der nach Clemens Alex. 4 0 ) die Auffahrt des Moses mitanschaute, denn in der Einleitung zum 6. B . M. heißt es: „Diese zwei Bücher hat Gott der Allmächtige seinem getreuen Diener Moses auf dem Berge Sinai intervalle lucis offenbart, und so kamen sie zu Aaron, Chaleb, Josua und endlich zu David und seinem Sohne Salomon und desselben Hohenpriester Sadock. Also in Bibliis arcanum arcanorum d. i. Geheimnis aller Geheimnisse". Auch hier treffen wir auf die Berufung ,,ex Bibl. arcan. Thora I " u. ä. Wenn in dem genannten Buch die Weimarer Bibel als Quelle erwähnt wird, so hat das seinen Grund darin, daß das Volk glaubte, bestimmte Bibelausgaben enthielten außer den üblichen 5 Büchern Mosis noch die magischen Geheimbücher, die in den üblichen Bibeln unterdrückt seien. In Kärnten suchen nach Wuttke 41 ) die umherziehenden Italiener die alten Weimarer Bibeln für teures Geld zu kaufen, besonders um damit den Teufel zu beschwören. Im Isonzotal galten die Besitzer der Lutherbibel als Faustnaturen und Zauberer 42). Ähnliche Vorstellungen über alte unpurgierte, vollständige Bibeleditionen mit den zwei B. M. laufen bei den Esten um 4 3 ) ; sie liegen auch einer Annonce zu Grunde aus dem Jahre 1923, die 100 schw. Fr. Belohnung dem verspricht, der dem Suchenden das echte 6. u. 7. B. M. (keinen Schund!) verschaffe 4 4 ). Die Weimarer oder Kuriürstenbibel, erstmals 1640 erschienen, kostete 6 Thlr., später mehr, und wurde allmählich selten, so daß sich die Legende bilden mochte, sie enthalte mehr, als dem Volk zugänglich sein sollte 45). Dazu gesellten sich die Erzählungen von den an Ketten gelegten Bibeln in den Bibliotheken, die das ihre dazu beitrugen, diesen Glauben zu befestigen. Immerhin wird die Entwicklung dieser Vorstellun-

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gen eine gewisse Zeit nötig gehabt haben, so daß man vor dem 18. J h . mit dem Buch nicht rechnen darf, wie es scheint. Gelegentlich heißt es auch, die beiden Bücher seien mit weißen und roten Buchstaben auf schwarze Blätter gedruckt 4e ), was in der Tat in magischen Schriften häufiger vorkommt 47 ). Vielleicht darf man sich die Abfolge so vorstellen, daß zunächst der als Schriftsteller für magische Schriften aus Pseudokabbala und Alchemie bekannte Moses in solche Schriften wie die Höllenzwänge u. ä. als Autorität eingeführt wurde (Thora, Biblia magica usw.) und auf Grund dieser Fiktion dann die beiden Bücher entstanden. In der Tübinger Universitätsbibliothek soll eine uralte Bibel mit den beiden Büchern und noch andern an Ketten liegen; es ist verboten, sie zu drucken, und vier Professoren bewahren die Schlüssel zu den Schlössern, mit denen sie verschlossen sind 4S). In Bretten erzählt man, das 7. B. M. liege bei einem Rabbiner an der Kette 4 9 ). Ähnliches berichtet man von Weilheim u. T. und der Kapitelbibliothek von Crailsheim 50), vom Schloß Suckow bei Prenzlow 5 1 ), Wittenberg 52 ) und Dorpat M ). Eine estnische Sage über das 6. u. 7. B. M. 5 4 ) stimmt auffallend mit einer andern aus Pommern 55 ) ; wie es scheint, sind die estnischen Erzählungen über die beiden Bücher aus Deutschland eingedrungen. Nach Anderson 56 ) erschien 1872 in Wesenberg ein 6. u. 7. B. M. „aus dem Deutschen übersetzt", das kein Zauberbuch, sondern eine apokryphe Biographie des Moses ist, aus dem Sefer hajjaschar und im Schlußkapitel aus dem Midrasch Debarîm Rabba stammend. Jenes ist spätmittelalterlich 57 ). Nun gab es schon ein Buch dieses Namens in altisraelitischer Zeit, das Jos. 10, 1 3 ; 2. Sam. 1 , 18; I. Kön. 8, 53 (nach den Sept.: βιβλίον της ωδής = eò&oùj; durch eine Verlesung, -]!£> statt -iu>\ entstanden) genannt wird, eine Sammlung nationaler Heldenlieder, aus dem Josuas Spruch, der Sonne und Mond still stehen ließ, das Bogenlied und der Tempelweihspruch Salomos zitiert werden. Im 10. nachchristl. J h . aber

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Mosis, das sechste und siebente Buch

kannte man ein Seier hajjaschar, das ein Zauberbuch war und neben dem „charba de Mosche d. i. Schwert des Moses" vom Gaon Haj (am Apf. des 1 1 . Jh.s) erwähnt wird 58 ). Dieses Buch ist natürlich nicht die Mosesbiographie, die aus späterer Zeit stammt. Hat man vielleicht die Sprüche des alten, ursprünglichen S. hajj. magisch gedeutet und daraufhin ein Zauberbuch des Namens fingiert ? Und hat dann etwa die Kenntnis des Titels aus dem 10. J h . einen geschäftstüchtigen Spekulanten auf den Gedanken gebracht, die gleich betitelte Mosesbiographie zu benutzen, um ein Zauberbuch zu drucken, dessen zweiter, nicht erschienener Teil die Zaubervorschriften und -mittel bringen sollte ? Was heute von dem unterirdischen Buchhandel als 6. u. 7. B. M. angeboten wird, hat mit dem älteren Buch nichts zu tun und ist ein krauses Sammelsurium von disparaten Schriften, die z. T. von Zauber und Magie nichts oder wenig zeigen. Der Titel lautet: „Das sechste und siebente Buch Mosis oder der magischsympathische Hausschatz, das ist Mosis magische Geist er kunst, das Geheimnis aller Geheimnisse". Der Inhalt besteht aus einer Sammlung von Heil- und Wundermitteln (128 SS.) ohne Titel; dem „Siebenmal versiegelten Buch der größten Geheimnisse oder magisch-sympathischer Hausschatz in bewährten Mitteln" usw. (64 SS.) ; der „Engel-Hülfe zu Schutz und Schirm in großen Nöten" (31 SS.) d. i. einem Schutzgebet, nebst dem Schutzbrief des Papstes Leo an Karl den Großen und dem „heiligen Sales-Büchlein oder die Glücks-Ruthe"; der „Geheimen KunstSchule magischer Wunder-Kräfte oder das Buch der wahren Praktik in der uralten göttlichen Magie, wie sie durch die heilige Cabbala und durch Elohym mitgeteilt worden ist" (32 SS.); dem „Romanus-Büchlein" (s. d.); „allgemeinen Schicksalsdeutungen" und dem „Wahrhaftigen feurigen Drachen" (s. d.) 5 9 ). Dieser Inhalt variiert manchmal nach den Ausgaben eo). Meist wird als Druckort Philadelphia — neben einem zweiten — angegeben β1 ). Dieser Ort kommt auch

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sonst als fiktiver Druckort vor, bei Horst ®2) in einem Schreiben über ein Himmelszeichen 1730—33 und bei Brünet ®3) ; soll man dabei an die mystische Bewegung der Philadelphischen Gesellschaft denken M ) oder an Philadelphia als Sitz einer bekannten Bibelgesellschaft ®5) ? Gegen die zweite Vermutung spricht freilich das späte Datum der Gründung 1808. Dieses Buch ist auch estnisch und lettisch vorhanden (aus der deutschen Ausgabe geflossen) ββ ). Weitere Schriften dieser Art sind:

Das Wunderbuch oder 6. und 7. Buch Mosis, enthaltend große Geheimnisse früherer Zeiten. Magdeburg, R . Jakobs · ' ) , das Mizaldus M ) benutzte. Die große Moses-Bibel, d. i. das 6. u. 7. Β . M. oder der magisch-sympathische Hausschatz. Philadelphia ·»). Der schwarze Rabe, das ist Mosis magische Geisterkunst, das Geheimnis aller Geheimnisse. Natürliche und sympathische Haus- und Heilmittel für Menschen und Vieh. Chemnitz 7 0 ). Das achte und neunte Buch Mosis, Magischsympathetischer Hausschatz wider viele Krankheiten von Menschen und Vieh. Leipzig 7 1 ) . Das zehnte und elfte Buch Mosis oder die wunderbarsten Geheimnisse der Natur. S y m pathetischer und magnetischer Heilschatz für allerlei Krankheiten von Menschen und Vieh72). Das achte und neunte Buch Mosis. Enthüllte Geheimnisse der Zauberei dabei Arzneibuch mit bewährten und approbierten Rezepten sympathischer und natürlicher Mittel, gegen alle Krankheiten und Leiden 7 3 ). Das zehnte und elfte Buch Mosis oder Theorie der Geisterkunde. Ahnungen, Vorhersagungen, Zaubereien, Prophezeiungen, Gesichter (Visionen), Geistererscheinungen 74 ). Auszug des magischen Gesetz Mosi oder magische Cabala des 6. und 7. Β . M. 7 5 ). Formeln der magischen Kabbala oder der magischen Kunst des Sechsten und Siebenten Buch Mosis Sammt einem Auszug aus der echten und wahren Clavicula Salomonis Regis Israel. Weimar 1 5 0 5 in 12° (Neudruck 1 9 1 3 ) .

Unter dem Titel „Jezira das ist das große Buch der Bücher Moses; das sechste, das siebente, das achte, das zehnte und das elfte. Aus ältesten kabbalistischen Urkunden. Kabbala denudata. Offenbarungen aus den Büchern Moses. Geheimnis aller Geheimnisse. Sämtliche 40 Hauptwerke über Magie,

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Mosis, das sechste und siebente Buch

verborgene Kräfte und geheimste Wissenschaften" wird ein Buch vertrieben, in dem zwar auch eine „Beschwörung Mos e s " steht, aber daneben das Gertrudisbüchlein, der „goldene Habermann", der „ K o r n r e u t h e r " , Fausts Höllenzwang, die Clavicula Salomonis, auch das Buch Jezira (v. diese A r t t . ) und andere magische Schriften, die mit Moses nichts gemein haben 7 e ). In der volkskundlichen Litteratur wird das 6. u. 7. B . M. oft erwähnt als Buch zur Teufelsbeschwörung, zum Festmachen, zur Schatzgräberei usw., und auch heute noch ist es ein gangbarer Artikel des niederen B u c h h a n d e l s 7 7 ) . Die Ausgabe des Buchversand Gutenberg, Dresden-A. ist eine purgierte und auf moderne Verhältnisse zugeschnittene Bearbeitung, die z. T . aus der wissenschaftlichen Litteratur schöpft und durch deren nicht ungeschickte Verwendung sich einen A n strich gibt, der auf ungebildete oder abergläubische Gemüter seinen Eindruck nicht verfehlt. l ) E. S c h ü r e r Gesch. d. jüd. Volkes im Zeitalter Jesu Christi 2 (1898), 343; 3, 213. 288. 292. 354; J. A. F a b r i c i u s Codex pseudepigr. Vet. Test, ι (1713), 835 ff. 2) Act. apost. 7, 22; F a b r i c i u s a. a. O. 1, 813; 2, 119; P h i l o A l e x . vita Mosis I, 21 ff. (ed. Cohn-Wendland 4 [1902], l05f.);Agrippav. Nettesh.1,214. 3)Strabo Geogr. 16, 39p. 762. 4 ) P l i n i u s n. h. 30, 2. ' ) Ons Hémeeht 33 (1927), 159; M ü l l e r Fragm. Histor. Graec. 3, 223. 6 ) F a b r i c i u s a. a. O. I, 828; B u x t o r f Lex. chaldaicum (ed. Fischer 1869), 1208. ') W e s s e l y Griech. Zauberpapyrus von Paris u. London (Denkschr. d. Wiener Ak. d. Wiss., phil.-hist. Cl. 36 [1888]), 129 Z. n o ; Κ. P r e i s e n d a n z Papyri graecae magicae 1 (1928), 184; ARw. 25 (1927), 278; A b t Apulejus 321 (247); Th. H o p f n e r Griech.-ägypt. Offenbarungstauber ι (1922), 139 § 541; 2 (1924), 2 § 3. 96 § 197. 109 § 219. 161 § 370; D i e t e r i c h Abraxas 171. 8 ) MschlesVk. 22 (1920), 1; D i e t e r i c h a . a . O . 70 ff. 155 ff.; W e s s e l y Ephesia Grommata (1886), 6; A b t Apulejus 247; F l e c k e i s e n s J b b . f. class. Phil. 16, Suppl.-Bd. (1888), 755; B e r t h e l o t - R u e l l e Collection des anciens alchimistes grecs. Introduction (1888), 16; Das sechste und siebente Buch Mosis (Buchversand Gutenberg, Dresden), X ff. ·) D i e t e r i c h a. a. O. 169, 1 . 9 ; 187, 11 ; 193, 14. 10) A. a. O. 171, 5; 172,7. 17; 173, 4. 14. ) H o p f n e r a. a. O. 1, 139 § 541, vgl. dazu A g r i p p a v. N e t t e s h . 1, 204, der die Zusammensetzung des Rauchopfers nach Hermes kennt. « ) G. P a r t h e y Hermetis Trismegisti

592

Poimander (1854), 67 ff.; L. M é n a r d Hermès Trismégiste (1925), 54 ff. 13) D i e t e r i c h a. a. O. 193. 17· 14) Α.. a. O. 202, 31. 15 ) A. a. O. 205, 3; R e i t z e n s t e i n Poimandres (1904) 190 Anm. 2. 1β ) A. a. O. 205, 18. 17 ) R e i t z e n s t e i n a. a. O. 14 Anm. ι . 56. 106 Anm. 6. 186. 292. 299. 18 ) F a b r i c i u s a. a. O. 1, 835. 845. 847. l e ) B e r t h e l o t - R u e l l e a . a . O . Texte grec 28. 38. 182 f. 300 ff. 353; v o n L i p p m a n n Entstehung und Ausbreitung der Alchemie (1919), Reg. 701; K i e s e w e t t e r G e h e i m w i s s e n s c h a f t e n 4 f. ; D e l r i o Disquis. magicae (Köln 1679), 65; S c h e i b l e Kloster 5 am E n d e des Höllenzwangs X I . 20 ) F a b r i c i u s a . a . O . 1, 864. 21 ) G a s t e r The sword of Moses (Journal of t h e Royal Asiatic Society 1896, 149 ff.) ; A b t Apulejus 321 (247); Ph. B l o c h Gesch. der Entwicklung der Kabbala (1894), 7. 22 ) A b t a . a . O . 324 (250); R e i t z e n s t e i n a. a. O. 163; Elsäss. Monatsschr. f. Gesch. u. Volksk. 1912, 283 f.; A g r i p p a ν . N e t t e s h . 4, 188. 23) D. 6. u. 7. Β. M. (Guten24 bergversand) X X X I . ) Das Buch Jezira (s. u. Anm. 76) 50. 25 ) ARw. 28 (1931), 2691!. 26 ) S c h e i b l e Kloster 5, 1107. 1 1 1 5 . 1128. 1 1 3 1 . 1133. 1137. J I 3 9 - H 5 9 f f - " ) Buch Jezira 51. 53· 56. 28) A . a . O . 100. 102. 105. 110. 112. 115. 118. 123. 128. 29) S c h e i b l e Kloster 3, 289 (Tafel 2 Rückseite), vgl. A b t Apulejus 112 (38) Anm. 4. 30) Vgl. 2. Sam. 8, 17; 1. Kön. 1, 8 u . s . f. 31 ) S c h e i b l e Kloster 5 , 1 1 5 9 ff. 32 ) D . 6. u. 7. Β. M. (Gutenbergversand) X X I . 33 ) HessBl. 12 (1913), 120. Die „Sammlung der größten Geheimnisse außerordentlicher Menschen in alter Zeit, Köln a. Rh. bei Peter H a m m e r 1 7 2 5 " ist ca. 1854 von Scheible ediert; vgl. G. W e i l e r Die falschen und fingier34 ten Druckorte 1 (1864). ) Caillet Manuel bibliogr. des sciences psychiques et occultes (1912) 35 3, 117 Nr. 7620. ) A . a . O . 3, 147 Nr. 7809. 36 ) H o r s t Zauber-Bibliothek 1, 372. 37) A . a . O . 38 3, 85. ) Sitzungsber. d. Gel. Estnischen Gesellschaft 1928, 33 ff. 39) D. 6. u. 7. Β. M. (Gutenbergversand), X V I I ff.; Das 6. u. 7. B. M., das ist M. magische Geisterkunst. Mit 23 Siegeltfln. (mit andern mag. Büchern zusammen Schwab. Hall c. 1880); Das VI. u. VII. Buch Moyses. 44 lithogr. SS. c. 1910, vgl. Th. Ackermann Kat. 594 Geh. Wissensch. 1, 30 Nr. 352. 353. Eine finnische Edition s. Sitzber. Gel. Estn. Ges. 1928, 39, ebd. auch Mitt. über eine englische. 40) Strom. 6, 15 ed. Stählin (1906), 498. 41) W u t t k e 144 § 199. 42 ) A. v. M a i i l y Mythen, Sagen, Märchen vom alten Grenzland am Isonzo (1916), 25. 43 ) Sitzber. Gel. E s t n . Ges. 1928, 22. 203. 44 ) Basler Nationalzeitung 23. Aug. 1923 Nr. 391. 45 ) H . B e c k Die relig. Volkslitteratur d. ev. Kirche Deutschlands (1891), 97; H a u c k RE. 3,181. 4β ) Sitzber. Gel. E s t n . Ges. 1928, 21. 204. 47 ) Buch Jezira (Geheimnis d. hl. Gertrudis). 4e ) M e i e r Schwaben ι , 196. 4») E b d . 50) H ö h n Volksheilkunde 1, 79 f. 51 ) K u h n u. S c h w a r t z 63 Nr. 66. 52 ) E b d . 90 Nr. 100. 53 ) Sitzber. Gel. E s t n . Ges. 1928, 20 S. 54 ) E b d . 27, 2. Geschichte. sl ) J a h n Pommern 347 Nr. 437. 54 ) Sitzber.

Mosis letzter Brief—Motte

593

Gel. Estn. Ges. 1928, 30. ") Ebd. 32; H a u c k RE. 13, 797 (Übersetzung in M i g n e Dictionnaire des apocryphes). ) E . B i s c h o f f Die Kabbalah 58

B l o c h Kabbala 7; (1903), 8. 5 9 ) N e u -

druck, ersch. bei E. Bartels, Berlin-Weißensee. Daneben gibt es eine verkürzte Ausgabe des .gleichen Verlags. 60 ) Solche sind erwähnt bei H ö h n a. a. O. 1, 80; WürttVjh. 13 (1890), 215; Sitzber. Gel. Estn. Ges. 1928, 40. e l ) MittschlesVk. 22 (1920), 1; H ö h n a . a . O . 1, 80; A b t Apulejus ®3) G . libraires

323 (249). 62 ) Zauber-Bibliothek 2, 415. Brunst Imprimeurs imaginaires et supposés (1866), 262: Philadelphia β4

d'Armorique et non d'Amérique. RE.

) Herzog

8 (1857), 251 ff.; 20 (1866), 401 ff.; H a u c k

RE. Ii, 327; H o r s t Zauber-Bibliothek 1, 318 ff. ββ ) H e r z o g RE. 2 (1854), 214. ) Sitzber. Gel. Estn. Ges. 1928, 40. 42. «') WürttVjh. 13 (1890), 213. 68 ) Über diesen und seine vielbenutzten Werke s. C a i l l e t a . a . O . 3, 116 f. Nr. 7610 ff. e») S e y f a r t h Sachsen X X I I . 70 ) Ebd.; Th. Ackermann Kat. 594 a . a . O . (s. Anm. 39). 71 ) S e y f a r t h a . a . O . '») Ebd. 73 ) , 4 ) Erschienen im Adonistischen Verlag, Berlin-Weißensee (E. Bartels). ™) H ö h n a. a. Ο. ι, 79. , e ) Gedruckt bei E. Bartels, Neuweißensee (s. D. Geheimnis d. hl. Gertrudis, S. 22). " ) B o h n e n b e r g e r 11; MschlesVk. 10 85

(1908),

73;

21

(1919),

148;

22

(1920),

iff.;

-ZfrwVk. 3 (1906), 230; H ö h n a. a. O. 1, 79. 80; John

Westböhmen

288; Z f V k . 9 (1899),

210;

SchwVk. 10, 2. 5; B o c k e l Die deutsche Volkssage

(1914), 14. 90; Z f ö V k .

12

(1906),

75 ff.;

W u t t k e 190; E. H. M e y e r Deutsche Volks-

kunde 266; K i e s e w e t t e r Faust 2 (1921), 6 1 ; B i s c h o f f Kabbalah (1903), 1 2 1 ; Birlinger Volksth. ι , 83 N r . 1 1 4 ; J a h n Pommern 505

Nr. 627; S e y f a r t h Sachsen 149.

Jacoby.

Mosis letzter Brief. E i n S c h u t z b r i e f n a c h A r t des H i m m e l b r i e f s (s. d.), ohne besondere K e n n z e i c h e n 1 ) . E r ist nicht alt. D a ß d a s d u r c h a u s christliche Machw e r k Moses zugeschrieben wurde, b e r u h t a u f der U b e r l i e f e r u n g v o n des jüdischen N a t i o n a l h e l d e n W i s s e n u m Magie usw. (s. 6. u. 7. B . Mosis). ') Das 6. u. 7. Buch Mosis (Buchversand Gutenberg), 2 4 7 0 . ; S e y f a r t h Sachsen 142. Jacoby. Motte, ι . E t y m o l o g i s c h e s . M . 1 ) (Tin e ï n a ) ist a u s d e m Mndl. ins H o c h d . e i n g e d r u n g e n u n d v e r w a n d t m i t engl. moth, alte, moppe2) (bei S h a k e s p e a r e a u c h E l f e n n a m e ) 3 ), a n o r d . motti. Das eigentlich süddeutsche W o r t f ü r die K l e i d e r m . ist Schabe (zu schaben)4). M e g e n b e r g 5 ) n e n n t sie gewantwurm. I n K ä r n t e n h e i ß t die L i c h t m . — m h d . e) — S e l b e r f e i n d 7 ) , jewerstel,,Feuerdiebin" w e i l sie ins L i c h t fliegt u n d sich so selbst

594

den Tod gibt. B e m e r k e n s w e r t ist, d a ß l a t . tinea , , Μ . " 8 ) i m f r a n z . teigne als , , M . " u n d „ K o p f g r i n d " , i m ital. tigna nur m e h r in der z w e i t e n B e d e u t u n g erscheint. *) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 222 f. 2 ) Z a n d t C o r t e l y o u Insekten 55 f. 3 ) A c k e r m a n n Shakespeare 37; vgl. griech. οίλφη = Motte. 4 ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 660. 5) Buch der Natur

309.

e

) op. cit.

299; v g l . r u m ä n .

cura

în foc „fliegt ins Feuer" ( H i e c k e Tiernamen 126). 7 ) Car. 96, 64. β ) Über die romanischen Namen vgl. M e y e r - L ü b k e REWb. im deutsch-roman. Wörterverzeichnis. 2. B i o l o g i s c h e s . M e g e n b e r g 9 ) ber i c h t e t ü b e r die H e r k u n f t der M. folgend e s : E r (der K l e i d e r w u r m ) entsteht a u s fauler L u f t u n d v o n der F e u c h t i g k e i t , die in der W o l l e der G e w ä n d e r s t e c k t . In diesen h a u s t er u n d z e r n a g t sie. ')

Buch

der Natur

263.

3. A b w e h r . G e g e n die K l e i d e r m n . , diese alles zerstörenden K l e i n s c h m e t t e r linge, s u c h t m a n sich z u s c h ü t z e n , ind e m m a n einen m.nzerfressenen P e l z auf ein s c h w i t z e n d e s P f e r d l e g t ; d a d u r c h sollen sie z u G r u n d e gehen 1 0 ). I m A n h a l t i s c h e n l e g t mar. v o n d e n W u r z e l n gebrochenes K i e n h o l z oder a m J o h a n n i s t a g g e f l ü c k t e N u ß b l ä t t e r in S c h r ä n k e und Kästen11). D i e D e u t s c h e n in Penns y l v a n i e n h ä n g e n a m K a r f r e i t a g die K l e i d e r in die S o n n e 1 2 ) . 10 ) M ü l l e r Isergebirge 35. 11 ) W i r t h Beiträge 4/5. 3 2 · 12) F o g e l Pennsylvania 258 Nr. 1341. 3. A n i m i s m u s . W i e der S c h m e t t e r ling (s. d.) ü b e r h a u p t , so g i l t die M. i m besonderen als Seelenepiphanie. M.n, die a b e n d s u m d a s L i c h t schwirren, d ü r f e n n i c h t g e t ö t e t w e r d e n , d a sie a r m e Seelen sind, die L i c h t e r g e o p f e r t h a b e n wollen u n d G o t t ü b e r d a s T r e i b e n der Menschen auf E r d e n b e r i c h t e n 1 3 ) . D i e animistischen V o r s t e l l u n g e n , die sich a n die M., n a m e n t l . die F e d e r m . , k n ü p f e n , sind sehr a l t . V g l . griech. ψυχή „ M o t t e " " ) , d e m i m D e u t s c h e n Geistchen15), Schneidergeisί1β) u n d Schneiderseele1''), im Engl. ( Y o r k s h i r e ) soul16) entsprechen. I n L ö b e j ü n b e i E i s l e b e n h e i ß t es, die Frau M. v e r d i r b t d a s G a r n , w e n n m a n in d e n Z w ö l f n ä c h t e n oder in der F a s t n a c h t gesponnen h a t . W a s c h n i t i u s 1 β ) sieht

Moult—Möwe

595

darin eine sekundäre Abstraktion und keine theriomorphe Erscheinung der Spinnstubenfrau. Hiermit hängen auch die alten M.nfeste in Arles 20 ) und in Lichtenberg bei Berlin zusammen 21 ). — Uber die mythische Bedeutung der M. bei den Indianern Nordamerikas vgl. K n o r t z 22 ). 13 )

14 ) J o h n Westböhmen 181. Edlinger 15 ) 16 ) Tiernamen 76. Ebd. Car. 96, 64. 17 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 117. 18 ) 1β ) K n o r t z Insekten 14b. Perht 109. 20) B o e s e 21 Superst. Arelat. 87. ) Simrock Mythologie 566. 22) Insekten 148.

4. Z a u b e r g l a u b e . In Oberösterreich heißen die M.n volkstümlich Zauberinnen ; man glaubt dort, sie würden von Hexen ausgeschickt 23 ), und im Bergischen Lande heißen sie geradezu Hexen 24), in Schlesien Pülwesen, was früher „ H e x e " bedeutete 2 5 ). Als M.n stehlen sie den Schmetten ( = Sahne) 2 6 ). Der feurige Schab 27) ist ein dämonisches Wesen, das gern die Gestalt der Habergeiß (s. d.) annimmt. 23) B a u m g a r t e n a . a . O . 24) L e i t h a e u s e r Volkskundliches I/i, 25. 2S) D r e c h s l e r 2, 165. 2e ) A . a . O . 27 ) R a n k e Volkssagen 213 3 .

5. T o d e s o m e n . In Schlesien (Strehlen, Katscher, Leobschütz, Breslau) führt die Nachtm. den Namen Tud = Tod, der sich aus dem Volksglauben erklärt, es sei ein Todeszeichen, wenn sie sich auf jemanden setzt 2 8 ). Vgl. die Verwünschung: Du sollst die M.n kriegen29), sowie die pfälzische Verwünschung: Du sollst die Schaben ( = Kleiderm.n) kriegen30)\ 2e ) ao)

D r e c h s l e r 1, 285. H e e g e r Tiere 2, 16.

2»)

ZfdMda. 6, 241.

6. V o l k s m e d i z i n . In der Volksmedizin erhofft man von der M. eine belebende Wirkung. So werden Bleichsüchtige in Rumänien dadurch geheilt, daß sie einige M.n in ein Getränk geben und sie dann aus einenj Wachsgläschen verschlucken 31 ). 31 )

H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 264.

Riegler.

Moult,Thomas-Joseph, angeblicher Autor der „Prophéties perpétuelles", einem in Frankreich oft gedruckten Kalender auf astrologischer Grundlage. Man ließ M. um 1268 leben und aus Neapel stammen. Nach Nisard handelt es sich um eine

596

fiktive, aus einem Lesefehler entstandene Person. Ein vollständiger Druck der P. p. im Anhang von Delarue's Druck Les prophéties de M. Michel Nostradamus s. a. Paris (um 1867) ; über M. und die auf ihn zurückgehenden Schriften: Charles N i s a r d Histoire des livres populaires ι (1864), 26 fi. 211 ff. Peuckert.

Möwe (Larus L.), meist Silber-M., Eis-M. oder B l a u m a n t e l (L. argentatus s. glaucus Brünn.), M a n t e l - M . (L. marinus L.) u. Lach-M. (L. ridibundus). Über die Namensformen s. Hoops Reallex. 3,. 242 1 ). Älter ist mewe, erst seit dem 18. Jh. Möve, seit dem 19. Jh. Möwe. I Der Name scheint lautmalende Nachahmung des M.nrufs 2 ). Die M. ist Tiergestalt menschlicher Seelen. König Abels Leute, die ihm bei der Ermordung seines Bruders halfen, hausen als M.n auf der Insel Möwenberg ; alljährlich kommen am Gregoriustage die M.n dahin und nisten ungestört; die Stadt Schleswig bestellt ihnen einen Fischer zum Hüter, der der M.nkönig heißt. Nach anderer Überlieferung sind die M.n dort die Seelen eines harten Schloßherrn und seiner Leute 3 ). In ; Mecklenburg ist die M. eine verwünschte Nonne: ,,dee schri'tnoch ümmer: Hadd'k man fri't, hadd'k man fri't (hätte ich nur geheiratet)" 4). In der Bretagne sind die M.n die Seelen Schiffbrüchiger 5 ), ¡ im Bosporus die grausamer Schiffskapii täne 6 ). Schon im griechischen Altertum j galt der Glaube an die Verwandlung der ! Menschen in M.n 7 ). Die M.n dürfen daher I n i c h t g e t ö t e t werden, sonst rächen ; sich die Seelen an dem Täter und bringen ! ihm U n g l ü c k , meist zur See (Frankj reich) 8 ); sie werden auch zur m a g i \ s e h e n H i l f e angerufen. In Le Croisic \ (Westküste Frankreichs) tanzten die ! Frauen, die ihre Gatten und Geliebten j von der See zurückerwarteten, um einen hohen Stein oder stiegen auf ihn und riefen: „Golëans (Seemöwen), goëlans, goëlans gris, Ramenez-nous nos amans, nos amis" (Bericht aus dem 18. Jh.) s ). Bei den Juden herrschte für die M.n Speise verbot10). Wenn die M.n auf's Land fliegen, verkünden sie Sturm (Rügen, Oldenburg) u ) ;

597

598

Mücke

gleiches gilt in Westjütland, wenn sie von Westen her fliegen 12 ) ; und in der Bretagne 13 ). In Ekenäs (Finnland) wird ein mageres Jahr erwartet, wenn die M.n hoch über dem Meer nisten 1 4 ). Wenn die M.n schreien „caré! caré!" so kann man die Angelschnüre zusammenlegen (, .caretter' ' ) ; denn man fängt nichts mehr l s ). Schon bei dem Troubadour P e i r e de C o r b i a c ist die M. Auguralvogel 1 6 ). Nach A l d r o v a n d u s in seiner Ornithologia (C. 19, p. 32) bringt die herzufliegende M. reic h e n F i s c h f a n g : „Lari cum imminent, et jam coorturi sunt venti, sublimes in aere volitant, et vento sese obvertunt . . . advolantes ad piscatores, qui retibus piscantur, copiae piscium capiendae facere augurium". Die volksmedizinische Verwendung des M.nhirns gegen E p i l e p s i e der Kinder, die G e s n e r 1 7 ) erwähnt, beruht auf Caelius Aurelianus 1 8 ) und ist dem deutschen Volksglauben fremd.

(älter Mucke) geht zurück auf ahd. mucca, womit verwandt sind altengl. myeg > neuengl. midge1) (Anhalt. Müllerin. = Laus) 2 ). Am Ober- und Mittelrhein wird M . für „ F l i e g e " gebraucht. Dagegen heißt dort die eigentliche M. Schnake3). M. ist stammverwandt mit lat. musca, griech. μυΐα „Fliege". Als „kleine Fliege" erscheint die M. im Spanischen (mosquito) und Französischen (moucheron). Ital. zanzara4) mit zahlreichen dialektischen Varianten 5 ) ist schallnachahmend. Über franz. Dialektnamen der M. vgl. R o l l a n d e ). Schalldeutung: Im Summen der M. hört der Landmann die Worte: Fründ, Fründ7). Vgl. für die M. die niederdeutsche Bezeichnung friendken 8).

1 ) Unrichtig behauptet H o o p s nach S u o 1 a h t i Vogelnamen 399, daß Albertus nur die Form meàce (H. schreibt sogar meace) kenne. Hermann Stalder hat in seiner Ausgabe der Anim. 23, 127 die Abkürzung in meaucae aufgelöst; auch schreibt Alb. an drei Stellen deutlich mewe (7, 38), mewa (14, 66), acc. mewam (23, 127). — Zahlreiche englische Namen bei S w a i n s o n British Birds 206 ff. 2) „Meaucae aves sunt ab imitationibus vocis suae dictae". A l b . M. 23, 127; Vine. B e l l o v Spec. nat. schreibt: ,,de Meanta et mennotide", letzteres wohl eine Verstümmlung der „Memnonides" des I s i d o r (Etym. 1. X I I , c. V I I , 30; nach P l i n i u s N. H. 10, 74). 3) M ü l l e n h o f f Sagen 137. 4) W o s s i d l o Mecklenb. 2, 136. 6) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 79. 80; 3, 209. e ) RTrpop. 8, 311. ') W e i c k e r Seelenvogel 23; L e n z Zool. 384 (n. O p p i a n . de aueup. 2, 4); A l d r o v . Ornith. 1630, c. 19, e p. 32. ) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 79; 3, 189. 9) Ebd. 4, 64 u. Anm. 3. 10 ) 3. Mose 11, 16; 5. Mose 14, 15. n ) BIPommVk. 5, 30; S t r a c k e r j a n 2, 168; NdlTVk. 33,101. 12 ) K a m p D a n s k e Folkeminder 1877, 214. 13 ) S é b i l l o t 2, 79. 14) L a n d t m a n Folktro och trolldom (Finlands Svenska Folkdiktning VII) 2, 28 Nr. 33. « ) S é b i l l o t 3, 192. 1β) H o p f Tierorakel 179 (der fälschlich ,,Corbian" schreibt). 17 ) Vogelbuch 1555, 75 a. l s ) s. A l d r o v a n d u s Ornith. 1. 19, c. 4, p. 33, wo noch weitere medizinische Anwendungen. Französisches bei S é b i l l o t 3, 205 (zieht Gelbsucht an; in der Basse-Bretagne reibt man sich gegen Fieber mit dem Fett der See-M. ein, die an einem Freitag getötet worden ist). Hoffmann- Krayer.

2. B i o l o g i s c h e s . Nach M e g e n b e r g e ) sind die M.n „ganz kleine Würmchen", die gerne der Ausdünstung der Menschen und der Tiere nachfliegen. Wenn sie einmal Blut getrunken haben, können sie es drei Wochen lang aushalten ; sie trinken nur jeden Morgen etwas Tau dazu 1 0 ).

Mücke, ι. E t y m o l o g i s c h e s . Nhd. M .

Weigand-Hirt DWb. 2, 224. ·) W i r t h Beiträge 4/5, 35. 3) Ebd. 4) M e y e r 5 L ü b k e REWb. Nr. 9623. ) Garbini Antroβ) ponimie 1052. Faune 3, 304; 13, 140. ·) B a r t s c h Mecklenburg 2, 186. ·) R o l l a n d op. cit. 13, 143.

®) Buch der Natur 254. milienblatt 5 (1901), 8.

10)

Rogasener Fa-

3. A n i m i s m u s . Wie die Fliege ist auch die M. häufig Seelenepiphanie u ). Wenn Frau Holle in Katscher (Schlesien) Mückentrulle heißt, so deutet dies auf die M.ngestalt der Seelen, die sowohl vor der Geburt wie nach dem Tode bei ihr weilen 1 2 ). In Salzburg gebraucht man im Sinne von: „ D u warst damals noch nicht auf der W e l t " die Wendung: ,,Du bist noch mit den M.n herumgeflogen" 13). Auf Animismus beruht es sicher auch, wenn der Rumäne eine in Schnaps oder Wein gefallene M. mit den Worten verschluckt: „ E s ekelt mich nicht vor dir, bist du doch mein Schwesterchen" w ) . Die M. ist namentlich eine beliebte Erscheinungsform der Hexen. So schon im Altertum 1 5 ). Allgemein auch in der neueren Zeit 1 8 ). Eine leblos daliegende

599

Mücke

Frau belebt sich wieder, als ihr eine M. in den Mund fliegt und erweist sich hierdurch als H e x e 1 7 ) . In Tirol erscheinen Zauberer als M.n 18 ). In einem russischen Märchen 1 9 ) nimmt eine Fee M.ngestalt an 20). Bemerkenswert ist, daß der im Seelenglauben eine bedeutende Rolle spielende Marienkäfer auch Herrgottsmückel21) heißt. ) S i m r o c k Myth. 466; W i t t s t o c k Siebenbürgen 6τ·, B a a d e r Volkssagen 102. 1 2 ) D r e c h s l e r 2, 165. 1 3 ) T o b l e r Epiphanie 36 a . 14 ) M a r i a n Jnsectele 394. 1 5 ) A b t Apuleius 53. l e ) M ü l l e r Hexenglaube 58. 1 7 ) M ü l l e r Siebenbürgen 149 f. 1 8 ) H e y l Tirol 173 N r . 81 ; Z i n le) g e r l e Sagen 460. A f a n a s s i e f f 5, 22. ao) G u b e r n a t i s Tiere 506 fi. 2 1 ) M a n n h a r d t Germ. Myth. 245. u

4. T e u f e l s e p i p h a n i e . Die M. ist häufig Erscheinungsform des bösen Geistes 2 2 ). In M.ngestalt wird der Teufel in die Flasche gebannt 2 3 ). In derselben Gestalt schluckt ein Mädchen den Geizteufel 2 4 ). Auch nach dem Talmud dringen die Dämonen zuweilen als M.n in den Körper. So wurde der Tod des T i t u s einer dämonischen M. zugeschrieben, die sieben Jahre in seiner Nase geblieben war 2 5 ). Der hl. B e r n h a r d wird auf der Kanzel von dämonischen M.n überfallen, die er sofort durch eine Fluchformel tötet 2 β ). Gähnen gilt als gefährlich, da der Teufel die Gelegenheit benützt, um den Leuten in M.ngestalt „ins Maul zu fahren", weswegen man beim Gähnen immer ein Kreuz schlagen soll 2 7 ). Hat man vergessen, sein Abendgebet zu sagen, fliegen in der Nacht M.n um einen herum (Ardennen) 28). " ) B o l t e - P o l i v k a 2, 4 1 6 ; G ü n t e r t Ä a lypso 235. a3 ) M e i c h e Sagen 57 Nr. 65. 2 1 ) K ü h n a u Sagen 1, 659; T o b l e r Epiphanie 45. 25 ) S c h e f t e l o w i t z Schiingenmotiv 30 7 . 2e ) S t e m p l i n g e r Aberglaube 2. 2 7 ) B i r l i n g e r Volksth. ι , 264 f. 28) R o l l a n d Faune 13, 144 t.

5. K r a n k h e i t s d ä m o n . Wenn das Volk die M.n als Erreger des Fiebers betrachtet {Fiebermucken) 29), so berührt sich dieser Glaube mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, daß die Malaria durch den Stich einer bestimmten M.nart (Anopheles) hervorgerufen wird. Die von P a u l und K l u g e angenommene Identität von Mucken = absonderliche Gedan-

600

ken mit M.n30) beruht auf der uralten Vorstellung, daß sich im Kopfe des Menschen Elben in Tiergestalt einnisten, die Störungen der Denktätigkeit oder des seelischen Gleichgewichtes verursachen 31 ). 2») A R w . 2, 108; H o v o r k a u. K r o n f e l d 30) 31) 2, 342. W S . 7, 133. Riegler Tier 248; W S . 7, 129.

6. A b w e h r . Der M.n sucht man sich durch Zaubersprüche (charms) zu erwehren 3 2 ). Im Mittelalter kamen förmliche M.nbannungen vor. So wird von einem fahrenden Schüler berichtet, der aus Dank für gute Aufnahme aus einem Schlosse zu Neuburg am Rhein unterhalb Konstanz die M.n bannte 3 3 ). Wie anderen schädlichen Insekten machte man auch den M.n den Prozeß. So wurden im 17. Jh. M.n im Schanfiggertal (Graubünden) wegen Schädigung des Kornes in einen Wald auf der anderen Talseite verbannt 3 4 ). — Ein Abwehrmittel kulinarischer Natur ist in Frankreich (banlieue de Saint-Paul) üblich. Um nicht von den M.n gestochen zu werden, muß man am Faschingsdienstag Kohlsuppe essen 3S). Ähnlich in Wallonien 3 6 ). Umgekehrt heißt es in DeuxSèvres 37 ), man dürfe an jenem Tage keine Suppe essen. 3 2 ) F r a z e r 8, 280. 33 ) B i r l i n g e r Schwaben 34 ) I, 104; M e y e r Aberglaube 82. Jecklin 35 ) Volkstüml. 468. R o l l a n d Faune 13, 144. 3e ) E b d . 3 ' ) R o l l a n d op. cit. 3, 304.

7. O r a k e l . Aus dem Verhalten der M.n schließt man auf künftiges Wetter. Es deutet auf Regen, wenn die M.n aufgeregt sind und stechen, was schon A l d o b r a n d u s zu berichten weiß (exakte Beobachtung ? ) 38). So viele Tage vor Mariae Verkündigung sich die M.n zeigen, so viele Wochen strenger Kälte wird es nach dem Feste geben (Brudzyn in Posen) 39). Tanzende M.n hingegen bringen schönes Wetter 4 0 ). Diese Regel erleidet aber auch Ausnahmen. So heißt es in Hessen: Wenn im Härtung M.n tanzen, gibt es ein übles Jahr 4 1 ) und im Ennstal: Tanzen die M.n hin und her, wird's Wetter sper ( = übel) 4 2 ). Spielen im Hornung die M.n, soll der Bauer nach dem Futter sehen (Posen) 43). Im

Müdigkeit—Mühle

6οι

16. J h . deutete man nach Westen fliegende M.nschwärme als Vorzeichen eines Krieges 44 ). Ganz besonders stark wirkten aber im 17. und 18. J h . auf die Phantasie des Landmanns die unter dem Namen Heerwurm bekannten Züge von Trauerm.nlarven (sciara militaris), die an marschierende Heereskolonnen erinnern. J e nach der Richtung des Marsches war die Prognose verschieden. Zog der Heerwurm bergaufwärts, so deutete dies auf Krieg und Hungersnot, bergabwärts hingegen auf Friede und Fruchtbarkeit 45). Schwangere Frauen legten ihm Kleider und Bänder in den Weg. Kroch der Heerwurm darüber, so galt dies als gutes Omen, ein Zurückweichen deutete auf Tod «). M ) S c h r a m e k Böhmerwald 250; SAVk. 2, 280; Manz Sargans 120; F o g e l Pennsylvania 234 Nr. 1207. 3e ) K n o o p Tierwelt 34 Nr. 296. 40 ) S c h r a m e k a . a . O . ; ZrwVk. 1914, 264; R e i t e r e r Ennstalerisch 56; B a r t s c h Mecklenburg 2, 210; SAVk. 2, 280; Manz a . a . O . ; Hopf Tierorakel 2 1 1 ; K n o o p Tierwelt 34 Nr. 298 (Rogasen). 41) P f i s t e r Hessen 164. 42) R e i t e r e r op. cit. 55. 43 ) K n o o p Tierwelt 34 Nr. 297. " ) Hopf a. a. O. 45 ) Ebd. 4β) Ebd.

8. V o l k s m e d i z i n . In der Volksmedizin ist die M. von keinerlei Bedeutung. Im Anhaltischen gilt ihr Fett(?) als heilsam. Das Wort „M.nfett" wird oft zum Spott angewendet 47 ). 47

) W i r t h Beiträge 4/5, 32.

Riegler.

Müdigkeit. Die Indianer von Südamerika sehen das Gefühl der M., wenn es den Menschen überkommt, als das Werk böser Geister an 1 ). Man hilft sich dagegen, wenn auf der Reise kein Wahrsager zur Hand ist, indem man sich Blut entzieht, sonst auch, indem man das Übel auf Steine, Pfähle oder auf Blätter überträgt 2 ). Bei uns hilft gegen M. St. Meinrads Stein 3 ), von Pflanzen aber das Johanniskraut 4 ), Wegebreit 5 ), vor allem aber Beifuß 6 ), der auch sonst viele Schutzeigenschaften hat. Wer Eberwurz bei sich trägt, wird niemals müde, und wenn er noch so lange liefe 7 ). Der Wolfszahn, von dem bereits Staricius berichtet 8 ), wird dem Pferde umgebunden. Dann ermüdet es nicht 9 ).

602

!) F r a z e r 9, 12. *) Ebd. 9, 8 ff. 3 ) L ü t o l f Sagen 270. 4) Z i n g e r l e Johannissegen 2 1 1 . 6 ) Grimm Myth. 3, 462 Nr. 805. ·) Ebd. 2, 1 0 1 3 ; W o e s t e Mark 56 Nr. 27; SAVk. 19, 218. ') Grimm Myth. 2, i o n . 8 ) S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 1 1 9 ff. *) H e y l Tirol 788 Nr. 155. t Boette.

Mühle. Aus ihrer Bedeutung in Malerei, Dichtung und Musik könnte der Schluß gezogen werden, daß sie im Aberglauben erst recht eine große Rolle spielt. Dieser romantischen Verherrlichung steht aber ein keineswegs bedeutender und düsterer Aberglauben gegenüber, welcher der M. infolge ihres Ursprunges, ihrer Entwicklung und ihrer einsamen Lage am Wasser anhaftet. Der Aberglaube knüpft in erster Linie an das an, was das romantische Naturgefühl an ihr aufdeckte. Sein Verständnis gewinnt man aus der Geschichte der M.; diese führt von der einfachsten einheimischenHandm. (Quem) zu der aus der keltisch-römischen Mischkultur übernommenen Wasser m. (molina) 1 ). Die Arbeit an der Handm., die so schwer und regelmäßig war, daß dazu Frauen, Unfreie und auch Gefangene und Verbrecher gezwungen wurden, suchten sich diese durch den Rhythmus von Arbeitsgesängen zu erleichtern und zugleich die in diesen wohnende Zauberkraft durch den Wortzauber zur Förderung ihrer Arbeit wirksam zu machen. „Die Erbschaft der schweren M.nfrone ging auf die Wasserm. über" 2 ). Mit ihrer Verbreitung ging gleichzeitig eine Verschlechterung im Bodenbesitzrecht einher (Herausbildung des M.nbesitztumes und eines Gewerbes im Dorf; Übergang in den Besitz der Grundherrschaften und als weitere Folge das Bannrecht und der M.nzwang) 3 ). Die Getreidem.n allein spielen im Aberglauben eine Rolle, die Sägem.n gar fast keine. Es kommt A. der absolute Aberglaube in Betracht; er wurzelt 1 . in der Bedeutung dieser Erfindung für die Menschen überhaupt (Wunder- u. Zauberm.). Die durch die Erfindung der Handm. erfolgte Umgestaltung des menschlichen Lebens spiegelt sich in den Märchen

6O3

604

Miihle

und mythenhaltigen Sagen in entgegengesetzter Weise wieder, und zwar die schwere Arbeit in den M.nliedern und die Dankbarkeit für die durch die M. bereitete kräftige Nahrung in der Vorstellung von einer Wunderm. Daher hat mahlen, M. eine mystische, erotische Bedeutung; mahlen, zeugen (lat. mollere, griech. μύλλειν) 4). Deshalb ist in vielen Sagen die M. ein Ort für Liebesabenteuer, und von manchem Helden heißt es, daß er in ihr unehelich geboren ist (s. Müllerin). Kinder werden unter einem großen Stein im Mühlgraben hervorgeholt. Aus diesem Zusammenhang wird die M. im Volkslied verständlich, die reines Gold und treue Liebe mahlt 5 ). H e y n e Nahrung 257 ff.; H o o p s Reallex. 3, 243 ff.; S c h r ä d e r Reallex* 2, 24 s . ; F r a z e r 12, 3 7 2 ff. ; Egerl. 14, 1 ff. ; Deutscher Hausschatz 46, 665—668; Z i n k Kalender f. d. Erzgebirge 2 1921, 2i—26. ) Egerl. 14, 2; Bücher Rythmus 61 ff.; W e i n h o l d Frauen 2, 5 1 . 3 ) Egerl. a. a. O. ; Z G R . 28, 6 3 0 . ; 25. 1 7 2 g . 4 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 303; Storfer Jungfr. Mutterschaft 108; R o c h h o l z Gaugöttinnen 1 1 5 ; H a u p t Lausitz 1, 187. 200; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 16. 5 ) R o c h h o l z Gaugöttinnen 1 1 6 .

Die Wunderm. sucht man in den Besitz zu bringen. So mahlen in der Edda die zwei Mägde Fenja und Menja unter einem verbitterten Liede auf der M. Grotti alles, was man verlangt, Gold, Frieden, Glück und auch Salz e ). Eine goldmahlende M. kennt auch die faröische Sage 7 ). Sogar der Teufel verspricht eine, um einen armen Mann zu versuchen 8 ). Der Besitzer der Wunderm. muß sich aber das richtige Wort merken, sonst kommt sie nicht mehr zum Stillstand 9 ). Durch ungerechten Gebrauch verkehrt sich Segen in Unheil 1 0 ). Eine andere M. mahlt nach links gedreht weißes Mehl, nach rechts Graupen. Die Niederschläge aus den Wolken wechseln mit der Drehung der M. (Himmelsm.) u ) . Die Gewitterwolke wird als Handm. vorgestellt, die ein Stössel laut stampft 1 2 ). Auch die Sonne wird als eine feurige M. gedacht 1 3 ). Eine besondere Gattung der Wunderm.η sind die, welche Menschen zermahlen.

Manchmal ist von Sägem.n die Rede ; auf einer will der Teufel Seelen zersägen. Zur Erklärung kann man annehmen, daß die Sägem.n an Bedeutung gleich sind den Getreidem.n oder, daß die Strafe des Zersägens dahinter steht 1 4 ). Hingewiesen sei auf die M., die in einem Zigeunermärchen Menschen zur Strafe mahlt 1 5 ). ·) Egerl. 14, 2 . 0 . ' ) Z f V k . 1 5 , 1 3 9 ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 3 1 7 ff. ; M a n n h a r d t Götter 244. 8 ) K ü h n a u Sagen 2, 73 ff. 9 ) B o l t e - P o l i v k a 2, 439; L a i s t n e r Nebelsagen 324 ff. 1 0 ) G o l t h e r Mythologie 187 ff.; vgl. S é b i l l o t FolkLore 2, 7. u ) Z f V k . 15, 138. 1 2 ) M e y e r Germ. Myth. 90. 1 5 5 ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 302; L a i s t n e r Nebelsagen 324 ff. 1 3 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 3 0 3 ; K u h n Herabkunft d. Feuers 1 5 5 ff. " ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 300 ff. ls ) W l i s l o c k i Zigeuner 294 ff.

2. Durch die einsame Lage der M. (die Dorfverfassung verbot die Anlage innerhalb des Dorfes) und auch dadurch, daß der Müller für unehrlich gehalten wurde, kommt ein weiteres Stück Aberglaube hinzu. Einmal wird die M. der häufige Schauplatz von Spuk- und Hexengeschichten l e ), und ferner spielt das Wasser mit seinem schaurigen Geheimnis eine Rolle. Zu diesem in der M.nentwicklung wurzelnden Aberglauben kommt ein weiterer in der Analogie mit dem fortziehenden Wasser und dem sich drehenden Mühlrad (s. drehen 2, 410 ff. und Mühlrad) bestehender hinzu. 1β

) S t r a c k e r j a n 2, 2 3 1 Nr. 489.

3. Die M. als Aufenthaltsort für Geister. a) Ein Nix hat einen eigenen M.ngang für sich. Ein neuer Besitzer will ihn loswerden, und, als der Nix in Gestalt eines Katers aus dem Kessel Fische zum Verspeisen nehmen will, wird ihm die Pfote abgeschlagen. Seither ist er verschwunden, aber auch der M.ngang steht still. Die Züge dieses Nix führen bereits hinüber zu dem b) Teufel in der M. 17 ). Die hauptsächlichsten Motive der sehr zahlreichen Sagen sind folgende: Die M. ist vom Teufel auf Grund eines Paktes mit einem meist aus der Fremde stammenden Mann (wandernder Müllerbursch), der in Welschland die schwarze Kunst er-

Mühle

lernt hat, gebaut; einen Mahlgang, meist ist es der 13., hat sich der Teufel reserviert. Er mahlt Pferdeäpfel darauf und besonders in der Silvesternacht so heftig, daß die ganze M. erzittert. Das Klappern einer solchen M. ist schrecklich; wer es hört, erbebt, schlägt ein Kreuz und läuft davon. Solange der Vertrag eingehalten wird, herrscht in der M. Wohlstand. Aber gerade in der M. wird der Teufel sehr oft betrogen und in die Falle gelockt (s. Teufel). Versuche, den Teufel aus der M. zu entfernen, unternimmt gewöhnlich der Müllerbursche (s. Müller), meist ein älterer, der entweder dem Teufel mit seiner Kunst beikommt, oder noch eher überlistet ihn der Müller (s. d.). E r betrügt ihn auf irgend eine Weise um die Erfüllung des Vertrages 1 8 ). Der Müller prügelt ihn von der M. weg, als er von Mitternacht bis Morgen unter entsetzlichem Getöse Menschenköpfe zu Staub mahlt 1 9 ). Fahrende Leute mit Bären vertreiben ihn aus der M.; er fürchtet die Bären als Katzen (s. d.). Als er sich später erkundigt, ob sie noch anwesend sind und man ihn täuscht, verschwindet -er dauernd 20 ). Er verkündet noch den Untergang der M. 21 ).

6θ6

e) Vor allem erscheinen in der M. die Wassergeister (s. d.), der Wassermann (s. d.) und auch der Klabautermann (s. d.). Die Bestandteile derartiger Sagen gleichen denen von der Teufelsm. Der Wassermann erscheint nachts in der Stube mit Fischen, die er brät und auffrißt. Vertrieben wird er ebenfalls durch die Bären eines Fahrenden 3 1 ). Mit dem Erscheinen derartiger Wesen ist der regelmäßige Brand der M. zu bestimmten Zeiten, alle 7 Jahre oder alle Weihnachten verbunden 3 2 ). Diese Geister sehen sich durch die M. in ihrem Bereich bedrängt und sind daher feindlich: Die Esten brennen 1671 die neu erbaute M. nieder, deren Besitzer ein Fremder war, weil sie in der Entweihung des heiligen Baches den Grund für die Dürre einiger Jahre sehen 3 3 ).

Die M. hat ein Götzenbild (vereinzelte Sage). Der sog. M.ngötz in der Oberm. zu Plauen war im M.ngraben schwimmend von den M.burschen aufgefangen worden. Er hatte immer seinen bestimmten Platz in der M. gehabt, bis ihn einer freventlich ins Wasser warf, worauf Sturm und Hochwasser ausbrach, bis er wieder auf seinen Platz zurückgebracht wurde 3 4 ). Die Sage enthält die charakteristischen Die M. ist auch der Ort der Teufelsbeschwörung; der Teufel erscheint unter j Motive des selbsttätigen Bildes und der Kultübertragungslegende. dem Geknarre der M.22). 17 ) H a u p t Lausitz Die natürlichen Granitfelslabyrinthe 1,51 S. Nr. 48; E i sei Voigtland 5; G r a b e r Kärnten 295. l e ) G r i m m Märwerden oft Teufelsm.n geheißen; in den zahlreichen Sagen werden sie vom Teufel chen 3,131 S. ; V e r n a l e k e n M y / A e n 374s.; M e i c h e Sagen 4 6 5 ^ . 6 0 3 ; 472 Nr. 613 ; 443 Nr. 580; •erbaut und wieder zerstört 23). H a u p t Lausitz 1, 91. 99. 187 1 . 1 1 ) V e r n a l e k e n Mythen 89. 20) M e i c h e Sagen 445 Nr. 583. c) Die M. ist der Aufenthaltsort der 21 ) 22) H e y l Ebd. 442 Nr. 580. Tirol 105. Katzenhexen. Sie töten meist die Müller" ) G r i m m Myth. 2, 853; vgl. S é b i l l o t Folkburschen, bis ein wandernder durch Lore 2, 332. 24) B a r t s c h Mecklenburg 1, 212 ff.; Zauber (Kreisziehen) oder List einer von S o m m e r Sagen 57 Nr. 50; S c h e l l Bergische ihnen die Pfote abschlägt 2 4 ) (s. Müller). Sagen 21 Nr. 13; 301 Nr. 15. S5) G r i m m Sagen 52 Nr. 78. 26) S c h e l l Bergische Sagen 94 Nr. 25. d) In der M. erscheinen auch andere " ) M e i c h e Sagen 718 Nr. 890. «») S c h e l l 25 Geister, Kobolde ). Unheimliche Frauen Bergische Sagen 88 Nr. 10; B a r t s c h Mecklenwerden auf Säcken sitzend angetroffen 2 "). 2i burg ι , 211. ) M e i c h e Sagen 567 Nr. 706. 30 Während ihrer Anwesenheit steht sie ) S A V k . 2, 115. " ) R a n k e Sagen 198 ff.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 8 7 0 . ; K u h n u. still 2 7 ). Die Hexe spukt dort 2 8 ). Zwei 32) M ü l l e n h o f f S c h w a r t z 15. Sagen 227 fremde Jünglinge mahlen die Pest mit Nr. 3 1 1 ; R a n k e Sagen 198 ff. 33) G r i m m den Worten: Wir mahlen den Reichen Myth, ι, 497 ff. M ) K ö h l e r Voigtland 513; den Tod, den Armen aber das Brot 2B). R o c h h o l z Sagen 1, 361; M e i c h e Sagen 259 Nr. 336. Das Erscheinen der M.nbachdame inOberwil bei Zug kündet das Austreten des 4. Die M. hat Zauberkraft; diese wird Mühlbaches an 3 0 ). verwendet zum Angstantun (s. i , 436

6O7

Mühle

und verhexen). Die Wirkung beruht auf der ununterbrochenen Bewegung von Wasser und Rad. a) Man nimmt dazu ein Stück von dem Gewand dessen, dem man Angst antun will, legt es in die Mühlpfanne und läßt das Mühlrad scharf laufen 3 5 ). Auf diese Weise kann auch dem entlaufenen Dienstboten die Angst angetan werden, daß er wieder zurückkehren muß 3e ) (s. 2, 285). Aber auch das schwangere Mädchen kann dies seinem Liebhaber, der es verlassen hat, gegenüber tun 3 7 ). Vielleicht gerade in letzterem Fall deshalb, weil die M. ein Ort der Liebesabenteuer ist (s. 0.). b) Die M. im Diebssegen (s. 2, 240 ff.). Wenn Bienen gestohlen werden, so soll man etwas vom Bau des gestohlenen Volkes zu bekommen versuchen und es unter eine M.nwelle legen, dann hat der Dieb keine Ruhe 3 8 ). Um gestohlenes Geld wieder zu erhalten, hat man drei Pfennige und drei Mohnköpfe in die Mühlpfanne zu legen, und der Dieb wird es zurückbringen 39 ). c) M. bzw. M.nwasser ist heilkräftig. Der Leidende soll vor Sonnenaufgang aufstehen, ein reines Hemd (s. 3, 1709 ff.) anziehen, einen neuen Topf nehmen, dessen Preis er ohne zu feilschen gezahlt hat, und zur M. gehen. Er darf weder etwas sprechen noch von jemandem gesehen werden, nimmt Tropfen von der M. bzw. dem M.nrad und wäscht sich am ganzen Körper. Darauf wird er gesund40). In ähnlicher Weise werden von den Rumänen in der Bukowina die Kopfschmerzen geheilt 41 ). Ein in der M. gestohlenes Sackband heilt Halsschmerzen 42 ) (3, 1364 ff., u. Sack). 35 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 1 7 5 . 3«) ZföVk. 37 6, 1 1 0 ; M e y e r Aberglaube 223. ) Grimm Myth. 3, 470 Nr. 9 6 1 . 3 8 ) Urquell 5, 22. 3 8 ) W e i n h o l d Festschrift 116«; J o h n Westböhmen 277. 40 ) ZföVk. 4, 216. 4 1 ) H o v o r k a - K r o n 4Î f e l d 2, 195 = ZföVk. 4, 2 1 7 . ) Grimm Myth. 3, 441 Nr. 2 1 6 ; P o l l i n g e r Landshut 286.

B. Fernhaltung des Unheiles von der M. a) Damit der M. nichts Böses widerfahre, läßt man sie leer laufen, während

6θ8

eine Leiche herausgetragen wird 43 ). Dadurch, daß sie stille steht, soll der Tote (es wird der Müller sein) von dem Dasein der M. nichts mehr wissen und nicht mehr nach seinem Besitz zurückkehren wollen. Man läßt ihm deshalb auch eine Handvoll Mehl nachfliegen 44 ). Zugleich mag auch die Vorstellung mitwirken, daß der Tote das eben vermahlte Getreide verunreinigen und das Mehl bzw. das Brot daraus schädlich beeinflussen könnte. Hört der Müllerbursch die nachts abgestellte M. trotzdem laut gehen, so bedeutet dies den Tod des Müllers oder eines M.nnachbarn 45 ) (vereinzelt). b) Die M. soll an gewissen Tagen still stehen. Wie in allen Handwerken die Arbeit mindestens einen Tag im Jahr ruhen soll, so steht auch die M. still, meist am Katharinentag (25. November), weil die hl. Katharina mit einem Rad voll Nägel gemartert wurde 4e ) ; sonst würde jemand in der M. ums Leben kommen 47 ). Oder am Martinstag, denn es kommt sonst der Teufel und mahlt den Müller zu Brei 4 8 ). In der Silvesternacht kommt Frau Arche und steckt ihre lange Nase in das Ausguckfenster hinein 49). Auch an Sonn- und Festtagen soll kein Getreide in die M. gebracht werden. Wo man dies beobachtet, bleibt die Gegend von Hagel verschont 50). Wichtig ist für die M. auch der Andreastag (s. 1 , 398ff.), aber nur wirtschaftlich, denn mit diesem Tag ist das frische Getreide trocken, und es wird die für den Weihnachtsstöri nötige Menge in die M. gebracht 5 1 ). Die Windm. spielt im Aberglauben keine Rolle, nur im Brauchtum, und zwar insofern als beide M.nflügel beim Vorüberkommen eines Brautpaares oder zur Anzeige von Geburt und Tod so gestellt werden, daß zwei nach oben gerichtet sind und das Flügelkreuz auf zwei Füßen steht M ).

« ) G r o h m a n n 189. 44 ) Ebd. " ) Z f r w V k . 4e 1 9 1 3 , 62. ) B a u m g a r t e n Jahr 1, 3 1 = Heimatgaue 7, 1 1 0 ; S a r t o r i Sitte 3, 274. 47 48 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 201. ) Müllen4 hof f Sagen 1 5 1 Nr. 206. ») Z f V k . 6, 4 3 1 . 60 ) B a u m g a r t e n Jahr 1, 3 1 = Heimatgaue

609

Mühlrad

61 7, i n . ) Ebd. 6a) S t r a c k e r j a n 2, 231 Nr. 489; RogasFamblatt 3, 79 = Sartori 2, 168. Jungwirth.

Mühlrad. ι . Mit dem M.e treiben die Wassergeister ihr Spiel. Das fränk. Wasserweible hat es auf das M. abgesehen. Der schwed. „Neck" dringt zur Julzeit aus seinem stillen Wasser in die Flüsse und zerbricht die nicht gehemmten M.er oder er mahlt so arg, daß die Mühlsteine bersten. Durch Opfer sind die Wassergeister zu besänftigen, dem schwed. „Vattenmann" stellt man Bier oder Branntwein und Grütze aufs M.1). M e y e r Myth. d. Germ. 204; Ders. Germ. Myth. 139; Meiche Sagen 368 Nr. 486.

2. Wie die Wassergeister so überträgt auch der Teufel 2 ) seinen Zauber auf das M.; diesem und dem Wasser, das vom M.e zurückspringt, wohnt eine besondere Kraft inne. 2

) G r a b e r Kärnten (1914) 293 f.; K ü h n a u Sagen 3, 201 f.

3. Ein Stück Holz vom M.e heilt den „Ansprang" (eine Art Röte) bei Kindern, wenn man den Span anzündet, die Windeln damit räuchert und das erkrankte Kind mit Wasser wäscht, das vom M.e abspringt (s. 6); was vom Holze übrigbleibt, ist in fließendes Wasser (s.d.) zu werfen 3 ). 3

) G r i m m Myth. 3, 461 Nr. 766.

4. Das erste Garn, das ein K i n d gesponnen hat, lege man in einer Mühle aufs M., dann lernt das Kind „wacker spinnen" 4). 4

) G r i m m Myth. 3, 447 Nr. 405.

5. Bindet man an ein M. bei einem D i e b s t a h l etwas vom Diebe selbst Zurückgelassenes, so hat der Dieb, wenn das M. in Bewegung ist, keine Ruhe mehr und muß wie toll herumlaufen 5 ). 5

) G r o h m a n n 204 f.; W u t t k e 4 1 3 !

§643.

6. M.wasser. Dem Wasser, das von den Schaufeln eines M.es abspringt, wird Heilwirkung zugeschrieben: es beseitigt das Böse, z . B . Kopfweh 6 ), Ansprang (s. o.) 7). Schon 1455 berichtet Hartlieb, der Leibarzt Herzog Albrechts von Bayern, über verschiedene Zaubereien, die von B ä c b t o l d - S t S u b l i . Aberglaube V I

6lO

Frauen mit dem M.wasser ausgeführt werden. Auch die Serben glauben, daß man durch Verwendung des M.wassers Krankheiten vorbeugen könne. Am Georgitage oder am Abend zuvor fangen Frauen an kleinen Bachmühlen das Wasser auf, tragen es heim und baden darin, nachdem sie allerhand abgerissene grüne Kräuter hineingeworfen haben ; „sie glauben, das Böse und Schädliche werde von ihnen abprallen wie das Wasser vom M." 8 ). Wenn Schafe sterben, so schneidet man einem, das erst im Sterben liegt, den Kopf ab, reißt ihm die Zunge heraus, steckt den Kopf, ohne zu reden, auf einen Ast, geht fort und sieht sich nicht um (s. d.). Das Blut, das man beim Kopfabschneiden auffing, gießt man unter ein M. usw.9), dann werden die kranken Schafe gesund. ·) G r i m m Myth. 2, 982; 3, 449 Nr. 4 7 1 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 288 (Warzen). ' ) S. Anm. 3. 8 ) G r i m m 1, 492 f.; 3, 428Í.; K r a u ß Volkforschung 1 7 1 . ») WZfVk. 1 3 (1907), 139.

7. M.sprache. Dem M.e schreibt man seit dem frühen MA. eine Sprache zu 10 ). Ekkehardus minimus (c. 1220) von St. Gallen berichtet in seiner „Vita Notkeri Balbuli" (cap. 1 7 ) u ) , daß Notker (t 912) einmal das Klappern eines sich langsam drehenden M.es in die Worte der Sequenz „Sancti spiritus assit nobis gratia" gesetzt habe. Einen ähnlichen Versuch findet man in der „Thidrekssaga" 12 ) und im „Renner" (Vers 7876ff.) des Hugo vom Trimberg. Das bekannteste Beispiel aber bietet das Grimmsche Märchen „Der Zaunkönig" 13 ). 10 ) J . G r i m m Kl. Schriften 7 , 1 6 3 f t . ; W a c k e r nagel Voces variae 11 ff.; Ders. Kl. Schriften 3, 4; B ö h m e Kinderlied u. Kinderspiel 23of.; B o l t e - P o l i v k a 3, 283; ZfdMyth. 3, 189 Nr. 57; 3, 191 Nr. 70—71. u ) G o l d a s t Rerum Alamannic. script. 1, 237 . 12 ) v. d. H a g e n Wilkina-Saga cap. 94 (Übersetz.). 1 3 ) Nr. 1 7 1 .

8. Am K a t h a r i n e n t a g e (25. Nov.) standen früher in Banzenheim (Kr. Mühlhausen) die M.er still 14 ) (da die hl. Katharina am Rade gemartert worden ist).

14 ) S a r t o r i Sitte 3, 274; vgl. W e t t s t e i n Disentís 173. Klein. 20

6ι ι

Mühlstein

Mühlstein. ι . Der M. stellt die n i e d e r s c h l a g s p e n d e n d e W o l k e vor. Diese Auffassung beruht auf der mythischen Vorstellung der Germanen von der „ G e wittermühle" 1 ). Eine uralte germanische Form der Mühle (s. d.) war die Stampfe (der Mörser) 2 ); sie erinnerte an D o n a r s Hammer, der in einer himmlischen Mühle, der Wolke, den Regen und Schnee stampft (mahlt). Demnach erschien der Gewittergott Donar unseren Vorfahren als Müller. Noch heute sagt man in Deutschland bei Schneefall: „ E s schlagen sich Bäcker und Müller". Der Schwabe spricht, wenn große Flocken fallen: „ D a s kommt durch den groben B e u t e l " (wie das Mehl in der Mühle), schneit es dagegen fein, so sagt er: „ D a s kommt durch den feinen Beutel, die müssen viel Zeit gehabt haben, die das hackten". Der Schnee wird nämlich während des Sommers im Himmel klein gehackt. In Schweden wird die Wolke „ m o l n " (inselschwed. muli, mulle, moine), d. h. „ d a s Gemahlene" genannt, so wie der feine Schnee im Anord. „ m j ö l l " , d . i . „Mehl", heißt 3 ). 1 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 3 g 8 f f . ; L a i s t n e r Nebelsagen 233 f. 2 ) W S . i , 3 f f . 1 6 4 ! ! . ; 3) H o o p s Reallex. 3, 243 f. Mannhardt Götter 94 f .

2. In christlicher Zeit trat an die Stelle Donars der T e u f e l ; ein Märchen erzählt, wie er als M. vom Berge niederrollt 4 ) ; als Erzeuger der Niederschläge und Blitze erscheinen auch noch Hexen und andere Dämonen. Je nachdem der Aberglaube das fruchtbarkeitspendende N a ß der Wolken oder die vernichtende Gewalt ihrer Blitze ins Auge faßt, beurteilt er ihre Wirksamkeit als heil- oder verderbenbringend 5 ). *) G r i m m Myth. 2, 8 3 5 ; H e y l Tirol 222 N r . 3 2 ; M e i c h e Sagen 306 N r . 400. 349 N r . 455. 5 2 1 N r . 666. 6 ) A n d r i a n Wetterzauberei 1 ff.

3. Die meisten Schatz- und Erlösungssagen berichten von einem an das S c h w e r t d e s D a m o k l e s gemahnenden M., der über einem Horte an einem dünnen (Seiden- oder Spinn-) Faden hängt, nach dem eine Schere schnappt; durch die

612

drohende Gefahr soll der Schatzsucher oder Erlöser vertrieben werden e ). Dieses uralte Märchen- und Sagenmotiv wird erst dann verständlich, wenn man den schwebenden M. mit der schwebenden Wolke vergleicht. Vielleicht stehen diese Spukerscheinungen mit der ursprünglichen Gewitternatur der Schätze in Verbindung 7 ). e) B ä c h t o l d - S t ä u b l i in S A V k . 28 (1928), 1 1 9 — 1 2 9 ; M e y e r Germ. Myth. 90. 284; G e s t a Romanorum cap. 143; K ö h l e r Kl. Sehr. 2. 558. 5 6 5 ; B o l t e - P o l i v k a 1, 148. 366; Müllenhoff Sagen 289 f . ; Baader Sagen 19. 106; B e c h s t e i n Thüringen 1, 2 1 4 f. ; B i r l i n g e r Volksth. 1, 86; H e y l Tirol 637 N r . 103; Kuhn Westfalen 1, 70 N r . 5 7 ; Liebrecht Zur Volksk. 298; L ü t o l f Sagen 59. 2 9 4 ! . ; M a n z Sargans 1 4 5 ; M e i e r Schwaben i, 7 N r . 4 ; II N r . 4 ; P a n z e r Beitrag 1, 197 N r . 2 1 4 ; R e i s e r Allgäu 1, 249; R o c h h o l z Sagen 1, 255 F.; 2, H I N r . 338; R a n k e Sagen 1 1 3 . 244: S c h e l l Bergische Sagen 235 N r . 2 1 8 ; V e r n a l e k e n 138. 337 N r . 1 ; V o n b u n Beiträge 8; D e r s . Sagen 2 1 ; W a i b e l u. F l a m m 1, 122 7 N r . 120; 2, i 6 5 f . 2 1 2 . 255. 327. ) Laistner Nebelsagen a . a . O . ; Z f V k . 4 (1894), 420.

4. Unabhängig davon erscheint dann noch in Märchen und Sagen e i n a u s R a c h e oder zur Strafe geworfener M. Im Grimmschen Märchen „ D e r junge Riese" 8) bleibt das Herabwerfen des M.s unschädlich, der getroffene Riese trägt den M. wie eine Halskrause, doch in der Erzählung „ V o n dem Machandelboom" ®) derselben Sammlung fällt der M. unter Donner und Blitz der bösen Stiefmutter aufs Haupt. Diese Todesart kennt auch schon die E d d a 1 0 ) . In den deutschen Rechtsaltertümern erscheint sie als (mythische) Todesstrafe 1 1 ). Daher soll auf dem Markte zu Pirna (Sachsen), wo einst zwei Mörder hingerichtet wurden, ein M. vergraben sein 1 2 ). 8) N r . 90; B o l t e - P o l i v k a 2, 2 8 5 « . E b d . Nr. 47; B o l t e - P o l i v k a 1, 148. 10) S i m r o c k Edda 329. ") Grimm l a 2, 277 f. ) G r a e s s e Sachsen 116.

») 423. RA.

5. Die Berichte der Legenden von einem s c h w i m m e n d e n M., der Heiligen als Fahrzeug dient, versteht man, wenn man wieder an das Dahingleiten der Nebel- und Wolkenschifflein denkt, denen der M. ä h n e l t 1 3 ) ; auch das norweg. Trollweib, eine „mahlende" Wirbelwind-

όΐ3

Muhme—Müller,

riesin, fährt Fjord " ) . 13)

Sagen

Meyer 1,

auf

einem

Germ.

357.

14)

Myth. Meyer

M.

über

292 f.; a. a. O .

den

Rochholz 156.

6. D e r 1. S e p t e m b e r ( V e r e n a ) i s t Wetter-Lostag. I m A a r g a u (Surbtal) werden die M.e geschärft und Mühlbäche g e p u t z t ; denn die Heilige des Tages ist nach der Legende auf einem M. die Aare hinuntergefahren 1 5 ). 15)

H o f f m a n n - K r a y e r

165.

7. In der V o l k s m e d i z i n ist der M. wichtig: F ü h l t man ein Fieber nahen, so nehme man einen Hand-M. auf den Rücken und laufe raschestens bergauf, bis man ermattet niederfällt, dann ist das Fieber gebrochen 1 6 ). Von einer alten Feldapotheke zu Hermannstadt (Siebenbürgen) wird erzählt: W a g t e jemand durch die Türe, in deren Öffnung vier M.e an vier Haaren hingen, zu schreiten, so erhielt er einen „dienstbaren Spiritus"17). Der M. spielt hier die gleiche Rolle wie in den Schatz- und Erlösungssagen, er stellt die drohende Gewitterwolke vor. 16)

Hovorka

Müller

u.

Siebenbürgen

Kronfeld

2,

337Í.

17)

167.

8. V o r d e n H a u s t ü r e n auf d e m Lande findet man öfters in den Boden (als glückbringendes Zeichen?) eingelassene M . e 1 8 ) . 18)

Heyl

Mythologie

Tirol

804

Nr. 268;

Muhme s.

Klein.

Laistner

Korndämonen.

leken

Mythen

Mythen

398a.

Nebelsagen 368.

3)

b) Zu anderen Wesen (s. Mühle), v o r allem zum Wassermann, von dem er besonders g e h a ß t w i r d 7 ) . Ihn für das ganze Jahr zu besänftigen, werfen die M. in Oberösterreich am St. Nikolaustage alte Kleider ins Wasser 8 ). D a s Wasser wird mit einem Stück Brot oder einem K o c h (Brei) g e f ü t t e r t 9 ) . c) M.s Rappen. Der mit dem Teufel im B u n d stehende M. hat zwei geheimnisvolle Rappen, die jede Arbeit leisten u n d mit ihm auch zur Hölle fahren 10 ). 4)

323 ft. Mannhardt

ι,

Mühlviertel 91

VernaGerm.

Graber

der

ZfVk.

10)

·)

ff.

5)

Haupt

Sagen

442ff.

Lausitz Nr.

119;

2,

126;

I 9 2 f f . ; 2, 6 1 2 ; D r e c h s l e r

368;

Gebiete 168.

3,

28

Sepp

Kärnten

Mythen ')

2,

Nr. 100;

Kühnau

Müller, Müllerin. D i e Stellung des M.s im Aberglauben ist gegeben. A . (Absoluter) durch seine Beziehung zur Mühle (s. d.), und zwar 1. zur himmlischen Mühle: Der M. gehört zur Himmelsmühle, die Schnee mahlt. Die M. sind nämlich nicht in der Hölle, wohin sie nach dem gewöhnlichen Urteil über sie g e h ö r t e n 1 ) , sondern fehlen dort noch heute. Daher wurden Teufel ausgesandt, nach M.n zu s u c h e n 2 ) . Auf Grund der Vorstellung, daß diese Himmelsmühle eine Stampfe ist, wird Donar, der zermalmende Mjölnir, als M. g e d a c h t 3 ) . l)

2. Zur irdischen Mühle bzw. a) zum Teufel. Die zahlreichen Sagen begründen meist den Namen Teufelsm. und enthalten als wesentliches Motiv den B u n d mit dem Teufel (meist mit dem dummen Teufel). Der M. besitzt ein Schwarzbuch4) (s. Zauberbuch). Der Teufel m u ß ihm die Mühle, einen Mühlgraben bauen: Der M. empfängt seinen Besuch zu Mitternacht. Gewöhnlich ist der M. der schlauere, der den Teufel u m die Erfüllung seines P a k t e s betrügt. Daher holt er auch keinen mehr, weil er anstatt eines solchen irrtümlich einen Schimmel genommen h a t 5 ) . Der Esel eines M.s schlägt ihm ein Schienbein ab. Nach einer anderen Version stellt ihn der Windm. so, d a ß die Windflügel dies tun 6 ).

Simrock

326.

614

Müllerin

295 ff.

Kultur

Ii,

e)

Silberstein u.

202fi.

Baumgarten

Schönwerth

Lit. 8)

Vernaleken

Denksäulen (Wien

im

1879)

Vernaleken Aus

der

Heimat

Oberpfalz

3,

3 1 ff.

230. Mythen

1,

138.

3. Zu diesen abergläubischen Anschauungen über ihn k o m m t noch hinzu, daß er Zauberkunst übt. a) D a s sog. Festmachen (s. 3, 1354) z u m Schutz der Mühle wegen ihrer einsamen L a g e 1 1 ) , b) D a s Durchziehen von Kindern durch den B a c h 1 2 ) , c) E r bannt auch W i l d zur S t e l l e 1 3 ) (5.3,575«.). u 13)

)

Heimatgaue

Köhler

1, 298.

Voigtland

12)

Meyer

Baden

41.

539.

4. E r geht nach seinem T o d u m 1 4 ) a) wegen seiner Ungerechtigkeit, denn diese steht fest und bildet den H a u p t -

Müller, Müllerin

615

vorwurf gegen sein Handwerk 1 5 ). Das Volksurteil steht so fest, daß er als Analogiezauber in den Blutstillsegen wirken soll (s. i , 1452 ff.). Blut stehe still, still, still, Wie der ungerechte M. am Abend will. Im Namen u. s. w. 1 '). N., dir verstehe das Blut, als die Himmelstür gegen einen ungerechten M. tut. (Nürnberg, Manuskript des 16. Jh.) 1 7 ). Bloot ga, Bloot sta, Bet dat de Möller an de Höll. Drei Kürn ünner dat Matt, drei Kürn bawen dat Matt. Im Namen Gottes u. s. w. 18 ).

Sein Umgehen bedeutet Unglück 1 9 ). E r geht um b) wegen Verletzung des Gastrechtes, denn die Mühle war wegen ihrer rechtlichen Stellung als Freistätte auch oft Herberge. Der M. und seine Frau töten die Beherbergten und müssen deshalb umgehen 20 ), c) wegen gemeiner Verbrechen, wie diese allgemein so bestraft werden 2 1 ).

14 ) S t r a c k e r j a n 2, 231 Nr. 487; 235 Nr. 498; vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 1, 187. 16 ) M e y e r Baden 344; ZfVk. 15, 5 5 s . 1β ) K u h n Westfalen 2, 197 Nr. 554. 1 7 ) L a m m e r t 192. 18 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 379. " ) R o c h h o l z Sagen 2, 84. 20) B a r t s c h Mecklenburg 1, 214. 21 ) K ü h n a u Sagen 1, 62.

5. M.seele. Eine betrügerische M.seele sollte nur dann erlöst werden können, wenn sie den Namen Gottes aussprach. Sie konnte aber immer nur ,,oh, ho" rufen (Oldenburg) 22 ). 6. Ins Himmelreich kommt er nur durch eine List, indem er seine Kappe hinein wirft und unter der Vorspiegelung, sie zu holen, sich darauf setzt und von seinem Eigentum nicht mehr vertrieben werden kann 2 3 ). Beachte den Blutsegen (s. o.), wonach dem ungetreuen M. die Himmelstür hartnäckig verschlossen ist. aa ) W u t t k e 481 § 76ff. Yolksk. ι, 1 2 1 .

23

) Jahrb. f. Hist.

B. Um Unheil von seiner Mühle fernzuhalten, darf er an bestimmten Tagen nicht mahlen (s. Mühle). Der Martinstag und Katharinatag 2 4 ), besonders aber in den Zwölften haben einzelne Tage besondere Bedeutung. In der Christnacht soll er nicht mahlen, sonst kommen die

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Teufelsfratzen 25 ). Der Windm. darf Sonntags mahlen, weil er den Wind nicht aufhalten kann, der Wasserm. dagegen nicht, weil er das Wasser aufhalten kann 2β). " ) ZfVk. 12, 68 = 3, 273. 2S) Mit. f. Anhalt. Gesch. 14, 19. 2e ) S t r a c k e r j a n 2, 231 Nr· 489.

C. Um Getreide zur Vermahlung zu bekommen, schlägt er nach Sonnenuntergang mit der Handschippe stillschweigend in einem bestimmten Rhythmus (Zauberformel?) an den Mehlkasten. Den nächsten Tag wird der Hof voller Mahlgäste sein (Kaminitz, Kr. Lublinitz) 27 ). Ein M. in Steyr hatte ein Hollunderröhrchen, an das sich ein Bienenschwarm zum erstenmal angelegt hatte, ob der Tür der Mühle aufgesteckt 28 ). 27 ) D r e c h s l e r 2, 236. der Heimat 1, 138.

ω

) B a u m g a r t e n Aus

M.patronin. Außer Katharina (s. Mühle) auch Verena, an deren Tag die Mühle ebenfalls stillsteht, da er benützt wird zum Schärfen des Mühlsteines und zum Putzen des Mühlgrabens 29 ). Vgl. Nikolaus ist M.patron bei den Kroaten in Muraköz und sein Tag wird mit Tanz und Gelage gefeiert "β). M.jahrtag wird am Sonntag vor Pfingsten von der M.innung in Neumarkt am Wallersee gemeinsam mit Bäckern und Sägemeistern mit einem Kirchgang begangen 3 1 ). 2 ·) R o c h h o l z Gaugöttinnen 112. Sitte 3, 15. 3 1 ) Mündl.

M

) Sartori

M.geselle. Der wandernde M.geselle vor allem ist im Besitz der Zauberkunst, welche er gegen den M. anwendet, der seine Hilfe abweist 32 ). Diese Zauberkunst hat er in Welschland erlernt; er unternimmt es, den Teufel zu vertreiben (s. Mühle). Ein verwunschener M.knecht ist in einen Kuckuck verwandelt, daher hat dieser Vogel ein fahles, mehlverstaubtes Gefieder 33 ). M.umzüge. Es sind auch bei den M.n die Gesellen, welche solche Bettelumzüge veranstalten, so zu Fastnacht; dabei haben sie ihre Hüte und die Köpfe

6I7

Multwurm—Mumie

ihrer Esel bekränzt, reiten in die Stuben der Mahlkunden und verlangen eine Gabe, denn sonst bekommen diese kein schönes Mehl 3 4 ). In der Karwoche, zumeist am Montag, sammeln sie Ostereier 3 5 ). Sie erschienen früher zu Neujahr und zeigten ihre Anwesenheit durch drei Keulenschläge auf die Schwellen der Hoftüre an 3 6 ). 32) 33) K ü h n a u Sagen 3, 192. Grimm Myth. 3, 564. 34) B a r t s c h Mecklenburg 2, 254; K u h n Westfalen 2, 126 Nr. 381; ZfrwVk. 4, 17ff. = S a r t o r i Sitte 2, 168. 35) ZfrwVk. 3, 3 ·) Nds. 7, 126 = S a r t o r i Sitte 3, 58. 150.

Der M.bursche bringt die Kinder {Ο. A. Blaubeuren) 37 ). M. = Miller als Bezeichnung für Schmetterling und Käfer 3 8 ). M.in. Auch ihre Stellung ist begreiflicherweise durch die Mühle bestimmt. Diese ist 1. eine Stätte für Liebesabenteuer. Die letzte Spur davon zeigt manches Volkslied von der schönen und stolzen M.in, die einen Ehebruch begeht. 2. Da die Mühle ein Ort des Spukes ist, wird die M.in als Weib zur Hexe 3 9 ), die in der Mühle als Katzenhexe ihr Unwesen treibt und die Gesellen beunruhigt, bis ihr von einem die Pfote abgeschlagen wird 4 0 ). Für Unredlichkeit muß sie mit einem Sack wiederkommen 4 1 ). 3. Sie wird wegen ihrer Hartherzigkeit bestraft; denn sie ist mit Brot, das in der Mühle reichlich vorhanden ist, neidisch 42 ). 3S) " ) H ö h n Geburt 259. Mannhardt Germ. Mythen 372. 39) R e u s c h Samland 133. 40) R a n k e Sagen 15ÎÏ. 41 ) B e c h s t e i n Thüringen ι, 33 Nr. 20. 42) K ü h n a u Sagen 3, 200S. Jungwirth.

Multwurm auch moltwurm = Erdwurm1), spätmhd. Bezeichnung des Maulwurfs (s. d.), in Mundarten erhalten. Hiervon zu trennen ist kämt. M. = Molch, Salamander 2 ), das nichts anderes ist als eine Verdeutlichung von ahd. molt — Molch (vgl. Lindwurm, Walfisch u. dgl.). P a l a n d e r Ahd. Tiernamen 27; W e i g a n d H i r t DWb. 2, 150. a ) Car. 96, 62. Riegler.

Mumhart s. 5, 1800. Mumie. Schon im Altertum kannte man die Heilwirkung des Asphalts und Bitumens, wie denn auch heute sich die

6l8

aus den bituminösen Schiefern u. a. Mineralien gewonnenen Produkte Ichthyol, Thalassol usw. in der Medizin großer Beliebtheit erfreuen 1 ). Auch apotropäisch wurde, neben dem Schwefel, der Asphalt gegen Dämonen benutzt 2 ). Der Pilger Antonius Placentius 3 ) erwähnt bei Suez einen Felsen mit „weichen Fingern wie aus Fleisch gleich Datteln, denen eine Fettigkeit entfließt, die man Steinöl nennt" (Erdwachs und Petroleum) ; es heilt Kranke, insbesondere Besessene. Im Orient nannte man das Erdpech mûm (bereits im 10. Jh.) und kannte besonders kostbare Mûmjâj von bestimmten Orten in Persien (Mumanaky vom Kuh Mumiay d. i. Mumienberg) 4 ). In der zweiten Hälfte des 10. Jh. spricht auch der syrische Lexikograph Bar Bahlûl 5 ) von der Mumajg und erzählt, daß der Prophet Daniel sie verfertigt und ihre Herstellung den Persern gelehrt habe; er bezieht sich dabei offenbar auf Dan. 12, 37 (griech. Zusatz vom Bei zu Babel), wo Daniel mit Kuchen aus Erdpech, Fett und Haaren den Drachen bersten macht. Man übertrug dann das Wort auf die mit Asphalt behandelten ägyptischen Leichen und nannte diese M.n. So wurden nun die ägyptischen M.n zum Heilmittel, zunächst wegen des in ihnen enthaltenen Erdpechs. Allmählich allerdings wandelte sich die medizinische Theorie, und man schrieb die Wirkung dem mit dem Asphalt verbundenen Saft des menschlichen Körpers zu. Infolgedessen stellte man künstliche M., schließlich ohne Asphalt, aus zu diesem Zweck getöteten oder erhängten Menschen, wenn möglich rothaarigen 6 ), her. Diese Mumia nannte man frische M. Daneben blieb aber die ägyptische vera mumia in Ehren, und auch das reine Erdpech behielt diesen Namen. Ähnlich wie das Tiroler Steinöl von Seefeld 7 ) benutzte man im 16. Jh. das unterelsässische Vorkommen von Bitumen bei Lampertsloch 8) : „Nicht weit von diesem Bronnen (mit einer schwartzen, fetten, nach Petrolium riechenden Materie) ist ein Felss, bricht man schwarzen Stein, der lasst sich wie Wachs in warmem

6I9

Mummel—Mummelsee

Wasser zusammen trucken, hat eben den geruch, wie die fette inn dem Bronnen. Es hat newlicher jar der Ernuest, Hochgelehrt unnd weitberhumbt Theoprasist, D. Jacob Niedhauer, solches öl distilliert, und es Momiam veram natiuam genennet, hat daraus ein schön öl gebracht, wird gebraucht für das Podagra, legt die geschwulst und Lendenschmertzen". Man muß also dreierlei M.n unterscheiden : die ächte, natürliche (Rohichthyol), die ägyptische und die frische. Am Beginn des 19. Jh. kann der Brockhaus 9 ) melden, daß M. als Arzneimittel abgekommen sei ; immerhin fristet sie noch ein kümmerliches Dasein in der Volksmedizin 1 0 ).

620

liche, das ihm durch seine Lage anhaftet, besser zum Ausdruck gekommen sein als heute, wo bequeme Verkehrswege und Gasthäuser bis an sein Gestade vorgedrungen sind; immerhin hat es mehrere Sagen veranlaßt, die denen anderer Seen großenteils ähneln (s. See). Seinen Namen hat er wahrscheinlich von den W a s s e r e l b e n , die ihn bewohnen: Muhme = Wassernixe (vgl. Nibelungenlied 1479, 3, wo die Wasserfrau zu Hagen sagt : durch der wœte liebe hat min muome dir gelogen). M. heißen auch andere von Nixen bewohnte Seen ; westfälisch Watermöme ist ein geisterhaftes Wesen 1 ). Nach Grimm (Myth. 1, 405) ist Mummel = Wasserlilie (vgl. das Gedicht von Schnez1 ) ZfrwVk. 3 (1906), 2 f. (Hauptarbeit über ler: „Die Lilien am M."). Die Seefräulein den Stoff); vgl. noch P e l a g o n i u s veterin. 6. kamen öfters nach Forbach; als eine sich E. R o h d e Psyche 1 (1907), 237 nach P h o t i us Lex. s. ν. μιαρά ήμερα u. ραμνό;; vgl. auch beim Tanz verspätete, wurde sie von D i e t e r i c h Abraxas 188. 3) G e y e r Itinera ihrem Vater gerichtet; Blut wallte im Hierosolymitana (CSEL. 39), 188; Bull. mens. See empor 2 ). Nach anderem Bericht Soc. Nat. Luxemb. 18 (1924), 137. 4) ZfrwVk. halfen die Seewesen den Menschen bei 43, 3; C. R i t t e r in Die Erdkunde 8 (1838), 737 nach C. K a e m p f e r Amoenitates Exoticae der Arbeit ; sie blieben aus, als sie einmal (Lemgo 1712) fase. 3 obs. 3, 516—524: Muminahi ihr Essen, das an einen bestimmten Ort seu Mumia nativa Persica; 8, 756 nach Th. gebracht werden mußte, nicht richtig beH e r b e r t Relations du voyage de Perse etc. kamen 3 ). Eine Hebamme wurde einst Trad, du Flamand de Jeremie Van Vliet (Paris 1663), 212; 8, 762. 5 ) C a s t e l l u s - M i c h a e l i s j von einem Seebewohner in Rattenpelz Lex. Syriac. (1788), 488. «) ZfrwVk. a . a . O . über eine alabasterne Treppe in den See 6. 20; vgl. dazu R. F l u d d Philosophia Moysaica hinuntergeholt, als Lohn für ihren Dienst bei K i e s e w e t t e r Die Geheimwissenschaften 2. Aufl. 628; D i m e s c h q u i Kosmographie bei : erhielt sie ein Strohbündel, das sich später in Gold verwandelte 4 ). Ein Ungeheuer, Chwotson, Die Ssabier (1856) 2, 388. ') Pharmaz. Zentralhalle 68 (1927), Nr. 1. 8) H e r z o g das im See hauste, wurde dadurch verEdelsassische Chronik (1592) 3, 59. ·) Allgem. jagt, daß man geweihte Kugeln und deutsche Real-Encycl. f. geb. St. 6 (1820), 627. heilige Sachen ins Wasser w a r f 5 ) . Der 10 ) S c h i n d l e r Aberglaube 166. 176; Peters See soll u n e r g r ü n d l i c h (s. d.) sein 6 ): Pharmazeutik 1, 228. 229; P a r a c e l s u s 1650.; K i e s e w e t t e r a. a. O. 628; ders. Gesch. d. als ein Herzog von Württemberg ihn neueren Okkultismus 59ff. ; T y l o r Cultur 2, 465; messen lassen wollte, begann -das Floß H ö f l e r Organotherapie 286ff.; H e l l w i g Aberzu sinken, so daß sich die Leute nur mit glaube 48; Bavaria 1, 461; H o v o r k a u. K r o n Mühe ans Ufer retten konnten 7 ). Ein f e l d 1 , 3 1 5 ! ; 2, 44; W u t t k e 134 §184; 358 § 538; ZfrwVk. 4 (1909), 250; S e y f a r t h Unwetter 8 ) entsteht, wenn man S t e i n e Sachsen 289; D u C a n g e Gloss, med. et inf. h i n e i n w i r f t , die den Zorn der Seelatin.s.v.;DannhauerKatechismusmilch ( 1669) wesen erregen (s. Wettersee). Hängt 2,438; 6, 695; Th. E n g e l m a n n in Jb. Musfman Steinlein, Erbsen oder ähnliches in Völkerk. Basel 1910, 45 ff. ; Pharmaz. Prot. 1907; ein Tuch gewickelt hinein, so verändert SudetendZfVk. 5 (1932), 2 U . Jacoby. sich die gerade Zahl in ungerad und umMummel s. S e e r o s e . gekehrt 9 ). Nach anderen Sagen ist der M. der A u f e n t h a l t s o r t d e r U n g e Mummelsee. See in einer Einsenkung b o r e n e n 1 0 ) , oder die H ö l l e 1 1 ) ist auf der südlichen Abdachung der Hornisseinem Grunde (s. Wasserhölle). grinde im nördlichen Schwarzwald (Kreis Baden, Amt Achern), zwischen mit Fich1 ) L ü t o l f Sagen 290; M e y e r Germ. Myth. ten bewachsenen Felsen. Früher mochte 130. a ) M e i e r Schwaben 7 1 ! ; B i r l i n g e r in wohl das Geheimnisvolle, fast Unheim-

Mummerei—Mund

621

3) E b d . A l e m a n n i a 2 (1874), 152 N r . 3. 155 Nr. 6. 4 ) E b d . 152 Nr. 2. 6 ) E b d . 151 Nr. 1 ; S e p p Sagen 347. 6 ) G r i m m Sagen 4 ) Vgl. S é b i l l o t FolkLore ι , 158 f. 18 °) W u t t k e 377 § 572; 379 § 576; K ü h n a u Sagen 3, 148 f. Nr. 1 5 3 8 ; S é b i l l o t a . a . O . 1, 160 f. l e l ) W u t t k e 383 § 583; J a h n Pommern 52 Nr. 66; Alemannia 27, 228. «») J o h n Westböhmen 108. 183 ) L a m m e r t 174. 1 M ) R e i s e r Allgäu 2, 232. I 8 6 ) B i r l i n g e r Volkst. ι, 188. "·) S é b i l l o t a.a.O. ι, 142. w?) P f a l z Marchfeld 33. 18S ) UrqueU 4 (1893), 272. 1 M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 404 fi. 1 M ) W u t t k e 3 1 1 ff. § 458 ff. l n ) Ebd. 3 1 5 § 465. i " ) Urquell 4 (1893), 273. *») 1M ZfrwVk. 1905, 281. ) W u t t k e 285 § 419. lw 1M ) J a h n Pommern 454 Nr. 570. ) Zaunert Rheinland 2, 177 f. 1 , ? ) J u n g b a u e r Böhmer198 wald 69 f. ) S t e r n Rußland 1, 101. 1 M ) Vgl. S é b i l l o t Folk-hare ι , 1 3 7 f. 20 °) UrqueU 1

79O

(1890), 33. In Pestzeiten wurde aus Furcht vor Ansteckung die nächtliche Bestattung behördlich angeordnet, so 1639 in Prag (Bohemia Nr. 145 v o m 16. Juni 1926). 201 ) S é b i l l o t Folk-Lore 1, 346. 202 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch I, 158 f. 203 ) W u t t k e 299 §439. 204 ) FFC. Nr. 55, 33 f. 205 ) V e r n a l e k e n Mythen 344. 20β ) K a p f f Festgebräuche Nr. 2, 15; vgl. G r i m m Myth. 2, 628. 20 ') G e r a m b Brauchtum 63.

6. Die N. ist vielfach eine günstige Z e i t , was in erhöhtem Maße der Mitternacht (s. d.) zukommt. In ihr können die armen Seelen und Verwünschten Erlösung finden und die oft damit verknüpften Schätze gehoben werden 208). Wichtig ist sie auch im Wirtschaftsleben, das A u s b u t t e r n in der N. und unter besonderen Bedingungen liefert mehr Ertrag 209 ), und eine gute Ernte ist zu erwarten, wenn die Aussaat 2 1 0 ) und das Stecken der Pflanzen, besonders auch das Setzen der Kartoffeln 2U ), wenigstens zum Teil in der N. geschieht. Man kann z. B. das Wachstum der Zwiebeln auch durch nächtlichen Zauber fördern, indem man zur Zeit des Vollmonds um Mitternacht stillschweigend das Zimmer verläßt und die jungen aufschießenden Zwiebelröhrchen tritt 212 ). Auch zur V e r t r e i bung von allerlei Schädlingen, der Mäuse, Ratten, Erdflöhe, Raupen u. a. eignet sich am besten die N. 213). In der Volksheilkunde schreibt man den in der N.zeit vollzogenen Heilhandlungen besondere Wirkung zu 214), wobei man sich in den dabei gesprochenen Segen und Beschwörungen gern an den Mond selbst wendet oder Gebete um Befreiung von irgendeinem Gebrechen um Mitternacht auch an einem Grabe verrichtet 21S ). Namentlich erfolgen bei Behexung die Zauberhandlungen und Beschwörungen bei Ν. 21β ). In dieser hergestellte oder, wie in heiligen N.en geschöpftes Heilwasser 217), gewonnene Heilmittel haben auch vermehrte Kraft, so helfen z. B. Äpfel, in welchen über N. eiserne Nägel gesteckt waren, gegen Blutarmut und Bleichsucht218). Auch für die E r f o r s c h u n g der Zuk u n f t ist die N. günstig 21β ), besonders in bezug auf Heirat 220) und Tod 241 ), wobei wieder bestimmte N.e in erster Reihe in Betracht kommen. In der

791

Nacht

Christnacht und Neujahrsnacht ist die Gabe des Geistersehens am stärksten. Man sieht dann auch alle Leute, welche im kommenden Jahre sterben werden m ) . Sonst deuten nächtliche Vorzeichen, wie ζ. B. Hundegeheul, Lärm u. a., auf einen nahen Todesfall. Ein Verwandter stirbt bald, wenn man des N.s große Unruhe hat 223). Der Erforschung der Zukunft dienen zum Teil auch die nächtlichen Beschwörungen der Toten224). Auf eigene Art benützten schon vor 1700 die Litauer hierzu den Tag, an welchem die Seelenspeisung der verstorbenen Voreltern stattfand. Sie ließen die Speisen die N. über in einer verschlossenen Stube stehen. Fanden sie am Morgen die Gerichte unberührt, so bedeutete dies Glück für Menschen, Vieh und Felder, wenn nicht, so stand Unglück bevor 225). Aus der Witterung bestimmter N.e schließt man auf das künftige W e t t e r und auf das Gedeihen der Feldfrüchte. In Westböhmen heißt es : Christnacht viel Stern, viel Erdäpfel. Bekannt ist die Regel: Helle Metten — leere Scheuern, finstre Metten — volle Scheuern. Doch wird auch das Umgekehrte behauptet 226 ). Bezüglich des 25. März (Maria Verkündigung) sagt man: Wenn es in der „Frauennacht" gefriert, so friert es noch 40 N.e. Und man setzt hinzu: Wenn es aber in der Karfreitagsnacht gefriert, gehen 20 zurück227). Glückbringend ist der Regen in der Walpurgisnacht nach dem Spruche: R e g e n in der Walpurgisnacht H a t T e n n ' und Keller stets voll g e m a c h t

2 a 8 ).

Bei allem nächtlichen Aberglauben ist die D r e i z a h l (s. d.) wichtig, die besonders oft in Sagen begegnet. D r e i N.e h i n t e r e i n a n d e r erfolgt durch einen Traum 229), durch eine Stimme 230) oder durch eine Erscheinung selbst 2S1 ) die Aufforderung, eine arme Seele zu erlösen oder einen Schatz zu heben. Drei N.e selbst dauert oft das Erlösungswerk 232). Drei N.e hintereinander träumt dem Blinden, daß er an einem bestimmten Punkte, wo meist ein Heiligenbild steht, sein Augenlicht finden wird 233). Oder es wird jemand aufgefordert, eine Kirche

792

oder Kapelle zu erbauen 234). Drei N.e hindurch regt sich kein Blatt und singt kein Vogel an der Stelle, wo ein Totschlag geschah 235). Drei N.e lang muß man zu einem Kreuzweg gehen und mit geweihter Dreikönigskreide einen Kreis um sich ziehen, wenn man in der Mitternachtsstunde der dritten N. einen Angehörigen, der sich selbst ermordet hat, sehen will 236). In manchen Gegenden herrscht der Glaube, daß jeder Gestorbene drei Tage nach seinem Tode nachts in sein Haus kommt 237). Ist in drei aufeinanderfolgenden N.en das Klagemütterchen zu hören, so stirbt jemand im Hause oder es gibt sonst ein Unglück 238). Drei N.e lang speit die schwarze Henne (Kobold) Getreide 239). Endlich sei noch der schon seit dem 5. Jahrhundert bezeugte, vielleicht mit der gleichen altindischen Sitte zusammenhängende, auf Tob. 6, 19 ff. zurückgeführte Brauch erwähnt, daß sich Neuvermählte drei N.e lang des Beischlafes enthalten 240). Zuweilen spielt auch die Verdreifachung der Dreizahl, die N e u n z a h l , eine Rolle im Aberglauben, der auch Zeitangaben von neun N.en liebt 241 ). 208) J a h n Pommern 185 Nr. 233; M i i l l e n hoff Sagen (1921) 191 Nr. 284. Schätze „ b l ü h e n " bes. in der Johannisnacht, vgl. H e c k 209 210) s c h e r 361. ) W o l f Beiträge i , 236. Bartsch Mecklenburg 2, 162; Frischbier Hexenspr. 134; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 63; F F C . Nr. 31, 60 ff.; F o g e l Pennsylvania 194 Nr. 945. 2 1 1 ) F o g e l a . a . O . 200 Nr. 987; 204 Nr. 1018. 2 1 2 ) D r e c h s l e r 2, 60. 2 1 3 ) W u t t k e

399 ί· § 614 ff.; 416 f. § 647 f. 214 ) E b d . 353 ff. 215) § 529 ft. S e y f a r t h Sachsen 94 ff. 138. 2le) Seligmann Blick 1, 310; Kuhn u. 217) Schwartz 450 Nr. 381. Pfannens c h m i d Weihwasser 102. 218 ) L a u b e Teplitz 66. A u c h Medea g r ä b t in der N . die aus dem B l u t e des Prometheus entstandene wunderbare Wurzel al9) aus ( B e r t h o l d Unverwundbarkeit 54). S t r a c k e r j a n 2, 22 Nr. 280. a20 ) H e c k s c h e r 357 ff. 2 2 1 ) E b d . 355 ff. m ) J a h n Pommern 22S ) 224 ) 392 Nr. 500. Z f r V k . 1908, 242. W u t t k e 484 Nr. 773. Vgl. A b t Apuleius 2 1 6 ff. 225 ) Johann Arnold B r a n d t Reisen durch die Marek Brandenburg, Preußen, Churland (Wesel 1702) 81 = S t e r n Rußland 1, 74 f. 2 2 ·) J o h n Westböhmen2 20. 227 ) E b d . 49. 228 ) E b d . 73. 229 ) J a h n Pommern 82 Nr. 100; 301 Nr. 383. 23 °) Ebd. 291 f. Nr. 367 s . ; 298 f. Nr. 378. 3 3 1 ) E b d . 67 Nr. 83; 232 Nr. 2 9 1 ; 277 Nr. 346. 2 3 ! ) E b d . 250 Nr. 3 1 5 ; K ü h n a u Sagen 1, 270 f. 283 ) u.a. Jungbauer Böhmerwald 148 ff.

Nachteule—Nachtfrau (Nachtfräulein)

793 2M)

G r i m m Sagen 246. Vgl. auch S c h i l l e r Jungfrau von Orleans I, V. 665. 235) G r i m m Sagen 182. 23e) J u n g b a u e r Böhmerwald 229. 237 ) W u t t k e 469 § 747. 238) K ü h n a u Sagen 2, 60 Nr. 724. 23i ) P e u c k e r t Schlesien 236. 241 ) § 569. W e i n h o l d Neunzahl 14, 40 ff. Vgl. A b e n d , Mitternacht, Tag. Jungbauer.

Nachteule Wiggle.

s.

Eule,

Nachtkauz,

Nachtfahren (s. a. Nachtfrau). N. (nahtvaren) ist lediglich eine andere Bezeichnung für Nachtfrauen (nahtvrouwen) 1 ). Die N. erscheinen dementsprechend in derselben Funktion wie die Nachtfrauen, als nächtliche, nachtfahrende Geister, meist Zauberinnen oder Hexen 2), die sich im Gefolge der Holda, Diana, Herodias oder einer anderen Dämonin befinden 3 ), die mit der „(nacht)far" auf Kälbern und Böcken fahren 4) oder sich selbst in Tiere verwandeln 5). Der Glaube an die nachtfahrenden Strigen (Hexen) wird schon in Synodalbeschlüssen und fränkischen Kapitularien als unchristlich und sündhaft erklärt e ). Grimm zählt „nahtfarâ, nahtfrowâ, nahtritâ" als verschiedene Benennungen für Hexenfahrten auf 7 ), Laistner rückt den Glauben an die N. in nahen Zusammenhang mit dem Glauben an Perhta, Herodias und Diana 8), an die Bilweißen und die Hinbritten (d.i. Verzückte) 9 ). Für die „nahtvarn" setzt Heinrich v. d. Türlin die „nahtweiden" ein 1 0 ), und Grimm bringt den Namen „nahtfare" = Bezeichnung für den Abendstern mit der nachts ausfahrenden weisen Frau oder Hexe zusammen 1 1 ). Von den N. her sollen die drei Donnerstagsnächte vor Weihnachten den Namen „Fahrnächte" erhalten haben 1 2 ). Die helfende Funktion der N. erwähnt Wolfram im „Willehalm": ,,wil der (Machmêt) helfe spani, sô helfen in die nahtvarn" 1 3 ).

Durchaus elbischen Charakter nehmen die N. in der Sage von Edrik dem Wilden an, der N. in einem am Rande eines Waldes gelegenen Wirtshaus tanzen sieht und eine davon raubt M ). l)

*)

Vgl. S c h ö n b a c h Berthold v. R. 21 f. S. G r i m m Myth. 2, 882 ff.; L i e b r e c h t

794

Gervasius 144 f.; S o l d a n - H e p p e 1, 86 ff. 3) J a h n Opfergebräuche 107; G o l t h e r Mythologie 496 f.; S o l d a n - H e p p e 1, 88 f. 4) G r i m m 6) Myth. 3, 884. J a h n Opfergebräuche 108. *) S o l d a n - H e p p e 1, 178 f. ') G r i m m Myth. 2, 884. 8) G r i m m {Myth. 2, 884, Anm. 1) berichtet von dem Konzil von Angyra und der römischen Synode, daß beide die „nachtfahrende Diana und Herodias" erwähnen. 10) *) L a i s t n e r Nebelsagen 315. Ebd. 317. n) 12 ) G r i m m Myth. 2, 603. Liebrecht Gervasius 144 Anm. 2. 13 ) Vgl. L i e b r e c h t a. a. O. 144 Anm. 3; G r i m m Myth. 2, 884. 14 ) L i e b r e c h t Zur Volksh. 30, 54. Lincke.

Nachtfrau (Nachtfräulein). In der Nacht, die als Zeit der spukenden Dämonen gilt, treiben die N.en, gute und böse Naturgeister, ihr Wesen 1 ). Sie erscheinen als nachtfahrende Weiber und Hexen (s. a. Nachtfahren) in der Schar der Diana oder Herodias (s. d.) 2) und der Berhta 3 ), im Dienst der Frau Holda streifen N.en zu bestimmten Nächten auf Tieren durch die Lüfte 4 ). Die N. oder Herodias hat den Vorsitz bei nächtlichen Versammlungen der Hexen 5). Nach Jahn ist die Berhta, die er fälschlicherweise für eine ursprüngliche Göttin hält, zu einer nachtfahrenden Frau, einem elementaren Vegetationsdämon, herabgesunken e ), Grimm glaubt die N.en den weisen Frauen und Völven entsprungen '), R. M. Meyer sieht in der Bezeichnung „Nachtfräule" für Traumgeister eine zunehmende Vermenschlichung 8), und Berthold v. Regensburg versteht unter den N.en die felices dominae, die saligen Fräulein (s. d.) e ). Viele Züge haben sie mit den Holden gemeinsam. Als böser Hausgeist kommt die N. um Mitternacht und saugt an den Brustwärzchen der Neugeborenen, wodurch die Brustwarzenentzündungen entstehen 1 0 ), hierher stellt sich auch ihre Rolle als Kinderschreck 1 1 ), als gute Hausgeister erweisen die N.en den Menschen Wohltaten 1 2 ), insbesondere helfen sie gegen das Fieber 1 3 ). In den Alpen besteht der Glaube, daß, wenn in einem Haushalt Geschirr zerbrochen oder irgend etwas verlegt worden ist, dies wohl die N.en getan haben 1 4 ). Eine ähnliche Rolle wie die N.en spielen die Nachtfräulein (dominae nocturnae), sie wohnen in Bergen 1 S ), ihre Behausung,

das „Nachtfräuleinsloch", ist auf einen Vorhügel des Urschelbergs (Schwaben) lokalisiert w ). Sie sind klein, zierlich und wunderschön gebaut, haben glänzende Gesichter und schneeweiße funkelnde Kleider 1 7 ). Man wirft ihnen als Opfer einen Stein in die Grube, um sich vor Schabernack zu hüten 18 ), nachts gehen sie in die Häuser, essen und trinken und spenden dafür Fülle und Überfluß 1β ), oder sie spinnen an Winterabenden den Flachs ab 2 0 ). Im Allgäu wandeln in der Nacht vornehm gekleidete „Nacht-" oder „Waldfräulein" als verwunschene Burgfrauen umher 21 ), ebenso ist die alte Urschel der schwäbischen Sage ein solches Nachtfräulein, das in dem nach ihm benannten Berg auf seine Erlösung wartet 22 ). 1 ) G r i m m Myth. 3, 411 erwähnt ,,nahtfrowen". *) G o l t h e r Mythologie 496 f.; L i e b x e c h t Gervasius 144. ') J a h n Opfergebräuche 285. 4) G r i m m Myth. 2, 882; L a i s t n e r Nebelsagen 317. 5 ) M e y e r Baden 553. ·) J a h n

Opfergebräuche 285.

*) M e y e r

' ) G r i m m Myth.

Religgesch. 113.

Berthold v. R. 21 f .

10

·)

2, 872.

Schönbach

) B i r l i n g e r Aus

Schwaben

2, 238. " ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 250. Alemannia 10, 195. 1 1 ) G r i m m Myth. 2, 882 f. M ) W l i s l o c k i Magyaren τι. 14 ) V e r n a l e k e n Alpensagen

M

231.

l

*) S i m r o c k Mythologie

417.

) B o h n e n b e r g e r 5; M e i e r Schwaben 1, 4

N r . 2;

796

Nachtgeschrei—Nachtjagd, -jäger

795

I,

13 N r . 5;

Meyer

Germ.

Myth.

138. " ) M e i e r ebd. 18 ) M e i e r Schwaben 1, 4 Nr. 2. " ) ZföVk. 9. 186. «°) M e i e r Schwaben ι , 12; ι , 13. 11 ) R e i s e r Allgäu 1, 100 f. **) S i m r o c k Mythologie 417. Lincke.

Nachtgeschrei. a) Pavor nocturnus, das nächtliche Auffahren der Kinder unter lebhaftem Schreien, verursacht durch den sog. Nachtschaden, das Schreckmännlein 1 ). Vintler, Pluemen der Tugent ( V. 7971) : do new (zerstampfe) ich hie nu meins chindes maßleid und nachtgeschrai und alle mainzungen entzwai.

Das an N. leidende Kind wird an einem bestimmten Tage ins Freie getragen, in seiner Nähe ein Feuer angezündet, das dann die Beschwörerin mit einem Holzscheit schlägt s ). In Steiermark heißt es auch N a c h t weinen; es befällt das Kind, wenn das Mondlicht (s. Mond § 5, Spalte 503) in die Kinderstube fällt oder die Windeln dem Mondlichte ausgesetzt werden. Auch bringt man dem Kinde

das „Nachtschreiende", wenn man, in die Kinderstube tretend, sofort das Kleine ansieht, statt die Aufmerksamkeit vorerst auf andere Dinge zu lenken 3 ). Das „Nuochtskräsch" dauert in Siebenbürgen sieben Wochen 4 ). Nach Oberpfälzer Glauben soll man nach Gebetläuten die Kindswäsche nicht vor dem Hause hängen lassen, auch nicht an Sonn- und Feiertagen während dem Singads (dem gesungenen Amt) ; denn zu dieser Zeit fliegen weiße Tierchen und vergiften die Wäsche, daß das Kind am ganzen Körper voll Geschwüre wird und das N. bekommt s ). Die Mittel gegen das N. sind sehr zahlreich. Oft wird dagegen sog. „Ruhesaft" (Opium, Mohn) angewandt. In Niederösterreich legt man unter das Kopfpolster oft den sog. „Schlaf", d. h. den von der Rosengallwespe verursachten Auswuchs an den Zweigen der Hundsrose e ). b) N. heißt auch das wilde Heer (s.d.)'). 1

) H ö f 1er Krankheitsnamen

602. 603; H o -

v o r k a - K r o n f e l d 2, 646 ft. *) E b e r m a n n in ZfVk. 23 (1913). 13° f· 3 ) F o s s e l Steiermark 77. «) H i l l n e r 51 b 1. *) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 188 Nr. 15; ebenso Z i n g e r l e lttol 5 Nr. 29 (10). *) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 646. 647; 1, 222. ') F i s c h e r SchwäbWb. 4, 1907; R e i s e r Allgäu

2, 145.

χ, 59 N r . 42, 4; S c h ö n w e r t h

Oberpfalz

Bächtold-Stäubli.

Nachtgriff s. G r i f f 3, 1159 t. Nachthuri s. 5, 1778 s . 1804. 1807. Nachtjagd, -jäger 1 ) (s. a. wilder Jäger, wilde Jagd). „Nachtjagd" und „Nachtjäger" werden die „wilde Jagd" und der „wilde Jäger" nach dem Zeitpunkt genannt, zu dem der Dämon mit seiner Horde erscheint 2 ). 1

) Vgl. im ganzen A l f r e d E n d t e r Die Sage

vom wilden Jäger und der wilden Jagd.

Disser-

tation Frankfurt a/M. 1932. Gelnhausen 1933. S. dort (S. 59 fi.) das Verzeichnis der wichtigsten Sagensammlungen und Darstellungen, vgl. insbesondere P a u l D r e c h s l e r Die Sage vom N. in Schlesien, Globus 10 (1866), und R i c h a r d Kiihnau

Schlesische

E n d t e r a. a. O. 23.

Sagen

B d . 2.

*)

Vgl.

I. Die Nachtjagd. In einigen Sagen hat sich der Nachtjäger von semer Gruppe, der N., ähnlich wie der wilde Jäger von der wilden Jagd, losgelöst. Diese N., Nachtgjaid, Nachtgejaid, Nachtgejoad,

797

Nachtjagd, -jäger

Nachtgjoid, Nachtgejäg, Nächtliche Jagd, begegnet in der Schweiz, in Kärnten, Steiermark, Oberösterreich, Oberschwaben, Oberbayern, Oberpfalz, im Elsaß •und in Schlesien3). Nach einer Sage besteht die N. aus Seelen ungetaufter Kinder 4 ), aber als Grundform der N. kann man eine Kollektivität von Tieren annehmen5), denn die Sagen berichten von Katzengeschrei und Hundegebell und von Stimmen aller möglichen Tiere beim Nahen der N.e). In einer weiteren Stufe der Vermenschlichung erscheint das Gefolge der N. in Tier- und Menschengestalt. Es fallen Schüsse, und das Jagdhorn wird geblasen 7), es mischt sich Hundegebell mit Peitschenknall, Schüssen und grellen Rufen 8), dazwischen auch Seufzen, Stöhnen und Wehklagen von Frauen ·). Die N. erzeugt einen heftigen Windstoß10). Wenn schöne Musik ertönt 1 1 ) oder die N. beim Gelage angetroffen wird l a ), erinnert das an den Vorstellungskreis des Nachtvolks (s. d.). In einer Sage erscheint die N. ganz anthropomorph als Gesellschaft zahlreicher Männer, die die Holzdiebe verjagen 13 ). Man schützt sich vor der N., indem man sich auf die Erde wirft M ). Aber bei den meisten Berichten löst sich der Einzelne schon aus der Gruppe der N. heraus, als kopfloser Reiter 1S ), auf einem schwarzen Roß 1β ), als Mann mit großem Hut unter der Achsel 17 ) oder auf dem Kopf 1 8 ) oder in Gestalt eines Ochsen19). Auffallend sind die Sagen, die von einer Mehrheit von Nachtjägern sprechen 20).

798

2. Der Nachtjäger. Sein Verbreitungsgebiet ist die Schweiz (Kanton Freiburg), Böhmen, Elsaß, Rheinland, Sachsen, Oberund Niederschlesien, Posen, Polen 21 ), Brandenburg, Pommern (Rügen), Schleswig-Holstein und Schweden 22). Zwei Vorstellungskreise sind bei dem wilden Jäger wie bei dem N. zu unterscheiden: die primitivere Vorstellung des leichenfressenden Dämons, dessen Elemente bis ins Tierische hinabreichen, und die Vorstellung des höllischen und teuflischen Jägers. Aus beiden Vorstellungskreisen gewinnen wir sein Aussehen. Er wird einerseits übermenschlich beschrieben als Reiter oder Fußgänger ohne Kopf 2 3 ), auf einem Schimmel 21 ), einem feurigen kopflosen Bock 2S ), mit dem Kopf unter dem Arm 2e), als Zwerg zu Pferd mit brennender Pfeife 2? ), als feuriger Reiter auf feurigem Roß 2 8 ), andrerseits menschlich geschildert als Jägersmann in grünem Jägerskleid 2e ) oder grauem Rock mit vier Reihen Knöpfen 30 ), mit höhen Stulpenstiefeln, Flinte, Hirschfänger 31 ) und schwarzem Federhut 32 ), mit einem Stab in der Hand 33 ), als schwarzer Mann 34 ), als grüner, wilder Jägersmann, dessen schwarze lange Rabenhaare über sein marmorbleiches35) Gesicht hängen, mit Augen wie Blitze im Kopf 3 6 ). Er wohnt in einem herrlichen Schloß 37 ) und hat zwei Töchter 38 ). Da er mitunter als verwunschener Ritter vorgestellt wird, hat er dessen Attribute " ) . Als Gespenst ist er nicht allen sichtbar, aber man hört dann das Hunde3 ) S. Tabelle bei E n d t e r a . a . O . 11 ff. 4 gebell 40 ), dämonisch wie er selbst sind ) Bavaria 2, 236. Vgl. R a n k e lrjo. 2 i i 5 · 4 seine Tiere, die ihn begleiten: kopflose ) E n d t e r a. a. O. 45. ·) Bavaria 2, 236. ') L e n g g e n h a g e r Sagen 12. 8 ) P o l l i n g e r Rosse, die er beschlagen läßt u ), Hunde Landshut 119 Nr. 1 a. b. c. d. e; S c h ö n w e r t h mit Augen wie Feuerräder 42), dreibeinige Oberpfalz 2, 145. *) P o l l i n g e r Landshut 119 43 ), Pferde und Hunde ohne TSTr. ι c; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 146. 10 ) Ba- Hunde Kopf 4 4 ). Pfefde, die aussehen, als ob varia 2, 236; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 145. u ) R e i s e r Allgäu 1, 37; S c h ö n w e r t h Obersie brennen 4S), feurige kopflose Böcke **), j>falz 2, 146. 12 ) P a n z e r Beitrag 1, 37. I3 ) K ü h ein dreiköpfiges Pferd 47 ). n a u Sagen 2, 503. 14 ) P o l l i n g e r Landshut Das Gefolge des wilden Jägers besteht 119 Nr. ι a. c. d; 120 Nr. 1 f.; R e i s e r Allgäu aus der ruhelosen Schar der Toten, 37· 15 ) P a n z e r Beitrag 1, 124. l e ) R e i s e r Allgäu ι, 37. « ) ZfVk. 18, 183. " ) Ebd. 18, 182. denselben Toten, die nach anderen Be1 ") P a n z e r Beitrag 2, 67. 2 ) Fr. S i e b e r Wenrichten von dem wilden Jäger verfolgt dische Sagen (Deutsche Volkheit), Jena 1917, werden 48). Nur die Holzweibel 4 ·), MoosS. 68; G a n d e r Niederlausitz 5 Nr. 15. Vgl. E n d t e r 84 Anm. 136. leute, Waldwichtel, Rüttelweiber 60 ) und

799

Nachtjagd, -jäger

die „witten Wiwer" S 1 ) sind das Jagdobjekt des N.s für immer geblieben. Auf Rügen jagt er einen sechsjährigen Knaben und ein kleines Mädchen mit fliegenden Haaren, in welchem man eine damals verstorbene, sehr vornehme Dame erkannte 62), besonders gern nimmt er ungetaufte Kinder mit sich ss ). Das dem Dämon, dem N., attributive tiergestaltige Wesen kann auf eine frühere Erscheinungsform des N.s hinweisen M ). Fast jede Sage berichtet, daß zur Epiphanie des N.s der Hund gehört 56 ). Eine Spur, bei der der N. noch als Hund vorgestellt wird, zeigt eine wendische Sage se ). Eine zweite theriomorphe Wurzel des N.s ist die des Vogels S7). Als Raubvögel erscheinen die N. in der Niederlausitz 58 ). Oft führt der N. tierische Bezeichnungen wie Nachtrabe, Ewiger-, Feld-, Welt- und Waldhund oder Drâk 89 ). Hierher stellt sich, wenn auf Rügen der N. in Gestalt eines Drachen mit langem, feurigem Schweif dahinfährt eo ) oder in einer Greifenhagener Sage als Ritter Alke in der Gestalt eines Feuerrades wie der Drâk in der einer feurigen Kugel erscheint β1). Als dritte Vorstufe des Dämons ist das Pferd anzusehen ®2). Als pferdefüßiger Reiter begegnet der N. in Schlesien ea). Hund, Vogel und Pferd sind also die drei tierischen Vorstufen des späteren menschlichen Dämons, zu dessen Funktion daher auch das Verzehren von Aas, Menschen und Tieren, in jüngerer Zeit das bloße Zerreißen, gehört. Dem Spötter wirft der N. mit den Worten „Hoste helfa joan, Konnste helfa troan" M ) oder „Hilst du mit gejagt, kannst du auch mit essen" M ) ein Aas β β ), eine Hirschkeule ·') ein Viertel Pferd *8), einen haarigen, schmutzigen, entsetzlich stinkenden Pferdeschinken e9 ), ein Menschenbein oder die Hälfte eines Menschen 70) zum Fenster herein. Reizt man den N., indem man Steine nach ihm wirft 7 1 ), auf ihn schießt 72 ), den Hund gegen ihn hetzt oder sich nicht rechtzeitig vor ihm schützt, so stirbt man bald 74) oder es fällt ein Hagel von Hirschund Pferdegerippen hernieder 7B ), oder

800

der N. nimmt den Spöttern alle Räder vom Wagen weg 7 e ), wirft Fleisch ins Fenster 77 ), führt in die Irre 78 ), schießt nach denen, die ihm nicht aus den Weg gehen ™), dreht einem den Kopf um, daß das Gesicht nach hinten steht 80 ), oder man muß ihm zu Diensten sein 81). Er wird deshalb oft als Kinderschreck gebraucht 82). Mitunter erscheint er als gutartiges Gespenst, das die Menschen beschenkt, wenn sie aus Mitleid für seine arme Seele beten M ) oder seinen Hunden über den Graben helfen M ), oder die Holzdiebe verjagt M ). Man schützt sich vor dem N. und wehrt ihn ab, indem man sich auf die Erde wirft 8e ), sich ruhig verhält 87 ), drei Kreuze vor ihm macht 88), ein frommes Lied anstimmt 8e ), sich in die Nähe eines Kirchhofs begibt 90 ). Das Fleisch, das der N. in die Häuser wirft, wehrt man ab, indem man von dem N. Salz verlangt 91 ) oder einen Geistlichen beim Vergraben des Fleisches hinzuzieht 92 ). Fürsten und Edelleute, Förster, Jäger und Bauern werden wegen irgendwelcher Vergehen nach ihrem Tode in den N. verwandelt. Solche Substitutionen liegen vor bei dem Junker, der zur Strafe für seine Sonntagsentheiligung bis an den jüngsten Tag ruhelos jagen muß e3), bei dem Jäger, der bei Lebzeiten gewünscht hat, ewig jagen zu können M ), oder die Armen am heiligen Abend mit Peitschen zum Hof hinausgejagt hat M ), bei dem Zimmermann Got sehe, der gestohlen hatte M ). Auf Rügen behauptet man, der N. habe ursprünglich Hans Häger geheißen 97 ) oder sei der Ritter Alke ®8). Manche Sagen schildern den N. als Substitution eines ehemaligen Schloßherrn, der im Tode wegen böser Taten keine Ruhe gefunden habe M ), oder eines alten Heidenkönigs eines untergegangenen Schlosses100) oder eines Ritters, der einen Mord begangen habe 1 0 1 ). Auch der Teufel und Rübezahl werden mit dem N. identifiziert 102). In Ostmitteldeutschland, besonders in der Lausitz, kennt man den N. unter dem Namen Perndietrich oder Blauhütel, die Wenden übernehmen ihn als Dyterbjernat 10S ). Hier handelt es

Nachtigall

8οι

s i c h u m die S u b s t i t u t i o n eines s ä c h s i s c h e n Edelmanns, der während des Gottesd i e n s t e s g e l a c h t h a t 1 0 4 ) , d o r t u m die S u b s t i t u t i o n eines R a u b r i t t e r s 1 0 5 ) . 21 ) T e t z n e r Slawen 493. 22) S. Tabelle bei E n d t e r 11 ff. 23) D r e c h s l e r 1, 17; G a n d e r Niederlausitz 4 Nr. 12. 13; 6 Nr. 16; 10 Nr. 20; S i e b e r Wend. Sagen 68; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 61; K ü h n a u Sagen 2, 478; 2, 458. 462 f.; 468; G a n d e r Niederlausitz 8 Nr. 24. ä4 ) ZfVk. 3, 97; 26, 271. 25) G r o h m a n n 2β ) 77. ZfVk. 3, 96; Gander Niederlausitz 2; K u h n - S c h w a r t z 427; K ü h n a u Sagen 2, 185; 2, 460. 27 ) G a n d e r Niederlausitz 3 Nr. 9. 28) H a a s u. W o r m Mönch29) gut 94; ZfVk. 3, 97. G r o h m a n n 4; K ü h n a u Sagen 2, 508 f. 30) K ü h n a u Sagen 31 ) 2, 458. Ebd. 2, 508 f.; G r o h m a n n 4. 32 ) K ü h n a u Sagen 2, 458. 33) Ebd. 2, 34 497. ) Ebd. 2, 4 7 8 ! 35) Vgl. T a u b m a n n Nordböhmen 73. 3δ) Ebd. 76. 37) Ebd. 73 f. 38) K ü h n a u Sagen 2, X X X I . 474. 38) M e i c h e Sagen 422; ZfVk. 26, 271. 40) D r e c h s l e r 2, 158; K ü h n a u Sagen 2, 470; MschlesVk. 21, 149. 41 ) T a u b m a n n Nordböhmen 71. 42 ) Ebd. 72. 43) M e i c h e Sagen 425; L ü t o l f Sagen 462. 44) G a n d e r Niederlausitz 5 Nr. 15; 12 Nr. 35. 45) ZfVk. 3, 97. 4e) G r o h m a n n 77. " ) K ü h n a u Sagen 2, 478. 48) E n d t e r 35. 4>) ZfVk. 3, 96 f. ; K ü h n a u Sagen 2, 458; K u h n u. S c h w a r t z 427. s0 ) K ü h n a u Sagen 2, 181; G r i m m Sagen Nr. 271. 5 1 ) H a a s u. W o r m Mönchgut 94. 52 ) ZfVk. 26, 271. 63) R a n k e Sagen 1yo. 2 ι ΐ 5 · 54) E n d t e r 37. 6δ) G a n d e r Niederlausitz 5 Nr. 15; T a u b m a n n Nordböhmen 72; M e i c h e Sagen 422; G r o h m a n n 232; L ü t o l f Sagen 462; S i e b e r Wend. Sagen 68; M e y e r Germ. Myth. 245; H a u p t Lausitz ι, 129; K ü h n a u Sagen 2, 449. 185. 454 f. 456 f. 462 f. 466. 468. 473. 473 f. 474. 491; B a r t s c h Mecklenburg 1, 11 f. und viele andere Berichte. 5e) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 64. Vgl. 62, wo der N. in Begleitung eines großen Hundes erscheint, und die Sagen, bei denen zwei schwarze Hunde den N. begleiten ( K ü h n a u Sagen 2, 457 f.; G r o h m a n n 4), im übrigen s. E n d t e r 37 ff. " ) G a n der Niederlausitz 11 Nr. 30. 58) Ebd. 140 Nr. I i . Vgl. E n d t e r 41 ff. 59) E n d t e r 21. eo ) ZfVk. 13, 188. β1 ) ZfVk. 13, 188. Vgl. J a h n Pommern 72. 128. 153; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 164 Nr. 4; S t r a c k e r j a n 1, 458; K u h n u. S c h w a r t z 239 Nr. 265, 6. 62) E n d t e r 43 ff. 83Anm.i3o; H e l m Religgesch. 213. 63) D r e c h s ler 7; Globus 10, 241. Vgl. K ü h n a u Sagen 2, 449; G a n d e r Niederlausitz l o N r . 29; H a u p t Lausitz 124 Nr. 139; S i e b e r Wend. Sagen 68. M ) K ü h n a u Sagen 2, 489. , 5 ) G a n d e r Niederlausitz 3 Nr. 8. ββ) K ü h n a u Sagen 2, 453. 489. *7) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 63; S i e b e r Wend. Sagen 69; T a u b m a n n Nordböhmen 72. ββ) S i e b e r Wend. Sagen 69; K ü h n a u Sagen 2, 507 f.; G a n d e r Niederlausitz 11 Nr. 31. 32; 12 Nr. 36; G r o h m a n n 4; K ü h n a u

B ä c h t o l d - S t âubli,

Aberglaube V I

8θ2

Sagen 2, 508 f. 509. ·*) K ü h n a u Sagen 70) 2, 463 f. A n d r e e Anthropophagie 7; K ü h n a u Sagen 2, 491 f. 71 ) G a n d e r Niederlausitz 10 Nr. 28. 72 ) Ebd. 9 Nr. 25; 141 Nr. 25. ,3 ) K ü h n a u Sagen 2, 489. ' 74 ) Ebd. 2, 455. Vgl. ebd. 2, 457; G a n d e r Niederlausitz 9 Nr. 25. Vgl. 5 Nr. 12. ' 5 ) Ebd. 141 Nr. 25. '») Ebd. 2 Nr. 7. 77) K ü h n a u 2, 489 u. viele andere Sagen. 78) Ebd. 2, 473 f. 497 f.; D r e c h s l e r 2, 158. 7e ) K ü h n a u Sagen 2, 449. 80) H a a s u. W o r m Mönchgut 94. 81 ) K ü h n a u Sagen 2, 455. 457 f.; ZfVk. 3, 96. 82) K ü h n a u Sagen 2, 181; G r i m m Myth. 2, 782 Anm. 1; G r i m m Sagen Nr. 271. 83) H a a s u. W o r m Mönchgut 94. 84) ZfVk. 85) 3, 96. G a n d e r Niederlausitz 9 Nr. 26. I i Nr. 30; H a a s u. W o r m Mönchgut 94. 8e) K ü h n a u Sagen 2, 473. 476; G a n d e r Niederlausitz 2; G r o h m a n n Aberglaube 232; S i e b e r Wend. Sagen 69. 87) S i e b e r Wend. Sagen 69. 88) G a n d e r Niederlausitz 6 Nr. 19. Vgl. K ü h n a u Sagen 2, 508 f. 89) K ü h n a u Sagen 2, 452 f. 80) G a n d e r Niederlausitz 5 Nr. 13. 91 ) Ebd. n Nr. 32. 12 Nr. 36; K ü h n a u Sagen 2, 454. 463 f. 507; K u h n u. S c h w a r t z 427 und viele andere 82) K ü h n a u Sagen. Sagen 2, 491t. 496 f. 93) Ebd. 2, 478. 94) B a r t s c h Mecklenburg 1, I i f. Vgl. V e r n a l e k e n Mythen 41. 95) G r o h m a n n Sagen 77 ί. 9e) K ü h n a u Sagen 2, 494. 97) ZfVk. 13, 189. 98) Ebd. 13, 188. " ) L e n g g e n h a g e r Sagen 13. 10°) ZfVk. 26, 271. 101 ) S i e b e r Wend. Sagen 69. 102 ) K ü h n a u Sagen 2, 478. 462 f. 103 ) E n d t e r 24. 104 ) S i e b e r Wend. Sagen 69. l o s ) K ü h n a u Sagen 2, 445; M e i c h e Sagen 431. Zu den Substitutionen vgl. E n d t e r 51 ff. Lincke. Nachtigall. D e r N a m e c h a r a k t e r i s i e r t d e n V o g e l als N a c h t s ä n g e r i n : a h d . nahtigala, m h d . nahtegal. I h r schöner G e s a n g l i n d e r t die S c h m e r z e n u n d b r i n g t d e n K r a n k e n rasche Besserung, den Sterbend e n einen s a n f t e n T o d 1 ) . — I n B a y e r n h ö r t m a n L e u t e auf d e m L a n d e s a g e n , w e n n sie l e b e n s s a t t sind u n d ihres S i e c h t u m s los z u sein w ü n s c h e n , „ w e n n n u r die N. k ä m und tät uns auflösen". A u c h r u f t m a n g e r n die M u t t e r G o t t e s d a r u m a n , sie m ö c h t e die N . s c h i c k e n u n d d e n K r a n k e n z e i c h n e n z u m L e b e n oder T o d 2 ) . Vereinzelt werden ihrem Gesang W o r t e erotischer A r t u n t e r g e l e g t , so b e i V o r s f e l d e : ,,Tüt tüt tüt Mäken in den Busch, flugs wedder rut" u n d ,, Jung fernlock is nich wit, wit, wit, aber deip, juk, liebe de Deren" 3 ). N i c h t selten erscheint die N . als v e r d a m m t e Seele 4 ). — W e n n m a n d e r N . die J u n g e n r a u b t , fliegt sie z u e r s t ängstlich u m das Nest herum und sucht sie, u n d w e n n sie sie n i c h t finden k a n n , e r h ä n g t sie s i c h a u s G r a m a n e i n e m 26

803

Nachtkauz—Nachtschatten

Gabelaste (Böhmen)5). Nach Plinius verliert die N. gleich nach der Begattung ihre klare Stimme und verändert mit der Stimme auch ihre Farbe; sie paart sich zuweilen mit dem Spatz und läßt sich von ihm begatten 6). Nach Grimm 7 ) scheint der Mythus, daß sie ihre totgeborenen Kinder lebendig singe, nicht deutschen Ursprungs zu sein. In vielen Volksliedern erscheint die „Frau Nachtigall" als Botin der Liebe 8 ), und als Mahnerin9), in anderen wird sie wegen ihres verführerischen, leidenschaftlich aufregenden Gesanges angeklagt 10 ). Weit verbreitet ist die Fabel vom Wettstreit des Kuckucks mit der N. u ) . Seit der Antike gilt ihr herrlicher Gesang als glückliches Omen 1 2 ). 2) *) J ü h l i n g Tiere 247. Leoprechting Lechrain 79; G r i m m Myth. 3, 196; R o c h h o l z Sagen 2, 44. 3) Z f V k . 13 (1903), 93. 4) K u h n 5) G r o h m a n n Westfalen 2,75 Nr. 227. Aberglaube 71. 6) M e g e n b e r g Buch der Natur 183. ') Myth. 2, 568. «) W o l f Beitr. 2, 432. ») 10) K n o r t z K e l l e r Tiere 304Í. Vögel 259 f. 1 1 ) ZfdMyth. 3, 293. 12 ) H o p f Tierorakel 133. Schneeweis.

N a c h t k a u z . In einzelnen Gegenden Bezeichnung des Käuzchens (s. d.), im Elsaß Name eines Schreckgespenstes für Kinder 1 ). In England sitzt die Nachteule vor einem Morde unterm Fenster und schreit; ihm folgt der Nachtrabe (s. u.) 2 ). Martin-Lienhart ElsässWb. 1, 487. ä ) Thomas D e l o n e y Tage d. alten England 1928, 196. Peuckert.

N a c h t m a h r s. A l p (i, 283) und Mahr (5. 1508). Nachtrabe. 1. Der N.,ein eiserner Vogel 1 ), in dem Menzel 2 ) den Raben, Laistner den Ziegenmelker oder eine Eule (Strix aluco) 3) vermuteten, ist ein kinderschreckendes · Nachtgespenst 4 ), saugt Kindern das Blut aus 5 ), in Oldenburg der Teufel oder ein Teufelsspuk®), ein dämonisches Wesen 7 ), in Niedersachsen eine Erscheinungsform der wilden Jagd, Odinsjagd 8), oder der Spuk eines Fuhrmannes 9), der ewige Fuhrmann 8a), in Nordschleswig das Gespenst eines vornehmen Mannes, das jede Nacht als N. auffliegt, um das hl. Grab zu erreichen; das gelingt nie, da es vorm

804

Hahnenschrei wieder in Hagensholm sein muß 10 ) ; oder er ist ein verwünschter Märchenheld11). Der N. schreit in England unterm Fenster, und zwar vor einem Morde 12 ). Vgl. Habergeiß. l ) S c h a m b a c h - M ü l l e r 345; L e m k e Asphodelos 1914, 115. 2 ) Odin 211 f. 3) Sphinx 2, 251 ff. 257 ff.; vgl. auch Germania 31, 413. 414. *) M e i e r Schwaben 150; C u r t z e Waldeck 238. 6 ) D o b e n e c k Mittelalter 2, 51. e ) S t r a c k e r j a n ι , 312 (2, 164 Nr. 394) = L e m k e Asphodelos 1 1 5 ; G r ä s s e Preußen 2, 1058 f. ') W. G r i m m Altdän. Heldenlieder 1811, 79 ff. = R o s a W a r r e n s Dänische Volkslieder d. Vorzeit 1858, 54 ff. 8) S c h a m b a c h - M ü l l e r 345 f. 68 ff. = Laistn e r Sphinx 2, 222 f.; L i e b r e c h t Zur Volksk. 353; M a n n h a r d t Götter 132; Germania 27, 11; L e m k e Asphodelos 117. *) L e m k e Asphodelos 117. 9a) K u h n Westfalen 2, 76 Nr. 230; K u h n S c h w a r t z Nr. 222. 424; S c h a m b a c h - M ü l l e r 345. l l l ) M ü l l e n h o f f - M e n s i n g 534. u ) G r i m m 12 ) Heldenlieder 150 ft. Thomas Deloney Tage d. alten England 1928, 196.

2. Im Osnabrückischen wird ein Mensch, der nachts arbeitet 13 ), zu Silberg an der Verse, im Sauerland der, der Pfingsten zuerst austrieb 14), N. genannt. Das, wie die vielen variierenden Angaben über die mytholog. Seite (s.o.), zeigt, daß die Gestalt und ihre Bedeutung aus dem Bewußtsein des Volkes geschwunden ist. 13 ) Strodtmann Idioticon Osnabrugense 1756, 144. u ) K u h n Westfalen 2, 162 Nr. 455; Volk und Heimat (Wagenfeld-Festschr. ) 1929, 108. Peuckert.

Nachtschatten (Solanum nigrum). Zu den N.gewächsen (Solanaceen) gehörige Giftpflanze mit ei- oder rautenförmigen Blättern, weißer, radförmig ausgebreiteter Blütenkrone und schwarzen (bei Abarten auch grünlichen oder gelblichen) Beeren. Der N. ist an Schuttplätzen, an Wegen und auf Gartenland (als Unkraut) nicht selten anzutreffen 1 ). H ö f l e r 2 ) erklärt den Namen N. als „Nachtschaden", weil die Pflanze gegen die als „Nachtschaden" bezeichnete Krankheit helfen sollte. Nach ihm handelt es sich „um die Verkörperung eines germanisch-elbischen Unholdes in der Giftpflanze". Nach B r u n f e l s 8 ) wird das Kraut gebraucht „wider die Schäden die die hexen den leuten zufügen / und das Vff mancherley weiße / nach gelegenheit des widerfarenden Schadens / nicht On sonderliche superstición / und magia. Würt desshalb in sonderheyt

8o5

Nachtschwalbe—Nachtvolk

Nachtschatt genannt". In Steiermark ist der N. als „Mondscheinkraut" ein bäuerliches Mittel gegen Mondsucht 4 ). Gegen das Nachtweinen (Pavor nocturnus der Kinder) legt man den N. in die Wiege 5 ). Wenn man auf einen N. tritt, kann man sich eine Krankheit zuziehen e ). Bei den Rumänen wird der N. mit einer Beschwörung gegen geschwollene Drüsen gebraucht 7 ). *) M a r z e l l Kräuterbuch 328. 2 ) Krankheitsriamen 549; Botanik 96 f. 3 ) Kreutterbuch 1532, 205. 4 ) U n g e r u. K h u l l Steir. Wortsch. 465. 6) F o s s e l Volksmedizin 77. ·) S c h w e i z l d . 8, 1493. 7 ) S c h u l l e r u s Pflanzen 4 1 7 . Marzell.

Nachtschwalbe s. Z i e g e n m e l k e r . Nachtvolk (-schar) (s. a. Wilde Jagd, Totenheer, -volk). Die Volkssagen vom N . x ) gehören in den Sagenbereich von der wilden Jagd, aber die Auflösung des Sagenkomplexes der wilden Jagd in einzelne Vorstellungselemente ganz verschiedenen Charakters: Männliche neben weiblichen Gestalten, Tiere neben Menschen, Lebende neben Toten, ergibt die Notwendigkeit einer Trennung von der Vorstellung des Nacht- oder Totenvolkes, wenn auch die Sage solche Grenzen nicht einhält und die Namen „wilde J a g d " 2 ) , „wildes 3 ), wütendes Heer" 4 ) für beide Vorstellungskreise gebraucht. Diese Überschneidungen traten dann ein, als man die ursprüngliche Erscheinungsform der wilden Jagd nicht mehr verstand, als man ihre Kriterien, die Mischung der theriomorphen und anthropomorphen Vorstellungen und vor allem den Jagdbezug, d. h. die Verfolgung von Tieren und Menschen, vergessen hatte, Kriterien, die die Entwicklung der wilden Jagd in ganz andere Bahnen leitete, weil ihre Herkunft eine andere w a r 5 ) . Indem alle die Toten, die ehemals verfolgt und verzehrt wurden, Aufnahme in den Zug finden, enthalten in der Endvorstellung als wandernder Zug der Toten das Nacht- und Totenvolk dieselben Vorstellungselemente wie die wilde Jagd. Die wilde Jagd als die mächtigere nahm die Elemente des Toten- und Nachtvolkes in sich a u f e ) . Das

N.

ist

ausschließlich

in

Süd-

(-schar)

806

deutschland bekannt, in der Schweiz 7 ) (Berner Oberland 8 ), Graubünden·), 1 0 Wallis ), im Freiburgischen n ), St. Gallen 1 2 )), in Tirol 1 3 ) (Vorarlberg 1 4 )) und in Bayern (Allgäu) 15 ). Es seien die wichtigsten Vorstellungsformen und Züge zusammengestellt. Das N. erscheint als Zug von Seelen Abgestorbener, die im Geisterzug vorüberziehen l e ), meist als betende Prozession 1 7 ). Neben den Toten gehören zu ihm die Schatten noch Lebender, deren Tod aber bald zu erwarten ist 1 8 ). Überhaupt kündigt das Erscheinen des N.s einen Todesfall 1 9 ) oder den Ausbruch einer Pest 2 0 ) an. Wenn man in die Nähe des Zugs kommt oder auf das Klopfen an der Tür antwortet, muß man mitziehen 21) oder mittanzen 22). Lauscher werden bestraft, indem ihnen einer aus der Schar des N.s ein Messer oder eine A x t ins Knie steckt, die sie ein ganzes Jahr lang tragen müssen 23), oder sie verlieren für ein Jahr das Licht an einem Auge 24). Eine leise, seltsame Musik geht von dem N. aus 2 5 ), oft auch hört man ein leises Murmeln von Gebeten 2β). Unter lautem Tosen und Lärmen durchfährt das N. die Gegend 2 7 ), es liebt bestimmte Wege und Stege, über welche es zieht, einzelne unbewohnte Häuser und verlassene Alphütten sind seine beliebten Tummelplätze 2 8 ). Nachts führen sie Tänze auf mit Musik 2 β ) oder halten Gelage ab 3 0 ). Die Gestalten im Zug des N.s haben geisterhaftes Aussehen, meistens sind es schwarze Gestalten 31 ), abschreckende und scheußliche Wesen, die keinen Kopf haben oder ihn unter dem Arm tragen 32 ), Personen mit dreikantigen Köpfen, feuersprühenden Augen und krächzenden, nicht menschlichen Stimmen 33), die einen Lärm machen, der einem durch Mark und Bein geht M ). Ein großer schwarzer Mann mit einer Pfeife und einem Taktierstock geht dem Zug des N.s voraus s s ), oder es ist Eckard, der, in der Hand einen weißen Stab, als Warner vorauseilt und jedem rät, vor dem N. rechts auszuweichen 3e ). In einer St. Gallener Sage befindet sich in der Mitte der

8O7

Nachtvolk (-schar)

schwarzen Gestalten ein alle überragender weißer Mann mit Schlapphut 37). Manchmal durchstreift das N. in zwei Zügen, einem männlichen und einem weiblichen, die Gegend. Frau Holda und Berchta leiten, auf einem mit zwei Katzen bespannten Wagen daherfahrend, den weiblichen Zug 38). Mitunter hörte man auch neben dem Wege wildes Katzengeschrei, was deutlich die Mischung von theriomorphen und anthropomorphen Vorstellungen zeigt 39 ). Vor Verzauberung und Schaden durch das N. kann man sich schützen, indem man Weihwasser nimmt 40 ), sich ein Gebetbuch vor die Brust bindet und eine weiße, ungehörnte Ziege mitnimmt nach rechts ausweicht 42 ), Haus und Hintertür offen läßt, um dem N. den Weg nicht zu versperren 43), ein Haselnußstöckchen mit einem Zweig vom Holunderbaum zu einem Kreuz formt 44), ein Strumpfband unter dem rechten Knie lüftet 45), die Betglocke anschlägt 46), das Evangelium des hlg. Johannes betet 47), sich mit ausgespreizten Armen auf die Erde legt 48). Mehrfach kehrt die Sage wieder, daß das N. sich eine Kuh aus dem Stall holt, tötet und verzehrt. Die Kinder des Bauern dürfen mitessen, erhalten aber den Befehl, keinen Knochen zu zerbeißen. Als das N. die Knöchlein zusammensucht und in die abgezogene Haut der Kuh wickelt, fehlt ein Knöchlein. Die Kuh, die wieder lebendig gemacht wird, hinkt fortab auf einem Fuß 49). Von den Forschern, die mit der Grimmschule in der Volkssage einen verblaßten Mythus sehen, halten Vonbun und Wolf die Sagen vom N. für einen Mythus, der uns noch Götter und Göttinnen des Heidentums zeigt 80 ), und erkennen in dem mythischen Bericht Snorris von Thors Böcken (s. d.) 6 1 ) ohne weiteres die Sage von der durch das N. verzehrten Kuh wieder, übersehen aber dabei, daß die Erzählung von Thors Böcken ihrerseits bereits auf Motive sagen- und märchenhaften Charakters zurückgeht 52 ). Schon Mannhardt 53 ) wendet sich gegen die Anschauung Wolfs,

8θ8

daß diese Mythe von Thors Böcken eine ältere und echtere Gestalt als die deutsche Sage enthalte 53 ). Lütolf 64 ) sieht einen Unterschied zwischen N. und Totenvolk in einer viel ausgesprocheneren Beziehung des N.s auf eine bestimmte Gottheit, Wuotan, Thôrr, Perchta, Holda oder die Walkyrien 55). Die heutige Forschung hat sich weit von den Anschauungen der mythologischen Schule entfernt. 1 ) Die Bezeichnung „Nachtschar" für N. ist fast ausschließlich auf das Gebiet von Graubünden und Chur-Rhätien beschränkt, vgl. 2 ) Ζ. B. H e y l V o n b u n Beiträge 12. Tirol 709; M e y e r Germ. Myth. 245. 3) Ζ. B. M a n n 4) h a r d t Germ. Mythen 710. Mannhardt Germ. Mythen 57; V o n b u n Beiträge 2 ff; M a n n h a r d Götter 116 f.; H e r z o g Schweizersagen 2, 103. 5) E n d t e r Die Sage vom wilden Jäger und von der wilden Jagd. Studien über den deutschen Dämonglauben. Dissertation Frankfurt a. M. 1932, S. 32. 6) E n d t e r a. a. O 7) S. 46. V o n b u n Sagen 8; V e r n a l e k e n Alpensagen 407. 408. 409 ff. 179; Lütolf Sagen 447. 454; M a n z Sargans 131, 132; SchwV k . ι , 19; S A V k . 2, 163. (N. u. Totenvolk). ") M a n n h a r d t Götter 116; H e r z o g Schweizersagen ι , 129; 2, 103 ff.; 2, 225; M a n n h a r d t Germ. Mythen 769. 9) M a n η h a r d t Goiter 116; J e c k l i n Volkstüml. 6. 51. 92. 128. 231. 10 ) M a n n h a r d t Götter 116; R a n k e Sagen1 76 f. 2 107. u ) L ü t o l f Sagen 455. 12 ) B a u m b e r g e r St. Gatter Land 190; K u o n i St. Galler Sagen 55. 105. 191. 13 ) E. H. M e y e r Mythologie der Germanen 167. 14 ) Ebd. 167; G r i m m Myth. 3, 280. 15 ) R e i s e r 1β ) Allgäu ι , 47. 54. 56. Baumberger St. Galler Land 190; K u o n i St. Gatter Sagen 105. 191; H e r z o g Schweizersagen 2, 225. 1J ) K u o n i St. Galler Sagen 191; H e r z o g Schweizersagen 2, 225; M a n z Sargans 122. 18 131. S A V k . 2, 163. ) Herzog Schweizersagen 2, 225; M a n z Sargans 131; B a u m b e r g e r St. Galler Land 191 ; K u o n i St. Gatter Sagen 105. 19 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 710; B a u m b e r g e r St. Gatter Land 191; K u o n i St. Gatter Sagen 105. 191; H e r z o g Schweizersagen 2, 107. 2, 225. Man kann sich sogar selbst am Ende des Zuges des N.s erblicken und weiß damit, daß man bald stirbt V o n b u n Beiträge 8; S A V k . 2, 163; M a n z Sargans 131; SchwVk. ι , 19; K u o n i St. Gatter Sagen 105; L ü t o l f 20) Sagen 126. SchwVk. 1, 19; K u o n i St. 21 Gatter Sagen 105. ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 710; M a n n h a r d t Götter 116; J e c k l i n Volkstüml. 231; H e r z o g Schweizersagen 2, 107. 22 ) Vgl. 2, 108. Jecklin Volkstüml. 231. 2S) V o n b u n Sagen 36. 38. Vgl. V o n b u n Beiträge 9. 24) V o n b u n Sagen 35. 36. Vgl. V o n b u n Beiträge 9. 25 ) V o n b u n Sagen 37. Vgl. V o n b u n Beiträge 3 ff.; M a n n h a r d t Germ. Mythen 709; E. H. M e y e r Mythologie der Germanen 167; J e c k l i n Volkstüml. 128. S A V k . 2, 163; L ü t o l f Sagen 447; ZfdMyth.

Nachtwächter 2, 52; R e i s e r Allgäu x, 47. 56. Das N. lehrt das Musizieren ( V o n b u n Beiträge 3. 7). ΐ β ) K u o n i St. Galler Sagen 55. 105. 191; M a n z Sargans 122. 131. 27 ) H e i s e r Allgäu 1, 54; V o n b u n Sagen 37. Vgl. V o n b u n Beiträge 3. 8; H e r z o g Schweizersagen 2, 104. 28) V o n b u n Beiträge 2 f.; H e r z o g Schweizersagen 1, 129; 2, 103 f.; J e c k l i n Volhstüml. 529 f. R a n k e Sagen 2 io7 f. ι 7θ f. ZfdMyth. 2, 52 f.; H e y l Tirol 709; J e c k l i n Volhstüml. 128. 231. 30) H e y l Tirol 709; H e r z o g Schweizersagen ι, 129; ZfdMyth. 2, 53. 31 ) M a n z Sargans 131; K u o n i St. Galler Sagen 191; J e c k l i n Volkstüml. 231; V o n b u n Beiträge 3. 32) V o n b u n Beiträge 8. 33) J e c k l i n Volkstüml. 128. 34 ) V o n b u n Beiträge 8. 35 ) Ebd. 10. 3β) H e r z o g Schweizersagen 2, 103; J e c k l i n Volkstüml. 530. Vgl. E n d t e r a. a. O. S. 27. 37) K u o n i St. Galler Sagen 191; M a n z Sargans 131. 38) H e r z o g Schweizersagen 2, 103; J e c k l i n Volkstüml. 529; V o n b u n Beiträge 2 ff. 38) R e i s e r Allgäu ι, 54. Hierher gehört die Sage, in der eine Menge Katzen nachts für das N. Wein herbeischleppen (ZfdMyth. 2, 53; V o n b u n Sagen 35· Vgl. V o n b u n Beiträge 10). 40) V o n b u n Beiträge 3 f. 41 ) Ebd. 9. 42) Ebd. 12; M a n z Sargans 131. 43) V o n b u n Beiträge 2. 44) Ebd. 12. 45) Ebd. 10. 4») H e y l Tirol 709. 47) R a n k e Sagen 2108. 48) V o n b u n Beiträge 12. 4 9 )Mannh a r d t Götter 117. Vgl. ZfdMyth. 1, 71; M a n n h a r d t Germ. Mythen 57ft.; V o n b u n Beiträge 4 ff.; V o n b u n Sagen 34. 38; V e r n a l e k e n Alpensagen 407 ft.; J e c k l i n Volkstüml. 51; H e r z o g Schweizersagen 1, 129. 2, 104. 5) ZföVk. 6, 211; ZfVk. 12, 15; 14, 26. 69) Mélusine 10, 55 (Polen); K ü h n a u Sagen ι, 169 f. (Polen); ZfVk. 8, 331. '») H e r t z Werwolf 123; MschlesVk. 11, 73; Z e l e n i n Russ. Volksk. 393 f.; ZfdMyth. 4, 268 f.; SudetZfVk. 1, 116; 2, 49 ff.; S c h i n d l e r Abergl. 30; Mélusine 10, 58; H o v o r k a - K r o n f e l d ι, 429 f. 71 ) Curieuse ... Relation . . . . 1732, 6. Auf S. 64 f. erinnert der Verf. auch an den Passus der Excommunicationsformel der griech. Kirche: du sollst „in Ewigkeit nicht zu Aschen werden, sondern wie Stein und Eisen u n v e r 72) L ö w e n s t i m m w e s s l i c h liegen". Aberglaube 96 f.; ZfdMyth. 4, 267. 73) Z e l e n i n Russ. Volksk. 393 f.; ZfdMyth. 4, 198 ff.; ZfVk. 7, 249. 74) ZfVk. 16, 96; ZfdMyth. 4, 269 f.; Urquell 3, 331 ff. 7S) ZfdMyth. 4, 198 ff. " ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 427. " ) Ebd. 1, 426. 78) G r o h m a n n 191; vgl. ZfdMyth. 4, 266. 79) ZfdMyth. 4, 1980.; A n d r e e Parallelen 1, 80 ff.; ZfVk. 8, 331 ff.; S é b i l l o t Folk-Lore 4, 240; H e r t z Werwolf 124; Mélusine 10, 59; S e e f r i e d - G u l g o w s k i 192; ZfVk. 21, 402. 80) L ö w e n s t i m m Aberglaube 96 f.; ZfVk. 81 ) 14, 25. M a n n h a r d t Aberglaube 13. 8S!) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 4 2 9 ! ; ZfdMyth. 4, 270 f.; H e r t z Werwolf 124; M e y e r Aberglaube 346; ZföVk. 16, 210. 8S) ZfdMyth. 4, 268. " ) Z e l e n i n Russ. Volksk. 394; ZfVk. 8, 331. 86) ZfdMyth. 4, 264 f.; Urquell 2, 12. M ) ZfVk.

823

nackt, Nacktheit

14, 25; H o v o r k a - K r ö n fe Id ι, 430; SAVk. 10, 32; ZfVk. 14, 325. « ) H o v o r k a - K r o n f e l d ι, 429!; MschlesVk. 12, 181; ZfdMyth. 4, 266; H e r t z Werwolf 124; Journ. Anthr. Instit. 15, 66; L i e b r e c h t Zur Volksk. 65; M e y e r Aberglaube 347. 8e ) H e r t z Werwolf 125 f.; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 427 f. ">) Melusine 10, 58; ZföVk. 16, 210; S e e f r i e d G u l g o w s k i 192; L ö w e n s t i m m Aberglaube M 96 f. ) Mélusine a. a. O. ; ZföVk. a. a. O. ; 9l ZfdMyth. 4, 260. ) Mélusine 10, 59; M a n n h a r d t Aberglaube 13. m ) ZfVk. 14, 26 f.; L ö w e n s t i m m Aberglaube 96 f.; ZfdMyth. 4, 264 f.; S e e f r i e d - G u l g o w s k i 191. , 3 ) M a n n h a r d t Aberglaube 13; H e r t z Werwolf 125. M ) ZfVk. 14:324. »5) A n d r e e Parallelen 1, 90 ff. (doch nicht alle Vampir!); L i e b r e c h t Zur Volksk, 35 f.; W i l h e l m Chines. Märchen 202 f.; K l e i n t i t s c h e n Mythen u. Erz. d. Melan. 223; O l d e n b e r g Rei. d. Veda 569. 9β) P e c h u ë l L o e s c h e Loango-Exped. III, 2, 317 f. 97) W e i k k e r Seelenvogel 3; O t t o Manen 33; vgl. R o h d e Psyche 1, 270; 2, 363. Geiger.

824

zige; das gilt auch für die in den neunziger Jahren epochemachende und auch heute noch staunenswerte Abhandlung des Altmeisters W e i n h o l d ; er begeht wie seine Nachfolger den methodischen Fehler, daß er all die verschiedenen Arten von N.sein, die wir bei den verschiedensten Gelegenheiten treffen, auf eine einzige Wurzel zurückzuführen versucht: Glücklich prägt er den Terminus „rituale Ν.", die er also erklärt: „Man muß zunächst die Handlungen, bei denen die rituale Ν. gefordert wird, als das beurteilen, was sie ursprünglich waren, als gottesdienstliche Akte, durch welche die Gnade der Gottheit, ihr Segen für das Leben in Menschen, Tieren und Gewächsen, ihr Schutz gegen feindliche Kräfte und Wesen erwirkt werden sollte. nackt, Nacktheit. Zu solchen Zwecken mußte sich der I. Allgemeines: Bisherige Theorien über die bittende und opfernde Mensch in mögN. 2. Materialfundierung, der Begriff γυμνός lichster Ablösung von dem unreinen, ge— nudus. N. in R e c h t u n d B r a u c h : wöhnlichen Leben nahen (vgl. Gesemann : 3—7 : 3· N. bei Untersuchung. 4. N. Der n.e Mensch streift die irdische Hülle in Strafe und Buße. 5. N. und Erniedrigung. 6. u. 7. N. sehen. G e f a h r u n d m a g i ab) 2). Wie in dem römischen Kultus s c h e K r a f t d e r N. 8—14: 8. N. und die die castitas von dem Beter und Opferer Gefahr der Behexung. 9. N. als Apotropaion. gefordert wird, so überhaupt in den 10. N. bei apotrop. Reinigungskreis. 11. Reiniältesten Religionen. Der naive Ausdruck gungsumgänge in Haus und Feld. 12. Reinigungsriten ohne Umkreisung. 13. N. der Dämodavon ist die Abstreifung der Gewänder nen, Zwerge, Hexen und Gespenster. 14. N. bei und der Schuhe" 3 ). Mit dieser Erklärung Verwandlung und Lösung des Zaubers. N. im berührt sich im allgemeinen Wuttke's K u l t : 15—20. 15. Der n. Gott. 16. N. der Ansicht 4). Weinhold's Definition genügt Priester und Priesterinnen. 17. N. bei Prophétie, Inkubation, Mysterien, gotterfüllter für die auf dem Opferkult beruhenden Raserei (N. der Kämpfer). 18. N. bei Libation, Riten durchaus, aber „damit sind wohl Gottesdienst und Bittgängen. 19. N. bei Frühkaum schon alle Wurzeln des Brauches lingsfeiern, Umzügen und Tänzen. 20. N. bei aufgedeckt", wie Samter in seiner ruhig Trauerriten. N. b e i Zauberhandlungen abwägenden Besprechung der Erklärungsj e d e r A r t u n d in d e r s c h w a r z e n M a g i e : 21—30. 21. N. bei allgemeinem Zauber. 22. N. versuche der N. mit Recht betont 5 ). beim Liebeszauber. 23. N. im Liebesaugurium. Uberhaupt scheidet Weinhold zu wenig N. i m F r u c h t b a r k e i t s ü b e r t r a g u n g s - u. die Opfer- von den Zauberhandlungen; A n a l o g i e z a u b e r : 24—27. 24. N. beim daß allerdings auch hier der Unterschied Übertragungszauber der Frauen und Eheleute. 25. N. beim Feld- und Ackerzauber. 26. N. gar nicht so einfach ist, zeigen die Aufbeim Regenzauber. 27. N. beim Tauzauber. sätze von K. Th. Preuß 6 ) und R. M. 28. N. beim Setzen und Holen der Kräuter. Meyer 7 ). Die andere Deutung Wein29. N. im Heilzauber. 30. N. im Exorzismus holds ist durchaus gesucht: „Der n.e und Gegenzauber. 31. N. und Träumen. 32. N. Mensch setzt sich in den Zustand des und Tätowierung oder Bemalung. 33. Ersatz für N. 34. N. in Märchen, Erzählung und noch nicht bekleideten, von dem Leben Schwank. 35. Thesen über den Ursprung der N. noch nicht befleckten Kindes. Er nähert I. A l l g e m e i n e s : Die T h e o r i e n ü b e r sich aber andererseits den göttlichen die N.: Von den bis jetzt erschienen Ar- Wesen, besonders der unteren Stufe, beiten über das N.sein bei den verschie- welche eine Vermittlung zwischen Himdensten Bräuchen, Opfern, Riten und mel und Erde bilden und mit den vom Leibe Zauberhandlungen befriedigt keine ein-

825

nackt, Nacktheit

getrennten Seelen zusammenhängen ". Wer also eine über eine menschliche Kraft reichende Handlung vollziehen will, den Göttern gleich wirken möchte, versetzt sich in ihre Erscheinungsform, wird n. 8 ). Auf einem solch abstrahierenden Denkprozeß kann der Brauch der N. nicht beruhen, und dann nur die eine Gegenerwägung: seit wann und warum stellen sich die Menschen die Götter n. vor? welche Motive hat die N. vor der anthropomorphen Periode? Mit Recht macht Samter dagegen Front '). Vor Weinhold hat G. L. Gomme gelegentlich der Behandlung der Godiva-Legende die N. „as a survival of a rude prehistoric cult" bezeichnet, eine etwas allgemeine, aber unanfechtbare Definition 10). Hartland u ) , Rieh. Helm 12) und W. Crooke13) leiten den Ursprung der ritualen N. aus der apotropäischen Wirkung des gestus obscenus ab; Crooke sagt: It (the nudity part ol the ceremony, gemeint ist der Ritus der Godiva-Legende) may possibly be based on the theory that spirits dread indecency or rather the male and female principles". Das ist keine falsche Auffassung, wie Weinhold 14 ) meint: „Sie ist einseitig, aber nicht falsch ..., da die N. nicht immer und überall für indezent gegolten hat" 15). Sie erklärt nur einen Teil der Erscheinungen. Neuerdings formuliert Crooke seine Ansicht über die N.: Social or religious custom, or possibly in some cases the influence of taboo, enforce the habit of nudity 16 ). Die Theorie von Frazer 17 ) soll behandelt werden, wenn wir die Ν. bei Trauerlällen und deren Herleitung diskutieren. Nach Kroll 18 ) und mit ihm Wächter 19 ) erklärt sich die N. aus der Furcht vor der hemmenden Wirkung des Gewandes. Smith sagt, daß die Kleider durch den Gebrauch im Kult heilig werden und im gewöhnlichen Leben nicht mehr gebraucht werden können 20) ; daher zieht man die Kleider bei Riten aus. Heckenbach 21 ), der viel Material vorlegt, aber, wie Deubner in seiner Erwähnung22) betont, die richtige Durcharbeitung vermissen läßt, legt sich auf keine bestimmte Deutung mit Recht fest. Heyck leitet die N. ausschließlich aus dem Opferkult

826

her, wo die demutsvolle N. vor der übersinnlichen Macht, die sichtbare äußere Bescheidenheit und Niedrigkeit im Verzicht auf die ranggebende und schmückende Kleidung rituell gefordert wird 23 ). Ähnlich vermutet Rhys 24), daß die N., welche ein häufiges Symbol der Unterwerfung unter den Sieger ist, eine ähnliche Bedeutung in den religiösen Riten erhält. Culloch 25) meint darauf „but the magical aspect of nudity came first in time" (vgl. aber § 35). F. S. Krauß hält die mystisch-erotischen Vorstellungen für die Haupt quelle der ritualen N. 2 6 ). Ihm schließt sich Stoll 27 ) an. An einer andern Stelle sagt Krauß, die N. gehe auf die Zeiten zurück, wo der Mensch n. war und seine Aidoia unverhüllt zeigte; die Geister der Primitiven erschienen ebenfalls n.; daher kann man mit diesen nur n. in Verbindung treten; der Primitive hilft sich, indem er die Kleider verkehrt anzieht, das Gesicht mit Farbe beschmiert oder eine Maske aufsetzt 27a ). Keine der verschiedenen Erklärungen ist allein richtig, aber sie alle enthalten einen Teil des Richtigen, vielleicht mögen außerdem noch andere Vorstellungen hineinspielen ; religiöse Bräuche sind eben nicht immer aus einem Motiv hervorgegangen 28). Die Erklärung von Gomme ist zu allgemein und die von Schierghofer gelegentlich der unnötigen Parallelen zur Tölzer Leonhardifahrt ist reichlich naiv, wenn er die N. beim Pflugumzug also deutet 29 ) : Die N. sollte offenbar die ungehinderte Unmittelbarkeit der vom Menschen ausgehenden Segensfülle ermöglichen. 1) Ritus; vgl. D l i m i e r im Philologue 56 N F . 10,5. 2) Regenzauber 18. *)1. c.4. 4) In der ersten Auflage (i860) sagt W u t t k e § 249: Der Grund ist ein ähnlicher wie bei Bevorzugung der Dämmerung; der Mensch muß das Alltägliche dem natürlich-bürgerlichen Leben Gehörige, und gewissermaßen seine Einzelheit abstreifen und in einem gewissen Sinne opfern, um unbehindert in den allgemeinen Zusammenhang des Alllebens einzutreten; muß das für gewöhnlich Verborgene offenbar machen, um das verborgene Walten des Schicksals und der Natur offenbar zu machen; mit dem Abstreifen der leiblichen Hüllen fallen auch die Hüllen des Geistes, des Schicksals und des geheimnisvollen Alllebens;

827

nackt, Nacktheit

es liegt eine t a t s ä c h l i c h e Poesie d a r i n u n d h a t in m a n c h e r B e z i e h u n g eine ä h n l i c h e B e d e u t u n g wie d a s P r e i s g e b e n d e r J u n g f r a u s c h a f t in m a n c h e n h e i d n i s c h e n Religionen. Ε . H . M e y e r h a t diese Definition u n a n g e t a s t e t gelassen, o b w o h l sie zu sehr v o m m o d e r n e n F ü h l e n u n d D e n k e n a b s t r a h i e r t ist. 5 ) Geburt, Hochzeit und Tod 1 1 4 . «) A R w . 9, 95 fi. ' ) L . c. 418 ff. 8 ) 1. c. 5.

*) 1. c. 1 1 4 .

10 )

Ethnology

in

Folklore

n 39. 177; vgl. Z f V k . 21, 158. ) Hastings 9, 830. l a ) J b . f. klass. Philologie S u p p l . 19, 507. 13)

Northern

India

(1894), 40;

ä h n l i c h h e i ß t es

a u c h bei J . A. D u l a u r e Die Zeugung in Glauben, Sitten

u. Bräuchen

der Völker

(1909) 167 ü b e r

d e n N a c k t h e i t s z a u b e r : W e n n m a n sich a b s i c h t lich z u m Z a u b e r n. a u s z i e h t , so will m a n d a m i t auf e i n m a l die g a n z e S c h a m g e g e n d u n d d a s G e s ä ß gegen die Geister ins T r e f f e n f ü h r e n , n a c h d e m Z a u b e r a b e r kleidet m a n sich a n , sonst w i r k t er nicht, vgl. 181. u ) 1. c. 4. 15 ) 1. c. 119. le ) J A J · 49 (1919), 250. vgl. 244. 17 ) J A J . 15, 98; S c h u r t z

Kultur

387.

18)

Aberglaube

21;

ebenso B o e h m De symbolis Pythag. 9 ff.; die Kleider, die d u r c h den alltäglichen G e b r a u c h o d e r die D ä m o n e n u n r e i n sind, legt m a n a b : A n r i e h Mysterienwesen (1894) 15; W ä c h t e r 1. c. 2 ff. 19 ) Reinheit 24; vgl. H e c k e n b a c h De nuditate

sacra 3.

20 )

Religion

der

Semiten

(1899) 432 ff.; vgl. H e c k e n b a c h 1. c. 5; W ä c h t e r 1. c. 24. 21 ) 1. c. 2—7. 22 ) A R w . 20, 418. H e y k Gaia. L a h r 1928, 181. 24) The Arturian Legend (1891) 180. ) MacCulloch The Religion of the ancient Celts (1911) 276 A . 25

2e)

Volkforschungen 99; A n t h r o p o p h y t e i a 1, i f f . ; 4, 160—226; 6, 212; D u l a u r e 73 u n d p a s s i m ; I . B l o c h Das Sexualleben

unserer Zeit ( Β . i g o 8 )

passim. E n t s p r e c h e n d seiner g a n z e n E i n s t e l l u n g b e t o n t K r a u ß die B e d e u t u n g d e r erotischen N . zu sehr, a b e r die erotische W u r z e l ist, wie wir sehen w e r d e n , sehr s t a r k u n d b r e i t . 2 ' ) S t o l l Geschlechtsleben 700. 27 ») A n t h r o p o p h y t e i a 6 , 2 0 7 . 28 ) S a m t e r I . e . 119 ff. 2®) B a y r H e f t e 8, 14 ff.

2. Bevor wir versuchen, die Wurzeln der für Ritus und Zauber ungemein wichtigen N. auszugraben, soll das Material vorgelegt werden. Hier ist eigentlich jede Gliederung falsch und anfechtbar, da wir keine festen Grenzen und zu oft fluktuierende Übergänge haben, aber sie ist nicht zu umgehen. Wenn irgendwo, so muß man hier die Bräuche der Primitiven heranziehen, besonders wenn N. und Tätowierung zusammenfallen; hier kommen die Pubertätszeremonien in Frage; über deren Geheimriten und deren Sinn sind wir leider nur sehr dürftig, meist durch subjektive Ausdeutungen unterrichtet. Eine andere Schwierigkeit liegt darin, daß in den Quellen der Ausdruck γυμνός, nudus,

828

n., nicht immer in seiner Bedeutung klar ist; wenn beim Reinigungsritus (wichtig für den Ausgangspunkt der N. beim Durchkriechen) des „sub iugummittere" 30 ) oft von den „nudi sub iugum missi" 31) gesprochen wird, so zeigt schon der Appiánsche32) Ausdruck: συν χιτωνίακψ μάνφ, daß nudus hier heißt :, ,ohne Waffen' ', nicht wirklich n., wie Zachariae 33) offen läßt; ganz wie in einer schwäbischen Quelle „nackete Leute ohne Harnisch" sind M ). Oft heißt nudus auch „mit einer leichten Tunica bedeckt", so von einem Henker in den Märtyrerakten 35 ). Wir müssen also von Fall zu Fall diese Schwierigkeit beachten. 30

) Z a c h a r i a e Kl. Sehr. 287—300.

31

)

Li-

v i u s 3, 29, 1; 10, 36, 14; z u d e m w a r bei d e m parallelen tigillum s o r o r i u m d e r H o r a t i e r verh ü l l t : L i v . ι , 26, 13; ü b e r γυμνό; in diesem Sinne vgl. bes. D ö l g e r Der Exorzismus im altchristlichen

Taufritual

( = Studien

zur

Ge-

s c h i c h t e u n d K u l t u r des A l t e r t u m s 3, 1 — 2 ) P a d e r b . 1909, 108 ff. 32) Punica 73. 33 ) 1. c. 34 287 Α. I. ) F i s c h e r SchwWb. 4, 1919. 35

) Ruinart

Acta

martyr. Ratisbonae

516.

3. N. in R e c h t und B r a u c h : a) N. bei U n t e r s u c h u n g . N. geht man zum Gottesurteil, n. geht man zum Bahrgericht : Bei der Hexenwasserprobe3β) wird zwar die N. nicht immer betont, aber die Abbildungen zeigen den Brauch klar, so ein Holzschnitt aus dem 16. Jh.37) ; Prätorius betont diesen Brauch besonders 38 ). Die Berner Chronik berichtet im Jahre 1503 über einen Fall: daß man das wib ... sollte usgraben, uf ein baar legen und ihne b e s c h o r e n und n a c k e n d darüber führen 39). Heyck bringt in seiner Gaia den Holzschnitt, der diese Szene darstellt 40 ). Einen anderen Fall bringt das Luzerner Formelbuch zum Jahre 1542: Den Verdächtigen schor man am ganzen Leibe, „damit er keine Zauberei im Haar verborgen trüge"; bei der Probe war er n. bis auf ein neues Untergew'and und trug ein geweihtes Licht in der Linken 41 ). Hier haben wir auch die einfache Begründung der N. in den Rechtsbräuchen. Weinhold deutet hier die N. als eine Verstärkung des Wunderbaren 42 ). Indessen soll in diesen Fällen die N. zusammen mit dem Scheren der Haare verhüten, daß der Verdächtige irgendwelche Zauber-

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mittel versteckt an sich trägt. Hierher gehört auch das Scheingehen in Niedersachsen: der Angeklagte mußte n. zu dem Schein treten, d. h. er wurde vor die dem Leichnam abgehauene Hand geführt 43). N. mußten die Hexen untersucht werden: Besonders klar ist eine Stelle in der Recollectio über den Prozeß gegen die Valdenser (1460) in Arras 44) : deberet omnino exui vestimentis suis radi et visitari in partibus omnibus, deberent ungues praescindi (damit kein geheimes Zeichen oder ein Hilfsmittel des Teufels verborgen bleiben kann). N. wurden auch in Frankreich die beiden Eheleute vom Scheitel bis zur Sohle untersucht, bevor man mit ihnen bei Scheidungsklagen die Potenzprobe vornahm, um zu verhüten, daß sie zauberische Mittel gebrauchten 4S). Einen anderen Charakter hat die N. bei dem Schwur unter dem Rasenstück 46 ). Neben einem von Weinhold behandelten Fall 4 7 ) kommt vor allem „die Forma des Zeugen-Eyds in Gräntzsacheen" in Frage: Die Pauersleute aber sollen sich bis aufs Hemde ausziehen, Wehre und Messer von sich legen und soll zu ihrer Vereydung ein Grab Kniehes tief gegraben werden, darinnen ein jeder Zeuge auf bloßen Füßen knieende einen Rasen auf seinem Haupte (das deutet auf offiziellen Zauber) 48 ) haltend den hierobgeschriebenen Eyd leisten soll 49). Anders aufzufassen ist der Schwur beim n.en Phallus in Ägypten 50) und in Wales 51 ). Wie in dem zweiten Beispiel der Bahrprobe ist auch beim Eid in Grenzsachsen die Barfüßigkeit, das Hemd tragen und die Lösung des Gürtels ein Ersatz für die völlige N., welche hier die Feierlichkeit der Zeremonie verstärkt 52 ). Ganz einfach wie bei den anderen Rechtsbräuchen ist auch eine Bestimmung im antiken Recht zu deuten, welche den betrifft, der in einem Hause nach ge» stohlenem Gut forscht 63 ): γυμνός [ή] χιτώνισχον εχων άζωστος. Schon der Scholiast 54) erklärt die Maßregel damit, daß der Untersuchende verhindert werden soll, aus Bosheit das gesuchte Gut zu verstecken; schon mehr deutet der Römer in den Brauch hinein 55) : ut qui quaerere

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velit, nudus quaerat, linteo cinctus lancem habens, cum quasi muñere d i v i n o quaesitor fungeretur. Heckenbach möchte diesen antiken Brauch als einen ritualen Rest aus alter Zeit erklären se ). 36 ) G r i m m RA. 2, 5 8 5 s . " ) bei F u c h s Illustrierte Sittengeschichte (Renaissance) Mün38 chen 1909, 8 1 , Tai. 67. ) Blockesbergs Verrichtung 100. 3 e ) Rom. Forsch. 5, 226 ft.; G r i m m 40 RA. 2, 593 ff. ) Gaia. Lahr 1928, 1 7 7 ff. 4 1 ) S e g e s s e r Rechtsgeschichte der Schweiz 2, 702. 42 ) 1. c. 46; vgl. German. Abhandl. f. K. v.Maurer (Gött. 1893), 2 3 — 4 5 . m ) G r i m m RA. 2, 596. 44 ) H a n s e n Hexenwahn 1 5 5 , 23. 4 5 ) D u l a u r e I.e. 1 1 5 ; V . T a g e r e a u Discours sur l'impuissance de l'homme ou de la femme (Paris 1 6 1 1 ) , 1 1 3 ff. « ) G r i m m RA. τ, ι66. " ) Z f V k . 3, 224 ff. 48 ) K r a u ß Rei. Brauch 1 2 0 ; W e i n h o l d I. c. 10. « ) Z f V k . 4, 2 1 4 ff. 50 ) J u l i e n Mémoires sur l'Egypte (Paris) 103 ff.; D u l a u r e I.e. 84. 51 ) Si mulier stuprata lege cum ilio agere velit, membro virili sinistra reprenso et dextera reliquiis sanctorum imposita juret super illas, quod is per vim se isto membro vitiaverit: C a m b r y Voyage dans le département de Finistère (Paris 1749) 3, 2 3 3 ; D u l a u r e 84. 88. M ) W e i n h o l d 1. c. 46. 5 S ) P l a t o leges 12, 954a. M ) H e c k e n b a c h 1. c. io Α . 2. 5 5 ) G a i u s Institutions 3, 192. 5β ) 1. c. 10 Α . 2.

4· b) Die Ν. bei S t r a f e n und Bußen: Bekannt ist die Bestrafung der germanischen Ehebrecherinnen: Paucissima in tarn numerosa gente adulteria, quorum poena praesens et maritis permissa: abscisis crinibus n u d a t a m coram propinquis expellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit 5 7 ) ; alle späteren Belege bei Grimm 68 ). Ebenso wurden in Babylon die Ehebrecherinnen mit bloßem Oberkörper, nur mit einem Schurz bekleidet, aus dem Haus gejagt89). Die Ehebrecher wurden n. durch die Stadt getrieben e0). In Rußland spannen die Bauern ihre ehebrecherischen Frauen n. vor den Pflug und ackern mit ihnen β1 ). Im Mittelalter wurden Ehemänner, die ihre Frauen mißhandelten, vor den Pflug gepannt β2 ). In Schweden und in Frankreich ging die Frau mit Steinen um den Hals voraus und hielt einen Strick in der Hand, der an dem Penis des Mannes angebracht war 83 ). In Flandern und Friesland, aber auch in Deutschland (Dortmund) ®4) war bei Frauen, die andere beschimpften, die Strafe des Steintragens (lapides publici) üblich, die wir aus einer

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französischen Urkunde zum Jahre 1247 kennen: la fame qui dira vilonie à autre, si come de putage, paiera 5 sols ou portera la pierre toute nue en sa chemise à la procession et celle-là poindra après an la nage d'un aguillon... 6S). Auch hier ist die N. durch das Hemdtragen gemildert; 1320 wird Isabella de Lergny verurteilt : pour avoir appelé Renaud Copperel puant et cocq à faire trois processions nuds pieds, en pur corps, déceinte, d é s a f f u b l é e et dire... que les laids paroles qu'elle avait dit du di Renaut et sa femme, elle avoit menti ββ). Hier treffen wir die Barfüßigkeit, welche von den Büß- und Bittprozessionen herzuleiten ist, wo, wie wir sehen werden, Männer und Frauen oft ganz n. mitgingen (vgl. § 18). Über die Herleitung der N. und Barfüßigkeit aus der jüdisch-christlichen Bußpraxis handelt Dölger 67) ausführlich (hier heißt n. soviel als mit einem Hemd bekleidet). Der Graf von Auxerre mußte wegen einer Beleidigung des Bischofs öffentliche Sühne leisten; er muß mit der öffentlichen Prozession gehen: „ita ut incederet quoque nudis pedibus, sola indutus linea 68 ); eine ähnliche Buße bekommen die Notabeln von Bayon auferlegt 6e ). Nach deutschem und anderm Recht schnitt man den Frauen zur Strafe die Röcke (vgl. A. 85. 87) bis zu den aidoia und posteriora ab 70 ). Die öffentlichen Dirnen mußten wegen eines Vergehens n. auf einem Esel durch die Straßen reiten, das Gesicht dem Hinterteil des Reittieres zugekehrt 71 ). Auf einem uralten Rechtsbrauch, der durch Parallelen erläutert wird, beruht die Sage von dem Umritt der Lady Godivà; Godiva ist die Gattin des Grafen Leofric von Mercia; sie bittet diesen wiederholt, den Einwohnern von Coventry einen sehr drückenden Tribut zu schenken; der Graf erklärt schließlich: Ascende equum tuum et nuda a villae initio usque ad finem populo congregato équités, et sic postulata cum redieris impetrabis. Tunc Godiva deo d i l e c t a equum nudaascendens accapitis crines d i s s o l v e n s totum corpus praeter crura inde velavit. Die Stadt wird von dem

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Tribut befreit, und bis in die neueste Zeit ritt alljährlich ein n. Mädchen durch Coventry und speiste nach dem Ritt bei dem Mayor der Stadt 72 ). Durch die Erfüllung der gleichen Bedingung erlangte die Gemahlin des Earl of Hereford für die Bewohner von St. Briävels eine · besondere Freiheit' 3 ). Später kommt die Version dazu, daß ein Mann, der die n. Godiva durch ein Guckloch sieht, obwohl das strenge Verbot erlassen war, sich am Fenster zu zeigen, „the peeping Thom" erblindet74) ; nach einer andern Version wird ein neugieriger Bäcker mit dem Tode bestraft 75 ). Man hat mit der Godivalegende eine indische Erzählung konfrontiert : Durch Zauber ist ein Bewässerungskanal ohne Wasser; um diesen Zauber zu brechen, muß die Prinzessin von Chamba sich den Kopf abhauen lassen, nachdem sie n. eine bestimmte Strecke unter den Blicken des Volkes durchlaufen hat. Durch ein Wunder wuchs plötzlich eine Reihe von jungen Bäumen und schützte sie vor den zudringlichen Blicken 7e). Hier ist aber die Hauptsache das Opfer, bei dem die N. nicht auffällig und ritual begründet ist. Der Kern der Godivalegende (auf die Deutung Hartlands und auf das Motiv der Blendling muß später eingegangen werden) ist die echt germanische Rechtsanschauung von der stellvertretenden Buße: In dem bekannten Volkslied „Die treue Schwester", das in Schlesien und Mähren gesungen wurde, finden wir die N. beim dreimaligen Umgang (vgl. A. zu 220) um den Galgen ; die Schwester bittet den Bruder von den Richtern los, den sein Vater beim Weine verspielt hat77) : Ihr Herren, liebste Herren mein. Kann denn mein Bruder nicht erlöset sein ? „Dein Bruder kann nicht erlöset sein. Du springst denn dreimal um den Hing und d r e i m a l n a c k e n d u m s Galgengericht' ' Sie hatten das Wort kaum ausgesagt, ließ sie ihre Kleider fallen ab. Und sprang dreimal um den Ring und dreimal nackend ums Galgengericht.

In einem österreichischen Volkslied sagen die Richter zu der Schwester, die den Bruder retten will 78 ) : Kein Silber, kein Gold das nehmen wir nicht. Außer ihr laufts n e u n m a l n. um den Ring,

nackt,

«33 J a neunmal n. u m den Ring, So könnt ihr erlösen euer Mutter K i n d .

In einem Fruchtbarkeitsübertragungszauber machen die Kinder, damit sie gedeihen, neunmal die Tour um den Pierre de Gribère 7β). In einer morgenländischen Sage wird die Strafe auferlegt, sich n. auszuziehen und dreimal die Runde um den inneren Burghof zu machen 80 ). Dieser Umgang einer n.en Frau um den Galgen und die andern N.-Umzüge bei stellvertretender Buße haben mit den Umgängen bei Reinigungsund Fruchtbarkeitsriten nichts zu tun. Die Bestrafung der Ehevergehen mit beschämender Entblößung der aidoia geht auf den uralten Brauch zurück, den Gegner durch Entblößung zu erniedrigen und zu schänden. 57) T a c i t u s Germania c. 19; schon hier ist die F r a g e , ob nudus „völlig n . " heißt oder wie in der Griseldissage aufzufassen i s t : E . v . W e s t e n h o l z Die Griseldissage Heidelberg 1888, 14; M. F a s t l i n g e r ( B a y e r n l a n d 1912—13, 7S.) vergleicht das bayerische Haberfeldtreiben ; darüber ausführlich: A n t h r o p o p h y t e i a 4, 260— 279. 58) I . e . ι , 621; n a c h W a l d e m a r s seeländischem R e c h t wird dem Mann erlaubt, die Ehebrecherin in bloßem H e m d und Mantel aus dem Hof zu treiben; 2, 203: das ehebrecherische Weib „ m a g ir m a n n ûz sîm hûse 59) trîben in irre bôsten w a e t e " . W a l t e r A. M ü l l e r N. und Entblößung in der altorientalischen und älteren griechischen Kunst. Diss. Leipzig 1906, 32; M a s p e r o Histoire des peuples anciennes ι , 737. β 0 ) G r i m m 1. c. 2, 303; D u l a u r e 1. c. 115 £f. 119; H . E l l i s Geschlechtstrieb und Schamgefühl (1900) 35; R e m y d e G o u r m o n t Le Livre des Masques 184. β 1 ) D u l a u r e 2 1. c. 127. · ) G r i m m 1. c. 2, 318. β 3 ) H i (lapides publici) scapulis adulterae impositi sunt, ac deinde funiculus ad genitale adulteri m e m brum adstrictus, quo sic o n e r a t a sessorem suum per oppidum publice circumducebat, zitiert in D u C a n g e 5, 28 (lapides c a t e n a t i ) ; D u l a u r e 1. c. 116; O. S t o l i Geschlechtsleben (1908) 698. '*) G r i m m 1. c . 2, 315 ff. , δ ) D u C a n g e 5, 28 (lapides c a t e n a t o s ferre) : mulier, quae mulieri convicia dixerit lapides ad processionem portabit, die dominica in camisia s u a : I . e . 6, 516; vgl. putagium 6, 577; n a t i c a e 5» 5 7 3 ) villania 8, 332; D u l a u r e I . e . 116. 126 ff. m i t L i t . n ) D u C a n g e 8, 332 (villania). " ) D ö l g e r Exorcismus 108 fi. ω ) D u C a n g e 6, 516. · · ) E b d . 1. c. : in sola tunica sine corrigia et coysia. 7 0 ) G r i m m 1. c . 2, 302 ff.; vgl. M ü l l e r 1. c. 40; ι Chronika 19, 4. 7 1 ) D u l a u r e 1. c. 116. 72) H a r t l a n d Fairy Tales (1891) 71—92; d e r s . F L . 1 (London 1890), 222 ff.; L i e b r e c h t ZurVk. 103—105; C r o o k e 1. c. 40;

Β äch told-S

till

bli, Aberglaube VI

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Neederlandsche Folklore J a h r g . 1 5 ; W e i n h o l d I . e . 19 ff.; D u l a u r e I . e . 223; G r i m m RA. 2, 525; I m a g o 2, 410 ff. 7 3 ) W e i n h o l d I . e . 74 ) C o x Mythology of the Aryan Nations 1 (1878), 121; H a r t l a n d Peeping Tom and Lady Godiva in F L . 1, I . e . ; L i e b r e c h t 1. c. 1 0 4 5 . 7 δ ) G r i m m RA. 2, 525. 7β) Tour du monde 21, 342; L i e b r e c h t I . e . 105; F L . I . e . 223. ") E r k - B ö h m e ι , 566 Nr. 185a, b, c ; die beiden andern Versionen berichten nur v o n dem Galgenumlauf; vgl. G r i m m 1. c. 2, 526. 7 8 ) G r i m m I . e . 7 9 ) S é b i l l o t 4 , 62; vgl. §24. "(Hammer Rosenöl oder Sagen und Kunden aus dem Morgenlande. S t u t t g a r t u. T ü b . 2 (1813), 200; G r i m m 1. c.

5. N. und E r n i e d r i g u n g , N. in Not und Gefahr. Wenn ein Bewohner des Taminbezirkes in Indien vor einem Angehörigen einer höheren Kaste erscheint, muß er Kopf und Oberkörper bis zum Gürtel entblößen 81 ). Im ganzen Orient, besonders aber bei den Israeliten, war die aktive und passive Entblößung ein Hauptmittel der erniedrigenden Beschimpfung, besonders die Entblößung der aidoia: Das Nacktsein ist nach jüdischem Glauben eine Schande und ein Verbrechen 82). Müller weist die Fälle nach, wo man auf Denkmälern aller Art die Feinde in diesem Sinne n. darstellt, so in Babylonien 83), Ägypten 84 ) ; berühmt ist die Stelle bei Isaiàs: sic minabit rex Assyriorum captivitatem Aegypti et transmigrationem Aethiopiae iuvenum et senum, n u d a m et disc a l c e a t a m d i s c o o p e r t i s n a t i b u s ad ignominiam Aegypti 8S ) ; etwas ganz Furchtbares bei den Juden war die Entblößung der Scham 8β ) : Decke Deinen Schleier auf und hebe die Schleppe hoch ! Entblöße das Bein und wate durch die Flüsse. Dein Schoß soll aufgedeckt, gesehen Deine Blöße werden, ich übe Rache aus. Hanun entehrte die Knechte Davids, indem er sie schor und ihnen die Kleider bis an den Hintern abschnitt 87 ). Odysseus droht dem Tersites, er werde ihm die Kleider ausziehen, die Scham entblößen und ihn mit Schlägen zu den Schiffen jagen 88 ). Plutarch erzählt, wie sich Tigranes dem Pompeius n. und unbewaffnet zu Füßen wirft, als ein Zeichen der tiefsten Demütigimg 8a ). Das bekannteste Beispiel für die aktive Ent27

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nackt,

blößung der Scham bei der Frau ist die von Herodot erzählte Szene : Bei der Fahrt zum Kultfest in Bubastis beschimpfen die Weiber die am Ufer stehenden Frauen, indem sie die Röcke hoch heben90). Die persischen Mütter entblößen vor den aus der Schlacht fliehenden Mannen des Kyros ihre Scham und rufen: Wollt ihr dahin zurückkriechen, wo ihr entsprungen seid 91 ) ? Diese Szene wird auch auf eine Spartanerin übertragen 92). Sittl deutet diese Handlung apotropäisch 93 ) ; er bringt sie mit der Entblößung des cunnus vor dem Hagel in Verbindung (vgl. § 9). F. Dümmler 94) sucht einen andern Weg der Deutung nach dem Vorgang von Wellhausen 9S) : Oft ziehen sich die Frauen n. aus, um die A u f m e r k s a m k e i t auf sich zu lenken. Eine Frau meldet den ihrigen die Ankunft der Feinde; sie zieht sich n. aus und ruft: ich bin der n. W a r n e r . Eine Mutter entblößt ihre Brust vor dem Sohne, um ihre Bitte eindringlich zu machen. Ein Mann, der bei dem Schutzherrn keinen Beistand findet, um seinen Bruder zu rächen, entblößt sich, streut sich Asche auf den Hintern und ruft: Weh um meinen Bruder. Das paßt auf die Fälle höchster Leidenschaft, wie ζ. B. bei prophetischer Ekstase, aber die Geste der persischen Mütter drückt einfach die größte Verachtung aus; das ist vor allem bei den Südslaven der Fall 9 6 ). Eine andere Sache ist die Szene bei Grimmelshausen 97) : Auff demselben Wege observierte ich sonst nichts als das die Weibsbilder, so an dem Stränd wohnen, den Vorüberfahrenden, so ihnen zuschryen, nicht mündlich, sondern schlechthin mit dem B e w e i s t u m selbst a n t w o r t e n , darvon ein Kerl manch feines Einsehen haben kann. Ganz klar ist die Verwendung dieser Geste im letzten Akt der Weber 98 ) : Nee, nu seht bloß de Weiber, seht bloß de Weiber ! Wer'n sé nich de Recke hoch heben ! Wer'n se nich's Militär anspucken. 81 ) J A J . 49 (1919). 238. M ) A R w . 21, 237 fi. ) M ü l l e r 1. c. 30. 34. "*) 1. c. 37. 39. 85 ) Isaías 20, 4; vgl. A R w . 25, 332 fi. M ) Isaías 47, 2; auch bei den L y d e r n war es auch für den Mann eine große Schande, n. gesehen zu werden: H e r o d o t 1, 10 gelegentlich der Kandaulesω

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episode; E l l i s 1. c. 27. " ) 1 Chronica 19, 4; M ü l l e r 1. c. 40. 88) Ilias 2, 261; M ü l l e r I . e . 8e ) 74; E l l i s 1. c. 61. Plutarch Synkrisis Kimons mit Lukullus Cap. 3. 90) H e r o d o t 2, 60; S i t t l Gebärden 104; D u l a u r e 1. c. 85; 91 ) M ü l l e r 1. c. 5. P l u t a r c h De mulierum 92 ) virtute 5; D u l a u r e 85; M ü l l e r I . e . 9. P l u t a r c h Apophthegmata Lacaen. inc. 4. 9 î ) 1. c. 104. M ) Philologus 53, 205—06. 95 ) W e l l h a u s e n Reste arabischen Heidentums 1897, 173. 195 ff.; E l l i s 1. c. 25. 9S) Anthropophyteia 1, 1. 97 ) G r i m m e l s h a u s e n Simpl. V cap. 3 (Ausg. V. A . K e l l e r 2, 687, 19 ff.); vgl. O c h s BadWb. I, 181. 98) bei Fischer 1925, 120.

6. Nacktes Sehen: In uralten Sagen und Legenden kristallisiert sich der Volksglaube aller Zeiten und Nationen, daß auf dem Sehen des N.n, vor allem der n.en aidoia und überhaupt des Unanständigen schwere Strafe ruht, daß insbesondere der furchtbar bestraft wird, der sich vor Gott entblößt oder eine Gottheit oder ein überirdisches Wesen n. schaut. Bei den Juden war es ein furchtbares Verbrechen, die Scham vor Jave zu entblößen, das zeigen die Hinweise im alten Testament 99 ). Wer die Torarolle mit bloßen Händen anfaßte, mußte n. begraben werden 10°). Das Verbot, sich vor Gott zu entblößen, betonte auch die Vita Mohameds 101 ). In diesem Sinne ist auch die Warnung bei Hesiod aufzufassen, gegen die Sonne zu harnen 102 ) ; ähnliche strenge Vorschriften der Mohamedaner bei Buchari 103 ) (hier spielt aber noch die Angst vor Schadenzauber herein). Nach Plinius 104) „magi vêtant... contra solem lunamque nudari aut umbram cuiusquam ab ipso respergi: Hesiodus iuxta obstantia reddi suadet, ne deum aliquem nudatio offendat. Für den flamen dialis galt 105 ) : Tunica intima nisi in locis tectis non exuit se, ne sub cáelo, tamquam sub oculis Jovis n u d u s sit (vielleicht eine mehr gegen Schadenzauber gewendete Vorsicht). Bei den Kaffern verscheucht man den Regen, wenn man dem Himmel den n.en Hintern zeigt 10e ) (apotr. ). Parallel ist die Gegenvorstellung sehr lebendig, daß man Götter oder Götterwesen nicht n. sehen darf. Athene bestraft den jungen Tiresias mit Blindheit, weil er sie durch Zufall im Bade n. sieht 107 ). Dasselbe Schicksal ereilt den

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Erymanthos, weil er Aphrodite nach ihrer Liebesvereinigung mit Adonis im Bade n. sieht 108 ). Den Phoinix blendet sein Vater Amyntor, weil er auf seiner Mutter Bitten des Vaters Kebse beschlafen hatte 109). König Philipp verlor ein Auge, weil er durch die Türspalte die Vereinigung seiner n.en Gattin mit einem Schlangengott sah n 0 ) ; nach einer wendischen Sage schaut ein Mädchen durch das Schlüsselloch zu, wie ein Drache zu der Mutter kam; zur Strafe kratzt ihm der Drache die Augen aus m ) . Bekannt ist das Melusinenmotiv, in der alten Gestalt von Gervasius von Tilbury erzählt: Raimund, Herr von Russet, bei Aix in der Provence, trifft am Fluß eine wunderschöne Frau, die er heiraten will; at illa replicai, ilium summa temporalium felicitate ex eius commansione fruiturum, dum ipsam n u d a m non v i d e r i t ; verum ut ipsam nudam conspexerit, omni felicitate spoliandum asserit; aber der neugierige Gatte dringt einmal in das Badegemach ein, da verschwindet seine Gemahlin als D r a c h e und kehrt nur nachts zurück um die Kinder zu sehen 112 ). Wer die psychoanalytische Ausdeutung dieses Motives (Verdrängungen, Entblößungszwang und krankhafte Furcht vor N.) kennen lernen will, lese den Aufsatz von O. Rank „Die N. in Sage und Dichtung", als Materialsammlung brauchbar 113 ). Nach einer niederländischen Sage nimmt eine „alvinne" den Ritter Rocher van Ronselkasteele zum Mann unter dem Vorbehalt, ,,dat hy se n e m m e r m e e r n a k e t soude s i e n " 1 1 4 ) . Nach dem Glauben in der Bretagne erhebt sich ein Sturm, wenn ein Seemann eine n.e N i x e sieht 115 ). Der Hauptkern dieser Sagen von elbischen Wesen, die man nicht n. sehen darf, liegt darin, daß diese Elfenhexen, weil das Licht 1 1 β ) alle Maren und Geister verscheucht, bei Licht ihre wahre Gestalt erhalten; eine Tiroler Hexe, die einen sterblichen Mann heiratet, verbietet diesem, sie bei Kerzenlicht zu sehen 117 ). Umgekehrt gibt es auch eine Version, nach der die Fee, d. h. Hexe, den Mann nicht n. sehen darf: Die Apsaras Urvaci (Wasserelfe) der indischen Sage (Rigveda) liebte

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Pururavas unter folgender Bedingung: Dreimal des Tages sollst Du mich umarmen, ohne mein Verlangen mögest Du mich nicht an dich ziehen und möge ich d i c h auch n i c h t n. sehen, das ist ja die Sitte von uns Frauen 11S ). Weinhold deutet diese Säge in dem Sinne, daß auf die Hexe der n.e Mann apotropäisch wirkt 1 1 9 ). Die Interpretation paßt sicher nicht auf das Märchen von Amor und Psyche 120 ). Auf einer besonderen, an Ort und Zeit gebundenen Anschauung über die Entblößung basiert die Sage vom Ritter Staufenberg, dem sich eine Fee vermählte ; diese nahm ihm das Versprechen ab, daß er nie ein anderes Eheweib begehre; sonst müßte sie vor aller Augen ihren Fuß n. sehen lassen, und das wäre sein Tod. Als er sich mit des Königs Muhme vermählte, erschien bei der Feier durch die Decke ein Fuß, bis zum Knie n. und weiß wie Elfenbein m ) . Aigremont 122 ) belegt durch viel Material die Tatsache, daß im Mittelalter (z. B. in Spanien) und in der Neuzeit der n.e Frauenfuß das erotische Stimulierungsmittel und daher sorgfältig bedeckt war. Nach einem alten englischen Brauch muß die ältere Tochter, wenn sich die jüngere zuerst verheiratet, auf der Hochzeit b a r f u ß tanzen, um ihre Aussicht auf einen Bräutigam zu vermehren 123 ). *9) 2. Moses 20, 26; 28, 42; M ü l l e r 1. c. 40; H e c k e n b a c h I.e. 2 A. 10°) ARw. 21, 237ft. 101 ) Bei R e i n f r i e d Buchari 22 fi. 1 M ) Erga 727 fi. ; ähnlich bei denPythagoreern ( D i o g e n e s L a e r t i u s 8, 17); W ä c h t e r Reinheit 135 Α.; H e c k e n b a c h 1. c. 2. 55 ff. 1 M ) R e i n f r i e d 1. c. 23. 1 M ) Hist. nat. 28, 69 (4, 299, 18 ff. Mayhoff); W ä c h t e r I.e.; H e c k e n b a c h 1. c. los ) G e l l i u s Nodes Att. 10, 15, 20; H e c k e n b a c h I.e. 56. 1 M ) W e i n h o l d I.e. 26. 107) C a l l i m a c h u s Hymni 5, 80 ff.; S e l i g m a n n Blick ι, 184; Imago 2, 411 ff. Akteon wird zum Hirsch, als er Artemis n. im Bade sieht (Ovid Metam. 3, 1440.), Siproites zum Weib ( W e s t e r m a n n Mythographi 217 ff.) ; ZfVk. 5, 126. loe ) Imago 1. c.; G r u p p e Mythologie 1, 198. 1M ) Ilias 9, 447 ff.; G r u p p e I.e. 952; Imago 2, 412. 110) P l u t a r c h Alexander cap. 3; Imago lu) Veckenstedt 2, 426 Α. 3Wendische lu) Sagen 393 Nr. 27; Imago 2, 426 Α. 3. L i e b r e c h t Gervasius 4 ff.; Imago 2 , 4 1 3 8 . mit Lit.; L e D e s a i v r e Le Mythe de la mire Lusine 1883; Revue Celtique 6,122 ff.; Atradpop. 2, 4ff.; K u h n Herabkunft 82; S é b i l l o t 2, 342; vgl. den Holzschnitt aus dem Jahre 1483 bei

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Ploß Weib 3, 463 Abb. 1001; vgl. die Marte bei K u h n - S c h w a r t z 91 Nr. 102; ZdVfVk. 5, 126; M. N o w a c k Die Melusinensage. Diss. Zürich 1886; ZfVk. 4, 387ft.; W e l l h a u s e n weist arabische Parallelen auf: Reste arabischen Heidentums 154; J . K o l e r Ursprung der Melusinensage 1895; L a i s t n e r Sphinx 1, 194. 11B ) Imago 2, 267—301. 409—446. 1 1 4 ) W o l f Beitr. 2, 233; K u h n 1. c. 82 S . 1 1 δ ) S é b i l l o t 2, 14. 1 1 β ) H. D e h m e r (vgl. Α. 22o. 338 fi.) 44. 49. 52. 56. 1 1 7 ) S c h n e l l e r Märchen aus Wälschtirol 23 Nr. 1 3 ; K u h n 1. c. 83 A. 1; vgl. das Material Imago 2, 424. 433. 1 1 8 ) K u h n 1. c. 74. 82 ff.; Imago 2, 421; L. v. S c h r o e d e r Griechische Götter und Heroen 1 (B. 1887), 24 ff. 119 ) I . e . I i . 120 ) A p u l e i u s Amor u. Psyche 21 ff.; W e i n h o l d 1. c 12. R o s c h e r Mythol. Lex. 3, 2, 3239 mit Lit. 1 2 1 ) Ausgabe von E n g e l h a r d t Straßburg 1823; Aigremont Fuß- und Schuhsymbolik und -Erotik 39. m ) 12S 1. c. 17. 21. 30—37 . ) 1. c. 34.

7. Das Motiv, daß man G ö t t e r n i c h t n. sehen darf und das Anschauen des N.en oder schamhaft Verhüllten verboten ist, ist auch ins M e n s c h l i c h e übertragen: Nach einer späteren Version sieht der „peeping Thom" die n.e Godiva, indem er gegen das Übereinkommen durch einen Spalt schaute, und wird blind 1 2 4 ). Dieses Motiv ist von Tennyson in seiner Bearbeitung der Godivasage verwendet 1 2 6 ) : Noch eh die Augen ihre Lust gehabt, Verschrampften sie und fielen aus den Höhlen ; Blind stand er da. So hatten jene Mächte, Die edle Taten schützen, einen Sinn Zerstört, den er mißbraucht.

Eine Parallele aus Tausend und eine Nacht bringt C o x m ) . „Dafür, d a ß H a m mit seinen Augen die Blöße seines Vaters sah, wurden seine Augen rot . . . dafür, d a ß er seines Vaters Blöße nicht zugedeckt hatte, sollte er s e l b e r n a c k e n d herumgehen mit b l o ß e r S c h a m ; denn dies ist des Herrn Gesetz: Maß für Maß" 127 ). Wenn bei Ettenheim in Baden das Kind ein Eiterpfützle am Auge bekommt, ist das die Strafe dafür, daß es etwas Unverschämtes gesehen h a t 1 2 8 ) . In Schwaben sagt das Volk: Wenn ein Mann auf einen Baum guckt, auf dem eine F r a u droben ist, wird er blind; Bub, lug nicht auf den Kirschbaum, wenn ein Mädchen oben sitzt, du wirst sonst blind 1 2 9 ). Hierher gehört ein in Ettenheim und auch sonst in Baden erzählter Schwank: Ein Kapuziner bricht durch den Boden der

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Kanzel und entblößt sich dadurch, d a ß die Kutte in die Höhe gestreift wird; da ruft er: „Luege weg, sunscht wäre n'er blind" 13°). m ) Ausführlich H a r t l a n d Peeping Tom and Lady Godiva in FL. 1,207—226; L i e b r e c h t Volksk. 105. 1 2 5 ) T e n n y s o n s Ausgew. Dichtungen übers, v. Strodtmann (L. 1870); vgl. 12β Imago 2, 410. ) Mythology of the Aryan Nations 1 (London 1878), 121. 1 2 7 ) Aus „Die Sagen der Juden" zitiert in Imago 2 409 Α. 2. 12β ) Ochs BadWb. 1, 220: pfützle. 12e ) F i s c h e r SchwWb. ι, 201 ff.; ähnlich Schwld. 1, 109. 13 °) BadWb. Zettelkatalog.

8. N. u n d G e f a h r d e r B e h e x u n g : Der n.e Mensch ist in erhöhtem Maße den Einwirkungen von außen, insbesonders den zauberischen Einflüssen ausgesetzt 131 ). Vielleicht ist ein Symbolum, das bei Giraldi (1479— 1 55 2 ) unter den sogenannten Pythagoreischen Symbola sich findet, in diesem Sinne zu deuten und nicht wie Böhm es verstehen will: in tenebris a b s q u e v e s t i t u aliquo non vadendum 132 ). Nach altarabischem Glauben zieht die N., wie Buchari betont, die Dämonen a n ; daher soll man nicht n.e Leute im Bade begrüßen 133 ). In Afghanistan schadet der böse Blick besonders den N.en 134 ). Die Sunna verbietet, sich η. zu waschen aus Angst vor bösen Dämonen 135 ). Eine bestimmte Asketenklasse darf in Indien nicht völlig n. essen 1 3 6 ). Vorwiegend im nordischen Kulturkreis hält man die N. aus diesen Gründen für gefährlich: In Schweden ist ein ganz n.es Kind besonders von Krankheiten bedroht; daher bindet man ihm wenigstens einen Faden um den Arm 1 3 7 ) ; wenn eine Hure (vgl. A. 177/78) eine n.e Stelle eines Kindes sieht, wird es krank 1 3 8 ) ; denn dadurch wird „skärfra" hervorgerufen 139 ). Liegt ein Mann n. in der Weihnachtsnacht, so können ihm die Unterirdischen schaden 14°). Kinder und verheiratete Frauen dürfen nicht mit n.em Hals und bloßem Scheitel gehen, weil sie sonst der Behexung ausgeliefert sind 1 4 1 ). Eine Frau, die mit entblößtem Kopf ausgeht, ist der Gefahr der Verhexung ausgesetzt, weil das H a a r ein gefährliches und begehrtes Medium ist (Schweden) 142 ). Daher schützt man durch Amulette den Körper vor schädlicher Entblößung 1 4 3 ).

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Eine Sechswöchnerin darf nicht mit n.en Füßen den Boden betreten; sonst küßt ihr der Teufel die Fußstapfen 143a ). Auch wenn man will, daß der Dämon in den Körper eindringe, sucht man die bloße Berührung mit der Erde, so bei der Inkubation 143b) (vgl. § 17). Nach der Ansicht der Südslaven werden vor allem die n.en Geschlechtsteile144) bezaubert. In diesem Sinne der Angst vor Schadenzauber ist doch wohl eine französische Erzählung zu deuten: Eine mit den Dominae nachts herumziehende Hexe sagt zu ihrem Beichtvater: Da (als sie mit den andern Hexen in das Zimmer eindrang) sah ich euch schlafend und ganz entblößt; ich aber habe euch bedeckt, damit unsere Herrinnen euch nicht n. sähen. Hätten sie euere N. bemerkt, so würden sie euch zu Tode haben peitschen lassen . . . 1 4 5 ). 132 ) Z f V k . 25, 21 Nr. 6. ) M A G W . 50, 94. R e i n f r i e d Buchari 22 fi.; vgl. W e l l h a u s e n Reste arabischen Heidentums2 (1897) 135 ) 148 fi. 134 ) S e l i g m a n n Blick 1, 194. W e l l h a u s e n 1. c. 173. 195 fi.; E l l i s 1. c. 25. 13β ) Journal of the royal anthropological Institute 49 (1919), 244. 1 3 ') S e l i g m a n n 1. c. 2, 138 94. ) 1. c. ι, 93. 139 ) M A G W . 50, 91. 14°) 141 ) M A G W . 1. c. 50, 90; F e i l b e r g 2, 722. vgl. M ü l l e r - S c h a m b a c h 300, 23. 142 ) M A G W . 1.e. 89. 143 ) M A G W . I.e. 50, 101. 143*) G r o h 143b ) m a n n 115, 859. Gruppe Mythologie 141 ) 145 ) 2, 835 Α. 7. D u l a u r e 1. c. 182. Kloster 12, 587· 131

133 )

9. Ν. als A p o t r o p a i o n : E contrario fördert die Ν. die Ausstrahlung der dem Menschen innewohnenden magischen Kräfte 146) : In eine typische aitiologische Sage eingewickelt erscheint das Motiv in der Bellerophontesgeschichte : dem zürnenden Bellerophontes, welcher das Land unter Wasser setzen will, treten die lykischen Frauen mit n.er Scham entgegen ; er zieht sich 6π' αισχύνης zurück 147 ). Die Bewohner von Ceram zeigen den bösen Wetterdämonen den n.en Penis, damit der Geist b e s c h ä m t abzieht 149 ). Den„Patianak" vertreibt man bei den Malaien, indem man ihm den n.en Penis zeigt. Bei den Südslaven vertreibt in einer Erzählung ein n.es Weib den Teufel und alle Höllenboten 14e ). Auf den Philippinen besteigt der Gatte, wenn die Frau niederkommt,

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um den „Patianak" zu vertreiben, einen für Mütter und Kind gefährlichen Dämon, v ö l l i g n. oder nur mit einem Schurz bekleidet, das Dach und haut mit den Waffen um sich 150). Als in einem Hause in Emmental böse Geister spukten, stieg der Eigentümer um Mitternacht n. auf den Dachfirst und schoß mit einer Pistole gerade in die Höhe 160a ). Hier verbinden sich die N., das Eisen und Lärm zur Dämonenabwehr 1S1 ). Bei den Südslaven vertreibt man die Krankheitsgeister, indem man sich ihnen n. und s c h a m l o s zeigt: Wenn in Bulgarien in einem Dorf eine Seuche ausbricht, so erlischt an allen Feuerstellen das Feuer ; ganz n.e junge Leute erzeugen dann unter uralten Zeremonien ein neues Feuer; mit diesem zündet man in jedem Haus ein neues Feuer an 152). Nach isländischem Glauben ist ein Gespenst gegen einen n.en Mann machtlos ; daher soll man die Kleider abwerfen, wenn man einen Spuk erwartet 153 ). Feilberg bringt eine Parallele aus Neu-Guinea 154 ). Um dem Elf zu entgehen, geht ein Mädchen n. rücklings ins Boot 155 ). Lehmann-Filhès erklärt diese Kraft der N. damit, daß vom Körper unmittelbar die Zauberkraft ausströmt; daher haftet sie auch am Hemd, das man umgewendet gegen das Irregehen trägt15®) (in Baden Brot und umgewendetes Hemd gegen Heimweh: (mündl.); über das Umwenden der Kleider siehe A. 622). Indessen spielt in diesen Fällen, wo man die N. gegen die Dämonen gebraucht, wohl die apotrop. Kraft der aidoia die Hauptrolle 1S7). Im Oberamt Ehingen bewirkt der Imker, daß die Bienen beim Schwärmen sich auf den nächsten Baum setzen, wenn er sich n. daneben setzt 1S8 ). Damit die schwärmenden Bienen in den Stock zurückgehen, zeigt ihnen ein Weib das n.e Gesäß 15e). Damit die Bienen besser schwärmen, schlafen die Leute am Vorabend des Flugtages n. (Südslaven) 1β0 ). Wer sich bei den Südslaven fürchtet, daß ihn die Hexen aussaugen, der schläft n.; denn da finden die Hexen keinen Schlupfwinkel 1β1 ). Leute, die oft von bösen und schlechten Träumen beunruhigt werden, können sich dagegen

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nackt, Nacktheit

sichern, wenn sie sich beim Schlafengehen in der Mitte des Zimmers entkleiden und rückwärts ans Bett treten 162). Man möt sik ganz nakt uttrecken un dörch de Bein kiken, denn kann man seihn, wo de Düwel towt, ob he'n Wiw oder'n Kirl to faten het 1 8 3 ). Dieses ,,n. durch die Beine nach h i n t e n Sehen" üben die Hexen in den nordischen Sagas: Die Hexe Ljot in der Vatnsdoelasaga und die Zauberin Kerling in der Gullthorissaga sind an einem Kampf beteiligt und haben die Kleider nach vorn über den Kopf geschlagen und strecken den Kopf zwischen den Beinen durch nach hinten; dieser Zauber mit der entblößten Kehrseite unterstützt hier den Zauber mit dem bösen Blick 1 8 4 ). Wer bei den Südslaven die Hexen erkennen will, der geht in der St. Georgsnacht vor Sonnenaufgang auf eine Wiese, entkleidet sich und wendet die Kleider um (vgl. A. 622), die er anzieht ; mit einem grünen Rasenstück auf dem Kopf sieht er dann hinter der Stalltür die Hexen 185 ). Bei allen Völkern schreibt man besonders den aidoia apotropäische Wirkung zu. Wie man im Orient n.e Dämonenfiguren als Amulette verwandte 1ββ), so werden in diesem Sinne die männlichen und weiblichen aidoia in apotropäischer Absicht gebraucht, besonders der Phallus bei den Römern ; darüber grundlegend Jahn 1β7 ), dann Sittl 1ββ ) und ganz ausführlich Duiaure 169), Seligmann 1?0 ), Heckenbach m ), Aigremont 1 7 a ). Sogar die n.en aidoia der Tiere sind apotropäisch 17S ). Oft finden wir Fruchtbarkeitsübertragungszauber neben apotropäischer Absicht : Auf den Ambonund Uliasinseln sind Vulvazeichen in Bäume eingeschnitten, um die Bäume fruchtbar zu machen und zugleich Unberufene abzuschrecken, die Bäume zu berauben 174 ). Bei den Japanern entblößt man die aidoia in rein apotropäischem Sinn 17S ), ebenso den Phallus bei den Malaien (siehe A. 1480.); die Südslaven fassen sich, wenn sie nachts einem Gespenst begegnen, beim Glied 178 ), ebenso wenn sie einen Popen sehen 177 ) ; wenn man in Serbien eine Hure oder einen Popen sieht,muß man sichamn.enHintern

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krauen 17S). Ganz klar ist die Absicht bei der bekannten Terrakottafigur: eine n. auf einem Schwein sitzende Frau zeigt mit gespreizten Beinen ihre aidoia 179 ). Die Chinesen bringen an den Häusern Bilder der n.en männlichen und weiblichen aidoia an, um das Übel abzuwehren 180). In Nepal sind Tempel mit n.en obszönen Figuren geschmückt zum Schutze gegen Blitz 181 ). In Irland ist die Figur der Shela-na-Gig (n.e Frau mit außerordentlich großen und auffälligen Geschlechtsteilen) sogar über den Kirchentüren eingehauen gegen den bösen Blick und alle Übel 182 ) ; Duiaure bringt viele Abbildungen und Parallelen 183 ). Insbesondere zeigt man den bösen Kobolden und dem Teufel den n.en Hintern 184) (siehe entblößen) : Gegen den boshaften Niß schlägt die Magd die Röcke über den Kopf und geht rückwärts gebückt in den Stall 185 ). Frauen, welche sich vor Geistern fürchten, ziehen nachts, wenn sie über Feld gehen, das Hemd über den Kopf und zeigen dem Geist den n.en Hintern 188). Ist in Sachsen das Vieh verhext, so legt die Bäuerin einen Kamm unter das Butterfaß, hebt die Röcke hoch und faßt unter den hochgehobenen Röcken den Stiergel 188a ). Das vom Alpdruck geplagte Mädchen schützt sich vor dem Alp, indem es eine Kunkel Flachs ins Bett mitnimmt und sich auf den Bauch legt und dem Kobold den n.en Hintern zeigt187). Dem durch die Luft fahrenden Drachen zeigt man den n.en Hintern 188) (siehe entblößen). In einer Belgrader Erzählung streckt ein Weib dem Teufel den n.en cunnus hin; daraufhin muß der Teufel fliehen 189). In einem schwedischen Schwank spannt der Bauer seine Frau und die Magd, die Röcke über dem Kopf, rückwärts an den Pflug; der Teufel ist geprellt 190 ). Eine Frau, welche den Teufel verjagen will, indem sie ihm die n.en aidoia zeigt, schmiert sich mit Honig ein und wälzt sich in Federn, so daß sie wie eine Gans aussieht 191 ). Auch in einer pommerschen Sage flieht der Teufel vor dem n.en Hintern192). Bekannt ist die Erzählung, daß Luther auf diese Weise den Bösen verjagt hat 193 ). Uber Gesäßzauber ausführlich Duiaure 194 ). Beim Tanze

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zum Menstruationsfest in Nauru heben die Weiber zeitweise die Grasröcke vorn und hinten hoch und entblößen sich 185 ). Mit dem n.en Hintern verjagt man das Gewitter: Ein n.es Weib, das Zwillinge geboren hat, streckt den n.en Hintern gegen die Gewitterwolken 188 ). Die Huzulinnen zeigen dem Hagel den n.en Hintern 197), wie die Malaien den Gewitterdämonen den n.en penis zeigen (A. 148). Wenn in Serbien der Hagel die Saat zu vernichten droht, soll ein altes Weib der Wolke den n.en Hintern zukehren und sagen: Fleuch, o Wundererscheinung, vor der Wundererscheinung; hier ist ein größeres Wunder 198) ; auch zum Schutz der neugeworfenen Füllen und Kälber entblößen Bauer und Bäuerin die Schamteile 199), ähnlich gegen Beschreiung der Kinder 200). Wenn der Zauberer in Bengalien einen Hagelsturm kommen sieht, springt er n. aus dem Haus und vertreibt mit dem Zauberstab den Hagel; ähnlich sein Kollege in den Zentralprovinzen ; wenn der Mann zufällig abwesend ist, stellt sich die Frau n. vor das Bild des Hanuman; dadurch sollen die bösen Dämonen abgewehrt werden ; ebenso wenn bei drohender Überschwemmung in einem andern Distrikt n.e Männer sich auf den Damm stellen 201). Gegen den Wirbelwind macht man bei den Südslaven eine Feige und greift sich an die Schamhaare 202). Wenn sich eine menstruierende Frau gegen den Hagel entblößt, so wirkt hier noch besonders die apotrop. Kraft der Menstruation ein 203) (siehe entblößen). Umgekehrt verjagt man den Regen nach dem Glauben der Kaffern, indem man dem Himmel den n.en Hintern zeigt: bei einer langen Trockenperiode klagen die Zauberer einen Mann an, er habe sich auf den Kopf gestellt und dem Himmel den Hintern gezeigt ; dieser Mann wird dann geopfert204) (zu diesem Motiv vgl. A. 106). Beim Getreideanbau der Südslaven rutschen alle Männer mit dem n.en Hintern über die Furchen ; sie tun das, damit niemand dem Getreide etwas anhaben kann 20B ). Wenn ein Dieb nachts einbricht und will die Hunde beruhigen, so soll er die Hosen niederziehen und rückwärts mit ent-

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blößtem Hintern auf den Hund losgehen ; der wird sich nicht rühren 20e). 146 ) M A G W . 50, 94. 1 4 7 ) P l u t a r c h de mulier. virt. 9; Philologus 53, 206; Stemplinger 148 ) Aberglaube 85; M ü l l e r I . e . 9. Samter 1 4 9 Geburt 118. ) A n t h r o p o p h y t e i a 1, 172 Nr. 143. 1 M ) M A G W . 25 (1882), 1 7 8 ; R . S c h m i d t Liebe u. Ehe im alten u. modernen Indien (1904) i 8 f f . ; v g l . 1 4 — 1 8 mit viel Material. P l o ß Weib 2, 326; S a m t e r Geburt 46. 109. 150 *) Z f d M y t h . 4, 161) C r o o k e 180 = Z f V k . 25, 237. I.e. i n ; 152 ) A n t h r o p o p h y t e i a S a m t e r I.e. 112. 1, x. 153) F e i l b e r g 2, 723; Z f V k . 8, 159 f f . ; L i e b r e c h t ZVolksk. 370, 20; W e i n h o l d I . e . 1 0 ; 15") W. 52.

m

) Kiih-

n a u Sagen 2, 302. " · ) P a n z e r 2, 201; W e i n h o l d I . e . 6. a e o ) T e m m e Pommern 302, 253. M1

) Schönwerth

300.

1. c. 2, 293, 4.

'>) J ahn Opfergebräuche 199.

281

9, 116.

* M ) S c h e l l Berg.

Sagen

ωι »)

MIc

1. c.

) Kloster

523, 61.

>M)

K ö h l e r Voigtland 520, 112; M e i c h e Sagen 79, 94· ' " ) K ü h n a u Sagen i , 586. 593. "*») H.

Zillich

Gander

Siebenbürger

Niederlausitz

Flausen

91, 235.

4—6.

*·*·>)

* S5 ) M ü l l e r

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nackt, Nacktheit

Siebenbürgen 29, 45. 2 8 e ) W e i n h o l d 1. c. 5; vgl. C r o o k e 40 A. 5. 287) Trag. Graec. Fragmenta N a u c k 2 491 p. 249; bei H e c k e n b a c h 1. c. 40ff. 28e ) H o r a z Satiren 1, 8 Vers 23 ff.; vgl. barfuß; D e d o De antiquorum superstitione amatoria. Diss. Greifswald 1904, 13; K r o l l Abergl. 20; H e k 28e k e n b a c h 1. c. 40. ) H e c k e n b a c h 42. 29 °) H. U s e n e r Legenden der Pelagia 1879, 291 Ii I X . ) I.e. 353 ff. 2 9 2 ) Zitiert bei W e i n h o l d 1. c. 16; nach C. G. T a w n e y in der Bibliotheca Indica (Calcutta 1880) ι , 154 ff. 288 ) A p u l e i u s Metamorphosen 3, 21 (1, 68 Helm). 2 M ) L u k i a n Lucius sive asinus c. 12 — 2, 309 Jakobitz. 295 ) M ü l l e r Siebenb. Sagen 112, 149. , 9 e ) T h a r s a n d e r Schauplatz 2, 452. 2,7 ) B r ä u n e r Curiositäten 49 ff.; vgl. W e i n h o l d 1. c. 15. 298 ) Weib 3, 30 Abb. 927. 2 " ) Anthropophyteia 9, 226; Bavaria 2 a, 249; W . 215; D u l a u r e 243. 3 0 0 ) D u l a u r e 1. c. 250. 3 0 1 ) G e s e m a n n 1. c. 17. 3 0 2 ) Märkische Forsch. 1, 256; 303 W e i n h o l d 1. c. 25. ) Ausgabe Straßburg 1517 fol. 37. 3 0 í ) Anthropophyteia 6, 211, 11; 305 D u l a u r e 1. c. 167. ) K r a u ß Ret. Brauch 55; W. 217; Q u i t z m a n n Baiwaren 227; J o h n Westböhmen 211. 3 0 e ) 1. c. 1, 369. 372, 3. 382, 15; vgl. 376 ff. ; Bavaria 2a, 249. 307 ) S c h ö n w e r t h ι , 179, 10. 308 ) G r i m m Mythol. 3, 417, 30; W . 216; W e i n h o l d I.e. 44; R o c h h o l z Glaube 2, 151. 3 M ) F r a z e r 1, 2, 334. 3 I 0 ) K r a u ß 1. c. 56; vgl. I. B e l o v i c Sitten der Südslaven 256; vgl. 255. 3 U ) B a u m g a r t e n Heimat 1, 29; E. H . M e y e r Vk. 143; W e i n h o l d 40; W. 88. 311 *) ZfVk. 23, 325. 31It>) I. B e l o v i c 1. c. 312 264. «»e) Globus 30, 94. ) John Westböhmen 73; S a r t o r i 1. c. 3, 182 A. 57; S é b i l l o t ι, 95; vgl. 3, 85. 3 1 3 ) S é b i l l o t 1, 95; v g l · 3. 85. 3 U ) Anthropophyteia 6, 208, 1. 315 ) D u l a u r e I.e. 168. 31«) K r a u ß 1. c. 55. 31,a ) G a n d e r Niederlausitz 22, 57.

14. N. bei V e r w a n d l u n g e n und bei L ö s u n g des Z a u b e r s : Vor und nach der Verwandlung sind die Hexen und Zauberer n.; das zeigt schon die aus den Curiositäten zitierte Szene (vgl. A. 297), in der die Anrufung des hl. Namens den Alp in ein n.es Weib zurückverwandelt. Die Verwandlung der Menschen in Tiere ist offenbar urindogermanisch; die ursprüngliche Vorstellung ist dabei naiv einfach: Die Verzauberten schlüpfen in ein Tierfell und müssen zu diesem Zweck n. sein; dafür spricht einmal die Version, daß die Walküren in eine Schwanenhaut schlüpfen, dann aber eine mythologische Erzählung der Finnen : Das Goldmädchen entflieht den Werbungen des alten Aira, indem sie im Federgewand entflieht; da schlägt der Alte mit der Peitsche nach ihr ; das Federhemd platzt,

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und sie stürzt n. herunter 317). In dem isländischen Volksmärchen ist die Königstochter Signy in einen Hund verzaubert; jede neunte Nacht darf sie sich des Hundefelles entledigen; dann liegt sie n. auf dem Felde und neben ihr das Fell 318 ). Nach dem Glauben in der Normandie können Frauen als Fourolles (Irrlichter) umgehen, wenn sie sich n. auf die Erde legen 319 ). Lucius, der in einen Esel verwandelt ist, erscheint nach der Version bei Lukian 320) und bei Apuleius 321 ) nach seiner Erlösung, nachdem er Rosen gefressen hat, wieder als n.er Mann 322). Unter den deutschen Versionen dieses Motives hat nur die bei Remigius 323) und Praetorius 324) überlieferte den alten Schluß bewahrt, daß der Erlöste n. dasteht. Zingerle 325) und Schönwerth 32β) verschweigen dieses Faktum. Mit einem aus der Haut eines Gehängten verfertigten Gürtel kann man zum Werwolf werden; schlägt man auf den Gürtel, wo die Schnalle sitzt, so springt diese auf, und der Werwolf steht als n.er Mann da 327) (auch hier noch ein Rest von der Vorstellung vom platzenden Fell vgl. A. 317). Wirft man über einen Hasen, in den sich ein Mensch verwandelt hat oder über einen Werwolf Eisen oder Stahl, so steht der Mensch splitternackt vor einem. Dem Werwolf platzt das Fell kreuzweise über der Stirn, und der n. Mensch kommt aus der Öffnung heraus. Man nennt das die Hexen oder den Wolf blank machen 327a). Nach französischem Glauben muß der entkleidete Mensch mit einem Zauberring berührt werden, dann wird er zum Werwolf S28 ) ; die Kleider muß man aufbewahren. Bei Petronius entkleidet sich der Soldat, der zum Werwolf werden will, vollkommen: at ille circumminxit vestimenta; durch diesen Zauberkreis sollen die Kleider verwahrt werden 329). Wenn ein Mann bei dem Taman-Stamm sich in einen Tiger verwandeln will, uriniert er auf die Erde, zieht sich n. aus und wälzt sich auf der Stelle, die er benetzt hat Μ 0 ). Wenn man einen Werwolf totschlägt, ist es ein n.er Mann 931 ). In der Oberpfalz wird der in eine Kuh verzauberte Knecht nach der Erlösung in einen n.en Menschen ver-

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wandelt 332). Die aus der Schlangengestalt erlöste Königstochter erscheint n. 333). Gebannte Hexen, die als Strohhalme, Rocken usw. umgehen, erscheinen n.334). Der von der Drud geplagte Bamberger Schustergesell warf den Strohhalm zum Fenster hinaus; am andern Morgen lag auf der Straße ein n.es Weib 335). Ruft man in der Oberpfalz die Drud beim Taufnamen, so ist sie η. 33β). Wenn man in Schweden eine Mare, welche die Pferde reitet, fängt, ist sie eine n.e Frau 337). Die Märte, die man bei Chemnitz mit dem Licht (vgl. A. 116) fängt, ist ein n.es Frauenzimmer 338) ; darüber ausführlich Laistner 33e). Der Alp erscheint bei Tageslicht als schönes n.es Weib340). Wenn ein Mann einer Hexenmahlzeit zusieht und durch die Anrufung Gottes der Spuk verschwindet, ist der Mann n. 341 ). Ein Jäger schoß nach einer Wildgans, die ins Gebüsch fiel; dort fand er eine n.e ihm bekannte Frau 342). Bekannt ist das Motiv, daß bei Beschwörung des Sturmgewitters und Wirbelwindes oft eine n.e Hexe herunterfällt 343). Aus der wilden Jagd fällt ein n.es Weib 343a). Zu Neumark in der Oberpfalz schoß ein Kapuziner in die Wolken, und sofort fiel eine n.e Hexe herunter 344). Wenn in Dixenhausen eine Windsbraut das Heu verweht, spucken die Leute dreimal in den Wirbel und sagen: Pfui, pfui, Hex, laß das! „Wann ma a Messa mit 3 Kreuz hatt' und werfat's nei, na kriechat ma d'Hex nagate" 345). Wenn man in Feldkirch (bei Staufen in Baden) mitten in die Staubwolke ein Dreikreuzlemesser wirft, fällt die Hexe n. heraus34*). Vor allem wirken geweihte Dinge 347), daß die Hexe n. herunterkommt : Eine geweihte Kugel348), das Aveläuten 349), der Name Jesu (vgl. A.297), der Segen der Monstranz35°), ein Rosenkranz 351 ). Eine Hexe fällt bei Rastatt, als sie verspätet vom Hexenfest heimkehrt, beim Klang der Frühbetglocke als n.e Frau ins Gebüsch Mî ). Wenn man mit geweihten Dingen in die Wolken wirft oder schießt, damit die Hexen n. herunterfallen, heißt man das in Westfalen: Die Hexe blank machen ssa ). In Sprottau sieht man mit einer Erbschüssel die Hexe im Stall n. melken 354).

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317 ) C a s t r é n Ethn. Forsch. (1837), 187; sle) W e i n h o l d 1. c. 14. K. M a u r e r Isländische Volkssagen (i860) 315 s . ; Sitzber. Beri. 31») A. Ak. 1893, 2, 483; W e i n h o l d 1. c. 13. Bosquet La Normandie romanesque 247; 320) Lucius W e i n h o l d 1. c. 15. sive asinus cap. 54 (vol. 2, 336 Jakobitz); vgl. M ü l l e r 321 ) Metamorphosen 1. c. 83. 11, 14 (vol. i , 3a>) 276, 25 fi. Helm); H e c k e n b a c h 39. Darüber ausführlich W e i n h o l d in Sitzber. Beri. Ak. 1893, 2, 475 fi. 323) Daemonolatria (1598) 2, 95; deutsch bei K ü h n a u Sagen 3, 2 fi. 324) M. J. P r a e t o r i u s Anthropodemus plutonicus Magdeburg 1666, zitiert bei W e i n h o l d 1. c. 478 fi. 326) Z i n g e r l e Sagen Nr. 756. 32») 1. c. ι , 373; vgl. S t ö b e r Elsaß 234. » ' ) S c h a m b a c h - M ü l l e r 182 Nr. 198; R e u s c h 2 Sagen des preußischen Samlandes 1863, 101; W . H e r t z Der Werwolf 1862, 79 fi.; W. 407; vgl. G r i m m I.e. 2, 918; über das antike Material: H e c k e n b a c h 1. c. 38 ff. 32'») K u h n Westfalen 2, 31, 83. 328) G r i m m 1. c. 2, 917. 32*) Salurae cap. 62 b. 33°) Journal of the royal anthrop. institute 41, 306; 49, 249. 331 ) H e y c k Gaia 164. ω 2 ) S c h ö n w e r t h 1. c. ι , 376. 333) Imago 1. c. 435. M4 ) W. 415; K ü h n a u I.e. 3, 198. 335) P a n z e r Beitrag 2, 165. 33β) S c h ö n 337 ) w e r t h 1. c. ι, 212. F e i l b e r g 2, 722. 338) Kuhn-Schwartz 91, 102; vgl. K u h n Herabkunft 81. 83. 339) L a i s t n e r Sphinx 177; 34°) G r a b i n s k i Imago 2, 280. 40; K ü h n a u 1.e. 3, 124; K u h n Herabkunft 81; W. 404. M1) P r a e t o r i u s Blockesbergs Verrichtung 318. 342) Mones Anzeiger 6, 395; G r i m m 1. c. 343 2, 919. ) W. 216; Sitzb. der Beri. A k . 1. c. 483; alles Material bei W e i n h o l d 1. c. 343 14. 25. ») K u h n - S c h w a r t z 131, 151. 844) 3 «) D G . S c h ö n w e r t h 1. c. 2, 126, 2. 12, 146 ff. 34i ) K ü n z i g Schwarzwaldsagen (1929) 13. 347) W. 116. 348) Mones Anzeiger 4, 309. 34») Z i n g e r l e Sagen 674. 360) P a n z e r Beitrag 2, 167. 351 ) Alsatia 1856—57, 133. 352 ) B a a d e r Sagen (1851) 1 Nr. 169. 353) K u h n Westfälische Sagen 2, 31. 354) D r e c h s ler ι , 243. 255.

Die N. im K u l t u s : 15. Der n.e G o t t : Nachdem Weinhold darauf hingewiesen hat, daß die Walddämonen und Baumdämonen oft n. gedacht werden, fährt er fort: „ J a selbst die höchste künstlerische Erfassung der großen Gottheiten weiß keine vollendetere Bildung zu finden als die des unverhüllten Menschenleibes. Wer also eine über menschliche Kraft reichende Handlung vollziehen will, den Göttern gleich wirken möchte, versetzt sich in ihre Erscheinungsform, wird n.". Das ist ein Musterbeispiel eines folkloristischen Schlusses ! Das Nackte in der Kunst hat seine immanenten, vom Kultus unabhängigen Gesetze

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und hat mit der N. der Fruchtbarkeitsdämonen nichts zu tun. Da kommt es unter anderem darauf an, wie sich der Kulturkreis, in den die Kunst fällt, zum N.en überhaupt stellt. Der Inder SS5), der unbekleidet ist, der Südslave 35β), der n. arbeitet, der Japaner, der gewohnt ist, die Frau entblößt bei der Arbeit und n. im Bade zu sehen 357), stellt sich zur N. in der Kunst 358) ganz anders als der Angehörige einer Epoche in der — Gregor von Tour berichtet das zum Jahre 593 aus Narbonne — ein Crucifixus wegen der N. Anstoß erregte 35e). Noch wichtiger ist hier eine andere Frage: Wo und wielange ist die N. in der plastischen und zeichnerischen Darstellung des Gottes eine Art primitives Frühstadium der Kunst, wo und wann werden bestimmte Göttertypen mit Absicht in einer Zeit, da man die Technik beherrscht, n. dargestellt? Müller hätte in seiner sonst sehr ruhig abwägenden und gründlichen Arbeit auf diese Frage mehr Gewicht legen sollen s6°). Pfister weist auf dieses Moment mit Recht hin 361). Sind die n.en Frauenfiguren des Dipylonstiles mit den zur Seite geklappten Brüsten nicht deshalb n., weil der Künstler keine andere Möglichkeit der Darstellung kannte 3β2) ? Etwas anderes ist es, wenn die ithyphallische N. betont wird, wie auf einer ägyptischen Darstellung 363), oder wenn auf altmexikanischen Darstellungen die n.e neben der bekleideten Göttin sitzt 3 M ). Auf alle Fälle aber beruht die N. primitiver Kunst nicht immer auf Nachahmung der Wirklichkeit 3β8 ). Wahrscheinlich kam die n.e Göttin aus dem Orient nach Griechenland 3M ), und die oft diskutierten Totenkonkubinen (A. 501 ff.) sind wahrscheinlich Göttinnen3) Hmtg. 7, 12. e32 meinschaft mit dem fruchtbarkeitbringen) K u h n Westfalen 2, 11, 330. ·*') S c h ö n w e r t h 1, 141.

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des hl. Fiacre heißt 654). In Caruac reiben sich die η.en Mädchen, wenn sie einen Mann wollen, mit dem Nabel an einem „Menhir" 456). In Eure-et-Loire hoben sie die Jupons und reiben den Leib gegen eine rauhe Stelle des Steines von Chantecoq, den man auch mère aux Cailles nenntϋ5β). Um 1880 kam ein kinderloses Ehepaar zum „Menhir" bei Carnac und entkleidete sich; hierauf verfolgte der Mann die Frau um den Stein herum, bis er sie erreichte 457). Gegen die ronde bosse du menhir de Plouarzel reiben junge Eheleute, halb entkleidet, den Leib 658). Segen am Fruchtbarkeitsfest wollen wohl auch die um das Johannisfeuer tanzenden n.en Weiber der Esten (vgl. A . 487 u. 686) erzwingen. Im Panjab wird eine unfruchtbare Frau zu gewissen Zeiten in eine Quelle auf einem Stuhl hinabgelassen, um n. in der Quelle zu baden; hierauf wird sie heraufgezogen, und der Übertragungszauber wird von einem Zauberer durch Zaubersprüche beendet 458). 614 ) Journal of royal anthrop. Institute 49 M5) (1919), 247. Tafel 6 bei Dulaure. **') D u l a u r e 36. M 7 ) D i o d o r 1, 85, 3; D u 148 ) C r o o k e l a u r e 26; vgl. 85. 52; Journal of royal anthropol. Institute 49 (1919), 246; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 520; vgl. D u l a u r e 49: I n China berühren die unfruchtbaren Weiber den Bauch eines Götzen. 649) A R w . 9, 5 4 1 s . ; 65 °) P a u l y - W i s s o w a Kultus 2165. Dieter i c h Mutter Erde 47. 78. 109; das „Ackerzeug" verleiht dem impotenten Manne die Potenz wieder: Anthropophyteia 4, 197 ff. Nr. 34. 451 ) D u l a u r e 169. , 5 2 ) Journal of royal anthrop. Inst. 49 (1919), 246. e5s ) S e l i g m a n n eäl) Blick ι , 280; D u l a u r e 270. Dulaure 107. 213; vgl. P l o s s Weib 2, 321 ff. e5S ) S é β5β ) I . e . b i l l o t 4, 56. «") I . e . 4, 62; zum U m l a u f : neunmal machen die Kinder, damit sie gedeihen, die Tour um den Pierre de Gribère S é b i l l o t 4, 62; S e l i g m a n n 1, 280. β5β) S é βΜ) b i l l o t 4, 56. Journal of royal anthrop. Inst. 49 (1919), 244.

25. F e l d - und A c k e r z a u b e r (neben sympathetischem Analogiezauber auch apotropäische Absicht): E contrario überträgt die n.e Frau mit ihren aidoia Fruchtbarkeit auf Acker und Feld, entsprechend auch der n.e Mann. Durch die N. fließt die anspornende Kraft unmittelbar in die Erde. Wie hier die urwüchsige, empirische Beobachtung der von den Ge-

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schlechtsteilen ausgehenden Fruchtbarkeit und des daraus entspringenden Segens einen blühenden Analogiezauber schaffen kann, zeigt der Brauch der Südslaven; Dulaure hat ein reiches Material zusammengestellt ββ0) ; als Salonbeispiel soll ein harmloser Zauber angeführt werden: Der Mann soll n. und gesund um elf Uhr bei Tag und Nacht durch das Feld laufen und sagen: Sowie ich gesund hier durchfliege, so möge auch meine Nahrung gesund und rasch gedeihen 861 ) ; deutlicher ist schon der Brauch, daß bei Trockenheit die Hausleute mit bloßen Schamhaaren n. durch das Kukuruzfeld laufen und sagen : soviel als da um unser Glied Haare, so falle auf unsern Kukrut Tau 462 ). Noch deutlicher ist sein Analogiezwang bei dünnem Weizen ββ3). In ausgesprochenem Analogiezauber ernten die Malaien den Reis mit n.em Oberkörper, sonst bekommt er zu dicke Hülsen; sie säen den Reis mit vollem Magen, damit er dicke Ähren bekomme 464 ). In Schlesien soll man die Gurken- und Kürbiskerne n. setzen (damit die Früchte glatt werden?) und auf dem Rücken ein Tönnchen tragen, damit sich die Kürbisse ein Maß nehmen e45). Im Vogtland muß die Hausfrau am Fastnachtsabend recht hoch n. vom Tische springen, damit die Früchte gedeihen 466). Bei Lübeck muß man in der Silvesternacht recht weit n. vom Tische springen, damit der Flachs recht hoch wird 447) ; in Schlesien springen die Mädchen am Faschingsdienstag n. vor dem Schlafengehen hoch vom Tisch (Goldberg; Striegau)648). Am zauberkräftigsten ist der N.szauber beim Beischlaf 46 "); das bringt Glück für das Jahr, für Haus und Hof 470). Wenn bei den Südslaven die Aussaat gedeihen soll, begatten sich splitternackt ein Bursche und ein Mädchen auf dem Felde; der Ort des Beilagers ist besonders fruchtbar 471 ). Wenn man Hirse sät, ist es gut, wenn sich das Bauernpaar n. auf dem Felde vereinigt 472). Beim Kürbispflanzen setzt das Bauernpaar n. die Kerne und spreizt dann die Beine über dem Feld 673). Um die Triebkraft der Erde zu fördern, führen die Neger n. Tänze auf, die den Coitus nach-

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ahmen 474 ); ähnlich in Australien 675). Wenn bei den Amboinesen die Obsternte schlecht ist, führt der Besitzer nachts am Baume n. Coitusbewegungen aus 676). In Rosin in Böhmen führte man früher bei •der ersten Aussaat in großem Zuge nachts «in n.es Mädchen und einen schwarzen Kater vor dem Pflug aufs Feld, wo der Kater begraben wurde ; der Erzähler selbst sah noch um 1850 drei n.e Weiber einen Pflug über das Feld schleppen 677 ) (vgl. § 10 Reinigungskreis). In Ostpreußen säten früher manche n. in der Nacht 678). In Masuren mußte eine n.e Frau über das frisch gepflügte Erbsenfeld gehen, um die Saat vor Schaden zu schützen 678a). Zu demselben Zweck tanzen die Indianerinnen n. auf dem Felde; den Ersatz der N. haben wir in Mexiko, wo die Frauen mit aufgelösten Haaren auf den Maisfeldern tanzen 678b). Will in Serbien ein Bauer Getreide säen, so sät er n. drei Beete Getreide, und das Getreide wird Tein sein 679 ) (hier wird das apotropäische in den Vordergrund gerückt). Maennling berichtet von einem Bauern in Hochkirch bei Trebnitz, der n. säte: „Dieser hatte die Kunst erlernet: so ihm die Sperlinge seinen Hiersen . . . . nicht sollten anrühren, müsse er selbigen vor Tage, wenn die Vögel noch in der Ruhe wären, ganz nacket und zwar mit einem auffgespeilten Munde, um daß er nichts rede, den Vögeln aber auch dadurch das Maul zu schließe, ausstreuen" 68°). Im Lichte dieser Gebräuche könnte vielleicht die Hesiodeische Vorschrift 681 ) : •γομνόν σπβίρειν, γυμνόν δέ βοωτεΐν, γομνόν δ' αμάειν eine besondere Bedeutung gewinnen. Indessen muß dieser Brauch mit andern Bräuchen zusammengestellt werden: Im Godavari-Distrikt kochen die Frauen n., um nicht durch die Berührung mit einem unreinen Gewand die Speisen zu beflecken (vgl. § 33). Die Miri-Naga-Frauen, die sonst im Dorfe bekleidet sind, arbeiten auf den Feldern vollkommen n. ; Crooke682) vermutet hier Furcht vor Kleider-Tabus. Die Frauen von Vizagapatam sind im Hause bekleidet; wenn sie aber ausgehen, legen sie die Kleider ab. Durham β83 ) sah 1913 albanische Bauern fast n. auf

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dem Felde und auch sonst oft n. Im Jahre 1615 sah Fynes Moryson 684 ) in Cori auf Irland splittern.e Mädchen mit bestimmten Steinen Korn mahlen, um daraus Kuchen zu backen 68S). In Siebenbürgen legt sich am Johannismorgen ein n.es Weib auf den Acker und ruft: Junger Sonnenherr tu mir und dem, was um mich ist, keinen Schaden; man mietet sich dazu eine Zigeunerin 686). In der Mark muß man an Neujahr n. an jeden Baum klopfen und sagen : Bäumchen wach auf, Neujahr ist da 687). Trägt man im Unterinntal die Hülsen der Hosbohnen dreimal n. um das Haus, so werden sie wieder voll wie ehedem 688). In der Johannisnacht umtanzen im Saalfeldischen die Mädchen den Flachs und wälzen sich n. im Flachsfeld 689). Im Werroschen Kreise muß der Flachssäer alle Kleider bis aufs Hemd ablegen, selbst dieses verkehrt; er darf keinen Gurt umbinden, muß aber einen silbernen Ring an den Finger stecken 688a). Drei Hexen sah man im Roggenfeld sich der Kleider entledigen und splittern, mit hängenden Haaren im Korn baden; als Zeugen nahten, verschwanden zwei und ließen die Kleider zurück; eine dritte warf sich das Hemd über (Schadenzauber, oder holen sich die Hexen Kraft ?) ; nach einer andern Version baden sich die Hexen im Sand 6eo). In manchen Fällen ist natürlich der ursprüngliche Sinn verwischt, oft ist ein apotropäischer Zweck sekundär untergeschoben, wie in folgendem Brauch: In Siebenbürgen mußte früher der Schweinehirt beim ersten Austrieb n. sein 691). Wenn der Serbe einen gesunden Viehstand haben will, treibt er Pferde und Kühe n. aus und sagt : wie mein penis kräftig ist, so soll auch mein Viehstand kräftig und gesund sein und sich vermehren 692) ; analog verfährt die Bäuerin beim Schweineaustrieb ees ). ββ0) 159—78; das Material ist von Krauß; vgl. A i g r e m o n t Volkserotik und Pflanzenwelt ββ1 Ma ) 12. ) D u l a u r e 167. 1. c. 167 ft. ββ3) βΜ 1. c. 169 ft. 176. ) A R w . 17, 155. 6β5) D r e c h s l e r 2, 55. Μβ ) K ö h l e r Voigtland 368; S a r t o r i Sitte 3, m A. 86. · " ) M a a c k βββ βββ Lübeck 52. ) D r e c h s l e r 2, 52. ) Anthropophyteia 6, 212 ff.; P r e u ß im Globus 86, 380;

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nackt, Nacktheit

Z f V k . 14, 18; M a n n h a r d t 1, 468. 560; D i e t e r i c h Mutter Erde 97; M a n n h a r d t Forschungen 238 ft.; R o s c h e r Lex. 2, 60; G e s e m a n n Regenzauber 39 ff.; W e i n h o l d 30 ff.; für die Antike: H e c k e n b a c h 57 ff.; D u l a u r e 71—78. , 7 °) D u l a u r e 168. 171 ff.; die nackte Vulva bringt Glück: 1 7 5 0 . ; auch die Tierphalli bringen Glück und Segen ( D u l a u r e 185—89); mit einem Bärenphallus macht man das Getreide fruchtbar: 1. c. 185. 671 ) Anthropophyteia 1, 7. 672) D u l a u r e 159. e7S) 1. c. 162. "*) E l l i s 1. c. 21 ff. e " ) D u l a u r e 288; vgl. bes. D i e t e r i c h Mutter Erde 94 ff. 67e) W i l k e n Vergi. Volkenkunde van Nederl. Indie (Leiden 1893) 550. 677 ) G r o h m a n n 143 Nr. 1058. 144; M a n n h a r d t 1, 560 ff.; W. 439. Entsprechend V e r g i l Georg. 1, 299: nudus ara, sere nudus. Cincinnatus ist nudus, als ihm die Diktatur übertragen wird. P l i n i u s hist. nat. 18, 20. *78) T o p p e n 91; S a r t o r i I.e. 2, 64 A. 19; W e i n h o l d 29; W.653—54. "'¡»JTöppen Masuren 93. *' 8b ) S c h e f t e l o w i t z 1. c. 88. "») D u l a u r e 167. ·80) M a e n n l i n g 2380.; D r e c h s l e r 2, 56 ff. M 1 ) Werke und Tage 391; M ü l l e r 86. 682) Journal of royal anthropological Institute 49 (1919), 250 ff. e8S) Man 1920, 172. ,84 ) E l l i s 1. c. 35. , e s ) Die Tanagräischen Terrakotten (n.e Frauen vor dem Backofen oder Kochtopf) sind zu vergleichen: M ü l l e r 1. c. 81. «o«) Z f V k . 4, 402 ff. ; S a r t o r i 1. c. 3, 223. M7) K u h n Märkische Sagen 378, 1 1 ; ders. Westfalen 2, 108 ff. ,88 ) Z i n g e r l e Tirol 102, 872. ω · ) G r i m m 3, 452, 519; M a n n h a r d t 1, 483; ZrwVk. 1910, 34; F e h r l e Keuschheit 63. «8,¡>) B ö c l e r Ehsten 135. '*·) G r i m m 2, 911 ff. ·«) H a l t r i c h - W o l f f 179; W. 687. ) W u t t k e 71) Kiihnau Sagen 3, 273 §402; 275 § 404. 14Í. 62. 72) W i t z s c h e l Thüringen 1, 302 Nr. 314. 78) Singer Schweiz. Märchen 61 fi.; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 140. 206. " ) Urquell 4 (1893), 95. n ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 177. ' · ) Meiche Sagen 486 Nr. 631. ")

Grohmann 200 Nr. 1402. 7S) Hansen Zauberwahn 160. 285Ü.·, Hexenwahn 194. ' · ) M e y e r Aberglaube 261. 80) ZfVk. 9 (1899), 332; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 170; W u t t k e § 554; A n d r e e Parallelen 2, 8. 81) Rtrp. 9 (1894), 12; Andree Parallelen 2, gì.; S é b i l l o t Folk-Love 4, 155. 82) ZfVk. 9 (1899), 332Í. » ) Revue 9 (1894), 12. M ) S t r a c k e r j a n 2, 229 Nr. 485; Sébillot Folk-Lore 3, 393; ZfVk. 23 (1913).· I29f.; SchwVk. 10, 2; Grimm Myth. 3,425. ω ) Urquell 3 (1892), 240; ZföVk. 13 (1907). 137; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 9. M ) A n d r e e Parallelen 2, n ; Hesemann Ravensberg i n . 87) Andree Parallelen 2, 9. ω ) ZfVk. 23 (1913), I29f. · · ) Grimm Myth. 3, 315; Hansen Hexenwahn 260; ARw. 5 (1902), 8f.; Gerhardt Franz. Novelle 132; M i i l l e n h o f f - M e n s i n g Sagen

(1921) 227^.335; 238 Nr. 353; Z f V k .

9 (1899), 332. 90) Fischer Angelsachsen 18. 91) Fahz Doctrina magica 21 fi. 93) Hansen Zauberwahn 251 ff.; Hexenwahn 257. 259ΙΪ. 332Í- 355 f ·) Gerhardt Franz. Novelle 132. **) Gerhardt a. a. O.; Hansen Hexenwahn 351; ZfVk. 9 (1899), 332. ®4) Hansen Hexenwahn 166. 193. 85) ZfVk. 9 (1899), 332; ARw. 5 (1902), 9. M) Hexenhammer « ' ) A R w . 5 (1902), 9.

2, 131.

I37f.

6. Bei der großen Gefahr, die von den Hexen drohte, wax es wichtig, diese unzweideutig zu erkennen. Das konnte durch die N.probe geschehen. Man stach die verdächtige Person unversehens mit einer langen N. im Glauben, echte Hexen seien gegen N.stiche unempfindlich. Man entkleidete auch die Angeklagten vollständig, um stichunempfindliche Stellen an ihrem Körper zu entdecken. Besonders gesucht war das stigma diabolicum, das T e u f e l s m a l . Um bei der Untersuchung ja kein solches zu übersehen, rasierte oder brannte man Frauen und Jungfrauen die Haare an allen Teilen des Körpers ab 98 ). K e n n t man die H e x e , so schießt man aus einer Flinte eine S t o p f n . in der Richtung ihres Hauses. Dadurch wird der Zauber behoben ; die Hexe kann dem Vieh ferner nicht mehr schaden (Oldenburg) 99). In Ostpreußen beschwört man die H e x e , indem man in die Horner der behexten Kuh N.n sticht und sie darin abbricht. Denselben Dienst tut nach Anweisung einer Papierhandschrift des 14. Jh. aus St. Florian ,,ain aichenlaub",in das man „mittenainnadel' steckt und es „in den sechter" legt 10°). Auf sympathetische Weise verursacht

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Nadel

man der Hexe Schmerzen, indem man von der Milch der behexten Kuh kocht und N.n in die Pfanne wirft 101 ). Wenn Kinder oder Vieh behext sind, so spickt man Herz, Lunge oder Leber geschlachteter Tiere oder einer schwarzen Henne mit N.n und stellt das Ganze schweigend bei verschlossenen Türen und Fenstern übers Feuer. Die Hexe empfindet die Glut, erscheint und bittet um Erlösung. Kann sie dabei irgend einen Gegenstand aus dem behexten Haus sich aneignen, ist sie befreit. Anderwärts hängt man das von N.n zerstochene Tierherz in den Schornstein, was denselben Erfolg hat 102 ). In Böhmen wird auf ähnliche Weise ein Dieb festgestellt, wobei neben der Steckn. auch eine Leichenn. gute Dienste leistet 103 ). In Dithmarschen steckt man drei Talglichter dicht voll Knopfn.n, hängt sie verkehrt an die Zimmerdecke und zündet sie an. Jedesmal wenn der Talg bis an eine N. weggeschmolzen ist, läßt die Hexe einen Schrei hören, und läßt schließlich das Opfer los. Denn wenn die Lichter abgebrannt sind, muß sie sterben 104 ). Um die Epilepsie zu heilen, die nach dem Volksglauben in Sussex durch eine Hexe verursacht wird, stellt man eine mit N.n gefüllte Flasche, wie sie dort bei baulichen Veränderungen vielfach unter dem Hausherd gefunden werden, auf den Herd, bis die N.n glühend sind10S). Bei den pfälzischen Auswanderern in Pennsylvania heißt es : Es macht di hexe kumme wannd sibe neie nodle ime kind sei wasser in en bottel duscht un si no ei schlisscht. Ähnliches wird aus England berichtet 106 ). In der Picardie befreit man sich dadurch von einem Geist, daß man eine N. in den Boden steckt; der Geist muß durch das Loch gehen 107 ). In der Oberlausitzer Sage von „Pfarrer Klunges Verhängnis" zwingt der als Hexenmeister bekannte Pfarrer einen Poltergeist, auf immer durch ein Loch zu verschwinden, das er mit einer N. durch das Fensterkreuz gestochen hatte 108 ). Möglich, daß hier eine Reminiszenz an die alte Heilzeremonie des D u r c h k r i e c h e n s (s. d.) vorliegt. A p o t r o p ä i s c h e r N a t u r ist die in B l c h t o l d - S t l u b l i , Aberglaube VI

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der Theißebene verbreitete Sitte, am Georgitag eine N. in die Tür zu stecken, damit keine Hexe die Schwelle überschreiten kann. Derselbe Brauch findet sich bei den Tscheremissen nach dem Eintritt der Neuvermählten in ihr Heim. Auf dem Weg dahin stecken die jungen Eheleute in den ersten Schlagbaum, den sie treffen, eine N. und sagen: „Mögen alle Hexerei und Zauberei hier bleiben" loe ). Zum Schutz gegen den bösen Blick durchsticht man in Ägypten ein Stück Papier mit einer N. und sagt: „Dies ist das Auge des und des, des Neidischen", und verbrennt es dann; in den Meeralpen läßt man N.n in öl kochen 110). Junge Mädchen stecken bei der Einsegnung N.n ins Kopftuch und schützen sich dadurch vor Kopfschmerzen, Mädchen und Frauen gegen uroky durch eine im Hemd am Busen mit der Spitze aufwärts gerichtete N.111). Um die Kühe vor Krankheit und Behexung zu bewahren, näht man ihnen in Hagenow mit Hilfe eines alten Lappens eine Nähn. mit abgebrochener Spitze an den Schwanz, während man in den nordischen Ländern zum Schutz der Gänse in der Begattungszeit in den Federkiel eines Gänseflügels eine Nähn. steckt 112 ). Um die Eier des Geflügels zu schützen und die Brut gedeihen zu lassen, steckt man in anderen Gegenden Steckn.n ins Nest u s ). In Oldenburg endlich „verstahlt" man die Weide, d. h. man steckt in jede Ecke eine Steckn.114). ,e ) M e y e r Aberglaube 329; K r a u ß Relig. Brauch 121. *9) S t r a c k e r j a n 1, 446; 2, 229 Nr. 485; W u t t k e 446 § 702; Seligmann Blick ι, 333. 10°) G r i m m Myth. 3, 416; W u t t k e 01 445 § 7 .' D r e c h s l e r Schlesien 2, 254; ZfVk. 9 (1899), 332; S e l i g m a n n Blick 1, 274; M e i c h e Sagen 482 Nr. 625; F r i s c h b i e r Hexenspr. 19. 101 ) W u t t k e 284 § 4 1 7 ; S e l i g m a n n Blick 1, 286. W u t t k e 284 § 417; M e i c h e Sagen 482 Nr. 625; S e l i g m a n n Blick 1, 288. 332Í.; 2, 144; G r i m m Myth. 3, 474 Nr. 1072; ZfVk. 9 (1899), 332. 335ff. 1CÏ ) G r o h m a n n 204 Nr. 1420; ZföVk. 6, 118. 1M ) Urquell 2 (1891), 141 f. l0S ) ZfVk. 9 (1899), 335S. 10í ) F o g e l Pennsylvania 140 Nr. 646; S e l i g m a n n Blick ι , 300. 10 ') S é b i l l o t Folk-Lore 2, 419. 10») M e i c h e Sagen 531 N r . 673. l M ) W l i s l o c k i Magyaren 160; S e l i g m a n n Blick 2, 15. 110 ) S e l i g m a n n Blick 1, 334; 2, 15. u l ) W u t t k e 357 § 536; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 77 f.

30

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931 112

ll3

) S e l i g m a n n Blick 1, 275; 2, 14Í. ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 191; F r i s c h b i e r Hexen114 spr. 128. ) W u t t k e 441 § 694; S e l i g m a n n Blich 2, 14.

7. G e b u r t , Hochzeit, Tod spielen, wie im Volksglauben überhaupt, so auch im N.aberglauben eine besondere Rolle. In Ostfriesland steckt die kluge Hebamme dem K i n d , bevor es „der 'begabte' Vater in die Hände bekommt oder die zum Hexenvolk gehörige Mutter zum erstenmal stillt", ein K r e u z von N.n ins K ä p p c h e n , nachdem sie es im Namen des dreieinigen Gottes gesegnet hat U 5 ). In Mecklenburg steckt man der Wöchnerin und dem K i n d eine N. in die K l e i d u n g ; beide siñd dadurch vor bösen Leuten geschützt, da sie mehr Augen oder Köpfe haben, als zu sehen sind 118 ). Anderwärts legte man den K i n d e r n N.n ins B e t t c h e n , um die Bergmännchen zu verhindern, die Kinder herauszunehmen117). Dagegen glaubt man in Sachsen und Westböhmen an eine ungünstige Wirkung der N. in der K i n d e r s t u b e . Das Kind kann keine Ruhe finden, wenn die Nacht über auf dem Stubentisch eine N. liegt; steckt die Wöchnerin N.n in die Vorhänge, so bekommt das Kind schlechte Zähne; oder die Zähne fallen ihm aus, wenn N.n zum Befestigen ins Kissen gesteckt werden 118 ). Zugrunde liegt die Vorstellung von der N. als Alp (s. § 5). In das T r a g k i s s e n band früher die Hebamme bei Mädchen einen Lappen Zeug mit einer Nähn., oder eine Nähn. wurde dem Mädchen in den P a t e n b r i e f gelegt, damit es einmal f l e i ß i g werde (Baden, Ostpr.) u e ). Zwar heißt es mancherorts: „Wenn eine Nähn. entzwei b r i c h t , so bedeutet es Unglück** 120 ). B r i c h t aber die N. einem h e i r a t s f ä h i g e n Mädchen beim Nähen eines Kleides ab, so näht es an seinem B r a u t k l e i d (Sargans, Heidelberg, Pennsylv.); s t i c h t sie sich beim Nähen, so g e f ä l l t sie in dem Kleid (Schles.) und wird v i e l darin geküßt (Thür., Oldenb.); zerbricht die N. während das Mädchen mit einem ledigen Mann s p r i c h t , so wird es seine B r a u t

932

(Thür.); zerbricht die N. beim Nähen von Mannshemden, so wird das Mädchen von ihrem k ü n f t i g e n Mann g e p r ü g e l t (Thür.) m ) . In Frankreich gehen die Mädchen zur Kirche „Unserer Frau" von Coudat und werfen N.n über ihre Schultern. Fällt eine auf die andere, heiratet das Mädchen innerhalb des Jahres 122 ). Auch auf dem Tanzboden bringen Steckn.n Glück, indem sie T ä n z e r herbeiziehen;Mädchen, welche N.n hergeben, bekommen keinenTänzer123). Verliert ein Mädchen eine Haarn., so v e r l i e r t sie einen Verehrer (Baden), oder der Schatz wird ihr untreu. Droht die N. aus dem Haar zu fallen, „bangt" sich ein Verehrer (Schles.) 124 ). Wenn man sich für die Unterhaltung anzieht und sich dabei sticht, wird man Eroberungen machen 125 ). Um eines Mädchens L i e b e zu erl a n g e n , wickelte man ein H a a r des Mädchens um eine Steckn. aus ihrem Besitz und warf sie rückwärts in einen Fluß (s. § 4) 1 2 6 ), oder man steckt Steckn.n, mit denen ein L e i c h e n t u c h befestigt war (s. § 3), heimlich in die K l e i d e r der Geliebten 1 2 7 ), oder man heftet einen Augenblick seine Kleider mit denen des Geliebten zusammen mit H i l f e einer N., mit der man zwei sich b e g a t t e n d e F r ö s c h e durchstochen h a t t e (Sympathie, s. d. u. o. § 5) 128 ). Ähnlicher Zauber liegt ursprünglich wohl auch dem jeu des épingles zugrunde: Les jeunes gens se faisaient un plaisir d'épingler les robes des belles dames avec les habits des messieurs, ou avec les jupes de leurs servantes 129 ). Früher kamen Messer, Schere und Ν. als E h e p f ä n d e r vor; heute scheint der Brauch nur noch ganz vereinzelt zu bestehen 130 ). N.n der B r a u t sind sehr gesucht. In der Gegend von Verdun und Stenay werden am Vorabend der Hochzeit N.n verschiedener Größe an sämtliche weiblichen Einwohner des Dorfes als Einladung zu der Feier verteilt. Das Mädchen, das die erste N. beim Schmücken der Braut verwendet, wird selbst innerhalb des Jahres Braut. Darum finden sich die jungen Mädchen am Hochzeits-

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morgen ein, um N.n in die Brautkrone zu stecken (Loire, Bretagne, Vogesen). Gibt die Braut eine Steckn. von ihrem Kleid einem jungen Mädchen, so heiratet dieses bald. Das Schenken geschieht entweder beim Verlassen der Kirche oder beim Hochzeitsschmaus (Böhmen). An die Stelle der Braut tritt anderwärts das Brautpaar (Thür.) oder die Brautjungfer (Vogesen) m ) . Brautleute sind den Nachstellungen böser Leute besonders ausgesetzt. Man braucht ζ. B. nur eine S t e c k n . ins T r a u k l e i d zu stecken, dann werden sich die E h e l e u t e n i c h t v e r t r a g e n (Posen, Spreewald) 132 ). Daher auch die apotropäische Verwendung der N. bei den Tscheremissen (s. § 6). Auch der böhmische Brauch, daß eine schwangere Braut bei der Fahrt zur Trauung den Pferden eine Steckn. ins Kummet steckt, damit sie von der Stelle kommen, ist apotropäischer Natur 133). In G r ä b e r n , vor allem Frauengräbern, der Hallstatt- und besonders der La-Tène-Zeit finden sich, meist in kleinen zylindrischen Büchsen verwahrt, o f t N.n in g r ö ß e r e r Zahl. Im germanischen Gebiet kommen wohl nur Gräber aus der Römer- und der Völkerwanderungszeit in Betracht 134 ). Diese Tatsache beweist das Alter der Anschauung, alles, was mit dem Toten in Berührung komme, also auch seine Nähn., gehöre ihm und müsse ihm mit ins Grab gegeben werden, sei es, damit er sein Gewand nähen könne, wenn er wandle (Oldenb.) — christianisiert: damit er den Schaden ausbessern könne, wenn ihm bei der Auferstehung am jüngsten Tag das Totenkleid zerreiße — sei es — apotropäisch — , um den Toten zu hindern, daran zu „zehren" und ein Glied der Familie in den Tod nachzuziehen 135 ). Oder man vernichtet die Leichenn. dadurch, daß man sie ins Feuer wirft (Oldenb.)138), während man sie anderwärts als glückbringend aufbewahrt (s. § 3). Nach der Tiroler Sage „Die Jocher Fräulein" u. a. muß eine von den drei Willeweis dafür büßen, weil sie im Leben geglaubt habe, „die N., mit welcher man Totenhemden

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genäht habe, dürfe man nicht weiter verwenden" 137). In Nordfriesland und Württemberg gibt man verstorbenen Wöchnerinnen Schere, N. und Faden mit ins Grab, damit sie sich auf der langen Reise ins Jenseits die Kleider flicken können 138) (s. Grabbeigabe). 116 ) W u t t k e 156 § 214. «*) B a r t s c h Mecklenburg 2, 52; S e l i g m a n n Blick 2, 14. 1 1 1 ) K i i h n a u Sagen 2, 127 Nr. 763. l i e ) J o h n Erzgebirge 55; Westböhmen 109; G r i m m Myth. 3, 449 Nr. 458. u · ) Alemannia 27, 228; W u t t k e 12 i a i 389 § 594. °) S A V k . 8, 269. ) Manz Sargans 125; W u t t k e 220 § 3 1 1 ; F o g e l Pennsylvania 89 Nr. 331 ; 91 Nr. 362; D r e c h s l e r Schlesien i , 227; A n d r e e Braunschweig 405; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 414; S t r a c k e r j a n 12S) ι , 37. 1 M ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 151. K ö h l e r Voigtland 418; W u t t k e 363 § 547. 121 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 195. i a s ) Z f ö V k . 3 (1897), 21. 12 ·) G r i m m Myth. 3, 474 Nr. 1059. 128 ) " ' ) P o l l i n g e r Landshut 247. Wuttke 365 § 550; X o e p p e n Masuren 88. 1 M ) S c h w V k . 4, 49. 130) B ä c h t o l d Hochzeit 1, 139; S a u v é Hautes-Vosges 83. 1 3 1 ) Mélusine 3 (1886—7), 277 Nr. ι ; 377 Nr. 6; RTrpop. 4 (1889), 556; 8 (1893), 542; S a u v é Hautes-Vosges 98; S é b i l l o t Haute-Bretagne 133; G r o h m a n n 120 Nr. 927; W u t t k e 210 § 291; Z f V k . 4 (1894), 1 7 1 ; S c h m i t t Thüringen 4 8 s . 1S2 ) S c h u l e n b u r g 1 2 1 ; Z f V k . ι (1891), 483 Nr. ι . 1S> ) G r o h m a n n 1 1 9 Nr. 905; W u t t k e 371 § 562. l i 4 ) H o o p s Reallexikon 3, 297; M ü l l e r Alte lumsk. 2, 21. 38. 5 5 g . n o . ι 3 ί ) W u t t k e 461 § 7 3 1 ; S t r a c k e r j a n 2, 216 Nr. 456; S c h u l e n b u r g 1 1 3 ; W i t z s c h e l Thüringen 2, 257 Nr. 56; Z f r w V k . 4 (1908), 250; D r e c h s l e r Schlesien ι , 299; Z f V k . 4 (1894), 86. 1 M ) W u t t k e 461 § 7 3 1 . 1S7 ) H e y l Tirol 4 1 ö S . I M ) R o c h h o l z Kinderlied 354; M ü l l e n h o f f - M e n s i n g Sagen 192 Nr. 286; H ö h n Tod 334.

8. In der V o l k s m e d i z i n findet die N. oft Anwendung. Jedoch unterscheidet man hier und dort zwischen den verschiedenen N.n. Geschwüre soll man ζ. B. mit einer Steckn., nicht mit einer Nähn. aufstechen, da diese süchtig ist, d. h. eine Sucht, eine Krankheit verursacht 139). In Gloucestershire reibt man Warzen mit dem Saft einer Schnecke ein, die mit einer N. ebenso oft durchstochen wurde, als der Patient Warzen hat 140 ). Besonders heilkräftig ist die V e r b i n d u n g v o n N. und K r e u z form. In Mecklenburg ritzt man in Flechten drei Kreuze mit einer N., die nachher verborgen wird, wo weder Sonne noch Mond hinscheint. Gegen Bläschen

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Nadel

auf der Zunge steckt man zunächst sich selbst eine N. an und steckt diese dann ans Fensterkreuz (Erzgebirge). Auch streicht man mit dem N.knopf dreimal über die kranke Stelle und spricht dabei einen Segen von der Art: „Unser Herr Jesus Christus ging über Sand Land, über Berg über Dal, damit bestreich ich dieses Mal". Dazu verwendet man eine neue Knöpfn. (Mecklenb.). Auch eine Strickn. oder Spule, kreuzweis über die kranke Stelle gelegt, tut gute Dienste. Solche N.n dreht man dann in einem Brunnen oder anderem Wasser herum (Übertragen der Krankheit auf den Brunnen, s. § 4), vergräbt sie oder gibt sie einem andern. Dieses Übertragen von Krankheiten auf Bäume, Tiere und Menschen ist weit verbreitet. In Missouri sticht man eine Steckn. durch die Warze und wirft sie auf den Weg. Der Finder der N. bekommt die Warze. In Leicestershire sticht man die N. zuerst in die Rinde einer Esche, dann in die Warze und dann wieder in den Baum. In Mecklenburg heilt man so Eiterbeulen. Der erste Vogel, der auf den Baum sitzt, erhält das Übel und stirbt daran 141 ). Auch zur Behebung von Krankheiten beim Vieh findet die N. in Mecklenburg wie in der Bretagne und in Schottland Verwendung 142 ). Schon in das G e b i e t des H e x e n g l a u b e n s fällt die Benützung l a n g e r Stahln.n, welche eine m y s t e r i ö s e H e r k u n f t haben, ζ. B. zu einem Mord benützt worden sein sollen. Durch Ritzen mit solchen N.n sollen Flechten geheilt werden 143 ). Zur Feststellung, ob eine Krankheit durch Behexung entstanden ist, dient bei den Siebenbürger Sachsen das „ Ä s c h e r c h e n " : man legt z . B . auf einen Teller 9 Knoten, die aus einem Strohhalm geschnitten sind, 9 kleine Stücke Holz von den Winkeln der Türen, der Tische oder der Kasten und 9 Prisen Asche, auf der Spitze eines Messers genommen, und gießt Wasser auf das Ganze. Wenn sich eine eingefädelte N., um welche man die beiden Enden des Fadens in derselben Weise wie den Flachs um die Spindel wickelt, in der Mischung

936

senkrecht hält, so ist das ein Anzeichen der Beschreiung. Anderwärts ist das Verfahren noch komplizierter 144 ). Gegen solche Krankheiten kauft man eine Handvoll N.n, ohne sie zu zählen, bezahlt sie, ohne zu handeln, kocht sie in einem neuen Topf und nimmt 9 Tage lang jeden Tag eine davon; wenn keine N. mehr im Topf ist, ist der Kranke gesund 145 ). Die durch einen N.stich verursachte Wunde heilt schnell, wenn man die N. sofort in Wachs steckt 146 ). 13e

) S e y f a r t h Sachsen 267.

(1899),

331.

io8f. 360;

141

)

Bartsch

140

) ZfVk. 9

Mecklenburg

J o h n Erzgebirge 252;

2,

Seyfarth

Sachsen 238. 287; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 414; Z f V k . 7 (1897), 408; 8 (1898), 58; 9 (1899), 331. 142

) B a r t s c h Mecklenburg 2, I 4 8 f . ;

Folk-Lore

Sébillot

3, 277; 4, 139; S e l i g m a n n

Blick

343- 1 4 3 ) B a u e r n f e i n d Nordoberpfalz 102. 1 4 4 ) S e l i g m a n n Blick 1, 2 5 8 ^ 1 4 5 ) E b d . 1, 275. l l e ) K o h l r u s c h Sagen 340.

9. Bei der häufigen Verwendung der N. im Volksglauben und -brauch ist es nicht verwunderlich, wenn man ihr auch in zahlreichen v o l k s t ü m l i c h e n Redensa r t e n und S c h e r z e n begegnet. Bei einem Kinderfest in Luxemburg erhalten die Mädchen erst dann Zulaß, wenn sie als E i n t r i t t s p r e i s eine S t e c k n . entrichtet haben 147 ), wohl der Überrest eines alten Opferbrauchs. Von hier aus ist vielleicht auch die Bedeutung von é p i n g l e = T r i n k g e l d verständlich. Ein etwas derber Scherz ist „ S t e c k n . n s i e b e n " : Über einen Uneingeweihten wird ein Durchschlag gehalten, durch den die Steckn.n gesiebt werden sollen. Wenn der Betreffende nun nach den gesiebten N.n schaut, schüttet man ihm durch den Durchschlag Sand ins Gesicht 14S). Das in Graubünden geübte „N.n s ä e n " 148) scheint früher weiter verbreitet gewesen zu sein, wie der Spitzname (N.säer) derer von Krumbach/Behlingen (Schwaben) vermuten läßt 15°). Eine andere Vexieraufgabe ist „N. ohne F a d e n " : das Mädchen, welches eine N. ohne Faden bringen soll, muß sich völlig entkleiden und so die blanke N. bringen 1B1 ). Bei den Deutschen in Pennsylvania heißt es endlich: Wammer seil bei name nennt as an em denkt warn-

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ten 9 ), Dreikönig 10 ), Fastnacht 1 1 ) (Faschingsdienstag 12 ), Aschermittwoch 1 3 ) ), l i 7 ) F o n t a i n e Luxemburg 51; S a r t o r i Sitte Gründonnerstag 14 ), Karfreitag 1 5 ) (der 148) Z f V k . 9 (1899), 442. u. Brauch 3, 211. erste Freitag jedes Monats 16 )), Osteru ») 1M) J e c k l i n Volkstüml. 353. Fischer sonntag 1 7 ), Himmelfahrt 1 8 ), Pfingstsonn161 ) Urquell 2, 91. 15s ) SchwäbWb. 4, 1921. tag 1 9 ), Dreieinigkeitssonntag 20 ), SonnF o g e l Pennsylvania 373 Nr. 1998. Mengis. wendtag 2 1 ), Sebastians- 21 »), PhilippsNadelöhr. (Jakobs-) 21b ), Peter-und Pauls- 22 ), MarDurch das Öhr einer Nadel, mit der tins- 23 ), Thomas- 233 ) und Marientag 24 ). ein Toter eingenäht wurde (s. N a d e l Weniger an dieser Auswahl, als an den § 3), kann man sehen, was andere nicht vielfältigen Strafandrohungen für die sehen 1 ). Übertretung des Verbotes zeigt sich der N. heißen auch Reste altchattischer Reichtum volkstümlicher GlaubensvorH e i l s t ä t t e n f ü r B r u c h l e i d e n d e , be- stellungen. Das N. an einem dieser Tage stehend aus durchlöcherten Steinen oder gilt dem Christen als „eine frevelhafte, Bäumen. Die Heilung erfolgte dadurch, gottversuchende" T a t 2 5 ). So rührt auch daß der Kranke durch die Öffnung kroch die ärmste, taglöhnernde und daher für oder gezogen wurde (s. d u r c h k r i e c h e n , die Familie auf Sonntagsarbeit anged u r c h z i e h e n § 3). Solche örtlichkeiten ; wiesene Frau zu bestimmten Zeiten keine haben bis heute vielfach den Namen Nadel an 2 6 ), und wo diese Auffassung beibehalten, selbst wenn das eigentliche sich lockert, sucht der Konservative mit N. nicht mehr vorhanden ist. So wurde unbedingt notwendigen Näharbeiten Feierz. B. die beim Franziskanerkloster ober- tags lieber den weniger bedenklichen halb der Brücke am Mühlgraben zu Nachbarn heim 2 7 ). Marburg gelegenen Grundstücke als „ a m Er fürchtet den Zorn Gottes, der ihn N o l e n o h r " gelegen bezeichnet 2 ). selbst, seine Familie oder seine Habe Ein e n g e r G a n g , St. Wilfrids Needle, treffen kann und sich am sichtbarsten in der Kathedrale zu Ripon (Yorkshire) entlädt im Blitzschlag 2 8 ) : diente zur Probe für Frauen, welche mehr Heut ist Petri und Paul, „mit dem Herzen als mit dem Verstand" Und wer da näht. geliebt hatten 3 ). Den trifft der Straul (Strahl) mer di schpel wider nei schteckt un si bleibt fascht hot mers recht genannt 1 5 2 ).

*) H o f f m a n n - K r a y e r 44. 2) G r i m m Myth. 2, 976; K o l b e Hessen 92. 100. 3) Z f V k . 20 (1910), 175. Mengis.

Nagel, nageln s. Nachtrag. Nagelkraut s. 3, 12950. Nägelschnitze s. F i n g e r n a g e l , a b schneiden. nähen. ι . Als eine der sinnfälligsten Frauenarbeiten — das Nähzeug wird dem Mädchen ins Patengeschenk gebunden 1 ) und der Toten mit ins Grab gegeben 2 ) — unterliegt das N. (vgl. auch spinnen, stricken, weben) in besonderem Maße den volkstümlichen Feiertagsarbeitsv e r b o t e n (s. Arbeit). Weder an Sonntagen 3 ) (Samstagen 4 )), noch an Fest- 5 ) und heiligen Tagen e ) darf genäht werden, und unter den letzteren werden wiederum besonders genannt: Quatember6®), Weihnacht 7 ), Neujahr 8 ), Zwölf-

Näharbeit zieht den Blitz an 2 9 ); er schlägt drein 30 ), ins H a u s 3 1 ) und tötet den Frevler 3 2 ), und alle Schutzmittel sind umsonst 3 3 ). Oder der Fluch vererbt sich dergestalt auf den Träger des genähten Kleidungsstückes; wer es anzieht, stirbt 3 4 ), leitet die Gewitter auf sich 35 ) und wird vom Blitz getroffen 36 ). Eine wendische Sage erzählt, wie ein Handwerksbursche nur dadurch einem ihm stetig folgenden Gewitter entging, daß er sein Hemd abzog, das seine Mutter einst an einem Himmelfahrtstage genäht hatte; kaum war das geschehen, da schlug der Wetterstrahl in das Kleidungsstück und riß es kurz und klein 87 ). Als einst der Pastor von Windheim sich selbst im Chorrock hoch zu Roß auf einem Feldwege reiten sah und die Erscheinung mit den Worten anrief: „Teufel, was tust du in meiner Gestalt?", er-

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hielt er die Antwort: „An dem Chorrocke ist in der Christnacht genäht worden" 38). Wenn nun diese Rolle des Teufels im Strafvollzug dahin genauer gekennzeichnet wird, daß er dem Frevler für jeden genähten Stich eine glühende Stricknadel durch die Zunge rennt 3e ), so ist über die landläufige Sühne hinaus eine Strafe angedroht, die eine augenfällige Beziehung zur Art der verbotenen Arbeit hat. Durch eine derartige sympathetische Verbindung erst heben sich die auf das N. bezüglichen Vorstellungen aus dem allgemeinen Glaubensgut als eigentlicher Sondergehalt heraus. So heißt es, daß sich der Übertreter des Nähverbots das ganze Jahr stechen ^ und böse, eiterige Finger bekommen wird 4 1 ), oder daß der Träger des Kleidungsstückes im Todeskampf nicht sterben kann, bevor es nicht aufgetrennt, -gerissen, -geschnitten oder gegen anderes Zeug vertauscht ist 42 ). „Wer flickt an Thoma, der muß derkrumma und derlohma" 43). Auch „meinen sie, ihr Vieh werde sonst hinkend" („oder das ümlauffen bekommen")**), weil ihm die Nadeln in die Füße gehen45), und die Hühner würden keine Eier 46 ) (oder nur Windeier24)) legen; denn man habe ihnen die Löcher zugeflickt 47 ). Beide Arten der Strafandrohung finden sich auch beim Nähverbot der Wöchnerin. Sie darf nicht vor Beendigung des neunten Tages n.48) ; tut sie es doch, so bekommt sie Stiche im Leib 4 e ), und das Genähte zieht den Donnerkeil an M ). Zwei weitere Einzelbeispiele stellen ebenfalls allgemeine und besondere Folgeerscheinung nebeneinander: Frauen sollen im Kornfeld nicht n., sonst kommen die Gewitter 81 ); Fischer dürfen bei widrigem Winde nicht n., sonst n. sie den Wind fest 68 ). Schließlich ist auch ein Vorstellungsschwund feststellbar, so in der Warnung, daß man bei Nichtachtung des Verbotes viel weinen müsse 53 ), oder in der nüchternen Auffassimg: das Genähte halte nicht M ). Vom Jahresanfangsaberglauben beeinflußt ist die Lesart, daß, wer am Neujahrstage nähe, dies jeden Sonntag im Jahre tun müsse 8 ).

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1 ) Oben 3, 802; 4, 1492; dazu G r ü n e r Egerland 33; Urquell 1, 152. — Vgl. oben 4, 1317. — Wenn das Mädchen heranwächst und n. lernen soll, läßt man es zuvor eine Nadel durch den Nabelschnurring ziehen; dann wird es im N. geschickt: G a ß n e r Mettersdorf 15f. — Zurückgekriimmte Finger heißen bei kleinen Knaben „Schmiedefinger", bei kleinen Mäd2) chen „Nähfinger": Z f V k . 8,285 (Island). K u h n Westfalen 2, 50; M e i e r Schwaben 2, 491; R a n k e Sagen 40. Dazu oben 3, 1087 u. 1089. 3) G r i m m Myth. 3, 472; W u t t k e 59 (315. 401); F o g e l Pennsylvania 371; Haltrich Siebenb. Sachsen 287; ZfdMyth. 4, 46; W l i s locki Volksglaube 70. *) A m a r a n t h e s Frattenzimmer-Lex. (1715) = S c h u l t z Alltagsleben 241. 5) ZfdMyth. 4, 46. ·) R e i s e r Allgäu 2, 429. , a ) J ä c k e l Oberfranken 178. ') J o h n Erzgebirge 151; K ü c k Lüneburger Heide 38. e ) D r e c h s l e r 1, 49; ZföVk. 11, 189. ») K u h n u. S c h w a r t z 409 (Old.); K u h n Westfalen 2, I i i ; M e y e r Baden 482; M e n s i n g Schlesw. Wb. 2, 99; B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 24 10) J o h n Erzgebirge 27. 11) (Rauchnächte). K u h n Westfalen 2, 130; J ä c k e l Oberfranken 166; F o g e l Pennsylvania 250; W u t t k e 83. 12 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 349; John Westböhmen 40; S c h r a m e k Böhmerwald 136. 1S ) 14) B o e d e r Ehsten 80. L e h r m a n n u. S c h m i d t Die Altmark und ihre Bewohner. 2 (Stendal 1912), 248; J o h n Erzgebirge 27; J ä c k e l Oberfranken 250. " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 259; J o h n Erzgebirge 27; F o g e l Pennsylvania 253; Z f V k . ι , 181; Bait. Stud. 33 (1883), 122. " ) D r e c h s l e r 2, 186 f. » ) K ü c k Lüneburger Heide 38; P l e t t k e Heimatkunde d. Regierungsbezirks Stade. Bremen 1909, 311. 18 ) G r i m m Myth. 3, 459; B a r t s c h Mecklenburg 2, 270; E n g e l i e n u. L a h n 280; K ö h l e r Voigtland 375; J o h n Erzgebirge 27; D r e c h s l e r 2, 4; V e r n a l e k e n Alpensagen 372; S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 145; W u t t k e 78 (347); Z f V k . 14, 424. " ) K ü c k Lüneburger Heide 38; J o h n Erzgebirge 27. 20) W i t z s c h e l Thüringen 2, 209; S c h r a m e k Böhmerwald 156; 21 ) B a u m g a r t e n ZfrwVk. 4, 118. Aus der Heimat 1, 60. î l a ) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 29. 2 1 b ) B a u m g a r t e n Jakr u. s. Tage 24. 2Î ) M e i e r Schwaben 2, 431; J o h n Westböhmen 90. 23) B a r t s c h Mecklenburg 2, 221. 23a ) J ä c k e l Oberfranken 158. 24) K u h n Mark. Sagen 378; Z f V k . 1, 181. 25) M e i e r Schwaben 2, 431. »·) ZfrwVk. 4, 118. " ) K u h n u. S c h w a r t z 409. ae ) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 41. M ) Rockenphilosophie 1, 391. 30) R e i s e r Allgäu 2, 429; E n g e l i e n u. L a h n 280; W u t t k e 78 (im gleichen Jahre). 31 ) G r i m m Myth. 3. 459; L e h r m a n n u. S c h m i d t (s. 14 )) 2, 248; Z f V k . 14, 424. M ) E n g e l i e n u. L a h n 280; W i t z s c h e l Thüringen 2, 209; D r e c h s l e r 2, 4; S c h r a m e k Böhmerwald 156. 33) J o h n Erzgebirge 27; P l e t t k e (s. " ) ) 311. M ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 287. — Auch wer beim Mondschein näht, näht sich sein Sterbekleid : W u t t k e 301. » ) K ö h l e r Voigtland 375 = W u t t k e 78;

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J ä c k e l Oberfranken 178. 250; Vernaleken 3e Alpensagen 372. ) D r e c h s l e r 2, 186 f.; B a u m g a r t e n Aus der Heimat j, 60; W u t t k e 59 (oder wird krank, geht auf der See unter). 3 ' ) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 1 4 5 ; vgl. ZfdMyth. 4, 46. 8e ) M e y e r Ein niedersächsisches Dorf am Ende d. 19. Jh.s. Bielefeld (1927), 227. a9 ) F o g e l Pennsylvania 3 7 1 . 40 ) Bait. Stud. 3 3 (1883), 122. 4 1 ) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 29; B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 24; Z f V k . ι , 1 8 1 ; M e n s i n g Schlesw. Wb. 2, 99; Z f V k . I, 1 8 1 . — Wird von Beulen befallen: 4ä W u t t k e 78. ) G r i m m Myth. 3, 472; K u h n Westfalen 2, 47 = W u t t k e 4 5 7 f. ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 1 9 ; vgl. D r e c h s l e r 2, 184; R o c h h o l z Glaube 2, 1 3 ; W u t t k e 59; H ö h n Tod 3 1 4 ; Z f V k . 4, 327. «) Jäckel 44 Oberfranken 158. ) B o e d e r Ehsten 80 (Schafe bekommen die Aschenräude, und die Flachsfäden zerfallen beim Brechen zu Staub). 45 ) M e y e r Baden 482. 4e ) J o h n Westböhmen 40; S c h r a m e k Böhmerwald 1 3 6 ; ZföVk. 4, 148 47 (Slowenen); Z f V k . 1, 1 8 1 . ) K u h n Westfalen 2, 130; P r ö h l e Harzbilder 5 3 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 349; J ä c k e l Oberfranken 166; F o g e l Pennsylvania 250; ZfdMyth. 1, 200; vgl. W u t t k e 83. 48 ) H a r t m a n n Dachau u. Bruck 200. — Nicht in den ersten 6 Wochen : H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 6 1 ; ZföVk. 14, 120 (Nordböhmen). 49 ) S A V k . 21, 34. — Sie erhält Gicht und Rheumatismus in den Finger: H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 6 1 . 50 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 1 5 9 ; Egerl. 20, 6. — Näht eine schwangere Frau am Sonntag, wird das Kind eine „vernähte" ( = kurze) Zunge be61 kommen: ZföVk. 3, 1 1 6 (Rumänien). ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305. I 2 ) Z f V k . 1, 53 190. ) J o h n Erzgebirge 1 5 1 . — Dazu: ,,Les femmes (Bretagne) refusent de coudre et de filer les jeudis et les samedis, parceque disentelles, cela ferait pleurer la Vierge": W o l f Beiträge ι , 237. M ) Anm. 2; B a r t s c h Mecklenburg 2, 259. — Nicht das Arbeitsverbot, sondern sympathetischer Mondaberglaube ist bestimmend, wenn die gleiche Folgeerscheinung für N. zur Zeit des abnehmenden Mondes angedroht wird: K r a u ß Relig. Brauch 14.

2. Die sympathetischen Beziehungen zwischen dem N. und dem Zustand des Menschen, an dessen Kleidungsstücken diese Handlung vorgenommen wird 55 ), werden aber noch deutlicher in der verbreiteten Vorschrift, sich oder anderen, vor allem den Kindern, n i c h t s am Leibe n. zu lassen. „Mancher lieñe lieber durch ein Feuer, als daß er sich einen Stich ließe am Leibe thun". Neben den wiederum verschliffenen Folgen, daß dies nicht gut ist εβ ), keinen Segen bringt S7 ), dem Mädchen die Gunst der Männer verscherzt und umgekehrt 68 ),

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auch ein schweres Sterben 59 ) oder eine Verunreinigung im Todeskampf ·°) zur Folge hat, stehen die unmittelbar bezüglichen Angaben, daß auf solche Weise das Glück weggenäht 61 ), die Gedanken angenäht e2), der Verstand festgenäht 83 ) (die Leute vergeßlich gemacht 64 )), daß die Seele mit angeflickt 85 ) und Leiden und Krankheiten angenäht M ) würden oder der Arzt noch etwas zu flicken bekäme "). Auch soll der Hauptbeteiligte Seitenstechen bekommen 88 ) oder so viele Tränen weinen, als Stiche an seinem Gewand gemacht worden sind ββ) ; und diese Vorstellungen sind offenbar in übertragenem Sinne wirksam, wenn es heißt, daß einem die Leute falsch 70 ) oder gram 5e ) werden (vgl. oben 4, 1493 f.). Gelegentlich wird allerdings auch ein Gegenzauber empfohlen. Man soll während des N.s immerfort reden 71), ζ. B. : „Ich n., n. auf dem Wolfe das Gedächtnis und auf mir (folgt das betr. Kleidungsstück)" 72), oder etwas in den Mund nehmen 73), ζ. B. einen Faden 6e ), „und wenn man auch sonsten nichts mehr hette, als eine Lorbeer vom Schaafe (Schafskot) oder Bocksmuskate (Bockskot)" "*), oder ein Stück Brot und Zwirn kauen 7S). Eine Weiterung dieser Anschauungen ist die Vorschrift, daß die B r a u t ihr Hochzeitskleid nicht selbst n. dürfe, sie würde sonst Unglück haben 78 ); zum mindesten darf sie nicht früher aufhören, als bis es fertig ist, will sie nicht die Gefahr eines unheilvollen oder gar tödlichen Wochenbettes heraufbeschwören77). Näht sie am Hemde des Bräutigams, wird er ihr gram, oder es gibt Zwietracht in der Ehe 78). So kann aus dem fahrlässigen und unwissenden Verhalten schließlich ein bewußter Zauber werden, wenn man einem a n d e r n zu ganz verschiedenen Zwecken e t w a s e i n n ä h t — eine intensivere Form des bloßen Anhängens (s. oben τ > 437 f·)· Aus der Fülle der Überlieferung nur einige Beispiele : Eingenähte Schutzamulette sind vor allem aus dem Soldatenaberglauben bekannt n ) ; im Liebeszauber lassen ins Kopfkissen ge-

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nähte Johannishändchen das Mädchen vom Zukünftigen träumen 80 ), und hat es eines seiner Körperhaare in eine gewundene Naht der Leibwäsche des Auserkorenen genäht, ist ihm dessen Zuneigung sicher 81) ; dem Abreisenden näht man Brot und Salz oder selbstgesponnenes Garn in die Kleidung gegen Heimweh 82 ), eine Nabelschnur, damit er draußen „eine glückliche Hand" habe 8 2 a ), und Vierklee, um ihn vor Unglück auf dem Wege zu bewahren 83) ; eingenähter Klee befreit im übrigen von Rekrutierung und bewirkt, daß der Knabe gut lernt 8 3 a ), und wie schließlich die Hexe einem etwas ins Bett näht, daß er nicht schlafen kann 8 3 b ), so legte man umgekehrt im Gegenzauber den Hexen bei der Tortur Kleider mit eingenähtem Agnus dei (s. oben ι , 218) an 8 3 c ). M) Vgl. auch: „Kopfschmerzen bekommt, wer seine Mütze flicken l ä ß t " : K o c k Volks- u. Landeskunde d. Landsch. Schwansen, Heidelberg 1912, 127. " ) W e i s e Drey Ertz-Narren (1683) 224 f. = S c h u l t z Alltagsleben 243 u. G r i m m Myth. 3, 469, auch 436 (Rockenphilosophie); B r ä u n e r Curiositäten 489. — Ohne Angaben der Folgen: M e y e r Baden 52. —· Einen Riß in der Kleidung zun., bedeutet ein Spiel mit dem Tode, weil dies an das Zusammenn. des Leichentuches erinnert: S t e r n Türkei 1, 399. *') B a r t s c h Mecklenburg 2, 316. 58) Urquell 1, 66. *») K u h n Mark. Sagen 385; ZfEthn. 15, 90 (Berlin); W u t t k e 315; ZföVk. 3, 116 (Rumänen). «) Bait. Stud. 33 (1883), 136; ZfEthn. 15, 90; W u t t k e 315. e l ) F o g e l Pennsylvania 113. 374. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 316; K o c k Schwansen (s. 56) 120; J o h n Erzgebirge 36; L a u b e Teplitz 56; S c h m i t t Hetlingen 17; F o g e l Pennsylvania 112. 374; Urquell 1, 66. *3) D r e c h s l e r 1, 212 f.; 2, 4; 2, 267; S c h m i t t Hettingen 17; Urquell 4, 274; Germania 29, 92 („oder wird ein Narr") ; ZföVk. 3, 116 (Rumänen). Wird dumm: F o g e l Pennsylvania 113. 381. ·*) P r a e t o r i u s Phil. 1 1 ; G r i m m Myth. 3, 443 (Rockenphilosophie); D r e c h s l e r 1, 213 u. G r o h m a n n 227 = W u t t k e 315; P o l l i n g e r Landshut 158; F o g e l Pennsylvania 374; Urquell 3, 41; Bait. Stud. 33 (1883), 136 (auch seine Kraft). " ) S p i e ß Fränkisch-Henneberg 100. , e ) F o g e l Pennsylvania 112. 113. 374; Urquell 1, 66. ·') W u t t k e 315. · 8 ) M e i e r Schwaben 2, 503 = W u t t k e 315; Schmerzen für jeden Stich: F o g e l Pennsylvania 112. " ) F o g e l Pennsylvania 374. 70) K n o o p Hinterpommern 182; F o g e l Pennsylvania 112. 381; jeder Stich ein Feind, eine Lüge: ebd. 374. 381. 71 ) D r e c h s l e r 2,267. " ) G r o h m a n n 227. 7S) G r i m m Myth. 3, 443 (Rockenphilosophie); P a n z e r Beitrag 1.

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260 = W u t t k e 315. 71 ) P r a e t o r i u s Phil, i r , Urquell 4, 274. 7β) Heimatbuch d. Kreises Steinburg 2 (Glückstadt 1925), 480; F o g e l Pennsylvania 69; 229. — Die Braut näht sich Kummer zusammen (oben 4, 1497) oder schlechtes Haushalten und unglückliche Ehe: J ä c k e l Oberfranken 183. — Das Brautkleid soll von sieben anderen Mädchen genäht werden : ZfVk. ι, 182. — Die syrische Frau näht nicht an ihrem Schleier, sonst wird dieser ihr Leichentuch: S t e r n Türkei 1, 399. 77) W u t t k e 369; ZfrwVk. 5, 117. 78) B a r t s c h Mecklenburg 2, 59; K ö h l e r Voigtland 235; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 91; R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Hochzeitsbuch, Leipzig 1871, ι (Norwegen); vgl. B ä c h t o l d Hochzeit 1, 243. Dagegen: oben 3, 1722 8S). — Der Bräutigam wird impotent, wenn die Braut nach der Festsetzung der Hochzeit noch etwas näht: S t e r n Türkei 248 f. 79) Vgl. oben 4, 1490. 80) J o h n Westböhmen 87. 227. 81 ) B o e d e r Ehsten 27. 82) F o g e l Pennsylvania 151. 709; oben 3, 1689 17 ). 82a) 83) S c h ö n w e r t h Urquell 1, 134. Oberpfalz ι, 412. 83a) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 398; 83b ) L e o p r e c h t i n g P r a e t o r i u s Phil. 61. 83c ) S o l d a n - H e p p e Lechrain 41. 1, 347. 7S )

3. Handelt es sich bei allen diesen Erscheinungen um die Tatsache des N.s selbst, so wird nun darüber hinaus auch die A r t u n d W e i s e des N . s zum Leben in Beziehung gesetzt und dergestalt ausgedeutet. Man darf die Fadenspitze zur Erleichterung des Einfädeins nicht absengen ; sonst verbrennt der Flachs 8 4 ). Die Schwangere darf den Faden nicht um den Hals legen, sonst wickelt sich die Nabelschnur um den Hals des Kindes 85 ), oder es wird sich später erhängen 86 ) ; tut es ein Mädchen, so wird sie lange auf den Mann warten müssen 8 '). Einen Knopf soll man nicht überkreuz ann., denn „man hat Kreuz genug s o " 8 8 ) ; andernorts vertreibt das den Teufel 8 8 a ). Zerreißt man beim N. die Ausstattung, so geht die Verlobung auseinander 89 ). „Ohne Absicht", wird ausdrücklich hinzugefügt, und so vollzieht sich denn ein allmählicher Ü b e r g a n g v o n der unmittelbar bewirkenden S c h a d e n h a n d lung z u m bloßen Träger eines V o r zeichens. Dieses wird in erster Linie beobachtet in Hinblick auf Hochzeit und Tod. Zerbricht einem Mädchen beim N. die Nadel 9 0 ) (oder gar drei 8 1 ), sieben 92 ), viele 9 3 )) in drei S t ü c k e M ) , so hat sie

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nähen

Glück 95 ), d.h. sie wird bald 96 ) B r a u t in dem Kleidungsstück, das sie näht β 7 ) ; wenigstens kommt sie zu einer Hochzeit 9S), ζ. B. der des Bestellers " ) . Sticht sie sich in den Finger 10°) (den rechten Daumen 101 )), daß Blut quillt 102 ) und das Kleidungsstück benetzt 103 ), so bringt das ebenfalls seinem Träger, also meistens ihr selbst, Glück 104 ); sie wird darin bewundert 105 ), geliebt 106 ), geküßt 107 ) und gefreit 108 ) werden. Vor allem gilt das für die Näherin am Brautkleid. Sticht sie sich, bekommt sie bald einen Mann108) ; verwundet sie sich gar am Ringfinger, wird sie noch im gleichen Jahre Braut 110 ). Eine ähnliche symbolische Ausdeutung liegt ferner vor, wenn es auf Hochzeit weist, daß eine „in Ringform nähet" m ) oder sich der Faden schlingelt m ) . Auch daß er sich knüpft, kann dasselbe bedeuten oder wird als Vorzeichen bereits für Kindersegen angesehen 11S ). Und schließlich gibt's auch eine Hochzeit, wenn man eine Naht verkehrt macht 1 1 4 ) (vgl. zur Ergänzung oben 4, 1495 f.). Zum N. des Leichengewandes, das nicht am Sonntag angefertigt werden darf — „sonst hat der T o te keine Ruh" —, finden sich die Nachbarfrauen im Trauerhause ein. Die Familienmitglieder sollen je einen Stich daran tun. Beim N. darf weder der Faden abgebissen, noch die Nadel in den Mund genommen — sonst fallen einem die Zähne aus —, noch ein Knoten in den Faden gemacht werden. Denn auch das nimmt dem Abgeschiedenen die Ruhe; er wird Wiedergänger und holt andere nach (vgl. die Belege oben 4, 1503; 5, 1076). Im Frankenwald kam deshalb, folgten in einem Hause mehrere Todesfälle aufeinander, die Näherin leicht in den Verdacht, bei der Anfertigung des ersten Leichenkleides eine jener Unvorsichtigkeiten begangen zu haben 114a ).

946

Pennsylvania 91 ( E r f u r t ) ; M e i e r Schwaben 2,

506 = W u t t k e 220; Alemannia 33, 303. •2) Alemannia 33, 303. 93 ) F o g e l Pennsylvania 862; Unoth ι, 183. M ) Heimatbuch d. Kreises Steinburg 2 (Glückstadt 1925), 480. »') Dähnh a r d t Volkst. 1, 99. — Dagegen: Unglück: K o c k Schwansen (s. 55 ) 1 1 7 . M ) Meier Schwaben 2, 506 = W u t t k e 220. ®7) = M ) ; Alemannia 33, 301; Unoth ι, 183. — Bekommt in dem Kleid einen Kuß: H e c k s c h e r Hannov. Volksk.

38.

98 )

33. 3°3-

F o g e l Pennsylvania 862; Alemannia **) F o g e l

Pennsylvania 91. — Da-

gegen: Zerbricht die Nadel beim N. von Mannshemden, so wird das Mädchen von seinem Manne verprügelt werden: W u t t k e 220 (Thür.). 10°) B o e d e r Ehsten 136; W u t t k e 220; K o c k Schwansen (s. s s ) 1 1 8 ; Mensing Schlesw. Wb. 2, 99; Urquell 3, 118 f. (nord.). 101) Alemannia 33. 301.

102)

H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 38;

ZföVk. 3, 42; ZfVk. 24, 57; D ä h n h a r d t Volkst. I, 99 (Quillt kein Blut, so wird man sich oft ärgern). los ) Andree Braunschweig 1M ) B o e d e r 405; D r e c h s l e r 2, 5. Ehsten 136; ZfVk. 24, 57. 105) D r e c h s l e r 2, 5 (ebenso wenn beim N. das Kleid oft herunterfällt oder -rutscht) = W u t t k e 220. 1M ) ZfVk. 8, 161; Urquell 3, 1 1 9 (nord.). 107 ) Andree Braunschweig 405; D ä h n h a r d t Volkst. 1, 99; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 38; M e n s i n g Schlesw.

Wb. 2, 99; J o h n Erzgebirge 94; W u t t k e 220; ZfVk. ι, 189; 24, 57. — Die Trägerin: Oben 5, 861. l08 ) Alemannia 33, 301; ZföVk. 3, 42. — „Wenn man sich beim N. sticht, gehört das, was gemacht wird, einer Braut": Andrian uo) Altaussee 104. l m ) J o h n Erzgebirge 94. Oben 2, 1494. l u ) F o g e l Pennsylvania 84. 112)

113 )

R o s egg er

Steiermark

1

(1875),

147.

B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 90; A n d r i a n Altaussee 104; Urquell 1, 12 (KönigsU1) Baumgarten berg). Aus der Heimat 3, 89. — Bleibt die Heftnaht zurück, so sagen die Rumänen in der Bukowina, der Eigentümer habe den Schneider nicht bezahlt: ZföVk.3, 120.

nia) F l ü g e l

Volksmedizin 78.

4. Manches N ä h z e u g hat besondere Kraft. Z w i r n , der zur Zeit des Passionslesens gesponnen wurde, macht die damit genähten Kleider wetterschlagfest 115 ), als „Söben-Johrs-Gorn" (d. h. von 73*ährigem Mädchen gefertigt) den Träger unverwundbar 116a ) ; in den Zwölften hergestellt, eignet er sich zum N. eines Glückshemdes 11β ), und das erinnert an die vielfachen Vorschriften für die Be84 ) W u t t k e 401 f. 83 ) Meyer (s. ω ) 134; reitung des Nothemdes (s. d. u. oben 84 85 vgl. oben 5, 966. ) W u t t k e 461. ) Meyer Beim „Âscherkôchn" zur (s. 3 8 ) 52. 8e ) Andree Braunschweig 285. 87) 3, 1713 f.). W u t t k e 402. ω ) F o g e l Pennsylvania 370. Vertreibung von Kinderkrankheiten wird Z a u n e r t Rheinland 2, 156. 8*) D r e c h s l e r auch eine „mit Zwirn gefädemte und 2, 5. , 0 ) F o g e l Pennsylvania 91; W u t t k e 220 damit umwundene Nähnadel" zu anderen (besonders wenn das geschieht, während das Ingredenzien in den Topf getan 117 ). Vor Mädchen von einem ledigen Manne spricht) ; n allemaberist d i e N a d e l (s.d.), mit der ein H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 38. ) Fogel

947

948

Nahrungsmittel

Toter eingenäht, Totenhemd oder Sterbekissen angefertigt wurde, von Bedeutung (vgl. Leichenkleidung). U. a. bringt sie dem, der über sie hinwegschreitet, Unglück 118 ), bannt einen, dem sie durch Hut oder Schuh gezogen wird n 9 ) , macht liebesdurstig, wem sie ins Gewand gesteckt wird 12°), erhöht als Schreibstift die Wirksamkeit der Satorformel 1 2 1 ) und verleiht, in den Gewehrschaft geschlagen, sicheren Schuß 1 2 2 ). Wohl im Bewußtsein dieser Ambivalenz tut man gut, sie am Totenhemd hängen, im Sterbekissen stecken zu lassen und mit ins Grab zu geben („sonst gibt es bald eine zweite Leiche") 1 2 3 ), wie auch alle Nähabfälle bei der Anfertigung des Leichenkleides mit in den Sarg kommen 124) (vgl. zur Ergänzung oben 5, 1077 f.). 115)

G r o h m a n n 39. 1 1 6 a ) Beitr. z. Gesch. usw. d. A l t m a r k 2 (1905/9), 223. 1 1 β ) G r i m m Myth. 117) 3, 448 (Rockenphilosophie). Gaßner Mettersdorf 22. — Gegen den B i ß des tollen Hundes schreibt man mit einer ungebrauchten Nähnadel die Satorformel auf eine Butterschnitte: S e y f a r t h Sachsen 167. — Gelegentlich wird im abergläubischen B r a u c h t u m zwischen Verwendung v o n Näh- und Stecknadel unterschieden, z . B . ebd. 267: Geschwüre dürfen nur mit einer Steck-, nicht mit einer Nähnadel aufgestochen werden, weil diese „süchtig ist, d. h. eine Sucht, eine K r a n k h e i t 11S) 11S) bringt". H e y l Tirol 781. Jahn Hexenwesen 164 ( E g y p t . Geheimn. 2, 7). 12 °) S A V k . 27, 82 (14./15. Jh.). 121 ) Deutsche 122 ) Gaue 13 (1912), 226. O b e n 2, 1057. 1J3) W o e s t e Mark 57; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 64; Urquell 1, 11. 1 2 1 ) S t r a c k e r j a n 2, 216; vgl. oben 3, 1092.

5. Derartige Vorstellungen sind nun gelegentlich auch in die S a g e übergegangen. In Tirol kennt man drei Zauberjungfrauen, deren eine eine Büßerin ist, „weil sie ohne Sparsinn für jedes Totenhemd eine neue Nadel verwendet hatte", allerdings in der Annahme, man dürfe sie nicht zweimal benutzen. Erst als ein Geistlicher ihr alle Nadeln abnimmt, verschwindet sie 125 ). In einer schlesischen Sage dagegen gehört das N. als eine Art Sisyphusarbeit zu den Ewigkeitsstrafen. Da näht eine Sybille seit Anfang der Zeiten ein (Toten-)Hemd; jede Nacht, jedes Jahr oder nur alle hundert Jahre macht sie einen Nadel-

stich; die Dienerinnen trennen das Genähte wieder auf; wenn das Hemd fertig ist, bricht der Jüngste Tag an m ) . Auch im Allgäu erzählt man von einer „Palastfrau", daß sie an einer Esels- oder Rehhaut näht und, wenn sie ein Loch zugeflickt hat, ein neues aufreißt 1 2 7 ), während in der sagenhaften Überlieferung von Disentís gelegentlich n.de Geisterfrauen als Wetterkünderinnen auftreten 1 2 8 ). 6. N. ist eine s p r a c h l i c h e Bez e i c h n u n g für den Flug der Libelle. Sie wird auch selbst Nadel oder Näherin genannt, und es heißt von ihr, daß sie schreienden Kindern und zankenden Frauen das Maul zunäht (oben 4, 1330; 5, 1230. 1232. 1236. 1239). 126)

H e y l Tirol 410 ft. (Nr. 96 u . 97). K ü h n a u Sagen 1, 543. 555. 558. Vgl. 21 1 2 7 oben 4, 878 °). ) R e i s e r Allgäu 1, 85 f. 128 ) W e t t s t e i n Disentís 155. Freudenthal. 1 2 ·)

Nahrungsmittel. Hier liegt natürlich ein weites Feld für Analogiezauber, Schadenzauber durch bösen Blick und jede Art von Behexung: vgl. Bier, Brei, Brot, Butter, Kuchen, Milch, Mehl, Käse, Wein, vor allem S p e i s e n . ι . Das Material für B e z a u b e r n der N. durch den bösen Blick bietet Seligmann In Portugal gießt man Wasser, das in der Johannisnacht geschöpft ist, auf die N., um sie vor Zauber zu schützen 2 ). Wenn jemand in Indien N. auf dem Markte kauft, wirft er davon ins Feuer (Opfer) »). 3)

*) Blick ι , 235—240. L . c. 2, 291.

2)

L . c. 2, 235.

2. Für den Analogiezauber sei nur eine Probe gegeben: Bei den Südslaven soll ein Mann nackt und gesund um 11 Uhr tags und nachts durchs Feld laufen und rufen: So, wie ich gesund hier durchfliege, so möge meine Nahrung gesund gedeihen 3a ). 3a )

Siehe

n a c k t A . 661;

vgl.

Speise

§ 21.

3. In den Bußbüchern ist genau vorgeschrieben, daß man z. B. das Fleisch der Tiere, das von Wölfen und Hunden zerrissen ist, nicht genießen darf (nach mosaischem Ritus) ; oft kehrt das Kapitel wieder : de mundis et immundis animalibus, quae non licet comedere (vgl.

Nahzauber-r —Name

949

Fleisch § 5). Über das Fisch verbot in der Volksmedizin zur Heilung der Epilepsie handelt ausführlich Dölger 4 ). Nach Wlislocki ißt bei den Zigeunern die Hexe jetzt noch keinen Fisch 5 ) ; über die Verbote bei H ü l s e n f r ü c h t e n siehe diese (vgl. Bohne, Erbse, Linse). *) Ichthys

359fif.

5)

Zigeuner

125.

4. Es kann natürlich keine Rede davon sein, daß bei uns irgendwelche Brauchreste vorhanden sind, die an Riten der Primitiven anklingen: In Polynesien bestehen in bezug auf den N a h r u n g s e r w e r b und bestimmte N. kultische Bräuche und Zeremonien (Zaubersprüche); man glaubt z . B . daß mit dem Töten und Essen des Aales auch der Gott Tangaroa vernichtet werde e ). Man vergleiche den Brauch der Ägypter, den Aal nicht zu essen, weil er als heilig gilt 7 ). Bei den Australiern sollen bestimmte Totenzauberhandlungen die N. vermehren 8 ). N . t a b u z e i c h e n finden sich bei den Taibis auf den Marguesasinseln e ). Die Japaner haben unter ihren vielen Spezialgottheiten auch eine Göttin der N. 10 ). e) A R w , 10, 540. ') D ö l g e r 1. c. i i 4 f f . β ) F. ') A R w . 8, 548ñ. R . L e h m a n n Die ,0 ) polynesischen Tabusitten L . 1930, 194. A R w . 13, 386.

5. Wie die Polynesier die e r s t e n F r ü c h t e 1 1 ) als Erstlinge der Hauptn. den Gottheiten weihen, so bestehen auch bei uns Bräuche in bezug auf die Erstlinge (vgl. Mehl). " ) A R w . 10, 540.

6. Auf z a u b e r i s c h e Weise verschafft der Drache, in Thüringen das Steffchen, denen die Nahrung, die sich ihm mit ihrem Blut verschrieben haben, besonders, wenn sie alt geworden sind 1 2 ) (vgl. Drache, Milchdrache, Getreidedrache, Butterdrache, Klöße). 12 )

Witzschel

Thüringen

2, 292,

150. Eckstein.

Nahzauber meint im Unterschied vom Fernzauber (s. d.) jene magische Wirkung, die unter Vorhandensein irgendeiner Art von Kontakt mit dem zu bezaubernden Objekt zustande kommt, sei es nun, daß materielle Berührung stattfindet oder nur eine greifbare Nähe

950

vorliegt. Es gibt viele Fälle, in denen nicht einfach zu entscheiden ist, ob N. oder Fernzauber geschieht, Fälle auch, in denen die Grenze zwischen beiden abgetastet ist. Letzteres wird man ζ. B. beim bösen Blick (s. d.) zugeben müssen, während die Behexung (s. verhexen) in der Regel auf räumliche Nähe Wert legt, zumal wenn sie zwecks Krankheitsverursachung vorgenommen wird. Auch die Übertragung der moralischen Schuld auf ein Tier (Aaron) gemahnt an N. als gleichsam die Einflüsterung von einem Kontagium x ). Der mit abgeschnittenen Haaren oder Fingernägeln oder Exkrementen getriebene Zauber, der zumeist nach dem Grundsatz des Pars-pro-toto den ganzen Menschen, dessen Teile magisch behandelt werden, ungünstig (s. Bosheitszauber) oder auch wohl günstig treffen soll, gehört hierher 2 ). In den Vegetationskulten mit ihrer Wurzel im primitiven Zauberglauben handelt es sich um N., sofern entweder dem Acker selber ein, oft gemeinschaftliches, Tun zugewandt wird, oder durch vermeintlich nachahmende Pantomimen die Geister des Bodens zur Mitarbeit, zu ähnlicher Regsamkeit angespornt werden sollen 3 ). Bei wirtschaftlichen Verrichtungen spielt der N. eine Rolle im Haushalt, wobei er häufig als Gegenzauber (s. d.) oder Abwehrzauber (s. d.) erscheint. Beispiel: wenn das Bier gärt, muß auf den Deckel des Fasses Schere und Salz (s. beide) gelegt werden, und wer davon kosten will, muß zuvor sitzen und nun aufstehen, damit auch das Bier besser steige 4). 2) *) W u n d t Mythus 2, 328. 407. Vgl. W . Schmidt Gottesidee 1, 465. 3 ) W u n d t i , 582; 3, 622 ff. u. 6 3 3 5 . «) L i e b r e c h t Zur Volksk. 315. K. Beth.

Name. ι . W e s e n d e s N.ns. Allen abergläubischen Vorstellungen, die sich an den N.n einer Person, eines Tieres oder einer Sache knüpfen, liegt der Glaube an die Identität des N.ns mit dem Wesen des Benannten zugrunde. Ebenso wie materielle Teile eines Körpers dauernd in sympathetischem Zusammenhang mit diesem bleiben, so daß dieser selbst bei

951

Name

räumlicher Trennung durch zauberische Vornahmen mit Ausscheidungen oder dergl. beeinflußt werden kann (s. T a b u ) , ist der N. ein unveräußerlicher Teil, dessen Bedeutung für das Schicksal des Benannten entscheidend ist und dessen Nennung unmittelbar auf das Benannte einwirkt. Verwandt ist der Bildzauber (s. D e f i x i o n ) 1 ) . Allgemeine L i t e r a t u r : Krist. N y r o p Navnets Magt 1887; F r . P o l l e Wie denkt das Volk über die Sprache ? Urquell 6, 9; H . P l o ß Das Kind 1 (1911), 408a.; W . Schmidt Die Bedeutung des Namens in Kult und Aberglauben 1 9 1 2 ; R . H i r z e l Der Name, ein Beitrag zu seiner Geschichte im Altertum und besonders bei den Griechen, A b h L p z . ph. hist. K l . 36 (1918) N r . 2; H a u c k Realencykl. 13,625 fi.

2. Ν.η s wähl. Daher ist die Wahl des N.ns für einen Neugeborenen eine verantwortungsvolle Aufgabe, zu der in der Regel die Eltern berufen sein werden; davon wird als selbstverständlich nicht häufig gesprochen, doch ist es schon bei Homer belegt 2 ). Mancherorts jedoch haben die Paten einen bedeutungsvollen Einfluß erlangt, indem man wie in Braunschweig, im Allgäu und in Dithmarsehen3) deren Vorn.n nimmt, unter denen wohl auch gelost wird 4) ; damit wird der Schutzgeist des Paten zugleich der des Kindes und verbürgt sein Glück 5 ), doch ist die Sitte auch ohne abergläubische Tendenz in gebildeten Familien erhalten 6 ). Den Kalenderheiligen wählt man als besonders schutzkräftig in Kärnten 7 ), sofern nicht ein bestimmter Heiligenn. für bedenklich gehalten wird, wie der des hl. Alban in Oberösterreich8). In Weizen b. Bonndorf wird daher der N.nspatron des Vaters oder der Mutter als Lieblingsheiliger des Hauses, als lar familiaris verehrt 9 ). Man nimmt auch wohl den Kirchenpatron, womit der verbreitete Brauch zusammenhängen dürfte, den N.n des Landesherrn oder sonst eines berühmten Mannes zu wählen 1 0 ); das als E r i n n e r u n g s n . n zu bezeichnen ist die Abschwächung einer zunächst durchaus konkret gemeinten Vorstellung. Im OA. Horb wird der Kalenderheilige nicht ohne Mitwirkung des konfessionellen Gegensatzes gemie-

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den 11 ). Mit der N.nswahl verbindet sich gern die ausdrückliche Bitte an den betr. Patron, sich in dem Kinde zu offenbaren 12 ), oder man überläßt die Wahl auf folgende Weise der Vorsehung: einige Kerzen werden nach Heiligen benannt und der N. der am längsten brennenden genommen (s. L e b e n s l i c h t ) ; das bezeugt bereits Johannes Chrysostomos (Apostelwahl). In Bosnien nimmt man Kuchen statt der Kerzen und läßt das Kind zugreifen 13 ). Auch im Traum kann sich der Schutzpatron offenbaren, wie aus einer isländischen Sage zu erschließen ist 14 ). Mit dem Patronat hängt das N.nsg e s c h e n k zusammen; der unsichtbaren Obhut des Heiligen entspricht im Märchen das Geschenk der Fee (Dornröschentyp), in der Wirklichkeit das Patengeschenk (s. P a t e u. A n g e b i n d e ) , das allgemein verbreitet ist. Oft muß es ein bestimmter Gegenstand, die erste Hose, die erste Fibel sein 15 ). 2) H o r n . Od. 8, 5 5 4 ; S a r t o r i Sitte 1, 39; H ö h n Geburt 274; M e y e r Baden 27. 3 ) A n d r e e Braunschweig 290; R e i s e r Allgäu 2, 224; Z f V k . 23, 279. *) A n d r e e a. a. O. ®) M e y e r Baden 2 7 ; J o h n Erzgebirge 62. *) Verf. mdl. 7) Z f V k . 7, i o o f . ; F o g e l Pennsylvania 52Í.; S c h r a m e k Böhmerwald 181; M e y e r Baden e ) Z f V k . 7, 9) M e y e r 27. 101. Baden 108. 10 ) n) H ö h n Geburt 274; M e y e r Baden 27. l2) H ö h n a. a. O. Meyer Religgesch. 85. 1S ) 12. Horn, zu ι . K o r . 7 ; Z f V k . 22, 2 2 8 0 . , s. a u c h N a m e n s ä n d e r u n g . 14 ) Z f V k . 5, 9 g f . " ) H ö h n Geburt 274; F o g e l Pennsylvania 42 Nr. 78; H i l l n e r Siebenbürgen 41 Nr. 154.

Gute Wünsche können aber auch in anderer Form in den N.n gelegt werden (Wunschn.). Dabei entscheidet entweder die Person des früheren Trägers: das Kind soll werden wie der und der (primitiver gedacht: der und der lebt in dem Kinde fort; vom N.nspatron nicht immer sauber zu scheiden) ; so gibt im Kaiserstuhl der Arme seinem Kinde den N.n eines Reichen 1β ). Eine besondere Rolle spielt hier seit ältesten Zeiten der G r o ß v a t e r , der im Enkel weder auflebt. Das erkennt man ebenso in altgriechischen Stammbäumen, wie es in China und sonst vielfach nachzuweisen ist 1 7 ). Die Folgerung wird gern ge-

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Name

954

zogen, daß man nur die N.n von Ververbürgen A d a m (in Ostpreußen und storbenen nehmen soll, so bei den Bulbei den Donauschwaben) und Eva, auch garen und ähnlich auf den Halligen nicht E r d m a n n 31 ), wie der Bulgare zu schjiw den N.n des Großvaters, wenn dieser „lebendig" Schjiwko bildet 32 ). Gleichnoch lebt 1 8 ). Oder man glaubt, der bedeutend sind die theophoren N . n 3 3 ) neue oder der alte Träger des N.ns müßte sowie die N.n von Tieren, die bestimmten nun sterben 1 8 ) ; daher in Pommern Gottheiten heilig sind; so enthält W o l nicht zwei Kinder derselben Familie f r a m Wolf und Rabe, die beide Sieg denselben N.n führen sollen 20 ). Umbedeuten 3 4 ). Andere N.n werden gegekehrt kann ein Sterbender seinen N.n mieden, weshalb, ist oft in Vergessengeradezu verschenken 2 1 ). Gewöhnlich heit geraten 3 6 ). Andererseits verleihen bleibt man gern im Kreise der Familie, s c h r e c k l i c h e oder h ä ß l i c h e Namen die N.n der Eltern verbürgen im mittl. apotropäische Kraft. Diese Anschauung Schwarzwald langes Leben, aber die ist lebendig in Asien und auf dem BalN.n der noch lebenden Eltern sind zu kan 36), muß aber ehedem viel weiter vermeiden 22 ), doch wird auch ebenso verbreitet gewesen sein, wie die Sippe oft der entgegengesetzte Schluß gezogen: lat. Turpilio, gr. Aischylos zeigt 3 7 ). Noch der Tote holt das Kind nach, wie schon jetzt heißen zarte Kinder Spinnchen 38 ); Chlodwig beim Tode seines Sohnes gedas wehrt dem Neide der Götter. l e ) M e y e r Baden 27. " ) K i r c h n e r Attische sagt haben soll: quia in nomine dei vestri Prosopographie Nr. 9688. 11855 u . o . ; H o v o r (des Toten) baptizatus est, vivere omnino k a - K r o n f e l d 1, 180; T y l o r Cultur 2, 3ff.; non potuit 2 3 ). Allgemein verbreitet ist D i e t e r i c h Mutter Erde 23S.; ZfVk. 7, 318 f.; die Furcht, einem Kinde den N.n eines M e y e r a. a. Ο. 1β ) S a r t o r i Sitte 1, 40. " ) M e y e r Aberglaube 228. 20) W u t t k e 387 §590. verstorbenen Geschwisters zu geben (zu " ) Z f V k . 5, 99. 22) M e y e r Baden 27; W u t t k e belegen aus Ostpreußen, Oldenburg, Ost387 §590; S a r t o r i a . a . O . ; mdl. aus Stein friesland, Schlesien, Lausitz, Tirol, Baden, a. Rh. a3) G r e g o r T u r . 2, 9; vgl. J o h n ErzSchweiz, Württemberg, Allgäu, Siebengebirge 62; F o g e l Pennsylvania 31 Nr. 33 ; de C o c k Volksgeloof 1, 233; B a r t s c h Mecklenburg bürgen 24), Abweichung nur früher am 2, 45. M ) W u t t k e 387 §590; Urquell 1, 164; Tuniberg und im OA Rottenburg 2 5 )), so ; H ö h n Geburt 274; R e i s e r Allgäu 2, 231; H i l l daß in Appenzell sogar der abstruse j n e r Siebenbürgen 28f. i 5 ) M e y e r a . a . O . ; H ö h n Gedanke nachzuweisen ist, dadurch be- ¡ a. a. O. 28) R o c h h o l z Kinderlied 294. 27) A l y Märchen 199. M ) F. B e c h t e l Hist. Personenwußt die Zahl der Nachkommen zu benamen der Gr. ; H a u c k 13, 626, 40, vgl. S A V k . schränken, daß man späteren Kindern 23, 183. 29) B e c h t e l a. a. O. 30) W u t t k e 387 die N.n von verstorbenen Geschwistern §590. 31 ) S a r t o r i Sitte 1, 41. 32) ZfVk. 8, 248. 33) U s e n e r Götternamen 349 s . ; Semitische Engibt 2 β ). M Auch die Wortbedeutung des N.ns cyclop. Biblica III 3279. 35) R o c h h o l z Kinderlied 2Ç2Î.; ZfVk. 19, 50. ) M e y e r Baden 28; kann als bedeutungsvoll angesehen werH ö h n Geburt 275; S c h ö n w e r t h Oberpfalz den ; daher das römische Sprichwort ι, 165 Nr. 14. 3«) Z f V k . 8, 2460.; A n d r é e 177; S e l i g m a n n Blick 2, 372Í.; C r o o k e nomen est omen, eine Anschauung, die Northern India íSyí. 37 ) Beispiele bei B e c h t e l aber auch schon im Altgriechischen nach477 ff. Verf. mdl. weisbar ist 2 7 ). Ungemein zahlreich sind die griechischen und germanischen N.n, 3. Z a u b e r i s c h e W i r k u n g d e s N.ns. die etwas Schönes, Glänzendes, Erfreua) V e r s c h w e i g e n . Dem N.nszauber liches bezeichnen 28). Hat man einmal ist das unmündige Kind am meisten einen Glück verheißenden N.n gefunden, ausgesetzt, weil es sich nicht schützen so wird er bis zum Überdruß wiederholt, kann. Deshalb ist es das sicherste, dem wie die langen Reihen der griechischen Kinde, ehe es den Schutz der Taufe Namen mit άριστοί und xktoi zeigen 29 ). genießt, gar keinen N.n zu geben und In der Rhön ist das so weit getrieben, auch im Gegensatz zur Forderung des daß sämtliche Brüder den N.n des Vaters Standesamtes den künftigen N.n nieerhalten, so daß man sie durch die Zahl manden zu verraten. Ein Hirtenbub im unterscheiden muß Ein langes Leben oberen Wiesental antwortete dem Verf. :

955

Name

„Ich heiße, wie ich heiße", und schrieb schließlich seinen N.n in die Luft. Überhaupt sträubt sich der Hotzenwälder noch heute, seinen N.n zu schreiben Si ). Vor der Taufe heißt das Kind in der Rheinpfalz und im ob. Nahetal P f a n n e n s t i e l c h e n oder B o h n e n b l ä t t c h e n "J. Wird der N. vorzeitig bekannt, so stirbt das Kind (Ostpreußen, Oldenburg, Schlesien, Böhmen, Pfalz, Württemberg, Schweiz 41 )); infolgedessen bedeutet in Tirol und Kärnten namenlos (s. n a m e n los) soviel wie ungetauft. Ebenso darf man in Norwegen nach der Geburt eines Kalbes die Kuh nicht mit N.n rufen 42 ); das hat sich auch in Schweizer Sagen niedergeschlagen: die Doggeli (s. d.) hatten einem Sennen seine Kühe gefüttert unter der Bedingung, k e i n e bei N.n zu n e n n e n 4 3 ) . Der N. wird entweder vom Geistlichen gegeben — man tauft dann gern recht früh, womit die katholische Sitte recht zeitig zu taufen zusammenhängen dürfte, wie es in der Legende vom hl. Coemgen deutlich ausgesprochen ist **) — oder nach 6 Wochen45) oder in Steiermark am 3. Tage in dem sog. Krösenbad 4e ). Das geht soweit, daß in Samland nicht einmal die Mutter den N.n weiß, den vielmehr der Vater ganz allein gibt 47), damit das Kind verschwiegen werde, wie man andererseits überzeugt ist, daß das Kind schwatzhaft oder neugierig werde, wenn zu früh nach dem N.n gefragt wird 48). Andererseits kann in Sachsen das Kind auch durch den Gebrauch eines Ekeln.ns wie W ü r m c h e n , I g e l , T i e r dem Beschreien ausgesetzt sein, solange es unmündig ist 49 ); auch E n g e l zu sagen ist wegen der Bedeutung „Seele eines verstorbenen Kindes" gefährlich M ). 3 ·) Verf. m d l . ; M e y e r Baden 542; A b t Apu40 ) A n d r e e leiusz$. Parallelen 169; Z f r w V k . 1905, 179. 4 l ) W u t t k e 387 § 5 9 0 ; Z f V k . 23, 279; S t r a c k e r j a n 2, 203 Nr. 450; D r e c h s l e r ι , 194; J o h n Westböhmen 1 1 4 ; H ö h n Geburt 263; R o t h e n b a c h Bern 12 Nr. 23. 42 ) L i e b 43 ) r e c h t Zur Volksk. 3 1 5 , 33. Kohlrusch Sagen 1 4 ; J e g e r l e h n e r Sagen 2, 21 N r . 29. 44) R o t h e n b a c h Bern 12 Nr. 23; Günter 4S ) B a u r a g a r t e n Christi. Legende 3 1 . Aus der Heimat 3, 26. 4«) Z f V k . 8, 443. 47 ) Urquell ι , 164. *·) R o t h e n b a c h Bern 12 N r . 2 7 ;

956

4*) S A V k . 1 9 1 7 , 80, aus Jeremias G o t t h e l f . P r ä t o r i u s Philosophia colus Canon 29 S. 1 0 1 ; Rockenphilosophie I V 11, 281 ff. ; v g l . S e y f a r t h Sachsen 4 7 ; F o g e l Pennsylvania 48 Nr. J14. E b d . 55 Nr. 155.

Die Macht, die ein anderer durch den Besitz des N.ns über dessen Träger erlangt, macht ein Verschweigen des N.ns zur Pflicht (s. T a b u ) ; außereuropäische Belege bringt Frazer 51 ). Aber auch die Stadt R o m soll nach Angabe der Alten einen Geheimn.n besessen haben, dessen Wissen die Stadt dem betr. unterworfen haben würde; wir kennen ihn nicht 52 ). Mit großer Konsequenz hat das jüdische Gesetz wenigstens die richtige Aussprache des N.ns Jahwe unterdrückt und den Mißbrauch des N.ns untersagt 63 ). Aber auch für den Katholiken ist die Übertretung dieses Gebotes eine bekannte Beichtpflicht. Wir umschreiben den N.n Gottes: Der Höchste, der Allmächtige. M), ebenso tut der Qoran. Aber auch Donar wurde der gute Alte genannt 55 ). Dadurch hervorgerufene N.nsverdrehungen, zumal in Flüchen wie sacre bleu für Dieu, sammelt H. Güntert, der auch über Geheimn.n berichtet, die schon im Rigveda nachzuweisen sind 5e ). Auch den Teufel darf man nicht bei N.n nennen, sonst ist er gerufen und kommt 57 ) ; mindestens darf man seinen richtigen N.n nicht gebrauchen, weshalb der „Böse" eine solche Unzahl von N.n im Volksmunde führt (s. T e u f e l ) . Das ganze umfangreiche Kapitel des Euphemismus (s. d.) gehört hierher. Auch kann es geboten sein, einen N.n, der gefährlich geworden ist, zu ändern (s. N.nsänderung). Dasselbe gilt von Geistern und Hexen, die kommen m ü s s e n , wenn man sie ruft 5 8 ), und die man deshalb nicht leichtfertig mit N.n nennt. So geht eine Rübezahlsage glücklich aus, weil keiner der Beteiligten den N.n ausspricht 5e ). Das wird umgedeutet, als enthalte der N. eine Kränkung 60 ). Wo Krankheiten als Dämonen vorgestellt werden, gilt von ihnen dasselbe 61 ). Auch Tote soll man nicht rufen, damit sie Ruhe halten. Deshalb ruht bei außereuropäischen Völkern auf dem N.n des Toten ein Tabu

Name

957

(s. d.) Mindestens darf man wandelnde Tote nicht mit N.n nennen M ). Das wird sogar auf Sterbende übertragen 44 ) und hier gemütvoll umgedeutet. Wie es aber gemeint ist, zeigt der Glaube, daß die steife Leiche zum Ankleiden beweglich wird, wenn man sie dreimal bei N.n ruft ®5). Daß man im Gegensatz dazu auch verpflichtet sein kann, den N.n des Toten zu rufen ββ ), ist echte Antilogik des Aberglaubens. Der älteste Beleg dieser Sitte läßt aber auch hier schon wieder die Umdeutung erkennen e7). 61)

The

golden

bough3 XX

(Band

3)

335,

dazu auch H e r o d o t I 146 aus Karien. M ) V a r r ò bei P l u t a r c h Qu. Rom. 61. 53) Mos. 1,20,7. M ) Kirchenlexikon IX2 22. 66) G r i m m Mythologie

1, 139.

5e

) Güntert

Göttersprache

7S. 12ff., Nachtrag 172. " ) S c h ö n w e r t h 06«»·pfalz 3, 45, auch im Sprichwort; P o l l i n g e r Landshut 123. 5e ) H e y l Tirol 19 Nr. 17; K a u f f m a n n Balder 210, 2; S c h ö n w e r t h Oberpfalz ι , 367 u. 3, 199. 6S) K ü h n a u Sagen 2, 609. *>) G r i m m DWb. u. Ekelname. « ) F F C N r . 45; G a n z li η Sachs. Zauberformeln 13; K r a u ß Volkforschung 91. β2) F r a z e r 3, 3496.; A n d r e e Parallelen 1, i82f. *3) H ö h n To¡¿356. " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 241 Nr. 1. , 5 ) D r e c h s l e r ι , 294. ··) G r i m m Mythologie 3, 463 Nr. 830; H a n d b u c h d. kl. Altertumswissensch. IV 1, 1, 221 o. «') H o m e r II. X X I I I 178.

Auf Tiere als Erscheinungsform der Gottheit übertragen gilt das Verschweigen des N.ns allenthalben vom W o l f e , so bei den Bretonen — man denke an das franz. Sprichwort: quand on parle du loup, on en voit la queue *8) — ebenso wie in der Oberpfalz 69 ) oder in Siebenbürgen 70). Man nennt ihn lieber Hans 71 ), Gewürm, Unflat oder Ungeziefer72). Auch der F u c h s heißt in der Oberpfalz Henaloiel o. ä.73). Besonders das W i e s e l darf nicht genannt werden, so daß es geradezu dat ungeneumte Dier heißt 74 ). Das wird dann auf die Schlange 75 ) und andere wilde Tiere 7β ) übertragen ; ins Lächerliche gezogen gilt es auch vom Esel 7 7 ). Besonders zu gewissen Zeiten heißt es achtgeben; in den Zwölften heißen die Mäuse in Mecklenburg Bohnlöper (anderswo Dinger 78 )), der Fuchs Langschwanz 7e ). Oder man darf am Christmorgen das Vieh nicht mit N.n rufen 80 ). Selbst auf den Wachholder

958

erstreckt sich dies Tabu 8 1 ). Von den Übern.n der Tiere, den prénoms des bêtes, wie Sébillot sagt 82 ), stammt die W a i d m a n n s s p r a c h e , die wie andere Berufssprachen zunächst aus tabuistischen Vorstellungen erwachsen ist (s. Sprache)83). Aus demselben Kreise dürften die bisher unerklärten, volkstümlichen Tiern.n im Altgriechischen stammen, die wie Rätselscherze anmuten, φερέοικος „der Hausträger" von der Schnecke u. ä.84). • 8 ) SébillotFo?A-£ore 3, 20ff. " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 210.

70

) H a l t r i c h Siebenb.

Sachsen

92. 71) F r i s c h b i e r Hexenspruch 147. 7S) K ü h n a u Sagen 3, 150. 73) W u t t k e 431 § 675. 74 ) L e s s i a k Gicht 121. 75) F i e n t Prättigau 241; S é b i l l o t 3, 2Ö7f. 7

) R o c h h o l z Kinderlied 293; S a r t o r i 1, 41 f. Schweizld. s . v . Name (vgl. ital. cognome). M ) T h e o k r i t 2, 21 fi. m ) J o h n Erzgebirge 142. • 3 ) SAVk. 12, 214 (Schafihausen). •«) Verf. mdl. ·») ZfVk. 4, 18 aus Szeged. M ) J o h n a . a . O . ; Goethe Faust Osterspaziergang. 97) Altmark W u t t k e 480 §766; Mecklenburg B a r t s c h 2, 92; Braunschweig A n d r e e 3 1 5 ; Mark K u h n 30; Hunsriick ZfrwVk. 2, 1 2 1 ; Württemberg H ö h n Tod 320; Wetterau W o l f Beiträge 1, 2 1 5 ; Königsberg Urquell 2, 80 Nr. 1.

Nennung des N.ns bricht die Macht eines Gespenstes. Dahin gehört der Alp (Mahrte, Drude, Schrättele) in Hannover *8), Braunschweig " ) u. s. w. ; doch weil man den N.n des Kobolds nicht wissen konnte, ist das vielfach umgewandelt, den N.n des Gedrückten zu rufen 100 ). Diese Sitte ist verbreitet und rationalistisch gewendet als Mittel gegen Schnarchen bekannt. Eine abergläubische Deutung erfährt sie jedoch wieder, wenn es der Taufn., d. h. der N. seines

960

Schutzheiligen sein soll 101 ). Auch dem Geängstigten wird empfohlen, den N.n des Alps, seinen eigenen oder den seines Vaters zu rufen. Nennung des Taufn.ns entzaubert den Werwolf 102 ). Eine norwegische Sage bezieht das auf Hexen 103 ); dieselbe Vorstellung auf Island 104 ). Aber auch der N. Gottes oder der hl. Dreieinigkeit zwingt, der mächtiger ist als jeder Zauber, das, was Goethe Faust I 1 das dreimal glühende Licht nennt. Unter Lebenden zwingt dreimaliges Rufen an den Rufenden zu denken 105). Ein Rufenhören des N.ns deutet auf baldigen Tod eines Verwandten 106). Weiteres s. Defixion. 88 ) W u t t k e 274 §404. M ) Andree Braunschweig 397; M e y e r Baden 551 ; H e y l Tirol 431 Nr. 120; Pollinger Landshut 116; S c h ö n w e r t h Oberpfalz I, 212. 10°) S c h ö n w e r t h ebd.; K ü h n a u Sagen 3, 117. 1 3 0 I ; A l p e n b u r g Tirol 267; 101 H o v o r k a - K r o n f e l d 3, 255. ) Kuhn Westfalen 2, 18 Nr. 52; Wolf Beiträge 2, 274. 2 i° ) Möllenhoff Sagen 233 Nr. 319; H e r t z Werwolf 84. 103 ) ZfVk. 1 1 , 309. 1 M ) ZfVk. ι, i n ; vgl. M a n n h a r d t 1, u s f . ; K r u s p e Erfurt χ, 89. 105 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 172. m ) Höhn Tod 310; A c k e r m a n n Shakespeare 77-

c) N. in der Volksmedizin. Wie zum Schaden so kann die Macht des N.ns auch zum Heilen verwandt werden. Entweder sind es wieder die hl. N.n 107 ) oder der N. des Kranken, der auf einen Zettel geschrieben und verschluckt 108 ), ' oder in den Rauchfang gehängt 109 ) oder verbrannt 110 ), in die Erde vergraben 111 ) oder verpflöckt (s. d.) wird. Eine besonders amüsante Art wurde in den 90er Jahren von einem Kurpfuscher in Kleingera geübt, der zu dem geschriebenen N.n drei Schnitt Haare und Stücke von allen Nägeln bei abnehmendem Monde verpflöckte. Er hatte Riesenzulauf 1 1 2 ). Oft wird betont, daß es der Taufn. sein muß. Der Verpflöckung entspricht bei Blutung das in eine nach innen führende Tür gestoßene Messer 113 ). N.nsnennung wird sogar beim Viehkurieren gefordert 1U ). Wenn der Heilende den gleichen Taufn.n haben soll wie der Kranke, wird er zu einer Inkarnation des Patrons 115 ). Auf den Hebriden wurde bei einem großen Viehsterben

namenlos

das erste Kalb nach dem Vogel genannt, der zuerst an dem letzten Opfer gefressen hatte. So wurde der räuberische Dämon zum N.nspatron 116 ). Oft ist an Unglück schuld, daß man den N.n des Viehs genannt h a t 1 1 7 ) . Genau dasselbe ist es, wenn Sigurdr dem sterbenden Fafnir seinen N.n nicht nennen will, damit er ihn nicht verfluchen kann 118 ) ; das lebt in dem Märchen t y p S e l b s t g e t a n (Polyphemmärchen) fort 1 1 9 ), kann auch zur Annahme eines neuen N.ns führen, wenn der alte zauberisch belastet ist 1 2 0 ). Kann doch ein Medizinmann der Suaheli nur besessen machen, wenn er den Namen des Betr. weiß 1 2 1 ). Besonders verbreitet ist der Glaube an das Prügeln auf Entfernung, indem man irgend etwas schlägt und dazu den N.n des Gemeinten ausspricht; nachweisbar von Westfalen bis in die Schweiz m ) . Es steht dem Anm. 92 erwähnten Liebeszauber, dem Hängen in effigie und überhaupt dem Bildzauber (s. d.) nahe. Ein Geist verschwindet, wenn man seinen N.n ruft, ebenso der Dämon einer Krankheit 1 2 3 ). Das lebt vor allem in dem außerordentlich verbreiteten Märchen vom Rumpelstilzchen fort, dessen Sinn ist, daß die Macht des Bösen gebrochen ist, wenn man seinen N.n erraten kann 1 2 4 ) ; aber auch das Lohengrinmotiv gehört hierher, wo der verheimlichte N. mit dem Motiv der verbotenen Handlung (verbotene Türe o. ä.) verbunden ist 1 2 5 ). 107) A g r i p p a ν. N e t t e s h e i m 3, 58fr.; N y r o p 1850.; W u t t k e 342 § 509. 10») W u t t k e 342 § 509· 108) L a m m e r t 121. 110) B o h n e n b e r g e r 15. 1 U ) Edb. 14. "*) S e y f a r t h Sachsen 201; vgl. M a n z Sarganserland 80; K ü h n a u Sagen 3, gì. 11S ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 3 7 i f . ; Blutstillung ohne Verpflöckung Urquell 1, 168. us) W u t t k e 175 §238; Z f V k . 1, 311. W u t t k e 323 §479. l l ' ) S e l i g m a n n 2, 373. 11β ) Z f V k . "») L i e b r e c h t Z. Volksk. 318. I, i n . " · ) A a r n e Nr. 1137. 120) S. Anm. 119 u. N a m e n s ä n d e r u n g . m ) H o v o r k a - K r o n m ) f e l d 2, 242. ZfrwVk. 8, I45Í.; K u h n Westfalen 2, 192; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 201; M e i e r Schwaben 245; M a n z Sargans 109. 1M) 123) F o g e l Pennsylvania 235 Nr. 1732. G-rimm KuHM. 55; B o l t e - P o H v k a 1, 490ft. l25 ) G r i m m KuHM. 3. Aly.

namenlos.

Was keinen Namen hat,

B f t c h t o l d - S t f t u b l i , Aberglaube V I

962

ist durch die magische Kraft, die dem Namen (s. d.) inne wohnt, nicht zu beeinflussen. Das kann sein Gutes haben. Ein ungetauftes Kind ist n. und kann daher nicht verzaubert werden. Bezieht sich der Name aber auf Gegenstände oder Personen, die man aus Angst oder Anstand — der aber sehr oft magischen Hintergrund hat — nicht in den Mund nehmen soll, so bedeutet N.igkeit die Unmöglichkeit der Beherrschung im Zauber, vgl. griechisch άρρητος heilig und schändlich, ανώνυμος wird vom Gliede gebraucht bei Herondas 5, 45. N.es Elend ist eines, das nicht wie eine gewöhnliche Krankheit, die einen Namen hat, beeinflußt werden kann. Eine göttliche Macht vollends, die keinen Namen hat, ist gefährlich, s. Name (Sp. 958), wo die Fälle erwähnt sind, da durch Verleihung eines Namens oder durch Bekanntwerden des richtigen Namens Geistermacht gebrochen wird. Alle Götter und Heroen, die man schlechthin 6 θεός ή ί>εά ó ήρως lateinisch sogar sive deus sive dea oder auch άγνωστος nennt, sind so n. wie der Christengott, der aber das Prädikat ανώνυμος erst aus der Gnosis und von den Hermetikern übernommen hat; vgl. noch Klopstock: N.er Du!, Schiller Räuber: N. Jenseits, Goethe Faust I zum Pudel: Kannst Du ihn nennen, den nie Entsprossenen, Unausgesprochenen? W o bei Barbarenstämmen von n.en Göttern erzählt wird, handelt es sich in der Regel um Namenstabu 2 ). Denselben Schutz der göttlichen Macht verleiht die Vielnamigkeit oder die Führung eines Doppelnamens (s. d.), der die Entdeckung des richtigen Namens erschwert. Andererseits verleiht der Name erst volles Wesen. Durch den Namen bekommt das Kind erst Recht auf Leben 3 ). In der damnatio memoriae wird durch Austilgung des Namens nach altrömischer Anschauung auf allen nur erreichbaren Denkmälern der letzte Rest von Wesenheit eines Verstorbenen getilgt 4 ). ') G r i m m DWb. unter namenlos. 2) Stellen bei R o h d e Psyche-, E. N o r d e n Agnosios Theos (1913) S. 57f. ') S i m r o c k Mythologie 595. *) P a u l y - W i s s o w a 4, 2059. Aly.

31

963

964

Namensänderung—Namensorakel

Namensänderung (s. Doppelname x )). D a der Name (s. d.) das Wesen des Benannten darstellt, so kann die tatsächliche oder gewünschte Änderung des Zustandes u. U. einen neuen Namen erfordern. Wir wissen von vielen historischen und berühmt gewordenen N.en. E i n Saulus wurde ein P a u l u s 2 ) . Piaton hat als Knabe Aristokles geheißen 3 ). Maleventum wurde in Beneventum umgenannt4). Mönch und Nonne nehmen im Kloster einen neuen Namen an. Der Papst, der Herrscher nennen sich nach der Thronbesteigung neu. Schauspieler und Artisten treten gern unter anderen Namen auf. Manche Bünde nennen sich im engsten Kreise anders als im gemeinen Leben. E s ist schwer zu sagen, wieweit das in jedem einzelnen Falle auf Konvention beruht, wieweit es in letzter Linie auf irgend einen Glauben zurückgeht. E s scheint in der menschlichen Natur begründet zu sein, daß das Pubertätsalter dazu neigt, den Kindernamen abzulegen 5 ), daß große Taten im Namen festgehalten werden (vgl. die römischen cognomina). K l a r liegen die Verhältnisse ι . bei der Aufnahme in einen neuen Verband: hier bedeutet der Name den neuen Geist, der sich des Umgenannten bemächtigt, so vor allem bei Pubertätsriten e ), dann bei A d o p t i o n 7 ) . E s ist bezeichnend, daß letzteres bei den Südslaven nur Waisen zugemutet w i r d 8 ) . Dann bei Aufnahme in Kultgemeinden 9 ). D a ß der Namenswechsel der Frau bei der Eheschließung ähnliches bedeutet, zeigt noch die Bedeutung der Frau, die ihren Namen nicht gewechselt hat, im Heilzauber s. u. Einen besonderen Fall s. unter N a m e n s t a u s c h . 2. Thronnamen stammen, wie es der göttliche Name des Pharao deutlich zeigt 1 0 ), aus der Sphäre des Gottkönigtums. Infolgedessen sind Königsnamen tabuisiert 1 1 ). E s kann wohl als sicher gelten, daß diese in Europa nicht mehr kenntlich nachweisbare Vorstellung der Urgrund des großartigen Zauberernamens, des schreckenerregenden Heldennamens ist, wenn sich der letztere etwa den Namen des getöteten Feindes und damit dessen

K r a f t z u l e g t 1 2 ) . 3. Einer anderen Vorstellungsreihe entstammt der Glaube, durch N. einen Dämon über die Identität der Person zu täuschen 13 ) ; in einer Breslauer Hs. rettet N. vor der Hölle 1 4 ). Schon im griechischen Zauber rettet N. bei Toten die Seele vor Fährlichkeiten auf ihrem Wege ins Jenseits 1 5 ). Praktisch wird daraus eine verbreitete Sitte, K r a n k e durch N. zu heilen, so auf Borneo, in Südrußland, im T a l m u d 1 6 ) . Bei den Juden hat sich das besonders gut gehalten, in Österreich bis h e u t e 1 7 ) . Auch in Bosnien 1 8 ) kennt man es. Ein antiker Fall stammt aus Epidauros 1 9 ). Besonders beachtenswert ist die von Bernardino (um 1400) empfohlene Teufelstaufe, bei der der Name des Apostels genommen wird, dessen Kerze am längsten brennt (s. Lebenslicht) 20). Selbst auf das Vieh wird das übertragen 2 1 ). Daraus folgt, daß man vermeidet, dem gesunden Kinde einen anderen Namen zu geben 2 2 ), und daß Frauen, die bei der Eheschließung den Namen nicht gewechselt haben, also im Besitz ihres ursprünglichen Wesens sind, bei Stickhusten für heilkräftig gelten 23 ). l ) Übersicht bei Sartori Sitte der N. Globus 69, 224; Samter Geburt io6f.; Wilutzki 2 Recht ι, 3. ) Apostelgesch. 13, 9; Christliches 3 2 s. Kirchenlexikon 9 , 13 ff. ) Diog. Laert. III 5. 4) P a u l y - W i s s o w a 3, 274, 13. 6) 5 ) Spranger Psychologie des Jugendalters5 41.

·) A n d r e e Parallelen 1, I73ff.; manches

findet sich bei Frazer Golden bough verstreut im 3. Bd. 7) Krauß Sitte u. Brauch 469ÍI. 8 ) Ebd. 597f. 9) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 315; vielleicht gehört eine unverständliche Andeutung des Apuleius: Abt 23 hierher. 10) E r m a n R a n k e Ägypten u. äg. Leben, Index unter König. ll

) F r a z e r 3, 375ff.

I, I77f.

13

) Frazer

l2

A n d r e e Parallelen

)

Old Testament 236.

K l a p p e r Erzählungen 299, 20. 1β

I5

14 )

) ZfVk. 19,

) S a m t e r Geburt io6ff. ") Andree ZfVk. 19, 203. 1β) ZfVk. 22, 229 20 ") W e i n r e i c h Heilungswunder 88, o. ) ZfVk. 22, 225; Zachariae Kl. Sehr. 363!!. 21 ) ZfVk. 4, 449. 22) ZfVk. 13, 385 aus Nord433·

Juden

181;

thüringen.

Nr.

Fogel

Pennsylvania 338f.

1799. 1803.

Aly.

Namensgeschenk, andere Bezeichnung für Patengeschenk, auch Lösegroschen genannt1). 1

) S i m r o c k Mythologie 595.

Namensorakel.

Aus

dem

Aly.

Glauben,

Namenssage—Namenstag

965

daß die Wortbedeutung des Namens einen unmittelbaren Einfluß auf das Schicksal des Trägers habe, haben sich einige spezielle Bräuche entwickelt. Einmal soll man den Namen nicht ändern. Man könnte dadurch einen früheren Träger des Namens (d. h. in diesem Falle den Schutzgeist des betr.) beleidigen 1 ). Ebensogut kann man aber dem Kinde entweder gleich zwei Namen geben (s. Doppelname) oder, wie in Bosnien, im Falle von Kränklichkeit einen zweiten Namen verleihen 2 ) (s. Namensänderung), oder man wählt gleich einen beziehungsreichen Namen, so am Kaiserstuhl einen solchen, dessen Träger reich ist3). Namen wie Erdmann und E v a schützen vor dem Tode 4 ). Eine isländische Sage läßt erschließen, daß man den Namen für glückbringend hielt, den die Mutter während der Schwangerschaft t r ä u m t 5 ) . Daher der Wunsch, das Kind genau so zu taufen, wie der Vater gesagt hat; hat er Trine gesagt, so darf der Pfarrer nicht Katharina sagen 6 ). Aus diesen Anschauungen ist bei vielen Völkern der „Wunschname" entwickelt, der dem Kinde eine schöne, liebenswerte oder geschätzte Eigenschaft beilegt. Das gilt von fast allen germanischen Vornamen, wie Helmuth, Berta, Gertrud. Für die Umkehrung, die zur Bildung häßlicher Namen führt, s. Art. Name. In besonderen Fällen ist der Name geradezu als Orakel benutzt 7 ), wie es sich im römischen Sprichwort: nomen est omen niedergeschlagen h a t 8 ) . ») ZdVfVk. 13, 385.

Meyer Baden 27.

4)

2)

Ebd. 22, 229.

3)

Knoop Hinterpommern

155. s ) ZdVfVk. 5, 99f. ·) Verf. mdl.; vgl. Name Anm. 89. ') Aly Herodot igg. 8) B ü c h -

mann Gefl. Worte81 406. Aly. Namenssage. Der tatsächliche Grund für die Entstehung eines Orts- oder Flurnamens ist zumeist recht uninteressant. Aber die Volksphantasie ist rege, besonders unverständliche, durch sprachliche Veränderungen stark mitgenommene Namen nicht nur volksetymologisch zu deuten, sondern auch gleich die dazu gehörige Geschichte zu erfinden. Oft ist die Sage darauf hinausgeführt, daß •ein Wort fällt, das dem Namen gleicht,

966

so bei der Achalm bei Reutlingen „ach Allmächtiger", Lerbach im Harz „ei du verdammter leerer B a c h " , Welebach in der Schweiz „Wele (welcher) B a c h " ? und so unendlich oft. Die griechische Literatur hatte diese Art der Sagenbildung besonders ausgebildet (αίτιον lateinisch causa, Grund der Benennung oder eines Brauches), so daß wir von ätiologischen (s.d.) Legenden oder Sagen sprechen. Der Brauch ist allgemein und weit verbreitet. Aly. Namenstag. Die Feier des N.es hat sich, seitdem man dem Kinde den Namen des Kalenderheiligen gab, dadurch entwickelt, daß in dem Falle, daß ein anderer Heiliger gewählt wurde, dessen Tag natürlich bedeutungsvoller wurde als der Geburtstag. So wird allgemein in katholischen Gegenden der N. mehr gefeiert, der Geburtstag in Steiermark und Österreich ζ. B . früher gar nicht 1 ). In einigen evangelischen Gegenden, wo die Feier sonst nicht mehr üblich ist, haftet die Anschauung des Feiertages noch an den bekannteren Namensheiligen Johannes, Georg, Jakob, Michael, Joseph und wird von lustigen Namensbrüdern mit Trinken und Musik begangen 2 ). Außer K i r c h g a n g 3 ) und Gratulation, oft mit einem traditionellen Spruche 4 ), sind im Schwarzwald 5 ) und anderswo einfache Geschenke üblich. Aber zugleich wird der Gefeierte „gebunden" (s. binden), geschlagen, gewürgt oder sonst maltraitiert 6 ), heutzutage vor allem K i n d e r 7 ) ; in Zürich ist die „ W ü r g e t e " des „Namenstagers" schon 1616 nachweisbar 8 ), wo zwei Söhne ihre Mutter würgten, „ d a ß ihr die Zunge zum Maul ausragte*'. Zweck ist wie auch sonst beim Binden, den Feiernden zum Geben zu nötigen. Alt scheint der Glaube zu sein, daß an diesem Tage das Feuer nicht ausgehen dürfe, eine Vorstellung, die in den Bereich des Lebenslichtes (s. d.) gehört 9 ). Der Brauch, wenn der N. auf einen Freitag (s. d.) fällt, den Lappen eines abgetragenen Kleidungsstückes mit etwas Blut und Speichel zu verbrennen oder auf einen B a u m zu hängen (ζ. B . in Siebenbürgen), dürfte ein stellvertretendes Opfer sein. E s verleiht Schutz,

Namenstausch—Narrengericht

9 67

bis der N. wieder auf einen Freitag fällt; wenn der Lappen verschwindet, ist es ein gutes Zeichen; das Opfer ist angenommen. Als Empfänger ist wohl der Böse zu denken 10 ). Spuren, daß man schon im Altertum die Feier des Geburtstages auf den Tag eines bestimmten Gottes verlegt habe, sind nachweisbar u ) .

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») ZfVk. 22 (1912), 1 1 ; H ö f l e r Waldkult 13. 79; S c h ö p p n e r Sagen 3, 252t.; K r i s s Volkskundliches aus altbayrischen Gnadenstätten 112. 2 ) S c h ö p p n e r 3, 253. Sartori.

dann seine eigene Tochter „närret" heimgebracht wurde, so sieht das Volk darin eine Strafe für die Versündigung2). Man soll keinen zum N.en (in Schlesien zum Jerle) s ) halten. Dem übertriebenen Foppen der Jugend treten die Alten im Hause mit Ernst entgegen 4). Man soll aber auch an niemandem, und wäre es das eigene Kind, den N.en gefressen haben 5 ). Der verstellte N. ist der Mensch, der sich (wie Brutus) eine Weile dumm und töricht stellt, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Er spielt in vielen Sagen die Hauptrolle e). Noch jetzt tritt auf Kirmessen 7) und Hochzeiten der N. als Schalk auf und vergnügt eine ganze Gesellschaft. Die oft improvisierte Aufführung gelingt der bäuerischen Pfiffigkeit vortrefflich. Feststehende Figuren des Volkshumors führt Frazer vom Pflugmontag und dem Carneval auf 8 ) (vgl. Maske). Die aus früheren Zeiten bezeugte Strafe des Turmes oder des N.enhauses ·) hat mit Irrenarrest nichts zu tun, es bedeutete nur ein polizeiliches Ortsgefängnis10). Darein wurden Personen wegen der verschiedensten Vergehen 11 ) für eine gewisse Zeit 1 2 ) gesteckt. Das bischöfliche N.enhäuslein nahm die Personen auf, die über den Bischòf, die Geistlichkeit oder die Religion schimpfierten 13 ). N.enhaus und Pranger als die Dinge, die das Verkehrte am Menschen straften, standen oft nebeneinander14). — N. auf dem Acker, d. i. geschlossenes Kraut u. ä., sind gefürchtet 15 ). Vgl. oben 5, 1754.

Napellus s. S t u r m h u t . Näpfchenstein s. S c h a l e n s t e i n . Napoleon s. Nachtrag. Narr, Narrenhaus. Der N. ist im Sinne des Volkes entweder ein Geck oder ein Tor, also entweder ein Mensch, der zuviel vorstellen will oder nichts vorstellen kann. „So ein Jüngling und Jungfrau zusammen kommen und sind beide noch Jungfrauen, das erste Kind, das sie gewinnen, ist gewöhnlich ein N . " 1 ) . Wenn aber ein Mann seine Schwiegertochter immer einen N. hieß, und ihm

Narrenbischof s. Kinderbischof 4, 1341 f. Narrengericht. An manchen Orten im

') B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 35. ) M e y e r Baden 108. a) Ebd. 4) Ebd.; B i r linger Aus Schwaben 2, 258. 5 ) M e y e r a. a. O. ·) S a r t o r i ι, 46; anbinden in der Bedeutung beglückwünschen M e y e r a. a. O. ') M e y e r und B a u m g a r t e n a. a. O. 8 ) SAVk. 3, 140. 10 ») ZdVfVk. 8, 399 aus Bayern. ) Urquell 11 3, 267. ) S i m r o c k Mythologie 595; W. S c h m i d t Geburtstag 34f. Aly. 2

Namenstausch ist eine besondere Form der Namensänderung (s. d.), die besonders in Polynesien üblich ist 1 ) und innigste Freundschaft begründet. Da mit dem Namen das innerste Wesen übertragen wird, ist N. nur einmal möglich. In Deutschland kommt N. gelegentlich zwischen Mann und Frau vor, um einen Krankheitsdämon zu täuschen 2). l

) A n d r e e Parallelen i, 177t.

2

) ZfVk. 3, 238. Aly.

Nantwein, hl., Conradus Nantuinus, ein Pilger, der gegen Ende des 13. Jh.s (1286?) unschuldig in Wolfratshausen (Oberbayern) verbrannt worden und von Papst Bonifatius VIII. heilig gesprochen sein soll. Aus seiner Hirnschale gab man Wallfahrern zu trinken 1 ). Ein Schlosser, der seine Ketten wissentlich verarbeitete, soll närrisch geworden sein 2).

2 !) ZfdMyth. 3, 309. ) Höhn Volksheilkunde ι, 134. 3 ) K ü h n a u Sagen 1, 600. 4) W e r n e r Aus einer vergessenen Ecke 1, 21 fi. ') de Cock Volksgeloof 1 (1920), 92. ·) L i e b recht Zur Volksk. 141 ff.; ZfVk. 2, 6 7 s . ; Germania 21 (1888), 3420.; Orient u. Occident ι, 1 1 6 — 1 2 5 ; Cosquin Contes populaires Nr. 44. 7 ) W e r n e r Aus einer vergess. Ecke 1, 157. 8 ) F r a z e r 12, 276 (s. v. fool). β) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 490. 10) Ebd. 490. " ) Ebd. 490. " ) Ebd. 491. l t ) B i r l i n g e r Volkst. 2, 233. l4 ) Ebd. 2, 234. l l ) Höhn Tod 309. f Boette.

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naschen—Nase

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mittleren und südlichen Deutschland, in den Alpen und in der Schweiz sind in der Fastnachtszeit „ N . e " üblich, bei denen Vermummte vor den einzelnen Häusern oder im Wirtshause die Torheiten und Verfehlungen der Mitmenschen während des vergangenen Jahres unter großem Lärm und Getöse durchhecheln und geißeln 1 ). Auch mit aller Förmlichkeit einer Gerichtsverhandlung gehen solche Rügehandlungen vor sich 2 ). Menschen und Dinge, die überlebt und veraltet erscheinen, werden in dieser Zeit der großen Frühlingsreinigung durch Spott und Hohn außer Kraft gesetzt 3 ). Ähnliches wird aus Altindien aus der ersten Hälfte des 5. Jh.s n. Chr. berichtet. In Savatthi zogen beim „Narrenfeste" sich verrückt gebärdende Männer herum, den Körper mit Asche und Kuhmist beschmiert. An jeder Haustür wurde haltgemacht und eine unpassende Rede gehalten. Wer diese nicht anhören konnte, schickte je nach seinen Verhältnissen eine Münze, worauf die Empfänger weiter zogen. Alle Schranken der Scham fielen hinweg. Hardy ist geneigt, mit Rücksicht auf ähnliche Bräuche bei andern Völkern, darin die Absicht der Austreibung böser Geister und der Beseitigung der Übel zu sehen 4 ). l) S a r t o r i Sitte 3, I 2 i f . ; S e p p Religion 60f.; W e i s e r Jul 28; S A V k . 8 (1904), 168 ff.; Zingerle Tirol I34f. 135; Hmtl. 13, 20; S c h r a m e k Böhmerwald 137f. 139; im schwyzerischen Bezirk March auch am Silvesterabend und am Abend vor Dreikönigen: Schade Klopfan 7 i f i . 2) S a r t o r i 3, 122 A. 155; oben з, 670. 3) H a h n e Vom deutschen Jahreslauf и. Brauch 23. 4) A R w . 5, 132!!. Sartori.

naschen s. s t e h l e n . Nase. ι . Vom Ä u ß e r n läßt sich auf Veranlagung und Charakter des Menschen schließen. „Man sieht's einem an der N. an, was er für ein Kerl ist" a) Eine s p i t z e N. ist das Zeichen eines listigen, spöttischen Menschen, meint Paracelsus (S. 36). Der Volksmund formuliert seine Anschauung über sie in dem Spruch Spitze Nas und spitzig Kinn, D a sitzt der lebendig Teufel drin *).

G r o ß e , u n f ö r m l i c h e N.n heißt das Volk G u r k e n 3 ) und vergleicht damit den Penis 4 ). Wer eine solche hat, „ist beim N.nausteilen nicht zu kurz gekommen" 5 ). In Dichtungen und in Bilderbogen des 16. Jh.s wird „Der großmächtige / dickprächtige / langstrekkende / weitschmekkende N a s e n M o n a r c h : Mit seiner hochansehenlichen / breitberühmten naseweisen / vielnutzbaren Grossen Nasen" verspottet 6 ). Eine S t u m p f n . bedeutet nach Paracelsus (36) einen bösen, falschen, unkeuschen, lügenhaften, wankelmütigen Menschen. Das Gorgo-Gesicht hat eine p l a t t g e d r ü c k t e N. 7 ), und im Kathäsaritsägara (20, 107 ff.) wird die alte Hexe, die Brahmanin Kälaräti, beschrieben: „Grauenerregend war ihre Gestalt; ihre Brauen waren in eins verwachsen (vgl. oben 1, 704) und gläsern waren ihre Augen. Sie hatte eine niedrige, platte N . " usw. 8 ). Leute mit g e b o g e n e r ( „ A d l e r " - ) N. galten nach den physiognomischen Anschauungen des MÄ.s für freigebig, hochherzig, beredt und stolz. Als Beispiel dieser Spezies wurde u. a. Kaiser Maximilian I. hervorgehoben e ). Nach der Physiognomia des Apuleius sind g r o ß e N.n ein besseres Zeichen als k l e i n e ; denn kleine N.n gehören knechtseligen Geistern, Dieben, Deserteuren 10 ). Lange N. zeigt Geistesschärfe an, wie Martial (1, 41, 18. X I I , 88) erklärt 1 1 ). Auch Paracelsus (36) betrachtet eine lange, nach unten gebogene N. als ein gutes Zeichen ; sie bedeutet einen strengen, weisen, verschlossenen und barmherzigen, doch gerechten Menschen. Und das Fischartsche Sprichwort sagt: Lang und hohe Nass zeigt an Weissheit gross 1 2 ),

gleich wie E . M. Arndt: „ B e i höherer Bildung und mächtigem, lebendigem Streben des Menschen von innen heraus tritt das Gesichtsgepräge schärfer, der Schnabel (N.) bestimmter gezeichnet hervor, die stattliche N. bezeichnet Verstand"13). P e r c h t a , H o l d a und andere D ä m o n e n und G e i s t e r w e s e n haben eine

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Nase

auffallend lange Ν., die ihnen, wie den Masken, ein entstelltes, unheimliches Aussehen gibt M ). Oder ihre N. ist eisern 1 5 ). Wenn man eine kleine oder große N. will, soll man in Biel (Schweiz, Bern) am Weihnachtsabend zwischen ein und zwei Uhr die größte Eiche des Waldes aufsuchen. Davon nehme man das höchste Blatt. Hernach tötet man eine Katze, deren Schwanzspitze weiß ist, streicht einen Blutstropfen aufs Blatt, hält es in die Höhe und sagt die drei höchsten Namen. Dann reibt man damit die N. ein, schließt dabei die Augen, sagt, was für eine N. man will, und man bekommt sie so, wie man will 1 6 ). b) Auch die N.nlöcher weisen auf den Charakter hin: „Wer spitzig dünneu naslöcher hât", schreibt Megenberg (S. 45), „der ist ain krieger und kriegt gem. wer grôzeu naslöcher hat und weiteu, der hât klain weishait. wer an der nasen langeu naslöcher hât und dünneu, der ist gaech und ain tôr und leiht, wer praiteu naslöcher hât, der ist unkäusch. wem diu naslöcher sêr offen sint, der ist zornig von nâtûr". c) Wenn einer eine schwarze N.nspitze hat, so hat er irgend etwas gestohlen 17 ). Eine Ader auf der N. zeigt ein kurzes Leben an 18 ) (vgl. oben 1 , 1 7 1 ) . d) Einer schwangern Frau soll man keine Bitte um etwas Essiges abschlagen, sonst bekommt das Kind keine N. 1 9 ). Die weiße Schlüsseljungfrau, die Dönna di Valnüglia (Graubünden) hat keine N.20). *) L a m m e r t 2 3 2 ; S t r a c k e r j a n 2, 182 § 420; B u c k Volksglaube 24; vgl. auch Schriftchen wie z.B. Don Illemo C a m e l l i La scienza dei Nasi ovvero l'esistenza dell' Anima, Brescia 1 9 1 2 ; vgl. auch H a s t i n g s 9, 396. 2 ) S t r a c k e r j a n 1, 34; 1, 330 §202, c; ZfVk. 21 (1911), 261 Nr. 49; W a n d e r Sprichwörterle χ. 3, 950 Nr. 7 5 ; A . de C o c k Volksgeloof 1 (1920), 162; H ö h n Volksheilkunde 1, 81. 3 ) H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 3 5 1 ; vgl. weiteres SchweizId. 4, 794 u. d. a. MundartWb. 4 ) A i g r e m o n t Pflanzenwelt 1, 129. Mädchen mit langen N.n gebären viele Kinder: H ö h n Volksheilkunde 1 , 8 1 . «) F i s c h e r SchwäbWb. 4, i960. e ) Z f V k . 7 15 (1905). 3 ° f i . ) S i e c k e Götterattribute 130. 133. «) Z a c h a r i ä KISchr. 361Ì. ») M e y e r Aberglaube 3 7 ; I n d a g i n e (edit Argent. 1522), 10 p. 7. 8; S t e m p l i n g e r Aberglaube 1 1 8 . )

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S t e m p l i n g e r Aberglaube 1 1 8 . " ) S i t t l 88. ) W a n d e r Sprichwörterle χ. 3, 948 Nr. 48; 13 Kloster 8, 599. ) Meine Wanderungen mit dem Freiherrn von Stein (1858), 48, wo Arndt aber weiter erklärt, daß er auch Leute „mit kürzestem Schnabel oder fast gar keinem gesehen" habe, die von großem Geiste waren. 14 ) W a s c h n i t i u s Perht i5of. 183; G r i m m Myth, ι, 223. 230; E . H . M e y e r Germ. Myth. 275; L i e b r e c h t Gervasius 188; L a i s t n e r Sphinx 2, 3 2 3 ; ZfdMyth. 2, 422; 3, 205; 4, 3 7 ; V o n b u n Beiträge 26; Z i n g e r l e Sagen 27 Nr. 4 1 ; P e u c k e r t Schles. Sagen 230; R e i s e r Allgäu I, 69 Nr. 54 = Bavaria 2, 2, 808; F r a z e r Totemism 3, 5 2 7 Í . ; S é b i l l o t Folk-Lore 1, 296. 299. 1 6 ) W a s c h n i t i u s Perht i5of. 16 ) SchwVk. 10, 29. 1 7 ) J o h n Erzgebirge 38. 1β ) B e r g e n Current Superst. 36 Nr. 156. " ) B u c k Volksglaube 18. 20 ) V o n b u n Beiträge 26 = V e r n a l e k e n Alpensagen 1 3 5 Nr. i n .

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2. N.n j u c k e n (vgl. oben 4,793 Anm. 53 ff.) zeigt an: Neuigkeit 21 ), Kuß 22)( Brief 2 3 ), Gedenken24), Ankunft des Geliebten 25), Besuch 26), Geschenk 27), Zorn und Verdruß 28), gutes Essen (Kuchen)29), Rausch 30 ), Tod 3 1 ), Fremde 32 ), Geburt eines Juden 3 3 ).

21 ) G r i m m Myth. 2, 935; B i r l i n g e r Volksth. ι , 495 Nr. 4; Z i m m e r m a n n Volksheilk. 23; Alemannia 33 (1905), 303; M e i e r Schwaben 2, 505 Nr. 3 7 3 ; H ö h n Volksheilk. 1, 8 1 ; R e i s e r Allgäu 2, 427 Nr. 16; A l p e n b u r g Tirol 3 7 1 ; Z i n g e r l e Tirol Nr. 1 6 1 ; W o l f Beiträge 1, 239 Nr. 474; W i t ζ sc hei Thüringen 2, 282 Nr. 74; Andree Braunschweig 403; Strackerjan ι, 3 4 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 3 1 3 Nr. 1 5 2 8 a ; Urquell 3 (1892), 1 6 5 Nr. 1 2 ; K u h n Mark. 22 Sagen 387 Nr. 97. ) Fogel Pennsylvania 96 Nr. 390; 82 Nr. 340. 2 3 ) F o g e l 82 Nr. 305; 24 96 Nr. 393. ) SchwVk. 10, 36; B e r g e n 2δ Superst. 63 Nr. 383. ) F o g e l 84 Nr. 319. 26 ) S A V k . 7, 1 3 3 Nr. 19; B e r g e n Superst. 92 Nr. 781 fi.; 135 Nr. 1292. 2 7 ) S p i e s s Fränkisch-Henneberg 1 5 1 ; H ö h n Volksheilk. i, 81. 28 ) H ö h n Volksheilk. 1, 8 1 ; J o h n Erzgebirge 3 5 ; S c h r a m e k Böhmerwald 256; ZfVk. 8 (1898), 156. 28 ) S A V k . 7, 134 Nr. 4 1 ; ZfVk. 4 (1894), 8 1 ; Urquell 3 (1892), 4of. 30) P r a e t o r i u s Phil. 206; Rockenphilosophie S. 6 3 1 ; G r i m m Myth. 3, 477 Nr. 1 1 3 8 ; ZrwVk. 1914, 31 32 257. ) D r e c h s l e r 2, 196. ) Bartsch Mecklenburg 2, 3 1 3 Nr. 1528b. Alemannia 33 (1905), 303·

3. N.nbluten. a) N.nbluten ist gesund 34). Wer aus dem linken Nasloch blutet, dem mißlingt sein Vorhaben 35). In der Pfalz betrachtet man in hitzigen Krankheiten das N.nbluten als ein schlimmes Vorzeichen. Der Kranke, glaubt man, lebe nur noch so viele Tage, als er Tropfen Blutes ver-

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liere. In Franken dagegen gilt es als gutes Zeichen 3e ). Nach dem Glauben der Romanen im Harbachtal stirbt jemand aus der Familie, wenn die Nase aus der linken Seite blutet, bedeutet es dagegen etwas Gutes, wenn sie aus der rechten blutet 37 ). b) Die Zahl der Mittel, das N.nbluten zu stillen, ist ansehnlich (vgl. oben ι . 1457 δ·)· Man versucht, die Blutstillung durch K ü h l u n g zu bewirken, indem man dem Blutenden unversehens k a l t e s Wasser in den Nacken gießt und ihn damit erschreckt 3 8 ), einen S c h l ü s s e l oder sonst einen kalten Gegenstand im Nacken heruntersteckt39), ein Z w e i g r o s c h e n stück (Muttergottesvierundzwanziger ) auf die N.nspitze drückt 40 ). In Bayern empfiehlt man, ein Stückchen F l i e ß papier zwischen den Gaumen und den untern Teil der Zunge zu legen 41 ). „Am Fronleichnamstage eine blaue K o r n b l u m e mit der Wurzel ausgerauft, stillet das Bluten der Nasen, wenn man sie in der Hand hält, bis sie erwärmet", verzeichnet die Rockenphilosophie (215 cap. 47) 42). In Schlesien muß es eine weiße Kornblume sein, die am Johannistage mittags gepflückt wurde 43 ). Schon Daniel Sermertius (1572—1637) teilt mit: „Radix manibus detenta haemorrhagiam narium sistere creditur" 44). Staricius empfiehlt in seinem Heldenschatz (504): Bursa pastoris, oder T a s c h e n k r a u t / und der G a u c h h e i l / zu Latein Anagallis genant / mit roten Blumen / welches das Männlein ist / allein in der Hand gehalten / daß es darinnen erwarme / . ." hilft gegen N.nbluten 45 ). „Und", fährt er weiter, „schreibet Lonicerus: daß es also hierinnen seine Kräffte erweise / daß / wo es in einer Hand erwärmet sey / und hernach am selben Arm eine Ader geöffnet werde / so laufft kein Blut heraus / so lange solches Kräutlein in der Hand gehalten werde". Um solche blutstillenden Mittel wirksamer zu machen, wurden sie wohl direkter mit der N. in Berührung gebracht : So empfiehlt man im Isergebirge, in die betreffende N.nöffnung Kartoffelbovist zu stecken 4e ), im Sarganserland schnupft man Moos von einem

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Holzapfelbaum, Same des gemeinen Wegerichs, Aloeblätter oder legt man Schamhaare auf 47). In Württemberg heißt die Esche auch „Wundbaum" : wer viel N.nbluten hat, soll die N. mit Eschenholz überstreichen und sich dann mit frischem Wasser waschen. Auch hört das N.nbluten auf, wenn man ein Stücklein Eschenholz in der rechten oder linken Hand, je nachdem man aus dem rechten oder linken N.nloch blutet, erwärmen läßt4f>). Als Simplicissimus unweit Fritzlar in einem Flecken übernachtete, erfuhr er, daß der reichste Mann des Ortes von solchem N.nbluten befallen war, daß dessen Angehörige das Schlimmste befürchteten. Simplicissimus schüttete einen Teil des Blutes, „von dem der Ärmste schon 35 Metzen verloren hatte", in eine Pfanne und „wischte damit über das Feuer, procedirt mit selbigem nach Gebühr und seiner Wissenschaft und bereitet ihm einen solchen köstlichen S c h n u p f t a b a k daraus, durch welche er ihme vermittelst der Sympathia, ehe man hät hundert zehlen mögen, das bluthen stillete" 49). Das Mittel ist auch in der jüdischen Volksmedizin bekannt®0). „Vor das Naßen Bluten", rät ein schwäbisches Rezeptbuch, „Schwein Dreck auf Kohlfeuer gelegt den rauch in das Gsicht gehen Laßen probat" 51 ). Gegen N.nbluten empfiehlt Jünchers Universalpharmakopöe unter dem Namen : S a c c u l u s pro amuleto in haemorrhagia narium Senneri, ein Beutelchen von roter Seide, welches mit Krötenasche, Blutstein, menschlichem Hirnschädelmoos, Meernabeln, Krötenwurzeln usw. gefüllt war, an einem seidenen Band am Halse zu tragen 52). Bernadino von Siena überliefert: Contra fluxum sanguinis per nares, vel aliunde, habent quasdam incantai iones quibus utuntur cum l a p i d i b u s v i v i s positis circa nares 5 3 ). Die Stelle ist nicht ganz verständlich. Man wird wohl, wie Zachariae 84 ), an den J a s p i s (s. oben 4, 633 f.) denken dürfen, von dem es in Volmars Steinbuch (V. 271 ff.) heißt:

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975 des ist ouch der stein guot daz er verstendet daz bluot an der nasen oder an wunden dar nâch in kurzer stunde sô e r in n i m e t in d i e h a n t sô verstât daz bluot zehant.

Hier muß der Stein allerdings, wie die Kornblume, in der Hand gehalten werden. Eine Adjuratio ad profluvium sanguinis narium bei Nie. Myrepsus (De antidotis 405) erklärt aber zunächst: Debet qui dicturus est adiurationem hanc, in manu sua retiñere lapidem iaspidam aut haematiten (s. oben 1, 1456), um an einer späteren Stelle zu sagen : Dein pone iaspidem in nares sanguinem effundentes 55). „Das ist sonsten auch gewiß / daß der edle Gestein Jaspis" / . . . schreibt Staricius (Heldenschatz504f.) „sonderlich der rothe und grüne / oder der roth und mit grünen Adern gefunden wird / in Nasenbluten / entweder alleine / oder in Silber gefast (darinnen er denn / wie die Naturkûndiger schreiben / seine Kräffte stärker erweisen soll / in der jenigen Hand / auß welchem Loche der Nasen das Blut fleust / unter dem Daumen feste gehalten". Jaspis wird auch heute noch in Württemberg gegen N.nbluten getragen 66 ). Der Konstanzer Stadtphysikus Jo. Schleher empfiehlt 1 6 1 1 den A d l e r s t e i n (s. oben 1 , 189 ff.) 57). Man trägt auch ein rotes P e r l e n h a l s band 6 8 ), eine getötete K r ö t e an einer Schnur 6e), oder nur eine Schnur um den Hals 60 ) : sie muß von einem n.nblutenden Mann von einer Frau (und umgekehrt) ohne zu bezahlen noch zu danken verschafft und neun Tage anbehalten werden. Der schon erwähnte Konstanzer Arzt Schleher nennt (1611) auch das folgende Mittel: „Muß ( = Moos) ab T o d t e n k ö p f e n oder von Bandstöcken unter die Uochsen (Achseln) binden" 61 ). Will (in Mecklenburg) das Blut nicht stehen, so muß eine fremde, der Familie nicht angehörige Frau einen Faden unrecht spinnen, und auf einen Zettel mit dem Blute den Vor- und Hauptnamen des Blutenden schreiben, und diesen Zettel mit dem gesponnenen Faden so um den Hals des Kranken hängen, daß der Zettel, blutet die rechte N., unter die linke

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Achselhöhle kommt, und umgekehrt62). Weitverbreitet ist das Umbinden des kleinen F i n g e r s mit einem F a d e n , das mit dem Gedanken des A b b i n d e n s einer Krankheit zusammenhängt (s. oben ι , 12 ff.). Man umwickelt den kleinen Finger derjenigen Körperseite, der das blutende N.nloch angehört mit Nähoder Wollenfaden, also den kleinen Finger der linken Hand, wenn die Blutung aus dem linken N.nloch erfolgt. Vielfach ist der Brauch aber verblaßt und heißt es einfach, daß man den kleinen (allerdings meist den linken) Finger umbinden müsse 63). Nicht minder bekannt ist, zwei S t r o h hälmlein (oder Zweiglein usw.) kreuzw e i s e auf den Boden zu legen und das Blut auf den Kreuzungspunkt fallen zu lassen, um das N.nbluten zu stillen 64 ). Auch das V e r p f l ö c k e n (s. d.) in seinen mannigfaltigen Formen kommt vor: In Württemberg reißt man einen im Boden steckenden Pfosten, einen Stuhlfuß oder ähnliches aus und steckt ihn wieder umgekehrt hinein (nachdem man voraussichtlich Tropfen des N.nblutes hinein träufeln ließ), dann hört die Blutung auf 6 5 ). Man läßt (in NeuRuppin) drei Tropfen Blut auf einen alten gefundenen Nagel träufeln und schlägt ihn stillschweigend an einem Orte ein, den man niemals wieder betritt 66 ). Das N.nbluten wird im Sarganserlande gestillt, indem man von der Straße einen Stein aufhebt, in die Bodenvertiefung drei Blutstropfen fallen läßt und den Stein wieder genau an seinen Platz hinlegt 67), während man im Allgäu aus dem Grasboden ein Stückchen Rasen aussticht und in das Loch Blut fließen läßt68). Mit einem Strohhalm, der in das Blut des Leidenden getaucht wurde, schreibt man auf seine Stime: Oipulu (oder ähnlich) (vgl. Uhiupuli) 6β), oder macht mit einem roten, gesegneten Seidenfaden das Kreuzeszeichen über die N. 70 ). In Württemberg v e r t a u s c h t man beide S t r ü m p f e 71 ). Man empfiehlt auch, einen Himmelsbrief (s. d.) in die Hand zu nehmen 72) und spricht Blutsegen 7 3 ).

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Nase

34 ) Schweizld. 5, 226. 36) Grimm Myth. 3, 463 Nr. 825. 3e) L a m m e r t 102. " ) ZfVk. 22, 162. M ) SAVk. 8, 148; 5, 174 Nr. 43; Schweizld. 5, 226; Wettstein Disentís 177; Manz Sargans 70; Höhn Volhsheilk. 1, 83; L a m m e r t 196; Müller Isergebirge 22;Schmidt Mieser Kräuterb. 48 Nr. 49; G u r l t Gesch. d. Chirurgie 3, 671; Z a c h a r i a e KISchr. 349. 39 ) Schweizld. 5, 226; R e i t e r e r Ennstalerisch 22; Müller Isergebirge 22; L a m m e r t 197; B e r g e n Superst. 99 Nr. 856; 94 Nr. 804; D y e r Shakespeare 250. 40) L a m m e r t 197; Drechsler 2, 290; S e y f a r t h Sachsen 269. 41 ) L a m m e r t 196; Höhn Volksheilk. 1, 83; vgl. Urquell 2, 177 (Delve); B e r g e n Superst. 99 Nr. 855. 858. 42) = Grimm Myth. 3, 439 Nr. 139; vgl. oben 5, 247 §2; L a m m e r t 197. 43 ) Drechsler 2, 290. 41 ) Rockenphilosophie 215; Zorn Herbar. Pancov. 145. 46) Vgl. Alemannia 6 (1878), 172 ( a ° i 6 n ) . 4e) Müller Isergebirge 22 f. 47) Manz Sargans 70. 48) Höhn Volksheilk. 1, 83. 49) A m e r s b a c h Grimmelshausen 2, 60. 50) S t r a c k Blut 99. 51 ) Höhn Volksheilk. 84. 52) P e t e r s Pharmazeutik ι, 218. 53) Z a c h a r i a e KISchr. 347ff. = ZfVk. 22, i2off. M ) a . a . O . 348. 6S) Nach εβ Zachariae a.a.O. ) Höhn Volksheilk. 67 ι, 83; B o h n e n b e r g e r 23. ) Alemannia se 6, 172. ) B e r g e n Superst. 94 Nr. 801 f. 5i ) Notes and Queries: Folklore (1859) 10; B l a c k Folk-Medicine 62Í.; D y e r English Folk-Lore 156. 175. β0) Notes and Queries β1 a.a.O. il. ) Alemannia 6, 172; B l a c k Folk-Medicine 97. β2) B a r t s c h Mecklenburg 2, 113 Nr. 437; vgl. S t r a c k Blut 42. e3) Schweizld. 5, 226; SAVk. 2, 258 Nr. 103; 5, 174 Nr. 3; 12, 152 Nr. 46g;Manz Sargans 70; Staat Baden (ca. 1880), mündl.; Z i m m e r mann Volksheilk. 27; B i r l i n g e r Volksth. 1, 480 Nr. 2; Höhn Volksheilk. 1, 83; R e i s e r Allgäu 2, 441 Nr. 162; Müller Isergebirge 22; D r e c h s l e r 2, 290; R e i t e r e r Ennstalerisch 22; Urquell 2 (1891), 177 (Schwienhusen) ; ZfVk. 7 (1897), 292 Nr. 3 (Ruppin); S t a a k Mecklenburg (1931) 197; S e y f a r t h Sachsen 234 (vgl. 236); K ö h l e r Voigtland 350; F o g e l Pennsylvania 300 Nr. 1584; B e r g e n Superst. 95 Nr. 813; B l a c k Folk-Medicine 190 f. β4) Höhn Volksheilk. ι, 83; Z i m m e r m a n n Volksheilk. 27; S c h m i t t Hettingen 16; K u h n Westfalen 2, 55 Nr. 159; ZfVk. 7 (1897), 292 Nr. 3. 4 (Ruppin); S t a a k Mecklenburg 197; B a r t s c h Mecklenburg 2 , 1 1 3 Nr. 438a (verdorben Nr.438b) ; Globus 59, 304 (Ostpreußen). e6) Höhn Volksheilk. ι, 83f. ««) ZfVk. 7 (1897), 292 Nr. 5. β7 ) Manz Sargans 71. , e ) R e i s e r Allgäu 2, 441 Nr. 161. «») Höhn Volksheilk. 1, 84; ZfVk. 7, 291 Nr. ι (Ruppin); Urquell 2 (1891), 177 70 (Schwienhusen). ) Globus 59, 208 (Ostflandern). 71 ) Höhn Volksheilk. 1, 84. 7a) S e y f a r t h Sachsen 143; Urquell 2, 177. 73) ZfVk. 7 (1897), 291 Nr. 2 (Ruppin); G a ß n e r Mettersdorf 78; S t r a c k Blut 99; Höhn Volksheilk. ι, 84 (Zahlenamulett). 4. Von den N . n k r a n k h e i t e n ist der

978

S c h n u p f e n die häufigste (s. d.). Wenn einem Kind die N. frühzeitig f l i e ß t , bekommt es viel Verstand 74 ). „ A m Fastnachtstage soll man keine Suppe essen", teilt die Rockenphilosophie mit (271 cap. 80), ,„es t r i e f t einem sonst hernach stets die N . " . 74 ) H i l l n e r Siebenbürgen 51 Nr. 5; Wolf Beiträge 1, 206 Nr. 12 (Wetterau). 5. V e r s c h i e d e n e s : K r a n k h e i t s d ä m o n e n dringen durch die N. in den Menschen ein, die S e e l e entflieht durch die N. aus dem Menschen 75 ). Deshalb werden Heilmittel gegen Kopfschmerzen und Gehirnleiden in die N. gestopft 7 β ). Nach normannischer Gewohnheit mußte beim Widerruf von Schmähungen der Verurteilte sich selbst amN.nzipfel fassen ( „ s i c h s e l b s t bei der N. n e h m e n " ) 7 7 ) . Einem ganz jungen K i n d e muß in Ostpreußen vor und nach dem Wickeln a m N a s c h e n g e z u p f t werden 7 8 ). In Unterfranken hält der Ministrant der B r a u t das M e ß b u c h z u m K u s s e vor. Im Augenblick, wo sie küssen will, klappt er es zu. Gelingt es ihm, ihre N. e i n z u z w i c k e n , so muß sie ihm mit einem Geldstücke büßen 7 i ). Als ein Mittel gegen die Gelbsucht s c h n e i d e t man in Böhmen dem Kranken mit einem Rasiermesser die N . n s p i t z e a n , aber nur so weit, bis Blut hervorkommt 80). Der schlesische SchusterThes, der sich dem Teufel verschrieben hatte, bat vor seinem Tode sein Weib, sie möge ihm die N. a b s c h n e i d e n , sonst müsse er umgehen 8 1 ). U m ihren Bewerbern zu entgehen, verstümmelt sich die hl. Hidda und schneidet sich die N. ab 82 ). Hängt das N . n a b s c h n e i d e n a l s R e c h t s s t r a f e 8 3 ) , wie andere Verstümmelungen und wie die Todesstrafen, ursprünglich mit kultisch-religiösen Anschauungen zusammen? Sprichwörter und Redensarten über die N . sind außerordentlich zahlreich 84 ). 75 ) W u n d t Mythus 1, 485; F r a z e r 3, 30. 32. 33. 122. " ) Höf ler Organotherapie 53. 121. 77 ) G r i m m RA. 1. 198; W a n d e r Sprichwörterlex. 3, 964 Nr. 416. 78) Urquell 1 (1890), 134 Nr. n a ; vgl. NF. 1 (1897), 9 Nr. II. n ) Bavaria 4, 1 (1866), 252. 80) Grohmann 154

naß—Natterkopf

979

81 ) Nr. 1114. P e u c k e r t Schles. Sagen 141. 82) 83) G a n d e r Niederlausitz 130 Nr. 332. G r i m m RA. 2, 296; vgl. Redensarten bei W a n d e r Sprichwörterle χ. 3, 951 Nr. 100; 3, 961 Nr. 341. M ) G r i m m RA. 1, 198; W a n d e r Sprichwörterle χ. 3, 947—965 (434 Nummern!); S i t t l Gebärde 116. Über N a s e n s c h m u c k vgl. F r a z e r 1, 94; Totemism 1, 27Í. 569; 2, 397; 4, 196 ( = Globus 91, 143); H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 324 f. Bächtold-Stäubli.

n a ß s. Fluß,

Wasser.

980

Uber die Methode des Nativität-stellens und -auslegens vgl. meine ausführlichen Darlegungen im Art. Horoskopie. Über Firmicus vgl. B o l l in P a u l y W i s s o w a s. v. Firmicus. 2) Literatur über ihn ! habe ich zusammengestellt in meiner Astrologie I und Universalgeschichte (Stoicheia I X ) S. 239 3) Titel: Epitome ¡ ζ. S. 16. totius astrologiae j (Druck: Nürnberg 1548); Untertitel des 1 2. Teils: Johannis Hispalensis de iudiciis astro\ logicts Lib. IV. Das Buch wurde 1142 größtenI teils aus arabischen Quellen (vor allem aus dem Liber magnus des A b u Ί - H a s a n i b n a b i j 'r-rigal [Albohacen Haly filius] komj piliert, vgl. Bibl. math. her. v. G. E n e s t r ö m , 4) j N. F. Stockholm 1891, S. 47. Über ihn ! Moritz Steinschneider Die hebräischen ι Ubersetzungen des Mittelalters usw. 981. 5) Diese ; antithetische Disposition scheint sich nach dem astrologischen Werk des D o r o t h e o s v. S i d o n ; (1. Jh. n. Chr.; über das Werk s. zuletzt meine ! Astrologie und Universalgeschichte [Stoicheia I X ] ι u f f . , besonders 14) zum Schema der DarJ Stellung des astrol. Stoffes entwickelt zu ι haben. Vgl. das Werk des großenteils nach I Dorotheos arbeitenden H e p h a i s t i o n v. T h e ! b e n (4. Jh.; vgl. A. E n g e l b r e c h t Hephaistion v. Theben und sein astrologisches Kompendium I 23 und Fr. B o l l in P a u l y - W i s s o w a s. v. Hephaistion Sp. 309, 48ff. ; ferner C a t . c o d d . a s t r o l . G r a e c . V I I I 2, 3S—124, V I I I 1, I 4 i f f . ) . Die Araber, auf die neben Ptolemaios vor allem Dorotheos großen Einfluß hatte, übernehmen diese antithetische Disposition, wodurch sie dem spanischen Mittelalter und damit dem ' Abendland zugänglich wird (vgl. auch Art. ! Bauernpraktik Anm. 2). ') Vgl. A. W a r b u r g Gesammelte Schriften II Index. ') Opera ed. S p o n i u s , Lugduni 1663. 8) Speculum astroe logiae, Lugduni 1593. ) Auswahl bequem zugänglich in „Die Astrologie des Joh. Kepler", eine Auswahl aus seinen Schriften, her. v. H. A. Strauß und S. Strauß-Kloebe, 1926, S. 170 ff. Stegemann.

Nativität. N. von lateinisch 'nativitas' ist ein im Mittelalter und der Renaissance gebräuchlicher Ausdruck für Horoskop und bezeichnet zunächst die Konstellation der Sterne im Augenblick der Geburt. In antiken Schriften kommt das Wort nicht vor ; die einzigen mir bekannten Stellen in Firmicus Maternus'*) Mateseis (I 10 Ende und Überschrift zu V I 29) sind spätere Zutaten gelehrter Leser. Die Verfasser bzw. Übersetzer mittelalterlicher und späterer Schriften über die Astrologie verwenden das Wort r nativitas' oft im Titel ihrer Bücher, so ist ζ. B . die Übersetzung einer Schrift des Astrologen Eben-Ezra (ca. 1092 — 1 1 6 7 ) 2 ) „ D e nativitatibus" betitelt. Größere Werke benennen so das Buch, in dem die Elemente und Methoden der Geburtshoroskopie (s. Horoskopie) im Gegensatz zu den sog. Elektionen oder der Katarchenhoroskopie behandelt sind, die die Konstellation des Augenblicks hinsichtlich des glücklichen oder unglücklichen Ausgangs eines Unternehmens untersucht. Ζ. B . trägt in dem Werk 3 ) des Johannes Hispalensis (ibn Daud, I Natter s. S c h l a n g e . auch Joh. Toletanus geheißen, 1 1 3 5 — 1 1 5 3 ! Natterkopf (Echium vulgare). Blauin Toledo, getaufter Jude und einer der ! blühende, zu den Rauhblättern gehörige, ältesten Übersetzer gelehrter, vorzugsstattliche Pflanze mit borstigem Stengel weise astrologischer und astronomischer und rauhen Blättern, häufig an steinigen Literatur aus dem Arabischen 4 )) das Orten, auf Brachäckern usw. wachsend 1 ). I I . B u c h des 2. Teils diesen T i t e l 5 ) . Die Wenn man den N. am 23. Juni zur Renaissancegelehrten haben große SammMittagszeit holt und ihn über keinen B a c h lungen von Nativitäten historischer Perträgt, dann vertreibt er die R a t t e n 2 ) , sönlichkeiten angelegt, so Lucas Gauvgl. (Wiesen-)Salbei. U m Kunnersdorf ricus, Johann Carion, Cornelius de bei Friedland sind die „Johanneskerzen" Schepper e ) u. a. A u c h bei Cardanus 7 ), ( = N.) ein Hauptbestandteil des vor Junctinus 8 ), Kepler ») findet man, in Johanni angefertigten „Johannesbettes". ihren Werken und Kommentaren zerDie Streu davon schützt später vor Blitzstreut, massenhaft bildliche Darstellungen schlag und Mäusefraß 3 ). der Nativitäten bedeutender Menschen. 2 ') M a r z e l l Kräuterbuch

308.

) MschlesVk.

Natterköplchen—Natur

ç8i

l i , 200; ähnlich in der Oberpfalz: M a r z e i l Bayer. Volksbotanik 47. 3) MnböhmExc. 23, 252; 25, 179. Marzel].

Natterköpfchen

s.

Otterköpfchen.

Natterzunge s. 2, 1716; 3, 877 (Glossopetren). Natterzunge (Ophioglossum vulgatum). Kleiner, unansehnlicher Farn, bei dem der Wedel ähnlich wie bei der Mondraute (s. d.) in einen fruchtbaren und unfruchtbaren Abschnitt geteilt ist. Der letztgenannte ist lanzettlich oder eiförmig. Der Standort der seltenen Pflanze sind etwas feuchte Wiesen. Die N. spielt im deutschen Volksaberglauben kaum eine Rolle. Bei den alten Botanikern führte sie wegen ihrer Gestalt auch die Bezeichnung „lancea Christi", indem man an die Lanze, mit der Christus am Kreuze durchbohrt wurde, dachte. Vielleicht wurde sie wegen dieser „Signatur" als Wundheilmittel verwendet 1 ). Auch in Frankreich wird die N. als „herbe de la Saint-Jean" verwendet, um Wunden zu heilen 2 ). In Oberhessen wurde die N. am Himmelfahrtstag (s. die verwandte Mondraute) gepflückt und als „Fieberkräutchen" mit den Worten gegessen : Hier eß ich neue Frucht! Bewahr mich Gott vor Fieber und gelber Sucht 3 ).

Mit einem ähnlichen Spruch wird auch die erste blühende Kornähre (s. Roggen) durch den Mund gezogen. Wie die Mondraute (und andere am Himmelfahrtstag gesammelte Pflanzen, s. Aronstab) gilt die N. bei den slowakischen Mädchen als Liebesmittel 4 ). T a b e r n a e m o n t a n u s Kräuterbuch 1731, 1232; L i n n é Reisen durch Oeland 1 (1764), 193. 2) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 493; R o l l a n d Flore pop. I i , 86. 3) ZfdMda. 1918, 141. 4) H o l u b y Trentschin 5. Marzeil.

Natur ist eigentlich für den Menschen alles, was, außer seinen eigenen Kulturerzeugnissen, ihn umgibt, aber auch er selbst mit seinemLeib und den Vorgängen an demselben. Dies große All ist in jedem seiner einzelnen Teile in den Aberglauben hineingezogen. An dieser Stelle kann nur einiges Grundsätzliche dazu gesagt werden, da die Einzelheiten je am besonderen

982

Ort besprochen sind, vgl. die Artikel: Elemente, Luft, Wasser, Erde, Feuer, Baum, Berg, Fluß, Quelle u. v. a. Für den einfachen Menschen auch unsrer Tage, wie für den Primitiven, scheidet sich alles in der Natur Vorgehende in zwei große Gebiete: die gewöhnlichen, sozusagen alltäglichen Vorgänge, die als etwas Selbstverständliches hingenommen werden und über deren Verursachung man sich keine Gedanken macht; und die ungewöhnlichen, irgendwie außerordentlichen, dem erwünschten oder wenigstens erwarteten Verlauf der Ereignisse nicht angehörigen Vorgänge, welche das Veränderliche im Naturgang mit einigem A k zent hervorscheinen lassen und für die man gern eine Ursache wissen möchte. Zu den gewöhnlich-alltäglichen gehören j z. B. die Wechsel der Tages- und Jahreszeiten, der Wechsel von Wachen und Schlaf, die Triebe samt ihrer regulären Befriedigung ; alle diese Erscheinungen ! werden als Dokumente der Naturordnung ¡ angesehen, die in der Regel naiv als einfach vorhandene Tatsächlichkeit, die keii ner Erklärung bedürfe, gesetzt wird. Hini gegen für die Vorgänge der un- und außerI gewöhnlichen Art, zu denen nicht nur alle möglichen Unfälle (die leichthin irgend; einer spirituellen Macht aufgelastet werden) und Träume und Visionen gehören, sondern auch der Tod und die Krankheit, wird nach Ursachen gefahndet, und zwar zu dem Zwecke, daß auf diese Ursachen ; eine dem Menschen nützliche Einwirkung I unternommen werden könne. Und hier1 durch erweisen diese Geschehnisse zweiter I Kategorie ihre Zugehörigkeit zum Aber! glauben. ! Der Grund für die Zweiteilung und die verschiedene Behandlung der beiden Klassen von Ereignissen seitens des Menschen liegt in der emotionalen Ferne oder Nähe. Die regelmäßig aufeinander folgenden Erscheinungen sind etwas stetig gleichmäßig und gleichartig Gegebenes, das, wie alles Gleichförmige, das Gemüt nicht erregt geschweige beunruhigt. Ganz anders solche Ereignisse, durch die der gewöhnliche Gang der natürlichen Vorgänge geradezu gestört, unterbrochen oder sus-

983

Natur

pendiert erscheint. Plötzlich auftretende Geschehnisse wie Gewitterschauer, Platzregen, Sturm, eine Springflut, ein versiegender See rufen starke Erregung hervor. Auf der anderen Seite sind aber gemeinhin solche Vorgänge doch wieder zu selten und daher lebensfern, als daß sie nicht den Vorrang in der unmittelbaren Erregung des Gemüts einer Reihe anderer Ereignisse lassen sollten; eine plötzliche schwere Erkrankung, aber auch der Tod ganz allgemein sind, wenn schon letzterer eigentlich zu den Regelmäßigkeiten gezählt werden könnte, so unmittelbar lebensnah und lebensverbunden, daß hier mit elementarer Wucht das Gemütsleben sich Geltung verschafft und das Kausalbedürfnis aufstachelt, den Ursachen nachzugehen und nachzudenken, wobei dann freilich nicht eben immer wirkliche Ursachen erkannt werden. Der Tod des lieben Angehörigen kommt ja immer noch „zu früh" und ist unter diesem Gesichtspunkt stets etwas Unerwartetes. Dies Moment des Unerwarteten muß hervorgehoben werden, weil eine in der Hauptsache auf D. Hume zurückgehende Theorie auf die gegenteilige Ansicht führt, daß nämlich die Regelmäßigkeit der aufeinanderfolgenden Ereignisse es sei, wodurch dem Menschen der Kausalschluß nahegelegt worden sei. Das Völkerleben spricht nicht für diese Theorie. Die unmittelbare Berührtheit des persönlichen Lebens und die damit zusammenhängende Erregtheit des (Lebens-) Gefühls 1 ) sind die beiden Faktoren, welche den psychologischen Ursprung der Kausalität ausmachen, und beim neuen Beachten und Betrachten solcher Ereignisse stellt sich gar nicht selten in immer neuer Form und Wendung die naive ätiologische Erklärungsweise ein, sich nur durch das Zeitkolorit von einer früheren, dem gleichen Ereignisse zugewendeten Betrachtung unterscheiden 2 ). — Zugleich ist hier wohl zu beachten, daß die Zauberhandlung, welche nun durch die Erkenntnis oder Annahme von Ursachen jener Vorgänge möglich wird, die Einflußnahme nämlich auf jene wirklich oder vermeintlich erkannte Ursache, dennoch nicht etwas

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aus der Erkenntnis selber Folgendes ist. Daß sie ohne Annahme der Ursache nicht dirigierbax und möglich wird, bedeutet noch so wenig ein Hervorgehen aus dieser Kunde, daß vielmehr umgekehrt der Trieb zur Ursachenforschung vielfach allein darauf zurückgeht, daß man, schon in zauberischer Vorstellung atmend, eine Ursache eben deshalb zu ergründen trachtet, damit man sie beeinflussen kann. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Natur war im Altertum vorwiegend demselben Zweck diensam. Mit Vorliebe sammelte man Wunderbares aus aller Welt (vgl. Hildegards „Physica" [12. Jh.], Marbods „Steinbuch", das „Pantheon" Gottfrieds von Viterbo, das „Buch der Natur" von Megenberg [1389]) 3 ). Erst langsam wurde die naive Naturbetrachtung überwunden, denn auch in der Wissenschaft erhielt sich die teils magische, teils poetische Stellung zu den Naturereignissen; um so mehr, als das Volk auch über Dinge Auskunft zu geben weiß — und gar nicht immer falsche —, die zu durchschauen der Wissenschaft noch versagt ist 4). Oft ist das Volkswissen sehr zutreffend, sofern es „die Natur" kurzerhand zum Subjekt der Wachstumsprozesse macht 5 ), zum Teil wieder den ganz unbefangenen Eindruck im poetischen Ausdruck festhält und weitergibt. So wenn die Natur träumt e ) oder wach wird 7) oder wenn die Bäume einschlafen oder singen 8). Daß die Naturverehrung9) durchaus nicht immer, wie manche Theorie über volkstümliche und primitive Religion lautet, von Furcht eingegeben ist, wird heute immer mehr erkannt 10 ). Freilich wird die Angst, namentlich in Zeiten heftiger allgemeiner Gemütserschütterungen, in den Naturkult hineingetragen und gibt so auch zu bestimmten abergläubischen Vorstellungen Anlaß, wie z. B. Kometenerscheinungen auf Krieg, Hungersnot, Pest deuten u ) und Strafe Gottes ankündigen (s. Komet II) und andere feurige Himmelserscheinungen, Verfärbungen der Sonne ähnliche Folgen haben 12 ). Das Auftauchen von Raupen auf frischem Schnee bei Ebersdorf ließ

9«5

Naturlehre—Nebel

1783 Krieg und Einfall fremden Volkes befürchten 13 ). 3) *) S a r t o r i Sitte 3, 2. 2) s. Ätiologie. S t e m p l i n g e r Aberglaube 11 f. *) V e r n a l e k e n Mythen 356; Z f V k . 1, 280. 6) Z f V k . 1, 421 f. e ) L o s c h Balder 146. 7 ) W o l f Beiträge 2, 126. 8) Z f V k . 4, 226; W o l f a. a. O. ») Über die Verehrung und Behandlung von Naturdämonen, Naturdrachen, andere Naturmächte vgl. Ε. H. MeyeiGerm. Myth. 33 fi. 81 f. 93 ff. ; V o r d e m f e l d e Religion 1, 18; H e l m Religgesch. 1, 12 f. 23 f. 172 fr.; F r a z e r 12, 384; F r a n z Benediktionen 2, 22 ff.; M u u s AltgermRelig. 44; W u n d t Mythus ι , 582; 2, 489; 3, 558; T y l o r Cultur 2, 466, W u t t k e 13 § I i . u ) V o r d e m f e l d e Religion 1, 18. l l ) E i s e l Voigtland 259. 12 ) Ebd. 260. " ) Ebd. 262. K . Beth.

Naturlehre, sog. Mainauer. Ein kleines Prosawerk x ) des ausgehenden 13. Jh.s, wahrscheinlich geschrieben von dem Hegauer Hugo von Langenstein 2 ), Verfasser der Dichtung von der hl. Martina 3 ), aber ebensowenig wie diese auf der Mainau abgefaßt 4 ), also zu Unrecht danach benannt. Inhalt ist eine Lehre von Himmel und Sternen und ihrem Lauf, von Zeitrechnung und Kalender ; eingefügt sind sanitäre und diätische Regeln der bekannten mittelalterlichen Art, wonach bestimmte Tage oder Konstellationen als günstig oder ungünstig für gewisse Verrichtungen (Aderlaß oder dergl.) oder Genießen bestimmter Speisen gelten. Als Quelle kommt das Regimen sanitatis Salernitanum und Kommentare dazu in Betracht 5 ). Eigene Zutaten sind kaum zu erkennen. *) Hrsg. von W. W a c k e r n a g e l Bibl. d. Literar. Vereins 22. Stuttgart 1851. 2) Vgl. D o l d Untersuchungen zur Martina. Diss. Straßburg 1912. 3) Hrsg. von A. v. K e l l e r Bibl. d. Literar. Vereins, 38. Stuttgart 1856. *) Vgl. E. W i e g m a n n Beiträge zu Hugo von Langenstein. Diss. Halle 1919. 6) F. L a u d i e r t Alemannia 17 (1889), 154—156. Helm.

Nebel. ι . D e u t u n g e n . Im Volksmund wird der N., vor allem der streifenförmige N., der sich nach Gewitterregen über den Wäldern hinzieht oder nach warmen Tagen über den Wiesengründen liegt, oft als R a u c h gedeutet, der entsteht beim K o c h e n oder B r a u e n der Tiere. Überall finden sich Redewendungen wie: der Fuchs braut, der Hase braut, die Hasen backen Pfannkuchen, der Fuchs rüstet

986

sich sein Bad, aber auch: die Riesen rauchen ihr Pfeifel u. dgl. In Vorarlberg sagt man, wenn am Nikolaustag in der Frühe der N. aufsteigt, den Kindern: das ist der Rauch, den Sankt Nikolaus beim Backen der Zelten und Klöße m a c h t 1 ) . Häufig ist eine Wettervoraussage damit verbunden. So heißt es am Kyffhäuser: Hoho, Kaiser Friedrich brauet, es wird schlackicht Wetter werden 2 ). In Schlesien sagt man: de Puchweibla kocha, oder: de Puchweibla ziehn ham 3 ). Mancherorts sind es Hexen, die N. brauen oder, wie es häufiger heißt, N. spinnen. Hier ist die N.erzeugung beabsichtigt, und zwar meist, um die Leute irre zu führen 4 ) oder auch um Bäume und Pflanzen zu schädigen 5 ). Eine im Schwarzwald häufige Redewendung lautet: da wollte ich ja lieber mit den Hexen auf dem Feldberg N. spinnen 6 ). 2) M e i e r *) V o n b u n Sagen 7 Nr. 6 Anm. Schwaben 1, 264; G r i m m Mythol. i, 533; 3) 3, 183. Kiihnau Sagen 2, 184, 186. *) L a i s t n e r Nebelsagen 98 f. ') Z V f V k . 14 (1904), 417. ') W o l f Beiträge 2, 39.

2. N. u n d W e t t e r . Oft knüpft an das Auftreten des N. eine Wettervoraussage, wie wir sie oben schon fanden. Zum Teil beruht sie auf richtigen Beobachtungen; z . B . : wenn der N. fällt, so wird es klares Wetter geben; steigt er, dann wird es voraussichtlich regnen (weil der N. sich verdichtet und als Regen niederfällt). In der Oberpfalz gibt es eine Regel: steigt der Dampf in die Höh', schönes Wetter, o w e h ! 7 ) . In Mecklenburg deutet man Wintern, bei Ostwind auf Tauwetter, bei Westwind auf K ä l t e 8 ) , was mit den örtlichen Bedingungen zusammenhängen wird. Die meisten andern Regeln leuchten nicht so leicht ein. A m wichtigsten für die Wettervorhersage ist der Märzn. A m Lechrain schreibt man sich die N. im März auf; regnet es den N. nicht binnen acht Tagen herunter, so bleibt er so lange oben, als ein Schwein trägt (18 Wochen und 9 Tage), dann kommt er auf diesen T a g mit einem Wetter herunter ·). Dieselbe Regel etwas variiert :

987

Nebel

wenn an einem Märzentag N. ist, dann kommt er 100 Tage darauf oder am selben Tag im Juli, meist im Gewitter, herunter. Diese oder eng verwandte Regeln finden sich im ganzen deutschen Sprachgebiet10). Eine andere Voraussage knüpft an den N. ein Spruch aus der Landshuter Gegend : gibt es im Advent viele N. und bereifte Bäume, so kommt ein gutes Obstjahr 11 ). Mit dieser Anschauung stimmt es zusammen, daß auch einige personifizierte N.wesen (s. u. Nr. 5) mit dem Wetter in Beziehung gebracht werden. So ist das N.fräulein Laura in Oberschwaben zugleich Wetterherrin; ihr während der Geisterstunde beobachtetes Spiel mit goldenen Kugeln und silbernen Kegeln ist ein Sinnbild des Gewitters (vgl. Blitz Sp. 1400) 12 ). Verwandt ist das durch sein Erscheinen schlechtes Wetter anzeigende Gugenrainbabeli im Aargau 13 ). Auch das N.männlein (s. weiter unten) ist ein Wettergeist; wenn es erscheint, wird bald Schnee fallen w ). ') SchönwetthOberpfalz 2, 134. 8 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 1 3 ; Z d V f V k . 9 (1899), 233. 10 *) L e o p r e c h t i n g Lechrain 167. ) Belege n bei L a i s t n e r 23 f. ) P o l l i n g e r Landshut ls 13 229. ) K u h n Westfalen 2 3 7 f. ) Rochh o l z Sagen 1, 136. 1 4 ) V o n b u n Beiträge 74.

3. Das „N.heilen'*. Wird der N. zu dicht und lästig, so kann man ihn vertreiben durch eine Prozedur, die man als N.heilen oder auch als N. kastrier en bezeichnet und die besonders in der Schweiz geläufig ist. Die Hirtenbuben, denen der N. besonders lästig ist, weil er ihnen das Vieh verhüllt, nehmen, um ihn zu vertreiben, ein rundes, beiderseits zugespitztes Holzstück und stecken es am Stall oder Heuschober zwischen Tür und Pfosten; mittels einer Schnur wird dann das Holzstück in eine rotierende Bewegung versetzt, es fängt infolge der Reibung an zu brennen und brennt ein Loch in Tür und Pfosten. Der entstehende Rauch vertreibt den N. Natürlich darf dabei der Zauberspruch nicht vergessen werden: „N.N., ich heilet di!" 1 5 ). Es gibt noch andere Methoden des N.heilens, die aber alle auf demselben Prinzip beruhen, nämlich der Erzeugung von Rauch durch Reibung von Hölzern. Auch

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bloße Drohung genügt manchmal :, ,Bränte (d. i. N.), gang, oder i heilet di" 1β ). Eine andere Methode haben einst nach einer Legende die Bewohner eines Siebenbürgischen Dorfes angewandt, um einen hartnäckigen N. zu vertreiben. Das ganze Dorf zog aus mit Feuerhaken und Fangeisen, um ihn herunterzureißen; es soll ihnen wirklich gelungen sein, in kurzer Zeit habe die Sonne wieder frei scheinen können, der Name Himmelshaken sei ihnen von da her geblieben 17 ). 16 ) Ein Beleg für viele: J ö r g e r Vals 63. ) S A V k . i l (1907), 245. 246. " ) Müller Siebenbürgen 169.



4. N. und Pest. Weit verbreitet ist die Anschauung, daß die Pest mit dem N. zusammenhänge. Die Pest soll durch den N. verursacht bzw. gebracht werden, ja sie erscheint in Form eines N.streifs, einer N.bank, eines blauen Räuchleins. Ein Beleg für viele: Im Neißetal, an einer Stelle, die das „böse Ufer" heißt, hat sich folgendes zugetragen: Ein Holzfäller ging des Abends nach Hause, seiner Hütte zu. Da sieht er über die Heide einen langen weißen N.streifen auf sich los ziehen; er geht schneller, aber der N. holt ihn ein und legt sich ihm gleich einer langen, weißgekleideten Menschengestalt auf die Schultern. Da erkennt der Mann, daß es die Pest ist, gerät in furchtbare Angst, eilt irr umher, kann nicht nach Hause, da er sonst die Angehörigen und das ganze Dorf anstecken würde. Schließlich will er sich am bösen Ufer verzweifelnd in die Neiße stürzen. Da endlich verläßt ihn die Pest wieder und zieht in der Gestalt eines N.streifs davon 18 ). Die in der Erzählung vorliegende Identifikation von Pest und N. mag daher rühren, daß die Pest schon früh personifiziert und als N.dämon gedacht wurde; trat diese Personifikation in den Hintergrund, so lag die Gleichung Pest = N. nahe 19 ). Auch eine in Nordschleswig und Jütland verbreitete Sage zeigt dieselbe Verbindung. Nach ihr entstanden die Heideflächen der Halbinsel erst zur Zeit des schwarzen Todes. Während der Pest 1350 war das Land das ganze Jahr hindurch mit einem

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Nebel

dicken giftigen N. bedeckt, der Menschen, Tiere und Pflanzen vernichtete ; auch zur Mittagszeit auf den höchsten Punkten gelang es nicht, einen Sonnenstrahl aufzufangen, der, wie man glaubte, vor der Seuche hätte bewahren können. Als die Seuche aufhörte, zerstreute sich der N., die Sonne kam wieder, und es entstand neues Leben; aber auf dem Landrücken war der Pesthauch zu tief in den Boden eingedrungen, als daß wieder wie früher Leben auf ihm hätte gedeihen können ; so seien die unfruchtbaren Heiden des Landrückens entstanden 20). 18 ) G r a s s e Sagenbuch 368. Weiteres bei G r i m m Myth. 2, 990. 1 9 ) Vgl. G r i m m 2, 990. î0 ) Vgl. L a i s t n e r Nebelsagen 85 f.

5. P e r s o n i f i k a t i o n e n . Personifiziert tritt der N. vor allem auf in der Gestalt des N . m ä n n l e i n s , das uns oben schon als Wettergeist begegnet ist. Am bekanntesten ist das N.männlein von Bodman (Bodensee). E s wohnt am „Löchle", einer niemals zufrierenden Stelle des Sees; in stillen Nächten steigt es empor, führt die Schiffsleute irre und schädigt die Reben mit kaltem Reif. In mancherlei Variationen befindet sich die Sage vom N.männlein und dem Ritter von Bodman im Umlauf. Ihre Hauptzüge lauten etwa folgendermaßen: Ein Ritter von Bodman geht auf sieben Jahre von zu Hause weg auf eine Fahrt durch die Welt. Komme er nach sieben Jahren nicht zurück, so solle die Gemahlin annehmen, er sei tot. Nach langer Fahrt erreicht er einen Berg, auf dem ein Licht brennt ; er schickt seine Knechte zur Erkundung voraus, sie kommen nicht zurück. Da macht er sich selbst auf den Weg, trifft ein kleines Weiblein, das sich als Frau des N.männleins zu erkennen gibt und ihm dringend zu schleuniger Flucht rät; ihr Mann sei Menschenfresser, die beiden Diener seien ihm schon zum Opfer gefallen. Doch schon ist das N.männlein da. Es schont den Ritter, sagt ihm, die sieben Jahre seien längst abgelaufen, morgen werde des Ritters Gattin, die ihn für tot halte, wieder getraut. E r sei bereit, ihn mit Blitzesschnelle nach Hause zu bringen, wenn er ihm verspreche, das lästige

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N.läuten abzustellen und die N.glocke, die dort jeden Abend geläutet werde und ihm um den Kopf schlage, in den See zu versenken. Der Ritter gibt sein Wort, wird durch einen helfenden Geist noch rechtzeitig nach Hause gebracht, um sich seiner Gattin zu erkennen zu geben und ihre Wiedervermählung verhindern zu können. Sein Versprechen wegen der N.glocke hält er getreu, und seitdem wird sie dort nicht mehr geläutet 21 ). Eine bemerkenswerte Variation zu einem Zug dieser Geschichte sei noch angeführt. Als der Ritter mit dem N.männlein zusammengetroffen ist, setzt das N.männlein fern am Ende der Welt ihm Wein aus seinem eigenen heimatlichen Gewächs vor und sagt ihm auf seine erstaunte Frage, aller durch N. und Frost verursachter Schaden an den Reben käme ihm zugute, und er könne deshalb aus allen Gebieten der Welt Wein zur Verfügung stellen; für die Abstellung des N.läutens verspricht das N.männlein dem Ritter, seine Weinberge dauernd vor Frost- und N.schäden zu bewahren 22 ). In der Oberpfalz erscheint das N.männlein als Dieb und Kinderfresser 23 ). Ein N.wesen ist auch der Schimmelreiter, der in weißem, fliegendem Gewand, den Kopf unter dem Arm tragend, auf Wiesen und Feldern einhersprengt, um die Leute zu ängstigen und sie in die Irre zu treiben 24 ). Mancherorts wird der N. aufgefaßt als verwünschte Königstochter ; sie kann erlöst werden, wenn alle Schafshirten sich zusammenschließen und sie segnen 2S ). In der Nähe von Halle läßt sich eine weiße Frau sehen, die um Erlösung bittet. Sie tut niemandem etwas zuleide; nur wer sie verspottet, neben dem steht sie plötzlich und haucht ihn an, dann wird der Betreffende von schwerer Krankheit befallen 2e ). Dieser letztere Zug erinnert an den verderbenbringenden Hauch des Pestn.s, von dem oben die Rede wax. Hier ist auch das oben schon genannte N.fräulein Laura nochmals aufzuführen. In manchen Naturmythen erscheint der N. in der Gestalt des Wolfes oder

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Nebensonne—Nehalennia.

des Fuchses. Ein solcher Mythos erzählt, wie ein blindes Pferd auf der Alp vom Wolf gepackt wird; es schüttelt ihn jedoch ab; da frißt sich der, um schwerer zu werden, mit Sand voll; aber auch jetzt kann er nichts ausrichten, vielmehr wird er so heftig auf den Boden geworfen, daß er platzt. Dieser Mythos versinnbildet den Kampf zwischen N. (Wolf) und Wind (Pferd) 27 ). In Gestalt von Wolf oder Fuchs hockt der N. auch dem Menschen gern auf. Laistner 28 ) berichtet von solchen Erscheinungen in der Eifel und an der Eider. An Stelle von Wolf und Fuchs tritt gelegentlich auch der Hund 2β ) ; zwischen den Mündungen von Wupper und Sieg kennt man den N.kater Niff 3 0 ). 21 ) W a i b e l u n d F l a m m i, 1 3 3 ff.; U h l a n d 22 Ges. Sehr. 8, 428 f. ) W a i b e l und F l a m m 23 ι , 1 2 8 ft.) L a i s t n e r Nebelsagen 185 f. ) 24 S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 134. ) Uhland Ges. Sehr. 8, 4 3 7 ; L a i s t n e r a. a. O. 320. 2S ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 369. 2 i ) L a i s t n e r a . a . O . 204 f. 2 7 ) Vgl. L a i s t n e r a . a . O . , bes. Kap. ι, wo ausführlich über diese Form der 28 Gestaltwerdung des N. gehandelt ist. ) 2 L a i s t n e r Nebelsagen 82. ®) Ε . H. M e y e r 3J German. Mythol. 107. ) L a i s t n e r Nebelsagen 82.

6. Verschiedenes. Der N. kann u. a. dem Menschen auch hilfreich sein, ζ. B. dadurch, daß er unsichtbar macht. So hat einst ein wunderbarer N. Schloß Heidegg in der Schweiz eingehüllt, so daß es von den Räubern nicht gefunden werden konnte 31 ). Hierher gehört auch der in Böhmen geläufige Spruch: N. sei über mir, N. sei hinter mir, der Herrgott selbst über mir! 3 2 ). Das in der griechischen Mythologie geläufige Erscheinen des helfenden Gottes in N.hülle oder die Einkleidung des Schützlings in N., um ihn dem Feind zu entziehen, ist in dieser Form in der deutschen Mythologie unbekannt ; als verwandt könnte man vielleicht die Tarn- oder N.kappe bezeichnen, deren Wirkung gleich ist. Zum Schluß noch einige vereinzelte abergläubische Anschauungen. In Schlesien legt man, wenn es in der Christnacht nebelig ist, Viehfutter hinaus; die Tiere, die damit gefüttert werden, gedeihen

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besser als die andern 33). Im Erzgebirge bedeutet N. während einer Trauung Krankheit in der Ehe 3 4 ). 31 ) Vierwaldstätter Volkskalender 1882, 27, ein verwandter Fall ZfdMyth. 2 (1854), 403; H e r z o g Schweizer Sagen 2, 28 f. 3 2 ) S k l a r e k Märchen 290. 3 3 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 4 1 . 34 ) W u t t k e 167 § 2 6 5 . Zimmermann.

Nebensonne s. Sonne. Neck s. W a s s e r g e i s t e r §9.

necken. Geister n. Menschen, die ihnen begegnen. Sie spielen ihnen irgend einen Schabernack, führen sie (als Irrlichter, s. d.) irre oder wählen sich irgend einen fliegenden Händler u. a. zum Gegenstand ihres Spottes. Ihr Hohngelächter krönt das Mißgeschick des Opfers. Umgekehrt wagen es unvorsichtige Leute öfters, Geister zu n., indem sie ihre Eigenheiten nachahmen. Dieses Treiben ist sehr gefährlich. Denn die Geister lassen sich nicht verspotten. Schwerer Schaden am Besitztum, an Leib und Leben ist meist die Folge einer so unbedachten Tat (s. vor allem G e i s t , wo auch Belege). In den meisten Dörfern gibt es Neckrufe und -verse auf die Hofbesitzer des Ortes, vor allem aber auf die Bewohner anderer Dörfer. In diesen Reimen und Rufen wird in der Regel auf die Eigenheiten, Beschäftigungen oder Erlebnisse der Bewohner angespielt. Oft gefährden die Leute ihre eigene Person, nur um dem Nachbarn die Neckereien nachrufen zu können, zu deren Begründung mancherlei Schwänke und Schnurren erzählt werden 1 ). ») S a r t o r i Sitte 2, I 7 8 f . ; Urquell 3 (1892), 305. Mengis.

Neger s. Mohr 6, 452 f. Nehalennia. Mit Namen wird diese Göttin 1 ), ein Isistyp, und darum in der Interpretatio Romana auch als Isis bezeichnet (Tacitus, Germ. c. 9), auf den ihr gewidmeten Steinen 2 ) (im ganzen sind es 26; 2 bei Deutz/Rh., die übrigen auf der Insel Walcheren gefunden) genannt. Die bildliche Darstellung 3 ) zeigt sie mit verschiedenen Attributen, u. a. mit einem

Neid

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Schiff, ferner mit Hund, Fruchtkorb und Füllhorn. N. wird als germanische Göttin angesehen 4 ), die dann auch von Fremden angebetet wird ; ihre Votivsteine stammen meist von Römern. Bei den Matronen verhielt es sich umgekehrt 5 ). Ihr Hauptattribut, das Schiff, läßt die Namensdeutung „Nachen- oder Schiffsgöttin" oder auch „Göttin der Schiffsstätte" zu e ). Zum Suffix -ennia vgl. B a d u h e n n a '). Ihr Ursprung mag bei Belgiern und Friesen zu suchen sein, die Schiffer der Nordsee dienten ihr 8). In dieser Eigenschaft ließe sie sich durchaus mit Isis vergleichen. Auch sie ist die Göttin der Schiffahrt; auch sie kennt man im Kultgebiet der N. Ein Isistürbild wird in St. Ursula zu Köln eingemauert 9 ). Noch ein anderes spräche für die Verwandtschaft, ja Identität: die Eigenschaft beider Göttinnen als der der Toten 10 ). Sei es, daß die Toten der See ihnen gehörten ; sei es, daß der Erlösungsgedanke, der den Isiskulten innewohnt, sich auch auf N. übertragen habe; oder schließlich, daß N. sich aus einem Wesen der niederen Mythologie, einer Art Totendämon, gewandelt habe zu dem geschilderten T y p ; übrigens zeigt sie in Wesen, Attributen und Kult auch Ähnlichkeit mit Nerthus. N. als Emanation dieser Fruchtbarkeitsgöttin kat exochen, mit einigen Sonderfunktionen überdies, wäre sehr wohl denkbar und befriedigt vielleicht am meisten 1 1 ). Mit ihrem Kult — man beachte die Ähnlichkeiten mit dem Wagenumzug der Nerthus — bringt man den Bericht von 1 1 3 3 im Chronicon Rodolfi abbatiae s. Trudonis lib. X I zusammen, wonach ein Schiff von Männern gezogen über Tongern, Looz usw. nach Art alter Fruchtbarkeitsriten über Land geleitet ward von großen Menschenmengen 12 ). In Rom gab es einen Aufzug, der sich „Schiff der Isis" nannte 1 3 ). Schade 14 ) schließlich läßt die heidnische Gottheit N., woher sie nun auch immer stamme, durch die Taufe zur hl. Ursula, also eine heidnische Kategorie durch das Christentum neu aufgefüllt und ausgewertet werden. Die Bächtold-Stiubli,

Aberglaube V I

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Sage von dem Schiffszug der hl. Ursula und den 11000 Jungfrauen den Rhein aufwärts, von England über Köln nach Basel, bringt er mit dem erwähnten kultischen Umzug der N. in Zusammenhang. Wilibrord zerstörte um 694 auf Walcheren ein Heiligtum, möglicherweise eines der N.

1 ) H o o p s Real-Lex. 3, 3 0 1 ; G r i m m Mythol. ι, 2 1 3 ; R. M. M e y e r Religgesch. 399ÍI.; H e l m ι, 3 8 3 0 . ; K a u f f m a n n Beitr. 16, 200. 2 ) Ebd.; 3 auch G o l t h e r Mythol. 463ft. ) P. H e r r m a n n Dtsch. Mythol. 377. 4) W o l f Beitr. 1, 6 β S. 150 f. ) Ebd. ) v. d. L e y e n Sagenbuch ι, 63ff. ') R. M. M e y e r a . a . O . 8) G r i m m s a. a. O. ) E . H. M e y e r Germ. Mythol. 288. 10 ) G ü n t e r t Kalypso 54ft. ; S e p p Religion 3 5 ö S . n ) R. M. M e y e r S. 209. A l b e r s Jahr 120; G r i m m a. a. O. 1 3 ) E . H. M e y e r Myth. d. ll Germ. 13 und 422. ) S c h a d e Ursula 79. Ferner ZfdA. 35, 324. Schwarz.

Neid. Zwischen Mißgunst und N. macht das Volk einen Unterschied. Der alte Mann im Hause kann gelegentlich von dem Herrn, seinem Sohne sagen: „Wenn eins alt wird und daß man nie meh kann tu, do wird einem das Plätzche vergunnt, wo mer sitzt". Vergönnen bedeutet hier mißgönnen. Die Mißgunst ist mehr dem Mächtigen eigen, der N. dem Schwachen. Dazu wissen die Leute, daß sich der N. auf das Erreichbare richtet: Der Bettler beneidet den Bauer, aber nie den König. Äußerlich zeigt sich der N. oft in Gebärden 1 ), der Neidische ist dazu scheelsüchtig. Der Blick des Auges verrät ihn 2 ). Obgleich der N. dem Menschen keine Freude bereitet, sondern ihn nur unruhig und unzufrieden macht, so hat der Neidische doch die Kraft, den Unschuldigen in seinem Glück zu schädigen3). „Alles, was mit neidischen Blicken von Besuchenden angesehen wird, verdirbt nachher" 4 ). Die Speise drückt im Magen 5 ), selbst der Schlucken deutet auf einen Neidling e ). Nach „uraltem Volksglauben" kann dem schuldlosen Menschen die „N.-Krankheit" angetan werden '), weswegen im oberösterreichischen Bauernhause die bei der Mahlzeit Sitzenden das Eßgeräte aus der Hand legen, sobald ein Fremder in die Stube tritt 8 ). Wenn „einer beredet wird," so 32 a

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Neid

entstehen ihm die sog. N.-Nägel ·) (Nietnagel, franz. envie) 10 ), wo sich ein Stück vom Nagel eines Fingers vom übrigen Nagel absondert u ) . Der N. der Rivalinnen verursacht Unfruchtbarkeit der Frauen 1 2 ), Hexen schädigen einen Menschen, vorzüglich Kinder, durch das sog. „Verneiden", das sind durch den bösen Blick hervorgerufene Krankheiten, die nur durch Entzauberung zu heilen sind 13 ). Freilich ist zu bedenken, daß mhd. nîd auch allgemein „Feindschaft" bedeutet. In manchen Tälern von Tirol heißt der Zauber einfach N. u ) . Der N. kann zu Neidingswerken fortschreiten 15 ), zu Schandtaten, die der Mensch wie unter einem Zwange vollführte. Ihre Strafe war hart 1 6 ). Den „blassen, am Boden kriechenden" N., der nur auf das sieht, was ein Anderer besitzt, kennzeichnet das Volk in manchem Sprichwort : „Der N. frißt Vieh und Leut" 17 ). Man wehrt sich dagegen auf mannigfache Art: Die Wöchnerin muß vor dem bösen Blick bewahrt bleiben 18 ). Die Nachbarn bringen dem jungen Kinde Semmel und Zucker, damit es nicht neidisch werde 19 ). Der Neidische gilt für unrein, ihm entzieht sich, wenn er nach Schätzen gräbt, das Glück 20 ). Man setzt gegen die Macht des N.s die Kraft des Gegenzaubers, ζ. B. in Sprüchen 21 ). Das Vieh wird öfter beräuchert mit der N.Raute 2 2 ). Der N. ist übrigens nicht bloß eine menschliche Eigenschaft, sondern auch eine Eigenschaft der Götter 23 ), bei welcher Vorstellung freilich der Gedanke an die ältere übelwollende Welt der Dämonen und Toten vorwaltet. Der Mensch wird vor der Hybris gewarnt. Er darf nicht sagen: das geschieht nicht 24 ). Die Götter sind eifersüchtig. Selbst Zeus, der höchste der Götter ist mißgünstig. E r hat den Gott des Reichtums blindgemacht 2S ). Dem Glück folgt derN., der Tugend nicht minder, die schuldlose Jugend wird am ersten hingerafft, ein langes oder großes Glück macht den Menschen mißtrauisch, der Einzelne will sich für sein Volk opfern, den N. der Götter zu befriedigen 2β ). Den ruhmbedeckt heimkehrenden Pom-

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pe jus erwartet zu Hause die Untreue seiner Gattin. Wenn der N. aber in der invidia personifiziert wird, so wirkt darin die alte Vorstellung vom N. der Toten und des Hades nach, aber nicht so im Gedanken der Nemesis 27 ). N . - S t a n g e . Die in der Schlacht erbeuteten Pferde wurden von den Deutschen ihren Göttern dargebracht. Die Häupter der Pferde wurden nicht verzehrt, sondern abgeschnitten und vorzugsweise dem Gotte geweiht. Im Norden errichtete man damit die Zauberkraft wirkende N.-Stange 28). Ein Roßhaupt wurde auf eine Stange gesteckt und gegen die Himmelsgegend gerichtet, von der man Feinde erwartete 29 ). Man errichtete dieses Zeichen auch im Norden gegen die Wichter und gegen die bösen Geister auf 30). Noch Egil errichtete gegen König Erich und Gunhild die N.-Stange, obgleich er dem Christentum zugetan i s t 3 1 ). Hier tritt aber zu dem Begriff der Abwehr der Begriff vom Schimpf stark hinzu. Der Feind wird verhöhnt 32 ). Die Pferdeköpfe an den Giebeln der niedersächsischen Bauernhäuser erinnern an die N.-Stange. Wie der Pferdekopf überhaupt für zauberkräftig galt 33 ) und gegen die Dämonen schützte 34 ), so hat er auch die Gabe zu reden. Das tut Falada im Märchen (KM. Nr. 89) 35 ). S i t t l Gebärden 3 8 1 . 2 ) S c h w a r t z Volksglaube 277. 3 ) D r e c h s l e r 2, 258. 4 ) Mündlich Frau Thommen. 5 ) H e y l Tirol 805 Nr. 279. e ) Z a h l e r Simmental 59 Anm. 7 ) H o v o r k a K r o n f e l d 326. 8 ) ZföVk. 5 (1899), 1 3 1 . 9) J o h n Erzgebirge 3 5 ; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 124. 10 ) L i e b r e c h t Gervasius 170. u ) de C o o k Volksgeloof 1, 174. 1 2 ) S t e r n Türkei 2, 265. 13 14 ) Q u i t z m a n n 227. ) A l p e n b u r g Tirol 3 6 1 . 1 S ) S i m r o c k Mythologie 629. 1β ) W i l u t z k y l8 Recht 3, 50. " ) Z d V f V k . 1 (1891), 3 1 2 . ) 18 P r a d e l Gebete 76. ) S c h ö n w e r t h Ober20 pfalz ι, 176. ) N i d e r b e r g e r Unterwaiden ι, 90. 2 1 ) S e l i g m a n n Blick 2, 380. 22 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 358. Stemplinger Aberglaube 24. M ) Ebd. 24. Seligmann Blick ι , 152. 2«) Ebd. ι, 1 5 3 — 1 5 4 . *') Ebd. 28 29 152. ) G r i m m Myth. 1, 30. ) Mannh a r d t German. Mythen 625; H o v o r k a - K r o n 30 f e l d ι , 375. ) S i m r o c k Mythologie 6 1 2 ; M e y e r Germ. Mythol. 106; H o v o r k a - K r o n Sl f e l d ι, 325. ) A n d r e e Parallelen 1 (1873), 1 2 7 f . ; S e p p Religion 2 6 3 Í I 3 2 ) M e y e r Mythol. der Germ. 47. 1 4 7 ; Quitzmann Baiuaren

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Neid—Nekromantie

2 3 7 ; R o c h h o l z Naturmythen 80. 33 ) Z f V k . 1 2 S4 (1902), 384. ) H e l m Religgesch. 1, 224; S c h r ö d e r Germanentum 78, g i f . 3 5 ) G r i m m Myth. 2, 549. -f-Boette.

Neid s. Segen wider Verhexung. Neidkraut. Bezeichnung für verschiedene (oft aromatische) Kräuter, die gegen das „Verneiden" (s. Neid) des Viehs gebraucht werdenx), s. Farn (Mauerraute), Haselwurz, Nelkenwurz, Neunerlei Kräuter, Schabziegerklee (Neidklee), Weißwurz. ') B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 145; M a r z e l l Pflanzenwelt i o i f . ; Bayer. Volksbotanik 204. Marzell.

Nekromantie. Die N. bildet einen besonderen Zweig der Magie und war zu allen Zeiten ebenso verbreitet wie die Zauberkunst überhaupt. Man versteht darunter die Fähigkeit, Tote zu beschwören und zu befragen (s. Totenbefragung) 1 ). Schon den alten Juden war die Totenbeschwörung bekannt und wurde, obwohl bei Todesstrafe verboten, verschiedentlich angewandt (2. Mos. 22, 18; 3. Mos. 20, 27; 5. Mos. 18, 9ff. u. a.). So läßt z. B. König Saul durch die Hexe von Endor den Geist des Propheten Samuel zitieren (1. Sam. 26). Talmudlehrer rechnen die N. zwar zu den Teufelskünsten, ihr Glaube an sie läßt sich aber nicht bestreiten z). Auch das griechische Altertum kannte Orte, an denen man Tote beschwören konnte (Πλουτώνια): am Acheron in Thesprotien ließ Periander den Schatten seiner verstorbenen Gattin zitieren (Herodot 5, 92), ein anderes Totenorakel befand sich zu Herakleia am Pontos, das von König Pausanias konsultiert wurde, ein drittes zu Magnesia am Mäander (Strabo 636). Das berühmteste Totenorakel war wohl das am Avernersee bei Cumae, wo auf Gebet und Opfer der Priester die gewünschte Seele erschien s ). Literarisch wurde das Motiv der N. ungemein häufig verwendet, seit die homerische Nekyia (Od. λ) für die griechisch-römische Epik das typische Vorbild geschaffen hatte 4). Die römische Kaiserzeit bedeutete für die N., besonders seit der Herrschaft des Neuplatonismus, eine Zeit größter Blüte.

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Bei der Beschwörung der Seelen von Verwandten und Freunden spielten die Laterna magica und narkotische Dämpfe eine große Rolle 6 ). Auch christliche Heilige werden mit der N. in Verbindung gebracht. So mußte auf Befehl des hl. Macarius ein Ermordeter erscheinen, um die Unschuld eines fälschlich des Mordes Verdächtigten zu beweisen (Vitae patrum 2, 37). Als Kaiser Maximilian über den Tod seiner Gattin untröstlich war, zwang der Sage nach Johannes Trithemius die Verstorbene, ihrem Gemahl wieder zu erscheinen 6). Aus N. wurde (über die Schreibweise Negromantie) Nigromantie „Schwarzkunst" (s. a. Kunst, Schwarzkünstler). Nigrômanzie kommt schon bei mittelalterlichen Dichtern vor (Parz. 453. 17, 617. 12). Trotz der falschen Schreibweise hielt man noch lange an der alten Bedeutung fest. Eine Zürcher Papierhandschrift aus dem Jahre 1393 sagt: Nigromancia das da ze latine ist ein toter. Wan der trugnússe werdent etwenne geachtet die toten erstanden sin von dem tot vnd dunket die lût wie si warsagen; vnd entwurten der dingen, der sú gefraget werdin. Und dis geschihet dur die anrûffung und beschwerung der túvelen7). Und der vocabularius von Ulm aus dem J . 1475 meint: nigramansia dicitur divinatio facta per nigros i. e. mortuos vel super mortuos vel cum mortuis. Melber de Geroltzhofen nennt im vocabularius predicantium (Bogen R 4) die Nigromantia „schwartz kunst die do ist mit vffsehung der dotten, mit den der nigromanticus zaubert, oder mit den dryen ersten schollen, die der pfafï wirfft ynsz grab, oder mit den wydhopffen, die do lauften by den grebern 8). Allmählich erhält das Wort aber die allgemeine Bedeutung von Zauberei (invocatores illi daemonum, quos usitato vocabulo negromanticos vulgus nuncupat, Joh. Trithemius 1508; „warsagen künfftiger ding, auch die schwarzen kunst nigromancia oder magica genannt", Ulrich Tengler im Layenspiegel, 1510) 9), der Totenbeschwörer, der Nekromant· wird zum Nigromanten, zum Zauberer. Und nachdem

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Nekromantie

so allmählich die ursprüngliche Wortbedeutung verwischt wurde, verdeutschte man allgemein N. bzw. Nigromantie mit „Schwarzkunst", Nekromant bzw. Nigromant mit „Schwarzkünstler" 10). Uber die Praxis antiker Nekromanten, die vor einem Mord zur Erreichung ihres Ziels nicht zurückschreckten (ein Knabe von Zauberern geschlachtet, s. F u r t w an g i e r Antike Gemmen tab. X X V 7), sind wir durch literarische Zeugnisse, vornehmlich aus der Kaiserzeit, gut unterrichtet (Horat. serm. 1, 8. 26; Cie. in Vatin. 14; Lucan. 6, 710 ff. ; Plin. n. h. 30, 12; Seneca Oed. 550. 564; Serv. ad Aen. 6, 107; Stat. Theb. 4, 451. 502) 1 1 ). Im germanischen Altertum stellt sich N., hellirûna, in den Liedern dar, welche auf Totenhügeln und Gräbern gesprochen wurden, um den Toten zu veranlassen, Rede zu stehen oder etwas herauszugeben. Der Indiculus superstitionum macht einen Unterschied zwischen sacrilegium ad sepulcra mortuorum und sacrilegium super defunetos, id est dadsisas (dâd für dôd oder dêd). In Hroswithas Proterius heißt es bei einer Beschwörung: supra gentilis tumulum sub tempore noctis stans, herebi domino suplex 1 2 ). Zum Zeremoniell gehört auch, daß der Nekromant sich verhüllt (Necromanticus habebat cucullum ac tunicam de pilis caprarum, Gregor v. Tours 9, 6) 1 3 ). „Wer in der Kunst arbaiten will, der muß den tüffeln manigerhand opfer geben, auch mit den teufein gelübt und verpintnus machen" usw. (Buch aller verbotenen Kunst des Dr. Joh. Hartlieb, c. 22ff.) 1 4 ). Schon im 14. Jh. kann man von einer Blüte der Zunft der Nekromanten reden. In dem Aberglaubenverzeichnis des Antonius von Florenz (1389—1459) wird die N. unter den Todsünden aufgeführt, den Besitzern von Zauberbüchern deren Verbrennung auferlegt unter Androhung einer Verweigerung der Absolution 1 5 ). Damit ist die Verbreitung der „ K u n s t " in Italien für diese Zeit erwiesen. Dahin verlegt das deutsche MA. den Ursprung der N. mit Vorliebe. Ganz allgemein galt der Venusberg als hohe Schule der

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N. Man erzählte sich aber auch geradezu von einer Nekromantenschule am Nursiner See, die man der Schule von Salamanca gleichstellte, wie überhaupt auch Spanien (Toledo), ebenfalls ein Sarazenenland wie Apulien, als Heimat der N. gilt. In seiner Schilderung der Mark Ancona spricht der Dominikaner Leandro Alberti (1550) von einigen in der Magie erfahrenen Deutschen, die nach seinem Gewährsmann, dem Dominikaner Razzano von Palermo, von der allgemein verbreiteten Sage angelockt, unter großen Kosten hergereist waren, um sich ihre Bücher im See vom Teufel weihen zu lassen 1β ). Diese Zauberbücher, deren letztes Glied der Höllenzwang des Dr. Faust ist, vermehrten mit ihren seltsamen Charakteren, Figuren und Symbolen das Ansehen des Nekromanten. Dahin gehört das „Claviculum Salomonis", das- ,,Sigillum Salomonis", ferner „Jerauchia" und „Stamphoras". Dr. Hartlieb (s. o.) nennt auch „etiliche bûcher in der kunst, die lernen wie man sol mit kreuttern, stainen und wurtzen die tiufel pannen und besweren; als das buch kyrannidorn, das lert wie man sol kreuter, stain und vischen und geflügel zu samen tun in ain mettal, das dann auch dar zü geaignet ist". Ein dem Albertus Magnus zugeschriebenes Buch dieser Art hält Hartlieb für unecht 1 7 ). Neben dem Venusberg stand der Pilatus, im MA. Frakmont (Fractus Möns), mit dem kleinen See auf der Bründlialp in dem Ruf, ein geeigneter Ort für den Verkehr der Nekromanten mit dem Teufel zu sein, wie das Volk überhaupt das Zusammensein der Nekromanten mit den finsteren Mächten auf Bergeshöhen zu versetzen liebt. So begegnet im 16. und 17. Jh. noch häufiger als der Blocksberg ein vielleicht nicht einmal tatsächlich existierender Heuberg, den der neuere Aberglaube in Schwaben lokalisiert 18 ). Welche Verbreitung die N., über die der bekannte Dominikaner Johannes Nider von einem als Benediktiner und Prior des Schottenklosters in Wien wirkenden, bekehrten Nekromanten belehrt wurde 1 9 ), im MA. hatte, beweisen fol-

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Nelke

gende Daten : Unter dem 27. Februar 1318 ordnet Papst Johann X X I I . eine Untersuchung gegen mehrere Kleriker und Laien, ζ. T. am päpstlichen Hof, an wegen nigromantischen und anderen Künsten. Papst Benedikt XII. befiehlt dem Bischof Wilhelm von Paris, einen verhafteten englischen Nigromanten mit den bei ihm beschlagnahmten Zaubertäfelchen an den päpstlichen Hof zu schicken (13. 4. 1336). Gilles de Rais, Marschall von Frankreich, wird von der Inquisition und dem Bischof von Nantes u. a. der N. überführt und am 25. 10. 1440 zu Nantes verbrannt 20 ). Auch in Nordfriesland und Dänemark weiß man von der „schwarzen Schule" zu erzählen. In alter Zeit soll auf einer dänischen Insel ein Mann namens Cyprianus gelebt haben. Da er schlechter als der Teufel war, wurde er nach seinem Tod selbst aus der Hölle verjagt und auf seine Insel versetzt, wo er neun Bücher in altdänischer Sprache schrieb. Wer diese Bücher alle neun durchliest, ist dem Teufel verfallen. Überhaupt müssen diesem als ihrem Lehrmeister alle Nekromanten, unter denen sich namentlich angehende Prediger befinden — denn fast jeder Pastor versteht etwas von der Kunst — , ihre Seele unter bestimmten Bedingungen verschreiben: der eine darf sein Leben lang nur ein und dieselbe wollene Unterjacke oder nur ein Strumpfband tragen, ein anderer darf sich nur an Samstagen rasieren. Wird diese Bedingung nur einmal aus Versehen verletzt, so ist die Seele auf ewig verloren 21 ). Die Nekromanten der Volkssage nehmen in der Regel ein gewaltsames Ende, so die drei Brüder, welche den hl. Petrus beschwören22) oder der Professor Johann Heinrich Bisterfeld aus Nassau, den Fürst Gabriel Bethlen 1629 nach Weißenburg berief, und der von den Teufeln lebendig zerrissen worden sein soll 23 ). l) Agrippa v. N e t t e s h e i m 4, 1580.; 5, 365; C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h 149; D i e t e r i c h Kl. Sehr. 323; Fahz Doctrina magica 4fí. ; Freudenberg Wahrsagekunst i i 3 f . ; G e r h a r d t Franz. Novelle i n ; G ü n t e r t Kalypso 68. 264; ( K e l l e r ) Grab des Aberglaubens 2, 1 5 4 5 . ; 5, 2 3 5 s . ; Kiesewetter

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Faust 4 3 6 s . ; K l i n g n e r Luther 7 1 ; L i i t o l f Sagen 226; M a n n h a r d t Zauberglaube 2 6 5 s . ; P a r a c e l s u s i i o f i . ; S i m r o c k Mythologie 527; S o l d a n - H e p p e 1, 1 7 9 ; 2, 441 (Reg.); S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 3 5 ! ; T y l o r Cultur ι , 143; MschlesVk. 21 (1919), 84; Z f V k . 2) 12 (1902), 8. B l a u Altjüd. Zauberwesen 5off.; G r a b i n s k i Mystik 422t; SoldanH e p p e ι , 29; S t e m p l i n g e r Aberglaube 83. з) R o h d e Psyche 1, 213; S t e m p l i n g e r Aberglaube 83. 4) S t ä h l i n Mantik I 5 i f . ; S o l d a n H e p p e ι , 58. 6) S t e m p l i n g e r Aberglaube 83. e) M e y e r Aberglaube 291. ') G r i m m Myth. 2, 866, 2; 3, 4 1 1 . 8) E b d . 2, 866, 2; 930, 2. ·) H a n s e n Hexenwahn 292. 299. I0 ) C a e s a r i u s v . H e i s t e r b a c h 149; H a n s e n Hexenwahn 130. 296, 2; K l a p p e r Erzählungen 249, 10; 327, i o f f . ; 397, 40; K l i n g n e r Luther 71; L ü t o l f Sagen226; P a r a c e l s u s i i 9 f f . ; S o l d a n H e p p e ι , 1 7 5 ; Z f V k . I i (1901), 272; 22 (1912), 243. u ) F a h z Doctrina magica 4ft. l 2 ) G r i m m 13 ) Myth. 2, 1027 f. G ü n t e r t Kalypso 68. 16 ) ) H a n s e n Hexenwahn 130. MschlesVk. 21 (1919), 84. 1β ) K l u g e Bunte Blätter 34; M e y e r Aberglaube 287; MschlesVk. 21 (1919), 17) K l u g e 18 ) 84. Bunte Blätter 6 5 f . Ebd. 65 ff. l e ) S o l d a n - H e p p e ι , 217. 20) H a n s e n Hexenwahn 2, 8. 467. 2 1 ) M ü l l e n h o f f - M e n 22 ) s i n g Sagen (1921) 201 f. Nr. 301. 302. M e i c h e Sagen 582 Nr. 725. 23) M ü l l e r Siebenbürgen 118. Mengis. и

Nelke (Dianthus-Arten). ι. B o t a n i s c h e s . Die Garten-N. (D. caryophyllus), die bei uns in vielen Spielarten gezogen wird, stammt aus Südeuropa 1 ). Von den wildwachsenden Arten sind im Volke am bekanntesten die rotblühende Karthäuser-N. (D. Carthusianorum) und die Heide-N. (D. deltoides), deren purpurrote Kronblätter helle Punkte tragen. Beide Arten bewohnen sonnige Abhänge, Waldränder, Heiden usw. 2 ). ') P a u l y - W i s s o w a 5, i, 1082; S c h r ä d e r Reallexikon2 2, i n ; S t r a n t z Blumen in Sage und Gesch. 1875, 1 9 6 — 2 1 8 ; C h r i s t Bauerngarten 1916, 7off.; E . M. K r o n f e l d Geschichte der Gartennelke. Wien 1913. 2) M a r z e l l Kräuterbuch 294Í.

2. In deutschen Sagen und Märchen spielt die N. keine hervortretende Rolle. In einem Grimm'sehen Märchen verwandelt der zauberkundige Prinz seine Geliebte in eine N. 3). In Sagen erblühen aus dem Blute unschuldig Getöteter N.n 4 ), so die „Blutnelken" am Falkenstein und bei Nixdorf 5 ). Daß die blutigen Nägel vom Kreuze Christi sich in rote N.n („Näge-

lein") verwandelten, dürfte eine Kunstsage sein e ). Nach einer böhmischen Sage entsprossen aus den Tränen der hl. Maria wilde N.n '). In einer niederösterreichischen Sage wird ein todkranker Jüngling durch den Genuß der Blüten der „Steinn.n" geheilt 8). 3) Bolte-Polivka 3, I 2 i f f . , vgl. auch G r i m m Sagen 1, 344ÎÏ. 4) B e c h s t e i n Sagenschatz 2 (1835), 7 4 ; H e b e l Pfalz. Sagen ( 1 9 1 2 ) e) 313. ') K ü h n a u Sagen 3, 295. Dähnh a r d t Natursagen 2, 229. ') G r o h m a n n 98. 8) L e e b Sagen Niederösterreichs 1892, 18.

3. Stehen auf einem Grab beim Leichenstein Karthäuser-N.n und pflückt man eine davon, dann hört man, wenn man den Kopf auf den Grabhügel legt, in der Erde ein dumpfes, dreimaliges Klopfen 9 ). Wer von einem Grabe eine N. bricht, muß für die armen Seelen beten, sonst kommen sie in der Nacht und tun einem etwas zuleide 1 0 ). 9)

B a r t s c h Mecklenburg 2, 9S. Sagen 380, vgl. Blume 1, 1432.

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Nelkenwurz

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10)

Lütolf

4. Wie von vielen anderen roten Blüten (s. Gewitterblumen) heißt es auch, daß das Abreißen von (Karthäuser- oder Heide-) N.n („Donnernelken" ) den Blitz anziehe u ) . An den Blutn.n (D. deltoides) darf man nicht riechen, sonst bekommt man Nasenbluten 12 ), aus dem gleichen Grunde darf man im Vogtland die KarthäuserN.n nicht zu Sträußen oder Kränzen pflücken 13 ). Wenn man die Blütenblätter von drei Stein-N. („Nasenbluata") abzupft und in die Nase stopft, so hemmen sie das Nasenbluten 14 ). Gegen Wassersucht dient ein Tee aus „ T r ü f n . n " 1 S ) , im Riesengebirge gegen Lungen-, Brustleiden und Wassersucht 1 β ). Wer von der Straße eine N. aufhebt, wird räudig, d. h. er bekommt die K r ä t z e 1 7 ) . " ) B o h n e n b e r g e r i, 1 1 2 ; M e y e r Baden 361 ; B i r l i n g e r Aus Schwaben i, 4 1 2 ; ZfdMda. 1 9 1 3 , 3 1 7 (Baden); Das Kuhländchen io (1928), 1 0 ; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 133 (für die Pechn. geltend). 12) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 155. 13 ) Voigtl. alt. Ver. 40, 84. " ) S t r o b l Altbayr. 16 Mittel 1926, 18. ) Z f V k . 8, 200 (Neu-Ruppin). l>) S c h r e i b e r Wiesen 70. " ) S A V k . 2, 2 1 8 ; 26, 1 9 8 ; Schweizld. 4, 692.

5. Damit die (Garten-)N.n gut wachsen, muß man sie in der Christnacht 1 8 ), an Maria Himmelfahrt 1 9 ), im „Dreißiger" Μ ) setzen. Gefüllte („dicke", „doppelte")

N.n bekommt man, wenn man sie im Vollmond 21 ) oder am Karfreitag 22) setzt. Wer den Regenbogen sieht, soll schnell N.nsamen säen, dann gibt es „allerhandfarbige" N.n 23). Wenn es wetterleuchtet, soll man von den Blättern der „Buschnägele" ( = Busch-N.n) die Spitzen abzupfen, dann gibt es „gspriggleti" (gesprenkelte) Blumen 2 4 ). 18) S A V k . 8, 2 7 9 ; auch in der Abruzzen („damit man jeden Monat N.n hat") : ATradpop. 8, 19) M) 211. F i s c h e r SchwäbWb. 3, 1593. R e i s e r Allgäu 2, 158, 21 ) H i l d e b r a n d Kunstbüchlein 1 6 1 5 , 348; B i r l i n g e r Aus Schwaben I , 4 0 1 ; M a r t i n u. L i e n h a r t Elsäss. Wb. 22) R e i s e r ι, 762. Allgäu 2, 1 1 6 ; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 23; Alemannia 13, 2 1 3 ; F i s c h e r B) SchwäbWb. 4, 224; W o l f Beiträge 1, 228. 24) S A V k . 12, 154. M e y e r Baden. Marzell.

N e l k e n w u r z (Benediktenkraut, Heil aller Welt, Mannskraft; Geum urbanum). 1. B o t a n i s c h e s . Rosenblütler mit nelkenartig riechendem Wurzelstock, unterbrochen gefiederten, oben dreizähligen Blättern und gelben, fünfstrahligen Blüten. Die Fruchtstände gleichen durch die hakenförmig gekrümmten Griffel einigermaßen kleinen Kletten. Die N. ist häufig an Hecken, Zäunen, Mauern, auch in Wäldern *). Ob unter der „Benediktenwurz" der alten Botaniker und der volkskundlichen Literatur die N. zu verstehen ist, läßt sich nicht immer mit Sicherheit feststellen. ') M a r z e l l

Kräuterbuch

345.

2. Nach der hl. H i l d e g a r d 2 ) entflammt die in einem Trank eingenommene „benedicta" zur Liebe. Auch der Name „Manneskraft" (Hessen, Thüringen) weist auf erotische Beziehungen hin. In Hessen 3 ) wird die Pflanze zusammen mit der Blutwurz (s. d.) am Himmelfahrtsmorgen von den Mädchen gesucht, vgl. Allermannsharnisch, Aronstab, Natterzunge. 2) Physica 1, 163. sitten 1886, 90.

3)

K o l b e Hess.

Volks-

3. Die N. gilt wohl wegen des starken Geruches des Wurzelstockes als antidämonisch 4 ), sie ist ein Bestandteil des „Malefizpulvers" s ) gegen Hexen *). Im Viehfutter gegeben hält die N. alle Krankheiten 7 ) fern. Als „Neidstock" (s. Neid-

roo5

nennen-t—Nero

kraut) wird die N. dem Vieh beim ersten Austreiben auf die Weide gegeben 8 )'. Bei den Wenden bewirkt die an Johanni gepflückte und den Kühen gereichte N. als „Sahnkraut", daß die Tiere viel Milch geben 9 ). Hat das Vieh „böse" Augen, so legt man kleine Bündelchen des Krautes („Augabündelichrut") darauf, ähnlich vertreibt man „Flecken in den Augen" beim Menschen. Nachdem das Augenbündelchen acht Tage lang getragen worden ist, wirft man es rücklings ohne umzusehen in ein fließendes Gewässer 10). Zu diesem Sympathiemittel vgl. man den alten Namen „ H a s e n a u g " (mlat. oculus leporis) für die N. 4) S e l i g m a n n Blick 2, 56. 5 ) S t o l l Zauberglaube 59; hier wohl irrtümlich als Geum rivale gedeutet! e ) S A V k . 15, 180. 7 ) K o l b e a. a. O . ; S t o l l a. a. O. 8) M a r z e i l Bayer. Volksbot. 206. 9) 10) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 162. W a r t m a n n St. Gallen 36Í. Marzell.

nennen s. N a m e . Nephrit (Nierenstein, Lendenstein). Griech. νεφρίτης (von νεφρός = Niere), wissenschaftliche Bezeichnung des Steines, nicht aus dem Altertum übernommen. Es ist fraglich, ob die Griechen und Römer überhaupt den N. kannten. Vielleicht ist es der Callais des Plinius; eher noch kann mit dem Jaspis viridis der antiken und mittelalterlichen Quellen unser N. gemeint sein. Der Name des Steines tauchte erst auf, nachdem die Spanier im 16. Jh. bei den Ureinwohnern Amerikas ihn als Amulett vorfanden, das gegen Nierenschmerzen getragen wurde. Der N. verdankt also seinen Namen dem Glauben an seine Heilwirkung. Ein spanischer Arzt Monardes (gest. 1569) nennt ihn pietra de Y a d a (Nierenstein) und rühmt seine außerordentliche Kraft, Gries und Stein mit dem Urin auszutreiben. 1718 finden wir die deutsche Bezeichnung „Nierenstein" in den „Breßl. Naturund Kunstgeschichten" ') ; 1735 behandelt ihn Zedlers Universallexikon s. v v . Griesstein, pierre nephritique und zitiert aus der Schrift des Boëtius de Boode „ L e parfait Joualier", allerdings mit Zweifel, die Wirkung des Steins bei Blasenleiden und Lendenweh, auch bei Epilepsie. Er

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wurde als Amulett am Halse und im Fingerring getragen, auf den Schenkel gelegt oder in der Nierengegend ins Kleid eingenäht 2 ). Ende des 18. Jh.s beginnt der mit hohen Preisen bezahlte N. allmählich aus dem Handel und aus den deutschen Apotheken zu verschwinden. Zu Brückmanns Zeiten wurden Steine ganz verschiedener Art mit dem Namen N. belegt, ζ. B . der Malachit. In Ermangelung des echten „orientalischen" N.s verkauften die Apotheker eine feine Art des Specksteins unter seinem Namen 3 ). Quenstedt (1863) nennt den N. einen nervenstärkenden Stein, dem man Heilkräfte bei Hüftweh zutraute, weshalb er lapis ischiaticus genannt wurde ; aus der spanischen Benennung Y a d a entstand die französische Jade. Im allgemeinen verstand man unter N. einen grünlichen, serpentinähnlichen Stein, der durch sein fettiges Anfühlen wohltätig auf die Haut wirkte 4 ). In alten Apothekenbeständen fanden sich noch 1874, wie Fischer feststellte, lapis nephriticus, der aber schiefriger Serpentin war, und eine Mixtur aus vier chemischen Bestandteilen, die als lapis nephriticus praeparatus bei Nierenschmerzen verwendet wurde. In China wird der N. heute noch als Amulett gegen Krankheiten getragen 5 ). Heinrich F i s c h e r Nephrit u. Jadeit, Stuttgart 1875 (eine eingehende und gründliche Behandlung); Bergmann s. v . Griesstein, Lendenstein Amazonenstein 329, 241, 18; 2 ) Z e d i e r s. v . S c h a d e 1361 f. s. v. Jaspis. Griesstein 11, 9 1 4 ; S t a r i c i u s Heldenschatz 3) (1706), 470 Nr. 5. B r ü c k m a n n 285f. 4) Q u e n s t e d t 251. 5 ) Ausland 63 (1890), 534f. Vgl. Jadeit. fOlbrich.

Nepomuk, hl. s. Nachtrag. Nero, röm. Kaiser. Ein Name, der in der mittelalterlichen Welt eine große Rolle spielte 1 ). Von seinen unmenschlichen Taten, seiner Verfolgung christl. Märtyrer, seiner Freundschaft mit Simon Magus berichten die Legenden 13 ). Er wird als großer Zauberer angesehen. Bodin schreibt: Neronem quinqué annos principem bonum fuisse ait Sueton. itaque dicebat Troian. procul distare omnes principes a Neronis quinquennio: sed ex quo se rebus magicis addixit, idem autor est famosiorem magum neminem exstitisse.. . 2 ).

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Nerthus

D i e Nerosage des ι . Jh.s, w e l c h e sofort n a c h seinem T o d e einsetzte, b e h a u p t e t e , er w ä r e n i c h t gestorben, sondern halte sich nur v e r b o r g e n 3 ), u n d z w a r bei den P a r t h e r n , m i t denen er wiederkehren werde 4 ) ; d a n n aber, er sei gestorben u n d k o m m e aus der U n t e r w e l t zurück5). Dieser N e r o r e d i v i v u s 6 ) t r ä g t bei z u m A u f b a u der B i l d e r der johanneischen A p o k a l y p s e , in der er das d u r c h das S c h w e r t t o d w u n d e H a u p t , d a s wieder geheilt ist (13, 3) 7 ), d a s a p o k a l . T i e r 8 ) bedeutet. E n d l i c h w i r d er z u einer g r a u e n h a f t e n dämonischen Gestalt, welche die P a r z e n d u r c h die L ü f t e f ü h r e n 9 ) . V o m N . r e d i v i v u s ist nur ein kleiner S c h r i t t z u jenen P s e u d o - N . , v o n denen die Geschichte w e i ß 10 ), z u m praecursor Antichristi11), zum „letzten Kaiser" vor der A n k u n f t des A n t i c h r i s t s (was freilich b a l d v o n der K a i s e r l e h r e A d s o s u n d seiner Nachfolger [s. A n t i c h r i s t ] verwischt w i r d ) 1 2 ) , endlich z u m A n t i c h r i s t s e l b s t 1 3 ) . Ein Nußbaum, von Dämonen bewohnt, s t a n d auf d e m G r a b e N . s in R o m ; P a p s t P a s c h a l i s I I . ließ ihn u m h a u e n w ) ; doch w i r d a u c h v o n einer H ö h l e , in welcher der v e r f o l g t e N . n o c h lebe, gesprochen. E i n N . in goldner R ü s t u n g liegt unter d e m N . b e r g in Hessen 1 5 ), wie sich sein N a m e ü b e r h a u p t a n O r t e a n s c h l o ß 1 6 ). D e r S c h w a n k v o n der F r a u des B l i n d e n , die i m B a u m mit. i h r e m Liebhaber k o i t i e r t , w ä h r e n d der E h e m a n n nichtsahnend u n t e n steht, w u r d e in der R e naissance auf N . u n d dessen F r a u ü b e r t r a g e n 1 7 ). B u r d a c h Mittelalter bis z. Reformation III ι, 211. l a ) Vgl. etwa S u e t o n Nero; Sancii F i l a s t r i i episc. Brixiensis diversarum hereseon liber (Corpus scriptorum eccl. lat. 38; ree. Friedr. M a r x ) 1898, 15 = c. 29; H e g e s i p p i Historiae III I. 2 (Corpus SS. eccl. lat. 66), 181 ff.; dann: J a c o b u s a V o r a g i n e Legenda aurea (übers. Benz), Index s. v.; zu den einzelnen Märtyrern auch Gerh. E i s Die Quellen des Märterbuches 1932; vgl. weiter z. B. J. B o d i n De magorum daemonomania (übers. Fischart) 1586, 348. 2 ) Joann. Bodinus De magorum daemonomania III c. ι (Francofurt. 1590, 404); die Übersetzung Fischarts verwischt die Stelle (im Abdruck: Johann B o d i n Vom A ußgelaßne Wütigen Teuffelsheer Allerhand Zauberern / Hexen vnd Hexenmeistern . . . nun erstmals durch . . . H. Johann Fischart. . . auß F r a n -

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zösischer sprach trewlich in Teutsche gebracht / vnd nun zum andernmal an vielen enden vermehrt vnd erklärt. Straßburg 1586), 399 f.; darnach S c h e i b l e Kloster 2 (1846), 225. 3) S u e t o n Nero 57; T a c i t u s Hist. II 8. 4) Oracula Sibyllina IV 119 ff. 137 ff.; anklingend schon S u e t o n 40. 47. 6) Oracula Sibyllina V 28ff.; Wilh. B o u s s e t Die Offenbarung Johannis (Göttinger Handkommentar 16) 1906, 361. 410 ff.; vgl. auch 361 N. 2; Hildebrandt Ztschr. f. wissenschaftl. Theologie 17 (1874), 90 ff. sieht hierin, was durch die Beziehung auf die Parther ja nahegelegt worden ist, Nachhall persischer Mythologie. Der wieder erstehende Nero gab wohl das Bild für PseudoMethodius' rex Grecorum sive Romanorum, den die Menschen für tot hielten und der sich erhebt wie aus einem Rausch: Ernst S a c k u r Sibyllin. Texte u. Forschungen 1898, 89 f. e) Über weitere Wirkungen: H ä u ß n e r Kaisersage 15. ') B o u s s e t 361. 374. 414 f. 416, Index; Κ am ρ er s Κ aiseridee 9. 13. 8) B o u s s e t 367; K a m p e r s 11. ") Oracula Sibyllina V 214 s . ; vgl. H i l d e b r a n d t 99 f. l l ) S u e t o n Nero 57; T a c i t u s Hist. II 8 f. ; Oracula Sibyll. V 93ff. I37ff. 2i4ff. 3öiff.; B o u s s e t 411; K a m p e r s Kaiseridee 9. u ) H i e r o n y m u s in Daniel. Ii, 30; ep. 151 ad Algas quest 11; L a c t a n t i u s Institutiones V I I 16. 17; K a m p e r s Kaiseridee 14. H ä u ß n e r Kaisersage 20; R e u s c h e l Weltgerichtsdichtungen 36 f. u. Sigm. R i e z ler Zur dtsch. Kaisersage·. Hist. Ztschr. 32, 64 f., nach A u g u s t i n u s Civ. Dei 20, 19. (ree. Em. H o f f m a n n Corpus SS. eccl. lat. 40, 1900, 472 f.); Otto v. F r e i s i n g Chronicon III 16; K a m p e r s Kaiseridee 14. 13 ) S u l p i c i u s S e v e r u s Historia sacra II c. 28 (1709, 236 f.); V i c t o r i n i ep. Petavionensis in Apocalypse. Opera ex. ree. Joh. H a u ß l e i t n e r 1916 (Corpus SS. eccl. lat. 49), 118 (vgl. 119); 120 (vgl. 121); Ascensio Jes. IV 11 = H i l d e b r a n d t 80; C o m m o d i a n : vgl. Joh. Jos. Ign. v. D ö l l i n g e r Christentum u. Kirche in der Zeit d. Grundlegung i860, 428 f.; P s e u d o P r o s p e r De promissionibus et praedictionibus Dei (Paris 1711 Append. 91 f., 190 f) = D ö l l i n g e r 432. 14) G r e g o r o v i u s Gesch. d. Stadt Rom 7 (1870), 644. l s ) Z a u n e r t Hessen-Nas16 ) Ebd.; Percy Ernst sauische Sagen 66. S c h r a m m Kaiser, Rom und Renovatio (Studien d. Bibl. Warburg X V I I 1929), Index; O t t o n i s e t R a h e v i n i Gesta Friderici I. ree. G. Waitz (MGSS in us. schol. 32a), 257. 263. 265. 17 ) A n g e l o P o l i z i a n o s Tagebuch (ed. A. Wesselski) 1929, 112 f. Peuckert. Nerthus. Die N . (nicht H e r t h a ! ) 1 ) des T a c i t u s (Germania c. 40) ist identisch m i t d e m n o r d i s c h e n 2 ) Njçtrdr. Wir haben uns eine zwiegeschlechtige G o t t h e i t z u denken, S t a m m g o t t h e i t der i n g w ä o n i schen N o r d s e e v ö l k e r 3 ) ; weiterhin eine F r u c h t b a r k e i t s g o t t h e i t , die selbst v o n

1009

Nerthus

Ort zu Ort zieht 4 ). Zusammenhang mit vorderasiatischen Kulten, denen der Isis und Kybele, ist wohl anzunehmen s ). Es mag sich um frühe kultische Entlehnungen auf Urgrundlage ganz früher Agrarriten handeln; Tanfana und Nehalennia mögen als verwandte Typen innerhalb des Germanischen angezogen werden e). Parallelen zum — sehr weit verbreiteten — N.kult finden sich überhaupt viele. So etwa der Kult der Magna Mater 7) in Rom oder der der altgallischen Berekynthia. Auch die Morgengöttin Ushas (Wolkengöttin, die auch zur Erdund Fruchtbarkeitsgöttin wird) im Rigveda zog man zum Vergleich heran 8 ). Als Sitz der Gottheit nennt Tacitus eine Insel im Meer und darauf als eigentlichen numinosen Ort einen „heiligen Hain". Allgemein wird Rügen als Sitz der N. gedacht 9 ). Ihr Attribut ist ein von Kühen gezogener Wagen, das Requisit auch anderer Fruchtbarkeitsgottheiten, die naturgemäß in Attribut, Kult und Ritus überhaupt viel Verwandtes zeigen 10). Der Priester — denn N. hat als weibliche Gottheit einen solchen — weiß, wann die Gottheit anwesend ist und vollzieht wohl die feierliche Umfahrt mit ihr. Da der nordische Freyr, der seinem Vater Njçtrdr wesensgleich ist, eine Priesterin hat, und ferner auch beim Kult der Magna Mater ein Priester (phrygischer u ) Abkunft) verwandt wurde, mag wohl anzunehmen sein, daß der hieros gamos als eine Art Analogiehandlung für den zu begehenden Befruchtungsritus, als kultische Handlung vor sich ging 12 ). Nach der Rückkehr in den geweihten Bezirk, nach dem erfolgten Beilager, der heiligen Hochzeit zwischen Numen und Priester, bzw. Priesterin, erfolgt die rituelle Reinigung, das kultische Bad 13). Möglicherweise werden bei dem Kult auch Menschenopfer gebracht: die dienenden Sklaven werden im See ertränkt 14 ). Die Umgangszeit der N. ist eine Art Goldenen Zeitalters bei den 7 Stämmen, die sie verehren, die aber nicht zu einer großen Amphiktyonie zusammengefaßt sind wie die Ingwäonen, Istwäonen und Herminonen. „Non bella ineunt, non B a c h t o l d - S l l u b l i , Aberglaube V I

ΙΟΙΟ

arma sumunt; clausum omne ferrum". Darum kann man Nerthus auch als Friedensgöttin ansehen 15). Auch der Charakter des nordischen Njçrdr, der zu den lichten und lieblichen unter den nordischen Göttern, den Vanen, gehört, stimmt zu dieser ihrer Eigenschaft. — Njçrdr zeigt weiche, wenig männliche Eigenschaften. Seine Ehe mit Skadi, der Göttin aus dem Gebirge, ist unglücklich, denn er gehört an die See. Sein kultischer Ort und geweihter Bezirk ist ein andrer. Sein Wunschding ist ein Schiff, eine Art faltbares Boot : Skidbladnir 16 ). Auch hier zeigen sich wieder Ähnlichkeiten mit N., die ja auch wie Isis und die ihr etwa entsprechende Nehalennia Gottheit der Schiffahrt 1 7 ) und auch Todesgottheit ist! Über den Namen unserer Gottheit wurden viele Vermutungen aufgestellt, er mag wohl Erde schlechthin bedeuten. Man dachte an eine Bedeutung „ K r a f t " , kelt. nertos, ferner an Zusammenhang mit gr. νερτεροι = „die Unterirdischen" und schließlich an eine Wurzel nart = Tanz 18 ). Der Kult der N. lebt noch weiter in mancherlei Bräuchen, besser 1β) : manche alten Fruchtbarkeitsriten mögen ihren Niederschlag in lebendigen Bräuchen gefunden haben. Es ist natürlich nicht angängig, bei jedem Wagen- oder Schiffsumzug, bei Karnevalsumzügen und dergl. an N. zu denken. Auch scheint es seltsam, gerade in dem Pfingstesel den Nachkommen des comes aestivus, mithin auch den des N.priesters zu sehen 20 ): Die Maifeiern mit Festanführern wie Maigraf und -gräfin, Lord und Lady in England, Hans und Grete und wie sonst immer sollen auf das Fest und den kultischen Umzug der N. zurückgehen 21). Frühlingfeiern und -riten verschiedener Art mögen hier weiterleben. Nach Kärnten soll der N.kult zur Völkerwanderungszeit schon gekommen sein, Bräuche zur Zeit der Flachsernte sollen noch daran erinnern 22 ). Von Rügen soll das N.bild nach Zwickau gelangt sein, der N.dienst habe sich noch lange dort gehalten, die kultische Reinigung des numens findet im Zwickauer 32b

ion

Nerven—Nesselsucht

Schwanenteich statt 23 ) ! — In der Sage von der französischen Königstochter Edigna will man noch das Fortleben des N.typs sehen24). Das Fortleben des alten Kultes ist — wenn auch nicht rein — in volkstümlichen Bräuchen immerhin möglich. Schon 747 verbietet die Synode von Cloveshoe solche Arten von Umzügen, wie man sie ja auch beim Fortleben des Nehalenniakultes konstatierte 25). Wir sehen in N. heute eine uralte Agrar- und Vegetationsgottheit und in ihrem Kult das Ritual einer solchen. Mit Sonderdeutung sah Gesemann den N.kult als Regenzauber an 2β). N a u m a n n Art. Hertha oben 3, 1794. ) N a u m a n n Götter Germaniens. DVjSchr. 1930, I. 3 ) M ü l l e n h o f f Altertumskde. 4, 7 5 1 ; 4 v. d. L e y e n Sagenbuch 1, 65. ) M a n n h a r d t ι, 5 6 7 a . ; F r a n z Benediktionen 2, 8. 5 ) S c h r ö d e r Germanentum 490. ·) U s e n e r Sintflut 1 1 6 ; Ε . H. M e y e r Germ. Mythol. 287. 7 ) S c h r ö der Germanentum 54. 8) Ε . H. M e y e r Mythol. d. Germ. 5 1 7 . ') M e i c h e Sagen 432 Nr. 570. 10 ) S. M ü l l e r Altertumskde. 2, 45; S i e c k e 11 Götterattribute 307. ) v. d. L e y e n Sagenbuch ι, 65. 1 2 ) A R w . 14, 3iofi.; R . M . M e y e r 13 RlgGesch. 204ff. ) M a n n h a r d t a. a. O. 14 ) S c h w e n n Menschenopfer-, H e l m RlgGesch. 16 311. ) Ε . H. M e y e r Germ. Mythol. 267. le ) Simrock Mythologie 177; Grimm 17 Mythol. i, 1 7 9 S . ) U s e n e r Sintflut 126; ferner Art. „Nehalennia"; G ü n t e r t Kalypso 18 57. ) Mannhardt a.a.O.; Schröder 19 Germanentum 49; H e l m a. a. O. 3 1 3 . ) Simrock Mythologie 555; Albers Jahr m 362. ) W u t t k e Sachs. Volkskde. 287. 41 ) S c h r ö d e r Germanentum 54. 22 ) H o o p s 23 Real-Lex. 3, 3o8fi. ) M e i c h e a. a. O. M ) K r i ß Volkshundl. aus altbayr. Gnadenstätten·, Art. „ P u c k " . ω ) Ε . H. M e y e r Mythol. 2β d. Germ. 32. ) G e s e m a n n Regenzauber 90 ff. Ferner: G o l t h e r Mythol. 219. 459; G r i m m Mythol. 3, 76 fi. 84 ff. ι, 208 fi.; H ü b e n e r Gesittungsgrundlagen passim. Einzelnes. A R w . 1 1 , 1 1 9 ; 15, 616; 17, I49ff.; B r o n n e r St'«' und Art 180; C h a d w i c k Origin of the Engl. Nation p. 247. 234. 267; F i s c h e r Altertumskde. 1 1 2 ; J e r e m i a s Rlg. Gesch. 254; L a u f f e r Nddtsch. Vkde. 1 2 ; Q u i t z m a n n Baiwaren ioófi.; S c h ü t t e ZfdA. 69, 130 und Danske Studier 1926, i6off. ; ZfdMythol. 2, 1854; ZfVk. 14, 1904; 7, 1897; 9, 1899. Schwarz. 2

Nerven. Mit N. bezeichnet das Volk meist die Sehnen und Muskeln; entsprechend dem lat. nervus 1 ). „N.-

ΙΟΙ 2

schweine" (s. Schwinden) bedeutet deshalb Schwinden der Sehnen oder Muskeln 2). N. im Sinne der Wissenschaft erscheinen jedoch im Krankheitsnamen „N.f i e b e r " (Russenkrankheit), d. h. Fieber mit nervösen Störungen, Typhus 3 ). Dagegen verwendet man in Schlesien Einbeeren 4). Als Prognose bei N. fiebern ist in Bayern üblich: Man gibt dem Kranken ein Häufchen frisch gepflückter Körner aus einer Roggenähre in die Hand, unter Anrufung der hl. Dreifaltigkeit, und säet diese, nachdem sie in der Hand warm geworden. Gehen sie bald auf, so wird der Patient wieder genesen. Nach einem in Schwaben kreisenden Wahne soll man gegen das N.fieber eine Leber unbeschrien holen, sie in kleine Stückchen schneiden und in den Urinhafen des Kranken legen, ohne daß es der Kranke weiß. Verrichtet der Kranke seine Notdurf darein, so wird er gesund 5 ). Wer „ n e r v ö s " (ursprünglich = nervig, kraftvoll) ist, soll mit einer Katze spielen ; die Nervosität geht dann auf sie über 6), oder man reibt „Nervengeist" ein 7 ). Zahlreich sind Segen: gewöhnlich wird als epischer Eingang die Erzählung von den drei Engeln (s. oben 2, 436 ff.) verwendet, welche am Berge Sinai lustwandeln und dabei den Krankheitsdämonen (s. 2,437) begegnen8). 1 ) H ö h n Volksheilk. 1, 1 2 7 ; Schweizld. 4, 788; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 1997; H ö f l e r 2 Krankheitsnamen 441. ) H ö h n Volksheilk. ι, 1 2 7 ; SchwäbWb. 4, 1997; B u c k Volksglaube 3 15. ) H ö h n a . a . O . ; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 1997; andere volkstümliche Krankheitsnamen B u c k Volksgl. 14 f. 4 ) P e t e r Oesterr. Schles. 2, 241. 5 ) L a m m e r t 265. e ) S c h m i d Glarus 5 1 . 7) H ö h n Volksheilk. 1, 1 2 7 ; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 1997; Romanusbuchlein S . 56. e ) F r a n z Benediktionen 2, 507. Vgl. auch H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 200 fi. Bächtold-Stäubli.

Nesselsucht1) (Urticaria), auch,,Flug, F l u g f e u e r 2), N e s s e l f i e b e r 3), Wibeloder W i e b e l s u c h t 4 ) , entsteht oftmals durch Indigestion oder nach Genuß von Erdbeeren, Krebsen, Fischen, Gewürzen. Wie bei andern Hautleiden werden die Kranken nackt bis an den Kopf in Mehlsäcke gesteckt, bis Schweiß erfolgt 8 ).

Nessel—Nestelknüpfen

In Schlesien pißt man auf Nesseln e ), und auf der Lüneburger Heide füttert der Kranke die Hühner durch sein Hemd 7 ), um die Krankheit auf die Nesseln resp. die Hühner zu übertragen. H ö f l e r Krankheitsnamen 713. 574; DWb. 7, 621. 2) H ö f l e r a. a. O. 159 (da sie sich bald da, bald dort auf der Haut äußert); F i s c h e r 3) H ö f l e r a. a. O. 142. SchwäbWb. 2, 1591. *) Ebd. 719 (Wiebel = Käfer, der auf der Haut krabbelt). 84; F i s c h e r a . a . O . 6, 749; F o g e l Pennsylvania 267 Nr. 1886. 6) L a m m e r t 181; F o g e l ebd.; Baltische Studien 33, J 33- e) Urquell 3 (1892), 41. ') K ü c k Lüneburg. Heide 241. Bächtold-Stäubli.

Nessel s. B r e n n e s s e l

(1, 1552 ff.).

Nesselausschlag, -fieber s. 0. Sp. 1012. Nessia (f.), Nesso (m.), Nösch,

aus

scia = Ischias, vielleicht unter Einwirkung des Adjektivs nescius im Sinne des „unbekannten Übels" 1 ). Da man Krankheiten vielfach von Würmern (s. d.) verursacht glaubte, konnte Nesso die Bedeutung 'Wurm' (s. d.) erhalten, und in dieser dann Weiterbildung zu mhd. Kollektiv 'genisse' und zu nhd. 'Genüssel' ( = Gewürm) erfahren 2 ). Die beiden berühmten S e g e n s p r ü c h e (in altsächs. u. ahd. Sprache) sind: Contra vermes 3) : Gang út, n e s s o mit nigun nessiklinon út fana themo marge an that ben fan themo bene an that flesg, ut fana themo flesge in thia hud ut fana thera hud an thesa strala. drohtin, uuerthe so!

Es ist also eine regelrechte Austreibung; der Pfeil wurde dann in den Wald geschossen. Pro N e s s i a 4) : Ganz uz, N e s s o mit niun nessinchilinon, uz fonna marge in deo adra, vonna den adrun in daz fleisk, fonna demu fleiske in das fei, fonna demo velie in diz tulli, Ter Pater noster.

Aus einer Engelberger Hs. (12. Jh. ?) stammt der weitere Segen 5) : In nomine domini nostri ihesu christi. Tres angeli ambulaverunt in monte Synay. Quibus obviavit N e s s i a , N a g e d o , S t e c h e d o , T r o p pho, C r a m p h o , G i g i h t e , P a r a l i s i s . Ad quos angeli dixerunt: Quo itis? (vgl. weiter oben 2, 437: Dreiengelsegen).

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Ein wenig jüngerer aus einer Admunter Hs. lautet 8 ): Sicut cervus thebeus viperam naribus producit, sic ego te n e s s i a . t r o p h o . h e r d o . n a g a d o . accadens morbus . . . . educo etc.

Ein elsässisches Arzneibuch des 14. Jh.s enthält von späterer mitteldeutscher Hand des 15. Jh.s eingetragen folgendes R e z e p t 7) : Item eyn mensche, der den nesse hait, der sal nemen syns eigen myst vnd sal js dar vber slagen, so heillet js yms ane zwiffeln. Auch saltu nemen eyn wolnn blowe dûch vnd salt is drocken jnne eschig vnd salt is darnach ein wenig ußdrocken vnd salt is jme vff den bresten slagen; rauch is durch das dûch, so ist der nesse, also saltu is erkennen üß. hoc est probatum. v. S t e i n m e y e r Ahd. Sprachdenkmäler (1916), 375. 2) DWb. 4, ι, 2, 3 5 1 7 f . ; H ö f l e r Krankheitsnamen 443; S A V k . 25, 293 Anm. 1. 3) v. S t e i n m e y e r 374 Nr. L X V I I I , a. *) Ebd. b. Vgl. zu beiden Segen: MschlesVk. 16 (1906), 17; G r i m m Myth. 2, 973. 1032; W e i n h o l d Neunzahl 25; SAVk. 25 (1925), 293; H ö f l e r Krankheitsnamen 443. 6) Germania 18 (1873), 46. e) Ebd. 234. ') Alemannia 10 (1882), 231. Bächtold-Stäubli.

Nest s. V o g e l n e s t . Nestelknüpfen. N., auch Senkelknüpfen, Schloßschließen, Binden u. ä., lateinisch ligare ligulam, französisch nouer l'aiguilette genannt 1 ), ist ein berüchtigter, weitverbreiteter und gefürchteter B i n d e b r a u c h (das verdammte N.) 2 ), der als abergläubische Entsprechung gewisser Fruchtbarkeitsriten anläßlich einer Trauung vielmehr dahin wirken sollte, den Bräutigam impotent zu machen und dies bei Neurasthenikern auch zweifellos oft erreicht hat. Er besteht darin, daß irgend ein Knoten (s. d.) geknüpft oder ein Schloß geschlossen wird 3 ), meist im Augenblick des eigentlichen Trauaktes 4 ). Dann werden Knoten oder Schloß ins Wasser geworfen, um unauffindbar zu sein 6 ). In der volkskundlichen Literatur allgemein bekannt und oft erwähnt ist der Brauch nach Alter und Verbreitung schwer zu bestimmen, weil man von diesen Dingen nicht gern spricht. Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, daß die Vorstellung in Deutschland noch lebendig ist, wenn ein Lustspieldichter noch 1922 das Motiv benutzen konnte,

Netz—Neubau

ohne fürchten zu müssen, unverstanden zu bleibene). Andererseits weist Frazer 7 ) bei Primitiven auf Mittel zur Bekämpfung solcher zauberischer Einflüsse hin. Gelegentlich spielt die altindische Dichtung darauf an 8 ). Das Altertum kannte Entsprechendes ·), wenn auch in etwas anderer Form 10 ), und der Brauch läßt sich gerade im heutigen Griechenland unter dem Namen έμττοδιο oder άμποδεμα11) und in Süditalien12) nachweisen. Ferner lebt oder lebte er bei den Türken 13 ), die in vielem Träger antiker Tradition sind, den Südslaven 14 ), Magyaren 15 ) und Russen 1β ). Aus dem ausgehenden Altertum bietet Marcellus E m p i r i c u s (um 400) " ) eine Anweisung dafür : si quem voles per noctem cum femina coire non posse, pistillum coronatum sub lecto illius pone. Die „bekränzte Mörserkeule" ist das gebundene Glied. Ein schönes Beispiel aus derselben Zeit steht bei Zosimus18). Dann kennt man es in Frankreich 19 ), erwähnt schon bei Cyrano de Bergerac 1654 20 ), i m Elsaß 21 ) und im mittelalterlichen Deutschland seit sehr früher Zeit. Hincmar22) erwähnt ihn; die lex Salica setzt ihn voraus 23 ). Auf den Synoden von 1298 und 1446 wurde er verboten M ) ; Vintler, Pluemen der Tugent, (1411) spielt darauf an 2S). Sächsische Visitationsakten des 17. Jh.s beschäftigen sich damit 2β) ; ein zufälliges Zeugnis aus dem Jahre 1702 kommt aus Braunschweig27). Bräuner 1737 und noch Keller 1777 handeln ausführlich davon 28). Die Mittel dagegen sind zahlreich und phantastisch. Es wird empfohlen, drei Morgen durch den Ehering zu pissen 29 ) oder ein verschlossenes Schloß in der Tasche zu tragen ®°) oder bei der Trauung den Trauring nur bis zum zweiten Gelenke zu schieben (nicht vollständiger Vollzug des Aktes) 3 1 ), Eisen vertreibt den Zauber 32 ) ; ein umständliches Ritual bietet Hovorka-Kronfeld. S. K n o t e n , binden, Phimose. 1 ) Bezeichnungen bei G r i m m Myth. 2, 983. *) B r ä u n e r Curiositäten 122ff. *) S e y f a r t h Sachsen 63; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 326; 50 verschiedene Arten A n h o r n 741 (bei M e y e r Aberglaube 265). «) ZfVk. 14, 4I4Í. ») ZfVk. 14, 119. ·) Deutsche Allgemeine Zeitung

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7 3. Nov. 1922. ) Golden bough3 7, 1 , 346, dort weitere Literatur. 8) Atharva Veda V I I 90 B d . V I I 454 Lanmann. ·) A b t Apuleius 10 76; H e c k e n b a c h de nuditate 89t. ) S. Anm. 17. " ) H e c k e n b a c h a. a. O. 12 ) S t e m p l i n g e r Aberglaube 75. 1 3 ) S t e r n Türkei 2, 402. " ) K r a u ß Sitte u. Brauch 572. " ) W l i s l o c k i Magyaren 1 2 1 . w ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 165. nach Stern. " ) 33, 69 bei H e c k e n b a c h 89. 1S ) Zosimus V 333 aus ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 425f. « ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 238 u. ö „ vgl. Index. M ) Z f V k . 14, 414. 2 1 ) H e r t z Elsaß 205. 22 ) I 654; vgl. G r i m m a . a . O . 4, 22. 24 ) L a m m e r t 153. * ) Z f V k . 23, 1 3 2 ; Text M bei G r i m m Myth. 3, 4 2 0 5 . ) Seyfarth Sachsen 63. 27 ) Z f V k . 14, 1 1 9 . 28 ) B r a u n e r Curiositäten 1 2 2 ® . ; ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 4, 86ff. ; einzelne Zeugnisse aus Straßburg Alemannia 8, 280f., aus der Baar Alemannia 2, 136Í., aus Lübeck M a a c k 83, aus dem Ennstal R e i t e r e r 100, „noch in Schwaben" L a m m e r t 153. 29 ) L a m m e r t a . a . O . ; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 164. 30 ) Z f V k . 14, 1 1 9 ; W l i s l o c k i a. a. O. 3 l ) M e y e r Aberglaube 2 2 1 . 3S ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 165, vgl. S. 164. Aly.

j Netz s. Nachtrag. ! Neubau. Opfer anläßlich eines NeuI baues darzubringen entspringt dem Gedanken, die Naturgeister, die sonst den Platz innehaben, zu verdrängen. Dafür spricht der Aberglaube, daß derjenige, welcher einen Neubau zum ersten Male betritt, stirbt, gleichsam als Andeutung, daß der Naturgeist sich an dem Eintretenden rächt 1 ). Die Opfer zerfallen in Mensch-, Tierund Sachopfer, die zueinander in mannigfacher Beziehung stehen. Menschen wurden als stärkste Zaubermittel in erster Linie dort eingemauert, wo es sich um besonders wichtige Neubauten2) handelt, während bei weniger bedeutenden Neubauten Tier- und Sachopfer Anwendung finden. Sagen von Menschenopfern sind bei a) Burgen- und Städtegründungen 3 ), b) Brückenbauten, c) Dammversicherungen, d) Kirchenbauten bekannt. a) Das Menschenopfér hat bei Burgund Städtegründungen nicht nur den Zweck, die Naturgeister zu vertreiben4), sondern das dämonisierte Opfer soll den Neubau von jeglichen Angriffen von Fremden schützen6). Bemerkenswert ist, daß meistens Frauen und Kinder den Opfertod erleiden mußten, wobei das zum

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Opfer bestimmte Wesen meist übertölpelt ®) wurde, nur wenige 7 ) freiwillige Opfer sind in Europa bekannt. b) Tieropfer 8 ) werden heute noch geübt. Besonders beliebt sind Tiere, denen reine apotropäische Bedeutung zugrunde liegt wie: Ziege, Hund, Katze, Hahn, doch fanden andere Tiere sich auch als Opfertiere: Pferd, Rind, Schaf, Schwein, Kühe, Schlange, Fledermaus, Igel, Insekten, Storch, Schwalbe 8 ). Als Mittel zur Täuschung des Teufels 1 0 ) läßt man gewisse Tiere wie Hähne, Ziegenbock, den Bau b e t r e t e n l l ) , um den Teufel, der den Bau errichtet hat, um den versprochenen Lohn 13 ) zu bringen (vgl. Teufelsbuch). c) Pflanzen 1 3 ) wie Hauswurz, Hollunder u. dgl. liegt ein Abwehrmotiv zugrunde, doch dürften Mahlprodukte und Brot in dem Wunsche ihre Ursache haben, daß die neuen Besitzer des Hauses daran keinen Mangel leiden 1 4 ). Derselbe Gedanke wird dem Hebeschmaus zugrundeliegen. d) Sachen 1 5 ) in Vertretung von Tieropfern liegt die entsprechende Bedeutung zugrunde, doch tritt ein neues Motiv der Segnung des Gegenstandes durch einen Priester hinzu, indem der Neubau dem Schutze der Kirche bzw. eines Heiligen (in katholischen Ländern) anvertraut wird 1 6 ). Die Sitte, Gegenstände (Antlaseier, Pfeile) über den Neubau zu schleudern bzw. herumzutragen 1 7 ), entspringt dem Gedanken, den feindlich gesinnten Naturgeistern den Eintritt in den bebauten Raum zu verwehren. Die ursprüngliche Bedeutung der Dämonenabwehr ist heute bereits vergessen, wovon die Hausrichte (s. d.) Zeugnis ablegt 1 8 ). l ) M e y e r Baden 381; H ö h n Tod 312. 2) K. K l u s e m a n n Bauopfer 61 u. 23. 3 ) Casopis ceskelo museum 1848, 37ff.; Urquell 2, 189S. *) T a l v j Volkslieder der Serben 1, 171; K l u s e m a n n I i . 6) V a l v a s o r Ehre des Herzogtums e ) Ebd.; Krain 2, Buch 12 S. 8of. Urquell 7) 2, 189. T e t t a u u. T e m m e Volkssagen Ostpreußens 109 Nr. 104. ®) Literatur s. K l u s e m a n n 14—25; S a r t o r i 2, 3. 8) A R w . 17, 678. 10) R o c h h o l z Glaube 2, 9 3 s . " ) K. S i m r o c k Mythologie 45 § 20; 56 § 26; A. v. A r m i n

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Rheinsagen* 364; A l p e n b u r g Alpensagen 197 Nr. 149; H e n n e am R h y n Deutsche Volks391 Nr. 623; V e r n a l e k e n Mythen 369Í.; Z i n g e r l e Sagen 278 Nr. 495; ZdVdVk. 23, 150. " ) P f i s t e r Hessen 31 Nr. 9. " ) K l u s e m a n n 25e.; F r i s c h b i e r Hexenspruch 106; B u c h e n w a l d 5, 28; Globus 71, 137; M e y e r Baden l4 381; K l u s e m a n n 28. ) K l u s e m a n n 23. 16) Ebd. 28—45. " ) J o h n Erzgebirge 20; Urquell 4, 74. 17 ) K l u s e m a n n 21; Globus 57, 1β) K n u c h e l 269. 82; M e y e r Baden 411; J a h n Opfergebräuche 78; ZfVk. 8, 339; K l u s e m a n n 27 (Pfeil). Klusemann.

Neugeborenes s. Kind. Neugierde. Die natürliche Begierde des Menschen, Neues zu erfahren, sucht nach Anzeichen für eine kommende Neuigkeit, also etwa einen B r i e f J ) . Wem die Nase juckt 2 ) oder wer niesen muß 3 ), erfährt Neuigkeiten. Die N. kann oft unbequem werden und wird von den Gefragten lachend abgefertigt: W a t gift et hüüt to middach ? — Wat up 'η Disch kümmet 4 ). — Anders gestaltet sich die Sache für den Neugierigen, wenn er sich an übermächtige Wesen, an Menschen, die „was können", oder an Geister heranwagt. Ein Bauer, der Geld hexen kann, verbietet seinem Knechte zuzugucken. Der Knecht sieht auch nicht zu, aber er horcht und entgeht mit genauer Not dem Zorn seines Herrn 5 ). Wer die Gespenster neugierig aufsucht, entgeht einem Unglück nicht e ). Ein Bauer, der zwischen zwei kämpfende Gespenster tritt, stirbt bald darnach 7 ). Eine Frau, die dem Bannen eines „Wandernden" zusieht, wird krank 8 ). Das Stadttier, ein in ein Kalb verwandelter Soldat, zieht in der Stadt umher. Wer dann zum Fenster hinaussieht, dem schwillt der Kopf an 9 ). Neugierig will ein Kind den „tollen Junker" sehen mit seinem verdrehten Kopf. Ihm wird selbst der Kopf umgedreht 1 0 ). Den unvorsichtig Neugierigen ereilt regelmäßig die Strafe, wenn er dem Treiben des wilden Heeres zusieht 1 1 ). In den Zwölften zieht der wilde Jäger und auch Frau Bercht um. Sie wollen nicht beobachtet sein und strafen die N. 1 2 ). Die Strafe fällt verschieden aus: Der Neugierige wird mit einem Buckel

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bedacht oder mit einem Messer ins auch noch so viel Schnee auf der Erde liegen. Einer ist mal hingegangen, um Knie 13) — auf ein Jahr. Ein Hausherr will das wilde Heer sehen, wie es durch nachzusehen, aber es ist ihm übel besein Haus fährt. Dabei wird er blind, kommen und es hat's keiner nach ihm versuchen mögen 2β). aber im anderen Jahr wieder sehend 14 ). Die Blendung des Neugierigen auf ein S A V k . 2, 331. 2) G r i m m Myth. 2, 935. 3) H e y l 4) Tirol 803 Nr. 265. Wossidlo Jahr ist, sofern es sich um die bestrafte Mecklenburg 3, 200 ff. 5) K ü h n a u Sagen 2, Belauschung der einkehrenden Dämonen 666. ·) G r o h m a n n 197. 7 ) E n g e l i e n u . L a h n handelt, mythisch und stellt sich zum 1, 86. 8) K ü h n a u Sagen 1, 449. 9) W a i b e l Motiv des eingeschlagenen Beiles 1B). Die u. F l a m m 2, 36 f. 10 ) M e i c h e Sagen 425 Nr. 559. n ) K ü h n a u Sagen 2, 496. 12 ) B a u m Fronfastenweiber schlagen Neugierigen g a r t e n Jahr u. s. Tage i860, 13. 13 ) V o n b u n den Nagel in den Kopf 1 6 ). — Selbst Beiträge 9. 14 ) R a n k e Sagen 74. l s ) W a s c h n i wenn die Geister dem Menschen freundt i u s Perht 153; H e y l Tirol 73 Nr. 36. 16 ) W a i lich gesonnen sind und ihm Gutes erb e l u. F l a m m 2, 260. " ) Ebd. 2, 183. 18 ) R a n weisen, so wollen sie von den Haus- I k e Sagen 145. 19 ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 140 Nr. 152. 20) K ü h n a u Sagen 1, 443. 2 l ) V e r n a bewohnern nicht beobachtet und be22) H e y l l e i t e n Alpensagen i68. Tirol 142 lästigt werden: Die Erdmännlein helfen Nr. 33. 23) H o f m a n n Bad. Franken 13. M) T a u b m a n n einem Bauern bei der Arbeit, sie weichen Nordböhmen 23 Nr. 11, 19 ft. aus dem Hause, da der Bauer neugierig ; 2S) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 445. 2β) K u h n Westfalen 2, 107 Nr. 322. f Boette. ihre Füße sehen will 1 7 ). Zwerge werden durch N. vertrieben 18). Zuweilen strafen N e u j a h r (1. Januar). sie die N. und bleiben im Hause 19). Es ι . Allgemeines über den Jahresanfang. — scheint, daß die Strafe gelinder ausfällt, 2. Übergangsbräuche. — 3. Totenpflege. — wenn sich der Geist dem Menschen ange4. Geisterzeit. —- 5. Schutzmittel gegen Gefahren. — 6. Allerlei Glückszauber für Haus, schlossen hat härter aber, wenn die Garten und Feld, Vieh und Geflügel und die leere menschliche N. dem Fremden lästig menschliche Gesundheit. — 7. Der Jahreswird 2 1 ). Milder ist die Strafe in der anfang für das ganze Jahr bestimmend. Gechristlichen Sage: Der Bischof droht nur bote und Verbote. — 8. Die erste Begegnung. — 9. Essen und Trinken. Gebäcke. ·— 10. Lust dem Neugierigen aus der Geisterprozession und Fröhlichkeit. Glückwünsche. Geschenke. •— mit dem Stabe 22 ). — Wo die Geister Ii. Erforschung der Zukunft. — 12. Vorbedeudem Menschen freundlich gesonnen sind tungen für die Wirtschaft, Heirat und Tod. — und ihn mit einer Gabe bedenken wollen, 13. Vorbedeutungen für das Wetter und aus dem da verlangen sie, daß sich der Mensch Wetter. bewähre, ehe er begabt wird! Er soll I. Die Germanen kannten auch in seine N. bemeistern: Eine arme Frau der frühchristlichen Zeit noch keinen wird von der Frau mit gelbem Laub scharf bestimmten Jahresanfang. Den beschenkt, sieht erst nach Überschreiten hatten ursprünglich nur Orientalen und der Dachtraufe in den Korb, da es lauter Römer. Im alten Rom begann das Jahr Goldstücke waren. Eine andere Frau mit dem 1. März, weil da die höchsten sieht vorher in den Korb. Es bleibt Beamten ihr Amt antraten 1 ). Im Jahre das Laub 23 ). Sie war der Gabe nicht 153 v. Chr. geschah das zum erstenmal wert. Zuweilen hat sich wenigstens am ι . Januar, und dieser Tag wurde ein Blatt in Gold gewandelt 24 ). Eine damit Jahresbeginn. Im 4. Jh. sind die interessante Zusammenstellung von Ge- Kalendae Januariae die große Festzeit schichten dieses ethischen Zuges hat in Rom, während es bis in die erste Sébillot geliefert, wobei ein in Deutsch- Kaiserzeit hinein die Saturnalien gewesen land bekanntes ergötzliches Stückchen waren, als deren Höhepunkt der 17. auch in 3, 215 erzählt wird 28 ). Dezember galt und die wahrscheinlich das Kaiendenfest beeinflußt haben 2 ). Die Das wunderbare Wirken der Geister oder der Natur will von neugierigen römischen Kaiendenbräuche wirken bis in die Gegenwart auch in den deutschen Menschen nicht beobachtet sein: In der N.sbräuchen und in benachbarten christChristnacht sprießt der Hopfen, mag

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lichen Festen nach 3 ). In der zweiten Hälfte des 4. Jh. bezeichnet der.Name Kalendae Januariae eine Festperiode von fünf Tagen 4). Das Christentum dagegen feierte den 6. Januar (s. D r e i k ö n i g e ) . Erst von der Mitte des 4. Jh. an betrachtete es den 25. Dezember als Geburtstag Christi und zugleich als Jahresanfang. Nun verbreiteten sich die N.sbräuche über den ganzen Zeitraum von diesem Tage bis zum 6. Januar und nach vornehin auch noch über die ganze Adventszeit, mit der das neue Kirchenjahr begann 5 ). Seitdem hat der Jahresbeginn zwischen den genannten Terminen lange geschwankt, und erst 1691 setzte Papst Innozenz XII. den Jahreswechsel endgültig auf den 1. Januar fest. Im Zürcher Oberland kennt man noch den „alten Silvester" (11. Januar) des julianischen Kalenders, und auch im Norden des Kantons ist der alte Jahreswechsel geblieben und wird am 13. Januar (s. H i l a r i u s ) gefeiert 6 ). In wirtschaftlicher Beziehung gelten auch im Herbst der Novemberbeginn (Martini) und im Frühling der ι. Mai als Beginn eines neuen Jahres. Beide sind Zinstage. Vgl. J a h r e s a n f a n g oben 4, 604 ff. Im folgenden werden Bräuche und Vorstellungen behandelt, die sich an den I. Januar anknüpfen. Sie können nicht von denen seines Vortages, der nach dem 335 verstorbenen Papst Silvester benannt ist, getrennt werden. *) Über die Märzkaienden ira MA. : A R w . 20 (1921), 379 fi. 2) Ebd. 19, 52 ff. 3) Ebd. 20, 370 ff.; S A V k . 7 (1903), 129 f. 187 s . 4) A R w . 19, 52 ff. 5) Vgl. N i l s s o n Jahresfeste 56 ff.; ders. Studien ζ. Vorgesch. des Weihnachtsfestes A R w . 19, 50 ff.; S c h n e i d e r Über Kalendae Januariae und Martiae: ebd. 20, 82 ff. 3 6 ö S . ; R a d e r m a c h e r Beiträge 86 ff.; F e h r l e Volksfeste 15 ff. 24 ff.; K e l l e r Heortologie3 123 ff. 4) Brockmann-Jerosch Schweizer Volksleben ι , 4.

2. Der Jahreswechsel wird oft in der sinnfälligen Form eines Trennungs- und U b e r g a n g s b r a u c h e s vollzogen, die mitunter die Absicht eines G l ü c k s z a u b e r s annimmt. Im Zürcher Oberland schlagen die Bauern während des Geläutes der Kirchenglocken auf Bretter und dreschen so das alte Jahr aus und das neue ein.

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Die Stärke des Schalles ist vorbedeutend für die Fruchtbarkeit des nächsten Jahres 7 ). Im Kt. Aargau wollte man durch das gleiche Mittel bewirken, daß im kommenden Jahre das Getreide gedeihe und es etwas zu dreschen gebe 8). Man springt beim zwölften Glockenschlage von einem Tisch oder Stuhl herunter. Die Unterlassung des „Glückssprunges" wäre ein Verzicht auf künftiges Glück 9). In westfälischen Weserdörfern wird eine als altes Weib gekleidete Strohpuppe in einer Schneidelade durchs Dorf getragen und, sobald es zwölf schlägt, in einen Teich oder Bach geworfen, während gleichzeitig eine junge Dorf schöne, die das neue Jahr verkörpert, in die Lade gehoben und ins Dorf zurückgetragen wird. Diese „N.skönigin" muß aber in demselben Jahre noch heiraten, sonst stirbt sie als alte Jungfer 10 ). In Mank (Niederösterreich) kriegt der Tölpelhafteste aus dem Hausgesinde einen Strohkranz auf und wird aus dem Hause gejagt, bis ihn die jüngste Dirne wieder hereinführt. Diese ist nun das Haupt des Gesindes für das kommende Jahr, und den ganzen Abend hindurch werden ihr Glückwünsche dargebracht 11 ). In den Wirtshäusern werden die Lichter vor Mitternacht abgedreht und mit dem Schlage 12 Uhr wieder angezündet 12 ). Im Isergebirge schließt man während der ersten halben Stunde des neuen Jahres alle Türen und läßt nur die Hintertür offen. Man meint, durch diese komme der Segen herein 13 ). An vielen Orten findet — mitunter die Jahresscheide durch Aus- und Einläuten andeutend 14 ) — N.s l ä u t e n statt 1 6 ). Wird es einmal versäumt, so läuten die Glocken von selbst 1β ). In Annaberg trinken beim Silvesterläuten alle Familienmitglieder aus einem Glase und werfen dieses dann zum Fenster hinaus. Dadurch soll alles Unglück vom Hause fern bleiben 17 ). Die Gemeinde, in der zuerst das N. geläutet wird, hat den ersten Brandfall 1 8 ). Klingen die Silvesterglocken nicht hell und klar, so ist das kommende Jahr wenig bedeutungsvoll w ). Wer in der N.snacht die Kirchhofsglocke zuerst

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läutet, baut im künftigen Jahre die größte Gerste 20 ). Wer Silvester nackt dreimal beiert, kriegt den besten Flachs 21 ). Sagen berichten von Steinen, die sich in der N.snacht umdrehen 22). Der an Silvester und am N.stage zuerst und namentlich der zuletzt Erscheinende wird (als Verkörperung des alten Jahres?) geneckt und ausgejohlt und erhält besondere Übernamen 23 ). ') M e s s i k o m m e r 1, 134. e) H o f f m a n n K r a y e r 117. ·) J o h n Erzgebirge 183; S a r t o r i Westfalen 139; M e n s i n g Wbch. 3, 796. 10) S a r t o r i Westfalen 139. n ) V e r n a l e k e n Mythen 291. Vgl. R e i n s b e r g Festjahr 472; M a n n 12 h a r d t I, 386; K a u f f m a n n Balder 280. ) P o l l i n g e r Landshut 200. u ) S a r t o r i Sitte 3, 70 14 ) Anm. 68. M e s s i k o m m e r 1, 161; vgl. 1β) S A V k . 19, 21. 16) S a r t o r i Glockenbuch byñ. ZfdMyth. 2,109. " ) J o h n Erzgeb. 183. " ) H o f f M) m a n n - K r a y e r 118. J o h n Erzgeb. 182. M) B a r t s c h 21 ) Mecklenburg 2, 232 (1210). 13 (1918), 28. 22) S c h e l l Bergische Sag. 543; SchwVk. 16 (1926), 28 f. ») H o f f m a n n K r a y e r 113 f. 1 1 7 ; M e s s i k o m m e r 1, 161; S A V k . 19, 18 f. 21; Brockmann-Jerosch Schweizer Volksleben 1, 57. χ 15 f.; M e y e r Baden 72.

3. Bei manchen Völkern finden bei Abschluß des Jahres S e e l e n f e s t e und Bewirtungen der Toten und anderer Wesen, die wohl aus Seelengeistern hervorgegangen sind, statt 24). Man läßt im Erzgebirge beim Silvesteressen zuweilen noch einen Platz für den verstorbenen Angehörigen frei oder stellt das, was ihm am besten gefiel, auf den Tisch 25 ). Im Emmental legte man am Silvester alten Stiles Stücke Brot nebst Messern auf den Tisch, um die Hausgeister (Seelen?) günstig zu stimmen 2β ). Nach alten Kalendenhomilien wurden umfahrenden Geisterwesen Speisen hingestellt 27 ). Noch 1493 setzten die Engländer in der N.snacht den „Alholde" und „Gobelyns" Speise und Trank auf die Bank 2 8 ). In Ostpreußen wird am Silvesterabend der Ofen stark geheizt, damit die Toten sich wärmen können. Man stellt eine Bank daran und findet am Morgen die Spuren der Besucher in der Asche 29 ). Man bewirtet sie auch 30 ). Auch ihre alten Pferdeställe besuchen die Verstorbenen31). Verbreitet ist der Glaube, daß die Toten des Kirchspiels in der N.snacht in ihrer

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Kirche zusammenkommen 32 ) oder auf dem Kirchhof 33 ). Wer am Silvesterabend um Mitternacht auf einen Boden geht, dem erscheint derjenige, der zuletzt im Hause gestorben ist ; ist niemand gestorben, so erscheint der Teufel 34 ). M ) F r a z e r 6, 53. 55. 62. 65; B i l f i n g e r D. german. Julfest 74 Anm.; S a r t o r i Totenspeisung 50 f.; W e i s e r Jul 80 Anm. 33; F e i l b e r g 25) J o h n Erzgeb. Jul. 128. ») H o f f m a n n 2 ') K r a y e r 114, vgl. 99. B i l f i n g e r 50 ft. 107 ff. S. aber unten 9. M e y e r Mythol. d. 29) Germanen 222. T o p p e n Masuren 63; 30) L e m k e Ostpreußen 1, 6 f. Schnippel Ost- u. Westpreußen 2, 52 f. 31 ) Globus 82, 238 (Kurische Nehrung). 32) S t r a c k e r j a n 1, 107; J a h n Pommern 414 f.; L e m k e Ostpr. 3, 112 f.; E i s e n - E r k e s Estnische Mythol. 44, vgl. 51. MschlesVk. H. 15, 81; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 282 f. M ) K n o o p Posen 319.

4. Die N.snacht ist überhaupt eine Geisterzeit35). Wuotans Heer, die wilde Jagd fährt um 3e ). In Ostfriesland König Robolius (Radbod) 37 ). In der Klosterkirche zu Wismar um 12 Uhr eine dort begrabene Herzogin im goldenen Wagen 38). Man hört versunkene Glocken läuten 39). Man kann die Unterirdischen in ihrer Werkstatt arbeiten hören 40 ). Verwünschte kommen hervor 41 ), ein schwarzer Hund geht um 42), der Drache bringt „wat bi dei H u s d ö r " a ) . Nur in der N.snacht kann der vampyrartige Mulo ein Weib rauben. Deshalb legen die Zigeunerinnen Stechapfelsamen unter ihr Lager, um die Mulos zu bannen 44 ). Am Silvesterabend sitzen die Hexen besonders gern an Kreuzwegen und lauern darauf, jemandem einen Possen zu spielen 45 ). 35) B i l f i n g e r Julfest 74 ff. 103 f. M ) B o h n e n b e r g e r 3; H o o p s Sassenart 24; B a r t s c h 37 ) 2, 230. L ü p k e s Ostfries. Volksk. 137. 38) B a r t s c h ι , 271. 3») Z f V k . 7, 127. A m Neu40 jahrsmorgen: ebd. 118. ) B o e d e r Ehsten 74. 41 ) B a r t s c h 1, 274; K n o o p Posen 272; L y n c k e r Sagen 86. 42) B a r t s c h 2, 231. 43) Ebd. 4 4 ) W l i s l o c k i Zigeuner 38. 45) L e m k e Ostpreußen 1, 7.

5. Den schlimmen G e f a h r e n , die in der N.snacht drohen, b e g e g n e t man auf verschiedene Weise. Sie ist in Süddeutschland (neben Thomastag, Weihnacht und Epiphanias) eine der vier Rauchnächte, in denen der Priester das Haus d u r c h r ä u c h e r t . Im westfälischen

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Münsterlande tut es der Hausvater, und alle Hausgenossen begleiten ihn dabei mit brennenden Lichtern 4e). In Böhmen die Hausfrau 17 ). Die Esten bezeichnen am N.smorgen alle Gegenstände im Hause, auch Speisen und Getränke, Fenster und Türen, mit einem Kreuze oder Pentagramm, damit der Böse nirgends Zutritt erlange 48). In Mecklenburg müssen am Altjahrsabend alle Hausbewohner und alle landwirtschaftlichen Geräte unter Dach und Fach sein, alle Haustüren verschlossen, und der Brunnenschwengel muß angebunden oder ins Haus geholt werden 49 ). Man scheut sich das Haus zu verlassen 50 ). Draußen vertreiben S c h i e ß e n , das oft zu einer Ehrung für die Mädchen geworden ist S 1 ), und P e i t s c h e n k n a l l e n 5 2 ) die Hexen und bösen Mächte. Auf Seeland sowohl wie im südlichen Norwegen schießt man am letzten Abend das alte Jahr an den Häusern seiner Nachbarn aus, am folgenden Morgen das neue vor seiner eigenen Wohnung ein 53). Man schießt nach der Seite, wo große Kornfelder liegen, damit die Halme volle Ähren bekommen 54 ). Das Schießen „weckt" die Saaten; sie körnen dann gut 6 5 ). Auch über die Brunnen schießt man, um die bösen Geister zu verscheuchen 5β ). Wer es ganz richtig machen will, schießt aber nur siebenmal, nämlich dreimal in den Brunnen und einmal an jeder Ecke des Hauses 57 ). Auch in die Obst bäume schießt man,um sie fruchtbar zu machen58). In Böhmen eröffnen am Silvesterabend die Burschen ihre Spiele mit dem „Hexenschießen" 59). In Ostpreußen sagt man, die Knechte könnten durch eifriges Knallen andern „das Futter fortknallen" eo). Auch sonst gehört Lärm und G e t ö s e in der N.snacht überall zu den Mitteln der Geisteraustreibung. Es wird allerlei Schabernack getrieben, Wagen fortgeschleppt, Schiebkarren auf das Dach gebracht usw. 61 ). Je größer das Geschrei und der Lärm ist, desto größer ist bei den Kaschuben die Hoffnung, ein fruchtbares Jahr zu erleben 62). Man wirft Flaschen und Töpfe (zum Teil mit Asche) gegen Türen und Fensterläden 43 ). Auf B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VI

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Helgoland heißt der Altjahrsabend daher Pottensmieterinn = Topfschmeißerabend M ). V e r m u m m t e G e s t a l t e n , N.sbock, Bär, Schimmelreiter, Storch u. a. treiben auf der Straße ihr Wesen und dringen auch in die Häuser ein 85 ). Ruhiger sind i. a. die Umzüge, die mit Beglückwünschung und Ansingen verbunden sind, aber auch sie zeigen durch allerlei Geräusche (Peitschenknallen, Türklopfen, Rummelpott) oft das Bestreben der Unheilverscheüchung 6e). Wenn am N.sabend die Umgeher recht schmutzig werden, so gedeiht im nächsten Jahre der Flachs gut β 7 ). F e u e r im Freien sind zu N. seltener88). Im Hause wird im Meininger Oberland am N.abend (wie am Christabend und Dreikönigstag) ein starker Holzklotz ( „ C h r i s t k l o t z " ) vor dem Schlafengehen in den Ofen geschoben, der dann die ganze Nacht brennen muß. Seine Kohlen und Überreste behüten das ganze Jahr hindurch das Haus vor Feuersgefahr, Einbruch und anderem Unglück 89). *·) Nds. 13, 133. 47 ) V e r n a l e k e n Mythen 333. 4 i ) B o e d e r Ehsten 74. " ) B a r t s c h 2, 50 230. ) Haltrich Siebenb. Sachsen 282. 51 ) S a r t o r i Sitte 3, 68 A n m . 62; H e c k s c h e r Volkskunde 3 7 1 f.; A R w . 4, 170 ft. 274 fi. 52) S a r t o r i 3, 68 A n m . 61. M ) A R w . 4, 176. 54 ) S e e f r i e d - G u l g o w s k i 210. 5S ) D r e c h s l e r ι , 30. M ) B a r t s c h 2, 244. 57 ) E b d . 2, 232. Vgl. S a r t o r i 3, 70 A n m . 76. 58) S a r t o r i 3, 70 A n m . 71. 59) V e r n a l e k e n Mythen 332 f. ω ) L e m k e Ostpr. ι , 7. e l ) M e n s i n g Schl.Holst. Wbch. 3, e2 ) M ü l l e r 795. Gesch. u. System d. altdeute3 schen Religion 125. ) S a r t o r i 3, 69 A . 63; M ) Nds. M e n s i n g 3, 795; N d d Z f V k . 10, 165Ì. 3, 74. e6 ) S a r t o r i 3, 59f.; H e c k s c h e r 425; M e n s i n g 3, 795; H o o p s Sassenart 28; R a d e r m a c h e r Beiträge 86ff. ; B i l f i n g e r Julfest 67ff. ; F r a z e r 9, 147. 202. 203. Über die Tiervermummungen des Kaiendenfestes auf keltischem Boden s. noch A R w . 19, 71 ff. 20, 91 ff. I m römischen Kalendenbrauch fehlt die Tiervermumm u n g : A R w . 19, 79. , e ) S a r t o r i 3, 58f.; H o o p s Sassenart 25. " ) K u h n u. S c h w a r t z 408 (146). ·8) F r a z e r 9, 165 (Lanarkshire); S é b i l l o t Folk-Lore ι , 247; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 283. V g l . S a r t o r i 3, 69. *·) W i t z s c h e l Thüringen 2, 172 (9). Über den Weihnachtsklotz: S a r t o r i 3, 43 f . ; B i l f i n g e r 5 6 . 57*·

6. Für allerlei Z a u b e r w e r k ist die Zeit besonders günstig. Ruft man beim 33

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Schlage 12 dreimal seinen Namen, so sieht man sich selbst; tut man es allein auf dem Kirchhofe, so geschieht etwas Schreckliches; verzerrt man zu dieser Stunde sein Gesicht, so bleibt es so stehen 70). Man hat Glück, wenn man in der N.snacht dreimal auf den Drücker der Kirchentür schlägt 71 ). Man benutzt zum Zauber einen Knochen vom Rückgrat eines in der N.snacht gesottenen Katers 72 ). Durch das Opfer einer schwarzen Katze oder Henne kann man den Hecktaler gewinnen 73). Die Wünschelrute wird in der Silvesternacht geschnitten 74), Schätze können gehoben werden, und Schatzfelsen öffnen sich 75 ). Kugeln, mit dem Mitternachtsschlage gegossen, treffen alle ihr Ziel 76 ). Die Leute holen sich Besenreiser, um sich das folgende Jahr hindurch vor Behexung zu schützen 77 ). Man fegt um 12 Uhr mit einem Besen aus allen vier Ecken heraus eine völlig leere Stube aus; damit kehrt man das Unglück heraus 78). Der Hausvater schlägt in der N.snacht vier Pfähle nach den vier Himmelsrichtungen ums Haus herum in die Erde, damit es von Feuer behütet werde 7e ). Wenn man sich in der Silvesternacht Wasser schöpft, so bleibt es bis zur nächsten Silvesternacht genießbar und das Haus, in dem es sich befindet, vor Unheil bewahrt 80 ). Man holt es sich am Abend vor Sonnenuntergang 81 ) oder sogleich beim Beginn der ersten Stunde des neuen Jahres. Wem es gelingt, der hat Glück und Segen aller Art in seinem Hausstande zu erwarten 82 ). Man bringt auch den Quellen Opfer dar 83 ) oder schmückt wenigstens den Brunnen mit einem Bäumchen M ). Viele Handlungen gelten der F r u c h t b a r k e i t in G a r t e n und F e l d . Durch Schlagen, Schütteln, Schießen, Umwickeln, Geldspendung u. a. entweder in der N.snacht oder am N.smorgen werden die Obstbäume fruchtbar gemacht 85 ). Man bindet auch volle Ähren daran 88 ). Zigeuner Südungarns vergraben das Blut und die Knochen eines Lammes am Silvesterabend auf ihre Felder, damit im nächsten Jahre die Feldfrüchte besser

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gedeihen 87 ). In Ostpreußen nehmen manche von allen Getreidearten etwas in der Tasche mit in die Kirche und kramen während der Predigt darin herum 88 ). Man kocht dort auch am N.stage Erbsen, damit die Erbsen im nächsten Jahre gut geraten 89). Anderswo wird in der N.snacht Kukurutz (Mais) gekocht, damit der im Frühling auszustreuende Same gleich dem gekochten Kukurutz größer werde, d. h. keime und aufgehe ®°). Die Esten ziehen einige Halme aus der „Kolls-Garbe" und werfen sie dreimal gegen die Zimmerdecke. Dadurch soll das heurige Korn hoch wachsen und volle Ähren tragen. Wenn einige Halme an den Darrstangen haften bleiben, gibt es ein reiches Kornjahr 91 ). Wer am N.stag zuerst aus der Kirche kommt, der wird in diesem Jahre zuerst mit der Ernte fertig 92 ). Die Maulwurfshaufen muß man am Silvestertage auseinanderreißen, dann wirft der Maulwurf nimmer auf B3). Auch Vieh und G e f l ü g e l erwarten besondere Pflege. Das Vieh erhält reichliches Essen, sogar auf Kosten der Nachbarn 94). Es wird am N.smorgen so früh als möglich gefüttert 95). Am Silvesterabend darf aber nicht abgefüttert werden ; erst am N.smorgen werden den Kühen und Pferden Bündel Erbsenstroh, den Schweinen und Hühnern Erbsen als erstes Futter verabreicht 96 ). Von dem, was beim N.sbacken aus dem Trog ausgeschrapt ist, muß ein Brot gebacken werden, und davon muß alles Vieh am N.smorgen etwas haben, dann gedeiht es gut 9 7 ). Was vom Salzstein in diesem Jahre übrig geblieben ist, gibt man jetzt dem Vieh zu fressen98). Am N.smorgen legt man einen Taler in die Tränke, aus der die Kühe saufen; dann soll das Vieh teuer werden " ) . Wenn man am N.smorgen Vieh zum Saufen an ein Wasserloch treibt, muß man erst ein anderes Tier ins Wasser werfen, ehe man die Kühe oder Pferde saufen läßt 100 ). Will man Pferde fett und mutig erhalten, muß man in der N.smitternacht Schlafkraut (Atropa belladonna) ausgraben101). Wenn man am h. Abend oder an N. oder

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am Genachtabend einen Waschlappen : an einen Zaun hängt und nachher die j Pferde damit putzt, so werden sie fett 102 ). ; Kuhkälber erhält man, wenn man den Kühen am N.sabend Grünkohl gibt. Diese gedeihen, wenn man ihnen Klöße | zu fressen gibt, die aus (am Johannis- | abend gepflückten) Binsen und Stroh- j halmen hergestellt sind, die man aus den vier Ecken des Daches gezogen h a t 1 ( 0 ). Am N.sabend muß man den Kühen Buchweizenstroh zu fressen geben, dann bullen sie gut 1 0 4 ). Die Gänse muß man an N. früh ins Freie lassen, dann legen sie bald 1 0 5 ). Der Gänserich darf in der N.snacht nicht zu den Gänsen im Stall, sonst kommen in dem Jahr keine Gössel aus 1 0 6 ). Die Hühner wurden früher am N.stage aus der Kette gefüttert, dann sollten sie das ganze Jahr hindurch die Eier nicht aus dem Hause legen 107 ). Sie werden am Silvesterabend mit Erbsen gefüttert, die zuvor gezählt sind, weil man dadurch erfährt, wieviele Eier sie im folgenden Jahre legen werden 108 ). Am Silvesterabend schüttelt man den Grenzzaun und spricht: „Die Eier sind für uns und das Krakeln für euch". Dann kommen die Hühner des Nachbarn und legen die Eier bei dem Sprechenden 109 ). Wenn in der N.snacht viele Sterne scheinen, dann legen die Hühner viele Eier 1 1 0 ). Auch für die eigene G e s u n d h e i t sorgen die Menschen. In der N.snacht soll man zwischen 1 1 und 12 Uhr nackend auf den Gottesacker gehen und Moos von den hölzernen Kreuzen holen, um Gicht und andere Krankheiten zu heilen 111 ). Eine Muskatnuß, in der N.snacht stillschweigend gekauft und das Jahr hindurch unausgesetzt in der Tasche getragen, verhindert selbst beim schwersten Sturz das Zerbrechen eines Gliedes 1 1 2 ). Vereinzelt wird der Zauber des W a s s e r g u s s e s vorgenommen 113 ), auch der S c h l a g mit der Lebensrute 1 1 4 ). Wie es schon die Römer taten, schmückt man sein Haus (wie auch den Brunnen) mit einem grünen Zweige 1 1 5 ). Seb. Brand sagt 1494 im „Narrenschiff" (cap. 65):

Vnd Vnd Vnd Der

IO30 wer nit etwas nuwes hat, vmb das nuw jor syngen gat, grien tann riss steckt jn syn huss, meynt, er leb das ganz jor nit vss.

In Graubünden werden schon zu Silvester die Mädchen für das kommende Jahr den Burschen zugelost 1 1 6 ). Nach Caesarius v. Heisterbach wählten sich zu seiner Zeit (um 1200) die Weiber am N.stag unter den Aposteln durchs Los einen Patron aus 1 1 7 ). Wer in der N.snacht zwischen 12 und ι Uhr g e b o r e n w i r d , kann später Geister und Vorzeichen für Tod und Geburt sehen 1 1 8 ). E r wird aber nicht a l t 1 1 9 ). Bei den Wanderzigeunern gilt es für ein Unglück, am N.stage schwanger zu sein 120 ). Schläft das Ehepaar in der N.snacht auf dem Felle eines männlichen Tieres, unter das die verkohlten Knochen eines Hahnes gestreut wurden, so ist ein Sohn die Folge; schläft es auf dem Felle eines weiblichen Tieres über den Knochen einer Henne, so erzeugt es eine Tochter 121 ). '») M e n s i n g SchlHolst. Wbch. 3, 796. 7 1 ) J o h n 72 Westböhmen 254. ) J a h n Pommern 3 4 1 f. 73 ) L e m k e Ostpreußen 3, 4 1 . 74 ) D r e c h s l e r 2, 7S 216. ) K n o o p Posen 282 f.; K i i h n a u Sagen 7i 3, 639; M e i c h e Sagen 703. ) Bartsch 2, 2 3 1 (1203); vgl. A l p e n b u r g Tirol 357. 77 78 ) B a r t s c h 2, 2 3 1 . ) M e n s i n g 3, 797. 79 ) D r e c h s l e r 1, 44. eo) K n o o p Posen 3 2 1 . 81 ) B a r t s c h 2 , 2 3 1 (1204); vgl. S a r t o r i 3, 71 Anm. 78. 82 ) ] ahn Opfergebr. 203 f. Vgl. H e r t z Elsaß 20 (Heiliwoog). Wer aus bestimmten Quellen in der N.snacht oder am 1. Januar zuerst Wasser trinkt, hat Glück: S é b i l l o t Folk-Lore 2, 240. Alles fließende Wasser wird zu Wein: B a r t s c h 2, 230 ( 1 1 9 8 ) ; W i t z s c h e l 2, 1 7 3 . 83 ) S é b i l l o t 2, 302. 3 2 1 ; vgl. oben 3, 326. Quellopfer als Kaiendenbrauch : A R w . 20, 1 1 9 . 120. 8 1 ) S a r t o r i 3, 7 1 . 8S ) Ebd. 3, 70; H e c k s c h e r Volkskunde 3 9 7 ; B i l f i n g e r Julfest 5 6 t. 8e 87 ) K n o o p Posen 320 (46). ) Wlislocki Zigeuner 143. 88 ) Urquell 1 (1890), 106. 8 ') T o p p e n Masuren 67. Haltrich Siebenb. Sachsen 284. 9 1 ) B o e d e r Ehsten 74. 62 ) T o p 3 p e n 67. ° ) G r i m m Myth. 3, 467 (903 : Bayern). M ,6 ) S a r t o r i 3, 67 f. ) M e n s i n g 3, 794 f. " ) L e m k e Ostpreußen 1, 18 (ebenso am Ostersonnabend und am Pfingstsonnabend). * 7 ) B a r t s c h 2, 2 4 1 . Vgl. S a r t o r i 3, 68 Anm. 5 7 . • 8 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 2 1 2 . ··) B a r t s c h 2, 242. Andere Sicherungen: S a r t o r i 3, 68 Anm. 58. l 0 °) B a r t s c h 2, 241. 1 0 1 ) R e i n s b e r g Böhmen 9. 1 0 2 ) G r i m m Myth. 3, 468 (915: Bayern). l 0 3 ) M e n s i n g 3, 796. 104 ) B a r t s c h 2, 233 (1214). 106 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 21. 1 M ) B a r t s c h 2, 2 3 3 ( 1 2 1 1 ) . 1OT) K u h n

Neujahr Westfalen 2, i n (329). 1 0 i ) B a r t s c h 2, 233 (1212). 1 0 8 ) T o p p e n Masuren 66. 1 1 0 ) E b d . 67. « > ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 181 (73). 1 1 2 ) E b d . m ) 2, 181 (75). L e m k e Ostpr. 1, 3 (beim Roschbockspiel a m N.sabend); vgl. S a r t o r i 3, 71 A n m . 78. 1 1 4 ) J o h n Westböhmen 28; B i l f i n g e r Julfest 85 f. 1 1 5 ) F e h r l e Volksfeste 21; H o f f m a n n - K r a y e r 116. An den K a l e n d e n : A R w . 19, 61 f. 109 ff.; R a d e r m a c h e r Beiir. 105. 107. 113. Vgl. B i l f i n g e r 86. l l e ) H o f f m a n n - K r a y e r 114; SAVk. 19, 19 f. 1 1 7 ) S c h e l l Berg. Volksk. 90; vgl. W i t z s c h e l Thür. 1, .57 ( 5 ° ) · l l e ) Urquell 5 (1894); 253; B a r t s c h ι, 308; 2, 241; M e n s i n g 3, 796; F r i c k e Westfalen 27; Vernaleken Alpensagen 405. lle) G a ß n e r Metlersdorf 14. 1 2 °) W l i s l o c k i m Zigeuner 144. ) E b d . 144 f.

7. W i e N. so das g a n z e J a h r . Dieser Grundsatz ist für eine Menge von Anschauungen und Bräuchen bestimmend. Das omen principii, schon im alten Rom die Hauptsache, ist immer das wesentliche Kennzeichen des N.stages geblieben 122 ). Einige Beispiele hat schon der vorige Abschnitt gebracht. Hat man N. Geld, so hat man es das ganze Jahr und umgekehrt 123 ). Gibt man viel Geld aus, so geht es das ganze Jahr so und umgekehrt 124 ). Wer am 1. Januar borgt, der borgt das ganze Jahr hindurch 125 ). Wenn man früh aufsteht, wird man das ganze Jahr hindurch frühe sein 126 ). Wer spät aufsteht, tut es im ganzen Jahre 1 2 7 ). Wenn man in der N.snacht nicht schläft, wird man das ganze Jahr hindurch nicht (gut) schlafen 128 ). Am N.stage soll man nicht schlafen, sonst ist man das ganze Jahr schläfrig 12e ). Schlägt man am N.smorgen einen kurzen Psalm auf, so wird das Jahr kurzweilig sein, sonst das Gegenteil (Bern) 1 3 0 ). Wenn man am N. um Mitternacht den Kopf anschlägt und eine Beule bekommt, bringts Unglück (Biel) 1 3 1 ). Wenn man am letzten Tage des Jahres fällt, so fällt man das ganze Jahr. Man soll zu N. springen und herumlaufen, damit man das ganze Jahr recht flink und lustig sei 1 3 2 ). Man soll sich auch gut aufführen, damit man das ganze Jahr hindurch fleißig und brav sei 1 3 3 ). Wenn in einem Laden am N.stage etwas verlangt wird, was nicht vorhanden ist, so ist das für den Inhaber eine üble Vorbedeutung für das ganze Jahr 1 3 4 ).

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i Glücksspiele, die sonst das ganze Jahr ! streng verboten sind, sind am N.s- (und I Dreikönigs-)abend erlaubt 135 ). Die Nachbarn, die fröhlich zusammenkommen, dürfen sich ja nicht zanken, sonst würde ihnen ¡ das neue Jahr kein Glück bringen 136 ). ! Der Bauer in Zimmern ob Rottweil bleibt am N.sabend zu Hause und bringt den ersten Tag im Jahre in seiner Familie zu 1 3 7 ). In der (Weihnachts- oder) ι N.snacht müssen alle Diebe stehlen, wer ; dann nicht ertappt wird, hat das ganze I Jahr Glück 1 3 8 ). In Ennenda (Glarus) wird an Silvester das „Speckjagen" ausgeübt, heimliches Entwenden von Speck, Rauchfleisch und Würsten aus den Häusern 139 ). Wenn die Esten von der Kirche nach Hause fahren, sucht einer den andern zu überholen, dann wird er das ganze Jahr hindurch seine Arbeiten ! schnell verrichten und mit allem früher i fertig werden. Ein am N.stage zum j erstenmal angelegtes Kleidungsstück bleibt j lange neu, beim Linnenzeug wird die ! Dauerhaftigkeit verdoppelt 14°). Man soll ¡ am N.smorgen ein ganz neues Hemd von j frischgesponnener Leinwand anziehen 141 ), ι Aber in Hessen heißt es: Wer auf N. ein frisches Hemd anzieht, bekommt Schwären 1 4 2 ). Wenn man an N. etwas verkehrt anzieht, dann geht es das ganze Jahr verkehrt 143 ). Wer an N. flickt oder näht, muß jeden Sonntag im neuen Jahre flicken oder nähen 1 4 4 ). Man darf am N.stage überhaupt keine Handarbeit machen 1 4 5 ). Brennt an N. ein Haus ab, so stehen dem Orte viele Brandschäden bevor 1 4 6 ). Ging am Abend des Silvestertages als erstes ein Mutterschaf in den Kofen, so erhielt der Schäfer einen Speckpfannkuchen ; war es ein Bock, so bekam er nur eine Kruste Brot mit Salz 1 4 7 ). Man darf am Abend vor N. nicht haspeln, sonst dreht sich die Haspel das ganze Jahr 1 4 8 ). Wer Wäsche mangelt, dem mangelts das ganze Jahr an Geld 1 4 9 ). Auch sonst ist mancherlei verboten. Keine Stiefel dürfen geschmiert werden 15°) ; man darf auch nicht fahren 1 5 1 ). Vor allem soll man nichts aus dem Hause geben, leihen oder verkaufen, weil man sonst das Glück

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mit fortgibt 152 ). Man muß vielmehr dafür sorgen, daß alles, was fortgeliehen war, sich am Silvesterabend (vor Sonnenuntergang) wieder im Hause befinde 153). Wenn man Wäsche draußen läßt, gibt es einen Toten im Hause 154 ). Uberhaupt soll man keine Arbeit vom alten Jahre ins neue hinübernehmen 155 ). Wenn am N.stage nicht aller Flachs gesponnen ist, wird das folgende Jahr schlecht 15e ). In der Schweiz geht in der Silvesternacht die Chlungeri, ein weiblicher Unhold, in alle Häuser, um zu sehen, ob die Mägde ihren Rocken abgesponnen haben 157 ). Vor dem Backofen darf kein Holz liegen bleiben 158 ). Das Häckselmesser muß am Silvesterabend abgenommen und das Stroh zusammengebunden in die Lade gelegt werden, sonst findet man in ihr morgens einen Menschen ohne Kopf 1 5 9 ). Ein Licht darf nicht ganz niederbrennen oder unvorsichtig ausgelöscht werden, sonst gibt es einen Toten im Hause 160 ). In der Silvesternacht darf nichts zerbrechen, sonst stirbt jemand im Hause im Laufe des folgenden Jahres 161 ). Aber im Emmental bedeutet es Glück, wenn ein Glas bricht 162 ). m ) S a r t o r i Sitte 3, 62 f.; F e h r l e Volksfeste 26 f.; B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 12; W Z f V k . 33 (1928), 98; G r i m m Myth. 3, 408 (Burchard v. Worms). In Rom: A R w . 19, 51. 68. 116 ff.; 20, 373; B i l f i n g e r Julfest 52 ff. 123 ) J o h n Westböhmen 29. 124) Z f V k . 1, 180; 24, 58; K u h n Mark. Sag. 378 (9); J o h n Erzgeb. 184. 12S) S p i e ß Fränkisch-Henneberg 151. 1 2 i ) S A V k . 21 (1917), 44. 127 ) ZfrwVk. 4, 13 (Kr. Minden). 128) Urquell 4, 90. 129) J o h n Westböhmen 29. 13°) S A V k . 21, 44. m ) SchwVk. 10,30. 132) S c h u l e n b u r g 251. 133) Z f V k . 4, 320 (Ungarn). l34 ) S A V k . 7, 136 (Bern). 13S ) S a r t o r i Westfalen 139. 1 M ) S A V k . 24, 66. 13 ') B i r l i n g e r Volhst. 2, 13. 138) S A V k . 20, 383; vgl. B i l f i n g e r Julfest 53. 139) H o f f m a n n - K r a y e r 114. 140) B o e d e r Ehsten 74. 141 ) K u h n u. S c h w a r t z 407 f. Vgl. S a r t o r i 3, 63 A. 37. " 2 ) W o l f Beitr. 1, 231 (361). Ebenso: H o l s c h b a c h Volksk. d. Kr. Altenkirchen 93. Dsgl. am Karfreitag: ebd. 100. 113 ) J o h n Erzgebirge 184. 144) E n g e l i e n l") u. L a h n 240. Mensing SchlHolstWbch. 3, 794. 1 4 i ) J o h n Erzgeb. 184. 148) "') S t r a c k e r j a n 2, 42. K u h n u. S c h w a r t z 408 (144). "») J o h n Erzgeb. 184. m·) W o l f Beitr. 2,127. l u ) Ebd. 2, 126. 152) S a r t o r i 3, 63; Z f V k . 4, 319 (Ungarn); T e t z n e r Slawen 339 (Sorben). Vgl. R a d e r m a c h e r Beitr. 9 9 f . ; B i l f i n g e r Julfest 48; A R w . 19,

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63; 20, 89. 96. 377. 153) L e m k e Ostpr. 1, 7; T o p p e n Masuren 67; B a r t s c h 2, 231 (1199). 154 ) M e n s i n g 3, 796; MschlesVk. H. 13, 106. 155 ) H o f f m a n n - K r a y e r 118; B i l f i n g e r Jullse) fest 106. Z i n g e r l e Tirol 124; M e s s i k o m m e r i, 134; W i t z s c h e l Thüringen 2, 180 (71); K u h n u. S c h w a r t z 407 f. 157 ) W a s c h 158 ) n i t i u s Perht 71. W o l f Beitr. 2, 127. 15e ) T o p p e n Masuren 64. 1 M ) M e n s i n g 3, 796. l e l ) MschlesVk. H. 13, 106. lea) HoffmannK r a y e r 118.

! 8. Von Bedeutung ist die erste Be! g e g n u n g am N.stage 163 ). Ein Mann, ι namentlich ein junger oder ein Knabe, bringt Glück, ein weibliches Wesen, namentlich eine alte Frau, Unglück 164 ). Oder es kommt bloß auf jung und alt an 165 ). Wenn ein Weib dem Manne oder Jüngling zuerst das „guete neue Jahr" anwünscht, so gibts ein Unglücksjahr, im umgekehrten Falle ein Segensjahr 16e ). Glückbringend ist es, am N.smorgen einem bespannten Wagen zu begegnen 167 ), auch j von einem Manne um eine milde Gabe I angesprochen zu werden 168). Man kann auch aus dem Angang am N.smorgen das Geschlecht der künftig geworfenen Tiere im Viehstall erkennen 169). w s ) S a r t o r i Sitte 3, 64. 1 M ) Z i n g e r l e Tirol 124 (1128); R o s e g g e r Steiermark 184; H o f f m a n n - K r a y e r 118; Urquell 4, 199 (Paris); S a r t o r i 3, 64 A. 43. l e s ) B a u m g a r t e n Jahr 12 (Oberösterreich); S A V k . 15, 4; V e r n a l e k e n Alpensagen 343. 1 M ) SchwVk. 16, 33 (Thurgau). le7) le8 ) S c h r a m e k Böhmerwald 124. John Erzgeb. 184. 1β9 ) J o h n Westböhmen 210; T o p p e n Masuren 66; S a r t o r i 3, 64 A. 44.

9. Wichtig ist ferner das Essen und Trinken. Die Fülle der Speisen gilt als gute Vorbedeutung. Daß man am letzten Tage des Jahres Tische, mit Speisen und Getränken voll besetzt, die ganze Nacht hindurch stehen ließ, um damit auch Überfluß und Fruchtbarkeit für das kommende Jahr zu sichern, war schon im Altertum in Alexandria und Rom Brauch. In Frankreich und Deutschland, wohin er übertragen wurde, bildete sich dann die Meinung, daß es geisterhafte Wesen seien, denen die Bewirtung gelte und die dafür mit Segen und Fruchtbarkeit lohnten. Der Brauch ist in Deutschland auch auf Weihnachten und Dreikönige (s. oben 2, 456) übertragen worden 17°). Das römische N.s-

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Neujahr

gelage galt als Omen m ) . Im Erzgebirge bleiben Brot und Salz, ins Tischtuch eingewickelt, die Nacht hindurch auf dem Tische liegen, um Nahrungsmangel fernzuhalten 172 ). In Oldenburg und in Holstein heißt der N.sabend Dickbuuksabend und wird mit reichlichem Essen gefeiert 17s ). Wer „hochschmauset" hat das ganze Jahr vollauf 174 ). Im Wüstenlande heißt der Abend Stippabend; sämtliche Hausbewohner sitzen auf Stühlen um das Herdfeuer, jeder einen Teller mit Fettbrühe, Fleisch, Speck und Mettwurst auf dem Schöße, tunken Brot in die Brühe und essen sich tüchtig satt 1 7 5 ). Im Stadeschen hütete man sich am Silvesterabend zuerst vom Tisch aufzustehen; wer es tat, mußte im neuen Jahre sterben 178 ). Wer am N.stage beim Essen zuletzt fertig ist, der wird zu spät in den Himmel kommen 177 ). Bestimmte Speisen haben besondere Kraft. Fische 178 ), quellende Speisen, Weißkraut lassen das Geld nicht ausgehen 179 ). Süßigkeiten machen das ganze Jahr süß 180), wie schon Ovid weiß 181 ). Manche essen am N.stage nüchternen Magens in Branntwein getauchten und angezündeten Lebkuchen, was gut gegen Sodbrennen sein soll 182 ). Wer am N.stage Erbsensuppe ißt, bleibt fieberfrei183). Wer keine Erbsen ißt, kann sehr schlimm krank werden. Ihr Genuß verhütet Hautkrankheiten. Man soll sie kochen, selbst wenn niemand sie essen möchte 184 ). Im Saalfeldischen essen viele am letzten Tage im Jahre Knödel und Heringe, sonst schneidet ihnen Perchte den Bauch auf 185 ). In der Umgegend von Schmalkalden gilt als sicheres Mittel gegen Krankheiten das Essen einer Hagebutte in der Neujahrsnacht, ohne ein Wort zu reden 188 ). In Karlsbad-Duppau trinkt man am N.stage früh auf die Gesundheit, mittags auf die Stärke und abends auf die Schönheit, ißt Schweinefleisch auf „Sauglück" und Reis, um reich zu werden 187). Anderswo geht man am N.svormittag „aufs neue Blut", d. h. man trinkt zum Frühschoppen Bier oder Wein 188 ). Wer N.stag zu Bier geht, verjüngt sich und wird rot (im Saalfeldischen) 188 ), und wer (in Biel) in

IO36

der Silvesternacht, während es zwölf Uhr schlägt, zwölf große Bier trinkt, ist das ganze Jahr glücklich 190). Schon im alten Rom begann nach der N.smitternacht ein mächtiges Trinken für die Gesundheit 191 ). Von den Silvesterspeisen muß man sich etwas bis ins neue Jahr hinein aufheben, dann hat man das ganze Jahr vollauf zu essen 192). Zu N. wird gewaltig g e b a c k e n 1 9 3 ) , vielfach feines, weißes Brot in Form eines Ringes oder Kranzes als Symbol des Jahresringes; auch Tierfiguren sind häufig 194 ). Es wird so viel gebacken, daß bis Dreikönigen, ja bis zum 13. Januar kein Brot gekauft zu werden braucht 195 ). Es kommt ein ganzes Schwarzbrot und ein ganzes Weißbrot auf den Tisch 196 ). In Steißlingen im Hegau ißt der Hausvater am Silvesterabend mit den Seinen N.sbrot, Nüsse und Käse und trinkt mit ihnen zum erstenmal vom Neuen 197 ). In Ostpreußen macht man „Fieberbrötchen" zum gelegentlichen Verschlucken. Auch backt man allerlei Kuchenformen, läuft am N.smorgen aus dem Bette an den Herd und verschluckt einige Stücke „Neujahr" auf nüchternen Magen 19S). In Mecklenburg backt die Hausfrau ein „Liwbrot" (ein kleines, ovales Brot), einen „Hörnstöter" (dreieckig) und ein Nest mit kleinen Kugeln (Eiern). Diese Sachen werden am N.smorgen gebrockt und dem Vieh unter das erste Futter gemengt, und zwar das Nest dem Federvieh, Liwbrot und Hörnstöter den übrigen Haustieren 19e ). Auch in Ostpreußen kriegt das Vieh in der Silvesternacht kleine Brötchen zu fressen200), oder man macht aus dem N.steig „N.spuppen", trocknet sie sorgfältig und bewahrt sie das ganze Jahr auf, um sie später bei Viehkrankheiten, beim Kalben der Kühe, beim Lammen der Schafe usw. zu gebrauchen 201). Bei den Esten auf Oeland steht der „Christeber", ein Weihnachtsgebäck, bis zum Morgen des N.stages auf dem Tisch und wird dann unter das Vieh verteilt 202 ). Auch bei den Wenden backt man am Silvesterabend kleine Tiere aus Mehl, für jedes Stück Vieh eine Figur; die bekommt es zu fressen. Auch für die

Neujahr

1037

Kinder wird gebacken 203). In Oberfranken werden am N.sabend „N.shündlein" und andere Figuren gebacken. Von den Hündlein bewahrt man gewöhnlich einige auf, und kommt im Jahre Feuer im Hause aus, so werden sie hineingeworfen, um es zu löschen 204). In Ermland macht man aus Teig Figuren der Haustiere, dörrt sie am Herdfeuer und bewahrt sie unter einem Deckbalken in der Nähe des Herdes auf. Nach Ablauf eines Jahres werden sie durch neue ersetzt und verbrannt 205). Aus den Löchern des ersten Gebäckes nach N. zieht die Hausfrau Schlüsse auf das Schicksal der einzelnen Familienmitglieder 20e). 170

) G r i m m Myth. 3, 407; B i l f i n g e r Julfest

50 ff.

107ÎÏ.;

Radermacher

Beitr.

92 Α . 1 ;

A R w . 19, 122ff.; 20, 130f. 362. 363; B o u d r i o t Die

altgerman.

Religion

28. 52 f.

171

) A R w . 19,

65 f. So überhaupt: ebd. 122 f. 125; 20, 362; S a r t o r i Sitte 3, 66 f. m ) J o h n Erzgebirge 183. 173 ) S t r a c k e r j a n 2, 38; L ü p k e s Ostfriesische Volksk.

138; M e n s i n g

Schlesw.

Wbch.

3, 795.

) M e n s i n g 3, 795. m ) S t r a c k e r j a n 2, 38. 17β ) H o o p s Sassenart 28. 177 ) SchwVk. 10, 30 (Biel). 178 ) Oberdeutsche Zeitschr. f. Volksk. 2 (1928), 147 f. 1 , e ) S a r t o r i 3, 64 f. E i n gesottener Schweinsrüssel, am N.stage gegessen, hat die gleiche Wirkung: V e r n a l e k e n Alpen174

sagen 343.

) S a r t o r i 3, 65 A . 48.

18

181 )

Fast.

ι, 185ft.; F r a z e r O v i d 1, 113. 182 ) B a u m g a r t e n Jahr 12 (Oberösterreich). 183 ) M e y e r Baden 494. 184 ) L e m k e Ostpreußen 1, 273. 185 ) G r i m m Myth.

3, 452 (525).

186

Thüringen

) Witzschel

2, 179 (62). 187 ) J o h n Westböhmen 28. 188 ) E b d . 189 ) G r i m m Myth. 3, 452 (527). 1 , c ) SchwVk. 10, 30. 191 ) A R w . 19, 83. 192 ) E n g e l i e n u. L a h n 24I (59)· 183 ) M. H ö f 1er Neujahrsgebäcke ZföVk. 9 (i9°3). 1 8 5 s . ; A R w . 20, 375; W r e d e Rhein. Volkskunde*

238; D e r s .

Eifeler

Volksk,2

204;

S a r t o r i 3, 65 f.·; D e r s . Westfalen2 142. Über die Neujahrsbretzel: oben 1, 1568. 1 M ) B i l f i n g e r Julfest 57; S a r t o r i Westfalen2 142; R e i n s b e r g Festjahr 13; ZfVk. 41 (N. F. 3), 252 ff. 19S ) ZföVk. 9, 190; M e s s i k o m m e r ι, 134 f. 1 M ) M e n s i n g Wbch. 3, 795. 197) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 27; vgl. d e r s . Volkst.

2, 13.

198

) L e m k e Ostpr.

1, 2 f.

199

)

B a r t s c h 2, 241. 2 0 t ) T o p p e n Masuren 67; L e m k e Ostpr. 1, 3. 2 : 1 ) T o p p e n 67. 2 2) 203 F r a z e r 7, 302. ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum

132.

2 4

- ) Panzer

vgl. ZföVk. 9 (1903), 202 f.

Beitrag 206

)

2, 303f.;

Brunner

Ostdeutsche Volksk. 209. **) Schulenburg Wend. Volkstum 133. V g l . G r i m m Mythol. 3,

407 (Burchard v . Worms).

10. Mit L u s t und F r ö h l i c h k e i t muß das neue Jahr begonnen werden 207). Das G l ü c k w ü n s c h e n ist nicht bloße

IO38

Höflichkeit, sondern ein wirksamer Zauber. An manchen Orten ist es auf den Morgen oder Vormittag beschränkt 208). In Thingau stehen in der Silvesternacht etwas vor 12 Uhr die Kinder alle auf, wünschen Vater und Mutter das gut Neujahr und gehen dann wieder zu Bett 209). Einer sucht dem andern „das Neujahr abzugewinnen", d. h. der erste beim Glückwunsch zu sein, denn das sichert ihm ein Geschenk oder bringt Glück 210 ). Nur in einem Schaltjahr muß der Gewinnende das Neujahr geben 211 ). Man darf aber nicht übers Kreuz gratulieren, das bringt Unglück 212 ). Die erste Person, die einem Neujahr wünscht, darf keine alte Frau sein, sonst muß man sterben 213 ). Dagegen wird ein Knabe als gutes Vorzeichen angesehen 214). Übrigens wird die Frist des Glückwünschens von den alten Kölnern gewöhnlich bis Agnestag (21. Januar) ausgedehnt 21S ), auf einigen niederländischen Inseln sogar bis zum letzten Januar 216 ). Der Bauer wünscht auch seinem Vieh im Stall 2 1 7 ) und den Obstbäumen beim Hause Glück 218 ). Größere Scharen ziehen von Haus zu Haus, wünschen in einem „Ansingeliede" Glück und erwarten eine Gabe 219 ). Die Kinder gratulieren dem Gutsbesitzer, indem sie mehrere Arten von Körnern vor seine Füße streuen. Das soll bedeuten, daß auch im nächsten Jahre gutes Getreide wachsen möge 220). Überhaupt wünschen sie dem Bauern Segen in Haus und Stall, und daß Flachs und Korn gut geraten 221 ). Dem Glückwunsch entspricht das Ges c h e n k als gutes Omen. In Rom waren die strenae ursprünglich glückbringende Zweige 222), später ein Geldgeschenk 223). Seb. Brand sagt: W e m m a n nitt ettwas schencken dut Der meynt, das gantz jor werd nit gut

224

).

Das ganze MA. hindurch ist in Deutschland nur von Neujahrsgaben zwischen Erwachsenen die Rede. Von Gaben am Weihnachtsabend wird zum erstenmal bei Alsso um 1400 berichtet 225). Die Kinderbescherung findet in der Schweiz noch hier und da N. statt 22β ). Auf Amrum kommen die Hulkan ( = Holdchen), in

1039

Neujahr

Stroh gewickelt, am Silvesterabend und fragen die Kinder, ob sie auch beten können. Dann setzen diese eine Schüssel ans Fenster und erwarten am N.smorgen eine Bescherung 227). Namentlich werden Bretzel verschenkt. Die vom Burschen seinem Schatz verehrten dürfen am Kaiserstuhl und im Elsaß vor Dreikönigen nicht angeschnitten werden 228). In Oldenburg wirft der Bursche der Liebsten eine Wepelrute ins Haus 229). Auch das Band, das man um die Obstbäume wickelt (s. o. 6), gilt als Neujahrsgeschenk für diese 230).

IO4O

erhält man Auskunft 235 ). Man geht in der Silvesternacht auf einen Kreuzweg, um zu „horchen"236), oder man sieht durch das Schlüsselloch der Kirche 237 ) oder lauscht an dem mittelsten der drei Fenster eines Zimmers 238 ) oder unter einem Balken, dessen eines Ende nach Morgen gerichtet ist 239) ; oder man geht während des Tischgebetes vor die Tür und sieht sich über die Schulter, oder stellt an jede Ecke des Tisches eine Kaffeetasse, eine davon umgestülpt; hebt man diese um 12 Uhr auf, so sieht man einen Ring, einen Kranz oder einen Sarg 240). Besonders beliebt sind das Aufschlagen der Bibel oder des Gesangbuches aufs Geratewohl 241 ), Schuhwerfen 242) und Bleigießen 243). Man träufelt auch Talg oder Wachs ins Wasser 244) oder schlägt Eier in kochendes Wasser und prophezeit aus der Form des geronnenen Eiweißes245). Was man in der N.snacht träumt, geht in Erfüllung 246), namentlich wenn man einen geweihten Gegenstand unters Kopfkissen I legt (Bayern) 247). Liegen die Kühe um j 12 Uhr auf der rechten Seite, so hat man j Glück. Tragen die Pferde den Kopf I hoch, so kommen sie im neuen Jahre vor I einen Hochzeitswagen, stehen sie mit j dem Kopf unter der Krippe, vor einen J Leichenwagen 248).

207) S a r t o r i Sitte 3, 54. 208 ) R e i s e r Allgäu 2, 30. 2 M ) Ebd. 2, 33. 2 1 0 ) S a r t o r i 3, 5 5 ! ; R e i n s b e r g Festjahr 8 ff. 2 1 1 ) S a r t o r i Westfalen 140; S t r a c k e r j a n 2, 42. 2 1 2 ) SchwVk. io, 30. 2 1 3 ) J o h n Westböhmen 27. 2 " ) P o l l i n g e r Landshut 200; S A V k . 1 5 ( 1 9 1 1 ) , 4. 21S ) W r e d e Rhein. Volksk2 238. 21β ) Volkskunde 19, 249. 2 1 7 ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 103. 21 ») Ebd. 3, 375. S a r t o r i 3, 56. 57 f.; R a d e r m a c h e r Beitr. 1 1 0 A . 1 ; E r k - B ö h m e 3, 102 ff. Kinder mit dem Rummelpott: M e n s i n g Wbch. 3, 795. Kalendenbettel: B i l f i n g e r Julfest 49 f.; A R w . 19, 78. 1 1 2 . 22 °) K n o o p Posen 3 2 1 . 2 2 1 ) R e i s e r Allgäu 2, 30. 3 3 ; S t r a k k e r j a n 2, 40. 222 ) S A V k . 7 (1903), 3 1 ; W e i s e r Jul 30; A R w . 19, 61 f. 2 2 3 ) A R w . 19, 5 1 . 63. 64 f.; 20, 3 7 6 f.; B i l f i n g e r Julfest 42. 4 5 ; O v i d Fast, ι, i8gff. 2 2 4 ) Narrenschiff c. 65, 42. 226 ) W e i s e r Jul 29. 22β ) S A V k . 7, 1 2 7 (Basel); 24, 258 f. (Zürich); M e s s i k o m m e r 1, 58 f. (Zürich); B r o c k m a n n - J e r o s c h Volksleben 1, 227 28 (Sargans). ) J e n s e n Nordfries. Inseln 231 ) Aus Altertum und Mittelalter: R a d e Γ380. 228 ) Oben ι, 1568. 22») S t r a c k e r j a n 2, 49; i K u h n u. S c h w a r t z 406 f. 23 °) S a r t o r i West- Ι m â c h e r Beitr. iooff.; B i l f i n g e r Julfest 58 ff.; falen 2 7 ; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 1 3 3 ; ! A R w . 19, 1 0 1 . 1 1 6 ff.; 20, 303; Z f V k . 3 (1893), 372. Im übrigen: S a r t o r i Sitte 3, 7 1 f.; W u t t k e 65 (75). K n o o p Posen 320; Wüstefeld Eichsfeld Ii. Unübersehbar an Zahl und Mannig- 1 7 ff.; M e n s i n g Schlesw. Wbch. 3, 796 f.; 232 ) G r i m m Mythol. faltigkeit sind die Versuche, zu Neujahr W l i s l o c k i Zigeuner 1 4 3 f . 3, 407. Vgl. A R w . 19, 1 1 6 f . ; B o u d r i o t Alteinen B l i c k in die Z u k u n f t zu tun 231 ). german. Religion 32. 33. 78 f. 2 3 3 ) W i t z s c h e l Burchard v. Worms pag. 193 c sagt : Thür. 2, 1 7 6 (39). 234 ) Z f V k . 25 ( 1 9 1 5 ) , 240; observasti calendas j anuarias ritu Paga- F r i s c h b i e r Hexenspr. i6y; B a r t s c h 2, 236 (1226); Urquell 5, 2 5 3 (Pommern); M e n s i n g norum, ut . . . supra tectum domus tuae Hoops sederes ense tuo circumsignatus, ut ibi vi- з, 796; Z f V k . ι , 1 7 9 (Brandenburg); Sassenart 28; J o h n Erzgeb. 1 8 1 . as5 ) B a r t s c h deres et intelligeres, quid tibi in sequenti 2, 237 (1230). 2 M ) E i s e l Voigtland 60 ( 1 3 3 ) ; anno futurum esset, vel in bivio sedisti S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 1 3 2 ; E n g e l i e n supra taurinam cutem, ut et ibi futura и. L a h n 241 (55); ZfrwVk. 16 (1919), 46 (3). 07 ) M e n s i n g 3, 796. 238 ) W i t z s c h e l Thür. tibi intelligeres 232 ). So heißt es in Thü2, 1 7 6 (40). **·) M e i c h e Sagenbuch 234 (296). ringen: wer in der N.snacht zwischen " " ) M e n s i n g 3, 796. 2 4 1 ) H o f f m a n n - K r a y e r I i und 12 Uhr im Freien einen Kreis um 1 1 7 f.; M e s s i k o m m e r 1, 1 3 5 ; M e i e r Schwaben sich zieht, kann sein Schicksal fürs kom- 2, 468; K n o o p Posen 320; T o p p e n Masuren mende Jahr erfahren 233 ). Das Hausdach 64 f.; F r i s c h b i e r Hexenspr. 166; B a r t s c h 2, 234. 2 3 5 ; M e n s i n g 3, 796; Progr. v. Schäßburg wird auf verschiedene Weise benutzt M4 ). M2 1863, 1 9 (3). ) H e c k s c h e r Volksk. 3 5 9 ; Auch durch Gucken in den Schornstein Z f V k . 4, 162. 3 1 8 . H e c k s c h e r 358 f.;

Neujahr K n o o p Posen 3 2 1 ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 166; | F o n t a i n e Luxemb. 1 2 ; S A V k . 15, 2 ( E m m e n tal). D a s hierzu benutzte Wasser m u ß fließendes sein: W i t z s c h e l Thür. 2, 176 f. (43). A n hessischen Orten wird das Blei durch einen Reiserbesen in kaltes Wasser gegossen: HessBl. 27 (1928), 202. 244) F r i s c h b i e r 165 f . ; M a n z 2") Sargans 143. Z f V k . 20, 385 f. (Schlesw. Holst.); Witzschel Thür. 2, 177 (44). M e ) H e c k s c h e r Volksk. 347; G r i m m M y / W . 3, 452 (528: i m Saalfeldischen). 247 ) Z f V k . 8, 400. M8) M e n s i n g 3, 797.

12. Auch w i r t s c h a f t l i c h e Prophezeiungen gibt Silvester, über den künftigen Getreideertrag 249 ), ob das Korn teuer werde oder nicht 25°). Vor allem aber sind H o c h z e i t und Tod Gegenstände der Wißbegier 251 ). Die L i e b e s und E h e o r a k e l in der Silvesternacht sind die gleichen wie die in der Andreasnacht (s. d.) 252). Am N.stage ist die erste Begegnung maßgebend 253), auch das Fassen von Holzscheiten 254), das Essen vor oder hinter der Haustür 255). Ostpreußische Mädchen nehmen am N.stage etwas vom Essen, vom Frühstück, Mittag- und Abendbrot und tragen es an den Ofen und sehen dann am Abend im Finstern in der neunten Stunde nach, was daran ist, das ist der Bräutigam 256). Wenn ein junges Mädchen an Silvester beim zweiten Läuten andächtig betet, so bekommt es einen Mann 257). Wenn es am Abend das Tischtuch auf einem Kreuzwege ausschüttelt, so begegnet es dem, den es heiratet 258). Wenn es in der N.snacht wäscht, bringt der Zukünftige ihm die Seife 259). Auch T o d e s f a l l kann entweder aus ungewollten Vorzeichen oder aus absichtlichen Handlungen vorausgesehen werden. Bei Beginn eines neuen Jahres wird darauf geachtet, ob zuerst ein Mann oder ein Weib auf den Kirchhof getragen wird, ist jenes der Fall, so sterben in demselben Jahr mehr Männer, andernfalls mehr Frauen 260). Wenn im Hause am N.stage jemand stirbt, so sterben binnen Jahresfrist immer drei 261 ) oder viele Leute am Orte 262). Ein Begräbnis am N.stage läßt im kommenden Jahre zwölf Ehepaare auseinander sterben 2β3 ). Wenn in der N.snacht ein Tier im Hause erfriert, stirbt binnen eines Jahres ein

IO42

Familienmitglied 2M ). Das Vieh kann in der N.snacht reden 265) ; wer es aber hört, muß im nächsten Jahre sterben 26β). Desgleichen, wer sich am N.stage beim Gebet verspricht 2β7 ), und wer „herfallt" 268). Wer in der N.snacht eine Sternschnuppe sieht oder auf seinem Hausboden ein zufälliges Poltern hört, der wird in diesem Jahre sterben oder von einer schweren Krankheit heimgesucht werden 269). Man scheut sich an vielen Orten in der Silvesternacht aus dem Hause zu gehen, weil derjenige, der im kommenden Jahre sterben soll, einen goldenen Sarg am Himmel sieht270). Wer in der N.snacht zum Fenster hinaussieht und vor dem Hause gegenüber schwarz gekleidete Männer erblickt 271 ), wer am Silvesterabend seinen Schatten ohne Kopf 272 ) oder gar nicht sieht 273 ), stirbt. Man kann den, der sterben wird, in seine Gruft versinken sehen274), oder man erblickt ihn in der Kirche 275 ) oder auf einem Kreuzwege 27β ) oder unter einem Hausbalken, dessen eines Ende nach Morgen gerichtet ist 277 ). Man kann überhaupt in der Christ- und N.snacht alle Leute sehen, die im kommenden Jahre sterben werden 278). Am Silvesterabend wandern die Geister der im neuen Jahre Sterbenden Hand in Hand auf den Kirchhof, um sich ihre Begräbnisstätte anzusehen 279). Wer mit der Mulde, in der der N.steig geknetet ist, auf dem Kopfe die Dachleiter rückwärts hinaufsteigt und von oben in den Schornstein sieht, erblickt da alle, die im künftigen Jahre sterben werden 28°). Wer in der N.snacht um 12 Uhr im bloßen Hemde rücklings zu seinem Hause hinaus in den Hof geht, sieht über den Häusern des Ortes, in denen das Jahr über jemand sterben wird, einen Sarg 281 ). Man kann die Todgeweihten auch aus Fußstapfen in der Herdasche erkennen 282). In der Stube, in der man in der N.snacht einen Sarg sieht, wird im kommenden Jahre jemand sterben 283). Aus Weizenkörnern, die auf die Herdplatte gelegt sind, aus einem in ein Glas Wasser oder in Essig gegossenen Ei 284), aus der aus dem Hause geworfenen Asche 285 ), aus hingeschütte-

1043

Neujahr

tem Salz 286), aus den in eine mit Wasser gefüllte Schüssel geworfenen Münzen 287 ), aus dem Umfallen eines mit Sand gefüllten Fingerhutes 288) sieht man die Todesfälle voraus.

IO44

weht, wird auch im kommenden Jahre vorherrschen 289 ). Mit Hilfe einer Zwiebel kann die Regenmenge in den einzelnen Monaten des kommenden Jahres bestimmt werden 290). Wenn die Sonne am 24S ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 181 (72); N.stage auch nur so lange zum Vorschein M e n s i n g SchleswWbch. 3, 797; T o p p e n Makommt, daß sich ein Mann in der Zeit suren 66; Urquell 4, 143 (Wotjaken). - 50 j S é 251 gerade aufs Pferd schwingen kann, gerät b i l l o t Folk-Lore 3, 5 1 1 . ) Vieles bei W u t t k e der Flachs, sonst nicht 2 9 1 ). Schöner ig6ff. (264ff.). 230ff. (32SÎÏ.). 262 ) T o p p e n Masuren 64 f.; L e m k e Ostpreußen 1, 1 ff.; F r i s c h N.stag, fruchtbares Jahr 292). Ist die bier Hexenspr. 163 ff.; K n o o p Posen 320; N.snacht m i l d e und w i n d s t i l l , so ist J a h n Pommern 338. 354 f.; B a r t s c h 2, 238 ff.; das ganze Jahr gut und milde 293 ) ; ist H o o p s Sassenart 27; M e n s i n g 3, 797; H a l t r i c h Siebenbürgen Sachsen 283; Wuttke sie stürmisch, so gibts ein unruhiges Sachs. Volksk. 370; W i t z s c h e l Thür. 2, Jahr L94). Ist es zu N. windig, so gibt es 1 1 8 . 1 7 7 ff.; J o h n Westböhmen 28; B i r l i n g e r viel Obst 295 ). Kommt die T a g e s h e l l e Volkst. ι, 469; B o e d e r Ehsten 74; W l i s l o c k i während des N.smorgens schnell, so beZigeuner 129. 253 ) Z i n g e r l e Tirol 124 (1226); l ' o l l i n g e r Landshut 200. 254 ) E n g e l i e n u. deutet das ein gutes Jahr 296 ), auch herrL a h n 2 4 1 ; B a u m g a r t e n Jahr 12 (Oberschen dann „Geld, Lieb' und Fried" das österreich). 255 ) E n g e l i e n u. L a h n 2 4 1 ; Jahr über im Hause 297). Wenn es in der Mitt. Anhalt. Gesch. 14, 19; M e n s i n g 3, 797. iSa 257 N.snacht s c h n e i t , gibt es viele Bienen) Urquell 1, 106. ) D r e c h s l e r 1, 47. 258 ) E n g e l i e n u. L a h n 241. 259 ) M e n s i n g 3, schwärme 298). Ein gutes Immenjahr gibt 2eo 2 797. ) H ö h n Tod 326. " ) J o h n Erzgeb. es auch, wenn die Sonne am N.stage auf 116. 262 ) Ebd. 184. 263) Ebd. 128. 2e4 ) Ebd. den Altar scheint oder früher auf die 1 1 5 . 2e5 ) H e c k s c h e r Volkskunde 339 f. ; L e m k e Kanzel kommt als der Pastor 299). Wenn Ostpr. ι, 7; M e n s i n g 3, 796. 266 ) H a l t r i c h 267 Siebenbürg. Sachsen 284. ) W u t t k e 222 es am N.stage heiter und Frost ist, so (315: Erzgebirge). 26e ) B a u m g a r t e n Jahr 12. glaubt man, daß die Menschen im neuen 269 ) B o e d e r Ehsten 73. Wenn man in der Jahre gesund sein werden; ist aber N.snacht das Sägen, Hobeln und Schmieden warmes Nebelwetter, so werden Krankder Zwerge hört, so kündigt das Tod an: E i s e n - E r k e s Estnische Mythol. 83. 270 ) H a l t - 1 heiten folgen 300). „Wie N. knittern die r i c h Siebenb. Sachsen 282 f. 2 7 1 ) W i t z s c h e l Fuhrmannwagen, so im Sommer die Thür. 2, 180 (65). 2 7 2 ) B a r t s c h 2, 237 (1229); Kornwagen" (es muß also Schnee lieK u h n u. S c h w a r t z 408; T o p p e n Masuren gen) 301 ). Ist der Himmel in der N.snacht 63; W i t z s c h e l Thür. 2, 176 (41: oder mit zwei Köpfen). 2 7 3 ) S p i e ß Frank. Henneb. 153. heiter, so legen die Hühner viele Eier 302 ). 274 ) M ü l l e n h o f f Sagen 50. 276 ) Z f V k . 19, 439 Starkes M o r g e n r o t an N. deutet auf (Mansfelder Seekreis); D r e c h s l e r 1, 45; Krieg, Krankheit und Feuersbrunst 303 ), S t r a c k e r j a n 2, 9 (265); H o f f m a n n - K r a y e r auf viele Gewitter 304 ), auf ein für die 1 1 8 . 27S ) J o h n Erzgeb. 1 1 8 . 2 " ) M e i c h e 278 Sagen 234 f. ) Jahn Pommern 392. Wöchnerinnen schweres Jahr 305 ). Heller 27 ·) B a r t s c h 2, 2 3 8 (1233). 2eo) T o p p e n I M o n d s c h e i n in der N.snacht berechtigt Masuren 67. ω ι ) W i t z s c h e l 2, i8o (64). 282 zur Hoffnung auf eine volle, dunkle ) B o e d e r Ehsten 73. 283 ) Rogasener FaScheuer 306). Auch T o d e s f a l l zeigt die milienblatt 3 (1899), 88. 2 M ) Progr. v. Schäß285 burg 1863, 20 (wo noch mehr). ) Mensing Witterung an. Wenn über dem Hause 3, 794. 286 ) B a r t s c h 2, 2 3 7 ; W i t z s c h e l bei hellem N.shimmel eine dunkle Wolke 2S7 2, 176 (42). ) S t r a c k e r j a n i, 104; T o p p e n steht, so stirbt binnen eines Jahres ein Masuren 65. In Frankreich wirft man BrotFamilienmitglied 307 ). Wenn in der N.sstücke in Quellen: S é b i l l o t Folk-Lore 2, 243. 28e ) K n o o p Hinterpommern 178. nacht der Wind geht, so bedeutet es 308 am 13. Endlich ist auch das W e t t e r am einen Sterbefall ). Starker Wind 309 N.stage bringt viele Krankheiten ), und N.stage nicht nur für das Wetter der 310 Folgezeit und damit für die künftige Wind in der N.snacht bedeutet Pest ). Ernte, sondern auch für andere EreigVon Wichtigkeit für das Wetter (wie nisse vorbedeutend und bestimmend. Wie auch für andere Ereignisse des kommenden es an N. ist, so wird es auch im kommenJahres) ist auch der W o c h e n t a g , auf den Jahre sein. Der Wind, der am N.stage den N. fällt 3 1 1 ).

Neujahrs- und Dreikönigsgebäcke

1045

289 ) H o f f m a n n - K r a y e r 117. 3, 72 A. 79; vgl. 40 A. 83.

Masuren 6 7 ; v g l . K u h n

Mark.

29°)

291 )

IO46

S a r t o r i ! jede Person im Hause auch für das Vieh Toppen 12

Sag. 3 7 7

gebacken ). Über das Appenzeller Filebrot (Milchbrot mit Brotzopf) siehe die Phantasien von Rochholz 13 ).

(2).

Ähnliche Redensart (,,betn Peerd sadeln kann") in gleichem Zusammenhange: K i i c k Wetterglaube i. d. Lüneburger Heide 54. 2 9 2 ) Z i n g e r l e Tirol 124 ( 1 1 2 9 ) ; v g l . Drechsler 1, 48.

SchwVk. 10, 30. SAVk. 2, 222. i T o p p e n Masuren 67. Aber in Thüringen ι heißt es: Wenn es in der N.snacht stürmt, I schlägt der Wind im August das Obst von I den Bäumen: W i t z s c h e l 2, 181 (74). 296 ) Hoffmann-Krayer 117; Pollinger

Viel Material und wichtige Abbildungen in der Monographie von H ö f l e r in ZföVk. 1903, 185—205; die Deutungen und besonders die Zurückführung auf alte Seelen- und Totenopfer sind jedoch mit größter Vorsicht zu prüfen, ebenso die Etymologien; dazu Globus 55, i88ff. 2) H ö f l e r in ZfVk. 1904, 257—78. 3 ) ARw. 20, 83ff. 375. 379ff. 4 ) Beiträge i o f f .

Landshut

5)

293 )

291 )

295 )

230.

297)

Schramek

Böhmerwald

!

125. 298) T o p p e n Masuren 67. 299 ) K ü c k I Wetterglaube 54. 30°) ZföVk. 4, 215. 301 ) W i t z s c h e l 2, 175 (17). 302 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 283. Aber der Flachs gedeiht nicht, wenn es trocken und kalt ist: W i t z s c h e l 2, 181 (74). 3°3) J o h n Erzgeb. 251; M e y e r Baden 493 f.; M a n z Sargans 123; S A V k . 2, 221;

Hoffmann-Krayer 117; H a l t r i c h 284. B a r t s c h 2, 242. 305) M a n z Sargans 123. 3°«) H a l t r i c h 283. 3°') J o h n Erzgeb. 115. 308 ) G r i m m Mythol. 3, 468 (910: Bayern); 304 )

vgl.

Mannhardt

Germ. Mythen

270

A.

1.

A R w . 19, 5 o f f . 6 1 . i n .

B a r t s c h 2, 242. 31°) G r i m m Mythol. 3, j 445 (33° : Chemnitzer Rockenphilosophie); I H a l t r i c h 284 (am N.stage). 3 1 1 ) R e i n s b e r g ¡ Böhmen 8; A R w . 19, 69. 120; B i l f i n g e r ; Julfest 59 f. Sartori. I jahrsgebäcke 190. 30°)

e)

Die altgermanische

Religion (1926), 73if. 7 ) Glotta 2, 228; Lydus de mensibus (Wünsch) 69, 7. 8 ) ARw. 20, 96 ff. 360 ff. 375. 9 ) MG. sript. rer. Merov. з, 479 A. 6 (vgl. S c h m i t z Bußbücher 2, 423 c. 62. 443 c. 153; dazu A u x e r r e in MG leg. Sectio 3, ι , 180, 2; H e f e l e Conz.-Gesch. 3, 38): Sunt enim qui kal. Jan. auguria observant . . .; diabólicas etiam strenas et ab aliis accipiunt et ipsi aliis tradunt; aliqui etiam rustici ménsulas in ista nocte . . . componentes tota nocte sic compositas esse volunt credentes quod hoc illis kal. Jan. praestare possint, ut per totum annum convivía illorum in tali abundantia perseverent. 10 ) S c h m i t z I.e. i, 3 i i f f . n ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 158. 12) L e m k e Ostpreußen 3, 65; vgl. T ö p p e η 67; H ö f l e r N e w 13)

Glaube 2, 268 ff.

2. Schon das Neujahrsbrot ist eine Neujahrs-1) und Dreikönigsgebäcke 2). gemeinsam von der ganzen Familie geι. Wichtig als allgemeine Basis sind nossene F e s t speise, oft glückbringend (Anfangszauber) und heilsam : In Steißlindie r ö m i s c h e n K a i e n d e n g e b r ä u c h e und ihr Einfluß auf die Germanen, da- ! gen im Hegau wird am ersten Neujahrsrüber Schneider3), Radermacher4), Nils- и. Dreikönigsabend gepäterlet ; der Hausson5) und Boudriot 6 ). An Neujahr sandte vater ißt mit den Seinigen Neujahrsbrot man sich Gebäck 7 ) (πόπανα) unter den und trinkt mit ihnen das erste Mal nach strenae 8). Der locus classicus für diese dem Herbste vom Neuen 14 ). Franz Wessel strenae und die Neujahrsgebräuche über- berichtet in seiner Schilderung des kathohaupt ist die berühmte Stelle des Caesa- lischen Gottesdienstes vor der Einführung rius von Arles 9), der in Spanien gewisserder Reformation in Stralsund vom Neumaßen die Vermittlungsstelle bildet für jahrsbrot: Dadt nyejar dat se backeden, die bei Martin von Bracara, Pirmin und dadt wart thom dele vorwaret beth de in den Bußbüchern 10 ) sich findenden meyer meyen wolden, so ethen se dar van ; Gebräuche (vgl. meinen Artikel über den meneden se konden sick denne nen vordrot Kaiendenaberglauben im Philologus 1930, dhon 1 5 ). In Nassau sagt man, wer von 222ff. und die Artikel Haruspicium, Ge- dem am Stephanstag gebackenen Brot bildbrote, Speise u. Speiseopfer). Nach etwas genieße, dem tue beim Fruchtdem Papistenbuch : darnach am achtenTag schneiden der Rücken nicht weh 1 6 ). In nach der Geburt Christi ist der Papisten Pommern muß man am Abend vor NeuNeujahr, das winschen sy einander, schi- jahr auf dem Herde backen 17 ). Auf Rügen ken einander Geschenk ; . . In diesen acht muß man an Neujahr backen, sonst muß Tagen fordert man kein Schuldt und becht man das ganze Jahr den Puk füttern; ein besonder b r o t u ) . In Ostpreußen als eine arme Frau nur drei Aschenwerden in der Neujahrsnacht winzige kuchen backen konnte, verwandelten sich Brötchen (3 cm lang) aus Roggenmehl für diese in Weißbrot " ) . Ausgesprochen heil-

1047

Neujahrs- und Dreikönigsgebäcke

sam sind die Heiligenbrote nach Neujahr, über die Höfler das Material zusammenstellte 19) : so das Erhardsbrot und das Hilariusbrot (vgl. die Artikel über die einzelnen Heiligen). Allgemein bekannt ist das A n t o n i u s b r o t , besonders heilkräftig für Schweine, ein Hauptkultort ist der Wallfahrtsort Drei-Ähren in den Vogesen Nach Martens hängt man in Neapel den Pferden und anderen Tieren Kränze von gebackenen Ringen um den Hals, Ciambelle genannt, ferner von Kastanien und Haselnußkernen und führt sie dreimal um die Kirche 21 ). In Norddeutschland nannte man das Antoniusbrot Schönroggenbrot : Ock hebbe ick van ein boswichte predigen ghört, so idt möglich were, dadt men einen schönroggen in disent stücke snede so mennich stücke also man den Tonnines swinen gaf, so mennich aflates kregh men oth der Tonniges sögn M ). In Rahmsdorf bei Borken in Westfalen wird auf Antoniustag das Brot gesegnet: das schimmelt nicht, wenn man es aufbewahrt, ist auch gut auf das Flachsfeld zu legen 23 ). Nach dem carnifex exarmatus id est Apotheca ecclesiastica Wiblingensis ist das an den Festen „St. Blasii und St. Agathae geweychte Brod gut vor die Aeckher, auf welchen die Früchten-Gewächs wegen dem Ungezifer Schaden leyden" 24). 14 ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 27. 15) J a h n 1β Opfergebräuche 281. ) K e h r e i n Nassau 2, 18 116. ") BlpommVk. 10, 74. ) Haas 19 Rügensche Sagen 93 Nr. 163. ) Janus 7; vgl. H ö f l e r Fastnacht 8 fi.; S a r t o r i Sitte 20 und Brauch 3, 66. ) H ö f l e r 1. c. 10. 21 ) Kloster 7, 99. 999 fi.; M a r t e n s Italien 2, 570; R o c h h o l z Naturmythen 23; vgl. Brot A. 238—40; L i e b r e c h t Gervasius 56 A. 22 ) S c h i l l e r - L ü b b e n Mnd. Wb. 4 (1872), 576. S3 ) K u h n Westfalen 2, h i Nr. 332. 24 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 421.

3. Uber die N. und Gebildbrote im allgemeinen Höfler 25 ). Simon Grunau (Dominikanermönch aus Tolsemit) berichtet in seiner preußischen Chronik über das N e w j a r - b a c k e n zum Jahr 1397: In disem quam es auf, und in eim iglichen Hause am abende circumcisionis domini man machte von Teige bilde und sonnst was man kunnte und im morgen man schickte es denne zu den nachber zum

IO48

zeichen der freuntschaft 2β ). J. G. Bock teilt aus der Chronik des Lukas David mit: Wenn das Neujahr vorhanden war, backten sie vom Teige, den sie am Neujahrstage zugerichtet, Thierlein als Hirsche, Rehe, Hasen auch Menschen; dieselben wurden in die Kacheln der Ofen gelegt, das sie drinnen hart wurden; die schickte ein gut Freund dem andern am Neujahrstage 27). In einigen Orten Ostfrieslands, so in Nordmohr, backt man zu Neujahr dünne Kuchen in einer Eisenform gepreßt, auf welcher Pferde und andere Tiere abgebildet sind 28 ). In Markgrafpieske, wie überhaupt im Wendischen bei Köpenik und Fürstenwalde backt man „Pereken", Pferde, Hunde, Hasen, Schweine aus Mehl und Sirup29). Die N. benutzt man zum G l ü c k g r e i f e n : Im ostpreußischen Oberland und in Ermland macht man Figuren aus Teig, die man aus einer Schüssel mit verbundenen Augen holt, um aus der Figur auf die Zukunft zu schließen 30 ). Im Kreise Neidenburg werden neun Teigfiguren (Abb. bei Höfler) 31) unter verdeckten Tellern dreimal herausgegriffen ; das dreimal gleich gezogene Stück (Mann, Weib, Wickelkind, Wiege, Schlüssel, Leiter, Ring, Stein, Totenkopf usw.) gibt dann die Zukunft an; ebenso auguriert man aus neun Figuren für die Tiere 32) (Abb. bei Höfler) 33). In Litauen werden ganz gleich am Neujahrabend neun Dinge: Geld, Wiege, Brot, Ring, Totenkopf, alter Mann, alte Frau, Leiter, Schlüssel aus Teig gebacken, unter neun einzelne Teller gelegt, und jeder greift dreimal darnach; was er bekommt, wird ihm das Jahr über zuteil werden 34 ). In Stendal und Rauen bei Fürstenwalde muß man neunerlei Gerichte essen, darunter Mohnstritzel 35 ). **) 1. c. 193 ff. ; vgl. J o h n Westböhmen 23. ·) S i m o n G r u n a u s Preußische Chronik hrsg. von M. P e r l b a c h 1 (L. 1875), 694. 27) H e c k s c h e r 396; F r i s c h b i e r PreußWb. 1, 238; M o g k Die deutschen Sitten und Gebräuche (1921), 57. **) K u h n - S c h w a r t z 406 Nr. 139; vgl. S a r t o r i 3, 65. 2») 1. c. Nr. 140; vgl. H o f f m a n n - K r a y e r 115. 3C) B r u n n e r Ostpreußische 31 Vk. 208. ) Neujahrsgebäcke Fig. 34; vgl. OberdZfVk. 1932, 166. 32 ) I.e. 203. » ) I.e. 35· M ) G r i m m Mythol. 3, 492, 3. K u h n - S c h w a r t z 408 Nr. 145. 2

1049

Neujahrs- und Dreikönigsgebäcke

4. S o n s t i g e A u g u r i a (vgl. Kuchen § 22) : Im Erzgebirge steckt man am Silversterabend ein Messer tief in ein frisches Brot, und je nachdem das Messer nach einiger Zeit naß oder trocken ist, prophezeit man ein nasses oder trockenes Jahr 3 6 ). Nach dem St. Florianer Codex trug man am Dreikönigabend einen Laib Brot und einen Käs um das Haus und „peissent darab. Als manig pissen man tan hat, so vil schober wernt im auf dem feld" 37 ). „So ein person jemand lieb hatte und der anderswo was, so nam die person ein teig und machte ein küechlein und legte es in die kachel, gieng es hoch auf, so war es ein zeichen und er frolich war und es im wol gieng, gieng es aber nit auf, so gelaubten sie, und es stunde nit wol umb in oder were tott" 38). Nach der Rockenphilosophie: Beim ersten Gebäck nach Neujahr mache man so viel kleine Kuchen, als Leute im Haus, gebe jedem einen Namen und drücke mit dem Finger ein Loch ein. Wer nun sterben soll, dessen Loch backt sich aus, die andern bleiben 39 ). Anhorn in seiner Magiologia: Andere backen an dem Abend für dem neuen Jahr kleine Brötchen, benennen ein jedes mit einem Namen der in dem Hause befindlichen Personen und halten dafür, welches Brotlein in dem Backen aufreiße, werde die Person, deren Namen dasselbe getragen, selbiges Jahr sterben oder wenigst eine gefährliche Krankheit ausstehen40). Wenn bei den Wenden die Hausfrau im neuen Jahr zum ersten Male backt, macht sie in das schönste Brot soviel Löcher als Seelen zur Familie gehören und schüttet in jedes Loch ein paar Salzkörner ; wessen Loch nach dem Backen schwarz ist, der stirbt zuerst. Ist es aufgesprungen, so wird er krank, ist es sehr breit, so wandert er aus 4 1 ). Mit einer Multer, in der Teig für das Neujahrsbrot geknetet wurde, steigt man rücklings auf einer Leiter auf das Dach; dann sieht man durch den Schornstein hinab alle die, welche im kommenden Jahr sterben werden11*). Daß diese Neujahrsorakel alt sind, beweist eine dem Grunauschen Beleg ganz ähnliche Stelle des Korrektor Burchardi,

IO5O

wohl einer der wenigen in den Bußbüchern erwähnten echt germanischen Bräuche 42 ) (zitiert im Artikel backen A. 248) ; wir finden hier schon die Version, daß das Brot mit dem Namen des Orakelnden in Verbindung gebracht wurde. Auch mit der Behauptung, das Burchardsche Brotorakel sei germanisch, möchte ich zurückhalten ; die Synode von Auxerre verbietet 43) : non licet ad sortílegos vel ad auguria respicere nec ad caragios nec ad sortes, quas sanctorum vocant, vel quas de ligno aut de pane faciunt, aspicere; der Text der Synode· von Auxerre zeigt große Abhängigkeit von Caesarius von Arles (vgl. Artikel Haruspicium und Speiseopfer und meinen Aufsatz über die vetulae 44)). 3e ) J a h n 1. c. 280; W . 329. 3 7 ) G r i m m Mythol. 3, 4 1 8 Nr. 33. 3S ) S i m o n G r u n a u 1. c. 39 ) G r i m m 1. c. 3, 443 Nr. 264; Kloster 12, 484; H ö f l e r Neujahr 198 ff. 40 ) A n h o r n Magiologia 136. 4 1 ) S c h u l e n b u r g Wendisches Volkstum 1 3 3 . " a ) ZföVk. 9, 192ft. 4 2 ) S c h m i t z I.e. 2, 423 c. 62; W a s s e r s c h i e b e n 6 6 3 0 . cap. 5 3 a ; R a d e r m a c h e r I . e . 104; J a h n I.e. 280; H ö f l e r Ostern 3 1 ; ZföVk. 1905, 2 3 5 ; 43 B o u d r i o t 34, 40. ) H e f e l e Conz.-Gesch. 3, 39, 4; MG. leg. sectio 3, 1, 180, 2. " ) Philologus 1930, 222 ff.

5. Heil- und glückbringende Kraft des Gebäckes : Im Kreise Alienstein backt man aus Roggenteig lange Kornähren, die am Neujahrstag verzehrt werden; je größer das Gebäck, um so größer wird das Korn geraten 45 ). In der oben zitierten Stelle des Caesarius von Arles wurde betont, daß die abundantia der Weihnachtsspeisen für das Jahr vorbedeutend sind. In Pommern backte man kleine Kuchen. Durch Eindrücke, die man in zwei Reihen mit einem Schlüsselbart macht, werden sie verziert ; jedes Familienmitglied und jedes Stück Vieh im Stall bekommt ein Stück; diese Neujahrskuchen schützten gegen böse Geister und Hexen 4e). Früher haben die Bauern in Mecklenburg ein kleines Brot im Kachelofen gebacken; jedes Stück Vieh bekam ein Stück; auf diesen „Neujährchen" ruhte der Segen 47 ). Noch jetzt macht die Hausfrau dort zu Neujahr, wenn gebacken wird, ein Liwbrot, einen dreieckigen Hörnstöter und ein Nest mit

Neujahrs- und Dreikönigsgebäcke

I05I

kleinen E i e r n ; diese G e b ä c k e w e r d e n a m Neujahrsmorgen gebrockt und dem Vieh unter das F u t t e r gemengt, das Nest d e m F e d e r v i e h , d a s andere d e m ü b r i g e n Vieh48). A u s d e n T e i g r e s t e n der N e u j a h r s b a c h e t m a c h t m a n ein B r o t u n d gibt das a m Neujahrsmorgen dem Vieh z u f r e s s e n ; darauf r u h t S e g e n 4 9 ) . W e n n m a n beim Kirchgang a m Neujahrstag B r o t in die T a s c h e s t e c k t u n d es b e i der H e i m k e h r d e m V i e h z u fressen g i b t , so h a t es in d e m J a h r e „ g a u d e n D e g " D a s ostpreußische Stangengebäck bew a h r t jeden, der es i ß t , w e n n es in u n g e r a d e r Z a h l a n g e f e r t i g t ist, v o r F i e b e r 5 1 ) (vgl. H o w ö l f l e , H a u s w o l f ) . 45 ) B r u n n n e r 1. c. 208; ZfEthnologie 1899, 4e 654. ) BlpommVk. 10, 74. 47) B a r t s c h

Mecklenburg Nr. 1253 b.

2,

241

1253 a.

48

)

1.

c.

) 1. c. 1253 c. 50 ) 1. c. 1254. H ö f 1er Neujahr 192; vgl. Oberd. ZfVk.

")

49

1932, 163fr. (Teigaffen).

6. O p f e r . M a r t i n v o n B r a c a r a 5 2 ) : p a n e m in f o n t e m m i t t e r e (an N e u j a h r ) q u i d est aliud nisi c u l t u r a d i a b o l i (die g a n z e Stelle i m A r t i k e l B r o t A . 268). P i r m i n g a n z a u f f a l l e n d gleich (offenbar gemeinsame Quelle: Caesarius): panem in f o n t e m m i t t e r e . . . q u i d aliud nisi c u l t u r a d i a b u l i est 63 ) ? Poenitentiale ecclesiarum Germaniae : Venisti ad . . . f o n t e s . . . v e l a d arbores v e l a d b i v i a et ... panem aut aliquam oblatio n e m illuc detulisti53a). Homilía sancti A u g u s t i n i de sacrilegia : Q u i c u n q u e in C a l e n d a s J a n u a r i a s m e n s a s p a n i b u s et aliis cibis o r n a t . . . 5 4 ) . Capitula cum italicis episcopis d e l i b e r a t a : V e r b o t e n ist d a s m e n s a s p r a e p a r a r e a n d e n K a i e n d e n . . . nisi v o l u e r i n t a d ecclesiam p a n e m offerre, simpliciter o f f e r a n t , c u m a l i q u a d e ipsa i m p i a c o m m i x t i o n e 5 5 ) . A u f R ü g e n b e k o m m t der P u k a n N e u j a h r K u c h e n 5 e ). I m S c i l a g y e r C o m i t a t legte m a n in der N e u j a h r s n a c h t einen K u c h e n u n d eine H a n d v o l l H e u auf d e n T i s c h , d a m i t i m J a h r T i e r u n d Mensch gedeihe 57 ). I n K ä r n t e n stellte m a n N u d e l n f ü r die P e r c h t a u f 5 8 ) . 52

) c. 16—p. 30 C a s p a r i ; vgl. Brot A. 268.

M)

63i ) Anecdota ed. C a s p a r i c. 22 p. 172. S c h m i t z Bußbücher 2, 424, 66. M ) A R w .

20, 110.

t5

) MG. leg. 2, 202 Z. 21; ZfVk. 14,

IO52

I 262 ff. 56) H a a s Rügen Nr. 43. ") ZfVk. 4, I 316. 58) S i m r o c k Mythol. 549; H ö f l e r Neujahr

201.



7. N . a l s Fruchtbarkeitssymbol: I n O s t p r e u ß e n b i n d e t m a n d a s N . , das m a n a m N e u j a h r s m o r g e n heiß genießt, i m K r e i s e A l l e n s t e i n in das Stroh, mit I d e m m a n die O b s t b ä u m e u m w i c k e l t , u m sie f r u c h t b a r z u m a c h e n 5 9 ) . 5 °) H ö f ler 1. c. 201.

! \ i j I i !

8. S p e n d e n : I n K i r c h h e i m i m R i e s g e h e n a n N e u j a h r die a r m e n Leute h e r u m u n d b e t t e l n eine A r t K i p f b r o t 6 0 ) . I n der R ö h n g e h e n die K i n d e r u m h e r u n d heischen B r o t u n t e r Herleiern eines Sprüchleins 6 1 ). Beim Dreikönigsumzug m u ß t e n in der S c h w e i z H a u p t m a n n u n d Leutnant Kuchen stiftenβ2). In Vaihingen b e k o m m e n alle E i n w o h n e r a n D r e i k ö n i g K r e u z e r w e c k e n 63 ). ·») B i r l i n g e r Volkstüml. 2, 13, 26. β1) H ö f ler 1. c. 191. e2 ) Schweizld. 3, 133. e3 ) B i r linger

Volksth. 2, 16 ff. Nr. 35.

9. G e b ä c k a r t e n : Die 12 T a g e v o n W e i h n a c h t e n bis D r e i k ö n i g heißen in W e s t f a l e n bei B o c h o l t die K o k e d a g e ; d a s J a n u a r b i l d a n der Münsterschen D o m u h r (16. Jh.) stellt die Szene dar, wie m a n N e u j a h r s k u c h e n b a c k t e 6 4 ). A m N e u j a h r s m o r g e n w ü n s c h t m a n sich im B e r g i s c h e n d a s N e u j a h r , d a f ü r g i b t es kleine K u c h e n 6 5 ) , vgl. den Petersk u c h e n 66 ). I n L ü b b e n o w in der U c k e r mark backt man a m Neujahrsabend Pelz, einen P f a n n k u c h e n ; dieses G e b ä c k erh a l t e n a u c h die A r b e i t e r bei der E r n t e 6 7 ) . I n der S c h w e i z g i b t es den v i e r e c k i g e n A c h e r k u c h e n 68) ; a m S t e p h a n s t a g laden in S c h w a b e n die E l t e r n die e r w a c h s e n e n Kinder zum Kuchenmahl ein69). In B r e m e n ist h e u t e der J a h r k u c h e n n o c h ü b l i c h 70 ), a u c h in O l d e n b u r g k e n n t m a n besondere K u c h e n 7 1 ) ; in B a d e n spielt m a n K u c h e n a u s 72 ) ; bei den A b c h a s e n finden w i r ein zeremonielles K u c h e n e s s e n a m N e u j a h r s a b e n d 7 S ). A n G e b i l d b r o t e n haben wir Z o p f g e b ä c k e 7 4 ) , Brezeln75), als L i e b e s p f a n d in B a d e n b e l i e b t 7 e ) , v o n d e n M ä n n e r n i m W i r t s h a u s ausgespielt 7 7 ) u n d a n die K i n d e r v e r t e i l t 7 8 ) , die Kringeln werden ausgelost79). Ein t y p i s c h e s G e b ä c k sind die D a m p e d e i e r oder D e i e r ®°) (vgl. G e b i l d b r o t e ) und

1053

Neujahrs- und Dreikönigsgebäcke 80a

IO54

96

die Kranzgebäcke ). Beliebt ist der Wecken 81 ), besonders der Helswecken im Alemannischen82), daneben Bubenschenkel in Westfalen 83 ), auch Lebkuchen 84), Schneckengebäcke85) und Marzipangebäcke 86). Zu den oben erwähnten Tierformen vgl. die Wo-wölfle in Baden 87 ), den Hauswolf im Steigerwald 88 ), das Neujahrshündlein im Bambergischen89), die Hündchen in Zapfendorf90), die Gebäckarten in der Schweiz90"). Über Westböhmen siehe John 91 ).

ein ). In Kärnten werden am Vorabend vor Dreikönig Brot und gefüllte Nudeln auf den Küchentisch ausgesetzt ; wenn die Percht kommt und ißt, so gibt es ein gutes Jahr 97) ; in Vordernberg (Steiermark) setzt man Milch und Brot, von dem man vorher gegessen hat, in das Vorhaus für die Berschtl und verschließt alle innern Türen 98). In der Gömnachten, der letzten Rauchnacht (Abend vor Dreikönig), opfert man in Tirol der Percht schmalzige Nocken " ) . Vor allem bekommt die Percht Krapfen vorgesetzt 10°) (siehe Krapfen). In Oberbayern ißt man fette Kuchen, damit man sich den Bauch schmieren kann und der Frau Bercht das Messer vom Bauch abgleitet 101 ). Früher wurden in Achental Nudeln auf das Hausdach gelegt 102 ). In Altbayern ließ man ein Küchlein auf dem Tisch stehen 103 ). Nach Baumgarten steckte man, wenn es finster geworden ist, ein Störibrot auf einen Baum, ein anderes wirft man in die Hauslache 104) ; man vergräbt auch ein Brötchen in die Erde 105). Um Fruchtbarkeit zu übertragen, füllt man im Traunviertel den Mund mit Krapfen und küßt die Bäume mit den Worten: Baum, Baum ich küsse dich, werde voll wie mein Mund 10e ).

bäcke aus Oschekau Ostpr.), ebenso auf den Nürnberger Lebkuchen bis zum Marzipangebäck (siehe Marzipan), das die drei Jungfrauen Margaretha, Barbara und Katherina darstellt 94 ) ; auch die Sterngebäcke nehmen auf die heiligen drei Könige Bezug 95) (vgl. Mutschein).

12. H e i l s a m e K r a f t des Geb ä c k e s : Nach Baumgarten bekam das Vieh in Oberösterreich die an Weihnachten gebackenen kleinen Laibchen, den Viehstöri 107 ). Am Abend des 12. Tages nach Weihnachten werden in Gloucestershire und Herefordshire auf einem Winterweizenfeld zwölf kleine Feuer angezündet, um die man tanzt. Nach Hause zurückgekehrt, trinkt man allen Pflugochsen zu und spießt dem Hauptochsen einen Kuchen auf das Horn 108 ). In Muggensturm bei Rastatt wird Salz

84 ) J o s t e s Westfälisches Trachtenbuch 1904, 67; S a r t o r i Westfalen 1 4 1 . 65) ZrwVk. 16, 47; ββ vgl. ι, 210 ff. ) 1. c. 3, 161 ff., vgl. 50 ff. e7 ) K u h n - S c h w a r t z 406 Nr. 1 4 1 . ββ) SchweizId. 3, 134; über Schweizer Neujahrsgebäck vgl. SAVk. 1907, 256; 1905, 45. e9 ) F i s c h e r Wb. 4, 8 1 3 ; vgl. Schweizld. 4, 159. , 0 ) H ö f l e r Neujahr 198. 71) S t r a c k e r j a n 1, 2 2 5 . 7 2 ) M e y e r Baden 71. 201. 492 ff.; vgl. S a r t o r i 1. c. 3, 54. 73 ) Globus 66, 75; S a r t o r i 1. c. 3, 66 A. 52. j 71 ) H ö f l e r 1. c. 194 ff.; J o h n Erzgebirge 148; ZfVk. 14, 265. 267. 7ä) H ö f l e r 1. c. 195. | 7β ) M e y e r 1. c. 201. 235. ") 1. c. 492; H ö f l e r ¡ 1. c. 194. 7e) 1. c. 69. 7 1 ; W r e d e RheinVk. 238. ¡ 79 ) H ö f l e r 1. e. 195 ff.; W r e d e 1. c. 80) M e y e r i I.e. 33. 8 : a ) JbEIsaß-Lothr. 7, 202; R e i n s - j b e r g Jahr 1, 7; A l b e r s Jahr 45. 81 ) W r e d e ; Eifeler Vk. 204s.; vgl. Wecken. 8S ) M e y e r 1 I.e. 7 1 ; Alemannia 3, 184. 83 ) S a r t o r i West- ; falen 1 4 1 . 84) J a h n I.e. 279; H ö f l e r Neu- ' jähr 197; ZfVk. 14, 2760. ") H ö f l e r I.e. \ 205; Tafel 6, 4. 8β) H ö f 1er 1. c.; siehe Marzipan und ZfVk. 14, 261. 87 ) M e y e r Baden 482. 492; ' vgl. den Artikel Howölfle. 88) Bavaria 3, 322. ! m 89 ) J a h n 1. c. 279; Bavaria 3, 1, 309; H ö f l e r 340; vgl. Hauswolf. ) H ö f l e r 1. c. 202, ¡ Weihnachten 3 1 . 97 ) G r a b e r Kärnten 91 Nr. i n . Fig. 33 Taf. 18. 9: ) H ö f l e r 1. c. 203. ··») H o f f 98 m a n n - K r a y e r i n . 1 1 5 . 9 1 ) Westböhmen 23. | ) ZfdMyth. 4, 300; J a h n I.e. 283. ·») H ö r m a n n 1. c. 242; J a h n 1. c. mit Lit. 10°) H ö f l e r 10. Das Gebäck an Dreikönig 92) : Der j 1. c. 274 ff.; J a h n 1. c. 101) S i m r o c k 1. c. 83 Dreikönigstag ist der Tag der Perchta ) j 395; Kloster 7, 76ff. Α.; ç, 841; Bavaria la, lt3 1 2 ) Z i n g e r i e I.e. 128 Nr. 1144. ) und der drei Schicksalsfrauen, abgelöst 365. Germania 4, 1 0 1 ; H ö f l e r 1. c. 259. 1 M ) B a u m durch die hl. drei Könige. Daher finden g a r t e n Jahr 9; H ö f l e r 1. c. 259ff. 105 ) B a u m wir häufig drei Menschengestalten (Ge- g a r t e n Heimat 42. 10e ) H ö f l e r I.e. 274!!.

) ZfVk. 14, 257—78; Sartori I.e. 3, 73ff.

9a

) H ö r m a n n Tiroler Volksleben 241 ff.; Z i n g e r i e Tirol 127ff.; H ö f 1er in ZfVk. 14, 258ft.

s3

M

) Höfler I.e. 276s.

" ) I.e. 277.

1 1 . Opfer: Im Frankenwald lädt der Bauer die heiligen drei Könige zu einem Krug Wasser und einem Laib Brot

und Brot geweiht, von dem jedes Familienmitglied und jedes Haustier einen Brocken erhält, u m vor Krankheit geschützt zu sein 109 ). Die Schwabenbröte schützen gegen B r a n d 1 1 0 ) . 107

) B a u m g a r t e n Jahr 9.

1056

Neumond—Neunauge

1055

108

) Mannhardt

I, 538. 1M) Meyer 1. c. 494. ]. c. 266 ff. Fig. 6—7.

no

)

Höfler

13. A u g u r i e n (siehe Brei, K r a p f e n , Kuchen, K ü c h e l ) : Wenn die Dirne mit dem ersten heißen Küchel um das H a u s dreimal herumgeht, sieht sie den Zukünftigen 1 1 1 ). A m bekanntesten ist das Augurium mit dem Bohnenkuchen 1 1 2 ) ; die Szene ist u. a. dargestellt in dem Gemälde von Rijkaert I I I (Augsburg). Den ersten Bericht über diese Sitte erhalten wir von J. Boemus für Franken 1 1 3 ). Interessanter, wenn auch im allgemeinen inhaltlich gleich, ist die Notiz im Weltbuch Seb. F r a n k s : In jeder Familie backte man einen Lebkuchen und backte eine Münze hinein; der Kuchen wurde in so viel Stücke geschnitten als Familienglieder da waren, aber auch Christus, die heilige Maria und die hl. drei Könige bekamen ein Teil, den man ihnen ,,umb Gotswillen" g a b ; wer das Stück mit der Münze erhielt, wurde als König ausgerufen und dreimal mit Jubel in die Höhe gehoben; er machte mit Kreide ein K r e u z an die Dielen und Balken im Haus, um damit Unglück und die Gespenster a b z u w e h r e n 1 1 4 ) . Vor der Reformation buk man in England in den Königskuchen eine Bohne und wählte den König, der das Haus mit Kreuzen versah und die Familie beräucherte; zur Zeit der Elisabeth buk man eine Bohne für den K ö n i g und eine Erbse für die Königin ein 1 1 S ). Diese Sitte des Bohnenkönigtumes herrschte sehr früh in Flandern 1 1 β ), dann in England, Frankreich, Belgien 1 1 7 ), ebenso im Elsaß u 8 ) . I n Süddeutschland erscheint die Münze in den beiden oben zitierten Belegen. Die Ausführungen Norks 1 1 β ) über Totenkuchen usw. sind nicht ernst zu nehmen. In Bankenheim in der Eifel backte man eine weiße und eine schwarze Bohne ein für König und Königin 12 °). In Westfalen hat auch Grimmelshausen die Sitte

kennengelernt 1 2 1 ). Im Rheinland b ä c k t man nach französischer A r t eine B o h n e ein 122 ) (Bohnenball in Köln). In Rietberg 123 ) b u k man einen Leinwandlappen in den Neujahrskuchen. Z u vergleichen sind folgende Gebräuche : In Makedonien wird am Neujahrsabend eine Münze und ein K r e u z aus grünen Zweigen in den Kuchen v e r s t e c k t 1 2 4 ) . In Serbien backt man mit Weihnachtswasser ein Gebäck (chesnitra), das an alle Mitglieder des Hauses verteilt wird; die Hausfrau backt eine kleine Silbermünze hinein, wer die bekommt, hat das Jahr G l ü c k 1 2 5 ) . Oder man backt an Neujahr Zeichen aus Holz in einen K u c h e n ; jeder bekommt ein Stück und orakelt aus der Holzform126). An Fastnachtsmontag verteilt in dem Dorf K u r i a der K u k e r einen Kuchen, in den ein altes Geldstück eingebacken ist; wenn ein Ackerbauer das Geldstück erhält, wird der Ackersegen gut, wenn ein Herdenbesitzer, der Viehsegen 1 2 7 ). A m Neujahrstag backt man in Bulgarien Strudel, Kuchen und ungesäuerte Brote; in diese steckt man Münzen und Knispen vom Ornelkirschbaum; der, dem beim Verteilen des Kuchens diese Stücke zufallen, hat Glück127a). 1U ) H e y l Tirol 417. 112) Literatur bei F r a z e r 9 (6), 313—16; S a r t o r i 1. c. 3, 74 ff.;

H ö f 1 e r 270 ff. ; A l b e r s Jahr 5 9 0 . 1 2 3 . res et ritus omnium gentium 1520, 58.

113) u4)

MoWelt-

buch 1567, ι, 50 ff.; J a h n 1. c. 279. ) Reinsb e r g Jahr 21 ff. n e ) A. d e C o c k Spreek115

worden

en

Wrede

Zegswijzen

RheinVk.

(Gent

338.

117

)

1908)

171—76;

Frazer

1.

c.;

Simrock 1. c. 395. ) Martin-Lienhart Wb. I, 422; vgl. H ö f l e r 1. c. 271. u 9 ) Kloster 7, 60 ff. 64. 68. 71. 76; 9, 841; H ö f l e r Neu-

jahrsgebäcke 198 ff.

Frazer 1. c.

falen

141.

122

m

lls

12

°) R e i n s b e r g

1. c. 23;

) Buch 3, 21; Sartori West-

) W r e d e 1. c. 239 ff.; A u b i n -

F r i n g s - M ü l l e r Kulturströmungen und Kultur Provinzen im Rheinland 219 ff. 1 2 3 ) Sartori 121 Westf. 141. ) A b b o t Maked. folklore 77 ff.;

S a r t o r i Sitte 3, 75.

») Globus 30, 71.

12

125

12

) F r a z e r 10 (7, i ) , 261.

') Frazer 8 (5, 2), 332.

127a) A r n a u d o f f Bulgarien 21.

Eckstein.

Neumond s. M o n d . Neun s. Z a h l e n B 9 . Neunauge (Petromyzon). Man unterscheidet drei Arten: 1. G r o ß e N., die M e e r b r i c k e , L a m p r e t e (P. marinus),

neunerlei Holz

1057

2. das Fluß-N., die F l u ß b r i c k e (P. fluviatilis), 3. das kleine N., die Sandoder Z w e r g b r i c k e (P. planeri) x ). Aberglauben über das N. wissen wir im deutschen Sprachgebiet nicht nachzuweisen. In Poitou glaubt man, daß die Zahl der Kiementaschen (es sind 7, nicht 9) sich nach der Zahl der Jahre des Tieres richte 2). In Pommern spricht das Volk von einer neunäugigen „Schlange", wohl eine Verwechslung mit dem schlangenförmigen Fisch 3 ). 3

») Brehm« 3, 35 f. ) BlpommVk. 8, 93.

2

) S é b i l l o t 3,340. Hoffmann-Krayer.

neunerlei Holz. 1. Räucherungen mit η. H. oder das Baden in einem Absud davon ist ein altes A p o t r o p a e u m . Nach der Chemnitzer Rockenphilosophie werden beschriene Menschen mit Feuer aus η. H. beräuchertx) ; das „Notfeuer" (s. d.) wird mit η. H. entzündet2). In Ungarn machen die Schäfer in der Georgi- und Johannisnacht ein Feuer aus n. H., um die Schafe vor Schaden zu bewahren3). Am Johannisabend steckt man Ruten von n. H. an das Haus 4). Beschriene Kinder 5) oder auch die jungen Gänse ®) werden mit n. H. beräuchert. Am Karfreitag vor Sonnenaufgang gesammeltes n. H. hängt man im Stalle auf, damit keine Hexe hineinkommt 7) ; das Holz muß von neunerlei Bäumen stammen, deren Namen nicht auf ,,-baum" endigt 8 ). Das am Karfreitag gesammelte n. H. legt man den jungen Gänsen ins Wasser, dann bricht keine Seuche unter ihnen aus 9). Um den Fuchs zu bannen (daß er keine Hühner holt), muß man am Karfreitag vor Sonnenaufgang im Hühnerstall neun Pfähle aus neunerlei Laubholz einschlagen 10 ). Knoblauch und neun Sorten Laubhölzer müssen an Walpurgi vor Sonnenaufgang ungesehen an die Stalltür gehängt werden u ) . Gegen Raupen soll man aus der Hecke eines Ehebrechers n. H. nehmen und es an alle Ecken des Ackers tragen 12 ). Kann die Frau nicht ausbuttern, so hilft n. H. ins Butterfaß getan 13 ), oder das Butterfaß wird mit n. H. geräuchert 14 ). In Sch.weden zündet man gegen „Trollsmär" (Trollbutter, die bräunliche oder gelbliche Ausdünstung des Kornes und der Blumen) B l c h t o l d - S t l u b l i , Aberglaube VI

IO58

n. H. an und wirft vom „Trollsmär" hinein, oder man peitscht nur das Feuer von n. H. Dann müssen sich die Trollkäringer offenbaren 15 ). Das Euter der Kuh, die keine reine Milch mehr gibt, wird mit n. H. geräuchert 1β ). Das n. H., das gegen Viehverhexung Verwendung findet, muß stammen von Kirsche, Pflaume, Birne, Apfel, Tanne, Kiefer, Birke, Linde, Weide. Es mußte nach Sonnenuntergang stillschweigend gesucht werden und durfte nicht von lebenden Bäumen oder Sträuchern genommen sein 17 ). Vor allem findet das n. H. auch in der S y m p a t h i e m e d i z i n Verwendung. Das „Suchtenbrechen" geschieht in der Weise, daß man Reiser von neunerlei Bäumen, die kein Steinobst tragen (und zwar von Birne, Apfel, Eiche, Buche, Erle, Esche, Tanne, Linde und Weide) Freitag morgen vor Sonnenaufgang ins Wasser wirft, indem man dabei an den mit Suchten behafteten Menschen denkt. So viel Reiser im Wasser untersinken, so viel \ Suchten hat jener 18 ). Für das östliche Mecklenburg werden als Hölzer angegeben: Apfel, Birne, Flieder, Holunder, Stachel-, Johannisbeerstrauch, Hainbuche, Pappel, wilde Rose 1 9 ). In Ostpreußen (bei Wehlau) wird n. H. (in Form von Bädern) gegen die „kleinen Leute", d. s. stechende Kopfschmerzen, verwendet20). Wenn jemand infolge von Behextsein krank ist, so soll er n. H. mit neun verschiedenen Kräutern kochen und die Abkochung beim Schein des abnehmenden Mondes um Mitternacht stillschweigend vergraben 21 ). In Böhmen heilt man den Ausschlag der Kinder, indem man die Wipfel von neunerlei Obstbäumen, Thymian und Schilfrohr in Flußwasser kocht und das Kind unter Abbeten von 5 Vaterunsern 3 Feiertage (Freitage?) hintereinander badet 22 ). Gegen Viehseuche legt man Reiser von n. H. (Fichte und Weide dürfen nicht dabei sein!) kreuzweis auf den Rücken des Tieres 23 ). Gegen die Windrehe (Gliedersteifheit24)) der Pferde gibt man den Tieren Absud von n. H. zu saufen 2S). Gegen Fieber wirft man n. H. rücklings in fließendes Wasser 28 ), ebenso bei den 34

1059

neunerlei H o l z

Zigeunern 27 ). Nach Zigeunerbrauch muß auch der mit Eiterbeulen Behaftete aus drei Quellen oder Bächen trinken und η. H. ins Feuer werfen M ). Gegen Schwinden wird η. H. (Hasel darf nicht fehlen) in ein Säckchen gebunden als Amulett getragen 2β ). In Frankreich ließ man im 17. Jh. η. H. im Schornstein austrocknen; wie dieses vertrocknete, so schwand auch die Krankheit 30 ). — In mecklenburgischen Hexenprozessen v. J. 1576 bzw. 1582 bekennen die Hexen, daß sie „negenderlei" (neunerlei) Holz gebraucht, so von Eicken, Boicken, Ellern, Dorne, Quitzen (Eberesche), Alhorn (Holunder), Fiirenholtz und zweierlei Dorn 31 ). 2 *) J a h n Opfergebräuche 29. ) E b d . 27; v g l . a u c h W i r t h Beiträge 4/5, 5. 3 ) ZfVk'. 4 4. 399) D r e c h s l e r Schlesien 1, 139. *) Veckenstedts Zs. 4, 175 (Spickendorf, Prov. Sachsen); S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 187; F r o m m a n n De fascinatione 71. ·) Veckenstedts Zs. 4, 176 (Spickendorf, Prov. Sachsen). 7 ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 25 (Mittelfranken). ·) E b e r h a r d t Landwirtschaft 211. *) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 25. 10 ) E b d . 24. " ) Ebd. 30. u ) E b d . 2 1 1 . " ) R e u b o l d Beitr. zur Volkskde. im B.-A. Ansbach 1905, 18. 14 ) W i r t h Beiträge 15 4/5. 6. ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 55. u ) Frank. H e i m a t 6 (1927), 381 (Steigerwald), vgl. a u c h P e t e r österr.-Schlesien 2, 253. ") W i r t h Beiträge 6/7, 33. 1β ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 319, v g l . ebd. 2, i i 6 f . ; Anthropophyteia 7, 213 ( N e u v o r p o m m e m ) ; ZfVk. 8, 60. 1β ) Ur,0 quell 3, 237. ) KblAnthr. 40 (1909), 49; J1 vgl. M a n n h a r d t 1, 18. ) Urquell N . F . M χ, 20 (Schlaupitz). ) P l o ß - R e n z 1, 519. sl » ) ZfVk. 8, 390 (Fehrbellin). ) H ö f 1er Krankheitsnamen 490. •*) Deigendesch ίβ Arzneibuch 1821, 73. ) J ä c k e l Oberfranken 214 = Bavaria 3, 403; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 17 169 f. ) W l i s l o c k i Zigeuner 139. M ) W e i n h o l d Neunzahl 29. V o n b u n Beiträge 126; Sagen1 1889, 179. » ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 416. 3 l ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 9. 1 1 . 14.

2. Besonders in Süddeutschland heißt es, daß man die H e x e n der Gemeinde e r k e n n e , wenn man in der Christmette auf einem aus η. H. verfertigten Schemel kniee. Die Hexen kehrten dem Altare den Rücken, hätten Melkeimer auf dem Kopf usw. Man müsse aber vor Beendigung des Gottesdienstes die Kirche verlassen, weil man sonst von den Hexen mißhandelt werde **). Ab und zu heißt es, daß man das η. H. nur in der T a s c h e

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zu tragen brauche33) oder daß man die „Hexenprobe" auf einem K r e u z w e g anstellen müsse 34). Als Zeiten werden außer der Christnacht noch genannt der Nikolaustag Silvester 3e ) und Walpurgi 37). Manchmal wird auch ausdrücklich angegeben, von w e l c h e n Bäumen das η. H. sein muß: es müssen neunerlei Nadelhölzer sein M ), nämlich Fichte, Tanne, Lärche, Arve, Föhre, Legföhre, Eibé, Wacholder, Sadebaum 3e) oder auch Eiche, Buche, Linde, Ahorn, Birke, Hasel, Fichte, Föhre, Kramelbir ( = Wacholder) oder Espe, Eiche, Föhre, Buche, Schmerbaum (Sorbus domestica?), Vogelbeerbaum, Fichte, Tanne, Birke 41 ). Das „Hexenstühlchen" (s. 3, 1901) muß aus n. H. bestehen, das keine Frucht trägt, namentlich von Irlebaum (Erle), Sebenbaum, Pappelbaum42). Die Anwendung des Hexenschemels aus η. H. in der Christnacht ist auch bei den Slovenen M ), besonders in Kroatien 44 ), bekannt. In Norwegen entzündet man in der Johannisnacht auf einem Kreuzweg, worüber noch keine Leiche geführt worden, mit η. H. ein Feuer, dann kann man die Hexen sehen 45). Nur ganz vereinzelt wird zur Herstellung des „Hexenstühlchens" siebnerlei46), zehnerlei47) oder dreizehnerlei48) H. genannt. 32 ) Weinhold Neunzahl 22Í. ; M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 8 f . ; P o l l i n g e r Landshut 197; W a l t i n g e r Bauernjahr 1914, 27; Niederbayr. Sagen 3 1927, 59; S t r o b l Altbayr. Feiertag 1926, 89 (das Hexenstühlchen darf m i t keinem e i s e r n e n Nagel zusammengemacht s e i n l ) ; K r o h e r Im Bannkreis der großen Ache (1917), 172 fi. 468 (Chiemseegegend); A n d r e e E y s n Volkskundliches 217; ZfdMyth. 1, 236; 3, 336 (Tirol); Z i n g e r l e Tirol 1857, 124; A n d r i a n Altaussee 128; Bayerwald 22 (1924), 23t.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 366; P a n z e r Beiträge 2, 168. 307; L e o p r e c h t i n g Lechrain 13; B i r l i n g e r 1, 381. 4 6 6 f . ; R e i s e r Allgäu 2, 21; B a y H f t e 6, 167; ZfVk. 7, 2 9 3 f . 397 (Schwaben) ; M e y e r Baden 559; Jb. Elsaß-Lothr. 8, 175; Heimatb. aus Oberfranken 1 (1913), 237 (Frankenwald); S c h m i d t Aus d. Fichtelgeb. (1896), 102; R e u b o l d Beitr. z. Volkskde. im BA. Ansbach 1905, 29; J o h n Westböhmen 201; Bauernfeind Nordoberpfalz 24; Bliimml Beitr. z. deutsch. Volksdicht. 1908, 145; R e i n s a b e r g Böhmen 580 (Budweis). ) Jb. ElsaßLothr. 10, 237; Fränk. H e i m a t 6 (1927), 149. M ) M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 9 (Mittelfranken); vgl. auch ZföVk. 1, 73. a ) Orig.-

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neunerlei Körner—neunerlei Kräuter

Mitt. v. H a f n e r 1909, Weißenbora B A . NeuM ) Orig.-Mitt. v . E n g e l l ä n d e r Ulm. 1909, 37 ) B A . Landsberg in Oberbayern. Journal v . u. f. Deutschi. 3 (1786), 2, 431 (Ansbach) = ( F i s c h e r , H. L.) Beitr. z. Beantw. d. Frage, ob Aufklär, schon weit genug gediehen oder vollend. sei. Hannover 1794; R e u b o l d Beitr. z. Volkskde. im BA. Ansbach 1905, 39; J ä c k e l Oberfranken 175; Fränk. Heimat 6 (1927), 149. " ) M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 8. 3») Alpenfreund 10 (1871), 274 (Brixental in Nordtirol, aber auch n. L a u b h o l z wird vorgeschrieben: H e y l Tirol 801). Schön41 ) w e r t h Oberpfalz 3, 173. Orig.-Mitt. v. M ü n s t e r 1914, Forchheim i. Oberfranken. **) Bavaria 3, 935 (Mittelfranken). " ) Veckenstedts Zs. ι , 423; ZföVk. 4, 146; Z f V k . 4, 310. 15 ) *») S c h n e e w e i s Weihnachten 8. 102. L i e b r e c h t Zur Volkk. 319; vgl. Frazer Balder 1 (1913), 172; W e i n h o l d Neunzahl 24. **) V e r n a l e k e n Mythen 337. 47) M e i e r Schwaben 470. a ) H a u f f e n Gottschee 65.

3. Ν. H. im Liebesorakel. Joh. Praetorius 4 e ) erzählt, daß die Mägde η. H. am Tag vor dem Weihnachtsabend schneiden, in der Mitternacht ein Feuer machen, das Hemd vor die Stubentür werfen und sprechen : Hier sitze ich splitterfasennackigt und bloß. Wenn doch mein Liebster käme Und würfe mir mein Hemde in den Schoß!

Der Liebhaber müsse dann kommen und das Hemd herein werfen. In Koburg sollen das einige Mägde getrieben haben50). Das Mädchen macht in der Neujahrsnacht ein Feuer aus η. H. und sieht zwischen den Beinen in die Glut hinein; dann erscheint ihr der Zukünftige Sl ). Am hl. Abend 52 ) macht man Kränze aus η. H.-Arten, setzt sie auf den Kopf und schaut bei sternenklarem Himmel ins Wasser, dann erscheint das Bild des Zukünftigen M ). Am Andreasabend trägt man Zweige von neunerlei Bäumen und Sträuchen, nämlich von Apfel-, Kirsch-, Birn-, Pflaumenbaum, Kastanie, Holunder, Stachel- und Johannisbeer-, Himbeerstrauch ein, stellt sie ins Wasser. Blühen die Zweige bis Weihnachten, dann kommt ein Bund mit dem Liebsten zustande M ). ω) Saturnalia 1663, 408. M ) G r i m m Myth. 3, 470; Sagen 98; B e c h s t e i n Sagenschatz d. Frankenl. 1 (1842), 214; J a h n Opfergebräuche 255; W e i n h o l d Neunzahl 14. 61 ) J a h n Hexenwesen 354. u ) An Johanni: R e i n s b e r g Böhmen M) 312. V e r n a l e k e n Mythen 331 (nördl. H) Böhmen). J o h n Erzgebirge 143.

4. Verschiedenes. Bei der „Steckerlweihe" am Karsamstag (s. 2,1439 ff.) läßt man η. H. weihen, nämlich Apfel, Birne, Weichsel, Kirsche, Vogelbeere, Hasel, Erle, Weide, Birke M ). Wenn man mit einem Melkschemel von η. H. die Kühe melkt, bekommt man die Milch vom ganzen Dorf 5e ). Will man das Jahr hindurch im Walde Holz stehlen, ohne vom Jäger betroffen zu werden, so stehle man in der Christnacht η. H. 57 ). M ) B r u n n e r Heimatb. d. bayr. Bezirksamtes Cham (1922), 87. *·) Mitt. v . W e i n z i e r l 1909 im Archiv· des Ver. „Heimatschutz" in 57 ) W i t z s c h e l München. Thüringen 2, 174. Marzell.

neunerlei Körner (Samen). Nach dem Aberglauben-Traktat des Frater Rudolfus (ca. 1250) legte man den Kindern ins Bad nach der Taufe η. K. 1 ), in Sachsen legte man n. Samen zu dem Patengelde, wenn es ein Knabe war, eine Nähnadel und einige Leinsamen bei einem Mädchen 2). Wenn man ein Schwein gekauft hat, muß man ihm η. K. zu fressen geben, dann ist es vor dem Behexen sicher3) ; vgl. neunerlei Kräuter. 1 ) MschlesVk. 17 F r a u r e u t h 2, 281. 2, 269.

(1915), 31. *) M ü l l e r W i t z s c h e l Thüringen Marzell.

3)

neunerlei Kräuter (Blumen). I. N. Kr. (s. neun) spielen im Aberglauben eine große Rolle. In mecklenburgischen Hexenprozeßakten bekennt eine Hexe (1582), daß sie „negenderlei" Kräuter gebraucht und zwar Wormüde (Wermut), poppel (Althaea), unvortreden (Polygonum aviculare), Mater (Chrysanthemum parthenium), Adennonie (Odermennig), Glatthe Hinrichk ( = Guter Heinrich, Chenopodium bonus Henricus?), Spiknarden (Valeriana celtica?), Euerrath (Eberraute), Negenkrafft (Petasites officinalis). Eine andere bekennt (1584), den Balbirer beim Markte mit folgenden neun Kräutern gebadet zu haben: Mater, Wermuth, Baisem (MenthaArt?), Polei, Beifuß, Rude (Raute), S. Johannskraut, Eferich, Kattensterth (Equisetum?); eine andere wieder gibt (1584) zu, ein Kind „gebötet" zu haben,

neunerlei Kräuter

1063

indem sie es gebadet habe mit einem Absud von Unstethkraut, Austinnekkraut, Mater, Hundeblomen, Bitterlink, Camillen, Fennekol, Perdemunte, Akelei 1 ). Auch nach Wernigeroder Hexenakten aus dem 16. und 17. Jh. brauchten die Hexen immer neun K. zu den Zaubermitteln 2 ). B a r t s c h Mecklenburg 2, 14ÎÏ. h o l d Neunzahl 1 7 .

2)

Wein-

2. Vor allem dienten η. K. als a p o t r o p ä i s c h e s Mittel, besonders wenn sie an Johanni gesammelt waren. Joh. P r a e t o r i u s 3 ) erzählt, daß er 1658 von einer Hexe gehört habe, die bekannte, sie habe zwei Bauern nicht schaden können, weil diese an Johanni η. K. gesammelt hätten, und zwar Jarum oder Arum (Aronstab) Origanum oder Dost Herba Benedicta oder Cardobenedicten Allium oder Knoblauch Nigella Romana (Schwarzkümmel) Nabelkraut oder Fünffingerkraut Excrementa Diaboli (Teufelsdreck) Succisa (Teufelsabbiß).

(Die Anfangsbuchstaben dieser Kräuter ergeben „Johannes", natürlich eine Spielerei von P r a e t o r i u s ) . In Oberösterreich besteht der „Neidraucka", womit man das Vieh öfter räuchern soll, aus folgenden neun, einst auch geweihten Kräutern: Widertat, Nimm mir nichts (vielleicht Hemiaria), Wagenkraut (Potentina anserina), falsches Weinkraut (Asplenium ruta muraria), Zögerlkraut (Dicranum scoparium), Ku'lkraut (Thymus serpyllum), Johanneskraut, Schelmkraut (vielleicht Chrysosplenium), echtes Weinkraut (Ruta graveolens). Statt des „Widertats" wird auch Wermut und statt des „Nimm mir nichts" Potentilla reptans genommen 4 ). An Walpurgis gibt man den Kühen n. K. (oder n. Gras), damit sie nicht verhext werden 5 ), auch wird ihnen ein Kranz aus n. K.n umgehängt e ). In Böhmen sollen diese neun K. sein: Quendel, Wegerich, Wegetritt, Löwenzahn, Schafgarbe, Butterblume, Eisenkraut, Ochsenzunge, Brennessel, Odermennig. Diese Kräuter werden mit der Wurzel ausgerissen, klein geschnitten, mit den Schalen einiger frisch gelegter

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Eier sowie mit Salz und Roggenkleie vermischt und dann den Kühen in der Morgendämmerung zum Lecken gegeben 7). In Niederbayern gibt man n. K. dem Vieh am Johannistag 8). Im Pinzgau räucherte man am Vorabend des Perchtentages (6. Jan.) mit kleinen Stangen aus Koniferenharz und neunerlei Blüten. Die Blüten von Tragopogon pratensis und Centaurea cyanus waren darunter deutlich zu erkennen ·). Im Anhaltischen sind die als Schutzmittel dienenden n. K . : Dill, Schwarzkümmel, Pannenweide (Polygonum persicaria), Klatschrose, Berufskraut, Thymian, Eberraute, Kornblume, Hufblatt (Zehmitz) oder Dill, Kümmel, Kamille, Wermut, Schafgarbe, Berufkraut, Kreuzkümmel, Hartenau, Flieder (Zerbst) 10 ). Ein Säckchen mit den n. K.n wird über der Stalltür befestigt, das schützt gegen Behexen und Blitzschlag 11 ). Damit die jungen Gänschen nicht durch den bösen Blick verhext würden, räucherte man sie, sobald sie aus dem Ei geschlüpft waren, mit n. K.n, wozu noch einige Späne von der Tischecke getan wurden 12). Zur Lösung der Behexung empfiehlt schon der Abt T r i t h e m i u s (gest. 1516) ein Bad, das n. K. enthält 13 ). Kleine Kinder schützt man gegen Behexung oder jähe Krankheit, indem man ein Bündelchen von n. geweihten K.n an die Wiege hängt 1 4 ) oder die Kinder mit n. K.n räuchert 1δ ). Am Himmelfahrtstag sammelt man η. K., damit man kein Fieber bekommt 1β ). In Schlesien säte man an Johanni den Samen von n. K.n in einen Topf; was davon aufging, war gut gegen das Fieber " ) . In Pommern waren die η. K., in deren Absud der Kranke sieben Abende hintereinander baden mußte: Brennessel, Gundermann, Holunder, Sauerklee, Raute (in Ermangelung Kamille), Salbei, Sauerampfer, Schwarzwurzel (in Ermangelung Beinwell), Weinrebe (in Ermangelung Löwenzahn). In Ermangelung eines dieser Kräuter konnte man auch Beifuß nehmen u ) . s) Blockes-Berges Verrichtung, Leipzig 1668, 435· 4) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 153. ' ) M a r z e i l Bayer. Volksbot. 31; J o h n West-

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Neunhemderwurz—Neuplatonismus

böhmen 202; Knoop Hinterpommern 171. ·) P e u c k e r t Schlesien 123. ') R e i n s b e r g Böhmen 210. ·) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 41. ,0) ») A n d r e e - E y s n Volkskundliches 160. W i r t h Beiträge 6/7, 32. " ) Ebd. 23. u ) Ebd. 1S ) 4/5, 19. S o l d a n - H e p p e 1 (1880), 423. " ) R o c h h o l z Glaube 2, 122. " ) W i r t h Bei1β ) träge 6/7, 12. F l ü g e l Volksmedizin 25; F o g e l Pennsylvania 255. ") Weinhold Neunzahl 27; D r e c h s l e r Schlesien 2, 192. ia ) K n o r r n Pommern 132.

4. Vor allem im östlichen Deutschland (slavischer Brauch?) dient am Johannistag ein Kranz aus n. Blumen oder K.n im L i e b e s o r a k e l . Legt man einen solchen Kranz am Abend unters Kopfkissen, so geht das, wovon man träumt, in Erfüllung 19 ), oder man sieht den Zukünftigen 20 ). N. Blumen von neun Rainen gesucht bewirken, daß man seinen Schatz noch in derselben Stunde sieht 21 ). Der Strauß aus den n. Blumen darf nicht mit der bloßen Hand berührt werden, er muß mit einem weißen Tuch umwickelt getragen werden 22). In Ottenhofen (Baden) setzt man sich in der Nacht vom Pfingstsonntag auf -montag einen Kranz von neunerlei Blumen aufs Haupt, um den Zukünftigen (oder die Zukünftige) zu erkennen 2S ). Der Kranz aus den n. Blumen darf über keine Türschwelle g e t r a g e n , sondern muß durch die Türe geworfen oder an einer Schnur durchs Fenster gezogen werden 24). Häufig wird auch der Kranz aus n. Blumen so lang auf einen Baum geworfen, bis er an einem Aste hängen bleibt. So viele Male das Mädchen werfen mußte, so viele Jahre muß es bis zur Verheiratung warten 2S). In Schlesien besteht dieser Kranz aus Quandlich, Maria Bettstroh, Rittersporn, Quarglablätter, Sturchschnoabl, Schoafgarbe, Gondrum (Gundermann), Hetelanessan und Räber (Rainfarn?) 2 *). Die Lettinnen in Kurland flechten am Johannisabend eine jede neun kleine Kränze und gehen auf neun Kreuzwege. Auf jede Wegscheide legen sie einen Kranz nieder und denken bei jedem an einen bestimmten Burschen. Am nächsten Morgen sehen sie nach, welche Kränze noch dortliegen. Ist einer verschwunden, so wird der Bursche, dem er zugedacht, das Mädchen heimführen 27 ).

" ) Neue Preuß. Prov.-Blätter 6 (1848), 229; D r e c h s l e r Schlesien 1, 144. >0) Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 15 (1880), 273. ,l) Oberfranken: Orig.-Mitt. von v . G u t t e n n) b e r g 1914. R e i n s b e r g Böhmen 312. e) M e y e r Baden 165. " ) K ö h l e r Voigtland 376; Neue Preuß. Provinzialbl. 6 (1848), 229 (Samland) ; Z f V k . 7 , 3 1 8 (Ostpreußen) ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 145; S t i e f Sitte usw. in Mährisch-Neustadt 1912, 22. M ) W e i n h o l d Neunzahl 12; G r i m m Myth. 3, 464; MschlesVk. 13, 46 (Posen); K n o o p Pflanzenwelt 12, 14; Witzschel Thüringen 2, 210; Treichel Westpreußen 2, 215; D r e c h s l e r Schlesien 1, 144; P e u c k e r t Schlesien 123. M ) P e u c k e r t a . a . O . 2 ') W e i n h o l d Neunzahl 13.

5. Über die η. K., die am Gründonnerstag als Kultspeise, um die Gesundheit zu erhalten, gegessen werden, vgl. G r ü n donnerstag. 6. Ab und zu herrscht die Sitte, zum „Kräuterbund" an Maria Himmelfahrt η. K. zu nehmen 28 ), s. K r ä u t e r w e i h e (5. 442). 28)

Vgl. W e i n h o l d

Neunzahl

Neunhemderwurz s. h a r n i s c h (1, 264 ff.).

12.

Marzell.

Allermanns-

neunhundert, neunhundertneun s. Zah-

len Β 900. 909. neunjährig, -köpfig, -tägig s. Z a h l e n Β 9. Neuntel s. Z a h l e n Β g. Neuntöter s. N a c h z e h r e r . Neunundneunzig s. Zahlen Β 99. Neunzehn s. Zahlen Β ig. Neunzig s. Zahlen Β 90.

Neuplatonismus. ι. Die neuplat. Systeme des sterbenden Altertums sind wohl an der Ausbildung einer Dämonologie, die für das Abendland Bedeutung hatte, hauptbeteiligt. Wieviel davon bereits im ersten Jahrtausend in breitere Schichten überging, bedarf noch einer eingehenden Untersuchung. Hubert Pruckner (Studien z. d. astrologischen Schriften d. Heinrich von Langenstein, 1933) weist beispielsweise eben darauf hin, daß erst mit dem arabischen Einfluß über Toledo die (dem N. ja nahe) Astrologie Geltung gewann. — Im allgemeinen wird man wohl sagen müssen, daß eine neuplatonische Philosophie als esoterische Wissen-

1067

Neuplatonismus

Schaft immer nur einem kleinen Kreis zugänglich war, dem Volke erst in zweiter oder dritter Umformung näher kam. Die von Cl. Baeumker und seinen Schülern aufgezeigten Einflüsse Piatos, in Wahrheit neuplatonische, ergriffen ja nur Gelehrte oder Mystiker. Vorm 15. Jh. begegnen hauptsächlich in zwei Systemen von weiterer Geltung neuplatonische Gedankengänge: im Hermetismus (s. Hermes Trismegistos) und in der jüdischen Mystik. Hermetischer Neuplatonismus durchtränkte die Alchymie; im Jüdischen führte er zur Kabbala, und weiter zu den von der Kabbala abhängigen Zauberschriften. Die Renaissance hat im Italien des 15. Jh. das neuplatonische Gedankengut, geläutert und aus den Quellen neu geschöpft, heraufgeführt ; der Name Marsilii Ficini erstrahlt in diesem Zusammenhang im hellen Glanz. Von hier aus wurde dann das weitere Abendland ergriffen. Bereits Trithemius bewegte sich in diesen neuplatonischen Kreisen, von denen sich Faust als ein Vertreter der älteren Magie abhebt. Agrippa von Nettesheim hat dann, sich den Gedankengängen Picos della Mirandola anschließend, den Ν. als Philosophie der Magie dargestellt. Seine drei Bücher De occulta philosophia leben und weben in neupl. wie kabbalistischen Gedankengängen. Von hier ging dann die Zauberliteratur des 16. Jh. aus. Der Schweizer Paracelsus (s. d.) hat mit dem wenig gemein; dagegen begegnen bei ihm spezifisch hermetische Formulierungen. Erst seine Schüler (Dorn und sein Kreis) bringen Neuplatonisches und Paracelsisches zusammen. Von hier aus führt dann der Weg zur Pansophie (s. d.). Zusammenfassend darf man sagen, daß ebenso die mittelalterliche Zauberliteratur, so weit sie irgend mit der Kabbala zusammenhängt, wie die neuzeitliche des 16. und 17. Jh.s (Agrippas viertes Buch de occulta philosophia, Fausts Höllenzwang, Theosophia usw.) den Einfluß neupl. Denkens verraten, und daß mit ihnen, freilich seltsam verändert und umgestaltet, Gedanken aus dieser Sphäre in unserm Volke leben.

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Ich habe das hier Dargelegte ausführlich in meiner „Pansophie" begründet und dargestellt, so daß für alle Fragen dorthin verwiesen werden darf. Von einer zweiten Renaissance der neupl. Lehre, die sich auch nur entfernt mit jener des 16. Jh.s vergleichen ließe, verrät uns die Geschichte nichts. Der Schreck, den jene hervorgerufen hat, die Angst vor der „abstrusen Mystik" der Plotin und Jamblichus stak zu sehr in den Gliedern. 2. In okkultistischen Kreisen greift man heut wieder nach den Texten, die das ausgehende Altertum uns überlieferte. So druckte nach dem Kriege das Theosophische Verlagshaus, Leipzig, die neuplatonischen Hauptautoren. Sonst aber hat man sich, auch dort, gewöhnlich mit der verdeutschten Schrift Agrippas und den Auszügen aus andern Autoren der Zeit begnügt. Wie weit in esoterischen Zirkeln und Logen, in denen ja manches zu neuplatonischen Gedanken drängt, sich eine Wiederbelebung vorbereitet, — oder ob dort die neupl. Mystik von einer „indischen" zur Seite geschoben wird, vermag der Außenstehende kaum zu erraten, nicht zu sagen. Ein Synkretismus, von dem man oft sprechen hört, dürfte in Wahrheit hier kaum möglich sein. Es scheint vielmehr, als ob die indischen Gedankengänge den Sieg erringen sollten. Dergleichen kann hier natürlich nur in Hinsicht auf die Wirkungen ins Breite interessieren. Von solchen Wirkungen, die freilich nicht das Landvolk, sondern vor allem den „Gebildeten", das Bürgertum, erfassen, darf man mit einigem Rechte sprechen; es seien nur die Namen und Worte Steiner, Theosophie, Anthroposophie, Meyrinks Romane und ähnl. genannt. Sie alle zeugen für ein Überwiegen der östlichen, für ein Absterbe^ der neuplatonischen Ideen, — und wird nach vielfältiger Filtration das „Volk" erreicht, so werden auch hier die letzten Reste der neuplatonischen Gedankenwelt von diesen neueren verdrängt. Man achte in diesem Zusammenhange nur auf die Buchprospekte, in denen Zauberschriften

Jo6g

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Neusonntagskind—Nickel

verschwinden, die „ Y o g a p r a x i s " und ähnl. an ihre Stelle tritt. 3. Auf die Bedeutung der neuplatonischen Ideen für das religiöse Leben unseres Volkes sei nur kurz hingewiesen. Einflüsse sind vor allem im älteren Sektenwesen sichtbar, d. h. in jenen neben der Kirche bestehenden Konventikeln, wie sie von Männern wie Böhme, Franckenberg und anderen gehalten worden sind, in denen es mehr auf ein freiwilliges Zusammenkommen als auf ein neues Dogma und einen Schwur auf dieses ankam. Von größerem Einfluß sind diese Bildungen nicht gewesen, und sie zerfielen gewöhnlich mit dem Tode des Führers. Man wird auch kaum von irgendwelchen Nachklängen sprechen können, außer in Sagen Draußenstehender. Vgl. hier die Untersuchungen zur „schlesischen M y s t i k " : P e u c k e r t Pansophie noch ungedruckt; ders. Rosenkrsutzer 1928; ders. Leben Jakob Böhmes 1924; Werner M i l c h Daniel von Czepko Geistl. Schriften 1930. Peuckert.

Neusonntagskind s. S o n n t a g s k i n d . neuverheiratet s. H o c h z e i t . Nicht, Nichts (Hüttenrauch, Galmeiflug). Noch heute verlangen Leute nicht selten in den Apotheken N. (in Schlesien „nischte nich"), und der Apotheker verkauft ihnen daraufhin die Nichtsalbe (unguentum Zinci) oder Augentropfen aus Zinksulfat. Wie entstand dieser seltsame Name? Die Alchemisten nannten oxidiertes Zink nix alba, weil es zu einem weißen Pulver verbrannte und in leichten Flocken herabfiel. Wenn das Volk das Wort nix hörte, dachte es nicht an „weißen Schnee", sondern an sein bekanntes deutsches Wort „ n i x " (mundartl. = nichts). Die Apotheker übersetzten das wieder ins Lateinische mit nihil, das dann die übliche Bezeichnung (unguentum nihili) ergab. Lonicer sagt, das N. sei „ausgelöschte Asche von Metallen" (richtiger von Zink) und bezeichnet es auch als „Galmeiflug". Dies geht darauf zurück, daß das kohlensaure Zinkoxyd, das die Alten Cadmea oder als Mineral Galmei nannten, bei starker Erhitzung sich ebenfalls zu nihilum album verwandelt (Schade). Lonicer rühmt das N. als Mittel gegen

Augenflüsse und hitzige Blattern in den Augen; „daher man pflegt zu sagen: „ N . ist zu den Augen gut". In Sprichwörtersammlungen findet sich die Redensart: „ N . ist gut für die Augen", ich kenne auch die Redensart : „Wenn das nicht gut für die Augen ist, so weiß ich nicht, was besser ist". Obige Darstellung erklärt diese seltsamen, heute im Scherz gebrauchten Redensarten 1 ). In Sachsen wird das „ N . " oder „Augenn." noch heute bei Augenkrankheiten angewendet 2 ). ') Realencyklop. d. gesamten Pharmazie (2. Aufl.) 9, 368; P l i i i . n. h. 34 § 100 u. § 128; R u s k a Aristoteles 82 s. v . K a d m i u m ; K e n t m a n n i nomenclaturae rer. foss. (1565) 72; Lonicer 52; Z e d i e r 24, 5 1 1 f . ; Schade 1396 f. s. v . medus ( = Galmei); F l ü g e l Volksmedizin 64; F o s s e l Volksmedizin 92; M o s t Enzyklopädie 643; Köhler Voigtland 353; S c h r ä d e r Aus dem Wundergarten d. deutschen Sprache (1896) 237 ff. Nr. 26. ') S e y f a r t h 263. t Olbrich.

Nick s. W a s s e r d ä m o n e n

§9.

Nickel. Verlockt durch seine Farbe versuchten die deutschen Bergleute aus dem schönen Mineral, das jetzt Rotnickelkies heißt, Kupfer zu gewinnen. Als sie das gewünschte Metall trotz aller Versuche daraus nicht herstellen konnten, glaubten sie, der Berggeist hätte sie genarrt, und nannten das Mineral Kupfern., das geschmolzene Erz N. Sie bedachten dabei den Bergkobold mit demselben Namen als Schimpfwort, den der niederdeutsche Bauer seinem neckischen Hausgeiste gibt. N. (abgek. aus Nikolaus) ist im Harze und in Schlesien heute ein meistens gutmütig gemeintes Scheltwort für einen Menschen, der neckend einen hintergehen will. Cronstedt, der das Metall 1751 zuerst nachwies, gab ihm den Namen, den ihm bisher die Bergleute gegeben hatten. Seitdem das N.metall mannigfache Verwendung fand und zu großer Bedeutung gelangte, ist seine alte deutsche bergmännische Benennung in den Sprachschatz aller europäischen Völker übergegangen 1 ). *) G r i m m DWb. 7, 734 f . ; K l u g e Etym. Wb. s. v . 3 3 1 ; B e r g m a n n Deutsches Wb. 204; M ü l l e n h o f f Natur 17 Nr. 2 7 ; Q u e n s t e d t 678. Vgl. Kobalt. tOlbrich.

I07I

Nidelnächte—niesen

Nidelnächte. ι . Die Ν. oder „Nidleten" werden in der Schweiz zu Weihnachten, Silvester, Neujahr oder Fastnacht begangen. Man ißt in Gesellschaft Nidel (geschwungenen Rahm), bewirft sich gegenseitig damit und schleudert mitunter einen Löffel davon an die Zimmerdecke, wo der Fleck dann das ganze Jahr sichtbar bleiben muß. Das soll die überreiche Fülle andeuten und auch für das nächste Jahr gewährleisten 1 ). In Brienz wurde am Weihnachtsabend Nidel mit Birnenschnitzen genossen ; die Begüterten schenkten dazu den Armen die Milch in der Meinung, diese sei dann das ganze Jahr hindurch desto gesegneter 2). *) S A V k . 2, 39. 176; 19, 66; SchwVk. 1, 73 f.; 15, 74 f.; B r o c k m a n n - J e r o s c h Schweizer Volksleben 1, 113; S a r t o r i Sitte 3, 67. 2) SchwV k . 8, 35.

2. In Schwaben heißen N. die sieben Abende vor Weihnachten, besonders die Thomasnacht 3 ). In Sigmaringen ist von Andreas bis Nikolaus „Nideln". Die Kinder werfen Erbsen an die Fenster 4). Hier sind die N. also den Klopfnächten (s. d.) gleich. Auch die Nacht, die jedem der drei Donnerstage vor Fastnacht folgt, heißt in Oberschwaben Nidelnacht, und „die Teufel haben da alle Gewalt". Es fand jedesmal ein festliches Abendessen statt, wobei man früher dem „Nidel" einen Platz mit Gedeck am Tisch frei gelassen haben soll 5 ). 8) B i r l i n g e r Wörterbüchlein zum Volkst. a. Schwaben 71; vgl. Urquell N. F. 1, 104 (Pfalz). *) S e p p Religion 35. s ) B i r l i n g e r Volkst. 1, 47 (6°)· 501Sartori.

Niederkunft s. G e b u r t . Niemand, hl., sanctus Nemo, sanct Niemar, san Nimmer u s w . ( s . Nimmerlestag), ein erdichteter Heiliger, dessen Vita wie der merkwürdige Heilige selber ein Erzeugnis der spätmittelalterlichen Legendendichtung ist. Ursprünglich war der um 1290 von dem Franzosen Radulfus verfaßte „Sermo de S. Nemine" 2 ) ernst gemeint. Er beruht anscheinend auf Bibelstellen, die auf Nemo lauten und die Radulfs Schüler hervorgeholt haben sollen, um ihn aufs Eis zu führen.

1072

Es bildete sich sogar eine Sekte „Neminianer", die dann bekämpft wurde. Humoristisch-parodistisch gestaltete Historien „de sancto Nemine" waren später vielfältig verbreitet s ). Der Begriff N. ist auch früh allgemein personifiziert worden, ζ. B. der N. oder Herr N., der an allem Schuld hat 4 ). Alemannia 1 (1873), i s i f i . ; W a c k e r n a g e l Fischarfl (1874), i o i f f . 194s.; W i c k r a m , Ausgabe B o l t e 3, 54: hab ich dich gfragt, ob sanct Niemar auch ein heilig sey. *) Archiv f. Lit. u. Kirchengesch. 9, 33off. 3 ) AnzKundeddVorzeit 13, 179. 361 ff.; 14, 205S.; 15, 39; 17, 51. ') Ζ. B. Zimmerische Chronik, Ausgabe Barack* (1881), 3, 159: und hats der Niemands gethon. Wrede.

Niere s. Nachtrag. niesen. ι. Alt und verbreitet ist der Brauch, dem Niesenden einen G l ü c k w u n s c h zuzurufen 1 ), namentlich K i n d e r n 2). Die gewöhnliche Formel ist „Helf Gott!" (s. d.) 3 ). Wer kein „Helfgott" bekommt, gehört dem Teufel 4 ), der andrerseits seine Macht über den verliert, dem das „Helfgott" zugerufen wird 5). Zur Begründung des Brauches erzählt man: der Teufel hat ein großes Register aller Menschen; darin liest er gelegentlich, und jedesmal, wenn er einen Namen ausspricht, muß der Betreffende „prusten". Deshalb wünscht man ihm Glück e ). Nach dem Midrasch soll ehemals der Mensch gleich nach dem N. gestorben sein. Erst auf Jakobs Bitte hat Gott das geändert; seitdem sei es üblich, dem Niesenden „Gesundheit!" zuzurufen 7 ). Gewöhnlich wird die Entstehung der Wunschformel auf Pestzeiten zurückgeführt. Man glaubte, die Krankheit habe sich zuerst durch heftiges N. geäußert, das nicht eher aufgehört habe, als bis der Tod eingetreten sei. Alle Menschen seien gestorben, denen man nicht das Helfgott zugerufen habe 8). Zur Deutung des eigentlichen Sinnes dieses Heilwunsches stehen wie bei der volkstümlichen Auffassung des Gähnens (s. d.) ·) zwei entgegengesetzte Vorstellungen zur Verfügimg; einmal die, daß beim N. etwas Dämonisches oder etwas vom „Seelenstoffe" des Menschen

1073

niesen

aus ihm herausfahre 10 ), zweitens die, daß etwas Böses in ihn hineingeraten könne u ) . T y l o r Cultur 1, 97ft.; G r i m m Myth.1 2, 935; 3 F 222; Sitten, Gebräuche u. Narrheiten 148e.; H ö h n Volksheilkunde 1, 82; K ö h l e r Voigtlcmd 421; D r e c h s l e r 2, 23; MschlesVk. 26 (1925), 144S. (Rheinland); ZfVk. 3 (1893), 132; S t e m p l i n g e r Abergl. 25 (Kaiser Tiberius verlangte stets die Höflichkeitsformel: P l i n . 28, 5; B a r g h e e r Eingeweide 125); Volkskunde 23 (1912), 236; C a m p b e l l Superstitions of the Scottish highlands 238; S c h e f t e l o w i t z Altpalästinensischer Bauernglaube I29f.; W e l l h a u s e n Reste arabischen Heidentums 142; V e l t e n Sitten usw. der Suaheli 60; ARw. 14 (1911), 232 (Takelma-Indianer) ; Croo ke Northern India 151. ') W o s s i d l o Mecklenburg 3, 1 1 2 f.; J o h n Westb. 109; H ö h n Geburt 278; D e r s . Volksheilkunde 1, 82; Alemannia 27, 229; S t r a c k e r j a n 1, 68; 2, 182. 204; K r u y t Het animisme in den indischen archipel 92; T y l o r Cultur 1, 98 (Sulu), 99 (Neuseeland). 3 ) Schon Wieland schrieb eine „Geschichte der Formel: Gott helfe diri beim Niesen." Lindau 1787 (auch im Teutschen Merkur (1785) 2, 336). «) H e y l Tirol 803. *) Ebd. 103; Z i n g e r l e Sagen 273f.; ZfVk. 8 (1898), 395; A l p e n b u r g Tirol (hätte man „zur Gesundheit" oder „zur Genesung" gesagt, so hätte der Teufel seine Macht behalten). Eine Bäuerin hat einen Wechselbalg. Man rät ihr, sie solle, wenn einmal das Kind beim Baden niese, sagen: ,,Helf' Gott!" Sie tut es, und von da an gedeiht das Kind. Unter dem Tische aber liegt eine hölzerne Puppe: P o l l i n g e r Landshut 239f. ·) B a r t s c h Meckl. 2, 4. ') S c h e f t e 8 l o w i t z Bauernglaube 130. ) Bargheer Eingeweide 126; H ö h n Volksheilkunde 1, 82. 150; F o n t a i n e Luxemburg 42; K ö h l e r Voigtland 421; J o h n Westb. 248; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 2 1 ; Meier Schwaben 292; L ü t o l f Sagen 554; SchwVk. 1, 19; 2, 84; 3, 43; I i , 11; K u o n i St. Galler Sagen 158 f.; Unoth 188; H e y l Tirol 803; A l p e n b u r g Tirol 371; ZfVk. 8, 154. 448 (Island); JbjüdVk. 1923, 218 f. ») Vgl. A. J a c o b y Gähnen u. N. in Volksglaube u. Volksbrauch: Elsässische Monatsschrift f. Geschichte u. Volkskunde 2 (1911), 433 ff. l0 ) Manche Völker des indischen Archipels sprechen beim N. eine Verwünschung aus; ein böser Geist hat den Seelenstoff weggelockt: K r u y t Animisme 93; vgl. ARw. 7, 501. Wenn man auf der Reise niest, ist das ein Zeichen, daß Freunde an einen denken (sie haben den Seelenstoff gelockt) : K r u y t 93. In Macédonien gilt das N. als Zeichen, daß abwesende Feinde schlecht von dem Niesenden reden. Die Anwesenden wünschen daher, daß sie platzen möchten: A b b o t t Macedonian folklore 1 1 3 . Nach dem Glauben der Togoneger verläßt beim N. und Gähnen der Geist für kurze Zeit den Körper: Globus 72, 22. Dasselbe glauben die Kobéua am Rio Cuduiary: K o c h - G r ü n b e r g

I074

Zwei Jahre unter d. Indianern 2, 152. Bei den Hindus ist N. i. a. eine gute Vorbedeutung, weil es wahrscheinlich den Austritt eines Bhut bedeutet (es kann freilich auch durch den Eintritt eines solchen veranlaßt werden): C r o o k e Northern India 1 5 1 . Bei den Boloki in Monsembe am mittleren Kongo sagt einer, wenn er geniest hat: „Ich bin es nicht, es ist ein anderer" und klatscht dabei mit dem Ausdruck großen Erstaunens lebhaft in die Hände. Das soll heißen: „Ich wundere mich, daß du meinen Geist hinwegrufen willst (der Geist fährt ihrer Ansicht nach durch die Nasenlöcher aus); ich bin wirklich nicht der, für den du mich hältst, sondern ein anderer": Weeks Dreißig Jahre am Kongo. Deutsch von A. Gräfin 11 v. Zech 81. ) Die Neger in Alt-Calabar rufen, wenn ein Kind niest, bisweilen: „Weit von diri" mit einer Gebärde, als wenn sie etwas Schlimmes wegwerfen wollten: T y l o r Cultur 1, 99. 2. N. gilt als g e f ä h r l i c h . Wer niest, soll ein Kreuz über den Mund machen w ) oder beten 1 3 ). Wenn in Abessinien während des Empfanges der König scheinbar n. muß oder irgend eine Bewegung machen will, so breitet ein Offizier sogleich seinen Mantel um ihn aus, um ihn vor dem bösen Blick zu schützen M ). Wer niest, ist nach keltischem Glauben der Gefahr ausgesetzt, von den Feen weggeschleppt zu werden 1 5 ). Zu Beverau im Hennegau geschah es häufig, daß die Kinder, während sie gewickelt wurden, niesten, als wenn es kein Ende nehmen wollte. Man konnte darauf rechnen, daß alsdann eine Hexe vor der Tür stand und aufpaßte. Wenn die Mutter dem Kinde kein „Gott segne dich" zurief, dann war es bezaubert M ). Vereinzelt wirkt das N. auch nach außen hin schädlich. Wenn ein Kind bei einem Vogelnest niest, so lassen die Vögel das Nest im Stiche, oder der Kuckuck saugt die Eier a u s 1 7 ) . Gegen z u v i e l e s und z u s t a r k e s N. hilft Waschen der Hände mit warmem Wasser, Reiben der Fußsohlen und Handteller mit Bürste oder Flanell, Reiben der Augen und Ohren mit den Fingern 1 8 ). Auch wird empfohlen, einige Tropfen Anisöl in den Wirbel des Kopfes einzureihen 1 9 ). Im Altertum führte man gegen N . den Fingerring von der einen Hand auf die andere über; er hat die Krankheitégeister festgehalten, und durch den Umtausch wird man sie wieder los 20 ).

niesen la ) G r o h m a n n Aberglaube 222 (1549); A b e g h i a n Armen. Volksglaube 33. 1 3 ) A b e ghian 68. " ) S e l i g m a n n Blick 2, 281. l s ) T y l o r ι, 103. i e ) Wolf Niederländ. Sagen 486 (400). " ) D r e c h s l e r 2, 195. l e ) H o v o r k a K r o n f e l d 2, 4; vgl. Plin. 28, 57. « ) 6. u. 7. Buch Mosis 1 1 5 . 23 ) E i t r e m Opferritus 63.

3. Ebenso häufig bringt das N. Glück. Wénn ein Sulu niest, sagt er: „Nun bin ich gesegnet, der Jdhlozi (Geist eines Ahnen) ist in mir" 21 ). Ein neugeborenes Kind muß n. 22). Wenn es vor der Taufe niest, wird es klug (Erzgebirge) 23) ; es fallen ihm reiche Geschenke zu 24). Wenn ein Kranker niest, so wird er wieder gesund 25). Ein Schnupfen, bei dem man recht häufig niest, verläuft gut 2β). Ein englischer Arzt des 17. Jh. pflegte zu sagen, daß der Kranke, der zweimal hintereinander niese, aus dem Hospital entlassen werden könne 27 ). Elias bringt den toten Sohn der Sunamitin durch seine Zauberkünste zu siebenmaligem N. und vertreibt dadurch den Krankheitsdämon M ). Wenn in Irland ein krankes Kind niest, treibt es die Geister heraus, und der Zauber ist gebrochen 29). Selten ist eine Wirkung nach außen. Wenn in Estland ein Gefäß, das zur Bierbereitung dient, beschrien ist, so läßt man ein Pferd darauf n. In der V o l k s m e d i z i n wirkt das N. ableitend und wird daher durch allerlei Mittel hervorgerufen S1 ). Im 16. Jh. machte man aus Bibergeil und geriebenen Rautenblättern ein Niespulver S2). Hippokrates empfiehlt Niesmittel zur Abtreibung der Frucht 33 ). Convallaria wurde als Niespulver beim Schlaganfall angewandt M ). Wenn man niest, ist man in den nächsten 24 Stunden vor einem Schlaganfall sicher 3S ). In Finkenwärder heißt es von einem, der niest: „Süh, dat Hatt is noch gesund" und bei Kindern: „dat Hatt wasst" 36). Will man N. unterdrücken, so soll man rasch ein Kreuz auf der Nase machen. Das Unterdrücken ist aber nicht ratsam 37 ). al ) T y l o r ι, 98. 2 l ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2, 1 0 2 ; Gassner Mettersdorf 1 3 ; T a u b mann Nordböhmen 54 f. Als bei Adams Erschaffung die Seele in sein Haupt gelangte, nieste er und sprach: „Gepriesen sei Gott!":

IO76

D ä h n h a r d t Natursagen 1, 89. 90 (nach arabischer Legende). 23 ) W u t t k e 222. John Erzgeb. 62. 25 ) Meier Schwaben 508; ZfrwVk. I i (1914), 257; W u t t k e 319; F o g e l Pennsylvania Germans 302 (1600),"· A b b o t t Macedonian folklore 1 1 4 ; K r u y t Animisme 92 (der Seelenstofi kehrt zurück); T y l o r 1, 98 (der Geist des Vorfahren ist in dem Niesenden). 27 «·) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 6. ) Höfler Organotherapie 42. 28 ) 2. Kön. 4, 35; Jirku D. Dämonen u. ihre Abwehr im alten Testament 2 30 45 f. ») S e l i g m a n n Blick 1, 265. ) Ebd. ι, 289. 3 1 ) L a m m e r t 242; H o v o r k a - K r o n feld 2, 198; B a r g h e e r 351 f. 32 ) J ü h l i n g Tiere 5. **) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 160. M ) Ebd. ι, 284. 35 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain Μ 90. ) B a r g h e e r Eingeweide 125. 37 ) L a m mert 232; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 4.

4. Das N. ist v o r b e d e u t e n d , überwiegend im guten, nicht selten aber auch im schlechten Sinne 3S). Wohl die meisten hierher gehörenden Einzelheiten des Volksglaubens wurzeln in der Antike 39 ). Die Schriften der Prediger in der älteren abendländischen Kirche bekämpfen häufig den Brauch, aus dem N. zu weissagen40). In einer Predigt des Eligius (| 659) heißt es : Auguria vel sternutationes nolite observare 41 ). Das N. am Morgen in nüchternem Zustande ist besonders beachtenswert42) : man bekommt etwas geschenkt 43), erfährt eine Neuigkeit oder erhält einen Brief 44 ), ein Geschenk oder Schelte 45 ), Besuch4«), fällt in Dreck 47 ). Nüchtern n. bedeutet Glück 48 ), aber auch Unglück 49). Muß man mehrmals nacheinander n., so ist das ein Zeichen, daß in der Familie bald etwas Außergewöhnliches geschehen werde M ). Wenn man am Morgen zweimal n a c h e i n a n d e r n. muß, so bedeutet das Glück, man bekommt einen Brief oder ein Geschenk 51 ). Einmal n. bedeutet Unglück, zweimal Glück 52 ). Am Morgen dreimal nacheinander n. verheißt Glück und Freude s3 ), ein Geschenk M ), Besuch 55). Wer dreimal niest, ist ein guter Christ 54 ), wird selig 57). Wenn man am Morgen nüchtern dreimal n. muß, hat man den Tag über Freude, wenn zweimal, Leid s8). Wenn der Nieser drei sind, „so sein vier dieb umb das hus" (Hartlieb)59).

IO 77

niesen

W i e d e r h o l t e s Ν. bedeutet überhaupt Glück für den Betreffenden; er hat noch etwas zu erwarten, besonders Besuch; es gibt schön (hell) Wetter (Rheinland) ®°). Wer oft hintereinander n. muß, bekommt entweder etwas geschenkt oder wird geschändt = ausgescholten81 ). In Nassau werden in solchem Falle ein Rausch, Empfang von Geld oder auch Schläge prophezeit ez ). Wer in Japan einmal niest, den lobt man, zweimal, der wird verleumdet, dreimal, über den wird gelacht, aber viermal, der ist wirklich erkältet· 3 ). Wer auf einem Wege fünfmal n. muß, der findet etwas 6 4 ). Auch für sechsmaliges N. gibt es bedeutsame Erklärungen · 5 ). Nur wer siebenmal hintereinander niest, wird den Schatz heben, den die Lohlaterne im Wäldchen bei Buttstädt bewacht ββ ). D r e i z e h n m a l n. ist sehr gut ·»). Einmaliges oder dreimaliges N. bedeutet aber auch Unglück 4 8 ). Wer morgens beim Aufstehen niest, befürchtet einen Unfall ββ ). Nüchterner Ernuß bringt Kummer und Verdruß 70 ). Morgeg'nuss (niesen) de ganze Tag Verdruss71). N. am Morgen bringt zum Abend Verdruß 72 ). Niest man am Morgen früh, so bekommt man Schelte von der Frau vor Sonnenuntergang; ist man ledig, so bekommt man ein keifendes W e i b n ) . Wer morgens nieset, fällt in Dreck; wer nachmittags nieset, hat Glück 74 ). N. am Morgen — viel Unglück und Sorgen, n. am Abend — beglückend und labend 75 ). Wenn jemand in der N a c h t niest, so hat er eine arme Seele erlöst 76 ). Wenn man in den Stunden von Mittag bis Mitternacht niest, ist es gut und glückverkündend 77 ). Für die verschiedene Bedeutung des nüchternen N.s an den einzelnen W o c h e n t a g e n gibt es Sprüche und Verse 78 ). Mitunter wird freilich der Reim die Bestimmung beeinflußt haben. Wenn man am S o n n t a g nüchtern zweimal niest, bekommt man eine frohe Nachricht (Ostpreußen) 7 ·). Wer am Sonntagmorgen im Bette niest, dem wird

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in der Woche etwas geschenkt werden (Island) *>). Sehr gut ist es, am M o n t a g m o r g e n zu n., denn „besser ist Montagen. als Mutterkuß" (Island) 81 ). Montag Morgen dreimal n. bringt Glück 82 ). Wenn man am F r e i t a g niest, bringt der Sonntag Unglück 83 ). Wenn man am S a m s t a g niest, kommt am Sonntag Glück M ). Das N. am Samstag in aller Frühe ist ein Zeichen, daß der Niesende eine Arbeit, die er vornimmt, nicht zu Ende führen werde 85 ). Wenn Sonnabend abends das jüngste Kind im Bette niest, so folgt eine glückliche Woche 8e ). Niest jemand während der Andacht in der C h r i s t n a c h t , so bedeutet das Glück für die Gemeinde im neuen Jahre 87 ). In den Christnachten niest man nicht, so stirbt das Vieh nicht 88 ). Wenn man vom h. Abend bis zum Silvesterabend nicht niest, so stirbt man bald (Posen)89). Die Esten halten es für glücklich, wenn sie am Christtag n. und nehmen dazu Niesetoback. N. sie nicht, so glauben sie dasselbe Jahr weder Stern noch Glück, viel weniger Gedeihen an ihrem Vieh zu haben ®°). Wer am N e u j a h r s m o r g e n niest, der stirbt in dem Jahre nicht e l ). Dagegen wieder : wer am Neujahrsmorgen nüchtern n. muß, der stirbt binnen Jahresfrist ·*). Wer in der K i r c h e n. muß, hat Unglück M ), N. beim Ankleiden verkündet der Jungfrau, daß sie bald B r a u t werde (im Bergischen) **). Wenn eines der Brautleute bei der Trauung niest, so wird die Ehe unglücklich (Erzgebirge)·5). Welches von den beiden Brautleuten bei der Trauung zuerst niest, stirbt zuerst··). Muß der Geistliche während der Handlung n., wird er die beiden Brautleute noch im selbigen Jahre zum Gottesacker aussegnen, wie er sie hier einsegnet * 7 ). Wenn jemand in seine Netze niest, während er sie strickt oder ausbessert, wird er mit ihnen beim Fischfang Glück haben (Island) · β ). Ν. beim Schuhanziehen bedeutet Unglück··). Wenn man beim Aufstehen niest, soll man sich wieder ins Bett hineinlegen 10°). Mancher,

niesen

der sein Haus verlassen will, gibt es auf, wenn er oder ein Hausgenosse niest 1) ZVfV. 24 (1914), 157. 40 ) S t r a c k e r j a n 1,31. 4 1 ) B a r t s c h Mecklenburg

2,

151.

42

)

ZVfVk.

8

(1898),

19 f. 4S) S t r a c k e r j a n 1, 87; W u t t k e 337 § 502. 44) R o c h h o l z Kinderlied 334; ZfVölkerpsychol. 18, 257. " ) K n u c h e l 54; Rtrp. 14, 164. 4e ) W u t t k e 359 §542. « ^ Z f V ö l k e r p s y c h . 18 (1888), 2 2 f . ; S e l i g m a n n Blick 1, 194; B a y r . H f t e . 2 (1915), I 7 i f . ; B I B a y V k . 2 (1927), 48ÎÏ.;

ZfVk. 1912, 131. ) S p i e ß Fränhisch-Henneberg 151; S a m t e r Volkskunde 75; W u t t k e 2t 9 § 3°9· 48) G r i m m Mythologie 3, 437 Nr. 93; S a m t e r Volkskunde 75; L a u b e Teplitz 57; W u t t k e 161 §219. 49) S a m t e r Volkskunde 47

75; W u t t k e

219 §309.

60

) Wolf

Beiträge

I,

239. " ) ZfVölkerpsych. i8, 23f. 62) B a r t s c h Mecklenburg 2, 175. 63) ZfVölkerpsych. 18, 23f.; ZfdMyth. 3, 402; 2, 418; Globus 63, 77. " ) ZfVölkerpsych. 18, 22f. 65) S p i e ß FränkischHenneberg 151; ZfVölkerpsych. 18, 24; G r o h m a n n Sagen 163; ZfdMyth. 3, 279. *·) S c h m i d t Kräuterbuch

39 N r . 1 5 .

")

Seligmann

Blick

1, 172. M ) Wolf Beiträge 1, 206. *») ZfVölkerpsych. 18, 23L; Atrp. 18, 126; 15, 20. , 0 ) Ebd. eia ) 24. 11 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 514. S c h r a m e k Böhmerwald 255; K ö h l e r 395; J o h n Erzgeb. 55; Westböhm. 251. , 2 ) G r i m m Mytholog. 3, 442 Nr. 242; ZfVölkerpsych. 18, 24; ZfMythol. 3, 311, 28. ω ) M a n n h a r d t ι, 75; Bavaria 3, 306; W o l f Beiträge 1, 252. Zepf.

II62

Nudeln. ι. Südwestd. rundes Hefengebäck, in der Pfanne aufgezogen: Dampfnudeln darf man beim Einlegen in die Ranne nicht zählen, sonst gibt es Wetzsteine (Federsee)1). B i r l i n g e r Schwaben 1, 412, Knödel u. Speise § 5 ff.

17; vgl.

2. Ein typisch bayrisches und tiroler Schmalzgebäck, länglich oder auch in Krapfenform 2 ) : beliebt als Festspeise an Weihnachten 3 ), Fastnacht 4 ); die Dienstboten im bayrischen Kloster Scheyern erhielten 1500 jeder 21 Schuchsen, ein formloses Nudelgebäck 5 ). In der Neuhauser Gegend werden am Tage Maria Verkündigung in jedem Hause N. in der Milch verzehrt®). Im Allgäu gibt es Ausgangs Mai überall Buttern, mit Honig beträufelt; der Ortspfarrer wird eingeladen; man hält die Speise für besonders kräftig und heilsam, weil da das Vieh schon gute Kräuter bekommt 7 ). In der Oberpfalz verteilt man an der Hochzeit die N. 8). In Tirol bäckt man beim Einzug ins neue Haus die Hausn. 8 ). Während des Getreideschnittes bekommen am Lechrain die Schnitter Mittags Küchel und abends N. 10 ). Beim Essen der Wöchnerin müssen in Schwaben immer N. sein u ) . 2

) S c h m e l l e r BayWb.\ S c h r a m e k Böhmer-

wald 323; Z f V k . 14, 274.

3

) H ö f 1er

Weihnachten

37. 4) Ders. Fastnacht 50. 93; H ö f l e r vergleicht 57 ff. die schlesische Knudel. 6 ) P a n z e r Beitrag 2, 527; Höf 1er Fasteng. 26. *) S c h r a m e k 121. 7 ) B i r l i n g e r Volksth. 2, 96 Nr. 127. ·) Bavaria 3. 324· 333 ff· ') ZföVk. Suppl. 7, 38. «J L e o p r e c h t i n g Lechrain 192. u ) H ö h n Geburt 263 ff.

3. N. als Fruchtbarkeitssymbol: Bei Adelschlag und Meckenloh in Mittelfranken bleiben am Schluß der Ernte etwa 20 Halme stehen; man schlingt die Halme oben in einen Knoten, setzt einen Blumenkranz darauf und steckt zwischen Knoten und Kranz eine N.; dann stellen sich die Schnitter im Kreis herum und beten: Heiliger Aswald, wir danken dir, daß wir uns nicht geschnitten haben 12 ). In Oberbayern (Landstetten) bekommt der „Letzte" beim Dreschermahl als Vertreter des Vegetationsdämons eine große

I163

Nuß—Nymphe

Nudel, dazu 4—6 kleine in Schweinsgestalt 12a). 12 ) P a n z e r Beitr. 2, 214, 385. 215, 392. 216, 393; M a n n h a r d t 1, 209 Α.; J a h n Opfergebräuche 176. 1 2 a ) P a n z e r I. c. 2, 221; vgl. 223; J a h n I . e . 2 2 5 ¿ . ; L e o p r e c h t i n g 166.

4. N. als Opfer: a) Für die Percht (siehe Krapfen): In Oberkärnten werden von den N. am Vorabend vor Dreikönig für die Percht auf den Tisch gestellt, damit sie davon koste und abbeiße; tut sie das, so gibt es ein gutes Jahr 13 ). Eine alte Frau in Alpach ließ immer am Dreikönigsabend N. für die Percht und ihre Kinder stehen, wenn auch die Jugend sie auslachte 14 ). In Tirol legt man am Gömnachtabend (Abend vor Dreikönig) N. auf die Hausdächer 1S). So wurden noch in Achental vor 120 Jahren N. auf das Hausdach gelegt 1β ). Auch legt man Krapfenn. für die Stempa aufs Hausdach 17). b) Wenn in Essenbach bei Landshut die Drud zum Drücken kommt, soll man sagen: Komm morgen um ein Nudelrahmi ! Sie kommt dann, und man kennt sie; oder man sagt: komm morgen um ein Nudelrahmi, ein Ei 1 8 ). c) Bei Passau legt man zwei Fingern, übers Kreuz, sie werden gebacken, geweiht und mit einem Antlaßei am Tage der Sonnenwende dem Vieh in den Barn gelegt »). d) Wie anderswo Brot (vgl. Brot), so wirft man in Tirol N. oder Krapfenn. ins Feuer 20 ) (siehe Krapfen). e) In der Gegend von Dachau opfert man beim Seelenopfer Eier und weiße N. in ungerader Zahl 21 ). In einem Fall sind die N. ein eigentümliches Totengebäck: In Altbayern gab es Leichen- oder Zehrungsn., die 1803 verboten wurden; man legte kleine rund ausgezogene Teigfladen

II 64

auf die über die Leiche gebreiteten Laken, bis der Teig gegangen war; dann wurden sie im heißen Schmalz gebacken22). 13 ) ZfdMyth. 4, 300; S i m r o c k Mythologie 549; W e i n h o l d Weihnachtsspiel 25; J a h n 1. c. 283; ZföVk. 1903, 201; W . 436. " ) A l p e n b u r g Tirol 64, I. » ) Ders. 1. c. 48; ZfdMyth. 3, 335;

vgl. H ö r m a n n

Tiroler

Volksleben

242ff.



)

Z i n g e r l e Tirol 128 Nr. 1144; ZfdMyth. 3, 335; K ü h n a u Brot 7. " ) H e y l Tirol 815; ZfVk. 14, 274; vgl. H e y l 753 Nr. 9. 18 ) P o l l i n g e r Landshut 113; in Ranggen sagt m a n : komm um drei Almosen: Z i n g e r l e 1. c. 70 Nr. 593; in Schlesien verspricht m a n d e m Alp: ein Stück Brot ( K ü h n a u Sagen 3, 109. 133), ein Stückel Weichbrot (1. c. 3, 121), ein Butterbrot (1. c. 3, 125); vgl. K ü h n a u Sagen 4, 97; in B ö h m e n verspricht m a n d e m Alp ein Brötchen: G r o h m a n n 26 Nr. 130. l e ) P a n z e r Beitrag 2, 495; ZföVk. 1910, 95. 2") J a h n 1. c. 12; Z i n g e r l e Tirol 38. 21 22 ) Globus 80, 94. ) Churbaierisches Regierungsblatt 1803, 467; AfAnthrop. N F . 6, 109.

5. Augurien (siehe Krapfen und Pfannkuchen, Kuchen): Nimmt man in Sterzing die drei ersten gebackenen Krapfenn. und trägt sie dreimal splitternackt ums Haus, daß man außerhalb der Dachtraufe kommt, so sieht man an der letzten Hausecke den Zukünftigen 23 ). In Ungarn in der Szegeder Gegend wirft das Mädchen in der Mitternachtsmesse an Weihnachten Mohnn. in den Weihwasserbehälter in der Kirche. Soviel Mohnkörner sich lösen, soviel Freier bekommt das Mädchen M ). 23 ) ZfVk. 14, 269; H ö f l e r Weihnachten 38; vgl. Q u i t z m a n n Baiwaren 91; Z i n g e r l e 1. c. 187 Nr. 1545; 191 Nr. 1577; 194 Nr. 1589. M ) ZfVk. 4, 315; H ö f 1er Weihnachten 37.

6. Am Sonnwendfest soll man in Oberbaiern neunerlei N. oder Küchel essen (vgl. neunerlei Kräuter) 2S ). 26

) ZföVk. 1910, 92 fi. 95.

N u ß s. H a s e l , W a l n u ß . N u ß b a u m s. W a l n u ß . N u ß h ä h e r s. Häher. N y m p h e s. Wassergeister.

Eckstein.

Oberland—Obstbaum

Il66

o .

Oberland. 0 . ist eine Bezeichnung für Himmel. Ihr liegt die altgermanische Vorstellung zugrunde, daß es außerhalb von Midgard, der von Menschen bewohnten Erde, mehrere Außen-, Oberund Unterwelten gibt. So spricht die Snorra-Edda von drei übereinander liegenden Himmeln 1 ), dieselbe Vorstellung verrät der Name upphiminn, Oberhimmel, der in formelhafter Zusammenstellung in der Edda (içr fannz seva né upphiminn) 2), im Wessobrunner Gebet (ero ni uuas noh ûfhimil), im Angelsächsischen und Altsächsischen und auch bei Heinrich'Frauenlob wiederkehrt. In der Riesensprache lautet der Name des Himmels uppheimr 3 ), und diese Bezeichnung begegnet uns im deutschen Volksglauben als 0 . 4 ) . Mittelhochdeutsche Dichter nennen den im Himmel wohnenden Gott den „kung uz Oberlande" 5 ) oder sehen ihn im Bilde des „smit von oberlande (oberlanden, oberlant)" 6 ). Entsprechende Vorstellungen von mehreren Himmeln weist Schwartz auch für den griechischen Volksglauben nach, demzufolge die Phäaken z. B. in dem weiten Hypereia, d. h. dem 0., dem Himmel, wohnen 7 ). 1 ) Gylfaginning cp. 17. 2) Vsp. 3, 6; Vm. 20; Od. 17; Vgl. t>rk. 2. 3 ) Alv. 12, 4. Vgl. G r i m m Myth. 1, 187 f. *) M a n n h a r d t

Germ.

Mythen

327 Anm.

2.

Regenbogen

4 (v. d. H a g e n Minnesinger 3, 354).

v.

Kulm

Von

siben

Ingesigeln

V.

6

VI.

) Tilo 823 S.

) Frauenlob 11 (v. d. H a g e n Minnesinger 2, 339) ; Marner 3. 4 (ebd. 2, 247). 7) S c h w a r t z

e

Studien

61. 1 2 3 A n m .

1. 390.

Lipcke.

Oblate s. H o s t i e 4, 412 ff. Oblation (von lat. offerre), Opferdarbietungen, wie sie als Fortsetzungen der heidnischen Bräuche sich bis auf den heutigen Tag noch in einzelnen Gegenden erhalten haben 1 ). Noch bis tief in das Mittelalter hinein mußte die Kirche einen energischen Kampf gegen diese altheidnischen Opfersitten führen 2 ). Besonders an Gräbern, heidnischen Steindenkmälern, Bäumen, Quellen und Kreuzwegen wurden solche Opfermahlzeiten, durch die die Menschen zu den alten Göttern in Ge-

meinschaft treten wollten, dargebracht 3 ). So wie nach athenischem Glauben alle vom Tisch gefallenen Brosamen und Speiseteile den Heroen gehörten 4), werden auch weithin in Deutschland die übriggebliebenen Speisereste als Opfergaben für die armen Seelen ins Feuer geworfen 5 ). Auch den Kobolden und Hausgeistern werden zu gewissen Zeiten Speiseopfer dargebracht e ). In Tirol wurde noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts am Weihnachtsabend den Elementen des Feuers, der Luft und der Erde sowie den Brunnen Opfer dargebracht '). Der Slawe opfert jeden Samstag den Krankheitsgeistern, daß sie ihm fern bleiben 8), wie der Preuße noch vor etwa 200 Jahren bei Gewittern eine Speckseite darbrachte, um vor einem Einschlag des Blitzes verschont zu werden 9 ). G r i m m Myth. 3, 22.

2

Relig.

) Lippert

d. europ. Kulturvölker 1 4 8 f . ; M e y e r Aberglaube 1 1 3 f . ; S c h r e i b e r Kurie u. Kloster im 12. Jahrh.

92fi. Ζ. d. Sav. St. (Kan. Abt.) 5

(1915).

ff.;

i l ( 1 9 2 1 ) , 1 9 2 ; B r u c k Totenteil u. Seelgerät 2 8 3 0 .

329 f. ) S. z. B. B u r c h a r d v. W o r m s Samml. d. Dekr. 19, 5, 1956: comedisti aliquid de idolothito, i. e. de o b l a t i o n i b u s , quae in quibusdam locis ad sepulcra mortuorum fiunt vel ad fontes, aut arbores, aut ad lapides aut ad bivia, aut comportasti in aggerem lapides . . .; H e fe le 3

Concgesch.

ι , 1 6 8 ; 6, 4 1 9 ; R o c h h o l z Glaube 1 ,

203 ff. «) A r i s t o p h . C. A. F. 1, 470 Kock cf. 305;

Breysig

Gesch.

d. Menschheit

1

(1907),

221; W u n d t ι, 2, 356 f.; T y l o r 2, 24. 39. ) M a n n h a r d t 81; P a n z e r 2, 69, 92; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 360 § 33, 1; § 34, 4; 365 § 34. 9· *) M e y e r Aberglaube 341; G r i m m Sagen 1, 81. 83, 7; ZfdMyth. 3, 334 f.; Z i n g e r l e Tirol 120, cf. 81; G r o h m a n n Böhmen 50; Opfer an Quellen: S é b i l l o t Folk-Lore 2, 292; Rev. trad. pop. 14, 605; K n u c h e l Umwandlung 52 f. «) K r a u ß Rei. Brauch 40 f. cf. 92. ») H a r t 6

knoch

Altes

u.

Neues

Preußen

W u t t k e 289 §423. s. a. Opfer.

1684,

160;

Zepf.

Obscönität s. Nachtrag. Obstbaum.

ι. Geschichtliches. — 2. O. und menschliches Leben. — 3. Umwickeln der O.e mit Stroh. — 4. Baumopfer. — 5. Schütteln der O.e. — 6. Schlagen und Klopfen. — 7. Anschießen der O.e. — 8. Wind fördert die Fruchtbarkeit. — 9. Neujahranwünschen. — 10. Hängenlassen einiger Früchte. — 11. Verschiedener Aberglaube über das Gedeihen der O.e. — 12.

ιιό7 O.e im Liebesorakel. — pathetischen Medizin.

Obstbaum 13.

O.e

in der s y m -

1. Die Kultur der meisten unserer O.e haben die Deutschen von den Römern übernommen. In den steinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz fanden sich nur Reste vom Holzapfel, der Birne, der Süßkirsche (Prunus avium), der Kriechenpflaume (Prunus insiticia) 1 ). Das innige gemütvolle Verhältnis des Bauern zu seinen O.en äußert sich in den zahlreichen abergläubischen Meinungen und Bräuchen (vgl. besonders unter 9), die sich an die O.e knüpfen 2 ). Vgl. auch Baum, Beeren, ferner die einzelnen O.e wie Apfel, Birne, Kirsche, Kriechenpflaume, Pfirsich, Pflaume, Walnuß. *) H o o p s Reallexikon 3, 354 s . ; S c h r ä d e r 2) D r e c h s l e r Reallexikon2 1, 1 1 4 — 1 1 8 . Das Verhältnis des Schlesiers zu seinen Haustieren u. Bäumen, P r o g r a m m G y m n a s i u m Zabrze 1 9 0 1 ; d e r s . Schlesien 2, 7 9 — 8 4 ; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 1 1 8 ff.; 3, 34 f. 70.

2. Der O. wird in seinem G e d e i h e n usw. vielfach mit dem m e n s c h l i c h e n L e b e n in Parallele gesetzt und umgekehrt. Ein junger 0. wird fruchtbar, wenn man die ersten Früchte von einem Tragekind abpflücken läßt 3 ) oder wenn der Eigentümer die ersten Früchte einer schwangeren Frau schenkt 4 ). In der Pfalz dürfen O.e nicht von Frauen während der Periode gepflanzt werden, sonst tragen sie keine Früchte. Der Besitzer des O.s muß selbst die Früchte abnehmen, sonst trägt der O. nicht wieder 5). Geht ein jüngerer O. ein, so stirbt jemand im Haus des Inhabers e ). Nach dem Tod des Hauswirts muß man um die O.e ein Band binden (Münsterland) 7 ). Wenn ein O. außer der Zeit bzw. zum zweitenmal blüht, so stirbt jemand aus der Familie 8), vgl. Baum (1, 957). Bei der Geburt eines Kindes wird ein O. (oder ein anderer Baum) gepflanzt; aus dem Gedeihen des Baumes glaubt man auf das Gedeihen des Kindes schließen zu können 9 ). 3) W o l f 4) Beiträge 1, 209. Vernaleken Mythen 315. { ) S t r a c k e r j a n 1, 50. e ) H ö h n Tod 309. ') S t r a c k e r j a n 1, 67. Z. B . Z f r w V k . 4, 2 7 1 ; S a r t o r i Westfalen 28; F o g e l Pennsylvania 1 2 1 ; D r e c h s l e r Schlesien 2, 83; M n b ö h m E x c . 1 1 , 302; auch in den Ver. S t a a t e n (Northern O h i o ) : B e r g e n Animal and Plant

Lore 106. *) W r e d e Rhein. Volkskunde 106; v g l . a u c h M e i e r Schwaben 348.

Il68 1919,

3. Zahlreich sind die Bräuche, durch die die O.e veranlaßt werden sollen, recht viel F r ü c h t e zu tragen. Die O.e werden in cen Zwölften, am hl. Abend, an Silvester oder Neujahr, selten an Fastnacht 1 0 ), Ostern 1 1 ), Pfingsten 12 ), Johannis 1 3 ), an Allerheiligen 14 ) mit Strohbän< lern oder -seilen umwunden 1S ). Auch mit Weiden werden die O.e umwunden 1β ). Das Umwickeln mit Strohbändern muß in cer Neujahrsnacht in bloßem Hemd still: chweigend geschehen 17 ). Manchmal wire ausdrücklich betont, daß es k e i n l e e r e s Stroh sein dürfe, sondern daß der Ο. ι lit vollen, unausgedroschenen Ähren umvTinden werden müsse 18 ). Auch verweniet man das „Wurststroh", d. h. Stroh, auf dem selbstgefertigte Wurst gelegen, das also fettig geworden ist 1 9 ), odei das Stroh, das während der Weihnacltsmahlzeit unter dem Tisch lag 20 ). A u c i kleine Münzen werden in das Stroh gestockt 2 1 ), vgl. unter 4. Die Strohbän< 1er um die O.e werden mit den noch nicht abgewaschenen Händen, mit denen der Kuchenteig (für Weihnachten) zurech :gemacht wurde, angebracht 22 ), siehe unter 4. Alle diese letzten Bräuche weisen auf einen Fruchtbarkeitsritus hin. Auch soll das Umwinden mit den Strohbänc ern eine „Kopulierung" der O.e bed e u t e 23). Ebenso wird dem Umwickeln mit Stroh apotropäische Bedeutung zugeschrieben 24), ja sogar als „Windsymbol für Wod"(?) wurde der Brauch gedeutet 2 1 ). Möglicherweise stellt das Umwick îln mit Stroh auch ein Opferrudiment (Get ·είάεορίβΓ? ) dar, denn bei den Wenden nennt man den Brauch „die Bäume beschenken" 26). In Vogisheim bei Müllheim (Baden) sagte eine Frau beim Umleger des Strohbandes am Christabend: „ J e z bring ich dir's Winechchindli, 's andr Johr bringsch du mir's" 2? ). Schließlich wird der Brauch rationalistisch gedeutet: die Strohbänder sollen (ähnlich wie die bekannten Leimringe) das Hinaufkriechen der Weibchen des den O.en so schädlichen Frostspanners (Cheimatobia brumalis) verhindern 28). Vielleicht ist

n6ç

I170

Obstbaum

der Brauch des Strohumwickeins mit einem spätantiken zu vergleichen, nachdem der Baum viele Früchte hervorbringt, wenn man ihn mit einem Kranz von Lolch (άφα, ζιζάνια) umwindet 29 ). 10 ) H u ß Aberglaube 7. n ) R a n k Böhmerwald 12 ) ι, 161. H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 287. 1 3 ) S o m m e r Sagen 156 f. 14) Elsäss15 ) Monatsschr. 1 (1911), 695. Paullini Baurenphysik 1711, 118; ( K e l l e r ) Grab d. Abergt. 5, 319 f.; K u h n u. S c h w a r t z 407 Nr. 142; K u h n Westfalen 2, 108; ZfdMyth. 1, 394; P a n z e r Beitrag 1, 266; M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 3; J u n g b a u e r Bibliogr. 139 Nr. 832; P e u c k e r t Schles. Volkskde. 89; H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 283; S c h u l l e r u s Pflanzen 83 f.; D. Kuhländchen 9 (1927), 104; Urquell I, 50; H ü s e r Beiträge 2, 25; M ü l h a u s e 65; D r e c h s l e r Schlesien 1, 39; S c h r a m e k Böhmerwald 246; F o n t a i n e Luxemburg 9; M e s s i k o m m e r i, 190; S t a u b e r Zürich 2, 118; H o f f m a n n - K r a y e r 44. 110. 114; Jahn Opfergebräuche 214 f.; G r i m m Mythol. 3, 439 Nr. 153; K ö c h l i n g De coronarumvi 14; M e y e r Germ. Myth. 101. 257; F r a z e r 2, 2 7 ! ; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 35. 70 (hier weitere Literatur !) ; auch in der Bretagne: W o l f Beiträge 1, 230. » ) SAVk. 2, 264. " ) ZfVk. 17, 449. l e ) K n o o p Posen 320; M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 3. 19) B a r t s c h Mecklenburg 2, 229; ZfVk. 1, 179 (Brandenburg); M a a c k Lübeck 50. 20) Ebd. " ) ZfVk. ι, 179 (Warthebruch). 22) K ö h l e r 23) Voigtland 362. B a r t s c h Mecklenburg 2, 229. A n d r e e Braunschweig 329; K n u c h e l 25 Umwandlung 72. ) M e y e r Germ. Myth. 257. 2 ·) S c h u l e n b u r g 133. ") Meyer Baden 28) F r e y b e 384. Volksaberglaube 1910, 167. 2e) Geoponika ree. B e c k h 1895, 10, 87, 1.

4. Vielfach wird den O.en (vor allem an Weihnachten oder Neujahr) in mehr oder minder rudimentären Form g e o p f e r t , damit sie im kommenden Jahr reichlich tragen sollen. Hierher gehört das „Baumfüttern" (in Niederösterreich „Bäumeschatzen" genannt), wie es besonders im östlichen Deutschland geübt wird. Man trägt am hl. Abend nach dem Essen die Speisereste (z. B. Nuß- oder Äpfelschalen) in den Garten (bzw. schüttelt das Tischtuch aus) und legt sie unter einem 0. nieder 30 ). In Alpbach (Nordtirol) mußte die Dirn zu Weihnachten, nachdem sie den Teig zu den „Zelten" geknetet hatte, mit den teigigen Armen die O.e umfassen 31 ), ganz ähnlich in Böhmen 32). Im Traunviertel findet in der Perchtennacht das „Baumküssen" statt. Man füllt den Mund mit Krapfen und küßt einen

Apfelbaum mit den Worten: „Baum! Baum! ich küß dich, werd so voll wie mein Maul". Die Kinder haben hierzu, indem sie alle O.e des Wiesgartens abgehen, oft den ganzen Sack voll Krapfen, die sie als Opfer an die Vegetationsgeister im Baum verzehren 33 ). In der Staaber Gegend (Egerland) tragen am hl. Abend die Kinder Zwetschenkerne und Hutzelstiele zu den O.en im Garten und sprechen: „Dan hâts Beimala wos zan heilig'n Aubend, daßts a wißts, das da haligh Aubend is" M ). Man wirft in der Christnacht Obststiele unter die O.e 35). Als Opfer ist es wohl auch zu betrachten, wenn man tote Hunde oder Katzen 36 ), ja sogar lebendige Tiere 37 ) unter dem O. vergräbt, die Eingeweide geschlachteter Tiere 38 ), die Nachgeburt eines Pferdes 39 ) oder einen Aasknochen („damit sich der unfruchtbare Baum schämt") in die Zweige hängt. Auch glaubt man mit dem Wasser, in dem man ein geschlachtetes Schwein gebrüht hat, dem O. eine recht kräftige Nahrung zuzuführen 41 ). Man soll in der Christnacht die Bäume (wohl die O.e) begießen, damit sie gut wachsen 4a), im Erzgebirge geschieht dieses Begießen (oder Bestreichen) mit Milch 43 ). Am Gründonnerstag bindet man vor Sonnenaufgang um den 0. eine mit Honig getränkte Schnur 44 ) (Rudiment eines Honigopfers, damit der Baum s ü ß e Früchte bekommt?). Mit Vorliebe steckt man an Neujahr usw. Geldstücke in die Rinde des O.es 45 ). Da man auch Eisen an den O. hängt oder einen (eisernen) Nagel hineinschlägt, so könnte man hier auch an die apotropäische Wirkung des Metalls denken. Auf den unfruchtbaren 0. legt man einen Stein („zur Strafe muß er die Last tragen") 4e ), man hängt einen durchlöcherten Stein in den Ästen auf 4 7 ). Ähnlich macht man es in Melanesien und in Sizilien 48 ). In der Zobtenebene hing man an die O.e in den Zwölften alte Kleiderfetzen, die dann am Ostersonnabend während des Mittagsläutens wieder abgenommen wurden 49). Auch heißt es, man müsse in der Neujahrsnacht die O.e beschenken M ). 30)

J o h n Westböhmen

18. 224. 289; V e r n a -

leken

Mythen

290;

Schles.

Volkskde.

Weihnacht

H ö f 1er

27;

D r e c h s l e r Haustiere 16; J u n g b a u e r Bibliographie 139 Nr. 833; Urquell 1, 102; P e u c k e r t 89; M a a c k

Lübeck

50.

31 )

ZfdMyth. 3, 334. 32) G r o h m a n n 87 = M a n n h a r d t I, 9; H ö f l e r Weihnacht 27. 33) ZfVk. 14, 2 7 4 I

M

franken 163. Beiträge

I172

Obstbaum

1171

) E g e r l . 28, 42. 3e

3S

Ober-

) Jäckel

) J o h n Westböhmen 289; W i r t h

4/5, 21.

37

) Maack

Lübeck

58.

38)

Jahrb. f. d. Landeskde. d. Herzogtümer Schleswig-Holstein u. Lauenburg 6 (1863), 397 = S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 120. 3e) S t r a c k e r j a n ι, 125. 40) G r o h m a n n 143. 41 ) ZfVk. 24, 193- 42) SAVk. 8, 279. 43) J o h n Erzgebirge 162. 183. 44 ) G r o h m a n n 232. 4S) A n d r e e Braunschweig

329; D r e c h s l e r Schlesien

1, 40;

M e y e r Volksk. 207; K n u c h e l Umwandlung 71 f.; P a n z e r Beitrag 1, 267; W i r t h Beiträge 6/7, 15; B a r t s c h Mecklenburg 2, 229 (wenn der Baum bestohlen wurde, eine Silbermünze 4e hineinstecken). ) Meier Schwaben 249; Grimm Myth. 3, 476 Nr. 1103. 47) M e y e r Baden 385; das Mittel stammt wohl aus der Geoponika des K a s s i a n o s B a s s o s (10. Jh.), ree. B e c k h 1895, 10, 87, 7. 48) S c h e f t e l o w i t z Bauernglaube

89.

4i

) P e u c k e r t Schles.

Mecklenburg 177.

2,

232;

Volkskde.

89; ebenso hängt man in der Theißgegend Lappen an die O.e: ZfVk. 4, 312. 50) B a r t s c h Knoop

Hinterpommern

5. Die O.e werden am hl. Abend oder überhaupt in den „Zwölften" 5 1 ), am Nikolaustag 62 ), am Karfreitag B3 ), am Karsamstag während des Glorialäutens 54) g e s c h ü t t e l t , daß sie besser tragen. In Töltsch (Nordwest böhmen) wäscht man sich am Karsamstag um 9 Uhr vormittags, wenn die Glocken wiederkommen, in einem Bach das Gesicht und Hände und zwar an dem Zusammenfluß von zwei Bächlein, trocknet das Wasser nicht ab (vgl. das Berühren der O.e mit den teigbedeckten Händen unter 4) und schüttelt dann sämtliche O.e 55). Das Schütteln muß von einem schwangeren (siehe unter 2) Weibe 6e) oder während des Begräbnisläutens (damit der O. nicht abstirbt ?) geschehen 57). In Sindeldorf (Württemberg) pflegte eine Frau, die zur Christmette ging, mit dem Fuße an den O. vor ihrem Haus zu stoßen 58 ). Der Sinn dieses Schütteins ist wohl der, den O. aus seinem Winterschlaf aufzuwecken. Eine rationalistische Erklärung, daß das Schütteln bewirke, daß der den O.en sehr schädliche Käfer, der Apfelblütenstecher (Anthonomus pomorum), von den O.en herunterfalle se ), kann schon deswegen nicht zu-

treffen, weil das Schütteln fast immer um die Weihnachtszeit geschieht, wo der Käfer noch gar nicht auf dem Baume ist.

51 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 34; S o m m e r Sagen 162; Müller Isergebirge 28; K u h n

Westfalen

163.

S2

2,

108

N r . 327;

John

) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 4.

berger sylvania

Erzgebirge

63

) Baum-

St. Galler Land 129; F o g e l Penn209. M ) M a r z e l l Bayer. Volksbotan.

26; J o h n Westböhmen 63; Das Kuhländchen 9 (1927), 104; auch bei den Walachen: Rtrpop. 18, 329. 55) Orig. Mitt. v. S t e l z h a m e r 1908. 5e ) F o g e l Pennsylvania 209. 57) W i r t h Bei58 träge 6/7, 15. ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 13 = Beschreibung des OA. Künzelsau 1883,

120.

69

) W e i n k o p f Naturgeschichte 160.

6. Eine ähnliche Bedeutung hat das S c h l a g e n oder das K l o p f e n an die O.e Auch die Anschauungen vom Schlag mit der fruchtbarmachenden Lebensrute (s. d.) sind hier maßgebend. In der Rhön schlägt man mit derselben Rute, mit der Menschen „gepfeffert" werden, die O.e 81 ). Wenn ein 0. nicht Früchte trägt, versetzt man ihm in der hl. Nacht einen tüchtigen Streich mit einem Beil ®2). In Bitschweiler (Elsaß) klopfen alte Leute am Karfreitag an die O.e; aus dem Klang wollen sie schließen, ob es viel Obst gibt oder nicht 63 ). In Pillersee klopfte man mit gebogenem Finger an jeden O. mit den Worten: „Auf, Baum! heut ist die heilige Nacht, bring wieder viel Äpfel und Birnen" e4), in Ranggen (Tirol) hieß der Spruch ,,Bâm, wach und trag — heint (heute) ist der heilige Tag"es). Im bayerischen Schwaben klopft man mit dem im Karsamstagfeuer angekohlten Holzstück („Judas") an die O.e ββ ). Hier spielt vielleicht eine Art Feuerkult mit herein, etwa ähnlich wie man in der Normandie und in den Ardennen in den „Zwölften" Feuer unter den 0.en entzündet 67 ).

M ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 472; M a n n h a r d t 1, 277; H o f f m a n n - K r a y e r 110; ZfVk. 6, 432; SAVk. Ii, 263; auch bei den Slaven: H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 56. n ) M a n n h a r d t I, 280. «2) SAVk. 24, 64. e3 ) Jb. Elsaß-

L o t h r . 6 (1890), 166 =

S a r t o r i Sitte u.

I, 276.

Bayer.

3, 145.

M

Brauch

) ZfdMyth. 3, 336. ·*) M a n n h a r d t

··) M a r z e l l

•7) F r a z e r Scapegoat 316!

Volksbotanik

26.

7. Einen ähnlichen Sinn wie das Klopfen und Schlagen hat wohl auch der Brauch, an Neujahr durch die Zweige der O.e mit

Obstbaum

F l i n t e n zu s c h i e ß e n , um die Fruchtbarkeit des Baumes zu erhöhen e8). Die 0.e tragen, wenn man das „Neujahr anschießt" ββ). In Murg am Walensee schellt am Fastnachtssonntag die männliche Jugend die Bauerngehöfte ab. Manche Bauern verlangen sogar, daß jeder einzelne Baum abgeschellt werde, damit das Obst besser gedeihe 70 ). Das Schießen usw. hat wohl auch apotropäische Bedeutung, s. Lärm. Ähnlich wie der Kohl (s. d.) werden die O.e im Advent „erschreckt" 71 ). •8) ZfVk. 6, 432 (Straguth); 9, 179 (Zauche); W i r t h Beiträge 6/7, 15; K n o o p Hinterpommern 177. ··) F o g e l Pennsylvania 208. ,0) Globus 91, 204 = Sartori Sitte w. Brauch 3, 100. 7l ) K n o o p Pflanzenwelt 11, 81 f.

8. Wenn an Weihnachten ein starker W i n d geht, so daß die O.e vom Wind geschüttelt werden, so gibt es ein gutes Obstjahr. Man sagt die O.e „rammeln" (begatten sich) 72 ) oder „rinden" 73). Offenbar sieht man in dem Aneinanderschlagen der Zweige im Winde eine Analogie mit der Begattung der Tiere. 7i ) Meier Schwaben 258; B i r l i n g e r Volksth. 1, 466; K u h n Westfalen 2, 116; ZfrwVk. 1, 63; Marzell Bayer. Volhsbot. 4; P e u c k e r t Schles. Vk. 2, 88; J ä c k e l Oberfranken 163. 73) D. Kuhländchen 9 (1927), 104.

9. Den O.en wünscht man ein gutes neues Jahr 7 4 ), man ruft ihnen „Prost Neujahr" zu (Braunschweig) 76 ), ja man redet sie mit Neujahrssprüchen an. Ein solcher lautete um die Mitte des 19. Jh.s in Delligsen (Braunschweig): Freuet jüch, leiwen Boeme! Et nie Jahr is ekomen. Dit Jahr ne Kare vull, Op et Jahr en Wagen vull, Hûse bûse Up et Jahr twê, Up et Jahr noch ên paar. Denn geit de Weige up un dal ,e ). 75) " ) F o g e l Pennsylvania 208. ZfVk. 10, 65. 7 ') Ebd.; vgl. auch Seif a r t Hildesheimer Sagen 2, 137 = M a n n h a r d t 1, 9.

10. Weit verbreitet ist der Brauch, bei der Obsternte einige F r ü c h t e am O. zu lassen, damit er im nächsten Jahr wieder gut trägt 7 7 ). Man sagt, der „Baum müsse seinen Zehnt behalten" 78). Was am Baum hängen bleibt, nennt man den „Sparapfel" bzw. die „Sparbirne" 79 ). In

"74

Oberfranken läßt man die Frucht für das „Holzfräulein" hängen 80). Wir haben hier wohl ein Analogon zum „Beerenopfer" (s. ι , 974) vor uns. 77) Sartori Sitte u. Brauch 3, 121; S t r a c k e r j a n ι, 50; Grohmann 143; Miilhause 65; Meier Schwaben 441; E b e r h a r d t Landwirtschaft 12; SAVk. 25, 218. 78) W i r t h Beiträge 79 6/7, 15. ) T r e i c h e l Westpreußen 5, 51. 80) M a n n h a r d t 1, 78.

Ii. Außer dem Angeführten herrscht noch verschiedener Aberglaube über das Gedeihen der O.e. Der Schnee soll nicht von den O.en geschüttelt werden, sonst tragen sie nicht gut 8 1 ). Die O.e, durch die der Rauch der Fastnachtsfeuer zieht, tragen gut 8 2 ). Damit wäre zu vergleichen, daß man in der Normandie und in den Ardennen bei den O.en Feuer anzündet 83). Die O.e bleiben von Raupen frei, wenn man die Bäume am Karsamstag unterm Glorialäuten mit einem Besen abkehrt (Gundremmingen, BA. Dillingen) 84 ), wenn man sie am Karfreitag bei Sonnenaufgang schüttelt 86 ), wenn man sie an Fastnacht beschneidet 8e ). Die Raupen werden durch einen Segen von den O.en gebannt 87 ). Auch durch allerlei Rauchwerk werden die Raupen vertrieben. Um den 0. vor Vogelfraß zu schützen, stelle man einen Stab darunter, mit dem der Tischler das Leichenmaß genommen hat 88 ). Der O. muß am 10. Dezember vor Sonnenaufgang mit einem Messer geritzt werden 8e). Die O.e muß man am Fest der 40 Märtyrer (10. März) ausputzen, dann tragen sie viel 90 ). Am 7. März schneidet man einen Zweig von jedem 0. und wirft sie weg, dann gibt es in diesem Jahr viel Obst 9 1 ), auch am Aschermittwoch schneidet man vom unfruchtbaren O. einen Zweig ab 98 ). Wenn ein O. nicht trägt, so legt man Steine auf seine Zweige und markiert damit die Früchte. Der O. wird sich ihrer schämen und im nächsten Jahr reichlich tragen 9S). Wenn es im Frühjahr, während die O.e noch unbelaubt sind, gewittert (oder „hinein blitzt"), so gibt es wenig oder gar kein Obst 94 ). Damit der O. nicht eingeht, darf man im Isergebirge von seinen Früchten keine „Krutsch" verbrennen 98). Die zum Veredeln der O.e erforderlichen

Och

1175

Pfropfreiser bricht man vom Baume, wirft sie aber nicht von oben auf die Erde, sondern trägt sie herunter, damit das künftige Obst nicht vom Baum falle 96 ). Die Früchte eines O.s darf man nicht zählen, sonst fallen sie ab oder verderben 97). In der Christnacht darf man keine Obststiele unter den Tisch werfen, weil sonst das Obst mißrät, auch nicht Brot backen, weil in der Gegend, wohin sich der Rauch zieht, kein Obst wächst98). Wenn von einem O.e die ersten Früchte gestohlen werden, so trägt er nie wieder oder doch erst in 7 Jahren wieder " ) . Die ersten Früchte eines O.s (und wenn es auch nur eine Frucht ist) muß man in einer großen Kiepe (oder in einem großen Sack) heimtragen, damit der Baum auch später recht viel Früchte trägt 10°). Setzt man einen Baum (es wird sich hier wohl meist um einen 0. handeln), so soll man ein Steinchen unter die Wurzeln legen, zwei Finger zu einem Kreuze stellen und einen Segen dazu sprechen101). Im Anhaltischen lautet ein solcher Segen beim Baumpflanzen : Stehe, wachse und gedeihe, Grüne, blühe und erfreue102).

II76

nacht wird von den Mädchen ein O. geschüttelt ; hört das Mädchen Hundegebell oder sonst ein Geräusch, so liegt in jener Richtung, aus der es herüberschallt, das Heim des Zukünftigen104), auch beim „Baumfüttern" (s. unter 4) wird auf die Richtung des Hundegebelles geachtet 105 ). Mädchen, die wissen wollen, welches Gewerbe ihr Zukünftiger treiben wird, schütteln die Reste der Weihnachtsmahlzeit unter einen nahe an der Straße befindlichen 0. und harren des zuerst Vorübergehenden. Sein Gewerbe ist auch das des Zukünftigen 108 ). Blüht ein 0. zur Unzeit im Garten, so weilt im Haus des Gartenbesitzers eine Braut107), vgl. auch Baum (1, 954 ff.) sowie die einzelnen O.e (s. unter 1). 1 M ) John Westböhmen 4. 105) Ebd. 18. l o e ) Drechsler Schlesien 1, 25. 107) ZfrwVk. 3, 82.

13. In der s y m p a t h e t i s c h e n Med i z i n werden Krankheiten auf O.e übertragen, so besonders die Gicht (bzw. die „Gichter") 1 0 8 ), das Herzgespann109), das Zahnweh 110), das „Wasdaum" (rheumatische Krankheit) m ) , das „Snar" ( = Knacken im Gelenk) 112 ), das (kalte) Fieber 113 ), dieses ζ. B. mit den Worten: Fruchtbaum, ich klage dir, Mein Fieber plaget mir,

Junge O.e müssen beim Setzen so geEs plagt mich Tag und Nacht; stellt werden, daß die Hauptwurzel nach I Das sollst du tragen bis zum jüngsten T a g l u ) . 103 Osten weist ). 81 ) P e u c k e r t Schlesische Vk. 89. 82 ) K e h r e i n j Um Geschwüre zu vertreiben, muß man sog. „Endholz" (die knollenartigen AusNassau 142f. = S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 84 ) Orig.108. 83) F r a z e r Scapegoat 316Í. wüchse an O.en und anderen Bäumen) Mitt. v. G ö t z f r i e d 1909. 85) W i r t h Beiträge in der Tasche tragen 115 ), vgl. Roß6/7, 6. 15. 8 «) ZfdMyth. 3, 312; G r i m m Myth. kastanie. Wer an Adam und Eva (24. 87 88 з, 439. ) W i r t h Beiträge 4/5, 34. ) Ebd. Dez.) Obst ißt, bekommt Geschwüre116), 6/7, 15. 8 ») Ebd. 6/7, 15. 9°) Jb. ElsaßLothr. 10, 231. 81) F o g e l Pennsylvania 215. vgl. Erbse (2, 877).

» 2 ) Ebd. 209. " ) ZfVk. 10, 211. M ) K n o o p Hinterpommern 181; ZfVk. 10, 211; W i r t h Beiträge 6/7, 15. " ) ZfVk. 24, 193. >e) ZfVk. 10, 212; E b e r h a r d t Landwirtschaft 12. " ) T r e i c h e l Westpreußen 5, 51. » 8 ) Jäckel Oberfranken 163. •·) S t r a c k e r j a n Oldenburg I, 45; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, i2of.; Drechsler Schlesien 2, 82; Schulenburg Wend. Volksthum 117; T r e i c h e l Westpreußen 5, 51. 10°) A n d r e e Braunschweig 404; S a r t o r i Sitte и. Brauch 2, 121. 101) E b e r h a r d t Landwirtschaft 12. 1(B ) W i r t h Beiträge 6/7, 14. 103) Das Kuhländchen 9 (1927), 104.

12. Als Fruchtbäume spielen die O.e vor allem im L i e b e s o r a k e l eine Rolle (vgl. auch unter 2). In der Andreas-

108) ZfVk. 7, 167; Bartsch Mecklenburg 2, 405! 10i ) Ebd. 2, 411. 110) Ebd. 2, 429. l n ) Ebd. 2, 426. 112) ZfVk. 10, 63. 113) ZfVk. 22, 297. 114) H ö h n Volksheilkunde 1, 155. 116) S t r a c k e r j a n 1, 98. 11β) Jb. Els.-Lothring. 10, 232. Marzell.

Och (Og), Name des Planetengeistes der Sonne nach „olympischer Sprache", kommt in den Beschwörungen der Zauberbücher vor, so in der Clavicula Salomonis x ), im Buch Arbatel 2 ), im 6. u. 7 . Buch Mosis 3 ); auch das alte Wagnerbuch von 1594 4 ) nennt ihn, und in der Christnachtstragödie von Jena 5 ) spielt

Ochse

er eine Rolle. Schon die Form Og erinnert an den Namen des Riesenkönigs Og von Basan, vgl. Num. 21, 33; Deut. 3, I i ; 4, 47 usw. ; Ps. 135, 11. Den Beweis der Zusammengehörigkeit beider Namen liefern aber die Sagen vom Riesenkönig O. 6 ); auf der Jagd reitet Kaiser Karl durch eine Höhle, die sich als Beinknochen dieses Königs herausstellt 7 ), was Umformung einer alten talmudischen Erzählung i s t 8 ) : ,,R. Saul hat erzählt: Ich war ein Totengräber. Ich lief einmal einem Reh nach und kam in die Höhle eines Schienbeins von einem Knochengerippe. Ich verfolgte es drei Meilen weit durch diese Höhle, und der Knochen hatte noch kein Ende, worauf ich wieder zurückkehrte. Und man sagte mir, daß es ein Knochen Ogs, des Königs von Basan, wäre". Daß der Name O.s auf die Sonne übertragen wurde, beruht wohl darauf, daß diese, der größte Planet, Τίταν hieß 9 ) und im Ps. 19, 6 ausdrücklich mit einem 71'γας „Riesen" verglichen wurde. Auch als Zauberwort kommt O. vor: ,,N'etre point mordu des puces en disant Och, Och, en entrant dans un lieu où il y en a" 1 0 ), denn O. „lehrt, die Spinnen, Nattern und Scorpion-Stich zu heilen" u ) . 1) K i e s e w e t t e r Faust 2 (1921), 80, vgl. 88; ι, 156; S c h e i b l e Kloster 3, 200. 212. 2) A g r i p p a v o n N e t t e s h e i m 5, 110. 114; S c h e i b l e Kloster 3, 243. 247. 3) Das sechste und siebente Buch Mosis (Buchversand Gutenberg, Dresden), p. X X I V . 4) S c h e i b l e Kloster 3, 85; I i , 615. 6) S c h e i b l e Kloster 5, 1039. 6) R a n k e Volkssagen 218. ') S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 504. e ) Tr. Hidda f. 61, vgl. auch H o r s t Zauber-Bibliothek 2 (1821), 260. 392. *) Du CangeGlossarium med. et inf. latin. 6, 595; D i e f f e n b a c h Glossarium Latino-germanicum med. et inf. aet. (1857), 585. 10) T h i e r s i, 361. n) S c h e i b l e Kloster 3, 212. Jacoby.

Ochse. Ochsenköpfe als Apot r o p ä on. Im Altertum dienten Stierköpfe als Amulette, allein und in Verbindung mit anderen Symbolen. Sie fanden sich als Verzierung an Lampen, häufig auch als Schildzeichen und als Opfersymbol an Altären und Monumenten ; vielleicht ist von da die schützende Kraft abgeleitet 1 ). Wahrscheinlicher aber ist, daß sie nur der H o r n e r wegen

II78

aufgehängt wurden, die ein weit verbreitetes Mittel gegen bösen Blick sind 2 ). Im Germanischen passen Stierhäupter zu Freyr und Frô. Ihm bluteten hauptsächlich die Stiere. Im Jahre 1653 fand man ein Amulett in Gestalt eines goldenen Stierhauptes im Grabe Childerichs zu Dornik. Es trägt ein Rad mit neun Speichen auf der Stirn, das Sinnbild der Sonne und Symbol Frôs. Im Württembergischen gab man den Toten kleine Frôbildchen m i t 3 ) (?). Auf die Opfer gegen Stallseuchen ist die Anbringung von Rinder- und Stierköpfen zurückzuführen 4 ). An Schweizer Häusern werden Ochsenköpfe angebracht B). Rinderköpfe finden sich an Häusern e ) gegen die Schwindelkrankheit 7 ), in der inneren Giebelspitze oder an rauchiger Stelle gegen den Düppel oder Drümmler 8 ), dem Hausgiebel e ) als Schutz- und Schadenzauber 10), gegen Viehsterben 11 ), gegen die Pest 1 2 ). Später dient der Ochsenkopf dann der Abwehr böser Geister überhaupt 1 S ). Er schützt das Haus vor Behexung 1 4 ), vor Blitz, Seuchen und wildem Heer 1 5 ). Im Schwarzwald schnitt man früher lebendigen Ochsen die Köpfe ab und hängte sie a u f 1 6 ) . Man hieb sie auch bildlich in der alten Holzgrundlage unter dem Strohfirst aus in Radolfingen. Die Berner Bauern sagen, damit hätten die Heiden dem Blitz gewehrt 1 7 ). Als ein solcher Ochsenkopf im Jeverland von einem Besitzer weggeworfen wurde, stand das Vieh in der folgenden Nacht verkehrt, und es war großer Lärm im Gehöft. Der Bauer brachte den Kopf wieder an seine Stelle 1 8 ). Aus den leisen Schwankungen des Ochsenkopfes erkennt der Sympathiedoktor den Sitz der H e x e 1 9 ) . Auch der Stierkopf ist wahrsagend 2°). Noch heute findet man Ochsenköpfe auf Stangen gegen böse Einflüsse vor Pferdeställen in Serbien, Griechenland, auf Lesbos, Samos, in Kleinasien. Auch täuschend nachgemachte Modelle. Ein Ochsenhorn auf einer Stange schützt gegen den bösen Blick in den Provinzen Minho und Douro in Portugal 2 1 ). D e r

Ochse

Schädel von Kühen schützt gegen den bösen Blick, man bringt ihn in Bäumen an. In Afrika trägt man aus diesem Grund ein Kuhhorn 2 8 ). Das Kuhhaar bannt Hexen 2 3 ). Man gräbt wohl auch Kuhhaare unter die Stalltür 24). Auch der Kalbskopf wird als Schutz gegen Viehseuchen in Oberbayern im Kamin (dem Sitz der Hausgeister) aufgehangen 26 ), gegen Lungenseuche in einem Tuch unter dem Dach 2 6 ). In Tirol schneidet beim Ausbruch einer Seuche der Bauer dem ersten krepierten Kalb den Kopf ab und hängt ihn auf einer Stange in die Luft als Schreckgespenst oder als Sündenbock, der die Seuche abfangen soll 2 7 ). In Lauenburg soll man, wenn viele Kälber sterben, einem dem Sterben nahen Kalb den Kopf abschlagen und mit offenem Maul ins Ulenloch setzen 28). Wird ein gefallenes Kalb unter der Stallschwelle vergraben, so bleibt das übrige Vieh verschont 2β ). In Suffolk begräbt man ein abortiertes Kalb auf dem Wege, den die Kühe zur Weide nehmen, um sie vor Unheil zu bewahren 30 ). Bei Seuchen soll das erste gefallene Vieh vergraben und ihm ein Reis oder eine Weide in den Mund gepflanzt werden. Auch wird ein S t i e r lebendig vergraben oder Kalb oder Kuh geopfert 3 1 ). Das K a l b s h e r z soll bei Viehsterben in den Herd eingemauert werden 32), und zwar in eine ganz bestimmte Wand (des Hausaltars?) als ein Opfer an die Hausgeister 33). Ist ein Kind totgeboren, woran „die wilden Weiber" schuld sind, so schneidet der Vater einem neugeborenen Kalb den Kopf ab und wirft ihn auf einer Brücke rückwärts über seinen Kopf ins Wasser und eilt, ohne sich umzusehen, nach Hause, so findet er sein Kind wieder lebendig (Böhmen)34). I n m y t h i s c h e n V o r s t e l l u n g e n vertritt der O. die W o l k e 36) oder auch den Tag 3 8 ). G e i s t e r h a f t e O.n erscheinen 37 ), feuerspeiende spielen dem Wanderer arg mit 3 8 ). Ein O. taucht aus dem See auf 3 ·). Der v e r z e h r t e und w i e d e r b e l e b t e O. : Der Brentner Bauer zu Telfes gab einen feisten O.n unter Seiljoch. Eines

Il80

Tages war der O. verhext. Er stand da, die Haut war über die Knochen gespannt, aber das Fleisch hatten die Hexen des Nachts zu ihrem Gelage herausgezaubert40). Die wilde Jagd brät und verzehrt einen O.n. Die Knochen legen sie zusammen in die Haut, peitschen sie mit Ruten und führen das wiedererstandene Tier in den Stall zurück 4 1 ). D i e S a g e v o n d e m r i e s i g e n O.n, d e r den See austrinkt und Berge abweidet, findet sich im Spreewald 42 ). Am Bodensee ist er so groß, daß ein Adler zwei Stunden braucht, um von einem Horn zum andern zu fliegen43). Ein Stier hatte einen Wisch Heu, so groß wie sieben Fuhren, im Maul und schleuderte ihn über den Bodensee. Sein Horn war so groß, daß der Ton, den der Hirt am Jörgentag hineinblies, erst Martini herauskam 4 4 ). Die O . n h a u t wird als Mittel zum Orakeln benutzt; wer auf ihr an einem Kreuzweg um Mitternacht sitzt, kann die Zukunft erfahren 45 ). Der Teufel erscheint mit O.nfuß 4 8 ). Die A u s d e u t u n g des O.nbrüllens und - b r u m m e n s finden wir in Niederdeutschland 4 7 ). Die O . n j u n g e n hüteten die O.n, Stiere und das Jungvieh getrennt von den Kühen. Sie waren 14 bis 17 Jahre alt und bildeten eine besondere Zunft 4 8 ). Sie hatten ihre überlieferten Ordnungen und Bräuche, auf die sie streng hielten. Sie benutzten den „Stempel", eine Art Keule, die alte Waffe der Hirten, und waren geschickt im Werfen derselben. Fastnacht müssen die jungen O.n aus dem Stall gelassen werden, so lernen sie gut ziehen 49 ). Sind zu Georgi die Alpen noch schneeweiß, so wird der O. in diesem Jahr inwendig von Unschlitt weiß M ). Am Tag der unschuldigen Kinder soll man keine O.n anspannen, es bringt Unglück S1 ). Der 0. in der Volksb o t a n i k : als O.nauge, -beutel, -blume usw.52). Volksmedizin. O . n b l u t galt bei den Alten für tödlich, angeblich, weil es sofort gerinnt und den Trinker erstickt (Tod des Psammenit bei Herodot 3, 15). Es fehlt bei Opfergaben in Ägypten,

ιι8ι

Ochse

weil es für giftig gehalten wird S3). Warmes O.nblut ist gebrochenen Gliedern heilsam und kräftigt sie M ). Wer sich in warmem O.nblut badet, wird sehr schön 55 ). Blut aus dem Herzen eines ungeschnittenen O.n (oder ungeschnittenen Geißbocks) ist gut gegen „sankt valtins krankheit" 56 ), gegen Epilepsie (16. Jh. 5 7 )). O.nblut oder -mist mit Honig oder Wein warm auf den Leib, „so ein Mensch unsanft harnet" 58). O.neingeweide den Kindern auf den Bauch legen, wenn ihnen die Milz zusammenläuft 5β). O.nnieren oder - f e t t sieden, Seife davon machen und die Füße damit einreihen gegen „zerbrochen Bein''">). O.nfleisch geräuchert und gesotten oder zu Pulver gebrannt in Wein gegen Durchlaufen el ). O.nfüße mit Kräutern gesotten. In dem Wasser baden bei geschwollenen Schenkeln ®2). Außerordentlich häufig wird die O.ngalle verwandt. Innerlich bei Leberverstopfung ®3), warm getrunken®4). Gegen Wassersucht warm vom eben getöteten O.n 85 ). Äußerlich: auch zum Marderfang ®6). Bei Hornhautflecken nach Entzündungen67). „Vor die triefenden Augen — eines Farren Galle und eines Aals Galle, Verbenasaft und Fenchelsaft" ®8). Als Reinigungsmittel mit einer Seife bei Augenleiden ®e). Gegen Augengeschwür schon bei Pseudo-Dioskurides im 4. Jh. n. Chr.70). Mit altem Bier dick gekocht gegen Wehtun der Schenkel und Beine — eingerieben oder als Pflaster aufgelegt 71 ), gegen Würmer mit Knoblauch oder Zwiebel geröstet und in den Nabel geschmiert72), als Zugpflaster ' 3 ), gegen Sausen, Geschwüre und Schmerzen im Ohr 74 ). Gegen Muttergeschwülste75), „so die mutter so gar harrte" 7β). Bei Frauen, die ein totes Kind tragen 77 ). O.ngalle treibt den Fluß der Goldader78) und hilft bei Fingerwurm (Entzündung)7·). O.ngalle räuchern, pulverisieren, darin ein Zäpflein wälzen, das in den Leib stoßen, um „stuel zu machen" 80). O.n haut schaben, sieden und dick werden lassen, danach auf die Geschwulst legen 81 ). Bei Gicht mit Wacholderbeeren und Rotwein 82 ). O.nhirn „in Teig gebacken dem Dummen auf den Kopf

gelegt, ziehet das Hirn wieder und bringet Verstand". Das Auflegen von Opferkuchen und heißer Tierlunge auf das Haupt des Kranken ist uralte Behandlungsart 8S). O.nmist in Wermuth heiß auf die Geschwulst84), bei Aussatz 85), zum Räuchern 8e ), „in Essig kochen, wenn ein Mensch gehauen, daß ihm ein Ader wolt zu kurtz werden" 87). *) J a h n Opfergebräuche 1 5 ! 2) S e l i g m a n n Blick 2, 127 f. 3) W o l f Beiträge 1, 112 f . ; dazu R o c h h o l z Sagen 2, 19. 4 ) J a h n Opfergebräuche 15. 20. 316; W o l f Beiträge 2, 180. 301; Birlinger, Rochholz, Liebrecht, Andree = H ö f l e r Organoth. 85; W u t t k e 290 §425. 5 ) L ü t o l f Sagen 331 f. = H ö f l e r Organoth. 88. ·) M e y e r Germ. Myth. 105; M e i e r Schwaben ι, 135; Wolf Beiträge 2, 159; M e y e r Baden 370. 7 ) ZföVk. 9 (1904), 239. 8) M e y e r Baden 370. *) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 109. 10 ) G r a b e r Kärnten 204. 11 ) R o c h h o l z Naturmythen 79; M ö l l e n h o f f Sagen 239 Nr. 327. 12 ) L ü t o l f Sagen 331; M e y e r Baden 369; 13 V e r n a l e k e n Alpensagen 333. ) Meyer Baden 370. 14) W u t t k e 286 § 420; S t r a c k e r j a n 2, 141 Nr. 370. " ) M e y e r Germ. Myth. 105; W u t t k e 20 § 18; ZfVk. 8 (1898), 43; Jahrb. f. Els.-Lothr. 1892, 16 = Wuttke 128 § 174; K u h n u. S c h w a r t z Nr. 328; R o c h h o l z Sagen 2, 187; P a n z e r Beitrag 2, 301. Danach begrub man in Bayern lebendige Stiere gegen Seuchen. S. a. R o c h h o l z Sagen 2, 19; ZfdMyth. 1, 394 (Westfalen). 1β ) M e i e r Schwaben 135 - W u t t k e 299 § 439· 17) J a h n Opfergebräuche 149. 286. 363; R o c h h o l z Sagen 2, 19; dazu M e i e r Schwaben 151. l e ) S t r a c k e r j a n 1, 208. " ) M e y e r Baden 370. 564. 20) H e f e l e Concgesch. 3, 508. 21 ) S e l i g m a n n Blick 2, 128. "») Ebd. 2, 128. 23 ) K r a u ß Volkforschung 70. F o g e l Pennsylvania 158. " ) H ö f l e r Organoth. 85. 2«) 27 M e y e r Baden 370. ) H ö f l e r Organoth. 85. 2e ) M a a c k Lübeck 59; H e y l Tirol 166 Nr. 75. 2e ) D r e c h s l e r 2, 107. 30) S e l i g m a n n Blick 2, 128. 31 ) G r i m m Myth. 3, 464 Nr. 838. 32 ) M ü l l e n h o f f Sagen 239 Nr. 327. S3) J a h n Opfergebräuche 15; H ö f l e r Organoth. 245. M ) G r o h m a n n Sagen 106 = W u t t k e § 439. " J M e y e r Germ. Myth. 105. 3 ·) L a i s t n e r Nebelsagen 224. 317. 37) K i i h n a u Sagen i, 330; H a u p t Lausitz 1, 161 Nr. 189. 3S) K ü h n a u 39 Sagen 1, 378. ) H e r z o g Schweizersagen 1, 561. 40 ) ZfVk. 3 (1893), 170. « ) ZfdMyth. 2, 177; 3, 34 = R o c h h o l z Sagen 1, 385. Dazu W o l f Beiträge 1, 89; M e y e r Aberglaube 156; V o n b u n Sagen Nr. 22. 25; Z i n g e r l e Tirol 202. 42) S c h u l e n b u r g 83. 43) B i r l i n g e r Volksth. ι, 107f. **) Ebd. 2, 372. " ) G r i m m Myth. 2, 934; S i m r o c k Mythologie 573. " ) R e u s c h Samland 133.

(ai.

*Vequ-nós

Ofen, Kochtopf, lat. aulla = Topf,

g o t . aúhns,

a n o r d . o/m, a g s . ofnet



Topf,

ahd. ovan usw.) deutet auf die Grundformen

auqv{h)

—:

uq*í(h)

und

daneben

ueqï(h)- in der Urbedeutung „Kochtopf", „Feuerbecken" J ). Tatsächlich enthalten schon steinzeitliche Herrenburgen in Thessalien usw. neben dem Herdraum Gelasse mit „Öfen", die wahrscheinlich die Form altgriechischer Kohlenbecken aufwiesen 2 ), wie auch für das urindogermanische Haus Koch-, Backund Wärmetöpfe neben dem Herd und in Verbindung mit diesem wahrscheinlich sind 3 ). Wenn also auch der ehemals angenommene etymologische Zusammenhang der genannten Wörter mit agni und ignis *) (Herdfeuer) nicht aufrecht zu halten ist, so bleibt doch der sachliche Zusammenhang des Koch- und Wärmegefäßes mit dem Feuer bestehen. Das gilt ebenso für den Heiz(Wärme-)ofen, wie auch für die technischen Formen des O.s, für Backofen (s. d.), Brennöfen und Schmelzöfen. Neben der Herkunft aus dem Feuertopf glaube ich aber auch noch eine zweite, nordöstliche Entstehung des O.s aus einer tun das Herdfeuer gelegten Steinsetzung für den steinernen Herd-, Bade-, Backund Schlaf-O. nachgewiesen zu haben, die sich in Skandinavien, Finnland, Rußland, Polen, in der Tschechoslowakei und in den ostalpinen Rauchstuben findet und deren Zusammentreffen mit der mittelmeerländischen Wölbtechnik (Wölbtopf und Kachel) auf der römisch-germanischen Berührungsfläche im langobardischen Reich zur Erfindung des Kachel-O.s geführt hat s ). Aus diesen zweifachen Beziehungen des O.s zum Feuer und zum Herd er38

II87

Ofen

klären sich die zahlreichen Übereinstimmungen im Volksglauben sowohl beim Herd (s. d.) wie beim Backofen (s. d.) und dem nun zu behandelnden Stuben-O. Dazu kommt, daß der Platz am O. ebenso wie der (meist schräg gegenüber befindliche) Tischwinkel einen wichtigen Sammelpunkt der Hausgenossen e ) bedeutet, der den alten Herdplatz abgelöst hat. Möglicherweise hat auch die Schlafstelle, die sich im slawischen Osten noch heute oft auf dem O., aber auch in vielen deutschen Gebieten noch häufig hinter dem O., ,,in der Holl" 7 ), auf der O.-Bank (s. d.) oder in einem Raum ober dem O. 8) befindet, mitgewirkt, gewisse Kulte und Meinungen des Volksglaubens an den 0. zu knüpfen. Walde-Pokorny Vgl. Wb. d. idg. Sprachen (1930) S. 24 f.; K l u g e - G ö t z e Etym. W V 1 424. a) E b e r t Reallex. 9, 160. 3) S c h r ä d e r Reattex. 2, 119 ff. *) G r i m m Myth. 1, 523. ®) G e r a m b Kulturgeschichte der Rauchstuben WS. 9 (1924), ι ff.; M e r i n g e r Zur Geschichte der Öfen WS. 3, 137 ff. u. 4, 207 ff. und dazu neuerdings B. S c h i e r Hauslandschaften, Beitr. z. sudetendeutschen Vk. 21 (1932), S. 274 ff. Zum Eisen-O., der da und dort auch schon seit 1500 nachweisbar ist, vgl. ZfGORh. 17, 256; P a n z e r Sigfrid 81 ff.; M e y e r Baden 351; J o h n Erzgebirge 11. ·) M e y e r Baden 350 und ZfrwVk. 6, 289. ') SAVk. 21, 291; ZfVk. 3, 53; J o h n Erzgebirge 10. 8) M e y e r Baden 350 f.

II. D e r 0 . a l s G e i s t e r s i t z . Die Göttin Hlôdyn (die im Norden als Thors Mutter, im Westen als dea Hludana bezeugt ist) als O.-Göttin zu deuten ®), geht nicht an 10 ). Wohl aber ist der O. Sitz verschiedener Geister und Dämonen und seit früher Zeit ein Ort des Zaubers 1 1 ). Eine Gruppe von ihnen darf man wohl als F e u e r d ä m o n e n deuten. So die O.männlein in Schwaben, kleine, kaum fingerlange Männlein mit roten Mäntelchen und Hütchen, die auf ihren Entenfüßen tanzen, oder in der „Holl", sowie in den Nischen und Spalten des O.s hausen 12 ). Auch der Glaube, daß der Teufel zum O.loch herausschaue, gehört vielleicht hierher 13 ). Denn auch in der Gegend von Bautzen ist der O. Aufenthalt des „Schwarzen". Kinder, die sich dort dem O. nähern, werden von ihm getötet 14 ), mid ebenso hält sich der Teufel bei den

Il88

Litauern gern im O. 15 ) auf. Im Sächsischen ist es der Gelddrache 16 ), in Steiermark und in Kärnten der „ S c h r a t l " 1 7 ) , die man dadurch bei guter Laune erhält, daß man ihnen Speisen (meist Hirsebrei) auf den 0. stellt. Wenn man ihnen den Hirsebrei verbrennt, wütet es so im O., daß man glaubt, er müsse zerspringen 1β ). Auch das tirolische Kinderliedchen Tatermandl, Tatermandl leich mir deine Hosen I hon sie nit, i hon si nit, sie hängen hintern Ofen . . . ,18) dürfte mit dieser Vorstellung zusammenhängen. Denn der „Tatermann" (Schreckpopanz) ist wohl dasselbe wie der „Wauwau", der im Bayrischen aus dem O. kommt 1 9 ). Freilich sind hier Verschmelzungen mit dem H a u s g e i s t e r g l a u b e n eingetreten. In Schonen (Schweden) wird das Essen für den „Tomte" (Hauskobold) auf den O. gesetzt 20 ). Kinder hielt man in Altbayern vom O. fern, „sonst schlägt das Feuer heraus und verzehrt sie" 21 ). In Galizien aber tut man dasselbe aus Rücksicht auf den Hausgeist, der im O. sitzt. Jeden Sonntag muß man den O. neu schmieren, dann bringt der Hausgeist bisweilen Geld aus dem O. Aber mit dem Hausgeist wohnt nach dortigem Volksglauben auch sein unsichtbarer Diener im O., der nach seinem Namen Iskrycki = Fünkchen wohl ein Feuerdämon ist 2 2 ). Die Hausgeister stehen im gesamten slawischen Gebiet ebenso in Verbindung mit dem O. wie in vielen germanischen Gegenden. Der russische domovoi (Hausgeist), der nach seiner Bezeichnung djeduschka = Großväterchen ohne Zweifel mit den Ahnengeistern, den „heiligen Großvätern" zusammengehört, schlägt nach russischem Volksglauben in jedem Haus seinen Wohnsitz auf, in dem ein 0. steht. Beim Umzug in ein neues Haus heizt dort die älteste Frau in der alten Wohnung den 0. und wartet bis Mittag. Dann sammelt sie die Glut in einem neuen, noch niemals verwendeten Topf und spricht zum O. gewendet: „Bitte, Großväterchen komm zu uns in unser neues Haus". Dann trägt sie den mit einem Tuch bedeckten Feuertopf ins neue Haus, wo sie vom Hausherrn und

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seiner Frau empfangen und wo der Hausgeist abermals feierlich gebeten wird, in das neue Heim einzuziehen. Dieser muß nun mit dem alten, früher hier ansässigen Hausgeist kämpfen und rächt sich, wenn er beim Kampf unterliegt, an den Neueingezogenen 23). Wie in Rußland wohnen die Hausgeister auch in der Tschechoslowakei und in Schlesien im O.24). In der Gegend von Pribram behauptete eine Frau, ihre Hausschlange sei unter dem O. Sie künde durch einen entsetzlichen Geruch kommenden Regen an 2 5 ). Auch in anderen tschechischen Gebieten glaubt man, daß die Hausschlange (had hosfiodarik) unter dem 0 . hause. Auf deutschem Boden haben die Hausgeister („Gütchen", „Gütel") und die Seelen der Großeltern ebenfalls öfters am O. ihren Sitz 2β) ; bisweilen nehmen sie auch die Gestalt der O.heimchen an. Diese guten Holden bringen Kranken, die man in die O.höll bettet, Genesung 27), zeigen aber auch Unglück an 2 8 ). Daß der Glaube an die Hausgeister mit den T o t e n g e i s t e r n im Zusammenhang steht, ist selbstverständlich. In Pommern kommen die Verstorbenen in der Silvesternacht und wärmen sich am O.29). Bei den Masuren heizt man an Silvester vor Mitternacht den O., stellt eine Bank davor und bestreut sie mit Asche; dann findet man am Morgen die Spuren des Toten, der sich des Nachts gewärmt hat 30 ). Im Erzgebirge heizt man den O., um einem Schwerkranken das Sterben zu erleichtern 31), in Tirol, damit sich die „armen Seelen" in der Allerseelennacht von der „kalten Pein" des Fegefeuers am O. wärmen können 32). Im Böhmerwald sagt man, wenn es im O. pfeift, „die armen Seelen seufzen im Fegefeuer" und wirft ein Stück Brot in die Glut 3 S ). Auch im Erzgebirge künden Verstorbene ihre Anwesenheit durch ein eigentümliches Geräusch im 0 . an 3 4 ). Unter der Wirkung des Christentums hat sich dieser Totenglaube oft auf jene Toten eingeschränkt, die ohne christliches Begräbnis blieben. So wohnen in Rußland die Seelen der ungetauft verstorbenen Kinder im 0. s s ), und in der Tschecho-

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slowakei betet man für einen Gehängten hinter dem O.36). In der Schweiz spielt hier vielleicht noch eine Erinnerung an den O. als Schlafstätte herein. Eine als Hexe verschrieene Frau konnte in keinem Bett, sondern nur auf dem O. schlafen, und als sie starb, mußte sie ihr Mann mit einem Karst vom O. herabzerren 37 ). Alles das macht es begreiflich, wenn der O. auch als S i t z v e r s c h i e d e n g e s t a l t e t e r D ä m o n e n gilt. Bei einer Geisterbeschwörung in der Gegend von Neukirch in Sachsen kamen aus dem kupfernen O.topf kohlschwarze Böcklein, Eulen, Krähen, Fledermäuse, langgeschwänzte, krummgehörnte Gestalten u. dgl. 38 ). Auf der Kynsburg im Kreis Waldenburg ließ sich zuweilen des Nachts eine schwarze Gluckhenne sehen, die mit goldgelben Küchlein aus dem O. hervorkam 3 9 ), anderswo weilt der Kuckuck über den Winter „bei den Elben hinter dem O." und muß, wenn er stirbt, hinter dem O. des Schultheißen begraben werden 4 0 ). Und in Böhmen bringt man sogar den Wassermann in Beziehung zum Kachelofen 41 ). Vielleicht sah man auch in den Küchenschwaben (Ungeziefer) tiergestaltige Unholden. Nach der Chemnitzer Rocken-Philosophie konnte man sie vertreiben, wenn man einen Hemmschuh stahl und auf den 0 . legte 4 2 ). ·) G r i m m Myth, ι, 212 f. 10 ) Es handelt sich wohl um eine Erdgöttin (Mogk Mythologie 359; P. H e r r m a n n Nord. Mythol. 337. u ) S a u p e Indiculus 22 f. l a ) B i r l i n g e r Volks13 th. ι, 57. ) Knuchel Umwandlung 32 meint, er sei erst unter dem Einfluß der Geistlichkeit als Abschreckungsmittel feegen verschiedenen O.-Aberglauben an Stelle der alten Hausgeister eingebürgert worden. Über den O. als Sitz des Teufels vgl. auéh P o l l i n g e r Landshut 110. 1 4 ) Meiche Sagen 473 Nr. 614; vgl. auch S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 88 Nr. 7. " ) Globus 73, 318. l e ) Meiche Sagen 303 Nr. 393. » ) ZfdMyth. 3 (1855). S. 298. " ) ebd. M S. 209. ) H ö f l e r Krankheitsnamen 787, S. 451 f.; L i p p e r t Christentum 450. î0 ) ZfVk. 21 8 (1898), 134. ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 88 Nr. 7 22 ) A f a n a s j e v poeticeskijd vozzrinija Slav jan na prirodu 2, 68 f. 1 S ) An diesen Glauben erinnert die pennsylvanische Meinung, daß man beim Einzug in ein neues Haus den O. nicht als erstes setzen darf, da sonst Zank entstehe. F o g e l Pennsylvania 147 Nr. 648; M Globus 57 (1890) 268. ) Ebd. 72, 223. 26 ) G r o h m a n n 78. *·) A R w . 2 (1899), 96;

Ofen K ü h n a u Brot 41. *') A R w . 2, 96. ae ) G r i m m Myth. 3, 477 Nr. 1128. a9 ) K n o o p Hinterpommern 177 Nr. 2 1 2 ; Z f V k . 17 (1907), 384 30 ) T o e p p e n M asuren 63. 3 1 ) J o h n Erzgebirge 120. S2 ) G e r a m b Brauchtum 94. 33 ) S c h r a M) m e k Böhmerwold 252. J o h n Erzgebirge 126. M ) Globus 57 (1890), 268. 3e ) G r o h m a n n 223. 3 ') S A V k . 21 (1917), 291. 38) M e i 3i) c h e Sagen 527 Nr. 672. K ü h n a u Sagen ι , 218 Nr. 208. « ) Z f d M y t h . 3, 267. " ) G r o h m a n n Sagen 149 u. 160; L a i s t n e r Nebelsagen 267. 4ä ) G r i m m Myth. 3, 448 Nr. 430.

3. H e i l i g k e i t u n d V e r e h r u n g d e s O . s . Sie entspricht z. T. genau den Herdkulten (s. d.) «). Wie den Christblock am Herd, soll man auch die Kohlen im 0 . in den heiligen Nächten nicht erlöschen lassen, weil es einem dann das ganze Jahr an nichts mangeln wird 4 4 ). Ebenso darf man im Vogtland und Thüringen den 0 . zu Neujahr nicht ausgehen lassen, wenn man das ganze Jahr hindurch Glück haben will 4 5 ). Das O.bauen und noch mehr das O.abreißen ist daher eine ernste Angelegenheit. Bei den Bojken scheut sich jedermann, den O. zu zerstören, wenn eine Hütte abgetragen wird 4 6 ). Einen O. soll man nicht umbauen, ohne ein Loch in der Decke zu lassen 47 ). In Velburg in der Oberpfalz besprengte man einen neu- oder umgesetzten O. vor dem Gebrauch mit Weihwasser und verbrannte zuerst nur Hagedorn darin, um die Hexen aus O. und Schlot zu vertreiben 4 8 ). Andererseits schlägt man dort während der Trauung den O. im Hause des Bräutigams ein, damit die Braut später nicht hext 4 9 ). Vielleicht hängt das Spinnstubenspiel „Ofenabbrechen" damit zusammen 50 ). Wer an den heißen O. spuckt, bekommt einen Grindmund 6 1 ). Im O. darf man keinen alten Besen verbrennen, sonst können einem die Hexen etwas anhaben 62), und in den Zwölften soll auch kein Holz und kein Backgerät vor dem O. liegen gelassen werden 63). Genau so wie bei Herd und Backofen (s. d.) sind auch O p f e r a n d e n O. üblich. Wenn der Wind heult, fliegt nach böhmischem Volksglauben die Melusina mit ihren Kindern durch die Lüfte; da muß man Mehl und Salz in den O. werfen M ), ebenso streut man dort Salz auf den heißen O., wenn man etwas sucht und nicht finden kann 55 ).

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Im deutschen Westböhmen hängt man am Dreikönigstag Zwiebeln und Knoblauch über den O.66) und in der bayrischen Oberpfalz wirft man Brosamen und Speisereste als Opfer für die Waldweiblein und armen Seelen 57) in den O., oder etwas Geweihtes, wenn es nicht brennen will, oder Salz und Speichel, wenn das Feuer surrt 5 8 ). In Katschen (Schlesien) legt man Geld (gewöhnlich drei Pfennige) auf den oberen Rand des O.s, um dem Hause seinen Wohlstand zu wahren 5 9 ), und der alte Berliner legte einen Silbergroschen unter den O., wenn er seine Wohnung wechselte 60). Bei den untersteirischen Slowenen warf die Braut, ehe sie sich zum Hochzeitsmahl setzte, Münzen in den 0. 6 1 ). Im Thüringischen mußte beim ersten Bierausschank jeder Gast auf den O. steigen und wurde gepeitscht. Man nannte das „Ofenbesteigen" 62). Ob die Liedverse „Dreimal um den Kachelofen . . . " wirklich auf einen einstigen Tanz vor oder gar um den O. deuten, ist sehr zweifelhaft 6 3 ). Sehr verbreitet, ζ. T. freilich nur mehr in spielerischen Resten, ist das O . a n b e t e n M ). In altertümlicher Form haben es noch um i860 Schönwerth in der Oberpfalz und Grohmann in Böhmen beobachten können e5 ). Dort betete man bei Sonnenfinsternissen dem O. zugewendet und warf Palmzweige und Brosamen ins Feuer. Bei den Rumänen im Buchenlande greift man beim Erblicken des neuen Mondes an den O. oder macht das Kreuzzeichen 6β). Schon in einem Lustspiel des 17. Jh.s (von der Frau „Schlampampn" Leipzig 1696) heißt es in einer Szene: „Wir wollen hingehen und vor dem O. knieen, vielleicht erhören die Götter unser Gebet" 67 ). Mehrfach ist auch die Sitte verbreitet, daß heiratslustige Weiber den O. anbeten, damit ihnen ein Mann beschert werde 6 8 ). Im übrigen ist das O.anbeten fast nur noch als Kinder- und Pfänderspiel erhalten 69 ), vielfach unter Sprüchen wie: ,,Aben, Aben, ick bä di an, giff mi enen goden Mann, de mich nich sleit, de mich nich kleit, de alle Abend mit mi to Bedde geiht" u. ä. Ähnlich wie mit dem O.anbeten verhält es sich auch mit der O . b e i c h t 7 0 ) . Es

Ofen

handelt sich dabei im wesentlichen um das weitverbreitete Sagen-71) und Märchenmotiv 72), daß ein Geheimnis, das man sonst niemandem sagen darf, dem O. anvertraut wird, wodurch kriegerische Uberfälle, Mordabsichten u. dgl. noch rechtzeitig bekannt und verhütet werden. Die weitverbreiteten Nachrichten 73 ) erstrecken sich besonders auf Nord-74) und Ostdeutschland75) und auf das alemannische Gebiet 76 ), reichen aber in den Redensarten „Still! es ist ein O. im Zimmer!" oder „es ist eine Kachel zu viel!" noch weiter 77 ). Man gebraucht diese Redensarten, wenn jemand etwas erzählen will, das ein anwesendes Kind nicht hören sollte. 43) Spuren einer einstigen religiösen Verehrung des O.s in Deutschland suchte L. v. S c h r ö d e r Arische Religion 2, 575 ff. nachzuweisen. u ) G r i m m Myth. 3, 465 Nr. 855, und 476 Nr. 1109; J o h n Erzgebirge 151 und 153. 45) S e l i g m a n n Blick 2, 239. " ) Sart o r i Sitte 2, 22; Globus 79, 150. 47) Urquell 4 (1893) 211. 4e) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 87 § 14, Nr. ι u. 2. *») ebd. 1, 89. M ) M e y e r sl) Baden 178. Schmitt Hetlingen 17. 52) W u t t k e 397 § 609. S3) Ebd. 64 § 74. 54) G r o h m a n n 2; Ders. Sagen 44. 55) G r o h m a n n 103. 6e) J o h n Westböhmen 31. " ) Globus 4, 45. S8) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 88 Nr. 2, 3 u. 4. 5i ) D r e c h s l e r 2, 2. i0 ) S e l i g m a n n Blick 2, 22. e l ) Globus 50 (1886) 299. 62) W i t z s c h e l Thüringen 2, 287. ,3) Schönw e r t h Oberpfalz 1, 428. ,4 ) G r i m m Myth. ι, 523; M a n n h a r d t Götter 196; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 88 f.; L i i t o l f Sagen 435 f.; Argovia 18, 113; H a u p t Lausitz 1, 187 Nr. 220; L a n d steiner Niederösterreich 43. ®6) Schönw e r t h Oberpfalz 2, 55 f.; G r o h m a n n 28; L i p p e r t Christentum 692. *·) Globus 92, 287. e7 ) G r i m m Myth. 1, 523, Anm. 1; Urquell 4 (1893), 60. M ) ebd. und H ö f l e r Fastengebäcke 15 nach der Zf. Niedersachsen 13 (1907) 113 f. β ·) G r i m m Myth. 1, 523, Anm. 1; M ü l l e n h o f f Sagen 517 Nr. 32; M ü h l h a u s e 54 u. 133; B a r t s c h Mecklenburg 2, 131; S t r a c k e r j a n 2, 224. 70) Über diese liegt eine ausführliche Untersuchung von H. B ä c h t o l d - S t ä u b l i in SchweizVk. 14 (1924), 73 ff. vor. 71 ) G r i m m Sagen 388 Nr. 513; L ü t o l f Sagen 434ff.; B ö c k e l Volkssage 105. 7>) B o l t e - P o l l v k a 2, (1915) 275 f.; Urquell 4 (1893), 150. 7S) G r i m m Myth, ι , 523 f.; S i m r o c k Mythologie 630; H ö f l e r Fastengebäcke 15; G o l d m a n n Andelang 38; ZfVk. 14 (1904), 431. 74) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 48, 338; K u h n u. S c h w a r t z 161; K u h n Westfalen 1 , 2 1 Nr. 26 a. ™) K u h n Märk. Sagen 231; Urquell 3 (1892), 319. n ) B ä c h t o l d - S t ä u b l i a. a. O. 77 ) SAVk. 8, 314; Urquell 4 (1893), 150.

"94

4. Die R o l l e des O.s bei G e b u r t e n und k l e i n e n K i n d e r n hängt mit dem Glauben an die Ahnen- und Seelengeister an der Feuerstätte zusammen, doch spielt da auch die sehr alte, schon beim Backofen (s. d.) behandelte Assoziation O.— Mutterleib mit herein. Schwangere Frauen hüten sich bei den Esten, das Holz gegen die Äste in den O. zu legen, weil ihnen sonst das Gebären erschwert würde 78 ). Die Wöchnerin betet in Mettersdorf vor der Entbindung beim O.79). Wie beim Backofen (s. d.) heißt es auch beim O., er sei zusammen gefallen, wenn die Entbindung vorüber ist 80). Die Nachgeburt wird in fließendes Wasser, anderswo aber auch in denO. geworfen 81 ). Ehe die Wöchnerin nicht ausgesegnet ist, darf sie nicht in den O. greifen; sonst wird ihre Hand von einer kalten Totenhand erfaßt, die ihr selbst den Tod bringt 82 ). Dagegen legt man in Pommern das Neugeborene hinter den 0. oder unter die O.bank, dann bleibt es ruhig und wird nicht hochmütig 83 ). In der Mark erhält der jüngste Gevatter nach der Taufe das Kind und läuft mit ihm so schnell als möglich zur Mutter, die das Kind, hinter dem 0. sitzend, empfängt 84 ). Nicht „ausgebackene" Kinder und Wechselbälge schiebt man nicht nur in den Backofen (s. d.), sondern auch an den O. oder auf die O.bank 85 ). Damit das Neugeborene vom bösen Blick und Krankheit verschont werde, gucken Besuchende zuerst in den 0. 8e ), ehe sie das Kind oder die Wöchnerin ansehen. Weit verbreitet (Westfalen, Brandenburg, Ostpreußen, Pfalz, Schwaben, Bayern, Sachsen, Böhmen, Österreich) ist die Sitte, den ersten ausgefallenen Milchzahn des kleinen Kindes hinter den O. zu werfen und dabei zu sagen: „Maus, da hast Du einen beinernen, gib Du mir einen steinernen (Zahn)" 87 ). In Schlesien heißt die Maus Ofenmann und Höllemann 88). n) G r i m m Myth. 3, 488, 20. '») G a ß n e r Mettersdorf 13. M ) S t a u b Brot 39 f.; J ö r g e r Vals 53; S c h r a m e k Böhmerwald 180; R o s e g g e r Steiermark 113. 81 ) S c h l e i c h e r Sonneberg 144. ·») D r e c h s l e r 1, 205. ω ) K n o o p Hinterpommern 155; Urquell 5 (1894), 279. M ) K u h n Märk. Sagen 366. "*) H ö f l e r A R w .

1195

Ofen

2, 146; Gaßner Mettetsdorf 18. M ) ZfVk. 1 (1891), 184 (Brandenburg) und K r o b a t h Kärntnervolk S. 60. 87 ) W u t t k e 351 § 526; B i r l i n g e r Aus Schwaben i, 405; S c h l e i c h e r Sonneberg 146; S e y f a r t h Sachsen 281 fi.; J o h n Erzgebirge 54; G r o h m a n n 78 u. i n ; S c h r a m e k Böhmerwald 257. In Obersteier (bei Judenburg) war ich 1916 in einem Bauernhause selbst Zeuge dieses Brauches. 8g) Drechsler 2, 298.

5. Der 0 . a l s M i t t e l p u n k t d e s H a u s e s spielt — wenngleich seltener — dieselbe Rolle wie der Herd (s. d.). Sowie die Braut um den Herd geführt wird, wenn sie als junge Frau ihr neues Reich betritt, so ist auch die Sitte mehrfach bezeugt, daß sie ins O.loch gucken muß, damit sie kein Heimweh bekomme 89 ). Es ist die Verneigung vor dem alten Kultmittelpunkt des Hauses. Dasselbe gilt für die neue Magd, von der es schon in der Chemnitzer Rockenphilosophie heißt, daß sie „alsbald ins O.loch schauen" soll „so gewohnt sie's bald" 90 ). Desgleichen verzeichnet das „Journal für Deutschland 1788" aus der Gegend von Osterode am Harz: „Eine Dienstmagd soll gleich beim Eintritt ins Haus nachsehen, ob Feuer im O. ist und es schüren, so bleibt sie lange im Dienst" 91). In der Umgebung von Breslau mußte die neue Magd einen Eimer Wasser holen und in das O.loch hineinlachen 92 ). Das O.lochgucken der neu eintretenden Dienstmagd ist noch in mehreren deutschen Gauen lebendig 93 ). Ebenso besteht der Brauch auch für die neu einziehende Familie 94) oder als Mittel gegen Heimweh 95 ). Aber auch das neugekaufte Vieh 9e ) oder Hunde und Katzen 97 ) läßt man ins O.loch sehen, damit sie sich ans Haus gewöhnen. In der Bukowina stößt man neugeborene Kälber mit dem Kopf dreimal an den O. und spricht: „Du sollst zuhause sitzen wie der O." 9 8 ). Daraus erklärt sich auch von selbst der mehrfach belegte Zauber, verloren gegangene Lebewesen wieder ins Haus zu bannen. Bei den Siebenbürger Sachsen ruft man verlorengegangene Katzen oder Hunde durch das O.loch zurück 99 ) ; bei den Rumänen im Buchenlande läßt man sogar Menschen, die einen treulos verließen, durch eine der Hexerei kundige Alte heimbannen,

II96

dadurch, daß man diese Alte um Mitternacht einen Bannzauber murmeln und in den O. blasen läßt 10°). Auf Schonen legt man einen Schleifstein ins O.loch, dann kann der Habicht keine Küchlein rauben 101 ).

M ) K ö h l e r Voigtland 235 u. 429. i0 ) Grimm Myth. 3, 437 Nr. 95; M e y e r Aberglaube 222. 91 ) Grimm Myth. 3, 461 Nr. 777. · 2 ) Drechsler 2, 20. * 3 ) K ö h l e r Voigtland 428; Dähnh a r d t Volkst. 1, 95 Nr. 3; Urquell 4 (1893), 1 1 3 . M ) Drechsler 2, 2; Urquell 4 (1893), 1 1 3 . 95 e8 ) J o h n Erzgebirge 34. ) W u t t k e 434 § 681; E b e r h a r d t Landwirtschaft 15. ·') ZfVk. 10 (1900), 209. »') Globus 92, S. 284. 9») H a l t rich Siebenb. Sachsen 312. 10 °) Globus 92, 285. 1 0 1 ) Ebd. 79, 386.

6. Der O. als Z u k u n f t s k ü n d e r . Es hängt wohl mit den eben besprochenen Sitten, daß die junge Frau oder die neue Magd zuerst ins O.loch sehen soll, zusammen, wenn derselbe Blick ins O.loch auch Zukünftiges enthüllt. In Ostpreußen sah man in der Christ- oder Neujahrsnacht schweigend in den O., dann erfuhr man, was einem das kommende Jahr bringen wird 102 ). Besonders ist dieser Brauch als Liebesorakel üblich. In Franken sehen die Mädchen am Andreasabend ihren Künftigen im O.103), in Mecklenburg in der Christnacht 104 ), meistens jedoch in der Neujahrsnacht 105 ). Zukunftkündend ist auch das Feuer im O. „Zu erfahren, wieviel gute Holden in einem Menschen verzaubert sind, schöpfe er stillschweigend Wasser, nehme glühende Kohlen aus dem O. und werfe sie ins Wasser; so viel Kohlen untergehen und auf den Boden fallen, so viel gute Holden hat er in sich" 106). Aber der 0 . weiß es auch, wenn eine Frau eine Hexe ist l 0 7 ). Wenn das Feuer im 0 . knallt, gilt das gegendweise als ein Todeszeichen, ebenso wenn man vor dem O. steht und sich in die Schürze ein Loch brennt 1 0 8 ), während anderswo das Knistern und Knallen des O.feuers Besuch 109 ) oder Zank 110 ), böse Menschen 1U ) oder Änderung des Wetters ankündigt 112 ). Dagegen schließt man überall auf bevorstehenden Besuch, wenn Glut aus dem 0 . fällt oder Funken herausschlagen 113). Diese Vorstellungen decken sich völlig mit den entsprechenden Anschauungen vom Herdfeuer (s. Herd). Das Herab-

I I 97

Ofen

fallen des O.rohres gilt im Erzgebirge als Todesvorzeichen 114 ). In Mettersdorf wird schon der bloße Traum, daß der O. eingefallen sei (vgl. oben Sp. 1 1 9 4 unter 4) als Anzeichen für den Tod der Hausfrau gewertet. Dieser Glaube ist schon in einem Codex des 15. Jh.s zu St. Florian in Oberösterreich bezeugt : „item, so ainemtrawmt wie der ofen nider sey gevallen, so stirbt aintweder Wirt oder die Wirtin" 1 1 S ). In der Oberpfalz aber bedeutet es Herrschaft der Weiber im Haus, wenn die Stubentüre so aufgeht, daß die Türschnalle zunächst dem O. zu stehen kommt l l e ).

102 ) W u t t k e 247 § 358. 103 ) ebd. 248 § 358. ) ebd. 236 § 337. 106 ) Globus 18 (1870), 124 (Rügen); ZfrwVk. 1906, 65; B a r t s c h Mecklenburg 2, 238; K u h n Westfalen 2, i n Nr. 330; ZfVk. i l (1901), 430; F r i s c h b i e r Hexenspr. 164; ZfVk. 1 (1891), 179 (Brandenburg); S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 1 4 4 t . und 2, 88 Nr. 8; Rogas. Familienblatt 3 (1899), 88; M a n n h a r d t Germ. Mythen 1 3 3 ; W u t t k e 247 loe Nr. 358 und 251 Nr. 362. ) Grimm Myth. 3, 473 Nr. 1012. 107 ) J e c k l i n Volks10i tüml. (1916) 210. ) ZfVk. 22 (1912), 162 (Siebenbürgen) ; Höhn Tod 3 1 0 (Onolzheim10i Crailsheim). ) S c h r a m e k Böhmerwald 255; W u t t k e 2 1 1 § 294. 1 1 0 ) Drechsler 2, 145; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 88 Nr. 3 u. 4. lu ) SchwVk. 10, 37. l l a ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 88 Nr. 5. 1 1 3 ) ZfVk. 24 (1914). 55 (Angeln) ; Drechsler 2, 5; J o h n Westböhmen 250; W u t t k e 2 1 1 Nr. 294. 1 1 4 ) J o h n Erzgebirge 1 1 3 . 1 1 ( ) Grimm Myth. 3, 418 Nr. 38. 11β ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 1 1 4 Nr. 4.

1M

7. D e r 0 . als K r a n k e n h e i l e r . Feuer- und Hausgeister, aber auch assoziativer Zauberglaube und nicht zuletzt gewiß auch der Schwitzbade-O. haben den 0 . schon früh auch in der Volksmedizin eine Rolle spielen lassen. Schon in den Predigten und Dekreten des hl. Burchard von Worms (f 1025) wird davon gesprochen, daß man Kranke, besonders fieberkranke Kinder in oder auf den O. legte (ponete ... in fomacem oder super fomacem)117), und eine Hausmittelsammlung des 14. Jh.s erwähnt die Sitte, kranke Kinder mit der Brust (gegen Prustsucht) auf den 0 . zu legen 11β ). In einem schwedischen Hexenprotokoll vom Jahre 1722 wird erwähnt, daß man Frost dadurch heilte, daß man nüchtern am Sonntagmorgen eine Hand auf den O. legte und

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dazu sprach: „Lehm und Stein nehmen den Frost von mir, zuerst einen Monat, dann ein Jahr und endlich so lange die Sonne geht. Im Namen Gottes . . . " 1 1 β ). Blutende Wunden suchte man zu heilen, indem man das verwundete Glied dreimal ins O.loch steckte 120 ). Gegen das Wundliegen der Kinder nahm man einen Stein vom O.loch, schabte davon ab und legte das abgeschabte Pulver mit Honig gemischt auf 1 2 1 ). Gegen Brandwunden und Blasen ( „ J ü d l " und „Wehklage" genannt) schmiert man im Sächsischen und in der Lausitz seit Jahrhunderten das O.loch mit Butter oder Speck und spricht dazu: „Ich schmiere Dich, heile mich" 1 2 2 ). Bei Fieber zählen die Siebenbürger Sachsen Erbsen nach rückwärts und werfen sie in den O. 123 ). Sogar der O.ruß gilt als heilsam. Im Fränkischen heilte man Gesichtsrose und Rotlauf durch Bestreichen mit O.ruß 124 ). Zur Heilung von Mundgeschwüren verwendet man den Niederschlag von O.röhren 1 2 5 ). Auch in Norwegen heilte man offene Lippen durch dreimaliges Küssen des Kachelofenrohrs 126 ) und die Rumänen im Buchenland schützen sogar den Mais vor dem „Brand", indem sie im Frühjahr nach dem Maisanbau den O.schieber nicht mehr zuschieben 127 ). m ) G r i m m Myth. 2, 975; 3, 406 Nr. 10, 14 u. 3, 408 oben. l l e ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 135. "») ZfVk. 5 (1895) 195· 1 2 °) S t e m p linger Aberglaube 80 und B a r t s c h Mecklenburg 2, 372 f. m ) Urquell N F . 1 (1897), 137. 1M ) G r i m m Myth. 3, 449 Nr. 473 (Chemnitzer Rockenphilosophie); K ü h n a u Sagen 2, 47; M a n n h a r d t Germ. Mythen 308; Meiche Sagen 232 Nr. 293; 292 Nr. 379 und H a u p t Lausitz ι, 62. 1 2 3 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 273 Nr. ι. l î 4 ) W u t t k e 348 Nr. 520. l a i ) Hov o r k a u. K r o n f e l d 2, 79. m ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 340. 1 2 7 ) ZföVk. 3 (1897), 2 1 •

8. D e r O. im W e t t e r z a u b e r erhält seine Bedeutung wohl wie der Herd (s. d.) vom Feuer. Man wirft bei Gewitter geweihte Dinge, Palmzweige und Stückchen von der Wetterkerze ebenso in das Herdfeuer wie in den O. 128 ). Im Gebiet von Heidenheim wurden die drei ersten Hagelkörner in den 0 . geworfen 129 ). Man heizt den 0., um die Gefahr des Gewitters fortzuscheuchen 1S0 ). Man legt bei lang an-

Ofen—Ofengabel und Ofenkrücke

1199

dauerndem Schlechtwetter das Gebetbuch auf den O., damit es wieder schön w e r d e 1 3 1 ) , und von den Juden erzählte man in Altbayern, daß sie das Wetter besprechen können, indem sie Brot zerschneiden, dann wieder zusammenkleben und rücklings mit Sprüchen in den O . schieben 1 3 2 ). 128

) P o l l i n g e r Landshut

böhmen 58.

12

162; J o h n

West-

· ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 4.

°) J o h n Erzgebirge 27. 13X) Drechsler 2, 244. 1 3 J ) Bavaria 2, 241; W u t t k e 305 f. Nr. 449. v. Geramb. Ofen (Steinklötze, Steinhöhlen). Sowohl i m norddeutschen (Abensteen) wie auch im bajuvarischen („Ofen") und im slavischen Sprachgebiet bezeichnet man große Steinblöcke, alleinstehende Felsen und Steinhöhlen als „ O f e n " (bzw. a l s pec)1). Sie gelten im Volksglauben sehr häufig als Sitz der „Unterirdischen" 2 ), oder eines schatzhütenden Wesens 3 ), des „ S c h r a t l s " 4 ) und des feurigen A l b (der „glühenden Schaube") 6 ). 1 ) Geramb WS. 9 (1924), 37. 2 ) Müllen13

h o f f Sagen 281 Nr. 382; R o c h h o l z Sagen 1; 336 u. 472. 3 ) S c h m e l l e r BayWb. 1, 33;

4 ) Eigene Graber Kärnten S. 132 Nr. 163. Aufzeichnungen vom ,, Schratlofen" im steirischen Koralmgebiet. 5 ) Gräber Kärnten S. 142 Nr. 182 v. Geramb.

1200

S a r t o r i Sitte 2, 23. 2 ) K ü h n a u Brot 41; J o h n Erzgebirge 10 f. 3 ) M e y e r Baden 350.

) ζ. B. J o h n Erzgebirge 11. ' ) Schulenburg 33· ' ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 376. 7 ) Kühnau Brot 41. 8 ) ZfVk. 17 (1907), 384.

4

I

9

) R e i s e r Allgäu 1, 332.

lc

) V o n b u n Sagen 28

Nr. 30. 1 1 ) Urquell 1, 133; S a r t o r i Sitte I, 24. 1 2 ) R e i s e r Allgäu 2, 229. 13 ) Grimm Myth.

3, 465 Nr. 862;

Urquell 4 (1893), 113;

Köhler Voigtland 1, 429.

v

Geramb.

Ofenbesen (Ofenwisch). Dieselben Vorstellungen w i e a n die O f e n g a b e l (s. d.) knüpfen sich nicht selten auch an den O . , wobei noch der K o m p l e x von magischen Ideen und Handlungen mitwirkt, der mit dem B e s e n (s. d.) verbunden ist. Auch auf dem O. reiten die H e x e n 1 ) , und ebenso wie die Ofengabeln legt man O. bei Gewitter kreuzweise unter die Dachtraufe 2 ). Außerdem spielt auch der O. im Heilglauben eine Rolle, wobei sich wieder Assoziationen einerseits mit der Abwehrkraft des Besens (s. d.) und der Heilkraft der Lebensrute, andererseits mit dem Heilzauber des Ofens (oben Sp. i i 9 7 f . ) einmengen. Die Verwendung des O.s beim Kindlbad wird schon i m Mittelalter bezeugt : „Stramen, quo fornax purgatur, furantur et cum eo puerum balneant" 3 ). In der Gegend von Wehlau (Ostpreußen) macht man bei Augenentzündungen ein Kreuz vor den Augen des Kranken und spricht dazu: „ D i e Escherschringe plagt Dich, der Ofenwisch verjagt sie. I m Namen . . . . " 4 ). Beim ersten Austrieb auf die Weide legt man in Siebenbürgen einen O . vor die Stalltür und läßt das Vieh darüberschreiten, worauf man es mit dem 0 . gegen Verhexung kreuzweise über den Rücken schlägt 5 ). *) s. oben 1, H3off. u. 1147 ff. s ) Meyer Baden 361. 3 ) Mschles.Vk. 17 ( 1 9 1 5 ) . S. 29. 4 ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 32. ') Haltrich

Ofenbank. Sie ist der behaglichste Platz der W o h n u n g 1 ) , der Sitz der A l t e n 2 ) und Leibgedinger 3 ) und findet sich in verschiedenen Formen als Mauernische („Höll") 4 ), als Mauerbank 5 ) und auch als Ofensessel ( „ S i d e l " ) 6 ) . Ihre enge Verbindung mit den alten L e u t e n 7 ) und mit dem Ofen (s. diesen) macht sie auch zum Sitz der Ahnenseelen, denen man sie in Ostpreußen a m Neujahrstag 8 ), im A l l g ä u von 10 Uhr abends bis 3 Uhr früh frei h ä l t 8 ) , ebenso wie sich auch der Hausbutz gerne auf ihr a u f h ä l t 1 0 ) . D i e Eigenschaften des Ofens (s. oben Sp. 1195) Siebenb. Sachsen 276 Nr. 1 u . 2. Geramb als Mittelpunkt des Hauses kommen daher auch der 0 . zu. In Ostpreußen legt man Ofengabel und Ofenkrücke. Sie ist das neugeborene K i n d erst unter die O., das Hauptgerät der Hexenfahrt und wohl damit es artig und fromm werde u ) , im wegen ihrer Beziehungen zum Ofen (s. d.) Allgäu, damit es später gern z u Hause an die Stelle des früheren Zaunsteckens b l e i b t 1 2 ) , und im Voigtland verzehrt der und Hexenstabes getreten (s. d. Bd. 3, neu einziehende Dienstbote seine erste 1849 ff.). Jedenfalls war die O. in dieser Mahlzeit (Klöße ohne K r a u t ) auf der Funktion schon u m 1400 im deutschen 0.«). Volksglauben bekannt, da sich schon in

I20I

Ofenschüssel (Ofenschaufel)—Ofentopf (Ofenblase, Ofenhafen, Höllhafen)

Vintlers Blumen der Tugend die Verse finden: Eins teyls salben die offengabel, das sie oben auß thun jaren1). Auch in den Predigten San Bernardinos von Siena (1380—1444) spielt die 0. bereits eine Rolle im Wetterzauber 2 ). Hier haben also Hexenstab, Wetterzauber und Ofenhexe zusammengewirkt, um die Vorstellung von der O. als Hexengerät zu entwickeln. Dieser Glaube ist auch auf deutschem Volksgebiet weit verbreitet 3 ). An Stelle der O. tritt in derselben Funktion bisweilen auch die Ofenkrücke 4 ). Aus alledem ergeben sich mannigfaltige Formen des Zaubers. Der Wetterzauber ist derselbe wie beim Kesselhaken 5 ). Man legt die O. oder O.krücke kreuzweise vor die Hoftüre, um das Unwetter, besonders das Hagelwetter abzuwehren 6 ). In Schlesien ritt man auf einer O. dreimal um den Hof, wenn eine K u h verhext war 7 ). In der Oberpfalz stellt man das Butterfaß aus demselben Grund und gegen den bösen Blick auf die O. 8 ), und in Westböhmen nimmt man die aufgehängten Kleider und Wäschestücke vor dem Abendessen sogar von den O f e n s t a n g e n , damit das Vieh nicht verhext wird 9 ). Umgekehrt durfte man in Oberfranken am Allerseelentag und am Quatember keine O. verkehrt hinstellen, weil sich sonst die armen Seelen daran verletzen 1 0 ).

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Hagelwetter stellen sich nackte Huzulinnen aufs Feld und halten in der einen Hand ein nach aufwärts gekehrtes Beil, in der andern neben Palmbuschen, Besen und Schürhaken auch eine O. 1 ). Im Traunviertel wirft die Bäuerin bei Hagelgefahr die O. in den Hof 2 ). Mit der Assoziation Backofen—Mutterleib (s. oben ι , 788) hängt der Glaube zusammen, daß Schwangere keine O. überschreiten dürfen, sonst kommt das Kind bei der Entbindung verkehrt (mit den Füßen voran) zur Welt. Schreitet sie aber mit demselben Fuß über die O. wieder zurück, so hat sie nichts zu befürchten 3 ). D a s O . l a u f e n (s. oben 1, 792 u. 794) ist ein kultischer Wettlauf bei Hochzeiten 4 ), der in Oberösterreich schon 1770 behördlich verboten wurde 6) ; doch hat sich dort der Glaube erhalten, daß in der Thomasnacht der künftige Bräutigam auf der O. sitze e ). l ) K a i n d l Die Ruthenen 2, 90; W e i n h o l d Ritus 35. 2 ) M e y e r Baden 361. 3 ) H i l l n e r

Siebenbürgen 362.

4

) R a n k Böhmerwald 1, 62.

) DG. 14, 136. ·) B a u m g a r t e n Aus der Heimat ι, 64. v. Geramb. 6

Ofentopf (Ofenblase, Ofenhafen, Höllhafen). Das meist kupferne Behältnis, das in vielen Gegenden zum Wasserwärmen in den Ofen eingebaut ist, vertritt z. T. die Funktionen des über dem offenen Herd hängenden Kessels. D a es zudem tief in das Ofeninnere hineinragt, so verZfVk. 23 (1913), 9 Vers 154 f. 2 ) ZfVk. einigt es im Volksglauben verschiedene 22 (1912) 118; Z a c h a r i a e Kl. Sehr. 344, v g l . auch oben 4, 1278. 3 ) G r i m m Myth. 3, 442 an den K e s s e l (s. d.) und an den O f e n Nr. 246; Pf i s t e r Hessen 170; S t r a c k e r j a n (s. d.) gebundene Vorstellungen. Ganz 2, 223 Nr. 473; C u r t z e Waldeck 388 s . ; Alebesonders betont erscheint die Bedeutung mannia 34 (1906), 268; M a n n h a r d t Germ. des O.s als O r a k e l s p e n d e r , was einerMythen 152; S t a u b Brot 267. 4 ) S o z. B . schon 1585 in einem steirischen Hexenprozeß, seits an das Kesselorakel (oben Bd. 4 in welchem die Angeklagte zugibt, auf ain Sp. 1267 f.), andererseits an die BeKhruekhen gesessen und geflogen zu ziehungen der Zauberfrauen (später sein; B y l o f f im H e f t 3 der Quellen z. d. Vk. Hexen) zum Kessel (ebd. Sp. 1257 u. (1929) 15 Nr. 20. *) Vgl. oben 4, 1278. ·) W u t t k e 303 § 444 (Franken); M e y e r Baden 361; 1264 f.) denken läßt. Das O . h o r c h e n V e r n a l e k e n Mythen 315; J o h n Westböhmen spielte im mittel- und süddeutschen 239. 7 ) K n u c h e l Umwandlung 85 (nach Volksgebiet eine große Rolle. Wenn der MschlesVk. 9, 87). 8 ) S e l i g m a n n Blick 2, x 10. ·) J o h n Westböhmen 16. ·) Bavaria 3, O. singt, bedeutet es K ä l t e ) oder den 309 ( W u t t k e 472 § 752). v. Geramb. Tod eines Familienmitgliedes 2 ). Junge Mädchen horchen in der Andreasnacht 3 ) Ofenschüssel (Ofenschaufel), s. oben 4 ι , 791 unter Backschaufel; außerdem oder Thomasnacht ) und besonders in s ) sowie in der Neujahrsder Weihnacht bestehen Zusammenhänge mit der O f e n e g a b e l (s. d.). Bei heraufziehendem nacht ), um entweder im Spiegel des

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gescheuerten O. ihren Künftigen selbst zu erblicken oder aus den verschiedenen Tönen des bullernden Wassers sein Gewerbe zu erkennen u. dgl., oder um sonst einen Blick in die Zukunft (besonders ins neue Jahr) zu tun 7 ). Im Voigtland wird an den drei heiligen Abenden (Weihnachten, Neujahr, Dreikönig) der O. fast ganz mit Wasser gefüllt. Am folgenden Morgen ist entweder das Wasser gestiegen oder gefallen. Daraus bestimmt man das Steigen oder Fallen der Getreidepreise für die kommenden drei Vierteljahre, wobei sich der Wasserstand in der Weihnacht auf das erste, der in der Neujahrsnacht auf das zweite, der in der Christnacht auf das dritte Vierteljahr bezieht 8 ). Das erinnert stark an gewisse Kalenden-Orakel des Altertums 9 ). Vielleicht hängt es damit zusammen, daß der O. am ersten Weihnachtsfeiertag nicht leer bleiben darf 10 ). Überhaupt gilt es als Abwehr des Unglückes und als Mittel, das Glück festzuhalten, wenn man den O. immer gefüllt hält 1 1 ). Andererseits deutet ein O., in dem das Wasser ganz verkocht ist, daß sich darin eine Seele gereinigt habe 1 2 ), weshalb man den O. ausschöpft, wenn eine Leiche aus dem Hause getragen wird 1 3 ). Mit dem Ofen als Kultmittelpunkt (oben Sp. 1195) begründen sich folgende Volksmeinungen. Im Erzgebirge gilt es als erstes Erfordernis, beim Einzug in ein neues Haus den 0. zu füllen 14 ). Vielfach guckt man auch beim selben Anlaß sogleich nach dem Betreten der Stube in den 0., um sich rasch an das neue Heim zu gewöhnen 15 ). Dasselbe muß das neu eintretende Gesinde tun 1β). Und selbst gekaufte Hühner taucht man mit den Füßen in das Wasser des 0., um sie beim Haus zu halten 17 ). *) D r e c h s l e r 2, 199. 2) J o h n Erzgebirge I i u. 115. a ) J o h n Westböhmen 4. 4) K a p f f Festgebräuche S. 5. 6) W o l f Beiträge 1, 123 u. 2, 127; H a u p t Lausilz 1, 187 Nr. 220; W u t t k e 247 § 358; D r e c h s l e r Schlesien 1, 25; B i r l i n g e r Volksth. 1, 468. ·) K ö h l e r Voigtland 363; Z f V k . 5 (1895), 97; ZfdMyth. 4, 48. ') Vgl. auch W u t t k e 236 Nr. 338. e ) K ö h l e r Voigtland 363. ·) Vgl. N i l s s o n in A R w . 19, 50 ff. 10 ) K ö h l e r Voigtland 362. " ) J o h n Erzgebirge 28; W u t t k e 307 § 451. " ) G r o h -

I2O4

13 ) m a n n 198. K ö h l e r Voigtland 362 f. 15 ) J o h n Erzgebirge 28. Mannhardt Germ. Mythen 132 f. ; G r i m m Myth. 3, 451 Nr. 501. «) ebd. »') W u t t k e 431 § 676. v. Geramb. Ohr. 14 )

ι. Ä u ß e r e s : „Wes ôrn grôz sint, der ist ain tor und langes lebens" glaubt schon Megenberg 1 ), nach Paracelsus 2 ) dagegen zeigen g r o ß e O.en ein gutes Gehör, gutes Gedächtnis, aufmerksam, sorgsam, gesundes Hirn u. Haupt an. „ K l e i n e , niedergedrückte O.en sind", wie Paracelsus überliefert (S. 36), „ein böses Zeichen, denn sie zeigen gemeiniglich an einen bösen, tückischen, falschen, ungerechten Menschen". Heutiger Volksglaube meint, kleine O.en deuten auf Geld (Reichtum) 3 ). Wer w e i t a b s t e h e n d e O.en hat, der stirbt bald 4 ). Wenn einem das O.läppchen nicht angewachsen ist, sondern frei herabhängt, wird er eine Witwe heiraten 5 ). Die Meinungen gehen aber, auch am selben Orte, stark auseinander e ). Hat ein Kind, gleich bei der Geburt, auffällig weiße Ohren, so stirbt es bald 7 ). Wer ein Mal am O. hat, wird ertrinken 8). Ein thüringischer Wassergeist wurde nach seinen O.en „Schlitzöhrchen" geheißen 9 ); denn mißgestaltete O.en sind wie Nasen- und Fußdifformitäten ein Attribut von Dämonen. „Er hat es (faust )dick hinter den O.en", ist eine allverbreitete Redensart 10). Sie bezeichnet einen gescheiten, schlauen Menschen. Volkstümliche Schädellehre und die alte Humoralpathologie werden wohl die Quellen dieses Glaubens sein 11 ). Doch ist nicht zu vergessen, daß das O. als eine der Leibesöffnungen angesehen wurde, durch die die Seele und auch Dämonen aus- und eingehen können (vgl. letzte Ö l u n g ) 1 2 ) . 1) Buch der Natur 46. 2) S. 36 (aus De Natura rerum, Buch IX). 3) Bavaria 4, 2, 402; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 810; W. 217 § 306. *) G r o h m a n n 220 Nr. 1508; L a m m e r t 230. B) L a m m e r t 230. e ) B e r g e n Current Superstitions 32 Nr. 105. 106. 107. ') P e t e r österr.Schlesien 2, 211. 8) B e r g e n a. a. O. 36 Nr. 148. ·) W i t z s c h e l Thüringen 2, 52 Nr. 58. l 0 ) W a n d e r Sprichwörterle χ. 3, 1128 Nr. 101 ff. u ) H ö f l e r Krankheitsnamen 96; D W b . 7, 242. 1230 f. l a ) H ö f l e r a. a. O. 452; Caesarius v. H e i s t e r b a c h Dialogus ι , 291; C r o o k e Northern India 151 f.; Globus 72, 215; A R w . 2, 224.

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2. Nach Regis w ) gab es noch zur Zeit Rabelais' Theologen, die, nach Joh. 1, 14 („Das Wort ward Fleisch"), die E m p f ä n g n i s der Maria durch das Ohr behaupteten. In der deutschen Dichtung des MA.s finden sich manche Belege für diesen Glauben 1 4 ). Auf einer gemalten Fensterscheibe aus dem 15. Jh. im Saal des Petits Augustins sieht man, wie aus dem Taubenschnabel des hl. Geistes ein Strahl mit einem deutlich gezeichneten Embryo in das O. der Muttergottes dringt 1 5 ). Molière erwähnt diesen Glauben (in Ecole des femmes 1,1): Elle étoit fort en peine, et m e v i n t demander, Avec une innocence à nulle autre pareille S i l e s e n f a n t s qu'on fait, s e f a i s o i e n t p a r 1' oreille.

Das gleiche glauben auch primitive Völker " ) . Mit allen Einzelheiten beschreibt auch Rabelais eine E n t b i n d u n g durch das linke 0 . (Buch 1, Cap. 6) und verweist dabei in seiner burlesken Weise auf Plinius (VII, 3), wo von seltsamen und widernatürlichen Entbindungen die Rede ist. 13 ) Meister Franz Rabelais der Arzeney Doktoren Gargantua und Pantagruel 2 (Lpz. 1832), 14 1S 37. ) SchweizVk. 1934, 1 5 . ) Gerhardt Franz. Novelle 48; vgl. P r o c l u s Orai, de incarn. Dom. 1, 10; Globus 72 (1897), 2 I 5 · 1β ) H a r t l a n d Primitive Paternity 1, 20. 149. 1 5 1 ; H ö f l e r Volksmedizin 150; vgl. Wiesel § 2 A n m . 53.

3. Das „ I n s O h r s p r e c h e n " bekommt durch diese Bräuche eine ganz besondere Bedeutung. Es erfolgt nämlich keineswegs stets f l ü s t e r n d (2, 1696 ff.) oder m u r m e l n d (6, 626); wo es uns in festgelegten Bräuchen begegnet, da geschieht es nicht immer in Gegenwart dritter und oft mit lauter, mitunter sogar schreiender Stimme. Es liegen also andere Gründe vor als das Geheimnistun, das mit Flüstern und Murmeln oft verbunden ist. „Beim Erwachen des Kausalitätsbedürfnisses", sagt Richard Karutz 1 7 ), „erklärt sich der Mensch den Vorgang des Hörens aus der unmittelbaren Tätigkeit eines Dämons". Von dieser mythologischen Grundanschauung sei die große Mehrzahl der Sitten und Bräuche entstanden, in denen das O. eine Rolle spielt. „Unser

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Dämon ist dann der Vermittler zwischen Seele und Außenwelt, überträgt das gesprochene Wort des Genossen, die Laute der Tiere, die Stimmen der Natur, offenbart später auch die räumlich und zeitlich getrennten Geschehnisse. Er sieht in Vergangenheit und Zukunft, wird zum Warner, Helfer und Propheten, er weiß die Gedanken und Absichten unserer Feinde und teilt sie uns mit, er kennt den Faden der Schicksalsgöttinnen und gibt uns ein Zeichen des Kommenden, ein persönlicher Schutzengel, wacht er über das Glück seines Menschen". Durch das Hineinsprechen ins O. will man „die größtmögliche Sicherheit haben, daß die gesprochenen Worte auch wirklich den Gemeinten treffen und wunschgemäß beeinflussen" (nach Sartori). „Das Wort soll nicht der Gefahr ausgesetzt werden, auf dem Wege vom Munde des einen zum Ohr des andern im Winde zu verwehen, sondern soll in dem Gefäße, dem es anvertraut ist, sicher, dauernd und wirksam niedergelegt werden" 18). Weit verbreitet ist namentlich der Brauch, S t e r b e n d e n , B e w u ß t l o s e n u n d s c h o n T o t e n noch Worte ins O. zu rufen oder zu flüstern, um mit der entweichenden Seele noch in eine letzte Verbindung zu treten 1 9 ). Ist in Rybnik (Schlesien) die Leiche beim Anziehen des Totenkleides so steif, daß sich das schwer bewerkstelligen läßt, so wird ihr mit Nennung des Namens ins Ohr gerufen: „Wir gehen in die Kirche", und die Steifheit verschwindet 20 ). In Niederösterreich murmeln hier und da noch Freunde und Nachbarn einem Sterbenden Grüße und Nachrichten an bereits Verstorbene ins O. „Er soll's drüben ausrichten" 21 ). Stirbt in Baach (Schwaben) eine Wöchnerin, so sagt ihr die, welche inskünftig das Neugeborene zu pflegen hat, ins Ohr: „Du darfst ruhig sterben, ich will dein Kind gewissenhaft verpflegen". Geschieht dies nicht, so sieht man die Mutter nachts im Hause umgehen, ein Müslein kochen, Windeln waschen, das Kind geschweigen und derlei mehr tun 2 2 ). Das berühmteste Beispiel ist die Rune, die O d i n d e m t o t e n B a l d e r ins O.

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flüsterte, ehe er auf den Scheiterhaufen gelegt wurde; wohl ein Abwehrbrauch23). Einmal wurde in der Oberpfalz eine Magd bei der Feldarbeit unwohl und mußte sich im Walde niederlegen, bis die andern sie abends auf dem Wagen nach Hause fahren würden. Da kamen die (Erd-)Männlein herbei, brachten ihr Wurzeln, welche sie aß, und bliesen ihr in die O.en. In etlichen Stunden war die Magd so hergestellt, daß sie wieder an die Arbeit gehen konnte 24 ). „Wer blies dir das Wort ein?", ruft Karl Moor seinem Kumpanen Schwarz in Schillers Räubern (I, 2) zu. In diesem Ausdrucke wird nicht ein bloßes Sprechen, sondern eine vollkommene Gedankenund Wesensübertragung gekennzeichnet. „Das hat ihm der T e u f e l e i n g e b l a s e n " sagt man auch, wenn man eine „teuflische" Eingebung schildern will. Wenn ein Kind geboren ist, soll man ihm im Kr. Neustettin „ w a s ins O. beten", dann lernt es gut 25 ), und in Thüringen muß die Wöchnerin dem Kinde morgens und abends in die O.en beten, so wird es klug 2β ), während man in Immenstadt einem Täufling gleich nach der Taufe ein Vaterunser ins O. spricht, damit er früh reden lernt und später gern beten mag 27 ). Bei all diesen Bräuchen kommt es nur darauf an, das (zauberkräftige) Wort sicher im Menschen niederzulegen. Vielleicht- ist das Sprechen ins O. des Neugeborenen ursprünglich ein Annahmebrauch 28). Auf Odins Achseln sitzen zwei Raben und sagen ihm ins 0 . alles Neue, das sie sehen oder hören. Sie heißen Huginn und Muninn, Denkkraft und Erinnerung. Nach Golthers 29) Meinung war wohl ursprünglich Odins in Rabengestalt verzückte Seele, sein hugr, gemeint, die durch das O. den K ö r p e r verläßt und wieder in ihn zurückkehrt wie sonst durch den Mund (s. d.). In einer niederländischen Mahrensage flüstert ein Schnitter einer wie leblos daliegenden Frau etwas ins O., und zugleich sehen sie ein kleines Tierchen von weither laufen und in den Mund (s. d.) der Frau kriechen. Nun gelingt es ihnen, diese zu erwecken30).

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Die Heimberufung der Seele erfolgt also hier durch das O. Dämonische Wesen, die im menschlichen oder tierischen Körper hausen, werden durch ins O. gesagte Beschwörungen v e r t r i e b e n . In Immeneich (St. Blasien) soll einer aus der Nachbarschaft einem kranken Kinde einen Segen ins O. gesagt haben, worauf die Gichter (s. d.) verschwanden 31 ). Gegen Nasenbluten hilft nach Marcellus das Sprechen der Zauberformel in das O. auf derjenigen Seite, auf der das Blut aus der Nase fließt32). Alte Weiber maßen nach Gottschalk Holle (| 1497) den Kopf des Kranken mit einem Gürtel oder Faden und sagten dabei ins O. : „Die Hitze bedarf nicht des Herzens, das Bier nicht des Trinkens" 33 ). Auch bei den Angelsachsen wird Zaubergesang in das linke und rechte O. und über den Kopf des Kranken gesungen34). Auch bei Tieren wird ähnlich verfahren : In Neudorf bei Graudenz spricht man, wenn ein Stück Vieh krank ist und man nicht weiß, was ihm fehlt, ihm dreimal einen Segen ins rechte 0. 3 5 ). Überhaupt sagt man einem Tiere etwas ins O., um besondere Wirkungen zu erzielen. Damit ein Pferd willig folge, sich leicht beschlagen oder besteigen lasse oder recht schnell werde, spricht man ihm Formeln ins Ο. 3e) oder steckt sie ihm, auf Papier geschrieben, hinein 37 ). Eine Aufzeichnung aus dem Jahre 1361 „Contra pirczyl" (Rehe = Pferdekrankheit) lautet: Welch ros hot den pirczel, zo vure is keyn der sunnen an eyme dunrstage vru e dy sunne uf ge un t r i t i m m i t d y m e r e c h t i n v u s (s. oben 3, 243 ff.) u n d b l a z y m in s y n r e c h t s o r e und sprich „spiritus sanctus, Pircil du sist ader bist tot, dir gebot iob, pirczil du bist tot". Daz tu dry tage nach enandir und snyt dem pherde vorne dy stirne uf, zo vindis tu den worm t o t .

Wenn in Zossen die Kühe am Pfingsttage zum erstenmal auf die Weide gebracht werden, so führt man sie vorher zum Brunnen und schreit ihnen ins O. : „Komm wieder zu Haus" 39). „Wer das Fieber hat, der soll (nach Rockenphilosophie 104 cap. 81) einem Esel ins Ohre sagen, es hätte ihn ein

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Scorpion gestochen, so vergehet das Fieber von Stund an". Nach Dr. Hartliebs buch aller verboten kunst (cap. 83) treibt man „die kunst pyromancia", „mit gar manigerlei weis und form, etlich maister der kunst nemen ain rains kind . . . und sprechen dan dem chind in ain ore driu unchunde wort. . ( u . a. Oriel)40). Die steiermärkische Habergeiß setzt sich dem nächtlichen Wanderer auf die Achsel und bläst ihm den Tod in die O.en 41 ). Um solchen Gefahren zu entgehen, v e r s t o p f t man sich die O.en 42 ). In Posen werden einem Kinde, dem zum erstenmale die Haare geschoren werden, die O.en mit Wachs verstopft, weil man glaubt, das Kind werde später verrückt, wenn es das Knarren der Schere höre 43) (s. Haar).

17 ) Globus 72 (1897), 2 1 4 f. « ) ZfrheinVk. 2 0 — 2 1 (1923—24), 4. 1 *) Ebd. 5 fi.; J ö r i 20 m a n n Rezeptarien 158. ) MschlesVk. 21 (1919), 107 = I d z i k o w s k i Geschichte d. Stadt u. ehemal. Herrschaft Rybnik (i860), 180 f. 2l ) L a n d s t e i n e r 29; weitere Beispiele bei S a r t o r i ZfrheinVk. 2 0 — 2 1 , 5 ff. " ) Birl i n g e r Volksth. 1, 475 Nr. 1 7 . 2 3 ) K a u f f m a n n Balder 203. 2 7 2 ; N e c k e l Balder 5 4 ; Z f V k . 2 7 24 (1917), 275. ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 297 fi. M ) Z f V k . 1 3 (1903), 98. 2β ) W i t z s c h e l 27 2, 246 Nr. 16. ) R e i s e r Allgäu 2, 2 3 1 . 28 ) S a r t o r i ZfrheinVk. 1 9 2 0 — 2 1 , 9. 2») Mytho30 logie (1895) 84. ) W o l f Niederländ. Sagen 343 Nr. 250. 3 1 ) M e y e r Baden 39. 3 2 ) A b b o t Maced. Folklore 360, 40; MschlesVk. 9, H. 1 7 , 33 42 f. ) ZfvaterlGesch. 47 (Münster 1889), 94. M ) F i s c h e r Angelsachsen 36. 3 5 ) F r i s c h b i e r Hexenspruch 103 f.; Globus 72, 2 1 8 . 3 «) Globus 72, 2 1 8 ; ZfdMyth. 3, 3 1 6 ; ZfrheinVk. 17, 4 1 ; 20—21, 1 2 ; S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 1 1 9 = A l b e r t u s M a g n u s Egypth. Geh. 4, 8. 37 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 448 Nr. 2059. E b e r m a n n Blutsegen 1 7 ; vgl. 3 G r i m m Myth. 3, 498 Nr. X V . ») K u h n S c h w a r t z 3 8 9 N r . 73; Globus72,218. < 0 ) G r i m m Myth. 3, 431 = U l m Hartlieb S. 5 1 . " ) R a n k e Volhssagen 2 1 3 Nr. 2; vgl. Z i n g e r l e Sagen 2 1 0 Nr. 359. 4 2 ) S a m t e r Geburt 149. i 3 \ Veckenstedts Z f V k . 3, 3 1 Nr. 16.

4. Oft begegnet auch die Zauberhandlung, daß man einem Tier, namentlich einem P f e r d oder einem Hund zwischen die O.en durchschauen muß, um geistersichtig zu werden44) (s. o. 2, 500). In Owschlag bei Schleswig gab es einen, der konnte alles voraussehen und vorher-

sagen, Leichen, Bräute usw. Das kam davon, weil er früher einmal einem heulenden Hund auf den Schwanz getreten war und zwischen den O.en durchgesehen hatte 45 ). 44 ) G r i m m Myth. 2 , 784. Sagen 5 7 1 Nr. 584. 193 f.

45

) Müllenhoff

5. Die S t r a f e des O.abschneidens ist ursprünglich wohl nicht blos eine V e r s t ü m m e l u n g s s t r a f e , sondern entstammt dem oben angeführten O.englauben 4e ). Verschiedene Volksbräuche scheinen das anzudeuten: So erzählt eine badische Volkssage47), daß verhexten Lämmern O.en und Schwänze abgeschnitten, in der verschlossenen Küche auf glühende Kohlen gelegt und jede Öffnung der Küche, selbst das Schlüsselloch und alle Ritze wohl verstopft worden sind. Dann wurde die Stube reingefegt, daß kein Abschnitzel auf dem Boden liege. Wenn nun O.en und Schwänze anfingen zu brennen, werde dasjenige herbeikommen, welches schuld an dem Fallen der Lämmer sei. In Mecklenburg 48) soll man neugeborenen Kälbern, wenn man sie zur Aufzucht ansetzt, zum Schutz vor bösen Leuten ein Stückchen vom O. abschneiden, dasselbe zu Pulver brennen und mit dem ersten Saufen eingeben. Nach württembergischen Glauben bleibt ein Mutterschwein trächtig, wenn man ihm Schwanz und O.en beschneidet 4e). Eine Abschwächung des O.abschneidens (ganz oder teilweise) ist das O.kneifen oder Z u p f e n (s. a. O.feige): Wenn man eine Speise zum erstenmal im Jahr isset, muß man dem Nachbar ins O. kneippen; sonst bekommet ihme die Speise nicht 50 ). Noch vor nicht langer Zeit herrschte die Sitte, „bei wichtigen anlässen, als der legung eines grundsteins, Setzung eines grenzsteins, findung eines schatzes und dergleichen, knaben zuzuziehen und sie unversehens in die o.lappen zu pfetzen" S1 ). Zupfe an deinem O., heißt es im englischen Sprachgebiet, und die Person, die von dir spricht, wird sich in die eigene Zunge beißen52). 4e ) Grimm Studien 3 7 3 .

RA. 2, 2 9 6 f . ; O s e n b r ü g g e n ) B a a d e r Volkssagen ( 1 8 5 1 )

47

1211

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267 Nr. 283. 4β ) B a r t s c h 2, 146 Nr. 657; vgl. S e l i g m a n n Blick x, 310; 2, 128; ähnliche Prozeduren: B a r t s c h 2, 145 Nr. 648b; 2, 156 Nr. 711; SAVk. 24 (1922), 65; ZfVk. 8 (1898), 390 (Ruppin) ; Musäus Mecklenburg 106 Nr. 17. 4») E b e r h a r d t Landwirtschaft 16. 50 ) Kell e r Groó 5, 308; vgl. Urquell 4 (1893), 198; W u t t k e 403 § 622; M ü h l h a u s e 140; B a u m g a r t e n Jahr 21 Anm. 5. 51 ) G r i m m RA. 1, 198 ff.; F o n t a i n e Luxemburg 135; L a m m e r t 231.

62 )

B e r g e n Current Superst. 139 Nr. 1343.

6. Das Volk setzt das O. mit den Z ä h n e n , Augen usw. in Verbindung. Das einfachste und zuverlässigste Mittel gegen Zahnschmerzen ist in der Oberpfalz 53 ), morgens nach dem Aufstehen die linke O.grube mit dem rechten Goldfinger, die rechte mit dem linken zu waschen. „Gold(ringe) an den Ohren, zieht's Rot us den Auge" heißt's in der Schweiz 54 ) (s. O.ring). Gegen Augenkrankheit durchlöchert man auch einfach das O.läppchen 55). M ) S c h ö n w e r t h 3, 245 Nr. 3; vgl. H o v o r k a K r o n f e l d 2, 843; L a m m e r t 233; Fogel

Pennsylvania 3 1 1 Nr. 1650; B e r g e n Current Superst. 100 Nr. 871. 54 ) SchwVk. 6 (1916),

87; vgl. Η o v o r k a - K r o n f e l d 2, 808.

g e n Current Superst. 98 Nr. 844.

66 )

Ber-

7. O.enschmalz (s. a. Fett) findet in der Volksmedizin Verwendung 5e) : man beschmiert damit ,,blöde Augen" 57), verwendet es bei Grind und andern Hautkrankheiten 58), gegen Hühneraugen59), offene Wunden60), wenn man sich gebrannt hat β 1 ), gegen Kolik und Durchfall® 2 ). Wenn ein Mädchen ihrem Geliebten heimlich von ihrem 0.enschmalz auf sein Brot streicht und läßt ihn dies essen, so erwirbt sie seine Liebe für alle Zeiten 63 ), „wer das orhenn schmalczt von einem meidlin giebt einer fraun zu trincken heimlich, die wirdt nicht schwanger", erklären „die bucher erottila (Trotula) macrobi gilvertini vnnd mutro das doctor Hartlib gedeuczht hatt" 6 1 ). Die Unverwundbarkeit des Gegners glaubte man dadurch auflösen zu können, daß man O.enschmalz auf die Degenspitze strich 65). O.nschmalz ist in Rohr bach (Kt. Bern) dasselbe wie Armsünderschmalz: „ a drei Negel to u die in e Chiersbaum igschlage . . . het dä Baum Wäger e kes einzigs Chrieseli treit68 ). M)

SAVk. 8, 143; H o v o r k a - K r o n f e l d 2,

I2I2 812. ") H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 785. 795; L a m m e r t 230; B u c k Schwaben 47; J a h n Pommern 78 Nr. 110.

58 )

F o s s e l Steiermark

135; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 720; vgl. 6. u. 7. Buch Mosis 54. δβ) L a m m e r t 219; Fossel Steiermark 141; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 776. eo ) S e y f a r t h Sachsen 279; K ö h l e r Voigtland 349; S c h r ö d e r Apotheke 1718, V S. 32. 61 ) SchwVk. 3, 75 Nr. 25 (badisches Wiesental) ; P o l l i n g e r Landshut 280. Vgl. B u c k Schwaben 57. β2) S e y f a r t h Sachsen 279 = K ö h l e r Voigtland 353;

Schröder

Apotheke

(1718)

V S. 32. *3) B a r t s c h Mecklenburg 2, 58 Nr. 183; W o l f Beiträge 1, 210 Nr. 81; W u t t k e 366 § 552· 64) J ü h l i n g Tiere 279. ω ) Grimm Myth. 3, 439 Nr. 144 (Rockenphilosophie) = M e y e r Aberglaube 278 = B e r t h o l d Unverwundbarkeit 69; vgl. SAVk. 19, 229 Nr. 73. ") S o o d e r Rohrbach 36.

8. O.enkrankheiten. Sehr oft wird bei Schmerzen, die aus dem Gebiet des Nervus mandibularis oder maxillaris gegen die Auriculotemporal-Gegend ausstrahlen, die Krankheitsursache ins O. verlegt. Man klagt dann über O. en w e h67 ) und wendet alle möglichen Heilmittel an: Nach frühmittelalterlichen Rezeptarien bringt man Spinngewebe ins Ohr68). Bernadino von Siena überliefert: Contra dolorem aurium operantur quaedam, quae turpe est dicere, vel cogitare, multo amplius operariβ9). Ist vielleicht das Mittel der pennsylvanischen Deutschen damit gemeint, das vorschreibt: „Wann ins örewe hot, soll merm di grollishscht hör as mer ame niger finne kann, ins ör du 70), das dann in Irland zum Haar eines schwarzen Schafes 71 ) und in Disentís 72) zu dem eines Pudels wurde ? Sonst pflegt die Volksmedizin sich auf das Auflegen „aufwärmender" Mittel, Kamillen- oder Milchdampf u. ä. zu beschränken 73). In Bayern trägt man weißen Vitriol in Läppchen eingenäht auf dem Rücken 74). Um Landshut muß man auf den (Kirchen-) Turm hinaufsteigen und mit blauer Kreide seinen Namen an die große Glocke schreiben 7S). Weit verbreitet ist die Meinung, daß man sich vor O.en- und Augenleiden schütze, wenn man Haare und Nägel am Freitag schneide (s. abschneiden)76). Gegen O.enweh trägt man im Kt. Zürich Sargnägel in der Tasche 77). Um

I2I3

Ohr

von Kopfleiden, vornehmlich O.enleiden erlöst zu werden oder verschont zu bleiben, wallfahrtet man in der Eifel nach Lüftelberg (Kr. Rheinbach) und ruft die hl. Lüftildis an, mit deren silberner Spindel man die Ohren berühren läßt. Man nennt diesen Brauch „de Ohre spindele" 78). Wer O.enweh los werden will, geht um die Kirche Saint-Georges bei Spa mit einer eisernen, schweren und mit Spitzen versehenen Krone ,e ). Entzündungen des O.es, die mit Schmerzen verbunden sind, heißen O.enfluß, - k l a m m e r , - s p i n n e r , - z w a n g usw. 80). Sie werden, besonders bei Kindern, dem vermeintlichen Hineinkriechen des O.wurms, des O h r w u t z e l s (Forfícula auricularia) zugeschrieben 81 ) (vgl. Sp. 1222). Vintler (Pluemen der Tugent V. 7975 ff.) überliefert: wenn sie den orenwützel han, so nemen si ain chus in die hant und slahends an den slaff zehant und spricht: „fleuch, fleuch orenwützel, dich jaget ain chuszipfel. Solches Vertreiben des O.wutzels hat sich in Tirol lange erhalten. Noch Alpenburg berichtet aus Alpbach und den Nachbartälern: Ein krankes Ohrlappel wird an einen Hackstock gehalten, daneben stellt sich einer mit der Stockhacke, erhebt sich und tut, als ob ers abhacken wollte, er tuts aber nicht, sondern ruft dreimal: Ohrwitz'l floich! Oder er schlägt mit dem Stockhacken auf die Koi, und haut dann dreimal auf den Stock. Es ist probat. Kinder werden mit Gewalt an den Hackstock gehalten, und möglicherweise helfen Furcht und Angst mit zur erfolgreichen Kur 8 2 ). In andern Gegenden Tirols legt man ein Goldkäferlein hinten auf den Nacken, das stillt das O.enweh 83). Wenn eine Weibsperson den O.enz w a n g hat, spottet die Rockenphilosophie 236 cap. 59, soll sie ein paar Mannshosen um den Kopf wickeln und schwitzen M ). Man darf den O.enfluß nicht beseitigen, damit er nicht auf „edlere Teile schlage"85). Trotz dieses steiermärkischen Glaubens wendet man dort mannigfache Mittel

I214

an. Schon Staricius 8e ) empfiehlt, Skorpionöl mit etwas Mandelöl, etwas erwärmt, aufs 0. zu legen. Man gebraucht auch Hauswurz-Saft, gewässerte Milch, zerstoßene Ameiseneier usw. 8 7 ). Zahlreich sind auch die volkstümlichen Mittel gegen S c h w e r h ö r i g k e i t und T a u b h e i t : Kalbsmark mit Wein- oder Wurzelsaft von Eppich mit Cicute und Senf, Saft von Heilziestblättern mit Essig und Rosenöl, Saft vom Caniclatakraut oder endlich Rafanumsaft 88 ). Im Sarganserland streicht man „Glockensalbe" (Salbe zum Einfetten der Glockenlager) hinters 0. 89). Auch V o t i v - O . e n finden sich häufig e0 ). • 7 ) S c h m i d Glarus 26. ·*) J ö r i m a n n 141. ··) Z a c h a r i a e KISchr. 347 = ZfVk. 22 (1912), 120 Nr. 3. 70 ) F o g e l 292 Nr. 1547. 7 1 ) Lady W i l d e Ancient Cures etc. of Ireland (1890), 27. 72 ) W e t t s t e i n Disentís 178. 73 ) Romanusbüchlein S. 57; 6. u. 7. Buch Mosis i n ; M a n z Sargans 70; SAVk. 8, 151; 10, 169; 11, 234 Nr. 8. 7 1 ) L a m m e r t 231. 75 ) P o l l i n g e r 287. 7 i ) A n h o r n Magiologia (1674), 134. 77 ) S t a u b e r Aberglaube 25. 78 ) W r e d e Eifel 65. 7») S é b i l l o t Folk-Lore 4, 136. 8 0 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 452 ff.; L a m m e r t 231; J ü h l i n g Tiere 195. 8 1 ) F o s s e l Steiermark 95; Höf 1er Krankheitsnamen 838; vgl. K n o o p Tiere 53 Nr. 464 (Tausendfüßler); S é b i l l o t Folk-Lore 83 ) Heyl 3, 305; Schweizld. 4, 132. 82 ) Tiroidi. Tirol 787 Nr. 145. M ) = G r i m m Myth. 3, 439 Nr. 151. 8S ) F o s s e l Steiermark 95 = H o v o r k a K r o n f e l d 2, 811. 8 i ) Heldenschatz (1679), 449 f.; L a m m e r t 231; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 815 f. (Mäuseöl). 87 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 811; 6. u. 7. Buch Mosis i n . 88 ) J ö r i m a n n Rezeptarien 141. 104; vgl. F o s s e l Steiermark 95 f. 8*) M a n z Sargans 70. , 0 ) Belegt von 1589 : A n d r e e Votive 121. 9. O . e n k l i n g e n , - s a u s e n (s. oben 4, 1530 f.). Von dem, dessen O.en klingen, wird gesprochen, so schon in der Antike 91 ), weit verbreitet auch noch in der Gegenwart. „Item so ainem die oren seusent, so habent sy den glauben, man red vbl von inn", heißt es im 14./15. Jh. ®2). Herolt, Sermo 41 de fide Nr. 19 erwähnt: wenn man im l i n k e n O. ein Geräusch hört, wird man verleumdet 9S ). Martin Luther bezeichnet diesen Glauben als dumm 94 ). „So einem seine ohrn singen, wo es das recht o. ist, so bezeichnet es gute ding, so es aber das lincke ist, böse ding". In dieser von „Der alten Weiber Philosophi" (Franckf. a. M. 1556),

Ohr

I2I5

Fol. 105b, überlieferten Form lebt der Glaube heute noch weiter 9S ), soweit er nicht des Reimes wegen umgekehrt wurde : Dat linke, dat flinke, dat rechte, dat siechte").

Es heißt aber auch, wem die O.en klingen, der erfahre eine Neuigkeit ®7), etwas Unangenehmes ®8), wird in Bälde vom Tode eines Menschen erfahren " ) . Wenn das 0. klingt, so hängt in demselben ein Blutstropfen an einem Haar; fällt derselbe herunter, so trifft einen der Schlag; man muß deshalb beim Klingen des O.es ein Vaterunser beten (vgl. auch oben ι , 1459 ff.)«»). Hat man Klingen in einem O. und errät ein anderer, welches O. klingt, so reden die Leute gutes von einem; im umgekehrten Falle böses 101 ). Das Klingen hört auf, wenn man in Gedanken die rechte Person findet102). Man sagt eine Zahl (nicht über 25) und sucht den betreffenden Buchstaben aus dem Alphabet ; es ist der Anfangsbuchstabe des Namens der Person, die an einen denkt, und zwar in gutem Sinn, wenn es im rechten, in schlechtem, wenn es im linken O. läutet 103 ). „Wan dir das rechte o. singet, so sagt man ein Wahrheit; ist es das lincke, so sagt man ein lugen von dir: alß dann beißen in den obern hafft an deinem hembd, so wachst dem lugner ein blatter auf der zungen", rät die Wiener Hs. 11321 (17.—18. Jh.) pag. 129 f. 104 ). Oder man beißt sich selbst in den kleinen Finger 10S ) oder auf die Zunge l o e ) ; wer einem Böses nachsagt, wird sich in die Zunge beißen oder wird eine Blase auf der Zunge bekommen. Man schlägt sich mit der Hand an das klingende O., und der Betreffende beißt sich ein Stück von der Zunge ab 1 0 7 ). Klingt in der Oberpfalz das linke O., so steht man schnell auf und schlägt sich mit aller Macht auf den Hintern und zwar mit der rechten Hand, so beißt der schlechte Mensch sich in die Zunge 10S ). In Bayern berührt man das rechte O.läppchen mit einem mit Speichel befeuchteten Tuche, so wird

I2I6

die Person, welche Übles gesprochen, plötzlich von Diarrhöe befallen werden loe ). Gegen O.enklingen werden auch allerlei volkstümliche Heilmittel angewandt 110 ). n

)

Apuleius

Abt

198; P l i n i u s

Hist.

nat.

28, 24; R i e ß bei P a u l y - W i s s o w a 1, 87, 12 ff.; S i t t l Gebärden 121, 4; Grimm Myth. 2, 935. 82 ) Papiercodex zu S. Florian: Grimm Myth. 3, 417 Nr. 27; wird manbelogen: A n h o r n Magiologia (1674) 149; R o c k e n p h i l o s o p h i e 108 N r . 85

= Grimm Myth. 3, 437 Nr. 82; S c h u l t z Alltagsleben 159; SchwVk. 10, 38; R o t h e n b a c h Bern (1876) 40 Nr. 351; oder man spricht überhaupt von dem Betrefferden: Urquell 3 (1892), 40; V e r n a l e k e n Alpensagen 403 Nr. 98; Zing e r l e Tirol 29 N r . 194.

M

) M s c h l e s V k . 21 (1919),

89. M ) K l i n g n e r Luther 130. , 5 ) M e y e r Aberglaube 135 = ZfdMyth. 3, 311 Nr. 19; Grimm Myth. 3, 452 Nr. 537; 3, 462 Nr. 802; M ä n n l i n g Albertäten 299 ; K e l l e r Grab 3,i47 f i · '· 5, 222 ff.; d e C o c k Volksgeloof

1 (1920), 177 f . ;

l i c h , c a . 1929; R o t h e n b a c h

Bern

D i e l s Zuckungsliteratur 1, 3. — Basel, münd-

(1876) 39.

Nr. 349. 350; Manz Sargans 125; B a u m b e r g e r St. Galler

Land

201; S t o l l Zauberglaube

141;

Unoth I, 185 Nr. 95; SAVk. 7, 136 Nr. 63 f.; 12, 149. 279; 14, 292i. Nr. X X I X (Wallis); 6, 44 (Tessin); SchwVk. 10, 38; B i r l i n g e r Aus

Schwaben

1, 378; R e i s e r Allgäu

2, 428

Nr. 17; A l p e n b u r g Tirol 371; Z i n g e r l e Tirol 29 Nr. 195; F o s s e l Steiermark 95; Germania 36 (1891), 401 ( S t e i e r m a r k ) ; P o l l i n g e r

Lands-

hut 167-, S p i e ß Fränkisch-Henneberg 152; S c h r a m e k Böhmerwald 256; J o h n Erzgebirge 35; E n d e r s Kuhländchen 87; P e t e r österr.Schlesien 2, 254; D r e c h s l e r 2, 196; Veckenstedts ZfVk. 3, 231 Nr. 9 (Posen); S t r a c k e r j a n ι, 33; K u h n Westfalen 2, 59 Nr. 113; ZrwVk. 1914, 256 Nr. 9 u. 10; M o n t a n u s Volksfeste

136; B a r t s c h

Mecklenburg

2, 313

Nr. 1530; F o g e l Pennsylvania 93 f. Nr. 373 ff.; de Nore Coutumes 262; G o m m e Pop. Superstition

(1884) 117.

»·) Z f V k . 20 (191°). 386·

Nr. 24 (Dithm.); A n d r e e Braunschweig 406; D i r k s e n Meiderich 49 Nr. 7; Notes and Queries, Folk-Lore 186 Nr. 5; D ä h n h a r d t Volksth. 2, 89 Nr. 364. ·') Notes and Queries, Folk-Lore (1859) 91. ·") Z f ö V k . 4 (1898), 151. n ) Z f V k . 8 (1898), 286 (Island) ; B e r g e n Current Superst.

129 Nr. I2i3ff. Voigtland

397;

(death-bell). Leoprechting

10

°)

Köhler

Lechrain

90;

J o h n Westböhmen 248. ) E n g e l i e n u. L a h n 283 Nr. 281; ZfVk. 4 (1894). 82 (Mittelschlesien); D r e c h s l e r 2, 196; J o h n Erzgebirge 35; J o h n Westböhmen 248. 249; S c h r a m e k Böhmerwald 256; L a u b e Teplitz 53; vgl. Germania 36 (1891), 401 (Steiermark). l o a ) F l ü g e l Volksmedizin

101

27; J o h n Westböhmen

248; P f i -

s t e r Hessen 170; G r o h m a n n 222 Nr. 1546; ZfVk. 20 (1910), 386 Nr. 26 (Dithm.); SAVk. 7, 136 Nr. 63 (Bern); J o h n Erzgebirge 35; Wolf Beiträge 1, 239 Nr. 473. l 0 3 ) G o t t h e l f Uli der Knecht Kap. 26 = SAVk. 7, 136 Nr. 64;

1217

Ohrfeige—Ohrring

Urquell ι (1890), 1 2 3 Nr. 3 (Samland); Alemannia 33 (1905), 303. 1M ) S c h ö n b a c h Berthold 151; Grimm Myth. 3, 462 Nr. 802; vgl. Andree Braunschweig 406; ZrwVk. 1905, 290 (Nahetal); B i r l i n g e r Schwaben 1, 404; F o g e l Pennsylvania 94 Nr. 376; B e r g e n Current Superstit. 139 Nr. 1342. l o s ) Wolf Beiträge 1, 239 Nr. 472; Notes and Queries, FolkLore (1859) 7 Nr. Ii. 10*) Meier Schwaben 2, 503 Nr. 3 6 2 ; ZfVk. 20 ( 1 9 1 0 ) , 386 Nr. 2 5 (London). ™') ZfVk. 20 ( 1 9 1 0 ) , 386 Nr. 2 7 (Eckernförde). 108 ) S c h ö n w e r t h 3, 242. 1M ) L a m m e r t 230 f. 110 ) 6. und 7. Buch Mosis 115; Urquell 4 ( 1 8 9 3 ) , 1 4 1 Nr. 94 f.; G.Schmidt Mieser Kräuterbuch 42; L a m m e r t 231 usw. 10. J u c k e n s. oben 4, 793 A n m . 71·

i2

i8

s c h a f t s a u s ü b u n g . Damit erscheint die e r s t e O., die jemand einem anderen verabreicht, als Zeichen des Gewalt e rw e r b s , die l e t z t e O. als Zeichen der F r e i l a s s u n g a u s d e r G e w a l t 5 ) . In diesen Zusammenhang gehört, wie hier in den Einzelheiten nicht näher zu verfolgen ist, die 0 . bei der Kärntner Herzogseinsetzung 6 ), bei der Firmung ' ) , im Handwerksbrauch 8 ), bei der Belehnung9), im Hochzeitsritual 1 0 ), beim R i t t e r s c h l a g u ) und wohl auch bei der römischen Freilassung 1 2 ). 5 ) G o l d m a n n Einführung 165 f. *) Goldmann a. a. O. — Abweichend Graber a. a. O. 103 f., der hier einen „Trennungsritus" sieht. 7 ) J. H e r w e g e n Germanische Rechtssymbolik

Bächtold-Stäubli. Ohrfeige. ι . D a Schläge als übelabwehrend gelten in der röm. Liturgie ( 1 9 1 3 ) 20 f . *) 3, 1429. (s. Schlag, schlagen), kommt auch der 1462; 4, 590 f. ; H e r w e g e n a. a. O. 20 f. ·) HerO. ü b e l a b w e h r e n d e K r a f t zu. So w e g e n 19. 10 ) Goldmann a . a . O . ; abweichend Graber Völkerkunde 6 (1930), 1 6 f. wird der Gehängte, der in der Gestalt 11 ) H e r w e g e n 20; W r e t s c h k o ZRG., Germ. eines bösen Geistes als weiterlebend geAbt. 45 (1925), 5 3 4 f. 12) Über die O. bei der dacht wird (s. 3, 1450 ff.), geohrfeigt röm. Freilassung vgl. R. G. N i s b e t Journal of (s. 3, 1451 ff.). Andrerseits hat die O. the Roman Studies 8 ( 1 9 1 8 ) , ι — 1 4 , der allerdings die O. hier als Mittel der Gedächtnisauch h e i l v e r l e i h e n d e und e r l ö s e n d e stärkung auffaßt (13 f.) und die O. bei der FirK r a f t * ) . Die zur S t r a f e verabreichte O. mung und beim Ritterschlag mit der O. bei der findet sich im Aberglauben in der Geröm. Freilassung in geschichtlichen Zusammenhang bringt; ferner M. S c h u s t e r Wiener Blätter stalt der Geisterohrfeige (s. d.). 1 für die Freunde der Antike 6 (1929), 1 2 — 1 5 . ) H e y l Tirol 63 Nr. 21; 209 Nr. 11; ZfVk. 5 (1895), 1 2 6 (O. erlöst) ; Grimm Myth. 3, 460 Goldmann. Nr. 751 (O. bewirkt leichteres Zahnen des KinOhrring. Neben anderem Ohrschmuck des; Oberösterreich). ist seit je bei allen Völkern auch der O. 2. Die 0 . begegnet im Brauchtum öfter im Gebrauch, aber nicht allein zur Verals ein Mittel der G e d ä c h t n i s s t ä r k u n g . schönerung, sondern auch aus aberDer durch die O. bewirkte Schmerz soll gläubischen Gründen. die Erinnerung an das Ereignis, bei dem Nach deutschem Volksglauben hilft die 0 . gegeben wird, wachhalten. In der O. hauptsächlich gegen A u g e n dieser Verwendung erscheint die 0 . bei k r a n k h e i t e n , er stärkt aber auch die der Grenzsteinsetzimg, Grenzbegehung Augen 1 ). In Siebenbürgen wird er auch (s. 3, 1141) und Grundstücksübereiggegen Hautkrankheiten getragen 2 ). In nung 2 ), beim Vorsetzen einer neuen 3 4 der Schweiz heißt es, daß bei entzündeten Speise ) und beim Hausbau ). 2 oder triefenden Augen das Durchstechen ) Lex Hibuaria 60, 1; hiezu BrunnerV. Schwerin Deutsche Rechtsgeschichte 2, 529; der Ohren, das oft ein längeres Eitern verv. Künßberg Rechtsbrauch u. Kinderspiel ursacht, die Entzündung aus den Augen SitzbHeid. 1920, 16; Grimm RA. 1, 199; W e y l ablenkt 3 ). Doch ist auch der Stoff, aus Festschr. f. Gierke 55 f. 3) D r e c h s l e r 2, 9; dem der O. gemacht ist, wichtig. So soll L y n c k e r Sagen 259; Graber Einritt d. Herzogs υ. Kärnten am Fürstenstein zu Karnburg das Gold (s. d.) der Ringe, die man be4 106. ) Meyer Baden 379; ZfEthn. 1898, 48. — sonders bei Augenentzündungen der K i n Irrig Graber a. a. O. 107, wenn er die O. in der verwendet, den Krankheitsstoff andiesen Bräuchen als einen Übergangsritus ansieht. ziehen 4 ). I m Sarganser Land wird bei brandigen Augen außer goldenen O.en 3. D a durch Schläge Herrschaft über auch ein Seidenfaden am Ohrläppchen einen Menschen ausgeübt werden kann, getragen 6 ). I m Rheinland werden bleierne gilt auch die 0 . als Z e i c h e n d e r H e r r B i c h t o l d - S t & u b l i , Aberglaube V I

39

I2I9

Ohrwurm

O.e gegen gerötete Augen empfohlen 6 ). Mit diesen glaubt man sonst auch O h r e n f l ü s s e zu verhüten, wenn man sie trägt oder, nachdem man sie eine Zeitlang getragen hat, unbeschrieen rückwärts in fließendes Wasser wirft 7 ). Heute werden in Deutschland meist Ringe und Stifte mit Plättchen aus Messing, wie solche auch im Böhmerwald nicht selten sind 8 ), getragen, was durch Ansetzen von Grünspan und Verunreinigung der Wunde zu verschiedenen Krankheiten führen kann 9 ). Allgemeine A b w e h r v o n Unheil bezweckt, wenn bei den Gräcowalachen dem neugeborenen Kinde, bevor es getrunken hat, das rechte Ohrläppchen durchbohrt und ein goldener oder silberner O. eingehängt wird, zu dem das Gold oder Silber auf besondere Art beschafft werden muß 10). In China hängt man den kleinen Kindern eine silberne Medaille in die Ohrläppchen, um sie vor allem Unglück zu bewahren. Als Amulette dienen die Münzen an den O.en der Frauen in Albanien und in der Türkei 11 ), ebenso wie die Hörnchen, welche man in Italien an den O.en und Fingerringen gegen den bösen Blick trägt 1 2 ). Ähnliche Abwehrmittel waren schon im Altertum die zu den Crepundia gehörenden, beim Aneinanderschlagen klappernden, kleinen und hohlen Kugeln und Glöckchen, welche am O. befestigt wurden 13 ). Erwähnt sei noch, daß auch das weit verbreitete O h r m a r k e n der Haustiere, womit der Besitzer sein Eigentumszeichen anbringt, in Rügen mit dem Aberglauben verbunden ist, daß Schweine, welchen man einen Schlitz ins Ohr schneidet, leichter fett werden M ).

1220

verdankt seinen Namen dem Volksglauben, er krieche schlafenden Menschen ins Ohr, daher seine Namen: steir. Ohrenschliefer, Ohrwurler1), westböhm. Auakritzl2), siegerl. oamkräffer, d.i. Ohrenkriecher 3 ), ndl. oorekruifer, id. nassau. Ohrschlingel (schlingen = schleichen) 4 ),ndl. oorloper „Ohrläufer" 5 ), hess. ohrschlitz, ohrlitze, siegerl. ôarschletzerβ), niederrh. ohrratte7), istr. saltarécc „Ohrspringer" 8 ). Nach seinem vermeintlichen Aufenthalt in der Ohrhöhlung wird der O. vielfach in deutschen, besonders österreichischen Mundarten benannt. So heißt er 9 ) : Ohrholn (Waldviertel), Ohrhöhin (Niederösterr.), Ohrhel (Steiermark), Ohrhilderer, Ohrholderer (Tirol)10), Ohrenhöhler (Oberbayern), Ohrenhöller (Vogtland), Ohrwutzel (Steiermark, Etschtal) von wutzeln = zusammenrollen, Ohrläufer, Ohrwiesel, Ohrenwiesler, Ohrenwurzel (Bayern) 11 ), 11 Ohrenhängelein (Franken) ), Ohrengrubel, Ohrengrübel (Schwaben) u ). —Als „Ohrentier" schlechtweg wird der O. im Ndl. (oor(e)beest12)) und Port, (bichinho da orelha) l s ) bezeichnet. Dem nhd. Ohrwurm < mhd. dr-wurm entsprechen westf. ar-wçrm, ndl. oor-wortn, schwed. ör-mask, dän. öre-orm, engl, earwig14), ls istr. verme de orece ), span, gusano del oido, katal. cuch de la oreya 1β ). — Häufig sind im Deutschen und in den romanischen Sprachen Bezeichnungen 17 ), die sich als Diminutiva oder sonstige Ableitungen von Ohr bzw. auris erweisen wie Schweiz. Öhreli, mhd. oerlin < ôrlin, nordböhm. Orchi, Ihrdl, verdoppelt Uhrürdl18), 18 schles. Irlich ( = öhrling) ), henneberg. engöhrlein (enguerle)20). Oberösterr. (Laakirchen) orgel m. 21 ), bergisch ûrâkel, l ) ZfrwVk. 1913, 188; 1914, 172. 2) H i l l n e r ûraukel, ôrâkel < lat. auricula 22) führen Siebenbürgen 20 Anm. 66. 3) SAVk. 8, 151. uns zu den roman. Namen: ital. recióla, *) L a m m e r t 138. 227; H o v o r k a u. K r o n reciarôla (Trento), urciolina (Turin), uref e l d 2, 783. 785. 6) M a n z Sargans 69. ·) liana (Engadin) usw. 23 ), afrz. oreillon, ZfrwVk. 1904, 91. 7) L a m m e r t 232. 8) Verf. 8) Vgl. D. von H a n s e m a n n Der Aberglaube oreillice, neufrz. oreillière24), dial. frz. in der Medizin2 (ANuG. Nr. 83, 1914) 79f. oriette (Allier) 25 ), prov. aurieiro 2β), rum. 10) ZfVk. 4 (1894), 144. " ) S e l i g m a n n Blick urechelnita27), urechiusa, urechita28). Auch 2, 2of. " ) Ebd. 136. 13) Ebd. 272. 275. " ) H e c k s c h e r 529. Jungbauer. port, ouçao „Wurm, Milbe" < lat. auditionem wird ursprünglich „ 0 . " beOhrwurm. 28 I. E t y m o l o g i s c h e s u n d S e m a s i o - deutet haben ). l o g i s c h e s . Der gemeine Ohrwurm ( f o r f í Das Einkriechen der forfícula in das cula auricularia), ein lichtscheues Insekt, Ohr war wegen ihrer vermeintlichen

I22I

Ohrwurm

zerstörenden Tätigkeit im Ohrinnern sehr gefürchtet. Man glaubte, das Insekt zerkneife mit den großen Zangen 31 ) am Hinterleibe das Trommelfell, wodurch Ohrenschmerz (otitis interna) 3 2 ) und Taubheit 3 3 ) (Gelderl. Overijsel) verursacht würden, daher nordböhm. ZwickördlM), ferner die bergischen Namen ûreknîfer, ûrepetzer, ûrenpitzer Retzen = kneifen), petzwörwel (Kneifkäfer), ûrensteker (Ohrenstecher) ω ), westerwäld. uhrnschlitzer3e). Hierzu die fremdsprachlichen Analoga: engl, ear-piercer37), engl. pincher-wig38), twinge3β), span, punzaorejas franz. pince-oreille, perceoreille 41 ), wall, troue-oreille42), pikeourèlhe*3), ital. (Trento) : fora-recia, cavarece, sbusa-rece, sponzi-recle44). Hierher auchturin. pessioira „ K n e i f e r i n " 45 ). Nach anderen Vorstellungen begnügt sich der O. nicht mit der Zerstörung des Trommelfells, er saugt sogar das Blut aus, worauf der flämische Name oorzuiper „Ohrensäufer" 4e ) deutet, oder er dringt bis ins Gehirn vor 47 ), das er anfrißt, daher franz. mangeur de cervelles „Hirnfresser" 48 ). Vielleicht gehört hierher auch steir. Ohrätzel, falls zu atzen*9), das eine Stütze findet in katal. papaorelles, papaaurelles „Ohrenfresser" M ). A n eine Fortpflanzung des O.s im Ohrinnern glaubt man in Frankreich; dort werden ,,des nids de perce-oreilles" als Ursache von Kopfweh oder Ohrensausen angegeben 61 ). Einige romanische Namen gehen von der Anschauung aus, der O. bedrohe auch andere Körperteile, so die H a n d : sard, ispârramanu „ H a n d s p a l t e r " (Sassari) 5 2 ), oder die Finger: ital. mozzadéte „Fingerschneider" (Chieti) 5 3 ), hierzu franz.-dial. trènkë-ditt id. (Gironde) 8 4 ), das Gesäß: pizzica-culu „Arschzwicker" (Catanzaro) 6 S ), wozu franz.-dial. pincecul (Voges.) 5 e ), die Brustwarzen: sard. pìzzica-minni (Catanzaro) 5 7 ), die weibliche Scham: sperra-gunnus (Sassari) 88 ). 1 ) W e i n k o p f Naturgeschichte 138. 2 ) Egerl. Ii, 107. s ) H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiere 16. 4 ) Natur u. Schule 6, 50. ') D e C o c k Volksgeloof 146. ·) Alle bei H e i n z e r l i n g a. a. O. 7 ) Z A D S p r V . 30, Sp. 137. ») G a r b i n i Antroponimie 1269. ·) W e i n k o p f a. a. O. 7 ) H e i n u z e r l i n g a. a. O. ) E . K r a n z m a y e r brief-

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lich. 12 ) D e C o c k a. a. O. 13 ) R o l l a n d Faune 13, S. 118. u ) Z a n d t C o r t e l y o u Insekten 89. " ) G a r b i n i a. a. Ο. l e ) E d l i n g e r Tiernamen 79. « ) W S . 3, 190. 18 ) MnböhmExc. 3 1 , SA. 5. 35. l> ) D r e c h s l e r 2, 221. 20) H e i n z e r l i n g 21 ) W e i n k o p f 22) 16. op. cit. 139. Leith a e u s e r Volkskundliches I 1, 25f. 23) G a r b i n i op. cit. 1270; A I S Karte Nr. 468. 24) M e y e r L i i b k e REWb. Nr. 793. 25) R o l l a n d a . a . O . " ) M e y e r - L ü b k e a . a . O . 17 ) Ebd., bedeutet auch ein Geschwür hinter dem Ohr ( M a r i a n Insedile 486). 28) H i e c k e Rum. Tiernamen 147; W S . 3, 190. 2") Ebd. 30) Natur u. Schule 6, 5of. 31 ) Vgl. fläm. gaffeltange „Gabelzange" (Roll a n d op. cit. 13, 119), tirol. oargabel ( D a l l a T o r r e Tiernamen 68; W e i n k o p f a. a. O.). Über die romanischen Benennungen nach der Gabel (furca) vgl. M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 3593· 32) J ü h l i n g Tiere 339. 33) D e C o c k op. cit. 147. MnböhmExc. 31, S. Α., S. 35. 36) L e i t h a e u s e r a. a. Ο. 3e ) Natur u. Schule 6, 51. 37 ) Ebd. 38) R o l l a n d a. a. Ο. 3e) Ebd. Natur u. Schule 6, 51. 4 1 ) R o l l a n d op. cit. 13, 117. 42) R o l l a n d op. cit. 13, 118. « ) Ebd. 44) Sämtliche G a r b i n i a. a. O. 45) Garbini op. cit. 1271. 4e) D e C o c k op. cit. 146. 47 ) 4β) G o m i s Zoologia 475 Nr. 1883. Rolland a. a. O. " ) W e i n k o p f op. cit. 138. M ) G o m i s 51 Zoologia 475. ) H ö f l e r Krankheitsnamen S2 ) 831; W e i n k o p f op. cit. 139. Garbini op. cit. 1272. 63) Ebd. M ) R o l l a n d a. a. O. 66) G a r b i n i a. a. O. '·) R o l l a n d a. a. O. « ) G a r b i n i a. a. O. " ) Ebd. 40)

2. D ä m o n e n g l a u b e . Der Volksglaube von dem Eindringen der forfícula ins Ohr mag zur Entstehung eines Ohrdämonenmythus, der bei den verschiedensten Völkern verbreitet ist 59 ), einiges beigetragen haben. Nicht übersehen darf man, daß hierbei noch ein anderer F a k t o r in Betracht kommt. A l s O. bezeichnete man nämlich in früheren Jahrhunderten auch die Fliegenmaden, die bei der damaligen Unreinlichkeit in der Behandlung von Eiterflüssen leicht entstehen konnten 6 0 ). A u s welchen K o m ponenten dieser Aberglaube sich auch zusammensetzen mag, soviel ist sicher, daß man an einen ständig im Ohr befindlichen dämonischen W u r m glaubte, den man zunächst als Erreger der subjektiven Gehörsempfindungen (Rauschen, Sausen, Klingen usw.), dann aber auch als Ursache der objektiven Gehörseindrücke betrachtete 9 1 ). Gehörhalluzinationen wurden als Gespräche eines solchen D ä mons aufgefaßt ®2). Vgl. die Namen engl, dial, devil's coachman „Teufelskutscher"· 8 )

Oikoskopie—Okkultismu s

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und ital. dial, diavu „ T e u f e l " (Porto Maurizio) β 4 ). 5 ») Globus 72, 214ί· ί0 ) J ü h l i n g Tiere 339· Μ ) ARw. 2, 152. β2) J ü h l i n g a. a. Ο. ω ) R o l l a n d op. cit. 13, 118. M ) Garbini op. cit. 1272. 3. A b w e h r . Zur A b w e h r des O.s werden verschiedene Mittel angewendet. In das Gebiet des Sympathiezaubers gehört die Beschwörung des O.s u m Laakirchen (Oberöst.). Dort sucht man das Insekt mittels einer Schlögelhacke zu vertreiben, deren Öhr man dreimal gegen das Ohr drückt. Der O. soll durch die Öffnung abziehen e5 ). Ähnlich in Tirol. Dort hält man das kranke Ohrläppchen an den Hackstock und haut es scheinbar mit der Hacke weg, wobei man r u f t : Ohrwitzl, floich6e). Als ein Opfer an den Krankheitsdämon ist es zu betrachten, wenn man den O. durch den D u f t eines gebratenen Apfels aus dem Verstecke z u locken v e r s u c h t e 7 ) . Mandelöl β β ) oder Geißmilch β β ), in die Ohren gegossen, sind gleichfalls beliebte Medikamente gegen den O. — Nach rumänischem Volksglauben darf eine Schwangere keine O.er töten 7 0 ). m ) W e i n k o p f op. cit. 139. ββ) D a l l a Torre op. cit. 68. ") H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 36; W e i n k o p f op. cit. 139. , e ) L a m m e r t 231. ··) D r e c h s l e r 2, 317.

,0

) M a r i a n Insedile 486.

4. O . - S c h u t z g e i s t . Auffallend ist es, daß sich auch eine optimistische A u f fassung des Ohrdämons feststellen läßt. Nach dem Glauben der Annamiten wird das Gehörorgan durch ein im Ohr wohnendes Tier (Wurm oder Insekt) geschützt. Der Verlust dieses Tieres bewirkt Taubheit. D a ß ein solcher Glaube einst auch in Europa geherrscht hat, geht deutlich hervor aus der port. Redensart matar o bicho do ouvido a alg., j e m a n d d e n

O. töten (durch überlautes Geschrei) 7 1 ). A u c h in der Onomastik der romanischen Sprachen finden sich Spuren des Glaubens an einen guten Ohrdämon und zw. die O.namen trent. cura-récle72), prov. cura-aurelha73), 71

f r a n z . cure-oreille74).

) R i e g l e r Tier 289 1 ; W S . 3, 191; 6, 1 9 8 ! ;

H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 808. ' 2 ) Garbini op. cit. 1270. 73) Ebd. ,4 ) R o l l a n d op. cit. 13, 118. Riegler.

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Oikoskopie s. Nachtrag. Oipulu s. u h i u p u l i . Okkultismus. ι . O. hängt mit lat. occultus, geheim, zusammen, und bezeichnet, die Lehre von den geheimen nicht jedem erkennbaren Eigenschaften oder Kräften der Dinge und Wesen, eine Lehre, die dem Laien nicht zugänglich, also geheim gehalten ist. Man braucht mit F u g für O. die Synonyma „geheime Wissenschaften", „Geheimwissenschaften", wobei man meist an dieses „geheimzuhaltende, esoterische Wissen" denkt. Dieses Geheimhalten braucht keine geheimen, geschlossenen Gesellschaften; schon eine besondere Terminologie kann eben den Zweck erreichen. Im allgemeinen wird aber mit der Forderung kein Ernst gemacht und es wird jeder eingeladen, nach den Geheimnissen zu greifen. Versucht man, wie es in der Gegenwart geschieht, für O. : „Parapsychologie", („Metapsychik") z u sagen 1 ), so ist dagegen ein Bedenken auszusprechen. Papus erklärt: „Diese Wissenschaft umfaßt in Theorie und Praxis eine bedeutende Menge von Phänomenen, deren kleinster Teil heutzutage den Bereich des Magnetismus und der sogenannten spiritistischen Evokationen bildet. Diese beiden Wissenszweige waren Inbegriffen im Studium der Psychurgie und bildeten nur einen Teil der Geheimwissenschaften, welche in drei (Schreibfehler für: v i e r 2 ) ) große Zweige eingeteilt wurde : in die Psychurgie, Theurgie, Magie und A l chemie" 3 ). „Parapsychologie" als Wissen u m besondere psychische Erscheinungen begreift also nur einen Teil der Geheimwissenschaften in sich, „die aus dem normalen Verlauf des Seelenlebens heraustretenden Erscheinungen". In dieser Begrenzung hatte auch Dessoir, der das Wort prägte, es gebraucht 4 ) ; wenn man es heut auf a l l e Gebiete des O. überträgt, verwischt man eben die Grenze, die Dessoir ziehen wollte. Eine ähnliche Einengung hat statt, wenn umgekehrt den psychischen Erscheinungen allein der Name 0 . gegeben wird, u n d

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Okkultismus

wenn man sagt „den Anspruch auf ein wissenschaftliches Ziel hat er (der O.) erst damit erworben, daß er sich vom Spiritismus, dem Glauben an eine Mitwirkung von Geistern bei unaufgeklärten Erscheinungen, trennte" 5 ). Xenologie als Lehre von einem fremden, unbekannten Gebiet (ξένος = fremd), ein Wort, das der Hamburger Mediziner F. Maack für 0. prägte, hat sich nicht durchzusetzen vermocht und ist mit Maacks Tode vollends eingeschlafen. Traugott Konstantin O s t e r r e i c h Der Okkultismus im modernen Weltbild 1921, 19. In Frankreich wurde durch Richet der Terminus „Metapsychik" zur Geltung gebracht; vgl. Charles R i c h e t Traité de Métapsychique 1923 2 , 2. 5 (La métapsychique est „une science qui a pour objet des phénomènes, mécaniques ou psychologiques, dus à des forces qui semblent intelligentes ou à des puissances inconnues latentes dans l'intelligence humaine"). 2) P a pú s Kurzer Begriff der Geheimwissenschaften und deren theoretische und praktische Anwendung. Nach dem Französischen übersetzt von Pallas S. :;: J. 13 (Geheimwissenschaftl. Abhandlungen 1; Leipzig 1896), 7. 52 f. 3) Ebd. 7. *) Max D e s s o i r Vom Jenseits der Seele 1931 «, V I I = Sphinx 1889. V I I , 42. 6) v. G u l a t - S t e r n b e r g in Max D e s s o i r Der 0. in Urkunden 1 (1925), 1.

2. Der O. ist nach den Ausführungen eines seiner Köpfe, Papus, „eine Lehre, welche allen übrigen Wissenschaften gleichwertig ist" 6 ); er ist „ein philosophisches System" '). Ganz ähnlich versucht Dessoir nachzuweisen, daß „der Gedankenkreis aller Geheimwissenschaften sich mit ursprünglichen Versuchen zu einer idealistischen Weltanschauung deckt" 8) ; er spricht von einem „magischen Idealismus". „Während im Fortschritt der Menschheit reinere Formen des Idealismus entwickelt worden sind, hat sich in den Geheimwissenschaften eine Unterschicht erhalten, genauer: die tiefere Stufe der Anfangsbildungen" 8 ). — Das ergibt die Frage nach dem soziologischen Ort, an dem diese „ S t u f e " sich erhalten hat. Dessoir sagt zunächst einmal: „Manche unserer Zeitgenossen sträuben sich gegen die Klarheit (seil, des fortgeschrittenen Idealismus); sie heften ihre Liebe an das ursprüngliche Weltbild, weil sie das Anfängliche herausfühlen und

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unbestimmt als etwas Begründendes und Entscheidendes empfinden. Ihr Bewußtsein, irgendwie mit wurzelhaften Anschauungen der Menschheit verbunden zu sein, setzt sich in die Überzeugung um, daß sie im Bereich ehrwürdig alter Wahrheiten stehen" 9 ). Der 0 . ist also eine „Romantik", die Rückwendung zu einer vergangenen Welt. Romantik sagt aber nicht nur, daß jemand rückwärts schaut; implicite steckt in der Tatsache, daß man sich von der Welt, nach der es einen verlangt, entfernt hat, das Wissen, daß man auf einer „anderen Stufe" steht. Die Tatsache dieses „romantischen" Verlangens setzt zwei, einander verschiedene, Zustände: denjenigen, an dem man hält, und den, nach dem man langt. Welches ist nun der Zustand, von dem der Okkultist sich rückwärts wendet,den er als schlechteren empfindet ? Es ist die „Klarheit des fortgeschrittenen Idealismus" Dessoirs, wie sie die Namen Fichte, Humboldt, Kant bezeugen, die Namen der Philosophen der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts. Nach Dessoirs Ausführungen ist also der 0. ein Herauswollen aus der bürgerlichen Welt und ihrer „Weltanschauung" und damit wiederum ein Stück der bürgerlichen Welt. Was hier aus einer geistigen Haltung gefolgert wird, läßt sich auch aus den Beobachtungen erweisen. Zuerst ist die Feststellung möglich, daß man nicht in der Sphäre des Dorfes, der bäuerlichen Kultur, zum 0. greift, sondern daß er, von wenigen Ausnahmen abgesehen, einem nicht-bäuerlichen (und damit bürgerlichen 10 )) Kulturkreis angehört. Das geht nicht nur aus den Fundorten hervor, an denen man eine Beschäftigung mit okkultistischen Fragen feststellt, wie aus dem personalen Milieu; das lehren auch die Berichte, die man für Zwecke des Beweises in umfangreichem Maße gesammelt hat ; das lehrt die ganze Terminologie; das lehren die Äußerungen okkultistischer Art, wenn man aus ihnen einen Schluß auf die, die sie empfangen oder erzeugen, tun darf. Wünschen und Denken der bürgerlichen „Unterschicht" wird

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Okkultismus

nirgends mehr so greifbar deutlich wie gerade hier, an dieser Stelle. Neben den Geistesgeschichtler und Volkskundler tritt schließlich noch der Dichter. Als Kaergel den okkultistischen Unfug unserer Tage zeichnen wollte, fand er für seine Erzählung „Zingel gibt ein Zeichen" kein treffenderes Milieu als das der kleinen Stadt. Man wird nach alledem als den Ort, an dem der O. sichtbar wird, die Unterschicht der „bürgerlichen Kultur" feststellen dürfen. Stockend, dabei an ältere Glaubensund Wissensstücke sich anhängend, dringt okkultistisches Gut zuweilen in die Dörf e r 1 1 ) . Aber es sind nur Trümmer, die erscheinen, nicht das System, die Lehre, die Philosophie. Man „pendelt", man spielt „Tischrücken", aber das alles gehört nicht in den Ideen- und Lebenskreis des bäuerlichen Menschen, ist angeflogenes Gut, nur äußerlich, doch nicht in seiner Bedeutung eines Symboles besonderen Denkens apperzipiert.

7 ·) P a p u s 3. ) P a p u s 8. *) D e s s o i r Jenseits d. Seele 500. Eine „Geschichte" des O., vielmehr okkultistischer Betrachtungsweisen, versucht Charles R i c h e t Traité de métapsychique 1 9 2 3 2 , 1 6 — 4 3 zu geben. ·) Dessoir, Jenseits 555· 1 0 ) Ich bin mir durchaus bewußt, wie vorläufig die Bezeichnung „bürgerlich" in diesem Zusammenhang noch ist, aber ich glaube, daß es möglich ist, den Anspruch der wichtigsten nicht-bäuerlichen Kultur, in unserm gegenwärtigen Volkstum, auf diese Bezeichnung zu erhärten. u ) Tischrücken, Hellsehen, mediumist. Experimente: Heimatkd. d. Bezirkes Außig I I ι Die Sagen. Von R u d . H ü b n e r 1929, 107 f. Klopfphänomene : die leider noch ungedruckte Untersuchung meines Schülers Gerh. Kneifel, Der Spuk von Oppau; Erich B o h n Der Spuk von Öls. Breslau. Vgl. unten.

3. Mit dem Versuch, den O. dem „bürgerlichen" Kulturraum zuzuweisen, ergibt sich die Notwendigkeit, den Zugehörigkeitsraum der okkultistischen Lehre und Deutung neu abzugrenzen. Ein Beispiel wird es deutlich machen: Eine Erscheinung eines Sterbenden in seiner Todesstunde an einem von seinem Totenbett entfernten Ort darf als ein „Ur-Erlebnis" betrachtet werden, d . h . daß dieses Erlebnis j e d e m dafür begabten Menschen möglich ist, welcher

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„ K u l t u r " er auch gehört. Der Kleinbürger, der Fabrikarbeiter, der Mensch des bäuerlichen Raumes, der Jäger, der Nomade können es haben 1 2 ), sofern der Tod für sie gemüt-bewegendes Erlebnis ist. Anders ist nur die Deutung hier, anders in einer anderen Kultur. Stets aber wird sie aus dem innersten Zentrum dieser betreffenden Kultur heraus geschehen. Wenn man das Welterlebnis der bäuerlichen Kultur als das Erlebnis „Religion" bezeichnet, als das Erlebnis wirkender Wesen, — dann wird die Deutung von diesem Zentrum her geschehen. Heißt aber das Welterlebnis „Wissenschaft", wie es im bürgerlichen Raum geschieht, der nicht vom „Glauben", sondern von der „Vernunft", der ratio her den Antrieb empfängt, und der statt wirkender Wesen „ K r ä f t e " setzt 1 3 ), dann muß die Deutung des Urerlebnisses eine andere sein. Ist die vorhin geschehene Zuordnung richtig und O. eine Erscheinung einer nicht-bäuerlichen, der bürgerlichen Kultur, dann kann die Deutung, die er gibt, nur eine Entsprechung der Deutung sein, die wir im bäuerlichen Raum erhalten. Eine Entsprechung, doch keine gleiche Deutung. Wir können mit anderen Worten nicht „sich anzeigen" mit „Telepathie", „Spukerscheinung" mit „spirits", „Materialisationen" gleichsetzen. Nur das, was ich als „Urerlebnis" bezeichnete, ist in den beiden Räumen gleich, nicht aber die Deutung dieser Urerlebnisse. Das führt vorerst zu dieser Konsequenz : Entweder beschränken wir uns in der Volkskunde auf die Anschauungen der bäuerlichen Kultur, oder — im Falle wir auch nicht-bäuerliche anziehen, was ich durchaus für richtig und notwendig halte, trennen wir scharf. Als „Vorgeschichte", „ S p u k " , gehören diese Erscheinungen der Volkskunde der bäuerlichen, als „Telepathie", „spirits", der einer nicht-bäuerlichen, und zwar (wie oben erwiesen wurde) der bürgerlichen Kultur an 1 5 ). „ W i l d e " : Vgl. etwa Wilh. B l o h m Die Nyamwezi 2 (1933), 1 4 3 f. Kleinbürger und Fabrikarbeiter: vgl. den 3. Band meiner „Volkskunde des Proletariats". Bauer: s. o. unter „ G e spenst". 1 3 ) A r a m (s. u.) 5 i o f .

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Okkultismus

4. Die Zuordnung des O. zur bürgerlichen Kultur bedingt, wie eine Abgrenzung gegen den „Aberglauben" der bäuerlichen Kultur, auch eine genauere Festlegung im Raum der bürgerlichen. Man hat den O. gern als Lehre kleinerer Gruppen, Sekten angesehen, und das mag wohl im allgemeinen richtig sein. Aber — und das ist das Entscheidende — wenn er einmal die Grenzen dieser Sekten überschreitet, über die Ufer tritt, dann wird von ihm nicht unterschiedslos erfaßt, was draußen ist, sondern er infiziert nur immer eine bestimmte, die bürgerliche Schicht. Das ist in allen Bezirken des okkultistischen Lebens zu erweisen. Papus hat (oben 1) außer den parapsychologischen Gebieten die Theurgie, Astrologie und Alchemie ihm zugerechnet. Die Astrologie lebt heut in weiten Kreisen, nicht nur in begrenzten Sekten, wie ein Blick auf einen beliebigen Stand eines Zeitungshändlers in der Großstadt erweist; die Alchemie hat viele Anhänger; der Tausend-Schwindel sei dafür herausgegriffen; Tischrücken, spiritistische Seancen, siderisches Pendel sind aus den engen Kreisen der Sekten herausgedrungen; weitere „Geheimwissenschaften" wie Marbys Runenlehre und ähnliche melden Ansprüche an und dringen in eigenen Zeitungen in weite Kreise. Es ist nur notwendig, einmal die Augen darauf einzustellen, um zu begreifen, wie weit der O. faßt u ) . Aus dem, was ich soeben zeigte, läßt sich entnehmen, daß zwischen dem O. und der bürgerlichen Welt eine besondere Affinität bestehen muß; die beiden stehen sich irgendwie näher, als O. einem anderen Gebiete nahe steht 15 ). Das gibt nicht nur noch einmal das Recht der Zueinanderordnung der beiden Gebiete, das führt darüber hinaus zur Frage: ob O. eine Erscheinung sei, die jedes Glied der bürgerlichen Kultur nur jeweils in verschiedener Intensität, erfaßt, oder ob er nur dann und wann aus kleinen Ecken, in denen er lebendig ist, über die Grenzen flutet16), ob er notwendig oder zufällig ihr zugehört. Die Frage ist ohne weiteres nicht zu lösen. Daß in den Sekten, Zirkeln, wilden Logen und Gruppen der O. zu intensiverer Tätig-

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keit anschwillt 17 ), kann gegen eine derartige Feststellung nicht durchaus eingewendet werden. So lebt die „Sage" im bäuerlichen Raum, und doch wird sie in diesem besonderes Eigentum besonderer Gruppen 18 ), in denen sie — getragen von der Stimmung, die die „Gemeinschaft" schafft 1 9 ) — zu einer stärkeren Wirkung anwachsen kann 20 ). So wird auch in den Sekten, Logen, Gruppen die Spannung zu einer besonderen Höhe vorgetrieben, und das erklärt, weshalb sie als die Träger des O. deutlicher in die Augen fallen 20). Daß andere Kreise der bürgerlichen Unterschicht sich dieser „Weltanschauung" entziehen und scheinbar unbeteiligt abseits stehen, hat seine Parallele im bäuerlichen Lebenskreis in Hinsicht auf die Sage, den „Aberglauben", und hebt die Zuordnung nicht auf 2 0 ). u ) Vgl. etwa das sonst durchaus verdienstliche Buch von Alexander S p e s z O. und Wunder (1929). l s ) Vgl. zu einer solchen Scheidung W. E. P e u c k e r t Leben im Volk 1930; D e r s . Volkskd. d. Proletariates 1 (1931), VII, und die törichten Äußerungen Stellers dazu in MschlesVk. 1934, 7°f-> der noch nicht verstanden hat, wo das Problem liegt. M ) Vgl. etwa auch Kurt A r a m Magie und Mystik (1929), 1—41. 17 ) D e s s o i r Jenseits 7. 18) Vgl. die schöne Untersuchung von Otto B r i n k m a n n Das Erzählen in einer Dorfgemeinschaft 1933. w ) B r i n k m a n n 22; S i e b e r im Grundriß d. Sächsischen Volkskunde 1 (1932), 293. 2 0 ) Vgl. S i e b e r ebd. 290 f. und die vielen Berichte der Sagensammler.

5. Aus dem soeben Vorgetragenen ergibt sich, was die Volkskunde und speziell die Aberglaubensforschung von einer genaueren Kenntnis des O. zu erwarten hat. Zwei große Probleme steigen auf. Das erste betrifft die Urerlebnisse, wie ich der Kürze halber einmal die Erlebnisse „auf Wasser gehen", „einen Sterbenden am zweiten Orte sehen" usw. nennen möchte, das zweite die Frage: was hat der Mensch aus diesen Erlebnissen gemacht? Das ist die Frage nach der Bedeutung okkultistischer Anschauungen für uns. Das Urerlebnis ist vorhanden. Seine Deutung ist eine subjektive, und anders in einer, anders in einer zweiten Kultur. Der „Bauer" sieht im Polterspuk ein Werk von Spukgeistern, büßenden

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Okkultismus

Seelen oder Dämonen; der Okkultist sieht in ihm eine bewußte, sinnvolle Äußerung der Seele oder des menschlichen „Geistes" (im Gegensatz zu Seele, in der Dreiteilung Seele, Geist, Leib) oder eine Materialisation oder ein telekinetisches Phänomen, zumeist also eine ,,Kraft"-Äußerung. — Es wird hier schon sichtbar, daß der O. keine eindeutige Antwort hat. Er denkt ebenso an wirkende Wesen wie an Mächte. Anscheinend kreuzen oder überlagern sich hier verschiedene Kulturen. Die Deutung „Kräfte" verrät den Einfluß naturwissenschaftlichen Denkens der Neuzeit. In der Deutung „Wirkende Wesen" des eben gebrauchten Beispiels wird man eher an ein Fortleben älterer Anschauungsformen denken, das uns auch sonst vielfach bezeugt ist 2 1 ), und deren Fortleben an sich bereits ein Forschungsgebiet aufreißt. Das nächstliegende des zweiten der beiden oben angedeuteten Probleme ist also die Frage: wie deutet diese, wie jene Kultur eine Erscheinung? Die Feststellung und Beschreibung führt weiter zu der Frage nach dem Grunde der oder jener Deutung. So wird man möglicherweise in den okkultistischen Auslegungen des „Polterspukes" neben Trümmern einer überwundenen Kultur — wie sie auch in anderen Kulturen nachweisbar sind — Reflexe der dieser bürgerlichen Kultur eigentümlichen Geisteshaltung erkennen. Das Abwägen und Vergleichen beider Deutungsversuche macht die Welt, der sie jeweils angehören, deutlich, aber macht auch das Urerlebnis besser sichtbar. Wie der Versuch, einen Stern von zwei verschiedenen Orten aus zu messen, uns über diesen mehr erkennen läßt als die Betrachtung allein von einem Punkte aus, so wird auch aus den beiden — und weiteren — Deutungen eines Erlebnisses sich manchmal etwas mehr über dieses feststellen lassen, als wenn man es nur aus dem Gesichtswinkel der „Aberglauben-Forschung betrachtete. Mit anderen Worten: wir kommen dem, was ich die „Urerlebnisse" nannte, dem objektiven, zugrunde liegenden, Tatbestande näher, und wir vermögen die physischen und

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psychischen Vorgänge deutlicher zu erkennen. Wir sehen ferner, was eigentlich im Menschengeiste, deutend, an diesen Urerlebnissen geschieht. Das macht uns nicht nur geistige Prozesse der „Unterschichten" und damit diese selbst verständlicher. Das läßt uns auch, was für die Volkskunde in manchen Fällen ein wirres Konglomerat von Meinungen, Anschauungen, Deutungen war, als Nebeneinander kulturbedingter Äußerungen verstehen. Als „primitives Gemeinschaftsgut" verschiedener, einander überlagernder, nicht einer, in sich fast homogenen, Unterschicht.

21 ) Vgl. oben Mystik, Neuplatonismus. soir Jenseits 531 ff.

Des-

6. Ich weiß wohl, daß, was ich hier gebe, in weitem Umfang noch eine Hypothese ist, die sich auf meiner KulturenLehre 22) erhebt. Sie hier im einzelnen weiter zu unterbauen, verbietet der Ort. Aber auch das zur Besprechung stehende Spezialgebiet, der O., hat bisher keine Darstellung geliefert, auf die man sich für die soeben ausgesprochenen Gedankengänge beziehen kann, so wenig, wie die den 0. betrachtende Forschung hier weiter hilft. Man hat, anstatt zu fragen, für welche Kreise und Schichten die Anschauungen „wahr" sind, sich auf die Widerlegung der okkultistischen Deutungen beschränkt, oder, was nicht zu widerlegen schien, auf „bessere" Art zu deuten versucht. Das schiebt für uns die Frage auf einen falschen Weg. Ich halte es für richtig, den Ort zu suchen, wo diese nicht-wahren Erklärungen und Deutungen wahr sind, und nicht so nach der Wahrheit der Deutungen, als nach dem, welcher deutet, zu fragen. Und nach den Menschen, denen er wahr gedeutet hat. " ) Vgl. P e u c k e r t Leben im Volk 1930; Ders. Sage und Geschichte in Deutsches Bildungswesen Nov. 1933.

7. So reinlich sich im allgemeinen die beiden Bezirke, derjenige der bäuerlichen Welt und der des O., scheiden, ergeben sich doch hin und wieder Berührungen. Viel deutlicher als meine Ausführungen

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Okkultismus

es vielleicht vermögen, ergibt die Untersuchung solcher Kontaktzonen die Berechtigung, Aberglaube und O. als die Entsprechungen zweier „Kulturen" zu scheiden. Besonders schön zeigt das ein 1929 im Vorgebirge des schlesischen Riesengebirges spielender Betrug und der anschließende Prozeß: Ein Schwindler, der sich mit okkultistischen Kenntnissen brüstete und wirklich allerlei auskramte, das leider vom Gericht als Lüge beiseite geschoben wurde, mußte, als er die Bauern betrügen wollte, sich ganz und gar umstellen. Aus einem Okkultisten wurde ein Hexenmeister; seine geheimen Wissenschaften und Künste wurden erst dann beachtet und ernst genommen, als sie den gängigen Vorstellungen (Schadenzauber, verhexter Kuhstall, Kampf mit Hexe, magische Schrift) entsprachen; aus seinem Repertoire blieb einzig die Angabe übrig, daß eine geheime Loge ihn entsendet habe (was für die Bauern an die Vorstellungen „Freimaurer" und „Freimaurerloge" anklang). Erst die Vernehmungen ergaben wieder die okkultistischen Reminiszenzen. Ein zweiter Fall, der zu derselben Zeit in Schlesien (Bunzlau) spielte, lehrt ganz dasselbe. Es zeigt sich also hier in praxi die deutliche Grenze zwischen der bäuerlichen Glaubenswelt und jener, welcher der O. angehört. 8. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurde der O. von der Volkskunde bisher als Fremdgebiet beiseite geschoben. Das ist, ob die hier vorgetragene Hypothese zu recht oder unrecht besteht, auf jeden Fall bedauerlich. Nicht nur, daß er für viele Gebiete ein neues Licht auf Fragen wirft, um deren Lösung wir uns bemühen, auch in der Praxis erweist sich das als wenig förderlich. Der Hirschberger Betrüger (oben 7) berief sich auf eine okkulte Loge Alonaris und deren Mitglieder Thalia Hellada und Huter; die polizeiliche Nachfrage ergab, daß die Loge Alonaris am angegebenen Ort nicht existiere; damit wurde die Angabe zu einem neuen Betrugsversuch. Aber es gab die Okkultisten Thalia Hellada und Huter, nach denen zu fragen man nach dem ersten

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Mißerfolg ganz unterließ, —• und es besteht nach diesem die Wahrscheinlichkeit, daß ebensowenig wie die Loge Alonaris erfunden worden ist, sondern daß eine — polizeilich nicht gemeldete „wilde" — Loge des Namens bestand. Daneben bedürfen die Fälle, die sich in der „Kontaktzone" abspielen, besonderer Klärung vom O. aus. Schließlich gehört hierher der Übergang von okkultistischem Gut und seine Aufnahme in den Erzählund Glaubensschatz des Volkes, das „Absinken" der Vorstellungen, das wir hier lieber horizontal, nicht vertikal auffassen sollen. Weiter erheischt die Frage des „Volksbuches" in dieser Beziehung eine erneute Überprüfung; die Zauberbücher, die früher sich auch im nicht-bäuerlichen Raum nachweisen ließen, verschwinden dort; an ihrer Stelle breiten sich Unterrichtsbücher für Hypnotismus, Suggestion usw. aus, die sich zuweilen schon ins Dorf verirren. Noch sind die Schaustellungen und Vorträge, die okkultistisches Gebiet abgrasen, Kulturgut des nichtbäuerlichen Menschen, der Unterschicht des Bürgertums, aber der Ausgleichsprozeß zwischen Stadt und Land wird sicher zu gelegener Zeit die Dinge auch in die Dörfer tragen. Der Volkskundler als Wissenschaftler und in besonderem der Aberglaubensforscher, der Volkskundler als Praktiker — ich zeigte es an den Gebieten Erziehung und Strafrecht —, werden sich stärker als bisher dem hier erörterten Gebiet zuwenden müssen. 9. Hier einen Überblick über die Geschichte und die verschiedenen Schulen okkultistischer Forschung zu geben, erscheint mir nicht notwendig; er hätte Materialien zu besprechen, die für uns nicht im Vordergründe stehen. Dagegen halte ich es für wichtig, auf einige Sammlungen hinzuweisen, in denen der Aberglaubenforscher beachtenswerte Dinge findet. Ich nenne aus dem Gebiet des parapsychologischen 0. ohne auf Deutungen oder Lehrmeinungen zu achten, nur um der Fülle des Stoffes willen: Alexander Nikolajewitsch Aksakow, „Animismus und Spiritismus" 2S ) und, von

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Oktober

Max Dessoir angeregt, „Okkultismus in Urkunden" 24 ), sowie Dessoirs „Jenseits der Seele" 4 ), Richets „Traité de Métap s y c h i q u e " 1 ) und die leider eingegangene „Zeitschrift für kritischen Okkultismus" 2 5 ), Langewiesche, schließlich auch Joh. Illigs „Ewiges Schweigen" 2 β ). Die weiter hierher gezogenen Gebiete der „Geheimwissenschaften" wie Alchemie, Astrologie und ähnliche, entbehren für unsere Zeit zusammenfassender Materialdarstellungen. Einzelnes bieten die okkultistischen Zeitschriften, die auch die parapsychologischen Gebiete berücksichtigen wie das „Zentralblatt für Okkultismus" und andere, wie die Beobachtung der ephemeren Literatur : Zeitungen, Zeitschriften, Flugschriften und Kalender, denn, sagte schon vor vierzig Jahren W u n d t : „ D i e Hinneigung zum O. ist ein hervorragender Bestandteil der geistigen Strömungen unserer T a g e " 27 ). Auf theosophische und anthroposophische Schriften hinzuweisen, halte ich nicht für not, da sie die „Aberglauben"-Forschung nicht so direkt berühren, auch weiter verbreitet sind. 23 ) Ü b e r s e t z t v o n D r . Gr. C. W i t t i g ; 5. A u f l . L p z . 1919. 24 ) Berlin 1925. I. Der physikalische Mediumismus von W. v. G u l a t - W e l l e n b u r g , Graf Carl v . K l i n c k o w s t r o e m u. H a n s R o s e n b u s c h ; I I : Die intellektuellen Phänomene von 25 ) R. B a e r w a l d . München 1926—1929: 2 ·) 27) I—III. Stuttgart (1924). Wilh. W u n d t Hypnotismus u. Suggestion 1892, 109 zitiert n a c h A k s a k o w 1 (1919) XVII.

Peuckert.

Oktober. ι . Der O. hat seinen Namen davon, weil er im altrömischen Kalender, das mit dem März begann, der achte Monat war. D a s v o m latein. vindemia = Weinlese gebildete W i n d u m e m a n o t h Karls des Großen wurde bald durch W i n m a n o t , W e i n m o n a t 2 ) , ersetzt. Ferner heißt der O. auch H e r b s t oder H e r b s t m o n a t , zum Unterschied v o m September auch der a n d e r H e r b s t oder Herbstmonat 3 ). Früh findet sich L a u b p r o s t und L a u p r e i s e ; das zweite auch für November, gleichwie das slaw. listopad für beide Monate vorkommt. I n der

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Schweiz bedeutet Loubrisi allgemein den Herbst 4 ). Gleich dem September wird der O. ferner auch S ä m o n a t 5 ) genannt und endlich auch S c h l a c h t m o n a t e ) , wie im schwed. Slagtmànad oder Böltmànad '), womit aber häufiger der November und Dezember bezeichnet werden, besonders in südlicheren Ländern, in welchen die Schlachtzeit später fällt als etwa in Skandinavien 8 ). Auf den in der Herbstzeit geübten Vogelfang deutet der Sylter Name F ü g h e l m u u n ·), und das Rückwärtsgehen der Tage und des Jahres drückt das niederländische Aarzelmaend, Aerselmaend (ärschlings = rückwärts) aus 1 0 ). Fischart führt in „ A l l e r Praktik Großmutter" noch an: L u x m o n a t 1 1 ) (Lucas, 18. O.) und W o l f g a n g m o n a t 1 2 ) (31. 0.). Betreffs P e r s o n i f i k a t i o n des O. vgl. Monat. 1) W e i n h o l d Monatnamen 61; R e i n s b e r g Festjahr 291. 2 ) W e i n h o l d a. a. O. 60. 3 ) E b d . 41 ff. 4 ) E b d . 48. 5 ) E b d . 54. «) E b d . 54. ' ) H o o p s Reallex. 3, 236. 8 ) M i i l l e n h o f f Altertumsk. 4, 606. ») W e i n h o l d a. a. O. 38. 1 0 ) E b d . 29. n ) E b d . 49. 1 2 ) E b d . 63.

2. I m O. tritt die Sonne in das Zeichen des S k o r p i o n s 1 3 ) . I m alten R o m wurde am 15. O. dem Mars feierlich ein Roß geopfert ( O k t o b e r r o ß ) 1 4 ) , im Albanergebirge wird heute noch der O. durch E r n t e f e s t e gefeiert 1 5 ). Bei den alten Sachsen begann am 1. O. ein dreitägiges Fest, das einerseits dem Anfang des Winters, dem N e u j a h r , andrerseits den T o t e n galt. Dasselbe Fest wurde zu Augsburg am 28. September gefeiert 16 ) (s. Herbstfeste). Verschiedene Gebräuche a m 31. O. weisen darauf hin, daß bei den Kelten das Neujahr wahrscheinlich mit November begann 1 7 ). Heute wird im O. vor allem die K i r c h w e i h (s. d.) gefeiert 18 ), auch die von Kaiser Josef I I . angeordnete Kaiserkirchweih 1 9 ). Seit dem 12. Ο. 1810, dem Vermählungstage König Ludwig I. von Bayern und der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen findet alljährlich das M ü n c h ner O.fest auf der Theresienwiese statt 2 0 ).

öl

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Der hundertjährige Kalender warnt davor, im 0. allzu viel neuen Most zu trinken, empfiehlt aber sonst Essen, Trinken, Arzneien, Purgieren, Aderlassen, Baden und Schröpfen 21 ). In Steiermark säubert man noch heute im 0. den P f e r d e n das Maul 22 ). Vereinzelt gilt der 1. O. als der Tag, an dem Sodom und Gomorrha untergegangen sind, und daher als Ung l ü c k s t a g (s. d.) 2 3 ). Wenn man am I. 0. auf dem Felde schießt, vertreibt man alles Unwetter 24 ). In Neuenknick, Bez. Minden, ist er der W e c h s e l t a g der Dienstboten 25). Mit dem 22. 2β), bei den Franzosen dem 25. O. 27 ), sollen die F l i e gen verschwinden. In Ungarn heißt es, daß man gleich beten soll, wenn man am 31. O. einen Wolf sieht, weil man sonst das ganze Jahr von Wölfen träumt 28). Im Braunschweigischen sagt man: „ 0 . maket de pare -power", weil in diesem Monat die meiste Arbeit ist 29 ). Der O. ist vielfach vorbedeutend für das W e t t e r des Winters 30 ). Ein warmer Winter kommt, wenn die Hühner im O. mausern 31 ). Bringt der Oktober viel Frost und Wind, Ist der Jänner und Februar gelind 32 ).

Es heißt auch: „Wie es im Weinmonat wittert, so soll es im künftigen Märzen geschehen" 33 ). Für die Witterung sind wichtig die L o s t a g e (s. d.) des O.s, der 16. (Gallus), der auch als Winteranfang gilt 34 ), an dem die Weide aufhört 35 ) oder von dem an man überall weiden kann, denn „Der Galli, ist nichts mehr heili" 3 6 ); dann der 21. O. (Ursula), an dem das Kraut daheim sein soll 37 ), der 20. O. (Wendelin)38), der 28. O. (Simon und Juda) 3 8 ) und der 31. 0. (Wolfgang) 40). Der Tag Simon und Juda, an dem einst die Sintflut hereingebrochen ist 4 1 ), gilt allgemein als Winteranfang 42) ; in volksetymologischer Deutung des Namens Simon scherzhaft auch als der Tag der Pantoffelhelden, an dem kein Mann seiner Frau widersprechen darf 4 3 ), denn Simon ( = Sie Mann) und Erweib, Sie haut und er schreit M ). " ) Vgl. N o r k Festkalender 614. 1 4 ) F r a z e r 15 8, 42ff.; D o m a s z e w s k i Religion 179. ) le M a n n h a r d t Forschungen 162. ) Grimm

1238 Myth, i, 34Í. 2 4 2 0 . ; M i i l l e n h o f f Altertumsk. 4, 45g; G o l t h e r Myth. 5 8 6 ! = M e y e r Relig.gesch. 423; F r a z e r 6, 81 3 . Auch ein nordgerm. Opferfest fiel in den O., S c h r ä d e r Reallex. 980. " ) F r a z e r 10, 136. 224. l e ) R e i n s b e r g Festjahr 303ft.; K a p f f Festgebräuche Nr. 2, 19. le ) R e i n s b e r g Böhmen 482. 20 ) R e i n s b e r g Festjahr 3 i 5 f f . ; D u l l e r Deutsches Volk 306. Dazu Festschrift von E . v. D e s t o u c h e s , 21 1912. ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 380. 22 ) R e i t e r e r Steiermark 107. ω ) H ö h n Tod Nr. 7, 3 1 2 . M ) D r e c h s l e r 1, 152. 2 5 ) S a r t o r i Sitte 2, 38. 2 ·) S t r a c k e r j a n 2, 176 Nr. 408. 2 ') R e i n s b e r g Wetter 183. 2e ) ZfVk. 4 (1894), 405. 29 ) A n d r e e Braunschweig 413. M ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 5 3 ; A l b e r s Das Jahr 276. 3 1 ) F o g e l Pennsylvania 2 2 1 Nr. 1 1 1 6 . 32 ) R e i n s b e r g Böhmen 464 u. Wetter 1 7 7 ; B. H a l d y Die deutschen Bauernregeln (Jena 1923). 83. 85. 3 3 ) L ü t o l f Sagen 559 Nr. 585; H a l d y a. a. O. 86. M ) R e i n s b e r g Böhmen 479 u. Festjahr 3 2 1 u. Wetter i8of.; S a r t o r i Sitte 3, 259; H a l d y a. a. O. 8 7 « . 36 ) L e o 3e p r e c h t i n g Lechrain 197. ) Jungbauer Volksdichtung 225. 3 7 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 38 1 9 7 ; H a l d y a. a. O. 89. ) R e i n s b e r g Festjahr 327. 39 ) Ebd. 3 2 1 ; R e i n s b e r g Böhmen 40 487. ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 198; R e i n s 41 b e r g Festjahr 327t. ) N o r k Festkalender 42 658. ) R e i n s b e r g Wetter 1 8 3 ! ; H a l d y 43 a. a. O. 87. ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 198. 44 ) Z i n g e r l e Tirol 173. Jungbauer.

ö l , von lat. oleum (griech. Lehnwort von έ'λαι [F]iv), ursprünglich gewonnen aus den Früchten des ölbaums (Oliven), dann aber allgemein gebraucht für alle pflanzlichen und animalischen öle, von denen im Aberglauben und der Volksmedizin besonders folgende eine Rolle spielen: das S c o r p i o n e n ö l (ol. olivar.), G l i e d e r - oder K i e n ö l (ol. terebrut.), B i l s e n k r a u t ö l (ol. hyosciam.), R e g e n w u r m ö l (ol. papav.), A m e i s e n ö l (spirit, formic.), S p i e k ö l , L o r b e e r ö l , H a n f ö l , L e b e r t r a n , (stinkendes) P h i l o s o p h e n öl (ol. tereb. sulfur.), Petersöl, Kampferöl, Siegelöl, Johannisöl — Schon in der a n t i k e n V o l k s m e d i z i n werden öle vielfach zu Heilzwecken verwendet. Man schrieb ihm eine zusammenziehende E i g e n s c h a f t zu. Fein zerstoßene ölbaumblätter benutzte man deshalb zu Umschlägen bei Hautentzündungen, Geschwüren, Karbunkel und Nebennägel. Schmutzige Wunden und entzündete Schamdrüsen wurden durch Umschläge mit.ihnen und

1239 Honig gereinigt. Bei Geschwüren im Mund und Soor wurden ölblätter gekaut. Ihr Saft wurde zur Verhinderung des Blutflusses und weißen Flusses bei Frauen, Geschwülsten und Blattern in den Augen benutzt. Vermischt mit Augenwasser sollte er gegen angefressene Augenlider helfen. Bei Magenleiden wurden die Blätter mit ungeröstetem Gerstenmehl als Umschlag aufgelegt 2 ). öleinspritzungen galten als fruchtabtreibend 3 ). Der ölsatz wurde in einem kupfernen Kessel eingekocht und gegen Zahnschmerzen und Wunden gebraucht. Auch als Klistier gegen Geschwüre im After, Scheide und Gebärmutter findet es Verwendung. Seine Heilkraft wurde auch bei Herstellung von Salben ausgenutzt 4 ). öl, mit Lupinen und Mastixdisteln abgekocht, mußte die Krätze der Haustiere heilen. Gegen Rheuma und Gicht wurde es ungekocht in warmer Bähung aufgelegt. Bei Wassersucht strich man es auf Schaffelle, die man dem Kranken umlegte s ). In gleicher Weise werden aber auch nach der deutschen Volksmedizin Geschwülste mit warmem öl eingerieben β ), verwundete Stellen in öl gelegt, um den Schmerz zu lindern und die Heilung zu beschleunigen 7 ). Um das Kalb vor Ungeziefer zu bewahren, muß man es sofort nach dem Kalben mit öl bestreichen 8 ). L e i n ö l wird gegen Verstopfung 9 ) und Seitenstechen eingenommen 10). Auch bei Brandwunden soll es helfen 11 ). Man bestreicht den betreffenden Körperteil mit ö l und hält ihn möglichst dicht an das Feuer 1 2 ). Wer Würmer im Bauch hat, nimmt W e r m u t ö l ein oder schmiert damit den Bauch ein 1 3 ). Baumöl soll gegen Blutspeien helfen w ). Wunden werden auch mit Nußöl eingerieben, um einer Beschmutzung durch Fliegen vorzubeugen 16 ). B i l s e n k r a u t hilft gegen Schmerzen, ranziges L i l i en öl gegen Verbrennungen und Rotlauf, L a v e n d e l ö l wird bei Ohrenschmerzen ins Ohr geträufelt, H a n f ö l heilt Brustdrüsenentzündungen, K ü m m e l ö l muß man kleinen Kindern bei Koliken eingeben 1β ). Auch P h i l o s o p h e n ö l wird bei Kolik und Magenkrampf eingenommen, dem Rind-

öl

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I

1240 vieh wird es beim Blutharnen eingegeben 1 7 ). P r o v e n c e r ö l mit Zuckersyrup trinkt man bei Katarrh, um in Schweiß zu kommen 18 ). Entzündete Brüste werden mit warmem Rüböl eingerieben 18 *). Mit einer Mischung von Spieköl und Terpentinöl diagnostiziert man Krebs 18b ). Mitbedingt ist diese Verwendung des Öles als Heilmittel durch den allgemein verbreiteten Glauben an die l u s t r a t i v e und a p o t r o p ä i s c h e K r a f t des Öles 19 ). So wurde in der Antike die Wöchnerin mit öl lustriert 20) ; bei der Geburt eines Knabens wurde in Attika an der Haustür ein ölkranz aufgehängt, um das neugeborene Kind vor den Einflüssen böser Dämonen zu schützen 21 ). Auch bei der Hochzeit wurden aus apotropäischen Gründen Ölzweige getragen 22). Der Tote bekam einen Olivenkranz und wurde auf Olivenblätter gelagert 23 ). Demselben Zweck diente auch die Salbung heiliger Steine, Bäume, Götterbilder usw., die wir überall verbreitet finden 24 ). Durch die orientalische Sitte der K ö n i g s s a l bung sollte der König von allen bösen Einflüssen befreit und sakrosankt werden 2S ). Unter kirchlichem Einfluß, für die das Beispiel der jüdischen Königssalbung maßgebend war, drang diese Sitte auch ins germanische Recht 26 ). Eine Heiligung sollte auch die urchristliche Sitte der ölsalbung nach der Taufe hervorrufen 27 ). Ein neugeborenes Kind darf man nicht küssen, bevor es mit dem heiligen öl gesalbt ist 2 7 a ). Besonders in gnostischen Kreisen spielte die ölsalbung eine große Rolle 2 8 ). Der athenische Brauch, die Türen mit öl zu bestreichen, lebt bis heute auch im deutschen Aberglauben fort 29 ). Bei den Slawen leert man bei Unwetter Öl ins Feuer, damit die Hexen aus den Wolken fallen In der französischen Schweiz wird die Schwelle des Hauses des Bräutigams mit öl abgerieben 3 1 ). In Südfrankreich wird der Weihnachtsblock zur Erlangung von Fruchtbarkeit mit ö l besprengt 32 ). In Rom warfen im MA. Knaben am Neujahrstag Olivenzweige ins Herdfeuer mit dem Wunsch um Gedeihen der Familie und

öl der Herden („Soviel Söhne, soviel Ferkel, soviel Lämmer") 3 3 ). Der Glaube an die apotropäische Kraft des Öles wurde auch von der christlichen Kirche aufgenommen und durch die W e i h e n , die sie ihm erteilte, verstärkt 3 1 ). Der lustrative und apotropäische Charakter sollte ihm durch diese Weihen verliehen werden, wie die dabei gesprochenen Gebete deutlich zeigen, z. B. „ . . . benedicatur benedictione perenni, ut quicumque pia devotione pro expellendis languoribus sive etiam pro expugnandas omnes insidias inimici in cunctis habitationibus suis eas adportaverint aut biberint, ab omni sint impugnai ione inimici securi" (Franz, Benediktionen 1, 480) 38). Die geweihten Ölzweige sollen ein Vorbeugungsmittel für alle Krankheiten, insbesondere für Fieber sein 3 e ). Sie dienen zur Vertreibung von Gewitter, Feuer, böser Geister und Hexen 3 7 ), schützen die Äcker vor Unwetter 38), das Vieh vor Behexung 3 9 ), indem sie ihm entweder unter das Futter gemischt eingegeben *>) oder an das Stalltor genagelt werden 41 ). Im Kuhstall schützen sie auch vor Rinderpest 42) und vertreiben Ungeziefer und Insekten 4 3 ). Bei Gewitter werden die geweihten Ölzweige auch verbrannt **) ; auch eine Umwandlung mit ihnen hilft dagegen 45 ). Das geweihte ö l selbst ist ebenfalls heilkräftig *·). In Baden nimmt die schwangere Frau geweihtes Olivenöl im Namen Jesu ein 47 ). Einem Kind, das schlecht sprechen lernt, bestreicht man in Schwaben die Zunge mit benediziertem ö l 4 8 ) , ö l von einer letzten Ölung, dem Kranken in Wein eingegeben, dient ebenfalls als Heilmittel 4e ). So wie nach Celsus *>) bei Epileptikern ölsalbungen angewendet wurden, werden auch Besessene mit geweihtem ö l gesalbt 5 1 ). Schon seit den ersten christlichen Jahrhunderten war das ö l a u s d e n L a m p e n , die vor den Gräbern berühmter Märtyrer brannten, als Heilmittel für Krankheiten aller Art sehr gesucht S2). So galt geweihtes ö l vom Grabe des heiligen Martin als heilkräftig 63). Bei einer Viehseuche wurde mit diesem ö l den Tieren das Zeichen des

1242 Kreuzes auf Stirn und Rücken gemacht, daß sie von Krankheiten verschont blieben, resp. gesund wurden B4). ö l aus der Gruft des Bischofs v. Nicetius soll Blinde und Besessene geheilt haben BS). Mit der Zeit wurden auch dem ö l aus den Lampen der Gnadenorte, ja schließlich auch dem von alten Kirchenlampen diese Heilkraft zugeschrieben se ). E s wird auch unter andere Medizinen und Heilmittel gemischt 6 7 ). Wenn kleine Kinder nicht wachsen wollen, bestreicht man in Schwaben ihre Hand mit derartigem ö l und bindet sie in ein Tuch ein. Auch wenn ihnen der Schlaf genommen ist, muß dieses ö l helfen 58). Wenn kleine Kinder „angewachsen" sind, d. h. wenn bei erschwertem Atmen, bei Katarrh und Brustentzündungen die Rippenmuskeln eingezogen sind, tunkt man zwei Daumen in das Ampelöl, bestreicht das Kind unter dem Herzen und spricht: Herzgespan und Anwuchs geh aus den Rippen, wie Jesus aus der Krippen, geh über Meer und Stein und laß das Kind keusch und rein.

Darauf betet man fünf Vaterunser und Ave-Maria und das Glaubensbekenntnis (Odenwald) S9 ). Hält man seine Flinte für verzaubert, so reinigt man ihr Rohr mit diesem ö l ®°). Einen Kröpf bestreicht man mit dem ö l aus einer Lampe, die bei einem Sterbenden brannte H ) (Hessen). Von mehreren Heiligengräbern wird erzählt, daß aus den K n o c h e n d e s b e t r e f f e n d e n H e i l i g e n ein wunderkräftiges ö l fließe. A m berühmtesten ist das sog. W a l p u r g i s ö l , das vom Oktober bis Februar aus den Gebeinen der hl. Walpurgis zu Eichstätt fließen soll (s. d. 14. Jh.)®2). Natürlich galt auch das Olivenöl vom ölberg als heilkräftig. Nach dem Wundsegen von den drei guten Brüdern suchen diese Pflanzen zur Heilung von Wunden. Da befiehlt ihnen der Heiland auf den ölberg zu gehen, Olivenöl und frischgeschorene Wolle auf die Wunde zu legen und den Longinussegen zu sprechen ®3). — In der christlichen S y m b o l i k gilt der Ölzweig als Sinnbild des Friedens und der Barmherzigkeit M ). Dies spricht auch aus der mittelalterlichen Er-

1243

zählung, daß bei Christi Geburt in Rom ein wunderbarer ölbrunnen entsprungen sei, der sich in den Tiber ergossen habe 65). Das h e i l i g e ö l wird natürlich auch zu Z a u b e r zwecken mißbraucht 65 ). Nach der practica inquisitionis des Inquisitors Bernardus Guidonis zu Toulon (ca. 1330) werden Hexen und Zauberer inquiriert „de crísmate et oleo sancto furatis de ecclesia" ββ ), und seine Abschwörungsformel enthielt den Passus: „item (abnuo) •quodcumque sortilegium seu maleficium factum aut fiendum . . . cum crísmate vel oleo sancto seu benedicto" 67). Hexen, •die zum Tanz ausfahren, bestreichen sich mit „Hexenöl" e8). Auch sollen sie sich mit Tauföl ihre Lippen bestreichen und so die Männer küssen, um sie auf diese Art leichter zu verführen 69). Verbrennt man die Oster-, öl- und Palmzweige, so kann man mit dieser Asche Beschwörungskreise ziehen 70). Auch sonst wird ö l bei Beschwörungen vielfach verwendet 7 1 ). Bei der L e k a n o - und H y d r o m a n t i e erscheinen in dem hineingegossenen öltropfen die Dämonen und Geister72). In Toskana läßt man auf das Wasser einen Tropfen ö l fallen; bleibt es zusammengeballt, so ist derjenige, für den man den Versuch macht, nicht behext; breitet er sich aus, ist das Gegenteil der Fall. In Calabrien schließt man aber gerade umgekehrt 73 ). Bei der O n y c h o m a n t i e wird öl, mit Ruß vermischt, auf den Daumennagel gesalbt, um hier die Geister zur Erscheinung zu bringen 74). Bei der Beschwörung des Erzengel Uriel wird einem unschuldigen Knaben oder einer keuschen Jungfrau Baumöl auf die rechte Handfläche gestrichen ; Uriel erscheint •dann in der ölfläche 75 ). Ein Kreuz aus Olivenöl wird dagegen bei der K r i s t a l l o m a n t i e auf einen Kristall gemacht 7e ). Auch bei den bei der Beschwörung notwendigen Räucherungen wurde ö l öfters verwendet 77 ). — Harmloser dagegen ist es, wenn man aus dem Verschütten von ö l Unglück und Tod prophezeit 78 ). x ) L a m m e r t 87; B a r t s c h Mecklenburg 2, 382. 2 ) D i o s c u r i d e s 151, 1, 136; H o v o r k a K r o n f e l d x, 329. 3 ) H o v o r k a - K r o n i e l d 1, 169. 4 ) D i o s c u r i d e s 151, 1, 1 4 0 ! ; P l i n i u s 543. 15, 9 ; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 3 2 9 !

öl

1244 ) D i o s c u r i d e s 151, 1, 140; H o v o r k a K r o n f e l d ι, 329. 6 ) ZrwVk. 1913, 193. 7 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 382. 8 ) J o h n Westböhmen 210. 8 ) L e u n i s Synopsis der Pflanzenkunde (Hannover 1877), 524. 10 ) Mieser Kräuterbuch 59 Nr. 85. u ) L e u n i s a. a. O. 524; H o v o r k a - K r o n f e l d ι , 330. l a ) ZrwVk. ι (1904), 100. 1 3 ) Mieser Kräuterbuch 43 Nr. 24. 14 ) E b d . 59 Nr. 86. 16 ) ZVfVk. 24 (1914), 297. l e ) H o v o r k a - K r o n f e l d ι , 330. 17 ) L a m m e r t 87. 18 ) Ebd. 242. «>) ZfrwVk. i , 200; W i r t h Bei18b träge 2/3, 8. ) ZfrwVk. ι (1904), 201. le ) A b t Apuleius ηιί. 146. i 6 i ; D i e l s Sibyllinische Blätter 120; S a m t e r Familienfeste 38f. 82I; S t e n g e l Kultusaltertümer 142; B i l finger 2, 37; D i e t e r i c h Kl. Schriften 338fí. ; R o h d e Psyche 1, 226; 2, 72, 1; G r u p p e Griech. Mythologie 893; A R w . 20, 20) 396; P a u l y - W i s s o w a 11, 2, 2169. W ä c h t e r Reinheit 25. a l ) S a m t e r Familienfeste 35. 37ff. 44. 8off.; d e r s . Religion 60; K e r n Religion der Griechen 174; Rohde Psyche 2, 72, 1; M a y e r öl 21 ff.; A b t Apuleius 71 f.; W ä c h t e r Reinheit 28; D i e l s Sibyll. Blätter 120. " ) M a y e r Öl 2 i f i . 23 ) Ebd. 23; R o h d e Psyche 2, 72, 1. M a y e r a. a. O. 36ft.; B a b i k de deisidaimonia veterum quaest. Diss. Leipzig 1891, 8; d e V i s s e r 38. 59. 82; S t o c k Griechische Weihgebräuche, Würzburg I 9 ° 5 . 33; H e n z e n acta fratrum Arvalium 14; A R w . 7 (1904), 33; 9 (1906), 143fií.; S é b i l l o t Folk-Lore 1, 342; 4, 65; D ö l g e r Exorzismus 1 3 7 0 . ; S c h r ö d e r Germanentum 121 ff.; W e i n h o l d Nordisches Leben 421; S a u p e In2S diculus 31. ) A R w . 9 (1906), I43ff. 2e ) W a i t z Deutsche Verfassungsgeschichte 3, 64ff. 27 ) U s e n e r Kl. Schriften 4, 405. 2 'a) ZföVk. 10 (1904), 97. 28 ) A R w . 4, 1 3 9 , 2 ; R e i t z e n s t e i n Vorgesch. d. ehr. Taufe 9. 171. 183. 2*) S e l i g m a n n Blick 2 , 7 8 1 ; W u t t k e 4 8 7 § 777; B i r l i n g e r Schwaben 1, 432. 30 ) K r a u ß Religiöser Brauch 118; d e r s . Volkforschungen 8 i f . 31 ) S a m t e r Geburt 140.143. 32 ) M a n n h a r d t 227; A R w . 20 (1920), n g f . 396. 33 ) Ebd. 396. M ) F r a n z Benediktionen 1,480f. 5 0 5 ! 36 ) Vgl. ebd. 1, 495 Nr. 15 benedic etiam et hos ramos palmae 5

et olivae u t in quemeumque locum introdueti fuerint, t u a m benedictionem habitatores loci illius omnes consequantur ita, ut omni adversa valetudine effugata d e x t e r a t u a protegat quos redemit; vgl. ebd. 496, 16; 484; 492 Nr. 7. 3β ) M a n n h a r d t 291 ; Z i n g e r l e Tirol 147, 1246; 109, 942 f.; F r a n z Benediktionen 1, 505 f.; J a h n 81; W u t t k e 142 f. § 196; R e i n s b e r g 37 Böhmen i n . ) M a n n h a r d t 289; Z i n g e r l e Tirol 109, 938; M e y e r Aberglaube 213; K a p f f 3e Festgebräuche 60. ) Mannhardt 291; P a n z e r 2, 212, 380; F r a n z Benediktionen 506. 3 ·) F r a n z a. a. O. 1, 506; P a n z e r 2, 189. 40 41 ) M a n n h a r d t 287. ) Birlinger Aus 42 Schwaben 1, 74, 88 . ) M a n n h a r d t 290; R e i n s b e r g Böhmen i n . F r a n z a. a. O. 1, 506; M a n n h a r d t 290. **) F r a n z a . a . O . ι , 506; P a n z e r 2, 79. 207. 213; J a h n 60, 142; G r o h m a n n 227; M a n n h a r d t 288; Z i n g e r l e

1245

Olafsminne—ölbergspruch

Tirol 109. 115. 939. 1018; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 116 fl.; S t r a c k e r j a n 1, 63. 67; 2, 40. 308; LandsteinerNteácró'síe»re¿cA 43; ZfdMyth. 3, 338; ZföVk. 1897, 45. 45 ) K n u c h e l Umwandlung 86 f. 4e ) F r a n z Benediktionen i, 67 f. 352 fí.; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 426 f.; SAVk. 21 (1917), 204. ") M e y e r Baden 388. 4e ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 425. 49 ) Urquell 3 (1892), 149. 60) med. 3, 23 ed. R i t t e r 107. M ) D ö l g e r Exorzismus 136 f.; F r a n z a . a . O . 2, 542. 566. 609 f.; I, 67. 52 ) F r a n z a . a . O . 1, 358 ff.; SAVk. 22, 191; R o c h h o l z Gaugöttinnen 127; M a i n e c h i - S e g m ü l l e r Handbuch d. christl. Archaeologie 94 f. 139 fi.; K r a u s Real-Enz. 2, 522 f. 53) G r e g o r v. T o u r s d. mirac. s. Martini 1, 34; M e y e r Aberglaube 95 f. 106. I4 ) G r e g o r v. T o u r s 3, 18; M e y e r Aberglaube 168 f. 247. " ) G r e g o r v. T o u r s hist, franc. 4, 36; P a u l . D i a c o n . gest. Langob. 2, 13; M e y e r Aberglaube 168. 5 ·) SAVk. 22, 191. ") B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 428. ie ) Ebd. I, 428. 59) L a m m e r t 138 f. e°) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 428. ") W u t t k e 349 § 5 2 2 · e2 ) R o c h h o l z Gaugöttinnen 7 ff. 12 f.; M e y e r Aberglaube 98; L a m m e r t 26. ·*) Z a c h a r i a e Kl. Schriften 373; E b e r m a n n Blutsegen 35 ff.; F r a n z Benediktionen 2, 512; K ö h l e r Kl. Schriften 3, 552 ff. **) F r a n z Benediktionen 1, 477; R o c h h o l z Gaugöttinnen 13; K l a p p e r Erzählungen 269, 21 ff. · 5 ) M e y e r Aberglaube 255; F e h r Aberglaube 146. 67 ··) H a n s e n Hexenwahn 48, 28. ) Ebd. ββ 49, 6. ) R o c h h o l z Gaugöttinnen 78; S c h ö n w e r t h Oberpfalz i, 372. ··) G r i l l a n d u s de sortilegiis 3, 20; M e y e r Aberglaube 255. ,0 ) K i e s e w e t t e r Faust 343. 71 ) Ebd. 444 f. 72 ) W e i e r de praest. daemon. 2, 15 (p. 127 d. deutsch. Übersetzung, Frankfurt 1586); A b t Apuleius 215 f.; ZVfk. 15 (1905), 85. ") S e l i g m a n n Blick ι, 256 f. 74) K i e s e w e t t e r Faust 477 f. 75) K i e s e w e t t e r a. a. O. 342. 7 ·) Höllenzwang c. 72; K i e s e w e t t e r a . a . O . 466. " ) E c k a r t s h a u s e n Aufschlüsse über Magie 2, 378; K i e s e w e t t e r a . a . O . 445. 78 ) W u t t k e 211 § 293; R o s e g g e r Steiermark 63; ARw. 9, 513; S c h n e l l e r Wälschtirol 244, 55. Zepf.

Olafsminne. Die Minne des Heiligen Olaf zu trinken 1 ), war begreiflicherweise nur im westlichen Skandinavien üblich. Norwegische Olafsgilden pflegten sie an ihren Feiertagen in kultischer Weise auszubringen z ). Darüber hinaus scheint sie sich großer Beliebtheit im Volke erfreut zu haben; eine Verordnung aus dem 13. J h . 3 ) bestimmt, daß beim weihnachtlichen Minnetrunk auf Olaf das Horn (statt des Bechers) zu benutzen sei, eine andere, etwas spätere befiehlt ausdrücklich die Feier der O. für Island, die unter Freude und Lustbarkeit begangen werden

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solle 4 ). Für Deutschland ist die Sitte natürlicherweise nicht belegt.

!) Vgl. den Artikel Minne. 2) Ε. H. M e y e r German. Mythologie 186. 3 ) NgL. 2, 445. 4 ) Dipl. island. 2, 329 (Zeit: um 1300). Mackensen.

Ölbaum (Olea europaea). Als Baum des Orients und (später) der Mittelmeerländer ist der ö . ebenso wie seine Frucht, die Olive, dem deutschen Aberglauben fremd. Im Glauben und Brauchtum des klassischen Altertums spielte der ö . eine große Rolle *). In Südeuropa, besonders in Italien, gelten die am Palmsonntag geweihten ö.zweige als „ P a l m " (s. d.). Sie schützen das Haus vor Blitzschlag und sonstigem Unheil 2 ). Das in die Zauberliteratur übergegangene Rezept, bei Fieber auf ein ö.blatt die Buchstaben Ka, Roi, A zu schreiben und dann das Blatt dem Kranken umzuhängen ®), stammt aus Alexander von Tralles (6. J h . n. Chr.) 4 ). 1 ) S c h r ä d e r Reallexikon2 2, 130—133; T h e o b a l d F i s c h e r Der Ölbaum, Ergänzungsheft Nr. 147 zu Petermanns Mitteil. 1904; L a k o n Der Ölbaum u. seine Geschichte in: Aus der Natur 7 (1912), 579—588; T s c h i r c h Hb.d. Pharmakognosie 2 (1917), 623 f.; L a w s o n Mod. Greek Folklore 1910, 498 f.; R o h d e Psyche 2, 440. 2 ) R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Ethnogr. Kuriositäten 2 (1879), 3. 122; P i t r è Usi 3, 264; ZföVk. I i , 123. 3 ) T h i e r s Traité 1, 435 = R o l l a n d Flore pop. 8, 5. 4) hrsg. von Puschmann 1 (1878), 406. Marzell.

Ölbergspruch, ein alter „Waffensegen", ein Schutzspruch gegen Schwerter und Schußwaffen, benannt nach der Eingangsformel: „ S o wie Christus im ölgarten stille stand, so sollen alle Geschütze stille stehen". Zum alten Spruch gehörten wohl Anweisungen zum Gebrauch : Man soll den „ B r i e f " einem Hunde anbinden und dann auf ihn schießen — oder man soll die Formel auf Degen und Gewehr schreiben, um zu sehen, daß die Waffen machtlos geworden sind 1 ). Mit diesem alten Zauber sind durch seine Einfügung in den Himmelsbrief (s. Holstein-Typus) das Gebot der Sonntagsheiligung und verschiedene sittliche Gebote verbunden. Daran schließt sich Verbüßung der Sündenvergebung und der besondere Schutz für Schwangere 2 ). Eine ganz andere Besprechungsformel, ein

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Ölgötz

Schutzspruch für das Vieh gegen Raserei, knüpft auch an Jesus auf dem ölberg an, gibt eine sonst unbekannte Legende : „Es ging der Herr Jesus auf den ölberg; es nahm der Herr Jesus ein weißes Stöckchen in seine allerheiligste Hand, da befielen ihn tolle Hunde, sie rissen dem Herrn Jesus die Kleider entzwei und dem heiligen Leibe geschah nichts". So soll auch durch die Hilfe Jesu dem Vieh nichts „von der Raserei" geschehen 3 ). Zauberkraft wohnt auch den Kräutern vom ölberg und Kalvarienberge inne, die Mönche mitgebracht haben. Sie sind ein Mittel gegen Gicht 4 ). Urquell 1 (1890), 366; MschlesVk. 18 (1907), 36; Brandenburgia 1916, 1 7 3 ; ZrwVk. 1907, 97; 1914, 298; B a r t s c h Mecklenburg 2, 341 f.; J o h n Westböhmen 302. S t ü b e Himmelsbrief 8; MschlesVk. 13/14, 604 ff. 2 ) Mitt. Anhalt. Gesch. 14, 3. s ) F r i s c h bier Hexenspr. 28. 4) M e y e r Baden 38. Ί- Stübe.

Ölgötz hieß in Schmerikon (St. Gallen) ein in Tannenreisig gekleideter Strohmann, ein Vegetationsdämon 1 ). In Franken war der ö . eine aus Holz geschnitzte Figur an Bäumen, so daß Höf1er sogar an einen Baumgötzen denkt 2 ) ; in Thüringen nannte man figurai gestaltete Ausflußröhren für das ö l in der Ölmühle ö.n 3 ). Sonst gilt der Ausdruck für einen törichten, plumpen'" Menschen als Schimpfwort 4 ). Bei der bis heute ziemlich ungeklärten Bedeutung und Ableitung des Wortes ö . ist es nötig, ganz kurz auf die bisherigen Erklärungsversuche einzugehen. ö . wird im 16. und 17. Jh. für Bildsäule gebraucht 5 ). Es erscheint zuerst bei Luther, und zwar für den katholischen Priester als Schimpf, mit Rücksicht auf die Weihe mit öl, aber auch einfach für Holz-Heiligenbild (angeblich wegen des ölanstrichs e )) und dann öfter 7 ); es hat Bedeutungen wie Götze 8 ), dessen Etymologie selbst noch nicht zur Befriedigimg geklärt ist. Nach Weinhold, der ö . von Öl-Getze (ölgetz, ölgatz), in ö l gebackene Speise, ableitet ·), hätte das Wort mit Götze keine Gemeinschaft; in Thüringen hieß ein Gebäck schlankweg ö. 1 0 ), im Egerland kennt man den Getzen, ein in der Pfanne

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bereitetes Mehlgebäck 11 ) ; für diese Ableitung scheint zu sprechen, daß Götzenformen als Backwerk 12 ), auch mit ö l beschmiert 13), wiederholt auftauchen. Anderseits gab es den Brauch, ein Strohbild vor den Herd zu stellen, auf dem gebacken wurde, und es je nach dem Wetter mit Butter oder Unrat zu bestreichen 14 ). E i n Erklärungsversuch muß noch kurz berührt werden: ö l ist ein ausgehöhlter Stamm, der als Brunnentrog gebraucht wird 1B ) ; dazu könnte gehalten werden : gätze = Wassergeschirr 1β ) ; in einem Augsburger Inventar finden wir ein „plechenes ölgätzerl" 17 ). Der einzig ratsame Weg aber dürfte ausgehen von der bei H. Sachs häufig vorkommenden Wendung „den ö.n tragen" = Pantoffelknechtsdienste tun, im Hause demütigend arbeiten 18). Daraus ergibt sich, daß der ö . ein G e r ä t vorstellte. Agricola deutet ja den ö . als „ein Stock und ein Holtz, das geferbt, ölgetrenkt ist" 1β), und für das Hennebergische ist der ö . als ein mit ö l besudelter Pfosten, woran die Lampe hing, belegt 20 ) ; in der Weststeiermark (gegen die jugoslaw. Grenze) nennt man Ö. eine Öllicht-Trägerfigur, die mit den auf den Kopf gestützten Händen ein Gefäß für das Lichtöl trägt 2 1 ), und das Licht- oder Kerzennachtragen gilt in bäuerlichen Kreisen heute noch als Zeichen der Unterwürfigkeit 22). Dazu stimmt auffällig die bei Sanders 23 ) ausgehobene Stelle, wo ö . zwischen L e u c h t e r n und T i e g e l n gereiht erscheint. Übrigens wurden Puppen (Götzen)formen als Licht- und Spannhalter benutzt 2 4 ) ; im steirischen Volkskundemuseum steht ein grobgeformter Tonkopf, dessen Mund zum Halten des Lichtspans diente; die Figur heißt Geanmäul, Maulauf 28 ). Wir stehen daher mit unserem ö . wohl vor einer primitiven Gerätform, die ihren Zusammenhang mit dem Götzenstrunk oder Götzenpfahl nicht verleugnen kann; der Ausdruck ist gewiß von Luther nicht g e b i l d e t worden (so meint nämlich Paul) 2 β ), sondern vielmehr aus der Volkssprache übernommen und umgedeutet worden, wo er eben einen aller Welt be-

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Oliver—Om

I25O

kannten und sehr wichtigen Gebrauchsgegenstand bezeichnete 27 ). Somit wäre auch eine getrennte Behandlung des Wortes in den Wendungen „dastehen wie ein ö . " und „den ö . nachtragen" nicht mehr vonnöten.

Augen, Ohren, Nase, Mund, Hände, Füße; die Salbung der Lenden ist jetzt weggefallen. Dabei betet der Priester, Gott möge dem Kranken die Sünden vergeben, welche er mit den betr. Gliedern beging. Empfangen soll man die letzte Ölung in jeder schweren Krankheit „zur ! ) H ö f l e r Fastnacht 78. 2 ) H ö f l e r Waldkult 3, 63. 8 ) DWb. 7, 1279; vgl. den Ausdruck Gesundung des Leibes", wie das Ritual „Tattermann" (s. dort) für Brunnenstock u. ä. sagt. Dabei liegt die antike Anschauung s «) P a u l Wb. 386 f. ; A d e l u n g Wb. 3, 5 8 1 ; Zfdvon der Heilkraft des Öles zugrunde Myth. 2 , 1 8 9 f . 5 ) Grimm Mythologie 1,12; DWb. (vgl. Spalte i24iff.). Der mißverständ7, 1278 f. e ) MschlesVk. 13/14, 453 f. = P a u l Wb.* 386 f.; DWb. 7, 1278. ' ) Vgl. E m h o f er liche Name, 1. Ö., hat jedoch beim Volk Nothwendige . . . Klag- und Beschmerdeschrifft die Meinung erweckt, daß, wer sie emp(Grätz 1592) 95; Scherer Ein Christliches fange, auch sterben müsse 1 ), weshalb Gesprech von den Taufjceremonien . . . (Grätz der Kranke und dessen Angehörige sich 1588) 87 (von der Taufsalbung abgeleitet). · ) P a u l Wb,3 2 1 9 ; vgl. Sanders Wb. 1, 612 öfters gegen die Spendung sträuben. (Götze). ») Schmeller BayWb. 1, 180 = Andererseits legt man ihr aber wieder so10 W e i n h o l d Schles. Wb. 27. ) Grimm Mythol. viel Wert bei, daß man glaubt, es müsse 12 I, 12. " ) DWb. 4, ι, 1 5 1 5 . ) Liebrecht Zur Volksk. 437; Sanders Wb. Erg.-Band 234. j jeder, der stirbt, ohne sie empfangen zu 13) Grimm Mythol. 1, 5 1 . 14 ) Ebd. 1, 51. haben, als ruhloser Geist umgehen 2 ). " ) Castelli Wb. 2 1 2 ; Schmeller BayWb. 1, 61. « ) Schweiz Id. 2, 572 f. 17) DWb. 4, 1, 1 5 1 6 . " ) DWb. 7, 1279; Sanders Wb. Erg.-B. 234; Schmeller BayWb. 1, 62. l s ) Grimm Mythol. I, 1 2 ; vgl. DWb. 7, 1279. 20) A d e l u n g Wb. 3, 5 8 1 ; DWb. 7, 1279; Heinsius Wb. 3, 743. 21 ) Mündliche Nachricht 1927; vgl. Liechtgötz, Schweizld. 2, 581. 22) Mündliche Nachricht 1927. ω ) ι, 6 1 2 . 21) W e i n h o l d Frauen i, 1 0 1 . 25) Vgl. ZföVk. 3 1 , 6; sachlich zu vgl. die Fratzenkrüge (Kopfgefäße) Spieß Bauernkunst 122 (Abbildung Nr. 67). 2e ) Paul Wb.3 386 f. « ) Vgl. Schweizld. 2, 580 f., wo L i c h t s t o c k als erste Bedeutung für ö . gebracht ist. Für die hier vertretene Annahme spricht auch die Wendung : „ H e steit dar as éne Lüchterpípe" (Leuchterröhre, in der das Licht steckt); siehe R i c h e y Idioticon Hamburgense (Hamburg 1755) 185. Webinger.

Oliver heißt in einer von Caesarius v. Heisterbach 1 ) erzählten nekromantischen Beschwörung zu Toledo ein Dämon, der als curialis, Höfling, des Teufels bezeichnet wird. Es ist wohl der gleiche, der bei den Litaneien des Sabbaths der Zauberer angerufen wurde als : Olivier, prince des archanges 2 ).

l ) Dialog. 5, 4. 35. 2) Collin de P l a n c y Dictionnaire infernal (1850) 306, nach G a r i n e t Histoire de la magie en France. Jacoby.

Ölung, letzte (extrema unctio), so genannt, weil sie rein äußerlich in der Reihenfolge der liturgischen Salbungen an letzter Stelle aufgezählt wird. Sie ist alte, christliche Sitte und wird aus Jac. 5 , 1 4 hergeleitet. Gesalbt werden Blchtold-StSubli, Aberglaube VI

1 ) B i r l i n g e r ^ w s Schwaben 1, 413. 2 ) W u t t k e 476 § 758· Schneider.

Om, mystischer Gottesname im Herpentil (s. d.) 1 ), Fausts Höllenzwang (s. d.) 2 ) und auf Erdspiegeln s ), stets in Gesellschaft mit anderen hebräischen Gottesnamen : + Om + Elohim + Adonai usw. Horst 4 ) denkt an das indische Oum (Om), das bekannte mystische Wort 5 ), auch Wünsch e ) deutet so. Ist das Wort richtig geschrieben, so wäre es wohl durch D I X „Wurzel, Schoß, Anfang, Wesen (der Dinge)" 7 ) zu deuten. Doch kann es auch Schreibfehler für On (s.d.) sein ; das gleiche Gebet, das in Horsts Höllenzwang steht, schreibt in einem Höllenzwang bei Scheible 8 ) : Onn, und in des Petrus von Abano Heptameron 9) : On, auch der Herpentil zeigt auf der Abbildung des magischen Kreises 1 0 ): On. 1 ) G. C. H o r s t Zauber-Bibliothek 1 (1821), 165. 2 ) H o r s t a.a.O. 2 (1821), 1 1 4 . 136. 3 ) HessBl. 3 (1905), 156 nach M a n n h a r d t Zauberglaube 125. 4 ) a. a. Ο. i, 165. 5 ) P. Deußen Die Philosophie der Upanishad's (1920), 349 u. ö. ; Indiens Religion der Sanatara-Dharma (Halle der Religionen 1, 1923), 33 u. ö. e ) HessBl. a. a. O. 159. 7 ) B u x t o r f Lexicon chaldaicum (ed. Fischer 1879), 24; G. D a l m a n Aramäisch-neuhebräisches Handwörterbuch (1922), 9. 8 ) Kloster 2, 887. *) A g r i p p a v o n N e t t e s h e i m 4, 124; Scheible Kloster 3, 597. 10) H o r s t a. a. O. 2, 103. Jacoby. 40

I252

Omen—Onyx Omen, a u s lat. „vorbedeutendes Zeichen", im Sprachgebrauch heut meist durch „Vorzeichen", „Vorbedeutung", „ A n z e i c h e n " und ähnliche Bezeichnungen verdrängt. Doch glaube ich mich recht zu erinnern, wenn ich behaupte, in meiner Kinderzeit die Wendung „ ' s ohmt m i r " in Schlesien gehört zu haben. D a s Adjektiv „ o m i n ö s " aus lat. ominosus will meist „nichts Gutes vorbedeuten" ausdrücken1). O. wird in der Forschung heut im weitesten Sinne für „Vorzeichen" a n g e w a n d t 2 ) ; der Religionswissenschaftler A . Jeremias gebraucht O. für die Vorzeichen, welche die „Vorzeichenwissens c h a f t " deutet und über die sie systematisch geordnete Lehren und Deutungen besitzt, so kennt er „astrologische und meteorologische Omina", die in einem großen Werke der Bibliothek Asurbanipals erhalten sind 3 ) usw. Das verlagert m. E . das Schwergewicht, denn gerade in unserm Sprachgebrauch liegt es, daß O. ungefragt erscheinen. Auf welche Quelle sich die Angabe gründet, es habe im alten R o m besonders ein zufällig ausgesprochenes Wort, das sie als vorbedeutend auffaßten, als O. gegolten 4 ), vermag ich nicht zu sagen. Vgl. Vorahnung, Vorbedeutung, Vorzeichen. G r i m m DWb. 7, 1288. a ) P r e u ß Naturvölker 65; J e r e m i a s Religgesch.

50 ff. 78. I46f.

179. 226. 235. 254; T y l o r Cultur 1, 98. 117 ff.

144. 442; F r a z e r Totemism 4, 360; H a l l a u e r

3 Chansons de geste 44 ff. u s w . ) Jeremias Religgesch. s o f f . 78. 146f. 179. 226. 235. 254. 4 ) M e y e r Lexikon 8 (1928), 1653. Peuckert.

Omophagie s. Nachtrag. On, eine Bezeichnung Gottes: primum nomen d o m i n i 1 ) . Der Name geht zurück auf die von den Septuaginta Sx. 3, 14 für das hebr. (s. Eschereie) gegebene Übersetzung 6 ών, die durch ihren Anklang an die philosophische Begriffsbestimmung t i ov (vgl. Plato, Timaeus p. 2 7 2 ) ) , bei Philo von Alexandrien 8) eine große Rolle spielt und von ihm aus in die christliche Theologie überging. E r fand den W e g in die Wettersegen *) und andere Formeln ζ. B . gegen Epilepsie 8 ) : + On confortât + panton (== ποίνχ[α]ών) durât, quod tedet + detra-

grammaton réconciliât, quod discordât etc., ferner ·) : On + Coriscion (κορισχιον „ M ä d c h e n " ; Maria?) + etc., o d e r 7 ) : On Anaton ( = Panton) thetra gramaton onicus est deus, u n d 8 ) : on pater on filius on spiritus sanctus etc. (folgen Symbolnamen Jesu mit on verbunden). *) F r a n z Benediktionen 2, 87. 101 ist wohl zu lesen Ήλ[ί] Ήλιοι, nicht On (hd. En). ) P l a t . Opp. ed. S t a l l b a u m 7 (1838), i n ; vgl. a u c h J . K r o l l Die Lehren des Hermes 2

Trismegistos

(1914), 14. 47.

§ I i W e n d l a n d 3,

3)

De mut.

nom.

141; Quod det. pot.

ins.

§ 160 Cohen 1, 276. De vita Mosis 1 § 75 Cohen 4, 115. 4) F r a n z a. a. O. 87. ·) F r a n z a. a. O. 503; vgl. zu πάντ[α] ών P h i l o ν. Alex, είς καΐ τό πάν αότ Nam e n l ö s c h e n (H, B) 309), Abarten des oben genannten Z e t t e l s c h r e i b e n s 3 1 0 ) u. a. (s. ABC). Diese Formen leiten über zu dem B ü c h e r s t e c h e n (H, Z) und zur Bibellotterie311) (s. Bibel, Gebetbuch). Beim Buchstabengreifen schreiben die Mädchen die 24 Buchstaben des Alphabets mit geweihter Kreide an die Tür und greifen mit verbundenen Augen darnach ; der getroffene Buchstabe ist der Anfangsbuchstabe des künftig Geliebten (Schles.) 312 ). Um Glogau ist das Z e t t e l q u i r l e n üblich: Die Mädchen werfen beschriebene Zettel in einen Topf und quirlen sie gehörig durcheinander; wessen Name zuerst herausfliegt, den wird das Mädchen heiraten 3 1 3 ). 21. Andere O.-Arten: Das bekannte Z w i e b e l - O . dient zur Erforschung der Witterung des Jahres 3 1 4 ). Auch Hochzeits-O. werden damit angestellt: Die Mädchen stellen vier Zwiebeln in die Winkel der Stube und geben ihnen Namen von Junggesellen; die Zwiebeln lassen sie stehen von Weihnachten bis zum Dreikönigstag. Wessen Zwiebel nun keimt, der wird sich als Freier melden; ist keine ausgeschlagen, so kommt keine Hochzeit zustande 31S ). Das bekannte G a n s b e i n - O . dient vorwiegend zur Erkundung der Witterung 3 1 6 ) des Winters, aber Gansknochen geben auch über früheren oder späteren Eintritt des Todes Auskunft (Böhmen) 317 ) (s. Martinsgans). 22. O.-Arten dieser Gruppe zeigen stark mantischen Einschlag im oben angedeuteten Sinne. Die Beispiele sind beliebig ausgewählt . Die Wahrsagung aus dem K a f f e e s a t z (s. Kaffee) 3 1 8 ), das P u n k t i e r e n 3 1 9 ) (s. Geomantie), S p i e g e l - W a h r s a g u n g mit Hilfe eines Zauberspiegels 320) (s. Katoptromantie), die Verwendung der sogen. Zauber-

1289

129Ο

Orakel

s c h ü s s e l 3 2 1 ) , das E r b s i e b und E r b s c h l ü s s e l d r e h e n 3 2 2 ) zeigen in manchen Varianten vielfach soviel Kunstmäßiges, daß man sie nur bedingterweise als O. im definierten Sinne ansehen kann. Wie verschieden ist doch, bei sonst gleichen Elementen, das oben herangezogene Eheringklingen von dem R i n g o r a k e l : Wenn (ein Bursche oder, der häufigere Fall) ein Mädchen zu erforschen wünscht, wie lange (er oder) sie noch ledig bleiben wird, so erbitten sie sich von verheirateten Bekannten für den Abend des Andreastages einen Ehering. Diesen befestigt die fragende Person an einem ihrer Kopfhaare und läßt ihn in ein zu drei Vierteilen mit Wasser gefülltes Glas so hineinhängen, daß der Ring in der Mitte des Glases etwa 1 / 2 cm über dem Wasser schwebt. Der Ring beginnt nun bald Bewegungen auszuführen, die bald rascher, bald langsamer eintreten und endlich durchführen, daß er an die Wandung des Glases anschlägt. Das erfordert oft sehr viel Geduld. Schlägt der Ring bloß einmal und nachher nicht mehr, so muß die 0.-Sucherin bis zur Heirat noch ein Jahr warten. Schlägt er aber im genauen T a k t ein-, zwei-, dreimal usw., so bedeutet dies, daß die entsprechende Anzahl von Jahren bis zur Hochzeit verstreichen wird. Schlägt er trotz aller Geduld gar nicht, so daß man aus Ermüdung das Verfahren einstellt, so bedeutet es, daß man ledig bleiben wird trotz mehrerer Freier (Schweiz, Tirol) 323 ) (s. Hydromantie). Schließlich vgl. man noch die oben unter Traum-O. gegebenen einfachen Formen des Zitierzaubers mit der an Nekromantie (s. d.) streifenden S c h i c k s a l s f r a g e : Ein Mädchen wollte durch die Schicksalsfrage erfahren, ob ihr Liebster, von dem sie lange Jahre nichts erfahren hatte, noch treu sei. Auf den R a t eines alten Weibes stellte sie die Schicksalsfrage. A l s Vater und Mutter am hl. Abend zur Mette gegangen waren, zog sie ihr bestes Kleid an und legte den Myrthenkranz, den sie schon hatte, auf ihr Haar. Darauf stellte sie auf den Tisch ein Kreuz und rechts und links daneben eine brennende Kerze. Dann kniete sie

davor nieder und betete das „Veronikagebet". D a schlug es zwölf. Ein „ j a c h e r " Windstoß riß die T ü r auf, und ein kalter Schauer kam heran. Erschrocken schaute sich die „ D i r n " um. D a sah sie ihren „ B u " in der T ü r stehen, bleich im Gesicht, mit geisterhaften toten Augen. Jach stieß sie einen Schrei aus und schlug zusammen. Bald nachher starb „ s i e " (Iglauer Sprachinsel) 324 ). S. die einzelnen Mantikarten, werfen, Würfel-O. 183 ) P e t e r Österreichisch-Schlesien 2, 214. 1M

) E r z g e b . - Z t g . 13 (1892), 157. 244; 21 (1900), 186

246; 23 (1902), 280. ) V e r n a l e k e n Mythen 285 Nr. 4. «·) DHmt. 4 (1908), 79 = J o h n

Westböhmen

5 f.

187

13 (1892),

) Erzgeb.-Ztg. 188

) P e t e r a. a. O. 2, 2 1 3 ; Erzgeb.-Ztg. 16 (1895), 180 117. ) V e r n a l e k e n a. a. O. 339 Nr. 29. lel ) W u t t k e § 329. " 2 ) Ebda. § 330. 193) Ebda. § 329. l ") Ebda. § 180. 195) MVerBöhm. 22 19e (1884), 251 f. ) Ebda. 6 (1868), 48; Grimm Mythol. 3, 437 Nr. 97; 454 Nr. 579. 1 ") Reinsberg Böhmen 13; J o h n Westböhmen 2 ; Grimm 198 Mythol. 3, 432. ) MVerBöhm. 22 (1884), 251. 1β·) P e t e r a. a. O. 2, 214. 200) H o v o r k a K r o n f e l d 1, 343. 344. 201) Ebda, τ, 343. 202 ) Ebda, ι, 344 = Meyer Baden 165. 203) Wilh e l m Karlsbad-Duppau 47; W u t t k e § 340. 2M ) W i l h e l m a. a. O. 35. 206) J o h n West264; 18 (1897), 133. J o h n a. a. O. 4. 18e)

böhmen 3.

2oe

) G r i m m Mythol.

3, 464 Nr. 848.

') P e t e r a. a. O. 2, 214. 208) Erzgeb.-Ztg. 16 20 (1895), 64. 117. ·) R e i n s b e r g Böhmen = V e r n a l e k e n Mythen 349 Nr. 58. 210) Riesengebirge in Wort u. Bild 10 (1890), 20 Nr. 193. 2U ) Ebda. Nr. 192. 212) P e t e r Österreichisch213 Schlesien 2, 2 1 4 f. ) W u t t k e § 3 2 8 . 2 U ) Ebd. 20

§ 329.

2l6

) Z f ö V k . 2 (1896), 168.

»·) Verna-

l e k e n Mythen 355 Nr. 84; vgl. KHM. 63 u. B o l t e - P o l f v k a 2, 37 f. 21 ') Erzgeb.-Ztg. 218 13 (1892), 242. ) D ä h n h a r d t Volkst. 2, 79 Nr. 315. 2W) P e t e r österr.-Schlesien 2, 220 260; MVerBöh. 22 (1884), 122. ) ZfVk. 10 (1900), 89; W u t t k e

§ 329; J o h n

§ 329.

221

)

Wuttke

Erzgebirge 152. 222) P e t e r Österr.-Schlesien 2, 264; MVerBöhm. 22 (1884), 223 121. ) Riesengeb. i. W. u. B. 10 (1890), 20 Nr. 194. 224) Grimm Mythol. 3, 437 Nr. 102; V e r n a l e k e n Mythen 346 Nr. 53. 225) Drechsler Schlesien 1, 7. 22β) DHmt. 4 (1908), 7 7 ; V e r n a l e k e n a. a. O. 330 Nr. 5. aa') Erzgeb.Ztg. 16 (1895), 64· 228) ZfVk. 4 (1894), 318. 22> ) V e r n a l e k e n a. a. O. 343 Nr. 46; 337 Nr. 19. 23 °) Grimm Mythol. 3, 469 Nr. 952; W u t t k e § 337· 231) J o h n Westböhmen 2; V e r n a l e k e n a. a. O. 354 f. Nr. 81; P e t e r österr.-Schlesien 2, 215; s. Anm. 146. 232) J o h n Westböhmen 8. 23S ) Ebda. 4; W u t t k e § 365; D ä h n h a r d t Volkst.

ι , 84 Nr. 4.

23

*) J o h n Westböhmen

18.

"») W u t t k e § 367; D ä h n h a r d t Volkst. 1, 84 Nr. 4; I, 85 Nr. 5. 6. » · ) DHmt. 4 (1908), 7 8 ; Riesengeb. i. W. u. B. 10 (1890), 20 Nr.202;

Orakel E r z g e b . - Z t g . 2 8 ( 1 9 0 7 ) , 6 4 ; R e i n s b e r g Böhmen 5 5 0 . 237 ) V e r n a l e k e n a . a . O. 3 2 9 N r . 3 . 23e ) E b d a . 3 4 1 f. N r . 4 2 ; W u t t k e § 3 5 9 . 2 3 » ) J o h n Westböhmen 8. 2 4 0 ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 1 6 6 ; D r e c h s l e r Schlesien 1 , 4 . 241 ) J o h n Westböhmen3. 242 ) E g e r l a n d 1 ( 1 8 9 7 ) , 2 8 . 243 ) E r z g e b . Z t g . 1 8 ( 1 8 9 7 ) , 2 7 4 . 244 ) W u t t k e § 3 5 8 . 2 4 6 ) Erzgeb.-Ztg. 2 1 ( 1 9 0 0 ) , 2 4 7 ; 1 8 ( 1 8 9 7 ) , 2 7 5 . 2 7 6 ; J o h n Westböhmen 4 . 2 4 β ) W u t t k e § 3 5 8 . 247 ) H e y l Tirol 7 5 4 N r . 1 4 . 24β ) L i p p e r t Christentum 4 8 5 ; M V e r B ö h . 2 2 ( 1 8 8 4 ) , 2 5 2 . 2 5 5 . 24 ») E r z g . - Z t g . 1 3 ( 1 8 9 2 ) , 2 6 4 ( E g e r l a n d ) ; e b d a . 1 8 ( 1 8 9 7 ) , 2 7 4 ( E r z g e b . ) . 250 ) W u t t k e § 3 5 8 . 251 ) L a u f f e r Niederdeutsche Volksk. 8 7 . 1 1 5 ; D ä h n h a r d t Volkst. 1 , 7 7 f. N r . 3 ; 1 , 8 5 N r . 3 . 262 ) V e r n a l e k e n a. a. O. 3 4 1 n r . 3 8 . > » ) G r i m m Mythol. 3 , 4 5 1 N r . 5 0 7 ; W u t t k e § 3 6 2 . >»·) L i e b r e c h t Zur Volksk. 3 2 5 . 25S ) R i e s e n g e b . i. W . u. B . 1 0 ( 1 8 9 0 ) , 2 0 N r . 2 0 0 . 2 5 ·) Vgl. W u t t k e § 3 4 4 f. 2 " ) V e r n a l e k e n a . a . O. 3 1 6 N r . 4 3 ; E r z g e b . - Z t g . 2 3 ( 1 9 0 2 ) , 9 . 25e) P e t e r österr.-Schlesien 2 , 2 1 4 . 259 ) W u t t k e § 3 3 6 ; Erzgeb.-Ztg. 4 ( 1 8 8 3 ) , 1 0 6 . 2i0) ZfVk. 7 ( 1 8 9 7 ) , : 3 1 6 ; S t r a c k e r j a n 1, 1 0 5 . 2 β 1 ) V e r n a l e k e n Mythen 3 3 2 N r . 11. 2 6 2 ) J o h n Westböhmen 1 0 . : 2e3 ) P e t e r Österr .-Schlesien 2 , 2 7 3 . 2 · 4 ) G r i m m Mythol. 4 6 4 N r . 8 4 7 ; J o h n Westböhmen 4; E r z g e b . - Z t g . 1 3 ( 1 8 9 2 ) , 2 4 2 . 2e5) D ä h n h a r d t Volkst. I , 8 6 N r . 9 . 2 β β ) H e y l Tirol 7 5 8 N r . 4 1 . 267 ) Mündliche Mitteilg. von f Bürgerschuld i r e k t o r Michler. 2 · 8 ) S c h w V k . 3 , 8 9 . 2 M ) W u t t k e § 3 5 2 . 2 7 0 ) G r i m m Mythol. 3 , 4 7 0 N r . 9 5 7 .

I292

307

) Ü b e r B u c h s t a b e n z a u b e r vgl. Wünsch Antikes Zaubergerät 4 6 ff. ; ü b e r B u c h s t a b e n - O . : P r a d e l Gebete 7 0 f . ; ü b e r Zusammenhang zwischen T r a u m - O . u n d Los-O. (Bücherstechen: e b d a . 3 2 f. 7 0 . 1 4 2 ; ü b e r O r a k e l p s a l t e r e b d a . 7 1 . 308 ) W u t t k e § 3 3 3 . 3 0 9 ) J o h n Westböhmen 4 ; E r g e b . - Z t g . 2 1 ( 1 9 0 0 ) , 2 4 6 . 310) E r z g e b . - Z t g . 21 (1900), 246; 2 8 (1907), 6 3 . 3U) W u t t k e § 349· 3 1 2 ) D r e c h s l e r 1, 6 . 313 ) E b d a . I, 7 . 314 ) P e t e r österr.-Schlesien 2, 2 6 1 ; DHmt. 4 ( 1 9 0 8 ) , 1 9 5 ; W u t t k e § 3 2 9 . 315) G r i m m 31 Myth. 3 , 4 7 0 N r . 9 5 6 . ·) E b d a . 3 , 4 3 3 ; 3 , 4 4 5 Nr. 3 4 1 ; MVerBöh. 6 ( 1 8 6 8 ) , 2 0 7 . 3 1 7 ) R e i n s b e r g Böhmen 5 0 3 . 3 1 8 ) W u t t k e § 3 4 4 . 3 1 9 ) E b d . § 3 5 1 . 32 °) E b d a . § 3 5 4 . 3 2 1 ) E b d a . § 3 5 3 . 322 ) E b d a . § 3 6 8 . 3 2 3 ) S t o 11Ζauberglaube 1 7 9 f . ; W u t t k e § 3 6 8 . 324) D e u t s c h e A r b e i t i n B ö h men ι (1901/02), 2 2 3 .

XI. Gegenmaßnahmen, das O. z u v e r e i t e l n : Der Mensch will gerne das ihm durch Zukunftzeichen angedeutete Unheil abwehren. V o n solchen Versuchen berichtet die Bibel 325 ) wie das griechische Altertum 326 ), die deutsche Sage 327 ) wie das deutsche Volksmärchen 3 2 8 ). A u c h im Volksglauben der Gegenwart finden sich solche Bestrebungen 3 2 9 ). Allerdings beziehen sich diese Vereitlungsbemühungen mehr oder 271 ) J o h n Westböhmen 5 . 8 ; W u t t k e § 3 6 0 . weniger auf die sich von selbst dar272 ) J o h n Westböhmen 4 = E r z g e b . - Z t g . 2 1 In Nord( 1 9 0 0 ) , 2 4 6 . 273 ) R i e s e n g e b . i. W . u. B. 1 0 ( 1 8 9 0 ) , j bietenden Schicksalszeichen. 276 Nr. 2 0 1 . 2'4) W u t t k e § 3 5 6 . ) G r i m m | deutschland geht man, um das durch Mythol. 3 , 4 1 6 N r . 1 3 ; V e r n a l e k e n a . a. O. Eulenruf, den Holzwurm, das Stehen3 3 1 N r . 7 . 2 7 e ) J o h n Westböhmen 3 . 277 ) K ö h bleiben der U h r oder das Zerbrechen 278 l e r Voigtland 3 8 0 . ) G r i m m Mythol. 3 , 4 6 1 eines Spiegels angekündigte Unheil (Tod) N r . 7 7 4 . 2 7 e ) R i e s e n g e b . i. W . u. B . 1 0 ( 1 8 9 0 ) , N r . 1 9 8 . 2 β 0 ) W u t t k e § 3 3 6 . 2β1 ) D r e c h s l e r rückgängig zu machen, rückwärts die Schlesien 1 , 7 . 2 8 2 ) E r z g e b . - Z t g . 2 1 ( 1 9 0 0 ) Treppe hinauf 330 ). Bei der Hochzeit ω3 247. ) G r i m m Mythol. 3 , 4 1 8 N r . 4 3 ; 3 , 4 7 0 284 285 trachtet man, diese Schicksalszeichen Nr. 9 6 3 . ) Ebda. 3 , 4 6 9 Nr. 9 5 3 . ) Ebda. absichtlich zu beeinflussen, indem man 3 , 4 6 5 N r . 8 6 7 ; W u t t k e § 3 3 3 ; J a h n Opfergebräuche 1 1 9 . 2 S ·) W u t t k e § 3 5 6 . 287 ) F i e d ζ. B . das Glas, aus dem B r a u t und l e r Heimatkunde Schluckenau 2 5 1 . 288 ) W u t t k e Bräutigam nach der Rückkehr von 2M 29 § 332. ) Ebda. °) E r z g e b . - Z t g . 2 3 ( 1 0 0 2 ) , der Trauung trinken, absichtlich zer291 292 280. ) Ebda. 2 8 1 . ) V e r n a l e k e n Mythen bricht 3 3 1 ) und so die über die Menschen 3 5 4 N r . 7 9 . 2ea) W u t t k e § 3 3 2 ; M V e r B ö h . 2 2 ( 1 8 8 4 ) , 2 5 1 ; J o h n Westböhmen 2 . 2 9 4 ) G r i m m waltende Macht zu einer günstigen E n t Mythol. 3 , 4 3 7 N r . 1 0 1 ; R e i n s b e r g Böhmen scheidung zwingt. D a m i t aber kommen 575 = V e r n a l e k e n Mythen 3 4 9 f. N r . 5 9 . 6 0 . wir schon in das Gebiet des A b w e h r MVerBöh. 6 ( 1 8 6 8 ) , 1 4 8 ; 2 2 ( 1 8 8 4 ) , 2 5 5 ; zaubers (s. d.). D e m durch absichtlich D H m t . 4 ( 1 9 0 8 ) , 3 6 . 7 7 . 7 8 . 29e) D r e c h s l e r angestellte 0 . enthüllten Unheil zu entSchlesien 1 , 8 . 297 ) P e t e r Österr.-Schlesien 2 , 29β 214. ) V e r n a l e k e n Mythen 3 4 1 N r . 4 0 . rinnen gibt es eigentlich k e i n Mittel. 2 " ) L i p p e r t Christentum 4 7 0 . "M) W i l h e l m Hier m u ß menschliches Wollen und 301 Karlsbad-Duppau 28. ) L i p p e r t a . a . O. Können versagen (Vgl. o. A n m . 16) 3 3 2 ). 4 7 0 ; D ä h n h a r d t Volkst. 2 , 7 9 N r . 3 1 5 ; V e r 326 n a l e k e n Mythen 3 3 8 Nr. 2 4 ; 3 3 9 Nr. 3 1 . ) G e n e s i s 3 7 , 1 3 ff. 3 2 e ) Vgl. d i e Oedi302 ) V e r n a l e k e n a . a . O. 3 4 0 N r . 3 5 . 3 o a ) W i l p u s s a g e . 3 2 ? ) G r i m m Sagen N r . 4 8 6 ; W e h r h e l m a. a. O. 2 4 ; Erzgeb.-Ztg. 2 8 ( 1 9 0 7 ) , 6 3 . han Sagen des Mittelalters 9 4 Nr. 1 0 2 . 828 D r e c h s l e r Schlesien ι , 6. a c 6 ) M V e r B ö h . ) G r i m m Märchen N r . 2 9 ; v g l . B o l t e 32 6 ( 1 8 6 8 ) , 1 4 8 . * · ) Erzgeb.-Ztg. 1 6 ( 1 8 9 5 ) , 1 1 6 . P o l l v k a ι, 2 8 6 ff. ') W u t t k e §4 2 2 .

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Orant—Orendismus

380 )

Lauífer Niederdeutsche Volhsh. 87. W u t t k e § 338. 565. ω 2 ) Vgl. noch G u n k e l Genesis 402. 405 f. 407; v. d. L e y e n Märchen in der Edda 21; K ö h l e r Kl. Sehr. 1, 292 ff. 543 fi.; Z f V k . 6 (1896), 163.

331 )

X I I . O r a k e l s p i e l : Früher oder später schwindet der Glaube an die zukunftkündende Kraft des O.S. Man fragt es noch vielfach, besonders am Silvesterabend im Kreise der Familie, ohne aber seinen Aussprüchen vollen Glauben zu schenken 333 ). Schließlich wird der im Ernst geübte B r a u c h z u m S p i e l 334), sobald es sich von der wichtigen Schicksalszeit losgelöst hat. So ist ohne jede symbolische Bedeutung der Brauch des M e h l s c h n e i d e n s . Ein Häufchen Mehl wird zu einem kegelförmigen Berg geformt, in seine Spitze wird hochkantig ein Geldstück eingefügt; ein Teilnehmer nach dem andern hat einen Teil aus dem Mehl herauszuschneiden. Der, bei dem der Berg einfällt, muß das Geld mit dem Munde herausholen, wobei durch einen Druck auf den Hinterkopf freundlich nachgeholfen wird 335). In den Spinnstuben wurden solche O.-Spiele gepflegt, wie ζ. B. das W i n t e r g r ü n oder Perwinkelschwimmen. Burschen und Mädchen setzten jeder ein Blatt des Wintergrüns, des „Perwinkels" auf das Wasser; diejenigen, deren Blätter zusammenschwammen und sich vereinigten, wurden nach allgemeiner Ansicht ein Paar (Vgl. oben Wasser-O.). Besonders wurden und werden solche Spiele gepflegt, die auf die künftige Heirat Bezug haben 33e ). Die S c h ü s s e l h e b e n genannte Form des Glücksgreifens (s. Greif-O.) am Weihnachtsabend wird im sächsischen Erzgebirge nur noch zu Spiel und Unterhaltung von jungen Leuten geübt. Es werden zwölf Schüsseln auf den Tisch gestellt, in denen sich die verschiedensten Dinge befinden. Mit verbundenen Augen muß der Fragende nach einer Schüssel greifen, deren Inhalt die Zukunft kündet: reines Wasser bedeutet Tod, schmutziges Wasser: nahende Teuerung, ein Läppchen: alte Jungfer, Salz: Trauer, Geld: Reichtum, Brautkranz: Hochzeit, Patenkranz: Taufe, Totenkranz: Todesfall in der Familie, goldener

Ring: Glück, ein Stück altes Metall: Unglück, ein Stab: Verlassen des Hauses, die leere Schüssel: man bringt es im Leben nicht weit 337 ). Das vielgeübte Ofenschauen ist als O f e n a n b e t e n zum Gesellschafts- und Kinderspiel geworden, das B l e i g i e ß e n am Silvesterabend hat dieselbe Entwicklung durchgemacht 338). In welchem Umfange und wo heute O. noch im Ernst geübt werden, läßt sich hier nicht beantworten. 333) K ö h l e r Voigtland 169. 334) Vgl. T y l o r Cultur ι, 82 über den griechischen „Kottabos", das Weinschleuder-O., das aus einem Liebes-O. zum Spiel wurde; ferner ebda. 1, 83. 335) Z f V k . 33β) 7 (1897), 316. Lauffer Niederdeutsche Volksk. 98. 337 ) D ä h n h a r d t Volkst. 2, 76 f. Nr. 307. 33e ) Eigene Wahrnehmung.

S. noch Ekstase, Gottesurteil, Omen, Opferschau, Schicksalszeichen, Sortilegium, Zirkelwahrsagung. Herold.

Orant s. D o r a n t . Orchideen s. K n a b e n k r ä u t e r . Ordal s. G o t t e s u r t e i l . Organotherapie s. Nachtrag. Origanum s. D o s t . Orendismus. ι. W o r t und B e g r i f f . Unter 0. versteht man den Glauben an unpersönliche, besonders wirkungsvolle Kräfte oder Mächte, die in körperlichen oder unkörperlichen, durch die Sinne wahrnehmbaren Objekten wirksam sind. So spricht man von der orendistischen K r a f t des Zauberstabs oder des Zauberspruchs, von der Kraft, die in einem bestimmten Menschen, in einem Tier oder in einer Pflanze wirksam ist, von der Macht eines Amuletts oder Talismans. Überall wirkt eine solche Kraft, die das Objekt wie ein Fluidum erfüllt. Diese unpersönliche Kraft fällt unter den Begriff „ G o t t " , wenn man diesen Begriff so faßt, wie oben 6, 546 f. geschehen, und dann ist 0. eine der vier Gottesvorstellungen, die in der Geschichte der Religionen uns entgegentreten und die a. a. O. aufgezählt sind. Spuren des O. finden sich mehr oder minder ausgeprägt fast in allen Religionen und besonders in jedem Volksglauben, natürlich auch im deutschen

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Orendismus

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Volksglauben, und schon dies weist lediglich die besonders wirkungsvolle undarauf hin, daß der O. die ursprünglichste persönliche Kraft damit bezeichnet. GeGottesvorstellung überhaupt i s t 1 ) , die nau ebenso hält man es ja auch mit andern sich gerade deshalb überall im Volksreligionswissenschaftlichen Termini, etwa glauben erhalten hat. Er gehört zu den mit der Bezeichnung Tabu, die man von Grundformen religiösen Glaubens und griechischen wie von deutschen Erscheiwar sowohl der vorindogermanischen nungen des Glaubens gebraucht, wenn Bevölkerung Europas eigen, die einen auch diese Tabuvorstellungen hier im orendistischen Totenkult und im Neoeinzelnen anders sind als da, wo das Wort lithikum den Gebrauch von Amuletten selbst seinen Ursprung hat, in Polyund orendistischer Zeichen wie des Hakennesien. Neben der Bezeichnung O. bekreuzes kannte, als auch war er bei den gegnet in der modernen Literatur als indogermanischen Einwanderern zu Hause, gleichbedeutend auch gelegentlich der und dieser Glaube ist in der späteren Ausdruck Dynamismus, so B e r t h o l e t 3 ) , Entwicklung der europäischen BevölkeEmanismus, so K a r u t z 4 ) , Machtglaube rung bis zum heutigen Tag nicht abgeoder Managlaube, manchmal auch Praestorben. Die primitivste orendistische animismus 5 ). 1 ) P f i s t e r Rei. d. Griechen und Römer 106 ff. Vorstellung kann auf der rein empirischen 2 ) Zuerst Beri. phil. Wochenschr. 1920, 646 ff. Erfahrung beruhen, daß das roh gegessene 3) B e r t h o l e t Altes Testament und ReligionsFleisch und das frisch getrunkene Blut geschichte, 1923; ders. Das Dynamische im des Tieres stärkt und die Kraft des Tieres Alten Testament 1926. *) K a r u t z ZfEthn. 1913. 545 ff· 5 ) v a n d e r L e e u w R G G . 4 verleiht (s. oben 5, 797). Dazu tritt dann 1366«. der Glaube, daß man sich auch sonst Kräfte und Eigenschaften zufügen kann, 2. V e r b r e i t u n g d e s O. u n d L i t e wenn man sich krafterfüllte Gegenstände r a t u r 6 ) . Über das Orenda der Irokesen wie Krallen, Zähne, Tierfelle, Blätter berichtete zuerst genauer H e w i t t 7 ) . Um umbindet (s. oben 1, 376 f.). die gleiche Zeit wurde auch der ManaDie Bezeichnung O. ist von mir ge- ! begriff in der religionswissenschaftlichen bildet worden als religionswissenschaftLiteratur heimisch, der freilich schon licher Terminus 2) nach dem Wort Orenda, sehr viel früher bekannt, aber wenig bewomit der Indianerstamm der Irokesen achtet war. Bereits 1777 erwähnt der eine solche Kraft bezeichnet. Sehr viel Weltreisende C o o k das Wort Mana, aber besser bekannt als das Orenda der Iroerst hundert Jahre später ist der Begriff kesen ist zwar dieser Machtglaube bei von C o d r i n g t o n und M a x Müller andern Völkern, so besonders die Vorreligionswissenschaftlich verwertet, seit stellung vom Mana bei den Völkern In1900 durch M a r e t t 8 ) wirklich zum donesiens, Melanesiens und Polynesiens. Fundament wissenschaftlicher Theorien Von dem Wort Mana aber konnte kein gemacht worden. Jetzt haben wir über Terminus gebildet werden, da das Wort den Manabegriff eine ganz ausführliche Manismus bereits (aber vom lateinischen Darstellung von Fr. R. L e h m a n n 9 ) . Wort manes abgeleitet) im Gebrauch Ferner finden wir den O. in der altindiwar. Zudem kann von O. leicht das schen Religion als Vorstellung vom weitere Wort orendistisch (mit besonBrahman 1β ), bei den Batak auf Sumatra derer Kraft erfüllt) und orendisieren als Vorstellung vom T o n d i 1 1 ) ; er ist (mit besonderer Kraft erfüllen) gebildet nachgewiesen bei den Hethitern 1 2 ), bei werden. Wenn man jetzt das Wort O. den Griechen und Römern 1 3 ), im Alund Orenda auch auf die Vorstellungen ten 14 ) und Neuen 1 5 ) Testament, und anderer Völker außer den Irokesen anschließlich ist er in jedem Volksglauben wendet, so soll damit natürlich nicht moderner Kulturvölker vorhanden, im gesagt sein, daß sie genau die gleichen deutschen Volksglauben 16 ) seit der altVorstellungen im einzelnen von dieser germanischen Zeit bis zum heutigen K r a f t besitzen wie jene, sondern es wird Tag. Orendistische Vorstellungen in der

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altgermanischen Religion hat vor allem M o g k 1 7 ) nachgewiesen. Zu dieser ganzen Vorstellungswelt vgl. noch die Arbeiten 18) von S ö d e r b l o m und B e t h . Am besten von diesen Vorstellungen kennen wir den Mana-Begriñ der Südseevölker 9 ), wie er auf den weit ausgedehnten Inselgebieten verbreitet ist, die man unter den Namen Indonesien, Melanesien und Polynesien zusammenfaßt, die sich also von der Halbinsel Malakka und der Insel Sumatra nach Osten bis zu den Osterinseln erstrecken. Aber das Wort Mana ist auch westlich bis nach Madagaskar gedrungen, von einer austronesischen Bevölkerung dorthin verpflanzt. Mit diesem Wort wird eine außergewöhnlich wirksame Macht oder Kraft bezeichnet. Sie wohnt vor allem in einem großen Krieger und Häuptling, wie man an seinem Erfolg erkennt, wenn er nie eine Niederlage erleidet und viele Schädel auf der Schädeljagd erwirbt. Ein Mißerfolg aber zeigt, daß er sein Mana verloren hat. Das Mana ist in der Häuptlingsfamilie erblich; auch Wissen und Kenntnisse gehören dazu, auch Kenntnis der Zaubersprüche, die Macht verleihen und ebenfalls vererbt werden ; s. oben 2, 870. Ferner verfügt der Priester, der Zauberer und Medizinmann über Mana, das ihn instand setzt, das auszuführen, was seines Amtes ist. Auch das Heilmittel, das er anwendet, ist mit Mana erfüllt, es wird selbst Mana genannt, ebenso auch die Zaubersprüche, mit deren Kraft man sogar Personen töten kann, gegen die man sie ausspricht. Aber auch Tiere und Pflanzen können von dieser Kraft erfüllt sein, ebenso auch Holzklötze, Steine, Waffen und örtlichkeiten. Wenn ein Priester über Mana verfügt, so wohnt diese Kraft auch in seiner Nahrung, seiner Kleidung, seinem Haus, in allen Dingen, die ihm gehören, und sie sind tabu, und wenn überhaupt eine Person viel Mana besitzt, so ist sie höchst tabu. So gehört also Tabu und Mana zusammen: Alles ist tabu, was mit Mana erfüllt ist w ) . ·) Z u s a m m e n f a s s e n d P f i s t e r Rei. 108 ff.; B l B a y V k . 1927, 24 fi. ' ) H e w i t t A m e r i c a n B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VI

Anthropologist 1902, 33 ff.; P r e u ß ARw. 7 (1904), 232 f. 8 ) M a r e t t The threshold of religion, 2. A u f l . 1914; ders. A R w . 12 (1909), 186 ff. 9 ) Fr. R . L e h m a n n Mana Staatl. Forsch.-Inst. Leipzig, 1922; d a z u P f i s t e r B l B a y V k . 11 (1927), 25 ff.; T h u r n w a l d A R w . 23 (1929), 9 3 fi.; L e h m a n n ebda. 29, 139 ff.; A r b m a n e b d a . 293 ff. u ) O l d e n b e r g Die Religion des Veda, 3. A u f l . 1923; ders. Die Weltanschauung der Brahmanatexte. 1919; ders. G ö t t . gel. N a c h r . 1916, 715 ff. " ) W a r n e c k Die Religion der Batak, 1909; ders., A R w . 18 (1915). 3 3 3 ff· 1 2 ) F r i e d r i c h Kleinasiat. Forsch, ι (1930), 375 ff.: a l l e r d i n g s b i s j e t z t n u r I3 vermutungsweise. ) Pauly-Wissowa 11, 2112 ff.; P f i s t e r Rei. d. Gr. u. R. " ) B e r t h o 15 l e t a. a. O. ) P f i s t e r Reliquienkult 2, 609 ff.; P a u l y - W i s s o w a 11, 2116; P r e i s i g k e Die Gotteskraft der frühchristl. Zeit 1922. le ) P f i s t e r Schwaben-, O b e r d Z f V k . 6 (1932), 131 ff.; B l B a y V k . 1927, 25 ff. " ) S t r e i t b e r g F e s t g a b e 1924, 278 ff. l e ) S ö d e r b l o m Werden des Gottesglaubens2 1926; B e t h Religion u. Magie*, 1927. Ü b e r Ä h n l i c h e s in A f r i k a s . H. Baumann Z f E t h n . 60 (1928), 73 ff. 19 ) B l B a y V k . 1927, 40 t.; O b e r d Z f V k . 1932,

131 ff· 3. G e r m a n i s c h e W ö r t e r z u r B e z e i c h n u n g v o n O r e n d a . Unser Wort „Macht", womit wir Orenda wiedergeben können, findet sich in der gotischen Bibelübersetzung des Ulfilas als mahts, womit er die griechischen Wörter Ιαχύζ, κράτος, δυναμις, übersetzt. Mit dem dazugehörigen viagan (können, vermögen) gibt er δύναιδβι und layßtiv, mit mahteigs (mächtig) δυνατό; und δυνάστης. In der althochdeutschen Übersetzung des Tatian bedeutet ebenfalls maht soviel wie potentia (κράτος), mahtig steht für potens, validus. Dazu gebraucht Tatian noch das Wort megin, das ja wohl etymologisch zum altindischen magha (Macht, Kraft) gehört, wozu G ü n t e r t 2 0 ) wiederum die Bezeichnung Magos (Magier d. h. Träger der Zauberkraft) stellt. So steht megin bei Tatian als Übersetzung von virtus in der Bedeutung Wunderkraft (Tatian 60, 6: megin fon mir ilzgangen = virtutem de me exisse = δυναμιν έξεληλυϋυΐαν άπ έμοΰ, Luk. 8,46. V g l . Tatian 3 , 7 ) und Wundertat (Tatian 65, ι ff. als Übersetzung von virtutes Matth, ix, 20 ff.). Da wo Tatian virtutes (δυνάμεις) im Sinne von Wundertaten mit megin wiedergibt, gebraucht der altsächsische Heliand 2661 bilidi 41b

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und für die germanische Sippe Bil hat A. W o l f 2 1 ) nachgewiesen, daß sie eine Parallele zu Mana (Orenda) sei. Für die urindogermanischen «m-Bildungen hat P o r z i g 2 2 ) gezeigt, daß sie Dinge bezeichnen, die mit Kraft erfüllt sind. Da hierzu nun Wörter wie μένος und μαίνομαι gehören, die zum altindischen manas zu stellen sind, so ist ernstlich zu erwägen 23 ), ob nicht auch das polynesische Mana etymologisch hier mit einzureihen ist, zumal ja auch das polynesische Wort Tabu dem indischen Atharva-Veda bekannt ist 24 ), und das Wort Mana, wie aus L e h m a n n 2 5 ) zu ersehen ist, eine ungeheure Verbreitung gefunden hat. 20) Der 21 ) arische Weltkönig 108 f. Die 22 ) germanische Sippe Bil, 1930. IF. 42, 23) 1924, 221 ff. Pfister Rei. d. Gr. u. 24) H a u e r R. i n . Yogapraxis 1921, 63. 25) Mana.

4. O r e n d a und T a b u . R e i n und unrein. Das polynesische Wort Tabu 26 ) gehört als Eigenschaftswort eng zum polynesischen Hauptwort Mana, das synonym mit Orenda ist. Tabu bezeichnet die Eigenschaft eines Objektes, das von Mana (Orenda) erfüllt ist. Die Tabusitten sind also ein Ausfluß des O. ; s. den Art. Tabu. Die Kraft, das Orenda, ist an sich neutral, sie kann gut oder böse wirken, nützen oder schaden, sie kann den Träger, das Objekt, als rein oder als unrein, als geweiht oder als entweiht erscheinen lassen; s. o. Bd. 3, 1663 ff. Und so stellt sich Tabu als Oberbegriff für die beiden polaren Gegensätze Rein (s. d.) und Unrein dar, bedeutet bald rein, bald unrein, bald heilig, bald unheilig, aber immer etwas, was mit Orenda erfüllt ist. Tabu bedeutet also „erfüllt mit besonders wirkungsvoller Kraft", mag diese nun gut oder böse wirken. Das Wort „heilig", womit man oft Tabu übersetzen kann, deckt also nur einen Teil •dieses Begriffs. Wir haben also im Neuhochdeutschen kein Wort mehr für diesen Begriff, der das Reine und Heilige sowohl wie das Unreine umschließt und einfach das mit besonders wirkungsvoller Kraft Erfüllte bezeichnet. Wohl aber

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hatte das gemeingermanische Wort, das im Gotischen hailag heißt, und das auch Ulfilas in seiner Bibelübersetzung gebraucht, diese Bedeutung. Denn hailag, zu hail (Kraft, Tüchtigkeit) gehörend, bedeutet ursprünglich das Starke, das mit besonderer Kraft Erfüllte. So konnte hailag neutral alles bezeichnen, dem solche Kraft zukam, das Reine und Heilige wie das Unreine, und erst durch das Christentum hat das Wort seine ursprüngliche Bedeutung verloren und als „heilig" die heutige Bedeutung erlangt. Hailag war also ursprünglich synonym mit Tabu 2 7 ). Und wie das Wort Tabu als Eigenschaftswort das Erfülltsein mit guter und mit böser Kraft bezeichnet, so ist auch der Begriff Orenda völlig neutral: eine unpersönliche besonders wirkungsvolle Kraft, die Gutes oder Schädliches hervorzubringen imstande ist. 2i ) Fr. R. L e h m a n n Die polynesischen Tabusitten 1930. 2 ') OberdZfVk. 1932, 137 f.; P a u l y - W i s s o w a Suppl.-Bd. V I Art. Katharsis; s. o. Bd. 3, 1655 f.

5. E i g e n s c h a f t e n des Orenda. Wenn hier von Orenda die Rede ist, so soll nicht speziell die Vorstellung der Irokesen beschrieben werden, sondern der allgemeine Glaube des O., wie er sich überall mit der wunderbaren Kraft verbindet, die bald Orenda, bald Mana, bald Tondi oder sonstwie heißt. Diese Kraft ist ein unpersönliches Fluidum, das in einem bestimmten Objekt wirkt. So steht also der O. zunächst in scharfem Gegensatz zum Animismus, unter dem ich (anders als B e t h o. Bd. ι , 439 ff.) den Glauben an persönliche Geister (göttlichen Ursprungs und Totengeister) verstehe. Der Animismus setzt die Erkenntnis der Persönlichkeit und des Dualismus von Leib und Seele voraus. So können wir einen orendistischen und einen animistischen Baum-, Tier-, Bilderund Totenkult unterscheiden. Bei ersterem wirkt der Baum, das Tier, das Bild, der Tote selbst vermöge der in ihnen wohnenden Kraft. Nimmt man einen Teil dieser orendistischen Objekte, also etwa einen Zweig, einen Kranz, eine Tierkralle oder ein Tierfell, ab-

Orendismus

geschabte Teile eines wunderwirkenden Bildes, Reliquien eines orendistischen Menschen, so ist die Kraft auch in diesen Teilen wirkend vorhanden. Beim animistischen Glauben aber ist es ein persönliches Wesen, ein Geist oder eine Seele, die mit dem Objekt verbunden ist, sich aber auch von ihm trennen kann, und die nicht teilbar ist, da ihr das Wesen einer Persönlichkeit zukommt. Das Orenda aber ist teilbar und übertragbar. Lege ich auf eine Reliquie (s. d.) einen Tuchlappen, so saugt dieser von der Kraft der Reliquie in sich auf und kann als „künstliche" Reliquie ebenso wirken wie das primäre Objekt. Ziehe ich ein Bärenfell an, so geht die Kraft des Tieres auf mich über (so o. Art. Berserker) und ich erhalte Bärenkräfte; s. auch o. 1, 376 f. Über die Übertragbarkeit der Kraft orendistischer Bilder s. o. Bd. 1, 1288 f. und über das Berühren orendistischer Gegenstände ο. 1, 1104 f. Ferner gehört zum O. die Vielheit krafterfüllter Objekte. Diese Eigenschaft unterscheidet den O. vom Pantheismus, der als Glaube an eine einzige unpersönliche Kraft, die als Einheit, als ein Allgeist in allem wirkt, aufzufassen ist. Der O. aber kennt unzählige Objekte, in denen eine Kraft für sich wirkt, die an das Objekt gebunden und nicht etwa Teil einer allumfassenden Macht ist. Und wie das Orenda durch Berühren oder Handauflegen übertragen werden kann, so kann es auch vom Vater auf den Sohn vererbt werden, worüber o. Art. Erblichkeit. Diese orendistische Kraft konzentriert sich besonders in den Extremitäten des Körpers, im Kopf, im Haar, in der Hand, im Ohr, im Fuß, in der großen Zehe und strahlt von hier wie ein Fluidum aus. Darauf beruht die Segen- und Heilkraft der Hand und des Fußes und die weit verbreiteten merkwürdigen Vorstellungen, die sich an die große Zehe anknüpfen28). Auch bei orendistischen Kleidern sammelt sich die wunderbare Kraft besonders in den Zipfeln der Gewänder, wie etwa in Erzählungen des N. T.s (Matth. 9,20; 14,36; Luk. 8,44; Mark. 6, 56) ; aber auch im Α. T. kommt

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ähnliches vor 29 ), und die hier sich findende Vorschrift (4. Mos. 15, 38; 5. Mos. 22,12), sich Quasten an die Kleider zu machen, beruht auf den gleichen orendistischen Vorstellungen wie die Vorschrift des griechischen Zauberpapyrus80), die gegen böse Tiere und Räuber schützen soll: Knüpfe eine Quaste an dein Gewand und sprich; worauf die Zauberworte und der Spruch folgt. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Vorstellungen zu betrachten, die oben unter Dach und Dachtraufe besprochen sind; auch hier handelt es sich vielfach um einen O., der sich an die Extremitäten (des Hauses) anschließt, woraus die Kraft ausstrahlt. 28 ) BIBayVk. 1927, 42 ff.; s. o. Bd. 2, 870; 3, 1677 f.; 5, 1037 f. 2 i ) J i r k u ZfalttestWiss. 37 (1918), 1 1 5 ff. 30 ) P r e i s e n d a n z Pap. Gr. mag. II 17 (Nr. V I I 371

6. E i n z e l h e i t e n über den 0 . im deutschen V o l k s g l a u b e n . Eine genaue Behandlung der Rolle, die der O. im deutschen Volksglauben spielt, würde ein Buch erfordern. Hier können nur noch ein paar Hinweise gegeben werden. Lehrreich ist es, die einzelnen größeren Artikel dieses Hdwbch.s unter dem Gesichtspunkt des O. zu betrachten, angefangen vom ersten Art., der dem orendistischen Tier Aal gewidmet ist. Wir wollen hier nur noch die wichtigsten Träger des Orenda betrachten, die wir im deutschen Volksglauben finden. Zunächst der Mensch selbst. Da ist es einmal der Wunderdoktor, Zauberer und Braucher, der etwa als „Blaser" durch seinen Hauch Heilung bringt 31 ). Der Hauch dieses Mannes ist von orendistischer Kraft erfüllt; es handelt sich also hier nicht etwa um eine Hauchseele, sondern um die unpersönliche Kraft, die den Mann auszeichnet, und von der ein Teil sich auch in seinem Atem befindet und diesen heilkräftig macht. Sie kann auch aus seiner Hand ausstrahlen und bei der Handauflegung wirksam sich betätigen. Durch den Hauch kann diese Kraft auch auf einen andern übertragen werden, insbesondere beim Sterben mit dem letzten Atemzug. So berichtet Lehmann 32 ) von

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Orendismus

einer bei Sumatra gelegenen Insel, daß sich hier die Schar der Häuptlingsanwärter bemühe, den letzten Hauch des sterbenden Häuptlings aufzufangen, wobei es oft zu offenem Kampfe komme. Denn neben dem zum Nachfolger bestimmten Sohne werde auch derjenige als Häuptling angesehen, dem es gelinge, den letzten Hauch des sterbenden Häuptlings einzuatmen; denn damit hat er dessen Kraft in sich aufgenommen. Ganz ähnlich ist die Vorstellung im Johannesevangelium (20,22), wo der Auferstandene unter die Jünger tritt, sie anbläst und spricht: Nehmet hin den heiligen Geist ! Wer also von diesem krafterfüllten Hauch getroffen, von ihm erfüllt ist, ist ein Pneumatikos, ein Geistlicher 33) ; s. d. Besonders mit bestimmten, auch profanen Berufen ist solche Kraft verbunden, so mit dem des Schäfers, des Metzgers, des Schmieds, aber auch des Abdeckers (s. d.). Hierbei erkennen wir wieder die doppelte Bedeutung dieser Kraft, die den davon Erfüllten wundertätig und sogar heilig, aber auch unrein machen kann. Denn der Abdecker ζ. B. stand in dem Ruf geheimer Heil- und Zauberkräfte, weswegen er oft aufgesucht wurde (s. o. Bd. ι, 20), aber er gehörte auch zu den unehrlichen, d. h. unreinen Leuten, die von der Aufnahme in andere Zünfte ausgeschlossen waren (a. a. O. 19). Auch in Verbrechern 34) wirkt eine solche Kraft, daher die Reliquien von Hingerichteten (s. d.) nicht minder begehrt sind wie die von Heiligen s. o. Bd. 2, 229 ff. ; 3, 1664 f. Auch Menschen in besonderen Zuständen können als orendistisch gelten, so etwa die Wöchnerin (s. d.), die wie bei vielen andern Völkern so auch nach deutschem Volksglauben als unrein gilt; die von ihr ausgehende Kraft ist schädigend, daher verdirbt ein Acker, wenn sie darübergeht (s. o. Bd. ι , 162). Über das Blut als Sitz besonderer Kraft s. d. Art. und o. Bd. 5, 800. Da die orendistische Kraft übertragbar ist, so kann mit ihr alles erfüllt sein, was mit der orendistischen Person in Berührung kam, vor allem ihre Kleider (s. o.).

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Aber an sich schon können Kleider und Schmuck solche Kräfte besitzen, und so scheint im O. auch der Ursprung von Schmuck und Kleidung zu beruhen 35). Man hing sich Felle, Blätter, Tierzähne usw. um, um sich die Kraft dieser Gegenstände zuzufügen, die eigene Kraft des Trägers zu stärken, oder aber auch um eine apotropäische Wirkung hervorzurufen. Nun kann aber die Kraft, die dem Schmuck und der Kleidung innewohnt, bei Gelegenheit auch in schädlicher Weise zur Geltung kommen; vor allem können Unreinheiten ihnen anhaften, oder sie können als Banden oder Fesseln magisch hindernd wirken. In solchen Fällen sucht man sich ihrer wieder zu entledigen, und dies ist einer der Gründe der kultischen und magischen Nacktheit, insofern sie nämlich prophylaktisch-kathartisch wirken soll: Man will durch das Ablegen der Kleider eine mögliche Unreinheit vermeiden oder von störenden Fesseln und Banden frei sein. Diese ursprünglich orendistische Bedeutung von Schmuck und Kleidung haftete gerade dem primitivsten Kleidungsstück, dem Gürtel (s. d.) noch lange an 3e). Die in einem menschlichen Körper einmal vorhandene orendistische Kraft ist auch nach dem Tode des Menschen noch in seinem Körper wirksam. Man hat diesen Glauben die Vorstellung vom „lebenden Leichnam", nicht ganz zutreffend, genannt; s. o. Bd. 5, 1025 ff. Es ist der orendistische Totenglaube, der im Gegensatz zum animistischen steht. Und auch hier finden wir die doppelte Auffassung vom Orenda: Der Tote gilt als unrein und befleckend und als erfüllt von wunderwirkender Kraft. Daher kommt es zu einem apotropäischen und zu einem euergetischen Totenkult, indem man die Kraft des Toten abwehren und fesseln, oder aber stärken und sich nutzbar machen will 37 ), was zu Bräuchen führt, die nebeneinander bestehen, aber entgegengesetzten Zwecken dienen. S. auch Reliquien. Auch den Tieren, Pflanzen, Steinen und Metallen verleiht das in ihnen

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Orgel

wohnende Orenda die Möglichkeit, eine nützliche, heilende, wunderwirkende oder schädigende Wirkung auszuüben; s. die Einzelartikel. Auch in Naturerscheinungen wie im Feuer wirkt diese Kraft, so daß das Feuer etwa reinigend oder stärkend wirken kann; ganz besonders aber im gesprochenen oder geschriebenen Wort, im Gebet, im Zauberspruch, im Namen; ferner im Bild, Amulett, Talisman und Fetisch, im Maienzweig und in der Lebensrute, in allen geweihten Gegenständen. Das sind alles orendistische Objekte, die durch ihre Kraft Glück, Gesundheit, Stärke usw. verleihen und Übles abwehren. Aber diese Kraft äußert sich auch in Körperbewegungen wie im Tanz und Umgang usw.; s. die Einzelartikel. J a sogar der Schatten (s. o. Bd. 3, 1673) kann davon erfüllt sein, wie etwa der Schatten des Petrus nach der Ap.-Gesch. 5, 15 heilende Kraft besitzt und der Hindu 38) seinen Reis wegschüttet, weil der Schatten eines Europäers darauf gefallen ist. Hier gilt also der Schatten das eine Mal als heilig und heilend, das andere Mal als unrein und verunreinigend; er kann auch geradezu als Ersatz der Person selbst gelten, wie etwa in dem indischen Glauben, wonach man einen Menschen vernichten kann, wenn man in seinen Schatten sticht 3e ). 3l ) P f i s t e r Schwaben 27 ff.; P a u l y - W i s s o 3í w a Ii, 2159. ) Mana 16 f. 33) P a u l y W i s s o w a Ii, 2134, 2 1 5 9 ; BIBayVk. 1927, 46 f. 34 ) P a u l y - W i s s o w a 1 1 , 2 1 1 7 ; P f i s t e r Schwaben 42, 56. 35 ) S. o. Bd. 1, 376 f.; P a u l y 3, W i s s o w a Art. Nacktheit. j Schuppe OberdZfVk. 2 (1928), 128 ñ. 3 7 ) P f i s t e r Rei. u d. Gr. u. R. 143. ) S c h u r t z Urgesch. 223. 39 ) O l d e n b e r g Rei. des Veda3 506.

7. Orendisieren. Da sich jede kultische oder magische Handlung auf irgend eine Kraft bezieht und mit ihr in Zusammenhang steht (s. o. Bd. 5, 795 f.), so spielt überall, wo es sich um persönliche Kräfte handelt, das Herbeirufen, Zitieren, Beschwören der Götter, Geister usw. eine große Rolle, und wo orendistische Kräfte in Betracht kommen, das Herbeischaffen oder Erzeugen solcher Kräfte. Entweder besitzt die handelnde Person (der Priester, Zauberer) als pneu-

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matische oder orendistische Person schon selbst solche Kräfte oder der Zauberstab, das Amulett, der Zauberring oder sonstige Geräte sind mit solcher Kraft geladen und stehen zu seiner Verfügung oder die Gebete und Zaubersprüche, die er gebraucht, sind krafterfüllt. Die handelnde Person kann aber auch durch eigentliches Orendisieren irgendwelche Objekte mit Kraft erfüllen und für die gewünschte Handlung brauchbar machen; s. auch o. Bd. i , 384. 1290 f. Schon aus der Antike kennen wir zahlreiche Vorschriften für dieses Orendisieren. Durch eine magische Weihe (τελετή) wurde dem Gegenstand die besondere Kraft verliehen Vorzüglich waren es Beschwörungsformeln und Besprechungen, durch die man die Kraft hineinbannen konnte 41 ) ; solche sind daher auch heute noch beim Sammeln von Heilkräutern üblich4S). Aber da die Kraft des Wortes auch geschrieben wirkt, so kann das Aufzeichnen von Zauberworten, Sprüchen, magischen Zeichen dem damit versehenen Gegenstand Kraft verleihen43), ihn weihen und orendisieren. So wurden etwa die Runen gelegentlich gebraucht, das Hakenkreuz, die Doppelaxt und andere orendistische Zeichen. Und so hat auch in der christlichen Liturgie die Epiklese den Sinn, durch die Nennung des Gottesnamens, die über Personen und Sachen geschieht, die Gotteskraft in diese Personen und Sachen hineinzubannen44 ), sie also mit dieser Kraft zu erfüllen, sie zu weihen und heiligen. So entspricht also dem Orendisieren in der Magie das Weihen (s. d.) im religiösen Kult, die Benediktion und Konsekration; denn weihen, heiligen bedeutet ja: mit besonderer Kraft erfüllen. 40 ) H o p f n e r bei P a u l y - W i s s o w a 13, 759 ff.; P f i s t e r Phil. Woch. 1932, 922 fi.; s. aber auch bereits H o c k Griech. Weihegebräuche, 41 Diss. 1905. ) P a u l y - W i s s o w a Suppl. 4, 338 f. " ) M a r z e l l Die medizin. Welt 1929, 661 ff. *3) E i t r e m Lina laukar (Festschr. f. Kjaer, 1924); Phil. Woch. 1926, 6 2 6 f . ; o. Bd. 3, 363 f. 1676 f. " ) C a s e l J b . f. Lit.-wiss. 3 (1923), 100 ff.; 4 (1924), 169 ff. Pfister.

Orgel. Verschiedene Sagen berichten von gespenstigem O.spiel. So sollen

Orion—Ort

in Esenshammer weltliche Weisen von selbst auf der O. erklungen sein, und soll das Spiel erst geendigt haben, als der Pfarrer von dem unsichtbaren Spieler einen Choral forderte 1 ). Gelegentlich kann es sich bei solchem Spiel um einen Organisten handeln, der zu Lebzeiten sündhafte Lieder auf der O. spielte 2 ). Die Gemeinde von Hasserode mußte sich ihrer O. ständigen nächtlichen Musizierens wegen wieder entledigen : sie war aus der katholischen Kirche gekommen, und etwas „Unrechtes" dabei mitgeführt worden 3 ). Vielfach 4 ) tritt die Vorstellung auch auf in Verbindung mit der weitverbreiteten Sage vom nächtlichen Gottesdienst der Toten 5) ; die 0. soll dabei dumpf und eigentümlich klingen e) oder das Spiel ganz toll sein '). Auch beim Gottesdienst der Heimchen 8) und der salzburger Untersberger9) ertönt O.musik. Geisterhaftes O.spiel läßt sich zu gegebener Zeit aber auch aus Sümpfen 10 ) und Seen u ), in denen versunkene O.n ruhen, vernehmen. Sagen berichten ferner, daß O.n von selbst erklangen zur Rechtfertigung angeblicher Selbstmörderinnen bei deren Begräbnis 12 ). Andrerseits verrät die größte Baßpfeife der 0. beim Brautlied durch Schnurren, daß die Braut den Kranz nicht mehr in Ehren trägt 1 3 ). In der Stadtkirche zu Marktbreit soll selbständiges O.spiel ausgelöst werden durch Entfernen einer unter der 0. angebrachten Fahne " ) . Das Spielen eines Tanzes auf der O. zieht Blitzschlag nach sich 15 ). Der Organist, der nicht zu Ende spielt, kommt zur Strafe in die Hölle 16 ). Auch an die Erstellung von O.n knüpfen sich abergläubische Vorstellungen. So soll Gabler, der Erbauer der Weingartner O., das Metall für die Pfeifen des Registers „Vox humana" vom Teufel erhalten, diese dann auch wie menschliche Stimmen gesungen haben, doch so verführerisch, daß mancher Mönch das Kloster verließ. Gabler muß, das Verbrechen gestehend, das Register durch ein mit natürlicher Kunst verfertigtes ersetzen " ) .

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Im Mittelalter wird die 0. symbolisch mit der Schamhaftigkeit, dem Preise der göttlichen Wahrheit, sowie der heiligen Predigt in Verbindung gebracht 18 ). *) Carl E n g e l Mus. Myths and facts 2 (1876), 31 (Oldenburg). s) K ü n z i g Baden 9 f. Nr. 16 = Pyramide 1922, 86. 3) P r ö h l e Unterharz 70 Nr. 174. *) N d Z f V k . 7, 32; BlpommVk. 6 (1898), 69f.; S t ö b e r Elsaß 2, 25 Nr. 26; K l a p p e r Schles. Vkde. 280; ZföVk. 4, 3. 304 f.; Heimat (Vorarlberg) 5, 57; F r e i s a u f f Salzburg 68 ff.; G r a b e r Kärnten 185 Nr. 245. 6) Belege bei B o l t e - P o l i v k a 3, 472 f. zu G r i m m Nr. 208; F e i l b e r g Ordbog 1, 511 und 4, 191 unter gustjeneste; vgl. auch F F C 25, 112 Nr. ι ; 33, 39 Nr. 1 ; 60, 39 Nr. 1. e) N i e d e r h ö f f e r Meckl. Sagen 3, 137 ff. 7) S c h ö p p n e r Sagen 2, 223 f. Nr. 672. e) M e i c h e Sagen 335 Nr. 435. ') F r e i s a u f f Salzburg 72. 10) S c h ö p p ner Sagen 3, 29 Nr. 953. u ) K n o o p Hinterpommern (1885) 21 Nr. 35 = C r a m e r Geschichte der Lande Lauenburg und Bütow 1, 275. 12 ) K r a m b e e r Mecklenburgische Sagen (1926) 13 187 ff. ; vgl. ebd. 190 f. 1 Scherzhaft verwendet in einem Volkslied: „ E i n Mädchen noch kaum sechzehn Jahr " hdschr. Liederheft Ph. Limbach 1863, Deutsches Volkslied14 ) archiv A 97313. Bayerland 24, 655 ff. 15 ) W u c k e 2 Werra 366. — In einigen Kirchen Norwegens ist während der Fastenzeit, oder doch wenigstens während der Karwoche, jegliches O.spiel verboten: J. Th. Storaker le) Tiden (Kristiania 1921) 234. Mitt. des Beuthener Geschichte- und Museumsvereins H e f t 7 — 1 0 (1925—1927), 143. 17 ) J. W ö r s c h i n g Barocke Orgelsagen in: Die Musik 20, 421 ff. I8 ) H. A b e r t Die Musikanschauung des Mittelalters 220 f. — Finnische Sage über die Entstehung der O. : F F C 8, 7 Nr. 30. Seemann.

Orion s. S t e r n b i l d e r II. Ort. ι. Das Volk wählt nicht nur unter den Zeiten, sondern auch unter den Orten besondere aus, an denen die übernatürlichen Kräfte im besonderen Maße sich offenbaren 1 ). Dieser Glaube an besondere zauberkräftige und geheiligte Orte, der sich auch in der O r t s n a m e n g e b u n g spiegelt 2 ), scheidet sich zwiefach. Das Hervorragen gewisser Orte ist diesen von Anfang an durch ihre Natur zu eigen (s. Q u e l l e n , B e r g e usw.). Oder aber die Orte beziehen ihre sie auszeichnende Kraft aus der Besitzergreifung durch Dämonen und Götter, die dort ihren Sitz haben oder nehmen 3 ). Die Kraft der Dämonen und Götter überträgt

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-

ort

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sich in der Vorstellung des Volkes auf den Ort selbst. Der Ort wird tabuiert. Hierher gehört auch die Verbindung von Ort und Kultbild, wobei die übernatürliehe Kraft des Bildes auch auf den Ort überfließt. Der Ort wird durch den Kult geheiligt 4 ). Die Verbindung von ursprünglich heiligen Orten mit Kultbildern vollzieht sich häufig.

1der Ort, wo Totenbretter (s. d.) aufge!stellt werden, gilt als Seelenstätte und iist deshalb tabuiert 7). Es sind dies auch 1die Orte, an denen es umgeht, und die für die Lebenden Gefahr bringen 8 ). Tabuiert sind auch die Orte, wo die armen Seelen ihren Sitz haben, wo sich die Hexen treffen (s. Zaun), wo Verbrechen Igeschehen sind.

2) E b d . ») W u n d t Mythus 4, 1, 566. 565. P a u l y - W i s s o w a I I , 1, 1, 575 ff. 4) P f i s t e r Reliquienkult I, 358.

') Bayerische Wochenschr. Pflege v o n H e i m a t 8) und V o l k s t u m 11 (1933), 67, 119. Küh;n a u Sagen 1, 224; S A V k 21 (1917), 53.

3)

5. Es ist wohl keine Frage, daß die 2. Die V o r s t e l l u n g von der Ausgezeichnetheit gewisser Orte ist ursprüng- Vorstellung von heiligen Orten älter ist lich wohl eine e i n h e i t l i c h e , sie sind ;als die Personifizierung der bei ihnen tabuiert und der Sitz geheimer Kräfte. lebendigen Kräfte, wodurch die Orte Damit ist zunächst die Vorstellung der ιnur noch als Dämonenstätten erscheinen. In gleicher Weise ist die Verbindung Unverletzlichkeit verbunden, die diese Orte den Menschen bis zu gewissem Grade :solcher mit Kräften begabten Orte mit entzieht, gleichzeitig aber ist auch die kultischen Bildern und Patronen erst Vorstellung einer kultischen Zufluchts- 1eine sekundäre Erscheinung. Diese Orte stätte lebendig, die Hilfe in besonderem 1sind vor allem geeignet zur Vollziehung Maße spendet. Der spätere Volksglaube von Heilhandlungen®). ·) J o h n Erzgebirge i n ; S e y f a r t h Sachsen scheidet dieses einheitliche Grundgefühl 179. nach zwei Richtungen. Dort, wo der Ge6. Der Glaube des Volkes, „ d a ß a l l e s danke der Heiligkeit eine Profanierung erfährt, bildet sich die Vorstellung von ;auf den Ort a n k o m m t " 10), ist auch u n h e i m l i c h e n O r t e n , die vor allem )

6. Auch durch H e i s c h e g ä n g e in den üblichen Formen sammeln sich die Kinder ihre O.er zusammen 7 1 ). Sehr weit verbreitet sind die mannigfachen E i e r s p i e l e 7 2 ). Das Eierwerfen und Eier-

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Osterfeuer

rollen soll vielleicht seinem eigentlichen Sinne nach den Erdboden befruchten 73 ). " ) S a r t o r i 3, 160. '*) Ebd. 3, i6of.; HessBl. 28 (1929), 155ÎÏ. Oben 2, 6 2 4 S . , 3 ) S a r t o r i 3, 160; Z e l e n i n Russische Volksk. 354. Vgl. Gründonnerstag, Karfreitagsei. Sartori.

Osterfeuer. ι. O. werden noch heute auf Feldern und Höhen am Abend des Karsamstages oder des Ostertages, hier und da auch des dritten Ostertages angezündet 1 ). Ein Zeugnis für sie über das 16. Jh. hinauf ist Grimm nicht bekannt 2 ). Sie reichen aber in die heidnische Zeit hinein, und das kirchliche Osterfeuer (s. Feuerweihe), das schon um die Mitte des 8. Jh.s im Frankenreiche in Übung war, hat sie ersetzen sollen 3 ). Das O. soll früher in gewissen Gegenden namentlich des Harzes B o c k s h o r n genannt worden sein 4), nach Mannhardt, weil man Bockshörner (als Vertretung des Korndämons) in die Flamme warf *). In Wehnde (Kr. Worbis) wurde ein Pferdeschädel hineingeworfen6), im Oberharz Eichhörnchen '), in Frankreich Füchse 8). Das Feuer selbst wird durch Reiben e n t f a c h t 9 ) , mit Stahl und Stein 10), durch das geweihte Kirchenlicht 1 1 ), durch einen Pistolenschuß 18 ); im westfälischen Sauerlande müssen die jungen Ehemänner, die während des letzten Jahres geheiratet haben, den Holzstoß aufbauen 13 ). Das Feuer hat um so größere Kraft, wenn alle Gegenstände dazu g e s t o h l e n sind 1 4 ). Auch das schon angesammelte Holz suchen andere zu entwenden 16 ), und in Althenneberg mußten zwei Burschen die ganze Nacht hindurch streng die Glut behüten 16 ). Der Zweck der O. ist derselbe wie der der Fastnachtsfeuer (s. Fastnacht 9; Funkensonntag). In Holstein werden brennende Strohbündel am Vorabend des Osterfestes auf die Viehweiden gesteckt (Ostermaanlüchten)17). Wo kein O. brennt, da zündet Gott in dem Jahre durch Brand ein Feuer an 1β ). An einigen Orten waren F r a u e n und Mädchen von der Teilnahme am O. ausgeschlossen 1β ). Anderswo wieder nehmen die Jungen beim Sprunge über das O. ein Mädchen zwischen sich M ), und in

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Westfalen kommt schon ein „ M a i p a a r " vor; es wurde um das O. getragen 2 1 ). Auch thront wohl oben auf der Spitze des Holzstapels ein mit Bändern und leeren Eiern geschmückter T a n n e n b a u m 2 2 ) . Manchmal wird eine S t r o h p u p p e mit verbrannt 23 ). Auch mit S c h e i b e n t r e i b e n ist das O. stellenweise verbunden 24 ). In Winterberg zieht man vor Abbrennung des Feuers mit Birkenfackeln feierlich um den Ort, in Grund (Harz) nach der Entzündung 2 5 ). Vor oder nach Anzündung wird P l u m p s a c k gespielt 2e ); auch 27 Ball ). *) S a r t o r i Sitte 3, 1 4 9 ! ; F r a z e r 10, i2ofl.; H e c k s c h e r 374Í.; S c h r o e d e r Arische Relig. 2, 229ff.; F r e u d e n t h a l Feuer 248 fi. „Ganz Niedersachsen, Westfalen und Niederhessen, Geldern, Holland, Friesland, Jütland, Seeland kennt Osterfeuer": G r i m m Myth. 2, 5 1 1 . Über das rheinische O.: Aubin-Frings-Müller Kultur Strömungen u. Kulturprovinzen in den Rheinlanden 208. Die Südgrenze des O.s zieht Rackwitz von Zerbst über Bernburg, Südharz, Kyffhäuser, Eichsfeld, Meißner: Ebd. Doch gibt es auch O. in Österreich ( G e r a m b Brauchtum 34) und in Bayern: P a n z e r Beitr. ι, 2 1 1 ; 2, 538; B r o n n e r Sitt' und Art 1 3 6 . 2 Vgl. F r e u d e n t h a i 264. ) Myth. 1,512. S. aber F r e u d e n t h a l 258 ff. 3 ) F r a n z Bene4 diktionen ι, 5 1 7 . ) G r i m m Myth. 1, 5 1 2 f . ; 3, 176; H o o p s Sassenart 5 1 ; A n d r e e Braunschweig 45. Bocksdorn: K u h n Westfalen 134 (404); F r e u d e n t h a l 250. 6 ) M a n n h a r d t 1, 5 1 5 ; 2, 179. 3 i 6 f . Vgl. M e y e r Germ. Myth. 101. ·) W ü s t e f e l d Eichsfeld 78. Vgl. S a r t o r i Westfalen 1 5 7 . ' ) S a r t o r i Sitte 3, 140 A . 6; M a n n h a r d t ι, 508. 8 ) M a n n h a r d t Forschungen 109. ·) B i r l i n g e r Volkst. 2, 82. 1 0 ) S t r a c k e r j a n 2, 74. " ) Bavaria 1, I002Í. = F r a z e r 10, 1 2 2 ; W o l f Beitr. 1, 72 (der zuerst An12 kommende zündet den Holzstoß an). ) H ü s e r Beiträge 2, 35 (12); ZfrwVk. 4, 25. 13 11 ) S a r t o r i Westfalen 159. ) K u h n Mark. Sagen 3 1 3 . " ) ZfrwVk. 3, 80. " ) W o l f Beitr. ι , 72. " ) M ü l l e n h o f f 168; H e c k s c h e r 374; M e n s i n g Wb. 3, 912. l e ) S t r a c k e r j a n 2 > 7 1 (313)· " ) W o l f Beitr. 1, 72; S a r t o r i Sitte 3, 150 A . 16; 163 A . 7 1 . M ) S t r a c k e r M j a n 2, 72. 2 1 ) H ü s e r Beitr. 2, 25 (9). ) H a r t m a n n Westfalen N. F . 30; S a r t o r i Westfalen 1 5 7 ; M a n n h a r d t 1 , . 5 0 6 ! ; F r e u d e n 2S t h a l 253. ) S a r t o r i Sitte 3, 150 A. 1 6 ; M a n n h a r d t 1, 505; W ü s t e f e l d Eichsfeld 60; F r a z e r 10, 1 4 3 s . ; F r e u d e n t h a l 264. 24 S. Ostermann. ) P a n z e r Beitr. 1, 2 1 1 . 2 1 2 ; 2, 5 3 8 s . 26 ) K u h n Westfalen 2, i4of. «) Ebd. 2, 1 3 5 ! 1 3 6 ; S t r a c k e r j a n 2, 78 (im Wirtshause). " ) Nds. 6, 241 (Badbergen).

2. Das brennende O. wird u m t a n z t ,

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Osterhasi

das verglimmende übersprungen. Der Sprung heilt Krankheiten und schützt vor ihnen28). Wer beim Sprunge hinfällt, stirbt noch in demselben Jahre. J e höher man springt, desto höher wächst der Flachs 2e ). In Lügde bei Pyrmont werden mächtige R ä d e r vom Berge herabgerollt, und der Bauer läßt sie gern über sein Grundstück laufen, denn er hofft Segen davon. Wenn alle Räder gut herunterkommen, ist ein gutes Jahr zu erwarten30). An hessischen Orten achtete man darauf, wohin der Wind die Flamme blies, und säete dann Flachs in dieser Richtung in der Erwartung, daß er gut wachsen werde 31 ). Knaben laufen mit brennenden Strohbündeln oder Holzscheiten über die Kornfelder, um dadurch Fruchtbarkeit für sie zu erwirken 32). Je besser die Fackel brennt, um so mehr Glück bedeutet es für den, der sie trägt 33). Sieht man am ersten Ostertage viele O., so bedeutet das ein gutes Erntejahr 34). Soweit das O. leuchtet, sind die Leute vor Krankheit bewahrt, und die Häuser, die von ihm beschienen werden, sind im folgenden Jahre gegen Feuersbrunst geschützt35). Jeder lebt noch so viele Jahre, wie er 0. erblickt36). Auch für die Augen ist ihr Anblick gut 37 ). In Oberösterreich werden um i, 2, 3 Uhr früh in der Osternacht auf freiem Felde Feuer angezündet, und die Bäuerin gibt rohes Fleisch mit, das an diesem Feuer gesotten und im Freien verzehrt wird. Fällt Tau auf die Erde und auf das frischgesottene Fleisch, so zeigt dies eine reiche Ernte, überhaupt ein fruchtbares Jahr an 38). Auch die Bewohner des Hochgebirges in Steiermark, die wegen Schnees nicht zur Kirche kommen können, tragen ihr zu weihendes Brot und Fleisch an das O. und nehmen es dann als geweiht an 3e ). Mit den Bränden des O.s erneuert man das zuvor ausgelöschte Herdfeuer Die Asche des Feuers wird gesammelt und sorgfältig aufbewahrt zur Heilung von Viehkrankheiten41). Sie wird erst am nächsten Tage vor Sonnenaufgang geholt 42). Mit Fett oder Schmand vermischt, gibt sie eine heilkräftige Salbe 43 ). Will man das Vieh vor Krankheit bewahren,

•Osterkalb

I33 6

so muß man einen angekohlten Pfahl vom O. in das Tränkefaß stellen (Nordthüringen) **). Aus Harkebrügge wird berichtet, daß halb verbrannte oder verkohlte Holzstücke aus dem niedergebrannten 0. mit nach Hause genommen, dort sorgsam aufbewahrt und im folgenden Jahre zum neuen O. getragen und in die Glut geworfen werden. Ein frisches Stück wird dann wieder aus den Kohlen gezogen und anstelle des alten im Hause niedergelegt 46).

2e a ) H a r t m a n n Westfalen N. F . 3 1 . ») W ü s t e f e l d Eichsfeld 78. 30 ) S a r t o r i Westfalen 158. 3 1 ) F r a z e r 10, 140. Vgl. F r e u d e n t h a l 257. 3 2 ) S t r a c k e r j a n 2, 72; F r e u d e n t h a l 255. 265. 3 ) ZfdMyth. I, 79 (Harz). »4) S t r a c k e r j a n 1, 36. A n d r e e Braunschweig 3 3 7 ; K u h n Mark. Sagen 3 1 2 f . 3 ') S a r t o r i West37 falen 158. ) ZfVk. 6, 370 (Braunschweig). 3e ) B a u m g a r t e n Jahr 22. 3 9 ) ZfVk. 8, 444. 40 ) S t r a c k e r j a n 2, 7 3 ; vgl. W i t z s c h e l Thüringen 2, 198 (39). 4 1 ) K u h n Mark. Sagen 312. Vgl. F r e u d e n t h a l 258. 266. « ) ZfVk. 6, 370. 43 ) K u h n Westfalen 2, 1 3 7 ; J o h n Erzgeb. 195. **) ZfVk. 10, 208; vgl. F r a z e r 10, 124. i4of. 4 5 ) S t r a c k e r j a n 2, 74.

3. Die Geistlichen haben das weltliche O. oft für Teufelswerk erklärt 4e). Auf ihren Einfluß sind wohl Erzählungen zurückzuführen, die von unliebsamem Geisterbesuch dabei zu erzählen wissen. Geister tanzen mit und werfen die Menschen mit Feuer 47 ). Der Böse selbst kommt in Gestalt eines Schweines aus dem Feuer 48 ). Aus dem Flackern der Flammen erkennt man das Herannahen von Hexen 49). Vielleicht zeigt sich der Gegensatz noch in dem Verfahren im Bez. Minden, wo überall beim O. geistliche Lieder gesungen, im Kr. Halle aber Spukgeschichten erzählt werden M). 4β ) S t r a c k e r j a n 2, 73; S a r t o r i Westfalen 159. 47 ) P r ö h l e Unterharz 11^(34). 4e ) S t r a c k e r j a n ι, 312. " ) D r e c h s l e r 1, 96. so ) ZfrwVk. 4. 25·

4. Uber das kirchliche O. s. F e u e r -

weihe.

Sartori.

Osterhase s. Osterei. Osterkalb. In der Schweiz wird derjenige, der am Ostersonntag im Hause zu spät aufsteht oder in alten Kleidern erscheint, als „Osterkälbli" verspottet 1 ). O. ist überhaupt Bezeichnung für einen dummen Menschen. Auch Marien-

1337

Osterkerze

käfer und Maikäfer werden „Osterkälbchen" genannt 2 ).

S A V k . 5, 4; S a r t o r i Sitte 3, 1 5 6 A . 4 3 ; SchwVk. 6, 44; V e r n a l e k e n Alpensagen 369. Ähnliche Bezeichnungen: Neujahrskalb ( H o f f mann-Krayer 1 1 7 ) , Aprillestier (Reiser Allgäu 2, 132), Pfingsthammel, Palmesel u. a. 2 ) G r i m m DWb. 7, 1376. Sartori.

Osterkerze. ι . Am Gründonnerstag wurden in der alten christlichen Kirche alle Kerzen und Lampen ausgelöscht; nur die riesige, mit den hl. Kreuzesnägeln geschmückte 0 . blieb brennen 1 ). Am Karsamstag wurde auch sie gelöscht, in das neugeweihte Taufwasser (s. O s t e r t a u f ) dreimal hineingesenkt, dann neu angezündet, und mit ihr das Feuer sämtlicher Lichter und Lampen erneuert. Zu Bonifatius' Zeit rief man das neue hl. Feuer durch Schlagen aus einem Stein 2 ) oder durch ein Brennglas von Kristall hervor, weihte es und zündete an ihm die 0 . an. Nach heutigem Brauch wird am Karsamstag im Kirchturm oder unmittelbar bei der Kirche ein Holzstoß entzündet und gegeweiht und mittels einer großen Wachskerze das neue Licht gewonnen, mit dem dann die ewige Lampe und alle Lichter wieder entzündet werden (s. F e u e r weihe) s ). In der Lombardei und im Tessin werden in die O. eiserne Nägel eingetrieben; sie beziehen sich auf das Leiden des Herrn 4 ). Sonst werden fünf geweihte Weihrauchkörner in sie eingefügt η . Die 0 . ver sinnbildet Christus, das Licht der Welt 6 ). Sie wird fortan beim Hauptgottesdienst auf einem besonderen Leuchter während der Osterzeit angezündet und am Himmelfahrtstage ausgelöscht. Neben der 0 . wurden früher in manchen Kirchen noch zwei andere Kerzen am Lichte der 0 . entzündet. Sie sollten zur Verteilung des neuen Feuers in den Häusern dienen7). In den Benediktionen wird gesagt, daß die O., wohin sie oder ein Teil von ihr getragen wird, durch göttliche Kraft die teuflischen Anschläge zunichte machen solle 8). *) Für Italien und Spanien ist ihr Gebrauch schon im letzten Viertel des 4. J h . bezeugt: F r a n z Benediktionen 1, 520. 2 ) So auch in der spanischen Kirche: Ebd. 1, 5 4 3 Í . 3 ) W e t z e r

1338

u. W e l t e 9, 1 1 3 5 s . ; F r a n z Benediktionen I, 520ft.; K e l l n e r Heortologie 65; Z f V k . 1 8 , 426ff.; M a n n h a r d t 1, 502Í.; J a h n Opfergebräuche 1 2 9 ; M e n z e l Symbolik 2, 178; L i p p e r t Christentum 4 8 7 ! ; W a l d m a n n Progr. v. Heiligenstadt 1864, 6; S a r t o r i Sitte 3, 1 4 7 A . 3 ; F r e u d e n t h a l Feuer 134 s . 4 ) S A V k . 15 (1911), m f . ' ) F r a n z Benedikt. 1, 544. 548 (sie wurden auch als die Aromata der frommen Frauen angesehen). e ) Ihr alttestamentlicher Typus ist die Feuersäule. Einige verstehen unter der O. den heiligen Geist: Ebd. ι , 549f. ' ) Ebd. 1, 548. ») Ebd. 1, 529. 540, vgl. 524.

2. Schon um 500 zerstückelte man die O. und verteilte die Stückchen an die Gläubigen zu Räucherungen im Hause, für Äcker und Weinberge und zum Gebrauch gegen Unwetter und allerlei Gefahren e ). Auch des Wachses, das an der O. hinabträufelt, bemächtigen sich die Leute gern, weil sie ihm besondere Wirkungen zuschreiben. Es soll, in Bienenkörbe gelegt, deren Ertrag befördern 10 ) und, in Krankheiten eingegeben, Heilung bewirken. Diebe glauben sich vor dem Ertapptwerden, Jäger vor Unglück gesichert, wenn sie das hl. Wachs bei sich tragen u ). Es bewahrt vor Zauberei und Hexerei 12 ). Die wächsernen Agnus Dei können als Ersatz für die O. gelten, deren Masse bei großen Gemeinden nicht ausreichte w ). In der Hollertau (Bayern) zündeten die jungen Burschen ihre Laternen an der O. in der Kirche an und liefen damit zum Osterfeuer. Wer zuerst ankam, setzte den Holzstoß in Brand 14 ). In Saint-Georges de Montagne (Gironde) ging man früher zweimal jährlich in Prozession zur öffentlichen Quelle und tauchte die O. hinein 16 ). ·) F r a n z Benediktionen 1, 5 5 2 Í . 1 0 ) Auch die Nordgroßrussen wie die Weißrussen legen Wachsstückchen von der O. in die Bienenstöcke: Z e l e n i n Russische Volkskunde 83. 11 12 ) J a h n Opfergebräuche 1 3 1 . ) Meyer Baden 503; F r e u d e n t h a l 1 3 8 f. 1 3 ) HessBl. 14 10, 4 1 ; oben I, 2 1 5 . ) Bavaria ι , ioo2f. = F r a z e r 10, 122. 1 6 ) S é b i l l o t 2, 2 1 5 .

3. Eine wirksame O. kann sich auch der einzelne verschaffen. Auch sie ist gegen alle Arten von Malefiz gut 1 β ). Augenkrankheiten kann man vertreiben, wenn man am Ostertage eine Wachskerze in der Kirche brennen läßt, dann ihren Rest mit Milch und Safran aufkocht und

Osterlamm—Osterluzei

1339

damit lauwarme Umschläge auf das kranke Auge macht (Ungarn) " ) . Gibt eine Kuh rote Milch, so berührt man das Euter mit einer geweihten Osterkerze 18 ). In Kempenland legt man gegen Behexung des Viehes unter die Stalltüre O s t e r n ä g e l aus Weihrauch und Wachs, die kreuzweise auf die Osterkerzen gesteckt werden 1β ). In Belgien legt man einen solchen Nagel unter die Schwelle eines neugebauten Hauses zum Schutze gegen Zauberei 20 ). 1 · ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 158; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 429; Z f V k . 39 (1929), 182. ls) " ) Z f V k . 4, 396. Landsteiner Niederösterreich 60 (vielleicht ist aber auch hier nur 1 *) ein Stück der kirchlichen O. gemeint). S e l i g m a n n Blich 2, 320. 20) D e C o c k und T e i r l i n c k Brabantsch Sagenboek 1, 6of. Sartori.

Osterlamm. 1. Das Lamm ist S i n n b i l d d e s H e i l a n d e s als des stummen Opferlammes, das der Welt Sünde t r ä g t 1 ) . Paulus bezeichnet, an das jüdische Passahlamm anknüpfend, Jesus als Osterlamm 2 ). Obgleich der Reichenauer A b t Walafrid Strabo sich gegen die Sitte wandte, daß man Ostern neben oder unter den Altar Lammfleisch legte, mit einer besonderen Benediktion weihte und am Auferstehungstage vor jeder andern Speise aß 3 ), bildete Lammfleisch das Hauptstück unter den zur Weihe in die Kirche gebrachten Eßwaren. Es symbolisiert das geistige Mahl, den Genuß der Eucharistie. A m päpstlichen Hofe fand der Genuß des O.s unter besonderen Feierlichkeiten statt 4 ). M e n z e l Symbolik 3 ) F r a n z Benediktionen

2, ¿ff. 1, 577S.

2)

1. Kor. 5, 7. *) Ebd. 1, 581.

2. In Rauris (Tirol) wird Ostern ein l e b e n d e s O. mit den übrigen Speisen in der Kirche geweiht 6 ), im Stanzertal am Ostermontag oder -dienstag ein Pflug oder ein O. unter Jauchzen und Lärmen feierlich herumgeführt®). In polnischen Dörfern des früheren österreichischen Schlesiens schlachtet man am Ostertage in jedem Hause ein Lamm, das im Freien gebraten wird. Der Tag gilt als Versöhnungstag 7 ). Beim Essen des O.s im östlichen Böhmen stehen alle Anwesenden, sind reisefertig angezogen, haben Hut oder

I34O

Mütze auf dem Kopfe und halten in einer Hand einen Stock 8 ). Auch aus Butter geformt und als Backwerk erscheint das Lamm beim Ostermahl 9 ). In der westfälischen Mark nahm man am Ostertage von allen Speisen, die auf dem Tische standen, ging um das Gehöft und streute sie umher mit den Worten : „Hawek, Hawek! hi giew ik di en O. Friet mi kaine Hauner a f " 10). Schon der griechische Patriarch Nerses (t 1175) verdammte den Volksbrauch, nach dem Schlachten des O.s das Blut zu sammeln und zu essen oder die Türschwellen damit zu beschmieren u ) . Im östlichen Böhmen werden die Überbleibsel des Lammes (wie die Schalen der geweihten Eier) teils unter die Bäume im Garten geworfen, damit sie reicher Früchte tragen, teils in den Brunnen, damit er nicht versiege 1 2 ). Andrerseits meinte man, daß die Knochen des gesegneten O.s den Hunden nicht gegeben werden dürften, weil sie sie unsinnig machten. Doch hat Geiler von Kaisersberg nichts dagegen einzuwenden 1S ). Übrigens sagt man im Kr. Kempen, man dürfe zu Ostern (wie zu Weihnachten) kein Lamm schlachten " ) . ') H ö f l e r Ostern 24Í. ·) Z i n g e r l e Tirol 7) 150 (1297). V e r n a l e k e n Mythen 302. e ) R e i n s b e r g Böhmen 1 3 7 ! ·) R e i s e r Allgäu 2, 130; J a h n Opfergebräuche 138; H ö f l e r I0 ) Ostern 5 3 s . ; HessBl. 26 (1927), I39Í. l l W o e s t e Mark 53 (13). ) H ö f l e r 22. ") R e i n s b e r g Böhmen I37f. 13 ) G r i m m Mythol. 3, 472 (1010); vgl. J a h n Opfergebräuche 42. 137Ì. u ) K n o o p Posen 327 (75).

3. Über dasO. in der Sonne s. O^tersonne. Sartori.

Osterluzei (Aristolochia clematitis). ι . B o t a n i s c h e s . Der oben etwas gewundene Stengel dieser ausdauernden Pflanze trägt herzeiförmige Blätter. Die Blüten stehen in den Blattachseln, sind hellgelb, ihre Hülle ist oben in eine eiförmige Zunge vorgezogen und unten etwas bauchig aufgeblasen. Die 0 . findet sich hin und wieder an Zäunen, in Weinbergen, unter Hecken. Ihre Heimat ist das südliche Europa. Heutzutage findet die Pflanze noch manchmal in der bäuerlichen Tierheilkunde Anwendimg 1 ).

Ostern 1)

M a r z e l l Kräuterbuch

347f.

2. In der antiken Heilkunde fand die „aristolochia" vor allem Verwendung gegen Schlangenbisse, was vielleicht auf ein ursprünglich allgemein antidämonisches Mittel hinweist 2 ). Die „plistolochia", die wohl mit der „aristolochia" gleichbedeutend ist, soll nach P l i n i u s 3) die Schlangen aus dem Hause verscheuchen, wenn sie nur über dem Herde aufgehängt wird. Bemerkenswert ist, daß ganz unabhängig von diesen antiken Meinungen die O. auch in Nordamerika, Mexiko, Westindien von den Eingeborenen als schlangenwidriges Mittel gebraucht wird4). In einer Hs. des 14. Jh.s heißt es, ,,der rouch von der holwurtz (wohl = 0.) vertrîbt den alp oder ungehûren" s ), und Brunfels®) schreibt: „Wo man Osterlucey hat, so kompt kein böser feyndt hin, mag auch keyn unholdt oder hex schaden thun. darumb es in etlichen landen gewonheyt, das es die kindtbetterin (aristolochia = .beste Geburt') bey jnen im Vorhang haben sich und das kindlin damit bereuchen. Ist nit unrecht gethon sofern man dißes nicht dem kraut allein zugibt, sondern der Krafft Gottes und im glauben handelt sonst were es ein aberglaub". Auch hier handelt es sich um keinen deutschen Aberglauben, sondern um spätantike Tradition: „herba aristolochia sicca, subfumigabis eum, tunc et hilariorem facies, fugat et daemonia" 7). D i o s k u r i d e s Mat. med. 3, 4; P l i n i u s Nat. hist. 25, 95ff. s ) Nat. hist. 25, 101. 4 ) Hist. Studien aus dem Pharmakol. Inst. d. U n i v . D o r p a t 5, 43. 5 ) Z f d P h . 12, 157. e ) Kräuterbuch 1532, K a p . 149. ') P s e u d o - A p u l e i u s Herbarius edd. H o w a l d et S i g e r i s t 1927, 56. Marzell.

Ostern.

ι . Verjüngung in N a t u r und Menschenleben. Frühlingseinholung. 2. Magische Vorkehrungen f ü r Acker und Vieh. Vertreibung des Ungeziefers. Sorge für die Gesundheit. 3. Wasserg u ß . Schlag mit der Lebensrute. Hochheben. 4. Speisenweihe und Speisenzauber. 5. Geister und Zauber. Verbote. 6. Vorzeichen und Weissagungen. 7. Wetterregeln.

I. Das älteste und H a u p t f e s t der Christenheit 1 ). Sein Termin war längere Zeit Gegenstand des Streites 2 ), bis ihn das Konzil zu Nicaea auf den Sonntag

I342

festsetzte, der dem ersten Vollmonde nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche folgt. Das Auferstehungsfest des Herrn v e r j ü n g t Natur und Menschenleben. Die mittelalterliche Kirche wandte zum Ausdruck dessen als Gegenbild des Todes das derbe Mittel des „Ostergelächters" (risus paschalis) und der „Ostermärlein" an 3), gewissermaßen ein geistiger Zauber nach der langen Trübsal der Fastenzeit, wie das reichliche Essen den Körper wieder hochbrachte. Ein neuer D a s e i n s a b s c h n i t t beginnt. ZuO. (und Pfingsten) soll man angefangene Arbeiten beendigt haben, sonst wird man mit ihnen kein Glück haben 4). Die Kinder werden neu gekleidet, sonst müssen sie sich „Osterkälbli" schelten lassen 6 ). Alles putzt sich besonders heraus. In Gossensaß legt man am ersten Ostertage vormittags das Wintergewand, und wenn es schön ist, nachmittags das Sommergewand fürs Kirchengehen an·). Gleich nach 0., heißt es im bayerischen Walde;, darf man ohne Schaden für die Gesundheit mit dem Barfußlaufen beginnen, denn dann ist die Erde geweiht 7 ). Die am Osterfeiertage Geborenen sind bevorzugte Glückskinder 8), und wenn einer zu O. oder zwischen O. und Pfingsten s t i r b t , so wird er selig '). Der W i n t e r ist v o r b e i , und nur noch geringe Spuren in gewissen Spielen zeigen hier und da das Bemühen, ihm den Rest zu geben 10). Am Niederrhein heißt es bei der Auferstehungsfeier noch heute, es würden dabei „de Jüdde uut der Kerek gedrieve". Beim Umzug um die Kirche sollen Steine nach den Haustüren der anliegenden Häuser geworfen worden sein 11 ). Im Amte Ritzebüttel schleppen die Konfirmanden am Abend des Ostertages, nachdem die Ostereier verzehrt sind, alle zerbrochenen Gefäße auf einem geeigneten Platze zusammen und schlagen sie mit Knüppeln kurz und klein, während ein Knabe durch Peitschenhiebe um die Beine die andern von ihrem Zerstörungswerke abzuhalten sucht. Wenn alle Töpfe zerschlagen sind, gehts zum Osterfeuer 12 ). In Wirklichkeit bezweckt das Scherbenmachen wie das Peitschenschla-

1343

Ostern

gen eine Austreibung der bösen Wintermächte. Die Kuren singen, „um die Vögel zu wecken" 1 3 ). Schon beginnt der Wunsch, den Lenz einzuführen, lebendigere Gestalt anzunehmen. Eine der Maiund Pfingstbraut entsprechende „ O s t e r b r a u t " scheint freilich selten aufzutreten 14 ). Aber das frische, segenbringende F r ü h l i n g s g r ü n wird jetzt überall fröhlich sichtbar. Am Ostermorgen werden grüne Zweige, besonders Tannenzweige im Stall aufgehängt oder auf den Düngerhaufen gesteckt, angeblich um die Tiere vor den Hexen zu schützen (Lausitz) 15 ). An verschiedenen thüringischen Orten errichtet man Osterbäume 16 ). Die Kuren stecken Fichten auf die Dünen und geben beim Gange nach dem Strande den Mädchen Ruten aus den Zäunen 17 ). In Dörfern bei Krossen wird die Straße mit weißem Sande und Mustern von Asche und Ziegelabfällen freundlich geschmückt, doch wohl um den Lenz zu empfangen 18 ). Dieselbe Absicht hat vielleicht der sog. „Irrgang" oder „Wunderkreis" bei Eberswalde 1β). Von alten F l u r u m g ä n g e n ist hier und da das „ O s t e r s i n g e n " übrig geblieben20) (s. auch n a c h E m m a u s g e h e n ; O s t e r reiten). Manche gehen aus, um vom Felde die Spitzen der frischen Kornsaat zu holen; sie wird ins Bettstroh gestreut (angeblich gegen Ungeziefer) oder den Mädchen vor die Fenster oder auch dem Vieh gegeben 21). Im OA. Ohringen gibt man Gras, das man am Osterabend gerupft hat, der Kuh, um die Nachgeburt zu fördern 22). Im Eichsfelde müssen die jungen Ehemänner von den Knospen essen 23 ). In Westfalen zieht man zu alten B ä u m e n und umtanzt sie 24 ). Wer beim Siebensprunge um die alte Eiche bei Iserlohn alle sieben Löcher traf, glaubte, daß er noch sieben Jahre leben oder in dieser Zeit eine Frau bekommen werde 2S). Der Einholung des Frühlings dienen vielleicht auch allerlei Arten von Wettläufen 26 ). Damit im Jahre mehr Hennen als Hähne werden, muß am ersten Ostersonntag das „Stubenmensch" mit dem Geweihten vor den Burschen heimkommen. So verlassen noch jetzt die

I344

Mädchen das Hochamt vor Schluß, und es beginnt ein Wettlauf nach allen Richtungen 27). Zu St. Georgen südlich von Graz fahren am Ostersonntag die Bauernburschen von der Kirche weg mit dem dort geweihten Fleische um die Wette nach Hause ; wer das Dorf zuerst erreicht, trägt Lob und Ehre davon 28 ). Nach der Auferstehungsfeier fahren die polnischen Bauern sehr schnell nach Hause, um ebenso schnell mit der Ernte fertig zu werden 28). E i c h h ö r n c h e n j a g e n ®°) und H a h n s c h l a g e n 3 1 ) sind wohl Reste einer Tötung oder Freimachung des Frühlingsgeistes. Im polnischen Oberschlesien gehen Knaben „mit dem Hahne" um, der auf einer Drehscheibe den Kopf auf- und ab bewegt. Ein buntgeputztes Puppenpaar tanzt drum herum 32). Eine dem Osterfeste eigentümliche Sitte ist das B a l l s p i e l 3 3 ) . Auch mit K u g e l n 34) und H o l z s c h e i b e n 3 δ ) wurde gespielt. Man sieht in diesen Gegenständen Symbole der Sonne, in der Handlung einen Sonnenzauber 3β ). Für das Ballspiel stiften an vielen Orten die im letzten Jahre Vermählten den „Brautball" 3 7 ). Dieser wird dann so lange hin- und hergeschlagen, bis er entzwei ist. War ein Mädchen bei der Hochzeit keine Jungfer mehr gewesen, so wurde der Braut ball nicht von ihr eingefordert 38 ). Den gesteigerten Liebesgefühlen kommen manche mitunter derbe Bräuche entgegen 38). 2) !) K e l l n e r Heortologie 29Ü. Wetzer u. W e l t e 9, i i 2 i f . s) Ebd. 9, ii26ff.; B r o n n e r Sit? m. Art 139; ZfVk. 40 (1930), 2; S a r t o r i Sitte 3, 167; oben 5, 868. 4) ZfVk. 4, 397 (Ungarn). ') S a r t o r i Sitte 3, 156 A. 43; vgl. WZfVk. 33, 101. «) ZfVk. 8, 253. 7) B r o n ner 137. 8) John Erzgebirge 50; MschlesVk. H. 13, 54. ») Schuller Progr. v. Schäßburg 10) Grimm Mythol. 1863, 63. 2, 651; S a r u) tori 3, i5of. A. 16. 165 A. 76. Wrede Rhein. Volksk? 259. 12) Nds. 4, 20. Vgl. auch S t r a c k e r j an 2, 74Í. Am Vorabend des Pessach pflegten auch die Juden in Endingen und Lengnau in der Haustüre ein Gefäß zu zerbrechen: SchwVk. i l (1921), 2 (2). Vgl. dazu NddZ f V k . 10, 167. 13) T e t z n e r Slawen 161. 14) W o e s t e Wbch. d. westfäl. Mundart 191 (Brackel b. Dortmund). " ) W u t t k e Sächs. Volksk. 17 ) 324. 16) MitteldBlfVk. 4 (1929), i2of. T e t z n e r Slaven 161. 18) ZfVk. 11, 8 7 ! Vgl. den „Brautpfad" in Aurich: S a r t o r i 3, 187

Ostern

1345 Α . 5.

ls

)

Ostdeutsche

Brunner

Volksk.

219Í.

) B r o n n e r Sitt' u. Art 136. 2 1 ) S a r t o r i з , 164; W Z f V k . 35 (1930), 43. M) E b e r h a r d t M

Landwirtschaft

16.

Westfalen

tori

23

) N d s . 9, 214.

2, 154.

26

21

)

Sar-

Westfalen

) Kuhn

2, 150. 2«) S a r t o r i 3, 165 A. 75. " ) WZfVk. 35 (1930), 42 (oberes Mühl viertel am linken Donauufer). Posen

328

Volksk. 222.

28

) ZföVk. 3 (1897), 8.

(87). 30

Vgl.

2e

) G r i m m Mythol.

) Knoop Ostdeutsche

Brunner

1, 512; K u h n

и. S c h w a r t z 374Í. Vgl. oben 2, 6551. S a r t o r i 3, 166. 32 ) D r e c h s l e r 1, 104.

,l)

33)

S a r t o r i 3, 161 f.; D e r s . Westfalen 156; D i e n e r Hunsrück 233. Oben 1, 860. 3 4 ) K u h n u.

S c h w a r t z 372 (16); Hoffmann-Krayer 35 151. ) S a r t o r i 3, 162 Α. 68; B r u n n e r

3e Ostdeutsche Volksk. 220 f. ) Schroeder Arische Relig. 2, 176fif. ; P h i l i p p s o n Germanisches Heidentum bei d. Angelsachsen 109.

")

Sartori

3, 162 A. 69. Oben 1, 8i6f.

K u h n u. S c h w a r t z 372 (16). 3, 166; D e r s . Westfalen S o h n r e y 93; S c h w V k . 6

39

)

38)

Sartori

155; K ü c k u. (1916), 40 (,,Oe-

sterlen").

2. Wenn der Papst in Rom am Ostertage mittags den Segen über die ganze Welt gibt, geht der Bauer am Buchberg bei Tölz aufs Feld, kniet nieder und bekreuzigt sich, um ihn auch auf seine Äcker und Wiesen herabzuziehen 40 ). Am Ostersonntag und -montag werden die Ä c k e r gepalmt41). Werden die Palmen bei regnichtem Wetter eingesteckt, so gedeiht das Getreide nicht 4 2 ). Man backt Pfannkuchen, füllt die Eierschalen mit Weihwasser und trägt sie ins Feld, dann trifft kein Wetterschaden das Korn (Langenei a. Lenne) 43). Einen Baum, der mehrere Jahre keine Früchte getragen hat, besprengt man mit Weihwasser und klopft unter einem Spruche dreimal an seinen Stamm 44). Die Überbleibsel des Osterlammes und die Schalen der geweihten Eier werden im Garten unter die Bäume vergraben, damit sie reichlicher Früchte tragen 45 ). In Aisne besprengt man die Apfelbäume vor Sonnenaufgang mit Weihwasser, um viele Äpfel zu kriegen 46). In Greenwich wälzten sich zu 0 . Paare die Hügel hinab 4 7 ). Gegen Tollwut muß man Hunden zu 0 . ein Stück Fleisch zu fressen geben 48). Zum Besten ihres V i e h e s opfern die Grundbesitzer von Kohlmann jährlich am Ostermontag eiserne Tiere auf dem Altar 4 8 ). In Ostpreußen klopfen in der B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VI

1346

Osternacht vier nackte Mädchen an die vier Ecken des Hauses, um das U n g e z i e f e r zu vertreiben 60 ). Am Ostermorgen fegt man die Stuben aus und trägt das Gemüll über die Scheide auf das Gebiet des Nachbarn; damit trägt man ihm die Flöhe zu 61 ). Für s y m p a t h e t i s c h e K u r e n sind Osternacht und Ostermorgen geeignet M ). In der Soester Niederbörde müssen am Ostertag alle gewogen werden 63). In der Pfalz ließ man gewöhnlich am Ostermontag zur Ader M ). Ostermorgen nüchtern von den Äpfeln essen, die Palmsonntag auf Palmstöcken in der Kirche gewesen sind, hilft gegen Krankheiten 6B). Damit die Hennen fleißig legen, ließen im oberen Mühlviertel viele (manche tun es auch jetzt noch) am Palmsonntag in einem Säckchen Gerste weihen, die sie ihnen am Ostersonntag als Futter gaben 5 6 ). Tritt man am Ostertag nicht barfuß auf den Stubenboden, so ist man vor Fieber sicher (im Ansbachischen) w ) . 40 ) S e p p Religion i n . 4 1 ) H ö r m a n n Volksleben 64Í.; B r o n n e r SîW u. Art I 4 5 Í . ; K u h n

Westfalen 2, 144. 145. 147 (419); P o l l i n g e r 42 Landshut 210f. 212. ) K u h n Westfalen 2, 145. 4 3 ) E b d . 2, 147 (420). 4 4 ) K n o o p Posen

328. « ) R e i n s b e r g Böhmen 138. " ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 378. 4 7 ) F r a z e r 2, 103. 4 e ) K n o o p Posen 50

)

328 (86).

Lemke

Ritus

34.

")

ZföVk.

Ostpreußen 61

)

Knoop

10 (1904),

14 =

1,

132.

Weinhold

Hinterpommern

174;

L e m k e Ostpreußen 1, 14; vgl. W u t t k e Sachs. Volksk. 371; S a r t o r i 3, 156. 5 2 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 198 (38); H e c k s c h e r 341. 53 ) S a r t o r i Westfalen 153. 5 4 ) H o v o r k a u.

K r o n f e l d 2, 377.

55

) Strackerjan

" ) W Z f V k . 35 (1930), 42.

57

) Grimm

1, 98.

Mythol.

3. 459 (711)·

3. Der heilbringende W a s s e r g u ß ist zu O. namentlich im östlichen Deutschland üblich 68). In Polen heißt er Dyngus 5e ). Ebenso häufig ist das P e i t s c h e n mit der „ L e b e n s r u t e " , das — eben weil es Glück bringt — gewöhnlich mit einer Bewirtung oder einer Eiergabe belohnt wird ®°). Man nennt es im östlichen Deutschland stiepen ( = stäupen), pietschen, futteln, fuen, meistens aber (in Ostpreußen, Schlesien, Böhmen) s c h m a c k o s t e r n (s. d.). Bei den Slovinzen heißt es „frische Grüne peitschen" β1). Man sorgt dafür, daß die Knospen an den 43

Ostern

1347

Birkenreisern, die man dazu benutzt, aufgebrochen sind 62 ). An die Osterpeitschen sind zuweilen Kuchen, Wickelkindchen oder schnäbelnde Tauben gebunden 63 ). Wenn man im Erzgebirge die Schläfer mit den Birkenreisern aus den Betten holte, gab man als Grund an, die Geschlagenen sollten immer zur rechten Zeit erwachen ®4). Ein mit der Osterrute gepeitschtes Stück Vieh ist stets munter 65). Auch der verbreitete Frühlingsbrauch des H o c h h e b e n s (s. 3,1603) hat sich an O. geknüpft. In den Kreisen Winsen und Lüneburg warfen die Burschen am ersten Ostertage die Mädchen hoch in die Luft, um sie dann wieder aufzufangen (Grebenbörn)66). Ebenso machten es am zweiten Ostertage die jungen Leute im Kr. Fallingbostel mit dem Bauern, der in diesem Jahre den Gemeindebullen bekam, und der Bäuerin®7). In Schottland hoben die Männer am Ostermontag die Frauen empor, am folgenden Tage war es umgekehrt w ). In all diesen Fällen handelt es sich wohl in erster Reihe um eine Art von Lufttaufe und Reinigung durch die Luft. Wenn am Schlüsse des großen, das Vleugelen oder Vlöggelen genannten Osterumzuges in Ootmarsum auf dem Marktplatze der Schlußgesang angestimmt wird, pflegen zuschauende Eltern ihre Kinder bei den letzten Worten des Liedes in die Höhe zu heben. Manchmal wird auch der Vorsänger hochgehoben e9). '·) S a r t o r i Sitte 3, 155; H a u p t Lausitz I, 254. M ) S a r t o r i 3, 155 A. 39; K n o o p in ZfVk.

30/32

(1920/22),

i65fi.

,0

)

Sartori

з, 154. β1 ) T e t z n e r Slaven 432. *2) E n g e l i e n и. L a h n 231. , 3 ) M a n n h a r d t Forschungen M9· M ) J o h n Erzgeb. 195. " ) G r o h m a n n 137 (1001). ·') K ü c k u. S o h n r e y 93. ") Nds. 16, 302. " ) K u h n Westfalen 2, 140. Vgl. N o r k Festkalender 2, 1016. ·*) Driemaandelijksche Bladen 13 (1913), 47.

4. Nach der langen Fastenzeit freut sich jeder der wiedergewonnenen Freiheit des Speisegenusses,0). Am Ostersonntag läßt in katholischen Gegenden jedes Haus allerlei E ß w a r e n in der Kirche w e i h e n , namentlich Fleisch, Eier (s. Osterei), Käse, Osterbrot und Osterfladen71). Am beliebtesten unter den Osterspeisen wurde der Schinken, den man auch zu Heilzwecken benutzte 72 ).

1348

Was man weihen läßt, geht in diesem Jahre nicht aus. Wer die Speisenweihe machen läßt, wird alt 73). Je näher dem Altar, desto kräftiger ist die Weihe 74 ). Im steirischen Unterlande geht der Kaplan am Karsamstag in die Häuser, um das Fleisch zu weihen 76). Mittags ißt man von den geweihten Speisen und trinkt Bier dazu. Jedes im Hause muß einen Löffel voll essen, ob es will oder nicht 76 ). In der Jachenau in Oberbayern wurde bis 1854 der Reihe nach von einem der 36 Hofbesitzer ein Widder zum besten gegeben, in Vierteln gebraten, dann wieder in einem Korb ganz zusammengerichtet, am Kopf mit Buchs und Bändern geziert und an den Hörnern vergoldet und in der Kirche geweiht. Darauf wurde er im Wirtshause zerhackt, und der Hirt eines jeden Hofes nahm seinen Teil in Empfang 77 ). In Landshut muß jeder Hausbewohner vor dem Mittagstisch von dem Geweihten etwas essen. Das schützt vor Leibschäden. Das Vieh im Stalle erhält davon Schwarzbrot und Salz, die Hühner von den geweihten Eiern, damit sie der Fuchs nicht erwische 78). Die vom Weihefleisch übrig gebliebenen Knochen werden auf das Kornfeld gestreut 78 ). In Niederbayern trägt man einen Teil der geweihten Speisen in den Wald für den Fuchs 80). Anderswo in Bayern werden die Knochen der gesegneten Fleischstücke getrocknet und zu Pulver gestoßen, um als Heilmittel bei frischen Wunden gebraucht zu werden 81). Auch über der Stalltür wird das geweihte Fleisch eingemacht und auch sonst gegen Malefiz verwandt 82 ). In Lully (Freiburg) ist am Ostersonntag das Augensegnen volkstümlich, in Wallis das Brotsegnen 83 ). In Oberösterreich werden vormittags nach dem Hochamt Blumen oder doch Spitzen der jungen Saat oder Gräser von Feld oder Wiese geholt und in der Mitte des Tisches im Kreise herumgelegt. Innerhalb dieses Kreises setzt man die Speisen auf M ). In Ungarn darf sich während des Festmahles die Hausfrau nicht von ihrem Sitze erheben, sonst wird sie im Jahre Nahrungsmangel leiden. Von den Oster-

1349

Ostern

eiern, vom Schinken, Knoblauch, Brot wird etwas aufgehoben und bei Gelegenheit an Zahnschmerzen leidenden Menschen oder Kühen, die keine Milch geben wollen, zu essen gegeben 85). In Oberschlesien aßen früher die Landleute am ersten Ostertage Meerrettich löffelweise; das sollte an das bittere Leiden Christi erinnern88). Einen besonderen Zauber vermerkt eine Handschrift des 14. (? 15.) Jh. in der Bibliothek zu St. Florian: ,,Item so man an dem ostertag, legt man würst vnder das chrawt vnd ain gens, welcher die würst siecht, der siecht des iars chain slangen, vnd wer der gens ist, der gewint des iar des chalten siechten nit" 87).

' · ) SchwVk. 6, 40; S a r t o r i Sitte 3, 156. Freilich legt sich das Volk selbst gerade f ü r das Osterfest noch manchmal E n t h a l t u n g von Fleischspeisen a u f : Oben 2, 1609. 71 ) B i r l i n g e r A. Schwaben 1, 73. 74t. 84; H ö r m a n n Volksleben 63; S c h r a m e k Böhmerwald 148; P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 142; S a r t o r i 3, 156; F r a n z Benediktionen i, 575fi.; oben 2, 1612ff. ™) F r a n z 1, 602; vgl. 582. '») WZfVk. 33 (1928), 101. '«) L e o p r e c h t i n g Lechrain 174f. 76 ) R o s e g g e r Steiermark 236. Auch in Rom k o m m t der Geistliche ins H a u s und segnet das Ostermahl: H ö f l e r Ostern 19. 7 · ) B i r l i n g e r Volkst. 2, 82. « ) J a h n Opfergebräuche 138; H ö f l e r Ostern 25; B r o n n e r Sitf u. Art 140 (der Widder wurde von den Gemeindemitgliedern gemeinsam verzehrt). 78 ) P o l l i n g e r Landshut 210. ") Rosegger Steiermark 236. 8°) DG. 27 (1926), 66f. 81 ) 82 F r a n z Benediktionen 1, 582. ) Birlinger A. Schwaben i, 428; H ö f 1er Organotherapie 83 171. ) H o f f m a n n - K r a y e r 149; SchwVk. 6, 40. M ) B a u m g a r t e n Jahr 23. ·•) ZfVk. 4, 396. " ) D r e c h s l e r 1, 97. 87 ) G r i m m Mythol. 3, 416 (5).

5. Auch zu O. ist die Welt der Geister in Bewegung, und allerlei Z a u b e r äußert seine Macht (vgl. K a r w o c h e ) . In der Osternacht sind alle Wiedergänger sichtbar88). Gespenstische K u t s c h e n erscheinen89). Wenn man sich in der Osternacht von 1 1 — 1 2 Uhr auf einen Kreuzweg, der zugleich Totenweg ist, hinlegt und dort trotz aller Erscheinungen weder lacht noch weint, weder betet noch spricht, kommt der T e u f e l in Gestalt eines Jägers und verleiht allerlei Gaben· 0 ). S c h a t z - und Schlüsselj u n g f r a u e n zeigen sich am Ostermorgen oder -mittag 91 ) und gehen an ein Ge-

wässer, um sich zu waschen 92). Versunkene Schätze kann man heben während des Evangeliums am ersten Osterfeiertage 9S). Versunkene Glocken läuten 94), und Viñeta steigt am Ostermorgen empor und tanzt freudig über den Wogen95). Die Wünschelrute wird am ersten Ostertag getauft 9β) oder erprobt zu O. ihre Kraft 9 7 ). Gegen die Hexen muß man in der Osternacht wachsam sein 98). Darum hallen Schüsse durch das Dunkel 99 ) zum Schutze der Menschen und des jungen Kornes. In der Gegend von Pinneberg knallten die Bauernburschen am ersten Osterabend kräftig mit den Peitschen. Die Hausfrau tischte dann Eier auf, und man sagte, die Knechte wollten die Eier ,,moer kloppen". Nach dem Eierschmause wiederholte sich das Knallen 100 ). Auch das S a c h e n v e r s t e l l e n (vielleicht ursprünglich eine Schutzmaßregel) kommt hier und da vor 1 0 1 ). In Westböhmen eilt man auf Kreuzwege und holt Kieselsteine, die bei Gelegenheit ins Butterfaß gegeben werden, um Hexen zu vertreiben 102). Nach bulgarischem Glauben läßt Gott vom ersten Ostertage an bis zum ersten Pfingsttage die Seelen aus dem Paradiese frei, damit sie im Himmel und auf Erden sich herumtummeln103). Verbote, wie sie zu andern heiligen Zeiten so oft begegnen, kommen zu O. nur vereinzelt vor. Man soll keine Wäsche halten m ) . Am Ostertag hinausgelassene Schweine werden ackerläufig105). Wer O. einen Vogel tötet, zieht sich den Zorn Gottes zu 10e ). In der Neuroder Gegend brennt man am Abend des Ostersonntags womöglich kein Licht, damit der Flachs nicht verderbe 107 ). In Breyell bei Kempen (Rhein) soll man am Ostersonntag so früh schlafen gehen, daß man während des Einschlafens die Balken der Zimmerdecke zählen kann 108). Strafen für Entweihung des Ostertages büßen der Mann im Mond109), der wilde Jäger 1 1 0 ) und andere 1U ). 88 ) S t r a c k e r j a n 1, 221. 8e ) P r ö h l e Harz 156; S é b i l l o t Folk-Lore 2, 3 9 9 ! Zingerle Tirol 150. n ) M e y e r Mythol. d. Germanen 430; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 391; J a h n Pommern 2 3 6 I ; P r ö h l e Harz 41 f. (alle 7 Jahre). i6of.;

I

35I

Osterochse

K ü h n a u Sagen ι, 258; vgl. 3, 661 (feuriger ,2 Stier mit zwei Schlüsseln im Hachen). ) R e u s c h Samland 62; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 8; P r ö h l e Harz 198; G r i m m Mythol. 2, 805. 93 ) K ü h n a u Sagen 3, 695. M ) Z f V k . 7, 1 1 8 , vgl. 1 2 1 f.; W ü s t e f e l d Eichsfeld 77. i 5 ) J a h n Pommern 205; H e c k s c h e r 400. 9 ") S c h u l e n b u r g 204. " ) W l i s l o c k i Zigeuner 146. ί β ) S c h u l e n b u r g 253. " ) S a r t o r i Sitte 3, 1 5 3 ; 10 MsäVk. 8 (1920), 50; 1 6 (1927), 77ff. °) Nds. 5, 206. 1 0 1 ) H ö r m a n n Volksleben 7 3 f . ; 102 Z i n g e r l e Tirol i s i f f . (1299). ) John 13 Westböhmen 66. °) S t r a u ß Bulgaren 458. 104 ) S t r a c k e r j a n 2, 78. Eine Frau, die O. gewaschen hat, ist in den Mond versetzt worden: S é b i l l o t Folk-Lore ι , 14. Vgl. T r e u t l e i n Arbeitsverbot 73 t.; F r e u d e n t h a l Feuer 41 105 (nicht nähen). ) M e y e r German. Mythol. 286I ««) S é b i l l o t 3, i 8 8 f . (Haute-Bretagne). 1 0 ' ) D r e c h s l e r 1, 99. l o e ) ZfrwVk. 1 6 (1919), 49· 1 0 ") K u h n Westfalen 2, 82 (252). 110 83 (258); S é b i l l o t ι , 13. ) S é b i l l o t 1, ln i68f. ) B a a d e r NSagen 93.

6. Auch zu Vorzeichen und Weissagungen scheint 0. nicht so in Anspruch genommen zu werden wie andere Zeiten. Aus der größeren oder geringeren Füllung eines Wasserbeckens wird auf die F r u c h t b a r k e i t des kommenden Jahres geschlossen 112 ). In Spitz a. Donau geben sie einen Kranz auf einen Baum; wird er dürr, so haben sie Unglück 113 ). Bäume und Quellen verhelfen zu L i e b e s orakeln 114 ). Kuckuck und Schmetterling klären Zigeuner über die Zukunft auf 1 1 S ). Man pflückt Palmen (Weidenkätzchen) und gibt jeder den Namen eines Mitgliedes der Familie; dann streut man sie auf das Wasser, und wessen Palme zuerst untergeht, der stirbt noch in demselben Jahre 11β ). Je nachdem eine Manns- oder Weibsperson vom Hochamte zuerst nach Hause kommt, werden lauter Hähne oder Hennen. Deshalb ließ einst jede Bäuerin das Tor sperren und verweigerte einem Manne den Eintritt. Gelangte er dennoch ins Haus, ging er zu den Hühnernestern und nahm die Eier heraus, die ihm die Bäuerin rot färben mußte 1 1 7 ). m ) J a h n Opfergebräuche 1 4 1 f. l l s ) W Z f V k . 1M 3 3 (1928), 1 0 1 . ) Reinsberg Böhmen 1 3 8 Í . ; S é b i l l o t Folk-Lore 2, 249. 1 1 5 ) W l i s lle l o c k i Zigeuner 1 4 7 I ) K n o o p Posen 328 (89). Vgl. W u t t k e 232 (331). 1 1 7 ) B a u m g a r t e n Jahr 22.

7. Maßgebend ist der Ostertag für das

1352

W e t t e r der Folgezeit. ,,Grone Poschen — witte Peisten" 118 ). O. muß schön sein119). Wie das Wetter am ersten Ostertage, so bleibt es sieben Wochen lang 12°). Wenn es am Ostertage regnet, so regnet es sechs Sonntage nacheinander121), soll das Korn bis auf die Sichel vergehen 122 ), regnet es ein Drittel von der Winterfrucht 123 ), wird das Land im ganzen Jahre nicht satt 124 ), wird die Erde den ganzen Sommer nicht naß 125 ). Regnet es am Tage vor O., so gibt es viel Regen zwischen O. und Pfingsten126). Wenn es am Ostersonntag während des Gottesdienstes regnet, so bleibt das zehnte Körnchen aus, und wenn es am Pfingstsonntag während der Kirche regnet, so kommt das zehnte Körnchen wieder 127 ). In Osterode haben die Alten auf dem Siechenhofe dafür zu sorgen, daß am ersten Ostertage gutes Wetter ist. Regnet es, so haben sie nicht ordentlich gebetet 128 ). Dagegen heißt es im oberen Mühlviertel am linken Donauufer: am Ostertag soll es regnen, denn soviel Tropfen, soviel Äpfel 12β ). Woher am Ostermorgen der Wind weht, daher weht er bis Himmelfahrt 130 ) oder bis Pfingsten 1 3 1 ).

118 11S ) ZfrwVk. Ii, 270 (Solingen usw.). ) SchwVk. 6 (1916), 44; K ü c k Wetterglaube 63. 12 121 °) K ü c k 63. ) Z i n g e r l e Tirol 1 5 0 (1294). Oder alle Sonntage bis Pfingsten: B a r t s c h 122 Mecklenburg 2, 262 (1368). ) Fontaine Luxemburg 40. 1 2 3 ) B i r l i n g e r A. Schwaben 121 I, 387. ) B a r t s c h 2, 262 (1366). 1 2 5 ) ZfrwVk. Ii, 270. 1 2 e ) J o h n Westböhmen 69; R e i n s b e r g Böhmen 142. 1 2 ' ) J o h n Westböhmen 67. 1 2 e ) ZfdMyth. I, 78. 12 ») W Z f V k . 35 (1930), 40. 130 ) B a r t s c h 2, 262 (1367 a). 1 3 1 ) S t r a c k e r j a n ι , 2 1 . 2, 78. Sartori.

Osterochse. Das Ende der Fastenzeit kennzeichnet der namentlich in Überlingen am Bodensee und in Schweizer Städten von den Metzgern geübte Brauch, zu Ostern bekränzte Mastochsen durch die Straßen zu führen, bevor sie geschlachtet werden und jede Familie sich ein Stück davon für die Festtage holt 1 ). Zugleich darf der O. als Sinnbild und Verkörperung des einziehenden Frühlings angesehen werden. S. auch Ρ f i η g s t ochse. *) S a r t o r i Sitte 3, 1 5 6 Α . 46; SchwVk.

6

1353

Osterreiten—Ostersonne

(1916), 43. 44; 21 (1931), 4 1 ; v . G e n n e p Dauphiné ι , 289 f. Sartori.

Osterreiten. Um der jungen Saat Gedeihen zu verschaffen, fanden und finden noch jetzt in manchen Gegenden zu Ostern Flurumgänge und Prozessionen statt 1 ). Vielfach ist das 0. üblich und zu einer kirchlichen Übung geworden 2 ). Auch in protestantischen Gegenden haben sich Spuren davon erhalten 3 ). Daß es sich um eine der Gemeinde nützliche Begehung handelt, zeigt sich darin, daß die Osterreiter Anspruch auf einen Sammelgang erheben 4). In Vörden (Kr. Höxter) ritten am zweiten Ostertage die Burschen eine gute Stunde geordnet durch die Feldmark. An einer bestimmten Stelle aber begann jeder für sich im Galopp durch die Felder zu einem etwa zehn Minuten entfernten Kreuz zu reiten. Die Zerstörung, die dadurch angerichtet wurde, sollte der Feldmark Glück bringen 5 ). Ebenfalls am zweiten Ostertage reiten in Dingelstädt die noch nicht schulpflichtigen Knaben auf Steckenpferden um die Kirche und werden dafür beschenkt 6). In Oberösterreich ritten am Ostersonntag vor Sonnenaufgang die Söhne oder Knechte des Hauses im schnellsten Lauf um die Felder, und wo drei Pfarren zusammengrenzen, ließ man die Pferde die junge Saat abgrasen. Das schützte sie gegen die „Kehl". Schon in der Nacht vorher ritten im Innviertel um 12 Uhr Burschen aus Raab und der Bauernschaft nach Maria Bründl. Hier ließen sie die Pferde zur Kirche hineinsehen, trabten um die nächsten Kornfelder herum und dann heim 7 ). In Fürstenberg a. d. Weser ritten die Osterreiter zum Schluß durch ein von Stroh angemachtes Feuer 8 ). Vgl. F l u r u m gang. S a r t o r i Sitte 3, 164; B a y H f t e 8 (1921), 25 2) (Niederdeutschland k e n n t kein O.). Ger a m b Brauchtum 36; B r o n n e r St'«' u. Art 1 3 7 ; P e u c k e r t Schles. Volksk. 100; R e i n s berg Böhmen 1 3 9 ! ; M a n n h a r d t 1, 398; Wüstefeld Eichsfeld 8of.; H e i m a t b u c h d. Kreises H ö x t e r 2 (1927), i o f f . (im Paderborner L a n d ) ; T e t z n e r Slaven 276 (Mährer). 332 (Sorben). ') W u t t k e Sachs. Volksk. 3 0 7 f . *) R e i n s b e r g Böhmen 139!; W u t t k e a.a.O.

I354

5) H ü s e r 307! Beitr. 2, 25. ·) W ü s t e f e l d Eichsfeld 82ff. V g l . K ü n s s b e r g Rechtsbrauch u. Kinderspiel 28. Ursprünglich ist das w o h l auch ein Fruchtbarkeitszauber: L . W e i s e r in der Festschrift für M. A n d r e e - E y s n 6 7 f . ') B a u m g a r t e n Jahr 22. 8 ) H e i m a t b u c h d. K r . H ö x t e r 2 (1927), 15. Sartori.

Ostersonne.

ι. Am Ostersonntag früh wird es von allen Seiten hell 1 ). Die Sonne hüpft und tanzt bei ihrem A u f g a n g e 2). Vorher ist es, als ob ein schwarzer Flor auf ihr läge 3), und sie steht viel roter und blutiger auf als sonst 4). Sie macht drei Freudensprünge 5 ). Namentlich wenn man auf einen Berg geht, kann man das sehen e). Oder man muß durch ein durchstochenes Papier oder ein seidenes Tuch sehen 7) oder durch einen Zaun 8). Wer es nicht sehen kann, ist behext ·). Man sagt auch, die O. verneige sich zwei- oder dreimal in Verehrung des Herrn 10). Sie zittert bei blauem Himmel oder wirft dreimal ein Kreuz 1 1 ). Sie tanzt dreimal im Kreise, zeigt feurige Kugeln und leuchtet in den herrlichsten Farben 12). In der Umgegend von Metz meint man, alle Arten von Farben erschienen dann am Himmel; das seien die Gewänder der Engel, die zum Zeichen der Freude tanzten, und die Sonne selbst tanze mit 1 3 ). Vereinzelt ist vom Tanze der Sonne bei ihrem U n t e r g a n g e die Rede14). Weit verbreitet ist die Anschauung, zu Ostern sei ein L a m m in der Sonne 16). Schon lange vorher, wenn die Frühlingssonne wieder mehr Kraft enthält und ihre Strahlen bisweilen lichte Reflexe ins Zimmer werfen, die hin und wieder zittern, sagt die Mutter zu den Kleinen: „Das ist das Osterlamm, es kommt bald" w ). Man sagt, es hüpfe in der Sonne " ) oder vor der aufgehenden Sonne 18). Wenn man einen Eimer mit Wasser hinstellt, so kann man sehen, wie es sich darin spiegelt 19 ). Auch durch ein Gründonnerstagsei kann man es sehen und wenn man die Fasten streng gehalten hat 2 1 ). Im Kr. Altenkirchen (Rheinl.) sieht man die Schäfchen um die Sonne tanzen 22 ). Im Jahre 1784 klagt der Prediger von Cölln über seine lippischen Bauern, namentlich in der Senne, die die Vorstel-

1355

Ostertauf

lung hätten, Christus sei ein wirkliches Lamm, das am Freitage geschlachtet und darauf in die Sonne gesetzt sei, wo es am ersten Ostertage tanze und bei Sonnenuntergang zu sehen sei 2S ). Wenn am Ostersonntag Neumond war, betete man (in Oberösterreich) vor Sonnenaufgang drei Vaterunser und sah nach Osten ; man erblickte da, bevor die Sonne noch völlig aufgegangen war, ein schönes, silberglänzendes Lamm. Wer es sah, der hatte, bis das Jahr um war, in allem Glück 24 ). Im Kr. Kempen (Posen) ist am Ostertage in der Sonne zweimal ein Lamm zu sehen; bei Sonnenaufgang ist es ein weißes, bei Sonnenuntergang ein blaues 2S). Läßt das Osterei sich leicht abschälen, so sagt man in Ostfriesland, der Besitzer sei am Ostermorgen gern aufgestanden, um den Ostertanz der Sonne zu sehen; wenn nicht, sagt man das Gegenteil 2e). Vereinzelt scheint die Vorstellung (wenn sie überhaupt volkstümlich ist), daß am Ostermorgen in der Sonne eine J u n g f r a u sitze und Blumen auf die Erde niederstreue zum himmlischen Ostergruß 27 ). An manchen Orten wird der Aufgang der 0 . mit Schüssen begrüßt 28 ).

G e r a m b Brauchtum 34. 2) Vernaleken Alpensagen 370; SAVk. 24, 66; T e t z n e r Slaven 464 (Kaschuben); P h i l i p p s o n Heidentum bei d. Angelsachsen 109 f.; R o d e n b e r g Herbst in Wales 190; F r e u d e n t h a l Feuer 13 f.; S a r t o r i Sitte 3, 153. s ) J a h n Pommern 46 (60). *) SAVk. 21, 5 1 . ®) Zingerle Tirol 150 (1293); G e r a m b Brauchtum 34; K u h n Mark. Sagen 3 1 1 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 261 (1361 a); ZfVk. 9, 230. «) K u h n Westfalen 2, 142 (412); S a r t o r i 3, 153 A. 33. ') S a r t o r i 3, 1 5 3 I *) B a r t s c h 2, 261 (1361 b). ') Ebd. (1361c). 10 ) Moor e Folklore of the isle of Man 109. n ) H o l s c h b a c h Volkskunde d. Kr. Altenkirchen 101. 1 2 ) Hmtl. 14, 84 (badisches Frankenland). " ) S é b i l l o t Folk-Lore ι, 63. " ) Grimm Mythol. 3, 463 (813). ») ZfrwVk. 4, 23. " ) Hiiser Beiträge 2, 34 (9). " ) Drechsler i, 95f. 96; E n g e l i e n u. L a h n 232; W i t z schel Thüringen 2, 197 (30); K n o o p Hinterpommern 179 (226); ZfVk. 9, 230; L e m k e Ostpreußen ι, 15; ZfdMyth. 1, 80 (Harz). !·) MschlesVk. 27, 233 (75). ™) K u h n Westfalen 2, 1 4 1 ; Ders. Mark. Sagen 378 (21); S a r t o r i 3, 154 A. 35. 20) P f i s t e r Hessen 63. ai ) D r e c h s l e r 1, 96. 22) H o l s c h b a c h a. a. O. 101. i s ) S a r t o r i Westfalen* 153. Bei Sonnenuntergang auch: B ü g e n e r Heidegold 173 (abends vor Ostern); M e y e r Ein niedersächs.

1356

Dorf 124. Auch in Kujavien am Abend des 24 Ostertages: HessBl. 3, 114. ) Baumg a r t e n Jahr 22f. 26) K n o o p Posen 327 (84). 2e 27 ) S a r t o r i 3, 153 Α. 32. ) Rosegger Steiermark 235. 2e) S a r t o r i 3, 153 A. 31.

2. E i n e schlimme Meinung von der 0. ist selten. In Schüttarschen speit sie Gift über die ganze Welt, weshalb man sich vor Sonnenaufgang mit Flußwasser waschen muß 2β). 2Í

) J o h n Westböhmen 65. Ostertauf.

Sartori.

ι . Seit dem 2. Jh. wurde nur zweimal im Jahre, an den Vorabenden des Osterund des Pfingstfestes getauft. Zum Andenken an diese beiden ältesten Tauftermine weiht heute noch die römischkatholische Kirche das T a u f w a s s e r für das ganze Jahr am Sonnabend vor Ostern und Pfingsten Das zu Ostern geweihte Wasser pflegt als „ 0 . " bezeichnet zu werden. In den Taufbrunnen wird die Osterkerze (s. d.) als Symbol Christi oder des hl. Geistes eingetaucht2).

1 ) F r a n z Benediktionen 1, 5 1 9 ! ; P f a n n e n schmid Weihwasser 130. 2) F r a n z 1, 526. 549fi. ; Usener sieht darin eine Nachahmung der Zeugung: ARw. 7, 2940. Vgl. D i e t e r i c h Mutter Erde 114. Dagegen F r a n z 1, 550. 552.

2. Von altersher war den Gläubigen gestattet, von dem Taufwasser mit in ihre Häuser zu nehmen zum Schutze von Leib und Seele und von Hab und Gut '). Man schreibt ihm wunderbare Wirkungen zu wie auch den Taufbrunnen, die mit lebendigem Wasser gespeist werden4). Man bewahrt von dem Taufwasser das ganze Jahr auf. Gleich am Ostertage besprengt damit der Sigrist die Schwelle der Häuser 5 ). Auch schüttet man von dem Wasser an die Obstbäume, damit sie gut gedeihen und tragen ®). Die Hexe kann sie dann nicht durch Wegschälen der Rinde verderben 7). Wenn man das während des Maieinläutens tut, erreicht man eine reiche Obsternte8). Man trägt auch etwas vom O. auf die F l u r e n und F e l d e r , damit kein Hagel schade und die Früchte gut gedeihen ·). Sich selbst besprengt man damit am Andreasabend, in der Christnacht und andern Nächten, die nicht recht geheuer sind. Wenn kleine Kinder mit dem Schnaufen „herb tun", was vom „Schrex-

Osterwasser

1357

le" herrühren soll, so benetzt man sie mit dem 0., so wird ihnen geholfen 10). Ein dareingetauchtes blaues Zuckerpapier legt man gegen Gichter auf das Brüstchen u ) . Der O. ist für 77 Fieber gut 1 2 ). Sommersprossen verschwinden durch Waschen des Gesichtes am laufenden Brunnen, während es am Karsamstagmorgen zum O. läutet 13 ). Und wenn die Frösche im Weiher recht schreien, so schüttet man Osterwasser hinein, und sie hören aufu). 3 ) F r a n z Benediktionen 1, 52. 4 ) E b d . 53Í. ®) P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 112. · ) B i r l i n g e r Volkst. 1, 490; M e y e r Baden 385. 503. ' ) M a n z Sargans 112. 8 ) E b d . 117. 8 ) B i r l i n g e r Volkst. i , 142; D e r s . A. Schwaben 2, 82. 1 0 ) B i r l i n g e r Volkst. 2, 84. " ) M e y e r u ) Baden 37. N i d e r b e r g e r Unterwaiden

3. 35°· 1 3 ) M a n z Sargans 63. Landshut 210.

" ) P o l l i n g er

3. Ein Kind, das mit dem frisch geweihten Wasser z u e r s t g e t a u f t wird, wird ausnehmend gescheit 1B ). Wenn zur ersten Taufe nach Ostern ein Mädchen gebracht wird, muß der Geistliche das Brevier zweimal beten 16). Für den ersten Täufling nach Ostern muß eine besondere Abgabe bezahlt werden 17 ), früher ein Oster bock (hircus paschalis) 18 ). Uneheliche Kinder sollen diese erste Taufe nicht bekommen. Geschieht es doch, so wird die Ortsflur in diesem Jahre verhagelt 1β ). 17)

" ) R e i s e r Allgäu 2, 231. " ) E b d . Ebd. 2, 231; M e y e r Baden 27; P o l l i n g e r Landshut 241; S a r t o r i Westfalen 79; G r i m m e D a s Sauerland 166 (für uneheliche Kinder m u ß die doppelte Gebühr bezahlt werden). l e ) S i m r o c k le) Mythol.a 396; J a h n Opfergebräuche 138. P o l l i n g e r 241. Sartori.

Osterwasser. ι. Das 0. hat besondere Kraft Schon am Karsamstag (s. d.) findet es für allerlei Gesundheits- und Schönheitszauber Verwendung. Wenn jemand ein wundes Gesicht hat, soll er es am Ostermorgen vor Sonnenaufgang gegen die Morgensonne stehend an einem Bache w a s c h e n , der das ganze Jahr läuft 2 ). An böhmischen Orten wäscht man sich an einem nahen Brunnen, um schön zu werden 3). Wer sich am Ostersonntag im fließenden Bache wäscht, bleibt immer jung und schön 4). Viele waschen sich

1358

in einer frischen Quelle, um Ausschlag, Augenübel und andere langwierige Krankheiten zu vertreiben. Man geht früh aus, sorgt dafür, nicht gesehen zu werden, antwortet auf keine Frage und dankt keinem Grüßenden 5 ). Ein Bad vor Sonnenaufgang hilft gegen allerlei Gebrechen e ). Im Bagnes-Tal warten die Leute nur den ersten Ton der während zwei Tagen verstummten Glocken ab, um sich sofort an das nächste fließende Wasser zu stürzen und sich die Hände zu waschen zum Schutze gegen Warzen. Im Sarganserlande gilt der Glaube, daß, wer sich an einem laufenden Brunnen wäscht, während es zur Wasser weihe läutet, von Sommersprossen befreit wird '). An vielen Orten wird das Vieh und namentlich die Pferde vor Sonnenaufgang in die Schwemme getrieben, um sie das folgende Jahr vor Krankheit zu schützen 8). In Hinterpommern läßt mancher Bauer gleich am Morgen im O. Eier kochen und mit dem Wasser seinen Ochsen die Hälse waschen, damit ihnen das Joch keine Wunde scheuere e ). In Dörfern um Eisenach reitet man in der Osternacht die Pferde ins Wasser und dann in ein Saatfeld, um sie dort etwas von der jungen Saat fressen zu lassen. Ebenso in Marksuhl, damit die Saat besser gedeihe 10). x ) S a r t o r i Sitte 3, I 5 l f f . ; W u t t k e 72 (83); W e i n h o l d Verehrung d. Quellen 40. 2 ) R e i s e r Allgäu 2, 131. 3 ) J o h n Westböhmen 66. 4) H o l s c h b a c h Volkskunde d. Kr. Altenkirchen 5) T o p p e n 104. Masuren 69. ·) Oben 1, 8 n f . ' ) SchwVk. 6, 39; H o f f m a n n - K r a y e r 149. 8 ) S a r t o r i 3, 152 A. 22; E i s e l Voigtland 256; ZfdMyth. ι , 248 (Gießen); K u h n Märk. Sagen 385 (76); K n o o p Hinterpommern 180; D e r s . Posen 328 (87: m a n glaubte d a durch d e m übermäßigen Schwitzen der P f e r d e in den Hundstagen vorzubeugen). Vgl. oben I, 812. *) K n o o p Hinterpommern 180. 10 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 197 (33).

2. Ebenso verbreitet ist der Brauch, das 0. in K r ü g e zu s c h ö p f e n und zu mannigfacher Verwendung mit n a c h H a u s e zu nehmen. Wer zuerst kommt, bekommt das beste u ) . Gewöhnlich holt man es am Ostermorgen vor Sonnenaufgang, oft schon gleich nach Mitternacht. Aber auch schon vor 12 Uhr 1 2 ) ; am Sonnabend vor Ostern (s. Karsamstag

1359

Osterwasser

ι ) , am Karfreitag (s. Karfreitagswasser), am Gründonnerstag (s. Gründonnerstag 8). Auch noch der zweite Ostertag wird benutzt 1 3 ). Man muß vor Sonnenaufgang wieder zu Hause sein, sonst verliert das Wasser seine Kraft, und die schöpfende Person bekommt eine schwarze Hautfarbe 14 ). Man darf nicht damit über einen Kreuzweg gehen 1 5 ). In der Regel wird aus einem l a u f e n d e n G e w ä s s e r (Fluß oder Quelle) geschöpft, selten aus einem See oder Teich, in Mohrin (Neumark) aus einem am Fuße eines großen Granitblockes gelegenen Graben 16 ). Eine berühmte Schöpfstelle des Osterwassers ist an der Grenze von Müschen und Burg im Spreewalde; da sollen neun Grenzen zusammenkommen 17 ). Es muß dort geschöpft werden, „wo alles darüber geht", also unter einer Brücke 18 ), über die Leichen und Hochzeiten gehen 1 9 ), über die ein Kindtaufszug oder eine Leiche geht oder die letzte Leiche getragen worden ist 21 ). Bald lautet die Weisung, gegen den Strom zu schöpfen 22 ), bald mit ihm 23 ). Mitunter wird in derselben Gegend beides empfohlen 24). In Neuermark a. Elbe hat das O. nur Kraft, wenn der Wind beim Schöpfen von Osten nach Westen geht 2 5 ). Bevor man sich darin wäscht, muß man es in die Sonne stellen (Großenstein b. Gera) 2 β ). In Ungarn ist am Ostertage jedes Wasser gesegnet, das man gegen Osten gekehrt schöpft 2 7 ). » ) HessBl. i6, 8. 1 2 ) S e i f a r t Hildesheim 2, 1 3 7 . 1 3 ) MitteldBlfVk. 4, 1 2 1 . 1 4 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 259. l 5 ) MitteldBlfVk. 3, 62. M ) K u h n Mark. Sagen 247t· 3 i i f . 1 7 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 143. 1 8 ) J o h n Westböhmen 61 (Karfreitag). 1 9 ) Ebd. 65. 20) K ö h l e r 21 Voigtland 173. ) S e y f a r t h Sachsen 253. 22 ) K u h n u. S c h w a r t z 373; Mitteil. Anhalt. 23 Gesch. 14, 20. ) K u h n u. S c h w a r t z 374; G r i m m Myth. 3, 461 (775 : Osterode) ; ZfdMyth. X, 248 (Gießen); W i t z s c h e l Thüringen 2, 197. M ) B a r t s c h 2, 2 5 9 ! ; ZfrwVk. 4, 23. 26 ) K u h n u. S c h w a r t z 374. 2«) MitteldBlfVk. 3, 62. 27 ) Z f V k . 4, 403.

3. Überall ist strenge Vorschrift, daß das Schöpfen des O.s s t i l l s c h w e i g e n d geschehe und auch auf dem Hin- und Rückwege nicht gesprochen werde. Das „ P l a p p e r w a s s e r " verliert jede Kraft,

1360

und außerdem bringt jedes Wort Unglück 28 ). Man redet daher vom „stillen Wasser" 29). Man soll beim Holen nicht einmal grüßen, für keinen Gruß danken und sich nicht umsehen . Die Burschen sind daher nach Kräften bemüht, die Wasserholerinnen zu necken und zu stören, indem sie sie mit Wasser begießen 3 1 ), was freilich ursprünglich wohl als Glückszauber gedacht ist. Überhaupt wird, wo Mädchen im Hause sind, von den Burschen oft der Hausflur so voll Wasser getragen, daß er glänzt wie ein See (Osterode) S2 ). 28 ) J o h n Erzgebirge 194; W ü s t e f e l d Eichsfeld 76. 29 ) H a u p t Lausitz 1, 254; K n o o p Posen 327 (82). 30 ) P a n z e r Beitr. 2, 298; ZfrwVk. 4, 23 (Kr. Minden). 3 1 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volhst. 142. 143. 32 ) ZfdMyth.

ι, 79· 4. Das vorschriftsmäßig geholte O. v e r d i r b t das ganze Jahr n i c h t und ist — getrunken oder zum Waschen verwandt — zu a l l e n D i n g e n gut. Es heilt Wunden 33 ), Augenkrankheiten M ), Kopfschmerz 35 ), Flechten, Krätze, Sommersprossen und alle Hautübel 36 ), ist gut für die Zähne, wenn man sich am Bache damit den Mund ausspült 37 ), gegen Fieber 38), hält siebenerlei Krankheiten ab 3 9 ), schützt vor dem Durchliegen 40 ) und schafft Gesundheit und frisches Aussehen 41 ). Besprengt man die Stube damit, so kommt kein Ungeziefer42). Manche kochen am Ostertage ihr Essen darin 43 ). In den Brotteig gegossen, bewahrt es das Brot vor Schimmel 44 ). Eingemachtes schützt es vor Würmern 45). In das erste Bad des Kindes gegossen, sichert es dieses gegen alle Krankheiten, namentlich gegen Pest 4 6 ). Auch dem Vieh gibt man es zu trinken 47 ) oder benetzt es damit 48), läßt das Federvieh davon trinken 49 ) und besprengt die Bienenkörbe, damit die Bienen gute Art haben M ). Das Mädchen, das drei Löffel davon trinkt, erreicht, daß der, an den sie denkt, nicht von ihr lassen kann (Westpreußen) 51 ). Der Hirt erhält durch das Wasser eine geweihte Hand, so daß das Vieh unter ihm gedeihen wird 6 2 ). In Ostpreußen begießt man die Langschläfer mit 0 . 6 3 ) . In Klein-Schoppen-

Osterwasser

1361

stedt wird es mit einem Fingerhut, Asche, einem Stückchen Brot und einem Gerstenkorn aufs Feuer gestellt, und daraus zieht man dann Weissagungen84). So lange 0. im Hause ist, trocknet der Brunnen nicht aus 65 ). Manche gießen es aber nach dem Gebrauche vor Sonnenaufgang wieder in den Bach aus, aus dem sie es geschöpft haben 66 ). 33 ) P a n z e r Beiir. i, 264; J o h n Erzgebirge 194. M ) ZfrwVk. 5, 95 (Bez. Minden); Urquell 2, 130 (Schlesien); F r i s c h b i e r Hexenspruch 32; S c h u l e n b u r g 253. 35) K ö h l e r Voigtland 352; S e y f a r t h Sachsen 254. 3β) K ö h l e r 370; F r i s c h b i e r 56; E n g e l i e n u. L a h n 229; K n o o p Hinterpommern 179; G r o h m a n n

Aberglaube

46

(298); W i t z s c h e l

Thüringen

2, 197. ) J o h n Erzgebirge 194. Vgl. S e y f a r t h Sachsen 254. 3S) Oben 2, 1455. Ein Segen dabei: W u t t k e 353 (529). 3 ·) P r ö h l e 37

Unterharz

11 (34).

40

) Andree

Braunschweig

338. 41 ) J o h n Erzgebirge 192. 194; S é b i l l o t Folk-Lore 2, 375 (Normandie). 12 ) ZfVk. 7, 77 (Anhalt). 43) B a r t s c h Mecklenburg 2, 260. 44 ) J o h n Erzgebirge 194. " ) W i t z s c h e l 2, 198 (36). 4β ) J o h n Erzgebirge 50; S e y f a r t h 254. 47 ) Mitt. Anhalt. Gesch. 14, 20; W i t z s c h e l 2, 197 (3 2 )· 48) R e i n s b e r g Böhmen 139; L e m k e 2, 274. 49 ) K u h n Westfalen 2, 141 (410: Neumark). 50) K n o o p Hinterpommern 179. « ) W u t t k e 364 (549). S2) MitteldBlfVk. 4, 122. t 3 ) L e m k e 1, 16. 2, 274; S a r t o r i Sitte

3,

155;

Gesemann

Regenzauber

57,

vgl. 58f. 54) A n d r e e Braunschweig 338. ") J o h n Erzgebirge 194. M ) Ebd.; L e m k e 1, 15.

5. In der Osternacht v e r w a n d e l t sich alles Wasser in Wein 57), wenn auch nur bis 3 Uhr morgens 58), während des Schlagens der Mitternachtsglocke 68) oder für einen Augenblick 60 ). Wird es gerade in dieser Minute geschöpft, so bleibt es auch Wein β1 ). Im Hildesheimschen legten sich viele, die wußten, daß zwischen 11 und 12 Uhr das Wasser auf eines Hahnenschreis Länge zu Wein wurde, Schlag 12 Uhr auf den Bauch nieder und hielten die Zunge fortwährend ins Wasser; sobald sie schmeckten, daß die wunderbare Verwandlung eingetreten war, beeilten sie sich einen tüchtigen Zug zu tun ®2). Im Erzgebirge geht die Verwandlung erst nach einjährigem Stehen vor sich 63 ). 17 ) G r i m m Mythol. 3, 436 (54: Chemnitzer Rockenphilosophie); K u h n Westfalen 2, 107 (Harz); HessBl. 16, 8; D r e c h s l e r 1, 93; K n o o p Hinterpommern 73; T ö p p e n Masuren 69; L e m k e Ostpreußen I, 1 5 ! ; S é b i l l o t

I362

Folk-Lore 2, 213. i 8 ) W u t t k e 72 (83: Erzgebirge). 59) W i t z s c h e l Thüringen 2, 198 (36). 0°) Ebd. 2, 197 (32). «») L a u f f e r Niederdeutsche

2, 137.

Volksk. ,3

88.

e2

)

Seifart

) J o h n Erzgebirge 194.

Hildesheim

6. An manchen Orten hat sich lange die Sitte erhalten, am Ostermorgen Spaziergänge zu bestimmten Brunnen und Quellen zu machen M ). Im Hohlstein bei Hilgershausen legen die Burschen und Mädchen am zweiten Ostertage einen Strauß von Frühlingsblumen nieder, trinken vom Wasser des Teiches in der Höhle und nehmen in Krügen davon mit nach Hause 6B). 64 ) S a r t o r i Westfalen 73; W r e d e Eifeler Volksk. 217; W e i n h o l d Quellen40. M ) L y n c k e r

Hessen

258.

7. Dem irdischen 0. an Wirkung gleich ist der vom Himmel gefallene Ostertau 6 6 ). Die Mädchen breiten daher in der Nacht weiße Tücher im Garten aus und waschen sich am andern Morgen mit dem darauf gefallenen Tau, Regen oder Schnee. Das bewahrt sie das Jahr über vor Krankheit 67 ). Wasser und Fett, auf die der Ostertau gefallen ist, sind heilkräftig; Heu erhält das Vieh gesund 68 ). Der Ostertau macht frisch und rein. Man muß ihn aber bei Sonnenaufgang sammeln und sich sogleich damit waschen 6e). Auch wälzt man sich vor Sonnenaufgang im Wiesentau 70 ). Man muß in der Osternacht Schlag 12 Uhr mit den Händen das betaute Gras bestreichen und dabei sagen: „Was ich anfasse, gedeihe; was ich berühre, verschwinde". Die Hände werden dann heilkräftig 71 ). Auch verhindert die Hand, die mit Ostertau benetzt war, das Blähen des Viehes, wenn man mit ihr über den Rücken des Tieres hinstreicht 7a ), und das ,,Zerspringen" 73). Betautes Gras oder Heu gibt man auch den Tieren zu fressen 74). Wenn am Ostermorgen Tautropfen am Zaune hängen, gibt es ein gutes Flachsjahr 75 ). Nach dem Glauben der Zeltzigeuner kommt die Haselschlange in der Karwoche aus den Tiefen der Erde und trinkt vom Ostertau 76 ). " ) I n Chotieschau nennt man auch das geschöpfte Wasser „Ostertau": J o h n Westböhmen 65. ·') K u h n u. S c h w a r t z 374; B a r t s c h Mecklenburg 2, 260; J o h n Erzgebirge

Osterwolf—Otterköpfchen

1363 195·



) Hmtl.

14 (1927).

8





) Wüstefeld

Eichsfeld 77· 70 ) J o h n Westböhmen 232; H m t l . 14, 84. 71 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 198 (35). 72 74

) Ebd. 197 (3 2 )·

,0

) B o h u e n b e r g e r 23.

) J o h n Westböhmen 65.

(1362).

7

7S

) B a r t s c h 2, 261

·) W l i s l o c k i Zigeuner 65. Über das kirchlich geweihte O . s . O s t e r tauf. Sartori. Osterwolf. In Pommern hatten die Bäcker nach einem Zeugnis von 1451 einem Ratsmitglied, dem Zollbeamten ,,to Paschen enen W u l f f " zu l i e f e r n 1 ) ; nach einer Urkunde aus Stralsund 1558 gab es dort solche Wölfe an Neujahr 2 ). Nach Friedel werden in Neuvorpommern und Rügen um die Osterzeit Wölfe gebildet, welche alle Viere von sich strecken und ein aufgerissenes Maul zeigen; die Deutung Friedeis auf den Höllenwolf Fenris sei nur der Kuriosität halber erwähnt 3 ). Die Form (s. die Bilder bei Höfler) 4 ) hat mit einem Wolf nichts zu tun, sie ähnelt sehr den in Baden-Baden üblichen Pollwecken 6 ) und dem als ,,pain phallique" gedeuteten Brot von Caën β ). Man kann daran erinnern, daß auch die Wo-wölfle in Baden (s. Howölfle) verschiedene Gestalt haben. Mannhardt deutet dieses Gebäck als ein Opfer an den Vegetationswolf 7 ), er erinnert an eine in der Normandie belegte Sitte, wo man am 23. Juni beim Fest der „confrérie du L o u p - V e r t " ein ,,pain bénit à plusieurs étages" herumträgt 8 ). Die phallische Deutung Höflers ist unwahrscheinlich 9 ). 1 ) Pfeifers Germania 15, 82; Th. P y l s Pom-

1364

0.s L ä g e l " sprichwörtlich geworden ist s ). Das an seinem Grabe geweihte Brot bewirkt Wunder an Magenleidenden 4 ). An seinem Gedächtnistage (16. N o v e m b e r ) ist es im K t . St. Gallen Sitte, in den Kellern die Weine zu kosten und sich abends beim Schmause zu vereinen (,,otmärlen"). In Wartau (St. Gallen) wird mit Nüssen gespielt 5 ). Ein Pfarrer z u Waltmannsweiler gebot seinen Pfarrkindern „ S a n t Ottmarstag zu feuren (feiern) bei köpfabhawen (d. h. bei Todesstrafe), damit die aichlen wol gerieten" 6 ). ') K ü n s t l e Doyé Heilige lischen Kirche

Ikonographie u. Selige 2 2, 103. )

8, 386 ff.; B i r l i n g e r

d. Heiligen 482; d. römisch-kathoUhlands Schriften

Aus

Schwaben

1, 38;

R o c h h o l z Naturmythen 7; W a i b e l u. F l a m m 1, 122 ff.; S c h m i d t Kultübertragungen 90. ) U h l a n d s Schriften 8, 387 f.; B i r l i n g e r A.

3

Schwaben

1, 39; W r e d e

337 A. 249.

Rhein.

Volksk.2

*) F r a n z Benediktionen

239.

1, 265.

Othmarssand gegen Rheuma: oben 4, 1409. 6 ) H o f f m a n n - K r a y e r 95; s. die Umfrage in SchwVk. 6

)

20

Birlinger

(1930),

A.

84!;

21,

Schwaben

14. 47 f .

1, 39

(aus

104.

der

Zimmr. Chr. IV, 405; diese Stelle ist in der Neuausg. weggelassen). Sartori. Otter s. S c h l a n g e .

Otterköpfchen, Porzellanschnecke, K a u rimuschel. O. (Schlangen-, Natterköpfchen) sind die Gehäuse der kleinen Porzellanschnecke (Cypraea moneta), die im Indischen Meere zu Hause ist und ihren Beinamen moneta (Münze) erhielt, weil sie in Bengalen, Indien und dem östlichen Afrika als mersche Geschichtsdenkmäler 41 N r . 3 ; H ö f 1 e r Scheidemünze anstatt des Geldes diente. Ostern 58; W . H a r t m a n n Theorie und Praxis 2 Im Orient gelten sie als Mittel gegen den der Bäckerei 1901, 862 mit Bild. ) S c h i l l e r Liibben 5, 786. 3) In der Zeitschrift „Der 1 bösen Blick, in Europa bediente man sich Bär" 7 (Berlin 1881), 395; Korrbl. d. Gesamtihrer als Besatz des Pferdegeschirres*). vereins d. d. Gesch.- u. Altertumsvereine 1891,19. In Süddeutschland, besonders in Tirol, 5 «) Ostern 58, Tafel 3, Nr. 4 1 — 4 7 . ) Höfler tragen sie die Fuhrleute auf ihren LederOstern Tafel 3, Nr. 4 5 — 4 7 ; ZVfVk. 1914, 308 ä. ·) Lit. in ZVfVk. 1914, 305 S. 7) 2, 323. gürteln, die Bauern an ihren Geld- und ·) M a n n h a r d t 2, 325; L i e b r e c h t Gervasius Tabaksbeuteln; sie sollen ihrem Träger 209. *) ZVfVk. 1914, 309. Eckstein. Glück bringen, ihn beim Marsche nicht ermüden und beim Heben von Lasten Oswald, hl., s. Nachtrag. keinen Schaden nehmen lassen 2 ). In Othmar, hl., A b t z u St. G a l l e n 1 ) , Schlesien tragen Wirtinnen und Vert 759 in der Gefangenschaft auf der Insel käuferinnen gern in ihrer Geldtasche ein Werd bei Stein a. R h . Zehn Jahre später solches O., um in allen Geldsachen Glück wurde sein Leichnam nach St. Gallen z u haben 3 ). Vielleicht spricht hier die überführt unter großen Wundern 2 ), woBezeichnung der Schnecke als „ M ü n z e " bei das Fäßchen, aus dem die Fahrenden (moneta) mit. — In Mettersdorf hängt tranken, nicht leer wurde, so daß ,,St.

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Otterzunge—Palm

man kleinen Kindern ein Natterköpfchen, später ein mit solchen besetztes herzförmiges Täschchen als Abwehr gegen böse Einflüsse u m 4 ) . C. E. K l o t z Aus dem Reiche der niederen Tierwelt (1870) 83; S e l i g m a n n 2, 126 f. 2) (Abbildung 1, 329 Fig. 58). Rochholz

Paar, unpaar s. Zahlen Λ. Paedomantie s. Nachtrag. Palm (P.busch, P.kätzchen). I. Form und Zusammensetzung des P.s. — 2. Herkunft u. Alter der P.weihe. — 3. Behandlung des P.s nach der Weihe. — 4. Der P. als Apotropaeum. — 5. Zauberkraft der mit dem P. geweihten Gegenstände. — 6. Der P. im Vieh- und Stallzauber. — 7. P. auf die Felder gesteckt. — 8. P. hält den Blitz ab. — 9. P. als Lebensrute. — 10. Der P. in der Sympathiemedizin. — I i . Der P. in der Zauberei. — 12. Der P. im Orakelwesen. — 13. Literatur.

I. Unter P. versteht man die grünen Zweige (hauptsächlich mit den jungen Blütenkätzchen von Weidenarten), die in den katholischen Kirchen am P.sonntag (s. d.) zum Andenken an den Einzug Christi in Jerusalem geweiht werden und die im Volksglauben eine bedeutsame Rolle spielen. Auch in nichtkatholischen Orten genießt der P. hin und wieder abergläubisches Ansehen 1 ). So werden in der Pfalz hie und da die P.en als Sträuße in die protestantischen Kirchen getragen 2 ). Die Gestalt, Ausschmückung und die botanische Zusammensetzung des P.s ist in den einzelnen Gegenden verschieden 3 ). Bald sind es nur kleine Zweigbüschel, bald sind diese zu Kränzchen oder Kreuzen zusammengefügt. Häufig (besonders im Bayrisch-Österreichischen) werden die P.büschel auf (3—6 Meter hohe) Stangen gebunden und so in die Kirche zur Weihe gebracht. Jeder Bursche setzt eine Ehre darein den schönsten und höchsten P. zu haben. Oft werden die P.en mit bunten Bändern, Flittergold, vergoldeten Nüssen, Äpfeln, Backwerk (Brezeln) usw. ausgeschmückt. Was die botanische Zusammensetzung betrifft, so bilden bei uns meist die jungen, haarigen Blütenkätzchen der

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Naturmythen 200 Nr. 8; W u t t k e 116 § 153; vgl. W i t z s c h e l Thüringen 2, 277 Nr. 17. 3) D r e c h s l e r 2, 218 Nr. 593. *) G a s s n e r Mettersdorf 20. f Olbrich.

Otterzunge s. G l o s s o p e t r e n . Ottilie, hl., s. O d i l i a . Ozean s. M e e r (6, 66).

Weide, besonders der Sal-Weide (Salix caprea) den Hauptbestandteil. Sonst kommen noch Zweige (besonders mit immergrünen Blättern) anderer Sträucher usw., wie sie um die Osterzeit zu haben sind, zur Verwendung. In Südeuropa spielen die Zweige des ölbaums 4 ), im Westen und Südwesten Deutschlands (ebenso wie in Frankreich) der Buchs (s. d.) und die Stechpalme (s. d.) eine große Rolle; vgl. auch Goethe's „ S y m bole" („Im Vatikan bedient man sich — Palmsonntag echter Palmen" usw.). Einige Beispiele mögen die Zusammensetzung des P.s erläutern. In Eidenberg b. Gramastetten (Oberösterreich) besteht der P. aus den Kätzchen der Sal-Weide, Sevenbaum (Juniperus Sabina), Buchs, Haselnußzweigen, Lärchenbaum, Wacholder, Eichenblättern (natürlich vorjährigen, vertrockneten) 5 ). Ebenfalls in Oberösterreich (Steinerkirchen) nimmt man zum P . : P.zweige, Felberschüß (Weide), Haselschüsse, Sevenbaum, Zwülinn (Daphne mezereum),Eichenzweige,Schradl (Stechpalme), Albarazweig (Pappel), Kranawitwipferl, Wintergrün (Efeu), Buchsbaum®). A m Lechrain sind an einen Haselstecken die Zweige der P.weide, der Mistel, des Sävlings (Juniperus Sabina), des Kranewits (Wacholder), des Wachslaubeerbaums (Stechpalme) angebunden. Der Haselstecken muß geschält sein, daß sich die Hexen nicht zwischen Holz und Rinde aufhalten können 7 ). In Lechbruck (BA. Füssen) besteht der P. aus einer Helsenbeerrute (s. Traubenkirsche) mit Laub, Sevenbaum, Eibenoder Weißtannenzweigen, Eichenlaub, Heidekraut, Preiselbeerlaub und Weidenkätzchen 8 ). In Südbaden besteht der P . aus Sevelbaum, Lercheholz (Lärche),

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Palm

englisch Riis (Zweige der Eibe), Cederholz (Zweige vom Lebensbaum, Thuja), Buchszweigen, Kätzle der Weide, Hulsehecke (Stechpalme) und Kreuzchen aus Pfaffekäpple (Evonymus europaea), die aus den Büschen herausragen 9 ). Ein pfälzischer P. weist Buchszweige, Kreuzchen aus Zweigen der Sal-Weide, Thuja, Stechpalme auf; außerdem Büschel vom Sevelbaum, drei Zweige vom Eichbaum mit dürrem Laub 10). In manchen Orten der Schweiz heißt es, daß der P. von neun (s. neunerlei Holz) Sträuchern und Bäumen genommen werden müsse, nämlich von Stechpalme, Fichte, Rotund Weißtanne, Eibe, Sevi, Wacholder, Buchs, Hasel 1 1 ). In Mittelfranken (Gegend von Feuchtwangen) schließlich verfertigt man den P. aus Weidenkätzchen, Haselzweigen (mit Kätzchen), Immergrün (Vinca minor), Efeu, Eichenzweigen mit dürrem Laub, Trudenfuß (s. Bärlapp) und Sevenbaum (Juniperus sabina) 12 ). Im übrigen vgl. die am Schluß des Artikels angegebene Literatur. *) Z. B . K a p f f Festgebräuche 15; Nds. 14, 278. 2 ) W i l d e Pfalz 234. 3) A b b i l d u n g e n : Nds. 17, 408 (Papenburg a. E m s ) ; Z f V k 10, 227 (Oberbayern); S A V k . 9, I 3 7 f f . (Frei- u. Kelleramt); C. v a n d e r G r a f t Palmpaasch 4) 1910. Mit 13 Tafeln (Niederlande). Vgl. F i n a m o r e Credenze etc. Abruzzesi 1890, 114, auch in Südtirol: S c h n e l l e r Wälschtirol 235; 5) H ö r m a n n Volksleben 44. H m t g . 1, 193. *) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 154. ') L e o p r e c h t i n g Leckrain 169. 8) Orig.-Mitt. v . L . A d l e r 1925. ·) Z f d M d a 1913, 323. 10) B e c k e r n) Pfalz 309. S c h w l d 4, 1207. 1 2 ) M a r z e l l Bayer. Volksbotanik 20 f.

2. H e r k u n f t und A l t e r der P.weihe. A l t e Z e u g n i s s e . Nach den Forschungen von F r a n z 1 3 ) stammt das erste Zeugnis der P.enprozession in der lateinischen Kirche aus der Wende des 7-/8. Jhs. Es erfleht für die P.en eine Heilwirkung zugunsten derer, die sie in ihren Wohnungen aufbewahren. Auf deutschem Boden war d ; e P.weihe schon im 9. Jh. vorhanden. Zu Beginn des 10. Jhs. war der Ritus der P.weihe bereits reich entwickelt. Die Behauptung M ), daß die P.en nur die verchristlichte heidnische Lebensrute (s. d.) sind, ist sicher nicht richtig. Wenn auch die

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hierher gehörigen Bräuche z. T. ineinander übergehen (s. unten), so sind sie doch in Ursprung und Bedeutung ganz verschieden. Wenn die „Lebensrute" durch den Schlag befruchtend wirken sollte, so ist das manchmal geübte Schlagen mit den geweihten Zweigen kirchlich als Unfug zu bezeichnen 15). Bei der P.sonntagfeier vermischte sich offenbar jüdisch-christlicher Einfluß mit uralten einheimischen Bräuchen, die in Lebensweckung und Schutz mit Frühlingszweigen bestanden 16 ). Aus dem 16. Jh. sind verschiedene mehr oder minder ausführliche Berichte über P.bräuche vorhanden. So schreibt Seb. F r a n k 17) : „Auff dieß kumpt der Palmtag, da tragen die christen den tempel voll großer büschel Palmbeum und angebunden äst, die weihet man für alles vngewitter an das feür gelegt. Und fürett ein hültzin Esel auff einem Wägelin (s. P.esel) mit einem darauff gemachten Bild yhres Gottes in der statt herumb, singen, werffen palmen für yhn und treiben vil abgötterei mit disem yhrem hültzinen Gott. Der Pfarrer legt sich vor diesem bild nider, den schlecht ein ander Pfaff. Die schüler singen und deuten mit fingern darauff. Zwen Bachanten legen sich auch mit seltsamer Ceremoni vnd gesang vor dem bild nider, da wirfft jedermann mit palmen zu, der den ersten erwisch treibt vil Zauberei damit". Der Reformator Oslander (geb. 1498) schreibt: „Am P.tag beschweret man die P.en das alle krafft, alle macht, aller Anlauft und alles herr (Heer) des Teuffels auß dem außgewurzelt vnd verjagt wer, darnach soll Gott die P.en also segnen, das wer sie tregt alle anfechtung des teuffels mag überwinden, item das die stett darin man sie tregt geheilligt werde, also daß alles teuffei gespenst davon weychen muß" usw. 1 8 ). Ein Bericht aus Biberach vor der Reformation lautet: „Ist vol Buoben dagestanden, haben all puschlein mit P.en und Sefich ( = Sadebaum) gehabt, haben die Leuth vasst all Sefich oder P.en in ihren Händen gehabt... Dann haben alle Menschen P.en und Sefich gegen unse-

Palm

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ren Herrgott anhin geschossen oder ain wenig anhin geworfen. Hat alles ein guette wail gewehret... Die geweichten P.en und Sefich hat man haim tragen und behalten (aufbewahrt) und so es den Sommer hat gewettert, hat mans an das Fewr gelegt für das Wetter" 1β). Ähnlich berichtet Geiler von K a y s e r s b e r g (geb. 1445) 20 ) und Thom. Naogeorgus (geb. 1 5 1 1 ) 2 1 ) , auch in den Kräuterbüchern des 16. Jh.s ist von P.aberglauben die Rede 22 ). L u t h e r eifert energisch gegen P.schießen, P.weihe, P.kreuzleinmachen und P.schlucken (s. unter 10) 23). 13 ) Benediktionen 1, 47011. 1 4 ) Vgl. auch M a n n h a r d t ι, 2 8 i f f . ; F r a n z a. a. O. 1, 504. w ) S c h r o e d e r Arische Religion 2, 305. 1 7 ) Weltbuch 1534, C X X X I = M a n n h a r d t 1, 258. 18 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 67. 1β ) Alemannia 17, 96. S t ö b e r Aberglaube 56. " ) M a n n h a r d t 1, 287. 2S ) ZfVk. 24, gf. 2 3 ) K l i n g n e r Luther 1 1 8 .

3. Die Behandlung des P.s nach der Weihe, seine Aufbewahrung usw. ist je nach der Gegend verschieden. In Norddeutschland werden die P.en unter Absingen von P.liedern herumgetragen. In der Grafschaft Bentheim lautet ein solches: Palmen, Palmen, Poaschen Lat den Kuckuck roaschen L a t de Vöggel singen L a t de Kinner springen 24 ).

Im Rheinischen wird der P. zum Nachbarn gebracht. Gelingt es diesem nicht, den P. mit Wasser zu begießen (Fruchtbarkeitsritus?), so ist er verpflichtet, am Osterfest ein Osterei zu spenden 25). Im Aischtal (Oberfranken) wird der P. auf die Schwelle der Haustüre gelegt und alle Familienmitglieder müssen darübersteigen. In Oberbayern (Ostermünchen) darf man den P. nicht durch die Haustür tragen, er muß von außen auf die Altane geworfen werden. Der P. wird aufs Dach geworfen26), muß aber am Ostersonntag vor Sonnenaufgang wieder heruntergeholt werden, „da sonst der Fuchs die Henne holt" (s. unter 5). Uberhaupt darf der P. nicht gleich ins Haus getragen werden 27). In Georgenburg (Schlesien) darf man am P.sonntag mit den geweihten P.en deswegen nicht

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ins Zimmer treten, weil es sonst darin im Sommer viel Fliegen gibt 28 ). Auch die Rumänen in der Bukowina bringen den P. nicht ins Haus, sondern stecken ihn unter den Dachstuhl29). Vielfach wird auch der P. zuerst in den Garten gebracht 30 ), aus dem Freien wird er erst geholt, wenn es darüber gedonnert hat S 1 ). In Nordtirol (Brixental, Penningberg) ist es Brauch, den P. bis zum Ostersonntag im Garten stecken zu lassen; wer an diesem Tag nach dem Hauptgottesdienst zuerst heimkommt, nimmt ihn heraus und steckt ihn unter das Dach auf die sog. ,,Dillabn" (oberer Söller), wo er übers Jahr bleibt 32). In Altbayern wird der P.stecken hin und wieder im Karsamstagsfeuer angekohlt 33 ). Im Odenwald wird das „Judenfeuer" am Karsamstag mit P.en eingemacht34). Im übrigen werden die geweihten P.en in die Wohnräume, Ställe und Scheunen verteilt, oft wird der P. hinter das Kruzifix in der Stubenecke (Herrgottswinkel) gesteckt, auch als Amulett werden die P.kätzchen getragen M ). Aus der Rinde des P.steckens werden „Drudenfüsse" verfertigt, die dann an die Bettladen genagelt werden se ), vgl. unter 6. In Gottschee (Krain) werden aus den P.ruten Kreuzchen geschnitten und auf Türen gegen Hexenspuk angenagelt. Da man die alten Kreuzchen nicht wegnimmt und jährlich neue aufnagelt, sind die Türen oft ganz bedeckt damit ®7). Wie weit der Brauch, die P.en im Haus aufzubewahren, verbreitet war, sehen wir aus einer Bemerkung von R o c h h o l z 3 8 ) , der im Münchner Königsschlosse über jedem Bett der Töchter des Königs Max Joseph I. (gest. 1825) die geweihten P.en an der Tapetenwand hängen sah. In manchen Gegenden wird der P. auch auf die Gräber gesteckt 89 ). u ) Nds. 14, 278, vgl. ebd. 26,508. s s ) ZfrwVk. 4, 20. 2e ) Auch um Braunau am Inn: ZföVk. 3, i7 273. ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 2 1 . ") D r e c h s l e r 2, 244. 2») ZföVk. 4, 2 1 7 . *>) ζ. B . S1 JbEls.Lothr. 12, 190. ) M e y e r Baden 94. *») Heimatblätter, Kufstein 3 (1925), Heft 4/5, Ii. M a r z e l l Bayer. Volksbot. 26. u ) M e y e r Baden 95. 3 5 ) ζ. B. H ö f l e r Oberbayern 98. 3 ·) P a n z e r Beitrag 2, 163. 37 ) S a t t e r Gott38 scheer Pflanzennamen 18. ) Glaube 2, 120.

I37I *») Planer Gegend: ZföVk. 3, 1 1 2 ; Z f V k . 6, 4 1 1 .

Palm Mähren:

4. Der P. hat vor allem a p o t r o p a e i sche Wirkungen, die er nach dem frommen Glauben durch die kirchliche Weihe erhalten hat. In das Haus, an dessen Fenstern P.en stecken, kann keine Hexe40), in die Mauerspalten des Stalls gesteckt, hält er am 1. Mai (Walpurgis) die Hexen ab 4 1 ). P.holz vertreibt das Schratl (Steiermark) 42). In Böhmen kann man mit dem P. den Wassermann bewältigen43). Wenn die wilde Jagd zieht, legt man geweihte P.hölzchen auf den Tisch, daß keiner, der von der wilden Jagd zurückgeblieben ist, sich in das Haus verirre 44). Beim Hausbau gab man früher in Vorarlberg in die vier Ecken des Fundaments „gwichna Züg" (geweihtes Zeug = P.en), ebenso in die Schwelle der Haustür 45 ). Gegen Ungeziefer wirft man in den Schöpfbrunnen P.kätzchen 4e ). Man mischt ins Saatgetreide drei P.kätzchen 47 ), man steckt sie in das Sätuch 48 ). Den P. „legent sy vnder das chrawthefen, so valient nicht fleugen in das chrawt" 49). Überhaupt dient der P. gegen (dämonisches) Ungeziefer60). Wenn man am Karfreitag die Kühe damit bestreichelt („abstreift"), plagt sie das Ungeziefer nicht mehr 61 ). Die Wanzen vertreibt man für immer, wenn man am hl. Abend während der Mette die Zimmerwände mit dem geweihten P. peitscht und dann spricht: „Hinweg, hinweg, ihr hellischä Tiärer, ) W a s c h n i t i u s Perht. 20 ) H e y l Tirol 763/4. 2 1 ) G e r a m b Steiermark 57; J o h n Westböhmen 11; L a n d s t e i n e r Niederösterreich 35; L ü t o l f Sagen 79; M a n n h a r d t Germ. Mythen 297; Q u i t z m a n n Baiwaren 1 1 3 f.; W a s c h n i t i u s Perht 140. 142; W i t z s c h e l Thüringen 220. 22) F r a n z i s c i Kärnten 32 f. ; G r i m m Mythol. 1, 224; 2, 779; K u h n u. S c h w a r t z Sagen 2 f.; Mannh a r d t I, 67; ders. German. Mythen 296; E. f f . M e y e r German. Mythol. 237. 280; ders. Mythol. d. Germ. 328; R a n k e Volkssage 275; ZrwVk. ι , 32 (1914) ; S c h a d e Klopfan 68; V e r n a l e k e n Alpensagen 349 f.; W a s c h n i t i u s Perht 24 f.; W u t t k e 27; ZdVfVk. 12, 87; 14, 257; A c k e r mann Shakespeare 62; G r i m m Mythol. 2, 779; M a n n h a r d t German. Mythen 261; E . H . M e y e r German. Mythol. 247 f.; P r ö h l e Unterharz. Sagen 205 ff.; W a s c h n i t i u s Perht 173 f.; W i t z s c h e l Thüringen 1, 188 f. 135. 23) Mogks 24 Deutung! ) Siehe oben Artikel Nerthus. s5 ) G r i m m Mythol. 1, 232; 3, 90; M a n n h a r d t Germ. Mythen 257. 260; V o n b u n Beitr. 24 ff. 3β ) G r i m m Mythol. 1, 233; L i e b r e c h t Zur Volksk. 512; Mannhardt Kulte 285; ZdVfVk. 14, 257. 2 ') R e u s c h e l Vk. 2,47. G r i m m Mythol. 1, 222; W u t t k e Volksaberglaube 28. 2>) B e c h s t e i n Thür. Sagenbuch ι , 172; E i s e l Sagenbuch 2 1 ; G e r a m b Steiermark 57; G r i m m Mythol. 2, 279. 777 f. 30) H e r r m a n n Dtsch. Mythol. 23. 3 1 ) B e c h s t e i n Thür. Sagenbuch 2, 182 ff.; E i s e l Sagenbuch 21 f.; G r i m m Mythol. 1, 369. 228; K ö h l e r Voigtland 491 f.; M a n n h a r d t Germ. Mythen 297; W i t z s c h e l Thüringen 1, 2 1 1 . 32 ) L i n c k e Frau Holle = HWb. des deutschen Märchens. 33 ) B a u m g a r t e n Jahr 1 3 ; H e y l Tirol 751; K e l l e r Grab 5,347; L a n d s t e i n e r Niederösterreich 34 f.; Q u i t z m a n n Baiwaren i n f.; S a r t o r i Sitte 3, 74; W u t t k e 69; ZfdMythol. 3, 205; ZdVfVk. 16, 465 (1906); A n d r e e - E y s n Volkskundliches 158 f.; ARw. 7, 104; G r a b e r Kärnten 91; G r i m m Mythol. 1, 221 ff.; G ü n t e r t Kalypso 94; H a r t m a n n Westfalen 18; H e r t z Elsaß 46. 200; H ö r m a n n Tiroler Volksleben 241 ff.; L e s s i a k Gicht 170; M a n n h a r d t German. Mythen 296; E. H. M e y e r German. Mythol. 280; M ü l l e n h o f f Altertumskunde 4, 150 und 290; N o r k Festkalender 77 ff.; R e u s c h e l Volkskunde 2, 47; S c h w e b e l Tod u. ew. Leben 157 ff.; S e p p Religion 7; V e r n a l e k e n Alpensagen 345; W u t t k e 69. 34) B e c h s t e i n Thür. Sagenbuch 1, 61 f.; E c k a r t Südhannov. Sagenb. 5 f. 37; H i l l n e r Siebenbürgen 26; J a h n Opfergebräuche 266;

1489

Perhta

I49O

K u h n Westfalen 1, 331; K u h n u. S c h w a r t z Thür. Sag. 1, 110; G r i m m Mythol. 1, 222; 417; Ε. H. M e y e r German. Mythol. 280; S a u p e R o c h h o l z Sagen 2, 180. ·') M a n n h a r d t n Jndiculus 24; R o c h h o l z Sagen ι , 346. ) ι, 120; d e r s . German. Mythen 258 f. '·) W u t t k e E c k a r t Südhannov. Sagenb. 37. 3β) ZdVfVk. 27. n ) M a n n h a r d t wie 69; Ε. H . M e y e r 37 14, 257. ) W u t t k e 27. M ) A n d r e e - E y s n German Mythol. 279; H e y l Tirol 659; R e i t e r e r Volkskundliches 161; B e c h s t e i n Thür. SagenEnnstalerisch 106. 72) S i m r o c k Mythol. 377. buch 2, 174; D r e c h s l e r Schlesien ι, 35; E i s e l 409. " ) G r i m m Mythol. 1, 222 f.; 3, 90f.; Voigtland 104; G r i m m Mythol. 1, 226 f.; J o h n K e l l e r Tiere 298. 74) M a n n h a r d t Götter 296; Oberlohma 155; K l a p p e r Schles. Vk. 221 ff.; S i m r o c k Mythol. 377. 75) G r i m m Mythol. M a n n h a r d t Götter 291 f.; Ε. H. M e y e r Mythol. ι, 230; 3, 89; d e r s . Sagen 197. 70) v. d. der Germanen 328; R o c h h o l z Sagen 1, 247. H a g e n Gesamtabenteuer 54; G r i m m Mythol. 378; S a r t o r i Sitte 3, 74; W a s c h n i t i u s Perht ι, 230; 3, 89; d e r s . Sagen 197; M e y e r Baden 156; W u t t k e 27; ZdVfVk. 14, 261 (1904); 65; P a n z e r Beitr. 2, 118; Q u i t z m a n n BaiZföVk. 9, 188 (1903); MschlesVk. 17, 46 (1915). waren 116 f.; R o c h h o l z Sagen 2, 182 39 ) H e y l Tirol 751. 10) B e c h s t e i n Thür. S c h n e l l e r Wälschtirol 200; S e p p Religion 352. 77 Sagenbuch 2, 510; D r e c h s l e r 1, 35; E i s e l ) G r a b e r Kärnten 92; H e y l Tirol 660. 41 78 Voigtland 104. ) B e c h s t e i n Thür. Sagenbuch ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 80. 79) K l a p 2, 174. " ) M e y e r Aberglauben 2. " ) S a r p e r Schles. Vk. 207; MittSchlesVk. 17, 51 (1915); 8 t o r i Sitte 3, 74. " ) W u t t k e 298. «) ZdVfVk. ZdVfVk. 14, 262. °) G r i m m Mythol. i, 230; 14, 257 ff. « ) Ebda. « ) Ebda. H e y l Tirol H e y l Tirol 752; R a p p o l d Kärnten 82 f.; 751; ZdVfVk. 14, 257 ff. «) K l a p p e r Schles. S c h n e l l e r Wälschtirol 201; V o n b u n Beitr. Vk. 283. t 0 ) ZdVfVk. 14, 257ff.« ) J a h n 26; W a s c h n i t i u s Perht 19. 150 f.; ZdVfOpfergebräuche 288; L a n d s t e i n e r NiederösterVk. 23, 5 f. (1913). « ) K ö h l e r Voigtland reich 35; R i e t s c h e l Weihnachten 106; S e p p 488; K u h n Westfalen 2. 4; W o e s t e Mark Religion 10; W a s c h n i t i u s Perht 18; W e i n 28 f.; ZfdMythol. 12; T r e u t l e i n Arbeitsh o l d Weihnachtsspiele 26; W u t t k e 27. 292; verbot 34. 43. 60. 65. 75. 89. 92. 99. M ) Vgl. M 83 ZdVfVk. 8, 440 (1898) und 14, 265. ) H ö f l e r T r e u t l e i n Arbeitsverbot, Register. ) Zfd84 Weihnacht 1. M ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 19; Mythol. 3, 206. ) G r a b e r Kärnten 92. 85) 8e 87 .ZdVfVk. 14, 266. " ) ZdVfVk. 24, 268 (1914); ZfdMythol. 3, 206. ) Ebda. ) E i s e l VoigtMfJüdVk. 1915. S5) K ö h l e r Voigtland 476. land 104 f. ; G r i m m Mythol. 1, 227; W i t z s c h e l S6 ) G r o h m a n n 1. " ) E i s e l Voigtland 104; Thüringen 1, 212; B e c h s t e i n Thür. Sag. G r i m m Mythol. 1, 229; 3, 89; V o n b u n Beitr. 2, 193 f.; E i s e l Voigtland I 0 4 f . ; G r i m m 9; B e i t i Vk. 439. 68 ) D ö h r i n g Ety mol. Skizzen Mythol. 1 , 2 2 7 ; H e r z o g Schweiz. Sagen 2,218; ι f.; D u l l e r Dtsch. Volk 251 ; D r e c h s l e r 2, 164; K ö h l e r Voigtland 492; M a n n h a r d t German. G r i m m Sagen 5; d e r s . Mythol. 1, 223; G r o h Mythen 297. 479; Ε. H . M e y e r German. Mythol. m a n n 1; d e r s . Sagen 46; Höf 1er Weihnacht 281; S i m r o c k Mythol. 399; W a s c h n i t i u s 33; J o h n Westböhmen 12. 8; K ö h l e r Voigtland Perht 19. 153. 183; W i t z s c h e l Thüringen 476; K u h n Märkische Sagen 372; d e r s . Westι , 221; G r i m m Mythol. 1, 222; D e r s . Sagen falen 2, 3; K u h n u. S c h w a r t z 370, 215 f. 494; 6. 8; Ε. H. M e y e r German. Mythol. 281; E. H. M e y e r German. Mythol. 278; P f i s t e r W i t z s c h e l Thüringen 1, 114; ZrwVk. 1, 41 Hessen 7; Q u i t z m a n n Baiwaren 109 t.; 88 (1910); ZdVfVk. 21, 286 (1911). ) Kuhn S o m m e r Sagen 9 f. ; Urquell 5, 103 (1894); u. S c h w a r t z 215 f. 8S) P f i s t e r Hessen 7. W i t z s c h e l Thüringen 1, 261; Wolf Beitr. ,0 81 ) W i t z s c h e l Thüringen 1, 261. ) Golther τ · 2 37· 398; W u t t k e 69 und 26; ZfdMythol. Mythol. 498 f.; K u h n Westfalen 2, 2; W i t z I, 196 (1853); ZdVfVk. 17, 448 (1907); B e c h s c h e l Thüringen 2, 68; W o l f Beitr. 1, 163; s t e i n Thür. Sagenbuch 2, 157ff.; G r i m m ZdVfVk. Ii, 444 (1907). · 2 ) G r i m m Sagen Mythol. I, 226. 232; 3, 90; H e y l Tirol 167; 4, 4; K u h n u. S c h w a r t z 469; Mannhardt H ö f l e r Weihnacht 8; K l a p p e r Schles. Vk.221; German. Mythen 266; P f i s t e r Hessen 6. 8; K ö h l e r Voigtland 488; K u h n Westfalen 2, 5; ZdVfVk. 7, 118 f. (1897); Ii, 201 ff. (1901). M a n n h a r d t Götter 294 f.; Ε. H. M e y e r Ger·') G r i m m Mythol. 1, 222; M a n n h a r d t man. Mythol. 275 f.; P a n z e r Beitr. 1, 248; German. Mythen 267; M e y e r Baden 12; Q u i t z m a n n Baiwaren 113; S i m r o c k Bertha P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 99. 82; P f i s t e r die Spinnerin. Ffm. 1853; T o b l e r Kl. Schriften Hessen 4; R o c h h o l z Sagen 1, 346; S i m r o c k 312; W o e s t e Mark 23 f.; W u t t k e 26; ZfdMythol. 399; W a s c h n i t i u s Perht 177; W o l f Mythol. 2, 88 f.; ZdVfVk. 1, 216; 4, 413; 8, 440; Beitr. 2, 186; ZfdMythol. 3, 74. M ) S. 91. 69 12, 8 8 . ) G r a b e r Kärnten 93 f.; R o c h h o l z *5) D r e c h s l e r 2, 150; M a n n h a r d t German. Sagen 1, 246; W u t t k e 27; ZdVfVk. 8, 440. Mythen 260. 266. 288; Ε. H. M e y e r German. 160 ) E i s e l Voigtland 103 f.; G r i m m Mythol. Mythol. 275. 277; S c h ö n w e r t h Oberpfalt 1 , 2 2 6 f f . ; 3, 452; V o n b u n Beitr. 41; W a s c h 2,198; ZdVfVk. 15,140(i^>5).") W a s c h n i t i u s n i t i u s Perht 20. * l ) P a n z e r Beitr. 2, 118. Perht 173. , 7 ) D r e c h s l e r 2, 150. 264; G o l t h e r +*) Ε. H . M e y e r German. Mythol. 275. *3) Mythol. 499; G r i m m Mythol. 1, 222; 2, 911; A l p e n b u r g Tirol 66. · 4 ) ZfdMythol. 3, 334. a5 3, 314; M a n n h a r d t German. Mythen 259; ) G r i m m Mythol. 3, 451; M e i e r Schwaben P f i s t e r Hessen 7; S t r a c k e r j a n 1, 517; I, 45; W u t t k e 27. ··) W a s c h n i t i u s Perht W a s c h n i t i u s Perht 177 f.; ZfdMythol. r, 197. 176 f, " ) D r e c h s l e r 2, 164. e8 ) B e c h s t e i n ,8 ) D r e c h s l e r 2, 165; Ε. H . M e y e r German.

Periode Mythol. 278; P f i s t e r Hessen 7. 8; W u t t k e 28. 25. »»)—ιοί) w i e 98. ι β ί ) A l p e n b u r g Tirol 8; de C o c k Volksgeloof 1, 102 f . ; H e y l Tirol 787; M a n n h a r d t German. Mythen 268; Ε . H . M e y e r German. Mythol. 285. 290; R o c h h o l z Sagen 2, 185; W u t t k e 28. 1 0 3 )— 1 0 δ ) w i e 102. 10«) Z f d M y t h o l . 1, 196. i 44 fi·! N i l s s o n Griech. Feste 97 f. 144 ) S e p p Religion 318; A n d r e e - E y s n Volkskunde 24. 145. 145) A n d r e e - E y s n 23.24 f. "«) ARw. io, 340 f. 147 ) G r i m m Mythol. 2, 990. 1 4 8 )ZfVk. 9 (1899), 198. 199. l " ) S t r a u s s Bulgaren 202. 16°) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 318 f. 151 ) G r i m m a / W . 2, 991. 162 ) G r ä s s e Preußen 2, 654 f. ; Rogasener Familienblatt 6 (1902), 27 f.; L a i s t n e r Nebelsagen 86. 15S) Rogasener Familienblatt 6, 27. 28. 154 ) G r i m m 15S a. a. O. 2, 991 f. ) P a n z e r Beitr. 1, 29. 15e ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 16. 157 ) SAVk. 25, 34 f. 15e ) Ebd. 25, 149. " · ) Ebd. 10, 10. leo ) SchwVk. ι, 18. 161 ) G r i m m Mythol. 2, 993 f. li2 ) Ebd. 2, 994. 1 , s ) A n d r e e - E y s n Volkskundl. 63. 1β4) W l i s l o c k i Magyaren 141 f «*) ZfVk. (1913), 148 f. 1ββ ) G r i m m a. a. O. 2, 991; vgl. 3 . 3 4 7 ; S é b i l l o t Folk-Lore 4, 173. l e 7 ) P a n z e r Beitr. ι, 358. 1 , e ) W u t t k e Sachs. Volksk. 379; H a u p t Lausitz i, 10 f.; G r i m m a. a. O. 2, 995. Sie wandelt zur Mittagszeit umher : H a u p t i , n ; vgl. auch H a n u s c h Wissensch, d. slavischen Mythus 322 f.; R o c h h o l z Glaube 1, 67 (mit rotem Tuche). 1β>) G r i m m a. a. O. 2, 994. 17 °) Ebd. 2, 992. I71 ) SchwVk. 1, 18; vgl. auch L a i s t n e r Nebelsag. 88. 172 ) B a a d e r Sagen 376 (431). Auch die Cholera erscheint als weiße Frau: V e r n a l e k e n Alpensagen 398; S c h a m b a c h - M ü l l e r 240 f. (251). 173 ) K r a u s s Selig. Brauch 60. 174 ) Ebd. 63. Vgl. K r a u s s Südslavische P.sagen. Wien 1883 (Mitteil, der Anthropol. Gesellsch. in Wien 13). ' " j G r i m m Mythol. 2, 991. 17e ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 320.

8. Der furchtbaren Gefährlichkeit der P. entspricht die Zahl der M i t t e l , die sie abwenden oder unschädlich machen sollen: Händeringen und Gebet 1 7 7 ), schwere Bußübungen und Geißelungen178), Gelübde und Prozessionen 17e ), auch bei Nacht 180 ). Bestimmte Heilige gelten als besonders kräftige Helfer gegen die P.: Sebastian 181 ), Rochus 182 ), Christopherus 183 ), Antonius der Eremit 1 8 4 ), Cosmas und Damianus 185 ), Anna 1 8 e ), Rosalia 1 8 7 ), Pirmin 188 ), die h. drei Jungfrauen 189 ), Karl Borromaeus (f 1584) 1 W ). Als Schutzmittel dienen g e d r u c k t e B l ä t t e r und B r i e f e sowie A m u l e t t e , die man am Leibe trug, ζ. B . ein Iltisfell 1 · 1 ), Quecksilber in einer Haselnuß um den Hals 1 9 2 ). Ein „Pestilenzschild", bestehend aus 75 in Reihen stehenden lateinischen Buchstaben, Chirogrammen und Zeichen, ward an Türen, Öfen und andere Orte befestigt, auch am Halse getragen W3 ). Uber der Haustür wurde der Buchstabe Τ (Antoniterkreuz) ange-

Pest

bracht; man machte es auch dem Vieh auf die Hörner und den Menschen auf die Stime und an die Gewänder und verwandte es als Anhänger, auf P.blättern usw. 194 ). Die Anfangsbuchstaben eines P.segens, der dem Papste Zacharias (t 752) zugeschrieben und daher Z a c h a riassegen (s. d.) genannt wurde, findet man noch über alten Haustüren, auf Medaillen und Metallkreuzen 195 ). Die Gemeinde Emmingen ab Egg in Baden hat (wie es heißt, in der Zeit nach dem 30 jähr. Kriege) an den Grenzen ihrer Gemarkung vier Gruppen von Holzkreuzen errichtet (je drei gewöhnliche und ein höheres Doppelkreuz), um nach den vier Himmelsrichtungen hin die P. von Menschen und Tieren abzuhalten 196). Auch das Dorf Röttingen sollte vor über 200 Jahren durch ein solches P.kreuz von der Seuche freigehalten sein 197 ). Fast unzählbar sind die Mittel, die von den Ärzten und der Volksmedizin gegen die P. empfohlen werden 198 ) : Menschenblut199), Menschenkot 200), 201 202 Urin ), Essig ). Wenn man früh ein wenig Gemskugel (eine Art Bezoarstein) verschluckt, so kann keine P. und kein Gift wirken 203). Man soll Omanswurzel mit Tabak rauchen 204). Totengräber kannten das Geheimnis der Herstellung von P.kugeln (Pillen)20S). Auf die Beulen gelegte Frösche zerplatzen und bringen Heilung 206). „Trag eine in der Sonne gedörrte Kröte am Hals und steck an jedes Fenster eine, so läßt dich die P. in Ruh" 207 ). Auch Drachenstein schützt 20S ). Vor allem gelten gewisse K r ä u t e r als sichere Mittel: Baldrian, Wacholder, Bitterklee, Enzian, Eberwurz, Raute u. a. 209). Namentlich Bibernelle (Pimpinella saxífraga) wird immer wieder angepriesen 210). Überall wuchern die Sagen, in denen eine geheimnisvolle Stimme zu diesem oder einem anderen pflanzlichen Mittel rät 2 1 1 ) oder ein Vogel 212 ), ein graues Männlein 213 ), ein alter Mann im Traume 214 ), Zwerge 215 ), Wildmännlein oder Holzfräulein 21β ), eine weiße Frau 2 1 7 ), sogar der Tod selbst 218 ).

Man streute zum Schutze gegen die P. Sägemehl und Asche aus a19 ), belegte die Gassen mit Mist, weil dieser das Gift anziehe, und grub die Kranken bis an den Hals in die Düngerstätten. Zu Hambach rettete sich ein altes Ehepaar nur dadurch, daß es den Leibstuhl immer offen in der Stube stehen ließ 22°). In den Zimmern hängte man zerschnittene Zwiebeln auf, die gleichfalls das Gift aufsaugen 221 ). In Riedenburg legte man neugebackenes Brot auf den Straßen aus, und die P. zog hinein und machte die Rinde ganz blau 222 ). In Luzern schoß man gegen P. und Seuchen Geschütze ab 223). Auch G l o c k e n l ä u t e n verscheucht sie 224). Im griechischen Altertum bannte man die P. ins Meer 225), wie in der Ilias (1, 313 f.) die Befleckung im Seewasser abgewaschen wird 22e ). Im Jahre 1636 zündete man in Utrecht große F e u e r an, um die Ausbreitung der P. zu hindern 227). In Deutschland pflegte man ein Notfeuer zu entfachen 228). Vereinzelt wird aus der Schweiz wie aus Deutschland von Tänzen berichtet, durch die P.dämonen verscheucht werden sollten 229). Oft angewandt wird das Mittel der Umkreisung. In Gömnitz im Fürstentum Lübeck zogen im Jahre 1639 die „Erstgeborenen und Brautkinder" an drei Donnerstagen nacheinander mit einem Erbkesselhaken auf der Schulter schweigend um das ganze Dorf 230). Um die Mitte des 17. Jahrhunderts soll ein wendischer Bauer im Lüneburgischen auf den Rat der P. selbst mit einem Kesselhaken um sein Dorf gelaufen sein und das Eisen dann unter einer Brücke versteckt haben. Damit war das ganze Dorf für die Krankheit „zugemacht" 231 ). Ähnlich verfuhr man auf der kurischen Nehrung 232 ) und in Lenzke (Prov. Brandenburg), wo drei Katharinen dreimal auf einem Lenkhaken ums Dorf ritten und ihn dann vergruben 23S). Bei den sächsischen Wenden umzog man das Dorf an seinen Grenzen mit dreifacher Ackerfurche. Das mußte unter vollständigem Schweigen nachts durch nackte Menschen geschehen wie z. B. 1602 bei Sorau 231 ). Andere slavische

Pest

Völker machen es ebenso 235). Bei den Letten spannte man Garn, das mit dem Blute einer Katze und eines Hahns bespritzt war, ums Haus 236). In Tanagra mußte jedes Jahr der schönste Knabe einen Widder auf seinen Schultern um die Stadtmauer tragen. Auf diese Weise sollte Hermes einmal eine pestartige Krankheit vertrieben haben 237). Eine Menge Sagen berichtet, wie die P. — gewöhnlich in Gestalt eines blauen Flämmchens oder Dunstes — in einen Baum oder Pfosten v e r p f l ö c k t wird, und zwar oft endgültig. Wenn aber der Pflock herausgezogen wird, beginnt sie ihre Tätigkeit von neuem 238). Auch in einen Schinken 239), ein Bündel Lumpen 240), eine Grube 241 ), ein Kellerloch 242) wird sie eingeschlossen. In Recke sitzt sie unter einem Busch beim Pfarrhause 243). In Frankfurt mauerte man sie auf Rat eines weisen Mannes unter Zeichen und Sprüchen in ein Loch der Stadtmauer 244 ). In Mailand bannte der hl. Karl Borromaeus sie in eine Marmorsäule 24S). In Rom wurde bei einer P. ein Dictator clavi figendi causa ernannt 24e ). Ammianus Marc. 23, 6 erzählt, daß römische Soldaten bei der Plünderung von Seleucia im Jahre 363 n. Chr. in einem Tempel ein von Chaldäern verschlossenes Gelaß aufbrachen. Da sprang ihnen die P. entgegen, die sich dann bis nach Gallien und zum Rhein ausbreitete 247). Die P. darf n i c h t angeredet werden 248). Auch soll man es vermeiden, von ihr zu reden 24e ), jedenfalls ihren wahren Namen nicht aussprechen, sondern eine Umschreibung anwenden 240). In der Bretagne aber vertrieb man sie dadurch, daß man sie besang. Als sie ihren Namen in den Liedern genannt und entdeckt sah, wich sie aus dem Lande 251 ). Bei den Balkanvölkern empfängt man die P. freundlich, kehrt und r e i n i g t das Haus und stellt warmes Wasser hin für sie und ihr Kind 252). Man soll das Geschirr nicht über Nacht ungewaschen stehen lassen. Sie kommt und schaut nach, ob alles rein sei; findet sie unreines Geschirr vor, so zerkratzt und vergiftet sie es 253 ). Im übrigen hört während ihres

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Waltens jeder Diebstahl und Betrug im Dorfe auf, auch jeder geschlechtliche Verkehr 254). Als eine Art Gegenzauber gegen die Krankheit wird L u s t i g k e i t und F r o h sinn gefordert. Der P.knabe geht vorüber, als er aus einem Hause Harfenspiel zu hören glaubt 255). In HohenzollernHechingen rieten die Ärzte, die Gemüter durch Gesang, Musik und Spiel zu erheitern; man führte daher in Grosselfingen das „Narrengericht" ein 258 ). Auch Boccaccio im Dekamerone empfiehlt, nach Herzenslust zu trinken und fröhlich zu sein, zu lachen und zu spaßen; das sei das beste Heilmittel 257). 177 ) M ü l l e n h o f f Sagen 241; Volkskunde 37 (1932), I 5 3 f . 1?8 ) S t o l l Suggestion u. Hypnotismus 371 ff.; F o x Saarland 229. 179 ) P a n z e r Beitr. 2, 437; H ö f l e r Waldkult 59. 74. 87. 116. 120; Z f V k . 22 (1912), 8; B ü g e n e r Heidegold 25. In Baireuth wurde die Prozession 1449 verboten wegen des Zusammenströmens von Menschen: L a m m e r t 80. Vgl. 1 Anm. 15. 18°) P a n z e r Beitr. I, 23 f.; A n d r e e - E y s n Volkskundliches 1β1 ) 53. A n d r e e - E y s n 26 ff.; Z f V k . 22, 2; R o c h h o l z Glaube 1, 230; F o n t a i n e Luxemburg 16. 110. S. schon P a u l . D i a c o n . Hist. Langobard. 6, 5. 182) A n d r e e - E y s n 29 f.; Z i n g e r l e Tirol 169 (1441); F o n t a i n e 110; A n d r e e Votive 13; Z a u n e r t Westfalen 194; M e n z e l Symbolik 2, 209 f.; N o r k Festkalender 532 f . ; S a m s o n D. Heiligen als Kirchenpatrone 351 ff. 183 ) A n d r e e - E y s n 30 ff. Oben 2, 69. 73. Wer sein Bild erblickte, war vor dem jähen Tode der P. geschützt, darum malte man ihn in 184 ) Ebd. Riesengestalt an die Häuser. 166; Z a u n e r t Westfalen 193; B ü g e n e r Münsterländ. Grenzlandsagen 130f. 18S) Oben2. 108f. 18e) A n d r e e - E y s n 33 f.; D G . 5, 125; oben 1, 450. 187 ) R e i n s b e r g Böhmen 432 f. 188 ) H e y l Tirol 14 (5). 18 ·) P a n z e r Beitr. 1, 24; H e y l Tirol 145 ; H ö f l e r Waldkult 10; A n d r e e - E y s n 53 ft. wo) M e n z e l Symbolik 210. — A d a m v. B r e m e n Gesta Hamaburgiensis ecclesiae Pontif. 4, 27 sagt: Si pestis et famis imminet, Thor idolo lybatur : M a n n h a r d t German. Mythen 134. Eine schwere P. veranlaßte die Herbeiholung des Asklepios nach Rom: S c h m i d t Kultübertragungen 1 ff. Das griechische Altertum erzählte von der Überführung der Reliquien von Heroen in P.zeiten. So wurden Hektors Gebeine nach Theben, Hesiods Gebeine nach Orchomeaos, des Pelops Schulterknochen nach Elis geholt: Ebd. n o , 1β1 ) W l i s l o c k i Magyaren 141 f. 1 M ) S A V k . 21 (1917), 92, vgl. 89. 94. l · 3 ) A l p e n b u r g Tirol 349. 1 M ) A n d r e e - E y s n 63 ff.; Archiv f. Gesch. d. Medizin 10 (1917), 315 ff.; HessBl. 11, 53 ff.; 20, ι ff. (auch das Wort Ananisapta wird als lM) P.segen gebraucht). A n d r e e - E y s n 72; HessBl. 17, 37 ff. ; N i d e r b e r g e r Unterwaiden

Pest з, 6io; P o l l i n g e r Landshut 276; SAVk. 2, 179. 1,e ) Hmtl. ι (1914), 7 1 ; F e h r l e Volksfeste 89. " ' ) B i r l i n g e r Fo/Asi. 1, 164. « 8 ) H o v o r k a и. K r o n f e l d 2, 3 1 2 ff. Allerlei Mixturen und Elixiere d. 16. u. 17. Jahrh.: Volkskunde 30 (1925), 7 S·; 33 (1928), 65 ff. 73 f.; 37 (1932). 153 f. 154 f.; S c h r ö d e r Apotheke (1718) 199. 244. 289. 3 3 1 . 354. 371. Mit bitterer Verachtung gedenkt Goethes Faust im Osterspaziergang der von ihm gebrauchten Mittel. 1 M ) H ö h n Volksheilkunde 1, 150. Menstrualblut: S c h r ö d e r Apotheke (1718) 33. 20°) B a r g h e e r Eingeweide 201 304; vgl. unten Anm. 219. ) Ebda. 3 2 1 . 202 ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 1, 1 5 3 ; S c h m i d t Kräuterbuch 40. Oben 2, 1063. 203 ) A l p e n b u r g Tirol 382; B a r g h e e r Eingeweide 298; oben I, 1207; 3, 632. 204 ) S c h u l e n b u r g 228. 205 ) MschlesVk. 23 (1922), 49 ft. "") Z a u n e r t Rheinland 1, 50; Schmitz Eifel 2. 139; ZfVk. 8, 173 (Tirol). Manche Kranke soll es vom Tode errettet haben, wenn durch einen Zufall, etwa durch Stolpern, die P.beule aufbrach: SAVk. 3, 134; 25, 54; M ü l l e r Uri ι, 56. Wenn Magister Jonas Böttcher in Neu-Ruppin einen mit der P. Behafteten sah und das P.geschwür anrührte, wurde es mit dem Patienten, nachdem er die Beule hatte aufhauen lassen, besser: ZfVk. 7, 29. ao7 ) H e y l Tirol 787 (144); vgl. D r e c h s l e r 2, 292. a08 ) R o c h h o l z Naturmythen 189; oben 2, 379. 408. *0·) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 20 f.; M e i c h e Sagen 807 f. ; ZfVk. 2 6 , 1 5 7 ; 35/3 6 . 172 f.; H e r z o g Schweizersag. 1, 65; W a i b e l u. F l a m m 2,46; V o n b u n Beitr. 132 (Knoblauch); G r i m m Mythol. 2, i o n ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 3 1 8 ; W l i s l o c k i Magyaren 142. a l °) H. M a r z e l l Die Bibernelle in d. P.sage: ZfVk. 35/36 (1925/26), 164 ff. Oben ι, 1223 ff. a u ) ZfVk. 35/36, 165 ff.; R o c h h o l z Sagen 2 , 3 9 0 ; SAVk. 3, 1 3 5 ; 12, 2 1 0 ; J e g e r l e h n e r 2, 165; B a a d e r Sagen 256; A l p e n b u r g Tirol 346; H e y l Tirol 14; S e p p Religion 316. 318. 3 1 9 ; Rogasener Familienblatt 1 (1897), 23 (bei 212 Cholera). ) ZfVk. 35/36, 165 f.; G r i m m Mythol. 3 , 3 4 8 ; S e p p Religion 3 1 6 f. 3 1 8 ; M e i e r Schwaben 248; B i r l i n g e r Volkst. 1, 2 4 0 f . ; H e r r l e i n Sag. d. Spessart 2 1 7 ; K ö h l e r Voigtland 496. 497; P a n z e r Beitr. 2, 436; S c h ö p p n e r Sagen 3, 36; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3 , 2 0 . 2 1 ; R o c h h o l z Glaube 2 , 1 2 7 ; D e r s . Sagen 2, 384. 385; SAVk. 3, 1 3 5 ; K r a u s s 213 Relig. Brauch 68. ) M e i c h e Sagen 316. 214 ) G r a e s s e Preußen 2 , 1 7 0 (Breslau 1542); alt ) Z a h l e r Simmental 50; H e r z o g Schweizersagen ι, 65; F i e n t Prättigau 2 3 6 f . ; H e y l Tirol 84. " · ) V e r n a l e k e . n Alpensagen 214 f.; R a n k e Volkssagen 1 8 1 f.; S e p p Religion 3 1 8 ; M a n n h a r d t 2 , 3 9 . 147 f. 150; P a n z e r Beitr. 2, 1 6 1 . 436; H e r z o g Schweizersagen 1, 1 3 5 ; J e c k l i n Volkstüml. 1 5 6 f . An der Kyll legte das Kräutermännchen nachts Kräuter auf eine Baumwurzel, und die Leute machten Heiltränke daraus: Z a u n e r t Rheinland 1, 244. In Troizen zeigte Pan der Obrigkeit Heilmittel gegen die P. im Traume: P a u s a n . 2, 32, 5 =

M a n n h a r d t 2, 135. s l 7 ) S e p p Religion 3 1 8 ; Z i n g e r l e Tirol i o i f . ; H e y l Tirol 14. "·) lao S c h u l e n b u r g 162. 21») SAVk. 3, 133. ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 19. 221 ) Ebda. 20. 2J2 ) Ebda. 19. 223 ) R o c h h o l z Naturmythen 1 4 . 224 ) S a r t o r i Glockenbuch 4 1 ; B e c h s t e i n Thüringen 2, 1 1 7 ; P.kreuz auf der Glocke: C a m i n a d a Glocken 29. 225 ) G r u p p e Griech. Mythol. 895 Anm. 6. 22 ·) N i l s s o n Griech. Feste 99. 22 ') Volkskunde 14, 228. ί 2 β ) M e y e r German. Mythol. 98; S c h u l e n b u r g 59; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 19; B r o n n e r Sitt' u. Art 188; H e r r l e i n Sag. d. Spessart 263 f.; J a h n Opfergebräuche 26 ff. In Alexandria wurde am Vorabend des Johannisfestes die P. verbrannt: M a n n h a r d t 2, 309 Anm. 1. Hier handelt es sich um eine jährlich wiederkehrende Maßnahme. So wird bei den Khasis in Annam der P.dämon jährlich ausgetrieben: F r a z e r 9, 173. 22 ») HessBl. 25, 150 f. ï3 «) M e n s i n g Schles.231 Holst. Wbch. 3,999. ) G r i m m Mythol. 2, 992 f. Auch die abwehrende Kraft des Eisens 232 wirkt mit. ) G o l d m a n n Andelang 34 f. ; 233 K n u c h e l Umwandlung 66f. ) D e r s . 67; ZfVk. 7, 291. 234 ) W u t t k e Sächs. Volksk. 379; K ü h n a u Sagen 2, 5 3 6 f . ; H a u p t Lausitz ι, 1 0 f . 23S ) Globus 79, 302 (Rußland); K n o o p Posen 1 2 1 . 122 f. 1 2 3 ; Rogasener Familienblatt ι, 19 f.; K r a u s s Relig. Brauch 66f. Vgl. M a n n h a r d t 1, 562 ff. 23») ZfVk. 35/36, 4 1 . 237 ) N i l s s o n Griech. Feste 392; M a n n h a r d t Forschungen 92 f.; vgl. ZfVk. 5, 205 ft. a M ) K u h n Westfalen 1, 1 4 1 ; B ü g e n e r Heidegold 24J.; J a h n Pommern 36; SAVk. 3, 1 3 4 ; H e r z o g Schweizersagen 2 , 2 3 1 ; L ü t o l f Sagen 5 1 2 ; R o c h h o l z Sagen 1, 64, vgl. 78; ZfrwVk. 4, 2 1 8 ; 6 , 4 7 ; Z a u n e r t Rheinland 1 , 5 1 ; E i s e l Voigtland 168 f.; K ö h l e r Voigtland 497; K ü h n a u Sagen 2, 539 f.; B e c h s t e i n Thüringen 2, 103 f.; L y n c k e r Hessen 124; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 1 8 ; S t r a c k e r j a n 2, 186. 187. 259. 280; V o n b u n Beiträge 43; G r a e s s e Preußen 2, 595. 723; G r i m m Mythol. 2, 990; 3, 347; L a i s t n e r Sphinx ι, 1 1 3 ; S c h w a r t z Poet. Naturansch. ι, 8 4 ! »»·) S t r a c k e r j a n 2 , 1 8 6 . 24°) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 3 1 5 . a41 ) H a u p t Lausitz ι, 182; K u h n Westfalen 1, 140; P r ö h l e Harzsagen 187. 24a ) S o m m e r Sagen 73 (63). »«) ZfrwVk. 24, 59. a " ) W o l f Deutsche Mär245 chen u. Sagen 567. ) M e n z e l Symbolik >47 2 , 2 1 0 . 2 4 ·) L i v . 7 , 3 : F r a z e r 9, 6 4 ^ ) 24β D e r s . 9, 64. ) B i e n e m a n n Livl&nd. Sagenbuch 273; ZfVk. 35/36, 41. 24») Urquell 4 (1898), a5 272 (galizische Juden). °) K r a u s s Relig. Brauch 57. a51 ) G r i m m Mythol. 2 , 9 9 1 . , 5 a ) ZfVk. 9, 197 (am Tage des Märtyrers Charalambij wird ihr besondere Verehrung gezollt). a "») K r a u s s Relig. Brauch 67 f. " ) ZfVk. 9, 199. 200. , M ) R u s s w u r m Hapsal 82. " · ) a57 G r a e s s e Preußen 2, 670. ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 316. 9. A u c h mit O p f e r n sucht man die P . zu versöhnen. Man setzt einen Hafen Milch auf den Düngerhaufen und legt Salz

152Ο

Pest

unter die Türschwelle 2Se). Die Letten stellten ihr abends einen abgekochten Hahn, Bier und ein brennendes Licht hin 2Se ). Sie opferten auch aus gemeinsamen Beiträgen ein Stück Vieh und verzehrten es zusammen2M). Bei Rinderpest wird ein lebendes Tier vergraben 2β1 ). In Arabien führen die Leute, wenn die P. wütet, oft ein Kamel durch die Straßen des Ortes, damit das Tier die Seuche auf sich nehme 262). Im Jahre 1857, als die Aymara-Indianer in Peru und Bolivien unter der P. litten, beluden sie ein schwarzes Lama mit den Kleidern der Hingerafften, sprengten Branntwein darauf und ließen das Tier in die Berge laufen in der Hoffnung, daß es die P. mit sich davontragen werde 263). Auch von Menschenopfern berichtet die Sage. Als infolge des kylonischen Frevels in Athen die P. ausgebrochen war, forderte Epimenides das Opfer zweier Menschen 264). So oft in Massilia die P. herrschte, bot sich ein Armer als Opfer an, der unter Beschwörungen durch die ganze Stadt geführt und dann getötet wurde 265 ). Als eine P. im Gurkatale wütete, soll eine Jungfrau an der Stelle des Marktbrunnens in Weitensfeld lebendig begraben worden sein2ββ). Ebenso ein Mädchen in Lubonia (Kr. Lissa) 2e7 ), zwei arme Bettelkinder in Vestergötland 2M ). An vielen magyarischen Orten hängt man, wenn die P. im Anzüge ist, am Dorfende auf einen Pfahl ein Hemd für das „nackte Weib" auf, damit es sich mit diesem begnüge und nicht in das Dorf komme 2ββ). S c h m a t z e n d e P e s t t o t e (Vampire), die eine Gefahr für ihre überlebenden Freunde bildeten, hat man dadurch unschädlich zu machen gesucht, daß man ihnen mit einem Grabscheite den Kopf abstieß 270). Der erste P.tote in einem Orte ist in dieser Hinsicht besonders gefährlich 2 n ). " 8 ) K r a u s s Relig. Brauch 68. Das Salz dient vielleicht der Abwehr. s « ) Z f V k . 35/36, ϊβ0 2 41. ) M a n n h a r d t 2, 252. " ) Grimm 3 , 3 4 8 ; Globus 79, 301 f. Vergraben eines Schafes gegen Cholera: V e r n a l e k e n Alpen283 sagen 397 f. ***) F r a z e r 9, 33. ) Ebda. m 9. 193. ) S c h w e n n Menschenopfer 57.

Weitere Beispiele: 126. 129. 1 3 1 . 2 , s ) P e t r o n . 2β 1 4 1 ; G r i m m Mythol. 2 , 9 8 9 Anm. 2. ·) G r a b e r Kärnten 423; vgl. 208. 209. 2 " ) K n o o p Posen 123. Pflüger und Gespann, die die schützende Furche gezogen haben, fallen als 2M Opfer zu Boden: ebda. 1 2 1 f. ) Grimm 2,t aaO. 2, 994. ) W l i s l o c k i Magyaren 1 4 2 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 3 1 9 ; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 3 1 3 . 2 7 0 , S e y f a r t h Sachsen 27 f. ; L y n c k e r Sagen 1 2 4 ; W u t t k e 3 480 (766). m ) G r a e s s e Preußen 2, 604 f. ; M e i c h e Sagen 805.

9. Die furchtbaren A u s w i r k u n g e n der P. setzen formelhafte Wendungen in grelle Beleuchtung. Zahllose Dörfer sind völlig ausgestorben. In vielen bleibt ein Mensch übrig 272) oder ein Paar 273 ), das sich dann heiratet 274). In Breitenau zwei alte Jungfern, die sich im Heu verborgen halten 27S), in Drabenderhöhe und Umgegend zwei Männer 276), in Schönbach drei Paar Eheleute 277), in Eichel sieben Männer und in Kreuzwertheim acht 278). In Halle starben alle Menschen bis auf acht Halloren. Diese begruben die übrigen und wurden die acht bösen Männer genannt 279). In Iserlohn bleiben sieben Jünglinge übrig 28°), in Rheinfelden im Jahre 1318 zwölf alte Männer 281 ), in Ringenhain die Müllerin und ein Hahn 282). In Sommerau rauchten schließlich nur noch drei Schornsteine 283), im Oberdorf Mels soll eines Abends nur noch ein Licht gebrannt haben 284). Von Wieden, Geschwänd, Utzenfeld und Präg kamen nur noch drei Ehepaare in ihre Pfarrkirche zu Schönau 285). An einem Schweizer Orte finden die Überlebenden um einen runden Tisch Platz 28e). Fand ein Mensch die Fußspur eines anderen, so küßte er sie und verfolgte sie in der Hoffnung, doch noch einen Mitmenschen zu treffen 287 ). In der Schweiz erzählt man vielfach von Grabinschriften wie: Neunundneunzig in ein Grab, Ist das nit eine große Chlag ?

oder ähnlich 288). Auch kennt man allerlei Geschichten, in denen die unheimliche Schnelligkeit der Todesfälle durch die Angabe veranschaulicht wird, daß eine Kuh in einer Nacht erbweise in sieben oder neun Hände übergegangen sei 288). Andrerseits berichtet die Sage auch von Orten, die auffallenderweise von der

Pestbeere—Peter und Paul (29. Juni)

Seuche ganz v e r s c h o n t geblieben sind. Eine Gasse in Mainz heißt wegen ihrer hohen und gesunden Lage die Goldene L u f t . Sie allein bleibt von der P. frei 290). A u c h Luthers Geburtshaus in Eisleben ist immer unangesteckt geblieben 2 9 1 ). Der Volksglaube läßt die Schäffler vor der P. mehr gesichert sein wegen ihrer Hantierungen beim Ausräuchern der Fässer 292). 27a ) R e u s c h Samland i n f . ; M a u r e r Island. Volkssagen 96. Ein Bauer im Valsertal sah am Rechen der vorübergehenden „Todenmenschin" einen Zahn abgebrochen; das war ihm ein Zeichen, daß ein Mensch übrig bleibe. D a s war er selbst: A l p e n b u r g Tirol 347. a " ) Ebda. 345 f.; W o e s t e Mark 48 (23); R u s s w u r m Hapsal 80. a74 ) B i r l i n g e r Volkst. ι , 2 4 o ; F r i e d l i Bärndütsch 7 (1927), 475 Saanen; Z i n g e r l e Sagen 109; A l p e n b u r g Tirol 345 f.; 27S ) B i e n e m a n n Livländ. Sagenbuch 274 f. M e i c h e Sagen 806. Vgl. R o c h h o l z Sagen 2, 388. Zwei junge Mädchen, drei Frauen 7iamens Marie: S é b i l l o t Folk-Lore 4,217. S7 *) S c h e l l Berg. Sagen 383 (26); Rochholz 277 Sagen 2, 390. ) Köhler Voigtland 631. 27") ®78) S c h ö p p n e r Sagen 3,35. Sommer 28 281 ) Sagen 74. °) K u h n Westfalen 1, 141. R o c h h o l z Sagen 2, 385. a82) M e i c h e Sagen 283) S07 (989). H e r r l e i n Sag. d. Spessart 2") 285) 215. M a n z Sargans 83. Baader ω β ) S A V k . 25, 54. 287 ) B i e n e Sagen 21. 288) m a n n Livländ. Sagenbuch 273. SAVk. 3 , 1 3 6 ; 8, 3 1 1 ; 12, 53; SchwVk. i, 17Ì.·, K u o n i St. Galler Sagen 23. 71. 159; M a n z 288 Sargans 83. Vgl. S e p p Religion 319. ) SAV k . 1 2 , 2 1 0 ; 2 5 , 5 4 ; SchwVk. ι , i 7 f . ; R o c h h o l z Sagen 2, 388; M a n z Sargans 83. »") 291 ) Zaunert Rheinland 2, 122. Graesse Preußen 1, 386. 282)' H o v o r k a u. K r o n f e l d

2, 312· 10. Der S c h l u ß der P. gibt sich mitunter in eigentümlicher Weise kund. In Missen durch das Erscheinen einer weißen Gans auf dem Flusse 293). Im Muotatal sah ein frommer Mann in der Nacht einen langen Leichenzug. A m Schlüsse wandelte eine Gestalt, in der er sich selbst erkannte. E r wird der letzte, der im Muotatale an der P . stirbt 294). Bei Waging stand sie auf Fürbitte der Mutter Gottes still. A n der Stelle, wo der letzte Kranke verschied, wurde die Feldkapelle Himmelskron erbaut 295 ). Sagen berichten auch von einer mehr oder weniger feierlichen Bannung der P . in einen Baum oder dgl., wodurch die Seuche endgültig beseitigt wird 298). S . oben 8.

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>»3) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 317. »·«) S A V k . 3, 135 f. 2 , t ) S e p p Religion 3x6. S M ) T e t t a u u. T e m m e 222 (234). Die P. verschwindet in einem hohlen Baume und verliert sich damit: K ö h l e r Voigtland 497. Sartori.

Pestbeere s. E i n b e e r e 2, 697f. Pestwurz (Kraftwurz, Neunkraft; Petasites officinalis). 1. B o t a n i s c h e s . Korbblütler mit grundständigen, langgestielten, im Umriß herzförmigen, erst nach der Blüte erscheinenden Blättern. Die schmutzig purpurnen oder blaßrosa gefärbten Blütenköpfe stehen in einer Traube oder Rispe. Die P. blüht im März und April und wächst mit Vorliebe an Bachufern, an Gräben usw. x ). *) M a r z e l l Kräuterbuch 424 f.

2. Nach einer Aufzeichnung aus dem Beginn des 18. Jh. gab man in Preußen a m Johannistag die Wurzeln der P. den Kühen, damit diesen nicht die Milch entzogen würde 2 ). Nach dem Glauben der Slowaken hat das Blatt der P. 9 Adern, 9 Kräfte und nützt gegen 9 Krankheiten 3 ), vgl. dazu den alten Namen „Neunk r a f f t " 4 ), „Negenkrafft" 5 ) und den Volksnamen „Neunkraftblätter" ·). Die P. ist auch ein Bestandteil von Sympathierezepten 7 ). Vielleicht wurde sie aus diesem Grunde früher öfter angepflanzt 8 ). 2 ) G o t t s c h e d Flora prussica 1703, 193. s) 4) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 349. Cordus Annotationes 1561, 700. *) S c h i l l e r - L ü b b e n e) M ü l l e r - F r a u r e u t h Wb. 3, 169. 2, 282. 7 ) Z f V k . 8, 393. ») A b r o m e i t Flora v. Ostu. Westpreußen 1898, 377. Marzell.

Peter und Paul (29. Juni). ι . Der Tag des Martyriums der beiden Apostelfürsten wurde schon im 4. Jh. festlich begangen. D a es bei der großen Entfernung der beiden Apostelkirchen in Rom voneinander schwierig war, an dem gleichen Tage den Gottesdienst an Ort und Stelle zu halten, so wurde später die Feier für den h. Paulus auf den 30. Juni verlegt. Doch behielt der 29. Juni stets den Namen Natalis ss. apostolorum Petri et P a u l i 1 ) . Der Volksmund bezeichnet ihn aber vielfach nur als „Peterst a g " . In Brauch und Glauben hat er noch manche Berührungen mit dem Johannistage. An vielen Orten werden F e u e r abge-

1523

Peter und P a u l (29. Juni)

brannt (s. Petersfeuer 2). Der Tag gilt als U n g l ü c k s t a g , an dem gern verheerende Unwetter entstehen, an dem man keine Reise und kein Geschäft antreten soll 2 ). Setzt man sich auf den Rücken eines Menschen, so wird dieser buckelig (Ungarn) 3). Der Tag verlangt einen oder mehrere Menschen als Opfer 4). Man soll daher nicht baden 4 ). Noch im Anfange des 19. Jh. weigerten sich die Prager Fischer am P. u. P.stage einen Ertrunkenen aus der Moldau zu ziehen, um den Wassermann nicht zu erzürnen e ). Wer arbeitet, wird vom Blitz erschlagen 7 ). Kleider und Wäsche, an diesem Tage angefertigt oder ausgebessert, ziehen den Blitz an 8). Als Grund für die Gefährlichkeit des Tages wird angegeben, daß an ihm „zwei regieren", und wer dazwischen hineinkomme, werde unglücklich 9 ). Manche Scherzverschen betonen den Gegensatz zwischen den beiden Aposteln 10 ). Die Nacht vor P. u. P. gehört (neben St. Veit und St. Johannes) zu den sog. drei Freinächten der Bilwisschnitter (s. oben 1,13x9), die nur während der Zeit des Abendläutens gehen dürfen, das darum möglichst abgekürzt wird u ) . Wer vor Sonnenaufgang zu der großen Eiche im Parke von Wlaschim geht, ohne sich umzuwenden, der kann die Krone des Natternkönigs erlangen 12 ). Wer beim Kegeln gewinnen will, muß eine Blindschleiche töten und sie mit Erbsen vergraben. Wenn diese gewachsen sind, soll man zum Kegeln davon in die Tasche nehmen. So viele Erbsen man vornimmt, so viele Kegel trifft man 1 3 ). Wenn im Riesengebirge ein Bursch in der P. u. P.snacht im Walde ist, wird er eingesperrt, denn er sucht die Sprengwurzel, daß er ungestört einbrechen kannu). Um 1 Uhr nachts wird die Wurzel des Wegwart gegraben, die gegen alle Waffen schützt 15 ). Auch für sympathetische Wundenheilung liefert der Tag verschiedene Mittel 16 ). Man findet auch an ihm Krankheit abwehrende Kohlen »). *)

K e l l n e r Heortologie3 213 ff.; S a m s o n D. Heiligen als Kirchenpatrone 3 3 4 f . ; N o r k Festkalender 242 ff. a ) H o f f m a n n - K r a y e r

I524

164; K n o o p Posen 333. 3 ) Z f V k . 4 (1894), 404. S a r t o r i Sitte 3, 237; W u t t k e 85 (101). Der Main verlangt jährlich ein Opfer zwischen Johannis und P. u. P . : S c h ö p p n e r Sagen 3, 58. ·) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 287; J o h n Westböhmen 89. ·) R e i n s b e r g Böhmen 327. 7 ) M e i e r Schwaben 313 f. 432; M e y e r Baden 507. e ) J o h n Westböhmen 90. 240. 251; M e i e r Schwaben 431 f. *) J o h n Westböhmen 89. 254. 10 ) R e i s e r Allgäu 2, 151. 152; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 400; Z f r w V k . 14 (1917), 118 (Dorsten i. W . ) ; H m t b l R E . 1 (1920), 317. u) L e o p r e c h t i n g Lechrain 20. 12 ) G r o h m a n n Sagen 219; W u t t k e 52 (57). 13 ) H o f f m a n n - K r a y e r 164. 14 ) W Z f V k . 34 (1929), 31. l s ) J o h n Westb. 90. le) B a r t s c h Mecklenburg 1, 293; W i t z s c h e l Thüringen 2, 289 (140). P. u. P. kommen auch zusammen in Segensformeln vor: Pollinger Landshut 292 (Wurm) ; Z f r w V k . 1, 216 (gegen Verstauchung des Pferdefußes); M ü l l e n h o f f Sagen 514; B a r t s c h 2, 419 (gegen Rose). 434 (bei Milchversatz an Brust und Euter); M o o r e Folklore of the isle of Man 97. 98 (Blut zu stillen). A u c h zum Schatzgraben werden sie angerufen : Z f r w V k . 14 (1917), 77. 78. 79. In Wetterbeschwörungen werden P. u. P. als Vertreter aller Apostel genannt: F r a n z Benediktionen 2> 55· 93· i o 2 · Desgleichen in Reisesegen (ebd. 2„ 265) und in Exorzismen (ebd. 2, 592. 598). M ) S e l i g m a n n Blick 2, 326; M e i e r Schwaben 432; W u t t k e 85 (101). 4)

2. Gewisse R e i n i g u n g s - und E r n e u e r u n g s b r ä u c h e werden am P. u. P.stage vollzogen. Wenn freilich von einer alten Kötterfrau in Wellingholzhausen erzählt wird, sie sei am Abend vor P. u. P. dreimal ums Haus gegangen und habe dabei gesprochen: „Krankheit, Lus im Mus, Harut ut'n Hus. Im Namen usw." 18), so beruht das wohl auf einer Verwechslung mit Petri Stuhlfeier. Bei den Russen war das B a d e n am Vorabend 1β) und das S c h a u k e l n (als Reinigung durch die Luft) am Tage selbst üblich 20). An verschiedenen Orten wird das a l t e K ü c h e n g e s c h i r r zerschlagen 21 ). Den Hühnern soll man Nester machen, so legen sie viele Eier 22). An der belgischen Küste wird das Meer eingesegnet. In Rumpst bei Lierre ließ· man dabei das Bild des h. Petrus ins· Wasser fallen und zog zugleich mit ihm Netze heraus, in die man vorher die schönsten Fische getan hatte 23). « ) H m t b l R E . 1 (1920), 317. " ) M a n s i k k a . Ostslaven 256 f. 10 ) E b d . 235; Z f r w V k . 23, 4 9 ; auch in B ö h m e n : R e i n s b e r g Böhmen 326. 21 ) S a r t o r i Sitte 3, 237 22 ) A . 1. Grimm

1525

Peterbült—Petersfisch

Mythol. 3, 440 (175: Chemnitzer Rockenphilosophie). 467 (902: Bayern). A u c h das ist viel23 ) leicht v o n Petri Stuhlfeier übertragen. R e i n s b e r g Festjahr2 240 f.

3. F ü r F e l d und G a r t e n ist der T a g wichtig. P. u. P. bricht dem Korn die W u r z e l 2 4 ) oder beißt ihm die Wurzel a b 2 6 ) oder macht sie faul 2 β ), was alles besagen will, daß das K o r n nun mit Gewalt reift. In Böhmen wird es mit Weihwasser eingespritzt 2 7 ). A u c h die Heidelbeeren machen P. u. P. reif 2 8 ). In Rumänien schlagen die Jungen mit Keulen das Obst von den Bäumen 29 ). Reicht der Mais am P . u. P.stage bis zur Wagenachse, so ist gute Ernte z u erwarten 3 0 ). In Finnland, Estland und Schweden zählt man vom P. u. P.stage an die sog. Säewochen für die Frühlingssaat 3 1 ). Auf den Namen des Tages stützt sich die Behauptung, daß er am besten zum Säen von Petersilie sei 3 2 ). Diese braucht aber 6 Wochen zum Aufgehen, weil sie erst zum S. Peter nach Rom reisen muß, um die Erlaubnis dazu einzuholen (Nordthüringen) 33 ). D a s Vieh soll an P. u. P. auf die Weide getrieben werden, wenn noch T a u liegt, da es dann viel Milch gibt (polnisch) 34 ). 24 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 185; Z f V k . 10 (1900), 213 (Nordthüringen); D r e c h s l e r 1, 134; J o h n Westböhmen 90; Z f r w V k . 11 (1914), 270 (Elberfeld); K n o o p Posen 333. 25 ) M e y e r 2β ) Z f r w V k . 2 27 ) Baden 424. (1905), 300. S c h r a m e k Böhmerwald 160. 2β ) HessBl. 22, 8 (Bayern). 2>) M a n n h a r d t 1, 277. 30 ) Z f V k . 4 (1894), 404 (Ungarn). 3 1 ) R a n t a s a l o Acherbau 2, 32. 33 f. 3a ) J o h n Erzgeb. 225. ω ) M a r z e i l Volksleben 82 f. = M a c k e n s e n Name u. Mythos 31. 34 ) Z f V k . 22 (1912), 90 (6).

40 )

L e o p r e c h t i n g Lechrain (1898), 145.

1526 185.

" ) ZföVk. 4 Sartori.

Peterbült s. K o r n d ä m o n e n 5, 305; P e t r u s 6. Petersfeuer werden an allen Peterstagen angezündet. ι . A m Vorabend von P e t r i S t u h l f e i e r (22. Febr.) haben sich namentlich auf den nordfriesischen Inseln Reste des alten Biikenbrennens erhalten, bei dem die Feuer umtanzt wurden mit dem R u f e : „ W e d k e teare" oder „ V i k e t a r e " 1 ) . A n belgischen Orten brannte das P. früher am Sonntag nach cathedra Petri, später tanzten die Kinder nur noch u m ein Lichtchen, das sie auf dem Pflaster befestigten 2 ). In Budissin wurde am Abend vor Petri Stuhlfeier der Winter als Strohpuppe auf einem Berge verbrannt und abends auf dem Markte ein Feuer angezündet; die Bürger stellten Lichter an die Fenster 3 ). *) S a r t o r i Sitte 3, 89; W o l f Beiträge 1, 5 7 ; Jensen Nordfries. Inseln 354 ff.; G l o b u s 73, 130 f . ; M e n s i n g Schlesw. Wbch. 1, 216; F r e u d e n t h a l Feuer 2 7 0 5 . 2 ) W o l f Beitr. ι , 87 f. 3 ) H a u p t Lausitz 2, 53.

2. Die an P e t e r u n d P a u l (29. Juni) abgebrannten Feuer sind noch ein Nachglanz des Johannisfeuers 4 ). In franz. Flandern verbrannte man in diesem eine männliche Strohpuppe, auf Petri eine weibliche 5 ). 4 ) S a r t o r i 3, 237; F r e u d e n t h a l 310. 3 1 1 . 324; P a n z e r Beitr. 2, 213. 215 f . ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 414; B a u m g a r t e n Jahr 28 (Oberösterreich); E b e r h a r d t Landwirtschaft 5; R e i n s b e r g Festjahr2 242; K u h n Westfalen 2, 173 (483 A n m . ) ; F r a z e r 4, 262 (Rußland); 10, 194 (Belgien, England). 195 (Brabant). 196 (London). 198 (Sandhill). 199 (Cornwall). 202 (Irland). 207 (Schottland). 5 ) M a n n h a r d t 1, 513.

4. P. u. P. ist „aller Wetterherren T a g " 3S ). E r gilt für eine Wendung zum Guten ; doch darf es an diesem Tage nicht r e g n e n 3β ). Sonst „regnets ins dritte Körnel K o r n " 37) ; es regnet Schwämme 3 8 ) oder Mäuse 39) ; es regnet den Bäckern in Trog und den Weibern in Suppenhafen Gewitter oder auch nur Regen schadet dem Weizen, der davon rostig wird, den Hasel- und Walnüssen, die für dies Jahr t a u b werden 4 1 ).

3. A m I. A u g u s t ( P e t r i Kettenf e i e r ) wurden im mittelalterlichen K ö l n Feuer („Peter-Vinkels-Feuer") auf den Straßen angezündet und übersprungen ®). In Steiermark werden Höhenfeuer entfacht 7 ).

3β ) » ) H ö f l e r Waldkult 30. Drechsler M) ι , 134. 37 ) J o h n Westböhmen 90. 255. S c h r a m e k Böhmerwald 160. 3> ) D r e c h s l e r ι , 134; 2, 149; G r o h m a n n Aberglaube 59 (396).

Petersfisch, H e r i n g s k ö n i g , M e e r schmied, Schmiedeknecht (Zeus faber). Seinen Namen h a t der P . von

e) W r e d e Rhein. Volkshunde2 274; F r e u d e n t h a l 312 f. ' ) G e r a m b Brauchtum 72. Sartori.

Petersschlüssel—Petersilie

der neutestamentlichen Anekdote (Matth. 17, 27), wonach Petrus den Steuerpfennig (Stater) dem Maul eines Fisches entnommen habe. Zur Erklärung des münzenförmigen Flecks („in der große •wie ein pfennig", Gesner) l ) an beiden Seiten wird auch gesagt, sie seien die Spuren von St. Peters Griff 2 ).

*) Fischbuch 1563, 32 b. 2 ) B r e h m 4 3, $2 Kuhn Myth. Studien 2, 150 > R a n k e Sagen 69 f. ,5 °) V o n b u n Beitr. 7 f. = ders. Sagen* 33 Nr. 15.

9. Die Musik bei Hexenmahlen und Hexentänzen wird zum Teil durch P.er bestritten. So sagte ein Schuhmacher in einem Hexenprozeß von 1594 aus, Satan habe zu ihm geäußert, seine Buhlen sollten hier zeitlich „bei F. und Trommeln Freude haben" 1 8 1 ). Ein Spielmann, welcher sich den mit P.chen und Hörnchen den Hexen lieblich zum Reigen aufspielenden Musikanten gesellte, findet am andern Morgen sein P.chen in ein Geißenbein verwandelt 152 ). Auch Satan selbst bedient sich der Schwegelp., wenn er als Spielmann das junge Volk zu sündigem Tanze verleiten will; als er hierbei einmal nach Sitte der Landmusikanten mit dem Fuße stampfte, machte er eine derart starke Vertiefung in den Stein, auf dem er stand, daß die Leute Verdacht schöpften und zu rechter Zeit noch erkannten, wer ihnen da aufspielte. Setzt man sich auf diesen Stein, so wird einem ganz wunderlich lustig zu Mute 183 ). Einen Schwegelp.er, den der Teufel nachts auf seinen Wagen aufsitzen und aufspielen heißt, begleitet er, indem er auf seinem Schwänze bläst 163s ). ltl ) Der Niederrhein 1878, S. 55; vgl. dazu S c o t t u s Physica curiosa 1 (1697), 77'· ··· ' a < i tympanum fistulamvè sedentis alicujus in bifide arbore s a l t a n t . . . ' S. ferner P r a e t o r i u s

1594

Blockes-Berges Verrichtung (Fft. 1668) 333; A n h o r n M agiologia 648. l í l ) W u c k e Werra* 271 f. Nr. 428 b = W i t z schei Thüringen 2 Nr. 50. l s s ) W a g n e r Sagen 128. 1 5 S a ) D e p i n y Oberösterr. Sagenbuch 271 Nr. 317.

10. In der Welt des Märchens gibt esP.n und F.n mit allerlei wunderbaren Eigenschaften 154 ). Da gibt es P.n, deren Ton alle Menschen zum Tanze zwingt 15B ), P.n, die alle Wünsche, die man sich beim Blasen denkt, in Erfüllung gehen lassen15®), P.n, die in der Not Hilfe herbeirufen 157 ) oder etwa gar ganze Regimenter Soldaten anmarschieren lassen 158 ), P.n, die alles in Schlaf versenken 158 a) und auch P.n, die mit ihrem Ton die gehüteten Tiere beieinander halten, fehlen nicht 15 '). Im Märchen begegnen wir auch der P., die aus Knochen eines ermordeten Menschen oder dem Holze des auf seinem Grabe wachsenden Baumes verfertigt wird und, geblasen, den Mord verkündet 1β0). i " ) Vgl. FFC. 107, 133. 1SS ) B o l t e - P o l i v k a zu G r i m m Nr. 1 1 0 (Der Jude im Dorn); F e i l b e r g Ordbog 2, 66 und Tillceg 150; J . W. Wolf Deutsche Märchen und Sagen (1845) 1 1 6 ; Meier Volksmärchen 102; S c h n e l l e r Wälschtirol 3 0 f . ; ZfVk. 35/36, 290; K ö h l e r Kl. Sehr. 1, 55; M a n n h a r d t Germ. Mythen 173 f.; Musical Quarterly 17, 246. — Dänemark: Schweine müssen tanzen ( F e i l b e r g Ordbog 1, 325). Rußland: F e i b e r in ASZ. (Arbeiter-SängerZeitung) 32 (1931), 55. Griechenland: s. H. M. F i t z g i b b o n The Story of the Flute* (London [1929]) 250. " · ) S t r a c k e r j a n 2, 346 fi. §633. l " ) B o l t e - P o l i v k a 3, 18 zu G r i m m Nr. 126 (Ferenand getrü und Ferenand ungetrü); F e i l b e r g Ordbog 1, 325; 2, 218; Meier Volksmärchen (1852) 155 (König Blaubart); G r i m m KHM. Nr. 9 1 ; S é b i l l o t Folk-Lore 2, 32; H. E l l e k i l d e Vore danske Folkeaventyr (1928) 43 f . ; F i t z g i b b o n a. a. O. 250 (Indien). 1 M ) Z i n g e r l e Kindermärchen 142; vgl. R o c h h o l z Sagen 2, 127. 158 a ) F e I b e r a. a. O. (irisch). "») Bei dei Aufgabe des Hasenhütens, s. B o l t e - P o l i v k a zu G r i m m Nr. 165; Märchentyp 570 (s. FFC. 5. 55; 6, 1 1 ; 25, 38; 33, 1 7 ; 34, 236; 46, 24; 66, 92); NdZfVk. 10, 209; F e i l b e r g Ordbog I, 325; Musical Quarterly 17, 242. — Sammelt allerhand Tiere, s. A s b j e r n sen og Moe Folke og Huldre Eventyr (Oslo 1932) 2, 1 8 8 f . ; dazu F e i l b e r g Ordbog 1, 325 und Tillag 150. — Bläst Leben in die Toten: F e i l b e r g Ordbog 2, 812. " · ) B o l t e - P o l i v k a zu G r i m m Nr. 28; Lutz M a c k e n s e n Der singende Knochen = FFC. 49; A a r n e Typ Nr. 780; HWb. Märchen 1, 88; S i n g e r Schweittr Märchen 2, 145 f.; K ö h l e r Kl. Schriften 1,

χ 595

Pfeife, pfeifen, Flöte,

49; R o c h h o l z Sagen 2, 126 f. Nr. 353; NdZfVk. 10, 2 1 2 ; BIPommVk. 6 (1897), 20f.; die Worte der Pfeife als Kinderlied aus Bretzingen (Baden) : Deutsches Volksliedarchiv A 71 408. Tschechisch als Volksballade s. C e n ë k H o l a s Ceské národní pisnë a tance 1 (1908), 35 f. Nr. 32. Vgl. ferner Curt S a c h s Geist und Werden der Musikinstrumente 24.

1 1 . P.n Türangeln, so faßt man das als das Ächzen armer Seelen auf, die da ihr Fegfeuer haben. Man soll daher auf kreischenden Toren nicht schaukeln 1 6 1 ) und nicht mit ihnen werfen, sondern die Angeln schmieren, damit die armen Seelen nicht so viel zu leiden haben 1β2 ). Auch das P.n im Ofen wird als das Jammern eines armen Seelchens gedeutet, das dort sein Fegefeuer hat. Man muß so lange drei Vaterunser beten, bis das Geräusch aufhört und die Seele erlöst ist 1 β 3 ), oder ein Stück Brot und Salz in den Ofen werfen 164 ). P.t das Spinnrad, so sitzt der Schatz im Wirtshaus1®5).

1β1 ) G r e d t Luxemburg Nr. 770, 1. m ) ZföVk. 6 (1900), 1 1 0 (Egerland). l i 3 ) G r e d t Luxemburg Nr. 770, 2. W 4 ) D e p i n y Oberösterr. Sagenbuch S. 85 Nr. 8. — In Norwegen schließt man im selben Falle auf mildes Wetter; oder auf Sturm, wenn es windstill ist, auf Windstille, wenn Sturm herrscht: S t o r a k e r Elementerne = Norsk Folkeminnelag 10 (1924), S. 45 Nr. 143; auf eine bevorstehende Todesnachricht (ebd. S. H I Nr. 433 und 434); auf eine Frau in Kindsnöten (ebd. S. H I Nr. 432); oder man spricht davon, daß Lokje ( < Loki), das Feuermütterchen (Varmekjaerringen), oder die Huldre ihre Kinder züchtigen (ebd. S. 78 f.). — Nach dänischem Aberglauben stehen Stürme bevor, wenn ein kochender Kessel in einem bestimmten Ton laut zu p. beginnt (Danmarks Folkeminder 29, 191). l u ) H e s s l e r Hessen 2, 330 (Schwalm).

12. Bereits in der Antike wurden allerhand Geschichten von der wunderbaren Wirkung der F.nmusik auf Tiere und Gegenstände gefabelt, die dann jahrhundertelang weiter erzählt wurden. Dazu gehört die Fabel vom Fisch Pastinaca (Stachelroche), den die Fischer durch P.nspiel anlocken und, während er sich daran erlustigt, mit dem Netze fangen 1ββ ). Sie stammt von Aelian, ebenso wie die Angabe, Pferde könnten durch P.nmusik gezähmt und zur Begattung gereizt werden 1OT). Nach Solinus u. a. soll die halesische Wasserquelle bei F.ntönen sich zum

flöten

159Ö

Tanze erhoben haben 168 ). Isidor von Sevilla berichtet, daß die Hirsche staunend auf den F.nton horchen 169 ). S. im übrigen das Stichwort „Schalmei". Im modernen Aberglauben wird dem P. vor allem eine Wirkung auf die Bienen zugeschrieben. Wollen die jungen Bienen ausgehen, so muß man schnell den Brotlaib auf die Oberseite legen und dazu p., dann werden sie bleiben 17 °). Ist der Bienenstock ausgeschwärmt, so musiziert der Bienenbesitzer auf einer F., um dadurch die Königin herauszulocken171), oder man verfolgt den Schwärm, indem man auf einem Erbschlüssel p.t 1 7 2 ).

166 ) T h a r s a n d e r Schauplatz 3, 302, der freilich an die Wirkung nicht glaubt. l e 7 ) P o r t a Magia Naturalis Libri Viginti (Ffti. 1607) Lib. 15 cap. 4 S. 532 und lib. 20 cap. 7 S. 659; vgl. oben Band 6, 682. 16e ) Z e d i e r UnivLex. 1, 1 1 3 3 ; P. J . S c h n e i d e r System einer medizinischen Musik ι (1835), 107. 1β ·) Etym. Hb. 12, ι, 19 (MSL. 82, 427). — Vgl. dazu die Erzählung in: Die Musik 21/4 (1929), 241. 1 7 °) Bavaria 4 b, S. 378 (Pfalz). 1 7 1 ) BIPommVk. 6 (1898), 75. 1 7 ! ) Ε. M. A r n d t ' s Schriften für und an seine lieben Deutschen 3 (Leipzig 1845), 540 f.; s. dazu H e c k s c h e r 130 und 384 Anm. 276. Vgl. ferner Wilhelm B u s c h Schnurrdiburr oder die Bienen, 4. Kap. (Neues Wilh. Busch Album, Berlin o. J., S. 68).

13. Vordeutende Pfiffe will man an Orten vernommen haben, an denen später die Eisenbahn fuhr 1 7 3 ). Bei bevorstehendem Kriege läßt sich in einem Berge des Amtes Treysa kriegerischer Lärm mit Trommeln und P.n vernehmen 171 ). Das Wahrzeichen der Stadt Buttstädt, ein Engel mit einer F., bezieht sich darauf, daß im Hussitenkriege beim Nahen der Feinde ein Engel mit einer traurigen Weise sich über der Stadt hat vernehmen lassen und damit die Einwohner auf die drohende Gefahr aufmerksam machte 175 ). P.t die Hausotter bei ihrem Erscheinen, so bedeutet dies nach schlesischem Aberglauben den baldigen Tod des Hausvaters 17β ). 173 ) M e y e r Amt Rendsburger Sagen S. 83; NdZfVk. 7, 32. — Dänemark: K r i s t e n s e n 174 Sagn 2, 556 Nr. 306. ) L y n c k e r Sagen S. 12 f. Nr. 14. Dänemark: K r i s t e n s e n Sagn 2, 579 Nr. 384; vgl. ebd. S. 585 Nr. 412. — Vgl. auch den skandinavischen Aberglauben, daß, wer den „aarsgang" geht, Kriegslärm und Heerp.n vernimmt, falls Krieg bevorsteht S t o r a k e r Tiden (Krist. 1921) 192; H y l t é n -

1597

Pfeü—Pferd

C a v a l l i u s 1, 3 9 3 . 1 7 5 ) K u h n und S c h w a r t z 2 1 1 Nr. 238. 1 7 β ) K u t h m a y e r Österr. Volkssagen (Straubing o. J . ) S. 39. — Angeführt sei noch, daß nach englischem Aberglauben eine F . , Sonntags vernommen, Hader bedeutet: Encycl. Superst. 443 b.

14. Träumt man von Garn, Vogelleim und den Lockp.lein der Vogelsteller, so bedeutet das Wiedereinfangen der Flüchtlinge, Wiedererlangung des Verlorenen und Erfüllung unserer Hoffnungen 177 ). Nach einem modernen Traumbuch m ) bedeutet das Träumen von einer P. zum Blasen Elend, das Hören einer P. Betrübnis; p.t man selbst, so bedeutet es Verdruß. 177 ) Traumbuch Artemidori (Straßburg 1624), 2 4 1 . 1 7 8 ) H y n e k ' s großes Traumbuch, Große Ausgabe. Wien [ 1 9 3 2 ] S. 1 1 1 .

15. Durcheine P. soll man nicht hindurchsehen, sonst geht sie nicht mehr 179 ).

17 *) K n o o p Hinterpommern 176. — E s sei noch auf einige Legenden übei die Entstehung der F . verwiesen. Nach einer Erzählung der Huzulen soll sie von einem Veruiteilten erfunden •worden sein, dem Begnadigung in Aussicht gestellt wurde, falls er ein Holz fände, das sprechen könnte Κ a in dl Huzulen (1894) S. Ii. Die Zigeuner schreiben die Erfindung der F . dem hl. Petrus zu : als er einen Betrunkenen am Wege liegen sah, soll er seinen hohlen Stab durch die L u f t geschwungen und dabei Töne vernommen haben ( W l i s l o c k i Zigeuner 14). Zwei Erzählungen aus primitiven Kulturen s. C. S a c h s Geist und Werden der Musikinstrumente S. 21 f. Seemann.

Pfeil, ι . Der P. begegnet uns im deutschen Aberglauben als Mittel zum Zwecke der Auffindung eines heilkräftigen Krautes gegen die Pest 1 ), desgleichen verborgener Schätze (s. Belomantie) 2 ), ferner im Münchener Wurmsegen als Mittel zur Abwehr eines Übels, indem der P., in dessen Tülle der das Leid angeblich verursachende Wurm hineingezaubert wird, in den Wald geschossen wird 3 ), endlich als Mittel gegen die Pest in Gestalt des Sebastianspestp.es, eine Anschauung, die sich aus der Tatsache erklärt, daß der heil. Sebastian, der den Tod durch P.e gefunden hatte, als Pestpatron galt 4 ). Solche Sebastiansp.e verkauften die Jesuiten in München 1630. Am St. Sebastianstage wurden 1520 in Regensburg „8 Köpf" neuer Frankenwein ,,ab St. Sebastians Pfeyl" getrunken *). St. Sebastians Hirnschale in Abersberg wurde mit den Se-

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bastianspestp.en berührt (1707) e ). Hie und da war eine kirchliche Weihe dieser P.e üblich 7 ). Mit der Beziehung des hl. Sebastian zum P.e hängt wohl auch die Tatsache zusammen, daß er als Schützen^ und Jäger patron begegnet8). G r i m m Myth? 1 2 3 3 L 2 ) Vgl. zu der 1, 1029 angegebenen Literatur noch Z f V k . 1 5 (1905), 8gf.; N ö l d e k e A R w . 16, 3o8f. 3 ) M ü l l e n h o f f u. S c h e r e r Denkmäler deutscher Poesie u. Prosa aus d. 8.—12. Jh.3 2, 1 1 8 4 ; ZfvglSpr. 1 3 , 6 5 f . 72. *) Z f V k . ι , 293. s ) a. a. O. e ) a. a. O.; Z f V k 22 (1912), 7 f . 7 ) F r a n z Benediktionen 2, 7 1 . 298f. «) Z f V k . ι , 293.

2. Der P. findet sich im germanischen R e c h t s b r a u c h als Mittel der Grenzbestimmung (s. Grenze 1139), als Heerpfeil beim Aufgebot zum Kriege oder bei der Verfolgung eines Friedensbrechers im altnorwegischen und altdänischen Rechte9) und bei der Freilassung des langobardischen Rechtes 10 ), hier wohl im Rahmen eines Reisezauberritus. A m i r a Stet 36f. 1 0 ) G o l d m a n n Beiträge z. Geschichte der german. Freilassung durch Wehrhaftmachung 3 6 — 6 5 ; vgl. hierzu V o r d e m f e l d e Religion 2 9 — 4 1 . Goldmann.

Pferd. ι . Name. — 2. Physiologisches. — 3. Mythologisches. — 4. Weissagung. — 5. Zauberpferde. — 6. P. als Wind- und Wolkensymbol. — 7. P. als Blitzroß. — 8. P. und Quelle. — 9. P. als Wassergeist. — 10. P. und Teufel. — 1 1 . P. und Hexe. — 12. Das P. in der Volksmedizin. — 13. P.emedizin.

I. Name. Die Etymologie erklärt die allgemeine Bezeichnung P. als Entlehnung (wahrscheinlich 8. Jahrh.) aus frühmlat. paravêredus 1 ). Zahlreich sind die mundartlichen Formen2). Die Synonyme zu P. und die Bezeichnungen mit Bedeutungsvarianten sind überaus vielfältig 8 ). Sie knüpfen an Unterschiede des Geschlechts, der Farbe, der Herkunft, der Verwendung des Tieres und landschaftliche Ausdrucksweise an. Hierbei läßt sich bei vielen Bezeichnungen ein Bedeutungswandel feststellen. Es seien erwähnt Roß, Renner, Gaul, Mahre (zeitweilig mit der Nebenbedeutung des weiblichen P.es; da bis ins späte Mittelalter hinein nur der Hengst als edel, die Stute für gemein galt, ist hieraus das Absinken zu der heutigen Bedeutung zu erklären), Pfage (mniederd. in Herbart V.

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Fritzlars „Liet von Troye") und Page meint ursprünglich ein junges männliches Tier, Hess (nd.),Hangt (frk.),Hengst (s.d. Bd. 3, 1745), das ursprünglich P. im allgemeinen Sinne meint, ja sogar zeitweilig das verschnittene Tier bezeichnete, während manheute (hd.) gerade das geschlechtlich vollwertige Zuchttier so nennt 4 ) ; in demselben Sinne spricht man vom Beschäler, Schwaiger (oberd.), Stöter (nd.), Studren, Stuthengst oder Deckhengst. Eine entgegengesetzte Bedeutungsentwicklung zeigt Maiden, dessen ursprünglicher Wert (Lex Alem.) als Vollroß noch im Oberbayrischen und Schweizerischen gilt, sonst aber zum verschnittenen P., wie auchMaienpfert (Urspringer Weistum), Müderpfert, Munch, Münchphert, Minchen, geworden ist. Für das weibliche Tier ist das gebräuchlichste Wort Stute; daneben stehen als historische oder mundartliche Bezeichnungen Kobbel, blinde Kobbel, Wilde, Fähe, Fohle, Taete oder Toete, Gurre (auch schwäb. d. 12. Jh.s, Reinmar der Alte), Zöre (bei Fugger 5 )), Zürch, Strenze, Strute, Strucke, Stirk, Motsche. Verschnittene männliche P.e heißen im allgemeinen Wallach, daneben finden sich Geltling, Heiler, Reuß, Run, Halbroß. Die gewöhnliche Benennung der jungen Tiere ist Füllen oder Fohlen, daneben stehen Burdi („burdichin", Schlettstädter Glossen), Bickartlein oder Bikkertle (1534 in Wb. des Dasypodius als „kleines P." erklärt), Kuder und Keuter, das ebenso wie Heinsei, Heinzel, Hansel, Hienz vor allem das junge männliche Tier bedeutet e ), Wuschel, Wutte (nd.), Schnack, Schleichle (bei Fugger im besonderen ein „weibliches Füllen"). Altersstufen prägen sich aus in den mundartlichen Formen Sugfaal (holst., säugendes Tier), das zweijährige Enter, ostfries. Temmling, das bald anzuschirrende heißt im Westerwald der Scherring. Ein P. von besonderer Gangart (Paßgang), Reisepferd, führt den Namen Zelter. Ältere Namen sind Râvît (12. bis 14. Jh. als Bezeichnung des Turnierrosses), Pranczel (auch bei Rollenhagen 1560 und als Eigenname des P.es „Prangert" in der Tiersage), Wos (afries.), Wigg (as.)

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und Ech (ehu, as. ; eoh, ags. ; attua got.). Für das geringe, schlecht zugerittene oder sonst minderwertige P. gibt es viele Ausdrücke; außer Mähre u. a. Klepper (bei Luther: Klöpper), Roller (südd.). Kracke (im nd. auch in durchaus gutem Sinne), Zagge (oberd.), Vulz (Lex.Baj.), Nickel (oberd.), Muzer (schwäb., 12. Jh.), Grämlein (16. Jh., Fischart, Kaisersberg), Kofel (südd.) und die Ausdrücke der Gaunersprache Kleebysz (Liber vagatorum) und Zossen, Zosken, Zoßchen (von hebr. ßüß = P.) 7 ). P.enamen in Verbindung mit Silben wie „ach" (aqua), „bach", „born", „bronn", „brunn", „quell", „see" als Orts- und Flurnamen sind überaus häufig 8). Auch als Familiennamen oder als Bestandteil von solchen. Hierzu gehört auch Hoppe = P., das die Kindersprache in der Doppelbildung „Hoppepferdel" kennt; Kinderreim: hopp, hopp, Reiter usw. Die gebräuchlichsten Bezeichnungen nach der Farbe sind a) Schimmel mit den Unterarten der Silber-, Grau-, Schwarz-, Blau-, Rotschimmel; b) der Rappe, c) der Braune, d) der Falbe, Isabellen, e) der Fuchs, Dunkelfuchs, Rotfuchs, Goldfuchs, f) der Schecke, der Tiger. Nach den Abzeichen, die ein P. durch teilweise verschiedene Färbung erhält, wird oftmals das ganze Tier bezeichnet, z. B. Blässe, Stern, Flocke, Flämmchen, Blümchen (weiße Zeichen von verschiedener Größe an der Stirn), die Schnippe (auf der Nase), der Aalstrich (auf dem Rücken), der Weißfuß oder P. mit „Stiefeln". Auch an diese Zeichen knüpfte sich der Aberglauben, der in vielen Punkten mit dem der Araber übereinstimmt, so daß hier mit dem Import der Rassep.e ein Zusammenhang im Sinne des gemeinsamen Ursprungs hergestellt werden kann. Die Bezeichnung P. wird auch in verschiedenen Zusammensetzungen für einzelne Insekten gebraucht; z. B. für die Libelle (Bd. 5 Sp. 1234) oder die Grille (Bd. 3 Sp. 1161), auch Hoppepferdel.

Pferd (schles.) oder Heupferd genannt; vgl. auch das Schimpfwort „Heup.". Das Vorkommen des P.es im Sprichwort ist überaus häufig. Bei W a n d e r , Deutsches Sprichwörter-Lexikon 3 (1873) füllt der Begriff die Spalten 1279—1322. K l u g e £ ¿ W 6 . ; S c h r ä d e r Reallex.2 2 (1929), 170 f.; H o o p s Reallex. 3 (1915/16), 408f. 2 ) Man vgl. hierzu die Dialekt-Wörterbücher. J a h n s Roß und Reiter 1 (1872), 2 f. 3) Ebda. 7 ff. ; H e r k n e r Roß, Pferd, Gaul (Marburger Diss. 1914). Karte des Deutschen Sprachatlas Lfg. ι (1926), Nr. 8; K r e t s c h m e r Wortgeographie (1918), 36. 61 Anm. 3. 600. 4) S c h m e l l e r Bayerisches Wb. 1, 1132 gibt für das Gebirge 5) die Bedeutung kastriertes P. Ritterliche Reutterkunst. Frankfurt a. M. 1584. e ) S c h m e l ler Wb. I, 1138. 1139. ') K l u g e Rotwelsch (Straßburg 1901); G ü n t h e r Die deutsche Gaunersprache (Leipzig 1919), 124. 136. 172. 8) Zahlreiche Beispiele bei N e g e l e i n Das P. im arischen Altertum (Königsberg 1903), 88. 2. P h y s i o l o g i s c h e s . Besondere Anforderungen müssen von der Idealgestalt eines P.es erfüllt werden. Fuggers Buch der „Ritterlichen Reutterkunst" (Frankfurt a. M. 1584) stellt folgende Forderungen an ein „gutes, hochgeachtetes P . " : Es ist vor alten Zeiten, wie auch zum Theil noch bey erfahrnen vnd der Reytterey verständigen Leuten gleich ein gemeines Sprichwort hergebracht worden, daß wann man die fürnembsten Tugenden, so einem P. zugeeygnet mögen werden, anzeigen und beschreiben wolte, man solches von dreyn unterschiedlichen Thieren, als nemlich von einem Wolfi, Fuchs vnnd Frauwen angefangen hat. Vnd daß ein jedtwedes Rosß von einem jeden deren dreyen Dingen wider drey Eygenschafíten erfordere : Erstlichen vom Wolff die Augen vnd Gesicht, die fressigkeit, die sterke des Rückens. Vom Fuchsen grade, kurtze vnd spitzige Ohren, langen und dicken Schwantz vnd einen sanfften Gang oder Trab. Von der Frauwen die hochfahrt, schöne Brust, glatte vnd zierliche Moni, Haar vnd gestalt deß Leibs, vnd lassen gern auffsitzen ·). Das Volksrätsel deutet das P. wie folgt: „Vorne wie ein Schneidbankskopf, in der Mitte wie ein Rummelfaß, hinten wie ein Flachshaffel". Goethe sagte (zu Riemer): „Die Natur könnte kein P. bilden, wenn nicht die übrigen Tiere voraufgingen, auf denen sie, wie auf einer Leiter, zur Structur des P.es emporstieg", und Zeising fand die Maße des „goldenen Schnitts" am reinsten und vollkommensten unter allen Säugetieren am P. ausgebildet. Bächtold-Stäubli,

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Mit der Gestalt und dem Aussehen, vor allem mit der Farbe des P.es werden eine Reihe von Vorstellungen abergläubischer Art verknüpft. Im M.-A. verband man gern die vier Hauptfarben mit den vier Elementen und den vier Temperamenten. Schimmel stellten das weiche Element des Wassers und das Phlegma dar; Rappen galten als Melancholiker und als Vertreter der Erde; Füchse vertraten das Element des Feuers und das cholerische Temperament, während die sanguinischen Braunen dem vierten Element der Luft zugeordnet wurden. Ähnlich gruppiert auch das Fuggersche Buch, jedoch ist die Zuordnung je nach Zeit und Mode verschieden. Die Schwarz, Hirschfarb vnd Rotschimlet wird dem Element der Erden verglichen und sind melancolischer, kalter, trukner, schwerer, grober vnd vngelehrsamer Natur, Art, Complexion und Eygenschafft. — Die w e i ß f a r b gleich eim Schimmel wirdt mit dem Element deß Wassers verglichen vnd wirdt für Pflegmatisch, flüssig, trag und weich gehalten: welche Pferdt mehr zur ziert, als zur wehrhafftigen noth zu gebrauchen sind. Dann gleich wie der Schnee vnd Eiß, so auß Feuchte und Kälte entspringen, kein wehrhafftigen Bestand haben, sondern von einer kleinen werm zerschmeltzen, also befindt es sich mit der gleichen Färb an Rossen. — G r a u - und B l a u s c h i m m e l werden dem Luft verglichen, auch für sanguinisch vnd blutreich, frölich, geschickt vnd von mittelmäßiger Bewegung vnd arbeyt geacht. — Die R o t f a r b , so man Fuchs nennt, auff meynung, wie ein Flammen oder glühendt Kolen, welche von etlichen Goldfuchsen genannt werden, wirdt mit dem Element des Feuwers verglichen vnd für Cholerische, zornige, leichte, hitzige, springende, aber für Pferdt von schlechter krefften gehalten. •— Wann ein Pferdt von den obgenannten 4 Hauptfarben gleichförmig theylhafftig erfunden würde, were es am besten; jedoch vor allen Farben wirdt ein apfïelgrauer Dunkelschimmel geliebt. Nachmals ein Kestenbrauner Fuchs, vnd dise sind von einer guten vnd temperirten Complexion 10 ). Im ausgehenden M.-A. und zu Beginn der Neuzeit bevorzugt man zu den leuchtenden Farben der Modetracht auch P.e von auffälliger Farbe: der Schecke, der Tiger, Isabelle und der weißgeborene Schimmel. „Fehl"farbige Tiere galten als träge und mattherzig. Fugger rühmt die verschiedenfarbigen P.e, weil er die Mischung der Farben als eine Mischung der Temperamente deutet; beim Volk jedoch 51

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waren „bunte" P.e von böser Vorbedeutung. „Buntes P. verkauft man gern!" „Narren und Gecken reiten auf Schecken !" Unter den „Wunderzeichen im Jahre 1555" wird neben Meteoren und Werwölfen die Geburt eines Schecken als bedenkliches Zeichen erwähnt: Im selben J a h r 1 5 5 5 ist in der Mark, nicht weit von Königsberg, ein wunderlich P. geboren, das seltsame Hosen und W i m m s angehabt, als wäre es brauner Sammet, zerschnitten und zerhacket. Weiß schecket seyn im Feldt vntrew

sagt Albrecht von Constantinopel, und auch Schiller nennt den Schecken (Wallensteins Tod, Akt II, Szene 3) als verhängnisvolles Omen: Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag, Und Roß und Reiter sah ich niemals wieder.

Schimmel und Rappen verteilt die Volkspoesie so, daß die einen Träger der Lichtgestalten, die anderen die Reittiere der bösen Geister sind. Die Erscheinungsformen des „wilden Jägers" zeigen als Nachtreiter ein schwarzes Roß, seltener ist es ein feuerfarbener Fuchs; neben sie tritt der „Schimmelreiter". Auch die Abzeichen, die durch verschiedene Färbung hervorgerufen sind, werden von der Volksphantasie mit abergläubischer, jedoch wechselnder Bedeutung erfüllt. Weiße Flecke auf der Stirn, die Blässen, Sterne, Flocken, Flämmchen und Blümchen, die Schnippe auf der Nase, der Aalstrich auf dem Rücken und die Stiefel an den Füßen kennzeichnen bald ein glückbringendes Tier und gelten als besondere Schönheit; oder solche P.e stehen als „Krötenmäuler" und „Milchtrinker" in unheilvollem Ruf. Fugger dagegen empfiehlt P.e mit weißen Zeichen, da in ihnen das cholerische und melancholische Temperament durch die phlegmatische Kühle der weißen Zeichen gemäßigt ist u ) . Auch die Blässe unterlag doppelter Deutung. Nach der arabischen Mythe zeichnete Allah sie selbst dem P.e auf die Stime als Zeichen des Ruhmes und des Glückes. Als „Königsbalzan" wird ein P. bezeichnet, dessen Hinterfüße und ein Vorderfuß, am liebsten der linke, gestiefelt sind; es galt als glückbringende Schönheit. Hochgestiefelte Stuten sollen

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vorzugsweise fruchtbar sein. Auch Hermelinfüße, d. h. solche mit weißen Flecken in der Haut, gehen noch an. Kreuzfüße, d. h. P.e mit einem weißen Vorder- und einem weißen Hinterfuß über Kreuz, aber bezeichnen ein gefährliches Tier; es fand noch im 30jährigen Krieg keinen frommen Reiter. Der Aberglauben wußte die Bedeutung von Farben und Zeichen bis in letzte Feinheiten hinein zu unterscheiden. Ein vollkommenes P. schildert eine Stanze des Grafen Mateo, die das P. Frontinos beschreibt : Das gute Roß, das ohne Fehler war Und so vollkommen, daß ihm garnichts mangelt, Ist wie Kastanien glänzend, braun von Haar, Mit einer Blässe, bis zur Nase reichend. Geboren war's zu Granada in Spanien. Sein Kopf ist edel, breit die Sprunggelenke, Der volle Schweif berühret fast die Erde, Und drei der Füße sind mit weiß gezeichnet.

Einen solchen Königsbalzan meint auch das ital. Sprichwort: „Cavallo de tre, Cavallo di Re". Uber die Physiologie des P.es berichtet auch Conrad von Megenberg mancherlei mit eigenartigen Deutungen und abergl. Beziehungen. Ein lebhaftes, gutes P. senkt beim Trinken seine Nasenlöcher tiefer ins Wasser. Unter allen Tieren ersieht man beim P. den Charakter aus den Ohren. Lebhafte P.e haben kurze Ohren, träge dagegen lange. Von allen Tieren haben die P.e, Rinder und Hirsche knorpelige Knochen im Herzen. Es ist wegen ihrer Größe, damit sich ihr Herz besser in seiner Gestalt erhalten kann, gerade wie in anderen Gliedmaßen die Knorpel auch die eigentliche Grundlage bilden. Das Bein aus dem Herz des Hirsches hat arzneiliche Kraft 1 2 ). Nach Plinius (28, 49) weist das P.eherz einen hundezahnähnlichen Knochen auf, der ein Mittel gegen Zahnschmerzen ist: „praeterea in corde equorum invenitur os, dentibus caninis maximis simile; hoc scarificari dolorem dentis" 13 ). Megenberg bezieht sich auf Aristoteles für die Angabe, daß der Mensch und das P. mehr Neigung zur Cohabitation zeigen als alle anderen Tiere, und erzählt hierfür folgende Geschichte : Es war einmal ein König, der hatte eine schöne Stute und ein Füllen

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von ihr. Nun wollte er, daß das Füllen kennt geflügelte P.e (z.B. Pegasus). Achills die Stute tragend machen sollte und ver- Rosse sind von Zephir und der Harpye band dem Mutterpferde die Augen. Da Podarge gezeugt 24 ) ; Boreas in Gestalt deckte das Füllen seine eigene Mutter. Wie eines Rosses erzeugt mit Stuten des es aber merkte, daß es seine Mutter war, Erichthonios zwölf windschnelle Fohlen; entfloh es und stieß sich selber zu Tode. Pegasus entspringt aus der enthaupteten Michael von Schottland erzählt auch von Gorgo, gezeugt durch Poseidon S4). Sleipeinem P.e, das seine Mutter deckte. Dar- nir wird von Loki mit Svadilfaxi erzeugt, auf vernichtete es sich selbst die Testikel und von ihm stammt Sigurds (Siegfrieds) 25 und brachte sich um. Auf Isidor beruft Grani ab ). er sich für die Angabe, daß die Zähne des Das P. verfügt über seelische Kräfte P.es mit dem Alter weiß würden und man und weiß sie auszudrücken: Klugheit, somit sein Alter an den Zähnen erkennen Treue, Mut, Stolz, Freude und Trauer könne. Nach Aristoteles berichtet er auch, werden ihm zugesprochen. Es trauert um daß aus einem Haar aus dem Schwanz seinen toten Herrn und bringt diese Geeines P.es im Wasser in wenig Tagen ein mütsbewegung durch Hängenlassen des Wurm entstehe. Ferner: die P.e lieben Kopfes zum Ausdruck; z . B . Guprunarsich untereinander sehr, mehr als andere kvi]pa Str. 5 26 ): I c h t r a t zu Grani, T r ä n e n vergießend, Tiere; die Stuten oder P.emütter sind so und schaut ihm forschend ins f e u c h t e A u g e : milden Wesens, wenn eine stirbt, säugt D a senkte Grani ins Gras sein H a u p t , die andere der Toten Junges 14 ). der H e n g s t w u ß t e wohl, d a ß sein Herr gefallen. Das P. sieht alles zehnmal größer 15 ), Ähnlich auch in einer Erzählung aus der deshalb unterwirft es sich auch dem Provinz Posen 27 ). Es legt sich neben kleineren Menschen; oder es heißt: das den toten Herren und trauert 28 ). Als P. hat 100 Augen — überall schaut ein Lux gestorben war und seine Leiche aus 1β Fehler heraus ). Auf solcher Anschauung dem Hause getragen wurde, sah ein beruht der Brauch, unter bestimmten ZeNachbar dessen drei „schwarze" Rappen remonien neu ausgeschlüpfte Gänseküchim Stalle knien 29). Um den Tod des lein durch einen P.ekopf zu ziehen, damit Patroklos weinen Xanthos und Balios ®°) ; sie dem Fuchs so groß wie ein P. oder ! auch Bukephalos weint in den Alexandereine Eiche erscheinen und er sich nicht Erzählungen um den toten Herren 31 ). 17 an sie heranwage ). A l e x a n d e r sagt, edle P . e k ü n d e t e n ihres Der P.emagen erfreut sich sprichwört- Herren T o d m i t großen T r ä n e n i m voraus an. licher Robustheit ; Personen mit kräftigen Wisse auch, d a ß m i t A u s n a h m e des Menschen Verdauungsorganen haben einen „P.e- das P . unter allen Geschöpfen allein w e i n t und magen", d. h. einen „ausgepichten Magen, u m seines Herren T o d trauert, so d a ß einige der Stein und Eisen vertragen kann" 18). nicht fressen wollen und Hungers sterben ( M e g e n b e r g Buch der Natur 112). Nach moslemitischer Anschauung hat Das Roß der indischen Sage erweckt den Allah das P. aus dem Wind erschaffen 19 ). toten Asuvas durch Beriechen zu neuem Griechen und Inder kennen auch eine Leben 32). Auch die deutsche Heldensage Entstehung aus dem Wasser 20 ). Der Ur- kennt kluge Rosse 33). sprung einzelner Fabelrosse wird verSo entspricht der Umgang der Helden schieden angegeben 21), Der Glaube, daß mit ihren P.en solchen menschlichen die Stuten durch den Wind befruchtet Eigenschaften. Sie reden mit ihren P.en, würden, war im Altertum und M.-A. ein in der germanischen und der griechiweit verbreitet 22 ). Daher glaubt man schen Heldensage, aber auch in den altauch, daß die P.e anfänglich geflügelt französischen Heldenepen, serbischen und waren (Nord-Indien). Man hält die Horn- neugriechischen Liedern u. a. häufig wiestellen und -narben an den Beinen für derkehrender Zug; auch die P.e sind der die Stellen, wo einst die Flügel saßen 23) ; Sprache mächtig 34 ). nach anderer Meinung sind es die „NachtDie Einschätzung des P.es als einer seeaugen". Auch das klassische Altertum lischen Individualität drückt sich auch in

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der Namengebung aus. Die P.e der Helden in den Sagen und Epen des germanischen und griechischen Altertums lösen hierbei die mythologischen Erscheinungsformen des P.es ab; im engsten Zusammenhang mit ihnen aber stehen die P.enamen anthropomorpher Ahnherren und Geschlechterführer wie Hengist und Horsa 35 ). Für das Griechische gibt Negelein 3β ) zahlreiche Beispiele. Das P. nimmt am menschlichen Leben weitgehendst Anteil. P.e, die eine Leiche gezogen haben, bleiben so lange traurig, bis sie wieder zu einer Hochzeit fahren 37 ). P.en, die vor einem Leichenwagen gehen, müssen die Schwänze aufgebunden werden 38) ; nur während der Zwölften muß das Aufbinden unterbleiben 39). Darum spannt man in Schlesien das P. nicht vor den Leichenwagen, um den eigenen Herren hinauszufahren ; es bleibt aus Gram ein Jahr lang traurig und träge ; früher nahm man deshalb lieber Ochsen 41 ). Mit (vier) Ochsen fuhr man auch anderwärts (Oberpfalz, Iglau in Mähren u. a.) zu Grabe 42), während im Bergischen das eigene P. den Leichenkarren zieht 43) ; auch benutzt man das P. des nächsten Nachbarn 44). Im poln. Oberschlesien und im Erzgebirge wird es den P.en und Kühen ins Ohr geraunt (auch Bienen erhalten die Trauerkunde), daß jemand gestorben ist 4S). Wenn der Hausherr gestorben ist, so zieht man die P.e aus dem Stalle, und sie werden erst, nachdem sie fünf Stunden in einem anderen Stall gestanden haben, wieder zurückgebracht 4e ) ; jedoch müssen sie umgebunden werden, d. h. ihre Stände wechseln 47 ). Die den Leichenwagen ziehenden P.e (zumeist sind es zwei) sind gewöhnlich mit einer schwarzen Decke bedeckt, doch kommen auch weiße vor (ζ. B. Ilsterheide, Kr. Minden) 48 ). Tiere, die eine Leiche zum Grabe schaffen, müssen mit einer gewissen Vorsicht behandelt werden. In Norwegen spannt man das P., das die Leiche zum Kirchhof gebracht hat, umgekehrt an den Schlitten, bis das Begräbnis vorüber ist 49 ). Oder die P.e müssen ganz

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lose angeschirrt sein M ) ; auch darf kein trächtiges P. vor den Leichenwagen gespannt werden 51 ). Wenn die Fahrt zum Gottesacker beginnt, müssen die P.e dreimal anziehen 52) ; wenn bei der Fahrt mehrere Dorfgrenzen zu überschreiten sind, werden an jeder die P.e dreimal angehalten und dreimal wieder angetrieben M ). Im Amte Ansbach erhalten die P.e des Leichenwagens vor dem Abfahren Salz und Brot, der Fuhrknecht Bier und einige Wecken. Auswärtige Leichen wurden früher mit vier Ochsen gefahren 64). In Norwegen besteht die Sitte, vor dem Kirchhof das P. von dem Leichenwagen abzuspannen und es dreimal um ihn herumzuführen, ehe man den Sarg abhebt 5S). Trächtige Stuten soll man nicht vor den Leichenwagen spannen, sonst verwerfen sie 5e ) (s. Leichenzug). Auch der Rechtsbrauch zeigt, daß dem P. besonderer Wert beigemessen wird 57 ). Eidesleistung geschieht ,,bei Rossesbug und Schwertspitze" (Edda, Völundarkvij>a Str. 33 Übers. Gering S. 147). Das Berühren des P.es, auch der Steigbügel oder des P.eschweifes (s. P.eschwanz) eines einziehenden Fürsten verschafft dem Landflüchtigen Rückkehr und Asylrecht S8). Höchstwahrscheinlich gehört im tieferen Sinn auch der Eulenspiegelstreich in diesen Zusammenhang: Eulenspiegel, des Landes Lüneburg verwiesen, wird vom Herzog noch innerhalb der Landesgrenzen angetroffen. Er schneidet dem P.e den Bauch auf, wirft die Eingeweide heraus und stellt sich hinein. Auf die Frage des Fürsten, warum er in der P.ehaut stehe, antwortet er : . . . so hon ich all mein lebtag gehört, das ein ietlicher sol frid haben in seinen vier pfelen ®9). ·) J ä h n s Roß und Reiter 1, 52; Z f V k . 1 7 (1907), 432. 10 ) F u g g e r Reutterkunst F r a n k furt a . M . 1584. 1 1 ) J ä h n s Roß u. Reiter 1, 4 ö S . 1 2 ) M e g e n b e r g Buch der Natur 112. 1 3 ) H ö f l e r Organotherapie 249. 1 4 ) M e g e n b e r g Buch der Natur 112 f. 15 ) G r o h m a n n 53; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 323; W o e s t e Mark 57 Nr. 3 2 ; W u t t k e 199 § 269; K u h n Westfalen 2, 81 Nr. 247; N e g e l e i n Pferd S. X X V I I u. S. 3 ; M o n t a n u s Volksfeste 163; MschlesVk. H e f t 9 (1902), 8; Globus80 (1901), 201 A n m . 1 . l e ) J o h n Erzgebirge 232. 1 7 ) K u h n Mark. Sagen 381 N r .

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40. M ) L a m m e r t 250. 19 ) J ä h n s Roß und Reiter 1, 265 A n m . 2 ; N e g e l e i n Pferd 66. !0 ) N e g e l e i n Pferd 70. 2 1 ) E . H . M e y e r Religgesch. 351. s a ) Regis 2, 582; V e r g i l Georg. 3 S. 273; R a b e l a i s Panurge 2, 81 zit. b. G e r h a r d t Franz. Novelle 73, vgl. auch N e g e l e i n Pferd 67 A n m . 2 23 M u. 3. ) C r o o k e Northern India 317. ) Helm Religgesch. 351 ; vgl. P r e l l e r Griech. Myth. 1,473. ss) G r i m m Myth. 3, 183. ae) Thüle in Gerings 27 ) S c h w e d a Übersetzung. Wilder Jäger 21. 28 ) Hoffmann Schlesisches Volkslied 9; B o c k e l Volkslieder 92. M ) J o h . S c h u b e r t im Jahrb. f. d. Jeschken- u. Isergebirge 10 (1900), 59; nacherzählt K ü h n a u Sagen 3, 234. 30) Was 31) Z a c h e r 17, 426 f. Pseudokallisthenes 174. 33 ) C r o o k e Northern India 317. Biterolf 1 0 2 2 8 ; A l p h a r t Str. 445; H e r t z Elsaß 229. 3i) N e g e l e i n Pferd l o f i ; B o l t e - P o l i v k a 3, 18. 36 ) G r i m m Myth. 2, 546. 3β ) N e g e l e i n 37 ) Pferd 24 A . 1. G r o h m a n n 53; W u t t k e 128 § 174. M ) E b d . 451 § 7 1 1 ; S t r a c k e r j a n I, 69; 2, 139, 218. S t r a c k e r j a n i, 69; 2, 139. 10 ) D r e c h s l e r 1, 305; D r e c h s l e r J a h resbericht d. Progymnas. zu Zaborze; ZfrheinVk. 1 (1904), 52. 4 l ) Schles. Provinzialbl. 1828, 157. » ) H ö h n T o d 341. « ) ZfrheinVk. 5 (1908), 259. « ) E b d . 5 (1908), 259. ") Drechsler 1, 291; John Erzgebirge 121. 46 ) K ö h l e r Voigtland 441 ; ZfrheinVk. 1 (1904), 37. 47 ) K ö h l e r Voigtl. 441; ZfrheinVk. 1, 37; W u t t k e 459 § 726; S t r a c k e r j a n 2, 139. 4e ) ZfrheinVk. 4 (1907), 277. 49 ) Liebrecht 50) ZVolksk. 314; ZfrheinVk. 1 (1904), 51. 51 ZfrheinVk. 1 (1904), 52. ) S A V k . 21 (1917). 50; S t r a c k e r j a n 1, 52; 2, 139. 218; S a r t o r i Sitte ι , 145. 52) D r e c h s l e r 1, 301, 302; K ö h l e r Voigtland 253; S a r t o r i Sitte und Brauch 1, 145. 51 ) » ) Z f V k . 3 (1893), 151. S a r t o r i Tod 1. 155/6. 6S) L i e b r e c h t ZVolksk. 323; Z f V k . 12 5e ) B a r t s c h (1902), 14. Mecklenburg 2, 97; M e y e r Baden 593. " ) G r i m m RA. (1828) 58) 254L 586. „ B e s t h a u p t " 364^ Grimm s») F i s c h a r t Myth, ι , 368; 2, 341. Eulenspiegel 1572; Braunes Neudrucke (nach dem T e x t von 1515) 36f.

32)

3. M y t h o l o g i s c h e s . Die tierdämonologische Vorstellung von der Gottheit ist die primitivere Vorstufe zur anthropomorphen Form. Das P. als ursprüngliche Erscheinungsform der Gottheit ist für die indogermanische Welt reichlich bezeugt eo ). Was Gruppe β1 ) von Poseidon feststellt, daß er „in P.egestalt emporfährt, die Menschen in sein Reich zu holen", ergänzt Malten e2) dahin, daß die „Beschränkung auf Poseidon zu eng ist. Der Dämon in Roßgestalt erfüllt diese Funktion, später das Gespann, das den Wagen des Hades, Echelos usw. zieht". Ähnliches gilt auch für die germani-

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schen Völker. Hier ist Wodan die menschliche Hypostase eines ehemaligen tierischen Dämons in Pferdegestalt e3). Diese Grundlage gibt die Erklärung für viele Züge, in denen uns das P. im heutigen Volksaberglauben begegnet. Diese Priorität des Rosses gegenüber der anthropomorphen Form des Gottes bestimmt auch die Reihenfolge Phol ende Wodan „das P. und Wodan" im sog. zweiten Merseburger Zauberspruch®4), ferner Namen Wodans, wie Hrossharsgrani „der Roßbärtige" oder König Drosselbart, d. i. Hrosselbart und die Rolle, die das P. in Volkssage und Märchen spielt. Man vergleiche auch die Gestalt des Robin Hood und das Hobby Horse des englischen Brauchtums Ma ). In dem Märchen „Ferenand getrü und Ferenand ungetrü" verwandelt sich der weissagende Schimmel in „einen Königssohn"; es ist der helfende Gott, der aus der Hülle des P.es hervortritt. Das Märchen bewahrt so zwei Schichten der Vorstellung, die tierische (roßgestaltige) und die menschliche Hypostase des Gottes. Einer Mischung beider Schichtungen begegnen wir in den prophezeienden und redenden P.en. Auch das isländische Hildebrandslied kennt ein edles Roß, dessen Hilfe den Kampf entscheidet, und das, nachdem der Zauber gelöst, sich zum „schönsten Königssohn" verwandelt. In naiver Weise spricht das nordische Lied vom Beiarblack die Reminiszenz an die göttliche Funktion des Rosses aus. Die Wesenheit dieses P.es ist übernatürlicher Art: der erste Sprung hebt es vön der Erde, der zweite führt es an das Tor der Hölle (vgl. Odins Ritt zur Hei), der dritte zum Tor des Himmels: „ u n d als es k a m vor des Himmels Pfort', ihm deucht', es kennte von früher den O r t " · 6 ) .

Diese göttliche Funktion des P.es, diese Identität von Sleipnir-Odin (Wódan) muß festgehalten werden; hier liegt die letzte Begründung für manchen Zug, mit dem uns das P. im heutigen Volksaberglauben entgegentritt. Odin (Wodan) ist, wie die Überlieferung einschließlich der interpretatio romana Mercurius besagt, der Totengott, d . h .

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der Herr und Führer der Toten oder der Seelen (der wilde Jäger als Führer des Totenheeres oder Seelenzuges). Auch für diese Seite der Wesenheit des anthropomorphen Gottes ist die Priorität des P.es gesichert. Das ursprüngliche ist das Roß als Totenführer oder Dämon in Tiergestalt. Für die griechisch-römische Welt hat Malten diesen Sachverhalt nachgewiesen und dahin formuliert, daß „das Roß als Inkarnation des Dämonischen ursprünglicher ist als der anthropomorph gestaltete Gott neben dem P.". Das P. ist der Tote und „aus dem Toten als P. wird der Tote mit dem P.e" ββ). Da durch den Prozeß des Todes der Tote wesensgleich wird mit dem Tötenden, dem Urheber des Todes, also dem Totengott und ein Ganzes gegenüber der anderen Welt der Lebenden in deren Vorstellung bildet, so ist das Roß der Totengott selbst. Diese germanische Vorstellung eines p.egestaltigen Totenführers mischt sich mit dem Sturmdämon in ebensolcher Gestalt, so daß sich daraus das Roß ergibt, das im Sturm die Seelen ins Totenreich führt. Es gehört in die Reihe der tiergestaltigen Leichendämonen und zwar trat der die Toten entführende Dämon in Tiergestalt an die Stelle des die Toten fressenden Tierdämons. Wir kennen deren eine ganze Reihe auf germanischem Boden (der Adler Hraesvelg, die Wölfe und Raben Odins, die schwarzen Rosse der Riesin Leikin, der Höllenhund Garmr, der sich den hundegestaltigen Unterweltsdämonen Kerberos, Orthros, Charon und Hekate auf antikem Boden an die Seite stellt, ferner die Riesen, die sich durch ihren nordischen Namen jçtunn als die „Fresser" kennzeichnen). Die Kombination von Sturm -und Totenroß zeigt der nordische Sleipnir 67 ). Drei bildliche Darstellungen auf gotländischen Grabsteinen von Ardre, Hablingbo und Tjängvide werden in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Auf ihnen ist ein auf einem achtfüßigen Pferde reitender Mann dargestellt, dem eine Frau ein Trinkhorn reicht. Auf dem Stein von Ardre und Hablingbo sind im Hintergrund die Hallen eines hohen Gebäudes

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zu sehen. Dem Reiter fehlen jegliche Attribute, so daß es nicht, wie man gemeint hat, Odin sein kann. Es ist vielmehr der Tote selbst, der in Walhall empfangen wird ; es war also in jener Zeit noch die Vorstellung lebendig, daß das P. nicht Odins P. ist, sondern der Führer der Toten selbst. Die hier getroffenen Feststellungen finden durch die Ausführungen Kossinnas 6S ), der sich an die Veröffentlichungen der norwegischen Felsenzeichnungen durch Just Bing anschließt, eine überaus starke Stütze. Er nennt neben dem Sonnengott, dessen symbolisch-bildhafte Darstellungsform oder Zutat zumeist das Radkreuz und die Spirale, zuweilen auch der Blitzhammer ist, und neben seinem meist einarmigen Begleiter, dem Mondgott, als dritten den P.egott69). Er wird entweder durch ein bloßes P. dargestellt (Kossinna, Textabb. 184) oder durch eine Menschengestalt mit P. und oft auch mit Ring (Kossinna, Textabb. 185), auch als eine anthropomorphe Figur mit hochgehobenen Händen, deren Finger weit gespreizt sind (Kossinna, Textabb. 186), teils als Speergott, wobei dann am Fuße der riesenhaften Gestalt ein P.chen auftritt (ebd., Textabb. 187), teils als Axtgott (ebd., Textabb. 188—190). Diese Verschiedenartigkeit der dritten Gottheit in ihrer Erscheinungsform und ihren Zutaten zeigt schon eine weitgehende Vermischung ursprünglich getrennter und durch getrennte Gottheiten geübter Funktionen. Das „windschnelle" Roß zur Darstellung des Windes ist im Altertum geläufig; die gespreizten oder flammend geschlängelten Finger symbolisieren Blitz, Feuer, Morgenröte (die „rosenfingrige Eos" Homers). Kossinna deutet die Zusammenordnung dieser Gottheiten naturmythisch in folgender Weise aus: Sonne, Mond, Morgenröte und Wind wirken beim Sonnenaufgang zusammen: kurz vor dem Aufgehen der Sonne verblaßt der Mond, die „rosenfingrige" Morgenröte läßt ihre Strahlenbüschel über den Horizont flammen (der Handgott) und dazu erhebt sich der Morgenwind (P.egott). Die zeitlich dicht zusammenliegenden Naturvorgänge lassen

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die Vermischung unterschiedener Gottheiten und ihrer Funktionen erklärlich erscheinen. Die Zusammenordnung von P. und Sonne, d. h. gedanklich der Morgenwind oder die Morgenröte, führt die Sonne (über den Horizont) herauf, findet ihre formale Gestaltung in dem bekannten, bronzezeitlichen Fund des Sonnenwagens von Trundholm70). Die einundeinhalbes Jahrtausend spätere Stelle bei Tacitus70") : „sonum insuper audiri, formas equorum (Konjektur Müllenhoff; Text Deorum) et radios capitis aspici, persuasio adiicit", setzt die anthropomorphe Hypostase voraus und ist nicht unbeeinflußt von der klassisch antiken Ersatzvorstellung des göttlichen Lenkers mit dem Strahlenhaupt, der die vor den Sonnenwagen (Quadriga) gespannten Sonnenrosse zügelt 71 ). Ursprüngliche Erscheinungsform oder Symboltier wird auch hier zum Attribut der menschlichen Hypostase späterer Zeit. Dieser dritte Hauptgott, der teils als P.gott, d. h. Windgott, auftritt, teils als Speergott, zu dem sogar (wie in Textabb. 187) ein P.chen gleichsam erläuternd hinzugefügt ist, mischt bereits Züge, die wir in der späteren Mythe des anthropomorphen Odin-Wodan beisammen finden. Die Beziehung zum Wind zeigt sein Name, die Art, ihm geweihte Opfer darzubringen (Hängen), die volkskundliche, bis in die Gegenwart wirkende Stufe als Führer des Seelenheeres (Seele = Wind, Windstoß) und die nordische Überlieferung als Reiter des achtfüßigen Sleipnir 72 ). „Der durch das P. dargestellte Windgott, der zugleich Speergott ist, stellt eine offenkundige Vorstufe des späteren Wodan dar, dessen Name noch auf die ursprüngliche Eigenschaft seines Trägers als Windgott hinweist, dessen Roßnatur in seinem achtbeinigen Roß Sleipner fortlebt und dessen verhängnisvoller Speer aus der Siegfriedsage und sonst bekannt genug ist" 73). Diese vorgeschichtlichen, bisher wenig beachteten Zusammenhänge mußten nachgewiesen werden; erst von hier aus erhält manche im Zusammenhang mit dem P. noch heute wirksame abergläubische Vorstellung und Übung ihre letzte Begründung.

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Das germanische Altertum kannte noch andere pferdegestaltige Gottheiten. Tacitus u ) vergleicht sie, um ihr Wesen zu kennzeichnen, mit den Dioskuren Castor und Pollux: „Apud Nahanarvalos antiquae religionis lucus ostenditur, praesidet sacerdos muliebri ornatu; sed Deos, interpretatione Romana, Castorem Pollucemque memorant: ea vis numini, nomen Alcis: nulla simulacra, nullum peregrinae superstitionis vestigium : ut fratres tarnen, ut iuvenes venerantur". Dieser späte Bericht findet durch die skandinavischen Steintafeln aus Schonen, vor allem des Kivik-Grabes, und Bohuslän eine Ergänzung, die uns in dem Vergleich germanischer und antiker, griechisch-römischer und indischer mythologischer Tatbestände indogermanische Gemeinsamkeiten erkennen läßt. Die jüngere Bronzezeit überlieferte dieses Zwillingsgötterpaar bereits anthropomorph (Kossinna, Textabb. 198), die ältere Bronzezeit aber ritzt auf Felsen und auf die Innenwände der Grabkammern ihr Abbild in P.egestalt (Kossinna, Textabb. 200. 202. 205. 207. 208. 209) 7S). Bald gleichgerichtet, d. h. zusammengehörig, bald im Gegensatz zueinander dargestellt, kennzeichnen sie die beiden großen Jahreszeiten des Nordens, den Sommer und den Winter, personifiziert den Mythus vom Sommer- und Wintergrafen: der eine von ihnen weilt in der Unterwelt, so lange der andere die Herrschaft auf der Oberwelt ausübt 7e ). Diese auf Grund solcher mythologischen Zusammenhänge gegebene Priorität der tierdämonologischen Erscheinungsform des P.es wirkt gefühlsmäßig nach und äußert sich in der Art, in der das P. in der Volkssage und im Märchen erscheint und in der Rolle, die es in der Volksvorstellung und im Aberglauben spielt. Deutlich läßt sich auch hier die verschiedene Schichtung erkennen. Die Toten erscheinen als P.e. So stehen die „Seelen" der „sündigen" Toten im Hörselberg 77 ) als P.e, Tote gehen als schnaubende und tobende P.e um 78 ). In besonderer Form: Die Erscheinung eines weißen Füllens wird nach einer keltischen Sage 7*) in der Unterwelt zu einer schönen

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Jungfrau; die verzauberte Prinzessin erscheint alle sieben Jahre als weißes Pferd 80), eine Jungfrau geht um als Roß mit glühenden Hufeisen 81 ). Dieses Motiv des Umgehens der Toten als „weiße P.e" verwendet auch Ibsen wirkungsvoll in „Rosmersholm" 82 ). Oder die Erscheinungsform in Tiergestalt wird als erniedrigend empfunden und kommt dann bösen M ), „sündhaften" Menschen zu oder solchen, die eines gewaltsamen Todes starben, den Selbstmördern und Ermordeten; dazu traten dann auch die beeinträchtigenden Züge, wie „hinkend" und „dreibeinig". Eltern und Geschwister eines ruchlosen Edelmanns werden in Rappen verwandelt 84) ; Verstorbene leisten dem Teufel Dienste in Pferdegestalt 8S) ; der Geist eines Ermordeten, das örkentier, erscheint als Ρ. 8 e ), wie der tote P.edieb 87 ) oder der geizige Junker von Rued 88 ). Als hierher gehörig weist sich auch der „erhängte" Fuhrmann Roßheiri 8e ) der Schweizer Sage aus, der in seinem Schicksal noch besondere Beziehungen zu Wodan-Odin 90 ) erkennen läßt; auch am Pilatusberg geht ein böser Geist in Roßgestalt um. Besonders hinweisen möchte ich auf das Vorkommen dieses Motivs im Volkslied „Richmode von Adocht oder die aus dem Grabe zurückkehrende Frau" ( E r k - B ö h m e 1, 595 Nr. 196c). Die hier (S. 596) im Anschluß an Simrocks Mythologie 342 gegebene Erklärung befriedigt nicht; sie wird in unserem Zusammenhang verständlicher. Schließlich vertritt nur ein Teil das Ganze : der betrügerische Bauer erscheint mit P.efüßen, sonst als Mensch 91 ), oder die böse Seele als Mensch mit P.efuß 92 ), wobei die Beziehungen zum Teufel offenkundig sind. Die Stufe des Übergangs zeigen auch die Fälle, in denen Tier- und Menschengestalt in der Erscheinungsform des Toten wechselt M ). Auch hier verweise ich für den antiken weiteren Rahmen auf die Ausführungen Maltens 60 ). Die Sage bewahrt auch die zweite Schicht, die Vorstellung von dem P. als dem tiergestaltigen, dämonischen Toten-

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führer. Die deutsche Heldensage zeigt diesen Zug der Priorität des Rosses bei dem Tode Dietrichs von Bern 9 4 ); auch Papst Benedikt wird von einem schwarzen Teufelsroß in die Hölle geholt 9S) ; ein gespenstiges schwarzes Roß mit glühenden Augen springt von hinten auf nächtliche Wanderer 9e ), und an der Idesfelder Hardt rennt nächtlich feuerschnaubend ein weißes Roß an den Totenhügeln hin und springt den Vorübergehenden todbringend auf die Schulter 97). Der Tod sieht aus wie ein Hengst 98 ), die Totenbahre wird S. Michaelsp. genannt (auch in Ungarn) 99). Das (in Dänemark, auch in Deutschland) auf Kirchhöfen lebendig eingegrabene P. erscheint (dreibeinig) an dem Haus, in dem jemand sterben soll 10°), ähnlich in der Schweiz 101 ). So ist auch das P. für die Prophezeiung von Todesfällen von vielfältigster Bedeutung (s. Abschnitt 4: W e i s s a g u n g ) , und auch das P . e o p f e r (s. d.) zeigt diesen Zusammenhang. Stirbt jemand plötzlich, so heißt es, das weiße P. habe ihn mit dem Hufe geschlagen 102 ), und der Genesende sagt (Schleswig) : Jeg gav döden en skiäppe havre 10S), man kauft sich also von dem P. als dem Tod los, wie man auch im alten Skandinavien den Helhestr mit bereitgestelltem Hafer versöhnte 104 ). Derselbe Brauch mit der Namensnennung Wodan: „Wode, hol deinem Roß nun Futter" 1 0 5 ). R o c h h o l z bringt aus dem Ii., 13. und 16. Jahrhundert Belege, daß der Tote, auf das Pferd gebunden, reitend den Weg zu dem Grabe zurücklegte, und weiß für einen Weg, an dem alte Gräber lagen, die charakteristische Bezeichnung „Reitweg" zu berichten 10e ). An die Stelle des P.es tritt dann, wie noch heute, der Wagen mit dem Pferd. Den in der Bravallaschlacht gefallenen König Hilditönn läßt König Ring auf einen Wagen legen; aber auch das Roß wird getötet und der Sattel mitgegeben; nun könne, so sagt er, der Tote tun, wie er wolle, nach Walhall reiten oder fahren 107 ). Der Frankenkönig Childerich wird mit seinem Rosse beerdigt 108 ), ein Brauch, der sich mit der Deutung begegnet, die wir der Darstellung auf den gotländischen Grab-

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steinen von Ardre, Tjängvide und Hablingbo beilegten 109 ). Der Wesensgleichheit zwischen dem Toten und dem Urheber des Todes, dem Totengott oder Tod, entspricht es, daß der Tod selbst zu Roß vor- und dargestellt wird. Der Tod, beritten, setzt den Toten auf sein Tier 1 1 0 ). Der Tod kommt auf einem mageren Schimmel geritten (Oberpfalz) m ), darum heißt er auch Schimmelreiter m ) ; es kann hier an die bildlichen Darstellungen der apokalyptischen Reiter erinnert werden. Man vergleiche hierzu auch das Volkslied: „Der Tod reit't auf einem wilden Rappen". Die zahlreichen Sagen, die das Lenorenmotiv enthalten, gehören in diesen Zusammenhang: der tote Bräutigam oder der Tod selbst holt das Mädchen zu P. 1 1 3 ). Der Jüte Brögger, gestorben 1855, glaubte, daß er von einem P.e abstamme und nach seinem Tode in P.egestalt zurückkehren werde113®). Diese Beipiele können, der Kürze des zur Verfügung stehenden Raumes wegen, genügen, um das Nachklingen der Vorstellung eines tierischen Totendämons in Pferdegestalt zu belegen. Die Verbindung zur anthropomorphen Wandlung findet sich in Erzählungen, in denen der Tote bald in tierischer, bald in menschlicher Gestalt erscheint u 4 ) , oder in denen das ,,P. des Nachtjägers" selbständig auftritt. Auch hierfür einen Beleg aus Schlesien 115 ) : D a s Pferd des Nachtjägers. Eine Reisegesellschaft begegnet im Jahre 1835 spät in der N a c h t im Steinbusche unweit K a u f i u n g bei Schönau einem herrenlos herumjagenden Pferde, v o r d e m die Kutschenpferde heftig scheuten. , , D a s ist das Pferd des N a c h t j ä g e r s " sagte der entsetzte Kutscher.

Sehr unterrichtend für die Mischung der verschiedenen Stufen ist die schlesische Erzählung: Der Gehängte im Walde bei Dobischwald 11β ). Eine Unzahl von Zügen volkstümlichen Glaubens läuft in dieser Erzählung zusammen, und Zusammengehöriges wird durch sonderbare zeitliche Intervalle getrennt. Zunächst ist es ein Erhängter, und der Erhängte geht um, er wird zum Wiedergänger. Ein starkes Krachen und

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Getöse im Walde begleitet auch den wilden Jäger, wenn er die Waldmänner und Hölzweiber jagt, deren grimmigster Feind er ist. Und schließlich ist der Erhängte das gespenstische P.chen, d. h. Wodan, nicht in seiner anthropomorphen Gestaltung als reitender Totenführer, sondern in seiner ursprünglichen Vorstellungsform als der tierische Totendämon, als das Totenpferd, der roßgestaltige Totengott selbst. eo ) M a l t e n Das P. im Totenglauben. Jahrbuch d. archäolog. Instituts B d . 29 (1914), β2 179ff. " ) G r u p p e Griech. Myth. 814. ) Malt e n a. a. O. 209 A n m . 3. · 3 ) S t e l l e r Phol ende Wodan Z f V k . N F . 2 (1930), 66. M ) P r e u s l e r Zum zweiten Merseburger Spruch in „ B e i t r ä g e zur D e u t s c h k u n d e " her. v . W . S t e i l e r 39; G ö l l Illustrierte Mythologie (Lpzg. 1905), 269; Z a c h e r ZfdPhilologie 4, 465; K a u f f m a n n P B B . 15, 207; ZfdPhilologie 26, 494f.; S t e l l e r Zum Wodanglauben MschlesVk. 26 (1925), 89; S t e l l e r Phol ende Wodan Z f V k . N F . 2 (1930), 61 f. M a ) W o l f r a m Robin Hood und Hobby Horse. Wiener Prähistor. Zeitschrift 19 (1932), 357Í. e s ) J ä h n s Roß u. Reiter. 1 , 3 5 2 . ββ ) M a l t e n s. o. · ' ) H e l m Religgesch. 1, 212 f. e8 ) Kossinna Die deutsche Vorgeschichte. Mannus-Bibliothek Nr. 9 (1925), 8 2 I e») E b d . 70 ) E b d . 78 f. 85 und A b b . 1 8 2 — 1 8 5 . 193. u. A b b . T a f e l 18. 70a ) T a c i t u s Germania 46. 7 1 ) , , S o l " im Altertumsmuseum der S t a d t 72 Mainz. ) Steller Zum Wodanglauben MschlesVk. 26 (1925), 89t. 73 ) K o s s i n n a a. 7 1 ) Germania a. O. 86. 43. 75 ) K o s s i n n a a. a . O . 88f.; S c h u l t z Altgermanische Kultur in Wort und Bild. (München 1934), 2 5Bild 19,88. 7e ) K o s s i n n a 91. 77 ) = Pferdeberg 78 ) Z f V k . 12 (1902), 23f. W u t t k e 473 79 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen § 755· 462; 80 ) T o b l e r M a l t e n a. a. O. 233. Epiphanie 81) E b d . 82 ) Zitiert 49. 80. bei M a l t e n a. a. O. 234. 83 ) R a n k e Volkssagen 66. M ) F r e y tag Das Pferd im germ. Volksglauben 50; Festschrift zu d. 5ojährig. Jubiläum des Friedrich-Realgymnasiums. Berlin 1900. ·*) K ü h n a u Sagen 2, 729 Nr. 1343. 8") R o c h h o l z Sagen 2, 66f. Nr. 299. 87 ) F r e y t a g a. a. O. 47. 88) E b d . 50. 8») R o c h h o l z 2, 27 N r . 255. , 0 ) S t e l l e r MschlesVk. 26, 89f. 8 1 ) T o b l e r Epiphanie 80. • 2 ) W u t t k e 473. " ) V e r n a l e k e n Alpensagen 7 7 ; R o c h h o l z Sagen 2, 67 Nr. 299. **) G r i m m Myth. 2, 831; N e g e l e i n Z f V k . 1 1 (1901), 4 1 8 ; v . d. L e y e n Die deutschen Heldensagen (München 1923), 232. m ) J ä h n s Roß u. Reiter 1, 405. *·) E b d . 38. ®7) N e g e l e i n Teutonia 2, 1 9 ; F r e y t a g a. a. O. 62. M ) S c h ö n w e r t h OberM ) J ä h n s Roß u. Reiter pfalz 3, 7. 1, 323; N e g e l e i n Z f V k . 11 (1901), 416; 12 (1902), 379. N a c h Negelein wird auch i m Neupersischen d e i Sarg als „hölzernes Pferd" bezeichnet. 100 ) K e n n e - A m R h y n Volkssage (Leipzig 1874),

Pferd 78; J ä h n s ι , 408. «») V e r n a l e k e n Alpensagen 76. 1 0 î ) F r e y t a g a. a. O. 5 1 . In Ungarn heißt es: des Heiligen Michael Pferd hat ihn geschlagen; J ä h n s 1, 399. 1 0 3 ) G r i m m Myth. 104 2, 704; J ä h n s Roß ι, 399. ) Grimm Myth. 2, 704; J ä h n s Roß 1, 399; N e g e l e i n Z f V k . i l (1901), 4 1 6 ; W u t t k e 297 § 4 3 4 ; P e r g e r Pflanzensagen 1 1 5 . 1 0 i ) W u t t k e 1 9 § 1 7 . 296 § 4 3 3 ; M ü l l e n h o f i Sagen 244. loe ) R o c h h o l z Sagen 2, 2 1 . 1 0 7 ) W e i n h o l d Altnord. Leben (1856), 495. , 0 8 ) M e y e r Germ. 10 Myth. 109. *) H e l m Religgesch. 1, 2 1 3 . no ) G r i m m Myth. 2, 704. l n ) S c h ö n w e r t h 1 Oberpfalz 6. « ) Ebd. 7. 1 1 3 ) G r i m m Myth. 2, 704 Anm. 2; S i m r o c k Mythologie 3 4 2 ; N e g e lein Z f V k . i l (1901), 4 1 8 ; 1 2 (1902), 380; Freytag a. a. O. 2 3 ; R a n k e Sagen 5 7 ; K ü h n a u Sagen i-, 358f. Nr. 3 5 1 ; völlig verwischt bei B a r t s c h Mecklenburg 1, 142 Nr. 1 7 3 . 113») N a u m a n n Über vergleichende Volkskunde und Religionsgeschichte im JbhistVk. 1, 33. m ) V e r n a l e k e n Alpensagen 7 7 ; R o c h h o l z Sagen 2, 67. 1 1 5 ) K ü h n a u Sagen 2, 464 Nr. 1067. ne ) K ü h n a u Sagen 1, 5 1 7 Nr. 562.

4. Weissagung. Der § 3 gekennzeichnete mythologische Zusammenhang erklärt die dem P. zugesagte Gabe der Weissagung zur Genüge. Das P. steht in dem Ruf, in die Zukunft schauen zu können und geister- und spuksichtig zu sein. Schon Tacitus 1 1 7 ) berichtet, daß das Schnaufen und Wiehern des Rosses sowohl dem Volk als auch den Edlen und Priestern als zuverlässiges Zeichen zur Deutung der Zukunft galt ; auch der Indiculus paganiarum cap. X I I I redet von auguriis equorum, ohne jedoch ihre Art näher zu bezeichnen u 7 ). Dieser Glaube an die weissagende Kraft des P.es ist nicht auf die germanischen Völker beschränkt. Das klassische Altertum kennt die Rosse des Achill, die ihm den Tod verkünden 1 1 8 ). Nach Tacitus, Ann. 15, 7 kehrte Caesennius Paetus mit dem Heere um, als beim Überschreiten des Euphrat das P., das die Konsularinsignien trug, scheu wurde. Man hielt es auch für ein böses Vorzeichen, wenn ein P. seinen Reiter nicht aufsitzen lassen wollte 11β ). Auch bei den Slaven werden, ähnlich wie bei den Germanen, heilige P.e bei den Tempeln gehalten (Pommern), deren weissagende Kraft man nützte (Esten) 120 ). Das altindische Ritual zeigt neben dem Zug des P.eopfers zum Zweck glücklichen Gelingens eines Feldzuges

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auch die prophetische Deutung des Wieherns (oder wenn das P. sich schüttelt oder Kot oder Harn läßt, so regnet es bald) m ) . Mitunter provozierte man das Wiehern, indem man den P.en Stuten zuführte (vgl. auch die List des Darius bei der persischen Königswahl) m ) . Daß das Geschlecht des P.es zukunftgestaltend wirkt, zeigt der Aberglaube der Esten, daß, wer auf einer Stute zum Werben ausreite, später lauter Mädchen bekomme 123 ). In dem Hause, vor dem ein P. wiehert, wird eine Braut sein (Wien) 124 ). Dem Charakter des P.es als tierischer Totendämon, Totenführer oder Totenträger entspricht es, daß das P. im Volksaberglauben der Verkünder von Tod und Unheil ist. Es vermag den Tod vorauszusagen 125 ), sieht Leichenzüge 12e ) und ist spuksichtig 127 ). Zahlreiche Volkssagen kennen diesen Zug, daß das P. spuksichtig ist und die Geister eher merkt und sieht als der Mensch 128 ). Wenn sie plötzlich scheuen, so sehen sie einen Geisterspuk 1M ) ; man soll durch die Wagendeichsel schauen, so wird man den Geist gewahren, vor dem sie scheuen 130 ). Geistersichtig wird man auch, wenn man durch die Ohren des P.es oder durch die Halfterringe sieht, wobei der Spuk sich zugleich zu verlieren scheint m ) . In der Schweiz und anderswo gilt es als eine Todesankündigung, wenn am Fenster eines Schwerkranken abends ein Roß von der Straße her sichtbar wird 1 3 2 ). Sieht jemand im Traum weiße Schimmel (nicht graue oder andersartige), so ist sein baldiger Tod gewiß 13S ). Verschiedene Äußerungen des P.es erhalten weissagende Deutung. Wenn das P. im Finstern schnarcht, sieht es den Tod (Ostpr.) 134 ). P.egewieher bedeutet Unglück 135 ), Tod 1 3 8 ) oder Krieg 1 3 7 ). Wenn ein P. bei dem Antritt einer Reise viel wiehert, „weinelet", so soll man lieber umkehren 138 ). Wenn ein P. nach einem Menschen schlägt, weist das auf ein kommendes Unglück für ihn 13 ·). Wenn ein P. stolpert, naht Unheil 140 ); ein P. muß vor einer Pfaffenhure stolpern, denn

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sie ist dem Teufel ergeben und kann hexen m ) . Wenn die P.e beim Umzug des Hochzeitwagens stehen bleiben oder stehen bleiben müssen, weil am Geschirr oder Wagen etwas nicht in Ordnung ist 1 4 2 ), wenn ein P. vor der Brautkutsche auf der Fahrt zur Kirche ein Eisen verliert 143 ) oder die P.e des Brautwagens durchgehen, so gibt es Unglück in der Ehe 1 M ). Durchgehende P.e bedeuten auch eine Feuersbrunst 14S ), vgl. das gespenstige P. Grant, das vor Feuersbrünsten erscheint 146 ) und die Redensart zu einem heiß und rot gelaufenen Kinde: „Du glühst wieder wie ein Feuerfax" 1 4 7 ). Springt ein vor die Taufkutsche gespanntes P. über den Strang, so stirbt der Täufling zeitig 1 4 8 ). Das P., das den Geistlichen zu einem Kranken gefahren hat, meldet dessen Tod, wenn es den Kopf senkt oder wenn es stampft l 4 9 ) und die Erde scharrt 15°) ; wenn es stille steht, so wird der Kranke gesund. Wenn P.e an einem Hause nicht vorbei wollen oder scheuen, so wird bald jemand aus diesem Hause sterben 181 ). Wenn P.e vor einem Leichenwagen sich umdrehen und umsehen 152 ), nicht gleich anziehen, unterwegs stehen bleiben 1 5 s ) oder auch wenn sie zu rasch laufen 1 M ), so stirbt jemand aus dem Leichengeleite oder ein Glied der Familie dem Toten nach. Am alten heiligen Tag darf kein P. aus dem Stall geführt werden, sonst gibt's Unglück 1 5 S ). Bei den Südslaven gilt der Glaube, daß jemand aus der Familie nachstirbt, wenn ein P. beim Leichenzug oder wenn es vom Friedhof kommt, gähnt. „Das P. reißt den Rachen auf, als wollte es eine Seele verschlingen" 1 5 e ). Halten die P.e in der Neujahrsnacht den Kopf niedrig, so fahren sie in demselben Jahr eine Leiche 1 5 7 ). Wenn das P. am Weihnachtsmorgen im Stall schwitzt, ohne jedoch Arbeit getan zu haben, so kommt es bald an einen Leichenwagen 158 ), ebenso wenn es sich im Geschirr schüttelt 1 3 8 ). Dieselbe Anschauung gilt in Norwegen. Das P. will sich von dem „Bösen" befreien l e 0 ) ; dieser „Böse" aber ist der Tod oder ein Toter.

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Wenn sich ein P. vor der Haustür wälzt — es tut dies, um sich von dem auf ihm sitzenden „Bösen" oder „Toten" zu befreien — so muß der in dem Haus Wohnende sterben 161 ) ; auch : geht man über eine Stelle, wo P.e sich gewälzt haben, so stirbt man, oder man bekommt Warzen 182 ), Flechten im Gesicht oder harte Geschwülste an den Fußsohlen 1 M ). Das P. ist aber nicht nur Unheilkünder, sondern auch Glück verheißend 164 ). Das wiehernde P. kündet Hochzeit an; Mädchen, die zu Silvester oder am Weihnachtsabend an der Tür des Stalles horchen und das Wiehern eines P.es hören, heiraten im nächsten Jahr 1 8 5 ); hört das Mädchen dagegen die Blähung eines P.es, so muß sie im kommenden Jahre Kindtaufe geben, ohne einen Mann zu haben (Samland) 1 6 β ). Wenn die P.e in der Weihnachtsnacht oft wiehern, wird auf dem Felde, das man mit diesen P.en pflügt, die Ernte reichlich ausfallen 1 4 7 ). P.e, die mit den Ohren klappen oder die in der Neujahrsnacht den Kopf hoch halten, kommen im nächsten Jahr vor den Braut wagen 1 M ). Wenn man zu Besuch fährt und die P.e wiehern freudig, so wird man freundlich empfangen 1 W ). Wenn die P.e beim Vorübergehen an einem Haus dort gern entleeren, so bedeutet das Glück für das Haus 17 °). Ein anderes P.orakel: Will eine schwangere Frau erfahren, wann sie entbunden wird, muß sie etwas Hafer in ihre Schürze tun und davon eine Stute, die schon ein Füllen hat, fressen lassen. Soviele Körner übrig bleiben, so viele Tage später wird sie gebären 1 7 1 ). Wenn man von P.en träumt, so bedeutet dies Rückkehr von einer Reise (Ostpreußen) 172 ), aber auch Ärger 1 7 î ). Träumt ein Mädchen von braunen P.en, so bedeutet das einen Freier 1 7 4 ) ; mitunter bringt auch von Schimmeln träumen Glück 1 7 B ). Auch im norwegischen Volksglauben gilt das P. als glückverheißend 17e ), ebenso im indischen 177 ). Dem weissagenden P. wird die Gabe der Sprache zuerkannt. In der Mitternachtstunde sprechen die P.e weissagend

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miteinander m ), in Tirol in der Nacht des „großen Neujahrs", 6. Januar 179 ), auch am heiligen Abend um Mitternacht und in der Neujahrsnacht unterhalten sich Rinder und P.e weissagend miteinander; doch künden sie dem Horcher nur Unglück und Tod an 180 ). Cäsar erfuhr von seinem (menschenfüßigen) Roß, daß er die Welt erobern werde m ) , und im deutschen Volksmärchen redet das abgeschlagene Haupt des Falada 182 ), wie auch sonst in der Volkssage und -erzählung redende P.e häufig vorkommen 183). Mit der dem P. zugeschriebenen höheren Einsicht, wie sie die Gabe der Prophetie kennzeichnet, hängt auch zusammen, daß P.e gestohlenes Futter verweigern 184 ) ; ein geraubtes Marienbild wird nicht fortgezogen 186). Erzählungen berichten, daß die Gabe der Divination der P.e zum K i r c h e n b a u benutzt worden ist 1 8 8 ). Der Graf Fuchs von der Jaufenburg bittet um ein Zeichen, wo er eine Kirche bauen soll; bei S. Leonhard steht sein Pferd still und kniet nieder. Nachdem der Ritter gelobt hat, hier zu bauen, steht es auf 1 8 7 ). Die Bewohner von Delve in Holstein ließen ein P., auf das ein Marienbild gebunden war, los und gründeten eine Kirche da, wo das P. am nächsten Morgen gefunden wurde. Das P. blieb bei einem Brombeerstrauch stehen, und die Kirche wurde genannt: „Unsere lieben Frauen auf dem Pferde" 188 ). Bei Biberach am „heiligen Kreuz" (in Schwaben) führte einst ein mit sechs braunen P.en bespannter Wagen ein Kreuz. Der Fuhrmann wußte nicht, wie es darauf gekommen war. Als nun die P.e an den „heiligen Kreuzberg" kamen, hielten sie an, knieten nieder und waren nicht mehr weiter zu bringen, bis das heilige Kreuz abgeladen und hingelegt wurde. Auf diesem Berge wurde nun eine Kapelle gebaut und das Kreuz errichtet 189 ). Die Lage der Stadt Löbau wurde durch ein weißes P. bestimmt, das in der Nacht immer die halbfertigen Mauern auf dem Berge abriß und ins Tal schaffte 19°). Christliche Heiligtümer werden bisweilen P.en geschenkt. In der Schweiz

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gibt es bei manchen Kirchen Stiftungen für P.e mit eigenen, vom Bodenzins befreiten Futterwiesen m ) . Man überläßt es auch den P.en, dem Toten die letzte Ruhestätte zu bestimmen. Der Schimmel des Hans von Hackelberg geht mit dessen Leichenwagen auf den Moosberg, und da wird der Tote begraben 192 ). Zwei zusammengebundene Rosse tragen Walburgs Sarg nach Eichstädt und bleiben hier freiwillig vor der Heiligen-KreuzKirche stehen 19S). Übertragung auf Lebloses: P.e g e s c h i r r bewegt sich im Stall, wenn bald ein Todesfalle eintritt (Ägidienberg u. Umgegend)194). Daß die prophezeiende Fähigkeit des P.es sich auch auf seine bildliche Wiedergabe übertragen kann, zeigt ein schlesischer Bericht. Das Mittelstück des Kronleuchters in der Gnadenkirche zu Landeshut stellt ein auf den Hinterbeinen stehendes P. dar. Drehte sich beim Hinaufziehen der Kronleuchter so, daß sein Kopf nach dem an die Kirche anstoßenden Friedhof wies, so deutete man dies auf kommende Todesfälle 195 ). Als ein von Juden ermordetes Kind begraben werden soll, bleibt das den Karren mit dem Kind ziehende P. stehen und geht nicht weiter; das tote Kind streckt das Händchen aus dem Sarge und weist auf den Berg des heiligen Anno bei Siegburg; das P. zieht den Karren dann ohne Antrieb hinauf 1ββ ). Auch in der neueren Dichtung hat dieser volkstümliche Glaube an die divinatorische Fähigkeit des P.es 196a ) mehrfach literarische Verwertung gefunden; u . a . Götz von Beri. 2, 7; Egmont 4: Trug dich dein P. so leicht herein und scheute vor dem Blutgerichte nicht und dem Geiste mit dem blanken Schwerte, der an der Pforte dich empfängt ?

Von Justinus Kerner's Gedicht „Herr Irwing" (Werke 1, 89 f.) lobt Möricke als besonders vortrefflich, daß das P. (vom Geist des Ermordeten geleitet) als „ahnungsvolles Werkzeug der Nemesis von selbst den Weg zum Richter einschlägt". 1I7) Germania 10: proprium gentis equorum quoque praesagia ac monitus experiri. publice aluntur iisdem nemoribus ac lucis, candidi et nullo mortali opere contacti : quos pressos sacro curru sacerdos ac rex vel princeps civitatis

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comitantur hinnitusque ac fremitus observant nec ulli auspicio maior fides, non solum a p u d plebem, sed apud proceres, apud sacerdotes: se enim ministros deorum, illos conscios putant. — Indiculus superstitionum et paganiarum: De auguriis uel auium uel equorum uel bouum stercora uel sternutationes. — Translatio S. Alexandri K a p . 2 : equorum quoque praesagia ac monitus experiri, hinnitusque ac fremitus observare; nec ulli auspicio maior fides non solum apud plebem, sed etiam apud proceres habebatur (M. G. S. S . 2 , 675). Chemnitzer Rockenphilosophie in G r i m m Myth. 3, 442 Nr. 239 : wer P.egewieher hört, soll fleißig zuhören, denn sie deuten gut Glück an. P.egewieher zur Weihnacht zwölf U h r auf Scheidewegen oder an Grenzsteinen gehört, deutet auf K r i e g ( G r i m m Myth. 2, 932). M a n n h a r d t 1, 580; M e y e r Germ. Mythologie 1 0 6 ; Z f V k . 1 1 (1901), 4 1 1 ; 1 2 (1902), 380; G r i m m Myth. 2, 548. 927. 932; S c h ö n f e l d t Das Pferd in der isländischen Saga-Zeit; S t r a c k e r j a n 2, 139; W u t t k e 1 2 8 § 1 7 4 ; 199 § 269; D r e c h s l e r 2, 1 1 2 ; J o h n Erzgebirge 2 3 2 ; H o p f Tierorakel 4 ( M i c h a e l S c o t u s , der Sterndeuter des Kaisers Friedrich I I . , nennt als Orakeltier auch das Pferd (Kap. 56: de noticia a u g u r i o r u m ) . l l e ) llias 19, 407ÎÏ. 415ft.; S t e m p l i n g e r Aberglaube 48; H o p f Tierorakel 68. 1 1 β ) A m m . M a r c . 30, 2 1 ; S c h l i e b e n Pferde des Altertums 2 1 3 ; Z f V k . 1 2 (1902), 383. 1 2 0 ) H a n u s c h Die Wissenschaft des slawischen Mythus 3 i 5 f . ; Z f V k . 7 (1897), 2 3 8 ; 1 2 (1902), 383; G r i m m Myth. 2, 553 A n m . 2 ; N e g e l e i n Pferd 15; Hopf Tierorakel 72. m ) Apastambaçrautasutra 1 3 , 5 — 7 ; Z f V k . 1 1 ( 1 9 0 1 ) , 4 0 9 f . 1 2 2 ) H e r o d o t 1 , 1 8 9 ; 3, 84; 7, 5 5 ; Z f V k . I i (1901), 409; S t e m p l i n g e r Aberglaube 48. 1 2 3 ) M e y e r Aberglaube 2 2 1 . l 2 4 ) Germania I 8 7 5 , 350. 1 2 5 ) S a r t o r i 2 , 1 3 5 ; D r e c h s l e r 2, 1 1 6 ; G r o h m a n n 5 3 ; D i r k s e n Meiderich 49; J o h n Erzgebirge 2 3 2 ; H o c h h o l z Glaube 1, 1 6 3 ; Z f V k . 2 (1892), 180. 1 2 e ) S t r a c k e r j a n 1 , 1 6 8 ; W u t t k e 199 § 269. 1 2 ' ) S t r a c k e r j a n 1, 2 1 . 1 6 9 . 1 7 0 ; 2, 1 3 9 ; W o l f Beiträge 407; ZfrheinVk. 1 9 1 4 , 260; G r i m m Myth. 2, 784; Schindler Aberglaube 162. 1 2 8 ) K ü h n a u Sagen 1 , 300. 3 1 1 . 3 2 3 L ; 3, 2 3 4 ; R e i s e r Allgäu 1 , 72; 2, 428. m ) P o l l i n g e r Landshut 1 3 1 ; G a n d e r Niederlausitz N r . 1 5 4 ; S t r a c k e r j a n 2, 360 N r . 5 5 1 ; M ü l l e n h o f f Sagen N r . ¿87; E i s e l Voigtland 244 N r . 607. 1 3 0 ) G r o h m a n n 5 3 ; E i s e l Voigtland 244 N r . 607; G r i m m Myth. 2, 784. 131 ) M e i c h e Sagen 254 N r . 327. 1 3 2 ) Z f V k . 1 1 ( 1 9 0 1 ) , 4 1 6 ; H o p f Tierorakel 7 1 . 1 3 3 ) Urquell 1 (1890), 203. 1 3 4 ) W u t t k e 200 § 269; A R w . 8, 2 7 3 ; ZfrheinVk. 4, 260; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3 , 390; H o p f Tierorakel 72. 1 3 S ) SchwV k . 1 0 , 3 6 . 1 3 e ) B o e d e r Ehsten 70. 1 3 7 ) W u t t k e 199 § 269; Z f V k . i l (1901), 4 1 0 ; J ä h n s Roß u. Reiter 1 , 4 2 3 ; G r i m m Myth. 2, 548. 932; G r o h m a n n 53. 1 3 S ) B i r l i n g e r Volksth. 1 , 1 2 1 ; 13e H o p f Tierorakel 7 1 . ) S c h w V k . 1 0 , 35. 14 °) G r i m m Myth. 2, 548; W o l f Beiträge 1 , 247. 141 ) Belege aus dem 16. u. 1 7 . J . bei J ä h n s Roß u. Reiter 1 , 423 A n m . 1 4 ä ) W u t t k e 199

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§ 269; S t r a c k e r j a n 1 , 2 1 . l 4 S ) J o h n Erzgebirgen55. 1 4 4 ) E b d . 95; S t r a c k e r j a n 1 , 2 1 . 2 2 . 14S 14β ) J o h n Erzgebirge 24. ) M e y e r Germ. Myth. § 1 4 2 ; K u h n und S c h w a r t z 2 5 5 . 147 ) Z u f a x s. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 , 3 2 5 . 14e ) J o h n Erzgebirge 62. 14 ») ZfrheinVk. 5 (1908), 244; Urquell N F . 1 (1897). 1 7 . 1 5 0 ) D r e c h s l e r 1 , 286; 2, n 6 . 200. 1 6 1 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 2 5 ; W u t t k e 199/200 § 269; Z f V k . 4 (1894), 3 2 7 ; 1 2 (1902), 379; S t r a c k e r j a n 1 , 1 6 8 ; H ö h n Tod 309; W o l f Beiträge 1 , 2 3 1 ; D i r k s e n Meiderich 49 N r . 7; ZfrheinVk. 1 1 ( 1 9 1 4 ) , 260; Urquell 1 (1890), 8; H o p f Tierorakel 7 1 . 1M ) A R w . 8, 2 7 3 ; K n o o p Hinterpommern 165; H o p f Tierorakel 7 1 ; S e l i g m a n n Blick 1 , 1 2 2 . 153 ) ZfrheinVk. 4 (1907), 2 7 9 ; S t r a c k e r j a n ι , 2 2 ; A R w . 2, 2 1 6 ; 8, 273. 1 6 4 ) W u t t k e 1 9 9 § 269. 1 M ) S A V k . 24 (1922), 65. 1 M ) Z f V k . 2 167 (1892), 1 8 0 ; i l ( 1 9 0 1 ) , 4 1 5 . ) Urquell 1 (1890), 8. 1 M ) W u t t k e 199 § 2 6 9 ; S t r a c k e r 15e j a n ι , 168. ) S t r a c k e r j a n 1 , 22. 1 6 8 ; Z f V k . I i (1901), 4 1 5 ; ZfrheinVk. 5 (1908), 244. 260; Urquell 1 (1893), 1 7 ; Urquell NF. 1(1897), 17. » " ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 3 1 3 . 326. l e l ) Z f V k . 1 2 (1902), 16. 1 β 2 ) Z f V k . 1 2 (1902), 1 6 ; Urquell ι (1890). 19. l e 3 ) ZfösterrVk. 4 (1898), 2 1 3 . 1M ) S t r a c k e r j a n 1 , 2 1 ; 2, 136. 1 3 9 ; ZfrheinVk. i l (1914), 260; J o h n Erzgebirge 2 3 2 ; Z f V k . n (1901), 408; D r e c h s l e r 2, 1 1 6 ; S t r a c k e r j a n 1 , 1 6 8 ; J ä h n s ι , 3 7 4 ; Z f V k . 1 1 (1901), 4 1 0 ; G r i m m Myth. 2, 932. 1 M ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 166; W u t t k e 199 § 269; Z f V k . 1 1 (1901), 4 1 0 . 1M ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 174. " ' ) Z f V k . 4 (1894), 3 1 3 ; S t r a c k e r j a n 1 , 168. " > ) Z f V k . 2 3 ( I 9 I 3 ) . 2 8 i ; 24 ( 1 9 1 4 ) , 6 1 . 1 β · ) R o g a s F a milienblatt ι (1897), 40. 1 7 °) Z f V k . 5 (1895). 4 1 6 . m ) J ü h l i n g Tiere 130. l n ) Urquell 1 (1890), 203. l n ) K n o o p Hinterpommem 182. 174 ) L e m k e Ostpreußen 1, 86; N e g e l e i n Pferd 1 6 . 1M ) Z f E t h n . 1901, 84. " » ) L i e b r e c h t Z u r Volksk. 327. 328; Z f V k . I i ( 1 9 0 1 ) , 4 1 3 . " ' ) C r o o k e Northern India, Z f V k . 1 2 (1902), 383/4. " » ) G r i m m Myth. 1 , 3 2 5 ; 3 , 1 8 9 ; Z f V k . 1 1 ( 1 9 0 1 ) , 4 1 1 ; N e g e l e i n Pferd 1 6 ; W o l f Beiträge I , 126. 407. " » ) W u t t k e 65 § 75. 1 8 0 ) K ü h n a u 3, 468f. Nr. 1 8 5 3 ; 472 N r . 1 8 5 9 ; J o h n Erzgebirge 1 5 3 ; Z f V k . 1 2 (1902), 3 8 3 ; D r e c h s l e r ι , 37. 44; S a r t o r i Sitte 2, 3 3 ; L e o p r e c h t i n g Lechrain 208; L e m k e Ostpreußen 1 , 7 ; T o e p p e n Masuren 66; M e y e r Baden 486; N e g e l e i n Pferd 16. 1 H ) J ä h n s Roß u. Reiter 1 , 363 A n m . 2 ; Z f V k . l i (1901), 4 i o f . 1 8 2 ) G r i m m K H M . N r . 8 9 . ιω ) K H M . N r . 1 2 6 ; Z f V k . 5 (1895), 409; B a r t s c h Mecklenburg 1 , 1 4 2 ; L ü t o l f Sagen 468; K ü h n a u Sagen 27/28. 1 M ) H e y l Tirol 560 N r . 1 3 . 185 ) H a u p t Lausitz 2 N r . 290 und A n m . : F a s t dieselbe Sage wird auch von der Czenstochauer M a r i a erzählt (Th. M ü n d t Völkerschau auf Reisen 1, 229). 1 8 β ) M ü l l e n h o f f Sagen N r . 1 3 7 Nr. 1 3 8 ; M e i c h e Sagen N r . 1 2 6 ; E i s e l Voigtland N r . 3 2 1 ; Z f V k . i l ( 1 9 0 1 ) , 4 o 8 f . ; Z f E t h n . 1 9 0 1 , 79; N e g e l e i n Pferd 20. 1 8 7 ) Z i n g e r l e Sagen (1859), 96; Z f V k . 1 2 (1902), 328. 382. 1M ) D a s K l o s t e r 9, 9 7 ; Z f V k . 1 2 (1902), 382. « · ) P a n z e r Beiträge 2 , 1 7 4 . ™°) H a u p t Lausitz

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Pferd

,,s) ZfVk. 1, 21. 1 M ) ZfVk. 12 (1902), 382. lw) 12 (1902), 381. ZfVk. 12 (1902), 381. 1 M ) ZfrheinVk. 4 (1908), 246. "5) Kühnau 3, 492. 1 M ) ZfVk. 12 (1902), 381. 1 M a ) MschlesVk. 23 (1927), 73 u. Anm. 2.

5. Z a u b e r p f e r d e . Das Odin-Wodanroß Sleipnir ist seinem Wesen nach in den Zaüberrossen und Wunschp.en bewahrt. Es gehören also auch alle die Reittiere hierher, die bei der späteren Abstufung der Wodansmythe in den vielfältigen Varianten der Erscheinungsform des „wilden Jägers" (s. d.) auftreten. In der weiteren Umgestaltung auch als das Teufelstier (s. Abschnitt 10: P. und Teufel). Die Variante der p.egestaltigen Wasserdämonen ist im Abschnitt ,,P. und Quelle" behandelt; auch soll die Variante P. als Totentier, soweit bisher erwähnt, hier nicht wiederholt werden. Auch „kopflos" (s. d.) tritt das Gespensterroß auf. Zu den Zauberp.en gehören die mit übermäßigen Gaben ausgestatteten Fabelrosse der Héldensage und der Volkserzählungen 197 ). Beispiele: Spukp.e wechseln die Farbe 198), sie helfen den Menschen bei der Arbeit m ) , bringen gleich dem nordischen Svadilfaxi und anderen Sturmgeistern Steine zum Bau einer Burg herbei 200) und betätigen sich beim Kirchenbau 201 ). Frei umherlaufende Rosse lassen Burschen aufsitzen 802), oder Zauberp.e reiten (wie der Pegasus) durch die Lüfte 203). Auch Theophrastus verschafft im großen Herrengarten zu S. Gallen einem Pfeifer einen Schimmel, der diesen durch die Lüfte nach Baden trägt 204). Faust und Mephisto reiten durch die Luft (Delacroix), sonst Zaubermantel: ,,. . . pracht im der bös feindt ein ross, mit dem bericht, das in sollichs an alle ort und ende, dahin in gelüstet, ohne alle gefar seiner seel und des leibs in ainer geschwinde tragen wurde (mocht sich schier des Pacolets ross vergleichen); iedoch wann er aubents oder sonst under tags abstünde, solt er das gegen nidergang der sonnen abzeumen und absatlen, so wurde er das für und für sein lebenlang haben, ja auch die ganz weit darmit durchraisen künden; wa er aber solchs ain mal übersehen, wurde er sein ross ewigclichen verloren haben" 2 0 5 ).

Negelein verweist auf Mohammeds Flucht von Mekka nach Medina auf einem Zauberroß und auf dieses Motiv der auf

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indische Quellen zurückgehenden Märchen von 1001 Nacht 206 ). Gespenstische P.e werfen ihre Reiter ab204*). Das Zauberp. springt in große Tiefen und hinterläßt die Spuren seiner Hufe (Roßtrappe) im Fels (Wieland und Wittichs Hengst Skemming; Skanderbeg und Eppele von Gailingen) m ). (s. Pferdehuf.) Albertus Magnus reitet auf einem Schimmel, ein Zauberp. von 15 Fuß Länge, das im Sprunge über die Stadtmauern und über die Donau setzt 208). Der Schweizer Nickel ist selbst ein Roß 209). In der Grube Rosenberg zu S. Annaberg 210 ) soll ein Erdmännchen in Gestalt eines Rosses sein, der oberschlesische Grubengeist Skarbnik zeigt gelegentlich ein P.ebein 211 ), und von den Mönchen im Kloster Ilsenburg wird erzählt, daß sie Zwerge seien und kleine P.e hielten 212 ). Auch das französische Märchen kennt eine große Anzahl von Zauberp.en, mit deren Hilfe ihre Reiter gewaltige Taten vollbringen und an deren Schicksal Anteil nehmen 213 ). Durch Beschwörung ein Zauberp. zu gewinnen: So gehe zu eynem oeden hause oder zu einer jueden schuel, welches noch besser ist, und schreibe ob die thuer dieser geister namen off hebraysche gewonheit mit fledermeuse blutt nemtlich: dod'a, calpha, alpha, und wan du das gethan hast, so gehe eine kleine (bricht hier ab) 2 1 4 ). Auch der Teufel vergibt Zauberp.e — meist von schwarzer Farbe —, mit denen man Wunderarbeiten vollbringen kann215). Noch vielerlei Geister in P.egestalt spuken 21β ) : ein Berggeist in P.egestalt 217 ) ist auch der Almputz in Hinterdux 218), der Mühlbergfuchs (P.)219) und das gespenstische Waidroß in Schwaben 22°), der Sandgrubengeist und andere Schweizer Spukp.e 221 ), Elvils Zauberp. 222) und v. a. m. Nächtliches P.egetrabe von unsichtbar bleibenden P.en im Schloßhof zu Füssen 223). Wilde Ritter auf „gleinigen Perren" (glühenden P.en) gehen um 224). Als glühendes P. wird auch die Eisenbahn bezeichnet 225).

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Pferd

Eine besondere Erwähnung verdient noch das Ernteroß, genauer der Ernteschimmel 22e ). Ein Windroß trägt die Kornmutter, wenn sie in den an heißen Sommertagen über den Acker hinweg eilenden Windtromben dahineilt 227). Die Verkleidung junger Burschen als P.e, zumeist als „Schimmelreiter" (s. d.) ist als Weihnachts- oder Fastnachtsbrauch 228) aus vielen Gegenden Deutschlands, auch Frankreichs, Österreichs, Ungarns, Italiens belegt 229). 1OT) G r i m m Myth. 2, 546; 3, 313 = quatre fils Aimon 1800; N e g e l e i n Pferd i8f.; J ä h n s Roß 2, 24f.; H a u p t Lausitz Nr. 217; J i r i c z e k Deutsche Heldensagen (1898), 268f.; S c h n e i d e r Germanische Heldensage 1 (1928), 2 7 8 ! l " ) R o c h h o l z Sagen 2, 26Í.; P a n z e r Beitrag 1, 18. 291; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 325. m ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 74 Anm. 1; 2, I43f.; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 54. 339; R a n k e Sagen2 209; F r e i t a g Pferd 48; M e i c h e Sagen 52 Nr. 17; N e g e l e i n Pferd 73. s0°) G r i m m Myth. 3, 142; K u h n u. S c h w a r t z 476; Ε. H. M e y e r Indogerman. Mythen 1, 150; 2, 449. 465; L a i s t n e r Nebelsagen 65. 149; Β u g g e Studien 1, 268. 201 ) S e p p Religion 198. 20S) R o c h h o l z Sagen 203) 184. igSf. 259; N e g e l e i n i8f. Schamb a c h u. M ü l l e r Nr. 215; B o l t e - P o l i v k a 2. 134 (Tausend und eine Nacht); Sepp Religion 200; M ü l l e n h o f f Sagen 234. 2 M ) H e r 205 z o g Schweizersagen 1, 135. ) Zimmersche Chronik 1, 292. Zu Pacolets Roß, im franz. Ritterbuch „Valentin und Orson", s. Germa20·) Z f V k . 12 (1902), nia 14, 390 u. 18, 179. 38qf. 2Ma ) S A V k . 25, 235. 2°7) S e p p Religion 200. 2W ) S e p p Religion 199. 219 ) R o c h h o l z Schweizersagen 1, 368. 21 ") P r ö h l e Unterhárz Nr. 294. 2U) 212 ) K ü h n a u Sagen 2, 411. Rochholz Schweizersagen 1, 368. 2 i a ) G e r h a r d t Fran2 U zösische Novelle 43. 70. ) ZfdMyth. 3, 323; 21s G r i m m Myth. 3, 488 Nr. 16. ) M e i c h e Sagen 52 Nr. 17; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 54. 339; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 3 i f . 2 l e ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 191; F i e n t Prättigau 247. 2 1 ') 2le) M e i c h e Sagen 403 Nr. 530. ZfVk. 21β ) B i r l i n g e r Aus S (1898), 324. Schwaben ι, 194; ders. Volhsth. 1, i n Nr. 160. 161. 220) D e r s . Aus Schwaben 1, 195/96. 2 S l ) R o c h 222 ) h o l z Sagen 2, 22. 26. 27. Kühnau 223 ) Sagen 3, 460 f. R e i s e r Allgäu 1, 298; anderes ZfdMyth. 2 (1854), 114; Z f V k . 11 (1901), 4 i 9 f . ; S A V k . 25, 188. 221 ) ZfrheinVk. 225 ) 1914, 280. S c h e l l Bergische Sagen 65 22e ) Nr. 101. M a n n h a r d t Forschungen 165. M e y e r Germ. Myth. § 142. 227 ) M a n n h a r d t Korndämonen 20; N e g e l e i n Pferd 69. 228) K u h n Mark. Sagen 307. 346; L e m k e Ostpreußen 28 f.; N e g e l e i n Pferd 11 Anm. 3. 42 Anm. 3. 229 ) K u h n Westfalen 131; P a n z e r Beitrag 2, 3 1 1 ; N e g e l e i n Pferd 42 Anm. 3; S a r t o r i Sitte

3, 48; ZföVk. 9 (1903), Forschungen 165; S e p p

I63O 108 f.; M a n n h a r d t Religion 61.

6. P. als W i n d - und W o l k e n s y m bol. Wodan ist in der Deutung seines Namens „heftige stürmische Bewegung" 230 ), im Zusammenhang einer primitiven, naturmythischen Bedeutung also mit bewegter Luft, Wind, Sturm, Nebel, Wolken zu identifizieren. Die Beziehung Wind = Seele ist oben erörtert worden. Jedoch konnte durchaus unabhängig hiervon, allein durch den Begriff „Schnelligkeit" vermittelt, die bildhafte Parallelsetzung Wind = P. entstehen. So symbolisiert auch der nordische Sleipnir die Schnelligkeit des Sturmwindes in seiner acht-(sechs-)füßigen Darstellung. Der skaldische Name des Weltbaumes Askr Yggdrasils, Esche des Rosses Odins, weist auf die Windnatur des P.es h i n 2 n ) . Odin weidet als Windgott sein P. in dem Geäst des Baumes 232). Ein arabisches Gedicht rühmt von ihm, daß es sogar schneller als der Sturmwind ist 233). Es soll ohne Flügel fliegen, wie der Araber sagt, aber es wird geflügelt dargestellt (Arion, Pegasus, der Hippogryph Ariosts u. a.) 234) oder ist halb P., halb Flügeltier (Greif). So eilen, „fliegen" die Zauberp.e (s. d.) mit Windeseile durch die Luft. P.enamen — nomen sit omen — besagen dasselbe, ζ. B. Theoderichs P. „Falke" 235). Alle diese Züge hat die Volksvorstellung bewahrt 23e ). Der russische Waldgeist, der sich durch seine Bewegung von Ast zu Ast als Windgott darstellt, wiehert wie ein P. 237). Sichtbare Luft sind für primitive Anschauung die Wolken. Wolken werden als Roßformen gedeutet 238). Die Walküren streuen Tau von den Mähnen ihrer Rosse und Hagel auf die Wälder, sie werden selbst als Nebel bezeichnet 23 '). Vermittelnde Vorstellungen : der Schlitten des wilden Jägers wird von Mägden gezogen, die sich jährlich mit Hufeisen beschlagen lassen 240), daß der wilde Jäger durch die Nebelschwaden reitet 241 ), daß bei starkem Wirbelwind ein P. durch die Wolken fliegt (Masuren) 242). Der Araber umschreibt dichterisch den Vorgang des Regnens mit „des Himmels

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Pferd

Kamele werden gemolken"; ähnlich Shakespeare, Hamlet III, 2: Seht ihr die Wolke dort, beinahe in der Gestalt eines Kamels? Beziehungen zwischen P. und Wolke zeigen die p.egestaltigen Kentauren durch ihre Herkunft aus dem thessalischen Dorfe Nephele = Wolke, und der von den Seelen umschwebte (ursprünglich p.egestaltige) 243) Totengott Charon reitet durch die Nebelschwaden gleich dem wilden Jäger. Auch die neuere Dichtimg übernahm diesen Zug; Lenau, Heideschenke : Die Die Des Im Der

Wolken schienen Rosse mir. tobend sich vermengten. Himmels hallendes R e v i e r Donnerlauf durchsprengten. Sturm, ein wackrer R o s s e k n e c h t . . .

230 ) H e l m 231) Religgesch. 1, 261. Nege232 ) l e i n Pferd 69. P a u l Grundriß 3, 379. 233 ) B r e h m Tierleben3 4 (1890/3), 34. 234 ) N e g e 235 ) l e i n Pferd 67. G u b e r n a t i s Tiere 262. * M ) S e p p Sagen 167; H e y l Tirol 528 Nr. 98. 237 ) M a n n h a r d t 1, 193; auch bei N e g e l e i n 238 ) Pferd 69. Schwartz Volksglaube 23; M a n n h a r d t Germ. Mythen 37; d e r s . Götter 90; 239 L a i s t n e r Nebelsagen 362. ) P a u l Grundriß 3, 270. 24e ) P e t e r s e n Hufeisen 237. 2 4 1 ) R o c h 242 ) Z f É t h n . h o l z Naturmythen 217. 1, 177. «*) M a l t e n a. a. O.

7. P. als B l i t z r o ß . Es fällt nicht schwer, in der tierdämonologischen Vorstufe von dem P. als Inkarnation der Gottheit die Funktion des Himmelsrosses (s. auch P. als Wind- und Wolkensymbol) in seiner Komponente als Gewitter- oder Blitzroß 244) abzuzweigen. Im besonderen wird das Leuchten des Blitzes als Schimmel (s. d.), die zerstörende Kraft als Hufschlag (s. P.ehuf) gedeutet. Das Donnerrollen findet als das Aufschlagen der himmlischen Roßhufe seine Erklärung (tonantes equi, Horaz). Der dahinbrausende Gewittersturm findet in der wilden Jagd seine Entsprechung 245), zusammengefaßt in ihrem Führer, dem „wilden Jäger", also der Zwischenstufe einer auf seinem P.e reitenden menschenähnlichen „Gott"-Gestalt. Der Wetterstrahl als Hufschlag des Blitzrosses wird umgewandelt in das von dem „strafenden" wilden Jäger heruntergeworfene P.eviertel oder P.eschinken 2le ) (abgewandelt im Sinne der Jagdbeute ein Ochsenviertel, eine Hirsch- oder Rehkeule, ein Eber-

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schinken, ein Stück Aas, eine Menschenlende oder ein Vierteil eines Moosweibleins 247)) und zerquetscht den Unglücklichen wie ein Meteorstein 248 ). Fäkalien des Blitzrosses verwandeln sich in Gold249). Ein anderes, vom P. hergeleitetes Blitzsymbol scheint der Sattel zu sein, den nach der norwegischen Sage gespenstige Reiter auf kohlschwarzen Rossen auf Häuser werfen, in denen jemand bald darauf sterben muß 250). Der Blitz in seiner reinigenden Kraft und als Zerstörer der Welt der negativen Dämonen findet sinnbildliche Verwendung durch den auf das Haus gesteckten P.eschädel (s. P.ekopf), wobei der Teil das Ganze vertritt 2 5 1 ). Eine weitere Abwandlung des p.egestaltigen Blitzwesens über den reitenden Blitzgott ist die auf dem Donnerwagen fahrende Gottheit (jedoch bei den Germanen selten s. Donner I 2). Blitzrosse und reitende Blitzgottheiten bei Indern 262), Griechen und Slaven 253). 244 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 124. 245 ) N e g e l e i n Pferd 52; Z f V k . 7(1897), 235. 24e ) F r e i t a g P. im arisch. Altertum 29: „Solche herabgeworfene P.eschinken werden u n e n d l i c h h ä u 247 ) S i m r o c k f i g erwähnt". Mythologie 199; N e g e l e i n Pferd 56. 57. 248) J a h n s Roß und Reiter 1, 326. 249) Globus 80 (1901), 203 Sp. 2 ; S i m r o c k Mythologie 199; B a r t s c h Mecklenburg 1 , 1 7 ; Z f V k . i l (1901), 417 A n m . 2; J a h n Pommern 30. 26 °) H o p f Tierorakel 70. 2 5 1 ) Globus 80 (1901), 202. 252 ) N e g e l e i n Pferd 48 f . 253 ) E b d a . 53.

8. P. und Quelle. Der Huf des Himmelsrosses übt die zersprengende Wirkung des Blitzes, doch auf den Gewitterschlag folgt der Regen: der Huf des Himmelsrosses schafft den lebendigen Quell. Derselbe Vorgang findet auf der Erde statt 254). Balders P. schlägt einen Quell aus dem Felsboden 2S5 ), Wittekinds Roß stampft Wasser aus dem Boden, wo nun Bergkirchen liegt 256 ). Karl der Große hat durch den Tritt seines Rosses die Heilquellen in Aachen hervorgerufen. Als er vor Gudensberg mit durstendem Heer anrückte, schlug sein Schimmel mit dem Huf in den Fels, daß man noch die Trappe sieht; an dem aufsprudelnden Gilsborn labten sich die Krieger 257) (Gudensberg

Pferd

1633

am Odenberg in Hessen hieß 1209 Wotansberg, 1226 Wuodensberg). Der Hengistbach bei Palterzell nächst Wessobrunn und die Roßhufquelle bei Minden sind derselben Entstehung. Auf Bonifatius wurden diese Sagen in Friesland und Thüringen übertragen. Den Bonifatiusbrunnen zu Dockum in Friesland soll das P. des Heiligen mit seinem Hufe geschlagen haben; den Heilborn bei Heilsberg in Thüringen scharrten des Heiligen P.e heraus, dessen dabei verlorenes Hufeisen an die Kirchtür genagelt wurde 258). Auch den P.en des hl. Oswalt, Willibald und der hl. Walburgis werden die Entstehung von Quellen zugeschrieben 259 ). Eine moderne Variante knüpft an Prinz Karl von Preußen 2M). Mitunter ist der Reiter nicht namhaft gemacht, oder im Mittelpunkt der Sage steht das Roß allein, durch dessen Scharren das Wasser gefunden wird oder dessen Huf die Quelle her vor schlägt 281 ). Auch das Märchen kennt das Motiv, und in neuerer Form heißt es, daß ein blindes P. bei der Belagerung eine Wasserleitung ausscharrte 262). Die Entstehungssage von Kisslegg erzählt von einem P., das durch Sumpf und Moor eine frische Quelle fand. Dort siedelten sich nach und nach Leute an und Kisslegg entstand 2β3). Bei Einsiedl ist eine heilkräftige Quelle für P.e; dasselbe gilt vom Ludwigsbrunnen bei Asch 2M ). Griechische und andere Varianten von Roßquellen bei Panzer und Negelein 2®5). Im Barerwald hinter Wälschnoven ist eine Salzquelle, deren Salz geblendetes Gold ist ; sie wird von einem kohlschwarzen Roß bewacht 2ββ). Zahlreiche Ortsnamen in Deutschland zeigen die Verbindung einer Quellbezeichnung wie „ach", „bach", „bore", „born", „bronn", „brunn", „quell", „see"; z . B . Rossach, Roßlach, Haßlach, Heppach, Pferdsbach, Pfersbach, Perdenbach, Roßbach, Horschbach, Marbach, Marenbach, Hesselbach, Heistenbach, Hottenbach, Hengstbach, Fulenbach, Schimmelbach, H l c h t o l d - S t i u b l i ,

Aberglaube

VI

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Paderborn, Eppelborn, Hasselborn, Eppenbrunn, Roßbrunn u. a. 2 β 7 ). 2M) Schwartz Naturanschauungen 133; G o I t h e r Mythologie 204; S c h w a r t z Mythologie 166; N e g e l e i n Pferd 83 f . ; P e t e r s e n Hufeisen 36. 255 ) S i m r o c k Myth. 303. 495; G o l t h e r Mythologie 367; S a x o G r a m m a t i c u s 3, 42; L o s c h Balder 46. 50; W o l f Niederl. Sagen 28; M e n z e l Zur deutschen Mythologie (1855), 73; P e t e r s e n Hufeisen 201; A R w . 3, 360 f. 2M) W o l f Niederl. Sagen 28 f . ; S e p p Religion 206. 267 ) P e t e r s e n Hufeisen 197; W e i n h o l d Verehrung der Quellen (1898), 13. a5e ) A R w . 3, 361; M e n z e l a. a. O. 73; S e p p Religion 206/7. 25®) P e t e r s e n Hufeisen 199; A R w . 3, 368; N e g e l e i n Pferd 85. 260) P e t e r s e n Hufeisen 178. 2β1 ) H o c k e r Volksgl. 223; P e t e r s e n Hufeisen 199; P a n z e r Beitrag 1, 291. 345; R o c h h o l z Gaugöttinnen 6. 2β2) F r e i t a g Das P. im Altertum 46; M a n n h a r d t Germ. Mythen 124. 2«3) B i r l i n g e r Volksth. i , 178. »«) J o h n Westböhmen 213. 2βδ) P a n z e r Beitrag 1, 343; 2M) Negelein Pferd 83 f. H e y l Tirol 389 Nr. 67; Z f V k . 12 (1902), 382. 2 " ) J ä h n s Roß 1, 199 f . ; N e g e l e i n Pferd 88.

9. P. als W a s s e r g e i s t . Wenn die chthonische Gottheit ihr Herrschaftsgebiet auf das Wasser spezialisiert, so wird.sie zum Gott des Meeres. So wird der ursprünglich p.egestaltige Unterweltsdämon Poseidon 288 ) zum Beherrscher des Meeres und in späterer Ausgestaltung das Roß, seine ursprüngliche Erscheinungsform, das ihm beigegebene Attribut. Jedoch erschien Poseidon nach der Sage noch als Roß und zeugte mit Erdentöchtern Kinder 2ββ). Er hat den Menschen das P. geschenkt, vor seinen Wagen sind Rosse gespannt, die er selbst schirrt. Er hat auch den Zaum und das Reiten erfunden. Auch das schwarze Roß, chthonischen Charakters, das Dietrich von Bern entführt, entsteigt dem Meere 270). Der nordische Wassergott Nennir oder Nikur erscheint am Meeresstrand als schönes, apfelgraues Roß; man erkennt es daran, daß seine Hufe verkehrt stehen, besteigt es einer, so stürzt er sich mit ihm in die Flut. Man kann es aber fangen, zähmen und zur Arbeit abrichten 271 ). Zu Morland in Bahus warf ihm ein verständiger Mann einen Zaum über, daß es nicht entlaufen konnte, und pflügte mit ihm alle seine Äcker; als der Zaum zufällig aufging, sprang der Neck wie ein 52

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Pferd

Feuer in den See und zog die Egge mit sich hinunter 272). Auch deutsche Sagen kennen ein dem Meere entstiegenes P., das den Acker pflügt 27S ), dann aber oft Pflüger und Pflug in den Abgrund schleudert 274). Im schottischen Hochland ist ein p.egestalteter Wassergeist unter dem Namen waterkelpje bekannt; er zieht die Menschen ins Wasser und zerschmettert die Schiffe« 5 ). Der Wassermann birgt die Seelen der Ertrunkenen in umgestülpten Töpfen 27i ) oder in Glasgefäßen 277 ) ; wer lebend in sein Reich hinabsteigen darf, kann ihr Wimmern hören. Hebt er einen der Töpfe auf, so fährt die erlöste Seele rasch empor. Der Nix oder allgemein der Wasserdämon 278) in P.egestalt hat einen hölzernen Unterkiefer oder ein Maul von Holz 279) ; wenn er in Menschengestalt auftritt, so verrät er sich durch P.egewieher, das aus dem Wasser zu kommen scheint280), oder er hat P.efüße 281 ), P.ehufe 282) oder P.eohren und P.ehufe 28S). Weidende P.e verschwinden im Wasser 284) und erscheinen als „Mann mit roter Mütze" 285) (Wassermann). Der Wassermann hat P.e gern und pflegt sie 28e). Daß Wassergeister als P.e erscheinen, berichtet schon Berthold von Regensburg 287 ) und wird in deutschen Landschaften (Schlesien 288), Pommern28»), Westfalen290), Österreich281), Bayern 292)) erzählt; als „Riedroß" in der Schweiz2®3) und Westfalen 2M ). Auch Frankreich2ββ) und England 296 ) kennen Wassergeister in P.egestalt,und die Schweiz personifiziert ein im See hausendes schwarzes P. als Pilatus 287 ).

2 " ) M a l t e n Archäolog. Jahrb. 29 (1914), 209; N e g e l e i n Pferd 70 f. a " ) W o l f Beiträge 2, 306/7. "'») G r i m m Myth. 3, 8 3 1 ; ZfVk. 1 1 (1901), 4 1 8 ; v. d. 'Leyeu Heldensagen (1923), 232. ,n ) E . H . M e y e r Religgesch. § 59. 106; M e y e r Germ. Myth. § 1 4 2 ; G r i m m Myth. 1, 405/6; Landnâmabôk 2, 10; S i m r o c k Myth. 449; N e g e l e i n Pferd 73. 74. a , a ) GrimmMyth.l, 406; W o l f Beiträge 2, 307; W o l f Deutsche Sagen 27S und Märchen (1845), 580. ) K u h n und S c h w a r t z 57. 476. 274 ) G r i m m Myth. 1, 406; R a n k e Sagen 209; F r e i t a g Pferd im Altertum (1900), 48; B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 4 3 ; W o l f Deutsche Sagen und Märchen (1845), 580. m ) G r i m m Myth. 1, 406; 3, 142. a 7 í ) S i m r o c k Mythologie 449. 277 ) L i e b r e c h t Gervasius 150.

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278

) H e y l Tirol 7 1 2 Nr. 23; M e y e r Religgesch. 102; H e l m Religgesch. 1, 206; G r o h m a n n S a j i » 165. 27β ) V e r n a l e k e n Mythen 1 8 5 ! ; G r i m m Myth, ι, 458; K u h n u. S c h w a r t z Nr. 61 u. 476; J ä h n s Roß 1, 3 i 5 f . 280 ) V e r n a l e k e n Mythen 190. 2 β ι ) K ü h n a u Sagen 2, 280. 292. 282 ) Ebd. 2, 303—305. 283 ) Ebd. 2, 304. 284 ) Ebd. 2, 296. 308; P a n z e r Beitrag 2, 9 1 ; ZfVk. 7 (1897), 284; J a h n Pommern 152. 28S ) K ü h n a u Sagen 2 , 3 2 2 . 28e ) Z f V k . 8 (1898), 12. s87 ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 16 f. 288 ) K ü h n a u s. o. 28 *) J a h n Pommern Nr. 175. 179. 187. 196. 2 "°) K u h n Westfalen 1, 344Í. 2 8 1 ) V e r n a l e k e n Mythen 185t. 191. 2 , a ) P a n z e r Beitrag 2, 9 1 ; Q u i t z m a n n 169; S e p p Sagen 368 Nr. 97. 293 ) L ü t o l f Sagen 335. 2 M ) K u h n Westfalen 2, 202 Nr. 5 7 1 . 2 , s ) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 356; M a a ß Mistral 17. 2 " ) LiebrechtGen/asius 133. 2 7 · ) H e r z o g Schweizersagen 1, 1 4 7 ; S e p p Religion 211.

10. P f e r d und Teufel. Das P. als eine Erscheinungsform des Teufels 298 ) erklärt sich durch den oben gegebenen mythologischen Sachverhalt. Die Wodans (Odins)mythe sinkt unter dem negierenden Einfluß des Christentums zur Teufelsmythe herab, Züge beider mischen sich stark. Auffälligerweise bleibt das P. aber in seiner tierdämonologischen Funktion als Toter oder Totenführer erhalten, indem es zum christlichen Haupt der Unterwelt in Beziehung tritt. Der Teufel erscheint in P.egestalt. Solche „Teufelsrosse" kennzeichnet die Volksphantasie in buntester, wahlloser Mannigfaltigkeit: hinkend, dreibeinig 299), zweibeinig im Gefolge der wilden Jagd 300), kopflos, bald Schimmel, bald Rappe, Schecken usw., P.e mit auffälligen Farbzeichen (Fuchs mit drei weißen Füßen, mit Blässe u. v. a. m.), sie haben an den Vorderfüßen keine Narben 301 ). Der Entrückungsgedanke äußert sich als „Höllenritt" 808). In seiner anthropomorphen Erscheinung wird das P. Reittier mit ähnlicher Kennzeichnung (s. o.), oder behält „P.efuß" oder „P.ehuf" als wesentliche Züge bei. Auch die p.efüßigen Bewohner des Puschalkenberges östlich von Alt-Patschkau (Kr. Neiße) werden als Teufel bezeichnet30S). Der Teufel läßt einen Verstorbenen, den er geholt hat, als P. beschlagen3M), oder er läßt wie Wodan Mä ) (oder der „wilde Jäger") sein P. beschlagen, und dieses Motiv wird in

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Pferd

der Volkserzählung vielfältigst abgewandelt »·). Die Hufflecke an den Kniegelenken der P.e, so erklärt der Oberschlesier, rühren von den Bissen des Teufels her, als dieser auf seinem P. den Esel des Herrn Christus nicht einzuholen vermochte 307). Die vom Teufel begünstigten Personen haben die besten P.e M8). ί9β ) S t r a c k e r j a n 2, 139; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 74. 29i ) G r i m m Myth. 2, 704; 3, 254. 30°) G r i m m Myth. 2, 779. 301 ) ZfVk. 1 ff.

Ähnliche Maßnahmen aus späterer Zeit werden vom Leichenbegängnis König Johanns von England 22 ), 1389 von der Bestattung Bertrands Duguesclin, 1378 von der Beisetzung Karl IV. berichtet 23 ). Im Kloster zu Königsfelden wurden 1318 die Rosse der dort beigesetzten Edelleute geschlachtet. Als letzten Nachhall dieses Brauches wird bei der Bestattung Hochadeliger oder von Offizieren berittener Truppen das ledige Roß hinter dem Sarge bis ans Grab mitgeführt 22 ) 23 ). Dieser Brauch findet Belege in der Gegenwart beim Begräbnis des Generalfeldmarschalls Reichspräsidenten von Hindenburg und des Königs Alexander von Serbien (1934). Aber noch 1781 soll in Trier am Grabe des Kavallerie-Generals Friedrich Kasimir ein Pferd getötet und auf den Sarg in die Gruft geworfen sein22). Beim Tode eines Mitgliedes des hessischen Fürstenhauses, dasselbe wird auch von der Beerdigung Friedrich Wilhelm II. von Hohenzollern berichtet, folgt dem Sarg ein schwarzer Geharnischter auf schwarzem Rosse, der sog. Trauerritter. Die Sage weiß, daß dieser binnen Jahresfrist dem Fürsten in den Tod folgt. Nach der Beisetzung des Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen starb der Trauerritter auch wirklich wenige Tage nachher 23 ). Als Teil für das Ganze wird dann mitunter nur der Sattel mit ins Grab gegeben 24). Auf Grund der divinatorischen Kraft des Pferdes und seiner Schnelligkeit wird es zum Träger des Entrückungsgedankens ; es vermag den Menschen, lebendig oder tot, in jene unermeßlichen Fernen zu tragen, in denen der Volksglaube das Paradies vermutet, in märchenhafter Ausdrucksweise den Glasberg o. ä. 2 δ ). Symbolisch hierfür ist die eigenartige Zeremonie, daß ein Kranker oder Sterbender den Schwanz eines Pferdes ergreift, ein Zug, den das nordische Roßopfer, bei dem die beteiligten Priester den Schwanz des Opferpferdes anfassen, erklärt: „Denn die Menschen kannten den Weg zur Himmelswelt nicht, aber das Pferd kannte

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ihn. So nimmt es sie zur Himmelswelt mit" 2e). Übrigens ist diese Stelle ein starker Beleg für die Abschnitt Pferd 3 Sp. 1609 f. erörterte tierdämonologische Funktion des Pferdes mit chthonischer Bedeutung. So bindet man auch den Verstorbenen an den Schweif des Pferdes oder bindet den Toten auf das Pferd und läßt ihn zu Grabe führen 27). Der hl. Stephanus wurde nach seinem Tode an ein Roß gebunden, und man begrub ihn dort, wo das Pferd stehen blieb 28 ). Auch das Zutodeschleifen von verurteilten Verbrechern, indem man sie an den Schweif des Pferdes bindet, scheint in diesen Zusammenhang zu gehören. Das Pferd als Opfertier wird dann durch Tiere von geringerem Wert ersetzt — wo Esel üblich sind, tritt dieser fast gleichwertig neben das Pferd 29 ) — oder wird in bildlicher Form symbolisch dargebracht. So entstehen Gebildbrote mit dem Modelabdruck oder in der Form eines Pferdes, als Neujahrskuchen, Weihnachts- oder O s t e r g e b ä c k e ; z . B . „Springerle" im Schwarzwald zum Pelznickel, am Niederrhein zum Klaszeug, „Kinjêsbrôtchen" auf Rügen, Straßburger „Anisbrötler", Kölner „Spekulatius", Frankfurter „Prenten"; als Zuckerguß erscheint das Roß auf dem „Baumkuchen" oder „Pfefferkuchen" oder als „gebackenes Roß" (Bayern, Tirol, Lüneburg, Schlesien), als Roß und Reiter (Schimmelreiter) auf den Saterländer „Eiserkuchen" 31 ). Weitere rudimentäre Formen des einstmaligen P.s sind die hufeisenförmigen Gebildbrote (Martinshörner u. ä.) 32 ). Wir finden heute die Sitte, Votivpferde aus Holz, Wachs, Metall und anderen Stoffen in bestimmten Kapellen und Kirchen niederzulegen33). Es ist hierbei nicht immer und überall an eine unmittelbare Fortführung des einstmals blutigen Opfers zu denken; sondern sie sind als Weihegaben an den betreffenden Heiligen aufzufassen, dem sie dargebracht werden, um Gesundheit und Vermehrung des Viehstands der betreffenden Gattung zu erreichen. Zahlreiche Abbildungen bei Andree, Votive Tafel X X V - X X V I I . G r i m m Myth. 1, 38; 2. 26. *) S c h ö n f e l d

1675

Píerdeorakel—Pferdesegen

1676

im Dienste des Isländers zur Saga-Zeit storbenen in die Wüste und nennt das 1900; Heyne Hausaltertümer 2, 171; Simrock Pferd verwaist 3 ). Plinius nennt Leute Mythologie 207. 507. 509; M e y e r Germ. Myth. 107; Höfler Weihnacht 14; Wuttke 239 § 423; aus Indien mit Hundeköpfen und PferdeDie Silene der antiken T a c i t u s Ann. 1, 61; J a h n Opfergebräuche 66. schweifen 4 ). 103. 120. 122. 133. 137. 139. 238. 261. 267. 318. niederen Mythologie werden oft mit P . 325f.; Meyer Religgesch. 189; Mannhardt dargestellt s ). Götter 148; Q u i t z m a n n 236f. 3 ) Kegelein Im Orient schützt ein P. die Pferde ·). Pferd 134; H ö f l e r Organotherapie 106; A R w . 8, 204. 207. 211. 212; 10, 56; Nilsson Griech. Der Roßschweif war ein Zierstück der Feste 72. 489; S t e n g e l Opfergebräuche 236. Kopfbedeckung von besonderer Aus4 ) ARw. 8, 207; Höfler Organotherapie 106. zeichnung beim türkischen Pascha 7 ) und ' ) G r i m m Myth. 2, 553; N i l s s o n Griech. Feste verband hiermit gewiß apotropäische Be445. · ) H i l l e b r a n d t Vedische Mythologie 2 deutung. Der Schweif dient — analog (1929). 3 9 ï ; G r i m m Myth. 3, 189; C r o o k e Northern India 319. 7 ) H ö f l e r Organotherapie seiner Bestimmung am Tierkörper — 92. 106; Wolf Beiträge 1, 265. 747; ZfdMyth. dazu, Parasiten zu vertreiben; in ihnen 7a) 2 (1854), 264. 265; S e p p Religion 267. 8) Grimm Myth. 2, 553. ·) Liebrecht Zur sah man nicht mit Unrecht KrankheitsVolksk. 295. 10) J ä h n s Roß 1, 436; Negelein erreger, böse Geister, Dämonen 8). Pferd 146. u ) Höfler Weihnacht 63. 12 ) Sepp Verbannte, die sich beim Einritt des Religion 265. 266. l a ) G r i m m Myth. 1, 37. Bischofs an Zaum, Sattel oder an das 1 5 " ) E b d . I, 37. ) L i p p e r t Christentum 460; ZfdMyth. 1853,202; Wuttke 2795439; Selig- Pferd hielten, durften in die Stadt. Noch im Dreißigjährigen Krieg, wenn eine mann Blick ι, 282. 1β ) Thiele Folkesagn 1, 136. 137; Grimm Myth. 2, 956; L i p p e r t Stadt im Sturm genommen wurde, ließen Christentum 459; S e p p Religion 265; P a n z e r die Soldaten den, der sich losgekauft Beitrag 1, 342. " ) E c k a r t Südhannov. Sagen 171. l e ) Rochholz Sagen 2, 25. 1 ·) Kossinna hatte, den Schweif oder die Bügel des Pferdes anfassen, und so war er sicher 9 ). Die deutsche Vorgeschichte, M a n n u s - B i b l . N r . 9, (1925), 197. 2 0 ) T a c i t u s Germania 27. 2 1 ) W e i n Den Schwanz eines Pferdes, das ein h o l d Totenbestattung 29. 35. 47. 49. 64. 79. 89 verzaubertes Mädchen war, behält der 98. 100. 102. i n . 114. 120. 132. 144; Grimm Satan als einziges Stück seines befreiten RA. I, 504; Negelein Pferd 149. 22) S e p p 23) Religion 267. S c h w e b e l Tod u. ewiges Opfers in der Hand 1 0 ). Leben 117. 24) Höfler Weihnacht 63. 25) NegeEine Erzählung von einem gespenstilein ZfVk. i l (1901), 407; ZfVk. 13 (1903), 370. , e ) ZfVk. i l (1901), 406; man vgl. auch ZfVk. schem Pferd mit einem Strohschwanz 1 1 ). 12 (1902), 379. 2 7 ) R o c h h o l z Glaube 1, 163. Ein mit P.haaren bespannter Bogen dient » ) J ä h n s Roß u. Reiter 1, 390. 29) MschlesVk. als Streichwerkzeug für den „Rummelpott" 15 (1906), 140. 3 0 ) H ö f 1er Fastengebäche 6 1 ; ders. Ostergebäche 67; Kuhn u. Schwartz 406. oder schles. „die Rumpel"; vgl. Frage 35 des Atlas der deutschen Volkskunde M ). 518; BayerHefte 1 (1914), I45f.; R e u t e r s k i ö l d 31) Speisesakr. 118. Z f V k . 12 (1902), 199; *) Negelein Pferd 122 Anm. 1; J ä h n s Pferd

3 (1893), 272; H ö f l e r Weihnacht 62.

32

) Höfler

Weihnacht 63. 33) H o v o r k a - K r o n f e l d i, 340; Andree Votive 152t. Stellér.

Pferdeorakel s. Sp. 1619 f.

Pferderennen s. Pferdeumritte 2, Sp. 1682.

Pferdeschwanz.

Der Schweif des Pferdes wird (wie auch die Mähne) mit Gold- und Silberfäden und Bändern, ja mit Juwelen geschmückt 1 ). Pferdehaare finden sich in Gräbern 2 ) ; bei asiatischen Völkerschaften ist die Spende eines Pferdehaares oder -schweifes als Opfer eine weit verbreitete Sitte 8 ). Bei den chinesischen KaisakKirgisen wirft man den abgeschnittenen Schweif des Lieblingspferdes des Ver-

Roß u. Reiter

1, 420; G r i m m Myth.

S c h l i e b e n Pferde des Altertums 68.

h o l d Die heidnische

2

Totenbestattung in

2, 548;

) Wein-

Deutsch-

land (Wien 1859) 64; N e g e l e i n Pferd 149.

) Negelein Pferd 157. *) Plinius nat. hist. 6, 2; erwähnt bei Meyer Aberglaube 28; Negelein Pferd 81. ') Negelein Pferd 79. ·) Seligmann Blick 2, 130. ') Kronfeld Krieg 45; Sitten, Gebräuche u. Narrheiten 252f. e) Negelein Pferd 9. *) Grimm RA. 1, 368f.;

s

ZfVk. i l (1901), 407. l 0 ) R a n k e Sagen 260. ll) 2. Aufl. 265/6. ZfVk. i l (1901), 339.

u

) MschlesVkde 33 (1933), 239.

Steller.

P f e r d e s e g e n *). S. auch (Krankheitssegen) Landwirtschaftl. Segen (§ 2), Merseburgersprüche ( § 3 ) , Mord-, Sünder-, Trierer-, Tritt-Segen, Ungerechter Mann, Verfangen, Verrenkung, Wurmsegen (Mehrere der P. sind auch für andere

1677

Pierdesegen

Haustiere oder für Menschen verwendbar). ι. Die ältesten T e x t e . Aus älterer Zeit, besonders vor 1200, sind recht viele, meist epische, deutsche (und lateinische) Texte überliefert, die verschiedene Leiden der Pferde heilen wollen. Wir verzeichnen die uns bekannten Texte deutscher Sprache oder deutschen Sprachgebiets vor ca. 1400 (Beschwörung ohne epische Form). L a t e i n i s c h e . 9. Jh. „Hercules et Iuno" 2 ). „Dum venirem de oriente, vidi caballum morientem" 3 ). 10. Jh. „Christus in ponte" 4) (s. Petrus in den Segen 4 und Wurmsegen). „Petrus, Michael et Stephanus" 5 ) (s. Verfangen). — D e u t s c h e . 10. Jh. „Phol ende Uuodan" (2. Merseburger Spruch). „Quam Krist endi see Stephan" (Trierer Segen). „Vise flot aftar uuatare" e ). 12. Jh. „ J o han vuas ein man, Fares (?) sin sun" (vgl. 1. Mosis Cap. 38, Johan für Judas gesetzt??) und „Christ w a r d an erthe geboren, in cribbi giworfen" 7 ). „Man gieng after wege" 8 ) (s. Verfangen). „Marhphar" (dunkel) 9 ). Auch „Ih besueren dich uberbein" 10 ) (insofern hier ein Pferdeleiden). 13. Jh. „Christ uuart geboran" u ) . 14. Jh. „Sint Agrias zat" 1 2 ). „Petrus sprich zu dir" 1 3 ) (vgl. Verfangen). — Inhaltlich läßt eine bedeutende Gruppe obiger Segen den (hl.) Besitzer des Pferdes dem hl. Helfer begegnen oder ihn begleiten, und seinen Rat empfangen ; entweder ist das Tier von vornherein leidend (Typus „Man gieng"), oder der Unfall tritt erst nachher ein (Typus „Quam Krist"). Literatur MSD. 2, 302ff. (alte Texte); B a r t s c h Die altdeutschen Hschr. der UB in Heidelberg 52ft. (Texte 15. Jh.); Hälsig Zauberspruch 59 ff. mit recht vielen Hina weisen. ) Heim Incantamenta 557 (S. Gallen). s ) Ebd. 555. 4) Germania 25, 70. ') G r i m m Myth. 3, 494 Nr. VI. «) MSD. 1, 17 Nr. 4. Kommentar ebd. 2, 49f.; S t e i n m e y e r 372; Ohrt Vrid og Blod 62. ') Diese beiden MSD. 2. 303f.; S t e i n m e y e r 3 7 0 ! ; letzterer Segen auch im 13. Jh. ( S t e i n m e y e r 371) und im 15. Jh. (ZfVk. 26, 199 Nr. 8) vertreten. 8 ) ZfdA. 23, 437; MSD. 2, 303. ») MSD. 2, 302f.; Deutungsversuche auch v. G r i e n b e r g e r P B B . 45, 413IÏ.; R o e t h e SitzBerl. 1915, 28off. 10 ) MSD. 2, 304Í. 1 1 ) S t e i n m e y e r 371 vgl. oben Anm. 7. " ) MSD. 2, 303. 1 3 ) MschlesVk. Heft 18, 12.

I678

2. S p ä t e r e T e x t e . a) D a s böse W e i b . „Stück von de Matt, Stück von de Katt, Stück von 'n bösen Wiv, Wehdag, gah ut 't L i v " . Auch z . B . : „Ene Matt un en ull Krack un en ull Wif, det nimmt dat Pird de Wehdach ut dat L i f " . Ein solcher Segen, eigentlich für Kolik überhaupt, gewöhnlich aber für Pferdekolik, auch Verfangensein, verwendet, ist in Norddeutschland beliebt 14 ). Zwei Varianten nennen neben dem Weibe „en brave Mann", „Stück von gauden Mann". Ein Segen desselben Inhalts ist teils in Irland, teils in Calabrien und auf Sizilien bekannt. Irisch: „Ein freundlicher Mann bei einem bösen Weib, der Sohn Gottes in Stroh liegend, wende diesen Zauber (?) auf dein Übel a n " usw. 1 S ). Italienisch in breiterer epischer Form 1 β ). Die Grundlage ist eine (in Deutschland in dieser Gestaltung sonst nicht bezeugte ?) Legende, deren italienische Form erzählt: der Heiland oder S. Blasius geht in ein Haus, die Hausfrau versagt, der Mann gewährt die Aufnahme; auf Stroh gebettet wird der Heilige nachts von der Frau verunglimpft, sie aber durch Leibweh bestraft, bis er eben diesen Segen (I) über ihr liest 1 7 ). — Augenscheinlich haben die norddeutschen Besegner den Sinn des Spruches durchgehends nicht mehr verstanden; an „Matt" und „Sack', (das Stroh der Legende) wurden willkürlich Reimwörter geknüpft (Katt, Latt, Wratt, Dack, Hack); das böse Weib ist sehr oft in ein altes („olle") korrigiert. „ S t ü c k " wurde auch an das Weib gehängt ; die älteste derartige, doch recht abweiweichende Aufzeichnung, J . 1668, hat: „ E i n Paltenstück, ein Bohnenschof, ein Mollenschart und ein gutwillig Weib, damit böte ich dem Pferd die Würmer aus dem L e i b " 1 8 ) , hier Einfluß eines „rituellen" Segens (vgl. Koliksegen § 3)? Übrigens ist eine verwandte Legende von einem bösen Manne und guten Weibe in Deutschland bekannt 19 ). Oder bedeutete „Stück" in der gewöhnlichen Segensform ursprünglich Erzählung? Eine ähnliche Beschwörung und Legende kennt man im Böhmerwald, z. B . „Augstall (Blähen) vergeh; der Herr unter dem

1679

Pferdestall—Pferdetag

Wagen (entspr. dem Stroh) hats geschafft"; das W e i b fehlt hier und laut der böhmischen Legendenform erkrankte das V i e h der bösen Leute 2 0 ). M ) Die Heimat 19, 226 (erster oben zitierter T e x t ) ; M ü l l e n h o f f Sagen 512 Nr. 14; K u h n u. S c h w a r t z 451; B a r t s c h Mecklenburg 2, 37of. Nr. 1733; 2, 445 Nr. 2045; Z f V k . 7, 291 Nr. 2; 8, 393; J a h n Hexenwahn 104. 116 (oben zitiert); BlpommVk. 9, 143. 1S ) Z f V k . 6, 91. l e ) P i t r è Bibbi, d. tradizioni popolari Siciliane 19, 364. " ) Wesentl. nach P i t r è ebd., vgl. Z f V k . 6, 91 Anm. 3 (vgl. B o l t e - P o l i v k a 2, 2 i o f . 218). » ) Z f V k . 8, 393. " ) ZfdMyth. 1, 471 f. »·) Z f V k . I, 2I2f.

b. V e r e i n z e l t e S e g e n . Epische, z. T. nach dem alten Schema „Man gieng after wege" (s. Verfangen) 2 1 ). — Reich an epischen P. (für Kolik) ist bes. die neuere schwedische Überlieferung 2 2 ) aus Smaland, gewöhnlich mit Kuranweisung schließend (vgl. Segen § 5 Begegnung a) ; oft finden sich hier Götternamen, Odin u. a. (hierüber Segen § 14). — Deutsche B e s p r e c h u n g e n haben teils biblische Motive — z.B. beim Verlieren eines Hufeisens „ I c h gebüt dir huf und horn, das du als lutzel zerbrechist, als got der herr die wort zerbrach, do er himel und erd beschuf" 2 3 ) — , teils beziehen sie sich auf einen Ritus 2 4 ). " ) Alemannia 26, 72 (16. J h . ? ) ; E b e r m a n n Blutsegen 13 Siebenbürgen; vgl. schwedisch E . W i g s t r ö m Folkdiktning 2, 397. SJ ) Z. B. H y l t é n - C a v a l l i u s Wärend och Wirdarne 211. 237; Meddelanden frán Nordiska Museet 1897, 4 7 ! 23) M o n e s Anzeiger 3, 287 Nr. 32 (15. Jh.). — B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 460 (15. Jh.); Alemannia 27, 106 (16. Jh.); A n d r e e Braunschweig 426; B a r t s c h Mecklenburg 2, 14 (16. Jh., teuflisch). 24) Alemannia 27, 103 (16. Jh.) ; K u h n Westfalen 2, 215 Nr. 612. Ohrt.

Pferdestall. Man sucht schädliche Einflüsse, verursacht durch Kräfte zauberischer oder dämonischer Wirkung vom P . fernzuhalten 1 ). Hierzu dient die Besegnung des P.s 2 ), oder man befestigt in den Ställen und über den Krippen geweihte Palmen und Kräuter von Mariä Himmelfahrt 3 ). Auch werden Räucherungen der Ställe (wie der Wohnungen) am Epiphaniastage vorgenommen 8 ). Um Pferde an den Stall zu gewöhnen und gegen „ H e x e n " zu schützen, muß das Pferd Zauberkräftiges überschreiten, das

l680

unter die Schwelle des P.es gelegt wird. Beim Pferdekauf und der Uberführung in einen anderen Stall soll man den alten Halfter mitnehmen, auch sonst mancherlei beachten 4 ). A n Schutzmaßnahmen werden noch genannt das Zeichen C. M. B . (s. Bd. 2 Sp. 1), die Befestigung von Hufeisen (s. d.) am P., eines Pferdehufes (s. d.) über der Stalltür, das Vergraben eines Pferdeschädels (s. Pferdekopf) im Stall. Ein Totenkopf, den man vom Kirchhof h o l t s ) , im P. vergraben, bringt den Pferden Gedeihen 4 ). Häufig ist die Angabe, daß ein schwarzer B o c k 7 ) (in Schlesien ein weißer Ziegenbock 8)) oder eine schwarze K a t z e e ) im P. gehalten werden soll. Man soll Freitags den P. nicht ausmisten 10 ). Verschiedene Sagen erzählen von Zwergen· oder Hollenwohnungen unter P.en; die Zwerge erweisen sich in einem Teil solcher Erzählungen als Pfleger der Pferde, zum anderen als bösartige Schädiger 1 1 ). Wenn du ein dem stallschützenden Geiste der Haarfarbe nach nicht gefälliges Roß kaufst, wird dies Roß nicht lange leben 1 2 ). Im Zusammenhang mit der Prophezeihung einer großen Schlacht wird von der S. Leodegars-Kirche zu Luzern gesagt, daß sie drei Tage lang einen P. abgeben wird, doch am künftigen Sonntag darauf wird wieder das Salve regina darin gesungen werden 1 3 ). *) B a r t s c h Mecklenburg 2, 228; S a r t o r i a) M e y e r Sitte 3, 51 Anm. 13. Baden 396. F r a n z Benediktionen 2, 133. ') M e y e r Baden s 398. ) Z f V k . 24 (1914), 61. «) G r i m m Mythologie 3, 463 Nr. 815. ') E b e r h a r d t Landwirtschaft 13; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 32 Nr. 13; S c h m i t t Hetlingen 15; V e r n a l e k e n Alpensagen 414. 8) Urquell 3, 108. ») F o g e l Pennsylvania 162 Nr. 766. 10 ) F o g e l Pennsylvania 162 Nr. 767. " ) R a n k e Sagen 1 4 4 I ; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 118 Nr. 142, 2. 124 Nr. 146, 2; S c h e l l Bergische Sagen 269 Nr. 28; K u h n Westfalen 1, 194 Nr. 214. u ) Urquell 4 (1893), 1S ) 144. S A V k . 19, 213. Steiler. 3)

Pferdetag oder Pferdstag ist S. Stephanstag, auch „der große P . " oder die Haferweihe genannt. Man bringt an diesem Tage den Pferden geweihtes Futter, tummelt sie im schnellsten Lauf auf

ϊ68ι

Pferdeumritte

den Feldern, bis sie über und über schwitzen, reitet zur Schmiede und läßt sie zur Ader, damit sie das ganze Jahr über gesund bleiben; das Blut wird als bewährtes Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten aufbewahrt 1 ). Daß der Aderlaß gründlich vorgenommen wurde, besagt die Stelle aus dem „Simplicissimus" (1680), wo es bei der Schilderung eines argen Blutbades heißt: ,,es sah aus, wie vor eines Schmids Notstall an S. Stefanstage" 2 ). Der Ritt konnte auch ein feierlicher Ritt zum Gotteshaus oder um die Kirche sein; hiermit verband sich die Segnung der Pferde durch den Priester. Außer S. Stephan als Pferdepatron kennt man noch zahlreiche andere Pferdeheilige (s. d.) und demnach zahlreiche P.e. Wettreiten, Umritte, Segnungen und die anderen hierbei vorgenommenen Prozeduren haben den Zweck, die Pferde vor Krankheit und Unfällen oder wie es heißt „vor den Hexen" 3) zu schützen. S. auch Pferdeheilige, Pferdeumritte, Pferdeweihe. 1) J a h n Opfergebräuche 264; L i e b r e c h t Gervasius 55; S i m r o c k Myth. 561; W o l f Beiträge ι, 125; H ö f l e r Weihnacht 72; M a n n h a r d t i , 402f.; J ä h n s Roß 1, 387—389; M o n t a n a s Volksfeste 16; N e g e l e i n Pferd 140; B a r g h e e r Eingeweide 379Í.; L ü t o l f Sagen I04f. 336. a ) J ä h n s Roß I, 388. 3) W o l f Beiträge 406; W u t t k e 69 § 78. SteUer.

Pferdeumritte. 1. An den Tagen der Pferdeheiligen (s. d.), sowie zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten und Silvester finden Umritte und Umzüge zu Pferde s t a t t ; von ihnen erhofft man Schutz für die Gesundheit und das Gedeihen der Pferde. Die P. sind zumeist mit der Pferdesegnung (s. Pferde weihe) verknüpft, doch können die Umritte auch allein stattfinden 2). Gewöhnlich wird die Kultstätte, d. h. die Kirche oder Kapelle des betreffenden Heiligen dreimal umritten s ). Abweichungen liegen darin, ob der Umritt vor oder nach der Messe und Pferdesegnung gehalten wird. Ferner liegen Unterschiede darin, ob der Umritt in Form eines Wettreitens oder als feierlicher Umritt, als Prozession *), vor sich geht. Besondere Tracht und Mitführung von

1682

kirchlichen Insignien (Fahnen, Kreuz), Blumenschmuck sind oft üblich. Eine allgemeine Schilderung gibt Felix Dahn 8 ). Einzelheiten der örtlich verschiedenen Fahrten und Ritte bei Andree e ). Die P. wechseln in ihrem Charakter; einst brachte man kranke Pferde, die man unter Gebet um die Kirche ritt oder führte und der Segnung des Priesters darstellte zum Zwecke der Genesung; heute stellt man die besten Tiere prunkend und prahlend zur Schau; es ist ein „weltliches Spektakelstück" geworden 7 ), bei dem oftmals der theatralische Aufzug jegliche ursprüngliche innere Anteilnahme verdrängt hat. Von diesen Umritten zu Pferde zu unterscheiden und doch in der Ausführung zumeist mit ihnen zusammenhängend, sind die P. um die Fluren und Saaten (vgl. auch „Flurumgang" Bd. 2, 1677 und „Saatenreiten"). 2. Solche P. konnten zu P f e r d e r e n n e n ausarten 8), sei es daß der Ritt zur Kirche oder um die Kirche oder Kapelle zu einem Wettreiten gestaltet wurde, oder daß sich an die Segnung ein Pferderennen anschloß. Mitunter erhalten die schnellsten Pferde Preise 8). In Schweden ist das Stefansjagen ein Wettritt nach einer fremden Tränke 10). Der Brauch des Pferderennens wurde dann nicht nur an den Pferdetagen (s. d.) veranstaltet, sondern auch an den Kirchweihfesten überhaupt und zu anderen festlichen Zeiten wie Fastnacht, 1. Mai, Ostern, Pfingsten, Weihnachten u ) . Dem Vorgang liegt der Sinn eines Analogiezaubers zugrunde 12 ). 3. Man reitet die Pferde an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten ins Wasser, damit sie gesund bleiben; z . B . am ι . Mai, Karfreitag vor Sonnenaufgang, in der Osternacht 13 ), Fastnacht M ). Neckel verweist im Zusammenhang mit den bayrischen Leonhardi- und Georgiritten und den schwedischen „Staffansritten" auf Umritte von kultischer Bedeutung, die uns aus heidnisch-germanischer Zeit überliefert sind 16 ). Einen Umritt um ein Heiligtum, den disarsalr, bei dem der

1683

Pferdeweihe—Pfingsten

Schwedenkönig Adils durch einen Sturz vom Roß seinen Tod findet — der Umritt scheint also in raschem Lauf .Wettreiten ( ? ), vor sich gegangen zu sein —, berichtet die Ynglingasaga 1 6 ) ; kultische Umritte beim Leichenbegängnis hoher Personen bezeugen J o r d a n e s (Getica Kap. 49) und B e o w u l f (Vers 3138 f.). F r a n z Benediktionen 2 , 1 3 2 ; M a n n h a r d t i , 397Í. 402f.; S i m r o c k Mythologie 631; W u t t k e Sachs. Volksk. 286; J ä h n s Roß 1 , 388f.; S a r t o r i Sitte ». Brauch 3, 5 1 . 169. 2 1 6 Anm. 1 1 0 u. i n . 273; A n d r e e Votive 5 3 f l . Hier werden im einzelnen örtliche Unterschiede ausführlich behandelt; P o l l i n g e r Landshut 1 9 1 . 199. 225; B r o n n e r Sitt' u. Art 2 3 4 ! ; K u h n Westfalen 2, 1 0 1 Nr. 3 1 3 ; R o c h h o l z 2 Naturmythen 19. ) A n d r e e Votive 53. 57; 3 ) A n d r e e Votive 5 3 f . ; R e i s e r Allgäu 2, 1 7 5 ! ; H ü s e r Beiträge 2, 27; B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 27; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 , 324 Nr. 5 ; Q u i t z m a n n Baiwaren 239. 4 ) A n d r e e Votive 53Í. ; R o c h h o l z Naturmythen 22; A l b e r s Das Jahr 229. 5 ) B a v a r i a 1 , 384. Zitiert auch bei A n d r e e Votive 53. ·) A n d r e e Votive 5 3 f f . ' ) E b d . 54f. ' ) MschlesVk. 1 3 (1905), 1 1 3 ; D r e c h s l e r 1 , 126. 128. ·) J ä h n s Roß i , 388. " ) E b d . I, 389. " ) W u t t k e Sachs. Volksk. 286. 288; Pollinger Landshut 226; M a n n h a r d t I , 397; B a v a r i a 1 , 998; S a r t o r i Sitte 2, 165 Anm. 75; 3, 52; B r o n n e r Sitt' u. Art 2 3 3 ; D r e c h s l e r 107. 1 2 6 ; Z f V k . 3 (1893), 20. la ) A n d r e e Votive 64; A R w . 1 1 , i 5 o f . " ) S t r a k k e r j a n 2, 78; E b e r h a r d t Landwirtschaft 14 Nr. 3 ; A n d r e e Braunschweig 338; B i r l i n g e r Schwaben i , 385; D r e c h s l e r 2, 1 1 2 ; M e y e r Baden 506; M a n n h a r d t 1 , 398; W i t z s c h e l Thüringen 2, 1 9 7 ; S a r t o r i Sitte 3, 152. 164 Anm. 74. 1 4 ) S a r t o r i Sitte 3, 96 Anm. 22. ls ) N e c k e l Uber das kultische Reiten in Germanien. In „ G e r m a n i e n " (Leipzig 1933) H e f t ι , 7; H i n d r i n g e r Weiheroß und Roßweihe. Leipzig 1933. l e ) Heimskringla, her. von Finnus Jónsson. Kopenhagen 1893—1900 1 , 5 6 f . ; T h ü l e 14, s8f. SteUer.

Pferdeweihe. An den den Pferdeheiligen (s. d.) geweihten Tagen finden Wallfahrten nach ihren Kultstätten mit S e g n u n g e n der Pferde statt Außer den Pferden wird auch das Futter gesegnet, dazu Brot und Salz 2 ), oder Wasser und Salz 8 ), die dann bei den Umritten auf die Fluren (s. Pferdeumritte) verstreut werden 2 ). Die Segnung durch den Priester findet entweder vor dem dreimaligen, um die Kirche oder die K a pelle ausgeführten Umritt statt, oder dieser schließt sich an sie an. Die allgemeinen

Züge einer noch nicht ins weltliche ausgearteten Leonhardi-Feier gibt Pollinger *) :

Nachmittags ist in der Pfarrkirche Andacht vor ausgesetztem Allerheiligsten. Während derselben ist allgemeiner Umritt mit Pferden um die Kirche. Gegen Ende der Andacht werden die Pferde in einer Front an der Kirchenmauer aufgestellt, und vor den Pferden wird ein kleiner Altar errichtet. Nach der Andacht ist feierliche Prozession mit dem Allerheiligsten um die Kirche. Vor dem Altar angelangt, macht die Prozession Halt, und es findet die kirchliche S e g n u n g der Pferde statt. Nach diesem kirchlichen Akte versammelt sich jung und alt auf dem Dorfplatz.

Oftmals verbindet sich — wie auch hier —ein Pferde (wett)rennen (s. Pferdeumritte 2) mit der P. Den Zusammenhang zwischen dem heidnisch-germanischen Roßkult und der christlichen Roßsegnung behandelt neuerdings Prälat Hindringer 5 ).

F r a n z Benediktionen 2, 130 Anm. 7. 1 3 3 ; B r o n n e r Sitt' u. Art 2 3 3 ; S a r t o r i 2, 1 3 5 ; 3, 87. 169. 240. 273; J o h n Westböhmen 2 1 3 ; W o l f Beiträge 2, 91 f . 406; K u h n Westfalen 2, 1 0 1 Nr. 3 1 3 ; S i m r o c k Mythologie 6 3 1 ; D r e c h s l e r ι , 43; B a y H f t e 8 (1921), 5 ; J ä h n s Roß 1, 388; Globus 97, 1 3 3 f . ; M e y e r Germ. Myth. 227 § 309; P o l l i n g e r Landshut 1 9 1 . 199. 225; R e i s e r Allgäu 2, 175. 2 ) J ä h n s Roß 1, 388. 3 389; H ö f l e r Das Jahr 39. ) Pollinger Landshut 199. *) E b d a . 225. 6 ) H i n d r i n g e r Weiheroß u. Roßweihe. Leipzig 1933. Steller.

Pfingstbraut s. 5, 1525. Pfingstbutz s. Sp. 1690. Pfingsten. I. Veranschaulichung der Herabkunft des h. Geistes. Arbeitsruhe. — 2. Glücks- und Unglückszeit. Geister und Hexen. Abwehrmittel. — 3. Pflege der abgeschiedenen Seelen. — 4. Reinigungen. Maien. Kampf zwischen Sommer und Winter. Fruchtbarkeitsbräuche. Sorge f ü r Garten und Feld. Gesundheitszauber f ü r Menschen und Vieh. — 5. Hirtenfestzeit. — 6. Loszeit.

i . P. ist im christlichen Kirchenjahre der Schlußpunkt eines zusammengehörenden Zeitraumes, der mit Ostern beginnt und 50 Tage umfaßt 1 ). Die Kirche feiert die Ausgießung des h. Geistes über die Apostel und Jünger 2 ) und damit den Geburtstag der ersten Christengemeinde 3 ). Früher war es in manchen Gegenden z. B . in Sizilien üblich, Rosen von der Decke der Kirche herabfallen zu lassen,

1685

Pfingsten

um das Pfingstwunder zu veranschaulichen 4 ). In Deutschland schwebte bis in die neueste Zeit der h. Geist in Gestalt einer lebenden oder hölzernen Taube an einem Seil vom Chor oder der Kirchendecke hernieder 6 ). Wohin der Vogel, wenn er nicht mehr schaukelte oder sich drehte, blickte, von daher, hieß es in Tannheim, werde man die erste Leiche tragen e ). In Augsburg kam neben der Figur des h. Geistes auch Zucker- und Backwerk herab 7 ). In Schwyz bringt während der Pfingst woche der Küster den „Heiliggeist" in Form eines großen Kreuzes in die Häuser. Das Haus wird durchräuchert, damit der Geist darin Wohnung nehme 8 ). Zu gleichem Zwecke muß man in Oldenburg am Pfingstfest die Haustür lange offen stehen lassen9). Die Russen füllen die Kirchen mit Ahornzweigen an; der Geist soll über diese herabfahren 10 ). Ähnlich wird in Totzau bei Karlsbad die Wohnung mit Zweigen geschmückt, damit der h. Geist ausruhen kann 1 1 ). Am Pfingstsamstag nachmittags soll man nicht auf das Feld gehen, behaupten die Bauern am Isonzo, denn man verscheucht sonst den h. Geist, der sich über die Felder ergießen will 1 2 ). Im Ybbstal in Niederösterreich steigt man am Pfingstmorgen auf die Berge, um den h. Geist anzurufen. Man nennt das „Heiligen-Geist-Fangen" 1S ). Die Stöckerer — so spottet man in Windischgarsten — standen einst am Pfingsttage sehr früh auf, um den h. Geist zu fangen, der vor Sonnenaufgang umflöge w ) . Das „Zungenreden" hat sich in der „Pfingstbewegung" neuerer Zeiten gelegentlich seltsam bemerkbar gemacht 15 ). In älteren Zeiten waren in der ganzen Woche nach P. die knechtlichen Arbeiten verboten 1β ). Es ist wohl noch ein Nachklang davon, wenn an der Nahe und Blies auch noch am Mittwoch nach P. niemand im Felde arbeiten darf. Pflügt man an diesem Tage oder arbeitet man in einer Wiese, so wird alles voll Maden 1 7 ). Die Russen halten es für Sünde, am 10. Mai oder am Pfingstmontag zu graben oder zu pflügen; dann hat die Erde Namenstag 18 ). Im Erzgebirge soll man am 1. Pfingsttage

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auch nicht mähen, sonst sind alle gegen ein Gewitter angewandten Schutzmittel umsonst 19 ). Nackte Tänzer, die den Pfingsttag entheiligt haben, sind in Stein verwandelt worden 20 ). K e l l n e r Heortologie 84. 2 ) Apostelgesch. cap. 2. a) S c h m i d t Geburtstag 130. 4) K e l l ner 88. Die Gläubigen nehmen diese Blumen mit nach Hause und benutzen sie als Zaubermittel gegen Feuer, Motten und Holzwürmer: T r e d e Heidentum 4, 370. 5 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 216; H o f f m a n n - K r a y e r i 6 i f . ; SchwVk. Ii, 43. 55; G e r a m b Brauchtum 44; W ü s t e f e l d Eichsfeld ggf. ·) R e i s e r Allgäu 2, 141. ') B i r l i n g e r A. Schwaben 2, 182. Auch in Obersteier: G e r a m b 44. 8 ) Köln. Volkszeitung v. 7. Juni 1908. ·) W u t t k e 78 (90). l0 ) ZfVk. Ii, 436. n ) J o h n Westböhmen 76. 12 )ZföVk.4(1898), 149. 1 3 )Geramb44. " ) B a u m g a r t e n Jahr 26 (Oberösterreich). 1 5 ) G ü n t e r t Göttersprache 30. " ) K e l l n e r Heortologie 88. 17 18 ) ZfrwVk. 2, 145. ) Zelenin Russische Volkshunde 397. 19 ) J o h n Erzgebirge 27. *0) K u h n Mark. Sag. 251 f. (236).

2. Die 50 Tage von Ostern bis P. galten der Kirche von altersher als F r e u d e n zeit 2 1 ). Der erste Pfingsttag ist ein besonderer G l ü c k s t a g 2 2 ) , die an ihm Geborenen sind Glückskinder 23 ). Wer in der Zeit von Ostern bis P. stirbt, muß in seinem Leben gut gewesen sein. In dieser Zeit stehen alle Tore zum Himmel offen, das Höllentor aber ist verschlossen. Die Seele fliegt mühelos in den Himmel. Man kann sie aber auch während dieser Zeit um sich haben, wenn man ihr in der Osternacht Wasser auf die Schwelle stellt (Romänen im Harbachtale) 24 ). Dagegen gilt in Hofen (Aalen) die Woche vor P. (Schwarzwoche) als U n g l ü c k s w o c h e für Heiraten 25 ), und bei den Siebenbürger Sachsen darf man zwischen Ostern und P. nicht heiraten und nicht das Quartier wechseln 26 ). An der oberen Mühle bei Thale ertrinkt jedesmal zu P. ein Kind, wenn nicht ein Huhn, ein Hund oder eine Katze in die Bode geworfen wird 2 7 ). G e i s t e r und S p u k e r s c h e i n u n g e n werden sichtbar. Am Pfingstsonntag geht die wilde Jagd um 2 8 ). Auf der Feste Koburg zeigt sich in der Frühe des Pfingsttages ein dreijähriges Kind mit blutigen Schläfen im weißen Hemde, mit einem Zweige weißer Holunderblüten: wenn ein Mädchen es er-

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blickt, bekommt es dieses Jahr keinen Mann 29 ). In einer Schloßruine bei Laufen läßt sich das ,,Schioßweible" allemal in der Zeit nach P. einen ganzen Monat lang nachts von 12—3 Uhr hören 30). Die Schatzjungfrau kann P. um die Mitternachtsstunde erlöst werden 31 ). Die Schatzblume blüht in den Pfingstnächten 32 ), der Schatz zeigt sich 33 ), ein Schatzsucher wird im Innern des Berges von Zwergen getötet 34 ). Am Pfingstsonntag gewinnt man den Spiegel, in dem man den Ort des vergrabenen Schatzes erblickt 35 ) ; Schatzhüter kommen hervor, so daß man von ihren Schätzen nehmen kann 36 ). Die versunkene Stadt steigt aus dem See 37 ), und Glocken läuten im Wasser oder kommen empor 38 ). Ein weißer Kahn mit Insassen wird in der Pfingstnacht auf dem Teich in Schöller sichtbar 3 ®). Das kochende Wasser aus einem versunkenen Hause hört man noch immer am Pfingstmontage 40). Bei den Balkanvölkern ist der Name des römischen Rosenfestes, Rosalia, zur Bezeichnung des Pfingstfestes verwandt worden und hat sich in den Namen böser Geister umgewandelt In Weißrußland wohnen die Rusalky inmitten der Flußgewässer. Am Pfingstmontag kommen sie heraus und verweilen auf dem Lande bis zum Peterstage. Sie sind gefährlich, deshalb dürfen die Ruthenen die ganze Pfingstwoche hindurch auf keine Stimme im Walde antworten 42 ). Vor allem treiben die H e x e n ihr Wesen. Sie versammeln sich auf Kreuzwegen, um dort ihre Tränke zu brauen 43 ). Nach dem Glauben der Zigeuner feiern sie in der Pfingstnacht ihr Jahresfest **). Die Schwelle muß man am Abend vor P. mit Salz bestreuen und mit Knoblauch einreiben, damit die „Bösen" den ,,Segen Gottes", der in dieser Nacht vom Himmel fällt, nicht vom Hause nehmen " J . Man soll am Pfingstheiligenabend nicht abfüttern und nichts ausborgen 4e). Am Pfingstsonntag melken die Hexen die Kühe auf der Weide und verwandeln sich dabei inSäugetiere 47). An vielen steirischen Orten ist es daher Sitte, daß am Pfingstsonntag vor Aufgang der Sonne die Kühe im Stalle von der

Bäuerin mit einer frischen Birkenrute auf den Rücken gestrichen werden, um sie das ganze Jahr vor Verhexung zu sichern48 ). Zu dem gleichen Zwecke speien die Zigeuner der Bukowina am ersten Pfingsttage auf ihre Haustiere und gießen ihren Urin in die vier Ecken ihrer Wohnungen und Viehställe 49). In einigen Gegenden Unterkrains fürchtet man am Pfingstsonntag vormittags die Kühe auf die Weide zu treiben, denn es könnten Hexen sie melken kommen und dann gäben sie das ganze Jahr hindurch Blut statt Milch50). Durch den Laubschmuck der Kirche hindurch kann man zu P. die anwesenden Hexen sehen 51 ). Schießen und das an vielen Orten geübte Peitschenknallen soll die bösenMächte vertreiben 52 ). Wenn man am Pfingstmorgen eine Handvoll Bohnen über das Hausdach wirft oder auf die Zaunpfähle die Schädel gefallener Pferde und Rinder steckt, können Hexen und Teufel den Hofraum nicht überschreiten B3). Auch das in der Pfingstnacht geübte mutwillige Verstellen von Sachen ist vielleicht ursprünglich ein Abwehrzauber54). Die Nacht auf den Pfingstsonntag heißt im oberen Mühlviertel (Oberösterreich) die „Unruhnacht", auch „Beosetnacht". Die jungen Burschen streifen singend und jauchzend in der Pfarrei herum und stellen die „Geiß" aufs Dach hinauf oder den Wagen. Auch im Innviertel heißt die Nacht die „Bosheitsnacht", weil da allerlei Schabernack geschieht 55). " ) K e l l n e r Heortologie 84. 86. » ) W l i s 23 locki Zigeuner 48. ) J o h n Erzgeb. 50; MschlesVk. 13, 54. 24 ) ZfVk. 22 (1912), 159 f. 25 2i ) Höhn Hochzeit 2, 2. ) H a l t r i c h Siebenb. 27 Sachsen 286. ) Pröhle Unterharz 6 (20). 28) ZfVk. 8, 442 (Steiermark); S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 62. 2») W i t z s c h e l Thüringen 30 2, 204 (12). ) B i r l i n g e r Volkst. 1, 76. 31 ) S é b i l l o t Folk-Lore 2, 122. 32 ) W l i s l o c k i Zigeuner 157. 3S ) Meiche Sagen 747. 3 4 ) Gradi Sagenbuch d. Egergaues 84. 36 ) ZfVk. 4, 401 f. (Ungarn). 3e ) Ebd. 403. 37 ) S é b i l l o t 2, 68. 105. M ) ZfVk. 7 (1897), 1 1 8 ; H e c k s c h e r 361; K n o o p Posen 24 (5); S é b i l l o t 2, 400. 3 ·) S c h e l l Neue bergische Sag. 21 (8). *°) H e r r lein Sag. d. Spessart 169. 4 1 ) Urquell 1, 1 1 5 . 145 fí.; B i l f i n g e r D. german. Juifest 104 f.; ω N i l s s o n in B R W . 2, 152; vgl. unten 3. ) G r o h m a n n Sagen 136; vgl. H a n u s c h Wissenschaft d. slawischen Mythus 2 9 7 f . ; Zelenin

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43 Russische Volkskunde 392 f. ) Krauss 41 Brauch 1 1 6 . ) W l i s l o c k i Zigeuner 1 7 1 ff. « ) Z f V k . 4 (1894), 401 (Ungarn). " ) L e m k e Ostpreußen 1, 18. E b d . 4, 401. ) W l i s l o c k i Zigeuner 120. Die Kalotaszeger Frau uriniert am Pfingstsamstag auf einen Besen und wirft ihn auf das Hausdach: Z f V k . 4, 401. » ) ZföVk. 4 (1898), 149. 51 52 ) L i p p e r t Christentum 640. ) Sartori Sitte 3, 190 f., vgl. 200; D e r s . Westfalen 160; F e h r l e Volksfeste 6 3 ; K a p f f Festgebräuche 18. In Dürrnberg b. Hallein schießt der Bauer morgens im Obstgarten „den heiligen Geist herab" : Jahrb. f. histor. Volksk. 2, 102 Anm. 47. M ) W l i s l o c k i Zigeuner 1 2 5 . M ) S a r t o r i 3, 1 9 1 A n m . 2. 5 5 ) B a u m g a r t e n Jahr 26.

3. Eine besondere Pflege der abgeschiedenen Seelen zu P. kommt namentlich bei verschiedenen Völkern der Balkanhalbinsel und in Rußland vor, wo der Name des römischen Festes der Rosalia zur Bezeichnung der P. geworden ist 6 ®). In fast allen Ländern der griechischen Kirche wird ein Totenfest mit Weihung von Broten, Friedhofsbesuch, Spielen und Tänzen am Sonnabend vor P. begangen 57 ). Bei den Sorben dagegen ist es am Pfingstnachmittag überall stumm. Die Leute besuchen den Gottesacker; es ist ein Bußtag 58). In der Frühe des Pfingsttages begehen die Zeltzigeuner Osteuropas ein Totenfest. Jeder geht vor Sonnenaufgang für sich allein zu einem Baume oder Felsen und zerschellt an ihm so viel Eier, als er Verwandte zählt, an deren Tod er sich noch erinnern kann. Diese Eier werden gewöhnlich aus Lerchennestern genommen, denn die Lerche ist der Lieblingsvogel der noch nicht ins Totenreich gelangten Seelen Be). Damit man das ganze Jahr hindurch keinen Brotmangel leide, schütteln im Kalotaszeger Bezirk (Ungarn) zwanzig bis dreißig Frauen ihre Mehlsäcke in einen Sack ab, der dann am Pfingstabend von einer Frau auf den Friedhof getragen wird, wo sie den Mehlstaub auf ein beliebiges Frauengrab schüttelt60). In Deutschland scheinen nur vereinzelte Spuren einer Gedächtnisfeier für die Toten um P. vorzukommen61). M ) N i l s s o n in B R W . 2 (1918), 1 3 3 ff. *') Ebd. 1 5 2 f. 1 5 4 ; A R w . 9, 4 5 5 ; M a n s i k k a

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Religion d. Ostslawen 1, 2 4 1 f. 246. 257 f. 364 f. 369; Z e l e n i n Russische Volkskunde 368 f. 392 f.; L i p p e r t Christentum 641. ee ) T e t z n e r s> Slaven 3 3 3 . ) W l i s l o c k i Zigeuner 158. e0 ) Z f V k . 4, 401. 6 1 ) S a r t o r i Totenspeisung 53.

4. Eine große Menge von Volksbräuchen, die der Frühling überhaupt und insonderheit der Mai ins Leben gerufen hat, hat sich namentlich an das Pfingstfest angeheftet. Die Häuser werden geweißt und gereinigt 62) und mit Pfingstbesen (Ginster) gekehrt e3 ). Neue Wäsche anziehen bringt Glück® 4 ). Neue Kleider stehen am feinsten 6S). Alles wird mit grünen Maien geschmücktββ) (s. Maibaum). Der Pfingststrauch, der zuerst ausgesteckt wird, ist der beste; er wird aufbewahrt, und seine Blätter sollen schlimme Wunden heilen 97 ). Nach neun Tagen soll man die Zweige auf die Tenne werfen, dann fressen die Mäuse nicht das Getreide ®8). Ruten aus Pfingstmaien sind in der Kindererziehung besonders wirksam; Pfingstmaien an den Haustüren und Kammerfenstern halten das Böse ab und bringen Segen ®9). Wenn man sie im Hause aufbewahrt, schlägt der Blitz nicht ein 70 ). Wenn man die Garben einzufahren beginnt, legt man als Schobergrundlage die Birkenzweige hin, mit denen die Häuser am Pfingsttage geschmückt worden sind 71 ). In der Krone des Pfingstbaumes schwebte früher eine hölzerne Taube als Sinnbild des h. Geistes 72 ). Bei den Sorben muß er am Pfingstabend gestohlen sein, sonst gilt er nicht für voll, und nachts 12 Uhr aufgerichtet sein 73). Der Gemeindemai wird nachts bewacht, damit er nicht gestohlen wird. Wenn aber die Pfingstsonne über ihm aufgegangen ist, darf er nicht mehr entwendet werden 74 ). Ebenso gefährdet ist die Pfingsthütte, das Laubgestell, in das ein Bursche hineingesteckt ist, im Fricktal (Aargau)75, und der Pfingstbutz 7 ®). Jung und alt wandert in den Wald, auf Berge und Höhen, an Brunnen und Quellen (s. P f i n g s t w a s s e r ) und zu Höhlen zum frohen Empfang des Lenzes 77 ). Zum Schulenstein, einer Höhle an der Hönne, zieht die Jugend der Umgegend am ι . Pfingsttage mit Strohschofen, die mit Birkenreisern umwunden

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sind, und zündet sie in der Höhle an 78). schen die Ostereier geschenkt haben, sind Manche Bräuche deuten selbst in der jetzt verpflichtet, ihnen ein Backwerk, Pfingstzeit noch auf einen K a m p f zwi- Pfingstkränzchen genannt, zu verabreischen S o m m e r und W i n t e r 7 9 ) . Auch chen 97). örtlich sind bestimmte S p e i s e n das T o d a u s t r a g e n spielt sich noch herkömmlich 98 ). In Tirol muß am hier und da ab m ). Vertreter des FrühPfingstsamstag abends Maibutter auf den lingssegens werden in verschiedener Ge- Tisch kommen 99 ). Wenn man Eierkäse stalt getötet und ihre Kraft dadurch frei ißt, dann geben die Kühe viel Milch 100 ). und wirksam gemacht 81 ). In mannig- Am Pfingstmorgen muß man stillschweifachen Formen vollzieht sich der W a s s e r - gend vor Sonnenaufgang einen Apfel verz a u b e r , vor allem an den menschlichen zehren, so wird man immer gesund bleiVertretern des pfingstlichen Vegetations- ben 101). Christian Weise behauptet, geistes82), und der segenbringende S c h l a g Leute zu kennen, die in der Meinung mit der Lebensrute 83 ). Die Fruchtbarkeit stehen, wenn sie nicht an der Pfingstdes A c k e r s wird mit magischen Mitteln mittwoche Schollen mit Knoblauch äßen, gefördert M ). Bei der katholischen Be- so würden sie noch dasselbe Jahr vor völkerung im Zobtener Halte ist es Martini zu Eseln 102). In Buchonien wird Brauch, daß am Pfingsttage, sobald die in Eierbier „ d i e S t ä r k getrunken" 1 0 3 ). Mittagglocke geläutet wird, die Bauern Am Trinken der „Schöne", das im Welzunter freiem Himmel im Garten und auf heimer Walde am Pfingstmontag im der Feldflur ein bestimmtes Pfingstgebet Wirtshause vor sich geht, sollen nur unverrichten 85). Wer am Pfingstsonntag bescholtene Mädchen teilnehmen 104). In vor Sonnenaufgang um des Nachbars Salzburg geschieht es so lange, bis Feld geht, eignet sich dadurch dessen man vom Stuhle fällt 105 ). Im Zürcher Wachstum an 88 ). In Trappold werden Oberland verabreichen die Bauern den die Fruchtbäume am 1. Pfingsttag wäh- Armen die „Pfingstmilch" im Glauben, rens des Mittagläutens mit einem Stroh- dadurch ihrerseits reichen Milchertrag band umwunden 87 ). Junge Paare rollen zu haben 10e). Am Pfingstsamstag wird sich den Hügel hinab 88 ). In einigen geweihte Kreide, Salz und Brot mit einem Dörfern der Grafschaft Hohenstein tritt geweihten Kranz verbrannt und die Asche die „Altweibermühle" in Tätigkeit 89 ). den T i e r e n eingegeben 107 ). Am 1. PfingstJunge Hausväter werden gehögt, aber tage sammelt man „Andermannhansch" ältere Junggesellen und Jungfrauen krie(Allermannsharnisch ?) und kocht davon gen eine Strohpuppe aufs Dach 90). Auch Tee fürs Vieh 108 ). In der Gegend um der menschlichen G e s u n d h e i t ist P. Lauben und Berwang ließen früher an förderlich. Gundelrebe, an P. während P. die Bauern vielfach Roßnägel weihen, der Predigt gepflückt, vertreibt Krank- die dann beim Beschlagen der Rosse verheiten 91 ). Durch Hinlegen eines über die wendet wurden. Man glaubte, diese leidende Stelle gestrichenen Lappens auf würden dann den Sommer über nicht die Mitte eines Weges in der Pflngstnacht „verkrummen" d. h. krumm gehen 109 ). vertreiben Zigeuner Hautleiden u. dgl. w ). Mädchen und Burschen sollen auf dem Weg Auch andere Mittel, um sich vor Krank- zur Kirche und auf dem Heimweg laufen heiten zu schützen, beschaffen sich die und miteinander scherzen, damit das Zigeuner in der Oster- und Pfingstwoche 93 ) Vieh recht munter wird 110 ). M) B a r t s c h und glauben sogar, in den Pfingstnächten Mecklenburg 2, 270; L e m k e sich die Gabe der Unsichtbarkeit an- Ostpreußen 1, 17. ,3 ) K u h n Westfalen 2, 167 (469); H o l s c h b a c h Volksk. d. Kr. Atteneignen zu können M ). Wie zu Ostern, kirchen 116 (mit geschälten Birkenreisern). so sind auch zu Pfingsten Eierspeisen M ) W l i s l o c k i Zigeuner 158; C o u r t n e y Corund -gebäcke besonders beliebt und wer- nish feasts and folklore 37 f. 65) H o l s c h b a c h 116. *•) Sartori 3, 205 ff. " ) K n o o p Hinterden an Nahstehende verschenkt 96 ). Die Kinder erhalten von ihren Paten bunte pommern 180. " ),0 S c h u l e n b u r g 254. ··) D r e c h s l e r ι, 123. ) E n g e l i e n u. L a h n 272; Eier 9 8 ). Die Mädchen, die ihren Bur71 ) Zelenin John Erzgeb. 26. Russische

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72 ) W r e d e Volksk. 37. Eifeler Volksk. 219. 74 ) W r e d e T e t z n e r Slaven 333. Rhein. Volksk. 267. '*) M a n n h a r d t 1, 323. '·) S a r t o r i 3, 202 Anm. 35. " ) Ebd. 3, 210 f. '·) n) K u h n Westfalen 2, 169 (475). Sartori з, 202 Anm. 35; Z f V k . 7 (1897), 88 f . ; K u h n и. S c h w a r t z 386; F r a z e r 4, 257. 80) S a r t o r i 3, 202 f. Anm. 36. 81 ) Ebd. 3, 203. 82) E b d . 3, 200; F e h r l e Volksfeste 70 f.; G e s e m a n n Regenzauber 69 ff. 83) S a r t o r i 3, 201. M ) Ebd. 217. ω ) D r e c h s l e r i, 125. 8e) J o h n West8 ') H a l t r i c h böhmen 232. Siebenb. Sachsen 287. 88) M a n n h a d t 1, 480; F r a z e r 2, 103. e») Nds. 9. 263. Auch in Anhalt: Z f V k . 7, 89. 81 ) H o f f m a n n Stracker jan 2, 80. K r a y e r 161. »2) S A V k . 14 (1910), 271. 83) W l i s l o c k i Zigeuner 66. 94. 120 f. 155. M ) Ebd. w) K u h n 157 f. , 5 ) S a r t o r i 3, 215. Westfalen 142 (414). *7) F o n t a i n e Luxemburg 50. , 8 ) S a r t o r i 3, 215 f. n ) Zingerle Tirol 161 (1368); S a r t o r i 3, 216. 10°) K u h n Westfalen 2, 167 (468). 101 ) B a r t s c h Mecklenb. 2, 281. l o a ) G r i m m Mythol. 3, 469 (940). 103 ) H e s s l e r 1M) Meier Hessen 2, 356. Schwaben 402. los) S e p p lw) Religion 155. HoffmannK r a y e r 160 f. 107 ) J o h n Westböhmen 208. 108) im) K u h n Westfalen 2, 170 (479). Reiser Allgäu 2, 142. 110 ) J o h n Westböhmen 78. 7S )

5. P. ist vor allem eine Festzeit für die H i r t e n 1 1 1 ) . Sie halten an vielen Orten am Pfingstmorgen ihren ersten A u s t r i e b 1 1 2 ) , und öfters ist schon von Ostern an eine besondere Weide freigehalten, die erst am Pfingsttage betreten und benutzt werden darf 1 1 3 ), ein Ort von besonderer Heiligkeit und Kraftwirkung m ) . Wetteifernd sucht jeder die Weide zuerst zu erreichen 116 ). Spät aufstehen gilt — und nicht nur bei den Hirten — als Schande, und der Langschläfer kriegt einen Spitznamen oder wird anderweitig bestraft 11β ). Der zuletzt antreibende Hirt, die zuletzt erscheinende Melkerin verfallen dem S p o t t u 7 ) . Die erste Kuh wird bekränzt, wie vielfach das V i e h überhaupt 118 ), s. P f i n g s t o c h s e . In Fußgönheim (Ludwigshafen a. Rh.) wird am Pfingstmontag morgens alles Vieh, sogar die Hunde, mit Kränzen geschmückt in Dorf und Feld herumgeführt, bei schönem Wetter oft von früh 5 bis mittags 12 Uhr. Alsdann werden die Tiere wieder in den Stall gebracht und mit jenen Kränzen gefüttert 118 ). Im Lüdenscheidschen erhalten die Kühe weiße Besen an die Hörner ; mit diesen wird durchs Haus gekehrt, worauf man sie vor, über oder neben der Kuhstalltür auf-

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hängt; sie werden auch noch mit Eichenund Stechpalmzweigen geschmückt 12°). An vielen Orten halten die Hirtenjungen — freilich nicht diese allein — einen U m z u g durch das Dorf und sammeln dabei Gaben, namentlich Eier, ein 1 2 1 ). Dabei wird oft ein Tier mitgenommen 122 ). Weit öfter wird ein in Laub gekleideter Bursche umgeführt, der unter den verschiedensten Bezeichnungen den neuerstandenen Wachstumsgeist verkörpert 123 ) ( P f i n g s t l , P f i n g s t b l ü t t l e r , Pfingstlümmel, Pfingstmockel, W a s s e r v o g e l usw.). ) S a r t o r i Sitte 3, 195 ff. l i a ) Ebd. 3, 192. Ebd. 3, 192 Anm. 8. 114 ) B a y H f t e 8 (1921), 58. 1 1 6 ) S a r t o r i 3, 192 f. 1 1 β ) Ebd. 3, 191; G r i m m Myth. 2, 655; H o f f m a n n - K r a y e r 161; G e r a m b Brauchtum 45; Z i n g e r l e Tirol 161 (1369); W r e d e Rhein. Volksk. 270; ZfrwV k . i l (1914), 139; F o n t a i n e Luxemburg 51. 1 1 7 ) S a r t o r i 3, 192 ff. l 1 8 ) Ebd. 3, 195. 11β) HessBl. 6 (1907), 174. 12 °) K u h n Westfalen 2, 167 (467). m ) S a r t o r i 3, 196 f. Bei den Xnselfriesen trägt die Jugend Kränze aus Faßreifen und gefärbtem und gekräuseltem Papier früh morgens in alle Häuser, wofür es Geschenke gibt: Globus 84 (1904), 224. 122 ) S a r t o r i 3, 198. 123 ) Ebd. 3, 198 ff. nl

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6. Eine besondere L o s z e i t ist P. nicht gerade. In der Nacht von Pfingstsonntag auf -montag gehen die Eheleute mit der Laterne in den Wald ; wenn sie den Mond sehen, stirbt der Mann früher (Wien) 124 ). Der Zukünftige erscheint, wenn man sich in derselben Nacht einen Kranz von neunerlei Blumen aufs Haupt setzt 12B ). In Frankreich nehmen die Mädchen Liebesorakel an der Quelle vor 1 2 e ). Nach dem Glauben der Zigeuner sollen, wenn am Pfingstmorgen Wolken am östlichen Horizonte schwimmen, in dem Jahre viele Mädchen ledig bleiben. Daher suchen die Mädchen sie durch Werfen von grünen Zweigen zu verscheuchen 127 ). „Sind dieP. rot, ist Jakobi tot" heißt es in Steiermark 128 ); in Tirol: „Schönes Wetter verspricht eine gute Ernte" 12e) und in Baselland: „Pfeistlen in Ehr ( = P. in Ähren), in sibe Wuche wageschwer" 1S0). a l 4 ) W Z f V k . 33 126 ) M e y e r (1928), 103. 12e ) S é b i l l o t Baden 165. Folk-Lore 2, 251. 1 2 7 ) W l i s l o c k i Zigeuner 130. 128 ) Rosegger Steiermark 66. 12 *) H ö r m a n n Volksleben 96; Z i n g e r l e Tirol 161. 13 °) S A V k . 12 (1908), 16. Sartori.

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Pfingstkönig—Pfingstochse

Pfingstkönig s. Sp. 1703. Pfingstlümmel s. Sp. 1662. Pfingstochse.

An vielen Orten wurde gegen Pfingsten ein Ochse durch die Straßen geführt, namentlich an den Häusern der Kunden des Schlächtermeisters, dem er gehörte, vorbei, um dann zum Feste geschlachtet zu werden. Er war reich mit Bändern und Kränzen geschmückt und erhielt aus den Häusern bunte Taschentücher, die ihm am Hörne befestigt wurden. Daher die Redensart „geputzt wie ein P.". Seine Begleiter sammelten Trinkgelder ein 1 ). In Rostock und Güstrow hieß dieser Ochse Pîposse 2 ). Kommt (in Rössing im Amte Calenberg) kurz vor Pfingsten ein Schlachter auf einen Bauernhof, um einen Ochsen, der zum Feste geschlachtet werden soll, abzuholen, so bindet das Dienstmädchen einen bunten Kranz, der dem Tiere umgehängt wird, und das Mädchen bekommt ein Trinkgeld dafür 3 ). Der festliche Schmuck deutet wohl darauf hin, daß die Schlachtung als eine feierliche Opferhandlung betrachtet wird 4 ). Doch mag auch der unter 2 behandelte Brauch auf jene Umführung eingewirkt haben. S. O s t e r o c h s e . *) G r i m m Mythol. 1, 41 Anm. 1; A n d r e e Braunschweig 257; B a r t s c h 2, 284 (1424); Nds. 4, 285 (Hannover); vgl. 5, 288; 4, 383 (Mecklenburg); W ü s t e f e l d Eichsfeld 101 ff.; MitteldBlfVk. 4 (1929), 134; S c h n i p p e l Osili. Westpreußen 1, 38; H e s e m a n n Ravensberg 92; J a h n Opfergebräuche 315 f. Im Osnabrückischen hatte man die Redensart; „ H e luurde as'n Pinkstoss (wat'r kuomen woll)": L y r a Plattdeutsche Briefe 30. In Ankum sagt man von einem großen Kranze; „Dei is so grot ässe wenne vör en Pingsterossen sien sali'*; Nds. 7, 271. 2) B a r t s c h 2, 284 (1424). In Oldenburg hatte man zu O s t e r n einen besonderen Aufzug, den Pîposs. Ein Knabe wurde in einen Sack gesteckt und in die einzelnen Häuser geschickt, wo er durch possierliche Sprünge die Bewohner zu einem Trinkgelde zu bewegen suchte. Wer nichts gab, dem warfen seine Begleiter Scherben vor die Tür; S t r a c k e r j a n 2, 74 f. 3) Nds. 27, 596. *) Auf der Norderditmarscher Geest wurde das zum Schlachten ^ür eine Hochzeit bestimmte Rind einige Tage vorher bekränzt und von den Schaffern in feierlichem Zuge durchs Dorf geführt, und dabei wurde viel Kaffee und Punsch getrunken: Urds-Brunnen 6 (1888/89), 85. In Hessen hieß der Schweinskopf mit einer

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Zitrone im Maule, der bei Hochzeiten von einer Jungfrau in feierlichem Zuge durch das ganze Dorf getragen wurde, „Pfingstochse": S t e m p l i n g e r Aberglaube 91. In Würzen (Sachsen) ist nach der Ernte Gänsereiten. Als Vorspiel werden zwei mit einer Krone von Flittergold gezierte und mit bunten Bändern behangene Gänse in Prozession herumgezeigt: J ü r g e n s e n Martinslieder 64.

2. Überhaupt wird zu Pfingsten das Vieh reich bekränzt 5 ), namentlich der Zuchtstier 6). In Masuren treibt man einen mit grünen Kränzen behangenen Ochsen mit der Herde aufs Feld 7 ). Im Sollinger Walde werden am 1. Pfingsttage alle Kühe auf dem Pfingstanger zusammengetrieben. Die Mädchen flechten eine Krone und setzen sie dem P.n aufs Haupt 8 ). In Marseille marschierete der Prachtochse, mit Teppichen behangen und mit Blumen bekränzt, sogar an der Spitze der Fronleichnamsprozession 9). In diesen Fällen liegt doch wohl die Absicht zugrunde, das frische Frühlingsgrün auch auf die Tiere des Hauses einwirken zu lassen. In Fußgönheim (Ludwigshafen a. Rh.) werden am Pfingstmontag die Pferde, Kühe, Rinder, Ziegen, ja sogar die Hunde, mit Kränzen geschmückt, oft von früh 5 bis mittags 12 Uhr in Dorf und Feld herumgeführt. Wieder in den Stall verbracht, werden sie mit jenen Kränzen gefüttert 10 ). In Westfalen heißt der beim Austrieb zuletzt kommende Ochse Pingstosse, die zuletzt erscheinende Kuh Pingstkau. Sie werden mit Blumen und Laub geschmückt (gekrönt), an manchen Orten aber auch mit einem Stroh- oder Nesselkranz 11 ). Bei den Polaben wird, wer Pfingsten zuletzt aufsteht, P. genannt 12 ), und wer in Baden zum Pfingstritt der Roßhirten am ι . Mai der saumseligste gewesen ist, heißt „Pfingsthagen" ( = Pfingststier) 1S ). Auch der zuletzt austreibende Hirt wird „Pfingstkalb" gescholten 14). In Bahrendorf geht am 2. Pfingsttage im Zuge der Hirten ein in Birkenbüsche gekleideter Junge als „Pingstkalv" mit 1 S ). In Breslau erhielt der Sieger beim Pfingstrennen einen Ochsen 1β ). 5 ) S a r t o r i Sitte 3, 195. ') D r e c h s l e r 1, 123. ') T o p p e n Masuren 70. e ) Urquell 1, 64. In Kleinbodungen wird am ersten Montag in den F a s t e n der Gemeindeochse von den Mädchen bekränzt und im ganzen Dorfe herumgeführt.

1697

Pfingstregen—Pfingstrose

Die Mädchen werden darauf bewirtet: W ü s t e f e l d Eichsfeld 54. · ) S e p p Religion 182. 1 0 ) HessBl. 6 (1907), 174. n ) K u h n Westfalen 13 12) T e t z n e r 2, 160. 161. Slaven 3 8 1 . ) M e y e r Baden 1 4 1 . 150. " ) J a h n Opfergebr. ls 1 5 306. 309. 3 1 2 f. ) Nds. 7, 291. ) D r e c h s l e r ι, 128. Sartori.

Pfingstregen. Wenn es Pfingsten regnet, so regnet es 40 Tage *) oder 6 2 ), 7 3 ), 10 4) Sonntage. Es verregnet der dritte Teil der Feldfrucht 5 ) oder die halbe Nahrung e ) oder doch die „Schnabelweide" (Erdbeeren, Moosbeeren, Kirschen) '). Es gibt mehr Spreu als Weizen 8 ). Das Obst fällt vor der Reife herunter 9 ); es regnet „den Weibern in die Suppenschüssel" 10 ) ; es gibt viele Mäuse u ) . In Glatz sagt man: „der P. ist schädlich, er fällt auf feurige Zungen" 12 ). Wenn es Pfingsten „in die Glocken" (also beim Morgenläuten) regnet, hält das Land keine Frucht 1 3 ). Im Kreise Altenkirchen (Rheinl.) heißt es aber : wenns am ersten Pfingsttage regnet, gibt es schönes Gras, wenn am zweiten, schönen Flachs 1 4 ). Vgl. M a i regen. 2 ) SAVk. M a n z Sargans 123. 2, 280. ) Ebd. 30, 87. 4 ) V e r n a l e k e n Alpensagen 6) R e i s e r 415. Allgäu 2, 1 4 2 ; B i r l i n g e r A. Schwaben 1, 388; P f i s t e r Hessen 164. «) Z i n g e r l e Tirol 161 (1370). ') Ebd. 161 (1373)· 8 ) ZföVk. 4 (1898), 150. ») M a n z Sar10) L e o p r e c h t i n g gans 123. Lechrain 186. 11 ) G r o h m a n n 1 2 ) ZfVk. Abergl. 60 (397). 1 3 10 (1900), 254; D r e c h s l e r 1, 132. ) Kück Wetterglaube 68 (genauer: Fucht = Feuchtigkeit). " ) H o l s c h b a c h Volkskunde d. Kr. Alienkirchen 116. Sartori. 3

Pfingstritt. Am Pfingstmontag werden an manchen Orten Grenzbegehungen und Flurumzüge zu Pferde vorgenommen, die den Saaten Nutzen bringen sollen 1 ). Auch halten Männer und Burschen einen Umritt um bestimmte Kirchen und Kapellen 2 ). Weltlicher Art ist die Umführung des Pfingstbutzen, Pfingstlümmels, Pfingstquaks, oder wie sonst sein Name ist, die oft zu Pferde vor sich geht 8 ). Vgl. P f i n g s t wettlauf. *) S a r t o r i Sitte 3, 2 1 6 f.; M a n n h a r d t I, 400; Urquell 5, 1 1 2 (Heddesdorf a. Rhein); BayHfte 8 (1921), 23 ff. ! ) S c h ö p p n e r Sagen I» 9 1 ; 3. 72; R o c h h o l z Naturmythen 21. B i c h t o l d - S t S u b l i , Aberglaube VI

I698

) S a r t o r i 3, 198 f.; G e r a m b Brauchtum 45 f.; BayHfte 8, 26 f. 29 f. 65 f. Sartori. s

Pfingstrose (Gichtrose; Paeonia officinalis. Die Samen: Gichtkörner, Zahnkorallen). ι. Botanisches. Gartenpflanze mit rübenförmig verdickten Wurzelfasern, doppelt dreispaltigen Blättern und großen roten (in der Kultur auch weißen oder gefüllten) Blüten. Die P. stammt aus den Mittelmeerländern; auch andere in Ostasien heimische Arten werden jetzt in unseren Gärten gezogen *). ') M a r z e i l Kräuterbuch

160 f.

2. Die P. verdankt ihr Ansehen im Aberglauben der antikenÜberlieferung 2 ). Nach (Pseudo-)Theophrast 3 ) soll man die P. (παιωνία, γλυχοσίόη) zur Nachtzeit graben. Wenn man sie am Tage grabe und würde dabei von einem Spechte gesehen, so kämen die Augen in Gefahr. Wenn man die Wurzel ausgrabe, so bekäme man einen Vorfall des Afters. Nach Dioskurides 4 ) hilft die P. gegen Alpdrücken (προς του» υπό των έφιαλτών πνιγομενοος). Ebenso sagt Ρ l i n i us 6 ) von der „paeon i a " : , .medetur et Faunorum in quiete ludibriis". In der mittelalterlichen Zauberliteratur erscheint die P. verschiedentlich „ad effugandos daemones et phantasmata mala" e ). Auch in die alten Kräuterbücher sind die antiken Rezepte übergegangen: „ 1 5 schwartzer Peonienkörner . . . sindt treffentlich gutt wider den Alp oder Schrätel, das ist ein sucht oder fantasey so den menschen im schlaff druckt, daß er nicht reden noch sich regen kann" 7 ). Die P. bzw. ihre Samenkörner werden dementsprechend besonders gegen „dämonische" Krankheiten verwendet. So heißen die P.nkörner im Fränkischen ab und zu „Schreckkörner" (das „schreckhafte" Auffahren der Kinder im Schlafe!), sie werden Kindern als Amulett umgehängt 8 ). Schon M a t t i o l i · ) sagt: „auch ist es gut, daß man diss kraut in die kinderwiegen stecke / es bewaret für dem schrekken, so den kindern gemeiniglich in der nacht zufellt, vertreibt auch ander gespenst". Noch jetzt wird häufig den zahnenden Kindern ein Halsband aus P.nkörnern (Fraisperlen) gegen Fraisen, 54

Gichter usw. oder damit sie „leicht zahnen" umgehängt 10 ). In der Schweiz hängt man den Kindern 77 P.nkörner als ,,Halsbätterli" gegen Freischlich, Kindswehe und Kindergichter u m 1 1 ) . Die P. heißt daher auch dort ab und zu „Chindsweh-Rose" 12 ). Auch legt man in das erste Badewasser des Kindes einen ,.Gichtrosenstengel", damit dies vor Gichtern bewahrt bleibe 13 ) ; die Rumänen tun das gleiche, damit das Neugeborene frisch und rosig werde wie eine P. u ) , s. Rose. Als „Gichtwurzel" wird die P. auch in das Tragekissen des Kindes gelegt 15 ). Wenn man Lumpen auf einen „Gichtrosenstrauch" bindet und wäscht mit diesen Lumpen das Kind oder wenn man das Taufwasser über einen solchen Strauß schüttet, dann bekommt das Kind die Gichter nicht 1β ). Die Blätter der P., mit denen am Fronleichnamstage geschmückt wird, dienen zerrieben gegen das Wundwerden der Kinder 17 ). 3

*) Vgl.

auch

Pradel

Gebete 112.

114 f.

) Hist, plant. 9, 8, 6. 4 ) Mat. med. 3, 140. 6 ) Nat. hist. 25, 29. ·) Mysteria phys. med. 1 6 8 1 , 2 4 ; W o l f f Scrutinium amulet, med. 1692,

144. ') M a t t i o l i Kreuterbuch 1563; vgl. 8 B r u n f e l s Kreuterbuch cap. 309. ) H ö f 1er Krankheitsnamen 165. 602; Monatshefte für d. naturwissensch. Unterricht 2 (1909), 119. 369 f.; Z i n c k e Oeconom. Lexikon 2 (1744), 2 1 5 7 ; MittG e s c h M e d N a t w . 5 (1906), 202. ·) Kreuterbuch 10

1563. 383·

) ZföVk. 13, 119;

Schroeder

Apotheke 1693, l ° 9 9 ; L a m m e r t 123; W u t t k e 393 §602; Urquell 4, 95 f. (galizische Juden); A n d r e e - E y s n Volkskundliches 1 3 5 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2,220; H o e l z l Galizien 153; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 489; R o l l a n d Flore pop. I, 126; D y e r Plants 284. l l ) R o c h h o l z Kinderlied 334. 12 ) Schwld. 6, 1402. 13 ) H ö h n

Geburt 260. ls

) Höhn

1700

Pfingsttau

1699

14

) R o l l a n d Flore

Volksheilkunde i ,

Pennsylvania 125.

333. 335.

17

143.

pop.

) Andrian

le

1,

127.

) Fogel Altaussee

3. Als a n t i d ä m o n i s c h e s Mittel wird die P. besonders gegen die Epilepsie (fallende Sucht) verwendet 18 ). Schon Galenos (2. Jh. n. Chr.) empfahl die P. zu diesem Zweck 1β ). Im Herbarius des (Pseudo-)Apuleius 20 ) heißt es von der „peonia": „ A d l u n á t i c o s . Herba peonia si lunatico iacenti inposita fuerit, statini se levât ut sanus, et si eam secum habuerit, nunquam ei accedit". Ebenso empfiehlt die hl. H i l d e g a r d 2 1 ) den

P.nsamen gegen die „vallendsucht" (fallende Sucht). Jedenfalls auf die antike Überlieferung gehen auch die Angaben von A l b e r t u s Magnus 2 2 ) und K o n r a d von Megenberg 23). Als Epilepsiemittel muß die P. bei abnehmendem Mond und zwar im Juli an einem Sonntag in der Mittagsstunde gegraben werden 24), nach schwäbischem Glauben vor Sonnenaufgang 25). In Siebenbürgen schneidet man die frische Wurzel in Scheiben und hängt 7 oder 13 Stück an einen Faden gereiht um den Hals; sie muß im Neumond gegraben werden 26 ). In Dänemark hängt man dem Epilepsiekranken ein Halsband aus 40 P.nsamen um; jeden Tag nimmt man ein Samenkorn weg, zerstampft es, legt es ins Wasser, gibt je drei Tropfen Blut von Vater und Mutter dazu und trinkt dann das Wasser 27). Auch gegen Hexenschuß soll die P. Verwendung finden 28). 18

Gesch. d. Medizin

) Vgl. auch D i e p g e n

2 (1913), 80.

2 (1923), 360.

le

20

) T h o r n d i k e Hist, of Magic

) Edd. H o w a l d e t

Sigerist

1927, 120. 2 1 ) Physica 1, 127. 2 2 ) De Vege23 tabilibus V I , 4 1 5 . ) Buch der Natur ed.

P f e i f f e r 415. 4. 43;

v

21

) A l b e r t u s Magnus20 Toledo

g!· auch S c h r o e d e r Apotheke 1099;

ZfrwVk.

1909,

256.

25

)

Lammert

271.

) S c h u l l e r u s Pflanzen 1916, 187. 27 ) R o l l a n d Flore pop. 1, 126. 2β ) L a m m e r t 269. 2e

4. Nach altem, sicher auf die Antike (s. unter 2) zurückgehendem Glauben vertreibt die P. die Gespenster29), besonders den Nachtmahr 30 ). „Peonienwurtzel . . . . wird von etlichen für Ungewitter und Gespenst gebraucht" 31 ). Es geht dies auf (Pseudo-) A p u l e i u s 32) zurück, wo es in manchen Hss. heißt: „si eam (seil, peoniam) in nave habueris, tempestatem compescit". Als Apotropaeum gilt die P. besonders im Aberglauben der Armenier 33 ). 2 ») S e l i g m a n n Blick 2, 79. S c h r o e d e r Apotheke 1693, 1099;

Ordbog 2, 32

831.

31

) Praetorius

30 ) z.B. Feilberg

Phil.

56.

) Herbarius edd. H o w a l d e t S i g e r i s t 1927, 120. 33 ) R o l l a n d Flore pop. 1, 126.

5. Wenn man einen Gichtrosenstock weggibt, stirbt eines aus der Familie in dem Jahr 34), vgl. Rosmarin. M

) Fogel

Pennsylvania

131.

Marzeil.

Pfingettau. ι . Im Morgentau des Pfingstsonntags wandelt man in den Ennstaler Bergen

1702

Pfingsttauf—Pfingstwasser

(Steiermark) herum, um das Jahr über gegen Hexen gefeit zu sein. Auch streicht man ihn auf ein Stück Schwarzbrot und gibt ihn den Kühen, um sie vor Verhexung zu sichern 1 ). Am besten ist der Tau, der unmittelbar am Flusse ist. Darum gehen die jungen Mädchen am ersten Pfingsttage auf eine Flußwiese, um sich mit Tau zu bestreichen. Sie bekommen dann das ganze Jahr keinen Ausschlag im Gesicht (Posen) 2 ). Auf der Pfingstwiese bei Steinau im Hanauischen sammelte man am Pfingstsonntag den Tau, trank ihn und wusch sich damit 8 ). Mit Weizentau wäscht man sich am ersten Pfingsttage vor Sonnenaufgang gegen Sommersprossen 4 ). Wird an diesem Tage das Vieh im Tau gehütet, so gibt es reichlich Milch (Sagan) 5 ). !) ZfVk. 5 (1895), 407f- 2) Ebd. 22, 91 (15)· 3 4 ) L y n c k e r Sagen 248 (329). ) Seyfarth Sachsen 252.

6

) D r e c h s l e r 1, 118.

2. An vielen Orten heißt der Hirt, der am Pfingstmorgen zuerst oder zuletzt mit seinen Tieren auf die Weide kommt, T a u s c h l e p p e r oder ähnlich 6 ). In Westfalen wurde der „Däwestrüch" (Taustrauch) oben auf einem Berge auf einen Strauch gesetzt und unter Freudengeschrei bis unten ins Tal durch den Tau gezogen '). Beim Sammelgang trägt der „Dauschleper" einen grünen Busch am Fuß 8 ). Auch der Sieger im Pfingstwettrennen (s. d.) heißt „Dauschlöpe^-" e ). Eine ähnliche Bezeichnung erhält das zuerst auf die Weide kommende Pferd oder die erste Kuh 1 0 ). In der Altmark wird das siegende Tier mit der „Dausleipe", einem Maienbusch, geschmückt 1 1 ). In Sprakensehl im Hannoverschen heißt die letzte Kuh „Dauschlöpper" 1 2 ). Alle diese „Tauschleifer" werden damit geehrt, daß ihnen der segenbringende P. zuerst und am reichlichsten zuteil wird 1S ). e

) S a r t o r i Sitie 3, 192 f. Anm. 9.

Westfalen

2,

165.

e

) Bartsch

') K u h n

Mecklenburg

2, 171; Nds. 7, 291. ') K u h n u. S c h w a r t z 379 (53: Altmark), vgl. 380. 10 ) M a n n h a r d t ι , 382. 384. 390. 391; K u h n Mark. Sag. 315 f.